Kasusrelationen und semantische Emphase 9783050067513, 9783050017716


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German Pages 225 [228] Year 1991

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zielstellung und Aufbau der Arbeit
3. Grundannahmen und formale Hilfsmittel
4. Monotonie
5. Die verwendeten Funktionen und Prädikate
6. Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen
7. Die Besitzwechselverben
8. Änderungsverben mit dem Kernprädikat ISA
9. Einige weitere Verbfelder
10. Die be- und ent-Verben
11. Instrument und Mittel
12. Offene Probleme
Zusammenstellung der Definitionen und Bedingungen
Literaturverzeichnis
Anmerkungen
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Kasusrelationen und semantische Emphase
 9783050067513, 9783050017716

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Jürgen Kunze Kasusrelationen und semantische Emphase

ZENTRALINSTITUT FÜR SPRACHWISSENSCHAFT

studia grammatica Herausgegeben von Wolfgang Mötsch, Manfred Bierwisch und Jürgen Kunze

studia grammatica XXXII

Jürgen Kunze Kasusrelationen und semantische Emphase

Akademie Verlag

Autor: Prof. Dr. habil. Jürgen Kunze Zentralinstitut für Sprachwissenschaft Prenzlauer Promenade 149-152 0-1100 Berlin Bundesrepublik Deutschland Manuskriptbearbeitung: Heike Stumpf Herstellungsleitung: Alexander Herz Herstellerische Betreuung: Christian R Biastoch

ISBN 3-05-001771-6 ISSN 0081-6469 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 1991 Erschienen in der Akademie Verlag GmbH, 0-1086 Berlin (Federal Republic of Germany), Leipziger Str. 3 - 4 Alle Rechte, insbesondere die der Obersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprinting, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when not specifically marked as such, are not be considered unprotected by law.

Satz: deutsch-türkischer Fotosatz, Ibrahim Asian, Berlin. Druck und Bindung: GAM-Media GmbH, Berlin. Bestellnummer: 2115/32 Printed in the Federal Republic of Germany

Inhaltsverzeichnis

1.

Einleitung

7

2.

Zielstellung und Aufbau der Arbeit

9

3.

Grundannahmen und formale Hilfsmittel

16

4.

Monotonie

28

4.1. 4.2. 4.3.

Vorbetrachtungen Definitionen und Folgerungen Monotone Wege

28 33 39

5. 5.1. 5.1.1. 5.1.2. 5.1.3. 5.1.4. 5.2. 5.2.1. 5.2.2. 5.2.3. 5.2.4. 5.2.5. 5.2.6. 5.2.7. 5.2.8. 5.2.9. 5.2.10. 5.2.11. 5.2.12. 5.2.13. 5.3.

Die verwendeten Funktionen und Prädikate Funktionen Die Funktion ref Die Funktionen loc und area-d Die Funktionen eloc und etime Die Funktionen init, med und fin Prädikate Das Prädikat CAUSE Das Prädikat N O T Das Prädikat E T Das Prädikat BECome Die Prädikate B E G I N und E N D Das Prädikat MIDdle Die Prädikate ACT und E F F Das Prädikat ISA Die Prädikate E X I S ^ und EXIST Das Prädikat HAVE Das Prädikat PARTOF Das Prädikat PLACE-d Weitere Prädikate Lokationsprädikate und assoziative Prädikate

44 44 44 45 48 48 50 50 53 54 54 55 57 59 61 61 63 63 63 65 65

6. 6.1. 6.1.1. 6.1.2. 6.1.2.1. 6.1.2.2. 6.2. 6.2.1. 6.2.2. 6.2.3. 6.2.3.1. 6.2.3.2.

Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen Semantische Grundformen Status und Leistungen der semantischen Grundformen Kasusrelationen und Rollen Vorbetrachtungen Die rekursive Definition der Rollen Sememrepräsentationen Semantische Emphase und inhärente Teilpropositionen Rollenblockierungen Aktanten Aktantenkombinationen, obligatorische und fakultative Aktanten Die Oberflächenform der Aktanten

69 69 69 74 74 78 90 91 102 119 122 127

6

Inhaltsverzeichnis

7. 7.1. 7.2. 7.2.1. 7.2.2. 7.2.3. 7.3. 7.4. 7.5. 7.6.

Die Besitzwechselverben Vorbetrachtungen Kausative Besitzwechselverben mit einfacher Aktantifizierung Verben vom „geben"- r iyp Verben vom „nehmen"-Typ Besitzwechselverben ohne Agens Kausative Besitzwechselverben mit null-oder zweifacher Aktantifizierung Ein Vergleich mit Jackendoffs Analyse Zustandsverben Das bekommen-Passiv

130 130 131 132 134 134 138 144 145 147

8. 8.1. 8.2. 8.2.1. 8.2.2. 8.3. 8.4. 8.4.1. 8.4.2. 8.5.

Änderungsverben mit dem Kernprädikat ISA Vorbetrachtungen Kausative Verben mit einfacher Aktantifizierung Klassenwechselverben Veränderungsverben Kausative Klassenwechsel-und Veränderungsverben mit nullfacher Aktantifizierung Verben ohne Agens Klassenwechselverben Veränderungsverben Die mit- und a/s-Phrasen als akzessorische ISA-Aktanten

151 151 158 158 159 161 167 167 168 169

9. 9.1. 9.2. 9.3.

Einige weitere Verbfelder Änderungsverben mit dem Kernprädikat EXIST EXIST-Verben mit dem Prädikat PARTOF Ortswechsel-und Bewegungsverben

176 176 178 183

10. 10.1. 10.2. 10.3. 10.4.

Die be- und ent- Verben Deverbative be-Verben Denominale be-Verben Deadjektivische be-Verben Die ent- Verben

188 188 194 195 197

11.

Instrument und Mittel

200

12.

Offene Probleme

216

Zusammenstellung der Definitionen und Bedingungen

220

Literaturverzeichnis

222

Anmerkungen

224

1. Einleitung

Ausgangspunkt der im folgenden dargestellten Überlegungen war die Schaffung von Grundlagen für die Komprimierung und Vereinheitlichung der Eintragungen in automatischen Wörterbüchern, genauer gesagt, in lexikalischen Datenbasen für die automatische Sprach Verarbeitung. Diese Komponente stellt den schon fast sprichwörtlichen Flaschenhals für größere Systeme dar, vor allem dann, wenn man die Sphäre der rein experimentellen Beschäftigung mit den verschiedenen Anwendungsgebieten verläßt und die notwendigen Datenbestände einen Umfang erreichen, der ihre Aufstellung durch wenige verschworene Erarbeiter ausschließt und die unmittelbare intellektuelle Kontrolle zu einer kaum zumutbaren Sisyphusarbeit werden läßt: Inhalt und Darstellungsform sind innerhalb eines Wörterbuchs kompatibel zu halten, sie sind der Prozedur, in die sie eingehen, in exakter Weise anzugleichen, es sind eventuelle Bezüge zu anderen Dateien zu sichern etc. Der natürliche Weg, diese Probleme „irgendwie" zu lösen, ist der des geringsten Widerstandes mit der unerfreulichen Konsequenz, daß für jedes neue System (und dies gilt auch schon für relativ kleine Ausführungen) wieder neue Wörterbücher notwendig werden. Sie sind oft nur Umschichtungen und Reformulierungen vorhandener Bestände. Selbstverständlich ist das Wörterbuch, das alle Bedürfnisse für alle Zeiten befriedigt, eine Illusion, dennoch erscheint es durchaus möglich, die skizzierte unbefriedigende Situation durch die Schaffung eines MutterTochter-Verhältnisses zwischen derartigen Beständen zu mildern. Eine damit verbundene „lexikalische Datenquelle", die durch Spezifizierungen und (mehr oder weniger rein formale) Umcodierungen entsprechende Wörterbücher zu erarbeiten gestattet, ist von größtem Nutzen, nicht zuletzt wäre sie auch für die Lexikographie ein nicht zu verachtendes Hilfsmittel. Neben den verschiedenen Anwendungsabsichten sind es mindestens drei Faktoren, die die Divergenz (und damit die Inkompatibilität) der einzelnen Wörterbücher hervorrufen: das theoretische Credo (sei es nun expressis verbis angegeben oder im Detail versteckt), seine subjektive Ausformung und konkrete Umsetzung sowie schließlich das Schema, der Rahmen, in dem das Ganze konzipiert ist. Letzteres kann von einer Kl-Philosophie über informatische Grundsätze bis zu Fragen der Programmiersprache und der Codierung reichen. Der erste Faktor ist nur der Ausdruck dessen, daß es das „theoriefreie" Wörterbuch nicht gibt. Der dritte spielt für das Folgende keine Rolle, und er sollte sich eigentlich auch immer nur auf die Töchter beziehen. Mehr noch als in der traditionellen Lexikographie sind es vor allem die Verben, die bei der sprachverarbeitenden Gemeinde den Schwerpunkt bilden. Die Gründe dafür müssen hier nicht erörtert werden, es bleibt eigentlich nur die Frage, warum bei Nomina und Adjektiven meist des Guten etwas zu wenig getan wird. Gerade die Verbindung von Adjektiven mit Nomina bietet äußerst klare Belege dafür, daß die semantische Repräsentation beider wesentlich mehr enthalten muß als die Anreihung von drei bis acht Merkmalen.

8

Einleitung

Diese Arbeit beschränkt sich ausschließlich auf Verben, genauer, auf die Aktantenproblematik. Als Lieblingskinder innerhalb der automatischen Wörterbücher manifestieren die Verben in besonderer Weise die eben besprochenen Mängel: Selbst bei solchen relativ klaren Begriffen wie Kasusrahmen oder Valenzmuster, die für alles vom Parsing an aufwärts unerläßlich sind, gehen die Ansichten weit auseinander, nicht zu sprechen von ihrer theoretischen Begründung durch Tiefenkasus und Verwandtes. Das theoretisch wie formal gesunde Prinzip, daß jede Information nur einmal angegeben werden und (als eine logische Fortsetzung dessen) jede ableitbare Information als abgeleitet erscheinen soll, bleibt oft auf der Strecke. Dieser Grundsatz gewinnt für ein „Mutterwörterbuch" eine verstärkte Bedeutung, er wird sogar unerläßlich; denn sonst sind Redundanzen und Widersprüchlichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes „vorprogrammiert". Die eingangs genannten Grundlagen sind vor allem in der Linguistik angesiedelt. Ihre detaillierte Darstellung wird von den gegebenen Randbedingungen diktiert, wobei hier in erster Linie Aspekte der Wissensrepräsentation und -Verarbeitung eine Rolle spielen. Entsprechende Fragen werde ich bei einigen Gelegenheiten anschneiden. Für diese Zwecke sind exakte Begründungen und formal leicht manipulierbare Repräsentationen eine notwendige Bedingung, so daß ich darauf besonderen Wert gelegt habe. Meine Überlegungen knüpfen selbstverständlich an andere Arbeiten an. Der Leser wird unschwer entdecken, daß das Repräsentationsinventar Ähnlichkeiten mit der generativen Semantik aufweist. Entscheidende Anregungen habe ich z.B. von Manfred Thiel ( T H I E L 1982) übernommen, und auch die einschlägigen Ergebnisse von E U R O T R A - D (Working Papers N° 2, N° 3) waren für mich besonders wertvoll, wenngleich meine Lösungsvorschläge im Detail etwas anders aussehen. In der mittleren Phase der Erarbeitung waren die „Verben in Feldern" ( S C H U M A C H E R 1986) ausgezeichneter Materialfundus und Anlaß zu weitergehenden Betrachtungen. Hausintern ergaben besonders die ständigen Diskussionen im engeren Kreis der Kollegen und in der Forschungsgruppe „Kognitive Linguistik" von Manfred Bierwisch für mich eine Reihe von Anregungen und Korrekturen. Die bereits erschienenen Arbeiten von Uwe Jung und Herbert Küstner ( J U N G / K Ü S T N E R 1990) sowie von Gerda Klimonow ( K L I M O N O W 1989) haben mit der vorliegenden Arbeit einige gemeinsame Wurzeln. Obwohl in der zuerst genannten die Thematik in eine andere Richtung weist, ergeben sich doch mehrere Gemeinsamkeiten, und einige der dort entwickelten Mechanismen werde ich unmittelbar anwenden. Zu der Arbeit von G. Klimonow bestehen trotz verwandter Thematik wesentliche Unterschiede in den theoretischen und formalen Grundannahmen, die einen Bezug nur bei einigen Fragen gestatten.

2. Zielstellung und Aufbau der Arbeit

Dem intuitiven Begriff, der in verschiedenen Ausprägungen unter den Markenzeichen „Tiefenkasus", „Rolle", „Kasusrelation" gehandelt wird, ist vielfach der Makel der theoretischen Überflüssigkeit angelastet worden. Die beiden Hauptargumente in dieser Richtung lauten: Es gibt keine klaren und allgemeinen Definitionen dafür, die Tiefenkasus stellen außerdem einen abgeleiteten Begriff dar. Das erste ist aus der Literatur der letzten zwanzig Jahre reichlich belegbar und wird durch die chaotische Vielfalt von Vorschlägen und Motivationen noch unterstrichen. Die Ursache für dieses Faktum scheint jedoch reziprok mit dem zweiten in Verbindung zu stehen: Wo ist denn ein System von Tiefenkasus (wenigstens für eine Sprache) jemals im strikten Sinne abgeleitet worden? In dem Maße, wie dies gelingt, verwandelt sich der angebliche Nachteil der Ableitbarkeit in einen Vorzug, man weiß dann wenigstens, wovon man spricht, wenn man mit Tiefenkasus umgeht, sofern die Entitäten, aus denen sie abgeleitet sind, selber klar und plausibel sind. Dies vorausgesetzt, fällt oder steigt der Wert des intuitiven Begriffs mit dem Umfang dessen, was er in seiner präzisierten Form zu leisten vermag. Insbesondere ist zu prüfen, ob er dann den von ihm beanspruchten Platz zwischen Semantik und Syntax wirklich ausfüllt und damit eben jener Aufgabe gerecht wird, die ihm schon Fillmore zugewiesen hat, nämlich der Umsetzung von semantischen Relationen in grammatische Kasus. Was ich in dieser Arbeit vorführen werde, ist ein exakter Mechanismus, der relativ simple semantische Grundformen (die nur aus Prädikaten und Variablen bestehen) als Input hat und ganz konkrete Oberflächenmuster ausgibt, die, wenn man gewisse, kaum erklärbare Feinheiten nivelliert, bis auf die erste Stelle hinter dem Komma zutreffen. Diese letzte Formulierung paßt vielleicht besser in einen Werbeprospekt als in die Zusammenfassung einer linguistischen Grundlagenarbeit. Trotzdem werde ich diesen Stil noch etwas mehr bemühen, um dem Leser die Lektüre des Opus ein wenig schmackhafter zu machen; denn gerade wegen des ziemlich bescheidenen Grundinventars sind die Betrachtungen streckenweise kompliziert. Ganz im public-relationsStil empfehle ich Ihnen daher, dieses Heft sofort dem Antiquariat anzubieten oder in die Bibliothek zurückzubringen, wenn Sie systematische Erklärungen oder Antworten zu folgenden Punkten haben: 1. Die Sätze (1) Der Bundestag wählt Brandt zum Kanzler. (2) Der General befördert Karl zum Major. sind völlig parallel: Brandt wird Kanzler, Karl wird Major. Warum ist dies nicht so bei (3) Der Bundestag wählt den Kanzler, (jemand wird Kanzler) (4) Der General befördert den Major, (jemand hört auf, Major zu sein) Der Widerspruch bleibt auch dann, wenn man (3) in folgenden (kommunikativ unvollständigen) Satz verwandelt (vgl. (31)):

10

Zielstellung und Aufbau

(5) Der Bundestag wählt einen Sozialdemokraten, (jemand hört nicht auf, Sozialdemokrat zu sein, er wird zusätzlich noch etwas anderes, z.B. Kanzler) 2. Warum kann man die Sätze (6) Puppen entwickeln sich aus Raupen. (7) Puppen entwickeln sich zu Imagines. nicht zu (8) *Puppen entwickeln sich aus Raupen zu Imagines. zusammenfassen? Wie ist die Gleichheit der Präpositionen in einer korrekten Aktantifizierung von (8), etwa (9) Insekten entwickeln sich aus/von Raupen über Puppen zu Imagines. und in dem Satz (10) Er ging aus/von dem Haus über den Platz zur Haltestelle. einzuordnen? 3. Was steckt hinter folgenden Sätzen: (11) Er nahm ihr/*von ihr das Geld ab. (12) Er nahm *ihr/von ihr das Geld an. (13) Er schickte ihr/*an sie den Brief zu. (14) Er schickte *ihr/an sie den Brief ab. Sind die Abweichungen systematisch, eventuell sogar strikt dual? 4. Die Präpositionen für und gegen sind wohl kaum als synonym anzusehen. Trotzdem hat man (15) Er verkauft das Buch für 20 Mark. (16) Verkauf nur gegen konvertierbare Währung! (Schild an der Tür eines Intershops) (17) Sie gab ihm das Buch für die Schallplatte. (18) Sie händigte ihm das Buch gegen eine Quittung aus. Wie kommt dieser Spielraum zustande, und warum ist die Wahl der Präposition letztlich gleichgültig? 5. Während bei 4. wenigstens noch klar ist, was geschieht, und nur die Wahl der Präposition offenbleibt, bereiten Sätze der Form (19) x tauscht u für/gegen v ein. ernsthafte Verständnisschwierigkeiten: Hat x am Ende u oder v? Woran liegt das? Warum ist dies nicht so bei einkaufen anstelle von eintauschen in (19), selbst wenn man es bei x, u und v beläßt, d.h. Ware und Preis nicht kenntlich macht? 6. Warum kann man auch trotz größter Anstrengung bei ausrauben die Beute und bei entkleiden die Dessous nicht aktantifizieren, obwohl sie doch notwendige (innere) Argumente sind? Es ist leicht zu sehen, daß eine simple All-Quantifizierung vor der Grundform das Problem nicht löst. 7. durch ist garantiert keine einfache Lokalisierungspräposition. Wie wird sie in (20) Er schwimmt durch den Fluß. erzeugt, welche Proposition (mit welcher Präposition) verbirgt sich dahinter, ist dies parallel zu (10)? 8. Wie erklärt man die folgenden Sätze: (21) Er stammt aus einer reichen Familie. (22) Das Buch paßt in die Tasche. Hier liegen „Zustandsverben" mit klaren SOURCE- bzw. GOAL-Aktantifizierungen vor. Wie kann man (23) Das Buch habe ich von Karl.

Zielstellung und Aufbau

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ohne Annahme einer Ellipse erklären? 9. Warum enthält der deutsche Wortschatz seitenlang Verben mit den Präfixen/ Zusätzen an, auf und ein, aber nur eine Handvoll mit neben oder hinter? Warum ist trotz (24) Er legte es an/auf/ein/über/vor/... der Satz (25) *Er legte es neben. abweichend, d . h . , warum kann hier das Komplement der Präposition nicht gekappt werden? 10. Welche semantischen Veränderungen finden bei der Bildung von be-Konversen statt? Welche Rollen realisieren die m/i-Phrasen in (26) Er bebaut das Grundstück mit einem Bungalow. (27) Er vergiftet den Köder mit Arsen. (28) Er vergiftet den Köter mit Arsen. (29) Er überklebt das Schild mit einem Zettel. (30) Er schneidet die Wurst mit einem Messer. Welche davon entspricht der Rolle der mit-Phrase in (31) Mit Brandt wählte der Bundestag einen Sozialdemokraten zum Kanzler. oder ist dies eine weitere Rolle? Ein theoretischer Ansatz ist nicht nur daran zu messen, was er „positiv" erklärt, sondern auch daran, was er nicht determiniert an einer Stelle, wo nichts determiniert ist. Dies gilt für 4. und 5.: Ich werde ausführlich zeigen, daß die Wahlfreiheit für! gegen und die durch eintauschen markierte Kalamität in dem Formalismus explizit reflektiert werden, wenn man (als selbstverständliche Voraussetzung) die Bedeutung von für und gegen und den Effekt von ein auf das tatsächlich Gegebene beschränkt. Dies kann man aus klaren Fällen wie etwas einsetzen für etwas, etwas austauschen gegen etwas eindeutig extrahieren (wobei hier sogar eine strikte Dualität „ein-V 4für" vs. „aus-V + gegen" vorliegt, d.h., für/gegen sind keinesfalls frei wählbar). Unerklärbar bleibt das Faktum, daß der Sprachgebrauch bei formal freier Wahl von für/gegen die erste Präposition meist vorzieht. Was die Erzeugung von konkreten Oberflächenmustern aus semantischen Grundformen betrifft, so stellt sich automatisch die Frage, warum derartige Zusammenhänge nicht schon längst beschrieben sind. Die Antwort darauf besteht aus zwei Teilen: Die Kasusrelationen bilden die Drehscheibe für diesen Prozeß, sie sind eigentlich nur ein Hilfsbegriff, dennoch unentbehrlich. Aber erst die genaue Verankerung nach beiden Seiten (Semantik und Syntax) macht ihre Anwendung für diesen Zweck möglich. Die bisherigen Ansätze nutzen einfach nicht alles an verfügbarer Information. Dies gilt in dreifacher Hinsicht: (a) Es wird immer gleich versucht (etwa durch ein G-Raster), die aktuellen Rollen festzulegen. Der Begriff „mögliche Rolle" tritt kaum auf, und ihre Existenz wird höchstens (und sehr unverbindlich) über „coreferential roles" abgewickelt, was außerdem eine falsche Perspektive ist (von der Rolle zum Argument): Es handelt sich um Rollen ein und desselben Arguments. (b) Ein Tiefenkasus wie G O A L ist noch zu allgemein, als daß er eine Umsetzung in konkrete Oberflächenmerkmale gestattet. Ohne die geringste Zusatzinvestition

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Zielstellung und A u f b a u

kann man ihn jedoch mit dem Argumentvorkommen verbinden, aus dem er entsteht, also z.B. ein < G O A L , H A V E > daraus machen. Damit weiß man schon wesentlich mehr „in Richtung Oberfläche", (c) Dies genügt aber noch nicht. Man muß außerdem wissen, ob die Kasusrelation eine Emphase trägt oder nicht. Die Emphase-Information ist ebenfalls keine echte Aufstockung des Inputs: Sie ergibt sich durch rein kombinatorisches „Ausmultiplizieren" formaler Möglichkeiten unter recht generellen Beschränkungen. Diese drei Informationen (Tiefenkasus, Basisprädikat, ± Emphase) erlauben eine präzise Bestimmung von Oberflächenmerkmalen. Auf den Begriff „semantische Emphase", den ich als die wesentliche Neuerung in dieser Arbeit betrachte, gehe ich jetzt nicht weiter ein, da dies ab Kapitel 6 die gesamten Erörterungen durchzieht. Von den obigen Fragen ist übrigens nur 3. eine reine Emphaseangelegenheit, bei 5. und 10. hängt die Antwort mit einer Emphaseveränderung zusammen. Um die Emphase mit ihren Auswirkungen auf die Form und die Eigenschaft „obligatorisch/fakultativ" der Aktanten formal angemessen erfassen zu können, muß ich doch eine (relativ kleine) Zusatzinvestition machen, die Auszeichnung der inhärenten Teilpropositionen. Diese decken sich in etwa mit dem, was als Lexematisierungsskopus anzusehen ist, stellen somit keine gravierende Hypothek dar und sind außerdem eine grundforminterne Angelegenheit, d.h. referieren nicht auf Oberflächenerscheinungen, wirken sich dort aber aus. „Semantische Emphase" ist keine Eigenschaft von Argumenten oder Aktanten, sondern bezieht sich auf Propositionen, genauer, auf Teilpropositionen der Grundform. Die Quelle der Emphase sind die inhärenten Teilpropositionen, durch sehr einfache Regeln wird sie an weitere Teilpropositionen vererbt. Erst daraus leitet sich die Emphase als Eigenschaft von Aktanten (nicht: von Argumenten!) ab, wobei ein Aktant ein Paar ist. Mit diesen Ergebnissen wird es möglich, eine Reihe von bestehenden Defiziten auszugleichen. Ich meine damit vor allem jene Zusätze, die (als ©-Raster oder wie auch immer) an semantische Repräsentationen angeklebt werden, damit man die Brücke zur Oberfläche schlagen kann. Diese Zusätze, die gerade zur Beschreibung von Konversen ein sehr beliebtes, aber nichtssagendes Mittel darstellen, kann ich völlig aussparen. Ich werde weder quantifizieren noch lambdafizieren, um die Argumente als Aktanten an der Oberfläche in Reih und Glied zu bringen. Daß man eventuell ^.-Konversionen verwenden kann, um ein anderes Problem in den Griff zu bekommen, wird am Ende des nächsten Kapitels deutlich. Was sich als theoretisch überflüssig erweist, sind eben jene Zusätze, jedenfalls so lange, wie sie nicht zur Erfassung singulärer und idiosynkratischer Erscheinungen dienen (und dafür werden sie meist gerade nicht verwendet!). Meine Argumentationen werden sich immer dicht an der Oberfläche bewegen, sie sind folglich einigermaßen kontrollierbar und empirisch gestützt. Ich gebe zu, daß damit bei einigen Details der Eindruck einer naiven Systemgläubigkeit entstehen kann, insbesondere dann, wenn es sich um Einzelbelege handelt (wie z . B . gehören in 7.5.). Auf der anderen Seite sehe ich keinen Grund, bestimmte Generalisierungen zu unterlassen, wenn die beobachtbaren Fakten ihnen nicht widersprechen. Abschließend noch einiges zum Aufbau der Arbeit. In Kapitel 3 stecke ich zunächst den allgemeinen Rahmen ab, innerhalb dessen ich mich bewegen werde. Dabei

Zielstellung und Aufbau

13

müssen viele weiße Flecke bleiben, die in den Kapiteln 5 und 6 ausgefüllt werden. In Kapitel 4 unternehme ich einen Versuch, einer generellen Erscheinung beizukommen, die ich als Monotonie bezeichne. E s geht dabei um die Beschränkungen, die man einer Folge von Propositionen auferlegen kann, die einen Übergang von einer „Anfangsproposition" zu einer „Endproposition" realisiert. Offenbar dürfen die Zwischenglieder nicht beliebig sein, die Frage ist, wie man diese Beschränkungen erfaßt. Die Details sind kompliziert, und sicher ist mein Vorschlag nicht die endgültige Lösung. Für die rein logische Monotonie orientiert sich die Darstellung an verbandstheoretischen Vorstellungen, leider kommt man damit nicht sehr weit. E s ist notwendig, eine weitere, die a-priori-Monotonie, einzuführen und beide zu verquicken, was die Sache etwas unübersichtlich macht. D e m Leser, der dieses Kapitel überblättert, bis im nächsten die Formelquote wieder abnimmt, sei als Extrakt nur soviel gesagt, daß in einer monotonen Propositionenfolge A l f . . . , A n jedes Zwischenglied A j der Propositionen A i nicht unähnlicher ist als die Propositionen A i + ! , . . . , A n und der Proposition A n nicht unähnlicher als die Propositionen Aly.. . , A j _ ! . Ein Standardbeispiel dafür ist die Absicherung dessen, daß bei „x wächst" die Größe monoton zunimmt: B e i A; kann der Parameterwert nicht weiter entfernt vom Wert bei A^ sein als die Werte bei A i + i , . . . , A n vom Wert bei A i entfernt sind. Aus der generellen Monotonieeigenschaft folgt sofort, daß, wenn Aj und Aj für i < j äquivalent sind, auch A k und Aj für i + 1 ^ k ^ j — 1 äquivalent sind. Auf die Monotonieeigenschaften greife ich später mehrfach zurück. Ihre wichtigste Anwendung erfahren sie bei der rekursiven Definition der Rollen, die ohne sie eigentlich nicht ausreichend begründbar ist. Schwerpunkt des Kapitels 5 sind die Instantiierungsregeln für die einzelnen Prädikate. Sie erzeugen „propositionale Sachverhaltsbeschreibungen" für die Interpretation der Prädikate und bewerkstelligen den Anschluß zu den Wahrheitsbedingungen. Damit entsteht eine weitere Ausdrucksebene, die jedoch nur eine Hilfs- und Ü b e r gangsfunktion hat. In Kapitel 6 stelle ich den speziellen theoretischen Apparat vor. Dabei löse ich das Versprechen ein, die Kasusrelationen in einem streng formalen Sinne abzuleiten. Pro Vorkommen eines Arguments in einer Grundform entsteht genau eine mögliche Rolle ( d . h . eine Kasusrelation) dieses Arguments, jeder Grundform wird auf diese Weise ein maximaler Kasusrahmen zugeordnet. Die Verbsememe (auf der formalen E b e n e : die Sememrepräsentationen) wählen von diesem Angebot aktuelle Rollen aus (pro Argument keine oder eine oder zwei). Dieser Ansatz wirkt ein wenig primitiv, in Wirklichkeit ergibt sich eine Reihe von Bedingungen für die Blockierung der Rollen (ausgewählte Rolle = nicht-blockierte Rolle). Sie betreffen einerseits das Verhältnis zwischen Blockierung und Emphase und andererseits die totale Blockierung von Argumenten, d. h. die Unmöglichkeit, ein bestimmtes Argument überhaupt zu aktantifizieren. Ausgangspunkt bilden die Grundformen, in ihnen werden Emphase-Verteilungen und Rollenblockierungen ganz beliebig zugelassen. Damit gelangt man auf die Ebene der Sememrepäsentationen. Hierbei entsteht pro Grundform im allgemeinen eine große Anzahl rein kombinatorisch möglicher Varianten. Die oben genannten Bedingungen eliminieren davon einen Teil. Die verbleibenden Sememrepräsentationen werden durch Aktantifizierungsregeln in Oberflächenmuster umgesetzt. Diese Regeln nehmen nur Bezug auf die einzelnen (aktuellen) Rollen und die E m phase, nicht jedoch auf die Sememrepräsentation. Auch hierbei entsteht wieder etwas

14

Zielstellung und Aufbau

zu viel, was durch sog. Nebenbedingungen ausgesondert wird. Der theoretische Idealfall tritt dann ein, wenn die am Schluß verbliebenen Oberflächenmuster genau diejenigen sind, die von Verben belegt werden, die zur Ausgangsgrundform gehören. In den Kapiteln 7 bis 11 (und auch schon früher) werde ich das Verhältnis zum sprachlichen Realfall genau untersuchen. (In den Werbeprospekt gehört der Satz: Das Verhältnis fällt ziemlich günstig aus!) Ein besonderer Abschnitt ist der Definition von obligatorischen und fakultativen Aktanten gewidmet. Der Ansatz ist derart, daß er die Dichotomie aufhebt und auch bedingt obligatorische Aktanten zu definieren gestattet. Hierfür ist ebenfalls keine Zusatzinvestition nötig. Der gesamte Aufbau ist somit folgender: (i) Semantische Grundform als Ausgangspunkt. Aus ihr werden die möglichen Rollen und die selektiven Beschränkungen für alle Argumente abgeleitet. Die Instantiierungen stellen den Bezug zu den Wahrheitsbedingungen her. (ii) Freie kombinatorische Einfügung von Rollenblockierungen und Emphasen, Auszeichnung der inhärenten Teilpropositionen. (iii) Damit wird die formale Ebene der Sememrepräsentationen erreicht. In ihnen gibt es aktuelle Rollen mit oder ohne Emphase. (iv) Eliminierung eines Teils dieser Varianten durch (insgesamt sechs) sehr generelle Bedingungen. (v) Die verbleibenden gelten als Kandidaten für belegbare Sememrepräsentationen. (vi) Umsetzung der aktuellen Rollen in morpho-syntaktische Merkmale (Aktantifizierung) für jede Rolle isoliert, Ableitung von obligatorisch/fakultativ. Die kontextfreie Anwendung der Regeln erzeugt pro Sememrepräsentation i.a. zu viele Oberflächenmuster. (vii) Eliminierung eines Teils dieser Muster durch Nebenbedingungen. Diese zerfallen in „globale Nebenbedingungen" und „verbfeldspezifische Nebenbedingungen". Letztere weisen für verschiedene Verbfelder starke Parallelen auf und sind nach Untersuchung weiterer Verbfelder sicher zu neuen „globalen Nebenbedingungen" generalisierbar. (viii) Die verbleibenden Oberflächenmuster sind die theoretische „Voraussage" für die Aktantifizierungsmöglichkeiten der Ausgangsgrundform. (ix) Overgeneration liegt dann vor, wenn man zu einem verbliebenen Muster kein Verblexem finden kann, das sich bei umgekehrtem Durchlauf der Stufen als zu der Grundform gehörig erweist. (x) Undergeneration liegt dann vor, wenn ein Verb, das offenbar zur Ausgangsgrundform gehört, in keines der verbliebenen Muster paßt. Man beachte, daß die Zuordnung zwischen Verblexemen und Sememrepräsentationen auch derart sein kann, daß ein nicht-polysemes Verb mehrere Sememrepräsentationen belegt. Dies folgt aus der „Oberflächenorientierung" der Sememrepräsentationen. Es kommt auch vor, daß bei (vi-vii) pro Sememrepräsentation mehrere Oberflächenmuster verbleiben, die korrekt (d.h. belegbar) sind. Diese werden dann meist durch unterschiedliche Verblexeme (oder auch Abwandlungen) belegt. Die Gesamtstruktur stellt somit ein „Nur-Zwei-Ebenen-Modell" für die Ableitung der Oberflächenmuster, d . h . der syntaktischen Valenz von Verben dar. Die dritte Ebene (die der Oberflächenformen) ist schon Teil der Syntax.

Zielstellung und Aufbau

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D e r Slogan „Nimm Zwei!" (und nicht mehr!) ist in dem hier vorgetragenen Inventar keine Ansichtssache. Das Einziehen einer Zwischendecke nach dem Grundsatz „erst Grundformen, dann Emphaseverteilung oder Rollenauswahl, dann beides" führt wegen der gegenseitigen Bedingtheit beider nur zu unerheblichen Erkenntnissen. Bei Grundformen mit Emphaseverteilung aber ohne Rollenauswahl kann man nur einige Fragen behandeln, z. B. das Verhältnis zwischen minimaler und erweiterter Grundform. Es ist auch keine Zwischenebene möglich, mit der man der (zunächst nicht sehr plausiblen) Konsequenz begegnen kann, daß ganz „unpolyseme" Verben mehrere Sememrepräsentationen belegen. Solange man die beiden Verben (an)kaufen und abkaufen nicht als völlig synonym betrachtet (d.h. ihnen verschiedene Sememrepräsentationen zuordnen möchte), muß man auch zugestehen, daß verkaufen zwei Sememrepräsentationen belegt. Es sind nämlich gerade die dualen Pendants dieser beiden. D a s Stichwort „Dualität" wird im folgenden recht häufig auftreten. Es ist dies eine Erscheinung, die sich von den Grundformen bis zu den Oberflächenmustern feststellen läßt und die darauf beruht, daß man einen solchen Ausdruck gewissen Austauschoperationen unterwirft, vor allem, aber nicht nur, bei den Argumenten. Die wichtigsten Eigenschaften der Dualität sind, daß das Duale vom Dualen wieder das Ursprüngliche ist und daß, wenn etwas zu sich selbst dual ist, dies immer eine Symmetrie verrät. In Kapitel 7 werde ich die „geben"-„nehmen"-Dualität als erste genau behandeln. Im Feld der Besitzwechselverben gibt es dazu nur marginale Ausnahmen, bei den ISA-Verben zeigt sich eine bestimmte durchgängige Nicht-Dualität (dort als „qLastigkeit" bezeichnet). Die Bildung von Konversen kann auf einer dualen Operation beruhen, meist ist es jedoch nicht so; denn durch eine Dualität findet keine Reduzierung des einen auf das andere statt, es wird im Gegenteil beides (etwa im Sinne eines Spiegelbildes) als gleichberechtigt nachgewiesen. Bei symmetrischen Grundformen sind es gerade Emphase- und Rollenauswahl-Dualitäten, die die verschiedenen Sememe konstituieren, auf der Ebene der Sememrepräsentationen kann man sie dann wieder als Argument-Dualitäten interpretieren.

