Judikatives Unrecht: Subjektives Recht, Beseitigungsanspruch und Rechtsschutz gegen den Richter [1 ed.] 9783428523405, 9783428123407

Judikatives Unrecht - in weiten Teilen ein weißer Fleck auf der dogmatischen Landkarte. Wenn überhaupt thematisiert, kon

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German Pages 276 Year 2007

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Judikatives Unrecht: Subjektives Recht, Beseitigungsanspruch und Rechtsschutz gegen den Richter [1 ed.]
 9783428523405, 9783428123407

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1065

Judikatives Unrecht Subjektives Recht, Beseitigungsanspruch und Rechtsschutz gegen den Richter Von

Marco Hößlein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Marco Hößlein · Judikatives Unrecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1065

Judikatives Unrecht Subjektives Recht, Beseitigungsanspruch und Rechtsschutz gegen den Richter

Von

Marco Hößlein

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT Die Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12340-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Man sagt nämlich: wenn nun Volk und Regent sich bey dem Ausspruch des Schiedsrichters nicht beruhigen wollen und durch denselben sich verletzt glaubten; so müsse ja wieder eine höhere Instanz vorhanden seyn, und über diese wieder eine höhere und so ins Unendliche fort: Allein wenn man nun weiß, was man in einer Rechtswissenschaft zu fragen und zu beantworten hat, so kann es mit Auflösung dieses, wie es scheint, Gordischen Knotens, gar keine Schwierigkeit haben. Es ist ja nur davon die Rede: ob Regent und Volk das Recht haben sich bei dem Ausspruch eines Schiedsrichters nicht zu beruhigen; nicht aber ob sie es nicht können. (Paul Johann Anselm Feuerbach)

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 von der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre der Universität Mannheim als Dissertation angenommen und im Jahr 2007 mit dem Fakultätspreis für hervorragende rechtswissenschaftliche Arbeiten ausgezeichnet. Zum Gelingen haben viele beigetragen. Der an dieser Stelle angemessene Dank gebührt zuvorderst Herrn Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Schenke, der die vorliegende Arbeit als Erstgutachter wissenschaftlich betreut und gefördert hat. Ferner ist an dieser Stelle Herrn Prof. Dr. Peter Baumeister für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens zu danken. Dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT danke ich für einen großzügigen Druckkostenzuschuss. Großen Dank möchte ich schließlich meinen Eltern aussprechen. Sie haben mich während meiner gesamten juristischen Ausbildung unterstützt. Ohne diese Unterstützung wäre eine Arbeit wie diese nicht möglich gewesen. Ihnen sei diese Arbeit daher gewidmet. Weisenheim am Sand, im Juli 2007

Marco Hößlein

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

A. Das Phänomen des judikativen Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

I. Die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

1. Judikatives Unrecht als Relationsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

2. Das Rechtsverhältnis des Bürgers zum Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

a) Die Entwicklung des Bürger-Staat-Verhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

b) Das Bürger-Staat-Verhältnis unter dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

c) Das Rechtsverhältnis des Bürgers zur Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

d) Systematisierung der judikativen Rechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

I. Bestimmung der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

1. Rechtswidrigkeit bei Verstoß gegen Verfahrensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

2. Die Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

II. Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. Grammatische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

2. Systematische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

3. Teleologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

C. Die Wirksamkeit des Richterakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

I. Das Problem der Fehlerfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

10

Inhaltsverzeichnis II. Erklärungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

1. Formale Betrachtung des Vorliegens eines Rechtsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

2. Der Rechtsakt als Staatsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

a) Die Staatsautorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

b) Die Rechtmäßigkeitsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

3. Die Wirksamkeit als Ausdruck der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

III. Sanktionierungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

1. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

2. Die gesetzgeberische Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

D. Das subjektive Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

1. Abzulehnende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

a) Kein Rückschluss aus formellem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

b) Keine Ableitung aus objektivrechtlichen Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

c) Keine Analogie zu einfachgesetzlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Ableitung aus der subjektiven Rechtsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

a) Inhalt und Struktur des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

b) Subjektive Rechtsqualität absoluter Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

aa) Eigenständige Bedeutung des Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

bb) Das subjektive Recht als Begriff der Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . .

97

(1) Der Begriff der Rechtsdogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

(2) Der rechtsdogmatische Begriff des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . 101 c) Die Rechtsmacht als Bestandteil des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Subjektives Recht ohne Rechtsmacht als Leerformel . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Widerlegung der Kritik am Rechtsmachtmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Der Zwang als spezifische Differenz des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (2) Das Phänomen der sog. leges imperfectae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Inhaltsverzeichnis

11

II. Unterarten subjektiver Rechte und ihre Hilfsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 E. Der judikative Beseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 I. Grundsätzliches zur Annahme eines Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Die Notwendigkeit eines Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Haftungsrechtliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Subjektivrechtliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Rechtsdogmatische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Das Verhältnis von Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Der objektive Tatbestand als Eingriff in ein subjektives Recht . . . . . . . . . . . . . . 139 a) Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Verhalten als Oberbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 bb) Die Hoheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Begriff der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Grundtypen der Beeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Beeinträchtigung durch Rechtsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (2) Beeinträchtigung durch Realakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Zurechnungszusammenhang zwischen Verhalten und Erfolg . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Allgemeine Überlegungen zur Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Die Zurechnungskriterien des Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Anknüpfungspunkt des Rechtswidrigkeitsurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Zeitliche Veränderung des Rechtswidrigkeitsurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Formell rechtswidrige Judikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Keine weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

12

Inhaltsverzeichnis III. Die Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Inhalt und Umfang der Beseitigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Die gesetzgeberische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Aufhebung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Keine Feststellungsmöglichkeit bezüglich der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . 168 IV. Adressaten des Beseitigungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 a) Vorrangige Störungsbeseitigung durch die Fachgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Das Gericht als der zur Beseitigung verpflichtete Störer . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Kein Devolutiveffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Möglichkeit der Selbstkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Der Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

F. Der judikative Rechtsschutzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 II. Kein Rechtsschutz gegen den Richter gem. Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Grammatische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Systematische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Historische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4. Systematisch-teleologische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Der zweistufige Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Der kategorische Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Rechtsschutz außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Der Anspruch auf Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Subjektives Recht als Grundlage des Rechtsschutzanspruchs . . . . . . . . . . . . 194 aa) Durchsetzbarkeit als Eigenschaft des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . 194

Inhaltsverzeichnis

13

bb) Rückgriff auf die subjektive Rechtsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (1) Die Ansprüche auf Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (2) Der Rechtsschutzanspruch bei judikativem Unrecht . . . . . . . . . . . . . 204 b) Erscheinungsformen des Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Ausschluss bestimmter Formen des Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (1) Die Selbsthilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (2) Mittelbare Formen des Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Die Rechtsmacht als gerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 cc) Der Rechtsschutz als prinzipale Rügemöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Rechtsschutz nur bei Verletzung formeller subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Kein Rechtsschutz bei materiellen subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Rechtsschutz im Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Rechtsschutz bei allen formellen subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 d) Das Problem des Rechtsschutzes ad infinitum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Die Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 II. Der Rechtsmittelverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. Die Bestimmung von Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Verfassungsrechtliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Dogmatische Verortung im Beseitigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Ausprägung von Treu und Glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Beruhens-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Vorschriften über die Ergebnisrichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

14

Inhaltsverzeichnis b) Regelung eines Zurechnungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 aa) Der Rechtswidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang . . . . . . . . . . . 247 bb) „Beruhen“ als Rechtswidrigkeitszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Einleitung Die Erschütterung der Luft wird erst Schall, wo ein Ohr ist. (Georg Christoph Lichtenberg)

Recht unerhört. – Der Anspruch auf rechtliches Gehör zählt zu den Grundpfeilern des Rechtsstaats. Als Ausdruck dieser tragenden Bedeutung ist das Gehörsrecht in Art. 103 Abs. 1 GG ausdrücklich im Verfassungstext verankert. Ebenso kehrt es im Text einiger Landesverfassungen wieder und findet sich leitmotivisch in zahlreichen einfachgesetzlichen Vorschriften der einzelnen gerichtlichen Verfahrensordnungen, wo es seine differenzierte Ausgestaltung erfährt. Nicht zuletzt wird der Anspruch auf rechtliches Gehör auch durch internationales Recht gewährt und geschützt.1 Vor diesem Hintergrund scheint die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG eigentlich mit einer der schwersten Verstöße, den ein Richter begehen kann. Gleichwohl gehören Anhörungsfehler in der Praxis zu den häufigsten Verfahrensfehlern: beispielsweise wird versehentlich ein fristgerecht eingereichter Schriftsatz von der Geschäftsstelle nicht rechtzeitig vorgelegt oder gerät in eine falsche Akte; ein Gericht verwertet eingeholte Auskünfte, ohne Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; es übergeht Beweisangebote oder wesentliches Vorbringen; es lehnt Vertagungsanträge ab; wendet Präklusionsvorschriften fehlerhaft an; stellt auf rechtliche Gesichtspunkte ab, mit denen die Verfahrensbeteiligten nicht rechnen konnten2 – „die Beispiele ließen sich vermehren“.3 Die durch eine Verletzung rechtlichen Gehörs beschwerten Verfahrensbeteiligten wehren sich mit Berufung, Revision oder Beschwerde und – wenn all dies ohne Erfolg bleibt – mit der Verfassungsbeschwerde. Die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG wird neben der des Art. 3 Abs. 1 GG am häufigsten in Verfassungsbeschwerden geltend gemacht und trägt so zu der viel beklagten Überlastung des BVerfG bei.4 Zunehmend wurde und wird das BVerfG zur „Pannenhilfe“ benutzt, um richArt. 6 EMRK; Art. 47 Abs. 2 Europäische Grundrechte-Charta. Zu den Fallgruppen Vollkommer, in: Zöller, ZPO (25. Aufl.), § 321a, Rn. 7 ff. 3 BVerfGE 42, S. 243 (248). 4 Vgl. den Bericht der Kommission zur Entlastung des BVerfG, abgedruckt bei SchmidtBleibtreu, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, § 90, Rn. 19a; Rüping, NVwZ 1995, S. 304 (305), weist darauf hin, dass auf die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG gestützte Verfassungsbeschwerden etwa 3/4 aller Verfassungsbeschwerden ausmachen. 1 2

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terliche Alltagsfehler zu beheben. Schon früh hat das BVerfG betont, dass der Geltungsbereich des Art. 103 Abs. 1 GG „nahezu bis in die letzten Einzelheiten geklärt“5 sei und die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nur noch selten grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen aufwerfe. Die Judikatur des BVerfG verwies infolgedessen darauf, dass es primär die Aufgabe der Fachgerichte sei, bei Gehörsverstößen Abhilfe zu schaffen. Es versuchte dementsprechend, die Fachgerichtsbarkeiten zu Selbstkorrekturen der ihnen unterlaufenen Fehler, welche „oftmals nur eine bloße ,Panne‘“ 6 sind, zu veranlassen. Diese Selbstkorrekturen stießen freilich vielfach an die Grenzen des positivierten Rechtsmittelsystems. Dies hatte seinen Grund. In den fachgerichtlichen Verfahrensordnungen setzte sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr der gesetzgeberische Gedanke einer Begrenzung der Rechtsmittel durch.7 Parallel zu diesen gesetzgeberischen Aktivitäten wurde von Seiten der Fachgerichtsbarkeit versucht, der Aufforderung des BVerfG nachzukommen und mit der Zulassung von außerordentlichen Rechtsmitteln Abhilfe zu schaffen.8 Ein scheinbares, weil nur vorläufiges Ende hat diese Entwicklung infolge der Aufnahme einer Gehörsrüge in die Zivilprozessordnung gefunden, vgl. § 321a ZPO aF.9 Nach Ansicht des BGH10 folgte aus dem bewusst als gesetzgeberischem Torso konzipierten § 321a ZPO aF, dass nunmehr außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift außerordentliche Rechtsmittel nicht mehr in Betracht kommen sollten. Damit war der status quo ante wieder hergestellt. Erneut stellte sich die Frage, wie sich ein durch eine Gehörsverletzung beschwerter Verfahrensbeteiligter außerhalb des Anwendungsbereichs der Gehörsrüge zur Wehr setzen soll. Insbesondere bleibt ohne Antwort, wie im Falle der Verletzung anderer „Prozessgrundrechte“11 vorgegangen werden soll, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar ist. Bleibt es bei der „Pannenhilfe“ durch das BVerfG? Das BVerfG12 hat daraufhin in einer der in seiner Geschichte seltenen Plenumsentscheidungen13 den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 31. 12. 2004 zu handeln BVerfGE 49, S. 252 (259). BVerfGE 42, S. 243 (248). 7 Dazu Seidel, Außerordentliche Rechtsbehelfe, S. 132 ff. 8 Vgl. den Überblick bei Vollkommer, in: Zöller, ZPO (22. Aufl.), Einl., Rn. 103. 9 Eingeführt durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses (ZPO-RG), BGBl. I 2001, S. 1887 ff. 10 BGH NJW 2002, S. 1577; dem folgend BVerwG NJW 2002, S. 2657. 11 Die Bandbreite der Bezeichnungen des Art. 103 Abs. 1 GG als auch der anderen nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG geltend zu machenden Rechte reicht sehr weit: „grundrechtsgleich“, „grundrechtsähnlich“, „Grundrecht“, „Prozessgrundrecht“ u. a. m., vgl. Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I, Rn. 12 m. w. N. Als Grundrecht wird Art. 103 Abs. 1 GG bezeichnet in BVerfGE 67, S. 208 (211), als grundrechtsähnlich in BVerfGE 61, S. 82 (104). 12 BVerfGE 107, S. 395 = NJW 2003, S. 1924; zu der Entscheidung sind zahlreiche Stellungnahmen ergangen, u. a. Britz / Pfeifer, DÖV 2004, S. 245; Dörr, Jura 2004, S. 334; 5 6

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und einen über die bisherigen Regelungen hinausgehenden fachgerichtlichen Rechtsbehelf für Gehörsverletzungen zu schaffen. Zunächst könnte man meinen, dass die Plenumsentscheidung wiederum nur eine allzu pragmatische Erwiderung auf die oben angeführten, außerordentliche Rechtsmittel und damit eine Pannenhilfe ablehnenden Entscheidungen der obersten Fachgerichte ist. Ruft sie doch einen Dritten, den Gesetzgeber, auf den Plan, um die Fachgerichte zur Abhilfe bei Gehörsverletzungen zu verpflichten. Dem Gesetzgebungsauftrag ist der Gesetzgeber mit dem zum 1. 1. 2005 in Kraft getretenen Anhörungsrügengesetz14 nachgekommen. Abzuwarten bleibt, ob damit das Problem gelöst sein wird. Stellt sich doch die geschilderte Problematik nach wie vor nicht nur bei Gehörsverletzungen, sondern in gleicher Weise bei Verletzung anderer Prozessgrundrechte, wie z. B. im Falle der Verletzung von Art. 101 Abs. 1 GG.15 Wird es in den gesetzlich nicht geregelten Fällen bei der Pannenhilfe durch das BVerfG bleiben? Die vorgehende Schilderung gibt daher Anlass zu folgender Frage: Wie, von wem und wodurch ist in den Fällen der Gehörsverletzung sowie der Verletzung anderer Prozessgrundrechte denn nun „eigentlich“ die „Pannenhilfe“ zu leisten? – Betrachtet man die Regelungen, deren Verletzung ursächlich für das Problem ist, so scheint der Normtext auf den ersten Blick keine Antwort zu enthalten. Als Beispiel soll uns für die vorliegende Untersuchung die Vorschrift des Art. 103 Abs. 1 GG dienen. Hier heißt es schlicht: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör“. Für den Fall der Verletzung trifft der Verfassungstext keine ausdrückliche Regelung. Fragt man nach den Folgen der Gehörsverletzung, so fragt man nicht, welche Gewährleistungen im Einzelnen der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst. Eine solche Frage ist vielmehr dafür relevant, ob eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Hier bestünde im Übrigen auch kein Klärungsbedarf. Wie bereits angeführt, ist Inhalt und Umfang des Gehörsrechts von rechtswissenschaftlichem Schrifttum und Rechtsprechung weitestgehend geklärt, insbesondere durch die umfangreiche Judikatur des BVerfG. Diesbezüglich mag jeder gängige Kommentar die entsprechenden Dienste leisten. Wird aber danach gefragt, welche Folgen es hat, falls das Gehörsrecht seinem primärrechtlichen Gehalt nach nicht beachtet wird, bleiben zwar auf richterrechtlicher und rechtspolitischer Ebene Vorschläge nicht aus.16 Wohl aber mangelt es, wie am Wortlaut des Art. 103 Abs. 1 Eschelbach, GA 2004, S. 228; Gehb, DÖV 2005, S. 683; Gravenhorst, MDR 2003, S. 887; Kley, DVBl. 2003, S. 1160; Meilicke, DB 2003, S. 1573; Pache / Knauff, BayVBl. 2004, S. 385; Redeker, NJW 2003, S. 2956; Spiecker gen. Döhmann, NVwZ 2004, S. 1464; Ulrici, Jura 2005, S. 368; Vollkommer, in: FS Schlosser, S. 1009; Voßkuhle NJW 2003, S. 2193. 13 Zum „horror pleni“ vgl. Benda, in: Benda / Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 152. Bisher liegen nur wenige Plenumsentscheidungen vor, vgl. etwa BVerfGE 2, S. 79; 4, S. 27; 54, S. 277; 95, S. 322; dazu Benda, in: Benda / Klein, Verfassungsprozeßrecht, Rn. 149 f. 14 BGBl. I 2004, S. 3220 ff. 15 Als „zu kurz gedacht“ bewertet Nassall, ZRP 2004, S. 164 (168), die Regelungen des Anhörungsrügengesetzes. 16 Zur jahrzehntelangen rechtspolitischen Diskussion Bauer, Gegenvorstellung, S. 137 ff. 2 Hößlein

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GG gezeigt, nicht nur an einer ausdrücklichen verfassungsgesetzlichen Anordnung, sondern es ist bislang auch eine verfassungsdogmatische Antwort auf die gestellte Frage nach den Verletzungsfolgen ausgeblieben. Die nachfolgende Untersuchung will hier Abhilfe schaffen. Bei der Frage nach den verfassungsrechtlich gebotenen Folgen der Gehörsverletzung soll als erster Anhaltspunkt die bereits angeführte Plenumsentscheidung des BVerfG dienen. Danach ist von folgender Arbeitshypothese auszugehen: „Es verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 103 Absatz 1 des Grundgesetzes, wenn eine Verfahrensordnung keine fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit für den Fall vorsieht, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt“.17 Schon die noch recht grobkörnig formulierte These zeigt, dass sie mehrere Aussagen enthält. Das Schaffen von „Abhilfe“ scheint durch nachträgliche Gehörsgewährung nur unvollkommen geleistet.18 Will man das neue Vorbringen berücksichtigen, muss eine Änderung der bereits getroffenen Entscheidung möglich sein.19 Die ohne Beachtung des Art. 103 Abs. 1 GG erlassene gerichtliche Entscheidung muss dazu aber „beseitigt“ werden. So ist eine erste Frage aufgeworfen: Gibt es einen Anspruch auf Beseitigung der bereits getroffenen gerichtlichen Entscheidung aus Art. 103 Abs. 1 GG? Weiter wird in der These ausgeführt, es müsse eine „fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit“ geben. Neben der Frage der Aufgabenverteilung zwischen Fachund Verfassungsgerichtsbarkeit wird damit implizit das Vorliegen eines gerichtlichen Verfahrens gefordert. So heißt es auch im Normtext des zur Begründung herangezogenen Art. 103 Abs. 1 GG: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör“. Die nachträgliche Anhörung hat, wie jedes rechtliche Gehör im Sinne der vorgenannten Vorschrift, zur Voraussetzung das Vorliegen eines gerichtlichen Verfahrens. Zuletzt scheint auch ein mit der vorigen Frage thematisierter Beseitigungsanspruch bzgl. der bereits getroffenen gerichtlichen Entscheidung als actus contrarius aufgrund seiner Rechtsprechungsqualität einem gerichtlichen Verfahren vorbehalten zu sein. Folglich ergibt sich im Anschluss an die erste Frage eine zweite: Eröffnet die Verfassung im Fall der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG den Rechtsweg? Abschließend gilt es, die in der angeführten Entscheidungsformel enthaltene Andeutung zu beachten, dass die geforderte fachgerichtliche Abhilfemöglichkeit Beschränkungen unterliegt. So soll eine solche Abhilfemöglichkeit nur für VerletVgl. Fn. 12. Vgl. BVerfG NJW 2003, S. 3687 (3688): „Ist ein Verstoß gegen das Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 I GG erfolgt, ermöglicht erst die Beseitigung dieses Verstoßes das Gehörtwerden im Verfahren“. 19 BVerfGE 42, S. 243 (249): „ . . . das Fachgericht hat das bisher nicht berücksichtigte Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, ob die bisherige Entscheidung . . . geändert werden muss“. 17 18

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zungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör erforderlich sein, welche „entscheidungserheblich“ sind. Diese Beschränkungen würden einen Beseitigungsanspruch sowie einen Anspruch auf Rechtsschutz in Frage stellen und bedürfen daher einer eingehenden Prüfung. Damit sind die Aufgaben der nachfolgenden Untersuchung exponiert: Es gilt das soeben aus der Plenumsentscheidung entwickelte Ensemble aus Hypothesen im Einzelnen abzuarbeiten und verfassungsdogmatisch zu rekonstruieren.

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts If you want a bird and a cage, buy the cage first. (Englisches Sprichwort)

I. Die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes Stellt man die Frage nach den rechtlichen Folgen im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch die Judikative, so fragt man nach dem Recht im judikativen Unrecht. Die Nennung des zentralen Problemfelds und Untersuchungsgegenstandes der Arbeit ist sogleich zu präzisieren. Was bedeutet es, nach dem „Recht“ im judikativen Unrecht zu fragen? – Recht besteht aus Normen.20 Jede Rechtsnorm schreibt dem Adressaten, an den sie sich wendet, ein bestimmtes äußeres Verhalten vor.21 Dieses Verhaltensollen ist eine Rechtspflicht. Vom Standpunkt des Normadressaten ist die Norm folglich Rechtspflicht.22 Nun folgt aus einer Pflicht kein Recht, wohl aber gilt das Umgekehrte: Jedem Recht entspricht rechtslogisch eine Pflicht.23 In solch einem Fall liegt eine auf ein Recht bezogene, relationale Verpflichtung vor – ein Rechtsverhältnis.

20 Grundlage und Grenze der Rechtswissenschaft ist das positive Recht, vgl. dazu unten D.I.2.b)bb) sowie unten Fn. 374. Die Norm ist Elementarteilchen und Grundbegriff des Rechts, zugleich ist sie auch Axiom der analytischen Rechtstheorie, vgl. Röhl, Rechtslehre, S. 167; Alexy, Theorie, S. 39 ff. 21 Nawiasky, Rechtslehre, S. 152; vgl. schon Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre, § B (S. 66): „Der Begriff des Rechts . . . betrifft erstlich nur das äußere und zwar praktische Verhältnis einer Person gegen eine andere, sofern ihre Handlungen als Fakta aufeinander . . . Einfluß haben können“; in einem noch weiteren Sinn bezeichnet man als Rechtsnorm jeden Satz in einem autoritativen Normtext, vgl. Röhl, Rechtslehre, S. 168; im vorliegenden Kontext wird der Normbegriff i.e.S. verwendet, also nur in Bezug auf solche Normen verwendet, welche Sollenssätze enthalten. Unter dem Begriff des „Sollens“ sind die deontischen Grundmodalitäten zu verstehen, vgl. Alexy, Theorie, S. 43, 46, 182 ff. Der Begriff der Rechtsnorm als Sollenssatz wird nahezu ausnahmslos, über alle Theorien hinweg vertreten: Henkel, in: GS Marcic, S. 63, 67, dort auch Fn. 26; Engisch, Einführung, S. 21 ff.; Zippelius, Methodenlehre, § 1 (S. 2); Kelsen, Rechtslehre, S. 32; Rödig, Einführung, S. 30 ff.; Nawiasky, Rechtslehre, S. 2; Weinberger / Weinberger, Rechtstheoie 10 (1979), S. 1 (17); Somló, Grundlehre, § 123 (S. 430); Larenz, Methodenlehre, S. 256, spricht insoweit von „Bestimmungssätzen“. 22 Nawiasky, Rechtslehre, S. 152. 23 Vgl. dazu auch Alexy, Theorie, S. 186.

I. Die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

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1. Judikatives Unrecht als Relationsbegriff Die Bedeutung dieses Gedankens einer relationalen, ein Rechtsverhältnis schaffenden Verpflichtung ist bedeutsam nicht nur für die nachfolgende Interpretation des Verhältnisses Bürger-Staat, sondern wird auch im weiteren Gang der Untersuchung bezüglich anderer Fragen relevant werden, z. B. bei der Bestimmung des Rechtswidrigkeitsbegriffs (unten B.) oder auch der Rechtsverletzung (unten E.II.) als Relationsbegriffe. Der Begriff des Rechtsverhältnisses ist daher kurz zu beleuchten: Hierunter kann man rechtstheoretisch die „Beziehung“ zwischen dem Normadressaten und der Rechtsnorm als Rechtsverhältnis in einem weiteren Sinne begreifen, wenn man die Rechtsnorm mit dem Normgeber und damit Recht und Staat identifiziert.24 Ist der Normadressat ein staatliches Organ, läge danach eine objektivrechtliche Relation Staat-Staat vor, ein Innenrechtsverhältnis. Handelt der Staat gegenüber dem Bürger, so stellte sich nach einem solchen Verständnis die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben durch den Staat als die Erfüllung einer selbst gegebenen Pflicht dar.25 Bezogen auf den Fall, dass der Staat Normadressat ist, gäbe es ein Rechtsverhältnis Bürger-Staat als Außenrechtsverhältnis nicht. Anders ist es im umgekehrten Fall, wenn Normadressat der Bürger ist, also nicht das Verhältnis Bürger-Staat, sondern das Verhältnis Staat-Bürger betrachtet wird. In diesem Fall bestünde ein Rechtsverhältnis im weiteren Sinne, in welchem der Bürger als Normadressat dem Staat als Normgeber verpflichtet ist, ihm „unterworfen“ ist. Aus dem Bürger würde ein „Unterthan“, aus dem Rechtsverhältnis StaatBürger ein „Gewaltverhältnis“. Rechte des Bürgers können mit dieser Sichtweise nicht adäquat erfasst werden. Auf unseren Fall der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG gewendet: der Richter würde gemäß einem solchen Verständnis einen Verfahrensbeteiligten anhören, weil er als Teil des Staates dazu durch den Staat (objektivrechtlich) verpflichtet ist. Der Bürger käme hiernach nur als Objekt der vom Richter zu erfüllenden Pflicht in Betracht. Für ihn stellte sich die Erfüllung dieser Pflicht als bloßer Reflex dar. Im Übrigen bleibt die bloße Pflicht ohne ein entsprechendes Recht letztendlich eine einseitige Sache. Das Außenverhältnis Bürger-Staat kann als Verhältnis im wörtlichen Sinn mit einer bloßen Selbstverpflichtung des Staates nicht adäquat erfasst werden. Es wäre bestenfalls ein Verhältnis Staat-Staat in Form einer Selbst24 Nawiasky, Rechtslehre, S. 153 f., 238; für ein Rechtsverhältnis aus objektivem Recht auch Hübner, BGB AT, § 22, Rn. 353, falls das objektive Recht zwischen den Zivilrechtssubjekten angewendet wird. 25 Den Gedanken der Selbstverpflichtung hat schon Hobbes, Leviathan, 26. Kap. (S. 204), ad absurdum geführt: „Es ist auch nicht möglich, gegen sich selbst verpflichtet zu sein, denn wer verpflichten kann, kann die Verpflichtung aufheben, und deshalb ist einer, der nur gegen sich selbst verpflichtet ist, nicht verpflichtet“. Ähnlich wird später die Selbstverpflichtungslehre Jellineks bekämpft werden, zu dieser Jellinek, System, S. 195; zur Kritik s. Kelsen, Hauptprobleme, S. 400 f., mit dem Einwand, eine personeninterne Selbstverpflichtung könne lediglich als moralische, nicht als rechtliche aufgefasst werden; ähnlich Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 78 Fn. 6.

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts

verpflichtung. Allein durch die Pflicht, das nur objektive Recht, wird eben bestenfalls ein Rechtsverhältnis im weiteren Sinne beschrieben.26 Gleichwohl gilt es auch in diesem Fall festzuhalten, dass der Rechtsbegriff ein Relationsbegriff ist.27 „Ius est realis et personalis hominis ad hominem proportio“.28 Dies ergibt sich daraus, dass das Recht an Menschen adressiert ist und deren Verhalten steuern soll. Das Recht regelt das äußere Verhalten von Menschen. In der Wechselwirkung und Abgrenzung dieser äußeren Verhaltensweisen liegt die rechtliche Sphäre. „Nur inwiefern vernünftige Wesen wirklich im Verhältnisse mit einander stehen, und so handeln können, dass die Handlung des einen Folgen habe für den andern, ist zwischen ihnen die Frage vom Rechte möglich“.29 Kritisch auch Schenke, Rechtsschutz, S. 217, s. dort auch Fn. 13. Dazu Löwenstein, Der Rechtsbegriff als Relationsbegriff, S. 23 ff., 43: „Freilich . . . das muß jetzt festgestellt werden . . . eine Modalrelation erschöpft sich nicht in der Beziehung eines Subjekts auf ein Objekt [ . . . ] es handelt sich vielmehr stets um eine Beziehung zwischen zwei Subjekten“; Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit I, S. 16: „Das Recht ist sonach ein System von Beziehungen zwischen Menschen“. Nach Hold von Ferneck, S. 19, stellt sich die Beurteilung als rechtmäßig bzw. rechtswidrig nicht als „Qualitäts-, sondern als Relationsurteil dar“; Binder, Problem der juristischen Persönlichkeit, S. 48: „ . . . daß es die Rechtsordnung überhaupt nie und nirgends mit Dingen – die menschlichen Lebewesen mit eingerechnet – zu tun hat, sondern immer nur mit Relationen. Dinge als solche interessieren das Recht nicht; und alles, was rechtlich von Bedeutung ist, besteht in der Beziehung von Menschen zu Menschen oder zu den Rechtsobjekten. Jedes Rechtsverhältnis ist eine Relation“; Jellinek, Recht des modernen Staates I, S. 149 ff.: „Der Begriff des Rechtssubjekts ist ein rein juristischer Begriff, bezeichnet daher keine dem Menschen anhaftende reale Qualität, sondern ist, wie alle Rechtsbegriffe, seinem Wesen nach eine Relation“; ders., System, S. 15 f., wo das Recht unter Anspielung auf die Kategorialbegriffe analysiert wird: „Unter dem Gesichtspunkte theoretischer Erkenntnis gibt es keine Rechte als Substanzen oder Qualitäten, sondern wiederum nur höchst verwickelte psychische Massenprozesse und Beziehungen der Individuen zu einander, als deren Resultat sich bestimmte Relationen darstellen“; auf die Kategorien bezogen verwendet auch Marcic, Rechtsphilosophie, S. 109, den Begriff der Relation in Bezug auf das Recht; Rupp, Grundfragen, S. 15 ff., 18, 273; Goerlich, Verfahrensgarantien, S. 138, 243. Vgl. i.Ü. schon Aristoteles, N.E., 1137a (S. 100 f.), 1159b 25 ff. (S. 182); Thomas von Aquin, Summa Theologica I / 2, qu. 116, art. 2 ad 3 (S. 269): „ . . . non . . . est in genere qualitatis, sed . . . ordinem, qui non est substantia, sed relatio“; Thomasius, Fundamenta, Buch 1, Kap. 5 §§ 16 ff. (S. 148): „Patet igitur, quod jus, item obligatio externa juri correspondens, & injuria, semper supponant duos homines“ (in der eigenen Übersetzung von Thomasius, Grundlehren, S. 97: „Diesem nach ist offenbar, daß das Recht wie auch die mit dem Recht einstimmende äusserliche Verpflichtung und Unrecht allezeit zweene Leute fordert“); eine Kategorialanalyse des Urrechts, der Freiheit, nimmt Fichte, Grundlage, S. 405 ff., vor und gelangt neben Qualität, Quantität und Modalität der Freiheit dazu, dass die Freiheit in rechtlicher Hinsicht der Kategorie der Relation unterfällt: „Der Relation nach ist von der Freiheit der Person nur insofern die Rede, inwiefern nach dem Rechtsgesetze der Umfang der freien Handlungen anderer dadurch beschränkt werden soll, weil diese die geforderte formale Freiheit unmöglich machen könnten“, S. 404 [Hervorh. im Original]. 28 Dante, Monarchia, 2. Buch, 5. Kapitel, 1. Absatz (S. 133) (Das Recht ist das sachliche und persönliche Verhältnis von Mensch zu Mensch); vgl. dort auch 3. Absatz: „leges enim oportet homines devincire“. 29 Fichte, Grundlage, S. 360. 26 27

I. Die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

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Die Bedeutung des Rechts als Relationsbegriff liegt darin, dass auch alle an den Rechtsbegriff anknüpfenden Begriffe zu Relationsbegriffen werden, insofern sie den Rechtsbegriff in sich aufnehmen, so z. B. der Gegenbegriff des Unrechts bzw. der Rechtswidrigkeit, der Begriff der Rechtsverletzung30 und des Rechtssubjekts. Mit dem Begriff der Relation wird die Tatsache ausgedrückt, dass das Recht mindestens als zweistelliges Prädikat zu gelten hat, eben eine Relation von zwei Prädikaten beschreibt.31 Diese Relation kann man verengen auf ein Verhältnis zweier Rechtssubjekte.32 Qualifiziert man etwas als rechtlich, so beinhaltet diese normative Qualität eine Aussage mit einem zweistelligen Prädikat. Vom Rechtsverhältnis im weiteren Sinn kann das Rechtsverhältnis im engeren Sinn unterschieden werden. Darunter kann dasjenige Rechtsverhältnis im weiteren Zum Begriff der Rechtsverletzung als Pflichtverletzung unten E.II.1.b)aa). Vgl. dazu auch die Ausführungen beim Begriff der Rechtswidrigkeit unten B.I., wonach auch ein dreistelliges Prädikat zu erwägen ist. 32 Denkbar sind zunächst Relationen zwischen einem Rechtssubjekt und einem Rechtsobjekt, zwischen jeweils zwei Rechtsobjekten oder Rechtssubjekten zueinander. Da das Recht der Regelung menschlicher Verhaltensweisen dient und eine spezifische Erscheinungsform menschlichen Zusammenlebens ist, wird das Recht zutreffend beschrieben durch die Regelung der Beziehung zweier Rechtssubjekte. Eine Beziehung zwischen einem Rechtssubjekt und einem Rechtsobjekt wird nur im Verhältnis zu anderen Rechtssubjekten relevant, als diese anderen Rechtssubjekte die Zuordnung eines Rechtsobjekts zu einem Rechtssubjekt zu beachten haben. Das Verhältnis Rechtssubjekt-Rechtsobjekt hat daher neben dem von Rechtssubjekt-Rechtssubjekt keine eigenständige Bedeutung. Hinzu kommt, dass das Recht als Sollen nur dann einen Sinn macht, wenn das Sein vom Sollen abweichen kann, anders gewendet: wenn es die Möglichkeit gibt, dass es auch anders sein könnte, und somit das Vorhandensein von Alternativen besteht. Die Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Entscheidung, zwischen solchen Alternativen zu wählen sowie dabei das von der Rechtsordnung aufgestellte Sollensgebot zu beachten oder bewusst hiervon abzuweichen, kommt auf Grund seiner Willensfreiheit nur dem Menschen zu, vgl. schon das abendländische Paradigma der Medea: „Video meliora proboque, deteriora sequor!“, vgl. Ovid, Metamorphosen, 7. Buch, 20 (S. 330). Die durch das Recht beschriebene Relation ist daher stets intersubjektiv. So schon Aristoteles, N.E., 1134a (S. 109): „Denn Recht ist da, wo die Beziehungen von Mensch zu Mensch durch das Gesetz geordnet ist“, wenngleich bestimmte personale Relationen ausgenommen werden, 1134b (S. 110); ders., E.E., 1235a 2 (S. 62); ders., N.E., 1160a (S. 183); ferner sind keine rechtlichen Beziehungen zu Gegenständen möglich, vgl. ders., N.E., 1161b (S. 186 f.); Kant, MdS, Einteilung der Metaphysik der Sitten überhaupt, III. (S. 80 f.); Fichte, Grundlage, S. 360: „Der Rechtsbegriff ist der Begriff eines Verhältnisses zwischen Vernunftwesen. Er findet daher nur unter der Bedingung statt, daß solche Wesen in Beziehung aufeinander gedacht werden“; ebenso findet sich der personale Charakter in allen vertragstheoretischen Begründungen des Rechts, da als Vertragspartner nur in Betracht kommt, wer überhaupt einen Vertrag schließen kann: das Rechtssubjekt, nicht jedoch ein Rechtsobjekt. Bei Verwendung des Vertragsmodells (z. B. durch Rousseau, Hobbes, Rawls etc.) findet sich konsequenterweise das Recht definiert und reduziert als eine Regelung intersubjektiver Relationen, vgl. etwa Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 77. Abschnitt. Vgl. i.Ü. Jellinek, System, S. 10: „Alles Recht ist Beziehung von Rechtssubjekten“; Rupp, Grundfragen, S. 15; Schenke, Rechtsschutz, S. 216 sowie die Nachweise oben bei Fn. 27 und 28. 33 Nawiasky, Rechtslehre, S. 167. 30 31

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts

Sinne verstanden werden, bei welchem zur Verpflichtung durch die Rechtsnorm noch die Berechtigung einer anderen Person hinzukommt.33 Die Begriffe „Rechtsverhältnis im engeren Sinne“ und „subjektives Recht“ bezeichnen aus unterschiedlichen Blickwinkeln die gleiche Sache.34 Das subjektive Recht ist die Rechtsnorm vom Standpunkt des Berechtigten aus gesehen. Nur hiernach, also im Falle des Vorliegens subjektiver Rechte, kann man sinnvoll von einem Außenverhältnis Bürger-Staat sprechen. Übertragen auf unseren Fall besteht dann die Pflicht zur Anhörung gegenüber dem Bürger nicht in einer großzügigen Geste bzw. als Erfüllung einer Selbstverpflichtung, sondern die Pflicht des Richters besteht, weil der Bürger ein Recht hat. Zum Verhältnis von Rechtsverhältnis im weiteren und engeren Sinn ist zu bemerken, dass eine Pflicht des Staates sowohl objektivrechtlich als auch subjektivrechtlich bestehen kann. Hierbei wird die zuletzt genannte Pflicht von der zuerst genannten erfasst. Daraus folgt, dass eine objektivrechtliche Verpflichtung nicht weniger weit reichen kann als eine subjektivrechtliche, wohl aber darüber hinaus. Das Rechtsverhältnis im weiteren Sinn ist der umfassendere Begriff. Mit dieser Analyse ist kein Plädoyer für eine Rechtsverhältnislehre35 verbunden, vielmehr sollte damit in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand herausgearbeitet werden, was judikatives Unrecht bedeuten kann. Wenn alles Recht der Kategorie der Relation unterfällt, so muss auch sein Gegenteil, das Unrecht, in Relationen zutreffend erfasst werden können. Mittels der in Betracht kommenden Relationen lässt sich das Phänomen des judikativen Unrechts abschließend systematisieren. Judikatives Unrecht ist der Verstoß des Richters gegen eine ihm gegenüber bestehende Rechtspflicht, unter anderem auch die aus Art. 103 Abs. 1 GG resultierende Pflicht, welche im Rahmen der Arbeit näher untersucht werden soll. Je nachdem, ob es sich bei diesen Pflichten um subjektivrechtliche und / oder objektivrechtliche Pflichten handelt,36 trifft die Frage nach den Folgen der Pflichtverletzung einen anderen Teilbereich des Untersuchungsgegenstands „Judikatives Unrecht“. Es wird damit deutlich, dass verschiedene Rechtverhältnisse betrachtet werden können. So können, weil innerhalb des Staates, Innenrechtsverhältnisse untersucht werden, etwa das Verhältnis Richter als Organwalter oder Organteil zu

Schenke, Rechsschutz, S. 216. Dazu Röhl, Rechtslehre, S. 380 ff.; zutreffend dürfte das Resümee von Röhl, S. 384, sein, die Rechtsverhältnislehre erbringe keinen dogmatischen Nutzen und sei eine bloße facon-de-parler. Das Rechtsverhältnis kann den Begriff des subjektiven Rechts aus seiner zentralen Stellung nicht verdrängen. Wie ausgeführt, wird ein Rechtsverhältnis im engeren Sinn gerade durch ein subjektives Recht begründet. Aber die Redeweise des „Rechtsverhältnisses“ gestattet zu verdeutlichen, dass durch subjektive Rechte Relationen geschaffen werden und die jeweils an dieser Relation Beteiligten zu benennen. Sie hat insofern einen heuristischen Wert. Systembegriff bleibt aber das subjektive Recht. 36 Der Richter kann zur Anhörung sowohl objektivrechtlich als auch subjektivrechtlich verpflichtet sein. 34 35

I. Die Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

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anderen Organwaltern oder Organen bzw. Organteilen. Es kann aber auch das Außenverhältnis von Staat und Bürger betrachtet werden. Beide Arten von Rechtsverhältnissen können ferner objektivrechtlich oder subjektivrechtlich betrachtet werden. Der Verstoß des Richters gegen Rechtspflichten und damit das Phänomen judikativen Unrechts ist seinem Umfang nach weiter als der Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Letzterer ist daher einzugrenzen. Nachfolgend ist in einem ersten Schritt eine rein objektivrechtliche Betrachtung auszuschließen. Nach der Festlegung auf eine subjektivrechtliche Deutung kann ferner die Untersuchung von Innenverhältnissen ausgeschlossen werden.

2. Das Rechtsverhältnis des Bürgers zum Staat Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kann das judikative Unrecht nur unter Heranziehung des subjektiven Rechts erfolgen, so dass eine rein objektivrechtliche Erörterung der Unrechtsfolgen ausgeschlossen ist. Dies nicht nur, weil die Folgen der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ermittelt werden sollen und diese Norm als subjektives Recht zu qualifizieren ist. Zwar folgt bereits aus der Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG qua subjektives Recht ein subjektivrechtliches Außenverhältnis, jedoch wird aus dieser Einzelbestimmung noch nicht hinreichend deutlich, dass das Rechtsverhältnis des Bürgers zur Judikative respektive zum Staat insgesamt nur einer subjektivrechtlichen Deutung zugänglich ist. Die Deutung des Außenverhältnisses Bürger-Staat mittels der Rechtsfigur des subjektiven Rechts ist nicht ohne eine Vorgeschichte, wenn sie auch in ihren Anfängen noch Unterschiede zu der heutigen Auffassung aufweist. Auf diese Vorgeschichte ist kurz einzugehen, weil hier nicht nur die soeben rechtstheoretisch ermittelten Grundpositionen wiederkehren, sondern aus der Fixierung auf das Verhältnis des Bürgers zur Exekutive die bis heute andauernde Vernachlässigung des Verhältnisses des Bürgers zur Judikative deutlich wird. a) Die Entwicklung des Bürger-Staat-Verhältnisses Die subjektivrechtliche Deutung des Bürger-Staat-Verhältnisses beschäftigte die Staatsrechtswissenschaft im Kontext der Auseinandersetzung um den Rechtsstaatsbegriff.37 Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Begriff des Rechtsstaats von einer den ganzen Staat umfassenden Vorstellung, die sowohl den Zweck wie die Organisation und politische Willensbildung sowie die Form staatlichen Handelns betraf, hin zu einem lediglich formalen Verständnis, welches sich im We37 Dazu Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 43 ff. Das Mittelalter und das Zeitalter des Absolutismus sind im vorliegenden Kontext vernachlässigenswert, zu diesen Zeitabschnitten Bauer, S. 22 ff.

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts

sentlichen auf die Postulate der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Verwaltungsjustiz beschränkte.38 Gegenläufig dazu wurde teilweise der Begriff des Rechtsstaats noch weiter gefasst und zu der damit thematisierten Beschränkung der Staatsgewalt die Freiheit des Bürgers von ungesetzlichem Zwang gedacht. So führt Gerber unter der Überschrift „Das Recht der Unterthanen“ aus: „Die staatsrechtliche Stellung eines Unterthanen ist die eines staatlich Beherrschten und mit diesem Begriffe vollständig bezeichnet. [ . . . ] Man könnte hiergegen einwenden wollen, dass die jetzt in allen deutschen Staaten geschehene Gewährung sogenannter Volksrechte, z. B. Pressfreiheit, Associationsrecht, Gewissensfreiheit u.s.w. zu einer anderen Auffassung der rechtlichen Stellung des Unterthanen nöthige, indem dadurch von vornherein dem Begriffe der staatsrechtlichen Beherrschung der Inbegriff gewisser öffentlicher Rechte zur Seite gestellt werde. Insbesondere könnte man versucht sein, statt des obigen Ausgangspunkts den Begriff des Staatsbürgerthums zu setzen, [ . . . ] das sich in der Ausführung einer Reihe von Rechten (z. B. das Recht die Religion zu ändern, sich ungestört zu versammeln, Waffen zu tragen u.s.w.) in ähnlicher Weise konstruieren ließe, wie das Eigenthum [ . . . ]. Allein bei näherer Prüfung wird man sich überzeugen, daß der Begriff Staatsbürgerthum lediglich ein politischer, aber durchaus nicht ein juristischer ist [ . . . ]. Der allgemeine Gesichtspunkt jener sogenannten staatsbürgerlichen Rechte (politische Freiheiten) kann nur in etwas Negativen gefunden werden, nämlich darin, dass der Staat sich bei der Beherrschung und Unterwerfung des einzelnen innerhalb seiner naturgemäßen Schranken hält [ . . . ]. Die juristische Auffassung kann deshalb nur die sein, dass diese Negationen in eine positive Bestimmung der Rechte der Staatsgewalt verwandelt werden. Es sind objektive, abstrakte Rechtssätze über die Ausübung der Staatsgewalt“.39

Wie man unschwer erkennen kann, vermögen sich selbst solche Ansätze, welche zu der Selbstverpflichtung des Staates durchaus auch von der Seite des Bürgers dessen Freiheit hinzudenken, nicht völlig vom formalen Rechtsstaatsbegriff zu lösen. Der Bürger ist, soweit es das Prinzip der Gesetzmäßigkeit betrifft, „Unterthan“, ihm kommt in Bezug auf die Einhaltung der Gesetze keine eigenständige Rolle zu. Insoweit bleibt es bei der oben beschriebenen Konstruktion eines Rechtsverhältnisses im weiteren Sinne. Nach der Auffassung Gerbers tritt der Bürger als „Staatsbürger“ dem Staat nur politisch, jedoch nicht rechtlich gegenüber. Der Dualismus von Staat und Gesellschaft oder gar von Staat und Individuum, die sich auf gleicher Augenhöhe gegenüber stehen, ist nicht vollzogen. Das Bürger-Staat-Verhältnis hat „eine politische, aber keine juristische“ Bedeutung. Mittels politischer Betätigung mag der Bürger Einfluss auf den Staat nehmen und eine gewisse Kontrolle der Staatsgewalt ausüben, nicht jedoch wird die Position des Bürgers juristisch durch ein entsprechendes subjektives Recht erfasst, dessen Einhaltung er dem Staat gegenüber durchsetzen kann. Die aufgezählten „Volksrechte“, wie „das Recht die Religion zu ändern“, „sich ungestört zu versammeln“, „Associationsfreiheit“, „Pressfreiheit“ u. a., nach heutigen Maßstäben unschwer als Grundrechte und damit subjektive Rechte zu erkennen, werden juristisch in ihrer Bedeutung für den 38 39

Zur Entwicklung des Rechtsstaatsbegriffs Stern, Staatsrecht I, S. 787 ff. Gerber, Über öffentliche Rechte, S. 62 ff.

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Staat lediglich als negative Kompetenzordnung angesehen. Der Bürger kann auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit keinen aktiven rechtlichen Einfluss nehmen, dessen Rechte auf Freiheit von ungesetzlichem Zwang können „nur in eine positive Bestimmung der Rechte der Staatsgewalt“ verwandelt werden. Es sind eben lediglich „objektive, abstrakte Rechtssätze über die Ausübung der Staatsgewalt“. Damit bleibt es auch bei dem gemeinhin für die Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts namhaft gemachten Gerber mit seiner „epochemachenden Abhandlung“,40 dem „Markstein in der Geschichte der Staatsrechtslehre überhaupt“,41 bei einer letztlich formalen Interpretation des Rechtsstaatsprinzips.42 In dieser formalen Interpretation hat sich der Rechtsstaatsgedanke in der Staatsrechtslehre der Weimarer Zeit erhalten. Ausdifferenziert in Gestalt der Lehre vom Stufenbau43 und dabei zugleich entwertet, weil inhaltsleer gemacht, erscheint der Rechtsstaat bei Kelsen. Nach Kelsen besteht eine Identität von Staat und Recht.44 Der Staat wird ein König Midas, dem alles, was er ergreift, zu Recht wird.45 Spätestens hier wird klar, dass der formale Rechtsstaat einen Un-Rechtsstaat nicht verhindern kann.46 Insofern lag es auf der Hand, den formalen Rechtsstaatsgedanken um einen materialen zu bereichern, welcher vor allem in Form von Grundrechten die Stellung des Einzelnen aufwertet. Dieser kann neben der politischen Einflussnahme durch den Wahlakt der Macht des Staates auch durch subjektive Rechte Grenzen setzen. Insoweit erfährt das Prinzip der Gesetzmäßigkeit, soweit den Pflichten des Staates subjektive Rechte der Bürger korrelieren, eine Subjektivierung. b) Das Bürger-Staat-Verhältnis unter dem Grundgesetz Ist nach dem Vorangegangenen eine Deutung des Verhältnisses Bürger-Staat objektivrechtlich erfolgt, so kann für die weitere Untersuchung rechtsdogmatisch maßgeblich nur die durch das Grundgesetz getroffene Ausgestaltung sein. Bei der Auslegung des Grundgesetzes ist nicht von einem vorverfassungsmäßigen Gesamtbild oder staatstheoretischen Rechtsstaatsmodell auszugehen, sondern von den konkreten Vorstellungen der Verfassung.47 Auch wenn das BundesverfassungsJellinek, System, S. 4. Jellinek, System, S. 5. 42 Auch in der übrigen Staatsrechtswissenschaft des 19. Jh. findet sich zunehmend der Begriff des subjektiven Rechts. Der Begriff des subjektiven Rechts und seine Verwendung unterscheidet sich, ähnlich wie bei Gerber, durchaus von dem heutigen Gebrauch, vgl. dazu Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 43 ff. 43 Kelsen, Rechtslehre, S. 228 ff. 44 Kelsen, Rechtslehre, S. 289 ff. 45 Kelsen, Rechtslehre, S. 282; vgl. dazu auch C.II.1. 46 Wenn auch in der Logik Kelsens der Un-Rechtsstaat zunächst Rechtsstaat und damit Staat wäre; als Gegensatz dazu käme nur ein Nicht-Rechtsstaat in Betracht. 40 41

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gericht bei der Auslegung des Begriffs von fundamentalen Elementen und vom Rechtsstaat im Ganzen spricht,48 ist Basis dieser Aussage immer das Grundgesetz. Der im Rahmen unserer Untersuchung maßgebliche Begriff des Rechtsstaats nimmt seinen Ausgangspunkt in den Art. 20 und 28 GG. In diesen beiden Vorschriften wird der Rechtsstaat als tragendes Ordnungsprinzip des Staates festgeschrieben. Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass staatliche Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist.49 Dementsprechend steht wohl außer Streit, dass dem Grundgesetz sowohl ein formaler als auch ein materialer Rechtsstaatsbegriff inhärent ist. Als formaler Rechtsstaat gilt ein Staat, der bestimmte strukturelle Prinzipien wie Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Gerichte, Gesetzmäßigkeit der Exekutive, Möglichkeit des Rechtsschutzes u. a. gewährleistet. Demgegenüber meint der materiale Rechtsstaat zusätzlich die Bindung des Staates an bestimmte inhaltliche Gerechtigkeitsvorstellungen, insbesondere die Gewährleistung und Bindung an Grundrechte und Grundfreiheiten. Die Vereinigung dieser beiden Aspekte im Grundgesetz zeigt sich daran, dass das Grundgesetz sich nicht damit begnügt, Individuum und Staat in bestimmter Weise einander zuzuordnen und Regeln über die Konstituierung des Staates und seiner Organe aufzustellen. Vielmehr füllt das Grundgesetz diese von ihm geschaffene Ordnung mit bestimmten, in den Art. 1 bis 19 GG positivierten materialen Inhalten an, deren zentraler Ausgangspunkt die in Art. 1 Abs. 1 GG getroffene Verfassungsentscheidung für den Schutz und die Achtung der menschlichen Würde bildet. Das mit personaler Würde und der Fähigkeit zu eigenverantwortlicher Lebensgestaltung begabte Individuum ist nicht mehr der „Unterthan“ im Gerberschen Sinne, er ist nicht mehr bloß Gegenstand staatlichen Handelns. In der Rechtsordnung kommt ihm grundsätzlich eine Subjektstellung zu. Diese Stellung wird ihm durch die Rechtsfigur des subjektiven öffentlichen Rechts vermittelt.50 c) Das Rechtsverhältnis des Bürgers zur Judikative Damit ist klar, dass auch das Verhältnis Bürger-Judikative über die Regelung des Art. 103 Abs. 1 GG hinaus insgesamt durch das subjektive Recht konstituiert wird. Die Grundrechte binden gem. Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich „die Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“. Dies gilt insbesondere auch für die Rechte des Bürgers aus Art. 101, 103 und 104 GG, welche im IX. Abschnitt des Grundgesetzes unter der Überschrift „Die Rechtsprechung“ stehen und sich vornehmlich an die Rechtsprechung richten. Kann nun kein Zweifel sein, dass das judikative 47 48 49 50

Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 20, Rn. 24 m. w. N. BVerfGE 65, S. 283 (290) m. w. N. Stern, Staatsrecht I, S. 781. Lorenz, Rechtsschutz, S. 50 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 66.

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Rechtsverhältnis den Bürger betreffend durch das subjektive Recht konstituiert wird und mag manchem diese Feststellung (wenn auch nicht in oben dargestellter historischer Perspektive) allzu trivial erscheinen, so verwundert, dass die mit dieser Feststellung in aller Regel verbundenen dogmatischen Konsequenzen so gut als überhaupt nicht Gegenstand der Betrachtung sind. Dem subjektiven Recht ist nach der herrschenden Kombinationstheorie51 neben einem rechtlich geschützten Interesse eine Rechtsmacht eigen. Diese Rechtsmacht bewirkt bei Nichtbeachtung des Rechts das Entstehen von Hilfsrechten und eine damit einhergehende Durchsetzbarkeit des subjektiven Rechts im Verteidigungsfall.52 In anderen Teilbereichen des Rechts haben diese Zusammenhänge bereits hinreichende Beachtung gefunden. Dies gilt etwa für das Verhältnis Bürger-Exekutive. Im Falle des Exekutivunrechts ist die Existenz von Hilfsrechten in Gestalt der Annahme eines Beseitigungsanspruchs längst Gemeingut und findet sich in jedem Lehrbuch des Staatshaftungsrechts.53 Ferner steht außer Streit, dass der Bürger diese aus dem subjektiven Recht im Verletzungsfalle entstehenden Hilfsrechte unter der Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG gerichtlich durchsetzen kann, was im Regelfall in Form einer Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO erfolgt.54 Ferner ist auch das Verhältnis des Bürgers zur Legislative im Falle normativen Unrechts unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von subjektiven Rechten Gegenstand der Betrachtung gewesen. Damit wurde auch für diesen Bereich staatlicher Gewalt die für das Verwaltungsrechtsverhältnis maßgebliche Dogmatik des subjektiven Rechts mutatis mutandis auf das Verhältnis des Bürgers zur Legislative übertragen, welches seiner grundgesetzlichen Ausgestaltung nach ebenso wie jenes durch das subjektive Recht konstituiert wird.55 Im Bereich der Judikative bestehen jedoch Defizite. Dies findet seinen Grund wohl darin, dass die Person des Richters sowie der Judikative insgesamt vorrangig in ihrer Funktion des Schutzes, der Wahrung und Verteidigung des Rechts gesehen wird. So dienen Gerichte dem Bürger zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber der Verwaltung und damit der Durchsetzung der Gesetzesbindung der Verwaltung. Das Grundgesetz erweitert diese Schutzfunktion der Judikative, indem diese dem Bürger auch zur Durchsetzung seiner gegenüber dem Gesetzgeber bestehenden Rechte verhilft.56 Dass der Richter „Garant“ individueller Rechte und keine „Bedrohung“ ist,57 schlägt sich in dem allgemein verbreiteten Satz nieder, dass „Rechtsschutz durch, aber nicht gegen den Richter“ erfolge.58 Hierbei wird allzu 51 52 53 54 55 56 57 58

s. unten Fn. 297 und 298. Zu diesen Zusammenhängen näher unten D. Vgl. nur Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 7. Teil (S. 285 ff.). Vgl. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 178. Schenke, Rechtsschutz bei normativem Unrecht, 1979. Eingehend Schenke, Rechtsschutz, passim. So Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 435. Zu diesem Satz vgl. unten Einleitung zu F.

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts

leicht übersehen, dass auch der Richter vom Verteidiger zu einem Angreifer der Rechtsordnung werden kann. Die Judikative ist Teil des Leviathan. Wenn man auch nicht ins andere Extrem verfallen sollte und die Judikative nicht derart misstrauisch wie Tolstoi charakterisieren sollte, der in „Krieg und Frieden“ Karatajeff sagen lässt: „Wo ein Gericht – dort ein Unrecht“.59 Obwohl im Rechtsstaat das Verhältnis Bürger-Judikative nach den obigen Ausführungen gerade auch in subjektivrechtlicher Hinsicht kein exemter Bereich sein kann, ist dieses Verhältnis rechtsdogmatisch unter diesem Gesichtspunkt noch nicht hinreichend durchdrungen. Untersuchungen auf diesem Gebiet kaprizieren sich auf die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG.60 Alle diese Untersuchungen versuchen die Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Judikative zu begründen und gehen die Dürigsche Doktrin des „kein Rechtsschutz gegen, sondern durch den Richter“ an, wobei ihnen von der bislang vorherrschenden Meinung sowie der Rechtsprechung die Gefolgschaft versagt blieb.61 Wenn als Folge dessen mit der Nichterstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Rechtsprechung der Schutz von Rechten gegen die Judikative versperrt war, verwundert es nicht weiter, dass die Rechte, welche dem Rechtsschutz materiellrechtlich korrelieren, nicht weiter Gegenstand des Interesses waren. „Ein Schattendasein führen die grundrechtlichen Beseitigungsansprüche bei Beeinträchtigungen durch die Rechtsprechung [ . . . ]. Ursächlich dürfte das Fehlen besonderer Rechtsbehelfe zur Durchsetzung dieser Ansprüche sein. [ . . . ] Ob zur Durchsetzung von Beseitigungsansprüchen bei Abwehrrechtsverletzungen unter Umständen ergänzende Rechtsschutzmöglichkeiten anzuerkennen sind, ist eine Frage des justiziellen Schutzes der Grundrechte“.62 Wenn auch mit den Abwehransprüchen gegen den Staat nach wie vor solche gegen die Verwaltung assoziiert werden, so muss doch die Rechtsprechung des BVerfG zur Urteilsverfassungsbeschwerde mit ihrer Ausweitung des Begriffs der öffentlichen Gewalt in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ein erstes Indiz für das Bestehen solcher Ansprüche auch im judikativen Rechtsverhältnis sein.63 59 Übersetzung zit. nach Sapir, Dostojewski und Tolstoi, S. 101.; vgl. ferner S. 101 ff. auch ausführlich zu Dostojewskis Einschätzung der Gerichte. 60 Vgl. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973; Haag, „Effektiver Rechtsschutz“ – grundrechtlicher Anspruch oder Leerformel?, 1986; Voßkuhle, Rechtsschutz gegen den Richter, 1993; Kamper, Die Anfechtbarkeit richterlicher Entscheidungen nach dem Grundgesetz, 1996. 61 Zum Meinungsstand vgl. unten F.II. 62 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 679; so stellt bereits Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, S. 208 f., fest, der Einzelne könne auch durch die Ausübung der richterlichen Gewalt verletzt werden. „Der Rechtsschutz hiergegen liege in den verschiedenen processualischen Rechtsmitteln, mit welchen das höhere und schließlich das höchste Gericht angegangen werden kann“; ähnlich äußert sich Lemor, Subjektiv öffentliche Rechte, S. 41, der im Zusammenhang mit den Grundrechten gegen die Judikative ausführt, das deren Schutzmittel Erinnerung, Einspruch, Beschwerde, Berufung und Revision seien. 63 So auch Malmendier, Vom wohlerworbenen Recht zur verrechtlichten Freiheit, S. 352.

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Relativierend zu den Defiziten der Dogmatik des judikativen Rechtsverhältnisses ist allerdings anzumerken, dass insgesamt in der öffentlichrechtlichen Dogmatik das Potential und die Bedeutung des subjektiven Rechts nicht hinreichend Beachtung finden.64 So wird teilweise die Grundlage des öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruchs nicht im subjektiven Recht, sondern im objektivrechtlichen Rechtsstaatsprinzip gesehen, Art. 20 Abs. 3 GG.65 In Gestalt eines objektivrechtlichen Zugangs im Rahmen der Erklärung subjektivrechtlicher Positionen kehrt nicht nur der Gedankengang wieder, der sich schon bei Gerber ausmachen ließ, sondern ein solches Vorgehen ist vom Ansatz her problematisch. So gilt der Satz, dass jedem Recht eine Pflicht, nicht aber jeder Pflicht ein Recht entspricht. Argumentiert man objektivrechtlich, hat man das Problem die gefundenen Ergebnisse zu „subjektivieren“, sie auf das subjektive Recht zu beziehen. Der Schluss von einer Pflicht auf ein subjektives Recht ist rechtslogisch nicht zwingend. Argumentiert man jedoch vom subjektiven Recht her, folgt daraus, dass das gefundene Ergebnis Ausdruck in einer korrespondierenden subjektiven Pflicht findet, wobei jede dem subjektiven Recht korrelierende Pflicht zugleich Bestandteil des objektiven Rechts ist. Vor diesem Hintergrund scheint es problematisch, wenn teilweise in den angeführten Untersuchungen judikatives Unrecht betreffend nicht immer mit der gehörigen Deutlichkeit der Bezug zum subjektiven Recht herausgearbeitet wird. So befürwortet Voßkuhle in seiner Schrift „Rechtsschutz gegen den Richter“ die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG im Wesentlichen mit folgender Begründung: Unter der Überschrift „Ausgangspunkt: Der Grundsatz der Gewaltenteilung“66 legt er das argumentative Gravitationszentrum seiner Arbeit dar. Er geht aus von einem im Grundgesetz, insbesondere in Form des Gewaltenteilungsgrundsatzes angelegten Kontrollsystem, durch das missbräuchliche staatliche Machtausübung verhindert werde.67 Auch die Tätigkeit des Richters bedürfe insoweit der funktionsadäquaten Integration in dieses staatliche Funktions- und Kontrollsystem.68 Als „zentrale Schaltstelle“ fungiere insoweit Art. 19 Abs. 4 GG. Die darin enthaltene subjektivrechtliche Rechtsschutzfunktion sei mit der objektiven (sic!) Kontrolldimension des Gewaltenteilungsgrundsatzes zu „verknüpfen“.69 Neben dem gefundenen Ergebnis70 ist bereits der Ansatz von Voßkuhle problematisch, wenn man wie dargelegt das subjektive Recht als für die Lösung der Frage nach dem judikativen Unrecht entscheidend ansieht.71 Lässt man die Lösung 64 Immer wieder angemahnt hat dies Henke, DÖV 1980, S. 621; ders., DÖV 1984, S. 1; ders., JZ 1992, S. 541. 65 Dazu unten D.I.1.b). 66 Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 34. 67 Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 45 ff. 68 Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 343. 69 Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 309. 70 Dazu kritisch unten F.II.4.

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts

und das Ergebnis von Voßkuhle beiseite und gesteht zu, dass sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip ein hinreichend bestimmtes Rechtsmittelkonzept ableiten lässt,72 so ist damit noch nicht einsichtig gemacht, ob und inwiefern aus dieser objektivrechtlichen Konzeption ein subjektives Recht des Bürgers auf diese Rechtsmittel folgen soll.73 Zwar sind Gewaltenteilungsgrundsatz und die Gewährleistung von Grundrechten beide als Teil des Rechtsstaatsprinzips miteinander verknüpft, der sachnähere Kontext subjektive Rechte des Bürgers betreffend findet sich jedoch in den Grundrechten selbst, so dass es methodisch fraglich erscheint, auf objektivrechtliche Gewaltenteilung und die Allgemeinheit des Rechtsstaatsprinzips zurückzugreifen. Weiterhin ist die Argumentation von Voßkuhle nicht logisch zwingend, als sie nur ein Indiz für ein entsprechendes subjektives Recht des Bürgers in Gestalt eines gerichtlichen Kontrollanspruchs bei judikativem Unrecht liefert, indem sie nachweist, dass objektivrechtliche Überlegungen einer solchen Annahme nicht entgegenstehen. Sie schließt vom objektiven Recht auf ein subjektives Recht zurück. Die Argumentation judikatives Unrecht betreffend kann jedoch nur aus dem subjektiven Recht selbst entwickelt werden. Es muss vom Recht auf die Pflicht und nicht von der Pflicht auf das Recht geschlossen werden.74 71 Kritisch in diesem Sinne zu Voßkuhle bereits Kamper, Anfechtbarkeit, S. 89 ff., wobei freilich Kamper selbst, ausgehend von Art. 1 Abs. 1 GG, einen subjektivrechtlichen Ansatz hat, jedoch seine Untersuchung ebenfalls auf die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG beschränkt, ohne genau herauszuarbeiten, ob und welches subjektive Recht mit dem von ihm bejahten Art. 19 Abs. 4 GG denn nun eigentlich durchgesetzt wird, dazu E.I.1.d). 72 Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 305 f., befürwortet ein Modell der dreigeteilten Entscheidungsmacht, dazu kritisch unten F.II.4. 73 So sieht denn auch Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 272, die Rechtsmittel bezeichnenderweise als „Intra-Organ-Kontrollen“. Diese Terminologie verweist auf das staatliche Innenverhältnis. Auch hier zeigt sich eine weitere Schieflage der Argumentation: sie beginnt im Innenverhältnis und schließt daraus auf das Außenverhältnis. Wie dargelegt besteht das Problem darin, dass objektive Pflichten weiter als subjektive sein können, aber nicht umgekehrt. Allerdings ist zuzugeben, dass im Falle des Bestehens eines objektivrechtlichen Gebots zur Kontrolle der Judikative zumindest Bedenken relativiert werden, welche man kategorisch dem Rechtsschutz gegen die Judikative entgegenhält. 74 Auch im Übrigen kann der Untersuchung von Voßkuhle nicht gefolgt werden, so etwa der Auslegung des Art. 19 Abs. 4 GG, dazu unten F.II.4. Kritisch ist auch anzumerken, dass eine durch Voßkuhle offen gelassene Frage die materiellrechtliche Seite des Rechtsschutzes gegen den Richter ist. So geht Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 7, zutreffend davon aus, dass in jeder rechtswidrigen richterlichen Entscheidung eine Verletzung zumindest des Art. 2 Abs. 1 GG liege, untersucht aber im Folgenden nur die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG, nicht jedoch das Vorliegen eines Beseitigungsanspruchs, etwa aus der Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG, die er selbst feststellt, dazu unten E.I.1.d). Dementsprechend betrachtet er auch die Beschränkungen von Rechtsmitteln lediglich unter dem Gesichtspunkt des formellrechtlichen Art. 19 Abs. 4 GG und nicht in Beziehung auf den materiellrechtlichen Beseitigungsanspruch. Ferner kann der These von Voßkuhle, der „sekundäre Kontrollanspruch“ des Bürgers gewährleiste eine zweite Instanz, nicht gefolgt werden. Nach der hier vertretenen Auffassung kann aus dem Beseitigungsanspruch nicht zwingend eine zweite Instanz abgeleitet

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Letztlich überzeugt auch nicht, welche Funktion Voßkuhle in Konsequenz dessen letztlich dem Art. 19 Abs. 4 GG zuweist. Es heißt einen falschen Akzent setzen, wenn man den vorrangigen Sinn dieser Vorschrift darin sieht, den Gewaltenteilungsgrundsatz zu subjektivieren. Damit würde der Einzelne zum Mittel verkommen, als Auslöser der Kontrolle der verschiedenen Gewalten gegeneinander bzw. auch der Kontrolle innerhalb einer Gewalt zu dienen. Die Stellung des Individuums wäre eingebunden in das Staatsganze. Indem der Einzelne die von Voßkuhle beschriebenen Kontrollmechanismen, Mechanismen der objektivrechtlichen Staatsorganisation, in Gang setzt, ergibt sich durch die hieraus resultierende Beschränkung der Staatsgewalt durch den Staat selbst, der sich auf Initiative des Bürgers gleichsam selbst bekriegt, reflexartig für den Einzelnen Freiheit.75 Art. 19 Abs. 4 GG will jedoch den Bürger mit dem Staat auf gleiche Augenhöhe setzen. Die Stellung des Einzelnen gem. Art. 1 Abs. 1 GG erlangt gegenüber dem Staat in Art. 19 Abs. 4 GG einen spezifischen Ausdruck.76 Rechtsdogmatisch werden diese Phänomene, die Freiheit des Einzelnen sowie ihre normative Geltung und Durchsetzung, durch die Rechtsfigur des subjektiven Rechts umschrieben und eben nicht vorrangig durch eine Subjektivierung des Gewaltenteilungs- oder des Rechtsstaatsprinzips. d) Systematisierung der judikativen Rechtsverhältnisse Damit wird deutlich, dass argumentativer Eröffnungszug sowie dogmatischer Schlüssel zur Lösung der sich stellenden Probleme des judikativen Unrechts die Rechtsfigur des subjektiven Rechts zu bilden hat. Sind folglich objektivrechtliche Betrachtungen des Phänomens „Judikatives Unrecht“ ausgeschlossen, so ist die Möglichkeit der subjektivrechtlichen Untersuchung judikativen Unrechts immer noch weitergehender, als sie im hiesigen, auf das Verhältnis Bürger-Judikative beschränkten Kontext Gegenstand der Betrachtung ist. So kann subjektivrechtlich nicht nur das Außenverhältnis Bürger-Staat, sondern auch das umgekehrte Außenverhältnis Staat-Bürger untersucht werden. Fänden sich in diesem Außenverhältnis subjektive Rechte sowohl auf Seiten des Bürgers als auch des Staates, wäre dieses Verhältnis ein gegenseitiges Rechtsverhältnis. In anderen Bereichen sind staatliche werden, sondern auch die Möglichkeit der „Selbstkontrolle“ ist als ausreichend anzusehen, dazu E.IV.1.b). 75 So fasst Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 343, zusammen, dass der Rechtsschutz gegen den Richter „nur nach Maßgabe des im Gewaltenteilungsdogma angelegten Kontrollauftrags“ erfolgen könne. 76 Insofern verfolgt die Arbeit von Kamper, Anfechtbarkeit, S. 81, unter Bezugnahme auf die Menschenwürde einen richtigen Ansatz, wenngleich sie keinerlei dogmatische Folgerungen und Strukturen aufzeigt, etwa den Zusammenhang zwischen Art. 1 GG und der rechtstechnischen Umschreibung durch das subjektive Recht, sowie die aus dem subjektiven Recht zu ziehenden Folgerungen des Bestehens von Hilfsrechten und Rechtsschutzansprüchen. Zum Zusammenhang zwischen Art. 1 und Art. 19 GG s. unten F.III.1. 3 Hößlein

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts

Kompetenzen bereits auf ihren subjektivrechtlichen Gehalt untersucht worden.77 Grundsätzliche Bedenken gegen die Annahme subjektiver Rechte des Staates bestehen jedenfalls nicht.78 Ob etwa das ius iudicandi als ein solches Recht in Frage kommt, muss im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geklärt werden. Zum einen betrachtet diese Arbeit das Außenverhältnis nur vom Recht des Bürgers her, zum anderen besteht aus Sicht des Staates gegen den Bürger nicht die gleiche Ausgangslage. Nur die Stellung des Bürgers ist durchweg im Grundgesetz subjektivrechtlich ausgerichtet. In solcher Generalität gilt dies nicht für Rechte des Staates, so dass nicht in gleichem Ausmaß und derselben Notwendigkeit das subjektive Recht zur Problemlösung herangezogen werden könnte. Hier müsste vielmehr im Einzelnen in eine Untersuchung eingetreten werden. Hinzuweisen bleibt auf die Tatsache, dass auch Innenrechtsverhältnisse subjektivrechtlich ausgestaltet sein und entsprechend dogmatisch erfasst werden können. Subjektivrechtliche Rechtspositionen im Innenverhältnis Staat-Staat finden sich nicht nur auf Ebene des einfachen Gesetzesrechts, sondern auch auf Verfassungsebene begründet. Entsprechend sind Innenrechtsverhältnisse Gegenstand rechtswissenschaftlicher Betrachtung geworden.79 Zwar findet sich auch hier nicht in gleichem Ausmaß wie im Bürger-Staat-Verhältnis eine Subjektivierung der Rechtsverhältnisse, als die meisten solcher Innenrechtsverhältnisse in Form von Kompetenzen rein objektivrechtlich geregelt sind. Aber umgekehrt spricht auch kein grundsätzlicher Einwand gegen die Annahme solcher subjektiven Rechtspositionen im Einzelfall. Insbesondere steht der grundsätzliche Einwand der JellinekLabandschen Impermeabilitätstheorie nicht mehr entgegen.80 So sind denn auch insbesondere im Bereich des judikativen Unrechts vereinzelt subjektivrechtliche Innenrechtsverhältnisse bereits problematisiert worden, wie z. B. eine unmittelbare Anfechtung des gerichtlichen Geschäftsverteilungsplans gem. § 21e GVG durch den betroffenen Richter.81 Für unsere Untersuchung, welche das Außenverhältnis betrifft, ist diese innenrechtliche Problemstellung nicht weiter relevant. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Bedeutung der Frage nach der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG in den größeren Kontext der Frage nach dem judikativen Unrecht eingeordnet und dadurch näher bestimmt werden kann.

Schenke, Rechtsschutz, S. 238 ff. Schenke, Rechtsschutz, S. 232 ff.; Henke, JZ 1992, S. 541 (543, 545 ff.); Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 65. 79 Vgl. nur die weit gespannte Untersuchung von Roth, Organstreitigkeiten, passim. 80 Dazu Roth, Organstreitigkeiten, S. 165 ff. 81 Zu diesem Problem Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 17 ff., 333 f.; Albers, in: B / L / A / H, ZPO, § 21e GVG, Rn. 1 f.; Kopp / Schenke, VwGO, § 4, Rn. 10; einen anderen Fall betrifft beispielsweise die Annahme eines subjektiven Rechts des Richters aus Art. 97 GG, dazu etwa Meyer, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 97, Rn. 9, 26. 77 78

II. Gang der Darstellung

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II. Gang der Darstellung Nach der näheren Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes durch Abgrenzung nach außen soll nachfolgend im Innern eine Strukturierung des Untersuchungsgegenstandes selbst erfolgen. Dazu sollen einige wenige Begrifflichkeiten stipuliert werden. Neben der dadurch geschaffenen Deutlichkeit werden die in Begrifflichkeiten gefassten Aspekte des judikativen Unrechts dieses abschließend systematisieren und in eine sachlogische Reihenfolge bringen. Die damit gefundene Abfolge der zu suchenden Antworten ergibt den Gang der Darstellung. Die vorliegende Arbeit will die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG ermitteln. Primärer Adressat des Art. 103 Abs. 1 GG ist die Judikative, mithin geht es im Verletzungsfall um judikatives Unrecht. Angesichts der Affinität von dem hier zu betrachtenden judikativen Handeln mit exekutivem Handeln82, 83 liegt es nahe, an Vorüberlegungen und Begrifflichkeiten exekutives Unrecht betreffend anzuknüpfen. Im Bereich des Verwaltungsrechts findet sich hierzu bereits eine ausgeprägte Fehlerfolgenlehre. 84 Unter Heranziehung dieser lässt sich auch im Fall der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nach den rechtlichen Folgen unter zwei Gesichtspunkten fragen: Zum einen können die ipso iure eintretenden Konsequenzen für den verletzenden Akt selbst, vorliegend die gerichtliche Entscheidung,85 in der sich die Gehörsverletzung manifestiert, betrachtet werden. Zum andern kann untersucht werden, welche Möglichkeiten der in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG Verletzte hat, mithin welche Folgen sich nicht ohne weiteres, sondern erst auf Grund der Initiative des Einzelnen ergeben. Begrifflich soll daher das Folgende unterschieden werden: Mit Fehlerfolge soll die unmittelbare Konsequenz aus dem Fehler, d. h. dem Rechtsverstoß, bezeichnet werden, also die Folge, die ohne weitere Entscheidung, Sanktionierung, Anfechtung usw. ipso iure eintritt und deren Wirkung als solche 82 Zum einen kann für die Frage staatlichen Unrechts die Form der staatlichen Tätigkeit nicht entscheidend sein: ist doch der Staat insgesamt zum rechtmäßigen Handeln verpflichtet, Art. 20 Abs. 3 GG. In Bezug auf das Verhältnis von exekutivem und judikativem Handeln ergeben sich nicht nur für den hiesigen Kontext keine Unterschiede, sondern vielmehr Gemeinsamkeiten. So stellen beide Tätigkeiten (v.a. in Gestalt der Prototypen Urteil einerseits und Verwaltungsakt andererseits) Einzelakte dar, sie sind Akte der Rechtsanwendung und ergehen in einem den Adressaten der Maßnahme beteiligenden Verfahren und haben daher sachliche und strukturelle Gemeinsamkeiten; Unterschiede bestehen wohl zu legislativem Handeln, da dieses Rechtssetzung und nicht Rechtsanwendung ist und i.d.R. einen anderen, größeren Adressatenkreis hat. 83 Auch die herkömmliche Fehlerfolgenlehre unterscheidet nach Norm und Einzelakt; zu dieser Unterscheidung aus rechtstheoretischer Sicht, Ipsen, Rechtsfolgen, S. 174 ff.; Morlok, Verfahrensfehler, S. 102 ff. 84 Die nachfolgenden Begrifflichkeiten daher in Anlehnung an Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 422 ff.; Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 493 ff.; Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2806). 85 Zum verfahrensbegleitenden Realakt der nicht erfolgten Anhörung s. B.I.

