Jugendgerichtsgesetz: Vom. 16. Februar 1923. Nebst Jugendwohlfahrtsgesetz und den Vollzugsvorschriften Preußens und Bayerns [Reprint 2022 ed.] 9783112634141


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Jugendgerichtsgesetz: Vom. 16. Februar 1923. Nebst Jugendwohlfahrtsgesetz und den Vollzugsvorschriften Preußens und Bayerns [Reprint 2022 ed.]
 9783112634141

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Zugendgerichtsgesetz vom (6. Februar (923

nebst Zugendwohlsahrtsgesetz und den vollzugsvorschristen preutzens und vaqernr

Erläutert von

Dr. Richard Messerer Amtsrichter in München.

1926 München, Berlin, Leipzig 3- Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Druck von vr.F. P. Datterer & Cie., Freising.

Vorwort. Vorliegende Ausgabe will sich nicht den trefflichen Kommentaren zum Jugendgerichtsgesetz, aus denen sie selbst fußt, an die Seite stellen. Ihr Zweck ist — unter Berücksichtigung der Neuordnung der Straf­ rechtspflege, der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes ergangenen oberstrichterlichen Entscheidungen und der Ausführungsbestimmungen Preußens und Bayerns — der Praxis ein rasch orientierendes Hilfsmittel in die Hand zu geben. Zu diesem Zweck wurden auch das Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt sowie das preußische und das bayerische AuSführungSgesed hiezu abgedruckt.

Herrn Jugendstaatsanwalt Kämmerer möchte ich auch an dieser Stelle für wertvolle Hinweise verbind­ lichst danken.

München, Weihnachten 1925.

Dr. Richard Messerer.

Inhalt. Seite

Borwort Abkürzungsverzeichnis I. Jugendgerichtsgesetz. Vom 16. Februar 1923 (RGBl» I S. 135) Erster Abschnitt (materiellrechtliche Vorschriften) Begriff des‘ „Jugendlichen" . . . 8 1. ' ~ ~ .......... . .... S 2. Strafunmündigkeit . 8 3. Bedingte Strafunmündigkeit .... . . . § 4. Strafbarkeit der Teilnehmer . § 5. Anordnung von Erziehungsmaßregeln . § 6. Ersatz der Strafe durchErzieh u ngsmaßregeln § 7. Aufzählung der Erziehungsmaßregeln. . § 8. Vorläufige Anordnungen § 9. Strafmilderung § 10. Strafaussetzung im Urteil . . . . § 11. Nachträgliche Strafaussetzung . . § 12 Probezeit................................................ § 13. Verurteilung während der Probezeit (Nachverurteilung) ...... § 14. Strafaussetzung v. Ersatzfreiheitsstrafen § 15. Entscheidung über die Bewährung § 16. Strafvollzug . ................................. Zweiter Abschnitt (Verfassung des Jugendgerichts und Verfahrensvorschriften) § 17. Sachliche Zuständigkeit des Jugenderichts § 18. Anwendung des GVG. und der StPO, in „Jugendsachen" .§ 19. Jugendrichter § 20. Jugendschöffen 8 21. Jugendstaatsanwalt § 22. Jugendgerichtshilfe § 23. Ausschluß der Öffentlichkeit

III VII 1 3 3 4 4 6 6 8 9 12 12 15 17 17

19 22 22 23

24 24

26 29 30 31 31 31

Inhaltsverzeichnis

24. 25. 26. 27. 28. 29, 30. 31. 32. 33.

Verfahren vor dem großen Jugendgericht Besondere Gerichtsstände ........................... Verbindung und Trennung von Strafsachen Mitteilungspflichten..................................... Untersuchungshaft...................................... Verteidigung und Beistandschaft ... Stellung des gesetzlichen Vertreters . Ermittelungen........................................... Einschränkung des Legalitätsprinzips . . Sonderung der Hauptverhandlungen gegen Jugendliche und der gegen Erwachsene . § 34. Zuständigkeit für nachträgliche Entschei­ dungen über die Strafaussetzung ... § 35. Anfechtung von Entscheidungen über Er­ ziehungsmaßregeln und über Strafaus­ setzung .......................................................... § 36. Zuständigkeit für die Strafvollstreckung und für die Ausführung von Erziehungs­ maßregeln ..................................................... § 37 Strafvollstreckung gegen Fürforgezöglinge § 38. Ausschluß der Privatklage und des ver­ einfachten Verfahrens................................ § 39 Strafbefehl.................................................... § 40. Strafverfügung, Strafbescheid .... § 41. Kostenpflicht.......................................... . § 42. Zusammenwirken der Jugendämter mit den Jugendsürsorgevereinen...................... Dritter Abschnitt (Übergangsvorschriften und Gesetzesänderungen).......................... § 43. Inkrafttreten des JGG............................... § 44 Überleitung anhängiger Sachen .... § 45 Überleitung der Strafvollstreckung ... § 46. Tilgung von Verweisen im Strafregister § 47. Änderungen des StGB., des GVG. und der StPO........................................................ § 48. Änderung des GKG.................................... § 49 Änderung des FGG................................ . § 50. Änderung der RAO...................................... § 51. Vorschriften bis zum Inkrafttreten des JWG................................................................

§ § § § § § § § § §

V Seite

32 33 35 36 37 39 41 42 44 46

46 47

49 50 50 51 52 53

53 54 54 54 55 55

56 56 57 57 57

VI

Inhaltsverzeichnis

Sette

n. Ausführungsbestimmungen Preußens und Bayerns.................................................................. 1 Preußische allgemeine Verfügung vom 20. Juni 1923 zum Jugendgerichtsgesetz (JMBl. S 450). 2. Preußische allgemeine Verfügung des Justiz­ ministers vom 28. April 1924 zum Jugendgerichtsgeieh (JMBl. S 206).......................... 3. Bayerische Bekanntmachung des Staatsmini­ steriums der Justiz vom 7. Mai 1923 zum Vollzüge des Jugendgerichts gesetzes vom 16. Fe­ bruar 1923 (JMBl. S. 21)........................... 4. Bayerische Bekanntmachung des Staatsmini­ steriums der Justiz, die Bildung der Jugend­ gerichte betr. vom 8. August 1924 (JMBl. S. 102). ......................................

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HI. Strafvovzugsvorschriften Preußens und Bayerns.................................................................. 95 1. Dienst- und Vollzugsordnung für die Ge­ fangenenanstalten der Justizverwaltung in Preußen vom 1. August 1923 ..................... 95 2. Dienst- und Bollzugsordnung für die baye­ rischen Strafanstalten und Gerichtsgefängnisse vom 15. März 1924 (GBBl. S. 85). ... 98 3. Bekanntmachung über den Einweisungsplan für die bayerischen Strafanstalten und Ge­ richtsgefängnisse vom 21. März 1924 (JMBl. S. 8) in der Fassung der Bek. vom 25. Juli 1924 (JMBl. S. 101) und der Bek. vom 7. Ja­ nuar 1925 (JMBl. S. 8, .......................................100 IV. 1 Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt vom 9. Juli 1922 (RGBl. I S. 633) in der Fassung der VO. vom 14. Februar 1924(RGBl. I S. 110) 2. Preußisches Ausführungsgesetz zum Reichsge­ setze für Jugendwohlfahrt vom 9. Juli 1922 Vom 29. März 1924 (GS. S. 180) 3. Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Reichs­ gesetzes für Jugendwohlfahrt (Jugendamts­ gesetz) vom 20. Juli 1925 (GVBl. S. 211) .

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V. Sachregister...................................................................156

Abkürzungen. AG. ----- Ausführungsgesetz a. M. == anderer Meinung B. ----- Bayerische Bekanntmachung des Staatsministeri­ ums der Justiz vom 7. Mai 1923 zum Vollzüge des JGG. Begr. = Begründung zum Entwurf des JGG. (Nr. 5171 der Drucksachen des Reichstags, 1. Wahlperiode 1920 bis 1923) Ebermayer = Kommentar zum Strafgesetzbuch von Ebermayer, Lobe, Rosenberg, 3. Aufl. 1925 EG. = Einführungsgesetz FGG. = Gesetz über die Angelegenheiten der Frei­ willigen Gerichtsbarkeit Francke = Das Jugendgerichtsgesetz, erläutert von Her­ bert Francke, 1923. GS. = Gesetzessammlung (preuß.) GBBl. = Gesetz- u. Verordnungsblatt (bayer.) Hellwig = Jugendgerichtsgesetz, mit Einleitung u. Er­ läuterungen von Dr. Albert Hellwig, 1923 IG. ---- Jugendgericht JGG. = Jugenogerichtsgesetz JR. = Jugendrichter JStA. = Jugendstaatsanwalt JMBl. = Justizministerialblatt JWG. — Reichsgesetz für Jugendwoblfahrt Kiesow = Jugendgerichtsgesetz, erläutert von Dr. Wil­ helm Kiesow, 1923 Löwe ---- Kommentar zur Strafprozeßordnung von LöweRosenberg, lö.Auft. 1925

N. --- Note

VIII

Abkürzungen

P. = Preußische allgemeine Verfügung vom 20. Juni 1923 zum JGG. RG. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Straf­ sachen RGBl. = Reichsgesetzblatt StA, = Staatsanwalt VG. = Vormundschaftsgericht VR. = Bormundschaftsricht.er BO. = Verordnung ZBl. = Zentralblatt für Jugendrecht u. Jugendwohl­ fahrt, Berlin, Carl Heymanns Verlag z. Z- = zur Zeit.

I.

Jugendgerichtsgesetz vom 16. Febr. 1923 (RGBl. I S. 135.) Vorbemerkungen.

I. Das Gesetz zerfällt in drei Abschnitte. Der erste enthält im wesentlichen materiellrechtliche Vorschriften, der zweite ordnet die Verfassung des Jugendgerichts und gibt Verfahrensvorschriften, der dritte bringt Ubergangsvorschristen und Änderungen anderer Gesetze (vgl. Inhaltsübersicht). II. Verhältnis zum Landesstrafrecht. Das JGG. schließt auf dem von ihm geregelten Gebiet Landesrecht völlig aus (Reichsverf. Art. 12, 13, EG. StGB. § 2). Über die Anwendung des JGG. in Forst- und Feldrügesachen gilt folgendes: 1. In Preußen. Das Gesetz, betr. den Forstdieb­ stahl vom 15. April 1878 (GS. S. 222) und das Feld- und Forstpolizeigesetz vom 1. April 1880 (GS. S. 230) wurden durch das Gesetz vom 1. Juli 1923 (GS. S. 291) abgeändert. „Dieses Gesetz bezweckt in erster Linie, die beiden genannten Gesetze den Vor­ schriften des JGG. anzupassen. Zu diesem Zweck wer­ den die bisher im § 10 ForstDG. und im 8 4 F.- u. FPolG. enthaltenen Bestimmungen, die für den Be­ reich der beiden Gesetze die Anwendung der besonderen für Jugendliche vorgesehenen Strafermäßigungen aus­ schließen, aufgehoben. Das JGG. soll in seinem gan­ zen Umfang auch für das Gebiet des ForstDG. und des F.- u. FPolG. gelten, soweit darin nicht ausdrück­ lich etwas Anderes bestimmt ist. Es gelten hiernach sowohl die Vorschriften des materiellen Teils des Messerer, Jugerrdgerichlsgesetz.

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JugendgertchtSgesetz vom 16. Fevr. 1923

3(5®. als auch diejenigen über das Verfahren. Forstdiebstahlsfachen gehören daher unter denselben Voraussetzungen wie andere Strafsachen vor die Jugend­ gerichte" (AV.vom 28. Juni 1923 -IMBl. S.473). Und da nach § 191 das ForstDE. in der Fassung der BO. vom 12. Mär; 1924 (GS. S. 127), sowie nach § 53 des F.- u. FPolE. in der Fassung der DO. vom 12. März 1924 bei Zuwiderhandlungen gegen diese Gesetze der Amtsrichter allein entscheidet, so entscheidet bei solchen Verfehlungen Jugendlicher auch der Ju­ gendrichter allein ohne Schöffen (vgl. Hartung im „Recht" 1924 S. 193). 2. In Bayern. Hier sind besondere Bestim­ mungen über die Anwendung des 3GG. in Forstrüge­ sachen nicht ergangen. Das Oberste Landesgericht (Entsch. Bd. 24 S. 42) hat jedoch ausgesprochen, daß das JGG. hinsichtlich der materiellrechtlichen Bestim­ mungen des 1. Abschnitts auch für die bayer. Forst­ rügesachen gilt: auf Grund des allgemeinen Rechts­ satzes, daß Reichsrecht Landesrecht bricht, erstreckt sich die Gültigkeit reichsgesetzlicher Normen über Strafrecht, Gerichtsverfassung und Strafprozeß auch auf Forstrügesachen, soweit nicht landesrechtliche Be­ stimmungen etwas anderes besagen. Durch Art. Xa des Gesetzes zur Änderung des Forstgesetzes, des re­ vidierten Forststrafgesetzes für die Pfalz und des Feldschadengesehes vom 10. August 1923 (GDVl. S. 253) wurde Art. 53 des Forstgesetzes, der Strafmilderung bei Jugendlichen vorschrieb, aufgehoben; es gilt also nun § 9 3GE. — Dagegen erstreckt sich die Zuständig­ keit der Jugendgerichte nicht — wie in Preußen — auf Forstrügesachen (B zu § 17). Es gelten also nach wie vor die besonderen Verfahrens Vorschriften der Art. 116

bis 188 des Forstgesetzes vom

in der

Fassung der Bek. vom 4. Juli 1896 (GDBl. S. 325).

Für Feldpolizeiübertretungen nach Art. 13 ff. des Feldschadengesetzes vom 6. März 1902 (GDBl. S. 99) gelten die materiellrechtlichen und die Verfahrens­ vorschriften des IGG. Hier entscheidet also das Ju­ gendgericht. III. Das IGG. findet auch auf Ausländer An­ wendung, die im Reichsgebiet eine strafbare Handlung verübt haben. Auch ihnen gegenüber können Erziehungsmahregeln angeordnet werden. IV. Ausführungsbestimmungen des Reichs sind nicht ergangen. Prruhen erliefe die Allg. Vers, vom 7. Febr. 1923 (JMBl. S. 96), welche die Bil­ dung der Jugendgerichte vorbereitet, die Allg. Vers, vom 20. Juni 1923 (JMBl. S. 450) 9 — abgedruckt auf S. 59 — und die VO. des Justizministers vom 28. April 1924 (JMBl. S. 206) — abgedruckt auf S. 68 —, Bayern die Bek. vom 7. Mai 1923 (JMBl. S. 21) -) — abgedruckt auf S. 70.

Erster Abschnitt. Kl. Ein Jugendlicher im Sinne dieses Gesetzes ist, wer über vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist? 1. Maßgebend ist für die materiellrechtlichen Vor­ schriften das Alter- zur Zeit der Tat, für die Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften das Alter zur Zeit des Verfahrens. — Für die Berechnung des Alters gelten §§ 186, 187 BGB. Maßgebend ist der Geburtstag, nicht die Geburtsstunde; der Tag der Ge­ burt wird bei der Berechnung mitgezählt (RG. 35, 37). Wenn also der Angekl. die Tat am 1. Sept. 1925 früh 7 Uhr begangen hat, und am 1. Sept. 1911 abends 9 Uhr geboren ist, gilt er doch als „Jugendlicher" im In den Erläuterungen zitiert mit P. 2' In den Erläuterungen zitiert mit B.

Sinn des JGG. Ist jemand am 29. Feb. 1911 geboren, so wird er mit dem Ende des 28. Feb. 1925 bedingt strafmündig und mit dem Ende des 28. Feb. 1929 voll strafmündig (so Ebermayer 3 zu §§ 1, 2 JGG, nach Kiesow 3 jedoch mit dem Beginn des 28. Feb.). , Eine fortgesetzte Tat ist erst vollständig begangen, wenn ihr letzter Akt vollendet ist; die vor Vollendung des 14. Le­ bensjahrs liegende Tätigkeit des Jug. hat aber bei Beurteilung der Tat auszuscheiden. Auf den Zeitpunkt des Erfolges kommt es nicht an. Bei Ungewißheit des Alters gilt: in dubio pro reo, d. h., es ist anzunehmen, daß der Beschuldigte noch nicht 14, bzw. 18 Jahre alt ist.

§ 2? Wer eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht? ehe er vierzehn Jahre alt geworden ist, ist nicht strafbar." 1. In Kraft seit 27. Feb. 1923 (§ 43). 2. Der Zeitpunkt des Eintritts des Erfolges ist gleichgültig. ' 3. Die Strafunmündigkeit ist nach RG. (50, 199, 53, 86, 57, 206) ein persönlicher Strafausschlie­ ßungsgrund (nach der in der Theorie Herrschenden Lehre jedoch ein Schuldausschließungsgrund). Prozessu­ ale Wirkung: Einstellung durch die Staatsanwaltschaft, nach Eröffnung des Hauptverfahrens durch Gerichts­ beschluß; stellt sich die Strafunmündigkeit erst in der Hauptverhandlung heraus: Einstellung durch Urteil. Ist bereits ein auf Strafe lautendes Urteil ergangen, so darf es nicht vollstreckt werden (§, 45J). — Die gegen den Strafunmündrgen au ergreifenden Maßnahmen ent­ hält das JWG. (88 56 ff., 62 ff.) u. BGB. §§ 1631, 1666, 1838. — Die Strafunmündigkeit ist auch noch. in der Nevisionsinstanz zu beachten (RG. 57, 206).

§ 3.1 Ein Jugendlicher, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begeht, ist nicht strafbar, wenn" er zur Zeit der Tat nach seiner geistigen oder sittlichen Ent-

§§2, r

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Wicklung unfähig war, das Ungesetzliche der Tat ein­ zusehen 9 oder seinen Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen.46 1. § 3 ist an die Stelle des § 56 StGB, getreten. Er ist diesem gegenüber teils das mildere, teils dns strewgere Strafgesetz im Sinn des § 211 StGB.: das mildere, insofern er die Strafbarkeit eines Jugendlichen nicht mehr ausschließlich von einem bestimmten Grad seiner Berstandsreife abhängig macht, sondern daneben auch die Willensreife erfordert. Andererseits ist § 56 StGB, insofern milder, als er nur die zur Erkenntnis der Strafbarkeit erforderliche Einsicht verlangt, währeno nach § 3 JGG. schon bestraft werden kann, wer fähig war, das Ungesetzliche seiner Tat einzu­ sehen. Hieraus ergibt-sich, daß — bei Aburteilung einer vor dem 1. Juli 1923 begangenen Tat eines Jugend­ lichen — die Strafbarkeitseinsicht nach § 56 StGB, festzustellen ist und außerdem nach § 3 JGG. zu ent­ scheiden -ist, ob der Angekl. fähig war, seinen Willen der Einsicht gemäß zu bestimmen (RG. 58, 99). Auch die bedingte (relative) Straf münd i g k e i t ist nach RG. (50, 200, 53, 86, 143) nur ein persönlicher Strafausschließungsgrund. — Bei militä­ rischen Verbrechen u. Vergehen findet § 3 keine An­ wendung (MStGB. § 50). § 50 MStGB. ist als materiellrechtl. »Sondervorschrift durch das JGG. nicht be­ rührt worden. Die bay. Bek. v. 8. Juli 1924 (JMBl. S. 99) weist die Staatsanwaltschaft an, den Stand­ punkt zu vertreten, daß § 50 MStGB. für mit. Ver­ brechen u. Vergehen noch gilt, und nötigenfalls eine oberstrichterl. Entscheidung über die Frage herbeizu­ führen. 2. Die Prüfung der Frage, ob das „Unterscheidungs ­ vermögen" z. Z. oer Tat vorgelegen hat, ist in erster Linie Sache des Staatsanwalts; er hat das Verfahren einzustellen, wenn er die Frage verneint — bedarf aber hiezu der Zustimmung des Jugendrichters (§ 32T), wenn der Beschuldigte noch nicht 18 JaHre alt ist; anderenfalls kann er die Einstellung frei verfügen, denn

das IG. ist noch nicht zuständig (§ 17). Er kann das Verfahren sogar einstellen, wenn der JR. die Zustim­ mung verweigert hat und der Beschuldigte inzwischen 18 Jahre alt geworden ist (s. Riß in „Zeitschr. f. Rechtspfl. i. B." 1925 S. 318). Ist bereits Anklage er­ hoben, so beschließt der JR. — bei Verneinung des Unter­ scheidungsvermögens — die Nichteröffnung des Hauptverfahrens; in oer Hauptverhandlung erfolgt Frei­ sprechung (§ 5 m). 3. D. i. die Fähigkeit des Täters, einzusehen, daß das, was er tut, unrecht und verboten ist; er muß sich nicht der Strafbarkeit der Tat bewußt sein. 4. Zu der Berstandsreife muß die Willensreife tre­ ten, die Möglichkeit 'Hemmungsvorstellungen wirksam werden zu lassen und Reizen zu widerstehen. ö. Tie Einsichts- und Willensfähigkeit ist nicht in abstracto, sondern im Hinblick auf die konkrete Tat zu prüfen.

8 4.

Die Strafbarkeit de8 Anstifters und Gehilfen, des Begünstigers* und Hehlers wird durch die Vor­ schriften der 88 2, 3 nicht berührt."

1. Persönliche Begünstigung (um den Vortäter der Bestrafung zu entziehen) ist jedoch nicht möglich, weil es an der Strafbarkeit des Bortäters fehlt. 2. Darauf, ob der Anstifter, Gehilfe, Begünstiger oder Hehler gewußt hat, daß der Angestiftete usw. straf­ unmündig oder nicht im Besitz, des Unterscheidungs­ vermögens gew^en ist, oder ob ihm dies unbekannt ge­ blieben ist, kommt es nicht an (Begr.). 3. Ist jedoch der jugendliche Täter nach § 51 StGB, unzurechnungsfähig (Schuldausschließungsgrund!), so bleibt der Teilnehmer als solcher straffrei, bzw. ist er als mittelbarer Täter zu bestrafen.

8 5. 1 Hat ein Jugendlicher eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen, so hat das Gericht* zu prüfen? ob Erziehungsmaßregeln erforderlich sind?

§§4,6

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11 Hält das Gericht ErziehunaSmaßregeln für er­ forderlich/ so hat es6 entweder selbst die Erziehungs­ maßregel anzuordnen oder auszusprechen, daß Er­ ziehungsmaßregeln erforderlich sind, ihre Auswahl und Anordnung aber dem Vormundschaftsgericht über­ lasten bleibt? Das Bormundschaftsgericht muß alsdann eine Erziehungsmaßregel anordnen. Die Fürsorge­ erziehung soll das Gericht nur dann selbst anordnen, wenn in erster Instanz die Zuständigkeit dafür auch außerhalb des Strafverfahrens begründet ist? ni Die vorstehenden Bestimmungen finden auch An­ wendung, wenn das Gericht den Täter nach § 3 freispricht? 1. D. h. das erkennende Gericht. 2. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, daß das Gericht die in §§ 5, 6 gebotenen Erwägungen ange­ stellt hat. Aus dem Umstand allein, daß der Ilngekl. zur Strafe und nur zur Strafe verurteilt ist, kann nicht geschlossen werden, daß das Gericht die Frage, ob Erziehungsmaßnahmen ausreichen oder neben der Strafe erforderlich sind, geprüft und verneint hat (RG. 58, 89). 3. Regeln darüber, wann Erziehungsmaßnahmen er­ forderlich sind, lassen sich nicht aufstellen. Das Ge­ richt wird die Beweggründe des Täters zu vermitteln und zu würdigen haben; es wird in Betracht ziehen müssen, ob die Erziehung des Jugendlichen durch eine bereits anderweit angeordnete Erziehungsmaßnahme oder auch ohne staatlichen Eingriff genügend gesichert ist; auch der Gesichtspunkt wird nicht außer acht ge­ lassen werden dürfen, ob der Täter nach seiner Veran­ lagung oder auch nach seinem Alter überhaupt noch einer erzieherischen Einwirkung zugänglich ist (Begr.). Der Begriff „unverbesserlich" will Francke auf Jugend­ liche gar nicht angewendet wissen. 4. Der Umstand, daß das erkennende Gericht Er­ ziehungsmaßregeln nicht für erforoerlich hält, hindert

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JugeudgerlchtSg-setz vom 16. FeVr. 1923

den Vorm.Richter nicht, von sich aus trotzdem solche anzuordnen. 5. Im Urteilstenor. 6. Das Gericht hat zwischen beiden Wegen die Wahl; maßgebend wird sein, ob es sich schon sagen läßt, welche Erziehungsmaßregel voraussichtlich die meiste Aussicht auf Erfolg hat, oder ob es dazu noch weiterer Erörterungen bedarf (Kiesow 3). Die Fürsorgeerziehung im Urteil selbst anzuordnen, empfiehlt sich selten. — Tie Fragen, ob eine Er­ ziehungsmaßregel erforderlich ist, und ob das erkennende Gericht sie selbst auswählen oder ihre Auswahl dem BormG. überlassen will, gehören nicht zur Schuldfrage und sind daher mit einfacher Mehrheit zu entscheiden. Ordnet das Gericht selbst die Erziehungsmaßregel an und bilden sich über deren Auswahl mehr als zwei Meinungen, so findet die Vorschrift des § 198111 GVG. entspr. .Anwendung: die für die schwerste Maßnahme abgegebenen Stimmen weroen den für die zunächst schwerere solange hinzugezählt, bis sich eine Mehrheit ergibt (Begr., B, Kiesow 7ni). 7. D. h., wenn das Amtsgericht, bei dem das JugendG. Zusammentritt, gleichzeitig auch als VormG. die Fürsorgeerziehung anordnen könnte. Zu­ sammentreffen müssen nur die Behörden, nicht auch die Abteilungen desselben AmtsG.s (so Kiesow 4 c, dagegen Francke V). Vgl. auch PreußMinVO. v. 28. April 1924 II 1 (unten S. 68). 8. Spricht es ihn aber frei, weil die Tat überhaupt nicht den objektiven Tatbestand einer strafbaren Hand­ lung erfüllt oder weil ein Schuldausschließungsgrund (z. B, § 51 StGB.) oder ein Strafausschließungsgrund vorliegt, so ist § 5 nicht anwendbar.

§ 6.' Hält das Gericht Erziehungsmaßregeln für aus­ reichend? so ist von Strafe abzusehen.

1. 8 6 findet gem. § 50 MStGB. bei militäri­ schen Verbrechen u. Vergehen Jugendlicher keine An­ wendung (vgl. oben § 3 N. 1 a. Ende).

2. Richtlinien für die Beantwortung dieser Frage gibt die Begr. u. B zu §§ 5, 6 (f. unten S. 71). — Die Frage gehört nicht zur Schulofrage und ist daher mit einfacher Stimmenmehrheit zu entscheiden. 3. Der Ausspruch ist in die Urteilsformel aufzuneh­ men, z. B.: „N. ist des Diebstahls schuldig; es wird jedoch von Strafe abgesehen und angeordnet, daß.. Eine Mitteilung zum Strafregister erfolgt in diesem Fall nicht. Ordnet das Gericht Erziehungsmaß­ nahmen neben Strafe an (§ 5n), so bedarf es in der Strafnachricht keiner Angabe über die Art der angeord­ neten Erziehungsmaßregeln; im Strafregister ist ledig­ lich zu vermerken, daß das Gericht Erziehungsmaßregeln angeordnet oder für erforderlich erachtet hat (s. BayMin.Bek. v. 6. Dez. 1924 die Strafregister betr. Ziff. II zu Nr. 9 — JMBl. S. 108). § 7. 1 Als Erziehungsmaßregeln sind zulässig? 1. Verwarnung? 2. Ueberweisung" in die Zucht der Erziehungs­ berechtigten^ oder der Schule? 3. Auferlegung besonderer Verpflichtungen? 4. Unterbringung? 5. Schutzaufsicht? 6. Fürsorgeerziehung? "Die Reichsregierung kann mit Zustimmung des Reichsrats auch andere Erziehungsmaßregeln für zuläsiig erklären?" 1,1 Die Voraussetzungen, die Ausführung und Auf­ hebung sowie daS Erlöschen der Schutzaufsicht und der Fürsorgeerziehung bestimmen sich nach dem Reichs­ gesetze für Jugendwohlfahrt." Für die anderen Erziehungsmaßregeln bestimmt das Erforderliche die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats?" sie dürfen auch nach Vollendung des achtzehnten

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Jugendgericht-gesetz vom 16. Febr. 1923

Lebensjahr« bi« zum Eintritt der Volljährigkeit aus­ geführt werden?' 1. § 7 zählt die zulässigen Erziehungsmaßregeln er­ schöpfend auf. Andere Maßregeln kann weder das er­ kennende Gericht noch der Borm.richter, der eine Er­ ziehungsmaßregel gem. § 5n i u. 2 auszuwählen hat, anordnen. Geht jedoch oer Borm.richter (bei Verschie­ denheit von JR. und BR.) selbständig vor (vgl. § 5 N. 4), so ist er an die Beschränkung des H 7 nicht ge­ bunden, sondern kann auch Maßnahmen nach dem JWG. oder dem BGB. (z. B. §.§ 1666, 1801, 1886) treffen. Mehrere Erziehungsmaßregeln (Nr. 1—5) können miteinander verbunden werden. 2. Sie kann mündlich oder schriftlich erteilt werden; ersteres wird die Regel sein. Sie kann bereits — falls das Urteil sofort rechtskräftig wird — in der Haupt­ verhandlung erteilt werden oder in einem besonderen Termin; bleibt bet Jug. in diesem Termin aus, so kann der BR. (aber nicht auch der JR.) gem. Art. 15 des PreußFGG. v. 21. Sept. 1899 (GS. S. 249) Zwang anwenden. 3. Sie hat wenig praktische- Bedeutung. 4. Dazu gehört auch der gewerbliche Lehrherr (K 127 a GewO.). 8. Jnsbes. der Fortbildungsschule. H. Z. B. Wiedergutmachung des Schadens, Geld­ bußen an die Staatskasse oder Armenkasse oder an einen Jugendfürsorgeverein (auf solche Geldbußen bezieht sich die BO. über Bermögensstrafen u. Bußen v. 6. Feb. 1924 nicht), Nachweis einer festen Beschäftigung, regel­ mäßige Meldungen beim Jugendrichter oder Jugendamt, Enthaltung von Alkohol und vom Rauchen, Meldung von Wirtschaften, Tanzlokalen, Kinos, Anschluß an einen Jugend- oder Mäßigkeitsverein; dagegen wäre es unzulässig (arg. Art. 136IV Reichsverf.) den Eintritt in einen kirchlichen oder politischen Jugendverein oder den Austritt aus einem solchen oder regelmäßigen Kirchen­ besuch zu verlangen. — Die Pflicht kann für bestimmte oder unbestimmte Zeit auferlegt werden. — Die Auf-

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erlegung einer Verpflichtung, deren Befolgung nicht kontrollierbar ist, wäre erziehungswidrig. 7. In einer geeigneten Familie, bei einem Lehr- oder Dienstherrn, in einer Erziehungsanstalt auf Kosten oes Unterhaltspflichtigen. 8. Sie steht und fällt mit der Auswahl der rechten Persönlichkeit für das Amt des Helfers (vgl. JWG. K 58). — Neben der Schutzaufsicht als Erzieyungsmaßregel gibt es noch eine Schutzaufsicht als erziehliche AufsichtsmaAnähme bei Strafaussetzung (§. 12"). Erstere endet mit dem Eintritt der Volljährigkeit und kann vorher vom VormG. aufgehoben werden (§ 59 JWG), letztere endet mit der Entscheidung des Strafrichters über die Bewähwährung (wenn sie nicht schon vor Ablauf der Probezeit aufgehoben wird). 9. Eine Zustellung an das Jugendamt oder die Für­ sorgeerziehungsbehörde ist im JGG. nicht vorgeschrie­ ben; ihnen steht auch kein Rechtsmittel gegen die An­ ordnung zu (s. unten § 35); dies ist jedoch anders, wenn nicht düs erkennende Gericht, sondern das VormG. die Fürsorgeerziehung anordnet (§§ 65—68 JWG.). 10. Dies ist bisher nicht geschehen. 11. Für Schutzaufsicht s. §§. 56, 58—61 JWG., Für­ sorgeerz. §§ 62, 69-73 JWG.). 12. Über die Ausführung einer Erz.maßregel s. § 36. Hat sie ihren Zweck erfüllt, so kann sie der Jugend- oder Borm.richter wieder aufheben; bei ver­ änderten Umständen kann er sie auch abändern oder ein­ schränken. Eine Änderung oder Aufhebung einer Erz.­ maßregel im Gnadenwege findet nicht statt (P. I11). Die Kosten der Anordnung der Erz.maßregeln sind Kosten des Strafverfahrens, wenn das erkennende Gericht die Maßnahme auswählt. Ordnet sie der Borm.­ richter an, so gelten die landesrechtl. Vorschriften über die Kosten in Angelegenheiten der Freiw. Gerichtsbarkeit u. § 74 JWG. — Die Kosten der Ausführung der Erz.­ maßregeln hat der Unterhaltspflichtige zu tragen; ist ein solcher nicht vorhanden oder kann er die Kosten nicht tragen, so greifen §§. 49 ff., bes. 55 JWG. Platz, über die Kosten der Fürsorgeerz. s. § 70 JWG., §§ 22, 23

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Zugendgerichtsgesetz vom 16. FeV2. 1923

des PreußAG. zum JWG. v. 29. März 1924, Art. 38, 41 des bayer. Jugendamtsges. v. 20. Juli 1925.

§ rr. I Vor dem Urteil kann das Gericht1 vorläufige Anordnungen über die Erziehung und Unterbringung treffen? Vor der Entscheidung ist das Jugendamt zu hören. Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie wegen Gefahr im Verzug untunlich ist; in diesem Falle ist daS Jugendamt nachträglich zu hören. "Im Urteil hat sich das Gericht darüber aus­ zusprechen, ob die vorläufige Anordnung wegfallen oder bis zur endgültigen Entscheidung über die An­ ordnung einer Erziehungsmaßregel bestehen bleiben soll? 1. In erster Linie ist zu solchen Maßnahmen der Vorm.richter berufen, sobalo er gern. § 27 von dem Strafverfahren erfährt (Begr., B.). Sie können aber auch noch gleichzeitig mit und sogar noch nach dem Urteil getroffen werden. 2. Die Entscheidung ergeht auf Antrag der Staats­ anwaltschaft oder von Amtswegen und zwar stets durch Beschluß, der vom Staatsanwalt, dem Jugend­ lichen, seinem gesetzl. Vertreter n. Verteidiger mit Be­ schwerde anfechtbar ist. Diese hat keine aufschiebende Wirkung. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts gibt es keine weitere Beschwerde (Kiesow 3). 3. über die Bedeutung dieser Vorschrift vgl. B.

s v. iHat ein Jugendlicher eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen, so gelten für die Strafbemessung 1 folgende Vorschriften: II Statt auf Todesstrafe oder auf lebenslanges Zucht­ haus ist auf Gefängnis von einem bis zu zehn Jahren, statt auf lebenslange Festungshaft ist auf Festungs­ haft von einem bis zu zehn Jahren zu erkennen.

§§8, 9

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'"Sind andere Strafen angedroht, so ist die Strafe zwischen dem gesetzlichen Mindestbetrage der anzu­ wendenden^ Strafart und der Hälfte des Höchst­ betrags der angedrohten Strafe zu bestimmen? Ist Zuchthausstrafe angedroht, so tritt an ihre Stelle Gefängnisstrafe? 'VJst die Tat ein Vergehen oder eine Übertretung? so kann in besonders leichten Fällen6 von Strafe abgesehen werden? v3tuf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte über­ haupt oder einzelner bürgerlichen Ehrenrechte, auf Überweisung an die Landespolizeibehörde sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht darf nicht erkannt werden? 1. Das jugendl. Alter ist ein allgemeiner Strafmil­ derungsgrund. Hierwegen äuch noch mildernde Um­ stände zuzubilligen, wäre unzulässig, da sonst derselbe Umstand zweimal strafmildernd in Betracht käme. Wohl aber kann der besondere Umstand der großen Jugend, etwa die eben erst eingetretene Vollendung des 14. Lebensjahrs nochmals als mildernder Umstand benutzt werden (Ebermayer zu § 9, RG. 48, 308). — Treffen mit der Jugendlichkeit mildernde Umstände, Versuch oder Beihilfe zusammen, so ist zunächst die Strafe festzu­ setzen, die unter Berücksichtigung dieser Umstände für einen Erwachsenen in Betracht käme, und dann diese Strafe gem. § 9 mildern (RG. 6, 98). Bei Beihilfe eines Jugendlichen zum Versuch findet somit eine drei­ fache Milderung statt. Die Vorschriften des § 9 gelten nur für die Bemes­ sung von Einzelstrafen, nicht aber für die Bildung einer Gesamtstrafe, deren Höchstdauer sich lediglich nach § 74in StGB, bemißt RG. 54, 202). § 9 findet gem. § 50 MStGB. keine Anwendung bei militärischen Verbrechen und Vergehen Jugend­ licher (vgl. oben § 3 N. 1 a. Ende).

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JugendgertchtSgesetz vom 16. Fevr. 1923

2. Nicht der angebrohten. Es ist daher auch dann, wenn ein höheres Mindestmaß als 1 Tag Gefängnis angedroht ist (z. B. §§ 253, 317 StGB.) die Mindest­ strafe 1 Tag Gefängnis. 3. Gilt auch für eine Geldstrafe, mag sie als Vielfaches eines bestimmten Betrags auszusprechen sein (RG. 1, 334) oder nicht. Ist z. B. nach BZollges. § 135 ver­ vierfache Betrag der hinterzogenen Abgabe verwirkt, so beträgt der in Betracht kommende gemilderte relative Strafrahmen, der an Stelle der absoluten vier­ fachen Strafe tritt, in seinem Mindestbetrag,! Mk., in seinem Höchstbetrag die Hälfte des jeweilig angedrohten Vierfachen des Werts (Ebermayer 3e zu § 9). 4. Auch der Mindestbetrag der an Stelle einer Zucht­ hausstrafe tretenden Gefängnisstrafe beträgt 1 Tag — nicht 1 Jahr — Gefängnis (RG. 59, 141). 5. Bei Vergehen und Übertretungen ist nach dem durch das Geldstrafengesetz v. 27. April 1923 einge­ fügten § 27 b StGB, an Stelle einer Freiheitsstrafe — unter den dort angegebenen Voraussetzungen — auf Geldstrafe zu erkennen. H. Wenn die Schuld des Täters gering ist und die Folgen der Tat unbedeutend sind, kann seit dem In­ krafttreten der BO. v. 4. Jan. 1924 (RGBl. I S. 15) bereits die Staatsanwaltschaft — bei einer Übertretung ohne weiteres, bei einem Vergehen nach Zustimmung des Jugendrichters oder Amtsrichters — von der Er­ hebung der öffentlichen Klage absehen (§. 153 StPO.) — s. unten § 32 N. 4. 7. Im Urteil wird ausgesprochen, daß der Ange­ klagte schuldig sei, aber von Strafe abgesehen werde. 8. Auch nicht mehr auf Verweis (s. §§ 45, 46). — Über die Eintragung der gegen Jugendliche er­ kannten Strafen s. Strafregisterverordnung v. 12. Juni 1920 (Zentralblatt f. d. Deutsche Reich S. 909); über ihre Löschung und beschränkte Auskunft s. Ges. über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Til­ gung von Strafvermerken v. 9. April 1920 (RGBl. S. 507) §§ 6IV, 7nl: Die Fristen (von 5 u. 10 Jahren), nach deren Ablauf beschränkt Auskunft zu erteilen ist

§10

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und nach deren Ablauf ein Strafvermerk zu tilgen ist, verkürzen sich bei Jugendlichen je von 5 auf 3 und von 10 auf 6 Jahre.

§ 10? 1 Das Gericht kann2 die Vollstreckung einer Freiheits­ strafe 8 im Urteil4 aussetzen? damit der Verurteilte sich durch gute Führung während einer Probezeit Straferlaß verdienen kann. DicS soll insbesondere dann geschehen, wenn der sofortige Strafvollzug eine Erziehungsmaßregel gefährden würde. " Wird die Vollstrekung der Strafe nicht ausgesetzt, so müßen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen? ob die Strafe vollstreckt oder die Entscheidung Über die Aussetzung Vorbehalten werden soll? 1. Bisher war die bedingte Strafausaussetzung — auch da, wo sie wie in Preußen (AltgVerf. v. 19. Okt. 1923, 15. Juni 1921 u. 29. Juni 1921) und in Bayern (Bek. v. 5. März 1922 u. 14. Juni 1924) den Gerichten übertragen ist — eine Berwaltungsmaßnahme, ein. Ausfluß des Gnadenrechts, die Gerichte waren deshalb an die Weisungen d-er Ju­ stizverwaltung gebunden. Im JGG. dagegen wird die Strafaussetzung dem erkennenden Gericht als freie rich­ terliche Befugnis übertragen; die Entscheidungen des Gerichts ergehen unter dem Schutze richterlicher Unab­ hängigkeit und sind nicht im Verwaltungsweg nach­ prüfbar, sondern nur mit Rechtsmitteln anfechtbar. Daneben bleibt jedoch das Begnadigungsrecht unberührt. Nur wird jetzt die bedingte Strafaussetzung im Gna­ denweg nicht mehr von den Gerichten, sondern aus­ schließlich vom Justizministerium bewilligt (so P II2, 6 zu ß 10) vgl. auch RG. 58, 202 und bay. Min.Bek. v. 14. Juni 1924 über Begnadigung usw. (JMBl. S. 89) II zu §§ 13, 16, 26. 2. Vorausgesetzt, daß der Täter z. Z. der Tat jugendlich war; ob er es noch z. Z. der Aburteilung ist, ist gleichgültig. Das Gericht wird von der Befugnis

nur dann Gebrauch machen, wenn der Verurteilte der Vergünstigung würdig ist und Besserung zu erwarten ist. In manchen Fällen aber ist nur mehr dürch die Straf­ vollstreckung eine Besserung zu erzielen. 3. Art und Dauer der erkannten Strafe ist belanglos. — über die Aussetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe s. § 14.

