Kapitalmarktaufsicht: Wandel und Neubestimmung der nationalen und europäischen Kapitalmarktaufsicht anhand des Beispiels der Aufsicht über die Börsen und den Börsenhandel [1 ed.] 9783428519811, 9783428119813

Die Kapitalmärkte sind einem starken Wandel unterworfen, der durch eine territoriale Ausweitung finanzwirtschaftlicher A

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Kapitalmarktaufsicht: Wandel und Neubestimmung der nationalen und europäischen Kapitalmarktaufsicht anhand des Beispiels der Aufsicht über die Börsen und den Börsenhandel [1 ed.]
 9783428519811, 9783428119813

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 5

Kapitalmarktaufsicht Wandel und Neubestimmung der nationalen und europäischen Kapitalmarktaufsicht anhand des Beispiels der Aufsicht über die Börsen und den Börsenhandel

Von

Andreas Möller

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ANDREAS MÖLLER

Kapitalmarktaufsicht

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 5

Kapitalmarktaufsicht Wandel und Neubestimmung der nationalen und europäischen Kapitalmarktaufsicht anhand des Beispiels der Aufsicht über die Börsen und den Börsenhandel

Von

Andreas Möller

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 3-428-11981-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Tochter Isabell

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2005 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung, Literatur und Änderungen in der Gesetzgebung sind bis Oktober 2005 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M., der die Arbeit kritisch begleitete und mich mit wertvollen Hinweisen unterstütze. Bei Herrn Prof. Dr. Uwe Blaurock bedanke ich mich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für die Aufnahme der Arbeit in die „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht“ danke ich den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M., Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M., und Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler. Zum Gelingen der Arbeit hat die Möglichkeit der Nutzung der Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht in Hamburg im wesentlichen Maße beigetragen. Für diese Zugangsmöglichkeit möchte ich mich vor allem bei Herrn Priv.-Doz. Dr. Harald Baum, Herrn Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Klaus J. Hopt sowie stellvertretend für die Bibliotheksmitarbeiter bei Frau Elke Halsen-Raffel bedanken. Schließlich möchte ich mich bei den Personen aus meinem engsten persönlichen Umfeld bedanken, die mir während der gesamten Zeit uneingeschränkten Rückhalt gewährt haben.

Berlin, im März 2006

Andreas Möller

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Grundlagen A. Einleitung ............................................................................................................... 21 B. Gegenstand der Untersuchung ............................................................................. 26 I. Kapitalmarktaufsicht ......................................................................................... 26 1. Der Kapitalmarkt......................................................................................... 26 2. Die Börse..................................................................................................... 27 a) Der Börsenbegriff im deutschen Recht ................................................. 27 b) Der Begriff des Geregelten Marktes im europäischen Recht ................ 29 II. Das Verhältnis von Kapitalmarkt- und Börsenaufsicht...................................... 30 C. Zum Forschungsstand ........................................................................................... 31 I. Ausgestaltung der Aufsicht auf nationaler Ebene.............................................. 32 II. Ausgestaltung der Aufsicht auf europäischer Ebene.......................................... 33 D. Gang der Untersuchung ........................................................................................ 35 2. Teil Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen in Deutschland und aktuelle Tendenzen der Organisation im Ausland A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland.......................................... 37 I. Die Börsenaufsicht von 1896 bis 1986 .............................................................. 37 1. Die Entstehungsgeschichte des Börsengesetzes von 1896 .......................... 37 a) Die Situation vor Erlass des Börsengesetzes ......................................... 37 b) Die Arbeiten der Börsenenquetekommission ........................................ 39 2. Das Börsengesetz von 1896......................................................................... 39 a) Das Gesetzgebungsverfahren ................................................................ 39 b) Die Aufsicht .......................................................................................... 40 c) Die Aufsichtsbereiche ........................................................................... 41 aa) Börsenteilnehmer ............................................................................ 41 bb) Preisfeststellung und Zulassung von Wertpapieren ........................ 41 cc) Termingeschäfte.............................................................................. 41 d) Die Regelungen in der praktischen Anwendung ................................... 41 3. Die Gesetzesnovelle von 1908 .................................................................... 42 4. Die Gesetzesnovelle von 1934 .................................................................... 42

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Inhaltsverzeichnis 5. Der Referentenentwurf von 1967 und die Börsensachverständigenkommission ................................................................................................. 44 6. Die Gesetzesnovelle von 1975 .................................................................... 45 II. Die Novellierungen des Börsenrechts von 1986 bis 2004 ................................. 46 1. Die Gesetzesnovelle von 1986 .................................................................... 47 2. Die Gesetzesnovelle von 1989 .................................................................... 47 3. Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz von 1994................................... 48 a) Novellierung der Kompetenzverteilung bei der Börsenaufsicht............ 49 aa) Die Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel............................................................................ 49 bb) Die Aufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörden ........................... 49 cc) Die Aufsicht der Börsen im Rahmen der Selbstverwaltung............ 50 b) Das Verhältnis der Aufsichtsinstanzen zueinander ............................... 51 aa) Das Verhältnis Bundesaufsichtsamt – Börsenaufsichtsbehörden................................................................................................ 51 bb) Das Verhältnis Bundesaufsichtsamt – Börsen................................. 52 cc) Das Verhältnis Börsenaufsichtsbehörden – Börsen ........................ 52 4. Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien und zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften sowie ein Begleitgesetz von 1997 ............................................................................... 53 a) Erweiterung der Bundesaufsicht auf Kurs- und Freimakler .................. 53 b) Aufsichtsrechtliche Gleichstellung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten............................................................................... 54 5. Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz von 1998 .................................... 55 a) Erweiterung der Eingriffsbefugnisse von Börsenaufsichtsbehörden und Börsen ............................................................................................ 56 b) „Delisting“-Regelung............................................................................ 56 c) Teilnahme am Börsenhandel in einem elektronischen Handelssystem ...................................................................................... 56 d) Verpflichtung zur Überlassung elektronischer Handelssysteme ........... 57 6. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz von 2002.................................... 58 a) Neuverteilung der Aufsichtskompetenzen zwischen Bundes- und Börsenaufsichtsbehörden ...................................................................... 58 aa) Die Aufsicht über börsenähnliche Einrichtungen............................ 58 bb) Die Aufsicht über das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation ................................................................................... 59 cc) Die Aufsicht über organisierte Märkte mit Sitz im Ausland ........... 60 b) Materiellrechtliche Änderungen des Börsengesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes ................................................................... 60 aa) Änderung börsenrechtlicher Vorschriften ....................................... 60 (1) Börsenähnliche Einrichtungen.................................................. 60 (2) Wertpapierzulassung und Preisfeststellung sowie Maklerrecht............................................................................... 61

Inhaltsverzeichnis

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(3) Marktsegmentierung................................................................. 62 (4) Einbeziehung von Wertpapieren in den geregelten Markt ........ 62 (5) Verhältnis Börse – Börsenträger – Börsenaufsicht ................... 64 bb) Änderung wertpapierhandelsrechtlicher Vorschriften..................... 64 (1) Das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation.................. 64 (2) Organisierte Märkte mit Sitz im Ausland ................................. 65 7. Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht von 2002 ........... 66 a) Zusammenführung der Bundesaufsicht über Finanzdienstleistungen .............................................................................................. 66 b) Rechtliche Stellung, Finanzierung und Kontrolle der Aufsicht............. 68 c) Künftige Anforderungen an eine integrierte Finanzaufsicht ................. 69 8. Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2004....................................... 69 a) Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie ................................... 71 aa) Insiderrecht ..................................................................................... 71 bb) Ad hoc-Publizität ............................................................................ 72 cc) Directors’ Dealings ......................................................................... 73 dd) Marktmanipulation.......................................................................... 74 ee) Befugnisse der BaFin...................................................................... 75 b) Erweiterung der Prospektpflicht............................................................ 76 9. Das Wertpapierprospektgesetz von 2005 .................................................... 77 B. Aktuelle Tendenzen der Organisation der Börsenaufsicht im Ausland ............ 77 I. Allgemein .......................................................................................................... 77 II. Vereinigtes Königreich...................................................................................... 79 1. Financial Services Authority (FSA): Entstehung und Aufgaben................. 79 2. Befugnisse ................................................................................................... 83 3. Kritik ........................................................................................................... 84 III. USA................................................................................................................... 85 1. Securities and Exchange Commission (SEC): Entstehung und Aufgaben .............................................................................................. 85 2. Befugnisse ................................................................................................... 87 3. Kritik ........................................................................................................... 88 IV. Vergleich der Aufsichtssysteme ........................................................................ 89 3. Teil Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele im Börsenwesen A. Ökonomische Funktionen und Effizienzkriterien der Börse.............................. 91 I. Zentrale Funktionen der Börse .......................................................................... 91 1. Die Marktfunktion....................................................................................... 92 2. Die Finanzierungsfunktion .......................................................................... 92 3. Die Zirkulationsfunktion ............................................................................. 92 II. Effizienzkriterien der Börse............................................................................... 92 1. Transaktionskosten...................................................................................... 93

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Inhaltsverzeichnis

a) Spanne zwischen An- und Verkaufspreis (Geld-Brief-Spanne) ............ 93 aa) Inventarkosten................................................................................. 94 bb) Insiderkosten................................................................................... 94 cc) Geschäftsabwicklungskosten .......................................................... 95 b) Kommissionskosten .............................................................................. 95 c) Marktbeeinflussungskosten................................................................... 95 2. Informationseffizienz .................................................................................. 96 3. Transparenz ................................................................................................. 97 4. Liquidität..................................................................................................... 97 5. Abwicklungseffizienz.................................................................................. 99 6. Marktzutritt ................................................................................................. 99 7. Marktintegrität........................................................................................... 100 8. Wechselwirkungen zwischen den Effizienzkriterien................................. 100 B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen ........................................................ 101 I. Funktionenschutz............................................................................................. 101 1. Institutionelle Funktionsfähigkeit.............................................................. 102 2. Operationale Funktionsfähigkeit ............................................................... 103 3. Allokative Funktionsfähigkeit ................................................................... 103 II. Anlegerschutz .................................................................................................. 105 1. Begriff des Anlegerschutzes...................................................................... 105 2. Risiken des Anlegers ................................................................................. 106 a) Substanzerhaltungsrisiko..................................................................... 106 b) Informationsrisiko............................................................................... 107 c) Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko................................................. 107 d) Interessenvertretungsrisiko.................................................................. 108 e) Konditionenrisiko................................................................................ 108 3. Schutzcharakter anlegerschützender Normen............................................ 108 a) Schutz des Publikums ......................................................................... 109 b) Schutz von Individualinteressen.......................................................... 109 III. Gesamtmarktstabilität...................................................................................... 110 IV. Zielkonflikte .................................................................................................... 111 4. Teil Kapitalmarktorganisation und europäische Finanzmarktintegration A. Aktuelle Entwicklungstendenzen der Kapitalmarktorganisation.................... 115 I. Institutionalisierung......................................................................................... 115 II. Disintermediation ............................................................................................ 116 III. Computerisierung des Handels ........................................................................ 117 IV. „Remote access“ .............................................................................................. 117 V. Neue Wettbewerber ......................................................................................... 118 1. Börsen ....................................................................................................... 118 2. Alternative Handelssysteme ...................................................................... 119

Inhaltsverzeichnis

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3. Internalisierungssysteme ........................................................................... 121 VI. Fortschreitende Konsolidierung....................................................................... 121 1. Allianzen ................................................................................................... 122 2. Technische Kooperationen ........................................................................ 122 3. Fusionen von Börsen................................................................................. 123 B. Gegenwärtiger Stand der wirtschaftlichen Integration der europäischen Finanzmärkte................................................................................ 125 I. Methoden zur Messung der Finanzmarktintegration ....................................... 126 II. Grad der Integration......................................................................................... 126 C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte............................ 129 I. Rechtsgrundlagen und Grundprinzipien des europäischen Kapitalmarktrechts .......................................................................................... 129 1. Kapitalverkehrsliberalisierung .................................................................. 129 2. Konzepte der Rechtsangleichung .............................................................. 132 a) Vollrechtsharmonisierung ................................................................... 132 b) Europäische Börse und europäische Börsenaufsicht ........................... 133 c) Mindestharmonisierung auf Basis gegenseitiger Anerkennung und Heimatlandkontrolle .............................................. 134 aa) Mindestharmonisierung ................................................................ 134 bb) Gegenseitige Anerkennung........................................................... 135 cc) Heimatlandkontrolle ..................................................................... 136 3. Instrumente der Rechtsangleichung........................................................... 137 a) Richtlinien........................................................................................... 137 b) Verordnungen...................................................................................... 138 4. Rechtsgrundlagen ...................................................................................... 138 5. Institutioneller Rahmen der Rechtsangleichung ........................................ 140 a) EU-Institutionen.................................................................................. 140 aa) Europäische Kommission ............................................................. 140 bb) Europäischer Wertpapierausschuss ............................................... 140 cc) Financial Services Committee ...................................................... 141 b) Privatrechtliche Organisationen .......................................................... 142 aa) International Organization of Securities Commissions (IOSCO)........................................................................................ 142 bb) Committee of European Securities Regulators (CESR) ................ 143 cc) Federation of European Stock Exchanges (FESE)........................ 143 II. Aktuelle Entwicklungen der europäischen Kapitalmarktregulierung .............. 144 1. Der Aktionsplan Finanzdienstleistungen................................................... 145 a) Zielsetzung.......................................................................................... 145 b) Maßnahmen......................................................................................... 145 2. Lamfalussy-Prozess ................................................................................... 147 a) Entstehungsgeschichte ........................................................................ 147 b) Neue Rechtsetzungstechnik................................................................. 148 c) Ausweitung des Rechtsetzungsverfahrens........................................... 149

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Inhaltsverzeichnis 3. Konsequenzen des Aktionsplans Finanzdienstleistungen und des Lamfalussy-Verfahrens für die Kapitalmarktregulierung .......................... 150 a) Übergeordnetes Konzept zur Schaffung eines integrierten europäischen Finanzmarktes ............................................................... 150 b) Übertragung von Kompetenzen nach EG-Vertrag .............................. 150 c) Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses..................................... 153 d) Einheitliche Umsetzung, Anwendung und Sanktionierung ................. 156 e) Zentralisierung der Regulierung und Aufsicht versus Wettbewerb der Rechtsordnungen und Aufsichtsbehörden..................................... 158 aa) Ausgangslage ................................................................................ 158 bb) Voraussetzungen für einen funktionierenden Systemwettbewerb.................................................................................... 159 (1) Die Diskussion im Gesellschaftsrecht..................................... 160 (2) Die Diskussion im Kapitalmarktrecht..................................... 163 cc) Stellungnahme .............................................................................. 166 4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen.............................................. 168 5. Teil Konzept für eine Reform der nationalen und europäischen Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht ....................................... 170 I. Zentralisierung der Aufsicht auf nationaler Ebene .......................................... 171 1. Rechtsnatur der Börse ............................................................................... 172 a) Börse als privatrechtliche Veranstaltung............................................. 172 b) Börse als öffentlich-rechtliche Veranstaltung ..................................... 172 2. Börsenaufsicht als Teil der Staatsaufsicht ................................................. 173 3. Die Vorschläge.......................................................................................... 174 a) Aufgabenübertragung auf den Bund ................................................... 174 b) Aufgabenübertragung auf eine gemeinsame Bund-Länderbehörde........................................................................... 175 4. Rechtliche Möglichkeiten.......................................................................... 175 a) Aufgabenübertragung auf den Bund ................................................... 175 aa) Verfassungsrechtliche Grundlagen (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG)............................................................ 176 bb) Errichtung einer selbständigen Bundesoberbehörde ohne Mittel- und Unterbehörden und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder ................................................. 177 (1) Die Rechtsstellung der Handelsüberwachungsstellen............. 178 (2) Behördeneigenschaft der Handelsüberwachungsstellen ......... 179 (3) Aufgabenzuweisung im Wege der Organleihe ....................... 181 (4) Errichtung von Außenstellen .................................................. 182 (5) Privatrechtliche Börsenorganisation ....................................... 182

Inhaltsverzeichnis

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b) Zwischenergebnis................................................................................ 185 c) Aufgabenübertragung auf eine gemeinsame Bund-Länderbehörde........................................................................... 185 d) Aufgabenübertragung auf eine gemeinsame Länderbehörde .............. 187 II. Zentralisierung der Aufsicht auf europäischer Ebene ...................................... 189 1. Die Vorschläge.......................................................................................... 189 a) Verstärkte Koordinierung der Tätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden .............................................................................. 189 aa) Konzept des „supervisor of national supervisors“......................... 189 bb) Konzept des „lead supervisor“...................................................... 191 b) Schaffung einer europäischen Einrichtung mit Rechtsetzungsbefugnis............................................................................................... 193 c) Errichtung einer zentralen Aufsichtsbehörde ...................................... 194 aa) Übertragung von Teilzuständigkeiten ........................................... 194 bb) Orientierung am Modell des Europäischen Zentralbanksystems ................................................ 196 cc) Schaffung einer „European Securities Commission“.................... 196 2. Schlussfolgerungen ................................................................................... 198 3. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit ....................................................... 198 a) Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung........................................ 198 b) Ermächtigung auf der Grundlage von Art. 308 (ex-Art. 235) EGV .... 200 aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen.......................................... 200 bb) Art und Umfang der übertragbaren Befugnisse ............................ 201 (1) Grenzen einer Übertragung..................................................... 201 (2) Konkretisierung der übertragbaren Befugnisse....................... 202 cc) Organisatorische und rechtliche Ausgestaltung der vertragsfremden Einrichtung......................................................... 204 dd) Rechtsschutz ................................................................................. 205 ee) Subsidiaritätsprüfung (Art. 5 Abs. 2; ex-Art. 3b Abs. 2 EGV) ..... 206 (1) Anwendungsbereich ............................................................... 206 (2) Materielle Voraussetzungen ................................................... 207 ff) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 3; ex-Art. 3b Abs. 3 EGV) ................................................................ 209 gg) Rechtsfolgen ................................................................................. 210 4. Vereinbarkeit einer Zentralisierung der Aufsicht mit deutschem Verfassungsrecht ....................................................................................... 210 5. Ergebnis der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeitsprüfung .................. 211 B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht........................... 212 I. Grundanliegen einer Reform ........................................................................... 213 1. Marktintegrität und Anlegerschutz............................................................ 213 2. Effizienz und Wettbewerbsneutralität ....................................................... 213 II. Konsequenzen für die organisationsrechtliche Ausgestaltung und die Befugnisse der Aufsicht............................................................................. 214

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Inhaltsverzeichnis 1. Zentralisierung der Aufsicht auf nationaler Ebene .................................... 214 a) Aufsichtsrechtliche Anforderungen auf nationaler Ebene................... 215 b) Anforderungen im Rahmen der europäischen und internationalen Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden............................................. 216 2. Zentralisierung der Aufsicht auf europäischer Ebene................................ 217 a) Einheitliche Umsetzung und Auslegung des gemeinschaftlichen Rechts ................................................................................................ 217 b) Einheitliche Aufsichtsmaßstäbe .......................................................... 218 c) Anpassung der Aufsichtsstrukturen an die Integrationswirkung des materiellen Aufsichtsrechts........................................................... 218 aa) Einheitliches Börsenrecht ............................................................. 219 bb) Einheitliches Kapitalmarktrecht.................................................... 220 d) Stärkung europäischer Positionen bei der Durchsetzung international anerkannter Standards .................................................... 220 3. Vier-Stufen Konzept für die Zentralisierung der Aufsicht auf europäischer Ebene ................................................................................... 221 a) Ausbau der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden (1. Stufe) .......... 221 b) Übertragung der Befugnisse zur verbindlichen Konkretisierung und Auslegung des Aufsichtsrechts auf neu zu schaffende europäische Einrichtung (2. Stufe) ...................................................... 223 c) Schaffung einer europäischen Börsen-/Wertpapieraufsichtsbehörde mit Eingriffs- und Sanktionsbefugnissen (3. Stufe) ............................ 225 d) Zentralisierung der europäischen Kapitalmarktaufsicht (4. Stufe) ...... 230

Zusammenfassung...................................................................................................... 234 Literaturverzeichnis................................................................................................... 238 Sachwortregister ........................................................................................................ 255

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABl.EG Abs. ADHGB a.F. AG AIG AktG Art., Artt. Aufl. BaFin BayGO BB Bd. Begr. BGB BGBl. BGH BGHZ BKR BörsG BR-Drs. BReg BT-Drs. Bus.Law BVerfG BVerfGE bzw. CLR CML Rev. DB ders. d.h. dies.

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch alte(r) Fassung Die Aktiengesellschaft Auslandinvestment-Gesetz Aktiengesetz Artikel Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bayerische Gemeindeordnung Betriebsberater (Zeitschrift) Band Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Börsengesetz Bundesratsdrucksache Bundesregierung Bundestagsdrucksache The Business Lawyer Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche Sammlung) beziehungsweise Cardozo Law Review Common Market Law Review Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe das heißt dieselbe, -en

18 Dok. DÖV DStR DVBl …-E EG EGKSV EGV EU EuGH EuR EuZW EWG EWS EZB f., ff. FinDAG FN FSA FSMA GG ggf. Harv.L.Rev. HGB h.M. Hrsg. IMF IPRax i.V.m. J.B.L. JCLS JITE J.Leg.Stud. JuS JZ KAGG KOM Krit. Vjschr. KWG Michigan L.Rev.

Abkürzungsverzeichnis Dokument Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt Entwurfsfassung Europäische Gemeinschaft Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europarecht (Zeitschrift) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) Europäische Zentralbank folgende, fortfolgende Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht Fußnote Financial Services Authority Financial Services and Markets Act 2000 Grundgesetz gegebenenfalls Harvard Law Review Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds) Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit Journal of Business Law Journal of Corporate Law Studies Journal of Institutional and Theoretical Economics Journal of Legal Studies Juristische Schulung Juristenzeitung Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (Europäische) Kommission Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kreditwesengesetz Michigan Law Review

Abkürzungsverzeichnis MiFID

M.L.R. m.w.N. n.F. NJW Nr. NVwZ NZG OECD Ordo OVGE para RabelsZ RegE RGBl. RIW RL Rs RT-Drs. Rz. S. s., ss. SA SEA Sec. Segré-Bericht

Slg. u.a. U.Pa.J.Int.Bus.L. Urt. u.U. VerwArch vgl. VO VVDStRL

19

Richtlinie 2004/39/EG vom 21. April 2001 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates Modern Law Review mit weiteren Nachweisen neue(r) Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Organization for Economic Cooperation and Development Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte (Amtliche Sammlung) paragraph Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Regierungsentwurf Reichsgesetzblatt Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Rechtssache Reichstagsdrucksache Randzeichen Seite section, sections Securities Act Securities and Exchange Act Section EWG-Kommission, Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts, Bericht einer von der EWG-Kommission eingesetzten Sachverständigengruppe Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs unter anderem University of Pennsylvania Journal of International Business Law Urteil unter Umständen Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) vergleiche Verordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

20 VwGO WM WpHG WpÜG Yale L.J. z.B. ZBB ZEuP ZfgK ZG ZGR ZHR ZIP ZSR zz.

Abkürzungsverzeichnis Verwaltungsgerichtsordnung Wertpapiermitteilung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Yale Law Journal zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Schweizer Recht zurzeit

1. Teil

Grundlagen A. Einleitung Die Kapitalmärkte sind seit Mitte der 80er Jahre einem starken Wandel unterworfen, der durch eine schrittweise Globalisierung des Finanzgeschäfts gekennzeichnet ist. Hierbei ist nicht nur eine bloße territoriale Ausweitung finanzwirtschaftlicher Aktivitäten zu verzeichnen. Vielmehr finden darüber hinaus Strukturverschiebungen des internationalen Finanzgeschäfts statt, die die Integration der nationalen in die internationalen Märkte erleichtern und, wie im weiteren gezeigt wird, neue Herausforderungen an die Regulierung und die Aufsicht stellen. Von zentraler Bedeutung für die Veränderungen ist der Aufschwung des investment banking gegenüber dem klassischen Kreditgeschäft und damit die Entwicklung immer komplexerer Finanzinnovationen und deren weltweiter Handel. Vor allem im internationalen Geschäft ersetzten eher kurzfristige Transaktionen zwischen kapitalsuchenden Stellen und Investmentbanken sowie Kapitalvermittlern längerfristig angelegte Finanzbeziehungen zwischen Schuldner und Bank als Kapitalverleihstelle. Die hiermit einhergehende „Verbriefung“ (securitization) von Finanzbeziehungen und deren steigende Handelbarkeit sowie der Wunsch von Anlegern, sich gegen die Risiken flexibler Wechselkurse abzusichern, förderte in den letzten Jahren die Entwicklung neuer Produktinnovationen und verhalf dem Derivatehandel zu einem explosionsartigen Wachstum. Im Zuge der Europäischen Währungsunion hat sich der Verbriefungstrend und damit die Handelbarkeit schuldrechtlicher Verhältnisse in Europa noch beschleunigt. Damit einhergehend sind europäische Kapitalmärkte liquider geworden und infolgedessen die direkte Kapitalaufnahme für Unternehmen billiger. Aus der Sicht von Investoren ist mit der Einführung des Euro ein von Wechselkursrisiken freier Währungsraum entstanden, der nunmehr größere Anreize bietet, Wertpapiere im eigenen Portfolio durch ausländische zu ersetzen und die eigene Anlagestrategie zunehmend sektoral, über alle Mitgliedstaaten der Währungsunion hinweg auszurichten. Hinzu kommt die wachsende

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1. Teil: Grundlagen

Bedeutung der Kapitalmärkte bei der Vermögensbildung und der Vermögensverteilung. Eine besondere Funktion bei der effizienten Allokation des Kapitals nimmt dabei die Börse als organisierter Kapitalmarkt ein. Die Börse betätigt sich als Mittler zwischen Kapitalaufbringer und Kapitalnachfrager und stellt im Interesse eines jederzeitigen Erwerbs oder Verkaufs von Finanzinstrumenten Liquidität zur Verfügung. Zur Sicherstellung dieser Funktion unterliegt die Börse speziellen Regelungen, die vor allem den Handel transparent und damit für das Publikum nachvollziehbar machen und somit für das notwendige Vertrauen bei den Anlegern sorgen. Die Veränderungen an den Finanzmärkten haben auch im Börsenwesen zu einem erheblichen Strukturwandel geführt. Dies gilt sowohl für den nationalen Bereich als auch im europäischen und internationalen Kontext. Die Entwicklung ist gekennzeichnet durch den Existenzkampf kleinerer, häufig mehr regional verankerter Börsen sowie europaweit bzw. global ausgerichteter Börsen. Bei den international agierenden Börsen lösen die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung sowie die Konkurrenz des europäischen Kapitalmarktes zu den Märkten in den USA und in Fernost weiteren Wettbewerbsdruck aus. Reaktionen hierauf sind europaweite Börsenallianzen in der Form grenzüberschreitender Börsenkooperationen und Börsenfusionen. Aber auch die in erster Linie national ausgerichteten Börsen reagieren durch einen Ausbau des elektronischen Handels und erleichterte Zugangsbedingungen. So werden Fernmitgliedschaften (so genannte Remote Membership) ermöglicht und die Führung von Fernskontren zugelassen, bei denen der preisfeststellende Makler nicht mehr am Börsenplatz physisch präsent ist. Gleichzeitig machen neue Wettbewerber den traditionellen Börsen das Terrain streitig. So konkurrieren nicht nur so genannte Alternative Handelssysteme mit den Börsen um die Gunst des Anlegerpublikums. Vielmehr versuchen zunehmend auch große Banken durch hausinterne Auftragsausführung den Orderstrom ihrer Kundschaft an den Börsen vorbeizuleiten. Die Börsen ihrerseits reagieren auf diese Entwicklung mit dem Aufbau eigener elektronischer Handelsplattformen oder so genannter Internalisierungssysteme, die sie wiederum Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Nutzung anbieten. Für die etablierten Börsen bedeutet diese Entwicklung, dass sie sich immer mehr zu einem marktorientierten Dienstleistungsunternehmen entwickeln. Als Gründe für die weitreichenden Strukturveränderungen an den Kapitalmärkten im Allgemeinen sowie bei den Börsen im Speziellen lassen sich eine ganze Reihe nennen. Drei sind hervorzuheben und lassen sich – neben dem bereits erwähnten – Begriff der „Globalisierung“ mit den Begriffen „Technisie-

A. Einleitung

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rung“ und „Liberalisierung“ des Handels mit Finanzinstrumenten schlagwortartig umschreiben. 1 Ausgehend vom aufgezeigten Befund und seinen Ursachen stellt sich nunmehr die Frage, welche Implikationen sich aus diesen Strukturverschiebungen für die institutionelle Ausgestaltung der Kapitalmarktregulierung und hier insbesondere der Regulierung des Börsenhandels ergeben. Unter dem Gesichtspunkt der effizienten Allokation des Kapitals ist diese Entwicklung im Grundsatz zunächst einmal positiv zu bewerten. Emittenten und Investoren stehen ein größerer Markt und eine höhere Liquidität zur Verfügung. Dies führt zu einer Verringerung der Transaktionskosten und der Preisvolatilität. Auf der anderen Seite werden neben den Möglichkeiten zunehmend auch die Risiken dieser Entwicklung deutlich. Die wechselseitigen Abhängigkeiten der Märkte nehmen zu. Damit drohen Störungen, die von einzelnen Finanzplätzen ausgehen, sich wellenförmig auf andere Märkte auszubreiten und sich dabei wechselseitig zu verstärken. Der Vorteil einer weltweiten Diversifikation von Anlagen – die angestrebte Risikominderung – wird dadurch relativiert. Beispielhaft für diese negativen Folgen seien die Niedergänge von Unternehmen wie LTCM, Enron, und Worldcom aber auch des Neuen Marktes der Frankfurter Wertpapierbörse genannt sowie grenzüberschreitende Insider- und Manipulationsdelikte bei Mehrfachnotierungen von Wertpapieren. Erhöht sich die Störanfälligkeit der Märkte, besteht die Gefahr, dass die Rolle der Börse als Motor für eine verbesserte Kapitalversorgung der Unternehmen beeinträchtigt, die gesamtwirtschaftliche Effizienz gemindert und im schlechtesten Fall die Stabilität des europäischen bzw. globalen Finanzsystems erschüttert wird. Trotz des Auftretens neuer Dienstleister, die in unmittelbarer Konkurrenz zu den traditionellen Börsen stehen, haben letztere ihre herausgehobene Bedeutung nicht verloren. Durch die an den Börsen ermittelten Preise wird für zahlreiche Wirtschaftsbereiche relevantes Wissen generiert und den interessierten Kreisen zur Verfügung gestellt. Dadurch wird die Börse zum Indikator für den Zustand einer Volkswirtschaft. Angesichts ihrer besonderen Stellung unterliegen Börsen regelmäßig strengeren aufsichtsrechtlichen Anforderungen als der außerbörsliche Handel, auch wenn – wie im Nachfolgenden zu sehen sein wird – diese Unterschiede zu bestimmten Formen des außerbörslichen Handels, die in unmittelbarer Konkurrenz zu den Börsen stehen, zunehmend verschwinden. Mit der strengeren Regu1 Hierzu ausführlich Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 146 ff.

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1. Teil: Grundlagen

lierung als „Gütesiegel“ wird wiederum im Wettbewerb von den Börsen mit Hinweis auf einen überwachten Preisbildungsprozess geworben. Der besonderen Bedeutung der Börsen im Wirtschaftsprozess und den sich ändernden Marktbedingungen sind sich sowohl der nationale als auch der europäische Regelgeber bewusst. Auf nationaler Ebene hat die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland dem Strukturwandel der vergangenen Jahre in vielen Bereichen Rechnung getragen. Hierzu gehört u.a. die Novellierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den börslichen- und außerbörslichen Wertpapierhandel. Soweit es die Aufsicht über die börslichen Geschäfte betrifft, fand zudem eine Verlagerung von Zuständigkeiten weg von den Ländern hin zur Bundesaufsicht statt. Ein Großteil der Kapitalmarktregulierung der letzten Jahre in Deutschland geht auf europäisches Recht zurück. Mit dem Erlass von zahlreichen Richtlinien aus den Bereichen Banken, Versicherungen und Wertpapierhandel hat die EU den bis heute bestehenden erheblichen Unterschieden der Aufsichtssysteme in den Mitgliedstaaten Rechnung getragen und damit die rechtlichen Grundlagen für einen liberalisierten Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen geschaffen. Gleichwohl wurde bislang auf die Einführung einer supranationalen Aufsichtsbehörde, sei es für einzelne Sektoren oder spartenübergreifend, verzichtet. Vielmehr verblieb es auf der Grundlage der Herkunftslandkontrolle bei der Zuständigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden. Hinzu trat eine verstärkte Zusammenarbeit der jeweiligen Aufsichtsorgane bei der Wahrnehmung der Überwachungsaufgaben, die zunehmend institutionalisiert worden ist. Die Diskussion über eine Zentralisierung der Börsenaufsicht hat sich trotz der bisherigen Konzentration von Reformen auf das materielle Aufsichtsrecht nicht erledigt. Dies kann auch nicht verwundern, bedarf doch die materielle Börsenregulierung als funktionales Äquivalent einer effizienten Aufsicht. Dies gilt insbesondere auf einem Gebiet wie dem Kapitalmarktrecht, das auf Grund der Notwendigkeit, flexible Handlungsspielräume für die Marktteilnehmer zu erhalten sowie der Gefahr einer Überregulierung entgegenzuwirken, einem sich rasch ändernden wirtschaftlichen Umfeld Rechnung tragen muss. Anderseits dürfen bei aller Liberalisierung und Deregulierung keine Aufsichtslücken entstehen. Damit wächst zwangsläufig die Bedeutung einer wirksamen Aufsicht. Bei einer fortschreitenden Integration des europäischen Finanzmarktes stellt sich die Frage einer einheitlichen Aufsicht, um deren Effizienz zu steigern, die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und die Anpassungsfähigkeit der Aufsicht an veränderte Umstände zu erhöhen. Folgerichtig ist die Neuordnung der Strukturen der europäischen Kapitalmarktaufsicht auf der europäischen Agenda. Ausfluss dieser Entwicklung ist

A. Einleitung

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auf europäischer Ebene der so genannte Lamfalussy-Prozess. Dabei besteht insoweit Einigkeit, dass Änderungen an der gegenwärtigen Aufsichtsstruktur notwendig sind, um eine angemessene Antwort auf die Veränderungen der Kapitalmarktorganisation infolge der fortschreitenden Integration der europäischen Finanzmärkte zu geben. Übereinstimmung besteht auch in dem Ziel, eine Struktur zu finden, die eine stabile Entwicklung der Finanzmärkte ermöglicht sowie systemische Krisen und eine Verunsicherung von Investoren, Anlegern und sonstigen Marktteilnehmern vermeidet. Uneinigkeit besteht hingegen hinsichtlich der konkreten institutionellen Ausgestaltung der zukünftigen europäischen Aufsicht über die Kapitalmärkte. Die Entwicklung auf europäischer Ebene kann wiederum nicht unter Ausschluss des internationalen Umfeldes, d.h. vornehmlich der Situation in den USA betrachtet werden. Die europäische Kapitalmarktregulierung und die institutionelle Ausgestaltung der Aufsicht in einzelnen Mitgliedstaaten der EU sind durch einen starken Einfluss US-amerikanischer Standards sowie die einflussreiche Rolle der Securities and Exchange Commission gekennzeichnet. Beispielhaft sei auf die Richtlinien zur Prospektpflicht, zur Zwischenberichterstattung sowie auf die Insiderrichtlinie verwiesen, gegen die sich auch in Deutschland unter Verweis auf die Vorzüge der Selbstregulierung zunächst heftiger Widerstand erhob, bevor die Regelungen schließlich verabschiedet und in nationales Recht umgesetzt wurden. Im Hinblick auf den starken Einfluss der US-amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde auf den internationalen Regulierungsprozess wird die EU künftig noch stärker für sich definieren müssen, wie sie die europäischen Interessen auf internationaler Ebene wahrnehmen will. Ziel bei der institutionellen Ausgestaltung der europäischen Aufsicht muss es sein, der Stimme der Mitgliedstaaten der EU ein stärkeres Gewicht als bisher zu geben. Dabei sollte die besondere Stellung der Securities and Exchange Commission nicht dazu führen, die Diskussion über eine Zentralisierung der europäischen Kapitalmarktaufsicht auf die Schaffung einer Behörde nach US-amerikanischen Vorbild zu verengen. Dies ist im Hinblick auf die Struktur der EU als Zusammenschluss souveräner Staaten mangels Vergleichbarkeit mit den USA in den Ausgangsvoraussetzungen nicht nur unangebracht, sondern auch in der politisch heiklen Diskussion wenig hilfreich, da aufgrund der Assoziierung mit umfangreichen Regelungs- und Aufsichtskompetenzen sowie weit reichenden Eingriffsbefugnissen Widerstände aufgebaut werden, die eine sachorientierte Auseinandersetzung mit diesem Thema erschweren, wenn nicht sogar unmöglich machen. Hilfreicher erscheint es daher, von einer Zentralisierung der europäischen Börsen- und Kapitalmarktaufsicht zu sprechen und damit zum Ausdruck zu bringen, dass verschiedene Modelle für eine künftige Ausgestaltung der Aufsicht auf europäischer Ebene denkbar sind, die eine „europäische Ant-

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1. Teil: Grundlagen

wort“ auf die mit der Regulierung und Beaufsichtigung des Handels von Finanzinstrumenten zusammenhängenden Fragestellungen ermöglichen. Hierzu einen Beitrag zu leisten, ist Anliegen der vorliegenden Arbeit.

B. Gegenstand der Untersuchung I. Kapitalmarktaufsicht Untersuchungsgegenstand ist die Ausgestaltung der Börsenaufsicht im Rahmen der Aufsicht über die Kapitalmärkte auf nationaler und europäischer Ebene. Daher ist zunächst auf die Aufsichtsgegenstände „Kapitalmarkt“ und „Börse“ einzugehen und auf dieser Grundlage das Verhältnis zwischen Kapitalmarkt- und Börsenaufsicht zu bestimmen. 1. Der Kapitalmarkt Der Begriff des Kapitalmarkts ist unpräzise und erklärungsbedürftig,2 eine genaue gesetzliche oder ökonomische Definition existiert nicht. Allgemein wird der Kapitalmarkt – in Abgrenzung zum Geldmarkt als Markt für kurzfristige Investitionen – als Markt für längerfristige Geldvermögensbildung einerseits und für die Aufnahme von Mitteln in Form längerfristiger Kredite und Beteiligungskapital für Finanzierungszwecke andererseits beschrieben.3 Der Kapitalund Geldmarkt wiederum gehören zusammen mit dem Devisen- und Derivatemarkt zum Finanzmarkt.4 Im Hinblick auf die am Kapitalmarkt gehandelten Produkte ist für die Zwecke der vorliegenden Arbeit der Kapitalmarkt nur insoweit von Interesse, als er organisiert ist und auf ihm Transaktionen in handelbaren Finanzinstrumenten erfolgen.5 Ausgegrenzt werden hiervon Anlageformen, die auf individuellen Vereinbarungen beruhen und aufgrund fehlender Standardisierung und Typisierung nicht fungibel sind.6 Unter funktionellen Gesichtspunkten wird der Kapitalmarkt üblicherweise in den Primärmarkt und den Sekundärmarkt unterteilt. Der Primärmarkt ist der 2

Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 419; Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Kapitalanlagerecht, § 1 Rz. 3. 3 Gabler Bank-Lexikon, Stichwort „Kapitalmarkt“, S. 776 f. 4 Lennenbach, Rz. 1.5. 5 Zur Fungibilität der Finanzinstrumente als Anknüpfungspunkt für eine Definition des Kapitalmarktbegriffs siehe auch Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 421; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 9.100 ff. 6 Kenyeressy, S. 20 ff.

B. Gegenstand der Untersuchung

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Markt für den erstmaligen Absatz von Wertpapieren und wird auch als Emissionsmarkt bezeichnet.7 Die Emission kann entweder durch den Emittenten selbst (Direktplatzierung) oder durch ein Bankenkonsortium (Fremdemission) erfolgen.8 Auf dem Sekundärmarkt werden hingegen die bereits umlaufenden Wertpapiere gehandelt.9 Börsen gehören demzufolge zu den Sekundärmärkten.10 Neben den Börsen existieren noch andere Sekundärmärkte, die man üblicherweise nach ihrem Organisationsgrad von den Börsen unterscheidet und als außerbörsliche Märkte bezeichnet. Hierzu gehört zum einen der gesamte bilaterale Handel zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und anderen institutionellen Investoren (Telefonhandel).11 Zu den außerbörslichen Märkten zählen aber auch die so genannten Alternativen Handelssysteme, deren Erscheinungsformen vielfältig sind.12 Unproblematisch ist die Abgrenzung der Börsen zu Systemen, die lediglich Kauf- und Verkaufsinteressen veröffentlichen, die Geschäftsabschlüsse hingegen außerhalb des Systems erfolgen. Ebenfalls als rein bilateraler Handel sind die Handelssysteme ausgestaltet, bei denen Kauf und Verkauf zwar innerhalb des Systems stattfinden, Vertragspartner aber jeweils der Betreiber des Systems ist (so genannte Kontrahentensysteme).13 Weitaus schwieriger ist hingegen die Abgrenzung der Börsen gegenüber Alternativen Handelssystemen, die als multilaterale Transaktionssysteme konzipiert sind und in unmittelbarer Konkurrenz zu den traditionellen Börsen stehen. 2. Die Börse a) Der Börsenbegriff im deutschen Recht Der deutsche Gesetzgeber konnte sich bislang nicht zu einer gesetzlichen Definition der Börse durchringen, da ihm eine Begriffsbestimmung, die für Entwicklungen ausreichend Spielräume belässt und die Flexibilität der Verwal7

Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 17. Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 218. 9 Schacht, S. 14 f.; Heinze, S. 5; Elster, S. 3; Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 353. 10 Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 17 ff. 11 Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 219. 12 Siehe grundlegend aus jüngster Zeit Cohn-Heeren, Kapitalmarktrechtliche Regulierungskonzepte für Alternative Handelssysteme, 2006. 13 Siehe zur Kategorisierung der Abgrenzung der unterschiedlichen Systeme CohnHeeren, S. 19 ff. sowie unten 4. Teil, A. V. 2. 8

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1. Teil: Grundlagen

tung bewahrt, nicht möglich erscheint.14 Der durch die Lehre15 auf der Basis der Rechtsprechung des preußischen Oberverwaltungsgerichts16 fortentwickelte materielle Börsenbegriff ist unter Berücksichtigung des elektronischen Handels durch folgende zentrale Elemente gekennzeichnet: Die organisierte, regelmäßig stattfindende Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in vertretbaren, nicht zur Stelle gebrachten Finanzinstrumenten mit dem Ziel, Vertragsabschlüsse nach grundsätzlich einheitlichen Geschäftsbedingungen zwischen den zum Handel zugelassenen Personen zu ermöglichen. Anders als bei der Frage einer gesetzlichen Börsendefinition hat der Gesetzgeber die Notwendigkeit – und die Möglichkeit – einer gesetzlichen Begriffsbestimmung bestimmter Alternativer Handelssysteme im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes17 bejaht. Eine Erlaubnispflicht und die weitgehende Anwendung der börsenrechtlichen Bestimmungen wurden danach für diejenigen Alternativen Handelssysteme statuiert, die auf Grund ihres Dienstleistungsangebots in unmittelbarer Konkurrenz zu den traditionellen Börsen stehen. Nach § 59 Abs. 1 BörsG ist das dann der Fall, wenn es sich um ein elektronisches System handelt, das Angebot und Nachfrage in börsenmäßig handelbaren Wirtschaftsgütern oder Rechten mit dem Ziel zusammenführt, Vertragsabschlüsse unter mehreren Marktteilnehmern innerhalb des Systems zu ermöglichen.18 Bei diesen vom Gesetz als börsenähnliche Einrichtungen bezeichneten Handelsplattformen kommt es – wie bei der Börse – zur Zusammenführung von Angebot und Nachfrage einer Vielzahl von Käufern und Verkäufern; das System übt hierbei nur eine vermittelnde Funktion aus. In diesem Zusammenhang wird auch von Systemen mit Marktplatzfunktion gesprochen.19 Der Vergleich mit dem von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Börsenbegriff macht die Übereinstimmung der Definitionen in funktionaler Hinsicht deutlich. Mit dem Begriff der börsenähnlichen Einrichtung wurde zum 14

Göppert, S. 64 ff; Begr. des Reg.E. zur Novelle 1989, BT-Drs. 11/4177, 13, 22; ähnlich Beschlussempfehlung und Bericht des BT-Finanzausschuss, BT-Drs. 11/4721, 17; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 377 f.; Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 18. 15 Peterhoff, in: Schäfer (Hrsg.), § 1 BörsG Rz. 19; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.31 ff.; Groß, § 1 BörsG Rz. 9; Franke, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 2 Rz. 9 ff.; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 384 ff.; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 1 BörsG Rz. 2 f.; Wastl, WM 1999, 620, 623 ff. 16 Preuß. OVGE 34, 315 ff. 17 BGBl. I 2010. 18 Siehe hierzu auch Spindler, WM 2002, 1325; Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617; Stünkel, S, 170 ff. 19 Bericht des BT-Finanzausschusses, BT-Drs. 14/8601, 16.

B. Gegenstand der Untersuchung

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ersten Mal eine materielle Börsendefinition in das Gesetz aufgenommen. 20 Der zentrale Unterschied besteht allein in der formalen Zulassung als Börse durch die Genehmigung nach § 1 Abs. 1 BörsG. Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Regulierungsbedürftigkeit bei Alternativen Handelssystemen mit Marktplatzfunktion genauso bejaht wie bei Börsen. So finden auf beide Formen des Handels von Finanzinstrumenten die börsengesetzlichen Vorgaben zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Handels und Preisbildungsprozesses Anwendung. Allein die Regelungen, die Folge des öffentlich-rechtlichen Status der Börse und damit der Selbstverwaltung sind (z.B. Börsenrat, Börsengeschäftsführung), sind von den börsenähnlichen Einrichtungen nicht einzuhalten, da ein börsenmäßiger Handel auch auf privatrechtlicher Organisationsbasis ermöglicht werden sollte. b) Der Begriff des Geregelten Marktes im europäischen Recht Auch das europäische Kapitalmarktrecht kennt den Begriff der Börse nicht. Der europäische Gesetzgeber hat versucht, der Tatsache, dass die Märkte für den Handel von Finanzinstrumenten in der EU sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, dadurch Rechung zu tragen, dass er eine sehr weite Definition des Begriffs des Geregelten Marktes in Art. 4 Nr. 14 der überarbeiteten Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (künftig zitiert: MiFID)21 aufgenommen hat. Danach ist ein Geregelter Markt ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das Vertragsabschlüsse von einer Vielzahl von Käufern und Verkäufern von Finanzinstrumenten, die einem Zulassungsverfahren unterliegen, innerhalb des Systems herbeiführt und ordnungsgemäß nach Maßgabe weiterer Bestimmungen der Richtlinie funktioniert.22 Nach deut20 So auch Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 1 BörsG Rz. 5. Eine Einschränkung enthält die Definition der börsenähnlichen Einrichtung nur insoweit, als sie ausschließlich auf den elektronischen Handel abstellt und den Betreiberkreis auf Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute beschränkt. 21 Richtlinie 2004/39/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl.EG vom 30.4.2004, Nr. L 145/1. 22 Die bisherige Definition des Geregelten Marktes in Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 vom 11.6.1993, EG-ABl. L 141/27 hat der deutsche Gesetzgeber inhaltlich in § 2 Abs. 5 WpHG unter Verwendung des Begriffs des organisierten Marktes übernommen, um Verwechselungen mit dem börslichen Marktsegment des geregelten Marktes nach §§ 49 ff BörsG auszuschließen, siehe Begr.RegE. zum Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien und zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BR-Drs. 963/96, 103.

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1. Teil: Grundlagen

schem Verständnis fallen die nach § 1 Abs. 1 BörsG genehmigten Börsen unter den Begriff des Geregelten Marktes. Eine mit der Begriffsbestimmung des Geregelten Marktes nahezu identische Definition enthält Art. 4 Nr. 15 MiFID für die Alternativen Handelssysteme, hier als Multilaterale Handelssysteme (MTF) bezeichnet.23 Dabei handelt es sich um ein von einer Wertpapierfirma oder einem Betreiber eines Geregelten Marktes betriebenes multilaterales System, das Vertragsabschlüsse von einer Vielzahl von Käufern und Verkäufern von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems herbeiführt und ordnungsgemäß nach Maßgabe weiterer Bestimmungen der Richtlinie funktioniert. Erfasst werden – wie im deutschen Recht in § 59 Abs. 1 BörsG – die Handelsysteme mit Marktplatzfunktion. Einziges materielles Abgrenzungskriterium zwischen Geregelten Märkten und MTF’s ist das Erfordernis eines Zulassungsverfahrens für die am Geregelten Markt gehandelten Finanzinstrumente; eines solchen bedarf es für den Handel an einem Multilateralen Handelssystems nicht. Mit Ausnahme der Richtlinienvorgaben für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel (Art. 40 MiFID) unterliegen MTF’s den gleichen Regeln wie die Geregelten Märkte. Dies gilt insbesondere auch für die Vorschriften zur Vorhandels- und Nachhandelstransparenz (Artt. 29, 30 MiFID). Aus Sicht des europäischen Richtliniengebers liegt die Rechtfertigung hierfür in der Funktion, die beide für den organisierten Handel erfüllen. Durch die weitgehende regulatorische Gleichbehandlung soll bei der Ausführung der Anlegeraufträge eine hohe Qualität gewährleistet und die Integrität und Gesamteffizienz des Finanzsystems gewahrt werden.24

II. Das Verhältnis von Kapitalmarkt- und Börsenaufsicht Die Kapitalmarktaufsicht umfasst danach die Aufsicht über den Kauf und Verkauf von fungiblen Finanzinstrumenten am Primär- und Sekundärmarkt. Die Börsenaufsicht erstreckt sich hingegen lediglich auf die Aufsicht über den Sekundärmarkt und dies auch nur insoweit, als es sich um marktmäßige Veranstaltungen für Transaktionen in Finanzinstrumenten handelt. Nach deutschen Recht unterfallen danach die nach § 1 Abs. 1 BörsG genehmigungsbedürftigen Veranstaltungen der Börsenaufsicht. Die Entsprechung im europäischen Recht stellt der unter dem Begriff des Geregelten Marktes (Art. 4 Nr. 14 MiFID) erfasste Handel dar. 23 Zu den Vorarbeiten für die aufsichtsrechtliche Erfassung Alternativer Handelsysteme auf europäischer Ebene siehe Spindler, WM 2002, 1365, 1366 ff. 24 Erwägungsgrund Nr. 5 MiFID.

C. Zum Forschungsstand

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Im Hinblick auf das zunehmende Aufkommen Alternativer Handelssysteme, die funktional den Börsen entsprechen, ist bei der im Rahmen dieser Arbeit zu untersuchenden Frage einer effizienten Ausgestaltung der Aufsicht über den Börsenhandel auch die Notwendigkeit einer sachgerechten Aufsicht über diese Form der Alternativen Handelssysteme einzubeziehen.

C. Zum Forschungsstand In Deutschland findet eine rechtswissenschaftliche Diskussion über die institutionelle Ausgestaltung der Kapitalmarktaufsicht und der damit zusammenhängenden Rechtsfragen bislang allenfalls in Ansätzen statt. Dies gilt sowohl für die Frage einer vollständigen Zusammenführung der Aufsichtszuständigkeiten auf nationaler Ebene als auch im Hinblick auf die europäischen Aufsichtsstrukturen. Der Fokus ist in erster Linie auf das materielle Kapitalmarktrecht gerichtet.25 Die weitgehende Abstinenz bei der Erörterung der Frage der Notwendigkeit einer Zentralisierung der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht wird regelmäßig mit der zurzeit nicht gegebenen politischen Durchsetzbarkeit eines solchen Vorhabens begründet.26 Darüber hinaus mag die Zurückhaltung in Deutschland auch auf der Annahme beruhen, beim Lamfalussy-Prozess handele es sich lediglich um eine neue Regelungstechnik, die keinen weitergehenden Einfluss auf die Aufsichtsstrukturen habe. Dies ist – wie die vorliegende Arbeit aufzeigen möchte – indes nicht der Fall; das neue Rechtsetzungsverfahren wird das materielle Recht sowie die Ausgestaltung der europäischen Kapitalmarktaufsicht maßgeblich beeinflussen. Unterstützung findet diese These bei einer Befassung mit der englischsprachigen rechtswissenschaftlichen Literatur. Hier sind die jüngsten Änderungen der europäischen Kapitalmarktregulierung zum Anlass genommen worden, sich mit der Frage der Zentralisierung der Aufsicht vor allem unter dem Gesichtspunkt des Regulierungswettbewerbs auseinanderzusetzen.27

25

Siehe u.a. Assmann/Buck, EWS 1990, 110; Assmann, in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), S. 61; Grundmann, ZSR 1996, 103; Hellwig; ZGR 1999, 781; Hertig, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), S. 218; Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken, S. 307; Mülbert, WM, 2001, 2085; Schneider, AG 2001, 269; Schnyder, ZSR 1996, 151; Seidel, Festschrift Lukes, S. 575. 26 Hellwig, ZGR 1999 781, 809; Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung und Systemlücken, S. 327; Merkt, Gutachten, G 123. 27 Hierzu unten 4. Teil, C. II. 3. e) bb) (2).

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1. Teil: Grundlagen

Der aktuelle wissenschaftliche Diskussionsstand zur Frage einer Zentralisierung der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht auf nationaler und europäischer Ebene stellt sich in einem Überblick28 wie folgt dar:

I. Ausgestaltung der Aufsicht auf nationaler Ebene Bereits 1932 forderte Göppert29, eine Vereinheitlichung der zersplitterten Aufsichtsinstanzen für die Börsen anzustreben. In den 70er Jahren befand Schwark30, dass die Bedürfnisse der Gesamtwirtschaft und der Anlegerschutz es rechtfertige, dieser Forderung nachzugehen. In der Folgezeit hat die Finanzmarktgesetzgebung der 90er Jahre die Diskussion über die Verteilung der Aufsichtskompetenzen erneut belebt und auch zu einer Konkretisierung der Vorschläge für eine Ausgestaltung einer zentralen Aufsicht geführt. Soweit es die Auseinandersetzung mit der Frage einer zentralen Aufsichtsinstanz auf nationaler Ebene betrifft, spricht sich dabei die h.M.31 für eine Zusammenführung der staatlichen Letztaufsicht auf Bundesebene aus. Intensiver mit den im Zusammenhang mit einer Neugestaltung der Börsenaufsicht relevanten Rechtsfragen hat sich das vom Bundesministerium der Finanzen 1996 an das Max-Plank-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht in Hamburg in Auftrag gegebene Börsenreformgutachten befasst.32 Danach soll der gesamte Bereich der Wertpapierdienstleistungen, einschließlich der Börsen und börsenähnlichen Einrichtungen, ein oder zwei selbständigen Bundesoberbehörden zugeordnet werden, da die bisherige Aufsicht über die Börsen durch die Länder auf Grund von Größen- und Verbundvorteilen einer zentralen Marktüberwachung redundant sei. Zudem sei eine vergleichbare Zersplitterung der Aufsicht ohne Beispiel im Ausland und in Deutschland lediglich Ergebnis eines politischen Kompromisses.

28

Eine ausführliche Befassung mit den jeweiligen Vorschlägen erfolgt unten 5. Teil, A. Göppert, S. 218 ff. 30 Schwark, Börsengesetz, (1976), S. 42. 31 Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Kapitalanlagerecht, S . 17 f.; SchneiderGädicke, ZfgK 1990, 336, 338; v. Rosen, WM 1991, 623; ders., ZfgK 1992, 276, 276 f.; Claussen, DB 1994, 969 ff.; Kümpel, WM 1994, 229; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 449 ff.; dies., WM 1997, Sonderbeilage 4, S. 19 f.; Baums/Segna, S. 80 ff.; Muess, ZBB 1997, 15, 17; ders. Die Börse, S. 228; Hellwig, ZGR 1999, 781, 810; Wittich, WM 1999, 1613; Monopolkommission, Sondergutachten, S. 60; Köndgen, Festschrift Lutter, 2000, 1401, 1418 f.; Höhns, S. 289; Merkt, Gutachten, G 122. 32 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 449 ff. 29

C. Zum Forschungsstand

33

Als Alternative zu einer ausschließlich durch den Bund wahrzunehmenden Aufsicht wird eine Übertragung auf eine gemeinsame Bund-Länderbehörde diskutiert, die möglicherweise dezentral mit Außenstellen an den jeweiligen Börsenplätzen organisiert sowie – im Interesse der Erreichung eines politischen Kompromisses – mit Personal aus den Länderverwaltungen auszustatten wäre.33 Diejenigen Stimmen, die eine vollständige Übertragung der Börsenaufsicht auf den Bund ablehnen, tun dies unter Hinweis auf die ihrer Meinung nach bestehende verfassungsrechtliche Unzulässigkeit einer solchen Maßnahme. Eine Durchbrechung der nach Art. 83 GG zugunsten der Länder bestehenden Zuständigkeitsvermutung durch den Nachweis der Unabweisbarkeit einer Zentralisierung der Börsenaufsicht, habe bislang nicht erbracht werden können.34

II. Ausgestaltung der Aufsicht auf europäischer Ebene Die Vorschläge für die zukünftige Gestaltung einer europäischen Börsenund Kapitalmarktaufsicht sind vielfältig. Sie reichen von der Schaffung einer einzigen, mit umfänglichen Kompetenzen ausgestatteten Behörde bis hin zu einer Übertragung lediglich von Teilbefugnissen auf eine europäische Einrichtung. Soweit eine weitreichende Zuständigkeitsverlagerung auf eine europäische Aufsichtsbehörde für sachgerecht erachtet wird, wird bei der institutionellen Ausgestaltung eine Orientierung an der US-amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission35 oder am Modell des Europäischen Zentralbankensystems mit einem dezentralen Unterbau durch die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten36 befürwortet. Hierbei sollte die europäische Aufsicht auf die großen grenzüberschreitend tätigen Finanzunternehmen und Börsen beschränkt werden.37 33

Merkt, NJW-Beilage 23/2002, 41, 46. Kurth, WM 1998, 1715; ders., ZfgK 1998, 553, 560; zustimmend hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Problematik Breitkreuz, S. 339 f. 35 Segré-Bericht, S. 249; Gower, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), S. 315 ff.; Thieffry, International Financial Law Review 18 (1999) 14; ders., in: Ferran/Goodhart (Hrsg.), S. 211. 36 Merkt, Gutachten, G 125; Köndgen, Festschrift Lutter, 2000, 1401, 1420; Lannoo, in: Balling/Hochreiter/Hennessy (Hrsg.), S. 259, 286 f.; Wymeersch, in: Ferran/Goodhart, (Hrsg.), S. 189, 193. 37 Hertig, in: Esty/Geradin (Hrsg.), S. 218; ders. Journal of International Economic Law 2000, 349. 34

34

1. Teil: Grundlagen

Die Vorschläge, die vor allem unter dem Blickwinkel der politischen Durchsetzbarkeit auf eine lediglich partielle Übertragung von Aufsichtszuständigkeiten auf eine EU-Einrichtung gerichtet sind, sehen die Verfolgung von Insiderverstößen38 sowie die Überwachung der Einhaltung der Publizitätspflichten von börsennotierten Unternehmen39 als geeignet an. Die Verfolgung und Sanktionierung von Verstößen soll hingegen durch die Mitgliedstaaten erfolgen. Neben den Befürwortern einer Zentralisierung von Aufsichtskompetenzen sprechen sich andere Stimmen lediglich für eine Trennung der Zuständigkeiten für den Erlass der politischen Vorgaben auf Richtlinienebene und der mehr technischen Durchführungsbestimmungen aus. Die Rechtssetzungsbefugnis für die Ausführungsbestimmungen soll auf eine der Kommission nachgeordnete Einrichtung übertragen werden, wobei die von der Einrichtung erlassenen Regelungen nicht das europäische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen sollen.40 Die so erlassenen Vorschriften sollen die Mitgliedstaaten unmittelbar binden.41 Die Eingriffs- und Sanktionsbefugnisse sollen hingegen bei den nationalen Behörden verbleiben. Die Stimmen, die sich gegen Zentralisierungsbestrebungen der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht auf europäischer Ebene aussprechen, tun dies vor allem unter Hinweis auf die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Märkte in der EU,42 dem nicht weitreichend genug harmonisierten Börsen- und Kapitalmarktrecht43 sowie der fehlenden Rechtsgrundlage für die Schaffung einer Aufsichtsbehörde im europäischen Recht.44 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich die rechtswissenschaftliche Diskussion über die institutionelle Ausgestaltung der Börsenaufsicht, soweit sie denn in Deutschland geführt wird, von der nationalen auf die europäische Ebene verlagert hat. Es ist weiterhin zu konstatieren, dass in der englischsprachigen Literatur mit der Implementierung des Lamfalussy-Prozesses eine sehr intensive Diskussion über die künftige Struktur der europäischen Börsen- und Kapitalmarktaufsicht stattfindet. Dies ist vor dem Hintergrund 38

Izquierdo, S. 165 f. Segré-Bericht, S. 249. 40 Lee, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), S. 187, 191; Steil, in: Cable/Henderson (Hrsg.), S. 127, 136. 41 Wymeersch, in: Ferran/Goodhart (Hrsg.), S. 189, 193. 42 Hoppmann, Börsenrecht, S. 40 ff. 43 Hellwig, ZGR 1999, 781, 811; Hoppmann, Börsenrecht, S. 63 ff.; Höhns, S. 293 f.; Schneider, AG 2001, 269, 270. 44 Hoppmann, Börsenrecht, S. 63 ff.; ders. EWS 1999, 204, 209 ff.; Ehlen, S. 106 ff.; vgl. auch Seidel, Festschrift Lukes, S. 575, 585 f. 39

D. Gang der Untersuchung

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zu sehen, dass auf politischer Ebene das Thema zunehmend an Bedeutung erlangt und die großen international tätigen Finanzmarktakteure durch die Vorlage konkreter Vorschläge aktiv Stellung zu diesem Thema beziehen.45

D. Gang der Untersuchung Die vorliegende Arbeit untersucht die Anforderungen, die angesichts der umbruchartigen Veränderungen der Kapitalmarktorganisation an eine effiziente nationale und europäische Kapitalmarktaufsicht zu stellen sind. Dabei liegt der Schwerpunkt der Untersuchung auf der Ausgestaltung der Börsenaufsicht. Da es sich bei den Börsen um Teilbereiche der Kapitalmärkte handelt, erfolgt eine Auseinandersetzung mit Fragestellungen, die die Kapitalmarktaufsicht insgesamt betreffen. Andererseits ermöglicht eine Fokussierung auf die Börsenaufsicht nicht nur, der besonderen Funktion der Börse im Allokationsprozess Rechnung zu tragen, sondern auch die bestehende Kompetenzverteilung auf nationaler Ebene zwischen Bund und Ländern bei der Aufsicht über die Börsen zu hinterfragen. Die Aufsicht über die Börsen ist der einzige Bereich der Kapitalmarktaufsicht, der bislang nicht dem Bund zugeordnet ist. Andererseits existiert bereits für Teilbereiche der Aufsicht über den Handel an der Börse eine Zweiteilung der Aufsicht zwischen den Ländern und dem Bund. Ein anderer Focus mit weitergehenden Fragestellungen ergibt sich bei der Befassung mit der europäischen Kapitalmarktaufsicht. Die Aufsicht erfolgt bislang vollumfänglich durch die Mitgliedstaaten. Zentrale Strukturen, an die eine europäische Börsenaufsicht anknüpfen könnte, bestehen somit bisher nicht. Hinzu treten divergierende Integrations- und Harmonisierungszustände im europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen. Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Nach der Darstellung der Grundlagen der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht im ersten Teil beschäftigt sich der zweite mit der geschichtlichen Entwicklung des Börsenrechts auf nationaler Ebene. Es berücksichtigt dabei sowohl die materielle Börsenregulierung als auch die organisationsrechtliche Ausgestaltung der Börsenaufsicht. Neben den Entwicklungslinien in Deutschland sind aber auch die Tendenzen der Organisation der Aufsicht im Ausland von Bedeutung. Dabei sollen insbesondere die Aufsichtsstrukturen im Vereinigten Königreich und den USA mit den jeweils international bedeutendsten Kapitalmärkten näher beleuchtet werden.

45

Siehe hierzu unten 5. Teil, A. II. 1.

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1. Teil: Grundlagen

Im Anschluss erfolgt im dritten Teil eine Befassung mit den ökonomischen Funktionen der Börse und den hieraus abzuleitenden staatlichen Regelungszielen im Börsenwesen. Der vierte Teil zeigt den Wandel der Kapitalmarktorganisation sowie die Integration der europäischen Kapitalmärkte auf. Hierzu wird zum einen der Strukturwandel der börslichen Märkte und ihres wettbewerblichen Umfeldes analysiert. Zum anderen werden die wirtschaftliche und rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte untersucht. Für die rechtliche Integration sind die aktuellen Maßnahmen zur Fortentwicklung einer europäischen Wertpapierund Börsenaufsicht von besonderer Bedeutung. Dies gilt nicht nur für die veränderte institutionelle Ausgestaltung der europäischen Kapitalmarktregulierung, sondern auch für die weitere Vereinheitlichung des materiellen Aufsichtsrechts als Handlungsgrundlage für eine – wie auch immer ausgestaltete – europäische Börsen- und Kapitalmarktaufsicht. Im abschließenden fünften Teil werden die Reformvorschläge für eine Neuordnung der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht – sowohl auf nationaler als auf europäischer Ebene – dargestellt und unter rechtspolitischen sowie hinsichtlich ihrer verfassungs- und europarechtlichen Umsetzbarkeit untersucht. Im Hinblick auf die künftige europäische Aufsichtsstruktur soll der Frage nachgegangen werden, ob in Anbetracht des Regulierungsgegenstandes und des Regulierungsgrads die Börsenaufsicht eine Vorreiterrolle bei einer Zentralisierung der europäischen Kapitalmarktaufsicht einnehmen soll und welche gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hierbei zu beachten sind. Hieran schließt sich ein eigener Vorschlag für die künftige Ausgestaltung der nationalen und europäischen Börsen- und Kapitalmarktaufsicht.

