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German Pages 183 [205] Year 1949
UNFALLPRAXIS VON
DOZENT DR. W A L T H E R
EHALT
Chefarzt des Unfallkrankenhauses Graz
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Lorenz Böhler, Leiter des Unfallkrankenhauses Wien und einem Beitrage von Dozent Dr. Ernst Purtscher, ehemaliger Oberarzt der Universitäts-Augenklinik Graz
Zweite, durchgesehene Auflage
Mit 252 Abbildungen im Text
W A L T E R DE G R U Y T E R & CO.
BERLIN
vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trühner — Veit & Comp,
1948
A l l e R'ech te, i n s b e s o n d e r e d a s Ü b e r s e t z u n g s r e c h t , von der V e r l a g s h a n d l u n g v o r b e h a l t e n W a l t e r de G r u y t e r & Co., Berlin W 35 A r r h i v - N r . 513848 Drude von Thormann & Goetsch, Berlin SW 61, Reg.-Nr. 244 P r i n t e d in G e r m a n y
EHALT • UNFALLPRAXIS
Meiner Frau gewidmet
Inhalt Seite
Geleitwort Vorwort Einleitung
. .
XIII XV 1
'
A. Allgemeiner Teil I. Erste Hilfe a) b) c) d) e) f) g) h) i) k) 1) m) n)
3
Bewußtlosigkeit Störung der Atmung . Wunden und Blutungen . Blutungen Verbrennung Erfrierung Blitzschlag und elektrische Verletzungen Verätzung Vergiftungen Knochenbrüche Prellungen, Zerrungen, Bluterguß Verrenkungen Augenverletzungen
3 4 5 6 6 7 7 7 7 8 10 10 10
i
II. Lebensbedrohliche Folgen schwerer Unfälle III. Zufallswunden und ihre Folgen
_ 10
. ••
11
Allgemeine Regeln
11
a) b) c) d) e) f)
Erste Hilfe Jodieren Hautabschürfungen Bagatelleverletzungen Fremdkörper Zufallswunden aa) Frisch 1. Konservative Behandlung 2. Operative Wundversorgung
12 12 12 12 14 14 16 15 16
bb) Veraltete Wunden cc) Alte Wunden dd) Infizierte Wunden 1. Örtlich beschränkt 2. Fortschreitende Entzündung 3. Wundinfektion mit schwerer Störung des Allgemeinbefindens, Sepsis
22 22 23 23 23
g) Rotlauf h) Gasbrand, Gasphlegmone, malignes Ödem i) Wundstarrkrampf
24
-24 • . . . . 24 25
VIII
Inhalt
IV. Verbrennungen, Verätzungen V. Erfrierung VI. Elektrische Unfälle VII. Prellungen, Zerrungen, Bänderrisse, Blutergüsse VIII. Knochenbrüche und ihre Folgen a) Klinische Zeichen b) Bruchformen c) Typische Verschiebungen d) Komplikationen • e) Zeitpunkt des Einrichtens f) Ankylosen g) Versteifungen h) Häufig übersehene Brüche i) Behandlung der Knochenbrüche k) Durchschnittliche Zeit bis zum Festwerden 1) Folgen von Knochenbrüchen m) Ermüdungsbrüche n) Pathologische Fraktur, Spontanbrüche
26 27 27 28 29 29 30 31 31 33 33 33 33 34 36 36 39 39
IX. Verrenkungen
40
X. Das Röntgenverfahren
41
XI. Betäubung XII. Die Ruhigstellung a) Fingerschiene b) Gipsverband ' Technik des ungepolsterten Gipsverbandes 1. Dorsale Gipsschiene 2. Oberarmgipsverband 3. Unterschenkelgips 4. Verlängerung des Unterschenkelgipses 6. Gehbügel 6. Gipshülse 7. Beckengips 8. Gipsmieder 9. Kopf-Rumpf-Gips 10. Strecksehnenriß 11. Halskrawatte c) Zinkleimverband d) Einlagen e) Quengelverband f) Doppelrechtwinkelschiene g) Schlüsselbeinschiene h) Streckverband i) Braunsche Schiene
44 46 48 49 62 62 63 64 65 67 68 68 60 61 61 61 62 63 64 65 66 66 66
Inhalt
IX
XIII. Verbände
67
XIV. Nachbehandlung
67
B. Besonderer Teil I. Schädel II. Schädelinhalt, zentrale und periphere Nerven a) Schädelinhalt 1. Kopfprellung 2. Gehirnerschütterung 3. Schädelgrundbruch 4. Gehirnprellung 6. Epidurale Blutung b) Hirnnerven c) Periphere Nerven 1. Offen •• 2. Stumpf 3. Typische Lähmungen
71
.
72 72 73 73 73 73 73 74 74 74 74 74
III. Ohr und obere Luftwege
77
IV. Auge (von Doz. Dr. E . Purtscher, Graz)
77
Instrumente, Medikamente
78
a) b) c) d) e) f)
78 80 80 81 81 82
Lider Bindehaut Hornhaut Lederhaut Verletzungen des Auges im Ganzen Verätzungen des Auges
V. Wirbelsäule VI. Brustkorb VII. Stumpfe Bauchverletzungen VIII. Becken IX. Pfählungen X. Arm Untersuchungsgang a) Schultergürtel 1. Wunden und Infektionen 2. Stumpfe Verletzungen
82 86 87 88 90 90 90 90 90 91
X
Inhalt
aa) Schulterprellung 91 bb) Schulterzerrung 91 cc) Schulterverrenkung 92 dd) Gewohnheitsmäßige Schulterverrenkung 95 ee) Verrenkung im Schulterblatt-Schlüsselbeingelenk 95 ff) Verrenkung im Brustbein-Schlüsselbeingelenk . . 96 gg) Schlüsselbeinbruch 97 hh) Schulterblattbruch 99 ii) Oberarmbruch unter dem Kopf 99 kk) Riß der langen Bizepssehne .'• . 101 11) Schulterversteifung 102 b) Oberarmschaftbruch 102 c) Ellbogen 103 1. Wunden und Infektionen 103 2. Stumpfe Verletzungen. -. 103 aa) Prellungen und ZerriYngen 103 bb) Ellbogenverrenkung 1Ö4 cc) Knochenbrüche . . . . 105 Supracondylärer Oberarmbruch 106 Bruch des Olecranon ohne Diastase 109 Bruch des Speichenköpfchens ohne Verschiebung . . . . . . . . 109 d) Vorderarm • 109 1. Wunden, 109 2. Sehnenscheidenentzündung 110 3. Knochenbrüche 110 aa) Bruch beider Vorderarmknochen 110 bb) Isolierter Bruch des Speichenschaftes 110 cc) Isolierter Bruch des Ellenschaftes 110 dd) Grünholzbruch 111 e) Handgelenk 111 aa) Wunden und Infektionen III bb) Prellungen • 111 cc) Perilunäre Verrenkung 112 dd) Bruch der Speiche an typischer Stelle i 113 118 ee) Epiphysenlösung am unteren Speichenende ff) Kahnbeinbruch 118 gg) Brüche der übrigen Handwurzelknochen 119 hh) Mondbeintod 119 f) Hand . 119 1. Bagatelleverletzungen 120 2. Zufallswunden 120 3. Wundinfektionen 120 4. Furunkel 120 5. Lymphgefäß-Lymphdrüsenentzündung 120 6. Nagelbetteiterung 120 7. Panarit. cutaneum 121 8. Panarit. subcutaneum . . . 121 9. Panarit. osseum 122 10. Sehnenscheidenentzündung . . . . 122
Inhalt
XI
11. 12. 13. 14.
Panarit. articulare . ' 123 Hohlhandprozesse 123 Sekundäre Absetzung von Fingern 123 Knochenbrüche . 124 aa) Mittelhand 124 bb) Fingergrund- und Mittelglieder 126 cc) Fingerendglieder 126 dd) Verrenkungsbrüche 126 ee) Strecksehnenriß 127 15. Zerrungen und Bänderrisse der Fingerglieder . . ; 127 16. Verrenkungen 128 17. Handrückenödem und Bewegungsbeschränkung der Finger . . . . 128
XI. Bein Untersuchung a) Hüfte 1. Wunden, Zerrungen 2. Prellungen 3. Blutergüsse 4. Hüftgelenksverrenkung . 6. Pfannenbodenbrüche b) Oberschenkel . . . . 1. Wunden, Infektionen 2. Prellungen, Blutergüsse 3. Einteilung der Knochenbrüche c) Knie. Untersuchung 1. Wunden 2. Infektionen 3. Kniegelenkserguß 4. Bandverletzungen . . . .aa) Zerrung des inneren Seitenbandes bb) Riß des inneren Seitenbandes : cc) Riß der Kreuzbänder dd) Riß des äußeren Seitenbandes ee) Innerer Meniscus ff) Äußerer Meniscus 5. Kniegelenksverrenkung 6. Bruch der Kniescheibe 7. Verrenkung der Kniescheibe 8. Ausriß der eminejitia intercondyloidea . , 9. Gelenksmaus 10. Riß der Rectussehne und des lig. patell. propr 11. Meniscuscyste d) Unterschenkel 1. Wunden und Infektionen 2. Prellungen, Blutergüsse, Quetschungen 3. Riß der Achillessehne ' 4. Knocljenbrüche . .
128 128 .129 129 129 130 130 132 132 132 132 132 . . 134 134 137 137 137 139 139 139 139 140 140 141 141 143 144 144 144 144 146 145 145 145 145 145
XII
Inhalt aa) bb) cc) dd)
Schienbeinkopf Schienbeinschaft Bruch beider Unterschenkelknochen Isolierter Bruch des Wadenbeinschaftes
e) Sprunggelenk
147
1. Wunden und Infektionen 2. Zerrungen 3. Bandzerreißungen aa) SupinatiBnssubluxation bb) Lateralsubluxation 4. Prellungen 5. Brüche
147 148 148 148 149 150 160
f) F u ß 1. Wunden, Infektionen 2. Zerrungen, Prellungen 3. Knochenbrüche und Verrenkungen aa) bb) cc) dd) ee)
145 146 146 147
Fersenbein Brüche, Verrenkungen, Verrenkungsbrüche der Fußwurzel Mittelfußknochen Brüche der Zehen Verrenkungen der Zehen
152 152 152 152 152 . . . 163 153 154 164
C. Begutachtung Untersuchung und Einschätzung
155
Zusammenhangsf ragen a) b) c) d) e) f) g) h) i)
Tuberkulose Osteomyelitis Lumbago Meniscus Riß der langen Bizepssehne Riß der Achillessehne Leistenbruch Knochennekrosen Endokrine Störungen
160 160 160 160 161 161 162 162 .162
Geleitwort Die steigende Industrialisierung, die zunehmende Motorisierung des Verkehrs und die allgemeine Verbreitung des Sportes haben eine ungeheuere Zunahme der Unfälle zur Folge gehabt und ihre Zahl wird trotz allers Verhütungsmaßnahmen noch unaufhaltsam weiter steigen. Die Behandlung der durch Unfall entstandenen äußeren und inneren Verletzungen hat immer schon, seit es Menschen gibt, zu den vornehmsten Aufgaben der Heilkunde gehört. Die Wunden, die Knochenbrüche und die Verrenkungen stehen dabei im Vordergrund, während die Verletzungen der inneren Organe weniger als i % ausmachen. Die Folgen von Verletzungen sind nicht immer unabwendbare Unfallfolgen, sondern viel häufiger vermeidbare Behandlungsfolgen, wie z. B. Entzündungen nach offenen Wunden oder Verkürzungen, V e r l e gungen, Verdrehungen, Muskelschwund und Versteifungen nach offenen und geschlossenen Knochenbrüchen und anderen Verletzungen. Daß man diese Folgen durch eine zweckmäßige Behandlung in der Regel vermeiden kann, hat E h a l t schon in seinem 1938 erschienenen Buche: „Die offenen Brüche der langen Röhrenknochen und ihre Behandlungsergebnisse'* mit noch nie dagewesener Genauigkeit bewiesen. Um die Verletzten möglichst rasch und möglichst vollkommen wieder herzustellen, ist Schulung und Organisation notwendig. Die erste Hilfe muß gelehrt werden, der Transport muß rasch vor sich gehen und es müssen entsprechende Behandlungsstätten vorhanden sein. In diesen müssen Männer wirken, die sich ganz und gar der Unfallheilkunde verschrieben haben. Sie sind nicht nur berufen, die vermeidbaren Behandlungsfolgen auf ein Mindestmaß herabzusetzen, sondern auch aus ihren reichen Erfahrungen den Studenten das zu geben, was sie für ihre spätere Praxis brauchen. Ich begrüße es deshalb besonders, daß mein langjähriger Mitarbeiter E h a l t , der den Lehrauftrag für Unfallchirurgie in Graz hat, es unternommen hat, dieses handliche Buch zu schreiben. Es faßt in knapper Form zusammen, was der Student für die Prüfung über die Unfallversicherung und über die Erkennung, Behandlung und Begutachtung von Verletzten wissen muß und was er später in die Tat umsetzen kann.
XIV
Geleitwort
Mit großem Geschick sind die Erkennungszeichen aller Unfälle beschrieben und, was noch wichtiger ist, mit guten Abbildungen erläutert. Die Behandlung hingegen ist nur von jenen angegeben, bei welchen sie der praktische Arzt selbst durchführen kann. Bei den schweren Unfällen, die ins Krankenhaus gehören, ist sie nur gestreift. Zum Schluß ist auch das Wichtigste über die Begutachtung angeführt, so daß die Lernenden einen entsprechenden Überblick über das ganze Gebiet bekommen gönnen. Wien, im Mai 1943
L o r e n z Böhler
Vorwort Wenn ich mich trotz der Ungunst der Verhältnisse und der knapp bemessenen Zeit zur Herausgabe eines neuen Buches entschloß, so geschah dies deshalb, weil ich glaube, damit eine Lücke auffüllen und etwas dazu beitragen zu können, daß die Ergebnisse in der Unfallchirurgie besser werden. Denn wir sehen noch immer, daß Wunden und Infektionen verzettelt, Knochenbrüche übersehen oder mangelhaft behandelt werden, vielfach fehlt es auch an der entsprechenden Organisation, so daß schließlich und endlich der Durchschnitt der Behandlungsergebnisse weit unter dem liegt, was erreicht werden könnte. Die Behandlung dauert dann oft sehr lange, es entstehen schwere Dauerschäden, die vermeidbar gewesen wären und die Sozialversicherungsträger werden stark mit Renten belastet. Letzten Endes bedeutet das Ganze aber Verlust an wertvoller Arbeitskraft und Volksvermögen. Am ärgsten liegen die Verhältnisse hier in der Landwirtschaft. So wendet sich dieses Buch hauptsächlich an den Praktiker und ich hoffe, daß es ihm manchen Fingerzeig und Ratschlag geben wird. Ich habe mich bemüht, alle typischen und wesentlichen Unfälle und ihre Folgen aufzuzeigen, habe jedoch bewußt nur die herausgearbeitet und ausführlich beschrieben, welche in der Sprechstunde in Stadt und Land behandelt werden können. An den Schluß setzte ich einen kurzen Abschnitt über Begutachtung, weil ich der Ansicht bin, daß jeder Arzt das grobe Rüstzeug derselben kennen soll, schon damit die Auffassung unter den Ärzten z. B. über Zusammenhangsfragen und die wesentlichen Einschätzungen einheitlich ist, damit nicht der Verletzte im Streite der Meinungen Schaden leidet, und damit nicht die ärztliche Autorität an Ansehen verliert. Ich habe das Bedürfnis, einer Reihe von Personen für das Zustandekommen dieses Buches zu danken, vor allem meinem ehemaligen Chef und Lehrer, Herrn Prof. Dr. Lorenz B ö h l e r , dessen Behandlungsmethoden im wesentlichen in diesem Buche niedergelegt sind, wie ich sie in meiner 12 jährigen Tätigkeit im Wiener Unfallkrankenhaus lernen konnte. Auch ein Teil der Abbildungen stammt aus der Sammlung B ö h l e r s .
XVI
Vorwort
Schließlich danke ich noch den Lichtbildnern des Unfallkrankenhauses Wien, Herrn E s t e r und des Unfallkrankenhauses Graz, Herrn S e i d l , für die mühevolle Arbeit bei der Herstellung der Licht- und Röntgenbilder. G r a z , im Juli 1943
Walther Ehalt
Vorwort zur 2. Auflage Die zweite Auflage dieses Buches kommt nicht unter wesentlich leichteren Bedingungen heraus als die erste gegen Ende des zweiten Weltkrieges. Auch hat es sehr lange gedauert, bis sie überhaupt erscheinen konnte. Wir sind zu sehr vom großen Weltgeschehen überschattet. Daß die erste Auflage in wenigen Monaten vergriffen war, spricht dafür, daß ein tatsächliches Bedürfnis dafür vorhanden war. Am Inhalt des Buches war nichts Wesentliches zu ändern, nur im Allgemeinen Teil wurde „der rechtliche Hintergrund des Unfallheilverfahrens" weggelassen, da er nicht mehr voll den derzeitigen Bedingungen entspricht. In Österreich würde am t. i. 1948 die „Allgemeine Unfallversicherung für Österreich" eingeführt, bei welcher alle Arbeitsunfälle von Arbeitern und Angestellten versichert sind. In fachlicher Hinsicht hat all das, was in der ersten Auflage festgelegt ist, seinen Wert behalten und wurde durch weitere Erfahrungen nur bestätigt. Zugewachsen ist nur die Anwendung des Penicillin, welches sich im klinischen Gebrauche sehr bewährt hat, für den Praktiker aus äußeren Gründen derzeit noch nicht wesentlich in Betracht kommt. Zu betonen wäre, das auch durch das Penicillin bei den frischen Zufallswunden die Notwendigkeit einer exakten operativen Wundbehandlung nicht überholt ist. G r a z , im Juni 1948
Dr. W a l t h e r E h a l t
Einleitung Die Unfälle haben von jeher eine sehr große Bedeutung nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für die Allgemeinheit. Für den Unfallverletzten selbst bedeutet der Unfall eine Gesundheitsstörung mit mehr oder weniger Schmerzen, sowie in der Regel einen Einnahmeausfall, der durch soziale oder private Versicherungseinrichtungen zumeist nur zu einem Teil entschädigt wird. Für die Allgemeinheit be • deuten die Unfälle einen vorübergehenden oder dauernden Ausfall von Arbeitskräften, oftmals die Zerstörung von Betriebsmitteln und daher im ganzen gesehen eine Produktionsstörung, die unter allen Umständen verhindert oder auf das geringstmögliche Ausmaß zurückgeschraubt werden muß. Die fortgesetzte Industrialisierung der Wirtschaft, die stets zunehmende Motorisierung des Verkehrs und nicht zuletzt das Arbeitstempo haben die Zahl der Unfälle allerorten ganz erheblich gesteigert. Das Jahr 1936 brachte in Deutschland nicht weniger als 1034309 Unfälle, also in jeder 10. Sekunde einen Unfall. Das deutsche Volksvermögen wurde jährlich durch Unfälle um 3 Hill. Ausfälle von Arbeitsschichten geschmälert. Alle 15 Minuten war ein Todesopfer der Arbeit zu beklagen. Die Unfälle und ihre Folgen, sowie im besonderen die Behandlung der Unfälle, haben die Ärzteschaft im zunehmenden Maße vor besondere Aufgaben gestellt. Das Streben muß dahin gehen, die Unfallverletzungen entsprechend zu erkennen und so zu behandeln, daß eine möglichst vollständige Wiederherstellung der Gesundheit und der damit verbundenen Arbeitsfähigkeit des Verletzten eintritt. Das ist z. B. bei dem Bruch eines langen Röhrenknochens dann der Fall, wenn nach der Heilung keine nennenswerte Verkürzung, keine Verbiegung und Verdrehung zurückbleibt, wenn alle Gelenke selbsttätig frei beweglich sind, kein Muskelschwund und keine Schmerzen zurückbleiben. Gerade die Unfallbehandlung bedarf der sorgfältigen Bedachtnahme des Arztes auf die Psyche des Verletzten, um bei und nach der Heilung die Mitarbeit des Unfallverletzten sicherzustellen. Die Behandlung soll und darf keine Schmerzen verursachen, die Verletzten sollen kein Krankheitsgefühl und schon gar keinen Krankheitswillen bekommen, sondern der Überzeugung sein, daß sie gesunde Menschen sind, die nur auf eine mehr oder weniger beschränkte Zeit ihre normale Arbeit unter1
Ehalt, Unfallpraxis.
2
Einleitung
brechen müssen, um dann wieder als vollwertige Mitarbeiter in den Wirtschafts- und Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden. Bei Arbeitsunfällen wird sich bei Beachtung dieser Grundsätze regelmäßig von vornherein einer Rentensucht vorbeugen lassen. Bei der Behandlung von Unfallverletzten sollen aus diesen Erwägungen heraus grundsätzlich keine Krücken verwendet werden, weil eben die Krücke das Abzeichen des Krüppels ist! Mit B ö h l er ist zu unterscheiden zwischen unabwendbaren und vermeidbaren Unfallsfolgen. Eine unabwendbare Unfallsfolge liegt z. B. vor, wenn die Absetzung eines Gliedabschnittes nach vollkommener Zertrümmerung unerläßlich geworden ist. Vermeidbare Unfallsfolgen sind in der Regel von den Umweltbedingungen des Unfallverletzten und des Behandelnden abhängig (z. B. die Versteifung von Fingern und der Schulter nach einem Speichenbruch an typischer Stelle oder starke Verlegungen bei Brüchen der Röhrenknochen usw.). B ö h ler hat die Verbesserungsmöglichkeiten hinsichtlich der vermeidbaren Unfallsfolgen in dem Anhang zu seinem Buche ] ) ausgearbeitet und auf die verschiedenen Ursachen hingewiesen und ebenso die Möglichkeiten angedeutet, sie zu beseitigen. . . Jedenfalls ist es unsere ärztliche Pflicht, die Folgen der Unfälle auf das Unabwendbare zu begrenzen zu trachten und stets nach Mitteln und Wegen zu suchen, diese Grenzen hinauszuschieben. Ein Beitrag dazu soll auch dieses Buch sein, in dem im wesentlichen jene Verletzungen besprochen werden sollen, die in der Sprechstunde versorgt werden können. Knochenbrüche und Unfallchirurgie in ihren Beziehungen zur U m w e l t aus „ T e c h n i k der Knochenbruchbehandlung im Frieden und im K r i e g e " , Verlag Maudrich Wien, 7. A u f l a g e 1941.
A . Allgemeiner Teil I. Erste Hilfe Das Wichtigste bei der ersten Hilfe ist, sich den entsprechenden Überblick über die Gesamtlage zu verschaffen, zunächst über das Gesamtbefinden des Verletzten, dann hat man Sorge zu tragen für Kreislauf, eventuelle Schmerzstillung, für Beruhigung des Verletzten und seiner Umgebung, für Stuhl- und Harnentleerung (besonders wichtig vor Antritt längerer Transporte), ob und wohin ein Abtransport notwendig ist (andere Verhältnisse im Sommer und Winter! Kälteeinwirkimg!), dann erst wendet man sich der Verletzung selbst zu. Die Hilfsmittel, die man zur ersten Hilfe braucht, sind sehr wenige. Kurz das Wesentliche: Schnellverbandpäckchen, keimfreie Gaze, einige Binden (5—15 cm breit), Dreiecktücher, sterile Vaseline, eventuell Jodtinktur, Heftpflaster, einige Sicherheitsnadeln, eventuell Cramerschienen, Thermometer, Baldriantropfen, schmerzstillende Pulver, eventuell Pantoponspritze. In der Sprechstunde, in Verbandstuben und in Schutzhütten wird noch mehr zur Verfügung stehen, Instrumente, Injektionsspritze und Nadeln, Material zur Schienung: verschieden lange ,und breite Cramerschienen, Blechstiefel, eventuell Bretterschienen usw. Sonst müssen diese Dinge behelfsmäßig verschafft werden. Ich erwähne: Stöcke, Pappendeckel, zusammengerollte Zeitungen, Decken und ähnliches. a) Bewußtlosigkeit: Regeln: Der Bewußtlose ist zunächst den Augen der Umgebung zu entziehen und an einen nicht zu heißen oder zu kalten Ort zu bringen, alle beengenden Kleidungsstücke sind zu lösen, für Kreislauf und Atmung zu sorgen, nichts einflößen! Ist das Gesicht blaß: Kopf tief lagern; ist es rot, dann Kopf hochlagern. Für Abtransport in ein Krankenhaus sorgen! L a g o p h t h a l m u s s. S.79. Es gibt viele Krankheitsbilder, die zur Bewußtlosigkeit führen: 1. H e r z s c h l a g (gewöhnlich innerhalb kurzer Zeit tödlicher Verlauf): Starke Zyanose, Puls und Atmung werden immer schlechter, schließlich setzt die Atmung aus. E r s t e H i l f e : Verabreichung von Herzmitteln, eventuell künstliche Atmung. 2. H i r n s c h l a g : Gesicht hochrot, häufig gleichzeitige Lähmungen und Sprachstörung. E r s t e H i l f e : Kopf hochlagern, eventuell Umschläge.
4
Allgemeiner Teil
3. K o m a : Diabetes, Urämie usw. Abgabe in ein Krankenhaus. 4. Alle Arten von V e r g i f t u n g e n (narkotische Mittel, Lebensmittel, pflanzliche, tierische Gifte). 5. A l k o h o l : Erkenntlich am Geruch, häufig sind Spuren von Erbrochenem an den Kleidern oder in der Umgebung zu finden. 6. O h n m a c h t durch Hitze, schlechte Luft, bei Aufmärschen, bei Unfällen u. ä.: Der Bewußtlose ist blaß, von kaltem Schweiß bedeckt, der Puls ist schlecht, die Atmung oberflächlich. E r s t e H i l f e : Lagerung im Schatten, Umschläge auf Kopf und Herz. 7. H i t z s c h l a g (Sonnenstich): Gesicht hochrot, fliegende Atmung. E r s t e H i l f e : In den Schatten tragen, kalte Umschläge. 8. K r a m p f h a f t e O h n m ä c h t e n : Hysterie, Epilepsie: Das, Gesicht blaurot, Schaum vor dem Mund, Krämpfe. Bei Epilepsie häufig Zungenbiß. E r s t e H i l f e : Entsprechende Lagerung; bei Epilepsie ist dafür zu sorgen, daß durch das Herumschlagen keine Verletzungen entstehen! 9. G e h i r n e r s c h ü t t e r u n g u n d S c h ä d e l g r u n d b r u c h : Bei Blutung aus dem Ohr wird ein trockener Tupfer oder ein reines Tuch daraufgelegt, keinesfalls darf jodiert, der Gehörgang ausgetupft oder in das Ohr hineingeschaut werden (s. S. 73). Flachlagerung. 10. E r t r i n k e n ,
Elektrische
V e r l e t z u n g s. I g S. 7.
• b) Störung der Atmung. Ursachen: Fremdkörper in den Atemwegen, Ertrinken, Erhängen, Verschüttung, Einwirkung von elektrischem Strom, Blitzschlag, krankhafte Verengung der Luftwege, Giftgase (am häufigsten Kohlenoxyd, Leuchtgas), narkotische Mittel. Z e i c h e n : Gesicht blaurot, vergebliche Atemanstrengung, später Aussetzen der Atmung. E r s t e H i l f e : Atemwege besichtigen und mit dem Finger säubern. Bei Ertrunkenen und Verschütteten wird der Kopf und Oberkörper tiefgelagert, der Oberkörper ausgeschüttelt, wobei die Zunge vorgezogen wird. Bei Giftgasen: In frische Luft bringen; künstliche Atmung ist verboten bei Reizgiftgasen (Chlor, Phosphor, Nitrosegase). Eventuell Luftröhrenschnitt. Künstliche Atmung: Die ersten Minuten nach dem Aussetzen der Atmung sind die wichtigsten, das heißt sofort Einsetzen mit der künstlichen Atmung. 10—15 m a l in der Minute. 1. N a c h S y l v e s t e r : Der Helfer befindet sich "zu Häupten des Verletzten, hebt beide Arme über den Kopf (Einatmen) und drückt sie an den Brustkorb (Ausatmen). 2. Nach H ö v a r d : Die Arme des Verletzten liegen hinter seinem Kopf (Einatmungsstellung), der Helfer kniet über dem Becken des Verletzten und drückt rhythmisch den unteren Rippenbogen zusammen (Ausatmen) und läßt dann wieder los (Einatmen). Die künstliche Atmung ist. fortzusetzen, bis Selbstatmung auftritt, oder bis zum einwandfreien Eintritt des Todes (eventuell 2—5 Stunden). Erwähnt sei das L o b e l i n als Injektion, welches direkt auf das Atemzentrum wirkt.
Erste Hilfe
5
c) W u n d e n und Blutungen. Allgemein: Keine Watteverbände auf die Wunden, auch nicht sogenannte blutstillende! Auch die kleinsten Wunden sind zu verbinden, ohne Verband darf nicht weitergearbeitet werden (Blutvergifturgsgefahr). J o d i e r e n soll man höchstens die Umgebung der Wunde. Achtung vor zu konzentriertem Jod, sonst kommt es zur J o d d e r m a t i t i s (Abb. i). Normal ist eine 5%ige alkoholische Jodlösung. Bei schweren Wunden muß man ruhigstellen wie bei einem
Abb. I. Joddermatitis nach Anstrich mit zu konzentrierter Jodtinktur bei Rißquetschwunde des 4. Fingers, gerfäht. (Auswärts behandelt.) Abb. 2. Dermatitis nach Umschlägen mit essigsaurer Tonerde wegen Vorderarmprellung. (Auswärts behandelt.)
Knochenbruch. Bei Wunden am Arm gibt man anfangs eine Armschlinge (nur zur ersten Hilfe, sonst s. S. 11), bei allen Wunden am Arm muß man sofort Ringe abnehmen. Wunden nicht berühren! Wunden nicht auswaschen! Keine Antiséptica (Sublimat, Karbolwasser usw.) auf die Wunden. Hautabschürfungen läßt man am besten abtrocknen. Auf Wunden gibt man nur einen keimfreien Verband und fixiert mit Heftpflaster oder Binde (Schnellverband). Alle Wunden innerhalb 6 ßtunden zum Arzt bringen (s. S. 16). Bei stärkerer B l u t u n g hebt man zuerst den verletzten Arm oder das verletzte Bein steil in die Höhe, steht die Blutung nicht, dann macht man einen Druckverband mit mehreren Verbandpäckchen oder gibt auf die Wunde keimfreie Gaze, dann Zellstoff oder sonst gerade vorhandenes weiches Material. Hilft dies nichts, dann gibt man neuerlich einen Druckverband darüber. Erst wenn es trotzdem stark blutet, legt man die E s m a r c h s e h e B i n d e = Blutsperre an (Gummischlauch, Hosenträger usw.). Diese wird immer knapp oberhalb (herzwärts) der Blutungsstelle angelegt (von Geübten
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Allgemeiner Teil
kann sie auch a m oberen E n d e des Oberschenkels k n a p p unter der Leistenbeuge oder am oberen Ende des Oberarmes angelegt werden). Die Blutleere muß sehr fest angelegt werden, sonst werden nur die Venen zusammengedrückt und die Blutung wird stärker. Eine Blutsperre, besonders a m A r m , darf nie länger als eine halbe Stunde liegen bleiben, sonst besteht die Gefahr von dauernden oder länger bestehenden Nervenlähmungen, insbesondere am A r m . Nach einer halben Stunde lockert man die Blutsperre; falls die Blutung nicht steht, zieht man die Blutsperre neuerlich für eine halbe Stunde an. Falls eine A b b i n d i m g nicht möglich ist (Hals, in der Leistenbeuge = typische Fleischhauerverletzung, Achselhöhle), drückt man mit dem Daumen auf die blutende Stelle, eventuell legt man den 2. Daumen darüber und drückt abwechselnd. Liegt ein spritzendes Gefäß in der Wunde, so kann auch eine K l e m m e angelegt werden, die dann bis zur endgültigen Versorgung in der Wunde bleibt. Beim Verbinden hat man darauf z u achten, d a ß die K l e m m e nicht auf die H a u t gedrückt wird. Bei längerem Transport m u ß ein Wundverband eventuell nach einiger Zelt gespalten werden (vollständig bis auf die Haut!), da durch die zunehmende Schwellung der Verband z u eng werden kann. d) B l u t u n g e n : i . Ä u ß e r e : W u n d e n s. S. I i . Bei Nasenbluten (Epistaxis) legt man den Betreffenden flach nieder und läßt die Nasenflügel mit Daumen und Zeigefinger zusammenpressen, eventuell m u ß man die Nasenlöcher tamponieren (nicht länger als 24 Stunden). Bei B l u t u n g aus Mund und Ohr bei Schädelgrundbruch (s. S. 73) ist das Wichtigste absolute Ruhe, bei Bluthusten (Tuberkulose) und Bluterbrechen (blutendes Magengeschwür oder Ösophagusvarizen) kann man außerdem noch blutstillende Mittel (Kalzium, Clauden) injizieren. Traumatische Blutungen aus der Scheide werden tamponiert, bei spontaner Blutung besteht Verdacht auf Abortus. Blutungen aus dem Mastdarm stammen in der Regel von Hämorrhoiden: ruhig lagern, eventuell Tamponade. 2. I n n e r e : Nichts essen und trinken! Z u traumatischen Blutungen in die Brusthöhle kommt es bei Lungenanspießung durch Rippenbrüche — ruhig lagern, Stützung des Herzens (s. auch S. 86). B l u t u n g in der Bauchhöhle entsteht traumatisch durch R i ß von Leber, Milz, Darm, Gekröse — Symptome s. S. 87. Alle diese Fälle müssen dringend ins Krankenhaus abgegeben werden. Ruhiger Transport, keine Alkaloide! u m das Bild nicht zu verwischen. Spontane Blutungen in der Bauchhöhle entstehen bei Eileiterschwangerschaft — Gefühl der Müdigkeit, zunehmende Blässe und Bauchdeckenspannung; sofort ins Krankenhaus abgeben. e) V e r b r e n n u n g : Bei schweren Verbrennungen ist das Wichtigste Stützung des Herzens, Schmerzlinderung, Flüssigkeitszufuhr.. ö r t l i c h gibt man Salbenverbände oder fertige Brandbinden für alle 3 Grade. Lebensgefährlich sind Verbrennungen v o n mehr als ein Drittel der Körperoberfläche (s. S. 26).
E w t e Hilfe
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Abb. 3—5. Bruch des inneren Knöchels und Zerreißung des unteren Schienbein-Wadenbein-Bandes mit Verrenkung des Sprungbeines um volle Breite nach außen bei 54 j ä h rigem^ durch Sturz. Die Haut über dem inneren unteren Schienbeinende scharf gespannt. Unbedingt sofort einzurichten, sonst Hautnekrose und Infektion des Sprunggelenkes.
f) Erfrierung: Man darf den Betreffenden nicht gleich in die Wärme bringen. Abreiben mit Schnee. Langsame Steigerung der Wärmezufuhr, s. S. 27. g) Blitzschlag und elektrische Verletzungen: Sofort den Strom unterbrechen, falls dies nicht geht, muß man den Verletzten aus dem Stromkreis bringen, indem man ihn an den Gliedern faßt oder mit nicht leitenden Gegenständen losreißt (Stöcke, Pfosten usw.). Der Helfer muß sich auf trockenes Holz oder mehrfach übereinander gelegtes, Glas stellen (Glasscheiben einschlagen) und seine Hände mit trockenen Tüchern umwickeln. Besteht nur eine S t r o m m a r k e , so legt man einen trockenen Schutzverband an, bei ausgedehnten elektrischen Verbrennungen verhält man sich wie bei Verbrennungen. Bei Bewußtlosigkeit (s. auch Abschnitt I a, S. 3) ist die künstliche Atmung stundenlang fortzusetzen, eventuell ein Aderlaß oder Lumbalpunktion zu machen. h) Verätzung (äußerlich): Abspülen mit reichlich Wasser zur Verdünnung. Bei Laugenverätzung gibt man Säure (Essig, Zitronen) auf die verätzte Stelle, bei Verätzung mit Säuren dagegen eine Lauge (Soda, Seife). Innerliche Verätzungen s. S. 27. i) Vergiftungen: Manche Vergiftungen, insbesondere mit narkotischen Giften führen zur Bewußtlosigkeit. Kommt es zum Atemstillstand, dann muß man künstliche Atmung machen (s. S. 2). Am häufigsten sind Vergiftungen mit tierischen und pflanzlichen Giften (Tollkirschen, Schwämme, Fisch, Fleischvergiftung). Erscheinungen: allgemeine Schwäche, Benommenheit, Erbrechen, Durchfall. E r s t e H i l f e und Behandlung: Magenaushebung,Herzstützung. Bei Schlan-
Allgemeiner Teil
A b b . 6 u . 7. Schlechter Verband für erste Hilfe bei Speichenbruch bei Jugendliahem. Infolge mangelnder Polsterung und zu engen Verbandes Schwellung der Hand, das Holzstück drückt sich tief in die Weichteile. 2 Stunden nach dem Unfall! (Von auswärts.)
g e n g i f t e n soll man das Glied abbinden, eventuell die Bißstelle ausbrennen. Ä t z g i f t e (Laugen, Säuren): Die Art des getrunkenen Giftes ist am Aussehen der Schorfe an den Lippen zu erkennen: Säure macht trockene Schorfe (schwarz — Schwefelsäure, gelb — Salpetersäure, weiß — Salzsäure)^ Als Gegenmittel gibt man Laugen (Seifenlösung, Speisesodalösung, " alkalische Mineralwässer). Bei Laugenverätzung findet man schmierige Lippenschorfe. Als G e g e n g a b e wirken Säuren (Zitrone, Essiglösung). Bei allen Vergiftungen soll man dem Betreffenden Milch und ö l zu trinken geben, außer bei Phosphor. Stützung des Herzens! k) K n o c h e n b r ü c h e : Bei der ersten Hilfe keine Einrichtungsversuche machen! Achtung, daß ein geschlossener Bruch nicht die Haut durchspießt! S e h r s t a r k e V e r b i e g u n g e n . soll man mit einem Ruck beseitigen. Dies ist besonders wichtig bei D r u c k eines Knochenstückes a u f d i e H a u t (Abb. 3—5) oder auf Nerven, z. B . beim Speichenbruch an typischer Stelle mit Medianusstörung. Ein gebrochenes Glied wird unter Zug und Gegenzug mit beiden Händen angefaßt. Die S c h i e n u n g erfolgt mit gepolsterten Cramerschienen, einem gepolsterten Gipsverband, fertigen Schienen (Petitscher Stiefel, Transportschienen nach F r a n z , W a c h s m u t h , T h o m a s , N i e ß e n usw.) oder behelfsmäßig. Jede Schiene muß sehr gut gepolstert werden! (Abb. 6—7). Bei Kälte sind die geschienten Gliedmaßen immer sehr warm zu überwickeln! Jede Schiene soll in der Regel beide benachbarten Gelenke mit feststellen mit Ausnahme ganz gelenknaher Brüche (s. S. 9). / B^i längerem Transport im Liegen soll man trachten, daß die gldche Tragbahre vom Unfallort bis zum Krankenhaus bleibt.