4. Auch in einem Strafbefehl, wenn der z. Z. der Tat jugendl. Täter z. Z. der Erlassung des Strafbefehls über 18 Jahre alt ist (§§ 13™, 39). 5. Die Strafaussetzung kann für die ganze Strafe oder nur für einen Teil gewährt werden. Die Aus­ setzung darf nicht von der Erfüllung einer Bedingung, z. B. der Leistung einer Buße, abhängig gemacht werden; es können allerdings dem Jugendlichen für die Dauer der Probezeit nach § 12" besondere Verpflichtungen auf­ erlegt werden. Dagegen ist dem JGG. eine bedingte Strafaussetzung in dem Sinne fremd, daß dem Jugendl. die Möglichkeit, durch gute Führung Straferlaß zu ver­ dienen, in der Entscheidung des erkennenden Gerichts überhaupt nur unter der Bedingung eröffnet wird, daß er zunächst eine ihm auferlegte Leistung erfüllt (RG. 58, 200). Die Entscheidung ist' selbständig durch sof. Be­ schwerde anfechtbar (§ 35").

6 Diese Vorschrift ist zwingender Natur. Ist der Ver­ stoß gegen sie gern. § 344" StPO, mit der Revision ge­ rügt worden, so wirkt der Mangel der Entscheidungs­ gründe in diesem Punkt als unbedingter Revisionsgrund im Sinn des § 338 Nr. 7 StPO. Es bedarf jedoch keiner.Aufhebung des Urteils, söndern nur Zurückverwei­ sung zur Beseitigung des Mangels (RG. im ZBl. XVI, 268). > 7. Letzteres wird sich vielfach aus erzieherischen Grün­ den empfehlen, um nicht die. Wirkung der Urteilsverkün­ dung abzuschwächen, ferner dann, wenn z. Z. der Urteils­ fällung die Frage der Strafaussetzung noch nicht spruch­ reif .ist. — Zuständig für die vorbehaltene Entscheidung ist der Jugendrichter (so >liesow 4; nach Hellwig 10" das erkennende Gericht).

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§§ 11, 12

8 11. Werden nach Erlaß des Urteils Umstünde bekannt, die eine Aussetzung der Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe angezeigt erscheinen lassen, so kann die Vollstreckung nachträglich ausgesetzt werden? Die Straf­ aussetzung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß im Urteil die Aussetzung abgelehnt oder mit der Voll­ streckung der Strafe bereits begonnen worden ist. 1. Durch Beschluß des Jugendrichters (§ 34) und zwar auch dann, wenn der Verurteilte z. Z. der Aus­ setzung nicht mehr jugendlich ist. Sofortige Beschwerde (§ 35n). — Vor der Entscheidung ist die Staatsanwalt­ schaft, der Verurteilte und sein gesetzt. Vertreter zu hören, ferner das Jugendamt, wenn es ohne Ver­ zögerung geschehen kann (§ 342).

§ 12. 1 Die Probezeit ist mindestens auf zwei und höchstens auf fünf Jahre zu bemessen? Ist sie auf weniger als fünf Jahre bemeffen, so kann sie nachträglich bis auf fünf Jahre verlängert werden?

"Dem Verurteilten können für die Dauer der Probezeit, und zwar auch über den Eintritt der Voll­ jährigkeit hinaus, besondere Pflichten auserlegt, auch kann er unter Schutzaufsicht6 gestellt werden. Die Anordnungen können auch nachträglich getroffen oder geändert werden? Für die Ausführung der Schutz­ aufsicht gelten die Vorschriften des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt; für die Zeit nach erreichter Voll­ jährigkeit gelten sie entsprechend. '"Während bet- Probezeit ruht die Verjährung der Strafvollstreckung? Messerer, JugendgertchtSgesetz

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JrrgeudgertchtSgesetz vom 16. Febr. 1923

Führt sich der Verurteilte während der Probezeit schlecht? so kann die Vollstreckung der Strafe an­ geordnet werden? DaS gleiche gilt wenn nachträglich Umstände bekannt werden, die, wenn sie bereits zur Zeit der Aussetzung der Strafe bekannt gewesen Wären, bei Würdigung deS Wesens der Aussetzung zur Ver­ sagung dieser Vergünstigung geführt haben würden. v3u den Ermittelungen über die Führung deS Verurteilten während der Probezeit ist das Jugend­ amt nach Möglichkeit zuzuzieben.

1. Sie beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, die sie angeordnet hat. Sie läuft auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Verurteilten weiter. — Die Entscheidung über die Dauer der Probezeit oder über ihre Verlängerung ist unanfechtbar (§ '35112). 2. Insbesondere bei schlechter Führung des Ver­ urteilten während der Probezeit. 3. Das JGG. kennt die „besonderen Pflichten" und die Schutzaufsicht in doppelter Verwendung: a) als reine Erziehungsmaßregel nach § 7, b) als erziehliche Auf­ sichtsmaßnahme nach § 12. Als erstere enden sie mit dem Eintritt der Volljährigkeit oder mit der Aufhebung durch den Bormundschaftsrichter (§ 7 IlIz JWG. § 59), als letztere in der Regel mit der Entscheidung über die Bewährung. — Die für die Dauer der Probezeit getrof­ fenen Anordnungen sind unanfechtbar '(§ 35112). 4. Ihre Überwachung obliegt immer dem Jugend­ richter, mag der Verurteilte minderjährig oder volljährig sein (§ 36--). ö. Ihre Ausführung obliegt: a) während der Minderjährigkeit des Verurteilten dem Bormundsschaftsrichter (§ 12n3), der sie dem Jugendamt, einem Jugendhilfeverein oder einem einzelnen Helfer überträgt (§, 60 JWG.); b) nach Eintritt der Volljährigkeit dem Jugendrichter (§ 36l2). Dieser entscheidet auch, ob die Schutz­ aufsicht vor Ablauf der Probezeit enden soll —

§ 13

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unb zwar sowohl im Fall a als im Falt b (g 34 mit § 12"*, s. auch Begr. u. ß). 6. Tie bef. Pflichten und die Schutzaufsicht können auch miteinander verbunden werden. 7. D. h. die Probezeit Wirtz nicht in die Verjährungs­ frist eingerechnet; nach dem Ablauf der Probezeit läuft die Frist weiter. Es wird also praktisch die Berjährungsfrist um die Dauer der Probezeit verlängert. 8. Zunächst kann die Probezeit bis zur Höchstzeit von 5 Jahren verlängert werden (§ 12l2) oder es können die zulässigen Anordnungen (Auferlegung von Pflichten und Schutzaufsicht), soweit noch nicht geschehen, ge­ troffen oder verschärft werden. 9. Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfecht­ bar (§ 35"). Erst wenn er rechtskräftig ist, darf mit der Strafvollstreckung begonnen werden.

§ 13? 1 Wird der Verurteilte, bevor über seine Bewährung entschieden ist? von neuem zu Strafe verurteilt? so bestimmt das Gericht in dem neuen Urteil, ob die frühere Strafe vollstreckt werden oder ausgesetzt bleiben soll. Die neue Strafe kann auch dann ausgesetzt werden, wenn der Verurteilte, als er die neue Tat beging, nicht mehr jugendlich war? "Lautet das neue Urteil auf Freiheitsstrafe? so darf der Wegfall* oder die Fortdauer der früheren Strafaussetzung nur bestimmt werden, wenn die gleiche Entscheidung auch für die neue Strafe ergeht? "'Ordnet das Gericht an, daß die frühere Strafe ausgesetzt bleibt, so kann es bestimmen, daß die alte Probezeit nicht vor der neuen abläuft? Es kann auch eine der int § 12 Abf. 2 vorgesehenen An­ ordnungen treffen oder eine nach dieser Vorschrift getroffene Anordnung ändern.

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3«ge»dgertcht»-esetz Dom 16. Febr. 1923

'v Hat das Gericht in dem neuen Urteil nicht be­ stimmt? ob die frühere Strafe vollstreckt werden oder ausgesetzt bleiben soll, so wird darüber nachträglich entschieden?" dabei kann die Entscheidung über die Aussetzung der neuen Strafe geändert werden. v®a8 Gericht kann sich, falls es nicht auf Freiheits­ strafe erkennt, der Entscheidung darüber enthalten," ob die frühere Strafe vollstreckt werden oder ausgesetzt bleiben soll; in diesem Falle gilt 8 12 Abs. 4. "Ist die frühere Strafe nicht ausgesetzt worden," so kann die Aussetzung in dem neuen Urteil nach­ träglich bewilligt (§ 11) werden." Die Abs. 2,14 4 gelten entsprechend. "'Als Urteil im Sinne vorstehender Bestimmungen gilt auch der Strafbefehl." 1. § 13 bezieht sich nur auf den Fall, daß keine G e s a m t st r a f e zu bilden ist. Durch die Notwendig­ keit, eine Gesamtstrafe zu bilden, wird die erste Ent­ scheidung über die Strafaussetzung gegenstandslos; die Frage der Strafaussetzung ist dann von dem die Ge­ samtstrafe bildenden Gericht einheitlich für die ganze Gesamtstrafe neu zu prüfen — vorausgesetzt, daß sämt­ liche Einzelstrafen, wegen einer im jugendl. Alter be­ gangenen Straftat verhängt sind. 2. Ist z. Z. des 2. Urteils die Vollstreckung der früheren Strafe schon angeordnet oder die frühere Strafe schon erlassen worden, so kann diese Entscheidung von dem Gericht der 2. Tat nicht geändert werden. 3. Wird er frergesprochen oder werden nur Erz.maßregeln angeordnet, so entscheidet der nach § 34 zuständige Jugendrichter über die Fortdauer der frühe­ ren Strafaussetzung. 4. Hier ist somit auch bei Zuchthausstrafe Straf­ aussetzung zulässig. 5. Bei Verurteilung zu Geldstrafe hat jedoch der zweite Richter völlig freie Hand: er kann die vom ersten

§13

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Richter bewilligte Strafaussetzung bestehen lassen ober die Vollstreckung der ersten Strafe anordnen; er kann auch dein Verurteilten für die Dauer der alten Probezeit bes. Pflichten auferlegen oder ihn unter Schutzaufsicht stellen,' wenn dies noch nicht geschehen war oder An­ ordnungen nach Abs. 3 treffen; er kann sich auch der Entscheidung enthalten (Abs. 5). Dagegen kann er nicht die für die erste Strafe- festgesetzte Probezeit verlängern (denn dies dürfte er nach § 131111 nur, wenn er für die neue Strafe selbst eine Probezeit fest­ setzt, was bei Geldstrafe nicht- möglich ist). H. Die beiden Strafen werden dann tunlichst im An­ schluß aneinander zu vollstrecken sein (B). 7. Über die Aussetzung oder Vollstreckung beider Strafen kann nur im gleichen Sinn entschieden werden; erscheint dem Gericht für die 2. Strafe eine Straf­ aussetzung nicht am Platze, so muß es die Vollstreckung der 1. Strafe anordnen; will es die 1. Strafaussetzung bestehen lassen, dann muß es auch die 2. Strafe aus­ setzen. 8. Z. B. für die 1. Strafe ist eine Probezeit von 2 Jahren bewilligt; als 1 Jahr davon verstrichen ist, würde die neue Probezeit von 3 'Jahren zu laufen be­ ginnen. Hier kann bestimmt werden, daß die alte Probe­ zeit noch 3 Jahre dauert. Dagegen darf nicht die alte Probezeit um 3 Jahre verlängert weroen, so daß sie 5 Jahre beträgt (Kiesow 5b ß). O. Sei es versehentlich oder weil es von der frühe­ ren Strafaussetzung nichts weiß. 10. Und zwar von dem zweiten Richter (RG. in ZBl. XVII, 99 und B, dag. Kiesow 7 c). 11. Durch bes. Ausspruch in der Urteilsformel. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 35112). 12. Bis zur zweiten Entscheidung. 13. Dazu wird nur selten ein Anlaß vvrliegen. Denkbar sind aber derartige Fälle; so kann z. B. die neue Tat beweisen, daß der Täter nur durch schlechte Gesellschaft auf die abschüssige Bahn geführt worden ist (Begr.).

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14. Der zweite Richter darf also die frühere Strafe nur aussetzen, wenn er auch die von ihm verhängte Strafe ausseht. 15. Ein solcher kann aber nur auf Geldstrafe lau­ ten (§ 39).

8 14. Ist auf Geldstrafe1 erkannt worden, so ist, sobald die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt werden kann? darüber zu entscheiden, ob die Vollstreckung der Ersatzfreiheits­ strafe? ausgesetzt werden soll. § 11 Satz 2 und die 88 12 und 13 gelten entsprechend. 1. Die Vollstreckung einer Geldstrafe kann nicht aus­ gesetzt werden (§ 10). Das Gericht kann aber für die Abtragung der Geldstrafe Stundung und Teilzahlungen bewilligen (§ 28 StGB.). 2. Also erst nach Rechtskraft des Urteils oder Straf­ befehls und wenn der Versuch, die Geldstrafe beizu­ treiben, erfolglos geblieben ist oder wenn mit Sicher­ heit vorauszusehen ist, daß sie aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten nicht beigetrieben werden kann (vgl. § 28 a StGB.). Die Strafaussetzung kann daher nicht im Urteil oder Strafbefehl selbst, sondern nur durch nachfolgenden Beschluß ausgesprochen werden. Dagegen ist sof. Beschwerde zulässig (§ 35"). 3. Unter Ersatzfreiheitsstrafe ist auch die nach § 27 b an erster Stelle verwirkte Freiheitsstrafe zu verstehen, die eintritt, wenn die Ersatzgeldstrafe nicht bezahlt wird (Ebermayer 1).

8 IS. 'Nach Ablauf der Probezeit wird die Strafe er­ lassen? wenn sich der Verurteilte bewährt hat.* "Hat der Verurteilte sich nicht bewährt, so wird die Vollstreckung der Strafe angeordnet. 1. Vom Jugendrichter (K 34). Ist eine frühere Strafaussetzung gem. § 13 aufrecht erhalten worden, so entscheidet der für die frühere Strafe zuständige Jugend-

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richter (s. B.). Vor der Entscheidung sind die Staats­ anwaltschaft, der Verurteilte und sein gesetzt. Vertreter zu hören (§§ 18T, 301 mit StPO. § 492), ferner das Jugendamt, wenn es ohne Verzögerung geschehen kann (§ 342). Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen (StPO. § 34) und der Staatsanwaltschaft, dem Verur­ teilten (StPO. §§ 41, 35), dem gesetzt. Vertreter (§ 302), dem Vormundschaftsgericht und dem Jugendamt (§2712) bekannt zu machen. Er unterliegt der sofortigen Be­ schwerde (§ 35n). 2. D. h. wenn er sich während der Probezeit gut geführt hat, insbes. wenn er die ihm auferlegten bes. Pflichten (§ 12 r) erfüllt hat. Darüber werden zweck­ mäßiger Weise schon gegen Ablauf der Probezeit Er­ mittelungen zu pflegen sein, womöglich durch das JA. (§ '12 v). Der Richter wird — unter Zuziehung des JA.s — den Verurteilten während der Probezeit dau­ ernd im Auge behalten, so daß die nach § 15 zu tref­ fende Entscheidung nur ein Schlußurteil aus den Tat­ sachen ist, die ihm ohnehin schon bekannt sein sollten (Kiesow).

8 16. 'Der Strafvollzug gegen einen Jugendlichen1 ist so zu bewirken, daß seine Erziehung gefördert wird. " Beim Dollzuge der Freiheitsstrafen werden Jugend­ liche von erwachsenen Gefangenen vollständig getrennt gehalten. "'Freiheitsstrafen von einem Monat oder mehr sollen in besonderen, ausschließlich für Jugendliche bestimmten Anstalten oder Abteilungen von Anstalten vollstreckt werden. "Verbüßt ein Jugendlicher in einer besonderen Anstalt oder in einer besonderen Abteilung einer Anstalt eine Freiheitsstrafe, so kann er mit Ge> nehmigung der Aufsichtsbehörde bis zur Vollendung

des einundzwanzigsten Lebensjahrs in der Anstalt oder in der Abteilung verbleiben. ^DaS weitere über den Strafvollzug bestimmt die Reichsregierung' mit Zustimmung des Reichsrats; dabei ist auf eine Mitwirkung des Jugendamts bei dem Strafvollzüge Bedacht zu nehnien. 1. Hierüber enthalten die §§ 196—212 der von den Landesregierungen vereinbarten „Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen" v. 7. Juni 1923 (RGBl. II S. 263) eingehende Vorschriften. Zur Durchführung die­ ser „Grundsätze" ist in Preußen die „Dienst- und Bollzugsordnung für die Gefangenanstalten der Justiz­ verwaltung in Preußen" v. 1. Aug. 1923 und in Bay­ ern die „Dienst- und Vollzugsordnung für die bay­ rischen Strafanstalten und Gerichtsgefängnisse" vom 15. März 1924 ergangen, deren Bestimmungen, soweit sie Jugendliche treffen, unten (S. 94 ff.) abgedruckt sind. 2. Ausführungsvorschriften der Reichsregierung sind nicht ergangen- sie sind durch die „Grundsätze" und die „Dienst- und Bollzugsorduungen" der Länder über­ flüssig geworden.

Zweiter Abschnitt. § 17. ' Straftaten von Personen, die zur Zeit der Er­ hebung der Anklage^ jugendlich sind, gehören zur Zuständigkeit der Jugendgerichte.' Jugendgerichte sind die Schöffengerichte.3 Würde die Straftat nach den allgemeinen Vorschriften zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte^ gehören, so besteht das Jugendgericht aus zwei Richtern und drei Schöffen. "Für Personen, die zur Zeit der Tat jugendlich waren, zur Zeit der Erhebung der Anklage aber

§17

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nicht mehr jugendlich, jedoch itoch jünger als einund­ zwanzig Jahre ftttb6, kann die Staatsanwaltschaft die Zuständigkeit des Jugendgerichts dadurch begründen, daß sie bei ihm Anklage erhebt. 1. Es genügt also nicht — wie für die Anwendung der materiellrechtlichen Vorschriften (I. Abschnitt) —, das; der Täter z. Zt. der Tat jugendlich war. 2< Im ordentlichen Verfahren (d. h. vor dem Gericht für Erwachsene) werden Jugendstraf­ taten verfolgt: a) im Fall derBerbindung mit der Straf­ sache gegen einen Erwachsenen (§ 26"), b) im Fall der Anklageerhebung gegen einen 18 Jahre alt geworbenen Täter beim Erwachsenen-Gericht (§ 17"), c) im Fall der Verweisung einer gegen einen 21 Jahre alt gewordenen Täter anhängigen Strafsache ins oroentliche Verfahren (§ 18"). In diesen Fällen sind zwar nicht die Verfah­ rensvorschriften des 2. Abschnitts, wohl aber die ma­ teriellen Vorschriften der §§ 2—15 anzuwenden; insbes hat auch das Erwachsenen-Gericht zu prüfen, ob Erz.maßrsgeln erforderlich sind. Das IG. ist auch für militärische Straf­ taten Jugendlicher zuständig — ausgenommen die Strafverfahren in Kriegszeiten und gegen die Reichsmarineangehörigen an Bord von Kriegsschiffen, für die die Militärgerichte zuständig bleiben (§§ 1,3 des Ges. betr. Aufhebung d. Militärgerichtsbarkeit v. 17. Aug. 1920 — RGBl. S. 1579). Durch § 50 MStGB. wird die Zuständigkeit des IG. nicht berührt (ebenso Francke II, Beschl. des LG. Neiße v. 6. Juli 1925 in DIZ. 1925 S. 1272 da g. Stoeber DIZ. 1925 S. 1502, Beschl. des LG. Guben v. 5. Feo. 1925 in DIZ. 1925 S. 1596). — Das IG. ist nicht zuständig für die im Nepublikschutzges. v. 21. Juli 1922 dem Staats­ gerichtshof z. Schutz d. Republik zugewiesenen Straf­ taten (Begr. u. B), ferner nicht in Bayern für Forst­ rügesachen (s. Vorbem. II2). 3. Ihre Besetzung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des GBG. Sie können deshalb auch — auf Antrag der Staatsanwaltschaft — aus 2 Amts-

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richtern und 2 Schöffen bestehen (§ 2911 GBG.) er­ weitertes Jugendgericht (RG. 58, 331). — Das gewöhnliche Schöffengericht ist für .Jugendsachen sachlich unzuständig. — Ter Amtsrichter als Einzel­ richter kann niemals als Jugendstrafrichter tätig werden. 4. Daher ist das große Jugendgericht in Bayern auch für die Pressedelikte Jugendlicher zuständig (§ 6 EG. GBG., Art. 35 bay. AG. GBG. v. 23. Feb. 1879 sGBBl. S. 273] i. d. Fassung des Ges. v. 5. Mai 1923 sGBBl. S. 169]), ebenso in Württemberg, Baden, Olden­ burg. 5. = großes Jugendgericht. — Stellt sich in der Hauptverhandlung vor dem kleinen Jugendgericht heraus, daß die Sache vor das große IG. gehören würde (z. B. die als fahrlass. Falscheid angeklagte Tat stellt sich als Meineid dar), so ist keine Verweisung an letzteres nach § 270 StPO, erforderlich — da es sich ja um dasselbe Gericht handelt —, sondern es ist ledig­ lich ein 2. Amtsrichter und ein 3. Schöffe zuzuziehen. Im umgekehrten Fall kann die Verhandlung ohne wei­ teres nach Ausscheiden des 2. Amtsrichters u. des 3. Schöffen ihren Fortgang nehmen. — Entscheidet statt des großen das kleine IG. oder umgekehrt, so liegt darin ein Verstoß gegen eine Rechtsnorm über das Ver­ fahren (§ 338 Nr. 1 StPO.); auf diesen könnte zwar die Revision nicht gestützt werden, wohl aber kann das Berufungsgericht gem. § 32811 StPO, das Urteil aufheben und die Sache zurückverweisen (Kiesow 2). 6. In Preußen hat sie grundsätzlich Anklage beim IG. zu erheben, wenn nach den persönlichen VerhältNissen des Beschuldigten Erz.maßregeln noch angezeigt und nicht aussichtlos erscheinen und wenn anzunehmen ist, daß das Verfahren vor der Vollendung de^ 21. Lebensjahrs beendet werden wird (f. P II 3).

8 18. 1 Soweit nicht in diesem Gesetz Abweichendes be­ stimmt ist, gelten sür die Sachen, die zur Zuständig­ keit der Jugendgerichte gehören' (Jugendsachen), die

§18

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Vorschriften deS Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung?

" Vollendet der Angeschuldete während der Dauer deS Verfahrens das einundzwanzigste Lebensjahr, so kann das Gericht die Sache zum ordentlichen Verfahren verweisen? Ist das Gericht im ordent­ lichen Verfahren nicht zuständig? so ist die Sache nach 8 207 Abs. 26 der Strafprozeßordnung dem Landgerichte zur Entscheidung vorzulegen oder nach den 83 270? 369 Abs. 3 ’ der Strafprozeßordnung an das zuständige Gericht zu verweisen? 1. Tie Zuständigkeit des IG. ist begründet (§ 17): a) wenn es sich um Straftaten von Personen, die z. Z. der Erhebung der Anklage noch jünger als 18 Jahre sind, handelt und b) wenn die Staatsanwaltschaft beim IG. Anklage erhebt gegen eine Person, die z. Z. der Tat jugendlich, z. Z. der Anklageerhebung zwar nicht mehr jugendlich, aber noch jünger als 21 Jahre ist.

2. Mit der Neuordnung der Gerichtsverfas­ sung u. Strafrechtspflege sb 1. April 1924(welche die BO. vom 4. Jan. 1924 brachte) ist auch für das Jugendgerichtsverfahren eine neue gesetzliche Grundlage insofern geschaffen woroen, als nun, soweit nicht die Sonderbestimmungen des JGG. entgegenstehen, die Neu­ ordnung des schöffengerichtl. Verfahrens auch für die Behandlung der Jugendsachen maßgebend geworden ist. Darnach ist z. B. gern. § 17811 StPO, auch in Jugend­ sachen Voruntersuchung zulässig (Entschl. des Bay. Obersten Landesger. i. Strafsachen Bd. 23 S. 55 und Bayer. Staatsanz. 1924 Nr. 180). Aus § 181 folgt, daß für den Bezirk mehrerer Amts­ gerichte ein gemeinschaftliches IG. errichtest, werden kann (§• 58 GBG.). Bon dieser Befugnis hat Bayern Gebrauch gemacht (B zu § 17); in Preußen ist die Ermächtigung hiezu den Präsidenten der Oberlandes­ gerichte übertragen (P I 1), die VO. v. 28. April 1924

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JnaeudgertchtSgesetz vom 16. FeVr 1P23

hat diese Ermächtigung auf solche Jugendsachen be­ schränkt, die zur Zuständigkeit des großen IG. gehören. «Aus § 181 folgt ferner, daß gegen die Entscheidungen der Jugendgerichte — der großen wie der kleinen — die gleichen Rechtsmittel zulässig sind wie gegen die Entscheidungen der Schöffengerichte, überhaupt: a) die Berufung geht stets an die große Strafkammer — 3 Berufsrichter, 2 Schöffen — (§ 76« GBG.); b) die Revision geht: a) an das Oberlandesgericht, wenn in 1. Instanz das kleine IG. (1 Richter, 2 Schöffen) ent­ schieden hat (§ 121 GBG.); in Ländern mit mehreren OLG. können diese Revisionen ganz oder teilweise einem oder mehreren OLG. oder einem Obersten Landesgericht zugewiesen werden (§ 9 EG. GBG.) — vgl. f. Preußen § 50 AG. GBG., für Bayern. Art. 41 AG. GBG. — ß) an das Reichsgericht, wenn in 1. Instanz das große IG. (2 Richter, 3 Schöffen) oder das erweiterte «IG. (2 Richter, 2 Schöffen) entschieden hat (§ 135 GBG.). Auch im Jugendstrafverfahren ist die Sprungrevision nach § 335 StPO, zulässig. — § 313 findet auf das IG. feine Anwendung, weil es stets Schöffengericht ist; gegen Urteile des IG. ist also auch in den Fällen des § 313 Berufung zulässig (Beschl. d. bay.' Obersten Landesger. v. 30. Juni 1924, IS. 479/24). 3. Durch Beschluß. Borher sind die Staatsanwalt­ schaft stets, der Angeklagte und sein ges. Bertreter in der Hauptverhandlung (§ 33 StPO.) zu hören. Ein Antrag ist nicht erforderlich. 4. Ist das Schöffengericht im ordentl. Verfahren zu­ ständig, so wird die Sache einfach im ordentl. Berf. weiter geführt. 5. jetzt ß 209n; d. h. ist das Hauptverfahren noch nicht eröffnet/ so hat der Jugendrichter die Sache d-er Strafkammer vorzulegen; diese eröffnet das Berf. vor­ dem Schwurger., wenn die Sache zu dessen Zuständigkeit gehört; ist das Reichsgericht zuständig, so legt die Straf­ kammer durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft die Akten dem Reichsgericht zur Entscheidung vor (§ ‘2091 StPO.).

§19

29

6. D. h. wird die Verweisung in der Hauptverhand­ lung ausgesprochen, so hat das Jugendgericht gleich­ zeitig die Sache an das zuständige Schwurger. oder Reichsgericht zu verweisen. 7. Jetzt 8 328111; d. h. wird die Verweisung in der Berufungsinstanz von der Strafkammer beschlossen, so hat diese unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. 8. Das Revisionsgericht kann die Sache nicht 'mehr zum ordentlichen Verfahren verweisen. Hebt aber das Nev.geeicht das Urteil auf u. verweist es die Sache zu­ rück, so kann das Gericht, an das die Sache zurück­ verwiesen wird, sie zum ordentlichen Verfahren ver­ weisen (Begr. s. B).

8 19.1 1 Der Vorsitzende des Jugendgerichts (Jugend» lichter? hat auch die Amtshandlungen vorzunehmen, die nach der Strafprozeßordnung der Amtsrichter zu erledigen hat? "Ist ein Amtsgericht mit mehreren Richtern befttzt, so sollen die Geschäfte des Jugendrichters und.des Vormundschaftsrichters demselben Richter übertragen werden. Das Nähere bestimmt die oberste Landesbehörde? '"Jugendsachen sollen besonderen Strafkammern zugcwiejen werden?

1. § 19 bringt die organische Verbindung von Jugend- u. Borm.Gericht u. betont damit den Charakter des Jugendgerichts als eines Erziehungs­ gerichts. 2. über die Auswahl der Jugendrichter f. P II 7 und II zu K 17 letzter Abs. 3. Jnsbes. im Ermittelungsverfahren — wie die Ver­ nehmung des Beschuldigten und der Zeugen, Erlaß des Haftbefehls und des Eröffnungsbeschlusses —, ferner

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JugerrdgerichtSgesetz vom 16. Fevr. 1923

im Rechtshilfeverfahren (wie die Vernehmung des Beschuldigten gern. § 233 StPO.) vgl. P I 2a. — Bor Anklageerhebung ist der I R. zuständig, wenn der Beschuldigte noch nicht 18 Jahre alt ist. Ist er jedoch über 18, aber noch nicht 21 Jahre alt, so müssen gericht­ liche Handlungen, die vor Erhebung der Anklage vorzzmehmen sind, vom ordentlichen Gericht ausgehen; denn nach 8 17" wird erst mit der Erhebung der Anklage zum IG. ote Zuständigkeit dieses Gerichts begründet (s. Riß in Z. f. R. 1925 S. 318). 4. Vgl. PI2b unb B ju § 19n und § 49. Beide Verordnungen sehen — aber unter verschiedenen Voraus­ setzungen — den Übergang der vormundschaftsgerichlichen Geschäfte auch für die minderjährigen Geschwister des Beschuldigten auf den Jugendrichter, sowie die Möglichkeit vor, daß nach Erledigung des Strafverfah­ rens die vormundschaftsgerichtl. Geschäfte wieder an den ordentlichen Bormundschaftsrichter zurückfallen. 5. D. h. bei den Landgerichten, bei denen mehrere Strafkammern bestehen; über ihre Besetzung s. B zu § 19 m.

§ 30.

'Die Schöffen (Jugendschöffen? werden auf Vor­ schlag des Jugendamts für die Dauer eines GefchästsjahrS von dem in § 40 des Gerichtsverfassungs­ gesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt und in eine besondere Jahresliste aufgenommeu. Es find soviel Schöffen zu wählen, daß jeder Hauptschöffe zu höchstens zehn ordentlichen Sitzungstagen herangezogen wird. " Die oberste Landesbehörde kann bestimmen? daß von der Wahl besonderer Jugendschöffen abzusehen ist, wenn anzunehmen ist, daß ein Jugendgericht weniger als zehn Sitzungen jährlich abhalten wird. 1. Llls Schöffen können auch Frauen berufen wer­ den; einer der Schöffen muß ein Mann sein (§ 2611 GBG.); von den 3 Schöffen des großen IG. können 2

88 20-23

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Frauen sein (so Begr. u. Hellwig, dag. Kiesow u. Francke). 2. Dies haben Preußen und Bayern getan (f. P II; 6 zu Z 20).

§ 21. Die Bearbeitung der Jugendsachen ist bei jeder Staatsanwaltschaft tunlichst in den Händen bestimmter Beamter* zu vereinigen.

1. Jugend st aatsanwalt. über seine Aus­ wahl s. B. Im vorbereitenden Verfahren hat er auch die Vernehmung des Beschuldigten vor­ zunehmen, soweit sie nicht — was die Regel ist — durch den Jugendrichter erfolgt (§, 19 N. 3). Die Ver­ nehmung durch einen Polizeibeamten sollte nur bei geringfügigen Straftaten erfolgen (vgl. P II 5, B).

K 22. In allen Abschnitten des Verfahrens in Jugend­ sachen sollen die Organe der Jugendgerichtshilfe' zur Mitarbeit herangezogen werden?

1. Das sind das Jugendamt, die Jugendfürsorge­ vereine und die Jugendgerichtshelfer. 2. Die Mitwirkung des Jugendamts ist zwingend in den Fällen der §§ 8-2,3, 16 v, 20 n, 23m, 28 ui, 29 in3; Mitteilungen sind ihm zu machen nach 88 27, 31 ui; nach Möglichkeit ist es zuzuziehen in den Fällen der 8§ 12v, 31 m, 32-, 34 2, 40m. Vgl. auch 8 42.

8 23. •Sie Verhandlung vor dem erkennenden Gericht* einschließlich der Verkündung der Entscheidungen ist nicht öffentlich. "Dem gesetzlichen Vertreter^ des Angeklagten, dem Verletzten und seinem gesetzlichen Vertreter sowie dem Jugendamt ist der Zutritt zu gestatten. Erwachsenen

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IugendgrrichtLgesetz vom 16. Fevr. 1923

Angehörigen (§ 52 Abs. 2 deS Strafgesetzbuchs) des Angeklagten und, falls der Jugendliche unter Schutz­ aufsicht steht, der bestellten Aufsichtsperson, ferner den Vertretern von Vereinigungen, die sich mit der Jugendfürsorge beschäftigen, soll in der Regel, anderen Personen kann der Zutritt gestattet werden? 111 Beamte der Justizverwaltung, welche die Dienstaussickt führen, sind zur Anwesenbeit berechtigt.

1. D. h. beirr IG. und beit ihm übergeordneten In­ stanzen ; § 23 bezieht sich jedoch nicht auf bas ordentliche Verfahren vor dem Erwachsenen-Gericht, auch wenn hier ein Jugenolicher abgeurteilt wirb. 2. Auch ben Eltern als solchen, wenn sie nicht gesetzt. Vertreter sinb (folgt aus § 31112). 3. Durch § 23 werben die Bestimmungen bes GVG. (§§ 172, 174) über den Ausschluß der Öffentlich­ keit nicht beseitigt, sondern nur ergänzt. Es können da­ her auch die in § 2311 genannten Personen von der Ver­ handlung Ausgeschlossen werden, z. B. weil sie nicht die bürgerlichen Ehrenrechte besitzen, weil sie sich den sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden nicht fügen oder weil sie al.s Zeugen vernommen werden sollen. Sie können auch wegen Gefährdung der Staats­ sicherheit ausgeschlossen werden ober es kavn ihnen ein Schweigegebot auferlegt werden. — Die Zulassung von Pressevertretern — die an sich durchaus wünschens­ wert ist — wird zweckmäßig an die Bedingungen geknüpft, daß sie keine Namen nennen und daß sie ihren Bericht dem JR. vorlegen.

K 24. 'Für das große Jugendgericht (§ 17 Abs. 1 Satz3) gelten folgende besondere Vorschriften. "Die Schöffen stimmen vor den Richtern? Über die Ausschließung oder Ablehnung eines richterlichen Mitglieds entscheidet die Strafkammer, über die Ausschließung oder Ablehnung eines Schöffen der

§§ 24, 25

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Vorsitzende. Das Protokoll über die Hauptverhand­ lung' unterschreibt im Falle der Behinderung des Vorsitzenden für ihn das andere richterliche Mitglied. 1. Daneben gilt für die Abstimmung § 197 GBG.: Die Schöffen stimmen nach dem Lebensalter ab be­ ginnend mit dem Jüngsten, dann der beisitzende Richter, zuletzt der Vorsitzende. Ist der beisitzende Richter als Berichterstatter aufgestellt, so stimmt er zuerst (vor den Schöffen). 2. Jy das Protokoll sind die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen aufzunehmen (§ 27311 StPO.). Das Urteil ist von beiden Richtern zu unterschreiben (folgt aus § 275113); ist einer daran verhindert, so vermerkt dies der andere unter dem Urteil unter Angabe d-es Grundes (§ 275«2 StPO.).

§ 25. 'Für Jugendsachen ist auch das Jugendgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die vormundschafts­ gerichtliche Zuständigkeit für den Beschuldigten be­ gründet ist1 oder sich der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält.8 11 Sind mehrere Jugendgerichte örtlich zuständig, so soll die Anklage bei einem der nach Abs. 1 zuständigen erhoben werben,8 wenn nicht besondere Gründe die Erhebung der Anklage bei einem anderen Jugend­ gerichte rechtfertigen? 1. s. §§ 36, 43 FGG.; darnach ist in erster Linie der Wohnsitz — und in Ermangelung eines solchen der Aufenthalt — des Beschuldigten z. Z. der Anklageerhe­ bung maßgebend. Wird für ihn eine vormundschafts­ gerichtliche Tätigkeit bereits ausgeübt, so ist das IG. zuständig, in dessen Bezirk diese Tätigkeit ausgeübt wird-. 2. Dieser Gerichtsstand kommt vor allein für Jugend­ liche in Betracht, die vom Land in die Großstadt oder in den Jndustriebezirk zugewandert sind; hier würde das vom Aufenthaltsort weit entfernte Vorm.gericht, Messerer, Jugeudgerlchtrgesey

3

34

JugendgerichtSgesetz vom IS. FeVr. 1928

das den Jugendlichen meist ganz aus den Augen ver­ loren hat, nicht in der Lage sein, die Lebensverhält­ nisse des Beschuldigten zu beurteilen. — Zwischen dem Gerichtsstand der Vormundschaft und dem des Aufenthalts hat die Staatsanwaltschaft die Wahl; bei dieser Wahl wird von besonderer Bedeutung sein, wo — unbeschadet genauer und rascher Feststel­ lung des Tatbestandes — die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten, namentlich auch in der Hauptverhand­ lung am besten ermittelt werden können (B). 3. Diese beiden besonderen Gerichtsstände gehen somit den allgemeinen und besonderen Gerichts­ ständen der StPO. vor. Im übrigen finden auf sie die Vorschriften der StPO. Anwendung. Ist also z. B. die gleiche Sache beim Gerichtsstand der Vormundschaft Und bei dem hievon verschiedenen Gerichtsstand der be­ gangenen Tat (§ 7 StPO.) anhängig geworden, so ver­ bleibt sie dem Gericht) das zuerst das Hauptverfahren eröffnet hat (§ 121 StPO.); das gemeinsame obere Ge­ richt wird jedoch in der Regel die Sache dem Gericht der Vormundschaft zu übertragen haben (§ 1211 StPO, mit § 2511 JGG.). 4. Wenn dies geschieht, wenn also z. B. die An­ klage ausnahmsweise nicht im Gerichtsstand der Vor­ mundschaft, sondern im Gerichtsstand der begangenen Tat erhoben wird, so fallen Jugendgericht und Vor­ mundschaftsgericht auseinander. In solchen Fällen soll nach § 49 mit FGG. § 461 das Borm.gericht die Vor­ mundschaft an das Jugendgericht abgeben, sodaß die von §§ 19 und 25 angestrebte organische Verbindung von IG. und Borm.gericht nachträglich hergestellt wird. Von der Anklageerhebung erhält das bisherige Borm.gericht durch die ihm nach § 27 zu machende Mitteilung Kennt­ nis. Gibt es dann die Sache nicht von selbst an das mit der Strafsache befaßte Gericht ab, so wird die Staatsanwaltschaft dieses Gericht zu veranlassen haben, die Abgabe zu verlangen und gegebenenfalls die Ent­ scheidung des gemeinschaftlichen oberen Gerichts (§ 4611 FGG.) herbeizuführen. Bon besonderer Bedeutung für das Abgabeverfahren ist es auch, daß nach §§ 35, 41

§26

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JWG. das Jugendamt teils kraft Gesetzes Bormund ist, teils von den sonst zur Vormundschaft berufenen Personen zum Bormund bestellt werden kann (Begr.).

§ 26. 'Mehrere Sachen gegen denselben Beschuldigten

sollen verbunden werden? "Jugendsachen sollen* mit Strafsachen gegen Er­ wachsene nicht verbunden werden; dies gilt ins­ besondere, wenn diese Strafsachen zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte gehören.