3. Grundannahmen und formale Hilfsmittel

D i e folgenden Ausführungen sind in mancher Hinsicht unvollständig, da ich die meisten Definitionen erst später formulieren werde. Ich stecke jetzt nur einen allgemeinen Rahmen ab und erkläre diejenigen formalen Begriffe, die später ständig (und dann unkommentiert) verwendet werden. Ich setze zunächst folgende Mengen voraus: a) Eine Menge D = { d \ d 2 , . . . } von Objekten, wobei ich darunter auch Personen, Substanzen, . . . verstehe. D i e Menge D ist durch bestimmte Relationen strukturiert, und sowohl ihr Bestand als auch ihre Struktur werden als zeitabhängig angesehen. D a h e r hat D in jedem Zeitpunkt t einen gewissen Zustand, und man müßte eigentlich ein Mengensystem { D t } zugrunde legen und die Zeitabhängigkeit überall ausdrücken. b) Eine Menge E = { e 1 ^ 2 , . . . } von Sachverhalten (oder „Situationen", „Ereignissen"). Jedes e1 hat gewisse Elemente von D als Mitspieler und ist durch Angabe der Relationen zwischen ihnen charakterisierbar. Die Menge E ist zunächst durch die Relation „e1 ^ e1" strukturiert, die als „e1 ist ein Teilsachverhalt (oder Teilereignis) von e j " interpretiert wird. Ferner unterscheide ich in der Menge E drei Typen von Sachverhalten, deren Berechtigung sich aus den Instantiierungen ergibt: b l ) Einfache Sachverhalte: Es sind dies solche, bei denen die Relationen zwischen den Mitspielern keine Veränderung erfahren, z . B . Zustände. Jeder Mitspieler hat konstante (d.h. „statische") Rollen, die sich aus denjenigen Relationen ergeben, in denen er zu den übrigen Mitspielern innerhalb dieses Sachverhalts steht. b2) Zeitlich geordnete Folgen von Sachverhalten (Wege): Diese bestehen aus Sachverhalten e 1 ; e 2 , . . . , e n (n ^ 2), wobei erst ei, danach e 2 , . . . , danach e n eintritt mit der Verschärfung, daß sich etime(ej) und etime(ej) (s. 5.1.3.) nicht überlappen, falls i + j ist. Innerhalb eines Weges e = e l 5 . . .,e n können sich die Relationen zwischen den Mitspielern also verändern, und damit entstehen „nicht-statische" Rollen, die z . B . das Eintreten oder Aufhören bestimmter Relationen zwischen den Mitspielern betreffen. Alle ej in e gelten als Teilsachverhalte von e. b3) Komplexe Sachverhalte (Tupel): Dies sind Sachverhalte, die aus mehreren Teilsachverhalten bestehen, wobei eine zeitliche Abfolge nicht gefordert wird, d . h . , für einen komplexen Sachverhalt e = [ e i , . . . , e n ] können sich etime(ej) und etime(ej) überlappen. Ein komplexer Sachverhalt ist somit dadurch charakterisiert, daß mindestens zwei Sachverhalte „mehr oder weniger gleichzeitig" vorliegen, wobei diese etwas laxe Formulierung später für konkrete Fälle präzisiert wird. D i e Einteilung in die drei Typen ist nur relativ und heuristisch zu verstehen, da mir eine exakte Definition von b l ) äußerst schwierig zu sein scheint (die angegebene Bedingung ist nur notwendig). Schließlich setze ich als primitive Relation in E noch „e1 kausiert voraus. D e n oben genannten Wegen entsprechen (über die Instantiierungen) Folgen von Propositionen. Wählt man speziell Lokalisierungspropositionen, so scheint sich damit

Grundannahmen und formale Hilfsmittel

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auch der Begriff „räumlicher W e g " erfassen zu lassen. Ich werde später zeigen, daß eine derartige Reduktion wesentliche Probleme aufwirft und letzten Endes nicht möglich ist. Dies nicht etwa deshalb, weil sich der Begriff „räumlicher W e g " nicht mit einem irgendwie gearteten Kurvenbegriff (s. c)) identifizieren läßt. Die Schwierigkeiten liegen tiefer und hängen mit Eigenschaften von Propositionenfolgen zusammen, die ich in 4. betrachten werde. Ohne den dort entwickelten Monotoniebegriff (oder etwas Analoges) läßt sich vieles, was ich später benötige, nicht ausreichend rechtfertigen. Dies gilt insbesondere für die Definition der Kasusrelationen. Schließlich ist es unbestreitbar (s. BIERWISCH 1988), daß das Konzept „räumlicher W e g " den Status eines Sems hat, d . h . , Bestandteil von semantischen Repräsentationen auch von Nomina ist. Damit ist eine Interpretation als „Propositionenfolge" weitgehend ausgeschlossen. c) E i n e Menge L = { l 1 , ! 2 , . . . } von Plätzen, die Teilmengen eines geometrischen Raumes mit den üblichen topologischen und metrischen Eigenschaften sind. In L sollen insbesondere Relationen wie „l1 g l j " , „l1 fl P = 0 " , „F U l j = l k " usw. definiert sein. Die Frage, welche Teilmengen des Raumes als Plätze erlaubt sind, ist mathematisch nicht trivial. Als plausibler Kandidat ist der Begriff „Gebiet" ( = offene zusammenhängende Teilmenge) anzusehen, wenn man die Ein-Punkt-Mengen und Kurven mit hinzunimmt. Andererseits scheint man mit einer ausgeklügelten mathematischen Abgrenzung den Gegebenheiten der unmittelbaren Anschauung, die sich in der Sprache manifestieren, nicht so recht beikommen zu können. Allein der Begriff „(stetige) Kurve" (natürlich einschließlich „Gerade") läßt vieles zu, was den „naiven" Vorstellungen nicht entspricht. In L kann man neben IN(1\ l j ), was mit 1' g lj äquivalent sein soll, weitere Relationen einführen, etwa A T ( l ' , l j ) (,,1¡ at lj" in BIERWISCH 1988, S. 31). Für räumliche Wege läßt sich ein formalisiertes Inventar entwickeln, das ich hier nicht zu wiederholen brauche (s. BIERWISCH 1988), zumal ich den Begriff „räumlicher W e g " nur rein heuristisch und Undefiniert benutzen werde. Insbesondere wird dort auch dargestellt, wie sich dieser Begriff als Sem konstituiert. Weitere Details zu der von mir verwendeten Darstellung finden sich in 5.1.2. und 5.1.3. d) E i n e Menge T = {t 1 , t 2 , . . . } von Zeiten, die Intervalle (Zeitpunkte oder Zeitspannen) auf der Zeitachse U sind. Für eine detaillierte und stärker formalisierte Repräsentation von Zeitbeziehungen ist es angebracht, die Intervalle mit Wahrheitswerten zu versehen. Dies habe ich ausführlich in KUNZE 1987a dargestellt. Die mannigfachen topologischen Probleme, die mit der Definition von Plätzen für c) verbunden sind, treten in der Menge T natürlich nicht auf. Die Menge T läßt sich durch zahlreiche Relationen strukturieren, so z . B . „t1 before t j " (äquivalent mit „t j after t 1 ") „t1 starts t j " , „t1 during t j " etc., die sich sämtlich auf eine Relation „t1 meets t j " zurückführen lassen, wobei letztere Relation als „t j schließt sich unmittelbar an t1 an" zu interpretieren ist (Einzelheiten hierzu sowie weitere Literaturangaben in ALLEN/HA YES 1985). e) E i n e Menge F = {f 1 , f 2 , . . . } von sprachlichen Formen (einer natürlichen Sprache). Für das Folgende genügt es, als f solche Formen zu betrachten, deren Denotate Elemente von D sind, d . h . Nominalphrasen. Als Variable für die Elemente von F verwende ich m, p, q, . . . , z. Diese Variablen (und keine Variablen über D ! ) treten als Argumente von Prädikaten auf, und nur bei dieser Festlegung ist es sinnvoll zu sagen, daß z. B . q in einem Oberflächenmuster als Dativ (abgekürzt: q D ) oder als von-Phrase erscheint. Diese Auffassung werde ich strikt durchhalten und demzufolge einen

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Grundannahmen und formale Hilfsmittel

Unterschied machen zwischen „p N gibt q D u A " (dies ist ein Satz der Sprache, wenn man die Variablen p, q und u mit Formen belegt) und „eine Handlung von ref(p) kausiert, daß ref(q) ref(u) erhält" (dies ist eine propositionale Wiedergabe eines Sachverhalts). Es ist eine ganz andere Angelegenheit, daß man aus rein ausdruckstechnischen Gründen hierbei nicht immer „konsequent" bleiben kann: In der obigen Proposition müßte „erhält" natürlich noch weiter ausformuliert werden. Diese Art der propositionalen Beschreibung erfüllt aber nur eine Hilfsfunktion, da die entsprechenden Propositionen ohnehin formalisiert (durch Prädikate) auftreten. Die Instantiierung der formalisierten Propositionen führt dann gerade auf Ausdrücke dieser Art (s. hierzu das unten über INST Gesagte). Die Beziehung zwischen F und D wird durch die Funktion ref hergestellt (s. 5.1.1.), und „ref(p) = d" ist bereits eine zweistufige Abbildung: Formvariable p —• Form f —» Denotat d Hinsichtlich der Verwendung von Variablen für sprachliche Formen gilt folgende Verabredung: Durch eine Gleichung „x = y" wird zum Ausdruck gebracht, daß es sich um die gleiche Variable handeln soll. Bei (5) (Kap. 7) bedeutet dies, daß entweder ACT(p) oder ACT(q) vorliegt. Dies ist zu unterscheiden von „ref(x) = ref(y)", letzteres kann auch bei „x =t= y" gelten und trifft z.B. bei Karl rasiert sich. zu, wo die Grundform des Verbs mindestens zwei verschiedene Argumente (x rasiert y) hat, die in diesem speziellen Fall auf der referentiellen Ebene gleich belegt werden dürfen. In Karl eignet sich etwas an. gehen entsprechend den eingeführten Mustern Karl und sich dagegen auf dieselbe Variable zurück. Ich hebe diesen Punkt deshalb hervor, weil die Muster durch rein kombinatorisches Ausmultiplizieren von erlaubten Möglichkeiten entstehen, und es ist nicht gleichgültig, ob man bei (5) in Kap. 7 x als eigenständig oder durch „x = p" bzw. „x = q" festlegt. In jedem Fall soll jedoch gelten, daß verschiedene Variable als verschieden anzusehen sind, wenn nichts anderes gesagt wird, geben hat folglich drei verschiedene Argumente. f) Ein Inventar an Funktionen (s. 5.1.). Durch die Funktionen werden bestimmte Beziehungen zwischen D, E, L und T zu Bestandteilen des Formalismus, sie werden in ihm explizit repräsentiert. g) Ein Inventar an Prädikaten (s. 5.2.). Prädikate können nullstellig sein (RAIN), einstellig (STATE), zweistellig (HAVE), drei- und mehrstellige Prädikate benötige ich hier nicht. Die Stellen der Prädikate unterscheide ich nach folgenden Typen: - elementare Argumentstellen (oder Argumente): Das Argument ist ein Element von F. - propositionale Argumentstellen (oder Argumente): Das Argument ist eine Proposition, d.h. ein aus Prädikaten und Elementen von F gebildeter wohlgeformter Ausdruck. Die propositionalen Argumentstellen sind danach zu unterscheiden, welche Arten von Propositionen eingesetzt werden dürfen: - - Propositionen, die durch einfache Sachverhalte instantiiert werden (s. bl)). Dies gilt z.B. für die Argumentstelle von BEC. Propositionen, die durch Wege instantiiert werden (s. b2)). Dies gilt z.B. für die Argumentstelle von BEGIN und END. Das Regulativ dafür geben die jeweiligen Kopfprädikate der einzusetzenden Propositionen ab. Ist die Argumentproposition derart, daß sie durch komplexe Sachver-

Grundannahmen und formale Hilfsmittel

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halte (s.b3)) instantiiert wird, so ist (rekursiv) die Hauptinstanz im Sinne von Def. 6.10. ausschlaggebend (Näheres in den Erklärungen zu dieser Definition). Als Variable für Prädikate verwende ich B, eventuell mit Indizes. Demzufolge bezeichnet B(p,u) nur eine Proposition, die formal eben diese Gestalt hat, also z.B. (1) HAVE(p,u), aber nicht (2) CAUSE(ACT(p), STATE(u)). Als Variable für Propositionen verwende ich A, eventuell wieder mit Indizes. Der zuletzt genannte Ausdruck ist dann eine Proposition der Gestalt A(p,u), der zuerst genannte natürlich auch. Das Inventar von Prädikaten soll mindestens durch die Relation „Bj ^ B 2 " strukturiert sein, wobei die Interpretation dessen „Bi ist (eventuell unecht) spezieller als B 2 " ist. Dies soll dann gelten, wenn - bei gleichen Argumentstellen in beiden Prädikaten Bi eine Einschränkung von B 2 ist: ALIVE g STATE, POSSESS ^ H A VE, d.h. V p V u(POSSESS(p, u) - » H A V E ( p , u)) - B 2 höchstens die Argumentstellen von Bi hat und für die gemeinsamen Argumentstellen Bj eine Einschränkung von B 2 ist, z.B. EXIST á EXISTj (vgl. 5.2.9.), d . h . V q(EXIST(q, v) EXISTj(v)) oder M A R R I E D ^ STATE, d.h. V p V q ( M A R R I E D ( p , q) - » STATE(p)) Im Grunde ist der erste Fall natürlich im zweiten enthalten. Insbesondere kann man Argumentreduktionen vornehmen, also z.B. „ref(p) ist mit ref(q) verheiratet" als Spezifikation von „ref(p) ist verheiratet" einführen. Eine exakte Definition von „Bi á B 2 " setzt eine Korrespondenz der Argumentstellen in B! und B 2 voraus. Die Relation „ = " ist offenbar reflexiv und transitiv. Die Argumentreduktion in diesem Sinne ist strikt zu unterscheiden von der in 6. beschriebenen Blockierung von Argumentvorkommen. Um eine (notwendige oder mögliche) Spezifizierung eines Prädikats auszudrücken, verwende ich das Zeichen „*" vor dem Prädikat. Daher ist (3) CAUSE(ACT(x), BEC(*STATE(p))) die „allgemeine Form" für gewisse kausative Zustandsänderungsverben: Jedes konkrete Verb erfordert eine passende Spezifizierung von STATE, die jedoch nicht weiter angegeben wird. Demzufolge wird auch (4) x N verheiratet

p A mit q

durch (3) erfaßt. In diesem Zusammenhang verwende ich P R E D als eine besondere Variable dann, wenn es darum geht, Strukturen von Propositionen nur approximativ darzustellen: P R E D tritt dann auf, wenn eine (im allgemeinen nicht präzisierte) Einschränkung über den „Inhalt" einer Proposition gegeben ist, ohne daß damit ihre Argumentstruktur festliegt. Bei PRED(y) muß y kein direktes Argument des Kopfprädikats sein (s. u.), daher wäre B(y) nicht angebracht! Die Verwendung von P R E D ist rein provisorisch und mehr mnemotechnisch! Eine grundsätzliche Beschränkung der Zielstellung dieser Arbeit, die ich mit P R E D abfange, behandele ich am Schluß dieses Kapitels. Der Unterschied zwischen direkten und indirekten Argumenten ist so geregelt, daß p und u in (1) direkte Argumente von H A VE sind, aber indirekte Argumente von

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Grundannahmen und formale Hilfsmittel

C A U S E in (2), während ACT(p) und STATE(u) direkte Argumente von CAUSE in (2) sind. Zu jedem Vorkommen eines elementaren Arguments in einer Proposition gibt es offenbar immer genau ein Prädikat (genauer: ein Vorkommen eines Prädikats in dieser Proposition), so daß dieses Vorkommen direktes Argument dieses Prädikats ist. Ferner setze ich voraus: h) Eine axiomatische Basis für die Prädikate. Hierbei handelt es sich um eine Menge von Bedingungen, die die Eigenschaften der Prädikate in dem Maße festlegen, wie dies für den Umgang mit ihnen notwendig ist. Beispiele für derartige Postúlate sind: — Das Prädikat P A R T O F ist transitiv: Aus PARTOF(u,v) und PARTOF(v,w) folgt PARTOF(u,w) — Das Prädikat ISA ist transitiv. — Wenn HAVE(p,u) und H A V E ( q , u ) , so ref(p) = ref(q). Vereinfacht ausgedrückt: Jedes Ding hat höchstens einen Besitzer. Das letzte Postulat erscheint zunächst viel zu stark. Man beachte aber erstens, daß es einen Besitzwechsel nicht ausschließt; denn Bedingungen dieser Art sollen natürlich immer nur innerhalb eines bestimmten Zustandes von D gelten. Nur dann kann z.B. auch die eben genannte Transitivität behauptet werden. Zweitens wird damit die Interpretation von H A V E eingeschränkt. Drittens - dies ist der wesentliche Punkt fallen diese Postúlate ja nicht vom Himmel: Es sind vielmehr logische Verdichtungen derjenigen Beziehungen innerhalb von D sowie zwischen D, E, L und T, die bei den Instantiierungen an die Stelle der Prädikate treten. Daher ist ein Postulat für H A V E ( p , u) eine Forderung an „ref(p) hat ref(u)", und dies sind separate Forderungen an „ref" und „hat". Die Frage eines Mehrfachbesitzes ist damit noch nicht aus der Welt geschafft. Andererseits beruht das System der Besitzwechselverben auf einer Annahme der oben genannten Art. Besitzen Karl und Anna gemeinsam ein Haus und kauft Karl Annas Anteil daran von ihr, so kann man eben nicht sagen (5) Karl kauft das Haus von Anna. sondern muß die Anteiligkeit verbalisieren. Das Verb legt sich dahingehend fest, daß Karl das Haus vorher „überhaupt nicht" besaß (und jede von Anna verschiedene Person auch nicht). Die diskutierten Postúlate hängen daher mehr mit Verbbedeutungen als mit „propositionalen Gegebenheiten" zusammen, auf die die Wahrheitsbedingungen Bezug nehmen. Ich werde später Beispiele dafür angeben, wo Verben „prototypische Vergewaltigungen" der Wahrheitsbedingungen hervorrufen: Sie machen den „Normalfall" verbindlich. Mit der Bezeichnung „1= A " werde ich andeuten, daß eine gewisse Proposition A als aus der axiomatischen Basis (die den üblichen logischen Apparat einschließt) deduzierbar angenommen wird. Damit gilt „1= A" auf alle Fälle für Tautologien A . Insbesondere kann man auch die mit „*" ausgedrückten Beziehungen bei „E" unterbringen: *B(x,y) erzeugt eine gewisse Menge von Propositionen B'(x,y, . ..), für die t= (B'(x,y, . . . ) - » B(x,y)) erfüllt ist, das Umgekehrte gilt selbstredend nicht. Auf die Einführung einer besonderen „Spezifizierungsdeduktion" (d. h. „* 1= (A' —» A")") mit der Interpretation ,,A' entsteht durch Spezifizierung aus A"" kann man verzichten. Da die Postúlate letztlich instanzenbasiert sind, ergeben sich aus den Instantiierungsregeln weitere, z.B. (6) 1= (CAUSE(A!,A 2 ) ET(A,,A2))

Grundannahmen und formale Hilfsmittel

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(vgl. 5.2.1. und 5.2.3.). Aus der Eindeutigkeit des ersten Arguments von H A V E folgt z.B. (7) Wenn ref(p) =1= ref(q), so 1= (HAVE(p,u) | HAVE(q,u)) (zu „ | " s. k5)!) i) Das Prädikat INST. Alle Propositionen, die als Grundformen (und Sememrepräsentationen) von Verben auftreten, sind e-freie Ausdrücke im Sinne von J U N G / K Ü S T N E R 1990, d.h., Elemente aus E kommen in ihnen nicht vor. Das Prädikat INST(e, A) stellt nun die Beziehungen zwischen Propositionen und Sachverhalten her. Konkret geschieht dies durch die Instantiierungsregeln, die für jedes Prädikat in 5.2. angegeben sind. Dabei wird die Proposition A rekursiv abgebaut, und für jede Proposition ergibt sich schließlich eine Sachverhaltsbeschreibung. Diese enthält neben den üblichen logischen Verknüpfungen eine Reihe von Bedingungen, die mit Hilfe von Funktionen und primitiven Termen der Art ,,e' kausiert e j ", „ref(p) hat ref(u)" usw. gebildet sind. Diese Terme sind Repräsentationen bestimmter anfangs genannter Beziehungen innerhalb von D sowie zwischen D, E, L und T. Auf diese Weise entstehen neue Ausdrucksmittel (propositionale Sachverhaltsbeschreibungen), mit denen die Wahrheitsbedingungen der instantiierten Propositionen dargestellt werden. Betrachtet man das Verhältnis von A und e bei Gültigkeit von INST(e,A) umgekehrt, so kann man A als ein „(Kurz-)Protokoll" von e betrachten: A beschreibt diejenigen Eigenschaften von e, die mit den durch g) gegebenen Mitteln ausgedrückt werden können. Die Instantiierungen schaffen eine weitere Ausdrucksebene, die auch als Grundlage für eine Darstellung durch semantische Netze dienen kann: Man hat bei den propositionalen Sachverhaltsbeschreibungen einfach mehr zur Verfügung, um z.B. Verknüpfungen und Identifizierungen vornehmen zu können, was auf der Ebene der Prädikate meist nur mühsam (oft künstlich oder auch gar nicht) erreichbar ist. Abb. 3.1. gibt eine netzartige Repräsentation dessen wieder, was für INST(e, A) durch die Instantiierungsregeln aus der Grundform A = (5) in 7.2. entsteht (H(. ..) = H A V E ( . . .), H. B. = H U M A N BEING, die selektiven Merkmale sind provisorisch). Sie enthält eine Reihe von Komponenten nicht (so die bei der Instantiierung auftretende Interpretation von A C T und H A V E und die Bedingungen etime(e) = e t i i n e ^ ) = etime(e 2 ) = etime(e 2 i) = etime (e22))- Die Darstellung ist andererseits sehr redundant. So kann man z.B. die Kanten mit den Rollen T H E M E und LOCATion streichen, und zwar nach Regeln, die ich in Kap. 6 einführe. C E A S E ( . . .) ist als B E C O M E ( N O T ( . . .)) zu verstehen. Weitere noch offene Einzelheiten werden sich später ergeben, man mag dann noch einmal zurückblättern. Was ich mit Abb. 3.1. nur andeuten will, ist, daß mit den Instantiierungen und den sich daraus ergebenden Sachverhaltsbeschreibungen ein Ausdrucksmittel existiert, das durch weitere Verdichtungen in semantische Netze überführt werden kann. Die e-Knoten erlauben die Verknüpfung von Netzen, den Anschluß von Adverbialen (unter Verwendung von etime, eloc) und die Implantierung von Netzteilen in andere Netze. Das Prädikat INST(e,A) soll folgende Bedingungen erfüllen: Deduktive Abgeschlossenheit der Menge der Propositionen pro Instanz: Für beliebige Propositionen A ' , A" und beliebige Sachverhalte e gilt: Wenn INST(e,A') und t=(A' A"), so INST(e,A"). Die Bedingung ergänze ich gleich noch durch folgende:

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Grundannahmen und formale Hilfsmittel e

Abb. 3.1

Grundannahmen und formale Hilfsmittel

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Für beliebige Propositionen A', A" und beliebige Sachverhalte e gilt: Wenn INST(e,A') und INST(e,A"), so INST(e,A' A A") (zu „A" s. kl)). Eine Konsequenz der deduktiven Abgeschlossenheit ist: Wenn INST(e, A') oder INST(e,A"), so INST(e,A' V A") (zu „V" s. k2)); denn es gilt 1= (A (A' V A")) für A = A' oder A = A". Hinsichtlich der Negation verweise ich auf 5.2.2. Monotonie-Abgeschlossenheit der Menge der Propositionen pro Instanz: Für beliebige Propositionen A, A', A" und beliebige Sachverhalte e gilt: Wenn INST(e,A') und INST(e,A") und A e l(a,A',A"), so INST(e,A). Dabei sei I(£?,A',A") die Menge aller Propositionen, die innerhalb einer Menge Ot von Propositionen zwischen A' und A" liegen. Eine detaillierte Behandlung folgt in 4. j) Ich verwende folgende einstellige Funktoren: jl) „~" ist die klassische präsuppositionsignorante Verneinung (Wahrheitsfunktion non). Nach J U N G / K Ü S T N E R 1990 (S. 13-16) führe ich weiterhin ein: j2) , , - " ist die präsuppositionssensitive Verneinung, die bei Annahme der Wahrheitswerte 0: Präsupposition verletzt 1: falsch ( = F) 2: wahr ( = W) durch die Tabelle (8) definiert ist. Das einstellige Prädikat NOT (s. 5.2.2.) entspricht dem Funktor „ - " . j3) „o" ist der Funktor, der die Verneinung mit „ - " abweist, d.h. den Ausdruck, vor dem er sich befindet, zur Präsupposition macht. Er wird durch die Wahrheitsfunktion nach Tabelle (8) definiert. j4) „ff" ist der Funktor der maximalen Präsupposition, ebenfalls durch (8) definiert. Aus ff A folgen alle Präsuppositionen von A. (8) - o f t 0 0 0 1 1 2 0 2 2 1 2 2 Die grundlegende Verwendung dieser Funktoren besteht darin, daß man für beliebige Ausdrücke stets eine Standardform (H = „Präsupposition", K = „Assertion") (9) o H A K (H und K ohne „o") erreichen kann und daß das Zusammenspiel von „o" und „ - " durch (10) - ( o H A K ) = o H A - K gegeben ist ( „ - " wirkt sich nur im zweiten Konjunkt aus und wird im ersten abgewiesen). Ferner gilt für beliebige H (11) o o H = o H, was man in (8) sofort verifiziert. Die Ausdrücke ( 9 - 1 0 ) lassen sich mit dem zweistelligen Funktor „:" ( B I E R W I S C H unveröffentlicht) auch als (12) H : K bzw. - (H : K) = H : - K darstellen. Wegen der positionsabhängigen Markierung der Präsupposition H und der Assertion K werde ich „:" nicht verwenden. k) Die folgenden zweistelligen Funktoren werden für die drei Wahrheitswerte durch

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Grundannahmen und formale Hilfsmittel

die jeweils angegebenen Tabellen definiert. Den klassischen zweiwertigen Fall erhält man durch Weglassen des Wertes „0". k l ) „A" (Wahrheitsfunktion et) (13) 0 1 2 0 0 0 0 1 0 1 1

2

0

1 2

Die et-Funktion werde ich als Prädikat E T einführen (s. 5.2.3.). k2) „ V " (Wahrheitsfunktion vel, nichtausschließendes „oder") (14) 0 1 2 0 0 1 2 1 1 1 2 2 2 2 2 k3) „ — ( W a h r h e i t s f u n k t i o n seq) (15) 0 1 2 0 2 2 2 1 2 2 2 2 1 2 2 k4) (Wahrheitsfunktion äq), wobei A ' «-» A" durch (A' A") A (A" A') definiert werden kann. k5) „ | " (Nicodsche Funktion), wobei A ' | A" im klassischen Fall durch A' —> ~ A" definiert werden kann, im dreiwertigen durch A ' —* — A". k6) Durch A ' = A" bezeichne ich die semantische Äquivalenz von A ' und A", d . h . die Wertverlaufsgleichheit von A' und A" bei allen Belegungen. Die zweistelligen Funktoren (insbesondere „ A " und „V") werde ich in Kap. 4 auch zur Verknüpfung von Mengen Ol', OC' von Propositionen verwenden: (16) d'ACT

= {A

| 3A'eOl'3A"eOT

( A = A ' A A")}

Entsprechend ist Ol' V Ot" erklärt. Ferner wird —Ol so definiert: (17) -Ol'

= {A\3A'eOl{A

= ~ A')}

Entsprechend ist - Ol' erklärt. In dem folgenden Kapitel über Monotonie werde ich die klassische (zweiwertige und damit präsuppositionsignorante) Auffassung zugrunde legen. Dies genügt meines Erachtens, da sich die Betrachtungen inhaltlich auf den dreiwertigen Fall übertragen lassen, sie werden dann an einigen Stellen allerdings noch komplizierter. Bei den Instantiierungen und den darauf aufbauenden Rollendefinitionen gehe ich zu der dreiwertigen Auffassung über, sie ist für diese Zwecke sogar notwendig. Den „Mangel" aus dem Kap. 4 kompensiere ich durch explizite Angabe der Präsuppositionen. Für das Prädikat CAUSE bleibt hinsichtlich der Präsupposition einiges offen, was meinen Aufbau jedoch nicht wesentlich stört. Die in J U N G / K Ü S T N E R 1 9 9 0 , S. 1 3 9 angegebenen Instantiierungsregeln für die beiden dort eingeführten Varianten des Prädikats C A U S E haben durchaus einiges für sich, lassen sich aber nicht unmittelbar in Modifikationsfunktionen umsetzen (s. 6 . 1 . 2 . 2 . ) . Das Problem der Rollendefinition für eine negierte CAUSE-Proposition tritt innerhalb der hier behandelten Erscheinungen erst dann auf, wenn sie als inkorporierter Bestandteil einer Sememrepräsentation auftritt, was weder in (18) noch in (19) der Fall ist. Die aktuellen Rollen von Karl u n d Buch in (18) Karl gibt Otto das Buch nicht,

und

Grundannahmen und formale Hilfsmittel

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(19) Karl behält das Buch. müssen nicht identisch sein (vgl. J U N G / K Ü S T N E R 1990, S. 1 3 9 - 1 4 2 ) . Diese beiden Sätze sind „weniger synonym" als (20) Karl gibt Otto das Buch, und (21) Otto erhält das Buch von Karl., und hier unterscheiden sich die aktuellen Rollen von Karl deutlich. 1) Die unteren Indizes i, m und f verwende ich (allerdings nicht ausschließlich!) für init, med und fin, wenn es bei einem Bezug auf einen Weg oder die durch ihn instantiierte Propositionenfolge darum geht, daß eine Proposition am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Weges gilt. Die gleiche Verabredung trifft auch bei den komplexen Kasusrelationen zu, die allerdings ein reiner Hilfsbegriff sind und nur als „Definitionszwischenschritte" auftreten. Im Zusammenhang mit e), dem unter g) zu P R E D Gesagten und der in 2. beschriebenen Zielstellung der Arbeit sind noch einige allgemeine Bemerkungen nötig. Üblicherweise würde man den Satz (22) Mein Onkel hat das Buch. in einer Form repräsentieren, die bei Annahme von Objektvariablen etwa so aussähe: (23) HAVE(x, y) A ONKEL(x) A BUCH(y) A . . . Dabei würden weitere Konjunkte die Determiniertheit von Buch, den durch mein ausgedrückten Bezug auf den Sprecher, das Tempus und eventuell anderes repräsentieren, und (23) muß auch nicht diese einfache Struktur haben. Für die hier behandelten Probleme ist dies alles nicht notwendig. Aus der Perspektive des Verbs, genauer gesagt, für die Aktantifizierung, sind die Prädikationen außer der ersten zu vernachlässigen. Der gesamte Aufbau dieser Arbeit ist so konzipiert, daß letztlich nur die einzelnen Argumentstellen in den Grundformen bekannt sein müssen mit einem Zusatz darüber, welche Argumentstellen mit gleichen Argumenten besetzt sind. Viel mehr leisten x und y in (23) praktisch auch nicht. Die Argumente sind daher eigentlich beliebig zu bezeichnen und zu interpretieren. Daß ich sie als Variable über Nominalphrasen interpretiere, hat den einfachen Grund, daß der hier entwickelte Formalismus als Endprodukte Oberflächenformen und selektive Beschränkungen erzeugt (die Kasusrelationen stellen nur ein Hilfsmittel dar). Dies sind aber ohne Zweifel Eigenschaften von Nominalphrasen, genauer gesagt, Nominalphrasen lösen diese Bedingungen ein. Auf der anderen Seite gibt es formale Gesichtspunkte, die gegen Objektvariable sprechen. Der „rein nominalistische" Vorschlag, den ich für die Repräsentation von (24) Der Schneider ändert den Mantel. in Kap. 8 unterbreiten werde, beruht darauf, daß das zweistellige Prädikat ISA Nominalphrasen als Argumente hat, und er geht so lange auf, wie man alles das, was eine mögliche Veränderung eines Objekts ausmacht, durch Nominalphrasen „irgendwie" verbalisieren kann, wobei diese Verbalisierungen natürlich nicht im Satz (d.h. als Aktanten) auftreten müssen. Mit anderen Worten: Es gibt eine Verbalisierung, die am Anfang zutrifft, aber nicht am Ende, und eine zweite, die am Anfang nicht zutrifft, wohl aber am Ende. Das Grundproblem bei Verben wie (ver)ändern besteht darin, daß (24) eine in sich geschlossene (wenn auch unspezifizierte) Bedeutung hat. Hierfür habe ich in der Literatur keinen Ansatz gefunden, und das Ausweichen auf eine Zusatzproposition, die durch „um w" auf der Oberfläche erscheint ( S C H U M A CHER 1986, S. 3 1 0 - 3 1 4 ) , ist zu speziell. Es ist bemerkenswert, daß keiner der über 2 0

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Grundannahmen und formale Hilfsmittel

Textbelege diesen Aktanten enthält, und er ist auch kaum einfügbar. Wie sollte er beispielsweise für die Welt verändern aussehen? Ich werde im folgenden nur Aktanten im engeren Sinne betrachten und diejenigen Leerstellen von Verben, die normalerweise durch Adjektivphrasen und Adverbien belegt werden, nicht berücksichtigen. Dies bedeutet, daß (25) Karl wurde Lehrer. Gegenstand der folgenden Untersuchungen ist, (26) Karl wurde traurig. dagegen nicht. Soweit implizite (d.h. nicht aktantifizierte) Ergänzungen dieser Art eine Rolle spielen (z.B. bei töten, entmutigen), werde ich dafür provisorische Prädikate annehmen. Ein solcher Standpunkt ist nicht ganz konsistent mit dem oben dargelegten: Wenn ich BUCH(x) eliminiere, ist ALIVE(x) eigentlich auch nicht recht am Platze. Man könnte diese Prädikate fortlassen, wenn man die Menge F um eine weitere Menge F 1 ergänzt, die sprachliche Formen für Eigenschaften enthält, und ein Prädikat I S ( f \ f ) einführt. Für F 1 braucht man dann ebenfalls eine Funktion ref'ff 1 ), und IS(a,u) wird instantiiert durch eine Regel, die ausdrückt, daß INST(e,IS(a,u)) dann gilt, wenn e ein Sachverhalt ist, bei dem ref(u) die Eigenschaft r e f ^ a ) hat. Der Satz (27) Er (x) macht das Messer (u) scharf (a). ist durch (28) CAUSE(ACT(x), BEC(IS(a, u))) darzustellen, und bei (29) Er schärft das Messer. ist a dann (für schärfen\) eine Konstante nach dem Vorbild, das man bei bereifen, vergolden, entgiften findet. Für diejenigen f 1 , die in dieser Weise auftreten, kann man IS (scharf, u) dann auch als SHARP(u) notieren. Aus der Perspektive des Verbs machen ist für f 1 = a die Form f 1 irrelevant, erst bei der Konversenbildung wird eine Selektion getroffen: (30) Er macht das Messer scharf/stumpf. (31) Er schärftl*stümpftl*bestümpftl. .. das Messer. Es sind also wieder sprachliche Formen, die für Konversen wie schärfen, erwärmen, betäuben die phonologische Wurzel liefern. Dieser vereinfachende Ansatz erscheint zunächst nicht geeignet, Sätze wie (32) Diese Aussage ist mit einer Tautologie äquivalent. (33) Diese Zahl ist von Null verschieden. angemessen darzustellen: (34) lS(mit einer Tautologie äquivalent; diese Aussage) besagt natürlich nichts, was eine semantische Analyse liefern sollte. (34) ist genau die Perspektive der Kopula und nichts weiter. Beide Argumente müssen weiter aufgelöst werden, und für diese Formen sind dann auf der Ebene der Instanzen entsprechende Referenten und propositionale Sachverhaltsbeschreibungen einzusetzen. (34) ist so gut oder schlecht wie (35) HAVE(mewt Onkel, das Buch) für (22). Das Verb hat seine Schuldigkeit getan, wenn H A V E und IS propositional ausformuliert sind und die morpho-syntaktischen und anderen Bedingungen (Selektion, Obligatheit) für die Argumente feststehen. Daß es äquivalent mit!zu, aber nicht äquivalent von/... heißt und was dies propositional bedeutet, ist nicht mehr seine

Grundannahmen und formale Hilfsmittel

27

Sache. So wie in (35) die Form hat und in (34) die Form ist umgesetzt worden sind, so sind in weiteren Schritten äquivalent (mit), mein Onkel, diese Aussage, .. . wieder umzusetzen. Gegenstand dieser Arbeit ist folglich nur jener erste Schritt (für den man, genaugenommen, noch eine Menge F° von Verbformen benötigen würde), von allem anderen wird abstrahiert. Diejenigen Ergänzungen zu Verben, die keine Nominalphrasen sind, neben (26) viele andere wie (36) Die Versammlung dauert lange. (37) Er benimmt sich schlecht. (38) Er stellt sich tot. (s. auch P A S C H 1977, S. 21) werden dabei ausgeklammert. Für sie lassen sich mit dem vorgestellten Inventar ebenfalls entsprechende Muster entwickeln. Rein technisch sei nur angemerkt, daß die Nominalphrasen im hier verwendeten Sinne auch Präpositionalphrasen umfassen: Alle vorkommenden Präpositionen werden durch Regeln eingeführt und haben einen ähnlichen Status wie die Oberflächenkasus. Die Prädikatenvariable P R E D dient auch dazu, den oben skizzierten Unterschied zwischen lS(scharf Messer) und SHARP(Me.s,ser) offen zu lassen: Nimmt man IS und F 1 zusätzlich in das Inventar auf, so ist beides eine Spezifizierung von PRED(Aiesser), d.h., beides würde durch *PRED(Mes.ser) mit erfaßt werden. SHARP(Messer) ist eine Spezifizierung von STATEfA/ewer), lS(scharf, Messer) dagegen nicht: *STATE(u) deckt nur noch diejenigen IS(a,u) ab, für die a schon als Prädikat etabliert ist, und dann nur in dieser zweiten Form. Durch *PRED(u) kann man insbesondere die Frage offen lassen, ob die durch (39) lS(scharf, u) => SHARP(u) angedeutete Substitution immer einstellige Prädikate auf der rechten Seite liefert. Dieses Problem werde ich nicht weiter behandeln, da nur Nominal- (und Präpositionalphrasen betrachtet werden. In 11., (89-91), kommt beispielsweise ein solcher Fall vor: Ist (40) Er füllt2 die Flasche mit Wasser. auf (41) Er macht die Flasche voller Wasser/voll von Wasser. oder auf (42) Er macht die Flasche voll, indem er Wasser in sie füllt¡. beziehbar? Die erste Paraphrase ist singulär, die zweite nicht sehr überzeugend. Bei Annahme nur einstelliger Prädikate entsteht für (40) ein „Aktantenbeschaffungsproblem", das in etwas anderer Form auch bei frei von auftritt (vgl. (268) in 8.5.). m) Die für elementare Argumente verwendeten Variablen m , p , . . . ,z bilden eine Menge V. Als Variable über Variablen benutze ich (jedoch nicht ausschließlich) x und y, eigentlich müßte man dafür besondere Zeichen vorsehen. Es ist leider nicht möglich, die „Bedeutung" der einzelnen Variablen durchgängig konstant zu halten. Bei Verweisen zwischen Kapiteln mache ich auf eventuelle Umbenennungen aufmerksam, innerhalb jedes Kapitels ist die Verwendung jedoch einheitlich.

