Kaiserin Augusta [2. Aufl. Volks- und Jugendausgabe, Reprint 2021] 9783112433447, 9783112433430


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German Pages 92 [96] Year 1890

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Kaiserin Augusta [2. Aufl. Volks- und Jugendausgabe, Reprint 2021]
 9783112433447, 9783112433430

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Prinzessin 511 ^achsen-Meimar-Lisennch.

Deutsche Kaiserin, Königin von preufoeti.

HiuseW ^ugusta von

F. Kornhak.

Kolks- oad Z«gkn-a«sgode.

„Doffer werden auf der Welt samt e5 nur durch die Guten." Königin Luise.

Iwrit» A«ft«sr.

Berlin P89. 3- 3- seines Der Iag.

jljtei

Rönig! ichcn Roheit der Durchlauchtigsten

Frau Großherzogin

Luise von Baden geb. Prinzessin von Preußen

in tiefster Ehrfurcht gewidmet

von

der Verfasserin.

Vorwort -Vem vielfach ausgesprochenen Wunsche, eine Volksausgabe der Lebensgeschichte der Kaiserin Augusta darzubieten, so weit es heute thunlich ist, sei hiermit von Kerzen gern Rechnung getragen. Fand die größere, reicher ausgestattete Ausgabe eine über alles Erwarten günstige Aufnahme, so waltet darüber keine Täuschung« daß es der erhabene Stoff, das. Liebeswalten der königlichen Samariterin war, welches, von Kerzen kommend, zum Kerzen sprechen mußte.

Gewiß ist, daß dieses königliche „Ich will", mit dem Kaiserin Augusta jederzeit die überaus große Schwäche des eigenen müden Körpers zu besiegen wußte, sich überwältigend unserm eigenen Wollen und Können vorstellt, und so wird diese kleine Arbeit von der freu­ digen Gewißheit getragen: Auch im engen Rahmen wird das Lebens­ bild der Kaiserin Augusta seine majestätische Schönheit nimmer ver­ leugnen, weil es, unterschrieben von dem Wahlspruch der hohen Frau, sich unvergänglichen Schmuck bewahren darf.

„Selig find die Barmherzigen; den» sie werden Barmherzig­ keit erlangen!"

Me Verfasserin

Im Elternhause. «Die Lehre edler Weisheit, hoher Tugend, Sie wurde Dir auf Deinen Pfad gestreut. Und nicht vergebens fiel einst Deine Jugend In Weimar's holde, sonnenhelle Zeit." Dr. Meyer.

Das Elternhaus der Kaiserin Augusta liegt im schönen Thüringen, in der Residenz des Großherzogtums SachsenWeimar-Eisenach. Umgeben von einem weiten Park altehr­ würdiger Bäume, der sich vom Stadtschlosse hinzieht bis hinauf zur Schloßhöhe von Belvedere, schaut die Kuppel der lieblichen Sommerresidenz hinaus über das anmutige Thal der Ilm, die hier munter über spiegelblanke Kiesel dahin plätschert, dort zu ernster Betrachtung lockt, wenn ein lauschiger Gang unter den Erlen am Ufer hinführt oder wiederum, von üppigen Wiesen und Blumen umsäumt, gleich einem silbernen Bande die fruchtbaren Felder umwindet. Während zu Anfang des Jahrhunderts draußen im deutschen Reiche und weit umher wilde Kriegsstürme tobten, welche, zuerst entfacht von der französischen Revolution, nun weiter geschürt wurden durch die Eroberungszüge Napoleons I., lag Weimar mitten innen gleich einem kleinen glücklichen Eilandes, das, unbekümmert um das Ringen der Politik da draußen, seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts zurück­ gekehrt schien in das klassische Altertum, der Kunst und Dichtung

6 Tempel baute und den Ernst des Lebens mit Blumen zu

umwinden suchte. Fern im Norden, am Hofe zu Petersburg, hatte man ein inniges Verstehen für die Dichter Weimar's. Im Familienkreise Kaiser Paul I. von Rußland, dessen Ge­ mahlin eine Württemberger Prinzessin war, wurden die Werke eines Wieland undHerder, eines Schiller und Goethe gelesen, und ein geistvoller Briefwechsel verband die glänzende Zarenstadt mit dem kleinen Weimar, von dem Goethe singt: „O Weimar, dir ward ein besonderes Los, Wie Bethlehem in Juda, klein und groß!" Ein innigeres Band sollte bald geschloffen werden; der Erbprinz Karl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach, der Sohn des Heldenfürsten Karl August und dessen tapfern Ge­

mahlin Luise, vermählte sich am 3. August 1804 zu Peters­ burg mit Großfürstin Maria Paulowna von Rußland, dem

überaus lieblichen Kinde des Nordens, und man erzählte sich in Weimar von der jungen Erbprinzessin als „von einem Engel an Geist, Güte und Liebenswürdigkeit." Noch ehe man sie gesehen, sandte man ihr Liebe entgegen.

Ein langes Leben

mit ihrem Volke und für dasselbe war die Erfüllung dessen,

was die kaiserliche Mutter, Maria Fedorowna, der Tochter zum Abschied als Lebensregel mitgegeben in das neue Vater­ land: „Du mußt Deinem Lande Gutes thun, weil es Deine fürstliche Pflicht ist, weil Gott Dich in diesen Pflichtkreis stellte und Dir reiche Mittel dazu gab." Eine kurze Zeit des Friedens, welche Maria Paulowna hoch beglückt inmitten des reich belebten Dichterkreises verleben durste, den der herzogliche Schwiegervater Karl August gleich seiner Mutter Anna Amalia an seinen Hof fesselte mußte bald harten Kriegszeiten weichen. Die unglücklichen Schlachten von Jena und Auerstädt waren geschlagen, und die Heeresmaffen überfluteten auch Weimar. Maria Paulowna wurde, so berichtet ihr Biograph, L. Preller, der „Friedens­ engel für die im Kampfe Verwundeten. Weimar trug dafür

7 seine Fürstin auf betendem Herzen, gleichwie Preußen seine Königin Luise." Ebenso wie am preußischen Hofe hielt man in Weimar äußere Pracht nicht für nötig, dem Fürstenhofe Glanz zu

verleihen. Eine Augenzeugin schreibt darüber: „Die Einfachheit dieser Zeit war so groß, daß eine einfache Mousselinblouse mit rosafarbenen Bandschleifen verziert, vollständig für einen Hofball ausreichte, und ein weiß-seidenes Taffetkleid, das einst eine Hofdame trug, machte als ungeheurer Luxus großes Auf­ sehen ... Ja, es waren Jahre tiefsten Wehs, als man sich in Weimar verabredete, politische Themata in den litera­ rischen Kreisen durchaus unberührt zu lassen. Es ging ja nicht ohne tiefes Herzweh ab und man brauchte doch mehr als je Mut. . . ." Hatte man vor der Schlacht von Jena im Vertrauen auf Preußen eine allzugewisse Zuversicht gehabt und war durch

das siegesgewiffe Auftreten der Offiziere darin bestärkt wordm, die Zeit war eine harte Lehrmeisterin gewesen. Dazu hatte das fürstliche Haus gleich andern Sterblichen noch besonderes Leid getragen. Am 25. September 1805 war dem erbprinzlichen Paare ein Sohn geboren, den Maria Paulowna hoch beglückt ihrem kaiserlichen Bruder Alexander zeigen konnte; aber schon im folgenden Jahre starb das Kind, dessen Grab­ schrift in der Stadtkirche zu Weimar sagt, daß es den Eltern teurer gewesen, als das eigne Leben. Da wurde, nachdem am 3. Februar 1808 die Prinzessin Maria geboren war, später Prinzeß Karl von Preußen, am 30. September 1811, ein herrlicher Komet stand am Himmel, wiedemm eine Prinzessin geboren, einst Preußens Königin, die deutsche Kaiserin Augusta. Wird die kleine Prinzessin vom glücklichen Schwesterchen be­

wundert, so ist sie den beglückten Eltem, besonders der Mutter „ein neues Unterpfand des Glücks." Des Großvaters Lieb­ ling wurde es bald und erhielt vielleicht seinen Namen nach

8 diesem, oder war es ein früh verstorbenes Töchterchen Karl Angnst's, das der Prinzessin den Namen gab, Luise Auguste,

dessen Epitaph an der Chorwand der Stadtkirche sagt: „Sie gefiel Gott wohl und war ihm lieb und war weggenommen aus dem Leben."?

Am glücklichsten beim Tauffeste war wohl Prinzeßchen Marie, die dabei gegenwärtig sein durfte und artig von fern stand, sich auch wohl auf die Fußspitzen stellte, um das

Schwesterchen besser sehen zu können und nur ungeduldig dem Ende der Feier entgegen sah, wo es ihr wieder allein gehören würde. Sie lüstete oft vorsichtig die Vorhänge, um sie rasch wieder zu schließen, wenn Schwesterchen Augusta noch schlummerte oder sang mit ihrem feinen Sümmchen ein Wiegenlied, das man ihr selbst einst vorgesungen:

„Schön ist Prinzeßchen und fein, Lullt es in Schlummer hinein, Glöcklein mit süßem Getön, Klinget dem Kindelcin schön! Eia Prinzeßchen das Hingt, Wie's in dem Herzen dir fingt;

Mache die Aeuglein zu, Liebe du, du Liebe du!" Vier Wochen später hielt Maria Paulowna ihren Kirch­ gang, und es ist erquickend zu lesen, was das Weimarer Wochenblatt im October 1811 darüber schreibt: „Gleichwie an einem Familienfeste nahm Weimar an der Freude seines Fürstenhauses Teil, wie dieses jederzeit mit dem Lande Leid

und Freude getragen hatte. Dem Wagen voran ging der Stadtrat mit den Bürgern und der Schützengilde unter Glocken­ geläute und dem Geleit flatternder Fahnen. Junge Mädchen streuten Blumen auf den Weg. „Herr Gott, dich loben wir, Herr Gott, wir danken dir!" so stimmten Tausende ein, als der Geistliche seine Rede geschloffen. — Das Publikum und

9 jede stille Häuslichkeit genoß den frohen Tag mit der größten Teilnahme an dem Wohlergehen der fürstlichen Mutter und des gesamten fürstlichen Hauses."

Ueber die erste Jugendzeit der Prinzeß Augusta berichtet ein lebhafter Briefwechsel der Frau v. Schiller an die Schwester des Erbprinzen, Prinzeß Karoline, nach Mecklenburg von dem „wunderschönen Kinde": „Es liegt so vornehm und vernünftig da, daß man sich gar nicht wundern würde, wenn eine Krone ihm mitgegeben wäre. Auch hatte es (als Fr. v. Schiller es zuerst sah) eine Hand über die Augen gelegt, als wenn es die Welt nicht sehen wollte, vielleicht den Kometen nicht;

aber der war in der Geburtsstunde so wunderschön und flammend, daß er ihr gewiß Glück bringt." Doch das Volk sah in dem Kometen eine Unheil ver­ kündende Kriegsfackel; denn die Genien eines beglückenden Friedens umstanden nicht die Wiege der Prinzessin Augusta. Schon plante der Nimmersatte Korse auf Frankreichs Thron den Zug nach Rußland, zu dem auch Weimar seine Söhne als Feinde in das Heimatland der jungen Großfürstin senden sollte. Ein früher, harter Winter brach gleich einem Gottes­ gericht herein und machte dem rasch geplanten und schnell ins Werk gesetzten russischen Feldzuge ein jähes Ende. Mit Bangen sah man täglich Kourieren entgegen, die Nachrichten aus dem Norden bringen sollten. Da sah die Großfürstin, am Fenster stehend, zwei Offiziere vor der damals nahe am Schlöffe gelegenen Post aus dem Schlitten steigen; gewiß machten diese der Ungewißheit ein Ende. Am Nachmittage sandte Napoleon dem Weimarer Hofe seine Empfehlungen. Er war es gewesen, der mit seinem Begleiter Coulaincourt, den Eisfeldern Rußlands entflohen, nach Erfurt eilte. Was der Brand Moskaus, der furchtbare Übergang des

französischen Heeres über die Beresina verschont hatte, das vernichtete der harte Winter und die nachstürmenden Kosaken,

10 die einem russischen Winter gewachsen waren. Elende Reste eines glanzvollen Heeres, Kranke und Verwundete mit erfrorenen Gliedmaßen, kaum fähig, sich zu decken mit den Fetzen ihrer leichten, einst so prächtigen Kleidung; so zogm hier Wagen­ reihen elender Soldaten auf Stroh gelagert die große Heer­ straße entlang, dort Vereinzelte, Versprengte, Desertirte, durch die deutschen Lande das Nervenfieber und anderes Elend mit sich führend, wohin sie kamen. Auch in Weimar füllten sich Häuser und Kirchen mit solchen Kranken, unter denen Maria Paulowna unerschrocken einher schritt, zu trösten, zu helfen und zu geben. Aber wie Frühlingssonnenschein ging überall ein neues Hoffen auf; Wort und Lied zog begeisternd und zündend durch das so lange geknechtete deutsche Land, das bereit war, die Ketten des französischen Joches zu brechen und als König Friedrich Wilhelm III. am 3. Februar 1813 den „Aufruf an mein Volk" erließ, war dieser nur der Ausdruck der Freiheitssehnsucht eines edlen geknechteten Volkes.