Erste Hilfe
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Schienung der Knochenbrüche im einzelnen: W i r b e l - und B e c k e n b r ü c h e werden flach gelagert, und zwar womöglich auf einer harten Unterlage, da das Durchsinken Schmerzen verursacht. Die oft erwähnte Gefahr, d a ß bei Umlagerung eines Wirbelbruches ohne Lähmung es plötzlich zur L ä h m u n g kommt, besteht kaum. Man soll das Umlagern jedoch vermeiden, u m dem Verletzten Schmerzen z u ersparen. Bei B e c k e n b r ü c h e n soll man immer urinieren lassen, gelingt dies nicht (Möglichkeit einer gleichzeitigen Verletzung der Blase oder Harnröhre), dann ist der Abtransport besonders dringend! R i p p e n b r ü c h e werden mit einem zirkulären Heftpflaster oder mit einem T u c h fest zusammengebunden (Abb. 104). Bei Brüchen des S c h l ü s s e l b e i n e s , S c h u l t e r b l a t t e s , im Bereich der S c h u l t e r und a m oberen O b e r a r m e n d e genügt in der Regel Lagern des Armes in ein Dreiecktuch. Bei Schlüsselbeinbrüchen darf der A r m nicht an den Körper angebunden werden (Abb. 8). Bei Oberarmschaftbrüchen gibt man ein Dreiecktuch und bindet eine gepolsterte Schiene an die Außenseite des Oberarmes, Brüche a m unteren Oberarmende und im Bereich des E l l b o g e n s werden ebenfalls mit Dreiecktuch versorgt, bei schweren Fällen oder starken Schmerzen wird der A r m zuerst auf eine rechtwinkelige Schiene (am besten nach Cramer) gelagert, dann eine Schlinge gegeben. Dieselbe Versorgung ist für V o r d e r a r m b r ü c h e anzuwenden. Bei Speichenbrüchen an typischer Stelle (Abb. 162—163) und allen Verletzungen im Bereich der Handwurzel und Mittelhand wird eines der üblichen Armbretter oder eine gepolsterte Cramerschiene verwendet. D a s Einbeziehen des Ellbogengelenkes A b b . 8. Schlechter Notverband für Schlüsselbeinbruch. Die Binde um ist nicht notwendig, dagegen eine Arm- Arm und Brustkorb verstärkt die schlinge.' Fingerverletzungen werden Verkürzung und schiebt das innere mit einem gepolsterten Spatel oder Bruchstück hoch, welches die Haut einer entsprechend gebogenen Finger- durchspießt. Richtiger Notverband = Dreiecktuch, welches den Arm schiene provisorisch versorgt, vielfach hebt. (Sammlung B ö h l e r . ) genügt eine Armschlinge. Brüche im Bereich des oberen O b e r s c h e n k e l a n t e i l e s werden liegend abtransportiert, eine Schienung ist gewöhnlich nicht notwendig, dagegen ist ein Sandsack oder sonst eine Stütze an der Außenseite des Fußes des Verletzten zweckmäßig, u m Schmerzen durch Wackeln des Beines z u vermeiden. Insbesondere gilt dies für Schenkelhalsbrüche,
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bei denen Bein und Fuß nicht vollständig nach außen gedreht sind, sondern in einer mittleren Drehung liegen. Brüche im Oberschenkel' schaft werden an der Außenseite geschient, eventuell an das gesunde Bein angebunden, wobei man nicht vergessen soll, eine Polsterung zwischen die Kniee zu geben, Unterstützung des Fußes von außen. Im Winter ist das Anbinden eines Skis an der Außenseite des Beines zweckmäßig,, der mit dem hinteren Ende bis in die Achselhöhle reicht. Bei schweren K n i e Verletzungen muß man unter Umständen wie bei einem Oberschenkelbruch schienen, in den meisten Fällen ist es notwendig, etwas unter das gebeugte Knie zu legen. Bei U n t e r Schenkelbrüchen ist das Bein von außen und innen zu schienen, Fuß und Knie inbegriffen. Dasselbe gilt für schwere K n ö c h e l brüche, wobei jedoch das Knie frei bleiben kann. Leichte Verletzungen im Bereich des Sprunggelenkes und Brüche im Bereich des F u ß e s bedürfen in der Regel keiner Schienung. Bei Kälte muß wegen Erfrierungsgefahr oft der Schuh entfernt oder zumindest die Schnürung gelockert werden. Bei offenen Knochenbrüchen (Abb. 18, 136, 137) ist die Wunde das Gefährlichere. Sie wird keimfrei verbunden und der Bruch vorsichtig geschient, auf jeden Fall so, daß vorstehende Knochenstücke nicht unter die Haut gebracht werden! (Gefahr der Verschleppung von Schmutz in die Tiefe). 1) Prellungen, Zerrungen, Bluterguß: In leichten Fällen gibt man eine elastische Binde, am Arm eine Schlinge, bei schweren Fällen muß man oft wie bei Knochenbrüchen schienen. Angenehm werden feuchte Umschläge empfunden, am besten mit Wasser; bei essigsaurer Tonerde besteht die Gefahr einer Dermatitis! (Abb. 2). m) Verrenkungen (Abb. 106—108, 132—133, 202, 203): Charakteristisch ist die federnde Fixation. Manche Verrenkungen lassen sich manchmal unmittelbar nach dem Unfall ohne Betäubung leicht einrichten (Finger, Schulter, Ellbogen), Knie und Hüfte sehr selten. Eine Schienung der Verrenkungen ist gewöhnlich nicht gut möglich, jedoch entsprechende Lagerung oder Unterstützung, z. B. bei der Hüftverrenküng durch Unterlegen unter das gebeugte Knie, bei der Schulterverrenkung durch Auffüllen des Raumes zwischen Arm und Körper mit Polstern, Cramerschiene usw., was in der Regel schwierig ist. n) Augenverletzungen: s. S. 77. II. Lebensbedrohliche Folgen schwerer Unfälle Über Gefahren und Folgen von Wunden s. S. 11. 1. B l u t v e r l u s t — Der Verletzte ist blaß, apathisch, Puls nicht zu tasten. B e h a n d l u n g : Herzmittel, Auffüllung des Kreislaufes (Tutofusin, physiologische Kochsalzlösung und Traubenzucker), Bluttransfusion.
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bei denen Bein und Fuß nicht vollständig nach außen gedreht sind, sondern in einer mittleren Drehung liegen. Brüche im Oberschenkel' schaft werden an der Außenseite geschient, eventuell an das gesunde Bein angebunden, wobei man nicht vergessen soll, eine Polsterung zwischen die Kniee zu geben, Unterstützung des Fußes von außen. Im Winter ist das Anbinden eines Skis an der Außenseite des Beines zweckmäßig,, der mit dem hinteren Ende bis in die Achselhöhle reicht. Bei schweren K n i e Verletzungen muß man unter Umständen wie bei einem Oberschenkelbruch schienen, in den meisten Fällen ist es notwendig, etwas unter das gebeugte Knie zu legen. Bei U n t e r Schenkelbrüchen ist das Bein von außen und innen zu schienen, Fuß und Knie inbegriffen. Dasselbe gilt für schwere K n ö c h e l brüche, wobei jedoch das Knie frei bleiben kann. Leichte Verletzungen im Bereich des Sprunggelenkes und Brüche im Bereich des F u ß e s bedürfen in der Regel keiner Schienung. Bei Kälte muß wegen Erfrierungsgefahr oft der Schuh entfernt oder zumindest die Schnürung gelockert werden. Bei offenen Knochenbrüchen (Abb. 18, 136, 137) ist die Wunde das Gefährlichere. Sie wird keimfrei verbunden und der Bruch vorsichtig geschient, auf jeden Fall so, daß vorstehende Knochenstücke nicht unter die Haut gebracht werden! (Gefahr der Verschleppung von Schmutz in die Tiefe). 1) Prellungen, Zerrungen, Bluterguß: In leichten Fällen gibt man eine elastische Binde, am Arm eine Schlinge, bei schweren Fällen muß man oft wie bei Knochenbrüchen schienen. Angenehm werden feuchte Umschläge empfunden, am besten mit Wasser; bei essigsaurer Tonerde besteht die Gefahr einer Dermatitis! (Abb. 2). m) Verrenkungen (Abb. 106—108, 132—133, 202, 203): Charakteristisch ist die federnde Fixation. Manche Verrenkungen lassen sich manchmal unmittelbar nach dem Unfall ohne Betäubung leicht einrichten (Finger, Schulter, Ellbogen), Knie und Hüfte sehr selten. Eine Schienung der Verrenkungen ist gewöhnlich nicht gut möglich, jedoch entsprechende Lagerung oder Unterstützung, z. B. bei der Hüftverrenküng durch Unterlegen unter das gebeugte Knie, bei der Schulterverrenkung durch Auffüllen des Raumes zwischen Arm und Körper mit Polstern, Cramerschiene usw., was in der Regel schwierig ist. n) Augenverletzungen: s. S. 77. II. Lebensbedrohliche Folgen schwerer Unfälle Über Gefahren und Folgen von Wunden s. S. 11. 1. B l u t v e r l u s t — Der Verletzte ist blaß, apathisch, Puls nicht zu tasten. B e h a n d l u n g : Herzmittel, Auffüllung des Kreislaufes (Tutofusin, physiologische Kochsalzlösung und Traubenzucker), Bluttransfusion.
Zufallswunden und ihre Folgen
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2. S c h o c k — Der Verletzte ist unruhig, blaß, schweißbedeckt, der Puls klein, fliegend. B e h a n d l u n g : Schmerzausschaltung, Wärme, Ruhe, Stützung des Herzens, warme Getränke. 3. A k u t e H e r z s c h w ä c h e — Der Puls ist klein, fadenförmig, frequent, es besteht Zyanöse, schlechtes Aussehen. B e h a n d l u n g : Herzmittel, insbesondere K a m p f e r , Koffein, Strychnin, eventuell Tutofusininfusion. 4. F e t t e m b o l i e — Die Erscheinungen sind ähnlich wie bei 1. D a z u kommt noch Benommenheit, A t e m n o t . Eine Behandlung ist in schwereren Formen praktisch erfolglos. Bei der Obduktion findet sich Fetteinschwemmung, insbesonders in die Lunge und in das Gehirn. 5. L u n g e n e n t z ü n d u n g — hypostatisch oder konfluierende Bronchopneumonie, insbesondere bei älteren Leuten, Trinkern. V o r b e u g u n g : häufig aufsetzen, Schmerzausschaltung, Expectorantia. 6. D e l i r i u m t r e m e n s — bei chronischen Alkoholikern. Zeichen: Beschäftigungsdelirien, Zittern, Herzschwäche, Bewußtseinsstörung. B e h a n d l u n g : Alkoholgabe, Herzmittel. 7. P o s t t r a u m a t i s c h e r K o r s a k o f f — bietet ein ähnliches Bild wie das Delirium tremens, ist jedoch nicht durch Alkohol zu beeinflussen. 8. D e k u b i t u s — tritt auf an Stellen, auf denen der Verletzte liegt, insbesonders, wo Knochen unmittelbar unter der H a u t sind. B e h a n d l u n g : Entsprechende Lagerung, glatte Unterlage, Luftpolster, Pflege der H a u t .
III. Zufallswunden und ihre Folgen Allgemeine Regeln: 1. Den Verletzten immer zur Untersuchung und z u m Verbinden niedersetzen lassen! 2. Bagatelleverletzungen n i c h t mißachten! 3. Wunden nie auswaschen! 4. Keine Watte auf die W u n d e n ! 5. Die peripheren Gliedabschnitte sind immer auf Motilität und Sensibilität zu untersuchen (Übersehen von Sehnen- Und insbesondere Nervenverletzungen!) 6. Frische Wunden dürfen nicht gebadet werden! 7. Eine Wunde dar! erst nach gründlichstem Ausschneiden genäht werden (innerhalb der ersten 6 Stunden). 8. Die Naht kommt für Schußwunden überhaupt nicht in Betracht! 9. Bei Verwendung örtlicher Betäubung dar! man niemals von der Wunde her, sondern nur in die normale H a u t einstechen (s. S. 44). 10. Die Wunden sind entsprechend ruhigzustellen! 1 1 . A u c h Wundstarrkrampfserum nicht vergessen! 12. Mit allen Mitteln ist z u trachten, die Zufallswunden innerhalb von 6 Stunden an einen Platz z u bringen, an dem entsprechende operative Wundversorgung gemacht werden k a n n ; es kann dies für Leben
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2. S c h o c k — Der Verletzte ist unruhig, blaß, schweißbedeckt, der Puls klein, fliegend. B e h a n d l u n g : Schmerzausschaltung, Wärme, Ruhe, Stützung des Herzens, warme Getränke. 3. A k u t e H e r z s c h w ä c h e — Der Puls ist klein, fadenförmig, frequent, es besteht Zyanöse, schlechtes Aussehen. B e h a n d l u n g : Herzmittel, insbesondere K a m p f e r , Koffein, Strychnin, eventuell Tutofusininfusion. 4. F e t t e m b o l i e — Die Erscheinungen sind ähnlich wie bei 1. D a z u kommt noch Benommenheit, A t e m n o t . Eine Behandlung ist in schwereren Formen praktisch erfolglos. Bei der Obduktion findet sich Fetteinschwemmung, insbesonders in die Lunge und in das Gehirn. 5. L u n g e n e n t z ü n d u n g — hypostatisch oder konfluierende Bronchopneumonie, insbesondere bei älteren Leuten, Trinkern. V o r b e u g u n g : häufig aufsetzen, Schmerzausschaltung, Expectorantia. 6. D e l i r i u m t r e m e n s — bei chronischen Alkoholikern. Zeichen: Beschäftigungsdelirien, Zittern, Herzschwäche, Bewußtseinsstörung. B e h a n d l u n g : Alkoholgabe, Herzmittel. 7. P o s t t r a u m a t i s c h e r K o r s a k o f f — bietet ein ähnliches Bild wie das Delirium tremens, ist jedoch nicht durch Alkohol zu beeinflussen. 8. D e k u b i t u s — tritt auf an Stellen, auf denen der Verletzte liegt, insbesonders, wo Knochen unmittelbar unter der H a u t sind. B e h a n d l u n g : Entsprechende Lagerung, glatte Unterlage, Luftpolster, Pflege der H a u t .
III. Zufallswunden und ihre Folgen Allgemeine Regeln: 1. Den Verletzten immer zur Untersuchung und z u m Verbinden niedersetzen lassen! 2. Bagatelleverletzungen n i c h t mißachten! 3. Wunden nie auswaschen! 4. Keine Watte auf die W u n d e n ! 5. Die peripheren Gliedabschnitte sind immer auf Motilität und Sensibilität zu untersuchen (Übersehen von Sehnen- Und insbesondere Nervenverletzungen!) 6. Frische Wunden dürfen nicht gebadet werden! 7. Eine Wunde dar! erst nach gründlichstem Ausschneiden genäht werden (innerhalb der ersten 6 Stunden). 8. Die Naht kommt für Schußwunden überhaupt nicht in Betracht! 9. Bei Verwendung örtlicher Betäubung dar! man niemals von der Wunde her, sondern nur in die normale H a u t einstechen (s. S. 44). 10. Die Wunden sind entsprechend ruhigzustellen! 1 1 . A u c h Wundstarrkrampfserum nicht vergessen! 12. Mit allen Mitteln ist z u trachten, die Zufallswunden innerhalb von 6 Stunden an einen Platz z u bringen, an dem entsprechende operative Wundversorgung gemacht werden k a n n ; es kann dies für Leben
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und Glied des Verletzten entscheidend sein! Besonders gilt dies für offene Brüche. Einteilung der Berufsgruppen nach ihrer Gefährdung für eine durch den Beruf begünstigte Infektion der Zufallswunden nach K r ömer. 1. Saubere Berufe, Beamte, Angestellte und dergleichen. 2. Sauberes Neueisen verarbeitende Berufe und Metallbearbeitungsmaschinenarbeiter. 3. Unsauberes, gelagertes oder Alteisen verarbeitende Berufe und Montagearbeiter. 4. Kleider und Möbelstoffe verarbeitende Berufe, Hutmacher, Modistinnen. 5. Holz verarbeitende Berufe. 6. Leder verarbeitende Berufe. 7. Papier verarbeitende Berufe, ferner Buchdrucker, Buchbinder. 8. Teigwaren herstellende Berufe, Brauereiarbeiter. 9. Sehr schmutzige Berufe, Metallschleifer, Kohlenarbeiter, Rauchfangkehrer, Gießereiarbtiter, 10. Transportarbeiter, Chauffeure, Mitfahrer, Bahnarbeiter, Magazinarbeiter, Diener. 11. Bau-, Brücken- und Straßenarbeiter. 12. Allgemeine Straßenunfälle der verschiedensten Berufe. 13. Kutscher, Gartenarbeiter, Siedler, landwirtschaftliche Arbeiter. 14. Fleisch verarbeitende Berufe, Küchenarbeiter, Hausgehilfinnen, Transportarbeiter der Eisfabriken. 15. Tierabfall verarbeitende Berufe. Gruppe 1 und 2 sind wenig gefährdet, Gruppe 3—12 mehr und Gruppe 13—15 stark gefährdet. a) E r s t e H i l f e s. S. 5. b) Das J o d i e r e n frischer Wunden ist schmerzhaft, außerdem besteht die Gefahr, daß länger stehendes Jod durch Verdunstung des Alkohols zu stark konzentriert wird. Normalerweise verwendet man-eine 5%ige alkoholische Lösung. Es gibt auch Leute mit Jodüberempfindlichkeit. Bei diesen und bei zu starker Konzentration kann eine Jodd e r m a t i t i s (Abb. 1) entstehen, die dann länger dauert als die Wunde. Daher Vorsicht bei der Verwendung von Jod! c) Hautabschürfungen an unbedeckten Körperstellen (Knie, Händen, Gesicht) läßt man am besten offen. Es bildet sich in 12—24 Stunden ein trockener Schorf, dessen Abfallen man abwartet. Sammelt sich darunter Eiter an, dann hebt man die Kruste ab und legt einen Salbenverband darauf. Auf Hautabschürfungen an normalerweise bedeckten Körperstellen gibt man am besten einen dünn gestrichenen Salbenverband. Dasselbe gilt für S c h u h d r u c k . (Blase anstechen aber nicht abtragen.) d) Bagatelleverletzungen = kleine Verletzungen des täglichen Lebens. Diesen Verletzungen ist viel mehr Augenmerk zuzuwenden, als dies gewöhnlich geschieht. Es sind die kleinen Stichwunden, Hautab-
Zufallswunden und ihre Folgen
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Schürfungen, Kratzer, Quetschungen, Nagelabrisse und Rißquetschwunden des täglichen Lebens. Häufig werden sie auch vom Träger nicht beachtet, sie können jedoch gerade deswegen oft zu schweren Folgen führen. Nicht selten schließt sich an eine kleine Stichwunde eine Zellgewebsentzündung, eine Sehnenscheidenphlegmone an, die durch weiteres Fortschreiten auf den Vorderarm zu schweren Zellgewebsentzündungen, zu Sepsis, Amputation und Tod führen kann; selbst in gut ausgehenden Fällen bleibt oft eine weitgehende Fingerversteifung (Abb. 9—10). Bei
A b b . 9 u . 1 0 . Finger- und Handgelenksversteifung bei 61 jährigem Hilfsarbeiter nach Bagatelleverletzung (Holzspan in die Beugeseite des Kleinfingers eingezogen) und anschließender auf den Vorderarm fortschreitender Sehnenscheidenentzündung. Völlige Gebrauchsunfähigkeit der Hand. (Auswärts behandelt.)
kleinen Holzsplitterverletzungen oder Wurden an den Zehen und Fingern bricht oft' Wundstarrkrampf aus. Gerade Stichverletzungen sind gefährlich, weil bei ihnen Fremdkörperteile und Schmutz in die Tiefe gebracht werden, die Eintrittsöffnung sehr klein ist und sich rasch schließt, während sich die Infektionskeime in der Tiefe ausbreiten können. Besonders gefährlich ist dies, wenn der Fremdkörper in eine Sehnenscheide oder in ein kleines Gelenk eingedrungen ist. Schlecht ist bei allen diesen Fällen ebenfalls das Auswaschen. Man soll ein Stück keimfreie Gaze oder Schnellverband auf die verletzte Stelle legen und insbesondere bei Stichwunden oder solchen, bei denen Verdacht besteht, daß der verletzende Gegenstand tiefer eindrang, für einige Tage ruhigstellen, z. B. an den Fingern mit einer Fingerschiene. In einigen Tagen ist die Angelegenheit gewöhnlich restlos erledigt. Kann man aus äußeren Gründen nicht sofort ruhigstellen, so muß der Verletzte aufmerksam gemacht werden, daß er bei Irgendwelchen Zeichen einer beginnenden Entzündung s'.ch sofort an den Arzt wenden muß. Dann muß unbedingt sofort ruhiggestellt 'Werden. Im übrigen verhält man sich
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wie bei beginnenden oder ausgebildeten Entzündungen (s. S. 23). Bei den im Sommer nicht seltenen S t i c h w u n d e n an der F u ß s o h l e d u r c h r o s t i g e N ä g e l , eventuell auch durch den Schuh hindurch, kappt man am besten mit einem Messer die harte Haut der Umgebung ab, so daß ein Trichter von cm Durchmesser und 2—3 mm Tiefe entsteht, gibt Wundstarrkrampfserum und läßt einige Tage Bettruhe halten. Ich habe bei vielen hunderten derartiger Verletzungen ein einziges Mal ein Empyem des Großzehengrundgelenkes gesehen, es hatte die Stichwunde (rostiger Nagel) das Gelenk primär eröffnet. Der Fall heilte mit Versteifung des betreffenden Gelenkes. Häufig findet man, wenn der Verletzte erst einige Tage nach der Verletzung kommt, eine Rötung und Schwellung am Fußrücken proximal der Zehen. Durch Abkappen wie oben beschrieben, Ruhigstellen mit gefenstertem Gipsverband und Hochlagern des Beines geht auch in diesen Fällen die Entzündung in der Regel wieder zurück. Ein einziges Mal konnte ich die Bildung eines Abszesses beobachten, der von der Fußsohle und vom Fußrücken her gespalten werden mußte. e) Das Verhalten gegenüber den in den Körper eingedrungenen Fremdkörpern ist folgendes: Holzsplitter und Glassplitter muß man unbedingt entfernen und zwar sofort, wenn der Betreffende unmittelbar nach dem Unfall kommt. Die Wunde soll man offen lassen 1 Es sei denn, man schneidet das ganze Wundbett sofort sorgfältig im Sinne F r i e d r i c h s aus (s. S. 16). Tintenstiftverletzungen sind im nicht verfärbten Gewebe a u s z u s c h n e i d e n und offen zu lassen! Nicht entfernt führen sie zu Nekrosen und oft schweren Entzündungen. Nähnadeln soll man in der Regel entfernen, jedoch gehört dazu gewöhnlich eine Röntgenaufnahme, eventuell ein "DurchleuchtungFgerät. Auf keinen Fall soll sich der praktische Arzt in der Sprechstunde auf Nadejsuchen einlassen! Es besteht sonst die Gefahr, daß der Fremdkörper nicht sofort gefunden wird, die Operation zieht sich in die Länge und durch das Suchen werden viele Weichteile beschädigt. Ich habe schon öfter ausgedehnte Abszesse, Phlegmonen und dauernde Verkrüppelungen nach derartigen Eingriffen gesehen. Kleine metallische Fremdkörper soll man vorerst ruhig belassen, insbesonders die bei Schmieden und Schlossern häufigen „Hammerschläge" = kleine wegspringende Metallstücke; sie sind praktisch steril und heilen gewöhnlich reaktionslos ein. Machen sie ja Störungen, so soll man sie sekundär entfernen; kommt es zur Infektion, so liegt das Metallstück in einer Abszeßhöhle und kann nach Eröffnung des Abszesses leicht entfernt werden. Im Gegensatz dazu müssen Leichtmetallsplitter (z. B. Dural) immer primär entfernt werden, da sie in der Regel zur Entzündung führen. f) Zufallswunden: Die übrigen Wunden kann man entweder der Entstehung nach einteilen in Stich-, Schnitt-, Biß-, Schußwunden oder der Ausdehnung nach in: oberflächliche, bis in die Subkutis reichende und tiefer gehende mit Verletzung oder Durchtrennung von Sehnen, Muskeln, Gefäßen, Nerven; Eröffnung von kleinen oder großen Ge-
Zufallswunden und ihre Folgen.
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lenken und Körperhöhlen. Über die Mitbeteiligung von tiefer gelegenen Geweben, insbesonders Gelenkseröffnungen, kann man sehr häufig beim bloßen Anblick der Wunde nichts sagen. Am häufigsten sind die Rißquetschwunden, zustandekommend durch eine mehr oder minder stumpfe Gewalteinwirkung, z. B. Darauffallen von Gegenständen oder durch Sturz. Ferner zählen hierher in der Regel die Wunden bei offenen Brüchen. Bei den Rißquetschwunden sind die Wundränder unregelmäßig, gezackt, sie selbst und auch die umgebende Haut und die umgebenden Weichteile sind gequetscht. Häufig, insbesonders bei tangentialer Gewalteinwirkung, ist die Umgebung der Wunde abgeschürft. Die drei Zonen einer Wunde (Abb. n ) : i. Gewebslücke, 2. zertrümmertes Gewebe mit Fremdkörpern und Krankheitskeimen, 3. Gewebe durch Quetschung und Erschütterung geschädigt und in seiner Lebensfähigkeit herabgesetzt. Die 2. und 3. Zone sind bei stumpfer Gewalteinwirkung sehr breit. Ferner muß man die Wunden einteilen in frische und veraltete — die Grenze liegt bei 6—8 Stunden (Friedrich) — und infizierte. aa) Frische Zufallswunden. Das Verhalten ist entweder konservativ oder operativ. 1. Konservative Wundbehandlung. Es wird entweder an der Wunde überhaupt nichts getan, eventuell die Umgebung jodiert und die Wunde genauestens ruhiggestellt, oder es werden grob weghängende Gewebsteile weggeschnitten und dann ebenfalls ruhiggestellt. In die Wunde selbst gibt man eventuell einige Tropfen Perubalsam und bedeckt sie mit einem sterilen Tupfer oder man gibt einen dünn gestrichenen Salbenverband darüber, dies, damit der Tupfer nicht anklebt und beim Verbandwechsel Schmerzen verursacht. Zweckmäßig ist auch ein Unguentolanverband, der dick gestrichen werden muß (Lebertranbehandlung nach Lohr). Au! keinen Fall darf bei dieser Form der Wundbehandlung genäht werden! Die Ruhigstellung muß genau, absolut und ununterbrochen sein (s. S. 46). Im weiteren Verlauf ist genauestens auf Temperatur, Puls und Schmerzen zu achten. Bleibt diesbezüglich alles normal und treten auch keine Erscheinungen von Seiten der Lymphbahn oder der Lymphdrüsen auf, so beläßt man den Verband einige Tage. Man muß sich immer vor Augen halten, daß jeder Verbandwechsel, abgesehen von eventuellen Schmerzen die Wunde reizt. Von den regionalen L y m p h d r ü s e n kommen im wesentlichen die Leistendrüsen am Bein, die Achseldrüsen und eine Drüse am Ellbogen oberhalb des Epicondylus medialis am Arm in Betracht. Die Drüsen sind dann vergrößert und druckempfindlich. L y m p h s t r e i f e n sind am Bein äußerst selten, im Bereich des Armes treten sie rund um den Vorderarm und an der Beugeseite des Oberarmes entlang des Gefäß-Nervenbündels auf. Es sind charakteristische, längsgestellte rote Streifen, die manchmal auch druckempfindlich sind. Bei allen entzündlichen Erscheinungen und bei Schmerzen ist der Verband sofort zu öffnen und nachzusehen. Über das Verhalten bei einge-
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Allgemeiner Teil
tretener Infektion s. S. 23. Bei glattem Wundverlauf gibt man auf die Wunde wieder einen Salben verband. Die Ruhigstellung ist zu belassen, bis die Wunde abgeheilt ist. Wichtig ist, auf die Erhaltung der Beweglichkeit der nicht ruhiggestellten Gelenke zu achten, s. S. 57. 2. Operative Wundversorgung. Grundsatz der operativen Wundversorgung ist, durch einwandfreie, gründlichste Ausschneidung aller Wundwände mit Entfernung aller gequetschten und verschmutzten Teile praktisch dieselben Verhältnisse zu schaffen wie bei einer operativ gesetzten Wunde. Dann darf die Wunde genäht werden! Wundnaht ohne diese Vorbedingung ist äußerst gefährlich! Die operative Wundversorgung darf nur in den ersten 6—8 Stunden erfolgen ( F r i e d r i c h s c h e Zeit). Wichtig ist die anschließende absolute, ununterbrochene Ruhigstellung ! Die Grundlage für die operative Wundversorgung ist die Wundausschneidung nach Friedrich (1898), der nachwies, daß durch die sackförmige Exstirpation (Abb. 11) einer frischen mit Infektionskeimen beschickten Zufallswunde diese ebenso p. p. heilt, wie eine operativ Abb. It. Wundausschneidung nach gesetzte Wunde. Diese- „sackförmige nach F r i e d r i c h " F r i e d r i c h (sackförmig), gleichzei- Wundausschneidung tig die 3 Zonen einer Zufallswunde kommt praktisch nur für kleine, bis in I Gewebblücke, 2 Zone der Gewebsdie Subkutis reichende Zufallswunden in zertrümmerung mit Fremdkörpern und Krankheitskeimen, 3 Zone des gequetschten und erschütterten Ge webes
.
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Betracht. Sie wird in örtlicher Betäubung durchgeführt, anschließend wird die Haut genäht und an Gliedmaßen ruhiggestellt. A n größeren und großen Wunden ist die operative Wund Versorgung durchzuführen. D u r c h f ü h r u n g der operativen Wundversorgung. (Abb. 12). Sie wird in örtlicher
VIII. Knochenbrüche und ihre Folgen Das Ausmaß der Knochenbrüche, die man in der Sprechstunde behandeln kann, hängt im Wesentlichen ab von der zur Verfügung stehenden Zeit, dem Raum, einer Hilfskraft, dem persönlichen Interesse und der Ausbildung in der Unfallchirurgie, ferner, ob ein Röntgenapparat zur Verfügung steht usw. Die Grundlage jeder Behandlung ist die Diagnose. Bei vielen Knochenbrüchen ist dies einfach, weil die Formveränderung in die Augen springt. Bei anderen gibt aber nur die klinische Untersuchung gemeinsam mit dem Röntgenbild Aufschluß, Insbesondere gilt dies für Gelenksbrüche und Brüche kleiner Knochen. Die Untersuchung erfolgt konzentrisch, vom ünverletzen Gebiete gegen die vermutliche Stelle des Knochenbruches zu. Gang der Untersuchung siehe im speziellen Teil. a) Die klinischen Zeichen eines Knochenbruches: 1 F o r m v e r ä n d e r u n g (Abb. 3—4, 8, 121—123, 136—137, bis 163).
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Knochenbrüche und ihre Folgen
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B e h a n d l u n g : Bänderrisse müssen für längere Zeit im Gipsverband ruhiggestellt oder genäht werden. Für Zerrungen gilt im wesentlichen dieselbe Behandlung wie für die Prellung — in leichten Fällen Umschläge, Idealbinde, Elastoplast oder Zinkleimverband am Bein, in schwereren Fällen Ruhigstellung im Gipsverband. 3. Zum Bluterguß kann es an jeder Stelle des Körpers kommen, wenn auf eine direkte oder indirekte Gewalteinwirkung hin Blut in das Gewebe austritt. Die Menge des austretenden Blutes hängt von der Schwere der Verletzung ab und kann unter Umständen lebensbedrohlich werden, nicht nur bei Blutungen in die Körperhöhlen und nach außen, sondern z. B. auch bei Blutungen in das Subkutangewebe. Alle diese Fälle gehören jedoch in Krankenjtiausbehandlung und hier soll nur kurz das Wesentlichste über die kleineren Blutergüsse besprochen werden. Erfolgt die Blutung in ein Gelenk — am häufigsten betroffen ist das Kniegelenk — , so spricht man von einem Hämarthros. Klinisch besteht beim Bluterguß Schwellung, Druck- und häufig Spontanschmerz, Bewegungsbeschränkung eines oder beider benachbarter Gelenke. Nach einigen Tagen erscheint ein blauer Fleck, der sich über Grün in Gelb umwandelt und dann verschwindet. Diese Farbenveränderung fehlt beim Gelenkerguß, der dafür eine Beteiligung des Gelenkes im Sinne der Bewegungsbeschränkung zeigt. Das Röntgenbild ist negativ. B e h a n d l u n g : Druckverband, elastisch oder mit Hilfe von Schwämmen, eventuell Punktion (frühestens 2 Tage nach dem Unfall, wegen der Möglichkeit einer Nachblutung), Umschläge, nach einigen Tagen zwecks schnellerer Aufsaugung Wärmeanwendung. Schlecht ist die Massage von Blutergüssen, weil diese sich dann verhärten, eventuell sogar verknöchern können>
VIII. Knochenbrüche und ihre Folgen Das Ausmaß der Knochenbrüche, die man in der Sprechstunde behandeln kann, hängt im Wesentlichen ab von der zur Verfügung stehenden Zeit, dem Raum, einer Hilfskraft, dem persönlichen Interesse und der Ausbildung in der Unfallchirurgie, ferner, ob ein Röntgenapparat zur Verfügung steht usw. Die Grundlage jeder Behandlung ist die Diagnose. Bei vielen Knochenbrüchen ist dies einfach, weil die Formveränderung in die Augen springt. Bei anderen gibt aber nur die klinische Untersuchung gemeinsam mit dem Röntgenbild Aufschluß, Insbesondere gilt dies für Gelenksbrüche und Brüche kleiner Knochen. Die Untersuchung erfolgt konzentrisch, vom ünverletzen Gebiete gegen die vermutliche Stelle des Knochenbruches zu. Gang der Untersuchung siehe im speziellen Teil. a) Die klinischen Zeichen eines Knochenbruches: 1 F o r m v e r ä n d e r u n g (Abb. 3—4, 8, 121—123, 136—137, bis 163).
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A b b . 21—25. Typische Bruchformen, Beispiel a m Unterschenkel. 21 Querbruch (offen), Bruch am Wadenbein etwas höher. 22 Biegungsbruch mit hinterem Biegungskeil am Schienbein, Gewalteinwirkung von rückwärts. Wadenbein höher gebrochen. 23 Drehbruch des Schienbeines, Grenze mittleres unteres Drittel, hoher Drehbruch des Wadenbeines unter dem Köpfchen. 24 Stückbruch des Schienbeines und Wadenbeines (offen) — Eisentraverse auf das Bein gefallen. 25 Trümmerbruch beider Unterschenkelknochen (offen) — Baumstamm auf das Bein gefallen.
2. S c h w e l l u n g vom Bluterguß, der nach mehreren Tagen zuerst blau, dann grün, dann gelb wird — Zeichen eines ä l t e r e n B r u c h e s . 3. S c h m e r z e n , spontan und bei Bewegungsversuch, bei Druck auf die Bruchstelle, bei Zug und Stauchung (nicht sicher). 4. Störung oder A u f h e b u n g der G e b r a u c h s f ä h i g k e i t . 5. A b n o r m e B e w e g l i c h k e i t . Die Untersuchung, besonders (Jie Prüfung au! abnorme Beweglichkeit muß vorsichtig, möglichst unter Vermeidung von Schmerzen vorgenommen werden! Fehlt die Schmerzhaftigkeit, so ist an Tabes oder Syrlngomyelie zu denken. 6. K n o c h e n r e i b e n (Krepitation) ist nicht immer vorhanden, es soll auch nicht grundsätzlich daraufhin untersucht werden, da dies schmerzhaft und zur Diagnosestellung nicht unbedingt notwendig ist. Einzelheiten des Bruches ergibt das R ö n t g e n b i l d , das heute bei jedem Bruch zu Diagnose und Behandlung herangezogen werden muß. (s. S. 41). b) Die wesentlichen Bruchformen sind (Abb. 21—25, 129—130, 226): Der Q u e r b r u c h (durch Abscherung Abb. 21), B i e g u n g . s b r u c h mit mehr oder minder vollständigem Ausbruch eines Keiles (Abb. 22), D r e h b r u c h (Abb. 23), S t a u c h u n g s b r u c h (Abb. 129—130) und der T r ü m m e r b r u c h (Abb. 25. Gewalt ein Wirkung in der Längsachse,
Knochenbrüche und ihre Folgen
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z. B . bei senkrechtem Sturz) in der Regel an den Gelenksenden der Knochen, S t ü c k b r u c h — Herausschlagen eines Knochenstückes durch direkte Gewaltein Wirkung (Abb. 24). D a z u kommen d i e K n o c h e n a b r i s s e (Bänder- und Sehnenansätze), z.B.Bruch des Olecranon, der Kniesc.heibe(Abb.226). Nach demZustandekommen unterscheiden wir d i r e k t e Brüche (am Orte der Gewaltein Wirkung), z . B . den Querbruch, denBiegungsbruch, und i n d i r e k t e , entstanden durch Fernwirkung, z . B . Drehbrüche. c) Die typischen Verschiebungen eines Knochenbruches klinisch und im Röntgenbilde sind (Abb. 26—27): i . , V e r b i e g u n g — Achsenknickung (dislocatio ad axim). 2. V e r d r e h u n g (im Röntgenbild nur dann zu sehen, wenn beide benachbarten Gelenke auf dem Bilde sichtbar sind — dislocatio ad peripheriam). 3. S e i t e n v e r s c h i e b u n g (dislocatio ad latus). 4. V e r k ü r z u n g oder D i a s t a s e — dislocatio ad longitudinem cum contractione oder distractione. V o n diesen Verschiebungen müssen zur Erzielung eines guten Ergebnisses Verkürzung, Verdrehung und Verbiegung ausgeglichen werden, die Parallelverschiebung nur so weit, daß sich die Knochen berühren. Die s c h n e l l s t e K n o c h e n h e i l u n g erzielt man, wenn bei Parallelverschiebung um Rindenbreite die Bruchstücke u m einige mm ineinander gekeilt sind (Abb. 28—29). Verkürzung von einigen m m bis 1 cm a m Unterschenkel, bis i 1 / 2 cm a m Oberschenkel sind praktisch belanglos. Die Verschiebung wird primär durch die Gewalteinwirkung, sekundär durch Muskelzug bewirkt. E i n g e k e i l t e Brüche sind mäßig verkürzt, die Einkeilung schließt jedoch nicht aus, daß sie unter Umständen verbogen und verdreht sind. Beispiele: Eingekeilter Schenkelhalsbruch s. S. 132, A b b . 207, 210, eingekeilte infratuberculäre Oberarmbrüche der älteren Leute s. S. 100, A b b . 129—130. . d) Komplikationen: 1. O f f e n e K i j o c h e n b r ü c h e (Abb. 17, 136, 137) mit Verletzung der H a u t über der Bruchstelle. Erfolgt die Hautverletzung von außen nach innen, so spricht man von d i r e k t e n offenen Knochenbrüchen, wird die H a u t durch den Knochen von innen her durchspießt, so .
j.
.
-
j-
lSt dies ein i n d i r e k t entstandener offener Knochenbruch.
A b b . 2 6 u . 27. Schematische Darstellung der typischen Verschiebungen bei.einem B r u c h e Qer
langen
schiebung,
KonrenKnocnen. r&raneiverVerkürzung, Achsenknickung,
Verdrehung.
Allgemeiner Teil
A b b . 28 u. 29. Biegungsbruch des Schienbeines in der Mitte bei 35 jährigem, 14 Wochen nach dem Unfall mit Verkürzung von 3 ijim, geringe Parallelversohiebung und gute Achse. Infolge praktisch belangloser Verkürzung schnelle knöcherne Heilung. Die Parallelverschiebung belanglos. Kalkschwund im Bereiche des Sprunggelenkes ganz gering. Behandlung: 3 Wochen Zug mit 3 kg an Fersenbeinnagel, 7 Wochen Gehgipsverband.
Das Ausmaß der Verschmutzung ist unabhängig davon, ob die Entstehung direkt oder indirekt erfolgt. Die Gefahr des offenen Knochenbruches besteht in der Infektionsmöglichkeit. Erwähnt sei, daß noch vor 50 Jahren 60% der offenen Brüche infolge von Infektion tötlich waren. Heute kann dies fast immer vermieden werden. Alle Schußbrüche sind, offene Brüche. 2. D r u c k a u f G e f ä ß e , in seltenen Fällen auch Zerreißung von Gefäßen, insbesonders bei gelenksnahen Brüchen, z. B . beim supracondylären Oberarmbruch der Jugendlichen (Abb. 136—146). Der körperferne Gliedabschnitt ist kühl, weiß oder blau, es bestehen starke Schmerzen (ischämisch). Wichtig ist, bei jedem Knochenbruch sofort den Puls zu prüfen!
3. D r u c k a u f N e r v e n , sehr selten Zerreißung derselben, z. B . Radialislähmung beim Oberarmbruch, Medianuslähmung beim supracondylären Oberarmbruch der Jugendlichen (Abb. 136—138). Die Berührungsempfindüng fehlt, es bestehen motorische Ausfälle (s. S. 74). Bei jedem Knochenbruch ist sofort die Motilität und Sensibilität von Fingern oder Zehen zu prüfen! 4. Bei G e l e n k s b r ü c h e n reichen die Bruchflächen in ein Gelenk mit oder ohne Verwerfung der Gelen ksfläch^n (Abb. 230—234). 5. V e r l e t z u n g v o n I n n e n o r g a n e n , z. B. Lungenanspießung bei Rippenbrüchen, R i ß der Harnröhre oder Harnblase bei Beckenverletzungen usw. Zieht eine feine Bruchfläche durch einen Knochen, so spricht man von einem K n o c h e n s p r u n g = F i s s u r . Bei Jugendlichen kommt es infolge der Beschaffenheit des Knochens zum G r ü n h o l z = W u l s t b r u c h (Abb. 154—157), der Knochen ist ineinander gestaucht und wulstartig vorgetrieben. Bei Jugendlichen kommt es an den Enden der langen Knochen statt zum Knochenbruche zur E p i p h y s e n l ö s u n g mit oder ohne Verschiebung, eventuell mit Ausbruch eines Biegungskeiles (Abb. 174—177). Die Lösung erfolgt, in der Epiphysenfuge. E s kann jedoch a u c h die E p i p h y s e selbst brechen.