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A. Das Phänomen des judikativen Unrechts

nur noch festgestellt, aber nicht im eigentlichen Sinn hergestellt werden kann. Reaktion soll demgegenüber diejenige Folge des Fehlers heißen, die nicht schon mit dem Fehler eintritt, sondern erst als dessen Konsequenz eigens herbeigeführt wird. Bezieht man die rechtliche Reaktion auf die subjektiven Berechtigungen eines Rechtssubjekts, so lässt sich von einem Reaktionsanspruch sprechen. Sie kennzeichnen die subjektive Seite der Fehlerfolgen und sind besonders im Hinblick auf die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen von Bedeutung. Der eigentliche Reaktionsanspruch wird der Begründetheit zugerechnet, z. B. der Anspruch auf Aufhebung einer fehlerhaften Entscheidung wegen einer Rechtsverletzung. Gesetzliche Regelungen, welche Einschränkungen von Fehlerfolgen enthalten und so Ausnahmen von den für den Normalfall angeordneten Reaktionen enthalten, sollen unter dem Begriff der Fehlerfolgenbeschränkung zusammengefasst werden. Die mit diesen Begriffen zusammenhängenden Fragen stehen nicht ohne Beziehung zueinander. So gibt es keine Fehlerfolgen ohne Fehler. Daher ist zuerst zu bestimmen, ob und in welcher Hinsicht ein Fehler vorliegt (B.). Reaktionsansprüche des Einzelnen sind davon abhängig, welche Folgen in Bezug auf die Verletzung ipso iure eintreten. Wäre beispielsweise die unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG getroffene Entscheidung als nichtig anzusehen, hätte ein möglicherweise bestehender Reaktionsanspruch sicherlich einen anderen Inhalt als im Falle ihrer Wirksamkeit. Möglicherweise wäre im Falle der Nichtigkeit ein Reaktionsanspruch überflüssig, weil ja die Entscheidung auch ohne das Zutun des Verletzten keine rechtlichen Folgen nach sich zieht, möglicherweise könnte aber auch wegen des trotz der Nichtigkeit bestehenden Rechtsscheins eine Feststellungsmöglichkeit geboten sein. Im Falle der Wirksamkeit scheint demgegenüber eine Anfechtbarkeit der Entscheidung (Kassation) nötig zu sein. Zum andern kommt den Reaktionsmöglichkeiten, die die Rechtsordnung dem Einzelnen gewährt, eine besondere Bedeutung zu. Hat doch der Verletzte ein großes Interesse, die rechtliche Reaktion auszulösen. Eine bloß objektivrechtliche Reaktion alleine wirkt nicht in der gleichen Weise. So wird denn die subjektivrechtliche Reaktion oftmals entscheidend für das tatsächliche Ergebnis bzw. die schlussendlichen Folgen der Verletzung sein. Aufgrund dieser strukturellen Interdependenzen ergibt sich, dass die Reaktionsansprüche auf jeden Fall bezüglich ihres Inhalts abhängig sind von den ipso iure eintretenden Rechtsfolgen. Daher sind nach Bestimmung des Fehlers zuerst die daraus ipso iure resultierenden Fehlerfolgen zu untersuchen (C.), bevor nachfolgend die materiellen (D. und E.) und prozessualen (F.) Reaktionsmöglichkeiten (materielle und formelle Reaktionsansprüche) des Verletzten dargestellt werden. Fehlerfolgenbeschränkungen sind akzessorisch zu Regelungen von Fehlerfolgen, insbesondere den Reaktionsansprüchen. Sie sind folglich erst im Anschluss an diese zu behandeln (G.).

B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts Recht oder unrecht überhaupt ist eine Tat, sofern sie pflichtmäßig oder pflichtwidrig ist. (Immanuel Kant)

I. Bestimmung der Rechtswidrigkeit An Fehlern fehlt es nie. – Auch rechtliche Akteure machen Fehler, und so nimmt es nicht Wunder, dass auch rechtliche Fehler eine Tatsache sind, die, will man nicht in philosophische Utopie verfallen, keine Rechtsordnung negieren kann.86 Regelungen Rechtsfehler betreffend sind daher grundlegend für das Recht. Auch die Staatsgewalt verletzt trotz Art. 20 Abs. 3 GG zuweilen selbst das Recht. Wie der Mediziner sich mit der Krankheit beschäftigt, so gehört die Beschäftigung mit der Pathologie des Rechts, im Bereich des Öffentlichen Rechts insbesondere mit dem Problem des fehlerhaften Staatsakts, schon seit langem zu den perennierenden Aufgaben der Rechtswissenschaft.87 Bevor nun das Problem des Fehlers einer Lösung zugeführt wird, muss es zunächst genau begrifflich umrissen werden. Unter dem Begriff des fehlerhaften Rechtsakts ist dessen Rechtswidrigkeit zu verstehen. Rechtswidrigkeit soll vorläufig rein formal als Nichtübereinstimmung mit einer Rechtsnorm verstanden werden.88 Fehlerhaftigkeit und Rechtswidrigkeit werden insofern als Synonyme gebraucht.89 Dies gilt der Sache nach auch für den Bereich der gerichtlichen Rechtsakte. Zwar ist der in Zusammenhang mit anderen staatlichen Einzelakten verwendete Terminus der Rechtswidrigkeit für Letztere nicht geläufig,90 aber das für Judikate verwendete Begriffspaar „Wirksamkeit“ und „Nichtigkeit“ besitzt hinVgl. Marcic, Rechtsphilosophie, S. 168 f. Vgl. die Monographien von Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen, 1908; Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte, 1910; v. Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsaktes, 1924 (2. Aufl. 1960); aus neuerer Zeit: Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980. 88 Zum Rechtswidrigkeitsbegriff ausführlicher gleich im Folgenden bei Bestimmung der Fehlerhaftigkeit, an dieser Stelle interessiert nur der Zusammenhang der Begriffe „Rechtswidrigkeit“ und „Fehlerhaftigkeit“. 89 Maurer, Verwaltungsrecht, § 10, Rn. 2; für gerichtliche Entscheidungen: Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 107, Rn. 9. 90 Verwendet wird der Begriff der Fehlerhaftigkeit, vgl. Fn. 91. 86 87

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

sichtlich des Verstoßes gegen Rechtsnormen wenig Aussagekraft. So erlaubt es beispielsweise keine Unterscheidung zwischen wirksamen gerichtlichen Entscheidungen, bei denen ein solcher Verstoß vorliegt, und solchen, die rechtskonform sind. So muss der für diesen Zusammenhang verwendete Begriff der Fehlerhaftigkeit91 als adäquater Begriff zu Rechtswidrigkeit etwa bei Verwaltungsakten verstanden werden.92 In dieser Hinsicht könnte man auch die Verfassungswidrigkeit eines Rechtsakts als Fehlerhaftigkeit bezeichnen.93 Zum Ausdruck gebracht werden soll in allen Fällen die Nichtübereinstimmung eines Rechtsakts mit dem Recht. Rechtsakt ist ein rechtserhebliches Verhalten eines Rechtssubjekts, welches die Rechtsordnung als konstitutiven Vorgang der Setzung von Rechtsfolgen begreift.94 Staatsakt ist (neben dem Realakt) der Rechtsakt (i.S. öffentlichrechtlichen Verhaltens) des Rechtssubjekts Staat. Vorliegend geht es nun um judikative Staatsakte, d. h. gerichtliche Entscheidungen, und hier vor allem um den Prototyp der gerichtlichen Entscheidung, das Urteil.95 Nach diesen terminologischen Präliminarien ist die unter A.II. nicht weiter ausgeführte Unterscheidung zwischen Fehler und Fehlerfolge genauer zu betrachten. Der Fehler liegt in der Nichtbeachtung einer Norm. Er ist der Verstoß gegen einen Sollenssatz, die Verletzung einer Pflicht. Der Sollenssatz der Norm sagt als solcher aber noch nichts darüber aus, was gelten soll, wenn gegen die Norm verstoßen wurde und damit, welche Fehlerfolge ein Fehler haben soll. Dahinter steht, anders gewendet, folgender Zusammenhang: Die Pflicht, die Gegenstand einer primärrechtlichen Festlegung ist, sagt noch nichts darüber aus, was im Falle ihrer Verletzung gilt. Dies ist Gegenstand einer Sekundärnorm. Diese durch analytische Leistung gewonnene Unterscheidung ist mehrfach,96 unter anderem im Rahmen der Imperativentheorie geleistet worden.97 Ohne den Verstoß gegen die Primärnorm, den Fehler, kann es keine Fehlerfolgen geben. In einem ersten Schritt muss fest91 Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 107, Rn. 13; Reichold, in: Th / P, ZPO, Vorbem § 300, Rn. 10; differenzierend Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 62 I 1 (S. 389); vereinzelt wird der Begriff der Rechtswidrigkeit auch für gerichtliche Entscheidungen gebraucht, so etwa Kopp / Schenke, VwGO, § 108, Rn. 2; Bettermann, ZZP 88 (1975), S. 365 (417, 423). 92 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 107, Rn. 9; Wolff, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 107, Rn. 32. 93 Ipsen, Rechtsfolgen, S. 147, differenziert nach dem Rang der Maßstabsnorm und reserviert den Begriff der Rechtswidrigkeit für den Widerspruch zu einfachem Gesetzesrecht; auch die Verfassung ist Rechtsnorm und so kann man auch hier in einem weiteren Sinn von Rechtswidrigkeit reden. 94 Zum Begriff des Rechtsakts Roth, Organstreitigkeiten, S. 788; ebenso Alexy, Theorie, S. 175. 95 Zur Staatsaktsqualität des Urteils, vgl. OLG Hamm MDR 1997, S. 1155; Jauernig, DtZ 1993, S. 173; ders., Zivilurteil, S. 23 ff., 25. 96 Vgl. dazu m. w. N. Ipsen, Rechtsfolgen, S. 178 f. 97 Vgl. etwa Thon, Rechtsnorm, S. 29.

I. Bestimmung der Rechtswidrigkeit

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gestellt werden, inwiefern eine gerichtliche Entscheidung im Falle des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG als fehlerhaft zu gelten hat. 1. Rechtswidrigkeit bei Verstoß gegen Verfahrensrechte Fehlerhaftigkeit bedeutet Rechtswidrigkeit. Nun leuchtet ein, dass man bei einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ohne weiteres die rechtliche Bewertung treffen kann, dass ein solcher Verstoß die fehlerhafte oder unterbliebene Anhörung qua gerichtliche Verfahrenshandlung fehlerhaft und damit in diesem Sinne rechtswidrig erscheinen lässt. Diese Bewertung als rechtswidrig kann aber zunächst nur in Bezug auf den verfahrensbegleitenden Realakt98 getroffen werden, welcher die das Verfahren abschließende Entscheidung vorbereitet. Ist aber auch ohne weiteres die nachfolgende gerichtliche Entscheidung rechtswidrig und kann insofern auch der verfahrensabschließende Rechtsakt als rechtswidrig bewertet werden? In Bezug auf den abschließenden Rechtsakt scheint sich vielmehr von Rechtswidrigkeit prima facie nur dann sprechen zu lassen, wenn der Fehler in ihm selbst liegt. So etwa bei inhaltlichen Fehlern, wenn die gerichtliche Entscheidung eine Anordnung oder Feststellung enthält, welche mit den dafür einschlägigen Normen nicht vereinbar ist. Aus den angestellten Überlegungen wird zweierlei deutlich: erstens erscheint die Bestimmung eines inhaltlichen Fehlers in Bezug auf den Rechtsakt der Sache nach „unproblematisch“ und soll daher im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht weiter interessieren. Betrachtenswert, weil nicht gleich evident und im Übrigen Gegenstand unserer Fragestellung, ist der Zusammenhang zwischen Verfahrensfehler und nachfolgendem Rechtsakt. Zweitens wird hier schon eine sinnvolle Unterscheidung und Einteilung von Fehlerarten deutlich: die Unterscheidung von Verfahrensfehler und Inhaltsfehler. Insofern ist eine Fehlertypologie gewonnen. Die Frage nach den Fehlertypen lässt sich nur jeweils mit Blick auf die bezüglich des Untersuchungsgegenstandes konkret einschlägigen Normen beantworten. Diese können unterschiedliche Vorgaben enthalten, so dass insofern im Einzelfall eine mehr oder minder differenzierte Fehlertypologie erstellt werden kann. Für unsere Zwecke scheint die Einteilung in Verfahrens- und Inhaltsfehler hinreichend.99 Betrachtungsgegenstand sind judikative Rechtsakte, so dass die jeweiligen gerichtlichen Verfahrensordnungen maßgeblich sind, andererseits (bezüglich des Inhalts des judikativen Rechtsaktes) die jeweiligen materiellrechtlichen Vorgaben zu beachten sind.100 Die Unterscheidung Verfahrensfehler und Inhaltsfehler knüpft also 98 Die fehlerhaft erfolgte Anhörung oder im Fall des Unterlassens dieses Unterlassen der Verfahrenshandlung. 99 Ebenso für gerichtliche Entscheidungen Braun, Rechtskraft und Restitution, Zweiter Teil, S. 21 ff., der, S. 36, zwischen Verfahrensfehlern und Ergebnisfehlern unterscheidet. 100 Zur Erstellung solcher Fehlertypologien, vgl. Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2808), wobei die dort präsentierte „klassische“ Dreiteilung in Verfahrens-, Form- und Inhaltsfehler

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

daran an, ob die Fehler sich auf das den Rechtsakt hervorbringende und diesem vorangehende Verfahren beziehen oder auf das Produkt und Ergebnis dieses Verfahrens, also den Rechtsakt selbst. Schlagwortartig ließe sich von Fehlerhaftigkeit in Bezug auf das Judizieren und das Judikat sprechen. Man könnte versucht sein, damit eine andere bekannte Unterscheidung zu assoziieren: die zwischen Verhaltens- und Erfolgsunrecht.101 Denn die im judikativen Staatsakt getroffene Entscheidung lässt sich als Zustand begreifen, die vorangegangenen Verfahrenshandlungen und der Erlassvorgang des Rechtsakts als Verhalten. Dazu sei nochmals die zu Beginn des Abschnitts vorläufig verwendete Definition der Rechtswidrigkeit erwähnt: Rechtswidrigkeit wurde als Nichtübereinstimmung mit dem geltenden Recht bezeichnet. Diese Bestimmung enthielt nur ein formales Kriterium, das fehlende Deckungsverhältnis mit den Anforderungen einer Norm. Unklar bleibt danach, was Anknüpfungspunkt des Rechtswidrigkeitsurteils ist. Offenbar kommen als Anknüpfungspunkte die zuvor beschriebenen Assoziationen in Frage: ein Verhalten oder ein Zustand. Wie bestimmt man nun die Rechtswidrigkeit? Die Bestimmung der Rechtswidrigkeit ist eine der Grundfragen des Rechts. Sie war zunächst Gegenstand strafrechtlicher Untersuchungen,102 danach meist in Anlehnung wie Abgrenzung hierzu Gegenstand zivilrechtlicher Dogmatik.103 Eine entsprechende Problematisierung hat dann das Problem der Rechtswidrigkeit schließlich auch im Öffentlichen Recht erfahren.104 Dies zu Recht. Denn der Umgang mit dem Begriff der Rechtswidrigkeit bildet einen der zentralen Punkte des Öffentlichen Rechts. Umso bemerkenswerter, dass der Begriff der Rechtswidrigkeit in zahlreichen Lehrwerken und Kommentaren ohne nähere Explikation Verwendung findet. Auch im Gesetz lässt sich an keiner Stelle eine Definition dieses Begriffs entdecken.105 Hinzu kommt, dass die Verwendung des Begriffs der Rechtswidrigkeit in Bezug auf den Rechtsakt „Urteil“ (im Gegensatz zum verfahrensbegleitenden Realakt, etwa der Anhörung), in Sonderheit im Zusammenhang nicht verabsolutiert werden darf; zum einen plädiert auch Ossenbühl für jeweils unterschiedlich lange Fehlerkataloge, zum andern scheinen Formfehler in unserem Zusammenhang, bei dem es primär um die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geht, vernachlässigenswert. I.Ü. findet die hier gemachte Typologie sich auch in den gerichtlichen Verfahrensordnungen, z. B. in § 344 Abs. 2 S. 1 StPO: „Aus der Begründung muss hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird“. 101 So Bettermann, in: FS Huber, S. 34. 102 Vgl. etwa Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit I, passim. 103 Vgl. etwa Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 67 ff., passim. 104 Rupp, Grundfragen, S. 224 ff., 273 ff.; Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 61 ff. und passim; Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, passim. 105 Im Prozessrecht finden sich der Terminus der „Rechtsverletzung“ (z. B. § 546 ZPO) und die Wendung „in gesetzlicher Weise ergangen“ (§ 344 ZPO); inwieweit damit eine Aussage dazu getroffen ist, welche Konsequenzen dies für rechtliche Bewertung des Urteils hat, dazu gleich im Folgenden.

I. Bestimmung der Rechtswidrigkeit

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mit Verfahrensfehlern, alles andere als auf der Hand liegt. Ist doch die Verknüpfung des Rechtsakts mit Fehlern des vorangegangen Verfahrens unklar. So findet sich in der Prozessrechtswissenschaft in Bezug auf die Rechtswidrigkeit eine terminologische Differenzierung. Für Verfahrensfehler wird in Bezug auf den nachfolgenden Rechtsakt von einer „fehlerhaften Gerichtsentscheidung“106 gesprochen. Teilweise wird auch der Begriff der Fehlerhaftigkeit sowohl für Verfahrens- als auch für inhaltliche Fehler gebraucht.107, 108 Dabei wird nicht immer ausgeführt, was unter dem Begriff der Fehlerhaftigkeit verstanden wird. Teilweise wird auf den Begriff der Rechtswidrigkeit bei Verwaltungsakten Bezug genommen.109 An anderen Stellen finden sich Formulierungen, die ein Verständnis der Rechtswidrigkeit als Verhaltensunrecht anklingen lassen, auch wenn das nicht explizit formuliert wird.110 Eine Auseinandersetzung, was mit dem Begriff der Rechtswidrigkeit bezeichnet ist, findet sich in der Prozessrechtswissenschaft nicht. Insbesondere die grundlegende Arbeit von Jauernig beschäftigt sich trotz ihres Titels „Das fehlerhafte Zivilurteil“ außer in einem kurzen Hinweis111 nicht mit der Fehlerhaftigkeit (selbst) und deren Bestimmung. Vielmehr widmet sie sich den Folgen der Fehlerhaftigkeit. Sie beschäftigt sich damit, unter welchen Umständen ein fehlerhaftes Urteil als Nichtakt anzusehen ist und keinerlei Rechtswirkungen entfaltet, oder aber, in welchen Fällen ein Urteil trotz rechtlicher Defizite mit graduellen Abstufungen als rechtlich wirksam zu gelten hat.112 Dieses Defizit den Rechtswidrigkeitsbegriff betreffend mag insbesondere im Bereich der Judikate erklärlich sein, weil man hier schon den Begriff der Rechtswidrigkeit dem Worte nach nicht verwendet. Schließlich ist es eine befremdliche 106 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 62 I 1 (S. 389), verwendet für inhaltliche Fehler den Begriff der „Unrichtigkeit“; Reichold, in: Th / P, ZPO, Vorbem § 300, Rn. 10: „fehlerhaft“; unklar, ob in Bezug auf das Urteil selbst und das Verfahren oder nur in Bezug auf das Verfahren von Fehlerhaftigkeit die Rede ist, bei Kleinknecht / Meyer-Goßner, StPO, Vor § 333, Rn. 1, welcher davon spricht, dass das „Urteil und das ihm zugrunde liegende Verfahren auf Rechtsfehler“ geprüft werden. 107 So Jauernig, Zivilurteil, S. 1 Fn. 1; Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 19: „Mangelhafte Entscheidungen [ . . . ] sind alle mit Fehlern behafteten Entscheidungen“, wozu insbesondere eine Entscheidung ohne Gehör der Parteien zählen soll. 108 Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 107, Rn. 9; Wolff, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 107, Rn. 32. 109 So Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 107, Rn. 9, der den Begriff der Fehlerhaftigkeit als den adäquaten Terminus zum Begriff der Rechtswidrigkeit bei Verwaltungsakten bezeichnet und mit dieser Austauschbarkeit der Begrifflichkeiten auf den im Verwaltungsrecht geltenden Rechtswidrigkeitsbegriff vergleichend Bezug nimmt. 110 Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 62 I 1 (S. 389) [Hervorh. vom Verf.]: „Die Handlung eines Gerichtsorgans ist fehlerhaft, wenn sie unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustandegekommen [ . . . ] ist. Bei den wichtigsten Gerichtshandlungen, den Entscheidungen . . .“. 111 Jauernig, Zivilurteil, S. 1 Fn. 1; wenngleich die Bestimmung von Fehlerfolgen die zugegebenermaßen interessantere Aufgabe ist, dazu C.I. 112 Jauernig, Zivilurteil, S. 3 ff.

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

Vorstellung, dass die rechtsprechende Gewalt rechtswidrig handelt. Der Begriff des Fehlerhaften ist hierfür schon akzeptabler, als dass das Vorkommen von Fehlern doch ein menschlicher Zug ist. Ein weiterreichender Grund dürfte wohl mit den Worten Bettermanns zutreffend umschrieben sein, die insoweit auch für Rechtsprechungsakte zu gelten haben: „Wenn ich recht sehe, hat die Lehre vom öffentlichen Recht keinen wesentlichen Beitrag zur Theorie der Rechtswidrigkeit geleistet, obwohl sie die zentrale Denkfigur der gesamten Rechtsordnung bildet“.113 Hat sich an dieser Einschätzung bis jetzt soweit ersichtlich nichts geändert,114 so gelten diese Worte vor allem in Bezug auf die Prozessrechtswissenschaft, in welcher als öffentlichrechtlicher Disziplin die Rechtswidrigkeit gerichtlicher Maßnahmen nicht Gegenstand der Betrachtung war. In der rechtstheoretischen Fragestellung nach dem Rechtswidrigkeitsbegriff spiegelt sich idealtypisch wider, dass das Rechtswidrigkeitsurteil bezüglich eines Rechtsakts, wie z. B. einer gerichtlichen Entscheidung, entweder (nur) in Bezug auf die darin enthaltene Regelung gefällt werden kann oder in Bezug auf das Verhalten des Richters im Zusammenhang mit dem Erlass des Urteils.115 Deutlich werden hierbei die in Betracht kommenden Alternativen und ihre jeweiligen Konsequenzen. Stellt man einseitig auf die im Judikat getroffene Regelung im Sinne einer reinen Ergebniskontrolle ab, dann würde ein Fehler des vorangegangenen Verfahrens nur dann relevant für die Bewertung als rechtswidrig, wenn der Verfahrensfehler sich im Inhalt des Judikats niedergeschlagen hat, d. h. sich auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Bereits ein erster Blick in die einschlägigen Regelungen der sog. absoluten Revisionsgründe zeigt,116 dass bestimmte Verfahrensfehler unabhängig davon, ob sie sich im Inhalt der Entscheidung manifestiert haben, rechtlich missbilligt werden. Folglich scheint eine reine Ergebniskontrolle zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit auszuscheiden. Wonach sich rechtsdogmatisch die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bestimmt, kann nur die Auslegung der Vorschriften der gerichtlichen Verfahrensordnungen ergeben. So findet sich in § 344 ZPO eine Regelung, welche in Bezug auf die Kosten der Säumnis bestimmt: „Ist das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen . . .“. Mit dem Wort „ergangen“ knüpft diese Vorschrift bezüglich der Bestimmung der Rechtmäßigkeit ersichtlich an den Erlassvorgang an und damit an ein Verhalten in Zusammenhang mit dem Rechtsakt Urteil.117 In „gesetzlicher Weise ergangen“ ist das Versäumnisurteil, wenn sämtliche prozessualen Voraussetzungen erfüllt waren.118 Danach ist das Versäumnisurteil ungesetzlich bei VerfahBettermann, in: FS Huber, S. 25. So die Einschätzung Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 126, der die heute noch bestehende fehlende Einigkeit und das fortdauernde Klärungsbedürfnis näher ausführt, S. 126 ff. 115 Zu den rechtstheoretisch in Frage kommenden Positionen: Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 91 ff., 115 ff. 116 Vgl. nur § 138 VwGO. 117 Von einem „bereits ergangenen“ Urteil spricht auch § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO. 118 Reichold, in: Th / P, ZPO, § 344, Rn. 5. 113 114

I. Bestimmung der Rechtswidrigkeit

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rensmängeln, die sich etwa aus der Nichtbeachtung der §§ 335, 337 ZPO ergeben können.119 Die letztgenannten Vorschriften stellen einfachgesetzliche Ausgestaltungen des rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG dar120 und erlauben somit einen Bezug herzustellen zwischen der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG und der sich daraus ergebenden Rechtswidrigkeit einer gerichtlichen Entscheidung. Neben den Verfahrensverstößen ist unerheblich, ob das Versäumnisurteil inhaltlich richtig ist oder einen sonstigen Mangel hat. Anknüpfungspunkt ist nicht der in dem Urteil in Gestalt der dort getroffenen Anordnung geschaffene „Zustand“, sondern ein Verhaltensverstoß im Zusammenhang mit dem Erlass des Urteils. Dass das Gesetz in Bezug auf Urteile nun verschiedene Rechtswidrigkeitsbegriffe verwenden will, scheint mangels gegenteiliger Befunde nicht ersichtlich. Dass die genannte Regelung das Versäumnisurteil betreffend keinen Sonderfall darstellt, zeigt sich an den als „Gründe“121 formulierten Bestimmungen des Revisionsrechts, z. B. § 137 Abs. 1 VwGO.122 Indem dort die zur rechtlichen Prüfung eines Urteils relevanten Vorschriften benannt werden, kann diesen Vorschriften in Bezug auf Urteile ein „Rechtmäßigkeitsprüfprogramm“123 entnommen werden. Zu den vom Gesetz im Rahmen des Revisionsrechts zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Urteils als relevant erachteten gesetzlichen Regelungen gehören als „Rechtsnormen“ (vgl. § 546 ZPO; § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO: „Bundesrecht“) auch die Verfahrensvorschriften der gerichtlichen Verfahrensordnungen. Verfahrensregelungen sind aber Anweisungen, in einer bestimmten Art und Weise zu „verfahren“ und damit sich in bestimmter Weise zu verhalten. Hieraus wird nochmals deutlich, dass der Gesetzgeber zum Anknüpfungspunkt der Rechtmäßigkeitsbestimmung einer gerichtlichen Entscheidung nicht die darin enthaltene Regelung als „Zustand“ gemacht hat. Er hat ein Verhalten im Zusammenhang mit dem Erlass des Urteils zum Anknüpfungspunkt gemacht. Der Pflichtverstoß gegen das in Rechtsnormen enthaltene Sollensgebot ist daher maßgeblich zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit von gerichtlichen Entscheidungen. Rechtswidrigkeit bedeutet daher im vorliegenden Kontext Pflichtwidrigkeit. 2. Die Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit Ob darüber hinaus Rechtswidrigkeit immer Pflichtwidrigkeit bedeutet, würde als rechtstheoretische Frage den Rahmen der vorliegenden, einer rechtsdogmatischen Fragestellung verpflichteten Arbeit sprengen. Es sei jedoch angemerkt, dass die rechtstheoretische Frage nach der hier vertretenen Auffassung zu bejahen ist Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, § 344, Rn. 4. Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, § 337, Rn. 2. 121 Vgl. § 137 Abs. 3 S. 2 VwGO. 122 Entsprechende Parallelregelungen finden sich in allen gerichtlichen Verfahrensordnungen, zu den Ergebnisrelevanzvorschriften ausführlich unter G.IV. 123 Eichberger, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 137, Rn. 4. 119 120

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

und insofern das gefundene dogmatische Ergebnis stützt.124 Rechtswidrigkeit bedeutet wider das Recht bzw. Unrecht.125 Zwar lässt sich semantisch nicht zwingend folgern, dass Unrecht die Negation des Rechts darstellt. So ist etwa eine Unmenge auch eine Menge, aber eben eine quantitativ sehr große.126 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Rechtswidrigkeit das Gegenteil von Rechtmäßigkeit bedeutet, Recht das Gegenteil von Unrecht.127 Dies ergibt sich aus dem wohl herrschenden Sprachgebrauch: Rechtswidrigkeit bedeutet eben „wider“ das Recht i.S. eines Widerspruchs, worin gerade die Negation des Rechts zum Ausdruck kommt. Wenn nun Rechtsnormen als Sollenssätze ausgewiesen sind, dann stellt sich das Recht als Pflicht dar. Ist Recht gleichbedeutend mit Pflicht, dann ist die Verletzung des Rechts das Gegenteil von Pflicht und Recht. Folglich ist Rechtswidrigkeit gleich Pflichtwidrigkeit. Rechtsnormen enthalten stets Qualifikationen von Personen oder Handlungen. Rechtliche Beziehungen einer Person zu einer Sache oder einem Zustand sind, wie bekanntlich Kant128 erkannte, nicht möglich bzw. lassen sich in rechtliche Beziehungen zwischen Personen auflösen,129 so dass rechtliche Bewertungen einer Sache oder eines Zustands ohne personalen Bezug sinnlos erscheinen. „Es ist nichtig, von einem Rechte auf die Natur, auf Grund und Boden, auf Thiere, u.s.f. blos als solche, und nur in Beziehung zwischen ihnen, und den Menschen gedacht, zu reden. [ . . . ] Nur wenn mit mir zugleich ein anderer auf dieselbe Sache bezogen wird, entsteht die Frage vom Rechte auf die Sache, als eine abgekürzte Rede, statt der, wie sie eigentlich heissen sollte, vom Rechte auf den anderen, ihn vom Gebrauche der Sache auszuschliessen“.130 Nach dem vorher Gesagten ist klar, dass sämtliche Rechtspflichten, insofern sie nur an Menschen adressiert sein können, personale Pflichten sind.131 Dementspre124 Zur Gleichsetzung von Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit vgl. Rupp, Grundfragen, S. 14, 166 f., 224 ff., 273 ff.; vgl. auch die Darstellung der These „Rechtswidrigkeit als Pflichtwidrigkeit“ bei Baumeister, Rechtswidrigwerden, S. 121 ff. mit vielen w.N. Baumeister hält hingegen ein weites Verständnis von Rechtswidrigkeit als rechtstheoretisch möglich, vgl. S. 134 ff., 142 ff., 177 f. 125 Statt vieler Deutsch, Haftungsrecht, S. 147 m. w. N.: „Widerspruch zum Recht“. 126 Vgl. auch Fn. 46 : der Unrechtsstaat und der Nicht-Rechtsstaat können Verschiedenes bedeuten. 127 Unrecht ist nicht bloßes Nicht-Recht, sondern die Negation des Rechts, vgl. Thomasius, Fundamenta, 1. Buch, 5. Kapitel, § 15 (S. 148): „Oppositum juris & obligationis est injuria“, „injuria, i.e. denegatione juris“; s. auch Kelsen, Rechtslehre, S. 118 f. 128 Kant, MdS, Einteilung der Metaphysik der Sitten überhaupt, III. (S. 80 f.), vgl. auch oben Fn. 32. 129 Zur Relativität allen Rechts s. bereits oben unter A.I. 130 Fichte, Grundlage, S. 360 [Hervorh. im Original]; vgl. auch Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit I, S. 18: „Das Urteil, ein Mensch ist berechtigt oder verpflichtet, bedeutet lediglich, daß ein Mensch zu mehreren anderen Menschen in einer bestimmten Beziehung steht, das Urteil schreibt dem Menschen keinerlei Eigenschaften zu, die ihm als solchen unabhängig von dem Verhältnis zu einem Nebenmenschen zukäme“.

I. Bestimmung der Rechtswidrigkeit

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chend ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Rechtsnorm die normativen Eigenschaften einer Person132 bestimmt.133 So könnte die Aussage getroffen werden, eine Norm, die A verbietet, x zu tun, dem A die rechtliche Eigenschaft, jemand zu sein, dem x verboten ist, zuspricht. Einer solchen Eigenschaft entspräche das einstellige Prädikat „jemand, dem es verboten ist, x zu tun“. Solche Annahmen sind logisch zwar nicht ausgeschlossen, inwiefern sie rechtsdogmatisch sinnvoll sind, ist eine andere Frage.134 Denn wie zum Begriff des Rechtsverhältnisses dargelegt,135 haben Rechtspflichten nicht nur personalen, sondern auch relationalen Charakter in einem engeren oder weiteren Sinn. Dies hat insbesondere im Falle der Verletzung subjektiver Rechte zu gelten, da aufgrund der rechtslogischen Verknüpfung jedes subjektiven Rechts zu einer korrelierenden Pflicht subjektive Rechtswidrigkeit stets subjektive Pflichtwidrigkeit zu bedeuten hat.136 Solche relationalen Pflichten werden durch zweistellige Prädikate wie „x ist A verboten“ oder dreistellige Prädikate wie „x ist A verboten gegenüber B“ ausgedrückt. Damit aber erweist sich die Rechtswidrigkeit als ein relationaler Begriff. Die Rechtswidrigkeit kann nicht absolut bestimmt werden, sondern nur in Bezug auf bestimmte Rechtsverhältnisse. Etwas, das sich in einer Beziehung zweier Rechtssubjekte als rechtswidrig erweist, kann in einer anderen Relation rechtmäßig sein.137 Entscheidend ist daher die in Bezug auf eine Rechtsrelation bestehende Pflicht. Nur der Verstoß gegen diese Pflicht und damit ein menschliches Verhalten kann letztendlich Anknüpfungspunkt des Rechtswidrigkeitsurteils sein. Auch wenn vordergründig ein Zustand in der gesetzestechnischen Formulierung zum ersten Anknüpfungspunkt gemacht wird, ist letztendlicher Bezugspunkt immer die bezüglich dieses Zustands bestehende Rechtspflicht einer Person in Bezug auf eine andere Person, ein Satz mit drei Bestimmungen, der stets die Pflicht in Bezug auf eine bestimmte rechtliche Relation enthält.138 Rechtswidrigkeit bedeutet daher Pflichtwidrigkeit.139

Vgl. Fn. 32. Nicht aber die einer Sache, weil sich alles Recht an den Menschen richtet. Diese Eigenschaft könnte bestenfalls in Bezug auf (einen) Menschen Relevanz erlangen und wäre ohne eine solche Relevanz sinnlos, es wäre in der Tat „nichtig“ davon zu reden. 133 s. unten bei Fn. 386 im Text; vgl. auch Alexy, Theorie, S. 163 f. 134 Zur Aufgabe und Funktion der Rechtsdogmatik, s. u. D.I.2.b)bb)(1). 135 Vgl. A.I. 136 Zu diesem Zusammenhang auch unten E.II.1.b)aa). 137 Vgl. dazu Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 90 ff. 138 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 63. 139 Vgl. Kant, MdS, Einleitung in die Metaphysik der Sitten IV. (S. 59): „Recht oder unrecht . . . überhaupt ist eine Tat, sofern sie pflichtmäßig oder pflichtwidrig . . . ist“; ebenso Fichte, Revolution, S. 220 [Hervorheb. im Original]: „Was uns dieses Gesetz gebietet, heißt im allgemeinen recht, eine Pflicht; was es uns verbietet unrecht, pflichtwidrig“. 131 132

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

Welche Pflichten in Bezug auf den Rechtsakt „Urteil“ bestehen, hat der Gesetzgeber in den unter B.I.1. angeführten Vorschriften zum Ausdruck gebracht. Abgestellt wird eben nicht nur auf Pflichten bezüglich des Inhalts der gerichtlichen Entscheidung, sondern auch auf Pflichten im Zusammenhang mit dem Erlassvorgang, insbesondere Verfahrensvorschriften. Der aus diesem Pflichtverstoß resultierende „Zustand“, das Urteil, wird jedoch nur insofern, als im Erlass und der Aufrechterhaltung dieses Urteils ein Pflichtverstoß liegt, vom Gesetzgeber als rechtswidrig qualifiziert. Als problematisch könnte sich nun erweisen, dass eben diese Regelungen des Revisionsrechts gerade in Bezug auf Verfahrensvorschriften das „Beruhenskriterium“ enthalten. Das soeben gefundene Ergebnis könnte dadurch insoweit revidiert sein, als durch das Beruhenserfordernis gesetzgeberisch zum Ausdruck gebracht sein könnte, dass Verfahrensfehler nur dann für die Bewertung des Urteils als „rechtswidrig“ Relevanz besitzen sollen, wenn sie sich inhaltlich auswirkt haben. Käme es für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit doch nur auf den in dem Rechtsakt „Urteil“ verkörperten „Zustand“ bzw. seinen Inhalt an, könnte der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften alleine noch nicht die Rechtswidrigkeit begründen.

II. Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen Eine abschließende Klärung inwieweit Vorschriften der Ergebnisrelevanz einen Ausschluss der Rechtswidrigkeit enthalten, kann nur die Auslegung der einschlägigen Normen bringen. Betrachtenswert scheint hier vor allem der Normenkomplex des Rechtsmittelrechts. In diesen Normen, welche Anordnungen von Fehlerfolgen enthalten, könnten sich (wenigstens implizit) auch legislative Aussagen über Fehler und damit Kriterien zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit finden. Eine Fehlerfolgenregelung muss schließlich festlegen, die Folgen welcher Fehler sie regelt. Nicht notwendig muss die begriffliche Bestimmung der Fehler im Normtext der Fehlerfolgenregelung enthalten sein, sondern die Fehlerfolgenregelung könnte auch Bezug auf eine außerhalb ihrer selbst getroffene Regelung oder einen im Gesetz bereits vorausgesetzten Fehlerbegriff Bezug nehmen. Bei der Untersuchung der entsprechenden Fehlerfolgenregelungen ist im Besonderen an Vorschriften zu denken, die die Auswirkungen von Verfahrensfehlern140 auf das Judikat zum Gegenstand haben. Die Auslegung von Art. 103 Abs. 1 GG oder verfassungsrechtlicher Bestimmungen verspricht keinen Erfolg. Ist es doch die Aufgabe des Gesetzgebers, Recht zu setzen und damit negativ zu bestimmen, was nicht rechtens und folglich rechtswidrig ist. Die einschlägigen Bestimmungen der Rechtmäßigkeitsanforderungen Judikate betreffend sind in den einfachgesetzlichen Prozessordnungen getroffen wor140 Die Untersuchung inhaltlicher Fehler wurde oben schon ausgeschieden, da sich hier keine besonderen Probleme stellen.

II. Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen

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den.141 Aus verfassungsrechtlichen Bestimmungen könnte bestenfalls ein sehr weiter Rahmen abgeleitet werden. Maßgeblich in Bezug auf Art. 103 Abs. 1 GG könnte hierbei sein, dass die Bedeutung des Gehörsrechts wegen seines verfassungsmäßigen Rangs in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung von gerichtlichen Verfahrensordnungen überhaupt irgendeine bzw. in Bezug auf den verfassungsmäßigen Rang eine gehörige Beachtung finden muss. Betrachtet man die einfachgesetzliche Ausgestaltung, so findet sich bereits eine rechtswissenschaftliche Aufarbeitung des Parallelproblems im Bereich des Verwaltungsrechts. Grundlage der dort geführten Diskussion um die Bestimmung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts bildet eine Norm, die eben den Relevanzvorschriften des gerichtlichen Rechtsmittelrechts nachgebildet ist, § 46 VwVfG. Es ist daher umso erstaunlicher, dass in der Prozessrechtswissenschaft die Fehlerhaftigkeit bzw. Rechtswidrigkeit von Judikaten nicht näher untersucht ist, als eben die Frage nach der Rechtswidrigkeit in Bezug auf Verwaltungsakte in der Verwaltungsrechtswissenschaft gerade auch in Anlehnung an prozessrechtliche Vorschriften diskutiert wird. Wegen der Parallelproblematik sei das Problem im Verwaltungsrecht kurz skizziert. Bereits die amtliche Überschrift des § 46 VwVfG „Folgen von Verfahrensund Formfehlern“ zeigt, dass es auch hier mutatis mutandis um das Problem der Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Auswirkungen auf das Verfahrensprodukt geht. In Bezug darauf bestimmt die Regelung, dass eine Aufhebung des Verwaltungsakts im Falle eines Verfahrensfehlers nicht beansprucht werden kann, wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zum Einstieg für unsere eigene Lösung seien die möglichen Interpretationen dieser Regelung dargestellt. Systematisiert man die Deutungsmöglichkeiten der Regelung des § 46 VwVfG ergeben sich drei Varianten.142 Zum einen könnte in der Regelung des § 46 VwVfG ein bloßer Ausschluss des Aufhebungsanspruchs des Verwaltungsakts liegen (1), zum andern könnte mit diesem Ausschluss zugleich der Ausschluss entweder der objektiven Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (2) oder die Verneinung der subjektiven Rechtsverletzung des Betroffenen durch den Verwaltungsakt verbunden sein (3). Für die zu beantwortende Frage nach der Rechtswidrigkeit einer gerichtlichen Entscheidung ist ersichtlich Variante (2) relevant. Hiernach könnte also auch in einer Fehlerfolgenregelung der gerichtlichen Verfahrensordnungen zugleich ein Ausschluss der Rechtswidrigkeit liegen. Zum Ergebnis dieser Diskussion in der Verwaltungsrechtswissenschaft ist noch anzumerken, dass nach heute nahezu unbestrittener Auffassung der Ausschluss der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts durch § 46 VwVfG und damit Deutungsmöglichkeit (2) verneint wird.143 Dies Bettermann, in: FS Huber, S. 33. Zu § 46 VwVfG aF Schenke, DÖV 1986, S. 305 (306). 143 Gegen einen Ausschluss der Rechtswidrigkeit Schenke, DÖV 1986, S. 305 (307 ff.); Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 499 ff., 630 f.; Meyer, NVwZ 1986, S. 513 (516 ff.); Kopp / Schenke, VwGO, § 113, Rn. 106. 141 142

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

scheint darauf hinzuweisen, dass dasselbe Ergebnis bei der Bestimmung der Rechtswidrigkeit richterlicher Entscheidungen sich als richtig erweist. Für das vorliegende Problem könnte daher die Untersuchung der dem § 46 VwVfG ähnlichen Regelungen zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit von gerichtlichen Entscheidungen Erkenntnisse bringen. Zum Kreis dieser Vorschriften gehören solche, die Regelungen über die Relevanz der Verletzung von Verfahrensvorschriften für die gerichtliche Entscheidung enthalten. Dazu zählen die Regelungen in § 137 Abs. 1 VwGO, § 545 Abs. 1 ZPO, § 337 Abs. 1 StPO. Diese Vorschriften sind nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck auszulegen.

1. Grammatische Interpretation Schon der Wortlaut der entsprechenden Vorschriften ergibt, dass in den Fällen, in welchen sich der Verfahrensfehler nicht auf den Inhalt der Entscheidung ausgewirkt hat bzw. haben kann, die Revision keinen Erfolg hat (z. B. §§ 545, 561 ZPO; § 137 VwGO; § 337 StPO). Damit ist dem Wortlaut nach der Ausschluss der Rechtswidrigkeit nicht Regelungsgegenstand dieser Vorschriften. Auch wird keine Aussage wird darüber getroffen, ob bei fehlender Auswirkung des Verfahrensfehlers auf den Inhalt der Entscheidung, weder im Fall fehlenden Beruhens (§ 545 ZPO) noch bei Ergebnisrichtigkeit (§ 561 ZPO), die Entscheidung nicht das Recht verletzt. Im Gegenteil definiert das Gesetz den Begriff der Gesetzesverletzung in einem eigenen Passus ohne Verwendung der Ergebnisrelevanz (vgl. § 546 ZPO), der stets den Begriff der Gesetzesverletzung auf den vorangegangen Kontext bezieht (im Beispiel § 545 ZPO). Dort jedoch ist der Begriff der Gesetzesverletzung wiederum auf die Entscheidung bezogen. Der Begriff des Beruhens hingegen ist bezogen auf den Erfolg der Revision. In Bezug auf die Gesetzesverletzung differenziert das Gesetz auch nicht zwischen Verfahrensregelungen und sonstigen Normen, sondern stellt einheitlich auf den Begriff der „Rechtsnorm“144 ab. Bezugspunkt der „Gesetzesverletzung“ kann nur das Urteil sein, da etwa im Falle von Verfahrensvorschriften nicht die einzelnen Verfahrenshandlungen des Gerichts, sondern die das Verfahren abschließende gerichtliche Entscheidung Gegenstand der Revision ist. Folglich spricht der Wortlaut dafür, dass im Falle Verletzung von Verfahrensrecht das Urteil als rechtswidrig zu gelten hat. Die Verwendung weiterer Tatbestandsvoraussetzungen ändert daran nichts. Wie schon der Wortlaut zeigt, setzen die entsprechenden Kriterien zunächst eine Gesetzesverletzung voraus. Die Prüfung des Beruhens oder der Ergebnisrichtigkeit erfolgt immer erst nach der Gesetzesverletzung. Daher ist das Kriterium mangelnder Ergebnisrelevanz schon nach dem Wortlaut des Gesetzes eine von der Prüfung der Gesetzesverletzung zu trennende Frage. Dies wiederum spricht neben dem Um144 § 337 Abs. 2 StPO, § 546 ZPO, § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO „Bundesrecht“, i.Ü. § 545 ZPO i.V.m. § 173 S. 1 VwGO.

II. Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen

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stand, dass Bezugspunkt der Ergebnisrelevanz die Revision und nicht die Gesetzesverletzung ist, dafür, dass die Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit durch die entsprechenden Vorschriften nicht dahingehend geregelt wird, dass durch diese Vorschriften, etwa in Gestalt des Beruhenserfordernisses, ein Ausschluss der Gesetzesverletzung und damit der Rechtswidrigkeit geregelt ist. 2. Systematische Interpretation Auch die Systematik des Gesetzes erhärtet diesen Befund. Erstens in Bezug auf den Begriff der Revision, mit welchem das Beruhen vom Gesetzeswortlaut in Zusammenhang gesetzt wird.145 Die Ergebnisrelevanz ist eine Voraussetzung für den Erfolg des Rechtsmittels der Revision unter anderen. So finden sich zahlreiche andere Rechtsmittelausschlussgründe derart formuliert, dass bei ihrem Nichtvorliegen dem Rechtsmittel der Erfolg versagt ist, wobei dadurch lediglich das Rechtsmittel und damit eine Abänderung (dies impliziert die Aufhebung) der bereits getroffenen Entscheidung ausgeschlossen werden soll, nicht aber die Entscheidung dadurch nachträglich als rechtmäßig zu gelten hätte. So findet sich in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Wertgrenze für das Rechtsmittel der Berufung, ohne dass nur entfernt zu erwägen wäre, dass neben dem Ausschluss der Fehlerfolge „Aufhebung der Entscheidung“ der Ausschluss des Fehlers, nämlich ein Ausschluss der Rechtswidrigkeit, mitgeregelt sei. Dies führte zu dem schwerlich vertretbaren Ergebnis, dass die Frage von Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Staatsakts von der Höhe eines Geldbetrages abhinge.146 Eine weitere Rechtsmittelvoraussetzung liegt im Falle sog. Zulassungsrechtsmittel in der Zulassung eben dieser Rechtsmittel. Läge im Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzung zugleich der Ausschluss der Rechtswidrigkeit, so fände sich hier in der Ablehnung der Zulassung eines Rechtsmittels durch ein Gericht zugleich die Anordnung der Rechtmäßigkeit, was äußerst bedenklich wäre, da die Disposition über die Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit einem gerichtlichen Einzelakt überantwortet würde. Führen folglich andere Zulässigkeitsbestimmungen des Rechtsmittelrechts nicht zum Ausschluss der Rechtswidrigkeit, so leuchtet es nicht ein, weshalb gerade eine dieser Zulässigkeitsbestimmungen, das Beruhenserfordernis, abweichend von der gesetzlichen Systematik einen solchen Ausschluss enthalten soll. Im Übrigen wird der Begriff des „Beruhens“ gesetzgeberisch nicht einheitlich verwendet, so dass eine gleichsam symbiotische Verbindung des Beruhens mit dem Begriff der Gesetzesverletzung angenommen werden könnte. Die Rechtsmit145 Vgl. § 545 Abs. 1 ZPO: „Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt“. 146 Entsprechend auch im Strafprozess, wo u.U. die Höhe der Strafe entscheidend sein kann, vgl. § 313 StPO.

4 Hößlein

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

tel der Berufung, Revision und Beschwerde, welche allesamt die Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung zum Gegenstand haben, finden sich gesetzessystematisch in allen gerichtlichen Verfahrensordnungen in einem gemeinsamen Abschnitt. Für die Revision statuiert das Gesetz ein Beruhenserfordernis (vgl. § 337 Abs. 1 StPO), während sich ein solches bei der Berufung (vgl. §§ 312 ff. StPO) nicht finden lässt.147 Dass nun das Gesetz für die verschiedenen, in demselben Abschnitt geregelten Rechtsmittel verschiedene Rechtmäßigkeitsbegriffe verwendet, ist nicht anzunehmen. Auch wird der Beruhensbegriff nicht nur im Zusammenhang mit einer Gesetzesverletzung verwendet, sondern der Gesetzgeber formuliert auch andere Zusammenhänge mittels des Beruhenskriteriums. So wird das Beruhenserfordernis unter anderem in Bezug gesetzt zu der Abweichung von bestimmten bereits getroffenen anderen gerichtlichen Entscheidungen, vgl. § 64 Abs. 3 Nr. 3 ArbGG. Der Beruhensbegriff ist folglich nicht spezifisch mit der Gesetzesverletzung untrennbar verbunden, so dass aus dem Fehlen des Beruhens einer Gesetzesverletzung auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung geschlossen werden müsste. Vielmehr ist eine einheitliche Verwendung des Beruhensbegriffs dann erklärlich, wenn man das Beruhen lediglich als Tatbestandsmerkmal versteht, welches den Erfolg des Rechtsmittels und damit den Ausschluss des Beseitigungsanspruchs regelt. Die „Gesetzesverletzung“ ist als davon zu trennendes eigenständiges Merkmal zu sehen, welches die Rechtswidrigkeit begründet. Ein weiteres Argument gegen den Ausschluss der Rechtswidrigkeit ergibt sich bei Verletzung von Verfahrensvorschriften aus denjenigen Regelungen, welche dem Gedanken der Ergebniskonzentration Ausdruck verleihen. Dies zeigt sich in Vorschriften wie § 305 StPO, § 146 Abs. 2 VwGO. Hier ist die Einhaltung bestimmter Verfahrensvorschriften nicht isoliert angreifbar, sondern das Gesetz verweist den Betroffenen auf die Anfechtung der abschließenden gerichtlichen Entscheidung. Ist nun die Anfechtung des Verfahrenergebnisses systematisch als Kompensation für den verwehrten verfahrensbegleitenden Rechtsschutz angelegt, spricht dies gegen eine Verneinung der Rechtswidrigkeit durch den Beruhensbegriff, da in diesem Falle die Verfahrensregelungen bedenklich relativiert würden und die vorgesehene Kompensation nicht oder nur unvollkommen erfolgen könnte.148

3. Teleologische Interpretation Letztlich entscheidend ist die teleologische Auslegung der einschlägigen Vorschriften des Rechtsmittelrechts. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal den Ausgangspunkt: Ausgehend von der Frage nach der Bestimmung des Fehlers fand sich Ebenso in §§ 64 ff. ArbGG im Gegensatz zu § 73 Abs. 1 ArbGG. I.Ü. ist die Ergebniskonzentration bzgl. der Verfahrensrechte von Drittbeteiligten nicht durchführbar, da diese i.d.R. durch die Endentscheidung nicht betroffen sind; vgl. auch § 305 S. 2 StPO; entsprechend auch die Auslegung des § 146 Abs. 2 VwGO, Kopp / Schenke, VwGO, § 146, Rn. 13. 147 148

II. Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen

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zunächst im Gesetz keine Norm, welche den Begriff des Fehlers expressis verbis in Bezug auf eine gerichtliche Entscheidung definiert. Einen Anknüpfungspunkt bieten mittelbar Fehlerfolgenregelungen, da sie regeln müssen, bzgl. welches Fehlers sie welche Folge anordnen. So ist es z. B. denkbar, dass in Bezug auf einen Rechtsakt R die Fehler F 1 – 10 den Rechtsakt fehlerhaft machen. Bestimmt nun eine Fehlerfolgenregelung im Falle der Fehler F 1 – 5, dass in diesem Falle der Rechtsakt als Fehlerfolge nichtig sei, so kann man aus der Fehlerfolgenregelung rückfolgern, dass zumindest die Fehler F 1 – 5 bzw. die dafür relevanten Normen zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit als vom Gesetzgeber relevant angesehen werden. Es ist jedoch nicht möglich, aus der Fehlerfolgenregelung darüber hinaus auf sonstige Rechtmäßigkeitsanforderungen zu schließen, im Beispiel etwa die Fehler F 6 – 10. Insofern kann man die Aussagekraft der Auslegung einer Fehlerfolgenregelung verstehen. Hierbei besteht nun offenbar die Schwierigkeit darin, welcher Teil der Fehlerfolgenregelung die Bestimmungen der Fehlerhaftigkeit enthält und welche Teile demgegenüber nur Bestimmungen in Bezug auf die Fehlerfolge sind. Insofern ist zunächst klar, dass die meist als Begründungserfordernis des Rechtsmittels formulierten Regelungen, wie etwa § 137 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 546 ZPO,149 die Aussagen darüber enthalten, welche Rechtsnormen revisibel sind, damit zugleich bestimmen, welche Rechtsnormen zur Bestimmung der Fehlerhaftigkeit in Bezug auf das Urteil als relevant angesehen werden.150 In der Tat enthalten die Regelungen ein „Rechtmäßigkeitsprüfprogramm“151. Diese Rechtmäßigkeitskontrolle steht in der Prüfungsabfolge auch an erster Stelle.152 In Gestalt dieser Normen, welche den Umfang revisiblen Rechts festlegen, muss in Form eines ersten Tatbestandsmerkmals der Fehlerfolgenregelung zugleich eine minimale Bestimmung der Fehler getroffen sein, für welche die Fehlerfolge „Anfechtbarkeit durch ein Rechtsmittel“ gelten soll. Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Einzelnen sind dem in den Kreis des § 137 Abs. 1 VwGO einbezogenen revisiblen Recht zu entnehmen. Fraglich ist nur, inwiefern weitere Tatbestandsmerkmale der Fehlerfolgenregelung der Bestimmung der Rechtswidrigkeit zuzuordnen sind. Die Regelungen des Nichterfolgs der Revision bei fehlender Ergebnisrelevanz153 setzen erst nach dieser Rechtmäßigkeitsprüfung an. Ihnen liegt ein verfahrensrechtlicher Gedanke zu Grunde, welchem offensichtlich keine darüber hinausgehende Bedeutung in Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit beizumessen ist. Sinn und Zweck des Kriteriums der Ergebnisrelevanz bei Verfahrensverstößen ist, dass auch bei Aufhebung der Entsprechend § 344 Abs. 2 StPO; § 545 Abs. 1 ZPO. Angesprochen ist auch die Frage der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts. 151 Eichberger, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 137, Rn. 4 ff. 152 Eichberger, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 144, Rn. 33. 153 So bei fehlendem Beruhen oder Ergebnisrichtigkeit, vgl. §§ 137 Abs. 1, 144 Abs. 4 VwGO. 149 150

4*

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B. Die Rechtswidrigkeit des Richterakts

Entscheidung und nachfolgender ordnungsgemäßer Wiederholung des Verfahrens die Entscheidung mit gleichem Inhalt wieder getroffen würde. Dieser Gedanke der Verfahrensökonomie enthält jedoch keine materiellrechtliche Wertung dahingehend, dass in diesem Falle Verfahrensfehler keine Relevanz in Bezug auf die Rechtswidrigkeit besitzen. Im Übrigen überzeugte es rechtsdogmatisch gesehen wenig, würde dasselbe Kriterium, welches (unzweifelhaft zumindest auch) die Fehlerfolge beschränkt, zugleich zur Bestimmung des Fehlers verwendet. Würde etwa im Falle mangelnden Beruhens die Entscheidung als rechtmäßig angesehen, so wäre der nachfolgende Ausschluss des Aufhebungsanspruchs überflüssig, hätte der Rechtsmittelausschluss keinen Anwendungsfall mehr.154 Gesetzestechnisch gesprochen würde in dem Beruhenserfordernis dann neben seiner Eigenschaft als formellrechtliche Fehlerfolgenregelung zugleich eine materiellrechtliche Fehlerregelung in Form einer gesetzgeberischen Fiktion liegen, die trotz „Rechtsverletzung“ eine solche in Bezug auf das Urteil als nicht geschehen betrachtete. 155 Eine solche Fiktion wäre dem Gesetzgeber zwar nicht verwehrt, führte aber zu den beschriebenen rechtstechnischen Schwierigkeiten aufgrund der damit verbundenen rechtslogischen Folgen.156 Das sich daraus ergebende Zwischenergebnis, dass das Beruhenserfordernis nicht zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit herangezogen werden kann, steht im Einklang mit folgenden anderen Befunden, insonderheit den uns interessierenden Fall der Gehörsverletzung betreffend. So ist in allen nachkonstitutionellen Verfahrensordnungen die Gehörsverletzung als absoluter Revisionsgrund ausgestaltet, d. h. auf das Beruhen soll es gerade nicht ankommen.157 Zwar wird in der Rechtsprechung der Fall der Gehörsverletzung einem relativen Revisionsgrund angenähert.158 Dennoch würde man darüber hinausgehend die in diesen Regelungen getroffene gesetzgeberische Wertung umgehen, würde man das Beruhen derart extensiv nicht nur im Rahmen des Rechtsmittelausschlusses, sondern auch zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit verwenden. Es bedeutete auch einen Wertungswiderspruch, würde im Bereich des Verwaltungsrechts in der Parallelregelung des § 46 VwVfG kein Ausschluss der Rechtswidrigkeit zu sehen sein und im Bereich des Prozessrechts ließe sich ein solcher finden. Insbesondere für den Fall der Gehörsverletzung überzeugte eine solche 154 Man könnte auch davon sprechen, dass Ursache (Rechtswidrigkeit) und Folge (Aufhebung) miteinander verwechselt werden, Schenke, DÖV 1986, S. 305 (308). 155 Umgekehrt gibt es Rechtsverstöße, auf denen die Entscheidung nicht beruhen kann; dann wäre umgekehrt, etwa im Fall der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes, die Anordnung eines absoluten Revisionsgrundes als Anordnung einer Rechtswidrigkeit zu sehen. 156 I.Ü. sind Fiktionen eine Ausnahmeerscheinung. Es müssten besondere Gründe vorliegen, die für eine Deutung als Fiktion sprechen. Sind solche nicht ersichtlich, kann nicht vom Vorliegen einer Fiktion ausgegangen werden. 157 Vgl. nur § 138 Nr. 3 VwGO; § 119 Nr. 3 FGO. 158 Kopp / Schenke, VwGO, § 138, Rn. 20.

III. Resümee

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Auffassung nicht. In Art. 103 Abs. 1 GG besteht für das gerichtliche Verfahren eigens eine unmittelbar verfassungsgesetzliche Positivierung des Gehörsrechts, während sie für das verwaltungsrechtliche Verfahren lediglich einfachgesetzlich in § 28 VwVfG garantiert ist und im Übrigen „nur“ mittelbar verfassungsrechtlich aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet wird.159 Der besonderen Bedeutung des Gehörsrechts für das gerichtliche Verfahren, welche in Art. 103 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt, würde ein solches Ergebnis nicht gerecht. Abschließend bleibt, auf die Tatsache hinzuweisen, dass die wenigen Ausführungen in der Prozessrechtsliteratur zur „Fehlerhaftigkeit“ eines Urteils gerade kein Beruhenserfordernis enthalten.160

III. Resümee Eine gerichtliche Entscheidung ist sowohl bei Verfahrens- als auch bei Inhaltsfehlern als rechtswidrig anzusehen. Insbesondere für den Verstoß gegen Verfahrensvorschriften ergab sich dies zum einen daraus, dass Vorschriften in den gerichtlichen Verfahrensordnungen den Erlassvorgang für die Bestimmung der Rechtmäßigkeit eines Judikats als erheblich ansehen, zum anderen daraus, dass auch die Rechtsmittelvorschriften Regelungen darüber enthalten, welche Normen für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung relevant sind. Ob dann eine Rechtsverletzung vorliegt und damit die Entscheidung als rechtswidrig zu gelten hat, bestimmt sich nach den jeweiligen, in den Kreis der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit als relevant einbezogenen Vorschriften. Dazu gehören auch Verfahrensvorschriften. Das darüber hinaus vom Gesetz verwendete Beruhenserfordernis ist zur Bestimmung des Fehlers irrelevant. Es vermag nicht das Vorliegen eines Fehlers auszuschließen, vielmehr bezieht es sich nur auf den Erfolg eines Rechtsmittels. Im Beruhenskriterium liegt keine Negation des Fehlers, sondern der Fehlerfolge – nicht die Rechtswidrigkeit wird ausgeschlossen, sondern der Beseitigungsanspruch (siehe G.IV.). Die Bestimmung der Rechtswidrigkeit ist ein dezisionistischer Akt des Gesetzgebers, den dieser im Falle gerichtlicher Entscheidungen dahingehend getroffen hat, dass er bei Verfahrensfehlern die Rechtswidrigkeit des das Verfahren abschließenden Rechtsakts unabhängig von einer Ergebniskontrolle statuiert hat.

Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 28, Rn. 3a. Z. B. Jauernig, Zivilurteil, S. 1 Fn. 1; auch Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 62 II 1 (S. 390 ff.) definiert eine Entscheidung ohne Verwendung des Beruhenskriteriums dann als fehlerhaft, wenn bei „ihrer Findung und Fällung ein prozessualer Fehler begangen ist“. 159 160

C. Die Wirksamkeit des Richterakts Ein König lässt befehlen, dass man bei Lebensstrafe einen Stein für einen Demant halten soll. (Georg Christoph Lichtenberg)

I. Das Problem der Fehlerfolge Nach der Feststellung des Fehlers ist nun die ungleich schwierigere, wenngleich interessantere Frage zu beantworten: Welche Fehlerfolge folgt dem Fehler? – Interessanter deswegen, weil mit der Bestimmung des Fehlers nur eine rechtliche Bewertung vorgenommen wurde und für alle beteiligten Akteure vor allem von Belang ist, welche Folgen diese Bewertung auf den Bestand und die rechtlichen Wirkungen eines Rechtsaktes hat. Schwieriger deswegen, weil es gilt, Aussagen darüber zu treffen, ob sich bestimmten Fehlern bestimmte Fehlerfolgen zuordnen lassen (Aussagen über die Verknüpfung von Fehler und Fehlerfolge). Es sei hier bereits angedeutet, dass diese Aufgabe nicht gleichermaßen zu bewältigen ist wie die der Bestimmung von Fehlern. Fehlerarten konnten durch mehr oder minder differenzierte Typologie erfasst werden. Fehlerfolgen zu systematisieren ist angesichts der verschiedenartigen Möglichkeiten, welche dem Recht auf Rechtswidrigkeit zu reagieren bekannt sind161 und wegen der verschiedenen Arten von Fehlern auch bekannt sein müssen, nicht abschließend zu erreichen.162 Die Systematisierung müsste derart differenziert sein, dass die daraus gewonnen Aussagen nicht verallgemeinerungsfähig wären.163 So sind denn auch die wenigen diesem Bereich gewidmeten, alle Teilbereiche der Rechtsordnung umfassenden Darstellungen der verschiedenen Fehlerfolgen weniger systematisch als rein deskriptiver Natur.164 161 Vgl. nur die Unzahl der aus dem Gesetzestext einschlägig bekannten Folgen, wie Unwirksamkeit, Anfechtbarkeit, Nichtigkeit, Unbeachtlichkeit, Vernichtbarkeit, Aufhebbarkeit etc. 162 Ebenso Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 201 ff. 163 Roth, Organstreitigkeiten, S. 791; Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 238, bezeichnet die Fehlerfolgenlehre als „weites Feld“. 164 Vgl. nur den Überblick im Sinne einer Bestandsaufnahme, welchen Lüke / Zawar, JuS 1970, S. 205 zu versuchen geben, freilich ohne systematische Kriterien zur Fehlerfolgenbestimmung herausarbeiten zu können; ebenso die Darstellung von Roth, Organstreitigkeiten, S. 809 ff., welcher, versucht „ein gewisses, wenngleich nicht vollkommenes System“ zu erkennen (S. 827 ff.).

I. Das Problem der Fehlerfolge

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Gleichwohl ist die Fehlerfolgenlehre stets eine „Domäne der Wissenschaft und Judikatur“165 gewesen. Das Problem der Fehlerfolgen stellt sich in allen Teilbereichen des Rechts. Die Untersuchung von Fehlerfolgen hat vor allem in der Zivilistik eine lange Tradition.166 In der Publizistik setzte die Entwicklung, hier vor allem Normen und Verwaltungsakte betreffend, erst später ein.167 Recht überschaubar und bescheiden, verglichen mit den in vorgenannten Bereichen vorliegenden Monographien, nehmen sich die Untersuchungen zur Fehlerfolgenlehre gerichtliche Entscheidungen betreffend aus. Soweit ersichtlich liegen monographische Untersuchungen nur von Jauernig168 und aus neuerer Zeit von Hein169 vor, wobei nur die letztere Arbeit auch verfassungsrechtliche Aspekte in Ansätzen mitberücksichtigt. Im Übrigen finden sich in einigen Werken einzelne Passagen gerichtliche Entscheidungen betreffend,170 sowie verstreut in der prozessrechtlichen Literatur.171 Will man nun das Problem, ob und welche Fehlerfolgen ein Fehler hat, einer Lösung zuführen, kann zunächst angenommen werden, dass Differenzierungen geboten erscheinen, etwa zwischen den Fehlerfolgen eines Realakts und eines Rechtsakts. Ein Realakt bleibt als tatsächliches Geschehen auch im Falle eines Rechtsverstoßes existent und bestenfalls können die durch ihn geschaffenen Tatsachen, seine Folgen (ex nunc oder ex tunc) behoben werden und ein rechtmäßiger Zustand wiederhergestellt werden. Der Realakt selbst kann als physisch-reales Geschehen rechtlich nicht rückgängig gemacht werden, in Bezug auf ihn gibt es keine unmittelbaren Folgen aus seiner Rechtswidrigkeit. Die Frage nach der Wirksamkeit, Anfechtbarkeit, Aufhebbarkeit usw. stellt sich nicht. Anders liegt es bei einem Rechtsakt. Hier liegt der Schwerpunkt nicht auf dem tatsächlichen Geschehen seines Erlasses, sondern auf den durch ihn herbeigeführten Rechtswirkungen. Seine Existenz und Wirksamkeit ist eine normative, so dass dieser durch Rechtsregeln im Gegensatz zum Realakt rechtlich ungeschehen gemacht werden kann, z. B. indem ihm seine rechtliche Wirksamkeit in Folge seiner Rechtswidrigkeit abgesprochen wird, er unwirksam ist und damit (ggf. von Anfang an) rechtlich nicht existent ist. Daraus lässt sich erkennen, dass eine Fehlerfolgenlehre handlungsformenorientiert sein muss. Es ist nicht zu vermuten, dass allgemeingültige Aussagen alle Handlungsformen betreffend (insbesondere auch die Verschiedenheit wiederum der Rechtsakte berücksichtigend) getroffen werden können. VorlieSo Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2806). Vgl. die Darstellung bei v. Hippel, Staatsakt, S. 6 ff. 167 Neben den unter B.I. genannten älteren Untersuchungen zum fehlerhaften Staatsakt gibt es verschiedene Monographien neueren Datums, u. a. Ipsen, Rechtsfolgen der Verfassungswidrigkeit von Norm und Einzelakt, 1980; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern am Beispiel von kommunalen Satzungen, 1988. 168 Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958. 169 Hein, Das wirkungslose Urteil, 1996. 170 Speziell die Verfassungswidrigkeit von Judikaten betreffend, Ipsen, Rechtsfolgen, S. 300 ff. 171 Statt vieler Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 62 (S. 389 ff.). 165 166

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

gend gilt es Fehlerfolgen eines bestimmten Rechtsakts, nämlich einer gerichtlichen Entscheidung, zu untersuchen.

II. Erklärungsansätze Trotz dieser angedeuteten Zweifel sollen im Folgenden zunächst einige Lösungsansätze untersucht werden, welche allgemeingültige Aussagen über die Fehlerfolgen bei Rechtsakten treffen. Diese Aussagen hätten auf Grund ihrer Allgemeinheit auch Geltung für gerichtliche Entscheidungen.

1. Formale Betrachtung des Vorliegens eines Rechtsaktes Antworten auf die Frage, inwiefern ein Fehler stets eine bestimmte Fehlerfolge haben muss, kommen vornehmlich aus dem Bereich der Rechtstheorie. Einer der bemerkenswertesten Versuche auf diesem Gebiet ist sicherlich der von Kelsen.172 Nachfolgend soll dessen logisch-formalistische Argumentation untersucht werden, um die Unzulänglichkeit einzelner Thesen als rechtsdogmatische Annahme zu belegen, gleichzeitig aber auch deutlich zu machen, inwiefern die Theorie Kelsens dennoch in bestimmter Hinsicht als rechtsdogmatische geeignet ist. Kelsen geht von der Annahme der Unmöglichkeit staatlichen Unrechts aus. Der Staat ist zwar wie jedes andere Rechtssubjekt der Rechtsordnung unterworfen und Adressat von Rechtspflichten. Er kann diese jedoch nicht verletzen, da der Wille der Staatsperson zugleich auch Inhalt der Rechtsordnung ist.173 Konsequent die Prämisse von der Unmöglichkeit des Staatsunrechts verfolgend, können dem Staat nur solche Rechtshandlungen zugerechnet werden, die dem Recht nach Form und Inhalt entsprechen.174 Das Zurechnungsurteil kann nach allgemeinen logischen Prinzipien nicht gefällt werden, wenn auch nur eine Bedingung fehlt.175 Jeder Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 ff. Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (7). 174 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (85). Davon ausgehend kann es für Kelsen nach den Regeln der zweiwertigen Logik nur den zurechenbaren rechtmäßigen Staatsakt und den nicht zurechenbaren, weil rechtswidrigen Nicht-Akt geben. 175 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (85 f.); insofern gelten die Ausführungen Kelsens für jeden Rechtsakt, auch den Privatrechtsakt. Kelsens Überlegung besagt, dass Rechtsakte durch die Rechtsordnung überhaupt erst konstituiert werden. Statuiert nun die Rechtsordnung für einen Rechtsakt die konstitutiven Tatbestandsmerkmale T 1 – 3 und fehlt auch nur eines von ihnen, entsteht der Reckstakt als solcher gar nicht. Jede Rechtswidrigkeit lässt sich als ein solches defizitäres Merkmal auffassen. Den Privatrechtsakt „Testament“ betreffend klingt dies in Kelsens eigenen Worten, S. 77, recht pathetisch formuliert folgendermaßen: „[ . . . ] wenn auch nur eine von der Rechtsordnung geforderte Voraussetzung fehlt, dann kann keine Macht der Welt das Urteil erzwingen, dass ein gültiges Rechtsgeschäft vorliege“; so im Übri172 173

II. Erklärungsansätze

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Mangel eines Staatsakts bewirkt folglich dessen Nichtigkeit, bzw. es liegt gar kein Staatsakt vor, da die Rechtshandlung dem Staat nicht zurechenbar ist.176 Kelsen erkennt durchaus, dass seine Auffassung nicht „bloß ein Spiel mit Worten“ ist, sondern bedenkliche praktische Konsequenzen hat, und infolgedessen „mitunter in der Praxis der Rechtsanwendung als inopportun empfunden werden dürfte“.177 Denn „die Frage, ob Nichtigkeit vorliegt, oder nicht [ . . . ] wird vom Verstande jedes urteilenden Individuums, nicht aber autoritativ vom Staat entschieden“,178 gleichwohl die Frage, ob die von der Rechtsordnung geforderten Voraussetzungen eines Staatsaktes gegeben sind oder nicht, sich nicht mit derselben objektiven Gewissheit entscheiden lässt, „ob etwas eine Säure oder eine Base ist“.179 Auf unseren Fall des Urteils übertragen bedeutete dies, dass der „Herr Jedermann“ über die Gültigkeit einer richterlichen Entscheidung befinden könnte, und damit „der den Staatsorganen unterworfene Untertan Richter über seine eigenen Richter“ wäre.180 Gerade Rechtsprechungsakte sollen die verbindliche Entscheidung eines Rechtsstreits sein und gleichsam als letztes Wort Geltung besitzen. Hier müsste sich die Auffassung Kelsens als besonders problematisch erweisen. Trotz dieser Probleme unterlässt Kelsen es, dogmatische Aussagen darüber zu treffen, wie der nichtige von dem vernichtbaren Staatsakt abgegrenzt werden kann. Er weigert sich, „die Unterlassungen des Gesetzgebers gutzumachen“, 181 und verbleibt damit bei der als inopportun erkannten Nichtigkeit.182 gen auch die Grundregel des § 134 BGB, dazu unten C.II.2.b); vgl. zum Problem auch Bumke, Relative Rechtswidrigkeit, S. 234 ff. Die Folge dieses Verständnisses ist, dass zwischen Rechtswidrigkeit und Wirksamkeit dogmatisch nicht unterschieden werden könnte. Eine solche Unterscheidung erweist sich jedoch als sinnvoll. So kann zwischen den Existenzbedingungen eines Rechtakts und sonstigen Rechtmäßigkeitsbedingungen unterscheiden werden, um so auf Grund einer teleologischen Bewertung der einzelnen Fehler unterschiedliche Fehlerfolgen anzunehmen und eine differenzierte Fehlerfolgenlehre zu erreichen, vgl. schon Jellinek unten in Fn. 181. 176 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (86). 177 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (89). 178 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (55). 179 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (93). 180 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (93), unter Berufung auf Jellinek, Staatsakt, S. 104. 181 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (89). Damit wendet sich Kelsen v.a. gegen Jellinek, der drei Kategorien von Fehlerfolgen unterscheidet: absolute Unwirksamkeit, Vernichtbarkeit und Rücknehmbarkeit. Diesen ordnet er auf Grund einer teleologischen Differenzierung nach dem Gewicht des Fehlers die einzelnen Fehler zu, vgl. Jellinek, Staatsakt, S. 56 ff. Speziell für das gerichtliche Urteil schließt Jellinek, S. 151, nach den Regeln der Logik die Unwirksamkeit ex nunc aus. Nach Kelsen, S. 89, sind jedoch alle Mängel gleichwertig und die Entscheidung, welche Mängel zu welchen Folgen führen, kann nur der Gesetzgeber treffen. 182 Der Gedankengang Kelsens findet sich in Form der „ultra-vires“ Lehre in der Literatur wieder, wonach rechtswidrige Staatsakte dem Staat nicht zuzurechnen sind und daher als Nicht-Staatsakte aufzufassen sind, vgl. Krüger, Staatsrecht, S. 339; zur Kategorie des NichtRechtakts vgl. auch Ehlers, Teilrechtsfähigkeit, S. 13 ff. Auch in der prozesswissenschaftlichen Literatur ist der Ansatz Kelsens vertreten worden, vgl. etwa Roeder, ZStW 79 (1967), S. 250 (262); ders., ÖJZ 1968, S. 141 (143), der auf Kelsen

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

Die Probleme der Kelsenschen These, sofern sie als rechtsdogmatische zu begreifen wäre, liegen auf der Hand. Zum einen wird nicht die Tatsache berücksichtigt, dass die in der „Welt des Sollens“ rechtlich non-existenten Rechtsakte gleichwohl in der „Welt des Seins“ existieren, als sie einen Rechtsschein hervorrufen. Kelsen behandelt den fehlerhaften Rechtsakt als rechtliches Nichts und missachtet (nach seinem Ansatz der strikten Trennung von Sein und Sollen durchaus konsequent) die letzten Endes soziologische Tatsache, dass der Rechtsakt nun einmal „in der Welt“ ist. Dieses kann keine Rechtsordnung negieren.183 Zum anderen träfe die Schlussfolgerung auf die Nicht-Existenz nur zu, wenn sie anhand der positivierten Rechtsordnung mit der gleichen mathematisch-naturwissenschaftlichen Evidenz vollzogen werden könnte, wie in der rein theoretischen Betrachtung. Nach dem Kelsenschen Verständnis der Nichtigkeit, die zu einer Prüfungs- und Verwerfungskompetenz des „Herrn Jedermann“ führt, ist die fehlende „Evidenz“ letzten Endes auch ein Kompetenzproblem, welches nicht nur, wie Kelsen ausführt, im Verhältnis Staat-Bürger „inopportun“ ist, sondern auch im staatlichen Innenverhältnis. So wäre es mit Blick auf den in Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG niedergelegten Grundsatz der Gewaltenteilung schwerlich zu vereinbaren, könnte etwa die Verwaltung als Kontrollierte über ihre Kontrolleure insofern entscheiden, als sie deren Urteile bei Unwirksamkeit im eben beschriebenen Sinne außer Acht lassen könnte.184 Der Kelsensche Grundsatz der Nichtigkeit kann daher, würde er zur gesetzgeberischen Anordnung oder zur rechtsdogmatischen Auffassung gemacht, nur eine eng begrenzte Ausnahme bilden. Insofern ist ein erstes dogmatisches Zwischenergebnis gefunden. Vor der weiteren Untersuchung sind die heute verwendeten Begrifflichkeiten klarzustellen. Der Begriff der Nichtigkeit wurde früher durchaus im Kelsenschen Sinne verwendet. Ein nichtiger Rechtsakt war gleich einem nicht-existierenden Rechtsakt.185 In der gegenwärtigen Dogmatik wird in nahezu allen Teilbereichen hinweist; der Sache nach auch Goldschmitt, AcP 117 (1919), S. 1 (16), der die Ansicht vertritt, die Gestaltungswirkung eines Gestaltungsurteils trete nur ein, falls der Gestaltungsakt rechtmäßig sei; vgl. schon Gönner, Handbuch, S. 408: „So bald ein Richter die Rechte streitender Theile verletzt, so bald handelt er gegen die Gesetze, also ungültig, da doch offenbar eine gesetzwidrige Handlung Rechte und Verbindlichkeiten nicht hervorbringen kann . . . jede rechtsverletzende Handlung ist wegen ihres Widerspruchs mit dem Gesetze ungültig, alles ist Nullität . . . Ungültigkeit einer gesetzwidrigen Handlung ist nicht Strafe, sondern nur eine nothwendige natürliche Folge ihres Widerspruchs mit dem Gesetze“. Auch im Gemeinschaftsrecht wird die Frage gestellt, ob ein Akt oder Nichtakt vorliegt, dazu Annacker, EuZW 1995, S. 755 (759), dort mit Verweis auf den Beitrag von Kelsen. 183 Dies konzediert auch Marcic, Rechtsphilosophie, S. 168 [Hervorh. im Original]: „Wäre sie [die Jurisprudenz, M.H.] reines ,theoretisches Wissen‘ ohne ,praktischen‘ Einschlag, dann gäbe es nur eine einzige Lösung: ein Akt, der nicht restlos gilt, der nicht der gesamten Rechtsordnung entspricht, dem es auch nur an einer einzigen Bedingung der Gültigkeit gebricht, – dieser Akt wäre ein [notabene!] Scheinakt, ein Nichtakt; er wäre ,absolut nichtig‘. Tertium non datur: fehlerhafte Akte, halbgültige Akte, die dennoch verpflichten, könnte es einfach nicht geben!“; zum Problem auch Schenke, Rechtsschutz, S. 76 f. 184 s. dazu auch unten F.III.1.b)bb).