Die Schlachten an der Katzbach und bei Dresden, bei Culm und bei Dennewitz waren die Vorläufer der endlich ent­ scheidenden Schlacht bei Leipzig am 16., 18., 19. Oktober 1813.

„Und Fürst und Volk fiel auf die Knie, Gott hat's gethan! sa riefen sie"

heißt es in einem Volkslied jener Tage, und neben dem namenlosen Jubel, der durch das Land zog, war es eine ernste Stimmung, die auf ihr Panier schrieb „Gott mit uns!" Man wurde sich plötzlich bewußt, wovon man gefallen war. Überall öffneten sich die Gotteshäuser auch an den Wochentagen, um Hülfe zu erflehen für den Feldzug in einen heiligen Kampf,

den die Geschichte die Freiheitskriege nennt. Großfürstin Maria Paulowna war mit ihren Kindern, der Prinzessin Maria und der Prinzessin Augusta von Wil­ helmsthal nach Weimar zurückgekehrt, um der Weihe und Einsegnung der Freiwilligenschar in der Kirche beizuwohnen.

11 Als sie heraustrat, gefolgt von den todesmutigen, begeisterten Jünglingen, rief sie tief bewegt aus: „Es schmerzt mich nichts mehr, als daß ich nicht auch den Degen ziehen kann!" Auch der Herzog Karl August, der Großvater der Prinzessinnen, konnte wieder dem Drange seines Herzens folgen, an der Spitze des von ihm gebildeten Freiwilligenkorps sich an das preußische Heer anzuschließen. Schon in der Schlacht bei Jena wär er den Preußen mit der ganzen Militärmacht des Herzogtums, einem einzigen Jägerbataillon, zu Hülfe gekommen, um mit ihnen die schmerzliche Niederlage zu erleiden. Bald durcheilte die Jubelbotschaft von dem Einzug der Verbündeten in Paris und der Abdankung Napoleons die siegreichen Länder, die ihrer heimkehrenden Kämpfer harrten. Auch in Weimar feierte man Dankesgottesdienste, wie ringsum in deutschen Landen, und die jauchzende Menge geleitete Maria Paulowna feierlich in das Schloß zurück, wo die Prinzeßchen in den allgemeinen Jubel einstimmten; kehrte doch nun auch der geliebte Großpapa heiin. Auf dem Wiener Kongreß wurde Weimar seiner Verdienste wegen um das gemeinsame Vaterland bedeutend vergrößert und zum Großherzogtum erhoben. Mit Karl August kam der Bruder der Großfürstin nach Weimar, und gern lauschte der mächtige Kaiser Alexander dem lieblichen Geplauder seiner kleinen Nichten, der Prinzessinnen Maria und Augusta, denen die größte Freude dieser Herbst­ tage im Vogelschießen war, bei dem sie alles mit genießen durften, gleich den andern Kindern Weimars, Karousiel, Pa­ norama und Glücksbuden. Endlich kündete Glockenläuten und Viktoriaschießen den Frieden, dessen feierliche Verkündigung einmal im Rathause, und nochmals von der Bühne des Theaters aus geschah. Ruhigere Zeiten gestatten nun, daß sich die fürstliche Mutter ungestörter wie bisher der Erziehung der kleinen Prin­ zessinnen widmen kann, die sich bald im herrlichen Park von

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Belvedere tummeln, bald im Prinzessinnengarten zu Jena ihre Erholungsstunden zubringen. Oft sind sie hier Goethe und seinem Freunde, dem Maler Meyer, anvertraut, und ein Brief des letzteren schildert das äußerst gemütliche Leben dort (Mai 1816): „Prinzessin Maria zeichnet alle Tage ein wenig; wir verfertigen Jenaische Gartenhänser im gotischen Geschmack, die auf dem Wege nach Zwätzen gebaut sind. Auch auf der Cunitzdurg sind wir gewesen und haben in Cunitz selbst den Studenten das Lied „Ein freies Leben führen wir" abgetemt Eines Abends empfahl sich Goethe dadurch, daß er allerlei Merkwürdiges aus dem Orient berichtete und den Prinzessinnen Chinesisch und Arabisch vorschrieb, ein andermal ich mit sehr sinn- und geistreichen Bettlergeschichten. Nächstens werden Ceylonische Märchen und Schlangen unsere Unterhaltung sein, worauf Goethe schon seit ein paar Tagen studiert und die ge­ hörigen Quartanten nachgeschlagen hat. Prinzessin Augusta ist wie immer recht lieb und wohnt hier neben mir im Schlosse." Bei Goethe sitzt diese oft still lauschend, wenn er sich mit andern unterhält und freut sich, wenn sie die Münzsammlung des Gelehrten Sorel unter seiner Belehrung betrachten darf. Überhaupt war Goethe aufs Gewissenhafteste bemüht, ihre

Ausbildung zu fördern, und veranlaßte auch andere, wie den Professor Weichardt, dazu, den Prinzessinnen Vorträge zu

halten, die den gelehrten Herrn reichlich selbst erfreuten; denn er rühmt, wie er erquickt sei durch den Eifer der Prinzessin Augusta, „deren Schönheit des Geistes, wie sie sich in den schönen Augen wiederspiegeln." Außer solchen Stunden, die man im gewöhnlichen Leben mit dem Namen Privatunterricht bezeichnen würde, hatte Maria Paulowna eigenhändig für ihre Töchter einen Stunden­ plan entworfen; ein solcher, aus dem Jahre 1820 herrührend, ist noch heute vorhanden und beweist, daß die Prinzessinnen die Arbeit des Schullebens so gewissenhaft zu treiben hatten, wie andere Schulkinder.

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Das innigste geschwisterliche Verhältnis verbindet die beiden lieblichen Kinder bei Arbeit und Spiel, so daß man sie in Weimar nur als unzertrennliches Paar kannte. „Die

Prinzessinnen sind glücklich wie die Engel", schreibt Frau v. Schiller, deren Liebling Prinzeß Augusta ist, „die Prinzessin Augusta hat einen kräftigen Willen und ist so stark und fest; sie läßt nicht los, was sie anfaßt". Wenn Frau v. Schiller hier weiter von ihrer Schönheit spricht, wird an anderer Stelle die Gefälligkeit ihres Wesens gerühmt und die körper­ liche Gewandtheit, besonders ihre Grazie beim Tanz. Als der erste Tanzunterricht gegeben werden sollte, war Prinzeßchen Augusta nicht wenig darüber erstaunt und sagte: „Ach das soll ich lernen, was mir schon so viel Vergnügen macht?"

„Sie war eine besondere Freundin der Tiere und hielt sich gern unter ihnen auf. Das Liebkosen des Geflügels auf dem Hühnerhofe des Hofgärtners Sickel in Belvedere schien oft kein Ende nehmen zu wollen. Zuweilen war die Prinzessin von umher fliegenden Tauben wie von einer weißen Wolke

umgeben und verließ sie endlich den Hof, dann pflegten diese sie eine Strecke Wegs zu begleiten. Auch die Schwäne und andere Tiere kannten die freundliche Geberin, die ihnen gern Futter brachte." So erzählte der mehr als achtzigjährige Silberdiener de Glimes in Weimar und freute sich herzlich, daß Prinzeßchen Augusta auch als Kaiserin ihre Lieblinge noch gern hat. Überglücklich sind die Schwestern, als ihnen ani 24. Juni

1818 ein Bruder, dem Lande ein Erbprinz geboren wird, heute der regierende Großherzog Karl Alexander. „Die Leute kamen

aus den Häusern," so berichtet das Weimarer Wochenblatt, „und riefen sich zu: »Ein Erbprinz ist ba!' .... Bei der Taufe waren die Prinzeßchen zugegen „den Grazien gleich" und nach dem Kirchgänge derMrstlichen Mutter sahen sie vom Balkon aus einem Aufzuge zu, den Bürger Weimars, als Baschkiren, Rüsten und Kosaken verkleidet, ihrer geliebten Erb-

14 Prinzessin huldigend darbrachten, um als solche Grüße aus dem fernen Rußland zu bringen und von der Freude zu künden, welche die Heimat der Großfürstin mit Weimar teile. Ein lieblicher Beweis dessen, wie innig das Fürstenhaus mit den Dichtern Weimars auch im Bewußtsein des Volkes verbunden war, zeigte die bei diesem Maskenzug als Person auftretende Ilm, welche den Dichtern Grüße brachte: „Droben hoch an meiner Quelle Ist so manches Lied entstanden. Das ich mit bedächt'ger Schnelle Hingeflößt nach allen Landen." Im Sommer lebte die großherzogliche Familie meist im

Lustschloß Belvedere, dem Lieblingsaufenthalte der Großfürstin, von dem Goethe der Prinzessin Augusta eine Zeichnung ge­ schenkt hatte mit der Widmung:

„Erleuchtet draußen hehr vom Sonnengold, Bewohnt im Innern, traulich froh und hold. Erzeige sich Dein ganzes Leben so: Nach außen herrlich, innen hold und ftoh." Von hier aus wurden kleinere oder größere Spaziergänge unternommen, und recht oft ging es in die an der Ilm ge­ legene Walkmühle, wo die braven Müllersleute Vent wohnten, mit denen das großherzogliche Haus gute Nachbarschaft hielt. Die fürstlichen Herrschaften hatten dort für sich, auch für mit­ gebrachte Gäste, ein besonderes Zimmer, das noch heute als „blaue Stube der Kaiserin" pietätvoll gehalten, Andenken, Ge­

schenke, Bilder aus jener Zeit bewahrt. Die Prinzessinnen fanden in Fritz Vent, dem Müllers­ sohn, den besten Freund, der ihnen Obst von den Bäumen schüttelte, auch wohl ein Brett als Schaukel über einen Balken legte zum „Wippen". Wenn dann die Kleider dabei Schiff­ bruch gelitten, rang Großmutter Vent verzweifelt die Hände und klagte: „Ei, ei, Prinzeßchen, was wird man sagen, wenn Ihr so ins Schloß kommt!"