4. Monotonie

4.1. Vorbetrachtungen Als Anknüpfungspunkt für die folgenden Betrachtungen wähle ich den Begriff „Weg". Dieser Begriff enthält intuitiv mindestens folgende Eigenschaften: (A) Ein Weg e = e l 5 . . . , e n führt von einem „propositionalen Anfangspunkt" A! (INST(ei,A!)) zu einem „propositionalen Endpunkt" A n (INST(e n ,A n )). (B) Er hat dabei eine Orientierung, die man als „von Ai weg, zu A n hin" umschreiben könnte. Mit anderen Worten: Sind Ai und A n verschieden, so erreicht man A! zwischendurch nicht noch einmal, wenn man es schon verlassen hatte, und man verläßt A n nicht mehr, wenn man es schon erreicht hatte. Dies ist zunächst sehr vage, und insbesondere der Terminus „Orientierung", wie er in B I E R W I S C H 1988, S.25ff verwendet wird, bedarf einer weiteren Präzisierung. Dies betrifft in erster Linie die Frage, welche Rolle eigentlich die von A 4 und A n verschiedenen Ai und A„ spielen sollen, für die ebenfalls INST(e!,Ai) bzw. INST(e n ,An) gilt. Soll der Weg e dann automatisch auch eine Orientierung „von Ai weg, zu A„ hin" haben? Dies ist für den allgemeinen Fall mit Sicherheit zu verneinen. Das Problem, das dahintersteckt, ist wegen der deduktiven Abgeschlossenheit der Menge der Propositionen, die durch ein e m instantiiert werden, jedoch nicht ganz einfach. Somit ist klar, daß man e für sich allein eine Orientierung nicht zuschreiben kann, man braucht wenigstens Ai und A n als weitere Bestimmungsstücke. Dies reicht bei weitem nicht; denn was ist mit den Propositionen A m , die durch die e m ( l < m < n) instantiiert werden können bzw. sollen? Damit die „Orientierung" tatsächlich faßbar wird, müssen sie bestimmten Beschränkungen unterworfen werden, oder man wählt für die e m unter den möglichen nur gewisse passende Propositionen aus. Der Grundgedanke, den ich jetzt vorschlagen und im weiteren dann ausbauen werde, ist folgender: Man gibt sich eine gewisse (im allgemeinen sehr stark beschränkte) Menge Ol von Propositionen vor. Dabei sei A m e Ol für l ^ m ^ n : Unter den Propositionen A m , für die INST(e m ,A m ) gilt, werden überhaupt nur die betrachtet, die in Ol enthalten sind. Der Weg e ist dann ein Objekt bezüglich Ol, wenngleich man auch andere Mengen Ol' von Propositionen wählen könnte, bezüglich derer e ein „sinnvolles Objekt" ist. Darauf aufbauend kann man dann eine Klärung der Vorstellung anstreben, daß e „innerhalb Ol monton von Aj nach A n verläuft." Wegen der deduktiven Abgeschlossenheit der Propositionen pro e m kann man dies nur so formulieren, daß zu jedem e m eine Proposition A m aus Ol mit INST(e m ,A m ) existiert, die in einem noch zu erklärenden Sinne „zwischen A! und A n liegt". Damit eine wirkliche Monotonie entsteht, ist dies gleich noch zu verschärfen zu folgendem Definitionsschema: (C) Für alle i mit 1 ^ i ^ n existieren Propositionen Aj aus Ol mit INST(ei,Ai). Für ein

Vorbetrachtungen

29

beliebiges Tripel k, 1, m mit l ^ k ^ l ^ m á n sollen die Propositionen Ai zwischen den Propositionen A k und A m liegen, d. h., zu A k und A m gibt es ein solches Ai, und zu A! gibt es geeignete A k und A m . Die Angelegenheit wird dadurch kompliziert, daß pro e¡ mehrere Propositionen aus Ol mit INST(ej,A¡) existieren können und daß ferner die vorgegebenen Anfangs- und Endpropositionen nicht zu Ol gehören müssen. Eine genaue Festlegung gibt Def. 4.4. Was zu erklären ist, ist das Wörtchen „zwischen". Dies wird nicht ganz einfach sein. Aus (C) geht schon hervor, daß sich Monotonieeigenschaften von einem Weg auf seine Teilwege vererben. Bevor ich mich sprachlich-logischen Beispielen zuwende, rekapituliere ich einige mathematische Grundtatsachen: Eine Funktion f(x) = y mit reellen Zahlen als Argumenten und Werten heißt monoton wachsend (bzw. abnehmend) in einem Intervall (a,b), falls für beliebige xi,x 2 aus diesem Intervall gilt: Wenn x¡ ^ x 2 , so f(xj) ^ f(x 2 ) (bzw. f(xi) ^ f(x 2 )). Bezeichnet man mit min(y!,y 2 ) die kleinere der beiden Zahlen y x , y 2 und mit max(yj,y 2 ) die größere, so kann man diese Bedingung auch so formulieren: f(x) = y ist in (a,b) monoton genau dann, wenn für beliebige xi,x,x 2 aus (a,b) mit xi = x ^ x 2 stets min(f(x!),f(x 2 )) ^ f(x) ^ max(f(x!),f(x 2 )) gilt. Diese Formulierung ist insofern interessant, als sie „wachsend" und „abnehmend" nicht mehr unterscheidet; dennoch läßt sie keine Vermischung von beidem zu: Eine Funktion, die in (a,b) erst ein Stück wachsend und dann ein Stück abnehmend ist, erfüllt diese Bedingung nicht! Man kann anhand eines einzigen Wertepaares f(xj) 4= f(x 2 ) feststellen, ob sie in ganz (a,b) wachsend oder abnehmend ist. Die Übertragung dieser Formulierung auf Propositionen ist natürlich nicht ohne weiteres möglich. Ein Hindernis dafür ist die Tatsache, daß die Relation „ i ü " im Bereich der reellen Zahlen konnex ist (für beliebige r 1 ? r 2 gilt ri Si r 2 oder r 2 ^ r ^ . Die Implikation als guter Analogie-Kandidat für ist dagegen nicht konnex. A b e r min und max lassen sich leicht imitieren: Für Propositionen A ' , A 2 kann m i n ( A 1 , A 2 ) als A 1 V A 2 und m a x ( A 1 , A 2 ) als A 1 A A 2 eingeführt werden. Dann geht z . B . alles auf, wenn die Implikation innerhalb einer Propositionenmenge Ol konnex ist, d. h., wenn für alle A ' , A " immer A ' —> A " oder A " —* A ' gilt (vgl. hierzu das dritte Beispiel mit dem Verb wachsen). Als erstes Beispiel wähle ich die Fähigkeiten von Heranwachsenden. Es sei l(x) : x kann (noch) nicht lesen. L(x) : x kann (schon) lesen. r(x) : x kann (noch) nicht radfahren. R(x) : x kann (schon) radfahren. u(x) : x kann (noch) nicht mit der Uhrzeit umgehen. U ( x ) : x kann (schon) mit der Uhrzeit umgehen. Dabei gelte „entweder l(x) oder L ( x ) " usw., außerdem gebe es keinerlei Determination darüber, in welcher Reihenfolge Kinder diese Fähigkeiten erwerben. Im zarten Säuglingsalter gilt l(x) A r(x) A u(x), von einem Jugendlichen aber erwartet man L(x) A R ( x ) A U ( x ) . Die sechs Propositionen erzeugen acht sinnvolle „und"-Kombinationen, deren zeitliche Abfolge in A b b . 4.1. dargestellt ist. Die Menge dieser acht Propositionen sei Ol. Betrachten wir das Paar l A r A u = A j , L A R A u = A n . Im Sinne der Monotonie liegen L A r A u und 1 A R A u dazwischen, und da die Ausgangs- und Endproposition mitgerechnet werden sollen, auch 1 A r A u und L A R A u selber. Man erkennt nun leicht, daß die vier Propositionen A , die zwi-

Monotonie

30

sehen 1 A r A u und L A R A u liegen, genau diejenigen sind, die aus (1 A r A u) A ( L A R A u) folgen: (1) A j A A n —* A für alle A zwischen A j und A n . Dabei ist A i A A n selber keine Proposition aus Ol.

Abb. 4.1. Leider ist in diesem Beispiel die zweite natürliche Bedingung, nämlich (2) A —» Ai V A n für alle A zwischen A i und A n nicht erfüllt: Weder aus A = L A r A u noch aus A = 1 A R A u folgt (1 A r A u) V ( L A R A u). Diese Erfahrung läßt sich so verallgemeinern: Entstehen die Propositionen aus 67 durch „und"-Verknüpfung aus primitiven Propositionen, so leistet (1) gute Dienste, (2) ist dagegen zu stark, d . h . , es gibt A's zwischen A j und A n , die sie nicht erfüllen. D a s nächste Beispiel ist eines mit „oder"-Verknüpfungen: Karl sitzt in einem Zug (wir wissen nicht, in welchem Wagen), und dieser Zug bewegt sich in A b b . 4.2. während des Zeitintervalls (0,9) von unten nach oben. D e r Zug sei 1 5 0 m lang, die

avi avivc bvc bvcvd cvd cvdvetfverfvevfsvf Abb. 4.2. Strecke ist in 100-m-Abschnitte a, b, c, d, e, f eingeteilt. W o befindet sich Karl zu einem bestimmten Zeitpunkt, wenn man annimmt, daß er sich monoton von unten nach oben bewegt? Die Menge Ol enthält mindestens die neun in A b b . 4.2. vorkommenden Propositionen. Dieses Mal gilt (2) wenigstens in bestimmten Fällen für Propositionen, die echt

Vorbetrachtungen

31

zwischen A i und A n l i e g e n : E s sei A j = a V b, A n = c V d. Dann gilt a V b V c - » (a V b ) V (c V d), b V c - » (a V b) V (c V d), b V c V d ^ (a V b) V (c V d). Dagegen ist (1) verletzt: Aus (a V b) A (c V d) folgt b V c nicht. Wählt man jedoch A ^ a V b und A n = e V f, so gilt auch (2) nicht mehr: Aus c V d folgt nicht (a V b ) V (e V f). Die drei Propositionen sind logisch sogar unabhängig. Darauf komme ich gleich noch einmal zurück. Für A i = a V b und A n = c V d sind auch b und c Propositionen, die zwischen A ! und A n liegen (man weiß nicht genau, wann sie eintreten). Für A = b , c ist (2) erfüllt: b —> (a V b) V (c V d), c —»( a V b) V (c V d). (2) gilt aber auch für A = a und A = d, obwohl man nicht unbedingt behaupten kann, daß sie zwischen a V b und c V d liegen: Befindet sich Karl bei 0 an der Spitze des Zuges und geht er während der Fahrt bis 5 ans Ende, so tritt weder a noch d in (0,5) ein. Geht er dagegen während des Zeitintervalls (0,5) vom Ende des Zuges zur Spitze, so tritt sowohl a als auch d ein. D a wir darüber nichts wissen, müssen auch a und d als Propositionen zwischen a V b und c V d zugelassen werden. In beiden Beispielen ist der Verlauf der Zeit als natürliche „Grundorientierung" verwendet worden. D e n k t man die Instantiierung von Wegen durch Propositionen der Gestalt B E C O M E ( . . . ) , s o ist dagegen kaum etwas einzuwenden. Und wie anders sollte man der Tatsache Rechnung tragen, daß auf einem Weg Propositionen ihre Gültigkeit verändern. Die kleine Peinlichkeit, auf die man im zweiten Beispiel für A 1 = a V b , A n = e V f und A = c V d stößt, hängt überhaupt nicht mit den „oder"-Verknüpfungen zusammen: Man kann das erste Beispiel so anreichern, daß man das gleiche Problem vorfindet: l(x) : x kann überhaupt (noch) nicht lesen. l(x) : x lernt lesen. L ( x ) : x kann fließend lesen. Entsprechend seien r(x) und u(x) erklärt. Durch rein aussagenlogische Mittel kann man nicht herausfinden, daß 1 zwischen 1 und L liegt, man muß es einfach wissen. E b e n s o muß man im zweiten Beispiel Kenntnis über die gegenseitige Lage der Streckenabschnitte a bis f haben. Damit dürfte klar sein, daß das Problem der Monotonie in zwei Komponenten zerfällt: - in eine logische, bei der die Implikation (als Analogon zu „ = " ) auftritt, - in eine a-priori- ( d . h . nicht deduzierbare) Beziehung „A liegt zwischen Ai und A n " , wobei beide für komplexe Propositionen kombiniert werden können. Im ersten Beispiel ist es nicht nötig zu wissen, daß immer ,,erst l(x), dann L ( x ) " usw. gilt: Die Antwort auf die Frage „Liegt A zwischen A i und A n ? " wird durch (1) gegeben. Umgekehrt kann man die logische Komponente aus dem zweiten Beispiel völlig eliminieren, wenn man annimmt, daß Karl seinen Zug verpaßt hat und nunmehr als einsamer Wandersmann an der Bahntrasse seinen Weg zurücklegt. Die Menge Ol ist dann { a , . . , , f } , und man muß wissen, daß zwischen a und c genau a, b und c liegen usw. Eine Aussage „a, dann b " braucht man wie oben nicht, sonst würde man das entgegengesetzte Durchlaufen von a , . . . , f verbieten! Es genügt, die Relation „A liegt zwischen A i und A n " zu kennen. Diese Relation ist im ersten Beispiel trivial: Zwischen 1 und L liegen 1 und L. Diese Auffassung ist das Analogon zu der veränderten Definition der Monotonie für f(x) = y, die „wachsend" und „abnehmend" erfaßt. Als Entscheidungsgrundlage über diese beiden Fälle hat man die „Eckdaten" Ax und A n .

32

Monotonie

Den oben genannten beiden Komponenten kann man durch folgende Unterscheidung Rechnung tragen: ( D ) E s gibt eine Relation „A liegt logisch zwischen A 2 und A n " . Zu ihrer Erfassung sind Bedingungen der Art (1) und (2) das geeignete Mittel, und den Vergleich zwischen Propositionen leistet die Implikation. ( E ) E s gibt eine Relation „A liegt a priori zwischen A j und A n " . Mit dieser Relation wird man nur sparsam umgehen, und sie sollte eigentlich höchstens für primitive Propositionen eingeführt werden wie beim Zug-Beispiel. Im ersten Beispiel benötigt man sie nicht. Die Relation „A liegt zwischen A j und A n " soll dann durch geeignete Kombination der beiden genannten Relationen entstehen. Dabei hat man gleichzeitig das Problem der Übertragung der „zwischen"-Relation von primitiven auf komplexe Propositionen zu behandeln. D a man die unter ( E ) genannte a-priori-Relation ohnehin benötigt, könnte man auch gleich die allgemeinere Relation „A liegt zwischen A j und A n " für beliebige Propositionen einführen und hätte das Problem damit aus der Welt geschafft. Diese triviale Lösung ist nicht nur unbefriedigend, sondern auch außerordentlich redundant. Dies will ich an einem dritten Beispiel zeigen, das sich auf das Wachstum der lieben Kleinen bezieht. Es seien A(x,c) die Propositionen, die für natürliche Zahlen c besagen, daß x genau ccm Körpergröße hat. E s sei e ein Weg, der in der Menge Ol aller dieser Propositionen monoton von A(x,50) nach A(x,120) verläuft. Ein solcher Weg wäre also die Instantiierung einer Proposition der Gestalt „x wächst". Wie kann man nun herausbekommen, daß sich der Parameter c längs e monoton verändert? Die Triviallösung wäre eine Bedingung der Art ,,A(x,c) liegt zwischen A ( x , c ] ) und A ( x , c 2 ) genau dann, wenn min(c 1 ,c 2 ) ^ c ^ max(c',c 2 )". Nach dem Schema (C) hätte man dann die gewünschte Monotonie des Parameters. Aber es geht auch anders: Es sei A(x,c) die Proposition „x hat mindestens die Körpergröße c" und A(x,c) „x hat höchstens die Körpergröße c". Dann gilt A(x,c)_ A(x,c) A A ( x , c ) . Man^kann also auch sagen, daß e ein monotoner Weg von A(x,50) A A(x,50) nach A(x,120) A A(x,120) sein soll. Somit hat man als die Menge der Propositionen, bezüglich derer e zu betrachten ist, gerade diejenige zu nehmen, die alle Propositionen der Gestalt A ( x , c ) A A(x,c) enthält (c und c beliebig innerhalb gewisser Grenzen). Einige davon kann man weglassen, nämlich diejenigen mit c > c, da sie Kontradiktionen sind. Nun wird man ohnehin (für ganz andere Zwecke) die folgenden Aussagen benötigen, die sich unmittelbar aus den_Definitionen von A und A ergeben: (3) c' ^ c" genau dann, wenn t= ( A ( x , c ' ) —> A(x,c")) und t= (A(x,c") —» A ( x , c ' ) ) . Daraus folgt: _ _ (4) A(x,c) liegt logisch zwischen A ( x , c ' ) und A(x,c") genau dann, wenn min(c',c") g c i i max(c',c"), und dasselbe wortwörtlich für A. Die Aussage (4) und ihr Gegenstück für A lassen sich miteinander kombinieren und zu einer logischen „zwischen"-Relation in Ol verbinden, d.h. in der Menge der Propositionen der Gestalt A(x,c) A A(x,c) mit c ^ c. Insbesondere gibt es also zu den Propositionen dieser Art mit c = c, d.h. A ( x , . . . ) , immer entsprechende Zwischenstücke: (5) A ( x , c ) liegt logisch zwischen A ( x , c ' ) und A(x,c") genau dann, wenn min(c',c") ^ c ^ max(c',c"). Wendet man darauf nun das Schema (C) an, wobei INST(e!,A(x,ci)) mit eindeutig

Definitionen und Folgerungen

33

bestimmten q ist n), so erhält man f ü r l ^ k ^ l ^ m ^ n sofort min(c k , c m ) = q = max(c k ,c m ), also, da c t < c n ist, ci ^ c 2 = . . . = c n _! = c n . Damit ist ein Beispiel gezeigt, in dem die Monotonie ohne eine a-priori-„zwischen"Relation ableitbar ist. Die Vorgehensweise bestand darin, die logisch unverbundenen Propositionen A(x,c) „aufzuschwemmen" (in A(x,c) und A(x,c)), die recht selbstverständlichen Aussagen _(3) anzuwenden und dann das Ergebnis wieder zu verdichten. Man beachte, daß für A und A die Implikationsketten gerade entgegengesetzt verlaufen, was aber wegen der „Neutralität" der Monotonie-Definition bezüglich „wachsend/abnehmend" nicht stört. Gleichzeitig unterstreicht dieses Beispiel, daß der Begriff „monotoner Weg" ganz wesentlich von der zugrunde gelegten Menge von Propositionen (hier Ol, C\ und Ol = Ol A 67) abhängt: Von e wurde vorausgesetzt, daß es innerhalb dieser Propositionenmenge (logisch) monoton ist. Wählt man andere Propositionen, z.B. A(x,c) = „x wiegt c kg", so muß derselbe Weg nicht monoton innerhalb dieser neuen Propositionenmenge sein; man muß es voraussetzen, um den gleichen Schluß für einen Weg e machen zu können, der die Proposition „x nimmt zu" instantiiert: e muß dann innerhalb der Körpergewichts-Propositionen monoton sein. Es ist dabei unwesentlich, daß die Körpergröße von Natur aus zeitlich monoton ist, das Körpergewicht dagegen nicht. Einen Weg muß man sich also wie eine Kurve im Raum vorstellen, die Menge Ol ist ein Blickpunkt, von dem aus man sie betrachtet (oder eine Ebene, auf die man sie projiziert), und ob eine Raumkurve monoton erscheint oder nicht, hängt von dem Blickpunkt ab: Man muß ihn mit angeben.

4.2. Definitionen und Folgerungen Die im vorangehenden Abschnitt zusammengetragenen Gesichtspunkte werde ich jetzt definitorisch einkleiden. Propositionen A ' , A" mit 1= (A' A") werden im folgenden nicht unterschieden. Def. 4.1. (I a (67,A^A 2 ), A liegt a priori zwischen A 1 und A 2 ): Es sei Ol eine Menge von Propositionen, ferner sei A \ A 2 6 Ol. Dann sei I a ^ A ^ A 2 ) die Menge der Propositionen A e Ol, die als a priori zwischen A 1 und A 2 liegend vorgegeben sind (einschließlich A 1 und A 2 selber). Wie schon früher bemerkt, soll I a ^ A ^ A 2 ) nur für primitive (d.h. logisch unzerlegbare) Propositionen über den Trivialfall I a ^ A ^ A 2 ) = { A \ A 2 } hinausgehen. Inhaltlich müßte man sich eigentlich nur um die Fälle kümmern, wo A \ A 2 ) => 2 2 { A \ A } ist, und man brauchte daher auch nur die Menge I ^ i ^ A ^ A ) \ {A',A 2 }. Technisch ist es aber günstiger, I a so zu definieren, daß stets A \ A 2 e Ia(67, A X ,A 2 ) gilt. I a ^ . A ^ A 2 ) soll so beschaffen sein, daß es eine universelle Relation „A liegt a priori zwischen A 1 und A 2 " gibt (d.h. A e I a (67*,A\A 2 ) für die Menge Ol* aller Propositionen), mit deren Hilfe I a ^ A ^ A 2 ) so bestimmt werden kann: (6) I a ^ A 1 ^ 2 ) = I a ( 6 P , A ' , A 2 ) n Ol Mit anderen Worten: Die Zugehörigkeit von A zu ^ ( ¿ ^ A 1 ^ 2 ) hängt dann nur noch von A e Ol ab. Damit übertragen sich die folgenden drei Aussagen, die für \ { 0 t * , . . . ) als Bedingungen zu stellen sind, als Konsequenzen unmittelbar auf ..) für beliebige Ol (sofern A \ A 2 e 0t)\

34

Monotonie

(7a) I a ( 0 , A \ A 2 ) = U a A 2 ^ 1 ) (8a) I a ( i ? , A \ A 1 l = { A 1 } (9a) W e n n A \ A 2 € la(0T,A\A2), Ferner soll gelten:

(10) Ia(M*, ~A\ ~ A 2 ) =

SO

Ia(t7,

A1, A2)

S

IA(£7,A\A2)

~la(0*,A\A2)

Relativiert man I a wieder durch Ol, so geht (10) über in ( I I a ) U~a, ~A\ ~A2) = ~ I a ( £ 7 , A \ A 2 ) . (12a) Ist „ • " ein zweistelliger Funktor (also z . B . „ A " , „ V " , „ | " ) , so ist W ,

1

A'D

2A1,1A2



2A2)

s I ^ V A V A

2

)



ia(a*,2A\2A2).

Durch ( I I a ) und (12a) wird es möglich, I a von primitiven Propositionen auf beliebige Propositionen auszudehnen. Allerdings ist dieser Schritt nicht so trivial, wie es im ersten Moment erscheinen mag. Insbesondere darf man in (12a) keine Gleichheit fordern, sondern nur, daß man mit der • - V e r k n ü p f u n g der beiden Mengen auskommt: Wählt man z . B . = 2 A 2 und 2A1 = lA2 und „ • " = „ A " , so hat die linke Seite die Gestalt \a{0l* ,A,A), was nach (8a) nur { A } ergeben darf. Man beachte, daß aus der Inklusion (12a) wegen (7a) zahllose Vertauschungsvarianten gewonnen werden können, falls „ • " symmetrisch ist. Gerade diese lose Zuordnung der Argumente ist die Ursache für „ g " in (12a). Diese A r t der Verknüpfung ist zu unterscheiden von der Aussage, daß z . B . ein W e g e von nach J A 2 und von 2 A * nach 2 A 2 führt. Dann gibt es natürlich auch eine gegenseitige Zuordnung der Argumente. Es wird nirgends vorausgesetzt, daß die Relation „ A liegt a priori zwischen A 1 und A 2 " konnex ist. D i e durch sie induzierte Struktur muß also keine Folge von A 1 nach A 2 sein, wie dies beim Zug-Beispiel der Fall war. Auch bei diesem Beispiel kann man sich natürlich ein Streckennetz vorstellen. Die (für die hier verfolgten Z w e c k e ohnehin irrelevante) Erscheinung, daß bei gewissen geometrischen Konstellationen die „zwischen"-Relation umkippen kann ( N e w Y o r k liegt zwischen Los Angeles und Moskau, Moskau liegt zwischen N e w Y o r k und Peking, aber beide liegen nicht zwischen L o s Angeles und Peking), brauche ich nicht zu diskutieren: Es werden immer nur „innere" Eigenschaften von Wegen betrachtet. D e f . 4.2. ( I b ( 6 ? , A \ A 2 ) , A liegt logisch zwischen A 1 und A 2 ) : Es sei Ol eine M e n g e von Propositionen, ferner sei A ' , A 2 e Ol. Dann sei I ^ ^ A ^ A 2 ) die M e n g e der Propositionen aus Ol, für die gilt: ( a ) 1= ( ( A 1 A A 2 ) A) ( b ) 1= ( A - » ( A 1 V A 2 ) ) Offenbar ist A \ A 2 e I b ^ . A ^ A 2 ) . D i e Aussagen ( 7 a - 9 a ) und ( l l a - 1 2 a ) , die man für I a als Bedingungen stellen mußte, sind für I b Konsequenzen der Definition (es gilt

wieder \{Ol,Al,A2)

= Ib(a*,A\A2)

n Ot)\

(7b) = \(0l,A2,Al) D e f . 4.2. ist symmetrisch in A 1 ^ 2 . (8b) W A ' . A 1 ) = { A 1 } Ib(67,A\A2)

Dies gilt, d a J A ^ A A 1 ) «-»• ( A 1 V A 1 ) allgemeingültig ist. ( 9 b ) Wenn A 1 , A 2 € I b ( 6 7 , A \ A 2 ) , s o _ I „ ( # , A 1 , A 2 ) s I b ( 6 7 , A \ A 2 ) . _ Dies zeigt_man_so: Es se_i_A e Ib(CV, A 1 , A 2 ) , d.h., es gelte 1= ( ( A 1 A A 2 ) —>• A ) und 1=

( A ± V A 2 ) ) . Da A j e I b ( £ 7 , A \ A 2 ) , gilt 1= ( ( A 1 A A 2 ) ^ _ A j ) , also E ( ( A 1 A _ A 2 ) ( A 1 A A 2 ) ) , und damit E ( ( A 1 A A 2 ) - > A ) . Aus t= ( A —» ( A 1 V A 2 ) ) und 1= ( A ! ( A 1 V A 2 ) ) folgt ebenso 1= ( A - » ( A 1 V A 2 ) ) , insgesamt also A e lb(a,A\A2).

Definitionen und Folgerungen

35

( I I b ) I b ( ~ Ol, ~ A 1 , ~ A 2 ) = ~ I b (ir,A 1 ,A 2 ) M a n kontraponiert die Bedingungen (a) und (b) in Def. 4.2.: E ((A 1 A A 2 ) A) ist äquivalent mit ( ~ A —> A 1 V ~ A 2 )). D i e Bedingung (a) für den positiven Fall ist also die Bedingung (b) im negierten Fall, die duale Aussage erhält man ebenso. Aus Def. 4.2. ergibt sich leicht folgende Charakterisierung der Propositionen A aus lb (C?,A l,A 2) durch Belegungen: Satz 4.1.: Für jede Proposition A e Ol ist A e I ^ i ^ A ^ A 2 ) genau dann, wenn für j e d e Belegung f folgendes gilt: Wert(A,f) liegt zwischen Wert(A 1 ,f) und Wert(A 2 ,f). Mit anderen Worten: Betrachtet man in (13) die Zeilen als Belegungen f, so gibt es nur die ersten sechs Möglichkeiten, die beiden letzten sind ausgeschlossen: A2 (13) A1 A W W W W W F w F F F W W F F W F F F F W W F W F Zusätzlich gelten für I b folgende Aussagen (14-16): (14) Wenn 1= (A 1 A 2 ), so 2 I b (i7,A',A ) = {A e Ol | 1= (A 1 —• A) A t (A —> A 2 )}. D a ß A die Bedingungen (a) und (b) der Def. 4.2. erfüllt, falls A in der Menge auf d e r rechten Seite enthalten ist, ist leicht zu sehen. Umgekehrt folgt aus 1= ((A 1 A A 2 ) A) und t= (A 1 -» A 2 ), also 1= ((A 1 A A 2 ) ~ A 1 ), auch 1= (A 1 A). Analog leitet man 1= (A A 2 ) ab. (15) ib (a, ~ A ' , A ! ) = {A e a | 1= A} Diese Aussage, die sich daraus ergibt, daß A 1 A A 2 eine Kontradiktion und A 1 V A 2 eine Tautologie ist, wirkt etwas ernüchternd, wenn man an die Instantiierung von BECOME-Wegen denkt: Ein Weg von ~ A 1 nach A 1 könnte praktisch jede ableitb a r e Proposition durchlaufen. Zur Reparatur dessen siehe 4.3. (16) Wenn X e_I b (67,A\Af), so _ U ^ A 1 , A) n I h {0l, A,A 2 ) = {A}. Sei A eine Proposition aus dem Durchschnitt, dann gilt £ (A (A 1 V X)) und 1= (A (Ä V A 2 )), also _ 1 2 E (A (A V (A A A ))). Wegen_l= ((A 1 A A 2 ) A) ergibt dies E (A —> A). Ebenso zeigt man t= (A —» A). Die zuletzt bewiesene Gleichung (16) gilt für I a nicht automatisch, d.h., sie folgt nicht aus ( 7 a - 9 a ) und ( I I a - 1 2 a ) . Das erkennt man so: Ist I a für die Menge Ol = {p,q,r,s} nach (17) definiert, so gelten für I a zwar (7a-12a), aber (16) ist nicht erfüllt.

36

Monotonie

s p,q,r,s q,r,s q r q,r,s r q,r,s s s p,q,r,s q,r,s Auch bei I b kann man nur das Analogon zu (12a) behaupten, d.h., die Gleichheit gilt für I b nicht immer: (12b) \b(Ol*,lAl • 2 A 7 A 2 • 2 A 2 ) g I b ( 6 T Y A Y A 2 ) • I b ( i 7 * , 2 A \ 2 A 2 ) Während man (12a) eventuell als eine axiomatische (und daher nur indirekt zu rechtfertigende) Aussage ansehen kann, zeigt sich bei (12b), daß eine Eigenschaft dieser Art tatsächlich etwas nicht Triviales besagt. Sie ist auch nicht leicht zu beweisen; das Problem entsteht daraus, daß man für jede Proposition A, die Element der linken Seite ist, zwei Propositionen XA und 2 A angeben muß, so daß t= (A (*A • 2 A)) gilt. Ich verzichte auf den (ziemlich komplizierten) syntaktischen Beweis und benutze statt dessen eine Wahrheitswerttabelle (18). Da die Aussage ( I I b ) zur Verfügung steht, genügt es, den Funktor „ A " zu behandeln. Die Tab. (18) ist wie folgt aufgebaut: Es werden alle Belegungen für * A Y a Y A 2 und 2 A 2 betrachtet. Die Spalten A' geben den Wahrheitswert für x A j A 2 A j an. Die Spalten j A geben die Beschränkungen für j A mit j A e I b (£7*, j AYA 2 ) an, die Spalte A die für A mit A e \b (Ol*, lA l A 2 A \ 1 2 A A 2 A 2 ). „X" bedeutet, daß beide Wahrheitswerte möglich sind. j A liegt also zwischen j A x und j A 2 , A liegt zwischen A 1 und A 2 . (12b) behauptet, daß zu jeder Belegung von A je eine bei J A und 2 A gefunden werden kann, so daß die erste die etVerknüpfung der zweiten und dritten ist. Dies trifft zu. p

q P>q.r q q»r

P P P»q.r P.q>r

r

P>q,r q,r

Aus der Tab. (18) läßt sich auch erkennen, daß in (12b) die Gleichheit nicht gilt: In den Zeilen 7. und 10. kann man durch *A A 2 A den Wert W realisieren, obwohl er nicht möglich ist, wenn A zwischen ' A 1 A 2 A ! und *A 2 A 2 A 2 liegt. Mit anderen Worten: Es gibt mehr Propositionen der Gestalt „ . . . A . . . " als zwischen beiden Argumenten der linken Seite.

(18) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

W W W w w w w w F F F

F F F F

F

A1 W W w w F F F F F

F F F F

F F F

A W w X X w w

J

X

X X X F

F X

X F F

A' w w w w F F F F W W W

2

W F F

F F

A W X X X X F F

l

F X F F F

F W

F X F F

A2

W W F F W

W

F F W W F W F F

A w X w X

A2 W F F F

F

F F F W F F

2

X

X

F W X W X X F X F

W

F W F F F

2

A2 W F W F W

F

W

F W F W F W F

W F

37

Definitionen und Folgerungen

Aus (12b) ergibt sich die Frage, welche Propositionen in der Verknüpfung auf der rechten Seite enthalten sind, die nicht zur linken Seite gehören, d.h. nicht die Bedingungen der Def. 4.2. erfüllen. Hierauf gibt es zwei halbe Antworten: Satz 4.2.: Es seien 1 A 1 , 1 A 2 2 A 1 2 A 2 und A beliebige Propositionen, und es gelte A e l 2 lb (a*, lA\ A ) A I b ( i 7 * , 2 A 1 , 2 A 2 ) . Dann erfüllt A die Bedingung (a) der Def. 4.2. für

I b i i f . ' A 1 A 2 A 7 A 2 A 2 A 2 ).

Beweis: A habe die Gestalt A = ' A A 2 A mit j A e Ib ((X*jA ljA 2). Daraus ergibt sich dann 1= ( ( j A ! A j A 2 ) - > j A ) , also 1= ( ( ( ' A 1 A 2 A ' ) A ( 2 A* A 2 A 2 ) ) A ) wegen 1= ( ( ! A A 2 A ) A). Entsprechend beweist man einen Satz, der aus Satz 4.2. hervorgeht, indem man „ A " durch „ V " und „(a)" durch „(b)" ersetzt. In den Beispielen des vorangehenden Abschnitts hatte sich gezeigt, daß die beiden anderen Kombinationen nicht gelten. In (12b) gilt die Gleichheit jedoch unter speziellen Voraussetzungen: : A 2 ) und 1= ( 2 A J 2A2), (19) Wenn t ( ' A 1 l x 2 2 2 2 so \ b (Ol*, A • A Y A • A ) = I b ( i 7 * , 1 A 1 , 1 A 2 ) • I b ( i ? * , 2 A ' , 2 A 2 ) , wobei „ • " = „A" oder „ • " = „ V " ist. Beweis: In (18) entfallen die Zeilen 2., 3., 4., 7., 8., 10., 12. Daher hat man nur noch Zeilen, in denen A genau die Werte annimmt, die man durch ' A A 2 A erhalten kann. Damit gilt die Behauptung für „ • " = „A". Für „ • " = „ V " ergeben die verbleibenden Zeilen die Tab. (20). Wie man nachprüft, sind die möglichen Wahrheitswerte von A genau diejenigen, die man durch die vel-Verknüpfung aus denen für ! A und 2 A erhält. Außerdem gilt in (18) und (20) bei den verbleibenden Zeilen A 1 —> A und A —» A 2 , und zwar schöpfen die Wahrheitswerte von A alle existierenden Möglichkeiten aus. Damit gilt (19) auch für die Fälle, wo A 1 und A 2 durch D-Verknüpfungen entstehen.

(20) 1. 5. 6. 9. 11. 13. 14. 15. 16.

