Karitativer Kredit: Die Monti di Pietà, franziskanische Wirtschaftsethik und städtische Sozialpolitik in Italien (15. und 16. Jahrhundert) 3515133755, 9783515133753

Mikrokredite sind keine Erfindung der Moderne. Sie gehörten bereits im Mittelalter zu den Instrumenten der erfolgreichen

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Table of contents :
Wichtige Währungen und Einheiten
Rechenwährung
Münzen
Maße und Gewichte
1. Einleitung
1.1.Historischer Kontext
1.1.1.Was sind Monti di Pietà?
1.1.2.Welche Armen?
1.1.2.1.Hilfe für die arbeitenden Armen
1.1.2.2.Lebensstandard der arbeitenden Armen im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts
1.1.2.3.Löhne und Preise in Florenz und Rom
1.1.2.4.Lohnverfall und Preisschwankungen in Florenz und Rom – die Monti als Instrument der Krisenbekämpfung
1.1.3.Arme als Schuldner und Konsumenten. Kreditformen kleiner Leute im spätmittelalterlichen Italien
1.1.3.1.Was ist ein Kleinkredit?
1.1.3.2.Arbeitende Arme als Konsumenten
1.2.Forschungskontexte, Fragestellungen und Vorgehen
1.2.1.Armutsbekämpfung als Thema der longue durée und moral economy
1.2.2.Neue Perspektiven: Kleinkredit und Konsumgesellschaft
1.2.3.Kredit als soziales Bindemittel
1.2.4.Von der caritas zur Sozialpolitik. Ursprünge des Wohlfahrtsstaats
1.2.5.Die Koexistenz informeller und formeller Kreditmärkte
1.2.6.Überlieferung und Themen der Forschung zu den Monti di Pietà
2. Franziskanische Wirtschaftsethik und die Entwicklung der Monti di Pietà
2.1.Markt und Moral: franziskanische Innovationen im wirtschaftsethischen Diskurs vor dem 15. Jahrhundert
2.1.1.Kapital und Zins bei Petrus Johannes Olivi
2.1.1.1.Kredit, Leihe und Wucher bei Olivi
2.1.1.2.Kapitalbegriff
2.1.1.3.Wucherische Verträge
2.1.2.Weiterentwicklung der Ideen Olivis durch Bernardino da Siena
2.2.Franziskaner als Mediatoren und Promotoren der Monti
2.2.1.Rechtsexperten: Traktate und Consilia als Medien der Agitation
2.2.2.Consilia als Medien der Wissensvermittlung
2.2.2.1.Stadtgemeinschaft, Wucher und Vertragsrecht: Zwei frühe Consilia aus Perugia: Baglione dei Montevibiani und Fortunato Coppoli, 1469
2.2.2.2.Innovation des Vertragsrechts: Fortunato Coppolis Consilium, 1469
2.2.2.3.Das Consilium super Montem pietatis des Gomez di Giovanni da Lisboa
2.2.2.4.Rechnen als Argument: Marco da Montegallos Tavola della Salute
2.2.2.5.Gegenstimmen: Niccolò Barianis De Monte Impietatis, 1496
2.2.2.6.Reaktionen: Bernardino de Bustis Defensorium Montis pietatis 1497
2.2.2.7.Ein depositum apostolicum für die Gemeinschaft: Annio da Viterbo, Questiones, 1492
2.2.3.Agitation, Wissenstransfer und mediale Inszenierung – Predigten und Streitgespräche
2.2.3.1.Die Predigten des Franziskaners Bernardino da Feltre in Pavia 1493/94
2.2.3.2.Öffentliche Streitgespräche – die Inszenierung der Experten in Florenz, Narni und Cremona
2.2.3.3.Legitimation durch päpstliche Approbation und der Eingang der neuen Ideen ins Kirchenrecht (Der Beschluss des 5. Lateranums 1515)
2.2.4.Spätere Kritik und Reformgedanken: Agostino di Montalcino (1590)
2.2.5.Die Zusammenführung von Caritas und Kredit: das Bildprogramm der Franziskaner
2.2.5.1.„Imago pietatis“
2.2.5.2.„Monte denariorum – Monte di pietà“
2.2.5.3.„Il Pignoramento“
2.3.Fazit
3. Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà
3.1.Die Juden zwischen Verdrängung und Akzeptanz
3.2.Juden als Finanziers der Gründungen – das Beispiel Florenz
3.3.Juden als Kunden der Monti
3.4.Jüdische Pfandleiher ersetzten die Monti – das Fallbeispiel Venedig
3.5.Rechtfertigungsstrategien – der Traktat De foenore Iudaeorum (1555)
3.6.Fazit: Kreditbeziehungen zwischen Kooperation und Konkurrenz: Ambiguität, Interaktion, Marginalisierung
4. Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti
4.1.Gründungsmotive und Gründer
4.2.Das Grundkapital
4.2.1.Spenden und Prozessionen – Verona
4.2.2.Finanzierung aus Gerichtseinnahmen – Rom
4.3.Das Personal
4.3.1.Der Vorstand
4.3.2.Externe Buchprüfer: Kontrolle der Monti durch die Stadtregierung
4.3.3.Die Beamten
4.3.3.1.Der Depositarius
4.3.3.2.Der Kassierer (cassiere)
4.3.3.3.Der Buchhalter (computista)
4.3.3.4.Der Schätzer (estimatore)
4.3.3.5.Der Pfandmeister (custos oder factore)
4.3.3.6.Anwalt und Prokurator
4.3.3.7.Der Notar
4.3.3.8.Hilfsknaben (fancelli)
4.3.4.Entlohnung der Beamten – Zins
4.4.Der Ablauf der Pfandleihe
4.4.1.Kunden
4.4.2.Leihsumme und -dauer
4.4.3.Pfandarten
4.4.4.Geschäftszeiten
4.4.5.Die Versteigerung
4.4.6.Neugründungen von Filialen
4.4.7.Sanktionen bei Veruntreuung und Missbrauch von Geld
4.5.Die Regulierung jüdischer Pfandleihe
4.6.Interpretation – Strategien der Vertrauensbildung: Reputation, Marginalisierung und wirtschaftlicher Erfolg
4.6.1.Strategien der Vertrauensbildung bei den Monti di Pietà
4.6.1.1.Die Professionalisierung des Instituts
4.6.1.2.Religiöse Rechtfertigung des Vertrauens und die Marginalisierung der Juden
4.7.Fazit
5. Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie
5.1.Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia
5.1.1.Objekte und Wertzuschreibung – eine Liste verkaufter Pfandgegenstände aus Perugia (1469/70)
5.1.1.1.Hinweise auf die Sozialstruktur der Akteure
5.1.1.2.Begehrte Objekte höheren Wertes
5.1.2.Pfandleihe in Lapedona: das Pfandregister der Jahre 1578 bis 1590
5.1.2.1.Die Pfandobjekte im Pfandbuch aus Lapedona
5.1.3.Kaufkraft und Geldwert
5.1.4.Die Attribuierung der Pfandgegenstände
5.2.Fazit
6. Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom
6.1.Die Form der Bücher und die Buchführungstechnik
6.1.1.Auswertungsmöglichkeiten und Stichprobe
6.2.Preise und Löhne in Rom im 16. Jahrhundert anhand der Libri Mastri
6.3.Die Höhe der Einlagen
6.4.Anlagen, Ausgaben und Ausstände in den Libri Mastri
6.4.1.Allgemeine Kaufgeschäfte
6.4.2.Der Kauf von Rohstoffen
6.4.3.Rechtsstreitigkeiten
6.4.4.Mietzahlungen
6.4.5.Mitgiften
6.4.6.Die compagnia d’offitio als spezifisch römische Darlehensform
6.4.7.Die Rente: census
6.4.8.Pachtformen: canone, affitto, risposta
6.4.9.Unbestimmte oder nicht näher benannte Schulden
6.4.10.Frei verfügbare Depositen: a suo piacere
6.4.11.Zwischenfazit
6.5.Wer waren die Klienten und Anleger?
6.5.1.Verteilung der Anleger nach Berufsgruppen
6.5.2.Verteilung der Anleger nach Geschlecht, Religion und Institution
6.5.2.1.Frauen
6.5.2.2.Juden
6.5.2.3.Bruderschaften und Klöster
6.5.3.Herkunfts- und Arbeitsorte der Klienten
6.6.Fazit
7. Erfolgsmodell außerhalb Italiens? Die Montes Pietatis im deutschsprachigen Raum
7.1.Die Monti als Teil einer politischen Ökonomie in der Frühen Neuzeit: zwei Beispiele aus den Jahren 1508 und 1715
7.1.1.Christoph Cuppeners „Ein schons Buchlein“ (1508)
7.1.2.Montes Pietatis im Traktat Paul Jacob Marpergers (1715)
7.1.3.Zusammenfassung
7.2.Die Einrichtung eines Leihhauses nach dem Vorbild der Monti in Nürnberg 1618
7.3.Fazit
8. Conclusio
8.1.Zusammenfassung der Ergebnisse
8.2.Ausblick zur Anschlussfähigkeit der erzielten Forschungsergebnisse an gegenwärtige gesellschaftliche Probleme und Diskussionen
8.2.1.Thesen und epochenübergreifende Bezüge
8.2.1.1.Von der christlichen Wirtschaftsethik zur Sozialpolitik
8.2.1.2.Kleinkredit als sozialpolitisches Instrument in italienischen Städten
8.2.1.3.Wohlfahrt und Herrschaft
8.2.1.4.Vom bonum commune zur Gemeinwohlökonomie
8.2.1.5.Moralische Ökonomie und Kooperation
8.2.1.6.Moralische Ökonomie und Vertrauen
8.2.2.Armutsverständnis und Armutsbekämpfung
8.2.3.Kleinkredit und Mikrokredit
8.2.4.Kleinkredit und Marktteilhabe
9. Bibliografie
9.1.Ungedruckte Quellen
9.2.Frühe Drucke
9.3.Edierte Quellen
9.4.Forschungsliteratur
9.5.Internetquellen
10. Anhang
10.1.Bildprogramm
10.1.1 „Il Pignoramento“ Giovanni Battista Bertucci il Giovane (1539–1614)
10.1.2.Die Predigt des Fra Marco da Montegallo, Kaltnadelradierung
10.1.3.Tabula della Salute (1494), Holzschnitt aus Marco da Montegallos Traktat
10.2.Buchführung: Kontoübersicht der Anlagebank des Monte di Pietà
11. Register
Personen und Orte
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Karitativer Kredit: Die Monti di Pietà, franziskanische Wirtschaftsethik und städtische Sozialpolitik in Italien (15. und 16. Jahrhundert)
 3515133755, 9783515133753

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Tanja Skambraks

Karitativer Kredit Die Monti di Pietà, franziskanische Wirtschaftsethik und städtische Sozialpolitik in Italien (15. und 16. Jahrhundert)

VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte | Beiheft 259 Geschichte Franz Steiner Verlag Franz Steiner Verlag

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contubernium Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte

Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Herausgegeben von Mark Spoerer, Jörg Baten, Markus A. Denzel, Thomas Ertl, Gerhard Fouquet und Günther Schulz Beiheft 259

Karitativer Kredit Die Monti di Pietà, franziskanische Wirtschaftsethik und städtische Sozialpolitik in Italien (15. und 16. Jahrhundert) Tanja Skambraks

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildung: Die Predigt des Marco da Montegallo, Kupferstich von Franceso Rosselli (geb. 1445) Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe © akg-images / Rabatti & Domingie Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2023 www.steiner-verlag.de Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13375-3 (Print) ISBN 978-3-515-13378-4 (E-Book)

Für Camille und Greta

Vorwort Am 10. Dezember 2006 – der Todestag von Alfred Nobel jährte sich zum 120. Mal – wurde der Friedensnobelpreis an Muhammed Yunus, den Erfinder der Mikrokreditbanken vergeben. Sein Beitrag zum Nutzen der Menschheit – so befand das Komitee – bestand in der Schaffung eines gänzlich neuen Finanzinstruments. Es sei geeignet zur Herstellung dauerhaften Friedens, weil damit große Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit erhielten, aus der Armut auszubrechen. Wie, und dass dies funktionieren kann, hatte Yunus, Wirtschaftswissenschaftler mit Studium in den USA, später Professor an der Universität Chittagong in Bangladesch, der ganzen Welt vorgemacht. Und zwar mit seiner 1983 gegründeten Grameen Bank für die Ärmsten der Armen. Mit der Preisverleihung würdigte das norwegische Nobelkomitee seine Bemühungen um „die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von unten“. Eben diesem Problem widmet sich das vorliegende Buch, das auf meiner 2020 an der Universität Mannheim eingereichten Habilitationsschrift basiert. Wie so oft bei historischen Studien steht am Anfang ein ernüchternder Befund: Es gab Mikrokreditbanken lange bevor das Nobelkomitee deren zentrale Bedeutung für den Erhalt des sozialen Friedens im frühen 21. Jahrhundert wiederentdeckte. Insofern ist diese Studie lesbar als Spurensuche nach Mikrokreditbanken, nach den Maßnahmen zur Sicherung sozialer Nachhaltigkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Diese Spuren finden sich in oberitalienischen Städten, die an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert die ersten Mikrokreditbanken für die Armen auf kommunaler Ebene einrichteten. Die Lage vieler Armen damals wie heute ist prekär. Ihre Löhne reichten – trotz Arbeit – gerade um von der Hand in den Mund, von Monat zu Monat zu leben; Krisen und Teuerungen von Mieten oder Lebensmitteln können und konnten nicht ohne zusätzliche Hilfsmaßnahmen bewältig werden. Als Ausweg aus dieser „Ökonomie am Rande des Elends“ (E. Schubert) boten die städtischen Pfandleihbanken die Möglichkeit Kleider, Möbel, Töpfe oder andere Habseligkeiten kurzfristig zu Geld zu machen. So hießen die Mikrokreditbanken damals: Monti di Pietà, wörtlich „Berge der Barmherzigkeit“. Die Geschichte des Klein- und Pfandkredits ist also (wie andere auch) eine lange Geschichte: die Darlehen stellten immer schon überlebenswichtige, günstige und kurz-

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Vorwort

fristig erreichbare Finanzhilfen für Bedürftige in Notzeiten dar. Zugleich ermöglichten sie die Teilhabe der „kleinen Leute“ als Investoren und Konsumenten am Markt. Die vorliegende Studie blickt dabei auf den Institutionalisierungsprozess, Normen und Praktiken der mittelalterlichen Wohlfahrt als auch auf ihre Verankerung in einer „moralischen Ökonomie“, die in engem Zusammenhang mit der politischen Ökonomie ihrer Zeit steht und diese entscheidend mitprägte. Das Buch tut dies aus einer kulturgeschichtlichen und wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Perspektive. Seine LeserInnen finden darin Aufschlüsse über die Eigenart einer christlich geprägten Wirtschaftsethik und Sozialpolitik an der Schwelle zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Zum anderen ermöglicht es hoffentlich strukturelle und ideelle Kontinuitäten in der Geschichte der Wohlfahrt vom späten Mittelalter bis in Gegenwart besser zu verstehen. Zum Gelingen dieses Projektes haben zahlreiche Personen und Institutionen beigetragen, denen ich hiermit danken möchte. Zuerst meinen derzeitigen und ehemaligen Mannheimer Kolleginnen und Kollegen Prof. Dr. Annette Kehnel und Dr. Stephan Nicolussi-Köhler sowie Prof. Dr. Hiram Kümper, Markus Schniggendiller und Monika Gussone, die im Rahmen einer Forschergruppe in dem DFG-Projekt „Kleinkredit und Markteilhabe“ an der Universität Mannheim mit mir kooperiert haben. Die konstruktive Zusammenarbeit mit ihnen hat die Studie entscheidend mitgeprägt. Den Herausgebern der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte danke ich für die Aufnahme in die Reihe der Beihefte der Zeitschrift. Mein Dank gilt auch den Gutachterinnen und Gutachtern Prof. Dr. Thomas Ertl, Prof. Dr. Julia Angster und Prof. Dr. Reinhild Kreis. Ihre konstruktiven Hinweise zur Verbesserung waren bei der Manuskriptvorbereitung sehr hilfreich. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Reihe deutscher, italienischer und amerikanischer Bibliotheken und Archive ermöglichten die Bereitstellung der Forschungsliteratur und des Quellenmaterials. Das Deutsche Historische Institut in Rom gewährte mir im Jahr 2014 ein Post-doc-Stipendium und bot ein anregendes Arbeitsumfeld in der Anfangszeit des Projektes. Ricarda Berthold leistete am Ende des Arbeitsprozesses das Korrektorat mit Sorgfalt und Genauigkeit. Katharina Stüdemann vom Franz Steiner Verlag hat das Werk auf dem Weg zur Drucklegung vorbildlich betreut. Folgende Expertinnen und Experten haben den Arbeitsprozess durch ihre Forschungsergebnisse, ihre kollegiale Unterstützung und konstruktive Gedanken bereichert: Prof. Dr. Dr. hc. Gerhard Fouquet, PD Dr. Sven Rabeler, Prof. Dr. Giacomo Todeschini, Prof. Dr. Laurence Fontaine, Prof. Dr. Paola Avallone, Prof. Dr. Maria Giuseppina Muzzarelli, Prof. Dr. Pietro Delcorno, Prof. Oliver Volckart und Prof. Dr. Sabine von Heusinger. Besonders verbunden fühle ich mich meinen Kolleginnen Prof. Dr. Ulla Kypta und PD Dr. Julia Bruch, deren Integrität und kollegiale Freundschaft mich schon über zehn Jahre lang begleiten. Ein besonderer Dank gilt erneut meinen Eltern Monika und Michael Skambraks sowie meiner Freundin Tina Godau, die mir während der Verwerfungen der letzten Jahre zur Seite standen. Delio Mugnolo half mir nicht nur bei der Übersetzung eini-

Vorwort

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ger italienischer Texte und der Entschlüsselung mancher Quellenbegriffe, sondern hat mich auch als inspirierender Gesprächs- und Lebenspartner begleitet. Ich widme dieses Buch meinen Töchtern Camille und Greta, die während seiner Entstehung bereits ihren Weg zum Erwachsenwerden begonnen haben. Tanja Skambraks

Köln, im August 2022

Inhaltsverzeichnis Wichtige Währungen und Einheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Rechenwährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Münzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Maße und Gewichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.1. Historischer Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.1.1. Was sind Monti di Pietà?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1.1.2. Welche Armen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.1.2.1. Hilfe für die arbeitenden Armen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1.1.2.2. Lebensstandard der arbeitenden Armen im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1.1.2.3. Löhne und Preise in Florenz und Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1.1.2.4. Lohnverfall und Preisschwankungen in Florenz und Rom – die Monti als Instrument der Krisenbekämpfung. . . . . . . . . . . . . . . 39 1.1.3. Arme als Schuldner und Konsumenten. Kreditformen kleiner Leute im spätmittelalterlichen Italien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1.1.3.1. Was ist ein Kleinkredit?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1.1.3.2. Arbeitende Arme als Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1.2. Forschungskontexte, Fragestellungen und Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1.2.1. Armutsbekämpfung als Thema der longue durée und moral economy. . . . 51 1.2.2. Neue Perspektiven: Kleinkredit und Konsumgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1.2.3. Kredit als soziales Bindemittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1.2.4. Von der caritas zur Sozialpolitik. Ursprünge des Wohlfahrtsstaats. . . . . . . . . 56 1.2.5. Die Koexistenz informeller und formeller Kreditmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1.2.6. Überlieferung und Themen der Forschung zu den Monti di Pietà. . . . . . . . . . . 59 2. Franziskanische Wirtschaftsethik und die Entwicklung der Monti di Pietà . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.1. Markt und Moral: franziskanische Innovationen im wirtschaftsethischen Diskurs vor dem 15. Jahrhundert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

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Inhaltsverzeichnis

2.1.1. Kapital und Zins bei Petrus Johannes Olivi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.1.1.1. Kredit, Leihe und Wucher bei Olivi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.1.1.2.Kapitalbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.1.1.3. Wucherische Verträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.1.2. Weiterentwicklung der Ideen Olivis durch Bernardino da Siena. . . . . . . . . . . . 69 2.2. Franziskaner als Mediatoren und Promotoren der Monti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2.2.1. Rechtsexperten: Traktate und Consilia als Medien der Agitation . . . . . . . . . . 72 2.2.2. Consilia als Medien der Wissensvermittlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.2.2.1. Stadtgemeinschaft, Wucher und Vertragsrecht: Zwei frühe Consilia aus Perugia: Baglione dei Montevibiani und Fortunato Coppoli, 1469 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.2.2.2. Innovation des Vertragsrechts: Fortunato Coppolis Consilium, 1469. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.2.2.3.Das Consilium super Montem pietatis des Gomez di Giovanni da Lisboa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.2.2.4.Rechnen als Argument: Marco da Montegallos Tavola della Salute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2.2.2.5. Gegenstimmen: Niccolò Barianis De Monte Impietatis, 1496. . . . . 93 2.2.2.6. Reaktionen: Bernardino de Bustis Defensorium Montis pietatis 1497. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.2.2.7.Ein depositum apostolicum für die Gemeinschaft: Annio da Viterbo, Questiones, 1492. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2.2.3. Agitation, Wissenstransfer und mediale Inszenierung – Predigten und Streitgespräche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.2.3.1. Die Predigten des Franziskaners Bernardino da Feltre in Pavia 1493/94 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.2.3.2. Öffentliche Streitgespräche – die Inszenierung der Experten in Florenz, Narni und Cremona. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2.2.3.3. Legitimation durch päpstliche Approbation und der Eingang der neuen Ideen ins Kirchenrecht (Der Beschluss des 5. Lateranums 1515). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2.2.4. Spätere Kritik und Reformgedanken: Agostino di Montalcino (1590). . . . . . . 124 2.2.5. Die Zusammenführung von Caritas und Kredit: das Bildprogramm der Franziskaner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2.2.5.1. „Imago pietatis“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2.2.5.2. „Monte denariorum – Monte di pietà“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2.2.5.3. „Il Pignoramento“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2.3.Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

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3. Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3.1. Die Juden zwischen Verdrängung und Akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3.2. Juden als Finanziers der Gründungen – das Beispiel Florenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3.3. Juden als Kunden der Monti. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3.4. Jüdische Pfandleiher ersetzten die Monti – das Fallbeispiel Venedig. . . . . . . . . 156 3.5. Rechtfertigungsstrategien – der Traktat De foenore Iudaeorum (1555). . . . . . . . . 160 3.6. Fazit: Kreditbeziehungen zwischen Kooperation und Konkurrenz: Ambiguität, Interaktion, Marginalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 4. Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti. . . . . 165 4.1. Gründungsmotive und Gründer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.2. Das Grundkapital. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4.2.1. Spenden und Prozessionen – Verona. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.2.2. Finanzierung aus Gerichtseinnahmen – Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 4.3. Das Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 4.3.1. Der Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4.3.2. Externe Buchprüfer: Kontrolle der Monti durch die Stadtregierung . . . . . . . . 182 4.3.3. Die Beamten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.3.3.1. Der Depositarius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4.3.3.2. Der Kassierer (cassiere). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 4.3.3.3. Der Buchhalter (computista). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4.3.3.4. Der Schätzer (estimatore). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4.3.3.5. Der Pfandmeister (custos oder factore). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4.3.3.6. Anwalt und Prokurator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 4.3.3.7. Der Notar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.3.3.8. Hilfsknaben (fancelli) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.3.4. Entlohnung der Beamten – Zins. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4.4. Der Ablauf der Pfandleihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.4.1.Kunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.4.2. Leihsumme und -dauer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4.4.3.Pfandarten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 4.4.4.Geschäftszeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 4.4.5. Die Versteigerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.4.6.Neugründungen von Filialen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4.4.7. Sanktionen bei Veruntreuung und Missbrauch von Geld. . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4.5. Die Regulierung jüdischer Pfandleihe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

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4.6. Interpretation – Strategien der Vertrauensbildung: Reputation, Marginalisierung und wirtschaftlicher Erfolg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4.6.1. Strategien der Vertrauensbildung bei den Monti di Pietà. . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4.6.1.1. Die Professionalisierung des Instituts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 4.6.1.2. Religiöse Rechtfertigung des Vertrauens und die Marginalisierung der Juden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.7.Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5. Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5.1. Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 5.1.1. Objekte und Wertzuschreibung – eine Liste verkaufter Pfandgegenstände aus Perugia (1469/70). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 5.1.1.1. Hinweise auf die Sozialstruktur der Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 5.1.1.2. Begehrte Objekte höheren Wertes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 5.1.2. Pfandleihe in Lapedona: das Pfandregister der Jahre 1578 bis 1590 . . . . . . . . . 225 5.1.2.1. Die Pfandobjekte im Pfandbuch aus Lapedona. . . . . . . . . . . . . . . . . 228 5.1.3. Kaufkraft und Geldwert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 5.1.4. Die Attribuierung der Pfandgegenstände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5.2.Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 6. Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 6.1. Die Form der Bücher und die Buchführungstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 6.1.1. Auswertungsmöglichkeiten und Stichprobe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 6.2. Preise und Löhne in Rom im 16. Jahrhundert anhand der Libri Mastri . . . . . . . 250 6.3. Die Höhe der Einlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 6.4. Anlagen, Ausgaben und Ausstände in den Libri Mastri . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 6.4.1. Allgemeine Kaufgeschäfte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 6.4.2. Der Kauf von Rohstoffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 6.4.3.Rechtsstreitigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 6.4.4.Mietzahlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 6.4.5.Mitgiften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 6.4.6.Die compagnia d’offitio als spezifisch römische Darlehensform . . . . . . . . . . . 265 6.4.7. Die Rente: census. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 6.4.8.Pachtformen: canone, affitto, risposta. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 6.4.9. Unbestimmte oder nicht näher benannte Schulden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 6.4.10.Frei verfügbare Depositen: a suo piacere. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 6.4.11.Zwischenfazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

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6.5. Wer waren die Klienten und Anleger?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 6.5.1. Verteilung der Anleger nach Berufsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 6.5.2. Verteilung der Anleger nach Geschlecht, Religion und Institution. . . . . . . . . . . 285 6.5.2.1.Frauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 6.5.2.2.Juden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 6.5.2.3. Bruderschaften und Klöster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 6.5.3. Herkunfts- und Arbeitsorte der Klienten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 6.6.Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 7. Erfolgsmodell außerhalb Italiens? Die Montes Pietatis im deutschsprachigen Raum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 7.1. Die Monti als Teil einer politischen Ökonomie in der Frühen Neuzeit: zwei Beispiele aus den Jahren 1508 und 1715. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 7.1.1. Christoph Cuppeners „Ein schons Buchlein“ (1508). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 7.1.2. Montes Pietatis im Traktat Paul Jacob Marpergers (1715). . . . . . . . . . . . . . . . . 301 7.1.3.Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 7.2. Die Einrichtung eines Leihhauses nach dem Vorbild der Monti in Nürnberg 1618. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 7.3.Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 8. Conclusio. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 8.1. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 8.2. Ausblick zur Anschlussfähigkeit der erzielten Forschungsergebnisse an gegenwärtige gesellschaftliche Probleme und Diskussionen. . . . . . . . . . . . . . 320 8.2.1. Thesen und epochenübergreifende Bezüge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 8.2.1.1. Von der christlichen Wirtschaftsethik zur Sozialpolitik. . . . . . . . . . 321 8.2.1.2. Kleinkredit als sozialpolitisches Instrument in italienischen Städten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 8.2.1.3. Wohlfahrt und Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 8.2.1.4.Vom bonum commune zur Gemeinwohlökonomie . . . . . . . . . . . . . . 325 8.2.1.5. Moralische Ökonomie und Kooperation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 8.2.1.6. Moralische Ökonomie und Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 8.2.2. Armutsverständnis und Armutsbekämpfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 8.2.3. Kleinkredit und Mikrokredit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 8.2.4. Kleinkredit und Marktteilhabe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

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9. Bibliografie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 9.1. Ungedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 9.2. Frühe Drucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 9.3. Edierte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 9.4.Forschungsliteratur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 9.5.Internetquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 10. Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 10.1.Bildprogramm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 10.1.1 „Il Pignoramento“ Giovanni Battista Bertucci il Giovane (1539–1614) . . . . . . 353 10.1.2.Die Predigt des Fra Marco da Montegallo, Kaltnadelradierung. . . . . . . . . . . . 354 10.1.3. Tabula della Salute (1494), Holzschnitt aus Marco da Montegallos Traktat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 10.2.Buchführung: Kontoübersicht der Anlagebank des Monte di Pietà . . . . . . . . . . 356 11. Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Personen und Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Wichtige Währungen und Einheiten Rechenwährung 1 fiorino = 100 baiocchi = 20 soldi = 240 denari Münzen 1 giulio (= 3,2 g Silber) = 10 baiocchi 1 giulio = 50 quattrini (Kupfermünze) 1 scudo d’argento = 10 giuli 1 scudo d’argento = 100 baiocchi 1 Golddukat (=2,8 g Gold) = 93,12 baiocchi (1499) und 95 baiocchi (1501) 1 baiocco = 5 quattrini 1 lira = 20 soldi 1 ducato = 60 soldi = 3 lire 1 quattrino = 4 denari Maße und Gewichte 1 staio ergab 25,92 Liter 1 quaderno fasste 14,83 Liter 1 quarto entsprach etwa 6 Liter 1 rubbia umfasste etwa 45 Liter 1 barile entsprach etwa 64 Liter

1. Einleitung Gervaise aurait bazardé la maison; elle était prise de la rage du clou, elle se serait tondu la tête, si on avait voulu lui prêter ses cheveux. C’était trop commode, on ne pouvait pas s’empêcher d’aller chercher la de la monnaie, lorsqu’on attendait après un pain de quatre livres. Tout le saint-frusquin y passait, le linge, les habits, jusqu’aux outils et aux meubles. Dans les commencements, elle profitait des bonnes semaines pour dégager, quitte a rengager la semaine suivante. Puis, elle se moqua de ses affaires, les laissa perdre, vendit les reconnaissances. (Émile Zola, L’Assommoir, 1877)

Ökonomische Prekarität als Konstante des menschlichen Lebens in der Vormoderne und der Gegenwart ist und war im besten Fall der Ausgangspunkt für politische und wirtschaftliche Innovationen. Im schlechteren Fall ist sie Auslöser von langfristigen Krisen und Ursache häufig schlecht dokumentierten Leids. Der schleichende Übergang von konjunktureller, durch Missernten, Hunger, Krankheit oder Alter bedingter Armut in die strukturelle, dauerhafte Armut war – angesichts eines wenig ausgebauten Netzes sozialer Fürsorgeeinrichtungen, wie Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung für die Menschen in vormodernen Gesellschaften – eine permanente Bedrohung. Von dieser Prekarität der Lebensumstände der arbeitenden Mittel- und Unterschicht zeugt vereinzelt auch die literarische Überlieferung. Der Abstieg in die Armut sowie die angeführte Geldknappheit wird in zwei, hier beispielhaft angeführten Werken des Bologneser Schmieds und Dichters Giulio Cesare Croce1 (1550–1609), 1

Croce, der sich selbst als poeta campestre bezeichnete, gilt als einer der berühmtesten und produktivsten Autodidakten seiner Zeit. Er verfasste über 400 häufig sozialkritische und parodistische Werke (Bücher, Komödien, Lieder und Gedichte) auf Italienisch und im Bologneser Dialekt, die er als fahrender Künstler in Bologna und anderen Städten aufführte. Er war der Sohn eines Schmiedes und ging ebenfalls diesem Beruf nach. Er wurde 1550 im Umland von Bologna geboren, war zwei Mal verheiratet, hatte 14 Kinder und starb in Armut. Die spärlichen biografischen Informationen stammen vor allem von ihm selbst, aus dem von ihm 1608 veröffentlichten Werk Descrittione della vita del Croce, con una esortatione fatta ad esso da varii animali ne’ lorlinguaggi, a do-

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eindrücklich geschildert. In dem Werk Discorso piacevole sopra i debiti, gedruckt 1612, wird der Abstieg in die Armut durch Verschuldung beschrieben.2 Croce schickt dem Gedicht einen kurzen Text voraus, in dem er ein Treffen mit einem wegen Schulden im Gefängnis sitzenden Freund als Auslöser für das Verfassen nennt.3 Im Gedicht lässt er mehrere anonyme „Stimmen“ zu Wort kommen, unter denen eine die Last ihrer Schulden folgendermaßen beschreibt: Fatt’ho il debito mio, non solo un tratto, Ma dieci, e venti, e più fatto l’havrei Se la credenza non rompeva il patto. Però voi cari creditori miei, Non mi correte con tal furia addosso Né mi mandate a casa i farisei. Ho ancor’io da riscuotere, e non posso Alquanti pegni, ch’io mi trovo al Monte, E in borsa non mi trovo un mezzo grosso. E se fra un mese avvien ch’io non gli conte La moneta, e levargli di quel loco, Con gl’altri in sorte andran tutti in un monte.

Nicht nur einer, sondern zwanzig Schuldscheine hätten den Schuldner in eine bedrückende Lage gebracht, und so finde er sich – ohne nur einen halben Grosso in der Tasche – beim Monte wieder. Um seine Gläubiger auszuzahlen, gehe er zum Pfandleihhaus, um dort Geld gegen Pfand zu erhalten. Bei dem hier erwähnten Pfandleihhaus

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ver lasciare da parte la poesia. Siehe auch mit weiterer Literatur: Lucia Strappini, Art. Croce, Giulio Cesare, in: Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 31 (1985), online unter: http://www.treccani. it/enciclopedia/giulio-cesare-croce_(Dizionario-Biografico) (29.04.2020). Der Text enthält noch zwei weitere Gedichte und trägt den Titel: Discorso piacevole sopra i debiti con una disputa bellissima qual sia maggior tormento l’essere inamorato overo haver dei debiti ed un sogno molto galante sopra simile materia, tutte cose di grandissimo gusto di Giulio Cesare Croce, gedruckt von Bartolomeo Cochi, Bologna 1612, online unter: http://giuliocesarecroce.it/testi/discorso_piacevole. pdf (29.04.2020). L’altro giorno, passando appresso le prigioni, fui chiamato da un giovane mio amico, il quale era / carcerato, dal quale andai, e dopo essermi condoluto seco di trovarlo in quel luogo, gli adimandai la / causa perché era stato posto prigione, ed ei mi rispose che ivi era non per haver fatto il debito che si / richiedeva verso il padre suo; alle quali parole, un altro che nella stessa carcere era stato posto per / debiti, alzando la voce disse: „Costui, per non haver fatto il debito suo con suo padre è stato posto / prigione, ed io che ho fatto il debito mio con tutti quelli che ho potuto, né più né meno vengo posto / qui dentro: hor, indovinala tu, se puoi. Onde, udendo io simil piacevolezza, dopo l’essermi offerto a colui di fargli servitio in quello che io poteva, tornai a casa, e feci il presente capitolo, aggiongendovi una disputa, qual sia più gran tormento, l’haver de’ debiti, ovvero esser’ innamorato; ed un sogno sopra simil materia, tutte cose piacevolissime e degne d’esser udite da tutti. Ebd.

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handelt es sich um einen Monte di Pietà, ein karitatives Kreditinstitut, dessen Entstehung und Genese das Thema der vorliegenden Studie ist. Der Monte di Pietà und die Pfandleihe als nützliche Hilfseinrichtung für arme Menschen taucht in weiteren Texten Croces auf, wie dem Gedicht Lamento dei poveretti4 aus dem Jahr 1590. Darin wird eine weitere Notlage geschildert: die Schwierigkeiten der Armen beim Bezahlen der Miete:

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Mala cosa è la pigion, Per colui che l’ha a pagare, Ma per quel che l’ha a tirare Gli è una gran consolation, Mala cosa è la pigion.

Eine schlechte Sache ist die Miete für den, der zu bezahlen hat; jedoch für denjenigen, der einkassiert, ist sie ein großer Trost. Eine schlechte Sache ist die Miete.

E si scopre questo male Per Agosto e per Natale, Che si vedon camminare I patroni a visitare Quei che stan ne’ lor camini, In botteghe e magazzini, Acciò faccian provvision, Mala cosa è la pigion.

Und es ereignet sich dieses Übel im August und an Weihnachten, wenn man umherlaufen sieht die Vermieter, die jene besuchen, die in ihren Kaminen, Geschäften und Lagern hausen und die dann zahlen müssen. Eine schlechte Sache ist die Miete.

E si sentono i lamenti Che fan tutti i pigionanti, Che già son sotto alle feste, E non hanno panni né veste, Che le legne, il pane, e ’l vino Non li lassano un quattrino, E non vi è compassion, Mala cosa è la pigion.

Und man hört die Wehklagen aller Mieter, die schon am Feiern sind, doch weder Tuch noch Kleid haben, denen Holz, Brot und Wein, nicht einen Pfennig lassen, und für die es kein Mitleid gibt. Eine schlechte Sache ist die Miete.

Quanti poveri meschini Con la moglie e figliuolini Non han fuoco da scaldarsi, E né pan da sostentarsi, E la sera e la mattina Stanno a far la tremarina A caval de dui carbon?

Wie viele arme Männer mit Frau und Kindern besitzen kein wärmendes Feuer und auch kein nährendes Brot, und am Abend wie am Morgen zittern sie am Feuer zweier Kohlen?

Giulio Cesare Croce, Lamento de’ poveretti i quali stanno a casa a pigione, e la convengono pagare, 1590, ed. Monique Rouch, in: Storie di vita popolare nelle canzoni di piazza di G. C. Croce, Fame fatica e mascherate nel ’500, Bologna 1982, S. 151–158 [Übersetzung der Autorin].

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Einleitung

Mala cosa è la pigion. Chi ha impegnato il ferraiolo, Chi la cappa, chi un lenzuolo, Chi l’anel de la mogliera, Chi ha venduto la lettiera, Chi il giuppon’ e le calzette, Le banzolle e le cassette, Le carieghe e i credenzon, Mala cosa è la pigion.

Eine schlechte Sache ist die Miete. Wer hat verpfändet den Priestermantel, wer den Umhang, wer eine Tischdecke, wer den Ring der Ehefrau, wer hat verkauft die Bettlade, wer das Wams und die Socken, die Kisten und die Kästchen, die Stühle und die Kommoden. Eine schlechte Sache ist die Miete.

[…] Nota ben quel ch’io t’insegno, Primamente, piglia un pegno, Che sia tanto d’importanza Quanto monta la sostanza, E poi va’ con lieta fronte A portarlo tosto al Monte, Che t’havran compassion. Mala cosa è la pigion.

Merk Dir gut, was ich Dich lehre, zuerst, nimm ein Pfand, das von solchem Wert sei, wie die Zahl der Habseligkeiten steigt, und geh dann mit fröhlichem Haupt los und bring alles zum Monte, wo sie Mitleid haben. Eine schlechte Sache ist die Miete.

Come il pegno sia accettato, E ’l danaro havrai tirato, Recipe il tuo scrittarino, E poi va’ con il quattrino E ’l patron tosto saluta, Ma fa far la ricevuta, Che quest’è buon union. Mala cosa è la pigion.

Sobald das Pfand akzeptiert ist, und du das Geld genommen hast, empfang deinen Zettel, und geh mit dem Pfennig los, und der Patron wird dich grüßen, und dich empfangen, und so entsteht das gute Einvernehmen. Eine schlechte Sache ist die Miete.

Ben si trovano di quelli C’han pietà de’ poverelli, Né gli mandan scritte mai, Diano poco o pur assai, E non crescon mai di prezzo La pigion, ma l’hanno in sprezzo Se non è qualche avaron. Mala cosa è la pigion.

Nun finden sich auch jene, die Barmherzigkeit haben für die Armen, die niemals ein Mahnschreiben schicken, die wenig oder viel geben und auch den Preis niemals erhöhen, für die Miete, aber die haben Verachtung … für die Geizhälse. Eine schlechte Sache ist die Miete.

[…] Qui vi lasso, e vo’ pregarvi Tutti insieme a consolarvi, Perché tempo verrà ancora,

Hier lasse ich euch, und bitte euch, alle zusammen euch zu trösten, weil die Zeit zeigen wird,

Einleitung

Che di questo uscirem fuora, E ogn’un pensi fra se stesso, Che, per vostro e mio interesso Ho composto sta canzon. Mala cosa è la pigion.

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dass wir aus diesen Missständen herauskommen; Und jeder kann sich denken, dass ich in eurem und meinem Interesse dieses Lied komponiert habe. Eine schlechte Sache ist die Miete.

In diesem Gedicht beschreibt der Schmied Croce seine Erfahrungen mit der Zahlungsunfähigkeit und daraus folgend mit dem Pfandleihgeschäft. Das Lied handelt von den Schwierigkeiten der Menschen, jedes Jahr die im August und an Weihnachten fälligen Unterkunftskosten zu bezahlen. Deshalb seien sie gezwungen, verschiedene Gegenstände wie Kleidung, Möbel und Eheringe beim Monte di Pietà, dem städtischen Pfandleihhaus, zu verpfänden. Der Text thematisiert nicht nur die ärmliche Wohnsituation des Autors in einem baufälligen Haus und die schwierige Kommunikation mit seinem unwilligen Vermieter, sondern beschreibt auch den Ausweg aus der prekären finanziellen Lage, eben durch die Pfandleihe beim Monte. Der Habgier und Unbarmherzigkeit des Vermieters werden die Barmherzigkeit und das Mitleid und schließlich die Erleichterung durch die karitative Institution gegenübergestellt. Die Haltung des Schuldners wird als „fröhlich“ charakterisiert, hilft er sich doch durch die Umwandlung seiner Habseligkeiten in ein wenig Geld selbst kurzzeitig aus der Misere. Diese anschauliche und geistreiche Schilderung der angespannten wirtschaftlichen Lage eines Angehörigen des Handwerkerstandes schildert eindrücklich das allgegenwärtige Problem der Geldknappheit einerseits und der fehlenden sozialen Absicherung in einer frühneuzeitlichen Stadt andererseits. Die hier vorliegende Studie befasst sich mit der Frage, wie die arbeitende Schicht in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft in Krisenzeiten überlebt hat und wie versucht wurde, dem Problem konjunktureller Armut beizukommen. Wie Ernst Schubert für das deutsche Mittelalter aufzeigte5 und wie Laurence Fontaine für Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert untersucht hat,6 waren die arbeitenden Armen auf eine Vielzahl von Mitteln angewiesen, um ihr Einkommen in einer unsicheren Wirtschaftslage zu sichern. So arbeiteten die Menschen in verschiedenen Berufen und widmeten sich diversen Tätigkeiten, sie liehen sich Geld bei Freunden, Bekannten 5

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Ernst Schubert, Erscheinungsformen der Armut in der spätmittelalterlichen deutschen Stadt, in: Helmut Bräuer (Hg.), Die Stadt als Kommunikationsraum. Beiträge zur Stadtgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert (FS Karl Czok), Leipzig 2001, S. 659–697. Schubert schildert eindringlich die Lebensbedingungen der (arbeitenden) Armen, aus denen er verschiedene Strategien des Überlebens ableitet, wie den „Zwang der armen Frauen zum Kleinhandel“, den „Kleideraufwand“, um sich bei der Arbeitssuche von den noch Ärmeren abzugrenzen, der Vermietung von Katen und Gartenhäusern durch Arme an Arme, der Versorgung mit Hauptmahlzeiten durch städtische Garküchen etc. Laurence Fontaine, Survivre en temps de crise. Une perspective historique, in: C. E. R. A. S. Revue Projet 5/2013, S. 43–50.

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Einleitung

und Verwandten, untervermieteten Wohnungen oder Kammern, investierten Geld in karitative Einrichtungen und legten zugleich Geld an, um ihren Lebensunterhalt im Alter zu sichern – und vieles mehr. Schubert spricht für die spätmittelalterliche deutsche Stadt von einer „Ökonomie am Rande des Elends oder vielmehr von einem nicht mehr rekonstruierbaren Zusammenspiel verschiedener Überlebensstrategien“,7 die er gar auf den „Lebensmut“ und die „Lebensbejahung“ als entscheidendes Kennzeichen der mentalen Disposition der Menschen zurückführt.8 Kurzum, die Menschen in der Vormoderne waren anpassungsfähig: Sie nutzten die vielfältigen Möglichkeiten kreativ, um Geld zu gewinnen und zu sparen, um mit Krisen fertig zu werden. Ausgehend von dieser Hypothese der Anpassungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit der arbeitenden Armen, um die es in diesem Buch ebenfalls geht, werde ich die Überlebensstrategien im Zusammenhang mit Kleinkrediten, Einlagen und der Praxis des Pfandleihens bei den Monti di Pietà an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit untersuchen. Eine zweite Perspektive auf dieses Thema fokussiert die Entstehung und Funktion einer neuen karitativen Institution, die einerseits relativ günstige Kleinkredite bereitstellte und andererseits Anlagemöglichkeiten, sehr ähnlich einer Bank, anbot. Die Einrichtung der Monti di Pietà kann somit zwischen zwei Lesarten oder Forschungsschwerpunkten interpretiert werden: Zum einen als ein Mittel der spätmittelalterlichen städtischen „moralischen Ökonomie“, die von einigen Franziskanerobservanten ins Leben gerufen und medial propagiert und installiert wurde und die den Armen, die etwas besaßen, günstige Überlebenshilfen bot. Zum anderen mit dem Blick auf die „politische Ökonomie“ der städtischen Eliten, die in Wirtschaft und Handel tätig waren und die mehr oder weniger bereitwillig den Vorschlägen der Ordensmänner folgten und die Pfandleihe als Teil eines sozialpolitischen Regierungsprogramms institutionalisierten.9 Meiner Ansicht nach können und sollten beide Sichtweisen bei der Analyse der Geschichte der Monti di Pietà zusammengedacht werden. 7 8 9

Schubert, Erscheinungsformen, S. 688. Ebd., S. 659. Giacomo Todeschini, La banca e il ghetto. Una storia italiana (secoli XIV–XVI), Rom/Bari 2016; Maria Giuseppina Muzzarelli, I Monti di Pietà fra etica economica ed economia politica, in: Maria Consiglia De Matteis / Berardo Pio (Hg.), Orientamenti e tematiche della storiografia di Ovidio Capitani, Spoleto 2013, S. 135–148; dies., Il credito che „cura“: il monte di pietà, in: Paola Avallone (Hg.), Il „povero“ va in banca: i Monti di Pietà negli antichi stati italiani, Napoli 2001, S. 17–29; dies., Un „deposito apostolico“ per i meno poveri, ovvero l’invenzione del Monte di Pietà, in: Vera Zamagni (Hg.), Povertà e innovazioni istituzionali in Italia, Bologna 2000, S. 77–94; grundlegende Werke sind: John Thomas Noonan, The Scholastic Analysis of Usury, Cambridge 1957, und Odd Langholm, Economics in Medieval Schools: Wealth, Exchange, Value According to the Paris Theological Tradition, Leiden 1992. Zu den Maßnahmen der obrigkeitlichen Armenfürsorge im deutschsprachigen Raum am Beispiel Freiburg, Basel und Straßburg siehe die immer noch ansprechende Studie von Thomas Fischer, Städtische Armut und Armenfürsorge im 15. und 16. Jahrhundert, Göttingen 1979; Ernst-Ulrich Huster, Von der mittelalterlichen Armenfürsorge zu den Anfängen der Sozialstaatlichkeit, in: Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung, Wiesbaden 2008,

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Diese Einleitung ist in zwei größere Abschnitte gegliedert: Im ersten Teil wird der inhaltliche und historische Kontext der Studie thematisiert. Nach der Definition des Untersuchungsgegenstandes folgt ein Abriss zur Frage, wer denn die Armen, die „kleinen Leute“ oder der populo minuto waren, die den Monte hauptsächlich nutzten. Daran anschließend werden die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts am Beispiel der Stadt Rom und der Toskana skizziert. Daraus folgend schließt die Verschuldung als Problem des „gemeinen Mannes“ diesen Teil ab. Im zweiten Teil der Einleitung werden verschiedene Grundlinien der Forschung, die Überlieferungslage und die daraus abgeleiteten Fragestellungen sowie das Vorgehen dieser Studie vorgestellt. Die Forschung zum spätmittelalterlichen Kredit- und Bankenwesen sowie zur Armenfürsorge stellen die traditionellen Eckpunkte der bisherigen Forschung dar. Dieser rein historische Rahmen muss m. E. ergänzt werden durch diachrone und interdisziplinäre Bezüge zu aktuellen Problemstellungen und zu heutigen Maßnahmen der Armuts- und Krisenbewältigung. Doch kommen wir zunächst zu den Grundbegriffen. 1.1 Historischer Kontext 1.1.1 Was sind Monti di Pietà?10 Bei den Monti di Pietà, wörtlich „Berge der Barmherzigkeit“, handelte es sich um öffentliche Pfandleihanstalten, die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in Italien, genau seit 1462 erstmals in Perugia, unter maßgeblicher Beteiligung und Förderung des Franziskanerordens entstanden. Die Monti vergaben zu einem Zinssatz zwischen vier und zehn Prozent und gegen Pfand Kleinkredite oder Saatgut an bedürftige Bauern, Hand-

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S. 243–262; Hans Jörg Gilomen / Sébastien Guex / Brigitte Studer (Hg.), Von der Barmherzigkeit zur Sozialver- sicherung. Umbrüche und Kontinuitäten vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert. De l’assistance à l’assurance sociale. Ruptures et continuités du Moyen Age au XXe siècle (Schweizerische Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialgeschichte 18), Zürich 2002. Die gleiche Deutung des Monte als Instrument der Wirtschaftspolitik in einem zunehmend zentralisierten System ökonomischer Entscheidungen und sozialer Fürsorge findet sich bei Federico Arcelli, Banking and Charity in Sixteenth-Century Italy. The Holy Monte di Pietà of Rome (1539–1584), Leicestershire 2003, S. 60. Die sehr umfangreiche Forschungsliteratur zu diesem Thema besteht vor allem aus Werken italienischer HistorikerInnen. Darunter einschlägig: Maria Giuseppina Muzzarelli, Il denaro e la salvezza: l’invenzione del Monte di Pietà (Collana di storia dell’economia e del credito 10), Bologna 2001; dies. (Hg.), Banchi ebraici a Bologna nel XV secolo (Collana di storia dell’economia e del credito 2), Bologna 1994; Avallone, Il „povero“ va in banca; Daniele Montanari (Hg.), Monti di Pietà e presenza ebraica in Italia (secoli XV–XVIII), Roma 1999. Die einzige deutschsprachige Monografie älteren Datums ist Heribert Holzapfel, Die Anfänge der Montes Pietatis (1462–1515), München 1903; ideengeschichtlich relevant ist Giacomo Todeschini, Franciscan Wealth: From Voluntary Poverty to Market Society, New York 2009; zur administrativen Praxis: Mauro Car-

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werker, aber auch an andere Institutionen, wie Hospitäler oder Gilden. Diese pauperes pinguiores mussten häufig ihre Bedürftigkeit und die rechte Verwendung des Kleinkredits (nicht zum Verspielen oder für kommerzielle Aktivitäten) eidlich versichern. Die jeweiligen etablierten Monti di Pietà ließen sich oft vom Papst durch Privilegien bestätigen und verbreiteten sich im Laufe von hundert Jahren in über zweihundert Städten Italiens, wie Vittorino Meneghin11 nachgewiesen hat. Die Entwicklung, die aus der unten abgebildeten Karte ersichtlich wird, zeigt einen ersten Schwerpunkt von Gründungen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zunächst in Mittel- und Norditalien. Im Süden des Landes erscheinen Gründungen von Monti erst im Laufe des 16. Jahrhunderts. Ein Grund für diese ungleiche Verteilung können die unterschiedlichen Regierungsformen sein: im Norden die von wirtschaftlich vernetzten und versierten Oligarchen geführten Stadtstaaten und der zentralistische Kirchenstaat, im Süden dagegen monarchisch regierte Gebiete. Zudem war im Norden und in der Mitte des Landes die allgemeine Wirtschaftsstruktur durch traditionelle und florierende Handels- und Handwerkszentren geprägt, die eine große Zahl an Arbeitern, Handwerkern und Tagelöhnern aufwies, die häufiger durch konjunkturelle Schwankungen betroffen waren und auf Kleinkredite zurückgreifen mussten. Auch die geografische Lage von Städten wie Perugia im hügeligen und landwirtschaftlich wenig nutzbaren Gebiet des Apennins kann erklären, warum in Zeiten von Mangel und Teuerung eine Nahrungsmittelknappheit – vor allem an Getreide – nicht so schnell ausgeglichen werden konnte. Somit waren mehrere Faktoren maßgeblich für die Gründung der ersten Monti: Regierungsform, Geografie und städtische Wirtschaftsstruktur, Demografie sowie nicht zuletzt das Wirken der Wanderprediger des Franziskanerordens in ihren Kerngebieten. Die Monti waren jedoch nicht nur Pfandleihhäuser, sie entwickelten sich zunehmend zu Anlageinstituten. Diese funktionale Erweiterung ist vor allem mit dem häufig auftretenden Kapitalmangel der Institute und ihrer daraus resultierenden Fragilität zu erklären. Das Kapital, aus dem man die Darlehen speiste, stammte vor allem aus Privatspenden reicher Stadtbürger, einer Vielzahl von Einzelspenden und auch aus städ-

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boni / Maria Giuseppina Muzzarelli (Hg.), I conti dei monti: teoria e pratica amministrativa nei monti di pietà fra Medioevo ed età moderna, Venedig 2008. Englischsprachige Literatur ist rar gesät. Eine Ausnahme bildet das Sonderheft von „Renaissance and Reformation“ herausgegeben von Nicholas Terpstra und Mauro Carboni, The Material Culture of Debt (Centre for Reformation and Renaissance Studies), Toronto 2012, das interessante neue Fragestellungen eröffnet. Außerdem die Studien von Carol Bresnahan Menning, Charity and State in Late Renaissance Italy: The Monte di Pietà of Florence, Ithaca 1993 und Brian Pullan, Rich and Poor in Renaissance Venice: The Social Institutions of a Catholic State, to 1620, Oxford/Cambridge 1971. Eine Einordnung der Monti in die europäische Bankengeschichte bieten die zwei Bände: Banchi pubblici, banchi private e Monti di Pietà nell’Europa preindustriale. Atti del Convegno, Genova 1–6 ottobre 1990, Genua 1991. Vgl. das katalogartige Verzeichnis bei Vittorino Meneghin, I Monti di Pietà in Italia dal 1462 al 1562, Vicenza 1986. Die abgebildete Karte basiert auf den dortigen Angaben.

Abb. 1 Verbreitung der Monti di Pietà im Zeitraum von 1462 bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts

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tischen Einnahmen wie Gerichtsgebühren. In einigen Fällen wurden den Förderern Ablässe gewährt. Die Monti waren an Orten wie Rom als Bruderschaften organisiert, deren Mitglieder einen Jahresbeitrag zahlten und die Institution somit co-finanzierten. Das Modell der Bruderschaft wurde zudem in der zugehörigen memoria für die Mitglieder und den strengen Regeln und Ritualen der Zusammenkünfte verfolgt. In Konkurrenz standen die Monti vor allem zu lokalen Geldverleihern wie den jüdischen und christlichen Pfandleihern, während der „Wettbewerb“ mit großen Kaufmannsbankiers höchstens dann virulent werden konnte, wenn es um das Fundraising durch Jahresrenten, Einlagen oder Anleihen ging. Die Monti erlangten jedoch selten eine Monopolstellung; sie waren neben Hospitälern und Bruderschaften vielmehr eine weitere Institution der städtischen Fürsorge und Vorsorge. Durch die Vergabe von Kleinkrediten ergänzten sie somit die Praxis des allgegenwärtigen informellen Kredits, den man sich in Familien und unter Freunden gewährte. Im Vergleich zum institutionalisierten Kleinkredit ist die Rolle des informellen Kredits nach wie vor ein Desiderat der Forschung, nicht zuletzt aufgrund der problematischen Quellenlage.12 Das Stammpersonal der Monti bestand aus städtischen Beamten. Ein Konservator verwaltete die Pfandgegenstände. Von ihm oder einem Stimatore wurde der Wert des zu versetzenden Gegenstandes geschätzt. Der Konservator stellte einen Schein, die sogenannte polizza oder den bollecta, in zwei- oder dreifacher Ausfertigung aus. Darauf waren der Name, die Art des Pfandes und die Darlehenssumme verzeichnet. Ein Exemplar der polizza bekam der Kunde, mit dem anderen ging er zum Depositarius, der die Kasse verwaltete und das Geld auszahlte. Das dritte Exemplar des Belegs erhielt der Notar, der die Buchführung übernahm. Die Kredite in geringer Höhe wurden entweder für ein halbes oder maximal ein ganzes Jahr gewährt. In der Regel sollten die Pfänder um ein Drittel niedriger als ihr wahrer Wert geschätzt werden, damit, wenn das Pfand versteigert wurde, sowohl die Darlehenssumme als auch der Zins herausgeschlagen werden konnte. Nach dem Ablauf der Frist konnte das Pfand durch die Rückzahlung der entliehenen Summe und eine sogenannte Aufwandsentschädigung von vier bis zehn Prozent ausgelöst werden. Aus den gezahlten Zinsen wurden die Gehälter der städtischen Beamten, die in den Monti arbeiteten, sowie die Miete für die Räumlichkeiten und weitere Ausgaben, z. B. für Heizmaterial und den Erhalt der Gebäude, finanziert. Die Monti waren also nicht auf die Erzielung von Gewinn ausgelegt. Wurden bei den Auktionen Überschüsse erzielt, sollten diese an die ursprünglichen Besitzer zurückfließen.

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Zum informellen Kredit siehe Marcella Lorenzini / Cinzia Lorandini / D’Maris Coffman (Hg.), Financing in Europe. Evolution, Coexistence and Complementarity of Lending Practices from the Middle Ages to Modern Times, Basingstoke 2018. Informeller Kredit wird dort wie folgt definiert: „Informal credit in particular refers to transactions that are not intermediated by operators specialized in matching demand and supply, namely professionals whose specialization was other than this, like for instance notaries, scriveners, merchants and even religious institutions.“ Ebd., S. 2.

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Aus dieser Praxis speiste sich das Hauptargument der Befürworter der Monti, die sie als rein karitative Institution und damit als der Konkurrenz überlegen betrachteten. Daneben war die Klientel, dem die Monti dienen sollten, wesentlich. Das Angebot der Monti di Pietà richtete sich nämlich an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe: die arbeitenden Armen. Doch wer genau gehörte dieser Gruppe an? Wie lassen sich die scheinbar gegensätzlichen Aspekte Armut und Arbeit in einem Konzept miteinander verbinden? Und wie definieren HistorikerInnen den Armutsbegriff für das späte Mittelalter? 1.1.2 Welche Armen? Die Forschung zu Armut und den pauperes im Mittelalter hat sich traditionell den ganz Armen, den Bettlern, Waisen, Randgruppen, gewidmet.13 Diese konzeptuellen Ansätze betonen den Status der Armen als Machtlose, gekennzeichnet von Abhängigkeit und Unterordnung in einem herrschaftlichen und leistungsorientierten Kontext,14 und ordnen diese in das Deutungsschema einer christlichen Weltdeutung ein.15 Die Fürsorge der christlichen Gemeinschaft, insbesondere der Reichen und Mächtigen, für die „würdigen“ Armen, Kranke, Alte, Kinder, Witwen, durch Almosen und Spenden und somit ihre Integration ins Gemeinwesen war im Mittelalter eine theologisch fundier13

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Michel Mollat, Die Armen im Mittelalter, München 1984; Bronislaw Geremek, Geschichte der Armut. Elend und Barmherzigkeit in Europa, München/Zürich 1988; Robert Jütte, Arme, Bettler, Beutelschneider. Eine Sozialgeschichte der Armut in der Frühen Neuzeit, aus dem Englischen von Rainer von Savigny, Weimar 2000; Otto-Gerhard Oexle, Armut, Armutsbegriff und Armenfürsorge im Mittelalter, in: Christoph Sachße (Hg.), Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, Frankfurt/Main 1986, S. 73–100. Joseph Morsel, Les „pauvres gens“ (arme Leute) en Haute-Allemagne à la fin du Moyen Age. Ou: une histoire des petits gens a-t-elle un sens?, in: Pierre Boglioni / Robert Delort / Claude Gauvard (Hg.), Le petit peuple dans l’occident médiéval: terminologies, perceptions, réalités, Paris 2002, S. 153–172. Er nähert sich dem Thema der kleinen Leute mit einem begriffsgeschichtlichen Ansatz anhand fränkischer Quellen vom 13. bis ins 16. Jahrhundert. Eine weitere Dimension der hier geschilderten Armut ist eben nicht nur der Mangel an Ressourcen, sondern daraus folgend auch das Fehlen „sozialer Stärke“ (Oexle) im Sinne gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit. Siehe auch: Karl Bosl, Potens und Pauper. Begriffsgeschichtliche Studien zur gesellschaftlichen Differenzierung im frühen Mittelalter und zum „Pauperismus“ des Hochmittelalters, in: ders., Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa, München/Wien 1964, S. 106–143. Im Gegensatz zur antiken Vorstellung, die Armut an körperliche Arbeit knüpft und damit beide Größen negativ konnotiert, erfuhr der Armutsbegriff im frühen Christentum eine klare Aufwertung, gespiegelt etwa in Maximen, wie „Selig sind die Armen“ (Lk 6,20 oder Mt 5,3) und als Nachfolger Christi. Somit wurde den Armen ein wichtiger Platz in der Heilsgeschichte zuteil. Als Objekte der Fürsorgepflicht der Reichen und Produktiven wurde ihrer Existenz ein gesellschaftlicher und ethischer Sinn zugeschrieben. Zugleich wertet das Christentum die Arbeit insbesondere in den Ordensregeln, etwa der Benediktiner oder der Schrift des Augustinus über die Handarbeit der Mönche, als notwendige Aufgabe des Selbsterhalts sowie der Abkehr vom Müßiggang auf. Vgl. Oexle, Armut, S. 73–75.

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te, da heilsgeschichtlich verankernde und wohlorganisierte Aufgabe.16 Otto-Gerhard Oexle hat den Wandel der Deutungen von Armut und der daraus resultierenden Maßnahmen zur Armutsbekämpfung vom hohen bis ins späte Mittelalter treffend als Übergang von der Armenfürsorge zur Armutspolitik bezeichnet. Er konstatiert auch eine Verschärfung des Gegensatzes von Armut und Arbeit im Spätmittelalter. Unter dem Eindruck und als Folge des demografischen Einschnitts nach der Pest von 1347/4817 bildete sich eine neue Wahrnehmung der Armut heraus, die stärker den Gegensatz von „würdigen“ und „unwürdigen“ Armen betonte. Als die „unwürdigen“ Armen wurden seit dem 14. Jahrhundert und auch noch im deutschen Humanismus die zwar arbeitsfähigen, jedoch „unterbeschäftigten, arbeitslosen und unterbezahlten Armen“ gesehen, die im Gegensatz zu den „würdigen“ nicht arbeitsfähigen Armen standen.18 Dass temporäre Arbeitsunfähigkeit zur Lebensrealität eines grundsätzlich arbeitsfähigen Menschen gehören konnte und damit auf die Hinfälligkeit dieser Dichotomie vor dem Hintergrund der Lebenswirklichkeit eines Großteils der Bevölkerung verweist, scheint deutlich in der zeitgenössischen Literatur zu den Monti di Pietà auf. Auch die scheinbar gegensätzlichen makroökonomischen Entwicklungen des 15. und 16. Jahrhunderts – ein Bevölkerungsanstieg seit dem Ende des 15. Jahrhunderts und die sogenannte „Preisrevolution“, also ein Preisanstieg und der Fall der Reallöhne – führten zur erneuten Zunahme der Zahl der Armen. Ein Resultat dieser zweiten großen Armutsphase am Übergang vom Mittelalter in die Neuzeit war eben jene oben erwähnte, von „Zentralisierung, Kontrolle und Einschärfung der Arbeitspflicht“ gekennzeichnete obrigkeitliche Armenpolitik, sichtbar etwa im Ausbau des Hospitalwesens oder in der vermehrten Gründung von Absicherungs- und Vorsorgeeinrichtungen wie Bruderschaften.19 16 17

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Ebd., passim. Ebenfalls zum Armutsbegriff und zur Typologie der Armut: Fischer, Städtische Armut, S. 17–42. Diese löste die sogenannte „Krise des Spätmittelalters“ aus, die von Oexle als Bündel vielschichtiger Vorgänge beschrieben wurde. Dazu zählte die einerseits kurzfristig sichtbare Zirkulation erhöhter Geldmengen und verfügbarer Sachwerte, zum anderen der langfristige Rückgang der Getreidepreise bei gleichzeitiger Produktivitätsreduktion. Kurzfristiger Aufschwung durch Lohnanstiege ereignete sich parallel und gleichzeitig mit einer langfristigen Rezession durch den Arbeitskräftemangel. Elemente des wirtschaftlichen Auf- und Abschwungs überlagerten sich als Folge der Pest. Hinzu kamen die Folgen von Krankheit, Mortalität und erzwungener Mobilität. Oexle, Armut, S. 86. Er nennt u. a. Martin Luthers Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ von 1520 mit dem paulinischen Satz, dass nicht essen solle, wer nicht arbeite. Oder auch die Schrift „Von der Arbeit und vom Betteln“ aus dem Jahr 1523 des Augustinereremiten Wenzel Linck, ebd., S. 94. Oexle selbst zeigt sich verwundert über diese Kontinuität, „nicht deshalb, weil sie die vielerörterte Epochenschwelle von 1500 […] überschreitet, sondern weil sie tiefgehende Veränderungen der Wirtschaftslage gewissermaßen ignoriert. Mit anderen Worten: die im 14. Jahrhundert auftretenden neuen Wertungen haben sich vor und nach 1500 weiterentwickelt unter demographischen und konjunkturellen Bedingungen, die denen des 14. Jahrhunderts grundsätzlich entgegengesetzt waren.“ Ebd. Oexle, Armut, S. 87, 94; Fischer, Städtische Armut, passim.

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Für den Untersuchungszeitraum dieser Studie kann und sollte die oben skizzierte moralische Auffassung von Armut demnach ergänzt werden. Eine breitere Definition von „arm sein“ erreicht sie durch den Blick auf die arbeitenden Armen, die zugleich die Mehrheit der mittelalterlichen Menschen ausmachten; sie unternimmt also einen sozioökonomischen Zugriff. Zwar gehörte auch zum mittelalterlichen Verständnis von Armut der Zustand ungenügender Ressourcen und des Mangels, doch galt die langfristige Verhinderung von Armut nicht als Ziel der Armenfürsorge. Konjunkturelle Armut betraf einfach zu viele Menschen. Die Sichtweise auf die „labouring poor“ des Spätmittelalters20 als Massenphänomen versucht ihren komplexen und vielschichtigen materiellen Lebensumständen gerecht zu werden, und denkt „Arme“ gleichzeitig von der Mitte der Gesellschaft her und nicht als Randgruppe.21 Zudem verbinden sich in dieser gewandelten Sicht zwei bereits vor dem 14. Jahrhundert in theoretischen und normativen Texten gegensätzlich betrachtete Faktoren, nämlich Armut und Arbeit.22 Die vorliegende Untersuchung leistet somit einen Beitrag zur Erweiterung des Armutsbegriffs für die Vormoderne und zur objektiveren Beschreibung der arbeitenden Armen am Beispiel der Monti di Pietà. Ernst Schubert hat den Begriff des spätmittelalterlichen Pauperismus angeschnitten,23 Sven Rabeler die Relevanz des „vormodernen Pauperismus“ bereits schlüssig belegen können und die Frage gestellt, inwieweit sich dieser Forschungsbegriff für frühere Zeiträume vor 1800 nutzbar machen ließe.24 Das Phänomen des Pauperismus kann auf allen drei thematischen Ebenen, die in dieser Arbeit abgehandelt werden, identifiziert werden: sowohl im wirtschaftstheoretischen

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Hierzu mit vielen anregenden Gedanken und Quellenbelegen zu diesem Armutsbegriff: Sven Rabeler, Pauperismus in der Vormoderne. Beobachtungen zur Existenz und Wahrnehmung der „labouring poor“ in Städten des 14. bis 16. Jahrhunderts, in: Günther Schulz (Hg.), Arm und Reich: zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ungleichheit in der Geschichte, Stuttgart 2015, S. 75– 111. Während Oexle die Entdeckung der „arbeitenden Armen“ der Zeit um 1800 zuordnet, plädiert Rabeler für die Existenz dieser Schicht bereits im ausgehenden Mittelalter. „Am Ausgang des Mittelalters hat die Armut in der Tat viele verschiedene Gesichter. Man kennt nicht mehr nur die traditionell Armen (Witwen, Waisen, Blinde, Lahme), sondern auch zahlreiche neue Formen der Bedürftigkeit. Da viele städtische Lohnarbeiter, Häusler und Tagelöhner unter Bedingungen lebten, die selbst Zeitgenossen als überaus ärmlich bezeichneten, konnten weiträumigere strukturelle und zyklische Veränderungen durch Wirtschaft, Krieg und Klima die Verarmungsprozesse beschleunigen, die im 16. Jahrhundert ungeheure Dimensionen erlangt hatten und in der Frühen Neuzeit wirksam blieben.“ Jütte, Arme, Bettler, Beutelschneider, S. 2. Rabeler schreibt zur Wahrnehmung der Armen vor dem 14. Jahrhundert: „Als arm gilt ihnen der Almosenempfänger, der Bettler, der nur betteln darf, wenn er vor allem körperlich nicht in der Lage ist, sein Brot durch Arbeit zu verdienen, der ‚verschämte Arme‘ oder ‚Hausarme‘, der nicht bettelt obwohl er dazu berechtigt wäre, schließlich der Hospitalbewohner, der ebenfalls Gegenstand städtischer Normensetzung war. Armut erscheint so ausschließlich als Ausdruck relationaler Ungleichheit, die in asymmetrischen Beziehungen manifest wird.“ Rabeler, Pauperismus, S. 79. Schubert, Erscheinungsformen, S. 664 f. Rabeler, Pauperismus, insbesondere S. 80–82. Ebenfalls fruchtbar machte diesen Begriff Schubert, Erscheinungsformen, passim.

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Diskurs um die Armen als auch in der Normensetzung und der Praxis der Armenfürsorge durch die Monti. Neben der aus normativen und theologischen Texten zu erschließenden Wahrnehmung und Deutung der Armut stellen die „realen“ Lebensbedingungen der Armen den scheinbar unscharfen Teil des Bildes dar, das die historische Armutsforschung erzeugt. Zu wenig präzise und aussagekräftig für das Verständnis der Lebensumstände sind die Daten, welche die konkrete materielle Seite der Armut stützen. Dennoch bieten etwa Steuerlisten zumindest Anhaltspunkte. Doch auch hier wird deutlich: Armut wurde in Bezug zur Größe „Einkommen“ in der Geschichtsforschung quantitativ unterschiedlich definiert. Während Erich Maschke einen „Armen“ mit einem Besitz von weniger als 100 Florin,25 ohne Immobilien und ohne Arbeit scheinbar klar und doch sehr großzügig definiert, setzte Rolf Kießling für die Augsburger Mittelschicht um 1475 die Vermögensgrenze bei 75 Gulden26 an. Zu bedenken bleibt, dass arbeitende Frauen, Kinder, alte Menschen sowie Gelegenheitsarbeiter in den Fiskalquellen der Städte meist gar nicht auftauchen,27 obgleich auch sie zur Schicht des populo minuto gezählt werden müssen.28 Hinzu kommt eine ebenfalls schwer greifbare, erzwungene allumfassende Mobilität29 des mittelalterlichen Handwerkerstandes, insbesondere in der Tex-

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Gleiches formulierte Thomas Fischer, der die Armen in primäre und sekundäre Arme nach auf Steuerlisten aus Basel, Freiburg und Straßburg basierenden Einkommen einteilt. In den Bereich der primären Armut fallen all jene, die zwischen 40 und 50 Florin Besitz hatten, deren Zustand gekennzeichnet war von der geringen finanziellen Kapazität, die gerade ausreichte, grundlegende physiologische Bedürfnisse an „narung“, am Existenzminimum zu stillen. Der sekundären Armut sind jene zuzuordnen, deren Besitz zwischen 50 und 100 Florin lag. Sie waren demnach in der Lage auch gesellschaftliche Bedürfnisse zu erfüllen, wie beispielsweise die Zunftzugehörigkeit. Fischer, Städtische Armut, S. 40 f. Vgl. hierzu Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturgeschichte der oberdeutschen Reichsstadt, Augsburg 1971, zitiert bei: Rabeler, Pauperismus, S. 84. Ein Hauptgrund hierfür ist ihre Identität als nicht aufgrund des Bürgerrechts Ansässige. Darunter fallen alle Mittellosen, Knechte, Gesellen, Dienstboten und Arbeiter sowie die völlig arme Unterschicht. Vgl. Schubert, Erscheinungsformen, S. 662. Dieses Argument bringt u. a. Philippe Braunstein, La pauvreté au quotidien: apports et limites des sources médiévales, in: Jean-Pierre Soisson / Claude Thiry / SandrineThonon / Tania van Hemelryck (Hg.), Les niveaux de vie au Moyen Age. Mesures, perceptions et représentations: actes du colloque international de Spa, Louvain-La-Neuve 1999, S. 91–103, hier S. 97. Zu diesem Aspekt des Lebens eines Großteils der arbeitenden Bevölkerung siehe auch Raoudha Guemara in ihrem Aufsatz zu den Wollwebern in Verona (1425–1502): Le „petit peuple“ lainier à Vérone de 1425 à 1502: artisans indispensables, cives allivrés et pauvres laborieux, in: Boglioni et al. (Hg.), Le petit peuple, S. 365–378; Sharon Farmer, Young, Male and Disabled, in: ebd., S. 437–451; Paula Clarke: The Mentality of a Used-Clothes Dealer of the XVth Century, in: ebd., S. 499–507 sowie die faszinierende Studie von Christine Klapisch-Zuber, La vie domestique et ses conflits chez un macon bolonais du XVe siècle, in: ebd., S. 458–498.

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tilindustrie mit schwerwiegenden Folgen für ihren Lebensstandard.30 Ulf Dirlmeier thematisierte darüber hinaus die Schwierigkeit der Erfassung des realen Einkommens eines Lohnhandwerkers und damit die Grenzen der Vergleichbarkeit der Daten für den deutschen Raum aufgrund saisonaler Schwankungen.31 So beziffert er für Nürnberg das Jahreseinkommen eines ungelernten Bauhandwerkers bei fast durchgängiger Beschäftigung (circa 265 Tage32) mit 17 rheinischen Gulden. Ein Bauhandwerksgeselle erzielte bis zu 30 Gulden, ein Meister bis circa 50 Gulden.33 Allerdings müssen diese Zahlen mit Vorsicht betrachtet werden, da die genannten Summen lediglich den Arbeitslohn einer wiederum beschränkten Gruppe von Lohnhandwerkern erfassen und zugleich eventuelle Nebeneinkünfte sowie Naturallöhne (wie bei Dienstpersonal und Gesellen häufig üblich) nicht erfasst sind. Resümiert man die vorliegenden Forschungsergebnisse, so müssen, Oexle zufolge, wohl fünfzig bis sechzig Prozent der Bevölkerung den Armen zugerechnet werden.34 Aufgrund von Steuerlisten lässt sich damit zumindest feststellen, wie „weit existenzbedrohende Armut in die Mittelschicht hineinreicht[e]“.35

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Wie u. a. eine Quelle aus Tournai aus dem Jahr 1443 beschreibt, indem sie die wandernden Handwerker mit Tieren vergleicht: Ainsi que l’on voit naturellement les bêtes et les oiseaux suivent le gras pays et le labourage, et que ils se éloignent du pays désert, pareillement font gens mécaniques et laboureurs, vivant de la peine de leur corps, car ils suivent les lieux et places ou sont les gagnages et fuient les places ou le peuplement est si agrevé de servitude et subsides. Zit. bei Braunstein, La pauvreté au quotidien, S. 98. „Für die tageweise bezahlte handwerkliche Lohnarbeit in den Städten bestehen diese Bedenken nicht im gleichen Umfang, aber es wäre voreilig, die lückenlose Dauerbeschäftigung gegen Zeitlohn von vornherein als Normalität zu unterstellen. Neben Berichten über krisenbedingte Arbeitslosigkeit, vor allem in Textilgewerben, gibt es qualifizierende und quantifizierende Belege dafür, daß auch in den Städten das Arbeitsangebot saisonal geschwankt hat und im Winter deutlich abnahm.“ Ulf Dirlmeier, Zu den materiellen Lebensbedingungen in deutschen Städten des Spätmittelalters: Äußerer Rahmen, Einkommen, Verbrauch, in: Reinhard Elze / Gina Fasoli (Hg.), Stadtadel und Bürgertum in den italienischen und deutschen Städten des Spätmittelalters, Berlin 1991, S. 59–88, hier S. 76. Ausführlicher in seiner Habilitationsschrift: Ulf Dirlmeier, Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdeutschen Städten des Spätmittelalters (Mitte 14. bis Anfang 16. Jahrhunderts), Heidelberg 1978. Siehe Ulrich Pfister, The Inequality of Pay in Pre-modern Germany, Late 15th Century to 1889, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 60/1 (2019), S. 209–243, S. 218, sowie Dirlmeier, Lebensbedingungen, S. 75. Er schreibt zur Zahl der Arbeitstage: „Dauerbeschäftigung gegen Tageslohn muß wohl eher als Ausnahme, nicht als Regel gelten, doch fehlt jede Möglichkeit, die durchschnittliche jährliche Arbeitsdauer zu veranschlagen.“ Er betont an gleicher Stelle, dass insbesondere öffentliche und halböffentliche Arbeitgeber, wie der Stadtbau oder der Kirchenbau längerfristige Beschäftigung boten. Ebd., S. 77. Die Daten zu den Meistern stammen aus Frankfurt und Straßburg. Siehe Dirlmeier, Lebensbedingungen, S. 78. Im Vergleich ermittelt er für den Augsburger Kaufmann Burkhard Zink 200 Gulden Jahresgewinn. Oexle, Armut, S. 83. Diese neuen pauperes der Städte definiert er als Unselbstständige, aus Lohnarbeitern, Tagelöhnern, Handwerksgesellen und Gesinde bestehende Gruppe. Hinzu zählen auch aus dem Umland in die Städte strömende Menschen. Schubert, Erscheinungsformen, S. 662.

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1.1.2.1 Hilfe für die arbeitenden Armen Folgt man dieser Lebenswirklichkeit der arbeitenden Armen zwischen „auskömmlicher Knappheit“ und „bedürftiger Not“,36 so muss man schließlich auch die Armenfürsorge neu denken. Nicht nur die kirchliche Armenhilfe der Hospitäler, der Bruderschaften und die private Wohltätigkeit, wie sie aus Testamenten hervorgeht, sind als Armenhilfe zu bezeichnen. Die Ausweitung der Fürsorgemittel von individueller Barmherzigkeit und Einzelstiftungen auf die kommunale Ebene im Spätmittelalter spiegelt sich auch in den Kleinkrediten gegen Pfand, die die Monti einer Klientel arbeitender Armer anboten. Sie waren eine neuartige Maßnahme der städtischen Armenhilfe, die an eine viel breitere Bevölkerungsgruppe gerichtet war. Denn die Monti liehen eben nicht an die ganz Armen, sondern – so wie auch schon Croce beschrieb – an jene, die über einen geringen materiellen Besitz verfügten, der bei Bedarf in Geld umgewandelt werden konnte. Somit sind es die pauperes pinguiores, die wörtlich übersetzt „fetten Armen“, die im Traktat über die Monti des Dominikaners Annio (Giovanni Nanni) da Viterbo37 als vorrangiger Adressatenkreis der Monti angesprochen werden. Der populo minuto im Italien der Renaissancezeit war eine vielfältige Schicht von Handwerkern, Tagelöhnern, Frauen und Kindern, die durch Krankheit, Kriege, Missernten oder Seuchen und die daraus resultierenden Teuerungen, Unterbeschäftigung38 bzw. Arbeitslosigkeit, die laufenden Kosten für Miete, Schulden, Essen und Kleidung nicht mehr begleichen konnten und so in Armut gerieten.39 Diese Menschen lebten folglich ohne die Möglichkeit Rücklagen zu bilden, quasi „von der Hand in den Mund“. An dieser Stelle waren die Kredite der Monti di Pietà sicher ein wichtiges Abfederungsinstrument. Zugleich bleibt die Frage nach der Verwendung der Kredite durch die Schuldner zum Zwecke von Konsum und Investition. Hier ist mit einer Verzerrung der Perspektive durch die Quellen zu rechnen, da wir so gut wie nichts über die Verwendung der Geldsummen wissen. Bezahlten die Kunden lediglich ihre Rech-

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Rabeler verwendet diese Begriffe in: Pauperismus, S. 92. Siehe dessen innovativen sozialpolitischen Traktat, der sich doch beträchtlich von den franziskanischen Texten unterscheidet: Questiones due disputate super mutuo iudaico et civili et divino, 1492, edite in Mons Pietis. Pro Monte Pietatis consilia, Venedig: Giovanni Tacuino, 1495–97. Abgedruckt und übersetzt bei Severio Amadori, Nelle bisacce di Bernardino da Feltre: Gli scritti giuridici in difesa dei monti di pietà, Bologna 2007, S. 230–273. Hierzu ausführlich das zweite Kapitel dieser Arbeit. Dies betont u. a. Rabeler, Pauperismus, S. 89: „Auszugehen ist davon, dass städtische Arbeitsmärkte auch im 15. Jahrhundert nicht durchweg, aber doch regelmäßig ein strukturelles Überangebot an Arbeitskräften aufwiesen.“ Hierzu beispielweise der umfangreiche und ergiebige Band von Boglioni et al. (Hg.), Le petit peuple. Die Aufsätze des Bandes betrachten das Phänomen in seiner ganzen thematischen und geografischen (Europa-bezogenen) Breite, angefangen mit den Begriffen und der Wahrnehmung der Armut, über den Lebensstandard anhand von Fallstudien bis hin zu kulturellen und religiösen Kriterien der Lebenswelt des populo minuto.

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nungen für Nahrung, Kleidung und Miete oder investierten sie das Geld sogar in neue Werkzeuge oder Maschinen? Dass die Monti schließlich auch von vielen wohlhabenderen Menschen als Depot für Kleider und Haushaltsgegenstände genutzt wurden, soll dabei nicht vergessen werden. Dieser letzte Aspekt suggeriert eine Erweiterung des Kundenkreises, die in einigen Quellen greifbar ist und eine wichtige Ergänzung der Betrachtung der Genese der Monti darstellt.40 Auf die Rolle der arbeitenden Armen als Konsumenten wird in einem nachfolgenden Abschnitt eingegangen. Das Spektrum der unfreiwilligen und freiwilligen41 Armut in der italienischen Stadtgesellschaft des späten Mittelalters und der Renaissance hat Brian Pullan42 treffend analysiert. Er beschreibt u. a. drei verschiedene Gruppen von unfreiwillig Armen, deren differenzierte Klassifizierung aus der Etablierung und Expansion des städtischen Fürsorgewesens im 16. Jahrhundert resultierte.43 Demnach gehörten zur ersten Gruppe der „strukturellen Armen“ oder poveri inabili circa vier bis acht Prozent der Bevölkerung. Diese umfasste Bettler und jene, die vollständig auf die Leistungen karitativer Institutionen wie Hospitäler angewiesen waren, darunter Alte, Kranke, Waisen und teils auch alleinstehende und verwitwete Frauen.44 Die zweite Gruppe der „konjunkturellen Armen“45 oder poveri indigenti zählte circa zwanzig Prozent und bestand aus unqualifizierten Gelegenheitsarbeitern und Geringverdienern (Textilarbeiter, Hausierer, Lastenträger, Gärtner)46 mit einem chronisch ungenügenden Einkommen und dem permanenten Mangel an Rücklagen. Sie waren besonders anfällig für Konjunkturschwankungen und deshalb auf zusätzliche Almosen angewiesen. Die dritte und größte Gruppe mit fünfzig bis siebzig Prozent bildeten berufstätige Handwerker, Tagelöhner, die von temporärer und konjunktureller Armut betroffen sein konnten, 40 41

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Hierzu beispielsweise Maria Giuseppina Muzzarrelli, From the Closet to the Wallet: Pawning Clothes in Renaissance Italy, S. 23–38, sowie die anderen Beiträge des Bandes von Terpstra/Carboni, The Material Culture of Debt. Die freiwillig Armen werden an dieser Stelle ausgeklammert. Siehe hierzu Brian Pullan, Poveri, mendicanti e vagabondi (secoli XIV–XVII), in: Storia d’Italia, Bd. 1: Dal feudalesimo al capitalismo, hg. von Ruggiero Romano, Turin 1978, S. 997–1008, sowie Annette Kehnel, Der freiwillig Arme ist ein potentiell Reicher. Eine Unterscheidung zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Armut, in: dies. / Gert Melville (Hg.), In proposito paupertatis: Studien zum Armutsverständnis der mittelalterlichen Bettelorden (Vita Regularis 13), Münster 2001, S. 203–228. Man kann argumentieren, dass die Identifikation der freiwillig Armen mit den unfreiwillig Armen durchaus zu einem verstärkten Bewusstsein über die Armutsproblematik in den Städten führte. Pullan, Poveri, mendicanti e vagabondi, S. 988–997. „Nel corso del secolo XVI, con la diffusione di una carità istituzionale altamente organizzata e l’introduzione in alcune città di ampi schemi assistenziali, i limiti esterni della povertà possono non essere piu definiti precisamente, ma vi era la tendenza ad annalizzare e a suddividerla in componenti chiaramente descritte.“ Pullan, Poveri, mendicanti e vagabondi, S. 986. Ebd., S. 988 sowie mit Beispielen S. 990 f. Zum Begriff der „pauvres structurels“ und der „pauvres conjuncturels“ siehe J.-P. Gutton, La societé et les pauvres: l’exemple de la généralité de Lyon, 1534–1789, Paris 1971, S. 53, zitiert von Pullan, Poveri, mendicanti e vagabondi, S. 988. Ebd., S. 992–995.

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aber über ein geringes Vermögen verfügten. An dieser Stelle ist es wichtig nochmals zu betonen, dass der Übergang zwischen der letztgenannten Gruppe und den poveri indigenti im 15. und 16. Jahrhundert fließend war.47 Armut ist anhand dieser Befunde als periodisch wiederkehrende Erfahrung des Mangels zu beschreiben und muss demnach auch als flexibler Begriff definiert werden. Dieses abstrakte Bild kann belebt und erweitert werden durch Mikrostudien zu Einzelakteuren, wie dem Bologneser Maurer Gaspare Nadi48 oder dem Apotheker Giovanni Antonio Faie49 aus dem 15. Jahrhundert. Sie geben nicht nur einen wertvollen Einblick in die Mikroebene, sondern zeigen die Angehörigen der Handwerkerschicht des italienischen Spätmittelalters als reflektierende und informierte Individuen. Sozial gesehen war ihre Existenz von zahlreichen Einschnitten und Unsicherheiten geprägt. Wechsel von einer Stadt in die andere, verschiedene Berufe, mehrfache Heiraten, Tod von Familienmitgliedern (Frauen, Ehemänner, Kinder), Phasen von Krankheit und vorübergehender Berufsunfähigkeit prägten ihr Leben. Auch wenn sie ein recht hohes Alter erreichten, beendeten sie es möglicherweise in großer Armut. Die Ein- und Anbindung an den Familienverband der Kinder, Schwiegerfamilien oder Geschwister konnte solche Krisen abfedern. Die Menschen waren häufig in mehreren Berufen ausgebildet und arbeiteten wahrscheinlich nach saisonalen und lokalen Bedarfslagen. Handwerker zogen sehr oft in andere Städte, wenn sich die wirtschaftliche Lage an ihrem Wohnort verschlechterte. Durch Umzüge eines Teils der Familie verließen sie ihr soziales Netzwerk und waren stärker auf sich selbst gestellt. Kamen dann berufsbedingte oder krankheitsbedingte Verletzungen oder dauerhafte Behinderungen hinzu, wurde die Situation prekär, da

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Pullan präzisiert zum fließenden Übergang zwischen den beiden letzteren Gruppen: „Se il livello di esistenza della povertà è caratterizzato dall’impotenza e sopratutto dalla mancanza di sicurezza, si puo dire che anche queste persone ne partecipano, essendo dubbio che esse avrebbero potuto sopravvivere a un arresto realmente prolungato nel commercio o nell’industria, come quello imposto da un’epidemia di peste, senza ricorrere alla pubblica assistenza. Ed era sempre possibile che in qualche momento della loro vita, per malattia, per incidenti, per vecchiaia o morte di un coniuge, essi finissero col passare nelle file dei poveri perpetui o poveri della crisi dai quali distavano nella migliore delle ipotesi soltanto un gradino e dai quali le loro modestissime riserve di proprietà non sarebbero bastate per molto tempo a distinguerli.“ Ebd., S. 989. 48 Eindrücklich ist etwa der Diario des Bologneser Maurers Gaspare Nadi (1418–1504), analysiert von Klapisch-Zuber, La vie domestique. 49 Hierzu Maria Giuseppina Muzzarelli, Consumi e livelli di vita: gruppi socio-professionali a confronto, in: Franco Franceschi (Hg.), Il Medioevo. Dalla dipendenza personale al lavoro contratto, Rom 2017, S. 449–477, hier S. 467. Das autobiografische Werk wurde ediert u. a. unter dem Titel Libro de croniche e memoria e amaystramento per lavenire, ed. M. T. Bicchierai, La Spezia 1997. Siehe auch Giovanni Ciapelli, Memory, Family and Self. Tuscan Family Books and Other European Egodocuments (14th–18th Century), übersetzt von Susan Amanda George, Leiden/Boston 2014, S. 268 f.; S. Bordini, Lo sguardo su di sé. Vita di Giovanni Antonio da Faie speziale, 1409–1470, in: Graziano Tonelli (Hg.), Pier delle Vigne in catene da Borgo San Donnino alla Lunigiana medievale, Atti del convegno (2005–2006), Sarzana 2006, S. 33–64.

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sich die Betroffenen nicht mehr allein durch Arbeit versorgen konnten. Der Abstieg vom Handwerker zum auf Krücken laufenden Bettler scheint durchaus realistisch. Das Überleben war durch hohe individuelle (räumliche) Flexibilität und die temporäre Unterstützung durch das soziale Nahumfeld möglich. Es ist davon auszugehen, dass in einem solchen sozialen Mikrokosmos der Gang zum Monte di Pietà eines von vielen Mitteln war, um an Kredit zu kommen. Vielleicht geschah dies auch erst, wenn alle anderen informellen Möglichkeiten ausgeschöpft waren oder man die familiären Beziehungen nicht weiter strapazieren wollte und konnte. Die verzinste Geldanlage scheint hingegen ein attraktives und innovatives Feld der Selbstvorsorge gewesen zu sein, sei es als Mitgift oder als Altersnotgroschen. Die Armenfürsorge erfuhr eine institutionelle Ausweitung, die in eine quasi „staatliche“ Wohlfahrtspolitik mündete. Die italienischen Stadtstaaten waren als oligarchisch regierte Gemeinschaften ideale Laboratorien dieser neuen sozialpolitischen Handlungsfelder, durch die zudem Macht ausgeübt werden konnte. Die Monti di Pietà waren eine solche neuartige Institution, die karitatives Handeln mit Geld- und Kreditpolitik verband. Der stets am Existenzminimum lebende Handwerker und Arbeiter war der Adressat der Monti, nicht die poveri inabili.50 Um sich den konkreten materiellen Lebensbedingungen der Adressaten dieser neuen Armenfürsorge zu nähern und den Begriff der Armut empirisch zu untermauern, bedarf es des Blickes auf weitere Quellen. Neben den wenigen Selbstzeugnissen arbeitender Armer, geben uns quantitative Lohn- und Preisdaten weitere Hinweise auf den materiellen Lebensstandard der Menschen des späten Mittelalters. 1.1.2.2 Lebensstandard der arbeitenden Armen im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts Obgleich die Aussagekraft zum Lebensstandard der Bevölkerung in Italien im 15. und 16. Jahrhundert häufig auf lückenhaften Daten basiert und über Warenkörbe, sporadische Lohnangaben und Preise nur unzureichend erfasst werden kann,51 kann man doch gewisse Trends der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung dieser Zeit ableiten, die eine weitere Folie der vorliegenden Studie bilden. Die Gründungen der Monti

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Diesen Begriff verwendet z. B. Marina Gazzini, Storie di vita e di malavita. Criminali poveri e altri miserabili nelle carceri di Milano, Florenz 2017, besonders S. 67–75. Gleichermaßen Gutton, La societé e les pauvres, und Pullan, Poveri, mendicanti e vagabondi, passim. Zur kritischen Bewertung der Methoden vormoderner Wirtschaftsgeschichte mit einem umfangreichen Literaturbericht siehe Jean-Pierre Soisson, Les niveaux de vie au bas Moyen Age: en guise d’introduction, in: ders. et al. (Hg.), Les niveaux de vie au Moyen Age, S. 9–29. Im gleichen Band zu den Quellen: Braunstein, La pauvreté au quotidien. Einen Überblick über methodische Zugriffe für das Studium der vormodernen Wirtschaftsgeschichte mit Fallstudien findet sich auch in: Ulla Kypta / Julia Bruch / Tanja Skambraks (Hg.), Methods in Premodern Economic History. Case Studies from the Holy Roman Empire, c.1300–c.1600, Basingstoke 2019.

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im 15. und 16. Jahrhundert ereigneten sich in einer Zeit hoher Volatilität der Preise und Löhne vor dem Hintergrund einer kontinuierlichen langfristigen Teuerung. Die makroökonomischen Großnarrative zwischen Krise und Aufschwung erzeugen ein Spannungsfeld konträrer Bewertungen, die ebenfalls auf die Interpretation der Rolle der Monti di Pietà einwirken. Man kann sie sowohl als Instrument der Krisenbewältigung für einen Großteil der tatsächlich prekär lebenden Bevölkerung in Krisenzeiten sowie als innovatives, öffentlich gesteuertes Kredit- und Bankeninstitut, das den erhöhten Bedarf an Geldmitteln für Konsum und Investitionen der Mittelschicht deckte, beschreiben. Die Kleinkredite der Monti ermöglichten demnach beides: die Teilnahme der Armen am Markt als Konsumenten und Investoren sowie ihre finanzielle Absicherung in Notlagen. 1.1.2.3 Löhne und Preise in Florenz und Rom Wie wirtschafteten die Menschen in Italien im 15. und 16. Jahrhundert?52 Um die Bedeutung der neu gegründeten Banken für die Armen besser zu verstehen, braucht man Einblicke in die Lebensumstände der Kundinnen und Kunden. Dies soll im Folgenden an ausgewählten Beispielen aus Florenz und Rom schlaglichtartig beleuchtet werden.53 Allgemein lässt sich vorab feststellen, dass die vorhandenen Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung in diesen Regionen mit dem allgemeinen Bild der

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An dieser Stelle nenne ich nur vier ausgewählte Klassiker unter den wirtschaftshistorischen Autoren: Paolo Malanima, L’economia italiana: dalla crescita medievale alla crescita contemporanea, Bologna 2002; Pierluigi Ciocca, Storia economica d’Italia, 3 Bde., Mailand 1999. Älter, aber sehr einflussreich: Carlo Maria Cipolla, Money, Prices, and Civilisation in the Mediterranean World. Fifth to Seventeenth Century, Princeton 1956; ders., Storia economica dell’Europa pre-industriale, Bologna 2009; Raymond de Roover / Julius Kirshner (Hg.), Business, Banking and Economic Thought in Late Medieval and Early Modern Europe: Selected Studies, Chicago 1974; Raymond de Roover, Early Banking before 1500 and the Development of Capitalism, in: Revue internationale de l’histoire de la banque 4 (1971), S. 1–16; ders., The Commercial Revolution of the 13th Century, in: Anthony Molho (Hg.), Social and Economic Foundations of the Italian Renaissance, New York, 1969, S. 23–26. Neuerdings einschlägig: Guido Alfani et al. (Hg.), La popolazione italiana del Quatrocento e Cinquecento, Udine 2016; ders. / Matteo Di Tullio (Hg.), The Lion’s Share. Inequality and the Rise of the Fiscal State in Preindustrial Europe, Cambridge 2019. Zur Wirtschaftsgeschichte Perugias siehe die Arbeiten von Alberto Grohmann, Città e territorio tra medioevo ed età moderna (Perugia secc. XIII–XVI), Perugia 1981; ders., Ricchezza e potere a Perugia dall’avvento di Braccio alla guerra del sale (1416–1540), in: Forme e tecniche del potere nella città (secoli XIV–XVII). Annali della Facoltà di Scienze Politiche dell’Università degli Studi di Perugia, 1979/80, S. 127–146; ders., I marginali nella Perugia tardo medievale, in: Per Federico Chabod (1901–1960). Annali della Facoltà di Scienze Politiche dell’Università degli Studi di Perugia, 1980/81, S. 231–248; ders., Spazio urbano e struttura economica a Perugia nel sec. XV, in: Aspetti della vita economica medievale, S. 606–623. Zu Florenz einschlägig: Charles-M. de la Roncière, Prix et salaires à Florence au XIVe siècle (1280–1380), Rom 1982.

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Langzeitentwicklungen von Preisen und Löhnen in Europa im 15. und 16. Jahrhundert kongruent sind.54 1.1.2.4 Lohnverfall und Preisschwankungen in Florenz und Rom – die Monti als Instrument der Krisenbekämpfung Die Preis- und Lohnentwicklung in der Toskana kann der wirtschaftshistorischen Literatur entnommen werden. Das Beispiel Florenz stellt sich im 14. und 15. Jahrhundert wie folgt dar (Abb. 2).55 Deutlich erkennbar sind die starken Schwankungen des Wein- und Weizenpreises bei einer relativen Stabilität der Löhne nach dem Anstieg infolge der ersten Pestepidemie 1348/49.56 In Florenz und Bologna, für die einigermaßen verlässliche Datenreihen aus dem Bauund Textilgewerbe vorliegen, stiegen die Löhne zwischen 1370/90 und dem Beginn des 15. Jahrhunderts um fünfzig Prozent. Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts setzte dann erneut ein Lohnverfall ein. Die ersten Gründungen der Monti di Pietà nach 1462 liegen also in einer Zeit sinkender Löhne bei gleichzeitigen, sehr starken Preisschwankungen. Löhne konnten – so die Daten aus dem Baugewerbe und aus der Textilproduktion – als Stücklohn, als Akkordlohn und auch als forfait-Löhne gezahlt werden. Meister verdienten das Doppelte ungelernter Arbeiter, Frauen generell die Hälfte der Männer. Der Tageslohn eines ausgebildeten Bauhandwerkers in Florenz und Bologna lag am Ende des 14. Jahrhunderts zwischen 12 und 14 Soldi bei circa 200 Arbeitstagen im Jahr.57 Hilfsarbeiter verdienten am Ende des 14. Jahrhunderts bis zu 12 Soldi am Tag, Frauen 4 bis 5 Soldi. Andere Arbeiten liefern im 15. Jahrhundert ein ähnliches Bild. Ein Maurer in der Toskana verdiente 60 Scudi pro Jahr, ein Schulmeister 25 Fiorini.58 Dennoch können aus Lohndaten nur begrenzte Schlussfolgerungen über den Lebensstandard gezogen werden, wissen wir doch wenig bis nichts über Haushaltsgrößen, die Zahl der Kinder, den Wert ihrer und der Frauen Arbeit, über Einschnitte in die Berufstätigkeit durch Krankheiten und Unfälle. Auch lokale oder regionale Krisen, wie die Wirtschaftskrise nach dem Ausbruch der Pest in Florenz 1410–1412 oder während des Hundertjährigen Krieges führten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Unterbeschäftigung, Produktivitätsrückgängen 54

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Charles Henry Wilson / Edwin Ernest Rich (Hg.), The Cambridge Economic History of Europe, Bd. 4: The Economy of Expanding Europe in the 16th and 17th Centuries, Cambridge 1967, Chapter VII: Prices in Europe from 1450 to 1750, S. 374–486; Robert Allen, The Great Divergence in European Wages and Prices from the Middle Ages to the First World War, in: Explorations in Economic History 38/4 (2001), S. 411–447. Ich danke Prof. Dr. Oliver Volckart (LSE London) sehr herzlich für die Bereitstellung der Rohdaten. Hierzu Giuliano Pinto, Il lavoro, la povertà, l’assistenza. Ricerche sulla società medievale, Rom 2008. Ebd, S. 89 f. Todeschini, La banca e il ghetto, S. 200.

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Abb. 2 Preise (Wein, Weizen) und Löhne (ungelernte und gelernte Bauhandwerker) in Florenz (14. und 15. Jahrhundert)

Goldthwaite, R. A. (1980). The Building of Renaissance Florence: An Economic and Social History. Baltimore, London: John Hopkins University Press. skilled building labourers £ per day

Goldthwaite, R. A. (1980). The Building of Renaissance Florence: An Economic and Social History. Baltimore, London: John Hopkins University Press. unskilled building labourers £ per day

Tognetti, S. (1995). Prezzi e salari nella Firenze tardomedievale: un profilo. ASI 153, 263-333. wine £ per barrel (40.7 l)

Tognetti, S. (1995). Prezzi e salari nella Firenze tardomedievale: un profilo. ASI 153, 263-333. wine £ per barrel (40.7 l)

Tognetti, S. (1995). Prezzi e salari nella Firenze tardom edievale: un profilo. ASI 153, 263-333. wheat £ per staio

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und Rezessionen. Die prekäre Lebenssituation der Textilarbeiter in Florenz im späten 14. Jahrhundert fand einen emblematischen Ausdruck im Aufstand der Ciompi im Jahr 1378.59 Der Aufstand der Wollarbeiter von Florenz ist nur ein Symptom der fundamentalen Transformationen der italienischen Gesellschaft im Spätmittelalter, bedingt durch die wirtschaftliche und politische Weiterentwicklung der nord- und zentralitalienischen Stadtstaaten. In ihnen drifteten reiche Händler und Bankiers und arme Handwerker und Lohnarbeiter mit immer weniger Verfügungsgewalt über Produktionsmittel stetig auseinander. Die Oligarchen in Städten wie Venedig, Florenz und Perugia investierten zunehmend in Landbesitz. Somit floss zusätzlich Kapital aus der Stadt ab und verursachte eine generelle Münzknappheit.60 Die hohe Verstädterung Zentralitaliens bei gleichzeitig geringer Landwirtschaft begründete eine chronische Insuffizienz an Getreide und somit einen verstärkten Effekt von Hungerkrisen. Die Stadtoberen versuchten diesem Umstand politisch vorzubeugen, etwa durch die Einrichtung von Getreidevorräten, einer stärkeren Preiskontrolle und Verteilungsämtern wie dem biado. Im Vergleich zu den Städten Zentralitaliens stellte sich die Situation in Rom als Beispiel für den Süden des Landes im 16. Jahrhundert in manchem nicht unähnlich dar. Jean Delumeau hat in seinem Werk zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Roms im 16. Jahrhundert61 genau jene Zeit beleuchtet, in der dort der erste Monte di Pietà (1539) gegründet wurde. Rom konnte im Gegensatz zur Toskana, zu Venezien und Umbrien nicht auf eine besonders leistungsfähige Handwerkerschicht in der Textilproduktion zählen. Die wichtigsten Gewerbe waren neben dem Baugewerbe die Metallverarbeitung und das Minenwesen (Alaunvorkommen vor den Toren Roms in Tolfa). Hoher Konsum und

59 Hierzu etwa Alessandro Stella, „Ciompi … gens de la plus basse condition … crasseux et dépenaillés“: désigner, inférioriser, exclure, in: Boglioni et al. (Hg.), Le petit peuple, S. 145–152. Weiterführend Ernst Piper, Der Aufstand der Ciompi: über den „Tumult“ der Wollarbeiter im Florenz der Frührenaissance, München 2000, und Alessandro Stella, La révolte des Ciompi: les hommes, les lieux, le travail, Paris 1993; Il Tumulto dei Ciompi. Un momento di storia fiorentina ed europea. Convegno internazionale di studi (Firenze, 16–19 settembre 1979), hg. vom Istituto nazionale di studi sul Rinascimento, Florenz 1981. 60 Über die Verteilung von Reichtum und Besitz in Florenz zu Beginn des 15. Jahrhunderts informiert uns auch eine Steuerzählung (catasto) von 1427. Demnach besaßen 14 % der Bevölkerung gar nichts (d. h. keine steuerpflichtigen Güter wie Tiere oder Immobilien), während ein Prozent ein Viertel des Reichtums innehatte. Ein Drittel der Bevölkerung kann als Kleinhandwerker und Lohnarbeiter zur unteren Mittelschicht gezählt werden. Der Erhebung zufolge hatten diese Menschen Besitztümer im Wert von durchschnittlich 200 Lire und besaßen kleine Häuser, Werkstätten und Gärten. Die obere Mittelschicht mit einem durchschnittlichen Vermögen von 1000 Lire bestand aus Ärzten, Handwerkern, Händlern und Notaren. Vgl. Pinto, Il Lavoro, Kapitel 1 und 2 passim, und Pullan, Poveri, mendicanti e vagabondi, S. 993. 61 Jean Delumeau, Vie économique et sociale de Rome dans la seconde moitié du XVIe siècle (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 184), Bd. 1 und 2, Paris 1957 und 1959.

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die Herstellung von Luxusgütern für den Papsthof waren ebenso charakteristisch für die Stadt wie der Handel und Straßenverkauf.62 Vor allem im Baugewerbe, das mit dem Bau des Petersdoms und des Papstpalastes zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine Blütezeit erlebte,63 gab es zahlreiche Beschäftigte. Dem Census von 1526/27 zufolge bestand die Mehrheit der steuerpflichtigen Bevölkerung Roms aus Handwerkern und Händlern: 29 Prozent waren im Bereich Lebensmittelproduktion und -verarbeitung (Metzger, Weinhändler, Bäcker, Fischhändler etc.) tätig, etwa 28 Prozent im Bereich Kleidung und Textilien und 19 Prozent im Bereich Bauen und Materialhandel.64 Diese Erhebung schließt allerdings nicht die ungelernten Arbeiter, Tagelöhner und zugezogene Gelegenheitsarbeiter ein. Die ärmeren, von den Geschicken des Papsthofes weitestgehend unberührten Handwerker bildeten die Kundengruppe der Kleinkreditverleiher und der Monti di Pietà. Wie anderswo auch waren ihre Lebensumstände von einer gewissen Fragilität geprägt, vor allem infolge von Preisschwankungen. Verlässliche Lohndaten aus Rom sind von Bauhandwerkern überliefert und bieten einen weiteren Ansatzpunkt für die Erforschung des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung. Einige Beispiele: Ein Baumeister erhielt einen Tageslohn von 8 Giulii,65 sein Gehilfe die Hälfte. Ein Maurermeister verdiente 4 bis 6 Giulii (= 40 bis 60 Baiocchi) pro Tag, seine Gehilfen erhielten 25 bis 30 Baiocchi. Der Barbier des Papstes verdiente mit circa 20 Baiocchi pro Tag fast genau so viel.66 Folgt man Delumeau, so wird klar, dass die sozialen Gegensätze in der Luxusstadt67 Rom stärker ausgeprägt waren

62

63 64 65 66 67

„Alla fine del Cinquecento, la capitale dello Stato pontificio era una città dai consumi notevolmente elevati e da una produzione destinata quasi esclusivamente ai consumi interni. L’esportazione si limitava a pochi articoli di lusso: carrozze pregiate, strumenti musicali, statue ed altri oggetti d’arte, drappi e qualche lavorazione in lana.“ Vgl. Fausto Piola Caselli, Merci per dogana e consumi alimentari a Roma nel Seicento, in: La popolazione italiana nel Seicento. Relazioni presentate al Convegno di Firenze, 28–30 novembre 1996, Rom 1999, S. 387–409, hier S. 387. Es wurde teilweise sogar an Sonntagen gearbeitet und im Jahr 1589/90 waren 800 Arbeiter an der Petersbasilika beschäftigt. Delumeau, La vie économique, Bd. 1, S. 366. Ebd., S. 369–371; Caselli, Merci per dogana, S. 491. Arcelli zufolge waren etwa 20.000 der 50.000 bis 70.000 Einwohner Roms im 16. Jahrhundert als Handwerker tätig. Arcelli, Banking and Charity, S. 57. Die Hauptwährung in Rom war seit seiner Einführung durch Julian II. 1504 der Giulio. Diese Silbermünze hatte einen Feinmetallgehalt von 3,2 Gramm. Delumeau, La vie économique, S. 395 f. Delumeau gibt auf S. 448 f. den Jahresverdienst des päpstlichen Barbiers mit 72 Scudi an. Dies entspricht einem Monatslohn von 6 Scudi, was wiederum 600 Baiocchi pro Monat entspricht. Daraus lässt sich der Tageslohn von circa 30 Baiocchi (gerechnet auf 20 Arbeitstage) ermitteln. „Quiconque était riche cherchait maintenant à le montrer en se faisant construire une demeure sumptueuse; à l’interieur, les garde-robes étaient pleines d’argenteries que l’on étalait aux jours de reception. On circulait dans des carrosses tendus de riches étoffes, on se ruinait en dots fastueuses. Enfin, on donnait beaucoup plus qu’autrefois aux confréries et aux convents.“ Delumenau, La vie économique, Bd. 1, S. 437.

Historischer Kontext

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als in traditionellen Handwerkerstädten. Unter den ansteigenden Einwohnerzahlen (von 53.897 im Jahr 1526/27 auf über 116.696 im Jahr 1591) waren sehr viele Bettler und Arme, derer sich die 16 Hospitäler der Stadt annahmen.68 Doch auch die Beschäftigen in Rom erlebten Zeiten der Not, beispielsweise durch den Sacco di Roma 1527, durch die Pest 1576 und 1591, durch den Anstieg des Getreidepreises sowie die permanente Steuerlast69 zur Finanzierung der päpstlichen Bauten, der Kriege und Konflikte in der Zeit der Gegenreformation.70 Stellt man den Löhnen die Preise gegenüber, lässt sich das Bild weiter präzisieren. Obgleich keine zuverlässigen Preisreihen für Rom in diesem Zeitraum existieren, wird ersichtlich, dass im Verlauf des 16. Jahrhunderts die Preise kontinuierlich anstiegen. Besonders der Weizenpreis war starken Schwankungen unterworfen und erhöhte sich beispielsweise von fast 38 Giulii pro Rubbio (294,46 Liter) im Jahr 1544 auf 110,6 Giulii im Jahr 1591.71 Andere Nahrungsmittel wie Wein und Öl erfuhren eine weniger ausgeprägte Teuerung. Mithilfe der angegebenen Preise für Grundnahrungsmittel und andere Waren bei Caselli lässt sich für das Jahr 1540 ein denkbarer Warenkorb für einen Bauhandwerker (muratore) erstellen, der das Bild noch anschaulicher macht:

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Delumeau nennt und beschreibt alle 16, darunter die ältesten: Santo Spirito in Sassia, Santissimo Salvatore, Santa Maria in Portico, Sant’Antonio Abrate, Santa Naria dell’Orto, San Lazzaro, Hospital der armen Brüder, mit insgesamt circa 500 Betten. Hinzu kamen noch kleinere Einrichtungen der einzelnen Nationen oder Korporationen. Alle diese Einrichtungen waren spendenfinanziert. Die Päpste unterstützten dies, besonders Pius V. und Sixtus V. Er erbaute ein eigenes Hospital an der Ponte Sisto für 30.000 Dukaten, darin wohnten über 1.000 Arme. Unter Pius V. und Sixtus V. wurden ebenfalls Waisenhäuser für ehemalige Kurtisanen und Mädchen gegründet, wie der Convento della Minerva, der den Mädchen eine Mitgift von 35 Scudi auszahlte. Ebd., S. 408–410. Besonders Papst Sixtus V. (1585–1590) führte eine rigorose Spar- und Finanzpolitik durch 18 neue Steuern ein, z. B. auf Textilien (1585), Feuerholz (1587), Spielkarten (1587), Maße und Gewichte, Weineinzelhandel, auf Verträge und Briefe, Leder und Häute. Er akkumulierte in seiner knapp fünfjährigen Amtszeit 2.649.000 Golddukaten und 1.155.043 Silberdukaten. Die Goldreserven wurden für folgende Zecke vorgesehen: die Wiedererlangung des heiligen Landes, Hungersnöte, den Krieg gegen die Türken, die Pest, direkte Bedrohung des Kirchenstaates, Invasionen, Wiedereroberung einer Stadt, die zum Kirchenstaat gerechnet wurde. Ebd., S. 766 f. Neben dem Sacco di Roma, der sehr hohe Summen zur Freilassung und Freikauf Gefangener nach sich zog, spielten folgende Konflikte eine Rolle: gegen die Reformatoren im Reich 1546 (Kosten 300.000 Dukaten); gegen die Türken; der Papst unterstützte Karl V. mit 20.000 Dukaten pro Monat 1537; gegen die Spanier 1556–1557 (Kosten 1,5 Millionen); die Türkenfahrt unter Pius V. 1570– 1573 (Kosten 335.000 Dukaten); sowie die Unterstützung der Gegenreformation in Frankreich, Transsilvanien, Köln und Polen. Ebd., S. 760 f. Delumeau wertete die Preisdaten von drei Hospitälern, Stiften und noblen Haushalten für eine Reihe von Gütern aus, darunter Hammelfleisch, Lammfleisch, Eier, Konfekt, Wachs, Pfeffer, Feuerholz, Weißwein, Öl und eben Weizen. Vgl. ebd., S. 689–742.

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1 Leib Brot (8 Unzen schwer) für 1 Baiocco ein Pfund Käse für 6 Baiocchi ein halbes Pfund Lammfleisch für 1,5 Baiocchi72 ein halber Liter Weißwein für 1,18 Baiocchi73 0,38 Liter Öl für 2,6 Baiocchi74 Gesamt: etwa 12,28 Baiocchi

Selbst wenn man den Wein nicht mitrechnet, ergeben sich tägliche Lebensmittelkosten von etwa 13 Baiocchi. Bei einem Tageslohn von 25 bis 30 Baiocchi könnte ein Maurergehilfe oder der Barbier des Papstes dann maximal zwei bis drei Personen ernähren. Der Maurermeister konnte mit seinem Lohn wohl bis zu sechs Personen verköstigen.75 Folgt man diesen Zahlen kritiklos, so scheint es, dass idealiter keine generelle Versorgungsknappheit mit Lebensmitteln herrschte. Die Löhne wären in Rom im Verhältnis zu den Preisen ausreichend gewesen, um sich und andere Haushaltsmitglieder zu ernähren. Wenn es also möglich war, aus dem Arbeitslohn die Grundversorgung mit Lebensmitteln zu sichern, so ergibt sich die Frage, wofür dann die Kleinkredite der Monti in Rom eingesetzt wurden. Nicht zur Deckung des täglichen Bedarfs in normalen Zeiten, aber man brauchte sicherlich zusätzliches Geld in Krisenzeiten oder bei Ausfällen durch Krankheit, Tod, Kriege, Missernten, Seuchen, die zu kurzfristigen Preisanstiegen und Hungerkrisen führten wie etwa im Jahr 1591. Dann reichte dem Maurergehilfen sein Gehalt von 25 Baiocchi pro Tag nicht mehr, um seinen Bedarf zu decken. Rechnet man die Miete für ein Zimmer hinzu – sie betrug in Rom circa einen halben Scudo, also 50 Baiocchi für ein halbes Jahr –, dann kann man sich vorstellen, wie schnell das Geld knapp wurde. So lebte ein Großteil der Menschen prekär, d. h. ohne Rücklagen, am Existenzminimum. Zur Basisversorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung und Wohnraum kamen selbstverständlich weitere Zahlungsverpflichtungen, die zur Akkumulation von Außenständen führen konnten. Hier kommen die verschiedenen privaten und öffentlichen

72

Dieser Wert ist sicher noch etwas zu hoch angesetzt. Die Menge basiert auf einem Mittelwert von 50 kg pro Jahr. Demnach wäre der Tagesverbrauch (50 kg : 365 = 0,1369) durchschnittlich 137 Gramm. Er liegt zwischen den bekannten Schätzungen des Jahresverbrauchs an Fleisch für jene Zeit. Delumeau zufolge lag der Fleischkonsum am Ende des 15. Jahrhunderts bei 60 kg jährlich. Delumeau, La vie économique, Bd. 1, S. 122. Die jährliche Verbrauchsmenge an Fleisch betrug laut Caselli zu Beginn des 18. Jahrhunderts zwischen 30 und 40 kg. Caselli, Merci per dogana, S. 402, Tabelle 5. Diese Zahlen decken sich in etwa mit denen Allens: Allen, Great Divergence, S. 421: Er gibt 26 kg Fleisch pro Jahr an. 73 1540 kostete ein barile (63,39 Liter) Weißwein 15 Giulii oder 150 Baiocchi. Gerechnet auf einen Liter (150 : 63,39) ergibt das einen Preis von 0,236 Giulii oder 2,366 Baiocchi. Allerdings ist davon auszugehen, dass ärmere Bevölkerungsschichten billigeren Wein konsumierten. Zu beachten ist auch, dass die Preisdaten aus teilweise noblen Haushalten stammen, demnach von anderen Qualitäten auszugehen ist. 74 1540: Preis pro bocal (2,3 Liter): 15,5 Bolognini; die Hälfte kostete 7,75, ein Drittel Liter kostete demnach 2,58 Baiocchi. 75 Diese Rechnung liefert auch Caselli, Merci per dogana, S. 394.

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25

Linear (Wein in giulii pro barile) Linear (Weizen in giulii pro rubbio) Linear (Öl in bolognini pro bocale)

Wein in giulii pro barile Weizen in giulii pro rubbio Öl in bolognini pro bocale

Abb. 3 Preisentwicklung (Wein, Öl, Weizen) in Rom (1525 bis 1633)

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0

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35 33 30,4 32,1 32,6 27,7 26,2

54,7

23,2 26 22,4 24,5 25,4 24,2 21,6 22,7 24 21,5 17,7 18,8 20 19,2 18 20 19 19 19,2 18,1 17 18,75 17 16,5 17 15,5 14,25

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21 20 20,2 17 16 17,5 17 19 18 15,5 16 18 16 17 17 15 15 15 16 16 16 15 11 15 14 13 12,5 12 11 11 11,5 11 12 12 9 7,5

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1605

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120

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Kreditformen ins Spiel, die überall in europäischen Städten im Spätmittelalter existierten und in die alle Schichten der Bevölkerung verwickelt waren.76 Kauf auf Kredit, Rentenkäufe, private Schulden, Immobilienkredite, Mieten für Werkstätten und Wohnungen, Mitgiften und andere Zahlungen summierten sich im Leben jedes Stadtbewohners und betrafen auch die arbeitende Unter- und Mittelschicht. Um die Preisanstiege im Gefüge des lokalen Wirtschaftssystems nachvollziehen zu können, hilft ein Blick auf die Geldzirkulation. Wurde mehr Silber aus der neuen Welt ins Land gebracht, führte dies zu fallenden Silberpreisen und damit zu Inflation und gleichzeitig zur Entwertung von Münzen. Neue minderwertige Münzen wurden eingeführt, beispielsweise unter Sixtus V., damit sank die Kaufkraft des Geldes, was in Zeiten der Knappheit besonders schwerwiegende Folgen hatte. So verursachte die Fiskalpolitik der Päpste solche Entwicklungen und verschlimmerte sie teilweise noch. 1.1.3 Arme als Schuldner und Konsumenten Kreditformen kleiner Leute im spätmittelalterlichen Italien Ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung befand sich an der Grenze der Existenzsicherung. Arbeit und Einkommen reichten häufig nicht aus, um finanzielle Engpässe zu bewältigen. Zudem schuf das Verlagswesen im Produktionsbereich vieler Güter, vor allem in der Textilproduktion, Arbeitsbedingungen, die zusätzliche Einschränkungen mit sich brachten. Arbeitsdienste und Einkommen sowie der Bezug von Rohstoffen waren oft in langfristigen Beziehungen zwischen Verleger und Arbeiter festgelegt und erzeugten schwer zu durchbrechende Abhängigkeitsverhältnisse, die durch ein klares Machtgefälle gekennzeichnet waren und viele Arbeitende in die Verschuldung drängten. Doch wo konnten sich die Armen finanzielle Erleichterung verschaffen in einem System, in dem der Arbeitgeber der Hauptgläubiger war? Konnten Verwandte und Freunde keine Mittel zur Unterstützung im Härtefall bereithalten, standen private Geldverleiher zur Verfügung. Da deren Zinsen häufig jedoch sehr hoch waren, wurde ein solches Darlehen schnell zur Belastung. Die Folge dieser finanziellen Prekarität war die Pfändung der wenigen Besitztümer der zahlungsunfähigen Schuldner77 und nicht selten das Schuldengefängnis, wenn sich keine Fürsprecher fanden oder die Geduld der Gläubiger am Ende war. Ein Beispiel für die Situation von Schuldnern in

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Hierzu der immer noch maßgebliche Aufsatz von Bruno Kuske, Die Entstehung der Kreditwirtschaft und des Kapitalverkehrs, in: Die Kreditwirtschaft. Erster Teil (Kölner Vorträge über Kreditwirtschaft 1), Leipzig 1927, S. 1–79 (ND in: ders., Köln, der Rhein und das Reich. Beiträge aus fünf Jahrzehnten wirtschaftsgeschichtlicher Forschung, Köln/Graz 1956, S. 48–138). Vgl. hierzu Daniel Lord Smail, Legal Plunder. Households and Debt Collection in Late Medieval Europe, Boston/Mass. 2016.

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römischen Gefängnissen gibt erneut Jean Delumenau.78 Er hat die Zahlen anhand der Einträge der Gefängnisse auf dem Capitol, des Corte Savella und des Torre di Nona, im Zeitraum vom 17. Januar 1582 bis 17. Januar 1583 rekonstruiert: dort waren 5.952 Personen wegen Schulden inhaftiert. Dies entspricht mehr als fünf Prozent der Gesamtbevölkerung der Stadt. In Rom gab es deshalb beispielweise allein im 16. Jahrhundert zwei Bruderschaften, die sich ausschließlich der Versorgung und Befreiung von gefangenen Schuldnern annahmen. Aus den Büchern beider Institutionen geht hervor, dass ein Großteil der wegen Schulden inhaftierten Insassen aus dem Handwerkermilieu stammte. Bestätigung finden diese Ergebnisse durch die Forschungen zu anderen europäischen Städten, wie zum Beispiel Paris.79 Hier finden sich Hinweise auf den Umgang mit der Entschuldung oder Umschuldung. Unter den identifizierten Schuldnern im Paris des späten 15. Jahrhunderts befinden sich 85 Prozent Angehörige der unteren Mittelschicht, insbesondere aus der Nahrungsmittelbranche, Arbeiter (35 Prozent) und Handwerker (50 Prozent).80 Die dort dokumentierten Schuldsummen betrugen zwischen acht Solidi und zweihundert Pfund, wobei 60 Prozent aller Schuldensummen unter fünf Livres Parisis lagen. Dieser Betrag entsprach dem Arbeitslohn eines Bauhandwerkers für 50 Tage bzw. dem eines Maurers für 25 Tage.81 78

Delumeau beschreibt diese in La vie économique, Bd. 1, S. 488 f., anhand von Quellen aus dem Vatikanischen Archiv. Die Compagnia della carità und die Compagnia della pietà dei carcerati befreiten die Schuldner aus dem Gefängnis, sie versorgten sie, während sie einsaßen, und überließen ihnen nach ihrer Entlassung ein Startkapital von einem Scudo zum Leben. Ebd., S. 499. Sixtus entschied 1590, jährlich die Summe von 2.050 Scudi an die Compagnia zu geben, die Hälfte an Weihnachten, die andere an Ostern zur Befreiung der einsitzenden Schuldner, die weniger als 100 Scudi schuldeten. 79 Julie Mayade-Claustre, Le petit peuple en difficulté: la prison pour dettes à Paris à la fin du Moyen Age, in: Boglioni et al. (Hg.), Le petit peuple, S. 453–466. Das Register über Inhaftierte im Gefängnis von Paris (Châtelet) aus den Jahren 1488–1489 enthält 629 Fälle (von insgesamt 874) von Inhaftierung wegen Schulden. Die Listen nennen Namen, Berufe und Herkunft der Schuldner, die Schuldsumme sowie den Gläubiger, eventuelle Mitschuldige, den Typ der Schuldverschreibung, die Dauer der Schuld und das Entlassungsdatum. Zu Italien: Gazzini, Storie di vita e di malavita, passim. 80 Ebd. 81 Ähnliche Vergleichsdaten für Italien liefert allesamt Muzzarelli, Consumi e livelli, passim: Die Löhne differierten stark nach dem Grad der Spezialisierung und Tätigkeit. So betrug beispielsweise der Stücklohn eines Bologneser Schneiders laut einem Inventar aus dem Jahr 1463 für ein kleineres Gewand 20 Soldi, für eine Kappe 24 Soldi. Die Florentiner Statuten aus dem 15. Jahrhundert verzeichnen Stücklöhne von 3 bis 4 Lire für ein mehrteiliges Gewand für Männer bzw. Frauen oder zwischen 5 und 40 Soldi. Ein stenditore (er war für das Spannen des Stoffs zuständig) erhielt in der Mitte des 15. Jahrhunderts 50 Fiorini pro Jahr, während ein Scherer 16 und sein Geselle zwischen 11 und 13 Fiorini verdiente. Ein Apotheker in Ausbildung verdiente 8 Fiorini pro Jahr. Vergleichsweise hohe Löhne sind für Reparaturen von Gebäuden belegt, wie die 95 Lire, 2 Soldi und 4 Denari für einen Bologneser Baumeister für das örtliche Bordell am Ende des 14. Jahrhunderts. Ebenfalls gute Löhne erhielten auch die metallverarbeitenden Berufe, besonders Goldschmiede. Für Florenz sind für das 15. Jahrhundert erstaunliche 185 Fiorino Jahreslohn für einen ausländischen Metallschläger überliefert. Ein Vorarbeiter in der Wollindustrie konnte bis zu 100 Fiorini jährlich verdienen. Weitere Löhne im Bereich der Textilveredelung entnimmt Muzzarelli den Dokumenten des Archivio Datini. Anlässlich der Hochzeit seiner Tochter Ginevra zahlte Francesco Datini

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1.1.3.1 Was ist ein Kleinkredit? Betrachtet man die Kreditsummen, die die Monti ausgaben, so wird deutlich, dass die aufgenommenen Kredite in vielen Fällen tatsächlich Kleinkredite waren: sie lagen im Bereich von einem bis zwei Monatslöhnen. Julie Mayade-Claustre leitet auf der Basis ihrer Studie zu Paris eine durchaus spezifische Form des „Kredits der kleinen Leute“82 ab, die drei charakteristische Variablen aufweist, die auch für diese Studie als heuristische Hilfsmittel herangezogen werden können: – das Motiv der Kreditaufnahme: unspezifische Darlehen, Kaufaktivitäten, zu leistende Arbeitsdienste, Mieten; – die Leihdauer: eher kurz, unter einem Jahr; – die geringe Kredithöhe: bis zu einem Monatsgehalt. Außerdem scheint die wiederholte Verschuldung typisch zu sein, ebenso wie eine multiple Schuldenpraxis, d. h. die gleichzeitige Verschuldung eines Schuldners bei mehreren Personen. Es ist weiter zu untersuchen, ob es sich um eine Verschuldung alleine oder mit einem Mitschuldner handelte. Im Falle einer alleinigen Verschuldung könnte man annehmen, dass ärmere Menschen nicht über die gleichen informellen sozialen Sicherungsmechanismen verfügten, die ihnen Bürgen verschaffte, da Verwandte und Freunde wohlmöglich ebenso wenig Mittel besaßen und diese Funktion daher nicht erfüllen konnten. Auch welche Kreditoren den kleinen Leuten Kredit gaben, ist aufschlussreich für den Kleinkredit. Waren es Angehörige des gleichen Berufsstandes (z. B. Meister und Geselle) oder eher unterschiedliche Berufsgruppen (z. B. Handwerker und Händler, etwa Gastwirt und Weinhändler)? Inwiefern lassen sich dadurch Geschäftsbeziehungen verschiedener Berufsgruppen abbilden (etwa zwischen Metzgern und Gerbern, Müllern und Bäckern, Metzgern und Kerzenmachern)? Hinzu kommen hierarchische, etwa grundherrschaftlich basierte Kreditbeziehungen zwischen kleinen Leuten und Klerikern, Universitätsangehörigen oder Beamten. Dieses Profil wiese eher auf arbeits- und dienstbasierte Beziehungen zwischen Schuldner und Gläubiger hin. Setzt man die oben genannten Variablen (Motiv, Dauer und Summen) in Beziehung zu den Krediten der Monti di Pietà, so kann man schlussfolgern, dass die vorgesehenen Leihdauern von drei bis sechs Monaten bis hin zu einem Jahr eine Rückzahlung wahrscheinlich machten. Mehr noch sprechen die Leihsummen, die in der ersten

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Löhne für die Rasur von 30 Ellen Stoff 8 Soldi und 4 Denari, für 36 Ellen paonazzo 12 Soldi und 4 Denari und einen Fiorino und einen Soldo für den Goldschmied für die Verzierung eines Mantels mit Silber. Vergleichen lässt sich auch der Preis für den Schleier der Braut, der einem Drittel bis zu einem ganzen Monatslohn eines Hausdieners oder einer Hausdienerin entsprach (zwischen 11 und 30 Soldi). Mayade-Claustre, Le petit peuple en difficulté, passim.

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Phase der Entwicklung durchschnittlich bis zu drei Scudi83 betragen sollten, dafür, dass eine entsprechende Rückzahlung auch erfolgte. Zudem stützt dies die These, dass es sich bei den Darlehen um Kleinkredite handelt. Vergleicht man die zeitgenössischen Preise in Rom mit den Krediten, so untermauern diese ebenfalls die Klassifizierung jener Darlehen als Kleinkredit. Über die Motive der Leihenden erfahren wir hingegen nur äußerst selten etwas, außer, dass die Schuldner den Eid über die rechte Verwendung ablegen mussten. Bewertet man die wirtschaftliche Situation der arbeitenden Bevölkerung Italiens im Spätmittelalter, so kann man schlussfolgern, dass Pauperisierung und eine prekäre Ökonomie zu den großen Herausforderungen für städtische Regierungen im 15. und 16. Jahrhundert gehörten. Zugleich entwickelte sich in den Städten aber auch eine Konsumgesellschaft, die eine Veränderung der Konsummuster aller Bevölkerungsteile mit sich brachte. Auf diesen wichtigen Aspekt, der ein neues Licht auf die arbeitenden Armen im Kontext der sich im 15. Jahrhundert entfaltenden Konsumgesellschaft wirft, wird nun eingegangen. 1.1.3.2 Arbeitende Arme als Konsumenten Welche Rolle spielte die sogenannte Mittelschicht, also fünfzig bis siebzig Prozent der Bevölkerung, als Konsumenten in den Städten des 15. und 16. Jahrhunderts? In der Forschung zum Lebensstandard der unteren Mittelschicht in italienischen Städten des 15. Jahrhunderts herrscht Einigkeit darüber, dass auch Handwerker Kleidung und Wertgegenstände besaßen, die sie als Wertspeicher, Kapitalanlagen und in Notlagen als Pfänder nutzten. Muzzarreli hat dies u. a. in eingehenden Untersuchungen zur Luxusgesetzgebung in Bologna gezeigt.84 Hier waren auch die Mitglieder der mittleren und unteren Handwerkerschicht Adressaten von Kleiderordnungen. Ein von Kardinal Bessarione im Jahr 1453 in Bologna erlassenes Luxusgesetz bietet detaillierte Einblicke in die Regulierung der Kleidung von Mitgliedern der arte inferiori, zu dem die Tischler, Schuhmacher, Maurer, Schmiede, Kürschner, Schneider, Barbiere, Papiermacher, Gerber, Fischer, Sticker und Färber zählten. Sie durften maximal ein Übergewand besitzen, das aus feinerem Wollstoff oder dunkelbraunem Stoff ohne Verzierungen bestand, versehen mit Eichhörnchenfell oder mit karminroter dünner Seide (taffetà) gefütterten offenen Ärmeln und mit einer Schleppe von der Länge einer halben Elle. Darü83

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In den Büchern der Monti werden Beträge meist in der Rechenwährung Fiorini, Soldi, Denari angegeben. Ein Rechenbeispiel: ein Darlehen von einem Fiorino camera entsprachen circa 95 Baiocchi. Der vielfach erwähnte Scudo (Scudo d’argento) war eine Rechenwährung und entsprach 10 Giulii oder circa 100 Baiocchi. Der Monatslohn eines Maurergehilfen in Rom im 16. Jahrhundert betrug bei einem Tageslohn von circa 25 Baiocchi 75 Giulii (= 750 Baiocchi). Dies sind umgerechnet 7,5 Scudi. Ein Scudo entsprach also einem Siebtel des Monatslohns eines Maurergehilfen. Muzzarelli, Consumi e livelli, passim.

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ber hinaus durften sie ein weiteres Paar Ärmel, zwei Ringe und zwei Stäbe (verghette) besitzen.85 Kleidung diente auch unter Handwerkern als Mittel sozialer Distinktion und kann damit durchaus als Ausdruck einer sich entwickelnden Konsumgesellschaft interpretiert werden. In dieser rückte der Besitz von Konsum- und „Luxus“gütern als Ausdruck des sozialen Status bzw. gesellschaftlicher Partizipation immer stärker in den Vordergrund und erhöhte schließlich auch die Nachfrage nach Krediten. Damit rückt die Frage nach der Verwendung der hier behandelten Kredite in den Blick. Welche Funktion die Kleinkredite der Monti realiter erfüllten, bleibt – unbefriedigenderweise – im Dunkeln. Dennoch ist ihr Einsatz als Konsumkredite über eine reine Krisenbewältigung hinaus keineswegs auszuschließen. Dass tatsächlich relativ wertvolle Gegenstände zum Besitz der hier erwähnten Berufsgruppen gehörten, lässt sich zudem klar aus den Pfandregistern der Monti schließen, die die Pfandobjekte und auch die Berufe der Kunden beschreiben.86 Diese und andere Befunde aus den Quellen verweisen schließlich erneut auf die vielfältigen Abstufungen, die sich hinter dem Begriff der „arbeitenden Armen“ in der Vormoderne verbergen sowie auf die Bedeutung, die jenen Objekten, beispielsweise als Teil der Aussteuer, als Wertspeicher in Krisenzeiten zukam. Temporäre Geldnot und Unsicherheit gehörten ebenso zur Existenz der pauperes pinguiores wie der bescheidene materielle Besitz in Form von Kleidung und einigen Schmuckstücken. Der Erwerb dieser Objekte musste nicht kreditbasiert sein, sie konnten, wie gesagt, als Teile der Aussteuer oder als Erbstücke in den Besitz der Menschen gelangt sein.87 Der Besitz, die Vererbung und Veräußerung von Kleidern und anderen Wertgegenständen durch Handwerker und ihre Familien lässt sich aus Inventaren, Testamenten und teils aus Egodokumenten88 erfassen. Diese Quellen stellen eine wertvolle und notwendige Ergänzung zu den oben genannten Preis- und Lohnreihen dar, erweitern sie die Einblicke in den Lebensstandard der hier untersuchten Gruppe doch beträchtlich. Abschließend lässt sich formulieren: Sowohl die immer wieder auftretenden Finanzkrisen als auch die sich gleichzeitig entwickelnde Konsumgesellschaft erhöhten die Nachfrage nach kurzfristigen Krediten (Konsum und Investition). Die arbeitenden Armen waren somit nicht nur Adressaten einer wohltätigen Sozialpolitik der Monti, sondern mehr und mehr auch aktive Teilnehmer am Markt.

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Ebd., S. 453. Zur Rolle von Kleidern und Schmuck als Wertspeicher siehe das Kapitel 5. Zu den Kleidern als funktional vielschichtige Konsumgüter schreibt Muzzarelli: „abiti che segnalano ricchezza e indicano privilegio, che passano dalla casa paterna a quella maritale e spesso dai cofani dei proprietari ai banchi di pegni, abiti che richiedono investimenti di denaro e di lavoro, che non servono dunque solo a coprirsi e che non fanno ricchi chi li confeziona“, Muzzarelli, Consumi e livelli, S. 469. Beispiele für alle drei Quellentypen bietet Muzzarelli ebd., besonders S. 464–469.