Knocheubrüche Ond ihre Folgen
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e) Zeitpunkt des Einrichtens eines Knochenbruches: 1. Sofort muß eingerichtet werden bei allen offenen Brüchen, bei Druck auf die Haut (Abb. 3—5), auf Gefäße und Nerven. Alle übrigen Knochenbrüche kann man sofort einrichten und gipsen, muß jedoch dann den Verband häufig wegen Gefährdung des Blutumlaufes spalten und später umgipsen. 2. Man wartet 24 Stunden ab, dann besteht keine Gefahr für den Blutumlauf, der Gips muß jedoch nach Abklingen der Schwellung gewechselt werden. 3. Man wartet einige Tage ab, bis die Schwellung abgeklungen ist, und gipst dann. Es besteht jetzt keine Gefahr mehr für den Blutumlauf, auch umgegipst braucht nicht mehr zu werden. f) Von A n k y l o s e n spricht man, wenn ein Gelenk verschwunden ist und wenn die benachbarten Knochen völlig miteinander verwachsen sind. Für manche Ankylosen, z. B. am Ellbogen kommen G e l e n k s p l a s t i k e n in Betracht, für Knie und Hüfte sind sie beim arbeitenden Menschen in der Regel nicht geeignet, da dieser mit einer Ankylose besser daran ist (schmerzfrei, besser belastbar). g) V e r s t e i f u n g e n = K o n t r a k t u r e n im Bereiche von Gelenken sind nicht knöchern bedingt, sondern durch Narben der Haut" — dermatogen oder im Bereiche des Bandapparates — desmogen oder muskulär (Schrumpfung). h) Häufig übersehene Brüche. Auf diese möchte ich besonders den Praktiker hinweisen, der sie in der Regel zuerst sieht und der es in der Hand hat, sie nach entsprechender Diagnose selbst zu behandeln oder weiter zu leiten. Es sind dies im wesentlichen: Der Wirbelbruch, der Bruch des Fersenbeines, des Kahnbeines der Hand, der Schenkelhalsbruch, sowie die Verrenkung der Hand um das Mondbein. 1. D e r W i r b e l b r u c h (Abb. 97 — 100) entsteht in der Regel durch Sturz auf das Gesäß oder durch Zusammenrollen des Körpers. Symptome und Behandlung s. S. 83. Bei schweren Brüchen besteht eine Buckelbildung (Abb. 97—98), bei leichteren Brüchen sind die Erscheinungen oft auffallend gering. 2. Zum Bruch des F e r s e n b e i n e s (Abb. 248—251) kommt es durch Sturz, in der Regel bei Leuten über 40 Jahre aus 1 bis 2 m Höhe. Die Diagnose ist einfach, wenn man an den Bruch denkt. C h a r a k t e r i s t i s c h ist der Druckschmerz beim Zusammendrücken der Ferse mit 2 Fingern unter den Knöcheln (Abb. 248—249). Knöchel und Fersengegend sind in der Regel stark geschwollen. Näheres siehe S. 152. 3. Bruch des K a h n b e i n e s der Hand (Abb. 184 — 185): Entstehung, Erscheinungen und Behandlung s. S. 118. Zur Darstellung im Röntgenbild muß die Hand richtig eingestellt werden (s. S. 118, Abb. 178 — 183). Die Behandlung kann jeder praktische Arzt in der Sprechstunde durchführen. Richtige Behandlung ist für den Verletzten äußerst wichtig. Heilt dfer Bruch knöchern, so ist der Betreffende später völlig beschwerde3
Ehalt, Unfallpraxis
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Allgemeiner Teil
frei, die Hand normal gebrauchsfähig; wird der Bruch übersehen, so kommt es zur Pseudarthrose (Abb. 186, 187) und ihren Folgen: Schmerzen, Bewegungsbehinderung, verminderte Kraft, sekundäre Arthrose. 4. S c h e n k e l h a l s b r u c h — durch Sturz. Es besteht Gehunfähigkeit, Verkürzung von i bis 3 cm, das Bein ist um 45 Grade nach außen gedreht (s. S. 132, Abb. 207—212). 5. Klinisch ähnliche Erscheinungen wie der Bruch des Kahnbeines macht die sogenannte M o n d b e i n v e r r e n k u n g == V e r r e n k u n g der H a n d w u r z e l k n o c h e n um d a s M o n d b e i n (Abb. 158 — 161). Wichtig zur Darstellung im Röntgenbild ist eine rein seitliche Aufnahme des Handgelenkes (s. S. 112, Abb. 158, 161). i) Behandlung der Knochenbrüche. Hauptregeln: 1. Immer zuerst klinische Diagnose stellen, dann erst ein Röntgenbild machen! 2. Immer sofort Prüfung von Gefäßen (A. radialis, A. dorsalis pedis) und Nerven! (motorisch, sensibel s. S. 74), damit eine primäre Lähmung nicht übersehen wird. Diese könnte dann als Folge der Behandlung (Einrichtung) gedeutet werden. 3. Offene Knochenbrüche müssen Innerhalb von 6—8 Stunden in fachärztliche Behandlung gebracht werden. ' 4. Grundsätze der Knochenbruchbehandlung nach Böhler: aa) Bei jedem Knochenbruch müssen die verschobenen Bruchstücke genau eingerichtet werden. bb) Die eingerichteten Bruchstücke müssen so lange ununterbrochen in guter Stellung festgehalten Werden, bis sie knöchern miteinander verheilt sind. cc) Während der notwendigen Dauer der Ruhigstellung der gut eingerichteten Bruchstücke müssen möglichst viele oder alle Gelenke des verletzten Gliedes und der ganze Körper unter Vermeidung von Schmerzen s e l b s t t ä t i g in vollem Umfange bewegt werden, um Störungen des Blutumlaufes, Schwund der Muskeln* und Knochen und Versteifungen der Gelenke zu vermeiden (funktionelle Bewegungsbehandhing). 5. Zum Einrichten ist Betäubung nötig, am besteh ö r t l i c h durch Einspritzen von 20 ccm einer 2%igen Novocainlösung in den Bluterguß (s. S. 4 0- Die örtliche Betäubung ist zweckmäßiger als Evipan oder Narkose, weil keine Hilfskraft notwendig ist, weil der Verletzte e.ventuell zur Röntgenaufnahme gehen kann, weil man in den 2 Stunden, so lange die Betäubung wirkt, falls notwendig, mehrmals einrichten kann. Wichtig dabei ist absolute Sterilität, Nadel und Spritze nur mit Pinzetten, nicht mit den Fingern anfassen! (Abb. 41). 6. Das Einrichten folgt unter Zug und Gegenzug nach dem alten Grundsatze, daß „der körperferne Bruchabschnitt dorthin gebracht wird, wohin der körpernahe weist". Durch Zug und Gegenzug werden Verdrehung, Verkürzung und der größte Teil der Achsenknickung aus-
Knochenbrüche und ihre Folgen
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geglichen, die restliche Parallelverschiebung durch Zurechtdrücken (Abb. 30—31). Bei manchen Knochenbrüchen ist ein einmaliger Zug, bei anderen ein Dauerzug notwendig. 7. Eine Röntgenkontrolle ist unbedingt zu machen nach dem Einrichten und Anlegen des Gipsverbandes, bei manchen Brüchen auch später im Gipsverbande.
A b b . 30. Einrichtung eines Querbruches mit einer langen Bruchzacke. Der Ausgleich der Seitenverschiebung gelingt nur, wenn m a n so stark zieht, d a ß die lange Bruchzacke am zentralen Bruchstück vorbeigleiten kann. Dadurch werden Muskeln, Nerven und Gefäße überdehnt ( . (Nach B ö h l e r . ) A b b . 31. Bei dem Bruch in A b b . 30 gelingt die Einrichtung viel leichter, wenn man das periphere Bruchstück stark abknickt und dann gegen die Peripherie verschiebt, bis sich die entsprechenden Bruchecken berühren. Durch Ausgleich der Knickung gelingt dann die Einrichtung leicht. (Nach B ö h l er.)
8. Zur Ruhigstellung kommen neben operativen Maßnahmen und neben dem Dauerzug praktisch nur der Gipsverband und die Fingerschiene in Betracht. Einzelheiten s. S. 46 und im besonderen, Teil. Blaubindenverbände und sonstige Schienenverbände sind ungeeignet. 9. Die Nachbehandlung beginnt unmittelbar nach dem Einrichten, s S. 57. Sie muß Schonend sein und darf keine Schmerzen verursachen. Schädlich sind Massage und passive Bewegungen. 10. Wird ein Gipsverband angelegt, so darf kein Morphium oder sonstige Alkaloide gegeben werden (s. S. 51). 11. Der Verletzte muß innerhalb der ersten 24 Stunden in der Nähe des Arztes bleiben, Kontrolle des Blutumlaufes s. S. 50. 3*
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k) Durchschnittliche Zeit bis zum Festwerden: Schlüsselbein 4 Wochen Oberarm — infratuberculär 4—5 Wochen Oberarm — Schaft 6—8 Wochen Oberarm — supracondylär 4—6 Wochen Olecranon 3—4 Wochen Speichenköpfchen 3—4 Wochen Vorderarmschaft ' 10 — 12 Wochen Speiche oder Elle allein 6 Wochen Speichenbruch an typischer Stelle 3—4 Wochen Kahnbein . 6 — 12 — 16 Wochen Mittelhandknochen 4 Wochen Finger 3—4 Wochen Wirbel 12 — 16 Wochen Becken 4 — 10 Wochen Schenkelhals 3—6 Monate Oberschenkelschaft 10—16 Wochen Kniescheibe 4 Wochen Unterschenkel mit Verschiebung 3— 4 Monate »Schienbein allein 8 — 14 Wochen Wadenbein allein 4—6 Wochen Knöchel 6 — 12 Wochen Mittelfuß 4—6 Wochen Zehenglieder 2—4 Wochen Manche Brüche müssen operativ behandelt werden: Schenkelhalsbruch (Nagelung), Olecranonbruch (Drahtnaht), Bruch der Kniescheibe (Seidennaht). Als neueste Methode sei erwähnt die M a r k n a g e l u n g der Schaftbxüche nach K ü n t s c h e r , sie gehört in die Här.de von Erfahrenen. Das endgültige Urteil über den Wert der Methode steht noch nicht fest. 1) Folgen von Knochenbrüchen: 1. Störungen der Knochenbruchheilung: Mit A c h s e n k n i c k u n g über 10 Grad g e h e i l t e B r ü c h e sollen korrigiert werden, sonst kommt es infolge Fehlbelastung der Gelenke zu Spätfolgen an denselben '(Arthrosen) und Schmerzen (Abb. 32—33). In den ersten Monaten nach dem Festwerden kann dies noch durch Zurechtbiegen über einen Keil oder mit Knochenbrecher (Phelps-Gocht) gemacht werden, auch in der Sprechstunde. Später muß operiert werden. 2. Zur Pseudarthrose (Abb. 34—35, 186—187) kommt es, wenn die Ruhigstellung unzureichend und nicht absolut ist (technisch schlechte Ruhigstellung, häufiger Gipswechsel), oder wenn nicht lange genug ruhig gestellt wird oder wenn sich die Bruchstücke nicht berühren — Überziehen bei am Knochen angreifendem Zug (häufigste Ursache). Alle anderen Ursachen (Weichteilinterposition, Allgemeinbedingungen) spielen praktisch keine Rolle. ^Auch bei Kröpfen, die vielfach als Ur-
Knochenbrüche und ihre Folgen
Abb. 32 u. 33. Mit Achsenknicküng (nach rückwärts offener Winkel von 30 Grad und nach innen offener von 15 Grad) geheilter Oberschenkelbruch bei 31 jähriger Frau, 8 Jahre nach dem Unfälle. Seit 2 Jahren Schmerzen im Knie, insbesonders bei. stärkerer Anstrengung. Arthrose als Folge der Fehlbelastung bereits röntgenologisch nachweisbar.
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nach dem Unfall. Klinisch starkes Wackeln und Muskelschwund von 3 cm. Behandlung: Abwechselnd Zug, dann Gipsverbände, dazwischen ohne RuhigStellung, 8mal umgegipst; dafür aber källusbildende Mittel verabreichtI Charakteristische becherförmige Abstützung am körperfernen Bruchstück unü sklerotische Abdeckelung der Markräume gegen die Pseudarthrose zu.
sache schlechter oder ausbleibender Knochenbildung beschuldigt werden, heilen die Knochenbrüche in normaler Zeit, wie ich seit meiner Tätigkeit in der Steiermark feststellen konnte. Behandlung ausgebildeter Pseudarthrosen: Schräge Osteotomie des sperrenden Knochens (Wadenbein) und Gipsverband (Abb. 36—39), Bohrung nach B e c k bei Kontaktpseudarthrosen, Aufsplitterung nach K i r s c h n e r , Anfrischung und Drahtnaht, SpanVerpflanzungen, in neuester Zeit Eröffnung der Markhöhle und Marknagelung nach K l i n i scher. Die zur Vermeidung oder Behandlung von Pseudarthrosen empfohlenen sogenannten kallusbildenden Mittel nützen nicht nur nicht, sondern wirken durch Störung des Appetites schädlich! 3. Die umschriebene Myositis ossificans, z. B. am Ellbogen nach supracondylären Brüchen ist eine Folge unzweckmäßiger Behandlung und kann nach den Untersuchungen von Böhler restlos vermieden werden, wenn man sofort und schonend einrichtet, entsprechend lange ruhigstellt und in der Nachbehandlung Massage und passive Bewegungen vollkommen unterläßt. Ausgebildete Verknöcherungen können operativ entfernt werden. Nicht zu früh!
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A b b . 36—39. Pseudarthrose des Schienbeines im unteren Drittel, Wadenbeinbruch knöchern geheilt (Sperrknochen). Fleckiger Kalkschwund. Resektion eines Wadenbeinstückes und Gehgips für 4 Monate. Kontrolle 8 Monate später —• Pseudarthrose knöchern geheilt, Kalkgehalt besser.
4. Der Kallus luxurians, die überschüssige Kallusbildung, ist gewöhnlich die Folge v o n ungenügender oder z u kurzer Ruhigstellung. Sie kann z u D r u c k auf Nerven oder Gefäße führen und m u ß dann oper a t i v behoben werden. 5. Der Brückenkallus ist a m Unterschenkel praktisch belanglos, a m Vorderarm führt er zur A u f h e b u n g der Drehung. Vermeidung durch gute Einrichtung und entsprechende Ruhigstellung. 6. Bei starkem Kalkschwund nach Knochenbrüchen ( S u d e k s c h e Knochenatrophie) im Bereiche der Knöchelgegend und Fußwurzel ist das zweckmäßigste das Anlegen eines Gehgipsverbandes. Durch die Ruhigstellung verschwinden die Schmerzen, infolge des Gehens wird die Durchblutung besser und der Kalkgehalt wieder normal. I m Bereiche des Handgelenkes stellt man mit dorsaler Gipsschiene ruhig und macht Bewegungsübungen und Gymnastik aller nicht ruhig gestellten Gelenke. 7. Die ischämische Muskelkontraktur (Volkmann) klassisch beim supracondylären Oberarmbruch der Kinder (Abb. 40), ist die Folge von Gefäßstörungen und dadurch bedingter Störung der E r nährung der Muskulatur. Sie wird bedingt durch D r u c k des oberen Bruchstückes auf die Hauptschlagader (s. S. 1 : 7 , A b b . 143—146), durch Spannung infolge Haematoms oder durch schnürende Gipsverbände. Wichtig ist sofortige Einrichtung des Bruches und Spalten des
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Gipsverbandes! Erfreulich ist, daß als Folge der modernen Knochenbruchbehandlung diese für die Zukunft des Kindes furchtbare Unfallsfolge praktisch fast verschwunden ist. Alte ischämische Kontrakturen können durch Quengelverbände in der Regel noch weitgehend gebessert werden. m) Ermüdungsbrüche. Ermüdungsbrüche kommen nicht durch ein einmaliges Unfallsereignis zustande, sondern auf die Weise, daß durch langdauernde Beanspruchung an einer bestimmten Stelle des Knochens eine Resorption der Knochensubstanz stattfindet, ähnlich den Ermüdungserscheinungen der toten Substanz in der Physik. KlassiI
Abb. 40. V o l k m a n n s c h e (ischämische) Muskelkontraktur bei 7jährigem Knaben, 5 Monate nach supracondylärem Oberarmbruch. Ohne vorherige Einrichtung zirkulärer Gipsverband, der trotz starker Schwellung und heftiger Schmerzen erst nach 2 Tagen entfernt wurde. Ellbogen in Beugestellung, Narben nach Druckstelle in der Ellenbeuge, Vorderarm proniert, Handgelenk volar flektiert, Finger in Krallenstellung. (Nach B ö h l e r . )
sehe Beispiele: S c h i p p e r k r a n k h e i t (Abb. i o i , 102); sie wurde zuerst bekannt beim Bau der Reichsautobahnen — Durchgehen des Dornfortsatzes des 6. Hals- bis 2. Brustwirbels; Bruch von Mittelfußknochen — M a r s c h f r a k t u r (s. S. 153). Ferner sind in letzter Zeit bekannt geworden: Bruch des Wadenbeines und des Schenkelhalses beim Exerzieren, Bruch des Oberarmes beim Werfen u. a. Vielleicht zählen manche Formen der Spondylolyse und Spondylolisthese (von L 4, L 5, S 1) hierher. Die B e h a n d l u n g erfolgt wie beim normalen Knochenbruch. Bei der Schipperkrankheit wendet man . nur die sogenannten unterstützenden Maßnahmen an (s. S. 58), die operative Entfernung des abgetrennten Stückes ist aus psychologischen Gründen zu vermeiden. n) Pathologische Frakturen. Spontanbrüche. A n pathologische Knochenbrüche ist immer dann zu denken, wenn bei geringem oder ohne besonderen Anlaß ein Knochen bricht! Sie kommen zustande bei Lues, Tabes, Syringomyelie (Knochen haben normales Aussehen), bei Tumoren und Knochenmetastasen (Knochen sind vom Tumor erweicht, Röntgenbild!) und zwar "bei sehr geringen Anlässen, manchmal bei
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einem schnelleren Schritt, Umdrehen im Bett usw. (Pathologische Brüche). Kommt der Bruch ohne Trauma zustande, so spricht man von Spontanbruch. Die Behandlung ist wie beim normalen Knochenbruch, bei Tabes und Lues findet man häufig sehr schnelle und hypertrophische, manchmal auch Ausbleiben der Kallusbildung, bei Metastasen bleibt sie häufig aus. Gelenkbrüche bei Tabes, Lues und Syringomyelie führen häufig zu A r t h r o p a t h i e n . Wichtig ist das Aufsuchen und Behandeln des Primärtumors, eventuell Röntgenbestrahlung der Metastase.
IX. Verrenkungen Von. einer Verrenkung spricht man, wenn die das Gelenk bildenden Knochen, bzw. die überknorpelten Flächen derselben jede Berührung miteinander verloren haben (Abb. 5, 106—109, i n , 116—117, 132 — 135, 158, 201—204); ist dies nur teilweise der Fall, so spricht man von einer T e i l v e r r e n k u n g = S u b l u x a t i o n (Abb. 191, 237, 244, 246). Hier soll nur von t r a u m a t i s c h e n Verrenkungen gesprochen werden, daneben gibt es noch angeborene, pathologische, habituelle und recidivierende (nach traumatischen Verrenkungen). Bestehen gleichzeitig an den Gelenkenden der Knochen Brüche, dann spricht man von V e r r e n k u n g s b r ü c h e n = L u x a t i o n s f r a k t u r e n . Verrenkungen entstehen durch mehr oder minder langsam einwirkende Gewalten, während schnelle Gewalteinwirkungen zu Knochenbrüchen führen. D i a g n o s e : Bei den klassischen Verrenkungen ist sie meist einfach infolge der Formveränderung (s. Abb. I06—108, 116, 201, 202, 221, 222). Charakteristisch ist die f e d e r n d e F i x a t i o n — beim Versuch, die Stellung des Gelenkes zu ändern, federt dieses wieder in seine Lage zurück (besser zu unterlassen, da schmerzhaft!). Die übrigen klassischen Symptome — leere P f a n n e (Abb. 108), K o p f an a b n o r m e r S t e l l e t a s t b a r , sind nur bei manchen Verrenkungen und dann meist nur in frischem Zustande zu finden. E i n r i c h t u n g : In der Regel durch Zug am körperfernen Knochen und zwar in der Richtung, in welche er weist. Keine Gewaltanwendung! Komplikationen: Zerreißung von Haut = offene Verrenkung, Druck auf Gefäße und Nerven (primär immer daraufhin prüfen, sofort einrichten!). G e l e n k s z e r r e i ß u n g e n (alle Bänder zerrissen, Verschiebung oft atypisch) kommen durch direkte starke Gewalten zustande, z. B. Transmission. Hauptregeln: 1. Zuerst Diagnose, klinisch und mit Röntgenbild. 2. Immer sofort Prüfung von Gefäßen (A. radialis, A. dorsalis pedis) und Nerven! (motorisch und sensibel). Bei Gefäß- und Nervenstörungen sofort einrichten! 3. Die Einrichtung muß schonend sein, um möglichst wenige Muskeln noch zusätzlich zu schädigen, sie geschieht u n t e r Z u g u n d Gegenzug.
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einem schnelleren Schritt, Umdrehen im Bett usw. (Pathologische Brüche). Kommt der Bruch ohne Trauma zustande, so spricht man von Spontanbruch. Die Behandlung ist wie beim normalen Knochenbruch, bei Tabes und Lues findet man häufig sehr schnelle und hypertrophische, manchmal auch Ausbleiben der Kallusbildung, bei Metastasen bleibt sie häufig aus. Gelenkbrüche bei Tabes, Lues und Syringomyelie führen häufig zu A r t h r o p a t h i e n . Wichtig ist das Aufsuchen und Behandeln des Primärtumors, eventuell Röntgenbestrahlung der Metastase.
IX. Verrenkungen Von. einer Verrenkung spricht man, wenn die das Gelenk bildenden Knochen, bzw. die überknorpelten Flächen derselben jede Berührung miteinander verloren haben (Abb. 5, 106—109, i n , 116—117, 132 — 135, 158, 201—204); ist dies nur teilweise der Fall, so spricht man von einer T e i l v e r r e n k u n g = S u b l u x a t i o n (Abb. 191, 237, 244, 246). Hier soll nur von t r a u m a t i s c h e n Verrenkungen gesprochen werden, daneben gibt es noch angeborene, pathologische, habituelle und recidivierende (nach traumatischen Verrenkungen). Bestehen gleichzeitig an den Gelenkenden der Knochen Brüche, dann spricht man von V e r r e n k u n g s b r ü c h e n = L u x a t i o n s f r a k t u r e n . Verrenkungen entstehen durch mehr oder minder langsam einwirkende Gewalten, während schnelle Gewalteinwirkungen zu Knochenbrüchen führen. D i a g n o s e : Bei den klassischen Verrenkungen ist sie meist einfach infolge der Formveränderung (s. Abb. I06—108, 116, 201, 202, 221, 222). Charakteristisch ist die f e d e r n d e F i x a t i o n — beim Versuch, die Stellung des Gelenkes zu ändern, federt dieses wieder in seine Lage zurück (besser zu unterlassen, da schmerzhaft!). Die übrigen klassischen Symptome — leere P f a n n e (Abb. 108), K o p f an a b n o r m e r S t e l l e t a s t b a r , sind nur bei manchen Verrenkungen und dann meist nur in frischem Zustande zu finden. E i n r i c h t u n g : In der Regel durch Zug am körperfernen Knochen und zwar in der Richtung, in welche er weist. Keine Gewaltanwendung! Komplikationen: Zerreißung von Haut = offene Verrenkung, Druck auf Gefäße und Nerven (primär immer daraufhin prüfen, sofort einrichten!). G e l e n k s z e r r e i ß u n g e n (alle Bänder zerrissen, Verschiebung oft atypisch) kommen durch direkte starke Gewalten zustande, z. B. Transmission. Hauptregeln: 1. Zuerst Diagnose, klinisch und mit Röntgenbild. 2. Immer sofort Prüfung von Gefäßen (A. radialis, A. dorsalis pedis) und Nerven! (motorisch und sensibel). Bei Gefäß- und Nervenstörungen sofort einrichten! 3. Die Einrichtung muß schonend sein, um möglichst wenige Muskeln noch zusätzlich zu schädigen, sie geschieht u n t e r Z u g u n d Gegenzug.
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Das Röntgenverfahren
4. Dazu ist in der Regel Betäubung notwendig (örtlich, allgemein, Evipan). 5. Die eingerenkten Knochen müssen solange ununterbrochen ruhiggestellt werden, bis die Bänderrisse und anderen Weichteilzerreißungen geheilt sind (Böhler). 6. Sofort nach der Einrichtung und Anlegung des ruhigstellenden Verbandes ist eine Röntgenkontrolle zu machen (sehr wichtig als Beweismittel!). 7. Während der notwendigen Zeitdauer der Ruhigstellung des gut eingerichteten Gelenkes müssen möglichst viele oder alle nicht ruhig gestellten Gelenke des verletzten Gliedes und der ganze Körper unter Vermeidung von Schmerzen selbsttätig bewegt werden, um Störungen des Blutumlaufes, Schwund der Muskeln und Knochen und Versteifung der Gelenke zu vermeiden (Böhler). 8. Die Nachbehandlung muß schonend sein, unter Vermeidung von Schmerzen (s. S. 57). Schädlich: Massage und passive Bewegungen. Zeit der Ruhigstellung für Verrenkungen: Schulterblatt — Schlüsselbeingelenk Schulter '.....'.' Ellbogen Perilunäre Verrenkung • Hüfte . . . Knie Lux. pedis sub talo
6 Wochen 1 — 2 Tage (s. S. 94). 3 Wochen 3 Wochen 2 Wochen (Bettruhe) 12 Wochen 6 Wochen
X. Das Röntgenverfahren Ohne Röntgen soll man heutzutage keine Knochenbrüche und Verrenkungen behandeln. Dies ist außer aus behandlungstechnischen aus forensischen Gründen wichtig. Viele Ärzte wurden schon wegen Unterlassung von Röntgenaufnahmen verklagt! Es muß vor und nach dem Einrichten sowohl eines Bruches als auch einer Verrenkung ein Röntgenbild gemacht werden! Keine Durchleuchtung! Die Aufnahme vorher ist wichtig zur Diagnose, nachher als Beleg für den Erfolg der Einrichtung und gegen später eventuell auftauchende Schwierigkeiten, ich nenne Klage wegen Kunstfehler. Die Röntgenbilder soll der Arzt i m m e r a l s B e l e g b e h a l t e n und womöglich nur Kopien abgeben. Röntgenfilme sind Urkunden! Röntgenbilder sollen auch in Fällen gemacht werden, in denen Verd a c h t a u f eine K n o c h e n v e r l e t z u n g vorliegt, auch dann, wenn zwar mit Sicherheit anzunehmen ist, daß kein Knochenbruch vorliegt, wenn aber Knochen- oder Gelenksveränderungen von früher anzunehmen sind (z. B. früherer Knochenbruch und frische Prellung, Arthrose des Kniegelenkes und frische Zerrung). Dies ist wichtig, um den
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Das Röntgenverfahren
4. Dazu ist in der Regel Betäubung notwendig (örtlich, allgemein, Evipan). 5. Die eingerenkten Knochen müssen solange ununterbrochen ruhiggestellt werden, bis die Bänderrisse und anderen Weichteilzerreißungen geheilt sind (Böhler). 6. Sofort nach der Einrichtung und Anlegung des ruhigstellenden Verbandes ist eine Röntgenkontrolle zu machen (sehr wichtig als Beweismittel!). 7. Während der notwendigen Zeitdauer der Ruhigstellung des gut eingerichteten Gelenkes müssen möglichst viele oder alle nicht ruhig gestellten Gelenke des verletzten Gliedes und der ganze Körper unter Vermeidung von Schmerzen selbsttätig bewegt werden, um Störungen des Blutumlaufes, Schwund der Muskeln und Knochen und Versteifung der Gelenke zu vermeiden (Böhler). 8. Die Nachbehandlung muß schonend sein, unter Vermeidung von Schmerzen (s. S. 57). Schädlich: Massage und passive Bewegungen. Zeit der Ruhigstellung für Verrenkungen: Schulterblatt — Schlüsselbeingelenk Schulter '.....'.' Ellbogen Perilunäre Verrenkung • Hüfte . . . Knie Lux. pedis sub talo
6 Wochen 1 — 2 Tage (s. S. 94). 3 Wochen 3 Wochen 2 Wochen (Bettruhe) 12 Wochen 6 Wochen
X. Das Röntgenverfahren Ohne Röntgen soll man heutzutage keine Knochenbrüche und Verrenkungen behandeln. Dies ist außer aus behandlungstechnischen aus forensischen Gründen wichtig. Viele Ärzte wurden schon wegen Unterlassung von Röntgenaufnahmen verklagt! Es muß vor und nach dem Einrichten sowohl eines Bruches als auch einer Verrenkung ein Röntgenbild gemacht werden! Keine Durchleuchtung! Die Aufnahme vorher ist wichtig zur Diagnose, nachher als Beleg für den Erfolg der Einrichtung und gegen später eventuell auftauchende Schwierigkeiten, ich nenne Klage wegen Kunstfehler. Die Röntgenbilder soll der Arzt i m m e r a l s B e l e g b e h a l t e n und womöglich nur Kopien abgeben. Röntgenfilme sind Urkunden! Röntgenbilder sollen auch in Fällen gemacht werden, in denen Verd a c h t a u f eine K n o c h e n v e r l e t z u n g vorliegt, auch dann, wenn zwar mit Sicherheit anzunehmen ist, daß kein Knochenbruch vorliegt, wenn aber Knochen- oder Gelenksveränderungen von früher anzunehmen sind (z. B. früherer Knochenbruch und frische Prellung, Arthrose des Kniegelenkes und frische Zerrung). Dies ist wichtig, um den
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Zustand und das Ausmaß der bisherigen Veränderungen im Zeitpunkt der Verletzung festzustellen, ist wichtig für die Prognose und um eventuell später daraus Schlüsse ziehen zu können, ob durch den neuen Unfall eine Verschlechterung eingetreten ist oder nicht. Viele Zusammenhangsfragen werden dadurch mit einem Schlag geklärt, Schreibereien und Unstimmigkeiten von Seiten der Verletzten vermieden. Auch findet man manchmal Überraschungsbefunde, welche die Prognose eines Falles bezüglich der Heilungsdauer bedeutend verändern können. Ich nenne nur Arthrosen, Lunatummalacie bei Zerrung des Handgelenkes, Osteochondritis- dissecans usw. Wenn ein Verletzter die Vornahme eines Röntgenbildes verlangt, so soll inan auf jeden Fall eines machen, auch wenn man überzeugt ist, daß am Knochen nichts los ist; auch soll man dem Verletzten auf Befragen Auskunft über sein Bild geben, ihm dies auch auf Verlangen zeigen, sonst glaubt er bestimmt, daß man ihm etwas verheimlicht und das Zutrauen ist geschädigt. Auch soll man bei positivem Befund dies nicht verheimlichen, in der Regel erfährt der Verletzte doch einmal, daß irgend etwas los ist und nimmt dann an, daß der erstbehandelnde Arzt'dies übersehen und ihn falsch behandelt hat. Von manchen Seiten wird geraten, gewisse Brüche z. B. Querfortsatzbrüche von Lendenwirbeln oder Abriß der Dornfortsätze bei der Schipper kr an kheit den Verletzten nicht mitzuteilen. Dies, weil man annimmt, der Verletzte könne praktisch belanglose Abrisse von einem schweren Wirbelbruch nicht unterscheiden und die Verletzung erheblich überschätzt werden. Ich halte es für zweckmäßiger, man sagt dem Verletzten, es sei „ein kleines Stück" abgerissen, dies sei belanglos und werde keine wesentlichen Folgen hinterlassen. Dasselbe gilt für metallische Fremdkörper. Auch hier ist es besser, zu sagen, es sei ein kleines Metallstückchen drinnen, dieses werde voraussichtlich glatt einheilen und das Entfernen desselben sei wesentlich umständlicher. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man das Röntgenbild dem Verletzten nicht in die Hand geben soll, insbesonders nicht solche Röntgenbilder, auf denen mit Pfeilen irgendwelche Brüche usw. bezeichnet sind. Wir sehen immer wieder, daß Verletzte noch nach vielen Jahren, wenn die Brüche schon längst verheilt sind, mit den Bildern kommen und angeben, Schmerzen an bestimmten Stellen zu haben und zwar an denjenigen, auf welche die Pfeile hinweisen. Röntgenbilder müssen immer in 2 aufeinander senkrechten Ebenen gemacht werden, von vorne nach rückwärts und seitlich. Nur eine Aufnahme, von vorne nach rückwärts genügt beim Schlüsselbein, bei den Rippen und beim Becken, mit Ausnahme der Hüfte. Regeln: 1. 2. 3. 4.
Immer Aufnahme machen, keine Durchleuchtung. Röntgenbilder immer entsprechend groß machen. Immer gleiche Größe verwenden (typische Aufnahmen). Verdächtige Stelle in Bildmitte einstellen.
Das Röntge nverfahren
4?
5. In Zweifelsfällen mache man V e r g l e i c h s a u f n a h m e n der anderen Seite, insbesondere bei Jugendlichen mit noch offenen Epiphysenfugen, die sonst oft mit Brüchen verwechselt werden (Abb. 152, 153). 6. Immer vorderes und seitliches Bild. . 7. Metallbuchstaben R (rechts) oder L (links) auflegen. 8. Ohne gutes Bild und genaue Einstellung niemals ein Urteil abgeben! 9. Z u häufiges Durchleuchten führt zu Röntgenschädigungen der Finger! 10. Röntgenbilder beschriften (s. später) und gut aufheben. Auf Einzelheiten der Technik der Aufnahme und Beurteilung der Röntgenbilder kann hier nicht eingegangen werden. Nur darauf sei auch in diesem kurzen Rahmen hingewiesen, daß bei langen Röhrenknochen Pajrallelverschiebung der Bruchstücke bei guter Achse völlig belanglos ist und ein einwandfreies funktionelles Resultat ergibt (Abb. 28, 29, 125) und falls der Knochen nicht unmittelbar unter der Haut liegt, wie das Schienbein, auch kosmetisch nicht stört. Die Betrachtung und B e s c h r e i b u n g e i n e s R ö n t g e n b i l d e s soll im wesentlichen nach folgendem Schema erfolgen (s. z. B . A b b . 124, 166, 167): 1. Frisch oder alt. 2. Bruchform (Biegungsbruch, Drehbruch, Querbruch, Trümmerbruch). 3. Seite (rechts, links). 4. Knochen (Oberschenkel, beide Untersch'enkelknochen, des Schienbeines usw.). 5. Ort (in der Mitte, an der Grenze mittleres körperfernes Drittel usw.). 6. Eventuell Biegungskeil oder Drehkeil (z. B . mit Ausbruch eines 2 cm langen inneren Biegungskeiles) oder sonstige Knochensplitter. 7. Seitenverschiebung des körperfernen Bruchstückes (Parallelverschiebung des körperfernen Schienbeinbruchstückes u m halbe Schaftbreite, Rindtnbreite usw.). 8. Richtung der Seitenverschiebung (nach innen, außen, vorne, rückwärts). 9. Verkürzung. 10. Achsenknickung mit A n g a b e des Winkels (gemessen wird immer der komplementäre Winkel, d. h. der Winkel, u m den das körperferne Bruchstück aus seiner Richtung abweicht, z. B-. Valgus von 10 Grad, Rekurvation 15 Grad). 1 1 . Kalkgehalt. 12. Eventuell Kallusbildung. 13. Sonst bemerkenswert (in ein Gelenk reichende Bruchflächen, besondere Splitterung, Subluxation usw.). Z u 8 und 10: Seitenverschiebung und Achsenknickung werden immer gleichzeitig von der A u f n a h m e von vorne nach rückwärts und von der
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Seiten aufnähme angegeben (z. B. mit Verschiebung um Schaft breite nach innen und Rindenbreite nach rückwärts, Varus von io° 'und Antecurvation von 20°. B e i s p i e l : Frischer Biegungsbruch beider Unterschenkelknochen rechts an der Grenze mittleres-körperfernes Drittel mit Ausbruch eines 2 cm langen Biegungskeiles an der Innen-Vorderseite des Schienbeines. Das körperferne Bruchstück des Schienbeines ist um halbe Schaftbreite nach innen und um ganze Schaftbreite nach rückwärts verschoben. Verkürzung i 1 / 2 cm, Valgus von 15 Graden, Rekurvation von 10 Graden. Das Wadenbein ist 2 Querfinger höher gebrochen und zeigt dieselben Verschiebungen wie das Schienbein, Verkürzung 1 cm. Röntgenkontrolle: Bei der Behandlung von Knochenbrüchen ist wichtig, daß bei Fällen mit primärer Verschiebung nicht nur nach dem Einrichten und Anlegen des Gipsverbandes, sondern auch späterhin systematisch Röntgenkontrollen gemacht werden, um eine sekundäre Verschiebung, zu der es auch im ungepolsterten Gipsverband nach einwandfreiem Einrichten kommen kann, rechtzeitig zu erkennen und wieder richten zu können. So soll man z. B.> bei einem Speichenbruch an typischer Stelle 8 und 14 Tage nach dem Einrichten und bei Knöchelbrüchen mit primärer Verschiebung alle 14 Tage eine Röntgenkontrolle machen. Näheres bei den einzelnen Brüchen. B e s c h r i f t u n g der R ö n t g e n f i l m e : Protokollnummer, Name Und Alter des Patienten, Zeitpunkt der Aufnahme, Körperseite (R L,) fortlaufende Numerierung.
XI. Betäubung 1. örtliche Betäubung. A n w e n d u n g : Zur operativen Versorgung aller Arten von Wunden 2%ig mit Adrenalin), zum Einrichten von Knochenbrüchen 2% mit Ausnahme der Wirbelbrüche (1/2%)• Wichtig ist, daß man die Nadel nicht mit den Fingern, sondern nur mit einer sterilen Pinzette faßt (Abb. 41). Für eine örtliche Betäubung soll Folgendes hergerichtet werden (Abb. 42): Schälchen für Lösung, 10 ccm Spritze, mehrere Nadeln, 2 Pinzetten, mehrere Tupfer, Jodtinktur, Wattestäbchen.• Auf die Einstichstelle legt man einen trockenen Tupfer, diese Stelle darf nicht mit den Fingern berührt werden. Beim K n o c h e n b r u c h werden am Punkte der größten Druckschmerzhaftigkeit ungefähr 5 ccm der Lösung eingespritzt, dann die Spritze abgesetzt. Fließt die Lösung rötlich gefärbt zurück, dann ist man im Bluterguß und spritzt die restlichen 15 ccm ein, sonst muß ein anderer Punkt gesucht werden. Die Wirkung tritt sofort ein. Be; örtlicher Betäubung der W u n d e n wird von der unverletzten Haut aus eingestochen und die ganze Wunde um- und unterspritzt. Von der Wundfläche aus darf niemals eingestochen werden (Verschleppung von Verunreinigungen in die Tiefe). Die Infiltration er-
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Seiten aufnähme angegeben (z. B. mit Verschiebung um Schaft breite nach innen und Rindenbreite nach rückwärts, Varus von io° 'und Antecurvation von 20°. B e i s p i e l : Frischer Biegungsbruch beider Unterschenkelknochen rechts an der Grenze mittleres-körperfernes Drittel mit Ausbruch eines 2 cm langen Biegungskeiles an der Innen-Vorderseite des Schienbeines. Das körperferne Bruchstück des Schienbeines ist um halbe Schaftbreite nach innen und um ganze Schaftbreite nach rückwärts verschoben. Verkürzung i 1 / 2 cm, Valgus von 15 Graden, Rekurvation von 10 Graden. Das Wadenbein ist 2 Querfinger höher gebrochen und zeigt dieselben Verschiebungen wie das Schienbein, Verkürzung 1 cm. Röntgenkontrolle: Bei der Behandlung von Knochenbrüchen ist wichtig, daß bei Fällen mit primärer Verschiebung nicht nur nach dem Einrichten und Anlegen des Gipsverbandes, sondern auch späterhin systematisch Röntgenkontrollen gemacht werden, um eine sekundäre Verschiebung, zu der es auch im ungepolsterten Gipsverband nach einwandfreiem Einrichten kommen kann, rechtzeitig zu erkennen und wieder richten zu können. So soll man z. B.> bei einem Speichenbruch an typischer Stelle 8 und 14 Tage nach dem Einrichten und bei Knöchelbrüchen mit primärer Verschiebung alle 14 Tage eine Röntgenkontrolle machen. Näheres bei den einzelnen Brüchen. B e s c h r i f t u n g der R ö n t g e n f i l m e : Protokollnummer, Name Und Alter des Patienten, Zeitpunkt der Aufnahme, Körperseite (R L,) fortlaufende Numerierung.