2. Teil

Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen in Deutschland und aktuelle Tendenzen der Organisation im Ausland A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland I. Die Börsenaufsicht von 1896 bis 1986 1. Die Entstehungsgeschichte des Börsengesetzes von 1896 a) Die Situation vor Erlass des Börsengesetzes Prägend für das heutige Börsenrecht in Deutschland ist nach wie vor das Börsengesetz von 1896, weshalb es vorliegend – einschließlich seiner Entstehungsgeschichte – Ausgangspunkt der Betrachtungen sein soll.46 Darüber hinaus können hinsichtlich der Gründe, die zur Entstehung des Gesetzes geführt haben, durchaus gewisse Parallelen zu der gegenwärtigen Diskussion über eine stärkere Regulierung des Wertpapierhandels und der Börsen als Folge spektakulärer Zusammenbrüche börsennotierter Unternehmen in den vergangenen Jahren gezogen werden. Auch im Vorfeld des Börsengesetzes von 1896 war die Stimmung für den Börsenhandel auf Grund einer „ausufernden“ Spekulation nicht günstig.47 Ausgangspunkt war das Entstehen zahlreicher Aktiengesellschaften in der Gründerzeit und eine Börsen-Hausse, die von einem grenzlosen Optimismus und der Hoffnung auf rasche Kursgewinne getragen wurde. Das Anlegerpublikum erwarb Aktien neuer Gesellschaften, deren Aussichten in Verkaufsprospekten und lancierten Zeitungsartikeln in den rosigsten Farben geschildert wurden. Zahlreiche Gründungen waren, wie sich bald herausstellte, nicht nur zweifelhaft, sondern geradezu betrügerisch, ging es doch vielen Initiatoren nicht um die Schaffung eines wirtschaftlich rentablen Unternehmens, 46

Zur geschichtlichen Entwicklung der Börsen und ihrer gesetzlichen Reglementierung vor diesem Zeitraum kann auf die hierzu erschiene umfangreiche Literatur verwiesen werden, dazu näher u.a. Opermann, Börsen- und Wertpapiergeschäfte, S. 17; Walter, in: Pohl (Hrsg.). S. 15 ff.; Kaufhold, in: Pohl (Hrsg.). S. 79 ff.; Schulz, Börsengesetz, S. 22 ff.; Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 22 ff. 47 Göppert, S. 40.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

sondern einzig und allein um das Einstreichen eines stattlichen Gründergewinns.48 Als die Spekulationsblase 1873 infolge zahlreicher Unternehmenszusammenbrüche platze und die Kursverluste schließlich 1877 ihren Höhepunkt erreichten, hatte vor allem eine Vielzahl von Kleinanlegern ihr Geld verloren.49 Diese Ereignisse vollzogen sich in einem stark fragmentierten und uneinheitlichen regulatorischen Börsenumfeld.50 Es fehlte eine einheitliche und umfassende Regelung des Börsenrechts. Lediglich Preußen und Württemberg, später auch Hamburg, hatten in ihren Einführungsgesetzen zum ADHGB Bestimmungen über die Börsen aufgenommen. Das Recht der Staaten beschränkte sich aber grundsätzlich darauf, die Errichtung der Börsen und neue Börsenordnungen von einer staatlichen Genehmigung abhängig zu machen. So sah das preußische Einführungsgesetz für die Errichtung der Börse und den Erlass neuer Börsenordnungen zwar die Genehmigung des Handelsministers vor (§§ 1, 2).51 Im Übrigen reduzierte sich die staatliche Einflussnahme aber auf die Überwachung der Handelskammern und Korporationen der Kaufmannschaften, die die Börse leiteten. Diese erließen auch die Börsenordnungen, die die Leitung der Börsenversammlungen, die Überwachung des ordentlichen Geschäftsablaufs und die Beilegung von Handelsstreitigkeiten regelten.52 Als Weiterentwicklung der bisher durch Handelskammern oder Korporationen ausgeübten Börsenleitung wurde diese dem so genannten Börsenkommissariat der Börse übertragen, das auch für die amtliche Feststellung der Börsenkurse verantwortlich war.53 Der „Gründungskrach“ führte indes noch nicht zu einer einheitlichen Kodifizierung des Börsenrechts. Die Diskussion beschränkte sich zunächst auf das Recht der an der Börse zustande kommenden Geschäfte.54 Erst als Unregelmäßigkeiten in Form von Depotveruntreuungen und Fehlspekulationen in größerem Ausmaß bekannt wurden, die Banken zu Lasten ihrer Kunden vorgenommen, und durch den Konkurs des Londoner Bankhauses Barings auch deutsche Anleger Geld verloren hatten, sahen sich Politik, Wirtschaft und Wissenschaft angesichts der Folgen dieser Ereignisse für das Gemeinwesen veranlasst, die Regulierung des Börsenwesens auf die Tagesordnung zu setzen.55 48 49 50 51 52 53 54 55

Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 59 ff. Meier, S. 10 ff.; Schulz, AG 1996, 260. Zänsdorf, S. 84 ff. Schwark, Börsengesetz (1994), Einl. § 1 Rz. 1. Gömmel, in: Pohl (Hrsg.), S. 172. Gömmel, in: Pohl (Hrsg.), S. 173. Meier, S. 49 ff.; Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 63 ff. Schulz, AG 1996, 260.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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Als der regulatorische Handlungsdruck durch eine Kehrtwendung der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Differenzeinwand56 noch erhöht wurde, ersuchten 1891 Mitglieder verschiedener Parteien die Regierung des Bundes, umgehend einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Geschäftsverkehr an der Börse einer wirksamen staatlichen Aufsicht unterstellen und dem Missbrauch der Termingeschäfte an der Börse entgegenwirken sollte.57 b) Die Arbeiten der Börsenenquetekommission Im Februar 1892 berief Reichskanzler von Caprivi eine Börsenenquetekommission ein. Sie bestand aus Vertretern der betroffenen Kreise und tagte mit insgesamt 28 Mitgliedern unter dem Vorsitz des Direktors der Reichsbank Richard Koch.58 Ging es zunächst nur um die Erarbeitung von Vorschlägen zur Beseitigung von Missständen im Terminhandel, erweiterte die Kommission später den Rahmen ihrer Untersuchungen auf die vollständige Reform der Börsenverfassung. Die Empfehlungen betrafen sowohl das Privatrecht, als auch strafrechtliche und öffentlich-rechtliche Regelungen. So sprach sich die Kommission u.a. dafür aus, die Börse als Einrichtung von herausragender gesamtwirtschaftlicher Bedeutung der staatlichen Aufsicht zu unterstellen.59 Sowohl die Errichtung einer Börse als auch der Erlass einer Börsenordnung sollten der Genehmigung durch die Landesbehörde unterworfen werden. Die Länder sollten zugleich die Börsenaufsicht ausüben. Die unmittelbare Aufsicht sollte die jeweilige Landesregierung den offiziellen Handelskammern und kaufmännischen Korporationen übertragen können.60 Die jeweilige Börsenordnung sollte Bestimmungen über die Leitungsorgane der Börse, die Gegenstände des Handels, die Kursnotierung sowie die Zulassung zur Teilnahme am Handel enthalten. Dabei sollte die Zulassungsregelung grundsätzlich den Landesregierungen und den Börsen vorbehalten bleiben.61 2. Das Börsengesetz von 1896 a) Das Gesetzgebungsverfahren Der 1895 dem Reichstag zugeleitete Gesetzentwurf orientierte sich weitgehend an den Empfehlungen der Börsenenquetekommission. In den Beratungen des 56 57 58 59 60 61

Wermert, Börse, S. 14 ff.; Wiener, S. 6. Mues, ZBB 1997, 15, 16. Näheres zur Börsenenquetekommission bei Schulz, Börsengesetz, S. 72 ff. Börsenenquetekommission, Bd. 1, Bericht, S. 8 ff. Börsenenquetekommission, Bericht, S. 7 ff. Börsenenquetekommission, Bericht, S. 13 ff.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Gesetzentwurfs wurden die unterschiedlichen Interessen der Länder auf der einen Seite und des Reiches auf der anderen Seite deutlich. Drang die preußische Regierung auf eine möglichst umfassende Vereinheitlichung durch reichseinheitliche Regelungen, so wandten sich demgegenüber Bayern und die Hansestädte, deren Börsen in besonderem Maße durch Börsenfreiheit und Selbstverwaltung geprägt waren, gegen eine umfassende reichsweite Vereinheitlichung.62 Als Kompromisslösung verständigte man sich darauf, dass wesentliche Bestimmungen, etwa über die Befugnisse der Ehrengerichte, die Bestellung von Kursmaklern und über den Staatskommissar, unter einen landesrechtlichen Vorbehalt gestellt würden. Das Reich seinerseits befürwortete zwar eine einheitliche Regelung und damit eine Begrenzung des Spielraums für Länderregierungen und Börsen, wollte aber die ihm von verschiedenen Seiten zugedachte Marktaufsicht aus Mangel an Aufsichtsorganen und aus der Überzeugung, dass die Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse nicht Aufgabe der Reichsgewalt sein könne, nicht übernehmen.63 Erst durch das Nachgeben Preußens, das auf Grund der drohenden Nichtannahme des Börsengesetzes mit einer Verschlechterung der Abstimmungslage für das BGB rechnete, wurde das Börsengesetz gegen die Stimmen der Hansestädte verabschiedet.64 b) Die Aufsicht Das Börsengesetz, das am 22. Juni 1896 vollzogen und vollständig am 1. Januar 1897 in Kraft trat, unterstellte die Börsen der staatlichen Genehmigung durch die Landesregierung, die auch die Aufhebung der Börse anordnen konnte (§ 1 BörsG 1896). Dabei verzichtete man auf eine Definition des Begriffs der Börse. Die unmittelbare Aufsicht über den Handel an der Börse wurde einem Staatskommissar übertragen. Seine Aufgaben waren polizeilicher Natur, da er ständig auf dem Börsenparkett präsent sein sollte, um die Rechtsaufsicht über Fehlentwicklungen zu informieren (§ 2 BörsG 1896). Der Beteiligung der Wirtschaft an der Börse sollte ein paritätisch aus Sachverständigen und Interessenvertretern bestehender Börsenausschuss (§ 3 BörsG 1896) dienen, der sich aber wegen seiner Selbstblockade als nutzlos erwies und bald nur noch sporadisch einberufen wurde.65 62

Schulz, Börsengesetz, S. 143 f. Begründung des Entwurfs eines Börsengesetzes, RT-Drucks., 9. Legislatur, IV. Session, 1895/96, 14. 64 Schulz, AG 1996, 260, 262. 65 Schulz, AG 1996, 260, 262. 63

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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c) Die Aufsichtsbereiche aa) Börsenteilnehmer Die Börsen wurden gemäß § 5 BörsG 1896 verpflichtet, in einer Börsenordnung Zulassungsvoraussetzungen für die Teilnahme zum Handel festzulegen. Hierdurch sollte die Zahl der Börsenhändler begrenzt und gleichzeitig die fachliche Qualifikation der Börsenteilnehmer erhöht werden. Zwingend ausgeschlossen wurden nur Frauen und Verurteilte.66 bb) Preisfeststellung und Zulassung von Wertpapieren Die bislang vereidigten Handelsmaklern übertragene Preisfeststellung wurde nunmehr von Kursmaklern wahrgenommen, die gegenüber dem bisherigen Zustand eine gegenüber dem Börsenvorstand unabhängigere Stellung bekamen, auch wenn sie Hilfspersonen des Börsenvorstandes bei der Kursfeststellung blieben.67 Als weitere vertrauensbildende Maßnahme wurde die Prospekthaftung eingeführt, mit der eine Brücke zum bisher ausschließlich privatautonom verstandenen Gesellschaftsrecht geschlagen wurde, da nun die Finanzierung von der Veröffentlichung von Unternehmensdaten abhängig wurde.68 cc) Termingeschäfte Von besonderem Interesse war die Regelung der Termingeschäfte. § 48 BörsG 1896 enthielt eine Legaldefinition der Termingeschäfte. Die zivilrechtliche Unwirksamkeit wurde für den Fall angeordnet, dass nicht beide Vertragsparteien im Börsenregister eingetragen waren. Dieser Gewinn an Rechtssicherheit ging allerdings durch den wenig später verabschiedeten § 764 BGB, den so genannten Differenzeinwand, wieder verloren. Das Nebeneinander von börsenrechtlichem Termineinwand und bürgerlich-rechtlichem Differenzeinwand wird auf eine fehlende Koordination der Arbeiten an beiden Gesetzentwürfen zurückgeführt.69 d) Die Regelungen in der praktischen Anwendung Die einheitliche Umsetzung des Gesetzes wurde dadurch gefährdet, dass die Bundesstaaten energisch ihre Landesvorbehalte einforderten. Die Börsen übten 66 67 68 69

Schulz, AG 1996, 260, 262 f. Zänsdorf, S. 92. Schulz, AG 1996, 260, 263. Samtleben, RabelsZ 45 (1981) 218, 221.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

hinhaltenden Widerstand, indem sie möglichst lange die gesetzlich vorgeschriebene Verabschiedung der Börsenordnung und die Errichtung des Ehrengerichts hinauszögerten. Die Banken weigerten sich, sich in das Terminregister eintragen zu lassen und umgingen das Verbot der Termingeschäfte mit wirtschaftlich ähnlichen Geschäften oder verlagerten ihre Geschäfte ins Ausland.70 Der Versuch Deutschlands, mit Frankreich ein gemeinsames Vorgehen gegen den Terminhandel zu initiieren, scheiterte.71 Die Durchsetzung des Differenzeinwandes bei Geschäften mit ausländischen Börsen wurde seither von der deutschen Rechtsprechung mit kollisionsrechtlichen Mittel angestrebt.72

3. Die Gesetzesnovelle von 1908 Die Gesetzesänderung von 1908 versuchte die Schwächen des Börsengesetzes bei der Regelung der Termingeschäfte zu beseitigen. Zum einen wurde die Definition des Börsentermingeschäfts ersatzlos gestrichen und die Einrichtung des Börsenregisters entfiel. Zum anderen wurde Vollkaufleuten und Personen, die über hinreichende Fachkunde in Börsengeschäften verfügten, der Differenzeinwand versagt (§ 58 BörsG 1908). Aber auch das Publikum konnte rechtsverbindliche Termingeschäfte eingehen, sofern die betreffende Partei zugunsten der Bank eine aus Wertpapieren oder Geld bestehende Sicherheit bestellte, die zur Deckung von Verlusten aus Börsentermingeschäften diente (§ 54 Abs. 2 BörsG 1908). Überdies wurde der Terminhandel dadurch gestärkt, dass erlaubte Termingeschäfte bei effektiver Leistung als von Anfang an für verbindlich erklärt wurden (§ 57 BörsG 1908).

4. Die Gesetzesnovelle von 1934 Die Zeit nach der Gesetzesnovellierung von 1908 war durch eine Vielzahl administrativer Maßnahmen gekennzeichnet, die zum Teil von den Regierungen, zum Teil von den Börsen erlassen wurden. Man versuchte hiermit vor allem die aufgrund von Hyperinflation (ab 1923) und Bankenkrise (1931) beeinträchtigte Funktionsfähigkeit der Börsen zu sichern. Dies konnte aber letztlich nicht verhindern, dass die Börsen 1931 bis 1932 für ein dreiviertel Jahr geschlossen werden mussten.73

70 71 72 73

Schulz, AG 1996, 260, 263. Schulz, Börsengesetz, S. 555 f. Samtleben, IPRax 1989, 148. Henning, in: Pohl (Hrsg,) S. 265 f.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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Zum Ziel starker regulatorischer Eingriffe wurden die Börsen mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, die der Börse als Institution eher ablehnend gegenüberstanden.74 Mit dem Gesetz vom 30. Januar 193475 wurde die bis dato bestehende Länderzuständigkeit für das Börsenwesen und die Börsenaufsicht auf das Reich übertragen.76 Durch das Gesetz vom 5. März 193477 wurde das Maklerrecht weitreichend geändert. Die amtliche Kursfeststellung wurde vom Börsenvorstand auf die Makler selbst übertragen, und zwar unter Aufsicht der Maklerkammer als Einrichtung der Selbstverwaltung der Makler. Im Zusammenwirken mit der zuvor gleichgeschalteten Maklerschaft konnte das nationalsozialistische Führerprinzip auch an der Börse durchgesetzt werden.78 Von maßgeblicher Bedeutung für die Börsenlandschaft in Deutschland war die Verordnung vom 28. September 193479 in Verbindung mit dem Gesetz über den Wertpapierhandel vom 4. Dezember 1934.80 Die Zahl der bisher 21 Wertpapierbörsen wurde erheblich reduziert; 4 wurden geschlossen und 13 weitere zu 5 Börsen in München, Hamburg, Leipzig, Düsseldorf und Frankfurt a.M. zusammengelegt. Die Börsen in Berlin, Breslau, Hannover und Stuttgart blieben weiter bestehen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs endete der freie Börsenverkehr. Angesichts eines Überflusses an Geld und eines Mangels an Sachwerten wurde eine Flucht in die Aktie befürchtet. Mit präventiven staatlichen Maßnahmen versuchte man die Kursentwicklung zu dämpfen. Diese Bemühungen fanden ihren Höhepunkt durch die Verordnungsermächtigung vom 30. März 1943 zugunsten des Reichswirtschaftsministers, die Börsenpreise festzusetzen.81 Der Börsenhandel verlor gegen Ende des Krieges zunehmend an Umfang. Beschränkte man den Börsenhandel zunächst auf drei Wochentage, wurde am 18. April 1945 der amtliche Handel an der Berliner Börse eingestellt, und der Börsenhandel in Deutschland kam vollständig zum Erliegen.82

74

Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 103. RGBl. I 75. 76 Durch § 1 der VO über die Börsen-, Hypothekenbank- und Schiffsbankaufsicht vom 28.9.1934 (RGBl. S. 863). 77 RGBl. I S. 169. 78 Schulte, S. 80; Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 104. 79 RGBl. I 863. 80 RGBl. I 1202. 81 Henning, in: Pohl (Hrsg,), S. 280 ff. 82 Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 105. 75

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

5. Der Referentenentwurf von 1967 und die Börsensachverständigenkommission Der amtliche Börsenverkehr wurde in den Jahren von 1945 bis 1952 wieder aufgenommen. Dabei wurde an die Konzeption der Börsen in der Vorkriegszeit angeknüpft. Neben der Dezentralisierung der Börsen wurde auch die Ausgestaltung als öffentlich-rechtliche Einrichtung mit starker Selbstverwaltung und staatlicher Börsenaufsicht übernommen. Die Börsenaufsicht wurde wieder von den Länderregierungen ausgeübt.83 Anstoß für die erste Änderung des Börsenrechts nach dem Zweiten Weltkrieg gab der 1967 vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Entwurf,84 der auf eine Stärkung der Marktinstitution Börse zielte. Angestrebt wurde eine Konzentration der Aktienumsätze an den Börsen, eine verbesserte Publizität der börsennotierten Gesellschaften sowie eine Erweiterung der Publizität der Börsen selbst über die dort getätigten Geschäfte. Die Reaktion auf den Entwurf war überwiegend ablehnend. Der Entwurf sei zu perfektionistisch und praxisfern.85 Insbesondere der Vorschlag zur Schaffung einer Leitbörse wurde von der 1952 zum Zwecke der Koordinierung der Interessen der Börsen und deren Vertretung gegenüber dem Staat gegründeten Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Wertpapierbörsen abgelehnt. Als Begründung wurde angeführt, eine Zentralbörse verringere die Kundennähe, führe zu einer Vernachlässigung der regionalen Märkte und sei schließlich unnötig, da die deutschen Börsen durch die gut funktionierende Arbitrage faktisch zu einer Gesamtbörse zusammengeschlossen seien.86 Als Konsequenz auf die Kritik rief das Bundeswirtschaftsministerium im Mai 1968 einen unabhängigen „Sachverständigenausschuss Börsenreform“ ein. Das bis heute noch unter der Bezeichnung „Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen“ bestehende Gremium setzt sich aus Vertretern von Kreditinstituten, Emittenten, der Börsenaufsicht der Länder, Investoren und der Wissenschaft zusammen. An den Beratungen nehmen Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums bzw. seit 1972 des Bundesfinanzministeriums teil. Die für das Börsenwesen bedeutsamsten Empfehlungen aus der Anfangsphase der Kommission bezogen sich auf die Umsatzkonzentration an der Börse bei Kommissionsgeschäften, eine erweiterte Publizität über Börsen83

Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 106. Abgedruckt bei Beyer-Fehling/Bock, S. 159 ff. 85 Vgl. etwa Büschgen, Blätter für Genossenschaftswesen 1968, 286 ff.; weitere Nachweise bei Schmidt, Börsenorganisation, S. 76 ff. 86 Siehe Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 114. 84

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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umsätze, die Zwischenberichterstattung börsennotierter Emittenten, die Insiderhandels-Richtlinien und die Händler- und Beraterregeln sowie auf die Einführung des Optionsgeschäfts an den Präsenzbörsen.87 Im Zuge der fehlgeschlagenen Reformgesetzgebung von 1967 wurde auch wieder die Diskussion über die Struktur der Aufsicht aufgenommen. Wie bereits Anfang der 70er Jahre88 wurde über die Schaffung eines Aktienamtes nach dem Vorbild der US-amerikanischen Securities and Exchange Commission nachgedacht. Der Vorschlag hatte die Übertragung der Aufsicht über den gesamten Wertpapiermarkt einschließlich der Börsen und Investmentgesellschaften auf ein zentrales Amt zum Gegenstand.89 Gegen die Errichtung eines Aktienamtes wurde unter Hinweis auf die Gefahren einer Bürokratisierung sowie auf den hohen finanziellen Aufwand Stellung bezogen. Als Alternative wurde die Erweiterung der Kompetenzen des Bundesaufsichtsamtes über das Kreditwesen diskutiert.90 Die Reformvorschläge spiegelten die allgemeine Diskussion über Sinn und Grenzen staatlicher Intervention im Börsenwesen wider und stellten damit auch die Frage nach der Funktion von Börsen in einer freien Marktwirtschaft. Aus der Sicht des Staates galt es zu klären, ob er sich im Börsenrecht auf die Beseitigung offenkundiger Missstände und die Vorbeugung gegen Gefahren beschränkt, oder ob er sich aktiv an der Gestaltung des Börsenrechts durch Herstellung eines institutionellen Rahmens beteiligt.91 6. Die Gesetzesnovelle von 1975 Die Börsengesetznovelle von 197592 beschränkte sich auf die Regelung spezieller und zum Teil recht technischer Fragen. Dies betraf u.a. die bundeseinheitliche Organisation sowie die Optimierung und Stärkung der Selbstverwaltung der Börsen, die verfassungskonforme Neuregelung der Zulassung zum Börsenbesuch, die Stärkung der Stellung der Kursmakler und die Pflicht zur Bildung von Maklerkammern. Daneben waren die Aufhebung der Bestimmungen über den faktisch überflüssigen Börsenausschuss, die Ersetzung des Ehrengerichts durch einen Ehrenausschuss, die Einführung einer Ermächtigung zugunsten der Bundesregierung zur Schließung der Devisenbörsen, die Neuord87 88 89 90 91 92

Dazu näher Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 114 ff. Vgl. hierzu Schacht, S. 1 ff. Zahn, AG 1975, 169, 175. Schacht, S. 295 f. Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 120. BGBl. I 1013.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

nung der Strafvorschriften und schließlich die Bindung sämtlicher Aktientermingeschäfte an eine Genehmigung des Bundesfinanzministers Gegenstand der Regelungen. Neu war schließlich auch die Einführung eines Börsenvorstandes als zentrales Leitungsorgan der Börse. Seine Aufgabe bestand insbesondere im Erlass einer Börsenordnung.

II. Die Novellierungen des Börsenrechts von 1986 bis 2004 Die Entwicklung der Kapitalmarktregulierung in Deutschland ist in den 80er und 90er Jahren durch eine Anpassung an internationale Standards und den europäischen Rechtsangleichungsprozess gekennzeichnet. Im internationalen Wettbewerb wurde es zunehmend erforderlich, neben dem Handel innovativer Produkte und einer leistungsfähigen Börseninfrastruktur auf eine effiziente Aufsicht verweisen zu können. Dies bekam insbesondere die Deutsche Terminbörse (DTB) zu spüren, als sie nach ihrer Gründung 1990 ihre Terminprodukte auch in den USA zum Handel anbieten wollte und die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden dies unter Hinweis auf die niedrigeren Aufsichtsstandards in Deutschland verweigerten und damit den heimischen Markt vor einem neuen Wettbewerber schützten.93 Die Verabschiedung des bisherigen Systems der Selbstregulierung wurde aber vor allem durch zahlreiche europäische Richtlinien eingeleitet, die mit dem Ziel der Integration des europäischen Kapitalmarktes ein hohes Maß an transparenter Kapitalmarktregulierung im Interesse der Anleger anstrebten und damit im Widerspruch zum deutschen Modell informeller Selbstregulierung standen. So verwundert es nicht, dass Deutschland drei EG-Richtlinien aus den Jahren 1979, 1980 und 1982, die Publizitätsanforderungen an Emittenten vorsahen, erst mit der Novelle von 1986 in nationales Recht umsetzte.94 Auch die Insiderhandelsrichtlinie95 von 1989 wurde erst 1994 mit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz96 implementiert, mit dem auch die gesetzlichen Grundlagen für das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel geschaffen wurden, das ab 1995 für die Überwachung des Wertpapierhandels zuständig war.

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Handelsblatt vom 18.7.1995, S. 24. Siehe nachfolgend unten 1. 95 Richtlinie 89/592/EWG zur Koordinierung von Vorschriften betreffend InsiderGeschäfte vom 13.11.1989, ABl.EG vom 18.11.1989, Nr. L 334/30. 96 Siehe nachfolgend unten 3. 94

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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1. Die Gesetzesnovelle von 1986 Das Börsenänderungsgesetz von 198697 zielte auf die Verbesserung der Eigenkapitalversorgung der Unternehmen. Zu diesem Zweck wurde mit dem so genannten geregelten Markt98 ein neues Marktsegment eingeführt, das durch erleichterte Zugangsvoraussetzungen und gegenüber dem amtlichen Markt eingeschränkten Publizitätspflichten des Emittenten gekennzeichnet war. Darüber hinaus wurde der bisher nicht geregelte Freiverkehr an der Börse gesetzlich legitimiert. Schließlich wurden mit dem Gesetz drei EG-Richtlinien umgesetzt. Dabei handelte es sich um die Börsenzulassungsrichtlinie,99 die Börsenzulassungsprospektrichtlinie100 sowie die Zwischenberichtsrichtlinie101. Soweit die Umsetzung der Richtlinien nicht im Börsengesetz erfolgte, geschah dies mit der Börsenzulassungsverordnung vom 15. April 1987,102 mit der die alte Zulassungsbekanntmachung von 1910103 abgelöst wurde. 2. Die Gesetzesnovelle von 1989 Die Novelle von 1989104 stand ganz im Zeichen, den deutschen Finanzplatz stärker in die Entwicklung der internationalen Finanzmärkte zu integrieren.105 So wurden im Börsengesetz die Rechtsgrundlagen für die Computerisierung des Börsenhandels gelegt und das so genannte Informationsmodell für den Terminhandel in Wertpapieren und Edelmetallen eingeführt. Darüber hinaus sah die Novelle ein vereinfachtes Zulassungsverfahren für Börsenteilnehmer und Wertpapiere vor sowie eine intensivere Aufsicht über die Kursmakler (§ 8a BörsG 1989). 97

BGBl. I 2478. Hierzu näher Kümpel, in: Festschrift Pleyer, S. 59; ders., WM 1985, Sonderbeilage Nr. 5, S. 3; Schäfer, ZIP 1987, 953, 956 ff. 99 Richtlinie 79/279/EWG zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse vom 5.3.1979, ABl.EG vom 16.3.1979, Nr. L 66/21. 100 Richtlinie 80/390/EWG zur Koordinierung der Bedingungen für die Entstehung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, vom 17.3.1980, ABl.EG vom 17.4.1980, Nr. L 100/1. 101 Richtlinie 82/181/EWG über regelmäßige Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind, vom 15.2.1982, ABl.EG vom 20.2.1982, Nr. L 48/26. 102 BGBl. I 1234. 103 RGBl. 917. 104 BGBl. I 1412. 105 BT-Drs. 11/4721, 15. 98

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

3. Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz von 1994 Auch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz vom 30. Juli 1994,106 dessen konzeptionelle Grundlage sich im „Konzept Finanzplatz Deutschland“ des Bundesfinanzministeriums vom 16. Januar 1992107 findet, zielte auf die Stärkung des Finanzplatzes Deutschland.108 Zum einen strebte das Gesetz eine Verbesserung des Anlegerschutzes an. Hierzu wurden u.a. die Regeln für den Vertrieb von Investmentanteilen überarbeitet. Zum anderen sollte die als zersplittert und nicht hinreichend effizient angesehene Aufsicht über den Wertpapierhandel neu gestaltet werden. Dieser neuen Verteilung der Zuständigkeiten bei der Kapitalmarktaufsicht lag ein politischer Kompromiss zwischen Bund und Ländern zugrunde, der im Rahmen eines Gemeinsamen Arbeitskreises der Börsenfachminister und des Bundesministers der Finanzen 1992 erarbeitet wurde. In einem „Konzept des Bundes und der Länder für die künftige Struktur der Wertpapierhandelsaufsicht“ stellten Bund und Länder fest, dass die bestehende Aufsicht historischer Prägung nicht mehr dem inzwischen erreichten internationalen Standard gerecht werde. Die bisherige Rechtsaufsicht über die Börsen müsse vielmehr durch eine umfassende Marktaufsicht abgelöst werden.109 Dabei müsse der Bund im Interesse einer internationalen Akzeptanz zentrale Aufsichtsfunktionen übernehmen, insbesondere die Überwachung des Insiderhandelsverbots.110 Gegen eine gemeinsame Ländereinrichtung als mögliche Alternative zur Verlagerung von Kompetenzen auf den Bund wurden angesichts des hoheitlichen Charakters der Aufsichtsfunktionen verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht. Die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland setze jedoch gesicherte rechtliche Grundlagen für die Tätigkeit der Wertpapierhandelsaufsicht voraus.111

106

BGBl. I 1749. Abgedruckt in WM 1992, 420. 108 Das Erste Finanzmarktförderungsgesetz vom 22.2.1990, BGBl. I 266, diente der Umsetzung der EG-Investmentrichtlinie von 1985 und führte zur Änderungen des KAGG und AIG. Änderungen des Börsengesetzes beinhaltete es nicht. 109 Begr. RegE. zum Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drs. 12/6679, 33. 110 So heißt es wörtlich: „Eine effiziente Insideraufsicht muss die Möglichkeit beinhalten, jedem Verdacht unverzüglich über die volle Breite des Marktes einschließlich des außerbörslichen Geschäftes nachzugehen. Eine Differenzierung nach regionalen und überregionalen Gesichtspunkten ist deshalb nicht sinnvoll.“. 111 Hiervon abweichend offenbar die Ansicht des ehemaligen hessischen Wirtschaftsministers Posch, der die Übertragung der Aufsichtskompetenzen auf das Land Hessen vorschlug, Frankfurter Rundschau vom 7.8.2002. 107

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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a) Novellierung der Kompetenzverteilung bei der Börsenaufsicht Mit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz übernahm der Bund erstmals weitreichende Kompetenzen im Bereich der Börsenaufsicht durch das neu gegründete Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel. aa) Die Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Mit dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) wurde eine länderübergreifende Institution in unmittelbarer Bundesverwaltung errichtet. Eine Zuweisung der Wertpapieraufsicht an das bereits bestehende Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen wurde im Hinblick auf die unterschiedliche Zielsetzung der Aufsicht, nämlich die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kreditwesens einerseits und die allgemeine Marktaufsicht zur Stärkung des Vertrauens der Anleger anderseits, für nicht sinnvoll erachtet.112 Das Bundesaufsichtsamt wurde als selbständige Bundesoberbehörde i.S.v. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG errichtet und damit dem Bundesministerium der Finanzen nachgeordnet. Es unterlag damit – genauso wie das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen – der Dienstaufsicht des Bundesministeriums. Dem BAWe wurde durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz113 die Zuständigkeit für die Aufdeckung und Verfolgung von Insiderverstößen, die Überwachung der Offenlegungspflichten bei wesentlichen Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften und die Überprüfung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln übertragen. Darüber hinaus wurde das BAWe für die internationale Zusammenarbeit mit den ausländischen Aufsichtsstellen zuständig. bb) Die Aufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörden Die Zuständigkeit für die Aufsicht über den ordnungsgemäßen Handel an den Börsen verblieb weiterhin bei den Börsenaufsichtsbehörden der Länder, die fast ausnahmslos bei den jeweiligen Wirtschaftsministerien angesiedelt sind. Im Zuge der Gründung des BAWe veränderten sich allerdings die Aufsichtsbereiche.114 112

Begr. RegE., BT-Drs. 12/6679, 35 f. Darstellungen zum Regelungsinhalt des Gesetzes u.a. bei Claussen, DB 1994, 969; Schröder, S. 69 ff.; Weber, NJW 1994, 2849. 114 Hierzu nachfolgend unten b). 113

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Den Ländern obliegt seit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz – neben der Rechtsaufsicht – auch die Marktaufsicht über die Börsen. Die Aufsicht erstreckt sich insbesondere auf die Einhaltung der börsenrechtlichen Vorschriften und Anordnungen sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse und die Abwicklung der Börsengeschäfte. Als Ergebnis des zwischen Bund und Ländern vereinbarten politischen Kompromisses wurde den Ländern die Zuständigkeit für eilbedürftige Maßnahmen im Rahmen der Verfolgung von Insiderdelikten an den Börsen im Wege der Organleihe übertragen.115

cc) Die Aufsicht der Börsen im Rahmen der Selbstverwaltung Als neues Börsenorgan wurde die Handelsüberwachungsstelle an jeder Börse geschaffen. Mit der Einführung der Handelsüberwachungsstelle wollte der Gesetzgeber die Selbstverantwortung der Börsen für transparente und attraktive Marktplätze, an denen faire Handelsbedingungen gesichert sind, betonen.116 Die durch die Handelsüberwachungsstellen wahrzunehmende Marktaufsicht ist damit als ein wesentlicher Teil der den Börsen im Rahmen der Selbstverwaltung zugewiesenen Aufgaben anzusehen.117 Zur Verbesserung der Wettbewerbssituation der Börsen wurde ferner eine Neuorganisation der Leitungsstruktur der Börsen vorgesehen. Mit der Neuregelung wurde die Absicht verbunden, sich an das Organisationsmodell der Aktiengesellschaft anzulehnen.118 Der bisherige Börsenvorstand wandelte sich durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz zum Börsenrat. Leitete zuvor der Börsenvorstand die Börse, so ging die Zuständigkeit nunmehr auf die Börsengeschäftsführung über. Nach Ansicht des Gesetzgebers entsprach die bisherige innere Organisationsstruktur der Börse nicht mehr den Anforderungen, die an eine leistungsfähige Börse zu stellen sind, die sich im internationalen Wettbewerb mit anderen Börsen behaupten muss.119 Die Handelsüberwachungsstellen erhielten die Zuständigkeit für die Erfassung und Auswertung der Daten über den Börsenhandel sowie für die Durchführung der notwendigen Ermittlungen (§ 1b Abs. 1 Satz 2 BörsG 1994). 115 Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Organleihe vgl. Kümpel, WM-Festgabe für Hellner, 1994, 35, 37. 116 Begr. RegE., BT-Drs. 12/6679, 60. 117 Claussen, DB 1994, 969, 971 f. 118 Begr. Reg.E., BT-Drs. 12/6679, 62. 119 BR-Drs. 793/93, 90.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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Dem Börsenrat wurde die Aufgabe zugewiesen, ähnlich dem Aufsichtsrat einer AG, die Kontroll- und Rechtsetzungsaufgaben zu übernehmen sowie die Grundsatzentscheidungen für die Börse zu treffen (§ 3 Abs. 2 BörsG 1994). b) Das Verhältnis der Aufsichtsinstanzen zueinander Der Gesetzgeber hatte bei der Übertragung der Aufsichtskompetenzen auf drei Verwaltungsebenen120 einerseits das Ziel einer klaren Aufgabentrennung. Andererseits musste er aber auch dem Umstand Rechnung tragen, dass auf Grund des Aufsichtsgegenstandes zahlreiche Berührungspunkte zwischen den Instanzen bestehen würden. aa) Das Verhältnis Bundesaufsichtsamt – Börsenaufsichtsbehörden Der enge sachliche Zusammenhang der Aufsichtstätigkeiten zwischen der Bundesaufsicht und den Börsenaufsichtsbehörden der Länder121 wird dadurch deutlich, dass sich nach der gesetzlichen Vorgabe des Börsengesetzes (§ 1 Abs. 2 Satz 3 BörsG 1994) die Aufsicht der Länder u.a. auf die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse erstreckt und dem BAWe nach dem Wertpapierhandelsgesetz (§ 1 WpHG 1994) die Zuständigkeit nicht nur für den außerbörslichen, sondern auch für den börslichen Handel übertragen wurde. Fragen der Kompetenzabgrenzung stellten sich in erster Linie bei der Überwachung des Insiderhandelsverbots. Die Zuständigkeit des BAWe hierfür wurde als ausschließliche statuiert, d.h. unter Einbeziehung des börslichen Handels. Jedoch haben die Börsenaufsichtsbehörden dem BAWe Beobachtungen und Feststellungen mitzuteilen, die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind (§ 6 Abs. 2 WpHG 1994). Für den Fall, dass im Rahmen der Verfolgung von Insiderverstößen eine eilbedürftige Maßnahme an der Börse ergriffen werden muss, darf die Börsenaufsichtsbehörde im Wege der Organleihe für das Bundesaufsichtsamt tätig werden (§ 6 Abs. 1 WpHG 1994). Diese Vorschrift hat in der Folgezeit jedoch keine praktische Bedeutung erlangt. Folge des Erfordernisses einer engen Zusammenarbeit zwischen BAWe und Börsenaufsichtsbehörden ist zudem die Schaffung des Wertpapierrats. Dieser soll u.a. beratende Funktion bei der Abgrenzung von Zuständigkeiten zwischen den Behörden ausüben (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpHG 1994), besitzt jedoch keine Entscheidungskompetenzen. 120 Assmann, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 1 Rz. 36 und Claussen, DB 1994, 969 sprechen sogar von fünf Instanzen auf drei Verwaltungsebenen. 121 Begr. Reg.E., BT-Drs. 12/6679, 40.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

bb) Das Verhältnis Bundesaufsichtsamt – Börsen Anders als im Verhältnis des Bundesaufsichtsamtes zu den Börsenaufsichtsbehörden der Länder gibt es zwischen dem BAWe und der Aufsichtstätigkeit der Börsen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung keine gesetzliche Kompetenzabgrenzung. Gleichwohl können sich auch in diesem Verhältnis Berührungspunkte bei der Aufsichtstätigkeit ergeben. Dies ist der Fall, wenn die Handelsüberwachungsstellen bei der Überwachung der Ordnungsmäßigkeit des Handels und der damit verbundenen Kontrolle der Kursbildung Hinweise auf einen möglichen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot erhalten. Eine Kompetenz zur Einleitung eigenständiger Ermittlungen besteht für die Handelsüberwachungsstellen jedoch nicht. Da die Handelsüberwachungsstellen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes noch nicht in den Informationsverbund zwischen BAWe und Börsenaufsichtsbehörden eingebunden waren, hätten die Handelsüberwachungsstellen ihre Feststellungen nur an die Börsenaufsichtsbehörden der Länder zwecks Weitergabe an das BAWe übermitteln können.122 Diesem Umstand wurde durch das Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften123 Rechnung getragen, indem auch die Handelsüberwachungsstellen das BAWe (sowie das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen) unverzüglich zu unterrichten haben, wenn sie Tatsachen feststellen, deren Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben der Bundesaufsichtsämter erforderlich ist (§ 1b Abs. 5 Satz 4 BörsG 1997). cc) Das Verhältnis Börsenaufsichtsbehörden – Börsen Mussten die Länder auf der einen Seite gegenüber der Bundesaufsicht Kompetenzen abtreten, so wurde andererseits den Börsenaufsichtsbehörden gegenüber den Börsen teilweise weitreichende Befugnisse eingeräumt. So die Möglichkeit, der Handelsüberwachungsstelle Weisungen zu erteilen, aber auch selbst Ermittlungen zu übernehmen (§ 1b Abs. 1 Satz 3 BörsG 1994). Als Regelfall ging der Gesetzgeber indes von der laufenden Überwachung des Handels durch die Handelsüberwachungsstellen aus; die Übernahme der Ermittlungen durch die Börsenaufsichtsbehörden sollte hingegen die Ausnahme bilden.124 122 Selbst dieser Weg wäre verschlossen geblieben, wenn man sich der Meinung anschließt, dass das Insiderwissen nur das Motiv für die Ordererteilung ist, jedoch auf das Geschäft selbst keinen Einfluss genommen hat und damit die Ordnungsmäßigkeit des Handels nicht berührt wird, so Schröder, S. 209. 123 Hierzu unten 4. 124 Kümpel, WM 1994, 229, 231.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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4. Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien und zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften sowie ein Begleitgesetz von 1997 Das Gesetz zur Umsetzung von EU-Richtlinien und zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997 sowie ein Begleitgesetz125 stand wiederum ganz im Zeichen der Umsetzung europäischer Richtlinien. Es diente der vollständigen Umsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie126, der Implementierung der Kapitaladäquanzrichtlinie127 sowie der so genannten BCCI-Folgerichtlinie128 in nationales Recht. a) Erweiterung der Bundesaufsicht auf Kurs- und Freimakler Die Umsetzung der Wertpapierdienstleistungs- und Kapitaladäquanzrichtlinie brachte weitreichende Folgen für die Aufsichtsstruktur über Kursmakler und freie Börsenmakler mit sich.129 Aufgrund ihrer Vermittlungstätigkeit an den Börsen unterfielen Kursmakler und Freimakler als Finanzdienstleistungsinstitute bzw. Wertpapierdienstleistungsunternehmen von nun an der Bundesaufsicht (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 und 4 KWG 1997, §§ 2 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 und 4 WpHG 1997). Bis zu dieser Gesetzesänderung wurden sie von der Börse als Handelsteilnehmer zugelassen (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 BörsG a.F.) und unterlagen ausschließlich der Aufsicht der Börsenaufsichtsbehörden der Länder (§§ 8a ff. BörsG a.F.). Infolge des neuen Aufsichtsregimes entfiel unter u.a. die Nachweispflicht eines Eigenkapitals für Nicht-Kreditinstitute, da nunmehr auch die Finanzdienstleistungsinstitute grundsätzlich ein entsprechendes Anfangskapital nach125

BGBl. I 2518 und 2567. Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993, Nr. L 141/27. 127 Richtlinie 93/6/EWG des Rates über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten vom 15.3.1993, ABl.EG vom 11.6.1993, Nr. L /1. 128 Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 zur Änderung der Richtlinien 77/780/EWG und 89/646/EWG betreffend Kreditinstitute, der Richtlinien 73/239/EWG und 92/49/EWG betreffend Schadenversicherung, der Richtlinien 79/267/EWG und 92/96/EWG betreffend Lebensversicherungen, der Richtlinie 93/22/EWG betreffend Wertpapierfirmen sowie der Richtlinie 85/611/EWG betreffend bestimmter Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks verstärkter Beaufsichtigung dieser Finanzunternehmen vom 28.6.1995, ABl.EG vom 18.7.1995, Nr. L 168/7. 129 Zu den börsengesetzlichen Änderungen siehe Meixner, WM 1998, 431. 126

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

zuweisen hatten. Gleiches galt für die zuvor bestehende Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für Nicht-Kreditinstitute als Zulassungsvoraussetzung für die Teilnahme zum Börsenhandel. Dies berücksichtigte, dass mit Umsetzung der Kapitaladäquanzrichtlinie nicht nur Kreditinstitute, sondern auch Wertpapierfirmen ihr Positionsrisiko, Abwicklungs- und Lieferrisiko, Fremdwährungsrisiko sowie ihre Großrisiken mit Eigenkapital zu unterlegen hatten. Hinzu kam, dass auf Grund von Art. 15 Abs. 2 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie die Mitgliedstaaten für den Zugang zu den Börsen keine über die Kapitaladäquanzrichtlinie hinausgehenden Eigenkapitalanforderungen stellen durften. Die zuvor bestehende generelle Aufsichtsbefugnis der Börsenaufsichtsbehörde über die Kursmakler und Freimakler wurde auf Grund der nunmehr bestehenden speziellen Zulassung und Solvenzaufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen beschränkt auf eine Aufsicht im Hinblick auf die preisfeststellende Funktion der Skontroführer an der Börse einschließlich der Überprüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der skontroführenden Makler (§ 8b Abs. 1 und 2 BörsG 1997.). Die Überwachung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach dem Börsengesetz wurde damit als eigenständige Prüfung neben die Solvenzaufsicht des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen – allerdings auf der Grundlage der vom Skontroführer bei der Bundesaufsicht einzureichenden Unterlagen – vom Gesetzgeber angeordnet. Bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit konnte die Bestellung zum Kursmakler durch die Börsenaufsichtsbehörde oder die Erlaubnis zur Feststellung oder zur Ermittlung des Börsenpreises widerrufen werden. Die Entziehung der Bestellung oder der Widerruf der Zulassung führte indes nicht automatisch zum Verlust der Erlaubnis, als Finanzdienstleistungsinstitut nach dem KWG tätig zu sein. Dieser sicherlich auch dem politischen Kompromiss zwischen Bund und Ländern geschuldete Parallellauf der Beaufsichtigung wurde mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz130 vollends aufgegeben und die Skontroführer auch hinsichtlich der Prüfung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Finanzdienstleistungsinstitute ausschließlich der Bundesaufsicht unterstellt.

b) Aufsichtsrechtliche Gleichstellung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten Mit der Umsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wurde für Wertpapierfirmen nachvollzogen, was für Kreditinstitute mit der Zweiten Bank130

Siehe unten 6.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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rechtskoordinierungsrichtlinie von 1989131 bereits geltendes Recht war: Das Prinzip der Erteilung einer einheitlichen Erlaubnis durch den Herkunftsstaat des Wertpapierdienstleisters, die das Unternehmen berechtigt, im Europäischen Wirtschaftsraum Wertpapierdienstleistungen über die Errichtung von Zweigniederlassungen oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs zu erbringen (so genannter Europäischer Pass). Die Aufsicht über die grenzüberschreitende Tätigkeit wurde auf die Herkunftslandbehörde übertragen. Die aufsichtliche Zuständigkeit des Aufnahmestaates wurde im Wesentlichen auf die Liquiditätskontrolle und die Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln beschränkt. Als Wertpapierdienstleistungen wurden neben der Anlage- und Abschlussvermittlung das Finanzkommissionsgeschäft, die Finanzportfolioverwaltung sowie der Eigenhandel mit Kunden erfasst, sofern sich die Dienstleistungen auf den Handel mit Finanzinstrumenten, d.h. auf Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen und Derivate, erstrecken (§ 2 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 bis 2 WpHG 1997). Hinsichtlich der Beaufsichtigung von Risiken, die bei Geschäften mit Finanzinstrumenten entstehen, ergänzte die Kapitaladäquanzrichtlinie die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. Die Kapitaladäquanzrichtlinie enthält u.a. Regelungen zum Anfangskapital von Wertpapierfirmen, zur Berechnung der Eigenmittel, zu den Kapitalanforderungen für das Positionsrisiko in Aktien und Schuldverschreibungen, zum Abwicklungsrisiko und zum Risiko des Ausfalls der Gegenpartei sowie zur internen Kontrolle von Risiken und zu Meldepflichten.132

5. Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz von 1998 Fast vier Jahre nach dem Zweiten nahm das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz vom 24. März 1998133 die parlamentarischen Hürden. Mit dem Gesetz,134 das am 1. April 1998 in Kraft trat, wurden die die Finanzmärkte betreffenden Bereiche des „Aktionsprogramms für Investitionen und Arbeitsplätze“ umge131 Zweite Richtlinie (89/646/EWG) des Rates vom 15.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, ABl.EG vom 30.12.1989, Nr. L 386/1. 132 Ausführlich zur Kapitaladäquanzrichtlinie aus jüngerer Zeit Winter, S. 89 ff. 133 BGBl. I 529. 134 Überblick über den Regelungsinhalt des Gesetzes bei Meixner, NJW 1998, 1896; Pötzsch, WM 1998, 949; Hopt, in: Festschrift Drobing, S. 525.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

setzt, mit dem die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1996135 ein Gesamtkonzept zur Verbesserung der Produktions-, Investitions- und Beschäftigungsbedingungen am Wirtschaftsstandort Deutschland vorgelegt hatte. Soweit es das Börsenrecht betrifft, zielten die Änderungen auf eine Deregulierung, die den Aktienhandel beleben, den Börsengang von Emittenten erleichtern, die Wettbewerbsposition der Börsen stärken und die Integrität der Wertpapiermärkte verbessern sollte.136 a) Erweiterung der Eingriffsbefugnisse von Börsenaufsichtsbehörden und Börsen Mit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz wurden die Auskunftsbefugnisse der Börsenaufsichtsbehörden und der Handelsüberwachungsstellen erweitert. Die Börsenorgane erhielten die Befugnis, nicht nur von Handelsteilnehmern, sondern auch von deren Auftraggebern Auskünfte über die getätigten Geschäfte einschließlich der Angabe der Identität der an diesem Geschäft beteiligten Personen zu verlangen. Die Befragung hat allerdings ausschließlich im Hinblick auf die Einhaltung der börsenrechtlichen Vorschriften und Anordnungen sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Handels an der Börse und der Börsengeschäftsabwicklung zu erfolgen (1a Abs. 1 Satz 3; § 1b Abs. 3 BörsG 1998.). b) „Delisting“-Regelung Neben Erleichterungen beim Börsenzugang für Emittenten wurde durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz erstmals ein gesetzliches Verfahren für den Rückzug eines Emittenten von der Börse installiert (so genanntes Delisting). Durch § 43 Abs. 4 BörsG 1998 wurde der Zulassungsstelle die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag des Emittenten die Zulassung zur amtlichen Notierung zu widerrufen. Die Entscheidung des Börsenorgans wurde als Ermessensentscheidung ausgestaltet, wobei ein Widerruf nicht dem Schutz der Anleger widersprechen darf. c) Teilnahme am Börsenhandel in einem elektronischen Handelssystem Eine Verschärfung der Teilnahme am elektronischen Börsenhandel wurde auf Betreiben des Bundesrates durch die Neuregelung des § 7a Abs. 1 BörsG 135 136

BT-Drs. 13/3601. Begr. RegE., BT-Drs. 13/8933, 1 ff.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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1998 vorgesehen. Seit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz genügte für die Teilnahme am Börsenhandel in einem elektronischen Handelssystem an einer inländischen – nicht notwendigerweise derselben – Wertpapierbörse die Anerkennung des Regelwerks für das elektronische Handelssystem durch das Unternehmen. Hintergrund für die Regelung war die gemeinsame Nutzung des IBIS-Systems durch alle inländischen Wertpapierbörsen137. Am 28. November 1997 wurde IBIS durch das Handelssystem XETRA138 ersetzt, welches im Auftrag der Deutsche Börse AG als Träger der Frankfurter Wertpapierbörse entwickelt wurde. Auf Wunsch des Bundesrates – und gegen das Votum der Bundesregierung139 – wurde § 7a Abs. 1 BörsG dahingehend geändert, dass die Teilnahme am elektronischen Börsenhandel für einen Handelsteilnehmer nur dann möglich ist, wenn seine Heimatbörse diesen Zugang in der Börsenordnung ausdrücklich eröffnet. Andernfalls muss der Handelsteilnehmer an der Börse, die über ein elektronisches Handelssystem verfügt, eine gesonderte Zulassung beantragen. Damit sollte der aufgrund der bisherigen Regelung bestehende automatische Zugang von Unternehmen, die an einer inländischen Börse zugelassen sind, zum XETRA-System unterbunden werden. Zur Begründung wurde auf den mit der Teilnahme an einem elektronischen Handelssystem einer anderen Börse verbundenen erhöhten Überwachungsaufwand und die zusätzliche Verantwortung der den Handelsteilnehmer zulassenden Börse verwiesen.140 Wesentliches Motiv für den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages dem Antrag des Bundesrates zu folgen, mag demgegenüber vorrangig die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes gewesen sein. d) Verpflichtung zur Überlassung elektronischer Handelssysteme Ebenfalls als Ausdruck eines politischen Kompromisses ist die Regelung des § 7a Abs. 2 BörsG 1998 (§ 17 BörsG n.F.) anzusehen. Danach hat der Inhaber eines Nutzungs- und Verwertungsrechts an einem elektronischen Handelssystem, das durch die Börsenordnung einer Wertpapierbörse geregelt ist, jeder anderen Wertpapierbörse auf deren Verlangen zu gestatten, das System an der betreffenden Börse einzuführen; die Überlassung hat zu angemessenen Bedingungen zu erfolgen. Die Regelung wurde von Anfang an sowohl hinsichtlich 137

Dazu Kümpel, WM 1990, 45 ff. Näher zu Xetra Beck, WM 1998, 417; Köndgen/Mues, WM 1998, 53 ff. 139 Gegenäußerung der BReg. zur Stellungnahme des BR, BT-Drs. 13/8933, 181. 140 Stellungnahme des BR zum Gesetzentwurf der BReg., BT-Drs. 13/8933, 162 f.; die Geeignetheit dieser Maßnahme zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland in Frage stellend Pötzsch, WM 1998, 949, 953. 138

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

ihrer praktischen Umsetzbarkeit als auch im Hinblick auf ihre rechtliche Zulässigkeit kritisch hinterfragt.141

6. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz von 2002 Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz142 hat das Börsenrecht in zentralen Fragen neu geregelt. Neben weitreichenden materiellen Änderungen hat es auch die Aufsichtszuständigkeiten über den Börsenhandel weiter zu Gunsten einer Bundesaufsicht verschoben. Konzeptionelle Orientierung für das Gesetz leistete das bereits erwähnte Börsenreformgutachten. Die Untersuchung bescheinigte sowohl dem institutionellen Börsenrecht als auch der Börsenaufsichtsstruktur weitgehenden Reformbedarf.143

a) Neuverteilung der Aufsichtskompetenzen zwischen Bundesund Börsenaufsichtsbehörden Die Frage der Verteilung von Aufsichtskompetenzen zwischen Bund und Ländern war gleich in drei Regelungsbereichen Gegenstand des Gesetzes und damit auch intensiver Erörterungen im Gesetzgebungsverfahren.

aa) Die Aufsicht über börsenähnliche Einrichtungen Die Diskussion betraf zum einen die aufsichtsrechtliche Erfassung von börsenähnlichen Einrichtungen. Diese Regelung, die auch im Börsenreformgutachten144 gefordert wurde, fand erst im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages145 Eingang in den Gesetzentwurf. Die Bundesregierung146 hatte die aufsichtsrechtliche Erfassung von börsenähnlichen Einrichtungen auf der Grundla141

Vgl. Pötzsch, WM 949, 953 f.; Köndgen/Mues, WM 1998, 53, 55 f., 60 ff. Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2010; Überblick über den Regelungsinhalt des Gesetzes bei Beck, BKR 2002, 662; Fleischer, NJW 2002, 2977; Rudolph, BB 2002, 1036; Hutter/Leppert, NZG 2002, 649; zum Diskussionsentwurf Mues, ZBB 2001, 353, zum Regierungsentwurf Möller, WM 2001, 2405. 143 Hopt/Rudolph/Baum, Börsenreform, S. 3 ff. 144 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 392 ff. 145 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drs. 14/8600, 46 ff. 146 Begr. RegE., BT-Drs. 14/8017. 142

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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ge des Börsengesetzes und damit die Übertragung der Aufsicht auf die Börsenaufsichtsbehörden der Länder, wie dies vom Bundesrat147 gefordert wurde, in ihrer Gegenäußerung unter Hinweis auf die bereits bestehende Aufsicht über derartige Handelssysteme auf der Grundlage des KWG und WpHG abgelehnt. Die Systeme seien als Finanzdienstleistungsinstitute einzuordnen und würden somit bereits vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und vom Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel beaufsichtigt. Zudem würde die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung Bestrebungen auf europäischer Ebene zuwiderlaufen, die auf eine rechtliche Einordnung dieser Handelssysteme als Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinauslaufen. Als solche würden sie dann der Bundesaufsicht unterliegen. Gleichwohl konnte sich der Bundesrat mit seinen Vorstellungen durchsetzen, da anderenfalls ein Scheitern des gesamten Gesetzgebungsvorhabens auf Grund der Zustimmungsbedürftigkeit – u.a. auch des Börsengesetzes – nicht auszuschließen war.

bb) Die Aufsicht über das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation Eine weitere zentrale Änderung im Aufsichtsgefüge zwischen Bundes- und Länderaufsicht über den Börsenhandel hat auch die Neuregelung der Kurs- und Marktpreismanipulation mit sich gebracht. Die neu eingefügten Vorschriften der §§ 20a, 20b und 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG 2002 (§§ 20a, 4, 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpHG 2004) lösten den bis dato geltenden § 88 BörsG ab. Für die Verfolgung für Verstöße gegen das Verbot des börsengesetzlich geregelten Kursbetrugs waren bis zur Novellierung die Strafverfolgungsbehörden der Länder zuständig. Der Gesetzgeber entschied sich für eine Verlagerung der Zuständigkeiten auf den Bund, da Kurs- und Marktpreismanipulationen nicht nur an Börsen stattfinden, sondern sich ein wirksames Manipulationsverbot auch auf außerbörsliche Transaktionen erstrecken muss.148 Manipulationshandlungen können zudem aus jedem Bundesland heraus vorgenommen werden; dies betrifft Börsenländer sowie Nicht-Börsenländer. Darüber hinaus macht die Manipulation von Börsen- oder Marktpreisen nicht vor Staatsgrenzen halt und hat damit einen europäischen bzw. internationalen Bezug. Schließlich fehlte es im Börsengesetz an einem wirksamen Überwachungs- und Eingriffsinstrumentarium zur Verfolgung von Verstößen gegen das Verbot des Kursbetrugs.149

147 148 149

BR-Drs. 936/01 (Beschluss), 31 ff. Begr. Reg.E., BT-Drs 14/8017, 64. Begr. Reg.E., BT-Drs 14/8017, 89.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

cc) Die Aufsicht über organisierte Märkte mit Sitz im Ausland Durch das Gesetz wurden auch – entgegen dem Votum des Bundesrates150 – ausländische Börsen, die in Deutschland über ein elektronisches Handelssystem inländischen Marktteilnehmern Zugang zum ausländischen Markt geben, der Bundesaufsicht unterstellt. Zur Begründung wurde darauf verwiesen,151 dass es sich um Fragen des Anlegerschutzes und um die Kooperation im Bereich des Börsenwesens und nicht um die Errichtung einer Börse im Inland handele. Wiederum als politische Kompromissformel nahm der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages152 eine Regelung auf, die die Bundesaufsicht verpflichtet, vor Erteilung einer Erlaubnis nach § 37i Abs. 1 WpHG den Börsenaufsichtsbehörden der Länder innerhalb von vier Wochen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 37i Abs. 2 Satz 1 WpHG).

b) Materiellrechtliche Änderungen des Börsengesetzes und des Wertpapierhandelsgesetzes aa) Änderung börsenrechtlicher Vorschriften (1) Börsenähnliche Einrichtungen Bei der Regulierung der börsenähnlichen Einrichtungen (§§ 58, 59 BörsG) differenziert das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – wie bereits erwähnt153 – zwischen Systemen, die wie die Börsen eine Marktplatzfunktion bieten und anderen elektronischen Handelssystemen.154 Letztere unterliegen lediglich einer Anzeigepflicht nach dem Börsengesetz (§ 58 Abs. 1 BörsG) und werden im Übrigen als Finanzdienstleistungsinstitute/Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf der Grundlage des KWG und WpHG beaufsichtigt. Hingegen unterfallen die elektronischen Handelssysteme mit Marktplatzfunktion als börsenähnliche Einrichtungen einer weitgehenden Beaufsichtigung nach dem Börsengesetz. Durch die Einschränkung, dass es sich bei dem Betreiber einer börsenähnlichen Einrichtung um ein Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut han150

Der Bundesrat sprach sich für eine Zuständigkeitsübertragung auf die Länder aus, BR-Drs. 936/01 (Beschluss), 41 ff. 151 Begr. Reg.E., BT-Drs 14/8017, 65. 152 BT-Drs. 14/8600, S. 68; zur Begründung siehe Bericht des BT-Finanzausschusses, BT-Drs. 14/8601, 20. 153 Oben 1. Teil, B. I. 2. a). 154 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte und dem Regelungsinhalt Spindler, WM 2002, 1325, 1331 ff.; Cohn-Heeren, S. 85 ff.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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deln muss, ist sichergestellt, dass der Bertreiber einer Solvenzaufsicht unterliegt. Ist dies nicht der Fall, entspricht das System aber den funktionalen Voraussetzungen der Gesetzesdefinition, kann das Handelssystem als Börse zugelassen werden bzw. die Börsenaufsichtsbehörde ist berechtigt, den Betrieb als unerlaubte Börsenveranstaltung zu untersagen. (2) Wertpapierzulassung und Preisfeststellung sowie Maklerrecht Die bisherige gesetzliche Verknüpfung zwischen der Zulassung von Wertpapieren in einem Marktsegment mit einer einzigen Form der Preisfeststellung (zuvor erfolgte die Preisfeststellung im amtlichen Handel und geregelten Markt ausschließlich durch Kursmakler bzw. Börsenmakler) wurde im Interesse der Deregulierung aufgegeben.155 Verschiedene Handelsarten sollen durch Festlegung in der Börsenordnung ermöglicht werden. Die bisherige amtliche Preisfeststellung ist entfallen. Der Begriff „amtlicher Handel“ wurde durch „amtlicher Markt“ ersetzt.156 Notwendige Konsequenz dieser Regelungen war eine Neuordnung des Maklerrechts. Durch den Verzicht auf die gesetzliche Vorgabe einer Preisfeststellung im amtlichen Handel ausschließlich durch Kursmakler wurde es nunmehr den Börsen überlassen, wie sie die Verfahren, nach denen der Handel ablaufen soll (Parketthandel, elektronisch gestützter Handel oder vollelektronischer Handel), ausgestalten. Die Regelung muss in der Börsenordnung getroffen werden (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BörsG) und unterliegt auf Grund des Genehmigungserfordernisses der Börsenordnung durch die Börsenaufsichtsbehörde (§ 13 Abs. 5 Satz 1 BörsG) der staatlichen Kontrolle. Bei der Entscheidung, welche Handelsart in einem Segment oder Teilbereich eines Handelssegmentes eingeführt werden soll, hat die Börse die Markterfordernisse für den Handel in den jeweiligen Wertpapieren, den Publikumsschutz und die Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Börsenhandels zu berücksichtigen (§ 25 Satz 2 BörsG). Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Juli 2002 wurde die amtliche Preisfeststellung durch Kursmakler beendet und die amtlichen Bestellungen der Kursmakler sind erloschen. Diejenigen Kursmakler, die zu diesem Zeitpunkt über ein Skontro verfügten, sind auf Grund gesetzlicher Anordnung als Skontroführer nach neuem Recht zugelassen. Die Skontren gingen am 1. Juli 2003 auf das Kursmaklerunternehmen über, sofern der Kursmakler seine börslichen 155

Vgl. auch Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 409. Dies hat zahlreiche Änderungen in anderen Gesetzen und Verordnungen zur Folge gehabt, u.a. im Verkaufsprospektgesetz, im KAGG, im Aktiengesetz, in der Verkaufsprospekt-Verordnung und in der Börsenzulassungs-Verordnung, zu den Einzelheiten siehe Möller, WM 2001, 2405, 2406. 156

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

und außerbörslichen Geschäfte bislang als Geschäftsführer eines Kreditinstituts oder Finanzdienstleistungsinstituts betrieben hatte. Die Übergangsfrist, mit der die Börse gehindert ist, in den Werten, die bislang von Skontroführern betreut wurden, ausschließlich eine Preisermittlung auf elektronischer Basis vorzunehmen, ist am 30. Juni 2005 ausgelaufen (vgl. § 64 Abs. 4 und 5 BörsG). (3) Marktsegmentierung Ebenfalls zur Flexibilisierung der Gestaltung des Börsenhandels wurde den Börsen die Möglichkeit eröffnet, die gesetzlichen Standards der börslichen Marktsegmente des amtlichen Marktes und des geregelten Marktes durch zusätzliche, von der Aufsicht zu genehmigende Regelungen in Teilbereichen der Marktsegmente zu erhöhen (§ 42, § 50 Abs. 3 und § 54 Satz 2 BörsG). Dabei muss es sich um Vorschriften handeln, die dem Interesse des Publikumsschutzes oder des ordnungsgemäßen Börsenhandels dienen. Mit der Neuregelung wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass in den Jahren zuvor an verschiedenen Börsen Handelssegmente mit Publizitätsanforderungen entstanden, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgingen, dies jedoch auf privatrechtlicher Grundlage mit den Emittenten vereinbart wurde. Die mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz geschaffene Ermächtigung ermöglicht den Börsen weitere Transparenzanforderungen zu stellen. Die Ermächtigung ist auf Teilbereiche eines Marktsegments beschränkt, damit sichergestellt ist, dass es daneben immer einen Handel in Aktien oder Aktien vertretende Zertifikaten im amtlichen oder geregelten Markt gibt, der sich auf die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen beschränkt. Ob und inwieweit derartige zusätzliche Anforderungen an die Emittenten gestellt werden, hat der Börsenrat in der Börsenordnung zu bestimmen. Mit dem Segment „Prime Standard“ hat die Frankfurter Wertpapierbörse von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und verlangt neben der Erfüllung der Zulassungsanforderungen des amtlichen Marktes und des geregelten Marktes die Einhaltung weiterer Zulassungsfolgepflichten. Daneben beschränkt sich das Segment „General Standard“ bei den Zulassungsfolgepflichten auf die gesetzlichen Vorgaben.157 (4) Einbeziehung von Wertpapieren in den geregelten Markt Im Interesse der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Börsen wurde die Einbeziehung von Wertpapieren zum Handel in den geregelten 157

Siehe deutsche-boerse.com.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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Markt unter erleichterten Bedingungen ermöglicht. Damit sollen die Börsen die Möglichkeit nutzen können, vor allem Freiverkehrswerte im geregelten Markt zu handeln, der die Voraussetzungen des „regulated market“ im Sinne der EGWertpapierdienstleistungsrichtlinie158 erfüllt.159 Voraussetzung für eine Einbeziehung ist zum einen, dass die Wertpapiere entweder im Inland an einer Börse im amtlichen oder geregelten Markt zugelassen sind oder aber über eine Zulassung an einem organisierten Markt160 im Europäischen Wirtschaftsraum oder einem Drittstaat verfügen (§ 56 Abs. 1 BörsG). Soweit es die organisierten Märkte im Europäischen Wirtschaftsraum betrifft, sind die jeweiligen Richtlinienvorgaben einzuhalten.161 Wertpapiere aus Drittstaaten können im Hinblick auf die Anforderungen der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie dann in den geregelten Markt einbezogen werden, wenn der Emittent an der Heimatbörse Zulassungsvoraussetzungen und Zulassungsfolgepflichten unterliegt, die mit den Anforderungen des geregelten Marktes vergleichbar sind. Darüber hinaus muss zum Schutz des Publikums und der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Börsenhandels der notwendige Informationsaustausch mit den zuständigen Aufsichtsstellen in dem jeweiligen Drittstaat gewährleistet sein (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c BörsG). 158 Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993, Nr. L 141/27. 159 Begr.RegE., BT-Drs. 14/8017, 82. 160 Nach § 2 Abs. 5 WpHG handelt es sich bei einem „organisierten Markt“ um einen Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist. Die Definition entspricht derjenigen des „geregelten Marktes“ in Art. 1 Nr. 13 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993, Nr. L 141/27; vgl. auch § 2 Abs. 7 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (BR-Drucks. 895/01). 161 Dies betrifft die Melde- und Transparenzanforderungen gemäß der Art. 20 und 21 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993, Nr. L 141/27, die Verpflichtung zur so genannten Ad hocPublizität für amtlich notierte Wertpapiere gemäß Art. 68 Abs. 1 der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen vom 28.5.2001, ABl.EG vom 6.7.2001, Nr. L 184/1 (Neukodifizierung von Schema C Ziffer 5 Buchstabe a) des Anhangs der Richtlinie 79/279/EWG des Rates zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse vom 5.3.1979, ABl.EG vom 16.3.1979, Nr. L 66/21, zuletzt geändert durch die Richtlinie 88/627/EWG des Rates über die Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen vom 12.12.1988, ABl.EG vom 17.12.1988, Nr. L 348/62). Die Erweiterung der Ad hoc-Publizität auf den geregelten Markt erfolgt durch Art. 1 i.V.m. Art. 7 der Richtlinie 89/592/EWG zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl.EG vom 18.11.1989, Nr. L 334/30.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Weiterhin muss im Interesse des inländischen Börsenhandels sichergestellt sein, dass auch im Inland über die Veröffentlichungen des Emittenten unterrichtet wird, die dieser auf Grund der Zulassung seiner Aktien in seinem Heimatstaat zu erfüllen hat (§ 56 Abs. 2 Satz 2 BörsG). (5) Verhältnis Börse – Börsenträger – Börsenaufsicht Die dynamische Entwicklung des nationalen Finanzplatzes sowie auf den europäischen und internationalen Kapitalmärkten hat auch den Börsen neue Betätigungsfelder eröffnet. Die deutschen Börsen – insbesondere die Deutsche Börse AG als Trägerin der Frankfurter Börsen – haben diese neuen Spielräume durch Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit genutzt. Im Zuge dieser Veränderungen haben sich die Träger der Börsen zu wettbewerbsorientierten Unternehmen entwickelt, die (teilweise) über eine Börsennotierung den Kapitalmarkt in Anspruch genommen haben. Hierdurch werden zwangsläufig auch die rechtlichen Verhältnisse zwischen Börse, Börsenträger und Börsenaufsicht betroffen. Mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz wird die Pflicht des Börsenträgers zum Betrieb der Börse konkretisiert. Danach ist der Träger verpflichtet, der Börse auf Anforderung der Geschäftsführung die zur Durchführung und angemessenen Fortentwicklung des Börsenbetriebs erforderlichen finanziellen, personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung zu stellen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BörsG). Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Auslagerung von Funktionen, die für den Börsenbetrieb wesentlich sind, nicht die Aufsicht beeinträchtigen darf. Daher ist die Absicht der Auslagerung der Börsenaufsicht unverzüglich anzuzeigen (§ 1 Abs. 3 BörsG). Die Eingriffsrechte der Aufsicht werden präzisiert (§ 2 Abs. 1 BörsG). Die Position des Börsenrates wurde durch die Erweiterung seiner Zuständigkeiten gestärkt (vgl. § 9 Abs. 2 BörsG). Diese Änderungen sind jedoch lediglich ein erster Einstieg in die Neuregelung des Verhältnisses zwischen Börse, Börsenträger und Aufsicht.162 bb) Änderung wertpapierhandelsrechtlicher Vorschriften (1) Das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation Das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation nach § 20a WpHG 2002 ist als bußgeldbewehrtes Verbot ausgestaltet worden. Der Tatbestand verlangt die unrichtige Angabe über Umstände, die für die Bewertung eines Vermö162

Siehe hierzu unten 5. Teil, A.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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genswertes (Wertpapiere, Geldmarkinstrument, Derivate, Bezugsrechte und ausländische Zahlungsmittel) erheblich und geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes einzuwirken. Bei einem Verstoß konnten Bußgelder bis zu eineinhalb Millionen Euro verhängt werden. Das Gleiche galt – der Tatbestand ist im Rahmen des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes geändert worden163 – bei sonstigen Täuschungshandlungen, sofern sie vorgenommen wurden, um auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes einzuwirken. Der Schutzbereich erfasst in beiden Tatbestandsalternativen darüber hinaus auch Preise von Vermögenswerten an organisierten Märkten in anderen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums. Bei Realisierung der Gefahr durch eine tatsächliche Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis, wurde dies als strafbare Handlung eingeordnet (§ 38 Abs. 2 Nr. 4 WpHG 2002). Die Konkretisierung der Tathandlungen erfolgt angesichts der Vielzahl möglicher Manipulationstechniken und der notwendigen Weiterentwicklung der Regulierung durch Rechtsverordnung.164 Wieder als Ergebnis eines politischen Kompromisses165 sieht das Gesetz vor, dass die Rechtsverordnung nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden kann (§ 20a Abs. 2 Satz 2 WpHG 2002). (2) Organisierte Märkte mit Sitz im Ausland Mehr im Hinblick auf vergleichbare Regelungen im Ausland166 als aus aktuell bestehendem Regulierungsbedarf hat sich der Gesetzgeber zur regulatorischen Erfassung von Handelsbildschirmen entschlossen, die im Inland durch ausländische Börsen aufgestellt werden, um inländischen Handelsteilnehmern den Zugang zu den ausländischen Märkten zu eröffnen. Bis zum Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes konnten ausländische Börsen ihre Handelsbildschirme in der Bundesrepublik Deutschland aufstellen, ohne ein Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren zu durchlaufen. Mit dem neu aufgenommenen Abschnitt 9 im WpHG (§§ 37i bis 37m WpHG) wurde eine Erlaubnispflicht (§ 37i WpHG) für das Aufstellen von 163

Siehe unten 8. a) dd). Verordnung zur Konkretisierung des Verbots Kurs- und Marktpreismanipulation vom 18.11.2003, BGBl. I 2300. 165 BT-Drucks. 14/8600, 60; zur Begründung siehe Bericht des BT-Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/8601, 20. 166 Im Ausland ist das Aufstellen von Handelsbildschirmen in der Regel genehmigungspflichtig u.a. in den USA, Japan, Australien, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz. 164

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Handelsbildschirmen ausländischer Börsen aus Drittstaaten sowie eine Anzeigepflicht (§ 37m WpHG) für geregelte Märkte aus dem Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt. Für das Aufstellen von Handelsbildschirmen von Geregelten Märkten im Sinne der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wurde auf die Anordnung der Durchführung eines Genehmigungsverfahrens verzichtet, da hier grundsätzlich von einer funktionsfähigen, dem deutschen Recht vergleichbaren Aufsicht durch den Herkunftsstaat auszugehen ist und die zuständigen Aufsichtsbehörden aufgrund von EU-Richtlinien mit der Bundesanstalt zusammenarbeiten.167 Die Regelung einer Anzeigepflicht wurde deshalb als ausreichend angesehen. Zur Wahrung der Integrität des deutschen Finanzmarktes und des Anlegerschutzes wurden auch Bestimmungen über den Informationsaustausch mit den für die Überwachung zuständigen Stellen im Ausland aufgenommen. Dies betrifft vor allem die Überwachung der Einhaltung des Insiderhandelsverbots und des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation. Für den Fall, dass die zuständigen Aufsichtsstellen nicht kooperieren, kann die Erlaubnis versagt werden (§ 37j Nr. 4 WpHG 2002). Darüber hinaus ist zum Schutz der Handelsteilnehmer mit Sitz im Inland sicherzustellen, dass die Überwachung der ausländischen Börse und der Anlegerschutz im Herkunftsstaat dem deutschen Recht gleichwertig sind, bevor diese an das Handelssystem der ausländischen Börse angeschlossen werden (§ 37j Nr. 3 WpHG 2002). 7. Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht von 2002 a) Zusammenführung der Bundesaufsicht über Finanzdienstleistungen Ein weiterer Schritt zur Anpassung an internationale Entwicklungen stellt die Etablierung einer Allfinanzaufsicht in Deutschland durch das Inkrafttreten des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht168 dar. Durch die Regelungen des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) in Artikel 1 sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zusammenführung der bisher getrennten drei Aufsichtsämter für das Kreditwesen, das Versicherungswesen und den Wertpapierhandel in der neu gegründeten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geschaffen worden. Mit der Gründung der BaFin hat der Gesetzgeber in organisationsrechtlicher Hinsicht auf die fortschreitenden Kapitalverflechtungen zwischen Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen sowie Finanzdienstleistungsinstituten reagiert. 167 168

Hierzu ausführlich unten 4. Teil, C. II. BGBl. I 1310.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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Durch die neue Aufsichtsstruktur soll der steigenden Dynamik und wachsenden Komplexität des Finanzdienstleistungsbereichs Rechnung getragen werden. Die Entwicklung von Allfinanzstrategien und die Vermarktung von Allfinanzprodukten haben auch in Deutschland zugenommen. Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleistungsinstitute konkurrieren mit Banken beim Vertrieb von Finanzprodukten. Die Zahl der Schnittstellen zwischen den Produkten der Banken, Investmentgesellschaften, Wertpapierhäuser und Versicherungsunternehmen und deren Absatz nimmt zu.169 Dies betrifft sowohl die Ersparnisbildung, die Kapitalvermittlung und den Risikoschutz als auch die Daseins- und Altersvorsorge. Mit Hilfe der neuen Kommunikationstechnologien sind die Unternehmen der unterschiedlichen Branche in der Lage, die Vertriebskanäle anderer Finanzdienstleistungsunternehmen zu nutzen. Dies ermöglicht Wertschöpfungsketten bei Finanzdienstleistungen zu zerlegen und Produkte und Leistungen ganz oder in Teilen von anderen zu beziehen oder eigene Produkte und Leistungen Dritten anzubieten. Die Zusammenarbeit von Firmen unterschiedlicher Branchen fördert das Entstehen von Finanzkonglomeraten. In Deutschland steht aus der jüngeren Zeit hierfür insbesondere der Zusammenschluss von Allianz und Dresdner Bank.170 Mit der Zusammenführung der drei Bundesaufsichtsämter hat sich der Gesetzgeber für eine Bündelung des „Know how“ entschieden, die zu einer Verbesserung der Arbeitseffizienz und einer Nutzung von Synergieeffekten führen soll. Doppelarbeiten sollen vermieden und Entscheidungen und Verantwortlichkeiten klar zugeordnet werden können. Ziel ist eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Aufsichtseffektivität.171 Gleichzeitig ist mit der Schaffung einer Allfinanzaufsicht beabsichtigt, die Position Deutschlands in den europäischen und internationalen Koordinierungsgremien zu stärken. Vorausgegangen war der Zusammenführung der drei Aufsichtsbereiche die Einrichtung eines Forums für Finanzmarktaufsicht.172 Das Forum ist auch nach Zusammenführung der drei Bundesaufsichtsämter beibehalten worden (§ 3 FinDAG). Damit soll die Zusammenarbeit zwischen der Bundesanstalt und der Bundesbank insbesondere im Rahmen der laufenden Überwachung koordiniert werden.173 Das materielle Aufsichtsrecht ist durch die Zusammenführung der Bundesaufsicht nicht geändert worden. Eine Anpassung musste lediglich bei den Vor169

v. Rosen, ZfgK 2002, 634. Begr.RegE., BR-Drs. 636/01, 86 f. 171 Begr. RegE., BR-Drs 636/01, 88. 172 Vereinbarung zur Zusammenarbeit zwischen dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel und der Deutschen Bundesbank vom 3.11.2000. 173 Begr. RegE., BR-Drs. 636/01, 92. 170

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

schriften über die Zusammenarbeit der BaFin mit Dritten, die Schweigepflicht der Mitarbeiter der Behörde und die Vollstreckung von Verwaltungsakten der Aufsicht erfolgen.

b) Rechtliche Stellung, Finanzierung und Kontrolle der Aufsicht Die BaFin ist Teil der Bundesverwaltung und untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (§ 2 FinDAG). Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinstitutionen verfügt sie aber über ein eigenes Budget und ist nicht mehr Kostenposition im Bundeshaushalt und unterliegt damit auch nicht mehr dessen Sparzwängen. Finanziert wird die Bundesanstalt zu hundert Prozent durch eine Umlage bei den beaufsichtigten Unternehmen (§ 13 Abs. 1 i.V.m. § 16 FinDAG). Damit wurde der neuen Aufsichtsbehörde die Möglichkeit gegeben, sich aus dem starren öffentlich-rechtlichen Besoldungsgefüge zu lösen und durch die Zusage übertariflicher Gehalts- und Versorgungsleistungen auch Spezialisten aus der Wirtschaft anzuwerben, die sich beispielsweise mit den neuen Aufsichtsmodellen zur Risikomessung bei Banken und Versicherungen befassen.174 Hierin liegt zweifelsohne ein weiterer wichtiger Grund für die Neuordnung der Aufsichtsstruktur. Nicht zu unterschätzen ist schließlich auch das größere Maß an Unabhängigkeit der Bundesanstalt vom Ministerium und damit von der Politik. Als Kontrollorgan wurde ein Verwaltungsrat (§ 7 FinDAG) geschaffen, der mit Vertretern der Kredit- und Versicherungswirtschaft sowie von Kapitalanlagegesellschaften besetzt ist. Hinzu kommen Vertreter des Bundestages sowie von den Bundesministerien der Finanzen, der Justiz und für Wirtschaft und Technologie. Das Bundesministerium der Finanzen stellt im Hinblick auf die von ihm wahrzunehmende Fach- und Rechtsaufsicht auch den Vorsitzenden des Verwaltungsrats sowie dessen Stellvertreter. Aufgabe des Gremiums ist es, die Effizienz der Aufsichtstätigkeit zu überwachen175. Mit dem Ziel einer umfassenden Beteiligung der Finanzwissenschaft, der Wirtschaft und ihrer Interessenvertretungen sowie der Verbraucherverbände wurde zudem ein Fachbeirat (§ 8 FinDAG) eingerichtet, der eine angemessene Berücksichtigung der Anliegen der betroffenen Wirtschaftskreise sicherstellen und im Interesse einer wirksamen Aufsicht weitere Expertise beitragen soll.176

174 175 176

v. Rosen, ZfgK 2002, 634, 635. Begr. RegE., BR-Drs. 636/01, 95. Begr. RegE., BR-Drs. 636/01, 96.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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c) Künftige Anforderungen an eine integrierte Finanzaufsicht Hauptanliegen der Leitung der BaFin, des Verwaltungsrats sowie des für die Fach- und Rechtsaufsicht zuständigen Bundesfinanzministeriums muss es sein sicherzustellen, dass die Bundesanstalt nicht nur der organisatorische Zusammenschluss von drei Aufsichtsbehörden ist. Vielmehr wird es darum gehen, den besonderen Anforderungen des sektorenüberschreitenden Vertriebs von Finanzprodukten und den damit einhergehenden Gefahren für die Stabilität der Finanzmärkte und für den Anlegerschutz entgegenzuwirken. Dies wiederum erfordert ein Ineinandergreifen der drei Aufsichtsbereiche, indem die Erkenntnisse und Erfahrungen wechselseitig zugänglich gemacht werden sowie gemeinsame Aufsichtsziele und eine gemeinsame Aufsichtsphilosophie entwickelt und in der Praxis durch die Mitarbeiter der Bundesanstalt auch „gelebt“ werden.

8. Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2004 Die Unternehmenskrisen am Anfang des neuen Jahrhunderts, die nicht nur den Börsenboom der späten 90er Jahre beendeten, sondern auch zu erheblichen Vermögenseinbußen bei Investoren führten, nahm die Politik zum Anlass ein ganzes Bündel von Gesetzgebungsmaßnahmen zu schnüren, um das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Unternehmensführung sowie in den Aktienmarkt zurück zu gewinnen. Bundesfinanzministerium und Bundesjustizministerium legten im Sommer 2002 einen ersten Rohentwurf für ein 10-Punkte Programm zur Verbesserung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes vor, der im Februar 2003 konkretisiert wurde.177 Zu den Einzelmaßnahmen gehören u.a. die Einführung einer persönlichen Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber der Gesellschaft, verbunden mit einer Verbesserung der Klagerechte der Aktionäre. Daneben ist eine persönliche Haftung von Gesellschaftsorganen gegenüber Anlegern für den Fall der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschinformation des Kapitalmarktes vorgesehen. Während die Haftungsregelungen von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber dem Unternehmen im Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)178 verabschiedet wurden und am 1. November 2005 in Kraft traten, entschloss sich die Bundesregierung, den Entwurf für eine gesetzliche Haftung 177 Abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de und unter www.bundesjustizministerium.de; Volltext auch in BB 2003, 693. 178 BGBl. I 2802.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber Anlegern für vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschinformation des Kapitalmarktes im Rahmen des geplanten Kapitalmarktinformations-Haftungsgesetz nach heftiger Kritik aus den betroffenen Wirtschaftskreisen vorerst zurückzuziehen.179 Weitere Bestandteile des 10-Punkte-Programms sind die Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards einschließlich der Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung180 sowie die Einführung eines Enforcement-Verfahrens zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen181. Hierdurch erhält die BaFin auch die Zuständigkeit für die Überwachung von Abschlüssen börsennotierter Unternehmen (Art. 3 Bilanzkontrollgesetz, §§ 37n ff. WpHG). Für den Bereich des Börsen- und Wertpapierhandelsrechts bringt ein anderes wichtiges Element des 10-Punkte-Programms bedeutsame Veränderungen: Das (weitgehend) am 30. Oktober 2004 in Kraft getretene Anlegerschutzverbesserungsgesetz.182 Das Gesetz enthält zwei zentrale Regelungsbereiche: die Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie183 in deutsches Recht sowie die Einführung einer Prospektpflicht für nicht in Wertpapieren verbriefte Anlageformen. 179

Financial Times Deutschland vom 10.11.2004, S. 1. Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfer (Bilanzrechtsreformgesetz) vom 4.12.2004, BGBl. I 3166. 181 Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz) vom 15.12.2004, BGBl. I 3408. 182 BGBl. I 2630. 183 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16, siehe dazu auch Richtlinie 2003/124/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl.EG vom 24.12.2003, Nr. L 339/70; Richtlinie 2003/125/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl.EG vom 24.12.2003, Nr. L 339/73; Richtlinie 2004/72/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Interessenkonflikten in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl.EG vom 30.4.2004, Nr. L 162/70; Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl.EG v. 23.12.2003, Nr. L 336/33. 180

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

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a) Umsetzung der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie Die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie novelliert zum einen die bereits auf europäischer Ebene bestehenden Vorschriften zum Insiderhandelsverbot184 sowie die Regelungen zur Ad hoc-Publizität185. Zum anderen werden erstmals gemeinschaftsweit Bestimmungen zu Meldepflichten von Unternehmensinsidern und mit diesen in einer engen Beziehung stehenden Personen bei Transaktionen in Aktien des Unternehmens oder sich hierauf beziehende Finanzinstrumente eingeführt (so genannte Directors’ Dealings). Schließlich wird das Verbot der Marktmanipulation einheitlich geregelt. Durch die Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie ergeben sich teilweise weitreichende Änderungen für das deutsche Recht.

aa) Insiderrecht Unter dem Begriff der „Insiderinformation“, der den bisherigen Begriff der „Insidertatsache“ (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F.)186 ersetzt, werden künftig Informationen über Umstände und Ereignisse erfasst, die bereits existieren bzw. eingetreten sind oder bei denen man vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren bzw. eintreten werden.187 Damit unterfallen auch überprüfbare Werturteile und Prognosen dem Begriff der Insiderinformation. Mit der Neufassung der Regelungen hat der Gesetzgeber auch die bisherige Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsidern aufgegeben. Damit ist nach neuem Recht dem Sekundärinsider – genauso wie dem Primärinsider – 184

Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Vorschriften betreffend InsiderGeschäfte 89/592/EWG vom 13.11.1989, ABl.EG vom 18.11.1989, Nr. L 334/30. 185 Art. 68 bzw. 81 der Richtlinie 2001/347/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertapiere zu veröffentlichten Informationen vom 28.5.2001, ABl.EG vom 6.7.2001, Nr. L 184/1, berichtigt durch ABl.EG vom 11.8.2001, Nr. L 217/18; wortgleich übernommen aus der Richtlinie 79/279/EWG des Rates zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse vom 5.3.1979, ABl.EG Nr. L 66/21. 186 Siehe Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 3 Rz. 29 ff.; Assmann, in: Assmannn/Schneider (Hrsg.), Kapitalanlagerecht, § 13 WpHG Rz. 33 f. 187 Konkretisierung des Begriff „Insiderinformation“ durch Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl.EG vom 24.12.2003, Nr. L 339/70.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

nicht nur der Handel in Insiderpapieren verboten, sondern auch die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen sowie die Empfehlung zum Erwerb oder Veräußerung von Insiderpapieren und die Verleitung von Dritten zu derartigen Geschäften (§ 14 Abs. 1 WpHG). Eine Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsidern erfolgt aber weiterhin auf der Rechtsfolgeseite; ist der Insiderhandel für beide Insidergruppen strafbar, so ist die Weitergabe von Insiderinformationen, die Empfehlung und die Verleitung anderer zum Handel auf der Grundlage einer Insiderinformation nur für den Primärinsider strafbar (§ 38 Abs. 1 WpHG), für den Sekundärinsider stellen die Verstöße hingegen lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WpHG). Verzichtet wurde auch auf das Erfordernis des „Ausnutzens“ als subjektives Merkmal des verbotenen Handels nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Zweifellos war die bisherige Regelung geeignet, zu Schwierigkeiten bei der Beweisführung zu führen. Aber auch die Neufassung verlangt den Nachweis, dass beim Täter die Insiderinformation bei seiner Entscheidung zum Kauf oder Verkauf von Insiderpapieren eingeflossen ist. Damit sind künftige Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen zweckgeleitetem und neutralem Handeln vorgezeichnet.188

bb) Ad hoc-Publizität Die Marktmissbrauchsrichtlinie (Art. 6 Abs. 1) hat auch weitreichende Konsequenzen für die Regelungen zur Ad hoc-Publizität (§ 15 WpHG). Die bisherige Differenzierung zwischen Insidertatsachen einerseits und ad hoc publizitätspflichtigen Tatsachen anderseits wird aufgegeben mit der Folge, dass alle Insiderinformationen auch publizitätspflichtig nach § 15 WpHG sind. Eine Eingrenzung der Veröffentlichungspflicht soll dadurch erfolgen, dass sich Informationen unmittelbar auf das Unternehmen beziehen müssen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG trifft eine Insiderinformation den Emittenten insbesondere dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. Dieser Zusatz ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Anwendungsbereich der Ad hoc-Publizität erweitert wurde. War es nach früherer Rechtslage für die Veröffentlichungspflicht erforderlich, dass die Tatsache im Tätigkeitsbereich des Emittenten selbst eingetreten und wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Ertragslage des Emittenten kursbeeinflussend war, genügt es nach der Begründung des Regierungsentwurfs nunmehr, dass es sich um „von außen“ kommende, den Emittenten unmittelbar

188 Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2004, 703, 704, Kuthe, ZIP 2004, 883, 884; Spindler, NJW 2004, 3449, 3451.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

73

betreffende Umstände handelt, wie etwa die Übermittlung eines Übernahmeangebots oder die Herabstufung einer externen Ratingagentur.189 Geändert wurde auch die Regelung, nach der ein Emittent, der einen Aufschub seiner Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG erreichen wollte, einen Befreiungsantrag bei der Bundesanstalt stellen musste. Entsprechend Art. 6 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie kann der Emittent nunmehr eigenverantwortlich über die Veröffentlichung entscheiden und von einer Ad hocMeldung solange absehen, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Der Emittent hat die BaFin über die Gründe für die Befreiung zu informieren (§ 15 Abs. 3 WpHG).

cc) Directors’ Dealings Eine bedeutsame Änderung des Anwendungsbereichs hat die mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz eingefügte Regelung zu „Directors’ Dealings“ erfahren. Auf Grund von Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie und der dazugehörigen Durchführungsrichtlinie190 sind nach § 15a Abs. 1 WpHG n.F. alle Personen meldepflichtig, die Zugang zu Insiderinformationen haben und wesentliche unternehmerische Entscheidungen treffen können. Neben den persönlich haftenden Gesellschaftern und den Mitgliedern des Leitungs-, und Verwaltungs- und Aufsichtsrats des Emittenten sind danach alle Personen meldepflichtig, die ermächtigt sind, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, die auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens Einfluss nehmen können (§ 15a Abs. 2 WpHG). Angesichts der Unbestimmtheit des Wortlauts und des Fehlens eingrenzender Merkmale sind damit Abgrenzungsschwierigkeiten vorprogrammiert.191 Meldpflichtig sind auch alle juristischen und natürlichen Personen, die den Personen mit Führungsaufgaben nahe stehen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Erfasst werden neben verwandtschaftlichen Beziehungen auch Verbindungen mit

189

Begr. RegE, BT-Drs. 15/3174, 35. Richtlinie 2004/72/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Interessenkonflikten in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von InsiderVerzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl.EG vom 30.4.2004, Nr. L 162/70. 191 Ebenso kritisch Kuthe, ZIP 2004, 883, 886; Spindler, NJW 2004, 3449, 3452. 190

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

juristischen Personen, beispielsweise über Organtätigkeiten oder einen beherrschenden Einfluss.192

dd) Marktmanipulation Wie bei den Insiderregeln hat die Marktmissbrauchsrichtlinie auch bei den Vorschriften des Verbots der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) zu Änderungen geführt. So ist u.a. das Erfordernis der Täuschungsabsicht in § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG 2002 entfallen. Stattdessen genügt es zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes – mit der Konsequenz der Verfolgung als Ordnungswidrigkeit – künftig, dass die Handlung geeignet ist, auf den Börsen- oder Marktpreis des Finanzinstruments einzuwirken. Eine Straftat liegt demgegenüber vor, wenn der Täter durch seine Handlung tatsächlich auf den Börsen- oder Marktpreis eingewirkt hat (§ 38 Abs. 2 WpHG). Zweifellos ist das bisherige subjektive Erfordernis der Einwirkungsabsicht geeignet, in der Praxis Beweisprobleme aufzuwerfen.193 Auf der anderen Seite wird der Nachweis der Kursbeeinflussung durch die konkrete Handlung ebenfalls regelmäßig nur schwer zu führen sein.194 Darüber hinaus erscheint in systematischer Hinsicht fraglich, ob das Unrechtsgefälle zwischen Handlungen, die zur Kursbeeinflussung geeignet sind und solchen, die darüber hinaus tatsächlich zu einer Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises geführt haben, ausreichend ist, um eine Verfolgung als Ordnungswidrigkeit einerseits und als Straftat andererseits zu rechtfertigen. Vielmehr wird es häufig von der jeweiligen Marktlage abhängen, ob die Handlung zu einer Preisbeeinflussung führt oder nicht und damit eher zufällig sein. Aus Sicht des Täters ergibt sich demgegenüber kein Unterschied. 192

Bei den nahe stehenden Personen handelt es sich gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2004/72/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Interessenkonflikten in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl.EG vom 30.4.2004, Nr. L 162/70, um Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte der meldepflichtigen Leitungspersonen, die mit dem Verpflichteten seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben, sowie juristische Personen, Gesellschaften und sonstige Gemeinschaften, bei denen die vorgenannten Personen Führungsaufgaben wahrnehmen, die von diesen Personen direkt oder indirekt kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen. 193 So Begr.RegE, BT-Drs. 15/3174, 37. 194 Ebenso Spindler, NJW 2004, 3453, 3452.

A. Die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland

75

Von erheblicher Bedeutung für Anleger und Handelsteilnehmer ist die Ausnahmeregelung (so genannte Safe Harbour-Regelung) in § 20a Abs. 2 WpHG und ihre Konkretisierung durch die BaFin mittels Rechtsverordnung195 (§ 20a Abs. 5 WpHG). Danach unterliegen Geschäfte, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale im Hinblick auf die Marktlage oder den Preis eines Finanzinstruments zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen, nicht dem Manipulationsverbot, wenn die Geschäfte mit der gängigen Marktpraxis übereinstimmen. Auch hier macht das Gesetz – entsprechend der Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie – den Versuch, alleine auf objektive Kriterien bei der Beschreibung des pönalisierten Verhaltens abzustellen. Auf die Einbeziehung subjektiver Elemente wird, dies haben bereits die Diskussionen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz gezeigt, jedoch spätestens bei der Bestimmung der Konkretisierung der Safe Harbour-Regelung nicht verzichtet werden können. Dies macht auch die Begründung des Regierungsentwurfs deutlich. Danach sollen verbotsbefreiende legitime Gründe nur dann zu verneinen sein, wenn festgestellt werden kann, dass der Handelnde in betrügerischer oder manipulativer Absicht gehandelt hat.196 Für eine derartige Einschränkung des Tatbestandes enthält der Gesetzestext indes keinen Hinweis.197

ee) Befugnisse der BaFin Die Überwachungs- und Untersuchungsbefugnisse der BaFin werden deutlich erweitert. Neu und von besonderer Bedeutung für die Zuständigkeitsverteilung bei der Börsenaufsicht zwischen Bund und Ländern ist die Befugnis der BaFin, den börslichen und außerbörslichen Handel von Finanzinstrumenten zu untersagen oder die Aussetzung des Handels anzuordnen. Hierbei handelt es sich um eine sehr weitgehende Befugnis, da eine Einschränkung nur insoweit erfolgt, als dass die Maßnahme zur Durchsetzung des Insiderhandels- und Manipulationsverbots oder zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen geboten sein muss (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG). Darüber hinaus bestehen entgegen der alten Rechtslage nunmehr Auskunftsrechte, Vorlage- und Vernehmungsrechte gegenüber jedermann, soweit dies auf Grund von Anhaltspunkten für die Überwachung erforderlich ist (§ 4 Abs. 3 Satz 1 WpHG).

195 196 197

BGBl. 515. Begr. RegE, BT-Drs. 15/3174, 37. So auch Spindler, NJW 2004, 3449, 3453.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

b) Erweiterung der Prospektpflicht Mit der Ausdehnung der Prospektpflicht – und dementsprechend auch der Prospekthaftung – auf den so genannten Grauen Kapitalmarkt trägt der Gesetzgeber Forderungen nach einer stärkeren Beaufsichtigung198 Rechnung und weitet die mit dem Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapierrechtlicher Vorschriften199 implementierte Kontrolle des „Grauen Kapitalmarktes“ aus. Das geänderte Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) erfasst in § 8f Abs. 1 VerkProspG, das in Teilen durch das Wertpapierprospektgesetz bereits wieder aufgehoben wurde200, u.a. öffentlich angebotene Gesellschaftsanteile einschließlich stiller Beteiligungen sowie Anteile an BGB-Gesellschaften, Treuhandvermögen und Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds (außer z.B. Pensionsfonds).201 Die Prüfung des Verkaufsprospekts hat innerhalb einer Frist von 20 Werktagen durch die BaFin zu erfolgen (§ 8i Abs. 2 VerkProspG), d.h. der Prospektpflichtige hat einen Anspruch darauf, innerhalb dieser Frist von der Aufsicht beschieden zu werden. Die Bundesanstalt nimmt lediglich eine Prüfung in formaler Hinsicht vor, insbesondere auf Vollständigkeit des Prospekts; hierauf hat der Prospekt deutlich hinzuweisen (§ 8g Abs. 1 Satz 3 VerkProspG) mit dem Ziel, einem möglichen „Gütesiegel-Effekt“ durch die behördliche Prüfung vorzubeugen. Sofern ein fehlerhafter Prospekt veröffentlicht wird oder sogar eine Veröffentlichung vollständig unterbleibt, haften die Prospektverantwortlichen den Erwerbern auf Schadensersatz (§§ 13, 13a VerkProspG). Gehaftet wird für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Der Anspruch verjährt nach einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber Kenntnis von der Pflicht des Anbieters erlangt hat, einen Verkaufsprospekt zu veröffentlichen, spätestens jedoch in drei Jahren seit Abschluss des Erwerbsgeschäfts (§ 13a Abs. 5 VerkProspG). Damit ist es auch bei der Ausweitung der Prospektpflicht auf Angebote des „Grauen Kapitalmarktes“ bei den kürzeren kapitalmarktrechtlichen Verjährungsfristen für Prospekthaftungsansprüche geblieben, und es hat keine Angleichung an die längeren Verjährungsfristen des BGB stattgefunden.

198 Siehe u.a. Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, ZHR 138 (1974) 1, 28 ff., von Keussler, 26 ff. m.w.N. 199 BGBl. I 2518. 200 Siehe unten 9. 201 Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 15/3493, 53; hierzu auch Moritz/Grimm, BB 2004, 1801; dies., BB 2004, 1352, 1353; Heisterhagen, DStR 2004, 1089, 1090.

B. Organisation der Börsenaufsicht im Ausland

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9. Das Wertpapierprospektgesetz von 2005 Von besonderer Bedeutung für die Regulierung von Wertpapieremissionen ist das Wertpapierprospektgesetz (WpPG)202, das am 1. Juli 2005 in Kraft getreten ist. Mit dem WpPG und der unmittelbar anwendbaren Prospektverordnung werden die europäischen Vorgaben der Prospektrichtlinie203 in deutsches Recht umgesetzt. Die Regelungen schaffen den rechtlichen Rahmen für Wertpapieremissionen im Wege des öffentlichen Angebots oder der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt. Die bisherige Differenzierung zwischen Börsenzulassungsprospekten im Fall der Zulassung von Wertpapieren an der Börse und Verkaufsprospekten für öffentliche Angebote entfällt somit künftig. Als Konsequenz daraus werden die Vorschriften des Verkaufsprospektgesetzes sowie der Börsenzulassungsverordnung teilweise aufgehoben. Die bisherigen Regelungen zur Prospekterstellung in der Verkaufsprospektverordnung entfallen vollständig. Anwendbar bleiben hingegen die bisherigen Haftungsregelungen. Mit dem Wertpapierprospektgesetz werden auf nationaler Ebene die rechtlichen Voraussetzungen für einen „Europäischen Pass“ für Wertpapiere geschaffen.

B. Aktuelle Tendenzen der Organisation der Börsenaufsicht im Ausland I. Allgemein Die Veränderungen der Börsen- und Kapitalmarktlandschaft haben nicht nur in Deutschland, sondern auch in zahlreichen anderen Ländern zu einer Anpassung der Aufsichtsstrukturen bei der Überwachung der Börsen und Kapitalmärkte geführt. So haben Norwegen 1986, Dänemark 1988, Schweden 1991, Österreich 2002, Singapur 1984, Japan sowie Korea und Australien jeweils 1998 eine zentrale Kapitalmarktaufsicht eingeführt. Gleiches gilt für die europäischen Beitrittsstaaten. So schufen Ungarn 2000, Lettland 2001 sowie Estland und Malta 2002 eine integrierte Finanzmarktaufsicht. Entsprechende Bestrebungen sind in Irland, Belgien, der Schweiz, Liechtenstein, Griechenland und Finnland zu verzeichnen.204 Die Länder reagieren mit den Reformen auf die zunehmende sekto202

Art. 1 des Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, BGBl. I 1698. Richtlinie 2003/71/EG vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl-EG vom 31.12.2993, Nr. L 345/64. 204 Grünbichler/Darlap, S. 6; Masciandaro, Journal of Financial Regulation and Compliance 12 (2004) 151. 203

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

renüberschreitende Tätigkeit der Finanzunternehmen sowie auf einen stärkeren grenzüberschreitenden Handel.205 Ebenfalls über eine zentrale Finanzmarktaufsichtsbehörde mit der Zuständigkeit für die Überwachung des Banken-, Börsen- und Versicherungswesens verfügt das Vereinigte Königreich. Die Financial Services Authority (FSA) ist zuständig für die Überwachung des Londoner Finanzplatzes und damit – soweit es vor allem den Börsen- und Wertpapierhandel anbelangt – für den zentralen Handelsplatz in Europa.206 Besondere Beachtung bei der Diskussion um eine mögliche Zentralisierung der Börsenaufsicht verdient auch die Aufsichtsstruktur in den USA, die über den größten207 Kapitalmarkt der Welt verfügen. Die hier in erster Line208 zentral von der Securities and Exchange Commission (SEC) wahrgenommene staatliche Aufsicht über den Börsen- und Wertpapierhandel dient mehreren Vorschlägen zur Neustrukturierung der europäischen Börsen- und Kapitalmarktaufsicht als Anknüpfungspunkt.209 In den übrigen Finanzsektoren sind in den USA aufgrund des im Grundsatz nach wie vor bestehenden Trennbankensystems210 eine Vielzahl von Behörden mit Überwachungs- und Regulierungsaufgaben befasst. Zudem sind die Kompetenzen noch auf Bundes- und Einzelstaaten verteilt.211 205

Briault, S. 11 f. Nach Marktkapitalisierung und Wert des Handelsvolumens bei Aktien, siehe World Federation of Exchanges, Jahresbericht 2004, S. 31, 33. 207 Bei der Marktkapitalisierung übertreffen die US-Börsen New York Stock Exchange (NYSE) und der von der National Association of Securities Dealers Automated Quotation (NASDAQ) betriebene (domestic) Aktienmarkt die wichtigsten europäischen Börsen um das ca. Zweieinhalbfache, beim Wert des Handelsvolumen um mehr als das Zweifache, siehe World Federation of Exchanges, Jahresbericht 2004, S. 31, 33. 208 Eine Restzuständigkeit für die Regulierung von kreditfinanzierten Wertpapiergeschäften liegt beim Federal Reserve Board, die Durchsetzung der Vorschriften erfolgt durch die SEC, Becker, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 877. 209 Hierzu unten 5. Teil, A. II. 1. c) cc). 210 Die Reform des Trennbankensystems durch den Financial Services Modernization Act of 1999, der nach den Initiatoren der Gesetzesvorlage auch als Gramm-LeachBliley-Act bezeichnet wird, hat das Trennbankensystem nicht grundsätzlich beseitigt. Die Gesetzesnovellierung ermöglicht die Errichtung von Finanzholdinggesellschaften, die Bank- und Wertpapierdienstleistungen erbringen sowie Investment- und Versicherungsgeschäfte und andere finanzielle Aktivitäten betreiben. Banken ist es daher anders als den deutschen Universalbanken weiterhin nicht erlaubt, die nicht bankbezogenen Dienstleistungen selbst zu erbringen bzw. die genannten Geschäfte zu tätigen. Zur Reform des Trennbankensystems in den USA siehe Barth/Porlein, ZfgK 2000, 190; Gruson, ZBB 2000, 153; Hoffmann, WM 2000, 1773; Kübler, WM 2000, 287; 211 Siehe unten III. 1. 206

B. Organisation der Börsenaufsicht im Ausland

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Im Hinblick auf die Diskussion über die Änderung der Strukturen der Börsenund Kapitalmarktaufsicht in Deutschland und Europa sollen im Nachfolgenden die Gründe, die zur Einführung einer zentralen Aufsicht in den USA und im Vereinigten Königreich geführt haben, deren Zuständigkeitsbereiche und Befugnisse sowie die Erfahrungen, die mit einer zentralen Aufsichtsinstitution gemacht wurden, näher beleuchtet werden. Letzteres bezieht sich in erster Linie auf die SEC, die durch ihre Gründung 1934 über eine langjährige Praxis verfügt.

II. Vereinigtes Königreich 1. Financial Services Authority (FSA): Entstehung und Aufgaben Entstanden ist die FSA 1997 aus dem Securities and Investments Board (SIB), das für die Überwachung des Wertpapierhandels und des Investmentwesens verantwortlich war. Dem folgten 1998 die Übernahme der Bankenaufsicht von der Bank of England sowie der Versicherungsaufsicht.212 Die Gründung der FSA und die umfassende Aufgabenzuweisung an sie stellt den Höhepunkt eines grundlegenden Kurswechsel in der britischen Kapitalmarktregulierung und insbesondere für das britische Börsenrecht dar. Die Verabschiedung des zuvor im Vereinigten Königreich dominierende Selbstregulierungsmodels begann 1979 mit dem Banking Act 1979 als unmittelbare Reaktion auf die zweite Bankenkrise. Erstmals bedurften damit Banken einer formalen Zulassung.213 Der nächste Schritt folgte 1986 mit dem Inkrafttreten des Financial Services Act und der Implementierung einer dreistufigen Aufsicht von Finanzministerium, SIB und Self-Regulation Organizations (SRO’s).214 Hierdurch versuchte man, ein verpflichtendes Regelwerk mit Selbstverwaltungselementen zu verbinden.215 Die Entwicklung immer neuer Finanzprodukte und das Entstehen von Allfinanzunternehmen, die sich einer Vielzahl von Aufsichtsbehörden gegenübersahen, bereiteten den Boden für die endgültige Trennung vom Modell der Selbstregulierung und den Aufbau einer zentralen Aufsichtsinstanz mit umfassenden Kompetenzen.216 212

Turing/Cramb, Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 2000, 443. 213 Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 1, 3 ff.; ausführlich zur Entstehungsgeschichte des Banking Act 1979 Binder, S. 47 ff. 214 Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 1, 8 f.; Fleischer, RIW 2001, 817, 818. 215 Alcock, S. 8. 216 Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 1, 10 f.; MacNeil, M.L.R. 62 (1999) 725, 728.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Die Gründe für die Änderung der Aufsichtsstruktur fasste 1997 der britische Finanzminister Gordon Brown wie folgt zusammen: „The existing arrangements for financial regulation involve a large number of regulators, each responsible for different parts of the industry. In recent years there has been a blurring of the distinctions between different kinds of financial services business: banks, building societies, investment firms, insurance companies and others. This has added further to the complexity of financial regulation. The Government believes the current system is costly, inefficient and confusing for both regulated firms and their customers. It is not delivering a standard of supervision and investor protection that the public has a right to expect. We are therefore establishing a single, statutory regulator for the UK financial services industry with clearly defined regulatory objectives and a single set of coherent functions and powers.“217

Folge der Fragmentierung der Aufsicht (Treasury, Department of Trade and Industry, SIB, Self Regulating Organisations, Bank of England, Building Society Commission, Occupational Pension Board, Friendly Society Commission) waren zeit- und kostenintensive Abgrenzungsprobleme sowie Kompetenzkonflikte.218 Zudem erschwerten teilweise fehlende oder unklare Kompetenzzuweisungen und Sanktionsmechanismen die effiziente Durchsetzung der Regeln.219 In der Diskussion wurde eine unmittelbare Verbindung zwischen diesen Aufsichtsdefiziten und spektakulären Zusammenbrüchen von Finanzunternehmen, insbesondere der Skandal um die Bank of Credit and Commerce International (BCCI) Anfang der 90er Jahre sowie der Konkurs der Traditionsbank Barings 1995, gezogen.220 Aus Sicht der Politik ergab sich daraus die Notwendigkeit, eine Aufsichtsstruktur zu schaffen, die in einem zunehmend verflochtenen Finanzsektor die verschiedenen Sektoren einheitlich erfasst.221 Hinzu trat das Erfordernis einer effektiveren Interessenvertretung auf europäischer und internationaler Ebene.222 Wenn auch die Errichtung einer zentralen Aufsichtsbehörde im Vereinigten Königreich auf breite Zustimmung stieß,223 wurde die Abkehr vom liberalen und selbstregulierten britischen Finanzmarkt und die Hinwendung zu einer

217

HM Treasury, Financial Services and Markets Bill: A Consultation Document, S. 8. Sarker, The Company Lawyer, 19 (1998) 11, 12. 219 Ellger/Kalss, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 726 f. m.w.N. 220 Hadjiemmanuil, S. 46 ff., 268 f. 221 HM Treasury, Financial Services and Markets Bill: A Consultation Document, S. 1. 222 Lütz, S. 227. 223 HM Treasury, Financial Services and Markets Bill: Progress Report, London 1999, S. 7; Davies, Company; Financial and Insolvency Law Review 3, 1999, 1, 4. 218

B. Organisation der Börsenaufsicht im Ausland

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zentralen, mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Aufsichtsbehörde auch durchaus kritisch gesehen. Befürchtet wurden eine Überregulierung und zu starke Bürokratisierung,224 verbunden mit einer sehr weitgehenden Machtfülle als Aufsichts-, Verfolgungs- und Regulierungsbehörde.225 Zur Sicherstellung einer möglichst großen Praxisnähe wurde die FSA, ebenso wie das SIB, als privatwirtschaftlich organisierte Gesellschaft errichtet.226 Die Finanzierung erfolgt aus den Gebühren der zu beaufsichtigenden Unternehmen.227 Darüber hinaus enthält der Financial Markets Act 2000228, der am 1. Dezember 2001 in Kraft trat und mit dem die FSA ihre endgültige rechtliche Handlungsgrundlage erhielt, konkrete Zielsetzungen für die Aufsichtsinstanz. Die notwendige Transparenz und Verantwortung der Aufsicht soll durch die Verfolgung von vier Zielen (statutory objectives)229 im Rahmen der Aufsichtstätigkeit gewährleistet werden. Hierzu zählt die Bewahrung des Marktvertrauens (maintaining market confidence) im Sinne der Aufrechterhaltung des Vertrauens in das Finanzsystem. Mit der Bezugnahme auf das Finanzsystem werden die Finanzmärkte und Börsen sowie alle aufsichtsrechtlich geregelten Tätigkeiten und damit verbundenen Aktivitäten umfasst (s. 3(2) FSMA).230 Weiterhin soll das öffentliche Bewusstsein (promoting public awareness) für Marktabläufe verbessert werden (s. 4 FSMA).231 Schließlich ist die FSA dem Verbraucherschutz (protection of consumers, s. 5 FSMA)232 und der Bekämpfung der Finanzkriminalität (reducing financial crime, s. 6 FSMA)233 verpflichtet.

224

Barthel/Dieckmann, ZfgK 2003, 68, 69. Siehe Redicker, Die Bank 1999, 418, 420; auch Alcock, J.B.L. 1999, 371, der von einem „Regulatory Monster“ spricht. 226 Lomnicka, J.B.L. 1999, 480, 483; Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 19; Merkt, Gutachten, G 28. 227 Siehe s. 1 Financial Services and Markets Act (FSMA). 228 Abrufbar unter www.legislation.hmso.gov.uk/acts/acts2000/20000008.htm. 229 Siehe s. 2(2) FSMA; s. hierzu Financial Services Authority, A new regulator for the new millennium, FSA 2000, S. 5 ff.; Lomnicka, J.B.L. 2000, 65, 67; zu den Zielen im Einzelnen Davies, Company, Financial and Insolvency Law Review 3 (1999) 1, 4; Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 24 ff. 230 Dazu Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 25 ff. 231 Dazu Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 28 ff. 232 Dazu Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 28 ff. 233 Dazu Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 34; zu den Zielen der FSA-Aufsicht aus der deutschsprachigen Literatur siehe auch Redicker, Die Bank 1999, 418, 419; Bass, Die Bank 2001, 829, 830; Binder, WM 2001, 2230, 2236; Fleischer, RIW 2001, 817, 820 f.; Barthel/Dieckmann, ZfgK 2003, 68, 69 f. 225

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Auch wenn der Wert der vier Regulierungsziele auf Grund ihrer sehr allgemeinen Form und des recht weiten Ermessens der FSA nicht zu hoch eingeschätzt werden sollte und die Überprüfung, ob und inwieweit die Ziele erreicht werden, die FSA selbst vornimmt,234 so bilden sie jedoch einen nützlichen Rahmen für die bessere Einordnung der aufsichtlichen Maßnahmen. Darüber hinaus geben sie den Kontrollgremien, auch wenn dies gesetzlich nicht vorgesehen ist, einen Ansatzpunkt, zur Tätigkeit des FSA Stellung zu nehmen und dadurch auf die Aufsichtspraxis Einfluss zu nehmen. Eine Kontrolle der FSA erfolgt durch Konsultationspflichten vor dem Erlass neuer Vorschriften sowie eine Berichtspflicht der Aufsichtsbehörde über die Tätigkeit und den hierbei zugrunde gelegten Leitlinien.235 Von besonderer Bedeutung ist die Rechenschaftspflicht gegenüber dem Finanzministerium, das wiederum in der Person des Ministers gegenüber dem Parlament verantwortlich ist.236 Hinzu treten die Einrichtung von beratenden Gremien unter Einbeziehung von Verbrauchern und Marktteilnehmern237 sowie eines Ombudsmannes238. Die Erreichung der „statutory objectives“ soll durch sechs „principles“239 sichergestellt werden, die die FSA näher definiert hat: Efficiency and economy: Die FSA ist zur effizienten Nutzung der durch die überwachten Unternehmen entrichteten Aufsichtskosten verpflichtet. Hinzu tritt eine Rechenschaftspflicht über die Verwendung der finanziellen Mittel. Ein non-executive committee der FSA berichtet an das Finanzministerium. Role of management: Es soll eine klare Trennung zwischen den Verantwortlichkeiten des Managements des Finanzunternehmens und den Zuständigkeiten der Aufsichtsbehörde erfolgen. Proportionality: Restriktionen der Aufsicht gegenüber den Unternehmen sollen im angemessenen Verhältnis zu dem Nutzen der Maßnahme für die Verbraucher stehen (Kosten-Nutzen Analyse). Innovation: Die FSA soll Innovationen unterstützen. So sollen u.a. unangemessene Marktzutrittsschranken vermieden und die Einführung von neuen Finanzprodukten und Dienstleistungen grundsätzlich nicht verhindert werden. 234

Siehe hierzu FSA, A new regulator for the new millennium, 2000, 35 ff. Siehe Briault, S. 9 ff. 236 Hierzu ausführlich Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 20 ff. 237 Siehe ss. 9, 10 FSMA. 238 Siehe ss. 225 ff. FSMA. 239 Ausführlich zur inhaltlichen Ausgestaltung der principles Financial Services Authority, A new regulator for the new millennium, 2000, S. 10 f.; Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 17, 34 ff. 235

B. Organisation der Börsenaufsicht im Ausland

83

International charakter of financial services and markets and the desirability of maintaining the competitive position of the UK: Die Wettbewerbsposition des britischen Finanzmarktes soll gefördert werden. Zu diesem Zweck sollen Entwicklungen im Ausland, einschließlich regulatorischer Maßnahmen, nicht nur analysiert, sondern darüber hinaus soll bei der Ausarbeitung internationaler Standards aktiv mitgewirkt werden. Competition: Der Wettbewerb soll durch regulatorische Maßnahmen der FSA nicht behindert werden. Hierzu werden das Office of Fair Trading und die Wettbewerbskommission den Einfluss der Regulierung und Aufsichtspraxis der FSA auf den Wettbewerb untersuchen. Neben der Überwachung von Banken, Bausparkassen, Investmentfirmen und Versicherungen besitzt die FSA die Zuständigkeit für die Kontrolle der Finanzmärkte einschließlich der Börsen sowie der Verrechnungssysteme.240 Schließlich ist sie zuständig für die Zulassung von Wertpapieren zum Handel und die entsprechende Marktaufsicht (ss. 72 ff. FSMA).241 Die Kompetenz für den Erlass der „listing rules“ hat die FSA im Mai 2000 von der Londoner Börse (London Stock Exchange) übernommen.242 Die Überwachungsaufgaben der FSA nehmen rund 3000 Mitarbeiter wahr, deren Aufsicht mehr als 20.000 Finanzdienstleistungsunternehmen und mehr als 3.000 börsennotierte Gesellschaften unterstehen.243 Durch die Erweiterung von Zuständigkeiten und neue Aufgaben auf Grund europäischer Richtlinienvorgaben wird künftig eine Aufsichtszuständigkeit der FSA für 30.000 oder mehr Finanzunternehmen erwartet.244

2. Befugnisse Die Befugnisse der FSA sind sehr weitreichend und gehen noch über die Handlungsmöglichkeiten der SEC hinaus.245 So kann die britische Finanzmarktaufsicht zivilrechtliche Geldstrafen verhängen, u.a. bei Verstößen gegen Börsenregeln (s. 91 FSMA) und missbräuchlichen Verhaltensweisen (s. 118 i.V.m. s. 123 FSMA).

240 241 242 243 244 245

Siehe die sehr weite Definition der „regulated activity“ in s. 22 FSMA. Dazu Walker, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 97 ff. Walker, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 97, 107. Alcock, S. 11 f. Foot, 12 Journal of Financial Regulation and Compliance (2004) 201, 203. Lomnicka, J.B.L. 2001, 96 ff.; Fleischer, RIW 2001, 817, 819.

84

2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Für die betroffenen Unternehmen eine auf Grund ihrer Prangerwirkung regelmäßig sehr einschneidende Maßnahme ist die Veröffentlichung von Verstößen durch die Aufsichtsbehörde im Wege so genannter Statements of Misconduct (ss. 66(2)(b), 68, 205 FSMA) sowie die Bekanntgabe der Verhängung von Geldstrafen (ss. 206, 209 FSMA). Verstöße gegen den FSMA und die von der FSA erlassenen Regelungen können vielfach auch strafrechtlich geahndet werden.246 Schließlich kann die FSA auf den Erlass einstweiliger Verfügungen hinwirken. (ss. 380 f. FSMA). Rechtswidrig erlangte Gewinne können durch gerichtliche Entscheidung abgeschöpft werden (ss. 382 ff. FSMA).

3. Kritik Bei einer Bewertung der bisherigen Tätigkeit der FSA ist zu berücksichtigen, dass die britische Finanzmarktaufsicht erst ab Dezember 2001 ihre jetzige Form angenommen hat und ihr die umfassenden Befugnisse übertragen worden sind. Insofern erscheint eine endgültige Aussage über das Ausmaß der infolge der Zusammenführung der verschiedenen Aufsichtssektoren erreichten Effizienzgewinne zurzeit noch nicht möglich, wenngleich bereits heute schon signifikante Skalenerträge, u.a. durch die elektronische Erfassung und Nutzung von Daten, verzeichnet werden. Auch die FSA erfährt die Auswirkungen unterschiedlicher historischer Entwicklungen und Aufsichtsphilosophien. Der Abbau von internen Barrieren und der Aufbau eines gemeinsamen Aufsichts- und Regulierungsansatzes ist erforderlich, der wiederum durch ein effizientes Informationssystem mit Leben erfüllt werden muss.247 Positiv wird indes bereits heute festgestellt, dass die Errichtung der FSA als zentrale Aufsichtsinstanz für den britischen Finanzdienstleistungssektor eine zuvor fragmentierte Aufsichtsstruktur zu einem „one stop shopping“ für Unternehmen und Verbraucher zusammengeführt hat. Damit vergrößert sich die Aussicht auf die Schaffung eines „level playing field“, da Aufsichtsunterschiede nicht an historischen Gegebenheiten, rechtlichen oder institutionellen Unter-

246

Vgl. ss. 19, 23 FSMA (Verstoß gegen das generelle Verbot); ss. 178, 190, 191 FSMA (Nichteinhaltung der Anzeigepflichten beim Erwerb bedeutender Anteile an „Authorised Persons“, s. 177 FSMA (Beeinträchtigungen von Sonderprüfungen) sowie die allgemeinen Bestimmungen in Part XXVII, ausführlich hierzu Minghella, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 274 ff. 247 Siehe hierzu auch Foot, Journal of Financial Regulation and Compliance 12 (2004) 201, 202.

B. Organisation der Börsenaufsicht im Ausland

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schieden anknüpfen, sondern an einer differenzierten Bewertung der mit der Tätigkeit verbundenen Risiken.248 Größere Beachtung als die Zusammenführung einer Vielzahl von Aufsichtsinstitutionen haben die weitreichenden Kompetenzen gefunden. Zwar bedeuten die verbindlichen Regeln und die „immense powers“249 eine radikale Abkehr vom früheren System der Selbstregulierung, aber der – auch unter dem neuen Aufsichtsregime – stark ausgeprägte flexible, informelle und auf Konsens ausgerichtete Konfliktlösungsansatz zwischen Aufsicht und Londoner City sorgt für eine breite grundsätzliche Unterstützung der FSA in der britischen Finanzwirtschaft.250 Angesichts zahlreicher Unternehmenszusammenbrüche im Finanzsektor unter der früheren Ägide der britischen Zentralbank wird die jetzige Bündelung von Aufsichtskompetenzen über den nationalen Finanzmarkt in den Händen der FSA als Professionalisierung und Effizienzsteigerung der Finanzmarktregulierung gewertet, und damit als Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes London angesehen.251

III. USA 1. Securities and Exchange Commission (SEC): Entstehung und Aufgaben Die Gründung der SEC im Jahre 1934 ist genauso wie die Verabschiedung des Securities Act (SA) von 1933252, der die öffentliche Platzierung von Wertpapieren betrifft, sowie des Securities Exchange Act (SEA) von 1934253, der in erster Linie den Wertpapierhandel am Sekundärmarkt regelt, Ergebnis der New Deal-Politik in den USA in den Jahren 1933 bis 1940. Nach Wirtschaftskrise, Bankenzusammenbrüchen und Börsencrash nahm der Staat mehr Einfluss auf das Wirtschaftsleben und damit auch auf den Wertpapierhandel. Es galt primär, das Vertrauen der Anleger in das ordnungsgemäße Funktionieren der Kapitalmärkte wieder herzustellen. 248

Siehe Whittaker, Rz. 7. Ryder, B.L.R. 2000, 253. 250 Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg), S. 1, 2; Foot, Journal of Financial Regulation and Compliance 12 (2004) 201, 202. 251 Lütz, S. 301 f. 252 15 U.S.C. § 77a et seq. 253 15 U.S.C. § 78a et seq. 249

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

Bis zum Inkrafttreten des Securities Act war die Aufsicht über den Wertpapierhandel stark fragmentiert. Die Regulierung des Wertpapiermarktes erfolgte durch einzelstaatliche Vorschriften, deren Einhaltung von State Securities Commissioners kontrolliert wurde. Die Regelungen konnten aber nur innerhalb der bundesstaatlichen Grenzen angewandt werden; der gesamte zwischenstaatliche Handel, der zu diesem Zeitpunkt bereits in erheblichem Umfang stattfand, unterlag indes keiner Regulierung und Überwachung.254 Erst durch den Börsencrash 1929 und einem Wertverlust der börsengehandelten Aktien im geschätzten Gesamtwert von 50 Milliarden US-Dollar wurde der Weg für den Aufbau einer Bundesaufsicht geebnet. Seit diesem Zeitpunkt bestimmen der Anlegerschutz und die Bewahrung der Integrität der Wertpapiermärkte als Regelungsziele das US-amerikanische Kapitalmarktrecht. Zur Erreichung der Ziele soll eine umfassende Transparenz („full disclosure“) hergestellt werden.255 Durch die Offenlegung aller entscheidungsrelevanten Informationen soll der Anleger in die Lage versetzt werden, eine seinen individuellen Bedürfnissen gerechte Anlageentscheidung zu treffen.256 Weiterhin sind die Regeln so auszugestalten, dass betrügerische und manipulative Handlungen verhindert werden.257 Neben die SEC als zentrale Bundesaufsicht für den Börsen- und Wertpapierhandel treten zu den gleichen Bereichen einzelstaatliche Aufsichtsbehörden und Regelungen.258 Die Vorschriften der Bundesstaaten, auch als Blue Sky Laws259 bezeichnet, gehen teilweise über das Bundesrecht hinaus. So prüfen mehrere Staaten beim erstmaligen öffentlichen Angebot von Wertpapieren auch die materielle Richtigkeit der Angaben.260 Die dritte Aufsichtsebene bilden die SROs. Die börsen- und wertpapierrechtliche Selbstverwaltung setzt sich zusammen aus den Wertpapierbörsen, der National Association of Securities Dealers (NASD) als registrierter Wertpapiervereinigung, den eingetragenen Clearingstellen sowie dem Municipal Securities Rulemaking Board, das für die Aufsicht über die Verschuldungstitel der Bundesstaaten und regionalen Gebietskörperschaften zuständig ist.261

254 255 256

Tiedeken, S. 162. Merkt, Gutachten G 30. www.sec.gov/about/whatwedo.shtml; näher Merkt, Unternehmenspublizität, 2001,

114 ff. 257 258 259 260 261

Sec. 2 SEA 1934. Siehe hierzu Jennings/Marsh/Coffee/Seligman, S. 99. Zum Begriff u.a. Loss, ZHR 129 (166) 197, 204. Jennings/Marsh/Coffee/Seligman, S. 107 f.; Scott, in: Morrison (Hrsg.), S. 583, 590. Jennings/Marsh/Coffee/Seligman, S. 106 f., 606.

B. Organisation der Börsenaufsicht im Ausland

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Die Zuständigkeit der SEC wird in den Fällen begründet, in denen die Bundespost oder andere Einrichtungen des zwischenstaatlichen Handels durch professionelle Einrichtungen benutzt werden.262 Sollen diese Geschäfte über eine Börse ausgeführt werden, muss die betreffende Börse grundsätzlich als nationale Wertpapierbörse bei der SEC registriert sein.263 Bei einem außerbörslichen Handel im zwischenstaatlichen Verkehr muss der Händler einer registrierten Wertpapiervereinigung angehören.264 Die SEC mit insgesamt etwa 3.100 Mitarbeitern in der Zentrale in Washington D.C. sowie in 11 landesweiten Regionalniederlassungen ist zuständig für die Zulassung und Überwachung der Börsen, Wertpapierhändler, Anlageberater, Investmentgesellschaften sowie Holdinggesellschaften des Elektrizitätsund Gasversorgungssektors.265

2. Befugnisse Die US-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde verfügt über weitreichende Ermittlungskompetenzen. So steht die Einleitung von Ermittlungen im freien Ermessen der SEC.266 Durch ihre prozessrechtlichen Befugnisse kann sie die Justiz zum Einschreiten veranlassen, insbesondere durch (vorbeugende) Unterlassungsklagen gegen andauernde oder drohende Verstöße gegen das Wertpapierrecht.267 Die SEC kann zudem Verstöße durch administrative Sanktionen ahnden, insbesondere durch Beschränkungen und Verbote der Tätigkeitsausübung.268 Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Normsetzungsbefugnis der SEC. Im Rahmen ihrer „rules and regulations“269 trifft die Behörde Bestimmungen über das Verfahren vor der SEC270, erlässt gesetzesausfüllende Verordnungen271 und trifft verbindliche Definitionen gesetzlicher Begriffe272. Ne262 263 264 265

Ratner, S. 8. Sec. 5 SEA 1934. Sec. 15(a)(1) i.V.m. (b)(8) SEA 1934. Skousen, S. 18 ff., Graham, S. 3 ff., dazu auch unter www.sec.gov/about/whatwedo.

shtml. 266 267 268 269 270 271

Sec. 21(a) SEA. Sec. 20(b) SA, Sec. 21(d)(1) SEA. Sec. 19(h)(1)-(4) SEA. Veröffentlicht im „Code of Federal Regulations“ (CFR), Title 17. Siehe z.B. 17 CFR, Chapter II, Sec. 202 „Informal and other procedures“. Siehe z.B. Rule 10b-5 auf Grund Sec. 10(b) SEA.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

ben den „rules and regulations“ haben die Einzelfallentscheidungen („Opinions“), die Stellungnahmen zu einzelnen Rechtfragen („Interpretative Releases“) und die Erklärungen über das Nicht-Tätigwerden („No action letters“) in der Praxis normsetzende Wirkung.273

3. Kritik Anders als im Bankenbereich, wo es durch die Mehrzahl der für die Aufsicht zuständigen Behörden auf Grund von Wettbewerbsdenken und unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Ausrichtungen zu Problemen bei der Zuständigkeitsabgrenzung kommt,274 sind ähnliche Probleme bei der Wertpapierhandelsaufsicht nicht bekannt. Hingegen hat die Modifizierung des Trennbankensystems durch den Financial Services Modernization Act of 1999 zu sektorenüberschreitenden Kompetenzstreitigkeiten zwischen Wertpapier- und Bankenaufsicht geführt.275 Hingegen wird an der SEC als Institution grundlegende Kritik geübt. Dies reicht bis zur Schlussfolgerung, dass die US-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde überflüssig sei. Begründet wird dies mit der gestiegenen Effizienz der Märkte auf Grund der technologischen Entwicklung und der damit einhergehenden schnellen Informationsübermittlung. Private Investoren, die nicht über die notwendigen Informationen verfügen, könnten sich professioneller Berater bedienen. Schließlich sorge der Wettbewerb zwischen den Börsen und Regulierungssystemen für effiziente Regeln.276 Insbesondere unter Berufung auf die Vorteile eines funktionierenden Regulierungs- und Aufsichtswettbewerbs hat sich eine weitergehende Kritik in den USA an der SEC, genauer an ihrer Regulierungspolitik und Aufsichtspraxis, entzündet. Die Vorwürfe reichen von einer Inkohärenz zwischen den Regeln und ihrer Durchsetzung unter gleichzeitiger Akzeptanz der Regelungsziele, über eine Überregulierung der Pflichtveröffentlichungen und Insiderregelungen277 bis zu einer zu weiten extraterritorialen Anwendung des US-amerika-

272

Rules 130 bis 143 auf Grund 17 CFR, Chapter II, Sec. 230.130 bis 230.143. Jennings/Marsh/Coffee/Seligman, S. 103 f. 274 Vgl. Hütz, S. 76 f. 275 ZfgK 1987, 141. 276 Siehe Macey, 15 CLR (1994) 909; zur Gegenposition Ratner, CLR 16 (1995) 1765; die Erwiderung von Macey, 16 CLR (1995) 1781. 277 Siehe Langevoort, Washington and Lee Law Review, 47 (1990) 529 m.w.N. 273

B. Organisation der Börsenaufsicht im Ausland

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nischen Wertpapierrechts278. Als Konsequenz wird eine Wahlfreiheit für die dem Regelungsregime Unterworfenen zwischen dem Rechts- und Aufsichtssystem einzelner Bundesstaaten und dem Bundesrecht unter dem Regime der SEC gefordert.279

IV. Vergleich der Aufsichtssysteme Betrachtet man die Entwicklung der Börsenaufsicht in Deutschland und in anderen Ländern, ist einerseits eine Zurückdrängung der Selbstregulierung und eine zunehmende Verstaatlichung der Aufsichtsfunktionen über die Börsen und den Handel an den Börsen festzustellen. Aus Sicht der Investoren leistet das Selbstregulierungsmodell keine ausreichende Gewähr mehr für ein transparentes Marktgeschehen und einen ausreichenden Anlegerschutz. Eine weitere Zunahme staatlicher Regulierungsfunktionen wird mit dem Umbau von Börsen zu gewinnorientierten Unternehmen zu verzeichnen sein. Diese Veränderungen der Kapitalmarktorganisation, die sich bereits in weiten Teilen vollzogen hat, soll im vierten Teil der Arbeit näher beleuchtet werden. Darüber hinaus macht der länderübergreifende Vergleich der Entwicklungstendenzen der Aufsichtsstrukturen deutlich, dass die Durchführung von Reformprozessen und die Ausgestaltung der Aufsichtsstruktur in einer Wechselbeziehung stehen: Bei einem steigenden Regulierungsgrad, in Europa vor allem durch die Zunahme gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben begründet, ist eine zunehmende Zentralisierung der Aufsicht festzustellen. Besonders anschaulich macht dies die Entwicklung in Deutschland, wo weitreichende Reformen des Börsen- und Wertpapierhandels innerhalb der letzten zehn Jahre stattgefunden haben und in deren Folge der Bund schrittweise Aufsichtszuständigkeiten in diesem Bereich übernommen hat, die zuvor den Ländern zugeordnet waren. Unterstützt wird diese Entwicklung von der Marktseite, die durch eine fortschreitende Zentralisierung und Internationalisierung des Handels gekennzeichnet ist.280 Der Rechtsvergleich macht aber auch deutlich, dass die Kapitalmärkte immer restriktiver überwacht werden. Hierbei sind die Entwicklungen in den USA für die Märkte in anderen Staaten und deren Aufsicht von entscheidender Bedeutung. Mittels der europäischen Kapitalmarktrechtsharmonisierung werden 278

Romano, Yale L. J. 107 (1998) 2359, 2362; Choi/Guzman, Southern California Law Review 71 (1998), 903; Longstreth, Columbia Journal of Transnational Law 33 (1995) 319. 279 Zur Diskussion über einen Regulierungs-/Aufsichtswettbewerb siehe unten 4. Teil, C. II. 3. e) bb) (2). 280 Hierzu unten 4. Teil, A.

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2. Teil: Börsenaufsicht: Entwicklungsgeschichtliche Grundlagen

US-amerikanische Aufsichtsstandards in erheblichem Umfang „importiert“. Ein international anerkannter Finanzplatz kann ohne eine effiziente Aufsicht im globalen Wettbewerb nicht bestehen. Hierzu benötigt die Aufsicht ein wirksames Überwachungs- und Eingriffsinstrumentarium. Neben Informations- und Veröffentlichungspflichten der Marktteilnehmer sind die Sanktionsmöglichkeiten (zivil- und strafrechtlich) von entscheidender Bedeutung. In diesem Zusammenhang sind die Befugnisse der BaFin und der SEC nicht so weitreichend wie die der FSA. Dies sollte indes auf Grund des konsensualen Regulierungsansatzes im Vereinigten Königreich in seiner praktischen Auswirkung nicht überbewertet werden. Ist der internationale Trend zu zentralen Aufsichtsinstanzen auch eindeutig, macht die Entwicklungsgeschichte der SEC indes deutlich, mit welchen Einwänden und Vorbehalten sich eine zentralisierte Aufsicht auseinandersetzen muss: Bürokratisierung und Überregulierung sind hierbei die zentralen Stichworte.

3. Teil

Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele im Börsenwesen A. Ökonomische Funktionen und Effizienzkriterien der Börse Zur Bestimmung der Anforderungen an eine effiziente Börsenaufsicht ist es erforderlich, sich Klarheit über die staatlichen Regelungsziele im Börsenwesen zu verschaffen. Ziel der Regulierung muss es sein, reale Börsen dem Idealbild vollkommener und friktionsloser Märkte anzunähern.281 Das Ausmaß, in dem dies gelingt, entscheidet darüber, inwieweit die Börse ihre Funktionen erfüllen kann. Daher soll zunächst auf die zentralen Funktionen der Börse eingegangen werden. Im Anschluss daran werden die wirtschaftswissenschaftlichen Ansätze zur Bestimmung der Kapitalmarkteffizienz näher beleuchtet, die Auskunft darüber geben sollen, in welchem Ausmaß die Börse ihre Funktionen erfüllt. Zwar dient die Börse als Sekundärmarkt nicht unmittelbar der Kapitalbeschaffung, sondern der Umschichtung bereits vorhandenen Kapitals, es existiert jedoch ein mittelbarer Einfluss auf die Beschaffung finanzieller Mittel am Primärmarkt.282 Sowohl Kursentwicklung als auch Transaktionskosten auf dem Sekundärmarkt stellen wichtige Bestimmungsfaktoren für die Emissionsbedingungen bzw. die Kapitalkosten am Primärmarkt dar. Hohe Transparenz, schnelle Informationsverbreitung und geringe Handelskosten in Verbindung mit hoher Marktfähigkeit der auf dem Sekundärmarkt gehandelten Titel verringern dabei die Kapitalkosten der Kapitalnachfrager. Prozesse auf dem Sekundärmarkt müssen demgemäss in die Effizienzdefinition des Kapitalmarktes einbezogen werden.283 I. Zentrale Funktionen der Börse Die Hauptaufgaben der Börse bestehen in der Marktfunktion, der Finanzierungsfunktion und der Zirkulationsfunktion. 281 282 283

Kress, S. 32. Hopt, Gutachten, G 48; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 120. Schacht, S. 39 ff.

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

1. Die Marktfunktion Damit die Börse ihrer Finanzierungs- und Zirkulationsfunktion nachkommen kann, muss sie zunächst einmal einen Markt bilden. Die Marktfunktion beschreibt die grundsätzliche Aufgabe, die in der Zusammenführung von Anbietern und Nachfragern von Kapital liegt. Ziel ist es, Angebot und Nachfrage nach längerfristigen Finanzierungsmitteln in Übereinstimmung zu bringen.284 Hierzu müssen Angebot und Nachfrage an einer Stelle konzentriert (Konzentrationsfunktion) und die Handelsobjekte fungibel ausgestaltet werden (Typisierungsfunktion).285

2. Die Finanzierungsfunktion Durch die Bereitstellung eines Marktes ist es möglich, dass Unternehmen, die Kredit suchen und Beteiligungen anbieten, Finanzmittel aufnehmen können. Hierdurch übernimmt die Börse eine Finanzierungsfunktion.286

3. Die Zirkulationsfunktion Die Finanzierung von Unternehmen über die Börse (Erstplatzierung von Wertpapieren) ist aber nur möglich, da die Börse eine Weiterveräußerung der Wertpapiere ermöglicht und damit ihre Funktion als Sekundärmarkt durch die Bereitstellung von Zirkulationsmöglichkeiten erfüllt. Die Funktion der Finanzierung steht damit in einem unmittelbaren – nicht zuletzt auch zeitlichen – Zusammenhang mit der Weiterveräußerung. Letztere beeinflusst damit die Emissionsbedingungen und somit die Kosten des Emittenten.287

II. Effizienzkriterien der Börse Durch die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage an der Börse wird die Suche nach potentiellen Vertragspartnern erheblich vereinfacht und damit den Marktteilnehmern höhere Suchkosten erspart. Gleiches gilt für die Reduktion der Verhandlungs- und Prüfungskosten, die die Marktteilnehmer aufwenden müssen, um zur Übereinstimmung hinsichtlich der jeweiligen Losgröße, 284 285 286 287

Kress, S. 36. Lüthje, S. 58. Lüthje, S. 57. Lüthje, S. 57.

A. Ökonomische Funktionen und Effizienzkriterien der Börse

93

Fristigkeit und Risikoverteilung zu gelangen.288 Damit führt die Börse zu einer Verringerung der Transaktionskosten des Wertpapierhandels.289 Die Höhe der Transaktionskosten gibt wiederum Auskunft über die Effizienz eines Marktes.290 Je effizienter ein Markt organisiert ist, desto geringer sind die expliziten und impliziten Transaktionskosten, die für seine Nutzung entstehen.291 Die Erreichung des primären Ziels niedriger Transaktionskosten hängt wiederum von anderen Effizienzkriterien ab. In dem Ausmaß, in dem diese erfüllt sind, führen sie zu einer Verringerung der Transaktionskosten.292 Von maßgeblicher Bedeutung hiefür sind vor allem die Informationseffizienz, die Transparenz, die Liquidität, die Abwicklungseffizienz sowie der Marktzutritt. Schließlich gehört auch die Marktintegrität zu den die Transaktionskosten beeinflussenden Effizienzkriterien. Zwischen den genannten Faktoren bestehen wiederum Wechselwirkungen.293 1. Transaktionskosten Zentrale Einflussfaktoren für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit einer Börse sind die Transaktionskosten. Für die Vermittlungsleistung der Börse hat derjenige, der diese in Anspruch nimmt, Transaktionskosten zu tragen. Hohe Transaktionskosten reduzieren tendenziell die Transaktionsbereitschaft der Marktteilnehmer. Zu differenzieren ist zwischen der Geld-Brief-Spanne, den Kommissionskosten sowie den Marktbeeinflussungskosten (market impact).294 a) Spanne zwischen An- und Verkaufspreis (Geld-Brief-Spanne) Die Spanne zwischen dem Ankaufs- und dem Verkaufspreis eines Finanzinstruments wird auch als Geld-Brief-Spanne bezeichnet.295 In einem Market Maker Markt wird die Geld-Brief-Spanne durch die Quotierung des Market 288

Hamann, S. 10 f.; Oehler, Sparkasse 2000, 351. Schmidt, Wertpapierbörsen, S. 5 ff. 290 Bortenlänger, S. 32. 291 Lüdecke, S. 17 ff. 292 Picot/Bortenlänger/Röhrl, S. 21. 293 Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 185 ff. 294 Picot/Bortenlänger/Röhrl, S. 20; Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 170. 295 Scheffrahn, S. 50 ff.; Davis/Steil, S. 401 f. 289

94

3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

Maker ausgedrückt.296 Der Market Maker verpflichtet sich auf der Grundlage seiner Quotierung, eine definierte Mindestordergröße zu handeln. Er bietet damit einen verbindlichen Abschlussservice an, den Liquidität suchende Marktteilnehmer nachfragen können.297 In einem Auktionssystem besteht die Spanne aus dem höchsten Kauf- und dem niedrigsten Verkaufslimit und zeigt somit die günstigsten Ausführungskonditionen in dem jeweiligen Zeitpunkt an. Bei den Einflussfaktoren der Geld-Brief-Spanne ist zwischen Inventar-, Insider- und Geschäftsabwicklungskosten zu differenzieren.

aa) Inventarkosten Die Inventarkosten des Market Makers resultieren aus der Notwendigkeit des fortwährenden Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren auf der Grundlage seiner Quotierungen. Für den Verkauf muss er eine gewisse Anzahl von Wertpapieren bereithalten, über den Ankauf muss er zusätzliche Papiere in seinen Bestand aufnehmen. Durch die simultane Stellung von verbindlichen An- und Verkaufskursen ist ein Market Maker unerwünschten Veränderungen seines Lagerbestandes ausgesetzt. Hierdurch sieht er sich mit dem Risiko eines suboptimal diversifizierten Portefeuilles konfrontiert.298

bb) Insiderkosten Infolge einer asymmetrischen Informationsverteilung der Marktteilnehmer entstehen Insiderkosten der Spanne zwischen An- und Verkaufspreis, da ein Market Maker sich dem Risiko aussetzt, einem Insider bzw. einem besser informierten Marktteilnehmer gegenüberzustehen. Letzterer geht davon aus, dass es bei Bekanntwerden seiner privaten Information zu einer Veränderung des Gleichgewichtskurs des Wertpapiers kommen wird. Er wird deshalb nur dann mit dem Market Maker handeln, wenn er der Meinung ist, dass der neue Gleichgewichtskurs außerhalb der aktuellen Spanne liegen wird. Hierdurch entsteht dem Market Maker ein Verlust, den er durch eine weitere Spannenstellung kompensieren will.299

296 297 298 299

Lüdecke, S. 19 f. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 174. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 175 f. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 176.

A. Ökonomische Funktionen und Effizienzkriterien der Börse

95

cc) Geschäftsabwicklungskosten Kosten für Miete, Personal, elektronische Datenverarbeitung etc. (Geschäftsabwicklungskosten) beeinflussen gleichfalls die Geld-Brief-Spanne. Auf Grund der zunehmenden Automatisierung des Handels und der damit einhergehenden aufwendigen Rationalisierungsinvestitionen nehmen die festen Kostenbestandteile zu und die variablen ab. Je höher die Geschäftsabwicklungskosten, desto weiter erfolgt die Quotierung.300

b) Kommissionskosten Die Kommissionskosten stellen ein Entgelt für die Auftragsausführung dar, das an den Zugangsintermediär zu entrichten ist. Ihre Höhe ist eine Funktion der Ordergröße. Dabei ist festzustellen, dass private Anleger mit zunehmender Ordergröße sinkende Kommissionskosten pro Wertpapier zu bezahlen haben. Dieser Zusammenhang ist in der wachsenden Verhandlungsmacht der Investoren bei wachsenden Ordergrößen und der weitgehend fixen Kostenstruktur im Handel kleiner Orders begründet, wenn der Handel vollständig automatisiert ist. Institutionelle Investoren hingegen erfahren eine Umkehrung der Kostenfunktion. Die Kommissionskosten betragen zwar im Durchschnitt nur einen Bruchteil der Kosten des Handels der privaten Investoren, steigen aber mit wachsendem Volumen einer Order bis zur Blockorder wieder relativ an. Die steigenden Kommissionskosten entschädigen den Zugangsintermediär für den wachsenden Suchaufwand aus der umsichtigen Anbahnung der Transaktion zur Minimierung des market impact.301

c) Marktbeeinflussungskosten Marktbeeinflussungskosten (market impact) entstehen dann, wenn die Platzierung einer Order auf Grund ihrer Größe (Blockorder) den Preis ändert. Der market impact ist die Differenz zwischen dem Kurs, den eine Blockorder erzielt und dem Kurs, der im Markt fortbestehen würde, wenn kein Mengen-PreisEffekt eingetreten wäre.302 Die Ermittlung des market impacts stellt ein empirisches Problem dar, weil diese Transaktionskostenkomponente nicht unmittelbar festgestellt werden kann. Da der ungestörte Kurs nicht abgelesen werden kann, zieht man zu dessen Schätzung Vergleichswerte heran. Hierzu gehören pre300 301 302

Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 176 f. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 174. Davis/Steil, S. 403.

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

trade Kurse (Kurse vor Platzierung der Blockorder), post-trade Kurse (Kurse nach Platzierung der Blockorder) sowie intraday Kurse (Durchschnittskurse des Tages).303

2. Informationseffizienz Ein Markt ist dann als informationseffizient zu bezeichnen, wenn sich Informationen, die den Wert des gehandelten Produktes beeinflussen, unverzüglich in den Preisen niederschlagen. Unterschieden wird üblicherweise zwischen schwacher („weak“), mittlerer („semi-strong“) und starker („strong“) Informationseffizienz in Abhängigkeit davon, ob sich nur historische Kursinformationen, alle öffentlich verfügbaren Informationen oder sämtliche Informationen (einschließlich Insiderwissen) im Kurs niederschlagen.304 Das ideale Modell eines Marktes, in dem sich alle Informationen widerspiegeln, ist der friktionslose Markt. Allen Beteiligten stehen die gleichen Informationen kostenlos zur Verfügung, und alle ziehen die gleichen, richtigen Schlüsse (homogenes und rationales Verhalten) bezüglich der Auswirkungen dieser Informationen auf die Preise. Diese Annahmen stellen zwar eine hinreichende, keineswegs jedoch eine notwendige Bedingung für Informationseffizienz im Börsengeschäft dar, zumal die Annahmen in Bezug auf die Praxis unrealistisch sind. Danach besteht in der Praxis in der Regel höchstens eine schwache Form der Informationseffizienz.305 Bestehen aber einseitige Monopolinformationen zu Lasten der Gegenseite, hat dies die Abnahme der Bereitschaft zum Handel seitens der anderen Marktteilnehmer zur Folge. Im Interesse einer verbesserten Informationseffizienz muss sich die Marktaufsicht also mit unnötigen Transaktionshemmnissen beschäftigen, die die Marktteilnehmer daran hindern, neue Informationen in den Handel einzubringen. Eine einheitliche Informationsbasis erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit aller Marktteilnehmer. Der freie, gegenseitige Wettbewerb verstärkt die Informationseffizienz, da er die Weitergabe von Informationen fördert und damit auch die Anpassungsgeschwindigkeit der Börsenkurse.306

303

Davis/Steil, S. 404. Fama, The Journal of Finance, 25 (1970) 383; ders.; The Journal of Finance 46 (1991) 1575. 305 Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 182; Bortenlänger, S. 45; Scheffrahn, S. 33. 306 Scheffrahn, S. 34 f. 304

A. Ökonomische Funktionen und Effizienzkriterien der Börse

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3. Transparenz In einem engen Zusammenhang mit der Informationseffizienz steht die Markttransparenz eines Wertpapiermarktes. Gibt die Informationseffizienz über den Preis für ein Finanzinstrument Auskunft über den Verbreitungsgrad der relevanten Informationen, so bestimmt die (Markt-)Transparenz, in welchem Umfang Informationen über das Marktgeschehen für einen Anleger sichtbar wird.307 Die Transparenz eines Marktes wird somit durch Art und Ausmaß der veröffentlichten Informationen über das Handelsgeschehen, den Zeitpunkt der Bekanntmachung sowie den jeweiligen Adressatenkreis der Informationen bestimmt.308 Der höchste Grad an Transparenz ist gegeben, wenn alle Informationen, die für den Handel am Markt relevant sind, allen Marktteilnehmern jederzeit unverzüglich zugänglich sind.309 Zwar senkt eine hohe Transparenz die Anbahnungskosten für die Marktteilnehmer, jedoch bewerten nicht alle am Markt Tätigen eine vollkommene Transparenz als ökonomisch sinnvoll und erstrebenswert.310 So möchten Marktteilnehmer mit einem hohen Informationsgrad nicht andere Investoren an ihrem Wissen partizipieren lassen aus der Befürchtung, den aus diesem Wissensvorsprung resultierenden wirtschaftlichen Vorteil einzubüßen. Ebenso besteht bei der Platzierung von Blockorders wegen eines möglichen market impact beim Auftraggeber kein Interesse an einer vollkommenen Transparenz.311 Aus diesem Grund sieht sowohl das nationale Börsenrecht als auch die MiFID Ausnahmeregelungen von dem Erfordernis einer sofortigen Herstellung der Nachhandelstransparenz vor.312 4. Liquidität Die Liquidität ist für einen Handelsplatz von zentraler Bedeutung im nationalen und internationalen Wettbewerb. Insbesondere institutionelle Anleger messen diesem Merkmal eine herausragende Bedeutung bei der Bewertung sowie der Auswahl eines Handelsplatzes bei.313 Man spricht von einem liquiden Markt, wenn die Marktteilnehmer schnell und zu niedrigen Transaktionskosten die von ihnen gewünschte Anzahl von Wertpapieren kaufen oder verkaufen 307 308 309 310 311 312 313

Picot/Bortenlänger/Röhrl, S. 23; Bortenlänger, S. 46. Siehe hierzu Schmidt, Wertpapierbörsen, S. 13 ff. Rudolph, Die Betriebswirtschaft 54 (1994) 426. Scheffrahn, S. 138. Bortenlänger, S. 47. § 13 Abs. 2 Satz 3 BörsG; Art. 45 Abs. 2 MiFID. Schiereck, Zeitschrift für Betriebswirtschaft 66 (1996) 1057, 1065.