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1.2 Forschungskontexte, Fragestellungen und Vorgehen Der spätmittelalterliche Kleinkredit lässt sich neben der Forschung zu den Monti di Pietà im engeren Sinn in verschiedenen breiteren wirtschafts- und sozialhistorischen Kontexten thematisieren. An dieser Stelle werden nur die wichtigsten Ansätze der Forschung genannt, die diese Arbeit leiten. Zunächst werden die erwähnenswerten wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Forschungsansätze dargestellt, um dann die Überlieferung zusammen mit den Forschungsfragen zu den Monti di Pietà und den Aufbau der Arbeit zu skizzieren. Da die überzeitliche Relevanz des Themas auf der Hand liegt, wird die diachrone Perspektive bis in die Gegenwart stets mitgedacht. So bildet die Forschung zur institutionellen Armutsbekämpfung einen wichtigen Anker dieser Arbeit. Der zweite Forschungskontext, in den diese Studie einzuordnen ist, ist die Geschichte des vormodernen Kredit- und Bankenwesens. Dieses anhand eines geografischen Raums und den Monti als einer interessanten Sonderform zwischen Hilfseinrichtung und Unternehmen zu erforschen, ist das zentrale Anliegen der Untersuchung. Dabei wird der Fokus aber nicht nur auf die insbesondere durch die italienische Forschung gut erschlossenen Kreditinstitute gelegt, sondern auch auf die Kundschaft, also auf die Akteure, die Kredite aufnahmen. Dieser Perspektivwechsel, so ist zu hoffen, kann eine wichtige Ergänzung zur traditionellen Kredit- und Bankengeschichte89 liefern. 1.2.1 Armutsbekämpfung als Thema der longue durée und moral economy Schon vor der Finanzkrise 2008 wurde die Bedeutung von Klein- und Mikrokrediten90 als Hilfsmittel zur Armutsbekämpfung oder -eindämmung erkannt. Die Frage nach der so erlangten Ermächtigung der Armen und ihren Verwirklichungschancen u. a. durch 89

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Raymond de Roover, Money, Banking and Credit in the Formation of Capitalism, in: Hermann van der Wee (Hg.), Fifth International Conference of Economic History, Leningrad 1976, S. 9–17; ders., Money, Banking and Credit in Medieval Bruges. Italian Merchant-Bankers, Lombards, Money-Changers. A Study in the Origins of Banking, Cambridge/Mass. 1948; Peter Spufford, Money and its Use in Medieval Europe, Cambridge 1993; Wolfgang von Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz 1350–1450, 3 Bde., Wiesbaden 1970; John H. Munro, The Medieval Origins of the Financial Revolution: Usury, Rentes, and Negotiability, in: The International History Review 25/3 (2003), S. 505–562. Mikrokredite als ökonomisches wie soziales Entwicklungsinstrument werden wie folgt definiert: „Microfinance has evolved as an economic development approach intended to benefit low-income women and men. The term refers to the provision of financial services to low-income clients, including the self-employed. Financial services generally include savings and credit; however, some microfinance organizations also provide insurance and payment services. In addition to financial intermediation, many MFIs provide social intermediation services such as group formation, development of self-confidence, and training in financial literacy and management capabilities among members of a group. Thus, the definition of microfinance often includes both financial intermediation and social intermediation. Microfinance is not simply banking, it is a development

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eine eigenständige Beteiligung am Marktgeschehen, ist eine drängende Aufgabe, der sich Unternehmer und Denker wie Muhammad Yunus oder Amartya Sen schon vor Jahrzehnten widmeten.91 Die Ansätze beider verbinden die Faktoren „Einkommen“ und „soziale und kulturelle Teilhabe des Individuums“, bleiben allerdings nicht auf das Einkommen als einziges Instrument beschränkt. Der Erfolg der von Yunus 1976 gegründeten Grameen Bank, für die er 2006 den Wirtschaftsnobelpreis erhielt, spricht – trotz mancher Kritikpunkte – für das Gelingen einer solchen, in ein kapitalistisches Wirtschaftssystem integrierten Wohlfahrtpolitik. Yunus’ Initiative ging in den 1970er Jahren eine ganze Reihe großer Mikrofinanzprojekte in Südamerika, Indien und Indonesien voraus.92 Als weiteres Beispiel für alternative Finanzwirtschaft ist das Islamic Banking diskutiert worden, das ähnlich wie die Mikrofinanz funktioniert, jedoch zinsfrei.93 Auch 2019 war die Erforschung der Armutsbekämpfung ein wesentliches Anliegen in den Wirtschaftswissenschaften, wie der Nobelpreis für die Forschergruppe um Esther Duflo, Abhijit Banerjee und Michael Kremer in diesem Jahr belegt.94 Dass die Pfandleihe auch nach Jahrhunderten noch ein wichtiges Mittel der schnellen Darlehensaufnahme für arbeitende Menschen in Krisenzeiten ist, belegt nicht zuletzt

tool.“ Joanna Ledgerwood, Microfinance Handbook: An Institutional and Financial Perspective, Washington 1999, S. 18. 91 Muhammad Yunus, Banker of the Poor. Micro-lending and the Battle against World Poverty, New York 32007; Amartya Sen, Die Idee der Gerechtigkeit, München 22013. 92 Vorgängereinrichtungen waren beispielsweise die christliche „Opportunity International“ (1971 in Kolumbien), die „Accion International“ (1973 in Brasilien) sowie das National Family Planning Coordination Board (in Indonesien mit 5,2 Millionen Kunden). Die NABARD (National Bank für Agriculture and Rural Development) in Indien ist mit 24 Millionen Mitgliedern die größte Organisation für Mikrofinanz. Vgl. Jean-Michel Servet, Art. „Microcrédit“ in: Jean-Louis Laville / Antonio David Cattani (Hg.), Dictionnaire de l’autre économie, Paris 2006, S. 450–459, hier S. 450 f. 93 Der Moraltheologe Scott Bader-Saye beschreibt die zinsfreie Vergabe von Darlehen im Islamic Banking im Vergleich zu den Monti di Pietà und schlussfolgert, dass das Islamic Banking sogar noch weiter ginge beim Schutz des Verhältnisses zwischen Schuldner und Kreditor, da es – auf der Grundlage des Wucherverbots (arabisch: ribâ = Wucher) – völlig profitfrei und damit gerechter sei. Siehe Scott Bader-Saye, Desinterested Money: Islamic Banking, Monti di Pietà, and the Possibility of Moral Finance, in: Journal of the Society of Christian Ethics 33/1 (2013), S. 119–138, besonders S. 130–133. Hochinteressante Parallelen in den von ihm zitierten islamischen Texten zum Wesen des Zinses ergeben sich im Vergleich mit den Argumenten der Dominikaner, die sich für die völlige Zinsfreiheit der Monti aussprachen. Dies wäre ein vielversprechendes transkulturelles Forschungsprojekt. Vgl. zu den Dominikanern Kapitel 2 dieser Arbeit. 94 Diese Forscher des MIT (Duflo und Banerjee) und der Harvard University (Kremer) sind im Bereich der Entwicklungsökonomie tätig und erforschen allgemein die Ursachen von Armut in Schwellen- und Entwicklungsländern mit experimentellen Methoden und in kleinem Maßstab vor Ort. Ein Bereich ihrer Forschung ist die Bildung, die mittels randomisierter kontrollierter Studien stattfindet, um kausale Zusammenhänge, etwa zwischen dem Lernerfolg von SchülerInnen und den Arbeitsbedingungen der Lehrer und verfügbarem Nachhilfeunterricht zu belegen. Andere Forschungsbereiche der Ökonomen sind Geschlechterrollen, Gesundheit und Mikrokredite sowie Verhaltensökonomie. Siehe beispielsweise: Esther Duflo / Abhijit Banerjee, Kampf gegen die Armut, aus dem Französischen von Andrea Hemminger, Berlin 2013, und dies., Gute Ökonomie für harte Zeiten. Sechs Überlebensfragen und wie wir sie besser lösen können, München 2020.

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die Beobachtung, dass sich die italienische Bevölkerung in der Corona-Krise wieder vermehrt an die immer noch existenten Monti di Pietà wandte.95 Ausgehend von der offensichtlichen Aktualität der Erforschung von Armutsbekämpfung und Kleinkrediten gilt es weiterführend, mittels Historisierung die Möglichkeiten alternativer Wirtschaftsweisen mit dem Fokus auf eine epochen- und disziplinübergreifende „moralische Ökonomie“ immer wieder neu zu denken. Diese neuen Zugänge ermöglichen andere Sichtweisen auf menschliches (ökonomisches) Handeln in der Gemeinschaft unter dem Gesichtspunkt der Kooperation zu diskutieren und neue Erklärungen zu etablieren, die einen Paradigmenwechsel bezüglich des auf „Gewinnmaximierung“ und „Eigeninteresse“ ausgerichteten homo oeconomicus einleiten.96 Welchen Wert hat das bonum commune als Antriebsgröße für Sozialpolitik? Welche Rolle spielen allgemein religiöse und spezifisch christliche Werte für die Wirtschaft? Wie gelang es folglich im Spätmittelalter, die christliche Ablehnung von Wucher und Zins mit der Ethik eines prosperierenden Gemeinwesens zu vereinbaren? Dass es mehrere Initiativen der systematischen öffentlichen Wohlfahrt und Armenfürsorge in der Vormoderne bereits seit dem 15. Jahrhundert gab, belegt die Existenz der Monti di Pietà, denen man mit der Neuzeithistorikerin und Soziologin Laurence Fontaine eine integrative Wirkung der armen Schichten in den Markt zuschreiben kann,97 vergleichbar mit den Mikrokrediten verschiedener Kreditinstitute und Banken. Zugleich betrachtete Fontaine die arbeitenden Armen, um die es hier geht, nicht als 95



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Ein eindrückliches Beispiel aus dem aktuellen Zeitgeschehen dokumentierte die italienische Tageszeitung Corriere della sera vom 1. Mai 2020. Sie berichtete von Menschenansammlungen vor dem Turiner Banco di Pegni am 30. April. Zahlreiche Menschen warteten zu jenem Zeitpunkt mit Schmuck und Wertgegenständen, die sie verpfänden wollten, um ihr finanzielles Auskommen bis zum Monatsende zu sichern, oder auch die Ausgaben für die Beerdigung verstorbener Angehöriger zu finanzieren. Die Darlehen im Pfandleihhaus werden innerhalb von 15 Minuten und unbürokratisch zugänglich gemacht. Im Zuge der Krise wurden nicht nur in Italien zahlreiche Menschen arbeitslos oder waren in Kurzarbeit beschäftigt, was zu gravierenden Verdiensteinbußen führte. Diese Nachfrage nach kurzfristigen Krediten befriedigen Leihhäuser auch heute noch. In Turin zahlen die Darlehensnehmer 7 % Zins bei einer Laufzeit von drei, sechs oder neun Monaten. Die Zeitung berichtete von einem Anstieg der Anfragen um 30 % seit März 2020. Vgl. http://torino.corriere.it/ cronaca/20_maggio_01/quelle-code-infinite-al-banco-pegni-la-mia-fede-nuziale-pagare-funeralemio-marito-8be1f75c-8b71-11ea-b0cd-a1732823ac8b.shtml?refresh_ce (01.05.2020). Ein zweites Beispiel aus dem gleichen Zusammenhang findet sich in einem Video über den römischen Monte di Pietà vom 7. Mai 2020 unter dem Titel „A Roma, la fila silenziosa al Monte dei Pegni per vendere i ricordi: ‚Mesi che non lavoro, non so dive vado a finire‘“, Corriere della Sera/CorriereTV Dall’Italia, online unter: https://www.corriere.it/video-articoli/2020/05/07/a-roma-filasilenziosa-monte-pegni-vendere-ricordi-mesi-che-non-lavoro-non-so-dove-vado-finire/0c22cd848f7c-11ea-bb7f d3d655d2211a.shtml?&appunica=true (07.05.2020). Das Video verbirgt die Gesichter der Menschen, die aufgrund der Corona-Krise gezwungen sind, Schmuckstücke beim Monte zu verpfänden. Die Interview-Fragmente verdeutlichen vor allem die persönliche Beziehung der Menschen zu den Objekten. Siehe hierzu die Conclusio der Arbeit. Laurence Fontaine, L’économie morale: pauvreté, crédit et confiance dans l’europe préindustrielle, Paris 2008, sowie dies., Le Marché. Histoire et usages d’une conquete sociale, Paris 2014.

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passive Gruppe, sondern als anpassungsfähige und einfallsreiche Wirtschaftsakteure, die auf vielfältige Weise versuchten ihr Überleben zu sichern.98 Diese Sichtweise führt schließlich zu einer Neudefinition von Armut. Neben der Sichtbarmachung der vielfältigen Überlebensstrategien der arbeitenden Armen soll also auch die Historizität alternativer Formen von Finanzwirtschaft (im Sinne einer moral finance oder monnaie sociale99) aufgezeigt und beschrieben werden. Eine Synthetisierung der Ergebnisse dieser historischen Studie mit den gerade formulierten Fragestellungen und Anknüpfungspunkten wird im Abschlusskapitel der Arbeit unternommen. 1.2.2 Neue Perspektiven: Kleinkredit und Konsumgesellschaft Die Entstehung der Konsumgesellschaft im spätmittelalterlichen Italien ist eines der wirkmächtigsten Narrative der Wirtschaftsgeschichte. Dieses Narrativ basiert auf der Erforschung des Konsumverhaltens der städtischen Eliten, das oftmals in einer ausgeprägten und wenig wirkungsvollen Luxusgesetzgebung ihre Eingrenzung fand.100 Es ist die Geschichte vermeintlich charismatischer Kunstmäzene, der Kaufmannsbankiers, des Adels in den großen Städten wie Florenz, Venedig und Rom, ihrer oft kreditbasierten Anschaffungen, Übertragungen, Erbstreitigkeiten und vor allem Selbstinszenierung. Die Beteiligung der Armen als Konsumenten und Investoren am Markt verweist auf den zweiten Kontext der Forschung und die damit verbundene Frage nach der Rolle dieser Akteure im Hinblick auf die sich entwickelnde Konsumgesellschaft seit dem 14. Jahrhundert. Wie kann man dieses Narrativ einer aufstrebenden und allumfassenden städtischen Konsumkultur mit dem wirtschaftlichen Handeln der arbeitenden Armen verbinden? Waren nicht auch sie Konsumenten, die bestimmte Objekte begehrten bzw. diese nutz98

Laurence Fontaine, Survivre en temps de crise, passim, sowie dies. / Jürgen Schlumbohm (Hg.), Household Strategies for Survival, 1600–2000, Cambridge 2000. 99 Hierzu Jérôme Blanc, Art. „Monnaie Sociale (1)“, und Heloisa Primavera, Art. „Monnaie Sociale (2)“, in: Laville/Cattani (Hg.), Dictionnaire de l’autre économie, S. 460–467 und 468–478. 100 Mit engem Bezug zu den Monti di Pietà: Maria Giuseppina Muzzarelli, Le regole del lusso: apparenza e vita quotidiana dal Medioevo all’età moderna, Bologna 2020; dies, Consumi e livelli; allgemeiner: Maryanne Kowaleski, A Consumer Economy, in: Rosemary Horrox / W. Mark Ormrod (Hg.), A Social History of England, 1200–1500, Cambridge 2006, S. 238–259; Evelyn Samuels Welch, Shopping in the Renaissance: Consumer Cultures in Italy 1400–1600, New Haven/Conn. 2005; Richard A. Goldthwaite, The Empire of Things: Consumer Demand in Renaissance Italy, in: Francis William Kent / Patricia Simons (Hg.), Patronage, Art and Society in Renaissance Italy, Oxford 1987, S. 153–175; Richard Hugh Britnell, Movable Goods before the Consumer Revolution: England c.1300, in: Marc Boone / Martha C. Howell (Hg.), In But Not of the Market. Movable Goods in Late Medieval and Early Modern Urban Society, Brüssel 2007, S. 71–80. Michael Prinz (Hg.), Der lange Weg in den Überfluss: Anfänge und Entwicklung der Konsumgesellschaft seit der Vormoderne, Paderborn 2003; Christopher Dyer, The Consumer and the Market in the Later Middle Ages, in: ders., Everyday Life in Medieval England, London 1994, S. 257–281.

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ten? Die Frage, inwiefern der kleine Mann sich konkret am Marktgeschehen durch den Kleinkredit beteiligen konnte, kann diese Arbeit nicht umfassend beantworten. Doch bietet die Beschäftigung mit der materiellen Kultur des Kleinkredits und der Pfandleihe durch die permanent zirkulierenden Pfandobjekte als Wertspeicher101 einen guten Ansatzpunkt für die hier vorgenommene Analyse der Besitzverhältnisse und indirekt des Konsums bestimmter Güter. Dem Thema der vielfältig eingesetzten Haushaltsobjekte und Alltagsgegenstände als Wertspeicher widmet sich der erste Teil des fünften Kapitels dieser Arbeit anhand von Pfandlisten und -registern. 1.2.3 Kredit als soziales Bindemittel Schuldenverhältnisse schaffen soziale Beziehungen und stellen somit ein wichtiges Mittel sozialer Kohäsion in der longue durée dar.102 Die Kreditgeschichte aus dieser soziologisch und anthropologisch inspirierten Perspektive zu studieren, ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis des Funktionierens menschlicher Gemeinschaften. Insbesondere die informellen Kleinkredite, die im sozialen Nahumfeld der Akteure gleichsam „von allen“ aufgenommen bzw. vergeben wurden, schufen nützliche oder auch schädliche Beziehungen zwischen den Kreditoren und Schuldnern. Mehrere Forschungsarbeiten der letzten Jahrzehnte zu informellen Kleinkrediten im Mittelalter haben aufgezeigt, dass in den kleinteiligen, mittelalterlichen Gesellschaftsverbänden fast jedes Mitglied

101 Hierzu einschlägig: Valentin Groebner, Ökonomie ohne Haus. Zum Wirtschaften armer Leute in Nürnberg am Ende des 15. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 108), Göttingen 1993; ders., Mobile Werte, informelle Ökonomie. Zur Kultur der Armut in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Otto Gerhard Oexle (Hg.), Armut im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 58), Ostfildern 2004, S. 165–187. 102 Vgl. aus einem anthropologischen Blickwinkel: David Graeber, Schulden. Die ersten 5000 Jahre, aus dem Englischen von Ursel Schäfer, Hans Freundl und Stephan Gebauer, Stuttgart 2012, sowie die historischen Arbeiten von: Gabriela Signori, Schuldenwirtschaft. Konsumenten- und Hypothekarkredite im spätmittelalterlichen Basel (Spätmittelalterstudien 4), München 2015; dies. (Hg.), Prekäre Ökonomien. Schulden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Konstanz/München 2014; Gerhard Fouquet / Sven Rabeler, Einleitung, in: dies. (Hg.), Ökonomische Glaubensfragen. Strukturen und Praktiken jüdischen und christlichen Kleinkredits im Spätmittelalter (VSWG Beihefte 242), Stuttgart 2018, S. 9–20; Kurt Andermann / Gerhard Fouquet (Hg.), Zins und Gült: Strukturen des ländlichen Kreditwesens in Spätmittelalter und Frühneuzeit (Kraichtaler Kolloquien 10), Epfendorf 2016, S. 7–15; Hans-Jörg Gilomen, Der Kleinkredit in spätmittelalterlichen Städten. Basel und Zürich im Vergleich, in: Rudolf Holbach / Michel Pauly (Hg.), Städtische Wirtschaft im Mittelalter (FS Franz Irsigler), Köln 2011, S. 109–148; ders., Kredit und Innovation im Spätmittelalter, in: Christian Hesse / Klaus Oschema (Hg.), Aufbruch im Mittelalter. Innovationen in Gesellschaften der Vormoderne, Ostfildern 2010, S. 35–68; Chris Briggs, Credit and Village Society in Fourteenth-Century England, Oxford 2009; Jürgen Schlumbohm, Kreditsicherung und Schuldbeziehungen seit dem späten Mittelalter, in: Gabriele Clemens (Hg.), Schuldenlast und Schuldenwert. Kreditnetzwerke in der europäischen Geschichte 1300–1900 (Trierer Historische Forschungen 65), Trier 2008, S. 339–345.

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mit anderen durch Kredit- und Schuldenbeziehungen verbunden war. Diese sogenannte „ecomomy of obligation“103, wie Craig Muldrew bereits in den 1990er Jahren formulierte, funktionierte durchaus nach anderen Gesichtspunkten als die heutige Wirtschaft. In diesem Zusammenhang ist auch die Rolle von gegenseitigem Vertrauen, sei es Vertrauen in Personen oder Institutionen, einzuordnen.104 Das Hauptproblem des Konzeptes „Vertrauen“ besteht für die historische Forschung zur Vormoderne in seiner schwierigen Operationalisierbarkeit. Dennoch soll im Rückgriff auf bereits etablierte Modelle der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung105 untersucht werden, in welchem Verhältnis interpersonelles und institutionelles Vertrauen zueinander standen und wie die Monti ihrerseits versuchten, Vertrauen aufzubauen. Hierzu ist es notwendig die Funktionsweise und Organisationstruktur der Einrichtung genau zu untersuchen. 1.2.4 Von der caritas zur Sozialpolitik Ursprünge des Wohlfahrtsstaats Denkt man die Problematik nicht von den Akteuren her, sondern mit Blick auf die sich entwickelnden Institutionen des Spätmittelalters wie die öffentlichen Banken oder auch genossenschaftliche Vereinigungen mit karitativem Charakter, so wird deutlich, dass auch hier die „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“106 aufscheint. Wird in der traditionellen Wirtschaftsgeschichte die Entstehung der Genossenschaftsbanken etwa in das 19. Jahrhundert datiert, so muss man dieses Narrativ doch ergänzen durch den Blick auf die Vormoderne, ihre wirtschaftsethischen Grundsätze sowie institutionellen Strukturen, die beide gleichermaßen die Entwicklungen der Moderne vorwegnehmen. Das ist keinesfalls anachronistisch, sprechen die Quellen doch eine deutliche Sprache.107 103 Craig Muldrew, The Economy of Obligation. The Culture of Credit and Social Relations in Early Modern England, Hampshire 1998. 104 Zur Rolle des Vertrauens mit einem Fokus auf den Mittelmeerhandel im 11. Jahrhundert: Avner Greif, Reputation and Coalitions in Medieval Trade: Evidence on the Maghribi Traders, in: The Journal of Economic History 49 (1989), S. 857–882. Zur Abwesenheit des Begriffs im Mittelalter: Dorothea Weltecke, Gab es Vertrauen im Mittelalter? Methodische Überlegungen, in: Ute Frevert (Hg.), Vertrauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003, S. 67–89; Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Konstanz/München 52014. 105 Sheilagh Ogilvie, The Use and Abuse of Trust: Social Capital and its Deployment by Early Modern Guilds, Cesifo Working Paper no. 1302, published online, October 2004. 106 Achim Landwehr, Von der „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“, in: HZ 295/1 (2012), S. 1–34. 107 Ann Katherine Isaacs (Hg.), The Welfare State. Past, Present, Future, Pisa 2002; dies., Welfare in an Italian City-State: Siena and the Hospital of Santa Maria della Scala, in: ebd., S. 169–186; Bas van Bavel / Auke Rijpma, How Important were Formalized Charity and Social Spending before the Rise of the Welfare State? A Long-run Analysis of Selected Western European Cases, 1400–1850, in: The Economic History Review 69 (2016), S. 159–187; Wolfgang Zimmermann, Christliche Caritas und staatliche Wohlfahrt. Sozialfürsorge in den geistlichen Staaten am Ende des Alten Rei-

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Die Arbeit möchte demzufolge zum einen zur Geschichte der Armenfürsorge beitragen, zum anderen zum Verständnis der vormodernen Sozialpolitik und zur Geschichte der Entstehung des Wohlfahrtsstaates. Der Begriff des Wohlfahrtsstaates verweist auf zwei weitere Themen: zum einen auf eine durch die Obrigkeit immer stärker gesteuerte, etablierte und formalisierte Sozialpolitik, die in die Einrichtung von Hilfskassen, öffentlichen Banken und Leihhäusern mündete. Zum anderen auf einen Formalisierungsprozess des Kleinkredits unter öffentlicher Lenkung, der wiederum die Frage aufwirft, in welchem Verhältnis formalisierter/formeller und informeller Kredit im Untersuchungszeitraum standen. Die erste Dimension des Wohlfahrtsdiskurses am Beispiel der Monti betrifft den Zusammenhang zwischen politischer Machtausübung städtischer Oligarchen im Sinne einer „Kompetenzausweitung“,108 die zur Nutzung sozialpolitischer Projekte als deren Vehikel führte. Daraus lässt sich ableiten, dass das wirtschafts- und sozialhistorische Thema „Wohlfahrt“ ein ebenso wichtiger Teil des Diskurses über die Herausbildung dessen, was wir als modernen „Staat“ bezeichnen, sein muss, wie das etablierte Forschungsfeld des öffentlichen Kredits.109 Giacomo Todeschini hat darüber hinaus eindrücklich den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des „Staates“ (gemeint sind die italienischen Stadtstaaten) und seiner administrativen Praktiken über das Feld der Finanz- und Kreditpolitik und der Marginalisierung der jüdischen Minderheiten dargestellt. Seine Ideengeschichte relativiert die Rolle der Franziskaner bei der Entstehung der Monti zugunsten der Oligarchen in gewisser Weise, sie setzt diese aber auch in ein interessantes neues Licht, wenn man die enge Verflechtung bzw. Überschneidung beider Gruppen in der spätmittelalterlichen Stadt betrachtet. Die vorliegende Arbeit kann der Dimension politischer Macht und Wohlfahrt zusätzliche Tiefe verleihen, indem sie zum einen die Rolle der franziskanischen Wirtschaftsethik zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert für die Etablierung dieses Diskurses um Gemeinwohl und Armenfürsorge analysiert. Dies geschieht im zweiten Kapitel dieser Arbeit anhand zahlreicher theologischer und juristischer Schriften und Traktate, überwiegend franziskanischer Autoren. Ein zentrales Thema dieser Texte ist die Auseinandersetzung mit der – vonseiten der Dominikaner ches, in: Kurt Andermann (Hg.), Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches. Versuch einer Bilanz, Tübingen 2004, S. 115–132. 108 Die wichtige Dimension der politischen Motive der veränderten Armenfürsorge thematisiert auch Thomas Fischer überzeugend. Fischer, Städtische Armut, S. 165. Zusammengefasst formuliert er: „Durch den zügigen Ausbau der städtischen Administration ließ sich der Obrigkeitsanspruch in praktische Politik umsetzen, welche nun alle bisher vernachlässigten Bereiche der inneren Ordnung durchdrang. […] Der Begriff des ‚gemein nutz‘ wurde dabei zur Legitimation aller Maßnahmen herangezogen, die in einen rechtsfreien Raum vorstießen. Das traf besonders auf die Sozialgesetzgebung und auf alle administrativen Maßnahmen gegenüber dem Bettelwesen zu.“ Ebd., S. 178 f. 109 Einschlägig David Stasavage, States of Credit: Size, Power, and the Development of European Polities, Princeton/NJ 2001.

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und Augustiner scharf kritisierten – Zinsnahme durch die Monti. Man versuchte vor allem durch vertragsrechtliche Argumente die Legitimität der Zinsen einer christlichen Einrichtung zu belegen. Zudem wird die Rolle der Franziskaner als Mediatoren und Kommunikatoren der Monti herausgearbeitet, wobei auch das sich herausbildende zugehörige Bildprogramm an Beispielen analysiert wird. Eine Konsequenz der erfolgreichen Installation der Monti als innovatives sozialpolitisches Projekt in den italienischen Städten war die damit einhergehende mehr oder weniger erfolgreiche Marginalisierung einer bestimmten konkurrierenden Gruppe, nämlich der Juden. Entgegen der These, dass die Etablierung der Monti zu einer Verdrängung der Juden geführt habe, kann gezeigt werden, dass jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà koexistierten. Neben der erwähnten diskursiven und realen Etablierung der Monti als Ausfluss einer neuen städtischen Sozialpolitik soll ebenfalls das Verhältnis von formalisiertem und informellem Kredit in dieser Arbeit beleuchtet werden. 1.2.5 Die Koexistenz informeller und formeller Kreditmärkte Die Koexistenz informeller und formeller Kreditmärkte im Spätmittelalter, wie sie etwa Gilles Postel-Vinay et al.110 und Avner Greif111 beschreiben, ist ein weiterer anschlussfähiger Forschungskontext für das Thema dieser Studie. Diese Ansätze plädieren für ein vielschichtigeres Verständnis vormoderner Kreditmärkte, jenseits der Dichotomie von interpersonellem limitierten Kredit (also insgesamt schwachen Kreditmärkten der Vormoderne) auf der einen und dem institutionalisierten unpersönlichen Kredit als Katalysator des Kapitalismus auf der anderen Seite. Die Forschungsergebnisse von Hoffmann, Rosenthal und Postel-Vinay belegen, dass auch in informellen Kreditmärkten wie im Paris der Frühen Neuzeit eine hohe Dichte an privaten, jedoch unpersönlichen Kredittransaktionen, hauptsächlich vermittelt von Notaren, existierte. Als informell könnte man jene Kredittransaktionen bezeichnen, „die auf gesetzlich regulierte Konditionen verzichten und nicht durch Akteure zustande kommen, die auf die Vermittlung finanzieller Dienstleistungen spezialisiert oder dazu autorisiert sind“.112 Sie umfassen die kleinen und kleinsten Waren- und Geldgeschäfte,

110 Philipp Hoffmann / Gilles Postel-Vinay / Jean-Laurent Rosenthal, Priceless Markets. The Political Economy of Credit in Paris, 1660–1870, Chicago/London 2000. 111 Der Wirtschaftswissenschaftler Greif untersucht vor allem soziale Institutionen und ihre Rolle für wirtschaftliche Entwicklungen. Avner Greif, Contract Enforceability and Economic Institutions in Early Trade: The Maghribi Traders’ Coalition, in: The American Economic Review 83 (1993), S. 525–548; monografisch: ders., Institutions and the Path to Modern Economy: Lessons from Medieval Trade, Cambridge 2010. 112 Vgl. Tanja Skambraks / Stephan Köhler et al., Kleinkredit und Marktteilhabe in der Vormoderne: Projektdesign, in: Mannheim Working Papers in Premodern Economic History 1/2000, S. 1–12, hier S. 5.

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die nur selten Spuren in den Quellen hinterlassen haben. Vermutlich basierten sie auf mündlichen Absprachen oder wurden in einer Art und Weise dokumentiert, deren Zeugnisse heute weitestgehend verloren sind.113 Erst ab dem 13. Jahrhundert kann man die Verschriftlichung von Kreditgeschäften durch Notare oder Bankiers fassen. Doch auch hier gilt: Je kleiner die betroffenen Geschäfte sind, desto geringer sind die Verschriftlichungs- und ergo Überlieferungschancen. Die parallele Entwicklung von Kreditinstitutionen wie den Monti und ihre professionelle Schriftlichkeit lässt auch die kleinen und kleinsten Kredite erstmals flächendeckend sichtbar werden. Ein zentraler Begriff ist hier die Institution bzw. Institutionen, die Kreditmärkte strukturieren. Darunter fallen zwei unterschiedliche Typen von Regeln und Verstärkungsmechanismen, die Kredittransaktionen einrahmen und steuern: Zum einen die formellen, also durch Gesetze geregelten und einklagbaren Institutionen (wie Zins- und Wuchergesetze des kanonischen Rechts), und zum anderen informelle, implizite, nicht einklagbare Institutionen (wie die Reputation, Vertrauen oder Nächstenliebe).114 Obgleich diese Arbeit vor allem Licht auf formelle Institutionen des Kleinkredits wie Statuten wirft, ist es möglich, anhand der Überlieferung auch informelle Institutionen und damit verbundene Kredittypen zu betrachten, die sich mittelbar aus den Quellen erschließen lassen. Informelle Kreditbeziehungen und bestimmte, auf sie zurückzuführende Kreditformen – jenseits des Kleinkredits der Monti – wie Schuldverschreibungen oder Renten zwischen Stadtbewohnern lassen sich beispielweise aus den Hauptkassenbüchern der Depositenbank, dem zweiten Funktionsbereich des Monte von Rom rekonstruieren. Der somit möglich gewordene Blick auf den informellen Kreditmarkt und die dazugehörigen Kredittypen sowie Kreditoren und Schuldner ist ein wichtiges Zusatzergebnis der Untersuchung der Gestalt und Nutzung des Monte als Depositenbank im sechsten Kapitel. 1.2.6 Überlieferung und Themen der Forschung zu den Monti di Pietà Die vorliegende Studie stützt sich auf eine Vielzahl an archivalischen und edierten Quellen aus verschiedenen italienischen Städten. Dabei ist zu bemerken, dass die Überlieferung durch Asymmetrie und Streuung gekennzeichnet ist. Die Quellen lassen sich gruppieren nach drei Themenbereichen: Diskurs, Norm und Praxis. Diese Trias gab der vorliegenden Arbeit auch ihre Grundstruktur. So wird das Thema nicht 113

Ein eindrückliches Beispiel sind Kerbhölzer, die in ganz Europa verwendet wurden, deren Spuren aber weit verstreut und spärlich sind. Hierzu einführend: Ludolf Kuchenbuch, Pragmatische Rechenhaftigkeit? Kerbhölzer in Bild, Gestalt und Schrift, in: Frühmittelalterliche Studien 36 (2002), S. 469–490; ders., Kerbhölzer in Alteuropa – zwischen Dorfschmiede und Schatzamt, in: Balázs Nagy / Marcell Sebök (Hg.), „… The Man of Many Devices, Who Wandered Full Many Ways …“ (FS János M. Bak), Budapest 1999, S. 303–346. 114 Hoffmann et al., Priceless Markets, S. 12.

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Einleitung

nach lokalen Fallstudien in chronologischer Reihenfolge aufbereitet, sondern bezugnehmend auf die genannten Großnarrative und Forschungsfragen zu den Monti werden die Quellen in folgender Reihung analysiert. Die theologischen und juristischen Traktate, Predigten, Statuten und Bilder aus dem 13. bis zum 16. Jahrhundert werden im Kapitel 2 zur Beantwortung der Frage nach der Rolle der Franziskaner als Mediatoren und Kommunikatoren der Monti bearbeitet. Es geht hier um den theoretischen und rechtlichen Rahmen der Entstehung der Monti, der als Teil eines innovativen Wirtschaftsdiskurses gezielt Verbreitung findet. Dabei geht es nicht nur um die zunehmend sichtbare Flexibilisierung des Wucherbegriffs, sondern auch um die zeitgenössische Deutung der Monti als sozialpolitisches Gemeinschaftsprojekt, an dem die arbeitenden Armen entscheidend mitwirkten. Eine zweite zentrale Forschungsfrage ist die nach dem Verhältnis der Monti zu jüdischen Geldverleihern, die im Kapitel 3 in Form einer Synthese verschiedener Quellen wie Statuten, Traktaten und Kassenbüchern aus verschiedenen Städten behandelt wird, wobei u. a. die Hypothese der Verdrängung der Juden durch die Monti kritisch hinterfragt wird. Die Ebene der Normengebung, die im zweiten und dritten Kapitel jeweils schon anklang, wird in Kapitel 4 in Verbindung zum Institutionalisierungsprozess der Monti und ihrer Organisation am Beispiel von Statuten und Statutenreformen in den Mittelpunkt gerückt. Neben der stetig verbesserten Funktionsweise der Einrichtung wird auch die Frage nach dem Verhältnis von Kredit und Vertrauen näher beleuchtet. In Kapitel 5 und 6 geht es um den Aspekt der Praxis in Bezug auf das Pfandleihgeschäft sowie das Depositengeschäft anhand des Geschäftsschriftgutes verschiedener Monti, wobei vor allem Pfandleihregister, Pfandlisten und Kassenbücher zu einer teils detaillierten quantitativen und qualitativen Analyse herangezogen wurden. Die zentralen Themen sind hier die Rolle der Pfandobjekte als Wertspeicher und ihre gezielte Nutzung durch die Schuldner des Monte, die Versteigerung der Pfandobjekte, die Identität der Klienten sowie die verschiedenen Kredittypen und -netzwerke, die in den Büchern der Depositenbank des römischen Monte fassbar werden. Somit weisen Teile der Überlieferung weit über die Geschichte der Institution hinaus und informieren die Leserin über Formen des informellen Kredits und Kleinkredits, die ansonsten schwer greifbar sind. Bleibt die Frage nach der Verbreitung dieses Erfolgsmodells außerhalb Italiens in der Frühen Neuzeit, ein bisher fast völlig vernachlässigtes Thema der Monti-Forschung. Ein erster Ansatzpunkt hierzu wird in Kapitel 7 anhand der Traktate von Christoph Cuppener aus dem Jahr 1508 sowie Paul Jacob Marperger aus dem Jahr 1715 zur Einführung der Monti im deutschsprachigen Raum erarbeitet. Um etwas vorwegzugreifen: die Empfehlungen Cuppeners als auch Marpergers hatten nur sehr begrenzen Erfolg. Ein positives Beispiel für die Etablierung eines Leihhauses im deutschsprachigen Raum bietet Nürnberg, dem ebenfalls ein Teil des gleichen Kapitels gewidmet ist. Dort wurde das städtische Leihhaus im Jahre 1618 gegründet.

Forschungskontexte, Fragestellungen und Vorgehen

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Im Rahmen der Fallstudien wird ein Vergleich zwischen der frühesten – sozusagen vorbildhaften – Gründung in Perugia, deren hervorragend ediertes Quellenmaterial durch archivalische Quellen ergänzt wird, und einer späten Gründung durchgeführt, die bisher überraschenderweise nur wenig erforscht ist: die Hauptstadt Rom.115 Als drittes Vergleichsobjekt sollte die Stadt Venedig dienen. Dort gab es nie einen Monte. Zusätzlich fußen die hier vorgelegten Ergebnisse auf einer Auswahl an Quellen aus anderen Städten Italiens, welche die drei Schwerpunktfälle ergänzen und einen noch breiteren Vergleich der Institute ermöglichen. Die Gesamtheit der genannten Fragestellungen, Themen und Zugriffe möchte aufzeigen, wie eine grundlegend wirtschafts- und sozialgeschichtliche Fragestellung mit einer umfassenderen kulturgeschichtlich synthetisierenden Perspektive vereint werden kann. Dazu werden Forschungsansätze und Quellen aus den Bereichen der Ideen- und Kirchengeschichte, der Wirtschaftsgeschichte und der Sozialgeschichte synthetisiert. Schließlich ist das zentrale Ziel der gesamten Studie, die Themen Armut, Armenfürsorge, Sozialpolitik und Kredit in ihrer Aktualität darzustellen und Parallelen und Kontinuitäten zu gegenwärtigen Phänomenen, Fragen und Aufgaben aufzuzeigen.

115 Im Laufe der absolvierten und anvisierten Archivrecherchen zur Fallstudie Rom stellte sich heraus, dass die Quellen im dortigen Staatsarchiv und im Vatikanischen Archiv zwar ohne Probleme erschlossen werden konnten, dass die ergänzende wertvolle Überlieferung aus der Fondazione Roma allerdings nicht zugänglich war. Dieser Umstand führte dazu, dass die Quellenbasis zu jenem Fall lückenhaft bleibt. Gleichwohl können anhand der erschlossenen Kassenbücher und der Quellen päpstlicher Provenienz neue Aspekte der Geschichte des römischen Monte di Pietà vorgestellt werden.

2. Franziskanische Wirtschaftsethik und die Entwicklung der Monti di Pietà

Die Gründung und Legimitation der Monti di Pietà war eng verbunden mit dem Wucher- und Zinsdiskurs. Als Kreditanstalt hatten sie nach der Gründung des ersten Monte in Perugia 1462 mit der Frage der Legitimität eines erhobenen Zinses in Höhe von damals zehn Prozent zu kämpfen. Zinsnahme über den reinen Darlehensbetrag stand dem im 12. Jahrhundert mit dem Decretum Gratiani zunehmend formalisierten Kirchenrecht entgegen. Erst im Laufe des 13. Jahrhunderts kristallisierten sich neue Ideen heraus, die bestimmte Formen von Entschädigungen bei der Verleihung von Geld als zulässig erklärten. Dennoch führten diese partiellen Innovationen nicht zu einer sofortigen Veränderung und Anpassung der gesamten Zins- und Wuchertheorie. Dieser Prozess zog sich vom späten 13. Jahrhundert an noch über weitere zwei Jahrhunderte hin und war von polemischen Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Die Träger dieses Diskurses waren seit dem 13. Jahrhundert vor allem die Franziskaner, die im 15. Jahrhundert – und nicht zufällig – auch die Initiatoren und Promotoren der Monti di Pietà waren. Die Monti waren hierbei eine Art Katalysator dieser Veränderungen, da sie die entgeltliche Vergabe von Krediten mit einem christlichen Impetus unter städtischer Leitung verbanden. Diese innovative Praxis erzeugte Erklärungsnot. Die Interdependenz von Ökonomie und Religion mit ihrer Verbindung von menschlichem Handeln und moralischen und religiösen Wertvorstellungen wie dem Seelenheil, Sünde und Buße ist charakteristisch für die spätmittelalterliche Gesellschaft. Dies wird sichtbar in den zeitgenössischen Diskursen um wirtschaftliche Praktiken, seien es Wucher und Zins, der Umgang mit Armut oder die Güterverteilung und das bonum commune. Dieser mehrere Jahrhunderte umfassende dialektische Aushandlungsprozess einer Wirtschaftstheorie, der sich mit der wandelnden sozialen und wirtschaftlichen Ordnung und den darin vorhandenen Praktiken auseinandersetzte, sie reflektierte und sich schließlich selber wandelte, wird in diesem Kapitel stufenweise an Quellen zur frühen franziskanischen Wirtschaftsethik sowie anhand zahlreicher Texte aus dem Kontext der Gründung der Monti (genauer aus den 1470er bis 1490er Jahren) und

Markt und Moral

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Predigten Bernardino da Feltres und späteren Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts analysiert. 2.1 Markt und Moral: franziskanische Innovationen im wirtschaftsethischen Diskurs vor dem 15. Jahrhundert Der prominenteste Vertreter franziskanischer Wirtschaftstheorie im späten 13. Jahrhundert ist Petrus Johannes Olivi (1247–1298), ein Bruder aus Serignan in Südfrankreich, der sein Leben als Lektor im Orden zwischen Narbonne, Paris, Montpellier und Florenz verbrachte. Er erlangte zu Lebzeiten kurzfristige Berühmtheit, weil man ihm im Zuge einer akademischen Auseinandersetzung allzu große Nähe zu den Spiritualen, also zu den Vertretern der radikalen Armut im Orden, nachsagte. Doch verlief sein Leben insgesamt friedlich, er starb nach mehr als drei Jahrzehnten Lehrtätigkeit im Konvent in Narbonne und erst posthum im Zuge des eskalierenden Armutsstreites im Orden geriet er unter Häresieverdacht. Seine Gebeine wurden ausgegraben und verbrannt, seine Werke verboten. Die fünfzig heute noch erhaltenen Werke Olivis offenbaren ein großes Interesse an aktuellen Fragen seiner Zeit, unter anderem solche, die wir heute der Wirtschaftstheorie zuordnen würden. Sylvain Piron, der beste Kenner Olivis, nannte ihn den „kühnsten, aufregendsten und produktivsten aller mittelalterlichen Denker“.1 2.1.1 Kapital und Zins bei Petrus Johannes Olivi Der folgende erste Teil setzt sich mit normativen Aspekten der franziskanischen Wirtschaftsethik anhand von Petrus Iohannis Olivis Tractat De Contractibus aus dem Jahre 1293/94 auseinander.2 Hier geht es konkret um die Frage, wie Olivi den Umgang mit Eigentum, mit Gütern und Geld beschreibt. Außerdem wie und welche Kreditformen er als wucherisch und welche als nicht-wucherisch einstuft. Olivi gilt als Innovator und Vordenker der scholastischen Wirtschaftsethik – spätestens seit der Entdeckung seines Traktats in den 1970er Jahren durch Giacomo Todeschini.3 Olivi folgten im 14. und 15. Jahrhundert weitere, bekanntere Gelehrte wie Bernardino da Siena (1380– 1 2 3

Sylvain Piron, The Formation of Olivi’s Intellectual Project, in: Oliviana 1 (2003), online unter: http://journals.openedition.org/oliviana/8 (04.08.2020). Petrus Iohannis Olivi, De contractibus / Traité des contrats, ins Französische übertragen und zweisprachig ediert von Sylvain Piron, Paris 2012. Giacomo Todeschini, Oeconomia Franciscana: Pietro di Giovanni Olivi come fonte per la storia dell’etica-economica medievale, in: Rivista di storia e letteratura religiosa 13 (1977), S. 461–494; eine kritische Position gegenüber dem Wert und der Einzigartigkeit des Traktats nahmen ein: Julius Kirshner / Kimberly Lo Prete, Peter John Olivi’s Treatises on Contracts of Sale, Usury and Res-

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Franziskanische Wirtschaftsethik und die Entwicklung der Monti di Pietà

1444), Antonius von Florenz (1398–1459) und Bernardino da Feltre (1439–1494), die ihm wichtige Impulse ihrer wirtschaftsethischen Grundsätze verdankten. Die Rezeption der Ideen Olivis und ihr Bezug zu den Monti di Pietà bildet einen Baustein der vorliegenden Untersuchung, liegt in seiner Argumentation zu den Begriffen „Kapital“ und „Entschädigung“ doch ein zentrales Fundament späterer Legitimationsstrategien der Verfechter der Monti. Zusammenfassend gesagt war die langfristige Folge der Innovationen Olivis, dass der Weg zur Errichtung karitativer Kreditanstalten durch städtische Oligarchen geebnet wurde, deren Mediatoren und Kommunikatoren die Franziskaner als wirtschaftsethische Avantgarde waren. 2.1.1.1 Kredit, Leihe und Wucher bei Olivi Das Wohl aller, das bonum commune, gilt unbestritten als zentrales Leitmotiv wirtschaftlichen Handelns im christlich geprägten Mittelalter. In diesem Sinn ist die Balance und die Gerechtigkeit zwischen zwei Parteien, die ein Kaufgeschäft oder einen Kreditvertrag abschließen sowie die Nächstenliebe und das eigene Seelenheil immer im Fokus der Rechtsgelehrten, die eben auch immer christliche Theologen waren. Das Gegenbild zu dieser Balance und Gerechtigkeit ist im Mittelalter der Wucher als Todsünde. Doch sahen sich insbesondere die italienischen Franziskaner als Prediger, Beichtväter und Seelsorger der städtischen Kaufmanns-Oberschicht sowie nicht zuletzt als freiwillig Arme seit den grundlegenden Veränderungen im Zuge der commercial revolution mit praktischen Fragen bezüglich der Verwendung von Reichtum und Besitz – also Eigentum – konfrontiert, die eine Auseinandersetzung und auch eine Präzisierung des Wucherbegriffs unter geänderten und neuen Bedingungen nötig machten. Das Aufkommen der Geldwirtschaft, die Ausweitung des Binnen- und Fernhandels und die Blüte der Städte bilden das Tableau, vor dem sich diese neue Wirtschaftsethik formte und herausbildete. Die Orte des Geschehens waren im 13. Jahrhundert vor allem Mittel- und Norditalien sowie Südfrankreich, wo auch Olivi als Prediger in Narbonne und Marseille tätig war. So zeigen viele Passagen seines Traktats De contractibus direkte Bezüge zur Wirtschaftspraxis des Languedoc am Ende des 13. Jahrhunderts. In diesem Text über die Vertragsformen vereinigt Olivi in der für die Zeit typischen Form des Quodlibet Philosophie, Theologie und Vertragsrecht in drei Kapiteln. Als Manuale für Prediger konzipiert, zeigt das Traktat die enge Verflechtung zwischen theologischer Normensetzung und praktischer Alltagsethik einer urbanen Elite, deren Beichtväter und Prediger die Franziskaner waren. In dieser Rolle erhielten sie unmittelbar Einblicke in die ganz praktischen Fragen des richtigen Handelns ihrer Beicht-

titution: Minorite Economics or Minor Works?, in: Quarderni Fiorentini per la storia del pensiero giuridico moderno 13 (1983), S. 233–286.

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kinder. Denn diese suchten ja nach der Vereinbarkeit ihrer Tätigkeiten als Händler, Unternehmer, Investoren oder Geschäftsleute mit dem normativen wirtschaftsethischen Konzept des bonum commune bzw. der unmittelbar damit verbundenen Sorge um ihr Seelenheil. Denn natürlich waren viele der gängigen Geschäftspraktiken in den Augen der Kirche Wucher, und selbstverständlich hatten die Geschäftsleute kein Interesse daran, ihr Seelenheil leichtsinnig aufs Spiel zu setzen. Daher sahen sich die Beichtväter mit konkreten Konfliktsituationen konfrontiert, in denen eine Synthese zwischen individuellem Profit und Gemeinwohl gefunden werden musste. Ich werde mich an dieser Stelle auf nur zwei Aspekte aus dem Kapitel über den Wucher beschränken, die die Innovativität des Traktats von Olivi besonders vor Augen führen und für das Verständnis der späteren franziskanischen Gutachten zu den Monti von besonderer Bedeutung sind. Dies ist zum einen der Kapitalbegriff, den Olivi einführt, und zum anderen die Bedingungen wucherischer Verträge, die zeigen, dass bezüglich des Wucherbegriffs bereits im späten 13. Jahrhundert eine durchaus große Flexibilität in der diskursiven Qualifizierung von Verträgen herrschte. 2.1.1.2 Kapitalbegriff Der Kapitalbegriff wird in den Abschnitten II, 45–47, II, 51 und II, 63 eingeführt. Ausgehend von dem in der Méditerranée alltäglichen Fallbeispiel des Seehandelsvertrages und der Frage, wer eigentlich das Risiko einer solchen Handelsunternehmung trägt – nämlich derjenige, der das Geld dem Händler zur Verfügung stellt oder derjenige, der die Handelsreise unternimmt – kommt Olivi dazu, den Wert des investierten Geldes näher zu beschreiben. Das Kapital steht hier im Zusammenhang mit dem Risiko, das mit einer Handelsunternehmung verbunden ist. Gleichzeitig meint „Kapital“ hier das Potential, die Aussicht auf Ertrag einer investierten Summe und folglich die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns, also ein Gut oder Wert an sich – deshalb darf es ebenfalls verkauft werden. Olivi entnimmt hierbei den Begriff capitale direkt den Handelsverträgen (commenda) der südfranzösischen Händler. Er leitet seine Reflexionen also direkt aus der ihm bekannten Praxis ab. Dies geht aus Abschnitt II, 63 hervor: Tum quia illud quod in firmo proposito domini sui est ordinatum ad aliquod probabile lucrum, non solum habet racionem simplicis pecunie seu rei, sed eciam ultra hoc quamdam racionem seminalem lucri quam communiter capitale vocamus, et ideo non solum debet reddi simplex valor ipsius, sed ectiam valor superadiunctus.4 Wenn Geld oder Eigentum in einem sicheren Geschäft seines Eigentümers angelegt wird für einen gewissen wahrscheinlichen Gewinn (probabile lucrum), so hat das Geld oder die

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Olivi, De contractibus, Nr. 63, S. 232.

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Sache nicht bloß die einfache Kraft (simplex valor) von Geld oder einer Sache, sondern darüber hinaus eine gewisse (racionem seminalem lucri) samenartige Kraft zur Profiterzeugung, eine Kraft, die wir gemeinhin Kapital (Capitale) nennen; und daher muss dem Eigentümer nicht nur der einfache Wert der Sache (simplex valor) erstattet werden, sondern außerdem noch ein Mehrwert (valor superadiunctus)5

Entgegen der These von der Sterilität des Geldes, wie Aristoteles und Thomas von Aquin behaupten, trägt das Geld also einen produktiven Wert in sich, der durch die Einspeisung in den Wirtschaftskreislauf, durch dynamische Übertragung von Aktivität auf ein an sich totes Medium fruchtbar werden kann. Die Übertragung des Nutzungsrechts dieses Potentials über den eigentlichen Wert hinaus, lässt eine Kompensation in Form des Zinses/interesses als legitim erscheinen. Dies formuliert er in Abschnitt 61 in folgender Präzision des Arguments: Verumptamen super predicto interesse volunt quidam quod non debet exigi interesse lucri quod ex pecunia violenter prestita vel detenta probabiliter factum esset, sed solum interesse omnis dampni quod prestitori ex hoc provenisset. Attamen doctores contrarium tenent, pro eo quod amissio talis lucri quedam dampnificacio fuit huiusmodi prestitoris, et ideo eo ipso quod potest iuste exigere interesse dampni, potest iuste exigere equivalens dampnificacionis talis lucri. Quia tamen capitale violenter detentum non potuit prestitori iuste perdi aut periclitari, sicut poterat in mercando aut negociando, idcirco tantum debet sibi de probabili lucro subtrahi quantum prefata certitudo preponderat incertitudini et periculo quod circa capitale et lucrum postest in mercacionibus contingere.6

Man könnte diese Stelle wie folgt paraphrasieren: währenddessen sagen einige über das Thema eines solchen Zinses, dass man diesen nicht für einen möglichen Profit einfordern sollte, der aufgrund von zwangsweise geliehenem und gehaltenem Geld hätte erzielt werden können. Man solle stattdessen nur Zinsen für den gesamten Schaden, der dem Gläubiger tatsächlich entsteht, nehmen. Die Doktoren (gemeint sind hiermit Raymond de Penaforte und Hostiensis) halten dem entgegen, dass der Verlust eines solchen Gewinns einen Verlust für einen Gläubiger darstellt, und dass er mit Recht den Zins auf Schaden ebenso fordern darf, wie er gerechterweise den gleichen Wert für den entgangenen Profit fordern kann. Da jedoch dieses durch Zwang gehaltene Kapital nicht auf gerechte Weise verloren oder in Gefahr gesetzt werden konnte, wie beim Handel oder Geschäft, muss man aus diesem Grund vom möglichen Gewinn so viel abziehen, wie die Sicherheit die Unsi-

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Michael Wolf, Mehrwert und Impetus bei Petrus Iohannis Olivi. Wissenschaftlicher Paradigmenwechsel im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen im späten Mittelalter, in: Jürgen Miethke / Klaus Schreiner (Hg.), Sozialer Wandel im Mittelalter. Wahrnehmungsformen, Erklärungsmuster, Regelungsmechanismen, Sigmaringen 1994, S. 413–423, hier S. 417. Olivi, De contractibus, Nr. 61, S. 230.

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cherheit übertrifft und so viel das Risiko wert ist, welches das Kapital und den Profit im Zuge dieser Geschäfte beschädigt hätten. Aus dem Risiko und der Unsicherheit des möglichen Verlustes des verliehenen Geldes für den Darlehensgeber leitet Olivi sein Recht auf eine Entschädigung für den dadurch entgangenen Gewinn bei einem anderweitigen Geschäft ab (potest iuste exigere equivalens dampnificacionis talis lucri) und nimmt damit deutlich Bezug zu legitimen Zinsformen. An dieser Stelle begegnen wir dem Konzept des lucrum cessans sowie dem periculum sortis, zwei Formen des legitimen Interesses, die einmal als Entschädigung – auch für einen hypothetisch entgangenen Gewinn – zum anderen als Risikoausgleich definiert werden. Indem Olivi das Kapital also als produktive Größe eines Betrags betrachtet, das ­einen verkäuflichen Mehrwert darstellt, ebnet er den Weg zur Legitimierung bestimmter Formen von Zinsen und weitet damit den Blick von der engen Rechtsklausel des Decretum Gratiani („Alles was über den verliehenen Betrag hinausgeht, ist Wucher“) hin zu der Wirtschaftspraxis entlehnten Formen des Verzugszinses und der Entschädigung. Das ist im 13. Jahrhundert innovativ. Die hier vorgestellte Erweiterung des Begriffes Geld um die Dimension des Kapitals entfernt den Profit oder Gewinn von seiner klassischen Definition als Arbeitslohn und deutet ihn neu als inhärente produktive Kraft eines Gutes, als eine produktive Kraft (racio seminalis), die dem Geld gleich dem „Handwerkszeug des Kaufmanns“ (M. Wolf) wie allen Werkzeugen innewohnt. Dieses Werkzeug kann und soll durch den Kaufmann produktiv, d. h. zum Wohle der Gemeinschaft eingesetzt werden. Dies geschieht durch den Abschluss von Verträgen. 2.1.1.3 Wucherische Verträge Bei seiner Analyse verschiedener Vertragsformen betrachtet Olivi vor allem das mutuum im Sinne des Römischen Rechts als einen auf dem Verleih fruchtbarer Güter basierenden Kreditvertrag und grenzt diesen als nicht-wucherisch von anderen Formen ab. Gemäß dem Grundsatz der Gerechtigkeit und Gemeinnützigkeit gilt ihm jeder Vertrag als wucherisch, der einer der beiden Parteien einen Vorteil verschafft. Diese präzisiert er in Abschnitt 65, der das Vorangegangene zusammenfasst und daraus schließt, dass, „wenn eine bestimmte Form des zinslosen Darlehens vermischt ist mit anderen Vertragsformen und daraus eine bessere Lage für den Geldgeber als für den Schuldner erwächst, ist das Wucher, nämlich insofern der Kreditgeber – sei es aufgrund eines echten oder vermuteten Darlehens – besser gestellt ist“.7

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Septimum sue declarationis radicem ex predictis sumens est quod quandocumque cum ceteris contractibus aliqua racio mutui commiscetur, si racione illius mutui fiat in illis contractibus pocior condicio

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Franziskanische Wirtschaftsethik und die Entwicklung der Monti di Pietà

Im Anschluss an diese Ausführungen behandelt er sieben Fälle alltäglicher kreditartiger Verträge, wie die Viehverstellung, die Vermietung und Verpfändung von Nutztieren sowie diverse risikobehaftete Darlehen, bei denen der Schuldner allein das Verlustrisiko trägt oder im Gegenteil nur einer der beiden den Gewinn, beispielsweise aus landwirtschaftlichen Erträgen, einstreicht. In allen Fällen sei eine gerechte Verteilung von Gewinn und Verlust wichtig, sonst wäre der Vertrag wucherisch. Auch zu teure Verkäufe gelten ihm als Wucher, wohingegen er Gewinne durch den Fürkauf oder den Geldwechsel an einem anderen Ort per se nicht als wucherisch begreift. Er betrachtet – ökonomietheoretisch gesprochen – die Größen Verzögerung, Risiko und Transaktionskosten als intervenierende Variablen, die zum Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern führen können. Für Olivi gilt in jedem dieser Fälle, dass vor allem die Intention bei Abschluss eines Geschäfts entscheidend ist. An dieser Stelle wird zum einen die Akzeptanz bestimmter ambivalenter Kreditgeschäfte deutlich, zum anderen tritt bei Olivi eine moralische Ökonomie zutage, die auf dem Grundprinzip des bonum commune zwar profitable Geschäftsformen erlaubt, dennoch aber immer das Wohl aller als Leitmotiv hat. Dies wird deutlich im ersten Teil des Traktats über Käufe und Verkäufe. Olivi beschreibt in einem Dreiklang von Recht, Rechtsprechung und Caritas die Entstehung von Preisen durch freies Aushandeln durch Käufer und Verkäufer (nicht durch Preisregulierung von „oben“) und den Vorrang des Gemeinwohls vor dem Wohl des Einzelnen.8 Indem Olivi Rechtsansprüche auf Eigentumstitel wie den Kapitalprofit oder den Zins postuliert, entwirft er in seinem Traktat die Grundzüge einer neuen politischen Ökonomie und leitet, so Wolf, einen wirtschaftsethischen Paradigmenwechsel ein, der dann zweihundert Jahre später in die Gründung von Institutionen mündet, welche die christliche Wohlfahrt aller und die Geldwirtschaft, eine entstehende Konsumgesellschaft und karitatives Handeln verbinden. Diese politische Ökonomie wird in der normengebenden Kapazität der spätmittelalterlichen Städte deutlich – die auch Olivi bereits anerkennt. Der Schritt hin zu einer städtisch gesteuerten christlich motivierten Sozialpolitik mit dem Ziel der Armutsbekämpfung und Marktbeteiligung ärmerer Schichten wird dann mit der Einrichtung der Montes 160 Jahre später gegangen.

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prestitoris quam mutuantis ab illo, est ibi semper pro tanto usura, pro quanto ob racionem mutui veri vel interprerativi fit pocior condicio prestitoris. Olivi, De contractibus, S. 232. Item, secundum ordinem iuris et iusticia et caritatis, commune bonum prefertur et preferri debet bono privato; sed communi saluti hominum post lapsum expedit quidem ut taxatio precii rerum venalium non sit punctualis, nec secundum absolutum valorem rerum, sed pocius ex communi consensu utriusque partis, vendencium scilicet et emencium, libere pretaxetur. Ebd., S. 96.

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2.1.2 Weiterentwicklung der Ideen Olivis durch Bernardino da Siena Berühmt wurden Petrus Johannes Olivis Werke zunächst über die Schriften des Bernardino da Siena (1380–1444),9 der anderthalb Jahrhunderte später in Siena geboren wurde. Er studierte kanonisches Recht und trat mit 22 Jahren den Observanten bei. Zuvor war er als Berater der Opera dei Battuti in Siena (1400–1402) und als Administrator im berühmten Ospedale di Santa Maria della Scala tätig gewesen. Bernardino, einer der wichtigsten und aktivsten Prediger des beginnenden 15. Jahrhunderts (bereits ab 1405 war er als Prediger unterwegs), rezipierte Olivis Werke, ohne ihn je namentlich zu nennen, vielleicht weil er noch immer allzu sehr mit Häresieverdacht in Verbindung gebracht wurde. Doch sorgte Bernardino so für die Überlieferung der Werke Olivis und erweiterte die Grundlagen für eine innovative franziskanische Wirtschaftsethik.10 Seine ausführlich erforschten Schriften werden an dieser Stelle nicht erneut ausgewer-

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Zur Person gibt es bereits eine große Menge zeitgenössischer Quellen, insbesondere aus dem Kontext des Kanonisationsverfahrens bis zum Jahr 1450. Siehe Celestino Piana, I processi di canonizzazione su la vita di S. Bernardino da Siena, in: Arch. franc. histor. 44 (1951), S. 87–160 und S. 383–435. Des Weiteren: Benvenuto Bughetti, Documenta inedita de S. Bernardino senensis, O. F. M. (1430–1445), in: Arch. franc. histor. 29 (1936), S. 478–500. Grundlegend und immer noch einschlägig: Noonan, The Scolastic Analysis of Usury, S. 71–77 und 126–128, sowie Raymond de Roover, San Bernardino of Siena and Sant’Antonino of Florence. The Two Great Economic Thinkers of the Middle Ages, Boston/Mass. 1967; Amleto Spicciani, Sant’Antonino, San Bernardino e Pier di Giovanni Olivi nel pensiero economico medioevale, in: Economia e storia 3 (1972), S. 315– 341, sowie Odd Langholm, Economics in Medieval Schools. Wealth, Exchange, Value, Money and Usury According to the Paris Theological Tradition, 1200–1350, Leiden 1992, und Giacomo Todeschini, I mercanti e il Tempio. La società cristiana e il circolo virtuoso della ricchezza fra Medioevo ed età moderna, Bologna 2002; ders., Ricchezza francescana. Dalla povertà volontaria alla società di mercato, Bologna 2004. Zusammenfassende Überblickstexte gibt es von Raoul Manselli, Art. Bernardino da Siena, santo, in: Dizionario Biografico degli Italiani 9 (1967), online unter: http://www.treccani.it/enciclopedia/ bernardino-da-siena-santo_%28Dizionario-Biografico%29/ (23.07.2020); sowie zur wirtschaftshistorischen Bedeutung Giacomo Todeschini, Art. Bernardino da Siena, in: Il contributo italiano alla storia del Pensiero – Economia, 2012, online unter: http://www.treccani.it/enciclopedia/ bernardino-da-siena_%28Il-Contributo-italiano-alla-storia-del-Pensiero:-Economia%29/ (23.07.2020). Mansello schreibt hierzu: „Studiosi ed economisti hanno mostrato l’importanza del santo per la sua penetrazione della realtà economica, vista sempre nella sua concretezza. È vero che egli, mantiene fermi alcuni concetti basilari della morale della Chiesa in materia di usura, ma si apre anche ad alcune considerazioni che, come è stato opportunamente ricordato (Capitani), sono considerevolmente mature: così proprio B. coglie acutamente la caratteristica dei capitale – la parola compare alla lettera nel testo – come ‚moneta destinata ad attività commerciale‘, avanzandosi e giustificandosi così le due altre idee del ‚lucrum cessans‘ e del ‚damnum emergens‘, da cui si deduce una qualche possibilità di lucro dall’impiego del danaro. Non meno interessante nel suo Tractatus de contractibus et usuris [sic], che occupa ben quattordici prediche del suo quaresimale De evangelio aeterno (Opera omnia, IV, pp. 117–416), è anche la parte riguardante la soccida degli animali. Ovunque e sempre, al di là di osservazioni spesso acute, B. cerca di cogliere la vivente realtà morale dell’uomo, per sospingerlo verso una più alta e cristiana concezione della vita, anche economica.“ http://www.treccani. it/enciclopedia/bernardino-da-siena-santo_%28Dizionario-Biografico%29/ (23.07.2020).

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Franziskanische Wirtschaftsethik und die Entwicklung der Monti di Pietà

tet, sondern – um Redundanzen zu vermeiden – auf Basis aktueller Forschung zusammenfassend dargestellt. In den 13 Predigten Bernardinos, die unter seinem Namen ebenfalls als Tractatus de contractibus et usuris überliefert sind, spielte insbesondere der Begriff des Kapitals als „Geld, welches zum Umlauf in der Wirtschaft“ diene, als auch die für den Zins- und Wucherdiskurs zentralen Begriffe des lucrum cessans und damnum emergens eine entscheidende Rolle.11 Die Fastenpredigten (XXXII–XLV12) aus dem Werk De Evangelio aeterno können interpretiert werden als Teil einer umfassenden Moraltheologie, die sich gleichermaßen an Kirchenmitglieder wie an das städtische Laienmilieu, nicht zuletzt die Händler und Kaufleute, richtete und die Themen „Besitz“, „Nutzen“ und „Eigentum“ in den Mittelpunkt stellte. Todeschini argumentiert im Sinne einer produktiven Verschränkung der lateinischen (theoretischen) und der vulgärsprachlichen Predigten auf den Straßen der Städte. Beide seien Teil einer kommunikativen Strategie und beeinflussten sich gegenseitig.13 Bernardinos Predigten enthalten – neben Zitaten von Johannes Duns Scotus, Enrico da Susa (= Hostiensis), Alexander von Alexandrien, Raymond de Penaforte und Thomas von Aquin allein achtzig Textstellen und wörtliche Zitate aus Olivis Traktat.14 Hinzu kommen Textstellen von Rechtsgelehrten wie Baldo degli Ubaldi und Lorenzo de Ridolfi. Das Nebeneinander von Rechtsexpertise in Bezug auf Handels- und Kreditverträge und theologisch-moralische Normen bilden die zentrale Folie der franziskanischen Wirtschaftsethik seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (mit den ersten Kommentaren der Regel des Hl. Franziskus) und erreichen ihren diskursiven Höhepunkt in den Gutachten der Verteidiger der Monti im 15. Jahrhundert. Zentrale Themen, die in den Predigten aufscheinen, sind der gemeine Nutzen als Rechtfertigung für die Tätigkeit der mercatores als Vertragsexperten. Diese lassen ihr Geld nutzbringend zirkulieren, im Gegensatz zu jenen, die ihren Reichtum horten. Demnach ist das Qualifikationsmerkmal der Händler und Kaufleute als gute Bürger ihre wirtschaftliche und vertragliche Kompetenz. Durch sie ist es ihnen möglich, den Preis und Wert von Waren und Geld (gerechter Preis als Verweis auf die utilitas generalis) auf vertraglichem Wege zu regeln und somit eine gerechte Preisbildung zu ermöglichen. Bezüglich der Preisbildung rezipiert Bernardino Olivi; dieser hatte die

Zum Gesamtwerk auf Latein: vgl. Dionisio Pacetti, De Sancti Bernardini Senensis operibus. Ratio criticae editionis, ad Claras Aquas-Florentiae 1947, die Werke in auf Italienisch: ders., in S. Bernardino da Siena, Opere volgari, Firenze 1938. 12 Die laut Todeschini drei wichtigsten Predigten waren: XXXII: De origine dominiorum et rerum translatione (über die Herkunft von Privateigentum und das Tauschgeschäft); XXXIII: De mercatoribus et artificibus in generali et de conditionibus licitis et illicitis eorundem, De mercationibus et vitiis mercatorum (über verschiedene Vertragsformen des Rückkaufs) sowie XXXIV: De temporis venditione et quando hoc liceat (zu den Themen Terminkauf und Kredit). 13 Todeschini, Bernardino da Siena. 14 Ebd. 11

Markt und Moral

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Aspekte der Nützlichkeit (utilitas), der Knappheit (raritas) und des Begehrens (complacibilitas) als konstitutiv für den Handelswert eines Wirtschaftsgutes beschrieben. Preise werden nicht fixiert, sondern flexibel nach diesen Größen ausgehandelt. Diese Flexibilität bei der Preisbildung sowie die Erkennung des Geldwertes und ihre Anwendung in Kauf- und Kreditverträgen wird hier als besondere Eigenschaft der mercatores hervorgehoben. In ihr liege schließlich der Grund für das gesunde Zirkulieren des Geldes im gesellschaftlichen Körper, das dadurch eine natürliche Wärme (calore naturale) erzeuge. Bernardino, so Todeschini, aktualisiert hiermit die Theorie des Geld- und Warenumlaufs Olivis für das 15. Jahrhundert.15 So greift er in seiner Predigt XXXIV (I, 3) auch auf Olivis bekannte Definition des Kapitalbegriffs zurück und setzt diesen in Beziehung zu seiner Forderung nach gelehrtem Umgang der mercatores mit dem Geld(wert) und der darin enthaltenen Zeit. Der Händler müsse immer zwischen seinem eigenen Nutzen und dem gemeinen Nutzen abwägen. Diese Kompetenz der Händler fördere schließlich das interpersonelle Vertrauen und ihre Reputation, die zugleich aus ihnen eine tragfähige, vernetzte Gruppe der Gesellschaft mache. Nur ein wissender Kaufmann kann zuverlässig handeln und in Abwägung zwischen den eigenen und den gemeinschaftlichen Interessen eine weise Entscheidung treffen, die dem Gemeinwohl dient. Der industrius erhält dadurch von Bernardino eine vorbildhafte Rolle innerhalb der Stadtgesellschaft als Teil der regierenden Elite. Ein weiteres Thema der Predigten Bernardinos (insbesondere XLI und XLII) ist der öffentliche Kredit, wobei er öffentliche Renten aus guter Intention (z. B. die Unterstützung des Staates, also die intentio, animus, affectus) als legitim erklärt. Solch ein Vertrag zwischen den Bürgern und dem „Staat“ (res publica) sei im Sinne des Gemeinwohls. Hingegen sei die berechnende Kreditvergabe an den Staat seitens der Bürger mit dem Ziel Zinsen zu erhalten, als Wucher zu verurteilen. Das legitimierende Element der Intention des Kreditgebers bzw. Investors wird hundert Jahre nach Bernardino wiederum virulent in der Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Zinsen auf Geldeinlagen des Monte. Die Summe der so verantwortlichen reipublicae amatores schafft erst einen gesunden Markt. Abseits dieses Marktes gibt es jedoch auch die nicht-produktiven reichen Christen, die ihr Geld lieber horten oder die jüdischen Geldleiher, die Zinsen für ihren eigenen Nutzen kassieren; diese werden innerhalb des wirtschaftsethischen

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„L’impossibilità di fissare il valore, ossia il prezzo, di un bene economico secondo una misura incontrovertibile (punctualiter), e invece la necessità di stabilirlo in termini probabilistici (secundum latitudinem), fanno tutt’uno per Bernardino, che in questo attualizza e sviluppa la riflessione economica oliviana, con la possibilità di circolazione della ricchezza, monetata o no che sia: ossia con una dialettica economica sempre rinnovata, fondata sulla consensualità contrattuale, in grado di determinare con i suoi stessi movimenti la diffusione nel corpo civico, che coincide con il mercato, dei beni economici, merci e denaro, raffigurati metaforicamente da Bernardino con l’espressione ‚calore naturale‘ (sermone XLIII, III 3).“ Ebd.

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Diskurses der Franziskaner kontinuierlich als schädliche und inkompetente Außenseiter stigmatisiert.16 In Auseinandersetzung mit dem Armutsideal als gesamtgesellschaftlichem Ideal erfolgte auch und geradezu zwangsläufig die Auseinandersetzung der Franziskaner mit den Themen Reichtum, Markt und Handel – also mit der Ökonomie und ihrem Nutzen. Aus dem franziskanischen Diskurs um die Wirtschaft entwickelte sich ein neues Vokabular für eine ökonomische Theorie, die an einen moralischen und theologischen Kontext geknüpft war. Das Thema vom rechten Glauben wurde mit dem Thema des richtigen ökonomischen Handelns verbunden und war Ausdruck des Reformwillens der Franziskanerobservanten.17 Diese Entwicklung mündete schließlich in die Propagierung einer neuen christlichen Institution, die die Geldleihe als notwendiges Mittel der Armutsbekämpfung anerkannte: die Monti di Pietà. Die Wirkmächtigkeit der von Olivi und Bernardino entwickleten Bausteine einer Wirtschaftsethik fanden ihre Anwendung und Konkretisierung in einem lebhaften Diskurs um die Monti di Pietà als öffentlicher Kreditanstalt. Dieser Diskurs soll nun beleuchtet werden. 2.2 Franziskaner als Mediatoren und Promotoren der Monti 2.2.1 Rechtsexperten: Traktate und Consilia als Medien der Agitation Scoperto e il pio Monte ove scarcato. Christian buon cortonese salir puoi. A fugar Mammona e i complici suoi. Dal perugin legista Fortunato. Costui di doppio sprito perlustrato. Contracti quattro giusti mostra a noi. Quai son chiamati, s’intender li vuoi: Di presto o pegno e labore e mandato. Prende uno exemplo del gran naturale. Che in ver l’altro da l’un quattro elementi Divisi fanno in mortal quinta essentia; 16 17

Vgl. zudem Giacomo Todeschini, Franciscan Economics and Jews in the Middle Ages: From a Theological to an Economic Lexicon, in: Steven J. McMichael (Hg.), Friars and Jews in the Middle Ages and Renaissance (The Medieval Franciscans 2), Leiden u. a. 2004, S. 99–117. Damit ging eine Aufwertung der Rolle des christlichen Händlers als Vorbildfigur einher, der sein Spezialwissen um Preise und Waren sowie sein Kapital zum Wohle der Christengemeinschaft einsetzte. Dieser wurde so fast zu einem städtischen Laienäquivalent des religiösen Missionars, da er die fidelium communitas auf seine Weise unterstützte und stärkte. Todeschini, Franciscan Economics, S. 110 f.

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Cosi senza peccato veniale. Farsi tal Monte et con divi augmenti. Dover confesso, senza penitentia.18

Dieses Sonett mit dem Titel „In montem pietatis F(rater) F(ranciscus) corinthinus“ entstand in den 1470er Jahren in der italienischen Stadt Cortona und ist zusammen mit dem Gutachten des Juristen und Theologen Fortunato Coppoli19 aus Perugia (1430–1477), dem „Consilium de Monte Pietatis (Civitas Perusina)“ von 1468,20 überliefert. Wer dieses Gedicht verfasst hat, ist unklar; seine Entstehung scheint eng verknüpft mit der Gründung des Monte in Cortona am 14. Februar 1472 und möglichen Schwierigkeiten, die Institution zu legitimieren, wie sie in einigen Städten auftraten.21 Der Autor eröffnete einen Monte di Pietà, ein christliches Pfandleihhaus, als Mittel der Wucherbekämpfung. Den guten Christenmenschen Cortonas wird empfohlen, den Mammon und seine Komplizen (damit sind üblicherweise die Juden gemeint) aus der Stadt zu vertreiben. Dazu hätte Fortunato Coppoli mit der Eröffnung des barmherzigen Monte beigetragen. Fortunato – als Gelehrter des kanonischen und zivilen Rechts von zweifachem Geist beseelt – habe die vier gerechten Verträge (di presto o pegno e labore e mandato) aufgezeigt, die ein solches Pfandleihgeschäft beinhalte: vom Darlehen selbst, vom Pfand, über die geleistete Arbeit und das Mandat. Die Einteilung des einen Leihgeschäftes in vier Einzelelemente spielte für die Argumentation der Befürworter der damals umstrittenen Monti eine ganz entscheidende Rolle. Es ging also um die Durchsetzung neuen Wissens und implizit auch um die Legitimierung der Zinsnahme durch eine christliche Kreditbank, die nach dem allgemeinen Kirchenrecht bis dato 18

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Die Passage lässt sich wie folgt übersetzen: „Entdeckt wurde der heilige Berg vom Perusiner Rechtsgelehrten Fortunato. Dort wird der gute Christ Cortonas erleichtert und kann beginnen, den Mammon und seine Komplizen zu vertreiben. Dieser [Fortunato], von zweifachem Geist beseelt, zeigt uns vier rechte Arten von Verträgen, von denen ihr erfahren sollt, wenn ihr wollt: vom Darlehen oder Pfand und Arbeit und Mandat. Nehmt das Beispiel der großen Natur, die aus vier Elementen besteht, welche eine fünfte Essenz bilden. So soll ohne lässliche Sünde durch den Monte und die göttliche Erhebung gebeichtet werden, ohne Buße.“ [Übersetzung der Autorin] Zitiert in: Stanislao Majarelli / Ugolino Nicolini, Il Monte dei Poveri di Perugia. Periodo delle Origini (1462–1474), Perugia 1962, S. 44, Anm. 1. Fortunato Coppoli wurde als Sohn des Juristen Ivo di Niccolo und Maddalena di Paolo Montesperelli geboren. Er studierte ziviles und kanonisches Recht bei Giovanni di Pettruccio Montesperelli bzw. Benedetto Capra (Kanonist). Er hatte mehrere städtische Ämter inne, wie das des consulator massariorum comunis Perusii. 1456 wurde er iudex comunis in Perugia. Ob er oder Michele de Carcano der Gründer des Perusiner Monte war, ist umstritten. Jedoch ist Coppoli einer der vehementesten Verteidiger des Monte in den Jahren nach seiner Gründung und wirkte an 13 Gründungen weiterer Monti mit. Vgl. hierzu Vittorino Meneghin, I Monti di Pietà in Italia dal 1462 al 1562 (Studi e testi francescani, nova serie 7), Vicenza 1966. Biografische Informationen online unter: https:// www.treccani.it/enciclopedia/fortunato-coppoli_%28Dizionario-Biografico%29/ (03.04.2013). Cortona, Bibl. Comunale, ms 249.cc39r–45v. Gedruckt wurde das Consilium 1498 in Venedig. Die Gründung folgte, Majarelli und Nicolini zufolge, auf eine Predigt des Fortunato. Vgl. dies., Il Monte dei poveri, S. 44, Anm. 1.

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grundsätzlich verboten war.22 Die vier genannten Vertragsgegenstände werden in der dritten Strophe mit den vier Elementen verglichen. Sie bilden eine fünfte Essenz, die wiederum mit dem „göttlichen“ Monte zu vergleichen ist. Die Errichtung einer solchen wohltätigen Einrichtung sollte ohne lässliche Sünde und Buße nach Gottes Wille erfolgen. In diesem kurzen Text kristallisieren sich wesentliche Elemente eines Wissens- und Expertendiskurses um die Rechtmäßigkeit einer städtischen Einrichtung und deren Funktionsweise heraus, die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts als Teil einer kirchlichen Sozialpolitik mit den Franziskanern als Protagonisten entstand. Begreift man die spätmittelalterliche Stadt als „Cluster von Expertisen“,23 so waren es die Franziskaner, die als Prediger und Seelsorger in den Städten die Verhältnisse vor Ort gut kannten und die als Experten der freiwilligen und unfreiwilligen Armut, aber auch der Bekämpfung letzterer auftraten.24 Aber noch einmal zurück zum eingangs zitierten Sonett: An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Franziskaner und andere Verfechter der Montes Pietatis eine durchaus hohe Kreativität an den Tag legten, wenn es um die Formulierung komplexer Wissensinhalte – wie hier die Rezeption des antiken Vertragsrechts – in einfachen Worten ging. Denn komplex und langwierig war der spätmittelalterliche Diskurs um Wucher und Zins in jedem Fall; und so auch, als es um die strittige Verzinsung von Darlehen ging. Die Bibel ist hierzu sehr deutlich – und zwar konsequent gegen das Annehmen einer zusätzlichen Zahlung auf verliehenes Geld.25 Um den wucherischen Charakter die22

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Bemerkenswert ist jedoch die semantische Ambiguität der christlichen Autoren im Hinblick auf die Begriffe usura und interesse. Während usura verstanden als Wucher nach dem Decretum Gratiani alles war, was über die ursprüngliche Darlehenssumme hinausging, also sehr abstrakt definiert wurde, existierten in der Praxis mehrere Formen von Gewinnen (interesse) aus der Nutzung von Gütern, so auch Geld – die durchaus akzeptiert waren. Hierzu kompakt und innovativ: Giacomo Todeschini, Christian Perceptions of Jewish Economic Activity in the Middle Ages, in: Michael Toch (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden: Fragen und Einschätzungen (Schriften des Historischen Kollegs 71), München 2008, S. 1–16. Daneben die klassische Literatur von Benjamin Nelson, The Idea of Usury. From Tribal Brotherhood to Universal Otherhood, Philadelphia 1948; Noonan, The Scholastic Analysis of Usury; sowie Terence Patrick McLaughlin, The Teaching of the Canonists on Usury (XII, XIII and XIV Centuries), in: Medieval Studies 1 (1939) S. 81–147. Vgl. Frank Rexroth, Systemvertrauen und Expertenskepsis. Die Utopie vom maßgeschneiderten Wissen in den Kulturen des 12. bis 16. Jahrhunderts, in: Björn Reich / Frank Rexroth / Matthias Roick (Hg.), Wissen maßgeschneidert. Experten und Expertenkulturen im Europa der Vormoderne (Historische Zeitschrift Beihefte, NF 57), München 2012, S. 12–44, hier S. 29–32. Kehnel, Der freiwillig Arme ist ein potentiell Reicher, S. 203–228. Einige Beispiele genügen zur Illustration: AT: Dt. 23,20: „Du darfst von deinem Bruder keine Zinsen nehmen: weder Zinsen für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für sonst etwas, wofür man Zinsen nimmt. Von einem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, von deinem Bruder darfst du keine Zinsen nehmen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem, was deine Hände schaffen, in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen.“; Ps. 15,1: „Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelt, wer darf weilen auf deinem heiligen Berg?“; Ps. 15,5: „der sein Geld nicht auf Wucher ausleiht und nicht zum Nachteil des Schuldlosen Bestechung annimmt. Wer sich danach

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ses interesse, den einige Kritiker diesem zuschreiben, wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts immer noch heftig gestritten. Die weiterhin geltende, auf Lukas 6,34 basierende Grundannahme, dass alles, was über die Darlehenssumme hinausginge, Wucher sei, wurde – so die These dieses Kapitels – im 14. und 15. Jahrhundert durch die Auseinandersetzung mit der Zinsnahme der Montes weiter stark relativiert – hin zu einer Lockerung des Wucherverständnisses, ja einer Neudefinition des Wucherbegriffs.26 Dieser Prozess kulminierte schließlich im Beschluss Leos X. des 5. Lateranums von 1515.27 Welche Bausteine der franziskanischen Wirtschaftsethik werden in den Gutachten der Franziskaner über die Monti argumentativ eingesetzt? Und wie werden diese verwendet, um die neu entstandene Institution gegen den Wuchervorwurf zu unterstützen? Wie argumentieren die Rechtsgelehrten? Vergleicht man die Texte, so wird deutlich, dass allen Gutachten eine gewisse thematische Homogenität bzw. die Wiederkehr einzelner Motive und Themen gemein war, die den Diskurs um die Rechtmäßigkeit der Monti leiteten.28 Hierzu gehört zum einen das Thema der Monti als göttliche (nicht als menschliche) Erfindung, die bei einigen Autoren wie Bernardino da Feltre und Bernardino de Bustis aufscheint. Dieser Konnex zur göttlich inspirierten und legitimierten Innovation wird ebenfalls deutlich im Motiv der Wunder, die beteiligte Personen, vor allem aber die Unterstützer der Monti, vollbrachten bzw. die sich um sie herum ereigneten. Die Verbindung des christlichen Glaubens mit der Neuschöpfung einer sozialen Einrichtung kann als Kontinuum anderer gemeinnütziger Anstalten wie Hospitälern oder Bruderschaften interpretiert werden. Neu und zugleich erwar-

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richtet, der wird niemals wanken.“; Ezech. 18,8: „Er [der Gerechte] leiht nicht gegen Zins und treibt keinen Wucher.“; NT: Luk 6,34: „Gebt ein Darlehen, aber erhofft dabei keinen Gewinn.“ Nicola Lorenzo Barile betont den Ausgang der franziskanischen Wucherlehre von den traditionellen Positionen der Scholastiker: „The monti di Pietà were a result of the distinct moral theology of the Franciscan Order, which departed from the traditional positions of medieval scholasticism on usury.“ Ders., Renaissance Monti di Pietà in Modern Scholarship: Themes, Studies, and Historiographic Trends, in: Terpstra/Carboni (Hg.), The Material Culture of Debt, S. 85–114, hier S. 92. „Zur Schadloshaltung der Montes, d. h. für die Kosten ihrer Bediensteten und aller übrigen Dinge, die sich auf den notwendigen Erhalt erstrecken, sei es, wenn die Pfandhäuser keine Gewinne machen, erlaubt, einen maßvollen und notwendigen Betrag über das geliehene Kapital hinaus von denen zu verlangen und zu erhalten, die aus einem solchen Darlehen einen Vorteil schöpfen. Es gibt ja eine Regel des Rechts die lautet: wer den Vorteil hat, soll auch die Last tragen. […] Ein solches Wechselgeschäft verdient Lob und Billigung und soll in keiner Weise für Wucherei gehalten werden. […] Dennoch wäre es viel vollkommener und heiliger, wenn solche Häuser völlig unentgeltlich entstünden, d. h. wenn die Gründer sie mit einem Fonds ausstatteten, aus dem, wenn auch nicht die Gesamtheit, so doch wenigstens die Hälfte der Kosten bezahlt werden könnte, so daß die Armen dadurch mit der Zahlung eines geringeren Schuldenzinses belastet würden. Deshalb entscheiden wir, die Christgläubigen durch größere Ablässe dafür zu gewinnen, solche Häuser einzurichten und mit einem Fonds zur Kostenbeteiligung auszustatten.“ Leo X., Beschluss über die Reform der Pfandleihhäuser (5. Lateranum 1515), hg. v. Joseph Wohlmuth, Dekrete der ökumenischen Konzilien, Bd. 2: Konzilien des Mittelalters, Paderborn 2000, S. 625 f. Hierzu Amadori, Nelle bisacce, S. 3–23.

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tungsgemäß ist, dass die angestoßene Reformierung des kanonischen Rechts in Bezug auf die Fragen des Umgangs mit Geld und der Organisation von Krediten und Zinsen ebenfalls in direkten Bezug zum göttlichen Wirken gesetzt wird. Ein zweites zentrales Thema der Gutachten ist der Wucher und die dadurch entstehende Schädigung der Gesellschaft. Auffällig ist die hierbei stark betonte Rolle der jüdischen Geldverleiher. Warum polemisieren die franziskanischen Texte ganz gezielt gegen diese und weniger gegen christliche Lombarden? Warum benötigen sie anti-jüdische Propagangda, um die „Missstände“ zu dramatisieren, aus denen sie die dringende Notwendigkeit von Alternativen ableiten können, die in den Monti besteht? Viele Gutachten gehen sehr detailliert auf die Funktionsweise und Organisation der Montes ein, was als Beleg für die Rezeption bereits bestehender Statuten zu deuten ist. Überhaupt ist die inhaltliche Nähe von Gutachten und Statuten auffällig. Die von den meisten Monti praktizierte Zinsnahme wird erst nach der vorangegangenen allgemeinen Legitimierung des Instituts verteidigt. Argumentativ betteten die Gutachter die Zinsnahme quasi als letzten Baustein einer für das Seelenheil der Gemeinschaft notwendigen und doch funktionsfähigen Institution ein, deren Beschäftigte selbstverständlich eine Entschädigung für ihre Leistungen, die Verwahrung der Pfänder, die Abrechnung und Buchführung, den Betrieb des Gebäudes und auch für das damit verbundene Risiko verdienten. Zur eingehenden Beantwortung dieser Fragen und der Darstellung des Wissenstransfers, sichtbar in der engen Beziehung von Gutachten zu Predigten (und schließlich auch zu den Statuten) werden im Folgenden eine Reihe juristischer Fachgutachten,29 die im Auftrag der Franziskaner und teils von ihnen in den 1460er bis in die späten 1490er Jahre verfasst wurden, sowie vier Predigten des wichtigsten Propagandisten der Monti und Gründer des Monte von Mantua – Bernardino da Feltre30 – analysiert. Die meisten Gutachten wurden zeitnah und in Anthologien abgedruckt und sind weitestgehend unediert wie etwa die Sammlung mehrerer Texte unter dem Titel Pro monte Pietatis.31 Ein wichtiger Wegbereiter der ersten Entwicklungsphase der Monti von 1462

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Hier werden die prominentesten Quellen ausführlich analysiert: Fortunato Coppoli und das Consilium des Juristischen Kollegiums der Stadt Perugia, Gomez da Lisboas Gutachten, Marco da Montegallos Tavola della Salute, Bernardino de Bustis Defensorium, Annio da Viterbos Quaestio sowie Agostino da Montalcinos Summa Lucarna dell’anima. Sermoni del beato Bernardino Tomitano da Feltre, nella redazione di Fra Bernardino Bulgarino da Brescia minore osservante, hg. v. P. Carlo Varischi da Milano OFM, Bd. 2: Seque il quaresimale di Pavia del 1493 a altri sermoni tenuti in diversi luoghi dal 1493 al 1494, Mailand 1964, Nr. 55, 56, 57, 73. Ausführlicher Titel: Pro monte Pietatis. Consilia sacrorum Theologorum ac collegiorum Patavii & Perusii. Clarissimorumque doctores dd. Ioannis Baptistae Rozelli & Ioannis Campegii. Cum bulla ac brevi dato fratri Bernardino Feltresi Sanctissimi Pape Innocentii Octavi, Venedig 1495/98 in der Bayerischen Staatsbibliothek – 4 Inc.s.a. 152 d. Drei weitere prominente Texte sind das Consilium montis pietatis a fratre Fortunato perusino editum, die Appollogia fratris Ludovici de la ture contra cuiusdam invectiva sowie die Confutatio questiuncule contra montem pietatis fratris Philippi de Rotingo, alle in

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und 1475 war Marco da Montegallo mit seinem Werk Tavola della Salute32 aus dem Jahr 1485, dessen Rationalität und neues Vokabular des Kredits hervorzuheben sind. Daneben gilt Fortunato Coppolis Consilium als sehr einflussreicher Text der Frühphase.33 Bernardino da Feltre, der zwischen 1484 und 1494 besonders im Dienste der Monti aktiv war, griff bei seinen Predigten auch auf die bestehenden Gutachten zurück. In den 1490er Jahren erfuhr die Auseinandersetzung um die Monti einen neuen Höhepunkt, der in eine zweite Gründungswelle, vorrangig in reicheren Gebieten Italiens wie der Toskana (Florenz, Padua, Mailand und Vinceza), mündete.34 Beispielhaft wird im Folgenden das berühmte Traktat Bernardino de Bustis’ Defensorium montis pietatis von 149735 untersucht, das gegen das im Jahr zuvor erschienene Traktat De Monte impietatis36, von Niccolò Bariani gerichtet war. Die Gutachten sind allesamt nicht nur aufschlussreich im Hinblick auf das neue zirkulierende Wissen um den Zins- und Wucherbegriff und seine Anwendbarkeit, sondern bieten zudem wertvolle Zeugnisse der Selbstinszenierung der Autoren als Experten bzw. die Anrufung anderer Verfasser als solche. Die Franziskaner verbreiteten und inszenierten ihr Wissen und ihre Ideen zudem gezielt in öffentlichen Streitgesprächen und Disputationen wie etwa 1473 und 1493 in Florenz und in Cremona, in Narni 1487 oder in Siena bereits zwischen 1472 und 1477. Sie gingen Ghinato zufolge aus allen genannten Disputen immer als Sieger hervor, bis auf eine Ausnahme im Jahr 1491, wo der Augustiner Niccolò Bariani, der Verfasser der bekannten Streitschrift De Monte impietatis sich durchsetzte. Die Legitimation der Ideen zugunsten der Zinsnahme wurde überdies durch päpstliche Approbationen in Form von Breven und Bullen auf lokaler Ebene bereits in den 1480er und 1490er Jahren erreicht. Ein scheinbares Ende der Auseinandersetzungen bildet in der Historiografie der bereits erwähnte Beschluss Papst Leos X. Inter multiplices vom 5. Lateranum im Jahr 1515. Obgleich sich hiermit das Kapitel der harten Streitigkeiten zwischen Gegnern und Befürwortern der Montes schloss, blieb die generelle Haltung vieler Autoren auch

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einem Druck aus Venedig von 1498 der Inkunabelnbibliothek der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel: 173–1-quod-4. Permalink: http://diglib.hab.de/inkunabeln/173-1-quod-4/start.htm (15.10.2021) 18 dieser Gutachten liegen mittlerweile als Edition mit Übersetzung vor: Amadori, Nelle bisacce. Dieser Traktat, auch als Tabula della salute bekannt, ist ediert worden von Elide Mercatili Indelicato, Vita e opere di Marco dal Monte Santa Maria in Gallo, Ascoli Piceno 2001, S. 407–524; siehe weiterhin: P. Rossi, La tavola della salute del beato Marco da Montegallo e cenni storici di Montegallo, Fermo 1976. Als Digitalisat der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel verfügbar. Hierzu Alberto Ghinato, Un propagatore dei Monti di Pietà del 400: P. Fortunato Coppoli da Perugia, in: ders., Studi e Documenti intorno ai primitivi Monti di Pietà (Studi e Testi francescani 25/4), Rom 1963, S. 37–59, hier S. 37. Gedruckt und übersetzt ins Italienische bei Amadori, Nelle bisacce, S. 134–169. Niccolò Bariani, De Monte impietatis, gedruckt von Carlo Darlerio in Cremona 1496, online unter: https://archive.org/details/ita-bnc-in2-00001151-001/page/n8 (31.10.2021)

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weiterhin, dass Zinsen zu vermeiden seien. Dies wird deutlich, wenn man auf spätere Texte wie das Gutachten des Dominikaners Agostino de Montalcino blickt. 2.2.2 Consilia als Medien der Wissensvermittlung Hélène Angiolini definiert die consilia als das Reflexionsmedium für wirtschaftsethische Fragestellungen im 14. und 15. Jahrhundert. Sie behandeln ein weites Themenspektrum, unter anderen das zentrale Thema Vertragsrecht (und hier insbesondere die Ausnahmeregelungen für Zinsnahme: lucrum cessans, damnum emergens, stipendium laboris, periculum sortis), weiterhin Wechselgeschäfte, öffentliche Schulden und Monti Communi, Konsumkredit, Pfandleihe und die Rolle der Juden. In den Gutachten wird die Idee des bonum publicum und der utilitas commune weiterentwickelt: Vor allem durch die Beteiligung der Armen am Wirtschaftskreislauf wird Gerechtigkeit hergestellt – eine Idee, die im Kontext des veränderten Armutsverständnisses und der Rolle von Arbeit seit dem 13. Jahrhundert aufscheint.37 Die Gutachter selbst formulierten so auch deutlich den Zweck ihrer Expertisen, wie etwa der Franziskaner und studierte Jurist Bernardino de Bustis38 in seinem Defensorium Montis pietatis contra figmenta omnia aemulae falsitatis.39 Um jeden Zweifel aus den Herzen der Unwissenden zu beseitigen, hätten viele Experten (peritissimi) beider Rechte Gutachten zur Rechtfertigung der Monti herausgebracht.40 Er wendet sich zudem mit deutlichen Worten an die Gegner und betont die Qualifikation der Gutachter. Diese seien allesamt höchst weise Männer und Doktoren der Universitäten Perugia, Padua, Siena, Florenz und Piacenza und vermöchten deshalb jedweden Zweifel aus dem Weg zu räumen.41 Dieses Gutachten steht im Kontext einer Auseinandersetzung zwischen Franziskanerobservanten als Verteidiger einer neuen Institution, wie de Bustis, und Kritikern, wie dem Augustinereremiten Niccolò Baria-

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Hélène Angiolini, I consilia quale fonte per la vita economica: alcuni problemi, in: Mario Ascheri / Ingrid Baumgärtner / Julius Kirshner (Hg.), Legal Consulting in the Civil Law Tradition (Studies in Comparative Legal History), Berkeley 1999, S. 293–315. Bernardino war Sohn eines Juristen und stammte aus Mailand. Er selbst studierte in Pavia Recht und wurde zwischen 1475 und 1476 Franziskaner. Dass Experten den Diskurs zum Zins und Wucher leiten, wird an vielen Stellen des Textes klar. Bereits zu Beginn des Gutachtens nennt de Bustis Elidorus da Cremona vom Orden der Karmeliter und Befürworter des Monte einen doctor peritissimus, Amadori, Nelle bisacce, S. 136. 1497 erstmals gedruckt von Ulrich Scinzenzeler in Mailand. Abgedruckt und übersetzt bei Amadori, Nelle bisacce, S. 143–169. Ad tollendam atque omnem dubitatem de cordibus ignorantium multi singulares viri iuris utriusque peritissimi specialia super predicti montis iustificatione clarissimaque consilia ediderunt. Ebd., S. 146–147. O igitur indurati adversarii montis. Si nunquam essent alie probationes, deberetis tot sapientissimorum hominum acquiescere consilio et determinationi, quales sunt omnes doctores Perusii, Padue, Senarum, Florentie, et Placentie qui nemine discrepantie hoc affirmant. Ebd., S. 136.

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ni (1440–1503), der den Vorwurf der impietas erhob und diesen in seiner 1496 erstmals gedruckten Schrift De Monte impietatis deutlich formulierte.42 Die verschleierte Verzinsung von Darlehen stellte im Mittelalter eine gängige Praxis bei der Kreditvergabe dar, wie die Forschung zur Kreditgeschichte43 in vielfältiger Weise gezeigt hat. Die hierbei sichtbare Kluft zwischen Wirtschaftspraxis und Theorie wurde jedoch nur langsam geschlossen. Die Legitimität einer Kompensation oder Entschädigung bei entgangenem Gewinn oder Zahlungsverzug war immer wieder Gegenstand theologischer Traktate – und flammte erneut und heftig auf, als auch christliche Institutionen wie die Monti offen ein interesse annahmen. Diesem Problem versuchte man durch die Einschaltung von Experten des Zivil- und Kirchenrechtes zu begegnen. Diese Bemühungen mündeten in einer ganzen Reihe von „consilia“ für und gegen die Zinsnahme der Montes. Das Wissen, das in den genannten Gutachten aufscheint, diente weitestgehend der Legitimierung der Zinsnahme in den Monti. Zinsen zu nehmen war nach der Gründung des ersten Monte 1462 in Perugia sehr umstritten. Die meisten versuchten zunächst Darlehen zinsfrei zu vergeben. Erst später setzte sich flächendeckend ein Zinssatz von vier bis zehn Prozent durch. 2.2.2.1 Stadtgemeinschaft, Wucher und Vertragsrecht: Zwei frühe Consilia aus Perugia: Baglione dei Montevibiani und Fortunato Coppoli, 1469 Das erste hier zu betrachtende Gutachten wurde im Auftrag des Franziskaners Giacomo della Marca (1393–1476) im März 1469 vom Perusiner Rechtsgelehrten Baglione di Ugolino dei Montevibiani44 verfasst und ist zusammen mit dem Consilium Fortunato 42

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Niccolò Bariani, De Monte impietatis, in: Dorothei Asciani S. S. Theol. D. Montes Pietatis Romanenses: Historice, Canonice, Theologice, detecti; Praemittitur Iustus Tractatus De Nervis Rerum Gerendarum Roman. Eccles., gedruckt von Matthias Zimmermann, Leipzig 1670, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, online unter: https://www.deutsche-digitalebibliothek.de/item/TU7FKXK35342UASCRYSG553K7XGEWGHH (20.09.2021). Vgl. dazu Fontaine, L’économie morale; Signori, Schuldenwirtschaft; sowie die Vielzahl der Werke von Hans-Jörg Gilomen, darunter: Wucher und Wirtschaft im Mittelalter, in: HZ 250 (1990), S. 265–301; ders., et al. (Hg.), Von der Barmherzigkeit zur Sozialversichung; ders., Die ökonomi­ schen Grundlagen des Kredits und die christlich-jüdische Konkurrenz im Spätmittelalter, in: Eveline Brugger / Martha Keil / Birgit Wiedl (Hg.), Ein Thema – zwei Perspektiven. Juden und Christen in Mittelalter und Frühneuzeit, Innsbruck u. a. 2007, S. 139–169. Ebenso Diana Wood, Medieval Economic Thought, Cambridge 2002. Baglione dei Montevibiani, Consilium dal Collegio dei dottori in entrambi i diritti dell’illustre città di Perugia riguardante la questione dell’erezione del Monte di Pietà istituto per fare fronte all’usura esercitata dai pericolosi giudei. 1469. Amadori, Nelle Bisacce, S. 171. – Montevibiani war nicht nur als Lehrender, Anwalt und Richter in der Stadt aktiv, sondern bekleidete auch wichtige Ämter in der Finanzverwaltung der Stadt (consultore dei massari, dei Conservatori della moneta) Vgl. hierzu

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Coppolis45 das einschlägigste unter den frühen Konsilien. Beide sind entstanden im Kontext der Gründung des ersten Monte und den daraus erwachsenen Fragen nach der Rechtmäßigkeit des eingenommenen Überschusses.46 Der Aufbau und Ton des Gutachtens ist sehr klar und deutlich. Die zentralen Fragen, die der Abhandlung vorangestellt werden, haben einen pragmatischen Charakter und lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen: 1. Können die Stadt und ihre Verantwortlichen sündigen und der Exkommunikation verfallen, wenn sie nur den Darlehensbetrag zurückbekommen und die Beauftragten des Monte lediglich eine adäquate Zahlung für ihre Leihe beziehen? 2. Daraus folgt die zweite Frage, in welcher Art und Weise denn die übermäßige Summe verwendet werden solle.47 Die Legitimität einer Aufwandsentschädigung wird hier vorausgesetzt. Es scheint unbestritten notwendig, dass ein gewisses Surplus erzielt werden muss. Die Frage der Verwendung dieses Überschusses scheint das entscheidende Element zu sein, das über die Sündhaftigkeit der Aktivitäten bestimmt. Zudem geht es gar nicht um den Monte selbst, sondern um die Stadtoberen, die im Verdacht des Wuchers stehen. Der Monte erscheint hier eindeutig als städtische, nicht als franziskanische Institution. Auch wird stets Bezug zu den Kanonisten hergestellt, die die Schädlichkeit des Wuchers betonen und zugleich hervorheben, dass es legitim sei, Wucher (usura) zu betreiben, wenn dadurch größerer Schaden oder Gefahren vermieden werden. Dann folgt die Darlegung der Sündhaftigkeit des Wuchers anhand des Kirchenrechts, einschließlich Thomas von Aquin und Aristoteles ganz in der Tradition der Zeit. Wucher verursache Schaden an der Seele und sei zudem gegen die Natur. Im zivilen Recht seien bestimmt Formen des Wuchers erlaubt, im Kirchenrecht jedoch verboten. Das weltliche Recht hätte sich dem kanonischen unterworfen, da una causa pia è piu potente di una laica e soppratutto perché proprio una causa pia è di potenza infinita

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S. Zucchini, Università e dottori nell’economia del Comune di Perugia. I Registri dei Conservatori della moneta (secoli XIV–XV), Perugia, Deputazione di storia patria per l’Umbria, Stabilimento tipografico Pliniana, 2008, S. XXVI, 422, tavv. (Fonti per la storia dello Studium Perusinum 2); sowie R. Staccini, Dalla parte dei Baglioni: la testimonianza di Girolamo Vibi (1512–1514), in: Bollettino della Deputazione di storia patria per l’Umbria 97 (2000), S. 309–370. Fortunato Coppoli, Consilium montis pietatis. In questo consilium si dimostra come il mutuo concesso dagli ufficiali del Monte ed il sovrappiu da loro ricevuto non sia da considerarsi usura. Montevibiani, Consilium, in: Amadori, Nelle Bisacce, S. 172. Primo utrum dicta civitas vel eius municipes aliquo modo peccent vel aliquam excommunicationem incurrant cum nil penitus accipiant nisi suam quantitatem gratis mutuatam vel illi offitiales non recipiant nisi versimilem mercedem indignam; et quid de dictis peccuniis superexcrescentibus fieri possit et debeat. Ebd.

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come lo è Dio glorioso.48 Daraus folge zweifelsfrei die Sündhaftigkeit aus der Perspektive der Kritiker. Im Anschluss folgt die These, dass auch eine Privatperson, ein Kollegium oder auch eine Gesellschaft sündigen können, obgleich eine Gesellschaft gar keine Seele hätte. Ein weiteres zentrales Argument ist die Intention des Monte: Dieser sei zum Wohle der Armen und aus Liebe zur Barmherzigkeit gegründet worden. Ein aus Barmherzigkeit vergebener Kredit könne nicht sündhaft sein.49 Nach dem erneuten, aus den Bestimmungen des Konzils von Vienne 1311 abgeleiteten Gegenargument, dass alles, was über die reine Darlehenssumme hinausginge, Wucher sei, wird eine neue These angefügt. Diese besagt, dass trotz all jener Bestimmungen und Ausführungen die Stadt nicht der wucherischen und kriminellen Praktiken angeklagt werden könne. Folglich könne man das Handeln der Stadt gar nicht als schuldhaft bezeichnen, seien ihre Intentionen doch keinesfalls kriminell, was sich nicht zuletzt in der Förderung des Monte und damit der Armen durch die eigenen Geldmittel beweise.50 Noch direkter formuliert das Kollegium daraufhin: Ex hoc enim quod elegerint depositarium qui mutuat pecuniam civitatis pauperibus personis et aliis indigentibus nullus sane mentis dicat eos peccare.51 Aus der Nächstenliebe als einziger Intention der Geldleihe folgt somit der karitative Charakter des Darlehensvertrages.52 Das bei der Darlehensvergabe eingesetzte Pfand garantiere die vergebene Summe und nur diese werde an die Stadt zurückgezahlt. Weder fordere, erhoffe noch erhalte sie irgendeine Summe über das geliehene Geld hinaus.53 Die beauftragten Beamten des Monte hingegen würden nicht umsonst arbeiten und forderten ein angemessenes Gehalt und eine Entschädigung für ihre Mühen und das von ihnen getragene Risiko.54 Sowohl die rechtmäßige Entlohnung einer geleisteten Arbeit als auch das mit der Aufbewahrung und Verwaltung der Pfänder und vor allem mit der Abwesenheit von anderen Tätigkeiten getragene Risiko eines anderweitigen Einkommensverlustes der im Monte Beschäftigten werden als Gründe für einen Zins angeführt. Interessanterweise wird der Begriff interesse nur selten erwähnt, hier steht immer das Wort superadditum oder umschreibend ultra sortem mutuatam. Auch die Miete für das Depositarium legitimiere die Annahme eines Zinses. Da jedoch niemand einem anderen Geld leihen oder diesem helfen solle, wenn

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Ebd., S. 177. Cum pretextu pietatis non sit impietatis exercenda. Ebd., S. 180. In proposito tamen nostro quia ista non est aliquo modo intentio perusine communitatis quantum est in eius intentione et voluntate non potest talis criminis nota affici et minus etiam ex eo quod ordinavit et fecit et sic quantum est in facto eius factum non potest dici culpabile in quantum ipsa sei eius rectores certam summam florenum et pecuniarum permutando pauperibus et indigentibus personis deposuerunt et deponi fecerunt dicta de causa denarios. Ebd., S. 184. 51 Ebd. 52 Ebd. 53 Ebd., S. 188. 54 Ebd.

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er selber davon Schaden trägt, sei es rechtmäßig, als Kompensation eine Summe Geldes (usuras) zu verlangen.55 Entsprechend folge daraus für den diskutierten Fall, dass durch die zusätzlich gezahlte Summe Schaden an der communitas vermieden würde.56 Neben dem weniger zur Geltung gebrachten lucrum cessans wird vor allem das damnum emergens als legitim betont.57 Da ein Zins immer auf die geliehene Summe bezogen ist (so Hostiensis), kann es beim Monte gar keinen Wucher geben, da der Zweck der Bezahlung des interesse durch die Schuldner des Monte nicht an die Nutzung der Geldsumme gebunden sei, sondern an die Bezahlung der geleisteten Arbeit der Mitarbeiter des Monte.58 Nun folgt eine interessante Ausdifferenzierung des Wucherbegriffs. Dieser sei nicht das reine über die Darlehenssumme hinaus erzielte Geld, sondern beschreibe den erhofften und intendierten Gewinn, der gemacht werde. Die Vermeidung von Schaden durch den gezahlten Zins hingegen gilt den Autoren nicht als Wucher, sondern als Vorbeugungsmaßnahme.59 Zur Untermauerung führen die Autoren hier schließlich Thomas von Aquin, Alexander Hales, Duns Scotus und auch Bernardino da Siena (und mit ihm indirekt Olivi) als Autoritäten an. Die Argumentation wird zusätzlich verstärkt durch das fiktive Fallbeispiel eines Schuldners, der sich von einem Perusiner Bürger Geld leihen möchte. Dieser willigt ein, das Geld befindet sich jedoch in Florenz. Ein Bote wird daraufhin in die Stadt geschickt, um das Geld abzuholen. Für diese Transaktionskosten (Entlohnung des Boten als Entschädigung für den Gläubiger) hat der Schuldner rechtmäßig aufzukommen.60 Nun folgt auch die Bezeichnung des Vertrages als contractus locationis operarum, der nach der Art des Do ut facias oder facio ut des als beiderseitige Leistung definiert wird.61 Die Darlehenssumme sei nur indirekter Bezugspunkt für den Zins, vielmehr sei die Vermeidung von Schaden der direkte Grund für die extra

55 Ebd., S. 190. 56 Ebd. 57 Ebd., S. 192. 58 Ostiensis in Summa de usur. § Quid sit usura, circa principium, ubi diffiniendo usuram dicit quod usura est quicquid solutioni rei mutuate accedit ipsius rei usus gratia pactione interposita vel hac intentione habita ex post facto, unde id quod datur pro pensione dicte domus et salario ipsorum officialium non datur per ipsos mutuatarios ratione usus ipsius pecunie sed pro substentatione onerum et salario dictorum officialium et pro damno comunitat. Ebd., S. 194. 59 Ebd., S. 196. 60 et ex hoc casu alii consimiles colligi possunt quod est notabile secundum eum et verum et equum est quid enim si unus pecunia egens petat mutuo certam quantitatem a quodam perusino qui dicit se velle mutuare sed non habet pecuniam Perusii sed in alio loco puta Florentie propter quod oportet mittere Florentiam unum nuncium pro dicta pecunia taliter mutuanda et eidem nuncio pro laboribus et expensis satisfacere et ita mittat pro dicta pecunia et eandem pecuniam ipsi mutuatario mutuet et ipse mutuatarius vellet dicto perusino de mercede et expensis dicto nuncio factis satisfacere imputabitur ne ad usuram? Si ipse mutuatarius dicto perusino de quantitate sibi mutuata satisfaciat et etiam de mercede et expensis dicti nuncii? Certe non cum ipse perusinus non recipiat hoc pro lucro sed pro damno et ipsius nuncii salario et pro sui damni restitutione et patet per predicta. Ebd., S. 196. 61 Ebd., S. 198.

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Zahlung. Es sei wichtig, die erzielten Einnahmen jährlich zusammenzurechnen und dann zu entscheiden, ob sie zu hoch oder zu niedrig seien, um die Kosten für Löhne und Miete zu decken. Im Zweifelsfall solle man sich an den Bischof wenden, der dann den Zinssatz senken oder erhöhen könne.62 Der Lohn der Beamten solle jedoch besser hoch als zu mager sein, denn nur motivierte und gewissenhafte Mitarbeiter würden zum Bestehen des Monte beitragen. Alle nach der gründlichen akribischen Buchprüfung noch verbleibenden Gewinne sollten nach Ausrufung und Ankündigung am besten unter Aufsicht des Bischofs an die Armen der Stadt verteilt werden.63 Zusammenfassend fokussiert dieses frühe Gutachten Baglione dei Montevibianis die klassischen kirchenrechtlichen Motive Intention, Nächstenliebe, die Vermeidung von Schaden, die Ablehnung von Gewinnstreben sowie die Entlohnung von Arbeitsdiensten der Beamten als Rechtfertigung für die Wucherfreiheit der Montes als ausdrücklich städtische Institution, für die er gänzlich den Wuchervorwurf entkräftet. Dies ist logisch, waren die Gründer des Perusiner Monte ja die Stadtoberen. Ein Merkmal des Gutachtens ist aber auch die rhetorische Abwesenheit des Konflikts zwischen Franziskanern und Dominikanern, woraus man schließen könnte, dass der Disput zwischen beiden Orden zu diesem Zeitpunkt oder zumindest für die Stadtväter von Perugia nicht die treibende Kraft hinter der Bewertung der Monti war. Dies änderte sich sehr bald mit dem Aufkommen der öffentlichen Streitgespräche, bei denen Fortunato Coppoli als Franziskaner und Rechtsexperte mitwirkte. Sein Consilium von 1469 fügte dem Diskurs um Wucher und Zins bei den Monti eine entscheidende Neuerung hinzu: die Ausdifferenzierung der Vertragsbegriffe. 2.2.2.2 Innovation des Vertragsrechts: Fortunato Coppolis Consilium, 1469 Der Traktat umfasst insgesamt 16 Seiten der Inkunabel, wovon zehn Seiten der Abhandlung gewidmet sind, der Rest besteht aus den fünfzig Unterschriften verschiedener Kleriker und Ordnensmänner sowie gelehrter Juristen und Theologen.64 Der Schwerpunkt des Consiliums liegt auf dem Vertragsrecht, das Fortunato hier ausführlich erklärt. In diesem sieht er die Rechtfertigung der Zinsnahme für die geleistete Arbeit, die Miete und als Entschädigung für das Risiko,65 als nicht wucherisches Handeln. Der dabei erzielte Gewinn für diese Zwecke solle 100 Dukaten pro Jahr nicht 62 63 64

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Ebd., S. 200 f. Ebd., S. 206. Er beginnt mit den Worten: In nomine domini Amen. Hec est copia sive transumptus cuiusdam consilium editi super Monte pietatis et prestiti pauperum: cum subscriptionibus multorum famosissimorum theologorum et doctorum iuris canonici et civilis, cuius quidem consilii cum subscriptionibus tenor de verbo ad verbum sequit. Et est infrascriptus vz Consilium Montis Pietatis editum a doctissimo et venerando patre F. Fortunato perusino ordinis minorum observantie. Fortuntato Coppoli, Consilium, fol.1. Ipsi autem officialibus quid conveniens est ratione locationis operarum et industrie periculi laborum pen-

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übersteigen. Er setze sich aus einem Zins von maximal einem quatrenum pro Dukat pro Monat zusammen, was einem Zinssatz von 1,5 Prozent entspricht. Falls der Monte unter 100 Dukaten eingenommen hätte, sollte das fehlende Geld aus den Einnahmen des folgenden Jahres gedeckt werden. Jeglicher Überschuss solle anteilig an die Schuldner des Monte nach Ausrufung und Reklamation durch die Schuldner ausgeteilt werden.66 Melde sich niemand, so ginge das überschüssige Geld an die Armen und allgemein wohltätigen Zwecken zu.67 Ohne lange Umschweife beginnt der Rechtsgelehrte daraufhin damit, die Rechtmäßigkeit all dieser Praktiken zu begründen. Er schreibt hierzu: quod ex dicto puncto et theinate [Abhandlung, Ausführung] supranarrato quatuor erori videntur contractus, quorum notitia necessaria est, nisi enim ipsorum contractuum notio habeatur qui sunt quasi fundamenta et origines discussionis ac determinationis quid iustum et quid iniustum quis consequatur ex commutatius iusticia perfecte directio conscientie haberi non potest.68

Diese seien das Fundament jeglicher Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit. Damit rückt Fortunato die Vertragstheorie an die Spitze seiner Argumentation, viel mehr als das Gutachten der Perusiner Rechtsgelehrten, die die moralische Ebene der Intention der Handelnden und die soziale Dimension des bonum commune der Stadt betonen. Als ersten nennt er den Darlehensvertrag (contractus mutui), als zweiten den Pfandvertrag (contractus pignoris), als dritten den Leihevertrag (contractus locationis), der als innominatus bezeichnet wird, gefolgt von der vierten Form des Auftragsvertrages (contractus mandati).69 Die ersten zwei Verträge werden zwischen der Stadt (comitatem) und den Darlehensnehmern geschlossen. Sie werden durch die Beamten, die das Darlehen auszahlen und die Pfänder verwalten (im Auftrag der Communitas) vermittelt (mediantibus). Die verbleibenden beiden Verträge würden zwischen den

sionis domus etc., recipiat convenientem mercedem et non excedant limitavit officium salarium puta 100 ducatorum. Ebd., fol. 1. 66 quod si multi erunt petentes mutuum multi etiam erunt quatreni. Si pauci, pauci est ipsi quatreni invenientur. Declaravit quod si in fine anni invenientur punctualiter 100 bene quidem. Si vero minus puta 90 tunc illi 10 que istis officialibus deficient, supplebuntur de introitibus sequentis anni. Si autem ultra sortent, puta 110. Tunc fecit fieri bandimenta plura quod ille mutuatarius qui intenderet aliquam excrescentem rehabere portionem sibi tangentem, teneatur protestari post acciptionem mutui saltem infra xv dies quod mutuum recipit animo rehabendi talem portionem quantuncumque parvula soret. Ebd., fol. 1 67 Ebd. 68 Ebd., fol. 1–2. 69 Ebd., fol. 2. Primo […] contractus mutui, secundo contractus pignoris, tertio contractus locationis seu contractus innominatus ‚facio ut des‘, quarto et ultimo contractus mandati. Primi duo, scilicet contractus mutui et pignoris celebrantur inter communitatem et particulares mutuatarios, seu pignorantes, mediantibus istis officialibus qui nomine communitatis mutuant et recipiunt pignora. Fortunato Coppoli, Consilium, c.2va: Zitiert bei Amadori, Nelle bisacce, S. 29.

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genannten Darlehensnehmern und den Offizialen als Privatpersonen geschlossen.70 Interessant ist, dass das Mandat sich augenscheinlich nur auf die Beauftragung durch den Schuldner, nicht durch die Stadt bezieht. Die Beamten trügen somit auch das Risiko des Verlustes oder der Beschädigung der Pfänder und demnach sei ihr Lohn als Entschädigung gedacht.71 Dieses stipendium laboris als das zentrale Argument neben der karitativen Intention der Geldleiher taucht in fast allen folgenden Gutachten dieser Zeit auf.72 Der Umgang mit den Pfandgegenständen bildet den Themenkomplex der folgenden Abschnitte. Die Beamten würden mit den Pfändern nichts weiter tun als sie zu verwahren (hier folgt auch ein Verweis auf die Capitula der Monti). Da sie aus den Pfändern keinen Gewinn schlügen, sei die Pfandleihe nicht wucherisch.73 Vielmehr sei sie ein Akt der Barmherzigkeit an der Bevölkerung und der Nächstenliebe für die Bedürftigen. Aus dieser Notwendigkeit und Nützlichkeit sei der Monte di Pietà aus dem Herzen Gottes und der Menschen entsprungen. Im nächsten Abschnitt widmet sich Fortunatus dem Verkauf der Pfänder und dem Vorwurf, daraus wucherische Gewinne zu erwirtschaften. Der Vertrag beinhaltet auch, dass nach Ablauf der Leihdauer das Recht zum Verkauf des Pfands zu einem gerechten Preis dem Schuldner zukommt. Der dritte Vertrag über die Leihe (locationis) im Anschluss daran trägt den Titel „facio ut des“ nach dem Prinzip einer Zahlung für einen Dienst. In diesem könne per se kein Wucher geschehen.74 Nur aus einem Vertrag über ein mutuum könne, den Autoritäten zufolge, überhaupt Wucher entspringen. Da aber in diesem Fall eine Arbeitsleistung belohnt wird und diese kein materielles Gut ist, ist der contractus locationis höchst legitim.75 Die Formel facio ut des rückt das Mandat als entscheidendes Element des Vertrages in den Mittelpunkt. Hier geht es um eine Handlung mit dem Ziel, einen

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Reliqui vero duo contractus locationis et mandati celebrantur inter ipsos mutuatarios et illos officiales ad eorum comodum et incomodum et sic ab ipsis officialibus non nomine communitatis, sed ut a privatis personis. Ebd., fol. 2. Quod patet ex hoc, quod ad damnum et periculum ipsorum est si pignora perdantur seu deteriorantur et etiam salarium quod tribuitur datur pro ipsorum labore adeo propter quod si ipsi officiales a particularibus mutuatariis non reciperent eorum damnum esset et non communitatis. Ebd., fol. 2. Vgl. hierzu auch: Amadori, Nelle bisacce, S. 28 f. So etwa auch bei Filippo de Rodingo in seiner 1493 entstandenen Confutatio questiuncule contra montem pietatis, die 1498 in Venedig zusammen mit Fortunatos Gutachten und anderen Texten gedruckt wurde und mehrfach als Digitalisat vorliegt: z. B. in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Dort schreibt dieser: Pecunia igitur in proposito non parit pecuniam, sed labor optat premium et parit mercedem. Fortunato Coppoli, Consilium, fol. 44. Cum pignora non dentur, ut ipsi recipientes eis utantur, sed ut conservent manu teneant pariter et gubernent, ut supra in puncto expresse dicitur, et in capitulis montis. Et sic ex parte communitatis cum qua mediantibus officialibus isti duo contractus celebrantur usura vel aliud peccatum non cadit: Sed bene pietas populi, caritas proximorum indigentium. Ebd., fol. 3. Dicendum pariformiter non esse in eo aliquam usuram. Ebd. Ebd., fol. 4.

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anderen zum Geben zu bewegen. Zugleich kann hierin ein Beleg für die Rezeption des vielschichtigen römischen Vertragsrechts des Codex Iustinianus gesehen werden.76 Der erlangte Gewinn aus dem eingenommenen Zins, den die Beamten als Privatpersonen nach dem dritten Vertrag erhalten, sei ebenfalls nicht wucherisch und damit sündhaft, führt Fortunato nun aus. Falls die Beamten diesen Gewinn nicht zur Erleichterung der Armen verwendeten, so würde allerdings wirklich eine Sünde begangen. Das muss aber nicht sein: Tamen si bene advertantur in puncto presupposita, omnia bene procedunt.77 Nochmals wird betont, dass die Beamten zwar im Auftrag der Gemeinde handeln, aber in Eigenverantwortung. Daraus folge, dass der Stadt keinesfalls der Vorwurf der Sünde gemacht werden könne. Diese Unterscheidung zwischen der Verantwortung der handelnden Akteure im Monte als Privatpersonen und der Stadt als übergeordnetem Auftraggeber, der im Prinzip nicht zur Verantwortung für das Handeln seiner Bürger gezogen werden kann, scheint auch im Consilium Montevibianis auf. Eine Übernahme dieses Arguments kann hier als wahrscheinlich gelten. Fortunatus lässt diesem Punkt ein fiktives Fallbeispiel folgen, das – wie im Gutachten aus Perugia – die Transaktionskosten für die Beschaffung von Geld für ein Darlehen durch einen Boten als Exemplum erläutert.78 Diese Entschädigung entstamme dem contractus locationis operarum. Der Autor fasst dies treffend zusammen: Causa principalis et finalis est mutuum: et causa sine qua non est labor […] sine suo labore non fuisset mutuum factum. Fortunatus überträgt dies nun auf seinen Fall: die causa finalis der Monti sei die Nächstenliebe (charitas proximorum) und die causa sine qua non in diesem Fall das Darlehen. Nochmals betont er, dass die Entschädigung keinesfalls der Stadt zufalle. Nach Abschluss dieser Antwort wendet sich der Autor der Frage nach der Verwendung des überschüssigen Geldes (excrescentia) nach Abzug des Lohns der Beamten und der Miete für das Gebäude zu. Der gemeinnützige Charakter der Monti zeige sich beispielsweise in der Sammlung von Spenden. Manche geben 100 Dukaten, andere 50 oder weniger. In Florenz seien in wenigen Tagen 2000 Dukaten zusammengekommen. Aus dieser Erfahrung erschließt sich der gute und karitative Charakter des Projekts.79 Durch diese Taten leisteten die Gläubigen schließlich auch einen Beitrag für die Gemeinschaft, die Armen und ihr Seelenheil. Dies sei wichtig, würden die Juden – dies ist das letzte Thema der Abhandlung – doch durch ihre Gier die gesamte Substanz der Gemeinschaft verzehren.80 76 77 78 79 80

Hierzu die monumentale Abhandlung Reinhard Zimmermanns, The Law of Obligation. Roman Foundations of the Civilian Tradition, Cape Town u. a. 1990, besonders S. 534 f. Fortunato Coppoli, Consilium, fol. 5. Ebd., fol. 5–6. Ebd., fol. 9. in hebreis devorantibus quasi totam substantiam civium, cum innumeris temporalibus et spiritualibus detrimentis; nullam penitus sentiamus molestiam conscientie, pro ut aliqui ceci mundani inveniuntur, est sine dubio nimis eniungere, et per consequens elicere sanguinem, ebd.

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Durch die Duldung von und Geschäfte mit den Juden verfalle schließlich die gesamte Gemeinschaft dem Bann durch Exkommunikation. Fortunatus bringt die Verurteilung der Juden als wenig präsentes und noch weniger elaboriertes Argument am Ende dieses Traktats, was möglicherweise auf den Entstehungsort der 1498 gedruckten Version zurückzuführen ist: Venedig wollte seine jüdischen Geldverleiher auf keinen Fall ersetzen. Das Gutachten schließt mit dem eindeutigen Fazit, dass aus der Zinsnahme des Monte der Stadt und ihren Vorstehern keinerlei Sünde erwachse, sondern dass der Monte eine höchst tugendhafte und durch Nächstenliebe getragene Einrichtung sei: Remanet ergo conclusio firma: quod mons iste pietatis recte constructus est per communitatem nec incurritur aliquod peccatum ab ipsa vel a presidentibus etiam veniale, sed exercetur maxima virtus, ymo regina virtutus charitas die et proximorum.81 Die Legitimation seiner Ausführungen geschieht bei Fortunato da Coppoli durch die im Anschluss an den Text eingefügten Unterschriften und Beglaubigungsformeln von fünfzig Rechtsgelehrten und Theologen, darunter Bischöfe und zahlreiche Minoriten. Coppoli stand also mit seiner Meinung nicht allein, er beruft sich auf eine hohe Zahl an geistigen Autoritäten, eine Technik der Vergewisserung und Legitimierung, die Bernardino de’ Bustis später übernimmt. Die hier vorgeschlagene Neuauslegung des Vertragsrechts nach zivilem römischen Recht fand rege Verbreitung in den Predigten der Befürworter der Monti – unter ihnen der prominenteste, Bernardino da Feltre, und Fortunato selbst, der als Prediger in den 1470er und 1480er Jahren tätig war. Er führte auch im April 1473 ein entscheidendes öffentliches Streitgespräch in Santa Croce in Florenz, dessen Thema der Wuchervorwurf gegen die Monti war und aus dem er siegreich hervorging.82 Eine sehr klare Rezeption der Vertragstheorie Coppolis geht aus dem Traktat des portugiesischen Franziskaners Gomez da Lisboa83 hervor, der die Motive Fortunatos aufgreift und in seinem sehr kurzen Gutachten höchst verständlich auf den Punkt bringt.

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Ebd., fol. 10. Zum Wirken Fortunatos vgl. Alberto Ghinato, Un propagatore dei Monti di Pietà del 400: P. Fortunato Coppoli da Perugia, in: Studi e Documenti intorno ai primitivi Monti di Pietà (Studi e Testi francescani 25/4), Rom 1963, S. 37–59. Auch bekannt unter dem Namen Gomez Ferreira da Silva, war ein franziskanischer Konventuale, der an der Sorbonne Theologie studierte. Ab 1482 war er in Padua Theologieprofessor und ab 1511 Generalvikar des Ordens. Er nahm 1512 auch an den ersten beiden Sektionen des 5. Lateranums teil. Kurz nach seiner Ernennung zum Bischof von Nazareth verstarb er 1513. Vgl. Amadori, Nelle bisacce, S. 93 f. und S. 63 f.

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2.2.2.3 Das Consilium super Montem pietatis des Gomez di Giovanni da Lisboa Dieses kurze und prägnante Gutachten84 zur Feststellung der Rechtmäßigkeit des Monte greift gleich zu Beginn die drei Vertragsarten auf, die bereits Fortunato ausführlich behandelt hat. Primus est contractus mutui. Secundus pignoraticius. Tertius est operum locatio.85

Gomez stellt zur Klärung folgende Grundfragen: Was ist ein mutuum und inwiefern unterscheidet es sich vom Darlehen? Was darf nach dem Alten und Neuen Testament für das Darlehen verlangt werden? Wann ist es erlaubt einen Überschuss zu empfangen und wann nicht? Beim Darlehen des Monte handele es sich seines Erachtens nicht um ein reines mutuum, sondern um eine Leistung aus Nächstenliebe. Bei dieser Auslegung spielt erneut die Intention, obgleich sie nicht eigens genannt wird, eine ganz entscheidende Rolle. Durch Naturgesetz ist festgelegt, dass jeglicher Schaden an irgendjemandem vermieden werden solle, deshalb sei die Annahme eines Pfandes als Sicherheit für den Kreditor legitim. Daraus folgt die Rechtmäßigkeit des zweiten Vertrags. Beim dritten Vertrag handelt es sich um die Leihe einer Dienstleistung, deren Bezahlung rechtmäßig ist. Dies dürfe sowohl den Gelehrten als auch dem Volk einleuchten. Aus dem Monte als heiliger Sache können nichts Unheiliges entspringen: Nam ex sanctis non potest fieri nisi sanctem.86 Interessant an Gomez’ Text ist zunächst der Begriff des Staates (respublica), der den Monte mithilfe der Spenden seiner Bewohner einrichtet. Diese gäben 10.000 Dukaten für die Darlehen der Armen. Nur dieses Geld werde von jenen wieder an den Staat zurückgezahlt, deshalb sei der Vertrag des unentgeltlichen mutuum völlig erfüllt. Ein rechtmäßiger Zins in Höhe von zwei Schillingen pro Lira zur Entschädigung (ricompensa) der geleisteten Dienste der Beamten sei absolut rechtmäßig (lecito et giusto). Die aus dem Verkauf gemachten Gewinne sollen unter den Bedürftigen ausgeteilt werden.87 Am Ende dieser konzisen Darstellung, die einen interessanten Einblick in die wichtigsten Faktoren der Diskussion ermöglicht, schlussfolgert der Autor: Et profecto cum istius montis questionem diligenter perspexerim divinum esse inventum magis existimo quam humanum88 und verweist auf den göttlichen Charakter der Einrichtung. Jede Stadt, die einen Monte habe, könne sich glücklich schätzen.

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Gomez da Lisboa, Consilium edito, in: Pro Monte Pietatis, c. 17r., undatiert. Ediert und übersetzt von Amadori, Nelle bisacce, S. 274–279. 85 Ebd., S. 274. 86 Gomez da Lisboa, in: Amadori, Nelle bisacce, S. 276. 87 restituitur singulis pro rata parte, ebd. 88 Ebd.

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2.2.2.4 Rechnen als Argument: Marco da Montegallos Tavola della Salute In die frühe Phase der Consilienliteratur fällt auch der Text Marco da Montegallos aus dem Jahr 1486 mit dem Titel Tavola della Salute,89 in dem er drei Kapitel dem Monte als Heilsbringer widmet.90 Seine Argumentation fußt fast vollständig auf einem Rechenbeispiel, in dem er detailliert alle Schritte einer Zinsberechnung aufführt. Diese Strategie fügt dem Diskurs um die Zinsnahme beim Monte neben der Differenzierung der Vertragsbegriffe Fortunato Coppolis ein weiteres logisches Element hinzu. Montegallo geht in diesen drei Kapiteln in vier logisch aufbauenden Schritten vor: Im 10. Kapitel (Delli danni in summa della usura: & delli mali & damni delli infelici usurari) behandelt er das Thema Wucher und die daraus entstehenden Schäden durch eine detaillierte Aufrechnung von Langzeitschulden bei dreißig Prozent Zinsen pro Jahr. Darauf folgen als Kontrapunkt im 11. Kapitel die Ausführungen zur Nützlichkeit der Einrichtung eines Monte, dessen konkrete Arbeitsweise im 12. Kapitel anhand von Statuten beschrieben werden. Das 13. Kapitel schließlich beweist die Autorisierung vonseiten des Kirchenrechts und der Päpste durch den Abdruck von Bullen und Konzilsbeschlüssen. Die Struktur des Textes zielt scheinbar auf eine direkte Anwendbarkeit der Argumente in der Predigt zur Einrichtung eines Monte ab, erscheint die Gründung eines solchen doch als logische Folge aus den Berechnungen und gleichzeitig durch das Statutenformular sowie die in Kurzfassung beigefügten päpstlichen Bullen als bürokratischer Schritt bestens vorbereitet. Der Quellenwert des Traktats wird nochmals erhöht durch den beigefügten Holzschnitt mit der allegorischen Abbildung einer Stadtszene und des Monte im Zentrum, der – auf einen früheren elaborierteren Kupferstich des Florentiner Kartografen, Miniaturenmalers und Kupferstechers Francesco Rosselli (1445–c. 1513) zurückgeht und dessen Inhalt Philine Helas einer ausführlichen kunsthistorischen Analyse unterzogen hat.91 Auch ohne eingehende Text- und Bildanalyse kann man schlussfolgern, dass allein die Struktur dieser Schrift sich medial (durch Kombination von Text und Bild) und in ihrer Form (Rechnung, Statutentext als Formel und Bullen als Absicherung) von den vorherigen Gutachten, die wesentlich geschlossener waren, unterscheidet.

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Marco da Montegallo, Tabula della salute (gedruckt in Venedig von Nicola Balguer) 1486, online unter: BEIC (Biblioteca Europea di informazione e cultura) gutenberg.beic.it. In dieser Version fehlen die entscheidenden drei Kapitel sowie der Holzschnitt aus der Originalversion, obgleich diese im Text angekündigt werden. Marco del Monte S. Maria, La tabula della salute, Florenz: Antonio Miscomini, 15.V.1494, Firenze BN (Digitalisat unter: https://www.loc.gov/item/65058984/ (12.09.2022) Die Kapitel 10 bis 13 handeln vom Monte di Pietà. Philine Helas, Die Predigt in der Weltenlandschaft: zur Agitation von Fra Marco da Montegallo für den Monte di Pietà in einem Stich von Francesco Rosselli (c.1485), in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 31 (2004), S. 105–144. Auf das Bildprogramm der Franziskaner wird im letzten Teil dieses Kapitels genauer eingangen.

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Dieses Vorgehen der Kompilation bzw. Kombination neuer zeitgenössischer Elemente belegt m. E. die Innovativität der Kommunikationsstrategien der Franziskaner. Doch werfen wir einen genaueren Blick auf die Schrift Montegallos. Im Gegensatz zu den anderen Gutachten berichtet Montegallo von Monti, die ohne Zinsen Kredite vergeben, er nimmt also die Kritik der Gegner ernst und verweist auf alternative Praktiken, die in einigen Städten existierten. Das sehr kurze 10. Kapitel zeigt anhand einer Berechnung wie hoch die Verschuldung eines Darlehensnehmers bei einem Zinssatz von dreißig Prozent über fünfzig Jahre ist. Er rechnet dies schrittweise vor: E quanto al primo E da sa per che cento dati ad usura altretanta per cento l’anno El primo anno Fructano xxx. Ducati che summano cento trenta tra per de et capitale per lo primo anno. El secondo anno Li decti cento trenta ducati fructano xxx.ix. che summano in tutto tra usura & capitale cento sessantanove. El terzo anno: Li decti cento lxix fructano cinquanta ducati et grossi xvi et piccoli xxv che montano ducento xix ducati et xvi grossi venitiani et xxv piccoli […]

So ginge es weiter, bis die Zinsen auf dreihundert Prozent jährlich gestiegen seien. Schließlich steigere sich die Summe nach fünfzig Jahren auf über 792.000 Dukaten (settecentonovantadoi milia). Daraus folge großer Schaden und Verdammnis für den Schuldner, der solchen wucherischen Praktiken zum Opfer gefallen sei: Nota bene adunche povera creature humana: Come sì tristamente ti lassi diffare: et cum dampnatione del tuo proximo. […] Et ex consequenti stai in stato di dampnatione.92 Im 11. Kapitel Delli beni et utile de fare el monte sacratissimo della pietade93 begründet er die Gründung eines Monte di Pietà aus seiner vorherigen Darstellung der enormen finanziellen Belastung der Stadtbewohner durch die angehäuften Zinsen.94 Der Monte beschütze tausende Bedürftige somit vor der Sünde des Wuchers, die sie begingen,

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Marco da Montegallo, Tavola della Salute, fol. 55. Ebd., ab fol. 56. Verra ad havere facta tanta elemosina pro amore di dio al proximo et bisognose persone: lequale le haveranno recevuti in prestito di tempo in tempo da esso monte senza merito, premio, o usura alcuna, quanto tu vedi et consideri gli fariano costandi dallo usuraro secondo de sopra e scripto in summa, et de sotto si scriverà di stesso anno per anno gradatamente & chiaro. […] Et epsi usurari sempre vogliono e vagliano el doppio a loro extimatione, che vengono ad essere piu che per cento milioni di ducati di valuta in cinquanta anni: per li decto cento ducato che furono el primo capitale. Die Begriffe capitale, premio und interesse werden ganz selbstverständlich verwendet. Ebd., fol. 56.