XI. Betäubung 1. örtliche Betäubung. A n w e n d u n g : Zur operativen Versorgung aller Arten von Wunden 2%ig mit Adrenalin), zum Einrichten von Knochenbrüchen 2% mit Ausnahme der Wirbelbrüche (1/2%)• Wichtig ist, daß man die Nadel nicht mit den Fingern, sondern nur mit einer sterilen Pinzette faßt (Abb. 41). Für eine örtliche Betäubung soll Folgendes hergerichtet werden (Abb. 42): Schälchen für Lösung, 10 ccm Spritze, mehrere Nadeln, 2 Pinzetten, mehrere Tupfer, Jodtinktur, Wattestäbchen.• Auf die Einstichstelle legt man einen trockenen Tupfer, diese Stelle darf nicht mit den Fingern berührt werden. Beim K n o c h e n b r u c h werden am Punkte der größten Druckschmerzhaftigkeit ungefähr 5 ccm der Lösung eingespritzt, dann die Spritze abgesetzt. Fließt die Lösung rötlich gefärbt zurück, dann ist man im Bluterguß und spritzt die restlichen 15 ccm ein, sonst muß ein anderer Punkt gesucht werden. Die Wirkung tritt sofort ein. Be; örtlicher Betäubung der W u n d e n wird von der unverletzten Haut aus eingestochen und die ganze Wunde um- und unterspritzt. Von der Wundfläche aus darf niemals eingestochen werden (Verschleppung von Verunreinigungen in die Tiefe). Die Infiltration er-
Betäubung
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A b b . 41. örtliche Betäubung bei Speichenbruch an typischer Stelle. Durch die vorher jodierte H a u t wird bis auf den Knochen eingestochen, die Nadel darf nur mit steriler Pinzette angefaßt werden.
folgt so, daß beim Vorschieben der Nadel die Lösung eingespritzt wird, also die Nadel in immer bereits injiziertes Gebiet eindringt. Zur Leitungsbetäubung eines Fingers (nach O b e r s t ) spritzt man zu beiden Seiten des körpernahen Fingerendes je 5 ccm 2%ige Lösung ein. 2. Plexusbetäubung. Sie dient zur Betäubung des ganzen Armes bei schweren Verletzungen oder bei operativen Eingriffen, bei Spaltungen usw. A m sitzenden oder liegenden Verletzten sucht manxden' Puls , der A . subclavia oberhalb des Schlüsselbeines und macht einen Querfinger außerhalb dieser Stelle mit dem Fingernagel eine Marke. Man sagt dem Verletzten, wenn er einen elektrischen Schlag oder ein Brennen z. B . in den Fingern oder im Ellbogen spüre, solle er nicht
A b b . 42. Tischchen für örtliche Betäubung, steril: 2 Spritzen zu je 10 ccm, 2 kurze und 2 lange Injektionsnadeln, 2 anatomische Pinzetten, Tupfer, Schälchen für Losung und Jodstäbchen, dazu Jodtinktur und die Ampullen mit Novocainlösung. (Nach B ö h l e r . )
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zucken, sondern angeben, wo er die Gefühlsäußerung spüre. D a n n zieht man in eine xo ccm-Spritze die Lösung ( 2 % Novocain mit Adrenalin) auf, setzt die Nadel auf und sticht nach Jodieren an der markierten Stelle schräg von außen oben vorne nach innen unten rückwärts in der Richtung auf die 1. Rippe. Wichtig ist, daß man immer auf der 1. Rippe bleibt, man spürt den Anstoß auf dem Knochen. Dadurch vermeidet man Komplikationen von Seiten der Lunge. Man tastet nun solange auf der 1. Rippe nach vorne und rückwärts, bisder Verletzte angibt, Zucken oder Kribbeln in den Fingern, Harid oder Ellbogen zu spüren. Dann spritzt man insgesamt 25 ccm ein. Die W i r k u n g tritt in einigen bis 20 Minuten auf. Sticht man die Vene oder A . subclavia an, dann fließt sofort B l u t in die Spritze, die man dann herauszieht; irgendwelche Folgen hat es nicht, da die Gefäßwand sich sofort schließt. Manchmal wird der N. phrenicus mitbetäubt, dann kann der Verletzte durch 2 Stunden (Dauer der Wirkung der Betäubung) nicht mit dem betreffenden Zwerchfell atmen. E r empfindet es unangenehm, Störungen verursacht es jedoch nicht. Bei Plexusbetäubung darf keine abschnürende Binde am A r m verwendet werden (Gefahr einer Lähmung). 3. R ü c k e n m a r k b e t ä u b u n g . Die Rückenmarkbetäubung ist zweckmäßig bei Verletzungen oder Eingriffen an den Beinen, eventuell auch bei Laparatomien. W i r lassen 8 ccm Liquor ab und spritzen dafür 8 ccm einer i % i g e n Novocainlösung ohne Adrenalin ein oder man injiziert 2 ccm Tropocain mit 1 Ampulle Coffein. Dauer der Wirkung 2 Stunden, während u n d nach der Operation soll der Verletzte flach liegen, um Kopfschmerzen zu vermeiden. 4. E v i p a n verwendet man für kurze Eingriffe (Dauer 10 bis 20 Minuten), z. B. Spaltung von Zellgewebsentzündungen, Einrichtung von Verrenkungen, bei denen örtliche Betäubung nicht immer wirkt, z. B . Schulterverrenkung u. a. Der Verletzte m u ß immer gefragt werden, ob er kein falsches Gebiß oder sonst etwas im Munde habe, Beschreibimg der Technik liegt der Packung bei. 5. N a r k o s e . Zuerst m u ß der Patient urinieren, dann wird er festgebunden. Immer fragen, ob er kein falsches Gebiß oder sonst etwas im Munde habe! Herz abhorchen! Wir machen die Einleitung immer mit 2 Fläschchen Chloraethyl, das auf 8-fach auf das Gesicht aufgelegte Gaze im Kreise getropft wird. A u g e n immer abdecken. Hört der Patient auf zu zählen, so wird noch 1—-2 Minuten weitergetropft, dann mit Ä t h e r fortgesetzt. Narkoseapparate kommen für die Sprechstunde k a u m in Betracht.
XII. Die Ruhigstellung B ö h l e r hat sich seit vielen Jahren in W o r t und Schrift dafür eingesetzt, daß den Verletzungen die zur Heilung nötige Ruhe gelassen werde. Gegen diesen Grundsatz wird immer noch verstoßen und durch Polypragmasie vielfach Schaden angerichtet. Diese Ruhe gilt für alle
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zucken, sondern angeben, wo er die Gefühlsäußerung spüre. D a n n zieht man in eine xo ccm-Spritze die Lösung ( 2 % Novocain mit Adrenalin) auf, setzt die Nadel auf und sticht nach Jodieren an der markierten Stelle schräg von außen oben vorne nach innen unten rückwärts in der Richtung auf die 1. Rippe. Wichtig ist, daß man immer auf der 1. Rippe bleibt, man spürt den Anstoß auf dem Knochen. Dadurch vermeidet man Komplikationen von Seiten der Lunge. Man tastet nun solange auf der 1. Rippe nach vorne und rückwärts, bisder Verletzte angibt, Zucken oder Kribbeln in den Fingern, Harid oder Ellbogen zu spüren. Dann spritzt man insgesamt 25 ccm ein. Die W i r k u n g tritt in einigen bis 20 Minuten auf. Sticht man die Vene oder A . subclavia an, dann fließt sofort B l u t in die Spritze, die man dann herauszieht; irgendwelche Folgen hat es nicht, da die Gefäßwand sich sofort schließt. Manchmal wird der N. phrenicus mitbetäubt, dann kann der Verletzte durch 2 Stunden (Dauer der Wirkung der Betäubung) nicht mit dem betreffenden Zwerchfell atmen. E r empfindet es unangenehm, Störungen verursacht es jedoch nicht. Bei Plexusbetäubung darf keine abschnürende Binde am A r m verwendet werden (Gefahr einer Lähmung). 3. R ü c k e n m a r k b e t ä u b u n g . Die Rückenmarkbetäubung ist zweckmäßig bei Verletzungen oder Eingriffen an den Beinen, eventuell auch bei Laparatomien. W i r lassen 8 ccm Liquor ab und spritzen dafür 8 ccm einer i % i g e n Novocainlösung ohne Adrenalin ein oder man injiziert 2 ccm Tropocain mit 1 Ampulle Coffein. Dauer der Wirkung 2 Stunden, während u n d nach der Operation soll der Verletzte flach liegen, um Kopfschmerzen zu vermeiden. 4. E v i p a n verwendet man für kurze Eingriffe (Dauer 10 bis 20 Minuten), z. B. Spaltung von Zellgewebsentzündungen, Einrichtung von Verrenkungen, bei denen örtliche Betäubung nicht immer wirkt, z. B . Schulterverrenkung u. a. Der Verletzte m u ß immer gefragt werden, ob er kein falsches Gebiß oder sonst etwas im Munde habe, Beschreibimg der Technik liegt der Packung bei. 5. N a r k o s e . Zuerst m u ß der Patient urinieren, dann wird er festgebunden. Immer fragen, ob er kein falsches Gebiß oder sonst etwas im Munde habe! Herz abhorchen! Wir machen die Einleitung immer mit 2 Fläschchen Chloraethyl, das auf 8-fach auf das Gesicht aufgelegte Gaze im Kreise getropft wird. A u g e n immer abdecken. Hört der Patient auf zu zählen, so wird noch 1—-2 Minuten weitergetropft, dann mit Ä t h e r fortgesetzt. Narkoseapparate kommen für die Sprechstunde k a u m in Betracht.
XII. Die Ruhigstellung B ö h l e r hat sich seit vielen Jahren in W o r t und Schrift dafür eingesetzt, daß den Verletzungen die zur Heilung nötige Ruhe gelassen werde. Gegen diesen Grundsatz wird immer noch verstoßen und durch Polypragmasie vielfach Schaden angerichtet. Diese Ruhe gilt für alle
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Die Ruhigstellung
Arten der Verletzungen, für Wunden und Infektionen sowohl wie auch für Knochenbrüche, Verrenkungen, Prellungen, Blutergüsse usw. Die Form der Ruhigstellung ist für alle Verletzungen im wesentlichen gleich. Ein wichtiger Grundsatz der Ruhigstellung ist, daß sie absolut und „ununterbrochen ist. Darnach hat sich die Technik der Ruhigstellung zu richten. Ferner ist darauf zu achten, daß, während der verletzte Gliedabschnitt ruhiggestellt wird, alle nicht ruhiggestellten Gelenke und der ganze Körper in vollem Umfange bewegt werden sollen ( B ö h l e r ) s. S. 34. So wird z. B. bei dem Speichenbruch an typischer Stelle nach dem Einrichten eine dorsale Gipsschiene angelegt, welche Finger und Ellbogen frei läßt; in den nächsten Tagen beginnt man mit Bewegungsübungen der Finger, des Ellbogens und der Schulter und zwar im vollen Umfange. Dadurch bleiben die Gelenke frei beweglich, infolge der Bewegung und der besseren Durchblutung heilt der Knochenbruch schneller, es kommt nicht oder nur in geringem Ausmaße zum Knochen- und Muskelschwund und dadurch wird auch eine zeitraubende Nachbehandlung erspart. Die sogenannte Nachbehandlung setzt also unmittelbar mit der Behandlung ein, s. S. 57. Entsprechend diesen Auffassungen können auch Verletzte schon w ä h r e n d d e r B e h a n d lung mit ruhigstellenden V e r b ä n d e n ihrer T ä t i g k e i t nachg e h e n . Z . B . braucht ein Aufseher, Beamter usw. mit einem Gehgips oder einem Vorder- oder Oberarmgipsverband seine Beschäftigung überhaupt nicht oder nur für kurze Zeit unterbrechen. Wichtig ist, d a ß d e r b e h a n d e l n d e A r z t d e m V e r l e t z t e n d i e s m i t t e i l t , da der Verletzte selbst häufig glaubt, daß er jetzt feiern müsse. Auch vom finanziellen Standpunkt für den Verletzten und vom Standpunkte des Arbeitseinsatzes ist dies wichtig. In diesen Zusammenhang gehört auch, daß die Armschlinge (Mitella) zwar so lange getragen werden soll, als ein verletzter Arm schmerzhaft ist, daß aber schon während dieser Zelt bei Verletzungen außerhalb der Schulter diese mehrmals täglich in vollem Umfange bewegt wird (voll heben, den Arm hinter den Kopf und auf das Kreuz legen). Auch nach Abnehmen der Schlinge müssen diese Übungen fortgesetzt werden. Auf diesen Punkt kann nicht scharf genug hingewiesen werden. Achtung auf die Schulterbeweglichkeit! Jährlich werden viele Hunderttausende von RM. von Krankenkassen, Berufsgenossenschaften usw. für vorübergehende und leider auch dauernde Versteifungen der Schulter ausgegeben nach Verletzungen, die die Schulter überhaupt nicht betrafen, z. B. Speichenbrüche, Fingerverletzungen usw. Die Schulterversteifung nach Verletzungen außerhalb der Schulter ist in der Regel vermeldbar, wenn man von vornherein bei Leuten über 45 Jahren daran denkt, und die Schulter von vornherein fleißig und im vollen Umfange bewegen läßt! Das gefährliche Alter ist das über 45 Jahren, bei Jugendlichen versteift eine Schulter nicht, es sei denn durch eine schwere Verletzung der Schulter selbst. Mittel z u r Ruhigstellung: Die F i n g e r s c h i e n e ,
der
Gipsver-
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Allgemeiner Teil
A b b . 43 u. 44. Brettlhand nach Fingerverletzung. Die Hand wurde durch mehrere Wochen .auf ein Brett gebunden. Alle Finger in Streckstellung versteift, der Daumen liegt dem Zeigefinger an statt den Fingern gegenüber zu stehen. Schwerste dauernde Behinderung. 21 jähriger Textilarbeiter. (Auswärts behandelt.)
b a n d , zum Hochlagern des Beines die B r a u n s c h e S c h i e n e , des .Armes die D o p p e l r e c h t w i n k e l s c h i e n e (Abspreizschiene). Dazu kommt bei Brüchen am Bein der Z u g v e r b a n d . M i t d i e s e n V e r bänden kommt man für alle V e r l e t z u n g e n restlos aus! Alle Verbände seilen immer in typischer Form angelegt werden (Einheitsverband), schon damit man mehr Augenmerk z. B . dem Einrichten zuwenden kann. Sehr schädlich ist die Fixation von Hand- und Fingerverletzungen auf dem Handbrett, weil die Folge die Versteifung auch nicht verletzter Finger und in schweren Fällen die „ B r e t t l h a n d " (Abb. 43—44) ist — eine flache Hand, bei welcher der Daumen infolge der Lagerung auf das Brett neben dem Zeigefinger steht, statt ihm gegenüber und bei der die Finger in Streckstellung versteift sind. a) Fingerschiene (Abb. 45). Das Material ist ein 3 mm dicker geglühter Eisendraht,- den man sich selbst entsprechend zurechtbiegt. Die Fingerschiene muß gut mit Zellstoff gepolstert werden. Man kann auch Schienen für mehrere Finger machen. Die Fingerschiene wird in der Regel an der Beugeseite und immer in Mittelstellung des Fingers angelegt! Für den Daumen legt man das quere Stück an der Ellenseite des Vorderarmes an. Das körperferne Ende der Fingerschiene kann auch umgebogen werden, um den Finger vor Anstoßen zu schützen] Die Fixation von Fingerverletzungen auf einem Spatel ist un-
Die Ruhigstellung
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A b b . 45. Fingerschienc gepolstert und ungepolstert für einen und mehrere Finger. (Nach B ö h l e r . )
zweckmäßig, weil die übrigen nicht ruhiggestellten Finger nicht gebeugt werden können und versteifen (Abb. 46). Auch ist für den Verletzten Finger selbst die Ruhigstellung in Mittelstellung wesentlich zweckmäßiger. b) Der Gipsverband: Wir verwenden einheitliche Gipsbinden« die wir selbst machen; alle sind 5 m lang und 15 oder 20 cm breit! Die 20 cm breiten werden für Becken- und Wirbelgipse verwendet, für alle anderen Gipsverbände die 15 cm breiten. Die Binden sollen 17 bis 20 fädig sein. Das Gewicht einer 15 cm breiten Binde soll 400 g, der 20 cm breiten 500 g betragen. Der G i f » ^TOU^ni^htzi^ rasch u n ^ ^
rechtgelegt und dann in kaltes Wasser getaucht oder zuerst in Wasser getaucht und dann gewickelt. Sie wird rascher fest und ist leichter als die gewöhnliche Gipsbiiide, sie ist jedoch teurer. 4
Ehalt,.Unfallpraxis.
A b b . 46. Fingerbeweglichkeit bei Finger" schiene und Spatelverband. B e i Finger" schiene (in Mittelstellung) S t r e c k u n g und B e u g u n g der Finger v o l l möglich, beim S p a t e l (in Streckstellung) können die übrigen Finger nicht zur F a u s t geschlossen werden, Folge häufig Fingerversteifung 1
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Allgemeiner Teil
Wir verwenden für alle Arten von Verletzungen den ungepolsterten. Gipsverband. Die beschriebene Technik bezieht sich auf den ungepolsterten Gipsverband. Beim gepolsterten ' Gipsverband kommen unter die Gipsbinden noch entsprechende Lagen von geleimter Watte. Zum Halten von Knochenbrüchen und für Gehverbände e i g n e t s i c h n u r d e r u n g e p o l s t e r t e G i p s v e r b a n d , da sich im gepolsterten die Brüche viel häufiger verbiegen und außerdem der Gipsverband oft infolge Lockerwerdens scheuert. Regeln für den Gipsverband: 1. T r a n s p o r t g i p s i m m e r p o l s t e r n , sonst immer ungepolstert! 2. Gipssch'ienen müssen immer gut feucht sein, so daß sie dem Körperabschnitt g u t a n m o d e l l i e r t , werden können.
A b b . 47. Zurechtlegen einer Gipsschiene; k a n n auch allein ohne Helfer gemacht-werden. (Sammlung B ö h l e r . )
3. N i e r e i n z i r k u l ä r e G i p s v e r b ä n d e .anlegen, außer bei Wirbelbrüchen, sondern immer zuerst eine Gipsschiene (Abb. 47), die meist an der Streckseite angelegt wird, dann zirkuläre Binden zur Befestigung. 4. Die zirkulären B i n d e n d ü r f e n n u r g e r o l l t , n i e g e z o g e n werden. 5. Bei Anlegen eines ungepolsterten Gipsverbandes immer mit der Handfläche anmodellieren, n i e m a l s u m s c h r i e b e n e n D r u c k ausüben (Gefahr eines Hautdruckes!). 6. Bei Ruhigstellung von W u n d e n u n d E n t z ü n d u n g e n G i p s immer sofort der L ä n g e n a c h s p a l t e n ! ,7. Bei allen frischen offenen Knochenbrüchen und Wunden grundsätzlich den Gipsverband vollkommen der ganzen Länge nach spalten! 8. Beim Spalten eines Gipsverbandes muß dieser unbedingt vollkommen, bis auf die Haut gespalten werden, auch das Stehenbleiben eines einzigen Fadens kann zur Gangrän des Gliedes führen! 9. Bei Gipsverbänden nach dem Einrichten frischer Knochenbrüche ist in den ersten 24 Stunden der Blutumlauf genauestens zu überwachen (Farbe, Schwellung, Beweglichkeit, Gefühl von Fingern oder Zehen),
Die Ruhigstellung
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der Verletzte muß innerhalb dieser Zeit in e r r e i c h b a r e r N ä h e des Arztes bleiben. 10. Tritt S t ö r u n g des B l u t u m l a u f e s auf (Blauwerden von Fingern oder Zehen, Gefühl des Ameisenlaufens in denselben, starke Schmerzen), so muß der Gipsverband sofort bis auf die Haut gespalten werden, der R a n d ist a u f z u b i e g e n . Diös genügt in der Regel und ist zweckmäßiger als die Entfernung des Gipsverbandes.
A b b . 48—51.. Dorsale ungepolsterte Gipsschiene beim Speicherlbruch an typischer Stelle nach dem Einrichten. Die Binde durch die^Hohlhand ist so schmal, daß sie nicht über die Hohlhandfalte hinausreicht. Nur dadurch ist es möglich, daß die Finger voll zur Faust geschlossen werden können. Der Daumenballen ist voll ausgeschnitten, Beweglichkeit des Daumens durch den Verband nicht behindert. Handgelenk leicht ulnar flektiert, die Mittelhand wird v a n der Ellen- und Speichenseite her gehalten. Der Ellbogen ist frei, Beschriftung. (Sammlung B ö h l e r . )
11. Bei nicht gespaltenen Gipsverbänden dürfen in den ersten 24 Stunden auf keinen Fall Alkaloide (Mo, Pantopon) gegeben werden. 12. Werden an umschriebener Stelle Schmerzen angegeben, so muß an dieser Stelle ein F e n s t e r in den G i p s v e r b a n d geschnitten werden. ^ 13. Gipsverband i m m e r b e s c h r e i b e n (mit Tintenstift). Dies erleichtert die Behandlung wesentlich. Aufgeschrieben wird: Tag des Unfalles, der Einrichtung, Anlegen des Gipsverbandes, der Gipsabnahme, eventuell Röntgenkontrolle," Name des Behandelnden, bei Knochenbrüchen Zeichnung und zwar Bruchstellung vor dem Einrichten (Abb. 4 8 - 5 1 , 55. 59, 68, 7 2 - 7 4 usw.).
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Technik des ungepolsterten Gipsverbandes. Sie kann hier nur im Groben beschrieben werden, Einzelheiten müssen in B ö h l e r „Technik der Knochenbruchbehandlung"*) oder in S c h n e k „Ungepolsterter Gipsverband"*) nachgelesen werden.-Die G i p s s c h i e n e = Longette wird immer nach Abmessen der Länge am Verletzten (am besten mittels Handspanne) aus der entsprechenden Anzahl der Gipsbinden auf einer Glasplatte zusammengelegt (Abb. 47). Dann wird die Oberfläche der
Abb. 52—54. Schlechter Verband bei Speichenbruch an typischer Stelle bei 51 Jährigem. Alle Fingergi;und- und teilweise die Mittelgelenke sind mit eingegipst, ebenso der Ellbogen. Die Finger können im Gipsverband nicht bewegt, der Arm nicht gebraucht werden. Folge langdauernde oder bleibende Fingerversteifung, insbesonders bei dem Alter des Verletzten. Keine Beschriftung. (Auswärts behandelt.)
Schiene glattgestrichen, diese Seite k o m m t d i r e k t a u f d i e H a u t ! Die H a u t wird n i c h t r a s i e r t , n i c h t e i n f e t t e n ! Dann wird diese Schiene mit der Hand ohne D r u c k flach gestrichen, wobei insbesondere über vorspringenden Knochen (Ellengriffel und Knöchel) jeder Druck z u vermeiden ist. Diese Gipsschiene wird mit einer feuchten Mullbinde festgewickelt, d i e n i e a n g e z o g e n , s o n d e r n n u r g e r o l l t w e r d e n darf. U m s c h l ä g e der B i n d e sind über dem Gips und nicht über der b l o ß e n H a u t zu machen. 1. Dorsale Gipsschiene (Abb. 48—51). Sie wird aus einer Gipsbinde (15 cm mal 5 m) gemacht und dient zur Ruhigstellung für alle Verletzungen im Bereiche der Mittelhand, Handwurzel, unteres Vorderärmende. Die Schiene reicht von der Zwischenfingerfalte bis zum Ellbogengelenk und wird mit einer feuchten Mullbinde angewickelt, die *) Verlag Maudrich-Wien.
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in F o r m von Achtern durch die Hohlhand geht. Zwischen D a u m e n und Zeigefinger wird ein Tupfer eingelegt, damit die Binde hier nicht druckt. Wichtig: aa) Die B i n d e d a r f i n d e r H o h l h a n d n i c h t ü b e r d i e B e u g e f a l t e h i n a u s g e h e n (Abb. 51). sonst können die Grundgelenke der Finger nicht voll gebeugt werden (Abb. 5 2 - 5 4 ) . bb) D e r G i p s m u ß a n d e r S t r e c k s e i t e b i s z u d e n Z w i s c h e n f i n g e r f a l t e n g e h e n . Ist er zu kurz, so entsteht Handrückenschwellung peripher davon, die Gipsschiene drückt. cc) D a s E l l b o g e n g e l e n k m u ß s e l b s t t ä t i g f r e i b e w e g l i c h sem.
Abb. 55 u. 56. Oberarmgipsverband bei Bruch beider Vorderarmknochen. Ellbogen rechtwinkelig, mittlere Drehung; Schulter und Finger unbehindert beweglich. (Sammlung B ö h l e r . )
dd) D a s H a n d g e l e n k i s t g e s t r e c k t , weicht nur b e i m Bruch der Speiche an typischer Stelle nach der Ellenseite zu a b . Modifikation dieser Schiene bei Brüchen des 1. Mittelhandknochens und Bennetschen Brüche s. S. 125, A b b . 195, 196. U m die Schiene w i c k e l t man zweckmäßigerweise eine halbe Gips- oder Cellonabinde, d a r a u f kommt die Beschriftung. Schlechte Gipsverbände s. A b b . 52—54, 172. 2.. Oberarmgipsverband (Abb. 55—56). 3 Gipsbinden (15 cm mal 5 m), für alle Verletzungen des Unterarmes, Ellbogens und unteren bis mittleren Oberarmdrittels. Der Ellbogen ist i m m e r r e c h t w i n k e l i g g e b e u g t , bei Brüchen a m pberen Vorderarmende ist der Vorderarm s u p i n i e r t , bei Brüchen a m unteren Oberarmende p r o n i e r t , s o n s t i m m e r i n m i t t l e r e r D r e h u n g , d. h. der Daumen zeigt gegen den Mund! Technik des Anlegens (Abb. 170 und 57). Der Verletzte liegt, oberhalb des Ellbogengelenkes läuft ein unterpolsterter Gurt, welcher an einem Wandhaken oder einer Türschnalle befestigt ist. Eine Assistenz hält die Finger. Eine dorsale Gipsschiene (aus einer Gipsbinde) wird
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angelegt, die von den Zwischenfingerfalten bis 3 Querfinger oberhalb des Deltoideusansatzes reicht und die Streckseite des Vorderarmes; Ellbogens und Hinterseite des Oberarmes bedeckt. Sie wird z u beiden Seiten des Ellbogengelenkes eingeschnitten, die Enden übereinander gelegt, darüber kommt beiderseits schräg ein Gipsstreifen von 3 cm Breite und 4 cm Länge als Gelenksverstärkung.. Die Gipsschiene wird mit einer feuchten Mullbinde angewickelt. D a n n wird eine volare Gipsschiene (VÜ Binde) v o m Handgelenk bis zum Ellbogen angelegt. Bei Vorderarmbrüchen wird jetzt ein Rundholz von 1 c m Durchmesser und 6 cm Länge an der Streck- und Beugeseite des Vorderarmes vor-
A b b . 57. OberarmgipsverbandTbei Bruch des Vorderarms. Lagerung und Anordnung wie Abb. 170. Ein Querholz hält den Gurt gespreizt. Die dorsale Gipsschiene für Vorderarm und Oberarm angelegt. (Sammlung B ö h l e r . )
sichtig in den Gipsverband eingedrückt, u m den Zwischenknochenraum z u entfalten. Darüber kommt eine zirkuläre Gipsbinde (Rest der halben Binde und 3. Binde), wobei-man den Gurt freiläßt. Dieser wird dann herausgezogen, d a s P o l s t e r b l e i b t und es wird der Rest der 3. Binde darüber gewickelt. Wichtig: Die Binde durch die Hohlhand darf nicht über die Zwischenfingerfalte hinausgehen (Abb. 51), der Gipsverband darf a m oberen E n d e nicht zu kurz sein (Druck auf den N. radialis). 3. Unterschenkelgips = Gehgipsverband (Abb. 58—63). 4 Gipsbinden (15 cm mal 5 m), für alle Verletzungen v o n den Zehen bis z u m K n i e und Unterschenkelbrüche im körperfernen Drittel. T e c h n i k : D e r Verletzte sitzt oder bei Narkose hängt das Bein über das Tischende hinunter. D e r Gipsende sitzt und stellt die Außenseite des Vorfußes des Verletzten auf sein entgegengesetztes K n i e (Abb. 58); dadurch wird die Unterschenkelmuskulatur entspannt, Sprunggelenk und Vorf u ß werden richtig eingestellt. D a s S p r u n g g e l e n k i s t i m r e c h t e n W i n k e l oder in P l a n t a r f l e x i o n v o n e i n i g e n G r a d e n eingestellt. Schlecht ist Fixation in Spitzfußstellung und
Die Ruhigstellung
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H a k e n f u ß s t e l l u n g ! Der Vorfuß steht in Adduktion und Pronation, Fixation in Plattfußstellung (— Abduktion und Supination) muß vermieden werden. Am oberen Ende des Unterschenkels, knapp unterhalb des Knies wird ein Flanellstreifen von 3 cm Breite herum gewickelt, dann wird eine plantare-hintere Schiene von der S p i t z e der Z e h e n b i s z u r H ö h e des W a d e n b e i n k ö p f c h e n s angelegt, zu beiden Seiten der Ferse wird eingeschnitten, die Ränder werden übereinander gelegt, die Schiene mit einer feuchten Mullbinde angewickelt, dann nacheinander drei zirkuläre Gipsbinden so angewickelt, daß zwischen i 31 einzelnen Lagen eine Entfernung von 2 Querfingern ist. Dann ist der Gips überall gleich stark. Mit. dem Anwickeln der zirkulären Binde beginnt man am oberen Ende. Die Zehen bleiben frei, der Gipsverband wird um die Schiene, unter den Zehen herumgewickelt, um diese zu verstärken und zuhalten (Abb. 59—61). Wichtig: aa) K e i n S p i t z f u ß , k e i n H a k e n f u ß , Vorfuß proniert. bb) Oberes Ende des Gipses k n a p p o b e r h a l b d e s Wad e n b e i n k ö p f c h e n s (wenn der Gips zu kurz ist, drückt er auf den N. peroneus und kann zur Lähmung desselben führen). cc) Das untere Ende des Gip- Abb. 58. Typische Anordnung zum Anlegen ses reicht fußrückenseits g e n a u eines Gehgipsverbandes. Der Verletzte stützt b i s z u r B a s i s der Z e h e n , ist sein verletztes Bein auf das entgegengesetzte Knie des Gipsenden. Durch Vor- oder Zuer zu lang, dann können die rückstellen dieses Beines regelt der Gipsende Zehen nicht bewegt werden, ist die Winkelstellung des Sprunggelenkes, soer zu kurz, kommt es zum Oedem wie daß der Oberschenkel des Verletzten am Tisch aufliegt. Die hintere Gipsschiene des Fußrückens, Abb. 62—63. ist angelegt und wird mit Mullbinde festdd) Wird in den Unterschengewickelt. (Sammlung B ö h l e r . ) kelgips ein F e n s t e r geschnitten,,so muß dieses, wenn der Verletzte damit geht, m i t g e n a u e i n g e p a ß t e m Z e l l s t o f f a u s g e f ü l l t w e r d e n , sonst k o m m t es ^um Fensterödem. 4. Verlängerung des Unterschenkelgipses bis Mitte Oberschenkel. 4 Binden (15 cm mal 5 m); für Unterschenkelbrüche bis unterhalb des Knies. Knie gestreckt! E s wird eine hintere Gipsschiene aus einer Binde angelegt, die vom oberen Unterschenkeldrittel bis zur Oberschenkelmitte reicht und am körpernahen Ende etwas breiter ist. Sie wird mit einer feuchten Mullbinde angewickelt, darüber kommt eine zirkuläre
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Abb. 59—61. Ungepolsterter Gipsverband nach dem Einrichten bei Bruch des äußeren Knöchels mit Teilverschiebung des Sprungbeines nach außen. Der Fuß absichtlich in Plantarflexion von 10 bis 15 Grad zwecks besseren Schlusses der Sprunggelenksgabel. Der Gipsverband reicht bis an die Basis der Zehen und .bis zum Wadenbeinköpfchen; er ist entsprechend beschriftet.
Gipsbinde, mit der man vom Unterschenkel über das Knie bis auf den Oberschenkel wickelt. Aus einer Gipsbinde wird eine Gipsschiene von 1 m Länge gemacht und in 3 gleiche Teile geschnitten, davon kommt eine vorne, eine außen und eine innen als Verstärkung über das Knie. Das Ganze wird mit einer zirkulären Binde festgewickelt. Beschriftung!
Abb.62u.63. Charakteristisches Fußrückenoedem bei zu kurzem Gipsverband. Vom Verletzten wurde selbst der Gips am Fußrücken immer weiter nach oben weggenommen.
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Wjgm: • Y H B \-m/FBjELr
f S
•-1 . M
Abq. 64—66. Richtige Stellung des Gehbügels (in die Körperlängsachse). Wichtig ist die achterförmige Fangschlinge um den Gehbügel innen und außen, welche das Rutschen des Gehbügels verhindert. Schlechte Richtung des Gehbügels, Abweichung von der Körperachse nach vorne und rückwärts. (Sammlung B ö h l e r . )
5. Gehbügel (Abb. 64—66). E r besteht aus Bandeisen (50 : 2 : 0,3cm) mit 1 einem Querstück an beiden Enden von 10 : 1 : 0,1 cm. Wichtig beim Anlegen ist: da) U n t e r e s E n d e r u n d , nicht rechtwinkelig gebogen, damit der Verletzte aüf jedemPunkt auftreten kann (Gehen auf unebenem Boden). bb) H ö h e ungefähr 3 Q u e r f i n g e r , bei Frauen mit hohen Absätzen etwas höher. cc) A n l e g e n g e n a u i n d e r A c h s e d e s U n t e r s c h e n k e l s , sonst kippt der F u ß nach vorne und rückwärts u m (Abb. 65—66). dd) G e h b ü g e l i m m e r u m w i c k e l n , sonst rutscht der Verletzte auf glattem Boden. ee) Der Gehbügel wird mit einer Gipsbinde festgewickelt (15 cm mal 5 m), wichtig ist die F a n g s c h l i n g e a u f j e d e r S e i t e {Abb. 64). Der Gehbügel kann eine halbe Stunde nach Fertigwerden des Unterschenkelgipses angelegt werden. Eine Stunde später kann der Verletzte
Abb. 67. Gehwippe aus Holz. Durch die Einkerbung in der Mitte wird die Gipsbinde einige Male nach vorne und rückwärts durchgelegt. (Modifiziert nach T h o m s e n . )
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auftreten! Bis zum Trocknen des Gipses dauert es gewöhnlich 24 Stunden. In letzter Zeit, durch Eisenknappheit bedingt, verwenden wir einen Holzschutz unter der Fußsohle (Abb. 67), der.ebenfalls mit einer Gipsbinde festgewickelt wird. Er entspricht im wesentlichen der von T h o m sen angegebenen F u ß w i p p e . Ein Nachteil gegenüber dem Gehbügel ist, daß der Verletzte etwas plumper geht, ein Vorteil, daß bei Röntgenkontrollen kein störendes Eisen da ist. 6. Gipshülse (Abb. 68—69). 6 Gipsbinden 15 cm mal 5 m, für alle Verletzungen im Bereiche des Knies, unterhalb und oberhalb desselben. Bei schweren Infektionen des Kniegelenkes genügt die Hülse nicht, es muß ein Beckengipsverband angelegt werden. Bei Seitenband- und Kreuzbandrissen erfolgt die Ruhigstellung des Kniegelenkes in einer Stellung von 165 — 170 G r a d , s o n s t i m m e r i n S t r e c k s t e l l u n g . Überstreckung des Knies ist auf jeden Fall zu vermeiden! Wird die Gipshülse zum Gehen verwendet, was gewöhnlich der Fall ist, dann legt man vorher einen Zinkleimverband an, der von den Zehen bis Grenze mittleres unteres Unterschenkeldrittel reicht (Technik siehe Seite 69). Ferner gibt man einen Hosenträger, der über die Schulter der anderen Seite geht und durch Verteilung des Gewichtes vermeidet, daß der Gipsverband durch Sinken am Knie oder an den Knöcheln drückt. L a g e r u n g zum Anlegen der Gipshülse: Der Patient liegt mit dem Becken auf einem Tischende, der Fuß auf einem Tischchen o. ä. Am
Abb. 68 U. 69. Zinkleim-Gipshülse. (Für
oberen (knapp unter Leistengegend) und unteren (2 Querfinger oberhalb des Sprunggelenkes) Ende wird eine zirkuläre Flanellbinde angelegt. Dann kommt eine Gipsschiene (1 Binde) an die Hinterseite des Beines, welche am oberen Ende breiter gelegt wird. Sie wird mit einer feuchten Mullbinde angewickelt, darüber werden 2 Gipsbinden gewickelt, beginnend am körperfernen Ende. Eine Gipsschiene (aus einer Binde) von 1 m Länge wird in 3 gleiche Teile geschnitten, die zur Verstärkung des Kniegelenkes vorne und zu beiden Seiten angelegt werden. Über das Ganze werden 2 zirkuläre Gipsbinden vom Knöchel bis zur Hüfte gewickelt. Beschriftung!
Bruch der Kniescheibe, x Woche nach Opera-
B e c k e n g i p s (Abb. 7 0 - 7 l ) .
tion angelegt.) Unter dem unteren Rande des Gipsendes Flanellstreifen (schwarz gezeichnet). {Sammlung B ö h l e r . )
„ ' . j / • , 1 8 Gipsbinden (9 j e 20 c m m a l 5 m u n d 9 je 15 c m mal 5 m) für
Die Ruhigstellung
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Verletzungen im Bereiche von Hüfte und Oberschenkel, schwere Kniegelenksinfektionen usw. Die Lagerung erfolgt entweder auf einem Zugtisch oder so, daß das Becken auf einer Stütze und jeder Fuß auf einem Tischchen liegt. Hüfte und Knie sind gestreckt, das Sprunggelenk rechtwinkelig und das Bein in mittlerer Drehung eingestellt — Fuß senkrecht nach oben. Der Grad der Abduktion der Hüfte richtet sich nach dem Zwecke .des Gipsverbandes. P o l s t e r u n g : Kreuzpolster (20 mal 15 mal lern durchgenäht), Polster (12 mal 10 mal 1/2 cm) auf
A b b . 70 u. 7 1 . B e c k e n g i p s v e r b a n d bei Oberschenkelbruch (vorher 2 Monate Zugverband), g u t anmodelliert oberhalb des D a r m b e i n k a m m e s und zwischen D a r m b e i n k a m m und großem Rollhöcker. Gips geht bis k n a p p neben die A n a l f a l t e .
den ,vorderen oberen Darmbeinstachel jeder Seite, eine mit Zellstoff gefüllte Rolle in der Leistengegend und über den Sitzbeinhöcker, fixiert auf die Schulter (diese Fixierung yvird später weggeschnitten). aa) B e c k e n t e i l : Aus 9 Gipsbinden (20 cm mal 5 m): 3 Gipsbinden werden in Form einer Spica angewickelt, dann' kommen 3 Verstärkungen : eine Gipsschiene (1 m lang) vom Darmbeinstachel der gesunden Seite über den Bäuch zur Hüfte der verletzten Seite und zirkulär um diese. Eine Gipsschiene (1 m lang) vom Darmbeinstachel der gesunden Seite über den Rücken zur Hüfte der verletzten Seite und zirkulär um diese, eine Gipsschiene (1 mlang) wird in 3 gleiche Teile geschnitten/und zur Verstärkung der Hüfte vorne, außen und schräg rückwärts aufgelegt. Dann kommen wieder 3 Gipsbinden in Form einer Spica um die Hüfte. Dieser Teil wird gut am Darmbeinkamm und zwischen Darmbeinkamm und großem Rollhöcker anmodelliert. bb) B e i n t e i l : Entspricht einer Gipshülse (aus 6 Binden, 15 cm mal 5 m) und reicht bis knapp oberhalb des Sprunggelenkes.
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cc) F u ß t e i l : 3 Binden (15 cm mal 5 m): eine hintere Gipsschiene (V 2 m lang) beginnt a m Unterschenkel Grenze mittleres unteres Drittel, reicht bis zu den Zehenspitzen, wird zu beiden Seiten der Fersen eingeschnitten, mit feuchter Mullbinde festgewickelt, darüber kommen 2 Binden zirkulär wie beim Gehgips. 8. Gipsmieder (Abb. 72 bis 75). 12 bis 15 Gipsbinden (20 cm mal 5 m). E s wird angelegt bei Wirbelbrüchen n a c h d e m E i n r i c h t e n im ventralen oder dorsalen Durchhang, ferner als Gipsbett bei Skoliosen und tuberkulösem Gibbus. Über die Dornfortsätze kommt ein 8-fach zusammengelegtes Stück Gaze 10 cm lang, 4 c m breit, über die vorderen oberen Darmbeinstachel je ein Polster von 12 mal 10 mal 1 / 2 cm. Dann wird ein T r i k o t von den Leisten bis zur Schulter angelegt, darüber kommt der Gipsverband. Die H a l t e p u n k t e für das Mied e r sind: Symphyse, oberes E n d e des Brustbeines und rückw ä r t s an der Stelle des a u f g e richteten Gibbus (Abb. 75).