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

können, ohne dass ihre Aufträge den Kurs nennenswert beeinflussen.314 Eine niedrige Liquidität beeinträchtigt demgegenüber die Orderausführung. Sie erhöht die impliziten Transaktionskosten, da auf wenig liquiden Märkten, besonders in Situationen ungleichgewichtiger Auftragslage, die Ausführung größerer Orders entweder gar nicht möglich ist oder eine unerwünschte, die Vereinbarungskosten erhöhende Preisänderungen nach sich zieht. Folge ist ein Attraktivitätsverlust des Handelsplatzes.315 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass Marktteilnehmer unterschiedliche Prioritäten im Hinblick auf die Schnelligkeit der Orderausführung, den Orderumfang oder die mit der Orderausführung verbundenen Transaktionskosten besitzen. Folge ist eine unterschiedliche Beurteilung der Liquidität eines Marktes durch unterschiedliche Marktteilnehmer. Liquidität wird an vier Eigenschaften gemessen: Marktbreite („breadth“) bedeutet, dass nahe am Gleichgewichtspreis (bzw. dem bestehenden Marktpreis) eine relevante Anzahl von Orders vorliegt. Die Marktiefe („depth“) ist das Kriterium dafür, dass es eine große Anzahl von Orders im Markt gibt, so dass auch eine große Order zum Gleichgewichtspreis (bzw. dem bestehenden Marktpreis) ausgeführt werden kann. Erneuerungskraft („resiliency“) bezeichnet die Eigenschaft eines Marktes, dass die Preise auf kurzfristige Orderungleichgewichte elastisch reagieren, so dass nach technisch bedingten Kursänderungen genügend neue ausgleichende Aufträge in den Markt fließen, so dass sich der alte Gleichgewichtspreis nach kurzer Zeit wieder einpendelt. Schließlich ist das Kriterium der Sofortigkeit („immediacy“), d.h. die schnelle Ausführung auch von größeren Orders ohne signifikante Preisschwankungen, zu nennen, die zusammen mit den zuvor genannten Eigenschaften eine Aussage über die Liquidität ermöglicht.316 Die einzelnen Eigenschaften zur Messung der Liquidität werden unterschiedlich bewertet. Das Kriterium „Sofortigkeit“ wird im Hinblick auf die fortschreitende Computerisierung des Handels einerseits positiv beurteilt, da die Informations- und Kommunikationstechnologie hervorragende Möglichkeiten biete, um die „Sofortigkeit“ der Märkte mit fortlaufender Notierung317 zu verbessern. Die „Sofortigkeit“ stellt danach einen entscheidenden Faktor für die Leistungsfähigkeit eines Handelsplatzes dar318. Die Gegenmeinung erachtet gerade für den elektronischen Handel das System des Einheitskursverfahrens 314

Lüdecke, S. 21. Bortenlänger, S. 49. 316 Bortenlänger, S. 50. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 177 f. 317 Zu den unterschiedlichen Preisfeststellungsverfahren siehe Bortenlänger, S. 82 ff. 318 Gerke, Die Betriebswirtschaft 53 (1993) 725, 733 f. 315

A. Ökonomische Funktionen und Effizienzkriterien der Börse

99

als geeigneter. Danach sei ein konsolidierter Orderstrom der „Sofortigkeit“ vorzuziehen. Die „Sofortigkeit“ erhöhe lediglich die Transaktionskosten, ohne entsprechende Vorteile zu bieten. Die Nachfrage nach „Sofortigkeit“ wird von den Befürwortern des (elektronischen) Einheitskursverfahrens als ein Bedürfnis betrachtet, das erst im Zusammenhang mit fortlaufender Notierung entsteht, hingegen nicht als ein Grundbedürfnis der Mehrheit der Marktteilnehmer existiere.319 Demgegenüber werden die Kriterien „Marktbreite“, „Markttiefe“ und „Erneuerungskraft“ einheitlich positiv bewertet und sind somit bei der Organisation des Wertpapierhandels zu berücksichtigen.320

5. Abwicklungseffizienz Kosten verursachen zudem die Erfüllungsfristen eines Handelsplatzes; diese sollen mit dem Kriterium der Abwicklungseffizienz erfasst werden. Damit wird dem Umstand Rechung getragen, dass zwischen dem Handels- und Abwicklungstag ein bestimmter Zeitraum liegt und sich innerhalb dieser Zeit Risiken in Form von Fehler-, Markt- und Kontrahentenrisiken ergeben können. Bei Risikoverwirklichung ist die Höhe des Schadens von den zwischenzeitlich eingetretenen Kursänderungen am Markt abhängig. Die Börse muss daher ein Interesse haben, den Erfüllungszeitraum zwischen dem Verpflichtungs- und dem Verfügungsgeschäft zu verkürzen, um diese Risiken einzugrenzen. Der Idealzustand für die Abwicklungseffizienz einer Handelsplattform ist somit eine Abwicklung in Echtzeit.321

6. Marktzutritt Weitere Voraussetzung für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Börse ist die Ausgestaltung des Marktzutritts. Marktteilnehmer müssen sich in einem möglichst geringen Umfang technischen und organisatorischen Hemmnissen gegenübersehen. Entscheidend ist ein möglichst freier Zugang zum Handel, um die eigenen Transaktionswünsche zu befriedigen. Maßgeblich für die Bereitschaft zum Handel ist, in welchem Maße die Börse die Qualitätsansprüche der Marktteilnehmer erfüllen kann. Entscheidend für eine dauerhafte Transaktionsbereitschaft ist, inwieweit sichergestellt ist, dass die am Handel unmittelbar 319 320 321

Cohen/Schwartz, S. 15, 21. Picot/Bortenlänger/Röhrl, S. 27 f. Lüdecke, S. 43 f.

100

3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

Beteiligten gewisse Mindestanforderungen erfüllen. Dies betrifft insbesondere die jederzeitige Erfüllbarkeit der aus den Geschäften resultierenden Verpflichtungen.322

7. Marktintegrität Für die Wettbewerbsstellung eines Handelsplatzes ist seine Integrität von zentraler Bedeutung. Anleger sind regelmäßig nur dann zur Erteilung von Aufträgen bereit, wenn sie davon ausgehen können, dass ihre Orders ordnungsgemäß durchgeführt und abgewickelt werden. Im Fall von unfairen Handelspraktiken und Missbräuchen, die zu Vermögensnachteilen einer Marktseite führen, werden die Investoren das Vertrauen in die Chancengleichheit verlieren und sich vom Handelsplatz abwenden.323 Durch den Erlass von Anlegerschutzbestimmungen und die Wahrnehmung von Aufsichtsfunktionen hat der Staat einen unmittelbaren Einfluss auf die Ausgestaltung eines fairen Handels, der Voraussetzung für den Schutz von Vermögensinteressen der Anleger und damit für deren Vertrauen in die Chancengleichheit ist.

8. Wechselwirkungen zwischen den Effizienzkriterien Die die Effizienz eines Kapitalmarktes beeinflussenden Faktoren sind nicht isoliert zu betrachten, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Dies kann auch dazu führen, dass die Steigerung des einen Kriteriums nur zu Lasten eines anderen Faktors möglich ist.324 In einem solchen Spannungsverhältnis stehen beispielsweise die Forderung nach umfassender Transparenz und das Ziel größtmöglicher Liquidität im Fall des Handels von Blocktransaktionen durch den professionellen Handel. Diese Geschäfte werden nur dann über die Börse abgewickelt, wenn es zu einer Einschränkung – im Sinne einer zeitlichen Verzögerung – der Transparenz kommt. Derartige Wechselwirkungen erschweren die Ausgestaltung eines Handels in seiner idealtypischen Form. Insofern ist nur ein ständiger Annäherungsprozess möglich, der der Börse genügend Spielraum für die Berücksichtigung der Markterfordernisse belässt. 322

Gerke, S. 5. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 185 f.; Prechtel, S. 110 ff. 324 Bortenlänger/Röhrl, S. 31 f.; Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 189 f. 323

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen

101

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen Aus den vorgenannten wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen zur Bestimmung der Effizienz von Kapitalmärkten hat die Rechtswissenschaft unter dem Merkmal des Funktionenschutzes mehrere Regelungszwecke abgeleitet. Ziel ist die Schaffung eines funktionsfähigen und effizienten Kapitalmarktes.325 Für die vorliegend im Mittepunkt der Betrachtungen stehende Regulierung des Börsenwesens gilt es daher einen Rechtsrahmen zu schaffen, der die Börsenaufsicht in die Lage versetzt, auf der Grundlage von anerkannten Regeln schädliche Funktionsbeeinträchtigungen zu verhindern bzw. diesen entgegenzuwirken. Neben der Funktionsfähigkeit eines Marktes hat sich die Aufsicht darüber hinaus auch mit dem Umstand auseinander zu setzen, dass einzelne Marktteilnehmer stets versuchen werden, den Börsenhandel zum eignen Vorteil und unter bewusster Inkaufnahme der unrechtmäßigen Schädigung Dritter zu missbrauchen. Zur Vermeidung dieser unerwünschten Erscheinungen sind für die Ausgestaltung der notwendigen Aufsichts- bzw. Überwachungsinstanzen, dies gilt für die Finanzmarktaufsicht insgesamt, nach zutreffender Auffassung der OECD326 inhaltliche und organisatorische Anforderungen mit dem Ziel zu definieren, „to protect investors, borrowers and other users of the financial system against undue risks of losses and other damage that may arise from failures, fraud, malpractices, manipulation and other bad conduct on the part of providers of financial services“. Hieraus folgt neben dem Funktionenschutz als weiteres Regelungsziel der Kapitalmarktregulierung der Anlegerschutz im Interesse der Integrität eines Handelsplatzes.327 Der Rechtsordnung stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, mit denen die Regelungsziele eines wirksamen Funktionen- und Anlegerschutzes verfolgt werden können.

I. Funktionenschutz Unter dem Begriff des Funktionenschutzes wird üblicherweise zwischen drei eng miteinander verbundenen Regelungszwecken kapitalmarktrechtlicher Nor325

Assmann, Prospekthaftung, S. 24 ff.; ders., in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Kapitalanlagerecht, § 1 Rz 23; Hopt, Gutachten, G 47 f.; Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich ZHR 138 (1974) 1, 16 ff.; Kübler, AG 1977, 85, 88 ff.; ders., ZHR 145 (1981) 205 f.; Horst, S. 216 ff.; Schacht, S. 37 ff.; Deckert/von Rüden, EWS 1998, 46, 48. 326 Vgl. OECD, Recent Trends in Financial Regulation, S. 10, 11. 327 Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 431; Elster, S. 2; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 8.388.

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

men unterschieden: die (1) institutionelle Funktionsfähigkeit, (2) operationale Funktionsfähigkeit sowie (3) allokative Funktionsfähigkeit.328

1. Institutionelle Funktionsfähigkeit Die institutionelle Funktionsfähigkeit beschreibt die Grundvoraussetzungen eines wirksamen Marktmechanismus. Hierzu sind vor allem ein ungehinderter Zugang der Emittenten und der Investoren sowie die Möglichkeit erforderlich, den Markt wieder zu verlassen. Von den Markteintritts- und –austrittsmöglichkeiten hängt wiederum die Vielfalt des Marktangebots und das Marktvolumen ab. Als Beurteilungsmaßstab für die Erfüllung der institutionellen Funktionsfähigkeit werden die Breite des Marktes, seine Tiefe (Marktvolumen) und seine Stabilität herangezogen.329 Gesetzgeberische Maßnahmen, die die Institution des Wertpapierhandels fördern wollen, sind u.a. die Schaffung des geregelten Marktes durch die Gesetzesnovelle von 1986330, die „Delisting“-Regelung im Rahmen des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes von 1998331 sowie die größere Flexibilität im Rahmen der Marktsegmentierung und der Einbeziehung von Wertpapieren in den geregelten Markt durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz von 2002332. Zur institutionellen Funktionsfähigkeit zählen aber auch gesetzliche Regelungen, die das Vertrauen der Anleger in die Integrität des Marktes stärken. Hierunter fallen insbesondere das Insiderhandelsverbot333 sowie die Bestimmungen zum Kurs- und Marktpreismanipulationsverbot334, die mit dem Zweiten und Vierten Finanzmarktförderungsgesetz eingeführt wurden, sowie die so genannten Wohlverhaltensregeln und die Vorschriften zur Verbesserung der Transparenz bei wesentlichen Beteiligungen an börsennotierten Unterneh-

328

Hopt, Gutachten, G 47 ff.; Kübler, AG 1977, 85, 89 f.; ders., Gesellschaftsrecht, S. 390 f.; Schwark, in: Festschrift Stimpel, S. 1091; Assmann, Prospekthaftung, S. 24 ff.; ders., in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 1 Rz. 24 ff.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 42 f.; ders., in: Schwintowski (Hrsg.), S. 51 f.; Kümpel, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hrsg.), S. 7 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 300 f. 329 Hopt, Gutachten, G 49; Kübler, AG 1977, 85, 89; Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Kapitalanlagerecht, § 1 Rz. 26; Kümpel, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, S. 8; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 300. 330 Dazu oben 2. Teil, A. II. 1. 331 Dazu oben 2. Teil, A. II. 5. b). 332 Dazu oben 2. Teil, A. II. 6. b) aa) (4). 333 Dazu oben 2. Teil, A. II. 3. a) aa). 334 Dazu oben 2. Teil, A. II. 6. b) bb) (1).

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen

103

men335, die ebenfalls mit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz in Kraft getreten sind.

2. Operationale Funktionsfähigkeit Die operationale Effizienz gibt Auskunft über den Grad des Bestehens – oder Fehlens – von Transaktionshindernissen. Damit sind vor allem die Kosten der Bereitstellung und des Vertriebs von Kapitalanlagen gemeint. Abnehmende Kosten steigern die Effizienz des Marktes.336 In regulatorischer Hinsicht stellt sich damit die Anforderung, durch rechtliche Vorgaben die Transaktionskosten zu verringern.337 So kann durch eine Verpflichtung des Emittenten zur Publizität für den Anleger die Auswahl des kostengünstigsten Angebots erleichtert und der (vielfach höhere) private Aufwand zur Erlangung der als erforderlich erachteten Informationen eingespart werden.338 Neben der Pflicht zur Veröffentlichung eines Börsenzulassungsprospekts (§ 30 BörsG) und den Jahres- und Halbjahresveröffentlichungen (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 BörsG i.V.m. § 65 BörsZulV; § 40 BörsG) ist hier insbesondere die Pflicht zur Ad hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG zu nennen. Verringern die kapitalmarktrechtlichen Publizitätsvorschriften auf Investorenseite die Kosten, stellen diese auf Emittentenseite einen Aufwand dar. Hinzu treten beim emittierenden Unternehmen die sonstigen mit einem Börsengang verbundenen Kosten wie Entgelte für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das die Börseneinführung begleitet, für die Mitwirkung von Wirtschaftsprüfern sowie die Präsentation des Unternehmens im Vorfeld der Aktienplatzierung zum Zwecke der Absatzförderung der Wertpapiere (road-shows). Aus Sicht des Anlegers sind wiederum vor allem die mit dem Kauf bzw. Verkauf der Finanzinstrumente verbundenen Kosten wie die Spesen der Bank und die Vermittlungsentgelte der Börsenmakler von Bedeutung.

3. Allokative Funktionsfähigkeit Im Mittepunkt auch des rechtspolitischen Interesses steht die allokative Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Das rechtliche Umfeld des Handels mit 335

Dazu oben 2. Teil, A. II. 3. a) aa). Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 42; ders., in: Schwintowski (Hrsg.), S. 51 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 300. 337 Ekkenga, S. 31 f., 34. 338 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 390 f. 336

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

Finanzinstrumenten muss so ausgestaltet sein, dass die Investitionsmittel ungehindert dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt werden und wo die höchste Rendite erzielt wird.339 Zentrale Bedeutung für das Kapitalmarktrecht zur Förderung der Allokationseffizienz erlangt hierbei die Transparenz des Marktes. Regulatorisches Ziel muss die Information der Anleger über die zur Verfügung stehenden Investitionsmöglichkeiten sowie die damit verbundenen Risiken sein. Als rechtliches Mittel zur Erhöhung von Transparenz dient die Verpflichtung zur Publizität.340 Infolge der Wechselwirkungen zwischen Primär- und Sekundärmarkt, auf Grund derer der Börsenpreis darüber bestimmt, zu welchen Bedingungen ein Emittent neues Eigenkapital aufnehmen kann, hängt die Qualität der Kapitalvermittlung zugleich vom Informationsgrad der am Sekundärmarkt getroffenen Entscheidungen ab. Damit erweist sich rechtlich angeordnete Publizität als ein politisches Ordnungsprinzip, das nicht nur auf den Schutz aktueller oder potentieller Gesellschafter zielt, sondern vor allem die Leistungsfähigkeit der zentralen Kapitalmarktfunktion erhalten und verbessern soll.341 Das deutsche und europäische Kapitalmarktrecht statuieren weitreichende Publizitätsverpflichtungen, die zum einen auf den Zeitpunkt der Emission von Wertpapieren abstellen342 und laufende Offenlegungs- und Berichtspflichten des Unternehmens vorsehen343 sowie zur Information über den Handel in Finanzinstrumenten (post- und pre-trade-Transparenz)344 verpflichten.

339

Hopt, Gutachten, G 48; Kübler, AG 1977, 85, 89; ders., Gesellschaftsrecht, S. 391; Schwark, in: Festschrift Stimpel, S. 1091; Assmann, Prospekthaftung, S. 24 ff.; ders., in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 1 Rz. 24; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 42 f.; ders., in: Schwintowski (Hrsg.), S. 52; Kümpel, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hrsg.), S. 13 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 301. 340 Kohl/Kübler/Walz/Wüstrich, ZHR 138 (1974) 1, 17. 341 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 391. 342 Vgl. § 30 BörsG; Art. 3 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64. 343 Vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 3 BörsG; §§ 15, 15a Abs. 3 WpHG; Art. 10 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64; Art. 6 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16. 344 Vgl. § 24 Abs. 2, § 13 Abs. 2 Nr. 4 BörsG; Artt. 27 bis 30, 44 und 45 MiFID.

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen

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II. Anlegerschutz Neben dem Funktionenschutz gehört der Anlegerschutz zu den Regelungszielen des Kapitalmarktrechts.345 Anlegerschützende Vorschriften und ihre wirksame Durchsetzung sind eine wesentliche Voraussetzung für entwickelte und liquide Kapitalmärkte.346

1. Begriff des Anlegerschutzes Nach herrschender Literaturmeinung347 wird unter dem Regelungsziel des Anlegerschutzes der Schutz von Individualinteressen verstanden. Hiervon abzugrenzen ist der Schutz der Anlegerschaft im Sinne des Anlegerpublikums als Träger des gesamten Angebots- und Nachfragepotentials.348 Dieser Schutz des Anlegerpublikums in seiner Gesamtheit ist richtigerweise als wesentlicher (Teil-)Aspekt des Funktionenschutzes der Kapitalmärkte einzuordnen.349 Betrachtet man die nationale und europäische Kapitalmarktregulierung der vergangenen Jahre, ist festzustellen, dass die Gesetzesbegründungen neben dem Funktionenschutz auch immer den Anlegerschutz als Regelungsziel nennen.350 Gleichwohl dient nur ein vergleichsweise geringer Teil der kapitalmarkrechtlichen Normen dem Individualschutz. Im Vordergrund steht der Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, der den Schutz des Anlegerpublikums mit

345

Insbesondere Hopt, Kapitalanlegerschutz, 334 ff; ders., Gutachten, G 47 ff.; Fleischer, Gutachten, F 24 m.w.N. 347 Hommelhoff, S. 137; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 51 f.; ders., Gutachten G 47, 54 f.; Kübler, AG 1977, 85, 87 f.; Schwark, in: Festschrift Stimpel, S. 1091 f.; Kiel, S. 7 f.; Möllers, ZGR 1997, 334, 337; Schröder, S. 39; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 298. 348 Zur Abgrenzung unten 3. 349 Schröder, S. 38 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 8.388. 350 Auf nationaler Ebene: RegE. eines Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes, BTDrs. 12/6679, 33; RegE. eines Gesetzes zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 13/7142, 57; RegE. eines Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, BT-Drs. 14/8017, 62; auf europäischer Ebene: Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei der deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64, Erwägungsgrund Nr. 10; Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16, Erwägungsgrund Nr. 12; MiFID, Erwägungsgrund Nr. 1. 346

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

umfasst und auf den Schutz der Leistungsfähigkeit von Einrichtungen und Ablaufmechanismen zielt.351 Der Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte einschließlich des Schutzes des Publikums in seiner Gesamtheit wird üblicherweise als wirtschaftspolitisches Regelungsziel eingeordnet, der Schutz der Anleger im Sinne eines Individualschutzes hingegen als sozialpolitisches Regelungsziel.352 Im Hinblick auf letzteres Ziel soll die Rechtsordnung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Privatanleger durch die Investition von Spargeldern Vorsorge für künftige Bedürfnisse (wie etwa Krankheit, Alter) treffen können.353

2. Risiken des Anlegers Der Anleger unterliegt bei Investitionen am Kapitalmarkt unterschiedlichen Risiken. Dies sind in erster Linie neben dem Risiko der Substanzerhaltung, das Informationsrisiko, das Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko, das Risiko der Interessenvertretung sowie das Konditionenrisiko.354

a) Substanzerhaltungsrisiko Von zentraler Bedeutung für den Anleger ist das Substanzerhaltungsrisiko, das ihm auf Grund der Insolvenz des Emittenten droht. Gleiches gilt bei vorübergehenden starken Kursverlusten, sofern der Investor die Wertpapiere in dieser Phase veräußert.355 Zentrales rechtliches Mittel mit dem Ziel der Risikovermeidung bzw. -verringerung ist die Einführung eines Konzessionssystems und damit die Unteraufsichtnahme der Tätigkeit.356 Hinzu treten Zulassungsbestimmungen für den Vertrieb und den Handel von Finanzinstrumenten sowie Haftungsnormen.

351 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 300; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 8.389. 352 Hopt, Gutachten, G 45 ff., Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 390; ders. AG 1977, 85, 87; ders. NJW 1984, 1857, 1861; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 40. 353 Kübler, Gesellschaftsrecht, S. 390. 354 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 53 ff., 83 ff., 289 ff.; Schwark, Anlegerschutz, S. 10 f.; Kiel, 10 ff.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 40 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 298 f. 355 Kiel, S. 12; Horst, S. 209 ff.; Schröder, S. 37. 356 Zimmer, in: Schwintowski (Hrsg.), S. 39, 50.

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen

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Schließlich sollen auch Mitwirkungs- und Kontrollrechte auf gesellschaftsrechtlicher Ebene dem Substanzerhaltungsrisiko Rechnung tragen.357

b) Informationsrisiko Ebenfalls sehr bedeutsam für den Anleger ist das Informationsrisiko.358 Hierbei ist das wesentliche Problem, ob der Anleger darauf angewiesen bleibt, sich die notwendigen Informationen selbst zu verschaffen oder ob das Unternehmen und/oder das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihm gegenüber eine Rechtspflicht zur Information haben.359 Durch Informationsasymmetrien besteht die Gefahr, dass der Anleger infolge von unzureichenden oder gar falschen Informationen seine Transaktionen zu nicht marktgerechten Kursen vornimmt. Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit, vor allem aber Umfang und Qualität der Informationen über die Anlage kommen daher eine entscheidende Bedeutung zu.360 Das Kapitalmarktrecht will die Information der Anleger in erster Linie durch Publizitätsverpflichtungen der Kapitalnachfrager und -vermittler sicher stellen. Der Anleger soll in die Lage versetzt werden, auf einer möglichst umfassenden Informationsbasis selbst eine auf seine Bedürfnisse und Mittel zugeschnittene Entscheidung zu treffen und sich damit selbst zu schützen.361 Neben Verpflichtungen zur Prospektveröffentlichung, Ad hoc-Publizität und gesellschaftsrechtlichen Publizität dienen vor allem die Aufklärungs- und Beratungspflichten der Information der Anleger.

c) Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko Das Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko beschreibt die Gefahrenlage, die dem Anleger durch eine ungetreue Verwaltung der der Gesellschaft oder der Bank anvertrauten Gelder erwächst.362 Beispiele für eine solche untreue Verwaltung des Anlegerkapitals im Zusammenhang mit Effektengeschäften sind missbräuchliche Praktiken im Rahmen der Geschäftsanbahnung sowie der Ausführung von Kundenorders (z.B. scalping, frontrunning) als auch im Rahmen der späteren Verwahrung der Wertpapiere (z.B. Depotunterschlagung). 357 358 359 360 361 362

Kiel, S. 13 f. Horst, S. 214; Kiel, S. 10 ff. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 89. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 53. Zimmer, in: Schwintowski (Hrsg.), S. 39, 50 f. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 132 ff.

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

Rechtlichen Schutz sollen in diesen Fällen u.a. die Regelungen zum Insiderhandelsverbot (§ 14 WpHG), zur getrennten Vermögensverwahrung (§ 34a WpHG) und des Depotgesetzes vermitteln. d) Interessenvertretungsrisiko Ein Interessenvertretungsrisiko kann für den Anleger entstehen, wenn er andere Wirtschaftssubjekte mit der Wahrnehmung der aus der Anlage resultierenden gesellschaftsrechtlichen Informations-, Kontroll- und Mitwirkungsrechte beauftragt, die Beauftragten jedoch in erster Linie ihr Eigeninteresse verfolgen.363 Diesem Risiko trägt das Gesellschaftsrecht durch Verpflichtungen des Beauftragten Rechnung (§ 135 AktG). e) Konditionenrisiko Das Konditionenrisiko erfasst die Gefahren, die dadurch entstehen können, dass der Anleger bei der Wertpapieranlage durch den Emittenten oder die Bank ungünstige Konditionen erhält und der Anleger einen überhöhten Preis bezahlt.364 Regulatorisches Instrument, um diesem Risiko zu begegnen, ist ebenfalls die Verpflichtung zur Herstellung von Transparenz durch Publizität. Kapitalnachfragende Unternehmen haben durch Veröffentlichung von Jahres- und Zwischenberichten sowie Ad hoc-Publizität Auskunft über die wirtschaftliche Situation zu geben und damit dem Anleger eine Bewertung seiner Investition zu ermöglichen. Daneben treten Verpflichtungen der kapitalvermittelnden Stellen zur kundengünstigsten Ausführung von Aufträgen verbunden mit Nachweispflichten gegenüber dem Anleger (Art. 21 MiFID). Zudem ist der Privatanleger über die mit der Auftragsausführung verbundenen Kosten zu informieren (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 WpHG). 3. Schutzcharakter anlegerschützender Normen Diskussionsstoff bietet immer wieder die Frage nach dem Schutzcharakter kapitalmarktrechtlicher Normen. Dabei kann das Kapitalmarktrecht den Anle363 364

Schacht, S. 28; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 299. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 144 ff.; Kiel, S. 17.

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen

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gerschutz einerseits nur gegenüber dem Anlegerpublikum in seiner Gesamtheit oder andererseits auch durch den Schutz der individuellen Interessen gegenüber dem einzelnen Anleger vermitteln. a) Schutz des Publikums Mit dem Schutz des Publikums ist der Schutz einer zahlenmäßig unbestimmten Personengesamtheit gemeint, die auf einem Kapitalmarkt als Anbieter und Nachfrager auftritt. Das Kapitalmarktrecht schützt regelmäßig ausschließlich das Anlegerpublikum in seiner Gesamtheit und dient damit dem Schutz des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Hingegen sind die Vorschriften in ihrer Mehrzahl nicht auf den Schutz von Individualinteressen der Anleger gerichtet. Dies hat der Gesetzgeber durch verschiedene Regelungen zum Ausdruck gebracht. So nimmt nach § 4 Abs. 4 FinDAG, § 81 Abs. 1 S. 3 VAG und § 4 Abs. 2 WpÜG die BaFin ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr. Eine vergleichbare Regelung enthält § 1 Abs. 6 BörsG für die Börsenaufsichtsbehörden der Länder. Konsequenz dieser gesetzlichen Vorgaben für die Frage eines möglichen Individualschutzes ist, dass sich der Gesetzgeber durch die Zuweisung der Aufgaben und Befugnisse lediglich im öffentlichen Interesse für einen Ausschluss drittgerichteter Amtspflichten entschieden hat. Damit bestehen nach den kapitalmarktrechtlichen Gesetzen auch keine subjektiv öffentliche Rechte Dritter. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, der Gesetzgeber habe durch die genannten Vorschriften lediglich den Zweck der behördlichen Aufsichtstätigkeit bestimmen und damit Amtshaftungsansprüche ausschließen wollen.365 Für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 839 BGB, Art. 34 GG ist gleichfalls Voraussetzung, dass die verletzte Pflicht auch gerade den Geschädigten schützen soll.366 Somit haben die Vorschriften in den nationalen Kapitalmarktgesetzen in der Regel keinen Schutzgesetzcharakter. Entsprechende Ansprüche unter Berufung auf eine kapitalmarktrechtliche Norm in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB können damit regelmäßig nicht geltend gemacht werden. b) Schutz von Individualinteressen Kapitalmarktrechtliche Vorschriften haben jedoch nicht in allen Fällen allein den Schutz des Anlegerpublikums zum Ziel. Die kapitalmarktrechtlichen Ge365 Zu § 4 Abs. 2 WpÜG Cahn, ZHR 167 (2003) 262, 288 ff.; Nietsch, BB 2003, 2581, 2584. 366 Giesberts, in: Kölner Kommentar, § 4 WpÜG Rz. 31.

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

setze kennen eine Reihe von Vorschriften, die einzelnen Anlegern einen einklagbaren Anspruch gewähren (z.B. §§ 37b, 37c WpHG, §§ 12, 13 WpÜG). Strittig ist hingegen, ob auch diese Vorschriften ihre eigentliche Rechtfertigung nicht in ihrer individualschützenden Funktion für den geschädigten Anleger finden, sondern einen Anreiz für den durch die Norm Verpflichteten schaffen sollen, seinen die Effizienz des Kapitalmarktes dienenden Pflichten zu genügen.367 Festzuhalten bleibt indes, dass die Regelungen zumindest auch individualschützenden Charakter haben und geschädigten Anlegern einen einklagbaren Anspruch vermitteln.

III. Gesamtmarktstabilität Ein effizienter Sekundärmarkt sowie ein angemessener Anlegerschutz haben aber nicht nur Bedeutung für die Leistungsfähigkeit eines Handelsplatzes, sondern sind darüber hinaus auch zentrale Faktoren zur Sicherstellung der Stabilität des gesamten Finanzsystems. Hierbei geht es vor allem um die Bewältigung und weitgehende Ausschaltung systemischer Risiken.368 Damit sind Risiken angesprochen, die auf einer Teilebene des Gesamtsystems entstehen, aber eine potentielle Bedrohung für Funktion und Existenz des Systems in seiner Gesamtheit darstellen.369 Die Kursstürze an den internationalen Finanzplätzen in den Jahren 1989, 1997 und 2000 zeigen, dass das Gefährdungspotential auf Grund der Globalisierung der Märkte gestiegen ist. Für eine effiziente Kapitalmarktaufsicht geht es bei der Sicherung der Systemstabilität in erster Linie um die Vermeidung von Erfüllungsschwierigkeiten einzelner Marktteilnehmer. Daneben ist seitens der Aufsicht auf die Implementierung widerstandsfähiger Marktstrukturen hinzuwirken, um nach Möglichkeit etwaige Systemschwächen von vornherein auszuschließen bzw. zu begrenzen. Auf Grund der fortschreitenden Vernetzung der internationalen Kapitalmärkte gilt es zudem, materielles Recht und Aufsicht derart auszugestalten, dass sich regionale Störungen des Marktgleichgewichts nicht zu einer Beeinträchtigung des internationalen Finanzsystems auswirken.370

367

Hierzu unten IV. Hierzu Taylor, in: Blair u.a. (Hrsg.), S. 26 ff. 369 Vgl. OECD, Systemic Risks in Securities Markets, S. 14. 370 Zur Integration der europäischen Finanzmärkte und den sich daraus ergebenden Folgen bei Auftreten von Schocks siehe auch Ausführungen unten 4. Teil, B. 368

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen

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IV. Zielkonflikte Die Frage, ob zwischen den Regelungszielen des Funktionenschutzes, des Anlegerschutzes und der Gesamtmarktstabilität Zielkonflikte bestehen, wird in der Literatur uneinheitlich beantwortet. Für das Verhältnis zwischen Funktionsschutz und Individualschutz hat sich Hopt dafür ausgesprochen, zwischen beiden Zielen keinen Graben aufzureißen. Zielkonflikte seien eher theoretisch, da mit der Verfolgung des einen Ziels auch immer das andere mit umfasst sei. Die Schutzziele seien daher untrennbar miteinander verbunden und förderten sich wechselseitig.371 Demgegenüber wurde von Mertens in Replik auf die Thesen von Hopt der Anlegerschutz als Regelungsziel grundsätzlich in Frage gestellt, da der Anleger ein rechtspolitisch ungeeignetes Konstrukt sei. 372 Nach Mertens ist ein Investorenschutz auf Grund deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht notwendig. Zudem seien die vielfach mit der Kapitalanlage verfolgten Ziele, wie z.B. die Steuervermeidung, durch die Rechtsordnung nicht schützenswert.373 Darüber hinaus könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein genereller Anlegerschutz ohne Berücksichtigung der konkreten Anlageform zu der gesamtwirtschaftlich unerwünschten Folge führen würde, dass spekulative Anlagen unter Einsatz von Risikokapital zumindest beschränkt oder sogar gänzlich unmöglich gemacht würden.374 Dieser Ansicht hat Kübler grundsätzlich zugestimmt, hat sich aber andererseits dagegen ausgesprochen, ein spezifisches Regelungsbedürfnis des Anlegerschutzes zu verneinen und demzufolge den Schutz der Investoren allein dem Markt zu überlassen. Eine solche Forderung würde vielmehr die spezifischen Risiken und Probleme des Kapitalmarktes verkennen. Anders als bei dem Erwerb von Gebrauchsgegenständen hänge der Wert eines Wertpapiers von der durch das Papier verkörperten Berechtigung und von Marktmechanismen ab, die der Privatanleger regelmäßig nur schwer durchschauen könne. Die Konsequenz daraus solle eine Ausgestaltung des Anlegerschutzes in der Form sein, die keine Spekulation zum Nachteil des Verpflichteten etwaiger Schadens- und Rückabwicklungsansprüche ermögliche.375

371 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 51 f., 334 f.; zustimmend u.a. Kiel, S. 6 ff.; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, S. 44. 372 Mertens, P 10, 14 ff. 373 Mertens, P 10, 24. 374 Mertens, P 10, 16 f. 375 Kübler, AG 1977, 85, 87.

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

Für eine sachgerechte Einordnung des Verhältnisses zwischen Anlegerschutz und Funktionsschutz hält es Assmann für notwendig, sich von der traditionellen Anbindung des Anlegerschutzgedankens an sozialfürsorgliche Erwägungen zu lösen. Anlegerschutz sei schon im Hinblick auf die vielfältigen Investitionsmotive einerseits und der heterogenen Normenkomplexe, in denen er zum Ausdruck komme andererseits, nicht als Sozialschutz, sondern nur als Funktionenschutz im Sinne einer kapitalmarktbezogenen Institutionenbildung zu begreifen, der sich zu diesem Zwecke des Aufbaus individualschützender Positionen bediene.376 Richtig erscheint es, sich von der bisherigen Rechtfertigung des Anlegerschutzes, nämlich dem Sozialschutzgedanken im Sinne des Schutzes einkommens- und vermögensschwacher Bevölkerungskreise zu lösen.377 Betrachtet man die Kapitalmarktgesetzgebung der letzten Jahre, so ist festzustellen, dass Regelungszweck zahlreicher anlegerschützender Normen ist, dem Kenntnisund Erfahrungsstand unternehmens- und marktfernerer Personen Rechnung zu tragen. Dies schließt professionelle Investoren einschließlich Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit ein, sofern diese bei der beabsichtigten Investition nicht über die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. So finden die Aufklärungs- und Beratungspflichten des WpHG (§§ 31, 32) unabhängig vom Vermögensstatus des Kunden Anwendung. Auch der Gesetzgeber hat bei seinen Reformbemühungen auf dem Gebiet der Kapitalmarktregulierung „weite Bevölkerungskreise“ und deren Nutzung der Aktie im Auge. Das Vertrauen aller Anleger in die Integrität und die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes soll gestärkt werden.378 Auch die mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz in das WpHG neu eingefügten Anspruchsgrundlagen für Schadensersatzansprüche von Anlegern bei verspäteten, unterlassenen oder unrichtigen Ad hoc-Mitteilungen (§§ 37b, 37c) ergänzen den gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutz,379 der seine Rechtfertigung gerade nicht in einer wirtschaftlichen Unterlegenheit der Gruppe der Gläubiger findet.380 Regelungen, die wie die Vorschriften über die Termingeschäftsfähigkeit in ihrer Entstehung in erheblichem Umfang von sozialpolitischen Vorstellungen

376

Assmann, ZBB 1989, 49, 61. So Merkt, Unternehmenspublizität, S. 304. 378 Begr.RegE. des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, BT-Drs. 14/8017, 62. 379 Zimmer, in: Schwark (Hrsg.) Kapitalmarktsrechts-Kommentar, §§ 37b, 37c WpHG Rz. 11 ff. 380 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 305. 377

B. Staatliche Regelungsziele im Börsenwesen

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geprägt waren,381 sind unter einem stärker kapitalmarktorientierten Ansatz novelliert worden.382 Zusammenfassend erscheint es daher sachgerecht, beim Anlegerschutz zwischen einem Vertrauensindividualschutz und Vertrauenskollektivschutz zu differenzieren,383 wobei das Kapitalmarktrecht überwiegend das Anlegerpublikum in seiner Gesamtheit schützt. Soweit durch das Recht ein Individualschutz vermittelt wird, ist in Anbetracht der Entwicklung der Kapitalmarktregulierung hierin nicht in erster Linie ein Ausdruck eines Gerechtigkeitsgebots zu sehen, sondern es wird damit – wie bei der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte – ein wirtschaftspolitisches Anliegen verfolgt. Unterschiede zwischen Funktionen- und Anlegerschutz ergeben sich aus den jeweils verfolgten Unterzielen. Während der Funktionenschutz im engeren Sinne auf die Leistungsfähigkeit des Marktes und auf die mit seiner Inanspruchnahme verbundenen Kosten zielt, will der Individualschutz das Vertrauen der Anleger in die Integrität des Marktes schützen. Die mit der Investition für den Anleger verbundenen Risiken zeigen, dass Anlegerschutzvorschriften das Vertrauen des Investors in die Fairness schützen müssen. Wird dieses regulatorische Ziel erreicht, werden die Anleger ihr Verhalten entsprechend ausrichten, was sich wiederum auf die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt auswirkt. Deren Entwicklung hängt u.a. wiederum davon ab, in welchem Ausmaß die Börse ihre allokative Funktion wahrnimmt.384 Diese weitgehende Übereinstimmung im Regelungsziel bedeutet indes nicht, dass sich Maßnahmen zur Steigerung der einen Funktion auch immer fördernd auf die andere auswirken. Dies ist beispielsweise bei gesteigerten gesetzlichen Informationspflichten von Emittenten und/oder Wertpapierdienstleistungsunternehmen der Fall. Hierdurch werden eine Verringerung der Anlegerrisiken und damit eine Erhöhung der Marktintegrität erreicht. Gleichzeitig erhöhen sich die Transaktionskosten für Kapitalnachfrager und/oder -vermittler. Ein Spannungsverhältnis besteht auch im Hinblick auf die Erwartung der Marktteilneh381

Schulte, S. 65 f. So hat der Gesetzgeber im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes das bisherige Konzept einer Börsentermingeschäftsfähigkeit kraft Information mit der Folge der Unverbindlichkeit der abgeschlossenen Geschäfte bei unterlassener Aufklärung zugunsten der Einführung eines Schadensersatzanspruchs bei versäumter Information über die mit Finanztermingeschäften verbundenen Risiken aufgegeben (vgl. § 37d WpHG). 383 Fleischer, Gutachten, F 25 f. mit Hinweisen auf das schweizer Kapitalmarktrecht als Ursprung für diese Einteilung. 384 So im Ergebnis auch Mues, Die Börse, S. 51. 382

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3. Teil: Börsenfunktionen und staatliche Regelungsziele

mer möglichst geringer Transaktionskosten bei gleichzeitiger Wahrung hoher Transaktionssicherheit. Damit die Effizienz des Kapitalmarktes möglichst optimal ausgestaltet ist, müssen die Regelungsziele aufeinander abgestimmt sein. Gleiches gilt im Verhältnis von Funktionenschutz, Anlegerschutz und Gesamtmarktstabilität. Auch hier können sich auf Grund der Berührungspunkte Zielkonflikte ergeben. So kann sich ein möglichst ungehinderter Marktzugang durch eine Erhöhung von Kontrahentenausfallrisiken auf die Gesamtmarktstabilität auswirken. Gleiches gilt für umfangreiche Transparenzanforderungen, die mit speziellen Marktbedürfnissen nach einer eingeschränkten Transparenz kollidieren. Staatliches Regelungsziel muss es auch hier sein, die Förderung der Marktfunktionalität mit dem Streben nach einem angemessenen Anlegerschutz sowie der Wahrung der notwendigen Gesamtmarktstabilität in Einklang zu bringen.

4. Teil

Kapitalmarktorganisation und europäische Finanzmarktintegration A. Aktuelle Entwicklungstendenzen der Kapitalmarktorganisation Die europäischen und internationalen Kapitalmärkte sind seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Weitreichende Entwicklungen wie die Globalisierung und die Computerisierung der Finanzmärkte haben auch das Umfeld für Börsen und Börsenteilnehmer umgestaltet. Veraltete Börsenstrukturen werden radikal durch neue ersetzt. Gleichzeitig verstärkt sich der Wettbewerb zwischen den Börsenplätzen. Im Nachfolgenden werden die zentralen Entwicklungstendenzen aufgezeigt. Diesen Veränderungen muss auch eine Börsenaufsicht Rechnung tragen, will sie weiterhin ihre Funktion als zentraler Bestandteil der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Marktveranstaltung und des Anlegerschutzes wirksam ausüben.

I. Institutionalisierung Festzustellen ist an den Kapitalmärkten eine Veränderung in der Zusammensetzung der Handelsteilnehmer.385 Dies ist im Wesentlichen zurückzuführen auf ein verändertes Anlageverhalten. An die Stelle von Einzelinvestitionen sind Anlagen in diversifizierte Portefeuilles getreten. Investmentfonds, Pensionsfonds, Hedge Fonds sowie andere Kapitalsammelstellen haben zu einer Konzentration des Anlagevermögens bei Banken, Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungen und sonstigen institutionellen Investoren geführt.386 Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Technologischer Fortschritt bei der Informationsübermittlung, wachsende Expertise der institutionellen Investoren sowie eine verstärkte Anlage für die Vermögensbildung sind einige der hierfür maßgeblichen Faktoren.387 385

Hierzu ausführlich Gerke/Bank/Steiger, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), S. 357 ff. Onado, in: Ferrarini (Hrsg.), S. 225, 228 f.; Ferrarini, in: Ferrarini (Hrsg.), S. 245, 247; Killian/Cushing, in: Schwartz (Hrsg.), S. 67, 70; Davis/Steil, S. 14 ff. 387 Gerke/Bank/Steiger, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), S. 360 f.; Davis/Steil, S. 21 ff. 386

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

II. Disintermediation Der Einzug des elektronischen Handels von Finanzinstrumenten und die Möglichkeit für Anleger, sehr schnell auf für sie relevante Marktinformationen über das Internet Zugriff nehmen zu können, hat dazu geführt, dass die bislang notwendigen Intermediationsdienstleistungen nicht mehr notwendig sind.388 In der Vergangenheit war es für den Anleger regelmäßig erforderlich, seine Order bei seiner Bank aufzugeben, die wiederum den Auftrag an den eigenen Börsenhändler oder einen Börsenmakler weiterleitete, der seinerseits den Kauf- oder Verkaufsauftrag bei einem Kursmakler oder einem Market Maker platzierte. Diese Art der Auftragsausführung verursachte naturgemäß entsprechende Kosten, die der Investor zu tragen hatte. Die Möglichkeit, durch den elektronischen Handel auf die Einschaltung verschiedener Intermediäre verzichten zu können, haben sich Alternative Handelssysteme bzw. Electronic Communication Networks (ECNs)389 vor allem in den USA und in Großbritannien frühzeitig zunutze gemacht und bieten den Anlegern einen unmittelbaren Zugang zum Handel zu günstigeren Konditionen. Hinzu treten gegenüber traditionellen Börsen engere Preisspannen (spreads) sowie erheblich schnellere Ausführungszeiten der Aufträge.390 Die schnelle Orderausführung ist neben der Höhe der Transaktionskosten ein maßgeblicher Faktor im Wettbewerb der Handelsplätze.391 Diese Veränderungen bleiben nicht ohne Folgen auf das Dienstleistungsangebot der Börsen. So wird überlegt, auch dem privaten Anleger den Zugang zur Börse zu eröffnen.392 Bislang ungeklärt ist aber in diesem Zusammenhang die Frage, wer das Adressenausfallrisiko trägt. Bisher ist für die Zulassung zum Börsenhandel der Nachweis ausreichender Eigenmittel notwendig. Möchte man aber einem breiten Anlegerpublikum künftig den Börsenzugang eröffnen, verbieten sich derart hohe Zugangsbeschränkungen. Insofern bliebe nur die Möglichkeit, dass sich professionelle Dritte finden, die bereit sind, das Gegenparteirisiko zu übernehmen.393 Sollte im Zuge einer weiteren Disintermediation auch der private Anleger unmittelbaren Zugang zu den Börsen haben, stellt sich – vor allem mit Blick auf die gegenwärtige deutsche Aufsichtsstruktur – endgültig die Frage nach der 388

Steil, The European Equity Markets, S. 48, Schwark, WM 1997, 293; Breuer, ZfgK 1990, 324, 326, Köndgen, JITE 154 (1998), 242, 245 f. 389 Siehe zu den Begrifflichkeiten unten V. 2. 390 Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 383. 391 Siehe hierzu oben 2. Teil, A. II. 4. 392 Merkt, Gutachten, G 42. 393 Köndgen, Festschrift Lutter, S. 1401, 1417 f.

A. Aktuelle Entwicklungstendenzen der Kapitalmarktorganisation

117

Rechtfertigung für die bisherige Aufspaltung von Börsen- und Wertpapieraufsicht.394 III. Computerisierung des Handels Von herausragender Bedeutung für die Veränderungen des Wertpapierhandels im Allgemeinen und für den Börsenhandel im Besonderen ist der Einsatz des Computers.395 Das Ausmaß der Einbindung elektronischer Systeme ist unterschiedlich. Sie reicht vom computerunterstützten Präsenzhandel bis hin zum vollelektronischen Handel, bei dem die Zusammenführung der Aufträge und das Matching innerhalb des Systems erfolgen.396 Auf nationaler Ebene hat der Gesetzgeber dieser Entwicklung mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz Rechnung getragen und die Orderausführung über den elektronischen Handel gegenüber der Auftragsausführung über den Skontroführer als gleichwertig anerkannt (vgl. § 24 BörsG).

IV. „Remote access“ Für die Handelsteilnehmer hat die Einführung des computergestützten bzw. des reinen Computer-Handels zur Folge, dass eine Präsenz vor Ort nicht mehr erforderlich ist. Vielmehr ist eine Teilnahme am Handel unabhängig vom Sitz des teilnehmenden Unternehmens möglich.397 Dieser dezentrale Zugang zu einer Börse, so genannter Remote access, kann heutzutage kostengünstig eröffnet werden. Die physische Präsenz der Marktteilnehmer, wie sie für den Parketthandel unabdingbar ist, wird bei elektronischen Börsenhandelssystemen durch die Anbindung per Handelsbildschirm ersetzt. Computerbörsen können daher auf ein weit größeres Potential an Teilnehmern zurückgreifen als Parkettbörsen. Die Handelsteilnehmer profitieren dabei nicht nur von den erleichterten Börsenzutrittsbedingungen, sondern auch von einer erhöhten Marktliquidität und verringerten Transaktionskosten.398 Die Qualität eines Marktes wird jedoch nicht allein von seinen technischen Möglichkeiten bestimmt. Je weiter der potentielle Teilnehmerkreis gezogen ist, 394

Köndgen, Festschrift Lutter, S. 1401, 1419. Siehe hierzu auch Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 158 f.; Nobel, Festschrift Lutter, S. 1485, 1485 f. 396 Zu den verschiedenen Funktionsweisen elektronischer Handelssysteme v. Rosen, ZfgK 1994, 1213 ff.; Domowitz, Journal of International Money and Finance 12 (1993), 607 ff.; Henkel-Donnersmark, in: Weber (Hrsg.), S. 260 ff.; Deutsche Börse AG, S. 4 ff. 397 Schwark, WM 1997, 293, 296. 398 Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 204. 395

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

umso wichtiger ist das Vertrauen der Anleger in die Fairness des Marktgeschehens. Die Aufsicht in den europäischen Mitgliedstaaten wird auf Grund von „Remote access“ vor völlig neue Anforderungen gestellt.399 V. Neue Wettbewerber Die etablierten Börsen sehen sich einer wachsenden Konkurrenz gegenüber. Neben Handelsplattformen mit Börsenstatus eröffnen Alternative Handelssysteme sowie Internalisierungssysteme den Investoren neue Handelsmöglichkeiten. 1. Börsen Neue Börsen sind in den letzten Jahren vor allem mit dem Ziel gegründet worden, eine pan-europäische Plattform für den Handel in Standardwerten anzubieten. Hinter diesen Neugründungen stehen häufig finanzstarke professionelle Marktteilnehmer. Nicht selten beteiligen sich diese zeitgleich an mehreren Handelsplattformen, um im Fall des Markterfolges des einen oder anderen Systems zu profitieren. Im Jahr 2000 wurde das 1995 mit Börsenstatuts gegründete Handelssystem Tradepoint zum europäischen Markt für Blue Chips ausgebaut. Tradepoint sieht sich in erster Linie als Handelsplattform für Broker-Dealer und institutionelle Investoren.400 Im Jahr 2001 gründete Tradepoint mit der Schweizer Börse SWX ein Gemeinschaftsunternehmen und ist seitdem unter dem Namen virt-x401 tätig; der Börsenstatus wurde beibehalten402. Die SWX hat ihre Handelsplattform und den Handel ihrer Blue-Chip-Aktien bei virt-x eingebracht.403 Um die Gunst insbesondere des privaten Anlegerpublikums mit Wertpapieraufträgen bis zu einem Wert von 50.000 Euro hat das im Jahr 2000 als Börse zugelassene Handelssystem Jiway geworben. Handelbar waren Aktien aus Großbritannien, Schweden, Frankreich, den USA, Deutschland, Italien und den Niederlanden.404 Betrieben wurde diese elektronische Handelsplattform vom 399

Siehe Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 2 BörsG Rz. 24 ff.; § 7 WpHG Rz. 15; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.549. 400 www.financial-insights.com. 401 www.virt-x.com/index.html. 402 www.fsa.gov.uk/pubs/additional/587.pdf. 403 Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 371, 387 f. 404 http://domino.omgroup.com/www/OMBulletinBoard.nsf.

A. Aktuelle Entwicklungstendenzen der Kapitalmarktorganisation

119

405

schwedischen Börsen- und Technologiekonzern OM Group, bevor im Jahr 2002 der Konsolidierungsprozess bei Börsendienstleistungen auch Jiway erreichte und der Handel eingestellt wurde406. Den zunehmenden Wettbewerb unter den Plattformen für den Handel in Finanzinstrumenten in einem ab dem Jahr 2000 schwieriger werdenden wirtschaftlichen Umfeld hat auch die 1996 gegründete European Association of Securities Dealers (EASDAQ) zu spüren bekommen. Anfangs als Alternative zur US-Technologiebörse NASDAQ gedacht mit dem Anspruch, die Handelsplattform für den grenzüberschreitenden Handel von Aktien von schnell wachsenden Unternehmen in Europa zu sein, wurde die EASDAQ zunächst von der NASDAQ übernommen und in NASDAQ Europe umbenannt. Schließlich stellte die US-amerikanische Muttergesellschaft den Handel an der NASDAQ Europe im November 2003 ein. Das gleiche Schicksal traf das im März 2003 von der US-amerikanischen Börse NASDAQ zusammen mit der Berliner und Bremer Börse sowie der Commerzbank und anderen Banken initiierte Projekt NASDAQ Deutschland; bereits im Oktober 2003 wurde der Handel wegen eines zu geringem wirtschaftlichen Erfolgs wieder beendet.

2. Alternative Handelssysteme Einer der Gewinner des technologischen Fortschritts im Wertpapierhandel sind zweifellos die Alternativen Handels- bzw. Transaktionssysteme (ATS)407. Diese elektronischen Handelsplattformen werden von privaten Unternehmen betrieben und haben sich von der für Börsen typischen Verbandsstruktur verabschiedet. Die Begrifflichkeiten bei ATS sind nicht einheitlich. Regelmäßig die größten Überschneidungen gibt es mit den Proprietary Trading Systems (PTS) und den ECNs.408 Kennzeichnend für diese Systeme ist deren Marktplatzfunktion. Ebenso wie Börsen führen sie eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern mit dem Ziel des Handels von Finanzinstrumenten zusammen. Für ATS ist kennzeichnend, dass die Aufträge nicht nur im System zusammengeführt werden, sondern es dort auch zur Ausführung der Orders kommt. Im Gegensatz zu so ge405

Siehe zur OM Group als Betreiber von OMX Exchanges unten VI. 3. Financial Services Authority, Financial Risk Outlook 2003, S. 22. 407 Siehe Cohn-Heeren, S. 19 ff.; auch Spindler, WM 2002, 1325, 1327 f. 408 Vgl. zur Terminologie u.a. Merkt, Gutachten, G 43 und FN 136; auch Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 371, 381 f.; Spindler, WM 2002, 1325, 1327 f. 406

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

nannten Crossing-Systemen generieren ATS einen eigenen Preis und bedienen sich nicht lediglich der Referenzpreise der regulierten Märkte. Der Wettbewerbsvorteil der ATS gegenüber den Börsen besteht in dem Angebot der Auftragsausführung zu niedrigeren Kosten für den Anleger. Diese ergeben sich aus günstigeren Kommissionen, der Minimierung der impliziten Kosten des market impact,409 also der negativen Signalwirkung großer Orders auf den Preis, und aus besonderen Abwicklungsalgorithmen, sowie aus einer schnellen Auftragsausführung.410 Haben ATS in den USA deutliche Marktanteile gewinnen können,411 sieht das Bild in Europa bislang anders aus. Durch eine technologische Weiterentwicklung und eine ständige Verbesserung des Dienstleistungsangebotes ist es den europäischen Börsen bisher gelungen, ihre Marktstellung zu halten. Der Anteil der ATS am gesamten Handelsvolumen ist bisher als gering zu bezeichnen. Gleichwohl besteht ein ständiger Wettbewerb um das bessere Angebot von Börsendienstleistungen. Die Ursache liegt in dem Streben, den Wünschen der Anleger, vor allem der Institutionellen, gerecht zu werden. Dabei wird künftig insbesondere eine Rolle spielen, inwieweit es gelingt, die nationalen Märkte auf einer europäischen Plattform mit Benchmark-Zuschnitt darzustellen, auf der deutsche, britische, französische und andere Aktienwerte von Emittenten aus dem europäischen Raum liquide, sicher und vor allem kostengünstig gehandelt und abgewickelt werden können.412 Mit der Einbeziehung elektronischer Handelssysteme mit Marktplatzfunktion in den Anwendungsbereich des Börsengesetzes (§§ 59, 60 BörsG) im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes hat der nationale Gesetzgeber deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht ATS auch in Deutschland eine größere Bedeutung erlangen und in unmittelbarem Wettbewerb zu den traditionellen Börsen stehen. Aber auch auf europäischer Ebene ist mit der Einbeziehung der Multilateralen Handelssysteme (MTF) ein Regulierungsbedarf von ATS bejaht worden, soweit sie auf Grund ihrer funktionellen Merkmale in unmittelbarer Konkurrenz zu den traditionellen Börsen (Geregelte Märkte) stehen. Ziel der MiFID ist 409

Siehe zum „Market Impact“ oben 3. Teil, A. II. 1. c). Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 371, 382. 411 Rund 30 Prozent des US-amerikanischen Handels von an der NASDAQ und 5 Prozent von an der NYSE kotierten Aktien werden zz. über ECNs abgewickelt, Henckel-Donnersmark, in: Weber (Hrsg.), S. 263. 412 Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 371, 384 f. 410

A. Aktuelle Entwicklungstendenzen der Kapitalmarktorganisation

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die Unterstellung von ATS einer den Geregelten Märkten entsprechenden Aufsicht, die weiterhin ein wirksames und ordnungsgemäßes Funktionieren der Finanzmärkte gewährleistet.413

3. Internalisierungssysteme Ist die weitere Entwicklung der ATS – insbesondere in Deutschland – noch ungewiss, so ist indes bereits heute festzustellen, dass zahlreiche Wertpapierhäuser die Aufträge ihrer Kundschaft nicht an die Börse weiterleiten, sondern intern ausführen (Internalisierung). Die Europäische Kommission geht davon aus, dass viele große Institute derzeit 15 bis 30 Prozent ihres Kundenauftragsflusses „in-house“ abwickeln.414 Hierbei werden die Aufträge entweder mit anderen Kundenaufträgen zusammengeführt oder die Ausführung erfolgt mit einer Eigenhandelsposition der Wertpapierfirma.415 Die MiFID sieht vor, systematische Internalisierer (Art. 4. Nr. 7) ebenso wie Geregelte Märkte und MTF’s Vor- und Nachhandelstransparenzverpflichtungen (pre trade und post trade-Transparenz) zu unterwerfen, sofern es sich um Systeme handelt, die regelmäßig Aufträge von Privatanlegern im Wege des Eigenhandels außerhalb von Geregelten Märkten oder MTF’s ausführen. Darüber hinaus sollen die Betreiber verpflichtet werden, kontinuierlich An- und Verkaufskurse für professionelle Investoren zu stellen und auf deren Wunsch zu diesen Preisen zu handeln (Art. 27). Ziel dieser Regeln ist die Sicherung einer hohen Ausführungsqualität sowie die Wahrung der Integrität und Gesamteffizienz des Finanzsystems.416

VI. Fortschreitende Konsolidierung Folge der Technologisierung und der Globalisierung ist nicht nur das Auftreten neuer Handelsplattformen als Konkurrenten der etablierten Börsen, sondern im Zuge eines sich verschärfenden Wettbewerbs auch eine wachsende Konsolidierung auf dem Markt für Börsendienstleistungen. Dabei sind die Konzepte der Börsen in Europa und in den USA durchaus unterschiedlich. Fest scheint 413

Erwägungsgrund Nr. 5. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Wertpapierdienstleistungen und geregelte Märkte und zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, KOM(2002)625endg. vom 19.11.2002, S. 10. 415 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 10.126. 416 Erwägungsgrund Nr. 5. 414

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

nur zu stehen, dass am Ende dieses Prozesses weniger Börsen um die Gunst der Investoren werben werden. Mit Blick auf Europa und den Wettbewerb mit den USA wird man zudem konstatieren müssen, dass 23 Wertpapierbörsen und 32 Terminbörsen in ihrer Zersplitterung nicht in der Lage sind, den europäischen Kapitalmarkt effektiv zu organisieren.417

1. Allianzen Mit dem Ziel, die Eigenständigkeit zu erhalten und gleichzeitig in einem europäischen Binnenmarkt für Börsendienstleistungen im Wettbewerb bestehen zu können, gehen einige Börsen untereinander Allianzen und Kooperationen ein. Bei Allianzen verbleibt es bei der Nutzung der jeweiligen eigenen Handelssysteme, die nur über Schnittstellen verbunden werden418. Eine enge Kooperation streben die Börsen Wien, Warschau, Prag, Bratislava und Ljubliana an. Hieraus soll eine mitteleuropäische Börsengruppe entstehen.419

2. Technische Kooperationen Entscheidend für den Erfolg eines Handelsplatzes ist heutzutage seine technische Ausstattung. Effiziente Systeme und Schnelligkeit bestimmen den gesamten Prozess der Börsen- und Abwicklungsorganisation. Erfolgreiche Organisationen für den Handel von Finanzinstrumenten beschränken sich heute nicht mehr auf eine Marktplatzfunktion, sondern haben sich zu Systemhäusern entwickelt. So konnte die Deutsche Börse AG durch die Erhöhung der Attraktivität der eigenen XETRA- und EUREX-Systemplattform Marktteilnehmer und damit Liquidität gewinnen bzw. durch Systemintegration mit anderen Börsen die eigene Infrastruktur als führende europäische Handels- und Abwicklungsplattform etablieren. Mehrere europäische Börsen lassen ihre elektronischen Märkte durch die Deutsche Börse AG betreiben. So erfolgt der Handel des finnischen Derivatemarkts seit Oktober 1999 über das EUREX-System. Die Börsen Wien und Dublin betreiben seit November 1999 bzw. Juni 2000 ihren Aktienhandel über das XETRA-Handelssystem.420

417

Köndgen, Festschrift Lutter, S. 1401, 1420; Nobel, Festschrift Lutter, S. 1485, 1496; zu den Nachteilen eines fragmentierten europäischen Kapitalmarktes bereits Wymeersch, Effektenmarktaufsicht, S. 165 ff. 418 Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 371, 386. 419 Siehe Financial Times Deutschland vom 17.9.2004, S. 26 und vom 14.12.2004, S. 18. 420 www.deutsche-boerse.com.

A. Aktuelle Entwicklungstendenzen der Kapitalmarktorganisation

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3. Fusionen von Börsen Die weitestgehende Form der Konsolidierung stellt der Betrieb gemeinsamer Märkte dar. Wie in anderen Industrien schon seit Jahren üblich, steht zu erwarten, dass nunmehr auch die Börsen in Europa ihre Zukunft in der Zusammenführung ihrer Märkte und im Zuge dieses Prozesses teilweise auch in dem Zusammenschluss ihrer Börsenorganisationen sehen. Die Vorteile von Fusionen liegen in der Zusammenlegung von Geschäftsbereichen und der Nutzung eines gemeinsamen Handelssystems. Zudem kann das neue Unternehmen eine einheitliche Produkt-, Preis- und Vermarktungspolitik durchführen und dadurch seine Wettbewerbsposition gegenüber anderen Börsen und Alternativen Handelssystemen stärken. Bei der Implementierung integrierter Lösungen für den Kassa- und Terminhandel und der dazugehörigen Abwicklung profitieren Emittenten, Marktteilnehmer und Investoren von hoher Liquidität im Handel mit europäischen Aktien und – dank Netzwerkstandardisierung und weniger Schnittstellen – von Kosteneinsparungen.421 Mit dem Ziel der Generierung von Synergien haben sich 1998 der deutsche und der schweizer Terminmarkt zur EUREX zusammengeschlossen. Zwei Jahre später folgte der Zusammenschluss von Deutsche Börse Clearing AG mit Cedel International zu Clearstream im Bereich der Abwicklung. Clearstream ist zwischenzeitlich in der Deutsche Börse AG aufgegangen. Auch im Bereich der Kassamärkte versucht man in Europa, die Handelsplätze zusammenzuführen. Im September 2000 schlossen sich die Börsen in Paris, Amsterdam und Brüssel zu Euronext zusammen. Anfang 2002 folgte die Akquisition der LIFFE (London International Financial Futures and Options Exchange) und der Zusammenschluss mit der portugiesischen Börse BVLP (Bolsa de Valores de Lisboa e Porto). Euronext bietet damit seinen Kunden den grenzüberschreitenden Handel in Kassa- und Derivativprodukten einschließlich des erforderlichen Clearing aus einer Hand.422 Als Reaktion auf die neue Konkurrenz hat die London Stock Exchange (LSE) allen bei Euronext notierten niederländischen Emittenten ein Doppellisting an der LSE angeboten und ist damit in unmittelbaren Wettbewerb mit Euronext um Liquidität, Notierungsgebühren sowie Einnahmen aus dem Handel in diesen Werten getreten.423

421 422 423

Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 391 f. Siehe zur Entwicklung von Euronext unter www.euronext.com. Europäische Kommission, Financial Integration Monitor 2004, S. 33.

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Im Norden von Europa haben sich die Börsen von Stockholm und Helsinki sowie den drei baltischen Staaten zur OMX zusammengeschlossen. Die Übernahme der dänischen Börse Copenhagen Stock Exchange (CSE) soll folgen; der Handel in Kopenhagen läuft bereits über die OMX-Plattform. Mittelfristig sollen die Börsen in Norwegen und Island eingebunden werden. Das zweite Standbein von OMX ist der Vertrieb von Technologie. Ein Technologietransfer soll vor allem in die neuen Beitrittsländer erfolgen.424 Der fortschreitende Konsolidierungsprozess der europäischen Börsenlandschaft macht aber auch deutlich, wie komplex und schwierig Zusammenschlüsse sind. Anschauliches Beispiel hierfür ist der Versuch der Deutsche Börse AG und der LSE im Jahre 1998 – zunächst im Wege einer strategischen Allianz und im Weiteren dann über eine Einbeziehung weiterer europäischer Börsen – eine „Europabörse“ zu schaffen. Auf dieser Plattform sollten sodann etwa 300 europäische Blue Chips in einem gemeinsamen liquiditätsbündelnden Orderbuch zu einheitlichen Regeln gehandelt werden können.425 Zunächst versuchten sich beide Börsen auf ein gemeinsames Marktmodell und eine Harmonisierung der Rules and Regulations zu verständigen. Da indes keine Einigung auf die Nutzung oder Schaffung einer gemeinsamen Handelsplattform zu erzielen war, verständigte man sich auf eine fortbestehende Nutzung der vorhandenen Frontsowie auch Back-End-Systeme, die lediglich über kompatible Schnittstellen miteinander verbunden werden sollten. Aus Teilnehmersicht verblieb es damit aber trotz Bündelung der Liquidität einer Aktie auf dem jeweiligen Heimatmarkt beim entscheidenden Manko hoher Kosten infolge der Nutzung der verschiedenen nationalen Handels- und Settlementsysteme426. Träger des Handelssegments für Standardwerte sollte die Londoner Börse sein.427 Damit wären auch die Zugangs- und Handelsbedingungen für dieses Marktsegment von der LSE festgelegt worden, die zudem für die Marktsteuerung, den operativen Betrieb und damit für die Ordnungsmäßigkeit des Handels verantwortlich gewesen wäre. Zuständige Aufsichtsbehörde für diesen Handelsbereich wäre die Financial Services Authority gewesen.428 Hingegen war beabsichtigt, die Werte kleinerer und mittlerer Unternehmen in Frankfurt zu handeln429. Dies hätte zur Folge gehabt, dass heute neben den so genannten Nebenwerten nur noch die Papiere des – zwischenzeitlich eingestellten – Neuen Marktes im Angebot der Frankfurter Wertpapierbörse wären. 424 425 426 427 428 429

Siehe Financial Times Deutschland vom 15.12.2004, S. 17. Hammen/Kümpel/Schneider, WM 2000, Sonderbeilage 3, S. 4. Schuster/Rudolf, in: Hummel/Breuer (Hrsg.), S. 371, 385 f. Schwark, WM 2000, 2517. Hammen/Kümpel/Schneider, WM 2000, Sonderbeilage 3, S. 4. Schwark, WM 2000, 2517, 2518.

B. Gegenwärtiger Stand der wirtschaftlichen Integration

125

Der Versuch einer Börsenfusion zwischen London und Frankfurt scheiterte schließlich im Jahr 2000 auf Grund von Vorbehalten auf beiden Seiten, da jeder Finanzplatz befürchtete, am Ende der Verlierer zu sein. Insbesondere die Absicht, XETRA als gemeinsame Handelsplattform vorzusehen, führte zu starken Widerständen in der Londoner City.430 Vergeblich waren auch die Bemühungen der Deutsche Börse AG um eine Übernahme der Schweizer Börse SWX im Jahr 2004, die auf eine Zusammenlegung der beiden Kassamärkte zielte. Die SWX lehnte die Offerte der Deutsche Börse AG ab, da man bei einer Fusion um die Unabhängigkeit der Schweizer Börse fürchtete.431 Die fehlgeschlagenen Bemühungen um eine Übernahme der Londoner und Schweizer Börse hielt die Deutsche Börse AG indes nicht davon ab, im Jahr 2004 einen weiteren Anlauf zum Kauf des Londoner Konkurrenten zu unternehmen. Anders als bei dem ersten Fusionsversuch sollten diesmal die vorhandenen Marktstrukturen und die regulatorischen Rahmenbedingungen in beiden Ländern erhalten bleiben.432 Massiver Druck der eigenen Aktionäre der Deutsche Börse AG beendete gleichwohl zunächst auch diesen Versuch einer Übernahme der LSE.433 Trotz dieser Fehlschläge und erheblicher Auflagen der britischen Wettbewerbsaufsicht im Fall einer Übernahme der Londoner Börse erscheint eines indes sicher: Keine der großen europäischen Börsen möchte beim Wettbewerb um die zentrale europäische Handelsplattform ins Hintertreffen geraten. Dies macht nicht zuletzt auch das Interesse des Konkurrenten Euronext an einer Übernahme der LSE deutlich.434 Der Konzentrationsprozess in der europäischen Börsenlandschaft wird daher weiter voranschreiten. Damit beschleunigt sich die Harmonisierung der EU-Wertpapiermärkte und ihrer Aufsichtsstrukturen.

B. Gegenwärtiger Stand der wirtschaftlichen Integration der europäischen Finanzmärkte Die Veränderungen der Kapitalmarktorganisation, die insbesondere durch neue Informationstechnologien, geringere Kommunikationskosten, eine stärkere Computerisierung des Handels sowie durch einen Konsolidierungsprozess 430

Prigge, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), S. 47, 55. Siehe Financial Times Deutschland vom 8.6.2004, S. 19; vom 3.8.2004, S. 17 und vom 18.8.2004, S. 1. 432 Siehe Financial Times Deutschland vom 14.12.2004, S. 1, 25. 433 Siehe Financial Times Deutschland vom 10.5.2005, S. 33. 434 Siehe Financial Times Deutschland vom 20.12.2004, S. 1. 431

126

4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

bei Börsendienstleistungen gekennzeichnet sind, sind Ausdruck und Katalysator einer wachsenden Integration der europäischen Kapitalmärkte. Hinzu tritt die Einführung des Euro 1999 mit der Folge der Kostenreduzierung, der Aufhebung von Wechselkursrisiken und einer wachsenden Preistransparenz. Mit diesen Erkenntnissen allein ist indes noch keine Aussage darüber getroffen, zu welchem Ausmaß an Integration der europäischen Finanzmärkte diese Veränderungen geführt haben. Vielmehr ist hierzu die Einbeziehung weiterer Indikatoren erforderlich.