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liehen sie Geld bei Wucherern.95 Durch diese sich anhäufenden Zinsen würde den Armen großer Schaden zu gefügt. Derjenige, welcher hundert Dukaten in den Monte anlege, mache sich hingegen sehr verdient.96 Dann erfolgt erneut eine Rechnung zu den Zinsen, die angehäuft werden, diesmal aber auf der Basis von 50 Dukaten, 25 Dukaten, 10 Dukaten und 5 Dukaten bis hin zu 5 Schillingen.97 Marco da Montegallo rechnet insgesamt für über 50 Jahre bis zum fiktiven Zeitraum von 800 Jahren weiter98 und schließt dieses Kapitel mit einem Gleichnis: discorrendo & assumando fino a octocento anni vel circa piu ducati fariano che granelli di rena del mare non andariano dal cielo empyreo fino al fondo de l’abisso in tutto l’universo.99 Bevor Marco da Montegallo zum 12. Kapitel kommt, schiebt er noch einen kurzen, deutlich an die Stadtoberen gerichteten Teil ein. Er erläutert sechs Arten von Vergehen, welche die Exkommunikation nach sich ziehen, und die die Unterstützer des Wuchers in den Städten (li Podestà, capitani, rectori, giudici, & cacelleri)100 ereilt. Dazu gehören: die schriftliche Erlaubnis Wucher zu betreiben, der Zwang der Debitoren Zinsen zu zahlen, Gerichtsbeschlüsse, die zur Zahlung auffordern, die Nicht-Annullierung aller bereits bestehenden städtischen Regulierungen zu diesem Thema, einschließlich Statuten und Consuetudines. Die Verantwortung der städtischen Oberen für die Anwesenheit von Wucherern in der Stadt bildet eine politische Folie, vor der Marco die notwendige Etablierung der Monti betont. Er bezieht sich an dieser Stelle auf die Predigten Bernardino da Feltres und dessen Forderung, dass die genannten Stadtväter diesen Wucher bekämpfen und die Wucherer zur Restitution zwingen und ihre Tätigkeiten verbieten.101 Die Beschneidung der Rechte jüdischer Geldleiher in den Städten wird von ihm als unabdingbare Voraussetzung zur erfolgreichen Errichtung der Montes und als erster Schritt angemahnt. Die jüdischen Geldleiher sollten deshalb von den principes zur Zurückzahlung der gezahlten Zinsen gezwungen werden.102 Das 12. Kapitel beschreibt die Funktionsweise des Monte an einem ganz konkreten Fall, nämlich der Stadt Fabriano in den Marken, dessen Gründung Marco 1470 in der Tertio verra a guadagnare el merito del schifamento di tanti migliaia di peccati mortali: quanto da epsi tali usurari cosi prestando saranno tutti comessi et operati, che non prestando li non si commetteranno. Ebd., fol. 56 f. 96 VII: et ultimo premo se in el dicto monte lassera li dicto C. ducati et piu o meno per piu de li dicti L. anni, o per in perpetuo, mentre humana non porria assumare li meriti et beni quali de tale et tante elemosine verrà a consequare a laude dello impotente vivo et vero Iddio. Ebd., fol. 57. 97 Ebd., fol. 58. 98 Ebd., bis fol. 66. 99 Ebd. 100 Ebd., fol. 67. 101 Et nota secondo Sancto Bernardino nel tractato che fece delle usure che tutti quello tali precedenti sono tenuti a restitutione in solido chome che & ipsi usurarii prestando causa efficace delle usure, in quanto non permettano che si possano repetere o redomandare, & rihavere. Ebd., fol. 67. 102 Comandamo che li giudei cioe usurari siano constretti per li principi, podestà, o vero potentari secolari a remettere le usure di christiani in fino a tanto che a epsi christiani le habbino relassare, cioe quelle le quali ancora non haveano recevute, & delle gia riceve se alcune sieno habbiano satisfacto. Ebd., fol. 68. 95

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dortigen Kirche Santa Maria di Jesu initiierte.103 Das Gutachten liefert somit ein anschauliches Beispiel dafür, wie man einen neu gegründeten Monte regulierte und verwaltete. Die eingefügten, sehr ausführlich gehaltenen Statuten greifen die Bestimmungen über den erlangten Gewinn aus Pfandverkäufen auf, die dem ehemaligen Inhaber bzw. – sollte dieser ohne Erben verstorben oder nicht auffindbar sein – den Armen der Stadt zugute kommen sollen.104 Der Monte solle jährlich hundert Fiorini von der Stadt bekommen sowie weitere hundert Fiorini aus anderen unspezifischen Einnahmen der Stadt.105 Marco da Montegallo schließt an diese Ausführungen einen seltsamen Vorschlag an, den er selbst con doglia di cuore einfügt: nämlich, dass es doch geschickter wäre, gleich Juden beim Monte anzustellen, da deren Sünden die Christen – als die besten Menschen der Welt – vor eigenen Sünden bewahren sollen.106 Denn sie hätten wenigstens Angst zu betrügen, denn sie würden bei Verstößen gegen die Capitoli rechtmäßig bestraft und nicht durch Freunde und Familienmitglieder geschützt. Diese pessimistische (oder realistische) Sicht auf die christlichen Beamten, die sowieso jeglicher Strafe bei Betrug entgingen, wird hier auf zynische Art und Weise mit der Sündenbockfunktion der Juden verknüpft. Marco de Montegallo präsentiert im 13. Kapitel Delli consigli de Collegii et doctori, et delli privilegii papali, et indulgentie di epso monte della pietà kündigt schließlich eine Reihe aktueller Gutachten und päpstlichen Approbationsschreiben an, die den Monte als neues Institut legitimieren.107 Dazu gehört das Gutachten der Perusiner Juristen von 1469 sowie die Bulle Innozenz VIII. aus dem Jahre 1486 für den Monte von Mantua. Das Gutachten wird hierbei stark gekürzt wiedergegeben und die päpstliche Bulle wird lediglich erwähnt, so dass diesem Kapitel nur ein abrundender Wert zugeschrieben werden kann. Offensichtlich galt Perugia auch in den 1480er Jahren immer noch

103 Ebd., fol. 69–88. Die Themen der Statuten, die hier nicht näher behandelt werden, sind: Der Raum und die Kasse des Monte, verschlossen mit jeweils drei Schlüsseln, die sechs verschiedene Personen innehaben; die vierfache Buchführung über Einnahmen (Spenden und Anlagen) und Ausgaben (vergebene Darlehen und die Ausgaben der Beamten) des Monte; über die Wahl und Eigenschaften der Beamten (diese sollen von gutem Ruf sein, Notare oder Händler, sowie deren Lohn (25 bis 30 Florin im Jahr) und Wohnort im Monte, die Höhe der Leihesumme (max. 3 Florin p. P.), Leihedauer (sechs Monate), und Versteigerung sowie die Sanktionen bei Fehlverhalten der Beamten des Monte. Darüber hinaus wird reguliert, wer sich Geld leihen darf, und wir erfahren etwas über das Anlegen von Depositen. Ebd., fol. 85. 104 Rubrica de residuisque supra sortem montis ex recadutis pignoribus haberentur […] Et li residui restituire subito al decto padrone sotto pena di uno fiorino per ciascuna volta che contrafacesse. Ebd., fol. 80 f. 105 Ebd., fol. 86. 106 Item che me venuto questo vedere o parere che saria meglio a talem offitio deputare giudei che molto christiani, almeno haveriano pagura di fraudare, et se fraudassono o fesson contra li decti capitoli, sariano puniti, et non sariano excusati et aiutati come li maligni christiani da loro maligni parenti, amici et partegiani, con doglia di cuore ce ho adgiunte queste parole, per le quali si vede el mancamento de christiani, delli quali li buoni sono li migliori huomini del mondo, ma li maligni sono li piggiori che so possono trovare. Ebd., fol. 89. 107 Ebd., fol. 91–94.

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als beispielhafte Gründung, und die päpstliche Legitimation eines lokalen Monte besaß weitreichende Bedeutung. Nach dieser ersten Phase der Rechtfertigungsstrategien der franziskanischen Verteidiger der Zinsnahme beim Monte, die bis in die Mitte der 1470er Jahre reichte, folgte in einer zweiten Phase der 1480er und 1490er Jahre eine stärker vom Gegensatz zwischen den Orden geprägte Phase der Auseinandersetzungen in den Gutachten. Dabei waren es die Angehörigen der Dominikaner und Augustinereremiten, die nochmals den Wucher des Monte in den Blick rückten. Unter diesen sticht Niccolò Bariani besonders hervor, verfasste er doch im Jahr 1494 im Wettlauf der medialen Selbstinszenierungen ein umfangreiches Gutachten De Monte Impietatis, das im Folgejahr von Bernardino de Bustis in einer ausführlichen Gegendarstellung entkräftet werden sollte. 2.2.2.5 Gegenstimmen: Niccolò Barianis De Monte Impietatis, 1496 Aufgrund der enormen Länge des Traktats Niccolò Barianis wird an dieser Stelle nur eine Zusammenfassung der wichtigsten Kritikpunkte gegeben. Bariani, der ab 1500 als Theologieprofessor an der Universität von Bologna unterrichtete, verfasste seinen Traktat De Monte Impietatis im Jahr 1494. Das Werk wurde 1496 in Cremona gedruckt und fand weite Verbreitung, die sich auch in den unmittelbaren Reaktionen der Franziskaner spiegelt. Die wichtigsten Kritikpunkte des Augustinereremiten Bariani sind: 1. Der Zins des Monte in Höhe von 10 bis 15 Prozent sei Wucher, da Geld steril sei und nichts hervorbringen könne. Jeder verliehene Nießbrauch an einer Sache sei Wucher, egal, ob mit dem Preis Gutes oder Schlechtes bewirkt werde.108 Außerdem führe jede Hoffnung auf zusätzliche Einnahmen zu einer Unterschlagung von Dingen und dies sei gegen das göttliche Recht.109 2. Die Verträge des Monte seien nur ein Vertrag und bestünde nicht aus mehreren.110 Die Beamten des Monte hätten demnach keinen Anspruch auf eine Entschädigung.

108 Omnis realis venditio usus rei, que mutuatur est usura, quicquid de pretio ipsius sive bonum sive malum fiat. Bariani, De monte impietatis, fol. 56. 109 Zudem ebd., fol. 9: Montis mutuum est per se peccatum, tum quia est divinae legi in se contrarium […] tum quia includit humanam operationem transeuntem super indebitam materiam, scilicet illam spem recipiendi ultra sortem mutui singulum denarium, quicquid enim ultra sortem mutui speratur est indebita materia, spei ipsius mutuantis qui solum sortem ipsam sperare ex mutuo debet vel potest licite. Auch zitiert bei Muzzarelli, Il Gaetano e il Bariani: per una revisione della tematica sui Monti di Pietà, in: Rivista di storia della chiesa in Italia 34/1 (1989), S. 3–19, hier S. 9, Anm. 27. 110 Ebd., fol. 204.

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3. In zahlreichen Städten Italiens würde auf diese Weise der Wucher durch die öffentlichen Predigten unter dem Deckmantel der Nächstenliebe verteidigt und nicht einmal der heilige Stuhl stelle sich dagegen.111 Dabei könnten die Päpste doch gar nicht entscheiden, ob Zinsen legitim seien. 4. Die Wunder der Gründer als Motivationshilfen für Spenden der Bevölkerung seien fragwürdig. Bariani fordert den Adressaten des Gutachtens, den Bischof Cremonas, gleich zu Beginn auf, sich auch bei den Kardinälen dafür einzusetzen, dass solche Praktiken unterbunden würden. Die Schriften der Kritiker wie Niccolò Bariani (und auch Thomas Cajetan) stellen den Monte als solchen keineswegs infrage, vielmehr argumentieren sie vehement für eine strengere caritas, die sie nur erreicht sehen, wenn die Darlehen gänzlich kostenlos seien. Deshalb werden auch die Beispiele der Monti ohne Zins wie Mailand, Brescia und der Lombardei immer wieder erwähnt. Der argumentative Weg dorthin führt sie über die Themen der mangelnden Notwendigkeit der Entschädigung der Beamten sowie der Verantwortung der Gemeinschaft für den Monte. Bariani schlägt als Lösung des Problems der Entlohnung der Beamten vor, diese aus einer Art freiwilligen Abgabe aller Stadtbewohner – ihren Fähigkeiten und ihrem Status entsprechend – zu finanzieren, um die armen Schuldner von dieser unrechtmäßigen Last zu befreien.112 Die Interpretation der unterschiedlichen Positionen von Franziskanern und Dominikanern bzw. Augustinereremiten sollte vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Herkunft und Traditionen der streitenden Orden erfolgen, wobei die Franziskaner als pragmatische Kommunikatoren und Politiker der florierenden Stadtgesellschaften auftraten. Die Dominikaner und Augustiner hingegen erscheinen als gelehrtere und konservative Mahner, die die kanonische Rechtstradition aufrechterhalten wollen, woraus der zugegebenermaßen oberflächliche Eindruck einer weniger flexiblen Haltung gegenüber den sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Zeit entsteht.113

Ebd., fol. 1. Et ita in plerisque Italiae urbibus huiusmodi praedicationum occasione usure ipse publice sub pietatis vocabulo exercentur. 112 Muzzarelli, Il Gaetano e il Bariani, hier S. 15 f. Sie zitiert auch aus Barianis Traktat, S. 90: Optima constitutio foret si rectores civitatis cupientes montem verae sincera que pietatis in sua civitate habere, statuerunt quod omnes ipsius civitatis cives et rurales juxta quantitatem suorum introitum vel facultatum singulo anno pro condigno salario ipsius montis aliquid solverent, ebd., S. 16. 113 Diese Interpretation kritisiert Muzzarelli dort als unbegründet (ebd., S. 19), womit sie gleichzeitig für eine eingehendere Beschäftigung mit den Schriften der Kritiker der Monti plädiert, die dieses Bild zu relativieren vermag. 111

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2.2.2.6 Reaktionen: Bernardino de Bustis Defensorium Montis pietatis 1497 Bereits ein Jahr nach Niccolò Barianis Kritik an den Monti erschien das Defensorium Bernardino de Bustis’.114 Die Verteidigungsschrift de Bustis’ – wohlgemerkt kein ‚einfaches‘ Consilium mehr – fasst zunächst den Stand der Argumentation zur Zinsnahme und der Wohltätigkeit der Monti zusammen und beruft sich ausdrücklich auf die Expertise derjenigen, die bisher Gutachten verfasst haben – wie beispielweise Fortunato Coppoli. Das Gutachten entstand als Reaktion auf die Angriffe seitens Niccolò Barianis in seiner Schrift De monte impietatis, die er im ersten Teil seines ersten Traktats aufgreift und anschließend entkräftet. De Bustis bietet zugleich eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente des Diskurses am Ende der 1490er Jahre. Das Defensorium besteht aus zwei Traktaten, das erste umfasst vier Teile, das zweite hat sieben Unterkapitel. Hier wird nur auf den von Amadori edierten fünften Teil des 2. Traktats zurückgegriffen, da er die Genese der Gutachten und Disputationen behandelt und diese für die hier behandelte Fragestellung von besonderem Interesse ist. De Bustis nennt einige bereits verstorbene Befürworter der Monti, darunter auch Bernardino da Feltre und Andrea de Faenza. Sie alle leuchteten durch zahlreiche Wunder als Zeugen der Wahrheit.115 Amadori und auch Muzzarelli haben darauf hingewiesen, dass zwischen diesem Text und den Predigten Bernardino da Feltres ein direkter Zusammenhang besteht. Amadori meint, das Defensorium wurde im Auftrag Bernardinos verfasst und greift auf Material aus seinen Predigten zurück.116 De Bustis beginnt mit der Feststellung, dass religiöse Männer wie Michele de Carcano oder Marco da Bologna und Cherubino da Spoleto bereits die Rechtmäßigkeit der Verträge und des Zinses der Monti festgestellt hätten. Zudem sei die Wahrhaftigkeit ihrer Aussagen durch vielfache Wunder (sic) bestätigt, die sie vollbracht hätten. Im Gegensatz dazu hätte kein einziger der Gegner der Monti Wunder bewirkt.117 Die Heiligmäßigkeit des Cherubino da Spoleto wird an dieser Stelle ebenfalls hervorgehoben. Ihn hätte man beobachtet, wie er von einem Engel in den Himmel emporgehoben

114 Bernardino de Bustis, Defensorium Montis pie[ta]tis Contra figmenta omnia emule falsitatis, Mailand 1497. Im Internet findet sich ein Druck aus Colmar von 1518, teilediert von Roberto Ferrari, L’azione dei minori osservanti nei Monti di Pietà. Il „Defensorium di Bernardino de Busti“, Mailand 2001. Eine vollständige Edition dieses 113 Seiten umfassenden Textes fehlt noch. Giancarlo Andenna schreibt in seiner Rezension von 2002, dass er nur den dritten Teil abdruckt, Amadori druckt nur den fünften Teil des 2. Traktats ab. Amadori, Nelle bisacce, S. 134–169. 115 Ebd., S. 134: coruscant prodigiis in testimonium veritatis. 116 Hierzu Amadori, Nelle bisacce, S. 77 f.; Muzzarelli, Il denaro e la salvezza, S. 156–159. Einige Teile der folgenden Ausführungen basieren auf einem Aufsatz der Autorin. Tanja Skambraks, Expertise im Dienste der Caritas. Die Monti di Pietà zwischen gelehrtem Wissen und Erfahrungswissen, in: Philip Knäble / Marian Füssel / Nina Elsemann (Hg.), Wirtschaft und Wissen. Expertenkulturen und Märkte vom 13. bis 18. Jahrhundert, Göttingen 2017, S. 169–190. 117 Inter quod fuit beatus frater Michael de Carcano predicator veritatis qui multis corruscat miraculis. Et beatus frater Marcus de Bononia similiter miraculis […]. Amadori, Nelle bisacce, S. 134.

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worden sei.118 Das Gutachten nimmt Bezug auf die Gutachten der Juristen von Perugia, Padua, Siena und Florenz, die de Bustis alle selbst vor Augen hatte, wie er schreibt. Er fasst ihre Inhalte zusammen und betont die hohe Qualität dieser Expertentexte. Abschließend nennt de Bustis drei Conclusiones zur Rechtmäßigkeit der Zinsnahme.119 Etwas später fasst de Bustis dann die Schlussfolgerungen des Gutachters Gerolamo Carenzoni gegen Niccolò Barianis Schrift De Monte impietatis zusammen.120 Demnach seien die Monti nicht gegen das Evangelium. Ihre unternehmerische Tätigkeit produziere keinen Gewinn und keinen Betrug, sondern sie helfe den bedürftigen Armen. Die ganze Welt strahle im Glanz dieser wohltätigen Einrichtung, die keinen unrechtmäßigen Vertrag schließe. Eine Arbeit, die geleistet werde, werde entlohnt, ein Haus gegen Bezahlung gemietet, der Monte behalte jedoch keinerlei Geld für sich. Der einzige Grund für die Existenz des Monte sei daher, den Armen zu helfen. Diese Barmherzigkeit schaffe nur Gutes, nichts Schlechtes. In gleichem Ton folgen weitere, insgesamt zehn Conclusiones. Hingegen hätten die Gegner der Monti kein einziges Wunder vollbracht: Oppugnatores autem eiusdem montis nullo miraculo corucsant.121 Diese spirituelle Sichtweise auf das Geschehen um die Monti erscheint als neues konstitutives Element des Diskurses und zugleich als Wahrheitsbeweis jenseits der rationalen Argumente, die bisherige Gutachten wie etwa das des Gomez de Lisboa auszeichneten.122 Dann wechselt Bernardino die Ebene hin zur Tradition als Argument, denn viele Gelehrte beider Rechte hätten die Legitimität der Darlehensverträge bewiesen. De Bustis kann tatsächlich auf eine recht lange Tradition der Perusiner, Paduaner, Sieneser und Florentiner sowie Piacenzaner Rechtsgelehrten Bezug nehmen. Demnach wären drei Schlussfolgerungen zu ziehen: Erstens sei die Annahme eines Zinses für das geliehene Geld zur Deckung der Ausgaben des Monte absolut kein Wucher, demnach sei der Monte ein Werk der Frömmigkeit, Heiligkeit und Wohltätigkeit (opus pium, sanctum et caritate), zweitens begingen die Depositare des Monte keinerlei Sünde, vielmehr solle man sie ministri de118 Ebd. 119 Conclusio prima est quod pro expensis et oneribus et salariis et cetera, aliquid accipere usque ad concurrentem quantitatem dictarum expensarum nulla prorsus dici potest usura vel peccatum. Ex qua inferitur correlarium, quod dici debet opus pium, sanctum et caritate plenum et quod contraria sentiens dogma perversum habet. Et falsas ac novas gignit II opiniones. Et si daretur audacia verbis inherendo glose in Cle. Prima. Extra De usur. In glo. Pe. […]. Secunda conclusio est quod massarii seu depositarii ellecti nullatenus peccant. Ex qua correlarium inferitur quod definiri ministri pietatis merentur. Tertia conclusio quod illa excresentia cum in casu predicto non efficiatur in dominio alicuius ex ministris nec etiam communitatis nec elargentium monti aliquo modo non potest dici usura. Ex qua infertur correlarium quod dola retentio fulcita recto et iusto animo restituendi, modo de quo in capitulis non nutrit peccatum. Et quod mons pietatis factus auctoritate episcopi dicitur locus pius, et illi competunt omnia privilegia ecclesiarum quatenus ei adaptari possunt, hec illi. Amadori, Nelle bisacce, S. 134 ff. 120 Ebd., 136 f. 121 Ebd. 122 Ex quibus patet iustificatio montis, quia miracula sunt sufficiens testimonium ad probandam aliquam veritatem. Ebd.

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lla pietà nennen. Und drittens sei auch das Surplus kein Wucher, da es weder einzelnen Personen noch der Stadt zugute komme. De Bustis polemisiert nun gegen die mangelnde Flexibilität der Kritiker im Angesicht der von Experten erbrachten Erkenntnisse: O igitur indurati adversarii montis.123 Er vertieft die bereits bekannten Themen in zehn Conclusiones und weiteren sieben logischen Folgen (correlarii). Neben der Vorsicht, der guten Intention und Zielsetzung, die in den ersten drei conclusiones genannt werden, erscheint auch die Eindämmung der Gier der Juden als Motiv (in der 6. Conclusio). Dieses Argument sticht bei de Bustis allerdings nicht besonders hervor, was keinesfalls bedeutet, dass de Bustis frei von antisemitischen Tendenzen war, wie Hubert Élie in einem Aufsatz zu dessen 1490 in Mailand verfasster Schrift Consilium contra Judeos als Teil seiner Predigtsammlung (Rosarium sermonum preadicabilium) aufgezeigt hat.124 Man hat vielmehr den Eindruck, die Franziskaner waren darum bemüht, ihre antijüdische Propaganda auf der einen und die Verteidigung der Monti auf der anderen Seite zumindest auf der Ebene der Consilia nicht allzu sehr zu vermengen. Setzt man beide Textstränge jedoch in Verbindung, so ist klar zu erkennen, in welchem Ausmaß beide Diskurse Hand in Hand gingen. Noch deutlicher wird dieser Tatbestand, wenn man die Gesetzgebung der Städte, i. e. die gezielte Einschränkung der Handlungsspielräume der Juden, im Zuge der Etablierung der Monti betrachtet.125 Jedenfalls wird der Monte auch bei de Bustis als sicherere und günstigere und vor allem durch die Stadt legitimierte Alternative zur jüdischen Geldleihe dargestellt.126 Ein Novum der Argumentation ist die Anpassung des Zinssatzes an die Höhe des Darlehens, die de Bustis in der 8. Conclusio anführt. Innovativ ist schließlich auch die 9. Conclusio, die den genossenschaftlichen Charakter der Einrichtung am Beispiel Cremonas beschreibt, in der schließlich jeder Spender und Förderer – durch den Monte vermittelt – zugleich seinem Mitbürger und schließlich sich selbst leihe.127 Aus dem Impetus der Selbsthilfe könne doch keine schlechte Intention und demnach keine Sünde erwachsen, ein Gedanke, der sich auch in der Quaestio des Annio da Viterbo wiederfindet. Die 10. Conclusio beschreibt dann die Zinsnahme als stipendium laboris, die auch von einem armen Schreiner oder Pförtner anerkannt werde.

123 Ebd., S. 136. 124 Hubert Élie, Contribution à l’étude du statut des Juifs en Italie aux XVe et XVIe siècles. L’opinion de Bernardin de Bustis, in: Revue de l’histoire des religions 142 (1952), S. 67–96. 125 Siehe hierzu die Beispiele in Kapitel 3 und 7. 126 Maxime miseris subvenitur in hoc piissimo monte. Valdeque vorax iudeorum usura confunditur. Tute enim ac fide pignora conducuntur a ministris ceritis cirographis pecunie comutantur et labores onerosi huius mutui quantumlibet tenue premiis compensantur ratione calculi previa atque communi et publica auctoritate conformi. Amadori, Nelle bisacce, S. 138. 127 Nec potestas publica quia nihil nisi bonum commune perquirit. Nec communitas cuius est mons ut Cremone quia omnes simul singulis actualiter monte medio et consequenter sibi ipsius actualiter et unusquisque sibi mutuat si hoc mutuum dici potest: nihil inde aut recipiens aut sperans. Quid ergo mali facit pius mons pauperum? Ebd., S. 140.

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Die Barmherzigkeit habe durch göttliche Inspiration den Geist der Menschen erreicht, in denen bereits die Idee des Monte als Keim angelegt war.128 Die Gegner des Monte sollten vielmehr um ihr eigenes Seelenheil bekümmert sein, wenn sie unfähig seien, das Gute daran zu erkennen.129 Es sei unmöglich, dass eine solch große Menge von Unterstützern in verschiedenen Städten und Regionen, die sich selbst dem Ideal der absoluten Armut unterworfen hätten, irrten und sündigten. Zudem würden viele Menschen die Monti durch Testamente und Almosen fördern.130 Hier kann de Bustis auf eine bereits erfolgreiche und sichtbare Ausbreitung der Institution seit den 1460er Jahren verweisen, die seine Argumentation zusätzlich stützt. Dann bezieht sich der Autor wiederum auf das wirkmächtige erste Gutachten Fortunato Coppolis und diejenigen, die es unterzeichneten und somit approbierten. De Bustis kopiert alle Unterschriften an dieser Stelle vollständig, inklusive ihrer Qualifikationen und Titel,131 und fügt alle bekannten zeitgenössischen Gelehrten beweisartig und teils mit Zitaten hinzu. De Bustis’ Strategie der Verifikation scheint an dieser Stelle klar: Durch die Kompilation aller bisherigen Autoritäten schafft er eindrucksvoll – und ohne zu sehr ins Detail der scholastischen Untersuchung gehen zu müssen – eine Legitimation der Argumente für den Monte. Gleichzeitig signalisiert dieser Text auch, dass dem Diskurs inhaltlich nicht mehr viel Neues hinzuzufügen ist, die Beweiserbringung erfolgt durch die Darstellung des symbolischen Kapitals seiner Teilnehmer. Im verbliebenden Teil bekräftigt de Bustis seinen Standpunkt, indem er auf die drei öffentlichen Streitgespräche verweist, bei dem die Befürworter der Monti stets überzeugt hätten.132 Diese sind neben den Consilia und dem an anderer Stelle analysierten Bildprogramm die wichtigsten Medien, deren sich die Franziskaner bedienten, um den Diskurs um die Monti zu führen und das Projekt erfolgreich in der spätmittelalterlichen Gesellschaft zu installieren. Die zehnte Schlussfolgerung sei noch zitiert, da sie die Verwendung von konkreten Fallbeispielen zur Illustration des Sachverhaltes und damit eine Abkehr von der rein theoretischen Argumentationsweise früherer Gutachten verdeutlicht: Carpentarius et vilis valde baiulus in delatione mutui merito precio a mutuatario debet recognosci etiam si pauperi non inserviatur nec stimulo caritatis. Cur ergo pietas huius equissimi montis non recognoscet obligationem onerosam valde hominis et notabilis industrie et bone erga

128 Sextum correlarium: […] Itaque impetu quodam divino hec pietas potuit bonis viris insinuari que mentibus hominum confuso quodam germine insidebant. Ebd., S. 142. 129 Qui autem non vident hoc bonum debent tacere et sibi cavere ne illis dati sint oculi ut videntes non videant. Ebd., S. 144. 130 Non est verisimile quod in hoc omnes concordarent si aliquid peccati in se contineret et maxime cum ex ipso monte utilitatem aliquam non sentient sed potius dispendium non exiguum pro eo quod multe elimosine que eis fierent inter vivos et in testamentis ipsi monti applicantur. Ebd. 131 Ebd., S. 146–152. 132 Ebd., S. 162–166.

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pauperes voluntatis? Similiter enim in proposito onus quantitati mutuate commultiplicatur. Ideo ex onere damnoso: ut omnes concedunt licere hic recte accipitur non ex usu mutui mensurantes.133

Ein Zimmermann oder ein armer Lastenträger müsse anerkennen, dass dem Kreditor entprechend der Höhe seines Darlehens eine Entschädigung zusteht, auch wenn dieser weder nützlich für die Armen sei noch die Nächstenliebe anrege. Warum solle also die Barmherzigkeit des höchst gerechten Monte die Arbeit eines Mannes nicht anerkennen, sei es wegen seines Fleißes oder für seinen guten Willen gegenüber den Armen? Auf die gleiche Weise werden die Spesen des Monte nach der Höhe des Darlehens kalkuliert. Denn es seien sich ja alle einig darüber, dass es rechtmäßig ist, etwas mehr zu fordern – nicht für das Darlehen selbst, sondern als Zahlung für die geleistete Arbeit desjenigen, der das Darlehen gewährt hat. Mithilfe eines Gleichnisses wird hier das stipendium laboris mit der allgemeinen caritas gleichgesetzt. Anschaulich wird das Wissen und die Legitimität dieser Ideen dargestellt, nachdem de Bustis erneut sieben collorationes vorgebracht hat, die auf verschiedenen Gutachten von Gelehrten aus Mailand fußen. Er formuliert: Predictum etiam montem licitum esse patet ex determinatione sapientissimorum doctorum consilii secreti illustrissimi ducis Mediolani.134 Um alle weiteren Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Monti zu zerstreuen, hätten Experten beider Rechte und der Theologie berühmte Gutachten, wie eben das des Fortunato Coppoli, zugunsten des Monte erstellt: Ad tollendam atque omnem dubitatem de cordibus ignorantium multi singulares viri iuris utiusque peritissimi specialia super predicti montis iustificatione clarissimaque consilia ediderunt. Inter quos fuit frater Fortunatus de Perusio cuius consilium subscriptum fuit et approbatum ab infrascriptis doctoribus quorum subscriptione sunt.135

Der Rest des Gutachtens de Bustis’ besteht zu weiten Teilen aus der Nennung von Namen, ja ganze Namenlisten werden aufgeführt, um zu belegen, wie groß die Menge der profilierten und arrivierten Unterstützer der Monti ist. Bernardino führt an der Stelle, an der er das Gutachten Fortunatos bespricht, nun keine Auszüge aus dem Gutachten selbst, sondern alle Namen der Unterzeichner an. Diese Expertenliste beinhaltet insgesamt 47 Namen, darunter Theologen und Juristen des Florentiner Kollegs. Die Mehrzahl der Gutachter bezeichnet sich selbst als Magister, Doktoren oder Professoren der Theologie; 19 nennen sich Doktoren oder Professoren beider Rechte.136 Die 133 Amadori, Nelle bisacce, S. 140. 134 Ebd., S. 144. 135 „Zur Beseitigung aller Zweifel aus den Herzen der Unwissenden veröffentlichten zahlreiche einzigartige, höchst gelehrte Männer des Rechts einige glänzende Gutachten über die Rechtmäßigkeit der genannten Monte. Unter ihnen war auch Bruder Fortunatus aus Perugia, dessen Gutachten unterzeichnet und bestätigt wurde von jenen hier aufgeführten Doktoren, deren Unterschriften sind […]“ [Übersetzung der Autorin]. Amadori, Nelle bisacce, S. 146. 136 Ebd., S. 147–153.

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akribische Aufzählung der Namen der Gutachter verweist auf de Bustis’ Inszenierung der Autorität im Streit um das interesse: die vorgebrachte Zahl und Qualifikation der Personen sollen das Gesagte untermauern. Den Stellenwert der Expertise des päpstlichen Lektors Benedetto de Benedetti da Perugia hebt der Autor sogar hervor als iuris utriusque doctor clarissimus qui dicebatur doctor veritatis.137 2.2.2.7 Ein depositum apostolicum für die Gemeinschaft: Annio da Viterbo, Questiones, 1492 Neben den franziskanischen Verfechtern der Montes und ihrer Zinsnahme existiert eine Abhandlung, die innerhalb der Forschung zu den Monti di Pietà bisher zwar bereits thematisiert wurde,138 deren gesellschaftspolitische Bedeutung und Wert für die Kontextualisierung der Monti jedoch weitestgehend ungewürdigt blieb. Annio da Viterbo, am 5. Januar 1437 als Giovanni Nanni geboren, stammte aus dem Handwerkermilieu, um 1448 trat er dem Dominkanerorden bei. Er studierte Theologie in Florenz und Rom, wo er um 1466 auch den Magistertitel erwarb.139 Anlässlich des Generalkapitels des Ordens trat Annio in Erscheinung und wurde vom Biografen Papst Pauls II., Gaspare da Verona, als intelligenter, philosophischer Kopf und als eine elegante Erscheinung beschrieben (quem aperte intellexi esse philosophum et eum quidem physicum elegantem, acutum audacem, promptum).140 Annio war eng verbunden mit der Kurie unter Alexander VI., von dem er 1499 zum magister palatii apostolici ernannt wurde. Er starb 1513 in Rom, vermutlich vergiftet von Cesare Borgia. Heute ist Annio vor allem bekannt für sein vermutlich gefälschtes 17-bändiges Geschichtswerk Antiquitatem variarum, gedruckt 1498 in Rom.141

137 Ebd., S. 152. 138 Vgl. beispielsweise die Ausführungen von Rodolfo Savelli, Aspetti del dibattito quattrocentesco sui Monti di Pietà. Consilia e Tractatus, in: Banchi pubblici, banchi privati e monti di pietà nell’Europa preindustriale, Atti del convegno Genova, 1–6 ottobre 1990, Genua 1991, S. 543–560, sowie Saverio Amadori, der den Text in seinem Buch von 2007 erstmals abgedruckt hat und damit leichter zugänglich machte. 139 Riccardo Fubini, Art. Nanni, Giovanni da Viterbo, in: Dizionario Biografico degli Italiani 77 (2012), online unter: http://www.treccani.it/enciclopedia/giovanni-nanni_%28Dizionario-Biografico%29/ (10.01.2020). Darüberhinaus liegen zahlreiche Artikel über Annio – vor allem als Fälscher – vor, jedoch mangelt es immer noch an einer ausführlichen Biografie, wie der Ägyptologe Alfred Grimm festellte: ders., Osiris, König der Etrusker. Giovanni Nanni da Viterbos „Tabula Osiriana Aegyptia“ als Beitrag zur Querelle des Anciens et des Modernes, in: Thomas Glück / Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Münster 2007, S. 81–116, hier S. 82. 140 Fubini zitiert: Edoardo Fumagalli, Aneddoti della vita di Annio da Viterbo. Documenti e ricerche, hg. v. G. Baffioni et P. Mattiangeli, Rom 1981, S. 167–199, hier S. 198. 141 Zur Geschichte dieser Fälschung und ihrer Rezeption siehe Christopher R. Ligota, Annius of Viterbo and Historical Method, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institute 50 (1987), S. 44–56.

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Seine hier analysierte Quaestio142 schrieb er im Auftrag des Bischofs von Padua. Er nimmt darin Bezug auf ein von ihm in Genua verfasstes Gutachten, das er aus dem Gedächtnis zusammenfasste. Er leitet seine Argumentation aus dem Naturrecht (ius nature)143 des Alten und Neuen Testaments ab, das oberste Autorität habe. Besonders das 15. Kapitel im fünften Buch Mose ruft zur Nächstenliebe und zur Hilfe für die Armen auf.144 Daraus ergibt sich für Annio die zivile Verantwortung der Städte für die Armenfürsorge durch Kredite, und er erschließt eine interessante Neudefinition des Monte – er empfiehlt den Begriff Depositum apostolicum – als eine Art genossenschaftliches Wohlfahrtsunternehmen. Annio teilt seinen Traktat in zwei große Hauptteile, der erste Teil beschäftigt sich mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit jüdischer Geldleihe, die er nach einer quaestio schließlich verneint. Im zweiten Hauptteil handelt er sehr ausführlich und teils innovativ den Charakter der Monti di Pietà ab. Im Gegensatz zu den franziskanischen Gutachten, die den Kanon der eigenen Gutachtentradition quasi selbstreferentiell und routiniert abarbeiten, zeigt sich Annio als selbstständiger Denker in einer anderen, man könnte sagen viel stärker sozialpolitisch argumentierenden Tradition. Dies verleiht seinem Traktat einen besonders innovativen Charakter. Zunächst stellt er die Axiome seines Denkens und seiner Argumente vor, die im stringenten Bezug zum Naturrecht des Alten und Neuen Testaments stehen. Dieses Recht steht für ihn viel höher als alle anderen Gutachten und Gesetze und sei diesen immer vorzuziehen, womit er sich geschickt aus der Argumentationsschleife der franziskanischen Autoren herauszieht. Nur die Gesetze des Papstes hätten eine große Gültigkeit, seien jedoch dem AT und NT untergeordnet.145 Als vierte Grundlage nennt Annio dann die von Gott klar auferlegte Pflicht der Städte ihre armen Bewohner zu unterstützen, damit diese nicht in Not lebten.146 Immer wieder führt der Autor das

142 Annio da Viterbo, Questiones due disputate super mutuo iudaico et civili et divino, 1492, edite in Mons Pietis. Pro Monte Pietatis consilia, Venedig: Giovanni Tacuino, 1495–97). Gedruckt und übersetzt bei Amadori, Nelle bisacce, S. 230–273. 143 Annio da Viterbo, Questiones, in: Amadori, Nelle bisacce, S. 232. Wörtlich: In nova vero et veteri lege continetur ius nature ut dicitur distinctione prima capitulo ius nature est quod lege et evangelio continetur. 144 Dieses handelt von der Vergabe von Krediten an arme Israeliten. Dort heißt es: Dtn 15,7–11: „Wenn bei dir ein Armer lebt, irgendeiner deiner Brüder in irgendeinem deiner Stadtbereiche in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, dann sollst du nicht hartherzig sein und sollst deinem armen Bruder deine Hand nicht verschließen. Du sollst ihm deine Hand öffnen und ihm gegen Pfand leihen, was der Not, die ihn bedrückt, abhilft. Du sollst ihm etwas geben, und wenn du ihm gibst, soll auch dein Herz nicht böse darüber sein; denn wegen dieser Tat wird dich der Herr, dein Gott, segnen in allem, was du arbeitest, und in allem, was deine Hände schaffen. Die Armen werden niemals ganz aus deinem Land verschwinden. Darum mache ich dir zur Pflicht: Du sollst deinem Not leidenden und armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen.“ Die Bibel, Einheitsübersetzung. 145 Amadori, Nelle bisacce, S. 230 ff. 146 Quartum fundamentum est quod Deus obligavit sub precepto communitates ad provisionem pauperum civium ut non essent egeni. Ebd., S. 232.

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Leitzitat aus dem 15. Kapitel des Deuteronomium in seiner Abhandlung an. Es lautet: Omnino indigens et mendacius non erit inter vos (Dt. 15,7) […], si unus de fratribus tuis qui moratur intra portas tue civitatis ad paupertatem devenert non obdurabis cor tuum nec contrahes manum sed aperies eam pauperi et dabis mutuum quo eum indigere prospexis.147 Nach dieser Einleitung wendet sich er sich den zwei bekannten Formen des Kredits (unum iudaicum, alterum civile) in den Städten zu und vergleicht diese nacheinander. „In diesem Fall haben wir es mit zwei Fragen zu tun: ist es rechtmäßig, dass die christliche Stadtregierung Gesetze zum Schutz des jüdischen Kredits im Namem der ganzen Stadt unterscheibt? Und zweitens: ist der städische Kredit, bekannt als Monte di Pietà, rechtmäßig?“148 Zunächst verurteilt er die Geldleihe der Juden in einer Quaestio, die in drei längeren Teilen sechs Argumente für die jüdische Geldleihe unter dem Begriff falsitas vorstellt, danach folgen im zweiten Teil einige dubii (mit weiteren drei Zwischenconclusiones) und im dritten Teil die Widerlegung der Argumente (risposte) für den jüdischen Kredit. In den Conclusiones lehnt er schließlich die Leihpraxis der Juden ab. Ich konzentriere mich an dieser Stelle auf die Zusammenfassung der Conclusiones des zweiten Teils, da sie zudem die vorherigen Argumente zusammenfassen. Die wichtigsten Argumente für jüdische Darlehen sind: Sie ermöglichen die Bekämpfung der Armut und sind somit nützlich für das Gemeinwesen. Zudem sind sie durch Gewohnheitsrecht legitimiert. Das Verleihen von Geld gegen Zins ist durch Kapitel 23 des Deuteronomiums erlaubt (Leihe nicht an Glaubensbrüder gegen Zins, aber an Fremde). Der Autor schlussfolgert, dass die Städte durch die Erlaubnis der Geldleihe für die Juden oder anderweitige Unterstützung selbst sündigten und damit dem Bann verfielen. Daraus folge, dass die gesamte Gemeinschaft diese Last auf sich lade und zu Komplizen der „Raubtiere“ werde.149 In den Erwiderungen am Ende des ersten Teils argumentiert Annio da Viterbo ganz im Sinne der antisemitischen Tradition dieser Textgattung: Die jüdische Geldleihe sei für das gesamte Gemeinwesen schädlich, da es die Stadtoberen zur Todsünde verleite. Der Wucher verschlucke die Seelen wie ein Strudel und trockne die Güter der Armen aus. Deshalb sei Wucher gemeinschaftlicher und individueller Diebstahl und Raub, der das städtische Glück und das Gemeinwohl zerstöre.150 Das göttliche Recht stehe höher als das Gewohnheitsrecht, somit könne der Wucher nicht mit einer Tradition begründet werden, sondern müsse als unausstehliche Verdorbenheit der Gesetze und als Unterminierung des Naturrechts und des gött147 Ebd., S. 232. 148 Ebd., S. 234. In hoc casu duo breviter queruntur. An iudaicum mutuum conventionatum dictis capitulis ci, communitate liceat rectoribus christianis. Secundo an liceat civile quod dicitur vulgo mons pietatis. 149 In his locis in summa habetur de fautoribus raptorum sub quibus potissime sunt domestici raptores usurarii quod si quis favet consilio vel consensu et auxilio cooperativo damni illati. Ebd., S. 242. 150 Usura animas tamquam vorago devorat et facultates pauperum exhaurit. Unde publicum domesticumque est latrocinium et rapina destruens civilem felicitatem et commune bonum. Ebd., S. 244.

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lichen Rechts gelten.151 Er bestreitet zudem, dass Gott Kredite als Einkommensquelle geschaffen hätte, sondern er hätte Überfluss an Besitz und ausreichend Reichtum geschaffen, damit von allen geliehen werden könne gegen Garantien und Pfänder.152 Er schließt dieses Argument mit dem Ergebnis, dass diese Art Wucher rechtmäßig und zum Wohl der Armen geschaffen sei, genau wie kostenfreie Darlehen und Almosen, wie Gastfreundschaft und der Monte di Pietà.153 Im zweiten Teil seiner Quaestio thematisiert er zunächst die Argumente der Gegner der Monti, darunter generell die Vergabe von Krediten, dann das eingenommene Surplus, die Festlegung auf sechs Monate Leihdauer, die die Schuldner unter Druck setze, und schließlich den Pfandverkauf, der den Armen auch ihre letzten Besitztümer raube.154 Die Kritiker führten überdies an, dass der Monte schlimmer als die Juden sei, dass er gleich einen dreifachen (im Vergleich zum einfachen) Wucher beginge: durch die Verwendung des Zinses zur Deckung der Personalkosten, um den Monte anwachsen zu lassen, und durch die Orientierung der Zinssumme am geliehen Betrag.155 Als weiteres Argument gegen den Monte referiert er, dass es nur eine einzige Form des wucherischen Vertrags gebe. Dieses Argument spielt auf die Bemühungen der Gutachter wie Fortunato Coppoli an, den Wuchervorwurf auf der Basis des Vertragsrechtes zu entkräften. Schließlich werden die Vorwürfe des Amtsmissbrauchs und Betrugs durch die Beamten des Monte vorgebracht, die dessen Geld an ihre Freunde verliehen oder für spekulative Geschäfte verwendeten, die Pfänder zu geringen Preisen verkauften, um sie sich später zu miserablen Preisen selbst anzueignen.156 Dem stellt Annio nun seine Argumente für den Monte gegenüber. Er beginnt, indem er drei Typen von Stadtbewohnern definiert: die Reichen, die zur Administra­tion der städtischen Belange verpflichtet seien, dann die Armen, denen es an genügend Essen mangele und die somit schlecht für ihre Familien und ihr Haus sorgen können. Als dritte Kategorie nennt er die Bedürftigen (indigenti e i mendicanti), die nichts als ihr Hemd und ihren Mantel besitzen. Da es nun die gottgegebene Aufgabe der Reichen sei, für 151 152 153 154 155

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Mala […] consuetudo non minus quam pernitiosa corruptela est vitanda. Dicenda est igitur usure antiqua defensio non consuetudo sed pestifera corruptio legum et iuris naturalis ac divini impugnatio. Ebd., S. 244. Ad quintum dicendum est quod Deus non statuit ibi usuram pro premio sed abundantiam rerum et divitiarum validam, ut possent mutuare et vades ac pignora a cunctis accipere gentibus, ut exponit beatus Thomas, ebd., S. 246. Itaque hec usura licita est et committitur in provisione pauperum in mutuis liberis et in elemosinis et in hospitalitate ac monte pietatis, ebd., S. 246. Amadori, Nelle bisacce, S. 248. Quinta ratio est quia est damnosior quam iudaica usura. Nam iudeus simplex mutuum dat et simplicem usuram exigit. Mons vero iste triplicem usuram expetit: unam in salarium officialium, aliam in augumentum montis et usuram eorum qui monti mutuarunt pecunias. Sed illa iudaica simplex illicita est et damnata ut in precedente questione ostensum est. Ergo iste est triplex. Ebd., S. 250. sed hic mons est occasio ut officiales predentur ipsum et mutuent suis amicis divitibus ad negociandum et non pauperibus ad substentandum et pignora vendant minus ut ipsi emant vili precio et ita defraudant pauperes hiis et multis aliis fraudibus. Ebd., S. 250.

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die Armen zu sorgen, müssen diese auch den Wucher bekämpfen, indem sie den Juden („die das Blut der armen Christen aussaugen“) die Erlaubnis hierfür entziehen und stattdessen selber Kredite an die Armen vergeben, und zwar, indem sie Monti in ihren Städten einrichten.157 Er entkräftet daraufhin das vorgenannte Argument einer einzigen Vertragsform, indem er noch ausführlicher die verschiedenen Verträge, die beim Monte geschlossen werden erläutert. Bei ihm sind es nicht mehr drei wie noch in den frühen Gutachten, sondern ganze sechs Vertragsarten. Annio da Viterbo bleibt auch hier bei seinen Hauptautoritäten Aristoteles und Thomas von Aquin, auf die er sich bezieht.158 Folgende Übersicht vereinfacht und fasst die Aussagen Annios an dieser Stelle zusammen. Tab. 1 Vertragsarten zwischen der Stadtgesellschaft und dem Monte nach Annio da Viterbo Vertragsart

Ziel des Vertrags

Vertragspartner

1. Hilfevertrag

Fürsorge für die ganz Armen

Monte und Almosenspender der Stadt

2. Leihevertrag

Fürsorge für die Armen

Monte und Bürger der Stadt, die Geld für den Monte spenden

3. Vertrag über Arbeitsdienste

Entlohnung

Arme und Beamte des Monte

4. Darlehensvertrag

Fürsorge

Arme und Reiche

5. Vertrag über göttlichen Auftrag

Fürsorge und Vorsorge, Steigerung des bonum commune

Monte und Stadtobere

6. Positiver Wachstumsvertrag

Kapitalsteigerung

Arme und Monte

Der Monte werde als Vorsorgeinstitution der Städte genährt durch die Spenden der Reichen, die dadurch soziale Verantwortung übernehmen, und durch die gezahlten Zinsen der Armen, aus denen der Kapitalstock zusätzlich wachsen könne. Hier deutet sich bereits die Einbindung der Armen als aktive Teilnehmer und Organisatoren an ihrer eigenen Fürsorge an, ein Gedanke, der im letzten Teil des Traktats ausführlich angesprochen wird. Mit der aristotelischen Definition der Qualität einer Sache, die Annio hier zur Anwendung bringt, bietet er schließlich seine eigene Definition eines Monte di Pietà an. Annio schlägt gleich zu Beginn dieser Ausführungen eine Umbenennung des Monte

157 Pauperibus vero pinguoribus habentibus domos et familias sed insufficientem provisionem, communitates et domini hactenus providerunt de mutuo utroque testamento precepto vel permittendo absque conventione communitatis iudeos mutuare ad usuram vel cives sine usura. Verum quem iam christiani usurarii efficiuntur et iudei potant christianorum pauperum sanguinem. Ceptus iste mons pietatis qui in casu proposito continet plures contractus. Ebd., S. 252. 158 Nam in eo continentur plures contractus et quilibet eorum est licitus. Ebd., S. 254.

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in Depositum apostolicum vor und nimmt damit Bezug auf den göttlichen Fürsorgeauftrag, den er bereits aus dem Deuteronomium abgeleitet hatte. Zur causa efficiens führt er aus, dass die Stadtoberen wie die Väter der Armen sein sollen. Doch nicht nur als Väter sollten sie wirken, vielmehr seien sie die Lehrer, Hausmeister und Verwalter des apostolischen Depositums.159 Aus der Politik des Aristoteles und dem 15. Kapitel aus dem Deuteronomium leitet er schließlich die Sorgfaltspflicht der Politik für die Wohlfahrt seiner Bürger ab. Dies ist der stärkste Teil seines Traktats, in dem er den Monte als einen Teil eines gemeinnützigen Gesellschaftsvertrags und damit als Baustein einer gezielten städtischen Sozialpolitik beschreibt: Nam per se sufficientia est finis civitatis ut ait Aristotel. I politicorum, quia per se sufficientia tenet publicam honestatem et virtutes civitatis sine qua ob paupertatem efficiuntur.160 Er schließt dieses Argument mit dem Satz, dies sei das Ziel der Zivilgesellschaft. Das Gebot verpflichte die Bischöfe, Rektoren und Stadtmagistrate, den Bettlern wenigstens einen ständigen Zuschuss zur Gastfreundschaft und den armen Bürgern ein immerwährendes Darlehen zur Verfügung zu stellen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, wie es in diesem apostolischen Depositum der Fall ist.161 Diese Fürsorge erfolge zum einen konkret in Gestalt der Statuten der Stadtväter, die die Wohlfahrt und das bonum commune sicherstellen.162 Zum anderen – und dies formuliert Annio erneut sehr klar in den sieben conclusiones – erzielten die Schuldner durch das gezahlte Surplus letztlich einen Gewinn für sich selber, indem diese Mittel dem Monte und damit den Armen zugute kämen.163 Der Begriff des Gewinns, den die franziskanischen Autoren möglichst vermeiden, wird bei Annio verknüpft mit dem im Sinne aller erstrebenswerten Wachstum der Institution. Gewinn im Sinne des bonum commune ist also nicht mehr negativ konnotiert. Diese Gemeinnützigkeit ist das Hauptargument Annios gegen den Wuchervorwurf. Die Armen bilden in diesem System eine Rechtsgemeinschaft, die sich gegenseitig durch Darlehen auf der Basis mehrerer legitimer Verträge unterstütze.164 Durch diese wohltätige Einrichtung werde nicht 159 Amadori, Nelle bisacce, S. 258. 160 Ohne diese Fürsorge würde nur noch mehr Leid und Verderben entstehen: viri fures sicarii periuri factiosi et puelle atque coniugate soluto pudore stupris sese subiiciunt et civitas efficitur prostibulum et spelunca latronum et soluitur omnis debita politica et ideo hunc finem posuit Deus Deuteronomii XV dicens, ebd., S. 258. 161 Hoc est igitur a fine civilis societatis precetum obligans episcopos et rectores et magistratus urbium ad providendum mendicis quidem de perpetuo subsidio hospitalitatis et pauperibus civibus de perpetuo promptoque mutuo ad usum necessitatis ipsorum quid proprie servatur in hoc apostolico deposito de quo dicitur Actuum apostolorum. Ebd., S. 258. 162 Ultimo ponitur causa formalis cum dicitur quibusdam statutis intercedentibus ad publicum beneficium dicte societatis et depositi. Ebd., S. 260. 163 At in hoc casu depositum pauperum mutuans non distinguitur omnino a paupere accipiente sicut nec depositum societatis a sociis et item beneficium non solum cedit in utilitatem officialium montis qui non participant nisi salarium sed cedit in utilitatem accipientis dum sibi et sociis auget depositum commune quare non est hic usura. Ebd., S. 262. 164 Sed hic res mutuata non est aliena a iure pauperis cuius est depositum et societas quedam est pauperum participantium ius mutuantis. Ebd.

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nur die Armut bekämpft, sondern das gesamte Gemeinwesen verbessert. Dies betreffe die moralische und soziale Dimension der Wirkungen einer neuen Sozialpolitik, wie den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Zufriedenheit ihrer Mitglieder und die Beseitigung der Faulheit, Gier und Lüsternheit.165 Das Depositum der Gemeinschaft der Armen mache aus ihnen bessere Menschen. Dadurch entstehe eine Stadtgesellschaft nach dem Vorbild der apostolischen Gemeinschaft, die alles teile.166 Annio da Viterbo entwirft hier ein hochinteressantes Modell einer moralischen Ökonomie auf der Basis des gemeinen Eigentums; ein Gedanke, der in dieser Klarheit bisher nicht mit den Monti in Verbindung gebracht wurde, und der bis heute in verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Gegenentwürfen zum Kapitalismus wieder auflebt. Der Monte di Pietà sei nicht nur Vollstrecker (exactor), sondern vielmehr Lehrer, Beschützer, Verwalter und Vater des Gemeinwohls und vertreibe die Trägheit aus der Gesellschaft, indem er die Zusammentragung des gemeinen Depositums durch die Gesellschaft zu ihrem eigenen Nutzen stimuliere.167 Der Monte wurde geschaffen als Anstalt ökonomischer Vorsorge und Fürsorge, als providentia iconomia.168 Schließlich beschreibt Annio noch die Klienten des Monte und kommt damit auf die eingangs genannten drei Kategorien von Bürgern zurück. Die bedürftigen Armen, die nichts außer einem Hemd und Mantel besitzen, seien nicht Teil der Gemeinschaft der Armen des Monte, ihrer würden sich die Hospitäler annehmen.169 Damit grenzt er den Aufgabenbereich dieser städtischen Institutionen funktional klar voneinander ab. Die ganz Armen konnten schließlich am Kreislauf der gegenseitigen Fürsorge gar nicht teilhaben, da sie nichts besaßen, das sie einspeisen konnten.

165 Quarta conclusio: Modus supra positus dicti depositi est ingeniosissimus ad efficendum pauperes bonos cives. Nam remota egestate et ocio amovetur publicas inhonestas et civilia vitia unde recte dictum est a poeta: Ocia si tollas perire cupidinis arcus. […] Sed in hoc deposito est ingenium ut provideatur pauperi civi et artiste de aliquo capitali sive mutuo ne cogatur ex desperatione. Ebd. 166 Sexta conclusio: Hoc depositum societas pauperum non modo apostolicum dicitur sed est etiam civitas optime instituta. Nam ubi est civitas in qua omnia sunt communia omnibus ut nemo sit egens in qua quisquam proprios nescit affectus ibi vita est apostolica et ius nature servatur et societas ac civitas est optime instituta […]. Ebd., S. 264. Und nochmals auf S. 266: sed dantis et non loquitur de mutuo in proprie dicto sive de usu communis depositi et burse quia et ipse communes loculos habebat et apostolis erant omnia communia et quilibet vendebat sua ad augendam societatis communem substantiam ut scribitur Ioannis XIII circa Actuum apostolorum, immo hec societas et nobilis civitas pauperum est iustissime ordinata ut exposuimus. 167 Iccirco non quasi exactor sed quasi comunis boni gestor curator et tutor et pater desidiosos abdicat a societate reliquos urget ad augendum sibi et societati commune depositum. Ebd., S. 266. 168 Nam cum patres pauperum civiles sint rectores et spirituales sint episcopi hec autem institutio sit providentia quedam economica in domo una et civilis quo ad plures et partim pertineat ad piam causam hinc est quod in institutione et dedicatione huius depositi se habent omnes ut patres et ad utrosque ius instituendi et dedicandi pertinet. Ebd., S. 270. 169 Ad quartam rationem respondetur quod non est auctoritas ad propositum societis pauperum civium ut iam distinximus sed proprie inoptum qui preter vestimentum et lectum non habent ut clare dicit textus hii non computantur in societate huius depositi sed in societate hospitalis debet enim hospitale aliquid commune his assignare. Ebd, S. 268.

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Annio da Viterbo postuliert in seiner Schrift, die eher ein sozialpolitisches Manifest als ein kanonistisches Gutachten ist, eine genossenschaftliche Gesellschaftsordnung, in die die Monti als Vorbildinstitution eingebettet sind. Die Stadt und ihre Bewohner werden hier als Gemeinschaft verstanden, die auf verschiedenen Ebenen (arm und reich, Institutionen und Personen etc.) miteinander im Vertragsverhältnis stehen und gemeinsam für das bonum commune verantwortlich sind. Der in den franziskanischen Schriften häufig durchscheinende Gedanke einer Fürsorge der Stadtväter für die Armen scheint hier teilweise aufgehoben. Die Armen werden vielmehr ermächtigt aktiv füreinander Sorge zu tragen. Das ist ein neuer Gedanke, der den Diskurs um die Monti nicht nur bereichert, sondern die Monti auch ganz klar als Teil eines sozialpolitischen Programms charakterisiert, an dem die pauperes pinguiores einen entscheidenden gestalterischen Anteil haben. Dieses zeitgenössische Verständnis der handelnden Akteure als aktive Teilnehmer an der Gesellschaft und Gestaltende einer sozialen Ordnung (im Gegensatz zu ihrer Rolle als Almosenempfänger) wäre leicht als Ausdruck eines neuen Menschenbildes im Sinne der Renaissance zu interpretieren. Eine Entsprechung in der Geschäftspraxis der Monti findet dieser Grundsatz im Depositengeschäft. Durch das angelegte Geld wird der gemeinsame Fundus (das Depositum aller) gebildet und vermehrt, was wiederum denjenigen aus der Gemeinschaft, die gerade kein Geld zum Anlegen besitzen, in Form der Kleinkredite zugute kommt. In diesem Kreislauf trüge sich der Monte schließlich idealiter selbst. Muzzarelli bestätigt dies: „Alla fine del XV secolo il deposito è per il Monte una prassi corrente che solleva l’instituto dall’ipoteca della disponibilità, come unica fonte erogativa, di soli lasciti e donazioni, e appare tale da non indurre a fiancheggiamenti o da suscitare spunti polemici.“170 Allerdings unterscheidet sich Annios Entwurf einer Sozialgemeinschaft und eines Depositum apostolicum der societas pauperum vielfach von den juristischen Gutachten zur Verteidigung der Monti und enthält Ansätze einer weiterreichenden Neuinterpretation dieser Einrichtung im Sinne einer neuen moralischen Ökonomie. 2.2.3 Agitation, Wissenstransfer und mediale Inszenierung – Predigten und Streitgespräche 2.2.3.1 Die Predigten des Franziskaners Bernardino da Feltre in Pavia 1493/94 Dass die Gutachten direkte Verwendung durch die zahlreichen Franziskanerprediger fanden, die als vehemente Verfechter des Monte auftraten, zeigt die Überlieferung einer Reihe von Consilia, die der berühmteste Befürworter der Monti, Bernardino da

170 Muzzarelli, Il Gaetano e il Bariani, S. 13.

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Feltre, mit sich führte und die er als Grundlage seiner Predigten verwendete.171 Bernardino stammte aus der adeligen Familie der Tomitani aus Feltre, er trat nach dem Rechtsstudium in Padua in den Franziskanerorden ein und wurde 1463 zum Priester geweiht. Seit dem Jahr 1469 bis zu seinem Tod zog er predigend durch Nord- und Mittelitalien, wo er die Gründung zahlreicher Monti initiierte bzw. sogar selbst vornahm.172 Er widmete die letzten zehn Jahre seines Lebens (1484–1494) der Verteidigung und Propagierung des Monte. Dass er dabei auch 18 juristische Gutachten173 von Universitätsgelehrten quasi in seiner Satteltasche mitführte, geht aus zwei Quellen hervor. In einer Abhandlung des Franziskaners Antonio Tauro da Feltre von 1791, der einige Jahre im Convent von Santo Spirito in Feltre residierte, erwähnt dieser, dass er dort ein Buch fand, das Bernardino angeblich immer bei sich hatte. Antonio schreibt von einem Buch im Quartformat, das wohl einzigartig in der Welt genannt werden könne: Un libro in quarto, che può dirsi unico al mondo, contenente, oltre qualche aneddoto, diciotto Consigli, e altri stampati e altri manoscritti, ma tutti originali, dati allo stesso B. Bernardino da parecchie Università dell’Italia, o dai piu celebri teologi di quei tempi, da lui richiesti per ben regolarsi nell’erezione dei Monti di Pietà fondati dal medesimo in tanti luoghi.174

Dieses enthalte neben Anekdoten auch 18 Consilia, andere Druckwerke und einige Manuskripte – alle im Original – die Bernardino aus verschiedenen Universitäten Italiens erhalten habe. Von den berühmtesten Theologen jener Zeit erbat er Schriften, um die Gründung der Monti an den jeweiligen Orten zu regulieren. Der Band wurde geteilt und eine Hälfte ist in der Universitätsbibliothek von Padua als Kodex 455 überliefert. Aus dem ersten Band ist lediglich der Index der ehemals enthaltenen Schriften erhalten.175

171 Hierbei handelt es sich um die 18 von Amadori edierten Gutachen. 172 Meneghins Katalog verzeichnet 32 Orte, an denen die Gründung des Monte u. a. auf Initiative Bernardino da Feltres zurückging. Alleinige Gründungen durch ihn waren: Mantua (1484), Faenza (1491), Padua (1491), Piove di Sacco (1491), Ravenna (1491), Camposampiero (1492). Vgl. Meneghin, I Monti di Pietà in Italia, passim. 173 Unter den Autoren der Gutachten waren berühmte Theologen wie Gomez da Lisboa, Franziskaner und Theologe, der an der Sorbonne studierte. Ebenso Giovanni Nanni da Viterbo aus dem Predigerorden. „Il compito affidato agli esperti era quello di dimostrare che il mutuo concesso dagli ufficiali del Monte e il sovvrappiù da loro ricevuto a titolo di rimborso delle spese non era usura.“ Amadori, Nelle bisacce, X. 174 Antonio Tauro da Feltre (1791), zit. bei Amadori, Nelle bisacce, S. 41, Anm. 184. Wörtlich: „Ein Buch im Quartformat, das einzigartig in der Welt genannt werden kann und das neben anderen Anekdoten auch 18 Gutachten enthält; daneben andere Druckwerke und Manuskripte; aber alles sind Originale, die Bernardino von zahlreichen Universitäten Italiens geschenkt wurden oder von den berühmtesten Theologen jener Zeit, die sie auf seine Bitte hin verfasst haben zur besseren Regulierung der an jenen Orten von ihm selbst gegründeten Pfandleihhäuser.“ [Übersetzung der Autorin] 175 Ebd., S. 43 ff.

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Auch der Biograf da Feltres, Bernardo Guslino, beschreibt in seiner Vita (Kapitel 17 § 2) wie Bernardino sich darum bemühte, Breven, päpstliche Schreiben und Gutachten sowie die Statuten (capitoli) bereits bestehender Monti (von Florenz und Siena) zu erhalten, auf deren Basis er sein Wissen um die Etablierung der Monti im Diskurs seiner Zeit erweitern und in seinen Predigten anwenden konnte. Der Prediger, der heute vor allem für seine antijüdische Polemik bekannt ist, erscheint hier als akribischer Sammler von Expertentexten, die seine eigene Autorität untermauern sollten. Gutachten, Statuten und päpstliche Erlasse boten einen Fundus an neuem Wissen und Autorität, der sicherlich ein Basiselement des Erfolges seiner Predigten darstellt. Er verdichtete und präzisierte das Vokabular, so dass die Inhalte für einen größeren Zuhörerkreis verständlich wurden. Somit lässt sich argumentieren, dass es sich um einen direkt nachweisbaren Wissenstransfer handelt, der das Wissen um die Rechtmäßigkeit der Zinsnahme zu Anwendungswissen werden ließ. Doch in welchem Ausmaß gingen die Inhalte der Gutachten in die Predigten Bernardinos ein? Wie wurde das neue Wissen an die Entscheidungsträger der Städte kommuniziert? Im Folgenden werden vier Predigten Bernardinos untersucht, die er in Pavia zur Fastenzeit 1493 hielt, um die Gründung des dortigen Monte zu initiieren. Während der 1480er Jahre hatte Bernardino bereits in Umbrien, in den Marken und der Toskana erfolgreich für die Einführung der Monti di Pietà gepredigt.176 Die vier Predigten177 aus dem Zeitraum 1493 bis 1494 aus Pavia behandeln vier verschiedene und dennoch verbunde Aspekte und Fragestellungen,178 die im Zusammenhang mit den Monti di Pietà auch in den Gutachten diskutiert wurden.179 Zugleich zeichnen sie sich als Vorlagen gesprochener Texte durch eine besondere Lebendigkeit aus. Der außergewöhnliche Stil seiner Predigten, in dem sich nicht nur das Italienische

176 Zu den Abläufen der Gründung in Mantua beispielsweise: Paludet, Bernardino da Feltre, S. 113– 127. 177 Zu den hier analylsierten Predigten siehe den Sammelband von Renata Crotti Pasi (Hg.), Bernardino da Feltre a Pavia: La predicazione e la fondazione del Monte di Pietà, Pavia 1993. Zu Bernardino allgemein siehe folgende neuere Werke: Amadori, Nelle bisacce, S. 3–48, passim; Muzzarelli, Appunti per un analisi della struttura dei sermones di Bernardino da Feltre, in: Rivista di storia della Chiesa in Italia 32 (1978), S. 153–180. Kritisch bewertet wird die Rolle des Predigers in Bezug auf die jüdischen Geldleiher von Renata Segre, Bernardino da Feltre, I Monti di Pietà e i Banchi Ebraichi, in: Rivista storica italiana 90 (1978), S. 818–833; eine Gegenschrift verfasste daraufhin Vittorino Meneghin, Bernardino da Feltre, I Monti di Pietà e i banchi ebraici, in: Archivium Franciscanum historicum 73 (1980), S. 688–703. Ältere Standardwerke stammen vorrangig von Franziskanern wie Vittorino Meneghin, Iconografia del B. Bernardino Tomitano da Feltre, Venedig 1967; Ansgard Parsons, Bernardine of Feltre and the Montes Pietatis, in: Franciscan Studies 22/1 (1941), S. 11–22; später aber in deren Tradition auch Giampaolo Paludet, Bernardino da Feltre. Piccolo e poverello, Venedig 1993. 178 Nr. 55: behandelt das stipendium laboris; Nr. 56: die Fürsorgepflicht der Reichen für die Armen; Nr. 57: die Verantwortung des Einzelnen in der Gemeinschaft; Nr. 73: den Prediger als Wachhund. 179 Sermoni del Beato Bernardino da Feltre, Bd. 2, ed. Carlo Varischi, Mailand 1964, Nr. 55, S. 185–193; 56, S. 194–204 (De Mutuo); Nr. 57, S. 205–212 sowie Nr. 73, S. 393–397.

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und Latein mischen, sondern auch Theologie und Alltagsleben nebeneinander stehen, wird von Matteo Melchiorre wie folgt beschrieben und war wohl auch ein Grund für den großen Erfolg Bernardinos als Prediger: Mescolando i volgari dell’Italia nordorientale a citazioni in lingua latina, le sue prediche si concretizzavano in un intreccio stilistico capace di tenere assieme disquisizione teologico-giuridica e spaccati di vita quotidiana, exempla di sapore umanistico e sferzate di gusto ironico, spunti di cronaca e riflessione spirituale, toni visionari e concrete argomentazioni politiche ed economiche.180

Den Predigten Bernardino da Feltres in Pavia ging eine Einladung auf Initiative des gräflichen Kommissars an Ludovico il Moro (Ludovico Sforza, 1452–1508), Herzog von Mailand, in Form eines Schreibens vom 28. März 1493 voraus.181 In seinem Brief unterrichtet Borela de Sichis den Herzog über die Präsenz Bernardinos in der Stadt und über seine Absicht einen Monte zu gründen. Er erbittet hierfür Anweisungen zum weiteren Vorgehen: Illustrissimo et excellentissimo signore mio, perché questo venerabile patre Domino frate Bernardino da Feltri predicatore in la chiesa de questa vostra inlita cità de Pavia pare l’habbia proposto piu volte del opera ha uxato in fare lo monte di pietà in alcune citade de vostra signoria per schivare le uxure et stremazi quali cedono in grande dampno et destrucione de la citade; e sopra questo parlare, pare ne sia stato mutizato qualche cosa fra questi citadini, allegnado si questa cosa del monte de pietà de fecese, sarla nedum de utilitade et honore de la cità, ma etiam de vostra signoria; et per fare mio debito, m’è parso avisare vostra excellentia quando li parise che questa cosa se dovese fare, prego la si degna per sue lettere avixarme et cometere que ho a tractare con questi presidenti, et qualiter se li concederà lo Decreto et capituli convenienti a questo. Et quando la dubitase de qualche cosa, viene el latore presente quale ad plenum informerà vostra signoria a la quale a fede sempre mi recomando. Datum Papie die 28 Marcii 1493 Eiusdem Illustrissimae D. V. fidellissimus Servitor Comes Borela de Sichis182 180 Matteo Melchiorre, Art. Tomitano, Martino, in: Dizionario Biografico degli Italiani 96 (2019), online unter: http://www.treccani.it/enciclopedia/martino-tomitano_%28Dizionario-Biografico%29/ (12.01.2020). 181 Grotti Pasi, Bernardino da Feltre a Pavia, Appendix, S. 78. 182 „Mein berühmtester und exzellentester Herr, darum hat dieser ehrwürdige Vater, der Herr Bruder Bernardino da Feltre, Prediger in der Kirche Eurer berühmten Stadt Pavia scheinbar mehrfach während der Predigt vorgeschlagen, in allen Städten Eures Herrschaftsbereichs Monti di Pietà zu errichten, um den Wucher auszureißen und diejenigen zu schwächen, die der Stadt großen Schaden und Zerstörung zufügen. Während er darüber sprach, so bewegte er etwas unter den Bewohnern, dahingehend ob die Sache mit dem Monte di Pietà zu machen sei, so wäre sie sicher der Ehre der Stadt nützlich, sowie auch Eurer Herrschaft. Und um meiner Schuld genüge zu tun, schien es mir passend Eurer Exzellenz anzukündigen, als er sagte, dass diese Sache zu tun sei, so bitte ich

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Die Reaktion des Herzogs folgte am 2. April in Form eines Schreibens, in dem er seine Einwilligung erteilte und empfahl, den Prediger bis nach der Gründung des Monte in der Stadt zu behalten.183 2.2.3.1.1 Die congregatio denariorum und die Legitimität des Zinses Die erste der im Folgenden behandelten vier Predigten (für den Montag nach der Osteroktav, De Monte Pietatis Papie erigendo, 15. April 1494) über den Monte di Pietà ist am ausführlichsten und beschreibt ihn gleich zu Beginn als göttliches Werk.184 Er behandelt – vorrangig in Form eines fiktiven Dialogs – zunächst als Hauptthema den Zins als stipendium laboris und betont die Auswirkungen der Einrichtung des Monte: Dicam ergo de Monte Sancto pietatis. Vere est victoria que vincit mundum, placet iram Dei, fugat peccata, animam salvat, corpus sublevat, pauperes adiuvat, divites alleviat, judeos fugat, etc.185 Dann wendet er sich der Armut und dem Kapitalmangel in den Städten und der notwendigen Vorsorge (provisio) und Unterstützung zu und beschreibt diese als Anlass für die erforderliche Anhäufung einer congregatio denariorum: Considerato quod sunt multi pauperes e pochi denari; et si bene sunt, sunt male divisi, quia chi tropo, chi pocho; et volendo subvenire ne pauperes devorentur a Judeis, dicit Dominus: Faciamus unam congregationem denariorum, ubi fideliter sia servito a chi ha bisogno de dinar; et quanto maior sit congregatio nummorum; sic fiat provisio. […] Ista autem congregatio sit posita in bona manu; et ut illi qui mutuant, per piu sicurita, non vol scritto ne obligatione, sed pignus, quia tutius est incumbere pignori.186

Zur Verwahrung der Pfänder benötige der Monte auch ein geeignetes Haus, ein ausreichendes Startkapital und eine gute Buchführung. Die Beschreibung der Arbeitsweise der Monti leitet ihn zum kontroversen Thema der Zinsen über, das er mit einem knappen Verweis auf die Vertragsarten, wie sie bei Fortunato vorgestellt wurden, einleitet.187 Ihre Hochwürden durch Ihre Briefe zu verkünden und festzulegen, was ich mit diesen Vorsitzenden zu behandeln habe, und wann immer sie das Dekret und die dazugehörigen Kapitel gewähren. Und wenn Sie an irgendetwas zweifeln, wird der jetzige Bote kommen, der Ihre Herrschaft vor allen informieren wird, und der ich mich treu ergebe. Gegeben am 28. März 1493, etc.“ [eigene Übersetzung] 183 Sermoni del Beato Bernardino da Feltre, ed. Varischi, S. 78 f.: Havemo inteso per le vostre lettere la pratica introducta in quella cità per el venerabile frate Bernardino da Feltre presente predicatore il da fare uno monte di pietate como e facto in altri lochi per schiavare le usure […] Et però acio non se habia ad dubitare della confirmatione nostra, vi commettemo che trovandovi cum quelli citadini et predicatore in nostro nome li faciati intendere che concudano al fine, confortando imprimis dicto predicatore ad restare li. 184 Provenit a Deo. Non putes quod scientia humana potuisset unquam de hoc putare, nisi Deus revelasset ad faciendum cessare tot peccata. Sermoni del Beato Bernardino da Feltre, Sermo 55, ed. Varischi, S. 185. 185 Ebd. 186 Ebd., S. 186. 187 Ergo est sciendum quod dominium rerum acquiritur per contractus. In isto monte ergo: primo contractus mutui cum pignore, sicut dixi, concurrit che de illa congregatione fiat subventio pauperibus. Hoc est de

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An dieser Stelle wird die direkte Übernahme der Argumentation Fortunatos durch Bernardino, mithin der Zweiklang aus Gutachten und Predigt deutlich, der den Diskurs um die Rechtmäßigkeit der Zinsnahme prägte. Die Entschädigung für einen geleisteten Dienst erscheint bei ihm als ganz natürliche Folge und Notwendigkeit. Hier wechselt er zur wörtlichen Rede und ins Italienische, ille dicit: Te serviro per dui o tre hore, ma volo quod solvas.188 Dann fragt Bernardino, was eigentlich dieses nichil aus dem Grundsatz Mutuum date, nichil inde sperantes sei und legt im Folgenden dar, dass der Zins nicht aus dem Darlehen (ex mutuo), resultiere sondern wegen des Darlehens (propter mutuo) gegeben werde.189 Er empfiehlt einen Zinssatz in Höhe von einem bis eineinhalb Prozent, betont aber dessen Flexibilität.190 Diese Predigt stammt aus der Hochphase des Streits um die Rechtmäßigkeit des Monte, was aus der direkten Bezugnahme Bernardinos auf die bereits verfassten und veröffentlichten Gutachten der Rechtsexperten aller Orden191 deutlich wird, darunter eben auch Annio da Viterbos Traktat. Bernardino zeigt an dieser Stelle geschickt die Durchbrüche der Fronten in der Diskussion auf, indem er Annio als Befürworter ausdrücklich nennt. Als weitere Autoritäten werden Alexander de Imola und Paulus de Castro erwähnt und der Prediger fragt: Ne vô’ tu piu? Das unabhängige Urteil aller jener Gelehrten hätte die Rechtmäßigkeit der Zinsnahme bestätigt. Hinzu kämen die päpstlichen Approbationsschreiben von Pius II., Paulus II., Sixtus IV. und Innozenz VIII.192 sowie die Heilige Schrift, insbesondere Deuteronomium 17,8 mit dem Verweis auf die Rolle der Priester und des Gewissens, die Bernardino hier als weitere zentrale Autoritäten beschreibt. Die Strategie der Predigt des Observanten zeigt eine geschickte Verschränkung von direkter Ansprache der Adressaten, seiner eigenen theologischen Fundierung und die Bezugnahme auf die Inhalte der zeitgenössichen Expertenmeinungen, auf die er sich explizit bezieht. Durch diese drei Elemente erzeugt er eine rhetorische Dichte und Sättigung seiner Argumentation, die den Erfolg seiner Auftritte auch 500 Jahre später noch nachvollziehbar macht.

jure divino, nature et Scripture, scilicet: subvenire indigenti, etc. Quod etiam ille debeat dare pignus, titulo De pignoribus, […] Item qui mutuat non pro propria persona, sed nomine communitatis et quando fit contractus nomine alicuius. Item concurrit propria persona que habet a messedar pignora, scriberre, etc. Et iste est contractus vel innominatus, scilicet: facio ut des, etc. vel contractus locationis operariorum. Ebd., S. 187. 188 Ebd. 189 Ebd., S. 188. 190 Za che iste non se solvit da sua posta, sed per communitatem assignatur: et ut dixit: Un aut e mezo. – Mo, quare non dicis precise: tantum aut tantum? Dico quod propter hoc: quia non potest sciri quantum debeat reddi; quia si precise eliceretur, si Mons plus mutuabit, minus accipiet; et si minus, plus accipiet. Vide capitula Montis, etc. Ebd. 191 Omnes Religiosi de omni Ordine: Augustiniani et Sancti Dominici; ille magister Joannes de Viterbo fecit tractatus etc; Heremitarum, Sancti Benedicti, e bianchi e negri: Carmelitarum etc. 192 Quod Papa confirmat, nemo infirmat, et maxime cum illa clausula: ex certa scientia etc. Ebd., S. 189.

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Im zweiten Teil der Predigt kommt er dann konkret auf die Arbeitsweise des Monte zu sprechen. Im Mittelpunkt steht nochmals das Thema des Arbeitslohnes: Ein geleisteter Dienst könne nicht ohne Entlohnung bleiben, zumal ein nicht oder schlecht bezahlter Beamter auch keine gute Arbeit verrichten werde und die Sorgfalt für die Pfänder vernachlässige.193 Im letzten Teil der Predigt geht es dann um die erzielten Gewinne aus der Versteigerung der Pfänder.194 Interessanter Kontrastpunkt ist hier die Beschreibung der Wunder, die sich um einige der bekannten Vorgänger Bernardinos ereigneten: Michele de Caracano, Cherubino Spoletino und Jacobus de Marchia. Indem er die Heiligmäßigkeit der Gründer der ersten Monti anführt, schreibt er sich selbst in die Geschichte der heiligen Gründerväter ein. Am Ende der Predigt wird nochmals die Notwendigkeit der Armenhilfe durch den Monte betont, die man damit vor dem Wucher der Juden rette.195 2.2.3.1.2 Nächstenliebe und Verantwortung der Reichen für die Armen Die zweite Predigt mit dem Titel De mutuo vom Dienstag nach der Osteroktav (16. April 1494) stellt den Gedanken der Verantwortung der Reichen für die Armen in den Mittelpunkt. Adressaten scheinen vor allem die reichen Stadtbürger und Eliten zu sein, denen Bernardino vermitteln will, dass sie durch die Gründung eines Monte nicht nur einen wertvollen Dienst an den Bedürftigen leisten, sondern auch ihr eigenes Seelenheil befördern.196 Es dürfe keinerlei Wucher auf der Erde geben, auch deshalb appelliert er schon zu Beginn an das Gewissen seiner Zuhörer: Faranno bene, tu, qui es dives, obligaris subvenire, de jure divino et naturali, quando potes, et pauper eget. Et tu cogitabas quod Mons solum esset pro pauperibus etc. Dico quod pauperes per la roba, divites per l’anima.197 Wenig später heißt es: Dio l’ha comandato etc., et illud quod precipitur, imperatur; quod imperatur, necesse est fieri, dicit Hieronymus.198 Die Armenfürsorge ist also ein Auftrag Gottes und deshalb unbedingt zu befolgen. Denn wollte der Reiche selbst nicht, dass man ihm hilft, wenn er in Not gerät?199 Untätigkeit und unterlassene Hilfe lässt Bernardino nicht gelten, er fordert: Si non vis prestare, dona. […] si non vis donare, mutua, und verpflichtet seine Zuhörer zu jeglicher Unterstützung mittels Geldes, sei es als Spende, als Leihe oder Darlehen. 193 Quando enim unus e mal pagato, non mireris se mal te serve. […] Preterea si factit gratis, non erit sic obligatus de observatione pignorum etc. Si est unus qui servit gratia, si in fine anni perdiderit pignus, como farà tu? Ebd., S. 190. 194 Ebd., S. 191. 195 Ebd., S. 192. 196 Ego dico quod sic divitibus sicut pauperibus est utile, quia sicut illi egent ad suficientie subsidium, sic isti ad consientie sublevationem. Non ne habet ita ille dives necesse providere conscientie, si ille pauper providere factis suis, etc? Ebd., S. 195. 197 Ebd., S. 196. 198 Ebd. „Gott hat es befohlen, etc., und was vorgeschrieben wird, wird befohlen, was befohlen wird, ist nötig, sagt Hieronimus.“ 199 Non velles tu, si esses in necessitate, quod tibi subveniatur? Ebd.

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Die Mitglieder einer Gesellschaft seien wie Glieder eines Körpers – hier bezieht er sich auf Plato und Plutarch sowie auf Paulus im Brief an die Römer, Kap. 12 – jedes sei wichtig und müsse deshalb funktionstüchtig bleiben.200 Die Verteilung von Ressourcen innerhalb dieses Organismus solle jedem genug einbringen, Überschüsse sollten an andere abgegeben werden.201 Dann wendet er sich an die Frauen und befragt sie nach der Anzahl ihrer Kleider. Diese Ungleichheit durch Reichtum und Armut in der Gesellschaft müsse ausgeglichen werden durch die Nächstenliebe, die wie die Liebe zu sich selbst sein solle.202 Bernardino verweist mit eindrücklichen Worten auf die Vergänglichkeit der Besitztümer, insbesondere Schmuck und Kleidung, indem er schreibt: quod tuum est, tene pro te: quelli dinari, quelle perle, zioe e veste che portasti tecum, tene pro te. Quid portasti in hoc mundo? Vestem, che parse una hora cento anni, che te fusse strazata da dosso. Quod tecum portabis, illud est tuum.203 Doch was genau ist denn allen gemeinsam? Die Pflicht, die Armen zu speisen, die Nackten zu kleiden, all dies den Bedürftigen vorzuenthalten sei Sünde.204 Es folgen mehrere Beispiele, die das Motiv der Fürsorge und Nächstenliebe belegen, wie Aristoteles (Politica, Buch 7, c. 2), Thomas’ De regimine principis ad regem Cypri sowie schließlich das Beispiel der Stadt Siena, wo Salimbenus de Salimbenis eine Summe von 118.000 Dukaten ausgezahlt habe zur Rettung des Volkes durch die Vertreibung der Wucherer.205 Dann fügt der Prediger als Letztes die autoritativen Zitate aus der Bibel an: Er beginnt mit Deuteronomium 15,11; dort steht, dass die Armen niemals ganz aus dem Land verschwinden werden: „Darum mache ich dir zur Pflicht: Du sollst deinem Not leidenden und armen Bruder, der in deinem Land lebt, deine Hand öffnen.“ Dann folgt der Verweis auf die Verse 1–2, ebenda, wo festgeschrieben ist, dass jeder Gläubiger den Teil seines Vermögens, den er einem anderen unter persönlicher Haftung als Darlehen gegeben hat, brachliegen lassen solle. Er solle gegen den Anderen, falls dieser sein Bruder ist, nicht mit Zwang

200 Notandum: sicut in corpore sunt multa membra, et nullum superfluum et quodlibet eget alio, et unum adiuvat aliud: pedes contentantur portare corpus; oculi videre sibi et pedibus; os comedit sibi et omnibus membris, et sic de aliis membris serviunt sibi invicem, quia unum non potest omnia, etc. Ebd., S. 197. 201 Oportet quod retineat tantum quod sibi sufficit et non plus; et mittat ad alios secundum equalitatem proportionis, non quantitatis, aliter non fara ben. Ebd. 202 Auch hier verfällt Bernardino ins Italienische und spricht sein Gegenüber in der 2. Person Singular an: De quel amor che amas te, ama et proximum. Quomodo amas te? Ebd., S. 198. 203 Ebd., S. 199. 204 Me vergogno in tuo servicio. Esurientium panis est, quem tu detines, nudorum indumentum est, quod tu recludis etc., tantorum te ergo invadere scias bona, quantis possis prestare quod velis. Ebd. 205 vocabatur dominus Salimbenus de Salimbenis, ivit ad plateam in curru, et dixit: Debeo ego pinguis et dives permittere perire patriam meam? Non debeo subvenire pauperibus? Et ibi exbursavit 118 milia ducatorum, dicens: Si poteritis reddere in nomine Domini, son non siano donati. Quis est ille qui non vult subvenire patriae sue, liberando eam ab istis usurariis? Ebd., S. 200. Ob hiermit Salimene de Adam gemeint ist, erscheint fragwürdig aufgrund der Zeitangabe, die Bernardino macht. Er spricht von der Ankunft Salimbenes in Siena vor weniger als hundert Jahren (non è anchora cento anni che in civitate Senarum). Der Franziskaner Salimbene lebte nur bis 1289. Christopher Kleinhenz (Hg.), Medieval Italy. An Encyclopedia, Bd. 2, Abingdon 2016, S. 1006.

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vorgehen. Begründet wird dies damit, dass Gott jedes siebte Jahr zu einem Jahr der Brache erklärt habe. Diesen Aufruf zur Pflicht der Unterstützung der Glaubensbrüder hat auch Annio da Viterbo als zentrales Motiv seiner Predigt verwendet. Bei Bernardino bildet er gewissermaßen den Höhepunkt seines Vortrages. Im letzten Teil seiner Predigt wiederholt er das in der ersten Predigt ausführlich behandelte Thema des stipendium laboris für die Dienste einer Geldleihe. Bei der Leihe handele es sich nicht um eine Leistung ex mutuo, sondern propter mutuum (wegen des Darlehens), es bringe nämlich einen bestimmten Aufwand und Zusatzkosten mit sich.206 Es folgen einige Beispiele aus der Handelswelt, die eine Entschädigung für geleistete Arbeit rechtfertigten, wie Transportdienste für Getreide und die Beglaubigung einer Geldleihe durch einen Notar. Im Geist der Consilia schlussfolgert er zudem, dass ein Darlehen aus Nächstenliebe frei sei von Sünde und man deshalb aufgrund dieser rechten Intention auch eine Entschädigung verlangen dürfe.207 Bernardino schließt mit einer dreifachen Conclusio: Erstens dürfe man auf keinen Fall Wucherern das Geschäft erlauben, zweitens seien die Reichen dazu verpflichtet, den Armen zu helfen, und drittens solle man zur Lösung des Problems einen Monte einrichten. Dieser nütze schließlich allen: den Reichen bei der Sicherung ihres Seelenheils, den Armen bei der Erlangung des Notwendigen. Die Aufgabe der Reichen sei es, die Armen zum Monte zu schicken und somit das Sündigen zu vermeiden.208 2.2.3.1.3 Der Monte als Gemeinschaftsprojekt Die Gemeinschaft als Förderer des Monte durch Almosen steht im Zentrum der dritten Predigt (Mittwoch nach der Osteroktav, 17. April 1494). Auch hier wird betont: Das gespendete Geld käme allen zugute, nach dem Grundsatz non querens quod mihi utile, sed quod multis (hier zitiert er erneut 1 Cor. 10,33). Der Begriff Spende kann hier sowohl auf die tatsächlichen Geldspenden der Stadtbevölkerung als auch auf die Geldeinlagen der Kunden bezogen werden, die die Kleinkredite ermöglichten. Hier treffen wir ein Argument Olivis: das bonum commune sei wichtiger als das Wohl des Einzelnen: hoc verum est quod melius est bonum commune quam privatum, ut probavi die veneris preterita, quando predicavi de re publica, ubi probavi, tot vijs et rationibus, quod melius est publicum.209 Das Geld, das durch Kredite in Umlauf gebracht werde, sei wie das Blut des Staates. Das Einspeisen dieser Mittel sei frei von Sünde und allen zuträg206 Nihil inde sperantes, inde, idest ratione formali et precisa mutui; non dico propter causam materialem aut finalem; aliud est enim ex mutuo, aliud propter mutuum; quia propter mutuum, idest labores et expensas et damna etc. Ebd., S. 202. 207 Ebd., S. 203. 208 Che remedio c’e? Fac ergo Montem. Ecce conclusio intenta. Quia si est Mons et pauper petit mutuum, potes dicere: Vade ad Montem, quia dabit tibi; et ad minus non peccas mortaliter. Si non est, peccas, si non das, quia non habent unde recurrant. Te par mo che sia bisogno propter divites? Mons omnibus subvenit: a li richi, per salvar anima; pauperibus, per subvenir necessitatibus suis. Ebd., S. 204. 209 Ebd., S. 206.

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lich.210 Nach und nach werde somit durch gemeinschaftliches Handeln eine notwendige Menge Geldes zusammengetragen.211 In diesen Ausführungen hallt das Konzept Annio da Viterbos von der gemeinschaftlichen Verantwortung einer societas pauperum wieder. Dieses Echo wird noch verstärkt im darauffolgenden Abschnitt, der die Menge der Armen betrifft, denn der Monte erweise der Gesellschaft einen allumfassenden Dienst: invenio in hoc Monte servitium de pluralità: personale, temporale, totale.212 Ein einzelnes Almosen sei dabei viel weniger effektiv, als wenn man eine Geldspende in den Monte investiere, diese komme schließlich allen zugute.213 Der Monte leiste sieben barmherzige Dienste, indem er den Kauf von Brot, Wein, Kleidung, Medizin und allem anderen gewährleiste. Dass hierbei die Selbstversorgung der Armen, welche die nötigen Güter selbst kaufen, statt Almosen zu empfangen, durch Kredite ermöglicht wird, entspricht den Innovationen der wirtschaftsethischen Grundsätze der Franziskaner seit Olivi und kulminiert in der Zeit Bernardinos und der Monti zu einem allgemeinen sozial- und wirtschaftspolitischen Leitmotiv. Zudem – und dies ist sein Argument der Heiligkeit des Monte – setzten sich die Gläubigen mit Christus direkt in Verbindung, indem sie die Armen kleideten, die Kranken besuchten, die Hungrigen nährten und die Obdachlosen beherbergten. Dieser Grundsatz des dare pauperibus pro Christo, den Bernardino hier mit dem Beispiel des Hieronymus (mit Bezug auf Jes 58,7 und Matt 25,35) anführt, verschafft dem Monte eine direkte heilsbringende Funktion. Die umfassende Prämie, die aus der Wohltätigkeit für den Monte erwachse, ist das Thema des nächsten Abschnitts.214 Dann wendet sich Bernardino den bereits existierenden Monti zu. In fast allen Städten wären Monti gegründet worden, außer in einigen: Brixen, Verona, Vicenza, Mantua, Padua, etc. Dort hätten sowohl einzelne Schneider, Parfümeure, Künstler und ihre Zünfte jeweils gespendet, hinzu käme der Bischof und die Rechtsgelehrten und Kanoniker. Der Prediger fragt daraufhin: Si omnes faciunt, quid vultis facere vos? Gleich einem Erzengel, der stärker sei als alle Engel, 210 Quando predicavi die veneris de re publica quod tantum obligamur pro re publica, ut si etiam oportet ponere sanguinem etc. […] De advocatis diversiorum judiciorum dicitur: quod denarij sunt lo secundo sangue? Ebd. 211 Ubi invenientur tot denarii? A pocho a pocho. Si bene unum granum milii non implet saccum, tamen tantum possent multiplicari quod etc. Et quod non prosunt singula, cuncta juvant. Za che un filo ita subtile non teneret bovem aut equum furiosum; tamen tot possent poni simul che tirara una montagna a terra, sic etc. Ebd., S. 206. 212 Ebd. 213 Si facis unam elemosyna: aut panem aut vinum aut da comprar scarpe etc. quando sunt expense, non est plus. Non dico quin habeas meritum, sed non subvenitur plus cum illa elemosyna. Si ponis in Monte, subvenis tot personis. Si ponis unum ducatum, un uno anno forte, tribus // vel quatuor; et tot merita habebis quot personis ex illo servietur, dirigendo mentem quando das etc. subveniet tot pauperibus, e de la terra e de fora etc. che se ne servi tuti etc. Ebd., S. 206 f. An späterer Stelle erscheint dieses Argument nochmals: Guarda quid est adiuvare rem publicam, bonum commune, quia etiam cum detrimento alicuius privati, si adiuvat bonum commune, ne porta presio e merito, etc. Deus ad bonum universi non considerat detrimentium unius. Ebd., S. 210. 214 Ebd., S. 211.

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so sei die Kraft der Vielen stärker als die Kraft vieler Einzelner. Daraus schlussfolgert Bernardino, nun sei alles vorzubereiten für die Gründung eines Monte, der für ganz Pavia nützlich sei.215 2.2.3.1.4 Der Prediger als Wachhund In der vierten Predigt vom Montag nach dem vierten Sonntag nach Ostern, wendet sich Bernardino dem Thema des Wuchervorwurfs des Monte zu. Dessen drei Eigenschaften, Störendes zu beseitigen, von Gott zu stammen und dem Seelenheil zu nützen stellt er an den Anfang des Textes. In Dialogform und ausschließlich auf Italienisch entfaltet er dann seine Argumentation über den vermeintlichen Wucher beim Monte. Zunächst hätten die Päpste doch gar nicht das Recht zu entscheiden, was kein Wucher sei, indem sie den Zins des Monte legitimierten,216 ein Vorwurf, der u. a. aus der Schrift Barianis schon bekannt war. Natürlich wäre der Sinn päpstlicher Bullen keineswegs, den Wucher zu legitimieren, denn – so fragt er – wenn sogar die Franziskaner sich für den Zins (als Wucher) ausprächen, wie Bernardino es gerade tat, warum hassten ihn dann die Geldverleiher so.217 Zudem sei es viel besser, gratis zu leihen. Dennoch hebt der Prediger an dieser Stelle die Entschädigung der Bediensteten hervor, ob diese zwei, drei, vier oder fünf Prozent betrage, sei nachrangig.218 Die Beamten stünden im Dienste der Stadt und würden von ihr bezahlt.219 Nun nimmt er erneut Bezug auf die Wundertätigkeit der bereits in der ersten Predigt genannten Ordensbrüder und Monte-Gründer sowie Angehörige anderer Orden, und betont ebenso das Wissen und die Heiligmäßigkeit der Institution.220 Wenn doch kein vernünftiger Mensch gegen den Monte sei, woher kämen dann seine Gegner?221 Bernardino nennt drei Quellen der Ablehnung und Gefahr: die Lizenz des Teufels, der immer das Gute bekämpfe, die Ignoranz der Menschen und schließlich die Strafe Gottes (sententia Dei), die wie eine Sichel über die zu großen Sünden käme. Diese im Vergleich kurze Predigt kommt zu einem etwas abrupten Ende mit einem Gleichnis des Predigers als Wachhund: „Was ist das für ein Mensch, der einem Hund, der nicht bellt, wenn Einbrecher ins Haus kommen, Brot gibt?“ Bernardino fragt auch: „Wenn ich Euer Brot esse, warum sollte ich

215 Che stati a far? Che omnes se preparent. Mo, de chi serà ’sto Mont? Serà pur vostro, che invenietis meliorem nidum quam relictus fuerit vobis. La utilità serà pur Pavia etc. Ebd., S. 212. 216 Sermoni del Beato Bernardino da Feltre, ed. Varischi, S. 394. 217 Mo, si ego predico usuras, quid est quod usurarii me son cossi inimici? Ebd. 218 Ego non dico quod nec tres, nec quatuor, nec quinque pro cento; adhunc non intellexisti casum […] Non te par che ille qui tot labores etc. et tot pericula, dat securitatem de omnibus damnis etc.? Ebd., S. 395. 219 Preterea iste factor non solvit se da sua posta, sed communitas solvit. Ebd. 220 De istis qui fecerunt Montes quot sunt qui fecerunt miracula, et tot in scientia et sanctitate. Frater Antonius Vercellensis, Frater Cherubinus, Frater Michael de Mediolano, Frater Jacobus de Marchia. Ebd. 221 Quis dubitabit? Havemo cel et terra, doctori e non doctori, Religiosi mendicanti e non Mendicanti, seculari e Religiosi etc. theologi e canonisti etc. conformatione de Papa etc. […] Ubi est qui dicit contra? Ebd., S. 396.

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dann nicht bellen gegen jene, die Euch bestehlen wollen?“222 Bernardinos vierte Predigt endet mit einem Bild der Bedrohung und zeichnet sich durch ein eher volksnahes Narrativ aus. Er verzichtet hier auf scholastische Einschübe und hält seine Predigt in der Volkssprache, vermutlich spricht er hier die eher ungebildete Mehrheit in Pavia an. Bernardino da Feltre entfaltet in allen vier Predigten ein breites und doch konzises Themenspekturm um die Monti di Pietà. Er wendet sich an alle Stadtbewohner, er ermahnt die Reichen und warnt die Armen. Die Motive des Arbeitslohns für den geleisteten Dienst, die soziale Verantwortung sowie den Monte als Gemeinschaftsprojekt der Stadtgesellschaft propagiert er mit einer Vielfalt an rhetorischen Mitteln. Ein Kernargument, das schließlich durch den Beschluss Inter Multiplices 1515 endgültig legitmiert wird, bleibt dabei die Entlohnung des Dienstes im Monte durch die Zinsen. Um zu überzeugen, nutzt er geschickt die ihm zur Verfügung stehenden biblischen und scholastischen Schriften sowie volkstümliche Einschübe in Dialogform – teils humoristisch und umgangsprachlich gefärbt – und das Wissen juristischer Gutachten und Abhandlungen seiner Zeitgenossen wie Fortunato Coppoli und Annio da Viterbo. Die anti-jüdischen Züge, wie in vielen seiner anderen Texte, fehlen in den hier analysierten Predigten für einen Monte in Pavia.223 Er warnt zwar vor den Wucherern, erwähnt diese aber nur schemenhaft und macht keine konkreten Nennungen in Bezug auf ihre Identität oder Konfession. Bernardino verliert in seinen Predigten nie die gesamte Stadtgemeinschaft als Adressaten aus dem Blick. Er macht die wichtigsten Argumente der Consilia (sei es zum Vertragsrecht, zum Zins oder zum genossenschaftlichen Charakter der Monti) in verständlicher Kurzform allen zugänglich, insbesondere aber den möglicherweise noch unentschlossenen oder gar skeptischen Entscheidungsträgern in den Städten.224 Der Erfolg der Aktivitäten des Predigers zeigte sich prompt. Schon am 17. April beauftragte der Rat der Provisoren von Pavia eine Kommission mit der Erstellung der Statuten für den Monte.225 Am 18. April wählte man im Beisein Bernardinos den Ma222 Quis est ille qui libenter dat panem cani mutuo, qui non latrat quando veniunt fures ad furandum domum? Si ego manduco panem vestrum, quare non debeo latrare contra illos qui volunt vobis furari el melio de casa vostra. Ebd., S. 397. 223 Zur anti-jüdischen Propaganda bei Bernardino da Feltre siehe Maria Giuseppina Muzzarelli, Monti di Pietà e banchi ebraici nella predicazione osservante. Il caso di Bernardino da Feltre, in: Studi francescani 110 (2013), S. 327–344. 224 Giampaolo Paludet fasst Bernardinos Strategie wie folgt zusammen: „Mirabile la sua strategia: per prima cosa, cercava di commuovere i cuori dei generosi, toccando la virtù cristiana della carità, come soccorso e solidarità verso i bisognosi; quindi procurava di inclinare le pubbliche autorità affinché appoggiassero il Monte, anzi eleggessero in merito una presidenza autorevole e immettessero degli impiegati saggi e onesti. Quindi, creava l’atmosfera della mobilitazione generale, di cui diventava il protagonista con la parola scelta e infiammata.“ Paludet, Bernardino da Feltre, S. 108. 225 Vgl. das gleichlautende Verbale, in: Crotti Pasi, Bernardino da Feltre a Pavia, Appendix, S. 87.

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gister und Doktor Benedetto de Ripalta zum Depositarius.226 Der Monte nahm seine Arbeit auf und schon nach einem Jahr lag die Bilanz der Sindicatori vor, die die Einnahmen und Ausgaben geprüft hatten.227 Den Büchern zufolge hatte der Monte in jenem Jahr Kredite in Höhe von insgesamt 5.624 Florin ausgezahlt. Die Einnahmen aus Spenden, verkauften Pfändern und Almosen betrugen rund 1.821 Florin. Das Grundkapital betrug 4.483 Florin, also verfügte er Monte insgesamt über 6.304 Florin. Der eingenomme Zins (hier: guadagno) betrug 108 Florin, genau diese Summe wird in der Abrechnung als Lohn unter dem Kassenwart (Capserio) Urbano und dem Buchhalter (Contrascriptore) Fillippo aufgeteilt.228 2.2.3.2 Öffentliche Streitgespräche – die Inszenierung der Experten in Florenz, Narni und Cremona Die zweite Ebene, auf der sowohl Agitation für den Monte als auch Wissensvermittlung und die Selbstinszenierung der Experten stattfanden, waren öffentliche Streitgespräche, die in den 1480er und 1490er Jahren in einigen italienischen Städten wie Florenz, Mantua, Faenza und Cremona stattfanden. Schauen wir uns erneut das Gutachten Bernardino de Bustis von 1497 an. De Bustis schildert als Erstes die von dem Notar Simone Grazzini protokollierte Disputatio am 23. April 1473 in Florenz. De Bustis gibt den Text wieder: Er beschreibt eine Versammlung im Palast des Erzbischofs in Anwesenheit des pater patrie Lorenzo Pietro Cosimo de Medici und weiterer wichtiger Adeliger der Stadt (Francesco Nicola de Chiachi e Giacomo del Signor Poggi e Renato del signor Pietro de Pazzi e Braccio del signore Domenico de Martelli) sowie viele nicht namentlich genannte aber höchst berühmte Doktoren beider Rechte und andere religiöse Männer und Laien. Die Schirmherrschaft hatte der Erzbischof Giovanni de Dietisalvi. Die Frage der Legitimität der Montes wurde besonders im Interesse der Prediger an den verschiedenen Kirchen von Florenz geklärt. Unter vieren dieser Prediger habe es einen Disput gegeben, wie der Monte zu bewerten sei. Dabei hätten die beiden Prediger der Kirchen Santa Felicita (Cristoforo de Massi) und Santa Maria Novella (Tommaso de Bergamo) den Monte als wucherisch und sündenhaft charakterisiert. Hingegen hätten Giacomo da Cagli in der Kathedrale und Fortunato Coppoli aus Perugia in Santa Croce das Gegenteil gepredigt.229

226 Ebd. 227 Ebd., S. 96–99. 228 Urbano erhielt rund 70 Florin, Fillippo rund 38 Florin, ebd., S. 98. 229 Et assistentibus predicatoribus presentis […] et maxime magistro Christoforo de Massis qui predicaverat in dicta ecclesia sancte Felicitatis et magistro Thomasio de Bergamo qui predicaverat in dicta ecclesia sancte Marie Novelle. Qui duo predicatores dicebant et predicaverant dictam ordinationem montis non esse licitam nec sine peccato et esse usurariam. Cuius contrarium predicaverunt dicti predicatores alii vi-

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Zur Klärung wurden nach der Anhörung beider Seiten die 36 Consilia angeführt sowie weitere Approbationen durch andere Städte und apostolische Breven, die die Position der beiden letztgenannten Verfechter abbildeten. Hier zeigt sich die enge Verknüpfung von Consilia und Predigten. Die Gutachter waren in einigen Fällen zugleich franziskanische Prediger, ihre Arbeit und Expertise fand eine sofortige Anwendung durch das Medium der Predigt und damit einen noch größeren Zuhörerkreis über die Experten bzw. Oligarchen hinaus. Das Ergebnis des nicht weiter beschriebenen Vorgangs war die Approbation der Monti durch den Erzbischof.230 Zugleich wurde verfügt, dass es ab sofort in Florenz verboten war, gegen den Monte zu predigen.231 Das zweite öffentliche Streitgespräch, das de Bustis in seinem Consilium überliefert, fand in Narni am 20. Mai 1487 statt und wurde von drei Perusiner Notaren protokolliert und von dem städtischen Notar Narnis (Francesco Giovenale di Nobili di Marginata) veröffentlicht. In Narni habe der Bischof Carlo Boccardini einen Monte – nach dem Vorbild Mantuas – einrichten wollen und anlässlich dieses Ereignisses fand eine Disputatio zwischen Mitgliedern eines nicht näher genannten Ordens auf der einen Seite und den Franziskanerobservanten in der Kathedrale in Anwesenheit des Gouverneurs der Stadt Bartolomeo della Rovere sowie des Bischofs und des Prätors sowie vieler Adeliger und des gesamten Volkes statt.232 Die hier angesprochene Öffentlichkeit, vertreten durch das gesamte Volk, den Gouverneur, den Bischof sowie weitere wichtige Persönlichkeiten der Stadt, darunter eine Vielzahl angesehenster Doktoren, kann als wichtiges Moment bei dieser Inszenierung der Expertise gesehen werden. Dazu kam die anschließende Präsentation einer päpstlichen Bulle, die den Monte von Narni bestätigte, ebenso wie die Gutachten und der Statutentext als konstitutiver Akt. Dass der Autor des Protokolls die Gegner der Franziskaner und mithin Verlierer der Disputatio nicht öffentlich nennen will, mag als Hinweis auf die große mediale Bedeutung solcher Streitgespräche für den guten Ruf eines Ordens und dessen Profilierung gelten. In Narni bestätigte der Gouverneur der Stadt die Rechtmäßigkeit der Praktiken des Monte nach der Sichtung der Gutachten und päpstlichen Bullen.

delicet magister Iacobus de Callio in ecclesia cathedrali et frater Fortunatus de Perusio in ecclesia Sancte Crucis. Amadori, Nelle bisacce, S. 162. 230 Christi nomine invocato, dictum montem et eius ordinationem auctoritate sua approbavit et licitum esse et non usurium declaravit et nullam continere usuram vel usure peccatum, ebd., S. 162. 231 Ebd., S. 164. 232 visa et intellecta pulcra disputatione facta in cathedrali ecclesia narniensi in presentia prefati domini Karoli episcopi antedicti et prefati domini guberatoris et pretoris et multorum preclassimorum doctorum et coram omni populo inter fratres ordinis cuisdam ex una parte, qui ibi nominantur specifice, sed ego eos non nomino ne eos omnibus populis exosos reddam qui asserebant capitula dicti montis civitatis perusine mantuane usurariam pravitatem continere et continentur peccatum mortale. Ebd.

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Schließlich führt de Bustis das dritte Streitgespräch vom 18. September 1493 an, das in Cremona stattfand. Nachdem die dortigen Gegner des Monte den Streit verloren hatten, haben sie die Glocken ihres Klosters läuten lassen, um den Anschein zu erwecken, sie hätten gewonnen. Daraufhin griff der Vikar des Bischofs persönlich ein und forderte sie auf, das Läuten einzustellen. Öffentlich verkündete er zudem, dass diese den Disput verloren haben. Doch zeigten die Verlierer trotz allem keine Einsicht, denn sie erwiderten: „Für uns ist dieser Vertrag nicht klar.“ De Bustis bemerkt an dieser Stelle, dass sie Recht hätten, könne man im trüben, aufgewühlten Wasser doch nichts sehen. Aufgrund dieser Verstimmung der Seele und des Geistes seien sie auch nicht in der Lage, die Wahrheit zu erkennen, und schließt mit Aristoteles: Conturbati minus possunt observare homines.233 Der Rechtsexperte Giacomo da Marenzio verkündete schließlich öffentlich die Rechtmäßigkeit des Zinses und drohte denjenigen, Laien oder Religiosen, mit Exkommunikation, die das Gegenteil verkündeten oder predigten oder die auf andere Weise die Erweiterung des Monte verhinderten. Danach kehrten die Verlierer in ihr Kloster zurück und läuteten abermals die Glocken. Dies habe den Menschen wiederum den Eindruck gegeben, diese hätten den Disput gewonnen – man zwang darauf den Vorsteher des Klosters zum öffentlichen Eingeständnis der Niederlage.234 Als dritten Quellentypus, in dem der angesprochene Wissenstransfer und das Streben nach Professionalisierung inhaltlich deutlich wird, sind die Statuten der Monti zu nennen. Sie werden im vierten Kapitel der vorliegenden Arbeit eingehend analysiert. Die Legitimität des Zinses wird dort bereits vorausgesetzt. Die Statuten zeigen jedoch, dass die praktische Erfahrung der Bediensteten des Monte, also das Erfahrungswissen, ein wichtiger Aspekt der Vertrauensbildung in die Institution war. 2.2.3.3 Legitimation durch päpstliche Approbation und der Eingang der neuen Ideen ins Kirchenrecht (Der Beschluss des 5. Lateranums 1515) Der Beschluss der 10. Sitzung zur „Reform der Pfandhäuser“ vom 4. Juli 1515 auf dem 5. Lateranum bedeutete das offizielle Ende des Streites zwischen Gegnern und Befürwortern der Zinsnahme im Monte. Der Disput um diese Praxis wurde damit kirchen-

233 Iste contractus non est nobis bene clarus. Et verum dicunt. Sicut enim nihil bene videtur in aqua turbida, ita ipsi veritatem et iustificationem montis cognoscere nequeunt turbisa ex passione conscientia et anima. Quia ut ait philosophus primo Elem. Conturbati minus possunt observare homines. Amadori, Nelle bisacce, S. 166. 234 De Busti nennt ebenfalls andere Orte öffentlicher Disputationen wie Piacenza, Mantua und Faenza, ebd., S. 167.

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rechtlich wirksam beigelegt, er flaute deswegen jedoch nicht gänzlich ab.235 Dennoch: Papst Leo X. erkannte im Allgemeinen die Perspektiven der Gegner an, wandte sich dann aber einer pragmatischen Position zu, die es den Monti erlaubte, Zinsen zu verlangen.236 Es gab mehrere Rechtfertigungsebenen für dieses höchst umstrittene Thema: Erstens waren die Monti als Mittel gegen die wucherischen Praktiken der Lombarden und Juden gegründet worden. Sie hatten ihre Existenz als rein karitative und christliche Institution verdient, zumal sie von den Franziskanern gegründet und gefördert wurden, die die Probleme der Armen in den städtischen Zentren des spätmittelalterlichen Italien miterlebt hatten. Zweitens – und das ist ein Novum in der Wahrnehmung der Zinsnahme – war die Verwendung der Einnahmen gerechtfertigt: Sie dienten zur Begleichung der Mieten für das Gebäude, der Löhne der im Monte arbeitenden Beamten sowie zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Geschäfte und seiner Existenz.237 Dieses

235 Auch im 16. und 17. Jahrhundert gab es mehrere Disputationen um den christlichen Zins, wie beispielsweise der weiter unten behandelte kritische Traktat Agostino di Montalcinos zu den Monte um 1590 belegt. Ein namhafter deutscher Vertreter einer zinsfreundlichen Politik war u. a. Johannes Eck mit seiner Schrift „Tractatus de contractu quinque de centum“ (1514), die er 1515 bei einer Dispuatio an der Universität Bologna verteidigte. Vgl. Erwin Iserloh, Art. Eck, Johannes, in: NDB, Bd. 4, Berlin 1959, S. 273–275. Positiv bewertet wurde die Zinsnahme wie auch das Privateigentum von Konrad Peutinger, der 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg als Verteidiger der Fugger auftrat. Vgl. Hans-Jörg Künast / Jan-Dirk Müller, Art. Peutinger, Conrad, in: NDB, Bd. 20, Berlin 2001, S. 282–284. Nicht zuletzt wird die Lockerung des Zinsverbotes zugunsten wirtschaftlicher Prosperität auch bei Christoph Cuppener deutlich. Siehe hierzu ausführlich Kapitel 6. Rodolfo Savelli, Giuristi, denari e monti. Percorsi di lettura tra 500 e 700, in: Giuseppe Adani / Paolo Prodi (Hg.), Il Santo Monte di Pietà e la Cassa di Risparmio in Reggio Emilia, Reggio Emilia 1994, S. 65–89, passim. 236 „Natürlich wissen wir um die Kontroverse, die vor Zeiten unter einigen unserer geliebten Söhne, den Magistern der Theologie und den Doktoren beider Rechte – nicht ohne Ärgernis und aufgebrachtes Gerede in der Bevölkerung – entstand und erst kürzlich in unseren Tagen wieder aufgelebt ist […] Es geht dabei um die Frage, ob die genannten Montes vom christlichen Dogma abweichen oder nicht, […] was man unter Zinswucher versteht, besteht doch genau in folgendem: Aus der Nutzung eines Dings, das keine Frucht trägt, soll ohne Arbeit, Aufwand und Risiko ein Gewinn und Zuwachs erzielt werden.“ Wohlmuth, Konzilien, S. 626. 237 „Zur Schadloshaltung der Montes, d. h. für die Kosten ihrer Bediensteten und aller übrigen Dinge, die sich auf ihren notwendigen Erhalt erstrecken, sei es, wenn die Pfandhäuser keine Gewinne machen, erlaubt einen maßvollen und notwendigen Betrag über das geliehene Kapital hinaus von denen zu verlangen und zu erhalten, die aus einem solchen Darlehen einen Vorteil schöpfen. Es gibt ja eine Regel des Rechts, die lautet: Wer den Vorteil hat, soll auch die Last tragen. Sie gilt besonders, wenn noch apostolische Autorität hinzukommt. Diese Meinung sei – wie die genannten Lehrer zeigen – von unseren Vorgängern im Amt, Paul II., Sixtus V., Innonzenz VIII., Alexander VI. und Julius II. seligen Angedenkens, gebilligt worden.“ Ebd. – „Da die Lösung des Problems offensichtlich für den Frieden und die Ruhe des ganzen christlichen Gemeinwesens von Belang ist, erklären und entscheiden wir mit Billigung des heiligen Konzils: die genannten, von den Gemeinwesen errichteten und durch die Autorität des Apostolischen Stuhls bisher gebilligten und bestätigten montes pietatis, in denen nur für das Mittragen der Kosten und zu ihrer Schadloshaltung sowie für die Bezahlung der Bediensteten und für alles andere, was sich – wie schon gesagt – auf deren Erhalt erstreckt, eine geringe Summe über das geliehene Kapital hinaus ohne Gewinn

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Argument tauchte bereits in den Werken Fortunato Coppolis und anderer Gutachter auf. Wenn man die Geschichte verschiedener Monti genau betrachtet, scheint das Argument der „Entschädigung“ noch gewichtiger zu sein, denn viele von ihnen litten unter Kapitalmangel und mussten schließen, bevor sie ihre Aufgabe erfüllen konnten. So brauchten mehrere Monti einen zweiten oder gar dritten Anlauf, bevor sie erfolgreich arbeiten konnten. Die Monti galten als öffentliche karitative Einrichtungen, die bestimmte Grundkosten zu decken hatten, und daher schien ein stipendium laboris für die Menschen, die die Dienstleistung erbrachten, legitim. Außerdem gab es in einigen Fällen bereits mehrere Formen von akzeptablem interesse, die in den Werken der kanonischen Vorbilder wie Petrus Olivi und Bernardino da Siena bereits indirekt aufgetaucht waren – wie das damnum emergens, das lucrum cessans, das periculum sortis. Man könnte die Bestimmungen des 5. Lateranums als einen wesentlichen Schritt in dem Prozess interpretieren, den die Kirche in Richtung einer pragmatischeren Sichtweise legitimer Zinsen und der Definition von Wucher durchlaufen hat. Verglichen mit der viel negativeren und ungünstigeren Position früherer Konzilien scheint das 5. Lateranum zu einer wesentlich realistischeren Sicht auf die existierenden Geschäftspraktiken, aber auch auf die Welt des Kredits, gelangt zu sein. Wichtig ist, dass der Papst mit dieser Proklamation die Praxis als universell betonte. Leo X. scheint die Absicht gehabt zu haben, das Problem und die wahrscheinlich noch andauernden Kontroversen ein für allemal zu lösen. Folglich regt er hier die Gründung weiterer Monti an. Am Ende der Verkündigung erscheint ein interessanter, relativierender Satz: Dennoch wäre es viel vollkommener und heiliger, wenn solche Häuser völlig unentgeltlich entstünden, d. h. wenn ihre Güter sie mit einem Fonds ausstatteten, aus dem, wenn auch nicht die Gesamtheit, so doch wenigstens die Hälfte der Kosten bezahlt werden könnte, so dass die Armen dadurch mit der Zahlung eines geringeren Schuldzinses belastet würden. Deshalb entscheiden wir, die Christgläubigen durch größere Ablässe dafür zu gewinnen, solche Häuser einzurichten und mit einem Fonds zur Kostenbeteiligung auszustatten.238

Die Monti sollten versuchen, wenn möglich, ohne Zinsnahme zu arbeiten. Dieses Argument war auch in mehreren Gutachten sowohl von dominikanischer als auch franziskanischer Seite betont worden und hatte offensichtlich sein Gewicht nicht verloren. Doch war die prekäre Situation vieler Monti letztlich ausschlaggebend für den Konzilsbeschluss. Mithilfe von Ablässen, die von der Kirche an alle verkauft wurden, die bereit waren, in einen Monte zu investieren, sollte ein Fonds eingerichtet werden

für die Montes und nur zu deren Schadloshaltung angenommen wird, haben weder den Anschein des Bösen an sich, noch bieten sie einen Anreiz zur Sünde, noch werden sie in irgendeiner Weise mißbilligt. Sie sind vielmehr eine verdienstvolle Einrichtung. Ein solches Wechselgeschäft verdient Lob und Billigung und soll in keiner Weise für Wucherei gehalten werden.“ Ebd., S. 627. 238 Ebd.

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mit dem Ziel, für einen noch geringeren Zinssatz Kredite vergeben zu können. Dies mag als ein letztes Zeichen des Zögerns des Papstes erscheinen – wenn man die Kluft zwischen dem traditionellen, auf dem Alten und Neuen Testament basierenden Kirchenrecht und der über Jahrhunderte durch diese Texte transportierten Moral und den neuen Praktiken betrachtet, die sich in der wirtschaftlichen und spirituellen Welt seit dem 15. Jahrhundert abzeichneten. Möglicherweise gab es noch andere Gründe für das Zögern und diesen Vorschlag Leos X. Denn mit der Finanzierung über Ablässe, die in der Regel ebenfalls regional verkauft wurden, waren Einnahmen für die Kurie verbunden, zumal ein Drittel bis die Hälfte des Erlöses aus dem Verkauf der Gnadengaben nach Rom floss. 2.2.4 Spätere Kritik und Reformgedanken: Agostino di Montalcino (1590) Dass die Monti di Pietà – obgleich sie etabliert waren – auch am Ende des 16. Jahrhunderts noch in der Kritik standen, belegt unter anderem ein Text des Dominikanerpredigers Agostino di Montalcino239 aus Rom aus dem Jahr 1590. Der Traktat über das Gewissen mit dem Titel Lucerna dell’anima240 bietet uns nicht nur einen aktuellen Einblick in die Zustände 150 Jahre nach der ersten Gründung, sondern auch wertvolle Informationen zur „Umsetzung“ der Normen des weltlichen und kanonischen Rechts in den verhandelten Fragen. Das Kapitel über den Monte bildet den Abschluss seiner Summa über das Gewissen und die Sünde, die als Ratgeber für Prediger entstand. Darin fordert Montalcino eine Reform der Monti wegen verschiedener Missstände. Diese beschreibt er mit den Worten:

239 Über Agostino ist nicht viel bekannt. Die Italienische Enzyklopädie enthält keinen Eintrag über ihn. Das Große Universallexikon von 1739 verzeichnet knappe, recht topisch formulierte Informationen: „Monte Alcino (Augustinus von), ein Dominikaner von Siena, trat zu Rom in den Orden und wurde Magister der Theologie, und lehrte anfangs auf der Universität zu Siena, wurde hernach zu Perugia Magister Studentium. Er war in den schönen Wissenschaften sehr geübt, stand wegen seiner Geschicklichkeit im Predigen in großer Hochachtung, und lebte noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts.“ Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschaften und Künste, hg. von Johann Heinrich Zedler, Bd. 21, Leipzig/Halle 1739, Sp. 1280, online unter: https://www. zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&seitenzahl=665&bandnummer=21&view=100&l=de (01.11.2021). 240 Der gesamte Titel seines Traktats lautet: Lucerna dell’Anima. Somma de casi di conscientia necessaria a i confessori, & molto utile a i Penitenti: composta da R. P. F. Agostino Montalcino, Dottore, & Maestro di sacra Teologia, dell’Ordine de Frati Predicatori, del Convento della Minerva di Roma, gedruckt von Damian Zenaro in Venedig 1590, online unter: https://books.google.de/books?id=A2ZKAAAAcAAJ &pg=A118&dq=compagnia+de+officio,+1590&hl=de&sa=X&ved=0ahUKEwid6JeZgv_ gAhUL_aQKHbmSDpE4ChDoAQhMMAU#v=onepage&q=compagnia%20de%20officio%2C%201590&f=false (12.09.2022). Behandelt wird das 20. Kapitel „De Monti“ auf fol. 680–710.

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Ma’l desiderio del denaro, che sempre cresce, non parendo a chi maneggia questo monte che si avanzasse a bastanza, ha fatto ritrovare un’altra industria, & hanno cominciato a impiegare questi Montisti i denari del monte in cambi & ricambi, o veri, & reali, o secchi, & ficti, che si sieno, & in altri traffichi, di modi che hoggi dì sono tanto cresciuti, & crescono sempre, che alcuni che ci hanno prattica si stupiscono di cosi grandi, & grosse somme.241

Im Zentrum steht nun nicht mehr die Zinsnahme bei der Pfandleihe, sondern eindeutig das Depositengeschäft. Hier setzt die Kritik des Predigers an. Folgende Punkte behandelt er hierbei: Cerciamo per tanti se fanno bene, & sono sicuri in conscientia quei Montisti, che prestando a ragione di tre per cento, pagate le spese, danno il resto per Dio; secondo, se quei che sono sforzati a mettere denari nel monte, possono con buona conscientia pigliare quei cinque percento che gli danno ogn’anno con nome di donativo; terzo, se è lecito per accrescere, o per mantenere il monte prestare indifferentemente a ragione di sei, & un terzo per cento, pagando il monte a ragione di cinque; quarto, se è lecito per fare incetta di porci, o altra simile mercantia, prestare a sette per cento, cioè, se per fare questo beneficio al publico, guadagnandocisi per ordinario molto piu, questo contratto sia lecito; quinto, se per fare crescere questi monti tanto in alto, quanto si sà che hoggi mai sono cresciuti alcuni, sia ben fatto l’impiegare quei denari in cambi, & ricambi, & in altre mercantie, come s’usa in qualche luogo, sesto, & ultimo, se alcuni hanno presa buona via cercando di giustificare questi cosi fatti modi di prestare, & pigliare; o vero che buono, & opportuno rimedio ci sarebbe; diremo prima l’opinione d’altri, verremo poi alla nostra.242

241 Agostino di Montalcino, Lucerna dell Anima, fol. 690. Die Passage ließe sich folgendermaßen übersetzen: „Das Verlangen nach Geld jedoch, welches stetig wächst und nach der Meinung der Beamten des Monte noch nicht ausreichend war, hat zur Erfindung einer neuen Unternehmung geführt, so dass sie nun begonnen haben, Geld des Monte zu verleihen für Wechsel und Rückwechsel, sowohl echte und wirkliche als auch trockene und fiktive, was auch immer und auch für andere Händel. So stark sind diese gewachsen und wachsen weiter, dass manche, die sich gut damit auskennen, sich über derart große und fette Summen wundern.“ 242 Ebd., fol. 691. Auch dieser Text sei zum besseren Verständnis übersetzt: „Somit fragen wir die Beamten des Monte, ob sie es genau wissen und in ihrem Gewissen sicher sind, dass sie – nachdem sie für drei Prozent geliehen und die Spesen gezahlt haben – den Rest [wirklich] für Gott geben. Zweitens, ob sie, die gezwungen sind, Geld in den Monte zu stecken, mit gutem Gewissen jene fünf Prozent nehmen können, die ihnen jedes Jahr als Spende [Dividende] gegeben wird. Drittens, ob es angebracht ist – selbst zum weiteren Wachstum und Erhalt des Monte – zu einem Zinssatz von sechs und einem Drittel Prozent zu verleihen, wo der Monte nur fünf Prozent auszahlt. Viertens, ob es rechtmäßig ist, damit Schweine gehortet oder ähnliche Händel geführt werden können, zu sieben Prozent zu leihen. Mit anderen Worten: ob dieser Vertrag, der es ermöglicht der Gemeinschaft einen Gefallen zu tun und damit selber im gewöhnlichen Verlauf der Dinge viel mehr zu verdienen, rechtmäßig sei. Fünftens, ob man, damit die Monti heute so hoch wachsen können, wie je zuvor keine, es gut sei das Geld in Wechsel und Rückwechsel und andere Unternehmungen zu investieren, wie es mancherorts Brauch ist. Sechstens und letztens, ob irgendjemand dadurch auf den richtigen Weg gekommen ist, dass er diese Art der Geldleihen und Einnahmen zu rechtfertigen versucht hat. Obwohl es gute und angemessene Heilmittel gäbe; so geben wir erst die Meinung anderer wieder und dann die unsere.“

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Ausgehend von seiner zeitgenössischen Perspektive auf den römischen Monte handelt er die Legitimiät seiner Praktiken ab. Im Unterkapitel über die Stellung der Verteidiger kritisiert Agostino, dass viele Theologen wie stumme Hunde einfach die schlechten Praktiken verteidigten und guthießen. Montalcino diskutiert daraufhin die Geschäftspraxis und nimmt dabei zu allen eine sehr kritische Haltung ein. So sei die im ersten Punkt verhandelte Zinsnahme von drei Prozent nicht legitim, da 1,5 Prozent ausreichen würden, um die Lohnkosten für die Beamten des Monte zu decken.243 Die Abgabe des Überschusses an die Armen bleibe deswegen eine dringende Notwendigkeit. Zweitens behandelt er diejenigen, die gezwungen seien, ihr Geld beim Monte anzulegen, wie die Waisenkassen (robbe de pupilli) und die Witwenkassen (dote delle vedove).244 Offensichtlich flossen die Einnahmen dieser wohltätigen Institutionen in Rom am Ende des 16. Jahrhunderts ebenfalls dem Monte zu. Für diese Geldanlagen sei ein Zins auf angelegtes Geld in Höhe von fünf Prozent rechtens, da in einem solchen Fall das damnum emergens und das lucrum cessans als legitime Zinsformen zum Einsatz kämen.245 Falls es sich aber um reichere Kunden handelte, die ihr Geld beim Monte anlegten, wäre dies mit gutem Gewissen nicht zu vereinbaren: che con buona conscientia non possono pigliare quei frutti.246 Im nächsten Punkt wendet er sich der fraglichen Finanzierung von Vorratskäufen und des Handels aus den Zinsen zu.247 Er lehnt dieses Vorgehen ab und lässt das Argument der Nützlichkeit des Handels für das bonum commune nicht gelten. Ein solcher Fall sei die Investition des Geldes in Wechselgeschäfte und andere Kaufgeschäfte durch den Monte. Er schlussfolgert in einer Reihe kritischer Fragen, dass all dies doch dem ursprünglichen Gedanken des Monte zugunsten der Armen widerspräche. Dort würden das Heilige und das Profane auf ungute Weise vermischt.248 Im darauffolgenden Kapi-

243 Paragraf V: Se è lecito prestare a ragione di tre per cento, ebd., fol. 693 f. 244 Paragraf VI: Se chi è costretto a mettere denari sul monte possa pigliare con buona conscientia a ragione di cinque per cento, ebd., fol. 694. Das Kapitel beginnt mit der Schilderung: In alcune Città la roba de pupilli, le dote delle vedove, & d’altre persone, per legge, o statuto è obligata a stare in deposito nel monte tanto tempo; cerchiamo se con buona conscientia queste persone possono pigliare il frutto di cinque per cento. 245 […] possono pigliare quei frutti sotto nome di donativo o di limosina […] per che la forza e il bisogno gli scusera sempre, ebd., fol. 694. 246 Ebd. 247 Paragraf VII: Se per qualche ragione puo il monte prestare a sei, & sette per cento, ebd., fol. 696. 248 Ebd., fol. 697: i Montisti tengono ordinariamente il monte aperto a questo fine, piu che per aiutare i poverelli; onde dicono che hoggi pochi denari si prestano a poveri, & molti a mercanti, la ragione si è, perche a questi si presta con maggiore usura che a quelli. […] O che il monte della pietà impieghi una parte de suoi denari in cambi, & mercantie, o no; non sarà mai lecito che possi prestare a ragione di tre, non che di cinque, sei, & sette per cento; perche se presta a poveri, non puo pigliare piu di quello che basta a mantenere i ministri; se a mercanti ricchi, […] Dicono che’l monte è de poveri; perche adunque la minor parte de denari si presta a poveri? Perche si contentano che ne i bisogni della Città di consumi tutto, o gran parte del monte? Perche permetteno che se ne faccino cambi, ricambi, & tante mercantie? […] mescolansi le cose sacre con le profane.

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tel diskutiert Agostino, welche Begründungen es denn überhaupt dafür gebe, dass ein dreigeteilter Vertrag der compagnia (dies ist die veränderte römische Form des Monte) legitim sei.249 Er nennt die drei Elemente des Vertrages: die Vereinbarung (compagnia), die Versicherung des Kapitals (assicuratione del capitale) und die Gewinnbescheinigung (certificatione del guadagno).250 In einer verschwommenen und redundanten Argumentation kristiert er den Papst und seine unterstützende Gesetzgebung, die den Monte für eine breite Kundschaft öffne, indem sie ihn als compagnia anlege. Dies sei gegen den Ursprungsgedanken, dass die Monti nur den Armen dienen und auch nur diese als Kunden haben sollten.251 Durch dieses Vorgehen bestünde die Gefahr eines doppelten Todes, des körperlichen und des seelischen durch die Sünde. Im weiteren Verlauf bringt Agostino dann das fiktive Exemplum eines Monte, der 1447 für die Armen gegründet, im Jahr 1529 aber im Namen der Belagerung in eine „Notwendigkeit des Staates“ (bisogno alla Republica) umgewandelt wurde, wodurch der Monte so abnahm (fu spianto il Monte), dass nur noch das wenige Geld der Armen dort lag und es ein Wunder gewesen wäre, wenn er überhaupt trotz Handel, Wechsel oder Wucher noch irgendwelche Mittel übrig gehabt hätte, um beispielsweise die Depositen zurückzahlen zu können.252 Durch den Rückgang und die Zweckentfremdung der Mittel sei das Argument, der Monte als compagnia sei dem Wohl aller (durch die Finanzierung von Handel und Bankgeschäften) nützlich, hinfällig und rechtswidrig. Die Verträge wären außerdem schädlich und gefährlich, besonders für die Armen, da sie gar nicht genügend Mittel besäßen, um in irgendwelche Handelsgeschäfte zu investieren – sie wären schon gänzlich von den Gebühren der Notare verbraucht.253 Im letzten Abschnitt seines Traktats behandelt Agostino da Montalcino die Frage, an wen die Überschüsse aus den Zinsen, also die erwirtschafteten Gewinne, denn gezahlt werden sollten.254 Mit Sarkasmus wendet er sich den Argumenten jener Dottori amorevoli zu, die die Verwendung der Zinsen auf Depositen durch die Stadt und ihre Fürsten und andere verteidigten, die sich als Leitende der Monti bezeichneten. 249 Paragraf VIII: De modi meno, o piu commodi per giusticare questi contratti, ebd., fol. 697–703. 250 Ebd., fol. 698 f. 251 […] che sarebbe cosa benissimo fatta, per tor via gli scandali, levar via gli stimoli, & scrupoli della conscientia, ricorrere a Roma, & della suprema potestà haver un consenso mediante ’lquale questo monte potesse sicuramente stare, co’l fare, essempi gratia, un’ordine che non si riceveressero in tal compagnia i denari di tutt’huomo, indifferentemente, ma solo di poveri & molto bisognosi, iquali non havessero facolta di potere travagliarli per loro stessi, ne commodità di fare bottega, o convertire quei denari in beni immobili, per essere pocchi quattrini, & altre cose, lequali non infastidire me, & gli altri, ho risoluto di lassare a dietro, perche credo che molti giudi cheranno che sia stato troppo quanto n’ho detto fin qui. Ebd., fol. 699. 252 Ebd., fol. 701. 253 Ebd., fol. 702 f.: Quanto all’assicurare il capitale, & determinare il guadagno con tre contratti, son cose lunghe, difficili, & pericolose in gran somma di denari; ma poco fanno al proposito nostro, che trattiamo d’accommodare i poveretti, iquali, come bene affermano, hanno pochi quattrini, & fare tanti contratti, & istrumenti con è conveniente, perché gli consumaremo in notari, […] appresso di me non è sicuro, perché implicitamente ci è prestanza con qualche utile, adunque è usura. 254 Paragraf IX: A chi s’hanno a restituire l’usure del monte, ebd., fol. 703–710.

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Nochmals mahnt er die Ursprungsidee der Monti an, die den Armen dienen sollten und für deren Wohl die Stadtväter Sorge zu tragen hätten. Diese täten aber nicht ihre Pflicht, sondern handelten skandalös, indem sie es guthießen, dass der Monte Wucher trieb. Denn wer besaß denn eigentlich das angelegte Geld? Die Depositare oder die Stadt oder ihre Oberen? Diese Frage bleibt zwar unbeantwortet, jedoch formuliert er an dieser Stelle zwei Schwierigkeiten in Bezug auf die Nutzung des angelegten Geldes im Monte und die Zahlung des Anlagezinses von fünf Prozent: Die erste betreffe die gesamte Kommune, nämlich, dass der Monte nicht aus öffentlichen Einnahmen finanziert werde (e il non essere fondato tal monte nelle entrate publiche) und zum anderen – dies betreffe die Einzelfälle – befinde sich auch das Geld Verstorbener im Monte, aus dem man keinerlei Zins oder Gewinn ziehen dürfe.255 Der Autor spricht sich eindeutig für eine Restitution aller erzielten Gewinne an die Armen aus, eine Befürwortung der Verwendung durch die Stadt oder das Leitungsgremium des Monte verurteilt er, perché questo è un tenere mani alle usure, & un fare radicare tanto i denti altrui in bocca loro, e gli alberi alieni nelle loro possessioni, che non si possi mai sperare di fradicargli, o fuellergli in alcuno modo.256 Er schließt seine Ausführungen, indem er zu jedem der eingangs genannten Punkte ein Fazit zieht.257 Darin betont Agostino die zentrale Rolle des Gewissens und der Sünde des Wuchers, die es unbedingt zu vermeiden gelte, und führt 255 Ebd., fol. 705: ci sono due difficoltà; l’una commune a tutti, che è il non essere fondato tal monte nelle entrate publiche; l’altra particolare, di chi tenesse quelli, o altri denari morti in cassa, che in vero […] non puo pigliarne guadagno, o frutto alcuno. 256 Ebd., fol. 706: „denn dies ist ein Halten der Hände auf Wucher und ein Einpflanzen anderer Leute Zähne in ihre Münder und fremder Bäume in ihrem Besitz, dass man nie hoffen kann, sie zu zerschlagen, oder sie in irgendeiner Weise auszurotten oder zu entwurzeln.“ 257 Dovevano piu tosto mostrare loro, quanto ingiustamente, con pravita usuraria, gravino i poverelli, sforzandogli a pagare i sei & un terzo, sette, & otto per cento, che secondo loro ancora è ingiustitia tanto aperta, che non l’hanno possuta dissimulare; & effortargli, che quanto prima, rendessero a quei medesimi […] tutte queste ingorde usure; ecco’l primo capo del vero modo di aggiustare, o giustificare simili contratti. Secondariamente, che sapendo molte persone havere tenuti i loro denari nel monte per guadagnare quei cinque per cento, o forzamente, o di buona voglia, dichiarino, che se sono poveri, pupilli, vedove, & altra sorte di bisognosi, se ne fa loro limosina per amor d’Iddio. Terzo, se questi tali sono ricchi che con buona licentia, o ordine del Vescovo, se è gran somma; o del Parocchiano, se è picola, devino dispensare tutti quei frutti a poveri. Quarto, che si fornisca ogni compagnia, & mercantia, o cambi che faceva con i denari del monte; & se si retrova che si sia fatto gran danno a qualche mercante, come havere dati denari a cambi secchi, & usurai, si restituisca loro tutto’l guadagno. Quinto, et ultimo, si tenga aperto il monte solo al poveretti, daquali per molti anni non si pigli anco quell’uno & mezzo; ma si dia con le solite cautele, & pegni in loro bisogno, fin che si satisfaccia a molti oblighi di usure, & ingiustitie; & s’el monte scemarà tanto, o quanto, per pagare del suo i ministri, non sarà con danno de poveri; si perche ci è cosi gran somma di denari raccolta, che non si sentirà questo poco d’interesse; si perche vendendo molte persono timorate d’Iddio, quanto bene sia ministro il monte in servitio de poverelli, si moveranno a pietà, & lassaranni ne i testamenti, o donneranno in vita de loro beni, cosi stabili, come mobili, onde l’opera anderà sempre di bene in meglio; molti usciranno di peccato, & si potrà anco sovvenire a mercanti bisognosi, iquali poi come grati, & amorevoli donerebbeno al monte una buona parte de loro guadagni; cosi si terrebbe tanto, o quanto la Città abondante di denari, & si fuggirebbeno molte occasioni d’ingiustitie, & d’usure, & si potrebbeno accommodare le faccende, o le vetture delle mercantie, o altri simili negotii, per ilqual fine persuadono questi nostri Dottori moderni che’l monte di pietà diventi compagnia di mercanti,

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damit den Diskurs um Wucher und Zins auch nach dem 5. Lateranum in traditioneller kirchenrechtlicher Sicht fort. Dieser späte Text belegt, dass die Diskussion um die Wucherproblematik keinesfalls beigelegt war. Zugleich entnehmen wir dem Traktat Montalcinos Informationen über von ihm als Missstände angesehene Veränderungen der Geschäftsweise des Monte hin zu einem Institut des Geldtransfers und der Geldanlagen. Dieser Geschäftszweig der Monti führte im 16. Jahrhundert erneut zu einer Welle der Kritik, war jedoch gleichzeitig unangefochten präsent. Im Falle Roms erhielt der Monte immer mehr die Rolle einer Staatsbank des Vatikans, was seine Wahrnehmung als „entgleist von den Grundwerten“ noch zusätzlich verstärkte. 2.2.5 Die Zusammenführung von Caritas und Kredit: das Bildprogramm der Franziskaner Die Franziskaner nutzten nicht nur gedruckte Gutachten und Predigten sowie öffentliche Streitgespräche und Prozessionen258 als Medien zur Verbreitung und Inszenierung ihrer wirtschaftsethischen Grundsätze, sondern auch ein reichhaltiges Bildprogramm um die Darstellung Jesu als Schmerzensmann, eine Halbkörper-Figur, die Christus als toten, jedoch „wundersam“ aufrechten Mann darstellt.259 Dieses Bild – zu sehen an den Gebäuden und auf den Rechnungsbüchern der Monti wie auch in Kirchen260 – ergänzte die Worte der Gelehrten und Prediger und machte die Grundidee der Caritas oder Pietà für die Stadtgemeinschaft zusätzlich auf einer visuellen Ebene erlebbar. Neben diesem Motiv erscheint der Monte, der Berg, wie er beispielsweise dem Traktat Marco da Montegallos vorangestellt ist, als zweites Emblem im Bildprogramm um das Pfandleihhaus. Together, the monti and the imago pietatis form a pictograph, the monti referring to the hills or mound of capital amassed for financial loans, and the lifeless Christ imparting

cio è che una cosa dedicata al servitio d’Iddio, & de poveri, però sacra & santa, diventi profana, laica, & mercantile. Ebd., fol. 706 f. 258 Ein eindrückliches Fallbeispiel für die Verschränkung einer Prozession und der Kapitalsammlung für den Monte bietet Verona. Hierzu: Pietro Delcorno, Miquel de Acqui and the Foundation of the Monte di Pietà in Verona: An unpublished Incunabula, in: Varia Historia 31/55 (2015), online verfügbar (16.03.2017). 259 Jes 53,3. Vgl. den immer noch einschlägigen Aufsatz von Catherine Puglisi / William Barcham, Bernardino da Feltre, the Monte di Pietà and the Man of Sorrows: Activist, Microcredit and Logo, in: Artibus et Historiae 58 (2008), S. 35–63, hier S. 47 f. 260 Beispielweise in Form einer Steinskulptur aus der Zeit um 1310 in der Kirche S. Maria Gloriosa ai Frari in Venedig oder einem Relief in der Sakristei der Scrovegni-Kapelle in Padua. Außerdem in der Kathedrale San Marco, Treff- und Versammlungspunkt der städtischen Elite Venedigs. Dieses und weitere Beispiele werden beschrieben von Puglisi/Barcham, Bernardino da Feltre, S. 41.