A1 W W

1

w F F F F F F

A1 W W

W W

F F F F

X F X X F F

w w w

l

A

w

2

AX

w F F W W F F F F

A W W W W W X X X F

J

A2 W W

w w

F W W F F

2

A

w

X F W

w X F X F

A2 W W

w w w w w w F

2

A2

w w F

w w w F W F

Es gilt ferner: (21) I b t i P / A 1 • A V A 2 • A ' ) = \ h {Ot*, 1 A V A 2 ) • { A ' } In (18) bleiben dann die Zeilen 1., 3., 6., 8., 9., 11., 14., 16. In diesen Zeilen sind die möglichen Wahrheitswerte für A gerade diejenigen, die man durch die et-Verknüpfung aus denen für XA und 2 A ' ( = A ' ) erhält. Ebenso ergibt sich dies, falls man (20) um die Zeilen 3. und 8. ergänzt. Daß man auch bei I b den Bezug zu Ol bewahren muß, ist so zu erkennen: Nehmen wir einmal an, daß die axiomatische Basis sogar so gut ausgestattet ist, daß man (im Sinne von 1=) über Menschen weiß, daß jeder, der 50 kg wiegt, mindestens 100 cm groß ist, und jeder, der 200 cm groß ist, mindestens 50 kg wiegt. Damit würden Größenpropositionen logisch zwischen bestimmten Gewichtspropositionen liegen. Da man das

38

Monotonie

Definitionsschema (C) nur so und nicht anders wählen kann, könnte ein monotoner Gewichtsweg stückweise zu einem monotonen Größenweg „degenerieren", und die Monotonie des Gewichts wäre dann nicht mehr gegeben (auf den degenerierten Stücken könnte das Gewicht oszillieren). Def. 4.3. ( U ^ A S A 2 ) , A liegt zwischen A 1 und A 2 ): Es sei Ol eine Menge von Propositionen, ferner sei A \ A 2 e Ol. Dann sei I C (6?,A\A 2 ) die kleinste der Mengen OT, für die folgendes gilt: (a) A 1 e C T , A 2 e ( F . (b) Wenn A' e CT und A" e CT, so I a (67,A',A") g OT. (c) Wenn A' e OT und A" € OT, so I b (Ak V iA m )) vorausgesetzt ist. Die folgende Belegung zeigt, daß (ß) nicht gelten muß: (25) (('A, A 2 A,) - (('A k A 2 A k ) V ( ' A m A 2 A m ))) W W W F F W Die Voraussetzung der Unverträglichkeit ergibt, daß nur solche Belegungen betrachtet werden müssen, wie sie in (26) für %; , 2 A l t 'A,, und 2 A n angegeben sind (Zeilen 1 bis 9.). (26) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

% W W W F F F F F F

2

A,

X

W F F W W F F F F

2

2

'A

2

AK

'A,

W

W

W

w

X

X

X

X

w

w

w

w

A,

A

:

AN F W F F F W W F F

2

AN F F F W F W F W F

Als unproblematisch erweisen sich zunächst die Zeilen 2., 4. und 9.: Hier hat man für die restlichen sechs Spalten keine Wahl, und (ß) ist sofort verifizierbar für alle betreffenden Belegungen. Aber auch für die Zeilen 3., 5., 7. und 8. gilt (ß)\ denn 'A... A 2 A... hat immer den Wahrheitswert F. Es bleiben noch die Zeilen 1. und 6. Hier müssen wir uns für diejenigen Belegungen interessieren, wo 'A, A 2 A, den Wahrheitswert W annehmen kann. Diese Möglichkeiten sind im mittleren Teil von (26) angegeben. Da für die Indizes 1 und 2 die Monotonie separat gilt, gibt es nur die im mittleren Teil aufgeführten Fälle. Für diese Belegungen gilt t= (('Ai A 2 Ai) —» ( ' A k A 2 A k )) für alle k mit 1 ^ k ^ 1 in Zeile 1. bzw. 1= (('A, A 2 A0 ( ' A m A 2 A m )) für alle m mit 1 ^ m ?i n bei Zeile 6., also insgesamt (ß) für alle k, 1, m mit l = k = l = m = n. Damit ist auch (d) verifiziert. D a ß die Behauptung von Satz 4.5. ohne zusätzliche Voraussetzungen nicht gilt, ist keine unmittelbare Folgerung aus der Tatsache, daß in (12b) oder Satz 4.4. nur „ s " gilt: Es könnte ja auch sein, daß die Menge aller Propositionen der Gestalt „ . . . A . . . " kombinatorischen Schrott enthält, den man nicht benötigt. Tatsächlich liegen die Verhältnisse jedoch anders: Im allgemeinen sind diese Propositionen logisch zu schwach, um das Verlangte zu leisten. Man müßte sie logisch verstärken, um die

42

Monotonie

Bedingung (b) in Def. 4.2. zu sichern. Das kann man aber nicht, ohne (a) zu verletzen. Es existiert also eine grundsätzliche Unmöglichkeit, die Behauptung des Satzes 4.5. zu sichern, sie gilt nur für gewisse Spezialfälle. Genauer gesagt, die Wahrheitswerte für ^ K , 2 A K , ^ M , 2 A M müssen sich für beliebige k, m mit 1 ^ k ^ m ^ n so zueinander verhalten, daß die Zeilen 7. und 10. in (18) niemals auftreten, wenn man % = XAK, 2AX = 2 A K , *A2 = ^ und 2 A 2 = 2 A M setzt. Immerhin deckt Satz 4.5. die übliche Anwendung ab, wie man sie bei der Instantiierung von Propositionen vornimmt, die beispielsweise die Form (27) ET(BEC(NOT(HAVE(p,u))),BEC(HAVE(q,u))) haben. Man muß aber eben, um Satz 4.5. beruhigt anwenden zu können, (28) t: (HAVE(p,u) | HAVE(q,u)) für ref(p) * ref(q) voraussetzen. Satz 4.6.: Es sei e = e ^ . . . , e n ein monotoner Weg von ' A i nach 2 A„ in lOl und ein monotoner Weg von 2A°I nach 2 A° in 2Ol. Ferner gelte für beliebige Propositionen 'AV aus xOl (i = 1,2; v = 1, n) mit INST(e v , IAV) folgendes: 1= CA { -> ! A N ) und ( 2 AI —> 2 A N ). Dann ist e auch ein monotoner Weg von ! A° A 2 A° nach 'A„ A 2 A„ in l Ol A 20l, falls I c nur auf I b beruht. Beweis: In diesem Fall gestaltet sich der Beweis einfacher: Man wendet (19) für „ • " = „ A" an. Dann leisten die Propositionen 'A, A 2 Ai tatsächlich das Verlangte, da sich die angenommene Implikation auf alle Zwischenglieder vererbt (s. Schluß des Beweises für (19)). Der Satz 4.6. ist das Analogon der Aussage, daß z.B. die Summe (oder auch das Produkt positiver) gleichartig monotoner reeller Funktionen wieder monoton ist. Dagegen braucht ja die Summe (oder das Produkt) einer monoton wachsenden und einer monoton abnehmenden Funktion nicht wieder monoton zu sein. Ich betrachte jetzt monotone Wege von NOT(A) nach A, d . h . solche, die BECOME-Propositionen instantiieren, wobei A e Ol ist. Hierbei wird die Frage interessant, ob NOT(A) auch zu Ol gehört oder nicht. Im letzteren Fall kann e „irgendwo" in Ol beginnen, d.h., e j kann Propositionen aus Ol instantiieren, die mit N O T ( A ) verträglich sind (also auf keinen Fall A selber!). Sind diese festgelegt, so schränkt die Monotonie-Bedingung diejenigen Propositionen ein, die durch die ei (1 < 1 < n) instantiiert werden. Die Festlegung kann z.B. durch eine weitere Proposition gegeben sein, die daraus entsteht, daß eine Proposition der Gestalt ET(BEC(A), BEC(NOT(A'))) vorliegt. Gehört NOT(A) zu 67, so wirkt sich schon NOT(A) selber in dieser Weise aus, insbesondere dann, wenn Ol nur wenige Propositionen enthält, wie man dies bei einschlafen und wach werden annehmen kann. Enthält Ol überhaupt nur zwei Propositionen (A und A ' ) , so muß INST(ei,A') gelten, und e enthält kein Medium (s. 5.1.4.). Zum Abschluß möchte ich noch einmal auf zwei der Beispiele aus 4.1. eingehen. Bei dem Zug-Beispiel hat man als „a-priori-zwischen"-Beziehung die Folge a , b , . . ,,f. Darauf wendet man Def. 4.3. an und erhält, daß z.B. zwischen a und b genau a, a V b und b liegen, jedoch nicht a A b: Die letzte Proposition liegt nicht in Ol (Karl kann sich nicht gleichzeitig in a und b befinden). So fährt man fort und füllt gemäß Def. 4.3. unter Berücksichtigung von Satz 4.3. die Zwischen-Beziehung immer weiter auf. Die formale Behandlung des Wachstumsbeispiels war dort schon weitgehend dargelegt worden. Die ganz exakte Begründung des Schlusses über die Monotonie des

Monotone Wege

43

Parameters c erfordert, daß e nicht nur monoton in d e ^ M e n g e der Propositionen A ( x , c ) , sondern auch in den Mengen der Propositionen A ( x , c ) bzw. A ( x , c ) ist. Das Hauptergebnis dieses Kapitels ist eine Präzisierung des eingangs erwähnten Begriffs „Orientierung". E r läßt sich, wie eben hergeleitet, z . B . in einen monotonen Werteverlauf von Parametern umsetzen. Viel wesentlicher ist jedoch, daß sich das durch die Monotonie dikrierte Verbot „propositionaler Oszillationen" entlang monotoner W e g e als eine wohl notwendige Voraussetzung für die Definition der Rollen erweist. Gewisse Vereinfachungen und Schlüsse - auch wenn sie ganz elementar sind - funktionieren ohne entsprechende Annahmen nicht. In Kap. 6 wird sich zeigen, daß Monotoniebedingungen bestimmte (an sich denkbare, aber nicht vorkommende) Kasusrelationen ausschließen. Damit ist weder die Frage beantwortet, warum (falls es zutrifft) diese Kasusrelationen einen Luxus darstellen, noch die nach einem eventuellen „Universaliencharakter" dieses Ausschlusses. Man beachte dabei, daß das relativ einfache Beispiel (mit dem Wald) in 5.2.6. wirklich nur ein Spezialfall ist. B e i I S A anstelle von P L A C E - i n ist der diskutierte Ausschluß noch viel deutlicher, außerdem entfällt zusätzlich das etwas ambivalente Verhältnis zwischen räumlichen und logischen Wegen.

5. Die verwendeten Funktionen und Prädikate

D a ich in den folgenden Kapiteln bestimmte Eigenschaften (insbesondere von Prädikaten) immer wieder verwenden werde, ist es nötig, alle Funktionen und Prädikate, die eine wesentliche Rolle spielen, detailliert zu beschreiben und dabei auch die entsprechenden Instantiierungsregeln anzugeben. Gerade letztere werde ich dann aber stillschweigend voraussetzen, d . h . bestimmte Umformungen und Konsequenzen nicht ständig begründen. In einigen Punkten entspricht das vorgeschlagene Inventar den tradierten Vorstellungen, in anderen weicht es (z.T. beträchtlich) davon ab. Ich beschränke mich im wesentlichen auf eine Darstellung meiner Auffassung und verzichte weitgehend auf Vergleiche mit denen anderer Autoren, zumal eine explizite Darstellung der Prädikate oft gar nicht stattfindet. Das anschließend dargestellte Inventar ist in erster Linie durch die in den späteren Kapiteln behandelten Verbfelder und Erscheinungen bestimmt. Es ist in keiner Weise als vollständig anzusehen, weil ich eine Reihe von Verbfeldern (z.B. solche des Wissens, Glaubens, der Wahrnehmung, der Kommunikation) höchstens streifen werde. Da ich die dafür notwendigen Prädikate übergehe, ist auch das später verwendete Inventar an Kasusrelationen in gleicher Weise unvollständig (es fehlt z . B . etwas wie E X P E R I E N C E R ) . Dies ist eine natürliche Konsequenz dessen, daß alle Kasusrelationen auf Prädikaten (ihren Basisprädikaten im Sinne von 6.1.2.) aufgebaut sind, d . h . , die strenge Definition der Kasusrelationen erfordert die Einführung der sie tragenden Prädikate im Detail. Mit Hilfe der jetzt zu behandelnden Prädikate werde ich später weitere einführen (z.B. A L T E R ) und bestimmte Reduktionen vornehmen (dies bestrifft z.B. EXIST).

5.1. Funktionen D a s Inventar an Funktionen ist von den späteren Beispielfeldern weitgehend unabhängig und überdeckt einen allgemein notwendigen Bereich. 5.1.1. Die Funktion ref Man benötigt zunächst eine Abbildung, die den Variablen x aus V sprachliche Formen f ( d . h . etwa NP's) zuordnet. Ist f die der Variablen x zugeordnete Form, so sei ref(x) diejenige Teilmenge von D , die in einem bestimmten Zustand von D dieser Form als Denotat zugeordnet ist. Daher ist ref(x) eine „verkürzte" Funktion: (1) x - > f ; f —» ref(f) x —» ref(x) D e r zweite Teil des Übergangs ist natürlich eine äußerst komplexe Abbildung: Man benötigt den Kotext, in dem f auftritt (z.B. f = diese beiden Kinder), Referenzauflö-

Funktionen

45

sungen für Pronomina f, rekursive Regeln für die Bestimmung von ref(f), falls f komplex ist (z.B. f = das rechte Vorderrad am Auto von Annas Schwiegervater), eine Wissensbasis über D, kommunikatives Wissen u . v . a . m . Dies kann ich für meine weiteren Betrachtungen unterdrücken. Ich umgehe auch die Frage, ob ref(x) in seiner Struktur immer eine Teilmenge von D sein muß. Diese Frage taucht schon bei indefiniten NP's auf, wo durchaus komplexere Abbildungen f —> ref(f) einschließlich einer Nicht-Eindeutigkeit notwendig sind. Für den Gegenstand meiner Betrachtungen ist dies unerheblich. 5.1.2. Die Funktionen loc und area-d Ist x eine Variable aus V, so ist damit, wie schon erklärt, eine (eventuell zeitabhängige) Menge ref(x) und < P - T H E M E , B > bestimmt. Wie sich gleich zeigen wird, muß notwendigerweise F B E C ( R ) = R auch für diese Kasusrelationen gelten. Aus (42) ergibt sich (50) F S T A Y ( R ) = R für alle R. Ist ref(x) z.B. A G E N S in einem Sachverhalt, so ist es auch A G E N S in demjenigen Sachverhalt, der im Fortdauern des ersten Sachverhalts besteht. Man beachte, daß bei Kombinationen mit F N O T die „negationssensitiven" Kasusrelationen wieder aufzulösen sind: (51) F n o t ( F s t a y ( R ) ) = F n o t ( O R, A R f )

= o RI A - R F ,

84

Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

also beispielsweise nicht Fnot(Fstay() = Fnot() = , sondern FNOT(FSTAY() = FNOT(O < T H E M E , H A V E > i A < T H E M E , H A V E > F ) = o i A F = . In W o r t e n : „p behält u nicht" = „p wird u los" =t= „p hat u nicht" (letzteres e n t s p r ä c h e ). F ü r das Prädikat M I D f ü h r e ich eine analoge Hilfsfunktion F M I D ein. A u s d e r Instantiierungsregel f ü r M I D (vgl. 5.2.6.) ergibt sich unter B e a c h t u n g d e r Präsupposition: (52) F M I D ( R ) = o - R J A R M A o - R F D a b e i steht i, m , f f ü r init, m e d , fin. A n a l o g wie (41) leitet m a n ab: (53) F N O T ( F M I D ( R ) ) = - R (bei N i c h t b e a c h t u n g der P r ä s u p p o s i t i o n ) (54) F N O T ( F M , D ( - R ) = R (dito) (55) F B E C ( F M I D ( R ) ) = F m i d ( R ) (56) F m i d ( F b e c ( R ) ) = F m i d ( R ) (S. (76)) (57) F m i d ( F m i d ( R ) ) = F m i d ( R ) (58) F M 1 D ( - R ) = O RI A - R M A o R F = ? (keine passende U m f o r m u n g möglich) A u s (55) u n d (57) folgt, d a ß diejenigen Kasusrelationen, die d u r c h F M I D u n d eine a n s c h l i e ß e n d e Z u s a m m e n f a s s u n g , d . h . insgesamt durch F M I D e n t s t e h e n , durch F B E C u n d F m i d nicht m e h r modifiziert w e r d e n . A u ß e r d e m klären ( 5 3 - 5 4 ) die in 5.2.6. a n g e s c h n i t t e n e Frage der Negation bei M I D - P r o p o s i t i o n e n . A u f d e r G r u n d l a g e von (52) lege ich folgendes fest: (59) F m i d ( R ) = R * Ist B ein L o k a t i o n s p r ä d i k a t , so gelte: R R* (60) < L O C A T , B > (o < L O C A T , - B > i A < L O C A T , B > m A o < L O C A T , - B > f ) = (61) < T H E M E , B > (o < T H E M E , - B > ; A < T H E M E , B > m A o < T H E M E , - B > f ) = D i e s sind die definierenden Z u s a m m e n f a s s u n g e n f ü r < P - L O C A T , B > und < P - T H E M E , B > , analog zu (45) u n d (47). R R* (62) < L O C A T , —B> o I A M A o F (63) < T H E M E , - B > o j A m A o f D i e s sind reine Hilfsgleichungen, die keine a t o m a r e n K a s u s r e l a t i o n e n e r z e u g e n . A n dieser Stelle ist eine B e m e r k u n g zu m a c h e n . Die V e r w e n d u n g der vier in ( 4 4 - 4 7 ) definierten Tiefenkasus ist im G r u n d e ein Z u g e s t ä n d n i s an t r a d i e r t e Vorstell u n g e n . M a n k ä m e mit nur zweien aus, die ich einmal als X - L O C A T bzw. X - T H E M E b e z e i c h n e . D a n n wäre (64) < S O U R C E , B > = (65) < G O A L , B > =

Semantische Grundformen (66) < F R O M - O B J , B > (67) < T O - O B J , B >

85 = =

.

Dabei ist B ein Lokationsprädikat. Man kann diese Unterscheidung also mühelos auf das „ - " abladen. Bei der gewählten Fassung kann ich das „—" verbieten (s. (27—30)). Was passiert bei diesem Verbot, wenn man F N O T ( < G O A L , B > ) bestimmen soll? Rein formal ergibt dies < G O A L , — B > . Dies ist eine verbotene Kasusrelation, also muß man, um weiterzukommen, (45) rückwärts anwenden, und das Resultat ist das Gewünschte: (68) F N O T ( < G O A L , B > ) = - ( o < L O C A T , — B > j A < L O C A T , B > F ) = o i A F =

(69) Otto bekommt das Buch nicht => Otto bleibt Nicht-Besitzer des Buches Diesen Mechanismus wende ich nun auch auf F M I D ( < L O C A T , ( — )B>) an. Als Argument dieser Modifikationsfunktion ist < L O C A T , — B > erlaubt. Das „Kurzschluß"Ergebnis < P - L O C A T , - B > (als denkbares Resultat der Anwendung von F m i d ) ist verboten. Also muß man einen anderen Weg suchen. Man kann das „ —" nach vorn ziehen, kommt aber wegen (58) wieder in eine Sackgasse. Andere Möglichkeiten gibt es nicht. Diese Situation entspricht dem Fall c) auf S. 58 Der Fall b) wird durch (53) erledigt: F n o t hat keine Anwendungsbeschränkungen, das Resultat — < L O C A T , B > = ist erlaubt. Es bleibt noch d): Hierfür ist (54) zuständig. F m i d ist gemäß (62) auf < L O C A T , - B > anwendbar, aber man erhält nur die komplexe Kasusrelation. Da jedoch F n o t noch anzuwenden ist, ergibt sich < L O C A T , B > . Damit ist folgendes gezeigt, wenn man F M I D als „F M I D + angegebene Zusammenfassungen" definiert: (70) F M I D ( < L O C A T , B > ) = < P - L O C A T , B > (Fall a)) (71) F N O T ( F M I D ( < L O C A T , B > ) = < L O C A T , - B > (Fallb)) (72) F M I D ( < L O C A T , - B > ) = nicht definiert (Fall c)) (73) F N O T ( F M I D ( < L O C A T , - B > ) = < L O C A T , B > (Fall d)) Entsprechendes leitet man für < T H E M E , ( - ) B > und < P - T H E M E , B > ab. In den Fällen b) und d) braucht das zweite Argument von B also nicht etwas zu sein, was das Konzept „räumlicher Weg" enthält, bei a) ist dies notwendig. Wie bei F B E C setze ich (74) F M I D ( R ) = R

für R = < T H E M E , ( - ) B > , < P A T , ( - ) B > , < A G E N S , ( - ) B > , CINSTR, (—)B> und < M E A N S , ( - ) B > , wobei B einstellig ist. Aus (57) folgt notwendigerweise (75) F M I D (R) = R für R = < P - L O C A T , B > und < P - T H E M E , B > . In Verbindung mit (56) ergibt sich: (76) F m i d ( F b e c ( R ) ) = F M I D ( O - R I A RF)

= o - ( o - R j A R f ); A (o - R i A R f ) m A o - ( o - R j A R f ) f = o (o - R j A — Rf)i A (o - R i A R f ) m A o (o - R j A - R f ) f = o -RJ. A RM. A o - R

R

(=

FMID(R))

Daraus folgt: (77) F m i d ( < G O A L , B > ) = < P - L O C A T , B > (78) F m i d ( < T O - O B J , B > ) = < P - T H E M E , B >

86

Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

Ebenso ergibt sich aber auch: (79)

pMID(£BEC(_R))

= o Rj' A - R m . A o Rf- (= F m i d ( - R ) ) Dies ist gerade die rechte Seite von (58), die sich nicht weiter umformen läßt. Daraus folgt, wenn man noch (72) und das Pendant von (72) für T H E M E hinzunimmt, folgendes: (80) F m i d ( R ) = nicht definiert für R = < L O C A T , - B > , < T H E M E , - B > , < S O U R C E , B > und

Wenn man F m i d auch für diese R's definieren möchte, braucht man zwei neue Tiefenkasus, „negative Path-Location" und „negatives Path-Theme". Dies hat aber nur Sinn, wenn man die generellen Monotonie-Bedingungen fallen läßt. Aufgrund der im Fall c) bestehenden Aktantifizierungsprobleme entscheide ich mich für (80). Durch (80) einerseits und (70) (einschl. des THEME-Pendants) und ( 7 7 - 7 8 ) andererseits werden „negative" und „positive" R's getrennt. Selbstverständlich stört (80) den Prozeß der rekursiven Bestimmung von Z(x,A). Man muß dem begegnen, indem man als Argument von MID keine negierten Lokationspropositionen zuläßt, oder wenn dies der Fall ist, MID als negiert voraussetzt. Dies ist genau angebbar, auf die Einzelheiten gehe ich nicht ein. Ähnliches gilt auch für B E C ( B E C ( . . . ) ) sowie für Fälle, auf die ich in 5.2.6. hingewiesen habe. Mit Hilfe der bisher angegebenen Definitionen ist es möglich, die Rolle von q und u in der Proposition Ai = BEC(HAVE(q,u)) zu berechnen. (a) Basiszuordnung: { < L O C A T , H A V E > } = Z(q,HAVE(q,u)) { < T H E M E , H A V E > } = Z(u,HAVE(q,u)) (b) Anwendung von F B E C : {} = Z(q,A0 { < T O - O B J , H A V E > } = Z(u,Ai) Die Rolle von q in A j ist also „GOAL bezüglich H A VE", die von u „TO-OBJ bezüglich H A VE". Die Modifikationsfunktionen für das Prädikat ET mit zwei propositionalen Argumentstellen seien (81) F f T ( R ) = R, F 2 e t ( R ) = R. E T modifiziert also überhaupt nicht, sondern sammelt nur die Rollen aus beiden Argumenten ein (vgl. Def. 6.8.). Auch diese Festlegung ist eine Konsequenz der Instantiierungsregel für ET (vgl. 5.2.3.). Durch diese beiden Modifikationsfunktionen muß jedoch noch etwas anderes geleistet werden, was ich hier nicht weiter formalisieren möchte, da es sich um reine Kombinatorik handelt. Ich zeige es an einem Beispiel. Ausgangspunkt ist das eben hergeleitete Ergebnis: (82) < G O A L , H A V E > e Z(q,Aj) e Z(u,A:) Dies gibt die Rollenverteilung eindeutig wieder. Nun betrachte ich die Proposition A 2 = BEC(NOT(HAVE(p,u))). Man erhält analog (83) < S O U R C E , H A V E > e Z(p,A 2 ) < F R O M - O B J , H A V E > e Z(u,A 2 ).

Semantische Grundformen

87

In der Proposition A 1 2 = E T ( A ! , A 2 ) ergibt sich nach (81) für die Rollen dann folgendes: (84) < S O U R C E , H A V E > 6 Z ( p , A 1 2 ) < G O A L , H A V E > e Z(q,Ai2) < F R O M - O B J , H A V E > e Z(u,A12) < T O - O B J , H A V E > E Z(U,A 1 2 ) Ebenso behandelt man A 3 = B E C ( H A V E ( p , v ) ) und A 4 = B E C ( N O T ( H A V E ( q , v ) ) ) und erhält schließlich für A 3 4 = E T ( A 3 , A 4 ) : (85) < S O U R C E , H A V E > e Z(q,A 3 4 ) < G O A L , H A V E > 6 Z(p,A 3 4 ) < F R O M - O B J , H A V E > e Z(v,A 3 4 ) < T O - O B J , H A V E > e Z(v,A 3 4 ) Sowohl (84) als auch (85) geben die Rollenverteilungen in A 1 2 bzw. A 3 4 korrekt wieder. Schließlich betrachte ich die Proposition A 1 2 3 4 = E T ( E T ( A i , A 2 ) , E T ( A 3 , A 4 ) ) = ET(Ai 2 ,A34)- Diese Proposition tritt z. B. als zweites Argument von C A U S E in der semantischen Grundform von verkaufen auf (vgl. (168)): p der Erstbesitzer der Ware, q ihr Zweitbesitzer, u die Ware, v der Preis. Wendet man für A 1 2 3 4 die Definition (81) an, so ergibt sich: (86) Z ( p , A 1 2 3 4 ) = Z(q,A 1 2 3 4 ) Z(u,A 1 2 3 4 ) = Z(v,A 1 2 3 4 ) Dieses unerwünschte Resultat hat seine Ursache natürlich in der Symmetrie von AI 2 3 4 . D e r entstandenen Konfusion kann man formal vorbeugen, indem man die verschiedenen Vorkommen von H A V E (im allgemeinen Fall: von Basisprädikaten) indiziert. Dies findet man in dem „Gesamtangebot" (87) von Rollen für A 1 2 3 4 ( H A V E n ist das Vorkommen in A n ) . (87) ist natürlich ziemlich redundant, und es kann durch einen Mechanismus ersetzt werden, der beim Einsammeln der Rollen darauf „achtet", wie die Rollen einander entsprechen (z.B. welches G O A L gehört zu welchem T O - O B J usw.). Komplementäres Arg. (87) p: < S O U R C E , H A V E 2 > U p: < G O A L , H A V E 3 > v q: < S O U R C E , H A V E 4 > v q: < G O A L , H A V E ! > U u: < F R O M - O B J , H A V E 2 > p u: < T O - O B J , H A V E 1 > q v: < F R O M - O B J , H A V E 4 > q v: < T O - O B J , H A V E 3 > p Die Verteilung der ET's wirkt sich hierbei nicht aus, sie ist nur für die Reihenfolge der Einsammlung der Rollen, nicht jedoch f ü r das Ergebnis von Bedeutung. Die erste in (87) angegebene Rolle ist also ausführlicher als ,.p ist S O U R C E von u bezüglich H A V E " zu paraphrasieren. Da jedes S O U R C E immer gleichzeitig mit einem F R O M OBJ entsteht, kann man folglich „korrespondierende" Rollen einander zuordnen (gleicher Index bei H A V E ) . Was beim Prozeß der rekursiven Definition der Rollen als Zwischenstadium aufbewahrt werden muß, ist eben diese Korrespondenz, etwa, daß die beiden Rollen von p mit den Rollen < F R O M - O B J , H A V E > von u (und nicht von v!) und < T O - O B J , H A V E > von v (und nicht von u!) korrespondieren. Wie diese Korrespondenz sich auswirkt, werde ich im nächsten Abschnitt zeigen.

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Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

Die bisher getroffenen Festlegungen gestatten es auch, die im vorangehenden Abschnitt bereits angeschnittene Frage besser zu behandeln, ob das Prinzip „pro Vorkommen eines Arguments je eine Rolle" gerechtfertigt ist. Ich betrachte wieder das Argument u in der semantischen Grundform für geben. Wie oben schon gesagt wurde, wäre eine ganz exakte Definition der Rollen auf der Grundlage der Instanzen, d.h. unter Verwendung von zwei Ebenen (Instanzen und Propositionen) zu formulieren. Ich kürze dies in dieser Arbeit etwas ab, aber ignoriere es nicht: Sowohl die Basiszuordnungen als auch die Modifikationsfunktionen (und erst recht die Zusammenfassungen) sind durch Instantiierungsregeln motiviert. Ein solcher Standpunkt macht aber die Einführung eines Prädikats TRANSFER wie in (23) unmöglich. Es ist klar, daß man eine Unterscheidung in HAVE-TRANSFER (das wäre (23)), PLACE TRANSFER, ISA-TRANSFER, . . . vorzunehmen hätte. Alle diese TRANSFERPropositionen müßten notwendigerweise durch Wege e instantiiert werden. Damit entsteht automatisch ein Bezug auf init(e) und fin(e). Nun lassen sich die Rollen von u bezüglich init(e) und bezüglich fin(e) aber nicht unter einen Hut bringen, sie sind logisch sogar unabhängig; denn bei einem Prädikat HAVE-STAY(p,u) wäre die Rolle von u bezüglich init(e) die gleiche wie eben, die bezüglich fin(e) jedoch anders. Dies ist der eigentliche Grund dafür, daß bereits TRANSFER (und erst recht GEBEN und KAUFEN) ein unbrauchbares Konstrukt ist. Es zeigt sich ferner, daß das Prinzip „pro Vorkommen eine Rolle" letztlich eine Konsequenz der instanzenbasierten Rollenauffassung ist. Eine Möglichkeit, eine einzige Rolle für u in der semantischen Grundform für geben zu kreieren, wäre eine Verschmelzung folgender Art: (88) u: und u: wird zu u: (OBJECT müßte nicht notwendigerweise mit dem eingeführten THEME übereinstimmen!). Man würde also einen weiteren Typ von Operationen benötigen, was jedoch keinen ernsthaften Einwand darstellt. Aus den oben genannten Gründen, die mit der Emphase-Verteilung und (21—22) zusammenhängen, werde ich diese Möglichkeit nicht verfolgen. Als nächste behandele ich die Modifikationsfunktionen für CAUSE: (89) F f a u s e ( R ) = R*

(90) (91) (92)

(93)

D R " R*

Kausiert eine Handlung von ref(x) etwas, so ist ref(x) handelndes AGENS in dem komplexen Sachverhalt.

Kausiert eine Wirkung von ref(x) etwas, so ist ref(x) wirkendes AGENS in dem komplexen Sachverhalt.

für B = ACT oder B = EFF Ist ref(x) AGENS in einem Sachverhalt, der etwas kausiert, so ist es auch AGENS in dem neuen komplexen Sachverhalt. Der typische Anwendungsfall dafür ist CAUSE(CAUSE(ACT(x),...)...).

für B = ACT oder B = EFF Ist ref(x) in einem Sachverhalt bezüglich einer Handlung oder Wirkung betrof-

89

Semantische Grundformen

fen und kausiert dieser Sachverhalt etwas, so ist ref(x) handelndes oder wirkendes I N S T R U M E N T in dem neuen komplexen Sachverhalt. Wenn man als erstes Argument von CAUSE nur ACT und EFF zuläßt (sowie gewisse Kombinationen davon, die ich in 11. behandele), so benötigt man F f A U S E ( R ) nur für solche Kasusrelationen R, die aus diesen durch Modifikationen entstehen können. Dies sind außer den bereits angegebenen nur noch INSTR und MEANS. Auf diese beiden gehe ich auch noch bei F f A U S E ein. Während für B = ACT und B = E F F (94) F f A U S E ( < I N S T R , B > ) = < I N S T R , B > plausibel ist, sind die Verhältnisse bei F f a u s e ( < M E A N S , B > ) unklar: Eine Wirkung (B = E F F ) von ref(x) kausiert etwas ( < T H E M E , E F F > => < A G E N S , E F F > ) , der komplexe Sachverhalt wird seinerseits kausiert ( < A G E N S , E F F > => < M E A N S , E F F > , s. (99)), der neue komplexe Sachverhalt kausiert etwas (Ff A U S E ( . . . ) ) , was ist die Rolle von ref(x) in dem dritten komplexen Sachverhalt? Wahrscheinlich gibt es derart komplizierte Grundformen überhaupt nicht. Ein derartiges Monstrum ist (132) auf S. 212. (95) F 2 c a u s e ( R ) = R für R = < L O C A T , ( - ) B > , < P - L O C A T , B > , < S O U R C E , B > , < G O A L , B > , < T H E M E , ( —)B>, < P - T H E M E , B > , < F R O M - O B J , B > , < T O - O B J , B > , wobei B ein Lokationsprädikat ist. In diesen Fällen dominieren die BEC- und MIDModifikationen. Außerdem gelte die Invarianz für R = < I N S T R , ( - ) B > und < M E A N S , ( — ) B > : Ist ref(x) INSTR/MEANS in einem Sachverhalt, der kausiert wird, so hat ref(x) dieselbe Rolle in dem neuen komplexen Sachverhalt. (96) F 2 c a u s e ( R ) = R* R R* (97) < T H E M E , ( — ) B >

mit B = ACT, EFF, »STATE (B einstellig). Wird eine Handlung, eine Wirkung oder ein Zustand von ref(x) (oder ein Eintreten, Fortbestehen oder Aufhören dessen) kausiert, so ist ref(x) in dem neuen komplexen Sachverhalt bezüglich B betroffen. (98) < P A T , ( —)B>

Ist ref(x) in einem Sachverhalt bezüglich B betroffen und wird dieser Sachverhalt kausiert, so ist ref(x) auch in dem neuen komplexen Sachverhalt bezüglich B betroffen. (99) < A G E N S , B >

Ist ref(x) handelndes oder wirkendes A G E N S in einem Sachverhalt und wird dieser Sachverhalt kausiert, so ist ref(x) MEANS in dem komplexen Sachverhalt. Ist in (99) B = ACT, so liegt ein handelndes MEANS vor: ref(x) kausiert durch eine Handlung etwas in einem Sachverhalt, der kausiert wird: (100) Die Botschaft

befördert

die Diplomatenpost

mit Kurieren!durch

Kuriere.

Hierauf gehe ich in 11. ein. Es bleiben noch F b e g i n und F e n d . Entsprechend der mit diesen beiden Prädikaten verbundenen Absicht, Rollen, die sich aus Wegen ergeben, für init(e) bzw. fin(e) zu konservieren, ist naturgemäß folgendes festzulegen: (101) F B E G I N ( R ) = R f ü r alle R (102) F E N D ( R ) = ° R f ü r alle R.

Damit sind alle F?(R) für Prädikate B mit propositionalen Argumentstellen und

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Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

beliebige Rollen R behandelt, und Z(x,A) ist für beliebiges x und A (mit den für C A U S E und MID genannten Beschränkungen) definiert. Def. 6.9. (rollendefinierende Vorkommen): Ist x ein elementares Argument einer Proposition A, so gibt es zu jeder Kasusrelation R mit R e Z(x,A) wenigstens ein Vorkommen von x in A, so daß R durch Basiszuordnungen und Modifikationen aus diesem Vorkommen entsteht. Dieses Vorkommen heißt ein rollendefinierendes Vorkommen von x für R in A. Es ist möglich, daß verschiedene Vorkommen von x das gleiche R ergeben (dann muß man eine technische Indizierung vornehmen), niemals ergibt jedoch ein und dasselbe Vorkommen verschiedene Kasusrelationen R; denn die Basiszuordnungen und die Modifikationsfunktionen sind eindeutige Abbildungen. Es ist ferner möglich, daß für verschiedene Argumente x und y gleiche Rollen entstehen, d.h., daß Z(x,A) n Z(y,A) =t= 0 ist. Auch in diesem Fall wird eine technische Indizierung vorgenommen, die den eventuellen Zusammenhang der gemeinsamen Rollen von x und y mit korrespondierenden Rollen anderer Argumente ausdrückt. Das in dieser Definition ausgedrückte Fazit des Mechanismus der Rollendefinition verletzt heilige Grundsätze der Kasustheorie in gröblichster Weise. Im Hintergrund warten aber schon die Rollenblockierungen, um alles ins Lot zu bringen. Es sei noch einmal angemerkt, daß die unerwünschten Erscheinungen (d.h. die nicht-eindeutige Umkehrbarkeit der Beziehung R —* Argument(vorkommen)) nicht nur bei pathologischen Fällen auftreten (etwa bei ET(ACT(x),ACT(x))), sondern auch durch ganz natürliche Symmetrien entstehen: Die semantische Grundform von verkaufen ist hierfür ein Beispiel. Abschließend noch eine allgemeine methodische Bemerkung: Die anhand von (51) und (68) gezeigte Notwendigkeit, zusammengefaßte Kasusrelationen wieder aufzulösen, entfällt, wenn die bei F B E C und F M I D eingeführten neuen Kasusrelationen erst am Ende der Berechnung eingesetzt werden. Diese Variante verfolge ich nicht weiter. Als Gegenstück zur eben genannten Notwendigkeit hat man dann den Schönheitsfehler, daß Z(x,A) formal verschieden ausfällt je nachdem, ob A als Teil- oder Gesamtproposition betrachtet wird.