15 Es war zu schön bei Bents; die Großmutter zauberte alles herbei, frische Milch, Honig, Obst, Schinken; auch zum Schlachtfest waren die Kinder geladen. Aber ebenso oft kehrten

Bents im Schlosse ein, irgend einen Auftrag auszurichten, und Prinzeß Augusta hatte ihrem Papagei die Worte gelehrt: „Augusta, die Karoline (Hein. Bents Frau) ist da." Statt­ lich und selbstbewußt schritt aber Großmutter Bent durch das Schloßportal. Wenn sie in ihrem Sonntagsstaate, dem blaum Kleide mit silbernen Knöpfen, der weißen Schürze, dem schwarzen Tuch und dem Tressenmantel nach Belvedere herauf­ kam oder in das Stadtschloß, dann öffneten sich hurtig vor ihr die Thüren und jubelnd holten die fürstlichen Kinder „die Großmutter" in die Zimmer, um sie gastlich zu bewirten. Mahnte der Herbst aber zu längerem Scheiden, dann wurde feierlichst mit Geschenken von der Walkmühle Abschied ge­ nommen. „Ja," pflegte wohl später der greise Heinrich Bent zu berichten, „damals galt bei uns kein Hofleben.

Die Herr­

schaften waren gar so gütig; sie kamen gern her, und wir waren glücklich, wenn sie da waren." Auch die erwachsenen

Fürstenkinder kamen immer wieder, hier der Hofetikette los und ledig, ein idyllisches Leben zu führen, das die biedere Familie Bent so wohl zu pflegen verstand. Dann mußte Fritz Bent, -der zum „Fischkoch" ernannt war, oben am runden Tisch in der blauen Stube oder im Freien seines Amtes warten; eine silberne Fischkelle, das Geschenk der Großfürstin, erinnert noch heute an jene Tage. Auch Ausflüge nach der Wartburg, ein längerer Aufenthalt dort, galt den fürstlichen Kindern als ein Hochgenuß; besonders liebte es Prinzessin Augusta, allein neue Wege aufzuftnden und schöne, stille Aussichtspunkte zu entdecken. In den Wäldem von Wilhelmsthal wurde Prinzeß Augusta von den Holzhauern und Köhlern so einfach und herzlich begrüßt, wie ein guter Kamerad. Sie kannte Aller Sorgen und



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Freuden, suchte zu trösten und zu helfen, tummelte sich mit den Kindern auf den lichten Wiesenflächen des Waldes und ruhte auf dem Heu mit ihnen aus vom ausgelassenen Spiel. Ihre Leckerbiffen, auf Kohlen geröstetes grobes Brot mit Butter gestrichen oder trocken, verzehrten Prinzessin und Köhlerkinder oft gemeinsam. In einer Lichtung des Waldes, von Bäumen über­ schattet, ruhte ein rosiges Kind; weithin war das Knäuel eines Strickzeugs gerollt, dessen Nadeln den müden Händchen der kleinen Schläferin entfallen waren, und die nun, geweckt durch die nahenden Schritte der Prinzessin, jammernd nach dem Strickstrumpf griff: „Ach was wird die Mutter sagen, nun ist der Strumpf doch nicht fertig."

„Wer wird denn so weinen!" tröstete Prinzeß Augusta. „Laß sehen, ich werde einmal versuchen, was ich noch fertig bringe." Die Kleine beruhigte sich, als sie sah, wie der Strumpf in den Händen der guten Dame schnell seiner Spitze zueilte; dabei erzählte das Kind, daß es gern in die Schule nach Eisenach gehen möchte, da im Dorf keine Schule sei; aber

daß der Vater, ein Waldhüter, zu arm sei, das Schulgeld zu bezahlen. Die Sonne sank; aber der Strumpf war fertig und glückselig eilte das Kind dankend davon. Bald wanderte es auch dem ersehnten Ziele zu; denn Prinzeß Augusta bezahlte das Schulgeld in Eisenach; aber ehe sie nach Weimar zurück­ kehrte, mußte sie auch wissen, ob ihr Schützling brav und fleißig sei. Unerwartet trat sie eines Tages in die Klaffe und hörte nur Lobendes von der fleißigen Schülerin. Am Fenster saß die greise Mutter der Lehrerin auf hartem Holz­ schemel ohne Lehne; sie wollte sich erheben, aber die Prinzessin drückte sie sanft auf ihren Platz zurück. Wenige Wochen später kam ein weicher, bequemer Lehnstuhl für das Mütter­ chen und neue Mittel für den Unterricht des braven Kindes an den Waldhüter.

17 In der stiller dahin gehenden Zeit gehören die folgenden Jahre recht eigentlich dem Familienglück. Auch eine weite Reise wird geplant; die Prinzessinnen sollen nach der Kon­ firmation der Prinzeß Maria mit ihren Eltern die kaiserliche Großmutter in Petersburg besuchen; fast ein ganzes Jahr wird für diese weite und beschwerliche Reise bestimmt, Oktober 1824 bis September 1825. Doch durfte eine so lange Zeit nicht nur der Freude gehören; die Prinzessinnen reisten nicht ohne den Profefior Hand aus Jena, der schon seit 1817 ihr Lehrer war. Eine neue, nie geahnte Welt lag in Petersburg vor den in den bescheidenen Verhältnissen Alt-Weimars erwachsener Prin­ zessinnen. Die großartige Ausdehnung derkaiserlichen Paläste hielt

sie zuerst gefangen wie in einem Taumel; bald aber wurde der

Aufenthalt unter Führung ihres Lehrers zum gewinnbringenden Genusse. Sie wandelten durch die Säle desLustschloffesZarskojeSelo, geschmückt mit den Marmorstatuen römischer Helden, griechischer Weisen, den Helden Rußlands und anderer Reiche; sie bewunderten in der Kapelle der künstlichen Schloßruine die schöne Christusstatue von Dannecker, welche die kaiserliche Groß­ mutter für 30,000 Rubel gekauft hatte. Der Winterpalast mit seinem herrlichen Wintergarten, in dem einst Katharina II. Künstler und Gelehrte bei sich sah, Meisterwerke dort von Tizian, Murillo und Lukas Kranach, Potemkins taurischer Palast mit seiner reichen Palmenpracht, es zauberte den Prinzessinnen ein Wunderland vor Augen, unvergleichlich mit dem stillen, fast ländlichen Weimar. Auch die reichen Feste, welche man den Weimarer Gästen zu Ehren feierte, ließen schwerlich den lebensfrohen Prinzessinnen eine Sehnsucht nach den bescheidenen heimatlichen Verhältnissen aufkommen. Wie nach solchen Genüssen die Arbeit .schmecken möchte, wurde nicht gefragt; unausgesetzt wechselte diese mit der Erholung ab. Wenn auf solcher Reise die Musik nur lückenhaft gepflegt werden konnte, so wurde diese Lücke nach der Rückkehr von Born hak, Kaiserin AuguSa.

2

18 Petersburg reichlich ausgefüllt, und Joh. Nepomuk Hummel, seit 1819 als Musikdirektor nach Weimar berufen, hat seine

Helle Freude haben dürfen, wenn neben den Prinzessinnen auch die Großfürstin statt Schülerarbeit Mcisterleistungen dar­ bot. Wie der fürstlichen Mutter, die meist kirchliche Musik­ stücke komponierte, war auch Prinzeß Augusta die Gabe der Musik in seltenem Maße verliehen. Außer eigenem gediegenen Klavierspiel war ihr die Kom­ position eine Freude; dazu beglückten öffentliche Hofkonzerte, an denen die Bewohner Weimars ungehindert Teil nehmen durften, das kunstbedürftige Publikum ebenso, wie die Prin­ zessinnen, die auf diese Weise in einen Austausch mit denen traten, die nicht zu den Hofkreisen gehörten, wie der Komponist Ferd. Hiller berichtet, daß sich die Prinzessinnen freundlich, ja fast freundschaftlich unter den Geladenen bewegten und sich be­ sonders gern mit den Künstlern unterhielten. „Die allgemeine Schwärmerei",schreibt er weiter, „gilt ben jungen, in edelster Blüte stehenden Prinzessinnen; alle Welt vereinigt sich im Preise ihrer Anmut und Schönheit und von „unsern Prinzessinnen" sprach jeder Weimaraner mit freudigem Stolze" .... „Ein unendlicher Friede war in jener Zeit über Stadt und Bewohner ausgegoffen und nicht der leiseste politische Hauch machte sich von irgend einer Seite bemerkbar" .... „Alljährlich wird das Fest des Vogel­ schießens auf der großen Wiese gefeiert; aber es scheint dort mehr ein Rendez-vous aller Stände Weimars zu sein, als daß man Vergnügen sucht. Den Schluß des Ganzen bildet ein Ball, an dem der Hof und die Bürger Weimars teilnehmen." „Es war ein solcher Zustand gegenseitigen Vertrauens, daß Goethes Sekretair, Eckermann, seinen Regenschirm ab­ sichtlich im Park an einem Baume stehen ließ, um zu erproben, wie weit die Ehrenhaftigkeit in Weimar gehe, aber sehr ent­ täuscht ihn nicht wieder fand; doch war er getröstet, als er

ihn aus der Hand eines Herrn erhielt, der ihn als Eckermanns

Eigentum erkannt und mitgenommen hatte.

19 Auch freute sich jeder, in den schattigen Alleren den« ver­ „Er sah unendlich gut, man kann sagen, gemütlich aus." Er hatte sich die Liebe zur Natur ungestört bewahrt, und es mag auch heute Manchem aus der Seele gesprochen sein, was er seinem Hofprediger Röhr antwortete auf die verwunderte Frage, wie doch Kgl. Hoheit immer wieder sich an dem Parke derart erfreuen könne: „Mein lieber Röhr, als im Jahre 1806 die große Krisis über unser Vaterland kam und ich ringsum so viel Untreue, Verrat ehrten Großherzog Karl August zu begegnen.

und Betrug sah, da bin ich an der Menschheit verzweifelt. In meiner Verzweiflung hat mich allein die Liebe zur Natur aufrecht erhalten und ich habe mich in sie versenkt. Und da mich die Menschen verlassen, bin ich zu den Pflanzen gegangen und habe sie studiert und habe mit Blumen verkehrt, und die Blumen haben mich nicht betrogen." Auch andere, wie der Engländer Swift, der sich länger in Weimar aufhielt, nennen den Reiz des Lebens dort unwider­ stehlich und seine Aufzeichnungen darüber beginnen mit den Worten: „Weimar, ach! Dieser Seufzer folgt dir nach!" Er sagt, daß Weimar mit Recht den Namen des deutschen Athen führe; der Großherzog sei Beschützer aller künstlerischen und wissenschaftlichen Bestrebungen und der Verkehr am Hofe sei so unbegrenzt frei und großartig, wie es nicht ein zweites mal vorkommen dürste. Auch Frau v. Schiller schreibt dar­ über an Knebel (19. Nov. 1823): „Das Ganze ist ein Familienverhältnis." Dabei war es natürlich, daß Weimar ein Sammelplatz wurde für die Gelehrten und Dichter der ganzen gebildeten Welt; auch die bedeutenden Musiker fanden hier Verständnis. Zelter, der Direstor der Berliner Sing­ akademie, führte seinen Schüler, Felix Mendelssohn-Bartholdy nach Weimar. In festlicher Kleidung gingen beide zn Goethe, wo sie vor auserwählter Gesellschaft spielen sollten; auch die Prinzessinnen warm dort. Aller Blicke richteten sich auf das 2*

20 Kind, das in seiner blauen Tuchjacke mit silbernen Knöpfen und weit umgeschlagenem Hemdkragen einen bescheidenen Ein­ druck machte; nur aus den Augen leuchtete xin besonderes

Feuer. Zelter schritt in seidenen Beinkleidern, weißseidenen Strümpfen und Schuhen mit silbernen Schnallen selbstbewußt zum Klavier, unbekümmert um die zweifelnden Mienen, mit denen man das Kind betrachtete. Aber bald klärten sich die Blicke; immer reifer und voller gestalteten sich die Melodiken harmonisch unter den Händen des Knaben. Nach vollendetem Spiel umschwärmten die Damen den jungen Künstler mit Schmeicheleien und Zuckerwerk. Zelter brummte, daß man ihm den Jungen verdürbe, und als die Damen neckend mit dem munteren Knaben spielten, war es vollends aus mit Zelter's Geduld. Aber Goethe nannte den kleinen Felix „junger Freund". Ws er auch in Belvedere spielen sollte, ließ man ihn zwei Stunden in einem Vorzimmer warten, war er vergeffen worden, wollte man ihn necken? Trotzig nahm er seine Mütze und eilte spornstreichs von Belvedere hinunter durch Ehringsdorf und Oberweimar, bis er atemlos bei Goethe an­ kam, der ihn bitterböse empfing und gleich wieder nach Bel­ vedere fahren ließ. „Einen ungeheuren Klang der Stimme hat er", schrieb Felix Mendelssohn später darüber, „und kann brüllen wie zehntausend Streiter". Neben der Dichtkunst und der Musik wurde auch die Malerei nicht vernachlässigt. Hatte Karl August seinem Lande eine Kunstschule gegründet, so sollten auch seine Enkelinnen nicht leer ausgehen. Ein wohlgelungenes Bild der drei erbprinzlichen Kinder, das die Hofmalerin Luise Seidler gemalt, gab Veranlaffung, daß diese zur Lehrerin der Prinzessinnen bestimmt wurde. Zunächst wurden nur Zeichnungen für den Großpapa angefertigt, der überall den Mittelpunkt alles Sttebens, also auch dieses kleinen Kunstkreises bildete.