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compassion or pietà on his belivers, who in turn tender it to him for his earthly suffering. The emblem was an appropriate mnemonic device, evoking empathy for those who like the suffering Christ endured adversity even while it admonished the community to embrace penance and charity.261

Neben dem im Folgenden analysierten Bildprogramm gibt die Architektur und Situierung der Gebäude der Monti an zentralen Plätzen, oft in der Nähe der Stadtregierung oder im Bankenviertel262 gelegen, Hinweise auf die Bedeutung, die die Stadtoberen der Einrichtung zuschrieben.263 Demnach bestand um die Gebäude des Monte – nach den Statuten einiger Häuser – rechtliche Immunität, d. h. Kreditsuchende durften nicht verfolgt werden, wenn sie Kunden des Monte waren. Muzzarelli hat darauf hingewiesen, dass innerhalb des Laufwegs von einer Stunde um den Monte kein Kunde festgenommen werden durfte, um ihn bestand also ein sacro recinto del credito.264 Durch ihre prominente Lage waren die Pfandleihhäuser schließlich auch eine wichtige Station der städtischen Prozessionswege, etwa wenn Spenden zu seiner Ausstattung gesammelt wurden. Ihre prominente Lage innerhalb der Stadttopografie kann nicht nur pragmatisch ökonomisch (weil nahe zu Banken oder Goldschmieden), sondern auch als programmatisch in medialer und kommunikativer Hinsicht verstanden werden. Das karitative städtische Gemeinschaftsprojekt Monte befand sich auch räumlich im Lebenszentrum der Stadt. Doch kommen wir nun zu den bildlichen Darstellungen. 2.2.5.1 „Imago pietatis“ Puglisi und Barcham schreiben den gezielten Einsatz des Motivs des Schmerzensmannes als Logo des Monte Bernardino da Felte zu.265 Das Motiv selbst war in der Mitte des 15. Jahrhunderts bereits seit über zweihundert Jahren im Veneto präsent. Es stammte

261 Ebd., S. 37. 262 In Rom befanden bzw. befinden sich alle Gebäude des Monte in bzw. nahe der Via dei banchi vecchi. Noch heute steht das Gebäude gegenüber einer Goldschmiedewerkstatt. 263 Lauren Jacobi hat die Architektur der Monti in einem Kapitel ihres Buchs The Architecture of Banking in Renaissance Italy: Constructing the Spaces of Money, Cambridge 2019, untersucht. Sie weist nach, dass in Städten wie Perugia der Monte in unmittelbarer Nähe zum Palazzo dei Priori, der Arte del Cambio und der Arte della Mercanzia, folglich also im ökonomischen und jurisdiktionellen Zentrum der Gemeinde situiert war. In Gubbio trifft dies ebenfalls zu. Dort war der Monte neben dem Palazzo del Podestà zu finden. Weitere Beispiele wie Brescia, Todi, Treviso und andere vgl. ebd. S. 129. 264 Maria Giuseppina Muzzarelli, I Monti di pietà in Emilia Romagna: le origini, in: dies. / Mauro Carboni / Vera Zamagni (Hg.), Sedi e storie dei Monti di pietà in Emilia-Romagna, Venedig 2005, S. 13–32, hier S. 20 f. 265 Puglisi/Barcham, Bernardino da Feltre, S. 37.

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von der byzantinischen Akra Tapeinosis oder „Christus der höchsten Demut“, einem Motiv, das allgemein der Passionsgeschichte zuzuordnen ist, und erreichte Venetien um das Jahr 1260, wo es zügig ins Bildprogramm der Franziskaner und der Städte integriert wurde.266 Die große Popularität des Motivs unter den Franziskanern ist zum einen auf die Ähnlichkeit des Ordensgründers mit Jesus zurückzuführen, belegt durch die Stigmata, welche die Darstellungen des Schmerzensmannes kennzeichnen. Hinzu kommt die mitleiderregende Ausstrahlung des Bildes, die den Betrachter zur compassio mit den Armen, Geschundenen und Leidenden aufruft und somit in BetrachterInnen den Impuls zur Hilfeleistung auslöst. Insbesondere die weit verbreiteten künstlerischen Formen des steinernen Wandtabernakels und des Polyptichons wurden zu Medien, die die Darstellung der Figur an den Fassaden der Monti vorwegnahmen. Der Einsatz des Motivs durch Bernardino da Feltre ist mindestens für 1491 in Padua eindeutig belegt. Dort predigte er für die Eröffnung eines Monte. Die Überlieferung berichtet von einer Bühne, auf der die Stadtoberen und der Prediger zugegen waren. Während seiner Ansprache hielt er ein Banner mit dem Bild des Schmerzensmannes in die Luft. Auch während der späteren Prozession zum Haus des Monte, das bis dato einem jüdischen Geldleiher gehört hatte, trug er dieses Bild und installierte es bei seiner Ankunft.267 Ein Beispiel für den Einsatz der imago pietatis in einer Schrift Bernardino da Feltres findet sich in einem Werk mit dem Titel Quemdam auctoritates ad misericordiam indicentes aus dem Jahr 1485, das in Mantua gedruckt wurde. Bei diesem Text handelt es sich um eine Kompilation von Bibelzitaten und Sprüchen aus dem Themenkreis der Misericordia und Almosen,268 die zur Unterstützung des Monte anregen sollten. Beigeordnet ist dem Bild, das Jesu aufrecht in einem Sarkophag, gehalten von Johannes und Maria zeigt, u. a. eine Inschrift mit einem Zitat des griechischen Rhetors Demosthenes an Alexander den Großen: Demostenes ad Alexandrum magnum. Sola es clementia: qua nos di reddit equales. Diesen Antikenbezug deutet Philine Helas als weniger radikales Mittel (im Gegensatz zu den Observanten) der gezielten Ansprache der gebildeten städtischen Oberschicht durch Bernardino, der antike Moralphilosophie und christliche Nächstenliebe gezielt verbindet.

266 „Indeed, whether sculptured or painted, it had become a well-known sacred image found in many contexts and all materials, and it ranged in size from small illuminations to nearly life-size simulations in fresco.“ Ebd. S. 45. 267 Puglisi und Barcham geben diese Beschreibung mit Verweis auf das achte Kapitel in Meneghins Werk, Bernardino da Feltre e I monti di Pietà, auf S. 56, Anm. 66. 268 Helas, Die Predigt in der Weltenlandschaft, S. 107.

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2.2.5.2 „Monte denariorum – Monte di pietà“ Ein zweites prominentes Bildmotiv ist die Darstellung des „Berges von Münzen“, des Monte di Pietà als eine buchstäbliche congregatio denariorum. Zwei bekannte Schlüsselwerke dieser „innovativen Bildpublizistik im neuen Medium der Druckgrafik“269 gehören in den Kontext der Niederschrift der Tabula della salute Marco de Montegallos im Jahr 1486. Der Franziskanerprediger kooperierte hierbei mit einem Künstler, um seine Botschaft an die Gläubigen durch verschiedene Medien zu kommunizieren. Der Florentiner Ausgabe von 1494 ist ein Holzschnitt beigefügt, der wiederum auf einen elaborierteren Kupferstich aus dem Jahr 1485 von Francesco Rosselli zurückgeht. Die Ausgabe aus Venedig 1486 enthält weder das Bild noch die drei Kapitel über den Monte, was mit der judenfreundlichen Haltung Venedigs zu begründen ist, wo man wenig Interesse an der Etablierung eines konkurrienden christlichen Geldinstituts hatte. Beide Darstellungen hat die Kunsthistorikerin Philine Helas bereits sorgfältig ausgewertet und kontextualisert.270 Die ältere der beiden Darstellungen271 zeigt im Vordergrund den Prediger Marco da Montegallo in einem „städtischen Ambiente“ vor einer Menschenmenge, darüber im Bildzentrum findet sich inmitten der Straße ein Münzhaufen, der den Monte darstellt, von dem Bedürftige Spenden erhalten. An den umliegenden Gebäuden sind Inschriften angebracht, die die „Sieben Werke der Barmherzigkeit“ erläutern. Im Hintergrund befindet sich eine von Engeln gekrönte Gruppe Männer und Frauen kniend sowie eine Landschaft, in der in der Ferne die Gesetzesübergabe an Moses auf dem Berg Horeb dargestellt ist. Umgeben wird die menschliche Welt der Stadt von einer himmlischen Sphäre mit Christus, Maria und zahlreichen Engeln. Das Pendant zu diesem Stich ist der erwähnte Holzschnitt mit dem Titel La figura della vita eterna o vero del paradiso & delli modi & vie di pervenire ad quello, sie ist der florentinischen Editon der Tabula della Salute von 1494 beigefügt. Er stellt dasselbe Motiv vereinfacht dar. Hier fehlt das städtische Ambiente und der Monte erscheint noch mehr im Zentrum. Statt der Werke der Barmherzigkeit sind nun sechs Personengruppen zu sehen. Besonders ist, dass dem Werk eine eigenständige dreiseitige Erläuterung Marcos als Schöpfer der Bildidee272 beigefügt ist, die den Titel trägt: La intelligentia et expositione di tutta questa pinctura273, was darauf verweist, dass das Bild und die Erläuterung als eigenständiges Werk vertrieben wurden. Der Franziskaner setzte hierbei ganz gezielt und steuernd das Medium Bild ein, um seine Ideen zu verdeutlichen. 269 Ebd., S. 105. 270 Ebd., passim. 271 Francesco Rosselli, Die Predigt des Fra Marco da Montegallo, Kaltnadelradierung, Florenz, Uffizien, abgebildet bei Helas, Die Predigt in der Weltenlandschaft, S. 106. Abbildung im Anhang. 272 Darauf verweisen die Kommentare Marcos selbst, wie come havemo facta pingere in la pentura nostra della vita eterna, vgl. ebd., S. 107. 273 Ebd.

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Die Verbreitung dieser Werke durch den Verkauf, z. B. bei oder nach den Predigten, kann als weitere Maßnahme der Popularisierung der Montes gesehen werden. Dass diese erfolgreich war, zeigt beispielsweise die – nach langem Widerstand – realisierte Gründung des Monte von Florenz im Jahr 1496. Sie ist sicher u. a. mit der Verbereitung der Florentiner Edition der Tabula und des Drucks seit 1494 zu begründen. Statt in Venedig, wo niemals ein Monte entstand, wurde 1486 ein Monte in dem von Venedig regierten Vicenza eingerichtet. Betrachtet man die Abbildungen nun genauer – ohne sie einer gründlichen kunsthistorischen Analyse unterziehen zu wollen und zu können – im Hinblick auf die Darstellung des Monte in der Stadtlandschaft im detailreicheren Kupferstich, so fällt auf, dass in der Komposition alle emblematischen Elemente eng beieinander und aufeinander Bezug nehmend angeordnet sind. Der durch einen Schriftzug an der Kanzel als Marco da Montegallo identifizierte Prediger ist umgeben von einem Publikum aus zahlreichen Kindern, Frauen und einigen Männern. Links hinter der Predigtszene öffnet sich der Blick auf Kranke in einem Hospital, die in Betten liegen. Gegenüber auf der rechten Seite befindet sich das bereits erwähnte zweite Hauptmotiv des imago pietatis, vor dem sich Gläubige betend versammelt haben. Weiter hinten sind die Werke der Barmherzigkeit274 (die Kleidung der Nackten, die Speisung und Tränkung der Hungrigen und Durstigen, der Besuch der Gefangenen und Kranken sowie die Beherbergung der Obdachlosen) zu sehen und dahinter eine kartografische Darstellung Venedigs. Links vor dem Monte sieht man einen reichen, gut gekleideten Mann, der einem alten Bettler und zwei weiteren Armen (eine Frau mit Baby und einem Vagabunden oder Pilger) ein Almosen zusteckt. Betrachtet man nun den dahinter befindlichen Monte im Bildzentrum, der als Münzhaufen ebenfalls umgeben ist von Bedürftigen, die ihm etwas entnehmen, als auch von Reichen, die ihm etwas hinzufügen, so erscheint dieser Monte klar eingebettet in einen Gesamtkomplex aus wohltätigen Taten und Institutionen. Das Bild erweckt den Eindruck einer konsequenten Abfolge von Taten und Einrichtungen bzw. einen gut funktionierenden Verbund von Institutionen innerhalb der Stadt, die sich alle der Bedürftigen annehmen. Im Holzschnitt werden der Monte und der Prediger noch präsenter und vergrößert dargestellt. Somit erhalten der Monte und das gesamte sozialpolitische Programm der Franziskaner einen ganz konkreten bildlichen Ausdruck und bekommen einen zentralen Platz innerhalb der Stadt zugewiesen. Man könnte von einem Medienkomplex sprechen, derer sich die Franziskanerobservanten bedienten, um ihre eigenen Aktivitäten und letztlich die heilsgeschichtliche Bedeutung und die biblische Fundierung der Institution Monti plakativ zu verorten.

274 Mt 25,34–46.

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2.2.5.3 „Il Pignoramento“ Als drittes Beispiel für das elaborierte und dennoch eingängige Bildprogramm um den Monte dient ein Gemälde vom Beginn des 16. Jahrhunderts, das Giovanni Battista Bertucci, dem Jüngeren (1539–1614), zugeschrieben wird.275 Das Bild mit dem Titel „Die Pfändung“ (Il Pignoramento) zeigt die Verbindung der beiden Motive, des Berges mit der imago pietatis. Im Hintergrund des Bildes thront Jesus als Schmerzensmann auf einem Berg, der diesmal nicht aus Münzen besteht, um den sich aber das Geschäft der Pfandleihe abspielt. Vor dem Berg befindet sich eine tavola, an der zwei Beamte des Monte den Inhalt der cedole in Bücher eintragen. L-förmig um den Berg herum befindet sich ein Tresen, hinter dem drei weitere Beamte die Pfandgegenstände in Empfang nehmen. Dabei handelt es sich vorrangig um weiße Stoffballen, in die möglicherweise Kleider eingewickelt sind. Zu sehen sind außerdem Ketten, Stäbe aus Metall und große schwarze Gefäße oder Kübel. Vor dem Tresen, im Vordergrund des Bildes sind neun Menschen zu sehen, die zur Pfandleihe anstehen. Darunter sind vier Frauen (drei Jüngere und eine alte Frau in schwarzer Kleidung) sowie zwei Männer, daneben drei Kinder. Auf der linken Seite des Bildes steht eine Frau, die man von hinten sieht. Sie scheint gerade mit dem Beamten des Monte über den Schätzwert zu verhandeln bzw. das Geld anzunehmen. Obgleich die Szene unter freiem Himmel stattfindet und nicht das Innere eines Gebäudes zeigt, vermittelt die Darstellung eine große Alltagsnähe, Geschäftigkeit und Lebendigkeit. Die Kunden des Monte sind keine Bettler, ihre Kleidung weist sie nicht als besonders reich aus. Die Frauen auf dem Bild tragen weder auffälligen Schmuck noch Hüte. Eine der Personen trägt eine Schürze über dem Rock. Auch die Männer sind schlicht gekleidet. Dennoch vermittelt das Bild den Eindruck einer aktiven und selbstbewussten Klientel an Kreditnehmern, die zu einem guten Teil aus Frauen besteht. Somit ist diese Darstellung nahe an der Definition des Monte als Depositum apostolicum Annio da Viterbos zu interpretieren, einer Gemeinschaft der arbeitenden Armen, die mittels des Monte di Pietà in die Lage versetzt wird, für sich selbst Sorge zu tragen.276

275 Zu diesem Bild existiert, soweit mir bekannt ist, bisher keine Abhandlung. Abbildung im Anhang. 276 In den Worten Muzzarellis: „Esse rappresentano una forma di povertà attiva che, se sostenuto adeguatamente come il Monte intendeva fare, aveva la possibilità di autorisolversi almeno in parte.“ Dies., Le donne e i Monti di Pietà: storia di una relazione nel lungo periodo, in: Giovanna Petti Balbi / Paola Guglielmotti (Hg.), Dare credito alle donne. Presenze femminili nell’economia tra medioevo ed età moderna, Asti 2012, S. 195–209, hier S. 198.

Fazit

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2.3 Fazit Vorgeschichte und Entstehung der Monti di Pietà waren aufs Engste verknüpft mit entscheidenden Transformationen der Wucher- und Zinsdiskurse vom 13. bis ins 15. Jahrhundert. In diesem Kapitel konnten verschiedene Aspekte gezeigt werden: Zum einen wurde deutlich, wie neues ökonomisches Wissen – also die Legitimation des Zinses auf der Basis des Kapitalbegriffs (bei Olivi), dessen Implementierung in eine Theorie des gesunden Geldumlaufs auch durch Kredite (bei da Siena) und die daraus resultierenden Innovationen im Vertragsrecht – durch juristische Fachgutachten und Predigten gezielt verbreitet und institutionalisiert wurde. Über die Einführung und Praxis der Kreditvergabe dieser neuen Institution wurde der Wucher- und Zinsdiskurs, der 1311 mit dem Beschluss Ex Gravi des Konzils von Vienne einen Höhepunkt erreicht hatte,277 nochmals belebt. Anhand der Diskussion um die Legitimität des Zinses beim Monte wurden grundlegende Fragen des Kirchenrechts im Lichte des zivilen Rechts neu ausgedeutet. Dieser Expertendiskurs ebnete den Weg zu einer Flexibilisierung des Wucherbegriffs auf der einen Seite und zu einer Legitimierung christlicher Zinsnahme andererseits. Die Entwicklung mündete schließlich in den Beschluss Inter multiplices des 5. Lateranums 1515. Leo X. hatte erkannt, dass die Monti zum Erhalt ihrer Existenz und zum guten Funktionieren eine Zahlung als Aufwandsentschädigung annehmen mussten, und gestattete dies, obgleich der zinsfreie Kredit als Ideal bestehen blieb. Zugleich wurde das stipendium laboris als nicht-wucherisch legitimiert. Diese Innovationen wurden zur Norm, und man könnte etwas verkürzt formulieren: Die Theologie des Wuchers passte sich über zwei Jahrhunderte einer veränderten Wirtschaftspraxis an. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Inhalt der Gutachten direkten Niederschlag fand – sowohl in den Predigten Bernardino da Feltres als auch in den Statutentexten.278 Zudem wurden die Monti häufig unmittelbar auf das Wirken einzelner Prediger hin in den Städten gegründet. Dies ist ein faszinierender Beleg für den Wissenstransfer von der theologischen Expertenebene auf die Mediatorenebene der Prediger, die die Einrichtung der Monti propagierten, hin zur Legislative, die das tägliche Funktionieren der Institution steuerte. Oft waren die Gutachter ebenfalls fratres und nutzten das neue Wissen direkt in ihren Predigten, wie beispielsweise Fortunato Coppoli. Alle Verfasser der Gutachten waren selbst Rechtsgelehrte und Teil einer etablierten Expertengemeinschaft. Sie zitierten sich gegenseitig, nahmen an öffentlichen Streitgesprächen teil und inszenierten ihre Expertise durch gezieltes „namedropping“ in ihren 277 Dort hieß es noch: „Wer in jenen Irrtum verfällt, daß er sich erdreistet, hartnäckig zu behaupten, Zins zu nehmen sei keine Sünde, der ist, so Unser Beschluß, als Häretiker zu bestrafen.“ Wohlmuth, Konzilien, Konzil von Vienne 1311–1312, Nr. 29 Zinsangelegenheiten, S. 384 f. 278 Diese werden im 4. Kapitel im Detail behandelt.

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Franziskanische Wirtschaftsethik und die Entwicklung der Monti di Pietà

Texten. Neben dem neuartigen Buchdruck, über den die Traktate und Predigten Verbreitung fanden, nutzten die Franziskaner in den 1480er und 1490er Jahren für verschiedene Motive die Bildmedien, um ihre Ideen zu propagieren. Dabei kooperierten sie mit Künstlern und entwarfen ein Bildprogramm, in dem sich traditonelle christliche Ikonografie um Wohltätigkeit und Barmherzigkeit mit der neuen Idee des Monte, der ebenjene Ideale eines bonum commune umzusetzen vermochte, verband.

3. Zwischen Kooperation und Konkurrenz Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà*

Die Förderung der Montes Pietatis durch die Franziskaner, die im vorangegangen Kapitel beleuchtet wurde, hat eine zweite Seite: Neben der Betonung des karitativen Charakters der Institution in juristischen und theologischen Consilia finden wir eine Reihe an Belegen für die enge Verknüpfung der Installation der Monti mit der Regulierung, Einschränkung oder gar dem Verbot der Kreditvergabe durch jüdische Geldverleiher. Dass die Monti in diesem Zusammenhang häufig als christliche Alternative zum „jüdischen Wucher“ inszeniert wurden, spielt für die Frage nach den Folgen der Gründung der Montes für die Stadtgemeinschaften sowie für das Verhältnis von ökonomischem Handeln und Glaubensfragen – also der vermeintlichen Konfrontation zwischen Juden und Christen auf der Ebene wirtschaftlichen Handelns – eine wichtige Rolle. In den meisten Städten Italiens waren die Ursprünge der Monti folglich eng mit der Geschichte der jüdischen Gemeinden verbunden. Dieses Verhältnis war gekennzeichnet von einem Wechselspiel aus Duldung und temporären Privilegien einerseits sowie Verboten und Reglementierungen jüdischer Geldleihe durch die städtischen Autoritäten andererseits. In den sogenannten condotte wurde den Juden das mehrjährige Bleiberecht gegen hohe Steuern und Sonderzahlungen genehmigt. Die jüdische Pfandund Geldleihe war seit dem 13. Jahrhundert ein fester Bestandteil der italienischen Stadtgesellschaften. Bekanntermaßen verliehen einige Juden Geld und verdienten damit ihren Lebensunterhalt – in einer Umwelt, die sie lediglich als Gäste betrachtete. Ihr bescheidener Gewinn wurde zur Deckung der Steuerzahlungen genutzt, welche

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Teile dieses Kapitels finden sich in meinem 2018 erschienenen Aufsatz zum Thema Ökonomische Glaubensfragen. Vgl. Tanja Skambraks, Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà in Italien, in: Gerhard Fouquet / Sven Rabeler (Hg.), Ökonomische Glaubensfragen: Strukturen und Praktiken jüdischen und christlichen Kleinkredits im Spätmittelalter, Stuttgart 2018, S. 99–119.

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Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà

die Juden leisten mussten. Leihe an Nicht-Glaubensbrüder war den Juden durch die Thora erlaubt (Deuteronomium 23,19). Das vorliegende Kapitel wird das Verhältnis zwischen den Monti di Pietà als christlichen Pfandleihanstalten und Anlagebanken und den jüdischen Geldleihern wie überhaupt den jüdischen Stadtbewohnern anhand von Überlieferungsbeispielen aus Perugia, Florenz, Rom sowie Venedig genauer analysieren und so einen Beitrag zur Korrektur dieses teils immer noch verzerrten Bildes leisten.1 Der jüdische Geldhandel und die Pfandleihe waren neben und nach dem Klein- und Warenhandel die wichtigsten Betätigungsfelder der Juden in den italienischen Städten des Mittelalters seit dem 14. Jahrhundert. Jüdische Geldhändler aus dem deutschsprachigen Raum und Frankreich hatten sich nach den Pogromen seit den 1350er Jahren in Nord- und Ostitalien angesiedelt.2 In ganz Italien ließen sich Juden aus Spanien nach der Vertreibung 1492 nieder. Dabei ist zu bemerken, dass die Geschäftsfelder des Warenhandels und der Geldleihe eng miteinander verknüpft waren. Nicht eingelöste Pfänder flossen beispielsweise einem regen Gebrauchtwarenhandel zu. Aus den Erlösen verkaufter Waren speiste sich wiederum das Kleinkreditgeschäft. Das städtische Kreditgeschäft im Allgemeinen sowie die Überbrückung finanzieller Engpässe kleiner Leute wie Handwerker und Tagelöhner oblag in italienischen Städten seit dem 14. Jahrhundert häufig auf Geldleihe spezialisierten Juden, die zugleich auch untereinander gut vernetzte Händler waren und somit das nötige Kapital sowie die nötigen Kompetenzen (Lesen, Schreiben, Arithmetik, Buchführung) besaßen.3 Die mediävistische Forschung zu diesem Thema hat in den letzten beiden Jahrzehnten4 verstärkt herausgearbeitet, dass das Verhältnis zwischen beiden Gruppen in vielen

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Unser Bild wird vor allem durch die Tatsache verzerrt, dass das Verhältnis von Juden und Monti di Pietà anhand der nichtjüdischen Überlieferung thematisiert wird. Es fehlt weiterhin die Auswertung jüdischer Quellen zum Thema. Sie waren dort bereits seit dem 11. Jahrhundert als Geldverleiher tätig gewesen. Vgl. Mariestella Botticini / Zvi Eckstein, The Chosen Few: How Education Shaped Jewish History, 70–1492, Princeton/Oxford 2012, S. 215–218, 237. Die These, dass die Zunahme der jüdischen Präsenz in den Städten Ober- und Mittelitaliens seit der Mitte des 14. Jahrhunderts mit „dem Rückzug christlicher Bankiers aus den kleineren Kreditgeschäften“ zusammenhing, äußerte Alfred Haverkamp in seinem programmatischen Aufsatz: Juden in Italien und Deutschland während des Spätmittelalters: Ansätze zum Vergleich, in: Christoph Cluse / Jörg R. Müller (Hg.), Neue Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte (2000–2011). Festgabe zum 75. Geburtstag des Verfassers, Hannover 2012, S. 59–102, hier S. 75. Vgl. Botticini, Chosen Few, S. 243. Hierzu treffend Haverkamp, Juden, S. 83: „Selbst in ober- und mittelitalienischen Binnenstädten betrieben – trotz Konzentration der vermögenderen Juden auf die Geldleihe seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert – nicht wenige auch noch im späten Mittelalter diversen Warenhandel unter Einschluss von Edelmetallen und Pretiosen. Dieser lag in vielen Fällen über Pfänder aus Geldleihegeschäften nahe. Andere waren Kleinhändler, was offenbar in mehreren Städten etwa seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zunahm.“ Vgl. beispielsweise jüngere Arbeiten zu der Rolle der Juden und ihrem Verhältnis zu christlichen Wirtschaftsakteuren, wie Joseph Shatzmiller, Shylock Reconsidered. Jews, Moneylending, and Medieval Society, Berkley/Los Angeles 1990 (in deutscher Übersetzung von Christoph Cluse: Shylock geht in Revision, Trier 2007); Brian Pullan, Jewish Banks and Monti di Pietà, in: Robert

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Fällen auf Koexistenz fußte statt auf einer reinen Verdrängungshaltung gegenüber den Juden, wie die Vertreter der älteren franziskanischen Forschung postulierten.5 Als Exponent dieser aktuelleren Forschung schrieb Brian Pullan: „Up to a point Jewish banks and monti di pietà operated on similar lines.“ Des Weiteren betonte er, dass jüdische Kredite neben den Krediten der Monti nachgefragt wurden. Es gab also keine Substituierung jüdischer Dienstleistungen durch die neu eingerichteten Institute – auch wenn diese in den Statuten der Monti häufig als Ziel formuliert wurde. But it often proved neither possible nor desirable to expel the Jews once a monte di pietà had been established. As a new and struggling institution, it frequently disposed of inadequate capital, and so the Jewish and the Christian banks often lived on together, sometimes addressing different clienteles and occasionally complementing each other in ways unforeseen, and certainly never intended, by the founders of the monti di pietà.6

Auch Ariel Toaff hat in einem Aufsatz von 20047 darauf hingewiesen, dass die pauperes pinguiores, welche die Hauptadressaten der Monti waren, lediglich eine Gruppe der Kunden jüdischer Geldverleiher bildeten. Maristella Botticini8 belegte zudem eindrücklich anhand der Auswertung des Florentiner castato von 1427, dass Juden in der Toskana – neben Kleinkrediten gegen Pfand – auch größere Kreditsummen an rei-

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C. Davis / Benjamin Ravid (Hg.), The Jews of Early Modern Venice, Baltimore/London 2001, S. 53–72; Angela Möschter, Gli ebrei a Treviso durante la dominazione veneziana (1388–1509), in: Gian Maria Varanini / Reinhold C. Mueller (Hg.), Ebrei nella Terraferma veneta del Quattrocento. Atti del Convegno di studio, Verona, 14 novembre 2003 (Quaderni di Reti medievali rivista 2), Florenz 2005, S. 71–84, online unter: http://www.rmoa.unina.it/id/eprint/2287 (19.06.2017); dies., Juden und Christen, Armut und Fürsorge, Inklusion und Exklusion: Beispiele aus dem spätmittelalterlichen Italien, in: Philine Helas u. a. (Hg.), Armut und Armenfürsorge in der italienischen Stadtkultur zwischen 13. und 16. Jahrhundert. Bilder, Texte und soziale Praktiken, Frankfurt/Main 2006, S. 263–286; ferner die zahlreichen Arbeiten zum römischen Bruderschafts- und Hospitalwesen und zur jüdischen Gemeinde von Anna Esposito, z. B.: Credito, ebrei, monte di pietà a Roma tra Quattro e Cinquecento, in: Roma moderna e contemporanea 10/3 (2002), S. 559–582; dies., Le ‚comunità‘ ebraiche di Roma prima del Sacco (1527): problemi di identificazione, in: Henoch 12 (1990), S. 165–189; dies., The Sephardic Communities in Rome in the Early Sixteenth Century, in: Imago temporis: medium aevum 1 (2007), S. 177–185. Eine ganze Reihe von Fallstudien der letzten Jahre führte das enge Zusammenspiel christlicher Stadtgemeinden und jüdischer Bewohner vor Augen. Vgl. z. B. Ariel Toaff, Judei cives? Gli Ebrei nei catasti di Perugia del trecento, in: Zakhor 4 (2000), S. 11–36; sowie ders., Jews, Christians and the First Monti di Pietà in Italy (1462–1500), in: Steven J. McMichael (Hg.), Friars and Jews in the Middle Ages and Renaissance (The medieval Franciscans 2), Leiden 2004, S. 239–253. Außerdem der Sammelband von Michael Toch (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der mittelalterlichen Juden. Fragen und Einschätzungen (Schriften des Historischen Kollegs 71), München 2008, darin besonders Reinhold C. Mueller, The Status and Economic Activity of Jews in the Venetian Dominions during the Fifteenth Century, S. 63–92. Holzapfel, Entstehung, passim. Pullan, Jewish Banks, S. 54 und 58. Toaff, Jews, Christians, S. 241. Maristella Botticini, A Tale of „Benevolent“ Governments: Private Credit Markets, Public Finance, and the Role of Jewish Lenders in Medieval and Renaissance Italy, in: The Journal of Economic History 60/1 (2000), S. 164–189.

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chere Schuldner wie wohlhabende Handwerker, Händler, Notare und Ärzte (häufig gegen Schuldverschreibungen) vergaben, die zum Konsum, für Investitionen sowie für Mitgiften eingesetzt wurden.9 Zum anderen wies sie nach, dass die Juden indirekt an der Finanzierung des öffentlichen Kredits beteiligt waren. Dies geschah, indem die Stadtregierungen den Juden einen höheren Zinssatz gewährten, den sie dann über die entsprechend hohe Taxierung der Juden bei Bedarf (also in Krisenzeiten) wieder abschöpften. Die Juden wurden sozusagen zu einem indirekten Steuerinstrument der italienischen Stadtstaaten, indem sie die indirekte Besteuerung ihrer Einwohner durch höhere Zinsraten für jüdische Darlehen vollzogen.10 Sie schlussfolgert ebenfalls, dass die Monti di Pietà und die jüdischen Geldleiher komplementäre Leistungen anboten und damit die Rolle jüdischer Geldleihe alles andere als marginal einzuschätzen ist.11 Gleichermaßen äußerte sich bereits Shlomo Simonsohn in der Einführung zu seiner monumentalen Edition der kurialen Quellen zu den Juden: At Perugia and elsewhere, the Monte di Pietà did not end the operations of the Jewish banks. In some places it interrupted their activities temporarily; in others, it drove them underground for a while; but in most, it hardly interfered. For a century or so, Jewish moneylending continued to flourish in Italy.12

Anknüpfend an diese Forschungsergebnisse möchte dieses Kapitel das Verhältnis zwischen jüdischen Pfandleihern und Christen anhand vier italienischer Fallstudien analysieren – nämlich der Gründung des ersten Monte di Pietà in Perugia 1462, der in Florenz 1496 sowie der späten Gründung in Rom 1539 und der nie erfolgten Gründung eines Monte in Venedig. Zunächst soll untersucht werden, welche Rolle den jüdischen Geldverleihern in den Quellen aus dem Umfeld der Monti bei deren Entstehung zugeschrieben wurde. Diese Frage wird anhand von Statutentexten beleuchtet, die unmittelbare Zeugnisse der Gründungen der jeweiligen Monti sind. Daneben gilt es zu ermitteln, wie sich das Verhältnis beider Gruppen im pragmatischen Schrifttum wie Kassenbüchern und Pfandregistern widerspiegelt. Die Kernfrage ist hier, in welchem Ausmaß die Gründung der Monti die Stellung der jüdischen Geldverleiher veränderte. Blieben sie geduldet oder führte die Gründung eines christlichen Pfandleihhauses zu ihrer Vertreibung? Wie wurde die eventuell bestehende jüdische Geldleihe nach der Gründung eines Monte durch städtische Autoritäten reguliert? 9 10

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Ebd., S. 166 und S. 176 f. Ebd., S. 182: „This article […] has proposed and tested the hypothesis that town governments were, in effect, taxing their own citizens when they established local monopolies in Jewish lending, allowed the Jewish incumbent to charge high interest rates, and then taxing away part of the ensuing rent.“ Damit vermieden die Städte es auch unliebsame Steuern direkt zu erheben. Ebd., S. 173: „The fact is that Jewish lenders and monti di pietà offered services that were complementary rather than substitutes.“ Shlomo Simonsohn, The Apostolic See and the Jews, Bd. 7: History (Pontifical Institute of Medieval Studies, Studies and Texts 109), Toronto 1991, S. 222.

Die Juden zwischen Verdrängung und Akzeptanz

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Die Beantwortung dieser Fragen wird in folgenden Schritten erfolgen: Zunächst wird erstens auf das Verhältnis der Juden zu den Stadtgemeinden zwischen Verdrängung und Duldung eingegangen. Sodann werden zweitens die Juden als Finanziers der Monti – und damit als unabdingbare Säule für die Entstehungsgeschichte dieser christlichen Institution – thematisiert. Dass die Pfandleihhäuser zudem auch von jüdischen Kunden genutzt wurden, wird im Abschnitt drei aufgezeigt. Schließlich lässt sich viertens die Verdrängungsthese vollständig am Beispiel der Stadt Venedig widerlegen, wo es trotz vermehrter Bemühungen bis 1806 nicht zur Gründung eines Monte kam. Der darin aufscheinende Pragmatismus im christlichen Umgang mit der jüdischen Geldleihe fand fünftens seinen Niederschlag auch in der Traktatliteratur. Im Fazit wird sechstens die Vielfalt der Kredit- und Geschäftsbeziehungen zwischen Juden und Christen von Kooperation bis Konkurrenz zusammengefasst. 3.1 Die Juden zwischen Verdrängung und Akzeptanz Essendo la Magnifica cità di Perugia per antico e vecchio errore in gravissimo pregiudictio e danno di bene spirituali e temporali per lo avere longo tempo concesso e per previlegi et capituli adfermato a li perfidi giuderi di potere fare usura e illicito guadagnio, piacque a l’altissimo Dio per sua clemenca e bontà essa magnifica cità da questo orrendo e detestabili vitio e dannoso liberare.13 So geschah es, dass in der großartigen Stadt Perugia durch einen alten und althergebrachten Fehler schwerer Schaden an spirituellen und weltlichen Gütern angerichtet wurde, da es den heimtückischen Juden seit langer Zeit erlaubt war und durch Privilegien und Kapitel [d. h. Verordnungen] bestätigt wurde, Wucher zu treiben und unrechtmäßige Gewinne zu machen. Deshalb gefiel es dem höchsten Gott, diese großartige Stadt durch seine Milde und Wohltätigkeit von jenem schrecklichen und verabscheuungswürdigen Laster und Schaden zu befreien.

Dieses Zitat aus der Präambel der Statuten legitimiert die Einrichtung des ersten Monte in Perugia 1462.14 Gewiss zeigen die Dokumente, die uns über die Gründung der Monti di Pietà im Italien des 15. und 16. Jahrhunderts informieren, die Eindämmung und Vertreibung der als wucherisch angesehenen jüdischen Pfandleihe als topische Begründung für die Schaffung einer solchen christlichen Kreditanstalt. Vor allem die für die armen Bevölkerungsteile bedrückend hohen Zinsen der Juden werden hierfür immer wieder als ökonomische Begründung angeführt. Die Frage des rechten Glau-

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Majarelli/Nicolini, Il monte dei poveri, S. 251. Ebd., App., S. 251–267.

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bens spielt in der Argumentation der Befürworter der Monti nur eine untergeordnete Rolle. Ausgehend von diesem kurzen Text, der stellvertretend für die meisten Statuten der Monti di Pietà steht, ist nach dem tatsächlichen Verhältnis zwischen beiden Gruppen im Zeitraum der jeweiligen Gründung dieser neuen Kreditanstalten zu fragen – oder konkret: Bedeutete die Einrichtung eines Monte tatsächlich das Ende der jüdischen Geldleihe? Welche Einschränkungen ihrer Geschäftspraktiken mussten die jüdischen Geldleiher andernfalls hinnehmen? In Perugia hatten seit dem 13. Jahrhundert jüdische Geldleiher gelebt und gearbeitet.15 Einigen wurde – so zeigen die Einträge in den Steuerlisten der Stadt aus dem 13. und 14. Jahrhundert – das temporäre (cives per tempus), in anderen Fällen sogar das dauerhafte Bürgerrecht (cives in perpetuum) verliehen.16 Dabei bezog sich die Einbürgerung häufig auch auf deren Familienangehörige. Im Jahr 1310 hieß es in den Statuten der Stadt, die Juden seien nützlich und wichtig für den Ort und seine Bewohner, zur Finanzierung militärischer Unternehmungen und anderer wichtiger Ausgaben.17 Im Zuge der Predigten des Franziskaners Bernardino da Siena kam es in den 1420er Jahren dann zu einer verschärften Wuchergesetzgebung. Die Juden, die Geld zum „Wucherzins“ (ohne Präzisierung der Summen) an Christen verliehen, sollten bestraft werden, indem man ihnen den rechten Fuß abschnitt – so ein besonders grausamer Beschluss in den Statuten des Bernardino vom 4. November 1425.18 In den Folgejahren wurde die Ablehnung gegenüber den Juden noch deutlicher. Der Rat der Stadt griff in deren Geschäftstätigkeit besonders stark durch die Regulierung des Verkaufs verfallener Pfänder sowie die Festlegung der Zinsen auf Darlehen ein19 – so zum Beispiel in einem 14 Kapitel umfassenden Abkommen vom De15

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Dies geht aus den Statuten der Stadt von 1279 hervor: Iudeos et qui nunc sunt et pro tempore erunt et venerint de civitate et comitatu Perusii expellam, et dabo operam, quod ulterius non veniant morari. Zit. nach: Ariodante Fabretti, Sulla condizione degli ebrei in Perugia dal XIII al XVII secolo. Documenti, Turin 1891, S. 70. Im Ganzen bei Ariel Toaff (Hg.), The Jews in Umbria, 3 Bde. (Studia post-biblica 43–45; A Documentary History of the Jews in Italy, [8]–10), Leiden/New York/Köln 1993–1994, hier Bd. 1, Nr. 17. Zur wichtigen und etablierten Stellung der Juden im Perugia des 13. und 14. Jahrhunderts siehe auch Toaff, Judei cives, passim, mit dazugehörigen Quellen im Anhang. Zit. bei Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 71: et cum persone ipsorum iudeorum sint valde utiles et necessarie in civitate Perusii tam ipsi communi Perusii quam specialibus personis civitatis predicte et burgorum ipsius et maxime occasione habende pecunie et recipiende sub mutuo ab eisdem pro guerra et aliis rebus et necessitatibus occurrentibus. Ein Beschluss vom Nov. 1381 legte eine Reihe bestimmter Rechte fest, die für 33 jüdische Geldleiher geringe Spielräume mit sich brachten. So wurde beschlossen, dass die Juden während der Dauer von zwei Jahren keinerlei Zinsen auf Darlehen erheben dürften, dafür solle man sie wie Bürger der Stadt behandeln. Auch bei Toaff (Hg.), Jews in Umbria, Bd. 1, Nr. 306. Antonio Fantozzi, Documenta Perusina de S. Bernardino Senensi, in: Archivum franciscanum historicum 15 (1922), S. 103–154 und 406–475, zit. bei Majarelli/Nicolini, Il Monte dei Poveri, S. 76 f. Beispielsweise 1457 auf zwei Denare pro Gulden pro Monat; ein Goldgulden entsprach fünfzig Denaren.

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zember 1457, das den Juden das Bleiberecht gegen schwerwiegende Einschränkungen ihrer Geschäfte einräumte.20 In den ersten beiden Kapiteln der Vereinbarung ging es um die Beschlagnahmung von Pfändern durch die Schuldner: Die Juden durften nicht dagegen klagen, es sei denn, zwei Zeugen belegten, dass es sich um eine betrügerische Aktion handelte. Die Versteigerung verfallener Pfandgegenstände war durch Ausrufung dreimal anzukündigen und auf der Piazza öffentlich zu vollziehen. An drei Wochentagen (Montag, Mittwoch und Donnerstag) sollte sie unter Aufsicht eines Experten (für Stoffe, Schmuck und andere Objekte) stattfinden und von einem Notar bestätigt werden. Der Erlös (abzüglich der Darlehenssumme, der Zinsen und des Lohns für die Auktionsbeamten in Höhe von 18 Denaren pro Florin) musste durch den Geldverleiher an zwei Beamte der Stadt übergeben und von diesen dann an den ehemaligen Eigentümer des Pfandes oder – wenn dieser nicht auffindbar war – an das Ospedale della Misericordia weitergeleitet werden. Bei mehreren Pfändern pro Darlehen sollten die Objekte als Gruppe verkauft werden. Sofern sich der Eigentümer mit der Bitte meldete, die Pfandgegenstände nicht zu versteigern, konnte der Gläubiger dem zustimmen. Für alle nach dem 1. Januar 1456 getätigten Darlehen gegen Pfand wurde der Zinssatz auf 30 Prozent, für alle nach dem 9. November 1457 vergebenen Darlehen auf 24 Prozent festgesetzt. Die Pfänder verfielen nach zwei Jahren. Im Falle eines durch Zeugen bestätigten Betrugs seitens des Geldverleihers (aufgrund zu hoher Zinsen) wurden Strafzahlungen fällig. Falls ein Gegenstand gestohlen wurde, stand dem Besitzer innerhalb eines Monats nach Entdeckung des Sachverhaltes die Rückzahlung der Darlehenssumme zu, ohne dass er Zinsen zu entrichten hatte. War diese Frist verstrichen, hatte er Darlehenssumme und Zins zu zahlen. Kontrolliert wurde die Leihepraxis der Juden durch Auditoren aus der Zunft der Händler bzw. Geldwechsler. In ihrem Auftrag wurde ein Notar zur regelmäßigen Überprüfung angestellt. Falls jüdische Geldverleiher von außen Geld zu besseren Konditionen in Perugia verleihen wollten, so konnten sie dies ohne Hinderung tun. Waren ihre Bedingungen nicht besser, so benötigten sie erst die Zustimmung der zuständigen Auditoren. In Kapitel 14 schließlich wurden alle bisherigen Privilegien, Immunitäten und Begünstigungen für die Juden bestätigt, wenn sie den hier vorgetragenen Anforderungen nicht zuwiderliefen. Der Beschluss wurde von 14 Vertretern der jüdischen Gemeinde unterzeichnet. 1461 wurde die Zahl der Auditoren dann von zwei auf vier heraufgesetzt. Ob dies als Zeichen erhöhter Kontrolle zu werten ist, bleibt unklar. Dieses Dokument belegt das starke Eingreifen der Stadt in die Geschäftspraktiken der jüdischen Geldleiher, dem sie sich kaum widersetzen konnten. Das Bleiberecht der Juden in Perugia war an eine massive Selbsteinschränkung gebunden. Diese gezielte Schwächung der jüdischen Geldverleiher ebnete schließlich den Weg zur Errich-

20 Vgl. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, abgedruckt auf S. 222–228, zusammengefasst auf S. 84–87. Neu abgedruckt bei Toaff (Hg.), Jews in Umbria, Bd. 2, Nr. 1268.

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tung des christlichen Pfandleihhauses und sollte eine beispielhafte Etappe auch bei der Einrichtung späterer Monti bleiben. Im Jahr 1462 wurden nach jahrelanger indirekter Vorbereitung durch die sukzessiven Einschränkungen der jüdischen Geldleihe ganz konkrete Schritte zur Errichtung des Monte unternommen. Das nötige Grundkapital in Höhe von 3.000 Florin fehlte allerdings.21 Somit verzögerte sich die Gründung um zehn Monate bis zum 25. Februar 1463. Auf die Forderungen Michele Carcanos in seiner Fastenpredigt reagierte der Rat der Stadt am 4. April 1462 mit der Aufhebung des Beschlusses von 1457.22 Im März 1463 schließlich bestätigte der päpstliche Legat und Kardinal Berardo Eroli den Juden erneut ihre Privilegien – im Gegenzug hatten diese ein Darlehen zur Einrichtung des Monte di Pietà (pro initiando montem pauperum) in Höhe von 1.200 Dukaten gewährt.23 In demselben Dokument, das Papst Pius II. am 29. April bestätigte, wurden zudem erneut Elemente der jüdischen Pfandleihe wie Dauer und Verkauf uneingelöster Pfänder reguliert. Bemerkenswerterweise hatte der Papst zehn Tage zuvor bestimmt, dass die Juden Perugias nun die Geldleihe in der zehn Kilometer südlich gelegenen Stadt Deruta weiterführen könnten.24 Diese Tatsache wird bestätigt durch ein Dokument, das Dattolo hebreus dicto de la Fracta am 19. April 1463 den Prioren vorlegte und in dem er die Übertragung ebenjener Erlaubnis der Kreditvergabe im Territorium von Deruta auf sechs Jahre an sich und seine Familie nachweist.25 Ein ganz ähnlicher Fall der räumlichen Verlagerung der jüdischen Geldgeschäfte in nahegelege Städte ist für Spoleto, das circa 40 km von Perugia liegt, belegt. Ein Rechtsstreit zwischen den Nachkommen des Moisis Ghai di Rieti dokumentiert die Existenz einer Bank in Spoleto, die der Verstorbene geleitet hatte.26 Diese Maßnahmen lösten praktisch alle Probleme: Trotz des offiziellen Verbotes der Geldleihe zugunsten des Monte blieben die Juden als wichtigste Kreditgeber der Stadt erhalten. Die „Unterstützung“ der Perusiner Juden durch die Päpste war kein Einzelfall; andere Städte wie Terni, Trevi oder Assisi liefern ähnliche Belege.27 Deutlich wird an dieser Stelle der paradoxe Zustand der Finanzierung christlicher kommunaler Einrichtungen durch jüdische Gelder, also die häufig konstitutive Beteiligung

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Vgl. hierzu die verschiedenen Abschnitte der Statuten, Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 254–257. Ebd., S. 230. Vgl. Toaff (Hg.), Jews in Umbria, Bd. 2, Nr. 1333 f. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 231; Toaff (Hg.), Jews in Umbria, Bd. 2, Nr. 1362. Vgl. hierzu Toaff, Jews, Christians, S. 245 mit Bezug auf die bei Simonsohn abgedruckte Quelle. Costanza Del Guidice, Testimonianze sulla communità ebraica perugina subito dopo l’istituzione del Monte, in: Clara Cutini (Hg.), Per soventione de le povere persone. Aspetti del credito a Perugia dal Monte di Pietá alla Cassa di Risparmio, Perugia 2000, S. 63–65, hier S. 63. Ebd., S. 64. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 245–247.

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der Juden an der Etablierung einer kommunalen Gemeinschaft, an der sie selber jedoch keinerlei Anteil hatten.28 In Perugia wurde die Gründung eines Monte quasi als natürliche Folge der Regulierung und Eindämmung der jüdischen Pfandleihe bzw. als neues System der Geldleihe dargestellt. Der Rat beschloss, dem Monte jährlich 1.000 Florin zukommen zu lassen.29 Hinzu kam ein Darlehen von 2.000 Florin, das der Monte bei den jüdischen Geldleihern im Juli 1462 „aufnahm“.30 Nach der Gründung des Monte und der Aufhebung der ohnehin schon sehr einschränkenden Konvention von 1457 war das Verhältnis zwischen Juden und Christen in Perugia noch angespannter. Mehrere jüdische Bewohner wurden nach 1462 verschiedener Vergehen angeklagt. So wurde beispielsweise die Jüdin Bellaflora der Zauberei bezichtigt: Sie habe durch einen Zauberspruch das Wasser des Brunnens von Piantarosa im Stadtteil Porta S. Pietro verschwinden lassen.31 Der Rat sprach sie von dem Vorwurf frei. Viel schlimmer – da ein Fall von Apostasie – war der von seinem Glaubensbruder Samuele di Emanuele erregte Verdacht, dass er sich vierzig Jahre zuvor in Spanien habe taufen lassen und dann wieder zum jüdischen Glauben zurückgekehrt sei. Der Fall wurde von Papst Pius II. an die Stadt zurückgegeben mit der Anweisung, Mose zu bestrafen. Das Ergebnis war, dass er vom Vorwurf freigesprochen und absolviert wurde. An diesen beiden Fällen zeigt sich die höchst fragile rechtliche Situation der Juden in der kleinteiligen Stadtgemeinschaft Perugias, die jeder und jedem durch willkürliche Denunziation zum Verhängnis werden konnte. Dennoch war der Ruf beider Angeklagter offensichtlich so gesichert, dass eine Verurteilung abgewendet werden konnte.32 Nichtsdestotrotz belegen Quellen die Fortexistenz der jüdischen Geldleihe in und vor allem um Perugia auch nach der Gründung des Monte.33 So verpfändete das Priorat der Kirche San Luca Evangelista des Ordens des Heiligen Grabes in Jerusalem 28 29 30

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Hierzu auch Todeschini, La banca, S. 115. Der Prozess der Aushandlung wird deutlich in einer ganzen Reihe von fast gleichlautenden Beschlüssen zur Bereitstellung der 3.000 Florin, siehe Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 256 und 270–276. Weitere kleinere Summen in Höhe von 400 Florin vom Papst und 125 Florin aus dem Verkauf von Getreide kamen hinzu. Man nahm zehn Prozent Zinsen. Die Quelle hierzu beschreibt die Summe als Wiedergutmachung für den jüdischen Wucher und den dadurch entstandenen Schaden an der Stadt: et ob hanc causam sit amota potestas compensandi ad usuram ebreis et sic ipsi ebrei nec commune Perusii compensare possint, sine quo prestu fieri non potest pro maiore et per consequens maximum damnum et inconveniens consequeretur, sitque summe utile et necessarium providere de remedio opportuno circa expeditionem dicti presti et eius inceptionem. Ebd., S. 322. Beispiele ebd., S. 151, Anm. 1. Ariel Toaff weist ebenfalls auf die Weiterführung der Geschäfte der Juden nach der Einrichtung des Monte in Perugia hin. Die jüdische Geldleihe lief trotz des Entzugs der condotta „halblegal“ weiter. Er kommt auch zu dem Ergebnis, dass christliche Anleger jüdische Banken weiterhin indirekt förderten. Vgl. Toaff, Jews, Christians, S. 244 f. Siehe mit verschiedenen Beispielen Del Giudice, Testimonianze, passim.

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dem Juden Tadatus ein liturgisches Gewand (eine capa consistoriali) und andere Kleidungsstücke für 150 Pfund, wovon 20 Pfund und 5 Schillinge Zinsen für sechs Monate (pro usuris mensium sex) gezahlt wurden.34 Auch in Rom versuchte man die Befugnisse der jüdischen Geldverleiher nach Gründung des Monte 1539 durch Papst Paul III.35 zu dessen Gunsten einzuschränken. Nach dem Sacco di Roma im Jahr 1527 war der Bedarf an Kleinkrediten dort besonders virulent geworden. Die Gründung wurde initiiert durch Giovanni da Calvi, den Generalkommissar des Franziskanerordens in Rom. Er hatte auch an der Eröffnung und Abfassung der Statuten der Monti von Savona, Cesena und Bologna mitgewirkt. Insbesondere letzteres Statutenwerk war in den ersten Jahren des römischen Monte für diesen gültig. Wichtige Merkmale des Monte di Roma waren seine Organisationsform als Bruderschaft, in die alle Mitglieder jährlich zwei Carlini einzahlen sollten. Doch auch dieses Institut hatte lange Zeit mit der Einwerbung eines Grundkapitals zu kämpfen, insbesondere da die Darlehen bis ins Jahr 1552 zinsfrei gewährt wurden.36 Die Einzelspenden reicher Mitglieder reichten zur Kostendeckung nicht aus. Wie wurde nun die jüdische Pfandleihe nach der Gründung des Monte reguliert? Die Überlieferung zeigt ein vielschichtiges Bild. Bereits am 29. August 1544 erging ein päpstlicher Erlass,37 in dem alle Juden Roms aufgefordert wurden, nicht eingelöste Pfänder öffentlich versteigern zu lassen. Die Gewinne sollten entweder an den Eigentümer zurückgehen oder – wenn dies nicht möglich sei – an den Monte übertragen werden. Dasselbe Konvolut enthält ein mit tolerantia überschriebenes Dokument vom 5. Juni 1544,38 das den Juden Isaac Salomonis und Bernardino Ciscatello die Ausübung ihrer Geschäfte erlaubt. Des Weiteren findet sich in dem Band eine Supplik, welche die Regulierung der Geldleihe und die Gründung einer Bank durch drei Juden (Emanuele da Venchi, Moise da Ponte Corno und Paltbiele di Terracina) in Terracina, südlich von Rom, betrifft.39 Dann folgt die formelle Bestätigung von zwanzig Kapiteln durch den Kardinal Guido 34 Ebd., S. 65 mit der Signatur ASPg, Corporazioni religiose soppresse, S. Luca, Miscellanea, 2, cc. 34v–35r. 35 Bulle Pauls III., abgedruckt bei Mario Tosi, Il Sacro Monte di Pietà di Roma e le sue amministrazioni. Il banco di Depositi, La Depositeria generale della R. camera Apostolica, La Zecca, La Depositaria Urbana (1539–1874), Roma 1937, Dokumente auf S. 343–345. Des Weiteren: Marcello Maria D’Amato, I banchieri ebrei nella legislazione statutaria, in: Itinerari Ebraico-Cristiani. Societa, Cultura, Mito (Università degli Studi di Roma „La Sapienza“, Collana del Dipartimento di Studi Storici dal Medioevo all’Età Contemporanea 1), Fasano 1987, S. 83–92. 36 Siehe hierzu das Summario delle Indulgentie Faculta et gratie concesse alli benefattori del Sacro Monte della Pietà de l’alma citta di Roma, ediert von Donato Tamilia, Il Sacro Monte di Pietà di Roma: ricerche storiche e documenti inediti: contributo alla storia della beneficenza e alla storia economica di Roma, Roma 1900, S. 117. 37 Shlomo Simonsohn, The Apostolic See and the Jews, Bd. 5: Documents 1539–1545 (Pontifical Institute of Medieval Studies, Studies and Texts 105), Toronto 1990, Nr. 2444. Archivio Segreto Vaticano (im Folgenden: ASV), Cam. Apost., Arm. XXIX, vol. 135, fol. 111r–v. 38 ASV, Cam. Apost., Arm. XXIX, vol. 135, fol. 19v–20v. 39 Ebd., fol. 150v–152r.

Die Juden zwischen Verdrängung und Akzeptanz

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Ascanius vom 15. November 1544, die den drei Bankiers einige Freiheiten zuspricht. Dieses „Toleranzedikt“ enthält eine Reihe höchst bemerkenswerter Beispiele für die Befreiung von üblichen Zwängen. Zugleich bezeugt es gerade in seinem Verzicht auf jegliche Einschränkungen das Wissen um die Notwendigkeit des Erhalts des jüdischen Geldhandels. So durften die drei Geldleiher weder durch städtische noch durch kirchliche Autoritäten in irgendeiner Weise an der Ausübung ihrer Geschäfte gehindert werden (Kapitel 1), die Stadt durfte keine Zwangsdarlehen von ihnen einfordern (Kapitel 2), weder sie noch ihre Geschäftspartner mussten die typischen Erkennungszeichnen tragen (Kapitel 3), es wurde ihnen sogar der Fürkauf von Wein und Getreide erlaubt (Kapitel 8) und sie waren frei in ihrer Buchführung (Kapitel 17). Solche bemerkenswerten Belege für individuelle Ausnahmen tauchen immer wieder in der Überlieferung auf und müssen in die Interpretation der Situation der Juden einfließen, die sich dadurch als komplex darstellt. Nach der Bulle Cum nimis absurdum Papst Pauls IV. vom 14. Juli 1555, die unter anderem die Einrichtung des jüdischen Ghettos in Rom anordnete, verschlechterte sich die Lage der Juden.40 Neben den darin enthaltenen vielfältigen Einschränkungen des allgemeines Lebens wurde in Artikel 12 auch das Kreditgeschäft weiter reguliert: Die Buchführung musste auf Italienisch oder Latein erfolgen, kurzfristige Darlehen von weniger als dreißig Tagen waren taggenau (nicht nach angefangenem Monat) zu verzinsen und Pfänder durften erst nach 18 Monaten verkauft werden. Der Mehrerlös sollte dem Pfandgeber zukommen.41 Am 5. April 1576 erging ein Erlass Gregors XIII., der den Verkauf der verfallenen Pfänder der Juden zugunsten des Monte festsetzte.42 Diese Bestimmungen flossen ein

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Zur Situation der Juden nach der Gründung des römischen Monte allgemein: Renata Martano, La missione inutile: la predicazione obbligata agli ebrei di Roma nella seconda metà del Cinquecento, in: Itinerari Ebraico-Cristiani, S. 93–110. § 12. Et menses in eorum rationibus et computis ex triginta diebus completis omnino conficiant, et dies, qui ad numerum triginta non ascenderint, non pro mensibus integris, sed solum pro tot diebus quot in effectu fuerint, computentur, et iuxta ipsorum dierum numerum et non ad rationem integri mensis eorum credita exigant. Ac pignora, eis pro cautione pecuniarum suarum pro tempore consignata, nisi transactis prius a die, quo illa eis data fuerint, decem et octo integris mensibus, vendere nequeant, et postquam menses praedicti effluxerint, si ipsi iudaei pignora huiusmodi vendiderint, omnem pecuniam, quae eorum credito superfuerit, domino pignorum consignare. Bullarum, diplomatum et privilegiorum sanctorum Romanorum pontificum, 27 Bde., Turin 1857–1885, hier Bd. 6, S. 498–500; englische Übersetzung: Kenneth Stow, Catholic Thought and Papal Jewish Policy, 1555–1593, New York 1977, S. 291–298. Mario Tosi, Il sacro Monte di Pietà di Roma e le sue amministrazioni (1539–1874), Cassa di Risparmio di Roma (Libreria dello Stato), Roma 1937, S. 367 f.: circa residuum omnium pecuniarum pignorum ipsius Urbis Hebraeis mutuantibus traditorum et per ipsos Hebraeos venditorum non providerimus, volentes per huiusmodi novam Nostram provisionem in his etiam faciendam, dicti Montis augmento, ac alias in praemissis oportune providere, motu proprio, non ad alicuius instantiam, sed ex nostra scientia, ac de Apostolica potestatis plenitudine. […] per ipsos Hebraeos venditorum, Hebrei in dicta Urbe existentes, supradicto Monti consignari, et computum de per ipsos venditis reddere et eidem Monti tradere, hocque etiam in futuram observare, et dicti offici Montis Officiales librum unum, nomine Residuum Hebraeorum descriptum, in quo necessaria omnia annotentur, ut si forte Domini pignorum, seu nunc certi sint, seu incerti, illa repeterent, restituere possint.

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in die Statutenfassung des Monte von 1581. Sie enthält ein Kapitel, das den Umgang mit Überschüssen (sopravanzi) der Juden aus Pfandverkäufen zum Thema hat. Den durch den Verkauf nicht eingelöster Pfänder erwirtschafteten Gewinn mussten die Juden dem Monte übergeben.43 Dessen Buchhalter sollte eigens ein Buch führen, in dem die Namen der jüdischen Geldleiher und deren Erträge aus der Pfandleihe zu vermerken waren.44 Außerdem sollten der Geldverleiher und der Inhaber des Pfandes gemeinsam zum Monte kommen, um dort gegen einen bolletino die überschüssige Summe abzugeben. Für den Fall, dass sich die Juden diesen Regularien widersetzten, wurde ihnen mit gerichtlicher Klage gedroht.45 Im Jahr 1583 ordnete Gregor XIII. motu proprio an, dass die Zinsen auf jüdische Kredite maximal 18 Prozent per annum betragen sollten.46 Die weiteren Bestimmungen entsprachen weitestgehend denen von 1555. 1596 verfügte Clemens VIII. ebenfalls einen Erlass, der noch stärker zugunsten des Monte ausfiel: Die Leihsumme für Juden wurde auf 12 Scudi je Pfandgegenstand festgelegt, und die Versteigerung der Pfänder sollte direkt im Gebäude des Monte stattfinden. Damit versuchte die Kurie die konkurrierende jüdische Pfandleihe allumfassend zu kontrollieren. Die Sicherung des finanziellen Überlebens des Monte wurde im Falle Roms letztlich nicht durch jüdische Kredite erreicht, sondern durch die Übertragung aller Einnahmen aus städtischen Gerichtsverfahren, wie sie 1584 von Gregor XIII. verfügt wurde.47 Dennoch war die Stadt im 16. Jahrhundert nach wie vor auf die jüdische Geldleihe angewiesen. Dies belegt auch die Politik Sixtus’ V., der 1585 den Papstthron bestieg. Er lud die Juden in den Kirchenstaat ein, sich dort wieder – auch als Bankiers – anzusiedeln. 1586 erlaubte er in der Bulle Christiana Pietatis die Ansiedlung jüdischer Händler, die zudem Christen als Angestellte beschäftigen durften.48 Pullan verweist auf insgesamt 148 Dokumente, die zwischen 1597 und 1609 durch die päpstliche Kammer zugunsten der Juden ausgestellt wurden. Für Rom kann man für diesen Zeitraum von

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ASV, Bolle per diverse Militie di Cavalierii per diversi collegij di Roma, per il Monte di Pietà e per la Sancta Casa di Loreto, Armario IV, Tomo 22, S. 486–506; ediert bei Federico Arcelli (Hg.), Gli statuti del 1581 del Sacro Monte di Pietà di Roma (La politica 15), Soveria Mannelli 1999, S. 115: Essendo stato concesso al Monte da Nostro Signore, come di sopra s’e detto, autorità di riverdere & saldare li conto con li Hebrei di tutti li sopravanzi delle vendite de pegni, che li vengono in mano, con ricuperar da loro quel tanto, che sopravanzasse per tener’ in deposito. Ebd., S. 116: che il computista tenghi un libro grande intitolato Sopravanzi delli Hebrei, nel quale scriva per ordine, il tempo, nome, & cognome dell’Hebreo, & di chi hà impegnato, il danaro prestato, la valuta della vendita, & il sopravanzo in partite separate, & in modo distinte, che quando venira la parte per haver il sopravanzo, come si dira di sotto, possi fare in detto libro sotto la sua partita la quetanza. Ebd., S. 117. D’Amato, I banchieri ebrei, S. 88 f. Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 353–355. Pullan, Rich and Poor, S. 546.

Juden als Finanziers der Gründungen – das Beispiel Florenz

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einer Zahl von 3.500 jüdischen Bewohnern ausgehen.49 Obgleich man versuchte den Monte anderweitig zu finanzieren und die Handlungsspielräume jüdischer Geldverleiher einzuschränken, wurde die jüdische Geldleihe in Rom allgemein beibehalten. Dies geschah sicherlich, weil Teile der Bevölkerung auf jüdisches Kapital auch weiterhin angewiesen waren. Die Situation der jüdischen Geldverleiher Roms verschlechterte sich danach jedoch wieder, bis schließlich 1682 alle ihre Pfandleihhäuser geschlossen wurden. Zu diesem Zeitpunkt war der Monte von Rom als Staatsbank schon fest etabliert.50 3.2 Juden als Finanziers der Gründungen – das Beispiel Florenz Ein wichtiger Aspekt, der das ambivalente Verhältnis zwischen den Stadtgemeinden und den Juden illustriert, ist die mangelnde Finanzkraft der Monti bei ihrer Gründung: Wie am Beispiel Perugias deutlich wurde, war die Stadt auf jüdisches Kapital angewiesen, damit der Monte überhaupt seine Geschäfte aufzunehmen vermochte. Auch in Florenz konnten die Monti nur durch Zwangsanleihen jüdischer Geldgeber ausreichend mit Grundkapital ausgestattet werden. Dort gelang die Gründung des Monte nach einem 1473 unternommenen vergeblichen Anlauf erst im Jahr 1496.51 Bereits im August 1463 war die Zahl der in der Stadt geduldeten jüdischen Geldverleiher auf siebzig eingeschränkt worden.52 Ab den 1470er Jahren wurden ihre Rechte dann kontinuierlich beschnitten. Im Zeitraum vom 2. April bis 8. Juni 1470 durften sie keine Pfandleihe in der Stadt betreiben. Dennoch gab es auch hier Ausnahmeregelungen: So wurde den jüdischen Geldleihern Bongianni dei Gianfigliazzi und Bernardo Nero am 20. September 1471 die Pfandleihe zu vier Denaren pro Lira erlaubt – allerdings unter der Bedingung, dass sie jährlich 1.200 Fiorini larghi an Steuern zahlten. Zudem wurde der Zins bei den lokalen Pfandleihern von sechs Denaren auf drei Denare pro Lira herabgesetzt – dies war die Bedingung, damit Juden ihre Geschäfte wieder aufnehmen konnten. Darüber hinaus wurde bestimmt, dass die Steuern, welche die Juden zahlten, dem Monte Commune zufließen sollten.53 Ebenso verhielt es sich seit 1470 mit den

49 Ebd., S. 546 f. Er zitiert hier Léon Poliakov, La communauté juive à Rome aux XVIe et XVIIe siècles, in: Annales: Économies, Sociétés, Civilisations XII (1957), S. 119–120. 50 D’Amato, I banchieri ebrei, S. 92. 51 Ciardini zeichnet in seinem Werk zu jüdischen Bankiers in Florenz den schwierigen Entstehungsprozess des dortigen Monte nach. Marino Ciardini, I banchieri Ebrei in Firenze nel secolo XV e il Monte di Pietà fondata di Girolamo Savonarola, Borgo S. Lorenzo 1907 [ND Florenz 1970]. Die Gründungsbestimmungen von 1473 finden sich dort im Anhang, Nr. XV, S. xlvii–li. 52 Ebd., S. 59 f. 53 Monti communi waren städtische Fonds, die in zahlreichen italienischen Städten zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben errichtet wurden. Die Monti gaben Schuldscheine (luoghi) gegen An-

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Überschüssen aus Pfandverkäufen.54 In den 1480er Jahren spitzte sich das Verhältnis zwischen Juden und Christen in der Stadt noch weiter zu. Es gab immer mehr Urteile gegen jüdische Geldleiher, die wegen verschiedener Verstöße angeklagt wurden. Ein Fall ist der des Abramo da Fano, der 1482 wegen eines Angriffs auf die christliche Religion (er wehrte sich in einem Gespräch mit einem Priester gegen die Vorwürfe des Ritualmordes, die dieser in seiner Predigt erhoben hatte) angeklagt wurde und 1485 zweimal wegen seiner Geschäftspraktiken (im ersten Fall wegen der Annahme von liturgischem Gerät als Pfand, im zweiten wegen Weiterverkauf eines Pfandes) angeklagt wurde.55 In allen drei Fällen wurde er zu Strafzahlungen verurteilt: einmal zehn Lire, dann 400 und 600 Lire. Dieses Bild des Niedergangs wird allerdings konterkariert von anderen Befunden. So wurde beispielsweise Bernardino da Feltre 1488 nach hassvoller Hetzerei gegen die Juden durch den Kanzler des Rates vor die Stadttore vertrieben. Die Stadtoberen positionierten sich mit einer Schutzbestimmung vom 11. März zugunsten der Juden.56 Darin wurden die gewalttätigen Angriffe auf die Häuser der Juden beschrieben, die den Predigten Bernardinos gefolgt waren. Solche Aktionen sollten mit Bußgeldern in Höhe von zehn Gulden, dem Galgen oder körperlicher Züchtigung bestraft werden. Begleitet wurden all diese Auseinandersetzungen seit den 1470er Jahren von heftigen innerkirchlichen Kontroversen um die Rechtmäßigkeit der Zinsnahme. Öffentliche Disputationen wurden abgehalten und juristische Gutachten erstellt, auf die im vorigen Kapitel näher eingegangen wurde.57 Tatsache ist jedoch, dass die Widerstände gegen den Monte erst 1496 überwunden werden konnten. Doch was passierte danach mit den Juden? Diese wurden mittels des Gründungsbeschlusses vom 28. Dezember 1495 formell zunächst aus der Stadt vertrieben.58 Sie hatten laut der ersten Statuten vom 18. April 1496 ein Jahr Zeit, ihre Geschäfte offenzulegen und die Stadt zu verlassen. Dennoch kam auch die Stadt Florenz ohne ihre Darlehen weiterhin nicht aus: So „liehen“ die Juden einem Beschluss vom 23. November 1496 zufolge der Stadt 9.000

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leihen bei der Bevölkerung aus. Die Gläubiger erhielten zusätzlich eine jährliche Rente in Höhe von sechs bis zehn Prozent ausgezahlt. In Rom wurde die Verwaltung der vom Papst eingerichteten Monti den Banken übergeben, die die Anteilsurkunden ans Volk verkauften und dafür eine Kommission von einem Prozent erhielten. Die Schulden der Stadt wurden häufig durch öffentliche Einnahmen, wie Konsumsteuern oder Zolleinnahmen abgesichert. Hierzu Delumeau, Vie économique et sociale de Rome, Bd. 2, S. 784–824. Hierzu die Bestimmung vom 10. März 1470, abgedruckt in Ciardini, I banchieri Ebrei in Firenze, Nr. XIII, S. xliv f. Hierzu die Quellen ebd., S. lxxxi–lxxxiii. Ebd., Nr. XXVI, S. lxxxiv f.: Relazione del bando a favore degli ebrei promulgato in Firenze durante la predicazione del Beato Bernardino da Feltre (11 Marzo 1488). Verwiesen sei auf Skambraks, Expertise. Ciardini, I banchieri Ebrei in Firenze, Nr. XXXV, S. c–cii: Provvisione che ordina per la seconda volta la costituzione del Monte di Pietà, e la cacciata degli Ebrei dal territorio.

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Florin – wohlgemerkt zinslos –, womit sie sich das Bleiberecht in der Stadt für weitere drei Jahre erkauften.59 Ein Zwischenfazit: Die bisher vorgetragenen Befunde scheinen zunächst wenig überraschend angesichts der Situation jüdischer Geldleiher im Allgemeinen. Zwangsakte wechselten sich mit Ausnahmeregelungen ab, Schikane mit erneuten Aufenthaltserlaubnissen. Dennoch ist deutlich geworden, dass die spätmittelalterlichen Städte Italiens auf das Kapital der jüdischen Geldleiher angewiesen waren. Sie benötigten es dringend, auch um ihre eigene (christliche) Sozialpolitik in Gestalt der Monti durchsetzen zu können. Eine durchaus andere Perspektive auf das Verhältnis scheint jedoch in den nicht unmittelbar den städtischen Obrigkeiten zuzurechnenden Quellen auf – so etwa in einer Aufstellung des Florentiner Monte zu Spenden und Zahlungen aus dem Jahr 1496. Neben Spenden von Beamten des Monte, diversen Kirchen von Florenz, städtischen Gilden und Privatpersonen nennt die Quelle auch den Juden Abramo di Dante, der im April 1499 im Auftrag seines verstorbenen Glaubensbruders Manuele di Bonaiuto da Camerino zwanzig Gulden und im Juli nochmals neun Gulden zahlte.60 a detto fiorini 20 larghi d’oro in oro da Abramo di Dante Ebreo da S. Miniato, quali disse pagare per Manouello di Bonaiuto da Camerino Ebreo per parte di L. 200 di p.li che detto Manouellino alla sua morte lasciò per limosina a questo nostro Monte f. 20.

Tritt an dieser Stelle die gezielte Unterstützung einer christlichen Einrichtung durch einen Juden zutage, der einen Teil seines Nachlasses in karitativer Absicht spendete? Oder handelte es sich um noch ausstehende Schulden, die der Tote über einen Glaubensbruder gegenüber dem Monte begleichen ließ, um negative Konsequenzen für seine Hinterbliebenen zu vermeiden? Angela Möschter hat in ihrer Untersuchung zu Testamentseinträgen aus Foligno, die ebenfalls Zahlungen von Juden an den dortigen Monte aufzeigen, auf einen engen Bezug zwischen jüdischen und christlichen Caritas-Vorstellungen hingewiesen. Durch die Übertragung ihres Eigentums und die Ausübung mildtätiger Werke auf der Basis einer gemeinsamen biblischen Grundlage – so ihre These – garantierten die Verstorbenen die Anwesenheit der Juden in der christlichen Mehrheitsgesellschaft.61 Die Vermutung einer ausstehenden Schuld des Manuele di Bonaiuto wird jedoch deutlich erhärtet anhand einer Quelle vom 30. Dezember 1471.62 Daraus geht hervor, dass sich dieser an den Rat wandte mit einer Beschwerde bezüglich eines Teils der Steuer, die er – laut Steuerliste – an den Monte Commune direkt abführen sollte. Im Vorfeld der Gründung des Monte di Pietà war die Stadt Flo-

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Ebd., Nr. XXXVII, S. cvii f. Vgl. auch Menning, Charity and State, S. 76. Ciardini, I banchieri Ebrei in Firenze, Nr. XXXVI, S. ciii–cvii (Zitat S. cvi). Möschter, Juden und Christen, S. 280. Ciardini, I banchieri Ebrei in Firenze, Nr. XIV, S. xlvi f.: „Deliberazione dei Dieci di Balia circa un ricorso dell’ebreo Manuele da Camerino per cancellazione della posta dal catasto“.

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renz ja bereits bemüht gewesen, die Einnahmen aus der Steuer der Juden teilweise hierfür zu nutzen. Manuele stand also bereits zu Beginn der 1470er Jahre mit der Stadt im Konflikt. Dies geht auch aus einer weiteren Quelle hervor. In einem Dokument vom 29. Januar 147963 mit dem Titel Condanne di alcuni ebrei prestatori werden einigen namentlich genannten Juden, darunter auch jenem Manuele, Verstöße gegen die Statuten der Stadt vorgeworfen. Sie hätten eigenmächtig andere Geldverleiher beherbergt und ihnen die Ausübung ihrer Geschäfte in Florenz entgegen dem Erlass von 1463 ermöglicht sowie das Erkennungszeichen, einen gelben Kreis, nicht getragen. Die Höhe der Strafzahlungen der vier genannten Geldverleiher betrug zwischen 40 und 180 Libri larghi, Manuele musste 160 Libri larghi entrichten. 1488 schließlich sollte Manuele (wie alle anderen Geldverleiher der Stadt) eine Strafe von 200 Lire, im Jahr darauf (ebenso wie alle) 100 Lire bezahlen – angeblich aufgrund zu hoher Zinsen und nicht zurückgegebener Pfänder.64 Vor dem Hintergrund dieser Befunde erscheint eine freiwillige zusätzliche Spende des Verstorbenen an den Monte doch recht unwahrscheinlich. Plausibler erscheint, dass es sich um noch ausstehende Strafforderungen handelte, die post mortem beglichen wurden, jedoch in Wirklichkeit zur Errichtung des Monte di Pietà genutzt werden sollten. Wie repräsentativ ein solcher Einzelfall für die angenommene Unterstützung christlicher Einrichtungen durch Juden tatsächlich ist, muss an dieser Stelle offenbleiben. Ein weiterer aussagekräftiger Befund, der die Frage nach Verdrängung oder Bleiberecht der Juden im Zusammenhang mit der Gründung der Monti illustriert, stammt aus Siena. Dort wandten sich die Stadtoberen am 18. Mai 1489 mit einer Petition direkt an den Papst mit der Bitte, den dortigen Juden das Bleiberecht zu gewähren. Man könne das Bedürfnis der Bevölkerung nach Krediten nicht allein durch den 1472 gegründeten Monte stillen.65 Deshalb erlaubte man den in der Stadt und dem Umland ansässigen Juden erneut die Geldleihe und suchte dafür nun die Absolution des Papstes: Exhibita siquidem nobis nuper pro parte officialium baillie civitatis Senensis petitio continebat quod, cum olim, ob imminentes necessitates, pauperibus in dicta civitate existentibus, aliqua ex parte, ex ordinatione Montis Pietatis facta, provisum fuisset, ac dictis officialibus, rei publice eiusdem civitabis curam habentibus, pro minori iactura civium, et aliorum, (maxime) pauperum, dicte civitatis, necesse fuisset ultra dictum Montem aliter providere, cum quibusdam Iudeis feneratoribus, ut in dicta civitate et illius comitatu fenus exercent, pecunias sub moderatis usuris solitis mutuando, cum quibusdam pactis convenerunt, et inter cetera voluerunt et ordinaverunt quod, pro exactione tam sortis quam usurarum, iudicem Christianum haberent, et quod 63 64 65

Ebd., Nr. XIX, S. liv–lvii. Dies belegen zwei Urteile vom 20. Oktober 1488 und vom 16. Mai 1489, ebd., Nr. XXVII und XXVIII, S. lxxxv–lxxxvii. ASV Reg. Lat. 878, fol. 124r–v, ed. Simonsohn, The Apostolic See and the Jews, Bd. 3: Documents 1464–1521, S. 1295 f. und S. 1392 f. (Quelle 1110).

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Juden als Kunden der Monti

ad illam restitutionem faciendam, dicti Iudei ab aliquo iudice, etiam ecclesiastico, compelli non possent, et ab omni molestia, que eis in preiudicium dictorum capitulorum inferretur, defendi deberent.66

Die jüdischen Geldverleiher durften moderate Zinsen nehmen (die Zinshöhe wird nicht angegeben) und es sollten schriftliche Vereinbarungen mit ihnen geschlossen werden. Die Geldverleiher sollten einem christlichen Richter unterstehen, der die Eintreibung der Darlehenssummen und Zinsen überwachte. Sie durften von keinem anderen Richter oder Kirchenmann angeklagt werden und sollten auch sonst unbehelligt bleiben. 3.3 Juden als Kunden der Monti Neben den eben angesprochenen normativen Texten, die ein wenig überraschendes Bild der christlich-jüdischen Beziehungen zeigen, belegen die pragmatischen Quellen wie Kassenbücher oder Pfandregistereinträge eine Vielfalt an Geschäftsbeziehungen zwischen den Monti und der jüdischen Bevölkerung. Schauen wir uns einige Beispiele aus Rom und Perugia an. Im Pfandregister des Monte in Perugia von 1468/69 tauchen immer wieder Namen von Juden auf, die verfallene Pfänder erwarben. So beschreibt ein Eintrag beispielweise den Ankauf eines Stück Stoffs von zwei Ellen Länge, das der Schneider Paulo de Giapocho verpfändet hatte, durch den Juden Abraham Dattoli am 15. März 1468: Paulo de Giapocho sartore: uno lenzolo de teli 2

fl. --- s. 40 d. ---

Die 14 martii, nemo promisit; die 15, nemo; die 15 Abram Dattoli Ebreus promisit s. 65 cui fuit stabilitum.67

66 Sinngemäß übersetzt: „Die Petition, die uns unlängst durch die Verwalter der Stadt Siena übergeben wurde, verlangt Folgendes: Sollte – aufgrund unmittelbarer Notwendigkeit und weil in der Stadt viele Arme existieren – ein Berg der Barmherzigkeit errichtet werden, und sollte es – da die genannten Beamten für das Wohlergehen ihrer Stadt Sorge tragen – um die schlechte Lage der Bürger und anderer, insbesondere der Armen, zu mildern, notwendig sein, über den Monte hinaus Unterstützung zu gewähren mittels einiger jüdischer Wucherer, die in der genannten Stadt und ihrem Umland Wucher treiben und die dabei Geld zu geringem Zins verleihen; so verlangt man, indem man mit ihnen Vereinbarungen abschließt, dass sie zur Einforderung sowohl der Tilgungsals auch der Zinszahlungen einen christlichen Richter einberufen, dass die Juden nicht von einem Richter, selbst einem kirchlichen zur Restitution gezwungen werden dürfen; und dass sie gegen jegliche Belästigungen, die ihnen in den vorgenannten Kapiteln wiederfahren sind, verteidigt werden sollen.“ 67 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 338.

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Zwischen Kooperation und Konkurrenz. Jüdische Pfandleihe und Monti di Pietà

Am 23. März erwarb der Jude Musettus Musetti einen Damenbeutel aus dunkelgrünem Stoff für 4 Florin und 25 Schilling: Marcho de Nicoluccio de Zocho: uno sacchetto de verde cupo da donna fl. 2 s. 80 d. --Die 20 martii, nemo; die 22 nemo; die 23, Musettus Musetto ebreus promisit fl. 4 et s. 25, cui fuit stabilitum.68

Zwar wissen wir nicht, welche Berufe die Genannten ausübten, doch scheint eine Tätigkeit als Altkleiderhändler nicht ausgeschlossen. Dies sind nur zwei beispielhafte Einträge, die verdeutlichen, dass jüdische Stadtbewohner das System der Monti kannten und es auch nutzten. Die Gesamtzahl der in den Quellen genannten jüdischen Personen müsste freilich erst noch ermittelt werden.69 Doch nicht nur beim Verkauf verfallener Pfänder tauchen Juden als Kunden der Monti auf, sie nahmen bei ihnen auch Geldanlagen vor. Dies belegen beispielsweise die Einträge in den Kassenbüchern des Monte di Roma aus den Jahren 1584 bis 1595. So finden sich mehrere Einträge im Libro Mastro des Jahres 1584 sowie in dazugehörigen Namensregistern.70 Unter dem Buchstaben M steht der Eintrag über die Einlage eines gewissen Melunio Aronetto hebreo über 50 Scudi. Im Namensregister des Jahres 1586 finden wir zum Beispiel den Namen des Moyse Mele hebreo, für das Jahr 1585 die Juden Manuele und Meluccio verzeichnet.71 Im Kassenbuch des Jahres 1591 ist die Einzahlung von 50 Florin durch die universitas hebrorum belegt.72 Das Buch von 1590 enthält einen interessanten Eintrag, der eine jüdische Händlerin betrifft: Gimella Relitta del questo Moisse Anaun ebrea deve havere questo di 22 di februaro Scudi cento di moneta reccioti. Santorum abem suo procuratore disse essere i indettissimi imprestateli ogi da Israel provensale ebreo come per li atti di m. Bernardino Pascassio et essere per tanti pretende Lazzaro da Viterbo ebreo per cava di un botthegino che al presente li litiga et depossitarli senza pregiuditio delle sue ragioni per pagarli a chi ripateca la mea cedula 136 ------ 10073

In diesem Beispiel geht es um die Einzahlung eines Betrages von 100 Scudi am 22. Februar zum Zwecke der Begleichung von Schulden, die die Witwe Gimella (und ihr Mann) bei einem gewissen Israel aus der Provence hatten. Die Summe wurde ebenfalls von einem Juden – Lazzaro aus Viterbo – gefordert, und zwar für die Beilegung

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Ebd., S. 342. Ariel Toaff hat in diesem Zusammenhang vorsichtig darauf hingewiesen, dass diese Befunde nicht überschätzt werden sollten: „These contacts should not be overestimated, but in my view are of some significance.“ Vgl. Toaff, Jews, Christians, S. 252. Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1585, 51-a, ohne Foliierung. Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1586, 51-b, ohne Foliierung. Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1591, fol. 70r. Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1591, fol. 142r.

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Juden als Kunden der Monti

Abb. 4 Eintrag im Kassenbuch des Monte di Roma von 1591 (Einzahlung von 100 Scudi seitens der jüdischen Händlerin Gimella am 22. Februar 1590). Archivio di Stato di Roma, Arch. Sagro Monte di Pietà, Libro Mastro 1590, fol. 142r.

eines Streits um einen kleinen Laden. Der Mittelsmann war ein gewisser Maestro Bernardino Pascassio, möglicherweise der Notar, der das Geschäft dokumentierte. Die selbstverständliche Verflechtung jüdischer und christlicher Akteure in Geldgeschäften und -transfers tritt hierbei deutlich hervor. Der Monte als Bank wurde für das Überweisungsgeschäft durch eine ganze Gruppe genutzt. • Santorum zahlt 100 scudi ein

• Gimella, Witwe des Moses Anaun

• Israel von der Provence leiht Gimella das Geld zur Bezahlung

Schuldnerin

Prokurator

Gläubiger

Zahlungs empfänger

• Lazzaro da Viterbo erhält diese Summe wegen eines Streits um den Keller eines Ladens

Abb. 5 Modell einer Beziehungen zwischen Schuldnern und Gläubigern in Rom (Fall der jüdischen Witwe Gimella, aus dem LM des Jahres 1590)

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Insgesamt zeigt die vorgenommene Stichprobe der Kassenbücher von 1585 bis 1595, dass über zehn Jahre hinweg immer wieder auch Juden den römischen Monte als Anlagebank und für bargeldlosen Geldtransfer nutzten. Neben der Kooperation mit den lokalen Judengemeinden als Geschäftspartnern, die in diesem Abschnitt exemplarisch vorgeführt wurde, wird im Folgenden der Sonderfall der Stadt Venedig unter Bezugnahme auf die immer noch einschlägige Studie Brian Pullans aus dem Jahr 1971 vorgestellt.74 Dort wurde bis 1806 kein Monte di Pietà eingerichtet. Pullan beschreibt den langen Prozess vergeblicher Versuche einer Etablierung des Monte. 3.4 Jüdische Pfandleiher ersetzten die Monti  – das Fallbeispiel Venedig Juden durften im 14. und 15. Jahrhundert (mit Ausnahme eines Intermezzos von 1382 bis 1397) nicht in Venedig selbst, sondern allein in Mestre siedeln und sich nur kurzfristig und zu bestimmten Gelegenheiten in die Stadt begeben. Erst seit 1509 gestattete die Signoria den Juden, von der Terraferma nach Venedig umzuziehen; dies geschah im Zuge des Einfalls der Liga von Cambrai. Ihnen war es nun erlaubt, ihre Besitztümer und die Pfandgegenstände der christlichen Schuldner in der Stadt vor den anrückenden Truppen zu schützen. In Venedig gab es in den Jahren 1520 und 1523/24 zwei Versuche, einen Monte einzurichten. Beide scheiterten am Widerstand des Rates der Zehn (Consiglio dei Dieci). Dieser sah offenbar keinen Anlass für eine Gründung und dürfte sich der wichtigen Rolle der Juden als Steuerzahler, Kreditgeber für die Stadt und für die kleinen Leute bewusst gewesen sein. Im Jahr 1520 unternahm der venezianische Bürger und pensionierte Senator Antonio Tron einen ersten Versuch zur Etablierung eines Monte. Er schlug vor, dass die jüdischen capitoli, also das Aufenthaltsrecht, nur noch für ein Jahr anerkannt werden sollten. Finanzieren wollte er den Fonds für den Monte durch öffentliche Steuereinnahmen, genauer die Wein- und Getreideakzise, was einen komfortablen Betrag in Höhe von 70.000 bis 80.000 Dukaten im Jahr ergeben hätte. Obwohl Tron einige Anhänger dieser Idee um sich scharen konnte, fanden die Bittschreiben beim Rat keine Durchsetzung. Seine Gegner wie Andrea Trevisan argumentierten mit dem zu befürchtenden Missbrauch einer solchen Einrichtung durch unwürdige Personen: Die Darlehen könnten für unlautere Zwecke genutzt werden und nicht denen zugutekommen, die wirklich bedürftig seien.75 1519 erklärte der Prokurator Antonio Grimani, der

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Pullan, Rich and Poor, passim. Ebd., S. 493.

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zu jenem Zeitpunkt als Berater des Consiglio dei Dieci fungierte, die Juden seien wichtig, um den Armen zu helfen, gleich ob sie im Ghetto oder in Mestre lebten. Somit sei es nötig, dass ihre capitoli bestätigt würden, inklusive dem Recht, gegen Zinsen Geld zu verleihen – schließlich sei dies ihre einzige Einnahmequelle.76 Mit einer zweifachen Begründung gewährte der Senat den Juden schließlich am 16. März 1520 erneut das Bleiberecht. Zum einen bestand die Hoffnung, die Juden zur Konversion zu bewegen, wenn sie nur lange genug in einer christlichen Umgebung lebten.77 Zum anderen – und dieses Argument kommt an späterer Stelle nochmals auf – halfen die Juden den Christen gewissermaßen, indem sie die Sünde des Wuchers auf sich nahmen. Im Zuge der Erneuerung der capitoli von 1508 wurden die jährlichen Steuern, welche die Juden zu zahlen hatten, von 6.500 auf 10.000 Dukaten erhöht.78 Dafür durften sie im Ghetto Gebrauchtwarenläden unterhalten, eine Erlaubnis, die zuvor durch separate Zahlungen hatte gesichert werden müssen, was nicht heißt, dass fortan keine zusätzlichen Forderungen von der Stadt erhoben werden konnten. Die Steuerzahlungen wurden zur Hälfte für militärische Zwecke – besonders die Flotte – verwendet. Vom Rest wurde der überwiegende Teil (4.500 Dukaten) für die städtische Leihbank Monte Nuovo79 verfügbar gemacht, kleinere Summen für Mietzahlungen von Bankhäusern in Padua und Mestre. Das Leihgeschäft durften die Juden gegen einen Zins von 15 Prozent auf Pfänder und 20 Prozent auf Schuldverschreibungen betreiben. Ihre Funktion als Geldgeber in der Stadt blieb weiterhin bestehen und wurde immer wieder bestätigt. Dennoch versuchten antijüdische Kreise (diesmal ausgehend vom Hospital der Incurabili) immer wieder eine alternative christliche Kreditanstalt zu schaffen.80 Die Begründungen hierfür konzentrierten sich eher auf die Bewährtheit der Monti in anderen Städten sowie auf die große Not, die auch in Venedig eine solche Einrichtung erfordere. Das Argument der Judenvertreibung wurde nicht direkt aufgebracht. Die Reaktionen des Senats auf diesen Vorschlag waren durchaus positiv. Immerhin beschloss er 1523 die Schaffung des Instituts, und ein dreizehnköpfiges Prokuratoren-Konsortium wurde gebildet, bestehend aus elf Adeligen und zwei Textilhändlern. Diese legten 1524 auch einen Statutenentwurf vor, der sich im Wesentlichen an den Normen anderer Monti wie Treviso, Verona, Padua oder Mantua ausrichtete.

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Ebd., S. 494. Ebd., S. 455. Ebd., S. 496 f. Geschaffen wurde der Monte Nuovo 1482. Er war nach dem Monte Vecchio (seit 1262) das zweite staatliche Anleiheinsitut, wobei die Zwangsanleihen hierbei nicht mehr auf den Angaben der Zahlenden, sondern auf dem in den Katastern der Stadt verzeichneten Immobilienbesitz und den daraus erwachsenden Erträgen der Zahlenden fußten. Hierzu Frederic C. Lane / Reinhold C. Mueller, Money and Banking in Medieval and Renaissance Venice, Bd. 2: The Venetian Money Market: Banks, Panics and Public Debt, 1200–1500, Baltimore/London 1997, Teil V zu Public Debt and Private Wealth: Forced Loans and Marketable Credits. Pullan, Rich and Poor, S. 499–501.

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Aus unbekannten Gründen unterband jedoch der Rat der Zehn am 19. und 20. April 1524 erneut den Fortgang der Gründung.81 Vermutlich hatte die Regierung des Stadtstaates kein Interesse an der Gründung eines Monte, der von den Juden als Bedrohung empfunden werden konnte, um die militärischen Ausgaben für die venezianische Flotte im Kampf gegen den Papst und seine Verbündeten aufzubringen. Pullan fasst die Vorbehalte gegen die Gründung wie folgt zusammen: To the end of the 1520’s, Venice was intermittently involved in the power struggle for Italian territory, and her navy still depended on Jewish contributions for its upkeep. It was all too likely that any proposal to establish a Monte di Pietà, even if not cast in the form of a direct attack on the Jews, would evoke a counterthreat from the Jews to close their banks and emigrate. The Council of Ten might reasonably doubt the wisdom of throwing the poor on to an institution which itself depended on voluntary contributions or loans: this was hardly the most propitious time either to propose new taxes or to divert old ones to the ends of social welfare.82

Zwischen den 1540er und den 1560er Jahren verschärften sich die antijüdischen Tendenzen in Venedig – materialisiert in den neu ausgestellten condotte der späten 1540er Jahre, die sehr ungünstige Bedingungen für die jüdische Geldleihe mit sich brachten. Dazu gehörten niedrige Zinssätze (12 Prozent im Vergleich zu 20 Prozent im Kirchenstaat), das Verbot, Pfänder schon kurz nach Ablauf der Leihedauer zu verkaufen, sowie Verfügungen über die Abgabe der aus den Verkäufen erzielten Gewinne. Dies stand auch im Zusammenhang mit einer Stärkung der Politik der Kurie unter Paul IV. Die Folge dieser Maßnahmen waren zahlreiche Bankrotte und die Emigration jüdischer Geldverleiher, die bis dahin in der Stadt oder in der Terraferma ansässig gewesen waren.83 Im Dezember 1571 erging schließlich der Befehl des Senats, dass alle Juden aus Venedig vertrieben werden sollten. Zugleich wurde aber in der Lagunenstadt ab 1573 ein sehr spezielles Modell der jüdischen Pfandleihe kreiert, das die Existenz eines Monte überflüssig machte. Im Ghetto Vecchio operierten sechs jüdische Banken im Kleinkreditgeschäft mit einem Zinssatz von fünf Prozent, ausgestattet mit 50.000 Dukaten Kapital aus Abgaben, die von der jüdischen Gemeinde erbracht wurden.84 Diese Anordnung erlaubte es den Juden zwar, in der Stadt zu bleiben, paradoxerweise setzte sie aber die Leihepraxis der Monti mittels des jüdischen Kreditgeschäfts durch und kann schwerlich als Kompromisslösung interpretiert werden – bedeutete dies doch das Ende der selbstständigen und gewinnträchtigen jüdischen Geldleihe im Zentrum der Stadt. Die so reglementierten jüdischen Geldverleiher – kontrolliert und überwacht vom Magistrat – durften zwei bis drei Dukaten gegen Pfand auf einen Zeitraum von 81 82 83 84

Ebd., S. 501. Ebd., S. 502. Ebd., 530 f. Pullan, Jewish Banks, S. 60 sowie ders., Rich and Poor, S. 539 f.

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maximal zwölf Monaten verleihen. Pullan schreibt, dass sehr wahrscheinlich bis 1573 alle jüdischen Banken Venedigs infolge dieser ruinösen Praktiken schlossen. Am Ende des 16. Jahrhunderts waren die meisten Juden in Venedig keine Geldleiher, sondern Altkleiderhändler, strazzaruoli.85 Zu betonen ist an dieser Stelle die enge Verknüpfung von Altkleiderhandel mit den Auktionen von Pfandgegenständen und der beständige Zusammenhang von Pfandleihe und Gebrauchtwarenhandel. Obgleich also offiziell keine christlichen Monti in Venedig existierten, wurden an ihrer Stelle jüdische Leihhäuser quasi in Montes umgewandelt, nur dass sie nicht mit Geld der christlichen Gemeinde durch Spenden, Gerichtseinnahmen oder ähnliches finanziert wurden, sondern direkt von den Juden selbst, die das Grundkapital aus eigener Kraft aufbringen mussten. Der Fall Venedig scheint somit nicht als Ausnahme, sondern letztlich als Sonderweg. Nichtsdestotrotz ist zu betonen, dass der Weg zur Einrichtung dieser Leihhäuser in Venedig weniger gerade verlief als beispielsweise in Perugia. Der Grund war, dass die Stadtfinanzen ganz wesentlich von jüdischen Krediten abhingen. Fragt man nach den Argumenten für die Bevorzugung der jüdischen Pfandleihe gegenüber den Monti, so kann man als Hauptgrund die größere Flexibilität der Juden als Darlehensgeber nennen, die Brian Pullan hervorhebt und die sich in einigen Merkmalen jüdischer Pfandleihe identifizieren lässt: Jüdische Geldleiher verlangten keinen Nachweis über die Bedürftigkeit des Kreditnehmers und sie räumten längere Leihdauern ein. Bei den Monti betrug die Leihdauer in der Regel nur sechs Monate, höchstens ein Jahr. Pullan zufolge wurden auch die Pfänder von Juden großzügiger geschätzt, denn die Monti setzten sie immer ein Drittel unter dem realen Wert an. Zudem verliehen Juden Geld auch gegen Schuldscheine oder einen Ernteanteil statt gegen Pfänder.86 Die Forschungsergebnisse Botticinis ergänzen diese Aussagen noch: Im Gegensatz zu den Monti, welche die Leihsummen streng regulierten, verliehen Juden höhere Summen und bedienten damit folglich eine reichere Klientel. Zudem verfügten jüdische Geldleiher – im Gegensatz zu den fragilen, lokal operierenden Monti – über ausgedehnte wirtschaftliche und soziale Netzwerke, die eine kontinuierliche Liquidität eher ermöglichten.87 Insgesamt zeigte die jüdische Pfandleihe also eine höhere Flexibilität im Vergleich zu den Monti, und somit blieben die jüdischen Geldverleiher weiterhin konkurrenz85 86

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Ebd., S. 549. Manche dieser Händler, wie Caliman Calimani, statteten nicht nur diverse Adelige mit kostbaren Wandteppichen, Vorhängen oder ähnlichem aus, sondern waren auch für die Ausstaffierung der Feiern im Dogenpalast zuständig. Ebd. Pullan, Jewish Banks, S. 70: „In the eyes of customers, however, Jewish banks always enjoyed one advantage over a monte di pietà: they were not expected to make inquiries or pronounce moral judgements as to the uses to which their loans would be put. Indeed, to do so would have seemed an intolerable presumption, a reversal of the proper hierarchical relationship between Christian and Jew.“ Botticini, A Tale, S. 173.

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fähig. Hinzu kam die Vernetzung mit lokalen Autoritäten wie dem Rat der Zehn in Venedig, welche die jüdischen Geldgeber in der Stadt halten wollten, da sie sie für die Finanzierung öffentlicher Projekte benötigten. Auf dem Festland der Republik sah die Situation anders aus, denn dort hatten sich seit dem späten 15. Jahrhundert in allen Städten außer Rovigo christliche Monti als Konkurrenten zu jüdischen Pfandleihern etabliert und diese mit der Zeit von den Städten auf das Land verdrängt. Lediglich in Verona und Padua waren jüdische Händler am Ende des 16. Jahrhunderts noch aktiv.88 Juden betrieben auf dem Land und in Kleinstädten weiterhin ihre Geschäfte, darunter auch die Geldleihe, sie standen dort allerdings weniger in scharfer Konkurrenz zu den Monti als in den Städten. Die Situation im Veneto lässt sich mit Brian Pullan wie folgt zusammenfassen: „In the Venetian dominions, after the mid-sixteenth century, the general rule was that large cities officially relied on the monti di pietà alone, medium-sized towns on a mixture of Jewish and Christian banks, townships and villages on Jews alone.“89 3.5 Rechtfertigungsstrategien – der Traktat De foenore Iudaeorum (1555) Die festgestellte Duldung und teilweise Förderung der Juden in den hier vorgestellten Städten als Ausdruck von religiöser Toleranz zu interpretieren, erschiene im Zusammenhang der jüdischen Geschichte des Mittelalters naiv, dennoch kann man von einem eigenartigen Pragmatismus sprechen, der das Verhältnis zur jüdischen Geldleihe im ausgehenden Mittelalter kennzeichnete. So schrieb der Dominikaner Sisto de’ Medici in der Mitte des 16. Jahrhunderts einen Traktat mit dem Titel De foenore Iudaeorum, worin er den „Wucher“ der Juden in Venedig und anderswo rechtfertigte.90 Sisto de’ Medici wirkte von 1553 bis 1558 als Professor für Philosophie an der Scuola di Rialto in Venedig. Seine aus der Anschauung der dortigen Verhältnisse resultierende Argumentation fügt sich in das Bild der politischen Maßnahmen der 1540er bis 1560er Jahre ein. Der Traktat besteht aus drei Büchern, die wiederum in unterschiedlich lange Kapitel eingeteilt sind. Am umfangreichsten ist das zweite Buch mit 22 Abschnitten, darunter zahlreiche Passagen, in denen die Erlaubnis des Judenwuchers gerechtfertigt wird.91 Ein zentrales Argument ist hierbei, dass das bonum commune multitudinis durch 88 89 90 91

Pullan, Rich and Poor, S. 540. Pullan, Jewish Banks, S. 59. Sisto de’ Medici, De foenore Iudaeorum libri tres, Venetia 1555. Verfügbar als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek, 978799 4 Jud. 20, Beibd. 1, online unter: http://www.mdz-nbn-resolving. de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10163654-7 (19.06.2017). Dies zeigen schon die Titel der Kapitel an (ebd., fol. 5r–v), beispielsweise cap. 5: Permissionis explicatio, quam Iudaei perperam accipiunt; cap. 9: Foenus huiusmodi, non Christiano, sed Iudaeis permittatur exercendum; cap. 10: Notantur causae mali permittendi foenum propter bonum proveniens, vel propter malum vitandum; cap. 12: Mala quae ob Hebraeorum usuras evitari videntur; cap. 13: Mons

Rechtfertigungsstrategien – der Traktat De foenore Iudaeorum (1555)

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städtische Gesetzgebung gesichert werde, die wiederum an der Vernunft orientiert sein müsse und die es auch den Juden erlaube, Geld an Bedürftige zu verleihen.92 Die Vorteile, die die Präsenz der Juden für die Gemeinschaft der Christen mit sich bringe, überwiegen deutlich, so Sisto: Concluendum est igitur Principes Christiani, non solum posse permittere Iudaeis usuras: verum etiam statuta usurarum permissiva condere, & hoc propter vitandum maius malum, puta furta, &c. atque in populi sui commodum, atque adeo totius civitatis utilitatem ac bonum.93

An anderer Stelle propagiert er die Einrichtung eines Monte zur Bekämpfung der Armut. Er sieht die Anwesenheit der Juden als „notwendiges Übel“, um z. B. Prostitution und den Wucher der Christen verhindern.94 Sisto führt somit für die Juden das Argument der Schadensbegrenzung gesellschaftlicher und moralischer Missstände ins Feld. Durch den Wucher der ohnehin sündigen Juden würde der Wucher der Christen, der noch viel schlimmer sei, vermieden.95 Deshalb solle man sie dulden.96 Die Monti sollten existieren, doch postuliert auch Sisto, dass sie allein zu schwach wären, um den Kreditbedarf der Stadt zu decken.97 Zudem habe die jüdische Geldleihe auch den Vorteil der Diskretion und der schnelleren Verfügbarkeit der Kredite. Die an dieser Stelle skizzierte paradoxe Wahrnehmung, die Juden seien in gewisser Weise nützlich für die Christen, steht am Ende eines Entwicklungsprozesses, der seit dem 12. Jahrhundert in verschiedenen Typen christlichen Schriftguts aufscheint, wie Giacomo Todeschini nachgewiesen hat.98 Die zunehmende Stereotypisierung der Juden als Wucherer beschreibt er als Resultat eines semantischen Veränderungsprozesses über Jahrhunderte – greifbar in exegetischen Traktaten, polemischen und politischen Schriften, die schließlich in eine veränderte Gesetzgebung durch Konzilsbeschlüsse und kuriales

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pietatis sanctus diligenter servandus: Quo etiam stante in Civitate, Iudaeorum tamen foenora ibidem permittenda. Ebd., fol. 29r. Außerdem fol. 34r–v zur Argumentation über die ratio. Ebd., fol. 50v. „Daraus ist also zu schließen, dass die christlichen Fürsten nicht nur den Juden den Wucher erlauben, sondern dass sie Statuten erlassen dürfen, die Wucher erlauben, und damit größeres Unheil vermieden werde, zum Beispiel Diebstahl usw. sowohl zugunsten ihres Volkes als auch zum Nutzen und zugute der ganzen Stadt.“ Ebd., fol. 35v: Mala quae ob Haebreorum usuras evitari videntur. Cap. XII: […] Pretereo puellarum ac matronum prostitutiones ob inopiam, atque impietatis inde provenientes quarum voces clamant ad Deum de terra. His omnibus per Iudaeorum foenora potest obviari. Tolluntur insuper graviores Christianorum usurae. Ebd., fol. 33r: Quia igitur Iudei foenerantes in nostrum commodum, absque animae nostrae periculo (sed suae tantum) usuras exercent […] Ideo a nobis permittendi videntur. Ebd., fol. 34: Quae est propter bonum proveniens, vel propter malum vitandum. Ex hac siquidem possumus iudicare Principes spirituales & temporales in permissionibus usuram & aliorum huiusmodi. Ebd., fol. 36v: Foenus igitur Iudaeorum permittendum ac statutis reformandum ex his patet, ut bona procurentur, & praetacta mala caveantur. Ebd., fol. 37r: Ceterum quanta difficultate ex aerario publico aut nobilium depositis, vel piorum Divitum elemosynis oblatis colligantur pecuniae, ut in montem eiusmodi sufficientem coacervari possint. Todeschini, Christian Perceptions, S. 1–16.

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Schrifttum mündeten. Die Stigmatisierung der Juden als Wucherer sei demnach das Resultat eines langen Zuschreibungsprozesses, der im Laufe der Jahrhunderte semantisch immer negativer aufgeladen wurde – nämlich als Laien und „Andersgläubige“, die seit dem 12. Jahrhundert als ökonomische Akteure verstärkt in Konkurrenz zur Kirche als der vorherrschenden ökonomischen Instanz traten. Die Wortwahl mit der die Juden beschrieben wurden, wird von Todeschini als Ergebnis eines ökonomischen Transformationsprozesses charakterisiert, der seine sprachliche Repräsentation in der zeitgenössischen Theologie fand.99 Neben dieser Entwicklung ist die Ambiguität dieser Wahrnehmung der Juden entscheidend: Sie blieben – trotz ihrer Andersgläubigkeit und der damit verbundenen „Falschheit“ – aus christlicher Sicht, wesentliche Entlastungsakteure im ökonomischen Feld. 3.6 Fazit: Kreditbeziehungen zwischen Kooperation und Konkurrenz: Ambiguität, Interaktion, Marginalisierung Die vorgeführten Beispiele zeigen deutlich, dass die italienischen Städte sehr wohl auf die Juden als Geldgeber angewiesen waren. Die Gründung der Monti hing in vielen Fällen sogar entscheidend von der Finanzierung durch jüdische Geldgeber ab. Die Fragilität vieler Monti aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten in den Anfangsjahren machte die Präsenz jüdischer Geldleiher in den Städten weiterhin unabdingbar. Daraus folgte auch, dass der lokale Kleinkreditmarkt zunächst gar nicht von den Monti getragen wurde und jüdische Geldverleiher weiterhin die Pfandleihe und die Vergabe von Kleinkrediten gewährleisteten. Sobald ein Monte da war, versuchte dessen Leitungsgremium häufig die jüdische Pfandleihe zu kontrollieren, wie beispielsweise aus der zweiten Fassung der Statuten des römischen Monte von 1581 hervorgeht. Die Monti waren als Kreditinstitute also keine Substitute für die jüdische Geldleihe – sie erscheinen ihr kurz- und mittelfristig sogar unterlegen, da sie viel weniger flexibel waren. So mussten beispielsweise die angehenden Schuldner ihre Bedürftigkeit beim Monte erst einmal nachweisen – nicht so bei den Juden. All diese Faktoren verweisen eher auf die Schwächen dieser Einrichtung und werden bestätigt durch die Schließung einiger Monti nach kurzer Zeit. Doch auch Juden nutzten die Monti als Anlage- und Kreditinstitute. Jüdische Kleiderhändler kauften bei den Versteigerungen verfallene Pfänder auf. Derartige Phänomene verweisen auf die engen Verbindungen zwischen einzelnen Marktsegmenten spätmittelalterlicher Stadtwirtschaft, in diesem Fall diejenige zwischen dem christlich motivierten Pfandkredit und dem jüdischen Gebrauchtwarenhandel. Hinzu kommen

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Ebd., S. 6.

Fazit

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die Befunde testamentarisch verfügter Zahlungen einzelner Juden an die Monti, wie sie Angela Möschter nachweist100 – was die Frage nach den dahinterstehenden Motiven aufwirft. Handelte es sich um die gezielte Förderung einer christlichen Einrichtung durch Juden oder doch nur um die Begleichung von Schulden oder ausstehenden Zahlungen? Die hier angeführten Quellenbeispiele bedürfen noch der Ergänzung, um valide Antworten zu finden. Die Vielgestaltigkeit der Interaktionen zwischen Christen und Juden zeigt zum einen die enge Verschränkung und die Interdependenzen zwischen Wirtschaftsakteuren in spätmittelalterlichen Städten über konfessionelle Grenzen hinweg auf. Die in der allgemeinen Wahrnehmung verbreitete Ansicht einer ausschließlich judenfeindlichen Haltung christlicher Wirtschaftsakteure muss auf der Basis dieser Erkenntnisse zurückgewiesen oder zumindest stark relativiert werden. Juden galten als wichtige Funktionsträger – in ökonomischem Sinn wie in heilsgeschichtlicher Sicht. Beides war im Italien des 16. Jahrhunderts noch untrennbar miteinander verbunden. Bleibt schließlich noch die allgemeine Frage, in welchem Verhältnis die Etablierung der christlichen Monti di Pietà bzw. des christlichen Bankensystems in den Städten Italiens zu den jüdischen Geldleihen stand. Hierzu sei auf die Überlegungen Giacomo Todeschinis verwiesen. Er beschreibt in seinem 2016 erschienenen Buch La banca e il ghetto101 die Marginalisierung der Juden in den italienischen Stadtstaaten als Ergebnis der Herausbildung eines administrativen Apparats und eines begleitenden wirtschaftspolitischen Diskurses des entstehenden „Staates“ vom 13. bis ins 15. Jahrhundert. Dieser Diskurs etablierte u. a. das Leitmotiv des bonum commune als Idee vom gemeinschaftlichen Handeln zum Wohle der Stadtgemeinschaft, von der die jüdischen Bewohner natürlich ausgeschlossen waren. Gleichzeitig forcierte man – parallel zur zunehmenden Ausgrenzung und Stigmatisierung jüdischer Geldleiher als „Wucherer“ – einen Wucher- und Zinsdiskurs, der auf eine Legitimierung bestimmter christlicher Kreditpraktiken hinauslief. Karitatives Handeln wurde zu einem neuen Betätigungsfeld der politischen Elite (und der Staatsbildung, so Todeschini) – wie sie sich beispielsweise in der Gründung der Monti manifestierte. Sie war zugleich eine Technik der Ausgrenzung einer seit jeher mit Misstrauen und Feindseligkeit betrachteten Minderheit. In Bezug auf Administration und Geld- und Kreditwirtschaft fand im Spätmittelalter eine Professionalisierung und Formalisierung statt, die zugleich als Mittel politischer Macht interpretiert werden kann. Die Bühne dieser Entwicklung war im 14. Jahrhundert in Italien die Stadt, die zunehmend als einheitlicher politischer, ökonomischer, religiöser und kultureller Körper verstanden wurde. Forciert und getragen wurde diese Entwicklung von einer Expertengruppe bestehend aus Juristen, Nota-

100 Möschter, Juden und Christen, S. 280. 101 Giacomo Todeschini, La Banca, passim.

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ren und Theologen, die in enger – häufig familiärer – Verbindung zu den regierenden Oligarchenfamilien standen. Aus dieser wechselseitigen Dynamik der Interessen und Fähigkeiten entstanden neue Steuerungsmechanismen, die einerseits in eine Vereinheitlichung und Institutionalisierung wichtiger Politikbereiche, wie die Sozialpolitik mit der Gründung der Monti, die Wirtschafts- und Fiskalpolitik mit den öffentlichen Banken und die Außenpolitik mündeten. Auf der anderen Seite spitzte man damit die Zugehörigkeit der Einwohner zur Stadtgemeinschaft identitätsmäßig zu und de-legitimierte zugleich die Präsenz und Produktivität bestimmter Gruppen wie der Juden. Die Ghettoisierung der Juden in den italienischen Städten im 16. Jahrhundert ist ein Ergebnis dieser Entwicklung, so Todeschini. Die Entstehung der öffentlichen Banken und auch der Monti ist somit in einem neuen Licht zu interpretieren. Bestätigt wird diese Lesart durch die Präambeln der Statuten der Monti, die allesamt als Ziel die Abschaffung des „Judenwuchers“ und den dadurch entstehenden Schaden am Gemeinwohl postulieren. Auch mehrere der franziskanischen Gutachten und Predigten beziehen sich auf die Monti als klares Gegenmodell zu den Juden, wenn es um die Finanzierung des Kleinkredits bzw. Pfandkredits geht. Maria Giuseppina Muzzarelli hingegen interpretiert die franziskanischen Schriften ohne einen starken Bezug zu den Juden als Ausdruck einer sich formierenden neuen Wirtschaftsethik, die schließlich den Solidarkredit gebar. Diese These lässt sich u. a. am Beispiel der Schriften des Dominikaners Annio da Viterbo stützen. Und auch Gomez da Lisboa argumentiert in seinem kurzen Gutachten vertragsrechtlich. Somit scheinen doch nicht alle der Theologen in der gleichen Weise als judenfeindlich. Und selbst in Bernardino da Feltres Fastenpredigten aus Pavia klingt die Frage der Vertreibung der Juden und der jüdischen Geldleihe nicht an. Vielmehr betont er die Idee der genossenschaftlichen Verantwortung aller und besonders der Reichen für das Gemeinwohl sowie die Gründung der Monti als Gemeinschaftsprojekt. Darüber hinaus bemüht er sich, die Zinsen als legitime Entschädigung einer Dienstleistung herauszustellen. Dennoch könnte man mit Todeschini mutmaßen, dass diese Rhetorik der gemeinsamen sozialpolitischen Verantwortung eben nur eine Seite der Medaille ist, die auf der anderen Seite die Marginalisierung und Verdrängung der Juden nicht nur in Kauf nimmt, sondern gezielt mitplant. Die Nächstenliebe der Monti richtete sich eben nur an Christen, nicht an andere Gruppen, die ebenfalls in der Stadt lebten. In der Praxis stellte sich die Situation jedoch komplexer dar. Wie gezeigt wurde, waren Juden auch als Klienten des Monte aktiv, die traten sowohl als Anleger als auch als Käufer bei Versteigerungen durch den Monte auf. Kurzum: sie blieben in einigen Städten präsent, auch wenn dies teils zu sehr hohen Kosten erkauft werden musste. Die Finanzierung der Monti selber, wie im Falle Perugias und Florenz gezeigt, als auch des Bedarfs an Kleinkrediten, wie im Falle Sienas, konnte oft nur mit jüdischem Geld bewerkstelligt werden. Als gut vernetzte und flexible Geldgeber brauchte man die Juden, obwohl man sie als gefährliche religiöse Gegner ablehnte. Somit blieben sie beständig in einer prekären Lage zwischen Ausnutzung, Opportunismus und Diskriminierung.

4. Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti

Gli huomini da deputarsi per servitio del Monte della Pietà, siano atti intelligenti, di buona età, di vita esemplare, facultosi e pratichi di scritture, e di buona mano. Die in den Monte abgeordneten Männer seien intelligent, im guten Alter, von vorbildlicher Lebensführung, kundig und geübt im Schreiben, und geschickt. (Scritture diverse del Monte di Pietà di Perugia, 16091)

Die gewünschte Expertise und Integrität der Beamten des Monte, die im obigen Zitat aus Perugia aufscheint, verweist auf ihre Rolle als glaubwürdige und vorbildliche Funktionsträger in der Stadtgesellschaft und als Repräsentanten einer funktionierenden Fiskalpolitik der städtischen Regierungen. Die meisten, die in ein leitendes Amt gewählt wurden, waren Angehörige der städtischen Oberschicht, häufig waren sie Mitglieder in bekannten Korporationen, wie den arte del cambio oder der mercanzia. Sie kooperierten eng mit städtischen Notaren und bildeten – wie Giacomo Todeschini formulierte – eine politische Elite, die im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts das Banken- und Kreditwesen als politisches Betätigungsfeld erschlossen hatte. Zugleich eröffnet das Thema der Institutionalisierung der Monti die Frage nach der Bildung und Limitierung von Vertrauen in die Einzelpersonen sowie in die Institution als Ganzes, die das Leitmotiv dieses Kapitels sein wird. Anhand der Analyse der Funktionsweise und Organisation verschiedener Monti soll die Frage nach der Konstruktion von Vertrauen in die neu geschaffene Kreditinstitution beantwortet werden. Das Verhältnis

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Zitiert bei Maria Colangeli, L’attività creditizia e l’apparato, in: Cutini (Hg.), Per soventione de le povere persone, S. 119–131, hier S. 120.

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Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti

von Kredit, Institutionen und Vertrauen ist eine populäre und gleichermaßen schwierige Frage der vormodernen Wirtschafts- und Sozialgeschichte der letzten Jahrzehnte.2 Trotz der teils zu Recht geübten Kritik kann die Kategorie „Vertrauen“ als heuristisches Instrument zum besseren Verständnis von Kreditbeziehungen nützlich sein. Von der Auswahl des Personals über die Formalisierung der Buchführung, die Kontrolle und Sanktionierung von Fehlverhalten der Beamten der Monti bis hin zur Marginalisierung und Exklusion bestimmter konkurrierender Gruppen, wie den jüdischen Pfandleihern, bietet die Kategorie „Vertrauen“ Anknüpfungspunkte für die Analyse. Die Formalisierung und Institutionalisierung einer gezielten Fiskalpolitik und innerhalb dieser der Armutsbekämpfung spiegelt sich vor allem im normativen Schriftgut des Instituts wider. Im Folgenden werden die Normen der Verwaltung und Organisation anhand der Statuten von neun Monti di Pietà analysiert. Dabei soll zum einen nach den Grundelementen der Arbeitsweise und Organisationsstruktur gefragt werden, zum anderen geht es um die Bausteine der Institutionalisierung: um Innovationen und Reformen in der Langzeitperspektive. Ein diachroner – wenn auch nicht repräsentativer – Querschnitt wird durch die Heranziehung von Fallstudien früher Gründungen, wie Perugia (1462),3 Terni (1464 und 1514/15),4 L’Aquila (1466)5 und Macerata (1468)6 ermöglicht, die dann mit später entstandenen Monti wie Amelia

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Abgesehen von der Etymologie des Begriffs „Kredit“ und obgleich in den meisten Studien zur vormodernen Kreditgeschichte der „gute Ruf des Kaufmanns“, das Vertrauen in den Schuldner und auch in den Kreditor als selbstverständliche Voraussetzung einer Kreditbeziehung erscheint, besteht das Grundproblem in der schwierigen Operationalisierbarkeit des Begriffs für die vormoderne Wirtschaft. Sheilagh Ogilvie hat einen brauchbaren Ansatz vorgeschlagen, der weiter unten erläutert und übertragen wird. Vertrauen als ein wichtiges Element vormodernen Wirtschaftens wurde herausgestellt bei: Muldrew, Economy of Obligation; Fontaine, L’économie morale, Kapitel X, S. 266–299; Michael Rothmann, Die Frankfurter Messen im Mittelalter, Stuttgart 1998, S. 330; Signori, Schuldenwirtschaft; Franz Irsigler, Vertrauen und Zahlungsmoral. Zwei Kölner Kaufleute und ihre adeligen Kunden im 15. Jahrhundert, in: Signori (Hg.), Prekäre Ökonomien, S. 55–70; Mark Häberlein, Kredit, Vertrauen und geschäftliches Scheitern: Bankengeschichte aus der Perspektive der Vormoderne, in: Wiener Zeitschrift für Geschichte der Neuzeit 9 (2009), S. 90–98; Gerhard Fouquet, Kredit in der ländlichen Gesellschaft und Wirtschaft im späten Mittelalter, in: Andermann/Fouquet (Hg.), Zins und Gült, S. 17–40. Neuerdings als Ansatz für die Geschichte des Kleinkredits beschrieben bei Skambraks/Köhler et al., Kleinkredit und Marktteilhabe in der Vormoderne. Einen aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht interessanten Ansatz zur Rezeption von Simmels Vertrauensbegriffs in drei Stufen: Interpretation, Aufhebung und Erwartung, siehe Guido Möllering, The Nature of Trust: From Georg Simmel to a Theory of Expectation, Interpretation and Suspension, in: Sociology 35/2 (2001), S. 403–420. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 251–268. Alberto Ghinato, Studi e documenti intorno ai primitivi Monti di Pietà, Bd. 2: I primordi del Monte di Pietà di Terni da 1466 al 1489, Roma 1959, S. 87–105. Beide Statutentexte wurden von Franziskanern geschrieben: der erste Text von Andrea di Faenza und Fra Giacomo Ognarelli. Gedruckt bei Maurice Weber, Les origines des Monts-de-Piété, Rixheim 1920, S. 85–92. Ebd., S. 93–100.

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(1470/1523),7 Piacenza8 und Verona9 (beide 1490), Cingoli (1502)10 und der sehr späten Gründung in Rom (gegründet 1539, Statuten 1556/81)11 verglichen werden. Trotz der gleichen Schwerpunkte, die die Statuten thematisieren, ist nach der Herausbildung von Sonderregelungen zu fragen, die auf bestimmte Probleme oder Missstände hinweisen. In einigen Fällen – nämlich da wo es mehrere Statutenversionen gibt – ist der Reformprozess an einem bestimmten Ort in der Überlieferung sichtbar. Dieser Prozess der Formalisierung und Professionalisierung – so meine These – kann als Ausruck des Strebens der Leitungsgremien der jeweiligen Monti nach dem Vertrauen ihrer Kunden interpretiert werden. Die in den Statuten sichtbare Optimierung der Institutionen durch ständige Reformen und Ausdifferenzierung der Arbeitsabläufe kann als Grundlage für vermehrtes Vertrauen und damit für soziales und reales Kapital gesehen werden. Die soziologische Kategorie „Vertrauen“ als ein heuristisches Instrument für die Erforschung vormoderner Kreditbeziehungen wird am Ende des Kapitels näher definiert. Neben den Motiven der Gründung werden Herkunft und die Höhe des Grundkapitals in vergleichender Perspektive ebenso thematisiert wie die verschiedenen Amtsträger und ihre Aufgaben, daneben Ablauf, Dauer und Höhe der Geldleihe, der Umgang mit den Pfändern, die Buchführung und -prüfung sowie die bereits in den Gutachten und Traktaten umstrittene Frage nach den Zinsen, ihrer Höhe und Verwendung. Auch hierzu ist ein Vergleich der Statuten vor den 1480er und 1490er Jahren mit denen nach dem 5. Lateranum interessant. Ein weiteres Thema in Bezug auf die Wucherbekämpfung bildet die Regulierung der jüdischen Pfandleihe in einigen Städten durch die Statutengeber der Monti, was schließlich nicht nur auf die allgemeine Frage nach den Handlungsräumen der spätmittelalterlichen Stadtoberen in Bezug auf ihre allgemeine Kreditwirtschaft und auf die Inklusion und Exklusion bestimmter Akteure dabei abzielt, sondern auch auf die Rezeption der franziskanischen Predigten gegen Juden durch städtische Oligarchen, die wiederum häufig für die Gründung eines Monte verantwortlich zeichneten. Das Wechselspiel von Religiosität, Ritual und wirtschaftlichem Handeln, von Kirche und 7 8 9 10 11

Alberto Ghinato, Studi e documenti intorno ai primitivi Monti di Pietà, Bd. 1: Monte di Pietà e Monti Frumentari di Amelia. Origine e antichi statuti, Roma 1956. Weber, Les origines, S. 113–127. Delcorno, Miquel de Acqui. Weber, Les origines, S. 129–141. Die erste Fassung der Statuten umfasst 26 Kapitel und geht wohl auf den Protektor Borromeo im Jahre 1565 zurück. Abgedruckt ist sie (Cod Vatic. 6203, fol. 150–169) in Tamilias Buch zum Monte von 1900, S. 119–137. Die 30 Kapitel umfassende Version von 1581 wurde im gleichen Jahr gedruckt und von Arcelli als Faksimile ediert nach der Fassung des Vatikanischen Archivs (ASV, Bolle per diverse Militie di Cavalieri per diversi collegij di Roma, per il Monte di Pietà e per la Sancta Casa di Loreto, Armario IV, Tomo 22, pagg. 486–506). Gli statuti del 1581 del Sacro Monte di Pietà di Roma (La politica 15), ed. Federico Arcelli, Soveria Mannelli 1999.

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Wirtschaftsakteuren lässt sich u. a. anhand der Prozessionen, die in einigen Statuten vorgeschrieben wurden mit dem Zweck Geld zu sammeln, nachvollziehen. Bekannte Medien der Frömmigkeit und Organisationsformen karitativer Einrichtungen wie Bruderschaften zu nutzen war ein Bestandteil der spätmittelalterlichen Wirtschaftspolitik. 4.1 Gründungsmotive und Gründer Betrachtet man die Begründungen für die Einrichtung eines Monte in den Quellen, so lassen sich zwei Hauptargumente ausmachen. Zum einen wird die Bekämpfung des Wuchers in der jeweiligen Stadt als Grund genannt, wobei den Juden (häufig und in extremer Sprache) eine besonders negative Rolle zugeschrieben wird.12 Dabei wird der materielle und moralische Schaden an der Stadt betont. In den Statuten des Monte di Perugia heißt es polemisch, Gott würde die Stadt nun vom schrecklichen und verdammenswerten Schaden und der Sünde befreien, die die perfiden Juden durch jahrelange Privilegien und Rechte angerichtet hätten.13 Die Statuten des Monte von L’Aquila verwenden ebenfalls eine topische Sprache, wenn vom „unstillbaren Schlund des Judenwuchers“ und dessen zerstörerischer Kraft an Gütern und Bewohnern die Rede ist.14 Eine verachtende Wortwahl treffen auch die Statuten von Cingoli im Eröffnungssatz des Regelwerks: Attento et considerato li gravi danni et iacture de molti et fideli Christiani devorati et consuitati dalle usure delli perfidi et cani Iudei.15 Auch in der späten Gründung Rom wird der Wucher der jüdischen Geldleiher als Ursache für die drückende Armut der Stadtbewohner angegeben.16 In der von Johannes de Calvi maßgeblich beeinflussten Gründungsbulle Pauls III. vom 9. September 1539 heißt es über die Armen, sie würden sich in großer Not an die jüdischen Wucherer wenden, die ihnen Kredite gegen Pfand und nicht unbeträchtliche Zinsen gäben. Nach Ablauf der Leihfrist wären aber viele Pfandgegenstände verloren gegangen.17

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Beispiele hierfür im 3. Kapitel der Arbeit. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 251. Die Stelle wurde am Beginn des Kapitel 2.1 bereits zitiert. Weber, Les origines, S. 85. Ebd., S. 129. Siehe unten, folgende Seite. Arcelli, Gli statuti, S. 82: ut in eorum necessitatibus ad hebreos feneratores in eadem urbe degentes praesepe cogerentur habere recursum, ut ab eis pignoribus traditis sub non levibus usuris pecunias mutuo reciperent, quas quidem pecunias postea statuto termino reddere non valentes pignora perdebant, sicque paulatim ipsi feneratores eorum facultates exhauriebant, ac eos in dies ad extremam inopiam per usurariam pravitatem pertrahebant, aliquod remedium advenire intendebant. Ebenfalls bei Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 343–346.

Gründungsmotive und Gründer

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Nicht in allen Fällen erwähnen jedoch die Statuten die Motive der Gründung, wie beispielsweise in Macerata,18 Piacenza19 oder Verona, wo der Verfasser der Statuten, der Franziskaner Michele d’Acqui die enge Verknüpfung von religiösem Ritual und Caritas im Monte herausstellt, jedoch ohne explizit auf ein bestimmtes Gründungsmotiv einzugehen. Das zweite zentrale Gründungsmotiv besteht in der Bekämpfung der Armut. Dieses Argument steht nicht selten an zweiter Stelle in den Quellen. Die Hilfe für die Armen werde – so scheint es – erst ermöglicht durch die Vertreibung der jüdischen Geldverleiher.20 Dies geht sehr deutlich aus den Statuten von Cingoli hervor: Das Motiv der „unstillbaren Gier“ der Juden wird dort direkt verknüpft mit der Armenfürsorge. Die Vertreibung der Juden wird zur unerlässlichen Bedingung für die Gründung des Monte stilisiert.21 In den Statuten des Monte aus Perugia wird dieses Motiv wiederum gleich in der Überschrift angeführt. Dort heißt es: Questa è la matricola de li capituli et ordinamenti e favore del monte di poveri facto per lo comuno di peroscia per soventione di le povere persone.22 So operierte die Kommune im Falle Perugias zwar als Gründergremium, jedoch instruiert durch den Prediger Michele da Milano.23 Ungewöhnlich ist hierbei, dass nicht nur die topische Schadensformel in Bezug auf die Juden in der Einleitung erscheint, sondern das erste Kapitel der Statuten selbst noch die – von Michele während seiner öffentlichen Predigten in der Stadt begründete – Bekämpfung der Juden durch Annullierung und Wegnahme ihrer Privilegien und Rechte ganz konkret und ausführlich darlegt.24 Das Bleiberecht und die Aktivitäten der Juden in Perugia verstoße gegen geltendes Recht.25 Somit wird die Stadt selbst des Verstoßes gegen das Wucherverbot schuldig, indem sie die jüdischen Geldverleiher immer wieder in der Stadt behalte. Dieser Passus erinnert sehr an die Argumentationen der zeitgenössischen franziskanischen Gutachten und zeigt einmal mehr die enge Verschränkung beider Textsorten auf. Die Rezeption des Kirchenrechts in Form der Beschlüsse des Konzils von Vienne (1311/12) wird hier indirekt angemahnt, was eine Besonderheit der 18 19 20

Weber, Les origines, S. 93. Ebd., S. 113. Dass in vielen Städten die Koexistenz von jüdischer Pfandleihe und Monti di Pietà die Regel war, zeigt, wie sehr die Städte zwar eine antisemitische Polemik voller Hass pflegten, daneben die Juden als Kreditgeber aber unverzichtbar blieben, da die meisten Monti den Bedarf an Kleinkrediten gar nicht decken konnten. 21 Ebd.: per soccorrere alla necessità delli poveri et bisognosi et per liberarli dalle voracità delle Cani et perfidi Iudei. 22 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 251. 23 Ebd., 252. 24 Ebd., 253. Capitulo primo: Di la cassatione di li capituli et previlegi concessi a li giudere in favore de l’usura, anno Domini 1462. 25 Ebd.: che sieno casse e cancellate et anullate tucti ciascuni statuti et previlegi et ordinamenti per infino a qui facte nella città di Peroscia in favore di li giuderi li quali fussono contra a la dispositione dil capitulo Noverint de sententia excommunicationis, et contra la forma de le Clementine prima de Usuris et omne altri capituli et concessione a li dicti ebrei facti.

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Statuten von Perugia darstellt und die einerseits das direkte Mitwirken gelehrter Juristen und Theologen wie Michele di Milano an diesem Text offensichtlich werden lässt. Andererseits verdeutlicht dieses früheste Statutenwerk auch den noch sehr präsenten Diskurs um Wucher und Zinsnahme, der in den 1460er und 1470er Jahren noch nicht das Maß an Flexibilität erreicht hat, die nach dem 5. Lateranum deutlich wird. Eng verknüpft mit den Motiven sind die Gründer der Monti, wobei der Quellenvergleich hier eine geringe Variation aufzeigt. Die Statuten berufen sich in ihrem ersten Abschnitt fast immer auf die Gründer, die in einigen Fällen Einzelpersonen, wie Franziskaner, Stadtadelige oder ein einzelner Prokurator waren. In den meisten Fällen werden die Städte selbst als Gründer bzw. eine Gruppe von Interessensvertretern, bestehend aus den oben genannten Personen, als Gründungskooperative erwähnt, wie im Falle Perugias in enger Zusammenarbeit mit dem Franziskaner Michele di Milano. Für den Monte von Rom, der 1539 als Bruderschaft (compagnia) gegründet wurde, enthält das Proömium der Statuten von 158126 und auch die Gründungsurkunde vom 9. September neben dem Namen des Approbators Papst Paul III. auch den des Initiators, Giovanni Maltei da Calvi,27 des Generalkommissars des Franziskanerordens. Zu den Protektoren des Instituts wurden die Kardinäle Francisco de Quinones28 (OFM circa 1482–1540), Rodolfo Pio da Carpi (1500–1564) und ab 1564 Carlo Borromeo (1538–1584) ernannt. Letzterer gilt auch als Verfasser der ersten Statuten von 1565. Die im Zuge der Gründung des Monte entstandenen Quellen aus Rom zeugen von einer engen Kooperation zwischen Franziskanern, Kurie und Stadtbewohnern. Diese findet sich auch explizit in den Statuten des Monte von Amelia wieder. Dort wird in der Präambel der Gründungsakt vom 12. Dezember 1470 in der Kirche Santa Maria Lagicarum genau beschrieben.29 Unter den Hauptakteuren werden städtische Adelige namentlich30 genannt, ebenso wie der berühmte Prediger Fortunato Perusino, einer der führenden Verfechter der Monti in der frühen Phase. Diese Männer versammelten sich, wie es heißt, auf dem Platz der Kirche,

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Arcelli, Gli statuti, S. 88. Ebd., S. 82. In der Gründungsbulle heißt es: Superioribus mensibus cum dilectus filius Ioannes Calvus ordinis Fratrum Minorum de observatia nuncupatorum professor in Romana curia iuxta morem dicti Ordinis Commissarius nobis exposuisset, quod nonnulli bona mentis viri provide considerantes, quod in hac alma urbe nostra continue erant quam plurimi pauperes, quorum aloqui adeo pecuniis carere noscebantur. 28 Cassa di risparmio di Roma, Cenni storici, S. 564 f. 29 Ghinato, Amelia, S. 75. 30 Ebd.: Spectabiles et egregii viri Angelus Johannis Petrignani Confalonerius, Gabriel Ludovici et Petruspaulus alias Lacriccha, Magnifici Domini Antiani, absente Jacobo Sbardellati infirmitate gravato, et ser Artemisius Benedecti, ser Albertus Jacobi domini Veraldi, Petrus Ciardi et Arcangelus ser Luce, quatuor cives ut supra electi, ordinato et deputati, existentes insimul et in unum cohadunati in platea sancte Marie in Porta, sic collegialiter accesserunt ad ecclesiam sancti Francisci, et ibi invenerunt Reverendum patrem fratrem Fortunatum de Perusio Ordinis Fratrum Minorum Serafici Francisci predicatorem excellentissimum.