"'Nach Erhebung der

Anklage können bis

zum

Erlasse des Urteils erster Instanz Jugendsachen von Strafsachen gegen Erwachsene durch Gerichtsbeschluß getrennt und an das Jugendgericht verwiesen werden? 1. Sind die Sachen bereits bei verschiedenen Jugend­ gerichten anhängig, und können sich die Gerichte nicht einigen, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Ge­ richt gem. § 14 StPO., bei welchem Gericht die Ver­ bindung einzutreten hat, ohne daß es eines darauf ge­ richteten Antrages der Staatsanwaltschaft oder des Beschuldigten bedarf. Zur Durchführung der Vorschrift dienen die in § 27 vorgesehenen Mitteilungspflichten (Begr.). — Gehört die eine Straftat vor das kleine, die andere vor das große IG., so sind — in entspr. Anwendung der §§ 2, 5 StPO. — beide Sachen vor dem großen IG. zu verhandeln. 2. In manchen Füllen — z. B. in einem umfang­ reichen Spionageprozeß — kann eine Trennung und doppelte Verhandlung der Sache unzweckmäßig sein. In einem solchen Fall wird auch der Jugendliche vor dem für.Erwachsene zuständigen Gericht und im ordentlichen Verfahren abgeurteilt. Auf den Jugendlichen sind aber auch hier die materiellrechtl. Vorschriften des JGG. anzuwenden. 3. Dies ist jedoch nicht mehr möglich, wenn der Be­ schuldigte bei Erhebung der Klage im ordentl. Verfahren b*

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ZugeudgerlchtSgesetz vom 16. Fevr. 1923

schon 18 Jahre war (folgt aus § 17"); dann liegt eben keine „Jugendsache" mehr vor.

§ 27'. 1 Die Staatsanwaltschaft hat dem Vormundschafts­ gericht und dem Jugendamte Mitteilung zu machen? wenn gegen einen Jugendlichen die Voruntersuchung beantragt oder Anklage wegenS eines Verbrechens, eines Vergehens oder einer Übertretung gegen § 361 Nr. 3 bis 8 des Strafgesetzbuchs erhoben wird, oder wenn die Staatsanwaltschaft es sonst für geboten erachtet. Über den weiteren Gang' des Verfahrens sind Vormundschaftsgericht und Jugendamt zu unter­ richten. Die oberste Landesbehörde kann weiter­ gehende Vorschriften erlassen? "DaS Vormundschaftsgericht und das Jugendamt haben der Staatsanwaltschaft Nachricht zu geben, wenn ihnen bekannt ist oder bekannt wird, daß ojegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist? 1. Die wechselseitigen MitteilungsPflichten sol­ len. das Ziel erreichen helfen, daß die strafrechtliche und erziehliche Behandlung desselben Jugendlichen immer in der Hand desselben Richters liegt. Außerdem sollen sie dadurch, daß sie 'möglichst viele Stellen auf die Gefahr aufmerksam machen, in der der Jugendliche schwebt, die rechtzeitige Abwendung der Gefahr erleichtern (Begr.). 2. Gleichgültig, ob die Sache vor dem IG. oder vor dem Erwachsenen-Gericht verhandelt werden soll. 3. Jnsbes. über die Eröffnung des Hauptverfahrens, die Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung, den Erlaß eines Haftbefehls oder Steckbriefs, das Urteil, die Einlegung eines Rechtsmittels, den Beginn der Strafvollstreckung, die Strafaussetzung.

4. S. P I 3, B äu | 27.

88 27, 28

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S. Dadurch soll vor allem die in § 26 r vorgeschriebene Verbindung ermöglicht werden.

§ 28. ' Untersuchungshaft * ist nur zu vollziehen, wenn ihr Zweck nicht durch andere Maßregeln, insbesondere durch eine Anordnung nach § 8* erreicht werden kann. Darüber, ob die Untersuchungshaft zu vollziehen ist, sowie darüber, welche-Maßregel an ihre Stelle tritt, entscheidet das Gericht, das den Haftbefehl3 erlassen hat/ in dringenden Fällen kann der Jugendrichter, in besten Bezirk die Untersuchungshaft vollzogen werden soll, die Entscheidung treffen. " Muß ein Jugendlicher in der Untersuchungshaft mit anderen Gefangenen in einem Raume unter­ gebracht werden, so ist Vorsorge zu treffen, daß er nicht sittlich gefährdet wird. Mit Erwachsenen darf ein Jugendlicher in einem Raume nur untergebracht werden, wenn dies durch seinen körperlichen oder geistigen Zustand geboten ist. 111 Dem Jugendamt und, falls der Verhaftete unter Schutzaufsicht steht, der bestellten Aussichtsperson ist der Verkehr mit dem Verhafteten in dem gleichen Umfang gestattet wie einem Verteidiger (§ 148 der Strasprozeßordnung). '"Ist vor Erhebung der öffentlichen Klage die Untersuchungshaft wegen eines Verbrechens angeordnet worden, das nicht schon nach dem 8 27 Nr. 7a und 8 des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehört, so kann der Jugendrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Haftfrist'über die im 8 126 der Strafprozeßordnung vorgesehene Dauer verlängern? Hat der Beschuldigte keinen Ver-

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Jugend gertcht-gesetz vom 16. Febr. 1923

leidiger, so ist ihm für daS Verfahren über die Fortdauer der Haft ein Verteidiger zu bestellen. Verlängert der Jugendrichter die Haftfrist, so be­ stimmt er zugleich, wann seine Entscheidung von neuem einzuholen ist. 1. über ihre Voraussetzungen s. §§ 112 ff. StPO. Auch jugendl. Übertreter des § 361 Nr. 4—8 StGB, (bes. in der Großstadt streunende Bettler und Dirnen) können in Untersuchungshaft genommen werden, auch wenn sie nicht zu den in § 112 Nr. 2 u. 3 bezeichneten Personen gehören und obwohl gegen sie nach § 9V JGG. nicht auf Überweisung an die Landespolizeibehörde erkannt werden kann; denn § 113 StPO, verlangt nur, daß es sich um eine Übertretung handelt, wegen der in abstracto auf Überweisung erkannt werden kann; bei Bettel ist dann aber mehrmalige Verurteilung oder Kerübung unter Drohungen oder mit Waffen erforderlich (§ 362n StGB.). 2. Dazu gehören Hausarrest, vorläufige Unterbringung in einer Erziehungsanstalt ooer einer geeigneten Fa-milie. — Die Kosten der Unterbringung gehören zu den Kosten des Strafverfahrens; sie sind aus der Staatskasse zu bestreiten, wenn oer Beschult). nicht zu den Kosten des Verfahrens verurteilt wird oder die Kosten von ihm nicht beigetrieben werden können. 3. Der Erlaß des Haftbefehls und alle andern auf die Untersuchungshaft sich beziehenden Entscheidungen sollen auch dem gesetzt. Vertreter bekannt gegeben wer­ den (§§ 114 nr, 35 StPO, mit § 30 JGG.). 4. D. i. bis zur Erhebung der Anklage der JR., wenn der Beschuldigte noch nicht 18 Jahre alt ist, andernfalls der Amtsrichter (s. § 19 N. 3, StPO. § 125); nach Anklageerhebung auch der Untersuchungs­ richter, das erkennende Gericht in der Berufungsinstanz, der Richter im ordentlichen Verfahren (wenn der Jug. zusammen mit Erwachsenen angeklayt ist). 5. Diese Bestimmung wurde getroffen, da vor Neu­ ordnung der Strafrechtspflege durch die BO. v. 4. Jan. 1924 Voruntersuchung in Schöffensachen — und somit

§29

3d

auch in Jugendsachen — unzulässig war und die Haft­ frist von vier Wochen in schweren Fällen oft nicht aus­ reichte. Nach dem neuen § 178 StPO, ist jedoch auch in den zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Sachen, folglich auch in Jugendsachen, Vorunter­ suchung zulässig (f. § 18 N. 2). Der JStA. hat so­ mit jetzt die Wahl, ob er eine Voruntersuchung oder die Verlängerung der Haftpflicht über 4 Wochen beantragen will, letzteres kann er jedoch nur, wenn es sich um ein Verbrechen handelt, das zur Zuständigkeit des Schwur­ gerichts odjer des Reichsgerichts gehört. — Eine Haftfristver­ längerung nach § 126 StPO, und H 28‘v JGG. kommt bei Maßregeln nach Abs 1 nicht in Frage, auch wenn damit eine Freiheitsentziehung verbunden ist Der in einer An­ stalt untergebrachte Jugendliche dürfte dagegen als „Gefan­ gener" im Sinne der §§ 120—122 StGB, zu erachten sein.

§ 29. 'In den vor dem großen Jugendgerichte (§ 17 Abs. 1 Satz 3) zu verhandelnden Sachen hat der Jugendrichter dem Angeschuldigten, der keinen Ver­ teidiger hat, einen Verteidiger zu bestellen/ sobald die im § 199* der Strafprozeßordnung vorgeschriebene Aufforderung^ stattgefunden hat. "Auch in anderen Fällen soll dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ein Verteidiger bestellt werden, wenn dies aus besonderen Gründen, nament­ lich bei verwickelter Sach- oder Rechtslage, angemessen erscheint? "'DaS Gericht kann dem Beschuldigten in allen Fällen und in jeder Lage des Verfahrens einen Beistand ° bestellen? im Falle des Abs. 2’ kann an Stelle des Verteidigers ein Beistand bestellt werden. Den Beistand bestellt der Vorsitzende, im vorbe­ reitenden Verfahren der Jugendrichter. Das Jugend­ amt ist auf fein Verlangen zum Beistand zu be-

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JugendgeitchtSgesetz vom 16, gebt. 1923

stellen,' der gesetzliche Vertreter soll nur ausnahms­ weise zum Beistand bestellt werden? Der Beistand hat die Rechte eines Verteidigers?" 1. Außerdem ist die Verteidigung notwendig: a) in der Verhandlung vor dem Schwurgericht, b) in der erstinstanziellen Verhandlung vor dem Reichsgericht oder dem OLG, c) in anderen Sachen, wenn der Angeschuldigte taub oder stumm ist, d) in Schöffensachen (d. h. bei gemeinsamer Aburtei­ lung eines Jugendl. mit Erwachsenen vor dem ordentlichen Schöffengericht), und in Jugendsachen (vor dem kleinen und erweiterten IG.) wenn es sich um ein Verbrechen handelt —mit Ausnahme der bloßen Rückfallverbrechen — und der Beschuldigte oder sein ges. Vertreter die Bestellung eines Ver­ teidigers beantragt (für a—df. § 140 StPO.), e) wenn die Haftstrist über 4 Wochen verlängert wer­ den soll (§ 28" JGG.), f) wenn der Angeschuldigte zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen Geisteszustand in eine öffentl. Irrenanstalt gebracht werden soll (§ 81 StPO.). — über die Auswahl des zu bestellenden Verteidigers s. § 144 StPO. 2. Jetzt § 201. 3. D. i. die mit der Zustellung der Anklageschrift verbundene Aufforderung des Jugendrichters an den Angeschuldigten, sich in bestimmter Frist zu erklären, ob er eine Voruntersuchung oder die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantra­ gen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Haupt­ verfahrens vorbringen wolle; diese Aufforderung ist nur erforderlich, wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Anklage bildet. 4.. Außerdem kann in jeder Lage des Verfahrens auf Antrag oder von Amtswegen ein Verteidiger bestellt werden gem. §§ .141, 142 StPO.; bieä wird aber im Jugendverfahren kaum praktisch werden. Selbstverständ­ lich kann der Beschuldigte oder sein ges. Vertreter auch

§30

41

in jeder Sage des Verfahrens einen Verteidiger wäh­ len (vgl. §§ 137 ff. StPO.). 5. Er soll nicht nur oem Jugendl. während des Strafverfahrens zur Seite stehen, sondern auch die Bertrauensperson werden, die ihm nach Erledigung des Strafverfahrens weiterhilft, ihn während einer Schutz­ aufsicht oder einer bewilligten Strafaussetzung überwacht und auf der rechten Bahn hält. Als Beistände werden in her Regel die Fürsorger und Helfer in Betracht kom­ men, die dem Jugendamt zur Verfügung stehen (Begr.). H. Der Beschuldigte kann nicht einen Beistand wählen. 7. Im Fall des Abs. 1, wie bei jeder anderen not­ wendigen Verteidigung, kann der Beistand nur neben dem Verteidiger bestellt werden, er kann ihn aber nicht ersetzen. 8. Es kann aber nicht verlangen, daß überhaupt ein Beistand bestellt werde. 9. Denn ihn trifft nicht selten die Verantwortung da­ für, daß der Jugendliche gestrauchelt ist. 10. Er kann also im gleichen Umfang wie dieser die Akten einsehen, mit dem Verhafteten verkehren, bei Be­ weiserhebungen anwesend sein, Fragen an Zeugen und Sachverständige richten, in der Hauptverhandlung Aus­ führungen machen, Rechtsmittel einlegen usw. (Begr.). Er ist aber kein Verteidiger und hat nicht die Pflich­ ten eines solchen (z. B. die Pflicht zur Verschwiegen­ heit, deren Verletzung § 300 StGB, mit Strafe bedroht);

K 30. Die Rechte des Beschuldigten zur Anwesenheit1 bei Amtshandlungen,* auf Gehör* und zur Vor­ legung von Fragen* stehen auch dem gesetzlichen Ver­ treter zu. Entscheidungen, die dem Beschuldigten be­ kanntzumachen sind, insbesondere Urteile? sollen* auch dem gesetzlichen Vertreter bekanntgemacht werden; das gleiche gilt von Strafverfügungen und Strafbescheiden. In den Füllen, in denen dem Angeschuldigten die Anklageschrift mitzuteilen ist? soll sie auch dem. ge-

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J»gendgerichtSgesetz vom 16. Febr. 1923

schlichen Vertreter mitgeteilt werden. Ort und Zeit der Hauptverhandlung sollen dem gesetzlichen Vertreter rechtzeitig bekanntgemacht werden. 1. § 233 StPO. (Entbindung des Angeklagten von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung) gilt auch im Jugendverfahren, wird aber hier nur ganz ausnahmsweise Anwendung finden dürfen. 2. D. i. bei allen Terminen, an denen der Beschul­ digte im Vorverfahren (z. B. bei der ersten richterlichen Vernehmung) oder im Hauptverfahren teilnehmen kann. Der gesetzl.. Vertreter ist somit von diesen Terminen in Kenntnis zu setzen. 3. Am Schluß der Beweisaufnahme ist ihm das Wort zu erteilen (§ 258 StPO.). 4. .An Zeugen und Sachverständige, nicht an den Angeklagten (§ 240 StPO.). — Den Eltern als solchen steht ein Fragerecht nicht zu (§ 31"). 5. Ferner Haftbefehl, Strafbefehl, Eröffnungsbe­ schluß, Ablehnung oer Eröffnung des Hauptverfahrens, Ablehnung der Ladung eines vom Angekl. benannten Zeugen oder Sachverständigen, bedingte Strafaussetzung, vorläufige Anordnungen nach §. 8 JGG. u. a. 6. Aus der Sollvorschrift ergibt sich, daß für den ges. Vertreter die Rechtsmittelfrist nicht iriit der Zustel­ lung selbständig zu laufen beginnt. Die Vorschrift des § 298 StPO., daß der ges. Vertreter nur binnen der für den Beschuld. laufenden Frist Rechtsmittel einlegen kanu, bleibt vielmehr unberührt (Francke). 7. § 201 StPO. 8. Die Einhaltung der Ladungsfrist ist nicht erforder­ lich.

§ 31. •Sei den Ermittlungen find möglichst frühzeitig die Lebensverhältniffe des Beschuldigten sowie alle Umstände zu erforschen, welche zur Beurteilung seiner körperlichm und geistigen Eigenart dienen können? In geeigneten Fällen soll eine ärztliche Untersuchung des Beschuldigten herbeigeführt werden.

§31

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II Die Eltern des Beschuldigten sind, wenn es ohne erhebliche Schwierigkeiten geschehen kann, zu hören. In der Hauptverhandlung wird ihnen auf Verlangen das Wort erteilt; ein Fragerecht steht ihnen nicht zu? III Zur Erforschung der im Abs. 1 bezeichneten Um­ stände 3 ist das Jugendamt nach Möglichkeit zuzuziehen? Ort und Zeit der Hauptverhandlung sind ihm be­ kanntzumachen. In der Hauptverhandlung3 wird ihm auf Verlangen daS Wort erteilt; ein Fragerecht steht ihm nicht zu. IV Bei Fürsorgezöglingen.ist der Fürsorgeerziehungs­ behörde Gelegenheit zur Äußerung zu geben. 1. Diese Ermittlungen sind für das Jugend-verfahren, von größter Bedeutung und müssen daher mit besonde­ rer Sorgfalt vorgenommen werden. Sie schaffen die Grundlage für die Entscheidung über Strafaussetzung, Absehen von Strafe u. über Erziehungsmaßregeln, sowie für die Bejahung oder Verneinung des Unterscheidungs­ vermögens (§ 3). über die verschiedenen Auskunfts­ personen s. B zu § 31. 2. Wohl aber dann, wenn der Vater (oder die Mut­ ter) gesetzt. Vertreter ist (§ 30). 3. Nicht aber zur Erforschung des strafbaren Tat­ bestands, die ausschließlich Sache der Staatsanwalt­ schaft und der Polizei ist. 4. Wertvolle Anleitung für die Ermittlungstätigkeit der Helfer geben die „Grundsätze und Winke für die Jugendgerichtshilfe" (Herausgegeben von der Bereini­ gung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen in Berlin, 10. Ausl.) 3. Eine Verlesung von Leumundszeugnissen und privater Äußerungen über den Jugendlichen ist in der Hauptverhandlung nicht zulässig (§§ 250,256 StPO.). Die Auskunftspersonen müssen daher — wenn es auf ihre Bekundungen ankommt — in der Hauptverhandluna vernommen werden. Als Leumundszeugnisse sind auch schriftl. Auskünfte der Polizei, des Waisenrats, des

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Jugend geeicht? gesetz vom 18. FeVr. 1923

Jugendamts und der Schule über das sittliche Verhalten und die Wahrheitsliebe von Jug. anzusehen, nicht aber solche über ihre geistige Befähigung und die dadurch bedingte Glaubwürdigkeit (RG. 1, 234). Nach der Ab­ sicht des Gesetzgebers muß auch die Verlesung eines Schulzeugnisses für unzulässig erachtet werden, welches ein abfälliges Urteil über die künftige Charakterent­ wicklung des Schülers enthält (Löwe 2a zu Z 256 StPO.). Dagegen können solche Zeugnisse im Weg des Vorhalts verwertet werden.

8 32. 'Die Staatsanwaltschaft kann auf Grund des 8 31 das Verfahren nur mit Zustimmung des Jugend­ richters' einstellen; vorher soll tunlichst das Jugend­ amt gehört werden. "Mit Zustimmung des Jugendrichters» kann die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der Klage ab­ sehen, wenn bereits eine Erziehungsmaßregel ange­ ordnet worden ist' und weitere Maßnahmen nicht erforderlich sind, oder wenn anzunehmen ist, daß daS Gericht nach § 9 Abs. 4 von Strafe absehen wird? Ist die Klage bereits erhoben, so kann daS Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Ein­ stellung des Verfahrens beschließen.

'"Die Verfügung der Staatsanwaltschaft (Abs. 1, Abs. 2 Satz 1)B und der Beschluß des Gerichts (Abs. 2 Satz 2) find auch dem VormundschastSgericht und dem Jugendamte sowie dem bekanntzumachen, der den Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage gestellt hat. Gegen den Beschluß des Gerichts steht der Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel, dem Be­ schuldigten und dem Antragsteller, wenn er zugleich der Verletzte ist, die sofortige Beschwerde zu.

1" Ist das Verfahren durch einen nicht mehr an­ fechtbaren Beschluß des Gerichts eingestellt worden, so kann die Klage nur auf Grund neuer Tatsachen" oder Beweismittel wieder erhoben werdend 1. Ist dagegen der Beschuldigte nach § 51 StGB, un­ zurechnungsfähig oder ist der Tatbestand einer strafbaren Handlung aus einem andern Grunde nicht erfüllt, so ist der JStA. nicht an die Zustimmung des JR. gebunden. 2. Wenn der Beschuld. noch nicht 18 Jahre alt ist, andernfalls kann sie die Einstellung frei verfügen (s. 8 3 N. 2). Versagt der JR. die Zustimmung, so kann sich der JStA. dagegen nicht beschweren, sondern muß Anklage erheben. 3. Auf Grund der §§ 5, 7 oder vom BR. auf Grund des BGB. oder des JWG. 4. Daneben ist auch § 153 StPO, anwendbar (ebenso Hartung a. a. O., a. M. Bumke N. 8 zu 23 der VO. v. 4. Jan. 1924 u. Müller i. „Recht" 1924, 392). Die dort bezeichneten Voraussetzungen — geringe Schuld des Täters und unbedeutende Folgen der Tat — dürften mit den „besonders leichten Fällen" des § 9IV JGG. praktisch zusammenfallen. Es gilt daher bei Borliegen dieser Voraussetzungen folgendes (vgl. Riß a. a. O.): a) ist die Tat ein Vergehen, so ist zur Einstellung, wenn der Beschuld. noch nicht 18 Jahre alt ist, die Zustimmung des JR., sonst die des Amtsrichters erforderlich. b) ist die Tat eine Übertretung und besteht kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, so bedarf der JStA. zur Einstellung der Zustimmung des Richters nicht. Auch § 154 StPO, ist im Jugendverfahren an­ wendbar. Endlich kann der StA. die Verfolgung eines im Weg der Privatklage verfolgbaren Vergehens ablehnen, wenn weder ein öffentliches noch ein berechtigtes Interesse des Verletzten vorliegt (§ 376 StPO.^, § 38 JGG.). 8. Gegen die staatsanwaltschaftliche Einstellung hat der Antragsteller (Anzeiger), auch wenn er der Verletzte

46

Jugeudgertchtrgesetz vom 16. Fevr. 1923

ist, nicht die Beschwerde und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO., sondern nur die Dienst­ aufsichtsbeschwerde. 6. Zu diesen „neuen Tatsachen" gehört nicht der Um­ stand, daß sich der Beschuldigte weiter schlecht führt (so Hellwig 8, dag. Francke). 7. Die Staatsanwaltschaft dagegen kann das von ihr eingestellte Verfahren jederzeit wieder aufnehmen.

§33. ' Hauptverhandlungen in Jugendsachen sollen von anderen Hauptverhandlungen derart gesondert werden, daß eine Berührung des Angeklagten mit erwachsenen Angeklagten vermieden wird. "Ist von einzelnen Erörterungen* ein nachteiliger Einfluß auf den Angeklagten zu befürchten, so kann das Gericht anordnen, daß der Angeklagte für die Dauer der Erörterungen das Sitzungszimmer ver­ läßt. Sobald der Angeklagte wieder vörgelaffen ist, soll ihm der Vorsitzende über den wesentlichen In­ halt des inzwischen Verhandelten unterrichten.

1.

Dazu gehören die Beweisaufnahme über den Geisteszustand des Jugendlichen, über die persönlichen Verhältnisse seiner Familienmitglieder, insbes. in sitt­ licher Beziehung, auch Erörterungen über die Tat selbst, z. B. wenn es sich um ein dem Jugendlichen zur Last gelegtes Sittlichkeitsverbrechen handelt. Auch die Schluß­ vorträge des Staatsanwalts und des Verteidigers fal­ len unter den Begriff der Erörterungen (Begr.).

§34. Der Jugendrichter* entscheidet' über die Aussetzung der Ersatzfreiheitsstrafe, die nachträgliche Aussetzung und die Fortdauer der Aussetzung sowie über die Be­ währung und trifft die Entscheidungen, die während einer Probezeit ergehen. Vor der Entscheidung ist,

wenn dies ohne Verzögerung geschehen kann, auch daS Jugendamt zu hören.'

1. Vorausgesetzt, daß das Urteil erster Instanz vom IG. ergangen ist oder von der Strafkammer als Be­ rufungsgericht; ist es ausnahmsweise von einem an­ dern Gericht (im ordentlichen Verfahren) erlassen wor­ den, so entscheidet gem. § 4621 StPO.: der Amtsrichter wenn das SchöffenG. erkannt hat,'die Strafkammer als Beschlußkammer bzw. die richterl. Mitglieder des Schwurgerichts, wenn das Schwurgericht erkannt hat (§§ 76 r, 8211 GVG.), der Strafsenat des RG. mit drei Richtern, wenn das RG. erkannt hat (§ 139 GVG.) — so B., Francke u. Hartung (a. M. Kiesow 1). 2. Durch Beschluß, der mit sofortiger Beschwerde an­ fechtbar ist (§ 35u). 3. Ferner sind der StA., der Verurteilte und sein ges. Vertreter zu hören (§ 46211 StPO.).

§35. 'Ein Urteil,' in dem eine Erziehungsmaßregel angeordnet worden ist, kann nicht deshalb angefochten werden,' weil eine andere oder eine weitere Erzie­ hungsmaßregel hätte angeordnet werden sollen, oder weil die Auswahl und Anordnung der Erziehungs­ maßregel dem Vormundschaftsgericht überlassen worden ist. Die Vorschrift gilt nicht, wenn die Fürsorge­ erziehung angeordnet worden ist.' "Gegen Entscheidungen, die eine Strafaussetzung betreffen (§§ 10 bis 15), findet, wenn sie für sich allein' angefochten werden, die sofortige Beschwerde statt; das gleiche gilt, wenn ein Urteil nur deshalb angefochten wird, weil die Vollstreckung der Strafe nicht ausgesetzt worden ist. Die Entscheidungen über die Dauer der Probezeit, die für ihre Dauer ge­ troffenen besonderen Anordnungen (§ 12 Abs. 2) so-

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JngeadgerlchtSgesetz vom 16. Fevr. 1923

wie die Entscheidung, daß sich das Gericht einer Entscheidung über die Fortdauer der Strafaussetzung enthalte (§ 13 Abs. 5), find nicht anfechtbar.' 1. Wird der Angekl. schuldig gesprochen, aber nach 19 iv von Strafe abgesehen, so kann nicht nur der tA., sondern auch der Angekl. das Urteil anfechten, um Freisprechung zu erwirken (ebenso Müller im „Recht" 1924 S. 390, a. M. Kiesow II 16.). Ebenso können der Angekl. und der StA. anfechten, weil überhaupt keine Erz.maßregel erforderlich gewesen sei oder weil nach § 6 oder § 9IV von Strafe hätte abgesehen werden sollen.

2. Anfechtungsberechtigt sind die Staatsan­ waltschaft u. der Angekl., sein Verteidiger, der ges. Ver­ treter u. der Ehemann (ZH 296—298 StPO.), endlich der Beistand (§ 291114 JGG.), dagegen nicht das Jugend­ amt und die sonstigen Organe der Jugendgerichtshilfe, es sei denn, daß sie zum Beistand bestellt worden sind. Ordnet das IG. (gem. § 5n3) Fürsorgeerziehung an, so steht der Fürs.Erz.-Behörde sofortige Beschwerde nicht zu; ihr obliegt lediglich die Ausführung des Urteils. Anders verhält es sich, wenn nicht das IG., sondern das BormG. gem. § 5n2 Fürs.-Erziehung anordnet; hier steht auch dem JA., den Eltern und der Fürs.-Erz.Behörde — denen der die Fürs.-Erz. anordnende Be­ schluß zuzustellen ist (§ 65" JWG.) — gem. § 65" JWG. die sofortige Beschwerde zu (Urteil des Kammer­ gerichts v. 1. Febr. 1924 im ZBl. XVI S. 44). 3. Hier kann also sowohl der Jugendliche als der Staatsanwalt Berufung einlegen mit der Begründung, daß statt der Fürs.Erz. eine andere Erz.maßregel hätte angeordnet werden sollen oder daß die Anordnung einer Erz.maßregel dem BormG. hätte überlassen werden müs­ sen.

4. Wird aber das Urteil in seinem gesamten Umfang mit Berufung oder Revision angefochten, so kann auch die Strafaussetzung durch das Berufungs- oder Revi­ sionsgericht yachgeprüft werden. (RG. 58, 200). Es

ist aber dann das Verbot der reformatio in peius zu be­ achten. 5. Auch diese Bestimmung schließt die Nachprüfung durch das Berufungs- oder Revisionsgericht nicht aus, wenn das Urteil in seinem ganzen Umfang angefochten ist. Das RevisionsG. darf, „wenn es die wichtigere Frage, ob überhaupt Strafaussetzung zu gewähren ist, zusam­ men mit dem übrigen Teil des Urteils einer Nach­ prüfung gem. § 35111 unter dem 'Gesichtspunkt eines Nechtsirrtums unterzieht, auch die minder wichtige Frage nachprüfen, ob die Festsetzung der Dauer der Probezeit oder der für sie getroffenen Anordnungen von Nechtsirrtum beeinflußt sind." (RG. 58, 200).

§ 36. 'Die Strafvollstreckung steht dem Jugendrichter zu? Das gleiche gilt von der Ausführung einer Erziehungsmaßregel, die das Gericht angeordnet hat? sofern eS sich nicht um Fürsorgeerziehung oder um Schutzaufsicht über einen Minderjährigen handelt? "Gegen die Entscheidungen des Jugendrichters findet sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung statt.

1.

Wenn die Entscheidung erster Instanz vom IG. er­ lassen ist. Hat jedoch nicht das IG., sondern ein anderes Gericht im ordentlichen Verfahren auf Sirvfe erkannt so regelt sich die Vollstreckung nach H 451 StPO. Ist auf Grund des Art. VI des Entlastuugsgesetzes vom 11. März 1921 (RGBl. S. 229) die Strafvollstreckung Beamten des mittleren Dienstes übertragen, so ist hier­ von in Preußen die Strafvollstreckung auf Grund des JGG. ausgenommen — AB. v. 28. Mai 1923 (JMBl. S. 401). Vgl. auch P. II 6. Für Bayern vgl. B. zu § 36. 2. Gleichgültig, welches erkennende Gericht die An­ ordnung getroffen hat (so Kiesow 1; nach Francke I erfolgt die Ausführung durch das Gericht erster Instanz, Messerer, Jugeudge lchtsgrsetz

4

50

Jugendgerichtsgesetz vom 16. Febr. 1923

das auch die bei her Strafvollstreckung notwendig werdenden gerichtl. Entscheidungen nach-§4621 StPO, zu erlassen hat). Hat der Borm.richter die Erz.maßregel nach § 5112 ausgewählt, so obliegt ihm auch deren Ausführung.

3. Vgl. §§ 69-71 u. § 60 JWG. 4. Bor der Entscheidung ist die Staatsanwaltschaft (§ 33 StPO.) und nach Möglichkeit das Jugendamt (§ 22 JGG.) zu hören, in den Fällen der §§ 462 StPO., 28 n, 29VI StGB, auch der Verurteilte und sein ges. Vertreter. 5. § 311 StPO.

§ 37. Gegen Fürsorgezöglinge sollen Freiheitsstrafen nur nach Anhörung der Fürsorgeerziehungsbehörde1 voll­ streckt werden. 1. Es steht ihr jedoch kein Rechtsmittel zu, wenn die Strafvollstreckungsbehörde von ihrem Gutachten ab­ weicht.

§ 38. ' Privatklage gegen einen Jugendlichen1 ist un­ zulässig. Dies steht der Erhebung einer Widerklage nicht entgegen? Wegen einer strafbaren Handlung, die nach den allgemeinen Vorschriften im Wege der Privatklage verfolgt werden könnte, wird gegen einen Jngendlichen die öffentliche Klage auch dann erhoben, wenn ein berechtigtes Interesse des Verletzten3 dies rechtfertigt.

11 §2114 der Strafprozeßvrdnung findet gegenüber Jugendlichen keine Anwendung. 1. Sobald der Jug. das 18. Lebensjahr überschritten hat, wird die Privatklage zulässig. 2. Für den Jug. kann sein ges. Vertreter (§ '374111 StPO.) Privatklage erheben. In Diesem Fall kann der

§§ 87-39

51

Beschuldigte gegen den Jug. Widerklage (§ 388 StPO.) erheben. — Die Zulässigkeit einer Nebenklage (KZ 395 ff. StPO.) wird durch § 38 nicht berührt. 3. Ber. Interesse liegt vor, wenn das Interesse sich bei billiger, verständiger Beurteilung der konkreten Sach­ lage als ein gerechtfertigtes darstellt. Ein b. I. ist grundsätzlich dann ausgeschlossen, wenn das Interesse gegen Recht und Sitte verstößt oder den Verletzten selbst in keiner Weise berührt (RG. 26, 76, 29, 150); es muß sich um das Interesse des Verletzten selbst, nicht das eines dritten handeln. Wenn d-er Staatsanwalt ein sol­ ches Interesse verneint und daher die Verfolgung ab­ lehnt, so hat der Verletzte nur die Dienstaufsichtsbe­ schwerde. 4. D. i. das vereinfachte Verfahren (jetzt § 212).

K 39. In einem Strafbefehle bars1 gegen einen Jugend­ lichen* nur Geldstrafe, die an Stelle der Geldstrafe tretende Freiheitsstrafe9 sowie Einziehung ausgesprochen werden.* 1. Wenn das Borliegen des Unterscheidungsvermö­ gens außer Frage steht und auch kein Zweifel darüber obwaltet, welche Strafe zu verhängen ist (Begr.). 2. D. i. einen z. Z. des Strafbefehlsantrags Jug. 3. Eine Strafaussetzung im Strafbefehl selbst ist nur dann möglich, wenn der Beschuldigte z. Z. des Strafbe­ fehlserlasses das 18. Lebensjahr überschritten hatte; denn nur dann kann eine primäre Freiheitsstrafe aus­ gesprochen werden (Kiesow 2e). 4. Eine Erz.maßregel kann im Strafbef. n i ch t an­ geordnet werden. — Erscheint dem Staatsanwalt für die Straftat des Jug. eine Verwarnung angezeigt, so kann er beim Jug.Richter, falls dieser als Vorm.Richter örtlich zuständig ist, beantragen, gem. § 3211 nach Erteilung einer Verwarnung dem Absehen von Klageerhebung zuzustimmen (Francke II). Auch die Publikationsbefugnis nach § 200 StGB, kann nicht im Strafbefehl ausgesprochen werden; fer4*

52

JygeudgerichtSgesetz Vom 16. Fevr. 1923

ner nicht die Buße zu Gunsten des Nebenklägers (§§ 403, 404 StPO.). Dagegen kann die Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung von Ersatzgeld nach dem bayer. Feldsch ad enges. v. 6. März 1902 auch in einem Strafbefehl ausgesprochen werden (s. Art. 1411 FeldschG.).

K 40. iJn einer Strafverfügung1 darf gegen einen Jugendlichen nur Geldstrafe und Einziehung fest­ gesetzt werden. "Darüber, wie die Geldstrafe in Haft umge­ wandelt werden soll, entscheidet auf Antrag der Polizei­ behörde, welche die Strafe festgesetzt hat, der Jugend­ richter,' in dessen Bezirk ein Gerichtsstand für die Übertretung begründet gewesen wäre. '"Die 88 14 und 15 finden Anwendung? Vor der Entscheidung sind der Jugendliche und, wenn dies ohne Verzögerung geschehen kann, das Jugendamt zu hören. Gegen den Beschluß steht der Polizei­ behörde und dem Jugendlichen die sofortige Be­ schwerde zu. lv3ft eine durch Strafbescheid4 festgesetzte Geld­ strafe in Freiheitsstrafe umzuwandeln, so finden die 88 14 und 15 Anwendung? 1. Bgl. §.§ 413 ff. StPO, und Preuß.Geseh, betr. den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Über­ tretungen vom 23. April 1883 (GS. S. 65) in der Fas­ sung des Ges. v. 31. Mai 1923 (GS. S. 272). — Bayern kennt keine poliz. Strafverfügungen; hier gilt daher § 40"" nicht. — In Preußen hat der Minister des Innern in einer Verfügung v. 28. April 1924 (MBl. für b. Innere Verwaltung S. 494) die Polizeibehörden unter Hinweis auf die §§ 3, 5, 6, 32 JGG. ersucht, „in allen Fällen, in denen Zweifel hin­ sichtlich her Einsicht vorliegen oder Erz.maßregeln er-

88 40-42

53

forderlich erscheinen, von der Festsetzung von Polizei­ strafen abzusehen und die Sache an den Amtsanwalt abzugeben." Ein Hauptanwendungsgebiet der pol. Strafverf. gegen Jug. dürfte die Bestrafung säumiger Fortbildungsschüler sein. 2. Die Prüfung der Schuld- und Straffrage steht ihm nicht zu. Stellt jedoch der Jug. oder sein ges. Vertreter Antrag auf gerrchtl. Entscheidung (§ 414 StPO.), so ist das IG. bei der Urteilsfällung an den Ausspruch der Polizeibehörde nicht gebunden (§ 417111 StPO.). 3. Der Jugendrichter kann also die Vollstreckung der Ersatzfveihöitsstrafe aussetzen und, wenn sich der Ver­ urteilte bewährt hat, die Geldstrafe, nicht etwa bloß die Ersatzfreiheitsstrafe, erlassen (Begr.). 4. S. §§ 419 ff. StPO., §.§ 426 ff. ReichsabgabenO.

K 41. Ein Angeklagter, gegen den gemäß § 6 und § 9 Abs. 4 von Strafe abgesehen worden ist, steht für die Pflicht zur Tragung der Auslagen einem An­ geklagten gleich, der zu Strafe verurteilt worden ist?

1. Gebühren entstehen in diesem Fall nicht. Die Verurteilung in die Auslagen ist im auszusprechen (§ 464 StPO.).

Urteil

8 42. Die Jugendämter haben die Tätigkeit, die ihnen dieses Gesetz zuweist (JugendgerichtShilse) im Be­ nehmen mit den Vereinigungen auSzuüben, die sich mit der Jugendfürsorge beschäftigen? Über das Zu­ sammenwirken der Jugendämter mit diesen Ver­ einigungen können die Landesregierungen nähere Vorschriften erlassen.

1. Bgl. auch § 6 IMG. Nach § 11 IMG. kann das Jugendamt die Jugendgerichtshilfe allgemein oder für den einzelnen Fall den Jugendfürsorgevereinen oder

Einzelpersonen übertragen. Es wäre wünschenswert, wenn die Jugendämter davon ausgiebig Gebrauch machen würden. S. auch Art. 10 bayr. Jug-enöamtsges.

Dritter Abschnitt. Tie Übergangsbestimmungen der §§ 44—45 jetzt keine praktische Beoeutung mehr.'

haben

§43. Die 88 2 und 45 Abs. 1 treten mit der Ver­ kündung in Kraft; im übrigen tritt das Gesetz mit dem 1. Juli 1923 in Kraft. Die Anordnungen, welche erforderlich sind, um die Besetzung der Ge­ richte bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes nach deffen Vorschriften herbeizuführen, trifft die oberste Landes­ behörde.

§44. Die am Tage deS Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Voruntersuchungen sind zu schließen, wenn sämtliche Angeschuldigten am Tage deS Inkrafttretens dieses Gesetzes noch jugendlich sind; die Akten find an die nach diesem Gesetze zuständige Staatsanwalt­ schaft abzugeben. Befanden sich die jugendlichen Angeschuldigten in Untersuchungshaft, so kann die Haftfrist nach Maßgabe des § 28 Abs. 4 verlängert werden. Die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes in erster Instanz anhängigen Strafsachen gehen in der Lage, in der sie sich befinden auf das Jugend­ gericht über, wenn sämtliche Beschuldigte am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetze? noch jugendlich sind; eine bereits begonnene Hauptverhandlung ist jedoch

§§ 43-46

55

nach den bisherigen Vorschriften zu Ende zu führen. Die zur Überleitung des Verfahrens erforderlichen Bestimmungen trifft die oberste Landesbehörde. Wem eine Entscheidung bekanntzumachen ist, auf welche Weise die Entscheidung durch ein Rechtsmittel an­ gefochten werden kann und welches Gericht über das Rechtsmittel entscheidet, bestimmt sich nach den bis­ herigen Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes oder auf Grund einer nach den bisherigen Vorschriften zu Ende geführten Hauptverhandlung erlassen worden ist.

K 45. 1 Gegen Personen, die zur Zeit der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt waren, dürfen Strafen nicht voll­ streckt werden. Vermerke über Verurteilungen solcher Personen sind im Strafregister zu tilgen; soweit der Vermerk zu tilgen ist, findet § 5 des Gesetzes über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken vom 9. April 1920 (ReichSgesetzbl. S. 507) Anwendung. " Gegen Personen, die zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt waren, darf die Landespolizeibehörde die Besugniffe aus der Über­ weisung an die Landespolizeibehörde nicht mehr ausüben. Ein gegen solche Personen vor dem Inkraft­ treten dieses Gesetzes durch eine nicht mehr anfecht­ bare Entscheidung festgesetzter Verweis wird nach den bisherigen Vorschriften vollstreckt.

§ 46. Soweit im Strafregister die Strafe des Verweises vermerkt ist, ist der Strafvermerk zu tilgen. § 45 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 findet Anwendung.

§ 47. I Die 88 55 bis 57 des Strafgesetzbuchs, der § 73 Nr. 3 des GerichtSverfafsungSgesetzeS und die 88 268, 447 Abs. 4 der Strafprozeßordnung1 werden auf­ gehoben. Im 8 140 Abs. 2 Nr. 1 der Strafprozeß­ ordnung werden die Worte „oder das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat" gestrichen. Der 8 266 Abs. 42 der Strafprozeßordnung findet in Jugendsachen keine Anwendung. II Der 8 2983 der Strafprozeßordnung erhält die Fassung: Hatte ein Angeklagter zur Zeit der Tat noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet, so muß die Nebenfrage gestellt werden, ob er zur Zeit der Tat nach seiner geistigen und sittlichen Ent­ wicklung fähig war, das Ungesetzliche der Tat ein­ zusehen und seinen Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen. Ist ein Angeklagter taubstumm, so muß die Nebenfrage gestellt werden, ob er bei Begehung der Tat die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besessen hat.