Zu

21 Weihnachten brachten die fürstlichen Kinder nur eigene Ge­ schenke dar, und als Karl August der Stadt eine neue Bürger­

schule gebaut, trugen die Prinzessinnen mit dem kleinen Bruder den Dank der Weimarer Kinder vor, ein Gedicht, das Goethe zu dem Zweck verfaßt hatte und dessen Schluß lautete:

„Aber Fürst, wenn Dirs begegnet. Und ein Abend so Dich segnet.

Daß als Lichter, daß als Flammen Vor Dir glänzte allzusammen Alles, was Du ausgerichtet. Alle, die Du Dir verpflichtet: Mit erhöhten Geistesblicken Fühltest herrliches Entzücken!" Bei solcher Innigkeit des Zusammengehörens zwischen Fürstenhaus und Land erscheint es natürlich, daß die Feste der großherzoglichen Familie mehr als in weit ausgedehnten Landen von allen Unterthanen persönlich mitgefeiert werden. Die goldene Hochzeit Karl Augusts und der Großherzogin Luise, denen die Prinzessinnen die goldene Myrthe überreichten, das Regierungsjubiläum Karl Augusts (3. September 1825), das großentheils in Goethes Hause gefeiert wird, es sind Tage an denen sich die fürstlichen Herrschaften unter dem Volke bewegen, wie unter ihresgleichen. Zwar hatte Karl August feinem Freunde Goethe gesagt, er bedanke sich schönstens für eine Feier, die ein baldiges Scheiden schmerzlich zu Gemüt führe; aber der Liebe seines Volkes war kein Damm anzulegen.

„Hörst Du's jubeln?

Erz ertönen? Ja, des Tages holde Feier Allgemeines Fest beginnt!" Goethe hatte überall ausgesprochen, daß er als der be­ glückteste Diener seines Fürsten ihn am ausgelassensten feiern

22 dürfe, und daß er seine Freunde daran erkennen wolle, wer mit ihm feiere. Nun wogte es im Hause des Herrn Geheim­

rats von Festgenoffen, der fürstliche Jubilar selbst war eben­ falls dabei, und die Prinzessinnen waren überglücklich, auch noch abends spät nach der Festvorstellung im Theater bei Goethe sein zu dürfen. Wenige Wochen, und Weimar, allen zuvor Karl August, rüstete sich, das fünfzigjährige Jubiläum seines Goethe zu be­ gehen.

Am 3. September war der greise Dichter zu „seinem

Großherzog" um sechs Uhr morgens geeilt, und die Worte, welche beide miteinander gesprochen, waren von Mund zu Mund gegangen: „Bis zum letzten Hauche beisammen! — O achtzehn Jahre und Ilmenau! —• Gedenken wir dankbar daran,

was uns einst in Ilmenau vorgesungon wurde: „Nur Luft und Licht und Freundeslieb' Ermüde nicht, wenn dies nur blieb!" Nun kommen sie alle zu ihm, die er liebt, und wieder

steigen die Bilder vergangener Tage empor, wie Lichtgebilde: Jlmenan, Tieffurt, Ettersburg! Doch auch die Gegenwart hat überwältigende Wonne. In aller Frühe streuen die Kinder Weimar's Blumen vor seiner Thür; Deputationen folgen auf Deputationen; der Freunde endlose Reihe bringt Glück­

wünsche, und der ganze Hof folgt dem Groß Herzog Karl August,

den Dichtergreis zu beglückwünschen. Keines Wortes mächtig zieht Goethe die Hand der Prinzessin Augusta, seines Lieb­ lings an sein Herz, um dann in der Umarmung „seines Großherzogs" auszurufen: Das Jubelfest des Dichters wird zum Volksfest; denn sie empfinden alle, daß „der Waffen­ bruder ihres Großherzogs" ihrem Lande, ihnen allen gehöre.

Don der Jugendzeit bis zum eignen Heim. „Wisset, ein erhabner Sinn Legt das Große in das Leben, Und er sucht es nicht darin." Schiller (Huldigung der Künste.)

In Weimars Fürstenhaus erblühen immer lieblicher die holden Fürstenkinder, von denen Goethe die Prinzessin Maria nennt: „Lieblich und zierlich, ruhig und hold", und von der Prinzessin Augusta schreibt Humboldt am Ende des Jahres 1826: „Die Schwester der Prinzessin Maria soll schon in dieser frühen, kaum der Kindheit entgangenen Jugend einen

festen und selbständigen Charakter haben. Ihr lebendiger, durchdringender Geist spricht aus ihrem Blick; ihre Züge sind

im höchsten Grade bedeutungsvoll, und ihre ganze Gestalt wird sich in einigen Jahren gewiß noch schöner, als sie jetzt schon erscheint, entwickeln." Das Schloß von Weiinar, „von jeher wegen seiner Gast­

lichkeit berühmt", wird nun ein Magnet für manchen fürst­ lichen Sproß; denn „die beiden Töchter ziehen durch an­ mutige Schönheit uitb auserlesene Bildung die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich." Auch die dem großherzoglichen Hause verwandten Prinzen Wilhelm und Karl von Preußen kehren im November 1826 dort ein, worauf sich Prinz Karl mit der Prinzessin Maria zu Weihnachten verlobt und im nächsten Mai sich mit ihr vermählt.

24 „Nach unendlichen, unvergeßlichen Festlichkeiten", so erzählt ein Augenzeuge, „nach einer Zeit des Jubels, wie er wohl vorher nie in Weimar erlebt worden war, kam der Tag des Scheidens. Nach dem Lebewohl im Schlöffe wand sich der Zug langsam durch die Stadt dem Thore zu. Jeder Platz, jedes Fenster war besetzt und auf jedem Antlitz spiegelte sich

achtungsvolle Teilnahme. Eine Anzahl junger Mädchen trat der Prinzessin unter einem der Triumphbogen entgegen, ein letztes Lebewohl zu sagen. Mit der anmutigen Herablassung, die der Prinzessin eigen war, ersuchte sie diese lieblichen Volksvertreterinnen, der Reihe nach in den Wagen zu steigen, und sich von ihr um­

armen zu lassen, wobei sie die Sträuße in Empfang nahm. Jedes Auge füllte sich mit Thränen. Nun wurde Trab ge­ fahren und in wenigen Augenblicken war eine der Lieblinge Weimars durch das Thor auf der Straße nach Berlin ver­ schwunden." Ein Gedicht, das zehn Mädchen, alle gleichzeitig Braut, der scheidenden Prinzessin am 22. Mai 1827 überreicht hatten, zeigt die Innigkeit, mit der sich Weimars Kinder mit „ihren Prinzessinnen" verbunden fühlten:

„Ein fröhlich Herz, ein muntrer Sinn Ist stets den Bräuten eigen;

Man pflegte sie zu jeder Zeit Den Blumen zu vergleichen. So mögen auch nur Blumen dir Der Schwestern Wunsch verkünden; Denn was der Braut am Herzen liegt. Kann nur die Schwester finden.

Stets war ein Wunsch aus Brautesmund Von zarter Vorbedeutung, Drum sei dir unser Schwestergruß Die freundlichste Begleitung!"

25 Nachdem die fürstliche Braut die Heimat verlassen, wurde es der Prinzessin Augusta recht einsam in den Zimmern, die beide Schwestern gemeinsam bewohnt hatten. Überdies folgte

bald eine Zeit ernster Sammlung für die nun sechzehnjährige

Prinzessin; sie wurde am 21. August 1827 vom Oberhof­ prediger D. Röhr konfirmiert, nachdem der Oberkonsistorialrat D. Horn den Konfirmandenunterricht erteilt hatte. Nach der Predigt legte Prinzeß Augusta ihr selbstverfaßtes Glaubens­ bekenntnis ab, dessen Schluß lautet: „Ich erflehe im Gebet den göttlichen Beistand zur Erfüllung meines Bemfs hier auf Erden; denn ich halte denselben für eine Vorbereitung zu einem andern Leben, in welches nach dem Tode jeder Mensch eingeht. Ich glaube endlich, daß in diesem zukünftigen Leben, in einer höhern Welt der gerechte Gott zur weiten! Ausbildung des unsterblichen Geistes vergeltend mit Lohn und Strafe waltet. So halte ich mich denn fest an diesem christlichen Glauben und indem ich alle menschlichen Satzungen von ihm entferne, bekenne ich mich ganz frei und mit völliger Überzeugung zur

evangelisch-protestantischen Lehre." Dann sprach der Generalsuperintendent Röhr noch wenige Worte zur Konfirmandin: „Nimmer dürfen Sie vergessen, daß, wie hoch Sie auch über dem großen Haufen der Menschen stehen. Sie doch mit ihnen einen Gott haben, vor dem kein Ansehn der Person, kein Unterschied des irdischen Ranges, keine zufällige Standesverschiedenheit, sondern nur der echte und bleibende Wert gilt, den jeder in seiner vernünftigen und sittlichen Menschenwürde trägt. Von evangelischem Geiste genährt, von evangelischen Ansichten und Grundsätzen durch­ drungen, kommen Sie also nie in Gefahr, Ihre Stellung im Leben aus einem Ihrer sittlichen Gesinnung nachteiligen Gesichtspunkte aufzufassen und Ihren Nebenmenschen die Achtung und Wertschätzung zu versagen, auf die Sie als Genossin eines vor Gott ganz gleich gerichteten Geschlechtes



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rechnen dürfen. Wo auch dereinst Ihr Wirkungskreis sein möge, immer mögen Sie sich bemühen, Thränen zu stillen, Wunden zu heilen, Kummer zu lindern und frohe und glückliche Menschen zu machen. Würde Ihnen das Weh der Welt und eine rauhere Berührung des Schick­ sals nicht erspart, so mögen Sie im Glauben und in der

Ergebung den Trost finden, der über alles Ungemach sieg­ reich erhebt." „Hallelujah!" erklang es feierlich durch die Hallen des Gotteshauses; wenige Minuten, und Prinzeß Augusta schritt, geleitet von ihren Eltern, durch den Park dem Schlosse zu.

Auf Befehl Karl Augusts wurde am nächsten Sonntag in allen Kirchen des Großherzogtums dieser Feier wegen ein Dankgebet gehalten, und es tritt wiederum selbst aus dieser Verordnung das liebliche Verhältnis der fürstlichen Familie

zu den Bewohnern ihres Landes hervor. Das großherzog­ liche Haus will und sucht eine Herzensgemeinschaft mit seinem Volke; aber es weiß auch, also wird es mit seinen Kindern auf betendem Herzen getragen. Am Tage nach der Konfirmation und der Tags daraus er­ folgten Abendmahlsfeier ist es der Prinzessin gewährt, mit

der fürstlichen Mutter eine Reise anzutteten, um in der Stille der Natur der Sammlung ernster Eindrücke Zeit zu

gewähren.