Gründungsmotive und Gründer

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betraten sie dann gemeinsam, wo sie hinter verschlossenen Türen über die Errichtung des Monte diskutierten. Nach einiger Zeit kamen sie in Einigkeit und ohne jede Diskrepanz mit dem Ergebnis der vorliegenden Statuten heraus und lasen diese dann auf Italienisch laut vor.31 In diesem frühen Fall wird deutlich, dass die Gründung eines Monte in den 1470er Jahren noch von heftigen Kontroversen bzw. Diskussionen begleitet war, wie im zweiten Kapitel dieser Studie ausgeführt wurde. Von dieser diskursiven Lebendigkeit ist in den geschliffenen Texten der späteren Zeit nichts mehr zu spüren. Auch im Falle Ternis war ein Franziskanerprediger noch direkt an der Gründung beteiligt, wie aus den statuti morali des Andrea da Faenza vom 19. Juli 1490 hervorgeht, die er contro la corruzione della città, e in favore del monte di pietà verfasste.32 Dieses Dokument belegt die Übertragung von Strafzahlungen aus Prozessen wegen Vergewaltigung, Mord, Blasphemie und Prostitution an den Monte. Im ersten Fall sollte das konfiszierte Vermögen des verurteilten und hingerichteten Täters zur Hälfte an die städtische Kasse und zur anderen an den Monte fließen.33 Im Fall eines Mordes sollte das Vermögen des Täters in Form der beschlagnahmten Gegenstände seines abgetragenen (sic!) Hauses, also die Dachschindeln (tegula), die Ziegel (cuppos) und die Holzbalken ebenfalls zur Hälfte zwischen der Stadtkasse und dem Monte aufgeteilt werden.34 Der Blasphemiker (nach den Statuten derjenige, der sonntags oder an Feiertagen ein Geschäft öffnete und Handel trieb, ein Metzger, der Tiere nach jüdischem Brauch schächtete oder einer, der verbotene Spiele spielte) musste ein Viertel der Strafzahlung dem Monte übergeben.35 Auch die zehn Golddukaten, die eine Prostituierte, die sich auf Plätzen, in Tavernen oder in Herbergen prostituierte, zu zahlen hatte, wurden zu einem Viertel dorthin überführt.36 Die allgemeine Sorge um das Seelenheil der Stadtbewohner und die zeitgenössische Jurisdiktion, kurz die städtische Moral und ihre Kontroll- und Sanktionsmechanismen werden hier durch den Franziskanerprediger als Statutenreformator direkt mit der Einrichtung einer karitativen Institution bzw. städtischer Sozialpolitik verknüpft. Dies geschah auch im Falle Roms, wo 1584 festgelegt wurde, dass alle Einnahmen aus Gerichtsverfahren über fünf Scudi an den Monte fließen sollten, um dessen Grundkapital zu sichern.37 Ebd. direkt im Anschluss: et introeuntes insimul et in unum in quadam cellucula conventus sancti Francisci prefati, ibidemque reclusi et congregati fecerunt insimul longum et varium ratiocinium super facto Montis Pietatis Fraternitatis sancte Marie Lagicorum faciendi, ordinandi, capitulandi et deliberandi: et post multa venerunt insimul et in unum concordes et nemine descriptante, fecerunt, ordinaverunt, deliberaverunt et firmaverunt infrascripta omnia et singula capitula, perpetuo duratura et observanda, condita et ordinata in vulgari sermone, ad claram intelligentiam omnium volentium ipsa legere et videre. 32 Ghinato, Terni, S. 83. 33 Ebd., S. 84. 34 Ebd. 35 Ebd., S. 86. 36 Ebd. 37 Siehe die Breve Gregors XIII. vom 1. Oktober 1584, abgedruckt bei Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 353 ff. 31

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Man kann schlussfolgern, dass die Franziskaner in vielen Fällen den Anstoß zur Gründung und auch zur Organisation eines Monte gaben, der wiederum – und dies ist in den Statuten allein nicht nachvollziehbar – auf Anregung und Einladung durch Interessensgruppen der Stadt vorbereitet worden war. Die kenntnisreichen Prediger als Experten des Gemeinwohls und auch der Finanzverwaltung in die Städte zu holen, muss als geschickter Zug der Stadtoligarchen gewertet werden. Gegründet wurden die meisten Monti von einer Gruppe von Einzelpersonen oder einem Gremium der Stadt und immer als städtische Institutionen. Verfasser der Statuten waren in wenigen Fällen, wie Verona, aber auch die Franziskaner selbst, die somit über die Rolle der mündlichen Kommunikatoren und Mediatoren hinaus ganz konkret an der Normengebung und Organisation der Monti beteiligt sein konnten. 4.2 Das Grundkapital Zur Realisierung der Pfandleihe bedurfte es eines Grundkapitals, das die Monti zunächst zu requirieren hatten. Dabei ergriffen die Städte unterschiedliche Maßnahmen, wobei sich drei Hauptkapitalquellen ablesen lassen: In vielen Fällen, wie in Perugia, mussten die jüdischen Geldverleiher hohe Summen an den Monte zahlen, um ihr Bleiberecht zum Zeitpunkt der Gründung zu sichern. Jüdisches Geld wurde paradoxerweise zu einer der Hauptquellen der Finanzierung der Montes, wie im Kapitel 3 dieser Studie anhand verschiedener Fallbeispiele gezeigt wurde.38 Eine andere Quelle waren Einnahmen aus städtischen Gerichtsverfahren, wie im Falle Roms ab 1584 oder in Terni. Zudem – und das kann für alle Städte angenommen werden – wurden Spenden der Bevölkerung gesammelt. Dazu gehörten sowohl anonyme Kleinstspenden, die in den Kirchen der Stadt in speziell aufgestellten Kassetten gesammelt wurden, wie auch umfangreiche Spenden einzelner wohlhabender Förderer oder gar der Beamten des Monte selbst. In den Statuten L’Aquilas von 1466 etwa wurde festgehalten, wie der dortige Notar das durch Testamente gespendete Geld Verstorbener zu verwalten hatte.39 In Macerata beispielsweise durften – laut den Statuten von 1468 – Privatpersonen bis zu 300 Dukaten spenden, diese innerhalb eines Monats jedoch auch wieder dem Monte entnehmen.40 Auch Einkünfte aus der Landwirtschaft oder Verpachtung wurden anteilig dem Monte zur Verfügung gestellt, wie im Falle Maceratas, wo zwei Bolognini pro Ducato aus dem Einkünften der Weiden dem Monte zuflossen.41 Alles Geld wurde in einer mit drei Schlössern versehenen Kasse

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Siehe die Quellenauswertung dort. Weber, Les origines, S. 86. Ebd., S. 96 f. Ebd., S. 98. Item instituerunt quod ex introitu pascuorum dictus Mons habeat duos bolonenos pro quodlibet offitialibus, tenentibus computum dicti Montis.

Das Grundkapital

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aufbewahrt, zu der jeweils ein Prior, ein Beamter und der Notar Zugang hatten.42 Unterschieden wurde zwischen diesen öffentlichen Einnahmen und privaten (geheimen) Spenden, für die jeweils ein eigenes Buch geführt werden sollte.43 In Perugia stritt man bei der Gründung des Monte lange über die Finanzierung aus dem Verkauf von Weizen und Mehl. Zudem sorgten die Initiatoren in einigen Fällen für die gezielte Verbindung von Spenden für den Monte und städtischer Frömmigkeitspraxis – augenfällig etwa in einer elaborierten Prozessionspraxis wie in Verona. Dieser Befund spiegelt sich auch in der Organisationsstruktur einiger Monti in enger Anbindung an lokale karitative Einrichtungen wie Bruderschaften oder Hospitäler wider. Oft wurde der Monte von einer Bruderschaft direkt verwaltet und durch Mitgliedsbeiträge finanziert – wie im Falle des Monte di Pietà und des Monte del Grano in Terni oder im Falle Roms. Allgemein scheint die finanzielle Fragilität der Monti in den ersten Jahren und Jahrzehnten nach ihrer Gründung eine Konstante gewesen zu sein, der man auf verschiedenste Weise begegnete. Auch in Terni griff man 1514 auf mehrere Einkommensquellen zurück. In der zweiten Januarhälfte sollte jährlich eine Prozession abgehalten werden, per augmento del sancto Monte, wobei Spenden gesammelt wurden. Testamentarisch verfügte Spenden mussten von einem Notar beglaubigt und innerhalb von drei Tagen den Konservatoren angezeigt werden. Schließlich sollte außerhalb des Monte eine capsa angebaut sein, wo alle Passanten anonyme Spenden einwerfen konnten. Abends wurde diese Kasse dann hereingeholt. Sie war mit drei Schlüsseln verschlossen (Konservator, Depositarius, Kassiere), so die Statuten.44 4.2.1 Spenden und Prozessionen – Verona Ein Beispiel für die Verquickung von Kapitalbeschaffung für den Monte und einem religiösen Ritual, nämlich der Prozession anlässlich eines Heiligenfestes finden wir ausführlich beschrieben in den Gründungsstatuten des Franziskaners Michele d’Acqui für den Monte von Verona aus dem Jahr 1490. Die Statuten45 bestehen aus einem allgemein gehaltenen ersten Teil, der die Wohltätigkeitsziele betont, indem den Armen ein günstiger Kredit gewährt wird, und einem zweiten Teil, der die Statuten der Institution selbst beschreibt. Auch der Monte von Verona wurde als Bruderschaft mit jährlichen 42 43

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Ebd., S. 93. Ebd., S. 97. De quibus donationibus fiant duo libri, que sedant in dicta cassa pesuniarum Montis; in uno quorum scribantur dinationes et relicta publica, in alio vero scribantur donationes secrete, substantaliter et in effectu, que valeant ac si omnes clausulas haberent; et facta adnotatione carta sigilletur sigillo Comunis, et ponatur a tergo nomen donantis tantum, et veniente morte donantis, desigilletur. Ghinato, Terni, S. 105. Delcorno, Miquel de Acqui, passim.

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Zahlungen und Spenden seiner Mitglieder entworfen, für die sie Ablässe als geistiges Kapital erlangten. Außerdem wurden am 29. August während einer jährlichen Prozession Spenden gesammelt. Die Reihenfolge der Prozessierenden war: zuerst singende Kinder, dann Franziskaner, die fünf Märtyrerstatuen trugen. Dann folgten die Mitglieder des Vorstands des Monte und der Bruderschaft, zuletzt das Volk. Zweck des Singens, der Ornamente, der Märtyrer und der Pracht war es, die Menschen anzuziehen, sie an der Prozession als Zuschauer zu beteiligen. Eine dabei herumgetragene Skulptur des Monte symbolisierte die himmlische Hierarchie mit einer Allegorie der Dreieinigkeit.46 Neben der Beschreibung der Prozession selbst nennt der Autor die Summe für den Monte, die erreicht werden sollte: 2.000 Dukaten, die von 40.000 Spendern gesammelt wurden. Dies macht deutlich, dass die religiöse und zeremonielle Form hauptsächlich verwendet wurde, um ein monetäres Ziel zu erreichen. Die Spender unterstützten ein wirtschaftliches Ziel und taten gleichzeitig etwas, um die Rettung ihrer Seelen zu sichern. Diese beiden Elemente wurden nicht nur in der Prozession kombiniert. Der Monte als Bruderschaft wurde als eine religiöse Gemeinschaft organisiert, einschließlich mehrerer täglicher Gebete der Mitglieder, einer Messe pro Woche, der Beichte (zweimal im Jahr) sowie Gedenkverpflichtungen für tote Mitglieder. Auf der anderen Seite wurden die Administratoren des Fonds einmal im Monat und durch eine zusätzliche jährliche Rechnungslegung von den Gouverneuren des Monte vor Ort kontrolliert. Die Bruderschaft unter franziskanischer Anleitung nutzte innovative religiöse Rituale und institutionelle Formen als eine der Gemeinde bekannte Sprache, um die Aufmerksamkeit der Stadtgemeinschaft auf sich zu ziehen und das Ziel zu erreichen, Spenden für eine sozialpolitisch bedeutsame christliche Institution zu sammeln. 4.2.2 Finanzierung aus Gerichtseinnahmen – Rom Der Monte von Rom war ebenfalls als Bruderschaft oder compagnia organisiert, wie ein undatiertes Schreiben aus den 1550er Jahren erstmals deutlich macht.47 In dieser Institution sollten 5.000 Personen Mitglieder sein, wobei Eheleute als eine Person gezählt wurden. Jedes Mitglied sollte jährlich zwei Carlini zur Unterstützung des Monte 46

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Ebd., fol. 3: Postea fu portata la forma del sancto monte de la pietade facta e ordinata cum mirabile ingenio e artificio in modo e forma e similitudine de la celeste hierarchia. Siché in la excelsa altitudine e summitate del monte fu ordinata la similitudine de la sancta Trinità, guardando pietosamente e humilmente dal suo monte celestiale cum la sua pietà e misericordia di sopra la terra in lo suo monte de la sanctissima christianità. Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 347 ff. Dort heißt es: Item se concede, che si possa instituire una Confraternità, overo compagnia di Cinque mila persone, computando marito, & moglie per una persona, con faculta di poter sostituire altre persone in loco delli confratri, o censore, che moriano, li quali habbiano a pagare ogni anno doi Carlini al detto Monte.

Das Grundkapital

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zahlen. Dies legten die Statuten von 1565 in Kapitel 23 fest.48 Am 13. April 1562 hatten die drei Provisoren bereits die Bestimmung erlassen, dass alle Mitglieder der compagnia jährlich zwei Carlini zum Aufbau des Grundkapitals spenden sollten.49 Diese genossenschaftliche Struktur, die Einmütigkeit, Frieden und das gemeinsame Ziel der Unterstützung der Armen tritt auch im ersten Statutentext von 1565 deutlich zutage. Kein Zwist, kein Streit solle die Einheit der Bruderschaft stören, wozu auch die Abhaltung von Diskussionen und Streitgesprächen im 13. Kapitel geregelt ist. Dort werden detailliert die Sitzordnung, Redeanteile und die Abfolge der Wortmeldungen festgesetzt.50 Neben der Generalversammlung, die dreimal jährlich stattfinden sollte, organisierte die Bruderschaft eine jährliche Prozession am Oktavtag der Wiederauferstehung oder am dritten Tag nach Pfingsten.51 Die Prozession sollte bereits an drei Sonntagen vorher von allen Pfarrern der römischen Kirchen in der Predigt angekündigt werden, dazu sollen Senatoren der Stadt, die Konservatoren und alle Ratsmitglieder sowie Adelige eingeladen werden, außerdem die Konsuln der Stadt Florenz und Genua, die Religiosen dei Frati und die Scholarenzunft. Auch sollten alle Teilnehmer(innen) der Prozession, nicht nur die Mitglieder der Bruderschaft, einen Plenarablass gewährt bekommen. Dabei wurde selbstverständlich davon ausgegangen, dass diese auch spendeten. Bereits am 3. März 1552 hatte eine große Prozession des Monte und aller Zünfte stattgefunden. Alle waren eingeladen und es nahmen teil: die Fleischer, Kurzwarenhändler, Schreiner, Goldschmiede, die Sattler und Reitknechte, wofür ein Plenarablass durch den Papst gewährt wurde.52 Ab dann sollte die Prozession jährlich stattfinden, es wurden dabei Spenden in Höhe von 86 Scudi gesammelt. 1545 hatte man versucht die Einkünfte zu steigern, indem jedes der Vorstandsmitglieder jährlich sechs Scudi spendete.

48 […] per augmento di detto Monte à benefictio de’ poveri, ebd., S. 134. 49 Ebd., S. 356: havemo resoluto di pregare et exhortare ciascuno delli fratelli della nostra Compagnia del detto sacro monte della pietà che li piacca di fare questa buona opera di pagare per cortesia et zelo della conscientia quello che restano debitori per conto delli due carlini che si obligorono spontaneamente di pagare ogni anno al detto monte quando introrono in la detta Compagnia per poter partecipare delli privilegii et indulgentie concesse dallo sommi pontifici et ultimamente confirmate de la Santità del Nostro Signore Papa Pio Quarto. 50 Hierzu die Zitate von ebd., S. 128. Il primo Provisore Prelato nel Capo della Tavola, et altri due l’uno della destra, et l’atro della sinistra; appresso sederanno li due Sincidi, poi li quattro Deputati, allo quali succederà il Depositario con li Tredici secondo la precedenza delli Rioni, et appresso il Segretario. S. 129: sia prohibito onniamente il gridare, et far rumore, ma tutto si tratti con pace, et unione acciò non ci naschino risse, invidie, detrattioni, concorrentie, discordie, et dispiaceri, dalle quali cose li negotii malamente trattati se ne vanno in rovina. Non presuma alcun degl’Off.li in Congregatione, o, fuori contender superbamente con li SS. Provisori, i. con alcuno di loro. Il che facendo, sia subito deposto dall’Offitio, et casso della Compagnia. 51 Tamilia, Il Sacro Monte, S. 122. 52 Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 347 ff.

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Trotzdem blieb die finanzielle Lage des Monte sehr angespannt, nun entschloss man – wie die anderen Monti auch – einen Zins in Höhe von fünf Prozent auf Darlehen zu nehmen. Der Verhandlungsprozess innerhalb der Kongregation über die Zinsnahme zog sich ab 1551 über drei Jahre hin. Interessant ist, dass er zunächst völlig abgelehnt wurde, dann wollte man die Zahlung eines freiwilligen Zinses den Schuldnern überlassen. Trotz dieser Bestimmungen und des bereits 1552 eingeführten Depositengeschäfts hatte der Monte weiterhin erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, was in eine weitere Rettungsmaßnahme mündete: Eine Urkunde Gregors XIII. vom 1. Oktober 1584 bestimmte, dass Erträge aus städtischen Gerichtsverfahren und Fällen, deren Strafen mehr als fünf Scudi betrugen, dem Monte zufließen sollten.53 Die Begründung für diesen Schritt steht in der Quelle gleich zu Anfang. Obgleich der Monte von großem Nutzen für die ganze Stadt sei und die besten Werke an den Armen vollbringe,54 so reichten seine Mittel nicht aus, alle bedürftigen Armen dieser großen Stadt von ihrer Last zu befreien.55 Deshalb beschließe man, dass aus Kriminalverfahren gewonnenes Geld über der Summe von fünf Scudi immer an den Monte gehen sollen. Das Geld und die Bußzahlungen sollten ohne Verzögerung beim Monte eingezahlt werden.56 Bereits 1574 hatte Gregor XIII. ein Depositarium für sogenannte pegni giudiziali ins Leben gerufen, dessen Verwaltung er dem Monte anvertraute.57 Zusätzlich abgesichert werden sollte die tatsächliche Überschreibung der Einnahmen mithilfe einiger Sanktionen: Wenn also die Richter und die Notare den Bestimmungen des Papstes zuwiderhandelten und die Einnahmen aus den Gerichtsverfahren nicht dem Monte übereigneten, so drohte ihnen der Entzug ihrer Lizenz sowie ihres Jahreslohns, der dann ebenfalls dem Monte zukomme, und die Exkommunikation. Die Strafe für Bischöfe, Erzbischöfe und andere Prälaten betrug 500 Golddukaten. Falls der Protektor des Monte, Philipp von Sant’Angelo, und der Kardinal Filippo Guastavillano irgendeine Unregelmäßigkeit feststellen sollten, so sollte der Papst umgehend hierüber informiert werden.58

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Das Dokument ist als Faksimile abgedruckt bei Tamilia, Il Sacro Monte, ab S. 76, sowie ediert bei Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 353–355. Conspeximus quoque magnum commodum, quod ex Monte Pietatis omnibus Urbis incolis resultat, cum sub minima mercede, et ea necessaria quidem, in sumptis operi incumbentes, omnibus succuratur. Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 353. Verum propter ipsius Montis tenues facultates, non posse ea largitate omnibus subveniri, quae in tam magna Civitate et pauperum multitudine expediret. Ebd. Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 353 f.: praecipimus et mandamus, ut in quibusvis causis, etiam criminalibus coram eis pendentibus, in quavis instantia, et quas in futuram perpetuo pendere contigerit, ubi actuali pecuniarum deposito, supra summam scutorum quinque, alias locus sit, iuxta decreta per ipsos iudices facienda, illud non amplius Notarios ut hactenus, sed sine ipsorum Notariorum prae iudicio, penes Montem Pietatis, seu illius pro tempore Depositarium, qui fide et facultatibus insignis sit, fieri et deponi mandent. Ebd., S. 378 ff. Ebd., S. 354: et quod Notarii et Judices contra praemissa venientes, Notarii videlicet, omnibus emolumentis suorum officiorum unius anni, dicto Monti applicandis, prima vice, deinde ipsis officiis, privati

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In Perugia drohte die Exkommunikation denjenigen, die die Mittel des dortigen Monte nicht al bisogno de le povere persone einsetzten, sondern anderweitig verwendeten, wie die Statuten von 1467 androhten.59 Auch wurde jegliches Agieren der Vorsteher gegen den Monte unter hohe Geldstrafen (500 Fiorini) gestellt.60 4.3 Das Personal Die Statuten des römischen Monte von 1565 und 1581 markieren Kristallationsmomente des Institutionalisierungsprozesses, der sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte. Dabei wurden die Aufgaben, die Entlohnung und die Zahl der Amtsträger im Monte mehrfach modifiziert.61 Bereits die erste greifbare Fassung der Regularien der Kongregationsversammlung vor den Statuten Borromeos von 1565 enthält kurzgefasste Bestimmungen zur Organisation des Monte und den Aufgaben seiner Beamten. Folgende Punkte wurden in der allerersten Fassung der Statuten von 1557 festgelegt, die in den Registri dei Decreti di Congregazione 1540–1566 überliefert ist.62 Das Leitungsgremium solle sich alle 15 Tage treffen. Bei der Darlehensvergabe und der Versteigerung der abgelaufenen Pfänder sollte immer ein Abgeordneter anwesend sein. Ein erster Entwurf der Statuten (mit 26 Kapiteln) von 1565 geht wohl auf den Protektor Borromeo zurück;63 gedruckt wurden die fertigen Statuten, die aus 30 Kapiteln bestehen, erst 1581. Regelmäßige Geschäftszeiten, gut organisiertes, sich gegenseitig kontrollierendes Personal und eine abgestimmte Buchführung sollten Missbräuche wie Entwendung von Gegenständen und Veruntreuung von Kapital vermeiden und somit die Institution schützen und ihr Funktionieren sichern. Die Statutengeber waren sich über bereits aufgetretene Missstände im Klaren und versuchten diese zu beheben. Obgleich dies nicht direkt als Ziel formuliert wurde, ist doch die Sicherung der Reputation und damit des wirtschaftlichen Erfolgs des Pfandleihinstituts als ein wesentliches Movens für die Statutenge-

sint et praeterea excommunicationis, sententiam, prima vice praedicta, incurrant eo ipso; Itidemque Judices, etiamsi Archiepiscopi, Episcopi, seu alii Praelati fuerint, poena quingentorum ducatorum auri de Camera, eidem Monti pariter applicandorum, sine remissionis spe mulcentur, earundem praesentium auctoritate statuimus. 59 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 312: Como la pechunia del Monte che al presente ha o avera mai per alchuno tempo non si possa convertire in altro uso che al bisogno de le povere persone, sotto pena de excommunicatione. 60 Ebd. 61 Eine detaillierte Darstellung der Stufen der Organisation und Reorganisation während der ersten Jahre seit der Gründung 1539 findet sich bei Arcelli, Banking and Charity, S. 42–50. 62 Genauer im Bd. 39, S. XXVII–XXVIII, cc. 54–55, die Arcelli zugänglich waren und die er in Gli statuti, S. 33 f., zusammenfasst. 63 Abgedruckt ist die erste Fassung (Cod Vatic. 6203, fol. 150–169) in Tamilia, Il Sacro Monte, S. 119– 137.

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bung und -reform zu bewerten. Zugleich ist mit dem Aspekt der Reputation eine wichtige Voraussetzung für Vertrauensbildung in die Institution angesprochen. Dies betraf sowohl die einzelnen Angestellten im Monte als auch die Pfandleihanstalt als Ganzes. Gleichzeitig belegen die detaillierten Regelungen der Statuten das Streben nach einheitlicher Schätzung der Pfänder auch zum Wohle der Institution selbst. Diese sollte beispielsweise vor der unrechtmäßigen Entnahme von Geld aus dem Depositarium geschützt werden, wie das Kapitel 25 der römischen Statuten festlegt.64 Doch blieb den Beamten ein gewisser Handlungsspielraum: Geld durfte nur in Ausnahmen, durch Patentschein legitimiert, entnommen werden. Die Sicherung der Informationen und die dadurch ermöglichte rechtliche Absicherung des Monte gegenüber seinen Kunden wurde auf lange Zeit mittels eines eigenen Archivs sichergestellt. Dort wurden alle Schriftstücke aufbewahrt.65 4.3.1 Der Vorstand Der Vorstand der Monti war das oberste Leitungs- und Kontrollgremium der Krediteinrichtung und verband die Institution personell mit der Stadtelite. Seine Funktion ist in den Statuten geregelt, wie nun anhand von Beispielen aus Perugia, Rom, L’Aquila und Piacenza herausgearbeitet wird. Dabei nutzten die Autoritäten bestimmte Instrumente zeitgenössischer politischer Praxis, wie beispielsweise die geheime Urnenwahl oder das Losverfahren, die als etablierte Techniken der Kontrolle und Vertrauensbildung in der Vormoderne gewertet werden können.66 Die Regulierung der neuen Institution gestaltete man häufig sehr ausführlich. So sind allein die ersten zwölf Kapitel der römischen Statuten von 1565 den Offizialen des Monte, also dem Vorstand und seinen Organen, gewidmet. Demnach stand ein Protektor dem Monte vor, ähnlich einem Präsidenten. Er nominierte und wählte die drei Provisoren (wobei immer ein erfahrenes Mitglied der „Drei“ im Amt blieb), von denen einer ein Prälat und die zwei anderen Adelige aus der Stadt sein sollten. Diese bildeten den engeren Vorstand, der von mehreren beratenden und kontrollierenden Körperschaften ergänzt wurde, deren Mitglieder wiederum auf ein Jahr in geheimer Wahl um Weihnachten (meist am Tage des Johannes des Evangelisten) gewählt wurden. Hierzu gehörten die zwei Sindici (Bürgermeister), drei weibliche Prioren, sowie die vier Deputati. Ergänzt wurde diese Kongregation, die dreimal jährlich zusammen-

64 Arcelli, Gli statuti, S. 113 ff. 65 Ebd., S. 117. 66 Hierzu Barbara Stollberg-Rilinger, Entscheidung durch das Los: Vom praktischen Umgang mit Unverfügbarkeit in der Frühen Neuzeit, in: André Brodocz / Dietrich Herrmann / Rainer Schmidt / Daniel Schulz / Julia Schulze Wessel (Hg.), Die Verfassung des Politischen: Festschrift für Hans Vorländer, Wiesbaden 2014, S. 63–83.

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trat, durch die sogenannten tredici, einen Rat von 13 Abgeordneten aus den jeweiligen Stadtteilen Roms. Erwähnt werden im ersten Teil der Statuten zudem der Depositarius, dem als Verwalter des Kapitals eine absolut zentrale Stellung zukam, wie auch der Sekretär, der die Niederschriften der normativen Texte gewährleistete. Die weiblichen Prioren, deren Wahl im 5. Kapitel thematisiert wird, waren ebenfalls Mitglieder der compagnia. Eine von ihnen sollte eine Baronin, die zwei anderen adelige Frauen von gutem Ruf und guter Lebensführung sein. Die Statuten von 158167 ergänzten das Regelwerk von 1565 schließlich um vier weitere Kapitel.68 Unter anderem wurde die geheime Urnenwahl der verschiedenen Beamten und des Vorstandes eine Woche vor Weihnachten nun viel detaillierter geregelt.69 Sechs imbossolatori der gesamten compagnia sollten die Wahl leiten. Zunächst wurde der Prälaten-Provisor aus zwei Kandidaten per Los gewählt, dann folgte die Wahl des anderen Provisors, der kein Kirchenvorsteher war, aus drei Kandidaten. Darauf folgten die Deputati aus mindestens vier, maximal sechs Personen, wiederum gefolgt von den vier Sindici. Schließlich wurde auch der Sekretär per Los aus zwei Kandidaten gezogen. Die dreizehn Vertreter der Stadtteile Roms wurden ebenfalls per Losverfahren aus 18 bis 24 Nominierten ausgelost. Alle Kandidaten mussten über 25 Jahre alt sein und durften keinerlei Streit mit oder Schulden beim Monte haben. Eine weitere Bestimmung dieses Kapitels betrifft die Nominierten. Alle nicht gezogenen Namen sollten im Archiv des Monte aufbewahrt werden. Falls ein Beamter ausfiele, könne man so einen Ersatz aus den bereits nominierten Personen finden. Ein ähnliches Bild geben uns auch die Statuten des Monte von Perugia.70 Dort mussten alle Beamten und die sechs gewählten camerlenghi des Vorstandes zunächst 67

ASV, Bolle per diverse Militie di Cavalieri per diversi collegii di Roma per il Monte di Pietà e per St.a Casa di Loreto, Misc., Armadio IV–V, Tomo 22, ed. Arcelli. 68 Der Druck enthält das Bestätigungsschreiben Ludovico de Torres’ von 1539 sowie ein Bestätigungsschreiben von 1561 von Papst Pius IV. Dann folgt noch ein Proömium des Cardinals Guastavillano, dem Protektor des Monte 1581. Ausführlicher ist auch das Kapitel zu den zwei Sindici, die eine Kontroll- und Richterfunktion hatten. Im Kapitel 16 zum Amt des Kassierers werden nunmehr auch die Juden erwähnt. Deren Überschüsse aus Pfandverkäufen sollen dem Monte zufließen. Fol. 15 bzw. Arcelli, S. 104. Dort wurde bestimmt, dass der Kassierer dem Computista einmal monatlich Rechenschaft über alle Buchungen schuldig sei. Dazu gehörten: & tutto quello, che sara entrato, tanto de pegni riscossi, quanto de pegni venduti, danari di depositi, sopravanzi di Hebrei, tutte guadagnate, elemosine, & altri. 69 Arcelli, Gli statuti, S. 92 f. 70 Die reformierten Statuten sind abgedruckt bei Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 289–293. Die ersten Angaben zum Personal des dortigen Monte sind enthalten in den 18 Statutenkapiteln von 1462, die nach dem Verlauf des Pfandleihgeschäftes gegliedert sind. Der Monte di Perugia gab sich bereits am 26.12.1465 eine zweite Fassung der Statuten, die ebenfalls an dieser Stelle herangezogen werden sollen, um den Institutionalisierungsprozess nachzuverfolgen. Darüber hinaus wurden die Statuten anlässlich der Kongregationsversammlungen regelmäßig reformiert und ergänzt, ein Prozess, der anhand gedruckter Quellen bis ins Jahr 1470 verfolgt werden kann. Ebd., S. 319. Unter den Bestimmungen findet sich auch eine detaillierte Bestätigung der capituli des Monte durch Papst Paul II. von 11.10.1467, bestehend aus 43 Kapiteln. Ebd., S. 300–314.

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einen Schwur ablegen, dass sie nur zum Wohl des Monte handeln würden.71 Zur Wahl des bis 1470 ehrenamtlich72 tätigen Vorstandes gibt das Kapitel 16 der ersten Fassung Auskunft: zwei religiöse Vertreter des Monte, zusammen mit zwei Vertretern der Kirchen San Pietro und Monte Morcino nominierten zwanzig Bürger der Stadt (vier pro Stadtteil) zusammen mit zehn camerlenghi73 (zwei pro Stadtteil), die wiederum zehn Personen aus den genannten zwanzig Designierten auswählten, wobei pro Stadtteil zwei Vertreter gewählt werden sollten. Eine detailliertere Bestimmung desselben Jahres ergänzt die Statuten.74 Die Amtsdauer der durch Losverfahren gewählten Vorstandsmitglieder sollte ein Jahr betragen. Darüber hinaus enthält die Bestimmung ausführliche Angaben zum Wahlverfahren. So wurden zehn Kandidaten per Los durch weiße Bohnen (für „ja“) bzw. schwarze Bohnen (für „nein“) in einzelnen Wahlgängen ermittelt, dabei wurden zehn Amtsträger paarweise für fünf Jahre im Voraus bestimmt. Der Grund hierfür könnte sein, dass man für den Monte die größtmögliche Planungssicherheit erreichen wollte, indem man die Vorstände schon frühzeitig zusammenstellte. Auch Abwesenheiten der anderweitig tätigen Amtsträger von der Stadt konnten so wahrscheinlich besser geplant werden. Die Namen von jeweils zwei der Kandidaten wurden zusammen auf eine Wachskugel (pallotta, ballocta) geschrieben, die dann in einem Beutel in einem Saal in einem bestimmten Raum des Palazzo del popolo hinterlegt wurden. Jedes Jahr wurde dann durch den Podestà ein neues Paar gezogen, allerdings ohne dass aus der Quelle hervorgeht, ob dasselbe Paar erneut ausgewählt werden konnte.75 Auch in L’Aquila wählte man die depositarii und die bancheri 71

72 73

74 75

Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 264. Kapitel 9 der Statuten: Item accio che esso Monte sia a piu achuratamente favoregiato che li M. S. P. e simili li camerlenghi di l’arte che intrannaro per li tempi sieno obligati fra li altri capi dil giuramento loro giurare expressamente di dare ognie opera e favore possibili a la conservatione et augmentatione dil ditto Monte. Deutlicher formuliert wird es noch im päpstlichen Bestätigungsschreiben von 1467. Dort heiß es: E nel prencepio del loro offitio debbiano iurare in mano del governatori dello M. P. de intendere con omni sollicitudine et vigilanntia a la conservatione del ditto Monte et dare di cio sufficiente recolte. Et tanto del giuramento quanto delle recolte debbia el notario delli priore sub pena periurii essere rogato et mettere al suo libro tra le altre scripture. Ebd., S. 301. Dann wurde der Lohn der Sindici auf vier Florin festgelegt. Ebd., S. 316. Das 18. Kapitel schließlich verfügte die Ernennung von zehn camerlenghi, einem Rat aus angesehenen und vertrauenswürdigen Bürgern (dieci honorevole citadini di buona intelligentia e conscientia), der auch zukünftig das Funktionieren des Monte garantieren sollte, durch Korrektur von Missständen und die Ergänzung bereits bestehender Bestimmungen. Ebd., S. 267. Ebd., S. 268: Elettione e insacchulatione di li soprastanti dil Monte. Ebd., S. 268: elessero e diputaro et optenero dieci honorevole citadini di buona intelligentia e conscientia per soprastanti d’esso monte per cinque anni proximi futuri, cio e doi per ciaschuno anno constituenti de quelli una borscia seperata con cinque palotte de cera roscia avendo ciascuna incluso il nome di poi soprastanti, decernenti che la ditta borscia domactina nella sala di sotto di palazzo dil populo perusino et mo la sollita residentia di messer lo podestà si degga aprire e di quella sorte trare una pallocta di soprastante per questo anno prima e da poi la dicta borscia con le quactro pallocte restate nella cassa di li offitii del sacco signata C con debito modi si debbia reponere acciò che di quella gli altri soprastanti de anno in anno debitamente si abbiano a publicare e cosi a pieno il di sequenti quanto in essi era adimpiro como di la publicatione d’essi soprastanti nello registro di li offitii publicati de la cancellaria publicamente appare e contiensi.

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sogar zehn Jahre im Voraus. Ihre Namen wurden dann auf Zettel geschrieben und in einer Wachskugel verschlossen in einer mit zwei Schlössern versehenen Urne aufbewahrt, um jedes Jahr zwei neue Amtsträger zu ziehen. Allerdings durften die bereits amtierenden Beamten auch weiterhin im Amt bleiben, wenn sie als gute und verlässliche Männer bestätigt wurden.76 In Piacenza bestand der Vorstand des Monte aus sieben Adeligen und Bürgern guten Rufs, die keinerlei Verbrechen oder Wucher begangen hatten. Die Statuten führen in bemerkenswertem Unterschied zu den meisten anderen Städten aus, dass die praesidenti keinerlei arte merchantile ausüben durften und über dreißig Jahre alt sein sollten. Noch detaillierter heißt es, dass immer zwei der Vorsteher Doktoren des Rechts der dortigen juristischen Fakultät sein mussten.77 Diese Bestimmung erscheint im Lichte der zum Gründungszeitpunkt des Monte di Piacenza (1490) gerade stattfindenden Streits um die Rechtmäßigkeit der Zinsnahme in den Montes nicht weiter verwunderlich. Durch die Beschäftigung der Rechtsexperten versuchte man sich abzusichern gegen Wuchervorwürfe. Auch in Piacenza wurde ein aufwendiges Wahlverfahren durch Losen festgelegt. Als Begründung für dieses mehrstufige Verfahren wird angegeben, dass man die Wahl ohne den „Makel des Verdachts der Parteilichkeit“ (senza macula alchuna ne sospitione de partialitade)78 abhalten wolle, wobei de facto eine Kombination aus Wahl und Zufallsverfahren die Auswahl des Vorstandes steuerte. Zunächst nominierte der Stadtrat im Beisein des Bischofs und der Kommissare und des Podestà sowie einiger Kirchenvorsteher elf Doktoren des Rechts und 33 Adelige. Dann wurden alle Namen auf Wachskugeln geschrieben und in jeweiligen Urnen verwahrt. Aus beiden Gruppen wurden nacheinander nochmals sechs Doktoren bzw. 17 Adelige und Bürger gewählt durch das Leitungsgremium. Die Namen derjenigen mit den meisten Stimmen wurden dann in eine weiße Urne gelegt, die der anderen in eine grüne. Aus der Vorauswahl wurde dann nochmals geheim durch den Guardino der Kirche von Nazareth mit einem anderen Bruder an einem geheimen Ort ausgezählt. Die Namen der Gewählten wurden schließlich auf Zettel notiert in einer Kasse verschlossen. Im nächsten Schritt wurden dann zwei der Namen aus der Urne mit den Juristen gezogen, und fünf Namen aus der Urne mit den Adeligen und Bürgern, so dass der siebenköpfige Vorstand auf das erste Jahr des Monte gewählt war.79 Doch nicht für alle Vorstandsmitglieder endete die Amtszeit nach einem Jahr. Von den fünf Adeligen und Bürgern wurden nochmals zwei durch Zufall ausgewählt, aus der Gruppe der Juristen einer, die ein weiteres Jahr im Amt blieben80 und zusammen mit den neu gewählten vier Personen den Monte weiterhin vertraten. Somit konnte eine gewissen Kontinuität in den

76 Weber, Les origines, S. 90 f. 77 Ebd., S. 114. 78 Ebd. 79 Ebd., S. 114 f. 80 Ebd., S. 115.

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Anfangsjahren des Monte von Piacenza gewährleistet werden. Auf die Wahl folgte der Amtseid, der wörtlich überliefert ist. Sie schworen: fidelmente exercire et pertractare il suo officio et presidentia senza fraude alchuna; et rimosso ogni timore, precio et preghere, odio, dano et guadagno et ogni altra humana gratia, governare, disponere, ordinare, mantenire et diffensare tuto quello sia et concerna lo honore et utilita et bene del dicto Sancto Monte, et evictatione de dano ad ogni sua possanza.81

Die rituelle Absicherung der Arbeit des Vorstandes durch den Amtseid sowie seine geheime Wahl, wie sie in vielen Fällen sehr ausführlich in den Quellen beschrieben wird (allein in Piacenza sind es sieben Kapitel der Statuten), charakterisieren das Bemühen der Institution um Objektivität und Transparenz bei der Zusammenstellung ihres Leitungsgremiums und verweisen somit auf ein erstes Element der Vertrauensbildung. 4.3.2 Externe Buchprüfer: Kontrolle der Monti durch die Stadtregierung Zur Kontrolle des Monte von städtischer Seite aus gehörten von der Stadtregierung nominierte externe Buchprüfer. Das Kapitel 13 der Perusiner Statuten von 1462 verfügte beispielsweise, dass jedes Jahr am Ende der Amtszeit eines Depositarius und der übrigen Beamten vier Buchprüfer gewählt werden sollten, darunter zwei Religiosen vom Bischof und zwei weltliche Vertreter durch den Stadtrat. Ihre Aufgabe war es innerhalb eines Monats alle Bücher zu überprüfen.82 Bestätigt und präzisiert wurde das Ganze 1467, wonach zwei vom Governeur der Stadt und den Prioren ernannte Buchhalter (ragioneri) entsendet wurden, um alle Bücher des Monte zu prüfen. Ihr Lohn betrug sechs Fiorini.83 Nach der Buchprüfung durften die Stadtherren, genauer der Bischof und seine Vikare wie auch der Governatore, auf die Einnahmen des Monte zugreifen.84 Dieser Befund zeigt die enge Bindung des Monte an die Stadt, auf deren Kapitalfluss die Oligarchen direkten Zugriff hatten. Denkbar ist dies etwa im Falle von Krisen, als der Monte – wie in Florenz – eine Art Hausbank der Medici wurde, oder auch in Rom, wo der Monte seit dem 17. Jahrhundert direkt mit der Kurie verbunden war. Im Positiven unterstützten jedoch auch die Stadtoberen die Existenz des Monte, indem sie fehlende Gelder ersetzten, im Negativen nutzten sie den Monte als Hauskasse.

81 82 83 84

Ebd., S. 118. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 265 f. Ebd., S. 303. Ebd., S. 304.

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4.3.3 Die Beamten Neben dem Vorstand als Leitungsgremium gab es die Beamten, die die Tagesgeschäfte, also Pfandleihe und Geldeinlagen vor Ort abwickelten. Die Arbeit der Beamten wurde häufig recht knapp in den Statuten der Monti beschrieben und geregelt. Die Texte sind in Gestalt und Wortlaut sehr ähnlich. Deshalb werden an dieser Stelle lediglich die Statuten aus Rom, ergänzt durch Belege aus Perugia, beispielhaft ausgewertet. 4.3.3.1 Der Depositarius Die zentrale Managementfunktion eines Monte kam, wie erwähnt, dem Depositarius zu: Er zahlte die Löhne an die Bediensteten des Instituts aus, zudem verwaltete er das gesamte Geld des Monte und kontrollierte die Rechnungsbücher und Pfandlisten, über die er dem Vorstand bei jeder Kongregationsversammlung bzw. einmal im Monat Rechenschaft abzulegen hatte. Er durfte ohne deren Zustimmung lediglich einen Scudo des Kapitals eigenmächtig ausgeben und sollte sein Amt mit Barmherzigkeit (carità), Beflissenheit (zelo) und Gottesfurcht ausüben. Zu seinen Eigenschaften heißt es in den römischen Statuten von 1565: Sia piacevole, et cortese, et se gli mancano denari sia abbondante di buone parole.85 Das Kapitel 10 über seine Pflichten in den Statuten von 1581 stellt vor allem die Rechenschaftspflicht (in Form der monatlichen Abrechnung von Soll und Haben sowie die jährliche große Buchprüfung) gegenüber den Provisoren und dem Vorstand nochmals heraus. Zudem wird betont, dass seine Arbeit ehrenamtlich zu erledigen sei.86 Und da dieses Amt von so großer Bedeutung ist, durften die Provisoren den Amtsträger im Falle eines Vergehens sofort – jedoch mit Zustimmung des Kardinalprotektors – absetzen. Das 1. Kapitel der Statuten aus Perugia von 1462 enthält Bestimmungen zu den Aufgaben des Depositarius, der das Geld entgegennimmt und verwahrt. Er solle, so wie die anderen gewählten Beamten des Monte und wie gute Kaufleute, genauestens Buch führen, la intrata da per se e da per se la uscita ad uso di buoni mercanti.87 Auch in Perugia wurde der Depositarius durch Losverfahren gewählt. Dabei wurden mit den Namen der Kandidaten versehene Bohnen in zehn Kartuschen in eine Urne gegeben. Wer die meisten Bohnen erhielt, wurde zum Depositarius.88 Ihm zur Seite standen zwei „intelligente und gute“ Bürger zur Verwahrung der Pfandobjekte, dazu zwei Hilfsknaben (garconi). Sie sollen die Pfänder in gutem Zustand und unbeschadet zurückgeben, genauso wie der Depositarius mit Sorgfalt das 85 Tamilia, Il Sacro Monte, S. 127. 86 Arcelli, Gli statuti, S. 98. 87 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 261. 88 Ebd.

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Geld verwalten musste, wie das 5. Kapitel festhält. Die Beamten hafteten persönlich für eventuell entstandenen Schaden oder Verlust.89 Alle Beamten wurden auf ein Jahr gewählt, es war ihnen verboten vom Amt zurückzutreten. Sie konnten sich im schlimmsten Fall durch eine Zahlung von fünfzig Fiorini freikaufen, eine Summe die sicher so hoch war, dass die meisten dieses Amt schließlich doch bekleideten.90 Die Bestimmungen der Statuten werden ergänzt um ein interessantes Dokument, das den Namen und den Beruf des ersten Depositarius des Monte di Perugia nennt und uns ebenfalls einen Blick auf seinen Hauptberuf erlaubt: Gasparre di Francesco war ein Händler (mercante) aus der Stadt. Seine Wahl und auch sein Amtsschwur wurden schriftlich festgehalten und von Tommaso di Vico do Maldo, ebenfalls Händler, als Zeuge bestätigt.91 Die päpstliche Approbation von 1467 hielt fest, dass der zum Depositarius Gewählte nicht nur gottesfürchtig und von gutem Ruf, sondern auch Experte im Umgang mit Geld sein sollte, genauer: er sollte einen banco auf der Piazza besitzen: Item che per abisogno del ditto Monte si debbia omne anno cavare per saccho uno dipositario che abbia banco in piazza et sia persona di buona fama e timente Dio el quali sia tenuto giurare et suficientemente ricoltare al governatore et priori.92 Er und seine Helfer sollten ständig im Monte anwesend sein, um die Pfänder, das Geld und die Bücher gut zu verwalten. Die hier sichtbaren Anforderungen in Bezug auf die Professionalität des Depositarius als im Umgang mit Geld geübter und wohl auch gut vernetzter Mensch sind Ausdruck des Strebens um Effizienz im Umgang mit dem Kapital des Monte. Seine Gründer richteten ihn als professionelles städtisches Finanzinstitut ein, in dem die Finanzelite der Stadt zum Wohle der Armen und zum Wohle aller ihre Kompetenzen einbringen sollte. 4.3.3.2 Der Kassierer (cassiere) Das flüssige Kapital des Monte verwaltete der Kassenwart. Er sollte, so die Statuten aus Rom von 1565, wöchentlich den Inhalt des Tresors in das Buch schreiben. Er durfte nur unter Aufsicht des Abgeordneten ein Darlehen auszahlen und ausschließlich mit Genehmigung der Kongregation Geld verleihen. Er arbeitete sehr eng mit dem Buchhalter (computista) zusammen, mit dem er jeweils zu Monatsbeginn seine Bücher abzugleichen hatte. Der Buchhalter hatte die Hauptkontrolle über alle Ausgaben und Einnahmen des Monte, er haftete mit seinem Gehalt für die Rechtmäßigkeit der Bücher, weshalb er besonders verlässlich und von Betrug fern sein sollte.93 Der

89 90 91 92 93

Ebd., S. 262 f. Ebd., S. 266. Ebd., S. 268 f. La promessa di ricolta dil primo dipositario del Monte, cio e di Gasparre di Francesco. Ebd., S. 302. Tamilia, Il Sacro Monte, S. 131.

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Kassenwart kassierte und quittierte alle Zahlungen, Mieten und andere Kredite und Gebühren. Außerdem hatte er alle Auszahlungen zu leisten. Diese wurden mit seiner Unterschrift und der des computista beglaubigt.94 4.3.3.3 Der Buchhalter (computista) Die Statuten von 1565 sehen die Hauptaufgabe des Buchhalters in der Rechenschaft gegenüber der Kongregation über die laufenden Geschäfte des Monte. Der computista musste einen Überblick über alle Bücher der Einrichtung haben. Dazu gehörten, wie die Statuten von 1581 präzisieren, das Hauptbuch (libro principale di esso di rincontro con il Custode), das Buch über alle Depositengeschäfte, das Buch über alle Darlehensverträge sowie alle Bücher über Ausgaben und Einnahmen samt Jahresbilanzen etc.95 Er war verpflichtet, immer zu Monatsbeginn der Kongregation eine Liste aller Pfänder des Jahres vorzulegen, falls er es versäumte, wurden ihm drei Giulii von seinem Gehalt gestrichen. Er sollte vertrauenswürdig (fedele) und vorsichtig (prudente) sein, er sollte nicht betrügen noch sich betrügen lassen. Weiter heißt es in der Statutenfassung von 1565: sia dilegente, et siano lungi da lui le fraudi, havendo sempre in memoria che se, è maldetto chi fa opra di Dio con negligenza molto maggiormente, è, chi la fa con fraude.96 Der mehrmalige Hinweis auf Betrug durch Kassierer und Buchhalter deutet darauf hin, dass solche Vergehen der Beamten wohl häufiger vorkamen. 4.3.3.4 Der Schätzer (estimatore) Besondere Sorgfalt sollte in die Wahl des Pfandschätzers (estimatore) fließen, dessen Urteile zum Wert der Pfänder entscheidend war für das Wohl der Institution.97 Folglich wird hierfür eine besonders fachkundige Person gefordert, ohne dass dies etwa durch Nennung eines Berufs wie Goldschmied präzisiert wird. In den römischen Statuten von 1565 heißt es hierzu knapp: Sappia conoscer le qualità, et valor delli pegni.98 Auch hier werden Vorsicht und Vertrauenswürdigkeit als wichtige Eigenschaften genannt. Der Schätzer organisierte überdies den Verkauf der nicht eingelösten Pfänder sowie das vorherige Auftreten des Trompeters. Bei der Versteigerung hatte er anwesend

94 Arcelli, Gli statuti, S. 105. 95 Ebd. 96 Tamilia, Il Sacro Monte, S. 131. 97 In den Statuten des Monte di Roma heißt es: L’estimatore può apportar molto danno al Monte. Ebd., S. 132. 98 Ebd.

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zu sein und bezog wohl auch einen Teil seines Gehalts aus dem Verkauf der Pfänder, durfte aber – wie alle anderen Beamten auch – nicht mitbieten.99 Die Statuten von 1581 bestimmten nochmals, dass der Estimatore keine Pfänder akzeptieren durfte, die nicht in der päpstlichen Gründungsbulle eingetragen sind. Er sollte nur mit dem Einverständnis der Provisoren bzw. der Kongregation handeln. In den Statuten des Monte von Macerata wird der Expertenstatuts des stimatore einmal explizit festgelegt. Alle Schmuckgegenstände sollten von einem Goldschmied bewertet werden: Aurifex, quod tenet pondera Comunis, gratis sagiet argenta; et si non bene sagiaret, ipse teneatur de suo refundere.100 Zudem wird präzisiert, dass der Goldschmied dieses Amt ausüben sollte, der auch die städtische Waage verwaltete, also direkt ein städtischer Beamter war. Wenn er die Bewertung nicht gut durchführte, so war er haftbar. Im nächsten Kapitel wurde verfügt, dass die Prioren des Monte alle drei Monate einen Schneider aus Macerata wählen sollten, der unentgeltlich und vereidigt die Stoff-Pfänder schätzte: Magnifici domini Priores, pro tempore existentes, eligant de tribus mensibus in tres menses unium sotorem de Civitate, qui gratis et cum iuramento extimet pignora pannorum.101 4.3.3.5 Der Pfandmeister (custos oder factore) Der Pfandmeister war für die Sicherheit und Verwahrung des Pfandlagers zuständig, er sollte zudem nahe beim Gebäude des Monte wohnen und sich um die Lagerung, Sauberhaltung und den Erhalt der Pfänder kümmern.102 Im Sommer sollte er einmal monatlich, im Winter alle zwei Monate eine Inventur der Pfandgegenstände durchführen, um ihren Erhaltungszustand zu überprüfen. In der Fassung von 1581 wird wiederum präzisiert, dass insbesondere alle wollenen Gegenstände wegen möglicher Mottenschäden gesichtet, ausgeschüttelt und geputzt werden sollten.103 Der Pfandmeister bürgte persönlich für jeden Schaden an den Objekten. Dieses Amt wird als so wichtig wie alle anderen Ämter des Monte zusammen bezeichnet, da sich in seinen Händen quasi das Wohlergehen des Monte befinde (da nelle sue mani si ritrova tutto il stato del Monte).104 Der Pfandmeister hatte den Buchhalter wöchentlich über verkaufte Pfänder und das daraus eingenommene Geld zu informieren. Er sollte einen Eintrag über den Erhalt des

Arcelli, Gli statuti, S. 106: pero sia obligato ritrovarsi sempre alle vendite de pegni, insieme con quelli, che alla giornata vi saranno deputati. 100 Weber, Les origines, S. 97. 101 Ebd. 102 Tamilia, Il Sacro Monte, S. 132 f. 103 Arcelli, Gli statuti, S. 107: rivedere tutti i pegni di lana, & quelli spandere, & nettare, acciò che non si guastino, & corrompino, & se non lo fara, sia obligato a tutti i danni, che di cio succederanno al Monte, & al li patroni de pegni. 104 Tamilia, Il Sacro Monte, S. 132. Dieser Passus erscheint ebenfalls in der Fassung von 1581. Arcelli, Gli statuti, S. 107. 99

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Pfandes in ein eigenes Buch machen, das mit dem Buchhalter und dem Kassierer abgeglichen wurde, wobei einer des anderen Buch mit seiner Unterschrift zu beglaubigen hatte.105 Auch er erhielt eine Provision, nachdem er die Pfänder verkauft hatte, gerundet auf 15 Tage oder am Monatsanfang. Allerdings war ihm strengstens untersagt, eigenmächtig Pfandobjekte zu verleihen oder zu seinem Nutzen einzusetzen. Auch hier ein Hinweis auf möglichen Amtsmissbrauch zum eigenen statt zum gemeinen Nutzen. In einem solchen Fall drohte ihm eine Geldstrafe in Höhe des doppelten Pfandwerts106 bis hin zum Verlust seines Amtes.107 Sein Gehalt (ohne Angabe der Höhe) erhielt er monatlich wie von der Kongregation bestimmt, zudem ein Zimmer im Gebäude. In Perugia wurden zusätzlich 1467 drei vereidigte garconi zur Verwaltung und Instandhaltung der Pfänder eingesetzt. Sie erhielten einen Jahreslohn von zwei bis drei Florin und mussten verlorene oder beschädigte Pfandobjekte durch das doppelte ihres Wertes ersetzen.108 4.3.3.6 Anwalt und Prokurator Die Monti – wie beispielsweise der römische – beschäftigten interessanterweise auch Anwälte, die – eingesetzt durch die Provisori – die Interessen des Pfandleihhauses vertraten und bei allen Kongregationsversammlungen anwesend waren. Solche Dienste scheinen erforderlich gewesen zu sein, denkt man an den möglichen Verlust oder die oben genannte Beschädigung von Pfändern und daraus folgende Schadensersatzklagen. Während in den früheren Statuten Roms nur von einem sollicitore die Rede ist, werden in der späteren Fassung als Interessenvertreter sowohl zwei Anwälte (mandatari) als auch ein Prokurator genannt. Ihre Aufgabe war es, den Monte bei Streitigkeiten zu vertreten sowie – im Falle der Anwälte – dafür zu sorgen, dass die Anordnungen der Provisoren verbreitet und ihre Durchsetzung überwacht wurden.109 Dies betraf insbesondere die Aufzeichnungen der Juden über erzielte Gewinne aus Pfandverkäufen, die Überwachung der Beamten bei der Pfandleihe und dem Verkauf sowie das Sammeln von Spenden bei der Prozession und in den Kirchen Roms. Sowohl die Sachwalter wie der Prokurator wurden monatlich entlohnt. Letzterer sollte einen Scudo pro Monat erhalten, das Gehalt der Anwälte wird in den Statuten nicht erwähnt. Sie erhielten zudem Dienstkleidung auf Kosten der compagnia: eine rote Robe, ein Paar Schuhe, Socken und eine rote Kappe.110 In Perugia mussten ab 1467 die städtischen Beamten, 105 Arcelli, Gli statuti, S. 107: Tenga libro de rincontro col Computista del prestare, & libro di rincontro del riscuotere col Cassiero, & ogn’uno di loro sottoscriva il libro dell’altro. 106 Ebd.: Non presuma, o, ardisca adoprarne alcuno in suo uso, o commodità, e prestare ad altri sotto pena del doppio del valore del pegno da essigersi incontanente. 107 Arcelli, Gli statuti, S. 107. 108 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 301. 109 Arcelli, Gli statuti, S. 108. 110 Ebd., S. 109.

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genauer die Konsuln der Handelsgilde (consoli de la Mercanthia) und die Auditoren der Geldwechslerzunft (auditori del Cambio) dem Monte als Appellationsinstanz bei Konflikten zur Verfügung stehen.111 Auch an diesem Beispiel wird die Verschränkung städtischer Wirtschaftsexpertise mit der Kleinkreditanstalt deutlich. 4.3.3.7 Der Notar Der Notar war in Perugia, wie anderswo auch, für die Beglaubigung und Überwachung der Pfandgeschäfte sowie aller Depositengeschäfte und der Versteigerungen zuständig. Sein Gehalt wurde aus den Pfandverkäufen bezahlt. Er hatte auch den Depositarius zu überwachen, der Spenden und Einlagen nur in Anwesenheit des Notars und nicht mehr als 25 Fiorini empfangen durfte.112 In den Reformbestimmungen aus dem Jahr 1465 wurde die Festanstellung eines Notars und eines consulatore zu einem Lohn von zehn Fiorini festgelegt113 und 1467 auf 15 Fiorini erhöht.114 Auch musste er immer einen schriftlichen Überblick über alle Einnahmen durch Depositen, Strafgelder, Spenden oder Zinsen haben.115 Sorgfältigkeit bei der Buchführung mahnen alle der hier untersuchten Statutentexte an. Manche geben ausführlichere Informationen zur genauen Zahl und Art der Bücher, wie am Beispiel Cingoli zu zeigen ist: Das neunte Kapitel der dortigen Statuten führt aus, dass der Monte drei Rechnungsbücher führen musste. Im ersten Buch wurden alle Einnahmen, auch Depositen verzeichnet. Im zweiten Buch standen alle Ausgaben, wobei getrennt aufgezeichnet werden sollte, was an Lohn an die Beamten ging und was an außergewöhnlichen Ausgaben vom Monte geleistet wurde. In einem weiteren Teil dieses zweiten Buchs wurde der Lohn des Buchhalters aufgeschrieben. Das dritte Buch verzeichnete alle Pfandleihgeschäfte.116 4.3.3.8 Hilfsknaben (fancelli) In der Statutenergänzung von 1466 aus Perugia taucht das Amt des Hilfsknaben (fancello, fancullo) erstmals auf.117 In fünf Kapiteln erfahren wir von diesen auf ein Jahr gewählten Helfern, die die Hauptbeamten bei ihrer Arbeit unterstützten. Der fancello musste im Haus des Monte wohnen und bei der Buchführung und der Pfandleihe 111 112 113 114 115 116 117

Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 307. Ebd., S. 265. Ebd., S. 292. Ebd., S. 303. Ebd., S. 307 und S. 318 f. Weber, Les origines, S. 133 f. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 297 ff.

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ebenso wie bei der Verwahrung der Kasse behilflich sein. Er durfte niemandem sonst dienen, sonst drohte ihm der Rauswurf.118 Er durfte sich auch nicht von seinem Arbeitsplatz entfernen und auch nicht von irgendwem vertreten lassen. Sein Gehalt, über das wir nicht unterrichtet werden, durfte er mit niemandem teilen. Falls doch, verlöre er den Anspruch darauf und das Gehalt fließe dem Ospedale della Misericordia zu. Offensichtlich arbeitete der fancello eng mit dem Depositarius zusammen. Beide, so das 5. Kapitel, durften ihre Amtszeit nicht über fünf Jahre ausdehnen. Das der Bestimmung beigefügte Schreiben bestätigte die Wahl des Gratioso di Guerriere di Porta Soli zum fancello des Monte.119 Zu seinen Aufgaben gehörte ebenfalls die Buchführung und der Umgang mit Strafzahlungen im Falle, dass die Käufer verfallener Pfänder doch nicht zahlten, was offensichtlich durchaus vorkam und dementsprechend am 9. Juli 1466 geregelt wurde. Die Strafe hierfür betrug vier Bolognini pro Fiorino Wert des gekauften Gegenstandes.120 4.3.4 Entlohnung der Beamten – Zins Die vorangegangenen Bestimmungen werfen die Frage nach der Entlohung der besoldeten Beamten des Monte auf. In den allermeisten Fällen wurden sie aus den Zinseinnahmen entlohnt.121 Dies geht z. B. aus einer Bestimmung der Kongregation des Perusiner Monte vom 18. Februar 1463 hervor.122 Da die Stadt Perugia nicht gezwungen war (so wörtlich) für die Löhne der Beschäftigten des Monte aufzukommen, beschloss man, diese durch Zinseinnahmen zu finanzieren. Diese Bestimmung ist angesichts des später aufbrandenden Expertenstreits zur Zinsnahme doch sehr bemerkenswert. Deshalb sei der Text an dieser Stelle zitiert:123 che le pecunie dil ditto Monte receveranno in presto acciò che la comunità di Peroscia non sia costrecta di suo proprio a pagare il salario di soprastanti a di garconi dil dicto Monte e di al pigione di la casa dove li pegni si servaronno, concio sia cosa che l’ sia regionevole e giusto che tali incharco sia soportato da coloro che recieveranni la prestanca alla comodità di quali e ordinato esso Monte.

Auch die Höhe der Zinsen von zehn Denaren pro Gulden pro Monat wird hier genannt: 118 Ebd., S. 297. 119 Ebd., S. 298. 120 Ebd., S. 299: el fancello del dicto monte sia tenuto mettere et scrivere ad rascione del pegno de tal pagante ad pena de X libbre da pagarse de facto in questo modo. 121 In Cingoli wurde zwar Zins in unbekannter Höhe genommen, jedoch wird nichts über dessen Verwendung gesagt. Weber, Les origines, S. 137. 122 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 279. 123 Ebd.

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oltra la rata di la quantità prestata, denari dieci per ciascuno fiorino per chiascuno mese et non piu, […] in niunno modo e questo per salario li ditti soprastanti e di loro garcone e per la pigione di la ditta casa e fatiche loro da farsi quando li pegni si dipongono e questo quando rescuoteranno e cosi per lo ditto anno servare e adimpiri volsero e mandaro, non obstanti ciascuna cosa in contrario.

Diese Bestimmung wurde nochmals durch eine offizielle Festlegung mit fast gleichem Wortlaut124 bestätigt und ergänzt durch die Bemerkung, dass die Zinsen auch wirklich monatlich abgerechnet werden. Jeder, dem mehr Zinsen berechnet wurden, hatte das Recht sich an den Vorstand zu wenden und entschädigt zu werden.125 Ein Dekret des Bischofs von Perugia, Iacopo Vanucci da Cortona, vom 22. Februar 1463 bestätigte die Zinsnahme zum Zwecke der Entschädigung der Beamten per laboribus et tediis ac periculis recipiendi, scribendi, conservandi restituendi sive etiam vendendi dicta pignora et pro apodixis et scripturis quas facient dum illa accipient et rursus dum illa restituent. Auch die Höhe des Zinses wurde genauestens festgelegt: pro Florin sollten zehn Denare für einen Monat genommen werden.126 Das entspricht einem Zinssatz von rund vier Prozent pro Monat und 48 Prozent im Jahr. In den römischen Statuten von 1565 wurde in Kapitel 3 dann festgehalten, dass keinerlei interesse über das mutuum hinaus verlangt werden dürfe, falls ein Pfand abhandengekommen sein sollte.127 Die päpstliche Bestätigung von 1467 beschreibt nochmals genauer die Verwendung der Zinseinnahmen in Höhe von sechs Denaren pro Gulden (entspricht 2,5 Prozent). Diese sollten zu einem Achtel an den Depositarius gehen, der davon seine Ausgaben, z. B. für Schreibpapier und andere administrative Zwecke, bezahlt. Die restlichen sieben Teile der Einnahmen sollten für die Miete, die Löhne des Notars, der Knaben, des Trompeters und der Buchprüfer ausgegeben werden. Dazu für Papier, Wachs, Kerzen, Öl, Faden und Feuerholz.128 Die Statuten von L’Aquila hielten ebenfalls fest, dass alle Löhne der Beamten aus den Zinseinkünften (della intrata delli denari per ducati) kommen sollten. Auch dem Wuchervorwurf begegnete der Ver124 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 280. 125 Ebd., S. 280: e pertanto chi volesse acattare di denare d’esso Monti secondo la regola et capituli sopra di cio ordinati, vada a li sopraditti soprastanti e serà sovenuto. 126 Ebd., S. 324: si pignus fuerit positum pro uno floreno at apud eos steterit tantum uno mese, decem denarios et non ultra, si vero fuerit positum pro duobus mensibus denarios quadraginta, quod si fuerit positum pro minori aut maiori quantitate quam dictum sit vel si steterit apud eos breviori aut longiori spatio temporis quam supra expressum, tunc similiter recipiant eorum provisionem pro rata et proportione predictis, quo ad quantitatem et quo ad tempus singula singulis congrue referendo. 127 Ebd., S. 291: Capitulo tercio: che li pegni furati si rendano a lo patroni pagando il capitali e non piu: Item che se alchuno pegnio fussi posto o imoegnato nel ditto persto o Monte el quale fusse cosa furata, provato il patrone che sia il suo, il possa reschuotere pagando il capitali e non sia tenuto a niuno interesse oltra la sorte mutuata. 128 Ebd., S. 303: che el dipositario abbia la octava parte e abbiasi ad provedere alle suoi spese de la carta a altre cose gli bisognassono per administratione del suo offitio. L’altre sette parte siano de li soprastanti e essi paghino la pensione de la casa, salari del notario, garcioni, trombecta et ragionieri, carta, cera, candele, olio, legna da fuoco, filo et tucte altre spese necesssarie all’ aministratione del dicto Monte.

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fasser der dortigen Statuten, der Franziskaner Jacopo della Marcha sogleich: Et niuno ardisca dire che questo sia usura perché io frate Jacobo et tanti altri valenti homini che ha soctilemente scutrinata questa cosa non celaveremo posto.129 Die zeittypische Uneinigkeit des Entscheidungsgremiums in L’Aquila wird im darauffolgenden Kapitel deutlich: Obgleich Gott selber den Zins (intrata) von sechs Denaren pro Dukat bestimmt hätte, sei es doch anzustreben, dass dieser weiter begrenzt und herabgesetzt werde auf vier oder gar drei Denare pro Dukat.130 Und nochmals am Ende der Statuten wird auf den nicht-wucherischen Charakter der Zinsen verwiesen mit den Worten: Et cusi questi sey denari no escano della summa che gle prestata et cosi no e usura. Alli intelligenti cusi como dice lo apostolo Paulo I contra Ephesos, militat stipendijs suis unquam.131 Deutlich wird dies auch in Statuten des kurz zuvor (1514) verfassten Monte frumentari in Terni. Dort wurde zwar ein sehr geringer Zins genommen in Höhe von un quatrino per ducato al mese, jedoch unter Vorbehalt. Heißt es doch in den Statuten, dass dies nicht für ganz arme Kunden gelte, denen man gratis und aus Gottesliebe Geld bis zu einer Summe von dreißig Schillingen leihen solle.132 Man versuchte hier also, wie anderswo auch, den Zinssatz gemäß dem Kirchenrecht möglichst niedrig zu halten. Das zentrale Argument waren die laufenden Kosten zum Erhalt des Monte, darunter die Löhne der Angestellten. So sollten die Löhne des Kassierers und des Depositarius in Terni als Entschädigung aus dem Zins bezahlt werden. Die Statuten nennen leider nicht die Höhe der Summen. Auch die Pfandmeister erhielten einen Lohn (wieder keine Angabe) per sue mercede e salario pur de dicti quatrini solvendo.133 Einschränkend heißt es weiter, dass sie sich nur so viel Lohn auszahlen durften, wie dem Monte möglich war. Die kontrollierte und rechtmäßige Auszahlung der Löhne war alle vier Monate aus einer Kasse mit vier Schlüsseln vorgesehen.134 Alle Gewinne, die der Monte sonst erwirtschaftete, sollten an die Allgemeinheit zurückgegeben werden: Item, statuiomo, se in ciascuno anno se recogliense piu de li quatrini che transcendessero la summa de quello conveniente satisfare li salariati, vogliamo che si facia uno bando per la cità, nel qual si facia intendere como ultra lo salario de li ministri de lo Monte, vi sono avanzati certi quatrini, unde se alcuno volesse la restitutione de quello che ha pagato al Monte, debia comparere in termino de 10 zorni, et a lui constando che haverà soluto al Monte li serano gratiosamente renduti. Et se non comparerano siano reservati da dicti conservatori et collocati ad opere pie, secondo che parerà a loro piu espediente et opportuno. Ne per nullo respetto siano applicati al Monte.135 129 Weber, Les origines, S. 88. 130 Ebd. 131 Ebd., S. 92. 132 Ghinato, Terni, S. 103: Excludiamo li poveri, a li quali gratis et amore vogliamo li sia subvenuto fino de 30 soldi senza alcuno gravamine de pagar alcuna cosa. 133 Ebd., S. 102. 134 Ebd., S. 103. 135 Ebd., S. 102. „Wir verfügen und wollen, dass in jedem Jahr, in dem mehr Geld als zur Deckung der Lohnkosten nötig ist, eingenommen wird, eine Ausrufung in der ganzen Stadt gemacht werde, in

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Das Ende dieser Passage zeigt die Intention der Vorsteher, den Monte unter keinen Umständen als gewinnorientiert erscheinen zu lassen. 4.4 Der Ablauf der Pfandleihe Der grundsätzliche Ablauf der Pfandleihe wurde in den Statuten von Perugia von 1462 wie folgt in wenigen Worten festgehalten: Die Pfandmeister stellen den Schuldnern ein Zertifikat oder einen Beleg (polizza, bollecta oder cedola genannt) aus, auf dem alle Angaben zum Darlehen verzeichnet sind, das dann dem Depositarius vorgelegt wird. Der Kassierer zahlt die Darlehenssumme aus. Kann der Schuldner den Schuldschein nicht vorzeigen oder hat er ihn verloren, musste er schwören beim Monte ein Pfand zu besitzen und den Offizialen genügend Geld zurückzahlen.136 Der Wert eines Pfandes wurde vorher durch den stimatore geschätzt und dann auf dem Zertifikat bzw. Versatzzettel (cedola) eingetragen. Die Wertigkeiten der Objekte wurden unterschiedlich geregelt, jedoch war die Darlehenssumme immer niedriger als der eigentliche Wert des Pfandes, damit der Grundbetrag des mutuum plus die Zinsen bei der Versteigerung erlangt werden konnten. In Rom beispielweise sollten alle Pfänder ein Drittel unter ihrem Wert geschätzt werden.137 In L’Aquila wie auch in Piacenza wurde sogar nur die Hälfte des tatsächlichen Werts auf dem Schuldschein eingetragen.138 Beim Auslösen des Pfandes sollten die Schuldner erst zum Depositarius gehen, ihm den Schein und das Geld vorlegen und daraufhin ihr Pfand beim Pfandmeister abholen.139 1467 wurde in Perugia bestimmt, dass Pfandgegenstände nicht sofort wieder erneut verpfändet werden durften, hier galt eine achttägige Sperrzeit. Auch wurde zugunsten des Monte immer der volle Darlehensmonat abgerechnet, auch wenn ein

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der berichtet wird, dass – nach der Belohnung der Monti – Geld übrig geblieben ist; somit soll jeder, der die Restitution der Mittel, die er an den Monte gezahlt hat, wünscht, innerhalb von zehn Tagen beim Monte erscheinen: und kann man feststellen, dass er dem Monte eingezahlt hat, so soll ihm das Geld gnädig zurückgegeben werden. Und falls niemand erscheint, so sollen die Mittel von den Konservatoren aufbewahrt werden und wohltätigen Zwecken zufließen, so wie es ihnen günstiger und angemessener erscheint. Auf keinen Fall sollen sie dem Monte übertragen werden.“ So verfügten die Statuten von Piacenza, Weber, Les origines, S. 136. Tamilia, Il Sacro Monte, S. 132: Et in tutte l’altre cose habbia per fermo, et determinato ordine, ch’il valor del pegno sia almeno un terzo più di quel, che sopra esso di presta. Altramente sia l’Estimatore obligato del suo. In Cingoli wurde auch ein Drittel niedriger angesetzt als dem wahren Wert entsprach. Weber, Les origines, S. 133. Ebd., S. 86 bzw. S. 120. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 261 f.: e quando tornerà a reschuotere primo vada al dipositario e li paghi la vera sorte con lo interesse che sira dichiarato e esso dipositario la receva emetta ad intrata e facciali la contra polizza continiente: tali, rendete al tale il suo pegno, nominando il pegnio: e essi soprastanti, venduta quella, la intilzano e rendano il pegnio. Gleiches wiederholt Kapitel 6, ebd., S. 263.

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Pfand nur ein oder zwei Tage dort lag.140 Das Auslösen von Pfändern ist auch Thema des 24. Kapitels der römischen Statuten. Hierfür stand der Monte an zwei Tagen der Woche, Mittwoch und Samstag offen. Der Darlehensnehmer musste die Kreditsumme und den Zins beim Kassierer einzahlen, wobei der Computista anwesend war, und der Pfandmeister händigte ihm oder ihr daraufhin das Pfand aus. Alle drei Beamten hatten die Transaktionen in ihren jeweiligen – später abzugleichenden – Büchern zu dokumentieren. cioè che ritrovato dal Custode il pegno faccia pagar li denari tanto della sorte principale quanto dell’interesse decorso in mano del Cassiero, con la presentia del Computista, li quali Custode, Cassiero, e Computista, habbino ogn’uno di loro un libro a quest’effetto deputato con ascrittione di sopra di ciascuno di loro.141

4.4.1 Kunden Für die Leihe eines Kleinkredits beim Monte legten die Statuten u. a. detaillierte Zugangsvoraussetzungen fest, die eine Beschränkung auf einen tatsächlich „armen“ Kundenkreis vorsahen. Kunden, die beim Monte in Perugia Geld ausleihen wollten, mussten Einwohner der Stadt oder des contado sein und durften dies nur aus der Not heraus tun.142 Dass dies nicht immer der Fall war, geht aus der Regulierung von 1467 für den Perusiner Monte hervor, der das Leihen von Geld für Spiele, Handel oder per altra spese superflua, dannosa o vana unter Strafe (nämlich den Verlust des Pfandes) verbot.143 1470 wurden die Bestimmungen zur Verwendung gelockert. Nun durfte das Darlehen auch zum Zwecke der mercantia, also des Handels, eingesetzt werden.144 In Macerata hatte der Bedürftige sogar einen Zeugen aus seinem Stadtteil mitzubringen, der dessen Bedürftigkeit bezeugte.145 Auch musste der Schuldner dort dem Depositarius in die Hand schwören, die Mittel nur für sich und seine Familie und nicht für schlechte Zwecke zu verwenden.146 Die Statuten aus Piacenza von 1490 formulieren ausdrücklich, dass nur notleidende Personen beim Monte Geld ausleihen durften. Eine Verwendung

140 Ebd., S. 305. 141 Tamilia, Il Sacro Monte, S. 136. „Das heißt, nachdem von Pfandmeister das Pfand wiedergefunden wurde, wird der Betrag der Hauptsumme samt Zinsen an den Kassierer gezahlt, im Beisein des Buchhalters. Der Pfandmeister, der Kassierer und der Buchhalter verfügen jeder über ihr eigenes Buch, die zu diesem Zweck eigens mit Überschriften von jedem von ihnen versehen sind.“ 142 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 262 und Kapitel 6, S. 263. 143 Ebd., S. 304. 144 Ebd., S. 317. Como il denari dil Monte si possano acatare ancora per fare alcuna mercanthia. 145 Weber, Les origines, S. 87: Chi vole denarii dallo monte mene conseco quillo citadino dello quarto in soa testimonanzia. 146 Weber, Les origines, S. 87.

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für Handel, gewinnbringende Aktivitäten, Spiele, Luxusartikel, Schmaus und Protzerei war unter Androhung einer Gefängnisstrafe verboten.147 Interessant ist die Bestimmung, nach der Bauern aus dem contado der Stadt, die noch offene Schulden hatten oder denen rechtliche Verfolgung drohte, frei und unbehelligt an jedem Mittwoch, Freitag und Samstag zum Zwecke der Pfandleihe nach Perugia kommen konnten. Diese Bestimmung zeigt deutlich, dass der Monte auch Bauern aus dem Umland als Kunden hatte und diese zudem den Schutz der Institution genossen. Die Perusiner Statuten von 1465 wie auch die Statuten des Monte di L’Aquila (1466), Piacenza148 sowie auch Cingoli149 erklärten dann die Immunität ihrer Kunden gegenüber den Forderungen anderer Kreditoren und schützten sie somit rechtlich vor den Zugriffen anderer Gläubiger, was ein zentraler Vorteil der Monti gegenüber anderen Kreditgebern war. Offensichtlich verfolgten unzufriedene Kreditoren ihre Schuldner genau, um an die ausstehenden Gelder zu kommen.150 Auch wurde an gleicher Stelle verfügt, dass keinerlei im Monte befindliche Pfänder beschlagnahmt werden durften. Verliehen wurde Geld an Bürger Perugias und auch an Scholaren, wie das Kapitel 16 der Statutennovellierung von 1465 schreibt.151 Diese durften ihre Studienbücher als Pfänder hinterlegen, wie die Statuten von 1467 bestimmten.152 Neu war auch, dass alle Verfügungen und Anordungen in ein Buch (matrichula) eingetragen werden sollten, das der Notar Giovanni di Sante verwaltete.153 Dass die Studenten der Stadt offensichtlich regen Gebrauch vom Monte machten, geht aus einer Regulierung von 1470 hervor. Demnach sollten maximal tausend Florin vom Monte zur Subvention der Studenten für Bücher und Kleidung bereitgestellt werden, wobei maximal zwölf Florin pro Person verliehen werden durften. Auch sollte der Kassierer oder der fancello ein eigenes Buch über die Darlehen der Studenten anlegen.154 In den Statuten von Piacenza wurde festgelegt, dass leihende Angehörige einer in der Stadt oder im Borgo ansässigen Familie als Einheit gelten sollten, was den Zugang der Kunden einschränkte: et che non si possa prestare a piu persone de una medesima familia, che stieno insiema.155 Interessant ist der Eintrag über die Höhe der Leihsumme 147 Ebd., S. 121: capitulum ex qua causa possit mutuari: […] et che non si presti per casone de merchatare ne comprare cossa alchuna per guadagno, ne de zugare (venezianisch für spielen), luxuriare et golezare et pompezare. 148 Weber, Les origines, S. 122. Capitulum de pignoribus con sequestrandis, et de Iudicibus causarum montis, etc. 149 Ebd., S. 139. 150 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 291, Kap. 5. bzw. Weber, Les origines, S. 86. 151 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 293. 152 Ebd., S. 305. 153 Ebd., S. 293. 154 Ebd., S. 315 f. Como si diputano milli fiorini per lo abisognio de li studianti de lo studio perusino et como si possano prestare dodice fiorini per ciascuno o in sua veste propria in libro. 155 Weber, Les origines, S. 121.

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an dieser Stelle, der in den Statuten zunächst frei gelassen wurde, um eine flexible Regelung hierfür zu finden. Dass es durchaus auch Personengruppen gab, die als Kunden des Monte nicht infrage kamen, belegen die Statuten des Monte von Terni von 1514: dort wurde festgelegt, dass Geld an alle Bedürftigen – außer Prostituierte und Spielleute – verliehen werden durfte.156 4.4.2 Leihsumme und -dauer Auch die Höhe der Leihsummen und die Leihdauer wurden in den Statuten geregelt, wobei einerseits deutlich wird, dass die Monti tatsächlich bestrebt waren, kleine Kreditsummen auszuzahlen. Zum anderen zeigt sich auf lange Sicht ebenfalls die Flexibilisierung der Leihepraxis entsprechend den Bedürfnissen der Bevölkerung, also der Nachfrage nach höheren Krediten. Die reformierte Fassung der Statuten von 1465 legte die Verlängerung der Leihdauer auf ein Jahr fest.157 In L’Aquila wurden maximal fünf Dukaten über sechs Monate verliehen zu einem Zins von sechs Denaren pro Dukat.158 Der Depositarius in Perugia durfte die Darlehen nur in buona moneta e currente auszahlen; er konnte jedoch jegliche Spenden in Form von Gold oder anderen Münzen annehmen.159 In L’Aquila wurde bestimmt, dass die Schuldner wiederum das Darlehen in der gleichen Münzart zurückzuzahlen hatten: Wer Gold lieh, gab Gold zurück, Münzen (moneta) wurden für Münzen gegeben.160 Dem banchero (Kassierer) des dortigen Monte wurde ebenfalls die Verfälschung der Münzen durch Manipulation strengstens verboten. Nicht nur wäre sein Ruf damit für immer zerstört, er würde auch aus dem Amt vertrieben.161 Im spät gegründeten Monte von Rom durfte jeder Kreditnehmer maximal eine Summe von sechs Fiorini für maximal ein halbes Jahr ausleihen. Das genaue Vorgehen bei der Pfandleihe wird auch in Kapitel 22 der Statuten aus Rom von 1581 beschrieben: Del tempo et modo del prestare. Die Pfandleihe sollte an allen Arbeitstagen an einem Tag pro Woche stattfinden. Das Darlehen sollte in Silber ausgezahlt werden, wobei die wichtigsten Beamten des Monte, also der Pfandmeister, der Kassierer, der Buchhalter und der Schätzer zusammen mit einem Vertreter der dreizehn Berater und einem Provisor oder einem Deputatus oder Sindicus anwesend

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Ghinato, Terni, S. 100. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 290, Kap. 1. Weber, Les origines, S. 87. So die Bestimmung von 1467, Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 305 sowie die Novellierung 1470, ebd. S. 317 f. 160 Weber, Les origines, S. 89. 161 Ebd.

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sein sollten.162 Es sollten nur gegen Pfand zwischen drei und fünf Scudi ausgeliehen werden. Ausnahmen waren nur mit Zustimmung der Kongregation und bei entsprechender Liquidität des Monte erlaubt.163 In Perugia wurde der ausleihbare Betrag 1470 von sechs auf zwölf Fiorini pro Jahr pro Person heraufgesetzt.164 Der Monte befand sich offensichtlich bereits acht Jahre nach seiner Gründung in einem stabilen Zustand des Wachstums. Bestätigen lässt sich diese Vermutung auch durch die Gründung einer zweiten Filiale am 10. Juni 1471.165 Die Buchführung sollte synchronisiert durch die einzelnen Arbeitsbereiche des Pfandmeisters und des Computista nach Jahr, Monat und Tagesdatum erfolgen. Dabei wurde jedem Pfand eine Nummer zugeordnet. Zudem wurden der vollständige Name, der Beruf und der Wohnort des Schuldners verzeichnet. Das Pfand wurde detailliert beschrieben nach Gewicht, Größe und Aussehen. Hinzu kam dann selbstverständlich die entliehene Summe. All diese Informationen wurden auf zwei gesiegelten Schuldscheinen festgehalten.166 4.4.3 Pfandarten Ausdrücklich erwähnt wurde, dass keinerlei Waffen, weder offensive noch defensive, als Pfänder akzeptabel sind.167 Die Statuten aus Rom von 1581 präzisieren an dieser Stelle nochmals: Faccia prestar danari sopra ogni sorte di robbe, eccetto arme offensive; & difensive, pellicie, filato ingiomerato, avvertendo circa ori, & argenti tirati incannelati, che sotto non vi sia magagna.168 Demnach waren alle Arten von Kleidern als Pfandgegenstände 162 Arcelli, Gli statuti, S. 109: Si presti ogni di non festivo, d’uno in poi fra la settimana ad arbitrio della Congregatione ordinaria sopra pegni, secondo il capitolo dell’estimator, & si presti in argento: & all’imprestito ci debbano intravenire insieme il Custode, Cassiero, Computista, et Stimatore, con uno delli Tredici Consiglieri a cio deputato, oltre un Provisore istesso, overo un de Deputati, o Sindici. 163 Ebd.: ne si presti sopra a pegno, che non sia stato stimato dallo Stimatore, ne in maggior somma di quella, ch’egli dira, & ordinariamente non si passi la somma di tre fino in cinque Scudi, o piu, secondo che fara stabilito dalla Congregatione ordinaria, la quale si havera da regolare secondo la qualita de tempi, & secondo che il Monte havra commodita de denari. 164 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 316. 165 Gründungsurkunde abgedruckt ebd., S. 320. 166 Arcelli, Gli statuti, S. 110: Si piglino i pegni per ordine, & cosi si spedischino, secondo che faranno vanuto prima; osservando, che stimato il pegno dall’estimatore, il Custode, & Computista scrivano ogn’ uno di loro conformemente nel suo libro l’anno, mese, giorno, & numero corrente de pegni, & poi il nome, cognome, arte, & habitatione di colui, ch’impegna, & con il peso, numero, misura, & ogni altra qualità, & circonstanza di esso pegno, la quantità del denaro che si presta: & il Cassiero faccia doi bollettini conformi, l’uno per attaccar’ al pegno di carta pecora, l’altro per dar alla parte di carta ordinaria, con l’anno parimente, mese, giorno, & numero corrente, oltre il solo nome di chi impegna, con la quantità del denaro, come s’e detto disopra; & quel che va fuora, sia sigillato col sigillo del Monte. 167 Non faccia prestar denari sopra niuna sorte d’armi cosi offensiva, come defensiva, sarie, muccaiali, ciambelotti, spallier bergamasche, et pelliccie, ebd., S. 132. 168 Ebd., S. 106.

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erlaubt. Nicht erlaubt waren die bereits genannten Waffen, aber auch Pelze, loses Garn sowie nicht verarbeitetes Gold und Silber und beschädigte Gegenstände. Bereits die Statuten aus Perugia von 1467 hatten das Verpfänden von liturgischem Gerät169 (ohne Genehmigung des Bischofs) sowie unfertiger Waren (ohne Erlaubnis der Wollweberzunft) unter Strafe gestellt.170 Um jeglichen Betrug, „der ja vorkommen könne“, zu vermeiden – so heißt es wörtlich im Statut – solle synchron zum Buch des Computista ein zusätzliches Pfandbuch geführt werden: Et per evitar ogni fraude, che potesse occorrere, o che la parte potesse pretendere, sia sotto scritto il libro del prestito dall’officiale deputato se ci sara, se non, basti il conto del Computista, & omninamente si stia poi a quel tanto che sara scritto conforme in detti libri.171

4.4.4 Geschäftszeiten In Rom sollten die Beamten mindestens fünf Stunden an den Geschäftstagen im Monte präsent sein. Ihre Arbeitszeit sollte bei Sonnenaufgang beginnen.172 Das sehr kurze Kapitel 21 der Statuten Roms von 1565 erläutert den Ablauf der Leihe, die immer am Freitag stattfand. Es durften nicht mehr als drei Scudi pro Pfand verliehen werden, höchstens fünf in Notfällen (dies nur nach Zustimmung der Kongregation). Auch dieses Kapitel nennt nochmals die verbotenen Gegenstände, zu denen auch Wolle und Pelze gehören, die leicht von Motten zerfressen werden konnten. In Perugia war es ab 1465 verboten, Stoffreste ohne Zustimmung der Wollweberzunft zu verpfänden.173 Auch in Macerata wurde immer nur an einem festen Wochentag, dem Donnerstag, die Pfandleihe geöffnet.174 In Terni wurden drei Tage festgelegt, an denen der Depositarius seine Arbeit verrichtete: dienstags, donnerstags und samstags morgens und abends.

169 Das gleiche Verbot findet sich auch in den Statuten von Piacenza, Weber, Les origines, S. 120. 170 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 308 f. 171 Arcelli, Gli statuti, S. 110. „Um jeden Betrug zu vermeiden, der vorkommen könnte oder den eine Partei behaupten könnte, lasst das Buch über die Pfänder von dem offiziellen Beamten unterschreiben, wenn er es tun will, wenn nicht, lasst die Rechnung des Buchhalters ausreichen und dann lasst es in Übereinstimmung mit den genannten Büchern handeln.“ 172 Si presti la Quaresima dopo pranso, & nel resto dell’anno la mattina, & siano obligati i ministri del Monte sopradetti di stare a questo servitio non manco di cinque hore del giorno, cominciando la mattina al levar del Sole tra l’anno, & la Quaresima il giorno all’hora che fara deputata dalla Congregatione ordinaria, avvertendo che il pegno vaglia il terzo piu di quel che si presta: ne si presti a nessun’Officiale della Congregatione durante il suo officio, senza licenza d’essa, & non piu di quello, che communemente si presta a tutti. Ebd. 173 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 291, Kapitel 4. 174 Weber, Les origines, S. 95.

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Zusätzlich wollte man für jeden kirchlichen Feiertag und dadurch verursachte Schließzeiten durch Zusatztage Ersatz schaffen.175 4.4.5 Die Versteigerung Nach Ablauf eines Monats nach dem vorgesehenen Zeitpunkt der Auslösung konnte das Pfand versteigert werden. Die Leihsumme war ein Drittel niedriger als der Wert des Pfandgegenstandes, accio che posano vendere senca perdita dil Monte.176 Allerdings musste beispielsweise in Perugia ein Trompeter die Versteigerung drei Mal innerhalb von 15 Tagen öffentlich verkünden.177 Versteigert wurde im Beisein eines städtischen Notars, der wie der Trompeter mit sechs Denaren entlohnt wurde.178 Der Jahreslohn des Trompeters wurde 1465 auf fünf Fiorini festgelegt179 und 1467 auf acht Fiorini erhöht.180 Die Perusiner Autoritäten wiesen 1467 darauf hin, dass ausschließlich Pfandobjekte und keine anderen Gegenstände bei der Versteigerung veräußert werden durften.181 Man kann sich leicht vorstellen, dass die Versteigerungen den Charakter von Flohmärkten hatten, die dazu einluden auch andere Gegenstände auf den allseits beliebten Secondhand-Markt zu bringen. Die Statuten aus Terni legten fest, dass jedes Objekt zu einem „gerechten Preis“ nach drei öffentlich ausgerufenen und abgehaltenen Auktionsterminen an den Höchstbietenden verkauft werden sollte.182 Dieses Konzept des pretium iustum zeigt den deutlichen Konnex zur Diskursebene der zeitgenössischen Wirtschaftsethik auf. Ein gerechter Preis galt als weiteres Element in der Erlangung des bonum commune. Drei Versuche konnten unternommen werden, um ein Objekt zu verkaufen, wobei auch auf die verkauften Pfänder Zins gezahlt werden musste. Ein erzielter Gewinn wurde dem ursprünglichen Besitzer ausgezahlt. Auch dies war bei städtischen Auktionen üblich. Falls derjenige nicht aufzufinden war – so heißt es in den Statuten von Terni – sollte das Geld für ihn ein Jahr vorgehalten werden. Erst danach ging es endgültig in

175 176 177 178 179 180 181 182

Ghinato, Terni, S. 100. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 262 und Kapitel 7, S. 263. So auch in Piacenza, vgl. Weber, Les origines, S. 123. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 263. Ebd., S. 292. Ebd., S. 303. Ebd., S. 307. Ghinato, Terni, S. 100. Item, statuimo che ne lo vender de ditti pegni se tenga lo infrascripto ordine, cioè che se portino in piacia e che se subastino et incantino, et a colui che offerirà el iusto precio se li venda e dia cum la conditione che è dicta de sopra. Sin autem de molti pegni non se trovarà el iusto prescio, se expecte uno al terzo giorno e poi se facia iterum la subastatione, o pur se determini li pegni de quali se trovarà lo iusto e conveniente pretio; iterum de li altri se facia la terza subastatione et alora se dia quelli pegni plus offerenti, et cossì se facia etiam si possibile erit ogni zorno fin a che serano spazati.

Der Ablauf der Pfandleihe

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den Besitz des Monte über.183 Die Konservatoren sollten die Versteigerung überwachen und mit ihnen der Notar oder Kanzler der Stadt, der alle Verkäufe aufzuzeichnen hatte. Der erzielte Gewinn sollte auch in Perugia an den Pfandbesitzer oder dessen Erben ausgezahlt werden. Falls keine dieser Personen auffindbar war, floss der Gewinn dem Monte zu.184 Ergänzend beschloss man 1467 in Perugia, dass diese Einnahmen ansonsten durch den Bischof an die Armen verteilt werden sollten.185 Eine Sonderregelung des 9. Kapitels bezüglich Witwen und Waisen als Kunden bestimmte, dass diese gesondert und einzeln benachrichtigt werden sollten, wenn das Pfand verfiel.186 In den römischen Statuten ist das 22. Kapitel dem Verkauf von Pfändern gewidmet. Versteigert wurde nach Ablauf einer Frist von einem Monat nach einem Jahr Leihdauer. Die Versteigerung sollte immer dienstags auf allen öffentlichen Plätzen Roms angekündigt werden. Der über die Leihsumme und den Zins hinaus erzielte Gewinn sollte dem ursprünglichen Besitzer des Pfandobjektes zugehen.187 In Piacenza – wo es offensichtlich keinen Zins gab – wurden aus den Verkäufen die Gehälter der Beamten bezahlt.188 Verboten war es den Beamten des Monte auch hier, selbst oder für andere Gegenstände zu ersteigern oder zu kaufen.189 Es drohte der Ausschluss aus der compagnia und der Verlust des Amtes. Offensichtlich ein Beleg dafür, dass dies vorkam.190 Die öffentliche Ausrufung sowohl einer Versteigerung als auch der Wiedereinlösung sollte ab 1465 in Perugia einmal monatlich stattfinden, wohl um eine bessere Informationspolitik gegenüber den Klienten zu verwirklichen und zu vermeiden, dass niemand sich auf seine Unwissenheit berufen konnte, wenn sein Pfand versteigert worden war.191 Versteigerungen und Auktionen von Haushaltsgegenständen Verstorbener, aber auch von beschlagnahmten Gegenständen säumiger Schuldner waren gang und gäbe im zeitgenössischen Italien, wie beispielsweise Evelyn Welch aufgezeigt hat.192 Demnach war die Versteigerung der abgelaufenen Pfänder der Monti eine in der Stadtgesellschaft bereits lange etablierte Praxis der Zirkulation von Objekten auf einem 183 Ghinato, Terni, S. 101. 184 Lo deggano rendere al patrone d’esso pegnio o al suo prochuratore, se lui fussi absente e, dove lui fussi morto, al suo legetimo herede e non trovandosi heredi rimagniano al Monte e tengasini partichular conto. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 263, Kap. 7. 185 Ebd., S. 306. 186 Ebd., S. 264 und S. 307. 187 Tamilia, Il sacro monte, S. 134: se vi sarà di più di quel che si presto sopra il pegno venduto, si serbi per il padrone detratto il denarino, come si suole, del quale piu spettante al padrone. S. 133 f. 188 Weber, Les origines, S. 124. 189 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 306. 190 Ebd., S. 134: Sia prohibito all Offitiali et Ministri del Monte comprare, o, far comprare per se, o, per altri alcuno delli pegni, che si venderanno sotto qualsivoglia pretesto, o, colore sotto pena di esser subito privo dell’offitio et del ministerio, et di esser casso dalla Compagnia, et dalla perdita del pegno comprato et delli denari spesi. 191 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 293 und S. 292: che niuno abbia schusa ne possa prendere ignorancia se puoi saranno vendute. 192 Welch, Shopping in the Renaissance, besonders S. 185–203.

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Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti

Markt, an dem alle Schichten der Bevölkerung beteiligt waren. Auch hier konnten die Monti sich in bereits bestehende Wirtschaftspraktiken einfügen. 4.4.6 Neugründungen von Filialen Der hier beschriebene Institutionalisierungsprozess der Monti geht auch aus der Eröffnung weiterer Filialen hervor. In Perugia sollte bereits drei Jahre nach der Erstgründung eine zweite Filiale eröffnet werden, die mit einem Grundkapital von 500 Fiorini ausgestattet wurde.193 Für den neu zu eröffnenden Monte wurde eine Leihsumme von acht Fiorini festgelegt. Tatsächlich wurde erst 1471 der zweite Monte durch den Kardinal von Ravenna und päpstlichen Legat Bartolomäus gegründet.194 Das Gründungsschreiben informiert uns darüber, dass das Kapital des ersten Monte auf 11.000 Fiorini angewachsen war, von denen gerade 6.000 Fiorini ausgeliehen waren. Aus dieser komfortablen Situation heraus und, auch da das Gebäude des bisherigen Monte nicht mehr alle Pfänder fassen konnte, wurde die zweite Filiale errichtet. 4.4.7 Sanktionen bei Veruntreuung und Missbrauch von Geld Die Veruntreuung von Geldern des Monte oder ihr Einsatz für andere Zwecke als die Armenhilfe wird in fast allen hier behandelten Statuten untersagt und unter Strafe (Geldstrafen, Amtsverlust etc.) gestellt. Besonders ausführlich sind hierzu die Statuten von Macerata. Kapitel 18 betont: quod nulla persona, cuiuscunque gradus, status et conditionis exitat, audeat vel presumat aliqua ratione vel causa seu aliquo questio colore seu fraudis machinatione loqui, ratiocinari, temptare facere vel ordinare per se vel alium seu alios, quod pecunie dicti Montis sei aliqua pars ipsarum de dicta Monte amoveantur sei in alios usus convertantur, directe vel indirecte, sub infrascriptorum penarum incursione.195

Die Geldstrafe für privaten Missbrauch des geliehenen Geldes durch die Kunden, z. B. für Spielschulden oder anderes, betrug 25 Goldgulden. 50 Goldgulden waren fällig für die Verwendung an öffentlichen Orten (in locis publicis), wobei nicht ausgeführt wird, 193 Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 292. 194 Ebd., S. 320. 195 Weber, Les origines, S. 98 f.: „dass keine Person, egal welchen Grades, Standes oder Verfassung verursacht, begehrt oder plant aus irgendwelcher Absicht oder irgendeinem Grund, durch eine gewagte Ausrede oder eine heimtückische Machenschaft selbsttätig zu sprechen. Daraus folgt, dass – wenn durch sie, für sich, einen Anderen oder Andere versucht oder angeordnet werde, das Geld des genannten Monte wenn auch nur teilweise selbst aus dem Monte zu entnehmen oder auch nur zu anderen Zwecken zu verwenden, sei es direkt oder indirekt, ihn die beschriebene Strafe ereilt.“

Die Regulierung jüdischer Pfandleihe

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welche Orte damit gemeint sind. Allen Prioren und Offizialen, die gegen diese Bestimmungen handelten, drohte 100 Goldgulden Strafe. Falls ein Notar oder ein städtischer Beamter falsche Angaben bei der Buchführung machte, musste er ebenfalls 50 Goldgulden zahlen. 4.5 Die Regulierung jüdischer Pfandleihe Die Statuten der Monti zeigen in einigen Städten deutlich, wie man gleichzeitig versuchte, die Konkurrenz der jüdischen Pfandleihe einzuschränken bzw. auszuschalten. Einige Statuten enthalten präzise Regelungen zur Pfandleihe jüdischer Kreditoren. In Macerata etwa wurde 1468 die Zinshöhe der jüdischen Geldverleiher in Kapitel 12 der dortigen Statuten auf zwanzig Prozent festgelegt. Auch wurde angeordnet, dass sie alle Pfänder nach der Laufzeit und dreimaliger Ankündigung verkaufen mussten.196 Neu war ebenfalls das 26. Kapitel der römischen Statuten von 1581, das den Umgang mit Überschüssen (sopravanzi) der Juden aus Pfandverkäufen präzisiert, nämlich, dass diese in das Depositum des Monte übergingen.197 Der Buchhalter des Monte sollte demnach eigens ein Buch führen, in dem er die Namen der jüdischen Geldleiher und deren Gewinne aus dem Pfandverkauf vermerkte: che il computista tenghi un libro grande intitolato Sopravanzi delli Hebrei, nel quale scriva per ordine, il tempo, nome, & cognome dell’Hebreo, & di chi hà impegnato, il danaro prestato, la valuta della vendita, & il sopravanzo in partite separate, & in modo distinte, che quando venira la parte per haver il sopravanzo, come si dira di sotto, possi fare in detto libro sotto la sua partita la quetanza.198

Darüber hinaus mussten der Geldverleiher und der Inhaber des Pfandes gemeinsam zum Monte kommen, um dort gegen einen Schuldschein die überschüssige Summe abzugeben. Für den Fall, dass sich die Juden diesen Regularien widersetzten, drohte man ihnen mit Gerichtsklagen: Et perche patria occorrere, che li Hebrei fossero renitenti al venir’ a far’ i conti, o pagar’ il saldato, in tal caso si proceda con loro per via di giustitia senza rispetto alcuno, saldando pero detti conti circa l’interesse, il tempo provisioni del Notaro, bandimento, & pretensioni di qual si voglia sorte di essi Hebrei, secondo li ordini delli Superiori.199

196 Ebd., S. 98. 197 Arcelli, Gli statuti, S. 115. Essendo stato concesso al Monte da Nostro Signore, come di sopra s’e detto, autorità di rivendere & saldare li conto con li Hebrei di tutti li sopravanzi delle vendite de pegni, che li vengono in mano, con ricuperar da loro quel tanto, che sopravanzasse per tener’ in deposito. 198 Ebd., S. 116. 199 Ebd., S. 117.

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Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti

Das sichtbare Eingreifen in die Geschäfte jüdischer Pfandleiher in den 1580er Jahren in Rom verdeutlicht einerseits die Versuche der weiteren Marginalisierung der Juden als Konkurrenten im Pfandleihgeschäft. Auf der anderen Seite belegt es die Zuständigkeit für diesen Geschäftszweig innerhalb der Stadt. Roms Geldleihe sollte offenbar – so muss der Anspruch der zuständigen Autoritäten des Monte interpretiert werden – ganz auf dem Monte di Pietà als christlich legitimierter Institution beruhen. Was in den 1560er Jahren offensichtlich so noch nicht möglich war, konnte sich der Monte nun augenscheinlich anmaßen. Ferner wurden in den späteren Statuten die Rekrutierung neuer Mitglieder der Bruderschaft und die Archivierung der Schriftstücke des Monte thematisiert. An Letzterem erkennt man den bereits hohen Institutionalisierungsgrad, der eine eigene Einrichtung für das Schriftgedächtnis im Sinne der Konstruktion institutioneller Kontinuität fordert. 4.6 Interpretation – Strategien der Vertrauensbildung: Reputation, Marginalisierung und wirtschaftlicher Erfolg Das Mittelalter kannte den Begriff „Vertrauen“ nicht, jedoch sind die Dimensionen des Kontexts in zeitgenössischen Begriffen wie fama oder fiducia fassbar. Diese verweisen auf die Ebene der Reputation einer Person oder eines Unternehmens. Vertrauen ist die Reduzierung von Komplexität (Luhmann) oder der quasi-religiöse Akt der Überbrückung von einer auf Erfahrung basierenden Interpretation der Umwelt hin zu positiven Erwartungen (Simmel). Vertrauen schafft Handlungssicherheit und ermöglicht das Handeln von Menschen in einem Zustand ungenügender Information oder mangelnden Wissens. Das Konzept Vertrauen markiert einen Zugang zum Verständnis ökonomischer Entscheidungen und Handlungen. Wo Institutionen bzw. institutionelle Absicherung, etwa durch formalisierte Einklagbarkeit von Rechten, fehlt oder nicht genügend ausgebildet ist, kommt Vertrauen ins Spiel. Problematisch bei der empirischen Untersuchung einer solch schwammigen Größe ist die Operationalisierung. Für die Untersuchung der Monti di Pietà als Institution, die eine christlich motivierte Sozialpolitik repräsentierte, scheint die Frage nach der Bildung von Vertrauen und seine Rolle für die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens durchaus relevant. 4.6.1 Strategien der Vertrauensbildung bei den Monti di Pietà 4.6.1.1 Die Professionalisierung des Instituts Interpretiert man die Erkenntnisse zur Organisation und Funktionsweise der Monti unter der Leitfragestellung des Kapitels, wie die Monti als neu gegründete Kreditinstitution Vertrauen herstellten, so kann man auf der Ebene der Administration, also der

Interpretation – Strategien der Vertrauensbildung

203

Abläufe und Kontrolle des Pfandgeschäftes und der Buchführung, mehrere Aspekte identifizieren, die auf ein gesteigertes Bemühen seitens der Stadt und der Gründer schließen lassen, den jeweiligen Monte di Pietà als vertrauenswürdige Institution in die städtische Wirtschaft einzubinden. Bevor die einzelnen Aspekte interpretiert werden, wird der Themenkomplex Vertrauen und seine Anwendbarkeit für diese Studie als Beitrag zur vormodernen Wirtschaftsgeschichte diskutiert. Nach Ansicht der französischen Historikerin und Soziologin Laurence Fontaine war das Mittelalter eine Zeit der „Unter-Institutionalisierung“, was bedeutet, dass die Gesellschaft und insbesondere die Wirtschaft durch einen Mangel an Institutionen im modernen Sinne charakterisiert war, die stabile und verlässliche Informationen, Normen und Vorschriften hätten bieten können. Nach dieser Ansicht verließen sich Personen, die Kredite benötigten, viel eher auf informelle Strukturen, wenn Familienmitglieder, Nachbarn oder andere Privatpersonen Geld in Not zur Verfügung stellten. Nach dieser Deutung einer „economy of obligation“200 muss Vertrauen ein entscheidender Faktor gewesen sein, um diesen Mangel an institutioneller Sicherheit auszugleichen. Dieser Ansatz nutzt die soziologische Kategorie des Vertrauens als ein heuristisches Werkzeug, um vormoderne Kreditbeziehungen besser zu verstehen. Diese Frage ist weder für Historiker noch für Ökonomen neu, gerade deshalb scheint es sinnvoll, weitere historische Fälle auf den Prüfstand zu stellen und die Kreditinstitute in Bezug auf die Rolle des Vertrauens der Vergangenheit zu befragen. Die Annäherung an den Vertrauensbegriff scheint zunächst schwierig, da sowohl eine begriffliche Schärfe als auch die direkte Nachweisbarkeit in den Quellen fehlen. Beginnen wir deshalb mit dem Begriff: Niklas Luhmann201 definiert Vertrauen als ein Mittel, um „Komplexität zu reduzieren“, insbesondere in einer Gesellschaft, die mit einem viel höheren Maß an Kontingenz und Unsicherheit konfrontiert ist, da es keine Kontroll- und Risikomanagement-Institutionen gibt. In seiner weiten Definition ist die Vertrauensbildung eng mit der (unbekannten, unsicheren und damit übermäßig komplexen) Zukunft verbunden. Die Menschen versuchen, mit dieser Unsicherheit umzugehen, indem sie mithilfe des in der Gegenwart geschaffenen Vertrauens Sicherheit schaffen. Auch wenn keine Sicherheit für die Zukunft hergestellt werden kann, so ermöglicht Vertrauen doch eine Planung und schafft Erwartungen an die Zukunft, indem ein gewisses Orientierungswissen erworben wird. Neben dem grundlegenden, alltäglichen Vertrauen in den Menschen führt Luhmann den Begriff des Vertrauens in Systeme oder institutionelles Vertrauen ein und verbindet ihn mit der Entwicklung komplexer und differenzierterer Gesellschaften. So können Formalisierungsprozesse in Institutionen, die im 15. Jahrhundert entstanden sind, als Wege interpretiert werden, um das Vertrauen der Kunden aufzu-

200 Muldrew, Economy of Obligation, passim. 201 Niklas Luhmann, Vertrauen, passim.

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Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti

bauen und zu stärken. Vertrauen – kurz gesagt – bedeutet, mit Kontingenz, Komplexität und Unsicherheit besser umzugehen. Natürlich waren Kreditbeziehungen immer risikoreich, daher verließ man sich umso mehr auf das gegenseitige Vertrauen von Schuldner und Gläubiger. Andere Wissenschaftlerinnen wie Dorothea Weltecke lehnen die Existenz des Begriffs „Vertrauen“ im Mittelalter ab.202 Sie untersucht deshalb eine Reihe ähnlicher Konzepte aus dem römischen Recht und kann so die folgenden semantischen Dimensionen von „Vertrauen“ darstellen: veritas

fiducia

justitia

Vertrauen

fama

Abb. 6 Schema – Dimensionen des Vertrauensbegriffs im Mittelalter (nach Weltecke)

Demnach existierte der Begriff Vertrauen damals nicht, sondern kann eher mit Begriffen aus dem antiken römischen Recht als normatives Konzept umschrieben werden. Fama im Sinne von gutem Ruf, Zuverlässigkeit und moralischer Integrität war ein wichtiges Merkmal und beschreibt vielleicht am besten, was im Mittelalter als Vertrauen empfunden wurde. Der Begriff fides, der Glaubwürdigkeit, Standhaftigkeit und Seriosität bedeutet, war im römischen und mittelalterlichen Recht ein etablierter ethischer und politischer Begriff. Er war der Kern des antiken römischen Rechtsgedankens, ein Konzept von Verhalten und politischer Ideologie, das soziale Beziehungen von Menschen in einer statusbasierten Gesellschaft regelte. Weitere Dimensionen der fiducia (Vertrauen oder Mut) werden beispielsweise in Kunstwerken sichtbar, die Vertrauen auf Werte wie Wahrhaftigkeit oder Gerechtigkeit beziehen. Wenn man diese Ideen mit der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft verbindet, kann man sagen, dass, wenn die Machthaber nach diesen bekannten Rechtsnormen handelten, sie versuchten, sowohl fama (Ansehen, Seriosität) als auch fides (Wahrhaftigkeit, Verlässlichkeit) unter ihren vielfältigen Bevölkerungsgruppen und vor allem denen in Not zu erreichen. Neben diesen konstruktiven Begriffen, die die Schaffung eines gut funktionierenden und stabilen Gemeinwesens suggerieren, soll an dieser Stelle der Begriff der „Reputation“ (reputatio) als Arbeitsbegriff eingeführt werden, wenn es um die Ana-

202 Vgl. hierzu Weltecke, Gab es Vertrauen im Mittelalter?, passim.

Interpretation – Strategien der Vertrauensbildung

205

lyse der Vertrauensbildung durch eine Institution geht.203 Meine Hypothese ist, dass sowohl die einzelnen im Monte arbeitenden Beamten als auch das Leitungsgremium und die Stadtherren darum bemüht waren, die neu entstandene Institution mit einem dauerhaften guten Ruf zu versehen. Dies taten sie nicht nur nach außen hin in enger Zusammenarbeit mit den Franziskanern als Kommunikatoren und Mediatoren, sondern eben auch gezielt mittels einer detaillierten Statutengebung nach innen. Einen innovativen methodischen Ansatz, der Soziologie und Wirtschaftsgeschichte verbindet, lieferte Sheilagh Ogilvie mit ihren vier Kategorien von Vertrauen in ihrem 2004 veröffentlichen Working Paper zu frühneuzeitlichen Gilden.204 Wirtschaftliche Institutionen wie die Monti waren auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen und versuchten Vertrauen herzustellen und zu vermitteln. Mit Ogilvie könnte man die Monti als soziale Netzwerke definieren, in denen Vertrauen, ergo soziales Kapital entsteht. Das generierte soziale Kapital manifestiert sich in folgenden Merkmalen: gemeinsamen Normen, einem besseren Informationsfluss (und damit reduzierten Transaktionskosten), der Sanktionierung von Devianz und einem kollektiven politischen Handeln. Ogilvie führte in ihrer Studie über die Gilden der frühen Moderne vier Kategorien von Vertrauen ein, die auch für die Analyse der Monti di Pietà nützlich sein können. Sie definiert sie über den Grad des Vertrauens zum einen in Menschen und zum anderen in Institutionen. Beim Vertrauen in Personen unterscheidet sie zwischen partikularisiertem Vertrauen und generalisiertem Vertrauen: Partikularisiertes Vertrauen hängt von bestimmten persönlichen Eigenschaften oder der Gruppenzugehörigkeit eines Transaktionspartners ab. Menschen sind bereit, eine Transaktion einzugehen, wenn sie entweder den Transaktionspartner persönlich kennen oder diese/r Mitglied einer Gruppe ist, deren anderen Mitgliedern sie vertrauen, weil sie deren Geschäftspartner kennen. Generalisiertes Vertrauen dagegen ist die Neigung, mit allen möglichen Personen Geschäfte zu machen, auch mit Fremden – Personen, deren persönliche Merkmale oder Gruppenzugehörigkeiten sie nicht kennen. Beim Umgang mit dem Vertrauen in Institutionen gibt es ebenso zwei Arten: differentielles Vertrauen und uniformes Vertrauen: Differentielles Vertrauen ist die Neigung, Transaktionen von einer bestimmten Institution vermitteln zu lassen, da man ihr vertraut, ihre besonderen Rechte und Privilegien durchzusetzen. So hätte beispielsweise ein Handwerker in der Frühen Neuzeit die Neigung gehabt, seine Geschäfte von seiner Gilde vermitteln zu lassen, weil er darauf vertraute, hier seine besonderen Rechte und Ansprüche als Gildenmitglied durchzusetzen. Uniformes Vertrauen dagegen ist die Neigung, Transaktionen von einer – unabhängig von persönlichen Beziehungen – als vertrauenswürdig angesehenen Institution vermitteln zu lassen, um die Rechte und Privilegien aller unparteiisch durchzusetzen. 203 Auch dieser Begriff ist nicht neu, vgl. Fontaine, L’économie morale, und Muldrew, Economy of Obligation. 204 Ogilvie, The Use and Abuse of Trust.

206

Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti

Die konstruktive Verbindung zwischen den besonderen Rechten und Privilegien jedes einzelnen wirtschaftlichen Akteurs und einer bestimmten Institution, wie einer Gilde, einem Pfandleihhaus oder einer Bank, scheint entscheidend für das Verständnis von Vertrauen zu sein. Indem der einzelne Kunde oder Nutzer sowohl der Institution als Ganzes als auch ihren Vertretern Vertrauen entgegenbringt, schafft er Stabilität und Glauben in seine eigenen Handlungen und ins System: eben soziales Kapital. Das soziale Netzwerk Monti als teils bruderschaftlich organisierte Institution erfüllt meiner Ansicht nach – und in Analogie zur Gilde, die Ogilvie untersucht hat – die gleichen Bedingungen zur Herstellung sozialen Kapitals. 1. Geteilte Normen werden in den Statuten manifest. Die Kongregationsversammlungen sowie die jährlichen Generalversammlungen des Instituts markieren Momente gemeinsamer Festschreibung, Vergewisserung und Aktualisierung der Normen. Zudem garantierten diese Versammlungen und regelmäßige Treffen den Informationsaustausch innerhalb des Netzwerks als auch zwischen ihm und der Stadtobrigkeit. Hinzu kommt das angewendete Wahlverfahren mittels Loswahl, das Transparenz und Objektivität suggeriert. 2. Die Sanktionierung von Fehlverhalten reicht im Falle von Amtsmissbräuchen der Beamten von Strafgeldern bis hin zum Verlust des Amtes. Die monatliche Buchprüfung sowie die jährliche Abrechnung aller Einnahmen und Ausgaben durch Buchprüfer des Pfandleihinstituts sprechen ebenso für die Vorsorge wie die mehrfache und gemeinsame Buchführung der einzelnen Amtsbereiche des Kassierers, des Depositarius und des Notars. Die Beamten des Monte wurden somit permanent kontrolliert und auf die Nachvollziehbarkeit ihrer Aktivitäten durch Aufzeichnungen verpflichtet. 3. Obgleich die konreten Auswirkungen der Gründung eines Monte auf eine vormoderne Stadtgesellschaft, etwa in Bezug auf Armutsbekämpfung, nicht exakt messbar sind, steht doch zu vermuten, dass die Monti politisch auf das soziale Gefüge der Städte einwirkten, wie die steigende Zahl der Pfandleihen als Indiz für ihren Erfolg zeigt. In enger Zusammenarbeit mit den Franziskanern und den städtischen Eliten waren sie zwar ein Instrument städtischer Sozialpolitik, veränderten aber im Zuge ihrer Etablierung zusätzlich sowohl die Kreditwirtschaft in italienischen Städten als auch den Diskurs um Wucher und Zins nachhaltig. Eine Formalisierung der institutionellen Strukturen städtischer Finanz- und Sozialpolitik auf der einen Seite und die Flexibilisierung des wirtschaftsethischen Diskurses auf der anderen Seite waren die Folgen. Wie Gilden und Zünfte waren auch die Monti bestrebt, in verschiedenen Sphären, wie den Arbeitsabläufen und dem Fachpersonal, der Transparenz der Buchführung, dem Umgang mit Kapital und Pfandobjekten, Vertrauen herzustellen. Erkennbar sind mindestens drei der von Ogilvie oben genannten vier Formen des Vertrauens: Durch die Professionalisierung ihrer Arbeitsabläufe entsteht differentielles Vertrauen in die

Interpretation – Strategien der Vertrauensbildung

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Institution, die die Interessen ihrer Kunden schützt. Durch die Kontrolle und Auswahl qualifizierten Personals entsteht partikulares Vertrauen in die einzelnen Menschen, die die Pfandleihe abwickeln und persönlich für Schäden haften. Durch die Transparentmachung des Umgangs mit dem Geld der Anleger und den Pfändern der Debitoren durch eine mehrfache Buchführung und Buchprüfung wird schließlich differentielles Vertrauen in die Monti geschaffen, die im Vergleich zu ihren Konkurrenten im privaten Sektor bessere Bedingungen anboten. Das generalisierte Vertrauen über Einzelpersonen hinaus erreichten sie ebenfalls, dies zeigen die ansteigenden Zahlen bei den Pfandleihen über einen längeren Zeitraum. Vertrauen in eine Körperschaft wächst, nachdem partikularisiertes Vertrauen in Einzelpersonen etabliert wurde. Dieses wird nicht ersetzt, aber langfristig abgelöst. Es gibt also so etwas wie eine Vertrauensevolution. Institutionen werden besser durch stetige Regulierung und Verfeinerung ihres normativen Gefüges und damit steigt auch ihre Reputation. 4.6.1.2 Religiöse Rechtfertigung des Vertrauens und die Marginalisierung der Juden Einen letzten und vielleicht gewichtigsten Punkt, der für eine Vertrauensbildung durch die Monti spricht, sehe ich in der Tatsache, dass sie durch die Franziskaner als medial versierte Vorreiter einer dynamischen Wirtschaftsethik unterstützt wurden. Ihre dezidiert christliche Propaganda – teils flankiert von Angriffen gegen Juden und der Abgrenzung von diesen – war darauf ausgerichtet, das uniforme Vertrauen in diese Institution aufzubauen. Ob dies gelang, wird nun diskutiert. Festzuhalten ist: ausgehend vom Christentum als diskursiv etabliertem Verbindungsglied zwischen bonum commune, caritas und Kapital seit dem frühen Mittelalter, war es auch im 13. und 14. Jahrhundert möglich, durch die Investition in eine Geldleihanstalt sein Seelenheil zu befördern. Die enge diskursive Verbindung von Kapital, Gewinn und Caritas und ihre zunehmende Integration in ein christliches Weltbild war ein geschickter Schachzug mittelalterlicher Theologen. Zur Handels- und Finanzwelt des späten Mittelalters gehörten Kredite und Zinsen schon längst. Dennoch war ihre kirchenrechtliche Legitimation noch immer fragil. Die Monti markieren hier eine sehr wichtige Stufe in der Entwicklung hin zur Flexibilisierung vor allem des Wucher- und Zinsbegriffs aus christlicher Perspektive. Der Konnex von christlicher Nächstenliebe und Kredit, der sogar religiöse Rituale eng an das Sammeln von Spendengeldern knüpfte, wurde beispielsweise in den geschilderten Prozessionen deutlich, die den christlichen Impetus der Organisation in bestehende rituelle Strukturen einbetteten. Gleiches gilt für die Organisationsform der Bruderschaft als legitimierendes Moment. Bruderschaften waren omnipräsente, karitative Organisationen in den Städten des Spätmittelalters. Dass man sie auch als Kleinkreditgeber zum Wohl der Armen gründen und gestalten konnte, bezeugen die Monti eindrücklich.

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Kredit und Vertrauen: Organisation und Funktionsweise der Monti

Die zentrale Frage religiöser Identität als vertrauensbildendem Faktor der Monti quasi ex negativo manifestiert sich aber am stärksten in ihrer polemischen Abgrenzung von den Juden als Konkurrenten. Dies verweist auf einen Fragenkomplex, für den vor allem die Forschungen Giacomo Todeschinis den Weg ebneten: Wie ist Vertrauen mit der Frage der religiösen Identität verbunden? Galten Christen als vertrauenswürdiger als Juden? Nach den feindseligen Predigten der Franziskaner, die versuchten, die Monti in italienischen Städten zu etablieren, war dies eindeutig der Fall. Andererseits wurde im dritten Kapitel dieser Arbeit deutlich, dass man aus anderen Quellen, wie z. B. den päpstlichen Traktaten über die Freiheiten jüdischer Geldverleiher, erfahren kann, dass die Marginalisierung der Juden nicht uneingeschränkt stattfand, man brauchte sie schließlich dringend als solvente Geldgeber. Weitere Quellen, die nicht aus dem Kontext der Monti di Pietà stammen, belegen sehr anschaulich, dass auch jüdische Geldverleiher als vertrauenswürdige Geschäftspartner angesehen wurden.205 Folgt man den zeitgenössischen Traktaten und Statuten, so spielte die religiöse Identität einer Stadtgemeinschaft eine wichtige Rolle. Auch in den Consilia und Predigten betonten die Franziskaner, die Monti seien fromme Werke guter Christen im Gegensatz zu den wucherischen jüdischen Geldverleihern, die in ihren Augen das Gemeinwohl der christlichen Gemeinschaft gefährdeten. Die paradoxe Sicht auf jüdische Geldverleiher zwischen Nützlichkeit und Ablehnung, wie sie im dritten Kapitel dieser Studie analysiert wurde, steht am Ende einer Entwicklung, die mit einer neuen Art von christlichen Schriften seit dem 12. Jahrhundert einsetzte. In ihnen wurde das Thema des rechten Glaubens mit dem Thema der gerechten Wirtschaftstätigkeit verbunden. Die Juden als Ungläubige wurden dort als Wucherer verunglimpft, die sich durch hohe Zinsen stetig wachsenden Reichtum beschafften. Drei Hauptpunkte standen hier im Vordergrund: Juden galten erstens als Feinde der franziskanischen Armut. Zweitens wurden sie als Urheber der Idee der legitimen Kreditvergabe gegen Zinsen an Ausländer laut Deuteronomium 23 entlarvt. Und drittens wurde Wucher als jüdisches Attribut und „Lebensform“ eingeführt und zum Gegenstück zu christlichen Krediten, die dem Gemeinwohl dienten, stilisiert. Insofern scheint die Frage religiöser Identität mit der Frage der Vertrauenswürdigkeit in religiöser und wirtschaftlicher Hinsicht eng verknüpft. So haben auch neuere Forschungen von Giacomo Todeschini gezeigt, dass christliche Autoren eine spezifische Sprache entwickelten, die sich mit Vertrauen aus dem rechten Glauben befasst. Die konvergierende Wahrnehmung der Verbindung von „Vertrauen und Religion“ und „Vertrauen und Wirtschaft“ scheint ein wesentliches Element der spätmittelalterlichen Theologie seit dem 13. Jahrhundert zu sein. Neben der Diskriminierung jüdischer Geldverleiher wurde die christliche Wirtschaftstätigkeit selbst immer wichtiger. Autoren wie Petrus Iohannis Olivi oder Ber-

205 Shatzmiller, Shylock reconsidered.

Fazit

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nardino da Siena veränderten die Wahrnehmung von Geld, finanziellem Gewinn und Geschäftsaktivitäten durch christliche Kaufleute. Sie stellten Investitionen und den Geldfluss auf dem Markt in positivem Licht und als wertvoll für das Gemeinwohl dar. Der christliche Kaufmann als Experte für Preise und Waren wurde zum Vorbild für die Schaffung von Gemeinwohl, Todeschini vergleicht seine Rolle sogar mit der eines Laienkollegen des religiösen Missionars, der die fidelium communitas auf seine Weise förderte. 4.7 Fazit Die detaillierten und stetig reformierten Statuten, die in diesem Kapitel ausgewertet wurden, bezeugen das Streben der Verantwortlichen nach Legitimierung und Konsolidierung des Kleinkreditinstituts. Wie bereits im zweiten Kapitel deutlich wurde, floss vieles, was die Franziskaner in ihren Traktaten erarbeitet hatten, direkt in die Statuten ein. Es bestand somit ein enger und direkter Bezug von Diskurs und Praxis der Kleinkreditvergabe durch die Monti di Pietà. Dass man die Kategorie Vertrauen bei der Analyse vormoderner Wirtschaftsinstitutionen durchaus als „heuristisches“ Hilfsmittel heranziehen kann, konnte am Beispiel der institutionellen Optimierung der Verwaltungs- und Funktionsebenen gezeigt werden. Durch die Professionalisierung der Geschäftsabläufe, sei es durch regelmäßige monatliche interne Buchprüfung oder die halb- oder ganzjährigen Prüfungen der Bücher durch den Vorstand, schuf man Vertrauen. Gemäß der Zielsetzung städtischer Obrigkeit, die die Geschicke des Monte bis in die personellen Strukturen hinein mitbestimmte, sollten die Monti zu einem verlässlichen Kreditinstitut avancieren, das einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung der Städte mit Kleinkrediten versorgte und auch für wohlhabendere Geldanleger eine attraktive Anlaufstelle war. Hinzu kommt die Vertrauensbildung ex negativo durch die diskursive Marginalisierung konkurrierender privater Geldverleiher, vor allem aber der Juden. Trotz der Schwierigkeiten der Operationalisierbarkeit des Begriffs „Vertrauen“ für die vormoderne Wirtschaftsgeschichte, wurde nicht zuletzt belegt, dass die verschiedenen Ebenen bzw. Definitionen von Vertrauen, die Sheilagh Ogilvie für die frühneuzeitlichen Gilden angewendet hat, auf die Monti als Institution appliziert werden können.

5. Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

Today it would be impossible to bring a tea-towel into a tavern and ask for a drink or pay your taxes with a set of handkerchiefs. (Welch, Shopping in the Renaissance, S. 196) Le cose infatti parlano e, sebbene inanimate, hanno una loro vita. (Carboni, In Pegno, S. 11)

Die Geschichte des Kleinkredits lässt sich – wie in den vorigen Kapiteln gezeigt – einerseits über die Institutionen und ihre Genese, die darin wirkenden Personen und die Organisation ihrer Arbeit erzählen. Diese Erzählung muss jedoch ergänzt werden durch den Blick auf die alltags- und sozialgeschichtliche Dimension des Kleinkredits, genauer ihre materielle Kultur, die die verpfändeten Objekte erzählen. Erst die Pfandobjekte ermöglichten den Schuldnern überhaupt die Aufnahme von Kleinkrediten und somit die Einspeisung neuen Kapitals in den Geldkreislauf. Durch den hier vorgeschlagenen Ansatz, den Kleinkredit anhand seiner materiellen Grundlagen zu erforschen, ist es möglich, an Großnarrative von der Entstehung proto-kapitalistischer Strukturen im Spätmittelalter auf neue Weise anzuknüpfen. Folglich stehen bei einer solchen Perspektivierung nicht die Handelsgesellschaften und Merchant Adventurers als Kreditnehmer und -geber im Mittelpunkt, sondern die „kleinen Leute“, deren Partizipation am Konsum durch jene Kleinkredite ermöglicht wurde. Diese Kredite basierten auf der Akkumulation von bestimmten mobilen Gütern, die gezielt und bei Bedarf zu Geld gemacht werden konnten. Die Objekte als Wertspeicher waren somit Teil einer Haushaltsökonomie niederer Schichten, die als Kunden der Monti überleben und Krisen überbrücken konnten und am Marktgeschehen so beteiligt wurden. Kurz gefasst: dieses Kapitel nimmt die Pfandobjekte in den Blick und versucht zugleich den Ansatz der „Materialgeschichte“ für die Kreditgeschichte fruchtbar zu machen.

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

211

Die Forschung zur Rolle der materiellen Güter in der Wirtschaft des Spätmittelalters ist unüberschaubar. Insbesondere Luxusgüter standen im Mittelpunkt der Erforschung der materiellen Kultur des mittelalterlichen Haushaltes.1 Pfandgegenstände von geringem oder mittlerem Wert wurden bisher nur in wenigen Studien thematisiert.2 Anschlussfähige Anregungen versprechen anthropologische Arbeiten wie Arjun Appadurais Ansätze vom „sozialen Leben der Dinge“3 oder Igor Kopytoffs Theorie der Objektbiografien.4 Ausgehend von der Annahme, dass Objekte für den Tausch gegen andere Objekte eingesetzt werden, resultiert deren Wert aus der Zuschreibung der Akteure, deren Begehren nach bestimmten Objekten geweckt wurde. Der simple Rohstoffwert spielt demgegenüber eine untergeordnete Rolle, so dass Wertasymmetrien entstehen, die den ursprünglichen durch Material und investierte Arbeit erzielten Wert eines Objektes, z. B. eines Kleidungsstückes, um ein Vielfaches steigern können. Der Wert der Objekte steht überdies nicht von vornherein fest, sondern wird im Akt des Austausches konstituiert. Das Element zwischen Tauschakt und Wertzuschreibung erhält damit eine politische Dimension, denn die Gabe oder der Tausch eines bestimmten Objekts impliziert zugleich soziale Beziehungen oder auch Machtverhältnisse. Dabei spielt die generelle Verfügbarkeit bzw. Knappheit eines Gutes eine ebenso große Rolle wie die soziale Situation der Tauschpartner.5 Auch Pfandobjekte verweisen somit weit über ihren reinen Materialwert hinaus auf die Implikationen des Tauschaktes (hier: Objekt gegen Geld) und somit auf das Kreditgeschäft als sozialen Interaktionsprozess. Smail hat diese Dimension der Wertzuschreibung

1 2

3 4 5

Aktuell: Thomas Ertl / Barbara Karl (Hg.), Inventories of Textiles – Textiles in Inventories. Studies on Late Medieval and Early Modern Material Culture, Wien 2017; Renata Ago, Il Gusto delle Cose. Una storia degli oggetti nella Roma del Seicento, Rom 2006. Smail, Legal Plunder; Groebner, Ökonomie ohne Haus, und ders., Mobile Werte. Konkret zu den Monti Mauro Carboni / Maria Giuseppina Muzzarelli (Hg.), In pegno. Oggetti in transito tra valore d’uso e valore di scambio (secoli XIII–XX), Bologna 2012. Dort heißt es, S. 11., zur Aussagekraft von Objekten in Bezug auf ihre Besitzer: „Le cose, oltre a testimonare la lora stessa storia, rivelano tratti della storia degli uomini e delle donne che le hanno prodotte, volute, utilizzate. Le cose contano per quello che valgono oltre che per quello che significano.“ Darüber hinaus die englischsprachigen Aufsätze in Carboni/Terpstra (Hg.), The Material Culture of Debt. Eine Pionierstudie zum Thema Pfandobjekte legte Lodovico Zdekauer bereits 1896 vor: L’interno d’un Banco di Pegno del 1417 (con documenti inediti), in: Archivio storico italiano 17 (1896), S. 2036–4660. Für die Frühe Neuzeit mit Rekurs auf Groebner und Fontaine vgl. Kim Siebenhüner, Juwelen. Kostbare Objekte zwischen Alltagsökonomie und Sinnstiftung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 42 (2015), S. 167–187. Arjun Appadurai (Hg.), The Social Life of Things. Commodities in Cultural Perspective, Cambridge 1986 (ND 2006). Igor Kopytoff, The Cultural Biography of Things: Commoditization as Process, in: Appadurai (Hg.), The Social Life of Things, S. 64–91. „Value is embodied in commodities that are exchanged. Focusing on the things that are exchanged, rather than simply on the forms of functions of exchange, makes it possible to argue that what creates the link between exchange and value is politics, construed broadly.“ Appadurai, The Social Life of Things, S. 3.

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Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

am Beispiel der Schuldeneintreibung in kleineren und mittleren Haushalten des 14. und 15. Jahrhunderts herausgearbeitet.6 Sowohl Muzzarelli7 als auch Smail und vor allem Valentin Groebner betonten schließlich die Bedeutung von uns heute banal und wertlos erscheinenden Pfandgegenständen für die Menschen des ausgehenden Mittelalters. Besonders Kleider galten in dieser auf Vorsorge für Notfälle ausgerichteten Wirtschaft als wichtiges Wertaufbewahrungsmittel. Groebner spricht folgerichtig von einer „Kleiderökonomie“,8 in der Kleidung und entbehrliche Haushaltsgegenstände ein Vermögen bedeuteten. Er belegte in seiner Studie „Ökonomie ohne Haus“ anhand der Nürnberger Libri Conservatori, dass Kleidung und entbehrliche Haushaltsgegenstände, aber auch Möbel die häufigsten Pfandobjekte waren. Pfänder waren Objekte mit hohem Verkehrswert, z. B. Kleidung oder Handwerkszeug. Die Verpfändung von Kleidern erscheint als notgedrungene Praxis armer Leute. Die nichteingelösten Kleidungsstücke wurden dann häufig von Altkleiderhändlern bei Versteigerungen erworben und weiterverkauft. Hierbei wird die Verquickung von Kleinkredit und Secondhand-Handel sehr deutlich. Auf diese wird weiter unten noch detailliert eingegangen. Fest steht: die Pfandobjekte wurden selbst zu Kapitalträgern. Sie ersetzten das Geld in einer Schuldenwirtschaft, in der Kredit omnipräsent war. Die mittelalterliche Sachwerteökonomie, von der Groebner spricht, fordert Taktiken und Strategien des Überlebens eines Bevölkerungsteils ohne Ressourcen. Doch nicht nur aus Not wandten sich die Menschen an Monti oder städtische Pfandleiher, auch wohlhabendere Kreise nutzten diese Kreditquelle im städtischen Milieu, wie Evelyn Welch für Mailand, Bologna und viele andere Städte Italiens im 14. und 15. Jahrhundert aufgezeigt hat.9 Darüber hinaus waren private Geldleihen oder verzögerte Zahlungen oft pfandbasiert. Auch Versteigerungen (incanti) waren folglich ein fester Bestandteil des städtischen Wirtschaftskreislaufs, der ebenjene Gegenstände wieder auf den Markt brachte. Städte

6

7 8 9

„Goods played a starring role in the process of debt collection. They were especially suited to the recovery of small to medium-sized debts that dominated the world of consumer credit in later medieval Europe.“ Smail, Legal Plunder, S. 26. Eine viel weiter gefasste Schlussfolgerung zur Rolle von (auch durch Pfänder gesicherte) Schulden formuliert Groebner: „Schulden erweisen sich als unterschiedlich gebrauchte Instrumente sozialer Kohäsion und ökonomischer bondage.“ Groebner, Ökonomie ohne Haus, S. 206. Maria Giuseppina Muzzarelli, Considerazioni preliminari. Un cumulo, anzi un monte di pegni, in: dies. / Mauro Carboni (Hg.), In pegno, S. 9–19. Groebner, Ökonomie ohne Haus, S. 235–243 und ders., Mobile Werte, S. 175, 179. Gleichermaßen argumentiert auch Evelyn Welch für die italienische Renaissance. Welch, Shopping in the Renaissance, S. 196–203. „Pawns ran the full gamut of material possessions and those taking out and accepting loans ranged from the most elite figures of the nobility to the very poorest.“ Ebd., S. 197. Sie nennt u. a. das Beispiel des Künstlers und Architekten Giulio Romano, der in Diensten der Familie Gonzaga stand

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

213

wie Venedig oder Florenz regulierten diese Versteigerungen durch festes Personal, die sogenannten comandatori10, durch feste Versteigerungstermine, die im Vorfeld durch banditori del commune angekündigt werden mussten und an zentralen Plätzen stattfanden.11 Unter den Käufern waren neben Gebrauchtwarenhändlern oder Goldschmieden häufig Freunde, Verwandte oder die ehemaligen Eigentümer selbst, dies ist ein Verweis auf den stark informellen Charakter dieser Gebrauchtwarenmärkte.12 Auch die Monti waren zur Versteigerung ihrer nicht eingelösten Pfandgegenstände verpflichtet.13 Vom Umgang mit den Pfandgegenständen zeugen aber nicht nur ihre Statuten, sondern auch überlieferte Pfandregister und sogar Listen verkaufter Pfänder. 5.1 Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia Ausgehend von diesen Befunden lässt sich ein Teil des Verwaltungsschrifttums der Monti, besonders die Pfandleihregister und Verkaufslisten interpretieren. Die asymmetrische Überlieferung der Quellen, sichtbar in einer lückenhaften Liste nicht eingelöster und versteigerter Pfandobjekte aus Perugia von 1469/7014 und einem lückenhaften, dafür aber informationsreicheren Pfandleihregister von 1578 bis 1590 aus der

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12 13 14

und dessen Inventar post mortem 1546 eine umfangreiche Galerie an verpfändeten Gegenständen aufzählt. Darunter waren Teppiche, Wandbehänge, Trinkgefäße aus Silber sowie Schmuck und Kleidungsstücke. Ebd., S. 198 f. Ein weiteres eindrückliches Beispiel ist die Versteigerung des Nachlasses (bestehend aus einer Reihe Luxusgegenstände, wie Decken aus Schwanenfedern und dekorierten Straußeneiern) eines Kardinals aus der Familie der Orsini in Rom im Jahr 1581, die Michel de Montaigne beschreibt. Der Erlös sollte der einzigen Hinterbliebenen des Kardinals, seiner minderjährigen Nichte, zukommen. Ebd., S. 194. Städtische Beamte, die zugleich für die Beschlagnahmung von Gütern – etwa säumiger Schuldner – sowie für die Versteigerungen als Ausrufer zuständig waren. Ebd., S. 187. Ebd., S. 185–196. So wurde beispielweise der Neubau der Mailänder Kathedrale 1386 aus den Erlösen von Auktionen finanziert. „These auctions, with their mixture of charitable opportunities and bargain hunting, were unusual but not exceptional.“ Ebd., S. 189. In anderen Fällen, wie im toskanischen Dorf Sovicelle, das Siena steuerpflichtig war, wurden Bewohner 1383 gezwungen ihre Steuern aus dem Verkaufserlös ihrer Haushaltsgegenstände zu begleichen. Ebd., S. 190. Ebd., S. 191. Vgl. Kapitel 4, den Abschnitt zu Versteigerungen. Die Liste umfasst im Zeitraum vom 14. März 1469 bis Oktober 1470 verkaufte und nicht verkaufte Gegenstände. ASP, Miscellanea di computerista n.3 und wurde in Teilen abgedruckt bei Majarelli/ Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 337–360. Hierzu auch der kurze Aufsatz von Margherita Malagnino, Analisi di uno strumento operativo: il Libro de vendete de pegni del Monte, in: Cutini (Hg.), Per soventione de le povere persone, S. 59–62.