I. Methoden zur Messung der Finanzmarktintegration Zur Messung der wirtschaftlichen Integration435 der Wertpapiermärkte wird auf verschiedene Indikatoren zurückgegriffen436. Üblicherweise werden entweder Preisindikatoren herangezogen, wie die Konvergenz von Zinssätzen, oder es wird auf quantitative Kriterien abgestellt. Dabei wird beispielsweise auf das Handelsvolumen, die Liquidität, die Portfolienzusammensetzung sowie grenzüberschreitende Aktivitäten abgestellt.437 Aber auch Indikatoren zur Messung von Wechselbeziehungen zwischen den Märkten werden zur Bestimmung des Grades des Zusammenwachsens der Märkte einbezogen.438

II. Grad der Integration Danach ist der Integrationstand in der EU je nach Marktteilnehmern, Marktsegmenten und Finanzprodukten unterschiedlich. Für Finanzunternehmen sind die Märkte weitgehend integriert. Ähnliches gilt für große international tätige Nicht-Finanzunternehmen, die auch EU-weit auf Finanzprodukte wie commercial paper, corporate bonds, swaps und Riskokapital zugreifen können.439 Die Einführung des Euro hat in erster Linie im wholesale-Bereich, d.h. bei Anlagen institutioneller Investoren eine bedeutsame Rolle bei der stärkeren Integration der Finanzmärkte gespielt. Von einer vollständigen Integration kann

435

Zur rechtlichen Integration der europäischen Kapitalmärkte unten C. Siehe hierzu Danthine/Giavazzi/v. Thadden, in: Wyplosz (Hrsg.). S. 226, 234 ff.; Buch, S. 14 ff. 437 Europäische Kommission, Financial Integration Monitor 2004, S. 2 f.; Heinmann/Schüler, ZfgK 2002, 680 438 Hierzu Fratzsher, EZB, S. 18 f. 439 Europäische Kommission, Bericht über die Integration der Finanzmärkte 2004, S. 12. 436

B. Gegenwärtiger Stand der wirtschaftlichen Integration

127

440

beim (unverbrieften) Eurogeldmarkt gesprochen werden. Eine besonders starke Integration kann zudem im Euro-Bond-Markt festgestellt werden. Bei den Staatsanleihen ist der Markt hinsichtlich Größe und Emissionsvolumen mit dem US-Markt vergleichbar. Aber auch die Emissionstätigkeit der Unternehmensanleihen in Euro hat zugenommen.441 Das Volumen grenzüberschreitender Transaktionen ist signifikant gestiegen.442 Die Anleiherenditen haben sich einander angenähert.443 Einen hohen Integrationsgrad weisen auch die Derivatemärkte auf, die ebenfalls eine große Bedeutung für den Geldmarkt haben. Dies gilt für Futures, Optionen und Swaps. Im Bereich des so genannten EONIA444 Swap market, der sich mit Einführung des Euro zu einem wichtigen Instrument zum Management von Zinsrisiken entwickelt hat, gelang es sogar, sich vor die wichtigsten Konkurrenzmärkte (US-Dollar und Yen) – gemessen am Betrag der ausstehenden Positionen – zu positionieren. Der Markt ist durch einen hohen Standardisierungsgrad und einen starken Wettbewerb gekennzeichnet. Akteure sind die großen Marktteilnehmer in London, Frankfurt und Paris, die die Geschäfte vor allem zu Absicherungszwecken tätigen.445 Eine wachsende Integration hat sich mit Einführung des Euro auch bei den Aktienmärkten vollzogen, auch wenn die Marktkapitalisierung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt innerhalb der EU erheblich variiert.446 Der grenzüberschreitende Aktienhandel hat zugenommen. Der Anteil des ausländischen Aktienbesitzes liegt an den europäischen Börsen zwischen 20 bis 35 Prozent.447 Ein besonders signifikantes Beispiel ist der Handel an der spanischen Börse, an der die Handelsaktivitäten ausländischer Marktteilnehmer einen wertmäßigen Anteil von fast 2/3 des Handelsvolumens ausmachen, was wiederum ca. 30 Prozent der Anzahl der Geschäfte entspricht. Dies legt den Schluss nahe, dass in erster Linie Großorders von institutionellen Investoren platziert werden.448

440

Economic and Financial Committee (EFC), S. 14. Economic and Financial Committee (EFC), S. 15. 442 Europäische Kommission, Financial Integration Monitor 2004, S. 8. 443 Europäische Kommission, Bericht über die Integration der Finanzmärkte 2004, S. 8. 444 Euro Over Night Index Average wird berechnet zwischen 18.45 und 19.00 h in Brüssel als gewichteter Durchschnitt aller über Nacht unverbrieften Leihtransaktionen im Interbankenmarkt innerhalb der Euro-Zone. 445 Gjersem, OECD, 17. 446 Siehe Übersicht bei Gjersem, OECD, 21. 447 Europäische Kommission, Financial Integration Monitor 2004, S. 22. 448 Europäische Kommission, Financial Integration Monitor 2004, S. 21. 441

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Insgesamt kann für den Handel in allen Finanzinstrumenten – mit unterschiedlich starker Ausprägung – von einer „Europäisierung“ gesprochen werden. Dies gilt allerdings nur für den wholesale-Bereich. Bestätigt wird dieser Befund durch einen Blick in die Bankenbilanzen. Ein zunehmender Anteil von Aktiva und Passiva bezieht sich auf Partner in der Eurozone und zwar zu Lasten der rein inländischen Aktivitäten. Ebenso hat der Anteil, der europäischen Wertpapiere, die von Investmenfonds gehalten werden, zugenommen. Gleichzeitig sind die inländischen Vermögenswerte rückläufig. Gleiches gilt für das Finanzmanagement von Großunternehmen.449 Eine stärkere europäische Ausrichtung hat auch die Erbringung von Finanzdienstleistungen erfahren. Grenzüberschreitende Dienstleistungen erfolgen aber hauptsächlich für andere Finanzunternehmen und große Nicht-Finanzinsitute.450 Ein maßgeblicher Grund für die besonders weit fortgeschrittene Integration der Märkte für Finanzunternehmen ist deren Zugang zu gemeinsamen Infrastrukturen wie TARGET451, gemeinsamen Handelsplattformen und zu Abwicklungssystemen452. Dass die immer stärker europäisch ausgerichteten Handelsaktivitäten institutioneller Investoren zu einer fortschreitenden Integration der europäischen Aktienmärkte geführt haben, wird auch durch neuere Untersuchungen zur Entwicklung der Eigenkapitalrenditen bestätigt. Diese reagieren zunehmend empfindlicher auf europäische als auf rein lokale Schocks, d.h. auf Ereignisse, die zu Ungleichgewichten in einer Marktwirtschaft führen.453 Nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) bestehen innerhalb der Euro-Zone Wechselwirkungen, die mit denen der USA vergleichbar sind.454 Demgegenüber ist der retail-Handel weiterhin lokal ausgerichtet; ein nennenswerter grenzüberschreitender Aktienhandel ist bislang nicht zu verzeichnen. Dies gilt auch für den Anteil von Privatkundenvermögen in ausländischen Fondsprodukten.455 Die Bestandsaufnahme über den aktuellen Grad der Integration der europäischen Finanzmärkte ermöglicht zusammenfassend zum einen die Aussage, dass durch die Einführung des Euro in zahlreichen Teilmärkten ein hoher Integrati449 450 451 452 453 454 455

Europäische Kommission, Bericht über die Integration der Finanzmärkte 2004, S. 9. Europäische Kommission, Bericht über die Integration der Finanzmärkte 2004, S. 11. Siehe zum TARGET-System Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 4.275. Europäische Kommission, Bericht über die Integration der Finanzmärkte 2004, S. 12. Europäische Kommission, Bericht über die Integration der Finanzmärkte 2004, S. 9. Fratzsher, EZB, S. 18 f. Heinemann/Schröder/Schüler/Stirböck/Westerheide, S. 48 ff.

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

129

onsgrad erreicht wurde. Zum anderen ist festzustellen, dass vor allem beim grenzüberschreitenden Aktienhandel im retail-Bereich das Zusammenwachsen noch nicht so weit fortgeschritten ist. Zu einer Bestandsaufnahme der europäischen Finanzmarktintegration gehört neben der Betrachtung der wirtschaftlichen auch die Analyse der rechtlichen Integration. Dabei stehen auf Grund des Themas der Arbeit die aktuellen Regulierungsansätze im Wertpapierbereich im Zentrum der Ausführungen.

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte Die letzten Jahrzehnte stand die europäische Kapitalmarktregulierung im Zeichen der Deregulierung der Finanzmärkte. Zentrale Maßnahmen waren die Abschaffung von Kapitalverkehrskontrollen sowie die Annahme gemeinsamer rechtlicher Standards. Ausmaß und Geschwindigkeit dieses Prozesses sind unterschiedlich. Vollzogen sich in den 60er und 70er Jahren die ersten Schritte eher langsam, so hat die Reformgeschwindigkeit in den 90er Jahren sowie in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts deutlich zugenommen. I. Rechtsgrundlagen und Grundprinzipien des europäischen Kapitalmarktrechts 1. Kapitalverkehrsliberalisierung Der 1966 im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Segré-Bericht stellte fest, dass der Aufbau eines europäischen Kapitalmarktes gegenüber den Fortschritten, die auf anderen Gebieten zur Verwirklichung der Wirtschaftsunion erreicht worden sind, deutlich im Rückstand ist. Ziel müsse es daher sein, die bisher stark gegeneinander abgekapselten nationalen Kapitalmärkte zu integrieren.456 Dabei enthielt bereits der EWG-Vertrag von 1957 in Art. 2 die Verpflichtung der Gemeinschaft, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten der Gemeinschaft zu fördern. Hierzu zählte nach Art. 3 Buchstabe c auch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Die Zielsetzung der Schaffung eines ge456

Segré-Bericht, S. 15 ff.

130

4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

meinsamen Kapitalmarktes erhielt erst 1986 durch die Einführung von Art. 8a EGV457 eine ausdrückliche vertragliche Regelung. Gleichwohl hinderte die bis 1994 geltende Fassung des Art. 67 Abs. 1 EGV eine zügigere Entwicklung eines gemeinsamen Kapitalmarktes, da Beschränkungen des Kapitalverkehrs nur aufzuheben waren, soweit es für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes notwendig war.458 Eine Änderung erfolgte erst mit Einführung des Art. 73b a.F. (Art. 56 n.F.) EGV, der den Abbau aller Beschränkungen fordert und im Gegensatz zu der bisherigen Regelung unmittelbar anwendbar ist. Art. 56 n.F. EGV ist damit die zentrale Bestimmung eines europäischen Kapitalmarktrechts und bildet eine der (rechtlichen) Grundlagen für die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Kapitalmarktes.459 Eine Bestimmung des Begriffs Kapitalverkehr enthalten weder die Verträge der Gemeinschaft noch ihr Sekundärrecht. Da auch der EuGH bislang keine Ausfüllung des Begriffs vorgenommen hat, ist weiterhin auf die Verwendung des Begriffs in der Kapitalverkehrsrichtlinie460 zurückzugreifen, obwohl diese infolge der Aufhebung von Artt. 67 ff. EGV ihre Rechtsgrundlage (Art. 69 und Art. 70 Abs. 1 EGV) verloren hat,461 denn der europäische Gesetzgeber wollte mit der primär-rechtlichen Verankerung den Stand der Kapitalverkehrsliberalisierung nicht zurückschrauben462. Insbesondere der Anhang I der Richtlinie, der eine nicht abschließende Aufzählung von Kapitalverkehrsgeschäften mit 13 Hauptklassen enthält, muss auch künftig zur Erfassung und Klassifizierung des Kapitalverkehrs herangezogen werden. Unter Kapitalverkehr wird hiernach die einseitige Werteübertragung in Form von Sach- oder Geldkapital, mithin Transaktionen, die zu Geldforderungen und Verpflichtungen führen, verstanden.463 457

Eingeführt durch Art. 13 der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28.2.1986. Vgl. zu den Folgewirkungen Gleske, in: Festschrift Groeben, S. 131, 132 ff. 459 Weber, EuZW 1992, 561; Grundmann, ZSR 137 (1996) 103, 105. 460 Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft (88/361/EWG) vom 24.6.1988 zur Durchführung von Art. 67 EGV, ABl-EG 1988 Nr. L 178/5. 461 Durch den Vertrag von Maastricht kam es zu einer vollständigen Aufhebung der bisherigen Artt. 67 bis 73 und Artt. 104 bis 109 EGV sowie zu einer Neuregelung des Kapital- und Zahlungsverkehrs in Artt. 73b bis 73g a.F. (Artt. 56 bis 60 n.F.). Inhaltlich basierten diese Bestimmungen größtenteils auf den Grundsätzen der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft (88/361/EWG) vom 24.6.1988 zur Durchführung von Art. 67 EGV, ABl-EG 1988 Nr. L 178/5; vgl. hierzu Weber, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Vorb. Artt. 56 bis 60 EGV Rz. 1. 462 Grundmann, ZSR 137 (1996) 103, 106; nach Ohler, WM 1996, 1801, wirkt die Kapitalverkehrsrichtlinie auf Grund der primärrechtlichen Regelungen der Artt. 73b ff. EGV als Rechtserkenntnisquelle. 463 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Art. 73b EGV Rz. 9; Kiemel, in: Groeben/Schwarze, Art. 56 EGV Rz. 1. 458

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

131

Verboten sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten selbst sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Staaten (Art. 56 Abs. 1 EGV). Es werden unmittelbare und mittelbare, aktuelle oder potentielle Behinderungen, Begrenzungen oder Untersagungen für den Zufluss, Abfluss oder Durchfluss von Kapital erfasst.464 Neben der Freiheit des Kapitalverkehrs sind auch die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit von Bedeutung für das europäische Börsenwesen.465 Unter dem Begriff der Niederlassungsfreiheit wird nach Art. 43 Abs. 2 EGV die Aufnahme und die Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine Angehörigen verstanden. Geschützt wird danach die Möglichkeit, sich aktiv durch direkte Erwerbstätigkeit in das Wirtschaftsleben des Gastlandes einzugliedern.466 Zudem enthält die Niederlassungsfreiheit ein Diskriminierungsverbot gegenüber EU-Ausländern.467 Die Dienstleistungsfreiheit (Artt. 49 ff.) ist gemeinschaftsrechtlich nicht definiert. Aus Art. 50 ergibt sich implizit, dass die Dienstleistungsfreiheit die Freiheit der Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in einem Mitgliedstaat umfasst, grenzüberschreitend in anderen Mitgliedstaaten gegen Entgelt tätig zu werden, ohne dass diese Tätigkeit den Vorschriften der Waren-, Kapitalverkehrsfreiheit oder der Freizügigkeit unterfällt. Die Dienstleistungsfreiheit in der Form des Anbietens der Dienstleistung in einem anderen Mitgliedstaat ist von der Niederlassungsfreiheit dahingehend abzugrenzen, dass eine lediglich vorübergehende Tätigkeit unter die Dienstleistungsfreiheit fällt.468 Erbringt der Finanzdienstleister seine Tätigkeit hingegen ganz oder überwiegend in einem anderen Mitgliedstaat, dann unterliegt die Ausübung dieser Tätigkeit der Niederlassungsfreiheit.469 Soweit es das Verhältnis der Grundfreiheiten zueinander betrifft, ist die Dienstleistungsfreiheit zu den anderen Freiheiten subsidiär. Liberalisierungen der mit dem Kapitalverkehr verbundenen Dienstleistungen der Finanzunternehmen sind danach im Einklang mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs durchzuführen.470 464 465 466 467 468 469 470

Weber, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 56 EGV Rz. 6. Siehe hierzu auch Stünkel, S. 44 ff. Tiedje/Troberg, in: Groeben/Schwarze, Art. 43 EGV Rz. 1 ff. EuGH, Rs. 71/76, Slg 1977, S. 777; Rs. C-221/89, Slg. 1991, I-3905, 3967. Vgl. Hakenberg, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 49/50 EGV Rz. 8. Vgl. EuGH, Rs. 205/84, Slg. 1986, 3755, 3801 f. Hakenberg, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), Art. 49/50 EGV Rz. 8.

132

4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Hingegen erfassen Niederlassung und Kapitalverkehr Verhaltensweisen eines Wirtschaftsteilnehmers, die einander ergänzen und sogar kumulativ anwendbar sein können. Bei den wechselseitigen Verweisungen in Art. 43 Abs. 2 EGV und Art. 58 Abs. 2 EGV zugunsten der jeweils anderen Grundfreiheit handelt es sich nicht um Ausnahmeregelungen, sondern um Hinweise auf die jeweils anwendbare Rechtsgrundlage. So stellt Art. 43 Abs. 2 EGV im Wege der Verweisung klar, dass die zur Niederlassung notwendigen Investitionen, Finanzierungen oder Transfers nicht nach den Artt. 43 ff. EGV, sondern nach den Artt. 56 ff. EGV zu behandeln sind.471

2. Konzepte der Rechtsangleichung Die bisherige Geschichte der Bemühungen, die regulatorischen Voraussetzungen für einen europäischen Kapitalmarkt zu schaffen, ist wechselhaft verlaufen. Zunächst wurde der Versuch einer Kodifikation eines einheitlichen Rechts auf Gemeinschaftsebene unternommen (Vollrechtsharmonisierung). Auf Grund der politischen Widerstände hiergegen folgte in den 80er Jahren der Vorschlag für die Schaffung einer europäischen Börse mit einem einheitlichen Rechtssystem. Schließlich verlegte man sich auf eine Mindestharmonisierung, bei der der europäische Gesetzgeber lediglich das Regelungsziel vorgibt, die Frage der Ausgestaltung aber den Mitgliedstaaten überlässt.

a) Vollrechtsharmonisierung Ausgangspunkt für die Kapitalverkehrsliberalisierung und damit auch der Börsenaufsicht in der EU waren die 1. und 2. Kapitalverkehrsrichtlinie von 1961 und 1962. Der An- und Verkauf börsennotierter Wertpapiere unterfiel danach der unbeschränkten Liberalisierung. Eine lediglich bedingte Liberalisierung erfuhr der Bereich der Wertpapieremission durch ausländische Markteilnehmer. Damit war es den Mitgliedstaaten weiterhin gestattet, Beschränkungen einzuführen oder aufrechtzuerhalten, sofern die nationale Wirtschaftspolitik dies erforderte.472 Der Segré-Bericht forderte eine Verbesserung der Funktionsfähigkeit der einzelnen nationalen Aktienmärkte. Nur so könne deren Integration erreicht werden und der Gemeinschaft zu einem adäquaten Finanzierungssystem verholfen werden.473 Mit Hilfe von Harmonisierungsmaßnahmen sollte eine wechselseitige Durchdringung der Kapitalmärkte und eine Markterweite471 472 473

Tiedje/Troberg, in: Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 43 EGV Rz. 18 ff. Hoppmann, Börsenrecht, S. 4. Segré-Bericht, S. 39.

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

133

rung gewährleistet werden, die sich zum Vorteil der kapitalsuchenden Unternehmen und Anleger auswirkt.474 Darüber hinaus sahen die Sachverständigen Handlungsbedarf bei der Information des Anlegerpublikums durch die Verbesserung der Publizitätsvorschriften.475 Eine Verbesserung der Publizität sei eine wesentliche Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte, da Anleger auf intransparenten Märkten nicht oder nur sehr zurückhaltend investieren würden. Es zeigte sich im weiteren Prozess allerdings, dass eine vollständige Harmonisierung und Liberalisierung des Kapitalverkehrs politisch nicht durchsetzbar war. Die Mitgliedstaaten wichen in der Umsetzung der auf Harmonisierung abzielenden Rechtsvorschriften erheblich voneinander ab.476 b) Europäische Börse und europäische Börsenaufsicht In den 80er Jahren sollte ein übernationaler Markt mit vereinheitlichtem Rechtssystem das Ziel eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes verwirklichen. Wymeersch stellte 1977 dieses Konzept in einer Studie vor, die er im Auftrag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angefertigt hatte. Danach sollte für regionale und kleine Wertpapiere ein Handel auf den nationalen Märkten organisiert werden.477 Für Werte, die über eine „beachtliche aktuelle oder potentielle internationale Streuung“ verfügen, sollte ein integrierter Handel durch ein automatisiertes Handelssystem stattfinden. Dadurch sollten die Effektenaufträge zentralisiert werden, um eine ausreichende Markttiefe und somit eine hohe Ausführungswahrscheinlichkeit zu erreichen. Die Behörde des Sitzlandes des Emittenten sollte dessen Wertpapiere zum Handel zulassen.478 Die Aufsicht nach der Zulassung der Wertpapiere sollte jedoch den jeweiligen nationalen Behörden obliegen, die nach einer zentral formulierten „Europäischen Börsenverfassung“ mit Vorschriften zur Publizität und zum Verhalten der börsennotierten Unternehmen erfolgen sollte.479 Die Regelungen für den integrierten europäischen Kapitalmarkt sollten durch ein bei der Kommission einzurichtendes Direktionskomitee erlassen werden. Die Aufsicht und das Sanktionsrecht sollten bei den Mitgliedstaaten verbleiben. Der Kommission 474 475 476 477 478 479

Segré-Bericht, S. 213 ff. Segré-Bericht, S. 237 ff. Hoppmann, Börsenrecht, S. 5; Servais, S. 11. Wymeersch, Effektenmarktaufsicht, S. 219. Wymeersch, Effektenmarktaufsicht, S. 221 f. Wymeersch, Effektenmarktaufsicht, S. 228.

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

wären gegenüber den Mitgliedstaaten Kontrollrechte eingeräumt worden, um Letztere zur Umsetzung und Anwendung der europäischen Regeln anzuhalten. Die Mitgliedstaaten wiederum wären gegenüber der Kommission zur Information über die Aufsichtstätigkeit verpflichtet gewesen480. In der Folgezeit wurde das von Wymeersch entwickelte Konzept allerdings nicht weiter verfolgt. c) Mindestharmonisierung auf Basis gegenseitiger Anerkennung und Heimatlandkontrolle Das Regelungskonzept der Vollharmonisierung konnte sich genauso wenig durchsetzen wie der Gedanke einer einheitlichen europäischen Börse. Mit dem Weißbuch der Kommission 1985481 und der Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 (EEA)482 wandelte sich daraufhin die Politik, hin zum Prinzip der Mindestharmonisierung und gegenseitigen Anerkennung nationaler Regelungen. Das Konzept der gegenseitigen Anerkennung erfährt seine Erweiterung durch das Prinzip der Heimatlandkontrolle. aa) Mindestharmonisierung Durch die Mindestharmonisierung findet eine Angleichung der nationalen Vorschriften durch europäische Vorgaben nur auf einem Mindestregelungsniveau statt. Den Mitgliedstaaten verbleibt damit die Möglichkeit, an strengeren nationalen Regelungen festzuhalten oder solche zu schaffen.483 Das Konzept der Mindestharmonisierung ist Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV), wonach die Gemeinschaft nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können.484 Die Richtlinien im Bereich des Wertpapierhandels sind, dies gilt zumindest für die Rechtsakte der 70er bis 90er Jahre,485 durch das Konzept der Mindestharmonisierung geprägt. Die Anwendung des Prinzips der Mindestharmonisierung auf den Bereich der Regulierung des Wertpapierhandels stieß auf Kritik, da durch einen weiten 480

Wymeersch, Effektenmarktaufsicht, S. 229 f.; Zusammenfassend zu weiteren Studien, die auf eine einheitliche europäische Börse abstellen, siehe Izquierdo, S. 335 ff. 481 Europäische Kommission, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, 1985. 482 EEA vom 17./28.2.1986: Schlussakte, ABl-EG 1987 Nr. L 169/1. 483 Streinz, Art. 95 EGV Rz. 42. 484 Streinz, Art. 95 EGV Rz. 45. 485 Zu den Änderungen im Rahmen des Aktionsplans Finanzdienstleistungen siehe unten II. 1. b).

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

135

Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Auslegung und Umsetzung des Gemeinschaftsrechts das Ausmaß der Realisierung der Grundfreiheiten allein von dem guten Willen der Einzelstaaten abhinge. 486 Dieser Kritik ist zuzustimmen. Die Erfahrungen auf dem Gebiet der Regulierung des Wertpapierhandels haben gezeigt, dass auf der Grundlage zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe in den Richtlinien die Mitgliedstaaten die damit verbundenen Interpretationsspielräume genutzt haben und sich daraus vielfach eine unterschiedliche Implementierung ergeben hat. Dies erfolgt zum einen auf Grund eines unterschiedlichen Verständnisses, zum anderen aber auch bewusst aus wirtschaftspolitischen Gründen. Entscheidend für diese Entwicklung ist, dass es an einer wirksamen Kontrolle der Umsetzung des harmonisierten Rechts fehlt.

bb) Gegenseitige Anerkennung Eng verknüpft mit der Methode der Mindestharmonisierung ist das Konzept der gegenseitigen Anerkennung. Gegenseitige Anerkennung bedeutet, dass die Regelungen eines anderen Mitgliedstaates der EU als gleichwertig anerkannt werden, auch wenn diese den eigenen rechtlichen Vorschriften nicht entsprechen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die unterschiedlichen nationalen Vorschriften gleichartige Ziele verfolgen.487 Durch das Konzept der gegenseitigen Anerkennung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass vielfach Harmonisierungsbemühungen gar nicht gelingen oder zumindest sehr langwierig sind. Durch die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen nationalen Vorschriften sollen die hinderlichen Wirkungen für den freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr infolge der fehlenden Harmonisierung beseitigt werden.488 Ausgangspunkt für das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung ist die „Cassis-de-Dijon“-Rechtsprechung des EuGH489 für den Bereich des freien Warenverkehr gewesen, nach der nur solche nationalen Beschränkungen zulässig sind, die notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen im Rahmen der Art. 38 (ex-Art. 30) EGV und Art. 30 (ex-Art. 36) EGV gerecht zu werden. Der Gedanke der gegenseitigen Anerkennung auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH für den freien Warenverkehr wurde durch die Verabschiedung des Weißbuchs der Kommission 1985 und der Einheitlichen Europäischen Akte 1996 auf alle Grundfreiheiten ausgedehnt. 486 487 488 489

Steil, The European Equity Markets, S. 132. Assmann/Buck, EWS 1990, 110, 114 f. Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 95 EGV Rz. 4a. EuGH, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837.

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Das Konzept der gegenseitigen Anerkennung hat zum Ziel, „Harmonisierungslücken“ zu überwinden, wobei auch eine wechselseitige Anerkennung unterschiedlicher Regelungen ein Mindestmaß an Angleichung voraussetzt. Jedoch hat das Konzept in der Praxis dazu geführt, die Harmonisierung des Rechts nur dort voran zu treiben, wo es unerlässlich war und auf ein unabdingbares Mindestmaß zu beschränken. Das eigentliche Ziel, einheitliche Rahmenbedingungen für die Erbringung von Finanzdienstleistungen zu schaffen, konnte damit nicht erreicht werden. Diesem Nachteil stehen aus Sicht von Teilen der Literatur Vorteile eines Regulierungswettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten, die mit dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung verbunden seien, gegenüber. Neben den mit einem Wettbewerb der Rechtssysteme grundsätzlich verbundenen Aspekten, stellt sich in diesem Zusammenhang darüber hinaus die Frage, ob das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung für die Regulierung des europäischen Wertpapierhandels geeignet ist, oder ob es hier nicht einer stärkeren Vereinheitlichung des rechtlichen Rahmens bedarf.490

cc) Heimatlandkontrolle Das europäische Kapitalmarktrecht sieht neben dem Konzept der gegenseitigen Anerkennung das Prinzip der Heimatlandkontrolle vor. Danach soll bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen die Aufsicht grundsätzlich durch das jeweilige Heimatland des Finanzdientsleisters, Emittenten oder Betreibers einer Handelsplattform durchgeführt werden.491 Ziel ist eine Liberalisierung des Zugangs zu den Finanzmärkten für die Handelsteilnehmer,492 da eine EU-weite Tätigkeit ausschließlich auf Grund der Heimatlandkontrolle möglich ist. Indes wird das Prinzip der Heimatlandkontrolle nicht durchgängig verwirklicht. Die Behörden des Aufnahmelandes haben teilweise eigene Kompetenzen gegenüber den auf dem Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats tätigen Unternehmen.493 Ermächtigungen für Eingriffe der Aufnahmelandbehörde gegenüber Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat sind in den kapital-

490

Hierzu unten II. 3. e). Siehe u.a. Art. 5 Abs. 1 MiFID, Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2003/71/EG vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl-EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64. 492 Europäische Kommission, Vollendung des Binnenmarktes, S. 27. 493 Siehe u.a. Art. 13 Abs. 9, Artt. 61, 62 MiID. 491

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494

marktrechtlichen Richtlinien nicht neu, ihre Reichweite wurde indes in letzter Zeit ausgeweitet,495 so dass es zu einem Überschneiden der Kontrolle von Herkunfts- und Aufnahmelandbehörde kommen kann mit der Folge erhöhter Belastungen und damit Kosten für das beaufsichtigte Unternehmen.

3. Instrumente der Rechtsangleichung a) Richtlinien Zentrales Regulierungsinstrument im Bereich der Harmonisierung des Börsen- und Kapitalmarktrechts ist bislang der Erlass von Richtlinien. Nach dem Wortlaut des Art. 249 Abs. 3 EGV sind Richtlinien für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und Mittel. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen Kompromiss zwischen den Erfordernissen einheitlichen Rechts innerhalb der Europäischen Gemeinschaften und größtmöglicher Bewahrung nationaler Eigentümlichkeiten handelt.496 Richtlinienkompetenzen wurden insbesondere in solchen Sachgebieten vorgesehen, in denen es um Angleichung und nicht um Vereinheitlichung nationalen Rechts ging.497 Die nach der Formulierung von Art. 249 Abs. 3 EGV grundsätzlich bestehende Freiheit bei der Wahl der Form und Mittel wird durch die Rechtsprechung des EuGH eingeschränkt. Danach sind nur solche Maßnahmen zu ergreifen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinien am besten geeignet sind.498 Die geschaffenen innerstaatlichen Vorschriften müssen demzufolge den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit genügen. Außerdem muss der einzelne Bürger Kenntnis von ihnen erlangen können und Rechtsschutzmöglichkeiten gegen sie haben.499 494 Siehe zur Kompetenzverteilung für die Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln Art. 11 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993 Nr. L 141/27; Köndgen, in: Ferrarini (Hrsg.), S. 115, 124 ff. 495 Siehe u.a. Art. 62 Abs. 1 Satz 2 MiFID; danach kann die Aufnahmelandbehörde unter den genannten Voraussetzungen alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um den Schutz der Anleger und ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Märkte zu gewährleisten. 496 Streinz, Europarecht, Rz. 385. 497 Ehlen, S. 80. 498 EuGH Rs. 48/75, Slg. 1976, 497, 517. 499 Schweitzer/Hummer, Rz. 360.

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Nach dem Wortlaut von Art. 249 Abs. 3 EGV besitzen Richtlinien keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten. Ihre Geltung tritt vielmehr erst dann ein, wenn die europäischen Normen in einzelstaatliches Recht umgesetzt worden sind. Dies gilt – nach Literatur und Rechtsprechung – aber dann nicht, wenn ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht fristgerecht umsetzt. Voraussetzung ist, dass die Vorschrift den einzelnen Bürger begünstigt und der Inhalt der Regelung unbedingt und hinreichend genau ist.500

b) Verordnungen Im Gegensatz zu Richtlinien haben Verordnungen gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV allgemeine Geltung. Sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Verordnungen ermöglichen den Erlass einheitlich geltenden materiellen Rechts für die Union. Verordnungen können nach der Verteilung der Rechtsetzungskompetenz im EG-Vertrag vom Parlament und dem Rat gemeinsam, vom Rat und der Kommission erlassen werden. Nach Art. 202, 3. Spiegelstrich und Art. 211, 4. Spiegelstrich können Parlament und Rat gemeinsam bzw. kann der Rat Befugnisse an die Kommission delegieren. Diese Ermächtigung ist nicht auf Befugnisse unterhalb der Verordnungsebene beschränkt, sondern erlaubt es, die Kommission auch über die ausdrückliche vertragliche Kompetenzzuweisung hinaus zum Erlass von Verordnungen zu ermächtigen.501 Adressaten können neben den Unionsorganen selbst auch die Mitgliedstaaten sein. Darüber hinaus sind typische Adressaten einer Verordnung juristische und natürliche Personen in den Mitgliedstaaten. Verordnungen können insofern unmittelbar auf die Bürger zugreifen, ohne dass es eines mitgliedstaatlichen Transformationsaktes bedarf.502

4. Rechtsgrundlagen Als rechtliche Grundlagen für ein Handeln der Gemeinschaft kommen mehrere Vorschriften in Betracht. Die Artt. 2, 3 Buchstabe c und h sowie Art. 14 EGV bestimmen die Ziele der Gemeinschaft. Danach ist ein gemeinsamer Markt 500 EuGH Rs. 41/74, Slg 1974, 1337; Rs. 222/84, Slg. 1986, 1691; BVerfGE 75, 223; Schweitzer/Hummer; Rz. 365; Lutter, JZ 1992, 593, 596. 501 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Art. 249 EGV Rz. 117. 502 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Art. 249 EGV Rz. 118.

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einschließlich eines integrierten Kapitalmarkts zu errichten. Der EG-Vertrag unterscheidet in Bezug auf Maßnahmen, die der Verwirklichung des Binnenmarktes dienen, zwischen speziellen und allgemeinen Ermächtigungen. Darüber hinaus sind an die jeweiligen Ermächtigungen unterschiedliche Abstimmungs- und Mitwirkungserfordernisse geknüpft. Spezielle Rechtsgrundlagen für die Verwirklichung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit enthalten die Art. 44 Abs. 2, Art. 47 Abs. 1 und 2, Art. 55 EGV. Gemeinschaftsmaßnahmen auf dem Gebiet der Regulierung des Wertpapierhandels stützen sich in erster Linie auf Art. 47 Abs. 2 EGV. Neben den speziellen sachgebietsbezogenen Kompetenznormen besteht die Generalklausel des Art. 94 (ex-Art. 100) EGV und die Regelung des Art. 95 (ex-Art. 100a) als Rechtsgrundlage für die vereinfachte Rechtsangleichung. Die auf Grund Art. 94 (ex-Art. 100) EGV erlassenen Richtlinien können sich auf alle Rechtsbereiche und auf alle Normen beziehen, sofern sie in einem unmittelbaren Funktionszusammenhang mit dem gemeinsamen Markt stehen.503 Nach Art. 95 (ex-Art. 100a) EGV erlässt der Rat gemäß dem Verfahren des Art. 251 EGV und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift ergibt sich somit aus der Reichweite des Binnenmarktes, abzüglich der speziellen Vorschriften für diesen Bereich, denen sich Art. 95 Abs. 1 EGV (exArt. 100a) für subsidiär erklärt, und die durch Absatz 2 ausdrücklich ausgenommen Materien.504 Im Gegensatz zu Art. 94 (ex-Art. 100) EGV ermöglicht Art. 95 (exArt. 100a) EGV eine erleichterte Beschlussfassung. So können Regelungen im Rat bereits mit einer qualifizierten Mehrheit verabschiedet werden. Ein Einstimmigkeitserfordernis ist nicht notwendig. Auf der Grundlage von Art. 95 EGV ist im Rahmen der jüngsten Gesetzgebungsvorhaben die Marktmissbrauchsrichtlinie505 verabschiedet worden.

503

Langeheine, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Art. 100 EGV Rz. 25. Streinz, Rz. 960. 505 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16; hierzu auch unten II. 1. b). 504

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5. Institutioneller Rahmen der Rechtsangleichung a) EU-Institutionen Neben Europäischem Rat und Europäischem Parlament wirken noch andere Institutionen am Prozess der Richtliniengebung auf dem Gebiet der europäischen Kapitalmarktregulierung unmittelbar oder mittelbar mit.506

aa) Europäische Kommission Die Europäische Kommission nimmt eine besondere Rolle im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsprozesses ein, da sie das Initiativrecht besitzt mit der Folge, dass der Rat bei der Rechtsetzung zumeist erst nach einem Kommissionsvorschlag tätig werden kann (vgl. Art. 251 Abs. 2 EGV). Die Kommission bestimmt daher maßgeblich die Gesetzgebung für Börsen und Finanzdienstleister. Darüber hinaus obliegt der Kommission die Implementierungskontrolle. Sie muss überwachen, ob die Richtlinien ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt werden. Ist dies aus Sicht der Kommission nicht der Fall, kann sie gegen den betreffenden Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EGV einleiten. Kommt ein Staat einem Urteil des EuGH wegen Nichtumsetzung einer Richtlinie nicht nach, so kann die Kommission nach Art. 228 Abs. 2 Satz 3 EGV einen Pauschalbetrag oder ein Zwangsgeld festsetzen. Schließlich enthalten die Richtlinien selbst Regelungen, die die Kommission mit besonderen Befugnissen ausstatten. So sieht beispielsweise Art. 65 MiFID vor, dass die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat nach Ablauf bestimmter Fristen Bericht über die praktischen Erfahrungen mit der Anwendung einzelner Richtlinienbestimmungen erstattet.

bb) Europäischer Wertpapierausschuss Als Ausfluss des so genannten Lamfalussy-Prozesses,507 mit dem das europäische Rechtsetzungsverfahren beschleunigt werden soll, wurde am 6. Juni 506

Einen Gesamtüberblick über die institutionelle Ausgestaltung der europäischen Finanzmarktregulierung gibt die Darstellung der Europäischen Kommission, Institutional Arrangements for the regulation and Supervision of the Financial Sector, 2000. 507 Siehe hierzu im Einzelnen unten II. 2.

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508

2001 mittels Kommissionsbeschlusses der Europäische Wertpapierausschuss (European Securities Committee/ESC) eingesetzt. Der Ausschuss hat zum einen die Aufgabe, die Kommission bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften zu beraten. Zum anderen hat er die Funktion, die Kommission im Rahmen des Komitologieverfahrens beim Erlass der Durchführungsbestimmungen zu unterstützen.509 Neben dem Wertpapierausschuss existieren der Beratende Bankenausschuss510, der Versicherungsausschuss511 sowie der OGAW-Kontaktausschuss512 mit ebenfalls beratender Funktion für die Kommission in den Bereichen Banken, Versicherungen und Investmentfonds.

cc) Financial Services Committee Mit Beschluss vom 3. Dezember 2002 hat der Rat (Wirtschaft und Finanzen)513 einen Bericht des Wirtschafts- und Finanzausschusses (WFA) über Regulierungstätigkeit, Aufsicht und Stabilität im Finanzsektor514 verabschiedet. In Folge dieses Beschlusses wurde als zentrales Gremium zur Beratung des Rates und der Kommission in Fragen der Finanzmarktpolitik das Financial Services Committee (FSC) eingesetzt, das aus der bisherigen Financial Services Policy Group (FSPG) hervorging. Der Vorsitz des Ausschusses wird von einem Mitgliedstaat wahrgenommen.515

508

Beschluss 2001/528/EG der Kommission vom 6.6.2001 zur Einsetzung des Europäischen Wertpapierausschusses, ABl-EG Nr. L 191/45. 509 Siehe hierzu im Einzelnen unten II.2. 510 Eingesetzt auf der Grundlage von Art. 11 der Ersten Richtlinie 77/780/EWG des Rates vom 12.12.1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl.EG vom 17.12.1977, Nr. L 322/30. 511 Richtlinie 91/675/EWG des Rates vom 19.12.1991 über die Einrichtung eines Versicherungsausschusses, ABl.EG vom 31.12.1991, Nr. L 374/32. 512 Eingesetzt auf der Grundlage von Art. 53 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20.12.1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), ABl-EG vom 31.12.1985, Nr. L 375/3. 513 Schlussfolgerungen des Rates, 14368/02 (Presse 361). 514 Abrufbar unter http://www.europa.eu.int/comm/internal_market/finances/docs/crosssector/consultation/efc-report_en.pdf. 515 Beschluss des Rates (Wirtschaft und Finanzen) zur Einsetzung des FSC vom 18.2.2003, ABl.EG vom 12.3.2003, Nr. L 67/17.

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a) Privatrechtliche Organisationen Ein großer Einfluss auf die Entwicklung des europäischen Rechts entsteht durch die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen. Dabei sind vor allem die International Organization of Securities Commissions (IOSCO), das Committee of European Securities Regulators (CESR) und die Federation of European Stock Exchanges (FESE) zu nennen. Bei den genannten Organisationen handelt es sich nicht um internationale Organisationen im Sinne des Völkerrechts. Es sind vielmehr privatrechtliche Zusammenschlüsse der jeweiligen Wertpapieraufsichtsbehörden und anderer Beteiligter. Völkerrechtlich verbindliche Rechtsakte können diese Organisationen nicht erlassen. Sie können jedoch eine Basis herstellen, auf der die Mitgliedstaaten dann wiederum tätig werden.516 Zudem ist ein darüber hinaus gehender Einfluss von CESR mit der Einführung der Lamfalussy-Standards in Umsetzung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen festzustellen, da die Arbeiten der Organisation nunmehr Bestandteil des europäischen Rechtsetzungsverfahrens sind. aa) International Organization of Securities Commissions (IOSCO) Die IOSCO ist ein internationaler Zusammenschluss der nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden aus inzwischen mehr als 90 Ländern und insgesamt 171 Mitgliedern.517 IOSCO wurde 1983 durch Umwandlung einer inter-amerikanischen Einrichtung in eine international tätige Organisation gegründet. Ziel der Arbeiten ist es, die internationale Zusammenarbeit der Wertpapieraufsichtsbehörden im Interesse der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte zu verbessern. Darüber hinaus sollen der Informationsaustausch zwischen den Aufsichtsstellen gefördert und gemeinsame Standards zur effizienten Überwachung der Wertpapiermärkte entwickelt werden.518 Zur Verwirklichung dieser Ziele verabschiedet die IOSCO so genannte Principles for Memoranda of Understanding. Auf der Grundlage dieser Prinzipien, die aus zehn Leitlinien für bilaterale Amtshilfevereinbarungen (Memoranda of Understandig) zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden bestehen, schließen die einzelnen Aufsichtsbehörden Amtshilfevereinbarungen ab. Hierin wer516

Ehlen, S. 84. Die Mitgliedschaft unterteilt sich in ordinary (zz. 105 Mitglieder), associate (zz. 9 Mitglieder) and affiliate (zz. 57 Mitglieder). 518 Siehe zum historischen Hintergrund und zur Aufgabenstellung von IOSCO http://www.iosco.org. 517

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den konkrete Standards festgelegt, wie beispielsweise die vertrauliche Behandlung von Informationen sowie die Verwendungsmöglichkeiten und das Verfahren des Informationsaustausches.519 bb) Committee of European Securities Regulators (CESR) CESR wurde mit Kommissionsbeschluss vom 6. Juni 2001520 eingesetzt. Der Ausschuss setzt sich aus hochrangigen Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden zusammen. CESR hat sich zum Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden zu koordinieren und damit eine einheitliche Implementierung des europäischen Kapitalmarktrechts sicher zu stellen. Mit dieser Zielsetzung veröffentlicht CESR Leitlinien, Empfehlungen und Standards. Darüber hinaus soll der Ausschuss die Kommission in technischen Fragen beraten. Damit wird eine Entwicklung fortgeschrieben, die sich für den Bereich der europäischen Wertpapiermarktregulierung bereits 1997 mit der Gründung des Forum of European Securities Commissions (FESCO) konkretisiert hat und institutionalisiert wurde. In einer gemeinsamen Charta hatten sich damals 17 europäische Wertpapieraufsichtsbehörden (die Behörden der fünfzehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die Behörden von Island und Norwegen) verpflichtet, eng zusammenzuarbeiten und gemeinsame Aufsichtsstandards für die Finanzmärkte zu entwickeln, um vor allem die Verbesserung des Anlegerschutzes sowie die Erhöhung der Integrität und Transparenz sicherzustellen.521 cc) Federation of European Stock Exchanges (FESE) In der FESE haben sich die Börsen der Europäischen Union, der Schweiz und Norwegens mit dem Ziel einer gemeinsamen Interessenvertretung zusammengeschlossen.522 Insbesondere sollen die Kooperationen zwischen den einzelnen Börsen verbessert werden. Darüber hinaus vertritt sie Interessen der angeschlossenen Börsen gegenüber den europäischen Institutionen.523 519

Hoppmann, Börsenrecht, S. 14. Beschluss der Kommission vom 6.6.2001 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (2001/527/EG), ABl.EG vom 13.7.2001, Nr. L 191/43. 521 Wittich, WM 1999, 1613; Höhns, S. 291 f. 522 http://www.fese.org/federation/organisation.htm. 523 http://www.fese.org/federation/mission.htm. 520

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II. Aktuelle Entwicklungen der europäischen Kapitalmarktregulierung Sind die Fortschritte auf dem Weg zu einem Finanzbinnenmarkt seit Anfang der 70er Jahre zwar insgesamt beträchtlich,524 so hatte sich doch spätestens seit Mitte 90er Jahre die Erkenntnis durchgesetzt, dass neben anderen integrationshemmenden Faktoren, wie Unterschieden in den Rechtssystemen, in der Besteuerung sowie politischen und kulturellen Schranken, auch ein bis dato lückenhaftes oder fehlendes europäisches Kapitalmarktrecht einen weiteren Integrationsfortschritt verhindert525. Regulatorischer Handlungsbedarf bestand insbesondere zur Beseitigung folgender Hindernisse: •

Fehlen einer EU-weiten Harmonisierung in zentralen Bereichen des Finanzmarktes mit der Folge unklarer Regelungen grenzüberschreitender Sachverhalte (z.B. rules of conduct).



Bestehen von Ausnahme- und Ermessenvorschriften in harmonisierten Bereichen, die im Rahmen der nationalen Umsetzung abweichende Regelungen ermöglichen und damit zu einer Schwächung des Prinzips der Herkunftslandkontrolle führen.



Teilweise unterschiedliche und/oder verspätete Umsetzung der Richtlinien in den Mitgliedstaaten.



Eingeschränkte Eignung der Regelungsstruktur, dem technologischen Wandel und den Strukturveränderungen der Märkte angemessen Rechung zu tragen (unter dem bisherigen Regelungsmechanismus hat die Annahme von Finanzmarktrichtlinien zwei bis drei Jahre gedauert und weitere ein bis zwei Jahre bis zu ihrer Implementierung in den Mitgliedstaaten).

Damit wurde deutlich, dass ohne einen einschneidenden Richtungswechsel bei der europäischen Finanzmarktregulierung der EU-Kapitalmarkt geschwächt und die Vorteile einer einheitlichen Währung nicht voll ausgeschöpft werden können.526 524

Zu den kapitalmarktrechtlichen Maßnahmen in dieser Zeit siehe u.a. Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 75 ff., 308 ff., 528 ff.; Grundmann, ZSR 137 (1996) 103, 109 ff.; Deckert/von Rüden, EWS 1998, 46, 47; Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), 307, 315 ff. 525 KOM(1998)626, S. 5; Schlussbericht des Ausschusses der Weisen, S. 16 f.; Moloney, CML Rev. 40 (2003) 809, 810. 526 Moloney, CML Rev. 40 (2003) 809, 810 f.

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1. Der Aktionsplan Finanzdienstleistungen a) Zielsetzung Die Kurskorrektur in der Finanzmarktregulierung leitete die Europäische Kommission mit dem Aktionsplan Finanzdienstleistungen ein, der den bisherigen Regelungsansatz der gegenseitigen Anerkennung und Herkunftslandkontrolle mit der Folge unzureichender Integrationswirkung ersetzen will durch den Entwurf für ein zusammenhängendes Regelungskonzept,527 das fünf Hauptziele verfolgt528: •

Die EU soll mit einem schlanken und modernen Regelungsrahmen ausgestattet werden, der einem sich rasch verändernden Finanzdienstleistungsmarkt Rechnung trägt,



noch verbleibende Kapitalmarktfragmentierungen sollen beseitigt werden, so dass die Kapitalaufnahme an den EU-Märkten billiger wird,



Nutzer und Anbieter von Finanzdienstleistungen sollen die Geschäftsmöglichkeiten, die ein einheitlicher Finanzmarkt bietet, unbeschränkt nutzen können; und gleichzeitig von einem hohen Ausmaß an Konsumentenschutz profitieren,



eine engere Koordinierung der Aufsichtsbehörden soll gefördert werden, und



als Grundlage für das Privat- und Firmenkundengeschäft soll eine integrierte EU-Infrastruktur entwickelt werden. b) Maßnahmen

Von den insgesamt 42 Maßnahmen des Aktionsplans zielen insgesamt 19 auf die Schaffung eines einheitlichen wholesale-Marktes in der EU. Hierzu gehören unter anderem die MiFID, die Prospektrichtlinie529 sowie die Markt527 Siehe zur Diskussion über die Frag der Existenz eines zusammenhängenden Harmonisierungskonzepts Assmann/Buck, EWS 1990, 110; Assmann, Ordo 1993, 87, 90 ff.; ders., AG 1993, 549, 555 ff.; ders., in: Hadding/Hopt/Schimansky (Hrsg.), S. 61, 76 ff.; Mülbert, WM 2001, 2085, 2088; Grundmann ZSR 137 (1996) 103, 124 ff.; auch unten 3. a). 528 Europäische Kommission, Aktionsrahmen, KOM(1998)626, S. 5. 529 Richtlinie 2003/71/EG vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.1993, Nr. L 345/64.

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missbrauchsrichtlinie530 und die Transparenzrichtlinie531. Darüber hinaus hat die Kommission zwei Mitteilungen532 über den Abbau von Barrieren in der grenzüberschreitenden Abwicklung von Wertpapiergeschäften veröffentlicht. In Form eines Aktionsplans möchte die Kommission eine Vielzahl von Initiativen einleiten, um die aus ihrer Sicht bestehenden Ineffizienz der derzeitigen grenzüberschreitenden Clearing- und Abrechnungssysteme in der EU zu beseitigen. Mit dem Ziel der Schaffung offener und sicherer Privatkundenmärkte befassen sich insgesamt neun Maßnahmen. Hierbei stehen Informationen und Verfahren zur Sicherstellung eines hohen Standards an Verbraucherschutz unter Vermeidung protektionistischer Maßnahmen im Vordergrund. Der rechtliche Rahmen will die Verbreiterung der Vertriebskanäle von Finanzprodukten fördern, z.B. im Wege des Fernabsatzes, sowie die Entwicklung eines sicheren, effektiven und kostengünstigen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs unterstützen.533 Mit dem Bereich „Aufsicht“ befassen sich zehn Einzelmaßnahmen, die das bisherige System der Finanzaufsicht im Interesse der Sicherung der Stabilität und Solidität der europäischen Finanzmärkte verbessern sollen. Angesichts recht unterschiedlicher Auffassungen der Mitgliedstaaten über die notwendige Weiterentwicklung des bestehenden Aufsichtsgefüges enthält der Aktionsplan eher kleinere Schritte, die auf eine engere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden zielen. Auf den Vorschlag, eine einzige Aufsichtsbehörde für die Überwachung der Wertpapiermärkte zu schaffen, hat die Kommission hingegen verzichtet, andererseits einen solchen Schritt im Lichte künftiger Marktveränderungen auch nicht ausgeschlossen.534 Vorläufig sehen die EU-Richtlinien das Erfordernis unabhängiger Verwaltungsbehörden in jedem 530

Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16. 531 Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2004, Nr. L 390/18. 532 Mitteilung der Kommission vom 28.5.2002 an den Rat und das Europäische Parlament, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Die wichtigsten politischen Fragen und künftigen Herausforderungen, KOM(2002)257endgültig; Mitteilung der Kommission vom 28.4.2004 an den Rat und das Europäische Parlament, Clearing und Abrechnung in der Europäischen Union – Künftige Maßnahmen, KOM(2004)312 endgültig. 533 Europäische Kommission, Aktionsplan, KOM(1999)232, S. 9 ff. 534 Europäische Kommission, Aktionsplan, KOM(1999)232, S. 13.

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Mitgliedstaat vor. Die Aufsichtsinstanzen sind zur Kooperation, gemeinsamen Untersuchungen sowie zum Austausch von Informationen verpflichtet (z.B. nach Art. 16 Marktmissbrauchsrichtlinie535, Artt. 56 ff. MiFID). Schließlich zielen die übrigen Maßnahmen auf die Verbesserung von allgemeinen Voraussetzungen für einen wettbewerbsfähigen Finanzbinnenmarkt. Hierzu gehören unter anderem die Beseitigung unterschiedlicher Steuerregelungen und die Schaffung eines effizienteren und transparenteren Rechtssystems für Unternehmensverfassungen.536 Mit der Umsetzung aller Maßnahmen des Aktionsplans bis 2005 ist ein umfangreiches Arbeitsprogramm zur Verbesserung des europäischen Rahmens der Finanzmarktregulierung, das nicht lediglich eine Anpassung bereits bestehender Richtlinien beinhaltet, sondern zahlreiche Neuregelungen umfasst, in signifikant kurzer Zeit bewältigt worden. Wesentliche Voraussetzung hiefür ist die neue Lamfalussy-Regelungstechnik, die durchaus als „Kulturenwechsel“ in der europäischen Finanzmarktregulierung bezeichnet werden kann.

2. Lamfalussy-Prozess a) Entstehungsgeschichte Unter französischer Präsidentschaft wurde im Juli 2000 der Ausschuss der Weisen unter dem Vorsitz von Baron Alexandre Lamfalussy ins Leben gerufen und erhielt den Auftrag, Vorschläge für eine effizientere Regulierungsstruktur auszuarbeiten. In seinem Schlussbericht537 sprach sich der Ausschuss für die Einführung neuer Rechtsetzungstechniken aus. Zur Begründung wiesen die Sachverständigen auf aus ihrer Sicht bestehende Lücken in der Gesetzgebung sowie auf die häufig fehlende EU-weite Anwendung der europäischen Finanzmarktgesetzgebung hin. Außerdem seien die Regelungsmechanismen zu schwerfällig und unzureichend für die Anforderungen moderner, sich rasch wandelnder Finanzmärkte. Das bisherige System führe zu einem hohen Bürokratisierungsgrad, unklaren Regeln und vor allem zu einer mangelnden Durchsetzung der Fi535 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16. 536 Europäische Kommission, Aktionsplan, KOM(1999)232, S. 14. 537 Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte, 15.2.2001.

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nanzmarktgesetzgebung.538 Zur Behebung der Defizite schlug der Ausschuss ein Vier-Stufen-Konzept als Regelungsstruktur bestehend aus Grundsätzen, Durchführungsmaßnahmen, Zusammenarbeit und rechtlicher Durchsetzung vor. Der Europäische Rat von Stockholm (23./24. März 2001) billigte den Schlussbericht539 des Ausschusses der Weisen und das darin vorgeschlagene Vier-Stufen-Konzept, das die gemeinschaftliche Rechtsetzung im Wertpapierbereich effizienter und transparenter machen soll. b) Neue Rechtsetzungstechnik Das neue Rechtsetzungsverfahren für den Bereich der Regulierung der Wertpapiermärkte ist dadurch gekennzeichnet, dass Gesetzgebungsvorhaben zunächst in Form von Rahmengesetzen konzipiert und anschließend durch Umsetzungsvorschriften ergänzt werden. Das hieraus resultierende Vier-StufenKonzept540 ist wie folgt ausgestaltet: Auf Stufe 1 sollen in Richtlinien oder Verordnungen, denen umfassende Konsultationen vorausgegangen sind, nur Grundsätze und Definitionen der Durchführungsbefugnisse für die Stufe 2 festgelegt werden. Auf dieser erlässt die Kommission die technischen Umsetzungsmaßnahmen unter Mithilfe der zwei neu geschaffenen Ausschüsse ESC und CESR541 und des Europäischen Parlaments. Die Durchführungsbestimmungen sollen durch die Mitwirkung von CESR erarbeitet und sodann mit qualifizierter Mehrheit – unter Beachtung des Komitologiebeschlusses542 – durch den ESC verabschiedet werden. Der Entwurf wird darauf hin dem Europäischen Parlament zugeleitet, das innerhalb eines Monats prüft, ob die Maßnahmen von der Ermächtigungsgrundlage auf Stufe 1 abgedeckt sind. Verneint das Parlament dies im Rahmen einer Entschließung, überprüft die Kommission ihren Vorschlag und berücksichtigt dabei die Haltung des Parlaments bestmöglich. Danach wird der Vorschlag von der Kommission angenommen. Auf Stufe 3 fällt CESR die Aufgabe zu, eine einheitliche Umsetzung und Auslegung der Rechtsakte der Stufen 1 und 2 si538

Schlussbericht des Ausschusses der Weisen, S. 19 ff. Der vollständige Text der Schlussfolgerungen des Rates ist abrufbar unter http://ue.eu.int/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/en/ec/00100-r1.%20ann-rl.en1.html. 540 Einzelheiten des Konzepts: Schlussbericht des Ausschusses der Weisen, S. 29 ff. 541 Siehe zu den beiden Ausschüssen Ausführungen unter I. 5. a) bb) und I. 5. b) bb). 542 Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (1999/468/EG), ABl.EG vom 17.7.1999, Nr. L 184/23. 539

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cherzustellen. Auf der letzten Stufe, auf Stufe 4, überprüft die Kommission die Anwendung der Rechtsakte in den Mitgliedstaaten.

c) Ausweitung des Rechtsetzungsverfahrens Ausgehend von einer gemeinsamen Initiative des britischen Schatzkanzlers Gordon Brown und des deutschen Finanzministers Hans Eichel wurde der Prozess einer Ausweitung der neuen Regelungsstrukturen auf andere Bereiche der Finanzmarktregulierung in Gang gesetzt. Auf Grund einer Empfehlung des Wirtschafts- und Finanzausschusses543 billigte der Rat im Oktober 2002 die Errichtung von Regulierungsausschüssen – entsprechend ESC und CESR – auch für Gesetzesvorhaben im Banken- und Versicherungsbereich einschließlich Renten. Zudem sollte ein dem ESC entsprechender Ausschuss zur Regulierung von Finanzkonglomeraten eingesetzt werden. Schließlich sollten die Zuständigkeiten von ESC und CESR um die Regulierung von Investmentfonds erweitert werden.544 Dem Rat folgend hat die Kommission durch entsprechende Beschlüsse im November 2003 die rechtlichen Grundlagen für die Einsetzung von Ausschüssen im Banken- und Versicherungsbereich geschaffen. Im Bankensektor hat das Committee of European Banking Supervisors (CEBS),545 im Versicherungssektor das Committee of European Insurance and Occupational Pensions Supervisors (CEIOPS)546 die entsprechenden Funktionen übernommen. Ziel der Maßnahmen ist eine engere Zusammenarbeit und Koordinierung der Aufsichtsbehörden sowie eine Verbesserung der Regulierungsstrukturen im gesamten Finanzmarktaufsichtsbereich als Antwort auf eine zunehmende Integration der europäischen Finanzmärkte.

543

Economic and Financial Committee (EFC), S. 23. Schlussfolgerungen des Rates vom 8.10.2002, abrufbar unter http:// ue.en.int/Newsroom. 545 Beschluss der Kommission vom 5.11.2003 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Bankaufsichtsbehörden (2004/5/EG), ABl.EG vom 7.1.2004, Nr. L 3/28. 546 Beschluss der Kommission vom 5.11.2003 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Aufsichtsbehörden für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (2004/6/EG), ABl.EG vom 7.1.2004, Nr. L 3/30. 544

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

3. Konsequenzen des Aktionsplans Finanzdienstleistungen und des Lamfalussy-Verfahrens für die Kapitalmarktregulierung Der Aktionsplan Finanzdienstleistungen und das Lamfalussy-Rechtsetzungsverfahren haben die EU dem Ziel der Schaffung eines Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen näher gebracht. Gleichwohl lässt das neue Recht, aber vor allem auch die neue Regelungstechnik, bereits aus der Vergangenheit bekannte Fragestellungen unbeantwortet. Darüber hinaus haben sich mit dem veränderten Ansatz der Finanzmarktregulierung aber auch neue Aspekte ergeben, die einer näheren Betrachtung bedürfen.

a) Übergeordnetes Konzept zur Schaffung eines integrierten europäischen Finanzmarktes Die Einführung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen/LamfalussyModels hat an der Tatsache nichts daran geändert, dass es in der EU immer noch kein gemeinsames Grundverständnis über die Ziele der Finanzmarktaufsicht und deren Gewichtung gibt und somit bislang auch keine Vereinbarung darüber getroffen wurde, mit welcher Art von Regulierung die EU ausgestattet werden sollte. So existieren beispielsweise weiterhin unterschiedliche Auffassungen darüber, welcher Grad an Harmonisierung für einen einheitlichen Finanzbinnenmarkt erforderlich ist. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, da andernfalls ein wirklich integrierter Markt nicht zu erreichen ist.547

b) Übertragung von Kompetenzen nach EG-Vertrag Die auf Grund des Lamfalussy-Berichts vollzogenen institutionellen Änderungen in der europäischen Finanzmarktgesetzgebung bedeuten eine Gratwanderung innerhalb des durch den EG-Vertrag austarierten politischen Machtgefüges zwischen Ministerrat, Europäischen Parlament und Kommission. Hinzugetreten sind mit den Sektorenausschüssen der jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden weitere gewichtige Teilnehmer des Gesetzgebungsverfahrens. Das Gemeinschaftsrecht verpflichtet die Gemeinschaftsorgane, auf der Grundlage des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung548 zur Wahrnehmung der in Art. 2 EGV niedergelegten und in Art. 3 EGV näher umschriebe547 Zur Notwendigkeit der Formulierung gemeinsamer Grundsätze siehe Schlussbericht des Ausschusses der Weisen, S. 29. 548 Hierzu näher unten 5. Teil, A. II. 3. a).

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

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nen Aufgaben nur insoweit tätig zu werden, als ihnen der Vertrag eine ausdrückliche Kompetenz einräumt549. Eine explizite Ausgestaltung des Grundsatzes der Begrenzung der Organbefugnisse auf ausdrückliche Kompetenzzuweisung findet sich in Art. 189 Abs. 1 EGV für das Parlament, in Art. 202 EGV für den Rat und in Art. 211 EGV für die Kommission. Auf der Grundlage des 3. Anstrichs von Art. 202 EGV kann der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften übertragen, die er erlässt. Gemäß Art. 211, 4. Anstrich EGV kann die Kommission die Befugnisse ausüben, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften überträgt. Nach dem Wortlaut werden danach nur Durchführungsbefugnisse vom Rat auf die Kommission übertragen, nicht hingegen die Kompetenz zum Erlass wesentlicher Bestimmungen. Auf der Grundlage von Satz 4 hat der Rat 1999 den Komitologiebeschluss550 erlassen. Danach soll das Regelungsverfahren angewandt werden „bei Maßnahmen von allgemeiner Tragweite, mit denen wesentliche Bestimmungen von Basisrechtsakten angewandt werden sollen, [ … ], sowie bei Maßnahmen, mit denen bestimmte nicht wesentliche Bestimmungen eines Basisrechtsakts angepasst oder aktualisiert werden sollen.“551 Indes bereitet es große Schwierigkeiten, im Einzelfall genau zu bestimmen, wo die Durchführung von Bestimmungen endet und der Erlass von wesentlichen Regelungen beginnt. Beispielhaft seien hier die Ermächtigungen in Art. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie552 und Art. 4 Abs. 2 MiFID genannt, die der Kommission die Befugnis einräumen, die jeweiligen Begriffsbestimmungen zu präzisieren. Über die Begriffsbestimmungen wiederum wird der Anwendungsbereich der Richtlinie definiert. Durch die auf Stufe 2 erlassenen Durchführungsbestimmungen kann somit auch auf die Bestimmungen des Anwendungsbereichs der Richtlinie Einfluss genommen werden, mithin auf wesentliche Regelungen der Stufe 1. Dieser Befund rechtfertigt bereits heute die Feststellung, dass die Europäische Kommission ihre Position bei der europäischen Finanzmarktregulierung wesentlich gestärkt hat.553

549

Bleckmann, § 7 Rz. 380. Beschluss des Rates vom 28.6.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Befugnisse (1999/468), ABl.EG vom 17.7.1999, Nr. L 184/23. 551 Erwägungsgrund Nr. 7 des Komitologiebeschlusses. 552 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16. 553 So auch Moloney, CML Rev. 40 (2003), 809, 814; ders., JCLS 4 (2004) 1, 6. 550

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Die Befürchtung, dass derartige konstitutionelle Fragen eines Tages auch von praktischer Relevanz werden könnten, ist nicht von der Hand zu weisen. Die europäische Finanzmarktregulierung ist auf Grund der erheblichen wirtschaftlichen Interessen, die damit verbunden sind, ein sensibles Thema. Die Auseinandersetzungen auf politischer Ebene um die Regelung der so genannten Internalisierung im Rahmen der Verhandlungen über die MiFID haben dies anschaulich gezeigt. Im Bewusstsein des politischen Konfliktpotentials hat sich die Kommission im Rahmen der Entschließung des Europäischen Rats von Stockholm dazu verpflichtet, auf Stufe 2 nicht gegen „predominant views“ im Rat zu agieren.554 Da nach wie vor sehr unterschiedliche Auffassungen unter den Mitgliedstaaten darüber bestehen, wie Kapitalmärkte reguliert werden sollten, ist auch die Möglichkeit des Aufeinanderprallens unterschiedlicher Sichtweisen über den Inhalt von Durchführungsbestimmungen gegeben. Darüber hinaus wird auch die weitere Rolle des Europäischen Parlaments abzuwarten sein. Die neue Regelungstechnik hat die Mitentscheidungskompetenz des Parlaments auf die Rahmengesetzgebung auf Stufe 1 beschränkt. Hingegen verfügt das Parlament im Rahmen der – zumindest in weiten Teilen – wichtigen Detailentscheidungen auf Stufe 2 bislang über keine Entscheidungsbefugnisse. Folge war eine eher reservierte Haltung des Parlaments gegenüber dem Lamfalussy-Verfahren555. Daraufhin hat sich die Kommission in einer Deklaration556 dazu verpflichtet, bis zu einer Klarstellung der gleichberechtigten Rolle von Rat und Parlament bei der Kontrolle der Kommission in Art. 202 EGV die Dauer der Delegation exekutiver Befugnisse an die Kommission auf vier Jahre vom Zeitpunkt des Inkrafttretens jeder Richtlinie zu begrenzen. Eine Verlängerung bedarf der Zustimmung von Parlament und Rat. Nach dem Scheitern der Annahme eines europäischen Verfassungsvertrages, der in Art. I-36 Rechtsklarheit über die Kompetenzverteilung schaffen sollte, müssen sich nunmehr Rat und Parlament auf eine gemeinsame Vereinbarung verständigen, die die Befugnisse der beiden Institutionen im Gesetzgebungsverfahren grundsätzlich klärt.557

554 Europäischer Rat von Stockholm am 23./24.3.2001, Schlussfolgerungen der Präsidentschaft, Annex 1, Resolution on More Effective Securities Market Regulation, para 1. 555 European Parliament, A5-0011/2002, S. 6 f. 556 Solemn Declaration by Romano Prodi, President of the EU Commission, 4.2.2002. 557 Siehe hierzu auch Global Risk Regulator, June 2005, 11.

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

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c) Beschleunigung des Gesetzgebungsprozesses Eines der wesentlichen Ziele der neuen Regelungsstruktur ist die Etablierung eines zügigeren Gesetzgebungsverfahrens, um mit den Veränderungen an den Kapitalmärkten Schritt zu halten. Nach Ansicht von Hertig und Lee558 ist das Lamfalussy-Prozedere ungeeignet, dieses Ziel zu erreichen, da die institutionelle Struktur nicht geeignet sei, die bisherigen Haupthindernisse für eine schnellere Gesetzgebung, nämlich nationalen Protektionismus und bürokratische Trägheit, zu überwinden. Hierfür sind nach Meinung von Hertig und Lee vor allem folgende Konstruktionsfehler des neuen Rechtsetzungsverfahrens verantwortlich: •

Der Europäische Wertpapierausschuss, der die Kommission beim Erlass der Durchführungsbestimmungen auf Stufe 2 beraten soll, spiegelt in kleinerer Form die Zusammensetzung des Rates (Wirtschaft und Finanzen) wider, da Mitglieder des Ausschusses ebenfalls Vertreter der jeweiligen Finanz- und Wirtschaftsministerien der Mitgliedstaaten sind. Die gleiche politische Diskussion, die bereits im Rat stattgefunden hat, wird sich daher auf dieser Ebene fortsetzen.



Auf Grund des im Wertpapierausschuss vom Rat abweichenden Abstimmungsprozederes (im Ausschuss genügt für die Annahme bereits die einfache Mehrheit) werden diejenigen Mitgliedstaaten, die befürchten, dass sie sich auf Stufe 2 mit ihren Ansichten nicht durchsetzen werden, versuchen, auch technische Regelungsfragen zum Gegenstand der Diskussion auf Stufe 1 zu machen mit der Folge, dass sich im Rat die Beratungen verlängern und lediglich unwichtige Fragen auf Stufe 2 delegiert werden.



Sofern hingegen die enge zeitliche Vorgabe, die Maßnahmen des FSAP bis 2005 umzusetzen, eingehalten wird, ist mit einer Qualitätseinbuße der europäischen Finanzmarktgesetzgebung zu rechnen.



Ein wirksames Kontroll- und Sanktionssystem zur Sicherstellung einer fristgerechten Umsetzung des harmonisierten Rechts fehlt; an der häufig verspäteten Umsetzung der europäischen Vorgaben durch die Mitgliedstaaten wird sich daher nichts ändern.

Dem pauschalen Vorwurf von Hertig und Lee, das Lamfalussy-Verfahren habe die eigentlichen Ziele, die Beseitigung nationalen Protektionismus und bürokratischer Trägheit, verfehlt, muss entgegengehalten werden, dass dies nicht Anliegen der neuen Regelungsstruktur ist und realistischerweise auch nicht sein kann; vielmehr muss mit diesen Hemmnissen die gesamte EU-Gesetzgebung leben. 558

Hertig/Lee, JCLS 3 (2003) 149, 154 ff.

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Anliegen des Lamfalussy-Prozesses ist hingegen die Verbesserung einzelner Elemente zur effizienteren Finanzmarktgesetzgebung, die kurzfristig umgesetzt werden können und keine Änderung des Primärrechts erforderlich machen. Als nicht zu unterschätzender Erfolg ist die Umsetzung der institutionellen Änderungen zu bewerten. Mit der geänderten Regelungsstruktur ist ein Verfahren eingeführt worden, das eine Auseinandersetzung zwischen Rat, Parlament und Kommission unter Einbindung von nationalen Aufsichtsbehörden und Marktteilnehmern ermöglicht mit dem Ziel, die Qualität der europäischen Finanzmarktregulierung zu verbessern. Soweit es die Kritik von Hertig und Lee an der Funktion des Europäischen Wertpapierausschusses betrifft, ist eine differenzierte Betrachtungsweise angezeigt. Ist im Rahmen der Richtlinienverhandlungen eine politische Einigung erzielt worden, laufen diejenigen Mitgliedstaaten, die eine Fortsetzung der Diskussion von politisch sensiblen Punkten im Rahmen des Ausschusses wieder beleben, Gefahr, dass auch Mitgliedstaaten Regelungen in Frage stellen, denen sie zuvor lediglich im Wege des Kompromissweges zugestimmt haben. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die im Wertpapierausschuss zur Beratung anstehenden Durchführungsbestimmungen Ergebnis der Arbeiten der jeweiligen Ausschüsse der Aufsichtsbehörden nach Anhörung der Marktteilnehmer sind. Dem Wertpapierausschuss (und den anderen beratenden Ausschüssen) wird es schwer fallen, dies zu ignorieren. Hingegen ist nicht völlig von der Hand zu weisen, dass bei den bisherigen Verhandlungen nach den neuen Verfahrensregeln eine Tendenz festzustellen ist, in der Rahmengesetzgebung auf Stufe 1 recht detaillierte Regelungen zu treffen. Dies mag zum einen von einem gewissen Argwohn gegenüber den möglichen Ergebnissen der Beratungen auf Stufe 2 begründet sein. Auf der anderen Seite dienen klare Richtlinienregelungen dazu, eventuelle Unklarheiten über Inhalt und Umfang des Mandats an die Regulierungsausschüsse zur Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen möglichst zu vermeiden. Darüber hinaus helfen konkretere Richtlinienbestimmungen mögliche Bedenken und Vorbehalte beim Adressatenkreis der Vorschriften möglichst frühzeitig abzubauen. Zweifelsohne ist der Zeitplan zur Umsetzung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen sehr ambitioniert. Die Praxis hat gezeigt, dass angesichts teilweise sehr komplexer Regelungssachverhalte mehr Zeit für eine sachgerechtere Auseinandersetzung mit Einzelfragen notwendig ist; dies kann naturgemäß nicht ohne Einfluss auf die Qualität des Rechts bleiben. Demgegenüber steht der Vorteil, die technischen Durchführungsbestimmungen zu ändern, ohne hierfür das gesamte für die Richtliniengebung vorgesehene Verfahren durchlaufen zu müssen. Eine Bewertung dieser Vorteile lässt sich erst in einigen Jahren vornehmen, wenn erste Änderungen vorgenommen wurden. Vor diesem Hinter-

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

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grund ist es sinnvoll, die Finanzintegration in dem Zeitraum 2005 bis 2010 zunächst zu konsolidieren und keinen weiteren Aktionsplan anzuschließen. Ziel ist es in den nächsten Jahren, die bestehenden Vorschriften in der Praxis umzusetzen und die Zusammenarbeit auszubauen.559 Im Hinblick auf die Rechtsetzungsgeschwindigkeit auf europäischer Ebene ist insgesamt festzustellen, dass diese zugenommen hat. Beispielhaft ist die Marktmissbrauchsrichtlinie zu nennen, deren Behandlung in 18 Monaten erfolgte (vom Zeitpunkt des Entwurfs im Juni 2001 bis zu ihrer Verabschiedung im Dezember 2002).560 Anders ist hingegen die Situation auf nationaler Ebene. Hier wird es vermutlich bei der teilweise verspäteten Umsetzung des europäischen Rechts in nationale Vorschriften verbleiben. Eine Beseitigung der Ursachen, die in der zunehmenden Komplexität der Regelungen, der Mehrstufigkeit nationaler Gesetzgebungsverfahren, vor allem aber auch in den begrenzten Ressourcen der EUKommission und der geringen Anzahl an Beschwerden zu sehen sind,561 steht bislang nicht auf der Agenda. Verbesserte Kontroll- und Sanktionsbefugnisse, die auf eine Änderung der bisherigen Praxis hoffen lassen könnten, fehlen auf europäischer Ebene nach wie vor. Zwar kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH anstrengen. Letztlich stellt diese Möglichkeit aber lediglich ein Notbehelf dar. An der rechtlichen Wirkung, dass die Regelungen grundsätzlich zwischen den Bürgern keine Wirkungen entfalten, solange die Umsetzung der Richtlinie nicht erfolgt ist, ändert sie nichts.562 Das Problem der verspäteten Umsetzung könnte sich unter Umständen noch in verstärkter Form stellen, da in den Zeiträumen, in denen bereits die Fristen zur Umsetzung von Richtlinien laufen, die Arbeiten an den technischen Durchführungsbestimmungen auf Stufe 2 noch nicht abgeschlossen sind, diese aber – je nach ihrem Regelungsgehalt – ebenfalls der Implementierung durch Gesetz (und nicht durch Verordnung oder Richtlinie der Aufsichtsbehörde) in nationales Recht bedürfen. Diese Problematik stellt sich hingegen dann nicht, wenn die Kommission die Durchführungsregelungen im Wege der Verordnung erlässt, da diese in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt. 559

Europäische Kommission, Grünbuch zur Finanzdienstleistungspolitik (2005 – 2010), 3.5.2005, abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/policy/index_ de.htm. 560 Im Übrigen betrug die durchschnittliche Verhandlungsdauer (bis zur Verabschiedung bzw. politischen Einigung) 20 Monate, s. Schaub, Journal of Financial Regulation and Compliance 2 (2005), 110, 112. 561 Hertig/Lee, JCLS 3 (2003) 149, 157. 562 Vogel, RabelsZ 65 (2001) 591, 605.