1. Wer Fassung. 2. Jetzt § 267IV (Urteilsbegründung

in abgekürzter

Form). 3. Ist jetzt gegenstandslos.

§ 4«. Im 8 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in der Fasiung der Bekanntmachung vom 21. Dezember 1922 (ReichSgesetzbl. 1923 I S. 12) fallen die Worte „Ist auf Verweis erkannt oder" weg.

§§ 46-51

57

§ 49? Der 8 46 Abs. 1 des Gesetzes über die Ange­ legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Mai 1898 (Reichsgesetzbl. S. 771) erhält folgenden zweiten Satz: „Als ein wichtiger Grund ist eS in der Regel anzusehen, wenn ein unter Vormundschaft stehender Minderjähriger wegen einer strafbaren Handlung vor einem anderen Gericht angeklagt ist.

1. ®. § 25 N. 4.

§ 50. Die Reichsabgabenordnung vom 13. Dez. 1919 (Reichsgesetzbl. S. 1993) wird dahin geändert: 1. der § 412 Abs. 3 fällt weg; 2. der § 424 Abs. 3 fällt weg; in dem letzten Ab­ satz wird die Anführung „§ 412 Abs. 4" geändert in „8 412 Abs. 3".

K 51. Bis zum Inkrafttreten des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt * gelten folgende Bestimmungen:

I. Die in diesem Gesetze den Jugendämtern zu­ gewiesenen Rechte und Pflichten ruhen. Die Landes­ regierungen können jedoch bestimmen, daß sie von anderen Behörden oder von Vereinigungen, die sich mit der Jugendfürsorge beschäftigen, wahrgenommen werden.

II. Die Fürsorgeerziehung wird nach Maßgabe der Gesetze des Landes ausgeführt, dem das Jugend­ gericht angehört.

68

Iage»rg«rlchtrges«tz vom 16. Fedr. 1923

III. Das Gericht kann den Täter neben oder an Stelle anderer ErziehungSmaßregeln unter Schutz­ aufsicht stellen, über die Voraussetzungen, die Aus­ führung und die Beendigung der Schutzaufsicht be­ stimmt die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats. 1. Das JWG. ist jetzt im ganzen Deutschen Reich in Kraft, seit 1. Jan. 1926 auch in Bayern (Art. 43 bayr. Jugendamtsges.).

1. Preußische allgemeine Verfügung v. 20. Juüi 1923

59

II.

Ausführungsbestimmungen Preußens und Bayerns. L Preußische allgemeine Verfügung vom 20. Juni 1923 zum Jugendgerichtsgeseh. (JMBl. S- 450) I. Ausführungsbestimmungen. Auf Grund des § 19 Absatz 2, des § 20 Absatz 2, des § 27 Absatz 1 Datz 3, des § 44 Absatz 2 Satz 2 und des § 51 I JGG. vom 16. Februar 1923 — RGBl. I ,S. 135, 252 —, des § 57a GVG. in der Fassung des Artikels I Nr. 7 des Gesetzes zur Ent­ lastung der Gerichte vom 11. März 1921 — RGBl. S. 229 — und des § 23 PrAG. zum GVG. vom 24. April 1878 — PrGS. S. 230 — wird folgendes bestimmt: 1. Bildung der Jugendgerichte. Die Ermächtigung, für den Bezirk mehrerer Amts­ gerichte einem von ihnen die Entscheidung der Jugend­ sachen ganz oder zum Teil zuzuweisen, wird den Präsi­ denten der Oberlandesgerichte übertragen. Die für dieses Gericht erforderliche Zahl von Haupt- und Hilfs­ schöffen und die Verteilung der Zahl auf die einzelnen Amtsgerichtsbezirke bestimmt der Präsident des Land­ gerichts. Von der Wahl besonderer Jugendschöffen ist abzu­ sehen, wenn anzunehmen ist, daß ein Jugendgericht weniger als zehn Sitzungen jährlich abhalten wird. In solchen Fällen ist indes durch Maßnahmen gemäß Absatz 1 nach Möglichkeit Vorsorge zu treffen, daß wenigstens Jugendsachen von erheblicherer Bedeutung vor einem Jugendgericht verhandelt werden können, bei denen die Erfahrung der besonders, ausgewählten Jugendschöffen zur Verfügung steht. Das gilt ins-

60

AuSfithrimgSbesttmumrrgen Preußens und Bayern»

besonders von Sachen, die zur Zuständigkeit des großen Jugendgerichts gehören. 2. Zuständigkeit und Geschäftsverteilung. a) Strafsachen. Die Zuständigkeit des Jugendgerichts und des Jugendrichters in Strafsachen ergibt sich aus dem II. Abschnitt des JGG. und aus dem PrG. zur Ab­ änderung des Forstdiebstahlsgesetzes und des Feld- und Forstpolizeigesetzes. Sie umfaßt auch das Verfahren bei amtsrichterlichen Strafbefehlen und das gerichtliche Verfahren nach vorangegangener polizeilicher Straf­ verfügung und bei Zuwiderhandlungen gegen die Vor­ schriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle (§§, 459 bis 469 StrPO.*) und 426 bis 442 RAÖ.). Durch die Geschäftsverteilung ist dem Jugendrichter auch die Rechtshilfe in Jugendsachen zuzuweisen, soweit das Ersuchen um Rechtshilfe wegen der besonderen Art der auszuführenden Amtshandlung ausdrücklich an das Jugendgericht gerichtet wird. b) Vormundschaftssachen. Ist ein Amtsgericht mit mehreren Richtern besetzt, so siüd die Geschäfte des Jugendrichters und des Vormundschaftsrichters demselben Richter zu übertragen. Sind bei einem Amtsgericht die Geschäfte des Vormundschafts­ richters mehreren Richtern zugewiesen, so sinb einem oder einigen von ihnen zugleich die Geschäfte des Jugendrichters zu übertragen. Dem Jugendrichter sollen in der Regel auch diejenigen vormundschaftsgerichtlichen Geschäfte zugewiesen werden/ die mit einer Anordnung gemchß § 1631 Absatz 2 Satz 2, § 1666 BGB. .oder einer entsprechenden Anordnung auf Grund der §.§ 1800, 1838, 1915 BGB. oder mit der Schutzaufsicht (vgl. JWG. vom 9. Juli 1922 — RGW. I -S. 633 — §§ 56 bis 61) oder mit der Für­ sorgeerziehung zusammenhängen. Wird gegen eine Person, die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, wegen eines Verbrechens, wegen eines Vergehens oder wegen einer x) Jetzig 419—429,

1. Preußische allgemeine Verfügung v. 20. Juni 1923

61

Übertretung gegen § 361 Nr. 3 bis 8 StGB, die öffentliche Klage erhoben, so sind bei dem Amtsgericht bei dem die Vormundschafts gerichtliche Zuständigkeit für den Angeschuldigten begründet ist, die Geschäfte des Vor­ mundschaftsrichters von dem Jugendrichter zu bear-? beiten, auch wenn die Klage nicht bei dem Jugend­ gericht, sonoern bei einer anderen Abteilung des Amts­ gerichts oder, bei einem anderen Gericht erhoben wird; werden vormundschaftsgerichtliche Geschäfte bei dem Amtsgericht bereits geführt, so gehen sie auf den Jugendrichter über, es sei denn, daß sie — falls die Klage nicht frei' dem Amtsgerichte der vormundschafts­ gerichtlichen Zuständigkeit oder in dessen Bezirk erhoben wird — gemäß § 46 FrGG., § 49 JGG. an den Jugend-(Bormundschafts-)Richter des Amtsgerichts, bei dem oder in dessen Bezirk das Strafverfahren geführt wird, abgegeben werden. Absatz. 3 findet im Verfahren gegen eine Person, die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatte, auch Anwendung: a) wenn ein amtsrichterlicher Strafbefehl beantragt, oder im Verfahren nach vorangegangener poli­ zeilicher Strafverfügung oder bei Zuwiderhand­ lungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung hem Gerichte vorgelegt oder ein Antrag auf Festsetzung einer Freiheits»an Stelle einer Geldstrafe (§ 40 Absatz, 2 ., § 463 StPO./) § 435 RAO.) gestellt wird; £T) toenn vor Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten Haftbefehl erlassen oder für ihn gemäß § 8 Absatz, 1 JGG. eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder die Unter­ bringung beantragt wird; y) wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein­ stellen will, weil der Beschuldigte zur Zeit der Tat nach seiner geistigell oder sittlichen Entwicklung unfähig war, das Ungesetzliche der Tat ein-

r) Jetzt § 423.

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AuSführrrrtgrbesttmmungerl Preußens und Bayern»

zusehen oder seinen Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen (K 3 JGG.); d) wenn die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der Klage absehen will, weil sie Erziehungsrnaß^ regeln für ausreichend hält (§ 6 JGG.), oder weil sie annimmt, daß das Gericht gemä/ß § 9 «Absatz 4 JGG. von Strafe absehen werde. Hat der Beschuldigte minderjährige Geschwister, so wird in jedem Falle zu erwägen sein, ob nicht auch für sie die vormundschastsgerichtlichen Geschäfte von dem nach Absätzen 1 Lis 3 zuständigen Jugend-(Vormundschafts-)Richter zu bearbeiten sein werden,' eine ge­ trennte Geschäftsführung wird zumeist nicht angezeigt sein. Hat das Strafverfahren — außer im Falle des & 3 JGG. — die Unschuld des Beschuldigten ergeben oder dargetan, daß gegen ihn ein begründeter Verdacht nicht vorliegt, so geht die Bearbeitung der vormundschastsgerichtlichen Geschäfte wieder auf den ordentlichen Vormundschaftsrichter über- unter der gleichen Voraus­ setzung wird, wenn vormundlchaftsgerichtliche Geschäfts infolge des Strafverfahrens von einem anderen Gericht an den Jugend-(Vormundschasts-)Richter abgegeben wor­ den waren, zumeist die Wiederabgabe zulässig sein. 3. Mitteilungen. Die AB. vom 29. April 1907 — JMBl. S. 359 — in der Fassung der AV. vom 17. Mai 1921 — JMBl, S. 312 — wird wie folgt geändert: a) In Ziffer 20 wird die Zahl „12" durch die Zahl „14" ersetzt. b) Als Ziffer 20a wird folgende Bestimmung neu eingefügt: „Im Verfahren gegen eine Person, die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatte, ist dem Vormundschuftsgericht und dem Jugendamte Mit­ teilung zu machen, a) wenn wegen eines Verbrechens, wegen eines Ver­ gehens oder wegen einer Übertretung gegen §* ß61 Nr. 3 bis 8 StGB, die öffentliche Klage erhoben, oder ein amtsrichterlicher Strafbefehl beantragt,

1. Preußische allgemeine Verfügung v. 26. Juni 1923

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ober im Verfahren nach vorangegangener polizei­ licher Strafverfügung oder bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffent­ licher Abgaben und Gefälle ein Antrag auf gericht­ liche Entscheidung dem Gerichte vorgelegt, oder ein Antrag auf Festsetzung einer Freiheitsstrafe an Stelle einer Geldstrafe (§, 40 Absatz 2 JGG., § 463 StrPO.?) § 435 RAO.) gestellt wird; ß) wenn vor Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten Haftbefehl erlassen oder für ihn gemäß § 8 Absatz 1 JGG. eine vorläufige An­ ordnung über die Erziehung oder die Unterbrin­ gung beantragt wird; y) wenn die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein­ stellen will, weil der Beschuldigte zur Zeit der Tat nach seiner geistigen oder sittlichen Entwicke­ lung unfähig war, das Ungesetzliche der Tat einzusehen oder seinen Willen dieser Einsicht ge­ mäß zu bestimmen (§i 3 JGG.); d) wenn die Staatsanwaltschaft von der Erhebung der Klage absehen will, weil sie Erziehungsmaßfregeln für ausreichend hält (§ 6 JGG.), oder weil sie annimmt, daß das Gericht gemäß § 9 Ab­ satz 4 JGG. von Strafe absehen werde; L) wenn die Staatsanwaltschaft die Mitteilung aus einem anderen Grunde für geboten erachtet, über den weiteren Gang des Verfahrens sind Vormundschaftsgericht und Jugendamt zu unter­ richten." c) Die bisherige Ziffer 20a erhält die Bezeich­ nung 20 b. 4. Übergang anhängiger Strafsachen. Die in erster Instanz anhängigen Strafsachen sind, wenn sämtliche Beschuldigte am 1. Juli 1923 noch jugendlich sein werden, von dem Gerichte, bei dem/ sie anhängig sind, alsbald an die Staatsanwaltschaft abzugeben, falls feststeht, daß sie vor dem 1. Juli 1923 in erster Instanz nicht mehr erledigt werden können. Die Staatsanwaltschaft beantragt bei dem zuständigen

i) Jetzt § 423.

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Ausführrmg-Vestimmungen Preützen» und Bayern-

Jugendgericht die Eröffnung des Hauptversahrens oder — falls das Hauptverfahren bereits eröffnet war —die Anberaumung der Hauptverhandlung. Die am 1. Juli 1923 gegen jugendliche Personen anhängigen Privatklagesachen sind, bevor auf Grund des § 88 JGG. die Zurückverweisung oder die Einstellung ausgesprochen wird, der Staatsanwaltschaft zur Entschließung darüber vorzulegen, ob sie gemäß § 417x) Absatz 2 StPO., § 38 Absatz 1 !Satz 3 JGG. die Verfolgung übernehmen will. 5. Jugendämter. Bis zum Inkrafttreten des Reichsgesetzes für Jugend­ wohlfahrt werden die im JGG. den Jugendämtern zugewiesenen Rechte und Pflichten für diejenigen Ge­ meinden, für die Jugendämter bereits bestehen, von diesen, wo sie nicht bestehen, von solchen in der Jugend­ fürsorge tätigen Vereinigungen, die der Landgerichts-Präsident für geeignet erklärt, wo auch solche nicht be­ stehen, von den Magistraten oder Bürgermeistern der Stadtgemeinden wahrgenommen. Dies gilt aber nur insoweit, als sich die Behörde oder Vereinigung zur Übernahme der bezeichneten Rechte und Pflichten bereit erklärt,- die Erklärung ist dem Jugendrichter gegenüber abzugeben,- ihre Beschränkung auf eine einzelne Sache ist' nicht statthaft,- sie ist bis zum Inkrafttreten des Jugendwohlfahrtsgesetzes bindend. Im übrigen ruhen die Rechte und Pflichten der Jugendämter. 6. Zusammenwirken der Jugendämter mit den Vereinigungen für Jugendfürsorge. Der Erlaß der Ausführungsbestimmungen zu' § 42 S. 2 JGG. bleibt Vorbehalten. II. Andere Bestimmungen. 1. Erziehungsmaßregeln. Aüsführungsbestimmungen der Reichsregierung zu 7 Absatz 2 und Absatz 3 *und zu § 51 III des JGG. werden voraussichtlich zunächst nicht ergehen. Aus dem Begriffe der Erziehungsmaßregel darf gefolgert werden, daß der mit der Ausführung einer solchen Maßregel betraute Jugend- oder Bormundschaftsrichter bei einer

Jetzt § 377.

1. Preußische allgemeine Verfügung v. 20. Juni 1923

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Änderung der für die Anordnung maßgebend ge­ wesenen tatsächlichen Voraussetzungen die getroffene Maßnahme ändern oder aufheben kann. Eine Ände­ rung .oder Aushebung einer Erziehungsmaßregel im Gnadenwege findet nicht statt. Bis zum Inkrafttreten des Zugendwohlfahrtsgesetzes kann eine Schutzaufsicht nach dessen Vorschriften nicht angeordnet werden. Der Zweck der Schutzaufsicht wird aber in der Weise zu er­ reichen sein, daß dem Verurteilten als besondere Ver­ pflichtung a^ferlegt wird, sich dem Schutze einer be­ stimmten Person oder Vereinigung zu unterstellen, und daß für die Ausübung dieses Schutzes die erforderlichen Bestimmungen im Einzelfalle nach dem Borbilde der Bestimmungen des JWG. über die Schutzaufsicht ge­ troffen werden. 2. Bedingte Strafaussetzung. Die bedingte Aussetzung von Freiheitsstrafen, die nach den bestehenden Bestimmungen — auch wenn die Gerichte dazu ermächtigt sind — nur im Verwal­ tungsweg auf Grund übertragenen Gnadenrechts geübt wird, ist durch die §§ 10 bis 15 JGG. bei Straf­ taten jugendlicher Personen und unter den Voraus­ setzungen des § 13 Absatz 1 JGG. auch bei Straftaten Erwachsener den Gerichten als richterliche Amtshand­ lung zugewiesen worden,- die Gerichte sind bei ihrer Anwendung an Verwaltungsanordnungen nicht mehr gebunden. Soweit die bedingte Strafaussetzung im JGG. eine gesetzliche Regelung gefunden hat, ist die den Gerichten übertragene Befugnis zur Aussetzung im Gnadenweg überflüssig geworden; insoweit wird daher die den Gerichten durch die AB. vom 19. Oktober 1920 — JMBl. S. 565 —, 15. und 29. Juni 1921 — JMBl. S. 349, 370 — und 3. Mai 1922 — JMBl. S. 157 — erteilte Ermächtigung zurückgenommen und die bedingte Strafaussetzung im Gnadenwege wieder von dem Justiz­ minister ausgeübt. Die am 30. Juni 1923 im Aussetzungsverfahren laufenden Strafsachen sind nach den bisherigen ' Be­ stimmungen zu erledigen, solange nicht gemäß § 11 JGG. eine bedingte Strafaussetzung im Sinne des JGG. angeordnet wird. Messerer, Jugeudgertchtsgesetz

5 .

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Ausführung-bestimmungen Preußens und Bayerns

Gesuche um bedingte Strafaussetzung sind, wenn eine Aussetzung nach den Vorschriften des JGG. in Frage kommt, als Gnadengesuche nur dann zu behandeln, wenn das Gericht durch nicht mehr anfechtbare Ent­ scheidung die Aussetzung abgelehnt hat. Im übrigen sind solche Gesuche, wenn in ihnen lediglich um Aus­ setzung der Strafvollstreckung gebeten wird, von der Justizbehörde, bei der sie eingehen, unmittelbar dem erkennenden Gerichte zu übersenden. Die Vorschrift des § 24 der AB. vom 19. Oktober 1920 in der Fassung der AB. vom 15. Juni 1921 findet mit der Maßgabe ent­ sprechende Anwendung, daß die im Absatz 2 S. 4 vorgesehene Anzeige von dem Beauftragten für Gnaden­ sachen zu erstatten ist. In der gemäß § 29 der AB. vom 19. Oktober 1920 zu fertigenden Zusammenstellung sind auch diejenigen Fälle zu berücksichtigen, in denen die Aussetzung auf Grund des Jugendgerichtsgesetzes erfolgt, ohne daß es ihrer besonderen Hervorhebung bedarf. Das gleiche gilt bei der Zählung der Geschäfte der Beauftragten für Gnadensachen (RV. vom 12. Januar und 6. Juni 1922 — I 6534 und 4061 —). 3. Erhebung der öffentlichen Klage. Die Staatsanwaltschaft hat gegen Personen, oie zur Zeit der Tat jugendlich waren, zur Zeit der Erhebung der Anklage aber nicht mehr jugendlich, jedoch noch jünger als 21 Jahre sind,' Anklage grundsätzlich bei dem Jugendgericht zu erheben, wenn nach den persönlichen Verhältnissen des Beschuldigten Erziehungsmaßregeln noch angezeizt und nicht aussichtslos erscheinen und wenn anzunehmen ist, daß das Verfahren vor der Voll­ endung des 21. Lebensjahrs beendet werden wird. 4. Jugend staats- (Amts-) Anwalt. Die Bearbeitung der Jugendsachen ist bei jeder Staats-(Amts-)Anwaltschaft in den Händen bestimmter Beamter zu vereinigen. Ausnahmen bedürfen der Ge­ nehmigung des Generalstaatsanwalts. 5. Ist die Vernehmung des Beschuldigten im vorbereitenden Verfahren gegen einen Jugendlichen erforderlich, so empfiehlt es sich, soweit es sich nicht um

1. Preußische allgemeine Verfügung v. 20. Juni 1923

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geringfügige Straftaten handelt, die Vernehmung ge­ richtlich bewirken zu lassen. 6. Strafvollstreckung. Soweit die Strafvollstreckung dem Jugendrichter zu­ gewiesen ist, wird Ziffer 1 der AB. vom 14. August 1879 (IM Bl. S. 237) als gegenstandslos aufgehoben. Der Jugendrichter ist auch bei der Strafvollstreckung unab­ hängig und nur dem Gesetz unterworfen. An Stelle der Aufsichtsbeschwerde findet nunmehr die Rechtsbeschwerde, für die bisher im Strafvollstreckungsver? fahren nur im Rahmen des § 494*) Absatz 4 StrPO. Raum war, gegen alle die Strafvollstreckung Md die Ausführung einer Erziehungsmaßregel betreffenden Ent­ scheidungen des Jugendrichters statt. 7. Auswahl der Jugendrichter. Der Reichstag hat bei der Verabschiedung des JGG. eine Entschließung angenommen: „Es möchten für das Arnt des Jugendrichters wie überhaupt für das Amt des Straftichters gerade die bestbejähigten Richter herangezogen werden." Er hat damit der Überzeugung Ausdruck verliehen, daß das Amt des Jugendrichters besondere Beanla­ gung und Liebe zur Sache erfordere und daß für die Arbeit an der Jugend die tüchtigsten Kräfte Verwendung finden müßten. Die Entschließung des Reichstags wird den beteiligten Justizbehörden in der Erwartung bekanntgegeben, daß sie sich der Bedeutung des Amtes der Jugendrichter bei deren Auswahl bewußt sein werden. 8. Schlußbestimmungen. Die AV. vom 1. Juni 1908 und 22. September 1909 werden aufgehoben. Die anderen unter der Über­ schrift aufgeführten Verfügungen bleiben unberührt. ~) Jetzt § 462.

Ausführung-bestimmungen Preußen- und Bayern-

2. Preußische allgemeine Verfügung des Justiz­ ministers vom 28. April 1924 zum Jugendgerichts­ gesetz. (JMM. S. 206) 1. Bildung der Jugendgerichte. 1. Die den Präsidenten der Oberlandesgerichte in Ab­ schnitt I Nr. 1 Abs. 1 S. 1 der AB. vom 20. VI. 1923 übertragene Ermächtigung wird auf solche Jugendsachen beschränkt, die zur Zuständigkeit des großen Jugend­ gerichts gehören. Die für das laufende Geschäftsjahr getroffenen weitergehenden Anordnungen bleiben be­ stehen. 2. Abschnitt! Nr.l Abs. 2 der AB. v. 20. VI. 1923 wird aufgehoben. In Zukunft sind besondere Jugend­ schöffen bei allen Jugendgerichten zu wählen. Dabei wird an solchen Orten, an denen das Jugendgericht voraussichtlich weniger als 10 Sitzungen im Jahre ab­ halten wird, die Wahl nach Möglichkeit auf solche Per­ sönlichkeiten zu richten sein, die am Gerichtssitz selbst oder in dessen näherer Umgebung wohnen (vgl. NB. vom 7. III. 1924 — I 3582 —). 3. Nach K 18 JGG. finden die Vorschriften des GVG. auf die Sachen, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören, insoweit Anwendung, als das JGG. selbst nichts Abweichendes bestimmt. Nach § 20 JGG. werden die Jugendschöffen auf Vorschlag des Jugendamts ge­ wählt. Diese Vorschläge bilden also die Grundlage für die Auswahl. Es wird daher, nachdem inzwischen durch das Gesetz zur Vereinfachung der Urliste vom 11. VII. 1923 (RGBl. I S. 647) die Vorlegung einer beschränk­ ten Urliste zugelassen worden ist, der Standpunkt ver­ treten werden können, daß in den Gemeinden, die eine beschränkte Urliste vorlegen, zu Jugendschöffen vorge­ schlagene Personen nicht deshalb von der Wahl auszu­ schließen sind, weil sie in dieser Liste nicht aufgeführt sind. An den allgemeinen Voraussetzungen für die Beru­ fung zum Schöffenamte (§§ 31 bis 35 GVG.) ist durch

2. Preußische allgemeine Verfügung v. 28. April 1924

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das JGG. nichts geändert worden. Soweit die zu Jugendschöffen vorgeschlagenen Personen in der Urliste enthalten sind, wird dies regelmäßig als Nachweis der Schöffenfähigkeit genügen; soweit das nicht der Fall ist, wird sich der Ausschuß über die Schösfenfähigkeit der auszuwählenden Personen anderweit Gewißheit verschasfen müssen. 4. Die Jugendämter klagen darüber, daß ,von den Gerichten vielfach eine übermäßig große Zahl von Vor­ schlägen für die Auswahl der Jugendschöffen verlangt werde. Für Vas praktische Bedürfnis wird es in der Regel genügen, wenn der Vorschlag des Jugendamts die dreifache Zahl der zu wählenden Jugendschöffen umfaßt. II. Anoronung der Fürsorgeerziehung durch das Jugendgericht. 1. Nach § 5 Abs. 2 Satz. 3 JGG. soll das Gericht die Fürsorgeerziehung nur dann selbst anordnen, wenn in erster Instanz die Zuständigkeit dafür auch außerhalb des Strafverfahrens begründet ist. Aus diesem Grunde und im Hinblick auf die Frage, welcher Kommunal­ verband zur Ausführung der Fürsorgeerziehung gesetzlich verpflichtet ist, wird das Gericht vor Anordnung der Fürsorgeerziehung seine Zuständigkeit sorgfältig zu prüfen und in der Urteilsbegründung die für die An­ nahme der Zuständigkeit maßgebenden Gesichtspunkte kurz darzulegen haben. Die Staatsanwaltschaft hat bei Stellung ihrer An­ träge zur Frage der Fürsorgeerziehung auch ihrerseits diese Umstände zu berücksichtigen (vgl. auch die für das Fürsorgeerziehungsverfahren ergangene RV. v. 10. VIII. 1910 — I 1996 — 2. In Jugendsachen ist bereits bei der ersten verant­ wortlichen Vernehmung des Beschuldigten, spätestens aber bis zur Hauptverhandlung, das religiöse Bekenntnis des Minderjährigen festzustellen und aktenkundig zu machen. (Für die polizeilichen Ermittlungen vgl. die B. d. Min. d. Inn. vom 10. I. 1922 — MBl. i. V. S. 94 —

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AtrSführuttgSbefttmmrmgen Preußens und Bayerns

3. Ist durch Urteil des Jugendgerichts die Fürsorge­ erziehung angeordnet worden, so hat die Staatsanwalt­ schaft in allen zweifelhaften Fällen dem zur Ausführung der Fürsorgeerziehung verpflichteten Kommunalverband nach Möglichkeit Gelegenheit zu geben, zur Frage der Einlegung oder Durchführung von Rechtsmitteln Stel­ lung zu nehmen. III, Mitteilungspflicht der Staatsa nwaltschaft. Die AB. vom 29. IV. 1907 (JMBl. S. 359 ff.) über Mitteilungen in Strafsachen, in der Fassung der AB. vom 17. Mai 1921 (S. 312) und der Nr. I, 3 der AB. vom 20. VI. 1923 (S. 450) wird wie folgt geändert: 1. Zisf. 20 erhält folgende Fassung: „Erscheinen Personen, die das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, als der Verwahrlosung ver­ fallen oder von Jb-er nahen Gefahr einer solchen bedroht, so ist Pern zur Stellung des Antrags auf Einleitung der Fürsorgeerziehung zuständigen Jugendamte, bei Gefahr im Verzug auch^dem Vormundschaftsgerichte, Mitteilung zu machen." 2. Ziff. 20a erhält folgenden Abs. 3: „Hat das Jugendgericht auf Fürsorgeerziehung erkannt, so ist dem zur Ausführung der Fürsorge­ erziehung verpflichteten Kommunalverband eine Ab­ schrift des Urteils mit Gründen unverzüglich nach Rechtskraft zu übersenden. Außerdem sind ihm die Strafakten, sobald sie entbehrlich sind, zur Kenntnis­ nahme vorzulegen."

3. Bayerische Bekanntmachung des Staatsmini­ steriums der Justiz vom 7. Mai 1923 zum Vollzüge des JugeudgerichtsgesetzeS vom 16. Februar 1923. (JMBI. S. 21.)i) Zu §§ 1 sf. Des Gesetzes. Die materiellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes gel­ ten, soweit nicht in einzelnen Gesetzen ausdrücklich etwas0 Die Bemerkungen in kleinem Druck (hier in Kursiv-Schrift wiedergegeben) sind Auszüge aus der Begründung zu.-dem Gesetze.

s. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1923

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anderes bestimmt ist, für das ganze Gebiet des Reichs­ strafrechts und, weil sie an die Stelle, der §§ 55—57 StGB, treten, nach Art. 4 AG. z. StPO, vom 18. Aug. 1879 (G.- u. BBl. S. 781) auch für das Gebiet des Landesstrafrechts.

Zu §§ 5 und 6 des Gesetzes.

Eine Bestrafung des Jugendlichen komth t nur in Be­ tracht, wenn das Gericht entweder neben einer Erziehungs­ massregel noch eine Strafe für erforderlich erachtet oder wenn nach Auffassung des Gerichts keine Erziehungs­ massregel, wohl aber eine Strafe am Platze ist. Bei der Beantwortung der Frage, wann dies der Fall ist, wird zwar auch in erster Linie auf die Persönlichkeit des Täters und den Eindruck Rücksicht zu nehmen sein, den die Anordnung und Durchführung der Erziehungsmass­ regel auf ihn voraussichtlich machen werden. Wie bei der Zumessung der Strafe können aber diese Erwägungen nicht allein entscheiden. Es wird der Eindruck mit in Betracht zu ziehen sein, denn ein Absehen• von Strafe und der Ersatz der Strafe durch eine Erziehungsmass­ regel auf die Allgemeinheit macht; auch auf einen be­ rechtigten Anspruch des Verletzten auf Genugtuung wird das Gericht Rücksicht zu nehmen haben. Auch der Ge­ sichtspunkt wird nicht ausser acht gelassen werden dürfen, ob der Täter nach seiner Veranlagung oder auch nach seinem Alter überhaupt noch einer erzieherischen Ein­ wirkung zugänglich ist. Bon erfahrenen Praktikern wird mit Recht betont, daß die Strafe besonders in Verbindung mit der beding­ ten Strafaussetzung und bei der im Gesetz vorgesehenen Art der Strafvollstreckung eine sehr wirksame Erzie­ hungsmaßregel sein kann. Hält das Gericht Erziehungsmatzregeln für erforder­ lich, so steht es in seinem Ermessen, ob es die Erzie­ hungsmaßregel im Urteil selbst anordnen oder ihre Aus­ wahl und Anordnung dem Vormundschaftsgericht über­ lassen will. Die Anordnung einer Erziehungsmaß­ regel durch das Jugendgericht selbst wird sich aber gegenüber Jugendlichen, die unter Vormundschaft stehen, im allgemeinen nur dann empfehlen, wenn der Jugend-

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Ausführung-bestimmungen Preußens und Bayerns

richter zugleich Bormundschaftsrichter ist und demgemäß die Ausführung der Erziehungsmaßregel mit der allge­ meinen vormundschaftsgerichtlichen Fürsorge für den Jugendlichen zusammenfällt. Die Fürsorgeerziehung ist das letzte Mittel der Er­ ziehung und eine besonders einschneidende Maßregel. Das Verfahren, in dem über ihre Anordnung entschieden wird, ist vom Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt wie von dem bayerischen Fürsorgeerziehungsgesetz mit besonderen Sicherungen für Gründlichkeit und Vollständigkeit der Ermittelungen und Gehör aller Beteiligten ausgestattet. Das Jugendgericht wird deshalb, soweit es nach § 5 Abs. 2 Satz 3 überhaupt die Fürsorgeerziehung >anordnen darf, in jedem Falle sorgfältig zu prüfen haben, ob die Fürsorgeerziehung im Strafverfahren unbedenklich ange­ ordnet werden kann oder ob sie nicht besser dem vormundschastsgerichtlichen Verfahren überlassen wird. Die Anhörung eines Arztes über den körperlichen und gei­ stigen Gesundheitszustand des Jugendlichen wird vor der Anordnung der Fürsorgeerziehung niemals entbehrt werden können. In prozessualer Hinsicht ist zu bemerken, dass sich die Frage, ob Erziehungsmassregeln erforderlich sind und ob sie ausreichen, nach der absoluten Mehrheit der Stirnmen entscheidet, da es sich hier nicht um einen Bestand­ teil der Schuldfrage handelt. Das gleiche gilt für die Frage, ob das Gericht selbst die Erziehungsmassnahmen auswählen oder ihre Auswahl dem Vormundschaftsgericht überlassen will. Entschliesst sich das Gericht dazu, die Erziehungsmassnahmen selbst auszuwählen und bilden sich über die Art der zu treffenden Massnahmen mehr als zwei Meinungen, so findet die Vorschrift des § 198*) Abs. 3 GVG. entsprechende Anwendung.

Zu § 7. Bei der Anordnung von Erziehungsmassregeln gegen­ über verheirateten weiblichen Personen ist selbstverständ­ lich auf die Tatsache der Verheiratung Rücksicht zu nehmen.

x) Jetzt § 196.

8. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1923

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Das Vormundschaftsgericht kann, wenn ihm die Aus­ wahl und die Anordnung einer Erziehungsmassregel ge­ mäss § 5 überlassen worden ist, jede nach § 7 zulässige Massregel treffen, auch wenn diese Massregel nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes nicht zulässig wäre.

Zu § 8.

Die Entscheidung nach Abs. 1 Satz 1 kann auf An­ trag oder von Amts wegen, ausserhalb oder innerhalb der Hauptverhandlung ergehen. Vor der Entscheidung soll regelmässig das Jugendamt gehört werden; der Um­ fang, in dem die Prozessbeteiligten und der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten zu hören sind, bestimmt sich nach § 33 StPO, und nach § 30 des Gesetzes. Da die Entscheidung im Strafverfahren ergeht, kann sie mit der einfachen Beschwerde angefochten werden, wobei aller­ dings § 347l) Satz 1 StPO, zu berücksichtigen ist. Die Vorschrift des Abs. 2 hat Bedeutung für die Fälle, in denen das Gericht es nicht für angemessen erachtet, eine als erforderlich erkannte Erziehungsmassnahme selbst auszuwählen, oder in denen es Fürsorgeerziehung für ange­ bracht hält, sich aber durch § 5 Abs. 2 Satz 3 behindert sieht, sie anzuordnen. Auch dann kann die einstweilige Aufrechterhaltung der vorläufigen Anordnung in Betracht kommen, wenn das die Erziehungsmassregel anordnende Erkenntnis nicht alsbald in Wirksamkeit gesetzt werden kann, weil es angefochten wird. Die Befugnis des § 8 ist dem Jugendgerichte nur aus­ hilfsweise gegeben. In erster Linie wird es Sache des Vormundschaftsrichters sein, sobald er gemäss § 27 von dem Strafverfahren erfährt, das Notwendige zu veran­ lassen. Wenn möglich wird schon vor der Hauptverhandlung die Frage zu klären sein, ob Erziehungsmaßregeln er­ forderlich und ausreichend sind. Wenn der Jugendrichter nicht zugleich Bormundschaftsrichter ist, werden zu diesem Zwecke die Akten dem Vormundschaftsrichter mitzuteilen sein. Auf diese Weise kann nach § 32 Abs. 2 die weitere

r) Jetzt § 305.

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Ausführungsbestimmungen Preußens und Bayerns

Durchführung d-es Strafverfahrens und insbesondere eine Hauptverhandlung überflüssig werden. Zu § 9. Anzuwendende Strafart im Sinne des Abs. 3 Satzl wird, wenn Zuchthausstrafe angedroht ist, mit Rücksicht auf Satz. 2 Gefängnis sein. Diese Auffassung entspricht auch der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Wenn auch gegen Jugendliche nicht mehr auf Über­ weisung an die Landespolizeibehörde erkannt werden kann und damit gegenüber Jugendlichen die Anwendbar­ keit des K 362 Abs. 4 StGB, entfällt, sind dadurch die Polizeibehörden nicht gehindert, von der allgemeinen Befugnis zur Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet, auch Jugendlichen gegenüber Gebrauch zu machen. ' Die Staatsanwaltschaft hat deshalb, be­ sonders bei Verurteilungen auf Grund des § 361 StGB, zu prüfen, ob sie nicht diese Maßnahme anregen soll. Zu § 10. Die Ermächtigung des Gerichts zur Aussetzung der Strafvollstreckung läßt selbstverständlich das Begnadi­ gungsrecht unberührt. Die aus diesem Rechte beruhende Bewilligung von Bewährungsfristen erfolgt aber in den Fällen, in "denen das Gericht nach dem Gesetz die Strafvollstreckung aussetzen kann, z künftig aus^ schließlich durch das Staatsministerium der Justiz. Ge­ suche sind nach den Vorschriften im 1. Abschnitt der Bekanntmachung vom 5. März 1922 über Begnadigung usw. (IMBl. S. 67) zu behandeln. Der Verurteilte, dem das Gericht Strafaussetzung bewilligt, ist über deren Bedeutung und namentlich darüber zu belehren, daß bei schlechter Führung oder Nichterfüllung der auferlegten besonderen Pflichten jederzeit die Vollstreckung der Strafe angeordnet werden kann und daß der ^Verurteilte jeden Wechsel seines Wohnorts dem Gerichte anzuzeigen hat. Die Belehrung hat tunlichst mündlich zu erfolgen. Wird dem Schüler einer Volksschule, einer staatlich eingerichteten oder ge­ nehmigten Elementarschule, Fortbildungsschule, Fachs­ oder Mittelschule in seiner Abwesenheit Strafaussetzung hewilligt, so ist nach Nr. IV der Bekanntmachung vom

ä. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1928

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7. April 1911, das Strafverfahren gegen jugendliche Beschuldigte und deren bedingte. Begnadigung betreffend (JMBl. S. 101), in der Fassung nach der Bekannt­ machung vom 28. September 1922 (G.- u. BBl. S. 624) die Schulbehörde oder der Schulvorstand um die Be­ lehrung zu ersuchen. Die Schulbehörde oder der Schul­ vorstand ist von allen die Strafaussetzung betreffenden Entscheidungen in dem gleichen Umfange zu benachrich­ tigen, wie dies durch die Bekanntmachung vom 7. April 1911 für Entscheidungen in Ansehung der Bewilligung einer Bewährungsfrist vorgeschrieben ist. Für die Verurteilten, denen Strafaussetzung bewilligt ist, haben die Jugendgerichte und, wenn die Bewilligung ausnahmsweise durch ein anderes Gericht als das Ju­ gendgericht oder bie! Strafkammer als Berufungs- oder Beschwerdegericht gegenüber dem Jugendgericht erfolgte, die Staatsanwaltschaft bei dem erstinstanziellen Ge­ richt nach dem Formblatt 1 *) Verzeichnisse zu führen, die nach den Monaten geordnet sind, in denen die Probe­ zeiten ablaufen. Die Verzeichnisse sind in der Weise stän­ dig aus dem Laufenden zu halten, daß die Einträge im Falle des Straferlasses, der Anordnung der Strafvoll­ streckung, des Ablebens des Verurteilten und der son­ stigen Erledigung der Strafaussetzung sofort burd> strichen und im Falle der Verlängerung der Probezeit richtiggestellt werden. Gleichzeitig mit diesen Einträgen sind entsprechende Einträge in die Spalte 10 der Bormerkungsliste über die Vollstreckung von Freiheitsstrafen und in d.ie Spalte XIII des amtsanwaltschaftlichen Anzeigeverzeichnisses oder in die Spalte XVI des staatsanwaltschaftlichen Urteils­ buchs zu machen. Die Bewilligung einer Strafaussetzung (nebst An­ gabe des Tages, an dem sie erfolgte), die Verlängerung der Probezeit und die Anordnung der Strafvollstrek­ kung sind ngch § 5 der Strafregisterverordnung vom 12. Juni 1920 stets zum Strafregister mitzuteilen, auch wenn die Verurteilung nicht registerpflichtig ist. Dagegen ist der Straferlaß der Strafregisterbehörde nur i) Hier nicht abgedruckt.

dann zur Kenntnis zu bringen, wenn die Verurteilung in das- Strafregister ausgenommen werden mußte (§ 6 Nr. 1 der .Strafregisterverordnung). Über die bedingte Strafaussetzung hat der Gerichts­ schreiber des Gerichts erster Instanz eine Statistik nach dem Formblatt 21) zu führen. Sie ist alljährlich zum 1. März für das abgelaufene Kalenderjahr dem Staats­ ministerium der Justiz auf dem Dienstwege vorzulegen. Die Formblätter werden den Gerichten geliefert. Zu § 11. Wird einem Verurteilten, der sich in Strafhaft be­ findet, im Ginklang mit der gutachtlichen Äußerung der Beamtenkonferenz der Strafanstalt oder des Vorstandes des Gerichtsgefängnisses die Strafaussetzung versagt, so empfiehlt es sich nicht, in der Begründung des Be­ schlusses ausdrücklich, auf diese dem Gefangenen ungün­ stige Äußerung Bezug zu nehmen, weil hierdurch der weiteren Durchführung des Strafvollzugs unnötig Schwierigkeiten bereitet werden können. Zu § 12. Das Gesetz kennt ebenso, wie dies bei den besonderen Pflichten der Fall ist, die Schutzaufsicht in einer doppelten Verwendung: als reine Erziehungsmassnahme nach § 7 und als erziehliche Aussichtsmassnahme bei der bedingten Strafaussetzung. Die Schutzaufsicht als reine Erziehungs­ massnahme untersteht ausschliesslich den Vorschriften des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt; sie wird vom Vor­ mundschaftsgerichte nach § 60 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt übertragen, endet mit der Volljährigkeit und kann von dem Vormundschaftsgerichte gemäss § 59 des Gesetzes auch schon früher aufgehoben werden. Eben­ so sollen die Überwachung und die Übertragung der Schutzaufsicht als erziehliche Aufsichtsmassnahme, ihre Ausführung“ dem Vormundschaftsrichter zustehen, so­ lange der Verurteilte noch minderjährig ist; nach er­ reichter Volljährigkeit gehen diese Aufgaben auf den Richter über, zu dessen Obliegenheiten überhaupt die weitere Behandlung der Strafaussetzung gehört, d. h. auf

Hier nicht abgedruckt.

s. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1923

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den Jugendrichter. Die Entscheidung darüber, ob die Schutzaufsicht als erziehliche Aufsichtsmassnahme vor Ablauf der Probezeit aufgehoben werden kann, steht in allen Fällen dem Jugendrichter zu (§ 34 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 Satz 2); hier handelt es sich um eine Frage der StrafVollstreckung, die naturgemäss nicht der Vormundschaftsbehörde zurBeurteilung überlassen werden kann, Soweit nicht hiernach die Führung des Verurteilten während der Probezeit vom Vormundschaftsrichter zu überwachen ist, obliegt die Überwachung dem Jugend­ richter. .»Deide Richter werden aber selbstverständlich während des Laufes der Probezeit, solange der Ver­ urteilte minderjährig ist, in ständiger Fühlung mit­ einander bleiben. Lausen für einen Verurteilten gleic^eitig mehrere Probezeiten oder Bewährungsfristen, so ist vor der Anordnung der Strafvollstreckung mit den anderen be­ teiligten Behörden ins Benehmen zu treten und eine Einigung wegen des gleichheitlichen Vorgehens zu ver­ suchen. Zu § 13. Die Entscheidung über die Strafaussetzung wird gegen­ standslos, so dass die Frage erneut selbständig zu prüfen ist, wenn der Verurteilte erneut verurteilt wird und die zweite Strafe mit der ersten zu einer Gesamtstrafe zu vereinigen ist. Für eine Entscheidung des zweiten Gerichts über die frühere Strafaussetzung ist kein Raum, wenn der Voll­ streckungsrichter der ersten Strafe bereits über die Be­ währung entschieden hat, mag die Entscheidung schon rechtskräftig sein oder nicht. Wird bei der neuen Verurteilung die Strafaussetzung versagt und die Vollstreckung der früheren Strafe an­ geordnet, so sind die beiden Strafen tunlichst im An­ schluß aneinander zu vollstrecken. Welcher Richter im Falle des § 13 Abs. 4 die nach­ trägliche Entscheidung zu treffen hat, ist im Gesetz nicht geregelt. Zweckmäßig wird die Entscheidung entsprechend der Vorschrift in § 29 Abs. IV der Bekanntmachung vom 5. März 1922, abgesehen von dem Falle des §13

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AuSführurrgSbesttmmungeu Preußen» und Bayern«

Abs. 5 durch den für die zweite Strafe zuständigen Vollstreckungsrichter und, wenn ausnahmsweise ein anderes Gericht als das Jugendgericht oder die Strafkammer als Berufungs- oder Beschwerdegericht gegenüber dem Jugendgericht die zweite Strafe ausgesprochen hat, durch das erstinstanzielle Gericht in der Besetzung als beschließendes Gericht erfolgen.