II. Erklärungsansätze

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des Rechts demgegenüber zwischen Nicht-Akt und nichtigem Akt unterschieden.186 Auch der nichtige Akt ist ein Akt, dem jedoch die Wirkungen, die diesem Akt als Akt normalerweise zukommen,187 ganz oder teilweise fehlen.188 Lässt man diese terminologische Differenzierung und dogmatische Verselbstständigung von Nichtigkeit und Nicht-Akt außen vor, so zeigt sich nach wie vor die Bedeutsamkeit von Kelsens Ausführungen. Kelsen verdeutlicht, dass die Ausfüllung der aufgrund seines logischen Verfahrens gewonnen Kategorien dem Gesetzgeber und nicht dem Rechtsanwender überantwortet ist.189 Konsequent interpretiert er das gesetzgeberische Schweigen als Entscheidung für die Nichtigkeit und weigert sich gesetzgeberische Unterlassungen zugunsten der Wirksamkeit eigenmächtig auszugleichen.190 Mit Kelsens Darlegungen ist freilich noch nicht klar, welche gesetzgeberischen Entscheidungen konkret getroffen worden sind. So besteht nachfolgend die dogmatische Aufgabe darin, zu ermitteln, welche Fehler gesetzgeberisch den oben erwähnten dogmatischen Typen von Fehlerfolgen im Einzelnen zugehörig sind. Deutlich ist jedoch ein weiteres Zwischenergebnis und insofern enthält die These Kelsens eine rechtsdogmatische Aussage: die Bestimmung der Fehlerfolgen ist eine legislatorische Aufgabe. Von der Rechtswidrigkeit eines Hoheitsakts kann jedoch nicht zwingend auf seine Unwirksamkeit geschlossen werden.191

2. Der Rechtsakt als Staatsakt Die Prozessrechtswissenschaft unterscheidet zwischen Nicht- bzw. Scheinurteil, ganz oder teilweise wirkungslosen sowie wirksamen Urteilen, anders ausgedrückt: zwischen Nicht-Urteil, nichtigem Urteil und anfechtbarem Urteil.192 Als Nicht-Urteil bezeichnet man eine gerichtliche Entscheidung, wenn es einerseits am äußeren Tatbestand eines Urteils fehlt, andererseits jedoch das, was vorliegt, ein Urteil zu Zur Begriffsgeschichte vgl. v. Hippel, Staatsakt, S. 4 ff. Für das Zivilrecht vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überbl v § 104, Rn. 26 f.; für die Verwaltungsrechtslehre Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 43, Rn. 46 f.; in der Prozessrechtswissenschaft Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 10 f. 187 Zu den einzelnen Wirkungen des Urteils vgl. Hein, Urteil, S. 245 ff. 188 So sind auch nichtige Urteile nicht schlechthin unbeachtlich und vermögen teilweise rechtliche Wirkungen auszulösen, wie z. B. die Rechtsmittelfähigkeit, formelle Rechtskraft und Instanzbeendigung, vgl. Reichold, in: Th / P, Vorbem § 300, Rn. 19; Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 18, Einf §§ 322 – 327, Rn. 1; s. auch Jauernig, Zivilurteil, S. 193 f.; Hein, Urteil, S. 283; zur strafrechtlichen Relevanz vgl. Tröndle / Fischer, StGB, § 339, Rn. 10; BVerfG, 2 BvR 486 / 05 vom 8. 3. 2006, Abs. 93, abrufbar unter http: //www.bverfg.de. 189 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (87). 190 Kelsen, GrünhutsZ 40 (1914), S. 1 (89). 191 Kopp / Schenke, VwGO, § 47, Rn. 129. 192 Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 10 ff.; Grunsky, Grundlagen, § 45 (S. 460). 185 186

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

sein scheint oder vorgibt. Als Mindestvoraussetzung eines Urteils wird nach allgemeiner Auffassung zweierlei verlangt: die Entscheidung eines gerichtsverfassungsmäßig anerkannten Gerichts und eine bestimmte Form der Verlautbarung. Gemäß dem Grundsatz ex nihilo nihil fit entfaltet das Nicht-Urteil keinerlei Wirkungen.193 Demgegenüber spricht man von einem wirkungslosen Urteil, wenn zwar der äußere Tatbestand eines Urteils vorliegt, aber die Wirkungen, welche das Urteil seiner Art nach entfalten müsste, aus anderen Gründen ganz oder teilweise nicht eintreten.194 Alle übrigen Urteile sind, ob fehlerfrei oder fehlerhaft, wirksam und anfechtbar. Die Anfechtbarkeit und damit Wirksamkeit von Urteilen stellt den Grundsatz dar, Nichtigkeit bzw. Wirkungslosigkeit die Ausnahme. Deutlich wird, dass offenbar zwischen Existenzbedingungen und sonstigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen unterschieden wird. Die Zuordnung der sonstigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen zu Anfechtbarkeit einerseits und Nichtigkeit andererseits wird nicht logisch, sondern teleologisch aufgrund von Wertungen vorgenommen, wobei kein einheitliches Prinzip zugrunde liegt, sondern eine umfangreiche Kasuistik von Nichtigkeitsfällen.195 Bevor nun unter III. näher auf die Herleitung des Anfechtungsprinzips und Fallgruppen im Einzelnen eingegangen wird, um damit den Fall des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG einzuordnen, ist zuvor auf die dogmatischen Begründungen für die grundsätzliche Wirksamkeit von Urteilen einzugehen. Die dogmatische Begründung für die grundsätzliche Wirksamkeit von Urteilen ist einer nach wie vor verbreiteten Auffassung zufolge die Staatsaktsqualität des Urteils.196 Anknüpfungspunkt ist die hoheitliche Rechtsnatur des Urteils. Damit 193 Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 13; Kopp / Schenke, VwGO, § 121, Rn. 17; Braun, in: MüKo, ZPO, § 578, Rn. 5 ff.: Das Nicht-Urteil hat keine instanzbeendende Wirkung und ist ipso iure unbeachtlich. Dementsprechend sah der historische Gesetzgeber der ZPO keinen Rechtbehelf gegen das Nicht-Urteil vor. Gleichwohl kann nach heutiger Auffassung auch im Falle des Nicht-Urteils mittels Feststellungsklage prinzipal eine Klärung herbeigeführt werden, vgl. Zöller, ZPO (25. Aufl.), Vor § 300; Kopp / Schenke, VwGO, Vorb § 124, Rn. 20; a.A. Jauernig, Zivilurteil, S. 87 ff. Ansonsten kann die Nicht-Existenz inzident in jedem neuen Verfahren geltend gemacht werden, ggf. muss sie dort von Amts wegen beachtet werden. 194 Im Gegensatz zum Nicht-Urteil ist das wirkungslose Urteil nicht schlechthin unbeachtlich. Es erzeugt Bindungswirkung, hat instanzbeendende Wirkung, ist der formellen Rechtskraft fähig und bildet die Grundlage des Kostenerstattungsanspruchs. Nach h. M. kann das wirkungslose Urteil sowohl mit ordentlichen Rechtsmitteln angefochten werden als auch auf Feststellung der Unwirksamkeit geklagt werden, vgl. Braun, in: MüKo, ZPO, § 578, Rn. 11; Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 10 f. Im Übrigen kann die Wirkungslosigkeit inzident gerügt werden, Grunsky, in: Stein / Jonas, ZPO, Vor § 578, Rn. 20; Vollkommer, in: Zöller, ZPO (25. Aufl.), Vor § 300, Rn. 19. 195 Hein, Urteil, S. 80. 196 Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 10; Reichold, in: Th / P, ZPO, Vorbem § 300, Rn. 10; BGH LM § 554 Nr. 3; BGH VersR 1987, S. 1195; OLG Oldenburg MDR 1989, S. 268; Clausing, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 107, Rn. 9; Kothe, in: Redeker / von Oertzen, VwGO, § 107, Rn. 10. Auf die Staatsaktsqualität hebt maßgeblich auch die Untersuchung von Hein, Urteil, S. 18, 22, 28, 33 und öfter ab. Auf der Staatsakts-

II. Erklärungsansätze

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rückt das Problem der Wirksamkeit von Urteilen in das weitere Feld der Wirksamkeit von Staatsakten. Staatsakte betreffend wird versucht, um auf den Kelsenschen Ansatz zurückzukommen, dessen „inopportunes“ Ergebnis der grundsätzlichen Nichtigkeit umzukehren und eine Begründung für die grundsätzliche Wirksamkeit zu geben. Die Meinungen sind sich zwar im Ergebnis einig, doch bestehen in der Argumentation im Einzelnen Unterschiede. Teilweise wird mit der Berufung auf die Staatsaktsqualität allein auf die hinter dem Staatsakt stehende Staatsautorität abgestellt, teilweise wird zur Legitimation der Wirksamkeit eine Rechtmäßigkeitsvermutung angenommen. a) Die Staatsautorität Um das hinter der Berufung auf die Staatsaktsqualität letztlich stehende Argument zu beleuchten, soll eine dementsprechende Argumentation in der Verwaltungsrechtslehre von Forsthoff exemplarisch betrachtet werden: „Der Verwaltungsakt ist – unbeschadet seiner Ordnungsmäßigkeit oder Fehlerhaftigkeit – in jedem Falle eine Bekundung der Staatsautorität und hat als solcher Anspruch auf Beachtung. [ . . . ] Der Verwaltungsakt gilt nicht darum, weil er die Emanation einer Norm wäre, sondern weil die staatliche Autorität ihm Geltung verleiht“.197 Diese Auffassung, rechtswidrige Verwaltungsakte seien ob ihrer Staatsaktsqualität als Emanation der dahinter stehenden Staatsautorität wirksam, war schon die herrschende Lehre des Konstitutionalismus.198 In diesem Sinne formulierte Mayer die Doktrin der Rechtsfolgen fehlerhafter Verwaltungsakte. Sein Ausgangspunkt ist die grundsätzliche Verschiedenheit von Hoheitsakten und privaten Rechtsgeschäften. „Die letzteren sind wirkungslos, wenn sie nicht ihre Rechtmäßigkeit nachweisen. Die Obrigkeit aber, wenn sie innerhalb ihrer allgemeinen Zuständigkeit bestimmt, bezeugt damit zugleich, dass die besonderen Voraussetzungen für die Gültigkeit ihres Aktes gegeben sind“.199 Auch bezüglicher richterlicher Akte finden sich aus dieser Zeit ähnliche Äußerungen. So begründet Wetzell die prinzipielle Wirksamkeit eines Gerichtsspruchs aus der „Stellung, welche der erkennende Richter über die Parteien hat“. Diese bringe es mit sich, „dass jede von ihm ausgegangene, der Form nach gültige Verfügung die Parteien bindet, mag sie gerecht oder ungerecht sein“. „Ohne diesen Grundsatz“ sei „keine richterliche Auctorität denkbar“, weshalb es „ein unverantwortlicher Missgriff“ wäre, „ihn der bloßen Möglichkeit des Irrthums oder der Böswilligkeit wegen aufzugeben“.200, 201 qualität basiert wesentlich die grundsätzliche Wirksamkeit von Urteilen, vgl. Hein, S. 74: „Für das als Staatsakt existierende Urteil gibt es als Fehlerfolge nur die Anfechtbarkeit“. Das Anfechtungsprinzip versteht Hein, S. 123, als abschließend, so dass es wirkungslose Urteile nicht gibt. 197 Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 224. 198 Zur Dogmengeschichte Ipsen, Rechtsfolgen, S. 23 ff., 38 ff., 44. 199 Mayer, Verwaltungsrecht I, S. 95.

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

Was zum Argument der Staatsautorität zu sagen ist, hat – unter bewusster Abkehr zum auctoritas, non veritas – treffend Feuerbach, ganz im Sinne des diesem Abschnitt vorangestellten Zitats, formuliert, indem er die Berufung auf die Staatsautorität ad absurdum führt: „Was folgt aber aus dem unbedingten Gehorsam? Was anders, als die Absurdität, daß selbst nicht physische Unmöglichkeit meinen Gehorsam beschränken dürfe? – Denn mein Gehorsam ist ja unbedingt und ich muß folgen, wenn mir auch mein Regent gebietet das Quadrat für einen Zirkel und die Meerzwiebeln der Ägyptier für Götter zu halten“.202 War auch die herrschende Auffassung der Staatsrechtslehre des Konsitutionalismus anderer Meinung, so finden sich schon damals vereinzelt kritische Stimmen. So charakterisiert etwa Jaques die herrschende Auffassung zutreffend mit der Bemerkung, dies sei „eine präcise Formel des absolutistischen Staatsrechts“.203 Gleichlautende Kritik hat denn auch die heute noch entsprechend vertretene Auffassung in der Prozessrechtslehre erfahren.204 Weder der Hinweis auf die Staatsaktsqualität noch der auf die Staatsautorität205 kann im Rechtsstaat mit Blick auf das Prinzip der Gesetzmäßigkeit die Wirksamkeit eines Hoheitsakts rechtfertigen. Auch überzeugt das Argument nicht, weil es für alle Staatsakte Anwendung finden müsste, es aber unstreitig nichtige Hoheitsakte gibt, so z. B. Normen. Ist der Hinweis auf die Staatsaktsqualität nicht mehr mit der Staatsautorität zu rechtfertigen, bleibt zweifelhaft, ob der Unterschied zwischen privatem und staatlichem Hoheitsakt wirklich in der unterschiedlichen Qualität dieser Akte als solcher liegt. Gibt es einen Unterschied zwischen beiden Akten aus der „Natur der Sache“ und ist aus diesem Grund heraus die Berufung auf die „Staatsaktsqualität“ zutreffend? – Beim privatrechtlichen Rechtsgeschäft führt der Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften grundsätzlich zur Nichtigkeit.206 Dies müsste doch erst recht für Hoheitsakte gelten, denn für letztere ist das Gesetz Grundlage der Wirkung, für die privatautonome Gestaltung nur Schranke.207 In diesem Sinne formuliert Maurer in Wetzell, System, S. 701 f. Die unbedingte Wirksamkeit eines Urteilsspruchs findet sich bereits bei Aristoteles, Sophistische Widerlegungen, 25. Kap. (S. 56): „Was aber der Richter nach seiner Überzeugung urteilt, gilt nach dem Gesetze, wenn es auch falsch ist“; vgl. auch 5. Mose 16, 10 – 11. Bekanntlich entzog sich auch Sokrates nicht dem über ihn gefällten Fehlurteil durch Flucht und behandelte dieses somit als wirksam. Im antiken Prozeß scheint insbesondere der Gehörsverstoß nicht zur Unwirksamkeit des Urteils zu führen, vgl. Meier / Schoemann, Der Attische Process, S. 718 m. w. N. 202 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 143. 203 Jaques, Gutachten, S. 240 (245). 204 Gegen die Staatsautorität vor allem Nicklisch, Bindung, S. 48 ff.; sich diesem anschließend: Gilles, Rechtsmittel, S. 231; vgl. auch Pfeifer, Gestaltungsklagen, S. 112 Fn. 37; kritisch auch Grunsky, Grundlagen, § 45 (S. 495). 205 Vgl. BGH LM § 554 Nr. 3, auf die sich Reichold, in: Th / P, ZPO, Vorbem § 300, Rn. 10, beruft. 206 So die Regel des § 134 BGB. Hier bestehen Parallelen zum Ansatz von Kelsen, als die Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit miteinander einhergehen. 200 201

II. Erklärungsansätze

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seinem Verwaltungsrechtslehrbuch: „Wenn die Rechtsordnung an einen Rechtsakt bestimmte rechtliche Anforderungen stellt, dann ist im Zweifel anzunehmen, daß der Rechtsakt nicht rechtswirksam werden soll, wenn er diesen Anforderungen nicht genügt. Die Rechtsunwirksamkeit oder Nichtigkeit rechtswidriger Rechtsakte ist daher der Normalfall“.208 Starre Zuweisungen, dass Staatsakte stets gültig, Privatrechtsakte stets ungültig sind, verbieten sich jedoch. So gibt es einerseits auch im Zivilrecht Abweichungen von der Regel des § 134 BGB bspw. in Gestalt der §§ 139 ff. BGB; andererseits gibt es auch Staatsakte, für die das Nichtigkeitsdogma gilt, z. B. Normen. Insofern muss jede kategorische Zuweisung von Fehlerfolgen scheitern. Alleine der Umstand, dass ein Rechtsakt privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Natur ist, sagt nichts über die grundsätzliche Wirksamkeit oder Unwirksamkeit im Falle der Rechtswidrigkeit aus. Die Staatsaktsqualität des Urteils als solche kann folglich die Wirksamkeit des Urteils nicht begründen. b) Die Rechtmäßigkeitsvermutung Bemerkenswerter scheint denn auch ein etwas abgewandelter Versuch, im Falle von Staatsakten zur grundsätzlichen Wirksamkeit zu gelangen. Hierbei wird der Staatsakt durchaus als „Emanation des Rechts“ begriffen. Geht man dementsprechend vom Recht als Grundlage jeden Rechtsakts aus und wäre damit ohne anders lautende gesetzgeberische Anordnung die Nichtigkeit die grundsätzliche Folge der Rechtswidrigkeit, so wird der Nichtigkeitsfolge begegnet mit einer Rechtmäßigkeits- bzw. Gültigkeitsvermutung.209 Dies ließe sich gemäß dem Kelsenschen Gedankengang, der ja auch die grundsätzliche Folge der Rechtswidrigkeit in der Nichtigkeit sieht, folgendermaßen formulieren: Ist der Staatsakt fehlerhaft und mangelt es damit an einem konstitutiven Tatbestandsmerkmal, kann er dem Staat nicht zugerechnet werden. Er ist gewissermaßen ein Rechtsakt „ultra-vires“.210 207 Bettermann, MDR 1949, S. 394 (396); wenn ders., in: GS Jellinek, S. 361 (378), auch wenig später feststellt, es sei „Donquichotterie“ gegen die Wirksamkeit anzukämpfen. 208 Maurer, Verwaltungsrecht, § 10, Rn. 20. 209 So Gilles, Rechtsmittel, S. 248 ff.; nach Kleinknecht / Meyer-Goßner, StPO, Einl, Rn. 108, haben richterliche Entscheidungen, „in ganz besonderem Maße Urteile“, generell die Vermutung der Wirksamkeit für sich, ferner seien nichtige Urteile in einem Rechtsstaat „nicht vorstellbar“, Rn. 105. Die Rechtmäßigkeits- oder Gültigkeitsvermutung ist auch sonst im Öffentlichen Recht anzutreffen, vgl. schon Gneist, Gutachten, S. 212 (229): „Grundsatz, dass instrumenta publica eine Vermuthung der Wahrheit und Legalität begründen“; kritisch zur Vermutung Jesch, Bindung, S. 52 ff.; in Bezug auf Gesetze Meder, Das Prinzip der Rechtmäßigkeitsvermutung, S. 56 ff., 68; Stumpf, BayVBl. 2000, S. 103 (107); für das Gemeinschaftsrecht vgl. Schärf, EuZW 2004, S. 333 m. w. N.; vgl. aus der Rspr. auch BVerwG NVwZ 1998, S. 1061 (1062); BFH NVwZ 1982, S. 216; EuGH NJW 1987, S. 3074 (3075); DVBl. 2005, S. 42 (43). 210 Krüger, Staatslehre, S. 339; vgl. auch § 22 WStG zur Verbindlichkeit eines Befehls. In Abs. 1 dieser Vorschrift heißt es: „In den Fällen der §§ 19 bis 21 handelt der Untergebene

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

Die Vermutung der Rechtmäßigkeit könnte die Aufrechterhaltung rechtswidriger Hoheitsakte bis zu einer eventuellen Aufhebung als „intra-vires“ wirksam fingieren. Eine solche Argumentation scheint der unter a) angeführten Kritik zu entgehen. Betrachtet man die These der Rechtmäßigkeitsvermutung gerichtliche Entscheidungen betreffend näher, so wird diese damit begründet, dass die Rechtsordnung die Rechtsprechung besonders ausgebildeten, sachkompetenten und unabhängigen Richtern überantwortet habe. Auch seien für das gerichtliche Verfahren „Rechtmäßigkeitskautelen“ getroffen, wie durch den Öffentlichkeitsgrundsatz, das Mündlichkeitsprinzip, dem Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör sowie richterliche Hinweis- und Aufklärungspflichten u. a. mehr. Diese relative Rechtmäßigkeitsgewähr bzw. diese auf die Verfahrensvorkehrungen gründende Rechtmäßigkeitvermutung gebe den ausschlaggebenden Rechtfertigungsgrund für die staatliche Gewalt ab, die in der Wirksamkeit oder Gültigkeit eines einmal erlassenen Gerichtsspruchs ihren Ausdruck finde. Im Übrigen sei es aus den gleichen Gründen legitim, auch um der Effizienz der rechtmäßigen Erkenntnisse willen die Wirksamkeit auch rechtswidriger Akte mit staatlicher Macht zu garantieren.211 Wie bereits Jesch212 für die Verwaltungsrechtslehre nachgewiesen hat, beruhen Rechtmäßigkeits- oder Gültigkeitsvermutungen zum Teil, wie es auch in den Ausführungen von Gilles anklingt, auf den bereits oben kritisierten staatsautoritären Vorstellungen und erscheinen somit nur als eine modifizierte, verfeinerte Form der unter a) dargestellten Auffassung. Teilweise liegen aber auch diffuse Vorstellungen zu Grunde, die sich einer präzisen Erfassung entziehen. Wie auch immer das Abstellen auf die Rechtmäßigkeitsvermutung motiviert ist, vermag eine solche Vermutung im Ergebnis aus den unter A.I.2. ausgeführten verfassungsstrukturellen Beziehungen des Bürger-Staat-Verhältnisses nicht zu überzeugen. Wegen der grundsätzlichen rechtlichen Gewährleistung von Freiheit und Eigentum des menschlichen Individuums darf der Staat nur unter besonderen Voraussetzungen in diese Rechte eingreifen, vgl. Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG. Es müsste also gerade die umgekehrte Vermutung gelten, dass der Staat nur eingreifen darf, wenn die Eingriffsvoraussetzungen auch (durch ihn) nachgewiesen sind oder werden,213 „denn die Präponderanz der Freiheit des menschlichen Individuums vor aller staatlichen Gewalt und die Tatsache, dass der Staat . . . vom materiellen Verfassungsrecht her nur kraft eines besonderen Rechtstitels diese Freiheit beeinträchtigen darf, zwingt zu einer verfahrensrechtlichen Komponente, die benicht rechtswidrig, wenn der Befehl nicht verbindlich ist, insbesondere, wenn er nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt ist“. Hier scheint die ultra-vires Lehre anzuklingen, worauf Krüger, S. 338 Fn. 153, Bezug nimmt. 211 Gilles, Rechtsmittel, S. 248 ff. 212 Jesch, Bindung, S. 52 ff. 213 Vgl. zu diesem Problem m. w. N. Menger, in: Grundrechte III / 2, S. 747 f.; dies entspricht der h. M., vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 108, Rn. 13, 15.

II. Erklärungsansätze

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sagt, dass der Verwaltung nur dann vom Richter Recht gegeben werden kann, wenn die Voraussetzungen dieses Rechtstitels auch nachgewiesen sind“.214 Auch ließe sich für eine solche Rechtmäßigkeitsvermutung keine normative Begründung i.S. eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Gedankens der Erhaltung fehlerhafter Rechtsakte anführen. So wird zwar der Grundsatz der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB durch die Ausnahmetatbestände der §§ 139 ff. BGB215 abgewendet. In diesen Vorschriften kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass Willenserklärungen im Zweifel so auszulegen sind, dass sie rechtlich wirksam sind.216 Bei der darin enthaltenen Vermutung handelt es sich jedoch in Gestalt einer Auslegungsregel um eine Vermutung in Bezug auf den Parteiwillen, nicht eine Rechtmäßigkeitsvermutung bezüglich des Rechtsgeschäfts.217 Auch geht es ja gerade nicht um die Aufrechterhaltung rechtswidriger Akte, sondern um die Rückführung fehlerhafter Rechtsgeschäfte auf fehlerfreie. Bei § 139 BGB soll bei mutmaßlichem Parteiwillen und Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts der fehlerfreie Teil aufrechterhalten werden, bei § 140 BGB soll, wenn das fehlerhafte Rechtsgeschäft von Anfang an alle Voraussetzungen eines anderen fehlerfreien erfüllt und dieses dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht, dieses gelten und bei § 141 BGB wird das Rechtsgeschäft fehlerfrei nochmals vorgenommen. Im Gegensatz dazu führte eine Rechtmäßigkeitsvermutung nicht zur Aufrechterhaltung eines rechtmäßigen, sondern eines rechtswidrigen Akts. Auch wenn man diesen Regelungen eine Vermutung zur Aufrechterhaltung rechtswidriger Rechtsakte entnehmen könnte, überzeugte deren Verallgemeinerung nicht. Denn eine solche Verallgemeinerung bedeutete eine Umkehrung dieses Regel-Ausnahme Verhältnisses, in welchem § 134 BGB einerseits und die §§ 139 ff. BGB andererseits stehen. Da eine normative Herleitung der Rechtmäßigkeitsvermutung fehlschlägt, kann schwerlich ein dahingehender allgemeiner Rechtsgedanke angenommen werden, weder im Zivilrecht und schon gar nicht im Bereich des Öffentlichen Rechts. Hier liefe ein Prinzip der Aufrechterhaltung mangelhafter Rechtsakte zum allgemeinen Grundsatz erhoben angesichts des ebenfalls zum Prinzip erhobenen Rechtsstaatsprinzips in seiner spezifischen Ausformulierung in Art. 20 Abs. 3 GG auf einen offensichtlichen Widerspruch hinaus. Kann die Rechtmäßigkeitsvermutung schon bereits nicht normativ begründet werden, so kann sie aber auch nicht deskriptiv, rein empirisch abgeleitet werden.218 Zum einen kann von einem Sein nicht auf ein Sollen geschlossen werden, Rupp, Grundfragen, S. 289. Entsprechende Regelungen finden sich auch im Öffentlichen Recht; zur Teilnichtigkeit § 59 Abs. 3 VwVfG, abweichend § 44 Abs. 4 VwVfG, zur Umdeutung § 47 VwVfG, § 128 AO, § 43 SBG X. 216 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 139, Rn. 14 f., § 140, Rn. 1. 217 Im Öffentlichen Recht wird dieser Zusammenhang gesehen von Rupp, Grundfragen, S. 287 Fn. 66. 218 So Bettermann, in: GS Jellinek, S. 379. 214 215

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zum andern lässt sich eine solche Vermutung empirisch nicht begründen. Der Staat handelt durch seine Organwalter, sprich Menschen. Noch so viele „Rechtmäßigkeitskautelen“ und „kompetent Ausgebildete“ können hierbei nicht das errare humanum est außer Kraft setzen. Gerade die vorliegend untersuchten „Pannenfälle“ belegen angesichts ihrer Zahl anschaulich das Gegenteil dessen, dass stets rechtmäßig gehandelt wird. Die Aussage, Staatsakte seien grundsätzlich wirksam, ist daher im Ergebnis als bloß quantitative Aussage zu qualifizieren. Als qualitative Aussage genommen ist sie dogmatisch nicht haltbar.219, 220 Genau so wenig wie man die Nichtigkeit aus Gründen der Logik dogmatisch als Grundsatz formulieren kann, kann man die grundsätzliche Wirksamkeit mit der Staatsaktsqualität oder einer Rechtmäßigkeitsvermutung begründen. Die Meinungen, die sich zur Begründung der Wirksamkeit auf die Staatsaktsqualität berufen, machen sich unnötigerweise von den Theorien abhängig, wonach grundsätzlich jeder Staatsakt als solcher unabhängig von seiner Fehlerhaftigkeit wirksam sein soll.221 Dies umso mehr, als die Antwort auf die Frage der Wirksamkeit von Rechtsakten nicht anders lautet, wenn man darauf abstellt, dass die Bestimmung der Wirksamkeit und damit die Abwägung bei der Fehlerfolgenbestimmung eine typisch legislatorische Aufgabe222 ist und die vom Gesetzgeber getroffenen Anordnungen maßgebend für die Dogmatik zu sein haben.223 Es gilt nachfolgend die für die gesetzgeberische Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte herauszuarbeiten.

Kritisch zur Rechtmäßigkeitsvermutung Nicklisch, Bindung, S. 59 f. Noch weniger überzeugen andere Auffassungen, welche ohne weitere Begründung von der Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen ausgehen. So geht Jauernig, Zivilurteil, S. 3 f., passim, ohne weitere Begründung davon aus, Mängel eines Urteils führten nur in seltenen Ausnahmefällen zur Nichtigkeit; ähnlich Herzog, in: M / D, GG, Art. 20, VI. Abschn., Rn. 43, der ausführt, die Nichtbeachtung bzw. falsche Anwendung eines Gesetzes durch die Exekutive führe grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit der daraus entstehenden Hoheitsakte (sic!). Nichtige, d. h. ohne weiteres nicht zu beachtende Gerichtsentscheidungen gebe es – entgegen der insoweit zumindest missverständlichen Terminologie der geltenden Prozessordnungen – überhaupt nicht. Mit Jesch, Bindung, S. 54, könnte man dies derart interpretieren, dass die Annahme, fehlerhafte Verwaltungsakte und Gerichtsentscheidungen seien wirksam, teilweise offenbar als auf Gewohnheitsrecht beruhend angesehen wird oder jedenfalls als unbestreitbar gilt. Richterliche Entscheidungen betreffend meint Hein, Urteil, S. 22, ausgehend von der Prämisse, das Urteil sei ein einseitiger Staatsakt (!), Fehler des Urteils könnten immer nur zur Anfechtbarkeit, niemals zur Wirkungslosigkeit führen, S. 29, 34, 74, passim. Mit alledem wird dem Bürger entgegen der im Staat-Bürger-Verhältnis geltenden Vermutung zu Gunsten des Bürgers angesichts der mit einer solchen Auffassung kategorischer Wirksamkeit einhergehenden grundsätzlichen Anfechtungslast allzu viel zugemutet, kritisch in diesem Sinne gegen Hein schon Braun, in: MüKo, ZPO, § 578, Rn. 9a. 221 Grunsky, Grundlagen, § 45 (S. 459). 222 Morlok, Verfahrensfehler, S. 192; Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2811); wie ausgeführt ist dies auch die Position Kelsens. 223 Dazu auch unten D.I.2.b)bb)(1). 219 220

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3. Die Wirksamkeit als Ausdruck der Rechtssicherheit Richtigerweise wird man daher zur Begründung der Wirksamkeit fehlerhafter Gerichtsentscheidungen (wie auch der von Verwaltungsakten) von dem Argument der Rechtssicherheit auszugehen haben.224 Auch fehlerhafte Rechtsakte sind in der Welt und die am Rechtsverkehr Beteiligten vertrauen darauf oder richten doch zumindest vorläufig ihr weiteres Vorgehen an dem Rechtsakt aus, in der Gestalt, die er gefunden hat. Aus diesem Gedanken heraus wird auch im Zivilrecht die Rechtsfolge der Nichtigkeit eingeschränkt und damit die Wirksamkeit auch mangelhafter Rechtsakte begründet.225 Mit der Rechtssicherheit ist folglich eine Erklärung gefunden, welche nicht an die Staatsaktsqualität als solche anknüpft, sondern für alle Rechtsakte gilt. Damit entgeht sie nicht nur den obigen Einwänden, sondern mit einer solchen Erklärung wird auch eine größere systematische Geschlossenheit erreicht, da für alle Rechtsakte eine einheitliche Begründung der Wirksamkeit gegeben werden kann. Im Übrigen kann damit auch die Wirksamkeit anderer, nicht staatlich erlassener Urteile (z. B. das Schiedsurteil, § 1055 ZPO) erklärt werden. Umgekehrt kann mit dem Fehlen eines Bedürfnisses an Rechtssicherheit auch die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit von Rechtsakten zureichend begründet werden. So sind Urteile und andere gerichtliche Entscheidungen nach h. M. nichtig, wenn sie an einem derart schweren Mangel leiden, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit unerträglich wäre, sie als verbindlichen Richterspruch gelten zu lassen und der Mangel offensichtlich ist.226 Wenn nun der Gesetzgeber dem Gedanken der Rechtssicherheit dadurch Rechnung trägt, dass bestimmte Mängel nur zur Anfechtbarkeit, Aufhebbarkeit u. a. führen, nicht aber zur Nichtigkeit und er damit grundsätzlich die Wirksamkeit bestimmter Rechtsakte anordnet, wie bspw. bei Verwaltungsakten oder Urteilen geschehen, so ist diese Wirksamkeit nicht Resultat der Staatsaktsqualität, sondern der gesetzgeberischen Gewichtung des Rechtssicherheitsgedankens.227 Gehen mit der grundsätzlichen Wirksamkeit auch andere Effekte einher, so mögen diese auch 224 Bettermann, in: GS Jellinek, S. 361 ff., 378; Nicklisch, Bindung, S. 52 ff.; Morlok, Verfahrensfehler, S. 62; Maurer, Verwaltungsrecht, § 10, Rn. 21. 225 Vgl. zu den Fallgruppen Heinrichs, in: Palandt, BGB, Überblick v § 104, Rn. 36; vgl. dazu auch Nicklisch, Bindung, S. 51 f. 226 Statt vieler Kleinknecht / Meyer-Goßner, StPO, Einl, Rn. 105 m. w. N.; für das Verwaltungsrecht Maurer, Verwaltungsrecht, § 10, Rn. 31. Überhaupt wird der Eintritt der Wirksamkeit im Interesse der Rechtssicherheit an eindeutige Voraussetzungen geknüpft, beim Urteil etwa die Verkündung, § 310 ZPO, vgl. dazu Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO § 310, Rn. 2, beim Verwaltungsakt die Bekanntgabe, § 43 Abs. 1 VwVfG, vgl. dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 10, Rn. 21. Auch dies zeigt den Zusammenhang von Rechtssicherheit und Wirksamkeit. Ähnlich bei Normen, dazu unten C.III.1. 227 Gleichwohl die Eigenart des jeweiligen Aktes im Rahmen der Gewichtung der Rechtssicherheit eine Rolle spielen kann und insofern auch der Belang, dass es um eine hoheitliche Anordnung geht, mit in die Gewichtung mit einfließen kann. Nur ist eben nicht der Staatsakt eo ipso als wirksam anzusehen.

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

Teilaspekte der Wirksamkeit sein, nicht aber ihr eigentlicher Grund. Würde etwa jeder noch so unbedeutende Fehler zur Nichtigkeit führen, wären der Verwaltung oder auch der Rechtsprechung der Erlass wirksamer Akte sichtlich erschwert und die „Effizienz“ staatlichen Handelns in diesen Bereichen gefährdet.228 Auch der Umstand, dass die unter 2. genannten Aspekte im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Gesichtspunkte zwar im Rahmen der gesetzgeberischen Abwägung von Belang sind, jedoch nicht alleinige ausschlaggebende Ursache für die Wirksamkeit. Im Übrigen sind sie nur ein Abwägungsbelang und vermögen nicht aus sich heraus die Wirksamkeit zu begründen.

III. Sanktionierungsspielraum des Gesetzgebers Die Rechtsfolge fehlerhafter Staatsakte ist weder rechtslogisch noch rechtstheoretisch unabdingbar vorgegeben, sondern Gegenstand einer politischen Entscheidung.229 Die Bestimmung von Fehlerfolgen ist insofern vorrangig eine Aufgabe des Gesetzgebers, als es gilt, eine Abwägung aller verfassungsrechtlich anerkannten Belange zu treffen. Bevor die konkrete gesetzgeberische Entscheidung betrachtet wird, ist der angesprochene gesetzgeberische Rahmen, insbesondere auch mit Blick auf die Bedeutung des Art. 103 Abs. 1 GG, näher zu bestimmen. Können die Fehlerfolgen auch aus der Verfassung im Einzelnen nicht hergeleitet werden, weil diese zu unbestimmt ist, müssen sich gleichwohl die getroffenen Fehlerfolgenregelungen vom Verfassungsrecht her rekonstruieren lassen. Hierbei kann verfas228 So ist die Effizienz sicherlich eine Nebenfolge der Anordnung der grundsätzlichen Wirksamkeit, aber nicht deren eigentlicher Grund, kritisch zum Argument der Effizienz auch Schenke, VBlBW 1982, S. 313. Ob man darüber hinaus eine Aushöhlung judikativer Kompetenzen (Art. 92 GG) erwägen könnte, falls der Gesetzgeber sich entschlösse, dass ausnahmslos alle Fehler zur Unwirksamkeit richterlicher Entscheidungen führen, erscheint fraglich. Zu denken wäre daran, dass der rechtsprechenden Gewalt angesichts der Fehler, die bei jeder menschlichen Tätigkeit passieren, in erheblichem Umfang die Möglichkeit genommen würde, wirksame und damit rechtskraftfähige Entscheidungen zu erlassen, vgl. zu einer ähnlichen Überlegung der Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung durch das Fehlerfolgenrecht Morlok, Verfahrensfehler, S. 72. Andererseits würde man auch in diesem rein hypothetischen Fall zu beachten haben, dass der Richter nun einmal die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln hat und ihm insofern die Möglichkeit nicht genommen ist, rechtskraftfähige Entscheidungen zu erzeugen. Auch sieht man hieran, dass entscheidend für die Frage der Wirksamkeit die Außenwirkung des Akts, nicht hingegen das staatliche Innenverhältnis ist. Wenn man den Effektivitätsgedanken auf den Bürger bezieht, ist die Rechtssicherheit eine zureichende Erklärung. So will der Bürger nun einmal eine wirksame Baugenehmigung haben, er will ein wirksames Urteil als autoritative Entscheidung eines Rechtsstreits haben. Dies ist ihm bei der Baugenehmigung etwa durch Art. 14 GG, beim Urteil durch den Justizgewährungsanspruch auch garantiert. 229 Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2811).

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sungsrechtlich nur ein Rahmen rechtspolitischer Gestaltungsfreiheit ermittelt werden, innerhalb dessen mehrere Möglichkeiten zulässig sein können.

1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Der Gesetzgeber hat hinsichtlich der Bestimmung von Fehlerfolgen eine Abwägung der verschiedenen, zum Teil gegenläufigen Prinzipien vorzunehmen, bei der ihm ein weiter, wenngleich nicht unbegrenzter „Sanktionierungsspielraum“ zukommt.230 Bei der Festlegung von Fehlerfolgen muss auch die strukturelle Eigenart des jeweiligen Hoheitsaktes berücksichtigt werden.231 Betrachtet man die Fehlerfolgen im Einzelnen, so ist die Nichtigkeit eines Rechtsaktes dort die Regel, wo das Prinzip der Gesetzmäßigkeit absoluten Vorrang beansprucht, weil die Rechtsordnung durch die Hinnahme oder Existenz des rechtswidrigen Rechtsaktes eine besonders schwere Beeinträchtigung erleidet. So besteht bei Normen, die Grundlage der Rechtsordnung und anderer Rechtakte sind, ein besonderes Interesse, für eine strikte Durchsetzung rechtmäßiger Zustände zu sorgen. Daher kann nicht hingenommen werden, dass rechtswidrige Rechtssätze Geltung erlangen und Befolgung beanspruchen.232 Anders verhält es sich bei Einzelakten, wie Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakten. Hier gewinnt der Gedanke der Rechtssicherheit im Einzelfall größeres Gewicht gegenüber dem Anliegen, nur rechtmäßigen Rechtsakten Wirksamkeit zuzubilligen. Daher ist für Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte die Nichtigkeitsfolge nur bei besonders schweren Rechtsverstößen vorgesehen. Im Rahmen der Abwägung ist damit für den Gesetzgeber ersichtlich entscheidend, welche Konsequenzen die Anordnung einer konkreten Fehlerfolge in Bezug auf einen konkreten Rechtsakt hätte. Es hat eine Abwägung zwischen Rechtmäßigkeitsgebot und Rechtssicherheit stattzufinden. Auf der einen Seite haben der Grundsatz der Verfassungsmäßigkeit der Gesetzgebung und die Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Justiz (Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG) Verfassungsrang, so dass es ausgeschlossen wäre, durch Ausweitung von Unbeachtlichkeits-, Heilungsvorschriften o.ä. Gesetzes- oder gar Verfassungsverstöße regelmäßig oder in weitem Umfang praktisch sanktionslos zu stellen. Art. 20 Abs. 3 GG verlangt insofern nicht nur eine formelle Rechtsbindung, sondern auch eine materielle, die Ausdruck der Durchsetzungskraft einer Norm ist. Wenn auch Art. 20 Abs. 3 GG keine explizite Aussage zu den Folgen eines Verfassungs- oder Gesetzesverstoßes trifft, so ist dennoch davon auszugehen, Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 19 IV, Rn. 282. Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2812). 232 Bei Hinnahme des Fehlers hinsichtlich einer Rechtsnorm wird die Rechtsordnung in sich widersprüchlich, was bei Fehlern Einzelakte betreffend nicht in gleicher Weise der Fall ist, zu diesem Zusammenhang Ipsen, Rechtsfolgen, S. 188 ff. Auch aus diesen Gründen heraus ist aufgrund der strukturellen Eigenart des Rechtsakts „Norm“ eine abweichende Behandlung geboten. 230 231

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

dass die Effizienz der Rechtsordnung einer völligen Sanktionslosigkeit oder einer nur schwachen Reaktion entgegensteht.233 Bezüglich des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG ist hinzuzufügen, dass eine gesetzliche Regelung, die den Verstoß gegen das Gehörsrecht völlig sanktionslos stellte oder generell eine Beseitigungsmöglichkeit ausschlösse, als stille Beseitigung dieser Rechtsposition gesehen werden müsste oder doch zumindest mit Blick auf Art. 19 Abs. 2 GG Bedenken auszulösen vermöchte.234 Demgegenüber muss es bei minder schweren Rechtsverstößen genügen, falls durch Rechtsbehelfe hinreichend effektive Möglichkeiten zur Beseitigung des Rechtsverstoßes gegeben sind. Die Folge der von jedermann jederzeit geltend zu machenden Nichtigkeit ohne vorherige behördliche oder gerichtliche Entscheidung würde eine Rechtsunsicherheit schaffen, die sowohl für das Zusammenleben der Bürger untereinander als auch für das Funktionieren des Staates und seiner Einrichtungen insofern unerträglich wäre, als sie noch nicht einmal durch Rechtsrichtigkeit gerechtfertigt wäre. Andererseits würde sie ohne Rücksicht auf eine individuelle Beschwer einen überschießenden Schutz des Einzelnen bedeuten. So kann bei gerichtlichen Entscheidungen für die Dauer der Rechtsmittelfrist die Anordnung der Wirksamkeit Vorrang vor anderen gegenläufigen Interessen beanspruchen. Insbesondere ist dem Einzelnen bei minder schweren Rechtsverstößen zuzumuten, zunächst einmal hoheitliche Rechtsakte hinzunehmen und sich, so er sie für rechtswidrig hält, auf die behördlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsmöglichkeiten verweisen zu lassen. Hinzu kommt für gerichtliche Entscheidungen, dass sie in einem förmlichen, mit zahlreichen prozeduralen Garantien ausgestatteten Verfahren ergangen sind und daher erhöhten Vertrauens- und Bestandsschutz genießen. Aus alledem ergibt sich, dass die Nichtigkeit von gerichtlichen Entscheidungen nur in seltenen Ausnahmefällen geboten erscheint. So gilt auch für den Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, dass die Sanktionierung dieses Verstoßes einerseits und die Rechtssicherheit andererseits ein Abwägungsproblem darstellen. Dies hat nach dem Gedanken des nach beiden Seiten schonendsten Ausgleichs zu erfolgen. Sowohl das Rechtssicherheitsgebot als auch Art. 103 Abs. 1 GG sind nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz einander so zuzuordnen, dass beide Verfassungsgüter an Wirklichkeit gewinnen.235 Eine solche Abwägung darf nach dem vorher Gesagten sicher nicht dazu führen, dass die 233 So Niedobitek, DÖV 2000, S. 761 (767 f.); zu diesem Zusammenhang auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 14, Rn. 48; zur „Unverbrüchlichkeit des Rechts“ Ipsen, Rechtsfolgen, S. 159 f.; vgl. auch Henkel, Rechtsphilosophie, S. 92 ff.; zur Bindung des Art. 20 Abs. 3 GG Morlok, Verfahrensfehler, S. 58, unter rechtssoziologischen Gesichtspunkten, S. 78 ff. 234 Zur Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 2 GG auf schrankenlos gewährleistete Rechte vgl. Jarass, in: J / P, GG, Art. 19, Rn. 8. 235 Als Abwägungsproblem wird die Frage der Wirksamkeit einer gerichtlichen Entscheidung im Falle des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG auch gesehen von Seetzen, NJW 1982, S. 2337 (2340).

III. Sanktionierungsspielraum des Gesetzgebers

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Verletzung des Verfahrensrechts praktisch vollkommen sanktionslos gestellt wird. Andererseits ist aber auch das Interesse der anderen Verfahrensbeteiligten an der Wirksamkeit der richterlichen Streitentscheidung zu berücksichtigen.

2. Die gesetzgeberische Entscheidung Der Gesetzgeber hat in den gerichtlichen Verfahrensordnungen das sog. Anfechtungsprinzip statuiert und damit das gemeinrechtliche Nullitätsprinzip ersetzt. Danach sind fehlerhafte gerichtliche Entscheidungen anfechtbar und bleiben bis zu ihrer Aufhebung voll wirksam.236 Mit der damit getroffenen Anordnung für die grundsätzliche Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen bewegt sich der Gesetzgeber in dem dargestellten verfassungsmäßig vorgegebenen Rahmen und macht von seinem Sanktionierungsspielraum zulässigen Gebrauch.237 Von der gesetzgeberischen Anordnung des Anfechtungsprinzips sind jedoch Ausnahmen zu machen. Die Durchbrechung des Anfechtungsprinzips und damit die Wirkungslosigkeit eo ipso wird von der h. M. kasuistisch gelöst.238 Da den Fallgestaltungen des wirkungslosen Urteils kein einheitliches Prinzip zu Grunde liegt, können diese nur beschreibend erfasst werden. Zu den zur Unwirksamkeit führenden Mängeln gehören etwa das Fehlen der Gerichtsbarkeit, der Ausspruch einer dem Recht unbekannten Rechtsfolge oder der Fall der tatsächlichen Wirkungslosigkeit.239 Der im Rahmen unserer Untersuchung interessierende Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG wird diesen Ausnahmefällen nicht zugerechnet.240 Obwohl das rechtliche Gehör verfassungsrechtlichen Rang genießt, führen Verstöße gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht zur Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Entscheidung.241 Für dieses Ergebnis und somit die Auffassung der herrschenden Meinung sprechen mehrere Gründe. Das Gesetz definiert den Begriff der Wirksamkeit in Bezug auf gerichtliche Entscheidungen nicht. Verwendet wird der Ausdruck in Bezug auf „gerichtliche Verfügungen“ in § 16 Abs. 1 FGG. Die gegenteilige Vokabel der Wirkungslosigkeit findet sich in § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO, wonach im Fall der Klagerücknahme ein Braun, in: MüKo, ZPO, § 578, Rn. 1. Entscheidet der Gesetzgeber den Widerstreit von Rechtssicherheit und einer verletzten Rechtsposition ohne Willkür, so kann diese Entscheidung verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden, vgl. bzgl. der Rechtfertigung der Rechtskraft BVerfGE 35, S. 41 (47); 60, S. 253 (268 f.). 238 Vgl. dazu ausf. Hein, Urteil, S. 80, 83 ff. 239 Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 14 ff. 240 Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Übers § 300, Rn. 19; ausf. Hein, Urteil, S. 98 f. m. w. N. zur insoweit ganz h. M. 241 Knemeyer, in: Isensee / Kirchof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 155, S. 1302; Rüping, NVwZ 1985, S. 304 (308); Waldner, Rechtliches Gehör, S. 248; Voßen, Rechtsprechung, S. 455; Seetzen, NJW 1982, S. 2337 (2340). 236 237

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C. Die Wirksamkeit des Richterakts

bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wirkungslos wird, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Daraus wird deutlich, dass die grundsätzlich an den Erlassvorgang anknüpfende Wirksamkeit nur ausnahmsweise ex lege beseitigt wird. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es zur Beseitigung der Wirksamkeit auch bei fehlerhaften Urteilen grundsätzlich einer gerichtlichen Aufhebung bedarf. Dies ergibt sich auch aus dem Gedanken des actus contrarius. Vorgesehen sind solche Konträrakte in Rahmen der Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, welche die Aufhebung bzw. Änderung einer gerichtlichen Entscheidung zum Gegenstand haben. Aus der Existenz dieser Regelungen lassen sich keine logisch zwingenden Rückschlüsse auf die Frage der Wirksamkeit derart ziehen, als aus der Anfechtbarkeit eines Rechtsakts auf dessen rechtliche Existenz geschlossen werden könnte.242 Eine solche Argumentation, gleichsam im Wege einer analogia entis, dass nur ein Etwas angefochten werden kann, aber nicht ein Nichts, würde einer naturalistischen Betrachtungsweise folgen, welche für das Recht nicht angebracht ist.243 Selbst wenn sich rechtslogisch aus dem Vorhandensein von Rechtsmitteln auf die Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen schließen ließe, so ließe ein solcher Schluss immer noch die Frage nach der Wirksamkeit letztinstanzlicher Entscheidungen offen. Hier müsste augenscheinlich ein solcher Schluss versagen. Gleichwohl lassen die genannten Regelungen des Rechtsmittelrechts bezüglich der Wirksamkeit rechtswidriger gerichtlicher Entscheidungen in anderer Hinsicht Rückschlüsse zu. Die in ihnen statuierten Zulässigkeitsvoraussetzungen, etwa in Gestalt von Frist- und Formerfordernissen, würden bedenklich in Frage gestellt, wenn rechtliche Fehler in Bezug auf eine gerichtliche Entscheidung sowohl zur Anfechtung mit Rechtsmitteln berechtigten als auch zur Wirkungslosigkeit führten. Die Wirkungslosigkeit könnte auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist, ja sogar ohne Einlegung eines Rechtsmittels in nachfolgenden Verfahren eingewandt werden und wäre dort zu beachten. Das Vorliegen der Wirkungslosigkeit muss daher die Ausnahme bleiben, die Wirksamkeit trotz Rechtswidrigkeit in Verbindung mit der Anfechtbarkeit die Regel. Neben diesen systematisch-teleologischen Gründen, welche sich aus den Zulässigkeitserfordernissen des Rechtsmittelrechts ableiten lassen, sprechen auch historisch-genetische Überlegungen für die Annahme der grundsätzlichen Wirksamkeit. Der historische Gesetzgeber der Zivilprozessord242 Vgl. aber die dahingehende Auffassung von Kelsen, dazu oben C.II.1.; vgl. auch unten Fn. 245. 243 Nachgewiesen durch Kipp, in: FS Martitz, S. 211 ff. Im Übrigen können auch nichtige Rechtsakte angefochten werden, z. B. ein nichtiger Verwaltungsakt, Kopp / Schenke, VwGO, § 42, Rn. 3, oder auch ein nichtiges Urteil, Kopp / Schenke, VwGO, Vorb § 124, Rn. 19, 20. Selbst Nicht-Urteile können unter Umständen mit den sachlich gegen sie ihrer Art nach in Betracht kommenden Rechtsmitteln angreifbar sein, wenn von ihnen der Anschein eines existent gewordenen Urteils ausgeht, sog. Scheinurteil, Kopp / Schenke, VwGO, Vorb § 124, Rn. 20. Insofern kann aus der Anfechtbarkeit kein zwingender Rückschluss auf die rechtliche Wirksamkeit oder Nichtwirksamkeit eines Rechtsakts gezogen werden.

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nung hat mit den Regelungen des Rechtsmittelrechts die extensive gemeinrechtliche Nullität zurückgedrängt und durch das Anfechtungsprinzip und damit die grundsätzliche Wirksamkeit der gerichtlichen Entscheidung ersetzt.244 Das gefundene Ergebnis findet sich durch die Auslegung des § 95 Abs. 2 BVerfGG bestätigt.245 Hiernach ist im Fall des Verstoßes gegen Grundrechte eine Entscheidung „aufzuheben“ und nicht etwa deren Nichtigkeit festzustellen (vgl. § 95 Abs. 3 BVerfGG). Diese unterschiedliche Begriffsverwendung belegt, dass das Gesetz im Gegensatz zur Nichtigkeit im Falle der Aufhebung offenbar vom Vorliegen eines wirksamen Rechtsakts ausgeht. Dies steht auch im Einklang mit der auch sonst gesetzgeberisch verwendeten Terminologie (vgl. §§ 130, 144 Abs. 3 VwGO), wonach der Begriff der Aufhebung stets im Sinne einer konstitutiven Aufhebung gebraucht wird.246 Hat nun aber der Verstoß gegen die in der Normenhierarchie höchste Norm, die Verfassung, lediglich die Anfechtbarkeit der verfassungswidrigen Gerichtsentscheidung zur Folge, so ergibt sich auch hieraus ein Indiz, dass im Falle des Verstoßes gegen unterverfassungsrechtliche Normen nichts anderes zu gelten hat. Weitere Bestätigung findet die grundsätzliche gesetzgeberische Anordnung der Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen trotz Rechts- bzw. Verfassungswidrigkeit in § 79 BVerfGG. Danach sind rechtskräftige Urteile wirksam, die auf einer verfassungswidrigen Norm beruhen. Dies ergibt sich daraus, dass in Bezug auf Strafurteile die Wiederaufnahme zu gelassen ist247 und im Übrigen gem. § 78 Abs. 2 S. 1 BVerfGG nicht mehr anfechtbare Entscheidungen „unberührt“ bleiben vorbehaltlich den Regelungen der § 78 Abs. 2 S. 2 bis 4 BVerfGG.248 Nochmals gesetzgeberisch bestätigt wurde das Anfechtungsprinzip in Art. 18 des Einigungsvertrages. Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Entscheidungen der Gerichte der DDR wirksam.249 Art. 18 Abs. 2 Einigungsvertrag gewährt den durch ein Strafgericht der DDR Verurteilten vielmehr lediglich die Möglichkeit, eine Kassation rechtskräftiger Entscheidungen herbeizuführen. Damit bedurften auch die rechtsstaatlichen Grundsätzen evident widersprechenden und deswegen zunächst auch für nichtig befundenen250 Waldheimer-Urteile der Aufhebung.251 Dazu Hein, Urteil, S. 45 f. Aus der Eröffnung der Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG will Seetzen, NJW 1982, S. 2337 (2340), rückschließen, dass ein Urteil bei Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht wirkungslos ist. 246 Zur kassatorischen Wirkung der Aufhebung Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz / SchmidtBleibtreu / Klein / Betghe, BVerfGG, § 95, Rn. 2, 21. 247 BVerfG 2 BvR 1153 / 96 vom 6. 4. 1999, Abs. 5, abrufbar unter http: //www.bverfg.de: „ . . . die Rechtswirkung eines . . . Strafurteils“; vgl. auch BVerfGE 15, S. 303 (308). 248 Zur Auslegung des § 79 BVerfGG Ipsen, Rechtsfolgen, S. 276 f., 300 ff.; Hein, Urteil, S. 51 f. 249 Dazu Hein, Urteil, S. 53 f. 250 KG Berlin NJW 1954, S. 1901. 244 245

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IV. Resümee Ausgehend von der Frage, ob und warum im Falle des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG ein rechtliches Etwas und nicht vielmehr ein rechtliches Nichts ist, hat die Untersuchung ergeben, dass aus dem Vorliegen eines Fehlers nicht zwingend auf eine (verfassungsrechtlich vorgegebene) Fehlerfolge geschlossen werden kann. Auch schwerste rechtsstaatliche Fehler, wie etwa der Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Gehörsrecht gem. Art. 103 Abs. 1 GG, führen nicht zwangsläufig dazu, dass die gerichtliche Entscheidung unwirksam ist. Ebenso wie der Gesetzgeber bestimmen kann, was Recht ist und damit was rechtmäßig und was rechtswidrig ist, so bestimmt er auch über die Frage der rechtlichen Wirksamkeit von Rechtsakten. Mit den Untersuchungen zur Fehlerfolgenlehre kann lediglich der Rahmen vorgezeichnet werden, den der Gesetzgeber bezüglich der Ausgestaltung von Fehlerfolgen hat. Im Übrigen ist die Fehlerfolge Gegenstand einer legislatorischen Festlegung. Mit der Statuierung des sog. Anfechtungsprinzips hat der Gesetzgeber sich in zahlreichen Einzelvorschriften dafür entschieden, dass auch rechtswidrige gerichtliche Entscheidungen rechtliche Wirksamkeit erlangen. Nach der Feststellung der objektivrechtlichen Fehlerfolge der Wirksamkeit bleibt im Folgenden zu klären, ob und welche verfassungsrechtlichen Aussagen sich treffen lassen bezüglich weiterer, subjektivrechtlicher Fehlerfolgen in Gestalt von Reaktionsansprüchen.

251 BezG Dresden DtZ 1992, S. 91 (92); dagegen für ein Nicht-Urteil Wassermann, NJW 1992, S. 878.

D. Das subjektive Recht Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie. (Immanuel Kant)

Die vorhergehenden Ausführungen haben gezeigt, dass eine gerichtliche Entscheidung auch bei schwersten Fehlern nicht nichtig, sondern vielmehr grundsätzlich anfechtbar ist (C.). Führt man sich vor Augen, dass als Folge fehlerhafter Rechtsakte oftmals die Wirksamkeit eines Rechtsakts verbunden mit der Möglichkeit seiner Aufhebung in Abhängigkeit zur Nichtigkeitsfolge gesetzt wird,252 so ergibt sich aus dem Umstand der festgestellten Wirksamkeit bereits ein Indiz für einen damit in aller Regel verbundenen Reaktionsanspruch. Zwingend ist dieser Schluss nicht, da Nichtigkeit und Reaktionsanspruch einander nicht ausschließen.253 Wie unter C.III.2. gesehen, gibt es bei nichtigen Urteilen, sowie bei Nichtbzw. Scheinurteilen prinzipale Rügemöglichkeiten des Verstoßes,254 so dass keineswegs die „Nichtigkeit“ in Form inzidenter Rügemöglichkeiten den prinzipalen Rechtsschutz bzw. Reaktionsansprüche zu verdrängen vermag. Der Schluss von der Wirksamkeit auf einen Rechtsbehelf ist insofern nicht logisch zwingend.255 Gleichwohl ist die gesetzgeberische Anordnung der Wirksamkeit für damit einhergehende Reaktionsansprüche nicht bedeutungslos. Hinsichtlich der Anordnung der Wirksamkeit muss der Gesetzgeber eine Abwägung zwischen Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit treffen. Die Hinnahme auch rechtswidriger Entscheidungen kann nun aber dem Bürger nur insofern (vorläufig) zugemutet werden, als er eine (nachfolgende) Möglichkeit hat, die Entscheidung anzugreifen.256 Die Reaktions252 Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2807); v. Hippel, Staatsakt, S. 80; Roth, Organstreitigkeiten, S. 852. 253 Zum entsprechenden Problem im Zusammenhang mit Normen vgl. Schenke, Rechtsschutz, S. 37 f. 254 Vgl. auch für nichtige Verwaltungsakte die gesetzliche Anordnung in § 44 Abs. 5 VwVfG und § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO, teilweise ist ein Verfahren sogar ausdrücklich gesetzgeberisch gefordert, vgl. § 18 Abs. 3 DRiG: „Die Nichtigkeit . . . kann erst geltend gemacht werden, nachdem ein Gericht sie rechtskräftig festgestellt hat“. 255 Ebenso nicht der umgekehrte von der Nichtigkeit auf einen Rechtsbehelf, vgl. schon Gönner, Handbuch, S. 408: „Aus dem Begriffe der Nichtigkeit . . . kann man niemals den Begriff der Nichtigkeitsklage, als Rechtmittel gegen richterliche Aussprüche . . . auffinden, sondern man muß zu diesem Zweck in den Streit unserer positiven Rechte bei Aufstellung der Rechtsmittel eindringen“. 256 Ebenso Ossenbühl, NJW 1986, S. 2805 (2807), der ausführt, das Anfechtungsrecht mache die Gültigkeit rechtswidriger Verwaltungsakte rechtsstaatlich erst erträglich.

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D. Das subjektive Recht

ansprüche bilden gerade einen unter mehreren, bereits unter C.III.1. angeführten Gesichtspunkten, aus dem heraus sich maßgeblich die Anordnung der Wirksamkeit trotz Rechtswidrigkeit verfassungsrechtlich legitimiert. Macht der Bürger dann von diesen Reaktionsansprüchen keinen Gebrauch, lässt er etwa eine Anfechtungsmöglichkeit ungenutzt verstreichen, haben die Interessen des Bürgers an der Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustands und damit an der Beseitigung der Wirksamkeit des rechtswidrigen Akts aus dem Gesichtspunkt der Obliegenheitsverletzung zurückzutreten.257 Damit gewinnt das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber dem Rechtmäßigkeitsprinzip weiter an Gewicht. Aus der Wechselbezüglichkeit von Nichtigkeit einerseits und Anfechtung und Wirksamkeit andererseits lässt sich alleine nicht hinreichend ein konkreter Reaktionsanspruch begründen. Jedoch wird deutlich, welche Funktion der nachfolgenden Herleitung von Reaktionsansprüchen im Gesamtkonzept der Fehlerfolgen zukommt. Die grundsätzliche Anordnung der Wirksamkeit richterlicher Akte lässt sich nur bei gleichzeitig bestehenden Reaktionsansprüchen verfassungsrechtlich legitimieren. Somit ist die Frage nach dem Bestehen von Reaktionsansprüchen aufgeworfen. Dabei ist zunächst zu klären, ob und welche materiellrechtlichen Reaktionsansprüche bestehen. Nur falls solche Rechte bestehen, stellt sich die Frage, ob und wie diese (prozessual) geltend gemacht werden können. Folglich sind erst im Anschluss an die materiellrechtlichen Ansprüche die diesen korrelierenden formellrechtlichen Ansprüche darzustellen. Mit der Suche nach dem Vorliegen subjektivrechtlicher Fehlerfolgen wird zugleich die erste der eingangs formulierten Fragen und eine der Arbeitshypothesen abgearbeitet, die hier noch einmal in Erinnerung gerufen werden soll: Gibt es einen Anspruch auf Beseitigung der bereits getroffenen gerichtlichen Entscheidung?

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht 1. Abzulehnende Ansätze Bezüglich der näheren Bestimmung dieses materiellrechtlichen Anspruchs enthält die eingangs erwähnte Plenumsentscheidung des BVerfG nicht nur ihrem Inhalt nach,258 sondern auch in anderer Hinsicht ein erstes Indiz. Ging dieser Entscheidung doch eine Urteilsverfassungsbeschwerde voraus, mit welcher die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geltend gemacht wurde. Im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde geht es nun im Erfolgsfalle um die Aufhebung der Entscheidung, vgl. § 95 Abs. 2 BVerfGG. Wie nun im Falle des § 113 Abs. 1 VwGO diese Vorschrift zuweilen als Indiz für das Bestehen eines Aufhebungsanspruchs gesehen 257 258

Dazu G.I. Vgl. oben Fn. 18.

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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wird,259 könnte man auch in der genannten Regelung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens zumindest ein Indiz für das Vorhandensein eines (anderweitig begründeten) Beseitigungsanspruchs sehen.260 Inwiefern formellrechtliche Vorschriften zur Begründung des gesuchten Reaktionsanspruchs herangezogen werden können, leitet über zur dogmatischen Begründung der Reaktionsansprüche. a) Kein Rückschluss aus formellem Recht Wurden soeben Verfahrensvorschriften als Indiz für das Vorliegen eines Reaktionsanspruchs genannt, so findet sich eine erste Meinung, welche versucht, darüber hinaus aus solchen Verfahrensvorschriften einen materiellen Reaktionsanspruch abzuleiten und in diesen Vorschriften die Grundlage für den Reaktionsanspruch zu sehen. So folgert Rupp aus den Vorschriften der Anfechtungsklage materiellrechtliche Reaktionsansprüche nach der „Methode, die derjenigen der Glossatoren entspricht, die aus der actio auf das jus schlossen“.261 Eine solche Begründung erscheint aus mehreren Gründen problematisch. Da § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO die Aufhebung eines Verwaltungsakts zum Gegenstand hat, könnte hiermit im Bereich exekutiven Unrechts keine einheitliche Erklärung für alle exekutiven Handlungsformen gegeben werden. Ein Beseitigungsanspruch im Falle von Realakten ließe sich auf diese Weise nicht begründen. Würde man die Vorgehensweise in den Bereich judikativen Unrechts übertragen und aus den Rechtsmittelvorschriften, welche die Aufhebung von Urteilen anordnen, entsprechend einen Beseitigungsanspruch ableiten, so zerfiele eine einheitliche Begründung des öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruchs in verstreute Einzelableitungen. Die „glossatorische Methode“ ist damit wegen der dogmatischen Zersplitterung vom Ergebnis her verfehlt. Sie ist es aber auch ihrer Methode nach. Denn sie stellt keine materiellrechtliche Begründung für Reaktionsrechte dar, sondern vielmehr einen Verzicht auf eine solche, da sie eine vorrangige Ableitung aus materiellrechtlichen Vorschriften unversucht lässt. Im Übrigen vermag der Rückschluss aus einfachgesetzlichen Vorschriften schwerlich dem mit Blick auf den für die vorliegende Untersuchung erforderlichen Verfassungsrang des Reaktionsanspruchs zu genügen. Zumindest letzterem Einwand entgehen Heidenhain262, Lorenz263 und andere264 dadurch, dass sie diesen Rupp, Grundfragen, S. 174. Vgl. Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 197; ähnlich bzgl. Beseitigungsansprüchen gegenüber Legislativakten aus der Regelung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, Schenke, Rechtsschutz, S. 79. 261 Rupp, Grundfragen, S. 174. 262 Heidenhain, Amtshaftung, S. 138 ff., 141. 263 Lorenz, Rechtsschutz, S. 275, 277. 264 So neuerdings auch Rupp, JZ 2005, S. 157 (160), der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG heranziehen will; zum Meinungsbild vgl. auch Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 62 m. w. N. 259 260

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D. Das subjektive Recht

„glossatorischen Schluss“ auf Verfassungsebene aus Art. 19 Abs. 4 GG ziehen. Aber auch damit vermögen sie sich nicht den Einwänden zu entziehen, die sich schon gegen Rupp erheben lassen. Aus formellrechtlichen Vorschriften kann nicht auf materiellrechtliche Rechtspositionen zurückgeschlossen werden. Dies belegt das Phänomen der Feststellungsklage, welche nach h. M. eine rein prozessrechtliche Einrichtung darstellt und welcher kein sachlichrechtlicher Anspruch zu Grunde liegt.265 Die glossatorische Methode müsste hier jedoch konsequenterweise zu einem solchen Anspruch führen. Darüber hinaus zeigt sich die grundsätzliche Verfehltheit dieses Vorgehens in der damit vorgenommenen Fehlinterpretation verfahrensrechtlicher Vorschriften. Die dienende Funktion des Verfahrensrechts266 zur Durchsetzung des materiellen Rechts wird durch die Ableitung materiellen Rechts aus dem Verfahrensrecht ins Gegenteil verkehrt und damit verkannt. Verfahrensrechte wie das des Art. 19 Abs. 4 GG setzen anderweitig begründete subjektive Rechte voraus, begründen selbst aber keine solchen. Aus den genannten Gründen kommt auch die in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG verfassungsrechtlich verankerte Verfassungsbeschwerde nicht als Grundlage eines Reaktionsanspruchs in Betracht.267 Neben den bereits angeführten Gründen würde eine Ableitung eines materiellen subjektiven Rechts zusätzliche Probleme bereiten. Der Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde weist ambivalenten Charakter auf. Die Ausgestaltung dieses Rechtsbehelfs, wie sie in §§ 90 Abs. 2 S. 2, 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG ihren Ausdruck gefunden hat, deutet zumindest auch auf objektivrechtliche Funktionen dieses Rechtsbehelfs hin.268 Schlösse man nun aus der Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung gem. § 95 Abs. 2 BVerfGG auf einen subjektivrechtlichen Beseitigungsanspruch zurück, erschiene dies angesichts der auch objektivrechtlichen Komponente nicht zwingend und bedürfte über die „glossatorische Methode“ hinaus weiterer Argumente. Gleich welche Verfahrensvorschriften herangezogen werden, bilden diese lediglich ein Indiz für das Vorliegen materiellrechtlicher Reaktionsansprüche, vermögen aber solche Ansprüche nicht zu begründen. b) Keine Ableitung aus objektivrechtlichen Prinzipien Gleichfalls nicht zu überzeugen vermag eine Ableitung des Reaktionsanspruchs aus Art. 20 Abs. 3 GG.269 Wie oben bereits angeführt, sagt der Verstoß gegen eine Vgl. nur Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO § 256, Rn. 1. Vgl. dazu Fn. 483. 267 So aber Rupp, JZ 2005, S. 157 (160). 268 Auch die einfachgesetzlichen Rechtsbehelfe weisen solche objektivrechtlichen Elemente auf, vgl. § 132 Abs. 2 VwGO. 269 Hierbei wird teilweise isoliert an Art. 20 Abs. 3 GG angeknüpft, so BVerwG NJW 1985, S. 817 (818), teilweise werden andere Vorschriften mit herangezogen oder auch allgemein das Rechtsstaatsprinzip zum Ausgangspunkt gemacht, dazu Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 60 f., 64; Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (33 f.) m. w. N. 265 266

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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Norm nichts darüber aus, welche konkreten Folgen mit dem Verstoß verbunden sind. Dies ist Gegenstand einer sekundärrechtlichen Festlegung. Aus Art. 20 Abs. 3 GG kann eine solche nicht abgeleitet werden. Die Bindung an Gesetz und Recht verweist auf das einfache Gesetzesrecht, trifft jedoch selbst keine inhaltlichen Aussagen für den Verletzungsfall.270 Selbst wenn man eine Ableitung konkreter Sekundärfolgen aus Art. 20 Abs. 3 GG versuchte, müsste eine solche Ableitung unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots sowie dem Prinzip der Rechtssicherheit Bedenken erwecken. „Die Reaktionen der Rechtsordnung auf geschehenes Unrecht sind viel subtiler und differenzierter, als daß sie stets in der einfachen Umkehrung des Unrechtsaktes bestünden“.271 Ferner würde einer solchen objektivrechtlichen Beseitigungspflicht nicht zwangsläufig ein subjektives Recht entsprechen, was jedoch erforderlich wäre. Der Beseitigungsanspruch, der von dem verletzten subjektiven Recht zu unterscheiden ist, stellt seinerseits ein subjektives Recht dar (dazu unten 2.). Als solcher bedarf er einer subjektivrechtlichen Begründung. Aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des Art. 20 Abs. 3 GG lassen sich keine Hinweise auf die Gewährung einer solchen subjektiven Rechtsstellung des Bürgers entnehmen.272

c) Keine Analogie zu einfachgesetzlichen Vorschriften Gleichfalls nicht zu überzeugen vermag eine Analogie zu den Vorschriften der §§ 12, 862, 1004 BGB.273 Wird man auch im Bereich des Öffentlichen Rechts einer solchen Analogie zum Zivilrecht nicht mehr mit der grundsätzlichen Abneigung Otto Mayers274 gegen jedwede zivilrechtliche Analogie begegnen, sieht sich eine solche Begründung dennoch mehreren Einwänden ausgesetzt. Mit Blick auf den verfassungsrechtlichen Rang der vorliegend zur Diskussion stehenden Beseitigungsansprüche muss eine Ableitung aus einfachgesetzlichen Vorschriften bedenklich erscheinen. Dem mag man entgehen, indem man den besagten Vorschriften statt einer Analogie einen allgemeinen Rechtsgedanken bzw. ein allgemeines Rechtsprinzip entnimmt,275 welches bekanntlich nach der RechtsSchoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (34) m. w. N. Bachof, Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, S. 261 f. 272 Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (34) m. w. N. 273 Zu dieser zivilrechtlichen Ableitung vgl. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 72 f.; ablehnend Rupp, JZ 2005, S. 157 (159); ders., in: FS Badura, S. 995 (1004). 274 Mayer, Verwaltungsrecht, S. 117, der sich gegen ein „Hinüberschmuggeln“ (S. 118) privatrechtlicher Rechtsinstitute in das jüngere Öffentliche Recht verwehrt und so die Berechtigung und Bedeutung der eigenen Disziplin erhöht. 275 So etwa Hoffmann, Abwehranspruch, S. 77; Roth, Organstreitigkeiten, S. 857; ähnlich Laubinger, VerwArch 80 (1989), S. 261 (292 f.). Zum allgemeinen Rechtsprinzip vgl. Larenz, 270 271

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D. Das subjektive Recht

quellenlehre nicht den Rang der Vorschriften teilen muss, welchen es entnommen ist.276 Aber auch angesichts solcher methodisch-argumentativen Manöver verbleiben Bedenken. Ein solcher allgemeiner Rechtsgedanke könnte aufgrund der nur vereinzelten Positivierung von Beseitigungsansprüchen im Öffentlichen Recht nur unter Zuhilfenahme der zivilrechtlichen Regelungen angenommen werden. Betrachtet man genauer, aus welchen Gründen heraus in der Zivilistik die Ausdehnung von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen befürwortet wird, so kommen Zweifel, ob der dahinter stehende Gedanke sowie der zivilistische normative Kontext gleichermaßen im Bereich des Öffentlichen Rechts vorliegt. Im Zivilrecht wird eine entsprechende Anwendung des § 1004 BGB auf alle anderen absoluten Rechte und darüber hinaus auch auf Rechtsgüter und rechtlich geschützte Interessen befürwortet, sog. quasinegatorische Ansprüche.277 Dahinter steht ein enger Zusammenhang mit dem deliktischen Schutz gem. §§ 823 ff. BGB. Das Deliktsrecht bezweckt einen eingetretenen Schaden wieder gutzumachen, bietet jedoch keine Möglichkeit den Schaden abzuwehren, abgesehen von den erwähnten negatorischen Ansprüchen. Nun besteht aber auch außerhalb der vom Gesetz gewährten negatorischen Ansprüche ein Bedürfnis, diesen Schutz auf die deliktisch geschützten absoluten Rechte, Rechtsgüter und rechtlich geschützten Interessen zu erstrecken. Dabei genügt als Voraussetzung eines solchen quasinegatorischen Anspruchs ein rechtswidriges Verhalten des Störers, ein Verschulden ist nicht erforderlich. Zur Begründung wird angeführt, die weniger belastende Sanktion rechtfertige die Abweichung vom Verschuldenserfordernis der §§ 823 ff. BGB.278 Wird die Erstreckung der negatorischen Ansprüche auch mit einer Analogie zu § 1004 BGB oder gar mit einem daraus zu entnehmenden allgemeinen Rechtsgedanken begründet, so darf der ausschlaggebende Zusammenhang mit der bei gegebenem Verschulden möglichen deliktischen Haftung des Störers nicht außer Acht gelassen werden, welche den Anlass für die Ausweitung der (quasi-)negatorischen Haftung bietet. Versuchte man nun das Entstehen von Beseitigungsansprüchen mit demselben Hintergrund ins Öffentliche Recht zu übertragen, würde dies auf eine Übernahme des zivilrechtlichen Ergebnisses unter Herausreißen aus dem dort gegebenen systematischen Zusammenhang mit §§ 823 ff. BGB hinauslaufen. Im Bereich des Öffentlichen Rechts besteht im Unterschied zum Zivilrecht gerade keine unmittelbare deliktische Haftung des Staates entsprechend der Haftung Methodenlehre, S. 474 ff.; Pawlowski, Methodenlehre, § 6, Rn. 162 ff.; Zippelius, Methodenlehre, § 10 III. c. 276 Wolff, in: GS Jellinek, S. 33 (42). 277 Vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004, Rn. 4. 278 Brox / Walker, Besonderes Schuldrecht, § 45, Rn. 5.