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

d) Einheitliche Umsetzung, Anwendung und Sanktionierung Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auf der Basis der Mindestharmonisierung kann nur dann seinen Integrationsbeitrag leisten, wenn die EURegeln zeitgerecht und einheitlich umgesetzt werden. Zudem muss in der Aufsichtspraxis eine übereinstimmende Auslegung und Anwendung erfolgen.563 Schließlich sind für den Fall der Verstöße gegen materielles Recht einheitliche Sanktionsstandards vorzusehen. Für den Fall der unzureichenden Implementierung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten muss ein zentraler Reaktions- und Sanktionsmechanismus vorgesehen werden. Ist dies nicht der Fall, dies zeigt das Beispiel der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993564, wird das Prinzip der Herkunftslandkontrolle durch die Einräumung umfangreicher Kompetenzen zugunsten der Gastlandbehörde eingeschränkt und somit das System des „full faith and credit“, das den Binnenmarkt gerade stärkt, empfindlich geschwächt.565 Bei der einheitlichen Umsetzung des materiellen Aufsichtsrechts muss sichergestellt werden, dass gleiche Sachverhalte im Rahmen der Umsetzung des europäischen Rechts auf einzelstaatlicher Ebene auch einheitlich geregelt werden. Die zu weitgehende Beibehaltung unterschiedlicher nationaler materieller Standards bei gleichem Regelungssachverhalt führt zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Staaten und verhindert eine weitere Vertiefung der Integration. Die Europäische Kommission versucht dieser Gefahr bei den neuen Richtlinien durch die Vorgabe sehr detaillierter Regelungen, bis hin zur Maximalharmonisierung in einigen Bereichen, entgegenzuwirken.566 Auf die Sicherstellung einer einheitlichen Umsetzung der Regelungen zielen auch die nach dem Lamfalussy-Verfahren auf Stufen 3 und 4 vorgesehenen Verfahren. Durch die Veröffentlichung von Richtlinien, Empfehlungen und 563

Schlussbericht des Ausschusses der Weisen, S. 46 f. Art. 11 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993 Nr. L 141/27, eröffnete durch die sehr allgemein gehaltene Regelung der so genannten rules of conduct für die Aufnahmelandbehörde die Möglichkeit, umfangreiche zusätzliche Anforderungen an die Verhaltenspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber den inländischen Kunden zu stellen. 565 Seidel, Festschrift Lukes, S. 575, 586. 566 So enthalten die Wohlverhaltensregeln (Art. 19 MiFID) derart genaue Vorgaben, die im Gegensatz zur früheren Regelung in Art. 11 der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993 Nr. L 141/27, einen nationalen Umsetzungsspielraum weitgehend ausschließen. 564

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

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Standards sollen CESR bzw. CEBS und CEIOPS eine einheitliche Transformation sicherstellen und hierzu entsprechende Methoden entwickeln.567 Diese sind indes nicht bindend, da die Mitglieder der Regulierungsausschüsse keine Kompetenz besitzen, für eine entsprechende Durchsetzung der ausgearbeiteten Vorschläge in den Mitgliedsländern zu sorgen. Folge kann damit auch auf dieser Ebene die ungleiche Umsetzung und Durchsetzung der Richtlinien, Empfehlungen und Standards sein. Das Problem kann sich noch dadurch verstärken, dass in den einzelnen Ländern unterschiedliche Behörden für die Überwachung des Wertpapierhandels und des Investmentwesens zuständig sind.568 Nicht nur auf die Umsetzung und Auslegung des harmonisierten Rechts, sondern auch auf die Ausgestaltung der Aufsicht und damit auf die Aufsichtsstandards versucht die Kommission stärker Einfluss zu nehmen. War es bislang in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt, welche Behörde mit der Durchführung der Aufsicht betraut wurde, oder ob sich die Zuständigkeiten auf mehrere Instanzen verteilen, so wird diese nationale Gestaltungsfreiheit durch die neuen Richtlinien zunehmend eingeschränkt. Sowohl nach der Marktmissbrauchsrichtlinie569 (Art. 11) als auch nach der Prospektrichtlinie570 (Art. 21 Abs. 1) kann von den Mitgliedstaaten nur eine einzige Behörde mit der Überwachung der Einhaltung der Vorschriften betraut werden. Neu sind ebenfalls sehr weitgehende Richtlinienvorgaben hinsichtlich der aufsichtsrechtlichen Befugnisse, mit denen die Aufsicht auszustatten ist. Beschränkte sich das Gemeinschaftsrecht früher auf das Erfordernis der Ausstattung der nationalen Aufsichtsbehörden mit den erforderlichen Befugnissen, so gibt das neue Recht das Eingriffsinstrumentarium, über das die Behörden verfügen müssen, detailliert vor.571 567

Art. 4.3 CESR Satzung. Goodhart u.a., S. 155. 569 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16. 570 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64. 571 Siehe Art. 12 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16; Art. 21 Abs. 3 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64; Art. 50 MiFID. 568

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Mit der Vorgabe von Standards für die Durchführung der Aufsicht versucht die Kommission zudem auf die Aufsichtsintensität Einfluss zu nehmen und diese anzugleichen. Dabei kommt es in den Mitgliedstaaten teilweise zur Kollision verwaltungsrechtlicher Eingriffsbefugnisse mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungskompetenzen (beispielsweise bei Beschlagnahmerechten). Auf Grund nationaler Unterschiede stößt eine Harmonisierung insoweit an ihre Grenzen bzw. hat zur Folge, dass die Eingriffsbefugnisse in einigen Mitgliedstaaten nicht in einer Hand liegen, sondern auf verschiedene Behörden verteilt sind. Ergänzt werden die Vorgaben zur Durchführung der Aufsicht durch die Standards für die Sanktionierung von Verstößen. Die europäischen Kapitalmarktrichtlinien machen hierfür nur sehr allgemeine Vorgaben. Danach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bei Verstößen gegen das harmonisierte Recht geeignete Verwaltungsmaßnahmen ergriffen oder im Verwaltungsverfahren Sanktionen verhängt werden können.572 Folge des Fehlens konkreter Vorgaben für die Ausgestaltung der Sanktionen ist ein sehr weitgehendes Ermessen der Mitgliedstaaten. Die damit verbundene unterschiedliche Ausgestaltung der Maßnahmen und Verfahren führt zu Wettbewerbsverzerrungen.

e) Zentralisierung der Regulierung und Aufsicht versus Wettbewerb der Rechtsordnungen und Aufsichtsbehörden aa) Ausgangslage Bei aller Zustimmung zum gesetzten Ziel, durch das Lamfalussy-Verfahren eine größere Konvergenz der nationalen Regulierungen herzustellen, erscheinen indes die Möglichkeiten einer verstärkten Kooperation der nationalen Aufsichtsbehörden und damit der Beitrag des neuen Verfahrens für eine stärkere Integration der Märkte in Anbetracht der zuvor aufgezeigten nationalen Unterschiede, die weiterhin fortbestehen, begrenzt. Dieses Ergebnis folgt aus der Tatsache, dass durch den Aktionsplan Finanzdienstleistungen und das Lamfalussy-Verfahren an dem Prinzip der gegenseiti572

Siehe Art. 14 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.EG vom 12.4.2003, Nr. L 96/16; Art. 25 der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64; Art. 51 Abs. 1 MiFID.

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

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gen Anerkennung auf der Basis einer Mindestharmonisierung sowie dem Grundsatz der Herkunftslandkontrolle im Kern nicht gerüttelt wird. Es verbleibt bei einem Netzwerk von Aufsichtsbehörden, dessen Effizienz durch ein erhöhtes Maß an Kooperation gesteigert werden soll. Als Grundlage dieser Prinzipien der europäischen Finanzmarktregulierung wird in der Literatur das Konzept des „Wettbewerbs der Rechtsordnungen“ gesehen, dass durch die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes ihren Ausdruck gefunden habe.573 Letzteres darf indes bezweifelt werden. Vielmehr sprechen die Ausführungen der Kommission eher für ein dahingehendes Verständnis, dass der Regulierungswettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten eine notwendige aber nicht wünschenswerte Folge der Mindestharmonisierung sei.574 Die Existenz eines „Wettbewerbs der Rechtsordnungen“ beantwortet aber noch nicht die Frage, ob ein Regulierungswettbewerb der europäischen Finanzmarktintegration am besten dient oder sich im Gegenteil sogar hinderlich darauf auswirkt. Eine Diskussion bzw. Verständigung hierüber hat es auf EUEbene nicht gegeben. Ein geschlossenes und allgemein anerkanntes System ist bislang nicht vorhanden. Gleichwohl wird einer weiter fortschreitenden Angleichung des europäischen Kapitalmarktrechts die Notwendigkeit eines funktionierenden Wettbewerbs der Rechtssysteme entgegengehalten.575 Damit erscheint es notwendig, Klarheit über die Voraussetzungen für einen funktionierenden Regulierungswettbewerb und seine Bedeutung für die europäische Finanzmarktregulierung zu erlangen.

bb) Voraussetzungen für einen funktionierenden Systemwettbewerb Ausgehend des von Tiebout576 1956 entwickelten Ansatzes sind die Befürworter eines Wettbewerbs der Regelungssysteme davon überzeugt, dass dieser die Märkte effizienter macht und die soziale Wohlfahrt steigert. Bei den Modellen des Systemwettbewerbs werden – im Rahmen einer Marktanalogie – die Staaten wie Unternehmer betrachtet, die um mobile Faktoren konkurrieren. Die Staaten bieten auf diesem Markt neben Infrastrukturgütern und Subventionen 573

So Steil, in: Cahle/Henderson (Hrsg.), S. 127, 132, ders., in: Tokyo Club Papers No. 10, S. 155, 171. 574 Scott-Quinn, in: Steil (Hrsg.), S. 121, 133 unter Hinweis auf Steil; so auch Prechtel, S. 236. 575 Siehe Hertig, Journal of International Economic Law, 2000, 349ff; ders., in: Esty/Geradin (Hrsg.), S. 218 ff. 576 Tiebout, Journal of Political Economy 64 (1956) 416.

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4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

vor allem Rechtsregeln an, die von mobilen Faktoren, vor allem dem Kapital und qualifizierten Arbeitskräften, nachgefragt werden, indem sie sich den Staat aussuchen.577 Die Einzelstaaten würden darauf mit einer effizienten Belastung der Faktoren Arbeit und Kapital reagieren, um eine Abwanderung zu verhindern.578 Die konkreten Eckdaten für einen funktionierenden Systemwettbewerb und damit das richtige Maß an Harmonisierung des Rechts im Interesse der Schaffung effizienter und stärker integrierter Märkte sind indes unklar. So ist unter anderem zu klären, welcher Ordnungs- und Rechtsrahmen für einen funktionsfähigen Systemwettbewerb erforderlich ist, und ob und inwieweit zwischen Rechtsgebieten zu differenzieren ist.579 (1) Die Diskussion im Gesellschaftsrecht Anknüpfungspunkt für die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Fragen ist die Diskussion über die Vor- und Nachteile eines Regulierungswettbewerbs im Gesellschaftsrecht,580 deren Vorläufer die Debatte um die Ausgestaltung des US-amerikanischen Gesellschaftsrechts581 ist. Unter Verweis auf die systematische Deregulierung des Gesellschaftsrechts des Staates Delaware582 galt in den USA der Regulierungswettbewerb als Einfallstor für ein „competition of laxity“ und „race to the bottom“. Seit den 80er und 90er Jahren mehren sich die Stimmen, die die mit einem Wettbewerb der Einzelstaaten um die Ansiedlung von Unternehmen einhergehende Deregulierung und Flexibilisierung als „race the top“ beurteilen.583

577

Müller, S. 29. Tiebout, Journal of Political Economy 64 (1956) 417 ff. 579 Müller, S. 30. 580 Für das europäische Gesellschaftsrecht u.a. Kolvenbach, U.Pa.J.Int.Bus.L. 11 (1990), 709; Abeltshauser, 11 Michigan Journal of International Law, (1990), 1235; Conrad, 89 Michigan L.Rev. (1991), 2150; Ebke, RabelsZ 62 (1998), 195; Blaurock, ZEuP 1998, 460; Habersack, S. 10 f.; Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545; ders. in: Kitagawa u.a. (Hrsg.), 2001, S. 321; Deckert, RabelsZ 64 (2000) 478; Grundmann ZGR 2001, 783. 581 Für das US-amerikanische Gesellschaftsrecht: Cary, Yale L. J. 83 (1974) 663; Winter, J.Leg.Stud. 6 (1977) 251; Bebchuk, Harv.L.Rev. 105 (1992) 1435; Romano, The Genius of American Corporate Law, 1993; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 1991. Drury, JCLS 5 (2005) 1. 582 Zum Delaware-Effekt ausführlich Merkt, Rabels 59 (1995) 545, 549 ff. 583 So u.a. Romano, 8 CLR 1987, 709. 578

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

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Als wesentliche Vorteile eines Regulierungswettbewerbs werden die Wahl und Vielfalt der Regulierung angesehen, die dem Verbraucher ermögliche, unter Produkten und Dienstleistungen zu wählen, die unterschiedlichen Regeln und Standards unterliegen. Darüber hinaus könne die Regulierung auf die speziellen wirtschaftlichen Bedingungen maßgeschneidert werden und verhindere komplexe und teure Harmonisierungsversuche. Schließlich werde eine Überregulierung vermieden und eine Verabschiedung von Regelungen auf der Grundlage von schlechten politischen Kompromissen unterbleibe. Vielmehr sorge der Wettbewerb durch die Marktkräfte für Vorschriften, die von den Verbrauchern gewünscht werden und die Vor-Ort-Kontrolle und Verantwortlichkeit liege in einer Hand.584 Im Ergebnis führe dies für Gesellschaft und Gesellschafter zu einer Reduzierung der Kosten und somit einer effizienteren Verwaltung und Unternehmensführung.585 Aus Sicht von Romano lässt sich die wohlfahrtssteigernde Wirkung eines Regulierungswettbewerbs auch anhand der Entwicklung der Börsenkurse von Gesellschaften belegen, die in das Gesellschaftsstatut von Delaware wechselten gegenüber der Kursentwicklung von Gesellschaften, die dem Recht eines anderen Staates unterstehen; die Börsenkurse der erstgenannten Gesellschaften entwickelten sich danach überproportional besser oder verschlechterten sich zumindest nicht.586 Auch für das europäische Gesellschaftsrecht wird die Forderung nach einer angemessenen föderalen Kompetenzverteilung zugunsten der Einzelstaaten erhoben. Es könne aus wirtschaftlicher Sicht vorzugswürdiger sein, auf eine umfassende Harmonisierung zu verzichten und den einzelstaatlichen Gliedern weitgehende Regelungsbefugnisse auch im wirtschaftsnahen Ordnungsbereich des Gesellschaftsrechts zu überlassen. Der legislatorische Wettbewerb könne hier als Verstärker von Erneuerungs- und Rationalisierungsbewegungen wirken, die unter traditionellen – etwa europäischen – Randbedingungen an der Schwerfälligkeit und Immobilität des politischen Prozesses zu scheitern pflegten.587 Indes wird sowohl in den USA als auch in Europa der Zusammenhang zwischen einem Wettbewerb der Rechtsordnungen und effizienteren rechtlichen Rahmenbedingungen in Frage gestellt.

584

Baldwin/Cave, S. 182 f. Carney, J.Leg.Stud. 1997, 303; Romano, Journal of Law, Economics, and Organization 1 (1985) 225, 228; Romano, American Corporate Law, S. 4 f. 586 Romano, in: Newman (Hrsg.), S. 367 ff. 587 Kübler, Krit. Vjschr. 1994, 79, 87; ders., AG 1994, 141, 145 ff. 585

162

4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Aus den Fällen des Marktversagens zog in der US-amerikanischen Diskussion Bebchuk die Konsequenz, grundsätzlich die Vorteile eines Regulierungswettbewerbs zu bejahen, jedoch bei Vorliegen von Informationsproblemen und Externalitäten einer Zentralisierung der Rechtsetzung den Vorzug zu geben.588 Noch einen Schritt weiter geht Roe, wenn er bestreitet, dass es zwischen der Gesetzgebung von Delaware und den gesetzgeberischen Maßnahmen der anderen Bundesstaaten einen nachweisbaren Zusammenhang gebe. Damit sei aber auch keine Aussage über die Gründe möglich, die zu den von zahlreichen Unternehmen bevorzugten rechtlichen Rahmenbedingen geführt haben. Zudem sei angesichts von Enron und Worldcom unklar, ob wirklich von einem „race to the top“ gesprochen werden könne.589 Vielmehr ist nach Ansicht von Roe der besonders starke Einfluss des Bundesgesetzgebers und der SEC auf die Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts von Delaware festzustellen. So verdrängen bundesstaatliche Regeln wie die Vorschriften zur Rechnungslegung einzelstaatliche Vorschriften. Aber auch allein die Möglichkeit, die Regelungsmaterie bundesstaatlicherseits an sich ziehen zu können, verfehle nicht seine Wirkung auf die Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts durch Delaware.590 Auch bei der europäischen Diskussion verschieben sich die Gewichte zugunsten einer zentralen Rechtsetzung. Zum einen wird darauf verwiesen, dass die Europäische Kommission von Anfang an darauf hingearbeitet habe, die Standortwahl der in Europa tätigen Unternehmen nicht an den gesellschaftsrechtlichen, sondern an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des jeweiligen Mitgliedstaates auszurichten.591 Nach Ansicht von Esty und Geradin müssen Rechtssysteme mit einem Maß an Kooperation und damit Harmonisierung errichtet sein, dass grenzüberschreitende Externalitäten und Marktversagen erfasst sind, aber mit dem ausreichenden Grad an Regulierungswettbewerb um ungezügelte, zu weit reichende und ineffiziente staatliche Strukturen zu verhindern. Wie diese Balance zwischen Harmonisierung und Wettbewerb auszugestalten ist, hänge von den einzelnen Umständen der Regulierungssituation und den wirtschaftlichen Integrationserfahrungen ab.592

588 589 590 591 592

Bebchuk, Harv.L.Rev. 105 (1992) 1435, 1458. Roe, Harv.L.Rev. 17 (2003), 590, 591. Roe, Harv.L.Rev. 17 (2003), 590, 600 ff. Habersack, § 3 Rz. 15. Esty/Geradin, in: Esty/Geradin (Hrsg.), XXV.

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

163

(2) Die Diskussion im Kapitalmarktrecht Die Diskussion über den Regulierungswettbewerb im Gesellschaftsrecht hat auch entsprechenden Eingang in das Kapitalmarktrecht593 gefunden. Ausgangspunkt der Debatte in den USA ist eine Kritik an der Regulierungspolitik und Aufsichtspraxis der SEC. Vorgeworfen wird der SEC zum einen eine Inkohärenz zwischen den Regeln und ihrer Durchsetzung, wobei die Regelungsziele akzeptiert werden. Zum anderen finde eine Überregulierung der Pflichtveröffentlichungen und Insiderregelungen statt.594 Schließlich erfolge durch die SEC eine zu weite extraterritoriale Anwendung des US-amerikanischen Wertpapierrechts.595 Ihre Kritik an der Wertpapierregulierung der SEC aus den 90er Jahren hat Romano jüngst erneuert und lehnt vor allem die SEC-Regeln zur Pflichtpublizität ab. Diese seien nicht effektiver als die freiwilligen Veröffentlichungen der Unternehmen und hätten keinen signifikanten Einfluss auf den Anlegerschutz.596 Als Konsequenz fordert Romano eine Wahlfreiheit der Emittenten bei der Entscheidung, unter welchem Rechtssystem die Zulassung der Wertpapiere erfolgen soll und das Unternehmen seinen Veröffentlichungspflichten nachkommt. Diese könne neben der SEC einer der 50 US-Bundesstaaten oder aber ein anderes Land sein. Der Regulierungswettbewerb solle zudem auf die Betrugsvorschriften erstreckt werden. Hingegen könne die Regulierung und Aufsicht über die Börsen bei der SEC verbleiben, da ein Wettbewerb der Regulierer auf diesem Gebiet keine nennenswerten Vorteile verspreche.597 Demgegenüber sieht Macey auch bei einer Verlagerung der Aufsicht über die Börsen auf die Ebene der Einzelstaaten Effizienzgewinne. Zwar seien die Vorteile eines Wettbewerbs bei der Regulierung der Wertpapierzulassung, den Veröffentlichungspflichten und der Betrugsbekämpfung größer als bei Börsen. Aber durch das Entstehen neuer Wettbewerber wie Alternative Trading Systems und das Intermarket Trading System habe sich auch hier eine Änderung

593

Kitch, in: Oditah (Hrsg.), S. 233 ff; Romano, Yale L.J. 107 (1998) 2359; dies., Competitive Federalism 2002; Wallmann, Bus.Law. 53 (1998) 341; Ogus, International and Comparative Law Quarterly 48 (1999) 405; Hertig, Journal of International Economic Law. 2000, 349. 594 Siehe Langevoort, Washington and Lee Law Review, 47 (1990) 527 f. m.w.N. 595 Romano, Yale L. J. 107 (1998) 2359, 2362; Choi/Guzman, Southern California Law Review 71 (1998), 903; Longstreth, Columbia Journal of Transnational Law 33 (1995) 319. 596 Romano, Competitive Federalism S. 13. 597 Romano, Competitive Federalism, S. 5.

164

4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

vollzogen, die die Annahme rechtfertige, ein Regulierungswettbewerb bei Börsen und anderen Handelsplattformen würde genauso funktionieren wie im Gesellschaftsrecht. Zudem sei die SEC stärker auf die Bank- und Händlergemeinschaft fokussiert und weniger auf die Emittenten und vernachlässige daher beim Erlass von Börsenregelungen die berechtigten Interessen der Investoren. So würden u.a. durch die Beschränkungen der SEC bei der Wahl der Handelsplattform für die zu handelnden Wertpapiere die Emittenten davon abgehalten, ihren eigentlichen Auftrag, die Maximierung des shareholder value, zu erfüllen.598 Eine dezentrale Regulierung und Aufsicht könne Wirtschaftbeteiligten eine Stimme geben, die von einer einzigen Behörde auf Grund der Einvernahme durch andere Interessengruppen ignoriert werde.599 Die Gegenposition verweist darauf, dass die Zuständigkeiten und Befugnisse der SEC Ergebnis eines Zusammenwachsens der Einzelmärkte in den USA sei.600 Darüber hinaus sei die Errichtung der SEC Ausdruck für das Bemühen, nach dem Börsenzusammenbruch von 1929 und den zahlreichen Unternehmenskonkursen wieder Vertrauen der Investoren in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes herzustellen und damit eine Eigenkapitalversorgung der Wirtschaft über die Börse zu ermöglichen. Angesicht der jüngsten Skandale wie Worldcom und Enron zeige sich die Notwendigkeit einer starken zentralen Aufsicht im Interesse des Vertrauensschutzes der Anleger. Eine Zuständigkeit durch einzelne Bundesstaaten sei angesichts der landesweiten Auswirkungen unangemessen.601 Bei näherer Betrachtung der US-Diskussion im Kapitalmarktrecht entsteht der Eindruck, dass sich die Auseinandersetzung unter dem Schlagwort „Regulierungswettbewerb“ mehr um die Frage dreht, welche Art von Regulierung angemessen ist und nicht so sehr darum, ob die SEC die einzig zuständige Aufsichtsbehörde sein sollte oder nicht.602 Die Diskussion über einen Regulierungswettbewerb zwischen der SEC und den Aufsichtsbehörden der Bundesstaaten hat demnach mehr mit Politik als mit der Erörterung einer ökonomischen und wirtschaftspolitischen Grundsatzproblematik zu tun.

598

Macey, in: Esty/Geradin (Hrsg.), S. 95, 105 ff. Coffee, Bus. Law 50 (1995) 447; Macey, Bus.Law 57 (2002) 1044. 600 Karmel, S. 2 f. 601 Karmel, S. 35 f. 602 Siehe hierzu auch Macey, CLR 15 (1994), 909; als Replik mit der Gegenposition Ratner, CLR 16 (1995) 1765; weiterhin zur Kritik an der Politik der SEC: Wallmann, The Bus. Law. 53 (1998) 341. 599

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

165

Soweit es die Diskussion um eine Zentralisierung der Finanzmarktaufsicht auf europäischer Ebene betrifft, besteht bislang eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber einer zentralen europäischen Aufsichtsinstanz.603 Dies mag zum einen auf der Sorge vor einem Zuwachs an Bürokratie beruhen sowie zum anderen Zweifel an der politischen Durchsetzbarkeit zum Ausdruck bringen.604 Hauptargument der Zentralisierungsgegner ist die nach ihrer Sicht fehlende Integration der europäischen Finanzmärkte. Die institutionelle Ausgestaltung und der Anwendungsbereich der Regulierung sollten sich dieser Meinung zufolge nach dem Ausmaß der Integration der Märkte richten. Solange die EUFinanzmärkte nicht stärker integriert seien, sei der single regulator kein wirksames oder effizientes institutionelles Model für die Europäischen Wertpapiermärkte.605 Vielmehr sollten auf EU-Ebene nur allgemeine Standards und Prinzipien festgelegt werden, die die nationalen Besonderheiten zu berücksichtigen haben. Diese Standards und Prinzipien sollten von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden und somit der Autonomie und Vielfalt der nationalen Märkte Rechnung tragen. Darüber hinausgehende Versuche der Konsolidierung und Zentralisierung würden zu Lasten der ökonomischen Effizienz der EUWertpapiermärkte gehen und die Kosten für die Verfügbarkeit des Kapitals bei Emittenten und Investoren erhöhen.606 Daneben spreche gegen eine exzessive Übertragung von Aufsichtsbefugnissen auf eine europäische Behörde die fehlende Verantwortlichkeit sowie das primärrechtlich verankerte Subsidiaritätsprinzip.607 Nach Ansicht der Befürworter einer dezentralen Aufsichtsstruktur erhöht das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung den Anreiz für ein „race to the top“. Voraussetzung für eine Differenzierung des rechtlichen Rahmens der Mitgliedstaaten und damit für einen Regulierungswettbewerb sei, dass die Mindeststandards nicht zu hoch angesetzt werden.608 Dieser Wettbewerb der Rechts- und Aufsichtssysteme sowie die Erbringung von grenzüberschreitenden Wertpapierdienstleistungen würden durch eine weitere Harmonisierung gefördert, da

603 Kern, Establishing a European Securities Regulator: Is the European Union an Optimal Economic Area for a Single Securities Regulator?, WP No. 7, 2002; Lastra, Columbia Journal of European Law 10 (2003) 49, 52. 604 Lannoo, Supervising, S. 19. 605 Kern, S. 7 ff.; Lannoo, in: Balling/Hochreiter/Hennessy (Hrsg.), S. 281 f. 606 Kern, S. 4 f. 607 Lastra, Columbia Journal of European Law 10 (2003) 49, 52, 54 f. 608 Hertig, in: Esty/Geradin (Hrsg.), S. 218, 219.

166

4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

der Spielraum für die Mitgliedstaaten für den Erlass von protektionistischen Maßnahmen eingeengt würde.609 Gleichzeitig würde eine Machtkonzentration auf europäischer Ebene vermieden und klare Verantwortlichkeiten und die notwendige Transparenz gewährleistet.610 Die Front der „Zentralisierungsverweigerer“ ist indes nicht mehr geschlossen. Die Möglichkeit der Schaffung einer europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörde wird bereits in verschiedenen Zirkeln diskutiert. Auch der LamfalussyBericht schließt eine derartige Entwicklung nicht aus, wenn er feststellt: „Sollte die Überprüfung [ … ] zeigen, dass das Konzept keine Aussicht auf Erfolg hat, könnte sich eine Änderung des EG-Vertrages und damit die Schaffung einer zentralen EU-Regulierungsbehörde für Finanzdienstleistungen generell in der Gemeinschaft als angemessen erweisen.“611

cc) Stellungnahme Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Idee des Systemwettbewerbs in Anlehnung an die US-amerikanische Diskussion zum Gesellschaftsrecht für das europäische Kapitalmarktrecht trägt, da die Voraussetzung für einen sinnvollen Regulierungswettbewerb in der EU nicht oder nur unvollkommen gegeben sind.612 Zunächst einmal mangelt es an der Vergleichbarkeit der Funktionen von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht. Das Gesellschaftsstatut einer Gesellschaft ist ein bestimmtes einzelstaatliches oder nationales Recht mit der Folge, dass die Kosten für Gründung und Rechtswechsel für das Unternehmen überschaubar sind; dies gilt erst recht nach den Entscheidungen des EuGH613 in Sachen Centros, Überseering und Inspire Art. Anders verhält es sich beim Kapitalmarktrecht: Die Kapitalaufnahme von großen Publikumsgesellschaften findet regelmäßig grenzüberschreitend statt. Eine Vielzahl von unterschiedlichen Rechtssystemen führt zu einer linearen Vervielfachung der Kosten. Auf Grund der somit fehlenden Faktormobilität ist nicht davon auszugehen, dass sich ein dem Gesellschaftsrecht vergleichbarer Regulierungswettbewerb auch auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts einstellen würde. 609

Hertig, in: Esty/Geradin (Hrsg.), S. 218, 228. Lastra, Columbia Journal of European Law 10 (2003) 49, 52. 611 Schlussbericht des Ausschusses der Weisen, S. 50 f.; zu den Vorschlägen für eine Zentralisierung der europäischen Kapitalmarktaufsicht im Einzelnen unten 5. Teil, A. II. 1. 612 So auch Merkt, RabelsZ 59 (1995) 545; Deckert, RabelsZ 64 (2000) 478, 489. 613 EuGH, Urt. V. 9.3.1999. Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459; Urt. v. 5.11.2002, Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919; Urt. V. 30.9.2003, Rs. C-167/01, NJW 2003, 3331. 610

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

167

Darüber hinaus kann die wohlfahrtssteigernde Wirkung eines Regulierungswettbewerbs durch verschiedene Faktoren begrenzt oder völlig ausgeschlossen werden. Die Limitierung kann insbesondere in Fällen des Marktversagens eintreten.614 Die die Entscheidungsfreiheit einschränkenden Faktoren, die zu einer Beschränkung oder einem Ausschluss von Wettbewerb und damit zu einem Marktversagen führen können, sind Monopole, im vorliegenden Zusammenhang des Regelgebers. Hierbei handelt es sich um ein öffentliches Gut, d.h. im Gegensatz zum privaten Gut wird die Konsummöglichkeit Einzelner nicht dadurch beschränkt, dass auch andere hieran teilhaben.615 Eine Marktmacht des Regelgebers kann auch durch die Harmonisierung des Rechts entstehen, wodurch Wahlmöglichkeiten beschränkt werden. Soweit diese bestehen, muss die Entscheidung auf informierter Basis getroffen werden.616 Zwischen der Schaffung von Wahlmöglichkeiten unter verschiedenen Rechtsordnungen und dem Vorhaben, einen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen zu schaffen, besteht ein grundsätzlicher Zielkonflikt. Wahlmöglichkeiten setzen Unterschiede und Abgrenzbarkeit des jeweiligen Rechts voraus. Genau dies ist aber im Hinblick auf die Errichtung eines integrierten europäischen Kapitalmarktes nicht das Ziel. Das Harmonisierungskonzept der EU will gerade die verschiedenen materiellen Standards angleichen und ist darauf gerichtet, unabhängig vom Sitz des zu beaufsichtigenden Unternehmens gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Die Ausübung der Wahlmöglichkeit setzt weiterhin voraus, dass Finanzdienstleister sowie Anleger über eine Informationsgrundlage verfügen, die ihnen die Entscheidung darüber ermöglicht, ob der Regelgeber die für das Unternehmen bzw. die Anleger optimalen Rahmenbedingungen schafft. Hierzu müssen die Nachfrager einen Vergleich zwischen den jeweiligen „Angeboten“ der Regulierer anstellen können. Für eine Bewertung werden die Unternehmen versuchen zu ermitteln, ob die erwarteten Gewinne die Informationskosten übersteigen. Hierüber entscheidet maßgeblich der erwartete Gewinn und somit der Wert der auf der Grundlage der Information geplanten Transaktionen.617 Jedoch sind Informationen über die Auswirkungen der Regulierung auf die Ertragssituation nicht erhältlich, zumindest aber schwierig gegenüber anderen Faktoren isoliert zu beziffern. Dies gilt insbesondere bei einem heterogenen rechtlichen Umfeld wie in Europa.

614 615 616 617

Müller, S. 32 ff.; Grundmann, ZGR 2001, 783, 793 ff. Müller, S. 34 f. Grundmann, ZGR 2001, 783, 794. Grundmann, ZGR 2001, 783, 799.

168

4. Teil: Kapitalmarktorganisation und Finanzmarktintegration

Aus Sicht der Anleger stellt sich eine Bewertung der jeweiligen Aufsichtssysteme ungleich schwieriger dar. Inwieweit in einem anderen Staat das dortige Recht einen effektiven Anlegerschutz gewährleistet, ist für den einzelnen Investor, insbesondere für den Privatanleger, regelmäßig nicht oder nur mit erheblichem Kostenaufwand einzuschätzen. Schließlich werden bei einer Vielzahl von Aufsichtsbehörden für Unternehmen und Verbraucher höhere Kosten produziert, da für die Auseinandersetzung mit mehreren Aufsichtsstellen mehr Zeit benötigt wird. Bei jurisdiktionsübergreifenden Sachverhalten besteht die Gefahr, dass Aufsichtsinstanzen, die miteinander im Wettbewerb stehen, nicht in der Lage sind, angemessen auf die jeweiligen Probleme zu reagieren und zusammenzuarbeiten. Gerarde hierzu sind die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten aber aufgrund der europäischen Richtlinien verpflichtet.

4. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die Analyse des aktuellen Stands der europäischen Kapitalmarktintegration ergibt sowohl in wirtschaftlicher als in rechtlicher Hinsicht eine Beschleunigung des Zusammenwachsens der Märkte, die sich in den Finanzsektoren unterschiedlich schnell vollzieht. Für einen hohen Integrationsgrad sind gemeinsame Marktinfrastrukturen und eine Standardisierung von Informationen kennzeichnend. Da hierfür auf Grund der Kosten hohe Handelsvolumina erforderlich sind, ist diese Entwicklung auf den wholesale-Bereich beschränkt. Das Anlage- und Risikomanagement institutioneller Investoren ist europäisch und international ausgerichtet. Finanzdienstleistungen im wholesale Bereich werden grenzüberschreitend erbracht. Den veränderten Kundenanforderungen folgend, begleitet von einem rasant fortschreitenden technologischen Wandel, hat sich auch im Bereich der Börsendienstleistungen ein erheblicher Strukturwandel vollzogen, der zu einem Verdrängungswettbewerb der kleineren, mehr national ausgerichteten Börsen führt. Die Konzentration auf einige wenige europaweit bzw. international ausgerichtete Handelseinrichtungen nimmt weiter zu. Die hierdurch hervorgerufenen signifikanten Veränderungen im Finanzsektor führen einerseits zu einer stärkeren Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschaftsraums. So erwartet London Economics bei einem vollständigen integrierten Finanzmarkt auf Grund der damit verbundenen Reduzierung der Kapitalkosten ein um 1,1 Prozent höheres Bruttoinlandsprodukt und einen

C. Die rechtliche Integration der europäischen Kapitalmärkte

169

Beschäftigungszuwachs von 0,5 Prozent (bei einem Anpassungszeitraum von 10 Jahren an das neue Gleichgewicht).618 Auf der anderen Seite ist jedoch nicht zu verkennen, dass sich gleichzeitig die Risiken verändern mit möglichen Folgen für die Funktionsfähigkeit des europäischen Kapitalmarktes und damit für die finanzielle Stabilität des Finanzsystems insgesamt. Damit ist eine effektive Aufsicht entscheidend für die weitere Integration der europäischen Kapitalmärkte. Mit dem Lamfalussy-Prozess wurde für die europäische Regulierung des Wertpapierhandels eine neue Rechtsetzungsstruktur implementiert, die eine schnellere Anpassung des europäischen Rechts auf die sich ständig verändernden Anforderungen des Wettbewerbs der internationalen Kapitalmärkte ermöglichen soll. An dem Prinzip der lediglich nationalen Kontrolle mit der Folge einer mehrfachen staatlichen Aufsicht, und zwar sowohl des Mitgliedstaates, in dem das Mutterinstitut seinen Sitz hat, als auch des Tätigkeitslandes, wurde hingegen festgehalten. Zwar ist das neue System durch eine stärkere Vereinheitlichung des Aufsichtsrechts sowie ein erhöhtes Maß an Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden gekennzeichnet. Gleichwohl verbleiben den Mitgliedstaaten noch erhebliche Ermessensspielräume bei der Umsetzung, vor allem aber bei der Anwendung, da die durch die Regulierungsausschüsse erarbeiteten Standards nicht bindend sind. Folge sind unterschiedliche rechtliche Anforderungen an die Unternehmen. Damit droht, dass das eigentliche Ziel, die Beseitigung regulatorischer Hindernisse auf dem Weg zu einem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen, verfehlt wird. Somit stößt das bisherige Konzept der Herkunftslandkontrolle, der gegenseitigen Anerkennung und einer verstärkten Kooperation zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden an seine Grenzen bei der Schaffung der für einen freien Wirtschaftsverkehr erforderlichen Rahmenbedingungen. Zur Beseitigung der Defizite ist eine stärkere Konzentration der Aufsicht erforderlich. Dabei steht die Regulierung des Wertpapierhandels, und hier wiederum die Aufsicht über Börsen und andere Handelsplattformen sowie über den an ihnen stattfindenden Handel, angesichts des Wandels der Marktorganisation vor völlig neuen Anforderungen, denen durch die Ausgestaltung der Aufsichtsstrukturen Rechnung zu tragen ist.

618 London Economics, Quantifikaltion of the Macro-Economic Impact of Integration of EU Financial Markets, S. 5.

5. Teil

Konzept für eine Reform der nationalen und europäischen Börsen- und Kapitalmarktaufsicht A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht Eine tiefgreifende wissenschaftliche Diskussion über die Frage der erforderlichen Struktur der Aufsicht als Beitrag für einen wirklich integrierten europäischen Finanzbinnenmarkt wird in Deutschland bislang nicht geführt. Es liegen bisher nur wenige Vorschläge für eine Zentralisierung der europäischen Aufsicht vor. Dem stehen weiterreichende Erörterungen in der englischsprachigen Literatur gegenüber, die ihren Anknüpfungspunkt in verschiedenen Initiativen aus Politik und Wirtschaft finden. Soweit es den Zentralisierungsprozess auf nationaler Ebene betrifft, haben die bereits in den 90er Jahren vorgelegten Vorschläge für eine Reform der Börsenaufsicht hinsichtlich ihrer institutionellen Ausgestaltung an Aktualität nicht verloren. Gegenüber der damaligen Situation könnten sich die Aussichten für ihre praktische Umsetzung vergrößert haben. So soll nach dem Willen von Bundestag und Bundesregierung die Zuständigkeit für die Börsenaufsicht vollständig auf den Bund übergehen. Mit Beschluss vom 7. November 2003619 hat sich der Bundestag für eine zentrale Börsenaufsicht ausgesprochen, um damit der Entwicklung eines integrierten europäischen Marktes für Finanzdienstleistungen durch die Schaffung effizienter nationaler Aufsichtsstrukturen Rechnung zu tragen620. Dem parlamentarischen Auftrag621 folgend, hat die Bundesregierung im Rahmen des 10-Punkte-Programms „Unternehmensintegrität und Anlegerschutz“ nicht nur erklärt, die börsengesetzlichen Vorschriften zur Regelung des Verhältnisses von Börsenaufsicht, öffentlich-rechtlicher Börse und Börsenträger 619 BT-Plenarprotokoll 15/73, S. 6336; Annahme der Beschlussempfehlung des BTFinanzausschusses vom 1.7.2003, BT-Drs. 15/1296, auf Grund des Antrages der SPDFraktion und Bündnis90/Die Grünen, BT-Drs. 15/930, S. 5. 620 BT-Drs. 15/930, S. 5. 621 Beschluss des BT vom 5.4.2002 zur Drucksache 257/02, siehe hierzu auch unten I. 4. a) bb) (5).

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

171

auf den Prüfstand zu stellen. Darüber hinaus soll das überkommene System der Teilung der Börsenaufsicht in Bundes- und Länderzuständigkeiten daraufhin überprüft werden, inwieweit es den hohen Anforderungen an Anlegerschutz und Effizienz noch entspricht, auch wenn sich die Bundesregierung angesichts der zu erwartenden politischen Auseinandersetzung über das beabsichtigte weitere Vorgehen bewusst zurückhaltend geäußert hat.622 Hinzu kommt – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden – eine ganze Reihe von rechtlichen Aspekten, die bei einer Übertragung der Börsenaufsicht auf den Bund zu berücksichtigen sind. Auch auf europäischer Ebene sehen Bundestag623 und Bundesregierung624 Handlungsbedarf und bejahen die Notwendigkeit einer integrierten Finanzaufsicht. Das bisherige System von 70 Aufsichtsinstitutionen in 25 Mitgliedstaaten müsse durch ein europäisches System der Finanzaufsicht abgelöst werden, damit die Reichweite der Aufsicht der Reichweite der Tätigkeit der Unternehmen entspreche. Entscheidend sei das Bestreben und die Gewähr, einheitliche Regeln auch einheitlich auszulegen und anzuwenden und damit Aufsichtskonvergenz zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund werden zunächst die bislang gemachten Vorschläge für eine Zentralisierung der Aufsicht auf nationaler Ebene dargestellt sowie die rechtlichen Möglichkeiten für deren Realisierung untersucht. Im Anschluss erfolgt eine Befassung mit den Zentralisierungsvorschlägen für eine europäische Börsen- und Kapitalmarktaufsicht und deren rechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten.

I. Zentralisierung der Aufsicht auf nationaler Ebene Auf nationaler Ebene ist die Frage einer Zentralisierung der Aufsicht und ihrer Ausgestaltung eng verknüpft mit der Rechtsnatur des Aufsichtsgegenstandes „Börse“. Im Folgenden soll daher zunächst die Rechtsnatur der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BörsG genehmigungspflichtigen Börse nach geltendem Recht näher untersucht und sodann auf die hieraus folgenden Konsequenzen für die Einordnung der Aufsicht über die Börsen eingegangen werden. 622

Siehe „Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Stärkung der Unternehmensintegrität“, Fortführung der Börsenreform und Weiterentwicklung des Aufsichtsrechts, abgedruckt bei Seibert, BB 2003, 693, 697. 623 Beschluss des BT vom 15.6.2005, BT-Drs. 15/5679, S. 13. 624 Position der Bundesregierung zur Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie, Wachstum und Beschäftigung für die Jahre bis 2010, Oktober 2004, S. 5; Bundeskanzler Schröder, Handelsblatt vom 26.10.2004, S. 5.

172

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

1. Rechtsnatur der Börse a) Börse als privatrechtliche Veranstaltung Nach einer älteren Auffassung ist die Börse nach geltender Rechtslage625 eine rein privatrechtliche Veranstaltung626. Zur Begründung wurde auf die privatrechtliche Natur der an der Börse getätigten Geschäfte verwiesen. Da die Abschlüsse von Wertpapiergeschäften rechtlich als Kaufverträge einzuordnen sind, diene die Börse somit letztlich einem privatrechtlichen Zweck.627

b) Börse als öffentlich-rechtliche Veranstaltung Die inzwischen herrschende Meinung628 geht hingegen zu Recht von der öffentlich-rechtlichen Natur der Börse aus. Dabei wird im Wesentlichen an die gesetzliche Ausgestaltung der Tätigkeit der Börsenorgane angeknüpft. So ergibt sich aus § 2 Abs. 4 und § 4 Abs. 3 BörsG, dass die Börsenaufsichtsbehörden und die Handelsüberwachungsstellen durch Verwaltungsakte handeln, da Widerspruch und Anfechtungsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung nur gegen Verwaltungsakte gerichtet werden können. Im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Organisationsform wird die Börse überwiegend als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts eingeordnet.629 Eine Anstalt ist ein Bestand von Mitteln, sachlichen wie persönlichen, welche in der Hand eines Trägers öffentlicher Verwaltung einem besonderen öffentlichen Zweck dauernd zu dienen bestimmt ist.630 Die Börse besitzt keine Vollrechtsfähigkeit, da ihr die umfängliche Rechtsfähigkeit des § 1 BGB fehlt und sie somit nicht als juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 89 BGB eingeordnet werden kann. Die 625 Zu den Vorschlägen für eine künftige privatrechtliche Börsenorganisation siehe unten 4. a) bb) (5). 626 Anschütz, VerwArch 11, 519 ff; Nußbaum, § 1 Rz. IVa. 627 Claussen/Hoffmann, ZBB 1995, 68, 71; Claussen, ZBB 2000, 1 ff.: neuerdings aber ebenfalls die Börse als Anstalt öffentlichen Rechts einordnend Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rz. 18 ff. 628 v. Olenhusen, S. 73 ff.; Peterhoff, in: Schäfer (Hrsg.) Kommentar, § 1 BörsG Rz. 32; Schneider/Burgard, WM 2000, Sonderbeilage 3, 24, 27; Hammen AG 2001, 549, 550, Posegga, WM 2002, 2402; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 1 BörsG Rz. 8; Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Rz. 60. 629 Franke, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 2 Rz. 16. 630 Maurer, Verwaltungsrecht, S. 610 ff.

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

173

Rechtsfähigkeit der Börse kann nicht auf Grund der Regelungen des Börsengesetzes angenommen werden. Voraussetzung für die Entstehung juristischer Personen ist allgemein eine gesetzliche Grundlage. Die staatliche Genehmigung gegenüber dem Börsenträger, durch dessen Organisationsakt die Börse entsteht, reicht dazu nicht. Die Genehmigung hat die Funktion, die Börse zu errichten und dem Träger mit dem Betrieb und Erhalt der Börse zu beleihen.631 Hingegen folgt eine Teilrechtsfähigkeit der Börse aus der Möglichkeit, in verwaltungsgerichtlichen Verfahren selbst zu klagen und verklagt zu werden (§ 13 Abs. 6 BörsG). Ursächlich hierfür ist, dass das öffentlich-rechtliche Handeln der Börsenorgane der Börse und nicht dem Träger zugerechnet wird. Die Börse ist mithin in diesem Bereich selbst Träger von Rechten und Pflichten.632

2. Börsenaufsicht als Teil der Staatsaufsicht Für die staatliche Börsenaufsicht folgt aus der Einordnung der Börsen als öffentlich-rechtliche Institution, dass es sich dabei um eine Staatsaufsicht im organisationsrechtlichen Sinne handelt. Aufsichtsobjekte dieser Staatsaufsicht sind die mit dem Recht der Selbstverwaltung ausgestatteten Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen.633 Diese auch als Staatsaufsicht im engeren Sinne bezeichnete Aufsicht ist die Kehrseite der staatlichen Verleihung des Selbstverwaltungsstatus an öffentlich-rechtliche Verwaltungsträger.634 Aufgabe der Staatsaufsicht ist es, die Funktionen des Selbstverwaltungsträgers zu beobachten und gegebenenfalls zu berichtigen.635 Sie soll auch fördernd auf die ihr unterliegenden Institutionen einwirken, um sicherzustellen, dass diese den öffentlichen Aufgaben dienen, zu deren Erfüllung sie errichtet wurden.636

631

Beck, in: Schwark (Hrsg. ), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 1 BörsG Rz. 10. Hammen, AG 2001, 549, 550; Kümpel/Hammen, Börsenrecht, S. 91 f. 633 Salzwedel, VVDStRL 22, 206, 207 und 216; Kahl, S. 365; Burgi, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), § 52 Abs. 5 Rz. 39. 634 Salzwedel, VVDStRL 22, 206, 211; Forsthoff, S. 478. 635 Salzwedel, VVDStRL 22, 206, 213. 636 Vgl. BT-Drucks. 3/1114, S. 26. 632

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

3. Die Vorschläge a) Aufgabenübertragung auf den Bund Soweit es die Frage einer zentralen Aufsichtsinstanz auf nationaler Ebene betrifft, spricht sich die h.M.637 für eine Zusammenführung der staatlichen Letztaufsicht auf Bundesebene aus. Nach Ansicht der Verfasser des Börsenreformgutachtens sollte der gesamte Bereich der Wertpapierdienstleistungen einschließlich der Börsendienstleistungen für Wertpapierfirmen, Börsen und börsenähnlichen Einrichtungen ein oder zwei selbständigen Bundesoberbehörden zugeordnet werden.638 Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die bisherige Aufsicht über die Börsen durch die Länder auf Grund von Größen- und Verbundvorteilen einer zentralen Marktüberwachung redundant sei. Zudem sei eine vergleichbare Zersplitterung der Aufsicht ohne Beispiel im Ausland und in Deutschland lediglich Ergebnis eines politischen Kompromisses.639 Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben sehen die Gutachter die Möglichkeit für den Bund, auf der Grundlage von Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG die Börsenaufsicht an sich zu ziehen und auf eine Bundesoberbehörde zu übertragen.640 Soweit es das nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG bestehende Erfordernis betrifft, dass eine Bundesoberbehörde ohne Mittel- und Unterbehörden die Aufgabe erfüllen muss, anderenfalls die Aufgabenübertragung der Zustimmung der Länder bedürfte, müsste diesem durch eine entsprechende Ausgestaltung der Überwachungsaufgaben der Handelsüberwachungsstellen der Börsen Rechnung getragen werden. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer solchen Ausgestaltung der Börsenaufsicht ist nach Auffassung der Gutachter der rechtliche Status der Börsen. Diese sollten künftig nicht mehr öffentlich-rechtlich, sondern privatrechtlich organisiert sein.641 637

Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Kapitalanlagerecht, S . 17 f.; SchneiderGädicke, ZfgK 1990, 336, 338; v. Rosen, WM 1991, 623; ders., ZfgK 1992, 276, 276 f.; Claussen, DB 1994, 969 ff.; Kümpel, WM 1994, 229; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 449 ff.; dies., WM 1997, Sonderbeilage 4, S. 19 f.; Baums/Segna, S. 80 ff.; Muess, ZBB 1997, 15, 17; ders., Die Börse, S. 228; Hellwig, ZGR 1999, 781, 810; Wittich, WM 1999, 1613; Monopolkommission, Sondergutachten, S. 60; Köndgen, Festschrift Lutter, 2000, 1401, 1418 f.; Höhns, S. 289; Merkt, Gutachten, G 122. 638 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 449 ff. 639 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 450. 640 Zustimmend Köndgen, Festschrift Lutter, 2000, 1401, 1419. 641 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform S. 451 f.; Baums/Segna, S. 85 ff.

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

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Darüber hinaus sprechen sich die Gutachter für die Schaffung einer gemeinsamen, börsenplatzübergreifenden Handelsüberwachungsstelle aus. Eine solche Zusammenlegung der Kompetenzen diene einer effizienteren Erfassung des Marktgeschehens und führe darüber hinaus zu Ersparnissen bei den Transaktionskosten.642 Die Gegenposition verneint die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Übertragung der Börsenaufsicht auf den Bund mit dem Argument, der erforderliche Nachweis der Unabweisbarkeit der Zentralisierungsnotwendigkeit sei bisher nicht geführt worden, um die Zuständigkeitsvermutung der Länder nach Art. 83 GG durchbrechen zu können. Die Bundesbehörde bedürfte für eine effiziente Aufgabenwahrnehmung weiterhin der Handelsüberwachungsstellen der Börsen und somit eines Verwaltungsunterbaus. Der hierfür jedoch notwendige dringende Bedarf, der sich zudem auf die Wahrnehmung neuer Aufgaben richten müsste, läge jedoch nicht vor.643

b) Aufgabenübertragung auf eine gemeinsame Bund-Länderbehörde Als Alternative zu einer ausschließlich durch den Bund wahrzunehmenden Aufsicht wird eine Übertragung auf eine gemeinsame Bund-Länderbehörde diskutiert, die möglicherweise dezentral mit Außenstellen an den jeweiligen Börsenplätzen organisiert sowie – im Interesse der Erreichung eines politischen Kompromisses – mit Personal aus den Länderverwaltungen auszustatten wäre.644

4. Rechtliche Möglichkeiten a) Aufgabenübertragung auf den Bund Eine Zentralisierung der Börsenaufsicht könnte auf nationaler Ebene durch eine Aufgabenzuweisung an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erfolgen. Die Bundesanstalt ist bereits heute für die Überwachung von wesentlichen Teilen des börslichen Handels zuständig (Insiderhandelsverbot, Verbot der Marktmanipulation). Bei einer Aufgabenzuweisung an die Bundes642 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform S. 445 f.; ebenso Merkt, Gutachten, G 121 f. 643 Kurth, WM 1998, 1715; ders., ZfgK 1998, 553, 560; zustimmend hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Problematik Breitkreuz, S. 339 f. 644 Merkt, Gutachten, G 123; ders., NJW-Beilage 2002, 41, 46; vgl. auch Hellwig, ZGR 1999, 781, 810.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

anstalt läge dann die Gesamtzuständigkeit für die Überwachung des börslichen und außerbörslichen Wertpapierhandels beim Bund.

aa) Verfassungsrechtliche Grundlagen (Art. 87 Abs. 3 Satz 1GG) Das Grundgesetz sieht als Grundsatz für die Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern die Zuständigkeit der Länder vor (Art. 30 GG). Dies gilt insbesondere für die Ausführung von Bundesgesetzen. Gemäß Art. 83 GG führen die Länder die Bundesgesetze aus, soweit das Grundgesetz nichts anderes zulässt und bestimmt. Die Möglichkeiten bundeseigener Verwaltung sind im Grundgesetz abschließend geregelt. Eine solche Regelung stellt Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG dar. Danach ist es dem Bund gestattet, für Angelegenheiten, für die ihm die Gesetzgebungskompetenz zusteht, selbständige Bundesoberbehörden durch Bundesgesetz zu errichten. Zudem vermittelt Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG die Kompetenz zum Erlass der diesbezüglichen Gesetze.645 Der Bund besitzt die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Börsenwesen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) und ist somit in der Lage, die Ausführung des Börsengesetzes über Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG an sich zu ziehen. Dabei bedarf es nicht der Schaffung einer neuen selbständigen Bundesoberbehörde. Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG beinhaltet auch die Befugnis, bereits bestehenden Bundesoberbehörden neue Aufgaben zu übertragen.646 Gesetze nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates.647 Ein Gesetz, mit dem die Zuständigkeit für die Börsenaufsicht auf die Bundesanstalt übertragen würde, hinge damit nicht von der Zustimmung der Länderkammer ab. Dies ist für die bisher vor allem politisch geführte Diskussion über dieses Thema von Bedeutung. Die Länder haben sich bislang ausdrücklich gegen eine Zentralisierung der Börsenaufsicht ausgesprochen.648 Zweifellos würden durch ein entsprechendes Gesetz die Länderbelange in besonderem Maße berührt. Indes sind die Fälle der zustimmungsbedürftigen Gesetze im Grundgesetz abschließend geregelt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 84 Abs. 1 GG. Danach kann durch Bundesgesetz auf dem Gebiet der landeseigenen Verwaltung mit Zustimmung des Bundesrates die Behördeneinrichtung und das Verfahren der 645

Burgi, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 87 GG Rz. 113. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 87 GG Rz. 7; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87 GG Rz. 13. 647 Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Art. 87 GG Rd. 71; Britz, DVBl 1998, 1167, 1170 f. 648 Beschlüsse der Wirtschaftsministerkonferenz vom 25.11.1998 und 23.2.2000, abrufbar unter www.boersenaufsicht.de/wimiko.htm. 646

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Landesbehörden geregelt werden. Wird jedoch das Verwaltungshandeln der Länder auf einem bestimmten Gebiet beendet, wie dies bei einer Zentralisierung der Börseaufsicht auf Bundesebene der Fall wäre, kann nicht von einer Einrichtung der Behörden und einer Regelung des Verwaltungsverfahrens im Sinne von Art. 84 Abs. 1 GG gesprochen werden.649

bb) Errichtung einer selbständigen Bundesoberbehörde ohne Mittel- und Unterbehörden und ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder Aus dem Begriff der selbständigen Bundesoberbehörde im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG ergibt sich, dass sie nur für Aufgaben errichtet werden kann, die der Sache nach für das ganze Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau wahrgenommen werden können. Bedarf die Bundesoberbehörde hingegen eines Verwaltungsunterbaus, kann dieser gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG nur mit Zustimmung des Bundesrates errichtet werden. Neben dem Erfordernis des Verzichts auf einen eigenen Unterbau hat das BVerfG650 gefordert, dass die selbständige Bundesoberbehörde auch nur für Aufgaben errichtet werden kann, die ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder wahrgenommen werden können. Auch bei einer Zentralisierung der Börsenaufsicht erscheint es sachgerecht, eine Überwachung in unmittelbarer räumlicher Nähe des Handels beizubehalten wie sie von den Handelsüberwachungsstellen nach geltender Rechtslage wahrgenommen wird.651 Dies gilt zumindest, solange der Handel nicht ausschließlich elektronisch stattfindet. Darüber hinaus spricht für eine Handelsüberwachung – auch im Fall reiner Computerbörsen – das Eigeninteresse der Börsen an einer reputationsfördernden Selbstkontrolle über ihre Geschäftsabläufe, die zudem einen bedeutsamen Wettbewerbsfaktor darstellt.652 Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG könnte als Ermächtigungsgrundlage für die Übertragung der Zuständigkeit für die Börsenaufsicht auf den Bund nur dann herangezogen werden, wenn die Handelsüberwachungsstellen nicht als Behörden des Bundes oder als Verwaltungsbehörden der Länder einzuordnen wären. Eine Beantwortung dieser Frage setzt aber zunächst Klarheit über die Rechtsstellung der Handelsüberwachungsstellen voraus. 649 650 651 652

Vgl. BVerfGE 14, 197, 219 f. BVerfGE 14, 197, 211. So auch Kurth, WM 1998, 1715. Merkt, Gutachten, G 121.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

(1) Die Rechtsstellung der Handelsüberwachungsstellen Nach § 4 Abs. 1 BörsG ist die Handelsüberwachungsstelle als Börsenorgan einzurichten und zu betreiben. Der Gesetzgeber hat damit zuerkennen gegeben, dass er die Marktaufsicht als wesentlichen Teil der den Börsen im Rahmen der Selbstverwaltung zugewiesenen Aufgaben ansieht. Er hat damit die Selbstverwaltung der Börsen für transparente und attraktive Marktplätze, auf denen faire Handelsbedingungen gesichert sind, betont.653 Zugleich hat er aber der staatlichen Marktaufsicht eine starke Einflussmöglichkeit auf die Handelsüberwachungsstellen der Börsen verschafft, was auf eine hierarchische Einordnung der Handelsüberwachungsstellen in die Börsenaufsicht der Länder hindeutet. Aus dieser Kompromisslösung erklären sich die Schwierigkeiten bei der juristischen Einordnung der Handelsüberwachungsstellen.654 Nach h.M. handelt es sich bei Börsen um teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts.655 Damit hat sich der Gesetzgeber für eine Übertragung des Börsenhandels auf eine mehr oder weniger selbständige Verwaltungseinheit entschieden. Durch die (teilweise) rechtliche Verselbständigung wird der Börse eine eigenverantwortliche Verwaltung ermöglicht. Anstalten des öffentlichen Rechts bleiben aber an den Staat angebunden, da sie nicht nur ihre Existenz und ihre Aufgaben vom Staat ableiten, sondern auch der staatlichen Aufsicht unterliegen.656 Handelt der Staat nicht selbst durch seine eigenen Behörden, sondern überträgt seine Verwaltungsaufgaben auf rechtlich selbständige Organisationen, handelt es sich um mittelbare Staatsverwaltung657. Börsen sind somit der mittelbaren Staatsverwaltung – nach geltender Rechtslage der Landesverwaltung – zuzurechnen.658 Als Organ der Börse nimmt die Handelsüberwachungsstelle Aufgaben im Rahmen der Selbstverwaltung wahr. Unter der Selbstverwaltung der Börsen versteht man die dezentralisierte Verwaltung der Börse als eigene Angelegenheit und die selbstverantwortliche, grundsätzlich von Zweckmäßigkeitsweisungen freie Wahrnehmung öffentlicher Angelegenheiten. 659 Als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung steht die Börse außerhalb des Instanzenzuges der unmit653

BT-Drucks. 12/6679, S. 60. Nach Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 292, ist die Handelsüberwachungsstelle in den Dialog der Börsenaufsicht zwischen Selbstverwaltung und Staatsaufsicht nicht präzise einzuordnen. 655 Siehe oben I. 1. b). 656 Maurer, § 21 Rz. 8. 657 Maurer, § 23 Rz. 1. 658 Brockhausen, WM 1997, 1924, 1928; Kurth, ZfgK 1998, 553, 560. 659 Samm, Börsenrecht, 1978, S. 50; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 18.133. 654

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

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telbaren Landesverwaltung.660 Die Tatsache, dass der Selbstverwaltungsträger bei der Wahrnehmung der Aufgaben Weisungen unterworfen ist, stellt an sich noch nicht das Selbstverwaltungsrecht in Frage.661 Vielmehr können die staatlichen Aufsichtsrechte auf den einzelnen Gebieten der Verwaltung unterschiedlich und als Mittel der Aufsicht in ihrer konkreten Ausgestaltung vielfältig sein. Die Grenze zwischen Selbstverwaltung und lediglich übertragener staatlicher Verwaltung wird jedoch dann überschritten, wenn der Selbstverwaltungsträger Weisungen unterworfen ist, die in den freien Willen der staatlichen Behörde gestellt sind.662 Im Hinblick auf die der Börsenaufsichtsbehörde nach dem Börsengesetz zustehenden Kompetenzen gegenüber der Börse ist dies nicht der Fall. Der Landesaufsicht stehen verschiedene, gesetzlich näher definierte Einzelkompetenzen zu. Damit ist die Aufsicht in Voraussetzungen, Umfang und Mitteln beschränkt und erlaubt keine in den freien Willen der Börsenaufsichtsbehörde gestellte Erteilung von Weisungen gegenüber dem Selbstverwaltungsträger. Die Börse ist somit trotz bestehender Weisungsunterworfenheit Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. (2) Behördeneigenschaft der Handelsüberwachungsstellen Sowohl die Beantwortung der Frage nach der Notwendigkeit der Einrichtung von bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden (Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG) als auch die Erfüllung der verfassungsgerichtlichen Vorgabe einer zentralen Aufgabenwahrnehmung ohne Inanspruchnahme von Verwaltungsbehörden der Länder hängen somit davon ab, ob die Handelsüberwachungsstellen als Behörden einzuordnen sind. Behörden im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG sind solche im Sinne des allgemeinen Behördenbegriffs, die mindestens einer anderen Behörde unterstellt und nur für einen räumlich begrenzten Bereich zuständig sind. Dabei versteht man unter Behörde jedes selbständige, nicht rechtsfähige Organ eines Trägers öffentlicher Verwaltung, dass mit Außenzuständigkeiten zu konkreten Rechtshandlungen auf dem Gebiet der Verwaltung ausgestattet ist.663 Hiervon ausgehend, können bei Handelsüberwachungsstellen die Merkmale einer hinreichenden Verselbständigung der Verwaltungseinheit sowie die räumliche Begrenzung des Zuständigkeitsbereichs auf der Grundlage der derzeitigen Aufgabenzuweisung und organisatorischen Ausgestaltung bejaht werden. Die 660

Vgl. Forsthoff, S. 478. Salzwedel, VVDStRL, 22, 206, 217. 662 Salzwedel, VVDStRL, 22, 206, 217. 663 BVerfGE 10, 20, 48; Lerche, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87 GG Rz. 217 (FN 22); Krebs, Jus 1989, 745, 748. 661

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Handelsüberwachungsstellen stellen als mit persönlichen und sachlichen Mitteln ausgestattete Börsenorgane innerhalb der Börsenorganisation eine begrenzte Einheit dar, denen durch das Börsengesetz Überwachungsaufgaben zur selbständigen Erledigung übertragen worden sind. Die räumliche Begrenzung des Zuständigkeitsbereichs folgt aus dem Umstand, dass sich die Aufsichtstätigkeit auf den Börsenhandel, die Handelsteilnehmer und die elektronischen Hilfseinrichtungen der jeweiligen Börse beschränkt. Die Handelsüberwachungsstelle kann somit als Behörde im staatsrechtlichen Sinne eingeordnet werden.664 Für den Behördenbegriff im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG ist weitere Voraussetzung, dass es sich um eine Behörde des Rechtsträgers Bund handelt und somit einer obersten oder oberen Bundesbehörde hierarchisch untergeordnet ist.665 Die Qualifikation der Börse als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und der daraus resultierenden eigenverantwortlichen Verwaltung sprechen im Fall einer Übertragung der Börsenaufsicht auf den Bund gegen die Annahme einer hierarchischen Unterordnung der Handelsüberwachungsstellen unter eine Bundesbehörde. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Ausübung der Marktaufsicht durch die Handelsüberwachungsstelle wesentlicher Teil der den Börsen im Rahmen der Selbstverwaltung zugewiesenen Aufgaben.666 Für eine Unterordnung unter den Rechtsträger Bund spricht das Weisungsrecht, dass der Bundesbehörde als zentraler Letztaufsicht – ebenso wie bislang den Börsenaufsichtsbehörden der Länder – einzuräumen wäre. Die Tatsache, dass die Handelsüberwachungsstellen dem Bund weisungsunterworfen sind, sagt indes allein noch nichts über ihre organisationsrechtliche Stellung aus. So gibt es nach deutschem Recht Weisungskompetenzen gegenüber den Ländern667 und der Länder gegenüber den Kommunen,668 ohne dass die weisungsunterworfenen Körperschaften oder deren Behörden gleichzeitig auch instanziell nachgeordnete Behörden des Bundes bzw. der Länder wären. Weisungen sind also nicht nur im Verhältnis hierarchisch zugeordneter Behörden eines Verwaltungsträgers denkbar, sondern kommen de lege lata auch im Verhältnis zweier Behörden vor, die nicht einem gemeinsamen Verwaltungsträger angehören. Da auch im Fall einer Bundesaufsicht die Weisungsbefugnisse gegenüber den Handelsüberwachungsstellen nach Voraussetzungen, Umfang und Mitteln beschränkt bleiben würden und somit der staatlichen Letztaufsicht 664

So auch Baums/Segna, S. 93. Lerche, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87 GG Rd. 217 (FN 22); Sachs, in: Sachs (Hrsg.), Art. 87 GG Rd. 74. 666 Begr. RegE. Zweites Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 12/6679, S. 59 f. 667 Vgl. etwa Art. 84 Abs. 5, Art. 85 Abs. 3 GG. 668 Vgl. etwa Art. 116 Abs. 1 Satz 2 BayGO. 665

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keine in ihren freien Willen gestellte Erteilung von Weisungen gegenüber den Handelsüberwachungsstellen möglich wäre, würden die Handelsüberwachungsstellen nicht Behörden des „Rechtsträgers Bund“ darstellen, sondern wären in die Börsen als teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts eingebunden.669 Bei einer Übertragung der Börsenaufsicht auf den Bund wären die Handelsüberwachungsstellen der Börsen auch nicht als Verwaltungsbehörden der Länder einzuordnen. Institutionen der mittelbaren Staatsverwaltung leiten ihre Existenz und ihre Aufgaben vom Staat ab. Bei den Aufgaben einer Handelsüberwachungsstelle, die unmittelbar einer Bundesbehörde unterstehen würde, kann es sich jedenfalls nicht (mehr) um Verwaltungsaufgaben der Länder handeln, weil diesen keinerlei Kompetenzen im Bereich der Börsenaufsicht verbleiben würden.670

(3) Aufgabenzuweisung im Wege der Organleihe Als Alternative schlägt das Börsenreformgutachten eine Aufgabenzuweisung an die Handelsüberwachungsstellen im Wege der Organleihe vor.671 Eine Organleihe liegt vor, wenn ein bestimmtes Organ neben den Aufgaben seines Verwaltungsträgers gewisse Aufgaben eines anderen Verwaltungsträgers wahrzunehmen hat und insoweit als dessen Organ tätig ist. Die Tätigkeit des Organs im Rahmen der Organleihe ist dem Verwaltungsträger zuzurechnen, der die (personelle und sachliche) Hilfe des Organs für die Erfüllung seiner ihm übertragenen Aufgaben in Anspruch nimmt.672 Das Institut der Organleihe soll nach Vorgabe des BVerfG nur auf einem eng umgrenzten Bereich der Verwaltung eingesetzt werden. Darüber hinaus darf durch dieses Institut nicht von der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen den Verwaltungsträgern abgewichen werden.673 Eine wirksame Aufgabenübertragung wäre somit in der Form möglich, dass die Handelsüberwachungsstellen, wie bisher, mit eigenen personellen und sachlichen Mitteln ausgestattet sind. Weiterhin wäre sicherzustellen, dass die Handelsüberwachungsstellen nur für einen bestimmten, der effizienten Aufsicht besonders dienlichen Bereich eingesetzt würden.674

669 670 671 672 673 674

Ebenso Baums/Segna, S. 93. Ebenso Baums/Segna, S. 91. Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 452 (FN 683). BVerfGE 63, 1, 31. BVerfGE 63, 1, 41. Ehlen, S. 184.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

(4) Errichtung von Außenstellen Als weitere Alternative schlägt das Börsenreformgutachten die Ausgestaltung der Handelsüberwachungsstellen als bloße Außenstellen der Börsenaufsichtsbehörde vor.675 Der Unterschied zwischen der Bundesverwaltung durch eine selbständige Bundesoberbehörde mit eigenem Verwaltungsunterbau und einer Bundesoberbehörde mit dislozierten Außenstellen besteht darin, dass diesen Außenstellen mangels einer gewissen Eigenständigkeit der Behördencharakter fehlt. Nach der derzeitigen Ausgestaltung der Befugnisse der Handelsüberwachungsstellen käme eine Einordnung als schlichte Außenstelle indes nicht in Betracht.

(5) Privatrechtliche Börsenorganisation Mit Blick auf mögliche verfassungsrechtliche Probleme der Übertragung der Börsenaufsicht auf den Bund im Fall der öffentlich-rechtlichen Organisation der Börse regt das Börsenreformgutachten die Zulassung privatrechtlich organisierter Börsen an.676 Vorstellbar sei dabei auch ein Nebeneinander von privatrechtlich organisierten und öffentlich-rechtlichen Börsen.677 Die Befürworter einer privatrechtlich ausgestalteten Börsenorganisation verweisen zu Recht auf den Wandel der Kapitalmarktorganisation durch das Auftreten zahlreicher neuer Wettbewerber in Form elektronischer Handelssysteme. Damit stehen die traditionellen Börsen – anders als in der Vergangenheit – in einem unmittelbaren Wettbewerb mit Privaten.678 Auch der deutsche Gesetzgeber hat sich mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz für diesen Wettbewerb ausgesprochen, indem er nunmehr nicht genehmigte Börsenveranstaltungen nicht mehr verbietet,679 sondern auch privatrechtlichen Handelssystemen in der Form der börsenähnlichen Einrichtung den Betrieb ermöglicht (vgl. §§ 59, 60 BörsG).680 675 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 452 (FN 683); siehe zum verwaltungsrechtlichen Institut der Außenstelle, Dittmann, 1983, S. 256. 676 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 400 ff.; s.a. Merkt, Gutachten G 81 ff. m.w.N. zum Diskussionsstand. 677 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 407 f. 678 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 400 ff.; Mues, Die Börse, S. 18. 679 Das Verbot nicht genehmigter Börsenveranstaltungen wurde aus § 1 BörsG a.F. gefolgert, vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.31. 680 Siehe oben 1. Teil, B. I. 2. a) und 2. Teil, A. II. 6. b) aa) (1).