Dem freudenreichen Jahre folgte eine Zeit tiefer Trauer. Karl August war trotz seines hohen Alters nach Berlin gereist; ihm war der erste Urenkel, Prinz Friedrich Karl, geboren, und der beglückte Urgroßvater wohnte der Taufe bei.

„Ich denke," schrieb er zuvor an Goethe, „einen Abstecher nach Berlin zu machen, alles dort neu Erstandene und Zu­ gekommene zu beleuchten und so zu sagen von der Außen­

welt bei dieser Gelegenheit Abschied zu nehmen."

Nun war er plötzlich auf der Rückreise von Berlin am

27 14. Juni 1828 in Grabitz bei Torgau gestorben. Am Fenster stehend, im Anblick des Sternenhimmels versunken, wurde der einundsiebzigjährige Fürst unerwartet vom Tode ereilt.

Die Todesnachricht erreichte die erbprinzlichen Herrschaften in Petersburg, wo sie, es war zum letzten Male, die kaiser­ liche Mutter besuchten, und die sterbliche Hülle Karl Augusts wurde in Weimar von seiner Gemahlin, der Großherzogin Luise, der Prinzessin Augusta und ihrem zehnjährigen Bruder

im römischen Hause empfangen, um dort bis zur Beisetzung in der Fürstengruft in dem Arbeitszimmer des Geschiedenen aufgebahrt zu werden.

Für die Regierung des Landes blieb der Thronwechsel fast unmerklich; denn ganz in den Fußtapfen des Vaters fortgehend, wie Karl Friedrich versprochen, wurde die Re­ gierung gehandhabt. Doch für Prinzessin Augusta lag in dieser Trauerzeit noch eine Schranke für ihre wohl längst im Stillen vollzogene Verlobung. Prinz Wilhelm von Preußen hatte während der Zeit, die er mit seinem Bruder in Weimar verlebte, Prinzessin Augusta, damals fast noch ein Kind, immer

schätzbarer gefunden und ihr Bild im Herzen getragen, als er sich am 16. Februar '1829 mit der königlich erblühten Prinzessin verloben durfte. Eine glänzende Versammlung von Zeugen und Gästen war gegenwärttg, als in hehrer Festfeier die Verkündigung des Eheversprechens zwischen Prinz Wilhelm von Preußen,

Generallieutenant und kommandierenvem General des III. Armeekorps, mit Prinzeß Augusta zu Sachsen-Weimar-Eisenach vollzogen wurde.

Rach dem Festmahl trug ein Sängerchor dem auf einer Estrade sitzenden Brautpaar eine von Hummel komponierte

Festhymne huldigend vor:

28 „Sei gesegnet diese Stunde, Wo sich Herz an Herz erkannt. Glück und Heil so schönem Bunde, Wo sich einet Herz und Hand! Segen sproß auf diesem Grunde Schöner Zukunst Unterpfand!" Nachdem die ersten Tage steudiger Unruhe vorüber waren, wurde auch in der Walkmühle förmliche Brautvisite gemacht. In achtzehn Wagen fuhr die Hofgesellschaft hinaus, einen stohen Nachmittag in ländlicher Einfachheit zu verleben. Ein Küchenwagen hatte die nötigen Vorräte zur Bewirtung der Gäste zuvor hingebracht. Da standen nun Vents Kinder und diejenigen der Nachbarhäuser Oberweimars in herzlichster Bewünderung, aber auch recht verlegen vor den vielen stemden Gästen, die zu „ihrer Prinzessin Augusta" Verlobung nach

Weimar gekommen waren. Und wie prächtig und doch so sittig einfach sah sie selbst aus im himmelblauen Kleide, eine goldne Kette durch die schweren dunkeln Flechten geschlungen! Aber recht wehmütig sahen die alten Vents am Abend „ihrem Prinzeßchen" nach, als die Wagen zur Stadt fuhren. Sie würde bald noch einmal wiederkommen, so hatte sie ver­ sprochen, vielleicht nur, um Abschied zu nehmen! — Prinzessin Augusta hielt Wort; noch manchmal war sie inzwischen stoh in der Walkmühle. Auch dem Prinzen Wilhelm gefiel die biedere Einfachheit der Familie Vent derart, daß er sich dort gleich seiner Braut bald heimisch und wohl fühlte. Großmutter Vent hatte Klöße gekocht; sie schwammen gleich lustigen Fischen oben auf der Brühe. Da holte Prinz Wilhelm eine blanke Zinnschüffel vom Sims, einen Löffel dazu und schöpfte einen Kloß heraus, den er vergnügt auf einem Block im Hofe verzehrte. Bei Goethe hatte das Brautpaar ebenfalls einen Besuch gemacht; er hatte die hohen Herrschaften im einfachen, langen Hausrocke empfangen, und Prinz Wilhelm ging noch manch-

29 mal allein hin während seines Aufenthalts in Weimar, dort

genußreiche Stunden zu verleben.

Wenige Monate, und Prinzeß Augusta nahm Abschied von der Heimat. Mit nicht enden wollenden Jubelrufen wurde die geliebte Prinzessin am 3. Juni bei ihrem letzten Besuche int Theater von den Bewohnern Weimars begrüßt. Geschenke der Liebe, kleine Andenken aus dem eignen Gebrauch her­ stammend, reiche Gaben an die Armen der Vaterstadt, alles das konnte den Schmerz des Abschieds nicht mildern. Am 5. Juni ging die Prinzessin ganz allein zu Goethe, ihrem treuen, väterlichen Freunde Lebewohl zu sagen.

AIs

sich die Thür längst hinter der Scheidenden geschlossen, saß der Dichter sinnend da; endlich erhob er sich mit den Worten: „Mag es ihr wohlergehen in dem ungeheuer weiten und be­ wegten Element!"

Am folgenden Tage traf Prinz Wilhelm in Weimar ein, die Braut nach Berlin abzuholen; für den 7. Juni war die

Schon frühmorgens um sieben Uhr vereinte ein Gottesdienst die fürstliche Familie. Um elf Uhr, der Regen goß in Strömen, setzte fich der Reisezug in Bewegung. Tausende standen trotzdem an dem Wege, den ihre teure Prinzessin ziehen sollte; die jungen Mädchen Weimars hatten durch zwölf aus­ erwählte Jungfrauen als letzten Gruß einen Myrtenkranz mit achtzehn Rosen durchflochten überreichen lassen. Um den Wagen her standen die Getreuen, alle ihre Lehrer, Friedrich Wilhelm Schmidt, der ihr den ersten Unterricht erteilt, Hummel, Sorel, Luise Seidler, Riemer und viele, sie alle wollten noch einen letzten und allerletzten Blick zum Abschied erringen. Noch manches Wort der Liebe hatte in letzter Stunde eine heimliche Aufnahme gefunden, Deputationen waren zur Stelle, Vereine sandten Abschiedsgrüße, wie die Vereinsgesellschaft, deren Ab­ schiedslied prophetisch schloß: Abreise festgesetzt.

30 „Nimm sie, hoher Königssohn, Führe sie zum Königsthron, Daß der Schönheit volle Blüte, Daß des Herzens reiche Güte Dort im weiten Kreis erschaut Werde an der hohen Braut!

Doch der kleinen Vaterstadt, Die sie Dir erzogen hat, Laß, so flehn der Sehnsucht Schmeern,

Einen Teil von Ihrem Herzen, Wie auch unser Herz vertraut Hoffnungsvoll der jungen Braut. Langes Leben, Glück und Heil Sei Ihr immer reiches Teil.

Himmel gib Ihr stets das Beste, Mach' Ihr Leben froh zum Feste! Bis einst spät der Abend graut Lebe hoch die holde Braut!" Ja, Prinzessin Augusta durfte voll und ganz empfinden:

„Es ist das kleinste Vaterland Der größten Liebe nicht zu klein; Je enger es dich rings umschließt Je näher wird's dem Herze l sein."

Unter dem Jubel der preußischen Bevölkerung geht die Reise des hohen Brautpaares Berlin, dem neuen Heim, ent­ gegen. Nachdem am 9. Juni in Potsdam festlicher Em­ pfang gewesen, empfing Berlin mit gleicher Begeisterung, aber in noch größerer Prachtentwicklung, die hohen Verlobten. Schon zwischen Charlottenburg und Berlin erreichte die städtische Deputation unter Führung des Oberbürgermeisters Büsching den Brautzug, und Prinzessin Augusta wußte als Gruß für die neue Heimat nichts Lieberes zu thun, als den Armm Berlins die milde Hand zu öffnen.

31 Hohe Gäste waren zuvor in Berlin eingetroffen, Kaiser Nikolaus von Rußland mit seiner Gemahlin, der Schwester des Prinzen Wilhelm, die jetzt zum ersten Male seit der eignen Vermählung vor zwölf Jahren im Vaterhause weilte; viel fürstliche Verwandte holten das Brautpaar schon in Pots­

dam ein. So war der 11. Juni angebrochen, an dem die Ver­ mählung abends 6Uhr in der königlichen Kapelle zu Berlin stattfinden sollte. Fürwahr, es waren zwei königliche Gestalten, die dem Mar zuschritten, Prinz Wilhelm in großer Generalsuniform, geschmückt mit dem orangefarbene» Bande des schwarzen Adlers, Prinzessin Augusta, die königliche Brautkrone mit mehr als 100 Brillanten reinsten Wassers auf den schweren, dunkeln Flechten! Zurückgekehrt aus der Kapelle, verweilten die fürstlichen Herrschaften zu froher Festfeier beisammen bis tief in die Nacht hinein; auch Preußens Hauptstadt, die in herrlicher Illumination gleich einem Lichtmeer erglänzte, ging endlich zur Ruhe, neuen, frohen Tagen entgegen. Prinzessin Augusta, nun Prinzessin Wilhelm, war jetzt zu Hause in Preußens Hauptstadt; sie hielt mit ihrem Gemahl am folgenden Morgen ihren Einzug in das früher Tauenzien'sche Haus, das der König seinem Sohne als Dienstwohnung eingciäumt hatte; es wurde später angekauft und ausgebaut. Die junge Hausfrau hatte die in Berlin anwesenden Ver­ wandten auf 12 Uhr zum Frühstück gebeten; am Nachmittag mußte die achtzehnjährige Fürstin schon Pflichten ihrer Würde erfüllen: mit ihrenr fürstlichen Gemahl empfing sie feierlich die Militär- und Zivilbehörden der Residenz. Einer stillen Sonntagsseier folgten weitere Festtage. Zu einem Maskenballe wurden so viele Freibillets ausgegeben, als es der Raum erlaubte; Friedrich Wilhelm III. liebte es, sich harmlos unter seinen Berlinern zu bewegen. Den Schluß

32 der vielen Festlichkeiten bildete das mit märchenhaftem Zauber umwobene Fest der weißen Rose, das den Geburtstag der russischen Kaiserin verherrlichen sollte, und es mag dem jungen Fürstenpaar recht wohl gewesen sein, endlich dem ermüdenden Festjubel entfliehen zu können, um im lauschigen Marmor­ palais am heiligen See in Potsdam sich selbst gehören zu dürfen. Den einfachen Verhältnissen des Berliner Hofes sich gern an­ passend, wurde Prinzessin Wilhelm ihrem königlichen Schwieger­ vater bald eine liebe Tochter, und wie Friedrich Wilhelm III. seit dem Tode der Königin Luise in den Kindern auch die geschiedene Mutter liebte, so hatten diese sich aneinander angeschlossen. Nun führte das doppelte Band der Vermählung des Prinzen Wilhelm und des Prinzen Karl mit den Prin­ zessinnen Augusta und Maria einen herzlichen Verkehr herbei, der bis zum Tode der Prinzessin Karl und des Prinzen Karl gedauert hat. Fern in Weimar sehnten sich treue Herzen, zu erfahren, welchen Eindruck die heißgeliebte Prinzessin am preußischen