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nach §§ 823 ff. BGB. Stellte man aber einen Zusammenhang mit der Haftung nach § 839 BGB her, beinhaltete dies nicht nur eine Rechtswegproblematik, sondern man würde auch unterschlagen, dass sich aus dieser Vorschrift keine unmittelbare Haftung des Staates ergibt. Eine solche beinhaltet aber der Beseitigungsanspruch.279 Kann somit bei Beibehaltung des systematischen Zusammenhangs im Bereich des Öffentlichen Rechts eine Begründung negatorischer Ansprüche nicht mit gleicher Plausibilität erreicht werden, könnte eine eigenständige Begründung eines solchen Rechtsgrundsatzes aus öffentlichrechtlichen Vorschriften nicht begründet werden. Hier finden sich zwar vereinzelt einfachgesetzliche Normierungen von Beseitigungsansprüchen, vgl. z. B. § 10g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 MEPolG.280 Diese vereinzelten Regelungen wären als Ausnahmeerscheinungen nicht ohne weiteres einer Verallgemeinerung zugänglich. Auch böten sie auf Grund ihres jeweiligen speziellen Regelungszusammenhangs eine zu schmale Ausgangsbasis, um daraus verallgemeinernd einen Beseitigungsanspruch gegen alle staatliche Gewalt in all ihren Handlungsformen abzuleiten. Aufgrund ihres einfachgesetzlichen Ranges ließe sich aus ihnen kein verfassungsrechtlich garantierter Beseitigungsanspruch ableiten. Argumentierte man aber, in § 1004 BGB liege ein allgemeiner Rechtsgedanke derart, dass hier der Integritätsschutz absoluter Rechte zu finden sei, so beruft man sich eigentlich schon nicht mehr auf eine Analogie zu § 1004 BGB, sondern man greift der Sache nach auf das subjektive Recht selbst und die diesem innewohnende Rechtsmacht zurück.281 Daran wird jedoch deutlich, dass gleichviel, ob eine Analogie zu § 1004 BGB oder ein daraus zu entnehmender Rechtsgedanke bemüht wird, eine solche Erklärung von öffentlichrechtlichen Beseitigungsansprüchen letztlich insofern keine wirkliche Erklärung ist, als sie das zu klärende Problem mit der Anknüpfung an § 1004 BGB nur in diese Norm verlagert. Sie bleibt die Antwort schuldig, welcher Zusammenhang zwischen der verletzten Rechtsposition und dem negatorischen Anspruch besteht. Warum und inwiefern aus dem verletzten Primärrecht qua subjektives Recht Abwehransprüche entstehen, vermag die Ableitung aus § 1004 BGB analog alleine nicht zu erklären. Dies zeigt sich etwa daran, dass quasinegatorische Ansprüche im Zivilrecht auch bei Rechtsgütern i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB und sogar bei bloß rechtlich geschützten Interessen i.S.v. § 823 279 Aus der staatlichen Tertiärhaftung lassen sich weder formellrechtliche noch materiellrechtliche Reaktionsansprüche ableiten, vgl. zum Problem bei legislativem Unrecht Schenke, Rechtsschutz, S. 88 ff. Im Übrigen wiese eine solche Ableitung bei judikativem Unrecht besondere Probleme wegen § 839 Abs. 2 S. 1 BGB auf. 280 Vgl. zu den entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen Schenke, Polizeirecht, Rn. 218. Zu positivrechtlichen Belegen öffentlichrechtlicher Beseitigungsansprüche vgl. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (32) m. w. N. Keine materiellrechtliche Grundlage für einen Beseitigungsanspruch stellt allerdings die lediglich prozessuale Regelung des § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO dar, dazu Kopp / Schenke, VwGO, § 113 , Rn. 81. 281 s. dazu auch D.I.2.

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D. Das subjektive Recht

Abs. 2 BGB befürwortet werden. Damit ist im Grunde genommen der Rückschluss aus der Regelung des § 1004 BGB auf einen aus dem subjektiven Recht abzuleitenden Beseitigungsanspruch ebenso bloß mittelbar und letztlich nicht voll überzeugend wie der oben erörterte Rückschluss aus Verfahrensvorschriften auf einen bei Verletzung subjektiver Rechte entstehenden Beseitigungsanspruch. Diese Indirektheit und Mittelbarkeit282 ist denn letztlich auch der Grund für die methodische Verfehltheit aller bisher beschriebenen Ansätze. Lassen sich Abwehransprüche aus der subjektiven Rechtsqualität ableiten, so verbleibt mangels einer Lücke kein Raum für eine Analogie bzw. keine Veranlassung für einen ohnehin verfehlten Rückschluss aus formellrechtlichen oder gar objektivrechtlichen Vorschriften. Die Defizite aller bisherigen Ableitungen führen uns dazu, den Beseitigungsanspruch aus dem subjektiven Recht selbst zu begründen. 2. Ableitung aus der subjektiven Rechtsqualität Richtigerweise ergibt sich die Rechtsgrundlage des Folgenbeseitigungsanspruchs aus der subjektiven Rechtsqualität der Freiheitsgrundrechte.283 Grundrechte sind subjektive Rechte.284 Diese Qualifikation, welche als oppinio communis gelten darf, erfüllt dogmatisch mehrere Funktionen. Zunächst ist mit Hilfe der subjektiven Rechtsqualität eine „Systematisierung“ der Grundrechte möglich.285 Bezüglich subjektiver Rechte gibt es verschiedene sachliche Einteilungen. So unterscheidet man etwa absolute und relative Rechte.286 Die durch ein absolutes Recht zuerkannte Rechtsposition wirkt im Verhältnis zu allen.287 Demgegenüber betreffen die relativen Rechte Rechtspositionen, die nur bestimmten Personen gegenüber wirken, i.d.R. gegenüber einer Person.288 Hierzu gehören als wichtigste Kategorie alle materiellrechtlichen Ansprüche. Diese Arten subjektiver Berechtigungen kehren entsprechend wieder bei der Einteilung von Grundrechten. Beispielsweise bilden Abwehrrechte289 das grundrechtliche Gegen282 Heidenhain, Amtshaftung, S. 140, spricht davon, dass bislang der Abwehranspruch nur „induktiv“ belegt sei. 283 Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 66 f., die noch ergänzend § 1004 BGB heranziehen will, was zur Konturierung des Tatbestands unnötig ist (vgl. dazu unten E.II.) und mit Blick auf die Rechtsfolge verfehlt, da Unterschiede zwischen der öffentlichrechtlichen und dem zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch bestehen (vgl. unten E.III.1.). Zur Ableitung der Befugnis, rechtswidrige Eingriffe abzuwehren aus der subjektiven Rechtsqualität Bleckmann, Grundrechte, § 11, Rn. 21; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 298 f.; Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (35). 284 Vgl. nur Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 530 ff., 531. 285 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 558 ff. 286 Gestaltungsrechte können mit Blick auf Grundrechte vernachlässigt werden. 287 Larenz, BGB AT, S. 228. 288 Larenz, BGB AT, S. 228. 289 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 563.

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stück zu den absoluten Rechten, Leistungsrechte290 stellen Ansprüche und folglich relative Rechte dar.291 Neben dieser Einteilungsfunktion ermöglicht die Qualifizierung der Grundrechte qua subjektive Rechte Aussagen über deren strukturelle Beschaffenheit. Der hierbei verwendete Begriff und Bedeutungsgehalt des subjektiven Rechts beschäftigen die Rechtswissenschaft seit langer Zeit. In Folge der epochalen Scheidung von Klage und Recht durch Windscheid wurde das im gemeinen Recht vorherrschende Aktionendenken überwunden. Das materielle subjektive Privatrecht emanzipierte sich von den prozessualen Durchsetzungsmechanismen. Es wurde zum zentralen Begriff der rechtswissenschaftlichen Systematik.292 Mangels gesetzlicher Definition wurde die Bestimmung dieses nun so bedeutsamen Begriffs der Rechtswissenschaft Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen in der Pandektistik.293 Hierbei hat die Willenstheorie294 das subjektive Recht als Willens- oder Rechtsmacht begriffen, während die Interessentheorie295 das in dem subjektiven Recht geschützte Interesse betonte. Beide Auffassungen wurden bald mit unterschiedlicher Akzentuierung in einer Formel vereinigt.296 Nach den bis heute herrschend gebliebenen Kombinationstheorien ist das subjektive Recht eine dem einzelnen zur Befriedigung seiner Interessen von der Rechtsordnung verliehene Willensmacht297 bzw. Rechtsmacht298. Der Begriff des subjektiven Rechts ist als Bestandteil der allgemeinen Rechtslehre aufzufassen. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass der Begriff des subjektiven Rechts sowohl im Zivilrecht als auch im Öffentlichen Recht derselbe ist.299 Je nach Zugehörigkeit der das subjektive Recht begründenden Norm handelt es sich um ein subjektives öffentliches oder privates Recht. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 569. Kritisch dazu, ob mit dieser an den rechtstechnischen Inhalt anknüpfenden Einteilung alle Grundrechtspositionen zutreffend erfasst werden können, Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 470; demgegenüber Henke, DÖV 1984, S. 1 ff. 292 Subjektives Recht als „Grundbegriff des Privatrechts“, vgl. Raiser, JZ 1961, S. 465. 293 Vgl. nur den Überblick bei Windscheid / Kipp, Pandekten I, § 37 Fn. 3. 294 Zur Willenstheorie und deren Entwicklungsstationen, vgl. Kasper, Subjektives Recht, S. 51 ff. 295 Kasper, Subjektives Recht, S. 80 ff.; Wagner, AcP 193 (1993), S. 319 ff. 296 Raiser, JZ 1961, S. 465. 297 Bachof, Verwaltungsgerichtliche Klage, S. 63; Brox, BGB AT, § 28 II. (Rn. 617); Nawiasky, Rechtslehre, S. 156; Scherner, BGB AT, S. 21. 298 Enneccerus / Nipperdey, BGB AT / 1, S. 428 f.; Bachof, in: GS Jellinek, S. 287 (292 ff., 299); Maurer, Verwaltungsrecht, § 8, Rn. 2; Peine, Verwaltungsrecht, § 4 IV (Rn. 246); Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 496; Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 533 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 63; Hübner, BGB AT, § 22, Rn. 354; Bork, BGB AT, Rn. 280; für die Rechtsmacht als Begriffselement Reiling, Individuelle Rechte, S. 78 f., 224 f. 299 Maurer, Verwaltungsrecht, § 8, Rn. 2; BVerwG DÖV 1995, S. 909 (910); Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 65. 290 291

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D. Das subjektive Recht

a) Inhalt und Struktur des subjektiven Rechts Für unsere Untersuchung relevant ist die mit der subjektiven Rechtsqualität verbundene Aussage über die Struktur solcher Rechte. Ein subjektives Recht besteht zunächst aus einer primär300 zugewiesenen Rechtsposition. Der Inhalt dieser Position bestimmt sich nach der jeweiligen Unterart des subjektiven Rechts. Z. B. liegt er bei einem relativen Recht in einem Anspruch, bei absoluten Rechten in der Einwirkungs- und Ausschlussbefugnis auf ein Rechtsobjekt. Im Falle der Grundrechte ist diese Primärebene zumeist im Verfassungstext selbst geregelt. Der Wortlaut der Grundrechtsbestimmungen garantiert vornehmlich Rechte301, erklärt diese für unantastbar302 oder unverletzlich303, teilweise gewährt er auch Ansprüche304. Wird ein subjektives Recht durch einen rechtswidrigen Rechts- oder Realakt verletzt, so hat dies auf der Primärebene zumeist keine Auswirkungen auf den Bestand des Rechts. Der Rechtsverletzer soll durch die Verletzung nicht privilegiert werden. Das subjektive Recht besteht vielmehr gerade auch im Verletzungsfall fort und erhebt seinen Geltungsanspruch. Der insoweit fortbestehende Geltungsanspruch bzw. die Integrität des verletzten Rechts wird im Falle seiner Verletzung durch flankierende Hilfsrechte geschützt. Diese Hilfsrechte wiederum kann man in sekundäre (Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche) und tertiäre (Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche) Hilfsrechte einteilen.305 Das Vorliegen solcher Hilfsrechte ergibt sich aufgrund der Normativität des subjektiven Rechts aus der Auslegung der dem subjektiven Recht Geltung verleihenden Norm. Führt die Auslegung dazu, dass die in einem Rechtssatz zugewiesene Position ein subjektives Recht statuiert, so wird sich im Regelfall, abgesehen von weiteren Hinweisen durch andere Auslegungsgesichtspunkte, aufgrund einer teleologischen Auslegung ergeben, dass dem primären Recht zu seinem Schutz flankierende Hilfsrechte zur Seite gestellt sind. Begründet der Gesetzgeber ein subjektives Recht durch Zuweisung einer primären Rechtsposition, so liegt darin eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, ein Individualinteresse zu schützen. Diese Disposition des Gesetzgebers soll so lange Geltung behalten, bis sie in rechtlich zulässiger Weise zurückgenommen oder geändert wird.306 Der Rechtsverletzer soll 300 So im Anschluss an die Begriffsbildung „Primär- / Sekundärrecht“ durch Raiser, JZ 1961, S. 465 (466). 301 Art. 2 Abs. 1; Abs. 2 S. 1; 3 Abs. 1, Abs. 2; 4 Abs. 2; 5 Abs. 1, Abs. 3 S. 1; 6 Abs. 2; 7 Abs. 2, Abs. 4; 8 Abs. 1; 9 Abs. 1, Abs. 3; 11 Abs. 1; 12 Abs. 1; 14 Abs. 1 S. 1; 16a Abs. 1; 17; 19 Abs. 4 GG. 302 Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG. 303 Art. 2 Abs. 2 S. 2; 4 Abs. 1; 10 Abs. 1; 13 Abs. 1 GG. 304 Art. 1 Abs. 1 S. 2; 6 Abs. 1, Abs. 4; Abs. 5 GG; ferner Art. 103 Abs. 1 GG. 305 Die vorliegende Untersuchung erweitert die Terminologie Raisers und differenziert ferner zwischen sekundären und tertiären Hilfsrechten wegen der zwischen ihnen bestehenden Subsidiarität, dazu Roth, Faktische Eingriffe, S. 71 f.

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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es nicht in der Hand haben, durch seine Verletzungshandlung das Recht des Verletzten konstitutiv aufzuheben und damit den Geltungsanspruch der dem subjektiven Recht zu Grunde liegenden Norm zu beseitigen. Setzungstheoretisch ist dies einem actus contrarius des Gesetzgebers in dem dafür vorgesehen Verfahren vorbehalten.307 Darin drückt sich die Unverletzlichkeit des Rechts308 und der fortbestehende Geltungsanspruch im Verletzungsfall aus. Dies impliziert eine gewisse Dauerhaftigkeit und Beständigkeit der zugewiesenen Rechtsposition, aus Sicht des Berechtigten ein Haben und Behaltendürfen.309 Da nun gerade im Verteidigungsfall die Dauerhaftigkeit und Beständigkeit der Gewährung in Frage gestellt ist, folgt daraus, dass in der bewussten Zuweisung einer Position dieser eine Bewehrung beigegeben ist. Einen weiteren Umstand, den es zu bedenken gilt, liegt darin, dass in der Zuweisung eines Rechts die Zuweisung zum Gebrauchmachen dieses Rechts liegt. Das subjektive Recht ist als Bestandteil der Rechtsordnung auf eine Außenwirkung gerichtet, denn alles „Recht besteht aus Normen, die ein äußeres Verhalten vorschreiben“.310 Der Berechtigte soll von seinem Recht nach Belieben Gebrauch machen können, d. h. ihm steht jedes äußere Verhalten frei, welches dem Inhalt seines Rechts entspricht.311 Das subjektive Recht ist „seinem Inhalt nach eine dem einzelnen durch das objektive Recht zuerkannte ,Willensmacht‘ oder ,Rechtsmacht‘“.312 Das Recht ist eben „der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“.313 Als Teilmenge des Rechts dient auch das subjektive Recht der Freiheit durch Grenzziehung nach außen zum Zweck der Willensfreiheit nach innen. Wird in einer Norm ein subjektives Recht 306 Kreßel, Haftungsrecht, S. 24. Der Gedanke der Beständigkeit gesetzgeberischer Anordnungen bis zur Abänderung kommt vielfach zum Ausdruck, so z. B. im Grundsatz lex posterior derogat legi priori; fernerhin auch in Art. 79 GG. 307 Z. B. gem. Art. 70 ff. GG. Kein Argument ist insoweit, dass etwa der Verletzer durch Zerstörung einer Sache das Eigentumsrecht zum Erlöschen bringen kann. Denn dies geschieht vielmehr durch gesetzliche Anordnung. So gilt für Ansprüche aus dem Eigentum gem. §§ 985, 1004 BGB die Regelung des § 275 BGB, ggf. ist ein Anspruch nach § 989 BGB gegeben; vgl. auch die §§ 946 ff. BGB. 308 Vgl. zur Unverletzbarkeit oben Fn. 303 ; vgl. auch Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 488: „Und es [das Recht, M.H.] will unverletzbar gelten in dem Sinne, daß es selbst erst durch ein anderes Recht beseitigt werden muß, wenn sein Gebot nicht geachtet werden soll“. 309 Kreßel, Haftungsrecht, S. 23. 310 Nawiasky, Rechtslehre, S. 8. 311 Vgl. Fn. 732. 312 So die Formulierung von Bachof, in: GS Jellinek, S. 287 (292) [Hervorh. im Original]. Freilich wird der Inhalt eines subjektiven Rechts nach der herrschenden Kombinationstheorie wesentlich durch das Merkmal des rechtlich geschützten Interesses bestimmt, s. a. Fn. 503. Die Willens- oder Rechtsmacht weist demgegenüber einen formalen Gehalt auf, vgl. dazu Fn. 501 f. sowie dort im Text. 313 Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre, § B (S. 66).

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D. Das subjektive Recht

statuiert, so besteht die in der Rechtsregel getroffene Bestimmung nach v. Savigny darin, dass dem individuellen Willen ein Gebiet angewiesen ist, in welchem er unabhängig von jedem fremden Willen herrschen kann.314 Wird nun der Berechtigte in seinem Recht beeinträchtigt, soll er aber gleichzeitig auch im Verteidigungsfall die Willensmacht haben, die ihm gewährte Position auszuüben, so entsteht ein Widerspruch. Das Eigentum an einem Fahrrad besteht etwa darin, dass man dieses besitzen, behalten und gebrauchen darf. Diese Erlaubnis führt im Falle ihrer Ausübung schon rein tatsächlich315 zu dem Problem, den Zugriff Dritter abzuwehren – „auf einem Fahrrad kann nur einer fahren“.316 Der Anspruch auf Beseitigung der Störung „bedarf . . . keiner weiteren Ableitung, da die Ausübungsberechtigung gerade darin besteht, sie ungestört ausüben zu dürfen“.317 Das Wesen der Abwehrrechte besteht in dem ihnen innewohnenden Element der „Rechtsmacht, . . . fremde Einwirkungen auszuschließen“.318 Besteht aufgrund der Exklusivität319 der zugewiesenen Position nur eine Ausübungsbefugnis für den Berechtigten, so ist gleichwohl die Abwehr rechtswidriger Beeinträchtigungen nicht logisch mit dem subjektiven Recht verknüpft.320 Vielmehr ergibt System I, S. 333. Jedoch nicht notwendigerweise in logischer oder rechtlicher Hinsicht, dazu unten D.I.2.b)aa), dort auch Fn. 350. Eine logische Kopplung nach dem „Satz des Widerspruchs“, denjenigen, der einem Recht „Abbruch tut, zu zwingen“, nimmt Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre, § D (S. 68), an. Ähnlich sieht Hegel, Grundlinien, § 93, diese Befugnis als zweiten Zwang notwendig, insofern er ein Aufheben des ersten Zwangs ist; auch Schelling, Neue Deduktion des Naturrechts, § 149 (S. 171) [alle Hervorh. im Original], setzt den Zwang voraus: „Jedem Zwang steht Zwang entgegen“, § 150 (S. 172): „Also wird mein Recht im Gegensatz zum fremden Willen nothwendig zum ZwangsRecht“. Vgl. auch schon das vim vi repellere licet, Dig. 4, 2, 12, 1. Auch Locke, Fichte und Nietzsche sehen ein Zwangsrecht im Falle der Rechtsverletzung, freilich mit anderer Begründung. Denjenigen, der rechtswidrig handelt, z. B. indem er ein Recht verletzt, stellt sich außerhalb des Rechts, so dass er sich gegenüber dem Zwang des Berechtigten rechtlich nicht zur Wehr setzen kann, vgl. Fichte, Grundlage, S. 387 [Hervorh. im Original]: „ . . . diese Person kann durch das bloße Rechtsgesetz . . . meinen Zwang nicht verhindern“. Ähnlich spricht Locke, Zweite Abhandlung, Kap. 2 und 3 (S. 223 ff.), im Natur- und Kriegszustande jedermann das Recht zu, gegen den Gewalt anzuwenden, welcher sich außerhalb des Rechts stellt. Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, II. 9., formuliert dies folgendermaßen: „Der Zorn . . . des Gemeinwesens gibt ihn [den Rechtsverletzer, M.H.] dem wilden und vogelfreien Zustande wieder zurück, vor dem er bisher behütet war“. In neuerer Zeit behauptet Kreßel, Haftungsrecht, S. 24, eine logische Ableitung des Zwangs. 316 Pawlowski, BGB AT, Rn. 295. 317 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 43, Rn. 78. 318 Bachof, in: GS Jellinek, S. 287 (S. 293); BVerfGE 24, S. 367 (396): „Das Grundrecht, das heißt die Rechtsmacht, Einwirkungen . . . auszuschließen“; 45, S. 63 (76): „Grundrecht . . . , das ihm die ,Rechtsmacht‘ verleiht, Eingriffe . . . Gegenstände abzuwehren“. 319 Bork, BGB AT, Rn. 282: „Ausschließlichkeitsgewähr“. 320 So aber Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre, § D (S. 68): „mithin ist mit dem Rechte zugleich eine Befugnis, den, der ihm Abbruch tut, zu zwingen nach dem Satze des 314 315

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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erst eine teleologische Betrachtung einen Abwehranspruch gegen rechtswidrige Eingriffe.321 Die rechtswidrige Beeinträchtigung bedeutet ein Weniger für die zugewiesene subjektive Berechtigung. Auch wenn die Beeinträchtigung ohne Verschulden erfolgt, ist das Interesse des Verletzten zur Verteidigung und damit Aufrechterhaltung der bereits zugewiesenen subjektiven Berechtigung grundsätzlich höher zu bewerten sein als das Interesse des Verletzers an der Aufrechterhaltung der Störung.322 Aus dem subjektiven Recht muss sich daher ein Anspruch ergeben können, aufgrund dessen die Beseitigung der fortwirkenden Verletzung verlangt werden kann, so dass als Ergebnis dessen von der ursprünglich bestandenen Position wieder bzw. nach wie vor Gebrauch gemacht werden kann. Folglich lässt die in jedem subjektiven Recht zuerkannte Willens- oder Rechtsmacht auf sekundäre Reaktionsrechte schließen. Sieht man primäre subjektive Berechtigung und sekundäre Hilfsrechte in Analogie zum Begriffspaar Primär- und Sekundärnorm,323 wird zweierlei deutlich. Erstens die Tatsache, dass bei der Gewährung subjektiver Rechte zwei Interessenbewertungen des Gesetzgebers zu unterscheiden sind, nämlich die bezüglich der Zuweisung der Position und die bezüglich der Beeinträchtigung der Position; zweitens, dass der Gesetzgeber im Regelfall die Abwägung beider Fallkonstellationen vornehmen wird. Der Verteidigungsfall wird mit bedacht, weil sonst die Zuweisung der Position ohne Schutz und insofern unvollkommen wäre. Bei der gesetzgeberischen Entscheidung zur Begründung eines subjektiven Rechts sind zunächst die Individualinteressen derer zu berücksichtigen, welche Beteiligte des durch das subjektive Recht konstituierten Rechtsverhältnisses sind. Dies sind die Individualinteressen des Berechtigten und des bzw. der VerpflichteWiderspruchs [sic!] verknüpft“, wenngleich Kant, MdS, Rechtslehre Zweiter Teil, Anmerkung A. (S. 179), im Falle subjektiver Rechte gegen den Staat die Zwangsbefugnis mit gleicher logischer Notwendigkeit verneinen würde, denn hier würde eine Zwangsbefugnis das Recht „zernichten“, ein dahingehendes öffentliches Gesetz würde sich selbst widersprechen, vgl. Kant, MdS, Rechtslehre Zweiter Teil, Anmerkung A. (S. 177): „der Herrscher im Staat hat gegen den Untertan lauter Rechte und keine (Zwangs-)Pflichten“. Zu einer logischen Koppelung gelangt auch Hegel, Grundlinien, § 93 [Hervorh. im Original]: „er [der Zwang, M.H.] ist daher nicht nur bedingt rechtlich, sondern notwendig [sic!] – nämlich als ein zweiter Zwang, der ein Aufheben des ersten Zwanges ist“; aus einer Erlaubnis, einem Recht, ergibt sich rechtslogisch jedoch nicht das Verbot, d. h. ein Anspruch auf Zwang gegen alle Nicht-Erlaubnisinhaber, zu diesem Problem unten D.I.2.b)aa). 321 Alexy, Theorie, S. 236; Schenke, in: FS Mühl, S. 571 (584 f.); Schoch, VerwArch. 79 (1988), S. 1 (34 f.); Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 566, 620 ff., 622; Bucher, Subjektives Recht, S. 110; unzutreffend, weil neben der teleologischen Herleitung nicht bedürfend, ist die Annahme einer Grund, Transformations- oder Umschaltnorm, vgl. Laubinger, VerwArch. 80 (1989), S. 261 (292 f.); Rupp, Grundfragen, S. 249 – 253, oder einer gewohnheitsrechtlichen Regel, „dass der Verletzung eines rechtlich geschützten Interesses in erster Linie mit den Mitteln des sog. Primärrechtsschutzes zu begegnen ist“, so Preu, Subjektivrechtliche Grundlagen, S. 28 f. 322 Vgl. Fn. 324 und 325 sowie dort im Text. 323 Vgl. oben B.I.

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D. Das subjektive Recht

ten. Darüber hinaus sind auch die durch die Begründung eines subjektiven Rechts betroffenen Allgemeininteressen mit zu berücksichtigen. Fällt die Abwägung zugunsten der Statuierung eines subjektiven Rechts aus, so schlägt sich dies nieder in der Zuweisung einer entsprechenden Rechtsposition. Das Interesse des Normbenefiziars wird rechtlich geschützt, indem ihm eine Rechts- oder Willensmacht verliehen wird. Die zweite Abwägungsentscheidung betrifft die Frage, welche gesetzgeberische Anordnung für den Fall der Verletzung der zugewiesenen Position gelten soll. Hier ist grundsätzlich eine erneute Interessenbewertung vorzunehmen, im Rahmen derer Gründe und Folgen der Verletzung zu bewerten sind. Es steht das Interesse des Verletzers an der Aufrechterhaltung der Verletzung gegen das Interesse des Berechtigten an der Aufrechterhaltung seines Rechts. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ergibt sich aus der vorangegangenen gesetzgeberischen Zuweisung und der damit verbundenen Qualifizierung der Beeinträchtigung als der Zuweisung widersprechendem und folglich rechtswidrigem Zustand, dass der Gesetzgeber der Beeinträchtigung nicht neutral gegenübersteht, sondern die Interessenbewertung nach wie vor gemäß der weiter bestehenden Position zu Gunsten des Berechtigten bzw. nunmehr Verletzten ausfällt. Dies ergibt sich auch aus den zuvor ausgeführten Überlegungen, wonach die Beständigkeit der Zuweisung und auch deren Inhalt, die Willens- oder Rechtsmacht, für einen entsprechenden Schutz des Berechtigten im Verletzungsfall sprechen. Demgegenüber hat der Verletzer in der Regel kein schutzwürdiges Eigeninteresse. Insbesondere kann ein solches nicht in der Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes liegen.324 Es entspricht einem allgemeinen Rechtsprinzip, die Ausnutzung eines rechtswidrigen Zustands zu versagen.325 Der Gesetzgeber bezieht den Verteidigungsfall bei der Begründung eines subjektiven Rechts immer schon in die Abwägungsentscheidung mit ein.326 Die Zuweisungsnorm erfasst daher einen Komplex von Erlaubnissen zugunsten des Positions324 Hoffmann, Abwehranspruch, S. 76 f.; vgl. BVerfGE 89, S. 381 (394 f.): „Dabei ist jedoch stets zu beachten, daß es Sinn der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG verbürgten Verfassungsbeschwerde ist, die Beseitigung von Grundrechtsverletzungen zu ermöglichen, und daß ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung eines verfassungswidrigen Zustandes grundsätzlich nicht anerkannt werden kann“. 325 BAG JZ 1998, S. 790 (792), das dieses allgemeine Rechtsprinzip aus den Vorschriften der §§ 12, 862, 1004 BGB ableitet. Vgl. auch Schenke, JZ 2003, S. 31 (35) m. w. N. für die Geltung dieses Grundsatzes im Öffentlichen Recht; der Rechtsgrundsatz ist bis in das römische Recht zurück verfolgbar, vgl. Liebs, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter, C 42: „Commodum ex injuria non oritur“, N 173: „Nullus commodum capere potest ex sua injuria propria“. S. auch Fn. 724. 326 Diesen Grundsatz belegen gerade auch die Ausnahmeerscheinungen der sog. leges imperfectae, welche den Verteidigungsfall gerade in entgegengesetzter Entscheidung dahingehend mitbedenken, dass sie dem Rechtsinhaber nur eingeschränkte Rechtsmacht zuweisen, dazu unten D.I.2.c)bb).

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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inhabers verbunden mit Ge- und Verboten an andere.327 Es ist deswegen nicht notwendig, dass Primärrecht und sekundäres Hilfsrecht im Gesetzestext äußerlich getrennt voneinander normiert sind, wie etwa in § 903 BGB einerseits und § 1004 BGB andererseits. Auch ohne ausdrückliche Normierung lassen sich Hilfsrechte zum Schutz des Primärrechts aus der Struktur der subjektiven Rechtsposition entnehmen. Eine zusammenfassende Formulierung dieses teleologisch begründeten Ergebnisses findet sich bei Bähr, der ausführt, wenn der Inhaber eines subjektiven Rechts keine Beseitigung des Unrechts erlangen könne, so wäre dieser schutzlos gestellt „und sein Recht würde hiernach illusorisch werden“.328 Zu Haupt- und Hilfsrechten lassen sich weitere Aussagen treffen. Die zugewiesene primäre Position hat eine Willens- und Rechtsmacht zum Inhalt, welche die Ausübung und Geltendmachung der Position in das Belieben des Berechtigten stellt. Hat die Position im Ruhezustand diesen Inhalt, so ändert sich darin im Falle der Beeinträchtigung der Position nichts, da ja das Sekundärrecht nichts anderes ist als das Fortbestehen der Willensmacht im Verteidigungsfall. Deswegen muss auch die Ausübung und Geltendmachung der Sekundärrechte vom Willen des Berechtigten abhängen.329 Die flankierenden Hilfsrechte sind ihrerseits subjektive Rechte. Primärrecht und Hilfsrechte sind zwar analytisch voneinander zu scheiden,330 stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Den sekundären Rechten kommt eine instrumentale Funktion zu. Sie sind „Werkzeuge der Rechtstechnik“ 331 zum Schutz und der Verwirklichung der Primärrechte. Insofern sind sie zum jeweiligen Primärrecht akzessorisch. Die aufgezeigte Struktur des subjektiven Rechts findet sich in den vorliegend interessierenden grundrechtlichen Rechtspositionen wieder. Im Wortlaut der Grundrechtsbestimmungen werden zunächst einmal vornehmlich Rechte garantiert332 oder auch Ansprüche gewährt333, worin das Primärrecht zu sehen ist. Mit der damit verbundenen An- bzw. Zuerkennung einer Willens- oder Rechtsmacht wird der in Art. 1 Abs. 1 GG niedergelegten Verfassungsentscheidung zum Schutz von Freiheit und menschlicher Würde Rechnung getragen. Untersucht man den Wortlaut der Grundrechtsbestimmungen auf die Existenz von flankierenden Hilfsrechten, so findet sich in den allermeisten Fällen keine Auskunft auf das Bestehen von Hilfsrechten. Dass der Verfassungsgesetzgeber den Verteidigungsfall der gewährten Positionen aber mit bedacht hat, deuten Formulierungen wie „unantast327 328 329 330

Adomeit, Jb. für Rechtssoz. und Rechtstheorie 2 (1972), S. 503 (515). Bähr, Der Rechtsstaat, S. 66. Vgl. dazu auch unten Fn. 441. Diese Unterscheidung wird von Kreßel, Haftungsrecht, S. 26, nicht ausreichend beach-

tet. 331 332 333

Raiser, JZ 1961, S. 465 (466). Vgl. oben Fn. 301. Vgl. oben Fn. 304.

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D. Das subjektive Recht

bar“334 oder auch „unverletzlich“ 335 an. Auch die Auferlegung von Verboten336 an den Grundrechtsadressaten lässt auf diesen Pflichten korrespondierende Hilfsrechte in Gestalt von Abwehransprüchen schließen.337 Hinzu kommen die oben allgemein für subjektive Rechte angeführten Überlegungen, wonach ein subjektives Recht aus eigener Kraft im Falle seiner Beeinträchtigung Hilfsrechte auszulösen vermag. An dem Entstehen von Hilfsrechten kann im Falle der Grundrechte kein Zweifel bestehen, wenngleich die Herleitung aus dem Wortlaut des Verfassungstexts in den meisten Fällen ohne Zuhilfenahme der subjektiven Rechtsqualität einigen Aufwand erfordert. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass aus der jedem subjektiven Recht innewohnenden Rechtsmacht abgeleitet werden kann, dass im Verletzungsfall die Möglichkeit besteht, eine rechtswidrige Beeinträchtigung abzuwehren und so sein Recht durchzusetzen. Dies schlägt sich materiellrechtlich in sekundären Hilfsrechten nieder, formellrechtlich in der Möglichkeit, sein Recht in einem Rechtsschutzverfahren geltend zu machen (dazu unten F.III.). Auf Grund der zentralen Bedeutung des subjektiven Rechts für die unter E. und F. zu ziehenden Schlussfolgerungen ist zuvor auf zwei Positionen einzugehen, welche auf Grund eines abweichenden Verständnisses der subjektiven Rechtsqualität die beabsichtigten Schlussfolgerungen nicht erlauben würden. b) Subjektive Rechtsqualität absoluter Rechte Eine erste Gruppe von Meinungen bestreitet die subjektive Rechtsqualität im Falle der Zuweisung bestimmter Positionen. So wird der im Falle des Eigentums und sonstiger absoluten Rechte bestehenden primären Position eine eigenständige Bedeutung abgesprochen.338 Das absolute Recht wird mittels einer Summierung Vgl. oben Fn. 302. Vgl. oben Fn. 303. 336 Art. 4 Abs. 3 S. 1; 5 Abs. 1 S. 3; 12 Abs. 2, Abs. 3; 16 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GG. 337 Zur Herleitung von Unterlassungsansprüchen aus dem Wortlaut der Grundrechte, vgl. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 110 f.; ebenso Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 22 ff. Zum Schluss von diesen Verboten in Gestalt von Unterlassungspflichten und den korrespondierenden Unterlassungsansprüchen auf den Beseitigungsanspruch s. auch unten E.I. 338 Rupp, Grundfragen, S. 162; ders., in: FS Badura, S. 995 ff., 1004; ders., JZ 2005, S. 157 f., der nunmehr vom „ungeschriebenen Grundrecht“ spricht; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 39, 43; Aicher, Eigentum, S. 52, 67; Imhof, Obligation und subjektives Recht, S. 41. Ein Einzelfall ist der umgekehrte Weg geblieben, die Bedeutung des subjektiven Rechts nicht in den Ge- und Verboten an andere, sondern ausschließlich in der dem Rechtsinhaber vom objektiven Recht erteilten Erlaubnis zu sehen. So will Roth, Organstreitigkeiten, S. 419 ff., subjektive Rechte anerkennen, welche durch erlaubende Rechtssätze eingeräumt sind, womit lediglich Ausübung und Geltendmachung, gerade aber keine Rechtsmacht gegenüber Dritten verbunden sein soll, kritisch dazu unten c. Die Erlaubnis stellt auch Schantz, Das subjektive Recht, S. 11 ff., 14, in den Mittelpunkt, der die Willensmacht nicht kantia334 335

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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der Ansprüche konstruiert, welche oben als sekundäre Hilfsrechte bezeichnet wurden. Erst die brennpunktartige Bündelung derartiger Ansprüche ergibt die oben als Primärrecht bezeichnete Position. So scheint es nach dieser Auffassung genau umgekehrt: die sekundären Hilfsrechte sind das Primäre, das Primärrecht daneben ist ein sich daraus ergebendes sekundäres Etwas, was der Anschaulichkeit halber als subjektives Recht bezeichnet wird, normativ aber aus nichts anderem besteht als der Summe der Sekundärrechte. Damit wird z. B. im Falle des Eigentums entgegen dem abweichenden Wortlaut des § 903 BGB nur der Ausschließungsbefugnis eine rechtliche Bedeutung zugemessen, nicht aber der Einwirkungsbefugnis auf die Sache. Der Genuss des Rechts, die Nutzung der Sache, besitzt als Wollen-Dürfen keine rechtliche Relevanz. Es ist bloße faktische Folge und Reflex der Ausschließungsbefugnis. Das Dürfen ist normlogisch eine Erlaubnis und besteht als solche nur in der Abwesenheit von Geund Verboten. Zu Grunde liegt all diesen Auffassungen ein Verständnis des Begriffs der objektiven Rechtsnorm im Sinne der analytischen Rechtstheorie. Nach dieser besteht ein vollständiger Rechtssatz stets in einem das Verhalten von Menschen regelndem Sollenssatz. Inhalt des Sollens sind die deontischen Grundmodalitäten von Ge- und Verbot und deren jeweilige Verneinung, die Erlaubnis und die Freistellung. Dieses Verständnis des Rechts beruht auf einer analytisch-reduktionistischen Sichtweise. Gilt der Satz, dass jedem Recht eine Pflicht entspricht, aber nicht jeder Pflicht ein Recht, so kann eine formale Erfassung des Rechts, welche sich zur Aufgabe eine „Theorie des positiven Rechts schlechthin, nicht einer speziellen Rechtsordnung“339 macht, als Anknüpfungspunkt nur die Konstante der Pflicht machen. Da das subjektive Recht Teil der objektiven Rechtsordnung ist, kehrt das Verständnis der Norm bei der Konstruktion des subjektiven Rechts wieder. Die entsprechende Argumentation wird auch in der Grundrechtsdogmatik aufgegriffen. Die durch die Grundrechte gewährten Rechte werden demzufolge ausschließlich in Abwehransprüchen gesehen.340 Träfe eine solche Argumentation zu, würde es im Falle absoluter Rechte kein Primärrecht im oben dargestellten Sinne geben und folglich auch keine damit einhergehende Rechtsmacht dieser Primärposition, von der auf das Bestehen von Abwehransprüchen sowie auf Rechtsschutzansprüche geschlossen werden könnte. Daher bedarf es einer Auseinandersetzung und Widerlegung dieser Ansicht.

nisch wie v. Savigny, sondern vielmehr den „Willen“ des subjektiv Berechtigten als Ausschnitt aus der „volonté générale“ verstanden wissen will und damit an Rousseau und Hobbes anknüpft, vgl. Schantz, S. 12 f. Ebenso stellt Fichte, Grundlage, S. 324, maßgeblich auf die Erlaubnis ab: „Ein Recht ist offenbar etwas, dessen man sich bedienen kann; es erfolgt sonach aus einem bloss erlaubenden Gesetze . . . “ [Hervorh. vom Verf.]. 339 Kelsen, Rechtslehre, S. 1. 340 Vgl. Rupp und Schwabe (Fn. 338).

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D. Das subjektive Recht

aa) Eigenständige Bedeutung des Primärrechts Eine erste Frage ist, ob die Reduktion des subjektiven Rechtes auf die Pflicht(en) der Anderen bzw. die damit korrelierenden Ansprüche des Rechtsinhabers in sich schlüssig ist. So muss an der damit behaupteten rechtlichen Irrelevanz der Erlaubnis gezweifelt werden. Die eigenständige Bedeutung der Erlaubnis, welche in der Zuweisung der Primärposition zum Ausdruck kommt, ist zu untersuchen. Zunächst ist festzustellen, dass die Erlaubnis auch in der analytischen Rechtstheorie nicht schlechthin unbedeutend ist. Sie gehört zu den deontischen Grundmodalitäten. Diese sind gegenseitig austauschbar und normlogisch äquivalent. Je nachdem, welche dieser Grundmodalitäten man zur Darstellung des Rechts auswählt, erscheint „die Welt des Rechts . . . als eine freundliche Welt aus lauter Erlaubnis-Sätzen oder aber als ein strenge Welt der Gebote oder gar als düstere Welt der Verbote“.341 Im letzteren Fall kommt das Recht archaisch als Tabu daher, denn Tabu bedeutet Verbot. Im erstgenannten Fall der „freundlichen Welt“ liegt es nur scheinbar anders. Die Bedeutung der exklusiven Erlaubnis an den subjektiv Berechtigten liegt lediglich in der sich daraus ergebenden Nicht-Erlaubnis aller anderen Rechtssubjekte. Die dem Rechtsinhaber erteilte Erlaubnis besitzt in der durch das subjektive Recht geschaffenen Relation nach wie vor normtheoretisch keine Relevanz.342 Eine eigenständige Bedeutung könnte man der Erlaubnis jedoch dann nicht mehr absprechen, wenn nachgewiesen werden könnte, dass die Erlaubnis nicht stets mit der bloßen Abwesenheit eines Verbotes gleichgesetzt werden kann. In der Tat besteht die Erlaubnis nicht immer nur in einem Nichtverbotensein, denn Erlaubnis ist nicht gleich Erlaubnis.343 Vielmehr sind mehrere Modalitäten des Rödig, Rechtslehre, S. 40. So fragt Kant, MdS, Einleitung in die Metaphysik der Sitten IV. (S. 58), ob „außer dem Gebotsgesetze (lex praeceptiva, lex mandati) und dem Verbotgesetze (lex prohibitiva, lex vetii) noch ein Erlaubnisgesetz (lex permissiva) erforerlich sei“ [Hervorh. im Original]. Die Ausführungen Kants beziehen sich hierbei auf das moralisch-praktische Gesetz des kategorischen Imperativs, vgl. Kant, S. 57. Gleichwohl überträgt Kant dieses deontologische Modell auch auf das Recht, vgl. Kant, S. 78 [Hervorh. vom Verf.]: „Warum wird die Sittenlehre (Moral) gewöhnlich (namentlich von Cicero) die Lehre von den Pflichten und nicht auch die Lehre von den Rechten betitelt? Da doch die einen sich auf die anderen beziehen. – Der Grund ist dieser: Wir kennen unsere eigene Freiheit (von der alle moralischen Gesetze, mithin auch alle Rechte sowohl als Pflichten ausgehen) nur durch den moralischen Imperativ, welcher ein pflichtgebietender Satz ist, aus welchem nachher das Vermögen, andere zu verpflicheten, d.i. der Begriff des Rechts, entwickelt werden kann“. Anders sieht etwa Fichte die Bedeutung erlaubender Rechtssätze. Er definiert das Recht als Erlaubnis geradezu im Gegensatz zur verpflichtenden Moral, vgl. Fichte, Grundlage, S. 359: „Das Sittengesetz gebietet kategorisch die Pflicht: das Rechtsgesetz erlaubt nur, aber gebietet nie, daß man sein Recht ausübe“. Infolgedessen kann das Recht nicht aus der Moral abgeleitet werden, vgl. Fichte, S. 324. 343 Dies wird anerkannt, wenn zwischen der Erlaubnis, die einem nicht bestehenden Verbot gleichzusetzen ist, und der Erlaubnis, welche von einem bestehenden Verbot eine Aus341 342

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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Dürfens zu unterscheiden.344 Wenn über das „Nichtverbotensein“ hinaus auch das „Nichtverbotenwerdendürfen“ Bestandteil der (bis zur ordnungsgemäßen Aufhebung andauernden) Erlaubnis ist, lässt sich dieses Dürfen in Anbetracht des zeitlichen Aspekts nicht mehr als bloße Kehrseite der dem subjektiven Recht korrelierenden Pflicht fassen. Dieses Problem wird bereits durch Thon, der im deutschsprachigen Raum die Imperativentheorie erstmals formuliert hat, gesehen, wenn er ausführt: „Ich sehe ab von der Möglichkeit, dass etwa der Satz [eine Erlaubnis, M. H.] eine besondere Garantie gegen künftige Verbote der Occupation seitens der Gesetzgebung enthalten soll. Alsdann wäre seine Bedeutung ähnlich der einer gesetzlich ausgesprochenen Freiheit der Presse, der Freizügigkeit, der Passfreiheit, der freien Verehelichung und anderer sog. Freiheitsrechte. Derartige Freiheitsverkündigungen können allerdings rechtlich ihre Bedeutung haben – und bekommen sie namentlich durch ihre Aufnahme in die Verfassung, weil darnach der Erlass eines jene Freiheit aufhebenden Verbots nur in der für Verfassungsänderungen vorgeschriebenen Form ausgesprochen werden kann“.345 Somit ergibt sich offenbar bei verfassungsmäßig konstituierten subjektiven Rechten ein Problem. Einerseits verneinte man bei den sog. Freiheitsrechten die normlogische Relevanz des Dürfens, andererseits käme ihr aber im Rahmen des Stufenbaus der Rechtsordnung gleichwohl eine solche Relevanz zu als sie die ermächtigenden Normen einschränkt.346 Diese ermächtigenden, die Rechtserzeugung regelnden Normen lassen sich ebenfalls in Imperative auflösen. Sie stellen ein Gebot an den Normadressaten dar, dem Gebot eines anderen, des Normgebers, zu folgen. So ist ein und dasselbe Dürfen im Rahmen der Imperativentheorie relevant und doch nicht relevant. Inwiefern diese Unstimmigkeit durch Zusatzannahmen ausgeräumt werden kann, ist fraglich. Jedenfalls scheint dieses Problem durch die Imperativentheorie bislang nicht gelöst. So lässt auch Thon diese Frage offen, indem er von dieser Fallkonstellation „absieht“.347 Den Vorwurf eines Widerspruchs könnte man versucht sein dadurch zu umgehen, dass man darauf verweist, mit dem Begriff des subjektiven Rechts werde hernahme macht, differenziert wird und in letzterem Falle der Erlaubnis eine rechtliche Relevanz beigemessen wird, so z. B. Kelsen, Rechtslehre, S. 15 f. Vgl. auch Fichte, Revolution, S. 220, der danach unterscheidet, ob eine erlaubte Handlung auch geboten oder nur nicht verboten ist: „Alles, was das Gesetz nicht verbietet, dürfen wir thun. Was wir thun dürfen, dazu haben wir, weil dieses Dürfen gesetzlich ist, ein Recht . . . Unsere Pflicht zu thun haben wir auch ein Recht; aber wir haben nicht das ihm entgegengesetzte Recht, sie nicht zu thun . . . Die Berechtigung ist also in diesen beiden Fällen sehr verschieden“. 344 Instruktiv Somló, Grundlehre, §§ 128, 129; Weinberger, Rechtslogik, S. 206. 345 Thon, Rechtsnorm, S. 346 Fn. 50. 346 Weinberger, Rechtslogik, S. 206: „Wenn in einem Normsatzsystem A ausdrücklich erlaubt ist . . . und A verboten wird, entsteht ein logischer Widerspruch im System; ist A nur erlaubt (weil nicht verboten), dann kann das Verbot von A ohne Konflikt eingeführt werden“; zum Problem auch Alexy, Theorie, S. 207 f. 347 Vgl. Fn. 345.

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D. Das subjektive Recht

kömmlicherweise ja nicht ein Verhältnis des subjektiv Berechtigten zum Normgeber, sondern dasjenige zu dem durch das Recht Verpflichteten beschrieben.348 Besonders zu Tage tritt das Auseinanderfallen dieser rechtlichen Relationen bei zivilrechtlichen subjektiven Rechten. Nicht einzuleuchten vermag dieser Hinweis jedoch dann, wenn subjektive Rechte den Gesetzgeber verpflichten, wie etwa die Grundrechte gem. Art. 1 Abs. 3 GG. Dann decken sich die Verhältnisse aus Rechtserzeugung und Adressatenstellung bezüglich des subjektiven Rechts. Nun kann doch für ein und denselben Gesetzgeber ein und dieselbe Primärposition eines Freiheitsgrundrechts aber doch nicht zugleich normlogisch bedeutsam und unbedeutsam sein. Soweit der eigenständige normlogische Gehalt von der theoretischen Basis der Imperativentheorie aus bestritten wird, ist dies nicht ohne Ungereimtheiten und daher letztlich nicht überzeugend. So lässt sich zusammenfassend zur normlogischen Relevanz des Dürfens mit Somló sagen: „Wenn man sich die Hilflosigkeit der juristischen Theorien des Dürfens oder der Freiheitsrechte vergegenwärtigt, könnte man sich zur besten Kennzeichnung dieser Theorien des Ausspruchs Malebranches: la liberté c’est un mystère bedienen“.349 Ferner kann der Gleichsetzung des subjektiven Rechts mit den daraus folgenden Sekundäransprüchen nicht zugestimmt werden. Zwischen dem Dürfen des Rechtsinhabers und den Verboten an alle anderen besteht keine logische Koppelung. Die Addition aller Sekundärrechte ergibt daher nicht die Primärposition. Damit erweist sich die Prämisse für einen Rückschluss der Primärposition aus der Addition aller Sekundärrechte als nicht zutreffend. Verfällt man trotzdem in eine solche Tautologie von Recht und Anspruch, dann verkennt man den zwischen beiden bestehenden Unterschied. Die brennpunktartige Bündelung und Spiegelung der Verbote an alle anderen außer dem Rechtsinhaber ergibt weder das Dürfen des Berechtigten, noch ergibt sich aus dem Dürfen des Berechtigten das Verbot an alle anderen. Überzeugend dargelegt hat dies Hohfeld.350 Für das Dürfen verwendet Hohfeld den Ausdruck „privilege“, als dessen Korrelat die Bezeichnung „no-right“, für den 348 Vgl. Kelsen, Hauptprobleme, S. 620, zu dieser „Doppelwirkung“ des subjektiven Rechts gegenüber dem Verpflichteten und dem Staat: „es . . . ist dasselbe Recht nur in zwei verschiedenen Relationen“, wenn auch Kelsen selbst, S. 662 f., das subjektive Recht als Relation des Einzelnen zur Norm und damit zum Staat begreift. 349 Somló, Grundlehre, S. 453. 350 Hohfeld, Fundamental Legal Conceptions, 1923; dem folgend Portmann, Wesen und System der subjektiven Privatrechte, 1996; kritisch zum Dualismus von „right“ und „privilege“, Aicher, Eigentum, S. 45 ff.; es besteht kein logischer Zusammenhang zwischen der Erlaubnis des Rechtsinhabers und dem Verbot an Dritte, so auch Reinach, Phänomenologie, S. 191, der absolute Rechte ohne diese flankierende „klagbare Ansprüche auf Beseitigung“ kennt. Diese bezeichnet er analog zu dem hinsichtlich relativer Rechte verwendeten Ausdruck der Naturalobligation als „naturale Sachenrechte“, deren Begriff „durchaus widerspruchsfrei sei“; zur Eigenständigkeit erlaubender Rechtssätze zur Begründung subjektiver Rechte auch Roth, Organstreitigkeiten, S. 429 ff., 435 ff.; zur Gegenansicht, die das Recht und Verbot gleichsetzt s. Fn. 315 oder das Recht überhaupt nur als Verbot begreift s. Fn. 338.

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Anspruch den Ausdruck „right“, als dessen Korrelat die Bezeichnung „duty“.351 Die Thesen von Hohfeld lauten352: wenn a gegenüber b die Handlung x vornehmen darf (privilege), dann trifft a zum einen keine Pflicht gegenüber b, x auszuführen. Umgekehrt hat b gegenüber a keinen Anspruch darauf, dass a die Handlung x unterlässt. Aber a hat auch keinen Anspruch darauf, dass b ihn nicht daran hindert, x auszuführen. Ein von Hohfeld hierzu formuliertes Beispiel mag das verdeutlichen: „A, B, C and D, being the owners of the salad, might say to X: ,Eat the salad, if you can; you have our license to do so, but we don’t agree not to interfere with you.‘ In such a case the privileges exist, so that if X succeeds in eating the salad, he has violated no rights of any of the parties. But it is equally clear that if A had succeeded in holding so fast to the dish that X couldn’t eat the contents, no right of X would have been violated“.353 Diese Thesen sollen an Hand positivrechtlicher Belege überprüft werden. Im Gesetzestext finden sich Abwehransprüche, ohne dass diesen ein subjektives Recht bzw. Primärrecht entnommen wird. Dies zeigt, dass aus einem Verbot an andere nicht zwingend ein Dürfen dessen folgt, der von diesem Verbot ausgenommen ist.354 So besitzt etwa der Dieb Abwehransprüche, §§ 861 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB, bzw. ein Selbsthilferecht, §§ 861 Abs. 2, 862 Abs. 2, 859 Abs. 1 BGB. Daraus, dass allen anderen verboten ist, dem Dieb den Besitz zu entziehen, kann nicht auf ein entsprechend anerkanntes Dürfen des Diebes i. S. eines rechtlich geschützten Interesses geschlossen werden. In den Worten der oben verwendeten Terminologie besteht in Person des Diebes ein „right“, jedoch kein „privilege“. Ersichtlich wird dies daran, dass der Besitz als „sonstiges Recht“ deliktischen Schutz im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB genießt, nicht jedoch die dem Dieb durch die Ansprüche aus §§ 861, 862 BGB und die Rechte aus § 859 Abs. 1, Abs. 2 BGB vermittelte Position. Der nichtberechtigte Besitzer, also derjenige, welcher nicht besitzen darf, hat keinen Deliktsanspruch, weil ihm zwar Verteidigungsmöglichkeiten zustehen, aber ihm aber kein „sonstiges Recht“ zugewiesen wird, welches den Besitz durch ihn positiv erlaubt.355 Umgekehrt lassen sich positivrechtliche Belege dafür anführen, dass einem Dürfen nicht notwendig die Verbote an alle anderen bzw. als Kehrseite Ansprüche gegen diese folgen. So differenziert die Vorschrift des § 9 PatG zwischen dem BenutHohfeld, Fundamental Legal Conceptions, S. 36. Hohfeld, Fundamental Legal Conceptions, S. 38 ff. 353 Hohfeld, Fundamental Legal Conceptions, S. 41. 354 Vgl. nur die im Deliktsrecht entwickelten Abwehransprüche, zu diesen bereits oben D.I.1.c). 355 Vgl. dazu auch Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 607; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 13; ein ähnliches Problem stellt sich beim Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, vgl. dazu Schilcher, in: FS Bydlinski, S. 353 (365). Ein allgemeines Dürfen macht noch kein subjektives Recht. Der Gewerbebetrieb ist nicht gegen alle Eingriffe, sondern nur gegen unmittelbar betriebsbezogene geschützt, dazu Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 126 f., 128. 351 352

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zungsrecht des Patentinhabers in § 9 S. 1 PatG einerseits und den näher spezifizierten Verboten an Dritte in § 9 S. 2 PatG andererseits. Dass nun das Dürfen des Patentinhabers und die Verbote an Dritte betreffend zwei zu unterscheidende Anordnungen betreffen, ersieht man daran, dass das Gesetz in § 12 PatG ein Vor- und Weiterbenutzungsrecht vorsieht, welches gem. § 12 Abs. 1 S. 2 PatG dazu befugt, eine Erfindung für die Bedürfnisse des eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen.356 Dieser Befugnis korrespondieren aber nach h. M. keine Ansprüche gegen Dritte.357 Die rechtliche Wirkung des Vor- und Weiterbenutzungsrechts besteht vielmehr darin, dass zum einen, wie bereits ausgeführt, die Erfindung benutzt werden kann und zum anderen gem. § 12 Abs. 1 S. 1 PatG die Wirkung des Patents gegenüber dem Vor- bzw. Weiterbenutzungsberechtigten nicht eintritt.358 Die rechtliche Bedeutung dieser durch § 12 PatG eingeräumten Position liegt also in der neutralisierenden Funktion gegenüber anderen Rechten, hier dem Patentrecht. Insoweit bestätigt sich die These von Hohfeld, der dem Dürfen als „privilege“ das „no-right“ als Korrelat gegenüberstellt.359 Auf die Bedeutung des Dürfens als Gegenrecht ist im Übrigen bereits hinlänglich aufmerksam gemacht worden.360 Ergibt sich somit weder aus der Erlaubnis an den Rechtsinhaber reziprok ein Verbot an Dritte noch umgekehrt aus einem Verbot an Dritte reziprok eine Erlaubnis des Rechtsinhabers, so ist es nicht statthaft, aus dem einen Sachverhalt auf den andern zu schließen. Die Primärposition des subjektiven Rechts kann folglich nicht aus den Sekundärrechten gefolgert werden und erschöpft sich auch im Übrigen nicht in diesen. Neben den bisher angestellten Überlegungen ergibt sich dies daraus, dass der Gehalt des Primärrechts nicht modal durch die Verbote an andere umschrieben werden kann.361 Nimmt man das Kriterium der Willensmacht ernst,

Dieses Recht ist auch verkehrsfähig, vgl. § 12 Abs. 1 S. 3 PatG. Benkard, Patentgesetz, § 12, Rn. 4; Busse, Patentgesetz, § 12, Rn. 3; Schulte, Patentgesetz, § 12, Rn. 8, der entgegen den Vorgenannten das Recht aus § 12 PatG als „sonstiges Recht“ i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB anerkennen will, jedoch ebenfalls diesem Recht keine Abwehransprüche gegen Dritte entnehmen will, da es insoweit kein Ausschließlichkeitsrecht sei. 358 Busse, Patentgesetz, § 12, Rn. 41. 359 Daher nicht überzeugend Imhof, Obligation und subjektives Recht, S. 25, der die Erlaubnis als Selbstverpflichtung begreift und daher dieser Selbstverpflichtung ein Anspruch dessen korrespondiert, dem die Erlaubnis erteilt wird. Dass aber die Erlaubnis nicht notwendig mit einem Anspruch gleichgesetzt werden kann, hat die vorstehende Untersuchung gezeigt. 360 Zur Bedeutung des Dürfens als Gegenrecht im Zusammenhang mit subjektiven Rechten bereits Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, S. 48; ders., AcP 163 (1964), S. 346 (349): „Die Kraft greift immer ein, wenn eine sie ausschließende Gegenkraft fehlt“; zum Dürfen als „Gegenrecht“ auch Larenz, BGB AT, S. 227; Portmann, System, S. 173 ff. 361 So wurde in § 1004 BGB vom historischen Gesetzgeber der Begriff der „Beeinträchtigung“ gewählt, weil man eine nähere Beschreibung aller möglichen Zuwiderhandlungen für nicht möglich hielt, vgl. Jakobs / Schubert, Sachenrecht I, S. 851 f. 356 357

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so findet sich dieser Wille als normatives Phänomen doch immer beeinflusst durch das Objekt dieses Willens, einem Ausschnitt der Lebenswirklichkeit. So kann etwa gem. § 903 Abs. 1 BGB der Eigentümer einer Sache mit dieser nach Belieben verfahren. Ist danach der Wille des Eigentümers bezüglich der Sache bestimmend, so determiniert umgekehrt die Sache den Willen des Eigentümers als die in ihr liegenden Verwendungsmöglichkeiten dem sie bestimmenden Willen ihrerseits Grenzen setzt.362 Das Postulat der strengen Trennung von Sein und Sollen, das der analytischen, normlogischen Betrachtungsweise zu Grunde liegt, ist insofern nicht strikt durchzuhalten. Nach dem Vorgesagten erscheint es angebracht, den normlogischen Bedenken gegen eine eigenständige Kategorie des Dürfens kein allzu großes Gewicht beizumessen. Anerkennt man aber die Kategorie des Dürfens, so folgt daraus, dass dem zugewiesenen Primärrecht bei absoluten Rechten gegenüber den damit verbundenen Sekundärrechten eine eigenständige Bedeutung zukommt.363 bb) Das subjektive Recht als Begriff der Rechtsdogmatik Hat die logisch-formalistische Sicht des Rechts schon die ihr eigenen Probleme, so erscheint es davon einmal abgesehen zweifelhaft, inwiefern es sich überhaupt empfiehlt, diesen rechtstheoretischen Ansatz als allein maßgeblich für die rechtsdogmatische Begriffsbestimmung des subjektiven Rechts zu machen. Hierbei geht es nicht mehr um die rechtstheoretische Widerlegung, sondern die Zweckmäßigkeit der Bildung dogmatischer Begriffe. (1) Der Begriff der Rechtsdogmatik Vor die weitere Applikation des Begriffs der Dogmatik364 sei an dieser Stelle der elementare Versuch einer Klärung des in der Arbeit verwendeten Verständnisses von Begriff, Funktion und Aufgabe rechtswissenschaftlicher Dogmatik gestellt. Dies scheint insbesondere mit Blick darauf angebracht, als von dem vorliegend zu bestimmenden Begriff des subjektiven Rechts oft existenzial-ontologisch verbrämt von einem „Wesen“ oder der „Natur“ des subjektiven Rechts die Rede ist. Hierdurch wird suggeriert, das subjektive Recht wäre ein Gegenstand mit vorgegebenen bestimmten Eigenschaften, aus welchen man Schlussfolgerungen losgelöst vom Gesetz axiomatisch-deduktiv ziehen könnte. Der Begriff des subjektiven Rechts ist geradezu das Schibboleth begriffsjuristischer Konstruktion und Theo362 Vgl. zum Verhältnis des Rechts zu seinen „realen Vorgegebenheiten“ auch Zippelius, Das Wesen des Rechts, S. 53 ff. 363 Für die Eigenständigkeit des Dürfens als normative Kategorie auch: Roth, Organstreitigkeiten, S. 429 ff.; Portmann, System, S. 173 ff.; Alexy, Theorie, S. 203 ff. unterscheidet ebenfalls zwischen bewehrten und unbewehrten Freiheiten. 364 Vgl. dazu den Überblick bei Struck, JZ 1975, S. 84.

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rienbildung.365 „Allen ,Überwindungen‘ trotzend ist jenes konstruktive Begriffsdenken noch heute vielfach unreflektiert der feste Rückhalt der Vulgärdogmatik“.366 Der Vorstellung des subjektiven Rechts in dem Bild einer Pyramide als deren Spitze,367 sowie die Assoziation von Dogmatik bzw. Systematik mit der überkommen Begriffsjurisprudenz368, 369 und einer daraus resultierenden Abneigung gegen abstrakt-begriffliche Systembildung370 soll entgegengetreten werden. Dogmatik geht von der Annahme aus, dass die Rechtsordnung kein amorphes Chaos ist,371 vielmehr eine rationale Durchdringung möglich ist.372 Dazu ist die Herausarbeitung sachlicher Kriterien erforderlich, welche es erlauben den Rechtsstoff zu systematisieren. Die dabei verwendeten dogmatischen Begriffe sind durch Induktion aus den gesetzlichen Regelungen gewonnene begriffliche Abstraktionen. Damit soll keine essentialistische Begriffsjurisprudenz betrieben werden, sondern die verwendeten dogmatischen Begriffe werden im Sinne eines nominalistischen Begriffskeptizismus verstanden. Insofern erfolgt eine sprachliche Deutung von Dogmatik als Metasprache.373 Durch den Vorgang der Induktion wird deutlich, Vgl. oben Fn. 293 sowie dort im Text. Esser, AcP 172 (1972), S. 97. 367 Dazu Röhl, Rechtslehre, S. 42. 368 So schreibt v. Savigny, Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft, S. 22: „In jedem Dreyeck nämlich giebt es gewisse Bestimmungen, aus deren Verbindung zugleich alle übrigen mit Nothwendigkeit folgen: durch diese, z. B. durch zwey Seiten und den zwischenliegenden Winkel, ist das Dreieck gegeben. Auf ähnliche Weise hat jeder Theil unseres Rechts solche Stücke, wodurch die übrigen gegeben sind. Wir können sie die leitenden Grundsätze nennen. Diese heraus zu fühlen, und von ihnen ausgehend den inneren Zusammenhang und die Art der Verwandtschaft der juristischen Begriffe und Sätze zu erkennen, gehört eben zu den schwersten Aufgaben unsrer Wissenschaft, ja es ist eigentlich dasjenige, was unsrer Arbeit den wissenschaftlichen Charakter giebt“. Der Gedanke und die Übertragung des mos geometricus auf alle wissenschaftliche Erkenntnis, eine mathesis universalis, ist und bleibt ein dogmatischer Traum. Richtig bleibt jedoch die Einschätzung v. Savignys, dass die Rechtswissenschaft nur insofern Rechtswissenschaft ist, als sie Systematik und damit Dogmatik betreibt. Die Dogmatik in ihrer Eigenschaft als wissenschaftliche Theorie des konkret geltenden Rechts ist lediglich auf ein anderes wissenschaftstheoretisches Fundament zu stellen. 369 Auf den Zusammenhang von Dogmatik und Begriffsjurisprudenz weisen hin Larenz, Methodenlehre, S. 165, 439; Esser, AcP 172 (1972), S. 97 (99); Simitis, AcP 172 (1972), S. 131 (132). 370 Larenz, Methodenlehre, S. 439. 371 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 83. 372 Hain, JZ 2002, S. 1036 (1037); Simitis, AcP 172 (1972), S. 131 (132): „In den Mechanismen dogmatischer Reflexionen konkretisiert sich einmal mehr jener bereits in der Positivierung des Rechts manifestierte Kalkulierbarkeitsanspruch“; Volkmann, in: JZ 2005, S. 261 (262): „Rationalisierungs- und Strukturierungsfunktion“. 373 So auch Kühling / Lieth, EuR 2003, S. 371 (383); Volkmann, JZ 2005, S. 261 (262): „System von Sätzen, mit denen das geltende Recht begrifflich-systematisch durchdrungen . . . wird“; Metasprache insofern, als Dogmatik in Form einer Theorie über einen Normtext spricht, der selbst sprachlich verfasst ist. 365 366

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dass Bezugspunkt immer die Rechtsordnung ist und die so verstandene Dogmatik eng mit dem Begriff des Positivismus verknüpft ist. Insofern bildet das jeweils geltende Recht Grundlage und Grenze der rechtswissenschaftlichen Systembildung.374 Die einzelnen Dogmen werden gewonnen durch Auslegung des Gesetzes. Andererseits wird angesichts der stetigen Änderung der Rechtsordnung klar, dass Dogmatik ein historischer Prozess ist, der der immerwährenden Anpassung bedarf.375 Was dogmatische Sätze betrifft ist Dogmatik als Systematik zu verstehen. Für die Wissenschaftlichkeit von Dogmatik ist der Gedanke des (inneren) Systems376 wesentlich. Diesem liegt eine Einheitsvorstellung zugrunde, mit welcher Gleichbehandlung ermöglicht wird und Widersprüchlichkeiten sichtbar gemacht und ausgeräumt werden können. Zumeist wird diese Einheit erreicht mittels einer binären Klassifikation in basale und nicht-basale Sätze und die Rückführbarkeit aller nicht-basalen Sätze auf basale. Je nach dem Steuerungsgrad der basalen Sätze sind die Systeme mehr oder minder geschlossen oder offen.377 Dieses fundamentalistische Verständnis kann mit dem Bild des Erkenntnisgebäudes beschrieben werden. Vorliegend wird Dogmatik und damit rechtswissenschaftliche Erkenntnis als sprachliches Phänomen erklärt und als wissenschaftstheoretische Basis eine graduelle, semantische Kohärenztheorie378 befürwortet. Dementsprechend soll Systematik nicht fundamentalistisch, sondern allein im Sinne der Herstellung von Kohärenz379 verstanden werden. Danach wären alle dogmatischen Sätze als nicht-basale 374 Volkmann, JZ 2005, S. 261 (262); Hain, JZ 2002, S. 1036 (1038). Die folgenden Ausführungen gehen davon aus, dass Recht immer das „positive Recht“ ist; vgl. v. Savigny, System I, § 5 (S. 14 ff.); Fichte, Grundlagen, S. 397 ff.; Hegel, Grundlinien, § 3; Kelsen, Rechtslehre, S. 201 ff.; Somló, Grundlehre, S. 16 ff.; Larenz, Das Problem der Rechtsgeltung, S. 5; Bierling, Prinzipienlehre I, S. 3 ff.; die Rechtssätze sind als Data mit dogmatischen Sätzen zur Kohärenz zu bringen, dazu unten Fn. 380. Zur engen Verbindung von Dogmatik und positivem Recht vgl. auch Simitis, AcP 172 (1972), S. 131 (132): „Die Dogmatik ist . . . nichts anderes als die konsequente Fortsetzung der Positivität“; grds. auch Esser, AcP 172 (1972), S. 97 f. 375 Hain, JZ 2002, S. 1036 (1038 f.). 376 Der Systemgedanke ist mit allerlei Vorverständnissen behaftet und wird unterschiedlich gedeutet, vgl. Larenz; Methodenlehre, S. 165 ff., 437 ff., 474 ff.; zur Systematisierungsleistung kohärentistischer Theorien und Erklärungen vgl. Bartelborth, Begründungsstrategien, S. 249 ff., 303 ff., 347 ff.; Puntel, Wahrheitstheorien, S. 191 f. 377 Hain, Grundsätze, S. 83 ff. 378 Die Ausführungen beziehen sich vornehmlich auf Bartelborth, Begründungsstrategien, 1996. 379 Kohärenzanforderungen werden auch an fundamentalistische Systeme gestellt, dort zumeist an die Basalsätze (axiomatische, axiologische oder andere Sätze), aber zuweilen auch an die daraus abgeleiteten nicht-basalen Sätze, vgl. Hain, JZ 2002, S. 1036 (1037 Fn. 12); vorliegend soll darüber hinausgehend die Kohärenz selbst zum konstitutiven Prinzip erhoben werden. Die Kohärenz geht damit über die bloße Konsistenz, d. h. Widerspruchsfreiheit, hinaus. Zur systematischen Kohärenz, Bartelborth, Begründungsstrategien, S. 192 ff., 193;

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anzusehen.380 Ihre Rechtfertigung liegt nicht in der Rückführbarkeit auf basale Sätze, sondern in der Kohärenz mit anderen Sätzen. Die Plausibilität eines neuen Satzes steigt, je höher die Zahl der bereits anerkannten Sätze im System ist, mit denen er zur Kohärenz gebracht werden kann, und je geringer die Zahl der Sätze ist, mit denen Inkohärenz besteht. Weiterhin ist relevant, wie bewährt der jeweilige Satz, zu dem Kohärenz besteht, seinerseits ist, was sich wiederum unter anderem aus der Anzahl seiner inferentiellen Beziehungen mit anderen Sätzen ergibt.381 Dogmatische Sätze sind Theorien382, welche die Rechtsordnung beschreiben und erklären.383 Dogmatik in diesem Sinne ist eine Theorie der konkret geltenden Rechtsordnung, wobei die einzelnen dogmatischen Sätze zwar nicht der Logik einer begriffsjuristischen Pyramide folgen, gleichwohl nach der hier vertretenen Auffassung hierarchische Strukturen aufweisen als Sätze mit hoher Erklärungskraft und einer dementsprechend großen Anzahl inferentieller Beziehungen größere Bedeutung besitzen als Sätze, welche diese Eigenschaften nicht aufweisen. Für dieses kohärentistische Verständnis ist das Bild eines Netzes angebracht. Die Überzeugungskraft eines Satzes ergibt sich folglich nicht aus der Überzeugungskraft eines anderen Satzes, sondern aus dem Überzeugungssystem als Ganzem. Das System trägt sich selbst.384 Der Unterschied wird in mehrerer Hinsicht deutlich, nämlich bei der Destruktion eines bestehenden Satzes im System und andererseits bei Hinzufügen eines neuen Satzes. Im fundamentalistischen System fällt mit der Widerlegung eines basalen Satzes das ganze Gebäude zusammen. Wird im kohärentistischen Modell eine Verallgemein zu Kohärenztheorien, Coomann, Die Kohärenztheorie der Wahrheit, 1983; zur Kohärenz in der Rechtswissenschaft: Peczenik, Grundlagen der juristischen Argumentation, 1983, dort insbes. S. 176 f., 198, 210; Alexy, Theorie, S. 27, s. dort auch Fn. 26. 380 Wobei zur Klarstellung gesagt sei, dass dies nicht nur bzgl. der Dogmatik als Metasprache gilt. Die Rechtssätze des positiven Rechts stellen als Gegebenheiten, als Data, die Grundlage des durch die Kohärenz ausgebildeten Systems dar. „Es geht dabei um die Bestimmung der Beziehungen zwischen den Propositionen qua Data, nicht im Sinne einer abstrakten Kohärenz, einer ,bloßen Kohärenz‘, sondern im Sinne einer Kohärenz ,mit‘ den Data, genauer: einer ,Data-bezogenen (data-directed) Kohärenz‘“, Puntel, Wahrheitstheorien, S. 188 f. Dies übertragen auf die Rechtswissenschaft bildet folglich das positive Recht als Bezugspunkt die Grenze der Systembildung. Dogmatische Sätze und Erklärungen des positiven Rechts, welche keine Stütze im Gesetz finden, sind mit den Normaussagen nicht zur Kohärenz zu bringen und haben als unwahr zu gelten. 381 Zu diesen verschiedenen Anforderungen vgl. die Übersicht bei Bartelborth, Begründungsstrategien, S. 193. 382 Zum Verständnis von Theorien, vgl. Bartelborth, Begründungsstrategien, S. 269 ff., wonach ein semantisches, nicht syntaktisches Verständnis befürwortet wird; auch rechtswissenschaftliche Aussagen sind „Theorien“ vgl. Röhl, Rechtslehre, S. 139 ff. 383 Zu wissenschaftlichen Erklärungen vgl. Bartelborth, Begründungsstrategien, S. 303. 384 Um mit dem Vokabular des sog. Münchhausen-Trilemmas von Albert, Traktat über kritische Vernunft, S. 13, zu sprechen, scheint die Konzeption von Bartelborth auf den Tropus der Diallele hinauszulaufen, Bartelborth, Begründungsstrategien, S. 213 ff. versucht denn auch – m. E. erfolgreich – die damit verbundenen Einwände auszuräumen.

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netzung gekappt, bleiben immer noch zahlreiche andere. Um einen Satz zu widerlegen, muss man eine größere Zahl von Vernetzungen und damit Kohärenzen beseitigen. Umgekehrt wird bei Hinzufügen eines neuen dogmatischen Satzes in ein bestehendes System größere Akzeptanz zu erwarten sein, wenn man kohärentistisch vorgeht, da der neue Satz zur Kohärenz mit den Sätzen anderer gebracht wird, nicht aber diese Sätze anderer unbedingt in Frage gestellt werden müssen. So ist das Kohärenzmodell, will man es nicht in einem wissenschaftstheoretischen Sinne verstehen, durchaus auch eine Begründungs- und Argumentationsstrategie. Im Übrigen trägt eine kohärentistische Sicht dem Bezug von Dogmatik auf die Rechtsordnung Rechnung: erhebt ein solches Vorgehen doch keinen Anspruch auf abschließende Erfassung aller Fälle und lässt der gelegentlichen Irrationalität des Gesetzes Raum. (2) Der rechtsdogmatische Begriff des subjektiven Rechts Ausgangspunkt für die rechtsdogmatische Begriffsbestimmung des subjektiven Rechts ist das positive Recht. Der Gesetzgeber hat den Begriff des subjektiven Rechts nicht definiert, sondern in zahlreichen gesetzlichen Regelungen vorausgesetzt. Die Rechtsfigur des subjektiven Rechts als Allgemeinbegriff muss folglich durch Induktion aus einer Vielzahl gesetzlicher Regelungen gewonnen werden. Dabei muss dieser Begriff, soll er als genereller Terminus gelten, vom jeweiligen Inhalt der verschiedenen Unterarten subjektiver Rechte absehen und somit notwendig formalisieren. Das subjektive Recht ist die „letzte Abstraktion aus der Vielgestaltigkeit des Rechtslebens“.385 Die Frage ist nur, ob man sich auf diese Formalisierung beschränken soll. Unstreitig ist das subjektive Recht Bestandteil der objektiven Rechtsordnung. Aufgrund dieser Normativität muss die Struktur der Rechtsnorm sich auch bei der Bestimmung des subjektiven Rechts wieder finden. Es mag zutreffen, dass normlogisch alle Rechtssätze auf Imperative rückführbar sind und mit der dadurch gewonnenen Unterscheidung vollständiger von unvollständigen Rechtssätzen eine Systematisierung des Rechtsstoffes möglich ist. Die Darstellung der Rechtsordnung als Pflichtordnung mag es ermöglichen, den Stufenbau der Rechtsordnung u. a. abzubilden. Trotz dieser Vorzüge lässt das allzu einseitige Abstellen auf die Pflicht wesentliche Aspekte der Rechtsordnung außer Betracht. Besonders Larenz hat auf die Bedeutung von Rechtssätzen als Bestimmungssätzen hingewiesen. Nach Larenz verfehlt die Reduktion des Rechts auf Ge- und Verbote den eigentlichen Sinn des Rechts, welcher darin liege, Rechtsfolgen zu setzen. Rechtssätze, welche den Erwerb oder den Verlust eines Rechts begründen, Aussagen zur Rechtsfähigkeit, zur Geschäftsfähigkeit oder zum Status einer Person treffen, lassen sich zwar als Vorbedingungen eines Imperativs erfassen, doch eine solche Vorgehensweise würde den „Bau der Gesetze nicht durchsichtiger, ihr Ver385

Vgl. v. Thur, BGB AT I, S. 53.