6.2. Sememrepräsentationen Die in 6.1.1. skizzierten Besonderheiten der Sememrepräsentationen gegenüber den semantischen Grundformen sollen nun im einzelnen dargestellt werden. Ich werde zunächst die semantische Emphase behandeln, danach die Rollenblockierungen. Daran schließen sich Betrachtungen über die Aktanten an. Ein Aktant eines Verbsemems ist ein elementares Argument der entsprechenden semantischen Grundform, verbunden mit einer seiner möglichen Rollen. Durch die Auswahl der Rolle wird das Argument aktantifiziert. In den Abschnitten 6.2.3.1. und 6.2.3.2. werde ich schließlich zeigen, wie man dem Begriffspaar „obligatorisch/fakultativ" zu Leibe rücken kann und nach welchen Regeln die Oberflächenform der Aktanten (Oberflächenkasus, Präposition, . . . ) zu bestimmen ist. In 6.2.3.2. werde ich mich auf einige wenige Regeln beschränken, die dann für eine Reihe von Verbklassen und ausgewählten Erscheinungen in 7. bis 11. ergänzt werden. Die Bestimmung der Oberflächenform der Aktanten ist diejenige Stelle, wo die

Sememrepräsentationen

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Basisprädikate der Kasusrelationen ins Spiel kommen. Ohne ihre Verwendung kann man dieses Problem nur sehr vage behandeln. Der Grundgedanke, für die Behandlung semantischer Probleme (mindestens) zwei Ebenen zu konstituieren, ist keine Innovation. Meine Vorstellungen darüber haben eine gewisse Ähnlichkeit mit dem, was W. Koch in K O C H 1978 einerseits Abbildungsebene und andererseits Rollenebene und thematische Ebene nennt. Die Abbildungsebene - auch wenn Koch sie formal anders einführt, nämlich durch die Verknüpfung gewisser Dreierkonstellationen aus Source, Object und Goal - entspricht etwa den semantischen Grundformen. Auf der Rollenebene werden Kombinationen (z.B. Object-Patiens- Source-Patiens, Goal-Patiens, Goal-Locus, Source-Locus, Source/ Goal-Locus usw.) verwendet. Die thematische Struktur repräsentiert dann die Oberflächenformen (Subjekt, Adverbial usw.), jedoch werden diese Zusammenhänge nicht genau expliziert. Die von mir verwendeten Kasusrelationen sind ebenfalls Kombinationen (z.B. < G O A L , H A V E > ) , aber etwas anderer Natur: Das Basisprädikat wird bei der Bestimmung der Oberflächenformen eingelöst: So wird sich etwa zeigen, daß folgende Umsetzungen unter noch zu spezifizierenden Bedingungen stattfinden: (103) < G O A L , H A V E => an + A (104) < G O A L , I S A > => zu + D oder in -I- A (105) Er verschenkt die Vase an Anna. (106) Er macht Wasser zu Wein.

6.2.1. Semantische Emphase und inhärente Teilpropositionen Wie eben angedeutet, hat die Annahme mehrerer Ebenen verschiedene Ausprägungen dadurch erfahren, wie das Verhältnis der Ebenen zueinander im Detail definiert worden ist. Ich verwende nur zwei Grundsätze für die Konstituierung dieses Verhältnisses, und diese beiden machen den Inhalt dieses und des nächsten Abschnitts aus. Eine semantische Grundform G ist eine Proposition, die keine interne Wichtung oder Präferenz ihrer Teile kennt (s. Def. 6.1.). Sie bildet bestimmte Sachverhalte ab, und diese Sachverhalte ergeben sich aus den Instantiierungsregeln: INST(e, G) besagt daher gerade, daß e ein Sachverhalt ist, der durch G abgebildet wird. Mit der Auswahl eines Verbsemems, das zu einer Grundform gehört, wird eine Perspektive für G induziert: Bestimmte Teilpropositionen von G rücken in den Vordergrund, andere treten mehr zurück. Dies ist eine äußerst unverbindliche Aussage, da weder die Bedingungen noch die Konsequenzen einer derartigen Bewertung a priori klar sind. Zum Nachweis, daß eine derartige Vorstellung keine individuelle Fehlspekulation ist und (wenn man sie im Detail anwendet) nicht zu irgendwelchen abenteuerlichen Ergebnissen führt, habe ich eine Befragung von etwa vierzig Muttersprachlern des Deutschen durchgeführt, die genau diesen Aspekt zum Inhalt hatte. Jeder sollte für sich im stillen Kämmerlein die unten angegebene Auswahl von deutschen Besitzwechselverben klassifizieren, und zwar in sechs Rubriken. Diese waren wie folgt erklärt: a (107) A G E N S = S O U R C E AGENS = GOAL g (beides im Sinne von Referenzidentität) k kein A G E N S (oder Vorhandensein eines A G E N S unklar)

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Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

(108)

Beim Resultat steht im Vordergrund, daß G O A L das OBJECT am Ende hat : + Beim Resultat steht im Vordergrund, daß S O U R C E das OBJECT am Ende nicht mehr hat — Dabei war verabredet, daß die Verben als simple Besitzwechselverben zu interpretieren sind und spezielle Eigenschaften wie bei absenden (Besitzwechsel noch nicht vollzogen), berauben (kriminell), erben (besondere Situation) wegabstrahiert werden. Es war erlaubt, ein Verb mehreren Rubriken zuzuordnen, wenn es angebracht erschien. Die Skala der Befragten reichte vom linguistisch unvorbelasteten Abiturienten bis in die höchsten Kreise der modernen Grammatik- und Semantikforschung. Wie war nun das Ergebnis? Zunächst ist festzuhalten, daß niemand die gestellte Aufgabe als sinnlos oder unausführbar abtat. Natürlich waren einige „Klärungsdialoge" notwendig. Zweitens waren die Zuordnungen ziemlich einheitlich, mehr, als ich überhaupt erwartet hatte. Sie sahen folgendermaßen aus: (109) s g k erhalten (abtreten) annehmen (entwenden) empfangen beschenken geben (kriegen) erben + leihen (lend) leihen (borrow) kriegen vererben I spenden nehmen I überlassen stehlen I vererben II absenden berauben verlieren abtreten bestehlen loswerden — (spenden) entwenden (überlassen) nehmen II verborgen stehlen II verschenken wegnehmen Eintragungen in Klammern drücken aus, daß diese Zuordnung selten vorkam. Die Differenzierung durch I und II besagt folgendes: Es sind eventuell zwei Sememe anzusetzen. Dies ist ziemlich klar bei vererben (einmal durch eine Handlung des Erblassers, einmal das bloße Faktum, d.h. ohne Testament, etwa im Sinne von hinterlassen). Mehrere Befragte (vor allem Lexikographen) haben in Kommentaren diese Unterschiede geradezu gefordert. Dies gilt auch bei nehmen und (weniger deutlich) bei stehlen. Ich gehe darauf bei der Behandlung der Besitzwechselverben ein. Nun zeigt (109) aber noch etwas anderes, was ich niemand vorher gesagt hatte und was der eigentliche Sinn des Tests war: Nimmt man die rechte Spalte und die drei beVerben heraus, so ergibt sich ein deutlicher Zusammenhang mit der Oberflächengestalt der Aktanten (vgl. (5) in 7.2.): (110) s g + PN V q D u A q N V u A (von p) - p N V u A (an q) qN V p D uA Dies sind die einzig möglichen (oder wenigstens stark präferierten) Oberflächenformen der Aktanten: Entweder ein obligatorischer Dativ ( + s , - g ) oder eine fakultative Präpositionalphrase mit einer charakteristischen Präposition (jeweils für die AktivFormen).

Sememrepräsentationen

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Wenngleich die Erscheinung der Emphase (die sich immerhin recht deutlich manifestiert) sicher nicht der zentrale Punkt der theoretischen Beschreibung der Verbsemantik ist, so muß der zuletzt genannte Zusammenhang in einer Erklärung von Kasusrahmen und Valenz doch irgendwo seinen Platz finden. Für mich ist er der entscheidende Aufhänger für die Repräsentation von Verbsememen. Die Erscheinung der semantischen Emphase läßt sich natürlich auch durch Betrachtungen über Situationen und Sätze weiter untermauern: (111) Die Mutter nahm dem Baby die Schere weg. (—g) Es kommt nur darauf an, daß das Baby die Schere nicht mehr hat, die Mutter will die Schere gar nicht haben. (112) Gebe junge Katzen ab! (—s) Jemand möchte die Katzen loswerden, an wen, ist gleichgültig. (113) Karl hat Anna mit einer Vase beschenkt. Es wird als Resultat mehr das Faktum ausgedrückt, daß Anna eine Vase hat, und weniger das Faktum, daß Karl eine (bestimmte) Vase nicht mehr hat. Außer dem ziemlich deutlichen Zusammenhang zwischen der semantischen Emphase und der Oberflächenform von G O A L und S O U R C E gibt es einen noch verläßlicheren Indikator für die Emphase. Es sind dies gewisse Präfixe und Verbzusätze. Ich werde die entsprechende Regularität jetzt für die Besitzwechselverben darstellen und sie bei der Behandlung anderer Verbklassen dann nur noch kurz streifen (vgl. auch (21—22)). Unter den Präfixen und Verbzusätzen, die bei Besitzwechselverben auftreten, gibt es zwei Klassen, die die semantische Emphase eindeutig festnageln: „ab"-Klasse: Verbzusätze: ab, aus, fort, los, weg Präfixe: ent-, ver„an"-Klasse: Verbzusätze: an, ein, entgegen, zu Präfixe: erAußerhalb dieser Einteilung liegen: Verbzusätze: mit, weiter, zurück Präfixe: be-, überDiese Einteilung gilt im wesentlichen auch für andere Verbfelder, be- rückt dann meist in die „an"-Klasse. Verben wie bestehlen sind keine ordentlichen be-Verben! Für die beiden genannten Klassen gilt folgendes: Hat ein Besitzwechselverb einen Verbzusatz oder ein Präfix der „ab"-Klasse, so liegt die semantische Emphase auf der Teilproposition BEC(NOT(HAVE(p,u))) (d.h., es ist ein Fall mit „ - " , die Emphase ist entsprechend (116) verteilt). Hat das Verb einen Verbzusatz oder ein Präfix der „an"-Klasse, so liegt die Emphase auf der Teilproposition (BEC(HAVE(q,u)), (d.h., man hat einen Fall mit „ + " , die Emphase ist entsprechend (115) verteilt). Kombiniert man dies mit den vorangehenden Betrachtungen, so ergibt sich, daß (114) Die Mutter nahm dem Baby/*von dem Baby die Schere weg. keine idiosynkratische Angelegenheit ist und daß man den abweichenden Fall höchstens (und sehr mühsam) als Ortswechsel interpretieren kann. Bei Ortswechselverben gilt das zum „Emphase-Dativ" bei Besitzwechselverben Gesagte nämlich nicht durchgängig!

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Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

Auf eine interessante Ausnahme, nämlich abgeben ( = to share), gehe ich bei den Besitzwechselverben ein. Nach der Regel dürfte nur „p N gibt u A (an q) ab" möglich sein! Auf der formalen E b e n e werde ich die geschilderten Erscheinungen, soweit sie zunächst nur die Emphase betreffen, dadurch ausdrücken, daß ich das Prädikat E T mit einem Zusatz versehe, der besagt, ob das erste oder zweite Argument eine E m p h a s e trägt: (115) E T 1 ( B E C ( H A V E ( q , u ) ) , B E C ( N O T ( H A V E ( p , u ) ) ) ) Dies repräsentiert die Fälle mit „ + ": Die Emphase liegt auf der Teilproposition „q N bekommt u A " . (116) E T 2 ( B E C ( H A V E ( q , u ) ) , B E C ( N O T ( H A V E ( p , u ) ) ) ) Hierdurch werden die Fälle mit „ - " erfaßt: Die Emphase liegt auf der Teilproposition „p N wird u A /OÍ". Damit geht E T in zwei unsymmetrische Prädikate über, und die allgemeine Interpretation ist dann folgende: (117) E T ^ A l A J ) : AI und A2, in erster Linie aber A¡ (für i = 1,2). D e r Übergang von E T zu ET' führt nicht zu dem Funktor „:" (vgl. 3.), da die wahrheitsfunktionale Interpretation von E T nicht berührt wird! Für die Festlegung einer Emphase kommen grundsätzlich alle Prädikate in Frage, die mindestens zwei propositionale Argumentstellen haben. Der Mikrokosmos, in dem ich mich bewege, hält E T und C A U S E als Kandidaten dafür bereit. Für CAUSE 1 setze ich folgende Interpretation an (es sei z.B. A eine Grundform für ein kausatives Zustandsänderungsverb, d . h . A : = ACT(x) und A 2 = BEC(STATE(y))):

(118) CAUSE^Aj ,A2) = A: Die Instanzen von A sind primär Handlungen von ref(x), die einen Zustandswechsel von ref(y) kausieren. (119) C A U S E 2 ( A ! , A 2 ) = A: Die Instanzen von A sind primär Zustandswechsel von ref(y), die durch eine Handlung von ref(x) kausiert werden. Es ist kein reiner Zufall, daß ich für die Formulierung des Unterschieds eine AktivPassiv-Abwandlung verwendet habe. Wesentlicher ist jedoch, daß die Interpretation ein „Permanenz-Prinzip" enthält: Die Art der Proposition A wird durch die desjenigen Arguments (mit)bestimmt, das die Emphase trägt. Ein entsprechender Zusatz ist (falls A i und A 2 nicht gleichartig sind) auch bei ET 1 gültig. Die in ( 1 1 7 - 1 1 9 ) angegebenen Interpretationen für ET' und CAUSE 1 haben nun auch den E f f e k t , daß die Instanzen e von A , die sich gemäß der Instantiierungsregel für E T und C A U S E als ein Paar [e],e 2 ] ergeben, hinsichtlich ihres Charakters zunächst ambig sind: Sie sind „in erster Linie ein e j " , falls i = 1, und „in erster Linie ein e 2 " falls i = 2. Bei E T und C A U S E gibt es daher eine Hauptinstanz e¡ und eine Nebeninstanz ej (j =t= i). D e f . 6.10. (Hauptinstanz, Nebeninstanz): Ist B ein Prädikat mit zwei propositionalen Argumentstellen, so heißt e¡ die Hauptinstanz von A und ej die Nebeninstanz von A, falls A = B'(A!,A 2 ), INST(e,A), e = [ej, e 2 ] und I N S T ( e k , A k ) für k = 1,2. D e r Charakter von B'(Ai,A 2 ) im Sinne, daß die Hauptinstanz in den Vordergrund rückt, ist als zusätzliche Bedingung für die Einbettung von B'(A!,A 2 ) als propositiona-

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les Argument in andere Prädikate zu berücksichtigen. Dies spielt z . B . eine Rolle bei den Prädikaten B E G I N und E N D (vgl. 5.2.5.). B E G I N ( B ' ( A 1 , A 2 ) ) darf nur dann gebildet werden, wenn die Hauptinstanz von B ' ( A ! , A 2 ) , also e^ ein Weg ist. Umgekehrt darf B X A ! , A 2 ) als Argument von M I D (vgl. 5 . 2 . 6 . ) oder B E C (vgl. 5 . 2 . 4 . ) nur dann auftreten, falls die Hauptinstanz einfach ist. Zur Wahrung des Charakters eines Zustandsänderungsverbs muß das nach Variante II in 11. eingefügte neue C A U S E ein C A U S E 2 sein. Erst wenn man die dort neu entstandene Teilproposition herauslöst (d. h. die parallelen Verben mit < A G E N S , E F F > betrachtet) ist man in der Wahl des oberen Index bei diesem C A U S E wieder frei. Auch (87), S. 57, ist ein Beleg! D e r gleiche Grundsatz gilt auch in anderen Fällen. Ich werde ihn bei den Beispielen anwenden, ohne jedes Mal gesondert darauf einzugehen. E r gilt insbesondere bei den Erweiterungen nach Def. 6.11., wo die neue Proposition immer ohne Emphase bleibt, d . h . der Nebeninstanz entspricht. Der Grundsatz scheint eine Vermischung von Propositionalem und Emphase zu enthalten, was bei strikter Trennung beider E b e n e n an sich unzulässig ist. Dies ist aber wirklich nur scheinbar: Man verlangt auf der E b e n e der Grundformen z . B . , daß, falls in B E G I N ein solches Argument vorkommt, Ai oder A 2 die geforderte Eigenschaft besitzt und daß bei der Festlegung der E m phase dies dann zu berücksichtigen ist. Besitzt A x nicht diese Eigenschaft, so ist B 1 ( A 1 , A 2 ) ausgeschlossen. Damit entsteht eine Beschränkung für die Wahl der E m phase-Indizes. Gegenstand der folgenden Betrachtungen werden somit Ausdrücke sein, die aus den Grundformen durch Einfügung der oberen Emphase-Indizes entstehen. Dies sind keine Grundformen mehr, aber auch noch keine Sememrepräsentationen, da sie keine Rollenblockierungen enthalten. Ich schließe nun noch weitere Beispiele an, wo eine unterschiedliche Emphase bei einer festen Grundform ihre Auswirkungen zeigt. Die formale Darstellung wird z . T . bei den entsprechenden Verbklassen nachgeholt (s. auch ( 1 6 4 a - 1 6 5 b ) in 7 . , ( 9 7 - 1 3 3 ) in 9 . 3 . ) .

(120) (121) (122) (123) (124)

Aus Raupen entwickeln sich Schmetterlinge. Raupen entwickeln sich zu Schmetterlingen. Er stellt aus den Brettern Kisten her. Er verarbeitet die Bretter zu Kisten. Er macht einen Zaun um das Haus.

(125) (126) (127) (128) (129) (130) (131)

wie bauen, ziehen usw.) Er umgibt das Haus mit einem Zaun. Er klebt einen Zettel über das Schild. Er überklebt das Schild mit einem Zettel. Er klebt einen Zettel auf das Schild. Er beklebt das Schild mit einem Zettel. Er zieht 100 Mark vom Lohn ab. Er vermindert den Lohn um 100 Mark.

(132)

Er macht aus Schwertern

(machen

hier als Repräsentant für im Einzelfall „stilistisch" bessere Verben

Bei den entsprechenden Paaren liegen immer höchstens Emphase-Unterschiede, Umblockierungen und „triviale" Erweiterungen vor (s. auch ( 2 1 - 2 2 ) ) . Erwähnenswert sind auch solche Fälle, wo unter dem Dach eines Lexems zwei unterschiedliche Emphasen auftreten (dies gilt schon bei ( 1 2 0 - 1 2 1 ) ) :

Pflugschare.

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Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

(133) Er macht Schwerter zu Pflugscharen. (134) Er setzt Quadrate aus Dreiecken zusammen. (135) Er setzt Dreiecke zu Quadraten zusammen. Auch die Bildung des Passivs werde ich als eine Emphase-Angelegenheit einordnen: (136) Karl benachrichtigt Anna. (137) Anna wird von Karl benachrichtigt. Schließlich kann die Emphase neutralisiert werden, wenn bestimmte Symmetrien vorliegen: (138) Er verbindet A mit B. (139) Er verbindet B mit A. (140) Er verbindet A und B. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen der Art, die Operation der Passivbildung zu verallgemeinern. So nennt H . W . Eroms in E R O M S 1980 die be-Verb-Konstruktionen „Lokalphrasen-Passiv", auch „Passiv zweiten Grades". Dazu werden (auf der syntaktischen Ebene) Argumentverschiebungen ins Feld geführt. W. Koch behandelt in K O C H 1978 (u.a. S. 115-116) das Verhältnis von (141) A gibt B ein Buch. (142) B bekommt ein Buch von B. als eine Art „Dativpassivierung". Allerdings darf man in (142) das von nicht als das A G E N S - V O R C ansehen (vgl. W A L L I N 1 9 7 8 , S. 1 1 7 ) , es ist ein SOURCE-von, wie ich in 7.2.3. zeigen werde. Kann man diese Ansätze, die meist nicht formalisiert sind, unter einen „Passiv"Hut bringen, d.h. sie in einheitlicher Weise präzisieren? Man kann! D e r hier entwickelte Formalismus erlaubt es, die Bildung des Passivs und die beiden genannten Konversen-Bildungen (sowie noch weitere, s. hierzu 8.3.) durch eine einzige Operation zu beschreiben, nämlich durch die Veränderung der Emphase, d. h. durch einen Übergang von ET 1 zu ET j bzw. von CAUSE 1 zu CAUSE^ für i 4= j. Um diese Behauptung zu verifizieren, ist es zunächst nötig, das werden-Passiv in dieser Weise zu charakterisieren: (143) Es sei G eine semantische Grundform für kausative Verben, d.h., G habe die Gestalt CAUSE(. .., . ..). Ferner sei eine dazugehörige Verbsemem-Repräsentation so beschaffen, daß die Emphase auf dem ersten Argument von C A U S E liegt, d.h., sie habe die Gestalt C A U S E ^ . . ., . ..). Dann hat die Repräsentation der Passiv-Form (falls diese existiert) des Semems die Gestalt C A U S E 2 ( . . . , . . . ) . Ist dagegen die Verbsemem-Repräsentation so beschaffen, daß die Emphase auf dem zweiten Argument von CAUSE liegt, so ist keine Passiv-Form möglich. Ich merke noch einmal an, daß ich (wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt) bei Verbsemem-Repräsentation immer die für die Aktiv-Formen meine. (143) beschreibt somit die Bildung des Passivs auf der semantischen Ebene als einen EmphaseUmschwung: Die Emphase wird vom Kausierenden auf der Kausierte verlagert. Die Aussage (143) mag auf den ersten Blick einleuchten oder nicht - ich werde sie jetzt nicht weiter motivieren; denn dies würde nur bedeuten, daß ich die Detailbetrachtungen vorwegnähme, die ich bei den Anwendungen ausführlich darlegen werde. Für die be-Verben wird sich gerade ein Emphaseumschwung bei ET als das Charakteristische ergeben, ähnlich wie ich es schon für die Besitzwechselverben angedeutet habe. Auf dieser Grundlage lassen sich dann die Oberflächenform der

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Aktanten und ihre Eigenschaft, obligatorisch oder fakultativ zu sein, bis ins einzelne erklären. Entsprechend den in 6.2.2. formulierten generellen Bedingungen zieht ein Emphaseumschwung oft auch (notwendige!) Veränderungen der aktuellen Rollen nach sich. Als nächstes ist die Frage nach dem formalen Status der semantischen Emphase zu beantworten. Was geschieht eigentlich durch die Hinzufügung von i bei C A U S E ? Wird dem Argument Aj damit unbedingt und automatisch eine Emphase zugeteilt? Die Antwort ist „Nein". Es ist vielmehr so, daß durch die oberen Indizes keine Emphasen erzeugt, sondern nur verteilt werden, d.h., es gibt eine Quelle der Emphase, und sie wird den Indizes entsprechend „weitergereicht". Die Indizes sind Weichenstellungen für die Verteilung der Emphase. Man beachte, daß durch die oberen Indizes nur „lokale Emphasebeziehungen" (zwischen Prädikat und propositionalem Argument) ausgedrückt sind, deren Gesamtauswirkung in G noch zu definieren ist. Es geht folglich erst einmal darum, einen Begriff „Teilproposition mit Emphase" zu definieren. Bevor ich dieses Ziel ansteuern kann, muß ich einige Vorbereitungen treffen. Zunächst ist zu sagen, daß ich diesen Begriff nur für den Fall benötige, wo diese Teilproposition eine Basisproposition ist, d.h. eine mit wenigstens einem direkten elementaren Argument; denn die Emphase soll später über den Umweg der rollendefinierenden Vorkommen den Aktanten zugeordnet werden nach dem Prinzip, daß Aktanten mit Emphase gerade diejenigen sind, deren rollendefinierendes Vorkommen in einer Basisproposition mit Emphase liegt. Dies kann aber nicht direkt geschehen, so daß man erst einmal beliebige Teilpropositionen in Betracht ziehen muß. Ein weiterer Aspekt ergibt sich aus folgendem: Betrachtet man ein bestimmtes Verbsemem, etwa laufen im Sinne der üblichen Fortbewegungsaktivität, so kann man davon sprechen, daß es dazu eine „minimale" Sememrepräsentation (gegebenenfalls auch mehrere) gibt. Sie drückt das aus, was an Wahrheitsbedingungen erfüllt sein muß, damit man dieses Verb verwenden kann. Diese minimale Sememrepräsentation kann man erweitern, d.h., man kann neue Propositionen einfügen, die dann zu Aktanten wie aus dem Haus, auf die Straße, über den Platz führen. Dabei lasse ich jetzt völlig außer acht, wo bei der minimalen Sememrepräsentation von laufen die Ansatzpunkte dafür angesiedelt sind und wie die neuen Propositionen formal angeschlossen werden. Bei anderen Verbsememen kann man Instrumente oder Mittel anschließen, so z.B. bei töten. Im Gegensatz zu töten enthalten die Verben erstechen und vergiften bereits in ihren minimalen Sememrepräsentationen das Instrument oder Mittel in Form einer entsprechenden Proposition: Der Dolch bzw. das Zyankali sind als Argument in der minimalen Sememrepräsentation vorhanden, sie liefern trotzdem keineswegs obligatorische Aktanten. Erweiterungen der genannten Art werde ich bei den behandelten Beispielfeldern immer wieder verwenden. Sie sind ein Mittel zur Behandlung von Konversen und zur Darstellung von Ergänzungen und Angaben. Ich verweise insbesondere auf die Kap. 10 und 11, wo ich derartige Erweiterungen ausgiebig darstelle. Im Moment braucht man nur zu wissen, daß jegliche Erweiterung darauf beruht, eine Proposition A (in einer propositionalen Argumentstelle) durch eine andere zu ersetzen, wobei die alte als Teil der anderen erhalten bleibt und eine neue Proposition A* hinzutritt: A wird (für sich allein oder als Argument) durch B(A*,A) oder B(A,A*) ersetzt, wobei B ein Prädikat mit zwei propositionalen Argumentstellen (d.h. E T oder CAUSE) ist. Aus

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BEC(A) kann man also z.B. BEC(CAUSE(A*,A)) machen, aus C A U S E ( A I , A 2 ) u. a. CAUSE(A!,ET(A 2 ,A*)) USW. Ist A keine Teilproposition (also z.B. eine Grundform), so kann man daraus z.B. auch ET(A, A*) machen. Da die Sememrepräsentation die Emphaseindizes enthalten, muß man sie mit in Betracht ziehen: Def. 6.11. (Erweiterung einer Grundform): Es sei G eine Grundform, in der für alle Prädikate mit zwei propositionalen Argumenten die Verteilung der Emphase geregelt ist. Eine Grundform G ' heißt eine einfache Erweiterung von G höchstens dann, wenn G' aus G dadurch entsteht, daß man eine Teilproposition A von G (auch G selber)) durch B X (A,A*) oder B 2 (A*,A) ersetzt, wo A* eine im Grunde beliebige Proposition und B ein Prädikat mit zwei propositionalen Argumentstellen ist. G' heißt Erweiterung von G, falls man G' durch mindestens eine einfache Erweiterung aus G erhält. Da keine Mißverständnisse entstehen können, werde ich auch von einer Erweiterung von Sememrepräsentationen sprechen. Man beachte, daß die Definition das oben erwähnte Permanenz-Prinzip wahrt (s. Def. 6 . 1 0 . ) . Dennoch erweist es sich in vielen Fällen als ein probates Mittel, im Anschluß an die Erweiterung den oberen Index zu verändern, d.h. einen Emphaseumschwung vorzunehmen. Aber das ist eine andere Operation und keine „reine" Erweiterung mehr! In den minimalen Sememrepräsentationen kann man gewisse Teilpropositionen (normalerweise eine) als den Kern, als die Invariante aussondern. Es ist der Lexematisierungskopus des entsprechenden Verbs. Ich nenne sie inhärente Teilpropositionen. Sie repräsentieren das Noem ganzer Klassen von Verben, also z.B. den Besitzwechsel bei den Besitzwechselverben ( W A L L I N 1 9 7 8 ) . Diese Vorbetrachtungen führen zu folgenden Definitionen: Def. 6.12. (minimale Grundform und Sememrepräsentation): Die minimale Grundform G eines Verbsemems ist diejenige Proposition, die diejenigen Wahrheitsbedingungen (mit Hilfe der Instantiierungen) reflektiert, die bei jeder Verwendung des Verbsemems erfüllt sein müssen. Aus einer minimalen Grundform G geht die minimale Sememrepräsentation S durch geeignete Festlegung der inhärenten Teilproposition, der Emphaseverteilung und der Rollenblockierung hervor. Es soll nun gelten: (144) Jede Sememrepräsentation eines Verbsemems entsteht aus einer minimalen Sememrepräsentation nur durch Erweiterungen gemäß Def. 6.11. Def. 6.13. (inhärente Teilproposition): Als die inhärente Teilproposition einer minimalen Grundform oder Sememrepräsentation wird diejenige Teilproposition bezeichnet, die eine invariante Emphase besitzt, d.h. bei allen Abwandlungen der zugehörigen Verbsememe eine Emphase aufweist. Im Vergleich mit den üblichen theoretischen Vorstellungen kann man sagen, daß die inhärente Teilproposition so beschaffen ist, daß sie die rollendefinierenden Vorkommen der inneren Aktanten des Verbsemems enthält. Es soll gelten: (145) Wird eine Grundform gemäß Def. 6.11. erweitert, so sind die inhärenten Teilpropositionen der Erweiterung gerade die Erweiterungen der ursprünglichen inhärenten Teilpropositionen. Diese Festlegung ist nur auf den ersten Blick widersinnig. Sie zerstört in Wirklichkeit die mit Def. 6.13. beabsichtigte Festlegung nicht, wenn man Def. 6.11. und Def. 6.14. berücksichtigt und in Rechnung stellt, daß es immer nur auf Propositionen mit direkten elementaren Argumenten ankommt: Ist z.B. A inhärente Teilproposition

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und geht A durch zweimalige einfache Erweiterung in B i(B2(A** , A*), A) = A" über, so bleibt nach Def. 6.14. doch bloß wieder A als Teilproposition mit Emphase übrig, falls man A" als inhärente Teilproposition wählt. Für die hier betrachteten Klassen von Verben befinden sich die inhärenten Teilpropositionen immer im zweiten Argument des äußersten CAUSE der minimalen Grundform, sofern es sich um kausative Verben handelt. Sie müssen aber nicht das ganze zweite Argument von CAUSE ausmachen. Damit läßt sich erneut die Frage angehen, ob die Proposition B E C ( N O T ( H A V E ( p , u ) ) ) bei geben auftritt oder nicht: Sie stellt sich nunmehr in dem Gewand, ob diese Proposition Teil der minimalen Sememrepräsentation von geben ist oder nicht. Diese Frage läßt der Formalismus offen! Betrachtet man die Sememrepräsentation von geben (Muster 2 in 7.2.1.), so kann man sie tatsächlich als Erweiterung von CAUSE'(A(p),Q) ansehen (völlig exakt im Sinne von Def. 6.11.), und das gleiche gilt für bekommen (Muster 6a in 7.2.3.): Q wird durch einfache Erweiterung zu E T ^ Q . P ) , dies durch nochmalige einfache Erweiterung zu CAUSE 2 (A(x), E T ^ Q . P ) ) . Die Frage würde sich erst dann eindeutig entscheiden, wenn man verlangt, daß jede minimale Grundform bzw. Sememrepräsentation zusätzlich auch in dem Sinne minimal ist, daß sie nichts enthält, was als Erweiterung nach Def. 6.11. angesehen werden könnte. Eine solche Forderung kollidiert jedoch mit der Festlegung, wie sie in Def. 6.12. gemeint ist: Eingebaute Instrumente müßten dann nämlich wieder getilgt werden. Ich werde später zeigen, daß die Def. 6.11. tatsächlich nur eine notwendige Bedingung ausdrückt, der Begriff „Erweiterung" muß eingeschränkt werden. Die inhärenten Teilpropositionen betrachte ich als Quellen der Emphase. Von ihnen aus werden entsprechend den durch die Emphase-Indizes gestellte Weichen die Emphasen verteilt, um schließlich bei den Basispropositionen anzukommen: Def. 6.14. (Teilproposition mit Emphase): Es sei G eine Grundform, in der für alle Prädikate mit zwei propositionalen Argumentstellen die Verteilung der Emphase geregelt ist. Ferner seien gewisse Teilpropositionen von G als inhärent ausgezeichnet. Dann soll gelten: (a) Die inhärenten Teilpropositionen sind Teilpropositionen mit Emphase. (b) Ist A eine Teilproposition mit Emphase, die direktes Argument einer Proposition A ' ist, so ist auch A ' eine Teilproposition mit Emphase (mehrfache Anwendung ergibt: G selber ist Teilproposition mit Emphase). (c) Ist B ein in G vorkommendes Prädikat mit einer propositionalen Argumentstelle und ist A dieses Argumtent, so gilt: Ist die Teilproposition, deren Kopf B ist, eine Teilproposition mit Emphase, so auch A. (d) Ist B ein in G vorkommendes Prädikat mit zwei propositionalen Argumentstellen und sind A j , A 2 diese Argumente, so gilt: Ist die Teilproposition, deren Kopf B ist, eine Teilproposition mit Emphase, so ist auch A¡ eine Teilproposition mit Emphase, falls B den oberen Index i trägt. (e) Minimalbedingung. Genauer gesagt bezieht sich die definierte Eigenschaft auf die Vorkommen von Teilpropositionen: Kommt eine Proposition in G mehrfach vor, so kann ein Vorkommen eine Emphase haben und das andere nicht. In Kurzfassung: Die Eigenschaft „mit Emphase" vererbt sich uneingeschränkt bottom up und entsprechend der EmphaseVerteilung top down. In der semantischen Grundform (146) für geben hat man je nach den Werten von i und j folgendes (falls E ( . . . ) inhärent):

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CAUSE i (ACT(p),ET j (BEC(HAVE(q,u)),BEC(NOT(HAVE(p,u))))) (abgekürzt: C(A,E j (B(Q)),B(N(P))) = G) i j Teilpropositionen mit Emphase: (147) 1 1 E ( . . . ) , G; A, B(Q), Q 2 1 E ( . . . ) , G; B(Q), Q 1 2 E(...),G;A, B(N(P)),N(P),P 2 2 E(. ..), G; B(N(P)),N(P),P Für das Folgende sind nur noch diejenigen Teilpropositionen von Interesse, die mindestens ein direktes elementares Argument haben (diese sind in (147) unterstrichen), die restlichen sind nur Durchgangsstationen. Die verbleibenden sind genau diejenigen, die mindestens ein rollendefinierendes Vorkommen enthalten. Def. 6.15. (Rolle mit/ohne Emphase): G erfülle die Voraussetzungen von Def. 6.14. Ferner sei x ein elementares Argument von G und R € Z(x,G). R ist (als Rolle von x!) eine Rolle mit bzw. ohne Emphase genau dann, wenn ihr rollendefinierendes Vorkommen direktes Argument einer Teilproposition mit bzw. ohne Emphase ist. Zusammengefaßt gilt also: Ist G eine semantische Grundform, in der (durch Festlegung inhärenter Teilpropositionen und Indizes für Emphaseverteilung) die Teilpropositionen mit/ohne Emphase bestimmt sind, so steht für jedes elementare Argument x von G und jedes R aus Z(x,G) eindeutig fest, ob R eine Emphase hat oder nicht, sofern sich R nicht aus zwei verschiedenen rollendefinierenden Vorkommen von x ergibt. Dies ist die erste Leistung der so angereicherten Grundformen, auf die zweite gehe ich in 6.2.2. ein. Aufgrund der in Def. 6.11. formulierten Beschränkungen für Erweiterungen ergibt sich folgender Zusammenhang: Es sei G ' eine Erweiterung von G. Jedes rollendefinierende Vorkommen eines elementaren Arguments in G hat ein Pendant in G'; denn es gehen keine Vorkommen verloren, es treten höchstens neue hinzu. Betrachtet man nun zwei in diesem Sinne einander entsprechende Vorkommen in G und G ' und die sich aus ihnen ergebenden Rollen R und R' (jeweils Basiszuordnungen und Modifikationen in G und G ' anwenden), so gelten aufgrund der Definitionen folgende Sätze, auf deren ausführlichen Beweis ich verzichte: Satz 6.1.: Erfüllen R und R' die eben genannten Voraussetzungen, so ist R in G eine Rolle mit/ohne Emphase genau dann, wenn dies für R ' in G ' der Fall ist. Der Beweis beruht darauf, daß durch B1 bei einer Erweiterung die Emphaseverteilungen in G und G ' analog geschehen und die inhärenten Teilpropositionen (außer den ,,Erweiterungs"-Veränderungen) keinen Veränderungen unterliegen (s. (145)). Satz 6.2.: Erfüllen R und R' die eben genannten Voraussetzungen, so stimmen R und R ' in ihrer zweiten Komponente, d.h. in ihrem Basisprädikat überein: Wenn R = < T , B > und R ' = < T ' , B ' > , so B = B'. Der Beweis beruht auf der Tatsache, daß bei Erweiterungen nur propositionale Argumentstellen berührt werden. Was man gern haben möchte, ist natürlich, daß auch T = T' gilt, d. h. R = R'. Dies ergäbe dann: (148) Ist G' eine Erweiterung von G, so gilt für alle x: Z(x,G) £ Z(x,G') bei Wahrung der Eigenschaft „mit/ohne Emphase". Das zweite gilt, das erste bekommt man nicht geschenkt. Da R 4= R' nach Satz 6.2. nur durch T 4= T' hervorgerufen werden kann, muß man die Modifikationsfunktionen (146)

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und die Beschränkungen für die Erweiterungen so aufeinander abstimmen, daß auch die erste Komponente invariant ist. In meinem Mikrokosmos gilt (148), d . h . , ich benötige nur Erweiterungen, die mit den Modifikationen aus 6.1.2.2. kompatibel sind. Ich glaube aber, daß ein Grundsatz wie (148) bei jedem kasustheoretischen Ansatz gelten sollte, auch wenn man die Emphase-Angelegenheit fortläßt und außerdem nur die aktuellen Rollen im Auge hat: Neue akzessorische Aktanten (s. Def. 6.24.) lassen die bereits vorhandenen Akanten unverändert. Ich werde jetzt nachweisen, daß (148) innerhalb des verwendeten Inventars gilt, und dabei auch die Frage streifen, wie man (148) im allgemeinen Fall sichern kann. Wird eine Erweiterung mit Hilfe von E T vorgenommen, so gilt (148) offenbar; denn E T modifiziert nicht (s. (81)). Wird sie mit C A U S E vorgenommen, so muß man C A U S E 1 und C A U S E 2 unterscheiden: a ) A' = CAUSE!(A,A*) Dann ist Rö = F 1 C A U S E (R 0 ), wobei R 0 bzw. Rö Zwischenstufen für die Bestimmung von R bzw. R ' sind (die Erweiterung kann ja im Inneren von G vorgenommen worden sein!). Damit R' = R gilt, müssen die noch anzuwendenden Modifikationen, die zu R e Z ( x , G ) bzw. R ' e Z ( x , G ' ) führen, so beschaffen sein, daß sie R 0 und Rö in die gleiche Kasusrelation überführen. Dies schränkt den Begriff „Erweiterung" gegenüber Def. 6.11. zusätzlich ein. In meinem Inventar ergibt sich zwingend, daß z . B . CAUSE 1 (ACT(x),A*) keine Erweiterung von ACT(x) sein kann, wenn ACT(x) die Grundform selber ist, dagegen ist diese Erweiterung im Inneren einer Grundform möglich (daher „höchstens" in Def. 6.11.!). ß) A' = C A U S E 2 ( A * , A ) Für Rö = F 2 C A U S E (R 0 ) ergeben sich analoge Beschränkungen für den Begriff „Erweiterung". In meinem Inventar wird, falls z . B . Ro = < S O U R C E , . . . > ist, CAUSE 2 (A*,A) als Erweiterung möglich, da F 2 C A U S E (R 0 ) = R 0 ist (vgl. (95)). Damit gilt die obige Behauptung über den unbestimmten Charakter der in Muster 6a (s. 7.2.3.) angegebenen Grundform (und erst recht für die Grundform von geben). Erweiterungen der Art a) und ß) nehme ich nur in 11. vor, und ich werde dort R ' = R jeweils nachweisen. Die unproblematischen Erweiterungen mit E T dagegen benutze ich ständig. Wer mit den in PSA 1977 entwickelten theoretischen Konzepten etwas vertraut ist, wird spätestens bei den Beispielen (120-131) den Eindruck gewonnen haben, daß die in PSA 1977 (in Anlehnung an Reichenbach) verwendete Unterscheidung von Referens und Relatum ähnliche Erscheinungen erfaßt wie der von mir vorgeschlagene Begriff Emphase. Diese Frage möchte ich im folgenden ausführlicher diskutieren. Referens und Relatum sind Beziehungen zwischen einem Prädikat und seinen (in meiner Terminologie) elementaren Argumenten, wenn man will, es sind zwei sehr abstrakte „Rollen". Formal kann man diese Eigenschaft über die Reihenfolge der Argumente angehen: Das erste Argument ist das Referens, das zweite das Relatum (PSA 1977, S. 167ff). Man führt dann ganz natürlich Konversen ein, d . h . etwa HAVE^pjU) und H A V E 2 ( u , p ) , und hat damit zunächst einmal (vgl. auch Klimonow 1989, S. 4 4 - 5 0 ) (149) p N hat u A ( H A V E i ( p . u ) oder Ref p Rel u HAVE(p,u)) (150) u N gehört p D (HAVE 2 (u,p) oder Ref u Rel p HAVE(p,u)) in der Tasche. Analog behandelt man (151) Karl ist jünger als Paul.