Hofe mache, ob wohl ihr Wert voll dort erkannt werde, und ob sie nichts an Liebe dort vermisse. Schon tut Frühjahr 1829 hatte die treue Lehrerin Luise Seidler eine Einladung Niebuhrs, des früheren römischen Gesandten, und seiner Ge­ mahlin nach Bonn ausgeschlagen, „um sich nicht noch in der letzten Zeit von der Prinzessin Augusta loszureißen", und „Weimar erscheint ihr nun verarmt, ihr liebstes Kleinod fehlt jetzt darin". Wiederholt bittet sie darum ihre Freundin Henriette v. Rheden, deren Vater, früher hannöverscher Gesandter in Rom, nun in Berlin war, um Nachricht über ihre teure Prinzessin. Die Freundin antwortet: „Die Prinzessin hat bereits Aller Herzen gewonnen, und die ganze Königsfamilie ist entzückt über dqs Neue liebe Glied. Die Kronprinzessin äußert in jedem Briefe an ihre Schwester ihre Freude über diese Schwägerin. Bei der ersten Cour, wo ich die Neuvermählte sprechen hörte, war

33 auch ich von ihrer Lieblichkeit und ihrem interessanten Wesen wie bezaubert. Sie sieht eigentlich noch zu kindlich aus, als daß reicher Putz ihr kleiden könnte; dazu waren in der un­ ruhigen ersten Zeit die Fatiguen gar nicht ihrem Alter und ihren Kräften angemessen. Sie sah immer ganz erschöpft aus. Sobald man sie sprechen sah, verschwand das alles; die interessanten Züge beleben sich gleich so lieblich. Die Er­ scheinung der russischen Kaiserin ist so glänzend, daß dies junge zarte Wesen etwas dadurch im Schatten stand, wir ahnten aber alle schon damals, wie günstig dies für die junge Prinzeß später sein würde, wenn sie nun, bei näherer Bekanntschaft, alle Erwartung übertreffen wird!



Fräulein v. Spiegel

(Hofdame aus Weimar) hat auch mir sehr gefallen;-sie sprach mir so viel von Ihnen und der großen Liebe und Achtung, welche die Prinzessin Ihnen bewahre, wie sie auf Ihren Be­ such hofft." Ein anderer Brief, der sich eingehend darüber ausspricht, wie wohl die junge Fürstin die Würde ihrer Stellung zu be­ wahren weiß, schließt: „Wem sie sich freundlich kund geben will, deffen ganzes Jntereffe ruft sie durch ein bezauberndes

Lächeln wach. Kräftig in ihrem Wollen, weiß sie ihren Weg sicher zu verfolgen, wenn sie auch klug ausweicht und nachgiebt." Da Prinz Wilhelm an dem Ernst des Lebens, in harten Kriegsjahrcn ftüh zum Manne gereist und am Sterbebette der königlichen Mutter zum Helden und Rächer gewandelt war,

entschlossen, den frühen Tod der Mutter wie des Vaterlandes Erniedrigung zu sühnen, hatte er die Schäden und Schwächen der Armee studiert, um deren Verbefferung und den darin liegenden Schutz Preußens zu seinem Lebensberuf zu machen, in dem er unausgesetzt treu arbeitete. Wer konnte ahnen, daß er einst berufen sein würde, Preußens König, Deutschlands

Kaiser zu sein? Die jugendliche Prinzessin, stets gewöhnt, sich nützlich zu beschäftigen, gewährte Künsten und Wiffenschasten in ihrem Born hak, Kaiserin Augusta. 3

34 Hause eine heimische Stätte.

Alex. v. Humboldt, v. Raumer, Raupach u. A. hielten dem prinzlichen Paare wissenschaftliche Vorträge. König Friedrich Wilhelm III. mochte Recht haben, wenn er sagte, daß der einfache Sinn seines Sohnes Wilhelm einer idealen Ergänzung bedürfe. Auch der Musik und Atalerei gehörte manche ernste Arbeitsstunde; damit Tüchtiges geleistet würde, malte die Prinzessin unter Anleitung der Malerin Alwine Frommann, später ihre Vorleserin und durch hohes Vertrauen geehrt. Dieses Stillleben wurde im Jahre 1831 durch eine Choleraepidemie unterbrochen, die alle Verhältnisse beängstigend beherrschte; denn wer die großen Städte verlassen konnte, floh in die von der Cholera verschonten Gegenden. Auch der königliche Hof hatte die Residenz verlassen, und in den Schlössern von Potsdam herrschte die strengste Abgeschlossenheit. Da erhob eine Jubelbotschaft den gesunkenen Mut zu einer Frische, die auf Fürst und Volk gleich belebend einwirkte. Als die gewohnten Freudenfeuer der Völkerschlacht von Leipzig auf den Höhen um Potsdam her loderten, galten sie gleicherzeit neuer Freude für Fürst und Volk. Dem Prinzen Wilhelm und seiner Gemahlin Prinzessin Augusta war am 18. Oktober 1831 ein Sohn, dem Lande ein Thronerbe geboren, während man bis dahin vergeblich gehofft hatte, daß dem kronprinzlichen Paare ein Sohn geschenkt würde. Die erste Wohnung des Hohenzollernkindes, das Neue Palais, mehr als ein halbes Jahrhundert hindurch die Stätte stillen Friedens, reichen Glücks, wie ist sie heute als Schloß Friedrichskron für das Vaterland mit einem Trauerflor um­ woben! Auge und Herz weilen dort nur als an der Stätte, wo ein königlicher Dulder das Märtyrertum des menschlichen Lebens bis auf die Hefe ausgekostet. —

Die Prinzessin als Erzieherin ihrer Ainder. „O Mutterlieb', du heilig Amt Dom Herrn der Ewigkeit verliehen, Die Seele, die vom Himmel stammt, Dem Himmel wieder zu erziehen." Amaranth. (Oskar v. Redwitz.)

Aus der Gegenwart kehre der Blick zurück in die Ver­

gangenheit der Geschichte, die zunächst in trocknen Daten be­ richtet, daß der neugeborene Prinz am 13. November 1831

durch den Bischof Eylert im Neuen Palais getauft wurde auf die Namen „Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl". Zum ersten Male wurde bei dieser Taufe die aus schlesischem Golde angefertigte Schale benutzt, welche von da ab bei allen Taufen des königlichen Hauses gebraucht wurde. Von nah und fern kamen Glückwünsche, und unter den vielen Briesen aus Weimar möchte Goethes Gratulation vom 9. November 1831 nicht ohne Interesse sein: „In solchen Augenblicken, wo wir mit Bewunderung die Fülle der vegetativen Natur betrachteten, traf eine Nach­ richt ein, die uns ganz an das höchste Ziel menschlicher Glückseligkeit versetzte, die Genesung Ew. König!. Hoheit und zugleich die frische Belebung des auf alten ehrwürdigen Grundwurzeln immer sich neu verzweigenden Stammes. Wie jenes Zusammentreffen der Ereignisse, der gleichsam zufälligen Vorbedeutung und Uebereinstimmung des Erfolgs uns angeregt, gerührt und erhoben hat, kann ich nur Höchstderselben eigner Empfindung anheimgeben und nur sagen, daß ich mich glücklich finde in so bedeutenden Augenblicken meinen schuldigen Dank für das gnädigste Andenken ver3*

36 Kindlichst abzustatten in treuer Mitempfindung des frohen Behagens, daS, wie es in gleichem Falle den Geringsten entzückt, nun auch auf den höchsten Stufen menschlichen

Daseins waltet." Sicher war dieser Brief einer der letzten, den Goethe an

seine fürstliche Schülerin richtete; denn kurze Zeit darauf am 22. März 1832 ging der greife Dichter zur Ruhe. Ein bisher nicht veröffentlichter Brief der hohen Frau an den Kanzler v. Müller beleuchtet ihre Stellung zu dem Geschiedenen. Der

Prinzessin war eine Zeichnung Goethes und eine Abhandlung v. Müllers über Goethe gesandt worden; sie schreibt am 6. Dezember 1832: „Sie haben einen großen Wunsch erfüllt und einer wahren Sehnsucht Genüge geleistet, welche ich nach dem Besitz eines so teuern Andenkens empfinden mußte. Ihnen so zu danken, als ich es wünschte, ist mir leider nicht möglich, da je größer die Gabe, der Maßstab der Worte um so ge­ ringer erscheint. Auch gehört alles, was sich an die Er­ innerung eines Wesens wie Goethe knüpft, zu den Gefühlen, die nur empfunden, aber nicht beschrieben werden können. Doch eben, weil Sie dieses selbst wissen und mich gewiß verstehen, so darf ich fest darauf bauen, daß sie nicht an meiner tiefen Dankbarkeit zweifeln werden. Wenn jemals einem zu früh entschwundenen, unsterblichen Geiste ein Denk­ mal durch Freundeshand gestiftet, gleichsam sein ganzes Wesen in und vor uns fort bestehen ließ und als schrift­ liches Unterpfand auf gleiche Kulte bei der spätesten Zukunft Anspruch niacht, so ist es gewiß mit alledem der Fall, was Sie über unsern Verlust ausgesprochen haben, besonders aber mit der letzten Denkschrift, durch deren Zusendung Sie mir eine so große Freude verursachten. Ich bewahre sie neben der Zeichnung, als von ihr unzertrennbar und mir eine doppelte Pflicht der Dankbarkeit auferlegend. Augusta."

37 Inzwischen war die Prinzessin noch Nicht mit ihrem Kindchen in Weimar gewesen; erst im Jahre 1833 kam sie mit ihm dorthin und wiederholte den Besuch 1836. Dann wurde auch die Walkmühle wieder ausgesucht; Fritz Vent war nun Vater Vent, deffen Sohn dem kleinen Prinzen im Park von Belvedere den ersten Reitunterricht auf einem Esel gab. Doch die Arbeit beginnt im Hohenzollernhause frühe, und bald wurden Lehrer aus Berlin nach Potsdam berufen, den ersten Elementarunterricht zu erteilen. In diese für jedes Kind wichtige Zeit fiel ein frohes Ereignis, dem Prinzen Friedrich Wilhelm wurde ein Schwesterchen geboren, das seiner Großmutter zum Gedächtnis „Linse" getauft wurde.