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ständnis und ihre Anwendung nicht leichter machen, sondern erheblich erschweren“.386 Larenz wendet sich hierbei nicht gegen die logische Möglichkeit und Schlüssigkeit der Imperativentheorie, sondern gegen das Absprechen eines eigenen Bedeutungsgehalts bestimmter Rechtssätze, welche durch die Imperativentheorie als unvollständig und damit lediglich als Tatbestandsvoraussetzung eines vollständigen Rechtssatzes qualifiziert werden. „Zweifellos gibt es . . . derartige unvollständige Rechtssätze; die Frage ist nur, welche Sätze man dazu zählen will“.387 An dieser Auseinandersetzung wird deutlich, dass der bei der Diskussion um die subjektive Rechtsqualität absoluter Rechte geführte Streit letztlich seine Ursache in der Theorie der Norm hat. Hierbei handelt es sich darum, welcher vorher definierten Menge man den Rechtssatz zuordnen soll, der die Primärposition des absoluten Rechts in Gestalt eines Dürfens zuweist. Nach der Imperativentheorie besitzt diese gesetzliche Bestimmung als unvollständiger Rechtssatz keine Bedeutung, nach anderer Auffassung kommt auch erlaubenden Rechtssätzen eine eigenständige Bedeutung zu. Beide Auffassungen bestreiten jedoch der Sache nach nicht, dass dem Rechtsinhaber eines absoluten Rechts das durch die Primärposition zugewiesene Dürfen erlaubt ist. Nur wird diese Erlaubnis einmal als Abwesenheit eines Verbots vorausgesetzt und deswegen bei der Formulierung des subjektiven Rechts durch die bestehenden Ge- und Verbote an andere als den Rechtsinhaber nicht eigens erwähnt, weil aus diesen auf die Erlaubnis des Rechtsinhabers zurück geschlossen werden kann. Im anderen Fall wird die Erlaubnis den erlaubenden Rechtssätzen zugeordnet und das subjektive Recht als Zusammentreffen einer Erlaubnisnorm mit Ge- bzw. Verbotsnormen definiert. Dies spricht mehr für ein Problem der sprachlichen Formulierung als einen wirklichen sachlichen Unterschied. Ferner ist die Rechtsdogmatik auf ein praktisches Ziel ausgerichtet, den Umgang und die Anwendung des positiven Rechts verständlich und damit handhabbar zu machen. Der Bau der Gesetze wird in der Tat nicht durchsichtiger, ihr Verständnis und die Anwendung nicht leichter, falls man sich auf abstrakte Begriffsbildungen und Normlogik beschränkt. Es erscheint nicht sonderlich hilfreich, die Übertragung des Eigentums als Vorbedingung einer unbekannten Vielzahl von potentiellen Abwehransprüchen darzustellen. Die Rechtsfigur des subjektiven Rechts findet sich in allen Teilbereichen der Rechtsordnung und ist Bestandteil der allgemeinen Rechtslehre. Die allgemeine Rechtslehre ist aber „nicht nur Rechtsformenlehre, sondern auch Rechtsinhaltslehre“.388 Ein reiner Rechtsformenbegriff des subjektiven Rechts leugnet das durch das absolute Recht zugewiesene Primärrecht. Er kann im Falle des § 903 S. 1 BGB die Ausschließungsbefugnis erfassen, jedoch nicht die Einwirkungsbefugnis auf 386 Larenz, Methodenlehre, S. 255; eine weitergehende Kritik der Imperativentheorie findet sich bei Roth, Organstreitigkeiten, S. 436 ff. 387 Larenz, Methodenlehre, S. 255. 388 Nawiasky, Rechtslehre, S. 5.

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die Sache. Er betont unter Außerachtlassung des Primärrechts einseitig die sekundärrechtlichen Abwehransprüche und verwechselt dadurch Mittel und Zweck des subjektiven Rechts. Auch vermag eine solche Ansicht nicht, den Genuss eines Rechts adäquat wiederzugeben und lässt so einen wesentlichen Teilaspekt des Rechts außer Betracht. Der durch die analytische Rechtstheorie gewonnene Begriff der Norm mag die Bedingungen der Möglichkeit zur Statuierung eines subjektiven Rechts durch Normen angeben und gleichsam einen apriorischen Begriff des subjektiven Rechts liefern. Der Rechtsdogmatik tritt jedoch nicht mit dem Anspruch und der Zielsetzung auf, einen Begriff des subjektiven Rechts in allen denkmöglichen Rechtsordnungen zu erarbeiten, sondern Grundlage und Grenze sind für sie das jeweils geltende positive Recht. Bei der definitorischen Festlegung des subjektiven Rechts sind zwar diejenigen Aussagen, welche sich für jede denkmögliche Rechtsordnung machen lassen und folglich auch für die konkret geltende Rechtsordnung Anwendbarkeit beanspruchen, als Minimalanforderungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist bei der rechtswissenschaftlichen Begriffsbildung die Zweckmäßigkeit zu beachten. Wird auf z. B. auf das Primärrecht des Eigentums in §§ 823 Abs. 1, 929 ff. BGB sowie einer Vielzahl weiterer Stellen im Gesetz Bezug genommen, erweist es sich als sinnvoll diesem Primärrecht dogmatisch eine eigenständige Bedeutung zuzumessen. Ebenso verhält es sich bei den Grundrechten. „Wenn ein ,subjektiver Freiheitsbereich‘, der das Korrelat zu Nichtstörungspflichten bildet, von der Verfassung ein ,Grundrecht‘ genannt wird, und solche Benennung nicht abwegig ist, dann müssen diese höchstrangigen ,Rechte‘ ihren Namen nicht vor dem Forum der allgemeinen Rechtslehre verteidigen, sondern sind umgekehrt Maßstab dogmatischer Begrifflichkeit“.389 Nach alledem kann aber die subjektive Rechtsqualität absoluter Rechte rechtsdogmatisch nicht mehr in Frage gestellt werden. c) Die Rechtsmacht als Bestandteil des subjektiven Rechts Wurde unter b) die These untersucht, wonach das subjektive Recht nur bzw. vornehmlich aus den Sekundärrechten bestehe und dem Primärrecht ein eigener Gehalt abzusprechen sei, so hat die im Folgenden zu untersuchende These von Roth genau den umgekehrten Inhalt. Roth vertritt die Meinung, dass zur Begründung eines subjektiven Rechts die Zuweisung einer Position ohne Bewehrung im Verteidigungsfall ausreichend sei. Das Moment der Willens- oder Rechtsmacht des subjektiven Rechts im Verteidigungszustand wird durch ihn kritisiert und er will den Mindestgehalt des subjektiven Rechts auf die Ausübung und Geltendmachung der zugewiesenen Position beschränken. Um bei dem im vorigen Abschnitt gewählten Beispiel des Eigentums zu bleiben: Die Ausübung eines Rechts soll dessen „primärer und eigentlicher Zweck“ sein 389

Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 18 f.

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und im Falle des Eigentumsrechts darin bestehen, „daß der Eigentümer seine Sachen zu den ihm gefallenden Zwecken gebraucht oder sonst mit ihnen nach Belieben verfährt“.390 Die Ausübbarkeit ist nach Roth jedoch „keine hinreichende Bedingung für die Annahme eines subjektiven Rechts“,391 sondern als zweites Merkmal müsse die Befugnis zur eigenständigen Geltendmachung des Rechts hinzukommen, welche darin bestehe, „vom Verpflichteten die Beachtung des subjektiven Rechts und damit des diesem Geltung verleihenden Rechtssatz zu verlangen“.392 Danach kann der Rechtsinhaber im Falle des Eigentums aufgrund der Ausschließungsbefugnis „durch seine Erklärung bestimmen, wer in welcher Weise auf die Sache einwirken darf, und er kann von anderen verlangen, eine von ihm nicht gebilligte Einwirkung zu unterlassen“.393 Im Falle des Eigentums wie überhaupt für das subjektive Recht ist nach Roth eine Bewehrung, die über dieses Verlangenkönnen hinausgeht, für das subjektive Recht nicht wesensnotwendig, denn „dieses Verlangen ist zwar durch die Rechtsordnung als regelmäßig zwangsweise durchsetzbar ausgestaltet (vgl. §§ 985, 1004 BGB), jedoch zum eigentlichen Inhalt des Eigentumsrechts zählt dies nach der Formulierung des § 903 S. 1 BGB nicht“.394 Roth gelangt zu diesem Ergebnis in zwei Schritten. Zunächst unterzieht er die „herkömmlichen Kriterien“ einer Kritik und versucht so die einzelnen Momente der herrschenden Kombinationstheorie zu widerlegen, um anschließend an deren Stelle aufgrund einer „rein formalen Betrachtung“395 die soeben skizzierte Theorie des subjektiven Rechts zu setzen. Unsere kritische Überprüfung der Argumentation von Roth geht den umgekehrten Weg. Zunächst wird die von Roth als Alternative zur herrschenden Kombinationstheorie etablierte Begriffsbestimmung des subjektiven Rechts auf ihre Tauglichkeit untersucht, positiv zur Erfassung dieser Rechtsfigur sowie negativ hinsichtlich einer damit erreichten Abgrenzbarkeit von anderen Phänomenen. Erweist sich dabei, dass die Begriffsbestimmung unzutreffend oder auch unzureichend ist, verbleibt in einem zweiten Schritt immer noch die Aufgabe, die an der Kombinationstheorie, hier insbesondere am Rechtsmachtmoment, von Roth vorgetragene Kritik auszuräumen.

Roth, Organstreitigkeiten, S. 447. Roth, Organstreitigkeiten, S. 449. 392 Roth, Organstreitigkeiten, S. 452. 393 Roth, Organstreitigkeiten, S. 454. 394 Roth, Organstreitigkeiten, S. 454. 395 Roth, Organstreitigkeiten, S. 419 [Hervorh. im Original]; ähnlich Reiling, Individuelle Rechte, S. 344, der das subjektive Recht als „rechtstechnische Erscheinung“ auffasst und „weitgehend rechtsformal“ und „ohne Bezug auf eine bestimmte positive Rechtsordnung“ betrachten will. Dazu, dass eine solch rein formale Begriffsbildung dogmatisch unzweckmäßig ist, s. oben unter D.I.2.b)bb). 390 391

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aa) Subjektives Recht ohne Rechtsmacht als Leerformel Neben der Normativität des subjektiven Rechts nennt Roth die Ausübbarkeit und die Geltendmachung, die kumulativ die notwendigen Merkmale des subjektiven Rechts bilden sollen. Um zu überprüfen, ob diese Begriffsbildung zutreffend ist, vergegenwärtigen wir uns zuvor, worum es bei der Findung des dogmatischen Begriffs und der definitorischen Umschreibung der Rechtsfigur „subjektives Recht“, wie sie vom Gesetzgeber in zahlreichen Einzelvorschriften verwendet wird, geht. Aufgrund seiner Normativität ist das subjektive Recht zugleich auch Bestandteil der Gesamtheit aller Rechtsnormen.396 Es ist individuell-objektives Recht, d. h. es steht nicht gleichsam als ein aliud neben oder über dem objektiven Recht, sondern bildet eine besonders qualifizierte Teilmenge des objektiven Rechts.397 Daraus folgt nun zweierlei: Zum einen muss das subjektive Recht alle Merkmale des objektiven Rechts aufweisen; zum andern muss es darüber hinaus mindestens ein weiteres Merkmal aufweisen, um vom objektiven Recht unterscheidbar zu sein. Neben dem genus proximum ist die spezifische Differenz anzugeben. Untersucht man daraufhin die von Roth angegeben Merkmale der Ausübbarkeit und der Geltendmachung, so zeigt sich, dass die Begriffsbestimmung Schwächen insofern aufweist, als sie die zuvor angegebenen Anforderungen unzureichend erfüllt. Betrachten wir zunächst das Merkmal der Ausübung, von dem der Verfasser selbst sagt, es scheine allzu inhaltsleer, um als eine dogmatische Erkenntnis gelten zu können.398 Die Ausübbarkeit soll sich daraus ergeben, dass das subjektive Recht als Teil des objektiven Rechts wie dieses das äußere Verhältnis von Personen zum Gegenstand hat und insofern auf Außenwirkung gerichtet ist. Die Ausübung ist jedes Verhalten, welches inhaltlich dem Recht entspricht. Wenn nun aber die Ausübbarkeit, d. h. das Verhalten, das dem Recht entspricht, sowohl dem objektiven wie dem subjektiven Recht eigen ist, so ist nicht recht ersichtlich, inwiefern damit eine spezifische Differenz des subjektiven Rechts ausgesagt sein soll. Betrachtet man nun weiter, was mit dem Merkmal Ausübung letztlich umschrieben wird, so ist dies die oben als Primärrecht bezeichnete Position, die „nur aus einer Gewährung stammen kann“.399 Das Dürfen bzw. diese Gewährung, auf die von Roth abgestellt wird, ist aber letztlich nichts anderes als das Phänomen, welches mit dem sowohl von der Interessentheorie als auch im Rahmen der Kombinationstheorie verwendeten Interessenkriterium umschrieben werden soll, nur dass die von Roth verwendete Umschreibung rein formal, mehr abstrakt und daher noch weniger Reiling, Individuelle Rechte, S. 149. Kasper, Subjektives Recht, S. 47; Marcic, Rechtsphilosphie, S. 106, 154; Jellinek, System, S. 9. 398 Roth, Organstreitigkeiten, S. 447. 399 Roth, Organstreitigkeiten, S. 447, der sich mit Merkmal der Ausübbarkeit gerade von der Imperativentheorie abheben will, die das subjektive Recht verkürze, indem sie einseitig den Störfall betone und damit allein das Sekundärrecht umschreibt. 396 397

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trennscharf ist als das Interessenkriterium. Ebenso weist die Umschreibung des Dürfens als rechtlich geschütztes Interesse durch die Interessentheorie insofern zu dem von Roth verwendeten Merkmal der Ausübbarkeit parallele Probleme auf, als die Regelung und Bewertung von Interessen400 sowohl dem objektiven wie auch dem subjektiven Recht eigen ist und folglich eine spezifische Differenz des subjektiven Rechts in dem Interessenschutz alleine nicht liegen kann. Dieser Umstand wird von der herrschenden Kombinationstheorie berücksichtigt durch Heranziehung eines weiteren Kriteriums, der Rechtsmacht. Auch dem zweiten von Roth genannten Merkmal fehlt es an hinreichender Trennschärfe. Wirft Roth der Imperativentheorie vor, einseitig den Störfall zu betonen,401 so gibt er statt der Rechtsmacht im Verteidigungsfall dem Inhaber eines subjektiven Rechts lediglich die „Befugnis zur Geltendmachung“ an die Hand und betont daher einseitig den Ruhezustand. Die Geltendmachung soll darin liegen, dass der Rechtsinhaber über die Ausübung des Rechts hinaus befugt ist, an alle Rechtssubjekte, die durch das subjektive Recht zu irgendeinem Tun oder Unterlassen verpflichtet werden, heranzutreten, um die Erfüllung dieser Verpflichtung einzufordern402 und damit die Beachtung des dem subjektiven Recht Geltung verleihenden Rechtssatzes zu verlangen.403 Dem durch das subjektive Recht Verpflichteten wird durch dieses Verlangen des Rechtsinhabers „der ihn treffende Rechtsbefehl konkret vor Augen gestellt“.404 Mit Nawiasky lässt sich entgegnen: „Nicht entscheidend ist also, daß der Berechtigte die Leistung fordern darf, sondern daß er sie erzwingen kann. Es ist ja auch nicht so, dass die Verpflichtung des Schuldigen nur insofern bestünde, als der Berechtigte ihre Erfüllung verlangt. Das subjektive Recht ist keine Prämie für säumige Zahler, keine Ausrede für faule Schuldner. Die Verpflichtung ist vielmehr bei Zutreffen des objektivrechtlich geregelten Tatbestandes begründet worden und besteht zu Recht ganz unabhängig davon, ob sie dem Berechtigten gegenwärtig ist oder nicht“.405 Trifft es aber zu, dass der dem subjektiven Recht Geltung verleihende objektivrechtliche Rechtssatz, dessen Beachtung verlangt wird, unabhängig von dem Hinweis des Berechtigten Geltung beansprucht, so fragt sich, welche eigenständige Bedeutung dieses Merkmal haben soll. Verlangt werden in einem derart allgemeinen, weil nicht auf die Geltendmachung in einem Rechtsschutzverfahren abstellenden Sinn, kann auch die Beachtung objektivrechtlicher Sätze, etwa in Gestalt eines Hinweises auf die sich aus Schutzgesetzen i.S. des § 823 Abs. 2 Zum Begriff des Interesses Reiling, Individuelle Rechte, S. 188 ff. Roth, Organstreitigkeiten, S. 447. 402 Roth, Organstreitigkeiten, S. 450. 403 Roth, Organstreitigkeiten, S. 452. 404 Roth, Organstreitigkeiten, S. 456. 405 Nawiasky, Rechtslehre, S. 159; ähnlich Kelsen, Rechtslehre, S. 134: „Die Tatsache, dass ein Anspruch aus irgendeinem Grunde nicht erhoben wird oder nicht erhoben werden kann, ändert nichts an der Rechtslage“. 400 401

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BGB ergebenden Verpflichtungen, ohne dass diesen ein subjektives Recht zu entnehmen ist.406 Ist mithin fraglich, inwiefern das Merkmal der Geltendmachung zur Abgrenzbarkeit von objektivem und subjektivem Recht beiträgt, so sprechen auch die „positivrechtlichen Belege“, deren Wortlaut für das Merkmal der Geltendmachung im Sinne von Verlangen- und Fordernkönnen anführt wird,407 bei näherer Betrachtung eher gegen als für die These von Roth. Wenn etwa die in § 194 Abs. 1 BGB enthaltene Formulierung herangezogen wird, so verkennt ein solches Vorgehen die dogmatische Bedeutung sowie die Genese des Anspruchsbegriffs.408 Bekanntermaßen wurde dieser maßgeblich durch Windscheid beeinflusst.409 Neben das bereits von den Glossatoren aus der actio geschlossene ius stellte Windscheid als deutsche „Sonderlehre“410 den Anspruch. Welche Bedeutung der Anspruch neben oder besser zwischen dem Begriff des subjektiven Rechts und der Klage haben soll, ist zunächst nicht recht ersichtlich. So meint Gierke: „Unser deutsches Rechtsbewusstsein weiß etwas von ,Rechten‘ und von ,Klagen‘: was sich aber als ,Anspruch‘ dazwischen schieben soll, wird uns stets ein fremdartiges und nebelhaftes Gebilde bleiben“.411 Der Laie muss insoweit vor „einem unfasslichen Rätsel stehen“.412 Windscheid stellte sich in seinem 1856 erschienen Buch „Die Actio des römischen Zivilrechts vom Standpunkte des heutigen Rechts“ die Aufgabe, „dasjenige, was das römische Recht in der actio ausdrückt, in die Sprache unserer Rechtsanschauungen zu übertragen“.413 Da nun die Klagbarkeit von Ansprüchen selbstverständlich vorausgesetzt wurde, entlastete Windscheid die Definition des Anspruchs von dem in der römischen actio enthaltenen Element der gerichtlichen Verfolgbarkeit und zog dieses gewissermaßen vor die Klammer. Indem er so aus der actio den materiellrechtlichen Begriff des Anspruchs herausdestillierte, wollte er neben der gerichtlichen Verfolgbarkeit, die „eine Seite des Anspruchs“ ist, wenn 406 Daher nicht überzeugend, inwiefern es eine Befugnis zur Geltendmachung geben soll, welche auf den Berechtigten beschränkt ist, wenn die Geltendmachung gerade nicht in der Ausübung des Rechts liegen soll oder auch einer wie immer gearteten Durchsetzbarkeit des subjektiven Rechts, s. aber Roth, Organstreitigkeiten, S. 456 f. 407 Roth, Organstreitigkeiten, S. 453 f., 455. 408 Vgl. die Darstellung von de Boor, Gerichtsschutz und Rechtssystem, S. 16 ff. (zu Recht und Anspruch bei Windscheid) sowie S. 24 ff. (zum Verständnis des Anspruchs in der Dogmatik des BGB), welche schließt, S. 29: „Das Ergebnis ist eben doch: der Anspruchsbegriff des BGB hat keinen rechten Sinn, wenn man ihn nicht auf Prozeß und Gerichtsschutz bezieht“; zum prozessualen Gehalt des Anspruchsbegriffs Herbst, Rechtsschutzanspruch, S. 71 ff. mit vielen w.N. 409 Zu der Redaktion des BGB Kasper, Subjektives Recht, S. 19 Fn. 53. 410 Coing, Europäisches Privatrecht II, S. 274. 411 Gierke, Entwurf, S. 41. 412 Gierke, Entwurf, S. 41. 413 Windscheid, Actio, S. 1.

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auch „nicht dasjenige, was den Anspruch ausmacht“,414 eine adäquate Umschreibung der praelitiganten Phase, des Rechts im Ruhezustand, erreichen. Hieran wird deutlich, dass Windscheid begrifflich, aber nicht der Sache nach auf das Element der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs verzichtete.415 Als Anhänger der Willenstheorie fasste Windscheid das subjektive Recht als klagbaren Anspruch auf.416 Eine andere Vorstellung wäre auch schwerlich mit der Willenstheorie in Einklang zu bringen.417 So vermerkt Gierke zur Übernahme des Anspruchsbegriffs in den Entwurf zum BGB: „Der Anspruchsbegriff des Entwurfs aber ist eingestandenermaßen nichts als die ein wenig modernisierte actio“.418 Vor diesem Hintergrund kann nun schwerlich zur Stützung des Merkmals der Geltendmachung das Verlangenkönnen des in § 194 Abs. 1 BGB niedergelegten Anspruchsbegriffs angeführt werden. Im Übrigen zeigt gerade der systematische Zusammenhang dieser Regelung mit der Verjährung, dass es hier um die Durchsetzung von Rechten geht und nicht um einen bloßen Hinweis auf eine bestehende Rechtspflicht. Bezeichnenderweise stellt denn auch Roth den Bezug der Geltendmachung zum Selbsthilferecht und damit zur Durchsetzbarkeit her.419 So spricht beispielsweise der Wortlaut des § 229 BGB von der „Verwirklichung des Anspruchs“. Insgesamt mangelt es der Definition von Roth, der meint, trotz des hohen Abstraktionsgrades eine sinnvolle Beschreibung des subjektiven Rechts gefunden zu haben,420 an Aussagegehalt. Letztlich verbleibt es nach den Kriterien von Roth neben dem zu vernachlässigenden Merkmal der Geltendmachung, welches nur deklaratorischen Charakter aufweist, bei dem die Primärposition umschreibenden Merkmal der Ausübbarkeit als einziger spezifischer Differenz des subjektiven Windscheid, Pandekten I, § 44 (S. 114). Röhl, Rechtslehre, S. 363; ausführlich dazu Herbst, Rechtsschutzanspruch, S. 60 ff., 61; Simshäuser, Entwicklung, S. 81 f.; vgl. auch Windscheid, Actio, S. 222, wonach es einem „allgemeinen Rechtssatz“ entspreche, dass der Staat dem in seinem Recht Verletzten Rechtsschutz gewähre, die gerichtliche Verfolgbarkeit als selbstverständliche „Consequenz“ angesehen wird (S. 6). 416 Röhl, Rechtslehre, S. 331. 417 So führt Windscheid, Pandekten I, § 37 (S. 97 f.), im Rahmen der Definition des subjektiven Rechts aus: „Sie [die Rechtsordnung, M.H.] überlässt es ihm, ob er von dem Befehl [der Rechtsordnung, M.H.] Gebrauch machen, und im Besonderen ob er die ihm gegen den Widerstrebenden von der Rechtsordnung gewährten Mittel zur Anwendung bringen will, oder nicht. Demgemäß ist sein Wille maßgebend für die Durchsetzung des von der Rechtsordnung erlassenen Befehls“; vgl. auch die Ausführungen von v. Savigny, System I, § 4, S. 7, der, ebenfalls ein Anhänger der Willenstheorie, ausführt: „Ein solches Recht [Rechts im subjektiven Sinn, M.H.] erscheint vorzugsweise in sichtbarer Gestalt, wenn es bezweifelt oder bestritten, und nun das Daseyn und der Umfang desselben durch ein richterliches Urtheil erkannt wird“. 418 Gierke, Entwurf, S. 40. 419 Roth, Organstreitigkeiten, S. 455. 420 Roth, Organstreitigkeiten, S. 421. 414 415

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Rechts. Infolgedessen erscheint aufgrund der starken Akzentuierung der Primärposition die Theorie von Roth als eine modifizierte Form der Interessentheorie, insofern sie nicht auf den Inhalt des Dürfens, also das geschützte Interesse, sondern nur dessen Form, die Ausübbarkeit, abstellt. Roth sieht sich damit letztlich den Kritikpunkten ausgesetzt, die gegen die Interessentheorie vorzubringen sind.421 Der mangelnde Aussagegehalt und damit die Schwäche der Theorie tritt gerade dann zu Tage, wenn es wie vorliegend um die Durchsetzbarkeit subjektiver Rechte gegen die Judikative geht, wenn man die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG verneint.422 Die Durchsetzbarkeit dieser mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechte wäre dann nicht aus der subjektiven Rechtsqualität ableitbar und stünde zur Disposition des einfachen Gesetzgebers, was zu einer bedenklichen Relativierung solcher Rechtspositionen führen müsste. Kann somit der These von Roth nicht gefolgt werden, weil sie einerseits keine wirkliche spezifische Differenz zum objektiven Recht anzugeben vermag, andererseits zu nicht unproblematischen Folgeproblemen führt, so verbleibt die Aufgabe, die von Roth am Rechtsmachtmoment vorgetragenen Kritikpunkte auszuräumen. bb) Widerlegung der Kritik am Rechtsmachtmoment Zur Kritik am Rechtsmachtmoment wird von Roth in einem ersten Schritt vorgetragen, die Erzwingbarkeit des Recht sei eine bloße Fiktion und dem Recht im übrigen nicht eigen,423 insbesondere gebe es keine logische Koppelung von Recht und Zwangsbefugnis.424 Im Anschluss daran versucht Roth die These von der mangelnden Erzwingbarkeit nachzuweisen, indem er Belege für subjektive Rechte ohne Zwangsbefugnis im positiven Recht anführt.425 (1) Der Zwang als spezifische Differenz des Rechts Der ersten These, die die Verknüpfung von Recht und Zwang leugnet, kann nicht gefolgt werden. Recht ist ein komplexes Phänomen, das historisch, soziologisch, ethisch, logisch, dogmatisch, ökonomisch, linguistisch, ethnologisch usw. betrachtet und erfasst werden kann, wobei je nach Gegenstand und Zielsetzung der Disziplin unterschiedliche Begriffsbildungen sinnvoll sind und angewandt werden. In der Rechtswissenschaft wird der Begriff des Rechts vor allem in Rechtssoziologie, Rechtsphilosophie und Rechtstheorie thematisiert. Die dogmatische Rechtswissenschaft als praktische Disziplin erfasst das staatliche, positive Recht.426 Die421 422 423 424 425

Zu diesen Kritikpunkten Roth selbst, Organstreitigkeiten, S. 351 ff. Zur Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG s. unten F.II. Roth, Organstreitigkeiten, S. 365 f. Roth, Organstreitigkeiten, S. 362 ff. Roth, Organstreitigkeiten, S. 376 ff.

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ses muss von anderen Verhaltenskodizes, wie etwa den der Ethik oder Soziologie bekannten Normensystemen, welche ihre Gebote auf moralische Imperative oder gesellschaftliche Zwänge zurückführen, abgegrenzt werden,427 um die Deutung des Rechts als einheitliches System zu gewährleisten. Will man das „Chaos“ rechtlicher Erscheinungen als zusammengehörig und damit als System erkennen, so muss etwas allen rechtlichen Phänomenen Gemeinsames gefunden werden.428 Der Rechtsbegriff und damit der Gegenstand der Rechtswissenschaft ist zu bestimmen. Diese „Definition“, d. h. „Begrenzung“ und „Abgrenzung“ des Rechts bzw. von Rechtsnormen, kann materiell, formell oder aus einer Kombination materieller und formeller Kriterien bestimmt werden. Ein formelles Kriterium stellt die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Normenordnung dar, der Rechtsordnung. Bei diesem setzungstheoretischen Ansatz wird auf den Erzeugungszusammenhang von Rechtsnormen abgestellt, welcher über eine Rückführbarkeit im Sinne eines Ableitungszusammenhangs von Rechtsnormen auf andere Rechtsnormen, etwa die Verfassung, eine Grundnorm oder aber auf vom Einzelnen bzw. der Allgemeinheit als Rechtnormen akzeptiertes Recht u. a., eine Zuordnung einer Norm zum Recht ermöglicht. Demgegenüber lässt sich zur Bestimmung des Rechtsbegriffs materiell auf dessen tatsächliche Wirksamkeit abstellen, also darauf, dass das Recht durch den Staat dadurch garantiert wird, indem Rechtnormen potentiell rechtlich erzwingbar sind.429 Dieses geschieht durch die Bereitstellung des staatlich organisierten Zwangsapparats in einem rechtlich geordneten Verfahren. Durch diese dem Recht eigentümliche Durchsetzungstechnik, d. h. der im Gegensatz zu anderen Normensystemen erhöhten Aussicht auf Realisierbarkeit mittels der Erzwingbarkeit in Vgl. oben A.I. und D.I.2.b)bb), dort auch Fn. 374. Somló, Grundlehre, § 21 (S. 66): „Mit der Bestimmung des genums proximum des Rechtes als Norm entsteht die fernere Aufgabe, innerhalb dieses Genus die spezifische Differenz ausfindig zu machen, durch die sich das Recht von anderen Arten von Normen unterscheidet, und es namentlich von denjenigen Normarten abzugrenzen, denen gegenüber eine solche Grenzziehung praktisch am notwendigsten erscheint. [ . . . ] An erster Stelle entsteht das Bedürfnis, den Begriff des Rechtes von der Moral oder den ethischen Normen gegenüber zu bestimmen“. 428 Dazu schon oben D.I.2.b)bb)(1). 429 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 17. Mit der potentiellen Erzwingbarkeit ist klargestellt, dass das Recht erzwungen werden kann, aber nicht muss. Der Zwang ist tatsächlich vielmehr die Ausnahme, die freiwillige Befolgung von Rechtsnormen die Regel, dazu Marcic, Rechtsphilosophie, S. 167, 173; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 121; Zippelius, Methodenlehre, § 2 (S. 6): „wenn es [das Recht, M.H.] nicht schon ohnedies befolgt wird“; Roth, Organstreitigkeiten, S. 363 ff.; (aktueller) Zwang und Erzwingbarkeit als möglicher Zwang sind zu unterscheiden, Somló, Grundlehre, § 36, insbesondere zum Zwang, wie er von den Zwangstheorien aufgefasst wird, § 49, insb. S. 144.; zum Begriff der „Möglichkeit“ vgl. Kant, KrV, S. 248 ff., 259 ff., 273 (A 218 ff., 230 ff., 244; B 265 ff., 282 ff., 302); ferner Hegel, Grundlinien, § 37, Zusatz: „Möglichkeit ist nämlich Sein, das die Bedeutung hat, auch nicht zu sein“; zum Verhältnis von Zwang und Recht Henkel, Rechtsphilosophie, S. 104 ff. 426 427

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einem organisierten Rechtsschutzverfahren wird eine Abgrenzbarkeit zu den Durchsetzungsmechanismen anderer Normensysteme ermöglicht,430 etwa dem translaticium exemplum der Räuberbande.431 Das formelle Kriterium der Rückführbarkeit und eine darüber ermöglichte Zuordenbarkeit von Rechtsnormen auf andere vermag nicht zu erklären, weshalb die Norm, auf welche rekurriert wird, ihrerseits dem Recht zugehörig ist. Auch besitzt Recht, welches weder beachtet wird noch für diesen Fall zwangsweise durchgesetzt werden kann, letztlich als Sollen keine Wirksamkeit.432 Daher ist zur Bestimmung des Rechtsbegriffs maßgeblich auf den materiellen Gesichtspunkt des Rechtszwangs abzustellen. In der Rechtswissenschaft ist denn auch ein monistischer, allein auf das Zwangsmoment abstellender Rechtsbegriff herrschend.433, 434 Das Abstellen auf das Zwangsmoment ist „die mit richtigem juristischen Instinkte von den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag nicht nur von Theoretikern, sonZippelius, Methodenlehre, § 2 (S. 7). Man denke nur an die augustinische Frage: „Was anders sind also Reiche, wenn ihnen Gerechtigkeit fehlt, als große Räuberbanden?“, Augustinus, Vom Gottesstaat, 4. Buch, 4. Kapitel (S. 173). Aber auch sonst findet sich die Räuberbande, z. B. bei Carl Schmitt, Der Wert des Staates, S. 58, der sich gegen die Kantische Trennung von Recht und Moral mittels des Zwangskriteriums wendet: „Warum diese letzte Art von Pflichten Rechtspflichten sind und nicht von irgend einer anderen Instanz als dem Staat gesetzt werden können, warum mit anderen Worten nicht jeder Verein oder jede romantisch gesinnte Räuberbande derartige Pflichten unter Benutzung der ihr zugänglichen faktischen Macht und der daraus sich ergebenden Motive aufstellen kann, lässt sich aus der Kantischen Einteilung nicht entnehmen“. 432 Selbst Kelsen, der bekanntlich von der strikten Trennung von Sein und Sollen ausgeht, vermag diese Verbindungslinie des Sollens zum Sein nicht zu leugnen. Er stellt dafür neben den setzungstheoretischen Begriff der Geltung den der Wirksamkeit, vgl. Kelsen, Rechtslehre, S. 215 f. Die normative Erzwingbarkeit ist Voraussetzung für die empirische Geltung des Rechts. Nur in Utopia ist das Recht zur Verhaltenssteuerung ohne Sanktion im Stande, vgl. dazu Dias, Jurisprudence, S. 237 f. Die setzungsorientierten Rechtsbegriffe der analytischen Rechtstheorien beziehen daher neben dem Setzungselement zumeist ein Wirksamkeitselement mit ein, dazu m. w. N. Dreier, NJW 1986, S. 890. 433 Röhl, Rechtslehre, S. 186; anders Dreier, NJW 1986, S. 890 (896), gegen ihn zutreffend Hoerster, NJW 1986, S. 2480. Einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Kriterien zur Bestimmung des Rechtsbegriffs m.v.w.N. findet sich bei Somló, Grundlehre, Viertes Kapitel, S. 128 ff. 434 Als positivrechtlicher Beleg sind auch die Generalklauseln des Polizeirechts zu nennen. Sie enthalten eine Ermächtigung der Polizei- und Ordnungsbehörden im Falle einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder auch im Falle einer bereits eingetretenen Störung einzuschreiten. Dem Begriff der „öffentlichen Sicherheit“ unterfällt der Schutz der gesamten Rechtsordnung, dazu Schenke, Polizeirecht, Rn. 58. Dies aber bedeutet, dass zumindest dem Grunde nach, wenn auch subsidiär (vgl. dazu im Einzelnen Schenke, Polizeirecht, Rn. 54 ff., dann aber gibt es andere Formen der Erzwingbarkeit), die gesamte Rechtsordnung zwangsbewehrt ist. Schließlich geht das Gesetz in § 113 StGB davon aus, dass hinsichtlich der Ausübung staatlichen Zwangs eine Duldungspflicht des Bürgers besteht. Die Verletzung dieser Pflicht wird durch § 113 StGB sanktioniert. Auch hieraus ist ersichtlich, dass der Zwang nach der Vorstellung des Gesetzgebers offenbar zum Recht gehörig ist, insofern er eine rechtliche Duldungspflicht des Bürgers darstellt. 430 431

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dern insbesondere von unbefangenen Praktikern immer wieder vertretene Anschauung“.435, 436 Die gegenteilige Vorstellung vom Recht ohne Zwang hat zutreffend v. Jhering formuliert: „Der vom Staat in Vollzug gesetzte Zwang bildet das absolute Kriterium des Rechts, ein Rechtssatz ohne Rechtszwang ist ein Widerspruch in sich selbst, ein Feuer, das nicht brennt, ein Licht das nicht leuchtet“.437 Das Zwangsmoment ist somit ein signum indelebile iuris. Kelsen, Hauptprobleme, S. 212. „Der“ Zwang (zum Begriff vgl. auch Fn. 429) wird „von den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag“ zumindest als notwendige, wenn auch nicht immer hinreichende Bedingung des Rechtsbegriffs angesehen: der späte Platon, Nomoi, Buch IV, insb. 718b (S. 25), wo Platon neben dem persuasiven Element der Überredung (ðåéäù) den Zwang (âßá) nennt, vgl. auch 722a ff. (S. 29 f.), anders noch ders., Der Staat, 425b ff. (S. 212 f.); Aristoteles, Pol., 1286b 31 ff. (S. 168 f.); Thomas von Aquin, Summa Theologica I / 2, qu. 90, art. 3 ad 2 (S. 12); qu. 92, art. 2 ad 2 (S. 45); Hobbes, Leviathan, 26. Kapitel (S. 203 ff.); Thomasius, Fundamenta, Prooemium, § XII (S. 7); Buch 1, Kapitel 4, §§ 57 ff. (S. 134; vgl. dazu auch die vorgenannte Stelle von Thomas von Aquin, S. 45); Buch 1, Kapitel 5, § 21 (S. 149); Luther, Werke II, S. 157 (162), sieht im weltlichen Recht ein Zwangsinstrument: „dieweil die weltliche Gewalt von Gott geordnet ist, die Bösen zu strafen und die Frommen zu schützen“, ebenso Werke VII, S. 201 (208); Werke IV, S. 46 (51), vgl. auch 1. Petrusbrief 2, 14. Den Zwang gegen „böse Menschen“ versteht Luther, Werke II, S. 95 (108), folgendermaßen: „Die muss man mit geistlichen und weltlichen Gesetzen wie die wilden Pferde und Hunde zwingen, und wo das nicht helfen will, sie durchs weltliche Schwert ums Leben bringen, wie Paulus Röm. 13, 3 f. sagt: ,Die weltliche Gewalt trägt das Schwert und dienet Gott darin, nicht zur Furcht der Frommen, sondern der Bösen‘“; Kant, MdS, Erster Teil, Einleitung in die Rechtslehre D und E. (S. 68 f.); Thibaut, System, § 50: „Jedes Recht führt als solches die Möglichkeit des Zwanges mit sich“; Fichte, Grundlage, S. 387; Schelling, Neue Deduktion des Naturrechts, § 150 (S. 172) [Hervorh. im Original]: „Nun behaupte ich, indem ich die Selbstheit des Willens behaupte, nichts anderes, als mein Recht. Also wird jede Behauptung meines Rechts gegen einen widerstreitenden Willen, zugleich Aufhebung dieses Willens, d. h. Zwang desselben. Also wird mein Rechte im Gegensatz gegen fremden Willen nothwendig zum Zwangsrecht“; Hegel, Grundlinien, § 94: „Das abstrakte Recht ist Zwangsrecht“; Tolstoi, zit. nach Sapir, Dostojewski und Tolstoi, S. 72: „Gesetze sind Regeln, die von den Menschen gesetzt sind, die über die organisierte Gewalt verfügen, und zu deren Befolgung die Widerspenstigen durch Prügel, Freiheitsentziehung und sogar Mord angehalten werden“. Ebenso Gneist, Gutachten, S. 33: „Ein wirkliches Recht ist nur das erzwingbare“; v. Jhering, Der Zweck im Recht I (3. Aufl.), S. 320: „Recht ist der Inbegriff der in einem Staate geltenden Zwangsnormen“; Bierling, Prinzipienlehre I, S. 49 f. (Zwang als besondere Form der Geltungsbewährung); Binding, Normen, I, S. 484 ff.; Thon, Rechtsnorm, S. 223 ff.; Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit I, S. 82 ff.; Binder, Recht und Macht, S. 19: „Zwang um der Freiheit willen, das ist das Recht“; Burckhardt, ARSP 29 (1935 / 36), S. 163 ff.; Stammler, Wirtschaft und Recht, S. 482 ff., 488: „Recht ist die ihrem Sinn nach unverletzbar geltende Zwangsregelung menschlichen Zusammenlebens“; ausführlich Del Vecchio, Rechtsphilosophie, S. 407 ff.; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 117 ff.; Marcic, Rechtsphilosophie, S. 160; Kelsen, Rechtlehre, S. 34 ff.; Zippelius, Methodenlehre, § 2 (S. 6): „Die Besonderheit des staatlichen, ,garantierten‘ Rechts liegt in der spezifischen Technik seiner Durchsetzung: darin nämlich, dass es eine verlässliche Chance hat, in einem rechtlich organisierten Erzwingungsverfahren durchgesetzt zu werden, wenn es nicht schon ohnedies befolgt wird“; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 53 ff., 97 ff.; Hoerster, JuS 1987, S. 181 (184). 437 V. Jhering, Der Zweck im Recht I (5. Aufl.), Kap. VIII, Abschn. 10 (S. 250). 435 436

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Wenn nun die Erzwingbarkeit die spezifische Differenz der Gattung der Rechtsnormen bildet, dann muss dieses Merkmal auf Grund seiner Normativität auch für das subjektive Recht gelten. Die Erzwingbarkeit wird in Gestalt der normativ interpretierten Willensmacht, der Rechtsmacht, ihrerseits zur spezifischen Differenz des subjektiven Rechts, insofern als sie die Erzwingbarkeit spezifiziert, indem sie diese mit dem Willen des subjektiv Berechtigten verknüpft.438 Die Erzwingbarkeit wird als normativ verstandene „Macht“ vom Willen des subjektiv Berechtigten abhängig gemacht, diesem dadurch eine „Willensmacht“ verliehen. Diese Macht ist normativ als das Initiieren eines staatlichen Rechtsschutzes zu verstehen. Es ist daher eine Rechtsmacht. Die spezifische Differenz, welche durch die Willens- oder Rechtsmacht ausgedrückt ist, liegt darin, dass die Erzwingbarkeit subjektiviert ist. Ein ausschließlich objektivrechtlicher Schutz subjektivrechtlichen Dürfens kommt nicht in Betracht. Eine solche Begründung des Zwangsmoments wäre zirkulär. Die objektivrechtliche Sanktionsnorm müsste zur Voraussetzung ein subjektives Recht haben, dessen Verletzung sanktioniert werden soll. Damit nun dieses subjektive Recht ein subjektives Recht wäre, müsste es als Teilmenge des objektiven Rechts bereits das Zwangsmoment aufweisen. Anders formuliert: die objektivrechtliche Sanktionsnorm würde tatbestandlich an ein subjektives Recht anknüpfen, welches aber nicht zugleich dadurch geschaffen werden kann, dass die objektivrechtliche Sanktion das subjektive Recht zum subjektiven Recht macht, als es ihm das noch fehlende Zwangsmoment verleiht. Die objektivrechtliche Sanktionsnorm setzt bereits ein subjektives Recht voraus, begründet aber selbst kein solches. Daraus folgt, dass das subjektive Recht bzw. die dieses begründende Norm selbst den Rechtszwang enthalten muss und auch enthält in Gestalt der Rechtsmacht. Jedes subjektive Recht muss daher notwendig mindestens eine subjektivrechtliche Reaktion im Falle seiner Verletzung auslösen.439 Daneben, nicht aber anstatt, können rein objektivrechtliche Sanktionen bestehen.440 438 Neben der Begründung im Text ergibt sich das auch aus dem Satz des volenti non fit iniuria. Die wie immer geartete Reaktion, wenn sie gerade eine solche auf eine subjektive Rechtsverletzung sein soll, müsste anknüpfen an die subjektive Rechtverletzung. Folglich würde eine Einwilligung immer zum Ausschluss der Reaktion führen können, weil durch die Einwilligung die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in das subjektive Recht entfällt. Verhält es sich anders, wird in Wahrheit die Verletzung einer anderen Pflicht, nicht aber die subjektive Rechtsverletzung sanktioniert. Dies zeigt, dass im Falle objektivrechtlicher Reaktionen keine spezifische Verknüpfung zum subjektiven Recht besteht. Ebenso ist ersichtlich, dass objektivrechtliche Reaktionen nicht den Erfordernissen des volenti non fit iniuria gerecht werden, wie etwa die Sanktionierung eines Rechtsverstoßes durch Straftatbestände, welche auch Allgemeininteressen schützen. Als Beispiel mag § 339 StGB dienen, welcher im Falle judikativen Unrechts aus diesem Grund keine subjektivrechtliche Rechtsmacht darstellt, vgl. dazu unten F.III.1.b)aa)(2). 439 Dieser Schluss gilt als rechtlogischer, vgl. dazu Fn. 448. Aber auch wenn einzelne Rechte keine Erzwingungsmöglichkeit aufweisen, gilt er für den Grundtypus des erzwingbaren subjektiven Rechts, vgl. dazu Fn. 456. D. h. wenn ein subjektives Recht erzwingbar sein soll, dann kann diese Erzwingbarkeit wiederum nur subjektivrechtlich organisiert sein.

8 Hößlein

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D. Das subjektive Recht

Dies stimmt auch mit den oben441 zur materiellrechtlichen Seite der Rechtsmacht gemachten Ausführungen überein. Wenn das schützende und insoweit dienende Funktion habende Sekundärrecht auf Grund seiner Akzessorietät ebenso wie das subjektive Primärrecht der Willensherrschaft des Berechtigten unterstellt ist und die damit verbundene Willensmacht normativiert zur Rechtsmacht, so erhellt sich auch daraus, dass die formellrechtliche Komponente der Rechtsmacht, der Anspruch auf ein Rechtsschutzverfahren zwecks Durchsetzung des Rechts, vom Willen des Berechtigten abhängig ist.442 Denn dieses materielle Hilfsrecht ist es ja, welches zumeist dem formellrechtlichen Rechtsschutzanspruch zu Grund liegt. Insofern wäre es eine befremdliche Spaltung, wenn das durch die Rechtsordnung als Reaktion auf die Verletzung eines subjektiven Rechts gewährte Hilfsrecht nur vom Berechtigten ausgeübt werden könnte, jedoch der Rechtszwang unabhängig vom Willen des Berechtigten sein sollte. Trifft es nun zu, dass die Erzwingbarkeit einerseits ein Spezifikum des objektiven Rechts, andererseits in der besonders qualifizierten Form der Rechtsmacht ein solches des subjektiven Rechts als Teilmenge des objektiven Rechts ist, dann können die Ausführungen von Roth insofern letztlich von ihrem Ergebnis her nicht überzeugen.443 Mit der Leugnung des Rechtsmachtmoments wird letztlich auch 440 A.A. Kelsen, Rechtslehre, S. 141, wonach bezüglich der Durchsetzung bzw. Sanktion eines verletzten Rechts an die Stelle des Individuums ebenso ein staatliches Organ treten könne. Die Auffassung Kelsens ist insofern konsequent, als dieser dem subjektiven Recht neben dem objektiven keine eigenständige Bedeutung zuerkennt und daher sich die Frage der unterschiedlichen Durchsetzung von subjektivem und objektivem Recht nicht stellen kann. 441 s. oben D.I.2.a). Die Hilfsrechte sind daher ihrerseits subjektive Rechte, vgl. v. Savigny, System V, S. 5: „Die Verletzung unserer Rechte aber ist nur denkbar als Tätigkeit eines bestimmten Verletzers, zu dem wir dadurch in eine eigenes, neues Rechtsverhältnis treten; der Inhalt dieses Verhältnisses lässt sich im allgemeinen dahin bestimmen, daß wir von diesem Gegner die Aufhebung der Verletzung fordern. Dieser Anspruch gegen eine bestimmte Person und auf eine bestimmte Handlung hat demnach eine den Obligationen ähnliche Natur“. Die Existenz der Hilfsrechte erklärt sich gerade auch daraus, dass sie dem Verletzten ein subjektives Recht in Gestalt eines Abwehranspruchs gewähren, denn die Abwehr rechtswidriger Eingriffe ist jedermann erlaubt, vgl. dazu auch Thon, Rechtsnorm, S. 158. Vgl. auch Bucher, Subjektives Recht, S. 110 Fn. 7, wonach objektivrechtliche Sanktionen kumulativ neben das subjektive Recht treten können. Dies bedeutet, dass alternative objektivrechtliche Sanktionen ausscheiden. 442 Im Anschluss an die in Fn. 441 zitierte Stelle macht v. Savigny, S. 5 f., nach Erörterung des „materiellen“ Hilfsrechts im Verletzungsfall Ausführungen zum korrespondierenden „formellen“ Recht, welches ebenfalls als „Befugnis“ vom Willen des Berechtigten abhängt: „Das hier beschriebene, aus der Rechtsverletzung entspringende Verhältnis heißt Klagrecht oder auch Klage, wenn man diesen Ausdruck auf die bloße Befugnis des Verletzten bezieht“. 443 Auf die kritische Prüfung der Argumente von Roth im Einzelnen kann daher verzichtet werden. Angemerkt sei nur, dass insbesondere die Auseinandersetzung mit Kant nicht überzeugt. Zum einen wird hiermit eine rechtsphilosophische Fragestellung angegangen, wo es doch um die rechtsdogmatische Begriffsbestimmung geht. Zum anderen fällt Roth durch die Kritik des für die kantische These der Trennung von Recht und Moral notwendigen Zwangs-

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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das Zwangsmoment des Rechts überhaupt geleugnet. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit Roth dann eine gleich taugliche alternative Begriffsbestimmung nicht nur des subjektiven, sondern auch in Konsequenz dessen des objektiven Rechts vornehmen könnte ohne Verwendung des Zwangsmoments. (2) Das Phänomen der sog. leges imperfectae Es verbleibt, die Interpretation der positivrechtlichen Belege vorzunehmen, die Roth zur Stützung seiner These von der Unerzwingbarkeit des Rechts anführt. Die Einwände gegen die Erzwingbarkeitstheorie sind althergebracht,444 ein nahezu klassischer Einwand, welcher auch von Roth aufgegriffen wird,445 ist der Hinweis auf die Existenz von imperfekt ausgestalteten Rechten. Es muss jedoch bezweifelt werden, ob sich nicht auch bei all diesen als imperfekt bezeichneten Rechten eine Rechtsmacht finden lässt, insofern man nahezu in allen Fällen einen sie beinhaltenden vollständigen Rechtssatz formuliert kann, welcher eine Sanktionsnorm enthält. Damit ließe sich die These der sanktionslosen Rechtsnormen entkräften.446 merkmals hinter diesen zurück, insofern als das von ihm selbst angegebene Merkmal die analytische Scheidung von Recht und Moral nicht erlaubt. Auch der Versuch, Kant einen logischen Fehlschluß nachzuweisen, vgl. Roth, Organstreitigkeiten, S. 372 f., beruht auf einer Fehlinterpretation Kants. Die systematische Stellung der Textstelle, auf die Roth sich hier bezieht (Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre, § D), dies zeigt der nachfolgende Text, argumentiert im vorstaatlichen Zustand. Hier gibt es nur ein einziges Recht, nämlich das Freiheitsrecht, vgl. auch Fichte, Grundlage, S. 392: „Es ist aus der Deduktion des Zwangsrechts, die soeben geliefert worden, klar, in welchem Falle dasselbe eintreten könne: nemlich dann, wenn eine Person die Urrechte des andern verletzt“. Dies verkennt der Einwand, eine logische Ableitung der Zwangsbefugnis versage, sobald „mehrere Rechtsgüter im Spiele sind“, so aber Roth, S. 372. Roth hat allerdings prominente Vorgänger auf seiner Seite. So bestreitet etwa Carl Schmitt, Der Wert des Staates, S. 56 ff., „die von großen Männern anerkannte und als allgemeine Ansicht überlieferte Unterscheidung des Rechts von der Ethik“ und setzt sich ebenfalls mit der auch von Roth kritisierten Auffassung Kants auseinander, wonach der Zwang bestimmend für das Recht sei; kritisch dazu Schütze, Subjektive Rechte, S. 222 f. Zu einem weiteren Argument von Roth vgl. auch Fn. 445. 444 Vgl. die Übersicht bei Del Vecchio, Rechtsphilosophie, S. 408 f., der den Einwand des „Vorhandenseins einiger Rechtsgebilde, bei denen das Element der Erzwingbarkeit ungenügend oder mangelhaft ausgebildet erscheint“ als „untergeordnete Schwierigkeit“ bezeichnet (S. 415). 445 Roth, Organstreitigkeiten, S. 376 – 408. Daneben bringt er etwa den Einwand der faktisch mangelnden Durchsetzbarkeit des Rechts (S. 365 f.), der jedoch ins Leere geht, weil die Erzwingbarkeit nicht eine Tatsächlichkeit, sondern eine normative Möglichkeit meint, dazu Del Vecchio, Rechtsphilosophie, S. 409 f. 446 Ausführlich Schreiber, Die Geltung von Rechtsnormen, S. 24 ff; vgl. auch Röhl, Rechtslehre, S. 191, der das Beispiel der RichtgeschwindigkeitsVO anführt, wonach selbst eine bloße gesetzgeberische Empfehlung nicht sanktionslos ist, insofern als im Beispiel anders lautende Länderregelungen ausgeschlossen sind und die Beachtung der Richtgeschwindigkeit im Rahmen des § 254 BGB Berücksichtigung findet, so BGHZ 117, S. 337. 8*

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D. Das subjektive Recht

Dies lässt sich an der von Roth447 als Beleg für seine These angeführten Vorschrift des § 1297 Abs. 1 BGB zeigen, welche die Unklagbarkeit des Verlöbnisses regelt. Eine Rechtsmacht, die ohne das Verlöbnis nicht bestehen würde, ergibt sich etwa aus § 1301 BGB. Selbst wenn man darin keine Rechtsmacht im Sinne einer Erzwingbarkeit gerade der Pflicht zur Eingehung der Ehe sehen will, so ergibt sich aus der Vorschrift des § 1297 Abs. 1 BGB und entsprechenden anderen imperfekt ausgestalteten Rechten kein entscheidender Einwand gegen die Rechtsmacht. Formal betrachtet ist die Erscheinung von imperfekten Rechten wie dem des § 1297 BGB kein logischer Widerspruch zur These der Erzwingbarkeit des Rechts, wenn man als Recht nur diejenigen Normen bezeichnet, die erzwingbar sind.448 Dann ist in der genannten Vorschrift nur insoweit ein Recht zu sehen, als sie erzwingbar ist (vgl. § 1301 BGB).449 Wenn nun trotz mangelnder Erzwingbarkeit das Recht aus einem Verlöbnis als gesetzgeberische Anordnung eines Rechts anerkannt würde, so ließe sich das gesetzestechnisch als Fiktion erklären, welche dem Gesetzgeber, um die besondere Wertigkeit eines Interesses zu Ausdruck zu bringen, grundsätzlich nicht verwehrt ist. Dass der Gesetzgeber dieses von ihm anerkannte Interesse im Falle des § 1297 Abs. 1 BGB nicht erzwingbar ausgestalten will, erklärt sich aus den Besonderheiten gerade familienrechtlicher Rechtsverhältnisse, bei welchen ein melangeartiges Ineinander von Recht und Moral besteht. Den fiktionalen Charakter solcher Vorschriften würde man verkennen, wenn man ihnen eine gesetzgeberische Bestimmung des subjektiven Rechts entnähme. Roth, Organstreitigkeiten, S. 384 f. So schon Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 147: „Ein Recht, das ich nicht mit Zwang behaupten darf, ist kein Recht“; ähnlich Puchta, Cursus I, § 29 (S. 70): „Der Schutz gegen Verletzungen ist ein wesentliches Erfordernis für die Existenz eines Rechts . . . ohne allen Schutz ist kein Recht denkbar“. Im Übrigen muss man nicht so weit gehen, dass bei Fehlen des Zwangsmoments im Einzelfall die Rechtsnormqualität zu verneinen ist. Wenn man den Rechtsbegriff durch eine Kombination eines materiellen Kriteriums, der Erzwingbarkeit, und eines formellen Kriteriums, der Ableitbarkeit von anderen Rechtsnormen, bestimmt, dann kann die einzelne Rechtsnorm mittels des formellen Kriteriums als Bestandteil des Zwangssystems als Rechtsnorm identifiziert werden, ohne das sie ihrerseits als einzelne Rechtsnorm erzwingbar sein muss. „Die Sanktion . . . ist ein Merkmal des Rechtssystems, nicht notwendig der einzelnen Rechtsnorm“, Weinberger, Rechtslogik, S. 234; ähnlich Henkel, Rechtsphilosophie, S. 122: „Erzwingbarkeit ist „ein Wesens- und Begriffsmerkmal des positiven Rechts“, wobei der Gesetzgeber „hinsichtlich einzelner Normen auf deren Ausgestaltung mit der Zwangsmöglichkeit verzichtet“. Nach der herrschenden, monistischen, weil allein auf das Zwangsmoment abstellenden Begriffsbestimmung des Rechts verbleibt es allerdings zur Vermeidung eines rechtslogischen (nicht unbedingt eines rechtsdogmatischen, dazu sogleich) Widerspruchs bei der Ausklammerung der imperfekten Rechte aus dem Rechtsbegriff, da das Wesensmerkmal „Erzwingbarkeit“ der Gattung „objektives Recht“ bei allen Unterarten derselben vorliegt, vgl. auch Burckhardt, ARSP 29 (1935 / 36), S. 163 (166): „Wenn der Zwang . . . wesentlich ist, so muß jede Norm, um Rechtsnorm zu sein, erzwingbar sein“. 449 Entsprechendes zeigt schon die Nomenklatur der Naturalobligation, welche gerade nicht eine Rechtsobligation ist und daher nicht imperfektes Recht, sondern Nicht-Recht ist. Naturalobligationen nimmt Roth, Organstreitigkeiten, S. 377, bei seiner Argumentation aus diesem Grund auch ausdrücklich aus. 447 448

I. Sekundärrechte als Ausdruck der Rechtsmacht

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Letztlich ist die Vorschrift des § 1297 Abs. 1 BGB gerade umgekehrt nicht ein Beleg gegen, sondern für die oben ausgeführte These der Rechtsmacht.450 Sie zeigt nämlich gerade, dass der Gesetzgeber bei der Statuierung eines subjektiven Rechts die Durchsetzbarkeit dieses Rechts immer schon (wenn auch in diesem Fall verneinend) mitbedenkt und nur besondere Sach- und Interessenlagen ein Nichtvorhandensein sekundärrechtlicher Folgen und damit einer Rechtsmacht im Verteidigungsfall zu rechtfertigen vermögen. Insofern spricht die Vorschrift des § 1297 Abs. 1 BGB mehr für als gegen die Annahme des Erfordernisses der Rechtsmacht.451 Aus den leges imperfectae kann folglich nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber wolle hiermit mittels eines „Kirchmannschen Federstrichs“ den ansonsten von ihm verwendeten Begriff des subjektiven Rechts in Frage stellen oder gar revidieren. Der Relevanz des Einwands mangelnder Erzwingbarkeit bzw. des Fehlens einer der (nach der Kombinationstheorie) notwendigen Eigenschaften des subjektiven Rechts kann weiter durch den Hinweis auf die Zweckmäßigkeit bei der Bildung dogmatischer Begriffe begegnet werden.452 In Anbetracht des Ausnahmecharakters imperfekter Rechte erscheint es durchaus sinnvoll, in Abgrenzung zur Ausnahme die grundsätzliche Erscheinung des subjektiven Rechts begrifflich dogmatisch zu verselbständigen.453 Den quantitativ unbedeutenden Ausnahmeerscheinungen kann weit besser dadurch Rechnung getragen werden, dass der Begriff des subjektiven Rechts typologisch verstanden wird, als dass er insgesamt an der Ausnahmeerscheinung ausgerichtet wird und dadurch wesentliche Elemente zur Beschreibung der regelmäßig im Gesetzestext auftretenden Phänomene verloren gehen. Ohne in Einzelheiten den Begriff des Begriffs klären zu wollen, bedeutete ein solches Vorgehen, dass das subjektive Recht nicht mehr als klassifikatorischer Begriff anzusehen wäre,454 sondern nur als ein komperativer bzw. gradueller Begriff. 450 Burckhardt, ARSP 29 (1935 / 36), S. 163 (174): „Nur die lex imperfecta tendiert nicht dahin. Liegt da nicht der Rückschluß nahe, dass der Zwang eben dem Recht wesentlich ist, und dass das Recht ohne Zwang in der Tat ,unvollkommen‘, unvollendet genannt werden muß?“. 451 Vgl. auch Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 65, der den Umkehrschluss aus dem Ausnahmecharakter zieht: „Unter der Geltung des BGB ist grundsätzlich jeder Anspruch im Sinne des § 194 I BGB gerichtlich durchsetzbar, also ,klagbar‘, weil das Gesetz einige wenige Ansprüche ausdrücklich besonders behandelt und zum Ausdruck bringt, dass sie ,nicht klagbar‘ bzw. nicht vollstreckbar sind“. Dies entspricht der ganz h. M. im Zivilrecht, vgl. dazu die Nachw. bei Fritzsche, S. 65 Fn. 76. 452 Dazu bereits oben D.I.2.b)bb). 453 Roth, Organstreitigkeiten, S. 417 [Hervorh. im Original], spricht von einem „Manko“ hinsichtlich des Versuchs, „die regelmäßige Erscheinungsform subjektiver Rechte zum Begriff des subjektiven Rechts zu überhöhen“, weil damit „die in der Rechtsordnung eben auch vorzufindenden Ausnahmen nicht befriedigend zu erfassen sind“. 454 Dann wäre die im vorhergehenden Absatz ausgeführte formale Lösung notwendig, die binäre Teilung in Recht und Nicht-Recht, subjektives Recht und Nicht-„subjektives Recht“. Rechte wären nur insoweit solche, als sie erzwingbar wären. Die imperfekten Rechte wären, soweit unerzwingbar, ein aliud.

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D. Das subjektive Recht

Danach kann ein im Gesetzestext geregeltes Phänomen mehr oder weniger ein subjektives Recht sein, je nachdem wie viele Merkmale des subjektiven Rechts es aufweist. Mit den dadurch gebildeten Typenreihen wären einerseits die imperfekten Rechte erfassbar, andererseits die Eigenart des Regelfalls besser beschreibbar als bei genereller Herausnahme des Merkmals der Rechtsmacht aus der Definition des subjektiven Rechts.455 Der systematisierenden Funktion und der systembildenden Kraft dieser Rechtsfigur würde eine solche Begriffsverwendung nicht abträglich sein.456 Die Einwände von Roth vermögen deswegen im Ergebnis rechtsdogmatisch nicht zu überzeugen.457 Die Rechtsmacht hat sich nach den angestellten Untersuchungen als integraler Bestandteil des subjektiven Rechts erwiesen. 455 Im vorliegenden Kontext würde das auch nicht ein weniger für die aus der subjektiven Rechtsqualität ableitbaren Folgerungen bedeuten. Die einzelnen Momente des subjektiven Rechts wären dann im Einzelnen zwar nicht notwendig Voraussetzung und damit die subjektive Rechtsqualität ohne weiteres nicht Grundlage der mit den einzelnen Merkmalen verbundenen Folgerungen. Dass aber die verfassungsmäßig statuierten subjektiven Rechte in dieser Typenreihe nicht als imperfekte Rechte einzuordnen sind, dürfte außer Frage stehen. Das hat insbesondere auch für die gegenüber der Judikative bestehenden subjektiven Rechte zu gelten. Das ein gesamter Bereich der staatlichen Gewalt von dem Rechtsmachtmoment exemtiert sein soll, ist der Regelung des Art. 1 Abs. 3 GG nicht zu entnehmen. 456 Eine solcherart typologisch verstandene Kombinationstheorie ist letztlich nichts anderes als die Konsequenz der Auflösung des subjektiven Rechts in seine Einzelbestandteile, wie sie sich v.a. an der Untersuchung von Hohfeld gezeigt hat, vgl. oben D.I.2.b)aa). Die zunächst analytisch unterschiedenen Einzelbestandteile werden zum Begriff des subjektiven Rechts wieder zusammengesetzt. So etwa Portmann, System, S. 217 ff., der das subjektive Recht in Einzelelemente auflöst, wobei die Einzelelemente „meistens“ in Kombination auftreten und somit wieder zusammengesetzt werden; ähnlich auch Adomeit, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 2 (1972), S. 503 ff., 515 f.; für subjektive Rechte als „Bündel“ Alexy, Theorie, S. 224; dem folgend Schütze, Subjektive Rechte, S. 36 ff., 43. Die typologische Interpretation der Kombinationstheorie bzw. die Verwendung von Typusbegriffen (zu diesen vgl. Kuhlen, Typuskonzeptionen, passim) ließe sich auch mit der oben unter D.I.2.b)bb) ausgeführten Beschreibung der Rechtsdogmatik vereinbaren, welche einen graduellen semantischen Wahrheitsbegriff verwendet und durch diese Stufung den gelegentlichen gesetzgeberischen Abweichung Raum lässt. Eine solchermaßen typologisches Vorgehen würde auch anderen alternativen Begriffsbildungen des subjektiven Rechts Rechnung tragen und könnte diese in sich aufnehmen, z. B. Schilcher, in: FS Bydlinsky, S. 353 ff.; Thoma, in: Anschütz / Thoma, HdbDStR II, S. 616 f., der verschiedene Arten subjektiver Rechte unterscheidet. Er versteht unter subjektiven Rechten im „engsten Sinne des Begriffs“ gerichtlich durchsetzbare Rechte, nach einem „weitesten, rein materiellrechtlichen Begriff“ auch subjektive Rechte, denen diese Durchsetzungsmöglichkeit fehlt. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 13, hat „dagegen wohl nichts Stichhaltiges einzuwenden, dass man auch diese weniger starke Position . . . mit dem Namen subjektives Recht belegt“. Insbesondere wäre eine solche Begriffsbildung dogmatisch flexibler. Bekanntlich erlangt der Begriff des subjektiven Rechts als Tatbestandsmerkmal im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB Bedeutsamkeit. Gerade hier aber werden Phänomene als subjektive Rechte bezeichnet, die nicht alle Merkmale des subjektiven Rechts aufweisen. Man denke nur an das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Letzteres gewährt Schutz nur gegen „betriebsbezogene Eingriffe“, nicht aber (wie ein subjektives Recht) Schutz gegen jede Beeinträchtigung.

II. Unterarten subjektiver Rechte und ihre Hilfsrechte

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II. Unterarten subjektiver Rechte und ihre Hilfsrechte Unsere Untersuchung des judikativen Unrechts widmet sich exemplarisch der Frage nach den Folgen der Verletzung des Gehörsrechts durch den Richter. Die vorangegangen Ausführungen haben gezeigt, dass subjektive Rechte im Verletzungsfall durch flankierende Hilfsrechte geschützt werden. Paradigmatisch erwies sich hierbei das Eigentumsrecht als absolutes Recht.458 Art. 103 Abs. 1 GG gewährt einen „Anspruch“ und scheint als relatives Recht keine solchen Sekundärrechte zu beinhalten. Um herauszufinden, ob das Entstehen von Hilfsrechten dem Oberbegriff des subjektiven Rechts und damit absoluten und relativen Rechten gleichermaßen zukommt, wollen wir das Entstehen der einzelnen materiellen Hilfsrechte näher betrachten. Als eine erste Art von Hilfsrecht finden wir den Unterlassungsanspruch. Mit ihm wendet sich der subjektiv Berechtigte gegen eine bevorstehende erstmalige oder gegen die Wiederholung einer bereits stattgefundenen Verletzung des Primärrechts. Die Rechtsverletzung ist nichts anderes als eine Pflichtverletzung. Jedem subjektiven Recht korrespondiert rechtslogisch eine Pflicht. Die primäre Pflicht besteht darin, das subjektive Recht mit seinem jeweiligen Inhalt zu beachten. Daraus wird erklärlich, weshalb bei relativen Rechten in der Regel keine Unterlassungsansprüche zutage treten. Wenn beispielsweise der a dem b zu x verpflichtet ist, dann würde die Annahme eines Unterlassungsanspruchs bedeuten, dass b es zu unterlassen hat, dem a nicht zu x verpflichtet zu sein.459 Nun ist aber das Primärrecht schon ein relatives Recht und die Annahme eines zusätzlich in Bezug auf das Primärrecht nur negativ umformulierten relativen Hilfsrechts mit letztlich gleichem Inhalt hätte keine eigenständige Bedeutung. Ein solches Hilfsrecht wäre auch zum Schutz des Primärrechts nicht erforderlich. Denn das primäre Leistungsrecht besteht im Verletzungsfalle fort und erhebt weiterhin seinen Achtungsanspruch auf Befolgung. Die Nichterfüllung von Leistungsansprüchen zieht deshalb grundsätzlich keine Reaktionsansprüche zur Abwehr der Rechtsverletzung nach sich. Die Abwehr liegt in der Geltendmachung des verletzten Anspruchs selbst.460 457 Deswegen nicht überzeugend Pasemann, Entwicklung, S. 328, 358, die das Kriterium der Rechtsmacht für entbehrlich hält. Ebenso wenig überzeugend Diemert, Innenrechtsstreit, S. 69, die insoweit unkritisch die Argumentation von Roth übernimmt, Diemert, S. 370 Fn. 87. 458 Rüthers, Rechtsheorie, Rn. 66. 459 Mit den Mitteln der deontischen Logik: dem Recht des a gegen den b auf Etwas (RabG) entspricht die relationale Verpflichtung des b gegenüber a, mithin ein Gebot (O), welches als (ObaG) beschrieben werden kann, dazu Alexy, Theorie, S. 186; aus einem Gebot p (Op) ergibt sich kontradiktorisch die negative Erlaubnis(P) von nicht p (Pp) und subaltern die positive Erlaubnis (Pp). 460 Rupp, Grundfragen, S. 263 f.

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D. Das subjektive Recht

Die zweite Erscheinungsform von Hilfsrechten, der Beseitigungsanspruch, wendet sich gegen eine bereits erfolgte, fortdauernde Verletzung des subjektiven Rechts. Aus dem Bestehen der jedem subjektiven Recht entsprechenden Pflicht auf Erfüllung bzw. Beachtung lässt sich auf das Vorliegen eines Beseitigungsanspruchs schließen. Die Beseitigung der bereits eingetretenen Verletzung lässt sich als notwendiger Zwischenakt zur Erfüllung der auch im Verletzungsfall weiterhin bestehenden Achtungs- bzw. Erfüllungspflicht begreifen. Die Beseitigung ermöglicht gerade die Erfüllung dieser Pflicht. Ebenso besteht ein Zusammenhang mit etwaigen sekundären Unterlassungspflichten. Die Beseitigungspflicht kann man auch als Erfüllung einer sich ständig aktualisierenden Unterlassungspflicht verstehen. Aus dem Zusammenhang des Beseitigungsanspruchs mit dem Unterlassungsanspruch wird deutlich, weshalb im Falle relativer Rechte Beseitigungsansprüche keine Bedeutung besitzen. Wenn aus den genannten Gründen schon allgemein kein Unterlassungsanspruch zum Schutz des Primärrechts notwendig ist, dann ist es auch nicht eine besondere Erscheinungsform dieser Unterlassungsansprüche, der Beseitigungsanspruch. Bestehen nun grundsätzlich bei Verletzung relativer Rechte keine sekundären Hilfsrechte, so lassen sich hiervon Ausnahmen finden. Es wurde festgestellt, dass grundsätzlich nur im Falle absoluter Rechte Abwehransprüche bestehen. Die jeweils eigenständige Bedeutung von Primär- und Sekundärrecht lässt sich bei absoluten Rechten leicht erkennen. Als Beispiel soll das Eigentum dienen, § 903 BGB. Hier haben Primärrecht und Sekundärrecht unterschiedlichen Inhalt. Das Primärrecht des § 903 BGB hat neben der Ausschließungsbefugnis den Genuss des Rechts zum Gegenstand, während die Sekundärrechte der §§ 985, 1004 BGB lediglich die Abwehr rechtswidriger Eingriffe betreffen. Eine Sache ist es, mit einem Fahrrad zu fahren und die Befugnis zu haben, anderen das Mitfahren zu verbieten. Eine andere Sache ist es, einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrrads zu haben. Im Gegensatz dazu würden im Falle relativer Rechte sowohl das Primärrecht als die Sekundärrechte materiellrechtlich Ansprüche gleichen Inhalts zum Gegenstand haben. Selbst wenn man Hilfsrechte auch bei relativen Rechten bezogen auf den Leistungsinhalt annehmen würde, wären diese nicht eigenständig erkennbar und blieben „unsichtbar“461. Daneben ließen sich solche Ansprüche auch nicht gleichermaßen wie im Falle absoluter Rechte teleologisch rechtfertigen, da es bei relativen Rechten wegen des Fortbestehens des Primärrechts im Verletzungsfall regelmäßig eines zusätzlichen Schutzes durch ein Hilfsrecht nicht bedarf. Anderes muss jedoch dann gelten, falls sich der Inhalt des Beseitigungsanspruchs nicht in bloßer Negativität zum Inhalt des Primärrechts erschöpft. Dazu sind nochmals die Rechte im Einzelnen zu betrachten. Im Falle eines absoluten Rechts wird auf Primärebene eine Position zugewiesen. Mit dieser Zuweisung ist kein Anspruch verbunden, den irgendjemand erfüllen müsste. Es besteht hinsichtlich des Inhalts der Zuweisung lediglich ein Achtungsanspruch. So kann im Falle 461

Bork, BGB AT, Rn. 288.

II. Unterarten subjektiver Rechte und ihre Hilfsrechte

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des § 903 BGB der Eigentümer einer Sache „mit dieser nach Belieben verfahren und andere von der Sache ausschließen“, was die anderen Rechtsgenossen zu beachten haben. Relative Rechte hingegen haben als Inhalt einen Leistungsgegenstand, der von dem jeweiligen Verpflichteten gefordert werden kann. Dieser Inhalt kann und muss grundsätzlich nur vom jeweiligen Schuldner erfüllt werden. Die Nichterfüllung lässt das Forderungsrecht nicht etwa untergehen, sondern es besteht weiterhin das Recht, die Leistung zu fordern. In Bezug auf den Leistungsinhalt sind keine Hilfsrechte erforderlich. Darüber hinaus wird jedoch auch bei relativen Rechten das Recht als solches zuerkannt (mit bestimmten Inhalt, nämlich eine Leistung fordern zu können), ähnlich wie im Falle des Eigentums die Rechtsposition desselben (mit dem Inhalt des § 903 BGB) zuerkannt wird.462 Die Zuweisung solcher Rechtspositionen bedeutet in beiden Fällen neben ihrer inhaltlichen Ausgestaltung im Einzelnen auch das Haben-Dürfen und BehaltenKönnen dieses Rechts als solchem. Bei absoluten Rechten findet sich auf Primärebene nur diese Zuweisung einer Position. Die Verletzung des Rechts und damit verbunden die Auslösung des Beseitigungsanspruchs liegt im Falle absoluter Rechte in der Nichtbeachtung der dem anderen zugewiesenen Position. Bei einem Leistungsrecht kann die Verletzung desselben demgegenüber einerseits in der bloßen Nichterfüllung des Anspruchs liegen (Nichtbeachtung des Inhalts), andererseits aber auch in der Einwirkung auf den Bestand des Forderungsrechts selbst liegen (Nichtbeachtung des Rechts als solchem). Dementsprechend ist das Bestehen von sekundären Hilfsrechten auch für relative Rechte anerkannt463 für den Fall, dass ein relatives Recht in seinem Bestand betroffen ist und infolge der Verletzung in toto aufgehoben ist.464 Dies hat ebenso auch im Bereich der grundrechtlich ge462 Man darf in keine Tautologie von Recht und Anspruch verfallen. Auch bei relativen Rechten ist Forderungsrecht und Forderungsanspruch zu unterscheiden, vgl. in diesem Sinne schon Schantz, Subjektives Recht, S. 19 f., der ebenfalls Parallelen zwischen dinglichen und relativen Rechten insoweit erkennt, als auch er Forderungsrecht und Forderungsanspruch als nicht identisch behandelt. Der Unterschied zeigt sich etwa daran, dass ein Forderungsrecht als Möglichkeit sich in einem konkreten Forderungsanspruch heute, morgen oder übermorgen konkretisieren kann und so von diesem unterschieden werden kann. Das Forderungsrecht bildet die causa für das Behaltendürfen, auch wenn der Forderungsanspruch verjährt ist, vgl. § 813 Abs. 1 BGB. Diese Differenzierung tritt ferner zu Tage, wenn Dritte auf den Bestand des Rechts als solchem einwirken, z. B. im Fall des § 407 BGB die Forderung zum Erlöschen bringen oder auch in den Fällen des § 816 Abs. 1 und 2 BGB. Im letzteren Fall wird durch bereicherungsrechtliche Ansprüche die Integrität des Forderungsrechts als solchem geschützt, welche gleich den negatorischen Ansprüchen verschuldensunabhängig sind und nicht auf Schadensersatz, sondern Wertersatz gerichtet sind. 463 Roth, Faktische Eingriffe, S. 452; Bork, BGB AT, Rn. 288. 464 Kreßel, Haftungsrecht, S. 23 ff., 25, 192 f.; Roth, Faktische Eingriffe, S. 452; Hoffmann, Abwehranspruch, S. 63; Lorenz, Rechtsschutz, S. 270. Dieser Umstand wird zumeist übersehen, wenn ein Beseitigungsanspruch im Falle relativer Rechte abgelehnt wird wie etwa von Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 152 ff. mwN. Die sich bei Pietzko findenden

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D. Das subjektive Recht

währleisteten relativen Rechte zu gelten.465 Dabei kann die betroffene Rechtsposition durch jeden Rechtsakt entzogen werden, also sowohl durch Legislativakt als auch durch staatliche Einzelakte.466 Insofern zeigt sich eine beschränkte Irrelevanz467 der Unterscheidung von relativem Recht und absolutem Recht in Bezug auf Hilfsrechte: bei beiden Rechten findet sich bezogen auf den Schutz des Bestandes des Rechts ein Hilfsrecht in Gestalt eines Beseitigungsanspruchs. Im Übrigen muss sich gerade im Bereich grundrechtlich gewährter subjektiver Rechte die beschränkte Relevanz der Unterscheidung von absolutem und relativem Recht bestätigt finden. Einem relativem Recht ist eigen, dass es nur eine bestimmte Zahl Verpflichteter hat, insofern relativ ist, während hingegen das absolute Recht „losgelöst“ von jedermann zu beachten ist. Art. 1 Abs. 3 GG bestimmt für alle Grundrechte gleichermaßen eine Verpflichtung der gesamten Staatsgewalt. So wohnt auch grundrechtlichen „Leistungsrechten“ immer eine gewisse Absolutheit inne. Damit relativiert sich in Bezug auf die Annahme von Hilfsrechten die Unterscheidung von relativen und absoluten Rechten. Dies spricht dafür, dass das Entstehen von Hilfsrechten dem subjektiven Recht als solchen eigen ist. Es ist ein Charakteristikum des Oberbegriffs „subjektives Recht“ und findet sich daher dem Grunde nach bei allen Unterarten von subjektiven Rechten.468 Aus dieser Überlegung heraus lässt sich entsprechend begründen, weshalb auch anderen Unterscheidungen subjektive Rechte betreffend keine Bedeutung für das Vorliegen sekundärer Hilfsrechte zukommt. Demzufolge ist die Unterscheidung von formellen und materiellen subjektiven Rechten für das Entstehen von Hilfsrechten irrelevant. Sowohl formelle wie auch materielle subjektive Rechte vermögen einen Beseitigungsanspruch auszulösen.469 Müssen formelle subjektive Rechte als Verfahrensrechte auf Grund ihrer dienenden Funktion auch immer im Zusammenhang mit den hinter ihnen stehenden materiellrechtlichen Gewährleistungen gesehen werden, so besitzt dennoch das Verfahrensrecht bezüglich der Fehlerfolgen wegen der Erörterungen sind daher nicht unzutreffend, sondern unvollständig. Sie stehen daher nicht im Widerspruch zu dem hier Ausgeführten. 465 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 589. 466 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 654 f., wobei dort in Fn. 140 ausgeführt wird, dass es verfehlt wäre, den Schutz durch ein Beseitigungsrecht in ein anderes Grundrecht zu verlagern. 467 Vgl. auch Bork, BGB AT, Rn. 288. 468 Vgl. etwa Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129 (133) und Roth, Organstreitigkeiten, S. 856 f., die das Bestehen von Hilfsrechten aus dem Wesen des subjektiven Rechts ableiten und insofern nicht nach den verschiedenen Unterarten subjektiver Rechte differenzieren. Bei den hier außer Betracht bleibenden, weil im grundrechtlichen Kontext vernachlässigenswerten Gestaltungsrechten findet sich ebenfalls eine Rechtsmacht in Gestalt der einseitigen Einwirkungsmöglichkeit auf die bestehende Rechtslage. Insofern bedarf es hier aus teleologischen Erwägungen keines Schutzes durch flankierende Hilfsrechte. Etwas anderes mag aber auch hier gelten, falls das Gestaltungsrecht als solches negiert wird. 469 Morlok, Verfahrensfehler, S. 126.