A b b . 7 2 — 7 5 . Gipsmieder nach A u f r i c h t u n g eines Kompressionsbruches des i . Lendenwirbels. Die 3 Haltepunkte sind: i . Oberes Ende des Brustbeines, Symphyse, über der stärksten Lordose in der Lendengegend. Fenster zwi-, sehen Nabel und Schwertfortsatz sowie an der Brust-Lendengrenze über den Dornfortsätzen im Ausmaße von 3 : 10 cm. Achselhöhle und Hüftbeugen müssen, soweit ausgeschnitten werden, daß A r m und Bein unbehindert beweglich sind. (Nach B ö h l e r . )
T e c h n i k des Gipsens: 4 Gipsbinden werden zirkulär angewickelt, wobei wichtig ist, d a ß die Binden gut bis an das E n d e von Sternum und S y m physe reichen. Je eine Gipsschiene von 1 m L ä n g e kommt zirkulär a m oberen und unteren E n d e des Gipses als Verstärkung. Eine Gipsschiene aus einer Binde 1 m lang wird halbiert, je eine Hälfte kommt als seitliche Stütze. Die restlichen Binden werden wieder zirkulär herumgewickelt. A u s s c h n e i d e n : Bogenförmig durch die Achselhöhlen und Hüftbeugen, ein Loch zwischen Nabel und Schwertfortsatz, ein F e n -
Die Ruhigstellung
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s t e r 10 cm lang, 3 cm breit über den Dornfortsätzen Grenze Brust —Lendenwirbelsäule; Beschriftung. 9. Kopf-Rumpf-Gips: 7 bis 9 Binden je 15 cm mal 5 m, für Brüche und Verrenkungen im Bereiche der Hals- und obersten Brustwirbelsäule. L a g e r u n g : Der Verletzte liegt mit dem Rücken auf einer Latte, welche bis zum Hinterhaupthöcker reicht, so daß Oberkörper und Latte über den Tischrand hinausragen. Der Kopf wird von einem Assistenten mit den Händen gehalten. Polsterung: Filzstreifen schräg beiderseits über Achsel und Schlüsseibeiii bis zum Brustbein und unter das Kinn. V o r h e r K o p f h a a r e s c h n e i d e n ! Der Gips faßt Kopf undStirne mit und endet amRippenbogen. G i p s e n : 3 Gipsbinden kommen in Achterfqrm vomRücken über denHals zirkulär um die Stirne. Eine Gipsschiene je 1/ m lang aus einer Binde wird von der Brust 2 schräg über den Nacken auf das Hinterhaupt der anderen Seite gelegt und zwar beiderseits. Eine Gipsschiene 60 cm lang aus einer Binde kommt als Verstärkung vom Scheitel- bis zum unteren Gipsende in der Mitte rückwärts. Ausgeschnitten wird ein Fenster über dem Kehlkopf sowie die Schulterhöhen so Abb. 76. Gipshülse aus Cellona weit, daß beide Arme vollständig bei Strecksehnenriß. Das Fingerg e h o b e n w e r d e n k ö n n e n ! (Häufig endgelenk überstreckt, das Mittelgelenk in Mittelstellung. wird hier zu w e n i g a u s g e s c h n i t t e n , die Folge sind Schulterkontrakturen!) Beide Ohren werden frei gemacht. Beschriftung. 10. Strecksehnenriß (Abb. 76). Eine entsprechend zurechtgeschnittene Cellonaschiene wird um den verletzten Finger gelegt, dieser wird bei Überstreckung des Endgelenkes unter einem Winkel von 60 Graden auf eine Tischplatte aufgestützt, bis der Gips hart wird. Das leicht gebeugte Mittelgelenk ist noch mitgegipst. Die für diese Verletzung beschriebenen o r t h o p ä d i s c h e n A p p a r a t e sind n i c h t z w e c k m ä ß i g , weil sie abgenommen werden (keine ununterbrochene Ruhigstellung!). 11. Hals-(Schanz-) Krawatte. Sie wird verwendet bei Zerrungen der Halswirbelsäule, Abriß von Dornfortsätzen im Bereiche der Halswirbelsäule, Schipperkrankheit (s. S. 85). Zellstoff oder genähte Wattepolster werden um den Hals gewickelt und mit Binden befestigt, darüber kommt eine Blaubinde oder Gipsbinde. Wichtig ist, daß die Krawatte an den Schultern, Kinn und Warzenfortsätzen des Schädels gut abstützt. Beschriftung! Zum Abnehmen des Gipsverbandes verwendet man am besten die G i p s s c h e r e nach S t i l l e (doppelt übersetzt), zum Aufbiegen des Randes den G i p s ö f f n e r (Löwenmaul).
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Allgemeiner Teil
c) Zinkleimverband (für den Unterschenkel). V e r w e n d u n g : Prellung und Zerrung des Sprunggelenkes, immer nach Gipsabnahme am Unterschenkel zur Verhütung von Schwellungen, für Unterschenkelgeschwüre, Krampfadern, Thrombose, Thrombophlebitis, statische Beinbeschwerden, Arthrosen des Kniegelenkes, ebenso beim sogenannten „Knieschmerz der älteren Frau" u. a. m. Verwendet wirdi entweder fertiger Zinkleim oder er wird selbst gemacht: Zinkoxyd (rein, weiß) xoo Teile, Gelatine 200 Teile, Wasser 300 Teile, reines Glyzerin 400 Teile. H e r s t e l l u n g : Zinkoxyd 100 Teile und Wasser 100 Teile werden vermischt, dann Glyzerin 400 Teile dazugegeben, 200 Teile Gelatine und 200 Teile Wasser werden zum Quellen gebracht, dann im Wasserbad verflüssigt. Dann wird alles zusammengeschüttet, umgerührt und ausgekühlt. Die Masse wird in Teile zerschnitten und aufgehoben. Im Bedarfsfalle werden die Zinkleimwürfel im Wasserbad verflüssigt. Der gestrichene Zinkleimverband ist bis jetzt dem f e r t i g e n Z i n k l e i m v e r b a n d überlegen. Der Zinkleim verband reicht von der Basis der Zehen bis zum Schienbeinknorren. Anlegen des Zinkleimverbandes: Der Fuß wird während des Anstreichens in Dorsalflexion gehalten, um Faltenbildung über dem Sprunggelenk zu vermeiden. Mit einem breiten Pinsel wird zuerst die Ferse angestrichen, darüber kommt doppelt gelegte Gaze 10: 6 cm als Verstärkung, Anstreichen des Fußes, Bindenführung (10 cm, weitmaschig) folgendermaßen: Außenrand des Fußes — Fußrücken — Fußsohle (2 mal) = Pronation des Fußes, dann unter dem äußeren Knöchel über die Achillessehne auf den inneren Knöchel — Vorderseite des Sprunggelenkes über die Ferse von außen nach innen = im Sinne der Supination — Vorderseite des Sprunggelenkes — zirkulär oberhalb des Sprunggelenkes herum. Zinkleimanstrich, dann noch einmal Fersenverstärkung, darüber noch einmal die Bindenführung wie oben, darüber wieder Zinkleimanstrich. So kommt der F u ß in P r o n a t i o n und die F e r s e in S u p i n a t i o n = Verstärkung der normalen Fußhaltung, W i r k u n g g e g e n den P l a t t f u ß . Dann wird der Unterschenkel bis zum Knie mit Zinkleim angestrichen und mit einer 15 cm breiten Binde umwickelt, dann noch einmal Anstrich, noch einmal Bindenführung und noch einmal Anstrich. Nach Fertigmachen Bestreichen mit 4 % Formalinspiritus, darüber einpudern, trocknen, eventuell mit Föh n. Wichtig ist, d a ß die B i n d e n n i c h t u m g e s c h l a g e n w e r d e n , s o n d e r n i m m e r a b g e s c h n i t t e n w e r d e n m ü s s e n . Der Zinkleimverband hält 2—4 Wochen; gegen Schwitzen Einpudern und Anstreichen mit 4 % Formalinspiritus. Wichtig: aa) Anlegen auf möglichst abgeschwollenem Bein (vorher eine halbe bis eine Stunde hochlagern). bb) Es dürfen k e i n e U m s c h l ä g e mit der Binde gemacht werden, sollte dies notwendig sein, dann Binde abschneiden und neu ansetzen, cc) S p r u n g g e l e n k m ö g l i c h s t d o r s a l f l e k t i e r e n .
Die Ruhigstellung
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A b b . 77 u. 78. Kombinationsquengel für Fingerversteifungen. A b b . 77. S t r e c k v o r richtung, 78. B e u g e v o r r i c h t u n g : 1. Dorsale Gipsschiene. 2. L o c h in der Gipsschiene z u m D u r c h f ü h r e n der IJinde. 3. Polster über den Fingergrundgelenken. 4. Gebogene Cramerschiene, an deren freiem E n d e (6) die Schlaufen zum Fingerstrecken (5) befestigt werden. 7. Volare Gipsschiene. 8. K a l i k o t b i n d e für die Fingerbeugung. 9. Befestigungsstelle derselben an der Cramerschiene. 10. R i n g zum Durchgleiten der Beugeschiene. I i . Zugrichtung der Schlinge zum B e u g e n der Finger.
dd) Die Binde d a r f n u r g e w i c k e l t , n i c h t a n g e z o g e n werden, ee) Der Zinkleim beginnt a n d e r B a s i s d e r Z e h e n ; ist der Verband hier zu kurz, dann entsteht Fußrücken ödem,' der Zinkleimrand schneidet ein. ' ff) D a s o b e r e E n d e isi^ in der Kniekehle, in der Höhe der Spitze des Wadenbeinköpfchens; ist der Verband zu kurz, dann drückt er auf den N. peroneus. d) Einlagen. Verwendung s."S. 69. Die fertigen käuflichen Einlagen sind nur für leichte Senkfüße geeignet, für stärkere Senkfüße und für Nachbehandlung von Knochenbrüchen sollen/Modelleinlagen Verwendung finden, beim Fersenbeinbruch oder sehr starken Plattfüßen Schachteleinlagen, welche die ganze Ferse umfassen und in Adduktion halten. Macht man selbst das Modell, so ist z u achten, daß die Ferse in Supination, der V o r f u ß in Pronation und Adduktion kommt. A m dauerhaftesten sind die Metalleinlagen; für Leute, die sie nicht vertragen, verwendet man Holz- oder Lettermanneinlagen.
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Allgemeiner' Teil
e) Quengelverbände (Abb. 77—80). Für die Finger: 1. S t r e c k q u e n g e l (Abb. 77, 79): Auf den Handrücken kommt ein Filzpolster, das bis zu den Mittelgelenken der Finger geht, darüber eine dorsale Gipsschiene v o m Mittelgelenk der Finger bis zum Ellbogen in Streckstellung der Fingergrundgelenke. Eine aufgebogene - Cramerschiene wird auf die Gipsschiene mit einer zirkulären Gipsbinde fixiert. U m den Finger kommt eine Schlinge, welche mit einem Faden an die Cramerschiene befestigt und langsam aufgequengelt wird. Die Zugrichtung der Schlinge soll immer senkrecht zum Finger laufen.
Abb. 79 u. 80. Kombinationsquengel. Abb. 79. Die Schlaufen zum Fingerstrecken sind eingehängt. Die Finger werden mit der Schlinge (8) gebeugt, diese zieht durch die Achselhöhle zur gesunden Schulter. Wird der Ellbogen gestreckt, so werden die Finger passiv gebeugt.
2. B e u g e q u e n g e l (Abb. 78, 80): Über die dorsale Gipsschiene kommt eine breite Kalikotbinde, welche durch eine Drahtschlinge an der Beugeseite des Handgelenkes durchläuft und über Ellbogen und R ü c k e n zur Schulter der gesunden Seite geht. M e c h a n i s m u s : W i r d der Ellbogen gestreckt, dann werden die Finger passiv gebeugt. Man k a n n Streck- und Beugequengel kombinieren = K o m b i n a t i o n s q u e n g e l (Abb. 77—80), der auch fertig käuflich ist (nach K r ö m e r ) . W i r d für den Daumen ein Quengel angelegt, so ist darauf zu sehen, daß der D a u m e n in Oppositionsstellung'zur Hand kommt. Für Ellbogen .und Knie: Gipshülse für Oberarm bzw. Oberschenkel und Vorderarm bzw. Unterschenkel. Beide Gipshülsen werden mit einem Scharniergelenk' verbunden, zum Beugen wird ein Drahtring in jede der beiden Hülsen eingegipst und beide mit einer Schnur verbunden, die dann zugequengelt wird. Z u m Strecken wird ein Eisenstab schräg auf die Streckseite der körpernahen Hülse aufgegipst, von dieser zieht eine Schnur z u m körperfernen Gips, die Schnur wird langsam zugequengelt.
Die Ruhigstellung
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A b b . 8 i u . 8 2 . Doppelrechtwinkelschiene nach P a c h e r . A u s 2 Cramerschienen 10 cm breit und 1 m bzw. 40 cm lang und 2 Bandeisen 2 0 : I m m , 60 cm lang. I m Bereiche der Achselhöhle ist die Schiene nach vorne geknickt, so daß der A r m 30 G r a d vor der Frontalen sitzt (Mittelstellung). A b b . 82. Gepolsterte Schiene.
A n z e i g e n : Versteifungen (Kontrakturen s. S. 70). W i c h t i g : Quengeln langsam, so daß weder Schmerzen noch Gelenksschwellung auftritt. f) Doppelrechtwinkelschiene (Abb. 81—84): A n w e n d u n g : Für manche Formen von Oberarmbrüchen, zur Lagerung bei Bewegungsbeschränkung der Schulter (frisch und alt), nach Schulterverrenkungen usw. E s gibt fertige Modelle, sonst kann die Schiene selbst angefertigt werden (nach P a c h e r , Abb. 81—82). Man benötigt dazu 2 Cramerschienen 1 0 c m breit und i m , bzw. 35—40cm lang (für den Vorderarm), ferner 2 Bandeisen von 2 0 : 1 mm und 60 cm lang. A n l e g e n : Die Schiene muß 30 Grad vor der Frontalebene sitzen und gut in die Achselhöhle reichen. P o l s t e r u n g und A n l e g e n (Abb. 83—84): Ein ge-
A b b . 8 3 u . 8 4 . Lagerung des Armes auf Doppelrechtwinkelschiene nach P a c h e r (5 T a g e nach Schulterverrenkung bei 50 Jähriger). Der A r m bleibt T a g s über zu B e w e g u n g s übungen frei, nachts wird er angebunden. Polster zwischen Darmbeinstachel und Schiene. 5 Ehalt, Uniallpraxis.
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Allgemeiner Teil
Abb. 85 u. 86. Schlüsselbeinbruch eingerichtet und ruhiggestellt mit der Schlüsselbeinschiene nach B ö h l e r . Ein unterpolsterter Gurt hält das innere Bruchstück nieder. Der Arm der verletzten Seite ruht auf einem Querholz. Die Polster sind an die Gurte angenäht.
nähtes Polster 1 m lang, 20 cm breit kommt über die gesunde Schulter, um den Brustkorb geleimte Watte; von 2 je 2 m langen Gipsschienen (aus je 2 Gipsbinden von 15 cm mal 5 m) wird eine achterförmig um den Seitenteil der Doppelrechtwinkelschiene und um den Brustkorb geschlungen, die zweite faßt achterförmig den unteren Teil der Doppelrechtwinkelschiene (a) und überdeckt sich über der gesunden Schulter, dann werden noch 2 Gipsbinden (5 m mal 15 cm) zirkulär Um Schiene und gesunde Schulter gewickelt. Das Schulterpolster muß mit dem Rande des Gipsverbandes vernäht werden, damit es nicht rutscht. D i e r i c h t i g e A n l e g u n g der D o p p e l w i n k e l s c h i e n e ist t e c h n i s c h s c h w i e r i g und erfordert Zeit! g) Schlüsselbeinschiene (nach B ö h l e r Abb. 85—86): ist ein fertiges Modell, welches nach dem Einrichten des Bruches angelegt wird. W i c h t i g : Gute Polsterung, unter die Querteile und Riemen müssen genähte Wattepolster kommen, welche dann angenäht werden. Ein senkrecht verlaufender Gurt hält das innere Bruchstück nieder. Die Hand stützt sich auf ein an der Schiene angebrachtes Querholz (kann später weggenommen werden). h) Für die Sprechstunde nicht in Betracht kommen die Streckverbände mit Nagel- oder Drahtzug bei Unterschenkelbrüchen (durch das Fersenbein) und bei Oberschenkelbrüchen durch den Schienbeinknorren oder supracondylär, durch das Olecranon bei Oberarmbrüchen (relativ selten notwendig). Heftpflasterstreckverbände verwenden wir nur am Oberarm, Beinbrüche lassen sich damit nichthalten, auch bei Kindern sind sie wegen Gefahr der Hautschädigung nicht zu empfehlen. i) Zur Hochlagerung des Beines nach Verletzungen oder bei Entzündungen eignet sich >m besten die Braunsche Schiene, welche entsprechend gewickelt werden muß, damit die Wade gut liegt. Wichtig ist, daß unter die Bettmatratze Bretter kommen, sonst wackelt die Schiene.
Nachbehandlung
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XIII. Verbände Bezüglich der Verbände sei hier nur auf einige praktisch wichtige Einzelheiten hingewiesen. Erwähnt seien die S c h n e l l v e r b ä n d e und, daß der s i c h e r s t e V e r b a n d , folgendermaßen anzulegen ist: Bestreichung der Umgebung der Wunde mit Mastisol, Verband, Befestigung mit Heftpflaster, darüber Festwickeln mit Mullbinde. K o p f v e r . b ä n d e sollen die Ohren entweder ganz freilassen oder vollkommen bedecken, da bei teilweisem Bedecken der Bindenrand das Ohr schneidet und schmerzt. Rückwärts muß der Verband gut unter die Hinterhauptschuppe fassen und vorne bis zum Augenbrauenbogen gehen, sonst rutscht er. Zum D e s a u l t s c h e n Verband (Abb. 87), z. B. zur Ruhigstellung bei einem infratuberculären Oberarmbruch der alten Leute, verwenden wir 3 Kalicotbinden, 20 cm breit, während wir sonst zum Verbinden immer Mullbinden nehmen. In die Achselhöhle muß ein gut gepudertes Zellstoffpolster kommen, ebenso muß über den Oberarm, Ellbogen und Vorderarm Zellstoff gelegt werden, sonst kommt es zu Druckstellen. Das Abb. 87. Desaultscher Verband. Zur Bindenführung Merkwort Asche — Kennwort für das Anwickeln der Binde Achsel, Schulter, Ellbogen, zum ist — Asche — Achsel, Schulter, Ellbo- Schluß eine Schlinge von der Hand gen. Über den fertigen Verband geben zum Nacken. Vorher Plosterung mit wir, damit er nicht rutscht, eine Blau- Zellstoff oder Watte. Zum Schlüsse zirkulärer Gipsverband. binde oder eine Gipsbinde. Beschriftung. Beim Verbinden von H a n d und F i n g e r n soll die Binde bis zur Zwischenfingerfalte gehen und nicht weiter proximal enden, sonst kommt es zur Handrückenschwellung. Fingerschiene s. S. 49, Abb. 45, 46.
XIV. Nachbehandlung G r u n d s a t z : Die Nachbehandlung darf nicht schaden und keine Schmerzen verursachen! Die neuzeitliche Nachbehandlung setzt bei den meisten Verletzungen gleichzeitig mit der Behandlung ein und ist in erster Linie prophylaktisch (Vermeidung von Versteifungen, Muskel- und Kalkschwund) = Funktionelle Bewegungsbehandlung nach B ö h l e r s. S. 34. Beis p i e l : Bei einem Speichenbruch an typischer Stelle wird sofort nach dem Einrichten und Anlegen des ruhigstellenden Gipsverbandes mit Bewegungsübungen und möglichst normalem Gebrauche aller nicht 5»
Nachbehandlung
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XIII. Verbände Bezüglich der Verbände sei hier nur auf einige praktisch wichtige Einzelheiten hingewiesen. Erwähnt seien die S c h n e l l v e r b ä n d e und, daß der s i c h e r s t e V e r b a n d , folgendermaßen anzulegen ist: Bestreichung der Umgebung der Wunde mit Mastisol, Verband, Befestigung mit Heftpflaster, darüber Festwickeln mit Mullbinde. K o p f v e r . b ä n d e sollen die Ohren entweder ganz freilassen oder vollkommen bedecken, da bei teilweisem Bedecken der Bindenrand das Ohr schneidet und schmerzt. Rückwärts muß der Verband gut unter die Hinterhauptschuppe fassen und vorne bis zum Augenbrauenbogen gehen, sonst rutscht er. Zum D e s a u l t s c h e n Verband (Abb. 87), z. B. zur Ruhigstellung bei einem infratuberculären Oberarmbruch der alten Leute, verwenden wir 3 Kalicotbinden, 20 cm breit, während wir sonst zum Verbinden immer Mullbinden nehmen. In die Achselhöhle muß ein gut gepudertes Zellstoffpolster kommen, ebenso muß über den Oberarm, Ellbogen und Vorderarm Zellstoff gelegt werden, sonst kommt es zu Druckstellen. Das Abb. 87. Desaultscher Verband. Zur Bindenführung Merkwort Asche — Kennwort für das Anwickeln der Binde Achsel, Schulter, Ellbogen, zum ist — Asche — Achsel, Schulter, Ellbo- Schluß eine Schlinge von der Hand gen. Über den fertigen Verband geben zum Nacken. Vorher Plosterung mit wir, damit er nicht rutscht, eine Blau- Zellstoff oder Watte. Zum Schlüsse zirkulärer Gipsverband. binde oder eine Gipsbinde. Beschriftung. Beim Verbinden von H a n d und F i n g e r n soll die Binde bis zur Zwischenfingerfalte gehen und nicht weiter proximal enden, sonst kommt es zur Handrückenschwellung. Fingerschiene s. S. 49, Abb. 45, 46.
XIV. Nachbehandlung G r u n d s a t z : Die Nachbehandlung darf nicht schaden und keine Schmerzen verursachen! Die neuzeitliche Nachbehandlung setzt bei den meisten Verletzungen gleichzeitig mit der Behandlung ein und ist in erster Linie prophylaktisch (Vermeidung von Versteifungen, Muskel- und Kalkschwund) = Funktionelle Bewegungsbehandlung nach B ö h l e r s. S. 34. Beis p i e l : Bei einem Speichenbruch an typischer Stelle wird sofort nach dem Einrichten und Anlegen des ruhigstellenden Gipsverbandes mit Bewegungsübungen und möglichst normalem Gebrauche aller nicht 5»
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Allgemeiner
Teil
ruhig gestellten Gelenke begonnen. So braucht z. B . ein entsprechend Beschäftigter mit einem Knöchelbruch oder Speichenbruch seine Arbeit überhaupt nicht zu unterbrechen. In vielen Fällen wird durch richtige gleich einsetzende Nachbehandlung eine weitere Behandlung nach Abnahme des. Gipsverbandes überflüssig. Wir unterscheiden schädliche und unterstützende Nachbehandlungsmittel. Schädlich sind: Zandern und Pendelapparate, gewaltsame Bewegungsübungen, Mobilisierungsversuche, Massage bei frischen und vielÜben am selbstgemachten
Rollertzug!
So stehteine einfache Rotte aus!
f
Aus einem allen Gepädi/räger macht mm den Handgriff/
A b b . 8 8 . Ü b e n a m Rollenzug. ( S a m m l u n g
Böhler.)
fach bei alten Verletzungen. Schädlich ist alles, was Schmerzen verursacht! Besonders empfindlich sind in dieser Hinsicht Ellbogen und Kniegelenk. Nach Ellbogenverrenkungen und -Verletzungen kommt es z. B . zur gefürchteten Myositis ossificans nur nach Massage und passiven Bewegungsübungen; sie bleibt restlos aus, wenn man ruhigstellt und nachher nur selbsttätige Bewegungsübungen machen läßt ( B ö h l e r ) . Ebenso saugt, sich jeder Bluterguß von selbst auf, wenn man ihn nicht anrührt! Zu den unterstützenden Maßnahmen gehören: Selbsttätige Bewegungsübungen, Widerstandsübungen, Gymnastik, Umschläge, Bäder, Packungen und die ganzen Bestrahlungsmittel: Heißluft, Diathermie, Kurzwellen, Blau- und Rotlicht, Höhensonne, Röntgen usw. „ i, Als zeitfüllende Mittel bezeichnet B ö h l e r diese unterstützenden Maßnahmen dann, wenn man sie in der Zeit der Rekonvaleszenz anwendet nach Verletzungen, die auch ohne jedwede Nachbehandlung dasselbe Endergebnis zeigen. Das wichtigste Hilfsmittel der Nachbehandlung sind die s e l b s t t ä t i g e n B e w e g u n g s ü b u n g e n . Dabei sollen alle nicht ruhiggestellten Gelenke in vollem Umfange bewegt werden. Dazu kommt G y m n a s t i k , allgemein oder örtlich angewendet, mit oder ohne Hilfsmittel (Medizinball, Sprossenwand usw.). Fremdtätige Bewegungsübungen, z. B. bei Fingerversteifungen sind vorsichtig auszuführen und nur so weit sie
Nachbehandlung
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keine Schmerzen verursachen! Widerstandsübungen tragen sehr zur Kräftigung der Muskulatur bei, sie sollen womöglich iriehrmals täglich ausgeführt werden. Folgende A p p a r a t e werden zu selbst- und fremdtätigen Bewegungsübungen verwendet: Federhantel für Fingerverletzungen, Kniebeugegestell, Bergsteigerapparat nach A n s i n n . Wichtig ist der R o l l e n z u g , den sich jeder selbst herstellen kann (Abb. 88). Horizontal eingerichtet dient er für den Ellbogen, vertikal für die Schulter. Der Arm soll dabei nach vorne, seitlich und nach rückwärts und nach der anderen Seite gehoben werden. Das Gewicht ist langsam zu steigern, es ist besser, mehrmals täglich einige Male zu ziehen als einmal sehr oft. U m s c h l ä g e (eventuell Dunstumschläge, nur Wasser, keine essigsaure Tonerde — Gefahr des Ekzems, Abb. 2), werden bei frischen stumpfen Verletzungen und auch bei Reizzuständen sehr wohltuend empfunden. Die beste Behandlung des Blutergusses an jeder Körperstelle besteht in Dunstumschlägen, darüber Thermophor. B ä d e r (in manchen Gegenden sehr beliebt und zweckmäßig mit Zusatz von Steinsalz, Heublumen) dienen zur Auflockerung und besseren Durchblutung; zu vermeiden sind sie bei Wunden! Auf die H e i l b ä d e r soll nur kurz verwiesen werden. E i n r e i b u n g e n werden vielfach bei chronischen Schmerzen angenehm empfunden. Es sind verschiedene Salben (hauptsächlich mit Kampfer) und Präparate (z. B. Jodvasogen) üblich. B e i f r i s c h e n V e r l e t z u n g e n sind E i n r e i b u n g e n n i c h t z u e m p f e h l e n . P a c k u n g e n (Schlamm, Paraffin, Turbotherm) sind angezeigt bei chronischen Beschwerden z. B. Arthrosen usw. Sehr wichtig in der Nachbehandlung der Beinverletzungen ist der Zinkleimverband (Technik s. S. 62). Abgesehen von frischen Zerrungen und Prellungen des Sprunggelenkes und Fußes soll man den Zinkleimverband i m m e r u n m i t t e l b a r n a c h A b n a h m e des Gipsv e r b a n d e s a m B e i n a n l e g e n , um die posttraumatische Schwellung zu vermeiden. Er kann 3—4 Wochen belassen werden. Wird er schmutzig oder locker, so ist er zu erneuern. Sind nur mehr leichte Schwellungen um das Sprunggelenk vorhanden, so werden mit Erfolg auch F e s s e l s c h o n e r a u s G u m m i und e l a s t i s c h e B i n d e n verwendet. Nach jedem Bruch am Bein (angefangen vom Bruch der Mittelfußknochen) soll man nach Gipsabnahme für mindestens ein halbes Jahr eine E i n l a g e geben. Manchmal ist es zweckmäßig, während der Gipsbehandlung am nicht verletzten Beine eine Einlage zu geben (Überbelastung). H e i ß l u f t , B l a u - und R o t l i c h t wird man geben, wenn eine oberflächliche bessere Durchblutung erzielt werden soll, ferner wirken sie schmerzlindernd, man kann sie auch über einen Gipsverband oder Zinkleimverband geben. Dauer 15—20 Minuten.
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Allgemeiner Teil
D i a t h e r m i e geben wir dann, wenn es auf Ticfendurchwärmung ankommt, auch bei Arthrosen von Schulter und Knie haben wir gute Erfolge gesehen. In ähnlicher Anzeige verwenden wir K u r z w e l l e n . Wichtig sind die Q u e n g e l v e r b ä n d e für Finger (Abb. 77—80), Ellbogen, Knie und Sprunggelenk. N a c h b e h a n d l u n g v o n L ä h m u n g e n s. S. 77. Bei N a c h b e h a n d l u n g v o n A m p u t a t i o n e n ist darauf zu sehen, daß keine Gelenkskontrakturen entstehen (z. B. wichtig volle Streckung des Kniegelenkes, volle Streckung der Hüfte, usw.). Daher beginnt man mit selbsttätigen Bewegungsübungen sobald die Wundverhältnisse es erlauben. Tragfähige Stümpfe gibt es nicht. Das endgültige Kunstglied kann man in der Regel erst nach 6 Monaten geben. A m Bein geben wir jedoch schon wesentlich früher und zwar sobald die Wunde glatt geheilt und die Narbe fest ist (z. B. 4 — 6 Wochen nach Unterschenkelamput^tion bei glattem Verlauf) ein Z w i s c h e n k u n s t bein=Immediatprothese, mit welcher der Verletzte bereits gehen kann. Krücken sind bei uns grundsätzlich verboten.
B. Besonderer Teil I. Schädel 1. W u n d e n — kommen im Bereiche des Gesichtsschädels am häufigsten oberhalb oder im Bereiche des Augenbrauenbogens durch Sturz zustande, durch direkte Gewalt einWirkung auch an allen anderen Stellen des Schädels, auch am Schädeldach. Achtung auf gleichzeitige Knochenverletzungen = o f f e n e B r ü c h e , insbesondere im Bereiche des Schädeldaches bei Darauffallen schwerer Gegenstände. B e h a n d l u n g s. S. 16 — operative Wundversorgung; Heben von Splittern, Achtung vor Entsplitterung, nur Hautnaht, keine Duranaht oder -plastik. 2. I n f e k t i o n e n — bei schwerer Infektion sind außer umschriebener Schwellung und Rötung ödem des ganzen Gesichtes, Benommenheit, eventuell meningitische Erscheinungen (Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel, Erbrechen, hohes Fieber) vorhanden. Behandlung s. S. 23. Bei schweren Infektionen sofort Abgabe in ein Krankenhaus! 3. K n o c h e n b r ü c h e entstehen im Bereiche des 1 Schädeldaches ^ g a M M k k durch Sturz oder durch Darauffallen schwerer Gegenstände. Außer JjU eventueller Schwellung ist in der 'S Regel nichts zu sehen, manchmal ist Knochenkrachen zu spüren; je nach den begleitenden Hirnverletzungen besteht klares Bewußtsein bis tiefe V Bewußtlosigkeit. Röntgen! Beh a n d l u n g : Absolute Bettruhe, operatives Vorgehen nur bei neurologischen Erscheinungen (Lähmungen usw.). Brüche im B e r e i c h e des Gesichtsschädels;Nasenbein„¡¡¿glU b r ü c h e . Die Formveränderung ist von außen zu sehen. In örtlicher fS Betäubung oder ohne dieselbe wird d e s /echten das verschobene Nasenbein zurechtJochbeines ,
,
.
.
. .
_r
, .
gebogen, bei emsextiger V e r b i e g u n g
durch Spreizung mit einer Korn-
durch
8
Xage
Aunallen nach
dem
aut
eine Eisenstange,
UnfaU.
charakteri-
stische Eindellung.
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Besonderer Teil
zange von der Nasenhöhle aus aufgerichtet. Die übrigen Brüche im Bereiche des Gesichtsschädels (Ober- und Unterkiefer, Jochbein) gehören in fachärztliche Behandlung. Impressionen des J o c h b e i n e s (Abb. 89) werden mit einem Einzinker gehoben, kbei Kieferbrüchen muß der normale Zahnschluß wieder hergestellt werden; nach der Einrichtung werden sie mit Schiene oder [Drahtschlingen um die Zähne ruhiggestellt.
A b b . 9 0 u . 9 1 . Einrichtung einer Kieferverrenkung: D a u m e n drückt auf die Mahlzähne, während Zeige- und Mittelfinger den aufsteigenden Unterkieferast nach unten und und später nach vorne schieben.
V e r r e n k u n g e n im K i e f e r g e l e n k sind in der Regel doppelseitig. Sie entstehen beim Gähnen, Schreien usw. Die Einrichtung ist in der Regel ohne Betäubung möglich (Abb. 90—91): Der Verletzte sitzt, der Arzt faßt zwischen beiden Daumen, die auf den Backenzähnen liegen und Kleinfinger beide Unterkieferäste, drückt diese nach hinten unten und dann nach vorne, während er mit Zeige- und Mittelfinger die aufsteigenden Unterkieferäste von rückwärts hält und damit die Einrichtung unterstützt. Es wird also zuerst der Mund noch weiter geöffnet und dann das verrenkte Unterkieferköpfchen über das Tuberculum nach vorne gebracht.
II. Schädelinhalt, zentrale und periphere Nerven a) Schädelinhalt. Über Verletzungen des Gehirnes bei offenen Brüchen s. S. 12. S t u m p f e V e r l e t z u n g e n : Grundsätzlich ist bei allen stumpfen Schädelverletzungen mit Bewußtlosigkeit immer zu 'prüfen: Tonus der Muskel und Gelenke (Spasmen, schlaffe Lähmungen), alle Reflexe, Verhalten der Pupillen; nicht vergessen: sofort kathe-
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zange von der Nasenhöhle aus aufgerichtet. Die übrigen Brüche im Bereiche des Gesichtsschädels (Ober- und Unterkiefer, Jochbein) gehören in fachärztliche Behandlung. Impressionen des J o c h b e i n e s (Abb. 89) werden mit einem Einzinker gehoben, kbei Kieferbrüchen muß der normale Zahnschluß wieder hergestellt werden; nach der Einrichtung werden sie mit Schiene oder [Drahtschlingen um die Zähne ruhiggestellt.
A b b . 9 0 u . 9 1 . Einrichtung einer Kieferverrenkung: D a u m e n drückt auf die Mahlzähne, während Zeige- und Mittelfinger den aufsteigenden Unterkieferast nach unten und und später nach vorne schieben.
V e r r e n k u n g e n im K i e f e r g e l e n k sind in der Regel doppelseitig. Sie entstehen beim Gähnen, Schreien usw. Die Einrichtung ist in der Regel ohne Betäubung möglich (Abb. 90—91): Der Verletzte sitzt, der Arzt faßt zwischen beiden Daumen, die auf den Backenzähnen liegen und Kleinfinger beide Unterkieferäste, drückt diese nach hinten unten und dann nach vorne, während er mit Zeige- und Mittelfinger die aufsteigenden Unterkieferäste von rückwärts hält und damit die Einrichtung unterstützt. Es wird also zuerst der Mund noch weiter geöffnet und dann das verrenkte Unterkieferköpfchen über das Tuberculum nach vorne gebracht.
II. Schädelinhalt, zentrale und periphere Nerven a) Schädelinhalt. Über Verletzungen des Gehirnes bei offenen Brüchen s. S. 12. S t u m p f e V e r l e t z u n g e n : Grundsätzlich ist bei allen stumpfen Schädelverletzungen mit Bewußtlosigkeit immer zu 'prüfen: Tonus der Muskel und Gelenke (Spasmen, schlaffe Lähmungen), alle Reflexe, Verhalten der Pupillen; nicht vergessen: sofort kathe-
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terisieren, nachsehen, ob keine gleichzeitigen Verletzungen (Bauch, Becken, Wirbelsäule usw.) bestehen. , 1. K o p f p r e l l u n g — contusio capitis, durch Schlag oder Sturz. Es besteht Kopfschmerz, keine Bewußtlosigkeit, manchmal Erbrechen durch Schock, keinerlei nervöse Erscheinungen. B e h a n d l u n g : einige Tage Bettruhe, Kopfumschlag. Die Kopfschmerzen sind in der Regel in einigen Tagen verschwunden. 2. Gehirnerschütterung — commotio cerebri. Durch Sturz oder Schlag auf den Kopf. Klassische Zeichen: Bewußtlosigkeit, Erbrechen, Erinnerungslücke, manchmal Pulsveränderung (Beschleunigung oder Verlangsamung), keine Herderscheinungen. Nicht alle Zeichen sind immer vorhanden. Diagnose: Gehirnerschütterung wird zu häufig gestellt! Behandlung: Bettruhe, gegen Kopfschmerzen s. unten. 3. Schädelgrundbruch: Klassische Zeichen: Blutung aus Nase, Mund und Ohren, eventuell Austritt von Hirnflüssigkeit, Brillenhaematom, Bewußtlosigkeit. Prognose: wenn die ersten 24 Stunden überlebt werden, günstig. Behandlung: Bettruhe, Katheter. Verboten: Untersuchung oder Ausspülen des äußeren Gehörganges! (Gefahr der meningitis). Über L a g o p h t h a l m u s s. S. 79. 4. Gehirnprell.ung — contusio cerebri. Tiefe Bewußtlosigkeit, Herderscheinungen in der Regel, doch können auch schwere Hirnprellungen ohne Herderscheinungen zum Tode führen. Behandlung: Absolute Bettruhe, sonst wie unter 2. 5. Zerreißung der A . meningea media = e p i d u r a l e B l u t u n g : Das klassische Bild ist: kurze Bewußtlosigkeit, eventuell Erbrechen, Wiederkehr des Bewußtseins = lucides Intervall, neuerliche Bewußtlosigkeit und unter zunehmenden Hirndruckerscheinungen, Pupillendifferenz, eventuell einseitigen Lähmungen oder Reizerscheinungen Eintritt des Todes. B e h a n d l u n g : Operative Aufklappung eines Weichteilknochenlappens und Unterbindung der zerrissenen Arterie. Die Kenntnis der epiduralen Blutung ist wichtig für den praktischen Arzt, da die Diagnose häufig nicht gestellt wird. Ohne Operation ist die Verletzimg tödlich. Leider ist das Bild nicht immer so klassisch wie oben beschrieben, dann ist die Diagnose wesentlich schwerer. Die Verletzungen 3—5 gehören auf jeden Fall, die Gehirnerschütterung in der Regel in ein Krankenhaus. Sehr wichtig: Kopfschmerzen bei Schädelverletzungen dürfen nicht kultiviert werden, sondern man soll sie eher dem Verletzten ausreden; besonders wichtig ist dies bei entschädigungspflichtigen Arbeitsunfällen und noch mehr bei fremdem Verschulden, wenn ein Zivilprozeß schwebt. K l a g e n über Kopfschmerzen und Schwindel nach Schädelverletzungen werden sehr häufig übertrieben. Die Kopfschmerzen nach einer Gehirnerschütterung sind bei normalen Patienten in der Regel im Verlaufe von Vä -3 /4 Jahr verschwunden. B e h a n d l u n g der K o p f s c h m e r z e n : In erster Linie Bettruhe, medikamentös (Luminaletten, Brom, Pyra-
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midon usw.), Injektion von hypertonischen Lösungen (Zucker, Kochsalz 1 0 % ) , Lumbalpunktion. Manchmal wirkt ein Eisbeutel gut. b) Hirn- und zentrale Nerven. H i r n n e r v e n l ä h m u n g e n findet man bei der Hirnprellung, am häufigsten im Bereiche des N. facialis, in der Regel i oder 2 Äste. Lähmung aller 3 Äste ist charakteristisch für eine periphere Lähmung, z.B. gleichzeitig bei Schädelgrundbruch. Die Prognose ist in der Regel gut. Charakteristische zentrale Nervenlähmungen sind ferner die Q u e r s c h n i t t l ä h m u n g e n bei Wirbelbrüchen und -Verrenkungen und zwar beider Beine, von Blase und Mastdarm bei Verletzungen im Bereiche der Brust- und Lendenwirbel, aller vier Gliedmaßen bei Verletzungen im Bereiche der Halswirbelsäule. Alle diese Verletzungen gehören in Krankenhausbehandlung. c) Periphere Nerven. Man unterscheidet folgende Verletzungen: offen/teilweiser
°
Ausfall
\ je
^ v o l l s t ä n d i g e r Ausfall J
nach
Grad der Durchtrennung des Nervens
, /Paresen 1 j e nach der Schwere der Quetschung s ump \ v o l l s t ä n d i g e Lähmung j des Nerven. 1 . Offen. Bei jeder Verletzung Ist der körperferne Gliedabschnitt au! Bewegungsmöglichkeit und Berührungsempfindung zu prüfen. Bei der operativen Wundversorgung ist auf Nervenverletzungen genau zu achten, das Zweckmäßigste ist die primäre Naht (nicht in der Sprechstunde wegen der Infektionsgefahr, bei Infektion ist auch die Aussicht der sekundären Naht wesentlich ungünstiger). Ist die primäre Naht nicht möglich, dann näht man sekundär nach Abheilen der Wunde. Die Aussicht der Naht ist primär besser als sekundär, bei rein motorischen und rein sensibilen Nerven besser als bei gemischten. Die einzelnen Funktionen der gemischten Nerven (Beweglichkeit, Berührungs-, Temperatur-, Schmerz-, Tiefenempfindung) können ganz unabhängig von einander in verschiedenem Ausmaß wiederkehren, die Trophik kommt nach der Naht immer zurück. 2. Stumpfe Nervenverletzungen entstehen durch Druck oder Quetschung von außen her oder bei Knochenbrüchen. Klinisch besteht völliger Ausfall des Versorgungsgebietes des betreffenden Nerven, bei Paresen sind die Bewegungen oder Empfindungen vorhanden, aber geschwächt. 3. Die typischen Lähmungen: aa) A m A r m : a) P l e x u s l ä h m u n g vollständig oder teilweise nach Sturz vom Motorrad, Schulterverrenkungen usw. B e h a n d l u n g konservativ, auch operativ keine besseren Erfolge. b) N. a x i l l a r i s (bei Schulterverrenkung), der M. deltoideus spannt sich nicht an, der Arm kann nicht gehoben werden.