Das Leben der prinzlichen Familie trat naturgemäß wenig in die Öffentlichkeit, so daß Prinzessin Wilhelm in diesem

Stillleben die Erziehung ihrer Kinder als ihre wichtigste Lebens­ aufgabe ansah, welche sie so viel als möglich selbst überwachte. Obgleich sie neben der Erzieherin das größte Vertrauen in die treue Kinderfrau, Frl. Doroth. Weber, setzte, die seit der Geburt des Prinzen sieben Jahre hindurch bei diesem und dann zehn Jahre lang bei Prinzeß Luise war, so versäumte die Prinzessin doch nie, selbst nach einem ermüdenden Gesellschaftsabend in stiller Nachtstunde an die Bettchen ihrer Kinder zu treten, einen Blick auf ihre Lieblinge, ein Gebet sicher zu Gott empor sendend. War die hohe Frau in Weimar, dann überwachte wohl die Großmama, die sich scherzend die Mutter Deutsch­ lands nannte, ihre Enkelkinder, und die Prinzessin machte mit ihrem Gemahl allein weitere Reisen, da sie meinte, Kinder könnten sich am allerwenigsten wohl auf Reisen fühlen. Die Einfachheit des prinzlichen Hofhalts kam zu dieser Zeit dem eines guten bürgerlichen Haushalts gleich, wenn nicht Gäste einen größeren Aufwand erforderten. Die Lehrer blieben, meist durch den Unterricht bedingt, oft zu Frühstück und Mittagessen im Schlöffe. Während die Kinder Obst und Milch zum Frühstück erhielten, wurde den Lehrern Fleischbrühe

38 und belegte Brödchen gereicht, wobei der Prinz, von den Herren als Gast geladen, sich freuen konnte, auch einst ein gleiches

Frühstück für sich bestellen zu dürfen, wenn er „erwachsen" wäre. Gewöhnlich saß die Prinzessin während der Unterrichts­ stunden mit einer Handarbeit am Fenster und, angeregt durch

den geistvollen Unterricht, konnte es vorkommen, daß die hohe Frau voller Interesse, wie bei den Experimenten der Physik­ stunde, selbst mit thätig war. In welch eingehender Weise sich die fürstliche Mutter mit den Lehrern des Kronprinzen, von dessen Unterricht hier zunächst nur die Rede sein kann, in Verbindung setzte, wie sie ernste Gespräche und Verhandlungen über Art der Erziehung und des Unterrichts pflegte, ja oft ihre ganze Persönlichkeit mit ihrer bezwingenden Macht zur Geltung brachte, das als gut Erkannte auszuführen, dabei aber die Herzensstellung der Mutter so überaus zart zu wahren wußte, entzieht sich mit Recht der Öffentlichkeit, doch fand alles sein Ziel darin, dem

Prinzen eine möglichst weite, freie und selbständige Anschau­ ung und damit Urteilsfähigkeit zu geben. Ein Biograph des Kronprinzen Friedrich Wilhelm behauptet, daß nicht leicht ein zweiter Fürst gefunden werden möchte, deffen geistige Ausbildung

so allseittg und umfassend wäre, als die des Kronprinzen es war. Daß die Pflege körperlicher Ausbildung nicht vcrnachlässigt wurde, bewies die herrliche Hünengestalt, zu der sich das Kind Friedrich Wilhelm allgemach entwickelt, und wenn er, von einem Groom begleitet, die fürstliche Mlttter in einem zweirädrigen Gig durch die Straße fuhr, dann staunten die Berliner den mutigen Knaben an, dessen Geschick im Fahren außergewöhnlich war. Eine seltene Geschwisterliebe verband den Kronprinzen mit seiner Schwester. Wie man sie nur gemeinsam bei Fuchs unter den Linden Süßigkeiten genießen sah, was freilich recht selten geschah, wie sie all ihr Kinderleid und ihre Kinderfreude zusammen getragen, so hat sich das Band gefestigt in der

39 Jahre langen Reihe, und des Lebens bittrer Ernst, Not und Tod, es hat alles die Geschwister nur um so treuer gefundm. Nach dem Hausgesetze der Hohenzollern hatte der Kron­ prinz im Jahre 1849 die Großjährigkeit erreicht, nachdem er

im Jahre zuvor konfirmiert war. Den Vertretern seiner Vater­ stadt Potsdam antwortete er auf ihren Glückwunsch: „Ich bin zwar noch sehr jung; aber ich werde mich zu meinem hohen Beruf mit Ernst und Liebe vorbereiten und mich be­ streben, einst die Hoffnungen zu erfüllen, welche mir dann als Pflicht auferlegt werden." Diese bescheidne Antwort entsprach dem, was die fürst­

liche Mutter einem der anwesenden Herrn auf seinen Glück­ wunsch sagte: „Ich habe meinen Sohn in der Liebe zum Vaterlande erzogen und ich hoffe, er wird sie bewähren!" Ein Bericht sagt darüber, wenn die Prinzessin v. Preußen, die Kaiserin Augusta, keinen andern Ruhmestitel besäße, als die Weise, wie sie ihre Kinder erzogen, so wäre ihr schon damit der Dank, die Anerkennung des deutschen Volkes gesichert. Ein Brief Geibels aus dem Jahre 1847 spricht Ähn­

liches aus: „Der Verkehr am Hofe der Prinzeß v. Preußen, die für mich ein eigentümliches Wohlwollen zu hegen scheint, brachte öfter Abwechselung. Zu ihrem Sohne, dem Prinzen Friedrich Wilhelm, der einst König von Preußen sein soll, gewann ich allmälig ein fast fteundschaftliches Verhältnis. Er ist eine einfache, sittliche edle Natur von klarem Geiste und voll ein­ geborener Achtung vor geistigen Dingen. In manchem erin­ nert er an seinen Großvater; aber die weise Erziehung, die ihm zu Teil wird, deren erster Grundsatz es ist, daß er nicht in fürstlicher Absonderung, sondern menschlich mit Menschen aufwachse, läßt erwarten, daß er mehr, als jener alte, wür­ dige Herr, ein Schmuck des Thrones sein werde." Prinz Wilhelm war beim Tode seines Vaters Prinz v. Preußen geworden, der als solcher den König oft zu vertteten

40 hatte; auch seine Gemahlin trat als Prinzessin v. Preußen mehr hervor, wie bisher. Über ihre Persönlichkeit lassen weit­

gehende Berichte einer „demokratischen" Zeitung des Jahres 1843 urteilen, die heute weniger bedeutungsvoll erscheinen mögen, in solchen Zeiten politischer Gährung aber nicht Mwichtig sind. Die Schlußworte lauten: „Damen, wie die Prinzessin v. Preußen, würden übrigens auch außer hoher Stellung Zierde und Belebung für jede Gesellschaft sein durch Geist und Grazie."

Daneben finden sich gerade aus diesen Jahren die lieb­ lichsten Züge eines Lebens, das sich treu geblieben ist bis

zum hohen Alter — im Stillen trösten, helfen, geben, jedes offne Hervortreten darin verschmähend, das nur den Schein einer Anerkennung begehrt hätte. Neben vielen mündlichen Zeugnissen, die heute schweigen müssen, gewähre ein Brief, von gütiger Hand übermittelt, einen Blick in solch stilles Walten.

Eine Dame aus dem Hofhalte der Prinzessin Karl hatte den Bruder nach langer schmerzlicher Krankheit verloren und der Prinzessin ist es ein Bedürfnis, zu trösten und mit größter Zartheit Frcundeshülfe anzubieten, wo sie not wäre.

Babelsberg, 17. Oktober morgens (1845). Liebe K. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ich Ihren Schmerz mitfühle und Sie von Grund des Herzens beklage! Sie

sind über den Heimgang des Bruders, als zu seiner ewigen Seligkeit führend, nicht im Zweifel; aber Sie unterliegen fast unter dem Schmerz der Trennung; Sie fühlen sich ver-

lassen zurückbleibend; Sie sind tief erschüttert durch den Anblick langer Leiden; Sie sind namenlos unglücklich! Arme K., das betrübt mich tief, und ich habe keinen andern Wunsch, als daß Gott Ihnen Trost geben möge, den Trost, den Er allein geben kann, und daß Sie in dem Bewußtsein, Alles für den Dahingeschiedenen treulich ge-

41 than zu haben, eine Beruhigung fühlen mögen, die sich mit

dem Glauben an Wiedervereinigung jenseits zur Stärkung Ihrer Seele verbinden wird. Ihr armer Körper aber be­ darf gewiß nicht minder einer Stärkung! Thun Sie ja alles dafür; denn Sie haben viele Freunde in dieser Welt, die von Herzen Ihre Erhaltung wünschen, und daß ich zu letzteren gehöre, bedarf wohl nicht der Versicherung!

Gott stehe Ihnen also bei, geliebte K., dies ist mein herzlichster Wunsch!

Prinzeß v. Preußen. In dem Lebensbilde der Kaiserin Augusta können die Wirren des Jahres 1848 nicht ganz übergangen werden, von denen Friedrich Wilhelm IV. mit Recht sagt: „Die Treue werdender Geschlechter wird wohl mit Thränen, aber vergebens wünschen, es aus unserer Geschichte herauszubringen." Und sicher ginge die preußische Geschichte gern über eine Zeit hin­ weg, in der es möglich war, an das Palais des Prinzen von Preußen zu schreiben „Nationaleigentum!" Die Träger der Revolution konnten nicht ahnen, daß dies Haus einst dem Volke ein so unaussprechlich teures Nationaleigentum werden sollte, in dem das Herz seines Kaisers bis zum letzten Hauche für seiner Landeskinder Wohl geschlagen, und wie sehr der Prinz von Preußen Recht hatte, als er, auf seine Brust zeigend, sagte: „Hier ist das Nationaleigentum des preußischen Volkes!"

Am 22. März 1848 mußte der Prinz von Preußen Hei­ mat und Familie verlassen, um in London am Hofe der Königin von England eine Zufluchtstätte zu finden. Der Prinz Albert, der greise Wellington, der Sieger bei Belle- Alliance, alle Großen des Reiches eilten herbei, deü Prinzen durch so­ fortigen Besuch zu ehren; aber konnte die Liebe der Fremde den Schmerz um des Vaterlands Verblendung mildem? Wohl hatte die Prinzessin von Preußen Recht, als sie klagend die Hände rang: „Man bewilligt zu viel!" Daß der Prinz, der

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nur das Beste des Landes wollte, dieses auf Befehl des Königs verlassen mußte, gewiß, es war zu viel, und bedeutungsvoll will es erscheinen, daß in diesen Tagen die Prinzessin im Pots­ damer Stadtschloffe zum ersten Male Herrn v. BismarckSchönhausen im Beisein ihres Sohnes empfing. Nachdem der König dem Volke die gewünschte Verfassung gegeben hatte, legten sich allmälig die Wogen des Aufmhrs. Friedrich Wilhelm IV. rief den Prinzen von Preußen zurück aus England, und die Prinzessin reiste ihrem Gemahl mit den Kindern bis Magdeburg entgegen; an der Wildparkstation wurden sie vom Königspaar empfangen. Es war am 7. Juni, dem Todestage Friedrich Wilhelms III., und eine ernste Feier vereinigte die königliche Familie im Mausoleum zu Charlottenburg. Erst am folgenden Tage wurde in Babelsberg die Rückkehr durch eine glänzende Illumination gefeiert, und am Fuße des Babelbergs zogen festlich erleuchtete Gondeln auf der breiten Havel auf und nieder; auch die fürstlichen Herr­ schaften bestiegen auf besondere Einladung eine Gondel, von einer Festhymne begrüßt, die hier zum ersten Male gesungen wurde, deren erster Vers lautete:

„Prinz von Preußen, ritterlich und bieder. Kehr' zu Deinen Truppen wieder. Heißgeliebter General! Weilst Du gleich an Englands Strande, Schlagen doch im Vaterlande Herzen für Dich sonder Zahl!" Die prinzliche Familie hatte kurze Zeit der Stille in Babelsberg verlebt, als die politische Entwickelung des Vater­

lands neue Unruhe brachte. Die Nattonalversammlung, welche am 18. Mai 1848 zusammengetreten war, eine neue Reichs­ verfassung zu beraten, trug im August dem Könige von Preußm die deutsche Kaiserkrone an. Dieser verweigerte die Annahme ohne Zustimmung der deutschen Fürsten und der freien Städte,

43 und entmutigt wollten die Gesandten Berlin verlaffen, als sie eine Einladung des Prinzen von Preußen zu diesem berief. Er suchte den Eindruck, welche des Königs Weigerung hervor­ gerufen, in seiner herzgewinnenden Art zu mildem und zu beweisen, daß der König seiner Pflicht gemäß so handeln mußte. Bedeutungsvoll erscheint das, was hierbei einer der Gesandten, der Professor Biedermann, über die Prinzessin schreibt: „Die Prinzessin, eine Frau, bei welcher Geist und Gemüt um den Vorrang streiten, vielleicht der klarste politische Kopf und das wärmste, patriotische Herz am Hofe zu Berlin, bat, beschwor uns fast mit tiefer Bewegung in ihrer Stimme und in ihren Mienen, an dem glücklichen Ausgang unserer Sendung nicht zu verzweifeln, das Werk der Verständigung nicht vorschnell abzubrechen. Es werde, es müsse alles noch gut enden; das Ziel sei ja ein so herrliches, ein so notwendiges." — War es der Fürstin allein vorbehalten, das Morgenrot einer großen Zukunft zu ahnen? Die Freunde des Vaterlands sahen bange in die Zukunft, und trübe genug sah es ringsum aus; denn kaum gedämpft, loderte das Feuer der Empörung an den verschiedensten Enden wieder auf. Der Großherzog von Baden rief Preußens Hülfe an, und dem Prinzen von Preußen gelang es, nach manchem heißen Kampf den badischen Aufstand zu besiegen. Indeß hatte seine Gemahlin reichlich Gelegenheit, wie so oft in ihrem Leben, den Mut stillen Wartens und tapfrer Geduld zu übm. Als der Prinz von Preußen ruhmgekrönt heimkam, war sein Palais mit Blumen umkränzt, und dasselbe Volk, das ihn ein Jahr zuvor hinaus getrieben in die Fremde, begrüßte nun seinen tapfern Prinzen mit Jubel. Das Stillleben in Potsdam aber hatte völlig sein Ende erreicht, als der König im September 1849 den Prinzen zum Gouverneur der Rheinlands und Westphalen ernannte unter Anweisung seines Wohnsitzes in Koblenz. Diese Provinzen, größtenteils erst nach den Freiheitskriegen an Preußen gekom-