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Darüber hinaus macht die Diskussion im Rahmen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes zum Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlicher Börse und privatrechtlichem Träger deutlich, dass die geltende rechtliche Konstruktion ein „Notbehelf“ der Vergangenheit ist, der den modernen Strukturen des Börsenhandels nicht mehr gerecht wird. Der Börsenträger operiert nicht mehr länger als öffentlich-rechtliches „non-profit-center“, sondern als marktwirtschaftliches Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht und Kapitalmarktorientierung. Folge ist, dass Eigentümerstruktur und korporationsrechtliche Verfassung zu bestimmenden Faktoren für das Marktgeschehen werden. Durch das Erfordernis des marktgerechten Verhaltens werden die Entscheidungen über die Organisation der Börse vom Börsenbetreiber zu den Marktteilnehmern verlagert.681 Das geltende Börsengesetz hat versucht, diesen Veränderungen durch weitergehende Eingriffsmöglichkeiten der Börsenaufsicht (§ 2 BörsG) sowie stärkere Mitwirkungsrechte der Handelsteilnehmer bei wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen des Börsenträgers (§ 9 Abs. 2 BörsG) Rechnung zu tragen. Gleichzeitig macht die Entschließung des Bundestages vom 5. April 2002682 aber deutlich, dass aus Sicht des Gesetzgebers die vorgenommenen Gesetzesänderungen lediglich ein erster Einstieg in die auf Grund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Börse mit einem privaten Träger sehr komplexe Materie ist, die bei weitergehenden Regelungen schwierige Rechtsfragen aufwirft.683 Der Weg zu einer flexibleren Regulierung der Börsen und anderer Handelssysteme bleibt damit vorerst verstellt.684 Der Einwand seitens der Befürworter des öffentlich-rechtlichen Börsenmodells, die privatrechtlich organisierte Börse sei bisher den Nachweis schuldig geblieben, dass sie der geltenden Ausgestaltung der Börse überlegen sei,685 verkennt die „Beweislast“. Im Hinblick auf den nach unserer Verfassungs- und Wirtschaftsordnung geltenden Grundsatz, dass Dienstleistungen in privatrechtlicher Form erbracht werden, wäre vielmehr umgekehrt eine besondere Rechtfertigung erforderlich, wieso Börsendienstleistungen nur öffentlich-rechtlich erbracht werden können.686 Ein Blick ins Ausland zeigt zudem, dass Deutschland inzwischen das einzige Land ist, das die Notwendigkeit der Ausgestaltung als öffentlich-rechtliche Institution sieht. Bestehen durchgreifende Argumente für ein Festhalten an der öffentlich-rechtlichen Organisation der Börse nicht, so 681 682 683 684 685 686

Merkt, Gutachten, G 83. BT-Beschluss vom 5.4.2002 zur Drucksache 257/02. Siehe zu den verbleibenden Reformfeldern auch Mülbert, JZ 2002, 826. Spindler, DStR 2002, 1576, 1586. So Beck, Verhandlungen des 64. DJT, P 45. Siehe auch Merkt, Gutachten, G 84.

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sollten Börsendienstleistungen privatrechtlich erbracht werden. Dabei sollte im Interesse der Förderung des Wettbewerbs der Handelssysteme auf ein Nebeneinander zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlich konstituierter Börse verzichtet werden.687 Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem ein weiterer Einwand gegen die Zulassung von privatrechtlichen Börsen von Interesse: Die hoheitlichen Eingriffsbefugnisse der Handelsüberwachungsstellen könnten nur bei einer öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Börsenverfassung aufrechterhalten bleiben.688 Unter Beibehaltung der Handelsüberwachungsstellen mit ihren derzeitigen Eingriffsbefugnissen bietet sich bei der Zulassung privatrechtlicher Börsen als (öffentlich-rechtlicher) Weg für die Übertragung der Zuständigkeit für die Überwachung des Handels an der Börse das Rechtsinstitut der Beleihung an.689 Hiergegen spricht – im Hinblick auf die umfassenden Informations-, Durchsetzungs- und Kontrollrechte der Handelsüberwachungsstelle – auch nicht Art. 33 Abs. 4 GG. Danach ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Die Vorschrift will sicherstellen, dass besonders bedeutsame Angelegenheiten nur von qualifizierten und außerdem in einem engen Abhängigkeitsverhältnis stehenden Bediensteten wahrgenommen werden.690 Unter dem Begriff der besonders bedeutsamen Angelegenheiten sind enge Kernbereiche von Staatsaufgaben zu verstehen.691 Fraglich erscheint bereits, ob es sich bei Börsen um einen solchen engen Kernbereich von Staatsaufgaben handelt, da – ausgehend von der Privatisierung der Börsen – der Staat sich gerade dazu entschlossen hat, den Betrieb von Börsen nicht länger als öffentlich-rechtliche Aufgabe zu betrachten. Darüber hinaus bedeutet die Verpflichtung zur Begrenzung der Bereiche, für die Privaten Verwaltungskompetenzen und Hoheitsbefugnisse übertragen werden, keinen Verfassungszwang zur Minimalisierung der Kompetenzübertragung im Einzelfall692. Insofern würde der Übertragung von im Börsengesetz enumerativ aufge687

So auch Merkt, Gutachten, G 86 ff. Kümpel, WM 1997, 1917, 1921 ff.; zu den weiteren Diskussionspunkten über die öffentlich-rechtliche Börsenorganisation siehe auch ders., BKR 2003, 3 m.w.N. 689 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 447; Baums/Segna, S. 49 ff.; Mues, Die Börse, S. 161 f.; Merkt, Gutachten, G 85 f. 690 Maunz/Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 33 GG Rz. 32. 691 Battis, in: Sachs (Hrsg.) Art. 33 GG Rz. 58. 692 Steiner, S. 274. 688

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zählten Eingriffsbefugnissen an die Handelsüberwachungsstelle einer privatrechtlich organisierten Börse keinen Bedenken begegnen.693 Gleiches gilt im Hinblick auf Art. 87 Abs. 3 GG. Auch im Bereich der bundeseigenen Verwaltung sind beliehene Unternehmer zulässig.694 Der Beliehene ist, soweit er hoheitlich handelt, in die mittelbare Staatsverwaltung einbezogen.695 Im Rahmen dieser Tätigkeit ist er zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben berechtigt und verpflichtet und unterliegt der Aufsicht des Beleihenden.696 Einer in eine privatrechtliche Börse integrierten Handelsüberwachungsstelle ließen sich somit im Wege der Beleihung Hoheitsbefugnisse also selbst dann übertragen, wenn man ihre Tätigkeit der bundeseigenen Verwaltung zurechnen würde.

b) Zwischenergebnis Nach der hier vertretenen Ansicht ist es möglich, die Zuständigkeit für die Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Börsen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ohne Errichtung eines Verwaltungsunterbaus, unter gleichzeitiger Beibehaltung der Handelsüberwachungsstellen der Börsen mit den ihnen nach geltender Rechtslage zugewiesen Handlungsbefugnissen, gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG ohne Zustimmung des Bundesrates zu übertragen. Auch im Fall privatrechtlich organisierter Börsen wäre eine Zuständigkeitsverlagerung der Aufsicht auf den Bund verfassungsrechtlich zulässig. Die Überwachung des Handels unmittelbar an den Börsen könnte durch die Handelsüberwachungsstellen im Wege der Beleihung wahrgenommen werden.

c) Aufgabenübertragung auf eine gemeinsame Bund-Länderbehörde Soweit es den Vorschlag betrifft, die Zuständigkeit für die Börsenaufsicht auf eine gemeinsame Bund-Länderbehörde zu übertragen, die dezentral, mit Außenstellen an den jeweiligen Börsenplätzen organisiert und mit Personal aus den Länderverwaltungen ausgestattet ist,697 ist zu berücksichtigen, dass die 693

So auch Baums/Segna, S. 50. Lerche, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 87 GG Rz. 202. 695 Maurer, § 23 Rz. 56. 696 Maurer, § 23 Rz. 58. 697 Merkt, NJW-Beilage 2002, 41, 46; ders., Gutachten, G 123; vgl. auch Hellwig, ZGR 1999, 781, 810. 694

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Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit die Errichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren regeln, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung der Länder etwas anderes bestimmt haben (Art. 84 Abs. 1 GG). Ziel ist die Abgrenzung der staatlichen Befugnisse zwischen Bund und Ländern und die Verhinderung der Mischverwaltung.698 Damit findet der Spielraum bei der organisatorischen Ausgestaltung der Verwaltung in den Kompetenz- und Organisationsnormen der Art. 83 ff. GG seine Grenzen. Grundsätzlich gilt, dass der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen sind, diese Aufgaben durch eigene Verwaltungseinrichtungen mit eigenen personellen und sachlichen Mitteln wahrnimmt.699 Dem Grundgedanken einer Kompetenznorm, die für eine Materie dem Bund die Verwaltungskompetenz zuordnet, widerspräche es, würden im weiten Umfang Einrichtungen der Landesverwaltung für Zwecke der Bundesverwaltung herangezogen. Für das Abgehen von diesem Grundsatz bedarf es eines besonderen sachlichen Grundes.700 Das Grundgesetz hat einen besonderen sachlichen Grund nur in Sonderfällen anerkannt. Dies ist etwa bei Art. 35 und Art. 108 GG der Fall. So kann nach Art. 108 Abs. 4 GG bei der Verwaltung von Steuern ein Zusammenwirken von Bundes- und Landesfinanzbehörden in der Form vorgesehen werden, dass die Verwaltung durch Landesfinanzbehörden und für andere Steuern die Verwaltung durch Bundesfinanzbehörden erfolgt, wenn und soweit dadurch der Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert oder erleichtert wird. Diese grundgesetzliche Ermächtigung ist Grundlage für die Schaffung der Oberfinanzdirektionen. Diese leiten die Finanzverwaltung des Bundes und des Landes in ihrem Bezirk (§ 8 Abs. 1 Finanzverwaltungsgesetz, FVG). Der Oberfinanzpräsident als Leiter einer Oberfinanzdirektion, wird gemeinsam von den jeweils zuständigen Organen des Bundes und des Landes ernannt und entlassen; er ist sowohl Bundesbeamter als auch Landesbeamter (§ 9 Abs. 2 FVG). Die nachgeordneten Behörden sind teils Bundesbehörden (Hauptzollämter u.a.), teils Landesbehörden (Finanzämter), vgl. §§ 1, 2 FVG. Für das Börsenwesen sieht das Grundgesetz keinen entsprechenden Sondertatbestand vor. Damit verbleibt es bei dem Grundsatz der getrennten Aufgabenwahrnehmung von Bund und Ländern. Einer gemeinsamen Bund-Länderbe-

698

Maunz-Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 83 GG Rz. 85. Maunz/Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 83 GG Rz. 84; Trute, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 GG Rz. 74. 700 Maunz/Dürig, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 83 GG Rz. 84. 699

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

187

hörde zum Vollzug des Börsengesetzes fehlt die grundgesetzliche Ermächtigung; sie ist damit rechtlich nicht möglich.

d) Aufgabenübertragung auf eine gemeinsame Länderbehörde Ein weiteres denkbares Modell für eine Zentralisierung der Börsenaufsicht könnte die Schaffung einer gemeinsamen Länderbehörde sein. In der Praxis gibt es für diese Form der Verwaltungsorganisation kaum Vorbilder. Die Gründe mögen in erster Linie in der damit verbundenen Übertragung der Federführung auf ein Land und der damit einhergehenden Kompetenzabtretung durch die übrigen Länder zu sehen sein. Ein Beispiel für eine gemeinsame Behörde der Länder ist die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden, die zwar formell eine Behörde des Landes Hessen ist, tatsächlich aber eine gemeinsame Behörde aller Länder darstellt.701 Im Grundsatz entscheidet der Bund und die Länder selbst darüber, wie sie die ihnen zukommenden Verwaltungsaufgaben erledigen, insbesondere auch wie sie ihre Verwaltungsorganisation gestalten. Eine Einschränkung besteht lediglich beim Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder. Zwar ist die Verwaltungsorganisation auch insoweit Sache der Länder; durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können aber Regelungen über die Errichtung der Behörden getroffen werden.702 Mit der Regelung in § 1 BörsG hat der Bundesgesetzgeber eine Entscheidung über die Verwaltungsorganisation der Länder im Rahmen der Börsenaufsicht getroffen. Danach sind die jeweiligen Landesregierungen für den Vollzug des Börsengesetzes zuständig. Von der Möglichkeit der Delegation der Zuständigkeit auf einzelne Ministerien haben die Länder Gebrauch gemacht und die Aufgabe den jeweiligen Wirtschafts- bzw. Finanzministerien übertragen. Damit 701

Hintergrund ist die einheitliche Besteuerung von Filmvorführungen auf der Grundlage des Vergnügungsteuergesetzes. Da eine unterschiedliche Bewertung der Filme in den einzelnen Ländern kaum tragbar wäre, haben die Kultusminister der Länder durch Verwaltungsabkommen die Errichtung einer gemeinsamen Filmbewertungsstelle vereinbart, zur Gültigkeit dieses Abkommens sowie zu dieser Stelle grundsätzlich BVerwGE 23, 194. 702 Nach h.M. wird dieses Recht des Bundes nicht erst durch Art. 84, 85 GG vermittelt, sondern ergibt sich bereits aus der materiellen Gesetzgebungsbefugnis des Bundes. Danach darf der Bund dort, wo er zum Erlass von Gesetzen berechtigt ist auch ohne ausdrückliche Ermächtigung die Organisation und das Verfahren der diese Gesetze ausführenden Behörden mitregeln, auch wenn es sich dabei nicht um Bundes- sondern um Länderbehörden handelt. Die Bedeutung der Art. 84, 85 GG liegt insoweit darin, die Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen organisatorischen und verwaltungsrechtlichen Inhalts festzulegen, vgl. Trute, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 GG Rz. 77 ff. m.w.N.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

spiegelt das Börsengesetz die verfassungsrechtliche Vorgabe der Artt. 83, 84 GG wider, wonach im Fall der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder als eigene Angelegenheit die Länder hierbei auf ihr eigenes Gebiet beschränkt sind.703 Die Länder können nicht ohne weiteres zusätzliche Kombinationsformen durch den einfachen Gesetzgeber oder durch einvernehmliches Zusammenwirken kreieren.704 Das verfassungsrechtliche Gebot einer klaren Zuordnung der hoheitlichen Tätigkeit zur Bundes- oder Länderverwaltung kann jedoch nicht die Entstehung zusätzlicher Organisationsformen hindern, sofern sich diese innerhalb der Kompetenzen der Länder halten und die im Grundgesetz verankerten Grundlagen der bundesstaatlichen Ordnung nicht beeinträchtigen.705 In Anlehnung an die Filmbewertungsstelle in Wiesbaden wäre danach eine gemeinsame Wahrnehmung der Börsenaufsicht durch eine Beteiligung der Börsenländer an der Aufsichtsbehörde eines Landes möglich. Nach außen tritt bei dieser Ausgestaltung lediglich die Einrichtung auf, an der sich die anderen Länder beteiligt haben. Denkbar wäre so beispielsweise eine Beteiligung an einer hessischen Börsenaufsichtsbehörde durch die anderen Börsenländer. Diese Ausgestaltung wird allgemein als zulässig erachtet, da die Einrichtung nur Kompetenzen des betreffenden Landes in dessen Hoheitsbereich wahrzunehmen vermag.706 Sofern die – um in dem Beispiel zu bleiben – hessische Behörde zur Beaufsichtigung der Börsen in einem anderen „Börsenland“ tätig würde, nähme sie demzufolge lediglich die Befugnisse derjenigen Börsenaufsichtsbehörde wahr, deren Zuständigkeitsbereich sonst eröffnet wäre. Die Übertragung der Aufsichtskompetenzen auf eine gemeinsame Börsenaufsichtsbehörde der Länder könnte durch Verwaltungsabkommen oder Staatsvertrag erfolgen.707 Formell wäre eine solche Behörde zwar dem Bundesland zuzuordnen, in dem sie ihren Sitz hat. Die Entscheidungen dieser Stelle wären aber für alle Länder maßgebend. Vorteil einer solchen Form wäre zwar die Zusammenführung der bislang auf acht Länder verteilten Börsenaufsicht. Den Nachteil einer zersplitterten Aufsicht über den Wertpapierhandel würde diese Form der Aufsichtskonzentration indes nicht beseitigen.

703 704 705 706 707

Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 83 GG Rz. 2; Samm WM 1990, 1267. Trute, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 83 GG Rz. 84; BVerwGE, 13, 275. BVerwGE 23, 194, 197. BVerfGE 12, 252; Kölble, NJW 1962, 1082. Samm, WM 1990, 1265, 1268.

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

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II. Zentralisierung der Aufsicht auf europäischer Ebene 1. Die Vorschläge Soweit es die Diskussion um die zukünftige Ausgestaltung einer europäischen Kapitalmarktaufsicht betrifft, ist festzustellen, dass nach zunächst sehr ambitionierten Zentralisierungsvorschlägen in den 60er Jahren (Segré-Bericht) das Thema in den 70er und 80er Jahren weitgehend aus der Diskussion verschwand, um sodann in den vergangenen Jahren wieder stärker in den rechtspolitischen Fokus zu rücken. Dies gilt vor allem seit der Implementierung des Lamfalussy-Prozesses und seiner Ausweitung auf alle Finanzmarktsektoren. Bei den Vorschlägen zur inhaltlichen Ausgestaltung einer europäischen Aufsicht bietet sich ein sehr heterogenes Meinungsbild. Vorgeschlagen wird zum einen eine Zentralisierung von Aufsichtsfunktionen durch eine weitergehende Übertragung von grenzüberschreitenden Befugnissen auf nationale Behörden. Zum anderen wird die Schaffung einer dem Rat und der Kommission nachgeordneten Institution befürwortet, deren Funktion auf den Erlass von Durchführungsbestimmungen beschränkt sein sollte, und die darüber hinaus beratend tätig ist, die aber über keine Kontroll- und Aufsichtsbefugnisse verfügt. Weitergehende Modelle sehen nicht nur die Verlagerung von Regulierungsbefugnissen vor, sondern sprechen sich darüber hinaus für die Übertragung von Aufsichtskompetenzen aus. Hierbei wiederum reichen die Vorschläge von der Übertragung von Teilzuständigkeiten bis hin zur Errichtung einer mit umfänglichen Befugnissen ausgestatteten Behörde. Daneben existieren Vorschläge, die die Aufsicht bei den nationalen Behörden zwar belassen wollen, eine weitere Angleichung der Aufsichtspraxis jedoch durch eine stärkere Koordinierung der Tätigkeit der mitgliedstaatlichen Aufsichtsstellen oder durch eine Delegation von Kompetenzen auf eine einzige nationale Behörde anstreben, sofern es die Aufsicht über grenzüberschreitend tätige Finanzdienstleistungsunternehmen betrifft.

a) Verstärkte Koordinierung der Tätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden aa) Konzept des „supervisor of national supervisors“ Mit der Zielsetzung, eine größere Konvergenz der europäischen Wertpapieraufsicht herzustellen, schlägt CESR ein verstärktes gemeinsames Vorgehen der nationalen Aufsichtsbehörden bei der Überwachung und Verfolgung aufsicht-

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

lich relevanter Sachverhalte vor, wobei CESR sich selbst in der Rolle eines „supervisor of national supervisors“ sieht.708 Unter anderem spricht sich CESR dafür aus, bei grenzüberschreitenden Sachverhalten in Einzelfällen, wie bei der Verfolgung von Verstößen gegen das Insiderhandels- oder Marktmanipulationsverbot, unter den nationalen Aufsichtsbehörden einen „coordinating supervisor“ zu bestimmen. Zudem sollten gemeinsame Untersuchungen, ggf. unter der Leitung von CESR, durchgeführt werden. Sofern es Mängel bei der Zusammenarbeit zwischen den Behörden gibt, will CESR als Vermittler tätig werden. Darüber hinaus möchte CESR als „Vorprüfungsstelle“ vor der Zulassung neuer Produkte und Dienstleistungen durch die nationalen Stellen fungieren. Intensiver genutzt werden soll auch das Review panel, das die Umsetzung der auf Stufe 3 beschlossenen Empfehlungen und Standards überwacht. Zur Kontrolle der einheitlichen Anwendung der Aufsichtsstandards vor Ort will CESR „Peer Reviews“ durch so genannte „mission teams“ einsetzen. Die von CESR vorgeschlagene stärkere Koordinierung der nationalen Aufsichtsbehörden ist im Interesse einer Umsetzung und Anwendung der Richtlinienvorgaben zweifellos sinnvoll. Bedenken bestehen hingegen u.a. gegen die angedachte Ausweitung der Funktion und Kompetenzen von CESR zu einem „supervisor of national supervisors“. Sofern die Maßnahmen und Entscheidungen von CESR mit Bindungswirkung gegenüber den nationalen Behörden erfolgen sollen, und nur so bestünde die Aussicht auf eine weitergehende Vereinheitlichung der Wertpapieraufsicht, würden diese außerhalb des gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Rahmens erfolgen, da CESR bislang nur eine gegenüber der Kommission beratende Funktion besitzt. Hingegen ist für den Erlass von Entscheidungen, die die Mitgliedstaaten binden, die im europäischen Primärecht festgelegte Zuständigkeitsverteilung zu beachten.709 Zudem würde bei Umsetzung des CESR Vorschlags die Verantwortlichkeit der nationalen Aufsichtsbehörden unterlaufen, die gegenüber ihrer jeweiligen Regierung bzw. ihrem Parlament rechenschaftspflichtig sind. Darüber hinaus besteht bei einer Verpflichtung der nationalen Aufsichtsbehörden zur Konsultation vor dem Ergreifen aufsichtlicher Maßnahmen die Gefahr, dass es zu Zeitverlusten und damit zu Ineffizienzen kommt. Das gleiche gilt für den von CESR vorgeschlagenen Mediationsmechanismus.

708 CESR, Which Supervisory Tools for the EU Securities Markets, Ref: 04-333f, Oktober 2004. 709 Hierzu unten 3. a).

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

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bb) Konzept des „lead supervisor“ Die großen europäischen Finanzdienstleister, soweit sie sich im European Financial Services Round Table (EFR) zusammengeschlossen haben, verfolgen ebenfalls einen Zentralisierungsansatz für die Aufsicht über grenzüberschreitend tätige Finanzunternehmen in der Form eines „lead supervisor“.710 Danach soll die laufende Solvenzaufsicht über ein Unternehmen bzw. eine Unternehmensgruppe auf die Aufsichtsbehörde eines Mitgliedstaates delegiert werden. Der jeweilige „lead supervisor“ wäre nach den Vorstellungen des EFR der zentrale Ansprechpartner für die Finanzdienstleister, für die Risikoüberwachung und die Berichtspflichten, würde die Zulassung koordinieren und über die Vor-Ort-Überprüfungen unter Beteiligung der Aufnahmelandbehörden entscheiden. Der „lead supervisor“ wäre demnach nicht nur für die Überwachung der ausländischen Zweigstellen, sondern auch für die Tochterunternehmen in den anderen Mitgliedstaaten zuständig.711 Bei der Überwachung der ausländischen Unternehmenseinheiten eines Finanzdienstleistungsunternehmen soll der „lead supervisor“ die Aufnahmelandbehörden einbinden. Damit wird in erster Linie der Tatsache Rechnung getragen, dass durch die Übertragung umfassender Aufsichtskompetenzen auf eine Behörde die extraterritoriale Erstreckung des Aufsichtsrechts des jeweiligen Mitgliedstaates und die Ausübung hoheitlicher Befugnisse auf dem Territorium eines anderen Staates gegenüber der jetzigen Situation noch verstärkt würde. Vor diesem Hintergrund schlägt EFR die Einrichtung eines „college of supervisors“ vor, das den „lead supervisor beraten soll und gleichzeitig als Forum für den Informationsaustausch dient. Bei Differenzen zwischen den Behörden sollen diese sich an die Regulierungsausschüsse CEBS, CEIOPS und den Konglomerate-Ausschuss wenden können.712 Die Umsetzung des Konzepts soll nach den Vorstellungen des EFR dadurch erfolgen, dass die bereits bestehenden Delegationsmöglichkeiten genutzt werden. So sieht die Richtlinie über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute713 die Möglichkeit der Übertragung der Zuständigkeit für die Solvabilitätsaufsicht auf die für die Überwachung des Mutterunternehmens

710

European Financial Services Round Table (EFR), Towards a Lead Supervisor for Cross border Financial Institution in the European Union, June 2004. 711 European Financial Services Round Table (EFR), S. 12 ff. 712 European Financial Services Round Table (EFR), S. 15. 713 Richtlinie 2000/12/EG vom 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl.EG vom 26.5.2000, Nr. L 126/1.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

zuständige Behörde vor (Art. 52 Abs. 9). Die Konglomeraterichtlinie714 verpflichtet die Mitgliedstaaten in Art. 10, für die Beaufsichtigung von Unternehmen eines Finanzkonglomerats eine Behörde zu bestimmen. Soweit das europäische Recht noch keine Übertragungsmöglichkeiten vorsieht, soll dies nach Ansicht des EFR durch den baldigen Erlass einer entsprechenden Richtlinie für alle Finanzbereiche erfolgen. Eingang gefunden hat der Gedanke eines „lead supervisors“ auch in die Diskussion über die Novellierung der Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen,715 der bei seiner Realisierung auch für den Wertpapierund Versicherungsbereich von Bedeutung sein dürfte. So ist für die Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis in Art. 129 Abs. 2 des Vorschlags vorgesehen, dass Herkunfts- und Aufnahmelandbehörden bestimmte Entscheidungen einvernehmlich treffen sollen. Gelingt dies nicht, so soll die Heimatlandbehörde des Mutterunternehmens mit bindender Wirkung für die Tochterunternehmen und die Gastlandbehörden entscheiden. Die Vorteile der Vorschläge zur Einführung eines „lead supervisor“ liegen in der stärkeren Zusammenführung der Verantwortung für die Durchführung der Aufsicht und versuchen damit, zentralen Defiziten der derzeitigen Rechtslage, nämlich der unterschiedlichen Interpretation und Anwendung des europäischen Rechts, entgegenzuwirken. Durch die Beschränkung der Zentralisierung der Aufsicht auf grenzüberschreitend tätige Finanzdienstleistungsunternehmen und Börsen könnte den unterschiedlichen Bedürfnissen von europaweit tätigen Dienstleistern einerseits sowie überwiegend oder ausschließlich national orientierten Unternehmen und Märkten andererseits Rechnung getragen werden. Auf der anderen Seite setzt eine Delegation von Aufsichtskompetenzen mit der Folge der Anerkennung der Entscheidungen des „lead supervisor“ durch die anderen Aufsichtsbehörden voraus, dass alle Behörden über die gleichen Kompetenzen verfügen sowie auf vergleichbare Ressourcen zurückgreifen können, um diese Zuständigkeiten auch im gleichen Umfang ausfüllen zu können. Dies ist jedoch auf europäischer Ebene nicht der Fall. Zudem wäre auch beim Mo714 Richtlinie 2002/87/EG vom 16.12.2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.EG vom 11.2.2003, Nr. L 35/1. 715 Vorschlag für Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates zur Neufassung der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.3.2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und der Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten – 20.10.2005.

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

193

dell des „lead supervisor“ zu klären, welche Bindungswirkung die Entscheidungen der federführenden Aufsichtsbehörden für Maßnahmen der Aufnahmelandbehörde haben und welche Rechtsschutzmöglichkeiten für das betroffene Unternehmen gegen eine solche Entscheidung bestehen. Mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht ist der Vorschlag unter dem Gesichtspunkt der begrenzten Einzelermächtigung zu hinterfragen, da gemeinschaftsweite Verwaltungskompetenzen auf die Mitgliedstaaten übertragen würden und nicht auf ein Gemeinschaftsorgan.716 Darüber hinaus ist beim Konzept des „lead supervisors“ des EFR unklar, welche praktischen Auswirkungen das „college of supervisors“ auf die Durchführung der Aufsicht haben würde. Der Hinweis auf eine engere Kooperation allein überzeugt nicht, da bereits nach den geltenden Kapitalmarktrichtlinien die nationalen Behörden zu einer engen Zusammenarbeit sowie zu einem umfassenden Informationsaustausch verpflichtet sind. Es steht zu befürchten, dass die Schaffung eines weiteren Gremiums neben CEBS, CEIOPS und dem Konglomerate-Ausschuss die Effizienz der europäischen Aufsicht nicht nachhaltig erhöhen, sondern eher zu einer Verlangsamung des Prozesses führen würde. b) Schaffung einer europäischen Einrichtung mit Rechtsetzungsbefugnis Für die Schaffung einer der Kommission nachgeordneten Institution mit Rechtsetzungsbefugnis hat sich Lee ausgesprochen. Er empfiehlt den institutionellen Rahmen der europäischen Finanzmarktregulierung zu straffen und damit die Verabschiedung des europäischen Kapitalmarktrechts weniger komplex zu gestalten.717 Dabei solle zwischen „legislation“, dem Abstecken des Rahmens durch Richtlinien, und „regulation“, dem Ausfüllen dieses rechtlichen Rahmens, unterschieden werden. Eine Vielzahl der in der Wertpapierdienstleistungs- und der Kapitaladäquanzrichtlinie enthalten Regelungen ließen sich effizienter auf Ebene der Ausführungsbestimmungen erfassen und müssten somit nicht das europäische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen.718 Nach Ansicht von Steil wäre durch ein solches Verfahren eine erleichterte Annahme und Änderung der Vorschriften möglich.719 In diese Richtung denkt offenbar auch Wymeersch720, wenn er die Schaffung einer neuen Einrichtung befürwortet, die Ausführungsbestimmungen erlassen kann, die die Mitgliedstaaten unmittelbar binden. 716 717 718 719 720

Siehe unten 3. a). Lee, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), S. 191. Lee, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), S. 197. Steil, in: Cable/Henderson (Hrsg.), S. 127, 136. Wymeersch, in: Ferran/Goodhart (Hrsg.), S. 189, 193.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Zur Überwindung der bestehenden inhaltlichen und strukturellen Probleme bei der gegenwärtigen Überwachung der europäischen Kapitalmärkte sieht Lee die Notwendigkeit, dass sich die Kommission zu einer Institution fortentwickelt, die der US-amerikanischen SEC vergleichbar ist.721 Die Vorschläge von Lee und Steil haben durch das Lamfalussy-Verfahren insoweit ihre Realisierung gefunden, als dass eine Differenzierung zwischen der Verabschiedung des politisch geprägten Rechtsrahmen (Stufe 1) und den technischen Durchführungsbestimmungen (Stufe 2), die durch CESR erarbeitet und dem ESC verabschiedet werden, erfolgt. Demgegenüber bleibt das neue Regelungsverfahren hinter der Forderung zurück, eine europäische Einrichtung zum Erlass von Bestimmungen zu ermächtigen, die die Richtlinien ausfüllen und die Mitgliedstaaten unmittelbar binden, ohne dass das europäische Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden muss.

c) Errichtung einer zentralen Aufsichtsbehörde An dem Problem unterschiedlicher Aufsichtsstandards in der EU setzen die Vorschläge zur Zentralisierung von Teilzuständigkeiten bzw. umfassenden Kompetenzen an.

aa) Übertragung von Teilzuständigkeiten Bei den Vorschlägen zur Zentralisierung von Teilzuständigkeiten für die Überwachung des europäischen Kapitalmarktes ist zu differenzieren zwischen einer Übertragung von Aufsichtskompetenzen, die auf die bloße Überwachung beschränkt sind, sowie die Einführung einer einheitlichen Aufsicht mit Eingriffs- und Sanktionsbefugnissen. Erste Schritte zur Konzentration von Aufsichtbefugnissen auf europäischer Ebene wurden mit dem so genannten Segré-Bericht unternommen. Vorgeschlagen wurde die Einrichtung eines Koordinierungsausschusses, der dazu Stellung nehmen sollte, ob die Publizitätsvorschriften von den Unternehmen eingehalten werden. Etwaige Beanstandungen sollten den nationalen Aufsichtsbehörden zur weiteren Veranlassung mitgeteilt werden.722 Dieser Vorschlag konnte sich indes genauso wenig politisch durchsetzen wie die von dem Gremium zunächst angedachten Überlegungen zur Schaffung einer zentralen europäischen Stelle, 721 722

Lee, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), S. 204. Segré-Bericht, S. 249.

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

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die nicht nur für die Überwachung der Einhaltung der Publizitätsvorschriften bei Wertpapieremissionen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zuständig ist, sondern darüber hinaus mit ähnlichen Befugnissen ausgestattet sein sollte wie die US-amerikanische SEC. Ebenfalls für nur eine partielle Übertragung von Aufsichtszuständigkeiten auf ein EU-Organ spricht sich Izquierdo aus. Danach soll lediglich für die Verfolgung von Insiderverstößen ein Ausschuss aus Vertretern der Mitgliedstaaten zuständig sein, der bei Verdacht des Vorliegens eines Verstoßes die Angelegenheit den nationalen Aufsichtsbehörden übergibt, die die weitere Verfolgung und spätere Sanktionierung vornehmen.723 Im Übrigen sollte es beim Prinzip der funktionalen Kompetenzverteilung verbleiben, wonach die Gemeinschaftsorgane die allgemeinen Maßnahmen festlegen, deren Konkretisierung und Durchführung den nationalen Aufsichtsstellen obliegt. Die Gemeinschaftsorgane sollten zudem beratend durch die Mitgliedstaaten in der Form von Kontaktausschüsse unterstützt werden.724 Zweifellos sind die Wertpapieremission sowie die Verfolgung von Insiderverstößen (und Marktmanipulationen) Aufsichtsbereiche, die verstärkt durch grenzüberschreitende Sachverhalte gekennzeichnet sind. Sofern jedoch die Verfolgung und Sanktionierung weiterhin bei den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten verbleiben, findet durch Letztgenannte auch die Anwendung des Rechts statt. Inwieweit durch eine derartige Zuständigkeitsverlagerung auf die europäische Ebene, die auf eine rein ermittelnde Kompetenz beschränkt wäre, das Problem der uneinheitlichen Rechtsanwendung beseitigt würde, ist nicht zu erkennen. Demgegenüber befürwortet Hertig die Zentralisierung nicht nur von Überwachungsaufgaben, sondern will einen neu zu schaffenden „EU-Supervisor“ auch mit Eingriffs- und Sanktionsbefugnissen ausstatten. Der „EU-Supervisor“ soll für die Aufsicht über große grenzüberschreitend tätige Finanzintermediäre und Börsen zuständig sein.725 Die Errichtung einer derartigen zentralen europäischen Aufsichtsbehörde würde nach Ansicht von Hertig das Ansehen der nationalen Aufsichtsinstanzen verbessern, da sie ihre Ressourcen auf die ihnen verbleibenden Zuständigkeitsbereiche konzentrieren könnten. Dies wiederum würde bei den Aufnahmelandstaaten zu einem Vertrauenszuwachs führen, der einen Abbau von regulatorischen Schranken für grenzüberschreitende Tätigkeiten eröffnen könnte.726 723 724 725 726

Izquierdo, S. 165 f. Izquierdo, S. 163 f. Hertig, in: Esty/Geradin (Hrsg,), S. 218. Hertig, in: Esty/Geradin (Hrsg,), S. 218, 239.

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bb) Orientierung am Modell des Europäischen Zentralbanksystems In der Literatur mehren sich indes die Stimmen, die eine weitergehende Zentralisierung der europäischen Kapitalmarktaufsicht befürworten. So wird eine Ausgestaltung der europäischen Kapitalmarktaufsicht in Anlehnung an das Modell des Europäischen Zentralbanksystems befürwortet. Zwar wäre hierfür nach Ansicht von Merkt727 mit einer längeren Vorlaufzeit zu rechnen, jedoch böte dieses Konzept nach Auffassung von Köndgen728 den großen Vorteil, das Erfordernis der Marktnähe mit der Notwendigkeit der Vereinheitlichung zu verbinden. Es würde somit eine europäische Zentralbehörde mit einem dezentralen Unterbau an den einzelnen Finanzplätzen entstehen. Bis zur Schaffung einer zentralen europäischen Aufsichtsinstanz sollte im Interesse der Vermeidung von Kompetenzkonflikten und der Harmonisierung verschiedener Aufsichtssysteme die Amts- und Rechtshilfe ausgebaut werden. Im Verhältnis zu Drittstaaten sollte die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden in Anlehnung an den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) intensiviert werden mit dem Ziel, bestehende Lücken im Aufsichtssystem zu schließen. Hierbei sollten für den Bereich des Wertpapierhandels die Arbeiten der IOSCO fruchtbar gemacht werden.729 Eine Orientierung am Model des Systems der Europäischen Zentralbanken wird von Lannoo730 und Wymeersch731 zumindest dann als sinnvoll erachtet, wenn eine de facto Integration der Aufsicht befürwortet werden sollte.

cc) Schaffung einer „European Securities Commission“ Die weit reichendste Verlagerung von Zuständigkeiten auf die europäische Ebene beinhalten die Forderungen nach der Schaffung einer European Securities Commission (ESC) nach US-amerikanischen Vorbild, die mit umfassenden Kompetenzen und Eingriffsbefugnissen ausgestattet sein soll. Die Errichtung einer ESC ist nach Ansicht von Thieffry vor allem die notwendige Konsequenz aus der Einführung einer gemeinsamen Währung in der EU. Darüber hinaus sei 727

Merkt, Gutachten, G 125. Köndgen, Festschrift Lutter, 2000, 1401, 1420. 729 Merkt, Gutachten, G 126; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 369. 730 Lannoo, in: Balling/Hochreiter/Hennessy (Hrsg.), S. 259, 286 f. 731 Wymeersch, in: Ferran/Goodhart (Hrsg.), S. 189, 193; siehe auch Eurefi preliminary report, S. 17. 728

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sie für die Sicherung der Stabilität der Währungsunion notwendig.732 Mit einer europäischen Aufsicht würde eine zentrale Beschwerdestelle existieren und es würde ein klares System der Verantwortlichkeiten geschaffen. Aus der Geschichte der USA 1929 könne Europa lernen, wie gefährlich eine unklare Verteilung der Verantwortlichkeiten sei. Die Kooperation der verschiedenen Aufsichtsinstitutionen würde nichts daran ändern, dass keine der Behörden über ein Gesamtbild der Situation verfüge, um zu handeln, bevor die Krise entsteht.733 Ebenfalls unter Hinweis auf das Entstehen von Aufsichtsdefiziten im Fall unklarer Zuständigkeiten und offener Fragen hinsichtlich des anwendbaren Rechts bei grenzüberschreitenden Sachverhalten befürwortet Karmel734 die Errichtung einer ESC. Dabei sollte die Zuständigkeit einer zentralen europäischen Aufsicht auf die Überwachung des Wertpapierhandels (einschließlich des Derivatehandels) beschränkt sein. Schwerpunkt der Tätigkeit sollte nach Ansicht von Karmel735 die Regulierung und Beaufsichtigung der Melde- und Veröffentlichungspflichten sowie die Sicherung der Marktintegrität sein. Auch Gower plädiert bei der Neugestaltung der europäischen Kapitalmarktaufsicht für eine Ausrichtung an der SEC und verweist zur Begründung u.a. auf die positiven Erfahrungen, die man im Vereinigten Königreich mit der FSA gemacht habe, die nach dem Vorbild der US-amerikanischen Wertpapieraufsichtsbehörde errichtet worden sei. Von einer zentralen Aufsichtsbehörde verspricht er sich die Stärkung der Position des europäischen Kapitalmarktes und seiner Regulierung in einem globalen Markt. Sollten sich die Mitgliedstaaten nicht zu diesem Schritt entschließen, würde dies zu einer Verlängerung des Harmonisierungsprozesses in Europa führen.736 Zur Aufgabenverteilung zwischen einer ESC und den nationalen Aufsichtsbehörden bleiben die Vorschläge weitgehend unbestimmt. Eine Vor-Ort-Kontrolle wird auch von den Befürwortern einer ESC für erforderlich gehalten. Die Börsen und die Behörden der Mitgliedstaaten sollen weiterhin ihre eigene Überwachung durchführen. Die ESC solle sich demgegenüber auf die Grundsatzregulierung und die Gesamtüberwachung konzentrieren.737 732 Thieffry, International Financial Law Review 18 (1999) 14; ders., in: Ferran/Goodhart (Hrsg.), S. 211. 733 Thieffry, International Financial Law Review 18 (1999) 14, 17; als Alternative zur Schaffung einer ESC nach US-amerikanischen Vorbild erscheint auch eine Orientierung an dem Modell des Europäischen Systems der Zentralbanken denkbar, Thieffry, in: Ferran/Goodhart (Hrsg.), S. 211, 230 ff. 734 Karmel, Columbia Journal of Transnational Law 38 (1999) 9, 32. 735 Karmel, Columbia Journal of Transnational Law 38 (1999) 9, 34 ff. 736 Gower, S. 315 ff. 737 Thieffry, International Financial Law Review 18 (1999) 14, 18.

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2. Schlussfolgerungen Soweit es die Vorschläge betrifft, die eine Differenzierung zwischen Richtlinien und Durchführungsbestimmungen, verbunden mit Kontroll- und Beratungsfunktionen von Marktteilnehmergremien, befürworten, haben diese durch das Lamfalussy-Verfahren im Grundsatz ihre Umsetzung gefunden. Auch durch die Zentralisierung von Überwachungskompetenzen ohne Eingriffs- und Sanktionsbefugnisse ist kein weiterer Integrationsgewinn gegenüber der derzeitigen institutionellen Ausgestaltung der europäischen Kapitalmarktaufsicht zu erwarten. Einen weitergehenden Ansatz verfolgen hingegen die Vorschläge, die eine Übertragung von Rechtsetzungskompetenzen an eine der Kommission nachgeordnete Einrichtung befürworten, deren Maßnahmen die Mitgliedstaaten unmittelbar binden. Gleiches gilt, soweit nicht nur eine Zusammenführung von Regulierungs-, sondern auch von Aufsichtskompetenzen auf europäischer Ebene vorgeschlagen wird. Die Überlegungen zur Änderung der Aufsichtsstrukturen greifen unterschiedlich intensiv in die Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Befugnisse ihrer Aufsichtsbehörden ein. Daher soll im Folgenden zunächst untersucht werden, inwieweit das geltende Gemeinschaftsrecht die Möglichkeit zur Realisierung dieser Modelle bietet.

3. Gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit a) Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Die Schaffung einer zentralen Aufsichtsbehörde setzt eine primärrechtliche Ermächtigung voraus, da die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Hoheitsbefugnisse nicht generell auf die Gemeinschaft übertragen, sondern nur zu einer Ausübung dieser Befugnisse nach Maßgabe des Vertrages zugestimmt haben.738 Auf der Grundlage dieses Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung können die Gemeinschaftsorgane zur Wahrnehmung der in Art. 2 EGV niedergelegten und in Art. 3 EGV näher umschriebenen Aufgaben somit nur insoweit tätig werden, als ihnen der Vertrag eine ausdrückliche Kompetenz einräumt.739 Das Prinzip hat gleichermaßen Bedeutung für das Verhältnis der Union zum einzelnen Bürger, zu den Mitgliedstaaten sowie für das Verhältnis der Gemeinschaftsor738 739

BverfGE 89, 155, 188ff; Oppermann, Europarecht, Rz. 513 ff., Habersack, § 3 Rz. 18. Bleckmann, § 7 Rz. 380.

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gane zueinander (Art. 7 Abs. 1 EGV: Jedes Organ handelt nach Maßgabe der ihm in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse).740 Zum Zweck der Machtentschärfung und -bemessung sollen Kompetenzen in der Regel allein von den vertraglich vorgesehenen Organen ausgeübt werden dürfen. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung hat damit einen organisatorisch-institutionellen Aspekt: Nicht nur die Kompetenzverteilung, sondern auch die Kompetenzträger sind vertraglich bestimmt.741 Eine ausdrückliche Ermächtigung zur Zentralisierung von Aufsichtsfunktionen im Kapitalmarktbereich enthält das Gemeinschaftsrecht nicht. Die Sachkompetenznormen können nicht als ausreichende Ermächtigungsgrundlagen für Übertragungen angesehen werden. Es fehlt insofern an Anhaltspunkten dafür, dass die Vertragsgeber mit der Einräumung materieller Kompetenzen auch eine Befugnis zu organisatorischen Regelungen gewähren wollten.742 So ermächtigen die Artt. 44, 47 und 55 EGV zwar zum Erlass von Richtlinien auf den Gebieten der Dienstleistungs-, Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Sie stellen jedoch keine Rechtsgrundlage für eine Übertragung von Kompetenzen im Börsen- und Kapitalmarktwesen auf eine europäische Aufsichtsstelle dar.743 Ebenso wenig besteht eine stillschweigende Kompetenz zur Zentralisierung der Kapitalmarktaufsicht unter dem Gesichtspunkt der dem allgemeinen Organisationsrecht entlehnten „Implied Powers“-Lehre. Diese ungeschriebene Ermächtigung ist dann gegeben, wenn eine Materie, für die eine ausdrücklich zugewiesene Kompetenz besteht, vernünftigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass gleichzeitig eine andere, nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird.744 Der EG-Vertrag enthält keine Befugnis zur Regelung der europäischen Kapitalmärkte, aus der eine Befugnis für die Schaffung einer zentralen Aufsicht abgeleitet werden könnte. 740 Die Begrenzung der Organbefugnisse auf ausdrückliche Kompetenzzuweisung wird in Art. 189 Abs. 1 (für das Parlament), in Art. 202 (für den Rat) und in Art. 211 (für die Kommission) bekräftigt. Dabei sind die den Organen eingeräumten Handlungsermächtigungen auf bestimmte Sachmaterien (materiell) und auf bestimmte Handlungsformen (Art. 189 Abs. 1 EGV) beschränkt. 741 Art. 7 Abs. 1 EGV räumt den Organen nicht nur die Befugnis zur Kompetenzausübung ein, sondern legt ihnen auch die Pflicht auf, diese selbst auszuüben. 742 Everling, in: Festschrift Ophüls, S. 42, der dies allerdings auch für Art. 308 (exArt. 235) EGV verneint mit der Konsequenz, für die Errichtung neuer Behörden immer die Notwendigkeit einer Vertragsänderung zu bejahen. 743 So auch Hoppmann, EWS 1998, 204, 210; Ehlen, S. 107 f. 744 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 72 ff.; Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 308 EGV Rz. 44; Grabitz, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Art. 235 EGV Rz. 3, Opperman, Europarecht, Rz. 527.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Sofern eine ausdrückliche Ermächtigung fehlt und auch die „Implied Powers“Lehre für die Errichtung von vertragsfremden Institutionen nicht fruchtbar gemacht werden kann, kommt die Schaffung einer Einrichtung auf der Grundlage von Art. 308 (ex-Art. 235) EGV in Betracht. Unter Berufung auf Art. 308 EGV können – je nach dem angestrebten Ziel – nicht nur materiellrechtliche Normen erlassen werden, sondern auch verfahrensrechtliche, organisationsrechtliche, befugniszuweisende, den Vollzug (Durchführung, Anwendung) und die Sanktionen und den rechtlichen Schutz regelnde Vorschriften.745 Zahlreiche vertragsfremde Institutionen sind in der Vergangenheit auf der Grundlage von Art. 308 EGV geschaffen worden.746

b) Ermächtigung auf der Grundlage von Art. 308 (ex-Art. 235) EGV aa) Die tatbestandlichen Voraussetzungen Nach Art. 308 EGV erlässt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments geeignete Vorschriften, wenn dies zur Zielverwirklichung der EU erforderlich erscheint und in diesem Zusammenhang die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind. Zweck der Regelung ist es, in den Fällen, in denen zwischen den Zielen der Gemeinschaft und den Befugnissen ihrer Organe Diskrepanzen und Lücken bestehen, eine Rechtsgrundlage zu schaffen und somit eine Ausdehnung der Kompetenzen der Gemeinschaftsorgane zu ermöglichen.747 Die Bestimmung eröffnet damit – gerade vor dem Hintergrund des starren Systems begrenzter Einzelermächtigungen – eine vertragsimmanente Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts unterhalb der förmlichen Vertragsänderung.748 Neben dem Fehlen einer ausdrücklichen Befugnis im EG-Vertrag erfordert die Anwendung von Art. 308 EGV, dass die Maßnahme der Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft dient und ein Tätigwerden der Gemeinschaft zur Zielverwirklichung erforderlich ist. Die Zentralisierung von Aufsichtsfunktionen, sei es von Teilen oder im Sinne der Schaffung einer ESC mit weitreichenden Kompetenzen, würde durch einen effektiven Vollzug des europäischen Kapitalmarktrechts der Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion mit 745

Schwartz, in: Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 308 EGV Rz. 199. Überblick bei Schwartz, in: Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art.308 EGV Rz. 216. 747 Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 308 EGV Rz. 1; Calliess, Subsidiaritätsund Solidaritätsprinzip, S. 37 f. 748 Oppermann, Europarecht, Rz. 523; Häde/Puttler, EuZW 1997, 13, 15 f.; Lorenz/Pühs, ZG 1998, 142, 148. 746

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einem gemeinsamen Kapitalmarkt als zentralem Element dienen.749 Darüber hinaus erscheint eine Zentralisierung von Aufsichtsfunktionen auch erforderlich, da bislang ein vollständig integrierter europäischer Kapitalmarkt als zentrales Element für einen gemeinsamen Binnenmarkt nicht verwirklicht ist und damit eine Diskrepanz zwischen den Zielen der Gemeinschaft und ihrer Verwirklichung besteht.750 Im Übrigen hat die Beantwortung der Frage, wann eine Maßnahme erforderlich erscheint, in erster Linie nach politischen Kriterien zu erfolgen. Den Gemeinschaftsorganen ist hierbei ein weites Ermessen eingeräumt.751 Ist die Anwendbarkeit von Art. 308 EGV auf organisatorisch-institutionelle Maßnahmen unbestritten, bestehen hinsichtlich der Art und des Umfangs der einer Einrichtung übertragbaren Befugnisse divergierende Ansichten. bb) Art und Umfang der übertragbaren Befugnisse (1) Grenzen einer Übertragung Als Ausgangspunkt der rechtswissenschaftlichen Diskussion zur näheren Bestimmung eines Rahmens, innerhalb dessen eine Übertragung von Befugnissen an eine vertragsfremde Einrichtung zulässig ist, dient das Meroni-Urteil des EuGH752. Danach ist eine Delegation von Durchführungsbefugnissen auf vertragsfremde Einrichtungen dann möglich, wenn es sich bei den Befugnissen um genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse handelt, die keinen weiten wirtschaftspolitischen Ermessenspielraum ermöglichen und der Aufsicht der Kommission unterliegen. Durch die Übertragung von Befugnissen darf zudem das primärrechtliche verankerte Gleichgewicht zwischen den Gewalten der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt werden. In einem Gutachten zur Vertragskonformität eines geplanten internationalen Stillegungsfonds für die Binnenschifffahrt, das der EuGH fast 20 Jahre nach dem Meroni-Urteil erstellte, hatte das Gericht hingegen keine Einwände mehr gegen die Übertragung von Durchführungsbefugnissen, die der vertragsfremden Einrichtung angemessene Entscheidungsbefugnisse einräumen. Voraussetzung ist, dass eine Beaufsichtigung der selbständigen Einrichtung durch ein Gemeinschaftsorgan erfolgt.753 749

So auch Prechtel, S. 398. Zum Merkmal der „Erforderlichkeit“ siehe Schwartz, in: Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 308 EGV Rz. 174. 751 Priebe, S. 97; Häde/Puttler, EuZW 1997, 13, 15. 752 EuGH – Rs. 9/56, Slg. 1958, 9, 43 ff. 753 EuGH – Gutachten 1/76 – Slg. 1977, 741, 756 Rz. 5. 750

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Ausgehend von der Rechtsprechung des EuGH ist für vertragskonforme Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 308 EGV zu fordern, dass sich diese innerhalb der Gemeinschaftskompetenzen bewegen und nicht die Struktur des Vertrages, den Charakter oder die Identität der Gemeinschaft beeinträchtigen.754 Diese wiederum bestimmen sich in erster Linie anhand der gemeinschaftsrechtlichen Grundprinzipien, die das Verhältnis zwischen der Kommission und den anderen Vertragsorganen zugewiesenen Befugnissen (Art. 7 EGV), die Aufgabenverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten (Artt. 2, 3 und 5 EGV), die grundlegenden Gemeinschaftsaufgaben (Art. 2 EGV) und die Instrumente zu ihrer Verwirklichung (Art. 3 EGV) sowie die Grundsätze des Binnenmarktes (Art. 14 EGV) festlegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH755 sind demzufolge Maßnahmen unterhalb einer Vertragsänderung nur dann zulässig, wenn dadurch weder die allgemeine Struktur des Vertrages noch das rechtliche Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, insbesondere das Verhältnis zwischen den der Gemeinschaft übertragenen und den den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Befugnissen berührt wird.

(2) Konkretisierung der übertragbaren Befugnisse Anknüpfungspunkt für die nähere Bestimmung der übertragbaren Befugnisse ist Art. 211, 4. Spiegelstr. EGV. Danach hat die Kommission die Befugnisse auszuüben, die ihr der Rat zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschrift überträgt. Durch die Anordnung von Art. 202, 3. Spiegelstr. wird die Übertragung von Durchführungsbefugnissen auf die Kommission zum Regelfall. Hierbei handelt es sich nicht um delegierte Ratsbefugnisse, sondern der Kommission werden die Befugnisse als eigene zugewiesen.756 Das Gemeinschaftsrecht nimmt damit eine Differenzierung zwischen übertragbaren Durchführungsbestimmungen, die auf die Kommission verlagert werden können, und nicht übertragbaren politischen Befugnissen des Rates vor.757 Der Begriff der Durchführung ist nach der Rechtsprechung des EuGH758 weit auszulegen. Danach kann die Kommission im Rahmen der anerkannten Zielsetzung alle für die Durchführung erforderlichen oder zweckmäßigen Maß754

Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), Art. 308 EGV Rz. 10. EuGH, RsprGH V 1959, 571, 576 zur Reichweite des gleich lautenden Art. 95 Abs. 3 EGKSV. 756 Ruffert, in: Calliess/Rufert (Hrsg.), Art. 211 EGV Rz. 15. 757 Harnier, S. 127 f.; Everling, in: Festschrift Ophüls, S. 43 f. 758 EuGH, Rs. 23/75, Slg. 1975, 1279, Rz. 10, 14. 755

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nahmen ergreifen, sofern sich diese in das in der Grundverordnung vorgesehene System einfügen, dessen wesentliche Grundzüge nicht antasten und ihren Anwendungsbereich nicht verändern. Jedoch würde es auf Bedenken stoßen, wenn sämtliche oder der überwiegende Teil der Befugnisse eines Organs auf eine vertragsfremde Einrichtung verlagert würden. Im Hinblick auf das Verhältnis zu den Mitgliedstaaten ist zudem zu berücksichtigen, dass die Schaffung neuer Einrichtungen mit umfassenden Befugnissen die Errichtung eines gemeinschaftseigenen Verwaltungsunterbaus bedeuten würde. Die Mitgliedstaaten haben sich indes entweder eine eigene (dezentrale) Mitwirkung bei der Verwirklichung gemeinschaftlicher Einrichtungen vorbehalten, oder sie haben Aufgaben der Gemeinschaft zur (zentralen) Verwaltung durch deren Organe zugewiesen.759 Auch hinsichtlich der Art der übertragbaren Handlungsformen bietet sich eine Differenzierung zwischen politischen und administrativ-vollziehenden Befugnissen an. Danach eignet sich die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Richtlinien (Art. 249 EGV) in der Regel nicht. Es gehört zum Wesen dieser Handlungsform, dass durch sie nur Politisch-Grundsätzliches geregelt wird und den Mitgliedstaaten die Ausfüllung überlassen wird.760 Hingegen bestehen keine Bedenken gegen die Übertragung der Befugnis zum Erlass von Rechtsakten, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind oder zum Erlass von Rechtsakten gegenüber Einzelnen. Hierzu zählen auch Befugnisse, die in einem engen Rahmen die Ausübung eines Verwaltungsermessens ermöglichen.761 Zulässig erscheint vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung auch die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen, sofern der Handlungsspielraum eng begrenzt wird. Dies ist dann der Fall, wenn die durch die Einrichtung erlassenen Regelungen lediglich der Konkretisierung der durch die Gemeinschaftsorgane erlassenen Rechtsakte dienen.762 Im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Grenzen hinsichtlich Art und Umfang übertragbarer Befugnisse begegnet die Einrichtung einer Kapitalmarktaufsichtsbehörde mit weiter reichenden Zuständigkeiten auf der 759

Priebe, S. 116 f. Siehe hierzu u.a. Strohmaier, S. 183 f. m.w.N.; ferner Holch, EuR 1967, 217, 222, Everling, in: Festschrift Ophüls, S. 45. 761 Schwartz, in: Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 308 EGV Rz. 215 m.w.N. 762 Strohmaier, S. 182 f, Priebe, S. 118; a.A. Everling, in. Festschrift Ophüls, S. 44 f. unter Hinweis auf die im Fall der Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen Beeinträchtigung des institutionellen Gefüges der Gemeinschaft. 760

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Grundlage von Art. 308 EGV Bedenken, da hierdurch eine Verlagerung der Verantwortung vorgenommen würde. An die Stelle des Ermessens der delegierenden Stelle würde in diesem Fall das Ermessen der Einrichtung treten.763 Darüber hinaus käme eine zentrale europäische Börsenaufsicht nicht ohne einen Verwaltungsunterbau aus, d.h. die Aufgabe könnte gar nicht der Gemeinschaft zur zentralen Verwaltung zugewiesen werden. Die Einrichtung eines gemeinschaftseigenen Verwaltungsunterbaus in den Mitgliedstaaten würde in erheblichem Umfang in die Souveränität der einzelnen Staaten eingreifen. Das Beispiel der EZB macht deutlich, dass sich die Mitgliedstaaten in diesen Fällen eine eigene (dezentrale) Mitwirkung vorbehalten und die Übertragung der Aufgaben sowie ihre Begrenzung im Wege der Vertragsänderung erfolgen.764

cc) Organisatorische und rechtliche Ausgestaltung der vertragsfremden Einrichtung Die Rechtsprechung des EuGH macht deutlich, dass die Zulässigkeit der Übertragung von Befugnissen auf eine vertragsfremde Einrichtung im Hinblick auf die Wahrung des institutionellen Gleichgewichts der Gemeinschaft maßgeblich davon abhängt, inwieweit die Aufsicht über und eine Einflussnahme auf die Einrichtung durch das delegierende Organ vorgesehen ist. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Verselbständigung im Sinne einer Verleihung von Rechts- und Geschäftsfähigkeit möglich.765 Auf der anderen Seite darf die organisatorische und rechtliche Ausgestaltung nicht dazu führen, dass die Gemeinschaftsorgane nur einen sehr begrenzten Einfluss auf die Tätigkeit der Einrichtung haben, beispielsweise weil einzelne Mitgliedstaaten an die Stelle der Gemeinschaft und ihrer Organe getreten sind.766 Vor dem Hintergrund dieser EuGH-Rechtsprechung begegnet das Konzept des „Lead Supervisor“ hinsichtlich seiner gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit Bedenken, da hierdurch eine Delegation von Verwaltungskompetenzen auf die Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten erfolgen würde. Der Vollzug durch die nationalen Aufsichtsstellen würde demzufolge in eigener Sache erfolgen. Eine Delegation von Verwaltungskompetenzen auf europäischer Ebene erfordert aber hingegen die Vollziehung ausschließlich im Gemeinschaftsinteres763

Ebenso Avgerinos, S. 18 ff. So im Ergebnis auch Prechtel, S. 398 f. 765 Siehe Art. 111 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl.EG v. 14.1.1994, Nr. L 11/1. 766 EuGH, Gutachten 1/76 – Slg. 1977, 741, 758. 764

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se.767 In der Konsequenz besteht die Gefahr, dass die Übertragung von Gemeinschaftsaufgaben auf die Mitgliedstaaten zu einer institutionellen Schwächung der Union führt.768 Sofern die organisatorische Ausgestaltung der Einrichtung hinsichtlich ihrer Leitung nach dem Kollegialprinzip erfolgt, um damit die Vertretung aller Mitgliedstaaten sicherzustellen,769 ist einer unangemessenen Verschiebung der Gewichte zugunsten der Mitgliedstaaten dadurch entgegenzuwirken, dass der Kommission weitreichende Kontrollbefugnisse eingeräumt werden. Die Mittel der potentiellen Einflussnahme sind vielfältig. Sie reichen von Entscheidungsund Zustimmungsbefugnissen bei der Besetzung der Organe der Einrichtung und beim Erlass von Geschäftsordnungen über den Erlass allgemeiner Weisungen in Form von Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften bis hin zu Einspruchsrechten bzw. Zustimmungserfordernissen bei der Tätigkeit der Einrichtung.770 Unter diesen Maßgaben könnte eine Einrichtung für den Erlass von Aufsichtsstandards im Börsenwesen (Stufe 3) auf der Grundlage von Richtlinien (Stufe 1) und Durchführungsbestimmungen (Stufe 2) zuständig sein, und die Kommission würde durch ein oder eine Mehrzahl der zuvor genannten Instrumente die Kontrolle der Gemeinschaft ausüben.

dd) Rechtsschutz Im Fall der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen auf eine neu zu schaffende Einrichtung ist weiterhin darauf zu achten, dass auch ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist. Hierfür sind bereits im Rahmen der Gründung der Einrichtung die erforderlichen Verfahrensvorschriften vorzusehen, die nicht hinter den vertraglichen Vorschriften (z.B. Begründungszwang, Art. 190 EGV) zurückbleiben dürfen.771 Häufig wird man sich mit einer Verweisung auf vertragliche Bestimmungen begnügen können.772

767

Vgl. Jörgens, S. 45. EuGH – Gutachten – 1/76 – Slg. 1974, 741, 759 f. 769 Siehe beispielsweise Art. 122 der Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl.EG v. 14.1.1994, Nr. L 11/1, für die Zusammensetzung des Verwaltungsrates des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Markenamt). 770 Siehe Priebe, S. 134 f. m.w.N. 771 Everling, in: Festschrift Ophüls, S.47. 772 Priebe, S. 144. 768

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ee) Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2; ex-Art. 3b Abs. 2 EGV) (1) Anwendungsbereich Ist ein Handeln der Gemeinschaft in der dargestellten Art sowie in dem beschriebenen Umfang auf der Grundlage von Art. 308 EGV möglich, steht die Ausübung dieser Zuständigkeit noch unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 EGV).773 Das Subsidiaritätsprinzip findet nur in den Fällen keine Anwendung, in denen die Maßnahme einem Bereich zuzuordnen ist, der der ausschließlichen Kompetenz der Gemeinschaft unterfällt.774 Eine ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft ist gegeben, wenn aus der jeweiligen Vorschrift erkennbar ist, dass entsprechende Kompetenzen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden sollen, und die Gemeinschaft allein zuständig sein soll. Eine ausschließliche Zuständigkeit liegt somit nur in den Fällen vor, in denen die Mitgliedstaaten unabhängig vom konkreten Tätigwerden der Gemeinschaft nicht handlungsbefugt sind.775 Für Maßnahmen der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kapitalmarktregulierung besteht eine derartige Beschränkung der Mitgliedstaaten nicht. Regulatorisches Anliegen des Subsidiaritätsprinzips ist die Begrenzung der Kompetenz der Gemeinschaft und damit die Sicherung der Pluralität in der EU.776 Indes sind die praktischen Auswirkungen dieses Prinzips, zumindest wenn man die Rechtsprechung des EuGH777 zugrunde legt, eher gering. Der Gerichtshof hält sich auffällig mit Aussagen zu der Erforderlichkeit und Notwendigkeit der ihm vorgelegten Harmonisierungsmaßnahmen zurück.778 Ange773 Schwartz, in: Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 308 EGV Rz. 39; Oppermann, Europarecht, Rz. 525; Ehlen, S. 110; gundlegend zum Subsidiaritätsprinzip Schwartz, in: Due/Lutter/Schwarze (Hrsg,), Festschrift Everling, 1331 ff. 774 Ress, DÖV 1992, 944, 948 f.; siehe hierzu auch Merkt, RabelsZ 61 (1997) 647, 673 ff. 775 v. Borries, in: Festschrift Deringer, S. 28; Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 86; Jarass, Grundfragen, S. 14; Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 87; hierzu zählen u.a. die Währungspolitik (Art. 105 ff. EGV und die gemeinsame Handelspolitik (Art. 133 Abs. 1 EGV). 776 Langguth, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.). Art. 5 EGV Rz. 1; Demaret, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.) S. 13, 15. 777 EuGH Rs. C-84/94. Slg. 1996. I-5755 ff.; Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405; Rs. C150/94, Slg. 1998, I-7278 ff. 778 So auch in dem Verfahren der Bundesrepublik Deutschland gegen den Gemeinschaftsgesetzgeber wegen der Umsetzung der Einlagensicherungsrichtlinie, EuGH, Rs. C-233/94, Slg. 1997, I-2405 Rz. 22 ff. Deutschland hatte gerügt, dass die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips nicht begründet worden sei. Das Gericht bejahte die Begrün-

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sichts der Rechtsprechungspraxis ist dem Gemeinschaftsgesetzgeber ein sehr weiter Ermessensspielraum bei der Entscheidung einzuräumen, auf welcher Ebene eine Regelung „besser“ getroffen werden kann. Eine andere Spruchpraxis des EuGH bei der Überprüfung von Richtlinien und Verordnungen im Hinblick auf die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips würde das Gericht zudem dazu zwingen, Fragen von eher politischer Natur zu beantworten.779 Für eine solche Erhöhung der Kontrolldichte durch den Gerichtshof gibt es jedoch bislang keine Anzeichen.780 (2) Materielle Voraussetzungen Art. 5 Abs. 2 EGV fordert für ein Tätigwerden der Gemeinschaft, dass die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können (so genanntes Negativkriterium781). Darüber hinaus müssen die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkung besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können (so genanntes Positivkriterium782). Beide Kriterien sind auf Grund der Formulierung „und daher“ kumulativ und kausal miteinander verknüpft.783 Bei der Prüfung des Negativkriteriums ist vergleichend zu untersuchen, ob etwaige transnationale Aspekte zufriedenstellend von den Mitgliedstaaten allein geregelt werden können. Dabei ist ein Ausweichen der Mitgliedstaaten auf die völkerrechtliche Ebene in Form der intergouvernementalen Zusammenarbeit gemeinschaftsrechtlich nicht zu vertreten.784 Ein Zurückziehen auf eine intergouvernementale Kooperation würde nicht nur gegen den Zweck des Subsidiaritätsprinzips, möglichst bürgernahe Entscheidungen zu gewährleisten, verstoßen, sondern stünde auch in Widerspruch zum institutionellen System der Gemeinschaft, indem die Rechte von Kommission und Europäischen Parlament umgangen werden könnten. Die Verwirklichung der Vertragsziele obliegt nach dem System der Verträge den Gemeinschaftsorganen, die über die dafür erforderlichen Kompetenzen verfügen.785 dungspflicht, hat sich aber nicht mit ihr inhaltlich unter den Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 EGV auseinandergesetzt. 779 Demaret, in: Buxbaum/Hertig/Hirsch/Hopt (Hrsg.), S. 13, 27. 780 Röhling, S. 84. 781 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 106 ff. 782 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 112 ff. 783 Schweitzer/Fixson, Jura 1992, 579; Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 104. 784 Schmidhuber, DVBl. 1993, 417, 419; Jarass, Grundfragen, S. 19. 785 Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 112.

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Unter diesen Gesichtpunkten erscheint es bei der Konkretisierung des Negativkriteriums verfehlt, darauf abzustellen, ob die nationalen Aufsichtsbehörden in der Lage sind, eine wirkungsvolle Börsenaufsicht wahrzunehmen oder ob sich bislang Fälle schwerwiegenden Fehlverhaltens ergeben haben, die durch die bestehende Aufsicht begünstigt wurden.786 Vielmehr ist der Blick auf die Entwicklungstendenzen im Wertpapierhandel zu richten. Im Zuge der Verwirklichung des Binnenmarktes hat nicht nur der grenzüberschreitende Handel in der EU zugenommen, sondern auch der Konsolidierungsprozess auf dem Markt für Wertpapier- und Börsendienstleistungen. Hierdurch entstehen für die nationale Aufsicht Prüfungssachverhalte mit Auslandsbezug. Maßnahmen der nationalen Aufsichtsbehörden entfalten aber grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung in einem anderen Mitgliedstaat.787 Die Lösung dieses Problems liegt im vorliegenden Zusammenhang auch nicht in dem Hinweis einer Kompetenzausweitung der nationalen Aufsichtsstellen durch eine Auflockerung des Territorialprinzips, um somit einen Durchgriff nationaler Aufsichtsmaßnahmen zu erreichen.788 Unabhängig von der Frage, ob sich dieses Modell politisch leichter durchsetzen ließe als eine Zentralisierung der Aufsicht, kann diese Form der intergouvernementalen Zusammenarbeit kein Argument bei der Prüfung des Negativkriteriums im Rahmen des Subsidiaritätsgrundsatzes sein. Hinzu kommen Kompetenzabgrenzungsschwierigkeiten zwischen den einzelstaatlichen Behörden. Ein besonders anschauliches Beispiel ist die Verfolgung von Insiderverstößen und Marktmanipulationen. Durch Doppel- und Mehrfachnotierungen der Finanzinstrumente an den europäischen Börsen entstehen aufsichtsrechtliche Sachverhalte, auf die nicht nur unterschiedliches materielles Aufsichtsrecht Anwendung findet, sondern darüber hinaus auch mehrere Aufsichtsstellen eine Zuständigkeit beanspruchen. Ein weiteres Beispiel ist die „Mehrfach“-Aufsicht über Euronext.789 Auf Grund der Tätigkeit der Börse in fünf Ländern reklamieren die Aufsichtsbehörden in allen fünf Ländern eine Zuständigkeit. Bei einer Gegenüberstellung der aktuellen Sach- und Rechtslage in den Mitgliedstaaten und einer hypothetischen Abschätzung von deren Möglichkeiten kommt man damit zu dem Ergebnis, dass grenzüberschreitende Sachverhalte nicht in allen Fällen zufriedenstellend von nationalen Behörden geregelt werden können. 786 787 788 789

So aber Ehlen, S. 112 f. und Hoppmann, Börsenrecht, S. 67. Kurth, WM 2000, 1521, 1522. So aber Kurth, WM 2000, 1521, 1528 f. Oben 4. Teil, A. VI. 3.

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

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Das Positivkriterium ist nach dem Prüfungsschema der Kommission erfüllt, wenn das Handeln auf Gemeinschaftsebene gegenüber dem einzelstaatlichen Handeln im Rahmen der Aufsicht effizienter ist und damit einen „Mehrwert“ schafft.790 Auch bei der Konkretisierung dieses Merkmals sind grenzüberschreitende Aspekte einzubeziehen. Es erscheint fraglich, ob gerade das Beispiel der EZB und der im Bereich der Geld- und Währungspolitik fortbestehenden nationalen Notenbanken geeignet ist, die höhere Effektivität des Handelns auf Ebene der Gemeinschaft zu verneinen,791 da gerade auf dem Gebiet der Geld- und Währungspolitik bedeutsame Aufgaben zentral ausgestaltet worden sind. Zu fragen ist vielmehr, ob durch die jeweilige Maßnahme ein zusätzlicher Integrationsgewinn von einigem Ausmaß zu erwarten ist und der Eingriff in die mitgliedstaatlichen Kompetenzen demgegenüber zurücktritt.792 Hierbei sind auch Kosten und Nutzen der Maßnahme zu berücksichtigen.793 Eine Zentralisierung der Börsenaufsicht auf europäischer Ebene hätte zur Folge, dass Abstimmungserfordernisse zwischen den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten verringert bzw. ganz entfallen würden. Aufsichtsunterschiede auf Grund unterschiedlicher Ausstattung der jeweiligen Stellen und somit ein Aufsichtsgefälle würden vermieden. Aus dem Blickwinkel der zu beaufsichtigenden Unternehmen würden einheitliche Regeln auch einheitlich ausgelegt und angewandt. Die Berichtspflichten und damit der Kostenaufwand für die Marktteilnehmer würden sich verringern. Aus Sicht der Gemeinschaft könnten so Wettbewerbsverzerrungen vermieden und ein zusätzlicher Integrationsgewinn erwirtschaftet werden. Folge wäre zudem eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Kapitalmarktes insgesamt und damit die Schaffung eines „Mehrwertes“ durch eine Zentralisierung der Börsenaufsicht.

ff) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 5 Abs. 3; ex-Art. 3b Abs. 3 EGV) Eine Zentralisierung der Börsenaufsicht stellt sich auch als verhältnismäßig im Sinne von Art. 5 Abs. 3 EGV dar. Eine solche Maßnahme ist geeignet, durch die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen die weitere Integration der Märkte für Börsendienstleistungen zu fördern.