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(152) Paul ist älter als Karl. und viele ähnlich gelagerte Fälle, mindestens die, wo die Grundform (im hier verwendeten Sinne) nur aus einer Proposition der Gestalt *B(x,y) besteht. Damit ergibt sich ein erster wichtiger Punkt: Gerade in diesen Fällen hat die Emphase ihr Recht verloren. Es gibt keine propositionalen Argumente, auf die Emphasen zu verteilen wären. Die Emphase ergibt keinen Ersatz für Referens/Relatum. Der nächste Schritt müßte nun die Ausdehnung der Referens-Relatum-Unterscheidung auf komplexe Propositionen sein. Ist z. B. A(x,y,z) eine Proposition, die „x N lädt y A auf z" repräsentiert, so kann man folgendes ansetzen: (153) x N lädt y A auf z : Ref x Rel y A(x,y,z) (154) x N belädt z A mit y : Ref x Rel z A(x,y,z) Entsprechend verfährt man mit (122-123) (PSA 1977, S. 236ff) und folgenden Fällen: Ist A(x,y,z) eine Proposition für „x N gibt y D z A ", so kann man ansetzen: (155) x N gibt y D z A : Ref x A(x,y,z) (156) z N wird y D gegeben : Ref z A(x,y,z) (157) y N erhält z A : Ref y A(x,y,z) Solange man sich mit reinen Zuordnungen begnügt, reicht eine solche Repräsentation aus. Sie liefert aber eigentlich nicht viel mehr als das grammatische Subjekt (PSA 1977, S. 235). Aus meiner Sicht besteht die wirkliche Schwierigkeit darin, diese Zusätze aus den Sememen abzuleiten. Dies sieht auf den Blick gar nicht so hoffnungslos aus: Man hat viele Parallelen wie z.B. (158) x N gibt y D z A ~ y N hat z A (159) x N zeigt y D z A ~ yN sieht z A (160) x N teilt y D z A mit ~ yN weiß z A . Dennoch erscheint es mir nicht möglich (jedenfalls ist dies das Ergebnis eigener ausdauernder Überlegungen), Eigenschaften wie Referens/Relatum von Argumenten im Falle komplexer Grundformen zu definieren: In den Grundformen müßte man an die „terminalen" Propositionen entsprechende Merkmale setzen, und ein Mechanismus berechnet sie für die komplexe Proposition. In PSA 1977, S 169 findet sich sogar ein Hinweis (das Verb verschenken betreffend und in anderem Zusammenhang), daß eine derartige Reduktion mindestens mit unangenehmen theoretischen Konsequenzen verbunden ist. Die Referens-Relatum-Unterscheidung ist somit wohl nicht geeignet, die im einzelnen oft recht komplizierte Aktantenstruktur von Verben aufzuhellen. 6.2.2. Rollenblockierungen Nachdem nun Z(x,G) für alle elementaren Argumente von G bestimmt ist und ferner feststeht, welche R' aus Z(x,G) (in Abhängigkeit vom rollendefinierenden Vorkommen) eine Emphase tragen und welche nicht, kann man darangehen, das durch Z(x,G) gegebene Überangebot an möglichen Rollen von x auf das richtige Maß, d . h . auf die aktuellen Rollen von x, zu reduzieren. Zunächst führe ich die dafür verwendete Notation ein: Def. 6.16. (-yx, Rollenblockierung): Ist G eine semantische Grundform und ist A eine Teilproposition von G, so wird durch yxA ausgedrückt, daß alle Rollen aus Z(x,G), deren rollendefinierende Vorkommen in A liegen, als aktuelle Rollen nicht verfügbar, d. h. blockiert sind. Dabei ist es unerheblich, ob diese Rollen eine Emphase tragen.

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Da pro mögliche Rolle R von x ein rollendefinierendes Vorkommen existiert (s. Def. 6.9.), kann man die yx immer nach innen treiben, d. h. unmittelbar vor die Basisproposition, in der das rollendefinierende Vorkommen direktes Argument ist. Daß ich die Definition für den allgemeinen Fall ausgesprochen habe, hat folgenden Grund: Die relativ einfachen Grundformen, wie ich sie hier verwende, können (und werden im Regelfall) in viel komplexere Ausdrücke übergehen, wenn man Verbsememe detailliert beschreibt. Dies hatte ich bei der Diskussion des Prädikats C A U S E in 5.2.1. für das Beispiel erstechen angedeutet. Durch ein yx mit großem Skopus wird es möglich auszudrücken, daß eine (relativ komplexe) Teilproposition (z.B. das zweite Argument von CAUSE, wie es auch aussehen und wie oft x in ihm vorkommen mag) keine aktuelle Rolle für x liefert. Auf einen kleinen formalen Schönheitsfehler der Notation yxA gehe ich bei den beVerben ein: Eigentlich sollte der Blockierungsoperator direkt dem Vorkommen von x (und nicht der Proposition) zugeordnet werden, d. h. A ( . . ,,-yx,...) statt yxA. Def. 6.17. (Semeinrepräsentation): Sememrepräsentationen S (für Verben) entstehen aus semantischen Grundformen G durch folgenden Zusätze: (a) Auszeichnung der inhärenten Teilpropositionen; (b) Festlegung der Emphaseindizes bei Prädikaten mit mindestens zwei propositionalen Argumentstellen; (c) Einfügung von yx für gewisse Argumente x von G vor gewissen Teilpropositionen A von G. Dabei kann -yx auch fehlen, dann stimmen die aktuellen Rollen von x mit seinen möglichen überein. Enthält A das Argument x nicht, so ist yx vor A natürlich redundant. Diese Definition legt nur die Ausdrucksmittel für die Sememrepräsentationen fest. Bei Erfülltsein von Def. 6.17. heißt S eine zu G gehörige Sememrepräsentation. G ist durch S eindeutig bestimmt. Def. 6.18. (Z + (x,S) , Z~(x,S) , Z a (x,S)): Ist S eine zur Grundform G gehörige Sememrepräsentation im Sinne von Def. 6.17., so sei Z + (x,S) bzw. Z~(x,S) die Menge der aktuellen (d.h. nicht blockierten) Rollen von x in S mit bzw. ohne Emphase. Es sei Z a (x,S) = Z + (x,S) U Z~(x,S). Offenbar gilt: (161) Z a (x,S) g Z(x,G) Dagegen gilt die Gleichung (162) Z + (x,S) fl Z~(x,S) = 0 im allgemeinen Fall nicht, sie ist jedoch bei den hier betrachteten Beispielen stets erfüllt. Als Beispiel wähle ich folgende Sememrepräsentation: (163) CAUSE 2 (ACT(p),ET 2 (yuBEC(HAVE(q,u)), ypBEC(NOT(HAVE(p,u))))) Es ergibt sich nach 6.1.2.2.: (164) Z"(p,S) = { < A G E N S , A C T > } , Z + (p,S) = 0 (165) Z~(q,S) = { < G O A L , H A V E > } , Z + (q,S) = 0 (166) Z + (u,S) = { < F R O M - O B J , H A V E > } , Z"(u,S) = 0 Dahinter verbirgt sich das Passiv verschenken. Nun ist natürlich nicht jeder Ausdruck, der die Def. 6.17. erfüllt, eine wirkliche Sememrepräsentation. Es gibt eine Reihe von Beschränkungen, auf die ich jetzt eingehe. Die durch yx blockierten Rollen sind als „silent roles" (und eigentlich nicht

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als „vacant roles") zu interpretieren (vgl. u . a . COOK 1971). Dies ist dadurch gerechtfertigt, daß „im Nonnalfall" pro Argument genau eine Rolle aus Z(x,G) in S übrigbleibt, so daß zu den blockierten Rollen immer eine aktuelle Rolle (coreferential role) existiert. Ich merke jetzt nur an, daß die totale Blockierung von x ebenso wie die Möglichkeit, für x mehr als eine aktuelle Rolle zu haben, keine pathologischen Erscheinungen sind. Die erste generelle Einschränkung für das Verhältnis zwischen Teilpropositionen mit Emphase und Rollenblockierungen ist folgende: A . Vermeidung leerer Emphasen Es sei A eine Teilproposition mit Emphase der Sememrepräsentation S. Dann gilt: In A sind nicht alle rollendefinierenden Vorkommen blockiert. Mit anderen Worten: Enthält eine Teilproposition A von S mit Emphase überhaupt ein elementares Argument (man denke an nullstellige Prädikate wie R A I N ) , so liefert A wenigstens eine aktuelle Rolle in S für ein Argument x von S. Da sich die Eigenschaft „mit Emphase" top down entlang der Emphaseindizes vererbt, ergibt sich sogar: Enthält eine Teilproposition A mit Emphase überhaupt ein elementares Argument, so liefert A wenigstens eine aktuelle Rolle in S mit Emphase für ein Argument x von S (daneben eventuell weitere aktuelle Rollen für x oder andere Argumente mit oder ohne Emphase). B. Aktualisierung korrespondierender Rollen Ist x ein Argument von S und gilt e Z + (x,S) oder e Z + ( x , S ) und ist y ein Komplementärargument zu einer dieser beiden Rollen, so gilt < S O U R C E , B > e Z a (y,S) oder < G O A L , B > e Z a (y,S) höchstens dann, wenn diese Rollen mit den oben genannten korrespondieren. Dabei sei B ein Lokationsprädikat. Die Begriffe „Komplementärargument" und „korrespondierende Rollen" sind bei (87) erklärt. Die Beschränkung B. sieht etwas verzwickt aus, sie beschreibt aber einen relativ einfachen Tatbestand. Eine meiner Grundannahmen ist, daß man zu jeder Kasusrelation allgemeine Regeln dafür angeben kann, in welcher Form sie auf der Oberfläche ausgedrückt wird. Man braucht dazu nur zu wissen, ob sie eine Emphase trägt. Eine solche Regel ist z.B. (167) < G O A L , H A V E > e Z"(y,S) => an y. Wofür die Oberfläche aber nichts bereithält, das sind die Komplementärargumente. Tritt bei den möglichen Rollen in S die Kasusrelation < G O A L , H A V E > zweimal auf, so muß in irgendeiner Weise (gewissermaßen aus Verständnisgründen) festgelegt werden, bei welchem Argument diese Rolle als aktuelle Rolle in Frage kommt. Bedingung B. besagt nun: Liegt für x eine der beiden genannten Rollen mit Emphase vor, so wird x zur Richtschnur: y kann irgendwelche aktuellen Rollen bekommen. Gehört eine davon jedoch zu den beiden genannnten, so muß sie sich auf x beziehen: Wird y als G O A L aktantifiziert, so muß es sich um „ G O A L von x" handeln. C. Präferenzbedingung für halbe Rollen Für jedes Argument x von S gilt: Ist € Z(x,G) und e Z(x,G) (B ein Lokationsprädikat) und liegt genau eine davon in Z a (x,S), so trägt die andere keine Emphase. Mit anderen Worten: Sind beide blockiert, so besagt C. nichts, ist eine

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blockiert, so hat sie keine Emphase. In (163) darf man folglich kein E T 1 haben; denn dann wäre die Rolle < F R O M - O B J , H A V E > mit Emphase blockiert. Die nächste Beschränkung betrifft die Blockierung von Rollen mit Emphase bei verschiedenen Argumenten: D. Eindeutigkeit der aktuellen Rollen mit Emphase Sind x und y zwei verschiedene Argumente von S, so gilt Z + ( x , S ) fl Z + ( y , S ) = 0 . Diese grundsätzliche Annahme der Kasustheorie kann ich bei dem hier dargestellten Aufbau nur als ein „Axiom" formulieren, d. h. nicht aus einfacheren Annahmen deduzieren. Jedenfalls sehe ich keine Möglichkeit dazu. Sie stellt immerhin eine Abschwächung dar insofern, als über die Rollen ohne Emphase nichts gesagt wird. Ich werde gleich nachweisen, daß es Fälle gibt, wo zwei verschiedene Argumente die gleiche aktuelle Rolle haben können. Außerdem existieren auch Verben, wo ein Argument zwei verschiedene aktuelle Rollen hat, beide mit Emphase (vgl. das Verb aneignen, (82 - 88) in 7.3). E . Gegenseitiger Ausschluß halber Rollen Für jedes Lokationsprädikat B gilt: Wenn < F R O M - O B J , B > e Z a (x,S), so < T O , O B J , B > , (pl) , (a) (p2) } (b) (p3) (171) Z ( q , G ) = { < A G E N S , A C T > , (ql) , (c) (q2) } (d) (q3) (172) Z(u,G) = { < F R O M - O B J , H A V E > - (a) (ul) } (u2) (d)

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(173) Z(v, G) = { < F R O M - O B J , H A V E > , (c) (vi) < T O - O B J ,HA V E > } (b) (v2) Korrespondierende Rollen sind mit gleichen Zusätzen ( a - d ) markiert. Entsprechend (143) lege ich i = 1 für die Aktivformen fest. Die drei genannten Verben sagen in erster Linie etwas über den Besitzwechsel der Ware u aus, d. h., es sind hinsichtlich u „geben/nehmen"-Verben mit einem Zusatz über den Preis v. Daher ist k = 1. Ich nehme nun eine Reihe von Fallunterscheidungen vor und setze dabei voraus, daß jedes der vier Argumente genau einmal aktantifiziert wird, d . h . genau eine aktuelle Rolle erhält. Die Bedingung C. werde ich zunächst nicht anwenden. Nach A. muß das erste Argument von CAUSE mindestens eine aktuelle Rolle liefern, d . h . , (pl) oder ( q l ) muß eine aktuelle Rolle sein. Über A. bis E. hinaus muß ich zusätzlich voraussetzen, daß (pl) und (ql) nicht gleichzeitig aktuelle Rollen sein können: Das A G E N S darf nur einmal auftreten. Folglich ist entweder (pl) oder (ql) eine aktuelle Rolle. a) ( p l ) bleibt, (ql) entfällt. Dann ergibt A.: j = 1. Damit wird die Entscheidung für verkaufen gefällt (AGENS referenzidentisch mit S O U R C E der Ware u), und (p2) und (p3) entfallen als aktuelle Rollen, a a ) Es ist 1 = 1 : Dann ist BEC(HAVE(q,u)) eine Teilproposition mit Emphase, sie muß nach A . mindestens eine aktuelle Rolle liefern, dies kann nur (q3) oder (u2) sein. Angenommen, (u2) ist eine aktuelle Rolle, d. h. < T O - O B J , H A V E > für u. Damit wird B. anwendbar: (u2) hat eine Emphase, (q2) kann keine aktuelle Rolle sein (q muß mit u korrespondierend aktantifiziert werden), also muß (q3) die aktuelle Rolle von q sein: q ist < G O A L , H A V E > . Ist dagegen (q3) die erforderliche Rolle, so bleiben für u (ul) und (u2) als aktuelle Rollen übrig. Darauf gehe ich unten ein. Es bleibt noch die Rolle von v zu bestimmen: Wegen k = 1 trägt weder (vi) noch (v2) eine Emphase, folglich ist B. wie auch D . nicht anwendbar. Die Wahl der aktuellen Rolle von v ist also beliebig! Damit ergibt sich insgesamt an aktuellen Rollen: (pl), (q3), (u2) mit Emphase, (vi) bzw. (v2) ohne Emphase. Wie sich später zeigen wird, entspricht dies der Oberflächenform p N verkauft q D u A (für bzw. gegen v) aß) Es ist 1 = 2 : Da (p2) wieder entfällt, muß BEC(NOT(HAVE(p,u))) die aktuelle Rolle (ul), d . h . < F R O M - O B J , H A V E > liefern. Sie trägt eine Emphase, folglich bleibt nur (q3) als aktuelle Rolle (nach B.). Sie trägt jetzt keine Emphase. Damit hat man insgesamt (pl) und (ul) mit Emphase, (q3) ohne Emphase, für v gilt das gleiche wie bei aa). Dies entspricht der Oberflächenform p N verkauft u A (an q) (für bzw. gegen v) ß) ( q l ) bleibt, (pl) entfällt 0 = 2 ) : Jetzt sind die Verben (ab)kaufen an der Reihe. (q2) und (q3) entfallen. ßa) Es ist 1 = 1 : Es ergibt sich, daß BEC(HAVE(p,u)) notwendigerweise die Rolle (u2) als aktuelle Rolle liefern muß. Dies folgt wie bei aß) aus B., da (q3) entfällt. Man hat somit (ql) und (u2) als aktuelle Rollen mit Emphase. Die Rolle von p muß mit der von u korrespondieren, also ist es (p2), ohne Emphase. Für v sind wieder (vi) und (v2) frei wählbar: q N kauft u A (von pj (für bzw. gegen v)

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ßß)

Es ist 1 = 2 : Die Teilproposition B E C ( N O T ( H A V E ( p , u ) ) ) muß (p2) oder ( u l ) als aktuelle Rollen liefern (nach A.). Ist es (ul), so bleibt für p nach B. nur (p2). Ist es (p2), so ist man bei der Wahl der Rolle für u wieder frei (s. u.). Insgesamt ergeben sich als aktuelle Rollen ( q l ) , (p2) und ( u l ) mit Emphase, (vi) bzw. (v2) ohne Emphase:

qN kauft pD U a (für bzw. gegen v) ab Als Sememrepräsentationen für die Aktiv-Formen der betrachteten Verben ergeben sich somit (in der erhaltenen Reihenfolge):

verkaufen I (auch: (durch Kauf)

überlassen,...):

(174) CAUSE 1 (ET 1 (ACT(p),'yqACT(q)), ET 1 (ET 1 (BEC(HAVE(q,u)),ypyuBEC(NOT(HAVE(p,u)))), ET m (yp?BEC(HAVE(p,v)),yq?BEC(NOT(HAVE(q,v))))))

verkaufen II (auch: (durch Kauf) loswerden,

...):

(175) C A U S E 1 (ET 1 (ACT(p) ,yqACT(q)), ET 1 (ET 2 (yuBEC(HAVE(q,u)),ypBEC(NOT(HAVE(p,u)))), ET m (yp?BEC(HAVE(p,v)),yq?BEC(NOT(HAVE(q,v))))))

kaufen (auch: ankaufen, erwerben,

erstehen...):

(176) C A U S E ' ( E T 2 ( y p A C T ( p ) , A C T ( q ) ) , ET1(ET1(yqBEC(HAVE(q,u)),yuBEC(NOT(HAVE(p,u)))), ET m (yp?BEC(HAVE(p,v)),yq?BEC(NOT(HAVE(q,v))))))

abkaufen (auch: (durch Kauf) abnehmen,

...):

(177) CAUSE 1 (ET 2 (ypACT(p),ACT(q)), ET1(ET2(yqyuBEC(HAVE(q,u)),BEC(NOT(HAVE(p,u)))), ET m (yp?BEC(HAVE(p,v)),yq?BEC(NOT(HAVE(q,v)))))) Der Wert von m ist offensichtlich irrelevant, man kann den Index m weglassen, da er nichts bewirkt. An den Stellen mit „?" muß man alternativ „yv" einsetzen. Will man für haben, so an der vorderen, will man gegen haben, an der hinteren (entsprechend (183-184)). Außerdem sind noch zwei nicht belegte Sememrepräsentationen übriggeblieben: Bei a a ) war dies eine, wo (pl) und (q3) mit Emphase und (ul) ohne Emphase aktualisiert werden, bei ßß) eine, wo (p2) und ( q l ) mit Emphase und (u2) ohne Emphase aktualisiert werden, v hängt wie bei den anderen Fällen wieder in der Luft. Die aktuelle Rolle von u ergibt sich nun aber eindeutig aus C.: Unter den konkurrierenden (ul) und (u2) muß dies die mit Emphase sein, so daß die beiden nicht-belegten Fälle auch verboten sind. Damit ist gezeigt, daß die Verteilung der Emphaseindizes und die Rollenblockierungen in (168) nur so erfolgen können, daß belegbare Sememrepräsentationen entstehen. Der einzige „Schönheitsfehler" ist die Unentschiedenheit der aktuellen Rolle von v, er wird sich unten aber als Vorzug entpuppen. Zu dieser formalen Analyse ist eine Reihe von Anmerkungen notwendig. 1. Wenn man i = 1 (Aktiv) und k = 1 als konstante Werte betrachtet, so erhält man aus der Grundform (168) ohne die oberen Indizes die folgende Anzahl formal möglicher Sememrepräsentationen: - j = 1 oder j = 2; - 1 = 1 oder 1 = 2; - (pl) oder (p2) oder (p3); - ( q l ) oder (q2) oder (q3);

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— (ul) oder (u2); - (vi) oder (v2). D a diese Entscheidungen formal unabhängig sind, ergibt sich die ansehnliche Zahl von 2 - 2 - 3 - 3 - 2 - 2 = 144 Möglichkeiten bei Annahme je genau eines Aktanten pro Argument. Insgesamt sind aber nur acht übriggeblieben, allerdings mit der unklaren Festlegung über die Präpositionen für/gegen. Dies zeigt, daß Einschränkungen, wie sie in A. bis E. formuliert sind, eine heillose, rein kombinatorische Overgeneration unterbinden, und im vorliegenden Fall haben sich sogar genau die belegbaren Möglichkeiten ergeben. Die Bedingung E. brauchte ich wegen der angenommenen einfachen Aktantifizierung nicht anzuwenden. 2. Das Verb verkaufen hat zwei Sememrepräsentationen, die sich sogar in mehreren Punkten unterscheiden und daher nicht zusammengefaßt werden können (yu wechselt seinen Platz mit der Veränderung von 1). Dieses an sich nicht wünschenswerte Faktum hat seine Ursache darin, daß ich später die Oberflächenform der Aktanten aus den Sememrepräsentationen direkt ableiten werde, und verkaufen hat eben diese beiden Muster. 3. Wenn man damit einverstanden ist, daß kaufen und abkaufen je eine gesonderte Sememrepräsentation haben, so darf man konsequenterweise keinen Einwand dagegen vorbringen, daß verkaufen zwei Sememrepräsentationen hat; denn diese beiden sind das völlig symmetrische und duale Gegenstück zu den beiden für kaufen und abkaufen. Diese Art von „Mehrdeutigkeit" ist in dem Formalismus absolut determiniert und explizit dargestellt. 4. Setzt man k = 2, so kommt man für j = 2 zu Verben wie entrichten, bezahlen (er bezahlte 20 Mark . . . , nicht er bezahlte das Buch), (Geld) ausgeben, während es für j = 1 an entsprechenden „klaren" Verben fehlt. Sie wären etwa mit jemand erzielt etwas ( = einen Erlös)/erhält (durch Kauf) etwas für etwas von jemandem/nimmt etwas für etwas von jemandem ein anzugeben. Die Unsicherheit bei der Wahl der Präpositionen für/gegen wird durch den Formalismus in der Weise reflektiert, daß man für v beide Rollen wählen kann, was nicht so wäre, wenn man in Einschränkung D. den Zusatz „unter Emphase" fortließe. Dann müßte nämlich v die aktuelle Rolle TO-OBJ genau dann haben, wenn u die aktuelle Rolle FROM-OBJ hat. Dies würde dazu führen, daß z. B. nur noch (178) q N kauft u A (von p) (für \) (179) q N kauft p D u A (gegen v) ab möglich wäre - eine viel zu starke Voraussage. Das Argument v liegt außerhalb jeder Emphase, so daß der Sprachgebrauch die Auswahl (weitgehend zugunsten von für) nivelliert hat. Die Präposition gegen tritt ziemlich selten auf, etwa in Verkauf nur gegen konvertierbare Währung, ist aber bei einigen verwandten Verben fest: (180) Er händigte (ihr/an sie) die Schlüssel Tt'für/gegen eine Quittung aus. (181) Er wechselt Dollars gegen Kronen. (er gibt die Dollars weg und erhält Kronen = TO-OBJ) Die Verhältnisse ändern sich völlig, wenn man das zweite Argument von C A U S E „um 90 Grad dreht", d . h . Grundformen der Gestalt (182) CAUSE'(ET'(ACT(p),ACT(q)), ET k (ET'(BEC(B(q,u)),BEC(NOT(B(q,v)))), ET m (BEC(B(p,v)),BEC(NOT(B(p,u)))))) betrachtet. Dabei sei B wieder ein Lokationsprädikat. Nimmt man i = 1 und k = 1 an,

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so hat man bei 1 = 1 die Emphaseverteilung für eintauschen, bei 1 = 2 für tauschen ( = „wegtauschen"): 1 = 1 : (u2) mit E m p h a s e , ( v i ) oder (v2), beides ohne Emphase. 1 = 2 : (vi) mit E m p h a s e , ( u l ) oder (u2), beides ohne Emphase. Dieses Mal ist es also nicht durchgängig v, was hinsichtlich seiner aktuellen Rolle unbestimmt ist, sondern dasjenige zweite Argument von B, dessen sämtliche möglichen Rollen keine E m p h a s e tragen. Erst wenn man diesen Spielraum beseitigt, k o m m e n die Regeln eindeutig an der Oberfläche zum Zuge, die für und gegen bestimmen: (183) < F R O M - O B J , B > e Z " ( x , S ) ^ für x (184) < T O - O B J , B > e Z~(x,S) => gegen x für gewisse Lokationsprädikate B, darunter H A V E , P L A C E - d , jedoch nicht ISA. In G r u n d f o r m e n der Gestalt (B ein geeignetes P L A C E - d ) (185) C A U S E ' ( A C T ( x ) , E T ' ( B E C ( B ( q , u ) ) , B E C ( N O T ( B ( q , v ) ) ) ) ) , die für einsetzen, (1 = 1) bzw. für austauschen, auswechseln (1 = 2) zuständig sind, gibt es keine Wahl mehr: (186) x N setzt u A für/*gegen v ein (187) x N tauscht v A * f ü r / g e g e n u aus Hier wirken die Verbzusätze analog zu den für die Besitzwechselverben ausführlich dargestellten Verhältnissen (s. 6.2.1.) völlig eindeutig. Man beachte, d a ß (185) nicht die Kopie von (1) im Sinne einer Substitution „ H A V E => B" ist! Die Regularität hat also tatsächlich allgemeinen Charakter. D a ß bei den „tauschen"-Verben im System etwas faul ist hinsichtlich des Z u s a m menhangs zwischen der Aktantifizierung und der Bedeutung, kann man durch einen einfachen Test bestätigen: Ich habe einigen (durchweg linguistisch hochqualifizierten) Testpersonen die sechs Sätze der Form (188) Karl hat eine Schallplatte für/gegen ein Buch (verleingelge)tauscht. vorgelegt und ihre Akzeptanz erfragt, um bei positiver Antwort pro Satz die Frage „Was hat denn Karl nun am E n d e , die Schallplatte oder das Buch?" nachzuschieben. In bemerkenswert vielen Fällen war des Nachdenkens und Zweifeins kein E n d e . In diesem Sinne ist die Unbestimmtheit der Aussagen des Formalismus sicher kein Mangel. G r u n d f o r m e n der Gestalt (168) und (182) sind offenbar schon so komplex, daß die Aktantifizierung an einigen Stellen nicht fest geregelt ist (vgl. hierzu auch KLIMONOW 1 9 8 9 , S . 4 9 ) .

D e r rein formal a n m u t e n d e Unterschied zwischen (168) und (182) hat weitere sichtbare Konsequenzen: Die G r u n d f o r m (168) enthält die G r u n d f o r m (1) für Besitzwechselverben als „selbständige" Teilproposition: (ver/ab/an)kaufen sind „ W a r e " Besitzwechselverben mit einem Zusatz über den Preis. D a h e r greift der in 6.2.1. behandelte Z u s a m m e n h a n g mit den „ab"- und „an"-Klassen bei diesen Verben in der gleichen Weise, wenn man einmal davon absieht, daß das Präfix bei verkaufen in irregulärer Weise zur Konversenbildung mißbraucht wird: kaufen ist ein „Waren e h m e n " - V e r b , verkaufen ein „Ware-geben"-Verb. Man denke an das Englische oder Russische, wo hierfür ganz unterschiedliche Lexeme existieren. Die Verben ankaufen und einkaufen sind die gleichen Emphase-Varianten wie an/einnehmen. Ganz anders liegt die Sache bei eintauschen: Die andersartige Symmetrie von (182) läßt es o f f e n , ob eine E m p h a s e auf B E C ( B ( q , u ) ) oder auf B E C ( B ( p , v ) ) gelegt wird. Dies ist eine

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Ursache dafür, daß Sätze mit eintauschen für/gegen beliebig nebulös sein können. Im W D G werden folgende Beispiele für eintauschen angegeben: (189) Die Eingeborenen (p) tauschten ihre Erzeugnisse (u) gegen notwendige Bedarfsartikel (v) ein. (ref(p) wird ref(u) los und erhält ref(v).) Das gegen entspricht der Regel (TO-OBJ). Da u eine Rolle mit Emphase hat, muß eine der beiden Basispropositionen B ( . . .,u) in (182) eine Emphase tragen, ein setzt die Emphase auf eine B E C ( B ( . . . , . . .))-Proposition, also ist BEC(B(q,u)) die erforderliche Proposition mit Emphase, d . h . , u hat die Rolle TO-OBJ mit Emphase. So weit geht alles in Ordnung, es bleibt das Problem der Aktantifizierung der Variablen q, die in (189) nicht auftritt. Nach Bedingung B. kann q nicht S O U R C E als aktuelle Rolle haben; denn dann müßte es SOURCE von u sein. Die Rolle G O A L von u würde wegen der Emphase einen obligatorischen Dativ ergeben, das ist in (189) ganz unmöglich. Die „natürlichste" Oberflächenform, nämlich „bei den Händlern (q)", ist offenbar eine SOURCE/GOAL-neutrale Ausweichlösung. Tatsächlich kann (190) p N tauscht u A bei q ein. sowohl bedeuten, daß ref(p) ref(u) von ref(q) erhält, als auch, daß ref(p) ref(u) an ref(q) loswird. Die £>ei-Phrase tritt als SOURCE/GOAL-Ersatz auch bei anderen Verben auf (z.B. kaufen, nicht: abkaufen). Eine offene Detailfrage ist, inwieweit hier eine systematische „Umgehung" von B. vorliegt (B. wird durch die ¿>e/-Phrase nicht falsifiziert!). In dem folgenden Satz (191), der (nicht nur nach meiner Meinung) besser als (189) ist, hat man dieses Problem nicht: (191) Die Eingeborenen tauschten für ihre Erzeugnisse notwendige Bedarfsartikel ein. Man nimmt an, daß die Emphase auf BEC(B(p,v)) liegt. Die aktuelle Rolle von p ist A G E N S , v ist TO-OBJ mit Emphase, q kann korrespondierend mit v, also aktuell als S O U R C E aktantifiziert werden, diese Rolle hat keine Emphase, also erscheint q als fakultative von-Phrase, was einigermaßen in (191), aber keinesfalls in (189) paßt: In (192) . . . V-ten Erzeugnisse von den Händlern .. . steht allein nach B. fest, daß Händler Erzeugnis-SOURCE ist. (189) wird durch die vorc-Phrase völlig zerstört. Ein weiteres WDG-Beispiel ist: (193) Sie (p) tauschten alles (u) was sie hatten, für Brot (v) ein. (im Gegesatz zu (189) für\) ein legt die Emphase auf BEC(B(q,u)), u ist TO-OBJ zu q mit Emphase. Damit entsteht wieder das Aktantifizierungsproblem für q. Die aktuelle Rolle von v ist frei, sie kann FROM-OBJ zu q (für) oder TO-OBJ zu p (gegen) sein. Nimmt man gegen, so hat man die gleichen Verhältnisse wie in (189). Nun gibt es für (193) aber eine „glattere" Formulierung, bei der A und für entgegengesetzt verteilt sind: (194) Sie (p) tauschten für Schnaps (u) Brot (v) ein. Ich habe die „faktische Suggestion" von (193) beseitigt! Damit hat man genau die Oberflächenform von (191). Ebenfalls aus dem W D G ist: (195) wird sie .. . das Schloß in der Ukraine und die Millionen eintauschen gegen die Ehre dieses Namens. Dieser Satz ist vom oben genannten „Nachdenke"-Typ, aus dem literarischen Zusammenhang weiß man jedoch (St. Zweig, Balzac): Schloß und Millionen weg, Ehre