Zu § 15. Wie sich per Jugendrichter Klarheit darüber ver­ schafft, ob sich der Verurteilte bewährt hat, ist ihm überlassen. In der Regel werden vor seiner Entschei­ dung Ermittelungen über die Führung des Verurteilten während der Probezeit anzustellen sein. Ihr Umfang hängt von den. Umständen des Falles, der Schwere der Straftat und der Persönlichkeit des Verurteilten ab. Es kann genügen, einen Strafregisterauszug zu erholen oder ergänzen zu lassen. Ist eine frühere Strafaussetzung gemäss § 13 aufrecht­ erhalten worden, so entscheidet der für die frühere Strafe als Vollstreckungsrichter zuständige Jugendrichter. An die Beurteilung des Gerichts der zweiten Tat ist er da­ bei insofern gebunden, als er die Bewährung nicht ledig­ lich wegen der zweiten Straftat verneinen darf, wenn das Gericht der zweiten Tat die Strafaussetzung auf­ rechterhalten hat. Zu § 16. Freiheitsstrafen von 1, Monat und mehr sind gegen Personen, die zu Äeginn der Vollstreckung noch nicht 18 Jahre alt sind, ausnahmslos in besonderen, aus­ schließlich für Jugendliche bestimmten Anstalten oder Abteilungen von Anstalten zu vollstrecken.

Zu § 17. Der Vorbehalt, den § 3 Abs. 3 EG. z. StPO, für Forstund Feldrügesachen zugunsten des Landesrechts macht, gilt auch für die Sachen, die zur Zuständigkeit des Jugendgerichts gehören. Bei der besonderen Regelung des Verfahrens in Forstrügesachen in Bayern erstreckt sich die Zuständig­ keit der Jugendgerichte nicht auf diese Sachen.

3. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mat 1923

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In welchem Verhältnis die Zuständigkeit des Jugendge­ richts zurZuständigkeit reiche- oder landesrechtlicher Sondergerichte steht, ist für jedes einzelne Sondergericht selbständig zu prüfen. Gegenüber den Wuchergerichtenl) der Verordnung über Sondergerichte gegen Schleichhandel und Preistreiberei vom 27. November 1919 (RGBl. S. 1909) wird die Zu­ ständigkeit des Jugendgerichts Vorgehen, während für den im Gesetze zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1922 (RGBl. I S. 585) vorgesehenen Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik das Gegenteil anzunehmen sein wird. Die Zuständigkeit der Volksgerichte ist durch i)b Verordnung vom 12. Mai 1923, die demnächst im G.- u. BBl. erscheint,2) für Strafsachen, die sich als Jugendsachen im Sinne der §§ 17 ff. darstellen, mit Wirkung vom 1. Juli 1923 aufgehoben worden. Große Jugendgerichte werden lediglich bei den Amts­ gerichten am Sitze der Landgerichte für den ganzen Landgerichtsbezirk errichtet, für den Bezirk des Land­ gerichts München II bei dem Amtsgericht Starnberg, aber mit dem Sitze in München. Der Vorsitzende des kleinen Jugendgerichts bei diesen Amtsgerichten mit' Ausnahme des Amtsgerichts Starnberg ist gleichzeitig Vorsitzender des großen Jugendgerichts. Als Vorsitzender der Jugendgerichte und als Beisitzer der großen Jugendgerichte sind besonders befähigte und erfahrene in Vormundschaftssachen bewanderte Rich­ ter zu bestellen.

Zu § 18 Abs. 2. Aus dem Wesen des Revisionsverfahrens ergibt sich, dass das Revisionsgericht die Sache nicht mehr zum ordentlichen Verfahren verweisen kann. Hebt aber das Revisionsgericht das Urteil auf und verweist es die Sache zurück, so kann das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, sie zum ordentlichen Verfahren verweisen. !) Aufgehoben durch VO. vom 20. März 1924 (RG.Bl. I S. 371). 2) GVBl. S. 185. Die Bolksgerichte wurden aufge­ hoben durch BO. vom 27. März 1924 (GVBl. S. 128).

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Ausführungsbestimmungen Preußens und Bauern»

Zu § 19 Abs. 2 und § 49. a) Ist das Gericht des Jugendrichters zugleich das Vormundschaftsgericht, so geht die Behandlung der Geschäfte des Bormundschastsgerichts (§§ 36, 43, 44 FGG., Art. 1 ff. des Fürsorgeerziehungsgesetzes) auf den Jugendrichter in dem Zeitpunkt über, in dem der Vormundschaftsrichter nach den Anordnungen zu § 27 die Mitteilung der Staatsanwaltschaft von der Einleitung des Strafverfahrens erhält. Dies gilt ^jedoch nicht, wenn der Jugendliche Ge­ schwister hat und für die Geschwister nur ein Vormund (Pfleger, Beistand) bestellt ist oder, sofern eine Vor­ mundschaft, Pflegschaft' oder Beistandschaft nicht be­ steht, für die Geschwister gemeinschaftliche vormund­ schaftsrichterliche Maßnahmen zu treffen sind. In diesem Falle wird der Vormundschaftsrichter prüfen, ob es sich nicht empfiehlt, für den straffällig gewordenen Jugend­ lichen die Vormundschaft, Pflegschaft oder Beistandschaft oder die sonstigen vormundschaftsrichterlichen Maß­ nahmen gesondert anzuordnen. Mit dieser Anordnung gehen die Geschäfte des Bormundschaftsrichters für diesen Jugendlichen auf den Jugendrichter über. Wo die Abtrennung sich nicht empfiehlt, kann der Jugend­ richter mit Zustimmung des Bormundschaftsrichters dessen Geschäfte für alle Geschwister nehmen. Der bisherige Vormundschaftsrichter hat die staatsanwaltschaftliche Mitteilung von der Einleitung des Strafverfahrens unter Beilegung der Bormündschafts­ akten dem Jugendrichter unverzüglich zu übersenden. Sind nach der Erledigung des Strafverfahrens und der Ausführung einer vom Jugendgericht angeordneten und nach § 36 von ihm selbst zu vollziehenden Er­ ziehungsmaßregel vormundschaftsrichterliche Maßnahmen nicht oder nicht mehr veranlaßt, so kann der Jugend­ richter einen entsprechenden Beschluß fassen. Damit gehen die vormundschaftsrichterlichen Geschäfte wieder von ihm auf den Richter über, dem sonst die Verrich­ tungen des Vormundschaftsgerichts obliegen. b) Ist das Gericht des Jugendrichters nicht zugleich das Vormundschaftsgericht, so hat der Jugendrichter

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3. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mat 1923

die Bormundschaftsakten zu erholen und unter Berück­ sichtigung der Art der strafbaren Handlung und der sie begleitenden Umstände Verhandlungen zur Übernahme der Vormundschaft einzuleiten, wenn genügende Gründe für die Übernahme .sprechen, insbesondere wenn der Jugendliche voraussichtlich dauernd im Bezirk des Jugendgerichts bleibt. § 49 erleichtert die Übernahme der Vormundschaft durch die Bestimmung, daß es iri der Regel als wichtiger Grund für die Abgabe einer Vormundschaft an ein anderes Gericht im Sinne.des § 46 Abs. 1 FGG. anzusehen ist, wenn ein unter Vor­ mundschaft stehender Minderjähriger wegen einer straf­ baren Handlung vor einem anderen Gericht angeklagt ist. Eine übernommene Vormundschaft kann der Jugend­ richter in den unter a) Abs. 4 bezeichneten Fällen nach Maßgabe des § 46 FGG. wieder abgeben. Empfiehlt sich die Fortführung der Vormundschaft bei dem Ge­ richte des Jugendrichters, so kann er nach a) Abs. 4 verfahren. Zu § 19 Abs. 3. Bei der Besetzung der besonderen Strafkammern für Jugendsachen, die natürlich nur bei den Landgerichten in Betracht kommen, bei denen mehrere Strafkammern bestehen, ist nach Abs. 6 der Bemerkungen zu K 17 zu verfahren. Zu § 20. Die Jugendschöffen sind von dem in § 40 GVG. vorgesehenen Ausschuß vor der Auswahl der anderen Schöffen zu wählen,- den Vorsitz führt dabei der Jugend­ richter. Bon der Wahl besonderer Jugendschöffen ist abzu­ sehen, wenn anzunehmen ist, daß ein Jugendgericht weniger als zehn Sitzungen jährlich abhalten wird. Die Bestimmung der für die großen Jugendgerichte erforderlichen Zahl von Haupt- und Hilfsschöfsen und die Verteilung der Zahl auf die einzelnen Amtsgerichts­ bezirke erfolgt, entsprechend dem § 19 der Bekannt­ machung vom 23. August 1913, die Bildung der Schöf­ fengerichte usw. betreffend (JMBl. S. 193), durch die Oberlandesgerichtspräsidenten. Messerer, JugendgertchtSgesey

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AuSführuirgSVesttmmungeu Preußens und Bayerns

Ist das Jugendgericht nur mit zwei Schöffen besetzt, so muss einer der Schöffen ein Mann sein. Der nach § 17 Abs. 1 Satz 3 hinzuzuziehende dritte Schöffe kann sowohl ein Mann wie eine Frau sein. Zu §> 21. Bei den Landgerichten sind die staatsanwaltschaftlichen Geschäfte in Jugendsachen von einem besonders geeigneten, womöglich als Vormundschaftsrichter oder Jugendrichter tätig gewesenen Beamten wahrzunehmen. Er ist auch mit der Besorgung der staats anwaltschaftlichen Geschäfte bei dem großen und kleinen Jugend­ gerichte am Sitze des Landgerichts zu betrauen. Bei den anderen Jugendgerichten ist, wenn mehrere Amtsanwälte vorhanden sind, die Bearbeitung der Jugendsachen dem dafür geeignetsten zu übertragen. Der Jugendstaatsanwalt oder Jugendamtsanwalt hat die Vernehmung des Beschuldigten im vorbereitenden Verfahren, soweit sie nicht durch den Richter erfolgt, in der Regel selbst vorzunehmen. Sieht er sich veran­ laßt, den Jugendrichter um die Vornahme von Ermitte­ lungen anzugehen, so ist das Ersuchen so zu fassen, daß dem Jugendrichter ein Spielraum bleibt, namentlich in der Auswahl der Auskunftspersonen. Zu § 22. Eine ersprießliche Wirksamkeit der mit der Behand­ lung straffällig gewordener Jugendlicher betrauten Be­ hörden ist nur möglich, wenn diese Behörden von den der Jugendfürsorge dienenden Einrichtungen ausgiebigen Gebrauch machen. In Betracht kommen namentlich die zahlreichen Anstalten und Vereine, die sich der Jugend­ fürsorge widmen. Mit ihnen ist wie bisher eine rege Verbindung zu unterhalten. Insbesondere kann die Mitwirkung von Helfern oder Helferinnen, die auf dem Gebiete der Jugendfürsorge freiwillig tätig sind, schon im Ermittelungsverfahren erwünscht sein. Deshalb find ihnen auch die gewünschten und zur Erfüllung ihrer Aufgabe dienlichen Aufschlüsse nach Möglichkeit zu er­ teilen. In geeigneten Fällen wird ihnen, wenn keine besonderen Bedenken entgegenstehen, auch die Einsicht in die Strafakten gewährt werden können.

3. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1923

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3M 23 Abs. 2. Ist einer Person auf Grund dieser Vorschrift der Zu­ tritt gestattet worden, so schliesst das nicht aus’ dass sie auf Grund anderer Bestimmungen, ,r. B. weil sie sich sitzungspolizeilichen Anordnungen des Vorsitzenden nicht fügt oder als Zeuge vernommen werden soll, genötigt werden kann, das Sitzungszimmer dauernd oder vorüber­ gehend zu verlassen. Eine Sitzungsliste ist in Jugendsachen nicht aus­ zuhängen. Zu § 25. Der Gerichtsstand der vormundschaftsgerichtlichen Zu­ ständigkeit wird sich in der Reael mit dem Gerichtsstand des Wohnsitzes nach § 8 StPO, decken. Wird für den Beschuldigten eine vormundschaftsgerichtliche Tätigkeit be­ reits ausgeübt. so ist das Jugendgericht zuständig, in dessen Bezirk diese Tätigkeit ausgeübt wird; eine Prüfung der Frage, ob die Vormundschaftsbehörde ihre Zuständigkeit mit Recht angenommen hat, steht dem Jugendgerichte nicht zu. Wird für den Beschuldigten noch keine vor­ mundschaftsgerichtliche Tätigkeit ausgeübt, so ist das Jugendgericht zuständig, in dessen Bezirk eine solche Tätigkeit nach Massgabe der §§ 36 ff. FGG. ausgeübt werden könnte Bei der Wahl zwischen den verschiedenen Gerichts­ ständen wird von "besonderer Bedeutung sein, wo unbe­ schadet genauer und rascher Feststellung des Tatbestandes die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten, nament­ lich auch in der Hauptverhandlung, am besten ermittelt werden können. Zu § 26. Kann im Einzelfall eine Jugendsache von der Straf­ sache gegen einen Erwachsenen nicht getrennt werden, so muss auch der Jugendliche vor dem für den Erwach­ senen zuständigen Gericht und in dem für den Erwach­ senen vorgesehenen Verfahren Recht nehmen. Aus den Jugendlichen sind aber selbstverständlich die materialrechtlichen und soweit möglich auch die Berfahrensvorschriften des Gesetzes anzuwenden.

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ArrSfüvrungSvesttmmungen Preutzen» und Bayern-

Zu. § 27. Die Staatsanwaltschaft hat, wenn nicht wegen der Notwendigkeit richterlicher Fürsorgemaßnahmen eine noch frühere Benachrichtigung geboten ist, schon nach dem Abschluß der Ermittelungen über die persönlichen Ver­ hältnisse des Beschuldigten dem Bormundschastsrichter und, wenn ein auswärtiges Gericht Vormundschafts­ gericht ist, auch dem Jugendrichter des Gerichts, für das der staatsanwaltschaftliche Beamte bestellt ist, von der Einleitung des Strafverfahrens unter kurzer An­ gabe des Gegenstandes der Beschuldigung und des Er­ gebnisses der Ermittelungen Mitteilung zu machen. Die Mitteilung kann unterbleiben, wenn das Strafverfahren lediglich eine Übertretung betrifft oder das Verfahren alsbald endgültig eingestellt wird und die Art der an­ gezeigten Handlung sowie das Ergebnis der Ermitte­ lungen weder auf eine Verwahrlosung des Beschuldigten schließen lassen, noch für dessen sittliche Beurteilung von Bedeutung sind. Erlangt der Vormundschaftsrichter nicht schon dadurch nähere Kenntnis vom Gegenstand des Strafverfahrens, daß er als Jugendrichter mit der Sache befaßt wird, so sollen ihm auch die Akten mitgeteilt werden, sobald es ohne Verzögerung des Verfahrens möglich ist. Dies gilt selbst dann, wenn das Strafverfahren vorläufig oder endgültig eingestellt wird oder Freisprechung er­ folgt und auch dann, wenn eine Vormundschaft nicht geführt wird. Von der endgültigen Einstellung des Strafverfahrens hat die Staatsanwaltschaft unverzüglich dem Jugend­ richter Kenntnis zu geben, wenn die Einstellung nicht nach § 32 mit seiner Zustimmung erfolgt. Die im § 27 AbA 1 ssSatz 2 vorgeschriebenen Mittei­ lungen über den weiteren Gang des Verfahrens obliegen im Strafvollstreckungsverfahren dem Jugendrichter als Strafvollstreckungsbehörde, sonst der Staatsanwaltschaft. Zu § 28. Dass der Erlass des Haftbefehls und alle anderen auf die Untersuchungshaft sich beziehenden Entscheidungen auch dem gesetzlichen Vertreter bekannt zu machen sind,

3. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1923

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ergibt sich aus § 114 Abs. 3, § 35 StPO, in Verbindung mit § 30 des Gesetzes. Dem Jugendamt und dem Vormundschaftsgerichte, wenn der Vormundschaftsrichter nicht selbst als Jugendrichter entschieden hat9 wird die Staatsanwaltschaft nach § 27 von dem Erlasse des Haft­ befehls Kenntnis zu geben haben. Wird zur Abwendung der Untersuchungshaft eine Unterbringung nach § 8 un­ geordnet, so gehören die Kosten dieser Unterbringung zu den Kosten des Strafverfahrens; sie sind daher aus der Staatskasse zu bestreiten, wenn der Beschuldigte nicht zu den Kosten des Verfahrens verurteilt wird oder die Kosten von ihm nicht beigetrieben werden können. Au 8 29 Abs. 2. Über den Zeitpunkt in dem der Verteidiger bestellt werden soll, sagt das Gesetz nichts; entscheidend kann lediglich sein, wann das Gericht zu der Überzeugung ge­ langt , dass der Jugendliche eines Verteidigers bedarf. Die Bestellung kann deshalb schon im vorbereitenden Verfahren oder auch erst in höherer Instanz erfolgen. Zu § 30. Dem gesetzlichen Vertreter Les Jugendlichen hat die Staatsanwaltschaft, wenn seine Person und seine Adresse bekannt oder ohne Verzögerung feststellbar sind, auch von der Einleitung des Strafverfahrens Kenntnis zu geben, sofern nicht ein Strafbefehl beantragt oder eine geringfügige Übertretung verfolgt wird, die für die sittliche Beurteilung des Jugendlichen ohne Bedeutung ist, oder der gesetzliche Vertreter von dem Strafverfahren schon zuverlässige Kenntnis besitzt. Die Benachrichti­ gung hat spätestens dann zu erfolgen, wenn zur Ver­ nehmung des Jugendlichen durch den Richter oder den Beamten der Staatsanwaltschaft oder ausnahmsweise ohne eine solche zur Einreichung der Anklageschrift ge­ schritten wird. Zu § 31. Die Staatsanwaltschaft hat natürlich vor allem auch zu ermitteln, wie der gesetzliche Vertreter des Beschul­ digten heißt und wo er wohnt, ob eine Vormundschaft besteht und wo sie geführt wird.

Au-fü-ru»gsbestimmungen Preuße«- und Bayern-

Zur Aufklärung der Lebensverhältnisse des Beschul­ digten und der für seine Beurteilung wichtigen Umstände hat er außer mit dem gesetzlichen Vertreter des Be­ schuldigten auch mit dem Fürsorger oder Anstaltsvorstand, wenn eine Fürsorgeerziehung schon angeordnet ist, oder mit anderen Personen in Verbindung zu treten, die über den Beschuldigten und seine Familie Bescheid wissen, so mit Verwandten, dem Seelsorger, Lehrer, dem Dienst- oder Lehrherrn, dem Gemeindewaisenrat, dem Armenpfleger, dem behandelnden Arzt, Nachbarn usw. Die Ermittelungen können unterbleiben, soweit die zu erforschenden Umstände schon in einem früheren Straf­ verfahren festgestellt wurden oder sonst bekannt sind oder eine Übertretung verfolgt wird, die für die sittliche Beurteilung des Jugendlichen ohne Bedeutung ist. Die Ermittelungen können eingeschränkt werden, wenn ihre vollständige Durchführung .einen unverhältnismäßigen Nachteil, insbesondere die übermäßige Verlängerung der Untersuchungshaft zur Folge haben würde. Die Anklageschrift darf nur eingereicht und der Erlaß eines Strafbefehls nur beantragt werden, wenn genü­ gend aufgeklärt ist, daß der Beschuldigte das Unter­ scheidungsvermögen (§ 3) hat. Zu. § 32 Abs. 3. Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so soll er gegen den gerichtlichen Beschluss die sofortige Beschwerde haben; gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwalt­ schaft steht ihm nur die Aufsichtsbeschwerde, nicht der Rechtsbehelf nach § 170l) StPO, zu, da die Zustimmung des Jugendrichters die Staatsanwaltschaft von der Pflicht zur Erhebung der öffentlichen Klage entbindet. Gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft soll auch der Beschuldigte keinen weiteren Behelf haben. Zu § 33. Die Hauptverhandlungen in Jugendsachen sollen, wo die räumlichen Verhältnisse der Gerichtsgebäude es nur irgendwie gestatten, in anderen als den sonst zu Ver-

Jetzt § 172.

8. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mat 1923

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Handlungen in Strafsachen benützten Räumen statt­ finden. Zu den Erörterungen nach Abs. 2 gehören Beweisauf­ nahmen über den Geisteszustand des Jugendlichen, über die persönlichen Verhältnisse seiner Familienmitglieder, ins­ besondere in sittlicher Beziehung oder auch Erörterungen über die Tat selbst, z. B. wenn es sich um ein dem Jugend­ lichen zur Last gelegtes Sittlichkeitsverbrechen handelt. Auch die Schlussvorträge der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers fallen unter den Begriff der Erörterungen. Dem Takte und dem pflichtgemässen Ermessen des Vor­ sitzenden bleibt es überlassen, wieweit er dem Jugendlichen von den bedenklichen Erörterungen Kenntnis geben will. Eine solche Regelung ist geboten, weil eine Verpflichtung zur Mitteilung des Verhandelten die Erreichung des mit der Entfernung erstrebten Erfolges vereiteln würde. Zu- § 34. Die Entscheidungen sind der Sache nach Entschei­ dungen in der Vollstreckungsinstanz. Wie sich aus § 18 Abs. 1, § 30 Satz 1 des Gesetzes in Verbindung mit § 494l) Abs. 2 StPO, ergibt, sind daher vor ihrem Erlasse die Staatsanwaltschaft, der Verurteilte und sein gesetzlicher Vertreter zu hören. Eine Anhörung des Jugendamts kommt selbstverständ­ lich nur in Betracht, solange der Verurteilte noch minder­ jährig ist. Hat die Strafe ausnahmsweise ein anderes Gericht als das Jugendgericht oder die Strafkammer als Berufungs- oder BeschwerdeZericht gegenüber dem Jugends­ gericht ausgesprochen, so werden die Entscheidungen nach § 34 dem erstinstanziellen Gericht in der Besetzung als beschließendes Gericht obliegen. Zu § 35. Urteile, die eine Erziehungsmassnahme festsetzen, können ebenso angefochten werden wie Strafurteile. Das muss unbeschränkt gelten, wenn Fürsorgeerziehung angeordnet worden ist. Dass ein Urteil, das eine nach § 8 getroffene vorläufige Anordnung einstweilen aufrecht erhält, nicht

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AuSführrrugSdesttmmmrgeu Preußen« und Bayerns

wegen dieser Entscheidung angefochten werden kann, ergibt sich daraus, dass diese Entscheidung mit der Rechtskraft des Urteils ohnehin ihre Bedeutung verliert. Aus dem Wesen des Rechtsmittels folgt, dass ein Urteil, das eine Erziehungsmassnahme für erforderlich und ausreichend erklärt, nicht (zugunsten des Verurteilten) mit der Be­ gründung angefochten werden kann, es hätte auf Strafe erkannt werden müssen. Da zu erstreben ist, daß das Strafverfahren gegen einen Jugendlichen mit einer einmaligen Hauptver­ handlung seinen Abschluß findet, ist bei der Prüfung der Frage, ob die Staatsanwaltschaft zu ungunsten des An­ geklagten die Berufung einlegen soll, mit besonderer Vorsicht und keinesfalls ohne Erholung der Entscheidung des ersten Beamten der Staatsanwaltschaft zu Werke zu gehen. Wegen des Strafmaßes soll die Berufung in der Regel nicht eingelegt werden. Wird ein auf Strafe lautendes Urteil in vollem Umfang angefochten, so hat das Rechtsmittelgericht unbeschadet des Verbots der reformatio in pejus auch die Frage der Strafaussetzung erneut selbständig zu prüfen. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen ein Urteil (§ 35 Abs. 2) setzt naturgemäss voraus, dass das Urteil an und für sich bestehen bleibt; legt daher z. B. die Staatsanwaltschaft Berufung ein, so ivird die vom Verurteilten mit der Begründung, die Strafaussetzung sei zu Unrecht versagt worden, eingelegte sofortige Beschwerde gegenstandslos. Stellt sich andererseits in der Haupt­ verhandlung über ein als Berufung bezeichnetes Rechts­ mittel heraus, dass nur die Entscheidung über die bedingte Strafäussetzuna angefochten werden sollte, so wird das Rechtsmittel nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern als sofortige Beschwerde zu behandeln sein, da eine un­ richtige Bezeichnung des Rechtsmittels unschädlich ist. (§ 342 StPO.)1) Die im Schlusssätze des § 35 Abs. 2 bezeichneten Ent­ scheidungen sind unanfechtbar, gleichgültig, ob es sich um die von Anfang am bestimmte Probezeit oder eine nach-

Jetzt § 300.

3. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1923

träglich verlängerte, um die ursprünglichen oder um später veränderte Anordnungen handelt. Zu § 36. Soweit die Strafvollstreckung in Jugendsachen auf Grund des Art. VI des Gesetzes zur Entlastung der Ge­ richte vom 11. März 1921 (RGBl. S. 229) einem Gerichtsschreiber übertragen wird, ist bei der Regelung darauf Bedacht zu nehmen, daß trotz der Übertragung der Jugendrichter den Verurteilten während der Straf­ vollstreckung ständig im Auge behält.

Alach geltendem Rechte findet gegenüber den Maus­ nahmen des Amtsrichters, je nachdem, ob er als Voll­ ste eckungsbehördb oder auf Grund der §§ 4901) ff, StPO, als Vollstreckungsgericht entschieden hat, die Aufsichts­ beschwerde oder die Rechtsbeschwerde statt. Das Gesetz beseitigt diese Verschiedenheit und gewährt dem Verurteilten gegen alle Entscheidungen des Jugendrichters die Rechts­ beschwerde. Unter Entscheidung versteht das Gesetz dabei jede Willensäusserung des Richters, durch die über einen Antrag befunden oder ein Streit geschlichtet wird; es fällt also darunter auch die Ablehnung eines Strafaufschubs­ gesuchs. Vor der Entscheidung sind gemäss § 33 StPO, stets die Staatsanwaltschaft, in den Fällen der §§ 4901)3ff. StPO, und der §§ 5, 8 des Geldstrafengesetzes vom 21. Dezember 1921*) auch der Verurteilte und sein gesetz­ licher Vertreter zu hören (§ 494*) StPO. § 30 des Gesetzes). Zu § 38. Wird Privatklage gegen eine Person erhoben, die zur Zeit der Klageerhebung noch jugendlich ist, so ist sie von dem Jugendrichter zu behandeln. Er hat, bevor er sie nach § 4234) StPO, als unzulässig zurückweist, mit der Staatsanwaltschaft wegen der Frage ins Be­ nehmen zu treten, ob sie nicht nach § 38 AbsV 1 .Satz 2 die Verfolgung übernehmen will. x) Jetzt §§ 458 ff. 2) Jetzt: § 2811 und 29VI StGB, in der Fassung nach Art. I des Geldstrafengesetzes vom 27. April 1923 (RGBl. I S. 254). 3) Jetzt § 462. 4) Jetzt § 383.

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Ä«»fÜhraug»best'mMu«gen Preußens und Bayern-

Richtet sich eine Privatklage gleichzeitig gegen Jugend­ liche und Erwachsene, so ist hinsichtlich der Jugendlichen nach Abs. 1 zu verfahren. Zu § 39. Zur Festsetzung von Erziehungsmassnahmen erscheint das Strafbefehlsverfahren ungeeignet. Ist daher nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Anwendung von Erziehungsmassnahmen überhaupt in Betracht zu ziehen, so ist stets Anklage zu erheben. Zu § 40 Abs. 4. Bewilligt der Jugendrichter dem Jugendlichen Straf­ aussetzung und bewährt sich der Jugendliche, so hat der Jugendrichter ihm die Geldstrafe, nicht etwa bloss die Ersatzfreiheitsstrafe zu erlassen. Wird gegenüber einem Strafbescheid auf gerichtliche Entscheidung angetragen, so finden von dem Zeitpunkt an, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, die Vor­ schriften über das gerichtliche Jugendverfahren Anwen­ dung. Daraus folgt, dass das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren auf Grund des § 32 Abs. 2 einstellen kann. Zu § 43. Mit der Vorbereitung der Bildung der Jugend­ gerichte ist sofort zu beginnen. Der nach § 40 GVG. zur Auswahl der Schöffen und Geschworenen für das Jahr 1923 gebildete Ausschuß ist alsbald einzuberufen. Den Vorsitz, darin führt nach Abs. 1 der Bemerkungen zu § 20 der Jugendrichter. Die Auswahl der Jugend­ schöffen für den Rest des Jahres 1923 erfolgt auf Grund der im Herbst 1922 zusammengestellten Urliste.

Zu § 44. Die materiellrechtlichen Vorschriften, insbesondere die Bestimmungen über die Erziehungsmassnahmen und die bedingte Strafaussetzung, finden, da sie durchweg milder sind als das geltende Recht, gemäss § 2 StGB, auch auf die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begangenen Straf­ taten Anwendung.

3. Bayerische Bekanntmachung v. 7. Mai 1923

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Die Akten über Voruntersuchungen, die nach Abs. 1 des § 44 zu schließen sind, werden vom Untersuchungs­ richter unverzüglich dem Jugend-staatsanwalt bei dem Landgericht, bei dem die Voruntersuchung anhängig war, und, wenn er nicht zugleich die staatsanw-altschafhlichen Geschäfte bei dem zuständigen Jugendgericht wahr­ zunehmen hat, von ihm an den Amtsanwalt bei dem zuständigen Jugendgericht übersandt. Entsprechend ist mit den Akten über Strafsachen zu verfahren, die bei der Strafkammer anhängig sind. Auch die Akten über staatsanwaltschaftliche Ermitte­ lungsverfahren gibt der Jugendstaatsanwalt an den zuständigen Amtsanwalt ab, soweit er die Verfahren nicht als Jugendamtsanwalt weiter zu behandeln hat. Privatklagesachen, die am 1. Juli 1923 schon an­ hängig sind, werden, auch wenn der Angeklagte noch jugendlich ist, nach den Vorschriften für Privatklagen weiter zu behandeln, aber, soweit sie noch in der ersten Instanz anhängig sind und die Hauptverhandlung nicht schon vor dem 1. Juli 1923 begonnen hat, an den Jugendrichter abzugeben sein. Die Vorschriften des Gesetzes werden darauf Anwendung zu finden haben, so­ weit nicht die Besonderheiten des Privatklageverfahrens entgegenstehen. Sind die Angeklagten teils noch jugendlich, teils schon erwachsen, so ist nach § 26 wenn irgend möglich das Verfahren gegen die Jugendlichen von dem gegen die Erwachsenen zu trennen und an den Jugendrichter abzugeben. Ist ausnahmsweise die Trennung nicht möglich, so ist das Verfahren ohne Rücksicht auf die Be­ teiligung Jugendlicher weiter zu führen. Auch in diesem Falle sind aber selbstverständlich die Vorschriften des Gesetzes soweit möglich auf die Jugendlichen anzu­ wenden.

Über die Wiederaufnahme des Verfahrens entscheidet nach allgemeinen Grundsätzen (§ 4071) StPO) für die Regel das Gericht, dessen Urteil mit dem Antrag an­ gefochten wird; verordnet es die Wiederaufnahmet so wird es, wenn es in erster Instanz entschieden hat und sich -’1) Jetzt § 367.

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Ausführung-bestimmungen Preußens und Bayerns

die Sache noch als Jugendsache darstellt, zugleich die Sache an da* Jugendgericht ahzugeben haben. In Strafsachen gegen Jugendliche, in denen die Strafkammer als Gericht 1. Instanz das Urteil schon vor dem 1. Juli 1923 gefällt hat oder auf Grund des 8 44 Ms. 2 Satz 1 Halbsatz 2 nach dem 1. Juli 1923 füllt, steht die Strafvollstreckung dem Staatsanwalt zu, es sei denn, daß das Revisionsgericht das Urteil aufhebt und die Sache zurückweist. In diesem Fall wird die Sache an das Jugendgericht abzugeben sein. Die Vorschriften des Gesetzes über die bedingte Strafaussetzung werden auf Strafsachen, die am 1. Juli 1923 schon rechtskräftig erledigt sind, und auf die übrigen Strafsachen, in denen nach dem vorigen Ab­ satz die Strafvollstreckung dem Staatsanwalt zusteht, keine Anwendung finden können. Deshalb verbleibt es für solche Strafsachen bei den Vorschriften im 3. Ab­ schnitt der Bekanntmachung vom 5. März 1922 über Begnadigung usw. (JMBl. S. 67). Zu §§ 45 und 46. Die hier vorgeschriebene Tilgung von Strafvermerken im Strafregister muß nicht sofort allgemein, sondern kann bei Gelegenheit der Vornahme anderer Straf­ registergeschäfte auf dem jeweils zu bearbeitenden Straf­ registerblatt vorgenommen werden. Ob ein Verurteilter zur Zeit der Tat noch nicht 14 Jahre alt war, wird aus dem Strafregister in der Regel nur dann ersehen wer­ den können, wenn auch die Verurteilung erfolgte, bevor er das 14. Lebensjahr vollendet hatte. Wegen der großen Bedeutung der Tilgung eines Strafvermerks, die nach §- 5 des Gesetzes über beschränkte Auskunft aus dem. Strafregister und die Tilgung von Strafver­ merken vom 9. April 1920 insbesondere auch einer Ver­ urteilung die rückfallbegründete »Kraft entzieht, haben die Strafregisterbehörden zum mindesten in den Fällen, in denen ein Verurteilter zur Zeit der Verurteilung noch nicht 15 Jahre alt war, sein Alter zur Zeit der Tat durch Anfrage bei dem Gericht festzustellen, durch das die Verurteilung erfolgte.

4. Bayerische Bekanntmachung vom 8. August 1924

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Zu § 48. Von der Einführung einer Gebühr für die Anordnung einer Erziehungsmassnahme sieht das Gesetz ab. Zu § 51 Nr. I. Bis zum Inkrafttreten des Reichsgesetzes für Jugend­ wohlfahrt verbleibt es „für die Jugendgerichtshilfe bei der bewährten bestehenden Regelung. Bis dahin werden die Justizbehörden ermächtigt, Vereinigungen, die sich mit der Jugendfürsorge beschäftigen, die durch das Jugendgerichtsgesetz den Jugendämtern eingeräumten Rechte zuzugestehen, soweit die Vereinigungen G-ewähr für sachgemäße Ausübung bieten. Für die Auswahl der Jugendschöffen sind bis zum Inkrafttreten des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt, soweit sich in den Jugendgerichtsbezirken geeignete Ver­ einigungen für Jugendfürsorge befinden, von ihnen Vorschläge einzufordern. Stehen geeignete Vereini­ gungen nicht zur Verfügung oder reichen sie keine Vor­ schläge ein, so hat der nach § 40 GVG. gebildete Aus­ schuß die Jugendschöffen nach völlig freiem Ermessen aus der Urliste auszuwählen. Die Voraussetzungen der Fürsorgeerziehung bemessen sich bis zum Inkrafttreten des Reichjsgesetzes für Jugend­ wohlfahrt ebenso wie ihre Ausführung nach dem baye­ rischen Fürsorgeerziehungsgesetz.

4. Bayerische Bekanntmachung des Staatsmini­ steriums der Justiz, die Bildung

der Jugend­

gerichte betr. vom 8. August 1924. (JMBl. S. 102). 1. Die Vollzugsvorschriften Lum Jugendgerichtsgejetz vom 7. Mai 1923 (JMBl. S. 21) werden folgender­ maßen geändert: a) Ein großes Jugendgericht ist hei den Amtsgerichten Freising, Ludwigshafen, Speyer, Neustadt a. §., Lands­ berg und Ingolstadt für deren Bezirk, bei dem Amts-

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AuSführuugSbestlmmrmgeu Preußens und Bayer««

gerichte Weilheim für den -Bezirk bet Amtsgerichte Weilheim und Garmisch, bei dem Amtsgerichte Starn­ berg, aber mit dem Sitze in München und mit der Be­ zeichnung „Großes Jugendgericht München-Land" für die übrigen Amtsgerichtsbezirke des Landgerichts Mün­ chen II, bei dem Amtsgerichte Rosenheim für den Be­ zirk der Amtsgerichte Rosenheim, Aibling, Wasserburg a. I. und Prien, bei dem Amtsgerichte Pirmasens für den Bezirk der Amtsgerichte Pirmasens, Dahn und Waldfischbach, bei dem Amtsgerichte Kronach für den Bezirk der Amtsgerichte Kronach, Ludwigsstadt, Nord­ halben und Weismain, bei dem Amtsgericht Erlangen für den Bezirk der Amtsgerichte Erlangen und Her­ zogenaurach, bei dem Amtsgerichte Schwabach für den Bezirk der Amtsgerichte Schwabach, Roth und Hilpolt­ stein, im übrigen bei den Amtsgerichten am Sitze der Landgerichte für den Landgerichtsbezirk zu errichten. b) Bei den Amtsgerichten, bei denen auch ein Schöffengericht für Erwachsene gebildet ist, ist von der Wahl besonderer Jugendschöffen abzusehen, wenn vor­ aussichtlich das Jugendgericht weniger als zehn Sitzun­ gen im Jahr abhalten wird. Bei den übrigen Amtsgerichten wird es sich, wenn die Zahl der Hauptverhandlungen in Jugendsachen ge­ ring ist, empfehlen, als Jugendschöffen tunlichst Per­ sonen auszuwählen, die am Sitze des Amtsgerichts oder in seiner näheren Umgebung oder an einem Orte woh­ nen, der gute Verkehrsverbindung mit dem Sitze des Amtsgerichts hat. 2. Die Vorschriften unter 1 a) treten am 1. Januar 1925, die unter 1 b) sofort in Kraft.