790 791 792 793

European Commission, The principle of subsidiarity, S. 10. So aber Ehlen, S. 113 f. Ress, DÖV 1992, 944, 948 f. Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 116.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

gg) Rechtsfolgen Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 308 EGV ist der Rat berechtigt und nicht verpflichtet,794 die geeigneten Vorschriften zu erlassen. Abgesehen davon, dass sich eine Verpflichtung zum Handeln nur auf das „ob“ des Handelns beziehen könnte, wenn nicht das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite ignoriert werden soll, ist vor allem nicht zu erkennen, wie der Rat zu einer einstimmigen Entscheidung gezwungen werden soll.795

4. Vereinbarkeit einer Zentralisierung der Aufsicht mit deutschem Verfassungsrecht Neben der Vereinbarkeit mit primärem Gemeinschaftsrecht stellt sich auch die Frage, ob eine Zentralisierung der Börsenaufsicht auf der Ebene der Gemeinschaft mit der deutschen Verfassung vereinbar wäre. Grundsätzlich hat das europäische Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten.796 Dies gilt auch im Verhältnis zum nationalen Verfassungsrecht.797 Dieser Grundsatz findet jedoch seine Grenzen in seiner verfassungsrechtlichen Ermächtigung. Der Vorrang besteht mit anderen Worten nur so weit, wie die verfassungsrechtliche Ermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG bzw. Art. 24 GG reicht.798 Art. 23 Abs. 1 GG beinhaltet zunächst eine Staatszielbestimmung mit dem rechtsverbindlichen Auftrag an alle staatlichen Stellen Deutschlands, zur Entwicklung des vereinten Europas beizutragen.799 Der Auftrag zur Entwicklung der Europäischen Union setzt allerdings in Gestalt der so genannten Struktursicherungsklauseln800 voraus, dass diese bestimmten, in Absatz 1 näher festgeleg794

Schwartz, in: Groeben/Schwarze, Art. 308 EGV Rz. 188 ff. mit der Bejahung einer Verpflichtung des Rates unter Hinweis auf die grammatikalische Auslegung der Formulierung „erlässt“. 795 So auch das überwiegende Schrifttum: Lecheler, S. 63; Rossi, in: Calliess/Ruffert, Art. 308 EGV Rz. 63 f.; Bleckmann, Rz. 796; Behrens, S. 278; ebenso eine Verpflichtung des Rates zum Handeln ablehnend EuGH, Rs 22/70, Slg. 1971, 263, 95. 796 Gersdorf, DVBl. 1994, 677; Hirsch, NJW 1996, 2457, 2458; Jarass, DVBl. 1995, 954, 958. 797 Royla, S. 88; Oppermann, Europarecht, Rz. 616 ff. m.w.N. 798 Gersdorf, DVBl. 1994, 674, 678; Hirsch, NJW, 1996, 2457, 2458 ff. 799 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 GG Rz. 6. 800 Zu Begriff und Zweck vgl. Gemeinsame Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000, 20 ff.

A. Vorschläge für eine Neustrukturierung der Aufsicht

211

ten Anforderungen entsprechen801. Demzufolge wird die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union nur zugelassen, wenn dort die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Strukturprinzipien gewahrt sind. Daneben muss ein dem Grundgesetz vergleichbarer Grundrechtsschutz gewährleistet sein und das Subsidiaritätsprinzip zur Geltung kommen.802 An der Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und Rechtsstaatprinzip sowie an der Verpflichtung zu föderativen Grundsätzen im Fall der Einführung einer europäischen Börsenaufsicht kann kein Zweifel bestehen.803 Gleiches gilt aber auch für den Subsidiaritätsgrundsatz.804 Dieser hat keine andere inhaltliche Ausgestaltung als Art. 5 Abs. 2 EGV.805 Nach der hier vertretenen Ansicht läge im Fall der Schaffung einer Aufsicht über Börsen auf EU-Ebene kein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 EGV vor.806 5. Ergebnis der gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeitsprüfung Die Vorschläge, die eine Zentralisierung von Regulierungs- und Aufsichtsbefugnissen, sei es für Teilbereiche oder für den gesamten Finanzdienstleistungsbereich, auf europäischer Ebene befürworten, finden für ihre Realisierung im geltenden Gemeinschaftsrecht keine Ermächtigungsgrundlage. Bei Einführung einer europäischen Börsen- und/oder Kapitalmarktaufsicht, die mit weitreichenden Eingriffs- und Sanktionsbefugnissen ausgestattet wäre, könnte nicht mehr davon gesprochen werden, dass lediglich eine Vertragslücke ausgefüllt würde bzw. die Zuständigkeit eines bestehenden Organs im Sinne der Ziele der Gemeinschaft und des Art. 2 EGV erweitert würde. Die Einrichtung einer solchen mit Vollzugsbefugnissen ausgestatteten Gemeinschaftsbehörde würde grundlegend in das bestehende institutionelle Gefüge der Gemeinschaft eingreifen. Art. 308 EGV stellt hierfür keine ausreichende Vertragsgrundlage dar. Vielmehr bedürfte es einer Änderung des Vertrages im Sinne der Aufnahme einer ausdrücklichen Ermächtigung zur Einrichtung einer solchen Behörde. Das in Art. 48 EUV geregelte Verfahren der Vertragsänderung setzt eine Regierungskonferenz voraus, um die Änderung des Vertrages zu vereinbaren, die zu ihrem Inkrafttreten von den Mitgliedstaaten zu ratifizieren ist. 801 802 803 804 805 806

Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 GG Rz. 7. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG Rz. 4. So im Ergebnis auch Ehlen, S.118 ff. A.A. Ehlen, S. 123 f. Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 23 GG Rz. 11. Siehe oben 3. b) ee).

212

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Demgegenüber ermöglicht der geltende EG-Vertrag eine Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf eine vertragsfremde Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit, die über eine gewisse Selbständigkeit und eigene Befugnisse verfügt. Neben der Berechtigung, innerhalb eines angemessenen Ermessensspielraums Einzelfallentscheidungen gegenüber den Mitgliedstaaten, aber auch gegenüber Einzelpersonen zu treffen, können auch Rechtsetzungsbefugnisse in einem eng begrenzten Rahmen auf die Einrichtung übertragen werden. Das Gemeinschaftselement wäre durch eine Kontrolle der Einrichtung durch die Kommission zu berücksichtigen.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht Ausgangspunkt für eine sachgerechte Einordnung der bisherigen Vorschläge für eine Änderung der aktuellen Aufsichtsstruktur im Börsen- und Kapitalmarktwesen müssen die Ergebnisse der bisherigen Untersuchung sein, die sich in zwei Kernaussagen zusammenfassen lassen: 1.

Die umbruchartigen Veränderungen der Kapitalmarktorganisation haben die Aufsicht unter erheblichen Anpassungsdruck gesetzt. Dies gilt insbesondere für die Aufsicht über den Markt für Börsendienstleistungen, der sowohl national, europäisch als auch international durch einen starken Wettbewerb gekennzeichnet ist. Die materielle Börsenregulierung ist verstärkt bemüht, auf diese Veränderungen, vor allem durch europäische Rechtsangleichung, angemessen und möglichst zeitnah zu reagieren. Die Beaufsichtigung der Einhaltung des materiellen Rechts erfolgt hingegen durch eine Vielzahl von Behörden, die ihrer Tätigkeit unterschiedliche Aufsichtsmaßstäbe zugrunde legen. Folge sind Wettbewerbsverzerrungen und Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Märkte. Daher ist eine effiziente Aufsicht das funktionale Äquivalent zu materieller Börsenregulierung.

2.

Soweit es den europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen betrifft, weist dieser sowohl in wirtschaftlicher als auch in rechtlicher Hinsicht einen unterschiedlichen Grad an Integration auf. Änderungen an der Aufsichtsstruktur haben diesen Umstand im Interesse von Qualität und Effektivität der Aufsicht zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Bereitschaft für eine stärkere „Europäisierung“ der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht zwischen und innerhalb der EUMitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße ausgeprägt ist.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

213

Von diesem Befund ausgehend sollen zunächst die Parameter bestimmt werden, denen eine Novellierung der Struktur der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht gerecht werden muss. Auf dieser Grundlage erfolgt sodann ein eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht.

I. Grundanliegen einer Reform 1. Marktintegrität und Anlegerschutz Eine Neuregelung der Aufsicht über die Börsen und Kapitalmärkte ist primär an der Zielsetzung der Aufsicht auszurichten. Übergeordnete Ziele der Börsenund Kapitalmarktaufsicht sind die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Marktes sowie die Gewährleistung eines angemessenen Anlegerschutzes. Struktur und Instrumentarium der Aufsicht müssen daher darauf gerichtet sein, den aus vernetzten und integrierten Finanzmärkten und einem sich verschärfenden Wettbewerb resultierenden Gefahren für die Stabilität der Märkte und für die Anleger Rechnung zu tragen.

2. Effizienz und Wettbewerbsneutralität Im Rahmen einer Reform der Aufsicht wird darauf zu achten sein, dass eine effiziente Aufsicht implementiert wird, die insbesondere folgenden Anforderungen gerecht wird: •

Die Entscheidungen der Aufsicht müssen für die Adressaten des aufsichtlichen Handels einheitlich und vorhersehbar sein. Eine Einheitlichkeit der Entscheidungen setzt voraus, dass gleiche Sachverhalte von der Aufsicht auch gleich behandelt werden und der Grundsatz „Gleiches Geschäft, gleiche Aufsicht“ gilt. Damit soll das Ausnutzen nicht gerechtfertigter Regulierungsdifferenzen und Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden („level playing field“). Das Erfordernis der Vorhersehbarkeit soll den potentiellen Adressaten des Handels vor Überraschungsentscheidungen der Aufsicht schützen. Angesichts erheblicher finanzieller Interessen, die mit dem Wertpapierhandel verbunden sind, muss eine langfristige Geschäftsausrichtung möglich sein.



Mit dem zuvor Gesagten steht in engem Zusammenhang das Erfordernis der Vermeidung unterschiedlicher Reaktionen und Reaktionsgeschwindigkeiten der Aufseher auf neue Entwicklungen in einem stark innovativen Bereich wie dem der Finanzdienstleistungsbranche. Zudem muss die Qualifikation der Aufseher einheitlich sein.

214

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht



Doppel- und Mehrfacharbeit und zusätzlicher Bürokratismus sind zu vermeiden. Hierzu ist die Festlegung klarer Kompetenzen erforderlich.



Im Hinblick auf ein rasches Handeln muss der Abstimmungsbedarf zwischen den Behörden möglichst gering gehalten werden.



Es gilt Interessenkonflikte zwischen den verschiedenen Aufsichtsbereichen frühzeitig zu erkennen und zu lösen.



Die Aufsicht muss über einen Gesamtüberblick verfügen, um die starken Interdependenzen zu anderen Märkten bei ihren Entscheidungen einzubeziehen.



Die Aufsicht ist im internationalen Wettbewerb der Finanzplätze ein maßgeblicher Faktor. Eine Orientierung an internationalen Standards ist daher unverzichtbar. Dies betrifft sowohl den Wettbewerb innerhalb Europas als auch die Konkurrenz des europäischen Binnenmarktes mit den anderen internationalen Finanzplätzen in Nord-Amerika und Asien.



Die Aufsicht muss in der Lage sein, die gesetzlichen Vorgaben zu überwachen und gegenüber den unterschiedlichen Marktakteuren durchzusetzen. Letzteres setzt ausreichende Eingriffsbefugnisse und spürbare Sanktionsmöglichkeiten voraus. Dabei ist für die Börsenaufsicht zudem in Rechnung zu stellen, dass es sich bei den Wettbewerbern der traditionellen Börsen nicht um öffentlich-rechtliche Einrichtungen, sondern um privatrechtliche Unternehmen handelt. Die Aufsicht ist im Interesse der Wirtschaftsbeteiligten und/oder des Staates kostengünstig auszugestalten.

II. Konsequenzen für die organisationsrechtliche Ausgestaltung und die Befugnisse der Aufsicht 1. Zentralisierung der Aufsicht auf nationaler Ebene Die bisherige Aufteilung der Börsenaufsicht zwischen Börsen, Ländern und dem Bund ist weder ökonomisch zu rechtfertigen, noch trägt sie dem Strukturwandel im Börsenwesen angemessen Rechnung. Hierfür sprechen zum einen die veränderten (tatsächlichen und rechtlichen) Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene und zum anderen die Anforderungen an die Aufsichtsbehörden im Rahmen der europäischen und internationalen Kooperation.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

215

a) Aufsichtsrechtliche Anforderungen auf nationaler Ebene Mit dem Zweiten und Vierten Finanzmarktförderungsgesetz sind durch die Neuregelung der Zuständigkeiten für die Überwachung der Einhaltung des Insiderhandelsverbots und des Verbots der Kurs- und Marktpreismanipulation (Marktmanipulation) zentrale Bereiche der Börsenaufsicht auf den Bund übergegangen.807 Damit verbleibt den Börsenaufsichtsbehörden der Länder seit der Novellierung des Börsegesetzes 2002 lediglich die Zuständigkeit für die Überwachung der Ordnungsmäßigkeit der Preisfindung an den Börsen. Neben dem Umstand, dass sich hierbei Abgrenzungsfragen zur Überwachung des Verbots der Marktmanipulation ergeben, erscheint die Aufgabenaufteilung in erster Linie mehr politisch getragen, als dass sie in der Sache gerechtfertigt ist. Darüber hinaus stellt sich auch bei der verbleibenden Restzuständigkeit der Länder das Problem, dass die Börsenaufsichtsbehörden immer dann an ihre – zumindest verfassungsrechtlichen – Grenzen stoßen, wenn Aufsichtsaufgaben über eine bundesweit tätige Börse wahrgenommen werden, wie dies insbesondere im Fall der Terminbörse EUREX geschieht; aber auch im Fall des Kassahandels der Frankfurter Wertpapierbörse wird auf Grund der elektronischen Anschlussmöglichkeiten bundesweit Geschäft akquiriert. Betroffen ist in diesem Zusammenhang die Frage der sachlichen Zuständigkeit der hessischen Börsenaufsichtsbehörde für eine bundesweit tätige Börse und die damit verfassungsrechtlich verbundene Problematik der grundsätzlichen Beschränkung der Verwaltungszuständigkeit der Länder (Art. 30 GG) auf das jeweilige Landesgebiet.808 Die Übernahme der Börsenaufsicht durch den Bund würde zudem nur den Schlusspunkt einer Entwicklung markieren, die spätestens mit der Gründung der BaFin und der damit einhergehenden Schaffung einer sektorübergreifenden Finanzaufsicht ohnehin unumkehrbar ist. Die Konzentration der Aufsicht im Bereich Banken, Versicherungen und Wertpapierhandel ist in Deutschland wie in zahlreichen anderen Ländern, die sich ebenfalls für eine zentrale Aufsichtsinstanz entschieden haben, der Entstehung von Allfinanzkonzernen geschuldet, die unter einem Dach eine Vielzahl von Finanzprodukten, Bankdienstleistungen, Versicherungen, Asset Management, Investment-Banking-Dienstleistungen anbieten. Zum anderen ist die Zusammenführung der bislang auf drei Bundesbehörden verteilten Aufsicht Ausfluss der Einsicht in die Notwendigkeit einer engen Koordinierung der drei Aufsichtsbereiche auf einem zunehmend integrierten 807 808

Vgl. oben 2. Teil, A. II. 3. a) aa), 6. a) bb. Siehe zur Problematik Samm, WM 1990, 1265.

216

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Finanzmarkt. Nur so kann der Tatsache angemessen Rechnung getragen werden, dass sich die jeweiligen Schutzfunktionen der Aufsicht gegenseitig ergänzen und zusammen dem übergeordneten Ziel dienen, den Finanzsektor insgesamt funktionsfähig zu erhalten. Auch diese Gesichtpunkte sprechen dafür, den Börsenhandel als Teilbereich des Wertpapierhandels der integrierten Finanzaufsicht zu unterstellen. Eine Wahrnehmung der Börsenaufsicht durch den Bund würde zudem eine bessere Koordination, Kooperation und Kommunikation ermöglichen. Zeitaufwendige Abstimmungsprozesse zwischen Bundes- und Landesbehörden würden unterbleiben und es könnten somit schnellere Entscheidungen getroffen werden. Es könnte zudem weitaus effektiver dafür gesorgt werden, dass für gleichartige Aufsichtsprobleme in verschiedenen Bereichen einheitliche Lösungen gefunden werden, als dies bei einer bloßen Zusammenarbeit möglich ist. Doppelarbeit könnte so vermieden und dem Entstehen von Aufsichtslücken entgegengewirkt werden. b) Anforderungen im Rahmen der europäischen und internationalen Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden Angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Börsen, Kapitalmärkte und der Wertpapiertransaktionen ist die Notwendigkeit einer effizienten, internationalen Kooperation der Aufsichtsbehörden unabdingbar.809 Um diesen europäischen und internationalen Entwicklungen auf nationaler Ebene angemessen Rechnung zu tragen, muss die hiesige Aufsicht entsprechend organisiert sein. Auskunftsersuchen ausländischer Aufsichtsbehörden müssen regelmäßig rasch beantwortet werden. Dies ist aber dann nicht gewährleistet, wenn ein entsprechendes Auskunftserbeten auf nationaler Ebene über mehrere Aufsichtsinstanzen geleitet werden muss. Zudem bedarf es zur Regelung der Zusammenarbeit bei der Verfolgung unrechtmäßiger Verhaltensweisen im grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäft sowie des Informationsaustausches einer zentralen Institution für den Abschluss internationaler Vereinbarungen zwischen den Aufsichtsbehörden verschiedener Länder. In diesem Zusammenhang ist das Bemühen des europäischen Gesetzgebers zu sehen, im größeren Maße als in der Vergangenheit auf die Zusammenarbeit der jeweiligen Aufsichtsbehörden Einfluss zu nehmen und sogar Vorgaben hinsichtlich der organisationsrechtlichen Ausgestaltung dieser Behörden zu machen.810 809 810

Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 369. Siehe oben 4. Teil, C. II.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

217

Schließlich steht die nationale Aufsicht im Kontext mit den Veränderungsprozessen der europäischen und internationalen Finanzmarktaufsichtsarchitektur. Es wird zukünftig nicht nur darum gehen, europäische Anforderungen an eine wirksame Überwachung und Kooperation mit den Aufsichtsbehörden der anderen Mitgliedstaaten zu erfüllen. Vielmehr wird es auch erforderlich sein, bei der Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf europäischer und internationaler Ebene die nationalen Elemente angemessen zum Tragen zu bringen. Dies ist nur von einer zentralen nationalen Aufsichtsbehörde in dem erforderlichen Umfang zu leisten. Schon heute nimmt die BaFin die Vertretung Deutschlands in den internationalen Gremien zu allen aufsichtsrechtlichen Fragen des Wertpapierhandels einschließlich des Börsenhandels wahr. Somit sind in der Außenvertretung seit längerem Zuständigkeiten zusammengeführt, die national noch immer auf verschiedene Behörden verteilt sind. Im Interesse einer effizienten Interessenvertretung Deutschlands auf internationaler Ebene ist diese Divergenz von Zuständigkeiten aufzuheben. Da nach der hier vertretenen Ansicht einer Zentralisierung der Börsenaufsicht auch keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen, sollte die Börsenaufsicht – und damit die Aufsicht über den Wertpapierhandel insgesamt – auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen werden.

2. Zentralisierung der Aufsicht auf europäischer Ebene Auf europäischer Ebene müssen Aufsichtsstrukturen implementiert werden, die dem Spannungsverhältnis zwischen einem globalen, in Europa in weiten Bereichen stark integrierten Kapitalmarkt und einer national verankerten Aufsicht angemessen Rechnung tragen. Dabei wird sich die Struktur einer europäischen Börsen- und Kapitalmarktaufsicht an dem Erfordernis der Beseitigung der Schwächen des bestehenden Aufsichtsregimes zu orientieren haben. Hierbei sind insbesondere a) eine divergierende Umsetzung und Auslegung des gemeinschaftlichen Rechts, b) das Vorhandensein unterschiedlicher Aufsichtsmaßstäbe sowie c) die unzureichende Anpassung der Aufsichtsstrukturen an die Integrationswirkung des materiellen Aufsichtsrechts hervorzuheben. Schließlich schwächt die bisherige Aufsichtsstruktur die Position Europas bei der Durchsetzung international anerkannter Standards (d). a) Einheitliche Umsetzung und Auslegung des gemeinschaftlichen Rechts Die auf eine stärkere Kooperation der Aufsichtsbehörden zielenden Maßnahmen stellen zweifellos notwendige, wenngleich auch nicht hinreichende Schritte für eine marktgerechte Weiterentwicklung der europäischen Börsen- und Kapi-

218

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

talmarktaufsicht dar. Das Problem der uneinheitlichen Umsetzung und Auslegung des europäischen Rechts bleibt bestehen. Auch die Einsetzung der Regulierungsausschüsse verspricht allenfalls eine gewisse Eingrenzung der bisher allzu weiten nationalen Ermessensspielräume, die in einem Ausmaß genutzt worden sind, dass nicht davon gesprochen werden kann, dass die Wettbewerbsneutralität der Aufsicht in einem gemeinsamen Binnenmarkt gewährleistet erscheint. Es sind daher Vorkehrungen zu treffen, die eine weitergehende einheitliche Interpretation und damit Umsetzung des harmonisierten Rechts EU-weit sichern. Diese Forderung verkennt nicht, dass ein gewisses Maß an Flexibilität bei der Auslegung notwendig ist, damit den Besonderheiten einzelner nationaler Finanzmärkte Rechnung getragen werden kann. Jedoch sollten diese Abweichungen und die hierfür maßgeblichen Gründe transparent gemacht werden. b) Einheitliche Aufsichtsmaßstäbe Der einheitlichen Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben muss eine aufsichtliche Konvergenz folgen. Die auf Stufe 3 des Lamfalussy-Verfahrens vorgesehene Erarbeitung von Richtlinien und Standards durch CESR kann einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einheitlicherer Aufsichtsmaßstäbe leisten. Das eigentliche Ziel, gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln, kann aber nur erreicht werden, wenn die von den Aufsichtsbehörden gemeinsam erarbeiteten Richtlinien auch verbindlich sind. Zu einheitlichen Aufsichtsstandards gehört aber auch eine gemeinsame Informationsbasis der Behörden. Wettbewerbsverzerrungen fördernd und die internationale Zusammenarbeit behindernd wirkt sich hingegen aus, wenn aufsichtsrelevante Informationen nicht nach den gleichen Kriterien erhoben werden. Regulatorischer Ansatzpunkt sind hier die Meldungen der beaufsichtigten Unternehmen und Investoren, die der Aufsicht als zentrale Informationsquellen dienen. Wie bereits bei der Frage der Sicherstellung einer einheitlichen Implementierung des Rechts bietet sich auch für die angestrebte Vereinheitlichung der Aufsichtsstandards eine erweiterte Offenlegungspflicht hinsichtlich der Aufsichtspraxis an, die für mehr Transparenz und damit im Ergebnis für eine stärkere Vereinheitlichung sorgt. c) Anpassung der Aufsichtsstrukturen an die Integrationswirkung des materiellen Aufsichtsrechts Gegen eine Zentralisierung der Börsenaufsicht auf europäischer Ebene wurden in der bisherigen Diskussion vor allem zwei Argumente angeführt:

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

219

Zum einen könne eine einheitliche europäische Börsenaufsicht nur dann den Markt effizient beaufsichtigen, wenn es auch ein einheitliches Börsenrecht gebe, möglichst auf der Basis einer Vollrechtsharmonisierung.811 Nur so könne eine Regelung für grenzüberschreitende Sachverhalte, für die Frage des anwendbaren Rechts und der zuständigen Behörde gefunden werden. Es seien jedoch bislang keine Hinweise vorhanden, dass die politische Bereitschaft bei den Mitgliedstaaten bestehe, in dieser weitreichenden Form Kompetenzen zugunsten des Gemeinschaftsgesetzgebers abzugeben.812 Zum anderen genüge die Vereinheitlichung des Börsenrechts allein nicht; es müssten auch die anderen Bereiche des Kapitalmarktrechts (Banken, Versicherungen) vereinheitlicht und einer zentralen europäischen Aufsicht unterstellt werden.813

aa) Einheitliches Börsenrecht Zuzustimmen ist den Zentralisierungsskeptikern insoweit, als bislang das materielle Aufsichtsrecht noch nicht einen Vereinheitlichungsgrad aufweist, der Grundlage für die Tätigkeit einer zentralen europäischen Börsenaufsicht mit eigenen Kontroll- und Sanktionsbefugnissen sein könnte. Jedoch ist zu bedenken, dass Folge der Umsetzung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen auf der Grundlage des Lamfalussy-Prozesses eine Zunahme des Umfangs und der Regelungstiefe des europäischen Finanzmarktaufsichtsrechts verbunden mit einer entsprechenden Integrationswirkung sein wird, auch wenn eine endgültige Aussage erst dann gemacht werden kann, wenn alle Maßnahmen auf europäischer Ebene verabschiedet und von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt sind. Damit trägt das Aufsichtsrecht der bereits weit vorangeschrittenen Internationalisierung der Finanzmärkte Rechnung. Dieser Entwicklung wird sich auch die gegenwärtige Struktur der Aufsicht nicht verschließen können und es wird sich daher mittelfristig die Frage nach einer zentralen europäischen Börsenaufsicht stellen. Kurzfristig sind hingegen auf der Grundlage des bislang schon erreichten Vereinheitlichungsgrades des Rechts Zentralisierungsschritte unterhalb der Errichtung einer europäischen Börsenaufsichtsbehörde möglich, die die Entwicklung eines einheitlichen Börsenrechts beschleunigen können.

811 812 813

Hellwig, ZGR 1999, 781, 811; Hoppmann, Börsenrecht, S. 63 ff.; Höhns, S. 293 f. Hoppmann, Börsenrecht, S. 63 f.; Schneider, AG 2001, 269, 270. Hoppmann, Börsenrecht, S. 63.

220

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

bb) Einheitliches Kapitalmarktrecht Zweifellos wird es der europäische Gesetzgeber auf dem Weg zu einem Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen nicht bei der Harmonisierung des Börsen-/Wertpapierhandelsrechts belassen können. Erforderlich ist ein einheitliches europäisches Kapitalmarktrecht. Durch die Ausweitung des LamfalussyVerfahrens auf den Banken- und Versicherungsbereich814 wird diesem Erfordernis Rechnung getragen. Die bedeutet indes kein Junktim für eine Zentralisierung der Börsenaufsicht. Bei der Börsenaufsicht handelt es sich um eine Marktaufsicht, die von der Unternehmensaufsicht über Banken und Versicherungen zu unterscheiden ist,815 auch wenn es gerade zwischen Bank- und Wertpapieraufsicht zahlreiche Berührungspunkte gibt816. Zudem kann die Notwendigkeit und die politische Umsetzbarkeit einer Zentralisierung für die einzelnen Bereiche des Kapitalmarktwesens durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein. So spricht für ein zeitlich gestaffeltes Vorgehen bei der Implementierung einer europäischen Kapitalmarktaufsicht der unterschiedliche Fortschrittsgrad der Arbeiten an den rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen.

d) Stärkung europäischer Positionen bei der Durchsetzung international anerkannter Standards Das bisherige Fehlen einer europäischen Aufsichtsinstitution hat sich in der Vergangenheit auch nachteilig auf die Formulierung und Durchsetzung europäischer Belange bei internationalen Verhandlungen bemerkbar gemacht. Dies gilt insbesondere für die Wahrung europäischer Interessen bei Konsultationen und Vereinbarungen mit den USA. Als Beispiel aus der jüngeren Geschichte mögen hier die Verhandlungen über die Anwendung des so genannten Sarbanes-Oxley-Act817 auf europäische Unternehmen angeführt sein. Hierbei wird deutlich, dass entweder im Hinblick auf eine exterritoriale Anwendung nationalen Rechts oder bei der Vereinbarung internationaler Standards, beispielsweise im Rahmen der IOSCO, die Formulierung einer gemeinsamen europäischen Position zur Durchsetzung europäischer Interessen und damit zur Wahrung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzwirtschaft von erheblicher Bedeutung ist. Eine europäische Aufsichtsbehörde wäre in der Lage, die Belange des europäischen Binnenmarktes früher und deutlicher zum Ausdruck zu bringen. 814 815 816 817

Siehe oben 4. Teil, C. II. 2. c). Dauses, Handbuch, F.III. Rz. 100. Artopoeus, in: Pitschas (Hrsg.), S. 266, 274; hierzu auch unten 3. d). Abrufbar unter http://www.sec.gov/about/laws/soa2002.pdf.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

221

3. Vier-Stufen Konzept für die Zentralisierung der Aufsicht auf europäischer Ebene Angesichts des bislang erreichten Harmonisierungsgrades des materiellen Aufsichtsrechts ist ein zeitlich gestaffeltes Verfahren für die Einführung einer europäischen Börsenaufsicht angezeigt. Vorteil dieses Konzepts ist, dass kurzfristig die Börsenaufsicht auf europäischer Ebene effizienter gestaltet werden kann (1. und 2. Stufe). Mittelfristig sollte eine zentrale Börsenaufsicht auf Gemeinschaftsebene mit eignen Aufsichts- und Sanktionsbefugnissen geschaffen werden (3. Stufe). Diese zentrale Börseaufsichtsbehörde ist schließlich zu einer europäischen Kapitalmarktaufsichtsbehörde auszubauen (4. Stufe).

a) Ausbau der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden (1. Stufe) Eine Weiterentwicklung der europäischen Börsenaufsicht sollte an die Regelungsarchitektur des Lamfalussy-Verfahrens anknüpfen, die auf Stufe 3 ausdrücklich eine engere Kooperation der nationalen Aufsichtsstellen vorsieht und dies durch die Errichtung der Regulierungsausschüsse CESR, CEBS und CEIOPS auch institutionell verfestigt worden ist.818 Im Rahmen der CESR zur Verfügung stehenden Instrumente für die Herstellung einer stärkeren Annäherung der Aufsichtspraxis durch die Erarbeitung gemeinsamer Empfehlungen zu Auslegungsfragen, der Entwicklung gemeinsamer Standards sowie Peer Reviews819 sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass soweit wie möglich die gleichen Begriffe und eine einheitliche Terminologie zugrunde gelegt werden. Darüber hinaus sollten die aufsichtsrechtlichen Anforderungen im größtmöglichen Ausmaß standardisiert werden. Die Aufsichtsbehörden sollten sich darauf verständigen, die nationale Aufsichtspraxis mit den jeweils genutzten Ermessenspielräumen transparent zu machen. Dies würde zum einen die notwendige Flexibilität für die angemessene Berücksichtigung nationaler Besonderheiten eröffnen, zum anderen aber den Druck auf einen Verzicht mehr politisch motivierter Abweichungen erhöhen. Darüber hinaus sind bereits kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die eine einheitliche Informationsbasis der nationalen Aufsichtsbehörden sicherstellen. Dies ist bislang nicht der Fall. So sieht Art. 25 Abs. 3 MiFID vor, dass Wertpa818

Siehe oben 4. Teil, C. II. 2. c). Beschluss der Kommission vom 6.6.2001 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden, ABl.EG vom 13.7.2001, Nr. L 191/43, Erwägungsgrund Nr. 9. 819

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

pierfirmen, die Geschäfte mit zum Handel an einem Geregelten Markt zugelassenen Finanzinstrumenten tätigen, der jeweiligen Heimatlandbehörde die Geschäfte melden. Eine entsprechende Verpflichtung enthielt bereits die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993820 in Art. 20; die Umsetzung in deutsches Recht erfolgte durch § 9 WpHG. Die Daten über die gemeldeten Geschäfte dienen der Aufsicht zur Überwachung der Einhaltung der so genannten Wohlverhaltensregeln sowie zur Verfolgung von Insiderverstößen und der Überwachung der Einhaltung des Verbots der Marktmanipulation.821 In Folge der Meldung der Transaktionsdaten an die Herkunftslandbehörde verfügt im Fall von grenzüberschreitenden Insiderverstößen oder Marktmanipulationen die für die Überwachung des Marktes zuständige Behörde nicht über die Daten der an diesem Markt getätigten Geschäfte. Ebenfalls die für die Überwachung des Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbots unzuständige Behörde erhält die Meldungen über die abgeschlossenen Geschäfte, wenn die Transaktionen über eine ausländische Zweigstelle an dem Markt getätigt werden, an dem der Sitz des Unternehmens ist. Auf Grund der Regelung des Art. 32 Abs. 7 MiFID verfügt die Aufnahmelandbehörde über die Meldungen über die von der Zweigestelle getätigten Geschäfte. Hingegen sind die Daten für die Behörde, die für die Marktüberwachung zuständig ist, erst im Wege des Informationsaustausches zugänglich. Im Interesse einer effizienten Aufsicht sollte eine zentrale europäische Meldestelle geschaffen werden, die EU-weit Transaktionsdaten und andere nach den einschlägigen Richtlinien meldepflichtige Informationen sammelt, auf welche die nationalen Aufsichtsbehörden für die jeweiligen Aufsichtszwecke Zugriff nehmen können. Dadurch würde insoweit eine einheitliche Informationsbasis der Behörden hergestellt, die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch erleichtert und durch die damit einhergehende Vereinheitlichung des Meldewesens die Kosten bei Aufsicht und meldpflichtigen Personenkreis reduziert. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen würde an der bislang intergouvernmental ausgestalteten Aufsicht festgehalten.822 Die Auslegung des Rechts sowie die Durchführung der Aufsicht verblieben bei den nationalen Aufsichtsbehörden. 820 Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl.EG vom 11.6.1993 Nr. L 141/27. 821 Geibel, in: Schäfer (Hrsg.), § 9 WpHG Rz. 1; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 WpHG Rz. 1. 822 Siehe zum bestehenden intergouvernmentalen EU-Regime Moravcsik, Journal of Common Market Studies 31 (1993) 473 m.w.N.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

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Gleichwohl würden durch eine weitergehende Vereinheitlichung der Terminologie, eine stärkere Standardisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen sowie eine Vergrößerung der Transparenz der Aufsichtspraxis die Voraussetzungen für die notwendige Angleichung der Aufsichtsstandards geschaffen. Durch die Errichtung einer europäischen Meldstelle für Wertpapiertransaktionen würde zudem ein bedeutsames Aufsichtsinstrument für die Überwachung des Wertpapierhandels auf europäischer Ebene zentralisiert. Damit die verstärkte Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden auf der Grundlage eines gemeinsamen Verständnisses erfolgt und die Voraussetzungen für eine weitere Vereinheitlichung von Recht und Durchführung der Aufsicht geschaffen werden, sollten ebenfalls kurzfristig Grundprinzipien verabschiedet werden, die die Ziele der europäischen Finanzmarktregulierung und -aufsicht und deren Gewichtung festlegen.

b) Übertragung der Befugnisse zur verbindlichen Konkretisierung und Auslegung des Aufsichtsrechts auf neu zu schaffende europäische Einrichtung (2. Stufe) Eine intensivere Zusammenarbeit und Koordinierung löst allerdings noch nicht das Problem einer einheitlichen Umsetzung und Anwendung des europäischen Rechts. Durch die Stufen 3 und 4 des Lamfalussy-Verfahrens wird die Implementierung der Richtlinien (Stufe 1) und Durchführungsbestimmungen (Stufe 2) transparenter. CESR wird durch die Veröffentlichung von Richtlinien und Standards eine weitergehende Einschränkung der Interpretationsspielräume durch die Mitgliedstaaten bewirken, allerdings unter der Voraussetzung, dass sich die Mitgliedstaaten an die rechtlich unverbindlichen Vorgaben von CESR halten und nicht unter Gesichtspunkten der politischen Opportunität einen nationalen Sonderweg beschreiten. Sofern in der Abweichung eine Verletzung des für alle EU-Länder verbindlichen harmonisierten Rechts vorliegt, besteht zwar für die Kommission nach Art. 226 Abs. 2 EGV die Möglichkeit, den EuGH anzurufen. Jedoch ändert dies zum einen nichts an einer uneinheitlichen Anwendung der durch CESR erarbeiteten Standards und zum anderen zeigt die bisherige Praxis, dass die Kommission zum Sanktionsinstrument des Vertragsverletzungsverfahrens eher zurückhaltend greift.823

823 Für ein energischeres Vorgehen bei der Durchsetzung der Vorschriften der Ausschuss der Weisen, Schlussbericht, S. 26, 58.

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5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Vor diesem Hintergrund sollte auf der Grundlage von Art. 308 EGV eine Einrichtung mit eigener, von derjenigen der Gemeinschaft getrennter Rechtspersönlichkeit geschaffen werden. Diese Einrichtung sollte im Interesse der Wettbewerbsneutralität der Aufsicht und einer Vertiefung der Integrationswirkung des europäischen Rechts eine verbindliche Interpretationsbefugnis erhalten. Die von der Einrichtung erarbeiteten Standards könnten in Form von Verordnungen erlassen werden und damit unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten. Die Befugnis wäre derart auszugestalten, dass die Einrichtung zur Auslegung und Konkretisierung der auf Stufe 1 und 2 des Lamfalussys-Verfahrens erlassenen Maßnahmen berechtigt würde. Damit wäre die notwendige Differenzierung zwischen politischen und vollziehenden Befugnissen vorgenommen. Zudem wären die Rechtsetzungsbefugnisse der Einrichtung eng begrenzt und eine Übertragung noch von der Ermächtigung des Art. 308 EGV gedeckt.824 Für die Kontrolle der Einrichtung wäre die Kommission zuständig, die neben Entscheidungs- und Zustimmungsbefugnissen bei der Besetzung der Organe der Einrichtung und beim Erlass der Geschäftsordnung mit Einspruchsrechten bzw. Zustimmungserfordernissen für den Erlass der Verordnungen durch die Einrichtung ausgestattet werden könnte. Dem Gebot der Wahrung des Kompetenzgefüges zwischen den Organen wäre somit Rechnung getragen. Demgegenüber ist bei der CESR durch das Lamfalussy-Verfahren auf Stufe 3 übertragenen Zuständigkeit für das Setzen von Aufsichtsstandards zumindest bislang unklar, ob nicht bedeutsame Entscheidungen für die Regulierung der Wertpapiermärkte außerhalb der durch den EG-Vertrag vorgesehenen Kontrolle durch die Organe der EU getroffen werden. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des von CESR angedachten Konzepts eines „supervisor of national supervisors“, der u.a. die Berechtigung erhalten soll, bei der Entwicklung von Produkten für den grenzüberschreitenden Handel eine „pre-clearance“ vorzunehmen.825 Sofern sich die Mitgliedstaaten nicht an die von der Einrichtung erlassenen Rechtsakte halten, stünde auch in diesem Fall nur die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission als Sanktion zur Verfügung. Die Kommission könnte sich dabei aber unmittelbar auf die von der Einrichtung erlassenen Verordnungen stützen. Die Einrichtung sollte durch ein Sachverständigengremium bestehend aus Marktteilnehmern beraten werden. Angeknüpft werden könnte hierbei an die von

824 825

Siehe oben A. II. 3. b). Siehe oben A. II. 1. a) aa).

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

225

der Kommission eingesetzten Sachverständigengruppen zur Bewertung der Fortschritte bei der Umsetzung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen.826 Das Gremium wäre vor Erlass der Vorschriften von der Einrichtung zu konsultieren und würde eine Stellungnahme zu den geplanten Maßnahmen abgeben. Darüber hinaus wäre die Gruppe berechtigt, auf aufsichtsrechtliche Probleme in der Praxis aufmerksam zu machen und Vorschläge für deren Lösung zu unterbreiten. Hierzu gehören auch Aussagen zu Art und Höhe der wahrscheinlichen Kosten und Vorteile, die eine Beseitigung der Hindernisse zur Folge hätten. Angesichts des fortgeschrittenen Integrationsgrades und den Erfahrungen mit dem Lamfalussy-Verfahrens sollte die Einrichtung zunächst die Kompetenz für die verbindliche Konkretisierung des europäischen Wertpapierhandelsrechts erhalten. Zu einem späteren Zeitpunkt sollte die Zuständigkeit für die Regulierung auf den Banken- und Versicherungsbereich erweitert werden. Die Übertragung der Befugnis zur Konkretisierung und Auslegung des Aufsichtsrechts auf eine neu zuschaffende europäische Einrichtung würde es ermöglichen, den bisherigen Defiziten einer unterschiedlichen Auslegung und Anwendung entgegenzuwirken, ohne dass hierfür eine Vertragsänderung notwendig wäre. Dies dürfte sich wiederum positiv auf die politische Akzeptanz und Durchführbarkeit der Maßnahme auswirken. Die Folge wäre ein relativ kurzfristig zu realisierender Integrationsgewinn.

c) Schaffung einer europäischen Börsen-/Wertpapieraufsichtsbehörde mit Eingriffs- und Sanktionsbefugnissen (3. Stufe) Die konsequente Folge einer weiteren Vereinheitlichung des Rechts ist eine stärkere Zentralisierung auch der Durchführung der Aufsicht. Um tatsächlich Effizienzvorteile gegenüber der bisherigen Aufsichtsstruktur zu erzielen, sollte eine europäische Aufsichtsbehörde nicht allein auf eine beobachtende Funktion beschränkt werden, sondern auch über die für die Überwachung notwendigen Eingriffs- und Sanktionsbefugnisse verfügen. Hierzu sollte die auf der 2. Stufe geschaffene selbständige Einrichtung weiter ausgebaut werden. Demgegenüber sollte von einer Übertragung der Vollzugsbefugnis des materiellen Rechts auf die Kommission, wie dies das Gemeinschaftsrecht in anderen Bereichen vorsieht, Abstand genommen werden. Eine Übertragung von Aufsichtskompetenzen auf eine selbständige Einrichtung würde der Objektivität und Effektivität der Verfahren dienen, da der Vollzug von Rechtsvor826 Siehe unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/finances/actionplan/forumgroups_de.htm.

226

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

schriften von der rechtspolitischen Tätigkeit getrennt wäre. Die Kommission ist im stärkeren Maße politischen Strömungen und Pressionen ausgesetzt, als eine unpolitische nachgeordnete Behörde. Der Verwaltungsvollzug auf der nachgeordneten Ebene läge damit auch im Interesse der Gleichbehandlung der beaufsichtigten Wirtschaftsbeteiligten. Eine Zentralisierung von Aufsichtskompetenzen auf europäischer Ebene hätte, unabhängig von der Zuständigkeitszuweisung im Einzelnen, dezentral zu erfolgen. Neben der europäischen Aufsichtsbehörde würden die nationalen Behörden bestehen bleiben, um die Vor-Ort Aufsicht durchzuführen und damit die notwendige Nähe zum unmittelbaren Marktgeschehen und den Beteiligten zu gewährleisten. Im Hinblick auf die radikalen Veränderungen der Kapitalmarktorganisation sowie die bereits erzielten Fortschritte bei der Vereinheitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen sollte zunächst eine Zentralisierung der Aufsicht über den Wertpapierhandel erfolgen, sofern es sich um grenzüberschreitende Sachverhalte handelt. Der nationale Wertpapierhandel würde demgegenüber ausschließlich von den Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten überwacht. Hierfür wiederum bieten sich zwei Optionen an: Eine europäische Aufsicht könnte zunächst auf die Überwachung der Geregelten Märkte im Sinne von Art. 4 Nr. 14 MiFID sowie der Multilateralen Handelssysteme (Art. 4 Nr. 15 MiFID) beschränkt werden, sofern ein Zugang zum Handel mit Finanzinstrumenten aus mehren Mitgliedstaaten ermöglicht wird. Die weitgehende aufsichtsrechtliche Gleichbehandlung von Geregelten Märkten und MTF’s durch das europäische Sekundärrecht sollte sich auch in den künftigen Aufsichtsstrukturen widerspiegeln. Ein Auseinanderfallen der Zuständigkeiten bei der Überwachung würde das materiellrechtliche „level playing field“ in Frage stellen und zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Für eine Zentralisierung der Aufsicht über Börsen und Multilaterale Handelssysteme spricht, dass die Aufsicht in diesem Bereich vor besonderen Anforderungen steht, da durch die Auflösung der bisherigen Grenzen zwischen Handelsplatz und Intermediär die Grundlagen einer effizienten, transparenten und integrierten Infrastruktur für den Finanzhandel betroffen sind. Das frühere Vorrecht der Börsen für die regelmäßige und nach festen Regeln erfolgende Zusammenführung von Kauf- und Verkaufsinteressen, beschränkt auf das Hoheitsgebiet eines Staates, existiert nicht mehr. Die europäische Aufsichtsbehörde wäre danach für die Zulassung der Handelsteilnehmer und der Finanzinstrumente sowie für die Überwachung des Verhaltens von Marktbeteiligten und Marktbetreibern nach erfolgter Zulassung

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

227

zuständig, unabhängig davon, ob die Betreiber der Handelseinrichtung als Börse (Geregelter Mark) oder als Alternatives Handelssystem (MTF) zugelassen sind. Als weitere Option steht die Erstreckung der europäischen Aufsicht auf den Wertpapierhandel insgesamt zur Verfügung, sofern er grenzüberschreitend erfolgt. Hierfür spricht u.a., dass immer mehr Wertpapierfirmen intern Infrastrukturen für den Wertpapierhandel aufbauen (Internalisierung), die mit den Börsen und Alternativen Handelssystemen im Wettbewerb um Liquidität stehen. Erfasst würde bei einer weitergehenden Zentralisierung auch die Prüfung und Zulassung von Prospekten im Rahmen von Wertpapieremissionen in mehreren Mitgliedstaaten. Die Prüfung und Zulassung könnte zentral von einer europäischen Aufsichtsbehörde vorgenommen werden. Damit würde dem Anliegen des europäischen Gesetzgebers Rechnung getragen, der bei Erlass der Prospektrichtlinie827 betont hat, dass eine Vielzahl von zuständigen nationalen Behörden mit unterschiedlichen Kompetenzen unnötige Kosten verursachen und zu einem Überschneiden der Zuständigkeiten führen.828 Die Kapitalaufnahme der Unternehmen würde erleichtert und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Binnenmarktes gesteigert werden, ohne den Anlegerschutz zu beeinträchtigen. Für die notwendige Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der europäischen Aufsicht und den Behörden der Mitgliedstaaten bietet das geltende Gemeinschaftsrecht zwei Anknüpfungspunkte: Das Wettbewerbsrecht und die Fusionskontrolle. Die Anwendung der in Art. 81 und Art. 82 EGV niedergelegten europäischen Wettbewerbsregeln erfolgen seit dem 1. Mai 2004 dezentral.829 Nach der früheren Rechtslage waren in erster Linie die Kommission und die nationalen Gerichte zuständig. Die Mitgliedstaaten konnten nur solange in Kartellsachen nach den Art. 81 und Art. 82 EVG tätig sein, solange die Kommission kein Verfahren eingeleitet hatte. Seit Mai 2004 sind hingegen die Mitgliedstaaten in Einzelfällen nicht nur berechtigt, sondern im Fall der Beeinträchtigung des 827

Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl.EG vom 31.12.2003, Nr. L 345/64. 828 Erwägungsgrund Nr. 37. 829 Siehe Verordnung (EG) Nr. 1/2003 vom 16.12.2002 zur Durchführung der in Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG vom 4.1.2003, Nr. L 1/1.

228

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

zwischenstaatlichen Handels durch koordiniertes Marktverhalten von Unternehmen sogar verpflichtet, das europäische Wettbewerbsrecht anzuwenden. Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Kommission und nationalen Wettbewerbsbehörden ist in der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden830 geregelt. Die Aufgabenverteilung erfolgt nach dem Grundsatz der parallelen Zuständigkeiten. Möglich ist die Bearbeitung von Fällen durch eine einzelne nationale Wettbewerbsbehörde, ggf. mit Unterstützung der Behörden anderer Mitgliedstaaten, mehrer nationaler Wettbewerbsbehörden oder aber der Kommission (Grundsatz 2.1, Ziff. 5). Es soll diejenige Behörde tätig werden, die gut geeignet ist, sich des jeweiligen Falls anzunehmen. Diese Eignung wird bejaht, wenn •

die Vereinbarung oder Verhaltensweise wesentliche unmittelbare tatsächliche oder absehbare Auswirkungen auf den Wettbewerb innerhalb des Hoheitsgebiets dieser Behörde hat, in deren Hoheitsgebiet umgesetzt wird oder dort ihren Ursprung hat,



die Behörde die Zuwiderhandlung wirksam beenden und ahnden kann und



ihr die Erhebung der zum Nachweis der Zuwiderhandlung erforderlichen Beweismittel, ggf. mit Unterstützung anderer Behörden, möglich ist (Grundsatz 2.1, Ziff. 8).

Demgegenüber gilt die Kommission als besonders gut geeignet, sich eines Falls anzunehmen, wenn eine oder mehrere Vereinbarungen oder Verhaltensweisen in mehr als drei Mitgliedstaaten Auswirkungen auf den Wettbewerb haben (Grundsatz 2.1, Ziff. 14). Die Kommission verfügt über Ermittlungsbefugnisse (Artt. 17 ff. VO Nr. 1/2003) und kann Sanktionen in Form von Geldbußen (Art. 23 VO Nr. 1/2003) und Zwangsgeldern (Art. 24 VO Nr. 1/2003) verhängen. Anders als in Kartellsachen wird bei der Fusionskontrolle eine Zuständigkeit der Kommission nur bei Zusammenschlüssen begründet, die von gemeinschaftsweiter Bedeutung sind.831 Diese ist dann gegeben, wenn der Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen bestimmte Schwellenwerte überschreitet, es sei denn, die beteiligten Unternehmen erzielen jeweils mehr als zwei Drittel 830 Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (2004/C 101/03), ABl.EG vom 27.4.2004, Nr. C 101/43. 831 Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vom 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl.EG vom 29.1.2004, Nr. L 24/1.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

229

ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat (Art. 1 Abs. 2 und 3 VO). Auch bei der Fusionskontrolle verfügt die Kommission über Auskunfts- und Nachprüfungsrechte (Artt. 11 ff. VO Nr. 139/2004) und kann Verstöße sanktionieren (Artt. 14 f. VO Nr. 139/2004). Die Regelungen im Wettbewerbsrecht und zur Fusionskontrolle zeigen Möglichkeiten auf, wie eine Verlagerung von Zuständigkeiten auf eine europäische Börsen-/Wertpapieraufsichtsbehörde erfolgen könnte, die auch über Eingriffsund Sanktionsbefugnisse verfügt, und daneben die Zuständigkeiten der nationalen Behörden bestehen bleiben können. Letztere würden – als nach wie vor der mitgliedstaatlichen Staatsorganisation angehörende Einrichtungen des nationalen öffentlichen Rechts – keine Gemeinschaftshoheit ausüben. Vielmehr würde der Vollzug des Gemeinschaftsrechts in Ausübung nationaler (mitgliedstaatlicher) Staatsgewalt erfolgen.832 Die zur effizienten Aufgabenerfüllung notwendige enge Verbindung zwischen europäischer Aufsichtsinstanz und den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten könnte, neben der obligatorischen Kooperation und eines intensiven Informationsaustausches, durch die Schaffung eines beratenden Ausschusses aus Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden hergestellt werden. Auch hier könnten Anleihen im europäischen Wettbewerbsrecht (Art. 14 VO Nr. 1/2003) und der Fusionskontrolle der Gemeinschaft (Art. 19 VO Nr. 139/2004) gemacht werden. Denkbar erscheint auch eine Orientierung am System der Europäischen Zentralbanken (Art. 8, Artt. 105 ff. EGV), wobei – insbesondere im Hinblick auf eine hier befürwortete künftige europäische Kapitalmarktaufsicht (4. Stufe) – keine Aufgabenübertragung auf die EZB erfolgen sollte, sondern in Weiterentwicklung der vorgeschlagenen 3. Stufe eine selbständige Einrichtung die Funktion auf europäischer Ebene wahrnehmen sollte, um damit Zielkonflikte zwischen Geldpolitik und Aufsicht zu vermeiden. Die Schaffung einer europäischen Börsen-/Wertpapieraufsicht mit weitreichenden Ermessensspielräumen sowie von Ermittlungs- und Sanktionsbefugnissen könnte nicht mehr auf der Grundlage von Art. 308 EGV erfolgen.833 Vielmehr bedürfte es einer ausdrücklichen Regelung im EG-Vertrag und damit einer Vertragsänderung. 832

Allgemein dazu und zum mitgliedstaatlichen (so genannten indirekten) Vollzug von Gemeinschaftsrecht als Regelform Weber, Gemeinschaftsrecht, S. 45; Schweitzer/Hummer, S. 97, 102 f.; Bleckmann, Rz. 425 ff. 833 Siehe hierzu oben A. II. 3. b) bb).

230

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

d) Zentralisierung der europäischen Kapitalmarktaufsicht (4. Stufe) Auf der letzten Stufe steht die Implementierung einer europäischen Allfinanzaufsicht, die zusammen mit den nationalen Behörden die Aufsicht über den Börsen- und Wertpapierhandel sowie über Banken und Versicherungen wahrnimmt. In Folge der sich verändernden Verhältnisse der europäischen und internationalen Kapitalmärkte ist auch ein Konsolidierungstrend bei Banken, Versicherungen und anderen Finanzdienstleistern zu verzeichnen. Im Zuge dessen lösen sich auch auf europäischer Ebene die traditionellen Grenzen zwischen den verschiedenen Finanzdienstleistungen (Banken, Versicherungen, Wertpapierhandel) zunehmend auf. Zwar können Verbindungen zwischen den verschiedenen Sektoren die Risikodiversifikation verbessern. Auf der anderen Seite erhöhen jedoch ein schwaches gesamtwirtschaftliches Umfeld, niedrige Aktienkurse und Zinsen durch die Kumulation den Druck auf die Gewinnmargen. Verstärkend wirkt zudem, dass sich im Zuge der Liberalisierung der europäischen Finanzmärkte und der größeren unternehmerischen Gestaltungsfreiheit bei der Geschäftspolitik der Wettbewerb verschärft. Dies fördert die Bereitschaft, höhere Risiken einzugehen und institutsspezifische Risikomodelle zu entwickeln. Bei zunehmender Integration der europäischen Finanzmärkte haben die aus dieser Entwicklung resultierenden Unternehmenskrisen nicht nur lokale Wirkungen, sondern können schnell den gesamten Binnenmarkt betreffen. Die Aufsicht muss primär darauf gerichtet sein, derartige Krisen zu verhindern. Eine Lehre aus früheren Finanzkrisen ist, dass, obwohl zahlreiche Indikatoren auf potentielle Risiken und einem möglichen Kollaps der Finanzsysteme hingewiesen hatten, gleichwohl eine sachgerechte Auswertung auf einer koordinierten Basis seitens der Aufsichtsbehörden unterblieb.834 Ein wichtiger Grund hierfür ist in dem Umstand begründet, dass die nationalen Behörden über ein eingeschränktes Mandat verfügen, das sich naturgemäß auf den jeweiligen nationalen Rechtsrahmen und Kapitalmarkt bezieht. Die Vorschläge und die Diskussion um die Einführung eines „lead supervisor“ machen deutlich, dass insbesondere im Bankenbereich bei europäisch oder international agierenden Unternehmen die Heimatlandkontrolle an ihre Grenzen stößt. Folge sind Inkonsistenzen und Lücken, die sich negativ auf die Effizienz der Aufsicht auswirken.

834

Siehe hierzu Mishkin, S. 24 f.; Avgerinos, S. 49 ff.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

231

Auf europäischer Ebene wurden erste Schritte unternommen, auf die Marktveränderungen im Banken-, Wertpapierhandels- und Versicherungssektor durch regulatorische Maßnahmen zu reagieren. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die anstehende Umsetzung der mit den Begriffen „Basel II“ 835 und „Solvabilität 2“836 gekennzeichneten Maßnahmen. Ziel ist neben der Modernisierung und Ergänzung der bestehenden Eigenkapitalvorschriften vor allem, die Eigenkapitalanforderungen stärker an die tatsächlichen Risiken anzupassen und die Finanzinstitute zu einem besseren Risikomanagement anzuhalten. Damit soll die Wirksamkeit der Eigenkapitalvorschriften hinsichtlich der Sicherung der Stabilität des Finanzsystems weiter verbessert, das Vertrauen in die Finanzinstitute bewahrt und die Verbraucher geschützt werden.837 Diese grundlegenden Ziele sollen erreicht werden, indem die Aufsicht über Banken, Wertpapierfirmen und Versicherungen von einer zuvor eher „quantitativen“ Kontrolle zu einer in erster Linie „qualitativen“ Überwachung umgewandelt wird. Ziel ist die Stärkung der Präventivfunktion der Aufsicht. Mögliche Mängel der Risikoerfassung und -kontrolle sollen möglichst frühzeitig erkannt werden. Die Banken- und Versicherungsaufsicht wird sich künftig mehr auf das institutsspezifische Geschäft und das jeweilige Risikomanagement des Unternehmens konzentrieren.838 Dies erfordert im besonderen Maße, dass die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit der Aufsicht gewahrt bleiben, da anderenfalls Wettbewerbsverzerrungen die Folge wären. Die anstehenden Änderungen der Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute und Wertpapierfirmen sowie der Solvenzvorschriften für Versicherungsunternehmen machen zudem deutlich, dass auch auf europäischer Ebene die Weichenstellung für eine integrierte Finanzaufsicht bereits erfolgt ist. Zielsetzungen sowie die zur Erreichung dieser Ziele verwendeten Aufsichtsmethoden werden zwischen den Finanzdienstleistungssektoren zunehmend aufeinander abgestimmt. Die bisherige – häufig strikte – Trennung bei den Schutzfunktionen der Aufsicht, differenziert wiederum nach den Aufsichtsbereichen, ist immer weniger aufrechtzuerhalten. Die in Folge „Basel II“ und „Solvabilität 2“ umzusetzenden Maßnahmen dienen der Solvenzaufsicht über Banken, Wertpapierfirmen und Versicherungen und damit der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte. 835

http://europa.eu.int/comm/internal_market/regcapital/index_de.htm. http://europa.eu.int/comm/internal_market/insurance/solvency_de.htm#solvency2. 837 Europäische Kommission, http://europa.eu.int/comm/internal_market/regcapital/ index_de.htm#capitalrequire. 838 Siehe hierzu auch Bundesbank, Basel II, Säule 2: Aufsichtsrechtliche Überprüfungsverfahren – Der „Supervisory Review Process“ (SRP), abrufbar unter http://www. bundesbank.de/bankenaufsicht/bankenaufsicht_basel_saeule2.php. 836

232

5. Teil: Konzept für eine Reform der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht

Nennenswerte Überschneidungen gibt es auch zwischen der Solvenzaufsicht und der Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltensregeln. Beide sind darauf ausgerichtet, Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsführung der Finanzdienstleister zu definieren und ihre Einhaltung zu kontrollieren, um sicherzustellen, dass die Verantwortung für die Führung der Geschäfte wahrgenommen und interne Sicherungs- und Kontrollsysteme installiert sind.839 Bei Betrachtung der Gesamtentwicklung ist festzustellen, dass zahlreiche gewichtige Gründe für eine europäische Allfinanzaufsicht sprechen, die dezentral unter Einbindung der nationalen Aufsichtsbehörden organisiert ist. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass es sich bei der Implementierung einer zentralen europäischen Aufsicht um ein langfristiges Vorhaben handelt. Hierfür spricht u.a., dass es im Banken- und Versicherungsbereich einer weitergehenden Vereinheitlichung des materiellen Aufsichtsrechts bedarf. Anders als bei der Regulierung des europäischen Wertpapierhandels steht die neue Regelungsstruktur im Banken- und Versicherungsbereich noch am Anfang der Bearbeitung eines umfangreichen Aufgabenkatalogs. Zudem ist nicht in Abrede zu stellen, dass mit einer Konzentration der Aufsicht auf europäischer Ebene weitere Rechtsfragen verbunden sind. Dies gilt insbesondere für die notwendige Rechenschaftspflicht und Kontrolle sowie die Verteilung der Haftung zwischen europäischer und nationaler Aufsicht und die Übernahme der Aufsichtskosten. Darüber hinaus bedarf eine Zusammenführung von Aufsichtskompetenzen in der hier vorgeschlagenen Form einer Änderung des europäischen Primärrechts. Schließlich begegnet eine Verlagerung von Zuständigkeiten auf eine selbständige europäische Einrichtung im Banken- und Versicherungsbereich mit weitreichenden Befugnissen derzeit (noch) erheblichen politischen Vorbehalten (einen Ausblick auf die Schwierigkeiten auf politischer Ebene vermittelt bereits die 18 Monate währende Diskussion darüber, in welchen Ländern die Sekretariate von CESR, CEBS und CEIOPS ihren Sitz haben sollen). Indes zeigen die Erörterungen um die Einführung eines „lead supervisor“, dass auch hier die Einsicht in die Notwendigkeit einer Zusammenführung von Aufsichtszuständigkeiten zunimmt. Entscheidend bei der weiteren Diskussion sollte daher die Erkenntnis sein, dass die „Europäisierung“ der Kapitalmarktaufsicht deutlich an Dynamik gewonnen hat. Die Schaffung eines einheitlichen Währungsraums unter gleichzei-

839

Briault, S. 24 f.

B. Eigener Vorschlag für eine Neustrukturierung der Aufsicht

233

tiger Beibehaltung unterschiedlicher Regulierungs- und Aufsichtsstrukturen verhindert die Ausschöpfung des vollen Integrationspotentials eines gemeinsamen Binnenmarktes. Die Veränderungen auf den internationalen Finanzmärkten und der hohe Grad an Marktintegration zwingen nicht nur die Marktteilnehmer zur Überprüfung und Anpassung ihrer Geschäftsstrategien, sondern erhöhen auch den Druck auf Regulierung und Aufsicht, im Interesse der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Märkte und eines wirksamen Anlegerschutzes ihre Strukturen anzupassen.

Zusammenfassung 1.

Die Kapitalmärkte sind durch einen starken strukturellen Wandel gekennzeichnet. Maßgebliche Faktoren für diese Entwicklung sind die Globalisierung und ein rascher technologische Fortschritt. Für den europäischen Kapitalmarkt ist zudem mit der Einführung einer einheitlichen Währung ein entscheidendes Hindernis für grenzüberschreitende Anlagen entfallen.

2.

Die Veränderungen haben zu einer zunehmenden wirtschaftlichen Integration der europäischen Finanzmärkte geführt. Einen hohen Integrationsgrad weist in erster Linie der wholesale-Bereich auf. Dies gilt vor allem für den Eurogeldmarkt aber auch für den Aktien-, Derivate- und Anleihemarkt. Hingegen ist der retail-Handel zurzeit noch weitgehend lokal ausgerichtet.

3.

Das Zusammenwachsen der Kapitalmärkte ist gekennzeichnet durch eine Neuorganisation und zunehmende Vereinheitlichung des Handels durch Börsen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Allianzen, technische Kooperationen und Fusionen von Börsen führen im Wege der fortschreitenden Konsolidierung zu einem einheitlichen europäischen Kapitalmarkt.

4.

Der Börsen- und Kapitalmarktaufsicht kommt bei diesem Integrationsprozess eine maßgebliche Bedeutung zu. Sie hat aufsichtsrechtliche Hemmnisse zu beseitigen und dabei die notwendige Stabilität und Marktintegrität zu sichern. Regulierung und Aufsicht müssen effizient, wettbewerbsneutral und innovationsfreundlich sein.

5.

Die bislang zersplitterte europäischer Kapitalmarktaufsicht erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Nach wie vor bestehen erhebliche Unterschiede bei der Umsetzung und Anwendung des harmonisierten Rechts durch die Mitgliedstaaten. Hinzu treten Mehrfachaufsichten, Kompetenzabgrenzungsschwierigkeiten sowie die Anwendung einer Mehrzahl unterschiedlicher Regelungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Ineffizienzen sind die Folge.

6.

Die Konsequenz aus den Anforderungen, die der Aufsicht aus den veränderten Marktbedingungen erwachsen, ist die Schaffung einer zentralen europäischen Behörde, die zur Gewährleistung der erforderlichen Marktnähe zusammen mit den nationalen Aufsichtsstellen die Überwachung ausübt. Bei der Neustrukturierung der europäischen Kapitalmarktaufsicht ist eine

Zusammenfassung

235

stufenweise Realisierung erforderlich, die kurz-, mittel- und längerfristig umzusetzen ist. Damit kann sachlichen und politischen Erfordernissen ausreichend Rechnung getragen werden. 7.

Im Hinblick auf den erreichten Harmonisierungsgrad in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht sollte zunächst die Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden intensiviert werden. Im Interesse einer einheitlichen Aufsichtspraxis sollte insbesondere auf eine einheitliche Terminologie und größere Transparenz der jeweiligen Aufsichtstätigkeit geachtet werden. Ziel muss es sein, die unangemessene Nutzung von Ermessensspielräumen zu verhindern und gleichzeitig die notwendige Flexibilität für nationale Besonderheiten zu erhalten. Eine einheitliche Aufsicht setzt insbesondere eine einheitliche Informationsbasis voraus. Zu diesem Zweck sollte eine zentrale europäische Meldstelle geschaffen werden, die EU-weit Transaktionsdaten und andere nach den europäischen Richtlinien meldepflichtige Daten sammelt, auf die die nationalen Behörden zu Aufsichtszwecken Zugriff nehmen können.

8.

Das bisherige Defizit der uneinheitlichen Umsetzung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts kann in einem nächsten Schritt durch die Errichtung einer selbständigen Einrichtung beseitigt werden, die die Befugnis erhält, verbindlich die Richtlinien und Durchführungsbestimmungen zu konkretisieren und auszulegen. Hierin besteht der entscheidende Unterschied zu den von den Regulierungsausschüssen auf Stufe 3 des LamfalussyVerfahrens erarbeiteten unverbindlichen Richtlinien und Standards. Da die Regelungsspielräume der Einrichtung eng begrenzt wären und zudem die Kommission die Kontrolle übernehmen könnte, wäre dieser weitere Schritt auf dem Weg zu einer europäischen Kapitalmarktaufsicht auf der Grundlage des geltenden Primärrechts der Gemeinschaft (Art. 308 EGV) möglich und somit ebenfalls kurzfristig realisierbar. Angesichts des erreichten Integrationsgrades und der bereits vorhandenen Erfahrungen sollte die Einrichtung zunächst die Befugnis zur Konkretisierung des Wertpapierhandelsrechts erhalten. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Interpretationsbefugnis auf die Regulierung des Banken- und Versicherungswesens zu erweitern.

9.

Ein weitergehender Integrationsgewinn ist indes nur durch eine europäische Aufsicht mit eigenen Eingriffs- und Sanktionsbefugnissen zu erwarten. Auf Grund der weit reichenden Strukturveränderungen und des Harmonisierungsgrades der rechtlichen Rahmenbedingungen erscheint es sachgerecht, auch auf dieser nächsten Zentralisierungsstufe mit der Zusammenführung der Börsen- bzw. Wertpapieraufsicht auf europäischer Ebe-

236

Zusammenfassung

ne voranzuschreiten. Für die notwendige Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen einer europäischen Aufsichtsbehörde und den nationalen Aufsichtsstellen könnten Anleihen beim europäischen Wettbewerbsrecht bzw. der Fusionskontrolle gemacht werden. Auf Grund der erforderlichen weiten Ermessensspielräume einer zentralen Börsen- bzw. Wertpapieraufsichtsbehörde wäre eine Änderung des EG-Vertrages erforderlich. 10. Auf der letzten Stufe sollte die Schaffung einer zentralen europäischen Allfinanzaufsichtsbehörde stehen, die dezentral im Zusammenwirken mit den nationalen Aufsichtsstellen den börslichen und außerbörslichen Wertpapierhandel, die Banken sowie die Versicherungen überwacht. Die zunehmende Bildung von Allfinanzkonzernen sowie der verschärfte Wettbewerb erfordern auch im Banken- und Versicherungsbereich eine stärkere Vereinheitlichung der Regulierung und Aufsicht. Nur so ist es der Aufsicht möglich, sich im Interesse der Sicherung der Stabilität der Finanzsysteme über die immer mehr international ausgerichtete Geschäftstätigkeit großer Finanzdienstleister und den damit verbundenen Risiken ein Gesamtbild zu verschaffen und ein frühzeitiges aufsichtliches Eingreifen zu gewährleisten. 11. Den veränderten Erfordernissen auf europäischer Ebene ist durch eine Zentralisierung der Kapitalmarktaufsicht auf nationaler Ebene Rechnung zu tragen. Der internationale Vergleich zeigt, dass zahlreiche Länder, insbesondere die mit den international bedeutsamen Finanzplätzen, diese Notwendigkeit erkannt und in den letzten Jahren eine Allfinanzaufsicht implementiert haben. Deutschland hat diese Entwicklung mit der Schaffung der BaFin 2002 nachvollzogen, allerdings mit Ausnahme der Börsenaufsicht, die bislang bei den Ländern verblieben ist. Eine sachliche Rechtfertigung für eine dezentrale nationale Börsenaufsicht ist nicht (mehr) erkennbar, sondern alleine dem politischen Kompromiss geschuldet. Der Bund hat in den letzten Jahren die Zuständigkeiten auch für wesentliche Teile der Börsenaufsicht übernommen. Allein im Interesse einer effizienten nationalen Aufsicht, die Überschneidungen und Doppelarbeit zu vermeiden hat, ist die vollständige Übertragung der Kompetenz auf die BaFin erforderlich. Hinzu treten die Anforderungen im Rahmen der europäischen und internationalen Zusammenarbeit. Die stärkere Koordinierung der Aufsichtstätigkeit zwischen den nationalen Behörden macht es erforderlich, dass die Zuständigkeiten in einer Hand liegen. 12. Auf der politischen Ebene ist die Notwendigkeit einer zunehmenden Vereinheitlichung des Rechts und der Aufsicht als essentieller Beitrag für die Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen stärker ins Bewusstsein gerückt. Das Lamfalussy-Verfahren und die

Zusammenfassung

237

Neugestaltung des Regulierungsverfahrens sind wichtige Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels. Die bisherigen Initiativen können jedoch nur erste Schritte bei einer Neuordnung der Struktur der europäischen Kapitalmarktaufsicht darstellen. Die Veränderungen der Marktbedingungen machen eine weitergehende Anpassung der Aufsichtsstrukturen erforderlich. Hinzu kommt, dass eine effiziente Aufsicht auch im internationalen Wettbewerb der Finanzplätze ein maßgeblicher Faktor ist. Im Hinblick auf die Konkurrenz mit den Finanzzentren in Nordamerika und Asien benötigt die EU eine starke europäische Aufsicht. Durch eine wirksame internationale Zusammenarbeit könnte eine zentrale europäische Kapitalmarktaufsicht zudem einen bedeutsamen Beitrag für die Stabilität des globalen Finanzsystems leisten.

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Sachwortregister Aktionsplan Finanzdienstleistungen 145 Allfinanzaufsicht 66f., 229, 232 siehe auch Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Alternative Handelssysteme 116, 119–122 siehe auch börsenähnliche Einrichtungen Anlegerschutz 105–110 Anlegerschutzverbesserungsgesetz 69–76 Anstalt des öffentlichen Rechts 172 ATS siehe Alternative Handelssysteme Ausländische Börsenaufsicht – USA 85–89 – Vereinigtes Königreich 79–85

Behörde 179 Βlue Sky Laws 86 Börse 27–30, 172 f. Börsenähnliche Einrichtungen 28 f., 58–61 Börsenaufsichtsbehörde 49–52, 56, 58–60 Börsenbegriff 27–30 Börsenenquetekommission 39 Börsenfusionen 123–125 Börsenreformgutachten 32, 58, 174, 181 f. Börsenträger, 64, 170, 173 f. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 66–69

Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) 46 Committee of European Banking Supervisors (CEBS) 149, 157, 191, 193, 221, 232 Committee of European Insurance and Occupational Pensions (CEIOPS) 149, 157, 191, 193, 221, 232 Committee of European Securities Regulators (CESR) 143, 149, 157, 189 f., 194, 218, 221, 223 f., 232 Computerhandel 47, 115, 117, 125, 177 Disintermediation 116 f. EASDAQ 119 Effizienzkriterien der Börse 92–100 Electronic Communication Networks 116 EUREX 122 f., 215 Europäische Kommission 140 Europäischer Wertpapierausschuss 140 f. European Securities Commission (ESC) 196 f. Federation of European Stock Exchanges (FESE) 143 Financial Services Authority (FSA) 78–85 Financial Services Committee (FSC) 141

256

Sachwortregister

Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz 66 Finanzierungsfunktion 91 f. Finanzmarktförderungsgesetz 48–52, 55–60 Finanzmarktintegration – rechtliche 129–169 – wirtschaftliche 125–129 Funktionen der Börse 91f. Funktionenschutz 101–104 Gegenseitige Anerkennung 135 f. Geld-Brief-Spanne 93–95 Geregelter Markt (im Sinne der MiFID) 29 f. Handelsüberwachungsstelle 178–182 Heimatlandkontrolle 136 f. Liquidität 97–99 Insiderhandelsrichtlinie 46 Institutionalisierung 116 Internalisierungssysteme 22, 121 International Organization of Securities Commissions (IOSCO) 142 f., 197, 221 Kapitalmarkt 26 f. Kapitalmarktaufsicht 26, 30 f. Kontrahentensystem 27 Kurs- und Marktpreismanipulation 59, 64 f. siehe auch Marktmanipulation

Mindestharmonisierung 132, 134 f. NASD 86 NASDAQ 119 Organleihe 181 Preisfeststellung 41, 61 f. Privatrechtliche Börsenorganisation 182–185 Proprietary Trading System (PTS) 119 Rechtsaufsicht 40, 48, 50, 68 f. Richtlinien 46 f, 53, 137 f. Securities and Exchange Commission (SEC) 85–90 Selbstverwaltung 29, 40, 43 f., 50f., 86, 173 Staatsaufsicht 173 Staatsverwaltung, mittelbare 178 Subsidiarität 206–209 Systemwettbewerb 159 f. – im Gesellschaftsrecht 160–162 – im Kapitalmarktrecht 163–166 Transaktionskosten 93–96 Transparenz 93, 97 Verordnungen 138 Vollharmonisierung 132 f. Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 156, 222

Lamfalussy-Verfahren 147–169 XETRA 122, 125 Marktfunktion 92 Marktintegrität 93, 100, 113, 197, 213 Marktmanipulation 71, 74 f., 175, 190, 195, 208, 215 Marktplatzfunktion 28-30, 60, 119 f. Marktzutritt 93, 99 f.

Zentralisierung der Aufsicht – auf europäischer Ebene 189–212 – auf nationaler Ebene 171–188 Zirkulationsfunktion 92