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her. Seine gemeinte Bedeutung ist also (bei identischer Oberflächenform) genau die gleiche wie in (189)! Die Emphase-Auswirkung von ein ist, wie oben gesagt, ambivalent. Da tauschen ein Zwitter zwischen geben und nehmen ist, kann man folglich beide Auswirkungen vorfinden: (196) eintauschen wie einkaufen, einnehmen: Emphase auf „zum AGENS hin" (197) eintauschen wie einzahlen, eingeben: Emphase auf „zum Nicht-AGENS hin" Nach dieser ausführlichen Diskussion eines (relativ komplizierten) Beispiels wende ich mich nun noch einigen Fragen zu, die die Motivation und die Konsequenzen von Rollenblockierungen betreffen. Ist eine mögliche Rolle eines Arguments blockiert, so verringert sich (auf der Ebene der Sememrepräsentationen!) die Stelligkeit des entsprechenden Prädikats: yuHAVE(p,u) ist somit nur noch ein Prädikat mit einer Argumentstelle, nämlich der ersten von HA VE. Dies überträgt sich (im Sinne der Interpretation) auf die Rollen: Die Rolle von p ist dann nicht mehr „Besitzer von u", sondern „Besitzer von etwas, das.. .". Die Bestimmung dessen, was p besitzt, muß man an einer anderen Stelle der Sememrepräsentation suchen, und zwar dort, wo u ohne y auftritt. Auf dieser Grundlage läßt sich eine regelrechte „Paraphrasierungstechnik" für die Sememrepräsentationen entwickeln: Man paraphrasiert zunächst Teilpropositionen, die aktuelle Rollen liefern, und fügt dann die wechselseitigen Definitionsterme hinzu. Bei diesen Paraphrasen benötigt man nur die y's, nicht jedoch die oberen Indizes. Ich möchte dies kurz an den beiden Grundformen (176, 177) für kaufen und abkaufen demonstrieren: Für (176) ergibt sich, falls yv vorn steht: Der Käufer q kausiert durch eine Handlung, daß er (q) die Ware u erhält und er (q) den Betrag v los wird und der Erstbesitzer p die Ware (u) los wird. Dabei handelt der Erstbesitzer (p) ebenfalls kausierend, und er (p) erhält den Betrag (v). Für (176), falls yv hinten: Der Käufer q kausiert durch eine Handlung, daß er (q) die Ware u erhält und der Erstbesitzer p die Ware (u) los wird und er (p) den Betrag v erhält. Dabei handelt der Erstbesitzer (p) ebenfalls kausierend, und der Käufer (q) wird den Betrag (v) los. Für (177), falls yv vorn: Der Käufer q bewirkt durch eine Handlung, daß der Erstbesitzer p die Ware u los wird und er (q) den Betrag v los wird. Dabei handelt der Erstbesitzer (p) ebenfalls kausierend, und er (p) erhält den Betrag (v), und der Käufer (q) erhält die Ware (u). Für (177), falls yv hinten: Der Käufer q bewirkt durch eine Handlung, daß der Erstbesitzer p die Ware u los wird und er (p) den Betrag v erhält. Dabei handelt der Erstbesitzer (p) ebenfalls kausierend, und der Käufer (q) wird den Betrag (v) los, und er (q) erhält die Ware (u). Die eingeklammerten Variablen entsprechen den blockierten Rollen. Man kann diese Paraphrasen verschachteln, indem man die eingeklammerten Variablen durch Relativsätze nach dem eben genannten Vorbild ersetzt und die Hilfstermini „Käufer, .. ." eliminiert. Man erhält dann z. B. für die erste Paraphrase: Eine Handlung von q und von demjenigen p, der dasjenige u los wird, das q erhält, . . . Man beachte, daß die angegebenen Paraphrasen keine Redundanzen enthalten: In der ersten heißt es

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z . B . „ . . . er (q) den Betrag v los wird . . . er (p) erhält den Betrag (v)". Man muß beides wissen, damit klar ist, daß der Betrag v von q nach p wandert. Aus diesen Betrachtungen geht hervor, daß sich durch die Rollenblockierungen ein Netz von wechselseitigen referentiellen Reduktionen ergibt, wie etwa „das A G E N S q, das gleichzeitig auch G O A L dessen ist, was FROM-OBJ zu p ist" (so z . B . in (177)). Innerhalb Z(x,G) bilden die rollendefinierenden Vorkommen der Rollen aus Z a (x,S) also auch referenzbestimmende Vorkommen von x in dem Sinne, daß die Koreferenz gerichtet wird. Da nun aber yx eigentlich immer nur auf ein anderes (nicht-blockiertes) Vorkommen von x verweist (das referentiell ungebunden ist), stellt sich die Frage, wie man zu total blockierten Argumenten (alle Vorkommen sind blockiert) kommt. Dies ist insofern nicht nebensächlich, als sich total blockierte Argumente als sehr bequemes Hilfsmittel zur Erklärung verschiedener Fakten erweisen. Ich werde sie z . B . bei den Klassenwechselverben benötigen. Ich kehre noch einmal zu der Interpretation von y u H A V E ( p , u ) zurück. Die Rolle von p bleibt bestehen, u wird dagegen in einer Rolle gebunden. Nun gibt es sogar Fälle, wo z . B . u total referentiell gebunden wird: Aus dem zweistelligen Prädikat H A V E wird eine einstellige Funktion cp. Zur Erläuterung dessen betrachte ich das Verb ausrauben. Seine Grundform enthält meiner Meinung nach notwendigerweise ein Argument u, das auf der Oberfläche jedoch nie erscheint: „q N raubt p A aus" ist dasselbe wie „q N raubt p D alles, was p N hat". Anders ausgedrückt: „q N raubt p D u A " mit den folgenden beiden Zusatzbedingungen: - Es gibt ein u' mit ref(u') * 0 und HAVE(p,u')i, - ref(u) = U ref(u') mit H A V E ( p , u % (d. h., ref(u) ist die Vereinigung aller ref(u') mit . . . ) Dabei besagt der Index ; wie schon in 6.1.2.2.: „alle ref(u'), die ref(p) anfänglich hat". Def. 6.19. (TX, referentielle Bindung, I-Blockierung): Ist A eine Proposition mit mindestens zwei elementaren Argumentstellen ( d . h . A ( x i , . . . ,x n ) mit n 2) und ist j eine Zahl mit 1 j ^ n, so wird durch TXjA(xj,... ,x n ) zum Ausdruck gebracht, daß Xj referentiell gebunden ist, und zwar durch eine Funktion Er bezahlt2 das Buch [mit 10 Mark]. Darüber hinaus gibt es noch bezahlen3: (236) Er zahlt 1000 Mark an seine Angestellten. => Er bezahlt3 seine Angestellten mit 1000 Mark. analog zu (237) Er klebt ein Plakat an die Wand. => Er beklebt die Wand mit einem Plakat. Auf diese Mechanismen gehe ich in Kap. 10 ein. 6.2.3. Aktanten Def. 6.21. (Aktant, Aktant mit/ohne Emphase): Ein Aktant ist ein Paar der Gestalt : Ist x ein elementares Argument einer Sememrepräsentation S und R 6 Z a (x,S), so ist < x , R > ein Aktant von S. Ist R e Z + ( x , S ) bzw. R e Z~(x,S), so heißt < x , R > ein Aktant mit bzw. ohne Emphase (s. Def. 6.18.). Elementare Argumente x werden durch Sememrepräsentationen zu Aktanten, sie werden aktantifiziert, falls Z a (x,S) =t= 0. Ich werde von n-facher Aktantifizierung sprechen, wenn Z a (x,S) genau n Kasusrelationen R enthält (n = 0,1,2,...). Der Fall n = 3 scheint allerdings nie vorzukommen. Def. 6.22. (eigentliche und uneigentliche Aktanten): Enthält Z a (x,S) mindestens eine Kasusrelation, so heißt genau einer der Aktanten < x , R > aus Z a (x,S) eigentlicher Aktant, die übrigen, falls es solche gibt, uneigentliche Aktanten. Welche dies im Einzelfall sind, wird sich später ergeben. Die uneigentlichen Aktanten sind in erster Linie die D o m ä n e der Reflexiva. Typische Fälle sind: (238) Er rasiert sich. (mehrfache Argument-Aktantifizierung, hervorgerufen durch Argument-Identifizierung) (239) Er eignet sich etwas an. (mehrfache Argument-Aktantifizierung, hervorgerufen durch mehrere aktuelle Rollen eines Arguments) Uneigentliche Aktantifizierung hat man auch in (240) Karl und Otto kennen einander. (241) Er verbindet die Punkte A und B miteinander. Def. 6.23. (notwendiger Aktant von S): Ein Aktant heißt notwendiger Aktant von S, wenn sein rollendefinierendes Vorkommen in der minimalen Grundform von S liegt. Folgerung: Jeder Aktant mit Emphase ist notwendig, das Umgekehrte gilt nicht: Bei verschenken sind p, q und u notwendig, aber sie tragen nicht alle drei eine Emphase. Diese Folgerung ergibt sich daraus, daß bei Erweiterungen eingefügte Propositionen nie eine Emphase haben können.

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Def. 6.24. (akzessorischer Aktant von S): Ein Aktant heißt akzessorischer Aktant von S, wenn er nicht notwendig ist, d . h . , wenn sein rollendefinierendes Vorkommen in einer („akzessorischen") Proposition liegt, die durch eine Erweiterung der minimalen Grundform von S entstanden ist. Charakteristische Fälle von akzessorischen Aktanten sind B E N E F A C T I V E - und I N S T R U M E N T / M E A N S - A d v e r b i a l e sowie Richtungsbestimmungen: (242) Er spart für seine Kinder. (243) Er tötet sie mit einem Messer/mit Gift. (244) Die Gesellschaft baut Wohnhäuser auf das Gelände. Die obige Folgerung ergibt (kontraponiert): Jeder akzessorische Aktant trägt keine Emphase. Es gibt also drei Arten von Aktanten: - Aktanten mit Emphase (immer notwendig) — Aktanten ohne Emphase, die notwendig sind oder akzessorisch sind. Man beachte, daß diese Eigenschaften immer an ein Vorkommen eines Arguments geknüpft sind. Die Definitionen legen nicht die Begriffe „notwendiges/akzessorisches Argument" fest. Wie die späteren Beispiele zeigen werden, gibt es immer wieder den Fall, daß ein Argument in der minimalen Grundform auftritt und dann in einer akzessorischen Proposition wieder verwendet wird (eine fast unumgängliche Erscheinung zur Sicherung der „Argument-Kohärenz"). Diese Argumente könnte man „notwendige Argumente" nennen, diejenigen, die erst durch akzessorische Propositionen hereinkommen, „akzessorische Argumente". Diese Unterscheidung benötige ich jedoch nicht. Das Auftreten akzessorischer Aktanten ist nicht beliebig, und dies unterscheidet sie von den freien Angaben: Nicht jedes Verb gestattet einen Instrumental oder eine Richtungsbestimmung. In der minimalen Grundform muß eine „Anlage dafür" vorhanden sein: Bei schlagen ist es gerade die Art der Handlung, die den Instrumental ermöglicht und das Instrument spezifiziert. Es führt zu keinerlei Ungereimtheiten, wenn man bei Verben mit eingebautem Instrument m (z.B. zerschneiden, erstechen) die entsprechende Proposition gleich in die minimale G r u n d f o r m aufnimmt und m als notwendig einordnet. Einen Vorschlag, wie dies im Detail geschehen kann, werde ich in Kap. 11 unterbreiten. Bei töten ist das Instrument jedoch akzessorisch. Die Unterscheidung in notwendige und akzessorische Aktanten hat nichts zu tun mit der Unterscheidung in obligatorische und fakultative Aktanten. Ein notwendiger Aktant kann fakultativ sein: (245) Er beschenkte sie (mit einer Vase). Ein akzessorischer Aktant kann jedoch (über verschiedene Zwischenstufen) obligatorisch werden: (246) Die Gesellschaft bebaut das Gelände (mit Wohnhäusern). Die Sememrepräsentation von bauen hat eine minimale Grundform, die das Argument für Gelände nicht enthält. Die Bildung der öe-Konversen erfordert jedoch seine Einfügung, und bestimmte Sememrepräsentationen (nämlich die von ¿e-Konversen) machen daraus dann zunächst einen notwendigen Aktanten, d . h . , die Sememrepräsentation versieht die ursprünglich akzessorische B E C ( P L A C E - d ( . . .))-Proposition mit einer Emphase und macht Gelände sogar zu einem obligatorischen Aktanten. Die G r u n d a n n a h m e , die ich mit diesen Begriffen verbinde, ist, daß jeder Aktant

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< x , R > eine Konstituente an der Oberfläche beansprucht. Diese Konstituente hat im Regelfall sogar genau spezifizierte morpho-syntaktische Merkmale. Mit anderen Worten: Die Kasusrelation R wird an der Oberfläche morpho-syntaktisch ausbuchstabiert, und x wird in seiner lexikalischen Form eingesetzt. Als zusätzliche, aber ganz wesentliche Bedingung tritt dabei (wenn auch nicht immer) auf, ob R e Z + (x,S) oder R € Z~(x,S) ist. Die morpho-syntaktische Form wird kontextfrei bestimmt, d.h., man braucht (wieder im Regelfall) wirklich nur R zu kennen. Die Regeln lassen in manchen Fällen mehrere (belegbare!) Kombinationen morpho-syntaktischer Formen für die Aktanten zu. D e r von J. Panevová (PANEVOVÁ 1974, SGALL/HAJICOVÁ/PANEVOVÁ 1986) entwik-

kelte Test auf der Basis von Ergänzungsfragen ist in erster Linie auf Argumente (und nicht auf Aktanten) zugeschnitten: Er soll notwendige Argumente (im oben skizzierten Sinne), d.h. „obligatory (though deletable) participants" aussondern. Wird (247) Charles arrived by car. geäußert, so muß der Sprecher in der Lage sein, die Frage (248) Where did he arrive? zu beantworten, bei (249) When did he arrive? braucht er dies nicht. Mit anderen Worten: Wird ein Verb verwendet, so muß der Sprecher ref(x) für alle Argumente x kennen, die in der minimalen Grundform der entsprechenden Sememrepräsentation vorkommen. Man muß beim Sprecher also ref(x) für alle notwendigen Argumente x kommunikativ einklagen können (sofern es durch Kontext, Situation oder Hintergrundwissen nicht ohnehin gegeben ist). Der Test funktioniert selbstverständlich nur bei Annahme „kommunikativer Normalbedingungen", also z.B. nicht, wenn Äußerungen Dritter übermittelt werden. Kann man die erfragbaren Argumente nicht noch genauer abgrenzen, sind wirklich alle Argumente der minimalen Grundform einer Sememrepräsentation erfragbar? Von Fillmore und anderen Autoren ist eine Reihe von Gesichtspunkten zusammengetragen worden, die dieses Problem betreffen. Ich glaube, daß hierbei auch die TBlockierungen einen weiteren Aspekt ergeben. In (250) Karl bezahlte 10 Mark. hat man eine kommunikative (keine grammatische!) Unvollständigkeit, die die Frage „Wofür?" oder „An wen?" geradezu provoziert. Dagegen erscheinen mir (251) Karl bezahlte das Buch. (252) Die Reisenden wurden ausgeraubt. nicht mit diesem Mangel behaftet. Primär keinesfalls deshalb, weil man das fehlende Argument (den Preis bzw. das Gepäck) nur schlecht mit dem gleichen Verb erfragen kann, dies ist eine Angelegenheit der Aktanten. Man kann (252) sicher äußern, wenn die Betroffenen in Hemd und Hose vor einem stehen (entsprechende Situation vorausgesetzt), ohne das zu kennen, was ihnen abhanden gekommen ist, sie wissen es vielleicht selber im Moment nicht genau. Die an (251) anzuschließende Frage, wieviel Karl bezahlt hat, kann man eventuell sogar tautologisch beantworten: „Was das Buch kostet". Dies ist bei (250) weitgehend ausgeschlossen. Nun zeigt (252) in signifikanter Weise, daß man das AGENS auch nicht immer erfragen kann. Allerdings ist AGENS eine Aktanten- und keine Argumentangelegenheit. Das entsprechende Argument q tritt bei ausrauben nicht nur als AGENS, sondern auch als GOAL auf. Damit gehört es sogar zur inhärenten Teilproposition, es

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ist ein inneres Argument. Folglich wird die Frage nach den Tätern zwar nicht beantwortbar, aber sie führt zu einer relativen Antwort innerhalb dieser Teilproposition: Die Täter sind diejenigen, die das Gepäck danach haben. Dies liefert eine gängige Methode zur Aufklärung des Diebstahls. Sie ist nicht anwendbar bei (253) Anna wurde ermordet. Das A G E N S tritt als Argument nicht in der inhärenten Teilproposition auf, der Kriminalkommissar muß anders vorgehen. Diese kurzen Betrachtungen führen zu der Vermutung, daß man die erfragbaren Argumente auf diejenigen eingrenzen kann, die in der inhärenten Teilproposition vorkommen und keine t-Blockierung haben. Diese sind nicht identisch mit den inneren Argumenten im üblichen Sinn (man denke an das A G E N S von nehmen, das ebenfalls als blockiertes G O A L auftritt). 6.2.3.1. Aktantenkombinationen, obligatorische und fakultative Aktanten Wer Aktant sagt, muß auch obligatorisch oder fakultativ sagen. Zunächst ist festzuhalten, daß sich diese Opposition weder auf die Argumente für sich noch auf die Kasusrelationen für sich beziehen kann. Beschreibt man auf der ontologischen Ebene einen Kauf (gleich, in welchem Formalismus), so werden dort die vier Argumente p, q, u, v (eventuell noch weitere) vorkommen. Lexikalisiert man die Angelegenheit, so zeigt sich, daß es zu jedem Argument eine Lexikalisierung (durch verkaufen, (ab)kaufen, bezahlen, erlösen) gibt, wo dieses Argument an der Oberfläche fehlen kann, d.h. nicht obligatorisch ist (s. (168)). Dem steht die Tatsache gegenüber, daß bei jeder Lexikalisierung bestimmte Argumente im üblichen Sinne „obligatorisch" sind, z.B. u bei verkaufen. Ebenso kann man bei diesem Beispiel sehen, daß kein Tiefenkasus für sich obligatorisch ist: AGENS, S O U R C E und G O A L sind es ohnehin nicht, bei den verschiedenen Arten von OBJECT (u und v) müßte ich jetzt eine längere Diskussion darüber starten, wie man ihre Tiefenkasus definieren könnte (mein Vorschlag kann für die Beantwortung dieser Frage nicht der einzige Ausgangspunkt sein). Ich unterdrücke dies hier. Auf alle Fälle läßt sich jedoch sagen, daß der Bezug von obligatorisch/fakultativ auf Argumente oder Kasusrelationen (oder Tiefenkasus) allein nicht das hergibt, was man haben möchte. Es ist erst die Kombination beider, die das Problem an die richtige Stelle bringt. Im folgenden werde ich das Begriffspaar „obligatorisch/fakultativ" ausschließlich auf die Aktanten einer Sememrepräsentation beziehen. Wie läßt sich diese Eigenschaft von Aktanten nun genau definieren? Ich sehe zunächst einmal von den üblichen „Notationen" ab, mit denen diese Eigenschaften rein taxonomisch erfaßt werden, etwa mit Hilfe von Klammern oder sonstigen Zusätzen wie „fak.". Sie erklären nichts, sondern beschreiben höchstens, was ist. Neben der Auswahl der aktuellen Rollen ist die Festlegung von „obligatorisch/fakultativ" eine weitere Leistung der Verbsememe. Damit ergibt sich implizit die Forderung, daß dies auch aus den von mir verwendeten Sememrepräsentationen in irgendeiner Weise ableitbar sein muß. Wie dies im einzelnen geschehen kann, werde ich jetzt zeigen. Man beachte, daß hierfür keine weiteren Zusätze in den Sememrepräsentationen notwendig sind: Was ich beim Übergang von den Grundformen zu den Sememrepräsentationen investiere, sind die Emphasenverteilungen, die inhärenten Teilpropositionen und die Rollenblockierungen. Was ich dann daraus ableite, ist die Oberflächenform der Aktanten und ihre Eigenschaft, obligatorisch oder fakultativ zu sein.

Sememrepräsentationen

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Als Faustregel hat man zunächst: Aktanten mit Emphase sind obligatorisch. Mit dieser Regel könnte ich die Betrachtungen eigentlich abschließen; denn „Aktant mit Emphase" ist definiert, und die Regel deckt in der Tat wohl 95% zutreffend ab. Eine eingehendere Analyse zeigt nun aber, daß diese Faustregel eben doch nur eine solche ist. Dies ergibt sich aus drei voneinander unabhängigen Gründen: 1. Das Begriffspaar „obligatorisch/fakultativ" ist eine unzureichende Opposition. Es gibt bedingt obligatorische Ergänzungen und andere Erscheinungen, die eine reine Dichotomie als zu grobe Vereinfachung ausweisen: (254) Er stiehlt. (255) Er stiehlt ein Buch. (256) * Er stiehlt ihr. (257) Er stiehlt ihr ein Buch. In Klammernotation: (258) Er stiehlt ((ihr) ein Buch). Das Akkusativobjekt ist also „fakultativ", aber nicht frei fakultativ (Fall einer positiven Implikation „ihr —» Buch"). Ebenso: (259) Der Zauberer verwandelte sich ((von einem Elefanten) in einen Löwen). 2. Der Begriff „obligatorisch" selber ist eine zu grobe Vereinfachung. Es gibt alternativ obligatorische Ergänzungen (z.B. Akkusativobjekt vs. präpositionales Objekt): (260) Er glaubt etwas/an etwas. (261) Er greift etwas/nach etwas. (262) Raupen werden Schmetterlinge/zu Schmetterlingen. 3. Die Faustregel ist (wörtlich und oberflächlich genommen) falsch, und zwar in mehr als 5 % : (263) Er verkauft ein Buch. (264) Er verkauft ihr ein Buch. (265) Er verkauft ein Buch an sie. Das Dativobjekt trägt eine Emphase, aber woher weiß man eigentlich, daß in (263) an sie und nicht ihr weggelassen wurde? Dies alles läßt es geraten erscheinen, die Definition des Begriffspaars „obligatorisch/fakultativ" von der Tagesordnung abzusetzen und sich nach etwas anderem umzusehen, womit man den Fakten besser gerecht wird. Der Vorschlag, den ich hierfür habe, beruht auf folgender Vorstellung: Semantische Grundformen gehen durch die bereits besprochenen Zusätze in Sememrepräsentationen über. Gewisse Sememrepräsentationen werden durch Verben (genauer: Verbsememe) belegt, wobei der Idealfall im Sinne der Theorie dann vorliegt, wenn diejenigen Sememrepräsentationen, die gewissen allgemeinen Bedingungen genügen, auch belegbar sind. Dies ging bei der Grundform (168) auf. Dabei tritt es ein, daß ein Verbsemem (wie verkaufen), das man eigentlich nicht als polysem betrachtet, mehrere Sememrepräsentationen belegt. Dieser theoretisch weniger erfreuliche Effekt wird aber dadurch kompensiert, daß aus den durch das Verb belegten Sememrepräsentationen die Oberflächeneigenschaften des Verbs abgeleitet werden können. Ich werde nun einen Mechanismus definieren, der pro Sememrepräsentation eine Liste von Aktantenkombinationen generiert. Faßt man anschließend diese Listen zusammen, so erhält man die Aktantenkombinationen für das betreffende Verb. Anhand dieser Liste kann man dann feststellen, welche Aktanten obligatorisch, bedingt obligatorisch, frei fakultativ usw. sind. Diese Begriffe sind somit sekundär, d. h. aus der Liste der Aktantenkombi-

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nationen deduzierbar. Abb. 6.2. gibt dies schematisch wieder. Diese Prozedur ist viel allgemeiner als eine Herangehensweise, die versucht, die Eigenschaft „obligatorisch/

Aktantenkomb. pro Sememrepr.

Abb.

6.2.

fakultativ" der einzelnen Aktanten direkt und für jeden Aktanten isoliert zu definieren. D e r wesentliche Hilfsbegriff für die Definition der Liste von Aktantenkombinationen pro Sememrepräsentation ist der folgende: Def. 6.25. (zulässige Auswahl W von Teilpropositionen): Die semantische Grundform G erfülle die Voraussetzungen von Def. 6.14. Eine zulässige Auswahl W von Teilpropositionen ist eine Teilmenge aller Teilpropositionen von G (wieder vorkommensweise betrachtet), die die Bedingungen (a) bis (c) von Def. 6.14. erfüllt, wenn man in (a) „inhärente Teilproposition" beläßt und ansonsten „Teilproposition mit Emphase" durch „ist Element von W" ersetzt sowie die Minimalbedingung (e) streicht. Die Bedingung (d) muß wie folgt abgeändert werden: (d') Ist B ein in G vorkommendes Prädikat mit zwei propositionalen Argumentstellen und sind Ai, A 2 die Argumente, so gilt: (dl) Ist die Teilproposition, deren Kopf B ist, ein Element von W und außerdem eine Teilproposition der inhärenten Teilproposition von G, so ist auch A¡ ein Element von W, falls B den oberen Index i trägt. (d2) Ist dagegen die Teilproposition, deren Kopf B ist, ein Element von W, aber keine Teilproposition der inhärenten Teilproposition von G, so ist A¡ oder A 2 ein Element von W. Die Formulierung ist notwendig, damit die formale Wirkung der Emphaseindizes unverändert bleibt: Innerhalb der inhärenten Teilpropositionen haben Emphaseindizes die gleiche Wirkung auf die Zugehörigkeit zu W für die Argumente (Fall (dl)). Bei Erweiterungen sichert (d2) (ebenso wie auch (c) im allgemeinen Fall) in der neuen Formulierung, daß die Zugehörigkeit zu W top down nicht blind endet. Die veränderten Formulierungen von (a) bis (c) werden im folgenden als (a') bis (c') bezeichnet. Mit anderen Worten: Eine zulässige Auswahl W von Teilpropositionen ist eine solche, die auf alle Fälle die inhärenten Teilpropositionen enthält und bezüglich der in (a') bis (d') angegebenen „Vererbungen" abgeschlossen ist, ohne dabei notwendigerweise minimal zu sein. Sie kann also weitere, akzessorische Teilpropositionen enthalten. Umgekehrt gilt natürlich: Ist A eine Teilproposition mit Emphase, so

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ist A Element jeder zulässigen Auswahl von Teilpropositionen. Die Menge aller Teilpropositionen von G bildet immer eine zulässige Auswahl. Man beachte ferner, daß die Rollenblockierungen bei den zulässigen Auswahlen irrelevant sind. Offensichtlich spielt die Reihenfolge der Erweiterungen innerhalb der inhärenten Teilproposition eine Rolle für die Bestimmung von W. Dies ist ganz plausibel, wenn man bedenkt, daß ja erst durch eine akzessorische Proposition die Anlage für eine erneute Erweiterung implantiert worden sein kann. Wie schon bei den Teilpropositionen mit Emphase sind auch bei (zulässigen) Auswahlen von Teilpropositionen nur diejenigen von Interesse, die ein direktes elementares Argument haben. Nur diese werde ich im folgenden betrachten. Das Beispiel (147) geht dann in folgendes über (irrelevante Teilpropositionen gleich fortgelassen): (266) i j zulässige Auswahlen: 1 1 {A,Q}, {A,P,Q} 2 1 {Q}, {P,Q}, {A,Q}, {A,P,Q} 1 2 {A,P}, {A,P,Q} 2 2 {P>, {A,P}, {P,Q}, {A,P,Q} Die zulässigen Auswahlen (relevanter) Teilpropositionen entstehen aus der Menge der (relevanten) Teilpropositionen mit Emphase, die im Beispiel als erste angeführt ist, durch eine Auffüllung, die in komplizierteren Fällen jedoch nicht beliebig ist: Bei dem verkaufen-Beispiel kommt nun der Index m wieder ins Spiel (vgl. (168)). Die Def. 6.25. läßt sich wieder unmittelbar auf Sememrepräsentationen übertragen. Damit ist klar, was eine zulässige Auswahl in S ist. In den Sememrepräsentationen verfügen wir nun noch zusätzlich über die aktuellen Rollen. Daher kann man sagen, daß eine Teilproposition (immer nur die mit direkten elementaren Argumenten genommen) gewisse Aktanten ergibt (nämlich diejenigen, deren rollendefinierendes Vorkommen direktes Argument von ihnen ist, sofern die Rollen nicht blockiert sind). S erzeugt also eine Abbildung (267) Teilproposition —> { < x i , R i > , , •••}, wobei die rechte Seite auch die leere Menge sein kann. Ist W eine beliebige Auswahl, so kann man ihr entsprechend eine Menge von Aktanten zuordnen, indem man alle diese Mengen, die sich für die A aus W ergeben, vereinigt: (268) Auswahl W { < X i , R i > , < x 2 , R 2 > , . . . , • • • . . . }, wenn A , A ' , . . . die Elemente von W sind. Def. 6.26. (durch eine Auswahl W in S erzeugte Aktantenkombination K(W,S)): Die in einer Sememrepräsentation S auf diese Weise erzeugte Menge von Aktanten heißt die durch W erzeugte Aktantenkombination und wird mit K(W,S) bezeichnet. Def. 6.27. (Liste L(S) der Aktantenkombinationen für eine Sememrepräsentation S): Jeder Sememrepräsentation S kann eine eindeutig bestimmte Menge L(S) von Aktantenkombinationen zugeordnet werden: L(S)¿¿ f {K(W,S) | W ist zulässige Auswahl in S} Im folgenden werde ich die Aktantenkombinationen in naheliegender Weise nicht als Mengen, sondern als Ketten notieren. Die in Def. 6.27. genannten Listen sind dann Listen von Ketten (und nicht Mengen zweiter Stufe!). Das formale Beispiel (266) ergibt jetzt folgendes, falls man annimmt, daß A eine

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Semantische Grundformen und Sememrepräsentationen

aktuelle Rolle für p, P eine aktuelle Rolle für u und Q eine aktuelle Rolle für q liefert. Da für j = 1 die Bedingung C. verletzt ist (u wird falsch aktantifiziert), kann man die beiden ersten Fälle ausschließen.

(270) i 1 2

j 1 1

(271) 1 2 (272) 2

2

ausgeschlossen wegen -yuQ: ausgeschlossen wegen yuQ: {A,P} {A,P,Q}

P u p q u

{P} {A,P} {P,Q} {A,P,Q}

P

u U q u p q u

L(S) = 0 L(S) = 0

| L(S) = {p u, p q u}

• L(S) = { u , p u , q u , p q u}

Dabei hat man p, q und u natürlich noch mit den jeweils aktualisierten Kasusrelationen zu versehen, die ich fortgelassen habe: p: < A G E N S , A C T > , q: < G O A L , H A V E > , u: < F R O M - O B J , H A V E > Was drücken (271—272) aus? Es sind genau die vorkommenden Aktantenkombinationen für (271') verschenken im Aktiv: p (q) u (272') verschenken im Passiv: (p) (q) u (und natürlich für viele andere Besitzwechselverben): (271") p N verschenkt u A p N verschenkt u A an q (272") u N wird verschenkt u N wird von p verschenkt u N wird an q verschenkt u N wird von p an q verschenkt Ich werde diesen Aufzählungsmechanismus jetzt nicht weiter illustrieren, da er bei der Diskussion von Beispielen zur Genüge strapaziert wird. Es ist nur noch zu sagen, daß die Eigenschaft „mit/ohne Emphase" der Aktanten natürlich erhalten bleibt.

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6.2.3.2. Die Oberflächenform der Aktanten Viele der vorangehenden Beispiele haben gezeigt, daß ein Aktant, d.h. ein Paar , selbst bei semantisch eng verwandten Verben auf der Oberfläche ganz verschieden erscheinen kann. Dabei lassen sich mindestens drei Stufen der Regularität unterscheiden: A. Es gibt ganz feste Regeln, die nicht durchbrochen werden: Ein AGENS erscheint im Aktiv immer als Subjekts-Nominativ. B. Es gibt reguläre Beschränkungen, die für bestimmte Klassen von Verben und ihre Aktanten gelten: Ein < S O U R C E , H A V E > erscheint im Aktiv als Subjekts-Nominativ (verlieren), als Akkusativ (bestehlen), als Dativ (stehlen) oder als von-Phrase (erhalten, annehmen). C. Es gibt schließlich hoffnungslose idiosynkratische Fälle, bei denen nichts zu erklären ist: Standardbeispiele dafür sind präpositionale Objekte mit bedeutungsleeren Präpositionen. Die unter A. genannten Regeln bilden selbstverständlich keinen Gegenstand dieser Arbeit. Ich werde sie bei den folgenden Beispielfeldern auch weitgehend unterdrükken. Mein Ziel ist es, B. so weit wie möglich zuungunsten von C. auszudehnen, d.h. Muster für bestimmte Verbklassen zu entwickeln, die wenigstens als ausreichende Näherung der tatsächlichen Gegebenheiten anzusehen sind. Dabei kann ich nicht den ganzen Bestand deutscher Verben durchforsten, zumal für die meisten eine eingehende Bedeutungsanalyse noch aussteht. Ich habe einige Klassen mit relativ klarer Semantik gewählt, an denen ich die entsprechenden Mechanismen demonstrieren werde. Die Einteilung in A. bis C. klammert selbstverständlich diejenigen Aktantifizierungen aus, wo die Semantik der Präpositionen ins Gewicht fällt, also z.B. Lokalbestimmungen. Formal bringe ich sie bei B. unter, im Gegensatz zu der dort genannten Präposition von werden die „bedeutungstragenden" Präpositionen aber durch die entsprechenden Regeln nicht erzeugt, sondern nur „weitergereicht" oder modifiziert (s. 3.8. (95), (115) in 9.3.). Die im Rest dieser Arbeit dargestellten Muster beruhen auf einer Umsetzung der Rollen in morpho-syntaktische Merkmale. Die lineare Anordnung von Aktanten lasse ich völlig außer acht. Zu jeder Rolle gibt es eine Aufzählung von möglichen Oberflächenformen. Dazu werden Nebenbedingungen formuliert, die bestimmte Regeln miteinander koppeln. Die Regeln haben die Gestalt (273) Rolle mit Emphase: Alternative morpho-syntaktischer Merkmale ohne Emphase: Alternative morpho-syntaktischer Merkmale Dabei kommt es vor, daß eine der beiden Zeilen eine leere Alternative enthält, d.h., diese Rolle kann mit/ohne Emphase an der Oberfläche nicht ausgedrückt werden (nicht zu verwechseln mit Rollenblockierung: dann tritt diese Rolle gar nicht erst auf!). Pro Verbfeld werden bestimmte Nebenbedingungen formuliert. Sie schränken die kombinatorische Vielfalt bei der Anwendung der Regeln (273) ein und machen sie „etwas kontextsensitiv". Die globalen Nebenbedingungen könnte man für die Verbfelder, wo sie gelten, jedesmal gesondert aufführen, und dort, wo sie nicht gelten, fortlassen (betrifft (275)). Für die behandelten Beispielfelder gelten folgende globale Nebenbedingungen (s. Anm. 6):

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(274) N muß wenigstens einmal zugeordnet werden (Subjekts-Nominativ). (275) Jeder Oberflächenkasus (N,D,A) wird höchstens einmal zugeordnet. Damit schließe ich anscheinend sein, werden und bleiben aus, in Wirklichkeit sind die Muster dieser Verben aber leicht einzuordnen. Für diese Muster, die man mühelos angeben kann, muß man (275) einfach fallen lassen. Wie das bei werden funktioniert, zeige ich in 8.4., sein und bleiben bilden eigene Muster, auf die ich nicht eingehe. Durch (275) werden natürlich auch Verben mit zwei Akkusativergänzungen ausgeschlossen (Ich nenne ihn einen Lügner.). Auch diese Muster bereiten keine grundsätzlichen Probleme. Den Genitiv behandele ich in meinen Beispielfeldern nicht (s. aber (101) in 7.3.). Von den zu A. gehörenden Regeln des Typs (273) verwende ich folgende: (276) < A G E N S , A C T > und < A G E N S , E F F > mit Emphase: N (Subjekts-Nominativ mit Verbkongruenz) (277) Das Arrangement der Oberflächengestalt beim werden-Passiv: < A G E N S , A C T > und < A G E N S , E F F > ohne Emphase: von + D oder durch + A Wenn R im Aktiv als A erscheint, so im Passiv als N. Die Möglichkeit, das Passiv zu bilden, wird ausführlich behandelt. (278) Das Auftreten agensloser reflexiver Konstruktionen wie Die Erde dreht sich., Das Buch verkauft sich gut. Insbesondere werde ich den im ersten Beispiel manifesten Typ ohne weitere Kommentare als Beleg für nicht-kausative Verben verwenden. Er paßt insofern nicht ins Konzept, als das Reflexivum durch die später eingeführten Regeln nicht erzeugt wird. Dasselbe gilt auch für die echt reflexiven Verben wie sich schämen, sich fürchten. Auf den Status des Reflexivums (uneigentlicher Aktant oder nicht?) gehe ich hier nicht ein, da mir ein denkbarer Lösungsvorschlag dafür nicht ausgereift erscheint. Die Regeln, die zu B. gehören, sind, wenn man von den Nebenbedingungen absieht, kontextfrei in einem doppelten Sinne: Statt „bei geben erscheint das G O A L als Dativ" lautet die Regel „ < G O A L , H A V E > erscheint (u.a.) als Dativ, wenn es eine Emphase trägt". Auf die konkreten Verben wird kein Bezug mehr genommen. Die Umsetzungsregeln zerfallen daher in zwei letztlich völlig getrennte Komplexe: In dem einen ergibt sich, daß geben ein < G O A L , H A V E > als Aktanten hat und daß dieser eine Emphase trägt. Der zweite Komplex hat als Input nur diese Information und weiß sonst nichts über das Verb. Er erzeugt den Dativ, aber auch den Nominativ und den Akkusativ. Der damit möglichen freien Kombinatorik setzen die Nebenbedingungen einige Grenzen, sie filtern im konkreten Fall den Dativ heraus. Die Regeln der Gestalt (273) sind nicht ganz scharf in dem Sinne, daß aus der angebotenen Alternative die Auswahl manchmal verbabhängig ist, d.h., daß idiosynkratische Eigenschaften durchschlagen. Diese Fälle sind jedoch genau angebbar: Es ist die Auswahl von Präpositionen (oft stehen zwei zur Verfügung) für bestimmte Rollen. So alternieren z . B . die „-typischen" Präpositionen in + A und zu + D in einer Weise, die durch allgemeine Regeln nicht faßbar ist: (279) Uran zerfällt in/zu Krypton und Barium. (280) Uran wird in/?zu Krypton und Barium aufgespalten. (281) Raupen verwandeln sich in/zu Schmetterlinge(n). (282) Raupen entwickeln sich *in/zu Schmetterlinge(n). Wenn ich im folgenden von Mustern spreche, so meine ich damit, daß die Muster

Sememrepräsentationen

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derartige Fälle einebnen. Die Regel ist dann „in + A oder zu + D " , eine weitere Unterteilung findet nicht statt. Muster entstehen aus Sememrepräsentationen und zeigen die Oberflächenform der Aktanten (einschließlich obligatorisch/fakultativ) in einer „Normalform". Damit wird folglich nicht behauptet, daß alle Verben, die die betreffende Sememrepräsentation belegen, diesen Mustern angehören: Das Verb sich einer Sache bemächtigen paßt in seiner Bedeutung sehr wohl in ein BesitzwechselverbMuster, aber seine Oberflächenform anscheinend nicht (s. aber (105) in 7.3.!). Die Muster sind auch keine „ein-für-allemal"-Schubfächer und hinsichtlich ihrer Belegungen keineswegs disjunkt. Daß ein Verb mehrere Muster belegt, kann (aber muß nicht) mit einer Mehrdeutigkeit zusammenhängen: nehmen belegt zwei Muster. Die NichtDisjunktheit von Mustern hat aber noch eine andere Ursache: Ich werde an mehreren Beispielen zeigen, daß eine Sememrepräsentation mehreren Mustern angehören kann, insbesondere, wenn man sie leicht modifiziert (z.B. vorkommende Prädikate spezifiziert). Das gilt nicht nur für die offensichtlichen Fälle (ist beschenken ein Besitzwechselverb oder ein 6e-Verb?), es gibt hier weit subtilere Überschneidungen. Worauf es ankommt ist, die Auswirkungen dieser Überschneidungen darzustellen. Ich erinnere hierzu an die verkaufen- und tauschen-Beispiele in 6.2.2. Die zu B. gehörigen Regeln der Form (273) gebe ich jetzt nicht an. Sie werden dort formuliert und motiviert, wo sie angewendet werden. Der umgekehrte Weg wäre „didaktisch ungeschickt", weil die Motivation zu vielen Wiederholungen führen würde.