II. Unterarten subjektiver Rechte und ihre Hilfsrechte

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subjektiven Rechtsqualität seinen ihm eigenen Stellenwert.470 Dies zeigt sich gerade auch bei der verfassungsgesetzlich ausdrücklich normierten Gewährleistung des Art. 103 Abs. 1 GG. Durch die Verletzung eines Verfahrensrechts wandelt sich dieses „in einen Sanktionsanspruch um, der sich mindestens einmal zu einer echten Sanktionsmöglichkeit verdichten muss“.471 Daher kann bezüglich der Untersuchung der Fehlerfolgen im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG die Einordnung dieses Rechts als Leistungs- oder Abwehrrecht offen bleiben, da sie in Bezug auf die subjektivrechtlichen Fehlerfolgen nicht entscheidend ist. Die Irrelevanz der Einordnung als relatives oder absolutes Recht für das Entstehen von Hilfsrechten zeigt sich vielmehr gerade noch einmal am Beispiel des Art. 103 Abs. 1 GG. Dieses Recht stellt ein melangeartiges Ineinander verschiedener Berechtigungen dar. Bald erscheint es abwehrrechtlich, bald leistungsrechtlich, absolut und relativ zugleich. So gewährt Art. 103 Abs. 1 GG einen Unterlassungsanspruch im Falle der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs. Insoweit zeigt sich die abwehrrechtliche Dimension dieses Rechts. Zugleich normiert das Gehörsrecht aber einen positiven Anspruch auf eine staatliche Tätigkeit. So verpflichtet es den Gesetzgeber zur einfachgesetzlichen Ausgestaltung. Es verpflichtet die Gerichte, den Verfahrensbeteiligten Gehör zu gewähren. Insoweit dominieren organisations- und teilhaberechtliche Aspekte.472 Das Gehörsrecht zeigt sich als nicht eindeutig zuordenbarer Komplex verschiedener Berechtigungen, so dass eine Verneinung von Abwehransprüchen in diesem Falle mit dem ohnehin verfehlten Hinweis auf das Vorliegen eines relativen Rechts nicht überzeugend erschiene. Dem Grunde nach vermag auch das durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährte Recht als subjektivrechtliche Fehlerfolge Beseitigungsansprüche auszulösen.473 470 Insofern es um die Durchsetzung der Verfahrensrechte geht, sind diese Rechte ihrerseits materielle Rechte, vgl. Goerlich, Verfahrensgarantien, S. 324. 471 Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 515. 472 Zu all den genannten Aspekten vgl. Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I, Rn. 24, 25; Neubauer, Justizielle Grundrechte, S. 76 ff., 84 ff. 473 Die Richtigkeit der hier vertretenen Konstruktion zeigt sich auch, wenn man die Alternative hierzu bedenkt. Das Problem betrifft alle Verfahrensrechte als Leistungsrechte. Der Verstoß gegen ein Verfahrenrecht macht den darauf folgenden Hoheitsakt (formell) rechtswidrig, für gerichtliche Entscheidungen vgl. oben B. Infolge dessen liegt immer auch eine Verletzung materieller Rechte, zumindest eine solche von Art. 2 Abs. 1 GG vor, über den man als absolutes Recht einen Abwehranspruch in diesen Fällen herleiten könnte, so etwa Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 64 ff. Bedenkt man aber, dass die Verfahrensrechte jedem Verfahrensbeteiligten zustehen, nicht aber jeder Verfahrensbeteiligte notwendigerweise die Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG geltend machen kann, so wird der Nachteil dieser Konstruktion offenbar. So können sich etwa Hoheitsträger auf die Rechte der Art. 19 Abs. 4, 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG berufen (str., dafür BVerfGE 6, S. 45 (49); 61, S. 82 (104); 75, S. 192 (200); zum Problem Schoch Jura 2001, S. 201 (205)), nicht aber auf das des Art. 2 Abs. 1 GG. Ein weiterer Einwand liegt darin, dass bei einem Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG der darüber begründete Abwehranspruch ggf. weiteren verfassungsrechtlichen Schranken unterliegt als denen des verletzten Rechts, was sich für den Verletzten als nachteilig darstellt.

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D. Das subjektive Recht

III. Resümee Nach den unter B. und C. vorgenommenen Untersuchungen zu den objektivrechtlichen Fehlerfolgen judikativen Unrechts war im vorliegenden Kapitel die Herleitung subjektivrechtlicher Fehlerfolgen in Gestalt von Reaktionsansprüchen grundsätzlich zu klären. Zunächst waren unter D.I.1. Ansätze abzulehnen, welche subjektivrechtliche Fehlerfolgen aus objektivrechtlichen, formellrechtlichen, einfachgesetzlichen oder zivilrechtlichen Vorschriften ableiten. Solche Ansätze bieten keine zureichende Erklärung subjektivrechtlicher Rechtsfolgen, weil sie Begriff, Struktur und Bedeutung des subjektiven Rechts für die Fehlerfolgen außer Betracht lassen. Sie folgern aus den jeweils herangezogenen Vorschriften nur indirekt auf das subjektive Recht zurück und stellen so keinen ausreichenden Bezug her, inwiefern die abgeleiteten Fehlerfolgen gerade solche des subjektiven Rechts bzw. subjektivrechtliche Fehlerfolgen sein sollen. Des Weiteren muss ein solches Vorgehen methodisch verfehlt erscheinen, da sich bereits unmittelbar aus der subjektiven Rechtsqualität selbst die Reaktionsansprüche ableiten lassen und insofern ein Rückgriff auf andere Ableitungen entbehrlich, wenn nicht gar, soweit diese in Form einer Analogie bewerkstelligt wird, mangels Lücke unstatthaft ist. Nach der Darstellung der abzulehnenden Ansätze wurde unter D.I.2. das Vorliegen von Reaktionsansprüchen als Charakteristikum des subjektiven Rechts ermittelt. Hierzu wurde der Begriff des subjektiven Rechts in Übereinstimmung mit der herrschenden Kombinationstheorie definiert als eine Kombination von rechtlich geschütztem Interesse und Rechtsmacht. In Auseinandersetzung mit den an den Einzelelementen des subjektiven Rechts jeweils bestehenden Kritikpunkten und deren Widerlegung wurde der dialektische Prozess des Werdens der Kombinationstheorie nochmals nachvollzogen. Weder der Verzicht auf das rechtlich geschützte Interesse noch der Verzicht auf das Rechtsmachtmoment stellen rechtsdogmatisch überzeugende Begriffsbildungen dar. Erst die den Ruhe- als auch den Verteidigungszustand berücksichtigende, holistische Betrachtung des subjektiven Rechts ergibt eine adäquate dogmatische Umschreibung dieser Rechtsfigur. Gerade im Verletzungsfall zeigt sich die eigentliche Bedeutung subjektiver Rechte. Erst durch das Unrecht bzw. Nicht-Recht wird das Recht vollständig erkannt. Abschließend wurde unter D.II. darauf eingegangen, inwiefern die gefundene spezifische Differenz des subjektiven Rechts diesem als Oberbegriff zukommt und daher für alle Unterarten subjektiver Rechte Geltung beansprucht. Hierbei wurde So unterliegt das Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG nur verfassungsimmanenten Schranken im Gegensatz zum Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Letztlich erscheint es auch befremdlich, wenn das verletzte Primärrecht und das als Reaktion auf diese Verletzung (und die zugleich vorliegende Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG) gewährte Abwehrrecht in ihrem Entstehungsgrund auseinander fallen, vgl. dazu auch Fn. 466.

III. Resümee

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insbesondere auf die Existenz von Abwehransprüchen bei relativen Rechten wie auch bei Verfahrensrechten eingegangen. Für die Ermittlung der subjektivrechtlichen Fehlerfolgen im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG gilt es in den folgenden beiden Kapiteln die mit der Qualifikation dieses Rechts als subjektives Recht verbundenen, aus dem Rechtsmachtmoment ableitbaren materiell- und formellrechtlichen dogmatischen Folgerungen zu ziehen.

E. Der judikative Beseitigungsanspruch Das Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden. (Immanuel Kant)

I. Grundsätzliches zur Annahme eines Beseitigungsanspruchs Die Grundrechte binden die Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht, Art. 1 Abs. 3 GG. Darüber hinaus bestehen grundrechtsgleiche Gewährleistungen wie z. B. Art. 103 GG, die sich vornehmlich an die rechtsprechende Gewalt richten. Unstreitig bestehen subjektive Rechte des Bürgers gegenüber der Judikative. Aus der jedem subjektiven Recht zu seiner Verteidigung beigegebenen Rechtsmacht folgt das Bestehen von schützenden Hilfsrechten. Das haben die Erörterungen des vorangegangen Abschnitts D. ergeben. Somit gibt es keine Bedenken, dass dem Grunde nach Beseitigungsansprüche gegenüber der Judikative bestehen können und müssen. Die Fundamentalität dieser These haben die eingehenden Betrachtungen zur Struktur subjektiver Rechte ergeben. Wenn gleichwohl mit ähnlicher Grundsätzlichkeit die Annahme von Beseitigungsansprüchen gegenüber der Judikative verneint wird, so stehen dem die Regelungen des Art. 1 Abs. 3 GG wie auch die des Art. 103 Abs. 1 GG entgegen, nach denen subjektive Rechte gegenüber der Judikative existieren. Auch vermag die Begründung, welche für die Ablehnung von Beseitigungsansprüchen gegeben wird, nicht zu überzeugen. Gegen die Annahme von Beseitigungsansprüchen wird argumentiert unter Heranziehung der im Rahmen des Spruchrichterprivilegs gem. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB anerkannten Grundsätze, wonach in Bezug auf Urteile bzw. Beschlüsse, bei denen es um eine abschließende Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten geht, dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nach nicht nur der Schadensersatz-, sondern auch ein Beseitigungsanspruch ausgeschlossen sein müsse.474

474 So Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 222 f. m. w. N., die durchaus differenziert und in manchen Fällen einen Beseitigungsanspruch zulassen will; ebenso differenzierend Ivo, Folgenbeseitigungslast, S. 75; vgl. auch den Hinweis bei Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 679, auf die Parallelität von Beseitigungsansprüchen gegen Exekutive und Judikative. Sachs geht insoweit auch von der grundsätzlichen Möglichkeit negatorischer Ansprüche gegen die Judikative aus; ebenso Schenke, JZ 2005, S. 116 (123).

I. Grundsätzliches

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1. Die Notwendigkeit eines Beseitigungsanspruchs Das Problem des judikativen Beseitigungsanspruchs stellt sich hiernach als Abwägungsproblem dar. Auf der einen Seite steht die Gewährung subjektiver Rechte gegen die Judikative und deren Geltungsanspruch, wonach die Beseitigung rechtswidriger gerichtlicher Entscheidungen geboten ist; auf der anderen Seite steht die richterliche Unabhängigkeit sowie das Gebot der Rechtssicherheit als tragender Gedanke der Wirksamkeit als auch der Rechtskraft von rechtswidrigen richterlicheren Entscheidungen. In § 839 Abs. 2 S. 1 BGB sind diese widerstreitenden Interessen gesetzgeberisch einer Entscheidung im Bereich der tertiären Haftung zugeführt, indem der richterlichen Unabhängigkeit bzw. der Rechtssicherheit der Vorrang eingeräumt wird.475 Wie gleich zu zeigen sein wird, lässt sich diese gesetzgeberische Bewertung nicht ohne weiteres auf andere Formen der Haftung übertragen. Wäre nämlich allgemein die Haftung für judikatives Unrecht ausgeschlossen, so wäre dem „Gedanken des nach beiden Seiten hin schonendsten Ausgleichs“476 sicherlich nicht adäquat Rechnung getragen. Vielmehr würde hier einseitig auf Kosten des subjektiven Rechts gehandelt, welches im Verletzungsfall schutzlos gestellt und damit gleichsam verdeckt beseitigt würde. a) Haftungsrechtliche Funktion Gegen eine Anwendung des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB auf den judikativen Beseitigungsanspruch sprechen strukturelle Überlegungen des Haftungsrechts. Der Schadensersatzanspruch oder auch ein Entschädigungsanspruch als Tertiärrecht stellt einen wie beim Sekundärrecht aus teleologischen Erwägungen heraus begründeten, im Vergleich zum Sekundärrecht jedoch andersartigen Schutz des subjektiven Primärrechts dar. Tertiärrechte gewährleisten durch finanzielle Kompensation einen wertmäßigen Erhalt der Integrität des Primärrechts, wohingegen die Sekundärrechte das Primärrecht in seinem Bestand selbst schützen. Der andersartige bzw. weniger weitgehende wertmäßige Integritätsschutz durch tertiäre Hilfsrechte kommt dann in Betracht, wenn sich der sekundärrechtliche Schutz als unzureichend erweist, z. B. der Abwehranspruch aus tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit ausscheidet. Primäres, sekundäres und tertiäres Recht stehen zueinander im Verhältnis der Subsidiarität, d. h. das jeweilige subsidiäre Recht kann im Bedarfsfall an die Stelle des vorrangigen Rechts treten. Die durch die Subsidiarität erreichte Stufung der einzelnen Rechte kommt als allgemeines Rechtsprinzip in Regelungen wie § 254 Abs. 2 S. 1 2. Alt und § 839 Abs. 3 BGB zum 475 Der Schutzzweck des § 839 Abs. 2 BGB ist streitig, was sich in den Bezeichnungen Richterspruchprivileg und Spruchrichterprivileg andeutet, vgl. dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 101. Welchen Schutzzweck man auch immer annimmt, kann dies nicht dazu führen, dass die verfassungsmäßig garantierten Rechte gegen die Judikative gänzlich schutzlos gestellt werden, dazu sogleich im Text. 476 Lerche, Übermass, S. 157.

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

Ausdruck. Danach soll es kein Wahlrecht zwischen der Schadensabwehr durch Sekundärrechte und der Hinnahme des Schadens bei Geltendmachung des Tertiärrechts geben.477 Die Stufung bringt auch zum Ausdruck, dass die Hilfsrechte sich gegenseitig substituieren können. Wenn schon kein Integritätsschutz durch Sekundärrechte, dann wenigstens durch Tertiärrechte. Danach sind folgende Konstellationen denkbar: entweder gibt es sowohl Sekundär- als auch Tertiärrechte, dann beeinflusst die Möglichkeit der Geltendmachung des Sekundärrechts das Tertiärrecht, oder aber das Sekundärrecht ist ausgeschlossen und der Rechtsinhaber von vornherein auf den wertmäßigen Integritätsschutz des Tertiärrechts verwiesen. Hieran zeigt sich, dass stets die Existenz oder Nichtexistenz von Sekundärrechten auf die Tertiärrechte wirkt, nicht aber umgekehrt. Tertiärrechte (und auch ihre Beschränkungen) wirken sich auf die Existenz von Sekundärrechten nur insofern aus, als dass im Falle des Ausschlusses von Tertiärrechten die Gewährung von Sekundärrechten an Bedeutung gewinnt, da ansonsten keinerlei Schutz des Primärrechts besteht und damit die Rechtsmacht des subjektiven Rechts in Frage gestellt ist. Nach alledem wird deutlich, dass von dem tertiärrechtlichen Ausschluss der Regelung des § 839 Abs. 2 BGB nicht auf einen Ausschluss des Sekundärrechts rückgeschlossen werden kann, sondern vielmehr im Gegenteil auf die Existenz solcher Sekundärrechte geschlossen werden muss, insofern ansonsten das subjektive Recht schutzlos wäre. b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigungsfunktion Weiterhin stellt der in § 839 Abs. 2 BGB angeordnete Ausschluss des Tertiärrechts, insoweit er das tertiäre Hilfsrecht beschränkt, einen Eingriff in das jeweilige Primärrecht dar, als er für den Verteidigungsfall den wertmäßigen Integritätsschutz ausschließt. Bezüglich der verfassungsrechtlichen Legitimation dieser Beschränkung der verfassungsmäßig gewährleisteten subjektiven Rechte gegen die Judikative mag zum einen der Schutz des Rechtsfriedens und der Rechtskraft angeführt werden. Diese müssen im Wege der praktischen Konkordanz mit dem jeweils beeinträchtigten Recht zum Ausgleich gebracht werden. Dies kann nicht einseitig auf Kosten des gewährten subjektiven Rechts geschehen, so dass von diesem nichts mehr übrig bleibt. Insofern spricht dies gegen eine Erstreckung des § 839 Abs. 2 BGB auch auf Sekundärrechte, weil dann ein nicht zu rechtfertigender Eingriff, im Grunde sogar eine verdeckte Beseitigung der subjektiven Rechte, welche gegenüber der Judikative bestehen, liegen würde, insofern als deren subjektive Rechtsqualität durch Ausschluss aller Hilfsrechte in Frage gestellt würde. Geht man den umgekehrten Weg, wird gerade durch die Nichterstreckung des durch § 839 Abs. 2 BGB angeordneten Ausschlusses auf das Sekundärrecht mittels der dann nach wie vor bestehenden Abwehransprüche dem Schutz des Primärrechts 477 Dazu Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (63); vgl. nur für Art. 14 GG die Ablehnung des „Dulde und liquidiere“, dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 30, Rn. 6.

I. Grundsätzliches

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genügt. Durch die Kompensation in Gestalt des Beseitigungsanspruchs erfährt die Beschränkung bzw. der Ausschluss der Tertiärrechte eine zusätzliche Legitimation, welche neben die Rechtfertigung durch Rechtsfrieden und Rechtssicherheit tritt. Nur die Nichterstreckung des tertiären Ausschlusstatbestandes auf die Sekundärrechte stellt im Ergebnis eine verfassungsrechtlich zulässige Abwägungsentscheidung dar.

c) Subjektivrechtliche Funktion Letztlich entscheidend gegen die Annahme eines Ausschlusses von Abwehransprüchen spricht die mit Verfassungsrang ausgestattete Entscheidung für die subjektive Rechtsqualität der gegenüber der Judikative zugunsten des Bürgers begründeten Gewährleistungen. Mit einer kategorischen oder auch nur weitreichenden Negation der Abwehransprüche würden die Rechtsmacht und damit die subjektive Rechtsqualität dieser Gewährleistungen in Frage gestellt. Ob eine solch weitreichende Anordnung der einfachgesetzlichen Regelung des § 839 Abs. 2 BGB entnommen werden kann, scheint fraglich. Möglich, aber keine derart grundsätzliche Infragestellung von Sekundärrechten sind Beschränkungen des zunächst dem Grunde nach gegebenen Abwehranspruchs.478 Ausgeschlossen ist jedoch auf Grund des Bestehens subjektiver Primärrechte gegenüber der Judikative die vollständige und grundsätzliche Ablehnung der Existenz von sekundären Hilfsrechten. Dies würde eine Schutzlosstellung dieser Rechte und die Aufhebung ihres Geltungsanspruchs im Verletzungsfall bedeuten. Die Grundrechte binden jedoch die Judikative gerade auch im Verletzungsfall als „unmittelbar geltendes Recht“, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG. Der subjektiven Rechtsqualität der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen gegenüber der Judikative lässt sich nicht ausreichend anderweitig dadurch Rechnung tragen, dass man die Folgen von Verletzungen dieser Rechte als Problem der Gerichtsorganisation, des richterlichen Dienstrechts, der Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens und der gewährten Rechtsmittelmöglichkeiten begreift und darin aufgehen lässt, indem man argumentiert, auf diesen Wegen werde reaktionsrechtlich judikativem Unrecht Genüge getan. Auch ohne die Annahme eines dahinter stehenden Beseitigungsanspruchs bewirkt die stark formalisierte, mit zahlreichen Rechtmäßigkeitskautelen ausgestattete Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens eine erhöhte Rechtmäßigkeitsgewähr und damit einen Schutz subjektiver Rechte gegen den Richter. Dies bewirken auch die Vorschriften der Gerichtsorganisation oder das Rechtsmittelrecht, Letzteres auch dann, wenn die Gewährung eines Rechtsmittels nicht nur zum subjektiven Rechtsschutz, sondern im Allgemeininteresse gewährt ist, z. B. zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung und der Klärung allgemein bedeutsamer Rechtsfragen. All diese zumeist objektivrecht478

Dazu unten G.

9 Hößlein

130

E. Der judikative Beseitigungsanspruch

lichen Vorkehrungen führen reflexartig auch zu einem Schutz subjektiver Rechte gegen die Judikative. Jedoch kann ein solcher Schutz den mit Verfassungsrang ausgestatteten, kategorisch bestehenden, vom Willen des subjektiv Berechtigten abhängigen und durchsetzbaren Beseitigungsanspruch nicht ersetzen, da nur subjektivrechtliche Reaktionsmöglichkeiten der subjektiven Rechtsqualität genügen.479 Mit einem solchen Verweis auf die Ausgestaltung von Gerichtsorganisation und -verfahren oder anderer einfachgesetzlicher, zudem objektivrechtlicher Vorkehrungen lässt sich dem teleologisch gebotenen, mit Verfassungsrang ausgestatteten Schutz subjektiver Rechte nicht hinreichend Rechnung tragen. Was geschieht, wenn der Richter die Vorschriften über Organisation, Verfahren, Rechtsmittel usw. verletzt? Gerade im Verletzungsfall versagen all diese im Vorhinein getroffenen Vorkehrungen und gerade hier zeigt sich die Bedeutung und Notwendigkeit des Beseitigungsanspruchs. Auch auf eine höhere Integrität und Rechtstreue der Richterperson kann man nicht vertrauen, was der schlichte Hinweis auf den Verletzungsfall, die Tatsache des judikativen Unrechts, zeigt. Die Verneinung von Beseitigungsansprüchen bedeutet anders formuliert nichts weniger, als dass der Verstoß gegen Rechtsvorschriften, welche subjektive Rechte gegen den Richter gewähren, ohne subjektive sekundärrechtliche Folge und damit sanktionslos bleibt, die Einhaltung dieser Rechte nicht erzwingbar ist.480 Damit fehlt es aber an einem Charakteristikum der Normativität und das Verhältnis Bürger-Judikative wäre in subjektivrechtlicher Hinsicht ein im Rechtsstaat exemter Bereich, letztlich moralischer Natur, da dem Richter die Sorge für die Einhaltung dieser Rechte überantwortet wäre. Dem subjektiven Recht wären keine Vorgaben für den Verteidigungsfall zu entnehmen, da es im Verletzungsfall keine dem subjektiven Recht korrelierenden Handlungspflichten des Richters gäbe. d) Rechtsdogmatische Funktion Für die Existenz und die dogmatische Konstruktion von Beseitigungsansprüchen gegenüber der Judikative streiten noch weitere Gründe. Die inhaltlichen Vorgaben, die das Sekundärrecht für den Verteidigungsfall bereithält, verleihen dem amorphen formellen Anspruch auf Rechtsschutz gegen den Richter, so es einen solchen geben sollte,481 materielle Gestalt.482 Sie sind die Rechte, welche dem Rechts479 Oben wurde unter D.I.2.c)bb) bereits nachgewiesen, dass die mit der subjektiven Rechtsqualität gewährte Rechtsmacht eine subjektive Erzwingbarkeit beinhaltet, so dass schon insofern objektivrechtliche Sanktionen ungenügend sind. 480 Objektivrechtliche Sanktionen, wie z. B. strafrechtliche Bewehrung oder disziplinarrechtliche Maßnahmen scheiden aus. Wie oben unter D.I.2.c)bb) nachgewiesen muss die Bewehrung des subjektiven Rechts ihrerseits subjektivrechtlich sein. 481 Dazu unten F.

I. Grundsätzliches

131

schutz zu Grunde liegen und welche in einem Rechtsschutzverfahren durchgesetzt werden. Ihnen sind daher die inhaltlichen Anforderungen und Vorgaben zu entnehmen, was das Ziel und Ergebnis des Rechtsschutzverfahrens betrifft. Bei funktioneller Betrachtung ist die Annahme eines Beseitigungsanspruchs zur näheren inhaltlichen Konturierung des Rechtsschutzanspruchs unerlässlich. Dogmatisch wird durch das Flankieren formellen Rechts durch materielles Recht eine größere systematische Geschlossenheit erreicht. Nach der Überwindung des aktionenrechtlichen Denkens und der damit einhergehenden analytischen Scheidung zwischen formellem und materiellem Recht seit Windscheid werden formellrechtliche Ansprüche stets durch materiellrechtliche begleitet und vervollständigt. In der Annahme materieller Ansprüche, welche mit Hilfe der formellrechtlichen durchgesetzt werden, kommt im Übrigen auch die dienende Funktion des Prozessrechts zum Ausdruck.483 Wenngleich nun die h. M. Windscheid die Gefolgschaft im Falle der Feststellungsklage versagt hat,484 so ist doch der formellrechtliche Torso der Feststellungsklage eine singuläre dogmatische Erscheinung geblieben. Wenn nun stets materiellrechtliche Ansprüche mit formellrechtlichen Ansprüchen einhergehen, dann liegt es nahe, einen solchen Dualismus auch bei den sekundären Hilfsrechten des subjektiven Rechts anzunehmen.485 Vgl. auch Schenke, Rechtsschutz, S. 145. Über die Stellung und Bedeutung des Verfahrensrechts besteht Streit, vgl. dazu nur Grunsky, Grundlagen, § 1 (S. 1 ff.); Henckel, Prozessrecht, S. 58 ff., wobei die insoweit ganz h. M. die dienende Funktion des Verfahrensrechts anerkennt und den Sinn des Verfahrens primär in der Verwirklichung des materiellen Rechts sieht, mögen daneben auch noch andere Zwecke Relevanz erlangen wie etwa die Konfliktbeilegung und dadurch die Sicherung des Rechtsfriedens, vgl. Menger, in: Grundrechte III / 2, S. 730; Henckel, S. 57 f.; Grunsky, S. 15; nur vereinzelt finden sich andere Ansichten, bspw. Pawlowski, ZZP 80 (1967), S. 345 (363 ff.), der annimmt, das Recht gelange erst durch die verfahrensmäßige Konkretisierung zur Entstehung; kritisch dazu Henckel, S. 52 ff.; den Eigenwert des Verfahrens als Mittel der Konfliktlösung betont Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 17 ff. 484 Die Feststellungsklage ist rein prozessualer Natur, was sich schon aus der Existenz einer negativen Feststellungsklage erklärt, bei welcher gerade kein materielles Recht zu Grunde liegt, aus welchem ein Feststellungsanspruch hergeleitet werden könnte. Die Feststellungsklage verfolgt keinen sachlichrechtlichen Anspruch, vgl. Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, § 256, Rn. 1. 485 Diesen Zusammenhängen nicht gerecht werden die Arbeiten von Lorenz, Haag, Kamper, Voßkuhle und S. Pawlowski insofern, als sie sich nur auf den formellrechtlichen Aspekt „Rechtsschutz gegen den Richter“ konzentrieren, aber nicht weiter danach fragen, welches Recht es eigentlich ist, dass im Wege des Rechtsschutzes gegen den Richter nun eigentlich zu Grunde liegt und durchgesetzt wird. Da der Rechtsschutzanspruch nur dienende Funktion hat, muss doch bei der Frage nach dem Rechtsschutz gegen den Richter stets vom materiellen Recht ausgegangen werden. Es muss zunächst ein Etwas geben, bezüglich dessen in einem zweiten Schritt die Frage der Durchsetzbarkeit gestellt werden kann. Die isolierte Betrachtung der Einschlägigkeit des Art. 19 Abs. 4 GG mutet demnach fast aktionenrechtlich an, wenn bei den genannten Autoren nicht näher auf das Recht eingegangen wird, welches mit Hilfe eines derartigen Rechtsschutzanspruchs durchgesetzt wird. Dies wird zumeist nicht das Primärrecht sein, weil dieses im Verletzungsfalle nicht fortbesteht. Insofern reicht ein undifferenzierter Verweis auf die Tatsache, dass die Grundrechte gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch 482 483

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

Kein ernsthafter Einwand und daher anders zu bewerten als die ausdrückliche Ablehnung von Beseitigungsansprüchen gegenüber der Judikative ist das bloße Außerachtlassen solcher Ansprüche. Diese Nichtbeachtung des Beseitigungsanspruchs ist vom Boden der bislang h. M., welche die Nichterstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf Rechtsprechungsakte befürwortete, erklärlich. Bei fehlendem verfassungsrechtlich gebotenen Rechtsschutz gegen die Judikative bestand weiter kein Anlass, danach zu fragen, welche Rechte mittels eines potentiellen Rechtsschutzes durchgesetzt werden.486 Fordert aber nunmehr die Plenumsentscheidung einen Anspruch auf Rechtsschutz im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG,487 so zeigt sich gerade hieran nunmehr die Notwendigkeit eines materiellrechtlichen Anspruchs, der mit Hilfe dieses Rechtsschutzanspruchs durchgesetzt wird.

2. Das Verhältnis von Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch Steht nach alledem der Annahme materiellrechtlicher Hilfsrechte nicht nur nichts entgegen, sondern ist deren Annahme auf Grund der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte darüber hinaus sogar geboten, so ist noch näher zu präzisieren, welche Hilfsrechte in Betracht kommen und weswegen die nachfolgende Untersuchung gerade den Beseitigungsanspruch fokussiert. Als materielle sekundäre Hilfsrechte kommen zunächst sowohl Unterlassungsansprüche als auch Beseitigungsansprüche in Betracht. Unterlassungsansprüche werden jedoch vielfach unter Verweis auf bestehende Beseitigungsansprüche ausgeschlossen, sei es bei legislativem Handeln auf Grund funktionellrechtlicher Bedenken,488 sei es bei exekutivem Handeln auf Grund gesetzgeberischer Bestimmungen, wie etwa der des § 44a VwGO. Hier liegt der Gedanke zu Grunde, dass durch eine Konzentration des Rechtsschutzes auf die verfahrensbeendende Entscheidung der durch einen Unterlassungsanspruch bewerkstelligte verfahrensbegleitende Rechtsschutz einerseits ausgeschlossen, andererseits aber zugleich kompensiert wird. Solche Regelungen finden sich auch im gerichtlichen Verfahrensrecht, wonach vielfach Zwischenentscheidungen unanfechtbar sind, vgl. § 146 Abs. 2 VwGO. Aus prozessökonomischen Gründen wird der danach ausgeschlossene verfahrensbegleitende Rechtsschutz durch die Angegenüber der Judikative gelten, nicht aus. Würde aber von den genannten Autoren stillschweigend von der Existenz von Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüchen gegenüber der Judikative ausgegangen, so überzeugte ein solches Vorgehen nicht angesichts der bisher völligen Vernachlässigung solcher Ansprüche bis hin zur Ungewissheit über deren Existenz überhaupt. 486 Wenngleich zumindest im Falle der Urteilsverfassungsbeschwerde sich die Frage gestellt hätte, welcher materiellrechtliche Anspruch mittels dieser durchgesetzt wird. 487 Vgl. dazu oben die Einleitung dieser Arbeit. 488 Dazu Schenke, Rechtsschutz, S. 127 ff.

I. Grundsätzliches

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fechtbarkeit der Endentscheidung, welche gerade auch im Falle von Verfahrensfehlern gewährt wird, ersetzt.489 Von der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit im Sinne eines gerechtfertigten Grundrechtseingriffs ist insofern auszugehen, als der einfachgesetzliche Ausschluss von verfahrensbegleitendem Rechtsschutz einerseits durch verfahrensökonomische Gründe wie die schnellere Erledigung von Verfahren, andererseits durch die nachfolgende Kompensation im Wege der Anfechtbarkeit der Endentscheidung verfassungsrechtlich legitimiert ist. Der Ausschluss von Unterlassungsansprüchen und der Verweis auf die Geltendmachung von Beseitigungsansprüchen sind aus einem weiteren Grund legitimierbar. Beide Ansprüche weisen einen spezifischen Zusammenhang auf. Sie haben denselben Rechtsgrund und sind Teile eines einheitlichen Sekundäranspruchs.490 Fasst man beide Ansprüche als nebeneinander bestehende Teile eines einheitlichen Abwehranspruchs auf, stellt sich die Notwendigkeit, die Frage nach dem Verhältnis beider Ansprüche zueinander zu stellen. Der Unterlassungsanspruch geht dem Beseitigungsanspruch zeitlich vor, der Beseitigungsanspruch ist aus dem Unterlassungsanspruch ableitbar.491 Der Beseitigungsanspruch lässt sich konstruktiv als das Bestehen eines fortgesetzten, sich ständig aktualisierenden Unterlassungsanspruchs begreifen. Ist eine Rechtsverletzung eingetreten, so kann im Falle einer Dauerstörung die Rechtsverletzung nur dadurch (gegenwärtig und für die Zukunft) unterlassen werden, indem die Rechtsverletzung (gegenwärtig) beseitigt wird.492 Die Tatsache, dass die Beseitigung Voraussetzung und Teil der Erfüllung des Unterlassungsanspruchs ist, darf selbstredend nicht dazu verleiten, den Beseitigungs489 Kopp / Schenke, VwGO, § 146, Rn. 9. Hier zeigt sich auch die Bedeutung der Tatsache, dass Verfahrensfehler die das Verfahren abschließende Sachentscheidung infizieren, dazu oben B. Nur von daher ist eine Geltendmachung dieser Fehler im Rahmen der Anfechtung der Endentscheidung denkbar. Obwohl dieses Infizieren nicht logisch zwingend ist, ist es im Rahmen des Ausschlusses verfahrensbegleitenden Rechtsschutzes und einer nachfolgenden Kompensation durch Anfechtbarkeit der Endentscheidung funktionell notwendig. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Kompensation durch Anfechtbarkeit der Endentscheidung nicht für Dritte gilt, weswegen diese verfahrensbegleitend Rechtsschutz erlangen können, vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 146, Rn. 13. 490 Der Zusammenhang von Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als Schutzansprüche vor hoheitlichem Unrecht setzte sich erst allmählich durch, da die beiden Ansprüche aus verschiedenen Begründungsansätzen entstanden sind, dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 286. Beide Ansprüche haben jedoch einen identischen Rechtsgrund, Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (37); Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 505. Dies kommt im Zivilrecht schon in der gesetzestechnischen Verknüpfung in § 1004 BGB zum Ausdruck, wobei auch der historische Gesetzgeber offenbar von einem einheitlichen Abwehranspruch ausging, vgl. Motive III, S. 424 = Mugdan III, S. 237: „zwei Gestaltungen des negatorischen Anspruchs“. 491 Dieses Vorgehen erwies sich im Falle der Grundrechte als notwendig, will man aus dem Grundrechtstext selbst Beseitigungsansprüche herleiten, dazu oben Fn. 337 sowie dort im Text. 492 Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (36), wonach die Beseitigung sich als Mittel zur Erfüllung der Unterlassungspflicht darstellt; ebenso Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche im Verwaltungsrecht, S. 58 ff.; Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 198 f.

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

anspruch im Unterlassungsanspruch aufgehen zu lassen und somit die Eigenständigkeit beider Ansprüche anzuzweifeln.493 Dies ergibt sich im Bereich des Zivilrechts schon daraus, dass beide Ansprüche unterschiedlich vollstreckt werden. Der Beseitigungstitel wird nach §§ 887, 888 ZPO vollstreckt, der Unterlassungstitel nach § 890 ZPO. Der Unterschied liegt darin, dass in letzterem Fall dem Gläubiger nur indirekt ermöglicht wird, den Schuldner zu einer Handlung494 zu bewegen, welche den Störungszustand beseitigt. Weiterhin liegt das mögliche Ordnungsgeld bei § 888 Abs. 1 S. 2 ZPO mit 25.000 Euro deutlich unter der Grenze des § 890 Abs. 1 S. 2 ZPO mit 250.000 Euro. Gleichwohl gilt es die dargestellte enge Verzahnung beider Ansprüche als Teil eines einheitlichen Ganzen zu beachten. Ist danach der Beseitigungsanspruch nur eine besondere Erscheinungsform des Sekundärrechts, notwendig zur Erfüllung des fortbestehenden Unterlassungsanspruchs im Nachhinein, so bedeutet der Verweis auf den Beseitigungsanspruch keinen vollständigen Ausschluss von Unterlassungsansprüchen, sondern nur den Verweis auf eine besondere Form der Geltendmachung des Sekundärrechts in Gestalt eines Beseitigungsanspruchs.495 Daraus erklärt sich auch die Legitimation des Ausschlusses von Unterlassungsansprüchen unter Verweis auf Beseitigungsansprüche. Indem die nachfolgende Untersuchung den Beseitigungsanspruch untersucht, will sie das Sekundärrecht insgesamt untersuchen. Wegen des einfachgesetzlich in verfassungsrechtlich zulässiger Weise vorgenommenen weitgehenden Ausschlus493 Ausführlich Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 201 ff. Dies wird von den in Fn. 495 Genannten nicht ausreichend problematisiert, wenn sie den Beseitigungsanspruch als Mittel zur Erfüllung des Unterlassungsanspruchs ansehen. Es wird keine Aussage getroffen, ob dann die Beseitigung Teil des Unterlassungsanspruchs ist und mit diesem geltend zu machen ist oder vielmehr der Beseitigungsanspruch geltend zu machen ist und der daneben bestehende Unterlassungsanspruch sich dadurch erledigt, weil er mit erfüllt wird. 494 Unterlassen i.S.v. § 890 ZPO kann auch ein Handeln sein, da die Unterlassungspflicht oft nur durch zusätzliches aktives Handeln erfüllt werden kann, vgl. Putzo, in: Th / P, ZPO, § 890, Rn. 2a. 495 Das Verhältnis beider Ansprüche wird von der insoweit herrschenden Meinung im Einklang mit der hier vertretenen Auffassung beschrieben. Rösslein, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 69 f., 77 f., 83 und Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (36: „Mittel zur Erfüllung der Unterlassungspflicht“), gehen von einem gleichberechtigten Nebeneinander beider Ansprüche aus, ebenso Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 27 f., wonach der Beseitigungsanspruch neben den fortbestehenden Unterlassungsanspruch tritt und dessen Erfüllung dient; ähnlich Müller, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, S. 58 ff. Zum Zusammenhang von Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch vgl. bereits Weyreuther, Gutachten, S. 85 ff., der eine „Metamorphose“ (so Bender, Staatshaftungsrecht, Rn. 241) von Unterlassungsanspruch in den Beseitigungsanspruch annimmt; ähnlich auch Redeker, DÖV 1987, S. 194 (197), der jedoch einem Untergang des Unterlassungsanspruchs und eine Substitution durch einen Beseitigungsanspruch annimmt, wohl ebenso Brohm, Rechtsschutz im Bauplanungsrecht, S. 80. Auch Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 112 fasst beide Ansprüche als „zwei Teilaspekte eines einheitlichen grundrechtlichen Abwehrrechts“ auf. Die Abgrenzung richte sich nach dem Zeitpunkt der Rechtsbeeinträchtigung, d. h. danach, ob die Beeinträchtigung bereits eingetreten ist oder noch bevorsteht.

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs

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ses von verfahrensbegleitendem Rechtsschutz und damit der zeitlichen Aufschiebung der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen erscheint jedoch eine Fokussierung auf den Beseitigungsanspruch angebracht.496

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs Will man Tatbestand und Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs ermitteln, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dieser im Zivilrecht497 sowie, wenn auch weniger zahlreich, im Öffentlichen Recht498, 499 eine positivrechtliche Ausgestaltung gefunden hat. Allerdings wurde bereits darauf eingegangen, dass diese Regelungen aufgrund ihres einfachgesetzlichen Ranges, sowie im Bereich des Öffentlichen Rechts wegen ihrer geringen Zahl keine Rückschlüsse auf den vorliegend im Falle des Art. 103 Abs. 1 GG zu ermittelnden verfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruch zulassen.500 Vielmehr leitet sich der Beseitigungsanspruch teleologisch aus der subjektiven Rechtsqualität ab. Insofern weist die Feststellung der Rechtsgrundlage des Beseitigungsanspruchs im vorangegangenen Abschnitt D. der folgenden Frage nach den Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs den Weg. Der Beseitigungsanspruch schützt als akzessorisches Hilfsrecht die Integrität eines subjektiven Rechts im Falle seiner Verletzung. Auf Grund dieser Funktion muss in Gestalt der Tatbestandsvoraussetzungen des Beseitigungsanspruchs ein spezifischer Bezug zur Beeinträchtigung des Primärrechts bestehen. 496 Insbesondere wurde unter D.II. für die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG bereits gezeigt, dass während der Dauer des Verfahrens dieses Recht wie andere Verfahrensrechte auch als Leistungsrecht seinen Integritätsschutz dadurch bewirkt, daß im Verletzungsfall der primäre Leistungsanspruch auf die Vornahme der Verfahrenshandlung fortbesteht. Inwieweit es darüber hinaus eines flankierenden Hilfsrechts in Gestalt eines Unterlassungsanspruchs in Bezug nicht auf die verfahrensbegeleitende Handlung, sondern auf die das Verfahren abschließende Entscheidung gibt, wäre zu klären. So findet sich etwa in § 139 Abs. 2 ZPO eine Ausprägung des Gehörsrechts in Form eines Verbots von Überraschungsentscheidungen, wobei immer die weitere Frage zu klären ist, ob einer Pflicht des Richters ein Anspruch der Beteiligten entspricht. Selbst wenn man jedoch von einem solchen Anspruch ausginge, wäre dessen Annahme insofern fraglich, als dieser Anspruch nicht durchsetzbar wäre. Somit erscheint im Ergebnis die Beschränkung der nachfolgenden Betrachtung auf den Beseitigungsanspruch legitimiert. Zum Unterlassungsanspruch bei Verfahrensfehlern vgl. auch Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 485. 497 Vgl. nur §§ 12, 862, 1004 BGB. 498 Vgl. etwa im Landesrecht die dem § 10g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 MEPolG entsprechenden polizeirechtlichen Vorschriften über die Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen, dazu Schenke, Polizeirecht, Rn. 218. 499 Für den judikativen Beseitigungsanspruch können Regelungen aus dem Rechtsmittelrecht angeführt werden, welche einen Anspruch auf „Aufhebung“ einer gerichtlichen Entscheidung beinhalten, z. B. § 95 Abs. 2 BVerfGG, §§ 130 Abs. 1, 144 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwGO usw. 500 s. oben unter D.I.1.c).

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

Das Primärrecht besteht aus der Zuweisung einer Position, durch welche zur Befriedigung eines von der Rechtsordnung anerkannten Interesses eine Willens- oder Rechtsmacht verliehen wird. Sieht man vom Inhalt der Position ab, so besteht das Primärrecht bei formaler Betrachtung aus der Willens- oder Rechtsmacht.501 Dieses Wollen ist ein Wollen-Dürfen und Wollen-Können.502 Der Berechtigte darf bzw. kann sowohl tatsächlich als auch rechtlich von seinem Recht nach Belieben Gebrauch machen und es ausüben.503 Der Eingriff in das Primärrecht ist also gleichbedeutend mit der Beeinträchtigung der Ausübung. Diese Beeinträchtigung darf rechtlich nicht erlaubt sein, da sonst ein Widerspruch in der Rechtsordnung entstünde.504 Ist dem Verletzer die Verletzungshandlung erlaubt, kann die Rechtsordnung nicht gleichzeitig in Gestalt eines sekundären Hilfsrechts ein Ge- oder Verbot an den Verletzer aussprechen, die Verletzungshandlung zu unterlassen oder zu beseitigen. Folglich muss die Beeinträchtigung als Voraussetzung des Beseitigungsanspruchs (zumindest im Ergebnis) rechtswidrig sein.505 501 Jellinek, System, S. 45.; zu den Aspekten der durch die Willens- oder Rechtsmacht geschützten Freiheitsbetätigung vgl. auch Roth, Faktische Eingriffe, S. 161 ff. 502 Jellinek, System, S. 45 ff. 503 Zur Bedeutung der Willensmacht schon oben D.I.2. Begrenzt ist diese Ausübung durch den materialen Inhalt der Position sowie durch weitere die Rechtsausübung auferlegte Beschränkungen, z. B. § 226 BGB. 504 Bucher, Subjektives Recht, S. 123 ff., wonach eine „dogmatische Konzeption, die neben dem Element der Rechtsverletzung zusätzlich die Widerrechtlichkeit prüft, unhaltbar“ sei. „Auf die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten im Hinblick auf ein subjektives Recht rechtmäßig ist oder nicht, kann eine Rechtsordnung, ohne sich selber zu widersprechen, nur eine Antwort geben; das Verhalten des Rechtsgenossen kann nur entweder normgemäß oder normwidrig sein . . . Damit ist der tautologische Charakter der beiden Fragen, derjenigen nach dem Vorliegen einer Rechtsverletzung und derjenigen nach der Widerrechtlichkeit aufgezeigt . . . “, S. 124; vgl. auch Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre, § C (S. 67): „Wenn als meine Handlung oder überhaupt mein Zustand mit der Freiheit von jedermann nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, so tut mir der unrecht, der mich daran hindert . . . “, § D (S. 68): „Nun ist alles, was unrecht ist ein Hindernis der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen . . . “. Als Gegenstück muss die hiergegen vom subjektiv Berechtigten getätigte Handlung rechtlich erlaubt sein, vgl. Kant, MdS, § D (S. 68): „ . . . so ist der Zwang, der diesem entgegengesetzt wird, als Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmend, d.i. recht . . . “; desgleichen auch Hegel, Grundlinien, § 93: „rechtlich“. 505 Zu diesem Zusammenhang der in der Rechtsverletzung implizierten Rechtswidrigkeit für den exekutiven Beseitigungsanspruch Kopp / Schenke, VwGO, § 113, Rn. 5. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Beeinträchtigung eines Rechts oder Rechtsguts letztlich immer die Verletzung der dem subjektiven Recht korrelierenden Pflicht bedeutet. Gleichwohl werden von der h. M. Eingriff und Rechtswidrigkeit getrennt, um damit der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ausnahmsweise auch Rechtfertigungsgründe vorliegen können, welche ein beeinträchtigendes Verhalten gestatten. Freilich kann man sich dann fragen, ob es in diesem Fall sinnvoll ist, zunächst das Vorliegen eines Eingriffs zu bejahen und damit von (im Ergebnis) rechtmäßigen Eingriffen zu reden, vgl. dazu auch unten E.II.1.b); vgl. auch die Einschätzung der Rechtswidrigkeitsebene durch Bucher, für den die Rechtsverletzung die Rechtswidrigkeit

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs

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Auf eine Kurzformel gebracht können die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs gleichgesetzt werden mit der Verletzung des Primärrechts, d. h. mit dem Vorliegen eines rechtswidrigen Eingriffs in das Primärrecht. Demzufolge gliedert sich die Darstellung des Tatbestands des Beseitigungsanspruchs grob in zwei Abschnitte. Sie wird sich mit den einzelnen Aspekten des Eingriffs zu beschäftigen haben (dazu 1.) sowie nachfolgend mit der Rechtswidrigkeit des Eingriffs (dazu 2). Diese allgemein gehaltenen analytischen Betrachtungen lassen sich durch weitere Überlegungen präzisieren, um so zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Beseitigungsanspruchs im Einzelnen zu gelangen. Aufgrund des spezifischen funktionellen Bezugs des sekundären Hilfsrechts zum Primärrecht gilt es, die jeweils konkret in Frage stehenden Primärrechte in den Blick zu nehmen. Im Rahmen unserer Fragestellung geht es um die Untersuchung subjektiver Rechtspositionen des Bürgers gegen die Judikative, welche verfassungsrechtlich gewährleistet sind. Da es um die Verletzung von Grundrechten bzw. grundrechtsähnlichen Rechten geht, liegt es nahe, den Begriff der subjektiven Rechtsverletzung mit der Prüfung einer Grundrechtsverletzung in Bezug zu setzen, um so den Voraussetzungen des sekundären Hilfsrechts im Falle der Grundrechte eine Kontur zu verleihen. Auf diese Weise könnte etwa die grundrechtliche Eingriffsdogmatik für das oben als Beeinträchtigung der Primärposition bezeichnete Phänomen fruchtbar gemacht werden.506 Bei einem solchen Vorgehen ließen sich zwar die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs ermitteln, es bliebe aber immer noch die Frage nach dessen Rechtsfolgen bzw. dem Anspruchsinhalt. Hinsichtlich beidem, Tatbestand und Rechtsfolge, könnte das zivilrechtliche Paradigma des § 1004 BGB Hinweise enthalten und die Struktur eines solchen Anspruchs verdeutlichen und somit im besten Sinne des Wortes ein „Paradigma“ abgeben.507 impliziert (vgl. Fn. 504), so dass die eigene Bedeutung der Rechtswidrigkeit nur in Folgendem liegen kann, Bucher, Subjektives Recht, S. 125 f. [Hervorh. im Original]: „Die Frage nach der Widerrechtlichkeit einer Rechtsverletzung kann m. E. zweierlei bedeuten: 1. Es kann sich handeln um die Frage nach dem Vorliegen von Rechtfertigungsgründen. . . . 2. Mit der Frage nach der Widerrechtlichkeit kann auch die Frage nach Umfang und Grenzen des subjektiven Rechts gemeint sein“; vgl. auch die Entstehungsgeschichte des § 1004 BGB: „Es werden die Ausdrücke: Eingriff, Störung, Beschränkung gebraucht, jedoch wollen diese Ausdrücke übereinstimmend die gegenwärtige objektive Verletzung des Eigentums bezeichnen“. Im Übrigen „wird auf das Erforderniß hingewiesen, daß die Verletzung eine – objektiv – rechtswidrige sein müsse“, vgl. Jakobs / Schubert, Sachenrecht I, S. 851. 506 Ebenfalls für eine Harmonisierung des staatshaftungsrechtlichen mit dem grundrechtsdogmatischen Eingriffsbegriff Höfling, VVDStRL 61 (2002), S. 260 (267); Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 350 ff.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 89 ff., 205 ff.; zum Zusammenhang auch Maurer, Verwaltungsrecht, § 30, Rn. 6; wohl auch Lübbe-Wollf, NJW 1987, S. 2705 (2710 f.). 507 Dafür Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 119 ff.

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

Der Rückgriff auf die Zivilistik erscheint jedoch nicht nötig. „Tatbestand und Rechtsfolge können“, wie Schoch ausführt, „von dem grundrechtlichen Ansatz her konturiert werden“.508 So liegt es (sach-)näher, an Vorüberlegungen im Bereich des Öffentlichen Rechts anzuknüpfen. Hier bietet sich eine Anleihe an die bereits bestehende Dogmatik des Beseitigungsanspruchs gegen Verwaltungshandeln an, um vorliegend Tatbestand und Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs gegen die Judikative zu ermitteln. Im Rahmen des Exekutivunrechts stellt sich das Parallelproblem der Frage nach Voraussetzungen und Inhalt der Sekundärrechte unter anderem im Fall der Grundrechtsverletzung durch die Verwaltung. Da es sich in beiden Fällen um staatliches Unrecht sowie die Verletzung gleichartiger primärer Rechtsposition handelt, müssten die für den exekutiven Beseitigungsanspruch angestellten Überlegungen für die nachfolgende Untersuchung eine adäquate Ausgangsbasis bilden. War der judikative Beseitigungsanspruch bislang nicht Gegenstand des Interesses oder wurde ein solcher in weiten Bereichen abgelehnt, so ist dennoch anerkannt, dass dieser Anspruch gegen die Rechtsprechung weitgehend den für die Verwaltungstätigkeit geltenden Grundsätzen folgt.509 Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit wird vornehmlich darin bestehen, die Besonderheiten des judikativen Unrechts hervorzuheben und die sich daraus ergebenden notwendigen Modifikationen oder Ergänzungen an der Dogmatik des Beseitigungsanspruchs vorzunehmen. Auf der Basis dieser Überlegungen werden sich auch bei Einschlägigkeit des Tatbestandes des Beseitigungsanspruchs die sekundärrechtlichen Rechtsfolgen der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ergeben. Ist auch die Ableitung sowie teilweise die inhaltliche Ausgestaltung des Beseitigungsanspruchs umstritten,510 so besteht über die Voraussetzungen des Anspruchs weitgehend Einigkeit. Zum Tatbestand gehört, dass durch eine hoheitliche Maßnahme eine subjektive Rechtsposition des Öffentlichen Rechts beeinträchtigt und dadurch ein rechtswidriger Zustand geschaffen wurde, welcher noch andauert.511 Da nun zum einen über die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs weitgehend Einigkeit besteht und zum anderen, was noch zu zeigen sein wird, im Falle der Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG unproblematisch alle Tatbestandsvoraussetzungen des Beseitigungsanspruchs gegeben sind, erscheint es statthaft, die allgemein akzeptierten Voraussetzungen zu nennen und kurz ihrem gängigen Verständnis nach darzustellen. Allerdings soll dabei der Bezug des BeseitigungsanSchoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (38). Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 679; ebenso Schwabe, Grundrechtsdogmatik, S. 196. 510 So etwa die Möglichkeit der Folgenbeseitigung in Geld, welche den Anspruch zu einem Entschädigungsanspruch umformt; vgl. dazu Kopp / Schenke, VwGO, § 113, Rn. 39. 511 Maurer, Verwaltungsrecht, § 30, Rn. 7; Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 136. 508 509

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs

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spruchs und seiner Voraussetzungen zur Struktur des subjektiven Rechts gezeigt werden, was im Allgemeinen vernachlässigt wird. Dabei wird sich nicht nur bei der Begründung, sondern auch bei den Tatbestandsmerkmalen des Beseitigungsanspruchs die dogmatische Erklärungskraft des subjektiven Rechts erweisen. Bei den Tatbestandsmerkmalen im Einzelnen soll jeweils eine Systematisierung oder doch zumindest eine Typisierung gegeben werden. 1. Der objektive Tatbestand als Eingriff in ein subjektives Recht Nachfolgend ist zunächst das Vorliegen eines hoheitlichen Eingriffs näher zu betrachten.512 Das Merkmal des Eingriffs ist im vorliegenden Kontext, bei dem es um die Beeinträchtigung des Art. 103 Abs. 1 GG geht, gleichzusetzen mit dem Vorliegen eines Grundrechtseingriffs.513 Die Bestimmung des grundrechtlichen Eingriffsbegriffs ist eine der schwierigsten Fragen der Grundrechtsdogmatik und hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche, auch monographische Behandlungen erfahren.514 Es kann bei der nachfolgenden Darstellung nicht um eine eigenständige Untersuchung des Eingriffsbegriffs gehen, sondern nur um die funktionelle Bedeutung des Eingriffsbegriffs im Rahmen des Beseitigungsanspruchs als dessen Tatbestandsvoraussetzung. Ein Eingriff in ein subjektives Recht setzt zum ersten eine Handlung, d.i. ein positives Tun oder ein pflichtwidriges Unterlassen, voraus sowie zum zweiten einen Erfolg, der darin besteht, dass eine Beeinträchtigung des geschützten Rechts besteht, wobei drittens stets ein spezifischer Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg515 gefordert wird. Aus dieser Dreiteilung ergibt sich der Gang der nachfolgenden Darstellung.516 Zum Vorliegen eines Eingriffs vgl. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 153 ff. Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 89 ff. verknüpft wegen der Erfassung aller materiellen subjektiven Rechte durch Grundrechte die Dogmatik des Beseitigungsanspruchs mit der Grundrechtsdogmatik und fordert daher als Tatbestandsvoraussetzung des Beseitigungsanspruchs stets einen Grundrechtseingriff. Anders Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 145 ff. und die wohl h. M., welche auch die Verletzung einfachgesetzlicher Rechtspositionen als ausreichend ansieht. Dann kann aber nicht mehr an das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung angeknüpft werden. In der vorliegenden Untersuchung werden nur verfassungsmäßig begründete Rechte gegen die Judikative betrachtet, bei welchen in der Tat eine subjektive Rechtsverletzung mit dem Vorliegen eines rechtswidrigen Grundrechtseingriffs gleichgesetzt werden kann. 514 Vgl. u. a. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970; Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, 1980; Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, 1989; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992; Roth, Faktische Eingriffe in Freiheit und Eigentum, 1994; Koch, Der Grundrechtsschutz des Drittbetroffenen, 2000. 515 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 2, S. 164, wonach die Zurechnung über den Kausalzusammenhang von Staatshandeln und Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegen muss, d. h. eine spezifische Verknüpfung eines Erfolgs zu einem staatlichen Verhalten. 512 513

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

a) Verhalten Zunächst muss ein Verhalten vorliegen, welches tauglicher Anknüpfungspunkt für einen Eingriff sein kann. Da nun die jedem subjektiven Recht jeweils korrelierende Pflicht rechtlich gebotene oder verbotene Verhaltensweisen umschreibt, ergibt sich maßgeblich aus der Reichweite des subjektiven Rechts, welche Verhaltensweisen als ge- oder verboten in Betracht kommen. Dies ergibt sich schon aus der Normativität des subjektiven Rechts. Jede rechtliche Regelung lässt sich auf einen Sollens-Satz zurückführen und dient daher der Verhaltenssteuerung.517 So muss im Falle der Grundrechte das Handlungselement des Abwehrrechtstatbestandes ein Verhalten des Grundrechtsadressaten fordern.518 Die Grundrechte gewähren einen umfassenden Schutz gegen alle staatliche Gewalt. Dies ergibt sich aus der Anordnung in Art. 1 Abs. 3 GG, wonach die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechnung binden. Daraus ergibt sich zweierlei: aa) Verhalten als Oberbegriff Zum ersten kann wegen des umfassend angelegten Schutzes weder die Modalität der Eingriffshandlung noch die Handlungsform von entscheidender Bedeutung sein, da ansonsten durch geschickte Formenwahl der Schutz relativiert werden könnte und der Schutz nicht umfassend wäre. Im Übrigen sind Handlungsformen oft zufällig, weil austauschbar. Davon kann aber der durch die Grundrechte gewährte Schutz nicht abhängig sein. Deswegen ist der Eingriffsbegriff handlungsformenunabhängig zu bestimmen.519 Soweit also ein Verhalten hoheitlichen Charakter aufweist, genügt daher jede Maßnahme,520 unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Handlungsform, gleichviel ob ein Tun oder ein Unterlassen.521, 522 516 Diese Dreiteilung findet sich bei Roth, Faktische Eingriffe, S. 659, der beim objektiven Tatbestand der Abwehrrechte ein Handlungs-, Erfolgs und ein Zurechnungselement unterscheidet. 517 Dazu schon oben A.I. und B.I. 518 Roth, Faktische Eingriffe, S. 104; vgl. auch Alexy, Theorie, S. 274 ff., 276, der ausführt, der Tatbestand der Abwehrrechte definiere sich nicht nur durch den Schutzbereich, sondern auch durch die abwehrbaren Verhaltensweisen. 519 Maurer, Verwaltungsrecht, § 30, Rn. 3; Rösslein, Der Folgenbeseitigungsanspruch, S. 80 ff.; Schoch, in: VerwArch 79 (1988), S. 1 (38). 520 Zu der Qualität des Eingriffsverhaltens vgl. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 200 ff., 238, hier im Einzelnen zu den für Exekutive, Judikative und Legislative möglichen Fallkonstellationen. Insbesondere ist die Erstreckung des Beseitigungsanspruchs auf Eingriffe durch Realakt bei behördlichem Handeln anerkannt, vgl. dazu Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 203 ff. Wegen der Affinität von exekutivem und judikativem Handeln (dazu oben Fn. 82) kann für den judikativen Beseitigungsanspruch nichts anderes gelten. 521 BVerwGE 69, S. 366 (367); zum Unterlassen vgl. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (39 ff.); Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 155 ff. Bei den Fällen des Unterlassens muss, um die Gleichstellung mit einem aktiven Tun zu gewährleisten, eine Handlungspflicht

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs

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bb) Die Hoheitlichkeit Zum zweiten binden die Grundrechte unmittelbar nur die öffentliche Gewalt, nicht aber Private. Deswegen muss das Verhalten als „öffentliche Gewalt“523 zu qualifizieren sein, mithin öffentlichrechtlich sein. Das infolge dessen geforderte Merkmal der „Hoheitlichkeit“ dient der Abgrenzung öffentlichrechtlichen Handelns von privatem.524 Diese Abgrenzung ist an Hand der anerkannten Abgrenzungstheorien vorzunehmen.525 Obgleich judikatives Handeln nicht als „öffentliche Gewalt“ im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG angesehen wird,526 so steht doch außerhalb dieser Vorschrift außer Streit, dass auch judikatives Handeln eine Ausübung staatlicher Herrschaftsgewalt darstellt.527, 528 Sowohl Verwaltungshandeln wie auch judikatives Handeln sind gleichermaßen als „öffentliche Gewalt“ bzw. öffentlichrechtliches Verhalten zu qualifizieren. Daher kann auch für beide Bereiche staatlicher Gewalt nach denselben Kriterien öffentlichrechtliches von privatrechtlichem Handeln abgegrenzt werden, weil es nur darauf ankommt, ob hoheitlich gehandelt wurde, nicht aber darüber hinaus, ob exekutiv oder judikativ gehandelt wurde. Somit bestimmt sich die Qualifikation eines richterlichen Verhaltens als hoheitliches Verhalten wie auch bei der im Falle von Verwaltungshandeln verwendeten sog. modifizierten Subjektstheorie danach, ob es „in Wahrnehmung amtdes Staates bestehen. Dann korreliert aber in der Regel dieser Handlungspflicht ein Anspruch des Bürgers. Damit geht es aber in den Unterlassensfällen in der Regel um den Schutz eines relativen Rechts (zu dieser Konstellation Pietzko, S. 161 f.). Diesem wird im Verletzungsfall – wie unter D.II. gezeigt – durch das Fortbestehen des Anspruchs gegen den Staat Rechnung getragen, so dass es in der Regel des Schutzes durch ein sekundäres Hilfsrecht nicht bedarf. Die Ansicht von Pietzko ist jedoch insofern zu ergänzen, als sie den unter D.II. dargestellten Ausnahmefall übersieht, in welchem auch relative Rechte des Schutzes durch Sekundärrechte bedürfen (kategorisch ablehnend Pietzko, S. 178, dazu schon oben Fn. 464; ebenfalls ein Unterlassen als tatbestandsrelevantes Verhalten allerdings nur für Abwehrrechte ablehnend Roth, Faktische Eingriffe, S. 101, 106). 522 Vgl. schon Gönner, Handbuch, S. 8 [Hervorh. im Original]: „setzt eine Rechtsverletzung von Seiten des Richters voraus, ohne dass es auf den Unterschied ankommt, ob böse Absicht oder Verschulden des Richters, ob Unterlassung oder Begehung das Recht der Partei verletzte“. 523 Zum Begriff vgl. unten F.II.1. 524 Maurer, Verwaltungsrecht, § 30, Rn. 8; zum Merkmal der Hoheitlichkeit vgl. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 241 ff. 525 Zu diesen Maurer, Verwaltungsrecht, § 3, Rn. 14. 526 Dazu unten F.II. 527 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 20, Rn. 53; Jellinek, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 8 (1950), S. 159 (160); v. Heydte, Diskussionsbeitrag, ebd., S. 162; Klein, Bericht, ebd., S. 67 (105); Oermann, Begriffe, S. 4, wonach die Rechtsprechung „ihrem ganzen Umfang nach“ in den Bereich der öffentlichen Gewalt fallen soll; Schenke, JZ 2005, S. 116. 528 So sind etwa öffentlichrechtliche Streitigkeiten i.S. von § 40 VwGO nicht nur solche i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG, sondern darüber hinaus ist der Verwaltungsrechtsweg für alle öffentlichrechtlichen Streitigkeiten eröffnet, dazu Kopp / Schenke, VwGO, § 40, Rn. 1.

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

licher Befugnisse und Pflichten“, mithin nach Maßgabe öffentlichrechtlicher Vorschriften erfolgt ist.529 Im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG kommt als Anknüpfungspunkt für ein hoheitliches Verhalten sowohl die fehlerhafte Verfahrenshandlung der Nichtanhörung bzw. nicht ordnungsgemäßen Anhörung in Frage, als auch der nachfolgende Rechtsakt in Gestalt der verfahrensbeendenen Entscheidung. Wie unter D.II. bereits ausgeführt wird der Schutz des Gehörsrechts gegen die fehlerhafte Verfahrenshandlung durch das Fortbestehen des Verfahrensrechts bewirkt und nicht durch einen sekundärrechtlichen Hilfsanspruch. Bezugspunkt für das Entstehen des Beseitigungsanspruchs im Fall der Gehörsverletzung ist die das Verfahren abschließende Entscheidung des Gerichts. b) Erfolg Das Vorliegen und Fortbestehen der Beeinträchtigung einer subjektiven Rechtsposition wird als weitere Tatbestandsvoraussetzung gefordert.530 aa) Begriff der Beeinträchtigung Jede Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts bzw. eines durch ein subjektives Recht geschützten Rechtsgutes bedeutet stets auch eine Verletzung der dem subjektiven Recht auf primärer Ebene korrelierenden Pflicht.531 Das ergibt sich daraus, dass das Recht und folglich alle davon abgeleiteten Begriffe wie die Rechtswidrigkeit und die Rechtsverletzung als Relationsbegriffe zu qualifizieren sind.532 Jedem Recht entspricht eine Pflicht. Jede subjektive Rechtsverletzung ist damit einer Pflichtverletzung gleichzusetzen. 533, 534 Hieraus wird deutlich, dass AnknüpIn diesem Sinne OVG Münster NJW 1988, S. 2636. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 137 ff., 343. 531 So entschied sich der historische Gesetzgeber im Rahmen des § 1004 BGB zunächst für den Begriff der „Verletzung“ und ersetzte diesen dann lediglich redaktionell durch den Begriff der „Beeinträchtigung“, vgl. Jakobs / Schubert, Sachenrecht I, S. 859. Der Begriff der Beeinträchtigung wiederum wurde gewählt, da man eine Umschreibung aller möglichen rechtsverletzenden Handlungen im Einzelnen für nicht möglich hielt, vgl. Jakobs / Schubert, S. 851 f. Dies beweist, dass mit dem Begriff der Beeinträchtigung ein umfassender Schutz vor jeglichen Verhaltensweisen erreicht werden sollte, die jedoch nicht im Einzelnen umschrieben werden. Deutlich wird der Bezug der Beeinträchtigung auf Zuwiderhandlungen bei der gesetzgeberischen Festlegung des Schutzes der ebenfalls absolute Rechte darstellenden Immaterialgüterrechte. Hier wird vor rechtswidrigen Verhaltensweisen geschützt, vgl. § 139 Abs. 1 PatG: Benutzung entgegen den §§ 9 – 13; §§ 14 Abs. 4, 15 Abs. 4 MarkenG: Benutzung entgegen den vorhergehenden Absätzen; vgl. auch § 12 S. 2 BGB: unbefugter Gebrauch. 532 Vgl. oben A.I. 533 Vgl. dazu auch unten E.II.1.b) und G.IV.3.b). 529 530

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fungspunkt einer Beeinträchtigung immer eine Pflichtverletzung ist, genauer ein pflichtwidriges Verhalten.535 Die Verletzung eines Rechts besteht immer in einem dem gebotenen Verhalten konträren Benehmen.536 Die für die Pflichtverletzung verschiedenen in Betracht kommenden Verhaltensweisen und damit auch die Grundtypen einer Rechtsverletzung sollen nachfolgend systematisiert werden. bb) Grundtypen der Beeinträchtigung Die Beeinträchtigung eines Rechts ist die Negation des subjektiven Rechts.537 Sie hängt daher als Kehrseite des subjektiven Rechts maßgeblich von der Struktur des subjektiven Rechts selbst ab, die sich in negativer Form bei den möglichen Arten der Beeinträchtigung widerspiegelt. Aus der Struktur des subjektiven Rechts ergibt sich daher die Struktur der möglichen Beeinträchtigungstypen. Die Struktur des subjektiven Rechts wurde bereits unter D. dargestellt. Danach beinhaltet das subjektive Recht eine Willens- oder Rechtsmacht. Sie kann in einem Wollen-Dürfen oder Wollen-Können bestehen.538 Je nachdem, welcher Art die Willensmacht ist, kommen folglich verschiedene Modalitäten der Beeinträchtigung in Betracht. In Bezug auf die Beeinträchtigung des Wollen-Dürfens und des Wollen-Könnens kann man nun nach der rechtlichen Natur sowie nach der Wirkungsweise des Verhaltens des Rechtsverletzers eine Typologie verschiedener Eingriffsarten erstellen. Jede Beeinträchtigung liegt in einer Pflichtverletzung und damit in einem Verhalten. Dieses Verhalten kann man in einem ersten Schritt nach seiner Rechtsnatur in Realakte und Rechtsakte unterscheiden.539 Wegen des tertium non datur hat diese Einteilung als Systematisierung zu gelten. Diese Unterscheidung lässt sich in einem zweiten Schritt weiter nach der jeweiligen Wirkungsweise des Verhaltens untergliedern. Hierbei wird sich zeigen, dass diese weiteren Differenzierungen ins534 Vgl. auch Alexy, Theorie, S. 274 ff., 276, der ausführt, der Tatbestand der Abwehrrechte definiere sich nicht nur durch den Schutzbereich sondern auch durch die abwehrbaren Verhaltensweisen; Bucher, Subjektives Recht, S. 106 f.; Rupp, Grundfragen, S. 224, 273 f. 535 Ebenso Klement, DV 2004, S. 73 (92); Reiling, Individuelle Rechte, S. 187: „Achtungspflicht“. Dies wird zunehmend in der neueren zivilrechtlichen Rspr. und Lit. anerkannt, vgl. Wenzel, NJW 2005, S. 241 (242): Haftung des Zustandstörers danach, ob diesen eine Handlungspflicht trifft, er den störenden Zustand zurechenbar herbeigeführt hat; BGH GRUR 2004, S. 693 (695): kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch mangels Pflichtverletzung; für einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch BGH JZ 2005, S. 33 (36): neben den Fällen des Verhaltensunrechts setze auch die Störerhaftung eine Pflichtverletzung voraus. 536 Bucher, Subjektives Recht, S. 109. 537 Vgl. auch Fn. 127; diese Negation des subjektiven Rechts wird durch den (materiellrechtlichen wie den diesen ergänzen formellrechtlichen) Sekundäranspruch ihrerseits negiert und somit wieder ein rechtmäßiger Zustand hergestellt; vgl. auch Hegel, Grundlinien, § 93. Das Widerrechtliche wird wieder rechtlich. 538 s. oben Fn. 501 – 502. 539 Zum Begriff des Rechtsakts s. oben B.I. Der Begriff des Realakts ist als Nicht-Rechtsakt zu verstehen, vgl. etwa Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 50.