Schädelinhalt, zentrale und periphere Nerven
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A b b . 92 a — d . Motorische Ausfälle bei Nervenlähmungen der Hand, a) Raclialislähmung— Fallhand, b) Medianuslähmung — Schwurhand, dazu k o m m t später Schwund des Daumenballens, c) Ulnarislähmung — Krallenstellung des 3. und 4. Fingers sowie Schwund der Zwischenknochenmuskulatur, d) Medianus- u n d U l n a r i s l ä h m u n g .
c) N. r a d i a l i s (z. B. bei Oberarmbrüchen) charakteristische Fallhandstellung (Abb. 92 a) und Ausfall der Berührungsempfindung, s. Abb. 93—96.
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d) N. m e d i a n u s z. B . bei supracondylärem Oberarmbruch oder nach Schnitt. Fehlende Opposition des Daumens, der Zeigefinger kann nicht gebeugt werden, der Mittelfinger nur teilweise, Ausfall der Berührungsempfindung s. A b b . 93—96, später kommt es zur Atrophie des Daumenballens (Abb. 92 b). e) N. u l n a r i s — die Finger können nicht gespreizt werden, Ausfall der Berührungsempfindung s. A b b . 93—96, später kommt es zur Atrophie des Kleinfingerballens u n d der Zwischenfingermuskeln und Krallenstellung (Abb. 92 c).
Abb. 93:—96. Sensible Nervenversorgung im Bereiche der Hand: weiß — N. radialis schwarz — N. ulnaris, dazwischen ungefärbt — N. medianus.
bb) A m B e i n : a) N. i s c h i a d i c u s z. B . nach Durchschuß-Lähmung des ganzen Beines motorisch, mit Ausnahme der Oberschenkelstrecker und A b duktoren, und sensibel a m F u ß und Unterschenkel mit Ausnahme der Vorderseite derselben. b) N. t i b i a l i s z . B . nach Knieverrenkung — motorischer Ausfall der Unterschenkelbeuger und Fußsenker sowie Ausfall der Berührungsempfindung a n der Innenseite des Unterschenkels. c) N. p e r o n e u s (am häufigsten verletzt, z. B . bei Knieverrenkung, B r u c h des Wadenbeinköpfchens), Zehen und Sprunggelenk können nicht dorsalflektiert werden (Spitzfuß), fehlende Berührungsempfindung an der Außenseite des Fußes und a m Fußrücken. B e h a n d l u n g : Immer zuerst Versuch auf konservativem Wege, bei der ü b e r w i e g e n d e n M e h r z a h l der stumpfen Nervenlähmungen kommt die Tätigkeit wieder zurück. Bei Nervenlähmungen nach K n o chenbrüchen soll man nie primär eingreifen, frühestens, wenn der K n o chenbruch fest ist, in der Regel aber nicht vor einem halben Jahr. Primär operieren m u ß man, wenn die L ä h m u n g erst nach dem Einrichten auftritt und vorher nicht vorhanden war. Bei. Plexuslähmungen dauert es bis z u 2 Jahren, bis ein endgültiger Zustand erreicht ist.
Verletzungen des Auges
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Das Wichtigste ist die Nachbehandlung. Sie setzt unmittelbar nach der Lähmung, bzw. nach der Primäroder Sekundärnaht ein. (Ist auch zwischen Lähmung und Zeitpunkt der Sekundärnaht durchzuführen.) 1. Alle betroffenen Gelenke müssen fremdtätig in vollem Umfange beweglich erhalten werden! Das heißt mehrmals täglich fremdtätige Bewegungsübungen — vollkommenes Strecken, vollkommenes Beugen., 2. Die Muskeln müssen vor Überdehnung, bzw. Schrumpfung bewahrt bleiben — durch Anlegen von entsprechenden Apparaten: Bei Plexus- und Axillarislähmung — Doppelrechtwinkelschiene, bei der Radialislähmung — Handgelenk in maximaler Dorsalflexion, Finger in Mittelstellung (Gipsverband oder Lederhülse), bei Peroneuslähmung — Sprunggelenk in Rechtwinkelstellung (Peroneusschuh, Nachts'chiene). Diese Übungen müssen bis zur Wiederkehr, bzw. bis zur Aussichtslosigkeit durchgeführt werden, das heißt, bei den gewöhnlichen N e r v e n l ä h m u n g e n x J a h r , b e i P l e x u s l ä h m u n g 2 J a h r e . Daneben kann man noch elektrisieren, eventuell Reizkörpertherapie betreiben. Das Wichtigste sind jedoch die oben angeführten Maßnahmen.
III. Ohr und obere Luftwege Die Verletzungen des Ohres und der oberen Luftwege kommen am häufigsten zustande beim Sport (Boxen, Skilaufen). Im Bereiche des Ohres kommt es neben Wunden zum O t h a e m a t o m - B l u t e r g u ß unter der Knorpelhaut der Ohrmuschel (Punktion und Druckverband) und zum Riß des Trommelfelles (Gefahr der sekundären Infektion des Mittelohres). Im Bereiche des H a l s e s gibt es außer Wunden subkutane Blutungen, eventuell in die Schilddrüse, ferner Prellungen, Fissuren und Brüche des Larynx. Außer Schmerzen und Schwellung besteht Atemnot, Heiserkeit. Sofortige Abgabe in ein Krankenhaus (Gefahr des Glottisoedems).
IV. Verletzungen des Auges (Von Dozent Dr. E r n s t P u r t s c h e r , Graz) Die meisten Augenverletzungen sind als schwere Verletzungen anzusehen und gehören möglichst rasch in die Hand des Facharztes. Das heißt aber keineswegs, daß der praktische Arzt jede Augen Verletzung nur mit einem Schutzverband versehen und sogleich weiterschicken soll. Der Arzt, zu dem der Verletzte zuerst gebracht wird, trägt eine große Verantwortung. Gerade bei Augenverletzungen ist es besonders wichtig, daß die richtige erste Hilfe geleistet und der Kranke so versorgt wird, daß er den oft weiten Weg bis zum nächsten Facharzt ohne Schaden übersteht. Zweckmäßig ist es, den Augenarzt oder die Klinik fern-
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Das Wichtigste ist die Nachbehandlung. Sie setzt unmittelbar nach der Lähmung, bzw. nach der Primäroder Sekundärnaht ein. (Ist auch zwischen Lähmung und Zeitpunkt der Sekundärnaht durchzuführen.) 1. Alle betroffenen Gelenke müssen fremdtätig in vollem Umfange beweglich erhalten werden! Das heißt mehrmals täglich fremdtätige Bewegungsübungen — vollkommenes Strecken, vollkommenes Beugen., 2. Die Muskeln müssen vor Überdehnung, bzw. Schrumpfung bewahrt bleiben — durch Anlegen von entsprechenden Apparaten: Bei Plexus- und Axillarislähmung — Doppelrechtwinkelschiene, bei der Radialislähmung — Handgelenk in maximaler Dorsalflexion, Finger in Mittelstellung (Gipsverband oder Lederhülse), bei Peroneuslähmung — Sprunggelenk in Rechtwinkelstellung (Peroneusschuh, Nachts'chiene). Diese Übungen müssen bis zur Wiederkehr, bzw. bis zur Aussichtslosigkeit durchgeführt werden, das heißt, bei den gewöhnlichen N e r v e n l ä h m u n g e n x J a h r , b e i P l e x u s l ä h m u n g 2 J a h r e . Daneben kann man noch elektrisieren, eventuell Reizkörpertherapie betreiben. Das Wichtigste sind jedoch die oben angeführten Maßnahmen.
III. Ohr und obere Luftwege Die Verletzungen des Ohres und der oberen Luftwege kommen am häufigsten zustande beim Sport (Boxen, Skilaufen). Im Bereiche des Ohres kommt es neben Wunden zum O t h a e m a t o m - B l u t e r g u ß unter der Knorpelhaut der Ohrmuschel (Punktion und Druckverband) und zum Riß des Trommelfelles (Gefahr der sekundären Infektion des Mittelohres). Im Bereiche des H a l s e s gibt es außer Wunden subkutane Blutungen, eventuell in die Schilddrüse, ferner Prellungen, Fissuren und Brüche des Larynx. Außer Schmerzen und Schwellung besteht Atemnot, Heiserkeit. Sofortige Abgabe in ein Krankenhaus (Gefahr des Glottisoedems).
IV. Verletzungen des Auges (Von Dozent Dr. E r n s t P u r t s c h e r , Graz) Die meisten Augenverletzungen sind als schwere Verletzungen anzusehen und gehören möglichst rasch in die Hand des Facharztes. Das heißt aber keineswegs, daß der praktische Arzt jede Augen Verletzung nur mit einem Schutzverband versehen und sogleich weiterschicken soll. Der Arzt, zu dem der Verletzte zuerst gebracht wird, trägt eine große Verantwortung. Gerade bei Augenverletzungen ist es besonders wichtig, daß die richtige erste Hilfe geleistet und der Kranke so versorgt wird, daß er den oft weiten Weg bis zum nächsten Facharzt ohne Schaden übersteht. Zweckmäßig ist es, den Augenarzt oder die Klinik fern-
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Das Wichtigste ist die Nachbehandlung. Sie setzt unmittelbar nach der Lähmung, bzw. nach der Primäroder Sekundärnaht ein. (Ist auch zwischen Lähmung und Zeitpunkt der Sekundärnaht durchzuführen.) 1. Alle betroffenen Gelenke müssen fremdtätig in vollem Umfange beweglich erhalten werden! Das heißt mehrmals täglich fremdtätige Bewegungsübungen — vollkommenes Strecken, vollkommenes Beugen., 2. Die Muskeln müssen vor Überdehnung, bzw. Schrumpfung bewahrt bleiben — durch Anlegen von entsprechenden Apparaten: Bei Plexus- und Axillarislähmung — Doppelrechtwinkelschiene, bei der Radialislähmung — Handgelenk in maximaler Dorsalflexion, Finger in Mittelstellung (Gipsverband oder Lederhülse), bei Peroneuslähmung — Sprunggelenk in Rechtwinkelstellung (Peroneusschuh, Nachts'chiene). Diese Übungen müssen bis zur Wiederkehr, bzw. bis zur Aussichtslosigkeit durchgeführt werden, das heißt, bei den gewöhnlichen N e r v e n l ä h m u n g e n x J a h r , b e i P l e x u s l ä h m u n g 2 J a h r e . Daneben kann man noch elektrisieren, eventuell Reizkörpertherapie betreiben. Das Wichtigste sind jedoch die oben angeführten Maßnahmen.
III. Ohr und obere Luftwege Die Verletzungen des Ohres und der oberen Luftwege kommen am häufigsten zustande beim Sport (Boxen, Skilaufen). Im Bereiche des Ohres kommt es neben Wunden zum O t h a e m a t o m - B l u t e r g u ß unter der Knorpelhaut der Ohrmuschel (Punktion und Druckverband) und zum Riß des Trommelfelles (Gefahr der sekundären Infektion des Mittelohres). Im Bereiche des H a l s e s gibt es außer Wunden subkutane Blutungen, eventuell in die Schilddrüse, ferner Prellungen, Fissuren und Brüche des Larynx. Außer Schmerzen und Schwellung besteht Atemnot, Heiserkeit. Sofortige Abgabe in ein Krankenhaus (Gefahr des Glottisoedems).
IV. Verletzungen des Auges (Von Dozent Dr. E r n s t P u r t s c h e r , Graz) Die meisten Augenverletzungen sind als schwere Verletzungen anzusehen und gehören möglichst rasch in die Hand des Facharztes. Das heißt aber keineswegs, daß der praktische Arzt jede Augen Verletzung nur mit einem Schutzverband versehen und sogleich weiterschicken soll. Der Arzt, zu dem der Verletzte zuerst gebracht wird, trägt eine große Verantwortung. Gerade bei Augenverletzungen ist es besonders wichtig, daß die richtige erste Hilfe geleistet und der Kranke so versorgt wird, daß er den oft weiten Weg bis zum nächsten Facharzt ohne Schaden übersteht. Zweckmäßig ist es, den Augenarzt oder die Klinik fern-
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mündlich von dem Eintreffen eines Verletzten in Kenntnis z u setzen. Jedenfalls sollte dem K r a n k e n stets ein kurzes Schreiben mitgegeben werden, in welchem die bereits getroffenen Maßnahmen E r w ä h n u n g finden. D a die A n g a b e n des Verletzten oft unmittelbar nach dem Unfall verläßlicher sind als später, soll in einem Schreiben im Interesse einer späteren Begutachtung auch vermerkt werden: A r t des Unfalles, subjektive Beschwerden des K r a n k e n und das Ergebnis einer kurzen Sehprobe. Bei der folgenden kurzen Anleitung zur ersten Versorgung der häufigsten AugenVerletzungen werden nur die Befunde erwähnt, die für die erste Beurteilung der Verletzung von Wichtigkeit sind. Fachärztliche Untersuchungsmethoden werden dabei nicht berücksichtigt. Instrumente zur ersten Hilfe bei Augenverletzungen: Taschenlampe (zur seitlichen Beleuchtung, a m besten in einem dunklen Raum). Kugellupe (6 X bis 10 X ) oder Binokularlupe (zur Untersuchung des vorderen Augenabschnittes und zur E n t f e r n u n g von Hornhautfremdkörpern). 2 Desmarrrssche Lidhalter (zum schonenden ö f f n e n der Lidspalte). Fremdkörpernadel (das eine E n d e als Meißel, das andere als Lanzette verwendbar). Undine (zur Spülung bei Verätzungen), Zelluloidschalen (zum Anlegen eines „ U h r g l a s v e r b a n d e s " ) . Medikamente zur ersten Hilfe bei Augenverletzungen: E s empfiehlt sich, immer nur kleine Mengen (von Augentropfen i o ccm, von Augensalben 5 g) vorrätig zu halten, u m sie öfter erneuern zu können. Cocainlösung 5 % (Cocainum muriaticum), Atropinlösung 1 % (Atropinum sulfuricum), Adrenalinlösung ( 1 : 1000), Pilocarpinlösung 1 % (Pilocarpinum hydrochloricum), Fluoreszinlösung 2%, Borvaseline 3 % , Desinfizierende Salbe (z. B. Noviformsalbe 2 % , Optochinsalbe 2 % ) . Die gut desinfizierenden Salben mit kolloidalem Silber (Kollargol, Protargol usw.) soll man bei der ersten Hilfeleistung nicht verwenden, da sie durch ihre dunkle Färbung eine spätere Beurteilung der Vere t z u n g erschweren können. Allgemeines zur Untersuchung eines Augenverletzten: Nicht vergessen: genaue Anamnese des Verletzungsvorganges! Untersuchung a m besten liegend. Reinigung der Umgebung der Lidspalte mit ausg e d r ü c k t e m Benzintupfer. Bei Lidkrampf Eintropfen von Cocain, ö f f n e n der Lidspalte stets, vorsichtig, ohne auf den Augapfel z u drücken, wenn nötig mit Lidhaltern. a) Lider. 1. B l u t e r g u ß (sugillatio palpebrarum): a) als direkte Kontusionswirkung, b) fortgeleitet bei Orbitalblutung, Verletzung der knöchernen Orbitalwand, oft als Zeichen eines Schädelgrundbruches (dann beidseitig, meist als „Brillenhämatom") s. S. 73. 2. E m p h y s e m (emphysema palpebrarum): Zeichen: deutliches Knistern bei Betastung. Deutet auf Bruch umgebender pneumati-
Verletzungen des Auges
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sierter Knochen, meist des Siebbeines. B e h a n d l u n g : Bettruhe, Verbot von Schneuzen. 3. L a g o p h t h a l m u s : besonders bei Schädelgrundbruch und Bewußtlosigkeit! Wichtig: vor Transport des Verletzten Versorgung des Lagophthalmus, sonst Gefahr schwerer Hornhautschädigung (keratitis e lagophthalmo)! B e h a n d l u n g : A m besten wasserdichter „Uhrglas-
A b b . 96a. Uhrglasverband bei Facialisparese.
verband" (mittels Zelluloidschale, welche durch kurze, seitlich eingeschnittene Pflasterstreifen befestigt wird; s. A b b . 96 a). Oder reichlich Einstreichen von Borvaseline (Salbenplombe) und wenn nötig Verband, wobei peinlich darauf zu achten ist, d a ß das Auge unter dem Verband tatsächlich geschlossen bleibt. Trockener Verband gefährlich! 4. S c h a r f e Y e r l e t z u n g e n , E i n r i s s e : Vorsicht beim Anfrischen von Wundrändern und beim Ausscheiden gequetschter Teile, da durch Verkürzung der Lider später schwere Funktionsstörungen verursacht werden können! Senkrecht auf den Lidrand verlaufende Wunden klaffen sehr stark und müssen zur Vermeidung von Lidrandkerben (Koloboma traumaticum palpebrae) sorgfältig vereinigt werden. Schlechte erste Versorgung zwingt später oft zu ausgedehnten Plastiken. Deswegen schwere Zerreißungen womöglich mit Salbenverband zum F a c h a r z t ; besonders die Fälle von A b r i ß d e s Unterlides mit Durchreißung des Tränenröhrchens, da stets plastische Vereinigung des Tränenröhrchens versucht werden soll. — Lidwunden heilen im all-
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gemeinen sehr gut. Nur zartes Nahtmaterial verwenden und die dünne Lidhaut nicht zu tief auffassen! b) Bindehaut. U n t e r s u c h u n g : Darstellung des unteren Fornix durch Abziehen des Unterlides, der Bindehaut des Oberlides durch Umstülpen, des oberen Fornix durch doppeltes Umstülpen mit Lidlöffel oder auf folgende Weise: bei umgestülptem Oberlid (Patient sieht nach unten) wird das Äuge mit dem Unterlid etwas zurückgedrängt; dadurch wulstet sich die Bindehaut des oberen Fornix vor. Achtung: bei Verdacht auf durchbohrende Verletzung des Augapfels ist das Umdrehen des Oberlides zu unterlassen! 1. F r e m d k ö r p e r u n t e r d e m O b e r l i d (corpus alienum subtarsale): meist durch Wind, auf der Eisenbahn. B e h a n d l u n g : Bei Reizzustand Eintropfen von Cocain, Umstülpen des Oberlides, Wegwischen des Fremdkörpers mit feuchter Watte. 2. F r e m k d ö r p e r i m o b e r e n F o r n i x : z. B. Kalkbröckel, verspießte Getreidegrannen. B e h a n d l u n g : Cocain, doppeltes Umstülpen des Oberlides, Entfernung des Fremdkörpers mit feuchtem Wattestäbchen oder anatomischer Pinzette. Achtung: Fremdkörper im oberen Fornix verursachen oft Abschürfungen der Hornhaut (erosio corneae), s. d. 3. W u n d e n : Wunden der Lid- und Fornixbindehaut brauchen meist nicht versorgt zu werden. Klaffende Wunden der Bulbusbindehaut sind zu schließen, aber wegen des erforderlichen feinsten Nahtmaterials (am besten japanisches Frauenhaar) meist Sache des Facharztes. 4. B l e n d u n g s k o n j u n k t i v i t i s (Ophthalmia electrica): Meist mit Schädigung auch des Hornhautepithels. Durch Höhensonne, Gletscherbrand, Flammenbogen beim elektrischen Schweißen. Z e i c h e n : Tränenfluß, Schwellung der Bindehaut und Lider, starke Schinerzen (erst mehrere Stunden nach der Einwirkung). B e h a n d l u n g : Eintropfen von Cocain und Adrenalin, warme Umschläge. c) H o r n h a u t . U n t e r s u c h u n g : Spiegelnlassen seitliche Beleuchtung, Betrachtung mit einer Lupe.
der
Oberfläche,
1. A b s c h ü r f u n g d e s H o r n h a u t e p i t h e l s (erosio corneae): Z e i c h e n : Beim Spiegelnlassen deutlich sichtbarer, scharf begrenzter Epitheldefekt, der sich mit Fluoreszin grün färbt. Es bestehen starke Schmerzen, Lidkrampf, Tränenfluß. B e h a n d l u n g : Einstreichen einer Salbe und Verband des Auges für 24 Stunden. Meist glatte Heilung. Bleiben Schmerzen bestehen, weiter tägliche Kontrolle, um das Auftreten einer Infiltration (ulcus corneae traumaticum) nicht zu übersehen. Achtung auf chronische Tränensackeiterung (Druck auf die Tränensackgegend!) wegen Gefahr eines Ulcus serpens corneae! 2. F r e m d k ö r p e r d e r H o r n h a u t : Meist eingebrannte Metallstückchen (beim Schleifen, Schmirgeln). Oft mit Rostring. B e h a n d l u n g : Mehrmaliges Eintropfen von Cocain und Adrenalin. Bei seit-
Verletzungen des Auges
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licher Beleuchtung und unter Verwendung einer Lupe wird der Fremdkörper mit der Fremdkörpernadel ausgekratzt. Auch Rost muß entfernt werden. Nadel nicht senkrecht, sondern tangential aufsetzen! Dann Salbenverband usw. wie unter i . 3. D u r c h b o h r e n d e W u n d e der H o r n h a u t (vulnus perforans corneae): Z e i c h e n : Oft nur geringe Schmerzen. Kleine Wunden manchmal nur schwer als feine graue Linie sichtbar, Vorderkammer meist vorhanden, Iris manchmal verletzt. Bei größeren Wunden Auge weich, Vorderkammer aufgehoben, oft Irisvorfall, Linsentrübung. B e h a n d l u n g : Beim geringsten V e r d a c h t auf P e r f o r a t i o n s o f o r t z u m F a c h a r z t (intraokularer Fremdkörper?), da die endgültige Versorgung innerhalb von 12 Stunden erfolgen- soll. Zuvor: Bei Perforation im Zentrum der Hornhaut wird Atropin, bei Perforation in der Peripherie Pilocarpin eingetropft, bei Linsenverletzung immer Atropin. Salbenverband. Intravenöse Cylotropininjektion oder Sulfonamide. Kurzer Bericht an den Facharzt, s. oben! d) Lederhaut. 1. D u r c h b o h r e n d e V e r l e t z u n g der L e d e r h a u t (vulnus perforans sclerae): — Z e i c h e n : Grund der Wunde dunkel infolge Durchscheinens von uvealem Pigment, oft aber durch Bindehautblutung verde.ckt. Augapfel weich, Vorderkammer oft tief, manchmal Glaskörpervorfall. B e h a n d l u n g : Wie Hornhautperforation. 2. B e r s t u n g der L e d e r h a u t (ruptura sclerae): Bei schwerer Prellung, meist nahe dem Hornhautrand (s. unten). Zeichen und Behandlung wie 1. e) Verletzungen des Auges im ganzen. 1. P r e l l u n g s v e r l e t z u n g des A u g e s (contusio bulbi): z. B. durch Schlag, Steinwurf, Ball. Z e i c h e n : Blutung in die Vorderkammer (hyphaema), unregelmäßige Erweiterung und Starre der Pupille (iridoplegia traumatica), in schwereren Fällen Einrisse des Pupillarrandes (Sphinkterrisse), Abriß der Iriswurzel (Iridodialyse), Verschiebung der Linse (luxatio lentis), Glaskörperblutung (Hämophthalmus), Berstung der Lederhaut (ruptura sclerae). B e h a n d l u n g : Schwefe Fälle womöglich liegend an den Facharzt. Auch in leichten Fällen einige Tage strenge Beitruhe wegen Gefahr der Nachblutung (Durchblutung der Hornhaut!), kalte Umschläge, Vitamin C; kein Atropin! 2. A u s g e d e h n t e Z e r r e i ß u n g e n des A u g e s mit Verlust von Linse und Glaskörper geben Anzeige zur „primären Ausschälung" des Auges (enucleatio bulbi). Dabei ist zu beachten: 1. Es darf nicht der kleinste Rest von uvealem Gewebe zurückgelassen werden (Gefahr der sympatischen Ophthalmie!); 2. Die. Bindehaut des Bulbus ist sorgfältig zu schonen und zurückzulassen, da sonst später keine Prothese getragen werden kann. — Da aber gerade in solchen Fällen die genaue Ausschälung wegen der Formlosigkeit des zusammengefallenen Auges technisch oft nicht leicht ist, besser zur Vornahme des Eingriffes mit Salbenverband an die Klinik weisen. ü Ehalt .Unfallpraxis. •
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Besonderer Teil
f) Verätzungen des Auges. 1. A l k a l i v e r ä t z u n g e n (besonders Ammoniak und Kalk), die an der Haut meist nur wenig schaden, sind für das Auge am gefährlichsten. Hier ist sofortige erste Hilfeleistung besonders wichtig! — Z e i c h e n : In leichten Fällen Rötung und Schwellung der Bindehaut. Über die Beteiligung der Hornhaut kann man sich rasch durch Eintropfen von Fluoreszin (Grünfärbung) unterrichten. In schwereren Fällen ödem der Lider, wulstige blasse Schwellung der Bindehaut des Bulbus (Chemosis), die Hornhaut ist matt, milchig getrübt, unempfindlich. In den schwersten Fällen erscheint die Bindehaut grauweiß bis schieferfarben, die Hornhaut porzellanweiß. Das Auge sieht aus wie gekocht. — Beh a n d l u n g : Sehr wichtig: Zuerst sorgfältige mechanische Entfernung aller Fremdkörper (z. B. Kalkbröckel, Mörtel) aus dem Bindehautsack! Besonders ist auf den oberen Fornix Zu achjten (doppeltes Umstülpen, Auswischen mit feuchtem Wattestäbchen). Sind keine Konkremente mehr aufzufinden, dann Spülung des Bindehautsackes (bei umgestülptem Oberlid), am besten mit dem Strahl einer Undine oder eines Irrigators. Man verwendet eine reichliche Menge (V2 bis 1 Liter) körperwarmer neutraler Flüssigkeit (1% Tanninlösung, physiologische Kochsalzlösung, Wasser). Der Zweck der Spülung ist hauptsächlich die Entfernung feiner Fremdkörper; zur Neutralisierung der in das Gewebe eingedrungenen Ätzflüssigkeit kommt sie zu spät. Nun erst Einstreichen von Borsalbe, Verband, Überweisung an den Facharzt. Vorsicht bei der Prognose! Sie ist erst nach etwa einer Woche mit gewisser Sicherheit zu stellen (Spätgeschwüre der Hornhaut!). 2. S ä u r e v e r ä t z u n g e n geben meist eine günstigere Vorhersage, da sie oberflächliche Schorfe verursachen. Ähnlich zu beurteilen sind auch V e r b r e n n u n g e n . — Behandlung: wie 1. 3. Bei V e r l e t z u n g e n m i t T i n t e n s t i f t (Methylviolett) ist die etwa abgebrochene und zurückgebliebene Spitze des Tintenstiftes sorgfältig zu entfernen, allenfalls durch Ausschneiden aus der Bindehaut. Die übrige blaue Verfärbung der Bindehaut bildet sich dann rasch zurück. Behandlung sonst wie 1.
V. Wirbelsäule a) Wunden und Infektionen bieten nichts Wesentliches. b) Z e r r u n g e n — kommen zustande durch indirekte Gewalteinwirkung, beim Heben, beim Bücken usw. Es besteht manchmal Schiefhaltung zur Entlastung der schmerzenden Stelle, Druckschmerz, Dehnungsschmerz bei Neigen oder Drehen des Körpers. B e h a n d l u n g : Umschläge, Heißluft, Ruhe. Zerrungen sind gewöhnlich in einigen Tagen bis Wochen abgeheilt. Unterscheidung, auch in rechtlicher Hinsicht gegenüber der Lumbago = Hexenschuß s. S. 160. c) P r e l l u n g e n — entstehen durch Sturz oder direkte Gewalteinwirkung, es besteht Schwellung, eventuell Bluterguß, Druck- und Be-
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Besonderer Teil
f) Verätzungen des Auges. 1. A l k a l i v e r ä t z u n g e n (besonders Ammoniak und Kalk), die an der Haut meist nur wenig schaden, sind für das Auge am gefährlichsten. Hier ist sofortige erste Hilfeleistung besonders wichtig! — Z e i c h e n : In leichten Fällen Rötung und Schwellung der Bindehaut. Über die Beteiligung der Hornhaut kann man sich rasch durch Eintropfen von Fluoreszin (Grünfärbung) unterrichten. In schwereren Fällen ödem der Lider, wulstige blasse Schwellung der Bindehaut des Bulbus (Chemosis), die Hornhaut ist matt, milchig getrübt, unempfindlich. In den schwersten Fällen erscheint die Bindehaut grauweiß bis schieferfarben, die Hornhaut porzellanweiß. Das Auge sieht aus wie gekocht. — Beh a n d l u n g : Sehr wichtig: Zuerst sorgfältige mechanische Entfernung aller Fremdkörper (z. B. Kalkbröckel, Mörtel) aus dem Bindehautsack! Besonders ist auf den oberen Fornix Zu achjten (doppeltes Umstülpen, Auswischen mit feuchtem Wattestäbchen). Sind keine Konkremente mehr aufzufinden, dann Spülung des Bindehautsackes (bei umgestülptem Oberlid), am besten mit dem Strahl einer Undine oder eines Irrigators. Man verwendet eine reichliche Menge (V2 bis 1 Liter) körperwarmer neutraler Flüssigkeit (1% Tanninlösung, physiologische Kochsalzlösung, Wasser). Der Zweck der Spülung ist hauptsächlich die Entfernung feiner Fremdkörper; zur Neutralisierung der in das Gewebe eingedrungenen Ätzflüssigkeit kommt sie zu spät. Nun erst Einstreichen von Borsalbe, Verband, Überweisung an den Facharzt. Vorsicht bei der Prognose! Sie ist erst nach etwa einer Woche mit gewisser Sicherheit zu stellen (Spätgeschwüre der Hornhaut!). 2. S ä u r e v e r ä t z u n g e n geben meist eine günstigere Vorhersage, da sie oberflächliche Schorfe verursachen. Ähnlich zu beurteilen sind auch V e r b r e n n u n g e n . — Behandlung: wie 1. 3. Bei V e r l e t z u n g e n m i t T i n t e n s t i f t (Methylviolett) ist die etwa abgebrochene und zurückgebliebene Spitze des Tintenstiftes sorgfältig zu entfernen, allenfalls durch Ausschneiden aus der Bindehaut. Die übrige blaue Verfärbung der Bindehaut bildet sich dann rasch zurück. Behandlung sonst wie 1.
V. Wirbelsäule a) Wunden und Infektionen bieten nichts Wesentliches. b) Z e r r u n g e n — kommen zustande durch indirekte Gewalteinwirkung, beim Heben, beim Bücken usw. Es besteht manchmal Schiefhaltung zur Entlastung der schmerzenden Stelle, Druckschmerz, Dehnungsschmerz bei Neigen oder Drehen des Körpers. B e h a n d l u n g : Umschläge, Heißluft, Ruhe. Zerrungen sind gewöhnlich in einigen Tagen bis Wochen abgeheilt. Unterscheidung, auch in rechtlicher Hinsicht gegenüber der Lumbago = Hexenschuß s. S. 160. c) P r e l l u n g e n — entstehen durch Sturz oder direkte Gewalteinwirkung, es besteht Schwellung, eventuell Bluterguß, Druck- und Be-
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wegungsschmerz. Schwerere Fälle sind von Knochenbrüchen nur durch das Röntgenbild zu unterscheiden. B e h a n d l u n g : In schwereren Fällen einige Tage Bettruhe, sonst Umschläge, unterstützende Maßnahmen. Heilung ohne Folgen. d) K n o c h e n b r ü c h e . Sturz auf die Füße (häufig gleichzeitig Fersenbeinbruch!) oder auf das Gesäß, gewaltsames Zusammenrollen des Körpers (z. B. Überfahren) usw. führen zu den Wirbelbrüchen; am
A b b . 9 7 u. 98. Buckel (Gibbus) nach altem Bruch des 12. Brustwirbels bei 5ojährigem Elektriker durch Sturz von einer Leiter 2 Jahre nach dem Unfall. Bruch nicht erkannt, starke Beschwerden.
häufigsten sind die oberen Lenden- und die unteren Brustwirbel betroffen. K l i n i s c h e E r s c h e i n u n g e n : In leichten Fällen kann der Verletzte noch gehen, in schwereren nicht mehr, er stützt sich mit beiden Händen auf die Oberschenkel auf (ähnlich wie bei Asthma), von außen sieht man den Buckel (Abb. 97—98), es besteht Druckschmerz, Stauchungsschmerz von Kopf und S c h u l t e ^ her (nicht immer!). Der Wirbelbruch wird häufig übersehen! s. S. 33, A b b . 97—98. Röntgen! Das Wichtigste bei der klinischen und röntgenologischen Beurteilung ist auch hier die Achsenknickung = Gibbus. Erste Hilfe s. S. 9. B e h a n d l u n g : (Abb. 72—75, 99—100): Sie kann, wenn ein entsprechend starker Röntgenapparat zur Verfügung steht, auch in der Sprechstunde durchgeführt werden. Sonst sofortige Abgabe in ein entsprechendes Krankenhaus. In örtlicher Betäubung (Injektion von 5 ccm 0,5% Novocainlösung zwischen die Dornfortsätze, nicht zu tief), nachdem vorher 0,02 ccm Morphium verabreicht wurden, erfolgt die Einrichtung im ventralen oder dorsalen Durchhang (d. h. in Bauchoder Rückenlage). Das Einrichten erfolgt durch das Körpergewicht. Nachdem die Röntgenkontrolle im Durchhange zeigt, daß der oder die 6*
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Besonderer Teil
gebrochenen Wirbelkörper gut aufgerichtet sind und der Gibbus (Achsenknickung) behoben ist, wird ein Gipsverband angelegt. Dabei ist wichtig, daß dieser gut an der Symphyse, am oberen Ende des Brustbeines lind über der stärksten Lordose im Bereiche der LendenWirbelsäule anliegt, s. S. 60, A b b . 72—75. Sofortige Röntgenkontrolle im Gipsverbande, in den nächsten Tagen läßt man den Verletzten aufstehen und beginnt bald mit Gymnastik und Sandsacktragen (Gewicht
A b b . 99 u. 100. Kompressionsbruch des 2. Lendenwirbels bei 20jährigem Hilfsarbeiter Traverse auf den R ü c k e n gefallen. Keilform des Wirbelkörpers, Bruch und Diastase der Interarticularportion, Gibbus 25 Grad. Behandlung nach B ö h l e r : Aufrichten, Gipsmieder für 4 Monate und Übungsbehandlung. % Jahr nach dem Unfall: gebrochener Wirbelkörper hat normale Form, die Wirbelsäule normalen Schwung, v o l l arbeitsfähig.
steigern!). Röntgenkontrolle 4 und 8 Wochen nach dem Unfall, Ruhigstellung mindestens 3 — 5 Monate, je nach der Schwere der Verletzung und Stärke des Gibbus (Abb. 99—100). Nicht einzurichten sind Brüche bei alten Leuten und solche, die über 3 — 4 Wochen alt sind. Brüche mit Knickung i m B e r e i c h e d e r H a l s w i r b e l s ä u l e werden durch Überstreckung des Halses eingerichtet und mit einem Gipsverband ruhig gestellt, der den Kopf umfaßt und bis zum unteren Rippenbogen reicht, s. S. 61. Übungsbehandlung wie oben. Bei g l e i c h z e i t i g e r L ä h m u n g sofortige Abgabe in ein Krankenhaus. Besteht bei Lähmung gleichzeitig Priapismus, so gibt dies eine sehr schlechte Prognose. Schlecht ist die Verordnung von Stützmiedern bei Wirbelbrüchen aus psychischen und physischen Gründen! e) V e r r e n k u n g e n — kommen im wesentlichen im Bereiche der Halswirbelsäule zustande, insbesonders als typische Verletzung beim
Wirbelsäule
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Kopfsprung in seichtes Wasser (Überstreckung!). Die Verrenkung kann reitend sein (Gelenksflächen der beiden Wirbel berühren sich noch) oder verhakt (die Gelenksfortsätze des oberen stehen vor denen des unteren Wirbels). Es gibt auch einseitige Verrenkungen. Das Einrichten erfolgt durch Zug und Überstreckung, Anlegen eines Kopf-Rumpf-Gipsverbandes. Häufig besteht durch Quetschung des Rückenmarkes gleichzeitige Lähmung beider Arme und Beine — T e t r a p l e g i e . Die Pro-
Abb. 101 u. 102. Abriß des Dornfortsatzes des 7. Halswirbels (Schipperkrankheit) bei 25jährigem Hilfsarbeiter. Beim Schieben eines Wagens stechenden Schmerz im Nacken verspürt. Das abgerissene Stück des Dornfortsatzes um volle Breite nach unten verschoben, in der Aufnahme von vorne nach rückwärts die beiden Stücke als heller und dunkler Ring sichtbar.
gnose ist sehr schlecht, insbesonders wenn Priapismus besteht. Der Tod erfolgt gewöhnlich innerhalb von 8—10 Tagen durch Atem- und Herzlähmung. Die Einrichtung ist bei diesen Fällen zwecklos. Einzelheiten, auch über Verrenkungsbrüche im Bereiche der Wirbelsäule müssen im Lehrbuch Böhlers nachgelesen werden. f) A b r i s s e und A b b r ü c h e der D o r n f o r t s ä t z e und Querf o r t s ä t z e . Der Abriß eines Dornfortsatzes im Bereich der Halswirbelsäule erfolgt am häufigsten zwischen C 6 und D 1 durch Muskelzug. Die S c h i p p e r k r a n k h e i t ist ein Ermüdungsbruch eines Dornfortsatzes im Bereiche der unteren Hals- und oberen Brustwirbelsäule s. S. 39, Abb. 101-102. Erscheinungen: Der Betreffende spürt einen Riß, eventuell ein Krachen im Bereiche des Nackens und zwar beim Drehen des Kopfes oder bei Arbeiten mit den Armen, z. B. Schaufeln. Nachher besteht Schmerz bei Bewegungen des Kopfes und Druckschmerz über dem betreffenden Dornfortsatz. Röntgen! B e h a n d l u n g : Umschläge, unterstützende Maßnahmen, eventuell für kurze Zeit
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Besonderer Teil
Schanzkravatte (s. S. 61). Die operative Entfernung des abgetrennten Stückes ist nicht zu empfehlen. Zu Verletzungen def Q u e r f o r t s ä t z e der Lendenwirbelsäule kommt es durch Muskelzug oder bei direkter Gewalteinwirkung, dann bestehen oft gleichzeitig Rippenbrüche oder Wirbelbrüche. B e h a n d l u n g der Querfortsatzbrüche: Eventuell einige T a g i Bettruhe, Umschläge, unterstützende Maßnahmen; kein Gipsverband! Keine operative Entfernung.
A b b . 103. Beiderseitige angeborene Lendenrippe an L 1.
A m i . Lendenwirbel wird oft eine L e n d e n r i p p e mit einem Querfortsatzbruch verwechselt (Abb. 103). Klinisch die gleichen Erscheinungen wie die Querfortsatzbrüche der Lendenwirbel macht die N i e r e n q u e t s c h u n g (— Nierenruptur), nur daß der Harn blutig ist. Behandlung: Bettruhe, Umschläge, gewöhnlich wird in den nächsten Tagen der Harn wieder klar. Die operative Entfernung der Niere ist äußerst selten notwendig.