7. Die Besitzwechselverben

7.1. Vorbetrachtungen Die Besitzwechselverben sind ein Feld, das für semantische Analysen geradezu eine Favoritenrolle spielt (u.a. WOTJAK 1975, BENDIX 1966, HEGER 1971 und vor allem WALLIN 1978). Die Gründe dafür liegen wohl darin, daß einerseits die semantischen Verhältnisse relativ klar sind und andererseits eine Vielzahl von Bedeutungsvarianten und „Oberflächenausformungen" anzutreffen ist, ganz zu schweigen von dem zahlenmäßig großen Bestand dieser Verben (wenigstens im Deutschen). Darüber, was in meiner Terminologie die semantischen Grundformen der Besitzwechselverben sind, herrscht ein weitgehender Konsens, so daß es nicht notwendig ist, darauf weiter einzugehen, wenngleich die konkrete Ausformulierung des Schemas „kausierter/ nicht-kausierter Besitzwechsel" bei den einzelnen Autoren ganz verschieden ausfällt. Dafür sind in erster Linie die unterschiedlichen theoretischen Grundkonzepte und ihre formale Darstellung verantwortlich. In einigen Punkten gibt es auch inhaltliche Unterschiede, auf die ich z.T. schon bei anderer Gelegenheit eingegangen bin (s. z.B. 6 . 1 . 1 . ) . Dazu gehört die Repräsentation „nicht-kausativer" Besitzwechselverben (wie erhalten), wo der Status eines AGENS zu kontroversen Ansichten führt. Dies liegt in der Natur der Sache, wie man anhand von (1) Gestern habe ich einen Schnupfen bekommen, (kein AGENS, kein SOURCE) (2) Gestern habe ich 100 Mark von Anna bekommen. (AGENS fraglich, SOURCE vorhanden) sehen kann. Diese Unbestimmtheit stellt natürlich auch eine Frage an den Formalismus, nämlich, wie er sie darstellt. Die Antwort ist zur Hälfte so wie in der für/gegenAngelegenheit bei tauschen: Die Sememrepräsentationen lassen die verschiedenen Möglichkeiten zu, ohne weitere Kriterien oder Präferenzen zu liefern. Schwieriger wird es dann bei den Grundformen, d.h. bei dem Bezug auf die Wahrheitsbedingungen: Ist die in 7.2. genannte Grundform (5) für bekommen in allen Verwendungen anzusetzen oder hat man sich für (1) nicht mit einer Proposition BEC(HAVE(q, u)) zu begnügen, und wie ist HAVE darüber hinaus zu spezifizieren? Ist das HAVE in (1) und (2) wirklich dasselbe? In den nächsten Abschnitten werde ich mit dem entwickelten Instrumentarium die Besitzwechselverben im Detail untersuchen. Dabei verfolge ich drei Ziele: - Die Ableitung von Mustern für die Oberflächenform verschiedener „Cluster" von Verben. Ich werde zeigen, daß sich sogar sehr ausgefallene Konstruktionen ganz systematisch ergeben. Es bleibt dabei allerdings ein gewisser „idiomatischer" Rest, der sich nicht einordnen läßt. - Die Herstellung von Beziehungen zwischen den Mustern, etwa in der Weise, daß das Passiv des Musters X dem Muster Y sehr nahe kommt usw. - Unter diesen Beziehungen ist die „geben"-„nehmen"-Dualität die wichtigste. Mit

Verben mit einfacher A k t a n t i f i z i e r u n g

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anderen Worten: Zu jedem Muster gibt es ein duales Muster, das man durch einen Austausch von p und q (und weitere damit zwangsläufig verbundene Veränderungen) erhält. Diejenigen Fälle, wo dies nicht gilt, werde ich ausdrücklich vermerken. Es sind immer nur Randmuster, die Kernmuster sind strikt dual. Die Dualität ist als theoretischer Ausgangspunkt und als empirisch nachweisbares Faktum das ganze Gegenteil einer wechselseitigen Reduzierbarkeit der beiden Grundstrukturen („geben" und „nehmen") aufeinander. Sie schließt einen Ansatz, bei dem „nehmen" ein „sich geben" ist, strikt aus (HEGER 1971, s.a. WALLIN 1978, wo dieser Standpunkt ebenfalls abgelehnt wird). Erst außerhalb der Grundform (5) ergibt sich ein solcher vager Zusammenhang (s. (122—123)), aber auch er ist wieder dual. In 6.2.1. hatte ich bereits das Phänomen der semantischen Emphase bei Besitzwechselverben als intuitives Belegmaterial herangezogen. Daher kann ich jetzt darauf verzichten, dies noch einmal zu erklären. Die damit verbundenen Fakten werden in WALLIN 1978 ausführlich behandelt, wobei U. Wallin dafür den Terminus „Fokus" verwendet und in einigen Details anders als ich vorgeht. Insbesondere bezieht sich der Fokus bei ihr primär auf Argumente (oder Aktanten), was in meinem Aufbau bereits als abgeleitet erscheint: Die Emphase bezieht sich auf Propositionen, woraus sich „Aktanten mit Emphase" ergeben. Bei U. Wallin heißt es z.B., daß bei bekommen nicht (wie normalerweise) der Bewirkende, sondern der Empfänger fokussiert wird (sinngemäß WALLIN 1978, S.63). Damit entspricht dieser Ansatz weitgehend dem mit Referens-Relatum, den ich schon in 6.2.1. gestreift hatte. Im übrigen bezweifle ich, daß man überhaupt von d e m fokussierten Argument sprechen kann: Worum es bei geben vs. bekommen geht, ist die Verlagerung e i n e s Fokus. Was ist denn mit Buch in (3) Er bekam das Buch von ihr. (4) Sie gab ihm das Buch., ist es nicht auch fokussiert? Aus den in 6.2.2. aufgeführten Bedingungen folgt, daß bei der Grundform (5) in 7.2. das Argument u, das Thema der klassischen Kasustherorie, immer als Aktant mit Emphase erscheint (wenn es überhaupt aktantifiziert wird), d. h. immer „fokussiert" wird. Dies ändert sich erst mit einer ziemlich weit reichenden Modifikation von (5) bei den Verben beschenken, ... und bestehlen, ... Bei den Belegen ignoriere ich alle Spezifika, die für die einzelnen Verben über den reinen Besitzwechsel hinausgehen und wie man sie bei entreißen, stehlen, . . . findet. Das Wegabstrahieren solcher speziellen Seme ist nicht unproblematisch; denn erst eine eingehendere semantische Analyse kann die implizite Annahme erhärten, daß diese Seme tatsächlich nur Zusätze der Grundform sind, die die Aktantifizierung nicht beeinflussen.

7.2. Kausative Besitzwechselverben mit einfacher Aktantifizierung Als semantische Grundform der kausativen Besitzwechselverben nehme ich folgende an: (5) CAUSE(ACT(x),ET(BEC(HAVE(q,u)),BEC(NOT(HAVE(p,u))))) Dabei ist „x = p" (,,geben"-Verben) oder „x = q" („nehmen"-Verben). Jedes der drei Argumente soll genau eine aktuelle Rolle haben, d . h . , ein Vorkommen von u ist zu

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Besitzwechselverben

blockieren, außerdem je eines von p bei den „geben"-Verben und je eines von q bei den „nehmen"-Verben. Für (5) ergeben sich folgende möglichen Rollen: (6) p: < S O U R C E , H A V E > p: < A G E N S , A C T > für „geben"-Verben (7) q: < G O A L , H A V E > q: < A G E N S , A C T > für „nehmen"-Verben (8) u: < F R O M - O B J , H A V E > u: (9) x: < A G E N S , A C T > , falls x * p und x * q (diesen Fall betrachte ich erst später) Die Oberflächenform der Aktanten ergibt sich nach folgenden Regeln (s. Anm. 7): (10) < S O U R C E , H A V E > mit Emphase: N oder D oder A ohne Emphase: von + D (11) < G O A L , H A V E > mit Emphase: N oder D oder A ohne Emphase: an + A (12) < F R O M - O B J , H A V E > und mit Emphase: N oder A Nebenbedingungen: (13) Bei der Vergabe hat A in (10-11) die Präferenz gegenüber D, falls beide frei sind. Dies bedeutet: Da der Subjektsnominativ ohnehin vergeben werden muß (generelle Nebenbedingung (274) in 6.2.3.2.), muß ein SOURCE oder GOAL mit Emphase den Akkusativ bekommen, falls u ihn nicht bekommt. Außerdem gilt aber: (14) Ist N durch (12) vergeben, so kann in (10—11) A nicht mehr vergeben werden. Aus (5) ergeben sich insgesamt 16 formal mögliche Sememrepräsentationen für die „geben"-Verben (analog für die „nehmen"-Verben): - p: SOURCE oder AGENS - u: FROM-OBJ oder TO-OBJ - CAUSE 1 oder CAUSE 2 - ET 1 oder ET 2 Dabei ist vorausgesetzt, daß die inhärente Teilproposition (das zweite Argument von CAUSE) invariant ist und daß jedes Argument genau einen Aktanten liefert. Die Grundform (5) kürze ich wie folgt ab: (15) CAUSE(A(x),ET(Q,P)) oder mit Emphase-Indizes: (16) CAUSE i (A(x),ET j (Q,P)) 7.2.1. Verben vom „geben"-Typ Bei den 16 formal möglichen Sememrepräsentationen kann man folgende Fälle ausschließen: - < F R O M - O B J , H A V E > e Z a (u,S) und ET 1 - e Z a (u,S) und ET 2 (folgt aus C. in 6.2.2.) - $ Z a (p,S) und CAUSE 1 (folgt aus A. in 6.2.2.)

Verben mit einfacher A k t a n t i f i z i e r u n g

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Der Index i von CAUSE ist frei wählbar, falls < A G E N S , A C T > e Z a (p,S), sonst ist nur CAUSE 2 möglich. Die beiden Bedingungen reduzieren die Zahl der erlaubten Sememrepräsentationen auf 6. Die Bedingungen B und D in 6.2.2. kommen bei der Grundform (5) nicht zum Tragen. Nach E. ist < F R O M - O B J , H A V E > e Z a (u,S) und < T O - O B J , H A V E > e Z a (u,S) für keine Sememrepräsentation S gleichzeitig möglich. In den Mustern 1 bis 4 ist bei i = 1 x durchgängig AGENS mit Emphase und erscheint daher als Subjektsnominativ, und die Rolle von u trägt immer eine Emphase. Muster 1: (17) CAUSE'(A(p),ET 2 (yuQ,ypP)) u hat die aktuelle Rolle FROM-OBJ, q ist GOAL ohne Emphase. Entsprechend (10—12) ergibt sich daher als einzig mögliche Oberflächenform (18) p N V u A an q. Die zulässigen Auswahlen und Aktantenkombinationen sind: (19) i = 1 (Aktiv) : p (q) u {P, A}, ergibt p u; {P,Q,A}, ergibt p q u . (20) i = 2 (Passiv) : (p) (q) u {P}, ergibt u; {P,A}, ergibt p u; {P, Q}, ergibt q u; {P,Q,A}, ergibt p q u . Belege: abgeben, abschicken, absenden, abtreten, ausgeben, austeilen, fortgeben, (aus)liefern (s. (130)), spenden, übergeben, veräußern, verborgen, verleihen (s. (129)), verschenken, verteilen, weggeben, weitergeben. Muster 2: (21) CAUSE'(A(p), E T ^ Q , ypyuP)) u ist jetzt TO-OBJ, q ist G O A L mit Emphase. Die Oberflächenform ist (22) p N V q D u A (p: N; also u: A; q: D) Zulässige Auswahlen und Aktantenkombinationen: (23) i = 1 (Aktiv) : p q u {Q,A}, ergibt p q u ; {P,Q,A}, ergibt p q u . (24) i = 2 (Passiv) : (p) q u {Q}, ergibt q u; {Q,A}, ergibt p q u ; {P, Q}, ergibt q u; {P,Q,A}, ergibt p q u . Belege: geben, leihen/borgen ( = lend), (an)liefern (s.u.), hinterlassen, (über)reichen, schenken, übereignen, übergeben, überlassen, vermachen, zuschicken, zustecken, zuteilen; auch abgeben ( = share) entgegen der „Präfix-Emphase-Regel", s. 6.2.1. und (124). Nach den in 6.2.1. formulierten Regeln über den Zusammenhang zwischen Emphase und Verbzusätzen/Präfixen müßte auch anliefern zu den Belegen gehören. Nun hat man aber (25) Die Firma liefert die Möbel morgen an. d . h . , q kann fehlen. (25) ist so zu erklären: liefern gehört zu Muster 1, d.h., entsprechend (18) hat es eine an-Phrase. Die Nominalphrase wird gekappt (nach dem Vorbild er klebt etwas auf, er stülpt etwas über), womit sich (25) ergibt. Der Verbzusatz an (und nur er!) ist bei den „geben"-Verben somit ein Störenfried für die Beziehung zwischen Emphase und Obligatheit: Die mögliche Kappung der GOAL-

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Besitzwechselverben

arc-Nominalphrase erzeugt ein falsches Bild, an setzt als Verbzusatz gar keine Emphase, wenn es durch Kappung entsteht. Bei den „nehmen"-Verben hat man dieses Problem nicht: von tritt als Verbzusatz nicht auf, und an kann seine Joker-Rolle nicht spielen: Die von ihm gesetzte Emphase macht das SOURCE gerade fakultativ. Die Sememrepräsentation (21) hat P als eine „leere" Proposition, d.h., P liefert keinen Aktanten. Dies ist ein Aspekt einer schon früher angeschnittenen Frage (s. Erörterungen zu (13 — 15) in 6.1.1.). 7.2.2. Verben vom „nehmen"-Typ Muster 3: (26) CAUSE i (A(q),ET 1 (yqQ,yuP)) u hat (wie bei Muster 2) die aktuelle Rolle TO-OBJ, p ist SOURCE ohne Emphase. Damit ergibt sich: (27) q N V u A von p Als Aktantenkombinationen ergeben sich: (28) i = 1 (Aktiv): (p) q u (29) i = 2 (Passiv): (p) (q) u (analog wie in Muster 1 und 2) Belege: annehmen, entgegennehmen, entleihen, erbeuten, erwerben, leihen/borgen ( = borrow), nehmen, rauben!stehlen (?), übernehmen. Muster 4: (30) CAUSE i (A(q),ET 2 (yqyuQ,P)) u ist FROM-OBJ, p ist SOURCE mit Emphase: (31) q N V p D u A Als Aktantenkombinationen ergeben sich: (32) i = 1 (Aktiv): p q u (33) i = 2 (Passiv): p (q) u Belege: abnehmen, entreißen, entwenden, entziehen, fortnehmen, nehmen, rauben, stehlen, wegnehmen; beschlagnahmen, konfiszieren wegen des schwer anschließbaren Dativs nicht, s. ( 7 8 — 7 9 ) . Das Verb nehmen (und evtl. auch stehlen) tritt sowohl in Muster 3 als auch in Muster 4 auf. Es benötigt daher mindestens zwei Lexikoneinträge (wie nehmeni und nehmen2 in SCHUMACHER 1 9 8 6 , S . 7 4 5 u. 7 5 2 ) . Da jedes der vier Muster genau 2 Sememrepräsentationen abdeckt, sind bisher 8 der 12 insgesamt erlaubten Sememrepräsentationen behandelt. Es sind genau diejenigen, wo AGENS als aktuelle Rolle auftritt. Es bleiben daher noch 4 übrig, wo die AGENS-Rolle blockiert ist. 7.2.3. Besitzwechselverben ohne Agens Die Überschrift ist, wie eben gesagt, als „ohne aktuelle AGENS-Rolle" zu verstehen; denn nach wie vor ist (5) die Grundform, und sie liefert ein AGENS als mögliche Rolle. In den beiden folgenden Mustern ist x in (5) blockiert, dafür sind p und q nicht blockiert. Es zeigt sich nun, daß der Unterschied „x = p oder x = q" auch bei der Bedeutung der betreffenden Verben nicht mehr direkt erkennbar ist: Während man bei erhalten eher den „geben"-Typ annehmen kann, ist dies bei kriegen wohl nicht mehr so klar. Ich nivelliere in den Mustern diese Unterscheidung und lasse in (5) das x stehen, wobei aber x = p oder x = q gelten muß. Daher decken Musler 5 und 6 je zwei Sememrepräsentationen ab.

Verben mit einfacher Aktantifizierung

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Damit hängt auch die Frage zusammen, ob (5) noch die minimale Grundform der in Muster 5 und 6 behandelten Verben ist. Darauf gehe ich bei den späteren Mustern ein. Muster 5: (34) CAUSE 2 (yxA(x),ET 2 (yuQ,P)) u ist FROM-OBJ, p ist SOURCE mit Emphase, q ist GOAL ohne Emphase. Da N nicht an das AGENS vergeben wird, konkurrieren jetzt p und u um N. Hierdurch werden zwei Oberflächenform-Varianten für dieses Muster möglich: Dies war bei den Mustern 1 bis 4 nicht so, dort hatte man in (10—12) keine Wahl! Muster 5a: p: N; u: A; q: an + A (35) p N V u A an q Dies ist zwar identisch mit (18), aber die Bedeutung der Belege ist verschieden von denen in Muster 1. Belege für Muster 5 a: jemand verliert etwasA an jemanden, jemand wird etwasA an jemanden los, jemand büßt etwasA an jemanden ein. Muster 5b: u: N; p: D ((14) verbietet A); q: an + A (36) u N V p D ((an q)) Belege für Muster 5b: eiwas N geht jemandem verloren, etwas^ kommt jemandem abhanden/weg. Die Präpositionalphrase ist kaum anschließbar und daher eher zu blockieren (s. (65)). Für Muster 5 erhält man folgende zulässige Auswahlen und Aktantenkombinationen: (37) i = 2 (Aktiv!): p (q) u {P}, ergibt p u; {P,A}, ergibt p u; {P,Q}, ergibt p q u ; {P,Q,A}, ergibt p q u . Aus der Sememrepräsentation ergibt sich, daß aufgrund von (143) in 6.2.1. kein Passiv möglich ist. Dennoch existiert diese Form für verlieren: (38) ?Der Schlüssel wurde von Anna verloren. Ich glaube aber, daß es sich hierbei um ein anderes verlieren handelt, dessen Grundform anders aussieht als (5): Es gibt dort überhaupt kein CAUSE(ACT(x), . . .), so daß die Passivregel für CAUSE nicht greift. (38) ist wie (39) Der Schlüssel wurde von Anna gefunden. einzuordnen (auch finden hat kein AGENS als mögliche Rede). Das verlieren als Beleg zu Muster 5 a liegt eher in (40-41) vor: (40) Deutschland verlor im Dreißigjährigen Krieg Rügen an Schweden. (41) *Rügen wurde von Deutschland im Dreißigjährigen Krieg an Schweden verloren. Hier gibt es ein AGENS (Schweden), das aber aktuell als GOAL erscheint. Es ist offenbar die Gleichheit von (35) und (18), die solche schleichenden Übergänge ermöglicht. Dies ist noch stärker ausgeprägt bei Muster 6. Muster 6: (42) CAUSE 2 (yxA(x),ET 1 (Q,yuP)) u ist TO-OBJ, p ist SOURCE ohne Emphase, q ist GOAL mit Emphase. Dual zu Muster 5 streiten sich jetzt u und q um N: Muster 6a: q: N; u: A; p: von + D

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Besitzwechselverben

(43) q N V u A von p Dies ist identisch mit (27) in Muster 3. Belege für Muster 6a: bekommen, empfangen, erben(l), erhalten, kriegen. Muster 6b: u: N; q: D ((14) verbietet A); p: von + D (44) u N V q D ((von p)) Belege für Muster 6b: etwas^ fällt/?kommt jemandem zu, etwas^ wird jemandem zuteil. Der Anschluß der von-Phrase ist wieder schwierig (s. (66)). Bei den Belegen zu Muster 6a hat man wieder das Problem, daß Passiv- und Imperativformen möglich sind, wenn auch sehr beschränkt (Einen Imperativ dürfte es wegen der blockierten AGENS-Rolle nicht geben!). Die jeweils identische Oberflächenform schafft eine Übergangsmöglichkeit dafür, den Nominativ als A G E N S oder als SOURCE/GOAL aufzufassen: (45) Heute bin ich meine alten Möbel endlich losgeworden. (N für AGENS?, also Muster 1?) (46) Heute bin ich leider meine Fahrerlaubnis losgeworden. (N für SOURCE, also Muster 5 a) (47) Heute habe ich eine Kurbelwelle bekommen. (= kaufen können, N für AGENS?, also Muster 3?) (48) Heute habe ich mein Gehalt bekommen. (N für GOAL, also Muster 6a) Ich halte diese vier Einordnungen keinesfalls für zwangsläufig, sie zeigen aber doch, daß die blockierte AGENS-Rolle eine gewisse Unbestimmtheit hervorruft. Diese Unbestimmtheit liegt nicht nur darin, ob N für AGENS vs. SOURCE/GOAL steht, sondern auch darin, ob das an der Oberfläche nicht präsente AGENS nicht gerade mit dem anderen Argument, d . h . mit GOAL/SOURCE, referenzidentisch ist. Mit anderen Worten: Sind erhalten!bekommen „geben"-Verben? Dafür gibt es sehr deutliche Indizien, so (10) in 6.1.1. Ähnlich verhält es sich mit loswerden, dieses Verb ist mit abnehmen nicht kontrastfähig: (49) *Ich bin die alten Möbel nicht losgeworden, sondern jemand hat sie mir abgenommen. aber auch (50) 77 Ich bin die alten Möbel nicht losgeworden, sondern habe sie jemandem gegeben. Ist loswerden ein „geben"-Verb oder ein „nehmen"-Verb? Damit stellt sich auch die Frage nach dem Charakter des von bei den Belegen zu Muster 6a: Ist es ein SOURCE-von oder ein AGENS-von? U. Wallin bemerkt zwar, daß man dies nicht unterscheiden könne ( W A L L I N 1978, S. 117), aber es gibt mehrere Gründe, sich auf die erste Möglichkeit festzulegen: Zunächst die durchgängige vonarc-Symmetrie der Muster. Ferner ist das von bei erhalten sehr gut koordinierbar mit zweifelsfreien SOURCE-Aktantifizierungen: (51) Karl erhielt viele Glückwünsche von seinen Verwandten und aus dem Betrieb. Es ist koordinativ nicht identifizierbar mit zweifelsfreien AGENS-Aktantifizierungen: (52) *Von seinem Chef wurde Karl benachrichtigt und erhielt er genaue Angaben. gegenüber (53) Von seinem Chef wurde Karl benachrichtigt und mit genauen Angaben versorgt. Ein weiteres Argument dafür, daß erhalten!bekommen „geben"-Verben sind, ist die Möglichkeit ihres quasi-performativen Gebrauchs:

Verben mit null- oder zweifacher Aktantifbierung

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(54) Hiermit erhalten Sie die Erlaubnis, . .. Ist der Sprecher das Subjekt, so kann nur beschreibender Gebrauch vorliegen: (55) 7 Hiermit erhalte ich die Erlaubnis, ... Die Annahme einer referentiellen Koinzidenz von Sprecher im performativen Gebrauch und Agens im beschreibenden Gebrauch ist sicher nicht sehr weit hergeholt. Einen analogen Übergang wie zwischen den Mustern 5 a und 6 a einerseits und den Mustern 1 und 3 andererseits hat man zwischen den Mustern 5 b und 6 b einerseits und dem Passiv der Muster 2 und 4 andererseits: Das Passiv von Muster 2 ist (56) u N V p a s s q D ( v o n p). Läßt man die von- und an-Phrasen weg, so ist dies gerade (44): (57) jemandem wird etwas N zugeteilt!gegeben ~ jemandem wird etwas N zuteil Das Passiv von Muster 4 ist (58)

uN

T

pass p

D

(von

q),

was die gleiche Ähnlichkeit mit (36) hat: (59) jemandem wird etwas N weggenommen — jemandem kommt etwas N weg ( „ ~ " bezieht sich nur auf die Oberflächenform!) Von den Besitzwechselverben mit einfacher Aktantifizierung fehlen noch die beiden Typen beschenken, beliefern, .. . und bestehlen, berauben, . . . Sie lassen sich nur gewaltsam in die hier behandelten Muster einbauen (s. KUNZE 1988c), aber wie ich dort auch angedeutet habe, gehören sie primär zu den be-Verben (s. Kap. 10), wo aber der zweite Typ auch wieder aus der Reihe tanzt. Ich merke jetzt nur an, daß das Ausgangsmuster für beschenken, . . . nicht das schenken-Muster 2, sondern daß verschenken-Muster 1 ist: (60) Ich klebe das Plakat an die Wand. => Ich beklebe die Wand mit dem Plakat. (61) Ich verschenke die Vase an Anna. => Ich beschenke Anna mit der Vase. Dies gilt nicht nur wegen des oberflächlichen Gleichklangs, sondern beruht auf Emphase-Verhältnissen. Als ziemlich renitent bei der Einordnung in die behandelten Muster erweisen sich stehlen und spenden. Selbst eine Doppelzuordnung wie bei nehmen erklärt formal die Oberflächenform der Aktanten und ihre Kombinationen nicht befriedigend. Man kommt etwas besser zurecht, wenn man außerdem Muster heranzieht, wie sie im nächsten Abschnitt behandelt werden, d.h. nullfache Aktantifizierungen bei diesen Verben zuläßt. Dennoch bleiben bei (62) Er spendet jeden Monat. (63) In diesem Hotel wird oft gestohlen. (64) Er hat gestohlen. einige Fragen offen, auf die ich nicht weiter eingehe.

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Besitzwechselverben

7.3. Kausative Besitzwechselverben mit null- oder zweifacher Aktantifizierung Ich verzichte auf eine systematische Darstellung der Muster, die, wie man durch detaillierte Untersuchung erkennt, für diese Fälle ohnehin lückenhaft sind. Unter der Voraussetzung, daß jedes der drei Argumente genau einmal aktantifiziert wird, gibt es für die „geben"- und die „nehmen"-Klasse je genau 16 formal mögliche Sememrepräsentationen, unter denen die Bedingungen A und C genau je 6 belegbare ausfiltern. Läßt man die Voraussetzung fallen, so hat man pro Klasse genau 128 formal mögliche Sememrepräsentationen (darunter die 16); die Bedingungen A, C und E filtern genau 36 heraus (darunter die 6), so daß in diesem Abschnitt pro Klasse noch 30 zu behandeln wären. Dies sind z.T. ganz ausgefallene Konstellationen, deren Nicht-Belegbarkeit intuitiv unmittelbar einzusehen ist. Der Formalismus generiert in diesem Fall etwas zu viel. Da die AGENS-Rolle blockiert sein kann, ist wieder die Frage nach der minimalen Grundform zu stellen. Als erste Kandidaten mit nullfacher Aktantifizierung ergeben sich die Belege aus den Mustern 5b und 6b, wo die an- bzw. von-Phrasen nicht oder kaum anschließbar sind. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bleibt man bei der Grundform (5) und blockiert die unerwünschten Argumentvorkommen: (65) CAUSE 2 (yxA(x),ET 2 (-yqyuQ,P)) (66) CAUSE 2 (yxA(x),ET 1 (Q,-y P 7uP)) Damit ist q bzw. p zum Schweigen gebracht, und nach dem Grundsatz, daß dies im Einzelfall immer einer Begründung bedarf (s. 6.2.2.), muß man dafür eine x-Blockierung angeben können. Dies ist hier aber nur tautologisch möglich: (67) u N geht pD verloren an [alle, die u schließlich haben] (68) u N fällt u D zu von [allen, die u anfänglich haben] Solche t-Blockierungen sind notwendig für (80-81). Oder man reduziert die Grundform (5) um die Teilpropositionen, die in (65) bzw. (66) ohnehin keine Aktanten liefern, verändert also auch noch die minimale Grundform: (69) BEC(NOT(HAVE(p,u))) bzw. (70) BEC(HAVE(q,u)) Für die Belege von Muster 5 b bzw. Muster 6 b kommt q bzw. p nicht mehr vor, außerdem auch x, das in (5) dasselbe Problem hervorruft. Da nämlich auf alle Fälle bei (65) x =1= p und bei (66) x =t= q ist, muß auch das Schweigen von x begründet werden (x hat keinen koreferentiellen Aktanten!). Die Situation ist völlig anders bei Muster 5a und 6a: Wegen „x = p oder x = q" für (5) hat man in jedem Fall einen koreferentiellen Aktanten zu x. Für (69) und (70) ergeben sich die Oberflächenformen auch nach den Regeln (10—14): u: N; p bzw. q: D ((14) verbietet A) Dies ist die Form von (67-68). p bzw. q: N; u: A (einzige Möglichkeit) Dies ist die Form von (35) bzw. (43) ohne Präpositionalphrase. Eine nullfache Aktantifizierung hat man auch bei ausrauben: (71) CAUSE ¡ (A(q),yuET 2 (yqQ,P))

Verben mit null- oder zweifacher Aktantifizierung

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(vgl. (30), ferner (207) in 6.2.2.) Hier tritt zum ersten Mal die Nebenbedingung (13) in Kraft: Da u nicht aktantifiziert wird, muß A für p (SOURCE mit Emphase) genommen werden: (72) q N V p A In das duale Muster (73) CAUSE i (A(p),7uET 1 (Q,ypP)) (74) p N V q A würden auch die Verben beschenken, beliefern passen (wie bestehlen, berauben in (71)), wenn man nicht die Oberflächenform mit u (bzw. um u) hätte. Diese Formen sind jedoch aus dem Schema für die Besitzwechselverben nicht ableitbar, es sind hierfür andere Aktantifizierungen anzusetzen (vgl. 10 und Anm. 8). Ein „völlig irreguläres" Besitzwechselverb ist beerben (= „jemandes Erbe antreten"), jedenfalls dann, wenn man annimmt, daß es keine aktuelle Rolle AGENS hat. Die Oberflächenform (75) q N V p A ist durch die angegebenen Regeln (10-14) aus q (GOAL) und p (SOURCE) nicht erhältlich, wie man die Emphase auch setzt: Niemals erreicht man, daß beide eine Emphase haben. In die Reihe der be-Verben paßt es ebenfalls nicht (es müßte dann „jemandem das Erbe übertragen/hinterlassen" bedeuten). Das Verb enterben gehört überhaupt nicht zur Grundform (5). Bei dem Verb wegwerfen hat man ein AGENS und ein FROM-OBJ. Die Sememrepräsentation ist (76) CAUSE i (A(p),ET 2 (yqyuQ,ypP)) (77) p N V u A . Die dazu duale Sememrepräsentation ist (78) CAUSE i (A(q),ET 1 (yqQ,ypyuP)) (79) q N V u A . Sie wird durch beschlagnahmen, konfiszieren, einziehen belegt, auch durch ergreifen, erhaschen als „Antonyme" von wegwerfen. Wie bei (67) bzw. (68) ist auch bei (77) bzw. (79) eine Reduktion der Grundform um die leere Proposition (erstes bzw. zweites Argument von ET) oder eine x-Blockierung von q bzw. p möglich. Will man den q- bzw. p-Aktanten bewahren, so muß man die Verben den Mustern 1 bis 4 zuordnen. Zwei nullfache Aktantifizierungen hat man bei efwösN wechselt den Besitzer. (80) CAUSE 2 (yxA(x),ET 2 (yqyuQ,ypP)) (in (65) p zusätzlich blockiert, ref(p) und ref(q) Funktionen von ref(u)) (81) CAUSE 2 (yxA(x),ET 1 (yqQ,ypyuP)) (in (66) q zusätzlich blockiert, ref(p) und ref(q) Funktionen von ref(u)) Das oben genannte Paralexem ist emphase-neutral, man kann daher weder der einen noch der anderen Sememrepräsentation den Vorrang geben, noch kann man sich auf „x = p" oder „x = q" festlegen. Dies ist der erste Fall, wo der Unterschied zwischen FROM-OBJ (in (65)) und TO-OBJ (in (66)) nivelliert wird. Andererseits benötigt man aber beide Vorkommen (und damit beide Rollen) von u, um die i-Blockierungen vornehmen zu können (vgl. Def. 6.19), außerdem entsprechen (80-81) den Wahrheitsbedingungen (es gibt bei diesem Verb AGENS-Rollen). Man vergleiche hierzu (202, 208) in 6.2.2. und die beigefügten Erklärungen. Nun noch einige Beispiele für zweifache Aktantifizierungen. Nach Def. 6.22. treten

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Besitzwechselverben

dann uneigentliche Aktanten auf. Wenn man in Muster 3 (,,nehmen"-Klasse) die Blockierung von q wegläßt, so erhält man (82) CAUSE i (A(q),ET 1 (Q,yuP)). Die aktuellen Rollen sind: q: < A G E N S , A C T > , mit Emphase (q 1 ) q: < G O A L , H A V E > , mit Emphase (q 2 ) p: < S O U R C E , H A V E > , ohne Emphase u: < T O - O B J , H A V E > , mit Emphase. Daraus folgt nach (10-14): q 1 : N (nach (276) in 6.2.3.2.) u: A (keine andere Möglichkeit) q 2 : D (keine andere Möglichkeit) p: von + D (83) qN V qo u A von p Die zulässigen Auswahlen und Aktantenkombinationen sind für i = 1 (Aktiv): {Q,A}, ergibt q 1 q 2 u; {P,Q,A}, ergibt q 1 q 2 u p; d.h. q 1 q 2 u ( p ) . Belege sind: (84) Karl nahm/lieh sich ein Buch von Anna. (leihen = borrow) (85) Karl eignete sich ein Buch von Anna an. Wegen (86) *Karl eignete dir ein Buch von Anna an. und (87) *Karl nahm/lieh dir ein Buch von Anna. (bei nicht-attributiver von-Phrase!) gehören die Sätze (84-85) keinesfalls zu Muster 4. Damit ist (82) eine dritte Sememrepräsentation für nehmen. Wegen (88) *Karl eignete ein Buch von Anna an. bildet (82-83) ein „eigenständiges" Muster; denn aneignen paßt in kein anderes (zu weiteren Belegen s. (118) und danach!). Bei Muster 1 (,,geben"-Klasse) führt die duale Operation (Aufhebung der Blockierung von p) zu einer nicht-belegbaren Sememrepräsentation. Die Oberflächenform wäre (89) pi, V po u A an q. Dies hat einen schwachen Anklang an sich etwas vergeben (nicht im Sinne von verzeihen\) Dagegen hat man wieder symmetrische Verhältnisse, wenn man in den Mustern 2 und 4 die eine Blockierung aufhebt und dafür das andere Argument blockiert: (90) CAUSE 1 (A(p),ET 1 (-yqQ,-yuP)) Die aktuellen Rollen und ihre Oberflächenformen sind: p 1 : < A G E N S , A C T > , mit Emphase: N p 2 : < S O U R C E , H A V E > , ohne Emphase: von + D u: < T O - O B J , H A V E > , mit Emphase: A (keine andere Möglichkeit) (91) Pn V u A von p 2 Dies wird belegt durch (92) Er gibt etwas von sich., was im strikten Sinne kein reines Besitzwechselverb mehr ist. Das duale Pendant ist (93) CAUSE 1 (A(q) ,ET 2 (yuQ ,ypP)),

Verben mit null- oder zweifacher Aktantifizierung

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was zu (94) qj\i V Ua an q 2 mit dem Beleg (95) Er nimmt etwas an sich. führt. Hinsichtlich des Imperativs und des Passivs gilt bei allen in diesem Abschnitt behandelten Verben folgendes: Der Imperativ existiert genau dann, wenn AGENS eine aktuelle Rolle ist: (96) Raube ihn aus! (97) Eigne dir etwas an! (98)