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besondere bei den Eingriffen durch Realakt wegen der Vielzahl unterschiedlicher Eingriffsmodalitäten keinen abschließenden Charakter aufweisen und deswegen nur die Bildung von Typen zulassen.540 (1) Beeinträchtigung durch Rechtsakt Wie ausgeführt kann eine Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts durch einen Rechtsakt erfolgen, z. B. durch gerichtliche Entscheidungen in Form von Beschlüssen und Urteilen. Da das subjektive Recht mit seinem Element der Willens- bzw. Rechtsmacht zwei Ausübungsmodlitäten aufweist, nämlich die des Wollen-Könnens und die des Wollen-Dürfens, muss bei der Beeinträchtigung durch Rechtsakt die Beeinträchtigung des Wollen-Könnens von der des Wollen-Dürfens unterschieden werden. Ein Rechtsakt des Verletzers kann zum einen das WollenKönnen angreifen und dazu führen, dass dem Berechtigten entweder das Recht als solches entzogen bzw. ein rechtliches Können aberkannt wird (deprivativer Eingriff). Soweit ein solcher rechtsverletzender Rechtsakt rechtlich wirksam ist, bewirkt er die rechtliche Unmöglichkeit der Ausübung eines Rechts. Der rechtsverletzende Rechtsakt kann zum anderen auch das Wollen-Dürfen betreffen. Hierbei wird nicht die rechtliche Fähigkeit der Ausübung eines Rechts genommen, sondern die Zulässigkeit der Ausübung eines Rechts wird durch Ge- und Verbote geregelt und damit die Ausübung auf die zulässige Ausübung beschränkt. Der Unterschied zwischen deprivativem und imperativem Eingriff besteht darin, dass der Rechtsinhaber, will er sich dieser Eingriffe erwehren, er es im Falle der Beschränkung des Wollen-Dürfens zwar nicht darf, aber faktisch kann, im Falle der deprivativen Eingriffe er es zwar in der Regel darf, aber rechtlich nicht kann, weil sein WollenKönnen, seine rechtliche Fähigkeit, beschränkt ist. Insofern entfalten deprivative Eingriffe eine „unwiderstehliche Wirkung“.541 (2) Beeinträchtigung durch Realakt Des Weiteren kann die Ausübung eines Rechts durch einen Realakt beeinträchtigt werden.542 Die rechtliche Inhaberschaft eines Rechts sowie die entsprechende rechtliche Ausübungsbefugnis allein stellen noch keine Rechtsausübung dar. Vielmehr muss von diesen rechtlichen Möglichkeiten auch rein tatsächlich Gebrauch gemacht werden, damit von einer Rechtsausübung gesprochen werden kann. Das subjektive Recht verleiht ja gerade eine „Macht“, wenn von der Willens- oder Rechtsmacht die Rede ist. Zu den tatsächlichen Voraussetzungen der RechtsausDie nachfolgende Einteilung folgt der von Roth, Organstreitigkeiten, S. 724 ff. Roth, Organstreitigkeiten, S. 728. 542 Zu denken ist hierbei etwa an ehrverletzende Äußerungen eines Richters im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, welche einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Verfahrensbeteiligten oder anwesender Dritter enthalten können, vgl. zu einem solchen Fall OVG Münster NJW 1988, S. 2636. 540 541

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übung gehören etwa die tatsächliche Handlungsfähigkeit sowie die Freiheit der Willensentschließung bezüglich des Ob und Wie der Rechtsausübung. Die Vielzahl der tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsausübung spiegelt sich wider bei der Anzahl der möglichen faktischen Eingriffe. Infolge dessen stellen die verschiedenen Eingriffsmodalitäten durch Realakte eine zunächst keine rationalen Strukturen erkennen lassende, „recht amorphe Gruppe“543 dar. Gleichwohl lassen sich typlogisch zwei Typen von faktischen Eingriffen unterscheiden, je nachdem bei welchen tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtsausübung sie ansetzen: zum einen faktische Eingriffe, welche auf die tatsächliche Fähigkeit zur Ausübung der Willens- oder Rechtsmacht überhaupt einwirken, zum andern solche, die Einfluss nicht auf die Fähigkeit überhaupt, sondern gerade auf die Freiheit der Willensentschließung nehmen. In beiden Fällen ist die Willensoder Rechtsmacht des subjektiven Rechts beeinträchtigt, da der „Wille“ und folglich die Willensmacht bzw. der normative Wille, d.i. die Rechtsmacht, rein tatsächlich nicht mehr betätigt werden kann. Wird die tatsächliche Fähigkeit der Rechtsausübung beeinträchtigt, so geschieht dies durch vis absoluta, d. h. unwiderstehlichen Zwang (absolute Eingriffe). In einem solchen Falle der Beeinträchtigung der natürlichen Fähigkeit zur Rechtsauübung ist als Folge dessen auch keine freie Betätigung der Willensmacht mehr möglich, da überhaupt keine, auch nicht eine freie, Betätigung möglich ist. Eine solche Konstellation ist jedoch praktisch nicht denkbar und ihr kommt deswegen nur rein theoretische Bedeutung zu.544 Von solchen absoluten Eingriffen kann die Konstellation unterschieden werden, wenn zwar sowohl rechtlich als auch rein tatsächlich die Fähigkeit der Willensentschließung dem Rechtsinhaber verbleibt, jedoch in einer Weise auf die Willensentschließung eingewirkt wird, dass zwar nicht die Willensentschließung als solche, wohl aber die Freiheit der Willensentschließung in Frage gestellt ist. Es sind dies Fälle der vis compulsiva, d. h. Fälle psychischen Zwangs, mittels dessen derart auf die Willensentschließung eingewirkt wird, dass ein Recht nicht mehr frei ausgeübt werden kann (kompulsive Eingriffe).545 Roth, Organstreitigkeiten, S. 730. Lässt etwa der Richter einen Störer aus dem Gerichtssaal zwangsweise gem. § 177 GVG entfernen, ist auf Grund vis absoluta dem Abgeführten die weitere Teilnahme an der gerichtlichen Verhandlung nicht möglich. Allerdings geht in solchen Fällen stets eine Anordnung gem. § 176 GVG voraus, welche als imperativer Eingriff zu gelten hat. Das Eindringen in den Sitzungssaal entgegen der Anordnung des Richters ist ggf. gem. § 123 StGB strafbar, BGH NJW 1982, S. 947. Neben der Anordnung kommt daher dem Abführen und damit der vis absoluta keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr hängt deren Rechtmäßigkeit von dem Vorliegen der vorangehenden Anordnung ab. Dass aber der Richter ohne vorangehenden Rechtsakt selbst vis absoluta ausübt, kann wohl ausgeschlossen werden. 545 So etwa die formlose Rüge oder Ermahnung des Störers durch den Richter. Es ist dem Störer zwar möglich sich dem zu widersetzen, allerdings unter der Gefahr von Nachteilen. Ein weiterer denkbarer Fall liegt in falschen richterlichen Hinweisen, z. B. über ein Zeugnisverweigerungsrecht. Hier ergeht kein Befehl an den Verfahrensbeteiligten auszusagen. Gleichwohl wird der betroffene Beteiligte durch die unterbliebene Belehrung in die falsche Richtung gelenkt, eine Aussage zu machen. 543 544

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Vor dem Hintergrund dieser Systematik lässt sich die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG unschwer einordnen. In den Fällen fehlender Gehörsgewährung hat der Richter einen Verfahrensbeteiligten nicht angehört und trotz dieser fehlenden Anhörung eine verfahrensbeendende Entscheidung getroffen oder aber trotz erfolgter Anhörung und damit ohne verfahrensbegeleitende Fehler das Vorgetragene in der Endentscheidung nicht berücksichtigt. Augenscheinlich kommen als Anknüpfungspunkte für einen Eingriff stets der ggf. verfahrensbegleitende Verstoß des Richters gegen Verfahrensrechte als auch die verfahrensbeendende Entscheidung in Betracht.546 Wie oben bereits festgestellt, wird im Falle verfahrensbegleitender Eingriffe des Richters in Verfahrensrechte, soweit sie Leistungsrechte darstellen, dem Schutz dieser Rechte dadurch Rechnung getragen, dass das Recht fortbesteht und weiterhin dessen Erfüllung verlangt werden kann.547 Als Anknüpfungspunkt für einen Beseitigungsanspruch kommt daher bei allen Verfahrensrechten immer nur die verfahrensbeendende Entscheidung in Frage. Da alle Verfahrensrechte das Bestehen eines Verfahrens voraussetzen, das Verfahren aber gerade konstitutiv mit der das Verfahren abschließenden Entscheidung zum Abschluss gebracht wird, kann hier dem Schutz des Verfahrensrechts nur durch eine Beseitigung der verfahrensbeendenden Entscheidung Rechnung getragen werden. Die Endentscheidung hebt als Rechtsakt die rechtliche Ausübbarkeit von Verfahrensrechten auf und ist folglich als deprivativer Eingriff einzuordnen. Die Beeinträchtigung des Rechts liegt stets in einer Pflichtverletzung. Wird dies im Falle absoluter Rechte oft verkannt, so ist es doch bei der Verletzung relativer Rechte unbestritten. Da nun Verfahrensrechte i.d.R. relative Rechte darstellen, liegt die Rechtsbeeinträchtigung in der Nichterfüllung oder auch teilweisen Nichterfüllung der durch das Verfahrensrecht gebotenen Handlungspflicht. c) Zurechnungszusammenhang zwischen Verhalten und Erfolg Als weitere Voraussetzung des Beseitigungsanspruchs wird gefordert, dass zwischen dem staatlichen Eingriffshandeln und der eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung ein Kausalzusammenhang besteht und darüber hinaus dem Hoheitsträger die Rechtsverletzung zurechenbar ist (sog. haftungsbegründende Kausalität).548 Die 546 So überlegt Henckel, ZZP 77 (1964), S. 321 (326), dass im Falle eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG eigentlich die einzelnen Verfahrenshandlungen, d. h. Maßnahmen und Unterlassungen des Gerichts, Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sein müssten, faktisch aber auf die „den Verfahrensabschnitt abschließende Entscheidung“ abgestellt werde. Dies sei jedoch „für die meisten Fälle richtig“, weil jede Verfahrensnorm nur „Mittel zum Zweck“ sei, d. h. „auf das Urteil ausgerichtet“ ist. Ein Verfahrensfehler verliere seine Bedeutung, wenn das Urteil den von dem Verfahrensmangel Betroffenen nicht beschwert. 547 Vgl. D.II. 548 Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 344; vgl. schon Gönner, Handbuch, S. 8, der eine Zurechnung der Rechtsverletzung an den Richter verlangt: „Durch den Richter muss die Verletzung entstanden seyn. Ist Zufall oder Versehen der streitenden Theile der Grund, so

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Bestimmung, welcher Art die Verknüpfung zwischen Verletzungshandlung und Verletzungserfolg ist, gehört zu den schwierigen Aufgaben der Rechtswissenschaft. Sie wird in unterschiedlichen Zusammenhängen, insbesondere in den verschiedenen Rechtsgebieten unterschiedlich behandelt.549 Die Verbindung eines bestimmten Haftungsgrundes mit einem Zurechnungsprinzip ergibt sich keineswegs mit apriorischer Notwendigkeit.550 Wegen der Schwierigkeit der damit aufgeworfenen Fragen und der Unterschiedlichkeit der Lösungsansätze kann die Darstellung der Zurechnungsproblematik in Bezug auf die Verletzung subjektiver Rechte nur überblicksartig erfolgen, da etwa die Verletzung subjektiver Privatrechte und die von Grundrechten wegen jeweils eigener Sach- und Interessenlagen unterschiedliche Zurechnungslehren verwenden. Es kann aber eine allgemeine Einordnung des Problems und seiner möglichen Lösungen erfolgen und dann speziell die im Rahmen des öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruchs verwandte Zurechnungslehre dargestellt werden. aa) Allgemeine Überlegungen zur Zurechnung Bei der Zurechnung geht es um die Bestimmung der Reichweite des Verantwortlichkeitsbereichs einer Person.551 Entsprechend geht es auch bei der Frage der haftungsbegründenden Kausalität als Tatbestandsvoraussetzung des Beseitigungsanspruchs um die Frage nach der Verantwortung eines Trägers öffentlicher Gewalt für eine eingetretene Integritätsverletzung des Bürgers.552 Mit Hilfe dieser Voraussetzung wird die Einstandspflicht für die durch den staatlichen Eingriffsakt hervorgerufene Rechtsverletzung bestimmt.553 Notwendige, wenn auch in den meisten Fällen nicht hinreichende Bedingung der Zurechnung ist die äquivalente Kausalität zwischen Handlung und Erfolg, nach der jede Handlung dann kausal für den Erfolg ist, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (sog. conditio sine qua non).554 „Mit der Äquivalenztheorie wird aber nicht wirklich ernst gemacht“.555 Es erscheint einleuchtend, dass ein Rechtssubjekt nicht für sämtliche mögen immer positive Gesetze den Parteien durch einen Sieg des wirklichen Rechts über das förmliche zu Hülfe kommen, aber im Rechtssinne ist es keine Instanz“ [Hervorh. vom Verf.]. 549 Röhl, Rechtslehre, S. 476 ff. 550 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 471. 551 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 468. 552 BVerwGE 69, S. 366 (372); Bender, VBlBW 1985, S. 201 (203). 553 Pietzko, Folgenbeseitungsanspruch, S. 345. 554 Sog. Äquivalenztheorie, die 1873 durch Glaser und von Buri formuliet wurde, dazu Röhl, Rechtslehre, S. 477. Vorzugswürdig ist jedoch die durch Engisch erfolgte genauere Formulierung, sog. Theorie der gesetzmäßigen Bedingung, vgl. dazu Roth, Organstreitigkeiten, S. 703. 555 Röhl, Rechtslehre, S. 477. 10*

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von ihm kausal verursachten Folgen verantwortlich gemacht werden kann.556 Genau zu diesem Ergebnis führt nun die Äquivalenztheorie, die alle Ursachen als gleichwertig betrachtet. Wegen der aus dieser Theorie resultierenden Uferlosigkeit557 wird die Reichweite der Haftung nach dem Kausalitätsprinzip im Strafrecht, Zivilrecht sowie im Öffentlichen Recht um wertende Gesichtspunkte ergänzt und durch diese wertenden Gesichtspunkte beschränkt. Kausalität ist danach nur eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für die Verantwortlichkeit eines Rechtssubjekts.558 Die eigentliche dogmatische Aufgabe der Zurechnungslehre im Allgemeinen besteht nun darin, offen zu legen, dass überhaupt wertende Kriterien verwendet werden und welche wertenden Kriterien im Einzelnen und aus welchen Gründen heraus verwendet werden. Findet im Bereich des Strafrechts mit seinen subjektiven verschuldensabhängigen Tatbeständen die Weite der Äquivalenztheorie ein Korrektiv, so besteht bereits im Zivilrecht mit seinen objektivierten Verschuldensmaßstäben die Notwendigkeit einer Beschränkung der Äquivalenztheorie mittels der Adäquanztheorie.559 Wenn es jedoch um vorwiegend objektiv verfasste Tatbestände geht, wie etwa in weiten Teilen des Öffentlichen Rechts, und es kein durch ein subjektives Tatbestandsmerkmal repräsentiertes Haftungskorrektiv gibt, muss dogmatisch bereits auf Ebene des objektiven Tatbestands eine Beschränkung erfolgen. Als Beispiel mag die Diskussion um die Reichweite der verschuldensunabhängigen Verantwortlichkeit im Polizeirecht dienen. Gerade bei den polizeirechtlichen Kausalitätstheorien tritt zu Tage, dass es hier nicht (allein) um das oben beschriebene Kausalitätsproblem geht, sondern dass es sich bei der Bestimmung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit letztlich immer um ein Wertungsproblem handelt.560 Hieran zeigt sich, dass sich offenbar bei allen nicht von einem Verschuldenserfordernis abhängigen Haftungstatbeständen die Zurechnungsproblematik dogmatisch im Tatbestand stellt. Dementsprechend ist auch beim verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch eine Begrenzung der staatlichen Verantwortlichkeit mittels wertender Kriterien auf Tatbestandsebene anzusiedeln. Da nun wie aufgezeigt die Kausalität alleine keine eigentliche Verantwortlichkeit zu begründen vermag, muss es weitere, andere Gründe für die Zurechnung Für das Polizeirecht vgl. Schenke, Polizeirecht, Rn. 241. Wessels / Beulke, Strafrecht AT, § 6 II. (Rn. 178). 558 Für das Zivilrecht Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 58; BGHZ 3, S. 261 (265); für das Strafrecht: Jescheck, in: LK StGB, Vor § 13, Rn. 53; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 277 f., 284; für das Öffentliche Recht: Schenke, Polizeirecht, Rn. 241; Wolff / Bachoff / Stober, Verwaltungsrecht I, § 36, Rn. 17. Die Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie ist auch für das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung, Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 344; Ergebnis einer Haftung rein nach der Äquivalenztheorie wäre mangels der Verwendung von Zurechnungskriterien, die an eine Verantwortlichkeit für eine Haftung anknüpfen, eine Garantiehaftung. 559 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 59. 560 Schenke, Polizeirecht, Rn. 243; Röhl, Rechtslehre, S. 479. 556 557

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geben. Diese Zusammenhänge einer „allgemeinen Lehre für die Zurechnung“561 hat bekanntlich562 Canaris aufgezeigt.563 Die oben beschriebene Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie bezeichnet Canaris als „Veranlasserprinzip“.564 Das Veranlasserprinzip ist jedoch im eigentlichen Sinne überhaupt kein Zurechnungsprinzip, sondern „in Wahrheit ein Verzicht auf das Zurechnungserfordernis“.565 Canaris unterscheidet als eigentliche Zurechnungsprinzipien das Verschuldensund das Risikoprinzip.566 Das Verschuldensprinzip hat „individualisierenden Charakter“ und bedeutet eine Einschränkung von Verantwortlichkeit mittels subjektiver Momente, nämlich durch ein Verschuldenserfordernis. Demgegenüber liegt dem Risikoprinzip der Gedanke der Risikoverteilung zugrunde, d. h. die Zuweisung von Risiken zu bestimmten Sphären.567 Hierbei ist entscheidend zu bestimmen, „um welche Gefahren es sich im Einzelnen handelt und welche Gesichtspunkte für ihre Verteilung maßgeblich sind“.568 Die beiden oben angeführten Beispiele, das des Zivilrechts mit seiner Verschuldenshaftung sowie das des Polizeirechts mit seiner verschuldensunabhängigen Haftung, lassen sich leicht den entsprechenden Prinzipien zuordnen: im ersteren Falle dem subjektiven Verschuldensprinzip, im letzteren dem objektivierenden Risikoprinzip. Die nachfolgend speziell im Rahmen des Beseitigungsanspruchs verwendeten Zurechnungskriterien lassen sich, da der Beseitigungsanspruch verschuldensunabhängig ist und keine subjektiven Tatbestandsmerkmale aufweist, dem Typus Canaris, Vertrauenshaftung, S. 468. Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 476 f., der das Werk von Canaris als Beispiel für eine rechtswissenschaftliche Systembildung nennt. Beachtung gefunden hat die durch Canaris aufgestellte Fallgruppenbildung auch im Öffentlichen Recht, vgl. etwa für das Polizeirecht Schenke, Polizeirecht, Rn. 261, s. dort auch Fn. 93. 563 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971. 564 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 474: „Das Veranlasserprinzip ist daher nichts anderes als das Prinzip der reinen Kausalhaftung unter einem anderem Namen“. 565 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 474. 566 Neuere Untersuchungen wie die von Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, passim, sehen in der Unterscheidung Verschuldenshaftung und Gefährdungshaftung lediglich graduelle Übergänge. Dies zeige sich etwa im Rahmen der Fahrlässigkeit bei Bestimmung der Verkehrspflichten, bei welcher maßgeblich die Bestimmung der Frage ist, wer die Risiken tragen soll und das Ergebnis dessen eine mehr oder minder strikte Garantiehaftung ist (S. 552 f.). In Anbetracht dessen muss man wohl auch das Verhältnis der von Canaris benannten Zurechnungsprinzipien verstanden werden: Verschuldens- und Risikoprinzip sind als Idealtypen zu verstehen, die ineinander übergehen können. Gleichwohl besitzt die Untersuchung der „allgemeinen Zurechnungslehre“ durch Canaris einen heuristischen Wert, da sie die Einordnung des Zurechnungsproblems, welches sich in den verschiedenen Teilbereichen des Rechts stellt, in größere Zusammenhänge ermöglicht. Außerdem wird sich zeigen, dass im Öffentlichen Recht, insbesondere beim Beseitigungsanspruch auf zivilrechtliche Zurechnungsprinzipien zurückgegriffen wird (hier die Äquivalenztheorie, dazu sogleich im Text), was nur vor dem Hintergrund einer in allen Teilbereichen des Rechts einheitlichen Zurechnungsproblematik und -thematik zu verstehen und begründen ist. 567 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 480. 568 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 480. 561 562

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der Risikohaftung zuordnen.569 Dies ergibt sich auch aus der Tatsache, dass der Beseitigungsanspruch ein die Integrität des subjektiven Primärrechts schützender Anspruch ist. Als solcher weist er gegenüber den in der Regel570 ein Verschuldenserfordernis voraussetzenden Schadensersatzansprüchen Unterschiede auf. Nehmen wir das Paradigma eines subjektiven Rechts, das Eigentumsrecht, und dessen Verletzung und greifen unser obiges Beispiel mit dem Fahrrad nochmals auf.571 Der Inhalt des Eigentumsrechts am Fahrrad besteht primärrechtlich in der durch § 903 BGB ausformulierten Willensmacht. Das Eigentum am Fahrrad besteht z. B. darin, dass man dieses besitzen, behalten und gebrauchen darf. Stört ein anderes Rechtssubjekt die Ausübung dieses Rechts, indem es etwa das Fahrrad an sich nimmt und damit fährt, so geschieht in diesen wie auch in anderen Fällen der Beeinträchtigung des Eigentumsrechts die Störungsbeseitigung durch Integritätsansprüche wie die der §§ 812 ff., 861 Abs. 1, 861 Abs. 2, 985, 1004, 1007 BGB, die allesamt verschuldensunabhängig sind. Der Grund dafür liegt darin, dass dem Rechtsverletzer nichts genommen wird. Er wird durch diese Integritätsansprüche so gestellt, wie er vor der Rechtsverletzung stand. Bevor er das Fahrrad an sich genommen hatte, hatte er dieses Fahrrad nicht, und nachdem er es gem. § 985 BGB herausgegeben hat, besitzt er ebenso dieses Fahrrad nicht, wie er es vorher nicht besaß. Der Verletzte wie der Verletzer werden in die rechtlichen Sphären verwiesen, die sie vor der Verletzung hatten und jetzt wieder haben. Anderes gilt aber schon dann, wenn der Eigentümer des Fahrrads vom Störer verlangt, die Nachteile auszugleichen, welche ihm durch die Besitzentziehung des Fahrrads entstanden sind. Dies kann nur im Wege von Schadensersatzansprüchen erfolgen, vgl. § 993 Abs. 1 BGB. Im Rahmen dieses Schadensersatzes kommt es zum Ausgleich von Nachteilen, ohne dass diesen Nachteilen zwingend Vorteile des Schädigers entsprechen müssten. Der Unterschied zwischen Integritäts- und Schadensersatzansprüchen liegt folglich darin, dass Schadensersatzansprüche für den Schädiger offenbar eine größere Belastung darstellen, da sie den Rechtsverletzer schlechter stellen können als vor der Verletzung. Dieser größeren Haftung müssen auch strengere Haftungsvoraussetzungen korrelieren. Deswegen ist hier das Zurechnungserfordernis in Gestalt des Verschuldens ein anderes als das der Integritätsansprüche in Gestalt des Risikoprinzips. Bei der Bestimmung, wer das Risiko für die begangene Rechtsbeeinträchtigung zu tragen hat, ist die im Gesetz getroffene Bewertung entscheidend. Diese fällt im 569 Roth, Faktische Eingriffe, S. 45, 134, der darauf hinweist, dass die Zurechnung im Rahmen der grundrechtlichen Eingriffsdogmatik und die dadurch erreichte Haftungsbegrenzung Parallelen zur Risikohaftung aufweise; ebenso spricht Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 2, S. 182, davon, dass der Staat grundsätzlich für alle von ihm kausal verursachten Beeinträchtigungen gegenüber dem Bürger einstehen müsse, es dürfe insofern durch wertende Gesichtspunkte „keine Verschiebung des Risikos zu Lasten des Betroffenen“ geben. 570 Vgl. für die gesetzlichen Schadensersatzansprüche §§ 823, 839 BGB, für die vertraglichen §§ 280, 325, 326 BGB. 571 s. oben D.I.2.a).

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Falle des Integritätsanspruchs grundsätzlich zu Lasten des Störers aus. Im Falle der Anordnung eines Integritätsanspruchs wird ein dem verletzten Recht entsprechender rechtmäßiger Zustand hergestellt. Zwar sind bezüglich der Statuierung eines Rechts und der Reaktion auf seine Verletzung zwei Bewertungen der Sach- und Interessenlage durch den Gesetzgeber zu unterscheiden. In der Regel fallen die Bewertungen in Bezug auf Ruhe- und Verteidigungszustand übereinstimmend dahingehend aus, dass das Interesse des Berechtigten dem des Störers vorgeht.572 Folglich ergibt die gesetzgeberische Entscheidung im Falle der Statuierung eines subjektiven Rechts, dass die Risiken, welche mit der Beeinträchtigung dieses Rechts einhergehen, d. h. einem Übergriff in eine fremde Rechtssphäre, grundsätzlich der rechtswidrig handelnde Störer zu tragen hat. Der Zuweisung des Risikos an den Störer korrespondiert auch die rechtliche Missbilligung des Störerhandelns in Gestalt der gesetzgeberischen Bewertung, wonach dieses als rechtswidrig gilt. Eine solche Risikoverteilung zu Lasten des Störers hat insbesondere im StaatBürger-Verhältnis zu gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten erfolgt. Der Staat darf in Freiheit und Eigentum des Bürgers nur eingreifen, wenn die ausnahmsweise diesen Eingriff rechtfertigenden Voraussetzungen durch ihn nachgewiesen sind. Es vermöchte schwerlich überzeugen, dass es zum allgemeinen Lebensrisiko des Bürgers gehöre, von der öffentlichen Gewalt in seinen Rechten beeinträchtigt zu werden, vor allem dann nicht, wenn die Beeinträchtigung sich als rechtswidrig erweist.573 Das Risiko des nicht zu rechtfertigenden Übergriffs in die Rechtssphäre des Bürgers ist daher in Gestalt der im Grundgesetztext nicht beschränkten Abwehransprüche des Bürgers dem Staat zugewiesen.574 Von dieser grundsätzlich umfassenden Störerhaftung im Rahmen sekundärer Integritätsansprüche kann folglich lediglich in Ausnahmefällen etwas anderes gelten, wenn sich hierfür gesetzgeberische Anknüpfungspunkte finden lassen.575 In einem solchen Falle ist der Beseitigungsanspruch in der Regel bereits auf Ebene des objektiven Tatbestands mittels dieser Risiken bzw. Gefährdungen des jeweiligen subjektiven Rechts, welche der Störer ausnahmsweise nicht tragen soll, dogmatisch an Hand von Zurechnungskriterien zu begrenzen. Die hierzu verwendeten Kriterien werden im Folgenden zu ermitteln sein.

Dazu schon oben D.I.2.a). So Roth, Faktische Eingriffe, S. 45. 574 Vgl. auch Sachs (Fn. 569). 575 Bei der Ermittlung dieser durch den Störer nicht zu tragenden Risiken kommt es stets auf dem Gesetz zu entnehmende Wertungen an. Eine solche Begrenzung liegt beim öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruch beispielsweise in den Beruhensfällen vor, dazu unten G.IV. 572 573

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

bb) Die Zurechnungskriterien des Beseitigungsanspruchs Bei der Bestimmung der im Einzelnen im Rahmen des öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruchs verwendeten Zurechnungskriterien muss beachtet werden, dass der Tatbestand des Beseitigungsanspruchs im Falle der Verletzung verfassungsmäßig gewährter subjektiver Rechte dogmatisch in Einklang zu bringen ist mit der grundrechtlichen Eingriffslehre und den hierbei verwendeten Zurechnungskriterien. Die verlangte subjektive Rechtsverletzung als auslösendes Moment des Beseitigungsanspruchs ist im Falle eines Grundrechts gleichzusetzen mit dem Vorliegen eines nicht gerechtfertigten Grundrechtseingriffs. Als Zurechnungskriterien im Falle des Beseitigungsanspruchs wie auch beim grundrechtlichen Eingriffsbegriff in Gestalt des „klassischen Eingriffs“ werden die Finalität bzw. Unmittelbarkeit genannt.576 Bei der Finalität geht es um die Tatsache, dass die Beeinträchtigung eines Rechts zweckgerichtet herbeigeführt wurde. Dieser über den bloßen Kausalzusammenhang hinausgehende finale Bezug zwischen Verletzungshandlung und Rechtsbeeinträchtigung soll einen ausreichenden Grund für die staatliche Haftung liefern. Mit der Unmittelbarkeit wird üblicherweise die Vorstellung verbunden, dass zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsbeeinträchtigung keine weiteren Umstände liegen dürfen.577 Beide der genannten Kriterien sehen sich jedoch zunehmender Kritik ausgesetzt. So erfasst das Finalitätskriterium nur einen Teil der haftungsrelevanten Fälle, weil sich mit ihm nicht alle Eingriffe in Form von Realakten zutreffend erfassen lassen, und infolge dessen der grundrechtliche Schutz bedenklich verkürzt würde. Beim Unmittelbarkeitskriterium liegt die Schwierigkeit in der Abgrenzung von mittelbaren und unmittelbaren Eingriffen. Handlungen führen zumeist über Zwischenursachen zum Erfolg. Je nachdem, welche Ursache man zum Anknüpfungspunkt macht, gelangt man zur Mittelbarkeit oder zur Unmittelbarkeit zwischen Handlung und Erfolg. Der Auswahl der Ursache, welche als relevant betrachtet wird, liegt offenbar eine Wertung zu Grunde, eine Wertung, für die das Unmittelbarkeitskriterium gerade keine Maßstäbe angibt. Dem Zurechnungsgesichtspunkt der Unmittelbarkeit fehlt es daher an hinreichender Schärfe.578 576 Für Finalität sowie Unmittelbarkeit BVerwGE 69, S. 366 (372, 377): „auf deren Eintritt sie – unmittelbar – gerichtet war“; ebenso für die Unmittelbarkeit Maurer, Verwaltungsrecht, § 8, Rn. 13; für die Finalität als hinreichende Bedingung der Zurechnung: Bleckmann / Eckhoff, DVBl. 1988, S. 377; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 196, 231; Gusy, NJW 2000, S. 977 (983); Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 2, S. 82 f. Auch im Zivilrecht findet sich die Verwendung dieser Kriterien, vgl. hiernach die Unterscheidung verschiedener „Unrechtstypen“ durch Stoll, AcP 162 (1963), S. 203 (212), nach der es eine Typenskala von (unmittelbar-)finalen, unmittelbaren und mittelbaren verletzenden Verhaltensweisen gibt. 577 Maurer, Verwaltungsrecht, § 27, Rn. 93, der freilich darauf hinweist, dass es im Grunde auch bei der Unmittelbarkeit auf eine Wertung ankommt, dazu sogleich im Text. 578 Bender, VBlBW 1985, S. 201 (203), spricht insoweit von einer „leeren Begriffshülse“.

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs

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Wegen der Unzulänglichkeit alleine von Finalität und Unmittelbarkeit als Zurechnungskriterien579 wird eine Begrenzung des Beseitigungsanspruchs zusätzlich durch die Anwendung der Adäquanztheorie befürwortet.580 Danach ist maßgeblich, ob eine Handlung für einen eingetretenen Erfolg „adäquat“ ist. Dies soll dann der Fall sein, „wenn eine Handlung oder Unterlassung im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigem Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des eingetretenen Erfolgs geeignet gewesen ist“.581 Die Problematik dieser Theorie besteht darin, dass alleine das Abstellen auf die Wahrscheinlichkeit und Typizität eines Kausalverlaufs nicht alle Fallkonstellationen haftungsrechtlich zutreffend zu erfassen vermag. So mag es Fälle geben, in denen ein Verhalten erfahrungsgemäß bestimmte Folgen hat, jedoch dennoch eine Verantwortlichkeit des Handelnden abzulehnen ist.582 Andererseits kann sich aus dem Schutzzweck einer Norm die Haftung gerade auch für unwahrscheinliche und inadäquate Kausalverläufe ergeben.583 Aus beidem wird deutlich, dass die Adäquanztheorie insofern Schwächen aufweist, als sie teilweise zu eng als auch teilweise zu weit ist.584 Insbesondere die Ausklammerung atypischer Kausalverläufe 579 Gleichwohl sind diese Kriterien, zumindest das der Finalität, zwar wegen ihrer Enge nicht mehr notwendige, jedoch hinreichende Haftungsbedingung, Alberts, NVwZ 1992, S. 1164 (1165); Bleckmann / Eckhoff, DVBl. 1988, S. 373 (377); Di Fabio, JZ 1993, S. 689 (695). 580 BVerwGE 69, S. 366 (372), allerdings nur für die Fälle der Unmittelbarkeit; Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 350 f.; sonst im Öffentlichen Recht: Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42, Rn. 105; Papier, in: M / D, GG, Art. 34, Rn. 212; Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 19 IV, Rn. 171. Das Verwenden der Adäquanz bei negatorischen Ansprüchen steht im Übrigen im Einklang mit der für den zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch verwendeten Zurechnungslehre und hat damit eine systematische Geschlossenheit für sich, zur Adäquanz beim zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004, Rn. 16; BGH NJW 2000, S. 2901. 581 BGHZ 3, S. 261 (267); 57, S. 137 (141); im Anschluss an die st. Rspr. des Reichsgerichts RGZ 142, S. 383 (388); 158, S. 34 (38); 170, S. 261 (267); Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 61. 582 Schenke, Polizeirecht, Rn. 241: „Ertappt zB die heimkehrende Ehefrau ihren Ehemann beim Seitensprung mit der Hausangestellten und verläßt sie daraufhin mit ihren Kindern die gemeinsame Wohnung und wird obdachlos, so war das Verhalten des Ehemanns zwar sicher adäquat kausal, dennoch ist der Ehemann in bezug auf die Obdachlosigkeit nicht Störer“. 583 Dazu BGH NJW 1982, S. 572. 584 Kritisch zur Adäquanz Schenke, Polizeirecht, Rn. 241; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 61. Für den Beseitigungsanspruch sieht sich auch Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 351, die grundsätzlich die Anwendung der Adäquanztheorie befürwortet, zu Ergänzungen genötigt, vgl. S. 352 ff. Nicht überzeugend ist allerdings die Begründung, welche Pietzko für das Heranziehen der Adäquanztheorie anführt. Sie beruft sich maßgeblich darauf, dass es eines Korrektivs zur Äquivalenztheorie bedarf (S. 351). Eine solche Begründung trägt aber auch die Heranziehung jedes anderen Korrektivs, z. B. der Relevanzoder Schutzzwecktheorie. Es ist nicht ersichtlich, wieso die Funktion des Korrektivs gerade durch die Adäquanz erfolgen soll, zumal Pietzko selbst sich zur Heranziehung weiterer Zurechnungskriterien in besonderen Fallkonstellationen veranlasst sieht (S. 376).

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

erscheint problematisch, weil sie im Falle subjektiver Rechte zu einer bedenklichen Minderung des Schutzes führen würde. Aus diesem Grund ist ergänzend der Gedanke der Schutzzweck- oder Relevanztheorie585 heranzuziehen. Hiernach muss die Rechtsbeeinträchtigung nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen, d. h. es muss sich um Nachteile handeln, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde.586 Hiermit lässt sich eine Zurechnung in den Fällen erreichen, in welchen zwar ein atypischer Kausalverlauf vorliegt, dennoch vom Sinn und Zweck der Norm eine Haftung gewollt ist. Umgekehrt lassen sich bei Vorliegen eines typischen Kausalverlaufs solche Verhaltensweisen haftungsrechtlich ausscheiden, vor welchen die Norm nicht schützen wollte. Da hiermit die Schwächen der Adäquanztheorie aufgefangen und korrigiert werden, ist die kumulative Anwendung dieser beiden Theorie zu befürworten.587 Im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG werden im Grundsatz zunächst weder besondere Kausalitäts- noch Zurechnungsfragen aufgeworfen. Dies ergibt sich daraus, dass diese Fallkonstellation als deprivativer Eingriff eingeordnet werden kann. Hier zeigt sich der Nutzen der obigen Eingriffstypologie. Sie erlaubt allgemeingültige Aussagen für die einzelnen Typen zu treffen. Im Falle deprivativer Akte liegt stets die von Gallwas herausgestellte „Identität von Regelung und Beeinträchtigung“ 588 vor. Deprivative Akte können in der Regel nur in Gestalt von Rechtsakten vorgenommen werden, weil nur durch Rechtsakte das durch die staatliche Rechtsordnung begründete rechtliche Können beeinträchtigt werden kann.589 Die in solchen Rechtsakten enthaltenen Rechtsfolgen sind identisch mit dem Beeinträchtigungserfolg, dem Entzug rechtlichen Könnens. Ebenso problemlos festzustellen sind im Übrigen die imperativen Eingriffe, ebenfalls Eingriffe durch Rechtsakt. Sie stellen wie die deprivativen Akte Fälle eines „klassischen Eingriffs“ dar.590 Da nun in den meisten Konstellationen judikativen Unrechts ein Eingriff 585 Gelegentlich wird auch das Vorliegen eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs gefordert, was der Sache nach das Gleiche meint, da auch hier maßgeblich für die Zurechnung auf den Schutzzweck der Norm abgestellt wird, dazu Röhl, Rechtslehre, S. 478 f.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 62; vgl. dazu auch unten G.IV.3.b). 586 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 62. 587 Vgl. Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (50); ebenso Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 350, die sich für die Anwendbarkeit der Adäquanztheorie ausspricht, sich aber genötigt sieht, für dadurch offen gelassene Fälle weitere Zurechnungskriterien zu finden, (S. 352), u. a. in den Fällen des rechtmäßigen Alternativverhaltens (S. 355). Diese Fallgruppe weist auf die Schutzzwecktheorie hin. In den Fällen rechtmäßigen Alternativverhaltens wendet der Schädiger ein, er hätte den Schaden auch rechtmäßig herbeiführen können. Der Schutz gegen ein durch ein rechtmäßiges Verhalten herbeiführbaren Nachteil wird regelmäßig nicht vom Schutzzweck einer Haftungsnorm umfasst sein. 588 Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 12; dem folgend Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 178 ff.; Roth, Faktische Eingriffe, S. 226. 589 Roth, Faktische Eingriffe, S. 228. 590 Roth, Faktische Eingriffe, S. 228.

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs

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durch Rechtsakt erfolgt, werden sich in der Regel keine besonderen Zurechnungsprobleme stellen.591 Gleichwohl werden sich die soeben ermittelten Zurechnungskriterien und die dadurch bewirkten Haftungsbeschränkungen als bedeutsam erweisen bei formell rechtswidrigen Rechtsakten, also Rechtsakten, welche auf Verfahrensverstöße zurückführbar sind. Wegen des Zusammenhangs des durch die Zurechnung bewirkten Ausschlusses des Beseitigungsanspruchs mit anderen Ausschlüssen von Fehlerfolgen erfolgt die Erörterung dieses Problems im Zusammenhang mit der Beschränkung von Fehlerfolgen (dazu unten G.).

2. Die Rechtswidrigkeit des Eingriffs Weitere Voraussetzung des Beseitigungsanspruchs bzw. einer subjektiven Rechtsverletzung ist die Rechtswidrigkeit des Eingriffs.592 Hierbei knüpft die Beurteilung der Rechtswidrigkeit nach einer weit verbreiteten Auffassung nicht an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsverhaltens, sondern an die eines Zustands bzw. die durch das hoheitliche Verhalten verursachten Folgen an.593 In der Regel führen beide Auffassungen zum selben Ergebnis,594 da zumeist nach der jeweiligen Meinung entweder der Eingriffsakt oder auch die Eingriffsfolgen rechtswidrig sind. Dies rührt daher, dass sich die Bewertung eines Verhaltens als rechtswidrig in der Regel in der rechtlichen Missbilligung der hieraus resultierenden Folgen dieses Verhaltens fortsetzen wird und umgekehrt aus der rechtlichen Missbilligung eines Zustands geschlossen werden kann, dass die Vornahme von Handlungen, welche diesen Zustand herbeiführen, in aller Regel ebenfalls von der Rechtsordnung als rechtswidrig bewertet werden.595 591 Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 126, wonach Urteile als hoheitliche, meist an den Beeinträchtigten adressierte Staatsakte „klassische Eingriffe“ darstellen. 592 Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 295. 593 Sproll, in: Detterbeck / Windhorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 12, Rn. 38; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 312 f.; BVerwGE 82, S. 76 (95); Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (42); Weyreuther, Gutachten, S. 87 ff., 88; zum bestehenden Meinungsstreit vgl. auch Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 296 mit vielen weiteren Nachweisen. 594 Allgemein wird betont, dass zwischen der Lehre vom Erfolgsunrecht und der vom Verhaltensunrecht kaum Unterschiede bestehen, vgl. Münzberg, Verhalten und Erfolg, S. 441; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 606. 595 So auch die Einschätzung von Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 97. Wohl zu weitgehend Grzeszick, Rechte und Ansprüche, S. 347, der es für „unerheblich“ hält, ob ein Handeln oder dessen Wirkung Bezugspunkt der Rechtswidrigkeit ist; ebenso auch Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1 (38, 42 f.), mit dem Hinweis, der grundrechtliche Integritätsanspruch dulde weder einen rechtswidrigen Eingriffsakt noch einen rechtswidrigen Zustand. Ob der jeweils in Frage stehende formelle oder materielle Rechtsverstoß zur Rechtswidrigkeit nicht nur des gegen die Norm verstoßenden Verhaltens, sondern auch zur Beurteilung eines ggf. nachfolgenden Rechtsakts führt, ist einer positivrechtlichen Festlegung durch den einfachen Gesetzgeber vorbehalten (zu dieser bereits oben unter B.). Führte diese gesetzgeberi-

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Die Theorien führen jedoch dann zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn Verhalten und Zustand nicht gleichermaßen als rechtswidrig beurteilt werden können. Die problematischen Fälle sind die des Auseinanderfallens der Beurteilungszeitpunkte von Verhalten und Zustand, mithin die Fälle des Rechtswidrigwerdens, sowie die Fallkonstellation von lediglich formell rechtswidrigen Hoheitsakten. Bevor die Lösung dieser problematischen Fälle angegangen wird, sollen zunächst die für die Lösung maßgeblichen Kriterien offen gelegt und bewertet werden, d. h. der richtige Anknüpfungspunkt des Rechtswidrigkeitsurteils bestimmt werden. a) Anknüpfungspunkt des Rechtswidrigkeitsurteils Oben unter B.I. wurde bereits gezeigt, dass die These von der Rechtswidrigkeit eines Zustands nicht überzeugend ist bzw. eine verkürzte Betrachtung darstellt, indem sie den eigentlichen Anknüpfungspunkt der Rechtswidrigkeit, ein menschliches Verhalten, außer Betracht lässt. Dementsprechend wurde bereits unter E.II.1.b)aa) festgestellt, dass der tatbestandliche Erfolg des Beseitigungsanspruchs nicht in der Verletzung eines Rechtsgutes, in einem rechtswidrigen Zustand o.ä. liegt, sondern dass diese Zustände, Rechtsgutsverletzungen u.ä. stets gleichzusetzen sind mit einem Verhaltensverstoß.596 Dies beachtet im Gegensatz zur aus den genannten Gründen abzulehnenden Lehre vom Zustandsunrecht die Lehre vom Erfolgsunrecht. Der Grund für die verkürzende, weil das Verhalten außer Acht lassende Sichtweise, liegt im Falle der Lehre vom Erfolgsunrecht nicht darin, dass man die Anknüpfung an ein Verhalten leugnet, sondern dass man aus der leicht festzustellenden Beeinträchtigung eines Rechts auf die Rechtswidrigkeit des dazu führenden Verhaltens schließen will im Sinne einer widerlegbaren Vermutung.597 sche Anordnung der Rechtswidrigkeit so zu einer unterschiedlichen Beurteilung von Verhalten und Erfolg, so wären die Meinungen von Handlungs- und Erfolgsunrecht nicht in allen Fällen ergebnisäquivalent. Im Folgenden wird sich jedoch zeigen, dass die gesetzgeberische Ausgestaltung zu einer einheitlichen Beurteilung von Verhalten und daraus resultierendem Zustand führt und aus diesem Grund der Theorienstreit dahinstehen kann. Ob demgegenüber die Einschätzung von Schoch und Grzezick zu trifft, ist fraglich, weil hier gänzlich die gesetzgeberische Möglichkeit der Bestimmung des Bezugspunkts der Rechtswidrigkeit außer Acht gelassen wird. 596 Zu beachten ist bei dem Begriff der Pflichtwidrigkeit, dass hiermit kein irgendwie gearteter Handlungsunwert i.S. einer Vorwerfbarkeit umschrieben werden soll. Es wird schlicht die Nichtübereinstimmung des tatsächlichen Verhaltens mit dem normativ geforderten erfasst. Darin liegt kein irgendwie gearteter Fahrlässigkeitsvorwurf bzw. sonst ein Schuldelement. Es liegt insofern ein häufiges Missverständnis vor, wenn der Begriff der Pflichtverletzung alleine mit dem der Schuld in Verbindung gebracht wird, vgl. Fn. 609. 597 So die Charakterisierung von Rupp, Grundfragen, S. 225: „Jede Annahme von Erfolgsunrecht wurzelt jedoch darin, dass sich allein am Erfolg, nämlich an der Eingriffswirkung, an der auf ein ,Rechtsgut‘ einwirkenden Verletzung, die Rechtswidrigkeit ablesen lasse“. Hierin unterscheidet sich die Lehre vom Erfolgsunrecht von der Lehre des Verhaltensunrechts, zu dieser grundlegend Nipperdey, NJW 1957, S. 1777. Den Hinweis auf

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Das Vorliegen eines Eingriffs bzw. eines Erfolgs soll die Rechtswidrigkeit indizieren. Dies mag für den öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruch angehen, da es im Einklang steht mit der im Bürger-Staat-Verhältnis herrschenden Beweislastverteilung hinsichtlich der Eingriffsvoraussetzungen.598 Wegen der grundsätzlichen Garantie von Freiheit und Eigentum des menschlichen Individuums darf der Staat nur unter besonderen Voraussetzungen in diese Garantie eingreifen. Es muss also die Vermutung gelten, dass der Staat nur eingreifen darf, wenn die Eingriffsvoraussetzungen auch (durch ihn) nachgewiesen sind oder werden. Soweit diese durch die Lehre vom Erfolgsunrecht behauptete Beweislastumkehr im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Rechtswidrigkeit gemeint ist, ist nichts gegen diese Theorie einzuwenden. Soweit jedoch diese Theorie derart interpretiert würde, ein Zustand oder die Beeinträchtigung eines Rechtsguts sei Anknüpfungspunkt der Rechtsverletzung, müsste dem widersprochen werden. Hierbei wird nämlich häufig außer Acht gelassen werden, dass auch die Lehre vom Erfolgsunrecht schließlich nicht in dem Erfolg an sich, sondern in dem rechtsgutgefährdenden Verhalten die Rechtswidrigkeit erblickt.599, 600 Im Falle der rechtlichen beweisrechtliche Differenzen hält Grundmann, in: Müko, BGB, § 276, Rn. 17 für nicht schlüssig. 598 Vgl. dazu schon oben C.II.2.b) und A.I.2.; in diesem Sinne auch Menger, in: Grundrechte III / 2, S. 747. 599 Vgl. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn. 237; vgl. auch die vermittelnde Ansicht von Larenz / Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts II / 2, § 75 II 3, S. 364 ff., 365: Wagner, in: Müko, BGB, § 823, Rn. 8. Insbesondere reicht auch beim zivilrechtlichen Beseitigungsanspruch alleine das Anknüpfen an einen Zustand nicht aus, vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004, Rn. 19. 600 Dogmengeschichtlich dürfte das Abstellen auf die Pflichtverletzung als Anknüpfung für Sanktionen auf die naturrechtliche Pflichtenlehre zurückgehen, wonach sowohl die Rechtswidrigkeit als auch das Verschulden als fehlverhaltensbezogene Begriffe zu interpretieren sind. Das durch ein solches Verständnis ausgebildete Haftungssystem ist sanktionsorientiert in Bezug auf die Pflicht zu verstehen. Dieses Verständnis liegt wohl auch dem zivilrechtlichen Haftungssystem zu Grunde, welches bezeichnenderweise die §§ 823 ff. BGB mit dem Begriff „Unerlaubte Handlungen“ betitelt. Davon abgesehen ergibt sich aus dem Satz, dass jedem Recht eine Pflicht, nicht aber jeder Pflicht ein Recht korrespondiert, dass stets eine Pflicht vorzufinden ist und vorgefunden werden können muss. Mittels der Konstante der Pflicht lässt sich das Recht als einheitliches System begreifen und auch anknüpfend an die Verletzung der Pflicht das Haftungsrecht konstruktiv darstellen. So knüpft etwa im Bereich des Zivilrechts die vertragliche Haftung gem. § 280 Abs. 1 BGB an eine Pflichtverletzung an, ebenso wie sich die deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB aus der Verletzung einer sich aus einem Schutzgesetz ergebenden Pflicht ergibt. Ist nun auch die Verletzung subjektiver Rechte und damit auch die absoluter Rechte stets einhergehend mit einer Pflichtverletzung, nämlich der diesen Rechten primärrechtlich korrelierenden Pflicht, diese Rechte zu beachten, so stellt auch die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB (wie auch die des § 1004 BGB) die Reaktion für die Verletzung einer Pflicht dar. Vertragliche und deliktische Haftung, mithin das zivilrechtliche Haftungsrecht insgesamt ließen sich derart konzipieren. Auch im Bereich des Öffentlichen Rechts wäre dementsprechend der Beseitigungsanspruch erklärlich. Das vertragliche Haftungsrecht, z. B. aus einem öffentlichrechtlichen

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Missbilligung eines Zustandes wird denn auch immer eine sich auf diesen Zustand beziehende, diesen betreffende Pflicht bestehen, deren Nichtbeachtung zu einer Beurteilung als rechtswidrig führt. Im unserem Fall der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG wäre nach der h. M. auf die Rechtswidrigkeit des Zustands, d. h. die oben unter E.II.1.b) festgestellte „Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts“ abzustellen und damit aus dem Vorliegen eines objektiv tatbestandsmäßigen Eingriffs auf die Rechtswidrigkeit des Eingriffs zu schließen, welche durch das Vorliegen des Tatbestandes indiziert sein soll. Nach der anderen Auffassung wäre die Rechtswidrigkeit positiv festzustellen, was jedoch oben unter B. bereits in Bezug auf die gerichtliche Entscheidung im Falle des Verstoßes gegen das Gehörsrecht erfolgt ist. Die Auffassungen sind folglich grundsätzlich ergebnisäquivalent.601 Zu überprüfen bleibt, ob es je nach verwendeter Theorie in besonderen Fallkonstellationen zu abweichenden Ergebnissen kommen kann. b) Zeitliche Veränderung des Rechtswidrigkeitsurteils Ein erster zu untersuchender Sachverhalt betrifft die Fälle des Rechtswidrigwerdens, in welchen das Verhalten, welches einen Zustand herbeigeführt hat, zum Zeitpunkt seiner Vornahme als rechtmäßig zu beurteilen ist, zu einem späteren Zeitpunkt als rechtswidrig. Übertragen auf den Fall des judikativen Unrechts läge ein solcher Fall vor, wenn der Richter zu einem bestimmten Zeitpunkt t1 eine Sachentscheidung erlässt, nach Erlass der Sachentscheidung jedoch zu einem Zeitpunkt t2 die tragende Rechtsgrundlage der Entscheidung wegfällt oder sich ändert. Von dem hier vertretenen Standpunkt aus ist für ein Rechtswidrigwerden wie für alle Fälle der Beurteilung der Rechtswidrigkeit eine Verhaltenspflicht erforderlich. Eine solche könnte man ab dem Zeitpunkt der Änderung der Sach- oder Rechtslage in einer Pflicht, welche die Aufrechterhaltung der bereits getroffenen Entscheidung untersagt, sehen.602 Ergeht eine gerichtliche Entscheidung, so wird in aller Regel zunächst einmal keine Rechtskraft eintreten, sondern ein Rechtsmittel statthaft sein. Wenn der die Vertrag, ist entsprechend dem Verweis des § 62 VwVfG auf die Vorschriften des BGB der zivilrechtlichen Haftung, welche an die Pflichtverletzung anknüpft, dogmatisch beschreibbar. Damit aber kann nicht nur innerhalb der verschiedenen Teilbereiche des Rechts, sondern überhaupt mittels der Begriffe der Pflicht, der Pflichtverletzung und einer daran anknüpfenden Sanktion zureichend die Funktionsweise rechtlicher Verantwortlichkeit eines Rechtssubjekts erklärt werden. 601 Insbesondere trägt nach der hier vertretenen Meinung vom Verhaltensunrecht der Bürger ebenfalls nicht die Beweislast für die Rechtswidrigkeit. 602 Diese ist nicht zu verwechseln mit der sekundärrechtlichen Unterlassenspflicht, welche erst die Folge der Rechtswidrigkeit ist, zu dieser Anknüpfung an die Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung Schenke, DVBl. 1989, S. 433 (434 f.).

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Entscheidung treffende Richter ein zum Zeitpunkt der Entscheidung sachlich zutreffendes Urteil gefällt hat, sich nach Erlass der Entscheidung die Sach- oder Rechtslage ändert, was nunmehr zu einer anderen Entscheidung in der Sache führen müsste, so ist bei Einlegung eines statthaften Rechtsmittels diese Änderung der Sach- oder Rechtslage vom Rechtsmittelgericht zu berücksichtigen.603 Das Rechtsmittelgericht hat nach der zum Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage eine eigene, neue Entscheidung zu treffen. Im Rahmen dessen wird durch diese neue Entscheidung die bereits getroffene Entscheidung im Wege der Abänderung kassiert. Im Falle einer erfolgreichen Berufung wird sie entweder zwar im Tenor aufrechterhalten, jedoch mit einer anderen Begründung versehen, oder aber sie wird im Tenor geändert. Im Fall der Revision wird sie in der Regel ausdrücklich aufgehoben usw. Ist kein Rechtsmittel statthaft, so besteht die Möglichkeit, die veränderte Sach- und Rechtslage im Rahmen von § 767 ZPO geltend zu machen. Diese nicht abschließenden Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, dass einfachgesetzlich nie die Berücksichtigung der geänderten Rechtslage in Bezug auf die bereits getroffene Entscheidung ausgeschlossen wird. Der Annahme einer sich aus dem jeweiligen subjektiven Recht ergebenden Handlungspflicht, die im Falle des Rechtswidrigwerdens das Aufrechterhalten eines Hoheitsakts verbietet, steht somit nichts entgegen. Im Übrigen gilt es den im Falle grundrechtlicher Rechte verfassungsrechtlichen Rang dieser Pflicht zu bedenken. Entgegenstehende einfachgesetzliche Regelungen würden hierdurch derogiert. Die Fälle des Rechtswidrigwerdens können somit durch ein verhaltensbezogenes Rechtswidrigkeitskonzept zutreffend erfasst werden. Danach besteht im Falle des Rechtswidrigwerdens eine Pflicht, welche es untersagt, den nunmehr rechtswidrigen Zustand aufrechtzuerhalten. Auf der Basis des von der h. M. vertretenen Abstellens auf den Zustand zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit ergibt sich nichts anderes. Hiernach ist die nachträgliche Rechtswidrigkeit einer bereits getroffenen Entscheidung bei Änderung der Sach- oder Rechtslage ohne weiteres festzustellen: ein Zustand, die in der Entscheidung enthaltene Regelung, steht inhaltlich in Widerspruch zu der nunmehr für sie maßgeblichen Rechtsgrundlage und ist daher als rechtswidrig anzusehen. Der Annahme der Rechtswidrigkeit und damit einhergehend des Bestehens eines Beseitigungsanspruchs in diesen Konstellationen steht folglich nichts im Wege. Zu erwähnen bleibt, dass das Rechtswidrigwerden sich nur auf die materielle Rechtswidrigkeit beziehen kann. Im Fall formell rechtswidriger Judikate liegt ein fehlerhaftes Verfahren vor, so dass zum Erlasszeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das Verfahren fehlerhaft war oder nicht. Ein nachträgliches Rechtswidrigwer603 Für die Berufung vgl. nur § 128 VwGO; für die Revision BGHZ 9, S. 101; 36, S. 350; anders noch das Reichsgericht, welches auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung abstellte und spätere Veränderungen nicht berücksichtigte, vgl. RGZ 45, S. 98; 45, S. 421 f.; 77, S. 9.

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den ist bei formeller Rechtswidrigkeit nicht denkbar. Die Beurteilung lediglich formell rechtswidriger Hoheitsakte ist jedoch unter anderen Gesichtspunkten problematisch, worauf sogleich einzugehen sein wird. c) Formell rechtswidrige Judikate Zu einer unterschiedlichen Beurteilung müssen die oben dargestellten Theorien zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit auch bei solchen Hoheitsakten gelangen, bei welchen der Erlassvorgang fehlerhaft war, da sie unter Verstoß gegen verfahrensrechtliche Bestimmungen zustande gekommen sind, die jedoch materiellrechtlich als rechtmäßig zu beurteilen sind, insofern sie eine sachlich „richtige“ Anordnung enthalten. Der in einem formell rechtswidrigen Hoheitsakt repräsentierte Zustand in Gestalt der darin getroffenen inhaltlichen Anordnung ist (materiell) rechtmäßig. Daher müsste bei Abstellen alleine auf den Zustand die Rechtswidrigkeit und in Folge dessen das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs in diesen Fällen verneint werden. Anders liegt es, wenn man das zu diesem Zustand führende Verhalten betrachtet und auf den Erlassvorgang der gerichtlichen Entscheidung abstellt. Bezüglich dessen liegt ein Verfahrensfehler vor, so dass die getroffene Entscheidung als rechtswidrig angesehen werden muss.604 Nach den unter a) gemachten Ausführungen ist für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit auf das zur Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts führende Verhalten abzustellen. Danach ergibt sich in den Fällen lediglich formell rechtswidriger Hoheitsakte die Rechtswidrigkeit des Eingriffs. Im Übrigen ist die gesetzgeberische Entscheidung für die Frage nach der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines Hoheitsakts zu beachten. Hier konnte unter B. gezeigt werden, dass eine unter Verletzung von Verfahrenvorschriften zustande gekommene gerichtliche Entscheidung als rechtswidrig zu gelten hat. Damit ist auch der dem fehlerhaften Verfahren, dem Verhaltensverstoß, nachfolgende Rechtsakt, der daraus sich ergebende Zustand, als rechtswidrig zu beurteilen, so dass Verhalten und Zustand kraft gesetzgeberischer Anordnung gleichermaßen als rechtswidrig bewertet werden. Im Ergebnis macht es daher vorliegend keinen Unterschied, ob die Rechtswidrigkeit verhaltens-, erfolgs- oder zustandsbezogen verstanden wird. Als Zwischenergebnis lässt sich daher festhalten, dass im Falle eines lediglich formell rechtswidrigen Judikats neben dem bereits festgestellten Eingriff auch des604 Zum Problem, ob im Falle formell rechtswidriger, materiell jedoch rechtmäßiger Hoheitsakte ein Beseitigungsanspruch gegeben sein kann: Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 304 f., die in diesen Fällen einen Beseitigungsanspruch verneint (S. 311); wohl auch verneinend Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 484; anders Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 313, unter Berufung auf BVerwG NJW 1981, S. 239 (240); OVG Hamburg NJW 1978, S. 658. Zum Problem vgl. auch: Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 116 ff.; Bender, Staatshaftungsrecht, Rn. 270, dort m. w. N. in Fn. 355; Rupp, JA 1979, S. 506 (510); Köckerbauer, JuS 1988, S. 782 (785); Sproll, in: Detterbeck / Windhorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 12, Rn. 39.

II. Die Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs

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sen Rechtswidrigkeit gegeben ist. Daraus ergibt sich das Vorliegen einer subjektiven Rechtsverletzung. Des Weiteren ist damit gezeigt, dass dem Grunde nach ein Beseitigungsanspruch auch bei Verletzung formeller subjektiver Rechte besteht, da ein solcher Anspruch dem Tatbestand nach das Vorliegen einer subjektiven Rechtsverletzung fordert.605 Für den Fall des Verstoßes gegen das formelle Recht des Art. 103 Abs. 1 GG ist somit das Vorliegen einer subjektiven Rechtsverletzung sowie das Bestehen eines Beseitigungsanspruchs dem Grunde nach festgestellt. 3. Keine weiteren Voraussetzungen Das Vorliegen einer subjektiven Rechtsverletzung ergibt sich im Fall der Gehörsverletzung rechtslogisch daraus, dass sowohl ein Eingriff als auch die Rechtswidrigkeit des Eingriffs vorliegt und für eine Rechtsverletzung keine weiteren Voraussetzungen gegeben sein müssen. Wie oben unter E.II. dargelegt ist eine subjektive Rechtsverletzung gleichbedeutend ist mit dem Vorliegen eines rechtswidrigen Eingriffs. Daraus erhellt sich, dass die unter B.II. diskutierten Regelungen, welche im Falle des Beruhens die Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung ausschließen, wenn sie weder die Eingriffsqualität noch die Rechtswidrigkeit der gerichtlichen Entscheidung ausschließen, damit auch das Vorliegen einer Rechtsverletzung nicht ausschließen. Die dogmatische Interpretation der Beruhens-Regelungen606 als Ausschluss einer subjektiven Rechtsverletzung wäre zwar dann nicht ausgeschlossen, wenn man für das Vorliegen einer Rechtverletzung ein weiteres Merkmal des „Nicht-Beruhens“ forderte. Dies würde jedoch schwerlich überzeugen. Zum einen müsste das für alle Teilbereiche des Rechts gleichermaßen geltende Verständnis der Rechtsverletzung, die eben gerade keine anderen Merkmale als die des Vorliegens eines Eingriffs und dessen Rechtswidrigkeit kennt, umgebildet werden und, was schwerer wiegt, würde das hiermit erreichte Ergebnis des Ausschlusses der Rechtsverletzung verfassungsrechtlich bedenklich sein. Augenscheinlich wird dies an der verwaltungsrechtlichen Parallelproblematik der Beruhens-Vorschrift des § 46 VwVfG. Interpretierte man diese Vorschrift derart, dass hiermit einfachgesetzlich das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Rechtsverletzung ausgeschlossen sei, dann würde die grundsätzlich im Rahmen des Art. 19 Abs. 4 GG in Betracht kommende und durch diese Vorschrift garantierte Möglichkeit der Feststellung der Rechtsverletzung genommen und die Rechtsschutzmöglichkeiten bedenklich ver605 Ebenso Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 118 ff., der sich für die verwaltungsrechtlichen, nur einfachgesetzlich statuierten Verfahrensrechte dazu eines Rückgriffs auf materielle Grundrechte genötigt sieht. Da die Verfahrensrechte gegen die Judikative auf Verfassungsebene in Art. 101, 103 GG positiviert sind, scheint ein solcher Rückzug auf materielle Grundrechte entbehrlich. Damit besteht bei Verletzung eines formellen subjektiven Rechts aus diesem selbst heraus ein Beseitigungsanspruch, s. aber zur Beschränkung des Beseitigungsanspruchs in diesen Fällen unten G.IV. 606 Zur dogmatischen Einordnung vgl. unten G.IV.

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

kürzt.607 Die Beruhens-Regelungen sind dogmatisch nicht auf Ebene des Vorliegens einer subjektiven Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Neben den Tatbestandsmerkmalen des Vorliegens eines Eingriffs und der Rechtswidrigkeit kennt der Beseitigungsanspruch keine weiteren Merkmale. Der Beseitigungsanspruch mit seiner Voraussetzung der subjektiven Rechtsverletzung ist wie auch der Begriff der Grundrechtsverletzung608 verschuldensunabhängig.609 Als weitere negative Voraussetzungen des Beseitigungsanspruchs könnte man die Abwesenheit von Merkmalen fassen, die zur Beschränkung oder zum Ausschluss führen. Da jedoch der Beseitigungsanspruch bei Vorliegen einer subjektiven Rechtsverletzung grundsätzlich gegeben ist, das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen die Ausnahme bildet, scheint es sinnvoll dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis dogmatisch dadurch zu berücksichtigen, dass diese Ausnahmetatbestände gegenüber dem Regeltatbestand dogmatisch verselbstständigt werden.610 Da nun die Ausschlusstatbestände zu einer Beschränkung, der qualitativ stärksten Beschränkung – dem vollständigen Ausschluss – führen, sollen diese im Zusammenhang mit den anderen Beschränkungen von Fehlerfolgen unter G. behandelt werden.

III. Die Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs Bei Vorliegen der soeben ermittelten Voraussetzungen ist ein Beseitigungsanspruch gegeben. Als Folge dessen ist die bestehende subjektive RechtsverletVgl. dazu Schenke DÖV 1986, S. 305 (308). Roth, Faktische Eingriffe, S. 199 f. 609 Die Rechts- bzw. Pflichtverletzung ist von der schuldhaften Pflichtverletzung zu unterscheiden. Die Pflichtverletzung erfährt eine doppelte Verwendung, nämlich im Rahmen der Rechtswidrigkeit als auch des Verschuldens. Die Unterscheidung von Rechtswidrigkeit und Schuld ist lange bekannt, vgl. v. Jhering, Das Schuldmoment im Römischen Privatrecht, S. 4 f., der mahnt, dass diese Unterscheidung nicht „die genügende Beachtung gefunden habe“; vgl. aber auch schon Hegel, Grundlinien, §§ 82 ff., der beim Unrecht verschiedene Arten unterscheidet, § 90 Zusatz: „Das eigentliche Unrecht ist das Verbrechen, wo weder das Recht an sich noch [das Recht; M.H.], wie es mir scheint respektiert wird, wo also beide Seiten, die objektive und subjektive, verletzt sind“. Trotzdem wird diese Unterscheidung nicht immer hinreichend beachtet und „Probleme der Rechtswidrigkeit schief als Frage des Schuldgrundsatzes“ diskutiert, so Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 9; vgl. dazu auch Rupp, Grundfragen, S. 226 f. Die Frage nach der Verletzung eines Sollenssatzes ist die Frage nach der Kongruenz eines bestimmten Verhaltens mit der sich auf dieses Verhalten beziehenden Norm. Davon zu unterscheiden ist die Frage des Verschuldens, die die Zurechnung betrifft und dahin lautet, ob das die Normverletzung begründende Verhalten einem Rechtssubjekt rechtlich als schuldhaft imputiert werden kann. 610 Ebenso Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 503 ff.; Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 218 ff. 607 608

III. Die Rechtsfolge

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zung zu „beseitigen“. Bei der rechtsdogmatisch-inhaltlichen Umschreibung des Beseitigungsanspruchs ist zunächst das Verhältnis dieses Anspruchs zum Folgenbeseitigungsanspruch zu bestimmen. Schon rein terminologisch zielt der Beseitigungsanspruch auf die Beseitigung der seinem Tatbestand nach vorausgesetzten subjektiven Rechtsverletzung, der Folgenbeseitigungsanspruch zielt darüber hinaus auf die Beseitigung der Folgen der subjektiven Rechtsverletzung, so dass beide Ansprüche rein terminologisch voneinander unterschieden werden können. Bei der Ermittlung des Inhalts des Beseitigungsanspruchs im Folgenden wird sich zeigen, dass es auch in der Sache einen Unterschied bedeutet, eine Störung oder die Folgen dieser Störung zu beseitigen.611 Insbesondere bei der Frage, inwieweit die Folgen einer Rechtsverletzung zu beseitigen sind, besteht Uneinigkeit.612

1. Inhalt und Umfang der Beseitigung Je weiter die Rechtsfolge der negatorischen Haftung bestimmt wird, umso schwieriger muss die Abgrenzung zu anderen Haftungstatbeständen fallen, nicht nur zu anderen sekundärrechtlichen Integritätsansprüchen wie dem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch, sondern insbesondere auch zu tertiärrechtlichen Haftungstatbeständen, wie etwa dem enteignungsgleichen und aufopferungsgleichen Eingriff oder auch dem Amtshaftungsanspruch. Eine solche Abgrenzung zu anderen Haftungstatbeständen ist geboten, da die verschiedenen Haftungstatbestände unterschiedliche Voraussetzungen aufweisen. Problematisch erscheint die Abgrenzung zum Schadensersatz im Wege der Amtshaftung. Hier ist mit der Frage, ob ein Beseitigungsanspruch oder der Amtshaftungsanspruch gegeben ist, nicht nur wegen Art. 34 S. 3 GG eine Rechtswegproblematik verbunden. Vielmehr erlangt diese Abgrenzung gerade im Bereich des judikativen Unrechts wegen des Ausschlusstatbestandes des § 839 Abs. 2 BGB eine darüber hinausreichende Bedeutung. Die Bestimmung der Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs ist nicht nur von Relevanz, als sie eine inhaltliche Vorgabe enthält, was im Falle einer subjektiven Rechtsverletzung durch den Verletzer zu tun ist, sondern sie besitzt auch funktionelle Bedeutung bei der Abgrenzung zu anderen Haftungsinstituten. Um uns das Problem der inhaltlichen Reichweite des Beseitigungsanspruchs zu verdeutlichen, greifen wir nochmals unser obiges Beispiel mit dem Fahrrad auf:613 Der primärrechtliche Gehalt des Eigentumsrechts am Fahrrad besteht gem. § 903 BGB darin, dass man dieses besitzen, behalten und gebrauchen darf. Eine subjektive Rechtsverletzung des Eigentumsrechts liegt z. B. im Fall der Sach- oder Besitz611 Dies gilt augenscheinlich dann nicht, soweit die Folgen einer Störung zugleich selbst eine Störung darstellen. Dann sind sie als Störung, nicht als Folgen einer Störung zu beseitigen, dazu sogleich im Text. 612 Ein ausführlicher Überblick bzgl. der Rechtsfolge des Folgenbeseitigungsanspruchs findet sich bei Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 389 ff. 613 s. oben D.I.2.a).

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

entziehung vor. Diese stört die Integrität des Primärrechts, weil der Eigentümer sein Recht aus § 903 BGB nicht mehr ausüben kann. Die Integrität dieses Rechts hat der Störer durch Beseitigung seiner Verletzung wiederherzustellen. Der Inhalt der Beseitigungspflicht ist im Verhältnis zu § 1004 BGB spezialgesetzlich in § 985 BGB dahingehend positiviert, dass der Störer die Sache herausgeben muss, d. h. im Beispiel dem Eigentümer den unmittelbaren Besitz zu verschaffen hat. Geschuldet ist also die Vornahme des actus contrarius zur Verletzungshandlung,614 wodurch die Störungsquelle des Entzugs des unmittelbaren Besitzes seitens des Störers durch Verschaffung des Besitzes an den Eigentümer abgestellt wird.615 Wie aber, wenn ein Ball durch eine Fensterscheibe geworfen wird und auf Grund der zerstörten Scheibe Regenwasser in ein Gebäude dringt, welches die Tapete beschädigt? Muss hier auch der durch das Regenwasser als Folge der Störung verursachte Schaden beseitigt werden? Gibt es einen Anspruch auf Beseitigung der Folgen? Die Antwort ergibt sich aus der Übertragung des Modells aus § 985 BGB. Die Rechtsintegrität, die bedeutet, dass der Eigentümer (wieder) sein Recht aus § 903 BGB am Fahrrad ausüben kann, wird dadurch (wieder) hergestellt, dass der Störer die Verletzung dieses Rechts, soweit sie noch besteht, beseitigt. Herzustellen ist ein störungsfreier Zustand, was gleichbedeutend ist mit der Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes. Die Beseitigung geht also auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, eine restitutio in iure.616 Rückwirkend kann die Störung nicht mehr beseitigt werden, vielmehr ist eine gegenwärtige Beseitigung bzw. Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes geschuldet, was sich bereits aus dem Merkmal des „Fortdauerns“ der Störung ergibt.617 Nur die Störung, welche weiterhin Quelle für eine fortgesetzte Rechtsverletzung des Rechts ist, muss abgestellt werden. Hieraus erklärt sich, dass auch die Folgen einer Störung, soweit sie ihrerseits eine fortdauernde Störung darstellen, zu beseitigen sind. Nicht weniger, aber auch nicht mehr gewährt der Beseitigungsanspruch.618 Nicht mehr als die Herstellung So Rupp, Grundfragen, S. 261. Das Abstellen der Störungsursache entspricht der insoweit h. M. im Zivilrecht, vgl. nur Medicus, in: Müko, BGB, § 1004, Rn. 71; auch für den öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruch ist es notwendig, aber nicht hinreichend, vgl. Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 393 ff. 616 BVerfGE 45, S. 63 (76): „Im Rahmen dieses subjektiven Rechts hat er einen Anspruch darauf, daß ein mit den objektiven Normen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht in Einklang stehender Zugriff auf sein Eigentum unterbleibt; er kann die Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes fordern“. 617 Daraus resultiert eine fortdauernde Gegenwarts- bzw. anders ausgedrückt eine Zukunftsbezogenheit des Beseitigungsanspruchs, vgl. Fiedler, NVwZ 1986, S. 969 (974); Schoch, in: VerwArch 79 (1988), S. 1 (48) m. w. N. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus dem Zusammenhang zwischen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch, wie er oben unter E.I.2. geschildert wurde. Der Unterlassungsanspruch ist zukunftsbezogen, vgl. Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 38 f. Daher muss auch der konstruktiv als fortgesetzter, sich ständig aktualisierender Unterlassungsanspruch gedachte Beseitigungsanspruch diese Zukunftsbezogenheit aufweisen, vgl. auch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 28. 614 615

III. Die Rechtsfolge

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der Rechtsintegrität des Primärrechts deswegen, weil er als vom Primärrecht abgeleitetes Recht nicht mehr Rechte gewähren kann als das Primärrecht. Es geht um die richtige Abgrenzung der Rechtssphären zueinander, wie sie dem Primärrecht entsprechen. Welche Mittel der Störer zur Störungsbeseitigung ergreift, bleibt ihm überlassen.619 Geschuldet ist nicht die Vornahme einer bestimmten Handlung, sondern irgendeine Handlung, welche geeignet ist, die Integrität des Primärrechts herzustellen. Auf unser Problem der judikativen Rechtsverletzung übertragen ist für die konkret geschuldete Beseitigungshandlung entscheidend, welche Mittel zur Herstellung der Rechtsintegrität einfachgesetzlich angeordnet sind. Gleichwohl hat diese einfachgesetzliche Ausgestaltung die Zielvorgabe der Beseitigung der Rechtsverletzung zu beachten. Im Fall der Gehörsverletzung kann die Herstellung der Integrität des Primärrechts nur dadurch herbeigeführt werden, dass die rechtlichen Wirkungen der bereits getroffenen Entscheidung, welche den Richter hindern, rechtliches Gehör zu gewähren, beseitigt werden. Als Folge dessen muss die Integrität des Primärrechts hergestellt sein, d. h. der aus Art. 103 Abs. 1 GG Berechtigte muss sein Recht ausüben können. Dies bedeutet aber, dass nach hergestellter Integrität des Primärrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG nunmehr der Gehöranspruch erfüllt werden muss. Die gesetzgeberische Ausgestaltung des Beseitigungsanspruchs soll nachfolgend dargestellt und auf die Tauglichkeit zur Beseitigung der Rechtsverletzung untersucht werden.

2. Die gesetzgeberische Ausgestaltung a) Aufhebung der Entscheidung Die Regelungen des gerichtlichen Verfahrenrechts sehen im Regelfall vor, dass bei erfolgreichem Rechtsmittel die rechtsverletzende Entscheidung des Richters kassiert wird, sei es dadurch, dass sie explizit aufgehoben wird, sei es dadurch, dass es durch eine Abänderung implizit zur Kassation kommt.620, 621 Man kann auch umgekehrt die Kassation als Sonderfall der Abänderung begreifen. Abänderung und Kassation sind gegenseitig aufeinander rückführbar. Ob eine Abänderung oder Kassation stattfindet, stets ist damit die Entscheidung des Richters, worauf sich das Rechtsmittel bezieht, Teil des Rechtsmittelgegenstands.622 „Immer 618 So die h. M., die eine Begrenzung auf die unmittelbaren Folgen vornimmt, vgl. nur Bumke, JuS 2005, S. 22 (24) m. w. N. 619 Jauernig, in: Jauernig, BGB, § 1004, Rn. 9; BGH NJW 2004, S. 1035 (1037). 620 Vgl. § 328 Abs. 1 StPO: „unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst erkennen“. 621 Möglich wäre auch die gesetzgeberische Anordnung der Nichtigkeit in diesen Fällen. Die gerichtliche Entscheidung entfaltete dann keine oder jedenfalls nicht alle rechtlichen Wirkungen, welche normalerweise mit ihr verknüpft sind. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber wie unter C. nachgewiesen aber keinen Gebrauch gemacht.

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

wird bei einer neuen Instanz über die Legalität der vorhergehenden richterlichen Handlungen geurteilt“.623 „Der Richter höherer Instanz . . . urteilt . . . notwendigerweise auch über die Rechtmäßigkeit der Akte des unteren Richters“.624, 625 Sonach muss es stets zur Abänderung oder Kassation der Entscheidung kommen können, um die Verletzung des Gehörsrechts vollständig zu beseitigen. Eine gesetzgeberische Anordnung, welche lediglich auf eine Beseitigung von Rechtskraft oder Bindungswirkung der bereits getroffenen richterlichen Entscheidung gerichtet wäre, reichte zur Beseitigung der eingetretenen Rechtsverletzung nicht aus. Sie ermöglichte zwar eine Nachholung des rechtlichen Gehörs. Die hierdurch ermöglichte Gehörsgewährung würde jedoch dazu im Ergebnis nicht ausreichen. Zum Primärrecht des Anspruchs aus Art. 103 Abs. 1 GG gehört, dass das Vorgebrachte auch in der nachfolgenden Sachentscheidung berücksichtigt werden kann. Dazu muss es aber stets möglich sein, die bereits getroffene Entscheidung abzuändern bzw. abändernd aufzuheben und so auf diese einzuwirken. So stellt das BVerfG im Rahmen der bei der Urteilsverfassungsbeschwerde gesetzgeberisch vorgesehenen Möglichkeit der Aufhebung fest: „Der Rechtsfolgenausspruch, der gemäß § 95 Abs. 1 und 2 BVerfGG grundsätzlich die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung beinhaltet, ist hier auf die Beseitigung der Rechtskraft des Adoptionsbeschlusses zu beschränken. Denn die am Annahmeverhältnis Beteiligten haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der durch den Adoptionsbeschluss begründete Status nicht verändert wird, solange noch nicht feststeht, ob das Vormundschaftsgericht nach Gewährung des rechtlichen Gehörs und Durchführung der gebotenen materiellen Prüfung die Voraussetzungen für die Adoption verneinen oder weiterhin bejahen wird. Kommt das Gericht danach zu dem Ergebnis, dass die Adoption nicht hätte ausgesprochen werden dürfen, ist der Adoptionsbeschluss grundsätzlich rückwirkend aufzuheben“.626 An der Aufhebung oder Änderung der Entscheidung führt, soll die Integrität des Gehörsrechts wiederhergestellt werden, kein Weg vorbei. Ähnlich lässt sich das Abänderungs- und Kassationselement bei allen anderen Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen für den Fall ihrer Zulässigkeit und Begründet622 Deutlich ist dies bei der Revision. Diese ist nur erfolgreich, wenn die angegriffene Entscheidung revisibles Recht verletzt. Nunmehr ist auch bei der Berufung die Fehlerkontrolle der Vorentscheidung in den Mittelpunkt gerückt, vgl. dazu Schnauder, JuS 2002, S. 68 (69). Rechtsmittel dienen der Nachprüfung einer Entscheidung durch ein ihm Rechtszug übergeordnetes Gericht, Jauernig, Zivilprozessrecht, § 81 I. 1. Dies entspricht auch der h. M. in der Prozessrechtswissenschaft, welche einen doppelfunktionalen Charakter der Rechtsmittel annimmt, wozu auch die Kontrolle der Vorentscheidung gehören soll, vgl. den Überblick bei Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 242 ff. 623 Gönner, Handbuch, S. 9. 624 So Jellinek, System, S. 355. 625 Ähnlich sieht die h. M. zumindest auch die Überprüfung der Vorentscheidung(en) als Rechtsmittelgegenstand an, vgl. Fn. 629. 626 BVerfG, 1 BvR 2114 / 02 vom 4. 6. 2003, Abs. 17, abrufbar unter http: //www. bverfg.de.