44 MM, hatten noch wenig Sympathie für das neue Herrscherhaus, um so mehr, da kirchliche Konflikte, die Gefangennahme des Erzbischofs von Köln, die meist katholische Bevölkerung sehr er­ regt hatten. Nun räumte die ungesuchte Einfachheit, die herz­ liche Freundlichkeit der fürstlichen Herrschaften auch dem Geringsten gegenüber alle Bitterkeit wunderbar hinweg. Wenn die Prinzessin hier eine Bäuerin, die zum Markte zog, nach ihren Kindern fragte oder dort auf einem Spaziergange beim Arbeiter auf dem Felde stehen blieb, nach der Ernte sich zu erkundigen, so war das zunächst nicht viel, abcr wie kam dies Fragm und Antworten überall besonders der Stadt Koblenz zu Gute; die Herrschaften lernten die Bedürfnisse kennen, um ihnen abzuhelfen. Bald wichen die steinigen Wege am Ufer des Rheins wohl angelegten Straßen, für Menschen und Tiere eine Erleichterung, und wie es oft gerühmt ist, daß so manches Häuschen eines kleinen Landmanns oder Arbeiters, dem Verfall nahe, wieder aufgebessert wurde, so entstanden daneben die herrlichen Rheinanlagen mit ihren schattigen Gängen und Ruheplätzen, welche Zeugnis ablegen von dem Kunstsinn der hohen Frau. Ja es darf behauptet werden, diese Anlagen sind so einzig in ihrer Art, daß die eingehendste Beschreibung ihrer Schönheit hinter der Wirklichkeit zurück­ stehen muß; gehörten doch auch diese unausgesetzt bedachten und mit den reichsten Gaben herbeigeführten Verbesserungen langen Jahrzehnten an. Aber was ist das Alles gegen die Liebe, mit welcher die Prinzessin den Anstalten der Wohlthätigkeit half! Wohl in dem Bewußtsein, daß die Fürstin über die Grenze der Par­ teien und Konfessionen hinweg allen im Volke gleich gehören müffe, unterstützt die hohe Frau das städtische Hospital ebenso wie das evangelische Stift und die Waisenhäuser der ver­ schiedenen Konfessionen. Da die evangelische Militairgemeinde der Prinzessin durch die Stellung ihres Gemahls am nächsten stand, gehörte dieser auch die größte Sorge. Bisher hatte die

45 Garnison, aus Katholiken und Evangelischen bestehend, ab­ wechselnd in der selben Kirche Gottesdienst. Da wurde in

einer alten Kapelle, die zur Zeit der französischen Revolution der Göttin der Vernunft gedient hatte, ein wahres Juwel der Baukunst entdeckt. Die Kirche hatte lange Jahre als Salz­ magazin, zuletzt nur zur Aufbewahrung alten Gerümpels ge­ dient. Nun war es der Prinzessin Herzenssache, der evan­ gelischen Militairgemeinde die Kirche recht würdig wieder herzustellen und von keiner Reise kehrte die Fürstin heim, ohne einen neuen Schmuck für dieselbe mitzubringen, so daß die Herren Garnisonprediger fürchten mußten, endlich kein Plätzchen mehr dafür finden zu können. Gleich der Kirche sollte auch der Gottesdienst verschönt werden durch guten Gesang und es gelang stets, aus der Militairgemeinde tüchtige Sänger zu einem Kirchenchor heranzubilden, der selbst Friedrich Wilhelms IV. feinem Kunstverständnis genügte. Aus eigenstem Antriebe der hohen Frau entstand die Gärtnerlehranstalt zu Kemperhof, welche Waisenknaben die bestmöglichste Ausbildung bietet und deren Erfolg noch heute der Kaiserin vollstes Jntereffe für sich hat. Da es in den letzten Generationen der Hohenzollern nicht mehr Sitte- war, daß die Prinzen studierten, brachte es die Prinzessin durch ihren Einfluß zuerst dahin, daß der Sohn ihrer Schwester, Prinz Friedrich Karl, die Universität bezog, um so auch dem Kronprinzen das Gleiche bieten zu können. Indeß der Kronprinz als Student in Bonn einen herzlich einfachen Verkehr anbahnte mit seinen Studiengenossen, be­ wegte sich Prinzeß Luise gleich wie ihre fürstliche Mutter einst in Weimar, unter der Koblenzer Jugend in anmutiger Ein­ fachheit, war es im Treiben des Jahrmarkts oder beim Er­ götzen auf dem Eise, oder im näheren Verkehr und Spiel mit Altersgenossinnen aus der Stadt. Prinzeß Luise war allen bekannt, von allen geliebt. Die Einseitigkeit des Privatunterrichts zu vermeiden.

46 wurde in der Tochter des Generals v. Griesheim eine Mit­ schülerin gefunden, die bald die Freundin der Prinzessin wurde.

Lehrer aus der Stadt, besonders aber der treue Seelsorger Konsistorialrat D. Thielen erteilten den Unterricht und wie einst

in den Schulstunden des Kronprinzen war die Prinzessin von Preußen auch beim Unterricht der jungen Damen gegenwärtig, die unwillkürlich eine straffere Haltung annahmen, sobald die fürstliche Frau eintrat. Aber wie eitel Sonnenschein glitt es über das Antlitz der Prinzeß Luise, wenn der Prinz von Preußen hereinkam. Wohl strich der hohe Herr erst würdevoll den Bart; bald gab es ein freundliches Blicken und Nicken, nicht lange, und die Prinzessin saß auf des Vaters Schoß, oder er trug sie auf seinem starken Arm im Zimmer umher, bis sich endlich der Lehrer die Schülerin ehrerbietigst wieder ausbat. Zum Heil des Unterrichts kamen solche Unterbrechungen nicht oft vor, und da die Prinzessin außergewöhnlich reich be­ gabt war, leistete sie trotzdem Außerordentliches. Früh zog die fürstliche Mutter die Kräfte der jugendlichen Prinzessin zu Arbeiten der Liebe heran und mußte dabei oft die allzugroße Milde des Kindes mit verständiger Weisung regeln, wenn Prinzeß Luise mit jugendlichem Eifer zu weit ging und es mit geröteten Wangen verteidigte, daß gerade ihre Armen so viel nötig hätten. Sie sah ja von der hohen Mutter selbst, wie deren unbegrenzte Wohlthätigkeit jede Schwierigkeit zu übersteigen suchte, ja in den engsten Gäßchen der Stadt sich persönlich Kenntnis der wirklichen Verhältnisse zu verschaffen wußte. Nach ihrer Art, möglichst viel Freude zu bereiten, lud die Prinzessin von Preirßen Waisenväter und Waisenmütter beider Konfessionen mit ihren Waisenkindern zu frohem Spiel

und Erquickung. Auf den sonnigen Plätzen der Forts, so lautet ein Bericht der letzten Jahre, tummeln sich die Kinder, und die hohe Protektorin sitzt mitten unter ihnen. Auf großen Tischen liegen Geschenke ausgebreitet, von denen sich jedes

47 Kind selbst etwas wählen darf und reich erquickt mit Speise und Trank kehren alle abends müde heim. Den Glanzpunkt der Feste bildeten die Weihnachtsbeschee-

rungen. Uns hätte das Beste gefehlt, so wurde erzählt, wenn unsre Prinzessin nicht gekommen wäre, und so zog sie ge­ wohnter Weise an einem Weihnachtsabend durch dichtes Schnee­ gestöber von Anstalt zu Anstalt, den Hals mit einem dicken Shawl umwunden; denn sie war so heiser, daß sie kein lautes Wort sprechen konnte. Wußte sie, daß man sie schmerzlich vermissen würde, entbehrte sie selbst, wenn sie nicht kam? Bei solchem Verkehr kommen Begegnungen vor, wie sie in

einer Großstadt nicht leicht möglich sind; einiges darüber möge hier Platz finden. Ein Hofball hatte die Koblenzer Damenwelt in aufre­ gende Thätigkeit versetzt; auch eine junge Dame eilte, sich zur Vollendung der Toilette einen Fächer zu kaufen. Als sie zö­ gernd wählt, tritt der Prinz v. Preußen mit seiner Gemahlin ein, und als das junge Mädchen den Laden verlassen will, kommt ihr der Prinz mit den Worten entgegen: „Schon gewählt Fräulein v. F.?" „Ach nein. Kgl. Hoheit", ist die schüchterne Antwort, „die Fächer sind teurer, als ich dachte." „Das ist freilich bedenklich", sagte der Prinz lächelnd, „da werde ich doch sehen, ob ich besser verkaufen kann, als Herr Gold­ schmidt." Dabei greift er den anscheinend schönsten Fächer

heraus: „Wie gefällt Ihnen dieser Fächer ä la Watteau?" „Kgl. Hoheit!" stammelt die junge Dame verlegen, und mit

einem freundlichen „Herr Goldschmidt, packen Sie den Fächer ein!" wäre der Handel abgeschlossen gewesen, wenn nicht in dem Augenblicke die Prinzessin hinter den Ladentisch getreten wäre, die junge Dame freundlich zu sich heran winkend: „Wollen Sie mir nicht auch etwas abkaufen? Sehen Sie dieses Armband!" Dabei legt die Prinzessin schon den Arm­ ring um das Handgelenk der jungen Dame, die, keines Wortes

mächtig,

ihr rosiges

Gesichtchen

tief

auf

die

Hand

der

48 Prinzessin herabbeugt. Aber die Prinzessin hebt das verlegene Köpfchen empor und küßt es auf die weiße Stirn. Ein kurzes, herzliches Lebewohl und das glückliche Fräulein v. F. ist auf der Straße. Während eines Gewitterregens begegnet der Herr Konsistorialrat T. der Prinzessin, die hoch aufgeschürzt ohne Schirm mit einer Hofdame hastig dem Schlöffe zustrebt. Er eilt. Kgl. Hoheit den Schirm anzubieten, die den Herrn erst von oben bis unten ansieht, dann aber sich selbst: „Das können Sie doch im Ernst gar nicht von mir denken, liebster T., sehen Sie mich einmal an; nasser kann ich doch nicht werden, und über diese Nässe soll ich noch einen Schirm nehmen,

das werde ich schönstens bleiben lassen." Und mit freundlichem Gruße weiter gings dem Schlöffe zu; der Herr Konsistorialrat aber sagte sich: „Kgl. Hoheit haben Recht!" In dem Pflichtgefühl, sich selbst möglichst an der Arbeit helfender Liebe zu beteiligen, steht die Prinzessin v. Preußen an einem Sterbebett. Der Generalmajor v. Griesheim, mit deffen Tochter Prinzeß Luise so lange in Arbeit und Freund­ schaft verbunden war, liegt schwer krank darnieder. Eine in einer Nacht aufgetretene Blindheit hat das Weh der Krank­ heit vergrößert, und der Tod naht sichtlich. Helfen wollend, nicht helfen könnend, trocknet die Prinzessin dem Sterbenden unabläßlich mit dem Taschentuch den kalten Todesschweiß