1. Dienst- und VoL-rrg-ord. f. d. Gefaugenaustaltea in Preutzen 96 III.

Strafvollzugsvorschriften Preußens und Bayerns

1. Dienst- und BollzugSordnnng für die Gesan­ genanstalten der Justizverwaltung in Preutzen vom IS. August 1923. p. Behandlung Jugendlicher und im Leben-aller ihnen.nahestehender Gefangenen. §§ 143-147.

8 143. (!) Gefangene, die das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet haben (Jugendliche), sind von erwachse­ nen Gefangenen derart getrennt zu chatten, daß jeder Verkehr ausgeschlossen bleibt. (*2) Zur Verbüßung von Strafen, jedenfalls solcher von einem Monat und mehr, sollen Jugendliche in be­ sonderen Anstalten*) oder Abteilungen?) mit eigener Haus­ ordnung untergebracht werden. Bei der Auswahl der Beamten für diese Anstalten und Abteilungen ist auf ihre Eignung zur Behandlung Jugendlicher besonderer Wert zu legen. Die Gefangenen können mit Genehmi­ gung der Aufsichtsbehörde bis zum vollendeten einund­ zwanzigsten Lebensjahre und, falls der dann noch zu Verbüßtende Strafrest drei 'Monate nicht übersteigt, bis zur Verbüßung dieses Strafrestes in den Jugend-anstal­ ten oder -Abteilungen behalten werden. Anderenfalls *) Bes. Jugendgesängnisse für männliche Jugend­ liche und Minderjährige (von 18—21 Jahren) bestehen in Wohlau i. Schlesien und in Wittlich a .d. Mosel; für w e i b l. gibt es bes. Anstalten nicht. 2) Bes. Abteilungen für männliche Jugendl. be­ stehen in Berlin-Plötzensee, Wehlau i. Ostpreußen, Gif­ horn i. Hannover, Bochum, Werl, Lüttringhausen, Freiendiez und Glückstadt; für weibl. Jugendl. und Minderjährige in Delitzsch, Jauer, Allenstein (vgl. Francke im Z.Bl. XVII 166).

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Strafvollzug-vorschriften Preußens und Bayern-

sind sie in ein Gefängnis oder eine Abteilung für er­ wachsene Gefangene zu versetzen. (3) Bei den in Abs. 2 erwähnten Anstalten und Ab­ teilungen wird ein Anstaltsbeamter durch die Aufsichts­ behörde zum Fürsorger bestellt, sofern nicht ein solcher hauptamtlich angestellt ist. Diesem Fürsorger liegt in erster Linie die Fürsorge für die Gefangenen nach der Entlassung ob. (4) Ist bei Jugendanstalten oder -Abteilungen ein Anstaltsbeirat gebildet, so soll ein Mitglied dem Ju­ gendamt angehören oder auf seinen Vorschlag ernannt werden. Bor der Auswahl der übrigen Mitglieder soll das Jugendamt gehört werden. Dem Beirat soll min­ destens eine Frau angehören. Wird an einem Jugend­ lichen eine Strafe in einer anderen Anstalt vollstrecht, so übt das Jugendamt die Rechte und Pflichten des Beirats aus und zwar auch dann, wenn ein Beirat für diese Anstalt nicht gebildet ist. § 144. Ein Jugendlicher darf nur mit Zustimmung des Anstaltsarztes länger als drei Monate in Einzelhaft oder Zellenhaft gehalten werden. In der Gemein­ schaftshaft ist dafür zu sorgen, daß die Gefangener nicht sittlich gefährdet werden. 8 145. C1) Bei Jugendlichen hat die Boll­ streckungsbehörde der Anstalt, und zwar tunlich schon mit dem Annahmeersuchen, die Akten, eine Urteils­ abschrift oder einen Auszug aus den Akten oder aus dem Urteil zu übersenden. (2) Im Strafvollzug gegen Jugendliche ist ihre Er­ ziehung und Fortbildung zu fördern. Sie sind sämtlich zum Unterricht heranzuziehen (vgl. § 120 Abs. 4). (3) Bei Jugendlichen, die eine längere Freiheitsstrafe verbüßen, ist während der Strafverbüßung die Erler­ nung eines Handwerks oder eines sonstigen Berufs an­ zustreben. befangenen, die bereits einem Beruf ange­ hören oder sich einem bestimmten Berufe widmen wollen, ist theoretische und praktische Ausbildung, soweit mög­ lich, zu vermitteln. Bei der Einrichtung der Arbeits­ betriebe, bei der Auswahl der darin beschäftigten Be­ amten und bei der Zuweisung der einzelnen Gefangenen

1. Dienst- tt. Bollzngsord. f. d. Gefangeneuanstalte» in Preußen 97

in die Arbeitsbetriebe ist hierauf besondere Rücksicht zu nehmen. (4) Tie Jugendlichen sollen möglichst viel mit Ar-' beiten im Freien, insbesondere mit gärtnerischen und landwirtschaftlichen Arbeiten, beschäftigt werden. Diese Beschäftigung soll, auch wenn sie auf mehrere Tage der Woche verteilt 'wird, insgesamt mindestens einen vollen Arbeitstag für jede Woche ausmachen. (5) Die tägliche Arbeitszeit beträgt nicht mehr als acht Stunden. Sie ist durch mindestens zwei längere Erholungspausen zu unterbrechen.

8 146. C1) Die tägliche Erholungszeit soll mindestens vier Stunden betragen. Davon sind zweimal täglich je eine Stunde auf die Bewegung im Freien (§ 111) zu verwenden. Hierbei sind unter Leitung eines geeigneten Beamten auch Turnübungen (Freiübungen, Geräteturnen, Turnspiele) vorzunehmen. In den An­ stalten und Abteilungen für Jugendliche ist Turnunter­ richt einzurichten. (2) Jugendliche dürfen in der Regel alle vier Wochen einen Besuch empfangen und alle Lwei Wochen einen Brief empfangen und absenden. Äer Borsteher kann häufigere Besuche und Briefe zulassen. Die Bestim­ mungen des § 112 Abs. 2 Satz 2 und des § 113 Abs. 6 bleiben unberührt. (3) Es können auch solche Schriftstücke zurückgehalten werden, deren Aushändigung oder Absendung dem Zwecke der Erziehung widersprechen würde. 8 147. P) Gefangene im Alter yon achtzehn bis einundzwanzig Jahren mit Strafen von sechs Monaten und mehr werden tunlich in eigens für sie eingerichteten Anstalten^) oder Abteilungen2) mit besonderer Hausor?)nung verwahrt. Die Bestimmungen des § 145 Abs. 1 bis 4 und § 146 gelten auch für die in dieser Weise untovgebrachten Gefangenen. 1) S. 8 143 N. 1. 2) Solche bestehen für männl. Gefangene in Ber­ lin-Plötzensee, Gollnow, Frankfurt-Preungesheim und Neumünster; für Weib l. s. 8 143 N. 2. Messerer, ZttgendgerichtSgesey

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Strafvollzug-vorschriften Preußen- und Bayern-

(2) Nimmt das Urteil, das gemäß § 145 Abs. 1 über­ sandt wird, auf den Eröffnungsbeschluß Bezug, so ist eine Abschrift des Eröffnungsbeschlusses und, sofern da­ rin auf die Anklageschrift verwiesen ist, auch eine Ab­ schrift der Anklageschrift beizufügen.

2. Dienst- und BollzugSorduung für die bayerischen Strafanstalten und GerichtSgesLngniffe vom 15. März 1924 (GBBl. S. 85). 1. Abschnitt. Anstalten. § 3. i . . . 2 Für Jugendliche sind, soweit nicht eine besondere Gefangenenanstalt zur Strafvollstreckung gegen Jugend­ liche bestimmt ist, nach Bedarf besondere Abteilungen einzurichten. 3 Für Minderjährige, die über 18 Jahre alt sind und eine Gefängnisstrafe verbüßen, . . . werden nach Be­ darf besondere Abteilungen eingerichtet.

9. Abschnitt. Besondere Vorschriften für Jugend­ liche, Minderjährige und geistig Minderwertige. I. Jugendliche und Minderjährige. § 187. i Gefangene, die noch nicht achtzehn Jahre alt sind, und erwachsene Gefangene find vollständig ge­ trennt zu halten. 2 Freiheitsstrafen von einem Monat oder mehr wer­ den in besonderen, ausschließlich für Jugendliche be­ stimmten Anstalten oder Abteilungen vollstreckt. In einer solchen Anstalt oder Abteilung kann ein Jugend­ licher mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde bis zur Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres belassen werden. § 188. In den Beirat für Anstalten, die für Jugend­ liche oder Minderjährige bestimmt sind, soll mindestens eine Frau ausgenommen werden. § 189. Ob ein Jugendlicher in Einzelhaft oder in Zettenhaft zu halten ist, bestimmt der Vorstand. Länger als drei Monate darf ein Jugendlicher nur mit Zu-

2. Dienst- rr. DollzugSordnung für die bayerischen Strafanstalten 99

stimmung des Anstaltsarztes in Einzelhaft oder in Zellenhaft gehalten werden. § 190. Jugendlichen darf -er Genuß von Tabak und von geistigen Getränken nicht gestattet werden. § 191. i Der Strafvollzug gegen einen Jugendlichen ist so zu bewirken, daß seine Erziehung gefördert wird. 2 Bei Jugendlichen, die eine' längere Freiheitsstrafe verbüßen, ist während der Strafverbüßung die Erler­ nung .eines Handwerks od-er eines sonstigen Berufs anzustreben. Hierauf ist bei der Einrichtung der Arbeitsbetriebe, bei der Auswahl der darin beschäf­ tigten Beamten und bei der Zuweisung der einzelnen Gefangenen in die Arbeitsbetriebe besondere Rücksicht zu nehmen. § 192. *Die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen beträgt nicht mehr als acht Stunden. Sie ist Hurch mindestens zwei längere Erholungszeiten zu unter­ brechen. 2 Jugendliche sollen möglichst viel mit Arbeiten im Freien, besonders mit gärtnerischen und landwirtschaft­ lichen Arbeiten, beschäftigt werden. Die Beschäftigung soll in der Regel, auch wenn sie auf mehrere Tage der Woche verteilt wird, insgesamt mindestens einen vollen Arbeitstag für jede Woche ausmachen. s Das Tagwerk ist für Jugendliche geringer zu be­ messen als für Erwachsene. § 193. *Die tägliche Erholungszeit für Jugendliche soll tunlichst mindestens vier Stunden betragen. Davon sollen tunlichst zwei Stunden auf die Bewegung im Freien entfallen. 2 Während der Bewegung im Freien sollen die Jugendlichen tunlichst zu körperlichen Übungen (Frei­ übungen, Turnübungen und Turnspielen) angehalten werden. In den für Jugendliche bestimmten Anstalten ist ein Turnunterricht einzurichten. 3 Der Unterricht ist ähnlich zu gestalten wie der Unterricht in der Fortbildungsschule. Auch Gesang und Handfertigkeiten sind zu pflegen. § 194. i Jugendliche dürfen in der Regel alle zwei Wochen einen Besuch empfangen; der Vorstand kann

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StrafvollzugSvorschrtften Preußen- uud Bayerns

häufigere Besuche zulassen. Die Vorschrift des A 129 bleibt unberührt. 2 Jugendliche dürfen in der Regel alle zwei Wochen einen Brief empfangen und einen Brief absenden. Der Vorstand kann häufigeren Briefverkehr zulassen. Die Vorschriften des § 132 bleiben unberührt. 3 Bei Jugendlichen können auch solche Schriftstücke zurückgehalten werden, deren Aushändigung oder Ab­ sendung dem Zwecke der Erziehung widersprechen würde. § 195. iZur Vollstreckung von Gefängnisstrafen von mindestens sechs Monaten gegen Minderjährige, die schon achtzehn Jahre alt sind, werden nach Bedarf und Möglichkeit durch Anordnung der Oberaufsichtsbehörde Abteilungen errichtet, die nur für solche Gefangene bestimmt sind. 2 Hat der Minderjährige in den letzten fünf Jahren bereits mehrere Freiheitsstrafen oder eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahre verbüßt, so entscheidet die .Strafvollstreckungsbehörde, ob die neue Strafe in einer solchen Abteilung für Minderjährige vollstreckt werden soll. 3 Für den Strafvollzug gegen Minderjährige, die über achtzehn Jahre alt sind, in den für solche Ge­ fangene bestimmten besonderen Abteilungen gelten die Vorschriften über den Strafvollzug gegen Jugendliche mit Ausnahme des § 192 Ad^ 1 und 3 entsprechend.

3. Bekanntmachung über den Einweisuugsplan für die bayerische« Strafanstalten vnd GerichtSgesSn-niffe vom 21. März 1924 (JMBl. S. 8) in der Fassung der Bek. v. 25. Juli 1924 (JMBl. S. 101) und der Bek. v. 7. Jan. 1925 (JMBl. S. 8). § 1.

Die Zuchthausstrafen werden in den Zuchthäusern, die Gefängnisstrafen, wenn der erwachsene Verur­ teilte mehr als drei Monate, der jugendliche Verurteilte einen Monat oder mehr im Gefängnisse zu verbleiben hat, in den Gefangenenanstalten, wenn der Verurteilte nicht mehr als acht Tage im Gefängnisse zu verbleiben

3. Bayer. Bekanntmachung über den Einweisungsplan

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hat, in den Amtsgerichtsgefängnissen, im übrigen in den Landgerichtsgefängnissen, die Festungsstrafen in den Festungshaftanstalten, die Haftstrafen in den Amtsgerichtsgefängnissen voll­ streckt. § 15. Wird ein Minderjähriger in eine Anstalt für Erwach­ sene übergeführt (§ 21 Nr. 1 und 3), so ist für die Bestimmung dieser Anstalt der Zeitpunkt der Überfüh­ rung maßgebend. K 21. 1. In die Abteilungen für Minderjährige werden zu Gefängnisstrafe Verurteilte eingewiesen, die das 18., noch nicht aber das 21. Lebensjahr vollendet und min­ destens 6 Monate in einer solchen Abteilung zu verblei­ ben haben („Minderjährige"), soferne nicht die Strafvoll­ streckungsbehörde von der Einweisung absieht, weil der Minderjährige in den letzten 5 Jahren bereits mehrere Freiheitsstrafen oder eine Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahre verbüßt hat (§ 195 Abs. 2 DVO. für die bayer. Strafanstalten und Gerichtsgefängnisse). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Minderjähriger, der in den letzten 5 Jahren bereits mehrere Freiheits­ strafen oder eine Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahre verbüßt hat, in eine Abteilung für Minderjährige ein­ gewiesen werden soll oder nicht, hat die Strafvollstrekkungsbehörde vornehmlich zu erwägen, ob die Erzie­ hungsarbeit, die gerade beim Strafvollzug gegen Ju­ gendliche und Minderjährige im Vordergründe stehen mu.ß, bei dem in Frage kommenden Verurteilten nach seinem Vorleben und seinem Gefamtverhalten noch Er­ folg verspricht und ob nicht etwa zu befürchten ist, daß er auf Mitgefangene einen verderblichen, die Erziehungs­ arbeit gefährdenden Einfluß üben wird. In der Regel soll die Einweisung nur erfolgen, wenn anzunehmen ist, daß der Zweck, der mit der Errichtung solcher Abteilun­ gen verfolgt wird, bei dem Verurteilten voraussichtlich. erreicht werden kann. Von den männlichen Minderjährigen, die hiernach in eine Abteilung für Minderjährige eingewiesen werden, sind einzuweisen:

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Strafvollzug-vorschriften Preußens und Bayerns

in die Abteilung für Minderjährige bei der Gefange­ nenanstalt Lands berg die in dem Bezirke des Ober­ landesgerichts München Verurteilten, die wegen einer durch die Prefse verübten strafbaren Handlung verurteilt wurden oder gegen die bisher eine Freiheitsstrafe wegen eines Verbrechens oder Vergehens noch nicht vollstreckt worden ist, in die Abteilung für Minderjährige bei der Ge­ fangenenanstalt Nürnberg die in den Bezirken der Oberlandesgerichte Augsburg, Nürnberg und Bamberg Verurteilten, die wegen einer durch die Presse verübten strafbaren Handlung verurteilt wurden oder gegen die bisher eine Freiheitsstrafe wegen eines Verbrechens oder Vergehens noch nicht vollstreckt worden ist. in die Abteilung für Minderjährige bei der Gefange­ nenanstalt N i e d e r s ch ö n e n f e l d die übrigen im rechts­ rheinischen Bayern Verurteilten, in die Abteilung für Minderjährige bei der Gefange­ nenanstalt Zweibrücken die in der Pfalz Verurteilten, Freiheitsstrafen wegen eines Verbrechens oder Ver­ gehens, deren Vermerk im Strafregister getilgt worden ist, gelten nicht als vollstreckte Strafen im Sinne dieser Vorschriften. 2. Bon den männlichen Jugendlich>en, die eine Gefäng­ nisstrafe in einer Gefangenenanstalt zu verbüßen habens sind einzuweisen: in die Gefangenenanstalt Niederschönenfeld die in den Landesteilen rechts des Rheins Verurteilten, in die Abteilung für Jugendliche bei der Gefangenen­ anstalt Zweibrücken die in der Pfalz Verurteilten. 3. Vollendet ein Jugendlicher das 18. Lebensjahr, so wird er in die Abteilung für Minderjährige bei der gleichen Anstalt, vollendet ein Minderjähriger das 21. Lebensjahr, so wird er, wenn der Strafrest nock mindestens drei Monate beträgt, in die nach § 15 zustän­ dige Anstalt für Erwachsene übergesührt. § 22. Die in den Bezirken der Landgerichte München II, Traunstein, Passau, Deggendorf, Landshut, Straubing Amberg und Regensburg verurteilten Frauen des katho-

Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt

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lischen Bekenntnisses, die eine Gefängnisstrafe in einer Gefangenenanstalt für Erwachsene zu erstehen habell und nach ihrer körperlichen und geistigen Beschaffenheit zu Außenarbeiten verwendet werden können, sind in die Abteilung für weibliche Gefängnissträflinge bei der Ge­ fangenenanstalt Laufen, alle übrigen erwachsenen. Frauen in die Gefangenenanstalt Aichach, die weib­ lichen Minderjährigen in die Abteilung für Minder­ jährige und die weiblichen Jugendlichen in die Abtei­ lung für Jugendliche bei der Gefangenenanstalt Aichach einzuweisen. IV.

1. Reichsgeseh sürJugeudwohlsahrt vom S. Juli 1922. (RGBl. I S. 633)

in der Fassung der VO. vom 14. Februar 1924 (RGBl.I S. 110). Abschnitt I Allgemeines. 8 1.-Jedes deutsche Kind hat ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit. Das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Gegen den Wil­ len des Erziehungsberechtigten ist ein Eingreifen nur zulässig, wenn ein Gesetz es erlaubt. Insoweit der Anspruch des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt wird, tritt, unbeschadet der Mitarbeit freiwilliger Tätigkeit, öffentliche Jugendhilfe ein. 8 2. Organe der öffentlichen Jugendhilfe sind die Jugendwohlfahrtsbrhörd-en (Jugendämter, Landesjugend­ ämter, Reichsjugendamt), soweit nicht gesetzlich die Zuständigkeit anderer öffentlicher Körperschaften oder Einrichtungen, insbesondere der Schule, gegeben ist. Die öffentliche Jugendhilfe umfaßt alle behördlichen Maßnahmen zur Förderung der Jugendwohlfahrt (Ju­ gendpflege und- Jugendfürsorge) und regelt sich, unbe­ schadet der bestehenden Gesetze, nach den folgenden Vor­ schriften.

Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt

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lischen Bekenntnisses, die eine Gefängnisstrafe in einer Gefangenenanstalt für Erwachsene zu erstehen habell und nach ihrer körperlichen und geistigen Beschaffenheit zu Außenarbeiten verwendet werden können, sind in die Abteilung für weibliche Gefängnissträflinge bei der Ge­ fangenenanstalt Laufen, alle übrigen erwachsenen. Frauen in die Gefangenenanstalt Aichach, die weib­ lichen Minderjährigen in die Abteilung für Minder­ jährige und die weiblichen Jugendlichen in die Abtei­ lung für Jugendliche bei der Gefangenenanstalt Aichach einzuweisen. IV.

1. Reichsgeseh sürJugeudwohlsahrt vom S. Juli 1922. (RGBl. I S. 633)

in der Fassung der VO. vom 14. Februar 1924 (RGBl.I S. 110). Abschnitt I Allgemeines. 8 1.-Jedes deutsche Kind hat ein Recht auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit. Das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Gegen den Wil­ len des Erziehungsberechtigten ist ein Eingreifen nur zulässig, wenn ein Gesetz es erlaubt. Insoweit der Anspruch des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt wird, tritt, unbeschadet der Mitarbeit freiwilliger Tätigkeit, öffentliche Jugendhilfe ein. 8 2. Organe der öffentlichen Jugendhilfe sind die Jugendwohlfahrtsbrhörd-en (Jugendämter, Landesjugend­ ämter, Reichsjugendamt), soweit nicht gesetzlich die Zuständigkeit anderer öffentlicher Körperschaften oder Einrichtungen, insbesondere der Schule, gegeben ist. Die öffentliche Jugendhilfe umfaßt alle behördlichen Maßnahmen zur Förderung der Jugendwohlfahrt (Ju­ gendpflege und- Jugendfürsorge) und regelt sich, unbe­ schadet der bestehenden Gesetze, nach den folgenden Vor­ schriften.

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RetchSgesetz für Iugendwohlfahrt

Abschnitt II

Jngendwohlsahrtsbehörden. 1. Jugendamt. a) Zuständigkeit.

8 3 Aufgaben des Jugendamts find: 1. der Schutz der Pflegekinder gemäß §§ 19 bis 31; 2. die Mitwirkung im Vormündschaftswesen, insbeson­ dere die Tätigkeit des Gemeindewaisenrats, gemäß §§ 32 bis 48;

3. die Fürsorge für hilfsbedürftige Minderjährige qemäss §§49 bis 55;l) 4. die Mitwirkung bei der Schutzaufsicht und der Für­ sorgeerziehung gemäß §§ 56 bis 76; 5. die Jugendgerichtshilfe gemäß reichsgesetzlicher Re­ gelung; 6. die Mitwirkung bei der Beaufsichtigung der Arbeit von Kindern und jugendlichen Arbeitern nach nähe­ rer landesrechtlicher Vorschrift; 7. die Mitwirkung bei der Fürsorge für .Kriegerwaisen und.Kinder von Kriegsbeschädigten; 8. die Mitwirkung in der Jugendhilfe bei den Polizei­ behörden, insbesondere bei der Unterbringung zur vorbeugenden Verwahrung, gemäß näherer landes­ rechtlicher Vorschrift.2) 8 4*3) Aufgabe des Jugendamts ist ferner, Einrich­ tungen und Veranstaltungen anzuregen, zu fördern und gegebenenfalls zu schaffen für: 1. Beratung in Angelegenheiten der Jugendlichen; 2. Mutterschutz vor und nach der Geburt; 3. Wohlfahrt der Säuglinge; !) Aufgehoben durch VO. v. 14. Februar 1924 Art. 2. 2) Die oberste Landesbehörde kann von der Durch­ führung der Aufgaben des § 3 Nr. 5—8 befreien (VO. vöm 14. Februar 1924 Art. 1 Ziff. 3). 3) Eine Verpflichtung zur Durchführung der im § 4 bezeichneten Aufgaben besteht nicht (VO. vom 14. Febr. 1924 Art. 1 Ziff. 4).

IugendwohlfahrtSbebörden

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4. Wohlfahrt der Kleinkinder; 5. Wohlfahrt der im schulpflichtigen Alter stehenden Jugend außerhalb des Unterrichts; 6. Wohlfahrt der schulentlassenen Jugend. Das Nähere kann durch die oberste Landesbehörde be­ stimmt werden. § 5. Die Behörden des Reichs, der Länder, der Selbstverwaltungskörper und die Jugendämter haben sich gegenseitig und die Jugendämter einander zur Er­ füllung der Aufgaben der Jugendwohlfahrt Beistand zu leisten. tz 6. Das Jugendamt hat die freiwillige Tätigkeit zur Förderung der Jugendwohlfahrt unter Wahrung ihrer Selbständigkeit und ihres satzungsgemäßen Cha­ rakters zu unterstützen, anzuregen und zur Mitarbeit heranzuziehen, um mit ihr zum Zwecke eines planvollen Jneinandergreifens aller Organe und Einrichtungen der öffentlichen und privaten Jugendhilfe und der Ju­ gendbewegung zusammenzuwirken.

8 7. Das Jugendamt ist zuständig für alle Minder­ jährigen, die in seinem Bezirk ihren gewöhnlichen Auf­ enthaltsort haben. Für vorläufige Maßnahmen ist das Jugendamt zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der öffentlichen Jugendhilfe hervortritt. Streitigkeiten über die Zuständigkeit werden durch die oberste Landesbehörde und, wenn die Jugendämter, verschiedenen Ländern angehören, durch das Reichsver­ waltungsgericht entschieden. b) Aufbau und Verfahren.*)

8 8. Jugendämter sind als Einrichtungen von Ge­ meinden oder Gemeindeverbänden für das Gebiet des *) Die oberste Landesbehörde kann den Gemeinden oder Gemeindeverbänden (§ 8) die Befugnis erteilen, statt der Einrichtung von Jugendämtern nach den §§9 und 10 die dem Jugendamt obliegenden Aufgaben einer anderen nach Maßgabe des Gemeindeverfassungsrechts gebildeten Amtsstelle der Selbstverwaltung oder einer

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Reichsgesetz für Jugeudwohlfahrt

Deutschen Reichs zu errichten. Die oberste Landesbehörde bestimmt die Abgrenzung der Bezirke, für welche die Jugendämter zuständig sind.

8 9 Zusammensetzung, Verfassung und Verfahren des Jugendamts wird auf Grund landesrechtlicher Vorschrif­ ten durch eine Satzung des zuständigen Selbstverwal­ tungskörpers geregelt. Als stimmberechtigte Mitglieder des Jugendamts sind neben den leitenden Beamten in der Jugendwohlfahrt erfahrene und bewährte Männer und Frauen aller Be­ völkerungskreise, insbesondere aus den im Bezirk des Jugendamts wirkenden freien Vereinigungen für Ju­ gendwohlfahrt und Jugendbewegung auf deren Vorschlag, zu berufen. Diese Bereinigungen haben Anspruch auf zwei Fünftel der Zahl der nichtbeamteten Mitglieder. In das Jugendamt sollen hauptamtlich in der Regel nur Personen berufen werden, die eine für die Be­ tätigung in der Jugendwohlfahrt hinreichende Aus­ bildung besitzen, die insbesondere durch eine mindestens einjährige praktische Arbeit in der Jugendwohlfahrt erworben ist. Das Vormundschaftsgericht ist zur Teilnahme an den Sitzungen des Jugendamts berechtigt und hat in ihnen beratende Stimme. 8 10* Sofern für den Bezirk einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes ein Wohlfahrtsamt oder eine .andere der Wohlfahrtspflege dienende geeignete Einrich­ tung der staatlichen oder der Selbstverwaltung besteht, können ihr nach näherer Maßgabe der Landesgesetzgebung durch die oberste Landesbehörde oder eine Satzung des zuständigen Selbstverwaltungskörpers die Aufgaben des anderen geeigneten Amtsstelle zu übertragen, die erfor­ derlichenfalls eine auf die Jugendwohlfahrt hinweisende Zusatzbezeichnung zu führen haben. Hierbei ist den im Bezirk der Amtsstelle wirkenden freien Vereinigungen für Jugendwohlfahrt und Jugendbewegung eine den Bestimmungen des § 9 Abs. 2 entsprechende Mitwir­ kung innerhalb der Amtsstelle durch die Satzung zu ge­ währleisten (VO. vom 14. Februar 1924 Art. 1 Ziff. 1).

JvgendwohlfahrtSbehörde«

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Jugendamts übertragen werden unter der Voraussetzung, daß die Einrichtung den Vorschriften des §. 9 entspricht. Besteht für einen Bezirk ein Gesundheitsamt oder eine entsprechende Behörde, so können dieser die gesundheit­ lichen Aufgaben übertragen werden. In diesem Falle müssen die Behörden im Einvernehmen Wit dem Jugend­ amte vorgehen.

8 11. Das Jugendamt kann die Erledigung einzelner Geschäfte oder Gruppen von Geschäften besonderen Aus­ schüssen, in welche auch andere Personen als seine Mit­ glieder berufen werden, sowie Bereinigungen für Ju­ gendhilfe und- für Jugendbewegung oder einzelnen in der Jugendwohlfahrt erfahrenen und bewährten Män­ nern und Frauen widerruflich übertragen. Das Nähere regelt die Reichsregierung entsprechend- dem § 15 oder die oberste Landesbehörde. Die/ Verpflichtung des Jugendamts, füx die sachgemäße Erledigung der ihm ob­ liegenden Aufgaben Sorge zu tragen, wird hierdurch nicht berührt. 2. Landesjugendamt.^) 8 12. Zur Sicherung einer gleichmäßigen Erfüllung der den Jugendämtern obliegenden Aufgaben und zur Unterstützung ihrer Arbeit sind Landesjugendämter zu errichten. Kleinere Länder können ein gemeinsames Landes­ jugendamt errichten. Die Jugendämter eines Landes oder eines Landesteils können dem Landesjugendamt eines anderen Landes angeschlossen werden. Auch kann für Jugendämter verschiedener Länder oder Landes­ teile ein Landesjugendamt errichtet werden. 8 13'. Dem Landesjugendamte liegen ob: 1. die Aufstellung gemeinsamer Richtlinien und dir sonstigen geeigneten Maßnahmen für die zweck­ entsprechende und einheitliche Tätigkeit der Ju gendämter seines Bezirkes-

x) Die Durchführung der §§ 12—14 ist dem Ermessen der Länder überlassen (VO. vom 14. Febr. 1924 Art. 1

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RelchSgtsetz für'Iugendwoylfahrt

2. die Beratung der Jugendämter und die Vermitt­ lung der Erfahrungen auf dem Gebiete der Jugend­ wohlfahrts 3. die Schaffung gemeinsamer Veranstaltungen und Einrichtungen für die beteiligten Jugendämter; 4. die Mitwirkung bei der Unterbringung Minder­ jähriger; 5. die Zusammenfassung aller Veranstaltungen und Einrichtungen, die sich auf die Fürsorge für ge­ fährdete und verwahrloste Minderjährige beziehen: 6. die Mitwirkung bei der Fürsorgeerziehung gemäß § 71: 7. die Vermittlung von Anregungen für die freiwil­ lige Tätigkeit sowie die Förderung der freien Ver­ einigungen auf allen Gebieten der Jugendwohl­ fahrt und ihres planmäßigen Zusammenarbeitens untereinander und mit den Jugendämtern im Be­ reiche des Landesjugendamts; 8. die Erteilung der Erlaubnis zur Annahme von Pflegekindern durch Anstalten sowie die Aufsicht über Anstalten gemäß § 29. Weitere Aufgaben können dem Landesjugendamte durch die oberste Landesbehörde übertragen werden. 8 14. Zusammensetzung, Verfassung und Verfahret des Landesjugendamts sowie seine Stellung zu den Jugendämtern werden landesrechtlich geregelt. Im übri­ gen gelten § 9 Abs. 1 und 2 und § 10 Abs. 1 entspre­ chend mit der Maßgabe, daß in das Landesjugendamt insbesondere Vertreter von Jugendämtern und Justiz­ behörden zu berufen sind.

3. ReichSjugendLml.i)

8 15* Zur Sicherung einer tunlichst gleichmäßigen Erfüllung der Aufgaben der Jugendämter kann die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats Aus­ führungsvorschriften erlassen. !) „Die §§ 16 und 17 über das Reichsjugendamt treten nicht in Kraft" (VO. vom 14. Febr. 1924, Art. 1 Ziff. 2).

Schutz der Pflegekinder

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4. Beschwerde. 8 18. Tas Beschwerderecht gegen Entscheidungen des Jugendamts und des Landesjugendamts regelt sich nach Landesrecht. Bei Rechtsbeschwerden aus diesem Gesetz- entscheidet im letzten Rechtszug das Reichsverwaltungsgericht. Das Nähere regelt die Reichsregierung mit Zustimmung des Reichsrats. Abschnitt III

Schutz der Pflegekinder. 1. Erlaubnis zur Annahme.

8 19. Pflegekinder sind Kinder unter 14 Jahren, die sich dauernd oder nur für einen Teil des Tages, jedoch regelmäßig, in fremder Pflege befinden, es sei denn, daß von vornherein feststeht, daß sie unentgeltlich in vorübergehende Bewahrung genommen werdend) 8 20. Wer ein Pflegekind aufnimmt, bedarf dazu der vorherigen "Erlaubnis des Jugendamts. In drin­ genden Fällen ist die nachträgliche Erlaubnis unver­ züglich zu bewirken. Wer mit einem solchen Kinde in den Bezirk eines Jugendamts zuzieht, hat die Erlaub­ nis zur Fortsetzung unverzüglich einzuholen. Steht von vornherein fest, daß ein,Kind unentgeltlich oder nicht gewerbsmäßig in vorübergehende Bewahrung genommen wird, so genügt die Anmeldung bei dem Jugendamte. 8 21. Die Bestimmungen dieses Abschnitts finden keine Anwendung, wenn eheliche Kinder bei Verwandten oder Verschwägerten bis zum dritten Grade verpflegt werden, es sei denn, daß diese Personen Kinder entgelt!) Die oberste Landesbehörde kann auf Antrag die Altersgrenze des § 19 herabsetzen. Die Herabsetzung ist nur zulässig, wenn die Durchführung des § 19 eine wesentliche Erweiterung bestehender Aufgaben bedeuten würde. (BO. vom 14. Febr. 1924 Art. 1 Ziff. 5.)

HO

Reichsgesetz für Zugendwohlfahrt

lief), gewerbsmäßig oder gewohnheitsmäßig in Pflege nehmen. Die Bestimmungen dieses Abschnitts finden ferner keine Anwendung auf Kinder, die aus Anlaß auswärti­ gen Schulbesuchs für einen Teil des Tages in Pflege genommen werden, sowie auf solche Kinder, die zum Zwecke des Schulbesuchs in auswärtigen Schulorten in Familien untergebracht sind, wenn diese von der Lei­ tung der Schule für geeignet erklärt und überwacht sind.

8 22. Die Voraussetzungen für die Erlaubnis, ihr Erlöschen und ihren Widerruf können nach § 15 oder durch die Landesjugendämter näher bestimmt werden. Die Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn das körperliche, geistige und sittliche Wohl des Kindes es erfordert. 8 23. Zuständig für die Erteilung und den Widerruf der Erlaubnis ist das Jugendamt, in dessen Bezirk die Pflegeperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2. Aufsicht.

8 24. Pflegekinder unterstehen der Aufsicht des Jugendamts. Das gleiche gilt für uneheliche Kinder, die sich bei der Mutter befinden. Die Aufsichtsbefugnisse, insbesondere soweit sie für das gesundheitliche und sittliche Gedeihen des Kindes erforderlich sind, werden nach § 15 oder durch die Lan­ desjugendämter geregelt. 8 25. Auf Grund voa Vorschriften nach § 15 oder von Richtlinien der Londesjugendämter können Pflege­ kinder durch Anordnung der Jugendämter von der Be­ aufsichtigung widerruflich befreit werden. Uneheliche Kinder sollen, so lange sie sich bei der Mutter befinden, von der Beaufsichtigung widerruflich befreit werden, wenn das Wohl des Kindes gesichert ist. Uneheliche Kinder, die gemäß § 1706 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs den Namen des Ehemanns der Mutter führen, können, so lange sie sich bei der Mutter und deren Ehemann in Pflege befinden, widerruflich von der Beaufsichtigung befreit werden. Das gleiche

Schutz der Pflegekinder

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gilt von Kindern, bie bei ihren Großeltern oder ihrem Vormund verpflegt werden. 8 26. Wer ein. gemäß § 24 Abs. 1 der Aufsicht unterstehendes Kind in Pflege hat, ist verpflichtet, dessen Aufnahme, Abgabe, Wohnungswechsel und Tod dem Jugendamt unverzüglich anzuzeigen. Die näheren Be­ stimmungen werden nach § 15 oder durch die Landes­ jugendämter getroffen. 3. Vorläufige Unterbringung.

8 27. Bei Gefahr im Verzüge fan.n das Jugendamt das Pflegekind sofort aus der Pflegestelle entfernen und vorläufig anderweit unterbringen. Das Jugendamt ist verpflichtet, das zuständige Bor­ mundschaftsgericht von der erfolgten Wegnahme unver­ züglich zu benachrichtigen. 4. Behördlich angeordnete Familienpflege, Anstalts- und Vereinspflege.

8 28. Bei Kindern, die von anderen reichs- oder landesgesetzlich zuständigen Behörden in Familienpflege untergebracht werden, steht die Erteilung der Erlaubnis und die Aufsicht diesen Behörden zu. Doch kann die Übertragung dieser Befugnisse von diesen Behörden auf das örtlich zuständige Jugendamt durch die zuständige Reichs- oder Landesbehörde angeordnet werden. 8 29. Die Landesjugendämter können Anstalten, die Kinder in Pflege nehmen, von der Anwendung der Be­ stimmungen der §§ 20 bis 23 widerruflich befreien. Die Befreiung kann nur versagt werden, wenn das Landesjugendamt Tatsachen feststem, die die Eignung einer Anstalt zur Aufnahme von Pflegekindern aus­ schließen. Die Bestimmungen der §§ 24 bis 26 finden mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle der Jugend­ ämter die Landesjugendämter treten und die Regelung der Aufsichtsbefugnisse der Landesgesetzgebung Vorbe­ halten bleibt. Das Landesjugendamt kann bestimmen, inwieweit die Vorschriften dieses Abschnittes auf Pflegekinder, die

unter der Aufsicht einer der Jugendwohlfahrt dienen­ den, von ihm für geeignet erklärten Bereinigung stehen, Anwendung finden. Landesrechtlich kann an Stelle der Landesjugend­ ämter die oberste Landesbehörde für zuständig erklärt werden. 5. StrafbeMmmuWen.

8 30. Wer ein Pflegekind ohne die vorgeschriebene Erlaubnis oder Anmeldung in Pflege nimmt oder nach Erlöschen oder Widerruf der Erlaubnis in Pflege behält oder wer den gemäß § 22 Abs. 1 erlassenen Vor­ schriften entgegenhandelt, wird mit Geldstrafe bis zu einhunderttausend Mark*) oder mit Haft oder mit Ge­ fängnis bis zu drei Monaten bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, der in den nach § 26 vorgeschriebenen Anzeigen wissentlich unrichtige Angaben macht oder die Leiche eines Pflegekindes oder unehelichen Kindes ohne die vorgeschriebene Anzeige beerdigt. Wer der in § 26 vorgeschriebenen Anzeigepflicht nicht nachkommt, wird mit Geldstrafe bis zu eintausendfünf­ hundert Mark2) oder mit Haft bestraft. Die Bestrafung tritt nur auf Antrag des Jugend­ amts ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. 6. Ermächtigung für die Landesgesetzgebung.

8 31. Die Befugnis der Landesgesetz-gebung, weitere Vorschriften zum Schutze der Kinder zu erlassen sowie Ausnahmen von den Vorschriften der §§ 20 bis 24 für die Unterbringung von .Kindern in ländlichen Bezirken zuzulassen, bleibt unberührt.

1) über 2) Über

Jetzt 10000 M. (§ 27 StGB., Art. XIV der BO. Vermögensstrafen und Bußen v. 6. Februar 1924). Jetzt 150 M. (§ 27 SWB., Art. XIV der BO. Vermögensstrafen und Bußen v. 6. Februar 1924).

Stellung des Jugendamts Im Dormundschaftswesen

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Abschnitt IV

Stellung des Jugendamts im Vormuudschastswesen; Anstalts- und Vereinsvormundschast. 1. AmtsvormnndschAft. a) Allgemeine Bestimmungen.

8 32. Das Jugendamt wirb Vormund in den durch die folgenden Bestimmungen vorgesehenen Fällen (Amts­ vormundschaft). Es kann die Ausübung der vormund­ schaftlichen Obliegenheiten einzelnen seiner Mitglieder oder Beamten übertragen. Im Umfang der Übertra­ gung .sind die Mitglieder und Beamten zur gesetzlichen Vertretung der Mündel befugt. 8 33. Auf die Amtsvormundschaft finden die Be­ stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches mit folgender Maßgabe Anwendung. Ein Gegenvormund wird nicht bestellt,- dem Amtsvormund stehen die nach. §§ 1852 bis 1854 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zulässigen Be­ freiungen zu. Bon der Anwendung ausgeschlossen sind die §§ 1788, 1801, 1835, 1836 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2, 1837 Abs. 2, 1838, 1844 und 1886. § 1805 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet mit der Maßgabe Anwendung, daß die Anlegung von, Mündelgeld gemäß §. 1807 des Bürgerlichen Gesetzbuch s auch bei der das Jugendamt errichtenden Körperschaft zulässig ist. Hat das Jugendamt Aufwendungen zum Zwecke der Führung der Vormundschaft gemacht, so sind ihm diese aus dem Vermögen des Mündels zu ersetzen. Allgemeine Verwaltungskosten werden nicht ersetzt. Der Amtsvormund hat auf das religiöse Bekenntnis oder die Weltanschauung des Mündels oder seiner Fa­ milie bei der Unterbringung Rücksicht zu nehmen.