214

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

kleinen Stadt Lapedona15 nahe Fermo16 fordert eine Mikroperspektive und die Arbeit mit Fallstudien. Die Lokalhistoriker Gabriele Nepi und Luigi Rossi erwähnen den Monte frumentari, der Kredite in Form von Saatgetreide vergab, und den Monte di Pietà gegründet im Jahr 1558 mit Sitz in einem Raum unter der Chiesa di San Nicolò.17 Rossi zitiert eine Quelle aus dem 17. Jahrhundert hierzu, laut der das Startkapital aus einer Spende 180 Scudi betrug und das Getreide über einhundert rubbia umfasste. Laut Nepi zählte die Stadt zur Zeit Papst Sixtus V. (1585–1590) sechshundert Haushalte.18 Rossi beschreibt Lapedona als florierenden Ort mit 250 Familien in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, deren Besitzungen circa 1.500 Hektar Land umfassten. Der Großteil der Einwohner gehörte der Handwerkerschicht an.19 Daneben sind für den Zeitraum zwischen 1550 und 1600 23 in der Stadt aktive Notare belegt.20 Im Gegensatz zu Fermo besaß Lapedona wie auch Campofilone und Montotto eine private jüdische Leihbank unter Leitung Gabriele Isaacs, der als habitator castri Lapedone noch in den 1560er Jahren als Kreditor auftaucht.21 Während die Perusiner Verkaufsliste detaillierte Beschreibungen der Gegenstände, die Namen der Schuldner und der Käufer sowie den Geldwert der Objekte an beiden

15

Die Quelle wurde fälschlicherweise als römische Quelle klassifiziert und ist im Katalog der Baker Library der Harvard Business School als ‚Account Book from Rome‘ verzeichnet. Jedoch geht aus allen drei Bänden deutlich hervor, dass es sich um Abrechnungsdokumente aus der Kleinstadt Lapedona handelt. Heute existieren noch zwei Orte mit diesem Namen: Pedona, nahe Lucca in der Toskana und Lapedona, eine kleine Gemeinde mit circa 1.200 Einwohnern nahe Fermo in den Marken. Vittorino Meneghin führt in seinem Standardwerk aus dem Jahr 1986 Lapedona nicht als Ort mit einem Monte auf, die Fondazione del Monte mit dem angeschlossenen Studienzentrum der Universität Bologna nennt den Ort aber in ihrem aktuellen Katalog. Die drei Bücher werden aufbewahrt in der Baker Library der Harvard Business School. In diesem Kapitel verwende ich vor allem Band 3 unter der Signatur: Monte di Pietà, Mss. 4, vol. 3, fol. 133–199r. Dieser Band enthält darüber hinaus weitere Einträge: Neben der Pfandliste erscheinen jährlich die Zwischenrechnungen der Sindici als Buchprüfer (beispielsweise auf fol. 200r–201r und 277v für Pfänder und auf fol. 201v–202v für Getreide) und Einträge über verliehenes Getreide (beispielsweise auf fol. 214v–229r und 278r). 16 Der eindeutige Beleg für die Identität der Stadt geht aus dem zweiten Band der Rechnungsbücher hervor, in dem auf die Maße für Getreide aus Fermo als Standardmaße Bezug genommen wird. Ms. 4, vol. 2, fol. 81v: Io Antonio Gaspari confesso havere recenuto da Seniore Battista Sassonio fiorini vinti di moneta per liquali prometto darli tanto grano buono et recipiente a messura pross. a quanto entrara in detto denari alla stima della citta di Fermo et prometto mesurarlo per tutto il mese di agosto R. er in Federi lo scritto di mia propria mano alli 26 di maggio 1591 --- ß 20. Das Städtchen befand sich seit 1405 in direkter Abhängigkeit von dem nur 7 km entfernten Fermo und wurde von einer Gruppe Adeliger regiert. Im Zeitraum von 1537 bis 1547 gehörte die Gemeinde zum Kirchenstaat. Siehe Gabriele Nepi, Cenni storici di Lapedona, Fermo 1963. 17 Ebd., S. 56. 18 Ebd., S. 26. 19 Luigi Rossi, Communità di castello: Lapedona nella seconda metà del 500, in: Marca-Marche 11 (2018), S. 41–52, hier S. 44. Er erwähnt Schmiede, Schuhmacher, Tischler, Kurzwarenhändler und Lebensmittelhändler. 20 Ebd. 21 Ebd.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

215

Transaktionen enthält, sehen wir im Pfandleihregister aus Lapedona das Pfandleihgeschäft an sich abgebildet. Die Objekte und ihre Verpackung werden teils genau beschrieben, die Namen der Debitoren und Darlehenssummen sind verzeichnet; zudem gibt es in den Büchern Vermerke, wann und von wem das Pfand eingelöst wurde, sowie Summen am Ende jeder Seite. Darüber hinaus reihen die drei Bände miszellenartig verschiedene Einträge über die Verbindung von Pfandleihe und Verleih von Saatgetreide,22 wie Statutenreformen, Inventarlisten,23 Urkunden über Anleihen der Stadt beim Monte24 oder vereinzelt und unsystematisch niedergeschriebene Auflistungen von Pfandgegenständen25 aneinander. Neben einer naheliegenden quantitativen Auswertung der Häufigkeit bestimmter Pfandarten in beiden Quellen wird in einem zweiten Schritt die Frage nach der Wertzuschreibung behandelt. Zum einen gibt der dort greifbare Geldwert die Möglichkeit zur Kontextualisierung der Objekte innerhalb der Haushaltsökonomie allgemein. Trotz der bekannten Schwierigkeiten bei der Ermittlung von quantitativen Wertäquivalenzen zur Gegenwart soll versucht werden, die Werte der Pfänder ins Verhältnis zu zeitgenössischen Löhnen und Lebensmittelpreisen zu setzen, um die Frage nach ihrem materiellen, instrumentellen Wert zu beantworten. Auf der anderen Seite steht die Frage nach der Attribuierung der Gegenstände, die auf die zweite Dimension der Wertzuschreibung abzielt, dem Wert, der sich aus dem Begehren nach einem Gut speist. Dazu wird das bei der Beschreibung der Objekte verwendete Vokabular einer genaueren Prüfung unterzogen. Am Ende steht eine Kategorienbildung. 5.1.1 Objekte und Wertzuschreibung – eine Liste verkaufter Pfandgegenstände aus Perugia (1469/70) Die Pfandliste dokumentiert auf 78 Folii den Verkauf von nicht eingelösten Pfandgegenständen des Monte aus Perugia im Zeitraum von März 1469 bis Mitte des Jahres 1470. Sie enthält insgesamt 553 Einträge mit 703 Pfandgegenständen. Nicht immer wurde also nur ein Gegenstand verpfändet, sondern es handelte sich häufiger um Objektgruppen, die zu Geld gemacht wurden. Besonders bei kleineren und minderwer-

Ein beispielhafter Eintrag findet sich in Bd. 2 auf fol. 20v vom Oktober 1585: Dona Catarina d’Emilio deve dare fiorino uno et bolonini cinque per una quarta di grano et per mese ut supra et per che ne trovo securata lasso pegno una filza di coralli dn: 0 70. con doi conochielle d’argento, doi paternostri d’argento, doi perinni d’ambro giallo, et un raggio del sole d’argento tutti in un filo dico 1:5 23 In Bd. 2 auf fol. 88v unter dem Titel: Inventario delle robe spettante al monte dela pietà di Lapedona consegnate. 24 Bd. 2, fol. 290v. Der Eintrag ist gesiegelt. Es handelt sich um eine Leihe der comonità de Lapedona von 88 Fiorini im Mai 1593. Auf fol. 291v geht es dann um die Leihe von 300 Fiorini durch die Stadt. 25 Der 2. Band enthält beispielsweise eine solche Liste auf zwei gegenüberliegenden Folii, fol. 220v–221r. 22

216

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

tigen Objekten wie Haushaltstextilien wurden zwei oder drei Objekte zusammen verpfändet. Die Bemühungen der Monti, die nicht eingelösten Pfänder wieder in Umlauf zu bringen, werden an dieser Stelle ebenfalls sichtbar. In den Einträgen sehen wir die Auktionen, die zweimal im Monat an drei aufeinander folgenden Tagen stattfanden. Neben diesen Daten finden wir auch die genaue Beschreibung der Objekte nach Zustand, Stil, Farbe usw. sowie die Namen der ehemaligen Schuldner und der Käufer.

Abb. 7 Auszug aus einer Liste versteigerter Pfänder aus Perugia 1469/70

Darüber hinaus zeigen die Einträge in der linken Spalte die Nummer des Pfandes im Monte sowie eine erste Rate, die der Käufer durch den Eintrag per arra (caparra = Anzahlung) geleistet hat. Der Verkauf wurde durch die Abkürzung stab für stabilitum bestätigt. Die Form der Einträge ist sehr übersichtlich, die Geldbeträge werden auf der rechten Seite verrechnet, was die Klarheit über den aus dem Verkauf erzielten Gewinn erhöht. Schaut man auf die quantitative Verteilung der 703 Einträge in der Liste aus Perugia, so ergibt sich folgendes Bild: Tab. 2 Pfandarten in der Liste versteigerter Pfänder aus Perugia, 1469/70 Quellenbegriff

Übersetzung

vestito

Überkleid

123

Häufigkeit der Nennung

tovaglietta

kleines Tischtuch

69

asciuchatoio

Handtuch/Schal

63

camorra, gamorra

Unterkleid

49

tovaglia

Tischdecke

47

cintura

Gürtel

44

un stampolo di panno

eine Rolle Stoff

40

giornea

dekoratives Übergewand

36

tessuto

Stoff

32

libro

Buch

23

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

Quellenbegriff

Übersetzung

mantella

Mantel

18

capuccio

kurzer Mantel mit Kapuze

14

paio di lenzoli, lenzuolo

Betttuch

11

gonellino, gonella

Übergewand

10

217

Häufigkeit der Nennung

guarnello

Mantel

7

berretino

Kappe

7

giupparello, giubbotto, farsetto

gefüttertes Wams

7

tazza

tasse

6

guardanappo

Serviette

6

anello d’oro

Goldring

6

cupizo do panno

ein Stück Stoff

5

tramaglio

Netz

5

paio di calze

ein Paar Schuhe

4

mantilotto

kleiner Schleier

4

balestra

Armbrust

4

saccetto

kleines Säckchen

4

pantiera

Gürtel (milit.)

4

veste

Jacke

3

una gumisia, camicia

ein Hemd

3

vergetta d’oro

Goldstab

3

braccia di panno

eine Elle Stoff (60 cm)

3

Paia de fianchali

Armschutz

3

coltello

Messer

2

coralliera

Korallenkette

2

capellino

kleiner Hut

2

un paio de pettene da lanare

ein Paar Wollkämme

2

filaia d’ambra

Bernsteinkette

1

bacino

Becken

1

coperchio

Deckel

1

guanchale, guanciale

Kissen

1

una berrecta di grana

karminrote Kopfbedeckung

1

pezzo di seta

ein Stück Seide

1

panno bigio

rauher, grober Stoff

1

diamante

Diamant

1

tenevello grosso e una zappa pichola

Bohrer und Hobel

1

218

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

Quellenbegriff

Übersetzung

taffeta da grano/grana

seidenartiges Gewebe aus karminrotem Stoff

1

nove quinterne de carta bambagina

neun Stück Amalfi-Papier

1

una ongarescha cum guaina

Gefäß aus Steingut mit Fuß

1

Häufigkeit der Nennung

una coltre azura

blaue Bettdecke

1

un porteletto de forno

eine Ofentür

1

una catena da fuocho oder ventola

Blasebalg

1

Es wird deutlich, dass die meisten verkauften Artikel Kleidungsstücke waren. Vestite (Kleider) für Männer und Frauen sind mit 123 Einträgen die am häufigsten genannten Objekte. Es folgen kleine und große Tischdecken (mit 69 bzw. 47 Einträgen) und Handtücher (stuckatoy oder asciuchatoio) mit über 60 Erwähnungen. Gürtel und lange Unterkleider (camorre), Oberbekleidung, Jacken und Mäntel werden ebenfalls häufig erwähnt. Selten, d. h. weniger als zehnmal, werden Schmuckstücke wie Goldringe, Korallen- oder Bernsteinketten oder Edelsteine wie Saphire erwähnt. Waffen und Rüstungsteile wirken exotisch, ebenso wie die Ofentür (porteletto de forno), die von Elpapa Bailo für 20 Schilling verpfändet und am 28. Juni 1469 von Antonio Angeli für 21 Schilling ersteigert wurde.26 Tücher oder Stoffballen (tessuto, un stampolo di panno) sind recht häufig zu finden, was auf die Verpfändungspraktiken von Mitgliedern bestimmter Handwerke wie Schneider, Weber oder Tuchmacher hinweist und so den Kleinkredit der Monti auch in den Kontext der städtischen Textilproduktion und der prekären Lebensbedingungen stellt, die die Produzenten oft zwangen, unfertige Waren oder Produkte zu verpfänden, um Geld zu erhalten. Die Mehrheit der Objekte hatte einen eher geringen Geldwert mit weniger als oder bis zu einem Fiorino. Dabei ist zu beachten, dass die Pfandgegenstände in den Monti im Schnitt um ein Drittel niedriger geschätzt wurden als ihrem Marktwert entsprach. Dementsprechend ist von einem höheren realen Wert der Gegenstände auszugehen, der aus den erzielten Summen der Auktionen hervorgeht. Am unteren Ende der Preisklasse befinden sich Objekte wie ein Stück Eisen (una mazza di ferro)27 für zwölf Schillinge, ein Schnitzmesser (coltello),28 das für 16 Schillinge verpfändet wurde, ein Stück Stoff oder Kleidungsstück (stregnietoio)29 aus Baumwolle und grünem Band für 18 Schillinge oder eine kleine Tischdecke und ein Kopftuch (tovaglia pichola e uno as-

26 27 28 29

ASP, Commune di Perugia, miscellanea di computerista n. 3, 1469, fol. 35r. Nr. 3068, fol. 72v. Nr. 490, Majarelli/Niccolini, Il Monte dei poveri, S. 347. Nr. 2539, ebd., S. 353.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

219

ciuchatoio)30 für 15 Schillinge. Während Tischdecken, Bettwäsche und Handtücher in der Regel nur für einen Florin verkauft wurden, konnten wertvollere Kleidungsstücke, insbesondere Damenkleider, Preise zwischen zwei und bis zu 14 Florin erzielen. Nennenswerte Objekte von hohem Wert sind beispielsweise fertige Überkleider (giornea oder vestite) oder solche aus schwarzem Samt, die um die sechs Florin kosteten.31 Des Weiteren zu nennen ist ein für sechs Florin von dem Wollweber Nucenzio di Giapocho verpfändeter und für zwölf Florin durch Permatheus de Cavaceppis gekaufter lila Mantel sowie ein gefüttertes Wams aus schwarzem Samt. Mit der Versteigerung scheint die Transaktion abgeschlossen zu sein. Doch folgt diesem Eintrag der Vermerk, dass am 13. Mai der Wollweber Ludocvico Iasonis für den genannten Nucenzio die versteigerten Objekte mit Erlaubnis des Käufers Permatheus doch noch auslösen konnte.32 Dieses Beispiel zeigt einen Fall, in dem ein Schuldner seine bereits versteigerten Pfänder doch noch zurückforderte und sie auch bekam. Offensichtlich lohnte sich der Aufwand für solch wertvolle Kleider. Diese Flexibilität der Akteure untereinander verweist zum einen auf den Aspekt einer auf informellen Absprachen und gütlichen Einigungen basierenden Wirtschaftsweise, zum anderen belegt sie vor allem den offensichtlich hohen Wert des Pfandgegenstandes für den Schuldner, der seinen Besitz und damit zukünftigen Kredit im letzten Moment sicherte. Betrachtet man die im Perusiner Verzeichnis aufgeführten Gegenstände und die ihnen zugeordneten Geldbeträge, so ergibt sich insgesamt ein zweigeteiltes Bild: Kleidungsstücke scheinen allgemein den höchsten Geldwert zu erzielen, wobei bestimmte Arten von Kleidung herausstechen. So erbrachten aufwändig gearbeitete Damen- und Herrenkleider und Textilien aus kostbaren Stoffen beispielsweise hohe Beträge, wohingegen Rüstungsteile oder Waffen wie Armbrüste mit höchstens einem Florin einen eher geringen Wert hatten. Von den 703 genannten Gegenständen wurden nur 68 nicht versteigert. Dies entspricht einem Anteil von rund 9,7 Prozent. Neben der Entschädigung für nicht rückerstattete Kredite unternahm der Monte natürlich große Anstrengungen, die Objekte aus seinem Depot zu entfernen, um Platz für neue Pfänder zu schaffen.

30 31 32

Nr. 6578, ebd., S. 340. Zu den verschiedenen Kleidungstypen siehe das Glossar von Maria Giuseppina Muzzarelli, in: dies., Guardaroba Medievale. Vesti e società dal XIII al XVI secolo, Bologna 1999, S. 353–362. Nr. 220 und 221, ebd. S. 349. Beide wurden nicht verkauft. Nr. 57, ebd., S. 356 f. Nucenzio de Giapocho lanaio / uno mantello pagonazo da homo e uno / giupetto de velluto nero – ff. 6 s. 52 d. 6 Die 20 aprilis nemo: die 21 aprilis nemo / Die 8 maii Permatheus de Cavaceppis / Promisit fl. 12, cui fuit stabilitum – ff. 12 s. --- d. --Die 13 maii de voluntate predicti Per Mathei fuit predictum pignus restitutum / Per dictos offitiales Ludovicho Iasonis / Lanario p. S. recipienti pro dicto Nucientio de licentia ipsius Nocentii.

220

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

Wie bereits erwähnt, bestand der Wert eines Objekts nicht nur in seinem unmittelbaren Geldwert. Die angegebenen Geldwerte dienten vor allem der genauen Taxierung. Die zugeschriebenen Attribute hingegen können als Zeichen der Wertschätzung der Objekte gedeutet werden. Insgesamt kann man von einer großen Bedeutung dieser Haushaltsgegenstände für das Überleben der Kunden ausgehen. Diese wird in der äußerst präzisen Beschreibung in den Quellen deutlich, die das Alter, den Zustand, die Farben, Materialien und Stil der Objekte nennen. So charakterisieren die Einträge an einigen Stellen die Gegenstände mittels Attributen wie sporca (schmutzig), corrostato (abgenutzt, zerschlissen) oder neutraler einfach nove (neu) oder usate (benutzt) und beschreiben damit eine neue Dimension der Wertzuschreibung neben dem Geldwert. Doch warum war diese Attribuierung überhaupt nötig? Zum einen rechtfertigte man vermutlich hierüber den Schätzwert und zum anderen konnte man die Gegenstände so leichter wieder im Depot auffinden. Der genaue Wert dieser häufig alten und abgenutzten, und deshalb scheinbar wertlosen Gegenstände war jedoch wichtig sowohl für den Depositarus, der die Verantwortung für die sachgemäße Verwahrung trug, als auch für diejenigen, die sie als Wertspeicher einsetzten, um ein geringes Darlehen aus dem Monte zu bekommen. Auch wenn die Gegenstände abgenutzt und alt, teils kaputt oder nicht mehr schön waren, waren sie immer noch gut und wertvoll genug, um in Notzeiten zum Einsatz zu kommen. 5.1.1.1 Hinweise auf die Sozialstruktur der Akteure Auch über die damaligen Schuldner sowie die Käufer lassen sich anhand der eingetragenen Berufsbezeichnungen Aussagen treffen. Die allermeisten der Schuldner und Käufer entstammten dem Handwerker- und Händlermilieu. Unter den auf der Liste genannten Debitoren finden sich lediglich sechs Frauen, die Käufer waren allesamt Männer. Darunter werden auch einige jüdische Käufer wie Sabatuccius Dattoli explizit und mehrmals (fünfmal) genannt. Was nach dem Kauf mit den Pfändern geschah, lässt sich nicht nachverfolgen. Aus der Quelle geht zudem eindeutig hervor, dass auch Altkleiderhändler unter den Käufern waren. Dies belegen die Einträge auf fol. 19v, 26r und 32v, die alle einen ragattiere/riggatiere namens Manuele Arus und Gostantinus Bartoli bzw. Francesco Johannis als Käufer nennen. Die rege Beteiligung von Altkleiderhändlern und -händlerinnen am Pfandleihmarkt spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Städte belegten auch Laurence Fontaine33 am Beispiel Frankreichs und Carol Collier

33

Laurence Fontaine, The History of Pedlars in Europe, Oxford 1996; dies. (Hg.), Alternative Exchanges. Second-Hand Circulations from the Sixteenth Century, New York/Oxford 2008.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

221

Tab. 3 Berufsgruppen aus der Pfandliste, Perugia 1469/70 Berufe von Schuldnern und Käufern in der Pfandliste aus Perugia (1469/70) bambachaio

Baumwollweber

sartore

Schneider

merciaio

Kurzwarenhändler

fabro

Schmied

lanaiolo

Wollhändler

tentore/tintore

Färber

barbiere

Barbier

cimatore

Maurer

spetiali

Gewürzhändler

macellatore

Fleischer

polaiolo

Geflügelzüchter

funaio, fornaio

Bäcker

calzolaio

Schuhmacher

piliraio, pellicciaio?

Kürschner

Frick34 sowie Alessia Meneghin für Florenz35 und Patricia Allerston für Venedig.36 James Davis hat in seinem Artikel zu mittelalterlichen Secondhand-Märkten in England37 bereits darauf hingewiesen, dass die Rekonstruktion dieser informellen Märkte und ihrer Bedeutung (im Vergleich zu formalisierten Märkten) aufgrund ihrer

34 35 36 37

Carol Collier Frick, The Florentine Rigattieri: Second Hand Clothing Dealers and the Circulation of Goods in the Renaissance, in: A. Palmer / H. Clark (Hg.), Old Clothes, New Looks: Second Hand Fashion, Oxford 2005, S. 13–28. Alessia Meneghin, The Social Fabric of Fifteenth-Century Florence. Identities and Change in the World of Second-Hand Dealers, New York 2020. Patricia Allerston, Reconstructing the Second-Hand Clothes Trade in Sixteenth-Century Venice, in: Costume 33 (1999), S. 46–56. James Davis, Marketing Secondhand Goods in Late Medieval London, in: JHRM 2/3 (2010), S. 270–286.

222

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

verschwindend geringen Überlieferung für das Mittelalter sehr schwierig ist,38 diese schlechte Quellenlage aber keineswegs auf eine geringe historische Bedeutung dieses Handels- und Konsumsektors verweist. Er zitiert mit Lemire39 die Bedeutung dieses Sektors für das 18. Jahrhundert wie folgt: „the secondhand clothes trade was a vital reflection of consumer demand in preindustrial and industrial England“. Beverly Lemire schreibt dem Gebrauchtwarenhandel eine hochgradige Distributionsfunktion zu. Der Gebrauchtwarenmarkt als sekundärer Markt umfasste im genannten Zeitraum fast die gesamte Bevölkerung. In ihm war fast jeder und jede Verkäufer und Käufer, und er kurbelte die industrielle Produktion von Gütern erheblich an.40 Margaret Spufford belegte für England im 17. Jahrhundert die wichtige Rolle bei der Versorgung der von Marktplätzen entfernt lebenden Landbevölkerung mit Haushaltsgegenständen und (gebrauchten) Kleidern durch fahrende Händler.41 Diese Aussage ließe sich bis zu einem gewissen Grad auch auf spätmittelalterliche Städte Italiens übertragen, betrachtet man die dortige Luxusgesetzgebung der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die ganz eindeutig in der nicht standesgemäßen Aneignung von Statussymbolen wie Schmuck und Kleidung eines bestimmten Stils durch ärmere Bevölkerungsgruppen einen Verstoß gegen die rechte Ordnung sah.42 Es steht zu vermuten, dass diejenigen, die solche Kleider kauften – besonders die in den Quellen des Monte genannten Schneider, Kürschner, Schuster und Weber – sie wahrscheinlich auch auffrischten und in überarbeiteter Form weiterverkauften.43 Diese wenigen Beispiele lassen zwar nicht mehr als einen verschwommenen Blick auf das Thema zu, dennoch verweisen sie auf den interessanten Konnex zwischen Armut, Kleinkredit/Pfandleihe und Secondhand-Märkten. Die Verfügbarkeit von vormals unerschwinglichen Kleidungsstücken für niedere Schichten durch den Secondhand-Markt ist ein weiterer Aspekt, der auf veränderte Konsummuster des späten Mittelalters hinweist. Günstige, da gebrauchte, modische und somit begehrte Kleidung oder andere Haushaltsgegenstände wurden auch für ärmere Schichten zugänglich.44 Folglich partizipierten mehr Menschen an der Konsumkultur des Spätmittelalters.

38 39 40 41 42 43 44

Ebd., S. 271: „Secondhand markets thus lie amost fully below the documentary parapet. They provided important outlets for cheap and used goods, but they also operated beyond the formal rules and quality procedures that safeguarded consumers of new commodities.“ Beverly Lemire, Consumerism in Preindustrial and Early Industrial England: The Trade in Secondhand Clothes, in: Journal of British Studies 27 (1988), S. 1–24, hier S. 1. Beverly Lemire, Salesmen, Pawnbrokers, Taylors, Thieves and the Second-hand Clothes Trade in England c. 1700–1800, in: Textile History 22/1 (1991), S. 67–82, hier S. 67. Margaret Spufford, The Great Reclothing of Rural England: Petty Chapman and Their Wares in the Seventeenth Century (Hambledon Press History Series 33), London/New York 1984. Catherine Kovesi Killerby, Sumptuary Law in Italy 1200–1500, Oxford 2002, sowie Maria Giuseppina Muzzarrelli / Antonella Campanini (Hg.), Disciplinare il lusso: la legislazione suntuaria in Italia e in Europa tra Medioevo ed età moderna, Rom 2003. Vgl. Davis, Marketing, S. 276. Kowaleski, A Consumer Economy, passim.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

223

Kowaleski betont den verstärkten Zugang ärmerer Bevölkerungsgruppen wie Handwerker, Lohnarbeiter und Bauern zu Konsumgütern wie Nahrungsmitteln, Kleidung, Schmuck, Baumaterial und Dienstleistungen seit dem 14. Jahrhundert. Dies wird auch durch die hier analysierten Quellen bestätigt. Obgleich die meisten erwähnten Objekte der Pfandverkäufe bescheidener Natur waren, finden sich doch auch wertvollere Gegenstände wie Bücher und aufwendiger gestaltete Kleidungsstücke darunter. Eine weitere Quelle für die begehrten Kleidungsstücke waren die bürgerlichen oder adeligen Haushaltsvorstände. Wie Howell45 für Flandern und England im 14. Jahrhundert anhand von Testamenten und Inventaren nachgewiesen hat, vererbten wohlhabende Haushaltsvorsteher ihre teils abgetragene Kleidung gern an Verwandte, aber auch an Dienstboten und Angestellte. Oder sie reichten sie noch zu Lebzeiten weiter, wenn sie abgetragen und nicht mehr im besten Zustand war, wie Muzzarelli beschreibt.46 Sie bekräftigt zudem die These, dass nicht nur Arme die Klientel der Monti ausmachten, sondern auch wohlhabendere KundInnen den Monte als sicheres Depot für ihre Wertgegenstände oder auch die Wintergarderobe nutzten.47 5.1.1.2 Begehrte Objekte höheren Wertes Der Verkaufswert sämtlicher versteigerten Objekte lag über ihrem Schätzwert bei der Pfandleihe. Somit garantierten die Auktionen den Monti die Darlehenssumme und den Zins, wie in den Statuten vorgesehen. Der Gegenstand mit dem höchsten erzielten Geldwert war die oben bereits erwähnte Objektgruppe, bestehend aus einem Herrenmantel und einem schwarzen Samtwams. Beide – ursprünglich von einem Wollhändler/Wollweber (lanaio) namens Nucenzio de Giapocho für 6 Florin, 52 Schilling und 6 Denare verpfändet – wurden für eindrucksvolle 12 Florin an einen gewissen Permatheus de Cavaceppis versteigert. Gute Preise erzielten auch ein mit Silber verziertes und nielliertes48 scharlachrotes Samtband mit 6 Florin und 50 Schillingen (die Leihsumme war: 2 Florin, 17 Schillinge und 6 Denare),49 ein Buch „chiamato Latan-

45

Martha C. Howell, Commerce Before Capitalism in Europe, 1300–1600, Cambridge 2010, S. 177– 181. 46 „Many ornate and expensive garments, when used and consumed or not well conserved, were passed on by their wealthy owners to servants, clients, or second-hand dealers who then sold them to the poorer people“. Muzzarelli, From the Closet to the Wallet, S. 25. 47 Ebd. 48 Dabei handelt es sich um eine auch heute noch bekannte farbgebende Goldschmiedetechnik, bei der ein blauschwarzes (lat. nigellum = schwärzlich) Material auf Metall, meist Silber um den Kontrast herauszustellen, geschmolzen wird. 49 Una fietta cremosi (cremisi = scharlachrot) vellutata cum ariento orato et niellato, Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 356.

224

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

zio“ für 6 Florin und 30 Schillinge, sowie ein weiteres gebundenes Buch mit dem Titel „Bartholo“,50 das von Ansininus de Visso für 5 Florin, 12 Schilling und 6 Denare nach vier Tagen ersteigert wurde. Sein Pfandleihwert, den der Adelige Messer Antonio da Pucci bekommen hatte, betrug ursprünglich 2 Florin und 12 Schillinge.51 Um dieses Buch hatte nach anfänglicher Zurückhaltung am ersten Tag ein mehrtägiger Wettbewerb der Bietenden stattgefunden, wie der Eintrag zeigt: 6569 Messer Antonio da Pucci: un libro chiamato Bartholo sopra la prima parte de Reforcato. Die 14 martii, nemo; die 15 martii dominus Iacobus de Montefiascone promisit fl. 3; die 16 dominus Iohannes Basilii de Spoleto promisit fl. 4; Perioannes Francisci promisit fl. 4, 2 s., contra prefatus dominus promisit fl.5; die 20 martii dominus Ansininus de Visso promisit fl. 5, s. 12, d.6, die 23 martii fuit stabilitum predicto domino Ansinino pro fl. 5, s.12, d.6. stabilitum fl. 5 s. 12. d. 6

Drei Bieter vor Ansininus als finalem Käufer am 20. März erscheinen nacheinander im Verzeichnis an den drei aufeinanderfolgenden Tagen vom 14. bis zum 16. März 1469. Dieses Beispiel zeigt den hohen Wert, der einem begehrten Gegenstand – hier möglicherweise ein sehr bekanntes enzyklopädisches Werk – im Zuge eines Tauschaktes zugeschrieben werden konnte. Infolgedessen wurde sein Geldwert um mehr als das Doppelte gesteigert. Doch Bücher waren keineswegs immer begehrte Verkaufsobjekte. So wurden beispielsweise drei Bücher (darunter Ciceros De Senectute, seine Rhetorica sowie ein Buch namens Statuta) des Schuldners Messer Felitiano de Gostantino im Gesamtwert von 1 Florin, 27 Schillingen und 6 Denaren nicht versteigert. Doch kommt man über die Objekte selbst auch zur Frage des sozialen Status der Darlehensnehmer. Schon die zwei vorigen Beispiele haben gezeigt, dass keineswegs nur Handwerker, Tagelöhner und Bauern zu den Kunden des Monte gehörten. Einige wenige als messer (Herren) bezeichneten Klienten können wohl eher dem gelehrten oder wohlhabenderen Stand zugeordnet werden. Auch die verpfändeten Kleidungsstücke verweisen auf den ersten Blick auf eine teils gehobene bürgerliche Klientel, die sich solche Statusobjekte anschaffen und diese im Zweifel auch entbehren konnte. Diese Annahme verliert jedoch an Gewicht, da zum Großteil bereits abgenutzte und

50 51

Möglicherweise handelte es sich dabei um Bartholomäus Anglicus’ um 1240 entstandene Enyzklopädie De proprietatibus rerum, die nach dem Erstdruck in Köln im Jahre 1470 weite Verbreitung fand. Majarelli/Nicolini, Il Monte dei poveri, S. 339.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

225

gebrauchte Kleidungsstücke verpfändet wurden. Wie die obige Tabelle verdeutlicht, waren Bücher oder Schmuck selten bei den Auktionen, der Großteil bestand aus billigen Alltagsgegenständen. Von den Höchstpreise erzielenden Objekten abgesehen, hatte etwas weniger als die Hälfte aller Gegenstände (52 von 133) mit unter einem Florin einen eher geringen Geldwert. 5.1.2 Pfandleihe in Lapedona: das Pfandregister der Jahre 1578 bis 1590 Das Pfandregister ist Teil einer Mischhandschrift, die in der Baker Library der Harvard Business School in Boston aufbewahrt wird. Die darin enthaltenen Aufzeichnungen lassen einen Einblick in das Pfandleihgeschäft eines kleinstädtischen Monte zu und erlauben einen Vergleich bzw. eine Ergänzung der Befunde aus Perugia, die uns ja nur die nicht ausgelösten Pfänder genannt haben. Welche Art Pfänder womöglich eher wieder eingelöst wurden, ist für Perugia nicht bekannt. Anhand der Pfandregister aus Lapedona lassen sich Aussagen über die gesamte Bandbreite der Wertspeicherobjekte treffen. Zugleich kann man bruchstückhaft die Art gängiger Pfandobjekte für zwei Zeiträume untersuchen, die einhundert Jahre auseinanderliegen. 120

109

90

60

52

45 33 30

0

27

33

29

27 17

13 2

1578 1579 1580 1581 1582 1583 1586 1587 1588 1589 1590

Abb. 8 Anzahl der Pfandleihen zwischen 1578 und 1590 (anhand der LM des Monte di Pietà, Lapedona)

Betrachtet man zunächst die quantitative Entwicklung der Pfandleihen für den genannten Zeitraum anhand des Registers, so ist ein sanfter Anstieg der Transaktionen von 1578 bis 1589 und ein sprunghafter Anstieg für das Jahr 1590 zu beobachten. Der Größe der Stadt entsprechend, handelt es sich um einen kleinen Monte mit einer sehr geringen Zahl an Transaktionen, die nichtsdestoweniger sehr interessante Aufschlüsse für die Fragestellungen dieses Kapitels bieten. Während die Rechnungen des Monte in

226

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

den Jahren vor 1590 noch sehr bescheidene Zahlen zwischen 33 und 52 Pfandleihen pro Jahr lieferten, verdoppelte sich die Zahl der Leihen 1590 auf 109 Transaktionen. Rechnet man mit einer Einwohnerzahl von 600 Haushalten, so hatte immerhin ein Sechstel aller Familien die Hilfe des Monte in Anspruch genommen. Die Gesamtbeträge der jährlich abgegebenen Pfänder sind mit 30 bis 50 Fiorini sehr gering. Und selbst die gewährten Darlehen in Höhe von insgesamt 97 Fiorini des Jahres 1590 wirken bescheiden. Anders sehen die Zahlen aus größeren Städten wie Rom aus, die Federico Arcelli vorgelegt hat.52 Nach seinen Forschungen, die auf einen Quellenbestand der Fondazione Roma zurückgehen, der mir leider nicht zugänglich war, wurden 1539, dem Gründungsjahr, bereits 729 Pfandleihen durchgeführt, durchschnittlich wurde für sechs Monate geliehen, wobei es sich um Beträge zwischen einem und drei Scudi handelte. Mit der Zeit wurde es üblich, dass die Mitglieder des Monte jeweils zwei Carlini jährlich spendeten, um das Grundkapital zu erhalten. Die Zahl der Pfandleihen in Rom stieg kontinuierlich bis zum Zeitraum, aus dem das hier untersuchte Pfandregister stammt: Im Jahr 1540 betrug die Zahl der römischen Leihen 2.643 und 1550 2.943, wobei das verfügbare Jahreskapital von 1.200/1.500 Scudi auf 4.000 bis 5.000 Scudi anstieg. Im Zeitraum unserer Quelle (1580 bis 1585 bzw. 1589) gab es jährlich bereits 15.000 bzw. 25.609 Leihen. Betrachtet man exemplarisch die saisonale Verteilung der Pfandgeschäfte anhand des Rechnungsbuches aus Lapedona, so wird klar, dass der Bedarf an Kleinkrediten offensichtlich im Zeitraum von Januar bis April am größten war, also in der Zeit, in der die Wintervorräte aufgebraucht und Investitionen für den Kauf von Saatgetreide, Nahrungsmitteln und Rohstoffen anstanden. 30

22

23

15

16

15 12

10

8

0

6

6

4 0

Januar

Februar

März

April

Mai

Juni

Juli

1 August September Oktober NovemberDezember

Abb. 9 Saisonale Verteilung der Zahl der Pfandleihen im Jahr 1590 in Lapedona

52

Arcelli, Banking and Charity, S. 34–38.

10

7

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

227

Das Pfandregister im dritten Buch, das mit größeren Unterbrechungen die Jahre 1578 bis 1590 umfasst, enthält 391 Einträge. Von den 391 Pfandgegenständen wurden 330 wieder eingelöst, was einer Quote von 84 Prozent entspricht. Bei der Buchprüfung am 11. April 1580 wurde festgestellt, dass Pfänder im Wert von 140 Fiorini und 23 Bolognini vorhanden waren.53 Außderdem lagen 41,1 Quart Getreide im Monte, neben den Einträgen am Beginn des Bandes ein eindeutiger Beleg für die Verleihung von Saatgetreide durch einen in einem agrarisch geprägten Gebiet liegenden Monte in den 1570er Jahren. Interessant ist, dass die Abrechnung des Pfandgeschäfts und der Verleih von Saatgetreide in den Rechnungsbüchern parallel laufen. Beide Geschäftszweige haben scheinbar den gleichen Stellenwert. Die Einträge über Getreidebestände wechseln regelmäßig mit denen der Pfandleihe. Ein Beispiel gibt unter anderem das Rechnungsbuch Nr. 2, fol. 203v–204r für das Jahr 1603, das die langjährige Praxis der Getreideleihe belegt.54 Im dritten Buch ist eine Reihe von Einträgen über Getreideverleih an paarweise auftretende Schuldner verzeichnet.55 Die Zahlen der Transaktionen verweisen auf die bäuerliche Klientel des Monte von Lapedona. Die Rückzahlung erfolgte ebenfalls in Getreide. Im Vergleich zu den reinen Pfandgeschäften nahmen die Kredite, die ebenfalls in einem niedrigeren Bereich (meist ein bis zwei Fiorini) lagen, den wesentlich größeren Raum in den Abrechnungen ein. Das eingezahlte Getreide wurde in die fossa (= Grube), wohl eine Lagerstätte gebracht. Bemerkenswert an diesem Beispiel ist die doppelte Rolle des Monte von Lapedona als Monte di Pietà und Monte frumentari. Die Einträge zeigen, dass das verliehene Getreide sehr häufig im Spätsommer oder Herbst des darauffolgenden Jahres wieder zurückgezahlt wurde. Manchmal dauerte die Rückzahlung auch bis zu zwei Jahre. Die gängigen entliehenen Mengen lagen bei zwei bis sechs Quarto56 Getreide, vermutlich Weizen.

53 54 55 56

Baker Library, Ms. 4., vol. 3, fol. 147v. Die Einträge zeigen die Umrechnung 1 fl. = 40 Bolognini. Ms. 4, vol. 2, fol. 203v–204r. Ms. 4, vol. 3, fol. 215v. Die Einträge haben folgende Gestalt: Amico da Montelato et Battista Farrarese sonno debbitori meza soma di grano cioe due quarte per ciaschuno rogato sr. Mutio / qz 4 / Amico dicontro pago due quarte di grano a buona mesura alli 25 di liuglio – qz 2 Batt. ferrarese pago quarte due di grano – qz 2 Eintrag aus dem Januar 1578: Ciccho di sr. Pietre et Antonio di Bartholomeo sono debbitori meza soma di grano cio e quarte due per ciaschuno rogato ut supra / qz 4 / Antonio dicontro pago due quarte di grano alli 16 di agosto 1579–0:qz 2 Ciccho di sr. Pietro pago quarte due di grano a buona mesura – 0:qz 2 Ein Quarto entsprach etwa sechs Liter.

228

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

Abb. 10 Auszug aus einem Pfandverzeichnis des Monte di Pietà aus Lapedona, Harvard Business School Library, Bd. 3, fol. 133v–134r.

5.1.2.1 Die Pfandobjekte im Pfandbuch aus Lapedona Trotz der geringen Zahl an Pfandleihen, die der Größe des Ortes entsprechend ausfiel, zeigt die Überlieferung Lapedonas doch keine wesentlich geringere Vielfalt an Objekten als die Quelle aus Perugia. Die folgende Übersicht zeigt die Verteilung der erwähnten Pfandobjekte in 294 Einträgen des Registers. Blicken wir auf die Art der Objekte57 wird zunächst deutlich, dass auch hier Textilien die dominante Rolle spielten. Wie im Register aus Perugia besteht der Großteil der Pfänder aus einfachen Haushaltsgegenständen wie Bettlaken (lenzolo) mit 27 Prozent und Tischdecken (tovaglia) 12 Prozent und Kissen ebenfalls 12 Prozent. In beachtlichen Mengen kommen goldene und silberne Fingerringe (12 Prozent) sowie Korallen- oder Perlenketten vor. Als Pfänder wurden ferner gegeben: Kleidungsstücke wie Damen- und Herrenkleider (camisiae), Hauben (cuffia), Halskrausen (gorghiera),

57

Die Tabelle basiert auf insgesamt 294 Einträgen. Dementsprechend die Zahlen für 111 Bettlaken, 50 Kissen, 48 Tischdecken, 51 Ringen und 34 Ketten.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

229

Tab. 4 Pfandarten im Pfandverzeichnis von Lapedona (1578–1590) Pfandgegenstand Bettlaken (lenzolo)

Anzahl 111

Ringe aus Gold oder Silber

51

Kissen (guanciale)

50

Tischdecken (tovaglia)

48

Korallenkette oder Perlenkette

34

Stoffballen und Stoffstücke

26

Kopftuch (asscinccatoro)

24

Handtuch (mantile/mantele)

18

Haube (cuffia)

11

Damenbluse (camisia)

10

Sack oder Beutel

9

Geschirr (Teller aus Zinn), Kanne, Besteck, Fässer

7

Waffen oder Rüstungsteile

5

Devotionalien

3

Halskrause (gorghiera)

2

Ärmel

2

Herrenbluse

1

Beil

1

Sichel

1

Fass Bier

1

Unklar

1

Schals (asscincatoro) Beutel und Säcke, Handtücher, Stoffballen und Stoffstücke und Geschirr. Auch Waffen und Rüstungsteile tauchen im Register fünfmal auf, daneben eine Sichel, ein Beil und auch ein Fass mit Bier. Interessant ist darüber hinaus die Erwähnung von Devotionalien wie dem Rosenkranz (agnusdei) oder Kruzifixen in der Pfandliste, wie im Falle des Domenico Braccolino, der im Januar 1581 ein Agnusdei und ein kleines Kreuz zusammen mit drei Perlenketten für 50 Bolognini verpfändete,58 oder zwei Schuldnerinnen namens Giovanna und Jiacoma, die jeweils im Mai 1582 einige Schmuckstücke und ein Goldkreuz für 1 Fiorino 26 Bolognini bzw. im November 1588 ein crocifisso (zusammen mit weiterem Schmuck für einen Fiorino) verpfändeten,59

58 59

Pfandregister aus Lapedona, Eintrag 6. Ebd., Eintrag 126 und 58.

230

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

was offiziell – laut den Statuten – verboten war. Offenbar schienen es die Beamten des Monte doch nicht so genau zu nehmen, wenn es um die Annahme bestimmter Gegenstände ging. Auch kann man anhand der Forschungen Muzzarellis und Isabella Cecchinis60 zu Inventaren aus Venedig mutmaßen, dass einige der Gegenstände, insbesondere Textilien, die Frauen (und auch deren Männer) verpfändeten, wohl Teil der Mitgift waren, die einen Vorrat an mobilen (Wert-)Gütern darstellte, den es in Zeiten der Knappheit ebenfalls zu nutzen galt. Das Gleiche kann auch für die vielen Damenkleidungsstücke gelten, die in den hier behandelten Quellen aufscheinen. Zentral war hierbei das auf den Ehemann übergegangene Nutzungsrecht an der Mitgift, das ihm deren nutzbringende Verpfändung erlaubte.61 Einen weiteren Einblick erlaubt die Pfandliste aus dem Jahr 1598 im zweiten Band. Sie listet insgesamt 64 Einträge (im Gesamtwert von 51 Fiorini und 10 Bolognini) auf, darunter 27 Betttücher (lenzoli), sieben Taschen/Säcke (saccone), zwei Tischtücher (tovaglie), sieben Kissen (guanciali), 15 Ringe, einmal Korallen sowie zwei Hauben, ein Paar Ärmel (maniche), sechs Handtücher (stuccatoro), zwei Kistchen (scatole), ein Stück Stoff (una pezza di panno), eine Bettseite (capezzale) und ein Buch sowie drei Stücke von einem Buch (tre pezzi di libri). Der angegebene Geldwert betrug überwiegend einen Florin. 31 Objekte wurden für einen oder anderthalb Florin verpfändet, 18 Personen liehen sich je zwei Florin und nur einmal kamen Beträge von drei oder vier Florin vor. Demgegenüber liehen zwölf Personen weniger als einen Florin aus, wobei der geringste Betrag vier Bolognini entsprach. Hierfür wurde ein Silberring gegeben. Aus der Liste geht hervor, dass von allen Pfandobjekten etwa die Hälfte (31) wieder ausgelöst wurde. Sie sind entweder durchgestrichen oder/und haben den Randvermerk reso. Vergleicht man die Liste aus dem Jahr 1598 mit den Registereinträgen der Jahre 1578 bis 1590, so scheinen die Objekte aus späterer Zeit noch ärmlicher als die erwähnten Pfänder des früheren Zeitraums. Aufgrund des bruchstückhaften Charakters der Überlieferung ist eine solche Auffälligkeit schwer zu interpretieren. Handelte es sich bei den Darlehensnehmern der 1590er Jahre um ärmere Menschen, die noch weniger besaßen oder war die Zahl der Pfandleihen einfach so sehr gesunken (nämlich von 109 im Jahr 1590 auf 64 im Jahr 1598), dass die Bandbreite der Objekte geringer erscheint? Diese Hypothese lässt sich bestätigen mittels der Einträge im Rechnungsbuch 2, das eine Gesamtübersicht der Einnahmen und Ausgaben des Monte von Lapedona über die Jahre 1591 bis 1600 enthält, die sich tabellarisch wie folgt darstellen lässt:

60 Isabella Cecchini, A World of Small Objects: Probate Inventories, Pawns and Domestic Life in Early Modern Venice, in: Carboni / Muzarelli (Hg.), Material Culture of Debt, S. 39–61. 61 Hierzu beispielsweise: Rachele Scuro, Pignera apud Hebreum: I pegni dei banchi ebraici alla fine del medioevo. Notizie a partire dal caso veneto, in: Muzzarelli / Carboni (Hg.), In pegno, S. 169– 221, hier S. 207.

231

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

Tab. 5 Übersicht über Einnahmen und Ausgaben der Kassierer des Monte von Lapedona (1585–1600) Jahr 1586

Genannte Summen in Florin Einnahmen: 138,15 Ausgaben: 136,30 1587/88 Einnahmen: 435,21 Ausgaben: 384,12 1588/89 Einnahmen: 575,29 Ausgaben: 633,17 1589/90 Einnahmen: 401,22 Ausgaben: 387,39 1591 Einnahmen: 1.546,14 Ausgaben: 1.394,36 plus 30 Florin für Löhne der Beamten 1592 Einnahmen: 1.008,9 Ausgaben: 971,21 1593 Einnahmen: 961,37 Ausgaben: 962,15 1596 (26. Februar) Einnahmen: 602,25 Ausgaben: 458 und 144,25 1597 (12. August) Einnahmen: 127,38 Ausgaben: 127,38 1598–1600 Einnahmen: 111,8 Ausgaben: 25,3

Abrechnender Beamte(r) Cesare Lilio

Fol. 86v

Ders.

86v

Ders.

86v

Ders.

86v

Ders.

86v

Horatio Martino und Allessandro Antonucci Cesare Lilio und Allessandro Antonucci Battista Sassonio und Cesare Lilio Cesare Lilio und Horatio Martino Battista Sassonio und Alessandro Antonucci

111v 117v–118v 124 r 159v 184v–185r

Im Unterschied zum Verkaufsregister aus Perugia sehen wir in der Quelle aus Lapedona eine geringere Bandbreite an Gegenständen, die insgesamt von wesentlich geringerem Geldwert waren. Folglich lässt sich schon aus den Objekten allein schließen, dass es sich bei den Klienten des ländlichen Monte in dieser Zeit sehr oft um weniger begüterte Menschen handelte. Dies wird auch deutlich aus den geliehenen Summen. Maximal zwei Florin wurden verliehen. Viel häufiger liegen die Beträge sogar unter einem Florin. Die im Pfandleihregister des 3. Bandes angegebene Währung ist der Bolognino, wobei vierzig Bolognini einen Florin wert sind. Einige Tischtücher, Handtücher und Kopftücher erbrachten im Schnitt 16 Bolognini, sehr oft wurden mehrere Gegenstände zusammen verpfändet um bis zu dreißig Bolognini zu bekommen, wie im Fall des Simone, genannt spinarello, der am 15. Mai 1578 eine Damenbluse und ein besticktes Kissen aus schwarzer Seide, eingewickelt in zwei Tücher, für diesen Betrag verpfändete.62 Demgegenüber erbrachte beispielsweise ein Bettlaken des Cesare di Se62

Ebd., fol. 136v. Simone atr spinarello deve dare bolognini trenta lasso pegno una camiscia da done, un guanciale lavorato di seta negra annoltate in certe tovagliette arrame a di detto ß 0:30. Beide Pfänder wurden am 15. Januar 1583 eingelöst durch die Frau des spinarello.

232

Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

rena im November 1578 stattliche zwei Florin.63 Der Geldwert der geschätzten Pfänder hing offenbar auch stark von deren Erhaltungszustand ab. Dieser wird in den Quellen recht genau beschrieben, wie folgendes Beispiel vom 28. April 1578 zeigt: Pietro, armando di Gir. deve dare al sacro monte bol. vinti, lasso pegno due tovaglie antiche con bombace turchina, una nuova et l’altra fusta allo 28 d’aprile 1578.64 Pietro nahm ein Darlehen von zwanzig Bolognini auf und hinterlegte dafür zwei Tischtücher aus türkisfarbener Baumwolle, davon eine neu und die andere zerschlissen (fusta).65 Auch die Verpackungen der Pfänder werden häufig genau beschrieben: So brachte Giacomo di Cicchio ein Paar Kissen aus schwarzer Seide, eingewickelt in ein altes Taschentuch, zum Monte und erhielt dafür einen Fiorino.66 Es bleibt festzuhalten, dass der den Objekten jeweils zugeschriebene Geldwert nicht konsistent war: Ein Goldring (anello d’oro) konnte einmal zwei Florin, ein andermal nur 16 Bolognini oder ein weiteres Mal – zusammen mit einem weiteren Gegenstand – gerade etwas über einen Florin einbringen.67 Ebenfalls erstaunlich ist die vergleichbare Höhe der Darlehen an beiden Orten, trotz unterschiedlicher Pfandgegenstände. Auf dem Land schien man wohl wegen des wenigen Besitzes auch für minderwertige Pfänder die gleichen Summen leihen zu können wie in der Stadt. Ein weiterer Aspekt, der die Prekarität der Lebensumstände der Schuldner des Monte in Lapedona anschaulich macht, ist die Auszahlung des Darlehens mitunter in Naturalien, genauer in Brot oder Getreide. Aus dem Register gehen insgesamt elf Einträge aus dem Winter 1588/89 und Mai 1589 hervor.68 Am 6., 8. und 12. Dezember verpfändeten drei Frauen namens Contilia di Colozzo di Traffeta, Contesa di Martino und Madalena di Monti jeweils ein Kopftuch oder eine Tischdecke für 12 bzw. 24 Bolognini. Die Einträge belegen in allen drei Fällen die Auszahlung des Darlehens in Brot: dati a lei in pane / dati a lei in tanto pane da Domenico panifacolo / dato a lei in tanto pane di panifacolo. Die hinterlegten Pfänder wurden in den Jahren 1596 und 1589 ausgelöst, für das letzte ist kein Datum angegeben. Weitere Einträge dieser Art finden sich für den Januar 1589 für eine weitere Frau (Dianora di Marino) und einen Mann namens Bartholomeo Mozzo di Jiacomo. Ein Eintrag vom 3. April 1581 verzeichnet die direkte Zahlung des

63 Ebd., fol. 137v. 64 Ebd., fol. 133r. 65 Der Tesoro della lingua Italiana delle Origini gibt unter dem Begriff fustagno drei mögliche Übersetzungen an: Baumwoll- oder Wollgewebe von schlechter Qualität („Tessuto di cotone o di lana, di fattura poco pregiata“), Stücke oder Streifen Stoff („Pezza o striscia di tessuto“) sowie eine Art Weste von geringem Wert („Tipo di veste di lino, prob. di fattura comune e di poco pregio“). Vgl. auch Muzzarelli, Guardaroba Medievale, S. 356. 66 Fol. 135v. Giacomo di ciccho saltitto deve dare un fiorino lasso pegno un’ par di guanciali lavorati di seta negra annoltati in un falzoletto fusto alli 2 novembre 1578. 67 Beispiele hierfür ebd., fol. 149v, 140v, 139v. 68 Ebd., fol. 179v.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

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Darlehens in Höhe von zehn Bolognini, das Dona Pada di Francesco erhielt, an den Schuhmacher Pietro. Dafür hinterließ sie einen Goldring.69 Diese Einträge vermitteln einen Eindruck von der mehr als angespannten Lebenssituation mancher Klienten, die offenbar über keinerlei Rücklagen für Neuanschaffungen oder sogar Nahrungsmittel verfügten bzw. ihr Brot zu Hause nicht selber backen konnten. Darüber hinaus zeigen diese Summen zum einen den geringen Geldwert der Pfänder, zum anderen die Preise für bestimmte Konsumgüter. Allerdings bleibt unklar, wieviel Brot man für 20 oder 24 Schillinge bekam. Die im Buch genannten Schuldner waren sowohl Männer als auch Frauen, wobei der Anteil der Frauen mit 177 Pfandleihen bei 45 Prozent liegt. Dieser bemerkenswerte Wert belegt die rege Nutzung des Monte von Lapedona durch Frauen in diesem Zeitraum. Leider erfahren wir nicht viel über die Identität der Klientinnen und ebenso wenig über die Klienten, deren Berufsbezeichnungen im Register nicht genannt werden. 5.1.3 Kaufkraft und Geldwert Doch wie hoch war eigentlich die Kaufkraft eines Florin? Oder anders gefragt: was bekam man für diesen Betrag? Um diese häufig gestellte und bislang nicht befriedigend zu beantwortende Frage klären zu können, kann man mithilfe von Lohndaten oder Preisen Wertäquivalenzen ermitteln. Anhand der Pfandliste aus Perugia lassen sich beispielsweise zeitgenössische Preise für Stoffe errechnen. Die Übersicht hier verzeichnet die Preise pro Elle eines Stoffes in Schillingen, die in der Pfandliste erwähnt werden. Tab. 6 Preise verschiedener Stoffarten Stoffart

Preise pro Elle in Schillingen

lino

1 br. = 13 s.

bigio bruno

1 br. = 14–23 s.

bigio biancho

1 br. = 20 s.

lino grosso

12 br.= 55 s. – 1 fl. 32 s., 1 br. = 7 s.

turcha

9,75 br. = 2 fl. 20 s. – 5 fl., 1 br. = 13 s.

cilestro

7 br. = 1–2fl., 1 br. = 7 s.

azorino

1 br. = 24 s.

Aufgrund der lokal und diachron unterschiedlichen Wertigkeiten der Währungen und Münzen ist es schwer wirklich valide Aussagen zu treffen. Nimmt man jedoch

69

Ebd., fol. 154v.

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Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

die hier verfügbaren Summen für Handelsgüter und vergleicht sie mit den aufgenommenen Krediten, so wird deutlich, dass man in Perugia in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts für einen Fiorino eine Elle hellgrauen Stoff oder für etwas mehr Geld (24 Schillinge) eine Elle himmelblauen Stoff bekam. Da die allermeisten Beträge in der Pfandliste im Bereich von einem bis zwei Fiorini liegen, ist klar, dass es sich um kleine Darlehensbeträge handelt. Daniel Lord Smail hat für das 14. Jahrhundert eine Reihe von Vergleichen für den Wert eines Florins ermittelt, darunter den Ertrag aus sechs Arbeitstagen eines männlichen Arbeiters in der Landwirtschaft bzw. neuneinhalb Tagen einer weiblichen Arbeitskraft. Anhand von Preisen für Textilien kommt er auf zwei Meter Leinen. Rechnete man anhand von bekannten Löhnen der Zeit, so wäre ein Florin heute etwa so viel wert wie 400 bis 500 US-Dollar. Rechnet man hingegen anhand von Lebensmittelpreisen ergibt sich ein Wert von 5 bis 30 US-Dollar pro Florin.70 Vergleicht man nochmals detaillierter die zeitgenössischen Preise für Lebensmittel wie einem staio Weizen, der in Pistoia 1490 30 Schillinge wert war, oder den 120 Schillingen, die ein kleines Fass (quaderno) Öl kostete, mit den Leihesummen, so wird klar, dass man mit einem Florin bereits einige Wochen oder gar Monate überleben konnte.71 Zu denken sei auch an die im Einleitungskapitel genannten 60 Scudi Jahreslohn die ein Maurer in Florenz zu dieser Zeit erhielt, sowie an die 25 Fiorini, die ein Schulmeister verdiente. Die Lebenshaltungskosten eines Arbeiters wurden für die Toscana des 14. und 15. Jahrhunderts mit zwölf Baiocchi angegeben.72 In Bezug auf die Zuordnung eines Geldwertes ist es wichtig anzumerken, dass die Schätzung der Gegenstände durch den geschulten Blick eines Fachmanns zu erfolgen hatte, wie die Statuten einiger Monti73 es formulieren. Dabei sollte – wie erwähnt – der Wert eines Pfandes rund um ein Drittel niedriger geschätzt werden als es dem tatsächlichen Wert entsprach.74 Damit erscheinen die oben genannten Geldsummen nochmals in einem anderen Licht, denn der in den Quellen auftauchende Geldwert der Objekte kann somit nicht als ihr „echter“ Marktwert gesehen werden. Die Monti kontrollierten einerseits den Geldwert der Objekte, indem sie ihn künstlich niedrig hielten. Andererseits waren die Beamten des Monte wohl auch darum bemüht, die Schuldner nicht zu übervorteilen, indem sie die Pfänder von Fachleuten, wie eben Goldschmieden oder Tuchmachern als stimatores einschätzen ließen und damit eine Preistransparenz erzeugten, die wiederum ihrem Ruf dienlich war. Die in den hier be70 71 72 73 74

Smail, Legal Plunder, S. 103. Muzzarelli nennt diese Daten in: From Closet to Wallet, S. 26 und gibt die entsprechenden Maße an: ein staio ergab 25,92 Liter und ein quaderno fasste 14,83 Liter. Vgl. mit weiteren Angaben die Einleitung dieser Arbeit. Vgl. hierzu das vierte Kapitel. Dass dies allgemeine Praxis war, belegen auch die Forschungsergebnisse von Federico Pigozzo, La pratica del prestito su pegno e le istituzioni ecclesiatiche nel tardo medioevo, in: Muzzarelli/ Carboni (Hg.), In pegno, S. 115–131.

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

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arbeiteten Quellen aufscheinenden unterschiedlichen Geldwerte der scheinbar gleichen Pfandgegenstände, wie Goldringe, Kleidungsstücke oder Tischwäsche, legen nahe, dass man eben auch den Erhaltungszustand dieser in einer auf Wiederverkauf und Tausch ausgerichteten Mikrowirtschaft zirkulierenden Objekte berücksichtigte. Abgenutzte und bis zum Zerfall verwendete Gegenstände waren so lange noch von Wert, wie sie im Pfandleihhaus einen Abnehmer und später eventuell einen Käufer fanden. Objekte waren somit elementare Wertspeicher in einem monetären Sinn. Das wussten auch die Kunden der Monti zu nutzen. Die Monti reagierten darauf ihrerseits mit dem Bemühen um eine angemessene Lagerung der Gegenstände. Hierzu äußern sich ebenfalls einige Statuten, die ihre trockene, mottengeschützte und sichere Aufbewahrung vorschrieben. Auch sollte der Pfandverwalter den Statuten einiger Monti zufolge75 im Lagergebäude des Leihhauses selber wohnen, um im Falle von Einbruch oder Feuer den Schaden abzuwenden. Ein solcher Verlust der Pfänder konnte den Monte teuer zu stehen kommen. Der essentielle Wert von Kleidern als Pfandgegenständen geht auch aus mehreren Warnungen gegen das Entfernen „guter Kleider“ bzw. von Pfandgegenständen aus der Stadt hervor, die man jüdischen Pfandleihern unterstellte, wie in einem Gesetz der Prioren Perugias vom 9. November 145776 oder im Falle Sienas (und anderer Städte) in einem Beschluss des allgemeinen Rates der Kommune vom 7. Juni 142077 ersichtlich wird. Auch die in den Registern verzeichneten Verpackungen der Gegenstände sind ein Indiz für die Sorge der Monti bzw. ihrer Kunden um den Werterhalt. Und dies war auch im Hinblick auf eine mögliche Versteigerung nach Verstreichen der 12- oder 18-monatigen Leihfrist wichtig. Positiv wird auch die Frage nach der Einlösequote beantwortet. Diese lag laut Register für den Zeitraum von 1578 bis 1590 in Lapedona bei 84 Prozent. Von insgesamt 391 verzeichneten Pfändern wurden 330 wieder ausgelöst.

75 76

77

Vgl. hierzu die Quellenstellen in Kapitel 4. Gesetz zur Regulierung der jüdischen Pfandleihe vom 9.11.1457 in Perugia: Per parte del reverendissimo signore lo governatore e de magnifici signori priori de l’arte de la città de Perogia, se fa noto et manifesto a ciascuna persona che da oggi innanzi niuno ebero prestatore de la città non deve né portare né mandare fuore de la città, contado o destretto de Perugia alcuno pegno ricaduto et perduto de alcuno cittadino, contadino o forestiero impegnato alloro in la dicta città, sotto pena de perdere quel tale pegno e de fiorini cento per ciascuna volta; at ancho che li dicti ebrei prestatori sonno tenuti et obligati farli, venderli et subastare publicamente in piacca dandoli a chi più preferissi et quillo che avanzasse detratto et capitale et usura, rendarlo al signore de essi pegni et a chi quilli havesse impegnato et se quilli tali non se trovassero lo debbia dare a l’ospedale de la Misericordia per subventione de le persone miserabile et ancho che li dicti ebrei prestatori non deggano né possano togliere per loro usura o meritom più che doi soldi per ciascuno fiorino et per ciascuno mese, sotto la pena de livere cinquanta per ciascuno pegno venduto senza la dicta subastatione. ASPg, ASCP, Consigli e riformanze, 93, c125r. Zitiert bei: Alberto Grohmann, Il contesto cittadino e l’istituzionalizzazione del credito su pegno, und Paola Monacchia, Documenti, in: Cutini (Hg.), Per soventione de le povere persone, S. 19–34, hier S. 30. Diese zitiert Todeschini, La banca, S. 129: el presto el quale se tiene per gli giuderi disfacci la città e el contado di Siena però che tutti e beni e laltre buone robbe ne vanno di fuore del nostro distretto e a puoveri huomini sono mangiate lossa co la grande usura et sono male tractati.

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Pfandobjekte als Wertspeicher in der mittelalterlichen Armutsökonomie

Auffällig ist jedoch die oftmals weit überschrittene Leihdauer von teils bis zu sechs Jahren, die auf eine äußerst flexible Kreditvergabepraxis verweist. Kommen wir von der quantitativen Verteilung der Gegenstände und den ihnen zugeordneten Geldwerten zur zweiten Dimension der Wertzuschreibung: durch Attribuierung. 5.1.4 Die Attribuierung der Pfandgegenstände Wie oben bereits angedeutet wurde der Wert eines Objekts nicht nur durch seinen unmittelbaren Geldwert konstituiert. Auch die ihm zugeschriebenen Attribute vermitteln die Wertschätzung der Objekte durch die Kreditnehmer. Deutlich wird die existentielle Bedeutung dieser Haushaltsgegenstände an der Beschreibung in den Quellen. Vor dem Hintergrund der Hypothese einer Wertgenerierung durch Attribuierung wird im Folgenden – im Anschluss an Smails Kategorien – eine genaue Lektüre des Vokabulars vorgenommen, mit dem die Pfandgegenstände in den Quellen beschrieben sind. Dabei werden folgende Kategorien erfasst: das Alter, der Zustand, die Farbe, das Material, der Stil, bei Kleidung die Schnitte und der Stoff. Hier stößt man auf detaillierte und differenzierte Beschreibungen, die interessante Erkenntnisse über die Mode der Renaissance zulassen. Nicht nur kleideten sich Männer und Frauen sehr farbig und mit Verzierungen an Kleidungsstücken (erwähnt werden die Farben turchina (türkis), rosscia (rot), negra (schwarz), verde (grün) (cupo = dunkel), cilestra (himmelblau), azzurro (azurblau), giallo (gelb), paonazzo (hochrot/violett), de grana (grau), rosato (rosa), bigio (aschgrau), bruno (braun), perso (Farbe zwischen schwarz und purpurrot), cremesino (karmesinrot), verza (rot, durch Oxidation eines bestimmten Holzes gewonnen), wobei allein drei verschiedene Blautöne und fünf Rottöne genannt werden.78 Vergleicht man diese Einträge mit den Forschungsergebnissen zur spätmittelalterlichen Modeforschung, so passen sie ins Bild einer Kleiderwelt, die repräsentative Kleidung hoher Qualität in kostbaren Farben als Luxusgut und damit eben auch als Wertspeicher ansah und konsumierte. Dies belegen überdies die Stilmerkmale sowie die Stoffe, die in beiden Registern genannt werden. Diese Kleider und Accessoires waren aus Baumwolle, Seide, Samt, Barchent, Leinen, feinstem Leinen (fior di lino), Wolle und Atlas. Ebenfalls werden Stoffqualitäten wie dünn/fein (sottile), derb/grob (panno brusco/grosso), gerafft (taffetà) oder flauschig (rascia) erwähnt. Am häufigsten werden Damenkleider genannt: die gamorra, ein Unterkleid für Frauen, über dem sie

78

Vgl. zur Erläuterung der Farben und Schnitte allgemein: Muzzarelli, Guardaroba medievale; dies./ Carboni (Hg.), In pegno, S. 9–19, sowie fallstudienartig: Rossella Rinaldi, Amministrazione e traffico dei beni pignorati a Bologna e nel contado tra duecento e trecento, in: ebd., S. 71–114, besonders S. 111 f.; Elizabeth Currie, Clothing and a Florentine Style, 1550–1620, in: Renaissance Studies 23/1 (2009), S. 33–52.

Zustand

macchiato (befleckt) buono (gut) sporraccio (dreckig) stracciato (zerrissen) usata (abgenutzt)

nuova antica

Material bombace/bambace turchino (Baumwolle) seta (Seide) fusta (Barchent) rethe (Netzgewebe) lino (Leinen) fior di lino! lana (Wolle) riso/resa/raso (Atlas/Satin) vellar/velluto (Samt)

Farbe

turchina (dunkelblau) rosscia (rot) rame (kupferfarben) negra (schwarz) verde (grün) (cupo = dunkel) cilestra (himmelblau) azzurro (azurblau) giallo (gelb) paonazzo (hochrot/violett) rosato (rosa) bigio (aschgrau) bruno (braun) perso (Farbe zwischen schwarz und purpurrot) „lavorata di …“ „con zagane et francie“ (mit Fransen) „con certi bottoni“ „schietto“ (schlicht) „con binelle“, „applicato“, „con rete napulitane“ „cremonese“ „cum frapette“ „sambucata“ „de bigio marmorino“ „a la castellana“

Stil grande piccolo rotondo (lenzolo)

Schnitte sottile (dünner Stoff) panno brusco (derber Stoff) rascia (Flausch) panno grosso taffetà

Stoff

camorra (Unterkleid) giornea (Tages-/ Überkleid) gonella (Jacke) mantello (Mantel) cioppa (Überkleid, meist für den Winter) monachino

Art

Tab. 7 Attribute der Pfänder anhand der Quellenbegriffe in den Pfandverzeichnissen von Lapedona (1578–1590) und Perugia (1469/70)

Alter

Pfandobjekte in den Registern des Monte di Lapedona und des Monte di Perugia

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die giornea, das ebenfalls sehr häufig genannte, an den Seiten und vorn offene lange Überkleid trugen. Außerdem erwähnen die Quellen die kürzere und für kältere Tage geeignete cioppa, sowie diverse Arten von Mänteln und Jacken (mantello, lucco, gonella). Hinzu kommt der Kopfschmuck, die cuffia, die häufig mit Gold verziert war. Der im Register aus Lapedona erwähnte asciucatoro war eine Art Kopftuch, das man als Turban tragen konnte. Es ist bis ins 18. Jahrhundert im Saltotal in den Abbruzzen noch nachweisbar.79 Häufig wird der Zustand dieser Gegenstände mit Attributen wie neu (nuovo), alt (antico), weiß (biancho), befleckt (macchiato), gut (buono), dreckig (sporracio), zerrissen (stracciato) und abgenutzt (usato) beschrieben. Dabei scheint die Kleidung meist in akzeptablerem Zustand gewesen zu sein als die Haustextilien, die häufig schon etwas schäbig waren. Aus diesen Beobachtungen folgt eine hohe Wertigkeit von Kleidungsstücken, insbesondere Frauenkleidern, im Vergleich zu anderen Gegenständen. Sie waren nicht nur Statussymbole, die in die Hände ärmerer Menschen gelangt waren (oder von Reicheren verpfändet wurden). Sie waren zirkulierende Wertspeicher, die den Zugang zu Kleinkrediten der wenig besitzenden Notleidenden sicherten. Die hier aufgezeigte Beschreibung der Gegenstände ist kein singuläres Phänomen, das der Buchführung der Monti zuzuordnen ist. Lodovico Zdekauer hat in seinem maßgeblichen Aufsatz aus dem Jahr 1896 zur Pfandleihe in Pisa zeigen können, dass die Buchführung privater Pfandleihbanken bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine überaus detaillierte Beschreibung der eingebrachten Pfänder aufweist, wie überhaupt die private Pfandleihe als Vorläufer der städtischen Pfandleihe zu bezeichnen ist.80 5.2 Fazit Welche Bedeutung haben nun die bei den Monti di Pietà verpfändeten Objekte für die Erforschung des Kleinkredits und der spätmittelalterlichen Armutsökonomie? Die hier behandelten Quellen verweisen auf zwei Funktionsebenen der Pfandleihe: Zum einen geht aus den überwiegend geringen Leihsummen in den Rechnungsbüchern aus Lapedona, die nie über zwei Florin lagen, hervor, dass es sich bei gewährten Kleinkrediten tatsächlich um Hilfsmaßnahmen im Rahmen einer Armutsökonomie handelte. Die Schuldner verpfändeten hauptsächlich Gegenstände von geringem Wert wie Bettlaken, Kopfkissen oder Tischdecken. Diese mobilen Alltagsgegenstände bezeugen in manchen Fällen direkt die Not der Schuldner, sichtbar auch in der Auszahlung man-

79 80

Rodolfo Pagano / Cesare Silvi (Hg.), La Valle del Salto nei disegni e nei racconti dei viaggiatori europei dell Ottocento, Rom 2011, S. 221 f. Zdekauer, L’interno d’un banco di pegno. Auf S. 94–102 druckt er das Fragment eines Libro Mastro aus dem Jahre 1417 aus Pisa ab, in dem die Pfänder mit Attributen wie rotta, cattiva, triste, vecchia etc. bezeichnet werden.

Fazit

239

cher Darlehen in Brot und Getreide (ähnlich wie bei den Monte frumentari) oder direkt an den Schuhmacher für ein neues Paar Schuhe. Demgegenüber zeigt die Quelle aus Perugia eher die Ökonomie der städtischen Mittelschicht, die gezielt bestimmte Objekte, wie Rüstungsteile, Bücher und kostbare Kleider als Tauschobjekte einsetzte, um an Bargeld zu kommen. Ihr Wert konnte bis zu sechs Florin erreichen. Damit verweist dieses Ergebnis auf eine funktionale Verschiebung der Pfandleihe weg von einer Maßnahme der Armenfürsorge hin zu einem städtischen Kreditinstitut für die Mittelschicht. Und nicht nur das: die Monti lassen sich auch als sicheres Depot für bestimmte Gegenstände lesen. Saisonale Trends zeigen eine pragmatische Nutzung von Pfandgegenständen. Im Sommer verpfändete man z. B. gern Winterkleidung. Armut bleibt also ein flexibler, elastischer Begriff.81 Dass die Kundenschicht bisweilen auch das Patriziat und den Adel sowie die Kurie umfassen konnte, wird an den Beispielen aus Rom und Florenz deutlich.82 Die Beschreibung der Objekte mit Attributen ist sehr detailliert, was auf den hohen Wert der Gegenstände für die Eigentümer verweist. Selbiges zeigt auch die hohe Rate an Wiederauslösungen. Dafür spricht auch, dass die Gegenstände in der Regel zu einem Drittel niedriger geschätzt wurden, als ihrem wahren Wert entsprach, der Kredit also unter dem Wert des Pfandes lag. Allerdings wurden die Pfänder häufig erst nach viel längerer Zeit ausgelöst: nicht, wie in den normativen Vorgaben in den Statuten der Monti gefordert, nach sechs Monaten oder einem Jahr, sondern häufig drei bis sogar sechs Jahre später. Der Monte kam den Bedürfnissen seiner armen Kunden hierbei durch die Verlängerung der Laufzeit nach. Diese Flexibilität der Kreditpraxis können wir nur anhand der pragmatischen Quellen erfassen. Die Kaufkraft eines Florin ist gemessen an heutigen Währungen hoch einzuschätzen. Der zugeordnete Geldwert der Pfänder liegt gemäß den Gewohnheiten mittelalterlicher Pfandleihpraxis unter dem eigentlichen Marktwert. Diese absichtliche Minderschätzung der Objekte ist dem Sicherheitsbedürfnis der Institute bei Zahlungsausfall geschuldet. Zirkulierende Objekte waren ein konstantes Phänomen der spätmittelalterlichen Wirtschaft. Es liegt auf der Hand, dass diese Objekte auch schon vor den Monti in einer Wirtschaft informeller Transaktionen, Kredite und des Tausches eine wesentliche Rolle spielten. In der Überlieferung der Montes werden diese Objekte und ihre Wertzuschreibung in Form von Geldwert, aber auch durch Attribute sichtbar. Die Institution ermöglichte es ärmeren Bevölkerungsgruppen über ihre Alltagsgegenstände kurzfristig an Kleinkredite zu gelangen, wobei sie auf bereits etablierte Praktiken zurückgriff und sozusagen Teil eines teils informellen und sekundären Marktgeschehens wurde. Wenn man sich dem Thema Kleinkredit, wie hier geschehen, aus materialgeschichtlicher Sicht nähert, kann man dem Studium und Verständnis der „großen Erzählun-

81 82

Rabeler, Paupertas, passim. Vgl. hierzu Kapitel 6.

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gen“ über die Entstehung von Kredit- und Bankstrukturen im späten Mittelalter neue, wesentliche Dimensionen verleihen. Die Kredite basierten auf der Anhäufung bestimmter mobiler Güter, die bei Bedarf gezielt in Geld umgewandelt werden konnten. Die Objekte als Wertspeicher waren Teil einer von den Monti unterstützten Haushaltswirtschaft der unteren Schichten, um zu überleben, Krisen zu überbrücken und wohl auch zu investieren. Generell und – im Anschluss an Laurence Fontaines Studien über die moralische Ökonomie und den Markt – konnten die Kreditnehmer so aktiv als Teilnehmer am vormodernen Markt agieren.

6. Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom Viele Monti di Pietà boten zwei Dienstleistungen an: die Pfandleihe und das Depositengeschäft. Kunden konnten Geld verzinst beim Monte anlegen, sie konnten Überweisungen tätigen und somit Rechnungen begleichen. Das Anlagegeschäft war oft das entscheidende Mittel, um das finanzielle Überleben der Monti auf Dauer zu sichern, reichten die von der Stadtbevölkerung und reichen Förderern eingenommenen Spenden und Abgaben doch häufig nicht aus, um den für die Darlehensvergabe nötigen Kapitalbedarf zu decken.1 Das angelegte Geld der Bankkunden ermöglichte hingegen die gesicherte Finanzierung der Kleinkredite. Bereits Annio da Viterbo hatte für die Errichtung eines Depositum apostolicum plädiert und den Kreislauf der Selbstfinanzierung durch die Geldeinlagen der arbeitenden Armen, aus denen die Darlehen gespeist werden sollten, eindrücklich beschrieben. Der Monte von Rom nahm seit 1552 mit zwei bis zu neun Prozent verzinste Depositen an, wahrscheinlich aber schon früher.2 So wurde von der Kongregation bereits in einer Resolution vom März 1548 der Weg zur Nutzung von Geldeinlagen der Kunden geebnet. Ab 1570 gab der Monte, wie eine Staatsbank, transferierbare Schuldscheine (luoghi) aus, die seine Finanzierung zusätzlich sicherten und gleichzeitig einen wichtigen Entwicklungsschritt im öffentlichen Kreditwesen markieren. Die Monti erfüllten somit Funktionen, wie man sie von heutigen Sparkassen kennt, und boten den Kunden zugleich konkurrenzfähige Anlagemög-

1 2

Eine weitere Stabilisierungsmaßnahme des Instituts war die bereits erwähnte Übertragung aller Einnahmen aus Gerichtsverfahren, die über fünf Scudi lagen, durch Papst Gregor XIII. im Jahre 1584. Arcelli, Banking and Charity, S. 22, und Tosi, Il Sacro Monte di Pietà, S. 41. Eingeleitet worden war die Etablierung der Depositenbank bereits 1574 durch Gregor XIII. mit der Einrichtung eines Depositoriums für Gegenstände und Güter im Zuge gerichtlicher Verhandlungen unter Aufsicht des Monte di Pietà. Im Jahr 1579 ordneten die Provisoren auf Geheiß des Protektors Kardinal Francesco Alciati die Aussetzung der Zinsen auf Depositen an. Arcelli, Banking and Charity, S. 26 und 38.

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lichkeiten an.3 Im Jahr 1584 erfolgte die offizielle Gründung der Depositenbank innerhalb des römischen Monte, in der Federico Arcelli den Beginn seiner Transformation vom karitativen Kreditinstitut zu einer Staatsagentur des Apostolischen Stuhls sieht.4 Die Kurie hatte nun direkten Zugriff auf die Verwaltung der Geldanlagen und etablierte ein weiteres Standbein öffentlichen Kredits unter päpstlicher Zentralverwaltung.5 Durch den Einstieg in das Kleinkreditwesen der Stadt – so könnte man formulieren – erlangte die Kurie einerseits die Deutungshoheit über den Monte als karitative Institution,6 die Vorbild für andere Städte sein sollte. Zum anderen verfügten die Päpste über eine weitere Geldquelle und dazu ein weiteres öffentliches Bankinstitut neben den Händlerbankiers und jüdischen Geldverleihern.7 Die Übernahme der Monti als Bank könnte man somit als Teil der fiskalen Expansions- und Ausdifferenzierungsstrategie der Kurie interpretieren. Für den Monte als Pfandleihbank bedeutete die Etablierung des zweiten Funktionszweiges Depositenbank einen entscheidenden Entwicklungsschritt hinsichtlich ihrer endgültigen Verstetigung. Nicht zuletzt deshalb wurden die pragmatischen Aufzeichnungen über das angelegte Geld der Kunden des römischen Monte, die ab 1584/85 überliefert sind, in diese Studie miteinbezogen und bilden die Grundlage dieses Kapitels.8 Ihrer Natur nach enthalten sie fast9 keine Informationen über die Pfandleihe, 3 4 5

6 7 8

9

Ebd., S. 58 f. Ebd., S. xiii, 13. Einen einschlägigen Überblick über bestehende Instrumente sowie Innovationen im römischen Finanzssektor im 16. Jahrhundert gibt Luciano Palermo, Sviluppo economico e innovazioni creditizie a Roma nel Rinascimento, in: G. Boschiero / B. Molina (Hg.), Politiche del credito. Investimento, consumo, solidarità (Atti del Congresso internazionale, Asti, 20–22 marzo 2003), Asti 2004, S. 169–191. Diese Vorbildrolle des römischen Monte wurde sowohl in der Gründungsbulle Pauls III. von 1539 als auch in einer Bulle Pius’ IV. vom 6. Dezember 1561 erwähnt. Vgl. hierzu Arcelli, Banking and Charity, S. xi. Ebd., besonders S. 180–183. Die Libri Mastri (Hauptkassenbücher) sind ab 1584/85 bis ins 19. Jahrhundert lückenlos überliefert und können im Staatsarchiv Rom (im Jahr 2014/15 in der Außenstelle Galla Placidia) eingesehen werden. Sie sind nicht Teil des Quellenbestandes der Fondazione Roma und waren deshalb als einzige serielle Quellen zugänglich. Äußerst selten sehen wir in den Libri Mastri (LM) einen direkten Bezug zum Pfandleihgeschäft des Monte. An einigen Stellen gibt es allerdings Hinweise auf eine naheliegende und normativ festgeschriebene Verbindung dieser beiden Funktionsbereiche. Meist betreffen diese Einträge den Monte selber. So scheint der Kauf eines Gebäudes des Monte im Dezember 1585 für 2.000 Scudi auf, der belegt ist durch den Eintrag im Kassenbuch am 15.3.1586 durch Papst Sixtus V. Dort heißt es: das Geld war für die Provisoren des Monte zur Deckung der Kosten für den Hauskauf bestimmt, den der Monte dem Verkäufer Clemente Buicelleno schuldete. Beglaubigt worden war das Geschäft durch den Notar im Erzbistum Rom, Francesco Verallo Meonetta. LM 1586, fol. 40r. Damit ist der Umzug des Monte in das neue Gebäude in der Kirche San Salvatore in Lauro im Jahre 1585 auch durch die Kassenbücher bezeugt. Vgl. die Angabe bei Arcelli, Banking and Charity, Kap. II, S. 33. Im April wurden dann nochmals 2.000 Scudi verzeichnet, die der Papst einzahlte. Hinzu kamen in diesem Kontext weitere 1.000 Scudi von Mutio Frangipani, eingezahlt durch Giovanni Battista Altiniti per la compositione di ordine im Auftrag des Kardinals Aldobrandino Datini. Hier-

Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

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bieten jedoch wertvolle Daten über den Transfer von angelegtem Geld, da sie nicht nur die Namen der Klienten und ihre Kontostände verzeichnen, sondern auch dokumentieren, an wen und wofür das angelegte Geld floss. Kurz: sie erlauben auf der Mikroebene einen Blick auf die römischen formellen und informellen Kreditformen sowie die Verflechtungen der Bevölkerung durch verschiedenste Kreditnetze und -schichten miteinander. Diese ökonomiegeschichtlich interessanten Informationen ergänzen die Geschichte der Pfandleihe des römischen Monte di Pietà und eröffnen eine neue Perspektive auf die Monti. Neben der Binnenentwicklung des römischen Monte und seines Depositengeschäfts, verweisen die hier vorgestellten Ergebnisse der Quellenanalyse und -interpretation auf den allgemeineren Themenkomplex der Entwicklung des Kreditwesens im Rom der frühen Neuzeit und der dortigen Kreditpraktiken. Das 15. Jahrhundert wurde von dem Wirtschaftshistoriker Luciano Palermo als Zeitalter der Expansion beschrieben. Die Vervielfältigung der Finanzinstrumente und -akteure war Teil einer Handlungsstrategie der Päpste nach der Rückkehr der Kurie aus Avignon, die die Etablierung eines neuen Hofstaats in der alten und neuen Residenzsstadt Rom nach sich zog. Damit einher gingen eine hohe Nachfrage, gesteigerter Konsum und erhöhte Kapitalzirkulation in der Stadt. Dem Hof folgten zahlreiche eingewanderte Handwerker und Künstler, internationale Händler und Bankiers, vor allem aus Florenz und Genua.10 Der römische Kredit- und Finanzmakt im 15. und 16. Jahrhundert

10

bei sehen wir deutlich die – seit 1584 fest etablierte – enge Anbindung an die Finanzverwaltung der Kurie, indem der Papst den Hauskauf und damit die räumliche Expansion der Institution selbst finanzierte. Im Juni – so informiert die Versoseite des LM wurden 3.000 Scudi per resto del prezzo del Monte abgehoben. LM 1586, fol. 57r und dann 56v. Ein interessanter – obgleich singulärer – Eintrag, der die enge Verbindung von Pfandgeschäften und Banknutzung bezeugt, ist die Einzahlung von fünf Ringen und einem goldenen schalartigen Mantel (mantilia) im Wert von 131,90 Scudi im Kassenbuch des Monte am 1.9.1590 durch Biagio Gonzales zugunsten der Spanierin Maria de Aquillera. LM 1590, fol. 295r. Hier wird die enge Verflechtung zwischen Objektkultur und Geldtransfer deutlich. Wo sonst nur Geld in Münzen eingezahlt wurde, war auch die Übergabe von Gütern zur Schuldenbegleichung im Zweifel direkt möglich. Noch weiter in der Interpretation dieses Befundes könnte man gehen, wenn man sich vorstellt, dass kurz zuvor ausgelöste Pfandgegenstände nun bei der Bank analog zu ihrem Geldwert eingezahlt wurden. Doch dies bleibt Spekulation. In Rom gab es Mitte des 16. Jahrhunderts 31 Bankenfirmen genuesischen und florentinischen Ursprungs, laut Delumeau, Vie économique, Bd. 2, S. 877. Insbesondere die florentinischen Bankiers, wie Filippo Strozzi oder Bindo Altoviti waren als Depositare der Kurie aufs Engste mit den Päpsten verbunden. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde das Amt von Genuesen, Pisanern und Portugiesen bekleidet. Die Fugger waren seit dem Beginn des Jahrhunderts nicht mehr in Rom vertreten, da Leo X. sie aus der Stadt verdrängt hatte. Die Bankiers waren zudem Käufer, Distributoren und Kollektoren der Staatsanleihen (luoghi) der städtischen Monti (= monti communi) des Papstes und damit seine Kreditoren. Exemplarisch genannt sei der einflussreiche Bankier Giovanni Lopez, ein jüdischer Konvertit protugiesischer Herkunft. Er war, zusammen mit zwei anderen (Pinelli und Giustiniani) 1590 Verwalter des Monte dei Baroni. Sein Name taucht auch in den LM des Monte di Pietà in den Jahren 1590 und 1586 auf. 1591 musste der Günstling des verstorbenen Papstes Sixtus V., für den er auch den Ämterverkauf koordinierte, Rom verlassen. Ebd., S. 886–890.

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war geprägt durch lokale Handelsgesellschaften, angeführt durch die Bank der Medici.11 Die Installation des Monte brachte – wie oben erwähnt – eine Erweiterung des gesamten städtischen Kreditmarktes mit sich. Bis dato operierten sowohl internationale Bankhäuser mit Wechselgeschäften als auch lokale Banken und Geldverleiher in der Stadt. Beide bedienten jedoch unterschiedliche Klientenkreise. Die Monti als karitiave Organisationen konkurrierten lediglich mit den lokalen Bankiers und Geldverleihern, vor allem Lombarden, Toskaner und Juden, waren die transferierten Summen doch zu gering um eine ernsthafte Bedrohung der in großem Stil zugleich als Handelsfirmen operierenden internationalen Banken zu sein.12 Das sozialökonomische Segment der kleinen Händler, Handwerker und Tagelöhner bildete die Keimzelle für die Klientel des römischen Monte. Gegenläufige Tendenzen zum ökonomischen Aufschwung markierte der im 16. Jahrhundert einsetzende finanzielle Erosionsprozess, der durch die Verschiebung des ökonomischen Epizentrums aus dem Mittelmeerraum nach Nordwesteuropa ausgelöst wurde. Zugleich brachte die Reformation einen Autoritätsverlust der Kurie mit sich, den die Päpste der Gegenreformation durch wirtschaftspolitische Maßnahmen, die auf die Kontrolle des Finanz- und Arbeitsmarktes gerichtet waren, auszugleichen versuchten.13 Lokale Krisen, wie der Sacco di Roma 1527 und erneute Pestepidemien 1576 und 1591 verstärkten Krisenmomente, Preisschwankungen, Kapitalmangel und damit den Kreditbedarf.14 Neue Kreditinstrumente wurden eingeführt, neue Institutionen gegründet. Die Kreativität und Produktivität des italienischen Kreditmarktes im 15. bis 17. Jahrhundert beschrieb beispielweise Giuseppe Felloni.15 Doch was erfahren wir genau aus den Quellen des römischen Monte zu den Kreditformen, die die Bewohner Roms nutzten? 6.1 Die Form der Bücher und die Buchführungstechnik Die Hauptkassenbücher (Libri Mastri, im weiteren auch LM) informieren den Leser nicht nur über die Nutzung des Monte als Anlageinstitut, sondern – und hierin erweist sich ihr eigentlicher Quellenwert – indirekt auch über die vielfältigen Kredit- und Schuldenbeziehungen sowie die Kreditinstrumente, derer sich die Bewohner Roms im 11 12 13 14 15

Arcelli, Banking and Charity, S. xix. Ebd., S. 3. So deutet es auch Delumeau, Vie économique, Bd. 1, Kapitel 2: Rome et le travail, S. 365–515. Ein Beispiel hierfür sind die Statuten Papst Pius’ IV. über die Bankiers und Goldschmiede aus dem Jahr 1563. Ebd., S. 388. Arcelli, Banking and Charity, S. 11 Giuseppe Felloni, Kredit und Banken in Italien, 15. bis 17. Jahrhundert, in: Michael North (Hg.), Kredit im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa, Köln 1991, S. 9–25.

Die Form der Bücher und die Buchführungstechnik

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16. Jahrhundert bedienten. Die Einträge erfassen neben den reinen Geldsummen, wofür die Römer Geld ausgaben. Dazu gehören auch bisher nur unzureichend erforschte Kreditinstrumente mit unterschiedlichen Formalisierungsgraden, komplizierte Formen der Schuldenverschreibung und Umschuldungstechniken, die Art und Weise der Schuldentilgung ebenso wie Kaufgeschäfte und daraus resultierend Wertangaben für Getreide, Nutztiere, Arbeitsdienste, Löhne und Mieten. Die Libri Mastri bieten einen wertvollen und bisher gänzlich ungenutzten Quellenbestand zum Finanzgebahren der römischen Mittelschicht und zur Geldgeschichte. Blicken wir zunächst auf die formalen Eigenschaften der Bücher und die elaborierte Buchführungstechnik der Depositenbank des Monte. Arcelli betonte die große formale Ähnlichkeit der Buchführung mit der von Kaufleuten und vermutet, dass die LM von Angestellten solcher Kaufleute, die ebenfalls im Monte arbeiteten, bzw. von ihnen selbst erstellt wurden. Es scheint einleuchtend, dass das Personal der Depositenbank, über das wir aus den Statuten leider nichts erfahren, aus der gleichen Gruppe professioneller Finanzverwalter rekrutiert wurde, die den Päpsten auch in anderen Kontexten dienten. Die Händlerbankiers verfügten selbstverständlich über die etablierten Techniken und das nötige Wissen und konnten diese in die Buchführung des Monte einspeisen. Die ökonomische Elite der Stadt fand im Monte ein weiteres Betätigungsfeld.16 Die im römischen Staatsarchiv befindlichen Hauptkassenbücher liegen ab 1584 bis ins 19. Jahrhundert lückenlos vor. Dieser Arbeit zugrunde gelegt wird eine Stichprobe aus dem Zeitraum zwischen 1584/85 und 1595. Für die Erschließung des Depositengeschäftes wurden repräsentativ drei Kassenbücher aus den Jahren 1585, 1586, 1590 vollständig, das umfangreiche Jahr 1595 in Teilen transkribiert und ausgewertet. Diese Daten liefern Informationen über die Langzeitentwicklung dieses Geschäftszweiges. Von einer kompletten Transkription aller zehn Jahrgänge wurde aus arbeitsökonomischen Gründen abgesehen. Die Buchführungstechnik lässt sich besonders gut anhand der frühesten Bände aus den Jahren 1585 und 1586 nachvollziehen. Für diese beiden Jahrgänge ist nicht nur das Kassenbuch, sondern auch ein dazugehöriges Kontobuch (Libro de ricontri) und für 1584/85 ein alphabetisches Namensregister überliefert.17 Diese Trias entsprach der gängigen Buchführung: Meldete sich ein Kunde beim Monte, so konnte man bequem 16 17

Als einen Beleg hierfür kann man die Namen einiger bekannter römischer Bankiers- und Händlerfamilien, die Mitglieder der Kongregation des Monte stellten, wie Rucellai, Calciati, Crivelli, Massimo und Diaz, nennen. Vgl. Arcelli, Banking and Charity, S. 30. Während das Namensregister für 1585 1.166 Namen verzeichnet, nennt das Register für 1586 1.083 Namen. Im Register von 1585 werden 114 Frauennamen – also etwa zehn Prozent weibliche Klienten – erwähnt. Nur 17 als hebreo bezeichnete Juden tauchen auf, was einer Zahl von gerundet 1,5 Prozent entspricht. Hierbei ist zu beachten, dass wohl nicht in allen Fällen diese Bezeichnung systematisch hinzugefügt wurde, weshalb deren Anzahl vermutlich höher ist. Gleiches gilt für

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

über seinen Namen im Verzeichnis auf die aktuellen Geldeinzahlungen und Transfers im Libro Mastro bzw. auf seine Kontoübersicht im Libro de ricontri zugreifen. Bei allen anderen Hauptkassenbüchern fehlen diese beiden Bände. Die Einzahlungen wurden mit einer cedola, dem Zertifikat für das Depositum, quittiert. Diese Belege sind für den Monte von Rom verloren, während sie an anderen Orten, wie etwa in Neapel noch vorhanden sind und in ihrer ursprünglichen Aufbewahrungsart – hängend an einem Seil übereinandergestapelt – zu sehen sind. In Neapel wie auch in Rom wurde der gesamte Inhalt des Einzahlungsbelegs wortwörtlich ins Libro de ricontri übertragen. Lediglich zwei solcher cedole liegen im überlieferten Libro de ricontri als lose Blätter. Scheinbar hatte der Schreiber sie nicht anderswo abgelegt nach der Eintragung.

Abb. 11 Zahlungsbeleg / cedola im Libro de rincontro, Rom, 1585, ASR Archivio Sagro Monte di Pietà, Bd. 51-c

Die dritte Stufe bildet der Libro Mastro, das Kassenbuch, das alle Einzahlungen und Auszahlungen chronologisch für ein Jahr (beginnend im Januar) aufzeichnet. Dabei sind die Einträge kürzer als in den Libri de Rincontri. Zudem wurden die Einträge immer auf gegenüberliegenden Seiten des Buchs geführt. Sie verzeichnen, beginnend

das Jahr 1585, wo sich im Libro Mastro insgesamt 76 (7 %) Frauennamen und 12 jüdische Namen (1,1 %) finden.

Die Form der Bücher und die Buchführungstechnik

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im Januar auf der Rectoseite jeweils die Einzahlungen unter dem Eintrag deve havere, zusammen mit den Namen, gelegentlichen Berufsbezeichnungen, Geldsummen und Verwendungszwecken der Zahlung. Auf der gegenüberliegenden, linken Versoseite des vorherigen Blattes sind, wie bereits erwähnt, die Auszahlungen (deve dare) erfasst. Eine eingezahlte Gesamtsumme konnte entsprechend ihren verschiedenen Verwendungszwecken in Teilsummen und gegen Vorlage des Zertifikats, der cedola, von verschiedenen Personen abgehoben bzw. an sie ausgezahlt werden. Ob der Monte diesen Service nur seinen eigenen Kunden anbot oder auch Geld an Externe ausgezahlt werden konnte, lässt sich anhand der Quellen nicht beantworten, da die Namenslisten und Kontobücher zum Abgleich fehlen. Die Einträge in den LM erwähnen lediglich die Auszahlung „gegen Vorlage der cedola“. Diese waren sicher übertragbar, und somit konnten alle Personen, auch ohne Konto Geld im Empfang nehmen. Die Einträge informieren zudem häufig über alle Details der Kreditverträge, wie Laufzeit, Gesamtsumme, Modalitäten der Rückzahlung usw., was auf die rechtliche Verbindlichkeit dieser Einträge und der Kassenbücher sowie auf die Praxis des vollständigen Abschreibens der cedole-Texte in die Hauptkassenbücher hinweist. Die Einträge der Zertifikate bzw. Schuldenverschreibungen in Rechnungsbüchern konnten also im Zweifel – anstelle der originalen Zahlungsbelege – auch vor Gericht herangezogen werden.18 Buchprüfer aus den Reihen des Vorstandes der Sindici und Deputati überwachten die Richtigkeit der Einnahmen und Ausgaben. Auf der ersten Seite des ersten LM von 1585 findet sich ein einleitender Text, der die Namen aller Provisoren des Monte als direkt Verantwortliche für die Bücher verzeichnet.19 Dies entspricht den Vorgaben der Statuten zur sychronisierten und personalisierten Buchführung.20 Durchschnittlich enthält jede Seite fünf bis sechs Einträge, wobei die Zahl der jährlichen Einträge im Untersuchungszeitraum stetig ansteigt. Getätigte Auszahlungen wurden durch Durchstreichungen markiert. Der Kassierer fügte zudem Zwischenübersichten im Monatsrythmus ein. Diese erfolgten an keinem festen Datum, meist jedoch um die Monatsmitte. Diese Überblicke sind listenförmig gestaltet und erfassen alle Namen und die dazugehörigen Einzah-

18 19



20

Ein Abgleich mit städtischen Gerichtsprotokollen wurde im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet, ist jedoch ein vielversprechendes Anschlussprojekt. Al nome del Dio Amen / Libro Mastro del Sacro Monte della Pietà di Roma nel quale saranno notati tutti li depositi quali alla giornata si saranno messo monte tanto in virtù del breve concessone dalla Sancta bolla di nostro signore Gregorio papa xiii sotto il di primo di ottobre prossimo passato dell anno corrente 1584 quanto ancora in altro qualsivoglia modo et causa Residenti al presente Provisori di detto Monte. M. Sig. Henrigo Caetano / M. Sig. Stefano Crescentio / M. Sig. Giovanni Enriquez / Provisori dell’anno MDLXXXV / Camillo Caetano / Ottaviano Crescenzi / Tiberio Astalli / Giovanni Enriquez / Provisori dell’anno MDLXXXVI / Giovanni Battista Abbate Albano / Fulino Amodei / Ottaviano Caescenzi / Cesare Coronato Vgl. hierzu die Auswertung der Statuten des römischen Monte in Kapitel 4.4.2.

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

lungen in Kurzform.21 Die Geldbeträge wurden in Scudi, Bolognini und Denari aufgeführt, wobei genauestens die Art der eingezahlten Münzen wie Quattrino angegeben wird.22 Fast immer steht der Eintrag reco contanti („in Bar eingezahlt“) dabei – ein klares Zeichen für den praktizierten Transfer von Bargeld. 6.1.1 Auswertungsmöglichkeiten und Stichprobe Die Hauptkassenbücher bieten ein breites Spektrum an Auswertungsmöglichkeiten für die Kreditgeschichte, aber auch die Wirtschafts- und Sozialgeschichte Roms im Allgemeinen. Den Kernpunkt bildet die Darstellung und Untersuchung der verschiedenen veräußerbaren Kreditinstrumente im frühneuzeitlichen Rom, deren Zirkulation über die Monti abgewickelt wurde. Die offenbarte Rolle des Monte als Anlageund Transferinstitut eröffnet interessante Perspektiven auf den römischen Kredit- und Schuldenmarkt. Bei der Analyse der Kassenbücher handelt es sich um Grundlagenforschung, es gibt hierzu bisher fast keine Studien.23 Das Quellenmaterial gilt als sehr schwer zu interpretieren, da die aufgeführten Begriffe schwer verständlich und die Aufzeichnungstechniken auf den ersten Blick sehr herausfordernd sind. Die in den Libri Mastri angeführten Kreditinstrumente und Schuldenformen sind in ihrem Charakter aus dem Kontext der Einträge in den Kassenbüchern allein nicht leicht zu interpretieren. Die alltägliche Praxis des Umgangs mit jenen Instrumenten und ihre Kenntnis wurde von den Schreibern der Quellen vorausgesetzt. Die pragmatische Schriftlichkeit bedurfte hierbei keiner Erläuterungen des Selbstverständlichen. Der Historikerin im 21. Jahrhundert stellen diese Quellen allerdings die Aufgabe zur Entschlüsselung und Interpretation neu. Trotz dieser Schwierigkeiten wurden bei der Auswertung drei thematische Schneisen geschlagen: über die quantitative Entwicklung der Geldanlagen, die Kreditinstrumente sowie die Klienten. Quantitativ wird zunächst stichprobenartig untersucht, wie viel Geld insgesamt angelegt wurde und wie sich das Anlageverhalten über die Jahre veränderte. Danach werden die Summen der Einzeleinlagen ausgewertet, woraus indirekt erste Rückschlüsse auf die Nutzer der Bank und ihre Finanzkraft gezogen werden können. War der Monte als Bank eher ein Institut, das von seinen Kunden kleinere Beträge erhielt und transferierte oder mischten auch finanzkräftigere Kunden mit großen Summen mit? Kann daraus eventuell sogar auf eine Vereinnahmung des Instituts

21 Eine solche Liste wurde beispielhaft transkribiert und ist im Anhang der Arbeit nachzuschlagen. 22 Der quattrino war eine kleine Rechnungsmünze im Kirchenstaat, Florenz und Piemont. Ca. fünf quattrini ergaben einen baiocco. 23 Arcelli beispielsweise erwähnt die LM in seiner Studie zwar, behandelt sie aber nur sehr oberflächlich.

Die Form der Bücher und die Buchführungstechnik

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durch die Kurie geschlossen werden? Wofür das eingezahlte Geld jeweils verwendet wurde, wird ebenfalls in einer Tabelle quantifiziert. Im Zuge einer qualitativen Analyse werden folgende Fragen beantwortet: Wer genau legte Geld an? Was erfahren wir aus den Hauptkassenbüchern über die Berufszugehörigkeit, die Herkunft, das Geschlecht, die Religion der Klienten? Die zentrale Stellung innerhalb dieses Kapitels kommt der Auswertung der Arten von Zahlungen und Geldanlagen zu.24 Die Einträge in den LM verzeichnen unterschiedliche Typen von Schulden, Ausständen oder Krediten, wie risposta, census, compagnia d’offitio, canone, sublastatione und pigione, die weiter unten genauer erklärt werden. Sehr häufig sind immobiliengestützte Kredittransaktionen und Kaufgeschäfte auf Kredit festgehalten, und häufig mit diesen verbunden auch verschiedene Formen von Renten. Neben ihrer Kategorisierung wird auch eine rechtshistorische Kontextualisierung bestimmter Formen vorgenommen.25 Zum besseren Verständnis werden zu allen Kategorien von Zahlungen Quellenbeispiele in transkribierter Form vorgestellt und analysiert. Eine weitere Auswertungsmöglichkeit der LM ergibt sich hinsichtlich der gängigen Preise für Häuser, Weinberge, Landstücke, Mieten und Konsumgüter, Rohstoffe, Werkzeuge und Tiere sowie Arbeitsleistungen, die recht genau rekonstruiert werden können. Über diese Preisangaben lassen sich Fragen nach dem Lebensstandard der niederen und mittleren Bevölkerungsschichten Roms im Untersuchungszeitraum zumindest in mikrohistorischer Perspektive beantworten. Weitere interessante Fragen zum Finanzgebaren der Römer sowie für die Geschichte des Kleinkredits, die mithilfe des vorliegenden Materials leider nicht beantwortet werden konnten (da die Quellen hierzu nur sehr unvollständige bzw. gar keine Daten liefern), sollen an dieser Stelle dennoch als Denkanstoß für weitere Forschungen angeführt werden. Sie betreffen die Dauer und Laufzeit der Kreditgeschäfte und Schuldenbeziehungen sowie die stets brennende Frage nach den impliziten oder expliziten Zinsen. Hinzu kommt die Absicherung der Verträge und eventuelle Sanktionsmechanismen bei Zahlungsverzug. Außerdem geht es um allgemeine Aussagen über die Akteure in diesem Schuldennetzwerk, ihr Zahlungsverhalten sowie ihre Lösungsstrategien bei Zahlungsverzug, die aus den Quellen nicht herausgearbeitet werden konnten, 24

25

Aus den Einträgen gehen z. B. diverse Typen von Schulden, Außenständen oder Krediten hervor, die einer näheren Kontextualisierung und Analyse bedürfen. Diese Quellen verweisen auf den beständigen Wandel und Institutionalisierungsprozess bestimmter Kreditformen und auf das produktive Wechselspiel zwischen informellen und formellen Institutionen. Zeitgenössische Traktate vermitteln die Bewertung einiger Formen, wie der compagnia d’officio oder des census. Das hier verwendete Beispiel ist der Traktat von Agostino di Montalcino Lucerna dell’Anima sowie die päpstliche Gesetzgebung in Form dreier Traktate: Virginio de Boccatiis, Tractatus Tres. De censibus super constitutionibus Pii Quinti, Martini et Calisti. De societatibus officiorum iuxta consuetudinem Romae Curie. Gedruckt durch Antonius Zanetti in Rom 1589. Eine bündige Zusammenfassung der Papstbullen zu diesem Thema findet sich bei Manuel Vaquero Piniero, Die Rentenkaufverträge im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Italien, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Bibliotheken und Archiven 86 (2006), S. 252–293, hier S. 268.

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

da sie schlicht keine ausreichenden Informationen hierzu enthalten. Damit verbunden ist auch die Frage, welche Möglichkeiten des Aufschubs, der Ratenzahlung, der Stundung oder Stückelung von Zahlungen denn eigentlich üblich waren. Darüber hinaus gewähren die Libri Mastri Einblicke in die Geldgeschichte, indem sie einige der gängigen Münzarten verzeichnen, was wiederum Rückschlüsse auf die zirkulierenden Edelmetalle und Währungen zulässt. Dieser Aspekt wurde in der vorliegenden Studie zugunsten der Untersuchung der Kreditinstrumte ausgeklammert. Die Auswertung und Beantwortung der genannten Fragen basieren auf der Transkription von vier Kassenbüchern aus den Jahren 1585, 1586, 1590 und zur Hälfte für 1595. Insgesamt umfassen die vier Bücher – bei steigender Zahl der Einträge – rund 7.000 Transaktionen.26 Das Vorgehen mittels Stichproben vom Beginn, der Mitte und dem Ende des Erhebungszeitraumes wurde aus arbeitsökonomischen Gründen gewählt. Eine annäherende Darstellung der Langzeitentwicklung über den Erhebungszeitraum von zehn Jahren ist somit möglich. Ein Auswertungsproblem ergibt sich aus der schwierigen Einordung der hohen Zahl unspezifischer Einträge. Diese wurden zwar in die quantitative Auswertung miteinbezogen, sind für eine detailliertere qualitative Analyse aber leider nicht zu verwenden. Zusammenfassend formuliert bieten die Kassenbücher jene Informationen, die in den Pfandleihregistern der Monti fehlen, nämlich wofür Menschen im Rom des 16. Jahrhunderts kleinere Kredite aufnahmen, ob, wann und wie sie sie zurückzahlten und mit wem sie durch Schuldenbeziehungen verbunden waren. Obgleich die Kassenbücher des Monte als Depositenbank also nicht direkt über die Pfandleihe informieren, so geben sie einen einzigartigen Einblick in den Schuldenalltag der Handwerker, Frauen, Erben, Familien, der Händler und Tagelöhner und ebenso gelegentlich des römischen Klerus. 6.2 Preise und Löhne in Rom im 16. Jahrhundert anhand der Libri Mastri Bevor die Entwicklung der Geldanlagen genauer aufgeschlüsselt wird und um die dort genannten Beträge besser einzuordnen, werden zunächst die in den Kassenbüchern vermerkten Angaben zu Löhnen und Preisen vorgestellt. Die Einträge in den Libri Mastri lassen neben Einsichten in die vielschichtigen Konsum- und Handelsgewohnheiten der Römer auch interessante Erkenntnisse in Bezug auf zeitgenössische Rohstoff- und Warenpreise zu. Folgende beispielhafte Preisdaten konnten aus den untersuchten Libri Mastri extrahiert werden.

26

Die Gesamtzahl der Einträge in den LM stellt sich wie folgt dar: 1584/85: 787; 1586: 961; 1590: 1.653; 1595: circa 3.600.

Preise und Löhne in Rom im 16. Jahrhundert anhand der Libri Mastri

251

Tab. 8 verschiedene Preise aus den Libri Mastri des römischen Monte di Pietà 1 rubbia (45 Liter) Getreide

7 Scudi

1 Pferd

12 Scudi

1 Maultier

12–13 Scudi

Monatsmiete für ein Haus 1 Hochzeit/Mitgift

2 Scudi 200 Scudi

1 junger Bulle

17,50 Scudi

Reparatur einer Mauer

6,17 Scudi

Lohn eines Tischlers

5,50 Scudi

Ausbesserung eines Hauses

12,38 Scudi

27

1 rubbia Nüsse 1 Fass (circa 63 Liter) Most 1 Weide Heu

8 Scudi 8,50 Scudi 16 Scudi

So entnehmen wir den Angaben z. B. dass ein rubbia Getreide einen Wert von sechs bis sieben Scudi hatte,28 die gleiche Menge Nüsse kostete acht Scudi.29 Ein Pferd30 ebenso wie ein Maultier31 kosteten circa zwölf Scudi, ein Jungbulle 17,50.32 Die Monatsmiete für ein Haus lag bei durchschnittlich zwei Scudi.33 Für Hochzeiten und Mitgiften finden sich Summen um die 200 Scudi.34 Der Most, der dann getrunken wurde, war 8,5 Scudi pro Fass wert.35 Mit diesen Daten lassen sich Aussagen über die Kaufkraft eines Scudo machen, die in Bezug auf die entliehenen Summen bei der Pfandleihe aber auch bei der Analyse der transferierten Kreditsummen in den LM von großer Bedeutung sind: Man bekam am Ende es 16. Jahrhunderts für einen Scudo etwa 6,4 Liter Getreide, etwa einen Liter Nüsse oder 5,3 Liter Most. 27

28 29 30 31 32 33 34 35

Die Angaben der Arbeitsdienste lassen sich nur schwer einordnen, da die Quellen keine Arbeitsdauer angeben. Man kann jedoch von den bekannten Tageslöhnen für Bauhandwerker in Rom ausgehen, die bei ca. 20 baiocchi lagen. Die Arbeitszeit kann man mit 20 Arbeitstagen monatlich ansetzen. Mithilfe verschiedener Einträge lassen sich diese Preise ausrechnen: Beispielsweise auf fol. 162r im LM von 1586 heißt es: 65 Scudi per prezzo che Pandolfo Lazechino pretende di rubbia dieci di grano. Dies entspricht einem Preis von 6,5 Scudi pro rubbia. LM 1585, fol. 186r. LM 1586, fol. 113r, ein Preis von 7 Scudi erscheint im Eintrag auf fol. 144r, im LM von 1585 erscheint ein Kaufpreis von über 30 Scudi für zwei Pferde, fol. 55r. LM 1586, fol. 28r, fol. 146r. LM 1586, fol. 172r. Hierzu gibt es zahlreiche Einträge in allen LM. Hierzu diverse Einträge, LM 1586, fol. 123r, fol. 153r. LM 1585, fol. 187r. Dort wird der Einzelpreis des Fasses Most mit 8,5 il barile angegeben. Paulo de Cochis zahlte am 24.10. insgesamt 20.25 per resto di barili 65 di mosto comprato da Santo da Santi Carbonetti.

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

Die Libri Mastri sind ebenfalls eine wichtige Informationsquelle zu den zeitgenössischen Löhnen in Rom. Genaue Tageslöhne lassen sich anhand der Einträge nicht rekonstruieren, jedoch scheinen in den Kassenbüchern immer wieder Bezahlungen im Zusammenhang mit bestimmten Arbeitsdiensten auf, die eine Annäherung ermöglichen. Betrachten wir einige Beispiele. So zahlte Stabilia de Branchi am 7. Mai 1585 neun Scudi und 40,5 Bolognini durch Cesare de Bonis, ihren Prokurator, ein. Verwendet wurde dieser Betrag, um die Kosten für die Stützarbeiten an der Mauer am Haus der Stabilia zu decken. Der Empfänger war Giovanni Battista Bonio. Die Schätzung der Kosten waren von Tiddeo de Marchi am 6. April berechnet worden.36 Der Tischler Agostino Briselli erhielt am 11. Februar 1585 5,50 Scudi für seine Arbeit (lavori legnam fatti) von Lorenzo Brancuccio.37 Die Ausbesserungsarbeiten am Haus des Bartolomeo Raynali wurden mit 12,38 Scudi am 20. Mai 1585 entlohnt.38 Für den Bau einer Mauer erhielten die Maurer Andrea della Bella und Nicoli Renzi eine Restentlohung von 9,20 Scudi am 15. Mai 1585.39 Der Schneider (sarto) Antonio Salvi zahlte am 17. September 1585 für die Herstellung diverser Kleidungsstücke eine Restsumme von 45 Scudi. Ob es sich hierbei um die Entlohnung innerhalb einer Verlagsbeziehung bzw. eines arbeitsteilig angelegten Produktionsverhältnisses handelt, kann nur vermutet werden, da der Kontext der Transaktion leider im Dunkeln bleibt.40 6.3 Die Höhe der Einlagen Im Folgenden werden die angelegten Geldsummen sowie ihre Verwendung näher beleuchtet. Zunächst gilt es die Entwicklung der Anlagebeträge systematisch zu quantifizieren. In einem zweiten Schritt können mit dem Ziel einer genaueren Differenzierung der Ausgabezwecke verschiedene Kategorien gebildet werden. Das Anlagegeschäft war ein erfolgreiches Geschäftsmodell für den römischen Monte. Die Zahl der Transaktionen in den vier genannten Bänden zeigt einen deutlichen Anstieg von 785 im Jahr 1584/85 auf 3.610 im Jahr 1595. Im Jahr 1585 verzeichnet die Abrechnung am Jahresende Einnahmen (entrata) von 5.634,99 Scudi. Demgegenüber stan-

LM 1585, fol. 51r.: M. a. Stabilia de Branchi deve havere ad 7 di maggio Scudi nove et bl. 40,5 reco moneta. Cesare de Bonis suo procuratore disse per tanto dovuti a m. Giovanni Battista Bonio per l’appoggio del muro fatto alla sua casa conforme alla stima fatta et prodotta nel atti de m. Tiddeo de Marchi al quale disse altrevolte sotto di 6 d’Aprile passato haverli cassati a questo effetto per pagarli a detto M. Giovanni Battista reportandone la nostra cedola – 9.40 37 LM 1585, fol. 26r. 38 LM 1585, fol. 57r. 39 LM 1585, fol. 55r. 40 LM 1585, fol. 132r: 45 Scudi per prezzo anzi per resto del prezzo de manifattura et robbe fatte per una sua casa. 36

253

Die Höhe der Einlagen

den Ausgaben (uscita) von 4.311,99 Scudi. Der Rest wurde berechnet mit 1.323 Scudi.41 Die Summe des insgesamt angelegten Geldes war 1595 mehr als drei Mal so hoch. Am Jahresende 1595 verzeichnete die Depositenbank des Monte Einnahmen von 17.861,85 Scudi42 und Ausgaben in Höhe von rund 17.860 Scudi, eine stattliche Summe, die als zirkulierendes Kapital dem Monte zur Finanzierung der Pfandleihe zur Verfügung stand. Betrachtet man diese Entwicklung, so erwies sich die Einführung des Anlagegeschäfts als äußerst effektives Mittel zur Erhaltung der Pfandleihbank und bot den Bewohnern Roms ebenso wie Auswärtigen zusätzlich den Service des Geldtransfers und der sicheren Anlage. Vergleicht man die Gesamtzahl der Transaktionen im Zeitabstand von fünf Jahren zwischen 1585 und 1590 so zeigt sich ein Anstieg von 785 auf 1.718. Die Monti wickelten also nach fünf Jahren mehr als doppelt so viele Transaktionen ab. Doch in welcher Höhe bewegten sich die einzelnen eingezahlten Geldsummen? Schaut man beispielhaft auf die im Libro Mastro von 1585 (blau) und 1590 (orange) erwähnten Geldbeträge und ihre quantitative Verteilung, so ergibt sich folgendes Bild: Häufigkeit der Nennung im Buch

450 400

373

413

350 300

276

250

222

200

187

150

121

100

80

50

20

0

te

un

86

45

81

79 20

31

102 45 24 27 12 10 5 15 9 17

12

36

53 12

57 16 15 7

6

19

9 9 9 9 0 19 49 00 29 s 39 99 69 59 79 89 r 5 is 9 24 29 14 19 30 s s s s s s s s b 10 bi is bi is is is bi ls bi bi bi bi bi bi 5 s b b b b l a 30 0 10 0 0 0 40 20 90 60 50 70 80 ra hr 10 20 25 me 15 eh m Geldbeträge in scudi

Abb. 12 Vergleich der Leihsummen in den Jahren 1585 (blau) und 1590 (orange)

In beiden Jahren wurden vor allem Beträge zwischen fünf und zehn bzw. zehn bis 19 Scudi eingezahlt. Diese Angaben umfassen mit 475 Einträgen im LM von 1585 zusammen circa 60 Prozent. 1590 betrug der Anteil der Summen zwischen fünf und 19 Scudi 59 Prozent (468 Einträge), wobei die Zahl der Beträge zwischen zehn und 19 scudi 1590 stärker angestiegen war. Demgegenüber machen im Jahr 1585 besonders hohe Ausgaben von über 300 Scudi bis über 1.000 Scudi mit 21 Einträgen nur einen sehr geringen Teil von zwei Prozent der Einträge aus. Im Jahr 1590 liegt dieser Anteil mit vier Prozent leicht höher. Insgesamt ist die Höhe der eingezahlten Beträge im Verhältnis zueinan-

41 42

LM 1585, fol. 186v. LM 1595, fol. 593v und 594r.

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

der relativ gleich geblieben, wenngleich man eine leicht ansteigende Tendenz bei den Summen zwischen zehn und zwanzig Scudi erkennen kann. Auch die Beträge in der Spanne von zwanzig bis 31 Scudi sind nun mehr. Ein Grund hierfür könnte sein, dass nicht nur insgesamt mehr Kleinanleger mit einem Anlagevermögen zwischen fünf und dreißig Scudi dieses beim Monte verzinst anlegten, sondern vor allem Transaktionen wie Überweisungen, Rechnungszahlungen, Kredittilgungen in dieser Höhe über den Monte liefen. Insgesamt erlaubt eine solch kleine Datenmenge jedoch keine Aussagen über Einkommens- und Schuldenhöhen oder das Sparvolumen der Römer insgesamt. Vergleicht man die oben genannten Löhne mit den am häufigsten genannten Anlagesummen in den LM zwischen fünf und zehn Scudi, so wird deutlich, dass die Geldmenge, die durch den Monte transferiert wurde, im Ganzen eher bescheiden war. So stellen die Einlagen in etwa ein bis zwei Monatslöhne dar. Dies lässt sich aus den gegebenen Zahlen errechnen: Arbeitsdienste, wie die eines Maurers, der eine Mauer ausbesserte (leider enthält der Eintrag keine genaue Angabe zur Arbeitsdauer), waren mit 6,17 Scudi43 im zeitgenössischen Durchschnitt, wenn man wie folgt rechnet: Der Tageslohn eines Bauhandwerkers in Rom lag zwischen 17 und 20 Baiocchi.44 Sechs Scudi entsprechen 600 Baiocchi. Teilt man diese Summe durch den bekannten Tageslohn von 20 Baiocchi, so ergibt sich mit den sechs Scudi in etwa ein Lohn für zwanzig Tage Arbeit. Ein Tischler erhielt 1585 für seine Arbeit 5,50 Scudi Lohn,45 was einem Monatslohn von (bei einem angenommenen Tageslohn von ebenfalls 20 Baiocchi) für 27,5 Tage entspricht. Aufwendigere Bauarbeiten waren für das melioramento eines Hauses im Mai 1585 nötig: sie kosteten 12,38 Scudi.46 Die Überweisungen, die beim Monte für Zahlungen im Bereich Konsum, Produktion und Landwirtschaft getätigt wurden, verweisen somit deutlich auf die Wirtschaftspraxis der arbeitenden Mittelschicht. Von Luxusgütern oder großen Investitionen, etwa in Handelsunternehmungen, ist in in diesen Rechnungen fast keine Spur.

LM 1586, fol. 183r. Oratio Ruscelai zahlte am 18.10. 6,17 Scudi per l’appirico di una muro fra il palazzo di Oratio e la casa di Paula Palatina. 1585 zahlte Stabilia de Branci 9,40 Scudi für die Abstützung einer Mauer ihres Hauses. LM 1585, fol. 51r. 44 Vgl. hierzu die Zahlen von Delumeau in der Einleitung dieser Arbeit sowie das 2019 von Mauro Rota und Jacob Weisdorf veröffentlichte Working Paper zu Reallöhnen in Rom im Vergleich zu London. Dieses liefert interessante Lohndaten zu Nominal- und Reallöhnen der römischen Bauarbeiter der Fabrik des Petersdoms von den 1560er Jahren bis ins 18. Jahrhundert. Demnach lag der Tageslohn eines Bauarbeiters in Rom bei circa 17 baiocchi. Umgerechnet in den Reallohn (abzüglich der täglichen Lebenshaltungskosten nach dem consumer basket Modell von Allan) entspricht das den Autoren zufolge einem Tageslohn im Wert von 6 Gramm Silber. Mauro Rota / Jacob Weisdorf, Why was the First Industrial Revolution English? Roman Real Wages and the Little Divergence within Europe Reconsidered. Working Paper Series der University of Warwick 400, Jan. 2019. Sie kommen zu dem interessanten Ergebnis, dass die römischen Reallöhne weitgehend mit denen der Londoner Bauarbeiter an der St. Paul’s Kathedrale vergleichbar sind. Diese Ergebnisse widersprechen einem Teil der Theorie der Little Divergence, dass die hohen Löhne in England für die frühere Industrialisierung verantwortlich waren. 45 LM 1585, fol. 26r. 46 LM 1585, fol. 57r. 43

255

Die Höhe der Einlagen

Interessant ist auch die Verteilung der Summen auf die einzelnen Verwendungszwecke. Werfen wir dazu einen detaillierten Blick auf die Verteilung der Verwendungszwecke in den Libri Mastri der Jahre 1585, 1586 und 1590. Tab. 9 Verwendungszwecke der Geldeinlagen in den Jahren 1585, 1586 und 1590 1585

1586

1590

Schulden (ohne nähere Bestimmung) (promessa fatta, per tanti pretende, a suo creditore)

Quantitative Verteilung der Verwendungszwecke

136 (17,8 %)

236 (25 %)

293 (25,2 %)

Miete für ein Haus/Wohung/Zimmer/Werkstatt (pigione per una casa, per una bottegha)

245 (32 %)

238 (25,3 %) 248 (21,3 %)

unklar

105 (13,7 %)

113 (12 %)

181 (15,5 %)

51 (6,7 %)

93 (9,9 %)

148 (12,7 %)

zur freien Verfügung (a suo piacere)

17 (2,2 %)

42 (4,5 %)

73 (6,3 %)

Kauf eines Hauses/Weinberg/Land

57 (7,4 %)

62 (6,6 %)

64 (5,5 %)

Kauf von Rohstoffen oder Werkzeugen

16 (2,0 %)

23 (2,4 %)

20 (1,7 %)

Erbe

6 (0,8 %)

19 (2,0 %)

20 (1,7 %)



19 (2,0 %)

19 (1,6 %)

Rechtsstreit (lite)

35 (4,6 %)

18 (1,9 %)

18 (1,6 %)

Handel (unspezifisch) (causa mercede, mercatore)

20 (2,6 %)

24 (2,5 %)

18 (1,6 %)

Kauf von Kleidung

15 (1,9 %)

14 (1,5 %)

18 (1,6 %)

Pension

8 (1,0 %)

5 (0,5 %)

9 (0,8 %)

Kauf von Wein

15 (1,9 %)

7 (0,7 %)

8 (0,7 %)

Kauf von Tieren (Pferde, Kühe, Maultiere, Lämmer, Ziegen)

12 (1,6 %)

11 (1,2 %)

8 (0,7 %)



2 (0,2 %)

8 (0,7 %)

Lohn für Arbeit

20 (2,6 %)

11 (1,2 %)

7 (0,6 %)

Kauf von Getreide

5 (0,6 %)

2 (0,2 %)

5 (0,4 %)

-

2 (0,2 %)



Kauf von Schmuck

1 (0,1 %)

1 (0,1 %)



Kauf einer Kutsche

1 (0,1 %)





766

942

1.165

Rente, Steuer, Zensus (census, risposta, canone, affitto)

Darlehen, das auf ein Amt aufgenommen wurde (compagnia d’offitio)

Mitgift (dote)

Beschlagnahmung (sequestra)

Gesamt

47

47

Die Zahlen wurden bereinigt, indem völlig unleserliche Einträge nicht mitgezählt und gesplittete Beträge nicht als Einzeltransaktionen vermerkt wurden. Deshalb ergeben sich geringere Zahlen als die im Text genannten Gesamteinzahlungen.

256

Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

Betrachtet man die quantitative Verteilung der Verwendungszwecke in den drei Büchern, wird auf den ersten Blick deutlich, dass ein Großteil des eingezahlten Geldes zur Begleichung kleinerer und mittlerer Summen und Rechnungen genutzt wurde, wobei ca. 14 Prozent aller Einträge nicht identifiziert werden konnten. Der Hauptverwendungszweck der identifizierbaren Beträge waren Fixkosten wie Mietzahlungen (pigione), die circa ein Viertel der Einträge ausmachen. Diese wurden meist für ein Trimester oder ebenfalls sehr häufig für sechs Monate geleistet. Mieter überwiesen das Geld also mithilfe des Monte, wobei sie die Mieten in Raten verteilt über das ganze Jahr zahlten. 23 Prozent der Gelder entfielen auf die Begleichung allgemeiner Schulden ohne nähere Benennung (promessa fatta, per tanti pretende […], a suo creditore). Immobilien als zirkulierende Wertspeicher waren also auch in Rom das am häufigsten verbreitete Sicherungsmittel für Kredite und Renten. Landbesitz und landwirtschaftliche Erträge sicherten das Leben der meisten Stadtbewohner. Hinzu kam die Vermietung von Häusern, die sehr oft durch Witwen oder Erben durchgeführt wurde. So entfielen insgesamt ca. 16 Prozent der Einzahlungen auf Pacht- und Kaufsummen für Immobilien sowie auf Grundsteuern für Häuser oder Weinberge (census, fitto, canone, risposta). Ausgaben für Konsumgüter und Dienstleistungen, hauptsächlich Nahrungsmittel wie Wein, Öl und Getreide, Holz und Nutztiere (Maultiere, Pferde, Kühe und Lämmer werden genannt) sowie die Zahlung von Arbeitslöhnen an Handwerker für Bau- und Reparaturdienste tauchen als weitere Verwendungszwecke mit insgesamt 3,7 Prozent aller Nennungen auf. Nimmt man die 62 unspezifischen Nennungen mit dem Verwendungszweck causa mercedis noch hinzu, steigt der Anteil der Konsumausgaben insgesamt auf fast sechs Prozent an. Auch wurden insgesamt 39 Mal Kleidungsstücke angeschafft oder Schmuck (1,7 Prozent) gekauft. Schulden und Außenstände verschiedener Art wurden über die Konten beim Monte beglichen, teils über das Giroverfahren. Dabei tritt die Praxis der Ratenzahlung deutlich zutage. Ein Beispiel hierfür bietet die Formulierung: per il resto del prezzo, etc. 71 Mal werden Gerichtskosten oder Kosten für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten erwähnt (2,5 Prozent). Interessant ist das Vokabular der Quellen in Bezug auf die bereits erwähnten unbestimmten Schulden und Kredite. Neben den eindeutigen Begriffen wie obligatio, frutti und mandato werden häufiger Phrasen wie paga maturata oder per tante deve dare a verwendet. Nur sehr selten stehen die Debitoren als solche im Buch, vielmehr geht aus den Quellen die Verwobenheit der Schuldner in umfangreiche und teils unüberschaubare Kreditnetzwerke hervor, die aus mehreren Personen und auf verschiedenen Ebenen bestanden. Die compagnia d’offitio als recht neue Form des Darlehens, das ursprünglich durch ein Amt (kurialer Beamter) abgesichert war (dazu weiter unten), erscheint mit 1,3 Prozent der Fälle in den drei Büchern. Schließlich bleiben noch die Geldanlagen „zu seiner/ihrer freien Verfügung“ zu erwähnen, was wiederum auf eine reine Geldanlage (depositum inconditionatum) spricht, wie man sie in der Form eines Sparbuchs kennt. Davon finden sich 132 Einträge, die 4,6 Prozent entsprechen. Letztere Kategorie der Anlagen zur Vorsorge und zum Sparen findet sich beispielsweise in

Anlagen, Ausgaben und Ausstände in den Libri Mastri

257

den Einträgen über Mitgiften. Diese machen mit elf Nennungen den geringsten Anteil der Einzahlungen (0,3 Prozent) aus. 6.4 Anlagen, Ausgaben und Ausstände in den Libri Mastri 6.4.1 Allgemeine Kaufgeschäfte In der Kategorie der Kaufgeschäfte sind in den Libri Mastri neben den nicht näher benannten causa mercede, Käufe von Nahrungsmitteln wie Wein und Getreide, Rohstoffen wie Heu, Most, Werkzeugen wie dem Ofen zum Backen des Brotes oder Nutztieren wie Rindern, Maultieren und Pferden verzeichnet. Auch der bereits in den Pfandregistern ablesbare Altkleiderhandel wurde häufig durch Termingeschäfte über den Monte abgewickelt.48 Dabei ist zu bemerken, dass es nach den Einträgen zu urteilen gang und gäbe war, seine Kleider gegen Geld zu „verkaufen“. Die Libri Mastri enthalten immer wieder derlei Einträge, die die Existenz informeller, auf Alltagsobjekten basierenden Darlehensbeziehungen bzw. der Existenz einer Kleiderökonomie jenseits der formalisierten Pfandleihe nahelegen.49 Hinzu kommen Verkäufe von Häusern, die nicht selten mit Kreditaufnahmen verbunden waren und deshalb ebenso in den Bereich der Schuldenverschreibungen gezählt werden könnten. Ob die Erwähnung eines Hauses als Kaufobjekt tatsächlich auf seine Übertragung beim Kauf oder in gleichzeitiger Vorbedingung mit der Aufnahme eines Darlehens verweist, bleibt häufig ungewiss. Festhalten lässt sich, dass in vielen Fällen die Begriffe canone, census oder risposta als formalisierte Formen der immobiliengestützten Kreditaufnahme erwähnt werden, was darauf schließen lässt, dass in dem anderen Fall – der Abwesenheit einer solchen Bezeichnung – möglicherweise doch ein echter Kauf stattfand. Auch das nun angeführte Quellenbeispiel lässt Fragen offen. Der Wirt Antonio zahlte am 24. Mai 158550 188 Scudi und 60 Bolognini ein, wovon 63,60 Scudi für den „Kauf “ eines Wirtshauses (hosteria) samt Küchenzubehör bestimmt waren. Er erwarb diese von Jacomo Savione und dem Bäcker Giovanni Todesco sowie dessen Frau Maria, die dann wiederum einige nicht namentlich genannte Kreditoren auszahlten:

48

49 50

Einige Einträge in den LM dokumentieren den Handel mit Altkleidern durch Rigattieri, die Kleidungsstücke von Verstorbenen ebenso aufkauften wie die der Lebenden. Beispiele finden sich im LM von 1586 auf fol. 22r, 26r, 169r, im LM von 1585 auf fol. 5r. Dort kaufte der Rigattiere Galeotto Galeotti aus Monte Giorgio am 20.12.1584 Kleider im Wert von 160 Scudi von den Erben eines Monsignore Arciullo di Corsa. Fol. 17r verzeichnet einen Kauf von Madalena Tolona, hostessa aus Genua, am 18.1.1585. Sie erwarb Kleider im Wert von 18 Scudi von Alessandro Colutio. Diverse Einträge zeigen dies: LM 1585, fol. 82r. Deutlicher noch der Eintrag vom 20.5.1585: Antonio Biscioni Racattiero al monte Giorgio zahlte 13 Scudi per prezzo delle robbe da Pietro Bruccho da lui comprate per lo quali viene molestata da diversi creditori di detto Pietro. LM 1585, fol. 57r. LM 1585, fol. 62r.

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

Antonio de Episcopis Hoste a Ripetta deve havere adi 24 di maggio scudi cento ottantotto et Bolognini sessanta di moneta tra quali sono scudi sessantatre et Bolognini sessanta di cartocci, reco contanti disse a buon conto del prezzo de un’hosteria et massaritie d’essa et vini comprati da Jacomo Savione et Giovanni Todesco et Maria sua moglie sotto la trinità all’ insegna del moro per pagarli a Creditori di detta hostaria et robbe dette ad ogni mandato del nostro Camerlengo de Ripa da fascene in pie della nostra cedola overo da mons. Gen. di somma o suo luogho commesso. 188.60---63.6051

Laut der Versoseite, die die Abhebungen/Auszahlungen verzeichnet, zahlte Antonio nochmals 93 Scudi am 18. Juni an Giovanni Todesco und seine Frau52 und am 14. August folgte dann die zweite Teilzahlung in Höhe von 95,55 Scudi. Deutlicher wird die Verbindung von Hauskauf und Kredit an diesem Beispiel. Der Römer Alessandro Parabiancho zahlte am 4. Juli 1585 eine hohe Summe von 495 Scudi ein. Dieser Betrag entsprach einem Teil der Kaufsumme für ein Haus, das er von Bernardo, dem Schmied (ferraro) kaufte. Das Haus war mit einer Rente (census) von 50 Scudi plus fünf Scudi Zins (frutti) belegt. Zudem war das Haus bereits mit Hypotheken in unbestimmter Höhe bei mehreren Kreditoren belastet.53 Die beiden hier vorgestellten Beispiele zeigen die Verbindung von Hauskäufen und Krediten deutlich. Dabei konnte es sich um einen kurzfristigen Kredit als Kauf mit Wiederkauf handeln oder auch um eine längerfristige Belastung mit einer Rente, die dann jährlich ausgezahlt wurde. Auf diesen Sachverhalt wird weiter unten noch detail-

51

52 53

Übersetzen lässt sich dieser Eintrag wie folgt: „Antonio de Episcopis, Wirt in Ripetta, soll am 24. Mai 188 Scudi und 60 Bolognini erhalten – darunter 63 Scudi und 60 Bolognini (in cartocci) in Bargeld, für die Bezahlung des Preises einer Wirtschaft, dessen Geschirr und Weine, die er bei Jacomo Savione sowie Giovanni Todesco und dessen Frau Maria gekauft hat, unter der ‚Trinità‘ im Zeichen des Moores, zur Rückerstattung der Gläubiger der oben genannten Wirtschaft sowie der genannten Dinge nach dem Wunsch unseres Kämmerers in Ripa gegen Vorlage unseres Coupons, oder auch vom Monsignore Gen. oder seinem Stellvertreter.“ 188.60---63.60 LM 1585, fol. 61v: Antonio de episcopi di contro deve dare ad 18 di Giugnio Scudi novantatre di sint pagati de ordinatio di Mons. Savione a Giovanni tedesco fornaro et maria sua moglie portono conti. LM 1585, fol. 83r.: Messer Allessandro Parabiancho Romano deve havere ad 4 di luglio Scudi quattrocento novantacinque di moneta reco contanti disse per parte del prezzo della casa de Berardo detto il Rosso ferraro porta nella strada del Cond ricontro all’horti di Signore Giacomo de Incusabili a lui come piu et ultimo offerente de liberata de mandato de mons. della Cornia pretendente delle casa sui a stanza dell’heredi di Grania et il restante disse parte setantasei per il suo credito de un censo de Scudi 50 simili gia imposto sopra detta casa e Scudi cinquanta per frutti decossi et non pagati et un altra parte accolarti cise Scudi viso simili per tanti censi gia sopra essa casa imposti a favore de duicise persone per pagarli alli creditori anteriori di detto Berardo da dechiarisi da detto Mons. Presidente ognivolta che da ciascuno de detti creditori per somma sarà dechiarato dove sara dato fatta la cessione libera raggioni in […] forma a favore di M. Allessandro et sarà data idonea ingiusta de restituire detta soma che pigliaranno a priori et posteriori creditori di detto Berardo et del tutto ne sia spedito m. da detto Monsignore Presidente in pie’ della nostra cedola con fede sommitta da cessione et signatura al quale mandato et fede havemo a credere senza vedere a loro. 495

Anlagen, Ausgaben und Ausstände in den Libri Mastri

259

liert eingegangen. Wenden wir uns im folgenden Abschnitt zunächst dem Kauf von Rohstoffen zu. 6.4.2 Der Kauf von Rohstoffen Beginnen wir mit einem interessanten Eintrag im LM von 1590, der auf das breite Funktionsspektrum des Monte di Pietà und die städtische Getreideversorgung verweist. Der Getreidekauf und Transport am 23. Februar 1590 in Höhe von 130 rubbia54 für 850,85 Scudi durch Stefano Delfino für den Monte belegt die fortwährende Vergabe von Naturalkrediten in Form von Getreide durch den Monte auch am Ende des 16. Jahrhunderts:55 Prezzo di rubbia centotrenta di grano de Guilelmo Nola e Michelle suo figliolo, e per spese per far portare al Monte di pietà. Ähnlich den Monti frumentari wurde die Funktion des Getreidedarlehens in Rom in die Tätigkeit des Monte als Pfandleihanstalt integriert. Die Belege über die Abwicklung des Kaufs liefern uns nur die Libri Mastri. Ein weiterer Kauf von 162 rubbia Getreide wurde nur wenig später am 9. März ebenfalls durch Stefano Delfino vorgenommen. Er zahlte hierbei 1.004,10 Scudi an dieselben Verkäufer.56 Der Kauf wurde im Auftrag der Kurie getätigt, um Bäckern im März das nun knappe Getreide zur Verfügung zu stellen, wie der Eintrag belegt. Am 24. Juli 1590 kauften die Nonnen des Klosters Torre di Spicchio insgesamt 90 rubbia Getreide von Giulio Treoli zum Preis von 630 Scudi. Die Quelle nennt auch den Preis pro rubbia: sieben Scudi.57 Vom Gesamtpreis wurden zwanzig Scudi angezahlt. Im Vergleich zu anderen Jahren ist der Preis pro rubbia mit sieben Scudi leicht erhöht: Le riverendissime monache et Presidente del Monasterio della Torre di Spic[c]hio devono havere questo di 24 di luglio Scudi seicento trenta di moneta tra quali sono Scudi vinti recco contanti M. Antonio Nardo loro procuratore disse per prezzo di novanta rubbia di grano vendatoli da messer Giulio Treoli a scudi 7 di moneta il rubbio et disei depositarli conforme al consenso detto Messer Giulio per gli atti di M. Hironimo Fabio ad instanza del Gomitio quattrochi tutore delli

54 Eine rubbia umfasste etwa 45 Liter. Hier wären das entsprechend 5.850 Liter Getreide. 55 LM 1590, fol. 143. 56 LM 1590, fol. 150r: Per resto di Scudi mille quatro bl. quaranta di moneta del prezzo di rubia cento sessanta doi di grano di Guilelmo Nola et del Michel suo filio quale era nel granaro di Basilio venduto a giuli sessanta doi di rubio minuato in presentia di Guilelmo et di Bertolomeo tubieri deputato et distribuito a diversi fornari di ordine della R.a camera et di Mon. Logo.te della A. C. come per li atto del sopradetto Cinthio et il restante di detto prezzo disse a vedo spesso per far portar detti dinari in qui volete per pagarli a chi ordinara Mons. A. C. o suo log-te per li atti del med.mo notaro. 57 Mit derartigen Preisangaben lässt sich die Kaufkraft eines Scudo wie folgt berechnen. Eine rubbia entspricht circa 45 Liter. Sie kostet 7 Scudi. Für einen Scudo bekommt man also etwa 6,4 Liter Getreide.