VI. Brustkorb W u n d e n s. S. 14. Insbesonders bei Stichen besteht dia Gefahr der Mitverletzung der Pleura (Pneumothorax), sehr selten kommt es zum Spannungspneumothorax mit Gefahr der Verdrängung von Herz und gesunder Lunge — die Punktion ist oft lebensrettend! Ferner kann bei Stichen und Wunden die Lunge mitverletzt werden. H e r z s t i c h e gehören sofort in das Krankenhaus. Gleichzeitig mit dem Abtransport ist der Verletzte fernmündlich anzumelden, damit im Krankenhaus die entsprechenden Vorbereitungen zu einer eventuellen Herznaht getroffen werden können. B e i geschlossenem Herzbeutel kommt es zur Herzbeuteltamponade mit Gefäßkompression, bei gleichzeitiger Pleuraverletzung und offenem Herzbeutel verblutet sich der Verletzte rasch.
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Besonderer Teil
Schanzkravatte (s. S. 61). Die operative Entfernung des abgetrennten Stückes ist nicht zu empfehlen. Zu Verletzungen def Q u e r f o r t s ä t z e der Lendenwirbelsäule kommt es durch Muskelzug oder bei direkter Gewalteinwirkung, dann bestehen oft gleichzeitig Rippenbrüche oder Wirbelbrüche. B e h a n d l u n g der Querfortsatzbrüche: Eventuell einige T a g i Bettruhe, Umschläge, unterstützende Maßnahmen; kein Gipsverband! Keine operative Entfernung.
A b b . 103. Beiderseitige angeborene Lendenrippe an L 1.
A m i . Lendenwirbel wird oft eine L e n d e n r i p p e mit einem Querfortsatzbruch verwechselt (Abb. 103). Klinisch die gleichen Erscheinungen wie die Querfortsatzbrüche der Lendenwirbel macht die N i e r e n q u e t s c h u n g (— Nierenruptur), nur daß der Harn blutig ist. Behandlung: Bettruhe, Umschläge, gewöhnlich wird in den nächsten Tagen der Harn wieder klar. Die operative Entfernung der Niere ist äußerst selten notwendig.
VI. Brustkorb W u n d e n s. S. 14. Insbesonders bei Stichen besteht dia Gefahr der Mitverletzung der Pleura (Pneumothorax), sehr selten kommt es zum Spannungspneumothorax mit Gefahr der Verdrängung von Herz und gesunder Lunge — die Punktion ist oft lebensrettend! Ferner kann bei Stichen und Wunden die Lunge mitverletzt werden. H e r z s t i c h e gehören sofort in das Krankenhaus. Gleichzeitig mit dem Abtransport ist der Verletzte fernmündlich anzumelden, damit im Krankenhaus die entsprechenden Vorbereitungen zu einer eventuellen Herznaht getroffen werden können. B e i geschlossenem Herzbeutel kommt es zur Herzbeuteltamponade mit Gefäßkompression, bei gleichzeitiger Pleuraverletzung und offenem Herzbeutel verblutet sich der Verletzte rasch.
Stumpfe Bauchverletzungen
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Durch Sturz oder Schlag oder Stoß entstehen Brustkorbprellungen und Rippenbrüche. Beide zeigen Schmerzen beimTiefatmen, beim Zusammenpressen des Brustkorbes von beiden Seiten oder von vorne nach rückwärts; die Rippenbrüche zeigen außerdem noch manchmal eine Stufe und Knochenkrachen bei direktem Druck, die Prellungen dagegen nur diffusen Druckschmerz. Rippenbrüche sind gewöhnlich röntgenologisch nachzuweisen, wobei zu beachten ist, daß man im Röntgenbild in der Regel weniger sieht als tatsächlich gebrochen ist. K o m p l i k a t i o n bei Rippenbrüchen: Anspießen der Lunge, charakteristisch ist das H a u t - A b b . 104. Heftpflasterverband (Cingulum) e m p h y s e n = Knistern beim bei Rippenbrüchen und BrustkorbprelBetagten, in schwereren Fällen lungen, immer zirkulär um den unteren Rippenbogen. kommt es auch zur Blutung in den Pleuraraum — H a e m a t o t h o r a x oder zur Ansammlung von Blut und Luft — H a e m a t o p n e u m o t h o r a x . Diese Fälle gehören ins Krankenhaus, sie sind unter Umständen lebensbedrohlich. B e h a n d l u n g der Brustkorbprellung und Rippenbrüche: Zur Ruhigstellung wird ein Cingulum angelegt. Das Heftpflaster soll bei voller Ausatmung immer zirkulär um den unteren Rippenrand angelegt werden, auch bei Brüchen der oberen Rippen und auf einer Seite (beste Ruhigstellung, Abb. 104). Wir verwenden ein. breites Segelleinenheftpflaster. Ferner verordnet man für einige Tage Bettruhe, öfteres Aufsetzen, läßt von vornherein inhalieren und setzt mit antibronchitischer Behandlung ein — Injektion von Transpulmin, Ätheröl (Äther, ol. olivar. aa je 1 ccm dter Mischung durch 3 Tage hindurch). Gegen die Schmerzen und damit der Verletzte besser durchatmet, ist in manchen Fällen in den ersten Tagen öfters eine Pantoponinjektion nötig. Brüche des B r u s t b e i n e s sind als isolierte Verletzung selten, häufiger als Begleitverletzung bei Wirbelbrüchen.
VII. Stumpfe Bauchverletzungen Sie entstehen durch Stoß, Schlag, Anfahren usw. Die P r e l l u n g verursacht sofort starke lokale Schmerzen, Übelkeit, Schockerscheinungen, die sich innerhalb kurzer Zeit auf Bettruhe und kalte Umschläge beruhigen, Nehmen die Beschwerden dagegen zu, verbreitern sich die
Stumpfe Bauchverletzungen
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Durch Sturz oder Schlag oder Stoß entstehen Brustkorbprellungen und Rippenbrüche. Beide zeigen Schmerzen beimTiefatmen, beim Zusammenpressen des Brustkorbes von beiden Seiten oder von vorne nach rückwärts; die Rippenbrüche zeigen außerdem noch manchmal eine Stufe und Knochenkrachen bei direktem Druck, die Prellungen dagegen nur diffusen Druckschmerz. Rippenbrüche sind gewöhnlich röntgenologisch nachzuweisen, wobei zu beachten ist, daß man im Röntgenbild in der Regel weniger sieht als tatsächlich gebrochen ist. K o m p l i k a t i o n bei Rippenbrüchen: Anspießen der Lunge, charakteristisch ist das H a u t - A b b . 104. Heftpflasterverband (Cingulum) e m p h y s e n = Knistern beim bei Rippenbrüchen und BrustkorbprelBetagten, in schwereren Fällen lungen, immer zirkulär um den unteren Rippenbogen. kommt es auch zur Blutung in den Pleuraraum — H a e m a t o t h o r a x oder zur Ansammlung von Blut und Luft — H a e m a t o p n e u m o t h o r a x . Diese Fälle gehören ins Krankenhaus, sie sind unter Umständen lebensbedrohlich. B e h a n d l u n g der Brustkorbprellung und Rippenbrüche: Zur Ruhigstellung wird ein Cingulum angelegt. Das Heftpflaster soll bei voller Ausatmung immer zirkulär um den unteren Rippenrand angelegt werden, auch bei Brüchen der oberen Rippen und auf einer Seite (beste Ruhigstellung, Abb. 104). Wir verwenden ein. breites Segelleinenheftpflaster. Ferner verordnet man für einige Tage Bettruhe, öfteres Aufsetzen, läßt von vornherein inhalieren und setzt mit antibronchitischer Behandlung ein — Injektion von Transpulmin, Ätheröl (Äther, ol. olivar. aa je 1 ccm dter Mischung durch 3 Tage hindurch). Gegen die Schmerzen und damit der Verletzte besser durchatmet, ist in manchen Fällen in den ersten Tagen öfters eine Pantoponinjektion nötig. Brüche des B r u s t b e i n e s sind als isolierte Verletzung selten, häufiger als Begleitverletzung bei Wirbelbrüchen.
VII. Stumpfe Bauchverletzungen Sie entstehen durch Stoß, Schlag, Anfahren usw. Die P r e l l u n g verursacht sofort starke lokale Schmerzen, Übelkeit, Schockerscheinungen, die sich innerhalb kurzer Zeit auf Bettruhe und kalte Umschläge beruhigen, Nehmen die Beschwerden dagegen zu, verbreitern sich die
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Besonderer Teil
Schmerzen über den ganzen Bauch, tritt Bauchdeckenspannung zuerst lokalisiert, später diffus auf und steigt der Puls an, dann muß eine i n n e r e V e r l e t z u n g angenommen werden. Im wesentlichen kommt in Betracht: Riß von Leber, Milz, im Bereiche des Gekröses mit Blutung in den Bauch, Darmriß. Bei Blutungen ist oft eine Flankendämpfung nachzuweisen, die zunimmt und sich bei Lagewechsel verschiebt. Im weiteren Verlaufe nimmt die Bauchdeckenspannung zu, der Puls wird schneller und leicht unterdrückbar, die Zunge wird trocken. Bei Rektaluntersuchung ist der Douglas oft druckempfindlich (kein sicheres Zeichen!). Schon beim Beginn der Erscheinungen oder Verdacht auf innere Bauchverletzung sofortige Abgabe in ein Krankenhaus. Kein Mo oder sonstige Alkoloide geben, um das Bild nicht zu verschleiern I Ähnliche Erscheinungen wie bei Blutungen im Bauch machen auch starke r e t r o p e r i t o n e a l e H a e m a t o m e bei schweren Wirbel- und Beckenbrüchen. Auch bei schweren Rippenbrüchen, insbesondere rechts sind oft gleichzeitig Bauchsymptome vorhanden. Auch N i e r e n q u e t s c h u n g e n u n d R i s s e zeigen oft die gleichen Erscheinungen, dazu kommt blutiger Harn.
VIII. Becken Bei Beckenverletzungen sofort urinieren lassen, gelingt dies nicht, dann katheterisieren (Gefahr einer gleichzeitigen Verletzung von Harnröhre oder Harnblase). Zustandekommen durch Sturz, Quetschung, Überfahren, Verschüttung usw. Bei P r e l l u n g e n ist die Gehfähigkeit behindert oder unmöglich, es besteht spontaner und Druckschmerz an dei\ getroffenen Stellen. Einteilung der Beckenbrüche (Abb. 105): 1. B e c k e n r a n d b r ü c h e — Brüche der Darmbeinschaufel, des unteren Schambeinastes und des Sitzbeines. Klinisch besteht Druckschmerz, eventuell Schwellung, selten Knochenkrachen; später tritt manchmal Blaufärbung vom Bluterguß auf. 2. B e c k e n r i n g b r ü c h e «— sitzen entweder an einer Stelle, so daß die Festigkeit des Ringes nicht leidet, z. B. Bruch eines oder beider Schambeinäste auf einer Seite, oder der Ring ist gesprengt, z. B- Bruch beider Schambeinäste auf beiden Seiten oder Bruch vorne und rückwärts neben der Kreuzbein-Darmbeinfuge oder Zerreißung derselben. Ist der Ring vorne und rückwärts gesprengt, eventuell mit Verschiebung einer Seite, so spricht man von M a l g a i g n e s c h e n B r ü c h e n . 3. Dazu kommt noch die Sprengung der Symphyse = S y m p h y s i o l y s e , eventuell mit Diastase, wenn gleichzeitig rückwärts ein Bnjch sitzt oder die Kreuzbein-Darmbeinfuge einer Seite gesprengt ist. Zeic h e n schwerer Beckenbrüche: Gehunfägigkeit, eventuell Hochstand einer Beckenseite (scheinbare Verkürzimg des Beines), Schmerzen beim Zusammenpressen des Beckens, dabei eventuell Knochenkrachen zu spüren.. B e h a n d l u n g : Bettruhe, Umschläge, unterstützende Maß-
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Besonderer Teil
Schmerzen über den ganzen Bauch, tritt Bauchdeckenspannung zuerst lokalisiert, später diffus auf und steigt der Puls an, dann muß eine i n n e r e V e r l e t z u n g angenommen werden. Im wesentlichen kommt in Betracht: Riß von Leber, Milz, im Bereiche des Gekröses mit Blutung in den Bauch, Darmriß. Bei Blutungen ist oft eine Flankendämpfung nachzuweisen, die zunimmt und sich bei Lagewechsel verschiebt. Im weiteren Verlaufe nimmt die Bauchdeckenspannung zu, der Puls wird schneller und leicht unterdrückbar, die Zunge wird trocken. Bei Rektaluntersuchung ist der Douglas oft druckempfindlich (kein sicheres Zeichen!). Schon beim Beginn der Erscheinungen oder Verdacht auf innere Bauchverletzung sofortige Abgabe in ein Krankenhaus. Kein Mo oder sonstige Alkoloide geben, um das Bild nicht zu verschleiern I Ähnliche Erscheinungen wie bei Blutungen im Bauch machen auch starke r e t r o p e r i t o n e a l e H a e m a t o m e bei schweren Wirbel- und Beckenbrüchen. Auch bei schweren Rippenbrüchen, insbesondere rechts sind oft gleichzeitig Bauchsymptome vorhanden. Auch N i e r e n q u e t s c h u n g e n u n d R i s s e zeigen oft die gleichen Erscheinungen, dazu kommt blutiger Harn.
VIII. Becken Bei Beckenverletzungen sofort urinieren lassen, gelingt dies nicht, dann katheterisieren (Gefahr einer gleichzeitigen Verletzung von Harnröhre oder Harnblase). Zustandekommen durch Sturz, Quetschung, Überfahren, Verschüttung usw. Bei P r e l l u n g e n ist die Gehfähigkeit behindert oder unmöglich, es besteht spontaner und Druckschmerz an dei\ getroffenen Stellen. Einteilung der Beckenbrüche (Abb. 105): 1. B e c k e n r a n d b r ü c h e — Brüche der Darmbeinschaufel, des unteren Schambeinastes und des Sitzbeines. Klinisch besteht Druckschmerz, eventuell Schwellung, selten Knochenkrachen; später tritt manchmal Blaufärbung vom Bluterguß auf. 2. B e c k e n r i n g b r ü c h e «— sitzen entweder an einer Stelle, so daß die Festigkeit des Ringes nicht leidet, z. B. Bruch eines oder beider Schambeinäste auf einer Seite, oder der Ring ist gesprengt, z. B- Bruch beider Schambeinäste auf beiden Seiten oder Bruch vorne und rückwärts neben der Kreuzbein-Darmbeinfuge oder Zerreißung derselben. Ist der Ring vorne und rückwärts gesprengt, eventuell mit Verschiebung einer Seite, so spricht man von M a l g a i g n e s c h e n B r ü c h e n . 3. Dazu kommt noch die Sprengung der Symphyse = S y m p h y s i o l y s e , eventuell mit Diastase, wenn gleichzeitig rückwärts ein Bnjch sitzt oder die Kreuzbein-Darmbeinfuge einer Seite gesprengt ist. Zeic h e n schwerer Beckenbrüche: Gehunfägigkeit, eventuell Hochstand einer Beckenseite (scheinbare Verkürzimg des Beines), Schmerzen beim Zusammenpressen des Beckens, dabei eventuell Knochenkrachen zu spüren.. B e h a n d l u n g : Bettruhe, Umschläge, unterstützende Maß-
Becken.
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Abb. 105. Bruchformen im Bereiche des Beckens: 1. Beckenrandbrüche, 2a. Beckenringbrüche ohne Sprengung des Ringes (oberer und unterer Schambeinast), 2b. Malgaignesche Fraktur = Beckeilringsprengung, eventuell mit Verschiebung einer Beckenhälfte, 3. Symphysiolyse.
nahmen s. S. 68. Fälle mit schweren Brüchen oder mit Verschiebung gehören in Krankenhausbehandlung, ebenso Verletzungen der Harnblase oder -röhre (sofort abgeben!). Bei schweren Beckenbrüchen kann sich der Verletzte ins Becken verbluten.
Komplikationen: 1. R i ß der H a r n r ö h r e : Diese kann auch ohne Beckenbruch bei R i t t l i n g s v e r l e t z u n g e n Zustandekommen. Das Spontanurinieren ist unmöglich, beim Katheterisieren kommt kein Harn, beim Herausziehen sieht man Blut am Ende des Katheters. Es besteht Druckschmerz, häufig Schwellung der Dammgegend, später sieht man das S c h m e t t e r l i n g s h a e m a t o m an dieser Stelle. 2. R i ß der H a r n b l a s e (durch ein Bruchstück oder durch Quetschung oder Zerrung der Blase): Das Ergebnis des Katheterisierens ist gleich wie beim Riß der Harnröhre, nur geht der Katheter tiefer hinein; dazu kommen zunehmende abdominelle Symptome.
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Besonderer Teil
IX. Pfählungen entstehen mit allen möglichen Gegenständen von der Mastdarm- und Dammgegend her. Es besteht Gefahr der Mitverletzung von Darm, Blase usw. Sofortige Abgabe in ein Krankenhaus.
X. Arm Untersuchungsgang für alle Verletzungen des Armes: Oberkörper völlig entkleiden! Die Prüfung des ganzen Armes soll immer, auch bei Verletzungen z. B. der Hand oder eines Fingers gemacht werden, um festzustellen, ob nicht schon von früher irgendwelche Veränderungen, z. B. eine Bewegungsbeschränkung der Schulter, eine Nervenstörung usw. bestehen. a) B e t r a c h t u n g : FormVeränderung, Schwellung, Hautverfärburig (Entzündung, Bluterguß usw.), Wunden, Narben. b) B e w e g l i c h k e i t : Immer beide Arme vergleichen! Finger öffnen und schließen, Ellbogen strecken und beugen, bei gebeugtem Ellbogen das Handgelenk nach der Streck- und-Beuge-, Speichen- und Ellenseite zu bewegen. Vorderarm nach innen und außen drehen (Pro- und Supination), beide Arme heben, hinter den Kopf (Außendrehung) und auf das Kreuz legen (Innendrehung). Die Streckfähigkeit des Vorderarmes ist zu prüfen bei seitlich rechtwinklig gehobenem Oberarm und herabhängendem Vorderarm. c) Puls der Speichenschlagader prüfen und zwar auf beiden Seiten, falls dort nicht zu tasten, am Oberarm. d) N e r v e n p r ü f u n g motorisch: Speichennerv = Streckmöglichkeit der Fingergrundgelenke und des Handgelenkes, Mittelnerv = volle Beugung des Zeigefingers und Oppositionsmöglichkeit des Daumens, Ellennerv = Fingerspreizung, Beugung in den Fingergrundgelenken bei Streckung der Mittel- und Endgelenke (Lähmungen s. S. 74, Abb. 92, 93-96). e) B e r ü h r u n g s e m p f i n d u n g : Jeder Finger einzeln, auf der Beugeund Streckseite, Hohlhand und Handrücken, die einzelnen Seiten des Vorder- und Oberarmes, ferner W ä r m e - u n d K ä l t e p r ü f u n g . f) B e t a s t e n der v e r l e t z t e n S t e l l e (gilt nicht für Wunden!): Am besten konzentrisch beginnend im unverletzten, noch nicht geschwollenen Gebiete, auf die Stelle der stärksten Druckempfindlichkeit vorgehen. Untersuchung bei Knochenbrüchen s. S. 29 ff. a) Schultergürtel 1. W u n d e n u n d I n f e k t i o n e n s. allgemeiner Teil. Bei schwereren Wunden und Infektionen, insbesonders bei Leuten über 40 Jahre, muß der Arm auf Doppelrechtwinkelschiene hochgelagert und die Schulter täglich mehrmals in vollem Umfange bewegt werden, um eine Versteifung der Schulter zu vermeiden. Arm nicht in der Schlinge tragen lassen!
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Besonderer Teil
IX. Pfählungen entstehen mit allen möglichen Gegenständen von der Mastdarm- und Dammgegend her. Es besteht Gefahr der Mitverletzung von Darm, Blase usw. Sofortige Abgabe in ein Krankenhaus.
X. Arm Untersuchungsgang für alle Verletzungen des Armes: Oberkörper völlig entkleiden! Die Prüfung des ganzen Armes soll immer, auch bei Verletzungen z. B. der Hand oder eines Fingers gemacht werden, um festzustellen, ob nicht schon von früher irgendwelche Veränderungen, z. B. eine Bewegungsbeschränkung der Schulter, eine Nervenstörung usw. bestehen. a) B e t r a c h t u n g : FormVeränderung, Schwellung, Hautverfärburig (Entzündung, Bluterguß usw.), Wunden, Narben. b) B e w e g l i c h k e i t : Immer beide Arme vergleichen! Finger öffnen und schließen, Ellbogen strecken und beugen, bei gebeugtem Ellbogen das Handgelenk nach der Streck- und-Beuge-, Speichen- und Ellenseite zu bewegen. Vorderarm nach innen und außen drehen (Pro- und Supination), beide Arme heben, hinter den Kopf (Außendrehung) und auf das Kreuz legen (Innendrehung). Die Streckfähigkeit des Vorderarmes ist zu prüfen bei seitlich rechtwinklig gehobenem Oberarm und herabhängendem Vorderarm. c) Puls der Speichenschlagader prüfen und zwar auf beiden Seiten, falls dort nicht zu tasten, am Oberarm. d) N e r v e n p r ü f u n g motorisch: Speichennerv = Streckmöglichkeit der Fingergrundgelenke und des Handgelenkes, Mittelnerv = volle Beugung des Zeigefingers und Oppositionsmöglichkeit des Daumens, Ellennerv = Fingerspreizung, Beugung in den Fingergrundgelenken bei Streckung der Mittel- und Endgelenke (Lähmungen s. S. 74, Abb. 92, 93-96). e) B e r ü h r u n g s e m p f i n d u n g : Jeder Finger einzeln, auf der Beugeund Streckseite, Hohlhand und Handrücken, die einzelnen Seiten des Vorder- und Oberarmes, ferner W ä r m e - u n d K ä l t e p r ü f u n g . f) B e t a s t e n der v e r l e t z t e n S t e l l e (gilt nicht für Wunden!): Am besten konzentrisch beginnend im unverletzten, noch nicht geschwollenen Gebiete, auf die Stelle der stärksten Druckempfindlichkeit vorgehen. Untersuchung bei Knochenbrüchen s. S. 29 ff. a) Schultergürtel 1. W u n d e n u n d I n f e k t i o n e n s. allgemeiner Teil. Bei schwereren Wunden und Infektionen, insbesonders bei Leuten über 40 Jahre, muß der Arm auf Doppelrechtwinkelschiene hochgelagert und die Schulter täglich mehrmals in vollem Umfange bewegt werden, um eine Versteifung der Schulter zu vermeiden. Arm nicht in der Schlinge tragen lassen!
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2. Stumpfe Verletzungen: aa) Die Schulterprellung. Sie kommt zustande durch Sturz auf die Schulter oder durch Darauffallen eines Gegenstandes. Man findet manchmal Hautabschürfungen, manchmal eine Schwellung, äußerst selten einen Bluterguß; dieser spricht in der Regel für einen Knochenbruch; manchmal ist überhaupt nichts zu sehen. Das selbsttätige Bewegen ist entweder frei oder verlangsamt oder eingeschränkt. Fremdtätig ist in frischen Fällen die Beweglichkeit frei, häufig aber schmerzhaft. Die Stelle der Prellung ist druckschmerzhaft.
Abb. 106—108. Schulterverrenkung rechts, typische Haltung, an Stelle des Obparmkopfes ist eine Höhle unter der Schulterhöhe.
bb) Die Schulterzerrung. Sie kommt zustande durch Sturz auf die Hand, bei Drehung des Armes, durch „Verreißen" der Schulter z. B. beim Hängenbleiben usw. Äußerlich ist nichts zu sehen, die selbsttätige Beweglichkeit ist entweder frei, meist aber behindert, wobei Folgendes charakteristisch ist: Der Verletzte hebt den Arm selbsttätig bis knapp unter die Horizontale, weiter geht es selbsttätig nicht, hilft man über diese Stelle hinweg, dann kann der Arm frei gehoben werden. Druckpunkte: Entlang der langen Bizepssehne im Sulcus intertubercularis (zwischen dem großen und kleinen Oberarmhöcker), knapp unter dem Rabenschnabelfortsatz und am Ansatz des Deltamuskel am Oberarm. Behandlung der Schulterprellung und -zerrung: Das wichtigste ist die Erhaltung, bzw. Erzielung der freien Beweglichkeit: Übungen am Rollenzug (Abb. 88), also selbsttätige Bewegungsübungen, fremdtätige Bewegungsübungen unter Vermeidung von Schmerzen, Umschläge, Heißluft, Diathermie, Schlammpackungen als unterstützende Mittel. Bei Druckschmerz im Sulcus intertubercularis kann diese Stelle auch massiert werden, sonst ist Massage nicht zweckmäßig. Gelingt die freie Beweglichkeit i n n e r h a l b e i n i g e r T a g e n i c h t , dann muß man
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den Arm auf eine fixe D o p p e l r e c h t w i n k e l s c h i e n e (Abb. 81-84) h o c h l a g e r n und zwar ununterbrochen (Tag und Nacht) und von der Schiene aus üben lassen, eventuell Abgabe in ein Krankenhaus, sonst ist die Schulterversteifung die unweigerliche Folge! cc) Die Schulterverrenkung (Abb. 106—115). Zur Schulterverrenkung kommt es durch Sturz auf Hand oder Ellbogen bei abgespreiztem Arm oder beim Hängenbleiben des Armes. Sie ist die häufigste Verrenkung überhaupt.
Abb. 109 u. 110. Präglenoidale Schulterverrenkung vor und nach dem Einrichten. Der verrenkte Oberarmkopf steht vor der Pfanne und unter dem Rabenschnabelfortsatz.
D a s k l a s s i s c h e B i l d (Abb. 106—108). 1. Der Oberarm steht vom Oberkörper weg. 2. Der Verletzte hält mit der gesunden Hand den Vorderarm der verletzten Seite oder stützt diesen auf den Oberschenkel auf. 3. Die normale Schulterwölbung fehlt. 4. Die Schulterpfanne ist leer, man spürt unter dem Acromion eine Höhle. 5. Die Oberarmachse zieht unter die Schulter, statt auf dieselbe. 6. Bei Bewegungsversuchen ist der Oberarm „federnd fixiert", d. h. wenn man ihn bewegt, was Schmerzen verursacht, so geht er immer wieder in die ursprüngliche Lage zurück. 7. Der Oberarmkopf ist häufig unter dem. Rabenschnabelfortsatz zu tasten. K o m p l i k a t i o n e n : 1. Druck auf Gefäße (Puls p r ü f e n ) . 2. Druck auf Nerven, wichtig ist die P r ü f u n g der B e w e g l i c h k e i t von Fingern, Handgelenk, sowie der Berührungsempfindung. Am häufigsten ist der N. axillaris gelähmt (kann erst nach dem Einrichten geprüft werden). Manchmal besteht vollständige Plexuslähmung. Die
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Lähmungen erholen sich in einigen Wochen bisMonaten, in der Regel vollständig, s. S. 74. 3. Gleichzeitige Knochenabrisse (tubercul. maj., A b b . 1 1 1 oder äußerst selten das tubercul. minus), Bruch unter dem Oberarmkopf = Luxationsfraktur; diese gehört in fachärztliche Behandlung. D a s Röntgenbild zeigt die charakteristischen formen der Verrenkung: Die häufigste ist die L u x . s u b c o r a c o i d e a = p r a e g l e n o i d a l i s (Abb. 109—110). Der Oberarmkopf steht vor der Pfanne unter dem Rabenschnabelfortsatz. Dann folgt die a x i l l ä r e Verrenkung, häufig bei älteren Leuten, dabei ist in der Regel das T u b . m a j . abgerissen (Abb. 1 1 1 ) . Sehr selten ist Abb. i n . Axilläre Schulterverrenkung mit Abbruch des großen d i e L u x a t i o e r e c t a , der A r m steht senk- Rollhöckers und Verschiebung recht, und d i e L u x . p o s t e r i o r , in der Regel desselben nach außen und unten. durch Schlag von vorne. B e h a n d l u n g : Vor jeder Einrichtung Prüfung des Radialispulsseund der Fingerbeweglichkeit. A u f Lähmungen ist der Verletzte oder seine Angehörigen aufmerksam z u machen! Das Einrichten. 1. Die schonendste Methode ist die näch H i p p o k r a t e s (Abb. 112). N a c h Betäubung (örtlich oder allgemein) wird der Verletzte auf den Boden oder auf einen Tisch gelegt, der Einrichtende setzt sich auf die verletzte Seite, faßt mit beiden Händen die Hand des verletzten Armes, die unbeschuhte Ferse wird in die Achselhöhle ge-
Abb. 112. Einrichtung der Schulterverrenkung nach H i p p o k r a . t e s . Die unbeschuhte Ferse wird in die Achselhöhle gesetzt und unter Adduktion und Drehung des Armes die Verrenkung eingerichtet; die Ferse wirkt als Hypomochlion. Knie und Ellbogen des Einrichtenden müssen gestreckt sein. (Nach B ö h l e r . )
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A b b . 1 1 3 — 1 1 5 . Einrichtung einer Schulterverrenkung nach K o c h e r . Anlegen, Außendrehung, Heben, zum Schluß noch Innendrehung.
setzt und der ganze Arm langsam unter Längszug nach außen und innen gedreht, wobei durch die Ferse als Hypomochlion der Oberarmkopf in' seine normale Lage gebracht wird. Wichtig ist, langsam und stetig zu ziehen. 2. Nach K o c h e r (Abb. 113—115): Mit der gleichseitigen Hand faßt man die Hand des Verletzten, mit der anderen den rechtwinklig gebeugten Ellbogen, dann wird der Arm möglichst an den Körper angelegt (adduziert), nach außen gedreht, nach vorne gehoben (eleviert) und dann nach innen gedreht. 3. Man läßt am Arm ziehen und drehen und bringt mit den Fingern oder der Faust den Oberarmkopf wieder in seine Lage. Gegenzug mit einem um den Oberkörper geschlungenen Leintuch. Wichtig ist, nach jeder Einrichtung den Arm heben zu lassen, um zu prüfen, ob der N. axillaris funktioniert. Nach dem Einrichten immer Röntgenbild! nicht durchleuchten s. S. 42. Nachbehandlung: In jedem Alter und bei jeder Form der Verrenkung gibt man zunächst für zwei Tage eine Armschlinge und Umschläge über die Schulter. Während dieser Zeit läßt man jedoch bereits Finger, Handgelenk und Ellbogen selbsttätig bewegen. Nach 2 Tagen probiert man, wie weit der Verletzte die Schulter heben kann. Gelingt dies in den nächsten Tagen vollständig und selbsttätig, so ist eine weitere Behandlung nicht notwendig. Kann der Arm nicht vollständig gehoben werden, dann muß er auf Doppelrechtwinkelschiene gelagert werden (Abb. 83—84), die Tag und Nacht bleibt. Ferner beginnt man sofort mit selbst- und fremdtätigen Bewegungsübungen mit Hilfe des gesunden Armes, eines Stockes und am Rollenzug (Abb. 88). Dies ist sehr wichtig, um eine Schulterversteifung zu vermeiden. Die Schiene bleibt, bis der Arm selbsttätig vor der Schiene gesenkt und dann bis 120° selbsttätig gehoben werden kann. Die Übungen sind aber auch dann weiter fortzusetzen. Günstig sind die z u s ä t z l i c h e n H e i l m i t t e l (s. S. 58). Alle Verrenkungen mit B r u c h des g r o ß e n R o l l h ö c k e r s werden einen Tag nach dem Einrichten auf die Doppelrechtwinkelschiene ge-
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lagert, der Oberarm bleibt 3 Wochen fixiert, während dieser Zeit läßt man jedoch fleißig selbsttätige Bewegungsübungen von Fingern, Handgelenk und Ellbogen machen. N a c h A b n a h m e des Gipsverbandes beginnt man mit selbst- und fremdtätigen Bewegungsübungen der Schulter und Ü b e n a m Rollenzug. D i e Doppelrechtwinkelschiene bleibt auch hier, bis der A r m selbsttätig 30 Grad v o n der Schiene abgehoben werden kann. dd) Die gewohnheitsmäßige (habituelle) Schulterverrenkung. Die erste Verrenkung kommt meist durch eine starke Gewalteinwirkung zustande. Die späteren Verrenkungen kommen immer häufiger und bei geringen, belanglosen Bewegungen zustande: Heben des Armes, Umdrehen im B e t t usw. D a s Einrichten gelingt häufig sehr leicht ohne Betäubung, manche Verletzte können die Verrenkung auch selbst einrichten. Die zur Verhinderung der Verrenkung angegebenen Apparate sind nicht zweckmäßig, weil sie den A r m an den Oberkörper halten und dadurch seine Beweglichkeit behindern, oder wenn sie locker sind, die Verrenkung doch nicht verhindern können. D a s Zweckmäßigste ist die Operation; von den A b b . 116. Stufe bei alter, nicht beverschiedenen angegebenen Verfahren handelter Verrenkung im Schulterist heute das nach E d e n (Einschieben blatt-Schlüsselbeingelenk. eines Schienbeinspanes an die Vorderund Unterseite des Schultergelenkes, extra- oder intraartikulär) das empfehlenswerteste. Ursache für die gewohnheitsmäßige Schulterverrenkung sind wahrscheinlich konstitutionelle Momente, vielleicht auch gelegentlich eine Absprengung v o m Pfannrand. Die Ansicht, d a ß man durch Fixation nach der Verrenkung die gewohnheitsmäßige Schulterverrenkung vermeiden kann, ist irrig. ee) Die Verrenkung im Schulterblatt-Schlüsselbeingelenk. ( L u x . a c r o m i o c l a v i c u l a r i s ) (Abb. 116). Sie entsteht durch Sturz oder A u f fallen von Gegenständen auf die Schulter. Klinisch besteht mäßige Schwellung und eine mehr oder minder deutliche Stufe über dem Gelenk (Abb. 116). Die Beweglichkeit der Schulter ist meist eingeschränkt. K o m p l i k a t i o n e n gibt es praktisch keine. I m R ö n t g e n b i l d (Abb. 1 1 7 — 1 1 8 ) springt das Schlüsselbein nach oben vor, manchmal besteht eine Diastase im Gelenk, seltener eine Verkürzung in dem Sinne, daß das Schlüsselbein über dem Acromion liegt. Selten ist die Verrenkung des Schlüsselbeines nach rückwärts. B e h a n d l u n g : A m zweckmäßigsten konservativ mit einem Triangel (Abb. 119—120) aus Cramerschiene, mit einem vorderen Stück, auf
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A b b . 117 u. 118. Verrenkung im Schulterblatt-Schlüsselbeingelenk mit Stufe und Diastase. N a c h dem Einrichten und Anlegen des Triangels Verrenkung völlig behoben.
d e m Vorderarm und H a n d aufruhen. Direkt über das Gelenk (die Stufe) z i e h f e i n 3 cm breiter Gurt, welcher an dem Querteil des Triangel vorne und rückwärts befestigt ist und mit einer Schnalle angezogen werden kann. Auf der Schulterhöhe liegt unter dem Gurt ein Filzpolster. Zeit der Ruhigstellung 6 Wochen. Die operativen Verfahren (Drahtumschlingung, Plastiken) für die frische Verrenkung sind nicht angezeigt, auch für alte Verrenkungen genügen sie nicht in allen Fällen. Nicht erkannte oder nicht behandelte Verrenkungen ziehen häufig Arthrose in dem betreffenden Gelenk mit Schmerzen und herabgesetzter K r a f t nach sich. Die .Beweglichkeit ist k a u m je eingeschränkt. ff) Die Verrenkungen im Brustbein-Schlüsselbeingelenk ( L u x . s t e r n o c l a v i c u l a r i s ) . Entstehung durch Sturz oder Schlag auf die Schulter; diese Verletzung ist selten; a m häufigsten kommt es zur Verschiebung des Schlüsselbeines nach vorne und oben, seltener nach unten und rückwärts. D a s Einrichten der Verrenkung ist nicht schwierig —
A b b . 119 u. 120. Verrenkung im Schulterblatt-Schlüsselbeingelenk, eingerichtet und ruhiggestellt mit Triangel. Der unterpolsterte Gurt zieht über die Schulterhöhe und hält das äußere E n d e des Schlüsselbeines nieder. Oberarm fixiert, Ellbogen zur Bewegung frei gelassen.
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A b b . 121—123. Charakteristische Verschiebungen bei Schlüsselbeinbruch rechts ohne ärztliche Behandlung, 6 Wochen nach dem Unfall. 35jähriger Hilfsarbeiter. Deutliche Stufe, die Schulter verkürzt und nach unten und nach vorne abgesunken.
Z u g an der Schulter und Druck auf das Schlüsselbein — das Halten jedoch sehr. Falls keine Druckerscheinungen auf die Umgebung (insbesonders die Luftröhre) bestehen, versucht man einzurichten, g i b t dann eine Armschlinge und läßt die Schulter schonen. E s bleibt gewöhnlich eine buckelige Verdickung an der Grenze Brustbein-Schlüsselbein. Falls sie kosmetisch stört, kann man sie abmeißeln. gg) Der Schlüsselbeinbruch (Abb. 1 2 1 — 1 2 8 ) . Entstehung durch Sturz (häufig bei Kindern als Knickbruch) oder Schlag auf die Schulter. E s gibt Biegungs-, Quer- und Drehbrüche. Der häufigste Sitz ist in der Mitte oder an der Grenze mittleres-äußeres Drittel. K l i n i s c h : E s besteht Schwellung und Druckschmerz über dem Schlüsselbein bis zur Schulter, die Formen sind verschwommen, manchmal ist eine Stufe oder ein K n i c k an der Bruchstelle zu sehen und zu tasten. Nach einigen Tagen tritt B l a u Verfärbung der H a u t infolge Blutergusses auf. Die Be-
A b b . i 2 4 u . 125. Drehbruch des Schlüsselbeines mit Ausbruch von 2 quer über die Bruchstelle liegenden' Splittern. Das äußere Bruchstück um mehr als halbe Breite nach unten verschoben und um 15 Grad nach unten geknickt. Verkürzung 1,5 cm. Nach dem Einrichten Verkürzung ausgeglichen,' Parallelverschiebung geringer, gute Achse. Die Verschiebung ist belanglos und ergibt auch klinisch keine Deformität, wenn die Achse gut ist. 7 Ehalt, Unfallpraxis.