8 34. Die Landesgesetzgebung kann bestimmen, daß weitere Vorschriften des ersten Titels des dritten Ab­ schnitts im vierten Buche des Bürgerlichen Gesetzbuchs, welche die Aufsicht des Vormundschaftsgerichts in ver­ mögensrechtlicher Hinsicht betreffen, gegenüber dem Messerer, Jugendgerichtsgesetz

8

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RetchSgesetz für Zugevdwoylfahrt

Amtsvormund außer Anwendung bleiben. Die Prüfung der Schlußrechnung und die Vermittlung ihrer Abnahme durch das Vormundschaftsgericht bleiben hiervon un­ berührt.

b) Gesetzliche Amtsvormu ndschaft.i)

§ 35. Mit der Geburt eines unehelichen Kindes er­ langt das Jugendamt des Geburtsorts die Vormund­ schaft. Bis zum Eingreifen des zuständigen Vormundschafts­ gerichts hat das Amtsgericht des Geburtsorts die er­ forderlichen vormundschaftsgerichtlichen Maßnahmen zu treffen. Auf uneheliche deutsche Kinder, die im Ausland geboren sind und im Deutschen Reiche ihren Aufent­ halt nehmen, finden, falls eine deutsche Vormundschaft noch nicht eingeleitet ist, die Bestimmungen von Abs. 1 mit der Maßgabe Anwendung, daß das nach § 7 dieses Gesetzes zuständige Jugendamt die Vormundschaft erlangt. 8 36. Der Standesbeamte hat die nach § 48 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17./20. Mai 1898 (Reichsgesetzblatt S. 189/771) dem Vormundschaftsgericht zu er­ stattende Anzeige über die Geburt eines unehelichen Kindes dem Jugendamt zu übersenden. Dieser Anzeige ist eine Mitteilung über das religiöse Bekenntnis anzu­ fügen. Das Jugendamt hat unter Weiterreichuna der Geburtsanzeige den Eintritt der Vormundschaft (§ 35) dem BormundschaftSgericht unverzüglich anzuzeigen.

8 37. Das Vormundschaftsgericht hat dem Jugend­ amt unverzüglich eine Bescheinigung über den Eintritt der Vormundschaft zu erteilen, die bei der Beendigung der Vormundschaft zurückzugeben ist. *) Die oberste Landesbehörde kann auf Antrag Ge­ meinden und Gemeindeverbände von der Durchführung der Bestimmungen der §§ 35—40 befreien (VO. v. 14. Febr. 1924 Art. 1 Ziff. 6).

Stellung des Jugendamts im BormuudschaftSwesen

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§ 38. Auf Antrag des Jugendamts oder einer un­ verehelichten Mutter kann für eine Leibesfrucht ein Pfleger bestellt werden, auch wenn die Voraussetzung d-es §. 1912 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht gegeben ist. Der Pfleger wiro mit der Geburt des Kindes im Einverständnis mit dem Jugendamt Vor­ mund. In diesem Falle findet § 35 keine Anwendung. Die Vormundschaft wird bei dem Vormundschastsgerichte geführt, bei dem die Pflegschaft anhängig war. § 39. Sobald es das Wohldes Mündels erfordert, soll das die Vormundschaft führende Jugendamt bei dem Jugendamt eines anderen Bezirkes die Weiter­ führung der Vormundschaft beantragen. Der Antrag kann auch von dem Jugendamt eines anderen Bezirkes sowie von der Mutter und von einem jeden, der ein berechtigtes Interesse des Mündels geltend macht, gestellt werden. Das die Vormundschaft abgebeude Jugendamt hat den Übergang dem Vormundschaftsgericht unver­ züglich anzuzeigen. Gegen die Ablehnung des Antrags kann das VormundschaftsgerichL angerufen werden. 8 40. Das Vormundschaftsgericht hat bas Jugendamt auf seinen Antrag als Amtsvormund zu entlassen und einen Einzelvormund zu bestellen, soweit dies dem Wohle des Mündels nicht entgegensteht. c)

bestellte

Amtsvormundschaft.

8 41. Das Jugendamt kann rinter den Voraus­ setzungen des § 1773 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit seinem Einverständnis vor den im §i 1776 des Bürger­ lichen Gesetzbuchs als Vormünder berufenen Personen zum Vormund für einen Minderjährigen bestellt wer­ den, soweit nicht ein geeigneter anderer Vormund vor­ handen ist. Auf die bestellte Amtsvormundschaft finden die §8 1789 und 1791 des Bürgerlichen Gesetzbuchs koine Anwendung. Die Bestellung erfolgt durch schriftliche Verfügung des Vormundschaftsgerichts.

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Äetch-gesetz für Augeudwohlfahrt

2. Stellung -es Jugendamts zum Vormundschastsgericht und zur Etnzelvormundschaft.

§ 42. Das Jugendamt ist Gemeindewaisenrat. § 11 gilt entsprechend. Die Landesgesetzgebung kann örtliche Einrichtungen zur Unterstützung des Jugendamts in den Geschäften des Gemeindewaisenrats treffen. 8 43. Das Jugendamt hat das Vormundschafts­ gericht bei allen Maßnahmen zu unterstützen, welche Die Sorge für die Person Minderjähriger betreffen, ins­ besondere .durch Begutachtung bei der Festsetzung von Geldrenten für den Unterhalt Minderjähriger. Vor Entscheidungen in den Fällen des K 1635 Abs. 1 iSatz 2 des § 1666/ des § 1727, des § 1728 Abs. 2, des § 1729 Abs. 2, des § 1750 Abs. 1 und des § 1751 Äb'ß 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs muß das Vormundschaftsgericht das zuständige Jugendamt hören. Bei Gefahr im Verzüge kann das Bormundschaftsgericht einstweilige Anordnungen auch schon vor Anhörung des Jugendamts treffen. Es kann das Jugendamt mit der Ausführung der Anordnungen aus K 1631 Abs. 2, §. 1636 .Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und sonstiger Anordnung mit dessen Einverständnis betrauen. Das Landesjugendamt kann auf Antrag des Jugend­ amts Mitglieder- oder Beamte des Jugendamts ermäch­ tigen, Beurkundungen gemäß §§ 1718 und 1720 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorzunehmen, sowie die im § 1706 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Erklärungen entg»genzunehmen und zu beglaubigen. 8 44. Das Jugendamt soll die Bestellung einer Einzelperson als Vormund beantragen, wenn dies dem Interesse des Mündels förderlich erscheint. Es kann auch die Bestellung eines Mitvormundes für einen be­ stimmten Wirkungskreis beantragen. Die Bestellung kann von einem jeden, der ein be­ rechtigtes Interesse des Mündels geltend macht, und von diesem selbst, wenn es das 14. Lebensjahr vollen­ det hat, beantragt werden. Sie kann auch von Amts'

Stellung des Augendamts Im Vormundschaft-wesen

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wegen erfolgen. Vor der Entscheidung soll das Bor­ mundschaftsgericht das Jugendamt und tunlichst die Mutter des Mündels hören. 8 45. Das Jugendamt hat die Vormünder, Ver­ stände und Pfleger seines Bezirks planmäßig zu be­ raten und bei der Ausübung ihres Amtes zu unter­ stützen. Die näheren Bestimmungen hierüber werden nach § 13 Abs. 1 M. 1 und § 15 getroffen. § 11 gilt entsprechend. 3. Miwormrmvschaft, Gegenvorrnundschafl. Pflegschaft und Beistandschiast des Jugendamts.

8 46. Die vorstehenden Bestimmungen gelten ent­ sprechend für die Bestellung des Jugendamts zum Mitvormund, Gegenvormund, Pfleger oder Beistand und für die Überüagung einzelner Rechte und Pflichten eines Vormundes auf das Jugendamt. 4. Anstalts- und Vereinsvornmndschast.

8 47. Vorstände von Anstalten, die unter der Ver­ waltung des Staates oder einer öffentlichen Körper­ schaft stehen, sowie Vorstände solcher privaten Anstalten oder Vereine, die vom Landesjugendamte für geeignet erklärt sind, können auf ihren Antrag zu Vormündern bestellt werden (Anstalts- oder Bereinsvormundschaft). Auch können sie zu Pflegern oder Beiständen bestellt werden. Ebenso können ihnen einzelne Rechte und Pflichten des Vormundes übertragen werden. Das Jugendamt muß in den Fällen, in denen der Minder­ jährige von ihm bevormundet oder. versorgt ist, vor­ her gehört werden. Auf die Anstalts- oder Vereinsvormundschaft ftnden die Bestimmungen der §§ 33, 40, 41 und 44 mit der Maßgabe Anwendung, oaß ein Gegenvormund bestellt werden kann. Insbesondere ist die Bestellung eines Jugendamts zum Gegenvormunde zulässig. 8 48. Artikel 136 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch und die §§ 1783, 1887 des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden aufgehoben. Dem

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Reichsgesetz für Jugeudwohlfahrt

§ 1784 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird folgender Abs. 2 angefügt: „Diese Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn ein wichtiger dienstlicher Grund vorliegt." Dem §> 1786 Nr. 1 des* Bürgerlichen Gesetzbuchs werden die Worte hinzugefügt: „welche zwei und mehr noch nicht schulpflichtige .Kinder besitzt oder glaubhaft macht, daß die ihr obliegende Fürsorge für ihre Fa­ milie die Ausübung des Amtes dauernd besonders er­ schwert." Abschnitt Vi).

Die öffentliche Unterstützung hilfsbedürftiger Minderjähriger. § 55. Sofern zur Verhütung der Verwahrlosung eines hilfsbedürftigen Minderjährigen besondere Auf­ wendungen durch Entfernung des Minderjährigen aus seiner bisherigen Umgebung erforderlich sind, bewen­ det es bei den Vorschriften über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger. Abschnitt VI.

Die Schutzaufsicht und die Fürsorgeerziehung. 1. Die Schutzaufsicht.

8 56. Ein Minderjähriger ist unter Schutzaufsicht zu stellen, wenn sie zur Verhütung seiner körperlichen, geistigen oder sittlichen Verwahrlosung geboten und ausreichend erscheint.

x) Abschnitt V, mit Ausnahme des § 55, aufgehoben durch VO. vom 14. Febr. 1924 Art. 2. Die in Art. 2 der BO. noch aufrechterhaltenen Vorschriften des § 49 Abs. 1 u. 2 wurden außer Kraft gesetzt durch § 136 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge v. 4. Dez. 1924 (RGBl. I S. 765).

Die Schutzaufsicht und die Fürsorgeerziehung

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8 37. Das Bormundschaftsgericht ordnet die Schutz­ aufsicht von Amts wegen oder auf Antrag an. An­ tragsberechtigt sind die Eltern, der gesetzliche Ver­ treter und das Jugendamt. Das Vormundschaftsgericht muß das Jugendamt vor der Entscheidung über die Schutzaufsicht hören. Die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ist den im Abs. 1 Genannten und dem Minderjährigen, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat, bekanntzugeben, soweit ihr Inhalt nach dem Ermessen des Vormund­ schaftsgerichts ihm ohne erziehlichen Nachteil mitgeteilt werden kann. Ist Has Vormundschaftsgericht nicht das des ge­ wöhnlichen Aufenthaltsorts des Minderjährigen, so soll auf Antrag oes Jugendamtes die Abgabe an dieses Gericht gemäß § 46 des Reichsgesetzes über die Ange­ legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit stattfinden, sofern nicht besondere Gründe dagegen sprechen.

8 58. Die Schutzaufsicht besteht in dem Schutze und der Überwachung des Minderjährigen. Derjenige, der die Schutzaufsicht ausübt (Helfer), hat den Erziehungs­ berechtigten bei der Sorge für die Person des Minderijährigen zu unterstützen und zu überwachen. Die Schutz­ aufsicht umfaßt die Sorge über das Vermögen nur, inwweit der Arbeitsverdienst des Minderjährigen in Betracht kommt. Der Helfer kann für alle Angelegenheiten, für gewisse Arten von Angelegenheiten oder für einzelne Angelegen­ heiten bestellt werden. über den Umfang seines Wirkungskreises entscheidet die Bestellung. Der Helfer hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Minderjährigen. * Die Eltern, der gesetzliche Vertreter und die Personen, denen der Minderjährige zur Verpflegung und Er­ ziehung übergeben ist, sind verpflichtet, dem Helfer Auskunft zu geben. Der Helfer hat dem Vormundschaftsgerichte jeden Fall, in dem es zum Einschreiten berufen ist, unver­ züglich anzuzeigen.

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RelchSgesetz für Jugeudwohlfahrt

§ öS. Die Schutzaufsicht erlischt mit der Volljährig­ keit des Minderjährigen oder durch die rechtskräftige Anordnung der Fürsorgeerziehung. Sie ist aufzuheben, wenn ihr Zweck erreicht oder die Erreichung anderweit sichergestellt ist. § 60. Die Ausübung der Schutzaufsicht wird- vom Bormundschaftsgerichte dem Jugendamts oder nach Anhörung des Jugendamts einer Bereinigung für Jugendhilfe oder einer einzelnen Person, soweit die beiden letzteren zur Übernahme der Schutzaufsicht bereit sind, übertragen. Bei der Übertragung ist auf das religiöse Bekenntnis oder die Weltanschauung des Min­ derjährigen tunlichst Rücksicht zu nehmen. Das Vor­ mundschaftsgericht hat den Helfer zu entlassen, wenn dies dem Wohle des Minderjährigen förderlich erscheint. Die näheren Bestimmungen über die Ausübung.werden von der Reichsregierung mit Zustimmung des ReichKrats oder von der obersten Landesbehörde getroffen, über die Führung des unter Schutzaufsicht gestellten Minderjährigen ist dem Vormundschaftsgericht auf Ver­ langen Bericht zu erstatten. Das Jugendamt kann die Schutzaufsicht ohne ge­ richtliche Anordnung ausüben, so lange der Erziehungs­ berechtigte damit einverstanden ist; es hat in diesem Falle das Vormundschaftsgericht von dem Eintritt der Schutzaufsicht zu benachrichtigen. 8 61. Eine zur Zeit der Anordnung der Schutzauf­ sicht bestehende Beistandschaft (§§ 1687 ff. des Bürger­ lichen Gesetzbuchs) soll insoweit aufgehoben werden, als sich ihr Wirkungskreis mit dem der Schutzaufsicht deckt.

2. Die Fürsorgeerziehung. 8 62. Die Fürsorgeerziehung dient der Verhütung oder Beseitigung der Verwahrlosung und wird in einer geeigneten Familie oder Erziehungsanstalt unter öffent­ licher Aufsicht und auf öffentliche Kosten durchgeführt.

!) Jedoch nur mit dessen Einverständnis (VO. vom 14. Febr. 1924 Art. 1 Ziff. 7).

Die Schutzaufsicht u ib die Fürsorgeerziehung

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8 63 Ein Minderjähriger, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist durch Beschluß des Vor­ mundschaftsgerichts der Fürsorgeerziehung zu Über­ werfen: 1. wenn die Voraussetzungen des §• 1666 oder des § 1838 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen und die Entfernung des Minderjährigen aus seiner bisherigen Umgebung zur Verhütung der Ver­ wahrlosung erforderlich ist, eine nach dem Ermessen des Vormundschaftsgerichts geeignete Unterbrin­ gung aber anderweit nicht erfolgen kann; 2. wenn die Fürsorgeerziehung zur Beseitigung der Verwahrlosung wegen Unzulänglichkeit der Er­ ziehung erforderlich ist. Für den Fall, daß Aussicht auf Erfolg der Für­ sorgeerziehung besteht, kann diese auch noch angeord­ net werden, wenn der Minderjährige das 18., aber noch nicht das 20. Lebensjahr vollendet hat. Maßgebend für die Altersgrenze ist der Zeitpunkt, in dem der Antrag bei Gericht eingeht oder das Ver­ fahren gemäß §>' 65 oder § 67 eingeleitet wird; der Zeitpunkt ist aktenkundig zu machen. 1

§ 64. Artikel 135 des Einführungsgesetzes Bürgerlichen Gesetzbuch wird aufgehoben.

zum«

8 65. Das Vormundschaftsgericht beschließt von Amts wegen oder auf Antrag. Antragsberechtigt ist das nach §. 7 zuständige Jugendamt. Das Antrags­ recht kann landesgesetzlich ausgedehnt werden. Das Vormundschaftsgericht muß vor der Beschluß­ fassung das Jugendamt, es soll, soweit dies ohne er­ hebliche Schwierigkeiten geschehen kann, den Minder­ jährigen, seine Eltern und seinen gesetzlichen Vertreter hören; weitere Anhörungen kann die Landesgesetzgebung vorschreiben. Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen und muß, wenn er auf Anordnung der Fürsorgeerziehung lautet,' den Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen unter Be­ zeichnung der für erwiesen erachteten Tatsachen fest­ stellen.

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Reichsgesetz für Augendwohlfahrt

Das Vormundschaftsgericht kann die ärztliche Unter­ suchung des Minderjährigen anordnen und auf die Dauer von höchstens sechs Wochen ihn in einer zur Auf­ nahme von jugendlichen Psychopathen geeigneten Anstalt ober in einer öffentlichen Heil- und Pflegeanstalt zur Beobachtung unterbringen lassen. Der die Fürsorgeerziehung anordnende Beschluß ist den Antragsberechtigten, dem gesetzlichen Vertreter, den Eltern, der Fürsorgeerziehungsbehörde und ferner dem Minderjährigen selbst, wenn er das 14. Lebensjahr vol­ lendet hat und insoweit sein Inhalt nach dem Ermessen des Vormundschaftsgerichts ihm ohne erziehlichen Nach­ teil mitgeteilt werden kann, zuzustellen. Der die Für> sorgeerziehung ablehnende Beschluß ist dem Antrag­ steller, der Fürsorgeerziehungsbehörde und, wenn eine vorläufige Fürsorgeerziehung (§ 67) angeordnet ist, ferner allen Personen zuzustellen, denen diese Anord­ nung zugestellt ist. Gegen den Beschluß steht die sofortige Beschwerde mit aufschiebender Wirkung den Antragsberechtigten, der Fürsorgeerziehungsbehörde und, wenn der Be­ schluß auf Fürsorgeerziehung lautet, ferner dem gesetz­ lichen Vertreter, den Eltern und dem Minderjährigen zu, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ist das Vormundschaftsgericht nicht das des gewöhn­ lichen Aufenthaltsortes des Minderjährigen, so soll auf Antrag des Jugendamtes die Abgabe an dieses Gericht gemäß! §| 46 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit stattfinden, sofern nicht besondere Gründe dagegen sprechen. § 66. Das Fürsorgeerziehungsverfahren kann durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts auf längstens ein Jahr ausgesetzt werden. Die Aussetzung kann aus be­ sonderen Gründen durch Beschluß des Vormundschafts­ gerichts auf höchstens ein weiteres Jahr verlängert werden, über das vollendete 20. Lebensjahr hinaus kann das Verfahren nicht ausgesetzt werden. Gegen die Aussetzung steht dem Jugendamt und der Fürsorgeerziehungsbehörde das Recht der sofortigen Beschwerde zu.

Die Schutzaufsicht und die Fürsorgeerziehung

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Für die Dauer der Aussetzung muß eine Schutzauf­ sicht gemäß §§ 56 ff. ungeordnet werden. 8 67» Bei Gefahr im Verzüge kann das Vormundschastsgericht die vorläufige Fürsorgeerziehung des Min­ derjährigen beschließen,' gegen den Beschluß steht den -im § 65 Abf. 6 Genannten die sofortige Beschwerde zu. § 18 Abf. 2 des Reichsgesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet keine Anwendung. 8 68. Für schleunige, auf Grund dieses Abschnitts zu treffende Maßregeln ist neben dem im § 43 des Reichs­ gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit bezeichneten Gericht einstweilen auch das­ jenige Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt. Das Gericht hat von der angeordneten Maßregel dem endgültig und nunmehr ausschließlich zuständigen Gerichte Mitteilung zu machen. § 43 Abf. 2 des Reichsgesetzes über die Angelegen­ heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet auch An­ wendung, wenn über die Person, in Ansehung deren eine Verrichtung des Vormundschaftsgerichts erforderlich wird, eine Schutzaufsicht oder ein Fürsorgeerziehungs­ verfahren anhängig ist.

8 69. Im Falle der Familienerziehung ist der Minderjährige mindestens bis zum Aufhören der Schul­ pflicht in einer Familie seines Bekenntnisses, im Falle der Anstaltserziehung soweit möglich in einer Anstalt seines Bekenntnisses unterzubringen. Minderjährige ohne Bekenntnis sollen nur mit ihrem Einverständnis, sofern sie ihr Bekenntnis selbst be­ stimmen können, andernfalls mit demjenigen des Er­ ziehungsberechtigten in einer Familie oder in einer An­ stalt eines bestimmten Bekenntnisses untergebracht werden. Den Erziehungsberechtigten muß von dem Orte der Unterbringung des Kindes sofort Mitteilung gemacht werden, sofern dadurch der Erziehungszweck nicht ernst­ lich gefährdet wird. Gegen eine Verweigerung dieser Mitteilung steht den Erziehungsberechtigten das Recht der Beschwerde an das Vormundschaftsgericht zu.

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Retch-gesetz für Jugend Wohlfahrt

In Ausführung einer angeordneten Fürsorgeerzie­ hung kann die Erziehung in der eigenen Familie der Minderjährigen unter öffentlicher Aufsicht widerruflich angeordnet werden,' wenn dadurch die Erreichung des Zweckes der Fürsorgeerziehung nicht gefährdet wird. Innerhalb der ersten drei Monate nach Ausführbarkeit des Fürsorgeerziehungsbeschlusses bedarf die Anord­ nung der Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes. Gegen die Verweigerung bet Zustimmung steht der Fürsorgeerziehungsbehörde die sofortige Beschwerde zu. 8 70* Die Landesgesetzgebung regelt die Ausführung der Fürsorgeerziehung und bestimmt die Fürsorgeerziehungsbehörde sowie die Träger ihrer Kosten. Nacb Möglichkeit ist die Fürsorgeerziehungsbehörde mit dem Landesjugendamte zu vereinigen. Die durch die vor­ läufige Fürsorgeerziehung entstehenden Kosten fallen dem für die endgültige Anordnung der Fürsorgeerzie­ hung zuständigen Kostenträger auch dann zur Last, wenn die Fürsorgeerziehung endgültig nicht angeordnet wird. Besteht über den Ersatz der Kosten zwischen den Fürsorgeerziehungsbehörden für den gewöhnlichen und vorübergehenden Aufenthaltsort Streit, so gilt § 7 Abs. 2 entsprechend. Eine von dem zuständigen Vormundschaftsgericht an­ geordnete Fürsorgeerziehung eines Minderjährigen muß von der Fürsorgeerziehungsbehörde des Ortes, der-' die Zuständigkeit des Bormundschuftsgerichtes begründet hat, ausgeführt werden. Sie soll regelmäßig sich bei der Ausübung der Fürsorgeerziehung der Jugendämter bedienen. Die Ausführbarkeit der Fürsorgeerziehung tritt mit der Rechtskraft, bei der vorläufigen Fürsorge­ erziehung mit dem Erlasse des Beschlusses ein. Die Unterbringung soll unter ärztlicher Mitwirkung er­ folgen. Die Fürsorgeerziehungsbehörde gilt für den Abschluß von Dienst- und Lehrverträgen als gesetzlicher Ver­ treter des Minderjährigen. Die Fürsorgeerziehungsbehörde ist befugt, die Ent­ mündigung eines Fürsorgezöglings wegen Geisteskrank­ heit oder Geistesschwäche zu beantragen.

Die Schutzaufstcht nn^ dte Fürsorgeerztehnag

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8 71. -Das Landesjugendamt ist, soweit es nicht selbst Fürsorgeerziehungsbehörde ist, nach näherer Be­ stimmung der Landesgesetzgebung bei der Ausführung der Fürsorgeerziehung zu beteiligen; es soll insbe­ sondere bei dem Erlaß allgemeiner, grundsätzlicher An­ ordnungen Über die Art ihrer Ausführung gutachtlich gehört werden und ist zu Vorschlägen über die Aus­ führung befugt; ihm kann ferner die Mitwirkung bei wichtigen Maßnahmen der Fürsorgeerziehungsbehörde und bei der Aufsicht über die in Anstalten seines Berzirkes untergebrachten Zöglinge sowie die Zuständigkeit zur Entscheidung von Beschwerden über Anordnungen der Fürsorgeerziehungsbehörde, die die Ausführung betreffen, übertragen werden, sofern dafür nicht die Gerichte für zuständig erklärt werden.

8 72. Die Fürsorgeerziehung endigt mit dem Eins­ tritt der Volljährigkeit. Die Fürsorgeerziehung ist früher aufzuheben, wenn ihr Zweck erreicht oder anderweitig sichergestellt ist, und zwar von Amts wegen oder auf Antrag der im § 65 Abs. 6 Genannten mit Ausnahme der Minderjäh­ rigen. Die Aufhebung kann auch unter Vorbehalt des Widerrufs erfolgen, dessen Ausübung landesgesetzlich zu regeln ist. Landesgesetzlich kann bestimmt werden, daß für die Entscheidung über die Aushebung gemäß Abs. 2 das Vormundschaftsgericht oder die Fürsorgeerziehungsbe­ hörde zuständig ist mit der Maßgabe, daß der Antrag­ steller, wenn die Fürsorgeerziehungsbehörde zuständig ist und die Aufhebung ablehnt, binnen zwei Wochen seit Zustellung des ablehnenden Beschlusses die Ent­ scheidung des Vormundschaftsgerichts anrufen kann, gegen dessen Beschluß die sofortige Beschwerde statt­ findet. Sofern das Vormundschaftsgericht für die Auf­ hebung der Fürsorgeerziehung zuständig ist, muß es vor seiner Entscheidung die Fürsorgeerziehungsbehörde gutachtlich hören; dieser steht gegen den die Fürsorge­ erziehung aufhebenden Beschluß die sofortige Beschwerde mit ausschiebender Wirkung zu.

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Reich-gesetz für Jugendwohlfahrt

Der Antrag auf Aufhebung kann außer vom Jugend­ amt nicht vor Ablauf eines Jahres seit der Rechtskraft des die Fürsorgeerziehung anordnenden Beschlusses ge­ stellt, ein abgewiesener Antrag kann vor dem Ablauf von £ Monaten nicht erneuert werden. 8 73. Die vorzeitige Entlassung eines Minderjäh­ rigen wegen Unausführbarkeit der Fürsorgeerziehung aus Gründen, die in der Person des Minderjährigen liegen, ist unter der Voraussetzung zulässig, daß eine anderweitige gesetzlich geregelte Bewahrung des Min­ derjährigen sichergestellt ist. § 74. Die gerichtlichen Verhandlungen sind ge­ bühren- und stempelfrei,- die baren Auslagen fallen der Staatskasse zur Last. Die nach § 65 Abs. 2 zu hörenden Personen können im Falle ihrer Vernehmung vor Gericht Ersatz ihrer Auslagen nach den für Zeugen geltenden Vorschriften verlangen. Dies gilt jedoch nicht für den Minderjährigen und seine Eltern. Verträge über die Unterbringung von Minderjährigen zur Aus­ führung der Fürsorgeerziehung sind stempelfrei. 8 75. Die Kosten der Fürsorgeerziehung sind dem Kostenträger auf sein Verlangen aus dem pfändbaren Vermögen des Minderjährigen oder des auf Grund des Bürgerlichen Rechts zu seinem Unterhalt Verpflich­ teten zu erstatten. Die näheren Bestimmungen trifft die Landesgesetzgebung. Allgemeine Verwaltungskosten werden nicht ersetzt. 8 76. Wer, abgesehen von den Fällen der §§ 120, 235 des Strafgesetzbuchs, einen Minderjährigen, bezüg­ lich dessen das gerichtliche Verfahren auf Unterbringung zur Fürsorgeerziehung eingeleitet oder die Unterbrin­ gung zur Fürsorgeerziehung angeordnet ist, dem Ver­ fahren oder der angeordneten Fürsorgeerziehung ent­ zieht, oder ihn verleitet, sich dem Verfahren oder der Fürsorgeerziehung zu entziehen, oder wer ihm hierzu vorsätzlich behilflich ist, wird auf Antrag der Fürsorge­ erziehungsbehörde mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe bis zu hunderttausend Marl^) od^r mit ^rwTlÖOOO Mk. (§ 27 StGB., Art. XIV der VO. v. 6. Feb. 1924).

Preuß. AuSfGes.

ReichSges. für Zugendwohlfahrt

einer dieser Strafen bestraft. Antrags ist zulässig. Der Versuch ist strafbar.

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Die Zurücknahme des

Schlutzbestimmuusen. § 77.

Welche Behörden die in diesem Gesetze der obersten Landesbehörde oder dem Landesjugendamt^, übertragenen einzelnen Aufgaben wahrzunehmen haben, bestimmt die Landesregierung.

8 78.2)

(Preußisches) Ausführungsgesetz zum Reichsgesetze für Jugendwohlfahrt v. 9. Juli 1922. (RGBl. I S. 633).

Vom 29. März 1924.

I. Die Jugendwohlsahrts-flege als Telbstverwaltungsaugelegenheit§ 1. Die Aufgaben der öffentlichen Zugendwohl­ fahrtspflege mit Ausnahme der Ausführung der Fürsorgeer iehung sind Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinden und Gemeindeverbände.

II. Aufbau der JugendwohlfahrtSbehörden 8 2. Bezirksabgrenzung. C1) Für jeden Stadt- und für jeden Landkreis ist ein Jugendamt zu errichten. (2) In der Stadtgemeinde Berlin ist für jeden Ver­ waltungsbezirk ein Jugendamt (Bezirksjugendamt) zu

1) „oder dem Landesjugendamt" — Einschaltung der VO. vom 14. Febr. 1924 Art. 1 Z. 2. 2) Aufgehoben durch BO. vom 14. Febr. 1924 Art. 3.

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Preuß. AuSfGes. z. ReichSges. für Jugendwohlfahrt

errichten. Die Rechte des Magistrats gegenüber den Bezirken — nach dem Gesetz über die Bildung einer Stadtgemeinde Berlin vom 27. April 1920 (Gesetzsamml. S. 123) — bleiben unberührt. (3) Innerhalb eines Landkreises können auf Antrag von Gemernoen oder Gemeindeverbänden (rheinische Bürgermeistereien, westfälische Ämter) von mehr als 10000 Einwohnern, in der Provinz Hannover auch auf Antrag selbständiger Städte (§. 27 Abs. 1 der Kreisord­ nung für die Provinz Hannover vom 6. Mai 1884 — Gesetzsamml. S. 181 —) durch Beschluß des Kreisaus­ schusses für diese besondere Jugendämter errichtet wer­ den. Gegen die die Errichtung ablehnende Entscheidung des Kreisausschusses steht den Antragstellern die Be­ schwerde an den Bezirksausschuß zu, der endgültig ent­ scheidet. (4) Ist ein besonderes Jugendamt errichtet, so können ihm weitere .Gemeinden, Landbürgermeistereien und Ämter aufgrund des Zweckverbandsgesetzes vom 19. Juli 1911 (Gesetzsamml. S. 115) angegliedert werden.

Zusammensetzung der Jugendämter. Für Zusammensetzung, Verfassung und. Ver> fahren der Jugendämter sind vorbehaltlich der folgen­ den Bestimmungen die auf Grund der Gemeindeverfas­ sungsgesetze zu erlassenden Satzungen maßgebend, die der Bestätigung durch die Befchlußbehörde bedürfen. 8 4. (1) Dem Jugendamte gehören an: 1. Ein bis vier leitende ■ Beamte des Selbstverwal­ tungskörpers, unter ihnen der Vorsitzende (§§ 7 bis 9), welcher bei Stimmengleichheit den Aus­ schlag gibt. Diese Mitglieder, unter denen sich der leitende Kachbeamte des Jugendamts befinden muß, werden vom Vorstände des Selbstverwaltungs­ körpers bestimmt. 2. Höchstens die fünffache Zahl (mindestens zehn) von in der Jugendwohlfahrt erfahrenen und be­ währten Männern und Frauen. (2) Zwei Fünftel dieser Zahl (Abs. 1 Ziffer 2) werden vom Vorstände des Selbstverwaltungskörpers auf Grund

8 3*

von Vorschlägen ernannt, die von den freien Vereini­ gungen zu machen sind, welche sich ganz oder vorwie­ gend mit der Förderung der Jugendwohlfahrt be­ fassen oder der Jugendbewegung dienen, soweit sie in dem Bezirke wirken, für den das Jugendamt errichtet ist. Die Vereinigungen haben mindestens die doppelte AnzaKl der auf sie entfallenden Vertreter vorzuschlagen. Die Vorgeschlagenen müssen die Wählbarkeit für Ehren­ ämter des Selbstverwaltungskörpers besitzen, über die Zulassung der Vereinigungen zur Ausübung des Borfchlagrechts und die Zahl der von ihnen zu stellenden Vertreter entscheidet der Vorstand des Selbstverwabtungskörpers. Bei der Entscheidung ist auf die Bedeu­ tung der Vereinigungen für die Jugend-wohlfahrtspflege Rücksicht zu nehmen. Gegen die Entscheidung können die Borschlagsberechtigten sowie die Vereinigungen,, deren Vorschlagsrech t ab gelehnt ist, binnen zwei Wochen Beschwerde beim Regierungspräsidenten erheben. (3) Unter den verbleibenden drei Fünfteln müssen sich befinden je ein evangelischer und ein katholischer Geist­ licher, soweit Kirchengemeinden dieser Bekenntnisse im Bezirke vorhanden sind, sowie ein Rabbiner, soweit Synagogengemeinden im Bezirke vorhanden sind und der Rabbiner im Bezirk ansässig ist, sowie zwei Lehrper­ sonen (Lehrer und Lehrerin). Die vorbenannten geist­ lichen Mitglieder werden von den zuständigen Stellen der betreffenden Religionsgesellschaften ernannt oder gewählt, die Lehrpersonen werden von der Vertretung des Selbstverwaltungskörpers nach Mehrheitsbeschluß gewählt. O Im übrigen werden die in der Jugendwohlfahrt erfahrenen Männer und Frauen von der Vertretung des Selbstverwaltungskörpers auf Grund der für die Wahlen von Ehrenbeamten geltenden Vorschriften ge­ wählt.

8 5. (1) Soweit sie nicht schon auf Grund des §4 Mitglieder des Jugendamts sind, sind zur Teilnahme an seinen Sitzungen berechtigt und haben in ihnen be­ ratende Stimme: Messerer, Jugendgericht-gesetz

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2. Preuß. AuSfGes. z. ReichSges. für Jugendwohlfahrt

1. der .Kreisschulrat2. der Kreismedizinalrat3. der Gewerberat- 4. der Vormundschastsrichter. Sind mehrere solcher Beamten im Bezirk angestellt, so erfolgt die Auswahl durch die vorgesetzte Dienstbehörde. (2) Den im Abs. 1 genannten Personen steht gegen die Gemeinden und Gemeindeverbände ein Anspruch auf Vergütung für die Teilnahme an den Sitzungen nicht zu. 8 6. Die Amtsdauer der Mitglieder des Jugendamts beträgt 4 Jahre. Mit dem Ablaufe dieser Frist endet auch das Amt der Ersatzleute. 8 7. Stadtjugendämter. (t) In den Städten regelt sicb der Vorsitz und die Stellvertretung des Vorsitzenden nach den Vorschriften der Städteordnung über Depu­ tationen und Kommissionen. (2) Die Satzungen der Berliner Bezirksjugendämter werden durch Ortsgesetz geregelt. In den Bezirksjugend­ ämtern haben Bezirksbürgermeister, Bezirksämter und Bezirksversammlungen die Befugnisse der entsprechenden städtischen Stellen. 8 8. KreisjugendLmter. (t) In den Kreisiugendämtern führt den Vorsitz der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses. Der Stellvertreter im Vorsitze wird, soweit die Satzung nichts Abweichendes bestimmt, vom Kreisausschusse gewählt. (2) Wird Gemeinden oder Gemeindeverbänden von mehr als 10000 Einwohnern oder selbständigen Städten der Provinz Hannover, für die kein besonderes Jugend­ amt errichtet ist, durch die Satzung des Kreisjugendamts das Recht der Vertretung zugebilligt, so haben die Be­ rechtigten Anspruch auf Berufung der von ihnen zu bezeichnenden Vertreter. 8 Jugendämter in Landgemeinden, rheinische« Landbürgermeistereien und westfälischen Ämtern. In Landgemeinden, rheinischen Landbürgermeistereien und westfälischen Ämtern regelt sich der Vorsitz und dessen Stellvertretung nach der Gemeindeordnung. Die Stell­ vertretung kann durch die Satzung anderweit geregelt werden.

Aufdau der Jugendwohlfahrtsbehörden

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8 10. Wohlfahrtsämter. (t) In Gemeinden und Gemeindeverbänden, in denen gemäß § 2 ein Jugendamt zu errichten ist und in denen ein Wohlfahrtsamt oder eine andere der Wohlfahrtspflege dienende geeignete Stelle der Selbstverwaltung besteht oder errichtet wird, können durch Satzung die Aufgaben des Jugendamts dieser Stelle oder einem Ausschüsse dieser Stelle im Rahmen der nach Maßgabe der Gemeindeverfassungs­ gesetze diesen Amtsstellen oder Ausschüssen zustehenden Befugnisse übertragen werden. Jedoch muß die Zu­ sammensetzung der Stelle oder des Ausschusses, soweit es sich um die Wahrnehmung der Aufgaben des Jugend­ amts handelt, den Erfordernissen des § 4 entsprechen. Auch ist hierbei die Beteiligung der im § 5 genannten Personen sicherzustellen. (2) In der Stadtgemeinde Berlin können in jedem Verwaltungsbezirk, in dem ein Wohlfahrtsamt oder eine andere der Wohlfahrtspflege dienende geeignete Stelle der Bezirksverwaltung besteht oder errichtet wird, durch Ortsgesetz die Aufgaben des Jugendamts dieser Stelle oder einem Ausschüsse dieser Stelle übertragen wer­ den. Abs. 1 Satz 2 und 3 gelten entsprechend.

8 11. Gesundheitsämter. Q Die Übertragung der gesundheitlichen Aufgaben eines Jugendamts auf ein Gesundheitsamt oder eine entsprechende Behörde (§ 10 Abs. 2 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt) erfolgt durch Satzung des Selbstverwaltungskörpers. Sie ist auch zulässig, wenn das Gesundheitsamt oder die ent­ sprechende Behörde im Rahmen eines Wohlfahrtsamts besteht. (2) Verbleiben die gesundheitlichen Aufgaben beim Jugendamte, so ist bei ihrer Bearbeitung ein Arzt zuzuziehen. Landesjugeudämter. 8 12. (1) Die Provinzialverbände, in der Provinz Hessen-Nassau die Bezirksverbände Wiesbaden und Cassel, der Kommunalverband der HohenzoNernschen Lande und die Stadtgemeinde Berlin können zur Erfüllung der Aufgaben aus § 13 mit Ausnahme von Ziffer 8 des

9*

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2. Preuß. AuSfGes. z. RetchSges. für Jugeudwohlfahrt

Reichsgesetz.es für Jugendwohlfahrt ein Landesjugendamt errichten. Die Aufgaben des Landesjugendamts kön­ nen auch einem bei demselben Kommunalverband er­ richteten Landeswohlfahrtsamt oder einer bei diesem errichteten anderen der Wohlfahrtspflege dienenden. Stelle übertragen werden. (2) Die aus § 77 des Reichsgesetzes für Jugendwohl­ fahrt und Nr. 2 der Verordnung über das Inkraft­ treten des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt vom 14. Februar 1924 sich ergebenden Rechte der Landes­ regierung bleiben unberührt. 8 13. (13 In das Landesjugendamt sind Vertretervon Jugendämtern und Justizbehörden zu berufen. (2) Die Vorschriften der §§ 4 und 10 finden entspre­ chende Anwendung mit der Maßgabe, daß an Stelle des Regierungspräsidenten der Oberpräsident tritt. Die Beteiligung von Sachverständigen auf dem Gebiete der Schule, der Heilkunde und der Gewerbeaufsicht mit min­ destens beratender Stimme ist sicherzustellen. (3) Im übrigen richten sich Zusammensetzung, Verfas­ sung und Verfahren der Landesämter nach dem Ge­ meindeverfassungsrechte.

8 14. Die aus §. 29 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfuhrt sich ergebenden Rechte stehen dem Minister für Volkswohlfuhrt zu,- dieser kann sie ganz oder teilweise an Stellen der Staats- oder Selbstverwaltung über­ tragen.