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

heredi di Bartolino de Hepis per pagarli a chi ordinera Mons. A. C. o suo loge per gli atti del sudetto notario. 630---2058

Die Ratenzahlung für Lebensmittel scheint in allen Libri Mastri als selbstverständliche Praxis auf. So kaufte der Wirt Giovanni Donezzo aus Rom am 24. Oktober 235 Fässer (barili zu circa 63 Liter pro Fass) Romanescowein, ein Produkt minderer Qualität aus dem Umland Roms, für insgesamt 179,12 Scudi, wovon er dem Verkäufer Salvatore Candella die Restsumme von 90 Scudi bezahlte.59 Der Einzelpreis von 0,7 Scudi pro Fass lässt auf seine geringe Qualität schließen. 6.4.3 Rechtsstreitigkeiten Neben Käufen finden sich in den Libri Mastri Rechtsstreitigkeiten, die häufig durch Geldzahlungen beigelegt wurden. An Erben wurden ausstehende Schulden ausgezahlt oder sie mussten ausstehende Schulden bezahlen. Im Falle der jüdischen Witwe Gimella war das Streitobjekt eine bottegha, also ein Geschäft.60 Gimella zahlte am 22. Februar 1590 hundert Scudi an Lazzaro de Viterbo durch ihren Prokurator Gentorum Abem beim Monte ein. Der Eintrag erwähnt die Umstände des Streits am Ende des Textes: Gimella Relitta del q. Moisse Anaun ebrea deve havere questo di 22 di febraro Scudi cento di moneta reco conti Gentorum Abem suo procuratore disse essere i undissimi imprestateli ogi da Isreal Provenzale ebreo come per li atti di M. Bernardino Pascassio et essere per tanti pretende Lazzaro da Viterbo ebreo per causa di un botteghino che al presente li litiga et depossitarli senza pregiuditio delle sue ragioni per pagarli a chi riportera la nostra cedula 100

Möglicherweise kam es zu einem Rechtsstreit um das Geschäft des Ehemannes Moisse Anaun nach dessen Tode. In einem anderen Fall ist die gerichtlich erwirkte Beschlagnahmung im Zuge der Schuldentilgung belegt. Der Eintrag vom 7. Mai 158561 informiert uns wie folgt: Am 58

59 60 61

LM 1590, fol. 270r. Übersetzung: „Die hochgeehrten Schwestern und der Vorsteher des Klosters der Torre di Spic[c]hio sollen am kommenden 24. Juli 630 Scudi erhalten, darunter 20 Scudi im Bargeld. Ihr Vertreter Herr Antonio Nardo, gab an, dies sei für 90 Rubbie Weizen, die sie von Herrn Giulio Treoli gekauft haben (bei einem Preis von 7 Scudi/Rubbia) und gab an, sie abgegeben zu haben, der Vereinbarung mit Herrn Giulio entsprechend, für die Urkunden/Belege von Herrn Hironimo Fabio als Vormund der Erben von Bartolino de Hepis; sie werden ausgezahlt an wen Monsignore A. C. befiehlt, vermöge der Belelge des oben genannten Notars.“ LM 1590, fol. 306r. LM 1590, fol. 142r. LM 1585, fol. 51r. Messer Giovanni Antonio Custo deve havere a di 7 di maggio Scudi cinquantanove et denari 78 di moneta de gli diecie per Scudi reco conti disse per resto de Scudi 67 altrevolte depositati nel suo offico del notariato del detto C. a 13 de marzo 1572 dano, Fabrizio Valeraris con. Messer Battestino

Anlagen, Ausgaben und Ausstände in den Libri Mastri

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7. Mai wurden 59 Scudi und 78 Bolognini eingezahlt von Giovanni Antonio Custo. Dieser hatte Schulden bei Fabrizio Valeraris und Giovanna. Beide hatten offensichtlich vor Gericht die Rückzahlung der Schulden erwirkt. Es handelt sich hierbei um die Teilzahlung einer größeren Summe, die er ihnen schuldete und die bereits mit 67 Scudi am 13. März 1572 im Büro seines Notars teilweise beglichen worden war. Am 20. März 1572 ließen sich die Gläubiger Fabrizio Valeraris, mit Battestino und Giovanna, der Frau des Nicolo, beraten von Ambrosio Barbadella. Die Schulden hatte Giovanni offenbar gemacht, um unbekannte Güter (per mercede) zu kaufen. Interessanterweise wurden auch einige Güter des Schuldners beschlagnahmt, was aus dem Terminus sequestro hervorgeht. Die Beschlagnahmung war vom römischen Fiskalgericht angeordnet worden. Dieser Fall beschreibt ausnahmsweise recht ausführlich einige Eigenschaften von Schuldenpraxis, inklusive Rückzahlungsgebahren und Sanktionen. Das Darlehen von circa 127 Scudi (inklusive Zins) wurde erst nach 13 Jahren nach der Zahlung einer ersten Rate im Jahre 1572 vollständig zurückgefordert. Lange Kreditlaufzeiten waren also üblich, dennoch hielten Gläubiger durchaus an ihren Forderungen über Jahre hinweg fest und griffen dann auf gerichtliche Unterstützung zurück, so dass der Schuldner letztlich zur Rückzahlung gezwungen wurde. Ein anderer Fall aus dem gleichen Jahr dreht sich um eine Pension für das Priorat der Kirche Santo Fortunato in Cania in Höhe von 97 Scudi, die der Magister Lelio Fasarolo Giovanni Angelone schuldete. Lelio Fasarolo zahlte am 8. Juli 1585 hundert Scudi und dreißig Bolognini ein. 97 Scudi waren offensichtlich für eine Zahlung, die gerichtlich festgelegt war, wobei drei weitere Scudi an den Vertreter, Anwalt oder Notar namens Scipio Grimaldi gingen: Magistro Lelio Fasciolo deve havere ad 8 di luglio Scudi cento et Bolognini 30 di moneta reco conti da Luca Meneci da Bevagna essecutore dell’ Andrea della Camera disse Scudi novantasette pigliati da detto senior Lelio in virtù de un mandato exeguito relassato a stanza de Giovanni Angeloni da Monte Leone sotto di cinque stanze per l’atti di messer Scipione Grimaldi et Scudi tre et bol. 30 simili per le spese di detto mandato per pagarli a chi in pie della nostra cedola ne sara ordinato da mons. A. C. o suo luogho et questi danari dice depositarli de ordine di esso S. Lelio fascioli et esso cive Scudi 64 per un termino d’una pensione domandatagli da detto messer

pesciatore et Giovanna moglie di Nicolo […] Honora che i detti furono consigliati a messer Ambrosio Barbadella sotto di 20 marzo 1572 et Giovanni per detto se ritione per mercede di detto deposito, e disse depositarli in virtù de un mutuo dal relassato […] G. senatore de Roma a stanza del fiscale del Populo di Roma per l’atti del Barattano, et per evitar l’esecutione et spese d’essa et in ogni altro meglior […] per pagarli a chi in pie della nostra cedola ne sara ordinato da detto G. senatore et insieme dal R. A-C. o suo luogho dal un tribunale detto deposito per offende utato pero p.1. messer Nicolo bronor sequestratis per Scudi di 16 dicembra 85 et messer bastiano de Moreo sequestrio per Scudi 60 et altri interessato, tanto nelli atti di detto i. senatore come di detto Curtio et sui altrimente et revocato datto sequestri per anzi Sartorio – 59.78

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

Giovanni Angelone sopra il priorato di S. Fortunato di Cania et tutti depositarli senza precedenza dei creditori di esso M. Lelio nostro dovuto 100.3062

Dieser Eintrag zeigt wenig überraschend, dass auch Kleriker in Schuldenbeziehungen standen. Nicht deutlich ist, ob es sich bei der geforderten pension um eine Rente oder eine Zahlung im Rahmen eines andersartigen Darlehens handelte. Die begriffliche Unschärfe der Quellen beschränkt an diesem Punkt die qualititive Auswertung. Gleichzeitig erscheinen die Kosten der gerichtlichen Arbeit mit drei Scudi und drei Bolognini interessant, die dem Anwalt und Notar bzw. dem Gerichtsvollzieher – die einzelnen Rollen sind nicht klar – ihr jeweiliges Gehalt für ein Mandat zuschreiben. 6.4.4 Mietzahlungen Der allergrößte Teil der in den Libri Mastri aufscheindenen Überweisungen sind Mietzahlungen. Ein sehr hoher Anteil an Transaktionen umfasste Zahlungen für die piggione/ pegione für Häuser, Wohnungen, für Werkstätten oder Läden. Aber auch Handwerkszeug, Arbeitsgeräte und verschiedene Produktionsmittel wie Mühlen, Backöfen und Herde (zuffa) wurden von ihren Nutzern wie Bäckern, Köchen oder Müllern gemietet. Die Bezahlung erfolgte entweder pro Monat – oder häufiger einmal pro Halbjahr – und immer im Nachhinein. Wir lernen in den Einträgen die Mieter als auch die Vermieter kennen. Aus ihnen geht hervor, dass wohl nicht nur Institutionen wie Klöster oder Bruderschaften, sondern ein Großteil der allgemeinen Bevölkerung wie Witwen, Erben oder Handwerker Immobilien oder Teile davon vermietete. Man kann also behaupten, dass Rom von einem Netz aus gegenseitigen Mietverhältnissen durchdrungen war. Einige Beispiele veranschaulichen dies. So zahlte beispielweise der Jude Isaac Capuano am 29. August 1586 zehn Scudi ein für die halbjährliche Miete seines Hauses und des Geschäfts, das er von den Brüdern des Klosters San Salvator in Campo gemietet hatte. Die Zahlung, die einer Monatsmiete von 1,67 Scudi entsprach, erfolgte hier nachträglich für das Halbjahr vom 1. Mai an.63 Dass auch jüdische Einwohner Roms ihre Finanztransaktionen teils 62

63

LM 1585, fol. 86r. Übersetzen lässt sich dies mit: „Meister Lelio Fasciolo soll am 8. Juli 100 Scudi und 30 Bolognini in Bargeld von Luca Meneci aus Bevagna, Vertreter von Andrea della Camera, erhalten. Luca Meneci gibt an, der genannte Herr Lelio soll 97 Scudi erhalten aufgrund eines vollendeten Mandats, ausgestellt auf Anfrage von Giovanni Angeloni aus Monte Leone, aufgrund von fünf Urkundenanfragen von Herrn Scipione Grimaldi; und weitere 3 Scudi und 30 Bolognini für die Ausgaben dieses Mandats. Sie werden wie oben an diejenigen auszahlt, die unten auf unserem Coupon von Monsignore A. C. oder seinem Stellvertreter genannt werden; 64 Scudi werden eingezahlt, auf Wunsch von Herrn Lelio Fascioli, um eine Pension abzuschließen, die bei ihm vom genannten Herrn Giovanni Angelone am Priorat S. Fortunato di Cania beantragt wurde. Alles wird eingezahlt ohne den genannten Herrn Lelio. Wir bekommen 100.30.“ LM 1586, fol. 117r: Isaac Capuano hebreo deve havere ad 29 di Agosto Scudi dieci di moneta tra quali sono Scudi doi bol. 80 di quali seco conti disse per la peggione de sei mesi comminciati a primo di maggio

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über den Monte abwickelten, wurde bereits im dritten Kapitel dieser Arbeit belegt, die Libri Mastri bestätigen diesen Befund erneut. In den meisten Fällen handelte es sich um Mietzahlungen. So auch im Falle des Moyse Mele, der im Dezember 1586 seine Miete für ein Trimester in Höhe von 27,50 Scudi einzahlte.64 Dies entspricht einer Miete von circa 6,75 Scudi pro Monat, was im Vergleich zu den sonstigen Mietpreisen, die um die zwei Scudi pro Monat liegen, sehr hoch ist. Ein Melucio hebreo, zahlte am 18. Juli 1590 14,83 Scudi ein, von denen er 7,33 Scudi für die Miete für sein Haus an Domenico Paolo und Ottavio de Casoramica bestimmte.65 Der Zeitraum ist hier nicht genannt. Dass Mieten in noch so geringen Raten zahlbar waren, belegt auch der Eintrag vom 12. Februar 1590. Er hält die Zahlung von 21 Scudi und 95 Baiocchi durch Cessaro Marsilio fest, von denen 60 Baiocchi für den Rest der Miete seines Hauses in Ripetta für den Zeitraum seit dem 18. Dezember 1589 bestimmt waren.66 Auch Mieten für Produktionsstätten wie Mühlen sind belegt. Der Getreideträger Marco (portatore di grano), der auch Mieter einer Mühle außerhalb von San Giovanni war, entrichtete am 22. Dezember 1584 einen Betrag in Höhe von sechs Scudi an drei Handwerker per il fitto di detto molino.67 Auch viele Öfen waren wohl nicht im Besitz ihrer Nutzer, wie der Eintrag auf fol. 9r des Bandes für das gleiche Jahr belegt. Die Deutschen Conrado und Francesco von der Bäckerzunft auf dem Petersplatz zahlten am 3. Januar 1585 eine Miete in Höhe von stattlichen 29,10 Scudi für den Ofen für das beginnende halbe Jahr an einen Vittorio im Voraus.68 Zwei Mieter namens Pietro Roccha Crambellaro und sein Partner Vincenzo zahlten am 3. März 1585 eine Ofenmiete für ein halbes Jahr in Höhe von 14,10 Scudi.69 Die gemeinschaftliche Nutzung eines Ofens durch die Zunft zum Backen von Brot gibt einen Einblick in die Produktionsbedingungen für Grundnahrungsmittel im Rom des späten 16. Jahrhunderts. Die Einträge in den Libri Mastri belegen, dass die Mietbeträge für Immoblien und bestimmte Teile der Infrastruktur in Rom nach vielfältigen Modalitäten gezahlt wurpassato della casa et poi locale dove habita de li frati di S. Salvatore in campo per pagarli a don Nicolo di inpermicati rettore di detto chiesa ogni volta che gli fara libera et legitima quantita/quieta di che haremo a credere alla fede del notaro da farsena in pie lella nostro cedola hugnetto notario – 10 64 LM 1586, fol. 226r: Moyse Mele hebreo deve havere questo di 23 di dicembre Scudi ventisette e Bolognini 50 reco conto disse per tanti deve per un trimestre della Piggione della casa, che habita di M. Consalero Alvero. Per pagarli a chi ci ordinara Mons. Tanario di pie di la nostra cedola – 27.50 65 LM 1590, fol. 263r: Melucio Hebreo deve havere questo di 18 di luglio Scudi quatordici bl. 83 di moneta tra quali sono scudi sette bl. 33 di moneta reco contanti disse per la pigione della casa che habita dello ss. Domenico Paolo, et Ottabio de Casoramica per pagarli a chi ordinara il. Senatori per li atti di nostro Monte – 14.83 ---7.33 66 LM 1590, fol. 129r: Il sig. Cessaro Marsilio deve avere questi di 12 di febraro Scudi vinti uno baiochi novanta baiochi novantacinque di moneta tra quali sono baiochi sessanta di bollognia reco contanti M. Giovanni Battista fontana per resto della pigione della casa che gia abitava delle ferni a ripetta per tutto adi 18 decembre 1589 pasato per pagarli a chi ordinara Ill. A. C. per li atto del Fabio – 21.95---bl.60 67 LM 1585, fol. 5r. 68 LM 1585, fol. 9r. 69 LM 1585, fol. 32r.

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den; ob es feste Regeln hierbei gab, ist nicht festzustellen. Die Beträge, die meist in Höhe von einem Scudo bis zwei Scudi pro Monat für ein Haus und weniger für eine Werkstatt lagen, wurden halbjährlich, vierteljährlich oder monatlich gezahlt. Der Zeitpunkt der Zahlung geht aus einigen Einträgen hervor, der Großteil wurde nachträglich zur Mietzeit gezahlt, in wenigen Fällen wurde die Miete im Voraus entrichtet. 6.4.5 Mitgiften Mitgiften (dote) wurden ebenfalls in einigen Fällen beim Monte eingezahlt bzw. über diesen transferiert bzw. gewinnbringend angelegt. Die Höhe variiert auch hier zwischen Summen im Zehner- und Hunderterbereich. Eine relativ hohe Aussteuer in Höhe von 400 Scudi erhielt Flaminia de Ferrante im Jahr 1586 von dem Pagen (vattorino) Pietro de Giovanni Viniano, der ein Viertel der Summe am 14. Februar einzahlte.70 Eine Zahlung von 50 Scudi des Restes ihrer Mitgift erhielt Isabella, die den Engländer Gismondo Bosboi (inglese) geheiratet hatte, von ihrer Schwester Ortensia und ihrem Vater Pier Domenico Antonio, einem Herbergswirt, am 16. Dezember 1586.71 Auch im Fall der Prudentia war es ihr Bruder Angelo de Matiro di Camerino der ihre bescheidene Mitgift von zehn Scudi am 12. Juli 1590 an ihren Mann Flaccho aus Neapel überwies.72 Interessant ist, dass in den meisten Fällen die Summen an die Frauen statt ihre Ehemänner ausgezahlt wurden. So wurde im Falle der Vasolina de Gradi, einer Römerin, die am 9. Juli 1585 hundert Scudi für die Mitgift ihrer Großnichte Vicola, Tochter der Con­ stanza, einzahlte, verfügt, dass das Geld an deren Hochzeit als Sicherheit ausgezahlt werden solle.73 Doch nicht immer waren es Verwandte, die eine Mitgift stellten. Auch wohltätige Einrichtungen zahlten sie, wenn – so ist zu vermuten – es sich um mittellose oder verwaiste Frauen handelte. Der Libro Mastro von 1590 verzeichnet in einem Eintrag vom 4. Juni die Auszahlung von 60 Scudi an Barbeca, die Frau des Jacomo de Carpi anlässlich ihrer Hochzeit durch den Bischof von Terracina, Luca Cardino (1531–1594). Die Summe sollte an die Braut von der Bruderschaft der Kirche della Santa Annunziata et Santa Apostolica ausgezahlt werden.74 Auch die Restitution einer Mitgift durch einen Ehemann ist in den LM vermerkt. Am 17. Februar 1590 zahlte dafür Giovanni Francesco Alfano 136 Scudi ein, wovon 4,50 für ebenjenen Zweck an seine Frau Francesca gehen

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LM 1586, fol. 26r. per il quarto della dote di Flaminia de Ferrante. LM 1586, fol. 220r, weitere ähnliche Beispiele LM 1590, fol. 190r. Dort wurden 10,50 Scudi per complimento an Lucetia von ihrer Schwester Cresciedia gezahlt. LM 1590, fol. 257r, weitere Beispiele für kleinere Teilsummen auf fol. 242r, 253r, weitere Beispiele für die Zahlung an den Ehemann: LM 1590, fol. 199r. LM 1585, fol. 92r: per la dote de M. Visola figliola di Costanza sua nepote per pagarli a detta Visola ogni volta che se mariata, overo a suo marito che la sposara assecurando suo prima. LM 1590, fol. 228r.

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sollten.75 Gleiches geschah am 10. Februar durch Mario Tallacio mit einer Zahlung von 21 Scudi an Minerva Riccia per la restitutione della sua dote.76 Zu vermuten ist, dass aus dem Besitz der Ehefrauen Geldzahlungen – sei es zum Kauf oder auch zur Schuldenbegleichung – verwendet und später wieder eingefordert wurden, wie die Kassenbücher zeigen. Wenig überraschend ist, dass die Frauen trotz des Nutzungsrechts des Mannes an der Mitgift um die Wiederherstellung ihres Besitzes bemüht waren. Neben den genannten Daten, die wertvolle Aussagen über die Alltags- und Sozialgeschichte der Einwohner Roms am Ende des 16. Jahrhunderts ermöglichen, wird im Folgenden ein wesentlicher Baustein der Kreditgeschichte Roms, nämlich die vielfältigen Kreditformen, derer sich die Römer bedienten, thematisiert. 6.4.6 Die compagnia d’offitio als spezifisch römische Darlehensform Die compagnia d’offitio oder societas officiorum stellt eine kreditgeschichtliche Besonderheit der römischen Kurie im späten 15. Jahrhundert dar, die zunächst allgemein mit der Problematik des Ämterkaufs in Verbindung steht. Hierbei handelte sich um bestimmte eigentlich klerikale Ämter, die zunächst an Funktionsträger der Kurie, später auch an Laien veräußert wurden, die im Gegenzug Geld investierten und dafür eine jährliche Rückzahlung erhielten. Waren sie zunächst noch mit der Ausübung eines bestimmten Verwaltungsamtes verbunden, avancierten sie im Laufe ihrer Entwicklung immer mehr zu Ehrenämtern ohne Funktion. Eine zeitgenössische Definition vom Ende des 16. Jahrhunderts liefert der Prediger Agostino da Montalcino. Er definiert zunächst den Begriff compagnia in seinem Predigthandbuch allgemein als Zusammenschluss bzw. Zusammenlegung von Geld, Tieren oder anderen Gütern zum Zwecke der Risikoteilung und des gesteigerten Gewinns.77 Er nennt zunächst zwei weithin bekannte Fallbeispiele:78 den Zusammenschluss der Kaufleute (società di mercantili) und die compagnia zur Aufzucht von Vieh (società de bestiami). Drittens beschreibt er jene Sonderform der compagnia, die in Rom auf bestimmte Ämter abgeschlossen werde.79 Montalcino 75 76 77 78

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LM 1590, fol. 137r. LM 1590, fol. 126r. Ebd., S. 653: La compagnia e una conventione fatta per uso piu commodo et maggiore guadagno; hier zitiert er Aristoteles und Salomons Sprüche. Ebd. S. 654: prima nominaremo sempre società quelle che fanno alcuni mercanto, inquali mettono in commune robbe, denaro, & l’opere delle proprie, o altrui persone. Per il nome delle soccite intendiamo quelle che fanno nelle maremme piu compagni, con occasioni di bestiame grosso, o minuto, & fra loro comminemente si chiamano socci. Ultimamente con il nome di compagnia ragionaremo solo il quelle che sono fondate in Roma sopra certi officii vendibili, & sono in uso in piu Città d’Italia. Ebd., 672 f.: Si ritrovanno nella Corte di Roma, & in alcuni altri luoghi d’italia certi offitii molto utili, & fruttuoli, iquali quantunque talvolta habbino per loro fondamento opere, o attioni di cose, & negotii spirituali, o a quelle sieno annessi, & congionti, come e v. g. il maneggiare l’annate, o le date de beneficii ecclesiastici, o altre simili entrate di santa Chiesa, o l’adoperarsi nello scrivere, i segnare, riverdere,

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nennt verschiedene Werte bestimmter kurialer Ämter: das des päpstlichen Kämmerers war 50.000 bis 60.000 Giulii wert, das des Notars 10.000, das des päpstlichen Sekretärs brachte 8.000 Giulii ein.80 Zur Illustration führt Agostino ein fiktives Beispiel an: Der bedürftige, aber arme Pietro geht zum reichen Kaufmann Paolo und möchte sich Geld leihen. Dieser jedoch weiß, dass ohne Sicherheit keine Schulden zu machen sind. Man schaltet daraufhin einen (kurialen) Bürgen namens Andrea ein. Paolo und Andrea schließen einen Vertrag über 200 Scudi, wobei Andrea der Partner Paolos wird und im Namen seines Amtes (officio) in das Geschäft einsteigt. Der zweite Vertrag wird zwischen Pietro und Andrea geschlossen, wobei Letzterer im Namen seines Amtes (officio) für Pietro bürgt. Im Gegenzug verspricht Pietro das geliehene Geld unter bestimmten Bedingungen zurückzuzahlen. Sollte dies dennoch nicht möglich sein und sich der Schuldner in Schwierigkeiten befinden, so bürge mit dem Amtsträger auch die Kurie selber für den Schuldner.81 Es handelt sich um eine Beziehung zwischen zwei Partnern, die sowohl in Bezug auf die Kapitaleinlage als auch in Bezug auf den Zins gleichgestellt sind, abgesehen von einer bescheidenen Erhöhung für den Inhaber als Belohnung für die tatsächlich geleistete Arbeit. Die Dauer gilt auf Lebenszeit des Eigentümers, auch wenn es ihm möglich ist, das Amt zugunsten eines Dritten aufzugeben. Bei dieser Kreditform, die im Gegensatz zum census ohne materielle Sicherheit oder Pfand, sondern dank eines Bürgen funktioniert, werden zwei Verträge geschlossen.

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o registrare, riconoscere, i sigillare Bolle, o brevi Apostolici in materia di dispense, gratie, i giustitie, ci rivediamo pero tanto di corporale, & temporale, che e stato con gran ragione anticamente giudicato che detto offitii sieno vendibili, come sono hoggi, & troviamo essere stati gia lunghissimo tempo. Quindi nasce che l’camerlenghato della molto Rever. Camera Apostolica si vendeva gio 50 &60 milla, el’Notario 10 mila, & altri officii minori molto meno, come i segretariati Apostolici 8 mila, & gli abbreviatori maggiori, & minori, & scrittori di piu forte giu mano in mano, o in palazzo di N. S. o in Cancelleraia, o a Ripa, o altrove, Cavalierati di San Pietro, & di San Paolo, & infinito altri si vendono hor piu hor meno, secondo che fa la piazza di banchi co’l ministerio di sensali, & venditori, & comperatori, come avviene in tutte l’altre mercantie; & pero che accadera talvolta che uno il quale ha voglia d’uno di questo officii, & e atto ad essercitarlo, non ha tanti denari che lo possa pagare interamente solo, si gli concede che possa pigliare qualche altro compagno, che concorrendo alla spesa tiri anch’egli i frutti dell’offitio per rata del danaio che ci impiega, sottentrando alle medesime condituoni di danno; & pericolo, o riscio non altrimenti che si facesse il primo offitiale a cui dice l’officio, havendolo egli in petto. Quindi nasce che l’Camerlenghato della molto Rever. Camera Apostolica si vendeva giulii 50 &60 milla, el’Notario 10 mila, & altri officii minori molto meno, come i segretariati Apostolici 8 mila, & gli abbreviatori maggiori, & minori, & scrittori di piú forte giú mano in mano. Ebd. Ebd., S. 674: Pietro bisognoso di denari, ne havendo modo di fare censi (!) perche non ha fondo alcuno; va a Paolo mercante ricco; & perche sa che non gliene presterebbe senza premio, dispone con amici, & sensali Andrea officiale che gli accomodi dugento Scudi nel suo officio; & si fa prima un contratto fra Andrea, & Paolo, che in virtu di tal contratto diventa suo compagno sborsando i dugento Scudi, & entra a parte dell’officio: l’altro contratto si fa poi fra Pietro, & Andrea che accommoda loro quella parte del suo officio, il quale riconosce, & concessa d’havere preso, come per suo uso, quei denari, obligandosi, con le debite contitioni, & circonstanze, delle quali non e necessario dire altro, basta che ci intervengono buone sicurta, obligandosi i debitori a pagare in ogni evento co’l maggiore, & in piu rigido obligo che si truovi, il quale a Roma si chiama in forma Camere, laquale per la molta reverentia e pagata subito; & quanto ci è chi tardi punto, non è tarda l’essecutione regorosissima.

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Einmal zwischen dem Kreditgeber und dem Bürgen und ein anderer zwischen dem Schuldner und dem Bürgen. Dieses Darlehen konnte auf Lebenszeit laufen. Geliehen wurde zu einem Zins zwischen zehn und zwölf Prozent.82 Auch für den Todesfall eines der Vertragspartner gab es eine Regelung. Verstarb der erste Partner (Paolo) oder der Bürge (Andrea), so fiel das Darlehen sofort an die Apostolische Camera zurück, die es dann zu einem beliebigen Preis wieder verkaufen konnte.83 Im Fall, dass der Bürge zu alt war oder sonst Lebensgefahr bestand, konnte der Vertrag verkürzt auf sechs Monate geschlossen werden.84 Montalcino beschreibt die compagnia d’offitio als eine spezifisch römische Form der städtischen Kreditwirtschaft, bei der die Kurie bzw. ihre „Beamten“ qua Reputation und Einkommen selbst als Bürgen fungierten.85 Die Amtswürde der Kurialen stellte hierbei ein veräußerbares Gut an sich dar, der das Amt als Sicherheit einsetzbar machte. Faktisch war der Besitzer eines von ihm erworbenen Amtes in der Lage, Teile des Amtes zu verkaufen, was wohl häufig geschah.86 Als compagnie oder societates wurden im Zuge dieser Entwicklung in Rom verschiedene Kollegien87 gegründet, deren Mitgliedschaft an bestimmte Priviliegien oder Adelstitel gebunden war und deren einziger Zweck es war, der Kurie Kredite zu gewähren. Die Zahl dieser käuflichen Ämter stieg von 300 unter Sixtus IV. auf 3.800 unter Sixtus V.88 Als 82

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Ebd., S. 675. Die Zinshöhe von 10 bis 12 Prozent sollte nicht überschritten werden. Leistungen oder Zinsen, die der Bürge verlangte, mussten entrichtet werden. Der Amtsträger durfte nur für einen Schuldner bürgen, auch durfte er nur mit seinem eigenen Amt bürgen und auch nicht nochmals außerhalb Roms. Dies wäre Wucher und damit Todsünde gewesen und hätte zudem zu seiner Entlassung geführt. Keine der Parteien des Vertrags durfte benachteiligt werden, das Risiko sollte auf alle gleich verteilt werden. Ebd., S. 674. Vendono a mote l’officiale, il compagno primo, o qualunque si sia, vaca subito l’officio, perche ritorna alla Camera, laquale di nuovo lo rivende per quello che vale. Ebd., S. 675. Faszinierend an diesem Befund ist natürlich nicht nur der Erfindungsreichtum der Kurie, wenn es um die Akquirierung von Geld ging, sondern auch der hier in äußerster Klarheit aufscheinende Konnex von Kreditwürdigkeit und Reputation (also sozialem Kapital), der die durch Ämterkauf geschaffenen „Amtsträger der Kurie“ in eine machtvolle ökonomische Position versetzte. Eine andere Version war die von Montalcino dargestellte Nutzung des Amtes als Sicherheit bei einem externen Kreditgeschäft. Der Autor formuliert an dieser Stelle einige Voraussetzungen für die Legitimität dieser Kreditform bzw. die Vermeidung von Wucher: Zunächst postuliert er, dass es sich um ein echtes, handelbares Amt handeln muss, das von einem echten Amtsträger eingesetzt (verkauft) wird. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf die Konstruktion fiktionaler Ämter bzw. leerer Ämter. Der Vertrag muss zudem durch einen Unterhändler oder eine Bank abgeschlossen werden, sollte also offiziellen und damit noch stärker einklagbaren Charakter haben. Ebd., S. 678. Unter den hier genannten Kollegien wurde das der Abbreviatoren unter Sixtus IV. wiederbelebt. Es war eine Gruppe von kurialen Beamten, die hauptsächlich für die Anfertigung der Entwürfe päpstlicher Bullen zuständig waren. Siehe hierzu Thomas Frenz, Die Gründung des Abbreviatorenkollegs durch Pius II. und Sixtus IV., in: Miscellanea in onore di Monsignor Martino Giusti, prefetto dell’Archivio segreto vaticano, Bd. 1 (Collectanea Archivi vaticani 5), Vatikanstadt 1978, S. 297–329. Anna Esposito, Note sulle societates offitiorum alla corte di Roma nel pontificato di Sisto IV, in: Brigitte Flug / Michael Matheus / Andreas Rehberg (Hg.), Kurie und Region. Festschrift für Brigide Schwarz, Stuttgart 2005, S. 197–207, hier S. 198.

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Instrument des öffentlichen Kredits mit dem Zweck der Co-Finanzierung päpstlicher Ausgaben durch solvente Laien, wurde ihre Zahl besonders seit Sixtus IV. immer weiter erhöht und ihre Form als società wurde unter Leo X. 1515 legitmiert, wie Anna Esposito aufgezeigt hat.89 Diese Vertragsform scheint in Rom weit verbreitet gewesen zu sein und erscheint deshalb auch häufig in den Libri Mastri. Ein Beispiel vom 24. Januar 1585 verdeutlicht die Details eines solchen Kreditvertrages. An diesem Tag zahlte Martio Riccio eine recht hohe Summe von 132 Scudi ein, die Giovanni Maria Riccio, möglichweise ein Verwandter, einer Dame namens Virgina Bonsignori für ein Darlehen (compagnia d’uffio) schuldete: Martio Riccio deve havere a di 24 di gennaio Scudi centotrentadoi di moneta reco contanti disse per tanti che deve a Virginia Bonsignori per sorte per il resto de frutti d’una compa d’uffi fatta seco sopra d’uffo de m. Giovanni Maria Riccio con l’obligo eo recogno della bona fede per una rata de Gioronimo Visconte per l’atti del bruto p. a sotto, di 22 di dicembre 158290

Bei der Zahlung per sorte e per il resto de frutti handelte es sich also um die Erträge und den Zins, die sich aus der Investitionssumme ergaben, die beim Kauf des Amtes von Giovanni Maria Rinio am 22. Dezember 1582 gezahlt worden war. Im Gegensatz zur Leib- und Ewigrente (census), die weiter unten behandelt wird, erscheint hier keine Immobilie oder ein Landstück als Sicherheit im Quellentext, was diese spezielle Form kennzeichnet. Der Eintrag deutet im weiteren Verlauf auf die Weiterzahlung der Summe an Virginia nach dem Tod Giovannis hin, indem die Erneuerung des Vertrages am 15. Mai 1584 festgehalten wurde. et poi rifatta per li medi. atti sopra il suo offitio sotto di 15 di maggio 1584 stante la morte di M. Giovanni ra. suo procuratore, et haremo a pagarli a Virginia ognivolta che sara cassati detti fructi et haverea acquisito detti denari et adimpito tutto quello si contiene nella detta p[olizza] comprata fatta come sopra de che ce ne haremo a stare alla fede di detto notare, sara pagaremo come sopra ad a chi ne sara ordinato in pie della nostra cedola da mons. A. C. O suo luogo. 13291

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Zu den Käufern der Ämter des 1486 neu gegründeten Collegio dei collettori del Piombi, schreibt sie: „erano semplicemente dei possidenti che avevano investito una certa somma nell’acquisto di un ufficio e come contropartita ricevevano un compenso annuo consistente in una percentuale sui proventi delle tasse riscosse per la piombatura degli atti: non più uffici dunque ma solo strumenti di credito, necessari ai pontefici per finanziare la loro politica, il loro mecenatismo, il loro nepotismo.“ Ebd. 90 „Martio Riccio soll am 24. Januar 132 Scudi im Bargeld erhalten, um sie Virginia Bonsignori zu erstatten, für die noch nicht ausgezahlten Gewinne einer Compagnia d’Ufficio, die mit Herrn Giovanni Maria Rinio abgeschlossen wurde, mit der Verpflichtung [unter dem Grundsatz von Treu und Glauben] für eine Rate von Gironimo Visconte für die Urkunden vom 22. Dezember 1582“. 91 „[…] diese Compagnia d’Ufficio wurde später erneut abgeschlossen unter seiner Aufsicht am 15. Mai 1584 aufgrund des Todes ihres Vertreters, Herrn Giovanni: die Gewinne werden Virginia

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Schließlich enthält das Kassenbuch den Eintrag über die spätere Beschlagnahmung, die im Haus der Profisia de Bastis, Virginia et Laudonia de Riccio – möglicherweise die Witwe Giovannis und ihre Töchter – mit der Gläubigerin Virginia de Bonsigniori vereinbart wurde.92 Die Abzahlung der Schulden wurde schließlich am 2. März des gleichen Jahres durch Martio getätigt, der das Geld an den Prokurator der Virginia, Giovanni Francesco Alfonso leistete.93 Die komplexe Transaktion ist hier zur Vereinfachung nochmals bildlich dargestellt: • ursprünglicher Schuldner • lieh sich Geld 1582 und erneut 1584 • starb 1585

• Zahlender und Verwandter Giovannis • zahlte 132 Scudi am 24.1.1585 an den Monte • zahlte die verbleibenden Schulden an den Prokurator am 2.3.1585

• Gläubigerin • gewährte Darlehen von 209 scudi, 69 baiocchi 1582

Giovanni Maria Riccio

Virgina de Bonsignori (mit dem Prokurator Giovanni Franceso Alfonso)

Martio Riccio

Profisia de Bastis, Virginia und Laudonia de Riccio

• Witwe und Töchter von Giovanni? • ihnen drohte die Beschlagnahmung ihrer Güter bei NichtBegleichung der Schulden

Abb. 13 Modell einer Kreditbeziehung zwischen Privatpersonen (Rom 1582)

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ausgeschüttet, sobald diese eingesammelt und erworben werden und sobald [alle Bedingungen] erfüllt sind, was in der Police enthalten ist, die wie oben gekauft wurde unter der Aufsicht des genannten Notars. Sie werden wie oben an denjenigen auszahlt, die unten auf unserem Coupon von Monsignore A. C. oder seinem Stellvertreter genannt werden. 132.“ LM 1585, fol. 18r. Sequestro fatto a stanza de Porfisia de Bastis et de Virginia et Laudonia de Riccio con m. a. Virginia de Bonsigniori per l’atti de Valerio. LM 1585, fol. 17v. Martio Riccio di contro deve dare ad 2 di marzo Scudi centotrentadoi di moneta pagati d’ordine di mons. A. C. a Virginia d’ Bonsigniori et per lei a Giovanni Francesco Alfonso sue procuratore porto contanti 132

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Dieses Vorgehen entsprach der gängigen Praxis im Umgang mit diesem Kreditinstrument. Häufig besaß der Käufer eines Amtes nur einen Teil des für diesen Kauf benötigten Geldes und wandte sich deshalb an eine Gruppe von Gläubigern, die ihm den Rest der Summe gaben. Im Gegenzug musste der Inhaber des Amtes die Renten mit seinen Gläubigern teilen und jedem von ihnen einen Teil zahlen, der dem entsprach, was sie beigetragen hatten. Beim Tod des Inhabers würde das Amt nur für den Teil frei werden, der dem Verstorbenen gehörte. Im zitierten Quellenbeispiel handelte es sich möglicherweise um einen solchen Fall. Esposito schreibt, dass diese Kreditform zunehmend auch für ärmere Bevölkerungsgruppen attraktiv war, da diese so ihr Geld in Anteilen an Ämtern mit geringerem Wert anlegen konnten und diese zudem eine regelmäßige Rente abwarfen.94 Im Schnitt kostete eine solche gesamte Schuldverschreibung 200 bis 400 Scudi d’oro und hatte eine zunächst lebenslange, später auch einjährige Laufzeit.95 Es bleibt festzuhalten, dass die compagnia d’offitio nicht nur aufstrebende Neuankömmlinge an die Kurie band, sondern neue Schuldenbeziehungen unter der Bevölkerung schuf, die wir in den Libri Mastri greifen können, deren Verästelungen und Ausmaß letztlich aber nur schwer erfassbar ist. Deutlich wird allerdings, dass Anteile an solchen käuflichen Ämtern am Ende des 16. Jahrhunderts eben nicht nur Aristokraten, sondern der mittelständischen und ärmeren Bevölkerung als Invesititionsmöglichkeit zugänglich waren, die diese dann wiederum verpfändeten oder als Sicherheit für andere Kredite einsetzten. An dieser Stelle wird ein wichtiger Entwicklungsschritt des öffentlichen Kredits hin zu den Handelsgenossenschaften und Aktiengesellschaften deutlich, den bereits Kuske zu Beginn des 20. Jahrhunderts formulierte.96 6.4.7 Die Rente: census Neben der compagnia d’offitio als Sonderfall des öffentlichen Kredits, der schließlich eng verknüpft war mit privaten Krediten, tritt der census mit oft deutlicherer Beschreibung der Modalitäten der Rückzahlung und des Zinses in den Libri Mastri in Erscheinung. Diese Form entspricht den in Teilen Europas verbreiteten gängigen Renten, die grob in die zwei Formen des census reservativus (Grundrente) und des census consigna-

94 Esposito, La pratica delle compagnie d’uffici, S. 199. In einem von ihr untersuchten Notariatsregister aus den Jahren 1515 bis 1519 finden sich zahlreiche Einträge von Frauen als Käuferinnen von Amtsanteilen. Einige scheinen sogar ihre Mitgiften gewinnbringend angelegt zu haben. Ebd. 95 Ebd., S. 200. 96 Kuske führt als brauchbare Vergleiche z. B. die Kölner Münzhausgenossen und Gewandschneider an, deren Berechtigungen im späten Mittelalter veräußert werden konnten. Ein weiteres noch näher am römischen Fall befindliches Beispiel ist die Weitergabe und der Kauf von Schöffenämtern. Kuske, Die Entstehung der Kreditwirtschaft, S. 133 ff.

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tivus (Geldrente) zu unterscheiden sind.97 Der census consignativus ist eine immobilienbasierte Rente ohne Übertragung von Nutzungsrechten an einem Gut. Lediglich die Geldrente (evtl. durch eine Immobilie abgesichert) ist Gegenstand des Vertrages. Es handelt sich also um einen Hypothekarkredit. Ein Darlehensgeber A „kauft“ dabei eine Rente vom Darlehensnehmer B, der ihm für die (geliehene) Summe eine jährliche Geldmenge/Rente zahlt. Demgegenüber wird beim census reservativus das Recht der Nutzung an einer Sache, z. B. eines Hauses, zusätzlich zur Rente an den Darlehensgeber übertragen. Laut zeitgenössischer Rechtslage, die beispielsweise aus päpstlichen Regulierungsschreiben hervorgeht, sollte ein census auf der Basis eines fruchtbaren Guts, mit Wiederkaufsrecht für den Verkäufer und ohne Garantien hinsichtlich des Gewinns kreiert werden. Durchschnittlich war für eine solche Rente eine Laufzeit von vier Jahren vorgesehen, die jedoch auch zwischen einem und zehn Jahren schwanken konnte, wie die Libri Mastri deutlich zeigen. Der Rechtshistoriker Manuel Vaquero Pineiro behauptet, dass sich die Rentenform des census consignativus als Kreditinstrument und Investitionsmöglichkeit im Gegensatz zu Nordeuropa in Italien erst im späten 15. Jahrhundert, endgültig erst im 16. Jahrhundert durchsetzte.98 Als Gründe hierfür vermutet er die stärkere und länger währende Fokussierung wirtschaftlicher Akteure in Italien auf die Verwaltung landwirtschaftlicher Güter und die Organisation des Handelsverkehrs. Er schlussfolgert hieraus, dass sich der census consignativus vor allem dort verbreitete, wo „die Interessen der städtischen Kreise die überkommenen sozioökonomischen Strukturen weniger nachhaltig störten“.99 Dieser Unterschied zum Norden Europas wird beispielweise in der Nutzung landbasierter oder immobilienbasierter Kredite, wie dem fiktiven Kauf mit Rückkaufsrecht (ficti) deutlich. Bei den ficti wurde ein Grundstück als Pfand eingesetzt, „dessen Höhe dem angeblichen Kaufpreis entsprach, während die Rückkaufsvereinbarung dem Darlehensgeber und angeblichen Käufer garantierte, dass er den Zins für sein Geld erhielt“.100 Mit der Herausbildung des census consignativus wurde die erwartete Geldrente nun zum einzigen Gegenstand des Vertrags und „damit vom produzierenden Gut getrennt“, so Pineiro.101 Felloni meint abweichend hierzu, dass sich der census consignativus aus dem grundherrlichen Zins entwickelte.102 Auch regulierten

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Hierzu Vaquero Pineiro, Rentenkaufverträge, der die aktuelle Literatur zusammenfasst. Darüber hinaus: Luigi Alzoni, La lunga durata del Census Reservativus. Forme di credito e contratti agrari tra medioevo ed età moderna, in: Nuova Rivista Storica 92/2 (2008), S. 343–388. 98 Vaquero Pineiro, Rentenkaufverträge, passim. 99 Ebd., S. 265: „Im Vergleich zu anderen europäischen Regionen beschränkte sich das städtische Kapital in Nord- und Zentralitalien nicht darauf, den Kauf von Rentenanteilen zu erhöhen, sondern verfolgte ein viel ehrgeizigeres Ziel, indem es aus der absoluten Kontrolle des Bodens und des städtischen Marktes den höchsten Gewinn zu erzielen trachtete.“ 100 Ebd., S. 264. 101 Ebd. 102 Felloni, Kredit und Banken, S. 16.

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allein vier Päpste die Vertragsbedingungen des census, woraus sein rechtlich unklarer Status geschlossen werden kann. Nach der Bestätigung dieser Form durch Martin V. im Jahre 1423 und der dortigen Festlegung der Rentenhöhe auf zehn Prozent, billigte Papst Nikolaus V. 1450 auf Bitten des aragonesischen Königs Alfons die Zinshöhe von 33 Prozent und die Einführung des Vertrags zu jenen Konditionen im spanischen Herrschaftsgebiet Sizilien und Neapel. Neben der venditio annualium censuum drängte der aragonesische Herrscher Alfons V. der Großmütige mittels der 1451 von Papst Nikolaus V. erlassenen Bulle Sollicitudo pastoralis auf die Einführung der Rente gegen Arbeitsdienste, eine weitere umstrittene Ebene der Entkoppelung von Kredit und Landbesitz bzw. Pfandkredit.103 Der Einfluss der aragonesischen Herrschaft über Süditalien spielte eine wichtige Rolle bei der Verbreitung dieses neuen Finanzinstruments. Über Rom liegen bisher kaum Belege vor, nur einzelne Hinweise auf Adelsfamilien und Kardinäle, die den census consignativus nutzten, sind erforscht.104 Pereiro schreibt dazu: Diese Daten zeigen in aller Deutlichkeit, dass der Rentenkauf, der Immobilien mit einem Zensus belegt, in der päpstlichen Hauptstadt sehr viel später [nämlich erst nach dem Sacco di Roma 1527, eigene Anmerkung] aufkam als in Nordeuropa, sich aber zeitgleich zu den Entwicklungen in den wichtigsten Zentren der iberischen Halbinsel (Sevilla, Valladolid) vollzog; mit diesen Zentren führte Rom einen regen Finanzaustausch in einer Zeit, als sich auf dem ganzen Kontinent die so genannte „internationale Republik des Geldes“ herauszubilden begann.105

1455 wurde die Zinshöhe für Deutschland von Papst Calixtus III. erneut auf zehn Prozent festgelegt. Es bestanden somit mehrere kontrastierende, regional unterschiedliche Regelungen zugleich. Dagegen stellte sich schließlich Pius V. mit einer erneut einheitlichen Regelung aus dem Jahr 1569. Neben den von Vaquero Pineiro genannten Adeligen und Mitgliedern des geistlichen Standes wurde der Rentenkauf im 16. Jahrhundert auch bei anderen Gruppen, wie Handwerkern und Kleinbauern als Mittel, um kurzfristig an Geld zu gelangen oder Geld anzulegen, zunehmend populär. Dies bestätigen auch die hier untersuchten Quellen, die zum einen die in den Quellen sonst nur schwer greifbaren Handwerker und Kleinbauern als Kreditakteure sichtbar machen,106 und zum anderen die vielfäl-

103 104 105 106

Vaquero Pineiro, Rentenkaufverträge, S. 265. Vaquero Pineiro nennt einige Beispiele aus dem frühen 16. Jahrhundert, ebd., S. 273–278. Ebd., S. 277. Vaquero Pineiro schreibt hierzu zwar: „Einigermaßen gesichert ist jedoch, dass sich nur wenige Händler und Handwerker unter den Rentenverkäufern befanden, daraus kann gefolgert werden, dass dieses Finanzierungsinstrument weniger der Investition in produktive Tätigkeiten, sondern vielmehr Konsumzwecken diente.“ Ebd., S. 274. Davon ist allerdings nicht auszugehen, betrachtet man die Berufe der in den Libri Mastri genannten Personen. Dort sind zahlreiche Handwerker und Kleinhändler aufgeführt, was durchaus auf die Nutzung der Kredite als Invesititionskredite schließen lässt.

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tigen Schuldenverflechtungen der Einwohner untereinander belegen, beispielsweise wenn die erlangte Summe für den Verkauf einer Rente in die Tilgung anderer Schulden gesteckt wird. Das Problem der terminologischen Unschärfe bleibt allerdings bestehen: Belege aus notariellen Akten, Testamenten und Inventaren, die Vaquero Pineiro erwähnt, enthalten ebenfalls jene terminologischen Ungenauigkeiten (beispielsweise zwischen den Begriffen census und pensio), die auch in den hier analysierten Libri Mastri des Monte di Pietà aufscheinen. Das macht es fast unmöglich zwischen den verschiedenen Formen des Rentenkaufs (reservativus oder consignativus) sowie der Pacht zu unterscheiden. Die Einträge sind selten genau in ihrer Beschreibung des Rechtscharakters. Dennoch liefern die LM äußerst wertvolle Ergänzungen des bisherigen Bildes der privaten Rentenverträge, indem sie die weite Verbreitung dieses Instruments am Ende des 16. Jahrhunderts belegen und zugleich Informationen über die Details solcher Verträge liefern. Konsultieren wir ein Quellenbeispiel aus dem Libro Mastro des Juni 1586.107 Das Rentengeschäft wurde zwischen Clementia della Molara und Geronimo Naro als Geldgeber abgeschlossen. Der Sohn Clementias, Francesco, zahlte am 19. Juni 1586 einen Betrag von 10,5 Scudi beim Monte ein. Die Quelle besagt, dass dies der dritte Teil der frutti di tre anni eines annuo censo von ursprünglich 15 Scudi von drei Jahren war. Diese Rente war vor langer Zeit, 1552, durch ein Haus im römischen Viertel Torre di Nona von Colanso und Valerio Valentini in einem Verkauf für 150 Scudi abgesichert worden. Offensichtlich wurde die Immobilie zur Sicherung eines Rentenvertrages genutzt und die Rente war dann von den Naros für die Dauer von drei Jahren an Clementia weiterverkauft worden. Aus dem Text ist nicht ersichtlich, ob sie auch das Recht hatte, das Haus zu nutzen. Darüber hinaus erfährt man, dass das Geschäft von dem Notar Andrea Querro abgeschlossen wurde und dass der Zinssatz gemäß einer Verordnung von Papst Pius V. von zehn auf sieben Prozent gesenkt wurde. Die Summe von 10,5 Scudi entspricht diesen sieben Prozent von 150 Scudi. Es ist schwierig, alle Details dieser Transaktion zu verfolgen, da beispielsweise die Beziehung zwischen Clementia und den beiden Valentinis unklar bleibt. Schwer zu verfolgen ist auch die Verordnung von Pius V. über die Senkung des census, denn abgesehen von seiner Bulle Cum onus

107 LM 1586, fol. 95r: La signora Clementia della Molara deve havere questo di 19 di giugnio Scudi dieci di moneta e mezzo reco conti il Signore Francesco suo figliolo disse essere per la terza parte spettante al Signore Geronimo Naro dello frutti de tre anni dell’ annuo censo di Scudi quindici simili sotto di 27 di ottobre del 1552 imposto dalle M. Colanso e Valerio Valertini sopra un lor casale di torre di Nona e venduto a detto S. Geronimo, Francesco e Giovanni Antonio Nari fratelli per prezzo de Scudi cento cinquanta simili come per instanza fatto dal G. Andrea Querro notaro del A. C. e al presente de M. Scipione Gumaldo successore in detto offitio redritto a setti per cento per motu proprio di Pio Quinto quali Scudi dieci e mezzo detto moneta prometto pagarli al detto S. Geronimo ogni volta che ce portara la nostra cedola et infra questa di 20 de Giugno 1586 12

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aus dem Jahr 1569,108 die den census als Darlehen auf der Grundlage fruchtbarer Güter regulierte und ihren Verkäufer schützte, aber keine Informationen über die Senkung seiner Sätze enthält, stehen mir zum Zeitpunkt der Abfassung keine Quellen über die Absenkung des Zinssatzes zur Verfügung. Ein weiteres ebenfalls ausführliches Beispiel entnehmen wir dem Kassenbuch des gleichen Jahres auf fol. 139r. Dieser Eintrag dokumentiert die Zahlung von zwölf Scudi als Rate eines census durch die Erben und Söhne der Schuldner Francesco Ciecarelli

108 Pius V., Cum Onus, in: Magnum Bullarum Romanum, Bd. 2, ed. Laertis Cherubini, 1692, S. 275 f. Siehe zusammenfassend auch Vaquero Pineiro, Rentenkaufverträge, S. 268. Sowohl am Ende des Textes vom 19.6.1590 als auch im Beispiel vom Juni 1586 werden Bestimmungen der Päpste Pius V. (1504–1572) und Gregors XIII. (1502–1585) genannt. An dieser Stelle kann die päpstliche Gesetzgebung der Zeit zum census nicht erschöpfend wiedergegeben werden. Stellvertretend soll die Bulle Pius V. vom Januar 1569 herangezogen werden. Sie gilt als eine der einflussreichsten und umfassendsten. Die Bulle aus seinem vierten Pontifikatsjahr umfasst zwanzig Artikel und steht in der Edition Cherubinis unter dem Titel: Reformatio contractum de annuis censibus creandis, alienandis, & remendis. Et declaratio quarundam dubitationum desuper exortarum. Als Grund der Abfassung nennt der Text der Bulle den Missbrauch des Rentenvertrages, der die Habgier durch damit verbundene unrechtmäßige Gewinne anstachele und damit das göttliche Gesetz offensichtlich missachte. Die Bulle wurde auf Wunsch des Erzbischofs von Mailand, Karl Borromeo, von Pius erlassen. Zusammengefasst bestimmt sie das Folgende: Der Nominalwert der verkauften Rente solle fest sein; die Immobilien sollten genaue (räumliche) Grenzen haben, der Käufer der Rente musste die Summe beim notariellen Akt des Kaufs bezahlen, der maximale Zins solle 10 Prozent betragen und der Verkäufer der Rente solle allein entscheiden, ob und wann er das Kapital überhaupt zurückerstatten wolle. Die wesentlichen Bestimmungen betreffen den Abschluss des Rentenvertrages ausschließlich auf der Basis fruchtbarer Immobilien, aus denen sich Erträge ergeben, die zur Begleichung der Rentenzahlungen genutzt werden können (Art. 1). Der Vertrag sollte zudem von einem Notar und von Zeugen beglaubigt werden, wobei die Gesamtsumme unter der Maßgabe des gerechten Preises direkt bei Vertragsunterzeichnung übergeben werden musste (Art. 2). Es war zudem verboten vorherige Absprachen bezüglich bestimmter Auszahlungen zu machen (Art. 3). Risikoreiche Vereinbarungen mit unvorhersehbarem Ergebnis – hier bleibt die Quelle unklar, was genau den casus fortuitos betrifft – seien ebenfalls zu verurteilen. Die päpstliche Gesetzgebung legitimierte zudem nur die Ablösung der Rente durch vollständige Rückzahlung der Darlehenssumme. Demnach sollte aber die Sache, auf welche die Rente abgeschlossen wurde (das Pfand), selber immer frei bleiben und nicht gegen ein laudemium abgelöst werden. Kurz gefasst: die Ablösesumme sollte der Kaufsumme entsprechen. Nach dem Ablauf der Laufzeit (Abzahlung der Rente/Schuld) sollte die Rente verkauft werden, aber nur vom Darlehensnehmer (Verkäufer) (Art. 7), wobei die Bedingungen des Verkaufs und der zu erwartende Gewinn dem Verkäufer mitgeteilt werden mussten (Art. 6). Der Käufer der Rente durfte den Verkäufer nicht zum Rückkauf zwingen, dieser allein bestimmte also, ob und wann das geliehene Kapital zurückgezahlt wurde. Die Rentensumme durfte nicht erhöht werden bei Abschluss eines neuen Vertrages (Art. 8). Der Ablauf einer Rente sollte dem Verkäufer vor Termin bekannt gemacht werden, er kann das pretium wiederverkaufen, wenn er das nicht wolle, so hätte er zwei Monate, um die Summe zu begleichen (Art. 11). Nach der Zurückzahlung der Summe dürfe keine Rentenzahlung mehr erfolgen. Jeder andere Vertrag, der nicht der hier niedergelegten Form entsprach, galt als wucherisch, und wer sich wiedersetzte, wurde dem Fiskus vorgeführt (Art. 13). Die verordneten Sanktionen sollten nicht nur für alle zukünftigen Rentenverträge ab sofort gelten, sondern auch bei bereits bestehenden Verträgen greifen (Art. 14). Bei der Preisabsprache eines Rentenkaufs sollte keinerlei Nachteil für eine Vertragspartei entstehen (Art. 15).

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und Bernardino Bombello. Die Gläubigerin war Faustina Piligne de Carnedi.109 Der Vertrag war im Jahr 1579 abgeschlossen worden, wobei die Gesamthöhe des Darlehens 24 Scudi betrug. Die Witwe des Francesco Ciecarelli namens Evangelista wird ebenfalls erwähnt, nämlich als Zahlende der restlichen Summe aus ihrem eigenen Geldbesitz (de soi propri denari). Die Witwe beglich also die Schulden ihres Ehemannes nach seinem Tod aus ihren eigenen Mitteln. Auch in dieser Quelle wird eine Reform Gregros XIII. legitimatorisch erwähnt, die die Rückzahlung fälliger Raten betrifft. Dass Renten teils zu sehr hohen Beträgen verkauft wurden sowie ihre häufige Koppelung an landwirtschaftliche Infrastruktur, belegt ein Eintrag aus dem LM des Jahres 1586. Am 22. August zahlte der Schneider Stefano Ranieri hundert Scudi als Rest der Hauptsumme einer Rate (per resto di maggior soma do una rata di uns censo) von 2.000 Scudi, die er Matteo Loreno schuldete.110 Dieselbe Summe von 2.000 Scudi hatte Girolamo Nari an Francesco Nari zurückzuzahlen. Er stotterte diese beispielsweise mit einer Teilzahlung von 78,80 Scudi am 16. Januar 1586 ab. Hier wird von einer paga di natale als Zeitpunkt einer Ratenfälligkeit gesprochen. Als Sicherheit für die Rente diente – wie häufig genannt – eine Hofstelle (casale) samt Land in Monte Megliore, einem Vorort Roms.111 Die eigentlichen Kreditoren waren das Kollegium der Kirche des Hl. Hieronymus. Auch ein Antonio Nari, der direkt im nächsten Eintrag des Kassenbuchs erscheint, schuldete dem Kollegium eine Rentenzahlung. Er zahlte etwas über 92 Scudi ein per intera della parte della paga di Natale del casale di Monte Migliore. Der direkte Empfänger war ebenfalls Francesco Naro.112 Seltener trifft man in den Libri Mastri auf Informationen, die Rückschlüsse auf den gezahlten Zins sowie auf die Gesamtsumme zulassen. Ein seltenes Beispiel findet sich im LM von 1586. Der Bischof von Penne113, Benedetto, zahlte am 1. April neun Scudi Zinsen für vier Monate auf einen censo an Tullia de Paulis sopra una casa ein.114 Nimmt man nun diese Daten und bestimmt den monatlichen Zins, so ergibt sich eine monatliche

109 LM 1590, fol. 139r: Li heredi com beneficio legis et instrumentarii et figlioli del q. M. Francesco Ciecareli et M. Bernardino Bombello obligati a favore di Madlena Faustina Piligne de Carnedi in un censo di Scudi vinti quatro imposto dal detto M. Francesco a contemplatione dil 9. Domenico Necuoli Arigientieri et Mastro Bendetto M. Arifuoco capellaro per li atto di M. Salco Palmieri l’anno 1579 devono havere questo di 19 di februaro reco contanti devono di 16 detto M. Evangelista Ciecarelli disse de soi propri dinari Scudi dodici di moneta disse com animo di revalescissine tanto contra l’heredita del detto M. Francesco Ciecarello quanto contra li altri nominati et obligati in qualsivoglia modo in detto censo et sono per il semestre maturato secondo la riforma fatta dell anno da Papa Gregorio adi sedici del presente per pagarli a detta Faustina a bene placito suo reportandoci la nostra cedula com fede di M. Jacomo Filipo Gieraldi notaro del Sig. Colle. Daver cedutto le suoe rag. Ni a favor di detto M. Evangelista 12 110 LM 1586, fol. 141r. 111 LM 1586, fol. 9r. 112 LM 1586, fol. 9r. 113 Dieser Ort meint wahrscheinlich das heutige Bistum Pescara-Penne an der Adriaküste. 114 LM 1586, fol. 47r.

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Rate von 2,24 Scudi. Die Jahressumme an Zinszahlungen wäre dann 26,9 Scudi. Nun ist nicht genau bekannt in welcher Höhe ein Zins gezahlt wurde, nehmen wir jedoch die gängigen zehn bis zwölf Prozent für Renten als Richtwert, so ergäbe sich in diesem Fall eine Gesamtdarlehenshöhe zwischen 268 und 224 Scudi. Interessant an diesem Beispiel ist nicht nur der Zinssatz, sondern die Tatsache, dass externe Akteure, in diesem Fall ein Bischof, in überregionale Rentengeschäfte mit Bewohnern Roms, in diesem Fall Tullia de Paulis, eingebunden waren. Neben den Beispielen aus den Kassenbüchern bilden an dieser Stelle die zeitgenössischen normativen Ausführungen des Rechtsgelehrten Agostino di Montalcino zum census eine wertvolle Ergänzung. Die Tatsache, dass der Autor ausführliche Informationen zu zeitgenössischen Kreditinstrumenten in eine Predigtsumme integriert, belegt m. E. deutlich den Bedarf der Zeitgenossen und besonders der Beichtväter nach Orientierungswissen zu diesen komplexen Finanzinstrumenten. Das Kapitel 18 der Lucerna dell’Anima115 des Agostino referiert die Nutzung der Rente als Kreditinstrument. Nach einer kurzen Einführung der antiken Definition einer Steuer auf Immobilia und Mobilia, schlussfolgert er: Il censo è una ragione, o attione posta sopra qualche nostro bene stabile fruttifero da riscuoterli ogn’anno in frutti che produce, o denari.116 Demnach ist der census eine jährlich erhobene Gebühr (hier als rendita oder pensione bezeichnet) auf fruchtbare Güter oder Geld. Ergänzend wird hinzugefügt, dass es sich wirklich nur um fruchtbare Güter wie Getreide, Wein, Öl oder eben Geld handeln müsse. Der Autor resümiert: Questa è la piu chiara, & verace dichiaratione, che possa darsi al censo und führt auch hierfür ein konkretes Beispiel für die erste Form, den censo reservativo mit den bereits genannten fiktiven Personen an. Dieser kennt zwei Formen: Pietro dona, o vende un suo podere a Paolo, transferendo a lui il dominio, che si chiama diritto di quel podere, riserbandosene il dominio utile, di tanta entrata da haverli, o in denari, o in grano, o vino, o altri frutti, secondo che sono d’accordo insieme; ne è l’istessa cosa questa sorte di censo con l’enfiteosi, i livello, non si transferendo in esso il dominio di diritto, come habbiam detto farsi in questo, ma solo il dominio utile; la onde non pagando il livellario la pensione ritorna il fondo libero quanto a ogni cosa al suo primo padrone: di questo parla le legge civile, de rerum permut. L. fin. & la chiosa sopra il cap. Constitutus, de relig. dom. e’l Soto nel luogo citato.117

Pietro verkauft seinen Bauernhof an Paolo, und damit das Eigentumsrecht (dominio diritto), wobei Pietro aber das Nutzungsrecht (dominio utile) behält. Aus den Erträgen des verkauften Gutes bekommt er von Paolo zusätzlich den jährlichen Zensus/Ertrag/ Rendite aus der Ernte ausgezahlt. Darüber hätten sich beide geeinigt. Anders verhält 115

Die kritische Bewertung der Geschäftspraxis in diesem Werk wurde im Kapitel 2.2.4 dieser Studie ausgeführt. 116 Agostino Montalcino, Lucerna dell’anima, S. 621. 117 Ebd., S. 622, Abschnitt 6.

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es sich, wenn er nur das Nutzungsrecht verkauft hat und das Eigentumsrecht behält. Bei dieser Form der Erbleihe/Erbpacht (Emphyteuse118) bleibt die Verfügungsgewalt an einer Sache beim vorigen Eigentümer, im Falle der Zahlungsunfähigkeit fällt das Gut wieder an den eigentlichen Besitzer zurück. Dies sei im Landrecht ebenfalls festgelegt, wie der Autor schreibt. Noch klarer wird der Sachverhalt durch die folgende Erläuterung zum censo consegnativo: I censi consegnativi dequali habbiamo a ragionare, sono quelli nequali il venditore riserbandosi il fondo, consegna quella pensione di tanti per cento al compratore, & si distinguono questo in perpetui, & temporali, i primi durano eternamente, facendosi con patto, che nessuna della parti possa stornare il contratto, & è agevol cosa a fare che sieno giusti.119

Montalcino unterscheidet zwischen der ewigen Form und der temporären Form der Rente. Bei der temporären Form differenziert er wiederum in festgelegte Laufzeit (determinatus), die bis zum Ende des Lebens eines Vertragspartners reicht, und unbestimmte Laufzeit (indeterminatus). Für diesen Fall, der Laufzeiten von zehn oder zwölf Jahren haben konnte und die gängigste Form der Rente in Rom sei – so der Autor – erläutert Agostino ein Fallbeispiel aus der Praxis. Hierbei leiht sich Pietro von Paulo Geld und setzt sein Haus im Wert von 200 Scudi als Sicherheit ein. Er behält hierbei sowohl das Eigentums- als auch das Nutzungsrecht vollständig. Er „kauft “ jedoch gleichzeitig von Paolo eine Rente, die er in Form einer jährlichen Pension von 40 Scudi plus Zinsen abzahlt.120 Im Unterschied zum census reservativus stammt die gezahlte Rendite hier nicht aus den Erträgen des Landes und entspricht diesen nicht, sondern ist ungebunden und kann den Wert des Ertrages überschreiten. Zudem, und dies ist der zweite Unterschied, sei der census consegnativus immer zu zahlen, egal in welchem Zustand sich das Land oder der Besitz befindet.121 Diese sehr geläufige Form 118 Christian Reinicke, Art. Pacht, in: LexMa 6, München/Zürich 1993, Sp. 1607–1609; Wilhelm Brauneder, Art. Erbleihe, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1, Berlin 1971, Sp. 1368–1370. 119 Agostino Montalcino, Lucerna dell’anima, S. 622, Abschnitt 7. 120 Ebd., S. 623 f.: Pietro bisognoso di denari non volendo alienare la propria casa che vale 200 Scudi, s’accorda con Paolo che sborsatigli detti denari, sopra detta casa, gli vende un censo di quattordici Scudi l’anno a ragione di sette per cento, riserbatosi il dominio diritto, & utile si essa casa. E è differente questo censo consegnativo, dal riservativo in due cose, l’una che la pensione, o rendita del riservativo non puo, ne dee giamai passare il valore del frutto che si trahe ordinariamente dal fondo censuaro, o obligato; però che nessuno prenderebbe una vigna con obligo di pagare ogn’anno diece some di vino, s’ella non ne producesse se non sette, o otto, se però tu non concoresse alla spesa, o gli facessi altra migliore conditione. 121 Ebd.: La seconda differenza, che è fra l’censo riservativo e’l consegantivo si è, che fondandosi il primo sopra un fondo determinatamente, quel solo resta obligato al censo, & tanto dura quel peso di pagare quella pensione, quanto che dura il fondo, & mancando viene a mancare il censo conforme alla regola della legge c. qui sentit. in 6, & resta libero colui che prima era obligato; nel secondo cio è nel consegnativo il Soto al secondo articolo della questione sopra allegata, & la Corona dicono che se bene rovina il fondo, resta sempre l’obligo accesi di pagare il censo ne piu ne meno, come prima.

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sei aufgrund ihrer Unbestimmtheit und Freiheit der Auslegung riskanter und berge eine gewisse Wuchergefahr, so Agostino. Dies beträfe beispielsweise die Höhe des zu zahlenden Zinses, der je nach unterschiedlichen Usancen und Gebräuchen verschieden sein könne. Vereinfacht lassen sich die verschiedenen Formen von Darlehen, die bisher behandelt wurden, wie folgt in einer Grafik darstellen:

• Erbpacht, Pachtzins • Nutzungsrecht • Abgaben aus Ertrag des Gutes • fester census

• temporärer, meist kurzfristiger Kleinkredit • Pfandgegenstände • meist fester Zins (Monti: 4-10%, private Pfandleihe höher)

census reservativus

census consignativus

Pfandleihe

compagnia d'offitio

• Verkauf einer Rente (Kapital gegen jährliche Rente) gegen Geldsumme • Grundstück oder Haus als Sicherheit eingesetzt (zinsbringend) • Verkäufer = Schuldner behält den Boden und Ertrag formal • ewig oder temporär als Leibrente oder Ewigrente • indeterminati (10, 12 oder 20 Jahre) vs. determinati (bis zum Tod) • hohe Wuchergefahr (Rendite übersteigt ursprüngliche Darlehenssumme)

• römische Sonderform des Darlehens • Sicherheit durch eine dritte Person = Bürge sichert das Darlehen mit seinem AMT ab • Reputation als Pfand!

Abb. 14 Modell der in Rom im 16. Jahrhundert gebräuchlichen Renten- und Kreditarten

Nach diesem rechtsgeschichtlichen Exkurs sei erwähnt, dass der census die häufigste Kreditform in den Libri Mastri darstellt. Ob es sich dabei um die Zahlung eines Betrages für das Nutzungsrecht oder eine Form des consegnativus handelt, geht aus den Einträgen nicht hervor. Dennoch wird deutlich, dass eine vielfach verschränkte Kreditgesellschaft im Rom des ausgehenden 16. Jahrhunderts existierte, die sich der bekannten Formen des Schuldenmachens und der Schuldentilgung selbstverständlich bediente.122 122 Vaquero Piniero resümiert: Rentenkaufverträge, S. 287: „erneut zeigt sich, dass das frühneuzeitliche Rom einen der Plätze darstellte, wo das Kreditwesen aufgrund der großen staatlichen und privaten Kapitalnachfrage zahllose Gewinnmöglichkeiten bot“. Er bescheibt diese Situation als

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6.4.8 Pachtformen: canone, affitto, risposta Die häufig synonym zum census geführten Begriffe affitto und canone werden nicht selten im Kontext mit der Verpachtung von Weinbergen, Ländereien oder landwirtschaftlichen Gebäuden/Hofstellen (casale) genutzt. Die machen zusammen mit den census-Nennungen fast 19 Prozent der Einträge in den Kassenbüchern aus. Betrachten wir auch hier ein Beispiel aus dem Libro Mastro von 1585. Für den 14. Januar findet sich folgender Eintrag: Attilo Tenozri zahlte 200 Scudi ein, um die Verpflichtungen einem Vertrag gemäß (mandato) zu leisten. Dabei handelte es sich um ein Darlehen und den Zins (frutti del fitto) im Zusammenhang mit einem Hauskauf. Das gekaufte Objekt wird als casale (Hofstelle) de Montagnano (ein Ort bei Albano, Lazio) bezeichnet, was auf einen landwirtschaftlichen Zusammenhang und die Verflechtung Roms mit seinem Umland verweist.123 Bereits am 26. Januar wurde die eingezahlte eine Summe plus vier Scudi wieder abgehoben.124 Die synonyme Verwendung verschiedener Begriffe geht aus einem Eintrag im gleichen Jahr hervor. Der Gewürzhändler/Apotheker Giovanni Battista Mozzeschi zahlte am 5. Juni 1585 13 Bolognini ein per il canone o vero afitto de un semestre cominciato a 15 di marzo passato della casa dove habita locatali a terza generatione della compagnia del Gonfalone per pagarli a M. Giovanni Domenico esattore della Compagnia.125 Hier wird klar, dass das Nutzungsrecht eines Hauses über Generationen hinweg mit der Auszahlung einer Rente einhergeht. Dabei wurde der ursprüngliche Kredit von der Compagnia del Gonfalone, also der Bruderschaft der päpstlichen Banner- oder Wappenträger der gewährt. Die Absicherung einer Rente mittels eines Stückes Schilfland vor der Porta di Popolo geht aus dem LM von 1586 hervor. Dort erhalten wir detaillierte Informationen über die Transaktion vom 16. Januar in Höhe von 9,50 Scudi: Francesco de Fortis deve havere a di 16 de gannaio Scudi nove bolognini 50 di moneta reco contanti disce per il censo dovuto al Alfonso Mutescotto per la sua proprieta sopra un dei pezzi Ergebnis eines Wandlungsprozesses: „dieses Phänomen verstärkte sich noch durch eine neue Welle von Zuwanderen, die über Invesititionskapital verfügten und deshalb großen Nutzen aus der Niederlassung in der Stadt zogen, wo aufgrund des großen öffentlichen und privaten Geldbedarfs das gesamte Kreditwesen zu einem sehr einträglichen Geschäft zu werden begann.“ Ebd., S. 285. 123 LM 1585, fol. 14r. Messer Attilo Tenozri da Velletri deve havere ad 14 di gennaio Scudi duecento et quattro di moneta reco messer Anchille cittadino suo procuratore in tanto argento disse depositarli in virtu de un mandato essecutino relassato li da mons. A. C. per l’atti del Massario a stanza dell heredi de Mons. Calici et suoi administratori per il fitto et frutti del fitto del casale che egli tiene da loro chiamato il casale de montagnano sopra li queli denari ha havuti diversi reguesti et havemo da pagarli a chi in pie della nostra cedola ne sara ordinata da mons. A. C. o suo luogho – 204. 124 Ebd. Attilo Tenozri di contro deve dare ad 26 di gennaio Scudi duecento et quattro de mons. Pagati de ordine dal R. A. C. fattore in pie della nostra cedola sotto 24 stanza per li atti del magno al Nostro Segnore Teodolo Teodoli et per s. s. Flaminio Licreti suo filio casa porto conti – 20. 125 LM 1585, fol. 69r.

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quatur ¾ de Terreno anzi di canneto di esso detto Franceso posto fora di porta del populo a Torre de quinta et che viene molestata dal M. Antonio Marescotto suo figliolo per pagarli a chi nella nostra cedola 9,50.126

Die inhaltliche Verbindung des Terminus risposta zur Landwirtschaft sei mit einem Beispiel aus dem LM des Jahres 1586 belegt: Im Januar zahlte Cosmo Eristino 30 Scudi per un censo overo risposta de una pedica (ein Landstück) chiamata Toricella.127 Eine risposta von sechs Scudi wurde auch von Marcello Benmenghi am 5. März 1586 für das laufende Jahr (la risposta del anno corrente) an das Kapitel der Bruderschaft von Johannes dem Evangelisten in der Kirche Santa Maria gezahlt.128 Die begriffliche Unschärfe zwischen den Termini census, canone, affitto, pensione und risposta kann als Verweis auf die mangelnde rechtliche Abgrenzung einiger Pachtformen zueinander interpretiert werden. Möglich scheint auch, dass der Kassierer oder die Klienten einmal die Vertragsform, ein andermal den Namen der Zahlung niederschrieben – und sowieso jedermann wusste, was gemeint war. Gemeinsam ist allen Formen des Kredits die Absicherung, sei es durch Bürgen oder die eigene Reputation, wie im Falle der compagnia d’offitio oder mittels Immobilien, wie in den anderen Fällen. Auch spätere normative Werke belegen die Lebendigkeit dieser Kreditinstrumente. In einem 1655 in Viterbo gedruckten Lehrbuch des Autors Paolo Pietro Pontati finden sich zahlreiche wertvolle Angaben und Erläuterungen der in den römischen Kassenbüchern des Monte genannten Kreditformen, samt Maßangaben der Zeit.129 Das Buch ist ein wertvolles Zeugnis frühneuzeitlicher bäuerlicher Verwaltung und Landwirtschaftsgeschichte. Es beschreibt in sechs Teilen das gute und vorbildliche Verhalten des Bauern als Hausherr und pater familias (Kapitel 1), die nötigen Schritte zum erfolgreichen Anbau von Getreide und der Viehhaltung (Kapitel 2), den Umgang mit Personal (Kapitel 2) und Ungezieferbefall sowie eine Tabelle mit Berechnungen möglicher Gewinne (Kapitel 3). Es bietet eine Darstellung unterschiedlicher Maßeinheiten und Längenangaben, Gewichte und Löhne für die landwirtschaftliche Arbeit in Rom und Siena (Kapitel 4) sowie eine Anleitung zum Rechnen (Addition und Multiplikation) mit Beispielen im fünften 126 LM 1586, fol. 9r. „Francesco de Fortis soll am 16. Januar 9 Scudi und 50 Bolognini im Bargeld erhalten, für die Miete, die er Alfonso Mutescotto für dessen Eigentum eines Grundstücks bzw. Schilf das außerhalb der Porta del Popolo bei Torre de Quinta liegt, und das von Herrn Antonio Marescotto, seinem Sohn, belastet wurde, um sie denjenigen auszuhändigen, die auf dem Coupon genannt werden. – 9,50“ 127 LM 1586, fol. 7r. 128 LM 1586, fol. 34r. 129 Paolo Pietro Pontati, Tariffa economica, et agricola con li svoi trattati: vi sono anco l’esigenze de’ crediti, differenze de’ pesi, e misure, che sono tra Roma, e Siena, e li materiali delle fabriche: con un modo facile per imparar d’abaco. Viterbo: Apresso Girolalmo Diotalleui, 1655. Der Text wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts zweimal nachgedruckt. Online unter: https://archive.org/details/bub_gb_ EwknODnjAkwC/page/n19/mode/2up (27.08.2020).

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und sechsten Teil. Der Autor, vormals ein städtischer Angestellter, nennt unter anderen auch die uns bekannten Formen des Kredits, wie die compagnia d’offitio, die hier nun als Kredit der bäuerlichen Schicht aufscheint und demnach im Milieu landwirtschaftlicher Produktion fest etabliert war. So wird die compagnia d’offitio im Buch auch als Mittel bei Bargeldknappheit für den Saatgetreidekauf genannt. Obgleich sie zwölf Prozent Zins erbringe, sei ein Tausch diesem Mittel allerdings vorzuziehen, so der Autor.130 6.4.9 Unbestimmte oder nicht näher benannte Schulden Die letzte und am schwierigsten zu interpretierende Kategorie bilden die nicht näher benannten Schulden, die in den Kassenbüchern mit über zwanzig Prozent den größten Anteil an Nennungen aufweisen. Sie werden dort in unspezifische Worte gekleidet wie: una promessa fatta, una segurta fatta, un pagamento maturato, a suo creditore, per tanti pretendono/pretende, hier könnte es sich um Darlehen handeln oder aber um ausstehende Summen für Käufe. Alle Varianten sind denkbar. Meist geht dies aus dem Kontext des Eintrags nicht genau hervor. Ein Beispiel sei hier dennoch angeführt: Am 25. Januar 1586 zahlte der Wirt Giovanni Arrigoni 15 Scudi per una securtà fatta di maggior soma a stanza de Luigi de Giudici fornati a favore de diversi creditori per la quale some viene molestato.131 Vieles bleibt an einem solchen Eintrag im Dunkeln, wir erfahren lediglich, dass der Schuldner Außenstände bei diversen Personen hatte und dass es bestimmte Zahltage gab, die vorher vereinbart worden waren. Der Begriff securtà kann hier synonym für Bürgschaft oder gar Darlehen verstanden werden. Diese Zahlungen hatten nicht immer ein bestimmtes Rückzahlungsdatum, dennoch wurde auch regelmäßig zurückbezahlt, beispielsweise pro Monat, wie im Falle der Summe von sechs Scudi, die der Bäcker Antonio de Sucei am 23. April 1586 an seine Kreditoren entrichtete, per la paga del mese cominciato.132 6.4.10 Frei verfügbare Depositen: a suo piacere Eine weitere Kategorie der transferierten Summen bilden die Einträge mit dem Verwendungszweck a rihaverli a suo piacere, was bedeutet, dass eine Einzahlung zur Verwendung durch den Einzahlenden selbst nach dessen Gutdünken getätigt wurde.

130 E non s’ha il grano buono per la sementa fate lo cambiare anchorche bisognasse dare mezza quarta di grano più per il cambio, overo si compri, benche bisognasse prendere la moneta a compagnia d’offitio, che si rende 12 per cento perche tutta la moneta, che s’e presa, si guadagnerà nel primo anno […] Avvertimento XIII. S. 29. 131 LM 1586, fol. 12r. 132 LM 1586, fol. 60r.

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Der Monte als Bank: Einblicke in die Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom

Hierbei sehen wir am deutlichsten die reine Form der Geldanlage und der Nutzung des Monte als Sparkasse. Ein illustratives Beispiel aus dem Jahre 1585: Rutilio Galaconi, ein Römer, zahlte am 5. Juni hundert Scudi ein, die er nach Gutdünken wieder abheben und verwenden durfte.133 Am 30. Dezember nutzte Rutilio das Geld um es an Aurelia Gallacina, seine Mutter, zu übergeben, die es dann wiederum einem gewissen Bardolino Melangolario bezahlte.134 Auch hohe Summen wurden auf diese Weise dem Monte kurzfristig zur Verfügung gestellt, wie im Falle des Capitano Antonio Dionisio aus Perugia, der am 5. Februar ganze 1.200 Scudi zweckfrei einzahlte.135 6.4.11 Zwischenfazit Fasst man die Informationen zu den verschieden Kreditformen zusammen und zieht ein Fazit zur Rolle des Monte di Pietà als Bank, so wird deutlich, dass über den Monte eine Vielzahl von Finanz- und Kredittransaktionen abgewickelt wurden. So können wir den Libri Mastri entnehmen, wie die Kunden mit Kreditinstrumenten handelten. Sicher hat der Monte diesen Handel in der Stadt begünstigt, ein Beleg für die neue, finanzhistorisch entscheidende Rolle des Instituts, wie sie nur in wenigen Fällen, wie etwa in Neapel, so klar zum Vorschein kommt. Zugleich sieht man an den Beispielen, wie eng privater Kredit und öffentlicher Kredit miteinander verknüpft waren. Letztlich hat die Kurie den Monte durch die formale Eingliederung in ihre Struktur öffentlicher Anleihen 1584 eng an den sie finanzierenden kommunalen Kreditmarkt angebunden. Betrachtet man den römischen Kreditmarkt, wird klar, dass es im 16. Jahrhundert neue, lokale Sonderformen wie die compagnia d’offitio gab, die aus den lokalen Gegebenheiten (den veräußerbaren Ämtern der Kurie) in der ewigen Stadt resultierten. Neben diesen kreditgeschichtlichen Innovationen etablierten sich in Rom erst im 16. Jahrhundert die in Nordeuropa bereits gängigen Formen, wie der immobiliengestütze Rentenkauf. Die Kreditinstrumente wurden häufig mehrstufig veräußert und bildeten somit eine Netzwerkstruktur von Akteuren aus. Gläubiger, Schuldner und Bürgen waren auf vielfältigste und wechselseitige Weise miteinander verknüpft. Leider lässt die Überlieferung nur einen Bruchteil des Beziehungsgeflechts erkennen. Die Verträge über Außenstände, Schulden und Kredite, auf die in den LM Bezug genommen wird, belegen ebenfalls die Praxis der Umschuldung und Stundung als gängige Mittel gegen Zahlungsverzug bzw. Zahlungsunfähigkeit, etwa wenn bestehende Schulden durch einen

133 LM 1585, fol. 69r. R. messer Rutilio Galacino Romano deve havere a di 5 di Giugno Scudi Cento di moneta reco contanti per rihaverli a suo piacere – 100 134 LM 1585, fol. 68v. Rutilio Gallacino di contro deve dare ad 30 di dicembre Scudi cento sunt pagati di suo moglie a M. Aurelia Gallacina sua madre poi a conti disce per la Compagnia [d’offitio,?] a Bardolino Melangolario. 135 LM 1585, fol. 19r.

Wer waren die Klienten und Anleger?

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Rentenkauf beglichen werden. Auch die Beschlagnahmung als letztes Mittel erscheint in den Quellen. Wie in anderen Städten Europas beliehen auch die Bewohner Roms, die größere Geldsummen benötigten, hauptsächlich ihre Immobilien: Häuser, Weinberge, ihre Scheunen und Grundstücke. Diese größeren Summen und die Modalitäten der damit verbundenen Zahlungen sind in den Libri Mastri des Monte greifbar. Sie bilden somit ein Fenster zur Beobachtung vielgestaltiger Kreditformen, die über den Monte als städtische und damit öffentliche Pfandleih- und Depositenbank formalisiert und schriftlich fixiert wurden. Doch bleibt manches ungeklärt: In welchem Fall es sich um einen echten Kauf, einen Kauf auf Kredit oder eine Verpachtung auf Lebenszeit oder für nur einige Jahre handelte, bleibt im Dunkeln angesichts des scheinbar arbiträren Nebeneinanders der Begriffe. Die Kontextualisierung der komplizierten Inhalte des pragmatischen Schrifttums kann mithilfe von Rechtsquellen – wie in diesem Kapital angedeutet – geleistet werden. 6.5 Wer waren die Klienten und Anleger? Neben den Kreditformen, die uns sehr viel über die alltägliche Schuldenpraxis, mehr als über das feste Anlegen oder gar Sparen von Geld (was laut den Libri Mastri seltener vorkam und deshalb vielleicht nicht so üblich war) erfahren lassen, geben die Kassenbücher auch Einblicke in die Klientelstruktur der Anlagebank. Hier werden die Fragen nach den Nutzern der Einrichtung und ihrer Zahlungsmoral ebenso beantwortet, wie eine Auswertung topografischer und sozialtopografischer Aspekte angesprochen. Qualitativ geht die Auswertung der Libri Mastri der Frage nach der sozialen Zusammensetzung der Klienten nach, indem die Berufsgruppen der Einzahlenden quantitativ erfasst werden. Wie auch in den Pfandlisten lassen sich die Fragen nach bestimmten Berufsgruppen, dem Geschlecht, der Religionszugehörigkeit und der geografischen Herkunft beantworten. Anschließend lässt sich fragen: War der Monte auch im späten 16. Jahrhundert weiterhin eine Einrichtung für die Armen oder brachte die funktionale Ausweitung seiner Dienstleistungen durch das Anlagengeschäft eine Veränderung der Klientenstruktur mit sich? Und schließlich: Welcher Platz kann dem Monte als Anlageinstitut in der Finanz- und Bankenlandschaft Roms im 16. Jahrhundert zugeschrieben werden? 6.5.1 Verteilung der Anleger nach Berufsgruppen Die Verteilung der Anleger nach Berufsgrupen soll an dieser Stelle anhand des Kassenbuchs aus dem Jahr 1585 erfolgen. Von den insgesamt 787 Einträgen im Hauptkassenbuch von 1585 nennen nicht alle den Beruf eines Geldanlegers, in vielen Fällen finden

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sich doch die Berufe der Kunden des Monte, woraus sich einige Aussagen zur sozialen Schichtung der Kundschaft des Monte ableiten lassen. Augenfällig ist die Vielfalt von 57 verschiedenen Berufsgruppen allein in diesem einen Buch.

Berufe

fornaro (Bäcker) hoste (Wirt) Sartore (Schneider) fruttarolo (Obsthändler) macellaro (Fleischer) ferraro (Schmied) vacciaro (Kuhzüchter) mercante (Händler) spetiale (Droghist/Gewürzhändler) pittore (Maler) legname (Schreiner) calzolaio (Schuster) architetto (Architekt) rettore della chiesa … notario (Notar) Merciaro barbiere (Barbier) vignarolo (Winzer) scalpellino (Steinmetz) portatore di grano (Getreideträger) pizzicarolo (Prickler/Zupfer) muratore (Maurer) mulattiere (Maultiertreiber) molinario (Müller) medico fisico (Arzt) albergatoro (Herbersgvater) torriore (Turmwächter) sellaro (Sattler) profumerio (Parfumeur) vermicellaro (Nudelmacher) tessitora (Weberin) tesoriere (Schatzmeister) tavernario (Wirt) stufacolo (Ofenbauer) stampatore (Drucker) spialtatore (Spalter) settancolo (Kämmer) reffaro (Ausbesserer?) racattiere (Altkleiderhändler) Pranellaro portatore di vigne (Weinträger) pasticcaio (Konditor) mesuratore del sale grosso (Salzmesser) libraro (Buchhändler) intagliatore (Tuchschneider) fornacciaro (Kalkbrenner) fenarolo cucchiere (Kutscher) corriere (Kurier) cimatore (Maurer) ciambellano (Kämmerer) bottonaro (Knopfschnitzer) bicchieraro (Glasbläser) bariolo (Fassmacher) arrotatore (Schleifer) archebusciero (Armbrusthandwerker)

0

5

10 Häufigkeit der Nennungen

15

20

Abb. 15 Verteilung der Berufsgruppen im LM des römischen Monte von 1585

Schaut man auf die Verteilung bestimmter Berufe, so sind mit 19 Nennungen die Bäcker am häufigsten vertreten, gefolgt von den Wirten mit 17 Nennungen und den Obsthändlern. Schneider sind mit 13 Nennungen vertreten, Fleischer werden neunmal genannt. Allgemein als Händler (mercante) bezeichnete Anleger tauchen neunmal auf, ebenso Schmiede. Mit acht Nennungen folgen Kuhzüchter. Der größte Teil der mit Berufsbezeichnung genannten Anleger gehörte also der dem städtischen Handwerk an, wobei die Lebensmittelhandwerke (darunter Müller, Winzer, Getreide- und Weinträger) und die Gastronomie den größten Teil unter den Kunden einnehmen. Daneben ist das Bauhandwerk mit Maurern, Schreinern, Steinmetzen und Architekten

Wer waren die Klienten und Anleger?

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sowie der Textilsektor mit Tuchschneidern, einer Weberin und einem Knopfschnitzer mit höheren Anteilen vertreten. Angehörige der literarisch gebildeten Schicht wie Notare, Kirchenvorsteher oder Schatzmeister sowie Buchhändler und Drucker erscheinen eher selten als Klienten des Monte (insgesamt für alle: elf Nennungen). Weitere Berufsgruppen sind: Ärzte, Barbiere und (sechs) Maler sowie Altkleiderhändler, Glasbläser, Sattler und Ofenbauer. Die Nennung von bestimmten Berufen wie Spalter, Ambrustmacher, Parfümeur, Gewürzhändler oder auch Prickler/Zupfer und Ausbesserer verweisen auf ein hochspezialisiertes Handwerk insbesondere im Bereich der Textilproduktion und -verarbeitung sowie in der Waffenherstellung und -produktion und beim Vertrieb von Luxusgütern im frühneuzeitlichen Rom. Damit reihen sich die Erkenntnisse dieser Studie nahtlos in das Bild Delumeaus von der sozialen Schichtung in Rom ein. Der Monte war in den 1580er Jahren ein Finanzinstitut der Handwerker und Lohnarbeiter. Setzt man die Berufe mit den Verwendungszwecken ihrer Anlagen in Beziehung, so ergibt sich häufig ein direkter Zusammenhang zwischen den Geldausgaben und der Arbeit der Kunden. Neben dem Kauf von Rohstoffen handelt es sich bei den Überweisungen in sehr vielen Fällen um Mietzahlungen für die Häuser, in denen sich sowohl die Wohnstätten als auch ihre Werkstätten bzw. Läden befanden. Ein interessantes Beispiel für die Zahlung einer Ladenmiete eines Nicht-Handwerkers ist dem LM des Jahres 1586 zu entnehmen. Am 21. August zahlte der Bankier Antonio Donati (banchero in banchi) zehn Scudi für die Miete seiner Wechselbank an den Apotheker Daniele Angelieri.136 Dieser kurze Eintrag zeigt nicht nur erneut, wie sehr verschiedene Berufsgruppen und soziale Gruppen durch Kredite miteinander verbunden waren, vor allem belegt er die Koexistenz verschiedener Formen von Kreditservices, die private Bankiers ganz selbstverständlich boten. Obgleich diese Einsicht banal erscheint, so zeigt sie doch deutlich eine Ausweitung der Kreditlandschaft anstatt einer Ersetzung bzw. Verdängung bestimmter Institutionen durch andere. 6.5.2 Verteilung der Anleger nach Geschlecht, Religion und Institution Neben der Verteilung der Kunden auf Berufsgruppen lässt sich in einem zweiten Schritt die Zusammensetzung der Klienten nach den Faktoren Geschlecht, Religionszugehörigkeit sowie nach Institutionen erschließen. Auch hier wird der Libro Mastro von 1585 beispielhaft herangezogen.

136 LM 1586, fol. 141r: peggione del semestre del loco che tiene per cambiare moneta da Daniele Angelieri droghieri in banchi.

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6.5.2.1 Frauen In den 787 Einträgen (von 16 Zwischenabrechnungen unterbrochen) sind lediglich 81 Anleger weiblich, darunter eine Hersilia de Monti, die viermal über das Jahr im Buch als Anlegerin auftaucht.137 Sie zahlte am 22. Dezember 1584 sechs Scudi Geld für einen Weinberg ein. Fast ein Jahr später, am 23. November zahlte sie elf Scudi in virtu di un mandato relassato ein, drei Tage später, am 26. November folgten 22 Scudi und 23 Denari für die risposta del anno della sua vigna. Dem gleichen Zweck waren auch die zwölf Scudi gewidmet, die am 11. Dezember eingezahlt wurden. Der Begriff risposta findet im modernen Italienisch nur schwer eine adäquate Bedeutung, wie bereits oben erwähnt wurde. Gemeint könnte damit eine Art Steuer oder Ausgleichszahlung sein, die auf die Pacht des Weinbergs immer zum Jahresende fällig wurde. Interessant ist hierbei auch, dass es sich um verschiedene Beträge handelte, 1584 waren es sechs Scudi während ein Jahr später insgesamt 34 Scudi fällig wurden. Die meisten Kundinnen zahlten ebenso wie die Männer Mieten und Pachten über den Monte. Nur selten erfährt man etwas über ihre Berufe, wie beispielsweise im Fall der Wirtin (hostessa) Madalena Tolona, die am 18. Januar 18 Scudi zur Bezahlung von Kleidungsstücken einzahlte, die sie von Allessandro Colutio erworben hatte.138 Möglicherweise arbeitete sie nebenbei als Altkleiderhändlerin. Gelegentlich tauchen Töchter und Witwen als Erbinnen auf. In einem anderen Fall zahlte die Römerin Liana de Altis am 2. Juli 25 Scudi zur Beilegung eines Rechtsstreites um eine Grenzmauer zwischen zwei Häusern mit ihrem Nachbarn Antonio Francesco dalla Città di Castello.139 Eine weitere Römerin namens Vasolina de Gradi zahlte die Mitgift der Tochter ihrer Nichte Costanza am 9. Juli in Höhe von hundert Scudi ein mit dem Vermerk, dass diese das Geld ausgezahlt bekommen solle, sobald sie heirate, jedoch nicht ohne dass ihr Ehemann dafür vorher bürge.140 Margarita Lamberti, die Frau des Konditors Giovanni di Boccardo zahlte am 17. Juli 22 Scudi und 65 Denare ein, die sie zu ihrer freien Verfügung haben sollte.141 Dem gleichen Verwendungszweck unterlagen die beträchtlichen 289 Scudi, die Orsolina, die Frau des Mutio del Ago, am 24. Juli einzahlte142 sowie die 330 Scudi der Cecilia Tremezzina vom 20. September.143 Im Falle der Spanierin Isabella Perez überwies diese am 10. September 150 Scudi zur freien Verfügung an einen gewissen Nicolò Sebiavone.144 Dieselbe, nun als Frau des Reale Fasoritto bezeichnet, zahlte am 24. Dezember ihre Mitgift in Höhe von 200 Scudi beim Monte ein. Auch diese 137 138 139 140 141 142 143 144

LM 1585, fol. 6r, 173r, 175r, 184r. Ebd., fol. 17r. Ebd., fol. 80r. Ebd., fol. 92r. Ebd., fol. 95r. Ebd., fol. 97r, auch hier der Wortlaut: per rihaberli a suo piacere. Ebd., fol. 134r. Ebd., fol. 126r.

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wenigen punktuellen Einblicke zeigen die Vielfalt der Geldgeschäfte, die Frauen über den Monte tätigten. Nicht nur Pachtzahlungen, Mieten und Darlehnensraten sowie Mitgiften wurden selbstverständlich durch Frauen finanziert, auch ganze Hauskäufe. So zahlte die Römerin Camilla Grannotti am 4. Oktober 200 Scudi für ein Haus an der Piazza de Branchi ein.145 200 Fässer Wein bezahlte die Römerin Orsolina mit 135 Scudi am 6. Oktober.146 Diese wenigen Beträge ermöglichen erneut die Einschätzung zeitgenössischer Preise für Lebensmittel, Immobilien oder auch Dienstleistungen, wie sie im ersten Teil des Kapitels bereits thematsiert wurden. Dass Hauspreise im Mittelalter oft stark schwankten, ist bekannt, so scheint auch der Preis von 200 Scudi für ein Haus – der übrigens recht durchschnittlich für die im Libro auftauchenden Hauspreise ist – gar nicht einmal so hoch, setzt man ihn ins Verhältnis zu den 200 Fässern Wein. Ein weiterer wackeliger Vergleich: Gemma Monutini zahlte am 16. Oktober für gleich mehrere Zwecke, nämlich den Schutz/die Ausschmückung ihrer Häuser (para de case), für Kleider sowie die Dienste eines Buchhalters (raggioniere) ganze 190 Scudi.147 Handwerkerdienste in Höhe von 15 Scudi wurden an die Maurer und Schreiner Pietro und Giuseppe de Sandis durch Hersilia Cicolini am 25. Oktober bezahlt.148 Fasst man diese Ergebnisse kurz zusammen, so wird deutlich, dass Frauen als Akteure zwar weniger häufig in den Quellen genannt werden, sie aber genau dieselben Arten von Transaktionen beim Monte durchführten wie die Männer. Über die damit verbundene faktische rechtliche Autonomie lässt sich wenig sagen. Wenn eine Frau verheiratet war, so erscheint dies als Vermerk ihrer Identität auch im Hauptkassenbuch, ebenso wie ihr Beruf oder ihr Herkunftsort. 6.5.2.2 Juden Wie bereits die Untersuchung der Pfandleihregister in Kapitel 5 und das Kapitel 3 gezeigt haben, wurde der Monte selbstverständlich auch von jüdischen Kunden genutzt. Dies trifft auch auf das Anlagengeschäft zu, wie aus den Libri Mastri hervorgeht. Unter den Anlegern und Anlegerinnen des Jahres 1585 befanden sich 18 jüdische Kunden und Kundinnen. Der Jude Melunio Aronetto taucht mehrfach über das Jahr auf, als er zweimal seine Miete in Höhe von 15 Scudi für sechs Monate bezahlte, so wie die meisten anderen jüdischen Anleger, die vor allem Mietzahlungen für Häuser oder Läden tätigten. In einem Fall, am 19. Juli zahlten drei Brüder namens Benjamin, Vitale und Manuele de Campagniano zusammen 70 Scudi zur Tilgung ihrer Schulden bei diversen

145 146 147 148

Ebd., fol. 143r. Ebd., fol. 145r. Ebd., fol. 151r. Ebd., fol. 157r.

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Kreditoren ein.149 Gleiches taten auch Salomon de Isaac Coreona und Dattilo Beanfri am 22. August mit 15 Scudi und Mainio di Laszaro da fiorentino und Leone Selviglia am 4. September mit 18 Scudi, die sie beim Monte einzahlten.150 Einen recht hohen Betrag von 115 Scudi zahlte Ismael Pirnensale am 23. Oktober – ebenfalls zur Begleichung von Schulden.151 Die jüdischen Kunden – obgleich in geringerer Zahl – tauchen in den Quellen ganz selbstverständlich als Akteure auf, die den Monte als Anlagenund Überweisungsinstitut nutzten. Erneut kann man auch an den Libri Mastri erkennen, dass die Montes keineswegs nur eine Einrichtung für Christen waren. Entgegen der Polemik der juristischen Gutachten oder franziskanischer Predigten während des Expertenstreits waren sie am Ende des 16. Jahrhunderts pragmatisch verfasste Finanzinstitute. 6.5.2.3 Bruderschaften und Klöster Einige Einträge in den Büchern nennen Gruppen von Kunden, wie Erben oder mehrere Familienmitglieder, die zusammen agierten, wie beispielsweise im Falle der oben schon einmal genannten drei Brüder. Werden Erben genannt, geht es häufig routinemäßig um die Verwaltung des Erbes oder die ausstehenden Schulden eines Verstorbenen. Bemerkenswert ist zudem die Nutzung des Monte als Überweisungs- bzw. Anlageinstitut durch zehn verschiedene Zünfte, Compagnien und Klöster Roms: Neben der Compagnia der Bannerträger (gonfalone) Roms, die am 10. Januar die Miete und den Zensus in Höhe von zwölf Scudi zahlte, werden die Compagnia di S. Alo del Arte de fabri152 und die Zunft der Köche als berufsständische Vertretungen genannt. Im Falle der erstgenannten Institution handelte es sich bei der Einzahlung von sechs Scudi um eine jährliche Zinszahlung (lucrum) an die Erben des Giovanni Filippo. Dieser hatte zu Lebzeiten eine leider nicht genannte Summe Geldes an die Compagnia verliehen.153 Die Compagnia del Sacro Sacramento di San Giovanni zahlte am 13. Juli elf Scudi für an einem Haus im Borgo geleistete Arbeiten154 und am 14. September 30,31 Scudi zusammen mit den Erben zur Deckung der Kosten für mobile Güter, Medizin und schließlich das Begräbnis des Matteo Labiolo, des Rektors der Kirche Santi Vincenzo e Anastasio nahe der Fontana di Trevi.155 149 150 151 152

Ebd., fol. 96r. Ebd., fol. 113r. und fol. 124r. Ebd., fol. 156r. Der Heilige Eligius / Éloi von Noyon (St’Alo) war als Schutzpatron der Goldschmiede (der Legende nach übte er selbst diesen Beruf aus), Hufschmiede und Münzpräger auch der Patron der Kirche der römischen Schmiedezunft. 153 Ebd., fol. 35r. 154 Ebd., fol. 94r. 155 Ebd., fol. 130r.

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Die ebenfalls erwähnten Bruderschaften und Kongregationen von Santa Maria, San Gregorio di Ripetta, Del Salvatore und bestimmter wohltätiger Organisationen (Casa Pia) sowie die Klöster der Nonnen von Santa Lucia nelli Monti und das Kapitel der Kirche Santa Maria Maggiore zahlten jeweils verschiedene Beträge für Pacht, Hauskauf und zur Schuldenbegleichung.156 6.5.3 Herkunfts- und Arbeitsorte der Klienten Die Kunden des Monte kamen nicht nur aus Rom sondern den Erwähnungen ihrer Herkunftsorte gemäß aus ganz Italien und auch aus anderen europäischen Ländern, wie Deutschland, Spanien, Portugal, Bulgarien, Frankreich und Irland. Unter den italienischen Städten zeigt sich ein Übergewicht der mittelitalienischen und norditalienischen Städte, darunter einige bedeutende Zentren wie Genua, Venedig, Mailand und Bologna. Das Kernland der Monti – Umbrien – ist mit Orten wie Perugia, Foligno, Norcia und Todi vertreten. Dennoch sind diese wenigen Nennungen zu wenig repräsentativ, als dass von ihnen auf eine hohe Popularität des Monte als den Kunden bereits aus ihren Heimatorten bekanntes Kreditinstitut geschlossen werden kann. Unter den Städten Süditaliens erscheinen Neapel, Taranto und Cesaria, bei denen es nur in Neapel seit 1539 einen eigenen Monte gab. Aus dem gesamten römischen Stadtgebiet werden verschiedene Stadtteile als Wohn- und/oder Arbeitsorte erwähnt: der Borgo, Ponte Sisto, Campo Marzio, Trastevere, Monti, Piazza Fontanara, Fontana di Trevi, Porta del Popolo, Regola, S. Pietro, Piazza di Sciarra, Piazza di Siena, Paradiso, S. Croce, S. Maria in Val Negra, Monte Giorgio, Corso, Via di Ripetta, La Rotunda, Piazza Montanara, San Lorenzo, Piazza del Duca, Campo di ferro, La Spada, Torre di Nona, Ripa (Ufer), Vallicella. Beliebte und zentrale Marktorte wie die Rotunda (das Pantheon), der Platz um den Trevibrunnen, der Ponte Sisto, der Campo Marzio sowie diverse Orte nahe am Tiber und bekannte Handwerkerstadtteile wie Trastevere, Monti oder San Lorenzo können dabei in direkten Bezug zur beruflichen Struktur der Klientel des Monte, die größtenteils auch ihre Anlagengeschäfte und Überweisungen über ihn abwickelte, gesetzt werden.

156 Genannt werden: die Compagnia del Gonfalone di Roma; la Sante Compania di S. Alo del Arte de Fabri; la Venerabile Compania del Salvatore di Roma; la venerabile Compagnia del Sacro Sacramento di S. Giovanni; la Venerabile Compania di San Gregorio de Ripetta; le monache de S. Lucia nelli monti; Capitulo et Canti di Santa Maria Maggiore; la compania dei Cuochi di Roma; la venerabile compania di Santa Maria. Unter allen Kunden des Jahres 1585 machen die genannten Bruderschaften und Klöster mit nur neun Einträgen einen sehr kleinen Anteil aus. Heraus sticht die Compagnia e Congregatione de Mon. Casa Pia, die am 24.11. den Betrag von 1.811 Scudi und 25 Denaren zahlte, per il resto del prezzo di una casa dove al ponte il monte promessali. Ebd., fol. 174r.

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6.6 Fazit Die Libri Mastri des römischen Monte sind eine höchst ergiebige Quelle für die städtische Kredit- und Kleinkreditgeschichte, für die Geschichte des Alltags, der Preise und Löhne und für die gesamte Sozialtopografie der Stadt. Sie geben über so viel mehr Auskunft als nur über das Depositengeschäft der Monti und ergänzen und erweitern somit das Bild der Quellen zum Pfandleihgeschäft beträchtlich. Die Auswertung eines repräsentativen Teils der Kassenbücher hat das Potential dieser vernachlässigten Quellengattung für die vormoderne Kreditgeschichte Roms nochmals deutlich aufgezeigt. Der erste Teil dieses Kapitels war der quantitativen Auswertung der Geldeinlagen im Zeitraum von 1585 und 1595 gewidmet. Es wurde deutlich, dass die Anzahl der über den Monte abgewickelten Transaktionen kontinuierlich anstieg, die Institution es also vermochte, sich erfolgreich als Bank in Rom zu etablieren. Die eingelegten Geldsummen bewegten sich überwiegend im Bereich kleinerer Beträge zwischen fünf und zehn Scudi, was ein erster Hinweis auf die Klientel, nämlich die arbeitenden Armen, die Handwerker und Lohnarbeiter, ist. Größere Summen (über 300 Scudi) wurden zwar ebenfalls gelegentlich transferiert, jedoch haben sie einen sehr geringen Anteil an der Gesamtzahl der Transaktionen. Somit bestätigt sich der Verdacht einer Verschiebung der Klientel der Depositenbank nach der Übernahme durch die Kurie zumindest für den Untersuchungszeitraum der 1580er und frühen 1590er Jahr nicht. Die Depositenbank des Monte wickelte in diesen Jahren hauptsächlich kleinere und mittlere Geldgeschäfte ab, was durch die genannten Berufe der Anleger bestätigt wird. Die Analyse der Verwendungszecke der Überweisungen, die in den LM dokumentiert sind, offenbarte eine Vielzahl alltäglicher Geldtransfers der niederen und mittleren Bevölkerungsschichten. Der Kauf von Rohstoffen, Nutztieren und Häusern ist ebenso präsent wie die Zahlungen der Mieten für Häuser und schlichte Zimmer oder Werkstätten, die einen Einblick in die bescheidene Wohnsituation der Kunden des Monte erlaubten. Neben diesen Zahlungen zur Deckung der Fixkosten bzw. für den Konsum finden sich in den Hauptkassenbüchern aber auch Angaben zu bestimmten Kreditformen, durch die die Bewohner Roms netzartig verbunden waren. Insbesondere die Formen der compagnia d’offitio und der Grund- und Leibrente (census) stechen hierbei hervor. Obgleich diese über zeitgenössische Rechtsquellen (insbesondere des Kirchenrechts sowie einem Predigtmanuale) näher erschlossen und beschrieben werden konnten, bleibt festzuhalten, dass die terminologische Unschärfe in den Einträgen eine Unterscheidung und Abgrenzung insbesondere der verschiedenen Renten- und Zinsformen unterminiert. Dennoch lässt die große Vielfalt an Finanzinstrumenten, derer sich die Kunden des Monte bedienten, verschiedene Schlussfolgerungen zu. Sie dokumentieren den kontinuierlichen Institutionalisierungsprozess und die Kreativität des florierenden frühneuzeitlichen Kreditwesens. Dabei wurde deutlich, dass informelle Formen ebenso selbstverständlich waren wie die abgestuften und immer wieder formell

Wer waren die Klienten und Anleger?

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regulierten Formen des census. Formelle und informelle Institutionen überschnitten sich und koexistierten in der Kreditwirtschaft des frühneuzeitlichen Rom. Alle Formen des Kredits wurden relativ gleichberechtigt von den Kunden genutzt, die im dritten Teil dieses Kapitels näher untersucht wurden. Die Analyse anhand der LM zeigte eine überwiegend städtische, männliche Klientel, die vorwiegend dem Milieu der Handwerker, Kleinhändler und Tagelöhner zuzuordnen ist. Aber auch kuriale Beamte nutzten die Dienste des Monte gelegentlich als Finanzinstitut. Notare der Apostolica Curia erscheinen in hoher Zahl als Mittelsmänner der dokumentierten Geldtransfers. Die Verstetigung der Institution und ihre lange Geschichte bis ins frühe 20. Jahrhundert wurde auch durch die Nutzung neu etablierter Kreditinstrumente, wie die luoghi oder cedole, ermöglicht, mit denen der Monte seinen Kunden nicht nur wichtige finanzielle Dienstleistungen offerierte, sondern auch seine Existenz auf Dauer sichern konnte. Man kann den Monte di Pietà Roms (und wohl auch andere Monti) zweifach interpretieren: als Bank lässt er sich in die Geschichte der Expansion des städtischen Kreditmarktes und finanztechnischer Innovationen des 16. Jahrhunderts einschreiben. Die Pfandleihe auf der anderen Seite bildet hierzu den Kontrapunkt durch die Abfederung von Kapitalmangel in Zeiten der Krise. Bank und Leihhaus bilden somit eine komplementäre Einheit, die gegenläufige Entwicklungen der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wirtschaft und Gesellschaft sichtbar macht.

7. Erfolgsmodell außerhalb Italiens? Die Montes Pietatis im deutschsprachigen Raum

7.1 Die Monti als Teil einer politischen Ökonomie in der Frühen Neuzeit: zwei Beispiele aus den Jahren 1508 und 1715 Wenn man die Erfolgsgeschichte der Monti di Pietà in über zweihundert Städten Italiens betrachtet, so stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Rezeption der franziskanischen Ideen außerhalb Italiens sowie der Adaption dieser Einrichtung in Städten nördlich der Alpen. Belege dafür in anderen Ländern sind vorhanden, eine systematische Forschung hierzu gibt es bisher nicht, lediglich Einzelfallstudien liegen vor. Mehr oder weniger gut erforscht sind die Gründungen von Montes Pietatis für Salzburg (1747),1 Nürnberg (1618),2 Augsburg (1603–1663, 1732),3 Brüssel (1618),4 Paris (1637–1643, 1777)5

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Alfred Rinnerthaler, Mons Pietatis Civitatis Salisburgensis. Die Geschichte des milden Leihhauses in Salzburg und dessen wirtschaftliche Bedeutung, in: Ulrike Aichhorn (Hg.), Geld und Kreditwesen im Spiegel der Wissenschaft, Wien 2005, S. 217–260. Hartmut Heisig, Den „Dürfftigen zu Steuer und Hülff “. 400 Jahre Leihhaus zu Nürnberg, in: Geschichtsrundbrief des Vereins Geschichte für Alle e. V. / Institut für Regionalgeschichte 56 (2018), S. 2–4. Sowie ders., 400 Jahre Leihhaus Nürnberg 1618–2018, Nürnberg 2018. Soweit ersichtlich, liegt für den Augsburger Monte noch keine Forschungsarbeit vor. Lediglich das Stadtarchiv Augsburg verzeichnet einen kurzen Text auf seiner Website. Pierre David Kusman / Roel Jacobs / Pedro Trascasas, D’un micro-crédit avant la lettre à un crédit de proximité, le Mont-de-Piété de la Ville de Bruxelles, Brüssel 2018. Der erste Pariser Mont-de-Piété wurde am 27.3.1637 durch den Mediziner, Journalisten und Philantropen Théophraste Renaudot auf Geheiß des Königs gegründet. Ludwig XIII. autorisierte im Jahre 1643 die Gründung weiterer 58 Monti in verschiedenen Städten Frankreichs. Hierzu detailliert Robert Bigo, Aux origines du Mont-de-Piété Parisien: bienfaisance et crédit (1777–1789), in: Annales d’histoire économique et sociale 4/14 (1932), S. 113–126. Der Autor beschreibt darin die langjährigen Versuche einer Errichtung eines Monte in Paris während des 17. Jahrhunderts und betont, dass andere französische Städte schon Montes erfolgreich installiert hätten: zu diesen gehörten Aix, Brignoles, Tarascon, Marseille, Montpellier und Angers sowie Ypres, Brügge und Lille in Flandern. Ebd. S. 115 f.

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und Rouen (1778)6 sowie die erfolgreiche Verbreitung der Monti in Spanien im 16. Jahrhundert. In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, welche Ansätze für eine Einführung von Monti es im deutschsprachigen Raum überhaupt gegeben hat bzw. wie diese Ansätze aufgenommen wurden. Obgleich es durchaus derartige Initiativen seitens Rechtsgelehrter im frühen 16. und noch im 18. Jahrhundert gab, blieben diese Anregungen weitestgehend ohne Widerhall. An zwei Quellenbeispielen sollen die Argumente für eine Einführung von Pfandleihbanken nach dem Vorbild der italienischen Monti di Pietà exemplarisch nachgezeichnet werden: die sowohl auf Deutsch als auch auf Latein als Consilium publizierte Wucherschrift des Leipziger Juristen Christoph Cuppener7 (1466–1511) mit dem Titel Ein schoens Buchlein8 aus dem Jahre 1508 zum einen, zum anderen der Traktat Montes Pietatis kursächsischen Kommerzienraths Paul Jacob Marperger9 aus dem Jahre 1717.10

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Yannick Marec, Au carrefour de l’économique et du social: L’histoire du mont-de-piété de Rouen (1778–1923), in: Le Mouvement social 116 (1981), S. 67–94. Forschungsarbeiten zu Cuppener sind – mit der Ausnahme des kurzen Aufsatzes von Henning Steinführer – allesamt älteren Datums: Emil Steffenhagen (1864), Festschrift Breuer (sächsische Landesgeschichte), Armin Tille (einziger Aufsatz dazu, Schriften des Vereins für die Geschichte Leipzigs), Kinzinger, Marek Wewoda. Es liegen zwei kurze Einträge in der ADB und der NDB vor: Theodor Muther, Cuppener, Christoph, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1876), Online unter: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100096433.html#adbcontent (07.06.2020) sowie der Eintrag von Kurt Forstreuter, Cuppener, Christoph, in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 440 f. Online unter: http://www.deutsche-biographie.de/pnd100096433.html (07.06.2020). Weiterhin: Henning Steinführer, Ein Syndikus wird angestellt. Der Dienstvertrag zwischen der Stadt Braunschweig und dem Juristen Dr. Christoph Kuppener aus dem Jahre 1494, in: Kathrin Keller et al. (Hg.), Stadt, Handwerk, Armut. Eine kommentierte Quellensammlung zur Geschichte der Frühen Neuzeit. Helmut Bräuer zum 70. Geburtstag zugeeignet, Leipzig 2008, S. 186–192. Christoph Cuppener, Ein schons buchlein zu deutsch, doraus ein itzlicher mensche was standes er sey, lernen mag, was wucher und wucherische hendel sein und was der berg der mildigkeit der die wucherischen hendel vortilget und in deutschen landen bisher unbekannt gewest ist, in sich helt. Auch was rechte und unrechte kaufmannschaft und hendel gesein und wechsel aller wechseler des wechsel geldes durch den achtbarn hochgelehrten und gestrengen Herrn Cristoferum Cuppener der freyen kuenste und beider rechte doctor und ritter, got zu lobe und gemeinem nutz zu gut gemacht und geendet, Leipzig 1508 (gedruckt von Melchior Lotter). Bayerische Staatsbibliothek, Signatur: 2 Merc 1 s, Digitalisat online unter: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10942799_00005.html (17.08.2020). Hierzu der Eintrag von Hans Jaeger, Marperger, Paul Jacob, in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), online unter: https://www.deutsche-biographie.de/sfz58480.html#ndbcontent_genealogie (02.11.2021). Der mehr als ausführliche Titel dieses Werks lautet: Paul Jacob Marperger, Montes Pietatis, oder Leyh-Assistentz- und Hülfs-Häuser, Lehn-Banquen und Lombards, wie solche in einer Jeden Republic, der gemeinen Bürgerschafft und auch andern Leuten sonderlich aber dem Nothleidenen Armuth zum besten höchst nöthig und nützlich anzulegen: wobey zugleich die Methode gewiesen wird, wie solches in schönster Ordnung ohne Beschwerung des Publici geschehen könnte. Auch wie die heutiges Tages so sehr übliche Leib-Renten, Braut-Wittwen und Todten-Cassen ingleichen die Lotterien zum Nutzen des Aerarii weit profitabler als bis anhero geschehen anzustellen seyn, wobey zugleich der Unterschied der aufrichtigen und betrüglichen Lotterien entdecket wird, Leipzig 1715 (gedruckt von Friedrich Gro-

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7.1.1 Christoph Cuppeners „Ein schons Buchlein“, 1508 Christoph Cuppener wurde 1466 in Löbau (Westpreußen) als Sohn eines Juristen geboren. Das Studium der Rechte in Leipzig schloss er 1485 als Magister Artium ab. Während dieser Zeit baute er Kontakte zu Johann von Breitenbach, einem Ordinarius der Juristenfakultät und Syndicus der Stadt Leipzig sowie zu Johann Erwolt auf, der seit 1486 Kanzler Herzog Albrechts des Beherzten war. Cuppener heiratete 1493 Margarete Hummelshain, eine Tochter der Leipziger Bürgerschaft.11 Die Stadt Leipzig boomte im 15. und 16. Jahrhundert durch Bergbau um Freiberg und Zwickau und durch die Messen, wovon auch Cuppener als Inhaber von Anteilen am Zinnbergbau12 und als Buchhändler profitierte. Die Jahre 1490–1492 hatte er in Bologna als Prokurator der deutschen Nation verbracht und wurde dort in beiden Rechten promoviert. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass er dort die Idee der Einrichtung eines Monte aufnahm, war der Monte di Bologna doch ein fest etablierter Teil der städtischen Armenfürsorge seit 1472. Während seiner Karriere im Reich trat Cuppener als Konfliktlöser bei Herzog Heinrich dem Älteren auf, er wurde Syndikus in Braunschweig und damit ein Mitglied der städtischen Oberschicht.13 Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wechselte er in den Dienst des Herzogs Georg der Bärtige und arbeitete von 1501–1503 als Kanzler von Friesland. Aufgrund seiner Syphillis-Erkrankung fiel er öfter aus in seinem Dienst. Nach 1500 ging er nach Leipzig zurück, wo er seit 1503 – und seit 1510/11 als Kanzler – an der Reformierung der dortigen Landesuniversität beteiligt war und 1511 als Mitglied des Großen Kollegs im halbgeistlichen Stand (nach dem Tod seiner Frau 1508) starb. Im Kontext dieses Reformierungsprozesses entstand auch das „Schons Buchlein“, das als eines der „ersten deutschsprachigen Bücher der romanistischen Rechtswissenschaft“14 bedeutsam ist.

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schuff). Bayerischen Staatsbibliothek, Cam. 106. Regensburg, Staatliche Bibliothek -- 999/Hist. pol.5293, als Digitalisat online unter: https://reader.digitale-sammlungen.de//resolve/display/ bsb11099150.html (17.08.2020). Ihr Vater Hans Hummelhain war Ratsmitglied in Leipzig. Steinführer, Ein Syndicus, S. 190. Muther nennt ihn für 1497 als Mitglied der Meißner Gesellschaft des Zinnhandels (societas stanni). Dies wird u. a. deutlich in seiner Rolle als Vertreter der Stadt Braunschweig im Jahr 1495 auf dem Reichstag in Worms, wo er schließlich von Maximilian I. zum Ritter geschlagen wurde, wie er auch in seinem Traktat mehrfach erwähnt. Doch der Erfolg Cuppeners war fraglich: Im gleichen Jahr wurde er zusammen mit zwei Bürgermeistern auf einer Landstraße bei Lüneburg durch die Herren von Veltheim, die mit Braunschweig in Fehde lagen, gefangen genommen und in Greifenhagen (ehemals Westpommern, heute Gryfino in Polen) für zwei Jahre festgesetzt. Man verlangte 500 Gulden (bzw. bei Muther: 5000 Gulden) Lösegeld von der Stadt Braunschweig, die zum Freikauf ihres Syndicus verpflichtet war. Dies war so im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 1494 festgelegt worden. Siehe hierzu Steinführer, Ein Syndicus, S. 186–192, besonders S. 189. Die Umstände dieser Gefangenschaft sind ungeklärt, dennoch kam Cuppener frei und ist bis ins Jahr 1500 noch in braunschweigischem Dienst nachweisbar. Forstreuter, „Cuppener“, NDB.

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Die Schrift Cuppeners richtet sich an die Dominikaner und die Kaufleute der Stadt.15 Sie ist Teil der Bußliteratur für Beichtväter und bereitet juristisches und theologisches Wissen über den allgegenwärtigen Sachverhalt der Wucherbekämpfung sowie der Kaufmannschaft für die geistlichen Berater städtischer Oligarchen auf. Damit ist sie in denselben Kontext wie die franziskanischen und dominikanischen Traktate aus Italien einzuordnen, deren Autoren als Berater der städtischen Elite die Aufgaben von Mediatoren zwischen kirchlichem und weltlichem Recht und der sich verändernden Wirtschaftspraxis des Spätmittelalters übernahmen. Insofern ist Cuppener eindeutig dem klassischen mittelalterlichen Kanon der Traktatliteratur zuzuordnen, zitiert er doch neben der Bibel vor allem altbekannte Autoritäten, wie das Corpus iuris civilis canonici, verschiedene Päpste, Thomas von Aquin, Duns Scotus, die Kirchenväter, usw. Deutsche Autoren und Werke des 15. Jahrhunderts fehlen bei ihm. Als städtischer Rat in Rechtsfragen seit 1494 im Dienste Braunschweigs und als Rechtsgelehrter verkörpert Cuppener zugleich die professionell gebildete Verwaltungselite des Reichs. Doch blicken wir auf nun auf den Quellentext selbst und auf die darin formulierten Ziele seiner Abhandlung: Aus diesem buche das aus dem latein in deutzsch transferirt und gesatzt ist lernet man, was wucher ist und wie man sich vor wucherischen hendeln, wechsselen und unrechten kauffmanschaften und andern werntischen unrechten hendeln hutten sal und sein gewissen, gegen got und seine nechsten nicht beschweren, und was der bergk ist der mildigkeit in arme leute von deme deutschen lande vormals nye gewußt haben. Und wurume solcher in wellischen landen gefunden und aufgesatzt worden ist.

Im ersten Teil des in drei thematische Teile gegliederten Buchs widmet sich Cuppener ausführlich dem Thema Wucher, insbesondere dem Wechselgeschäft und den daraus resultierenden Gewinnen. Bei seiner Bewertung der Wucherproblematik bleibt er dabei den klassischen Lesarten Aristoteles’ und Thomas’ verpflichtet. Er beschreibt als Wucher alles, was über die Hauptsumme hinausgeht und betont die Bedeutung der Intention bei der Verleihung von Geld.16 Er widerlegt in Form der quaestio die möglichen Argumente der Kaufleute, die unbewusst (ohne Wissen), gemeinschaftlich handelnd oder aus Gewohnheit17 Gewinn aus Wechselgeschäften zögen. Auch beim Fall des See-

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Gote czu lobe, gemeinem nutze czu gutte, und czu troste uns seligkeit aller cristgläubigen selen gemacht und vollendet auff bethe der cristlichen beichtveter des heiligen ordens der prediger bruder […] die yn solliche ratlege umd mancherlei sachen und felle, die sich in der beichte begeben und auch umb bete willen namhafftiger erbar kauffleute, die irer selen seligkeit vor alle czeitliche werntliche gutter seliglichen bertracht haben. Cuppener, Schons Buchlein, fol. 3. Cuppener, Schons Buchlein, fol. 5: Du salt auch wissen, sprechen die heiligen recht und got selbst das auch allein die hoffnung die ein mensch trage etwas uber das entliche hauptgelde oder des geldes wert ist czu nehmen, es sey wie geringe das sey ein wucher macht. So das ein mensch durch solche seine bloße hoffnung gegen got dem almechtigen und auch seinem eben cristen menschen ein wucherer ist. Ausführlich ebd., fol. 12.

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handelsvertrages – hier bezieht es sich auf die Bulle De Naviganti – sei es unrecht eine Kompensation als Surplus für das darin enthaltene Risiko zu verlangen.18 Wucher, der für Cuppener nichts anders ist, dan eins menschen unordentlicher wille und begirlichkeit durch welchen einen mensch durch aufgelihen gelt und geldes wert etwas uber die hauptsum nimpt oder hofft czu nehmen, auch wie wenig ein solche ubergabe gesein magk,19 gilt ihm als Zeitdieb,20 als Sünde der Faulheit, Götzenanbetung und vor allem als Verstoß gegen geltendes Recht.21 Doch schreibt er dem Wucher auch einen Beitrag zum gemeinen Nutzen zu und betont, dass der christliche, also aus Nächstenliebe motivierte Wucher zu moderaten Zinsen noch schlimmere Entwicklungen, wie Kriminalität, Prostitution, und anderes verhindern könne.22 Dies sei mit päpstlicher Approbation in einigen Ländern Brauch. Dennoch bedürfe es der Regulierung solcher Praktiken. Nun folgen 13 Fälle,23 in denen die Aufnahme eines verzinsten Darlehens als legitim erklärt wird. Als Beispiele werden angeführt: die Verpfändung von fruchtbarem Lehngut an Kirchen und Klöster, die Verpfändung einer Mitgift, der Kauf auf Wiederkauf eines liegenden oder stehenden Gutes, ein Darlehen an einen Reichen um der Repräsentation willen, im fünften Fall wird die Entschädigung bei Zahlungsverzug (damnum emergens) genannt. Im sechsten Fall wird das Darlehen mittels eines Bürgen abgesichert, der dann einen Zins (also auch ein damnum emergens) fordern kann. Siebtens werden die Ewigrente und die Leibrente beschrieben. Hier argumentiert Cuppener klassisch mit der Rente, die bei ihm nicht Darlehen, sondern Kaufvertrag ist. Der Fürkauf hingegen wird eindeutig als Wucher gebrandmarkt. Gleiches gilt für den Fall einer freiwilligen Zinszahlung „um des Geldes willen“, wie im neunten Fall beschrieben. Bei der Verleihung von Naturalien hingegen sei die darin enthaltende Arbeit der Produktion mitzudenken. Daraus folgt, dass in jenem Fall ein aufgelt verlangt werden könne. Im elften Fall schließlich wird die Vormundschaft oder Vorsteherschaft (über eine Kirche) und das sich daraus ergebende Recht zur Investition des Eigentums eines Kirchenmündels gegen Zins thematisiert. Auch im Kriegsfall scheint es Cuppener legitim vom Feind Zinsen zu verlangen, wie im zwölften Fall geschildert wird. Auch Witwen, die über Vermögen verfügen, dürften dieses (dazu zählt auch ihre Mitgift) gegen einen Zins anlegen, beispielweise bei einem Kaufmann, einer Bank oder Kaufmannschaft. Auch hier wird die verliehene Zeit und der verpasste Gewinn (lucrum cessans) sowie der prekäre soziale Status der Witwen als Grund angegeben: wy die 18 19 20 21 22 23

Ebd., fol. 6 f. Ebd., fol. 7 Ebd., fol. 8. Ebd. und die folgenden Seiten: Hier führt er sowohl das biblische Recht als auch das weltliche Recht an. Ebd., fol. 12–14. Ebd., fol. 22–26, hier fol. 22: Nun saltu furder mercken etzliche felle und casus, die die heiligen recht aufgesatzt haben oder durch recht czugeben und czulassen, das einer uber seine hauptsum magk czimlichen ein ubergelt und nutzt und frommen nehmen. Und ist nicht wucher.

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witwen dorumb dass sy miserabiles und durfftige personen sein. Nach diesen Fällen bestätigt Cuppener nochmals die Legitimität des Schadenersatzes sowie der Kompensation für entgangenen Gewinn und das stipendium laboris, etwa für Botendienste bei Handelsgeschäften. Danach folgt eine kurze Abhandlung über Nächstenliebe als ein Motiv für die Geldleihe.24 Nochmals wendet er sich nun den Wechslern und Händlern zu und thematisiert erneut deren vermeintliche Hoffnung auf Gewinn als unziemliche Triebkraft ihres Handelns. Die Motive und Umstände der Handlungen legitimieren die Kalkulation auf Mehrwert, der Unterhalt des eigenen Lebens, die investierte Arbeit sind Größen, die das Gewinnstreben rechtfertigen, so beschreibt es Cuppener. Nach der ausführlichen Abhandlung über den Wucher wendet sich Cuppener im zweiten Teil des Traktats dann den Montes Pietatis zu. Mit folgender Definition leitet er diesen Teil ein: Hie hebet sich an ein schone material dy do in welschen landen in grossen steten gantz gemein ist. Und ist armen leuten czu nutze und czu trost irer narunge gotlichen gefunden aufgesatzt und geordent worden und werden dodurch der wucher und alle wucherische hendel vortilget und ist czu latein genant Mons pietatis das ist czu deutsch geheissen ein bergk der mildigkeit.25

Armenfürsorge und Wucherbekämpfung seien die beiden Ergebnisse der Einrichtung, die er für die deutschen Lande, in denen es ebenfalls genug schädlichen jüdischen und christlichen Wucher gebe, empfiehlt. Der Grundstock Geldes, etzliche tausend Gulden, solle durch Almosen frommer christgläubiger Leute und wenn nötig auch aus Darlehen reicher Bürger26 zusammenkommen. Die Städte sollten für die Einrichtung des Monte und die Anmietung eines Hauses sowie die Bestellung des Personals sorgen, die dann den armen und gemeinen frommen Bürgern wie auch an Bauern Geld gegen Pfand ausleihen sollten. Die Leihdauer solle ein halbes oder ganzes Jahr betragen. Pro Gulden solle ein halber Groschen Geldes ubergobe gezahlt werden, davon seien die Hausmiete, die Diener und Faktoren zu bezahlen.27 Das übrige Geld solle dem Monte zufließen und somit dem Wohl der Armen dienen: also lagen dass sich der bergk mit der czeit also meret und in ein gedeien steiget und erhoet, das man furder uber dy hauptsum keine ubergabe bedarff czu nemen. Wenn der Monte genügend Kapital angesammelt habe, solle man also auf einen Zins verzichten. Diese Empfehlung entspricht der kritischen Haltung einiger italienischer Gutachter der Monti sowie der Praxis einiger von ihnen, die die Zinsnahme als notwendiges Übel sahen und wenn möglich, darauf verzichteten. Cuppeners Schrift entstand sieben Jahre vor dem 5. Laterankonzil und der darin legitimierten Zinsnahme zum Erhalt des Monte. Es zeigt die immer noch schwelende

24 Ebd., fol. 29. 25 Ebd., fol. 38. 26 Ebd., fol. 39. 27 Ebd.

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Auseinandersetzung mit dem traditionellen Kirchenrecht bzw. das Unwohlsein gegenüber der Zinsnahme. Auch der Verkauf der Pfänder nach Ablauf der Leihdauer wird – analog zu den italienischen Statuten – vorgestellt, wobei der erzielte Gewinn (nach Abzug der Darlehenssumme und des Aufgeldes) an denselben armen Menschen zurückgegeben werden solle. Cuppener führt nun in der gewohnten Art eine Reihe von Fragen und Antworten über den Monte an. Zunächst bekräftigt er die heilsgeschichtliche Bedeutung der Armenfürsorge durch die Reichen, die den himmlischen Lohn für ihre Mildtätigkeit als Förderer des Monte erhalten. Dann thematisiert er die altbekannte Frage, ob der Monte selbst wucherische hendel treibe, indem er Zinsen auf die Kredite nimmt. In acht Punkten führt er zunächst die möglichen Vorwürfe gegen den Monte an, um danach die solutiones für diese Probleme zu nennen. Die Vorwürfe beziehen sich zum Teil auf das Kirchenrecht und die biblischen Bestimmungen gegen den Wucher. Man verstoße gegen die Gebote des Lukasevangeliums (Luk 6) und des alten Testaments (Deuteronomium 24), wenn etwas über die Hauptsumme auch nur erhofft werde.28 Das aufgelt sei schädlich für die Armen. Zudem nehme der Monte dem Armen seine letzten Kleider als einziges Gut weg und verschlimmere damit noch dessen Lage.29 Auch die Ziele der Zinsnahme, nämlich die Auszahlung der reichen Förderer, die Entlohnung der Diener und die Mehrung des Monte durch das Aufgelt auf Kosten der Armen seinen unrechtmäßig. Zu den praktischen Verstößen, die aus dem Geschäftsgebaren des Monte resultieren gehören weiterhin die Verleihung von Geld an reiche Freunde der Beamten des Monte, die in der siebten Ursache erwähnt werden sowie schließlich die Einrichtung der Monti durch Fürsten und Regenten, die eher die Reichen als die Armen förderten.30 Cuppener beschreibt daraufhin sechs Formen von contracten, durch die er die Vorwürfe entkräften will:31 Der erste Kontrakt bestehe zwischen dem Monte und allen seinen Spendern, der zweite zwischen dem Monte und den reichen Förderern, der dritte zwischen den Armen und den Dienern, deren Lohn legitimiert wird. Der vierte Kontrakt betrifft die Armen und die Reichen, wobei die biblisch auferlegte Fürsorgepflicht der Reichen für die Armen betont wird. Im fünften Vertrag wird die Aufgabe der Vorsorge und Fürsorge den Fürsten und Regenten zu28

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Ebd., fol. 40: die ander ursache der obgemelte bergk der mildigkeit vorkert das heilige evangelische gesetze unsers liben herren iesu cristi das do spricht uns gebeut Luce vi. c. das man seine eben cristen menschen leihen sol und nichts dovon erhofen, aber in diesem berge vorhofft man sich allein uber die hauptsum etwas aufgeldes, besunder man brengt es in ein pact von vorbint den armen menschen das er mus das auffgelt beczalen uber ein halb iar oder ein iar. Ergo. Ebd., fol. 40, die vierde Ursache […] So du von deinem nechsten wirst nemen czu pfande ein cleidt, gib im solch cleidt wieder eher die sonne czu gnaden gehet, dan das cleidt hat er allein domit er sein fleisch bedecket und hat nichts anders dorauf er slafen magk. […] Aber dieser bergk der mildigkeit der gibt dem armen sein pfant nicht wider vor der czeit das dy sonne czu gnade gehet, sunder behelts ein halb oder ein gantz iar und dornach wu es der arme nicht loset, so vorkufft ers. Ebd., fol. 41. Ebd., fol. 42 f.