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weglichkeit der Schulter ist eingeschränkt bis aufgehoben. Die V e r s c h i e b u n g e n kommen zustande durch die einwirkende Gewalt, durch das Gewicht des Armes, durch den Zug des M. sternocleidomastoideus auf das innere Bruchstück (dieses ragt manchmal unter der Haut vor) und durch die Schultergürtelmuskulatur, insbesonders den M. pectoralis: die Schulter sinkt nach unten, nach vorne und nach innen (Verkürzung). Abb. 121—123, 124—125. Komplikationen: Sehr selten Druck auf den Plexus brachialis, kaum je Druck auf die Gefäße. E i n r i c h t u n g : Nach örtlicher Betäubung (nicht tief stechen, mit der A b b . 126. Einrichten eines Schlüssel- Nadelspitze auf Knochenberührung bleibeinbruches oder einer Verrenkung ben) der Bruchstelle wird die Faust im Schlüsselbein-Schulterblattgelenk in die Achselhöhle gelegt (Abb. 126). (mit Verkürzung). Die Faust wird Dadurch und durch Zug nach außen in die Achselhöhle gelegt, der Vorderarm adduziert (Ausgleich der wird die Verkürzung ausgeglichen, dann Verkürzung), die Schulter gehoben. wird die Schulter gehoben und nach Anschließend'Anlegen der Schlüssel- rückwärts gezogen, wenn nötig werden beinschiene nach B b h l e r oder eines durch Druck mit den Fingern die Bruchgepolsterten Triangels. stücke aufeinandergestellt. Das F e s t h a l t e n ist wesentlich schwieriger. E s sind ungefähr 100 Verbände dazu angegeben worden. Schlecht sind der D e s a u l t s c h e Verband und ähnliche Verbände, welche das Schultergelenk ruhigstellen und bei älteren Leuten in der Regel zur Schulterversteifung führen. Bei Kindern
A b b . 127 u. 128. Tornisterverband für Schlüsselbeinbrüche bei Kinder»/,(nach dem Einrichten). Unter die Knoten am Rücken kann ein Polster gelegt werden
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kommt es mit diesem Verband in der Regel zum Absinken des äußeren Bruchstückes. In diesem Fall hat sich uns am zweckmäßigsten der T o r n i s t e r v e r b a n d bewährt (Abb. 127—128): Um jede Schulter wird schlingenförmig eine Zellstoffrolle gelegt und beide rückwärts zusammengezogen. Vorne werden beide Rollen locker zusammengebunden, um ein Abgleiten derselben über die Schulter zu vermeiden. Ruhigstellung für 3 Wochen, Schultergelenk und übrige Gelenke vom ersten Tag an bewegen lassen. Bei E r w a c h s e n e n kommt entweder der Tornisterverband in Betracht oder besser die S c h l ü s s e l b e i n s c h i e n e n a c h B ö h l e r (Abb. 85—86 s. S. 66), jedoch nur dann, wenn der Verband täglich oder jeden zweiten Tag geprüft werden kann. Wichtig ist, daß nach guter Einrichtung die Schiene exakt angelegt wird: Ein genähtes Wattepolster kommt auf die gesunde Schulter unter den schrägen Riemen, 2 Polster um den Brustkorb unter die queren Riemen. Das innere Bruchstück wird mit einem mit Filz unterlegten 3 cm breiten Gurt niedergehalten. Der Gurt ist am queren Teil der Schiene vorne und rückwärts befestigt. Wichtig ist, das alle Polster sofort angenäht werden, damit sie nicht herausfallen und das Ganze locker wird. Zeit der Ruhigstellung 4 bis 5 Wochen, sofortiger Beginn mit Bewegungsübungen aller Gelenke, auch der Schulter! Ein befriedigendes Ergebnis wird man erzielen, wenn die Schulter frei beweglich ist und wenn keine Stufe an der Bruchstelle bestehen bleibt. Wichtig ist zu wissen, daß auch beim Schlüsselbeinbruch im Röntgenbild Parallelverschiebimg bei guter Achse belanglos ist (Abb. 124—125). hh) Brüche des Schulterblattes entstehen durch direkte Gewalteinwirkung. K l i n i s c h : Schwellung, Bewegungsbehinderung der Schulter, Schmerz, eventuell Knochenkrachen. B e h a n d l u n g : Frühzeitig Bewegungsübungen der Schulter, eventuell Lagern des Armes auf eine Doppelrecht winkelschiene. Achtung vor Schulterversteifung! Brüche des Schulterblatthalses mit Verschiebung behandelt man auf der Doppelrechtwinkelschiene unter Zug. • ii) Der Oberarmbruch unter dem Kopf ( i n f r a t u b e r c u l ä r ) (Abb. 129-130). 1. Ohne wesentliche Verschiebung: Er ist häufig bei a l t e n L e u t e n und kann in der Sprechstunde leicht behandelt werden. Entstehung durch Sturz. K l i n i s c h : Schwellung und diffuser Druckschmerz über der Schulter, insbesondere über dem Oberarmkopf. Nach einigen Tagen treten blaue Flecke auf, gewöhnlich an der Außen- und Vorderseite der Schulter (Bluterguß). Die Schulter kann nur einige Grade oder überhaupt nicht gehoben werden, die Bewegung des Ellbogens ist gewöhnlich in den Endlagen schmerzgehemmt, wenn jedoch der Oberarm festgehalten wird, ist sie frei. K o m p l i k a t i o n e n praktisch nie. Das Röntgenbild von vorne zeigt eine Bruchfläche unter dem Kopf = Collum chirurgicum, gewöhnlich keine oder nur geringgradige Parallelverschiebung, in der Regel keine Achsenknickung. Der Bruch ist gewöhnlich e i n g e s t a u c h t f Abb. 129—130). Die Seitenaufnahme macht
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man am besten tangential rückwärts von der anderen Seite her, die Kassette liegt der verletzten Schulter außen auf. Es besteht auch in dieser Richtung entweder keine Verschiebung oder eine Antekurvation = nach rückwärts offener Winkel. B e h a n d l u n g : Falls eine Achsenknickung besteht, so wird diese in örtlicher Betäubung oder im Evipanrausch durch Beugen des Oberarmes nach der entsprechenden Seite ausgeglichen; gewöhnlich besteht Antecurvation, daher wird mit einer Hand die Schulter von vorne festgehalten und mit der anderen der ganze Arm nach vorne geknickt, wobei man oberhalb des Ellbogens rückwärts faßt. Von der Schulter und vom Ellbogen her staucht man den Bruch ein, dann wird, auch in den Fällen ohne Knickung nach Einlegen eines gepuderten Polsters
Abb. 129—130. Infratuberkulärer Oberarmbruch bei 56 jährigem. In der Aufnahme von vorne nach rückwärts und axillär ohne Knickung eingestaucht. X
Rabenschnabelfortsatz.
in die Achselhöhe und Polsterung von Schlüter, Oberarm und Ellbogen und Vorderarm mit Zellstoff oder Watte ein D e s a u l t s c h e r Verband (s. S. 67, Abb. 87) für 10 Tage angelegt. Gleich am nächsten Tag Beginn mit selbsttätigen Bewegungsübungen von Fingern und Handgelenk. Nach Abnahme des Verbandes läßt man selbsttätige Übungen des Ellbogens und der Schulter, ferner fremdtätige Bewegungsübungen der Schulter machen und am Rollenzug üben (Abb. 88), wobei der Arm nach vorne, seitlich und rückwärts gehoben werden muß; Hochheben des verletzten Armes mit der gesunden Hand und mit einem Stock, an dem beide Hände anfassen. Zweckmäßig sind die unterstützenden Maßnahmen (s. S. 68). Vor Massage ist zu warnen! Die fremdtätigen Bewegungsübungen dürfen nur soweit gemacht werden, daß sie keine Schmerzen verursachen! Die Behandlung dieser Brüche mit der Doppelrechtwinkelschiene ist nicht zweckmäßig, weil ältere Leute durch dieselbe, wenn sie Ununterbrochen liegt, häufig an Herz und Lunge dekompensiert werden. Eventuell kann man nach Abnahme des Desaultschen Verbandes tagsüber für einige Stunden den Arm auf eine Doppelrechtwinkelschiene legen und von dieser Stellung aus üben. Die Schulter wird bei diesen
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Brüchen häufig frei beweglich, manchmal bleibt eine Bewegungsbeschränkung. Die übrigen Gelenke sollen frei beweglich bleiben. 2. Der infratuberkuläre Oberarmbruch mit Verschiebung (in der Regel bei jüngeren Leuten). Man unterscheidet den A b d u k t i o n s b r u c h — das körperferne Bruchstück ( = Schaft) ist nach außen und rückwärts geknickt und nach innen gedreht, außerdem häufig parallel verschoben — und den A d d u k t i o n s b r u c h — der Schaft ist nach innen und rückwärts geknickt und nach innen verdreht, häufig besteht auch Parallelverschiebung. Die R ö n t g e n a u f n a h m e wird von vorne und bei rechtwinklig erhobenem A r m (wenn nötig nach örtlicher Betäubung) von der Achselhöhle her gemacht. B e h a n d l u n g : In örtlicher Betäubung wird unter
A b b . 131. Riß der langen Bizepssehne rechts bei 66[jährigem. Charakteristische Veränderung des Bizepswulstes.
Zug am Arm und durch entsprechende Knickung eingerichtet, der Arm unter Zug (am besten mit Heftpflaster) auf die Doppelrechtwinkelschiene gelagert und ein Gipsverband vom Ellbogen über die verletzte Schulter zur Schulter der gesunden Seite angelegt. Sofortiger Beginn mit Bewegungsübungen des Ellbogens (selbsttätig, mit Stock, am horizontalen Rollenzug). Ruhigstellung für 5 Wochen. Dann beginnt man mit Bewegungsübungen der Schulter (selbst- und fremdtätig wie S. 68 beschrieben). Die Behandlung dieser Brüche in der Sprechstunde ist in der Regel zu umständlich. Der B r u c h d e s t u b e r c u l u m m a j u s kommt isoliert selten vor, häufiger bei der axillären Schulterverrenkung (Abb. I i i ) . B e h a n d l u n g : Ruhigstellung des Armes auf Doppelrechtwinkelschiene für 3 Wochen, dann Bewegungsübungen von der Schiene aus (s. S. 68). kk) R i ß der längen Bizepssehne (Abb. 131). Gewöhnlich beim Heben .einer schweren Last, manchmal aber auch ohne äußeren Anlaß spürt der Betreffende einen R i ß in der Schulter. Man sieht dann den typischen Wulst des Bizepsmuskels tiefer sitzen, er ist nicht mehr länglich, sondern mehr kugelig (Abb. 131). Der Riß kommt durch lang-
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sames Durchscheuern der Sehne im Sulcus intertubercularis, häufig auf Grund rheumatischer oder arthrotischer Veränderungen zustande. In der Regel ist daher dieser Zustand k e i n e U n f a l l s f o l g e , s. S. 161. B e h a n d l u n g : Da die Beweglichkeit frei bleibt und die Kraft nicht wesentlich herabgesetzt ist, ist in der Regel eine Behandlung nicht notwendig. Bei jüngeren Leuten und herabgesetzter Kraft kann man die Operation durchführen: Der Rest der langen Bizepssehne wird an die kurze angenäht. 11) Die Schulterversteifung = Schulterkontraktur. Sieht man von krankhaften Vorgängen — Rheumatismus, Polyarthritis, nach Entzündungen, metastatischen Infektionen usw. ab, so ist die Schulterversteifung Folge einer Verletzimg der Schulter oder von Ruhigstellung der Schulter in Adduktion. K l i n i s c h ; , Der Arm kann nicht voll gehoben werden, manchmal nicht einmal bis zum rechten Winkel. Außen- und Innendrehung sind eingeschränkt, es besteht Schwund der Schultergürtelmuskulatur, die Schulter schmerzt bei Bewegungen, auch in,der Ruhe, der Schlaf ist gestört. Der Betreffende ist nicht arbeitsfähig. Nach schweren Schulterverletzungen — Verrenkungsbrüchen, schweren Muskelwunden, Verbrennungen usw. ist die Schulterversteifung kaum zu vermeiden. Häufig sieht man sie jedoch nach Verletzungen außerhalb der Schulter : Bei Speichen- und Fingerbrüchen, nach Panaritien und HandVerletzungen. Die Ursache ist, daß der Arm in einer Schlinge getragen wird und der Verletzte seine Schulter nicht bewegt! In diesen Fällen ist die Schulterversteifung bei entsprechender Sorgfalt praktisch immer vermeidbar I Das Wichtigste Ist die Vorbeugung: Bei Verletzungen des ganzen Armes darf man keine Armschlinge geben, der Verletzte hat mehrmals am Tage den Arm vollkommen zu heben, hinter den Kopf und auf das Kreuz zu legen! B e h a n d l u n g der S c h u l t e r v e r s t e i f u n g : Lagerung des Armes auf Doppelrechtwinkelschiene, die Tag und Nacht bleibt (Abb. 81—84), Bewegungsübungen von dieser aus (selbst- und fremdtätig, mit Rollenzug, s. .S. 68), dazu die unterstützenden Maßnahmen, s. S. 68. Eventuell kommt eine Mobilisation in Narkose mit entsprechender Nachbehandlung in Betracht. Die Schulterversteifungen belasten den Verletzten infolge Verdienstentgang und die Sozialversicherungsträger durch Renten jährlich mit vielen Hunderttausenden von Reichsmark, die allgemeine Arbeitskraft wird dadurch erheblich geschädigt. Daher Achtung auf vermeldbare Schulterversteifungen! b) Der Oberarmschaftbruch Es kommen alle Bruchformen, offen und geschlossen, vor. Entstehung durch Sturz oder direkte Gewalteinwirkung. K o m p l i k a t i o n : Radialislähmung s. S. 75. Wichtig ist, primär den Puls der A. radialis und dje Nervenfunktion zu prüfen s. S. 74. K l i n i s c h findet man alle Zeichen des frischen Knochenbruches, s. S. 29ff. B e h a n d l u n g '(zweckmäßigerweise nicht in der Sprechstunde): E i n r i c h t e n
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in örtlicher Betäubung — diese ist am besten schon vor der Röntgenaufnahme zu geben — durch Zug und Zurechtdrücken der Bruchstücke, Lagerung unter Dauerzug auf die Doppelrechtwinkelschiene, Gipsverband bei Brüchen im körpernahen Drittel und bis zur Schaftmitte mit Freilassen des Ellbogens über die Schulter der verletzten Seite bis zur gesunden Seite, bei Brüchen im körperfernen Drittel muß auch der Ellbogen miteinbezogen werden. Finger- und Handgelenk werden von vornherein möglichst gebraucht. Bei nicht ruhiggestelltem Ellbogen beginnt man sofort mit Bewegungsübungen desselben, selbsttätig, mit Stock, am horizontalen Rollenzug. Ist der Ellbogen miteingegipst, so kommen diese Übungen erst nach Abnahme des Gipsverbandes in Betracht. Dann beginnt man auch mit selbsttätigen Bewegungsübungen der Schulter sowie mit den unterstützenden Maßnahmen. Wichtig ist, daß die Doppelrechtwinkelschiene erst dann abgenommen werden darf, bis der Arm selbsttätig 30 Grad von der Schiene gehoben werden kann. Der Bruch braucht in der Regel 6 bis 8 Wochen zum Festwerden. Nach B a u m a n n kann man auch diese Brüche so wie die infratuberculären mit Drahtzug durch das Olecranon im Bett behandeln. Bei Drahtzug Achtung auf den N. ulnaris. Bei Quer- und Stückbrüchen kommt bei entsprechender Erfahrimg auch die Marknagelung nach K ü n t s c h e r in Betracht. c) Ellbogen Untersuchungsgang: s. S. 90. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Betrachtung und Betastung ist wie folgt: bei normalen Verhältnissen liegen bei gestrecktem Ellbogen die beiden Epicondylen und die Olecranonspitze in einer Ebene, bei rechtwinkeliger Beugung bilden sie ein gleichseitiges Dreieck = Huntersches Dreieck. 1. Wunden und I n f e k t i o n e n : S. allgemeiner Teil. Achtung auf Nervenverletzungen sowie Eröffnung des Ellbogengelenkes. Bei offenen Olecranonbrüchen versorgt man am zweckmäßigsten zuerst die Wunde und erst nach Abheilen derselben den Bruch (Drahtnaht). Bei schweren Verletzungen und Infektionen ist der Arm auf Doppelrechtwinkelschiene zu lagern, Achtung auf Beweglichkeit der Schulter, um eine Versteifung derselben zu vermeiden (s. S. 102). Stumpfe Verletzungen: aa) Prellungen und Zerrungen. Durch Sturz, Schlag, Verreißen. Es bestehen meist Schwellung, Bewegungsbeschränkung, Schmerzen, diffuse oder umschriebene Druckempfindlichkeit. Das Röntgenbild ist negativ. B e h a n d l u n g : Umschläge, später Wärme und andere unterstützende Maßnahmen (s. S. 68). Schwere Prellungen stellt man am besten mit einem Gipsverband für 10 bis 14 Tage ruhig. Bei starker Schwellung und Druckschmerz an der Innenseite des Gelenkes ist an Zerreißung des ulnaren Seitenbandes zu denken. (Das in Abduktion gehaltene Röntgenbild zeigt Klaffen des Gelenkes). B e h a n d l u n g :
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Besonderer Teil
Abb. 132 u. 133. Ellbogenverrenkung nach der Streck- und Speichenseite zu. Hervorspringen des Olecranon und des Condylus medialis humeri. (Sammlung B ö h l e r . )
A b b . 134U. 135. Röntgenbild zu A b b . 132, 133. Die Gelenkfläche des Oberarmes steht hinter dem unteren Oberarmende, beide Vorderarmknochen speichenwärts verschoben.
Gipsverband. Bei Verletzungen der Ellbogengegend ist vor Massage und passiven Bewegungen dringend zu warnen, sonst kommt es zur Versteifung und zur Muskelverknöcherung s. S. 37. bb) Die Ellbogenverrenkung (Abb. 132—135). Kommt zustande durch Sturz. Vor Auftreten der Schwellung sieht man die charakteristische Formänderung (Abb. 132—133): Das Olecranon springt nach rückwärts vor, das Speichenköpfchen nach der Speichenseite zu. Die entsprechenden Gruben sind deutlich zu sehen. Die Olecranonspitze steht über der Verbindungslinie der Epicondylen. Dieses ist die häufigste Form der Verrenkung nach r ü c k w ä r t s und s p e i c h e n w ä r t s (Abb. 132—135). Es gibt ferner noch die rein r a d i a l e und rein hintere Verrenkung, äußerst selten ist die Verrenkung nach der Ellenseite zu. K l i n i s c h findet man außer der charakteristischen Formveränderung bei den frischen Verrenkungen: Federnde Fixation in der Regel bei ungefähr 130 Grad, weiteres Beugen oder Strecken fremdtätig äußerst schmerzhaft und meist schwer möglich. Die selbsttätige Beweglichkeit ist aufgehoben. Später tritt starke Schwellung, nach einigen
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Tagen Blauverfärbung der Haut (Bluterguß) auf. Vor Massage der Schwellung ist zu warnen! Komplikationen: 1. Gleichzeitige Knochenabrisse. a) Abscherung des Proc. coronoideus ulnae. b) Abscherung eines beugeseitigen Stückes des Speichenköpfchens, a und b kommen häufig gemeinsam vor. c) Abriß des Epicondylus medialis des Oberarmes, der in der Regel handgelenkwärts verschoben ist. Auf keinen Fall sollen die abgerissenen oder abgescherten Knochenstücke operativ entfernt oder fixiert werden. Der abgerissenene Epicondylus medialis kann sich in das Gelenk zwischen Oberarmrolle und Elle einschlagen, dann muß er durch Radialabduktion oder operativ herausgeholt werden, soll aber weder entfernt noch angenäht werden. 2. Druck auf die A. cubitalis (Zerreißung äußerst selten): Finger blau, Paraesthesien, kein Puls in der Speichenschlagader tastbar, sehr starke Schmerzen (Ischaemie). 3. Druck auf Nerven, am häufigsten auf den N. medianus. Bei 2 und 3 ist die sofortige Einrichtung unbedingt nötig. Wichtig ist ein Röntgenbild vor der Einrichtung, um Knochenmitverletzungen zu erkennen (Abb. 134—135). B e h a n d l u n g : E i n r i c h t u n g — in der Regel genügt örtliche Betäubung —. durch Zug am Vorderarm (Angreifen an den Fingern) in der Stellung, in der sich der Vorderarm befindet, also keine Einrichtung durch Hebelung! Der Oberarm wird mit einem unterpolsterten Gurt an einer Türschnalle oder ähnlich als Gegenhalt befestigt (s. Abb. 170). In der Regel springt sofort oder nach einigen Minuten Zug die Verrenkung ein, bei radialer Verrenkung ist häufig noch ein Druck auf den Vorderarm von der Speichenseite her nötig. Sofort wieder Röntgenbild, um die Einrichtung festzustellen und etwaige Knochenabsprengungen, bzw. die Lage derselben nach der Einrichtung zu erkennen. Dann Oberarmgipsverband für 3 Wochen. Beschriftung. Nach Anlegen des Gipsverbandes soll man noch ein Röntgenbild machen, da es vorkommen kann, daß bei Anlegen des Gipsverbandes die Verrenkung neuerlich zustande kommt. Sofort Beginn mit Bewegungsübungen von Fingern und Schulter, eventuell Bestrahlung mit Heißluft. Nach Gipsabnahme Einsetzen der unterstützenden Maßnahmen ohne Gymnastik oder fremdtätige Bewegungsübungen. Massage und passive Bewegungsübungen sind äußerst schädlich und erzeugen Myositis ossificans s. S. 37. cc) Knochenbrüche im Bereiche des Ellbogens. 1. Der supracondyläre Oberarmbruch. 2. Diacondyläre Brüche. 3. Isolierter Bruch des condyl. med. und lateralis. 4. Bruch der Oberarmrolle.
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Besonderer Teil
5. 6. 7. 8.
Abriß des Epicondylus medialis. Olecranonbruch. Bruch des Speichenköpfchens. Verrenkungsbrüche.
Für die Sprechstunde wichtig sind nur 1, 5, 6, 7, die übrigen' Brüche nur dann, wenn sie keine Verschiebung oder Diastase haben. Man stellt mit einem Oberarmgipsverband für 3 bis 4 Wochen ruhig. Nachbehandlung s. S. 67. Alle übrigen Brüche gehören in die Hand des Facharztes.
A b b . 136—138. Offener supracondylärer Oberarmbruch bei Jugendlichem durch Sturz vom Kirschbaum, Medianuslähmung. 2 Jahre später volle FunktionI (Sammlung B ö h l e r . )
Der supracondyläre Oberarmbruch (Abb. 136—150). a) Überstreckungsbruch (Abb. 136—138, 139—142, 143—146). D e r h ä u f i g s t e B r u c h b e i K i n d e r n ü b e r h a u p t (Sturz). K l i n i s c h : Starke Schwellung des Ellbogens, manchmal treten nach einigen Tagen Spannüngsblasen auf, Bewegungsbeschränkving und Schmerzen. Im Röntgenbild (Abb. 139—142) ist das körperferne Bruchstück nach der Streckseite und gewöhnlich Ellenseite zu verschoben, es besteht in der Regel Varusstellung (nach innen offener Winkel) und Verkürzung. K o m p l i k a t i o n e n : 1. Die Haut ist verletzt = offener Bruch (relativ häufig) (Abb. 136—137). 2. Drückt die vordere Kante des körpernahen Bruchstückes (Abb. 143—146): a) auf die A. cubitalis (Blauverfärbung der Finger, Paraesthesien, kein Puls in der Speichenschlagader zu tasten), b) Auf Nerven, insbesondere auf den N. medianus (fehlender Faustschluß a m Zeigefinger, fehlende Berührungsemppfindung am Zeigefinger). Arterie und Nerven können durch die Bruchstücke auch eingeklemmt werden.
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Abb. 139—142. Supracondylärer Oberarmbruch bei iojährigem Mädchen mit Medianuslähmung. Verschiebung des körperfernen Bruchstückes um nahezu volle Breite nach der Speichen- und um halbe Breite nach der Streckseite zu, starke Verkürzung, nach der Ellen- und Streckseite zu offener Winkel. Infolge der Verkürzung und Verschiebung drückt die vordere Kante des oberen Bruchstückes auf die Gefäße und den N. medianus. 8 Wochen später knöcherne Heilung ohne Verkürzung m i t mäßiger Parallelverschiebung, die völlig belanglos ist. Mäßiger Kalkschwund.
Abb. 143—146. Überstreckungsbruch am unteren Oberarmende bei Jugendlichem — das körperferne Bruchstück nach rückwärts verschoben, nach rückwärts offener Winkel zwischen den Bruchstücken. Infolge Parallelverschiebung, Verkürzung und Achsenknickung reiten die Gefäße und der N. medianus auf dem oberen Bruchstück und werden außerdem -zwischen diesem und dem Vorderam eingequetscht. Beim Einrichten wird zuerst die Verdrehung ausgeglichen, dann durch Zug die Verkürzung und durch Druck auf das untere Bruchstück von rückwärts m i t mäßiger Parallelverschiebung, die Achsenknickung und Parallelverschiebung. (Nach B ö h l e r . ) -
A b b . 147—150. Beugungsbruch am unteren Oberarmende beim Erwachsenen. Das körperferne Bruchstück nach vorne verschoben, nach vorne offener Winkel zwischen den Bruchstücken. Gefäße und Nerven werden hier nicht gedrückt. Beim Einrichten wird zuerst die Verdrehung, dann durch Zug die Verkürzung und durch Druck auf das obere Bruchstück und Zurückstauchen des Vorderarmes die Parallelverschiebung und Achsenknickung ausgeglichen. (Nach B ö h l e r . )
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B e h a n d l u n g : Auf jeden Fall sofortige Einrichtung, sonst besteht die Gefahr der ischaemischen Störung (s. S. 39, Abb. 40). Man richtet in örtlicher Betäubung oder in Narkose folgendermaßen ein: Längszug in der Oberarmrichtung am Vorderarm knapp unterhalb des Ellbogens, Gegenzug am Oberkörper (Abb. 151), der Vorderarm steht i n v o l l e r P r o n a t i o n (Ausschaltung des M. pronator teres, welcher die Varusstellung bedingt) und senkrecht nach vorne zur Körperlängs-
A b b . 151. Anordnung zum Einrichten eines supracondylären Oberarmbruches: Vorderarm senkrecht zur Körperlängsachse, unter Zug an den Fingern bei voller Pronation, Gegenzug mit unterpolstertem. Gurt unter dem Ellbogen, befestigt an einer Türschnalle und mit einem Leintuch um den Oberkörper.
achse (Korrektur der Innendrehung). Dann werden noch die Bruchstücke mit den Fingern zurechtgedrückt. Es ist zweckmäßig, vor Anlegen des Gipsverbandes mit dem Kryptoskop nach der Stellung zu sehen, falls nötig, noch etwas an derselben zu korrigieren. Dann wird ein. Oberarmgipsverband bei voller Pronation des Vorderarmes angelegt. Röntgenkontrolle. Der Gipsverband muß sofort der ganzen Länge nach bis auf die Haut gespalten werden. Genaue Beobachtung des Blutumlaufes (s. S. 50). In vielen Fällen ist ein Dauerzug entweder auf einer Doppelrechtwinkelschiene oder im Bette notwendig, um eine sekundäre Knickung oder Verschiebung zu vermeiden. Die Versorgung in der Sprechstunde soll nur in dringenden Fällen oder bei entsprechender Erfahrung durchgeführt werden, sonst fachärztliche Behandlung. Wichtig sofortige Abgabe! b) Der Biegungsbruch der E r w a c h s e n e n (Abb. 147—150). Er entsteht in der Regel durch Sturz. Das körperferne Bruchstück ist nach vorne verschoben, klinisch findet man die gleichen Erscheinungen wie unter a. Häufig sind diese Brüche offen, reichen in das Gelenk (Y, V,
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T-Brüche), sie gehören in fachärztliche Behandlung. Druck auf die Gefäße und die Gefahr der ischaemischen Störung kommt beim Biegungsbruch der Erwachsenen nicht vor. Behandlung im wesentlichen wie bei a. I n der S p r e c h s t u n d e b e h a n d e l t w e r d e n k a n n n o c h : Abriß des Epicondylus medialis vom Oberarm. Er kommt zustande durch Sturz und Biegung des Armes nach der Speichenseite zu. Das abgerissene Stück (Abb. 152—153) ist um einige mm von seiner Abrißstelle gegen das Handgelenk zu verschoben. Klinisch besteht Bewegungsbeschränkung des Ellbogens, Schwellung und "Druckschmerz an der Innenseite des Ellbogens. Behandlung: Ruhigstellung mit Oberarmgipsverband bei mittlerer Drehung des Vorderarmes für 3 Wochen. In der Nachbehandlung ist vor Massage und passiven Bewegungstibungen zu warnen, dagegen sind Bäder und die unterstützenden Maßnahmen (s. S. 68) zweckmäßig. Das Entfernen oder operative Annageln des abgerissenen Stückes ist A b b . 152 u. 153. Abriß des Epicondylus medialis vom Oberarm mit Verschiebung. ungünstig, s, auch S. 105. Vergleichsbild zeigt normale Verhältnisse. Bruch des Olecranon ohne Diastase. K l i n i s c h besteht Schwellung des ganzen Ellbogens oder nur über dem Olecranon, Druckschmerz vor der Spitze des Olecranon, Bewegungsbeschränkung. Wichtig ist das Röntgenbild. B e h a n d l u n g : Oberarmgipsverband (s. S.53, Abb. 55—56) bei rechtwinkelig gebeugtem Ellbogen und mittlerer Drehung des Vorderarmes für 3 Wochen. Sofortige Bewegungsübungen von Fingern und Schulter, Nachbehandlung wie oben. B r ü c h e m i t D i a s t a s e zeigen klinisch di eselben Erscheinungen, nur fühlt man einen Spalt zwischen den Bruchstücken. Behandlung: Drahtnaht. Bruch des Speichenköpfchens ohne wesentliche Verschiebung. K l i n i s c h findet man Schwellung des ganzen Ellbogens oder über der Speichenseite, Druckschmerz über dem Speichenköpfchen von der Speichen- und Beugeseite her, Bewegungseinschränkung. Röntgenbild! B e h a n d l u n g : Oberarmgipsverband für 3 Wochen bei rechtwinklig gebeugterrr-Ellbogen und mittlerer Drehung, sofortiger Beginn mit Bewegungsübungen von Fingern und Schulter, Nachbehandlung wie oben. Bei B r ü c h e n m i t s t a r k e r V e r s c h i e b u n g ist das Zweckmäßigste die Entfernung der Bruchstücke. d)
Vorderarm
1. Unter kleinen W u n d e n im oberen Vorderarmdrittel bergen sich oft weitgehende Muskelzerreißungen, insbesondere bei Biß- oder Quetsch-
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Besonderer Teil
wunden. Sonst gilt für die Weichteilverletzungen das im allgemeinen Teil Gesagte. 2. Zur Sehnenscheidenentzündung (Tendovaginitis crepitans) am Vorderarm und zwar im Bereiche des Abductor pollic. long, und des Extensor pollic. brev. kommt es bei Überanstrengung der Hand, insbesondere des Daumens (z. B. Wäsche auswinden u. ä.). Man spürt das Reiben bei Bewegungen des Daumens und der Hand über dem Wulst der beiden Muskeln an der Speichenstreckseite des Vorderarmes. B e h a n d l u n g : Ruhigstellung mit dorsaler Gipsschiene und Fingerschiene für den Daumen für 3 bis 4 Wochen. Die üblichen Bestrahlungen und das Anstreichen mit Cehasol helfen in der Regel nichts. 3. Knochenbrüche. aa) Bruch beider Vorderarmknochen. Er kommt zustande durch Schlag, Sturz. In Betracht kommen alle Bruchformen, offen und geschlossen. K l i n i s c h findet man die Zeichen des frischen Knochenbruches s. S. 29. K o m p l i k a t i o n e n (relativ selten) Druck auf Gefäße und Nerven. B e h a n d l u n g : t)a das Einrichten, insbesonders aber das Halten sehr schwierig ist und auch nach sehr guter Einrichtung immer wieder Verschiebungen und Knickungen auftreten, ist fachärztliche Behandlung angezeigt. Behandlungsgrundsätze: Einrichtung in örtlicher Betäubung unter Zug und Gegenzug, Oberarmgipsverband, eventuell Doppeldrahtgipsverband (Böhler) oder Marknagelung nach K ü n t s c h e r . Regelmäßige Röntgenkontrollen alle 14 Tage im Gispverband, sofort Beginn mit Bewegungsübungen von Fingern und Schulter, eventuell unterstützende Maßnahmen. Zeit bis zum Festwerden 8 bis 12 Wochen. bb) Isolierter Bruch des Speichenschaftes. Er entsteht durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung. Die klinischen Zeichen sind die gleichen wie beim Bruch beider Vorderarmknochen, nur die Verlegung fehlt. Wichtig ist, daß auch ein Bruch ohne primäre Verschiebung sich sekundär verschieben oder verbiegen kann. Besonders die Brüche an der Grenze mittleres unteres Drittel mit Verschiebung sind oft sehr schwierig zu halten. B e h a n d l u n g : Einrichten in örtlicher Betäubung, Oberarmgipsverband, nötigenfalls Doppeldrahtgipsverband nach Böhler oder Marknagelung nach K ü n t s c h e r , sofort Beginn mit Bewegungsübungen von Fingern und Schulter, Röntgenkontrollen auch im Gipsverband! cc) Isolierter Bruch des Ellenschaftes. Er entsteht durch direkte Gewalteinwirkung insbesonders bei Sturz und Abwehr = Parierfraktur. In der Regel ist keine Verschiebung vorhanden, auch besteht keine Gefahr, daß es sekundär dazu kommt. B e h a n d l u n g : Oberarmgipsverband für 6 Wochen. Häufig heilen diese Brüche mit straffer Pseudarthrose, was praktisch belanglos ist (keine Operation!) Bei Brüchen im oberen Drittel der Elle mit Verschiebung kommt es manchmal gleichzeitig zur Verrenkung des Speichenköpfchens nach
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der Beugeseite = Verrenkungsbruch nach M o n t e g g i a . E r gehört in fachärztliche Behandlung. dd) Grünholzbrüche beider Vorderarmknochen oder eines der beiden (Abb. 154—157). Grünholzbrüche finden sich nur bei Jugendlichen nach Sturz oder durch direkte Gewalteinwirkung. Infolge des straffen Periostschlauches kommt es nur zur Knickung der Knochen ohne Parallelverschiebung.
Abb. 154—157. Grünholz = Wulstbruch der Speiche bei iojährigem mit dorsalem Knick von 10 Graden, Abriß der Spitze des Ellengriffels. Nach dem Einrichten ideale Stellung..
B e h a n d l u n g : Einrichten in örtlicher oder Allgemeinbetäubung. Für den Bruch beider Knochen Oberarmgipsverband für 6 bis 8 Wochen, Röntgenkontrolle im Gipsverband nach Einrichten und alle 14 Tage. Wichtig zu wissen ist, daß diese Brüche oft schon deutlich Kallusbildung zeigen, z. B . nach 4 Wochen, aber sich doch noch leicht verbiegen. Für den isolierten Grünholzbruch der Speiche (Abb. 154, 155) genügt nach dem Einrichten eine dorsale Gipsschiene für 3 Wochen. e) Handgelenk Untersuchungsgang: Wie S. 90 beschrieben. Röntgein: Bei klinisch einwandfreiem Bruch der Speiche an typischer Stelle macht man die Aufnahme rein streck-beugeseits bei gestreckten Fingern und rein seitlich. Bei Verdacht auf Kahnbeinbruch wird die Aufnahme streckseits-beugeseits bei leichter Dorsalflexion des Handgelenkes gemacht, Finger zur Faust geballt (Abb. 178—183), die zweite Aufnahme bei mittlerer Pronation. Ist die Diagnose fraglich, dann macht man alle 3 Aufnahmen (streck-beugeseits, rein seitlich und in mittlerer Pronation). Dann wird man im Röntgenbilde keinen Bruch übersehen. aa) Bei W u n d e n u n d I n f e k t i o n e n gilt das im allgemeinen Teil Gesagte, in beiden Fällen Ruhigstellung des Handgelenkes, nötigenfalls auch der Finger in Mittelstellung. bb) P r e l l u n g e n u n d Z e r r u n g e n : K l i n i s c h findet sich Schwellung, Bewegungseinschränkung, diffuser oder umschriebener Druck-
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Abb. 158—161. Verrenkung der Hand um das Mondbein (perilunäre Verrenkung). Charakteristisch das Seitenbild, die körperferne Gelenkfläche des Mondbeines ist leer, der Kopf des Kopfbeines steht dahinter. Vergleiche dazu A b b . 160, in welcher der Kopf des Kopfbeines in der Gelenksfläche des Mondbeines steht. Charakteristische Dreieckform des nach der Beugeseite zu gekippten Mondbeines in der Aufnahme streckseitsbeugeseits. Gegenüber dem normalen Bilde 161.
schmerz am Handgelenk. Das Röntgenbild ist negativ. Die Beweglichkeit der Finger ist häufig schmerzgehemmt. In leichteren Fällen verordnet man Umschläge, Heißluft. In schwereren stellt man am zweckmäßigsten mit einer dorsalen Gipsschiene (s. S. 51, Abb. 48—51) für 8 bis 10 Tage ruhig und beginnt sofort mit Bewegungsübungen der nicht ruhiggestellten Gelenke. cc) Die perilunäre V e r r e n k u n g der Hand (Abb. 158—161). Eine häufig übersehene Verletzung! Klinisch ist der Befund wie bei einer schweren Zerrung, die Verrenkung ist gewöhnlich weder äußerlich zu sehen noch zu tasten. Charakteristisch ist das rein seitliche Röntgenbild (Abb. 158, 160): der Kopf des Kopfbeines steht hinter dem Mondbein, die Gelenksfläche desselben ist leer, das Mondbein selbst ist manchmal hohlhandwärts gekippt. K o m p l i k a t i o n e n (selten): Druck auf den Mittelnerv, .manchmal bestehen gleichzeitig Knochenabrisse (Speichen-, Ellengriffel) oder ein Bruch des Kahnbeines = V e r r e n k u n g s b r u c h nach d e Q u e r v a i n ; das körpernahe Bruchstück des Kahnbeines bleibt mit dem Mondbein in Verbindung, das körperferne wird mit den anderen Handwurzelknochen verrenkt. B e h a n d l u n g : Einrichtung unter Zug und Gegenzug, dorsale Gipsschiene für 3 Wochen, beim Verrenkungsbruch für 10 Wochen; sofortiger Beginn mit Bewegungsübungen der nicht ruhiggestellten Gelenke.
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Abb. 162 u. 163. Bruch der linken Speiche an typischer Stelle mit charakteristischer Gabelstellung-Knickung der Hand nach der Speichen- und Streckseite zu.
dd) Der Bruch der Speiche an typischer Stelle (Abb. 162—173).
Der Bruch der Speiche an typischer Stelle ist der häufigste Knochenbruch überhaupt; er entsteht durch Sturz, Kurbelrückschlag usw. Bei starker Verschiebung besteht eine charakteristische Formveränderung der Hand = G a b e l s t e l l u n g (Abb. 162—163). Außerdem ist die Hand in der Regel auch nach der Speichenseite zu geknickt = m a n u s r a d i o f l e x a . Ferner besteht Schwellung, Bewegungsbeschränkung des Handgelenkes, häufig auch der Finger, Druckschmerz an der Speiche I bis 2 Querfinger oberhalb des Speichengriffels, manchmal über dem Ellengriffel. Dieser ist in 50% der Fälle mit abgerissen. Das R ö n t g e n b i l d zeigt die verschiedensten Bruchformen mit oder ohne Verschiebimg. K o m p l i k a t i o n e n : Druck auf den Mittelnerv (selten), Druck
Abb. 164u. 165. In einem normalen Handgelenk steht die Gelenksfläche der Speiche in der Aufnahme streckseits-beugeseits in einem Winkel von 30 Grad und in der Seitenaufnahme von 10 Grad zur Senkrechten auf die Vordeiaimlängsachse. (Sammlung Böhler.) 8
Ehalt, Unfallpraxis.
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Besonderer Teil
Abb. 166—169. Bruch der Speiche an typischer Stelle mit Ausbruch eines 2 cm langen Keiles an der Streckseite. Das körperferne Bruchstück ist um 20 Grad nach der Speichen-, um 40 Grad nach (ler Streckseite zu geknickt und im Speichen-Ellen-Gelenk nach zentral um 3 mm zurückgerutscht = Sublux. radioulnaris. Abriß des Ellengriffels und Verschiebung um 2 mm nach der Speichenseite zu. Nach dem Einrichten ideale Stellung von beiden Seiten, die Sublux. radioulnaris ausgeglichen.
auf die Speichenschlagader habe ich bei vielen Tausenden von Speichenbrüchen nie gesehen. B e h a n d l u n g : 1. Bei B r ü c h e n o h n e V e r s c h i e b u n g legt man eine dorsale Gipsschiene für 3 Wochen an, Weiterbehandlung wie bei 2. 2. B r ü c h e m i t V e r s c h i e b u n g — die weitaus häufigste Verschiebung ist der K n i c k des körperfernen Bruchstückes nach der Speichenund Streckseite zu (Abb. 1 6 4 — 1 6 9 ) ; zum Einrichten braucht man nach B ö h l e r (Abb. 170):
Abb. 170. Lagerung zur Einrichtung eines Speichenbruches an typischer Stelle, sowie für Bruch des Vorderarmes usw. Der Ellbogen ist rechtwinkelig gebeugt, der Gurt unterpolstert und an einer Türklinke befestigt (Punkt 1 — 1 2 im Text).
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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
örtliche Betäubung. Vorderes und seitliches Röntgenbild. Lagerungstisch. Treppe. Brett von ioq bis 150 zu 10: 2 cm. Haken an der Wand oder Türklinke. Gurte von 10 cm Breite. Genähtes Polster von 18 : 8 : 1 cm. Mastisol. Mullbinde von 10 cm Breite. Gipsbinde 5 m : 15 cm. Einen 8-fach gelegten Tupfer von 4 : 6 cm.
Der Verletzte wird auf den Tisch (3) gelagert, der gegen das Rutschen mit einem Brett (5) gegen die Wand abgestützt ist. Der Punkt der größten Druckempfindlichkeit an der Speiche wird aufgesucht und dort 20 ccm 2% Novocainlösung (1) eingespritzt (s. S. 45, .Abb. 41). Ist der Ellengriffel druckempfindlich, so spritzt man auch dort 8 bis 10 ccm der Lösung ein. Der Ellbogen wird rechtwinkelig gebeugt, der Oberarm mittels der knapp oberhalb des Ellbogens angelegten unterpolsterten (8) Gurte (7) an einem Wandhaken oder Türschnalle, (6) befestigt = fixer Gegenzug. Die Assistenz zieht an den mit Mastisol (9) bestrichenen und mit einer Mullbinde (10) gegen das Rutschen um J wickelten Fingern und zwar mit einer Hand am Daumen in der Richtung des Vorderarmes, mit der andern frei). Nach einigen Minuten Zug faßt entgegengesetzten Hand den Vorderarm, stützt diesen auf das auf die Treppe (4) gesetzte Knie, mit der gleichseitigen Hand wird die Hand des Verletzten gefaßt und diese mit einem kräftigen Ruck nach der Ellcnund Beugeseite zu gebogen = Ausgleich der typischen Verschiebung nach der Speichen- und Streckseite (Abb. 171). Dann wird weitergezogen und eine dorsale Gipsschiene (ir) (s. S. 51, Abb. 48—51 und 172 —173) .angelegt und mit einer feuchten Mullbinde locker angewickelt.Zwischen Daumen und Zeigefinger kommt der
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