III. Rechtsmittel 8 15. Xi) Gegen die Entscheidung der Jugendämter oder der Stellen, welchen jugendamtliche Aufgaben über­ tragen sind, steht der Einspruch zu: 1. wenn durch Nichtanwendung oder unrichtige An­ wendung des bestehenden Rechtes, insbesondere auch rechtsgültiger Satzungen, das Interesse eines Kin­ des oder einer Gruppe von Kindern verletzt ist, dem gesetzlichen Vertreter und den Eltern des Kin­ des oder denjenigen, die berechtigt sind, die In­ teressen der Gruppe zu vertreten, insbesondere auch den gemäß H 29 des Reichsgesetzes für Ju-

Rechtsmittel

133

gendwohlfahrt von der Aufsicht des Jugendamts befreiten Anstalten und für geeignet erklärten Ver­ einigungen; 2. ferner unabhängig vom Vorliegen der Voraus­ setzungen zu 1, wenn die Entscheidung die Erlaub­ nis zur Aufnahme eines Pflegekindes oder die Aufsicht über ein Pflegekind betrifft, den von der Entscheidung Betroffenen sowie den Eltern und dem gesetzlichen Vertreter des Kindes. (2) Der Einspruch ist bei derjenigen Stelle einzulegen, welche die Entscheidung erlassen hat. Ist diese Stelle eine andere als der Vorstand des Selbstverwaltungs­ körpers, so ist der Einspruch diesem zur Entscheidung vorzulegen. 8 16. (i) Gegen den auf Einspruch ergehenden Be­ schluß des Vorstandes des Selbstverwaltungskörpers fin­ det binnen einer Frist von zwei Wochen die Beschwerde an die Kommunalaufsichtsbehörde und in den Fällen aus § 15 zu 1 wahlweise die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. (2) In den Beschlüssen des Vorstandes des Selbstver­ waltungskörpers ist auf diese Vorschriften hinzuweisen. 8 17. Im Verwaltungsstreitverfahren entscheidet im letzten Rechtszuge das reichsgesetzlich zuständige Gericht, soweit Verletzung des Reichsrechts gerügt wird.

IV. Fürsorgeerziehung. 8 18. Q Fürsorgeerziehungsbehörden sind die Pro­ vinzialausschüsse, in der Provinz Hessen-Nassau die Landesausschüsse der Kommunalverbände Wiesbaden und Cassel, der Magistrat der Stadtgemeinde Berlin, der «Kreisausichuß des, Kreises Herzogtum Lauenburg und der Landesausschuß der Hohenzollernschen Lande. (2) In den Fällen aus § 63 Abs. 2 des Reichsge­ setzes für Jugendwohlfahrt muß das Vormundschafts­ gericht vor der Beschlußfassung die Fürsorgeerziehungs­ behörde hören. 8 19. (1) Im Falle der vorläufigen Fürsorgeerzie­ hung hat die Fürsorgeerziehungsbehörde bis zum rechts­ kräftigen Abschlüsse des Verfahrens dem Vormundschasts-

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2, Preuß. AuSfGes. z. ReichSges. für Jugendwohlfahrt

gerichte von dem Orte der jeweiligen Unterbringung des Minderjährigen Nachricht zu geben. (2) Nach rechtskräftigem Abschlüsse des Verfahrens ist das Vormundschaftsgericht auf sein Ersuchen von dem Orte der jeweiligen Unterbringung des Minderjährigen zu benachrichtigen. (3) Die Beendigung der Fürsorgeerziehung vor Ein­ tritt der Volljährigkeit ist dem Vormundschaftsgerich,le mitzuteilen. 8 20. Bei der Ausführung der Fürsorgeerziehung ist das Landesjugendamt zu beteiligen, soweit ein solches errichtet ist. Die Beteiligung ist durch den Minister für Volkswohlfahrt zu regeln. 8 21. (1) Für die Entscheidung über die Aufhebung der Fürsorgeerziehung gemäß § 72 Abs. 2 des Reichs­ gesetzes für Jugendwohlfahrt ist die Fürsorgeerziehunasbehörde zuständig. Gegen ihren ablehnenden Beschluß kann der Antragsteller binnen zwei Wochen vom Tage der Zustellung an die Entscheidung des Vormundschafts­ gerichts anrufen. (2) Bei einer unter Vorbehalt des Widerrufs erfolgten Aufhebung der Fürsorgeerziehung steht die Ausübung des Widerrufs der Fürsorgeerziehungsbehörde zu. Diese hat vorher das Jugendamt zu hören. Die Anhörung kann in dringenden Fällen nachträglich erfolgen. Ist die unter Vorbehalt des Widerrufs erfolgte Aufhebung der Fürsorgeerziehung genräß Abs. 1 durch das Bor­ mundschaftsgericht erfolgt, so bedarf innerhalb der ersten drei Monate nach, der Aufhebung der Widerruf der Zustimmung des Bormundschaftsgerichts. 8 22. Träger der Kosten der Fürsorgeerziehung sind die Kommunalverbände, bei denen Fürsorgeerziehungs­ behörden bestehen (§ 18). Sie erhalten, zu diesen Kosten aus der Staatskasse einen Zuschuß von zwei Dritteln. 8 23. (1) Für die Erstattungsforderungen der Kom­ munalverbände an die Minderjährigen oder die zu ihrem Unterhalte Verpflichteten sind Tarife zugrunde zu le­ gen, welche von dem Minister für Bolkswohlfahrt nach Anhörung der Kommunalverbände festgesetzt werden. Die Kosten der allgemeinen Verwaltung der Fürsorge-

Fürsorgeerziehung

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erziehung, des Baues und der Unterhaltung der von den Kommunalverbänden errichteten Anstalten bleiben hierbei außer Ansatz. Die Kommunalverbände sind be­ rechtigt, in besonderen Fällen die Tarife bis zur Höhe der entstandenen Selbstkosten zu überschreiten. (2) Für die Fürsorgeerziehung Schulentlassener sollen von diesen und den zum Unterhalte Verpflichteten Kosten nur dann erhoben werden, wenn sie in Anstalten untergebracht oder durch Krankheit arbeitsunfähig sind. ( (3) Wird gegen den Erstattungsanspruch Widerspruch erhoben, so beschließt darüber auf Antrag des Kommu­ nalverbandes der Bezirksausschuß endgültig. Zwei Drit­ tel der durch die Kommunalverbünde von den Er­ stattungspflichtigen eingezogenen Beträge sind auf den Beitrag des Staates anzurechnen.

8 24. (1) Die Kommunalverbände haben für die Ausführung der Fürsorgeerziehung und für die Verwal­ tung der von ihnen errichteten Erziehungsanstalten An­ weisungen zu erlassen. (1) Die Anweisung bedarf der Genehmigung der Mi­ nister für Bolkswohlfahrt und für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung hinsichtlich der Bestimmungen, welche sich auf die Aufnahme, die Behandlung, den Unterricht und die Entlassung der Minderjährigen beziehen. 8 26. Wenn schulpflichtige zur Fürsorgeerziehung überwiesene Minderjährige der öffentlichen Volksschule ohne sittliche Gefährdung der übrigen die Schule be­ suchenden Kinder nicht zügewiesen werden können, so hat der Kommunalverband dafür zu sorgen, daß ihnen während des schulpflichtigen Alters der erforderliche Schulunterricht anderweitig zuteil wird. Im Streitfall entscheidet der Oberpräsident nach Anhörung der Schul­ aufsichtsbehörde. 8 26. (1) Die Oberpräsidenten und in höherer In­ stanz der Minister für Bolkswohlfahrt haben die Auf­ sicht über , die Ausführung der Fürsorgeerziehung durch die Kommunalverbände und die von ihnen zur Unter­ bringung von Minderjährigen benutzten Anstalten zu führen. Jedoch bleiben Bestimmungen, nach denen an-

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2. Preuß. AuSfGes z. Retchsges. für Jugeudwohlfahrt

deren staatlichen Behörden das Recht der Fachaufsicht zusteht, unberührt. (2) Soweit den Landesjugendämtern Aufsichtsrechte zustehen, sollen Besichtigungen der staatlichen Behörden im Benehmen mit den Landesjugendämtern erfolgen.

V. übergaugsvorschristen. 8 27. (1) Soweit Beamte einer Gemeindearmen­ verwaltung auf Grund des Artikels 78 § 4 des Preu­ ßischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen .Gesetz­ buch alle oder einzelne Rechte und Pflichten von Vor­ mündern über Minderjährige haben, gehen diese Rechte und Pflichten auf das Jugendamt über, zu dessen Be­ zirke die Gemeinde gehört. (2) Soweit Beamte und Angestellte von Kreisen oder Gemeinden Vormundschaften als Sammelvormünder kraft Bestellung auf Anweisung ihrer Anstellungs­ behörde führen, gehen diese Vormundschaften auf das Jugendamt über. (3) Bei Errichtung der Berliner Bezirksjugendämter hat der Magistrat Berlin über die Verteilung der Vor­ mundschaften Bestimmungen zu treffen.

8 28. (1) Sind die Gemeinden, deren Beamte oder Angestellte die Vormundschaft ausüben, nicht Träger des Jugendamts, so werden diese kraft Gesetzes beamtete Mitglieder des Jugendamts und gelten betraut mit den vormundschaftlichen Obliegenheiten im Sinne des § 32 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt. Diese Mitglieder werden bei der Zahl der beamteten Mitglie­ der des Jugendamts gemäß § 4 Abs. 1 nicht mit­ gerechnet. (2) Die Abs. 1 Satz 1 vorgesehenem Wirkungen er­ löschen einen Monat nach Aufkündigung seitens des Trägers des Jugendamts oder der Gemeinde. 8 29. Gl) Die auf Grund des § 27 eintretenden Amtsvormundschaften gelten als bestellte Amtsvor­ mundschaften, soweit es sich um die Überleitung einer Mitvormundschaft, Gegenvormundschäft, Pflegschaft, Bei­ standschaft oder um eine Vormundschaft über eheliche

ÜbergangSvorschristen

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Mündel handelt, in anderen Fällen als gesetzliche Amtsvormundschaften. (2) Die Bestallungen der bisherigen Sammelvormün­ der gelten als Bescheinigungen im Sinne des § 37 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt und sind durch einen Vermerk des Jugendamts als solche zu kennzeichnen. 8 30* Soweit auf Gruno des Artikels 78 § 1 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Ge­ setzbuchs Vorstände von Anstalten die Rechte und Pflich­ ten eines Vormundes über Minderjährige haben, oder soweit Anstaltsvorstände auf Grund des § 12 des Ge­ setzes über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger be­ stellt sind, bleiben die Vormundschaften bestehen und gelten als bestellte Anstaltsvormundschaften im Sinne des § 47 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt. 8 31. (1) Auf schwebende Fürsorgeerziehungsverfah­ ren finden die Bestimmungen des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt mit folgender Maßgabe Anwendung: (2) Ist der Antrag vor Inkrafttreten des Gesetzes gemäß Abs. 1 «detz § £ des Gesetzes über die Fürsorge­ erziehung Minderjähriger gestellt, so ist der Beschluß auch dem Antragsteller zuzustellen, dem das Recht der sofortigen Beschwerde aus Abs. 4 des § 4 zusteht. Sind die Anhörungen gemäß Abs. 2 -des § 4 erfolgt, so bedarf es im ersten Rechtszuge nicht mehr der An­ hörung des Jugendamts vor der Beschlußfassung. (3) Beschlüsse auf vorläufige Unterbringung, die aus Grund des § 5 des Gesetzes über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger erlassen sind, gelten als Beschlüsse über Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung ge­ mäß § 67 des Reichsgesetzes für Jugendwohlfahrt. h"5 Abs. 2 des Gesetzes über die Fürsorgeerziehung Minderjähriger ist nur anwendbar, wenn der Beschluß auf Ablehnung des Antrags auf Fürsorgeerziehung oder die Einstellung des Verfahrens vor Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtskräftig geworden ist. 8 32. Auf die auf Grund der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen überwiesenen Minderjährigen finden die Bestimmungen des Reichsgesetz.es für Jugendwohlfahrt Anwendung.

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3. Bayerisches J^gendamtSgesetz

§ 33. Bis zur Errichtung der Satzungen werden die Zuständigkeiten der Jugendämter durch den Vor­ stand des Selbstverwaltungskörpers wahrgenommen. Die §§ 11 und 32 des Reichsgesetzes für Jugend-wohlfahrt finden Anwendung. (2) Kommt die Satzung bis zum 1. Oktober 1924 nicht zustande, so wird sie von der Aufsichtsbehörde erlassen.

VI. Ausführung des Gesetzes. 8 34. Mit der Ausführung des Gesetzes wird der Minister für Volkswohlfahrt beauftragt!)

VII. Aufhebung bisheriger Gesetze. 8 35. Das Gesetz über die Fürsorgeerziehung Min­ derjähriger vom 2. Juli 1900 und 7. Juli 1915 (Ge­ schlämmt. 1900 S. 264 und 1915 S. 113) sowie Artikel 78 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürger­ lichen Gesetzbuche vom 20. September 1899 (Gesetzsamml. S. 177) werden aufgehoben.

VIII. Inkrafttreten des Gesetzes. 8 36. Dieses Gesetz tritt am 1. April 1924 in Kraft.

3. (Bayerisches) Gesetz zur Ausführung des Reichsgefetzes für Jugendwohlfahrt (Jugendamtsgesetz). Vom 20. Juli 1925 (GBBl. Leiter nach den Vorschlägen der im Bezirke des Jugendamtes wir­ kenden freien Bereinigungen für Jugendwohlfahrt und

Jugendbewegung. Gehört dem Jugendamt ein Geist­ licher der reformierten Kirche in Bayern r. d. Rh. nach Abs. II Ziff. 4 an, so wird er auf die Zahl der nach den Vorschlägen der freier; Vereinigungen für Jugend­ wohlfahrt und Jugendbewegung zu berufenden Mit­ glieder angerechnet.

Art. 6. Die Mitglieder des Jugendamtes nach Art. 4 Abs. PI und Art. 5 Abs. III müssen die Voraus­ setzungen der Wählbarkeit zu Gemeindeämtern mit Aus­ nahme oes.Erfordernisses einer gewissen Aufenthalts­ dauer erfüllen und im Jugendamtsbezirke wohnen. Der Wohnsitz in einem unmittelbar benachbarten Ju­ gendamtsbezirke steht dem Wohnsitz im Jugendamts­ bezirke gleiche Die Mitglieder scheiden aus, wenn sie die Wählbarkeit verlieren. Im Streitfall entscheidet die Regierung, Kammer des Innern, endgültig. Die Mitglieder des Jugendamtes werden auf die Dauer der ordentlichen Wahlzeit der Bezirke und Gemeinden be­ rufen. Für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu berufen.

Art. 7. Borschlagsberechtigt nach Art. 4 Abs. III und Art. 5 Abs. III sind Vereinigungen für Jugend­ wohlfahrt und Jugendbewegung, die sich seit min­ destens drei Jahren ganz oder vorwiegend mit Jugend­ wohlfahrt befaßt haben. Die vorzuschlagenden Männer und Frauen müssen in der Jugendwohlfahrt erfahren und bewährt sein. Die Vorschläge sind nach Umfang und Bedeutung des Wirkens der Bereinigung zu berück­ sichtigen. Den Bereinigungen steht wegen Ausschlusses vom Vorschlag oder wegen Nichtberücksichtigung ihrer Vorschläge binnen zwei Wochen, von der Zustellung der Entscheidung an gerechnet, die Beschwerde zur Re­ gierung, Kammer des Innern, offen. Diese entscheidet endgültig. Liegen Vorschläge im Sinne vorstehender Bestimmung nicht vor, so beruft der Bezirkstag, Stadt­ rat, die Vertreter nach freiem Ermessen. Art. 8. Nach Bestimmung der Satzung können in das Jugendamt weitere Personen äls Mitglieder mit beratender Stimme berufen werden.

Art. 9. £®ie Mitglieder des Jugendamtes versehen ihr Amt ehrenamtlich und unentgeltlich. Bei Dienst­ leistungen außerhalb ihres Wohnorts erhalten sie Ent­ schädigungen für Reisekosten und notwendigen Mehrauf­ wand vom Träger des Jugendamtes nach näherer Re­ gelung durch den Bezirkstag, Stadtrat. Mitglieder, die Angestellte oder Lohnarbeiter sind, können nach Maßgabe der Satzung Ersatz für entgangenen Verdienst erhalten. "Die Mitglieder, die nicht auf Grund eines staat­ lichen, gemeindlichen oder kirchlichen Amtes berufen sind, werden vom Leiter des Jugendamtes zur ge­ wissenhaften Erfüllung ihrer Obliegenheiten und ins­ besondere zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit in Pflicht genommen. Art. 19. £Das Jugendamt kann die Behandlung ein­ zelner Geschäfte oder Gruppen von Geschäften Aus­ schüssen, Vereinigungen für Jugendwohlfahrt, einzelnen seiner Mitglieder oder sonstigen geeigneten Personen widerruflich übertragen. Der Beschlußfassung des Ju­ gendamtes müssen insbesondere Maßnahmen nach § 4 und Regelungen nach § 11 des Reichsjugendwohlfahrts­ gesetzes vorbehalten bleiben. HZu besonderen Ausschüssen nach § 11 des Reichs­ jugendwohlfahrtgesetzes, denen Angelegenheiten der Ge­ sundheitspflege übertragen sind, ist mindestens ein Arzt beizuziehen. Art. 11. £Aür die Bezirksjugendämter werden Be­ amte und Räume der Bezirksämter zur Verfügung gestellt, soweit und solange die Geschästsverhältnisse dies gestatten. HDas Landesjugendamt kann für die Auswahl und die Vorbildung des Personals der Jugendämter 'Richt­ linien aufstellen. Art. 12. £Das Jugendamt vertritt in den. Ange­ legenheiten der öffentlichen Jugendhilfe den Bezirk, die Stadt, bei gemeinsamen oder besonderen Jugend­ ämtern die im Verbände zusammengeschlossenen Be-

144

3. Bayerische- AugerrdamtSgesetz

zirke und Gemeinden. Es verwaltet die öffentliche Jugendhilfe im Rahmen des vom Bezirkstage, Stadt­ rate, genehmigten Haushaltes, Bor der Verbeschevdung des Haushaltsplanes ist dem Jugendamte Ge­ legenheit zur Stellungnahme zu geben.

uDer durch andere Einnahmen nicht gedeckte Be­ darf des Jugendamtes ist vorbehaltlich des Art. 11 Abs. I nach den für den Bezirks- und Gemeindebedarf geltenden Grundsätzen aufzubringen. mDie Verteilung der Kosten des Jugendamtes bei den Bezirksjugendämtern der Pfalz (Art. 1 Abs. III) und den gemeinsamen sowie besonderen Jugendämtern (Art. 2) auf die beteiligten Bezirke und Gemeinden re­ gelt die Satzung.

Art. 13. Für gemeinsame und besondere Jugend­ ämter wird die Durchführung der Art. 4 bis 7 und die Aufstellung des Haushalts (Art. 12 Abs. I) durch die Satzung geregelt. Art. 14. Für das Verfahren bei den Jugendämtern gelten die Vorschriften über das Verfahren bei den Bezirksverwaltungsbehörden. Art. 18. Durch die Satzung können die Aufgaben des Jugendamtes einem Wohlfahrtsamt übertragen wer­ den — § 10 des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes. Sie sind von einem Ausschüsse wahrzunehmen, der den Vorschriften des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes und die­ ses Gesetzes entspricht.

Art. 16. sind

Die Gemeinden des Jugendamtsbezirkes verpflichtet, dem Jugendamte Hilfe zu leisten.

Landeöjugcndamt

Art. 17. rDie Aufgaben des Landesjugendamtes verwaltet für Bayern ein Landesausschuß, dem an­ gehören : 1. ein Vertreter des Staatsministeriums des Innern als Vorsitzender, 2. ein Vertreter des Staatsministeriums der Justiz,

3. Bayerisches Jugendamtsgesetz

145

3. ein Vertreter des Staatsministeriums für Unter­ richt und Kultus, 4. ein Vertreter des Staatsministeriums für So­ ziale Fürsorge, 5. ein Vertreter der Vormundschafts- und Jugend­ gerichte, 6. sechs Vertreter von Jugendämtern, von denen zwei nach Vorschlägen des Städtebundes und zwei nach Vorschlägen des Verbandes der Landgemein­ den berufen werden, 7. ein beamteter Arzt, 8. ein Schulfachmann, 9. zwei Geistliche der katholischen Kirche und ein Geistlicher der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche r. d. Rh., 10. zwei Vertreter der Anstalten für Jugendwohlfahrt, 11. Männer und Frauen, die in der Jugendwohlfahrt erfahren und bewährt und zu Gemeindeämtern wählbar sind, in der Zahl der Mitglieder nach Ziff. 5 mit 10.

HDie Vertreter der Staatsministerien werden von diesen abgeordnet. Die übrigen Mitglieder des Aus­ schusses werden vom Staatsministerium des Innern berufen, und zwar die Mitglieder nach Abs. I Ziff. 5 und 8 im Benehmen mit den beteiligten Staatsmini­ sterien, die Mitglieder nach Abs. I Ziff. 9 im Be­ nehmen mit den kirchlichen Oberbehörden und die Mit­ glieder nach Abs. I Ziff. 11 im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf Grund von Vorschlägen der Landesverbände für Ju­ gendwohlfahrt und Jugendbewegung. Für jedes Mit­ glied wird ein Stellvertreter berufen. mDie Leitung des Geschäftsganges des Landesaus­ ausschusses und dessen Berufung kommt hem Staats­ ministerium des Innern zu. Dem Landesausschuß ob­ liegen die dem Landesjugendamte zugewiesenen Auf­ gaben, soweit nicht nachstehend (Abs. IV und Art. 18, 19) anderes bestimmt ist; er verwaltet sie unter der Aufsicht der fachlich zuständigen Staatsministerien. Messerer, Jugendgerichtsgesetz

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^Für die Erledigung der laufenden Arbeiten wählt der Landesausschuß aus seiner Mitte einen ständigen Arbeitsausschuß. Abs. III Satz 1 gilt entsprechens. Für einzelne Gebiete Der Jugendwohlfahrt können wei­ tere Unterausschüsse gebildet werden, in die auch Per­ sonen berufen werden können, die nicht Mitglieder des Landesausschusses sind. Art. 18. rFür die Kreise werden als Zweigstellen des Landesjugendamtes (Art. 17 Abs. I) bei den Re­ gierungen, Kammern des Innern, Ausschüsse gebildet, die aus einem Vertreter der Regierung, Kammer des Innern, und Mitgliedern bestehen, die vom Staats­ ministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus berufen werden. In die Ausschüsse können auch Personen be­ rufen werden, die nicht Mitglieder des Landesjugend­ amtes sind; für jedes Mitglied ist ein Stellvertreter zu berufen. Die Ausschüsse stehen unter der Leitung der Regierung, Kammer des Innern, unö treten auf deren Berufung zusammen. Die Aufgaben der Zweigstellen werden, soweit sie nicht in diesem Gesetze geregelt sind, durch die Ausführungsvorschriften und die Geschäftsord­ nung bestimmt. HBei der Zusammensetzung der Zweigstellen sind Vertreter der Justizbehörden, der Jugendämter unter Berücksichtigung von Stadt- und Landgemeinden, ferner der freien Bereinigungen für Jugendwohlfahrt ent­ sprechend heranznziehen. Art. 19. Für das Landesjugendamt und seine Zweigstellen erläßt oas Staatsministerium des Innern gemeinsam mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus nach Einvernahme des Landesjugendamtes eine Geschäftsordnung. Diese kann die Erledigung ein­ zelner Angelegenheiten dem zuständigen Staatsmini­ sterium oder der Regierung, Kammer des Innern, allein vorbehalten. Art. 20. Für die Mitglieder des Landesjugendamtes und der Zweigstellen gilt Art. 9 entsprechend. Art. 21. Die Kosten des Landesjugendamtes und der Zweigstellen trägt der Staat.

3. Bayerische» Jugendamt-gesetz

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Beschwerde.

Art. 22. r Gegen Entscheidungen des Jugendamtes steht jedem, der ein berechtigtes Interesse hat, die Be­ schwerde zum Landesjugendamte zu. Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll eines Jugendamtes einzu­ legen. Das Jugendamt, dessen Entscheidung angefochten wird, kann der Beschwerde abhelfen. Di? Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Das Jugendamt und das Landesjugendamt können bestimmen, daß der Voll­ zug der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt wird. "Die Entscheidungen des Landesjugendamtes sind den Beteiligten gegenüber vorbehaltlich der Rechts­ beschwerde nach § 18 Abs. II des Reichsjugendwohlkfahrtsgesetzes endgültig. Pflegektnderwesev.

Art. 23. Pflegekinoer dürfen nur bei Pflegeeltern des gleichen Bekenntnisses untergebracht werden. Eine andere Unterbringung ist nur zulässig, wenn geeignete Pflegestellen bei Pflegeeltern gleichen Bekenntnisses nicht zu ermitteln sind. Art. 24. rDas Landesjugendamt kann Ausnahmen von den Vorschriften der §§ 20 und 24 des Reichs­ jugendwohlfahrtsgesetzes für die Unterbringung von Kin­ dern in ländlichen Bezirken erlassen. uDas Jugendamt kann ungeeigneten Personen die Vermittlung von Pflegestellen verbieten. Die gewerbs­ mäßige Vermittlung von Pflegestellen ist verboten. Wer dem Verbote zuwider Pflegestellen vermittelt, wird mit Geldstrafe bis zu 600 RM. oder mit Haft bestraft. Gemeirrdewaisenro t

Art. 28. rDie Gemeindeaufsichtsbehörde kann anord­ nen, daß die Gemeinden zur Unterstützung des Jugend­ amtes in den Geschäften des Gemeindewaisenrats (§ 42 des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes) örtliche Waisenräte bestellen. Die Zahl der Waisenräte und ihrer Stell­ vertreter bestimmt die Aufsichtsbehörde. uDie Waisenräte werden vom Stadtrat oder Ge­ meinderat mit einfacher Stimmenmehrheit für die Dauer der ordentlichen Wahlzeit des Gemeinderates gewählt. Sie versehen ihr Amt ehrenamtlich und unentgeltlich; iu*

die mit der Amtsführung verbundenen notwendigen Auslagen werben ihnen auf Ansuchen von der Ge­ meinde ersetzt. Art. 26. 1 sind alle zu Gemeindeämtern wählbaren Personen. Nach Möglichkeit sollen Personen gewählt werden, die in der Jugendpflege und Jugend­ fürsorge Erfahrung besitzen. uDie Wahl kann nur aus Gründen abgelehnt wer­ den, die zur Ablehnung der Wahl zu einem Gemeinde­ amte berechtigen. Für den Verlust und die Nieder­ legung des Amtes gelten die Vorschriften der Gemeinde­ ordnungen entsprechend. Ehefrauen können die Wahl ablehnen und sind zur Niederlegung des Amtes be­ rechtigt. Art. 27. T « Haftfristverlängerung 28 iv Hauptverhandlung, Zutritt zur—23, Bekanntma ckung von Art und Zeit der — an ges. Vertreter 30, an Ju­ gendamt 31 in, Sonderung von — gegen Erwachsene 331, Verlesung von Zeug­ nissen in der — 31* Hehler, 4 Helfer 78, 22', 31«

I. Jugendamt 222, 42 Jugendfürforgeverein 22', 42' Jugendgericht, sachliche Zu­ ständigkeit und Besetzung 17, 18, Verbindung mit Vormundschastsgericht 19, örtliche Zuständigkeit 25 Jugendgerichtshilfe 22, 42 Jugendlicher, Begriffsbe­ stimmung 1 Jugendrichter, Vorsitzender des IG. 192, Zustimmung

des — bei Einstellung 321,11, — entscheidet über Strafaussetzung und Be­ währung 34, — ist Straf­ vollstreckungsbehörde 36 Jugendsache 18 Jugendschöffen 20 JugendstaatKanwalt 21 Jugendstrafkammer 19 m Jugendunzurechnungsfähig­ keit 3

K. Klage, Absehen von Erhe­ bung der — 32il Kosten der Erziehungsmaß­ regeln 7'2, der vorläuf. Unterbringung 282, bei Absehen von Strafe 41

L. Landesbehörde oberste 20 n, 27«, 43 Landesrecht Vorb. II. Landesregierung 42, 51 Lebensverhältniffe des Be­ schuldigten 311 Legalitätsprinzip, Ausnah­ men vom — 32 Lehrherr gewerblicher 7« Leumundszeugnisse 31*

M. Milderes Gesetz 3' Mildernde Umstände 91 Militärische Verbrechen und Vergehen 3'U, 6', 9' m, 172

Sachregister

(18 — 21 Jahre) 17» Mindeststrafe 9 8 ® * MitteilungsPflichten 27 Minderjährige

N.

Nachvernrteilung 13 Nedenttage 384 O.

Öffentlichkeit, Ausschluß der 23 Ordentliches Verfahren 172 18 n

PPflichten besondere 7®, 12* Polizeiliche Strafverfügung 40 Preffedelikte 17* Pressevertreter, ihre Zu­ lassung 23® Privatklage 38 Probezeit 10, 12, 34 Protokoll über die Haupt­ verhandlung 242 Publikationsbefugnis 39 * R. Rechtshilfeverfahren 19® Rechtsmittel 182 m reformatio in peius 35* Reichsabgabenordnung 40*, 50 Rei^sregierung, Befugnisse

Republik, Staatsgerichtshof zum Schutz der — 178 m Revision 188 ui

169

S.

Schlußvorträge, des Staats­ anwalts u. Verteidigers 331 Schule, Überweisung in die Zucht der — 7® Schul zeugn iff e 31® Schutzaufsicht 78, 12® 36® Schwurgericht 17* Sitzungsprotokoll 248 Sonderung der Hauptver­ handlungen 33 I Staatsanwaltschaft, Erhe­ bung der Anklage beim IG. 17 u, Jugendstaats­ anwalt 21, Mitteilungs­ pflicht der — 27, Anttag der — auf Haftfristver­ längerung 28 iv, Einstel­ lung u. Absehen von Klage 32,Anfechtung gerichtlicher Entscheidungen durch — 35l—®, Anklageerhebung bei berecht. Interesse des Verletzten 38® Staatsgerichtshof z. Schutz der Republik 172 m Strafaussetzung 10 — 15 Zuständigkeit 34, Anord­ nung im Strafbefehl 39® Strafbefehl 39, 10*, 13VH Strafbemessung 9 Strafbescheid 40 iv, Bekannt­ machung an ges. Bertteter 30 Strafe, Absehen von — 6, 9 iv, 41 Straferlaß 10, 15 Strafmilderung 9 Strafmündigkeit bedingte 3 Strafprozeßordnung, An-

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Sachregister

wendbarkeit in Jugend­ sachen 181 Strafregister 68, 98, 45, 46 Strafunmündigkeit 2 Strafverfügung polizeiliche 40, Bekanntmachung an gesetzlichen Vertreter 30 Strafvollstreckung, Aussetzg. 10, 11, Zuständigkeit des Jugendrichters 36, — gegen Fürsorgezöglinge 37 Strafvollzug gegen Jugend­ liche 16 Stundung einer Geldstrafe 141

T. Teilnehmer, Strafarbeit der — 4 Teilzahlungen 141 Tilgung von Strafvermerken 98, 45, 46 Trennung von Strafsachen 26

Überwachung der besonderen Pflichten 12*, - des Jugendlichen während der Probezeit 15* Überweisung in die Zucht der Erziehungsberechtigten oder der Schule 78—5 Unterbringung 77, vorläu­ fige - 8 Unterscheidungsvermögen 3 Untersuchungshaft 28 Unzurechnungsfähigkeit (nach §51 StGB.) 48, 58,

Urteil bei Absehen von Strafe 68, 9’, bei Straf­ aussetzung 101 Unterzeich­

nung des — 24*, Anfech­ tung des — über Erzie­ hungsmaßregeln und über Strafaussetzung 35 Urteilsgründe bei Strafaus­ setzung 10 n V. Verbindung von Jugend­ gericht u. Vorm.gericht 19, — von Strafsachen 26 Verein, Eintritt in einen — als Erz.maßregel 78 Bereinigungen freie 22, 42 Vereinfachtes Verfahren 38* Verjährung der Strafvoll­ streckung während der Probezeit 12 m Verlängerung der Probezeit 12 8 8, — der Haftfrist 28 iv Verlesung von Zeugnissen in der Hauptverhandlung 318 Verletzter, Zutritt zur Haupt­ verhandlung 23 h, be­ rechtigtes Interesse des — 38» Vernehmung des Beschuld. 198, 211 Verpflichtungen besondere 76, Berstandesreife 38 Versuch 9l Verteidigung 291 —*, 28 iv Vertreter gesetzlicher 30, Zu­ tritt zur Hauptverhand­ lung 23*, — als Beistand 29® Verwarnung 7* Verweis 98, 45", 46

16 t

Sachregister

Berweisung zum ordentlichen Verfahren 18 « Vollstreckung, Vollzug s. Strafvollstreckung, Straf­ vollzug Vorläufige Anordnungen 8 Vormundschaft, Gerichts­ stand der — 251 Bormundschaftsger., Anord­ nung von Erz.maßregeln 5 u, 54, 7 \ Verbindung von — und Jugendgericht 19«, Auseinanderfällen von — und IG. 25 4, Mit­ teilungspflicht des — 27 Borfitzender des IG. 19 i 24«, 33« Voruntersuchung 188, 28*

W. Widerklage gegen einen Jugendlichen 388 Wiederaufnahme des Ver­ fahrens 32 iv Willensreife 34

3. Zucht der Erziehungsberech­ tigten und der Schule 7 ®—8 Zuchthaus 9,13 4 Zusammentreffen mehrerer Milderungsgründe 9l Zuständigkeit des IG., sach­ liche!^^ ii, örtliche 25,— des JR. 191, 34, 36 Zustimmung des JR. bei Einstellung und bei Absehen von Strafe 32

Schweitzers (braune) Handausgaben: Arbeitsnachweisgesetz. Mit d. Ausf.-Best. Erl. von ObReg.Rat Dr. G. Ziegler u. RegRat M. Schlederer, München (223 S.) 1923. geb. RM. 3.80 -------- 1. Nachtrag enthaltend A. Ergänzungen zu den Erläut B die von Mitte Januar bis Ende Juni 1921 erlassenen Ausf.-Best. des Reichs u. d. Länder. VI, 65 S. kart. RM. 2 — Aufwertung und Obligationensteuer. III. SteuernotBO. Art. I, II, Illa, IV). Mit den Durchs.-Bestimmungen Erl v. Rechtsanw. Dr. © Wille, München u ObRegRat Dr. I. W o l f b a u e r, München. (206 S.) 1925 geb. RM. 5.— Bauordnung, die bayr, von G. Heilmann-K Weinisch, Bezirksamtmännern (280 S) 1924. geb. RM. 7.— Bürgerliches Gesetzbuch, (Kleiner Staudinger) auf Grund von I. von Staudingers Kommentar bearb. v. F. Keidel, 2. Ausl. (1229 S.) 20 geb RM. 9.— Das Erbschaftssteuergefetz für das Deutsche Reich vom 3. Juni 1906 nebst den Ausführungsbestimmungen. Erl. von Finanzpräsident Dr F. W. R. Zimmermann, und RegRat D. Ludewig in Braunschweig 4. Aufl. (681 S.) 1925. Nachtrag im Druck Geb. 15.— Ertragsstenergesetze, die bayer., Bd.I: Grund-u.Haus­ steuergesetz. Mit den Vollz-Borschr. Erl. v. Reg.-Rat Dr H.Berolzheimer,Speyer. (110S.)1922. geb.RM. 1.75 Bd. H: Gewerbsteuergesetz. Mit Bollzugsvorschr. Erläutert v. RA. Dr. R. Wassermann, München. (169 S.) 1923. geb. RM. 4.— Bd. III: Hausiersteuergesetz. Mit den einschl. Ges. u. den Bollzugsvorschr., erläutert von Regierungsrat L.Jakob, Pegnitz. 2.Aufl. (239 S.) 23. geb.RM.4.60 Fischereigesetz, Bayer., vom 15. VIII. 08 mit der Landesfischereiordg. v. 23. III. 09 u. allen Bollz.-Borschr. von I. Bley er, Minist.-Rat im Bayer. Justizmin. 3. Ausl. (310 S.) 1925. geb. RM. 12.— Flurbereinigungs-Gesetz, Bayer. Mit den Bollz.-Borschr. Erl. von Minist.-Rat Dr. Gg. Seubelt in München. (404 S.) 1923 Mit Nachtrag 1925 kart. RM. ✓ — A.Schlveitzer Verlag (ArthurSellier) Müucheu/Berliu/Leipzig

Schweitzers (braune) Handausgaben. Gemeindeordnung, Bayer., Selbstverwaltungs- u. Wahlgesetz (rechtsrh.). Erl. v. Minist.-Rat M. Roesch im Staatsm. d. Innern. 3. Ausl, von Roesch, Selbstverwaltg. (392 S.) 1923. Mit Ergänzungen. geb. RM. 6.— Geschäftsaufsicht und Zwangsvergleich. Erl. von Justiz­ rat vr. H. Cahn Nürnberg. Mit Nachtrag 1924. geb. RM 9.40 Grundstücksmiete. 1. Teil: Mieterschutz und Wohnungs­ mangel mit bayer Ausf.-Best. Erl. von Bezirksamtmann vr. Fr. Kie fe r s a uer. VII. (258 S.) 1924. kart. RM. 5.60, geb. RM. 7.— II. Teil: Mietzinsbildung und Mietzinssteuer. Mit den Ausführungsbest. 2. Aufl. erl. v. Dr. Fr. Kiefersauer. VIII. (300 S.) 1924. geb. RM. 7.50 Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 10. Mai 1897. Erläutert von Justizrat Rechtsanwalt vr. H. FrankenHurger in München. 5. Aufl. 21. geb. RM. 5.— Kartellverordnung, Die. Mit den einschläg. Borschr. Erl. v. Dir. vr. Haußmann, Rechtsanw. u. vr. Hollän­ der, Rechtsanw. in Berlin. (164 S.) 1925. geb. 6.— Konkursordnung mit den einschlägigen Gesetzen. Erl. von Staatsrat im bayer Justiz-Min. vr. K a r l Meyer. 2. Aufl. bearb. von Ministerialrat I. Bley er im bayer. Justiz-Min. 21. geb. RM. 5.— Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz v. 22. VII. 13 unter besonderer Berücksichtigung der bayer. Verhältnisse. Erläutert von Jakob Woeber, Bezirksamtmann in München. 3. Aufl. bearb. v. Reg.-Rat K. A. Fischer, München. (170 S.) 1922. geb. RM.. 4.— Reichsversorgnngs-Berfahrensgesetz. Erl. von Minist.-Rat vr. R. von OlsHausen, Berlin. 1921. kart. RM. 3.— Wettbewerbsgesetz v. 7. VI. 09. 2. A. bearb. von vr. I. Kahn, Justizrat, Syndikus d. Haudelsk. in München u. Dr. Chr. Weiß, Rechtsrat. (420 S.) 09. geb. 6.— J.Schweitzer Verlag (ArthurSellier) München/Berlin/Leipzig

In „Schweitzers

blauen Textausgaben" erschienen:

Bürgerl. Gesetzbuch nebst EinführungsG. mitAbdruckder zitierten Gesetzes stellen. 3. Auflage 1921. Ergänzt bis 1924. geb. RM. 4.50 Genoffenschaftsgesetz vom 1. V. 1889. In der Fassung vom 10. V. 1897. Erl. v. Fr. B o n s ch a b, Direktor d. Bayer. Landwirtschastsbank. 3. A. v. Dr. R. Deume r. kart. RM. 3.—. Gewerbeordnung m. Anmerkung, u. ausführl. Sachregister Von Oberregierungsrat vr. F. S t e i n b a ch, Mindelheim2. Ausl. Ausg. für Preußen. 684 S. 23. geb. RM. 4.50 „ „ Bayern. 658 S. 23. „ RM. 4.50 Konkursordnung, Anfechtungsgesetz, Geschäftsaufsichts-BO. und Zwangsversteigerungsgesetz. Mit 28 Nebenges. 2. Aufl. TA. mit Verweisungen und ausführlichem Sachregister bearbeitet von OberlandesgerRat I. Schiedermair, München. 1924. geb. RM. 3.— Kraftfahrzeuggesetz, vom 3. Mai 1909 mit BollzugSoorschriften des Reichs von Preußen und Bayern und inter­ nationalem Abkommen von PH. Seuffert. 3. Auflage, neubearbeitet von Ober-Staatsanwalt I. Dittmann, München. 25. Nachtrag im Druck. geb. RM. 5.50 Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich nebst Einführungs­ gesetz u. ergänzenden Gesetzen. TA. mit Anm. u. Sachreg. Bon Dr. Fr. Doerr, II. Staatsanwalt, Privatdozent in München, 3 Auflage 1922. RM. 1.50 Strafprozeßordnung und Gerichtsverfaffungsgesetz nebst ergänzend. Gesetzen. Von Staatsanwalt R. K a l l e n b a ch, München. 1924. geb. RM. 3 — Verfassung, die deutsche von 1919. Erläutert von Prof. Dr. Born hak, Berlin. 2. durchges. Aufl. 1921. geb. RM. 1.10 Wucher, Preistreiberei und Schleichhandel m. d. Wucher­ gerichtsgesetz. Erl. v. Rechtsanw. Dr. R. Wassermann und Staatsanwalt M. Kaiser. 1920. geb. RM. 2.— Zivilprozeßordnung mit 42 Nebengesetzen. 3. Aufl. Bon OLGRatSchiedermair. (XV,598S.) 1924.geb. RM 5.-

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