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geschrieben und im sechsten die Rolle der Armen als Förderer des Monte durch den Zins ausgeführt. Bemerkenswerterweise ordnet der Rechtsgelehrte dem Staat bzw. der Obrigkeit die Verantwortung für die Versorgung seiner Untertanen zu. Das Gemeinwohl und die Wohlfahrt sind nun staatliche Aufgabe der Fürsten und Regenten. Cuppener formuliert dies zum fünften Kontrakt wie folgt: und dies ist proprie nicht ein contract besunder ein burgerliche und iconomysche vorsichtigkeit.32 Zugleich werden die Armen selbst als Träger des bonum commune beschrieben: und meren iren bergk dem gemeinen nutzen und yn selbst zu gute domit und auff das mit der czeit die armen dester besser mogen vorsorget werden. Hier treffen wir auf den Keim des Gedankens eines genossenschaftlichen Wohlfahrtsprinzips, bei dem sich die Gemeinschaft selbst hilft. Cuppener schlussfolgert am Ende dieses Absatzes: darum ist czu beschliessen aus oben angezeigten gründen der wahrheit, das der obgemelte bergk der mildigkeit ein gros gotlich werck ist und einen gemeinem nutzen und armen leuten gantz zutreglich und gut sey.33 Nochmals betont er daraufhin den spezifischen Nutzen des Monte: zum einen die Not der Handwerker und ihrer Familien zu lindern, sie vor Kriminalität und Prostitution zu schützen. Als weitere Sünde, die mit der Not einhergeht, beschreibt Cuppener den Müßiggang, dem die Stadtoberen Einhalt gebieten sollen.34 Demgegenüber stellt er die Lohnarbeit als Tugend dar und betont – neben der moralischen Verbindung zwischen Fleiß und Wohlfahrt – die aktive Beteiligung der Armen selbst an der Linderung ihrer Lebensumstände. Hier liegt auch der Unterschied zur simplen Gewährung von Almosen, die keine aktivierende Wirkung auf die Armen ausüben. Der Autor wendet sich nochmals den genannten Vorwürfen gegen den Monte zu und rechtfertigt dessen Existenz als Gut der Armen selbst, die ihn durch ihre Zinsen (hier mag man den Zins als Depositum lesen) nähren und weiterentwickeln. Der Geldvorrat stiege dadurch stetig an, die Trägheit und der Müßiggang werden durch die vom Monte induzierte Rückzahlungsverpflichtung und damit durch die angestoßene Arbeit der Schuldner bekämpft.35 Auch die Klientel, die nicht zu den ganz Armen zu rechnen sei, wird erwähnt. Der gantz arme Mensch wird hier als Empfänger von Geld der Hospitäler beschrieben, der seine Kleider und seine Bettstatt nicht verlieren dürfe. Der Lohn der Diener und Vorsteher sei zudem als stipendium laboris zu verstehen und damit als nicht wucherisch zu bewerten. Cuppener verweist hier auf den Leihevertrag als legitime Vertragsform. Der Vertrag zwischen dem Armen und dem Diener ist ein contractus locationis und conductionis, wonach die Arbeitsleistung verliehen werde. Dem missbräuchlichen Verleihen

32 Ebd., fol. 43. 33 Ebd. 34 Ebd., fol. 44: Darumb ist es hoch von noten, das die regenten in einer stat und commune ein sunderliche auge und aufsehen haben sollen auff solche mussigkgenger und sollen yn solch nicht gestatten. 35 Ebd., fol. 45.

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von Geld an reiche Freunde durch die Beamten des Monte sollten die Bischöfe und Regenten durch Statuten vorbeugen.36 Das letzte Argument betont nochmals die vatergleiche Rolle der Regenten und Bischöfe, die gezielt die Tätigkeiten der Monti regulieren sollen. Cuppener bricht seine Abhandlung an dieser Stelle unvermittelt ab und verweist als allerletztes auf die Bulle Innozenz’ VIII. (Ad sacram Petri sedem), der die Monti in einem Schreiben an Bernardino da Feltre vom 29. November 1486 legitimierte. Der dritte Teil des Traktats beschäftigt sich mit den Kaufmannschaften und folglich den rechten und unrechten Gewinnen der Kaufleute aus solchen Handelsverträgen bzw. Handelsgesellschaften.37 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Cuppener die bekannten Argumente der italienischen Gutachter wie Annio da Viterbo und Fortunato da Coppoli in seiner Empfehlung recht genau wiedergibt, was auf eine Rezeption der zeitgenössischen Texte möglicherweise im Rahmen seinen Rechtsstudiums in Bologna schließen lässt. Innovativ jedoch betont er expliziter als seine italienischen Vorgänger die Rolle der Regenten und Landesherren für die Wohlfahrt und das Gemeinwohl. Gleichzeitig – und auch dieses Argument scheint neu – sind die Armen es selbst, die den Monte durch die Zinsen als Depositum am Leben halten und mehren. Die Idee einer genossenschaftlichen Bank unter staatlicher Kontrolle drängt sich an dieser Stelle auf. Cuppener wendet sich in seinem Traktat als Rechtsexperte und Politiker an die prominenten Dominikaner als Beichtväter der Kaufleute und Stadtoberen im nordalpinen Raum, die – zumal in Leipzig – viel stärker als die Franziskaner als Kommunikatoren und Befürworter der Monti auftreten konnten. Auch in Italien gab es unter den Unterstützern der Monti einige Dominikaner, beispielsweise Annio da Viterbo. Die Frage nach dem ausbleibenden Erfolg des Vorschlags Cuppeners zur Einführung der Leihhäuser lässt sich vorläufig mit dem Verweis auf andere Absicherungsmechanismen und Institutionen der Armenfürsorge als in Italien beantworten. Die Ordnungen der deutschen Innungen zeigen eine flächendeckende soziale Absicherung, die in ihrer Netzwerkstruktur möglicherweise eine ausreichende Versorgung sicherstellte. Henning Steinführer hat darauf hingewiesen, dass insbesondere im „sächsischen“ Recht der Familie als Versorgungseinheit eine hohe Verpflichtung zur Fürsorge zugeschrieben wurde, die sich von der Situation in den italienischen Kommunen unterscheidet. Zudem sicherte das sächsische Recht auch die Versorgung von Waisen im Kontext

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Ebd., fol. 46: oder das selbige gelt nicht den armen bedurfftigen besonder iren gefreundeten und den reichen czu leihen und was solchs geschiet, das geschiet aus der diner eigen mutwilliger boßheit und dorumb sollen dorauf bischoff und regenten vordacht sein und statuta machen domit man solchem furnemen vorkommen moge. Ebd., fol. 46–71.

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kommunaler Fürsorge.38 Es existierten bereits Armenkassen, die Spenden für arme Töchter sammelten. Die Ratsbücher Leipzigs belegen, dass der Stadtrat als Institution für die Absicherung von Kleinkrediten zuständig war, man kann daraus folgern, dass die Stadtregierung es nicht für nötig erachtete, ein öffentliches Leihhaus einzurichten. 7.1.2 Montes Pietatis im Traktat Paul Jacob Marpergers (1715) Obgleich die versuchte Etablierung städtischer Leihhäuser nur wenig Erfolg hatte, empfahlen noch im 18. Jahrhundert Autoren die Einrichtung von Monti di Pietà im deutschsprachigen Raum als Teil einer Wirtschaftspolitik, die die Armenfürsorge bzw. die Vorsorge und Versicherung gegen Armut als Teil einer staatlichen Wohlfahrtspolitik betonte. Der bayerisch-sächsische Jurist und Kameralist Paul Jacob Marperger39 (1656–1730) plädierte 1715 in seinem 500seitigen Traktat, in dem er über 170 Seiten dem Monte di Pietà widmet, vehement für die Einrichtung solcher Montes in deutschen Städten und stellt diese zusammen mit anderen Institutionen wie Wittwen- oder Todten-Cassen und Lotterien zur Unterstützung ärmerer Bevölkerungsteile vor. In der Vorrede lobt er die Policey als ordnungsstiftende Einrichtung und konstatiert dennoch einige desideranda, die ihn dazu bewogen haben, die Abhandlung über weitere, Schaden abwendende Verbesserungen zugunsten des gemeinen Wohls zu verfassen.40 Über seine antijüdische Intention kann kein Zweifel bestehen, ragt dem Betrachter des Titels doch das Frontispiz mit der Bildunterschrift: Hier leyhet man auf Pfand, Jud pack dich aus dem Land, ins Auge. Während drinnen der jüdische Pfandleiher seinem Geschäft nachgeht, stehen draußen die Armen und raufen sich die Haare O weyh, o weyh rufend. Die hier deutliche Verquickung von Judenfeindlichkeit und empfohlener Nächstenliebe (aber nur für Christen), wie sie auch in den Gutachten und Predigten sowie Statuten der Monti des 15. Jahrhunderts aufscheint, ist auch im 18. Jahrhundert nicht abgeklungen. Im Gegenteil, die bildliche Darstellung und der zitierte Spruch zeigen umso deutlicher, gegen wen sich die Einrichtung der Monti eigentlich richtete. Dieses Motiv wird sprachlich 38

Die Leipziger Ratsbücher 1466–1500. Forschung und Edition, Bd. 1, ed. Henning Steinführer (Quellen und Materialien zur Geschichte der Stadt Leipzig 1), Leipzig 2003, online unter: https://static. leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.1_Dez1_Allgemeine_Verwaltung/ 10.9_Stadtarchiv/Schriftenreihe/Ratsbuch_Bd_1_Druck.pdf (09.06.2020). 39 Siehe Hans Jaeger, Marperger, Paul Jacob, in: NDB 16 (1990), S. 234 f. 40 Marperger, Montes Pietatis, Vorrede, S. 2–5. Daneben nennt er weitere Themen zum Wohl der städtischen Ordnung, die auf seiner Agenda stehen: Feuerordnung und -kassen, den Verkauf von Zivil- und Militärdiensten, eine Gesindeordnung, eine Stadt- und Gassenordnung, die Einrichtung von Armenhäusern, Hospitälern, Lazaretten und Pesthäusern, Waisenhäuser, Zucht- und Spinnhäuser. Daneben stehen städtische Versorgungseinrichtungen, wie Provianthäuser, Getreidemagazine, die die Versorgung mit Getreide und die Preisstabilität gewähren sollen, ebenso eine vollständige Speise- und Kleiderordnung, etc.

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Abb. 16 Frontispiz des Traktats Marpergers mit der Bildunterschrift

aufgegriffen im ersten Kapitel der Abhandlung: Dort heißt es über den Monte, er sei ein: Hülffs-haus durch welches in grossen Städten und Republiken, manchem ehrlichen Mann in der Stille und Enge mit baarem Gelde kann ausgeholfen werden und doch nach und nach durch die Obrigkeit ohne einigen ihrem Schaden ein nahmhaffter Vorrath baaren Geldes, Goldes und Silbers gesammelt werden, wobei die zweite Dimension seiner Funktion ebenso deutlich benannt wird: oder ein heilsames Hülffsmittel wider die Juden und Wucherer, welche die Christen und arme Bürger durch ihren unerträglichen Wucher bis auffs Blut aussaugen.41 Hier befindet sich Marperger ganz im Deutungshorizont des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts, als Förderer wie Bernardino da Feltre oder auch Christoph Cuppener die Monti vor allem als Alternative zur jüdischen Pfandleihe anpriesen und damit deutlich die Verschränkung der Legitimierung eines christlichen Kreditwesens mit der stereotypen Verurteilung der jüdischen Geldleihe aufzeigten.

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Marperger, Montes Pietatis, S. 1 f.

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Sachlicher heißt es dann zur Definition der Monti di Pietà: Cajetanus42 nennt einen Montem Pietatem eine zum Nutzen der Armuth zusammengebrachte und deputierte Summam Geldes, welche frommen Christlichen und ehrlichen Männern mit der Condition unter Handen gegeben wird, dass sie 1. dieses Geld in gute Verwahrung nehmen und jederzeit sich bereit halten sollen solches unter die Nothleidende und Bedurfftige jedoch nur auf gewisse Zeit (damit nemlich dieses beneficium vielen könne mitgeteilet werden) auszuleyhen 2. Dass sie von denen, die solche Gelder empfangen Pfand zur Versicherung nehmen und selbige auf ihre eigene Gefahr in einem wohl verwahrten Hause bewahren, auch innerhalb Jahr und Tag wann nemlich die Leute das entlehnte Geld wiederbringen, ihnen ihre Pfande wieder zurück geben oder so solche nicht eingelöset worden, selbige verkauffen und was mehr daraus kommt als darauf gelehnet worden ist, selbiges dem Eigenthümer oder Versetzer wieder zustellen; über alles aber richtig Buch und Rechnung führen sollen, damit der Mons Pietatis so viel besser bestehen könne. 3. Daß sie monatlich von dem ausgeliehenen Gelde gewisse Zinse fordern und solches nicht eben um des Montis sein Capital zu vermehren, sondern zur Bezahlung derer Leyh-haus-bedienten und des Zinses oder der Miete, welche man etwa von einem solchen Hause geben müsste. Aus welchem sattsam erhellet, was eigentlich unter dem Wort Mons Pietatis verstanden werde.43

Die Vorteile des Monte gegenüber privaten Pfandleihern sei die Verschwiegenheit und Diskretion über die Schulden sowie die sichere Aufbewahrung der Pfänder. Diese würden im Monte bleiben, nicht anderweitig genutzt oder gar versetzt werden.44 Marperger spricht auch von bereits existierenden „Leyh-Banquen, Lombarden und Accidents-Häusern“, die in Hamburg, Nürnberg und Amsterdam zu finden seien.45 Als Gegenbeispiel zu diesen nützlichen Montes führt er ausgerechnet den römischen Monte als monte impietatis an. Hätten doch der Papst und seine Günstlinge den Monte zugunsten ihrer eigenen Interessen in eine Anstalt für Leibrenten umgewandelt und somit zweckentfremdet.46 Auch würden zum Teil sehr hohe Zinsen für Einlagen gegeben, die die Kunden zum Müßiggang verleiteten.47 Löblich erwähnt Marperger Parallelinstitutionen, wie die auch in Deutschland existierenden Braut- und Jungfern-

42

Iacobus de Vio, OP und päpstlicher Legat zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Hier bezieht er sich auf dessen 1498 geschriebenen Traktat De Monte Pietatis. 43 Marperger, Montes Pietatis, S. 2. 44 Ebd., S. 3 und S. 20 ff. 45 Ebd., S. 5 f. 46 Tatsächlich wurde der römische Monte im Verlauf der Jahrhunderte immer mehr zu einer Art päpstlicher Staatskasse. Man fragt sich natürlich, woher Marperger diese Meinung hat, und könnte vermuten, dass er die Schrift Lucerna dell’anima Agostino di Montalcinos vom Ende des 16. Jahrunderts kannte und hier dessen Kritik am römischen Monte übernimmt. Vgl. zu Montalcino Kaptitel 2 und 6 dieser Studie. 47 Marperger, Montes Pietatis, S. 7 ff. Er bezieht sich hier auf kirchenkritische Schriften seiner Zeitgenossen, wie Hermann Latherus’ De censu, tractatus nomico-politicus, lib. 3, cap. 23 § 6 (erstmals 1618) sowie auf Dorotheus Ascianius’ Monte pietatis Romanenses von 1670 und auf Christoph Besolds De Aerario publico discursus, cap. 3, S. 38. Aus dem Jahre 1620.

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kassen, die bei Geburt eines Mädchens eingerichtet wurden und aus denen die jungen Frauen im Alter von 18 Jahren ihre Aussteuer bezogen.48 Darüberhinaus preist Marperger auch die Hilfskassen der Bruderschaften und Zünfte. Äußerst bemerkenswert ist, dass Marperger bei der Thematik „Wucher“ und seiner Kontrolle im zweiten Kapitel (Von dem Schaden, der einer Stadt der Gemeinde dadurch entspringet, in welcher dergleichen Armen-Häuser aufzurichten verabsäumet und nicht groß geachtet wird) keinerlei mittelalterliche Theologen anführt, sondern ausschließlich antike Quellen wie Justinian, Julius Cäsar und Sallust, zudem die Bibel und neuzeitliche Regulierungen. Wie erwähnt, geht es ihm hier ganz klar um antijüdische Propaganda, er klagt aber auch die scheinbar indifferenten Christen an, die einem armen Schuldner nicht beikämen und sein Pfand für ihn einlösten49 bzw. keine öffentlichen Leihhäuser einrichteten, obwohl sie es vermochten. Der Monte wird als „Damm“ oder „scharfes Messer“ wider die Juden beschrieben, der Wucher sei der Tod der Seele, der Wucherer greife dem Bürger nach der Kehle und naget ihm das Herz und die Eingeweide ab.50 Das Motiv des Shylock ist auch über hundert Jahre nach seiner literarischen Schöpfung noch präsent. Marperger definiert im Gegensatz zu dem in der scholastischen Tradition stehenden Cuppener den Wucher erst gar nicht, er beschreibt ihn vielmehr als allumfassende Ursache gesellschaftlichen Übels und schildert die Maßnahmen weltlicher Herrscher (mittels Reichsabschieden wie denen von 1500, 1555 und 1577 aus Augsburg)51 gegen diesen. Aus dieser Notlage der Menschen wie des publico heraus müssten die Montes eingerichtet werden. Im Schaden des Einzelnen sieht er auch den Schaden der ganzen Gesellschaft.52 Eine gemeinnützige Bank hingegen schütze vor Verarmung und Abwanderung der Bürger. Der Monte sicherte also das Überleben der kleinen Leute, z. B. des Handwerkers, der Materialien benötigte ebenso wie des kleinen Angestellten, der seinen Lohn zu spät erhält, um rechtzeitig auf den Markt gehen und seine Wocheneinkäufe an Lebensmitteln tätigen zu können. Außerdem seien die hinterlegten Pfänder in den Privathäusern der Wucherer nicht sicher.53 Hier schlägt das Vertrauen in die öffentlichen Einrichtungen durch, bei denen die Pfänder nicht in Gefahr gerieten, verkauft, gebraucht oder beschädigt zu werden. Es bliebe aber immer das Problem die Rechtmäßigkeit eines Pfandes gänzlich zu garantieren, da auch bei einem Monte gestohlene Pfänder von un48 49 50 51 52

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Marperger, Montes Pietatis, S. 10. Ebd., S. 22. Ebd., S. 12 ff. Ebd., S. 17. Ebd., S. 24: wann nun solche Güter und mit denenselben der Credit weg ist, so liegt die Handlung und Contoir, folglich seine Res familiaria, und auch der Stadt Einkommen […] darnieder, es leiden darunter die geringeren, die von seiner Handlung Gewinn und Verdienst gezogen und die Stadt hat endlich […] einen Bürger weniger. Ebd., S. 26.

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bekannten oder dritten Personen gegen Geld getauscht werden konnten. Das betont Marperger54 und setzt gleich hinzu, dass man hiergegen Statuten verfassen müsse. Neben einer Vielzahl an antijüdischen Stereotypen bringt er auch das Argument eines gewissen Doktor Wagenfeil55 an, die Christen seien durch ihren Lebensstil selbst schuld am Wucher, sie vertreten die Juden ja zudem als Geldgeber, wenn diese nicht da seien. Im dritten Kapitel über das Grundkapital eines Monte und woher es kommen kann, stellt Marperger die Frage voran: Wie ist ein solches Unternehmen ohne des publici Beschwerung, also ohne eine Kreditaufnahme zu leisten? Um eine schädliche Belastung der Gemeinschaft durch die Einrichtung eines Monte zu vermeiden, schlägt Marperger vor, das Geld bei einer Kaufmannsbank, wie sie bereits in Hamburg oder Amsterdam existieren, auszuleihen. Deren großer Nutzen sei bewiesen, da viele Anleger der Bank Kapital einflößten. Er beschreibt die Schwierigkeiten in kleineren Städten einen Monte zu etablieren, da die Gemeindekassen (wie die Feuerkasse, oder Schulen) selbst kaum Geld ohne Zinsen leihen würden. Daraus folgt, dass diese Monti doch einen Zins nehmen müssten, dass also anfänglich ein Mons Pietatis ohne Interesse-Geld nicht wohl in denen Städten, wo keine grosse Kauffmanns-Banquen seyn, sich etablieren lässet, daran ist aber nicht gelegen, omne initium grave. Marperger schlägt eine Reihe von Möglichkeiten der Kapitalschöpfung des Monte vor,56 die im Vergleich zu Cuppener eine wesentliche Weiterentwicklung öffentlicher Finanzpolitik sichtbar machen. Zum Ersten könne der Monte Geld sammeln durch eine General-Kollekte, die in allen Kirchen der Stadt empfangen werden könne. Dort könnte man an jedem zweiten Sonntag von Haus zu Haus gehen und sie als freiwillige Gabe einsammeln. Dieses Motiv der Spendensammlung kennen auch die spätmittelalterlichen Monti bereits. Des Weiteren könnten dem Monte Gelder aus Strafzahlungen und Bußzahlungen aus verschiedenen Gerichten (z. B. aus der Übertretung der Kleiderordnung) über einige Monate zufallen. Diese Maßnahme war in Rom seit 1584 durch Gregor XIII. ebenfalls schon erfolgreich verfügt worden. Hinzu kommen die Leitung und Durchführung städtischer Auktionen (z. B. von Hausrat und Büchern) durch die Beamten des Monte, aus deren Erträgen man ebenfalls weitere Einnahmen des Monte generieren könne. Obgleich die mittelalterlichen Statuten der Monti den Gewinn aus Auktionen grundsätzlich immer dem ehemaligen Schuldner zuschreiben, kann davon ausgegangen werden, dass – falls dieser beispielsweise nicht auffindbar war – das Geld an den Monte floss. Neu ist der folgende Vorschlag, der auf den im 54 55

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Ebd., S. 41. Ebd., S. 41–45. Hiermit ist sehr wahrscheinlich sein akademischer Lehrer Johann Christoph Wagenfeil gemeint. Der als „Polyhistor“ Bezeichnete war nach langjährigen Reisen durch ganz Europa seit 1667 Professor des Staatrechts und der Geschichte, später der orientalischen Sprachen in Altdorf bei Nürnberg, wo Marperger studierte. Unter seinen Schriften, die das „Grosse vollständige Universallexikon aller Wissenschaften und Künste“, Bd. 52, Leipzig/Halle 1747, S. 623–627 zitiert, stechen zahlreiche antisemitische Werke heraus. Marperger, Montes Pietatis, S. 50–54.

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17. und 18. Jahrhundert stark entwickelten und reglementierten Altkleiderhandel Bezug nimmt: Zusätzlich könnte der Monte die Jurisdiktion über Trödel- und Krempelbuden übernehmen, welche die Freiheit eine Fripperie anzufangen gegen ein Entgeld gewährten. Auch könnte man Einnahmen aus Lotterien generieren sowie möglicherweise die Einkünfte aus Kanonikaten auf ein bis drei Jahre oder eines ganzen Stifts auf ein bis zwei Jahre dem Monte zur Verfügung stellen. Sollten alle diese Maßnahmen der Finanzierung aus öffentlichen Mitteln nicht ausreichen, erst dann müsste sich der Monte bei privaten Kreditgebern Geld leihen. Auch erwähnt Marperger noch das englische Beispiel der „Barmherzigen Gemeinde zu Tränkung derer Armen“. Dieses zeige gutherzige Edelleute, Frauen und Kirchenmänner, die etliche tausend Pfund spendeten, woran sich auch die Königin angeschlossen habe und ebenfalls spendete. Im vierten Kapitel thematisiert er das geeignete Haus für die Pfandleihanstalt. Es sollte im Stadtzentrum liegen, damit die Armen und Bedürftigen es leicht erreichen konnten. Jedoch sollte es nicht zu exponiert sein, damit eine gewisse Diskretion gewährleistet würde.57 Es folgt eine Beschreibung der idealen Räumlichkeiten des Monte: ein weitläufiges Gebäude mit vielen Zimmern, einem Boden und Kellergewölben, die mit ihren verschiedenen Raumtemperaturen für die verschiedenen Pfandarten geeignet seien. Dazu sollte es einen Besprechungsraum, einen Empfangssaal, wo der Pfandmeister und der Kassierer sitzen, einen Kassen- und/oder Buchhaltungsraum sowie einen größeren ebenerdigen Raum für die monatlichen oder vierteljährlichen Versteigerungen geben. Auch sollten die Beamten ihr Quartier am besten im Gebäude haben, besonders der Pfandmeister sollte nahe an der Lagerstätte sein und diese übersehen können. Das fünfte Kapitel widmet sich den Aufgaben der Beamten und Bediensteten. Vorgesehen waren traditionsgemäß zwei Klassen von Bediensteten: die Vorsteher und die Diener. Die erste Gruppe sollte man aus den Ratsherren, den Patriziern, vornehmen Kaufleuten, Krämern, Handwerksältesten und Handwerkern rekrutieren, deren Produkte am häufigsten verpfändet werden, wie z. B. Goldschmiede, Schneider, Woll-und Leinenweber, Schuster, Trödelhändler. Die Expertise der im Monte tätigen Schätzer sollte durch ihre Profession garantiert werden. Der tägliche Umgang der Textil- und Schmuckhersteller wie auch der Altkleiderhändler prädestinierte sie für die Arbeit im Monte. Diese ehrenamtlich tätigen Experten sollten von der Bürgerschaft ernannt werden. Im Gegenzug sollten die übrigen Bediensteten einen Lohn erhalten: dies waren die Buchhalter, Kassierer und der Pfandmeister samt einem Aufwärter. Zu ihren Aufgaben heißt es: Der Buchhalter verzeichnet die Rechnungen sowie die aktiven und passiven Schulden, die Ein-und Ausgabe der Pfänder. Der Kassierer wartet die Pfänder und nimmt das Geld ein bzw. gibt es aus, während der Pfandmeister die Verwahrung

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Ebd., S. 54 f.

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und Konservation der Pfandobjekte überwacht und die Aufwärter verschiedene Aufgaben und Handreichungen, die nicht näher beschrieben werden, erledigen. Marperger betont im sechsten Kapitel über die Statuten der Monti, dass es sich um eine städtische Einrichtung handele. Die Beamten hätten sich demnach vor den Großen der Stadt zu rechtfertigen. Er schlägt vor, solch eine Anhörung einmal pro Quartal stattfinden zu lassen; auch könnten die Vorsteher wöchentlich den Monte im Rotationsverfahren kontrollieren. Bei den Auktionen sollten zwei Vorsteher anwesend sein. Er gibt zudem das Beispiel eines Formulars eines Pfandbelegs aus dem Hamburger Leihhaus sowie nicht näher benannte Beispielkapitel aus diversen Statuten.58 Die Leihdauer sollte keinesfalls länger als sechs Monate betragen, da sich so die Zinsen am besten berechnen ließen und die Schuldner ihre Pfänder nicht vergessen würden.59 Weiter beschreibt er die Versteigerung nicht eingelöster bzw. prolongierter Pfänder in diesem Kapitel. Im nächsten Teil (Kapitel 7) geht es um die Buchhaltung.60 Marperger schlägt die bekannte doppelte Buchführung mit Journal und Hauptbuch (sowie Nebenbüchern) vor und liefert zugleich beispielhafte Übersichten, wie die Einnahmen und Ausgaben von dem mit jährlich zweihundert Reichstalern entlohnten Buchhalter verfasst werden sollten. Hierbei nennt er nochmals die angedachten Einnahmequellen aus Kollekten, Gerichtsverfahren, Auktionen, Trödler-Freiheiten (Standmieten) und Lotterien sowie den eingenommenen Zins.61 Die Verwaltung des Gebrauchtwarenhandels wird auf mehreren Seiten eingehend beschrieben. Dem Monte käme hierbei auch die organisierende Rolle für den städtischen Secondhand-Markt zu. Sie sollten neben der Zahlung der Miete ebenfalls überwachen, wer das Privileg des Handels mit gebrauchten Waren innehatte und wer verstorbene Händler ersetzte.62 Im Gegensatz zur Beschreibung der Buchführung in den Statuten der Monti di Pietà des 15. und 16. Jahrhunderts ist die von Marperger erklärte Technik viel ausführlicher und mit Beispielen versehen, wobei die grundsätzlichen Abläufe gleich sind. So wird auch hier die Kooperation der einzelnen Ämter des Kassierers, des Buchhalters und des Pfandverwalters um der richtigen Bilanz willen betont. Das Kapitel beschreibt weiterhin die Pflichten des Pfandverwalters und des Aufwärters, einer Art Gehilfe. Schließlich nennt er auch einen angemessenen Zins in Höhe von acht Prozent (wovon zwei Prozent Schreibgebühr und sechs Prozent Rente sind) und stellt die interessante Frage, ob es im Monte denn auch möglich sein sollte, liegende Güter wie Häuser, Gärten und Landgüter zu verpfänden.63 Dass er diese Frage bejaht, zeigt eine Weiterentwicklung 58 59 60 61 62 63

Ebd., S. 77 f. Ebd., S. 80 f. Ebd., S. 88–110. Ebd., S. 90 f. Ebd., S. 94 f. Ebd., S. 108: Hier fragt sichs nun noch zum Beschluß: ob dergleichen Montes Pietatis, nechst denen beweglichen Pfändern auch auf liegende Gründe als Häuser, Gärten und Landgüter item actiones und

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des Gedankens dieser Form von Pfandleihe bzw. die Integration zweier Leiheformen, auf Immobilien und mobile Güter. Das alles, so betont er, dürfe aber nicht zu Lasten der Armenfürsorge gehen. Der Monte solle alle seine Überschüsse und Gewinne zunächst zum Wohle der Armen ausgeben und in andere Institutionen investieren. Neben der Pfandleihe thematisiert Marperger im neunten und zehnten Kapitel weitere Formen von Hilfskassen, zu denen er auch die Montes als Anlageinstitute zählt. Er beschreibt die italienischen „Braut- oder Jungfern-Cassen“ ebenso wie „Sterb- und Begräbnis-Cassen“, in denen angelegte und verzinste Summen zum Zeitpunkt des 18. Geburtstages einer jungen Frau bzw. nach dem Tod eines Anlegers oder im Krankheitsfall ausgezahlt würden.64 Neben den selbstfinanzierten Kassen schlägt er auch genossenschaftlich finanzierte Einrichtungen von Ehekassen oder Sterbekassen vor, in die jede/r einen kleinen Betrag von einem Thaler einzahlt und somit ein Geldfonds entsteht, aus dem wiederum im Fall einer Hochzeit oder des Todes hundert Thaler ausgezahlt werden. Im Krankheitsfall würden fünfzig Thaler ausgezahlt, da die Totenkassen in Zeiten von Seuchen und schwerer Krankheiten auch als Krankenkasse fungieren sollten. Auch für reiche Jungfern sei die Ehekasse eine Perspektive, könnten sie so ihr Geld anlegen. Die von Marperger vorgeschlagene Verzinsung der Einlagen sollte sechs Prozent betragen.65 Diese könnten auch als jährliche Rente ausgezahlt werden. Im weiteren Verlauf zieht er nochmals Parallelen zu Italien und beschreibt den rituellen Ablauf der Geldübergabe an die Frauen in Rom. Die dortige Bruderschaft der l’Annunciata in der Kirche della Minerva im Beisein eines Kardinals [sic] übergebe das Geld in kleine Säckchen verpackt, nachdem es in Weihwasser getaucht wurde.66 Die darauffolgenden Kapitel behandeln dann allgemein die Notwendigkeit karitativer Einrichtungen, wie Priester-, Wittwen- und Waisenkassen sowie Leibrenten und – sehr ausführlich – Lotterien unter Heranziehung zahlreicher Beispiele und Rechnungen aus dem deutschsprachigen Raum. 7.1.3 Zusammenfassung Der Kameralist Marperger schrieb seinen Traktat als praktische Handreichung über die policey, also die öffentliche Ordnung und die darin enthaltene Armenfürsorge als städtische Aufgabe. Es handelt sich demnach eher um ein pragmatisches denn ein wirtschaftstheoretisches Werk, das dennoch im Geist seiner Zeit – so könnte man

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Nomina einen Vorschuss thun können. Die Verpfändung von Wechseln, Schuldscheinen, Privilegien und anderen Dokumenten bejaht er ebenfalls, jedoch nur nach vorheriger gründlicher Information über die involvierten Personen und nach der Zustimmung des Vorstandes. Ebd., S. 110 f. Ebd., S. 141 und 120. Ebd., S. 151 f. und 130 f. Ebd., S. 163.

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verallgemeinern – die „Ökonomisierung der politischen Theorie“67 abbildet. Diese auf die Staatsraison bezogene politische Ökonomie schien in der Argumentation für die Einführung der Monti auch in den spätmittelalterlichen Traktaten des 15. Jahrhunderts und eben auch bei Cuppener auf. Dort klang die Wohlfahrt als Aufgabe der Regenten bereits deutlich an. Als ein indirektes Dokument zur Bevölkerungstheorie verbindet auch Marpergers Traktat die Sphären Staatsmacht und Ökonomie.68 Justus Nipperdey plädiert für die These einer Übernahme der „Einbeziehung wirtschaftsfördernder Maßnahmen als politische Instrumente in die deutsche politische Theorie seit dem ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts aus dem italienischen Staatsraisondiskurs“, die insbesondere im Beispiel Christoph Cuppeners eine Bestätigung findet. Hatte dieser doch als Jurist in Bologna mit der politischen Ökonomie und ihrer praktischen Anwendung bezüglich der Monti direkten Kontakt gehabt. Bei seinen Autoritäten, die er am Ende des Werks nennt, handelt es sich vorrangig um Zeitgenossen aus ganz Europa: Diese Rechtsgelehrten des 16. und 17. Jahrhunderts zitiert Marperger und stellt sich damit unmissverständlich in die Tradition der humanistischen Gelehrten.69 Hermann Latherus, den Verfasser eines 1.100 Seiten starken Steuertraktats aus dem Jahre 1618 sowie Johann Ruremund bezeichnet Nipperdey als Vertreter der aus Italien stammenden ideellen Integration von Staatsaufgaben und Ökonomie. Die Schrift Marpergers schließt darüber hinaus ganz konkret an den Kontext des entstehenden Versicherungswesens an. Die Monti als Absicherungsanstalten gegen Armut reihen sich ein in verschiedene Formen von „Hülffs-Cassen“, wie Witwenkassen, Brautkassen, Todeskassen, etc. Im Gegensatz zu Cuppener verzichtet Marperger auf die scholastische Herleitung der Rechtmäßigkeit der Montes als Institution und die Diskussion etwa des Zinses als Wucher. Er scheint seine Empfehlungen vielmehr direkt aus der ihm bekannten Praxis an anderen Orten (er nennt Hamburg, Amsterdam und Nürnberg) zu schöpfen. Zudem bringt er etliche Formulare für die Buchführung als Beispiele im Text, woraus man schließen kann, dass ihm solche vorlagen und dass er seine Abhandlung direkt für städtische Politiker und Beamte verfasst hat.

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Hierzu Justus Nipperdey, Ansätze zur Ökonomisierung in der Politiktheorie des frühen 17. Jahrhunderts, in: Hubertus Busche (Hg.), Departure for Modern Europe. A Handbook of Early Modern Philosophy (1400–1700), Hamburg 2011, S. 105–116, sowie ders., Bevölkerungstheorie und Idee der Armenfürsorge im 17. und 18. Jahrhundert: Gesellschaftsanalyse, soziale Steuerung und soziale Sicherung, in: Thomas Sokoll (Hg.), Soziale Sicherungssysteme und demographische Wechsellagen. Historisch-vergleichende Perspektiven (1500–2000), Berlin 2011, S. 169–197. Nipperdey, Ansätze, S. 106. Er bezieht sich allerdings auf den Staatstheoretiker Giovanni Botero (1544–1617) und andere Autoren des 17. Jahrhunderts, beschreibt diese Ideen als Basis für die „Ausbildung kameralistischer Theorien im weiteren Verlauf des 17. Jahrhunderts“. Er nennt u. a.: Iacobus de Vio / Thomas Cajetan (1469–1534), Dorotheo Asciano, den Polen Johannes Maccovius (1588–1644), Johannes Murmellius von Ruremund (1480–1517), den Husumer Ratskonsulat Hermann Latherus (1583–1640), die französischen Rechtsgelehrten Pierre Gregoire Tholosanus (1540–1617) und Claude de Saumaise / Claudius Salmasius (1588–1653), den Römer Sigismund Scaccia (1564–1634), einen Experten für Handelsrecht, sowie Christian Henelius.

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Marperger bleibt in seinen Vorschlägen zur Ausgestaltung der Organisationsweise und Funktion sehr nah am italienischen Original, obgleich er einige Neuerungen, wie die Verpfändung von Immobilien oder Wertpapieren einführt. 7.2 Die Einrichtung eines Leihhauses nach dem Vorbild der Monti in Nürnberg 1618 Im Anschluss an die Traktatliteratur, die die Einrichtung der Monti als Maßnahme zur Förderung des bonum commune empfiehlt, soll im zweiten Teil dieses Kapitels die Frage nach der tatsächlichen Einrichtung von Leihhäusern nach italienischem Vorbild im deutschsprachigen Raum am Beispiel Nürnbergs beantwortet werden. Neben Augsburg im Jahr 1603 ist Nürnberg die einzige Stadt im Reich, die einen solchen Monte errichtete.70 Die Motive für die Einrichtung des Hauses in Nürnberg waren die gleichen wie in Italien: temporäre Geldnot der Bevölkerung sowie die von den Stadtoberen angestrebte Verdrängung der jüdischen Geldleiher aus der Stadt. 1499 wurden die Juden offiziell aus Nürnberg vertrieben, nachdem bereits am 5. und am 21. Juli 1498 kaiserliche Privilegien Maximilians I. dies verfügt hatten.71 Deren Situation in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und die Geschichte ihrer Vertreibung bis 1499 hat Michael Toch 1984 in einem Aufsatz anhand detaillierter Studien der diplomatischen und Gerichtsquellen der Stadt nachgezeichnet. Er kommt zu dem überzeugenden Schluss, dass die Gründe für die Ausweisung der Juden, die im späten 15. Jahrhundert noch zwölf bis 15 Familien ausmachten, in der unklaren Rechtslage in Bezug auf die Einklagbarkeit ausstehender Schulden und den Umgang mit verfallenen Pfändern vor den städtischen Gerichten lag.72 Die Stadtoberen hätten bereits zu Lebzeiten Friedrichs III. versucht, dieses für sie offensichtlich wiederkehrende und juristisch unlösbare Problem durch die Vertreibung der Judengemeinde zu bewältigen. Im Zuge der Stadtrechtsreform im Jahr 1484 war bereits ein Zinsverbot für jüdische Kredite verhängt und jüdischen Gläubigern die Verfügungsgewalt über verfallene Pfänder genommen worden.73 Auch der Sprachgebrauch in Bezug auf die Juden

70 Hierzu die Dissertation von Hugo Krauss, Das Leihhaus der Reichsstadt Nürnberg und seine Pfandrechtsordnung, Nürnberg 1952, sowie die allgemein gehaltene Darstellung anlässlich des 400jährigen Bestehens des Leihhauses von Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg. 71 Der Text vom 5. Juli ist abgedruckt in: Julius Höxter, Quellenbuch zur jüdischen Geschichte und Literatur. Kleine Ausgabe, Frankfurt/Main 1935, ohne Seitenangabe. Die Urkunde vom 21. Juli 1498 ist im Staatsarchiv Nürnberg unter der Signatur StAN Rst. Nürnberg, Kaiserl. Privilegien, Urkunden 563 verfügbar. 72 Michael Toch, „Umb gemeyns nutz und notturfft willen“. Obrigkeitliches und jurisdiktionelles Denken bei der Austreibung der Nürnberger Juden 1498/99, in: Zeitschrift für Historische Forschung 11 (1984), S. 1–21, insbesondere S. 10 ff. 73 Ebd., S. 14.

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sei zunehmend negativer geworden. Ihre Bemühungen um die Ausweisung hätten erst unter Kaiser Maximilian I. im Jahr 1489 „Erfolg“ gehabt, wie die von Toch nachgewiesenen mehrmonatigen, zielstrebigen Vorbereitungen und Verhandlungen der städtischen Ratsmitglieder um rechtliche Absicherung der Vertreibung belegen, die schließlich in dem rückdatierten Mandat von 1498 kulminierten. Für die Ausstellung dieses Mandats waren dem Kaiser im Vorfeld 8.000 Gulden gezahlt worden.74 Verhandlungspartner am Hof war der Schatzkämmerer Balthasar Wolff, ein gebürtiger Nürnberger. Nürnbergs Ratsmitglieder wussten, dass nur ein königliches Privileg die endgültige Enteignung und Vertreibung der Juden aus der Reichsstadt ermöglichte. Die auf vier Einzeldokumente75 zurückgehende Urkunde verfügte zum einen die Vertreibung der Juden aus der Stadt, wobei sie ihre gesamte Habe einschließlich der liegenden Güter (dazu gehörten die Synagoge, Wohnhäuser und der Friedhof) dem Reichsschultheißen Wolfgang von Parsberg überlassen sollten. Grund hierfür seien die wucherischen Hendel und gewerbe, die die Bewohner aus ihrer „Nahrung“, ihren ehrbaren Berufen und ihren Häusern drängten. Sie könnten somit auch nicht mehr ihre anderen (nichtjüdischen) Gläubiger befriedigen. Zudem formuliert der Autor, dass die Zahl der Juden in der Stadt merklich angewachsen sei, was den Rechtsstatuts verletze und den jüdischen Wucher und Betrug in der Stadt ausweite.76 De facto war die Zahl jüdischer Einwohner jedoch kontinuierlich gesunken und es gab zudem keinerlei Beschränkung ihrer Zahl.77 Reiche Kreditsuchende hatten sich mehr und mehr christlichen Kreditoren zugewandt, was schließlich dazu führte, dass die Kunden der jüdischen Pfandleiher vor allem aus dem Handwerkermilieu stammten. Die Angehörigen dieser Gruppe standen tatsächlich am Ende des 15. Jahrhunderts unter starkem wirtschaftlichem Druck. Grund hierfür waren die strukturellen Veränderungen der spätmittelalterlichen Stadtwirtschaft und ihrer Produktionsformen. Ein konkretes Beispiel ist die Verlagswirtschaft, die zahlreiche Handwerker in kontinuierliche Abhängigkeit von den Verlegern brachte.78 Diese strukturelle Pauperisierung der Bevölkerung, die ebenso für Italien zu konstatieren ist, war auch im deutschsprachigen Raum ein zentrales Problem. Wie die italienischen Räte, so versuchte der Stadtrat Nürnbergs ebenfalls die „soziale Ruhe“ zu erhalten, indem er „potentielle Störfaktoren“, insbesondere erfolgreiche jüdische Geldverleiher, eliminierte. Folgt man dieser Rhetorik der Quellen nicht, so muss man – neben dem genannten Rechtsstatus – zweifellos auch andere Gründe für die Vertreibung der Juden mit in die Analyse einbeziehen. Hierzu zählen 74 Ebd., S. 2 f. 75 Vgl. ebd., S. 3. 76 Ebd., S. 7. 77 Ebd. 78 Toch schreibt hierzu treffend: „Es ist dies hauptsächlich der Komplex des Aufstiegs eines nichtpatrizischen Großbürgertums von Finanzmaklern, Gewerbeverlegern, Montanunternehmern und Großkaufleuten, die gewichtige Teile der Nürnberger Handwerksberufe in Abhängigkeit brachten.“ Ebd., S. 8.

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religiöse Vorurteile in Bezug auf die „Gefährlichkeit der fremden Religion“ genauso wie Sozialneid, der sich in Krisenzeiten des Mittelalters immer gegen die jüdische Minderheit gerichtet hatte. Doch war die Ausweisung der Juden kein probates Mittel gegen die Pauperisierung der Stadtgesellschaft.79 Man bedurfte alternativer Angebote, die den fortwährenden Kreditbedarf der Handwerker und Tagelöhner, der Witwen und anderer Bedürftiger decken konnten. So ordnete das Mandat Maximilians als zweiten Punkt an, Banken („Wechselpanncken“) einzurichten, die gegen Pfand und Versicherung sowie gegen Zins Geld an Bedürftige zu ihrer Notdurft ausleihen sollten.80 Trotz dieser Maßnahmen ließ die Einrichtung einer solchen Bank oder eines städtischen Leihhauses auf sich warten, zumal die jüdische Geldleihe vor die Tore der Stadt (oder in das nahegelegene Fürth) verlagert, aber nicht gänzlich abgeschafft wurde. Im Jahr 1573 erließ Kaiser Maximilian II. ein Privileg, das die Leihgeschäfte zwischen Nürnbergern und Juden ausdrücklich untersagte. Trotzdem blieben jüdische Geldverleiher auch nach all diesen Maßnahmen und Bemühungen um ihre Vertreibung in den folgenden Jahrzehnten aktiv.81 Wie es überall praktiziert wurde, lieh sich die Bevölkerung auch untereinander Geld gegen Pfand, wie 1585 im Falle des Nürnberger Goldschmieds Franz Plaicher, der ein Schmuckstück des kurfürstlich-kölnischen Rates Friedrich Graf zu Otting versetzt hatte. Es war von dem Büchsenmacher, dem es durch die Unterkäuferin Anna Nästin verkauft worden war, wiederum für fünfzig Gulden als Pfand verliehen worden.82 Diesen Missständen vorzubeugen war das Ziel des Rates, der die Einrichtung des Monte jedoch nicht erst jetzt propagierte. Bereits nach einer Hungersnot in den 1570er Jahren war eine erste Initiative des Ratskonsulenten, einem juristischen Berater des Nürnberger Rates, Georg Roggenbach, gescheitert. 1613 wurde der Kaufmann, Reichsschultheiß, Ratsherr und späterer Mitbegründer des Banco Publico Endres III. Imhof (1562–1637) von den „Älteren Herren“ – dem

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Ebd., S. 9. So geben wir Euch die eurer gnad und freyheit, können und erlauben Euch auch von obberurter Römischer Königlicher machtvollkommenheit, wissentlich in kraft dieses Briefs das ir Wechselpenck bey Euch in der Stat Nurenberg an gelegten Euch auffrichten und ir und eure nachkommen die nun hinfuro in ewiger zeit haben, halten und mit Schreybern, Ambtleuten und anndern personen, die solchem vor sein und notdurfftiglich aufwarten nach euren notdurfften willen und wolgevallen, wie yr zu zeiten gelegenheit der sachen erfordert, besetzen, fürsehen und ordnen mogen dermassen, das ir euren mitburgern und einwonern, die ire handwerk hantierung und gewerbe ausserhalben entlehens und fursetzens stattlich nit wol gertryben oder gearbeiten konnten, und soofft sy wollen auf ir ansuchen und begern nach gelegenhait irer handlung und wesens zu irer notdurfft gelt leyhen und darumb pfand Burgschafft und Versicherung nehmen auf zeit und zil zu bezalen und dann zu gesatzter frist uber bezalung der hauptsuma ein zusetzlich zins ubermals zu gemainem nutz und gut der Stat Nurenberg obgelet werden und keren mugent, als andere der selben stat gemeine guttere. Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg, S. 25. Ebd., S. 19 und mit weiteren Beispielen: Siebenhüner, Juwelen.

Die Einrichtung eines Leihhauses nach dem Vorbild der Monti in Nürnberg 1618

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Regierungsgremium der Stadt – beauftragt, Erkundigungen über das Leihhaus in Augsburg einzuholen.83 Die danach eingerichtete Kommission agierte zielstrebig und planvoll, indem sie nicht nur die Augsburger Leihhausordnung, sondern auch einige italienische Regelwerke (aus Lucca, Pisa, Mailand, Bologna und anderen Städten) sowie eine Ordnung aus Amsterdam anforderte. Hinzu kam im Jahr 1617 die Entsendung zweier rechtsgelehrter Ratsherren, Georg Pfinzing und Jacob Scheurl, nach Augsburg, die im Anschluss ein Gutachten erstellen sollten. Im Juli 1618 bestellte man die ersten Beamten des Leihhauses84 und am 1. August wurde eine Proklamation des Rates veröffentlicht und seine Einrichtung verkündet.85 Auch hier scheint der übliche Tonfall in Bezug auf das durch den Wucher der Juden verursachte Leiden auf, das die Errichtung eines städtischen Leihhauses notwendig machte.86 Auch spricht aus der Quelle eine gewisse Hilflosigkeit der Obrigkeit in Bezug auf die fortgeführten Kreditgeschäfte der Juden nach ihrer Vertreibung aus der Stadt. Kunden wussten, wo sie ihre Pfandleiher finden konnten und suchten diese weiterhin auf, um an kurzfristigen Kredit zu gelangen. Betonung findet in diesem Erlass die väterliche, ver- und vorsorgende Rolle der durch christliche Nächstenliebe motivierten Stadtoberen für ihre Einwohner, die auch in den franziskanischen Schriften des späten 15. Jahrhunderts bereits deutlich hervortrat: Als sind ihre Herzlichkeiten Vätterlicher erwegung dieser jämmerlichen und unerträglichen betrangnuß auß Christlicher lieb, mitleiden und erbarmung nicht unzeitig bewegt worden, allhier in obbemelter Statt für ihre Bürger, Innwohner und Zugethane und ausser der Statt zu deroselben wolfahrt, in fürfallenden nöten mit nicht geringen unkosten ein Leih-Haus auffrichten zu lassen, darin umb ein leidlichen recompens, auff gewieße zeit, als in der Ordnung mit mehrem

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Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg, S. 19, und vor allem Markus A. Denzel, Der Nürnberger Banco Publico, seine Kaufleute und ihr Zahlungsverkehr (1621–1827), Stuttgart 2012. 84 In der Ratssitzung am 24. Juli wurde der Patrizier Paulus Grundherr zum ersten Amtmann gewählt, als Kassierer wurde Hans Christoph Kugel eingesetzt. Der Unterschreiber war Johann Carl Wölker. Daneben gab es einen Aufwarter, der niedere Aufgaben verrichtete. Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg, S. 20. 85 Ebd., S. 21. 86 Ein Edler, Ehrnwester, Fürsichtig und Weisser Rath aber dieser deß Heiligen Reichs Statt Nürnberg bishero nicht ohne sonderbaren Schmerzen in der that erfahren, wie ihrer Herzlichkeiten Bürger, Innwohner und Zugethane, ungeacht der so vielfältig widerholten warnungen und angetrothen straffen, nicht allein den Reichsconstitutionibus, sondern auch ihrer herzöglichen erhabenen keyserlichen Privilegien ganz zu wider hochtrefflicher weiß an den benachbarten Orten den Juden das ihrige zu versetzen sich gelusten lassen; Dahero dann von wegen solches häuffigen zulauffens dieser verderblichen und schädlichen leut verdamlicher wucher so hoch gestiegen, unnd eingerissen, ja täglich, und gleichsam augenscheinlich, je lenger je mehr überhand genommen, daß sehr viel so mit ihnen, wider warnung und verbott contrahirt, auß verhengnuß deß Allmächtigen, als deme solche handlung selbsten ein greuel, in eusserste armut, und endlich gar an Bettelstab gerahten sein. Decretum in Senatu vom 1. August 1618, Bayerische Staatsbibliothek München, Einbl. V, 36v-46, abgedruckt als Faksimile bei: Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg, S. 21.

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Erfolgsmodell außerhalb Italiens? Die Montes Pietatis im deutschsprachigen Raum

begriffen auf eingesetzte Pfand den bedürfftigen geliehen, ihrer betrangnuß und hartfalzu steuer und hülff kommen werden soll.87

Den Bürgern wurde hiermit streng verboten mit Juden geschäftlich zu verkehren. Man drohte mit ansehnlicher straff und dem Verlust der Rechte das Leihhaus zu nutzen. Noch bei jüdischen Pfandleihern befindliche Gegenstände sollten innerhalb der nächsten drei Monate bis Allerheiligen eingelöst werden.88 Zudem wurden vier Vertreter der bekanntesten Nürnberger Patrizierfamilien vom Rat zur Pflegschaft des Leihhauses bestimmt: Endres Imhof, Georg Baumgartner, Georg Pfinzing und Philipp Jakob Tucher.89 Dieses Vorgehen stimmt weitestgehend mit den Maßnahmen italienischer Städte überein. Der Monte als städtische Einrichtung unter Führung der städtischen Obrigkeit, abgesichert durch juristische Gutachten und basierend auf den Statuten als Vorbildern aus anderen Städten. Dieses Vorgehen im nachreformatorischen Deutschland entbehrt lediglich der Beteiligung der Franziskaner und deren medialer Begleitung, die in Italien die Entstehung der Monti so maßgeblich mitprägte. Die Monti waren von einer franziskanisch inspirierten Institution zur einer vollends säkularen Einrichtung geworden. Als Gebäude wählte man das ehemalige Klarissenkloster, die Klarakirche, das nach der Reformation als Mehrzweckgebäude Kapazitäten für die Pfandleihe bot. Daneben gab es ab 1621 den erwähnten Banco Publico im Keller des Rathauses, der Giro- und Wechselgeschäfte der Nürnberger Kaufleute abwickelte.90 Das Nürnberger Leihhaus wurde schließlich am 4. November 1618 eröffnet und wurde ein großer Erfolg. Bereits im Jahre 1621 wurden 80.000 Gulden entliehen.91 Die Leihhausordnung basierte auf derjenigen von Augsburg, die man sich ja zuvor ausgeliehen hatte, und weist zudem viele Gemeinsamkeiten mit den italienischen Statuten des 15. Jahrhunderts auf.92 Ein genauerer Blick auf die Organisationsstruktur des Nürnberger Leihhauses bestätigt diese Aussage. Zunächst lag die Leitung des Leihhauses in den Händen der „Leihhausdeputation“, einer Gruppe von vier als Oberpflegern aus den Reihen des Rates bestellten Männern, die als Bindeglied zwischen 87 Ebd. 88 Und wo jemand etwas unter den Juden noch jetzt dato versetzt stehen hette, der soll solches inner 3. Monat den nechsten, als zwischen dato und Allerheiligen, da dieses Werck seinen anfang haben soll, wider zu sich lösen, damit ihre Herzlichkeiten nicht verursacht werden gegen jemand ein ernstlich einsehen zu haben. Darnach wisse sich manniglich zu richten, vor schaden und nachteil zu hüten. Ebd. 89 Ebd., S. 20. 90 Ebd., S. 17. 91 Der durchschnittliche Wochenlohn eines Gesellen im Bauhandwerk betrug zwei Gulden. 92 Die dreißig Artikel umfassende Ordnung von 1618 sowie die 1672 revidierte Version sind abgedruckt bei: Krauss, Das Leihhaus der Reichsstadt Nürnberg, S. 112–115 und S. 116–120. Das Original liegt im Stadtarchiv Nürnberg unter der Signatur: StAN B7, Nr. 3. Instruction, so bei Auffrichtung eines Leihhauses, dem Verwalter, Gegen- und Unterschreiber zum Anfang gegeben werden möchte. Nebst einem Ämterbericht über die neue Instruktion.

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Stadtregierung und Leihhaus fungierten und die enge Verzahnung der karitativen Einrichtung mit der städtischen Herrschaft einmal mehr aufzeigen. Sie entsprachen den italienischen Vorstehern (sindici) der Monti, die den Geschäftsbetrieb des Leihhauses überwachten, die Bücher prüften, neue Beamte einsetzten, das Betriebskapital beschafften und zudem als Appellationsinstanz wirkten.93 Deutliche Parallelen finden sich auch auf der Ebene des Stammpersonals. Dieses bestand in Nürnberg aus dem geschäftsleitenden Amtmann, der dem Depositario entspricht, sowie dem Kassierer, der das Geld auszahlte und das Kassenbuch führte. Der Amtmann haftete persönlich für die Pfänder.94 Daneben gab es den Unterschreiber, seinen Gehilfen (Adjunkt) und den Aufwarter, der niedere Dienste verrichtete. Sowohl der Amtmann als auch der Kassierer wohnten im Leihhaus. Begutachtet und geschätzt wurden die Pfänder von einem ehrenamtlichen Schätzmeister; aus Nürnberg wissen wir, dass ein Goldschmied für Schmuck, Edelmetalle, Perlen und Juwelen engagiert wurde. Interessant ist die Anstellung eines weiblichen sogenannten Gerichtsunterkeuffels ab 1621 als vereidigte Amtskäuflin, die alle anderen Pfandgegenstände (also Kleider, Haushaltsgegenstände etc.) taxierte. Hinzu kamen – als indirekte Mitarbeiterinnen – Versetzkäuflinnen, die in Nürnberg zugleich professionelle Trödlerinnen waren und die Pfänder anonymer Kunden in deren Auftrag ins Pfandhaus brachten.95 Die Geschäftstage waren – wie auch in Italien – Montag, Mittwoch und Freitag. Vormittags wurden die Pfänder versetzt, nachmittags eingelöst. Der Zinssatz betrug zunächst fünf Prozent pro Jahr. Wie bei den italienischen Monti die cedole, wurden auch hier übertragbare Versatzzettel ausgegeben. Die Leihsumme war mit maximal fünfhundert Gulden jedoch außergewöhnlich hoch, was die Kreditpraxis im Nürnberger Fall nicht wirklich als reine Wohltätigkeitspraxis der Armutsbekämpfung erscheinen lässt und die Frage aufwirft, was eigentlich von den Stadtregenten unter Gemeinnützigkeit verstanden wurde. Vielmehr wurde das städtische Gewerbe, der Mittelstand und begüterte Personen durch die Kredite ebenso finanziert, wie die später gängige, aber zweckfremde und letztlich ruinöse Nutzung des Leihhauses als städtische Kreditkasse in Krisenzeiten wie dem Dreißigjährigen Krieg.96 Die Leihhausordnung von 1618 sah vor, dass Metallgegenstände und Neuwaren aus handwerklicher Produktion zu dreiviertel des Wertes versetzt werden konnten. Bei Büchern, Kleidung und Bettzeug sowie Leinenwaren wurde der Wert auf die Hälfte

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Krauss, Das Leihhaus der Reichsstadt Nürnberg, S. 48–51. Dies wird deutlich am Beispiel des Amtmanns Siegmund Holzschuher, der im Jahr 1770 mit 800 Gulden für durch einen Mitarbeiter entwendete Pfänder zur Verantwortung gezogen wurde. Ebd., S. 27. Zu den Ämtern ausführlich ebd., S. 85–94. Zu den immer wiederkehrenden Krisen des Instituts durch seine Ausbeutung als Stadtkasse wie auch durch Veruntreuung von Geld durch die Beamten siehe Krauss, Das Leihhaus der Reichsstadt Nürnberg, S. 22–36. Er spricht vom Leihhaus als „Staatsanstalt“, S. 47.

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geschätzt.97 Ausgeschlossen waren hölzerne Gegenstände. Bemerkenswert war die mögliche Verpfändung liegender Güter,98 was Marperger als kontroversen Fall der Pfandleihe im letzten Teil seiner Abhandlung anspricht.99 Diese ältere Praxis (nicht nur) des Nürnberger Leihhauses wird also direkt in der ökonomischen Literatur des 18. Jahrhunderts wiedergegeben. Nicht eingelöste Pfänder verfielen nach sechs Monaten, ab 1629 wurde die Leihdauer auf zwölf Monate hochgesetzt.100 Der weitere Verlauf war analog zu den italienischen Monti: Die öffentlich angekündigte Versteigerung, hier „Gandt“ genannt, immer donnerstags vor dem Gebäude des Leihhauses gegen die Zahlung einer Versteigerungsgebühr, dem „Vergantkreuzer“. Die erzielten Überschüsse fielen nach drei Monaten an das Leihhaus.101 Das Leihhaus Nürnbergs hatte ein zweifaches Ziel: die Bekämpfung der krisenbedingten Armut durch Kleinkredite für Handwerker, Tagelöhner ohne Rücklagen und zugleich auch die Förderung des Gewerbes durch die Vergabe von Darlehen bis fünfhundert Gulden. Diese Abweichung von der Bestimmung des Leihhauses als Kleinkreditanstalt erkannt man ebenfalls in der Möglichkeit zur Geldanlage, die wie in den meisten Monti auch angeboten wurde. Das Leihhaus war damit wie in Italien nicht nur Wohltätigkeitsanstalt, sondern „Kreditinstitut des produktiven Bürgers“.102 7.3 Fazit Obgleich aus den oben behandelten Gutachten Cuppeners und Marpergers klar hervorgeht, warum manche Zeitgenossen des 16. und noch des 18. Jahrhunderts dachten, die Einführung der Monti im deutschsprachigen Raum sei wünschenswert und nützlich, kann man dennoch konstatieren, dass die Rezeption dieser Ideen im deutschsprachigen Raum nicht von einem flächendeckenden Erfolg gekennzeichnet war. Lediglich in Augsburg und Nürnberg wurden Leihhäuser nach italienischem Vorbild errichtet. In

97 Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg, S. 29, Erste Instruction, bei Krauss, Das Leihhaus der Reichsstadt Nürnberg, S. 113: 10. Auf Goldt, Silber, Kupfer, Mössing, Zihn, wie auch auf der Handwerksleuth neu außgemachte Wahren sollen drey Viertli, auf Bücher, Rüstung, Kleider, Bädtgewand undt leinen Dinglich undt ander dergleichen Sachen der halbe Theil so viel es werth, uff Holzwerkk aber, wie es auch Namen haben mag, gar nichts gelihen werden. 98 Erste Instruction, bei Krauss, Das Leihhaus der Reichsstadt Nürnberg, S. 113: 9. Undt damit die Nürnberger Unterthanen uff dem Landt welche bishero von den Juden sehr übernommen undt ins Verderben gestürtzt worden, sich dieses Wercks auch in etwas zu erfreuen haben mögen, also soll ihnen gleichergestalt alß wie den Burgern auff Pfandt oder aber auff ihrer Aigenherrschaft Consens undt Versprechen auff dero Gütter undt Höff nach der Aigenherrschaft vormänniglich zu verhelfen, gelihen werden. 99 Vgl. oben, und bei Marperger, Montes Pietatis, S. 108. 100 Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg, S. 29 101 Erste Instruction, bei Krauss, Das Leihhaus der Reichsstadt Nürnberg, S. 114 f., Nr. 18 bis 29. 102 Heisig, 400 Jahre Leihhaus Nürnberg, S. 26.

Fazit

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einer positiven Lesart kann die Übernahme des Modells „Monti di Pietà“ in den beiden genannten Städten Süddeutschlands als erfolgreiche Aufnahme italienischen Rechts in Bezug auf legitime Kredite christlicher Gemeinschaften gesehen werden. Zugleich bildeten die Monti an jenen Orten auch im deutschsprachigen Raum eine pragmatische Lösung für das Problem des Wuchers und ein effektives Instrument auf einem sich ausweitenden Kreditmarkt. Zugleich passte man das Institut an lokale Gegebenheiten an, wie die Zulassung der Nürnberger Landbevölkerung, die Einstellung einer vereidigten Versatzkäufflin oder die Verpfändung von Liegenschaften verdeutlichen. Worin die Gründe für die letztlich doch mangelnde Übernahme des italienischen Kleinkreditmodells bestanden, kann nicht endgültig beantwortet werden. Man kann jedoch einige Hypothesen aufstellen, die sich aus der Verfasstheit städtischer Fürsorgepolitik im Reich ableiten lassen. Der Seitenblick auf die Situation im deutschen Reich erlaubt folgende allgemeine Schlussfolgerungen: zunächst die direkte Verantwortung des Stadtrates für die Vergabe und Verwaltung von Kleinkrediten, der womöglich einen gewissen Sättigungsgrad beim Bedarf an Kleinkrediten sicherstellen konnte. Im Reich kann man auf städtischer Ebene von einer zentral gesteuerten Wohlfahrtspolitik sprechen, im Gegensatz zu Italien, wo viele Einzelkörperschaften die Armenfürsorge dezentral anboten. Zu bedenken ist auch das bis ins 16. Jahrhundert stärker ausgeprägte städtische Rentenwesen nördlich der Alpen, das den Bewohnern ein regelmäßiges Einkommen bescherte. Neben diesen inneren Gründen kann auch das Wirken der Franziskaner als Rechtsgelehrte und Propagatoren ins Feld geführt werden; Italien war im 15. Jahrhundert eine Hochburg dieses Bettelordens und seiner Prediger. Hinzu kamen die juristischen Fakultäten von Pisa und Bologna, die jenen Predigern eine fundierte Ausbildung in kanonischem und römischem Recht sowie Theologie ermöglichten und ein reiches Umfeld boten, den stetig aktualisierten Diskurs um Wucher und Zins mit der Einrichtung der Monti in den Städten Zentral -und Norditaliens als ihren Laboren zu verknüpfen. Ein weiterer Faktor ist die Verbindung zum Heiligen Stuhl in Rom, der an der Legitimation der neuen Institution rege beteiligt war. Direkter und möglicherweise produktiver noch wirkte die päpstliche Gesetzgebung in den Städten des Kirchenstaates, wie in Perugia oder auch die personellen und familiären Verbindungen der Franziskaner mit der Kurie, beispielsweise direkt durch franziskanische Päpste wie Sixtus IV. oder Sixtus V. Der päpstlichen Politik in Bezug auf zulässige Zinsformen stimmten auch nach dem 5. Lateranum längst nicht alle Stadtherrscher und Rechtsgelehrten zu. Diese Tatsache mag sicher auch im deutschsprachigen Raum der Reformationszeit gewirkt haben. Schließlich haben auch die engen, teils familiären oder institutionell begründeten Beziehungen zwischen den franziskanischen Juristen, Theologen und/oder Predigern und den Mitgliedern der städtischen Eliten zu einen effektiven Informations- und Wissensaustausch beigetragen, der in deutschen Städten sicher nicht vorhanden war. Diese enge Vernetzung führte zu einer zeitlichen Konstanz der Promotion für die Einrichtung über mehrere Jahrzehnte von den 1450er bis in die 1490er Jahre.

8. Conclusio 8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Die vorliegende Studie widmete sich den Monti di Pietà als Institution der Armenfürsorge durch Kleinkredit und Pfandleihe im späten Mittelalter und der beginnenden Neuzeit. Das Hauptanliegen war, einen Bogen von der spätmittelalterlichen christlichen Wirtschaftsethik der Franziskaner hin zur sozial- und finanzgeschichtlich relevanten Einrichtung eines Kleinkreditinstituts als Instrument einer innovativen städtischen Sozialpolitik zu spannen. Die Herausbildung einer neuartigen, christlich fundierten Wirtschaftsethik im 13. Jahrhundert, die im 15. Jahrhundert in einen produktiven Rechtsdiskurs mündete, bildete den ersten thematischen Abschnitt der Arbeit. Der analysierte Diskurs verband das kanonische Recht mit einer veränderten spätmittelalterlichen Wirtschaftspraxis und zeigte zugleich die Personalunion der Juristen, Theologen und Beichtväter der Kaufleute, die ihrerseits sowohl Finanzexperten als auch städtische Oligarchen waren. Innovativ war an dieser franziskanischen Wirtschaftsethik und den Monti als ihren Katalysatoren das Ergebnis: die Flexibilisierung des Wucherbegriffs auf der Basis einer christlich legitimierten Zinsnahme sowie seit Petrus Iohannis Olivi die Anerkennung des produktiven Potentials von Geld, dem Kapital. Somit standen die Gründungen des Hilfsinstituts in ganz direktem Zusammenhang mit einem Aushandlungsprozess des tugendhaften, gottgefälligen Wirtschaftens der Individuen und der städtischen Kommunen. Neu an dem beschriebenen wirtschaftsethischen Diskurs war auch die Sichtweise auf die arbeitenden Armen. Sie wurden – etwa von Annio da Viterbo – nicht mehr als Almosenempfänger behandelt, sondern ihnen wurde nun die Rolle einer genossenschaftlich organisierten aktiven Gesellschaftsgruppe, die zur Selbsthilfe fähig war, zugeschrieben. Die Mittel zur Selbsthilfe erwirtschafteten sie durch Depositen, die Ertrag in Form von Anlagezinsen brachten bzw. durch Objekte, die jederzeit in Geld umgewandelt werden konnten. Mit ihrer Doppelfunktion als Pfandleihanstalt und seit der Mitte des 16. Jahrhunderts als Anlageinstitut standen die Monti di Pietà als innovatives Projekt im Mittelpunkt städtischer Sozialpolitik der italienischen Stadtregierun-

Zusammenfassung der Ergebnisse

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gen. Ihr Wirken war eingebettet in eine theologische und juristische Normensetzung, resultierend aus der beschriebenen gewandelten Wirtschaftsethik. Die Konkretisierung der Ziele dieser Ethik wurde durch die fortwährende Verfeinerung und Regulierung der Organisation und Funktionsweise der Monti erreicht, die den Institutionalisierungsprozess begleiteten. Karitative Motive wurden verbunden mit wirtschaftlicher und finanzieller Expertise. Die Monti ergänzten als vertrauenswürdige Finanzdienstleister bereits bestehende Kreditnetzwerke, auf die die arbeitenden Armen als Teil vielschichtiger Überlebensstrategien zurückgriffen. Die Pfandleihe ergänzte Kreditformen wie Renten, Gülten, Schuldverschreibungen sowie verschiedene Schuldenformen, wie ausstehende Mieten, gekaufte Immobilien, Waren oder Arbeitsdienste. Diese werden sichtbar in den durch die Monti gleichfalls dokumentierten Banktransaktionen der städtischen Handwerker und Tagelöhner. Die Finanzierung all dieser Transaktionen, die Konsum und Produktion umfassten, konnte schließlich auch durch die Kleinkredite der Monti gesichert werden. Nicht immer kann man diese Kleinkredite folglich als Notkredite interpretieren. Sie stellten eher willkommene zusätzliche Geldquellen dar, die bereits bestehendes Kapital ergänzten oder eventuell teurere Kreditformen ersetzten. Eine Konsumgesellschaft, an der auch die Armen teilhaben konnten, gewann hier erste Konturen. Dieses bedeutende Narrativ von den Anfängen einer integrativen Konsumgesellschaft findet aber auch Brüche und Gegenstimmen, wie die des Bologneser Schmieds und Dichters Giulio Cesare Croce, die uns an die latente Not und an die Prekarität der Lebensumstände der arbeitenden Armen erinnert. Dennoch: die neu geschaffene städtisch verwaltete und kirchenrechtlich legitimierte Pfandleihe ermöglichte schließlich, dass Armut und Prekarität langfristig effektiver bekämpft wurden. Die Idee des städtischen Leihhauses war nicht allein in Italien präsent, parallele Formen etablierten sich – wenn auch mit beträchtlicher Verspätung – in anderen Ländern, so zum Beispiel erst im 17. Jahrhundert in Frankreich oder dem heutigen Deutschland. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass das Konzept der Monti di Pietà schon früheren zeitgenössischen Rechtsgelehrten des 16. Jahrhunderts bekannt war und von diesen als Lösung für das Problem der Armut empfohlen worden war. Die Gründe für die missglückte Rezeption dieser Ideen zu eruieren, muss die Aufgabe weiterer Forschungen bleiben. Ebenso offen bleibt die Frage nach der konfessionellen Ausrichtung wohltätiger Einrichtungen im frühen 16. Jahrhundert. Worin unterschieden sich die Strukturen karitativer Einrichtungen in katholischen und reformierten Ländern? Auch das Verhältnis von Stadt und Land in Bezug auf die Kreditnetzwerke bzw. die Frage nach deren Überschneidungen bleibt an dieser Stelle unbeleuchtet und bietet Raum für weitere Forschungen. Am Beispiel der kleinen, fast ländlichen Stadt Lapedona nahe Fermo konnte die Verquickung von Getreide- und Gelddarlehen, die funktionale Überschneidung von Natural- und Geldkredit, andeutungsweise aufgezeigt werden. Doch konnte die vermutete Bedeutung solcher Überschneidungen als strukturelles Merkmal für das spätmittelalterliche Kreditwesen in der vorliegenden

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Conclusio

Arbeit nicht ausführlich herausgearbeitet werden. Als ebenfalls offene Aufgabe bleibt die Erforschung weiterer Formen des informellen Kleinkredits. Die Studie ermöglichte jedoch sehr konkrete Einblicke in die vielfältigen und verschlungenen formellen und informellen Kreditbeziehungen der Bevölkerung Roms, mit deren Komplexität ein zentrales Merkmal vormoderner Überlebens- und Versorgungsstrategien deutlich hervortrat. Diese vielschichtigen Verflechtungen von Kreditund Schuldenbeziehungen in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten, wie sie bereits Kuske beschrieben hat, müssen mittels Vergleichsstudien weiter erforscht werden. Nach all den offen gebliebenen Fragen nun zu den Ergebnissen der hier vorliegenden Studie: Der formalisierte Kleinkredit, den die Monti mit der Pfandleihe zugänglich machten, war ein essentielles Hilfsmittel für die arbeitenden Armen, da es kurzfristige und schnell erreichbare Darlehen zu relativ niedrigen Zinsen von vier bis zehn Prozent anbot. Kleinkredite haben bestimmte formale Merkmale, die die Studie herausarbeiten konnte: Dazu gehören die kurze Laufzeit von maximal einem Jahr und die kleinen Summen, die in etwa dem Monatslohn eines Handwerkers entsprachen. Ein weiteres Merkmal ist die prinzipielle Offenheit seiner Verwendung, wobei die Monti bestimmte Verwendungszecke, wie Glücksspiel, Spielschulden oder gewinnträchtigen Handel, untersagten. Die Kredite waren theoretisch als Konsum- und Investitionskredite (v. a. für Produktionsmittel) gedacht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Kredite der Monti vor allem Konsumkredite waren, so wurden durch sie wiederum an anderer Stelle wertvolle Ressourcen für Investitionen frei. Sie hatten also eine wichtige Entlastungsfunktion. Grundlegende Hilfe für den ländlichen Bereich leisteten auch die Monti frumentari, die Saatgetreide an Bauern verliehen. Der Kleinkredit der Monti ergänzte das Spektrum verfügbarer Geldquellen um einen wesentlichen Baustein. Jeder und jede, der oder die über ein paar verpfändbare Wertgegenstände verfügte, konnte Zugang zu einem Darlehen erhalten. Die Pfandverzeichnisse belegen eindrücklich die wichtige Rolle von Alltagsgegenständen in der vormodernen Kreditökonomie.

8.2 Ausblick zur Anschlussfähigkeit der erzielten Forschungsergebnisse an gegenwärtige gesellschaftliche Probleme und Diskussionen Hier kann keine vollständige Erfassung und tiefgehende Analyse gegenwärtiger Themen der Wirtschafts- und Sozialpolitik und Armutsbekämpfung erfolgen. Vielmehr soll an dieser Stelle aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive ein Beitrag und zugleich ein Gesprächsangebot an andere Disziplinen gemacht werden, die sich auch mit den Themen Armut und Armutsbekämpfung sowie ökonomischem Handeln beschäf-

Ausblick zur Anschlussfähigkeit der erzielten Forschungsergebnisse

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tigen. Das Ziel der folgenden Thesen ist es, aus vormoderner Sicht einige thematische Schneisen zu schlagen, die bis in die Gegenwart reichen. Dabei werden zwei Ebenen in diachroner Perspektive betrachtet: zum einen eine gewisse Kontinuität in Fragen der Wirtschaftsethik seit dem späten Mittelalter bis zur Gemeinwohlökonomie als Gegenwarts- und Zukunftsvision im 21. Jahrhundert. Die zweite epochenübergreifende Perspektive fokussiert das Verständnis von Armut und die Rolle von Kleinkredit bzw. Mikrokredit als Instrument kommunaler Armenfürsorge. 8.2.1 Thesen und epochenübergreifende Bezüge 8.2.1.1 Von der christlichen Wirtschaftsethik zur Sozialpolitik Die Entstehung der Monti kann als eine Folge der seit dem 15. Jahrhundert im Franziskanerorden immer stärker werdenden Observantenbewegung und deren zunehmenden Einfluss auf städtische Oligarchen interpretiert werden. Innerhalb des Ordens gelang es, die Idee der Armenfürsorge mit der Idee der Produktivität von Kapital zu verbinden und gleichzeitig die wirtschaftlichen Entwicklungen einer entstehenden Geldwirtschaft in einem sozialpolitischen Projekt aufzufangen. Neben die bewährten Formen der Armenfürsorge durch Almosengabe und private Spenden trat also eine neue Praxis, die die produktive Kraft des Geldes zum Wohle der Gemeinschaft im Fürsorgeinstrument „Kleinkredit“ einsetzte. Damit bietet die vorliegende Studie neue Einsichten in die Verbindung von spätmittelalterlicher Wirtschaftsethik und Wirtschafts- und Fürsorgepraxis, die die Kirche nicht als kapitalfeindlich zeigt, wie das Max Weber mit Nachdruck behauptete, sondern die eine aus der Praxis der Handelnden gewonnene Ethik und Theorie des Geldes und des Wuchers entwickelte. Hypothetisch lässt sich formulieren, dass die Basis des Erfolges dieser Entwicklung, die zur Einrichtung von Kleinkreditbanken für die Armen in den italienischen Städten führte, die leistungsfähige Geldwirtschaft ebenda war. Theologische und juristische Deutungen, die die Gründungswelle der 1460er bis 1490er Jahre begleiteten, entwickelten wirtschaftsethische Ideen der Kapitalproduktivität und der daraus folgenden Legitimität bestimmter Zinsformen weiter und sorgten für die Einordnung der Monti als karitative Organisation, deren Profitorientierung der „richtigen“ Intention unterworfen war. Gewinn in Form von Zinsen wurde legitim, wenn er dem richtigen Zweck, nämlich dem Gemeinwohl, entsprach. Überschüssige Einnahmen sollten an die Bedürftigen zurückfließen. Kirchenrechtlich verankert wurde der flexibilisierte Wucherbegriff schließlich auf dem 5. Laterankonzil 1515. Dass viele dieser Kleinkreditbanken tatsächlich nicht gewinnorientiert arbeiteten, lässt sich aus den hier untersuchten Rechnungsbüchern klar belegen. Die Ablehnung von überschüssigen Gewinnen führte nicht selten zu chronischem Kapitalmangel bis hin zum Bankrott der Monti nur wenige Monate nach ihrer Gründung. Die Lösung

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Conclusio

bestand in der Eröffnung eines zweiten Funktionsbereiches, dem Anlagegeschäft, wodurch die Monti heutigen Anlageinstituten ähnlich wurden. Das erweiterte Leistungsangebot der Anlagemöglichkeiten der Depositenbank des Monte kann als Vorläufer der kommunalen Sparkasse interpretiert werden. In ihnen bilden die Klienten selbst den Vorrat ihrer eigenen Absicherung. Aus dem angelegten Kapital wurden schließlich auch die Darlehen an die Klienten bezahlt. Der Gedanke genossenschaftlicher Finanzierung der Armenfürsorge entfaltete sich an dieser Stelle. Ein weiteres Element der Wirtschaftsethik des 15. Jahrhunderts war mithin die starke Propagierung der Verantwortung für das Gemeinwesen in den Predigten und in der Beichttätigkeit der Franziskaner. Sie ergänzte die Legitimierung von Gewinnen und die Notwendigkeit der Zirkulation von Geld. Damit wurde die Sorge um das Gemeinwohl, das bonum commune, Teil der städtischen Sozialpolitik, und die wohlhabenden Bürger wurden gewissensmäßig entlastet, denn die von ihnen erwirtschafteten Profite waren ja der Grundstock dieser neuen städtischen Sozialpolitik. Das passte hervorragend in das Bild der spätmittelalterlichen Frömmigkeit der Kaufleute. Die Spenden aller waren eine finanzielle Quelle zur Errichtung der Monti. Damit steht diese Ethik der Logik des Ablasswesens mit seiner Verknüpfung von materiellen, geldbasierten, quantifizierbaren Frömmigkeitsleistungen und dem eigenen Seelenheil nahe. Mit der Gründung der Monti wurde die Theorie eines auf das Wohl aller ausgerichteten Wirtschaftens teilweise in die Praxis umgesetzt. 8.2.1.2 Kleinkredit als sozialpolitisches Instrument in italienischen Städten Die praktischen Auswirkungen der geschilderten wirtschaftsethischen Innovationen werden sichtbar in der Sozialpolitik der Stadtoberen. Folglich wurde der Kleinkredit ein Teil des sozialpolitischen Programms mittelalterlicher Städte Italiens im 15. und 16. Jahrhundert. Hier ist zunächst die Sondersituation des Untersuchungsraumes zu betonen. Denn es wurde deutlich, dass die Armenfürsorge in anderen Regionen Europas anders organisiert war. So etwa in Deutschland in Form von Einzel-Stiftungen, die die Gewinne aus Renten an die Armen verteilten oder in Form von Naturalienspenden, Almosenfonds und -kassen, aber eben nicht in Form des institutionalisierten Kleinkredits. Die Verbindung von produktivem Geldumlauf und Armenfürsorge blieb mit der Einrichtung der Monti und ihrer Legitimierung durch die Kirche eine Besonderheit Italiens. In einem europäischen System der Armenfürsorge reihen sich die Monti in die fragmentierte Landschaft von Fürsorgeinstitutionen wie Hospitäler, Bruderschaften und Klöster ein, wie sie seit dem 12. Jahrhundert im Zuge der Stadtentwicklung florierten. Die durch Zünfte und Stadträte sowie Klöster organisierte traditionelle spendenfinanzierte Armenfürsorge wurde mit den Monti di Pietà um ein weiteres innovatives Instrument ergänzt. Es entstanden parallele Dienstleistungen, aus denen die Bedürftigen auswählen konnten. Die Monti übernahmen Elemente ihrer Organi-

Ausblick zur Anschlussfähigkeit der erzielten Forschungsergebnisse

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sationsstruktur und Funktionsweise von älteren Institutionen und schlossen damit an eingeübte und bewährte Instrumente der Armenfürsorge an. Man kann die Monti somit als Teil und zugleich Entwicklungsstufe einer etablierten Fürsorgestruktur an der Schwelle vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit begreifen.1 Zugleich bestanden die Monti auch als traditionelles Fürsorgeinstitut mit christlichem Impetus, in dem sich die Idee der Caritas und die neuartige Nutzung des Geldes auf innovative Weise verbanden. Das Kirchenrecht hatte bis zu diesem Zeitpunkt einen Prozess der schrittweisen Öffnung durchlaufen, der der wirtschaftlichen Entwicklung seit dem 11. Jahrhundert gewahr wurde und diese Erkenntnisse nicht nur diskursiv und normativ, sondern auch praktisch umsetzte. Bezugnehmend auf den Aspekt der leistungsfähigen lokalen Geldwirtschaft als konstitutiven Faktor für den Erfolg der Institution, bleibt festzuhalten: In den zentralisierten, wohlhabenden und politisch konzentrierten Stadtstaaten des Nordens und der Mitte Italiens sowie im Kirchenstaat fand die Einrichtung von Monti di Pietà eine raschere Umsetzung als im Süden des Landes und in ländlichen Gebieten, wobei auch das Wirken der Franziskaner in ebenjenen Kerngebieten des Ordens eine wichtige Rolle spielte. Hinzu kommt die Ebene sozialpolitischer Praxis lokaler Eliten. Diese findet sich in der Verknüpfung von Regierungsgewalt und Fürsorge, einem Gedanken staatlicher Lenkung und Disziplinierung, den man eher der Frühen Neuzeit zuordnet. Das sozialpolitische Wirken der Oligarchen und ihre Zielsetzungen gestaltete sich in den verschiedenen Städten, die hier untersucht wurden, durchaus unterschiedlich. Während in Perugia und Rom einflussreiche Patrizierfamilien bzw. Kardinäle die Einrichtung eines Monte u. a. zur Verdrängung der ansässigen Juden propagierten, reagierte der „Rat der Zehn“ in Venedig – wie gezeigt wurde – ablehnend auf die Initiativen zu seiner Einrichtung. An diesen Beispielen wird erneut deutlich, welche entscheidende Rolle die politischen Kräfte und der politische Wille an den jeweiligen Orten für den Erfolg der Einrichtung spielten. Diese Begründung trifft sicher ebenfalls auf die Situation im Reich der Reformationszeit zu, wo die Monti di Pietà als katholisches Projekt möglicherweise skeptisch betrachtet wurden. Womöglich fehlte es in den deutschen Städten auch an Kapital und Einigkeit der Interessengruppen.2

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„The sixteenth century was not a break with the past, but rather an acceleration and more systematic implementation of developments which had begun as early as the twelfth century: the centralization and rationalization of charity, the role of laymen, and the influence of public authorities, as well as measures against the undeserving poor.“ Bas van Bavel / Auke Rijpma, How Important were Formalized Charity and Social Spending Before the Rise of the Welfare State? A Long-Run Analysis of Selected Western European Cases, 1400–1850, in: Economic History Review 69/1 (2016), S. 159–187. Eine Ausnahme stellen Nürnberg und Augsburg dar. Hierzu Kapitel 7.

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Conclusio

8.2.1.3 Wohlfahrt und Herrschaft Bringt man die Erkenntnisse in Verbindung mit der Geschichte des Sozialstaates der Gegenwart, so kann man die Entstehung der Monti di Pietà in die „Ausbildungs- und Erprobungsphase des Wohlfahrtsstaates“ einordnen.3 Zugleich lässt sich eine epochenübergreifende Kontinuität feststellen, denn „die kommunale Armenfürsorge ist dem zentralen Sozialstaat geschichtlich und systematisch vorgelagert, zugleich tritt sie immer wieder dort in den Vordergrund, wo zentrale Sicherungssysteme in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind“.4 Neben der aus christlicher Nächstenliebe abgeleiteten Wohlfahrt kann die Einrichtung der Monti di Pietà durch die Stadtoberen – mit Todeschini gesprochen – zudem als spätmittelalterliches sozialpolitisches Leitprojekt interpretiert werden, durch das städtische Herrschaft ausgeübt und gefestigt wurde. Zugleich brachte diese Politik die Marginalisierung bestimmter konkurrierender Gruppen, wie den jüdischen Geldverleihern, mit sich. Diesem Ziel war allerdings unterschiedlicher „Erfolg“ beschieden, wie im Kapitel 3 aufgezeigt wurde. In Bezug auf die Entstehung der städtischen Wohlfahrt waren die Monti auch Innovationskatalysatoren im Hinblick auf die Professionalisierung öffentlicher Verwaltung und die Bürokratisierung städtischer Finanzen. So deuten Elemente ihrer Genese auf Vorformen staatlicher Fürsorge und des Risikomanagements wie das Versicherungswesen hin. Die öffentliche Finanzierung dieser Vorsorgemaßnahmen, etwa durch Gerichtsgebühren, kann ebenfalls als Innovationsmoment gelesen werden. Ein weiterer Aspekt der Bürokratisierung und Professionalisierung städtischer Fürsorgepolitik ist die administrative Kompetenz und Expertise des Vorstandes der Monti, der oft aufs Engste verknüpft war mit den städtischen Eliten. Das Führungspersonal des Vorstandes (sindici) stammte vornehmlich aus den Kreisen der Patrizier und Oligarchen, rekrutierte sich aus sich selbst und war institutionenübergreifend vernetzt. Vielfältige (sozial-)politische Interessen der Elite konnten somit direkt auf kurzem Weg durch Personalunion von Ratsmitgliedern und Vorständen des Monte verbunden werden. Diese Verquickung führte natürlich auch zu Auswüchsen, wie im Falle des Römischen Monte, der in der Frühen Neuzeit unter kurialer Führung immer mehr zu einer Staatsagentur des Vatikan mutierte.

3 4

Nicholas Terpstra, Apprenticeship in Social Welfare: From Confraternal Charity to Municipal Poor Relief in Early Modern Italy, in: The Sixteenth Century Journal 25/1 (1994), S. 101–120. Ernst-Ulrich Huster, Von der mittelalterlichen Armenfürsorge zur sozialen Dienstleitung, in: ders. / Jürgen Boeckh / Hildegard Mogge-Grotjahn (Hg.), Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung, Wiesbaden 22012, S. 279–304, hier S. 279.

Ausblick zur Anschlussfähigkeit der erzielten Forschungsergebnisse

325

8.2.1.4 Vom bonum commune zur Gemeinwohlökonomie Bewertet man vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse insgesamt den Status der Monti di Pietà als Institut der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Armenfürsorge, so wird deutlich, dass diese über die traditionellen spendenfinanzierten Institute hinausreichten und Merkmale einer modernen staatlich gelenkten Fürsorge- und Sozialpolitik im Sinne des bonum commune aufwiesen. Das Leitmotiv des Gemeinwohls findet sich in verschiedenen Ansätzen der gegenwärtigen ökonomischen Theorien wieder, die zugleich Alternativen und Modifikationen in Bezug auf das bestehende kapitalistische Wirtschaftssystem vorschlagen. Die wichtigsten Ansätze sollen hier skizzenhaft vorgestellt werden mit dem Ziel, die Verbindungen und Parallelen wirtschaftlicher Herausforderungen und Lösungsansätze in Vergangenheit und Gegenwart aufzuzeigen und das thematische Potential der vorliegenden Studie nochmals zu bekräftigen. Zwei wichtige Elemente einer moralischen Ökonomie erscheinen besonders wichtig: Kooperation und Vertrauen. Sowohl Vertreter der Gemeinwohlökonomie,5 als auch der sogenannten „Donut“-Ökonomie,6 postulieren die zentrale Bedeutung des werteorientierten, nachhaltigen Wirtschaftens statt der Profitorientierung für die heutige Gesellschaft. Zentrale Ziele dieser Ansätze sind die Sicherung des Zugangs zu basalen Grundlagen der Überlebenssicherung und der gesellschaftlichen Partizipation (Ernährungssicherheit, Bildung, Wasserversorgung und Hygiene, Energie, politische Mitsprache und soziale Gerechtigkeit) sowie die Verhinderung der weiteren Zerstörung natürlicher Ressourcen und der Umwelt. Diese Ziele können durch menschliches Handeln erreicht werden, wenn es in Kooperation statt in Konkurrenz besteht. Kooperatives Handeln wird damit auch für die Gegenwart zu einem anthropologisch nachweislich effektiven Instrument des Gemeinwohls.7 Welche Rolle ethische Werte wie die Loyalität gegenüber Familien und sozialen Gruppen, Verteilungsgerechtigkeit, Respekt, Fairness und Eigentumsrechte in menschlichen Gesellschaften spielen, bleibt eine interdisziplinäre Forschungsaufgabe.8

5 6 7

8

Hierzu Christian Felber, Gemeinwohl-Ökonomie, München 2018. Siehe hierzu Kate Raworth, Die Donut-Ökonomie. Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört, München 2018. Die Forschungen der Oxforder Anthropologen Oliver Curry, Daniel Mullins und Harvey Whitehouse zur Rolle der Kooperation in anthropologischer Perspektive belegen die Präferenz des Menschen für diesen Lösungsansatz. Sie entwickelten auf der Basis einer Untersuchung verschiedener Teilaspekte kooperativen Handelns die Theorie der „Moralität als Kooperation“. Ihre Studie untersuchte die Handlungspräferenzen von Menschen in 60 Gesellschaften in Bezug auf folgende Aspekte: Hilfe innerhalb der Familien, Hilfe innerhalb der sozialen Gruppe, Gegenseitigkeit, Mut, Respekt gegenüber Mächtigen, das Teilen umstrittener Ressourcen sowie der Respekt gegenüber Besitzrechten. Siehe hierzu ausführlich: Oliver Curry, et al., Is it Good to Cooperate? Testing the Theory of Morality-as-Cooperation in 60 Societies, in: Current Anthropology 60 (2019), S. 47–59. Dieser Aufgabe widmet sich u. a. eine von der Autorin dieser Studie organisierte interdisziplinäre Konferenz zum Thema „Moral Economy revisited“ am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung

326

Conclusio

8.2.1.5 Moralische Ökonomie und Kooperation Kooperation als ein zentrales Element der moralischen Ökonomie wurde mit Nachdruck in den Predigten und Schriften der spätmittelalterlichen Autoren betont. Der Kleinkredit der Monti di Pietà als Mittel kooperativer, genossenschaftlicher Selbsthilfe wurde ebenfalls von den Verfechtern der Monti immer wieder herausgestellt.9 Anders als eine rein obrigkeitlich gelenkte Armenfürsorge, die den Zugang zu Anspruchsrechten und Leistungen stark reglementierte, zeigt sich im Diskurs und auch in der Praxis der Monti das Element des kooperativen Wirtschaftens und damit der letztlich emanzipatorische Charakter der Pfandleihhäuser deutlich. Vor dem Hintergrund der von Oexle beschriebenen Entwicklung von der Armenfürsorge hin zu einer Armutspolitik können die Monti di Pietà als zweigesichtiger Ausdruck dieser historischen Entwicklung interpretiert werden: Zum einen als Institution der genossenschaftlichen Selbsthilfe nach apostolischem Vorbild, wie sie Annio da Viterbo im Jahr 1492 beschrieb. Zum anderen als Symptom der zentralisierten und verstaatlichten Armenfürsorge, die sich immer mehr aus den Händen von Monarchen und Klöstern herauslöste. Zugleich verlor sich die Ethik der christlichen Nächstenliebe nicht, sie wurde – besonders bei Annio da Viterbo – erweitert und konkretisiert durch den Aspekt der horizontalen Fürsorgepflicht eines jeden (Armen) für seinen Nächsten und damit das gemeinschaftliche Prinzip einer innovativen kommunalen Armenpolitik. Die Verfechter der Monti griffen hierbei auf das neutestamentliche Ideal des menschlichen Zusammenlebens zurück, nämlich das Leben der Jerusalemer Gemeinde nach der Apostelgeschichte (Apg. 242 ff. und 4,32). Die frühen christlichen Gemeinden hatten gemeinsamen statt privatem Besitz, und jedem, so heißt es, wurde nach seinen Bedürfnissen gegeben.10 Dieses Ideal gesellschaftlicher Harmonie galt als eine erstrebenswerte Gesellschaftsform. Was daraus folgte, war eine seit dem 13. Jahrhundert mit der „Kommunalisierung des Spitalwesens“11 begonnene Kommunalisierung der christlichen Armenfürsorge, die mit der Gründung und Verstetigung von Fürsorgeinstitutionen einherging.

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der Universität Bielefeld vom 7. bis 9. September 2020. Daran nehmen VertreterInnen aus den Bereichen der Anthropologie, Geschichtswissenschaft, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften und Philosophie teil. Siehe hierzu die Analyse des Traktats Annio da Viterbos in Kapitel 2. Oexle, Armut, S. 76. Ebd., S. 85.

Ausblick zur Anschlussfähigkeit der erzielten Forschungsergebnisse

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8.2.1.6 Moralische Ökonomie und Vertrauen Ein wichtiges Element neben der Kooperation als Ausdruck moralisch ausgerichteten ökonomischen Handelns ist schließlich das Vertrauen, das als Teil einer ethisch basierten Wirtschaftsweise auch in gegenwärtigen Theorien aufscheint. Es gründet in der moralischen Ökonomie der Frühen Neuzeit – wie sie Fontaine beschreibt – auf zwei menschlichen Verhaltensweisen: der (physischen) Repräsentation und der Schaffung moralischer Glaubwürdigkeit, die zum Aufbau der fama, der Reputation, führt. An den Monti lässt sich die Übertragung moralischer und ethischer Grundsätze in die „unpersönliche“ Sphäre der Kreditwirtschaft ablesen. Das moralische Verhalten des ehrbaren Kaufmanns wurde in der Frühen Neuzeit verbunden mit der Fähigkeit zu kalkulieren, zu vorausschauendem und planvollem Handeln zum Zwecke der Risikominimierung.12 Bei den Monti wurde die ökonomische Rationalität in Form von Vorsorge und Minimierung wirtschaftlicher Risiken bzw. ihrer Auswirkungen zumindest diskursiv verbunden mit moralischem Handeln zum Wohle der Gemeinschaft. Dadurch entstand eine erste Vertrauensbasis zwischen dem Leihhaus und den Menschen. Zudem wurden die Monti als solidarisches Gemeinschaftsprojekt mit sozialpolitischem Impetus auf der Basis einer franziskanischen Wirtschaftsethik gegründet, die die pietà und compassio mit dem etablierten Finanzwesen (darunter mit dem zentralen Gedanken des produktiven Kapitals), verknüpfte. Kommuniziert wurden diese Grundideen höchst eingängig durch begleitende Bildprogramme und eine Vielzahl an juristischen und theologischen Gutachten und Predigten.13 Das Vertrauen als Grundlage für interpersonelle Kreditbeziehungen zwischen Familienmitgliedern oder anderen Personen der sozialen Gruppe wurde dabei nicht infrage gestellt, sondern ergänzt durch Vertrauen in eine Institution, die ihre Legitimität aus der christlichen Herkunft und Entstehungsgeschichte – in Abgrenzung von weniger „vertrauenswürdigen“ christlichen und jüdischen Wucherern – herleitete.14 Vertrauen wurde auch vonseiten der Leitung der Monti gefördert durch eine verstärkte Bürokratisierung (Buchführung und Buchprüfung) der Abläufe, die einerseits den Informationsfluss verbesserte und andererseits die Nachvollziehbarkeit und Einklagbarkeit der Transaktionen ermöglichte. Diese Entwicklung markiert die Entstehung neuer, formell gesteuerter Techniken der Vertrauensbildung und eine Ausweitung institutionellen Vertrauens auf einen Teil der zuvor suspekten Kreditwirtschaft.15 Christliche Leitmotive, Expertise der Beamten und die zentrale Steuerung und Einbettung in obrigkeitliche Politik bildeten den Nährboden des Erfolges der Monti einer vormodernen „economy of obligation“. 12 13 14 15

Fontaine, L’économie morale, S. 280–290. Siehe Kapitel 2. Siehe Kapitel 3. Siehe Kapitel 4.

328

Conclusio

8.2.2 Armutsverständnis und Armutsbekämpfung Die zweite Ebene, auf der historische Parallelen untersucht und ein epochenübergreifender Dialog angestoßen werden soll, ist der Themenkomplex Armut und Armutsbekämpfung. Mit der Entstehung der Monti änderte sich auch die Wahrnehmung der Armut im städtischen Raum. Sie war nun nicht mehr nur ein gottgegebenes, privates Problem einzelner Familien, die sich an wohltätige Organisationen wenden sollten. Die Schicht der arbeitenden Armen wurde im 15. Jahrhundert zur Selbsthilfe aufgerufen. Ihre Präsenz war Folge der demografischen Entwicklung und Verdichtung der Bevölkerung in den wachsenden urbanen Zentren des späten Mittelalters. Der wirtschaftliche Aufschwung dieser Städte war ein wichtiges Kennzeichen, ein anderes waren die ökonomischen Verlierer, die neue Armutsprobleme kreierten. Institutionen wie die Monti ermöglichten die Lösung eines Teils dieser Probleme auf genossenschaftlicher Basis durch die Schaffung sozialer Sicherungsmechanismen, die über die Familie hinausgingen. Dabei entdeckte die politische Elite der italienischen Städte und Stadtstaaten die Fürsorgepolitik als lukratives Feld politischer Machtausübung und -sicherung. Fraglich bleibt der Charakter der „Sozialdisziplinierung“, der der frühneuzeitlichen Sozialpolitik zugeschrieben wird (Thomas Fischer). Man kann in Bezug auf die Monti di Pietà wohl eher von einem politischen Pragmatismus sprechen, der die Grundidee christlicher Caritas mit der Lösung sozialer Probleme verband. Sicher wurde versucht, eine gedeihende soziale Ordnung zu fördern und diese zu stabilisieren, jedoch wäre es verkürzt, der Politik der Oligarchen und den mit ihnen kooperierenden Franziskanern einzig und allein dieses Motiv zuzuschreiben. Für den deutschsprachigen Raum des 15. und 16. Jahrhunderts hat Thomas Fischer die Reglementierung des Bürgerrechts, des Bettelverbots und der damit einhergehenden Diskriminierung der Armen bzw. der Verhinderung des Zuzugs von Armen in die Städte als Merkmale spätmittelalterlicher Armenpolitik beschrieben. Diese ausgrenzende Sozialpolitik mündete nicht in einen Ausbau der Fürsorge, sondern in die Eindämmung des Kreises der Berechtigten. Die Monti di Pietà stellen hierzu einen Gegenentwurf dar. Sie bildeten eine konstruktive Ergänzung traditioneller kirchlicher Sozialfürsorge. Sie boten wichtige und notwendige Unterstützungsleistungen und Abfederungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund einer hohen Preisvolatilität bei konstant niedrigen Löhnen im 15. und 16. Jahrhundert. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung steht auch die notwendige Umdeutung der Armut als Massenphänomen der arbeitenden Bevölkerung in der Vormoderne, wie Sven Rabeler angeregt hat.16 Er machte deutlicht, dass Armut und Arbeit sehr wohl zusammen gesehen wurden. Die arbeitenden Armen waren eine sehr große Gruppe der Stadtbevölkerung im Italien der Renaissance. Ihre Stellung war jedoch nicht marginalisiert, konnte gar nicht marginalisiert sein, sondern wurde als aktiv und fähig zur

16

Vgl. Rabeler, Pauperismus, passim.

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Selbsthilfe gedeutet. Schließlich waren die Bedürfnisse der arbeitenden Armen die Bedürfnisse des Großteils der Bevölkerung. Während im Heiligen Römischen Reich ein einheitliches Konzept der Fürsorge fehlte,17 entstanden mit den Monti di Pietà prinzipiell einheitlich operierende Institute, die den Armen mehr als nur passiven Empfang von Hilfeleistungen ermöglichten, nämlich die selbstständige Umwandlung von Wertgegenständen in Geld sowie die (sowohl dem Einzelnen als auch der Gemeinschaft) gewinnbringende Geldanlage. Sie forcierten somit das, was Laurence Fontaine als polyactivité – also die Nutzung verschiedener Einkommensquellen – beschrieb.18 Armut wird daraus folgend neu verstanden: zum einen als Zustand der Prekarität und zugleich als dynamisches Set von Strategien zu ihrer Bewältigung.19 Diese Sicht auf die „Armen“ als aktive Wirtschaftssubjekte ist Laurence Fontaine zufolge auch für die heutige Sicht von Armut relevant. Fontaine beschreibt in ihrer Synthese zur „Économie morale“ die Notwendigkeit, die Armen nicht als Almosenempfänger zu sehen, sondern als handelnde Subjekte, die fähig sind aus ihrer Notlage herauszukommen, wenn ihnen staatliche oder private Strukturen dies ermöglichen. Die Selbstermächtigung der Armen muss auch das Ziel gegenwärtiger Sozialund Wirtschaftspolitik sein. Das sind Forderungen, wie sie Christoph Butterwegge in seinem Aufruf zu einer radikalen Wende in der gegenwärtigen Armutspolitik formulierte.20 Ihm geht es um die Beseitigung bzw. um die Eindämmung dessen, was er als relative Armut beschrieben hat, nämlich den Mangel an gesellschaftlicher Teilhabe und an Verwirklichungschancen. Ihm geht es um das Problem sozialer Ungleichheit, die eben auch durch den Klein- und Mikrokredit beseitigt werden können. Die Kredite schufen und schaffen die nötigen Spielräume und damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und verbessern die Lebenslagen der Menschen und tragen heute wohlmöglich auch zur Beseitigung struktureller Armut bei. Nach Amartya Sen, auf den auch Fontaine Bezug nimmt, ist Armut nicht in erster Linie durch das Fehlen eines Einkommens definiert. Er definiert Armut vielmehr als Form der Unfreiheit, und meint damit fehlende Verwirklichungschancen, aus der sich das Individuum jedoch durch demokratisch und institutionell vermittelte Instrumente (etwa in Bezug auf Gesundheit, Bildung und Nutzung seiner Arbeitskraft) befreien kann. Einkommen und Vermögen bilden – im Anschluss an die aristotelische Auffassung21 – für Sen nur „Mittel zum Zweck“. Die Nutzbarkeit dieser Mittel hängt letztlich von verschiedenen Faktoren, wie der natürlichen Umwelt, geschützten Eigentums-

17 18 19 20 21

Fischer, Städtische Armut, S. 297. Fontaine, L’économie morale, S. 313. Ebd., 321. Christoph Butterwegge, Armut, 4Köln 2019, S. 8–22, besonders S. 12. Sen zitiert hier Aristoteles’ Nikomachische Ethik: „Der Reichtum ist gewiss nicht das gesuchte oberste Gut. Denn er ist nur ein Nutzwert: Mittel für andere Zwecke.“ Sen, Gerechtigkeit, S. 280.

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Conclusio

rechten, den persönlichen Merkmalen, dem Sozialklima und den Gepflogenheiten der Gesellschaft ab, in der eine Person lebt.22 In einer solchen politischen Ökonomie hat der (demokratische) Staat dafür zu sorgen, dass die Freiheitsrechte und Verwirklichungsräume der Bevölkerung geschützt werden, so dass es jeder und jedem möglich ist, nach seinen eigenen Bedürfnissen zu leben. Ergänzt wird die Wahl und Schaffung der Institutionen nach Sen durch Verhaltensanpassungen und „Verfahren zur Korrektur sozialer Maßnahmen nach öffentlichen Diskussionen“. Sen schlägt also einen dreiteiligen Ansatz vor, der Institutionen, menschliches Verhalten und den gesellschaftlichen Diskurs vereint, und zur Beseitigung von Ungerechtigkeit und zur Förderung von Gerechtigkeit führt.23 Diesen Status der Gerechtigkeit als Grundlage für die Vermeidung und Bekämpfung von Armut stellt die moderne Wirtschaftstheorie und Philosophie in einen direkten Zusammenhang mit politischem Handeln. Hierin kann man durchaus eine gewisse Parallele zu den Entwürfen der Franziskaner zur Rolle der Monti für das Gemeinwohl sehen, jedoch ohne das ideale Ziel tatsächlicher politischer Teilhabe, wie es die Gegenwart kennt. 8.2.3 Kleinkredit und Mikrokredit Der von Laurence Fontaine gewählte Ansatz, Lehren aus der Vergangenheit für die Gegenwart zu ziehen und die Rolle des Kleinkredits für die Überlebensstrategien der Armen zu erforschen, ist für diese Arbeit ebenso anschlussfähig wie die Frage nach den historischen Vorläufern des Mikrokredits.24 Damit leistet die Arbeit einen weiteren Beitrag zur Erforschung der politisch relevanten Frage, wie ärmere Bevölkerungsschichten in die Lage versetzt werden können, aktiv als Wirtschaftssubjekte durch Arbeit und die Gründung von Kleinstunternehmen am Markt teilzuhaben. Dass diese Möglichkeiten auch in der Vormoderne vor allem von Machtstrukturen bestimmt waren, wird ersichtlich in den Handlungsspielräumen, die ihnen durch die Monti als Projekt der Stadtoberen eingeräumt wurden, in denen sie bestimmten Regeln zu folgen hatten und in denen es auch bestimmte Einschränkungen gab. Ein Beispiel hierfür ist der erforderliche Nachweis der Bedürftigkeit oder der kleinen Leihsummen, der häufig genug etwa durch reichere Kunden unterminiert wurde. Der sich formierende Staat als soziale Steuerungsinstanz tritt im 15. und 16. Jahrhundert erstmals auf den 22

23 24

So hat ein Armer in einer wohlhabenden Gesellschaft geringe Partizipationschancen, da er bereits an den zu hohen Standards einer Konsumgesellschaft scheitert, obwohl er gemessen am Durchschnitt des Einkommens „armer Länder“ ein hohes Einkommen hat. Im Gegensatz dazu kann etwa in repressiven, undemokratischen Gesellschaften oder durch Naturkatastrophen auch ein ausreichendes Einkommen die Verwirklichung des Einzelnen verhindern. Sen, Die Idee der Gerechtigkeit, S. 282 ff. Ebd., S. 296. Hierzu Fontaine, L’économie morale, S. 10.

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Plan. Ähnlich stellt sich die Situation des Zugangs zum heutigen Mikrokredit dar, wo ebenfalls bestimmte Auflagen und Handlungsanweisungen, etwa die Teilnahme an zusätzlichen Trainings erforderlich sind. Das reibungslose Funktionieren dieser Institutionen stößt hier häufig an Grenzen, die durch Betrug, Missbrauch oder Ignoranz entstehen.25 Kleinkredite waren eine Selbstverständlichkeit im mittelalterlichen Wirtschaftskreislauf. Alle nahmen sie auf. Sie waren zugleich ein wichtiges Instrument der Fürsorge für die arbeitenden Armen und Teil ihrer Überlebens- und Versorgungsstrategien. Man kann die These aufstellen, dass bei den formalisierten Kleinkrediten der Monti durchaus Parallelen zu den heutigen Mikrokrediten bestehen. Wie beim Mikrokredit auch, handelte es sich dabei um eine Form des politisch motivierten Solidarkredits für benachteiligte (da vom regulären Kreditmarkt weitestgehend ausgeschlossene) Menschen. Der Ausgangspunkt für den Mikrokredit, wie auch die Kleinkredite der Monti war das Wucherproblem und die Exklusion der Armen vom formellen Kreditmarkt. Hier wie da wirken Klein- und Mikrokredite zweifach: Der Zugang zu Darlehen jenseits des informellen Kredits wird ermöglicht, und zum anderen können die Klienten der Mikrokreditinstitute durch die Darlehen sowohl als Konsumenten wie auch als Produzenten am Markt teilnehmen. Der Kleinkredit kann zum Kauf neuer Arbeitsgeräte oder zur Ausstattung einer Werkstatt genauso genutzt werden wie zum Kauf von Nahrungsmitteln oder Kleidung. Der scheinbare Gegensatz von Wohltätigkeit und Banking, von Gabekultur und Profitkultur erscheint durch diese Ergebnisse in einem neuen Licht und löst sich auf. Neben der Steigerung des Einkommens und die dadurch ermöglichten Investitionen bringt der Mikrokredit auch soziale Entwicklungschancen mit sich, allerdings nur – so formulieren es die Kritiker des Mikrokredits – wenn er flankiert wird von weiteren strukturellen Entwicklungsmaßnahmen (Bildung, Gesundheit, Sicherheit etc.).26 8.2.4 Kleinkredit und Marktteilhabe Zu diskutieren bleibt, inwieweit der Markt durch den Kleinkredit auch für die Armen ein Ort der Selbstverwirklichung im Sinne von Laurence Fontaine und Amartya Sen sein konnte. Der flächendeckende und nachhaltige Bestand der Monti als Hilfseinrichtung lässt sich an ihrer langen Geschichte, die mindestens bis ins frühe 20. Jahrhundert 25

26

Auf die Gefahren und Probleme verweist auch Servet, der die Wirksamkeit der Mikrokredite und der sie begleitenden medialen Kampagnen sehr kritisch hinterfragt. Er bezeichnet ihn in seinem Gewinnstreben durch hohe Zinsen und die vermeintliche Entstehung sozialer Abhängigkeiten, die traditionelle soziale Sicherungsnetze und Solidarsysteme zunehmend zerstörten, sogar als „Maske des Neoliberalismus“. Jean-Michel Servet, Art. Microcrédit, in: Laville/Cattani (Hg.), Dictionnaire de l’autre économie, S. 450–459, hier S. 452 f. Servet, Art. Microcrédit.

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Conclusio

reicht, ablesen. Seine Wirksamkeit in Bezug auf die Lebenswirklichkeit im konkreten Einzelfall bleibt jedoch unbekannt. Die von Fontaine vorgeschlagene Rehabilitierung des Marktes27 als Instrument der Armutsbekämpfung in der Gegenwart verläuft in vielem parallel zur Argumentation der Franziskaner des späten Mittelalters. Dabei wird der Markt nicht als Feind und Hinderungsgrund für Humanität und Demokratie28 betrachtet, sondern eher im Sinne Adam Smiths29 als soziale Errungenschaft und Ort persönlicher Freiheit und gesellschaftlicher Gerechtigkeit. Auch die Franziskaner seit Olivi schrieben dem Handel und der Geldzirkulation und letztlich dem Markt eine produktive Kraft für die Gesellschaft zu, wobei diese Sichtweise selbstverständlich kritisch hinterfragt werden muss.30 Setzt man die hier formulierten Ergebnisse und Gedanken in Bezug zur gängigen Wahrnehmung der Wertesysteme vormoderner Wirtschaftsakteure, so wird deutlich, dass das Bild des homo oeconomicus und des Marktes als Arena der Profitgier revidiert werden muss. Diese Erkenntnisse sind nicht neu, doch sie erhalten zusätzliche Evidenz durch die Forschungsergebnisse dieser Studie. Die Generierung und Nutzbarmachung von Wohlstand zur Linderung prekärer Lebensumstände durch eine Institution, wie die Monti, verweist auf Werte, die das Postulat neoklassischer Ökonomien infrage stellen. Der Markt kann in diesem Sinne als Institution des Gemeinwohls, in dem Menschen zusammentreffen und miteinander interagieren, definiert werden. Sie zeigen, dass Kooperation und kooperatives Handeln von Menschen in der (mittelalterlichen) Wirtschaftsgeschichte relevanter sind als die Idee vom Eigennutz. Demnach wäre eine moralische Ökonomie auch für die Gegenwart die bessere Wahl.

27 28 29 30

Fontaine, Le Marché, passim. Hier kritisiert sie Karl Polinanyi und Edward Thomson. Smith hat in seinem weniger bekannten Werk The Theory of Moral Sentiments (1759) die Empathie als Grundlage menschlichen Handelns beschrieben. Auch An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations (1776) wird immer noch völlig verkürzt interpretiert. So tut es beispielsweise Bas van Bavel in seinem Werk The Invisible Hand? How Market Economies have Emerged and Declined Since AD 500, Oxford 2016.

9. Bibliografie 9.1 Ungedruckte Quellen Archivio di Stato di Perugia Libro de vendete de pegni del Monte, Commune di Perugia, miscellanea di computerista n. 3, 1469, fol. 35r (unvollständig abgedruckt bei Majarelli/Nicolini, S. 337–360) Archivio ex congregatione di carità (Monte di Pietà), Miscellanea 1 Reg. Perg. cc.81 Debitori per dipositi di pegni, 1, 1516–1517 (Reg. Cc.203) Debitori et creditori, N. 1 Commune di Perugia, Consigli e Riformanze, vol. 98 Commune di Perugia, Miscellanea, no. 65 Archivio di Stato di Roma Arch. Sagro Monte di Pietà, Libri Mastri 1584–1595 Archivio Segreto Vaticano Camera Apostolica, Cameralia Diversa, Arm. XXIX, vol. 135, fol. 111r–v Statuti del Sacro Monte della Pietà di Roma, Roma 1581, Bolle per diverse Militie di Cavalieri per diversi collegii di Roma per il Monte di Pietà e per St.a Casa di Loreto, Misc., Armadio IV–V, Tomo 22 Epist. ad Princ. 64, Nr. 10 (Mem. de unione hospitorum Bohemorum montis Pietatis de urbe sub Gregorio XIII.) Minute et Brevi, Arm. XL–XLI, Nr. 10 Epist. ad Princ. 64, Nr. 8 (Istitutio sub Alex VII) Misc. Arm. XI, Nr. 86, p. 196 (Capitoli et ordinacioni di detto Monte) Div. Cam. 29, Nr. 29 (nota nunnullorum piorum locorum Urbis) 1462 Misc. Arm. VII, Nr. 64 Baker Library der Harvard Business School Pfandleihverzeichnis aus Lapedona, fälschlicherweise als ‚Account Book from Rome‘ bezeichnet. Monte di Pietà, Mss. 4, vol. 1–3. Letter Books on microfilm, v. 84, reel 42 1574–1643, 1798: v1–4- Bank notes Monte di Pietà di Roma Rom: Giornale di Monte di Pietà 1651–1659

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Bibliografie

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9.2 Frühe Drucke Agostino Montalcino, Lucerna dell’Anima. Somma de casi di conscientia necessaria a i confessori, & molto utile a i Penitenti: composta da R. P. F. Agostino Montalcino, Dottore, & Maestro di sacra Teologia, dell’Ordine de Frati Predicatori, del Convento della Minerva di Roma, gedruckt von Damian Zenaro in Venedig 1590. Pro monte Pietatis. Consilia sacrorum Theologorum ac collegiorum Patavii & Perusii. Clarissimorumque doctores dd. Ioannis Baptistae Rozelli & Ioannis Campegii. Cum bulla ac brevi dato fratri Bernardino Feltresi Sanctissimi Pape Innocentii Octavi, Venedig, 1495/98. Bayerische Staatsbibliothek -- 4 Inc.s.a. 152 d. Online unter: https://daten.digitale-sammlungen. de/~db/0006/bsb00060320/images/ (15.10.2021) Consilium montis pietatis a fratre Fortunato perusino editum, die Apologia fratris Ludovici de la ture contra cuiusdam invectiva sowie die Confutatio questiuncule contra montem pietatis fratris Philippi de Rotingo, Venedig 1498. Inkunabelbibliothek der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel: 173–1-quod-4. Online unter: http://diglib.hab.de/inkunabeln/173-1-quod-4/ start.htm (15.10.2021) Nicolò Bariani, De monte impietatis, gedruckt von Carlo Darlerio in Cremona 1496. Unvollständig, online unter: https://archive.org/details/ita-bnc-in2-00001151-001/page/n8 (31.10.2021) Nicolò Bariani, De Monte Impietatis, in: Dorothei Asciani S. S. Theol. D. Montes Pietatis Romanenses: Historice, Canonice, Theologice, detecti; Praemittitur Iustus Tractatus De Nervis Rerum Gerendarum Roman. Eccles., gedruckt von Matthias Zimmermann, Leipzig 1670. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen. Online unter: https://www. deutsche-digitale-bibliothek.de/item/HI7QJXGY4LF2XPVROO4RBGTBCKCCQOWN?is ThumbnailFiltered=true&query=De+monte+impietatis&rows=20&offset=0&viewType= list&firstHit=U5I2XG3HOIJAWCWFCZ7SPCGMLTS3JHS7&lastHit=lasthit&hitNumber=6 (20.09.2021) Marco da Montegallo, Tabula della salute (gedruckt in Venedig von Nicola Balguer) 1486. online unter: BEIC Biblioteca Europea di informazione e cultura: gutenberg.beic.it Marco del Monte S. Maria, La tabula della salute, Florenz: Antonio Miscomini, 15.V.1494, Firenze BN Incunabula B 6.18. Online unter: https://www.loc.gov/item/65058984/ (12.09.2022) Filippo de Rodingo, Confutatio questiuncule contra montem pietatis, Venedig 1498. Sisto de’ Medici, De foenore Iudaeorum libri tres, Venetia 1555. Bayerische Staatsbibliothek, 978799 4 Jud. 20, Beibd. 1, online unter http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn: de:bvb:12-bsb10163654-7 (15.10.2021) Paolo Pietro Pontati, Tariffa economica, et agricola con li svoi trattati: vi sono anco l’esigenze de’ crediti, differenze de’ pesi, e misure, che sono tra Roma, e Siena, e li materiali delle fabriche: con un modo facile per imparar d’abaco, Viterbo [Italy]: Apresso Girolamo Diotallevi, 1655. Online unter:

Edierte Quellen

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350

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Internetquellen

351

9.5 Internetquellen http://torino.corriere.it/cronaca/20_maggio_01/quelle-code-infinite-al-banco-pegni-la-mia-fedenuziale-pagare-funerale-mio-marito-8be1f75c-8b71-11ea-b0cd-a1732823ac8b.shtml?refresh_ce (01.05.2020) „A Roma, la fila silenziosa al Monte dei Pegni per vendere i ricordi: ‚Mesi che non lavoro, non so dove vado a finire‘“, Corriere della Sera/CorriereTV Dall’Italia: https://www.corriere.it/ video-articoli/2020/05/07/a-roma-fila-silenziosa-monte-pegni-vendere-ricordi-mesi-che-nonlavoro-non-so-dove-vado-finire/0c22cd84-8f7c-11ea-bb7f-d3d655d2211a.shtml?&appunica=true (07.05.2020)

10. Anhang 10.1 Bildprogramm 10.1.1 „Il Pignoramento“ Giovanni Battista Bertucci il Giovane (1539–1614)

Collezioni d’arte Crédit Agricole Italia

354

Anhang

10.1.2 Die Predigt des Fra Marco da Montegallo, Kaltnadelradierung, ca. 1486

Die Predigt des Marco da Montegallo, Kupferstich von Franceso Rosselli (geb. 1445). Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe (c) akg-images / Rabatti & Domingie

Bildprogramm

10.1.3 Tabula della Salute (1494), Holzschnitt aus Marco da Montegallos Traktat

Biblioteca nazionale centrale di Firenze, Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8f/Marco_da_ Montegallo_%E2%80%93_Tabula_della_salute%2C_1494_%E2%80%93_9925126_ BEIC_one-day-one-paint.jpg

355

356

Anhang

10.2 Buchführung: Kontoübersicht der Anlagebank des Monte di Pietà Aus dem Libro Mastro vom Januar 1586 (fol. 5v und Vr) Umfasst Einzahlungen vom 1. bis 18. Januar auf zwei Seiten. Teils sind Summen am linken Rand vermerkt, wahrscheinlich, da bereits Teile abgehoben wurden, es sich also um Restsummen handelt. Die erste Spalte enthält die Formel mit dem Namen und der ausgeschriebenen Summe, die eingezahlt wurde. Dann folgt die Seite des LM, auf dem die Transaktion vermerkt ist, und schließlich der Betrag als Zahl. Am Ende der ersten Seite wurde eine Gesamtsumme von 2.934,55 gebildet. 8

A di 1 gennaoi nostro cassiere deve dare tanti denari havro Lauro Dobliul centoventicinque moneta aquistato

1r.

125

Et dal Cesare funerale scudi duecento moneta aquistato

1r

200

10

E ad 2 da Ludovico Strina dieci di moneta aquistato

1r

10

Da Bernardino ferro scudi nove bl. Tre di moneta aquistato

1r.

9.30

Da Giovanni Battista Capogallo scudi ittantatre di moneta aquistato

2r.

83

Ad 3 da Girolamo Colutio scudo sei di moneta aquistato

2r.

6

Ad 4 dal Paulo Quintilio scudi centoventinove bl. 30 di moneta aquistato

2r.

129

7

Da Camillo Cavatano scudi quattordici aquistato

2r.

14

Dall Federico Conti scudi cento moneta aquistato

2r.

100

6

Da Antonio Dardano scudi seidici bl. 50 moneta aquistato

3r.

16.50

8

Dalla Signora Hersilia de Monti scudi otto di moneta

3r.

8

8

Da Fausto Ravallino scudi otto moneta aquistato

3r.

8

2

Da Giovanni venerelli scudi quattro bl. 60 moneta aquistato

3r.

4.60

3

Da Francesco Padovana scudi Cinque di moneta aquistato

4r.

5

3

Da Giovanni Battista Cecchone scudi cinque di moneta aquistato

4r.

5

Da Pietro Cino scudi dugento moneta aquistato

4r.

200

9.50

Da paulo riecuperato cudi nove bl. 50 moneta aquistato

4r.

9.50

4

Ad 8 da Domenico Savonese scudi undici moneta aquistato

4r.

11

Da Giacobo de Prospero scudi dodici de moneta

4r.

12

6

Da Francesco Roncallo scudi dodici bl. 50 moneta aquistato

6r.

12

8

Da Alberico Capocafalo scudi otto di moneta

6r.

8

3

Da Pietromatteo Vasini scudi cinque moneta aquistato

6r.

5

Da Giulio Bortigliono scudi ventisette moneta aquistato

6r.

27

Da Veronica de Alessandro de Rosso scudi trentaquattro bl. 50 moneta aquistato

6r.

34.50

16

357

Buchführung: Kontoübersicht der Anlagebank des Monte di Pietà

11

Da Cesare Cremona scudi trenta di moneta aquistato

7r.

30

Da Girolamo da Santi scudi quattrocento dodici bl. 96 moneta aquistato

7r.

412.96

Ad xi da Agostino da Lucignano scudi ventuno moneta aquistato

7r.

21

Da Monsignore Cosmo Fustino scudi quaranta moneta aquistato

7r.

40

Dal detto scudi trenta moneta aquistato

7r.

30

Da Clemente Coreo scudi ventidoi bl. 50 moneta aquistato

8r.

22.50

Ad 13 da Gabriele vaccinaro scudi otto bl. 25 moneta aquistato

8r.

8.25

5

Da Sigismondo Brumano scudi nove bl. 40 moneta aquistato

8r.

9.40

22

Gottardo Beretta scdui ventidoi di moneta

8r.

22

3

Ad 14 da Antonio sustio scudi sei di moneta aquistato

8r.

6

Ad 16 da Luca Testone scudi ventiquattro aquistato

9r.

24

7.25

8:89,5

Da Francesco de Forsei scudi nove bl. 50 moneta aquistato

9r.

9.50

Da Paluzio mattei scudi diecotto moneta aquistato

9r.

18

Da Girolamo Naro scudi ottantosei bl. 2,5 aquistato

9r.

86.2,5

Da Antonio Naro scudi novantadoi bl. 2,5 aquistato

9r.

92.2,5

Dal Flaminio Zambeccharo scudi ottocento moneta aquistato

Xr.

800

Da Vincenzo Berti scudi dodici bl. 89,5 moneta aquistato

Xr.

12.89,5

Ad 18 da Luca batti scudi cento trenta moneta aquistato

Xr.

130

Dall M S. Carlo S. Sisto scudi trenta moneta aquistato

Xr.

30

4

Da Madalena Teisora scudi dodici moneta aquistato

Xr.

12

8

Da Mieolo de Paulo perusino scudi quindici moneta aquistato

Xr.

15

mo

Scudi 2934.55,5

358

Anhang

Fol V. Nun folgen alle Auszahlungen auf der gegenüberliegenden Seite M. Agostino Fortino nostro cassiere deve havere ad 2 di gennaio scudi sessanta moneta pagati al laquale Paulo Stefanucci sopra

92r.

60

4

A Guihjelmo de Rosso scudi otto moneta sopra

162r.

8

4

A Francesco Pina scudi otto moneta sopra

162r.

8

Ad 3 detto a Cesare Cremona scudo dieci moneta sopra

180r. 10

A 4 a ? Naldino scudi dieci moneta sopra

179r.

10

A Pompeo Ruggiero scudi sessantadoi moneta sopra

99r

62

A detto a Lorenzo Pato scudo quarantuno bl. 14 moneta sopra

176r.

41.14

A Simone del Calo mutio scdui quaranta moneta sopra

187r

40

A Pietro Cino scudi dugento settanta moneta sopra

102r.

270

A Sabbaro Mazzone scudi dieci moneta sopra

82r.

10

8.40

Ad 8 detto a Barbara de Pasquale scudi otto bl. 40 d. m. sopra

113r.

8.40

9

A di 9 scudi undici moneta pagato alla Compagnia de Cuochi sopra

155r.

11

25.35

A Papino Arrigoni scdui venticinque bl. 35 m. sopra

128r.

25.35

22

5

4

A Mozello Costa scdui dodici bl. 50 m. sop.

181r.

12.50

A di x detto a Laura de vesi scudi dieco m. sopra

76r.

10

8

A Dionisio de Prato ossa scudi ventotto bl. 25 sopra

31r.

28.25

18

A Valerio Valli scudi quaranta m. sop.

176r.

40

A Matteo Boscoli scudi ventotto m. sopra

188r.

28

A Timorata Alsino scudi tre bl. 15 m. sopra

112r.

3.15

A Giulio Aostiglioni scudi dieci di moneta in questo

6r.

10

A Virgilio panzirolo scudi quaranta quattro moneta sopra

147r

44

A di xi detto a Giovanni Battista Perozzi ### de camera quaranta sopra

185r.

50

A Berardino ferro scudi nove bl. 50 moneta in questo

1r.

9.50

A Sig. Federico Conti scudi cento moneta on questo

2r.

100

A Monsignore Recuperato scudi nove bl. 50 moneta in questo

4r.

9.50

A di 13 a Mons. De Minori scudi ventidoi bl. 50 moneta in questo

189r

22.50

A Paulo Quintilio scudi centoventinove bl. 70 moneta in questo

2r.

129.70

8

A Ersilia de Monti scudi otto da quattrini in. questo

3r.

8

10

Ad 14 detto a Vincenzi Raimundo scudi quindici bl. 80 sopra

181r.

15.80

3

A Pietro matteo Varmi scudi cinque moneta in questo

6r.

5

12

9.50

359

Buchführung: Kontoübersicht der Anlagebank des Monte di Pietà

6.50

6.50

9.50

69 9160.64

A Giovanni Battista Capogallo a 13 detto scudi ottantatre di moneta in questo

1r.

83

A Guido Argentis scudi tredici bl. 24 moneta in questo sopra

184r. 13.24

A Antonio Dardano scudi sedici bl. 50 moneta in questo

3r.

16.50

A do 16 detto a Giacobo da Prospero scudi dodici moneta in questo

4r.

12

A Gioanna de Morosi scudi vento di moneta sopra

98r.

20

A di 18 a Luca Testone scudi ventiquattro moneta in questo

9r.

24

A Luici Ruberti sotto detto 16 stanze scudi ottocento cinquantatre bl. 19 sopra

173r.

853

Ad 21 a Pietro Spada scudi nove moneta sopra

132r.

9

A marco Battista Simonaldo falegname scudi cinque bl. 6,5 sopra

156r

5.6,5

A Alessandro Parabraccho scudi quattro bl. 30 moneta sopra

83r.

4.30

A Cesare Cremona scudi trenta in questo7r.

30

A poi scudi settecento sessantaquattro di moneta per tanti posti ad hre magistro?

15r.

764.91 2934.55,5

11. Register Personen und Orte A Albrecht der Beherzte  294 Alexander der Große  131 Alexander VI., Papst  100 Alexander von Alexandrien  70 Alexander de Imola  112 Alfons V., König von Aragon  272 Amelia  166, 170 Amsterdam  303, 313 Andrea de Faenza  95, 171 Annio (Giovanni Nanni) da Viterbo  35, 97, 100–107, 112, 115 f., 118, 134, 164, 241, 300, 318, 326 Antonio Tauro da Feltre  108 Antonius von Florenz  64 Apennin 26 Ascanius, Guido, Kardinal  146 f. Assisi 144 Aristoteles  66, 80, 104 f., 114, 121, 295 Augsburg  32 f., 292, 304, 313 f., 316 B Baldo degli Ubaldi  70 Bariani, Niccolò  77, 79, 93–96, 117, Bartolomeo della Rovere  120 Baglione di Ugolino di Montevibiani  79–83 Benedetto de Benedetti da Perugia  100 Benedetto de Ripalta  119 Bernardino da Feltre  63 f., 75–77, 87, 91, 95, 99, 107–119, 130 f., 135, 150, 164, 302 Bernardino da Siena  63, 69–72, 82, 123, 142 Bernardino de Bustis  75, 77 f., 87, 93, 95–100, 119 Bertucci, Giovanni Battista (il Giovane)  134 Bessarione, Kardinal  49 Boccardini, Carlo, Bischof Bologna Borela da Sichis

Borgia, Cesare Borromeo, Carlo  120 Braunschweig  294 f. Brescia 94 Brixen 116 Brüssel 292 C Cajetan, Thomas  94, 303 Calixtus III., Papst  272 Campofilone 214 Cania  261 f. Capitol 47 Cesaria 289 Cesena 146 Cherubino da Spoleto  95, 113 Cingoli  167–169, 188 f., 194 Clemens VIII., Papst  148 Coppoli, Fortunato (Perusino)  73, 77, 79– 87, 89, 95, 98 f., 103, 118 f., 123, 170, 300 Corte Savella  47 Cortona 73 Cremona  77 f., 93 f., 97, 119–121 Cristoforo de Massi  119 Croce, Giulio Cesare  19–23, 34, 319 Cuppener, Christoph  60, 293–300, 304 f., 309, 316 D Demosthenes 131 Deruta 144 E Eroli, Berardo, Kardinal  144 F Fabriano 91 Faenza  95, 119 Feltre 108

362

Register

Fermo  214, 319 Florenz  38–41, 54, 63, 77 f., 82, 86 f., 96, 100, 109, 119 f., 133, 138, 140, 149–153, 164, 175, 182, 213, 221, 234, 239 Foligno  151, 289 Francesco Giovenale di Nobili di Marginata, Notar 120 Francesco Nicola de Chiachi  119 Francisco de Quinones  170 Freiberg 294 Friedrich III., deutscher Kaiser  310 Friedrich Graf zu Otting  312 Friesland 294 G Gaspare da Verona  100 Genua  101, 175, 243, 289 Giacomo da Cagli  119 Giacomo da Merenzio  121 Giacomo del Signor Poggi  119 Giacomo della Marca  79 Giovanni da Calvi ( Johannes de Calvi)  146, 168 Giovanni Maltei da Calvi  170 Gomez di Giovanni da Lisboa  87 f., 96, 164 Gregor XIII., Papst  147 f., 176, 241, 247, 274 f., 305 Guslino, Bernardo  109 H Hales, Alexander  82 Hamburg  303, 305, 309 Horeb, Berg  132 Hostiensis (Enrica da Susa)  66, 70, 82 I Iacopo Vanucci da Cortona  190 Imhof, Endres III, 312, 314 Innozenz VIII., Papst  92, 300 J Jacobus de Marchia  113, 117 Jerusalem  145, 326 Johann von Breitenbach  294 Justinian 304

L Lapedona  213–215, 225–233, 235, 237 f., 319 L’Aquila  166, 168, 172, 178, 180, 190–192, 194 f. Latherus, Hermann  309 Leipzig  293 f., 300 f. Leo X., Papst  75, 77, 122–124, 135, 268 Lombardei 94 Lorenzo de Ridolfi  70 Löbau 294 Lucca 313 Ludovico il Moro (Ludovico Sforza)  110 M Macerata  166,169, 172, 186, 193, 197, 200 f. Mailand  77, 94, 97, 99, 212, 289, 313 Mantua  76, 108 f., 116, 119 f., 131, 157 Marco da Bologna  95 Marco da Montegallo  77, 89–92, 129, 132 f. Marperger, Paul Jacob  60, 293, 301–310, 316 Marseille 64 Martin V., Papst  272 Maximilian I., deutscher Kaiser  310–312 Maximilian II., deutscher Kaiser  312 Medici, Familie  182 Medici, Cosimo de’ 119 Medici, Sisto de’ 160–162 Melchiorre, Matteo  110 Mestre  156 f. Michele da Carcano  95, 113, 144 Michele d’Acqui  169, 173 Montalcino, Agostino di  78, 124–129, 265–267, 276 f. Monte Megliore  275 Monte Morcino  190 Montpellier  63, 292 N Narbonne  63 f. Narni  77, 119 f. Nazareth 181 Neapel  246, 264, 272, 282, 289 Nikolaus V., Papst  272 Norcia 289 Nürnberg  60, 212, 292, 303, 309–317

Personen und Orte

O Olivi, Petrus Johannes  63–72, 82, 115 f., 123, 135, 208, 318, 332 P Padua  77 f., 96, 101, 108, 116, 131, 157, 160, Paris  47 f., 58, 63, 292 Paul II., Papst  100 Paul III., Papst  146, 168, 170 Paul IV., Papst  147, 158 Paulus de Castro  112 Pavia  107–110, 117 f. Petersdom  42, 254 Piacenza  78, 167, 169, 178, 181 f., 192–194, 199 Pisa  238, 313, 317 Pistoia 234 Pius II., Papst  112, 144 f. Pius V., Papst  272–274 Plato 114 Plutarch 114 R Raymond de Penaforte  66, 70 Rodolfo Pio da Carpi  170 Rouen 293 Rovigo 160 S Sallust 304 Salzburg 292 Savona 146 Scotus, Johannes Duns  70, 82, 295 Serignan 63

363

Siena  77 f., 96, 109, 114, 164, 235, 280 Sixtus IV., Papst  112, 267 f., 317 Sixtus V., Papst  46, 148, 214, 267 Sizilien 272 Spoleto 144 T Taranto 289 Terni  144, 166, 171–174, 191, 195, 197–199 Terracina  146, 264 Terraferma  156, 158 Thomas von Aquin  66, 70, 80, 82, 104, 295 Todi 289 Tolfa 41 Tommaso de Bergamo  119 Torre di Nona  47, 273, 289 Toskana  39, 41, 77, 109, 139 Trevisan, Andrea  156 Treviso 157 Tucher, Philipp Jakob  314 U Umbrien  41, 109, 289 V Venedig  41, 54, 61, 87, 132 f., 138, 140 f., 156– 160, 213, 230, 323 Venezien 41 Verona  100, 116, 157, 160, 167, 169, 172 f. Z Zwickau 294

Mikrokredite sind keine Erfindung der Moderne. Sie gehörten bereits im Mittelalter zu den Instrumenten der erfolgreichen Armutsbekämpfung. Die Kreditwirtschaft basierte damals auf einer christlichen Wirtschaftsethik, vor allem auf den Ideen Nächstenliebe und Gemeinwohl. Inspiriert durch diese Ethik wurden im Italien des 15. Jahrhundert hunderte städtische Pfandleihhäuser gegründet. Diese „Berge der Barmherzigkeit“ (Monti di Pietà) genannten Institute vergaben günstige Kleinkredite an Handwerker, Tagelöhner und kleine Händler und boten zudem Geldanlagen und Ban-

ISBN 978-3-515-13375-3

9 783515 133753

kenservices an. Tanja Skambraks untersucht die Geschichte dieser Pfandleihanstalten und ihre wirtschaftsethischen Grundlagen im 15. und 16. Jahrhundert. Sie nutzt eine Vielfalt lateinischer und italienischer Quellen wie Traktate und juristische Gutachten, aber auch zahlreiche administrative Schriften wie Rechnungsbücher und Statuten. Hinzu kommen Ausblicke in den deutschsprachigen Raum. Die Studie deckt die lange Dauer von Kleinkrediten für arbeitende Arme auf und befasst sich mit der Idee einer moralischen Ökonomie mit hoher Relevanz für die Gegenwart.

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