III. Die Rechtsfolge

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heit finden. Ließe es sich nicht finden, so müsste man sich fragen, welches Ziel ein Rechtsbehelf haben sollte, der diese Elemente nicht aufweist.627 „Das Charakteristische aller eigentlichen Rechtsmittel besteht in ihrem Zwecke, nämlich Aufhebung oder Abänderung der beschwerenden richterlichen Verfügungen“.628 Zunächst in den Fällen der sog. ordentlichen Rechtsmittel: Im Falle der erfolgreichen Berufung entscheidet das Berufungsgericht gem. § 129 VwGO, §§ 528 S. 2, 538 Abs. 1 ZPO, § 328 Abs. 1 StPO durch eine Abänderung, in bestimmten Fällen wie z. B. § 130 Abs. 1 VwGO, § 538 Abs. 2 ZPO, § 328 Abs. 2 StPO durch eine Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Bei der Revision kommt es regelmäßig zur Kassation, vgl. § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO, § 562 Abs. 1 ZPO, § 353 Abs. 1 StPO, weil die Revision keine Tatsacheninstanz und auf die Klärung von Rechtsfragen beschränkt ist. Ausnahmsweise besteht auch gem. § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO, § 563 Abs. 3 ZPO, § 354 Abs. 1 StPO eine Abänderungsbefugnis, falls der Rechtsstreit auch ohne Zurückverweisung trotz beschränkter Prüfungskompetenz durch das Revisionsgericht selbst entschieden werden kann. Ein Sonderfall der Abänderung liegt im Fall der Ergebnisrichtigkeit gem. § 144 Abs. 4 VwGO, § 561 ZPO vor. Hier findet eine (in Bezug auf die Gründe abändernde) Bestätigung der vorinstanzlichen Entscheidung statt. Auch die Verfassungsbeschwerde, ein für die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG explizit vorgesehener Rechtsbehelf, sieht als Regelfall gem. § 95 Abs. 2 BVerfGG die Aufhebung der Entscheidung vor. Das einfachgesetzliche Rechtsmittelrecht ist somit als Ausgestaltung des verfassungsrechtlich bestehenden Beseitigungsanspruchs zu begreifen. Die Rechtsmittel tragen dem Beseitigungsanspruch dadurch Rechnung, dass sie durch Abänderung oder Aufhebung einer rechtsverletzenden Entscheidung zur Beseitigung einer gegenwärtigen bzw. fortgesetzt gedacht, einer dauernden Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts führen und dadurch die Integrität des verletzten subjektiven Rechts wiederherstellen. Wegen der Gegenwarts- bzw. Zukunftsbezogenheit des Beseitigungsanspruchs ist es nicht geboten, eine Klärungsmöglichkeit vorzusehen, ob die vorinstanzliche Entscheidung rechtmäßig war. Es geht vielmehr darum, ob im Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsmittelentscheidung ein Beseitigungsanspruch vorliegt, mit welchem die zu diesem Zeitpunkt rechtswidrige Aufrechterhaltung der Vorentscheidung durchgesetzt wird. Diese Charakterisierung des Rechtsmittelrechts entspricht der herrschenden Meinung in der Prozessrechtswissenschaft insoweit, als auch dort das Kassationselement neben dem Reformationselement genannt und als bestimmend für die Beschreibung des Rechtsmittelbegriffs angesehen wird.629 Insoweit zeigt sich eine Verbindung zwischen dem verfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruch gegen den Richter und dem einfachgesetzlichen Rechtsmittelrecht, als dieses stets auch Zur Feststellungsmöglichkeit sogleich unten im Text. Gönner, Handbuch, S. 124. 629 Vgl. dazu die Darstellung bei Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 242 ff., 244, dort m. w. N. zur h. M.; kritisch insoweit Schenke, JZ 2005, S. 116 (118). 627 628

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

die Beseitigung der richterlichen Rechtsverletzung bezweckt,630 denn „ohne Rechtsverletzung lässt sich wohl von keinem Mittel sprechen, dessen Zweck die Abwendung jener seyn soll“.631 b) Keine Feststellungsmöglichkeit bezüglich der Rechtswidrigkeit Eine bloße Feststellungsmöglichkeit genügt grundsätzlich nicht den Anforderungen an die Beseitigung der Rechtsverletzung. So führt das BVerfG zur Durchbrechung der in § 95 Abs. 2 BVerfGG angeordneten Aufhebung aus: „Auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes nach § 95 Abs. 1 BVerfGG darf es sich jedoch grundsätzlich nur dann beschränken, wenn ein für eine Aufhebung geeigneter Akt nicht oder nicht mehr vorliegt, die angegriffene Entscheidung eine den Beschwerdeführer belastende Wirkung nicht mehr entfaltet oder die festgestellte Grundrechtsverletzung den sachlichen Inhalt der Entscheidung nicht berührt . . . Werden durch die Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Verwaltungsaktes Rechte Dritter oder wesentliche öffentliche Interessen berührt, kann danach eine Beschränkung des Rechtsfolgenausspruchs zulässig und geboten sein. Dabei ist jedoch stets zu beachten, daß es Sinn der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG verbürgten Verfassungsbeschwerde ist, die Beseitigung von Grundrechtsverletzungen zu ermöglichen, und daß ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung eines verfassungswidrigen Zustandes grundsätzlich nicht anerkannt werden kann. Eine Beschränkung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung auf die Feststellung der Grundrechtsverletzung trotz Fortbestehens ihrer Auswirkungen wird deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Eher kann es zulässig und geboten sein, die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung in sachlicher, formeller oder zeitlicher Hinsicht zu begrenzen, um Rechtsfolgen zu vermeiden, die durch Sinn und Zweck der Verfassungsbeschwerde nicht zu rechtfertigen und weniger erträglich sind als die teilweise Aufrechterhaltung einer verfassungswidrigen Entscheidung“.632 Eine Feststellungsmöglichkeit lässt sich außerhalb von Art. 19 Abs. 4 GG auch nicht als verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutzmöglichkeit ableiten. Wie unter F.III. zu zeigen sein wird, ist der Rechtsschutz bei judikativem Unrecht aus der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte abzuleiten. Aus dem materiellen Recht lässt sich kein Anspruch auf Feststellung ableiten. Ein derartiger Rechtsbehelf, welcher die Feststellung einer Rechtsverletzung ermöglichte, ist vielmehr nach h. M. ein rein prozessualer Anspruch, dem kein materielles Recht korreliert.633 Dies wurde bereits ausführlich aufgezeigt durch Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 244 ff. Gönner, Handbuch, S. 114. 632 BVerfGE 89, S. 381 (393 ff.) m. w. N. Die Entscheidung betraf eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. 633 Vgl. Fn. 265. 630 631

IV. Adressaten

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Aber auch bei unterstellter Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG und der dann dadurch gebotenen Feststellungsmöglichkeit ließe sich in den Fällen, in welchen der Beseitigungsanspruch ausgeschlossen ist, im Ergebnis kein Anspruch auf Feststellung ableiten. Zum Ausschluss des Beseitigungsanspruchs kann es kommen im Fall tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit oder auch bei Verletzung von Verfahrensrechten in den Beruhens-Fällen (dazu unten G.IV.). Im Ausschluss des materiellen Beseitigungsanspruchs, z. B. durch das Beruhenskriterium, wird man unter Geltung des Art. 19 Abs. 4 GG nicht zugleich einen Ausschluss der Feststellungsmöglichkeit sehen können.634 Auch wenn damit grundsätzlich eine Feststellungsmöglichkeit geboten wäre, so könnte, da eine solche nicht explizit in den einfachgesetzlichen gerichtlichen Verfahrensordnungen geregelt ist, diese ähnlich dem Vorgehen des BVerfG als minus in der Möglichkeit der Aufhebung bzw. Änderung der vorinstanzlichen Entscheidung liegen. Aber selbst dann wäre in concreto zumeist gleichwohl eine Feststellung ausgeschlossen, da es vielfach an einer der anerkannten Fallgruppen des Feststellungsinteresses, auf die hierbei zurückzugreifen wäre, fehlen würde. So wird eine Wiederholungsgefahr bei richterlichen Entscheidungen in der Regel ausscheiden, ebenso selten wird man eine diskriminierende Wirkung annehmen können, wenn man auch beides nicht gänzlich ausschließen kann. Ein Interesse mit Blick auf einen möglichen Amtshaftungsanspruch wird wegen des Ausschlusstatbestands des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB ebenso grundsätzlich nicht in Betracht kommen. So erlangte bei unterstellter Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG eine Feststellungsmöglichkeit keine größere Bedeutung, wenn auch im Einzelfall eine gebotene Feststellungsmöglichkeit mit Blick auf eine fehlende gesetzliche Regelung der Feststellungsmöglichkeit nicht unproblematisch wäre.635 Auf Basis der hier vorgenommen Ableitung des Rechtsschutzes aus der subjektiven Rechtsqualität stellt sich dieses Problem nicht, da hieraus kein Feststellungsanspruch ableitbar ist.

IV. Adressaten des Beseitigungsanspruchs Nachdem Tatbestand und Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs bestimmt wurden, bedarf der Schuldner des Beseitigungsanspruchs einer näheren Betrachtung. Die Beseitigungspflicht trifft grundsätzlich den Störer, d. h. denjenigen, welcher die Störung zurechenbar verursacht hat.636 Am letzten Punkt des Beseitigungsanspruch angekommen, sieht man, dass alle Tatbestandsmerkmale des Beseitigungsanspruchs untrennbar zusammenhängen, wenn man sie auch unterscheiden kann. Verknüpfendes Element ist die Pflicht. Der Begriff der Rechtsverletzung war 634 So zu Recht für das gerichtliche Verfahrensrecht bei unterstellter Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG Schenke, DÖV 1986, S. 305 (313). 635 Zu diesen Bedenken mit Blick auf die Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Judikative s. Schenke, JZ 2005, S. 116 (118). 636 Medicus, in: MüKo, BGB, § 1004, Rn. 38.

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

gleichzusetzen mit der Pflichtverletzung. Die Pflicht, welche verletzt wurde, war die dem subjektiven Recht korrelierende Pflicht. Der Adressat dieser Pflicht ist, wenn er die Pflicht verletzt, der Störer. Der Eingriff des Störers ist rechtswidrig, wenn das Handeln des Störers gegen die ihn treffende primärrechtliche Pflicht verstößt.

1. Die Rechtsprechung Im Falle judikativen Unrechts hat die Störung zurechenbar ein Gericht als Teil der gem. Art. 1 Abs. 3 GG grundrechtsgebundenen Rechtsprechung verursacht. Nach dem Vorgesagten ist grundsätzlich dieses als der Störer zur Beseitigung verpflichtet. Diese Aussage lässt sich näher präzisieren. Ist grundsätzlich der Störer zur Beseitigung verpflichtet, so muss ferner eine mögliche gesetzgeberische Ausgestaltung berücksichtigt werden. Hierbei sind durch den Gewaltenteilungsgrundsatz Grenzen gesetzt. Dieser ergibt, dass im Falle judikativen Unrechts die Störungsbeseitigung nur durch die Judikative erfüllt werden kann, soweit zur Störungsbeseitigung die Aufhebung bzw. Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung gefordert ist. Der Erlass von Rechtsprechungsakten ist in Art. 92 GG der rechtsprechenden Gewalt vorbehalten. Die Überprüfung und Aufhebung bzw. Änderung einer gerichtlichen Entscheidung ist als actus contrarius ebenfalls ein Rechtsprechungsakt. Die Vornahme der Beseitigung ist daher der Judikative vorbehalten.637 Damit ist allerdings noch nicht ausgesagt, welcher Teil der rechtsprechenden Gewalt zur Beseitigung verpflichtet ist. Auch innerhalb der Judikative ist von einer Aufgabenverteilung auszugehen. Dies ergibt sich aus Art. 95 GG, der oberste Bundesgerichte aufzählt. Aus dieser Vorschrift ist der Gedanke richterlicher Arbeitsteilung, aber auch Machtaufteilung ersichtlich. Auch innerhalb der Rechtsprechung gilt, dass niemand für alles zuständig sein soll.638 Weiterhin geht diese Vorschrift offenbar davon aus, dass grundsätzlich die darin genannten Gerichte in dem jeweils einschlägigen Rechtsweg den Abschluss des Rechtszugs als „oberstes“ Gericht bilden. Damit aber wird vorausgesetzt, dass spätestens an dieser Stelle ein gerichtliches Verfahren beendet ist, woraus folgt, dass primär der Rechtsschutz den dort genannten Gerichtsbarkeiten obliegt. Im Falle der Verletzung eines Grundrechts kann jedoch darüber hinaus im Wege der Verfassungsbeschwerde das BVerfG angerufen werden. Insbesondere bei der vorliegend untersuchten Gehörsverletzung scheinen beide Gerichtsbarkeiten zuständig. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert auf primärrechtlicher Ebene rechtliches Gehör „vor Gericht“. Da von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller 637 638

Dazu F.III.1.b)bb). Berkemann, DVBl. 1996, S. 1028.

IV. Adressaten

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Gerichte auszugehen ist und Art. 103 Abs. 1 GG insoweit keine Differenzierung enthält, ist davon auszugehen, dass grundsätzlich dieses Recht gegenüber allen Gerichten besteht und von diesen jeweils erfüllt werden kann. Da nun der Beseitigungsanspruch ein vom Primärrecht abgeleitetes Recht ist, hat dasselbe für ihn zu gelten. Auch Art. 1 Abs. 3 GG nennt nur die rechtsprechende Gewalt und differenziert hierbei nicht. Aber angesichts unserer Arbeitshypothese, welche besagt, bei Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG müsse primär ein fachgerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen, ist es unumgänglich die Stichhaltigkeit dieser These zu überprüfen und das Verhältnis von Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit unter dem Aspekt des Beseitigungsanspruchs zu betrachten. a) Vorrangige Störungsbeseitigung durch die Fachgerichte Das Verhältnis von sog. Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit ist eine schwierige Problematik und kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erschöpfend behandelt werden. Es wird unter vielen Aspekten diskutiert: Zum einen im Rahmen der Normenhierachie nach dem Verhältnis von Verfassungsrecht und Gesetzesrecht, zum andern funktionellrechtlich in Bezug auf die Abgrenzung der Kompetenzen von BVerfG und parlamentarischem Gesetzgeber sowie gerichtsinstitutionell mit Blick auf die Prüfungs- und Entscheidungskompetenzen von BVerfG einerseits und Fachgerichten anderseits. Besonders das letztgenannte Problem berührt unsere Frage nach dem Adressaten des Beseitigungsanspruchs. Die hierzu vertretenen Ansichten sollen kurz wiedergegeben werden. Eine Abgrenzung von Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit wird im Wesentlichen anhand zweier Formeln vorgenommen.639 Nach der Heckschen-Formel640 beschränkt sich das Eingreifen des BVerfG auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch die Gerichte.641 Diese Formel erweist sich jedoch insbesondere bei der hier interessierenden Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG als problematisch. Prozessgrundrechte können nur auf Grund ihrer einfachgesetzlichen Ausgestaltung verwirklicht werden. So setzt die Anhörung „vor Gericht“ die Einrichtung von Gerichten und Regelungen über das gerichtliche Verfahren voraus. Daher schlägt sich jede Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG regelmäßig in der Verletzung einfachgesetzlicher Vorschriften nieder, wobei umgekehrt nicht jede einfachgesetzliche

Zu diesen und weiteren Abgrenzungskriterien Robbers, NJW 1998, S. 935 ff. Vgl. BVerfGE 18, S. 85 (92): „Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das BVerfG entzogen; nur bei Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht durch die Gerichte kann das Bundesverfassungsgericht auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen“. Die Formel erhielt unter Bezugnahme auf den dortigen Berichterstatter Heck ihren Namen. 641 Zur Formel des spezifischen Verfassungsrechts ausf. Voßen, Rechtsprechung, S. 33 ff. 639 640

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

Verletzung eine Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Gehörsrechts bedeuten muss.642 Daneben hat Anerkennung die sog. Schumannsche-Formel643 gefunden, welche ergänzend herangezogen wird. Sie besagt, dass eine Verfassungsbeschwerde dann erfolgreich sein kann, wenn die in der angefochtenen Entscheidung vertretene Rechtsauffassung als Gesetz gedacht gegen das Grundgesetz verstößt. Diese Formel wurde durch das BVerfG aufgegriffen: „Ein Verfassungsverstoß liegt zumindest dann vor, wenn die Auslegung durch die Gerichte zu einem Ergebnis führt, das nicht einmal der Gesetzgeber anordnen könnte“.644 Die Aufgabenverteilung zwischen Fach- und Verfassngsgerichtsbarkeit hängt nun mit dem Beseitigungsanspruch zusammen. Sie darf nicht dazu führen, dass kein staatliches Organ zur Erfüllung des Beseitigungsanspruchs verbleibt. Ebenso wie der völlige Ausschluss in sachlicher Hinsicht wäre diese Beschränkung des „Ob“ des Beseitigungsanspruchs in persönlicher Hinsicht ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das durch diesen geschützte subjektive Recht.645 Gleichviel wie man die Aufgabenverteilung und Abgrenzung der Gerichtsbarkeiten vornimmt – wenn eine Gerichtsbarkeit ausgeschlossen ist, dann muss das bedeuten, dass der verbleibende Teil der Judikative zur Folgenbeseitigung verpflichtet ist oder die insoweit vorgenommene Beschränkung der Kompetenz unzutreffend ist. Bei der Aufgabenverteilung zwischen Verfassungs- und Fachgerichtsbarkeit geht es entscheidend um die Funktions- und Leistungsfähigkeit der jeweiligen Gerichte.646 Zwar besteht, soweit es um den Schutz bei Grundrechtsverletzungen geht, Aufgabenparallelität zwischen beiden Gerichtsbarkeiten. Ließen sich aber aus der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des BVerfG sowie aus anderen damit zusammenhängenden Gesichtspunkten verfassungsrechtliche Beschränkungen der Aufgabenzuweisung an dieses Gericht ermitteln, so erforderte dies eine Erfüllung des Grundrechtsschutzes durch die Fachgerichte. Wie schon dargelegt, ist Art. 95 GG der Gedanke zu entnehmen, dass spätestens bei den dort genannten Gerichten ein Verfahren im jeweiligen Rechtsweg seinen Abschluss findet. Gerichtliche Fehler sollen damit offenbar im jeweiligen Rechtsweg selbst beseitigt werden, was auch dem Gedanken der Sachnähe, der in Art. 93 und 95 GG zum Ausdruck kommt, entspricht. Damit zusammen hängt das Phänomen der Rechtskraft und der sich daraus ergebenden Rechtssicherheit. Die Rechtskraft verlöre ihre Funktion als Endpunkt, wenn gerichtliche Entscheidungen außerhalb des dafür vorgesehenen Rechtswegs in Frage gestellt werden könnten. Nur Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I, Rn. 29 m. w. N. Vgl. Schumann, Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerde gegen richterliche Entscheidungen, S. 206 ff.; dazu Berkemann, DVBl. 1996, S. 1028 (1032); Broß, BayVBl. 2000, S. 517; kritisch Robbers, NJW 1998, S. 935 (936). 644 BVerfGE 89, S. 28 (36). 645 Zur Unzulässigkeit des völligen Ausschluss des „Ob“ s. oben bei E.I. 646 Schenke, Fachgerichtsbarkeit, S. 77. 642 643

IV. Adressaten

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eine weitgehende Subsidiarität des Rechtswegs zum BVerfG trüge dem abschließenden Charakter des fachgerichtlichen Rechtsschutzes ausreichend Rechnung. Die Subsidiarität des Rechtswegs zum BVerfG entspricht auch der verfassungsrechtlichen Konzeption dieses Gerichts. In Art. 93 GG werden die Aufgaben des BVerfG abschließend aufgezählt. Absatz 2 dieser Vorschrift enthält eine Ermächtigung des Bundesgesetzgebers, dem BVerfG weitere Aufgaben zuzuweisen. Hierbei ist anerkannt, dass diese Ermächtigung ihre Grenzen in der Funktionsfähigkeit des BVerfG findet.647 Die Begrenztheit von Aufgaben und Leistungsfähigkeit des BVerfG ist damit kein kontingentes Faktum, sondern notwendig in der singulären Erscheinung und der herausgehobenen Stellung des BVerfG angelegt. Der Überlastung ist daher nach der verfassungsgesetzlichen Konzeption im Rahmen der Kompetenzzuweisung Rechnung zu tragen. Dies hat ebenso für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu gelten. Es bedarf daher auch hier der rechtlichen Würdigung dieses Umstands, dass der Schutz der Grundrechte nur innerhalb der Belastbarkeit des BVerfG möglich ist.648 Verfassungsgesetzliche Berücksichtigung findet diese Gegebenheit im Übrigen in Art. 94 Abs. 2 S. 2 GG. Hiernach kann der Gesetzgeber für Verfassungsbeschwerden fakultativ die vorherige Erschöpfung des Rechtswegs zur Voraussetzung eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens machen sowie ein besonderes Annahmeverfahren vorsehen und damit den Zugang zum BVerfG beschränken. Dieser Beschränkung entspricht eine Entlastung des BVerfG. So ermöglicht etwa das vorherige Beschreiten des Rechtswegs die Korrektur von Grundrechtsverletzungen durch die Fachgerichte. All dies zeigt, dass der durch das doppelfunktionale Verfahren der Verfassungsbeschwerde bewirkte Grundrechtsschutz unter dem Gesichtspunkt eines subjektiven Rechtsschutzverfahrens ein begrenzter sein soll, was für die Subsidiarität und damit die vorhergehende Aufgabenzuweisung der Beseitigung von Grundrechtsverletzungen an die Fachgerichte spricht.649 Insbesondere hat der Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 94 Abs. 2 S. 2 GG in Gestalt der §§ 90 Abs. 2, 93a ff. BVerfGG Gebrauch gemacht. Diese Regelungen bestanden darüber hinaus bereits vor Einführung der Verfassungsbeschwerde wie des Art. 94 GG in das Grundgesetz650 und sind insoweit in diese Pieroth, in: J / P, GG, Art. 93, Rn. 1 m. w. N. Wand, NJW 1984, S. 950 (954); ähnlich Ossenbühl, in: FS Ipsen, S. 129 f., wonach im Rahmen von Zuständigkeiten der (oben von uns bereits angesprochene) Gedanke der Sachnähe, andererseits aber auch die Bewahrung der Funktionsfähigkeit zu berücksichtigen sei; ebenso Zeidler, Verfassungsbeschwerde, S. 345, wonach für das BVerfG besondere Sachgesetzlichkeiten gelten, wofür v.a. ein „sehr strenges Selektionsprinzip in Bezug auf die Möglichkeiten des Zugangs zum Gericht“ gehöre. 649 Ausf. zur Subsidiarität S. Pawlowski, Rechtsschutz, S. 121 ff., 132 ff. 650 Zur Entstehungsgeschichte des § 93a BVerfGG vgl. Graßhof, in: Maunz / SchmidtBleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, § 93a zu Beginn. 647 648

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

Vorschrift mit hineinzulesen. Ist die Beschränkung des Art. 94 Abs. 2 S. 2 GG auch fakultativ, so wäre eine ausnahmslose und alleinige Zuweisung des subjektiven Grundrechtsschutzes an das BVerfG verfassungswidrig. Dies macht deutlich, dass die Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes stets beachtet werden müssen. Selbst wenn man nicht soweit gehen möchte, den Grundsatz der Subsidiarität nicht zur zeitlich, sondern auch in sachlicher Hinsicht mit Verfassungsrang dahingehend zu interpretieren, dass der Rechtsschutz durch das BVerfG nachrangig ist, so muss man bei der Bestimmung des Adressaten des judikativen Beseitigungsanspruchs doch beachten, dass der Gesetzgeber von der Ermächtigung des Art. 94 Abs. 2 S. 2 GG in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einfachgesetzlich mit den Vorschriften der §§ 90 Abs. 2, 93a BVerfGG Gebrauch gemacht hat. Danach ist es nicht ausgeschlossen, dass nach § 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wird, wenn dem Beschwerdeführer kein schwerer Nachteil droht und im Übrigen der Sache gem. lit. a dieser Vorschrift keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, sog. Bagatellfälle.651 Solche Fälle können gerade auch die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG betreffen. Das Gehörsrecht ist nahezu ausjudiziert,652 so dass kein grundsätzlicher Klärungsbedarf mehr besteht. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass die Gehörsverletzung nur einen geringen Streitwert oder eine unbedeutende Nebenentscheidung betrifft.653 Beschränkt der Gesetzgeber in zulässiger Weise den subjektiven Rechtsschutz durch das BVerfG und spricht auch die grundgesetzliche Berücksichtigung der beschränkten Kapazität und der besonderen Stellung des BVerfG bei der Kompetenzverteilung zwischen Fachgerichts- und Verfassungsgerichtsbarkeit für eine solche zur Entlastung des BVerfG führenden Interpretation des Grundgesetzes, so muss in diesen Fällen in der Tat fachgerichtlicher Rechtsschutz zu erlangen sein. Ansonsten wäre dem Beseitigungsanspruch der Schuldner genommen. Dem hat der Gesetzgeber durch die Einführung der streitwertunabhängigen und auch von keinen sonstigen Voraussetzungen abhängigen Gehörsrüge Rechnung getragen. Vorrangig, wenn nicht in den besagten Einzelfällen verweigerter Annahme der Verfassungsbeschwerde sogar zwingend, muss daher fachgerichtlicher Rechtsschutz bestehen,654 im Rahmen dessen dem Beseitigungsanspruch Rechnung getra651 Vgl. zur Nichtannahme trotz Vorliegen einer Grundrechtsverletzung Graßhof, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Bethge, BVerfGG, Art. 93a, Rn. 29. Durch die Verfassungsbeschwerde ist damit rechtlich nicht ausnahmslos subjektiver Grundrechtsschutz gewährleistet, so auch Schenke, JZ 2005, S. 116 (123); ebenso S. Pawlowski, Rechtsschutz, S. 149 ff. 652 s. oben Fn. 5. 653 Vgl. nur Kammerbeschluss BVerfG NJW-RR, 1999, S. 137, der trotz Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat. Daraus wird deutlich, dass die Verfassungsbeschwerde nicht in allen Fällen ausnahmslos subjektiven Rechtsschutz gewährleistet.

IV. Adressaten

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gen werden kann. Dies gilt auch deshalb, da bereits einzelne Fälle, in denen subjektiver Rechtsschutz durch das BVerfG nicht gewährt ist, ausreichen, um dieses Ergebnis zu begründen. Die Fälle sind im Vorhinein nicht abgrenzbar, so dass nur durch eine generell-abstrakte Regelung, welche einen fachgerichtlichen Rechtsschutz bei Grundrechtsverletzungen vorsieht, dem Schutz des subjektiven Rechts und seiner Hilfsrechte bzw. deren Anspruch auf Erfüllung ausreichend Rechnung getragen werden kann. b) Das Gericht als der zur Beseitigung verpflichtete Störer Zu den bereits vorgenommenen Konkretisierungen lassen sich weitere Bestimmungen des Beseitigungsanspruchs in persönlicher Hinsicht vornehmen. aa) Kein Devolutiveffekt Der Beseitigungsanspruch fordert von Verfassung wegen keinen Devolutiveffekt, d. h. er ist erfüllbar auch durch einen Richter der gleichen Instanz sowie auch durch denselben Richter. Der Beseitigungsanspruch ist wie der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, wie der auf Gewährung von Rechtsschutz gegen die Exekutive aus Art. 19 Abs. 4 GG usw. ein Anspruch unter vielen, welche gegen den Richter bestehen. Alle diese Ansprüche können bzw. müssen vom Richter erfüllt werden. Auch wird der Beseitigungsanspruch im Allgemeinen gerade typischerweise durch den Störer selbst erfüllt. Dass der Beseitigungsanspruch keinen Devolutiveffekt erfordert, ergibt sich im Übrigen nicht nur daraus, dass in Tatbestand und Rechtsfolge kein Anknüpfungspunkt für eine solche Ableitung vorhanden ist, sondern auch daher, dass eine solche Forderung in ihrer Verallgemeinerung nicht aufrechtzuerhalten wäre. So zählt Art. 95 GG „oberste“ Bundesgerichte auf. Aus der Formulierung „oberste“ ergibt sich, dass diese Gerichte stets auch letztinstanzliche Gerichte sind. Bei letztinstanzlichen Rechtsverletzungen wäre ein Devolutiveffekt zum Postulat erhoben nicht denkbar. Auch für den Beseitigungsanspruch gilt das nemo ultra posse. bb) Möglichkeit der Selbstkontrolle Schon aus dem Fehlen des Devolutiveffekts ergibt sich ein Indiz, dass nicht stets ein anderer Richter i. S. einer anderen Instanz den Beseitigungsanspruch zu erfüllen hat. Es besteht aber darüber hinaus grundsätzlich auch keine Notwendigkeit, dass überhaupt ein anderer Richter die Rechtsverletzung beseitigt. Vielmehr kann auch hier der „konkrete“ Verletzer die Störung beseitigen. Nach der vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeit der Gehörsrüge ist derselbe Richter zur Beseiti654

Im Ergebnis ebenso Seidel, Außerordentliche Rechtsbehelfe, S. 195 ff., 201.

176

E. Der judikative Beseitigungsanspruch

gung der Gehörsverletzung berufen. Dem Gesetzgeber kommt bei der Ausgestaltung, wen er zur Störungsbeseitigung anweist, ein Gestaltungsspielraum zu. Auch der Richter, welcher die Entscheidung erlassen hat, kann grundsätzlich zur Beseitigung der Entscheidung vorgesehen werden. Bedenken könnten sich hierbei aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ergeben, dem der Gesetzgeber im Rahmen der Ausfüllung des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums bei Abwägung der Sach- und Interessenlage Rechung zu tragen hat. Auf den ersten Blick verspricht eine Fehlerbeseitigung durch denjenigen, der diesen Fehler begangen hat, keine große praktische Aussicht auf Erfolg. Der Betreffende wird auf seinem Standpunkt beharren und nochmals im vorigen Sinne entscheiden. Die Störungsbeseitigung bei judikativem Unrecht ist zudem als rechtsprechende Tätigkeit zu qualifizieren und muss daher den Anforderungen an eine solche Tätigkeit entsprechen, insbesondere den Vorgaben des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG Rechnung tragen. Diese Vorschrift gewährt nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht nur ein Recht auf den zuständigen Richter, sondern auch ein Recht auf einen unparteilichen Richter.655 Dies hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes zu beachten. Es ist daher seine Aufgabe, „Vorsorge dafür zu treffen, dass ein Richter, der nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen ist oder abgelehnt werden kann“.656 Dabei kann jedoch der Richter nicht pauschal inkriminiert und generell unter den Verdacht der Parteilichkeit gestellt werden. Vielmehr sieht das Prozessrecht an vielen Stellen eine Selbstkontrolle und Fehlerkorrektur durch denselben Richter vor, vgl. §§ 45 Abs. 1, 319 – 321, 323 ZPO, §§ 80 Abs. 7, 148, 152a VwGO, § 33a StPO usw. „Das geltende Verfahrensrecht ist von dem Gedanken geprägt, dass ein Richter grundsätzlich auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat“.657 Der Gesetzgeber trägt durch besondere Vorkehrungen dafür Sorge, dass die Richterperson durch eine besonders qualifizierte Ausbildung in der Lage ist, Sachverhalte nach dem Gesetz zu entscheiden und demnach objektiv zu beurteilen. Gerade in den Fällen der Gehörsverletzung handelt es sich zumeist um „Pannen“, also nicht dolose Fehler.658 Der Richter hat sich über das von einem Verfahrensbeteiligten Vorgebrachte noch kein Urteil gebildet, vielmehr beurteilt er neu Vorgetragenes. Dazu musste er auch im vorangegangenen Verfahren in der Lage sein. Schließlich wird kein Richter bei einem evidenten Gehörsverstoß abwarten, von einer anderen Instanz oder in einer Kammerentscheidung durch das BVerfG aufgehoben zu werden. „Wenn mir ein Fehler unterläuft, dann korrigiere ich ihn lieber selbst, als dass ich mich belehren lasse“.659 Es ist daher 655 656 657 658

Vgl. BVerfGE 82, S. 286 (298). BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats] NJW 2001, S. 3533. BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats] NJW 2001, S. 3533. s. oben Einleitung.

IV. Adressaten

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nicht kategorisch ausgeschlossen, dass der Richter in der Lage ist, eigene Fehler zu korrigieren. Dem Gesetzgeber kommt daher ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wie er den Umstand berücksichtigt, dass ein Richter möglicherweise nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet. Er kann die Neutralität und Distanz dadurch absichern, dass er entweder den generellen gesetzlichen Ausschluss des Richters anordnet oder im Einzelfall die Möglichkeit eines Ablehnungsverfahrens eröffnet.660 Bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nunmehr die Gehörsrüge in alle gerichtlichen Verfahrenordnungen eingeführt, wonach derselbe Richter über die von ihm begangene Rechtsverletzung zu befinden hat, vgl. z. B. § 152a VwGO. Gerade wenn man die Erstreckung der Rügemöglichkeit im Wege der Analogie auf andere Prozessgrundrechte bedenkt, die auch verfassungsrechtlich geboten ist,661 so scheint bedenklich, ob gar bei einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG der unzuständige Richter über seine Unzuständigkeit, der befangene Richter über seine Befangenheit entscheiden soll und darf. Diese Bedenken lassen sich aus mehreren Gründen zerstreuen. Solange der Prozess andauert, entscheidet ebenfalls der unzuständige Richter über seine Unzuständigkeit und hilft diesem Mangel ab, weil er eben genau hierfür zuständig ist. So verweist der unzuständige Richter in diesem Fall den Rechtsstreit an das zuständige Gericht, vgl. z. B. § 281 ZPO. Etwas anders liegt es bei Mängeln, welche den Ausschluss oder die Ablehnung eines Richters begründen. Hier muss in der Tat ohne Beteiligung des Richters entschieden werden, welcher in seiner Person einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG begründet. Allerdings fragt sich, ob sich hieraus die Konsequenz ziehen lässt, den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum derart einzuschränken, dass in diesen Fällen die Fehlerbeseitigung abstrakt-generell einem anderen Richter zugewiesen werden muss. Die Anwendung der Vorschriften der Gehörsrüge führte dazu, dass bei demselben Gericht der Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG geltend gemacht werden müsste. Unbedenklich ist das in Bezug auf die Fälle, wo der Mangel bekannt war und der Verletzte mit dem Einwand präkludiert ist, vgl. § 43 ZPO. Dann stellte selbst die Rügemöglichkeit bei demselben Richter ein Mehr für den Verletzten dar. Bei erst nach Erlass der Entscheidung bekannt werdenden Mängeln besteht über die Gehörsrüge die gleiche Möglichkeit wie vor Erlass der Entscheidung. Er mag mit der Gehörsrüge ein Ablehnungsgesuch verbinden, so dass die Rüge ihm in einem ersten Schritt erlaubt, den Mangel geltend zu machen, wenn kein anderes Rechtsmittel einschlägig ist, das mit der Rüge verbundene Ablehnungsgesuch andererseits garantiert, dass ein anderer Richter über die Befangenheit entscheidet. Die Vorschriften, welche die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen regeln, sind grundsätzlich in allen Verfahren anwendbar,662 also auch im Rügeverfahren. 659 660 661

So Broß, BayVBl. 2000, S. 513 (518). BVerfGE 30, S. 149 (154). Dazu unten F.III.2.

12 Hößlein

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E. Der judikative Beseitigungsanspruch

Selbst wenn Fallkonstellationen denkbar sind, in welchen zwingend ein anderer Richter entscheiden muss, so führte dies nicht zur Verfassungswidrigkeit der Gehörsrüge, auch nicht im Falle ihrer Erstreckung auf andere Prozessgrundrechte. Dem Gesetzgeber obliegt es, darüber zu entscheiden, ob er generell die Entscheidung eines anderen Richters will oder nur im Einzelfall. Er kann daher auch in verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandender Weise die Selbstkontrolle durch den Richter anordnen. Andere Formen der Fehlerbeseitigung mögen wünschenswerter sein, notwendig sind sie nicht.663

2. Der Gesetzgeber Adressat des Art. 103 Abs. 1 GG ist gem. Art. 1 Abs. 3 GG auch der Gesetzgeber. Insofern ist es ungenau, wenn man davon spricht, das Gehörsrecht könne nur durch den Richter verletzt werden. Es kann vielmehr nur durch ihn erfüllt werden. Wenn auch die Erfüllung und Störungsbeseitigung der Judikative obliegen, so ist die nähere Ausgestaltung der Fehlerbeseitigung Aufgabe, aber auch Pflicht des Gesetzgebers. Er muss Regelungen über ein gerichtliches Verfahren treffen und in Gestalt vorgesehener Rechtsbehelfe die Durchbrechung von Rechtskraft und Bindungswirkung der bereits getroffenen fehlerhaften Entscheidung anordnen. Ohne den Gesetzgeber ist dem Richter die Erfüllung des Beseitigungsanspruchs sowie des primärrechtlichen Gehörsanspruchs aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie anderer verfassungsrechtlich garantierter Rechte nicht möglich. Dem verletzten Einzelgrundrecht ist daher ein Gesetzgebungsauftrag zu entnehmen, gesetzliche Vorschriften zu erlassen, welche dem verfassungsgesetzlich geforderten Beseitigungsanspruch Rechnung tragen.

V. Resümee Die Ausführungen haben gezeigt, dass subjektive Rechte gegenüber der Judikative qua subjektive Rechte genauso zu behandeln sind wie auch sonst in allen Teilbereichen der Rechtsordnung. So ergab sich aus der Struktur subjektiver Rechte, dass im Falle der Verletzung eines subjektiven Rechts dieses durch Hilfsrechte in seiner Integrität geschützt wird und insbesondere Beseitigungsansprüche auszulösen vermag. Dies hat auch für die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG zu gelten. Ausgehend vom Wortlaut der Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG, welcher keine Auskunft darüber enthielt, ob eine gerichtliche Entscheidung im Falle einer Gehörsverletzung zu beseitigen ist, ließ sich jedoch aus der subjektiven Rechtsqualität dieser Vorschrift ein Beseitigungsanspruch ableiten. Damit ist eine bejahende Ant662 663

Vgl. nur Putzo, in: Th / P, ZPO, Vorbem § 41, Rn. 1. Im Ergebnis ebenso Seidel, Außerordentliche Rechtsbehelfe, S. 192.

V. Resümee

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wort auf die erste der beiden eingangs gestellten Fragen gefunden: Gibt es einen Anspruch auf Beseitigung der bereits getroffenen gerichtlichen Entscheidung aus Art. 103 Abs. 1 GG? Beseitigungsansprüche finden sich zum Schutze subjektiver Rechte in der gesamten Rechtsordnung und sind insbesondere im Bereich des Öffentlichen Rechts in Form des Beseitigungsanspruchs gegen Verwaltungshandeln dogmatisch erschlossen. Sich diese bereits bestehende Dogmatik zunutze machend hat die Untersuchung einen solchen Beseitigungsanspruch auch gegenüber der Judikative ergeben. Anknüpfend an die bereits bestehende Dogmatik des Beseitigungsanspruchs konnten der Tatbestand und die Rechtsfolge auch des judikativen Beseitigungsanspruchs ermittelt werden. Darüber hinaus wurden allgemein unter Rückgriff auf die Struktur des subjektiven Rechts Tatbestand und Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs erarbeitet und eine Systematisierung und Einordnung der Tatbestandsmerkmale in größere dogmatische Zusammenhänge vorgenommen. Mit der Annahme eines Beseitigungsanspruchs gegenüber der Judikative wird nicht nur eine Brücke geschlagen innerhalb des Öffentlichen Rechts zu den Parallelerscheinungen subjektiver Berechtigungen gegenüber Verwaltung und Gesetzgebung, sondern auch zu im Zivilrecht bestehenden Strukturen. Die gefundenen Ergebnisse sind auf die genannten Bereiche übertragbar. Der judikative Beseitigungsanspruch erwies sich letztlich auch von Bedeutung, als er eine verfassungsdogmatische Erklärung einfachgesetzlicher gerichtlicher Rechtsbehelfe ermöglicht.

12*

F. Der judikative Rechtsschutzanspruch Die Rechtspflege ist so sehr als Pflicht wie als Recht der öffentlichen Macht anzusehen. (Georg Wilhelm Friedrich Hegel)

I. Problemstellung „Die Juristen wissen sehr genau, daß das Recht die Macht braucht, damit die Durchsetzung des Rechts gesichert ist. Andernfalls besitzt das Recht keine soziale Realität“.664 – Wie unter E. gezeigt, besteht das subjektive Recht auch im Verteidigungsfall fort und erhebt weiterhin (ggf. inhaltlich gegenüber dem primärrechtlichen Gehalt modifiziert, mit sekundärrechtlichem Inhalt) seinen Geltungsanspruch. Damit wird letztlich nicht nur der Geltungsanspruch des subjektiven Rechts, sondern, da das subjektive Recht Teil des objektiven Rechts ist, der des Rechts überhaupt eingefordert.665 Die gesetzgeberische Gewährung sowie die dogmatische Konstruktion solcher materieller subjektivrechtlicher Positionen erscheinen aber dann fraglich, wenn diese nicht auch normativ durchsetzbar ausgestaltet sind. So ergibt sich denn auch in Konsequenz der Normativität des subjektiven Rechts seine Durchsetzbarkeit.666 Im Falle der Verletzung subjektiver Rechte gegenüber der Judikative ist damit die Problematik des Rechtsschutzes gegen den Richter angesprochen, die gewöhnlich ablehnend in der Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG verankert wird. Die Verneinung dieser Vorschrift hat in der zum „Schlagwort erstarrten Behauptung“667, Art. 19 Abs. 4 GG gewähre Rechtsschutz durch, aber nicht gegen den Richter, ihren Ausdruck gefunden. Dieser Satz von Dürig hat eine gleichsam messianische Kraft entfaltet, indem er sich gebetsmühlenartig wiederholt, oft ohne weitere inhaltliche Anreicherung an unzähligen Stellen wiederfindet. „Die Zitierungen dieses Satzes bilden Legionen“.668 664 Maiwald, JZ 2003, S. 1073; zum Zusammenhang von Rechtssetzung, Rechtsgeltung und Rechtsdurchsetzung, hinter dem letztlich die Frage des Verhältnisses von Recht und Macht steht s. unten F.III. 665 Vgl. aber auch die damit verbundene Problematik, dass der Einzelne zum Initiator der Rechtsordnung gemacht wird, s. dazu unten Fn. 709, zum Zusammenhang zwischen Geltung des Rechts und Verfahren, s. unten F.III.1.a). 666 Oben D.I.2.c)bb). 667 Lorenz, Rechtsschutz, S. 241. 668 Voßkuhle, Rechtsschutz, § 7 Fn. 101, vgl. nur dort die Nachw. in Fn. 103.

II. Kein Rechtsschutz gegen den Richter

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Der Satz vom Ausschluss des Rechtsschutzes gegen den Richter gewinnt erst dann seine eigentliche Sprengkraft, wenn man ihn derart interpretiert, dass das Grundgesetz mit Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsschutz gegen den Richter insgesamt ausgeschlossen habe. Bei einer solchen Interpretation scheint der „Schlussstein im Gewölbe des Rechtsstaats“ zum grundgesetzlichen Stolperstein zu werden. Denn eine solche Aussage steht offenbar in völligem Gegensatz zu der Anordnung des Art. 1 Abs. 3 GG, aus der sich das Bestehen subjektiver Rechte auch und gerade gegenüber der Judikative ergibt (wie damit verbunden einer Rechtsschutzmöglichkeit gegen den Richter). Deswegen ist die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG zunächst daraufhin zu untersuchen, welche Bestimmungen ihr für die Frage des Rechtsschutzes gegen den Richter zu entnehmen sind. Findet sich dabei die Anordnung des Rechtsschutzes derart, dass die genannte Vorschrift auf Rechtssprechungsakte erstreckt werden kann, ist das Ziel der Untersuchung erreicht. Ergibt sich aber, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht auf die Judikative Anwendung findet, so ist weiter zu fragen, ob lediglich die Anwendbarkeit dieser Vorschrift zu verneinen ist oder darüber hinaus durch diese Vorschrift eine negative Anordnung dahingehend getroffen ist, dass Rechtsschutz gegen die Judikative nicht nur durch Art. 19 Abs. 4 GG nicht gewährleistet, sondern im Übrigen kategorisch ausgeschlossen wird. Letzterer Fall muss insbesondere deswegen bedacht werden, als die zum Ausgangspunkt der Untersuchung gemachte Plenumsentscheidung ausdrücklich die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG verneint.

II. Kein Rechtsschutz gegen den Richter gem. Art. 19 Abs. 4 GG Fragt man nach formellrechtlichen Reaktionsansprüchen, so liegt die Untersuchung des Art. 19 Abs. 4 GG auf der Hand. In dieser Vorschrift wird im Falle der Verletzung subjektiver Rechte durch die öffentliche Gewalt eine spezifische Form der Durchsetzbarkeit geregelt – das Offenstehen des Rechtswegs. Fragt man weiter, ob dieser Vorschrift ein Rechtsschutz gegen den Richter zu entnehmen ist, dann kommen hierfür verschiedene Ansatzpunkte in Betracht. Rechtsschutz gegen den Richter würde sich aus der Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG ergeben, wenn richterliche Akte dem Begriff der „öffentlichen Gewalt“ im Sinne dieser Vorschrift unterfielen, oder aber, wenn man den Begriff des „Rechtswegs“ dahingehend interpretierte, dass sich hieraus bei materieller Betrachtung ein Rechtsschutz gegen den Richter ergibt. Letzteres ist in mehreren Varianten denkbar. Mit dem „Rechtsweg“ könnte ein mehrstufiges Gerichtsverfahren gemeint sein, so dass sich die Verletzung subjektiver Rechte durch den Richter als Problem der gerichtsorganisatorischen Ausgestaltung auflöst. Rechtsverletzungen des Richters wären in den vorgesehen Instanzenzügen zu beheben. „Der Richter höherer Instanz, indem er dem Rechtsschutzanspruch genügt, urteilt nicht nur über privat-

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

rechtliche Zustände und Rechte, sondern notwendigerweise auch über die Rechtmäßigkeit der Akte des unteren Richters. Der Rechtsschutzanspruch wird daher hier bereits realisiert durch eine Kompetenzverteilung innerhalb des Systems der Gerichte, kraft welcher gerichtliche, d. h. Akte richterlicher, d. h. staatlicher Prüfung unterzogen werden“.669 Ein solches Vorgehen stellte jedoch keine zureichende Antwort der Frage des Rechtsschutzes gegen den Richter dar. Damit würde lediglich eine Antwort auf die Frage gegeben, wie, jedoch nicht ob die Verfassung, insbesondere in Art. 19 Abs. 4 GG, den Rechtsschutz gegen den Richter gewährt.670 Hinzu kommt, dass ein solchermaßen gerichtsorganisatorischer Rechtsschutz gegen richterliche Akte, der objektivrechtlich im staatlichen Innenverhältnis angesiedelt ist, nicht der subjektiven Rechtsqualität der gegen den Richter gewährten Rechte gerecht würde, nach welcher subjektivrechtliche und nicht lediglich rein objektivrechtliche Reaktionen erforderlich sind.671 Zum anderen könnte man durch eine qualitative Bestimmung des Rechtswegs im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG zugleich eine Aussage bezüglich des Rechtsschutzes gegen den Richter ableiten. Hierbei begreift man anderweitig verfassungsrechtlich garantierte Verfahrensrechte als konstitutiv für den Begriff des Rechtswegs i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG. Ist beispielsweise der Begriff des Rechtswegs untrennbar mit der Gewährung rechtlichen Gehörs verbunden, so umfasst die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG in ihrem unumstrittenen Anwendungsbereich, der Garantie eines Rechtsschutzes gegen die Exekutive, den Anspruch auf rechtliches Gehör. Fehlt es in solchen Fällen an der Gewährung rechtlichen Gehörs, so geht mit der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG zugleich eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG einher. Trifft man nun Aussagen über die Durchsetzbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG in diesen Fallkonstellationen, so thematisiert man damit zugleich den Rechtsschutz gegen den Richter, insofern man danach fragt, ob verfassungsrechtlich garantierte Ansprüche, welche sich gegen den Richter richten, gewissermaßen „bei Gelegenheit“ im „Rechtsweg“, welcher gegen exekutives Unrecht vorgesehen ist, durchgesetzt werden können. Vordergründig betrachtet ist der als Anknüpfungspunkt verwendete, durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Rechtsschutz ein solcher gegen die Exekutive. Zu erfüllen hat diesen Rechtsschutzanspruch allerdings die Judikative. Art. 19 Abs. 4 GG ist ebenso wie Art. 103 Abs. 1 GG ein Anspruch gegen den Richter. Fragt man aber nach der Durchsetzbarkeit von subjektiven Rechten, welche gerade auch an den Richter adressiert sind, so fragt man nach der Rechtsschutzmöglichkeit zur Durchsetzung dieser Ansprüche. Kommt der Richter verfahrensrechtlichen Ansprüchen (nur solche können Teil des „Rechtswegs“ i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG sein) nicht nach, so bestehen diese als relative Rechte im Verletzungsfall grundsätzlich Jellinek, System, S. 355. So auch Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 146 f. 671 Dazu schon oben E.1. sowie Fn. 479, zur Notwendigkeit der Erzwingbarkeit oben D.I.2.c)bb). 669 670

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fort und ihre Erfüllung kann nach wie vor vom Richter eingefordert werden.672 Bei der Frage des Rechtsschutzes gegen den Richter geht es nicht um das Vorliegen von Ansprüchen, sondern um Rechtsschutz zur Durchsetzung von Ansprüchen. Dass die Verfassung im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die Exekutive bezüglich des „Wie“ des Rechtsschutzes Rechte gegen die Judikative vorsieht, ist zwar ein Indiz dafür, dass sie von der Durchsetzbarkeit solcher Rechte ausgeht, da sonst der gegen die Exekutive gewährte Rechtsschutz bei richterlichem Fehlverhalten relativiert würde. Zwingend ist dies allerdings nicht. Die in der Verfassung getroffene gesetzgeberische Bewertung der Sach- und Interessenlage des Verhältnisses des Bürgers zur Exekutive kann nicht ohne weiteres auf das Verhältnis des Bürgers zur Judikative übertragen werden. Wenn auch die geschilderte Verknüpfung beider Bereiche besteht, so muss dennoch das jeweils Spezifische beider Relationen beachtet werden.673 So wird der Rechtsschutz gegen die Exekutive in Art. 19 Abs. 4 GG dahingehend geregelt, dass eine andere Gewalt, die Judikative tätig wird. Ob auch bei judikativem Unrecht stets ein „anderer“ um Rechtsschutz angegangen werden kann, ist fraglich. Nimmt man den Rechtsschutz gegen die Exekutive in Gestalt des Interpretationsansatzes „Rechtsweg“ als Ausgangspunkt und vermengt im Anschluss daran beide Relationen, so beantwortet man letztlich nicht zureichend die Frage nach dem Rechtsschutz gegen den Richter. Dies umso mehr, als nur formellrechtliche Positionen, die an den Richter adressiert sind, als Bestandteile des „Rechtswegs“ i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG herangezogen werden könnten und hierbei die Rechtsschutzmöglichkeit bezüglich materiellrechtlicher an die Judikative adressierter Gewährleistungen, wie etwa Art. 2 Abs. 1 GG, von einem solchen Ansatz unbeantwortet bleiben müsste. Daraus folgt, dass allein der erste Ansatzpunkt, die Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Gewalt“, die statthafte Vorgehensweise darstellt, will man eine Antwort auf die Frage erhalten, ob Art. 19 Abs. 4 GG einen Rechtsschutz gegen den Richter gewährleistet.674 Eine Übersetzung des Problems des Rechtsschutzes gegen den Richter in andere damit zusammenhängende Fragen verspricht keine zureichende Lösung.

672 Der Rechtsschutzanspruch ist ein subjektives Recht, welches zwangsweise durchgesetzt werden kann, dazu und zu den Durchsetzungsmöglichkeiten Papier, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 153, Rn. 23 ff. 673 Darauf, dass Art. 19 Abs. 4 GG und die hierzu bestehende Dogmatik auf „Verwaltungskontrolle“, nicht jedoch auf „gerichtsspezifische Rechtsgefährdungen“ abzielt, vgl. SchmidtAßmann, in: FS Schmitt Glaeser, S. 317, 333; vgl. auch Pache / Knauff, BayVBl. 2004, S. 385 (387), wonach der Schutz vor Gerichten im Unterschied zum Schutz vor der Verwaltung nicht der von Art. 19 Abs. 4 GG erfassten „Gefährdungssituation“ entspreche. 674 Ebenso Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 147 und für das Parallelproblem des Rechtsschutzes gegen die Legislative Schenke, Rechtsschutz, S. 28.

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1. Grammatische Interpretation Grundlage und Grenze der Untersuchung, ob Art. 19 Abs. 4 GG auf die Judikative zu erstrecken ist, muss der Wortlaut dieser Vorschrift sein.675 Hierbei stellt sich die Frage, ob die Judikative unter den Begriff der „öffentlichen Gewalt“ im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG subsumiert werden kann. Blendet man den spezifischen Regelungszusammenhang des Art. 19 Abs. 4 GG einmal aus und stellt auf die allgemeine rechtswissenschaftliche Verwendung dieses Begriffs ab, so wird mit dem Begriff der „öffentlichen Gewalt“ die hoheitliche Tätigkeit des Staates von jener Tätigkeit abgegrenzt, bei welcher der Staat gleich einer Privatperson am allgemeinen Rechts- und Wirtschaftverkehr teilnimmt.676 Die rechtsprechende Tätigkeit ist nun gerade eine spezifische Ausprägung staatlicher Hoheitsgewalt. Der Richter tritt im gerichtlichen Verfahren den Beteiligten „formell und in unmittelbarer Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber“.677 Die Judikative trifft aus einer gem. Art. 92 ff. GG verfassungsrechtlich begründeten Stellung heraus verbindliche Entscheidungen und handelt demnach aufgrund von Normen, welche nur die rechtsprechende Gewalt als Hoheitsträger berechtigt. Es kann kein Zweifel an der Klassifizierung der Judikative als „öffentliche Gewalt“ sein. Dies wird im Übrigen auch von der Gegenauffassung nicht bestritten, welche die Rechtsprechung aus Art. 19 Abs. 4 GG partiell ausklammert.678 Trifft die methodische Beschreibung für dieses Vorgehen als teleologische Reduktion zu,679 so impliziert dies, dass hier in einem ersten Schritt auch die Judikative unter den Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 4 GG subsumiert wird. 2. Systematische Interpretation Auch die gesetzgeberische Verwendung des in Frage stehenden Begriffs erhärtet das gefundene Ergebnis. So bestimmt Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, dass „Verfassungsbeschwerden . . . von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte . . . verletzt zu sein“. Eine einfachgesetzliche Interpretation des hierbei verwendeten Begriffs der „öffentlichen Gewalt“ findet sich in den §§ 90 ff. BVerfGG, demzufolge auch „gerichtliche Entscheidungen“ Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind, vgl. § 94 Abs. 3 BVerfGG, mithin auch Akte der Judikative der „öffentlichen Gewalt“ zuzurechnen 675

Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 148; so auch für die Legislative Schenke, Rechtsschutz,

S. 28. Schenke, Rechtsschutz, S. 29; ebenso Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 149. BVerfGE 52, S. 203 (207). 678 BVerfGE 107, S. 395 (406) = NJW 2003, S. 1924 (1925): „Als öffentliche Gewalt im Verständnis des Art. 19 Abs. 4 GG werden auch die Gerichte eingeordnet, wenn . . . “; so auch Schenke, JZ 2005, S. 116: „ . . . kann kein Zweifel bestehen, dass der Begriff der öffentlichen Gewalt vom Wortlaut her auch die Rechtsprechung erfasst“. 679 Vgl. Fn. 686. 676 677

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sind. Zwar vermag diese einfachgesetzliche Regelung nicht verbindlich eine verfassungsrechtliche Vorschrift zu interpretieren. Bedenkt man jedoch, dass die Verfassungsbeschwerde schon vor ihrer verfassungsgesetzlichen Verankerung im Jahre 1969680 einfachgesetzlich geregelt war, so kann unter Rückgriff auf den Topos des vorverfassungsrechtlichen Gesamtbildes geschlossen werden, dass der Verfassungsgesetzgeber mit der Einführung des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG an dieser Rechtslage nicht nur nichts ändern wollte, sondern vielmehr beabsichtigte, diese durch die verfassungsrechtliche Verankerung aufzuwerten. Des Weiteren verwendet das Grundgesetz den Begriff der „öffentlichen Gewalt“ offenbar als Oberbegriff für mindestens zwei Gewalten. Richtet der Verfassungsgesetzgeber sich an die Exekutive, so nennt er diese als solche beim Namen als „Verwaltung“ in Art. 50 GG oder als „vollziehende Gewalt“ in Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG. Desgleichen spricht er in besonderer Weise von den beiden anderen Gewalten. Er wendet sich etwa an die Judikative als „rechtsprechende Gewalt“ in Art. 92 GG oder als „Rechtsprechung“ in Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG, an die Legislative als „Gesetzgebung“ in Art. 20 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG sowie in Art. 1 Abs. 3 GG. Wenn also das Grundgesetz Begrifflichkeiten differenziert verwendet, so liegt es nahe, dass bei unterbliebener Präzisierung keine bestimmte Gewalt angesprochen werden soll bzw. eine Beschränkung auf eine bestimmte Gewalt gerade nicht beabsichtigt ist. Dafür spricht nicht nur die Vermutung eines einheitlichen Sprachgebrauchs des Gesetzgebers,681 sondern mit Blick auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG auch die Tatsache, dass bei Gelegenheit der Änderung des Art. 19 Abs. 4 GG durch die Anfügung des neuen Satz 3 eine Klarstellung hätte erfolgen können.682 Der Hinweis auf eine unterschiedliche Begriffsverwendung ist jedoch unterblieben.

3. Historische Interpretation Ebenso spricht die historische Auslegung für eine extensive Handhabung der Rechtsschutzgarantie und damit für die Ausdehnung auf die Judikative. So sind die Vorgängerregelungen zu Art. 19 Abs. 4 GG im Wortlaut enger gefasst. Stets steht einzig der Rechtsschutz gegen die Verwaltung im Vordergrund. § 182 Paulskirchenverfassung lautet: „Die Verwaltungsrechtspflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen entscheiden die Gerichte“. In Art. 107 WRV heißt es: „Im Reiche und in den Ländern müssen nach Maßgabe der Gesetze Verwaltungsgerichte zum Schutz des Einzelnen gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsbehörden bestehen“. Dem folgend sah auch der Herrenchiemsee-Entwurf in Art. 138 Abs. 1 vor: „Wer sich durch Anordnung oder durch die Untätigkeit einer Verwaltungs680 681 682

Vgl. 19. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes v. 29. 01. 1969, BGBl. I, S. 97. Zu diesem Topos im vorliegenden Kontext Schenke, Rechtsschutz, S. 33 f. Zu diesem Argument Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 150.

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behörde in seinen Rechten verletzt oder mit einer ihm nicht obliegenden Pflicht beschwert glaubt, kann gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen“. Vor diesem Hintergrund scheint es umso bedeutsamer, dass das Grundgesetz zumindest seinem Wortlaut nach diese Restriktion auf den Rechtsschutz ausschließlich gegen die Verwaltung nicht enthält. Dass mit der Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG die Regelung eines nicht nur nicht beschränkten, sondern vielmehr eines weiter reichenden Rechtsschutzes beabsichtigt war, wird deutlich, wenn man die Diskussionen in den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates verfolgt. Die Rechtsschutzgarantie sollte umfassend angelegt sein. Bezeichnenderweise war die Rechtsweggarantie zunächst auch ein Absatz des Art. 2 GG.683 Mit ihr sollte „die allgemeine Verfolgbarkeit von Eingriffen in die Freiheit“684 garantiert werden. Im Ergebnis spricht die historische Auslegung nicht gegen, wenn nicht für die Einbeziehung der Judikative.685

4. Systematisch-teleologische Interpretation Auch die systematisch-teleologische Interpretation scheint zunächst für eine generelle Einbeziehung richterlicher Akte in Art. 19 Abs. 4 GG zu sprechen. Sinn und Zweck der Rechtsschutzgarantie ist der Schutz der materiellen Grundrechte. Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sind am Anfang und Ende des mit „Die Grundrechte“ betitelten Abschnitts des Grundgesetzes an exponierter Stelle positioniert. Beide Vorschriften stehen dabei in Zusammenhang. Der in Art. 1 Abs. 3 GG umfassend garantierte Schutz vor Beeinträchtigungen aller staatlichen Gewalt würde durch einen ebenso umfassend verstandenen Schutz durch Art. 19 Abs. 4 GG sichtlich effektuiert. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch die Verfehltheit, die Problematik des Rechtsschutzes gegen den Richter im Rahmen der Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG anzusiedeln. Aus dem Begriff der „öffentlichen Gewalt“ ist vielmehr nach Sinn und Zweck mittels einer teleologischen Reduktion686 die Judikative auszuklammern. Dazu gelangt man, wenn man die gegensätzliche Position, welche die Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Judikative bejaht, kritisch überprüft. Eine solche Erstreckung erzeugt sowohl dogmatische Unstimmigkeiten als auch ein Auseinanderfallen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Rechtsschutzes gegen den Richter zu dem dann von Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich Gefor683 Vgl. JöR 1 (1951), S. 176 ff., 183, 185 sowie 54 f., 55, wonach Art. 2 Abs. 4 GG lauten sollte: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen“. 684 Vgl. JöR 1 (1951), S. 183 f. 685 Ebenso Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 153. 686 Schenke, JZ 2005, S. 116 (117); BVerfGE 107, S. 395 (404) = NJW 2003, S. 1924 (1925): „einengende Auslegung“.

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derten. Im Übrigen lässt sich dem Schutz der materiellen Grundrechte anderweit Rechnung tragen, so dass kein unabwendbares Bedürfnis besteht, auf die Vorschrift des Art. 19 Abs. 4 GG zurückzugreifen (dazu unten F.III.).

a) Der zweistufige Rechtsweg Bedenken gegen eine Ausweitung des Art. 19 Abs. 4 GG auf judikatives Unrecht resultieren daraus, dass die Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG dazu führte, dass jeder Rechtsprechungsakt in der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Weise im Rechtsweg überprüft werden könnte. Der dadurch gebotene Rechtsschutz wird von den Befürwortern der Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Judikative687 überwiegend derart interpretiert, dass Art. 19 Abs. 4 GG einen zweistufigen Rechtsweg garantiere.688 Dies will nicht recht überzeugen. Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nur Rechtsschutz allgemein durch das Offenstehen des „Rechtswegs“. Damit ist nicht ein bestimmtes Gericht gemeint, z. B. eine höhere Instanz. Vielmehr geht Art. 19 Abs. 4 GG, wie dessen Satz 2 zeigt, gerade von der Gleichwertigkeit aller Gerichte aus. Dem ließe sich möglicherweise entgegnen, dass der „Rechtsweg“ auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite verschieden sein müsse. Da ist zum einen der Akt richterlicher Gewalt, der den Anknüpfungspunkt des judikativen Unrechts bildet und welcher unter das Tatbestandsmerkmal „öffentliche Gewalt“ subsumiert wird. Dem soll jede richterliche Tätigkeit, also gerade auch materiell rechtsprechende Tätigkeit unterfallen. Im letzteren Fall bedeutet dies immer das Vorliegen eines „Rechtswegs“ in Bezug auf andere, nichtrichterliche Rechtsverletzungen. Als Folge der Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG stünde nun nach dem Wortlaut dieser Vorschrift „der Rechtsweg offen“. Nun kann aber der tatbestandlich gegebene Rechtsweg streng genommen nicht nochmals eröffnet werden und müsste daher ein von diesem zu unterscheidender Rechtsweg sein.689 Die Fortsetzung des Rechtswegs bedeutete keinen eigenen Rechtsweg – der Rechtsweg wäre sich selbst zugleich ein Rechtsweg. Wenn sich danach tatsächlich trotz der angeführten Zwei687 Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 255 ff.; Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Stark, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 434 ff.; Ibler, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 89 ff.; Krebs, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19, Rn. 57; Lorenz, Rechtsschutz, S. 241 ff.; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 IV, Rn. 49; für eine teilweise Erstreckung Amelung, Rechtsschutz, S. 22 f., der eine Instanz fordert, wenn der Richter nicht als neutraler Dritter entscheidet, so bei §§ 176, 177 GVG; Smid, Rechtsprechung, S. 473 ff.; a.A. BVerfGE 107, S. 395 (404) = NJW 2003, S. 1924 (1925); Jarass, in: J / P, GG, Art. 19, Rn. 45; Krüger / Sachs, in: Sachs, GG, Art. 19, Rn. 120; Schwachheim, in: Umbach / Clemens, GG, Art. 19 IV, Rn. 160; für die Verortung im Justizgewährleistungsanspruch Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 19 IV, Rn. 16 ff., 98; offen gelassen bei Seidel, Außerordentliche Rechtsbehelfe, S. 214 f. 688 Vgl. Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 439; Ibler, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 92; Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 255 ff. 689 Dazu schon Bettermann, AöR 96 (1971), S. 528 (537).

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fel die Forderung nach einem zweistufigen Rechtsweg aus Art. 19 Abs. 4 GG entnehmen ließe und damit diejenigen, welche die Anwendung dieser Vorschrift bei judikativem Unrecht fordern, Recht hätten – umso schlimmer für diejenigen, welche Recht hätten. Denn gerade die dann zutreffende Annahme führte in unauflösbare Widersprüche. Eine solche Annahme ist offenkundig nicht aufrecht zu erhalten. So ließe sich ein zweistufiger Rechtsweg bei Rechtsverletzungen durch die obersten Bundesgerichte nicht realisieren. Erstinstanzliche Zuständigkeiten dieser Gerichte, wie etwa die des BVerwG gem. § 50 VwGO, müssten danach als verfassungswidrig zu qualifizieren sein.690 Aber auch bei erstmaligen Rechtsverletzungen dieser Gerichte im Rechtsmittelverfahren wäre danach kein ausreichender Rechtsschutz mangels weiterer Instanzen gegeben. Letztlich stünde ein derartiges Verständnis des Rechtsschutzes bei judikativem Unrecht auch in sichtbarem Widerspruch zu Art. 95 GG, der durch Nennung „oberster“ Bundesgerichte gerade davon ausgeht, dass diesen „obersten“ Bundesgerichten keine weitere Instanz nachfolgt. Sinn und Zweck der Einrichtung der obersten Bundesgerichte ist es gerade, bei Klärung strittiger Rechtsfragen grundsätzlich das letzte Wort zu haben und dadurch der Wahrung der Rechtseinheit zu dienen. Aber auch bei den den obersten Bundesgerichten vorgelagerten Instanzen ließe sich das postulierte Rechtsschutzmodell nicht strikt aufrechterhalten. So kommt es bei Rechtsmitteln, welche vom Erreichen einer in Geld ausgedrückten Rechtsmittelbeschwer abhängig gemacht sind, wie z. B. in den Fällen der §§ 511 Abs. 2 Nr. 1, 567 Abs. 2 S. 1 ZPO, § 146 Abs. 3 VwGO, zu keiner Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung in der geforderten Weise. Vielmehr sieht hier für die Fälle der Gehörsverletzung die neu eingeführte Möglichkeit der Gehörsrüge gem. § 152a VwGO und entsprechender Parallelvorschriften eine Überprüfung durch dasselbe Gericht vor. Selbst die zulässigen Rechtsmittel erreichen jedoch vielfach nicht die auch bei Exekutivakten durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Rechtsschutzintensität. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert eine umfassende Überprüfung des eingreifenden Hoheitsakts. „Zur Effektivität des Rechtsschutzes gegenüber der öffentlichen Gewalt gehört es, dass das Gericht das Rechtsschutzbegehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüfen kann“.691 Rechtsmittel, welche wie die Revision nur eine Nachprüfung in rechtlicher, nicht aber in tatsächlicher Hinsicht ermöglichen, genügten diesen Voraussetzungen nicht.692 690 Bejahend zur Verfassungsmäßigkeit erstinstanzlicher Zuweisungen gerade unter der Voraussetzung der Nichtanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG das BVerwG NuR 2004, S. 373; NVwZ 2004, S. 722 (723 f.). 691 So BVerfGE 101, S. 106 (123); vgl. m. w. N. zur st. Rspr. des BVerfGE ausf. Voßen, Rechtsprechung, S. 124 ff.; ebenso BVerwGE 94, S. 307 (309); gleichfalls die rechtswissenschaftliche Lit. Schenke, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 304; Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 19 IV, Rn. 183; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 IV, Rn. 116. 692 Dieser Einwand wird gesehen von Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 310, wonach Art. 19 Abs. 4 GG in diesen Fällen nur eine rechtliche Überprüfung fordern soll, was jedoch mit dem herkömmlichen Verständnis dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren ist.

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Diese Widersprüche lassen sich auch nicht dadurch ausräumen, dass auf die grundsätzlich in all diesen Fällen bestehende Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde verwiesen wird. Nach überwiegender Auffassung ist die Verfassungsbeschwerde nicht Teil des Rechtswegs, sondern vielmehr ein außerordentlicher Rechtbehelf.693 Selbst wenn man dies mit guten Gründen anders sähe, so würde zum einen durch die Verfassungsbeschwerde nur Rechtsschutz gewährt bei Grundrechtsverletzungen, nicht aber bei Verletzungen sonstiger subjektiver Rechte. Zum anderen wäre selbst der bei Grundrechtsverletzungen bestehende Rechtsschutz merklich eingeschränkt, da das BVerfG insoweit seine Prüfung auf die Verletzung „spezifischen Verfassungsrechts“ beschränkt,694 d. h. ob der Beschwerdeführer „unmittelbar“ 695 in seinen Grundrechten verletzt ist.696 Der durch das BVerfG bewirkte Rechtsschutz stellt damit insgesamt nicht in allen denkbaren Fällen einen ausreichenden Rechtsschutz dar.697

b) Der kategorische Rechtsschutz Bezeichnenderweise versucht denn auch ein Großteil derer, welche die Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Judikative bejahen, möglichen Einwänden dadurch Rechnung zu tragen, dass sie den Anwendungsbereich des zunächst befürworteten Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG partiell wieder einschränken wollen.698 Diese Einschränkung ist als Eingriff in das nach Art. 19 Abs. 4 GG bestehende Recht zu qualifizieren, welcher einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Art. 19 Abs. 4 GG steht nicht unter Gesetzesvorbehalt, so dass insoweit nur verfassungsimmanente Schranken in Betracht kommen.699 Das BVerfG hat nun in ständiger Rechtsprechung eine Beschränkung des Art. 19 Abs. 4 GG zwar ausnahmsweise zugelassen.700 Jedoch darf hierbei „der Zugang zu einem Gericht nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden“.701 „Darüber hinaus muss dem Bürger ein substantieller Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle zustehen. Der gerichtlichen Durchsetzung eines materiellen Anspruchs dürfen daher nicht unangemesVoßen, Rechtsprechung, S. 29. BVerfGE 1, S. 418 (420). 695 BVerfGE 1, S. 7. 696 Zur Formel des spezifischen Verfassungsrechts ausf. Voßen, Rechtsprechung, S. 33 ff. 697 Dazu schon oben E.IV.1.a). 698 So sieht Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 313 ff., ausnahmsweise auch einen einstufigen Rechtsschutz als ausreichend an; ebenso Ibler, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 92. 699 Vgl. nur Jarass, in: J / P, GG, Art. 19, Rn. 39. 700 BVerfGE 35, S. 263 (274); 40, S. 272 (274 f.); 53, S. 115 (127); 77, S. 275 (284); 81, S. 123 (129). 701 BVerfGE 35, S. 263 (274). 693 694

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sen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse in den Weg gelegt werden“.702 Die dabei eröffneten Einschränkungsmöglichkeiten betreffen jedoch nur das „Wie“, nicht das „Ob“ des Rechtsschutzes. Ein gänzlicher Ausschluss des Rechtswegs ist vielmehr unzulässig.703 „Art. 19 IV GG steht zwar – unter der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Zugangserschwernissen nicht entgegen, verbietet aber in jedem Fall den vollständigen Rechtswegausschluss“.704 Verlangt man einen zweistufigen Rechtsweg, dann ist ein einstufiger Rechtweg nicht ein nicht ganz zweistufiger, sondern überhaupt kein zweistufiger Rechtsweg. Es liegt dann eine Beschränkung des „Ob“ vor. Sieht man nun gleichwohl unter Rückgriff auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz diese Beschränkung als zulässig an,705 so löst man sich von dem bisher allgemeinen Verständnis der Beschränkungsmöglichkeiten des Art. 19 Abs. 4 GG, welches kategorisch das „Ob“ einer Rechtsschutzmöglichkeit fordert.706 Bei einer Verallgemeinerung und Rückwirkung dieses Vorgehens auf die Dogmatik des Art. 19 Abs. 4 GG insgesamt, führte ein solches Verständnis dieser Vorschrift zu einer bedenklichen Relativierung der Rechtsschutzgarantie. Angesichts des Ausgangspunktes, den Rechtsschutz auf judikatives Unrecht zu erweitern und damit insgesamt den Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt zu stärken, ist dieses Ergebnis, welches zu einer Schwächung des Rechtsschutzes insgesamt führt, wenig überzeugend.707 Zumal hierfür auch dogmatisch keine Notwendigkeit besteht, da das Problem des Rechtsschutzes bei judikativem Unrecht auch ohne Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Judikative dogmatisch flexibler erfolgen kann,708 ohne dass hierbei die aufgezeigten Widersprüche entstehen und die gefestigte Dogmatik des Art. 19 Abs. 4 GG geändert werden müsste. Der damit angesprochene Rechtsschutz außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG soll im Folgenden untersucht werden.

BVerfGE 53, S. 115 (127 f.). BVerfGE 22, S. 49 (81 f.); 27, S. 297 (310); ebenso die herrschende Lit.: Schenke, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 70 ff., 167 ff.; Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 77; Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 IV, Rn. 116. 704 BVerfG NJW 2000, S. 1709 (1710). 705 So Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 327 ff.; Ibler, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 19, Rn. 92. 706 Schenke, JZ 2005, S. 116 (118 f.). 707 Zu diesen Bedenken Schenke, JZ 2005, S. 116 (119), der in Bezug auf die Erstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG von einem „Danaergeschenk“ spricht. 708 Zu diesen Argumenten Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 19 IV, Rn. 98; ders., in: FS Schmitt Glaeser, S. 317, 333. 702 703

III. Rechtsschutz außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG

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III. Rechtsschutz außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG „Das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft hat das Recht, im Gericht zu stehen, sowie die Pflicht, sich vor Gericht zu stellen und sein streitiges Recht nur von dem Gericht zu nehmen“.709 Wer Recht hat, soll auch Recht bekommen, Recht und Rechtsschutz sind eng miteinander verbunden. Dogmatisch kann man materielles und formelles Recht zwar analytisch unterscheiden, trennen kann man beides voneinander nicht. Das ergibt sich zum einen daraus, dass das Recht durch die potentielle Möglichkeit seiner Erzwingung definiert wurde.710 Diese rechtliche Erzwingbarkeit ist nicht denkbar ohne das Bereitstehen eines organisierten Zwangsapparats, welcher den Rechtszwang in einem rechtlich geordneten711 Verfahren durchführt.712

709 Hegel, Grundlinien, § 221, wobei Hegel, § 287, eine Einheit von Exekutive und Judikative annimmt und ein dementsprechendes Verständnis vom Grundsatz der Gewaltenteilung vertritt (§ 272). Die Gerichte und der Anspruch auf Rechtsschutz sind daher nach Hegel zwar eine „Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft“, gleichwohl besteht ein lediglich ein „Recht vor Gericht zu stehen“, von einem irgendwie gearteten Schutz desselben ist aber nicht die Rede. Inwieweit der Rechtsschutz, der dem Einzelnen gewährt ist, auch eine „Pflicht“ für diesen darstellt, da mit der Durchsetzung subjektiver Rechte aufgrund deren Normativität letztendlich auch der Geltungsanspruch des objektiven Rechts eingefordert wird vgl. Stammler, Rechtsphilosophie, § 102; sowie insbesondere v. Jhering in seiner Schrift „Der Kampf ums Recht“, S. 62, wonach es im Falle einer subjektiven Rechtsverletzung immer zugleich auch um den Geltungsanspruch des objektiven Rechts geht, denn „das Gesetz selber ist in Frage gestellt“. Daher muss der einzelne sein Recht durchsetzen, damit dem Gesetz zur Wirksamkeit verholfen wird, ihn trifft insoweit „eine Pflicht . . . gegen sich selber, eine Pflicht gegen das Gemeinwesen, diesen Kampf [ums Recht; M.H.] anzunehmen. Der einzelne scheint als Vertreter des Staates dem Unrechte gegenüber, ihm ist die Aufgabe zugewiesen, das Unrecht in seine Schranken zurückzuweisen“ (S. 120). Dies gilt selbst in nicht rechtlich, aber moralisch zweifelhaften Fällen der Rechtsausübung, wie der Klage des Shylok. Zwar sind es „Hass und Rachsucht . . . , die den Shylok vor Gericht führen“ (S. 63), doch mit der Klage des Shylok ist es „das Gesetz Venedigs selber, das an die Schranken des Gerichts pocht; denn sein Recht und das Recht Vendedigs sind eins“ (S. 64); vgl. auch oben Fn. 405; vgl. ferner dazu auch Alexy, Theorie, S. 165: „Während für v. Jhering der Zweck im Mittelpunkt steht, sieht die Willenstheorie die u. a. in der Klagebefugnis zum Ausdruck kommende Kontrolle des Berechtigten über die ihm durch eine Norm eingeräumte Position als zentral an. Er kann, muss aber nicht klagen; was er tut, hängt von seiner freien Wahl, seinem Willen ab“. 710 s. oben D.I.2.c)bb). 711 Hegel, Grundlinien, § 221: „Diese Schritte sind selbst Rechte; ihr Gang muss somit gesetzlich bestimmt sein“ [Hervorh. im Original]. 712 Das damit angesprochene Rechtsschutzverfahren braucht nicht notwendig ein gerichtliches zu sein, es kann es aber. Damit angesprochen ist die Gerichtsfähigkeit des Rechts als spezifische Differenz im Verhältnis zu anderen Normsystemen; zur Gerichtsfähigkeit des Rechts Röhl, Rechtslehre, S. 184 f., vgl. dazu auch Fn. 787, wo nicht nur Gerichtsfähigkeit, sondern darüber hinaus Gerichtszwang gefordert wird.

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

Zum anderen besteht ein Zusammenhang mit dem Geltungsanspruch und der Wirksamkeit des Rechts.713 „Die Durchsetzung nennt man die Geltung des Rechts“.714 Zur Gültigkeit und zum Geltendmachen des Rechts bzw. eines Rechts bedarf es eines Verfahrens, in dem das Recht geschützt wird. Dieser Zusammenhang ist lange bekannt. So heißt es bereits bei Aristoteles: „Ein, zwei oder drei Tage lang hält man es unschwer in jeder beliebigen Art von Verfassung aus“.715 Eine der Hauptaufgaben besteht nach Aristoteles daher darin, dem Recht Bestand zu verschaffen, was dahingehend verstanden werden kann, dass ansonsten überhaupt kein Recht vorliegt.716 Aristoteles stellt somit einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von Recht und seiner Gültigkeit her. Er verwendet den Begriff κ ýρéïò („rechtsgültig“) in der Bedeutung „gerichtlich geschützt“.717, 718 Im Einzelnen bedeutet dies, dass im Falle eines Streits, Bedenken oder Zweifeln hinsichtlich der Geltung einer Rechtsnorm oder eines staatlichen oder privaten Einzelakts in einem geordneten spezifischen Verfahren, dem Gerichtsverfahren entschieden und eine Klärung herbeigeführt werden soll und kann. 713 s. oben Fn. 664; Larenz, Das Problem der Rechtsgeltung, S. 22 ff.: „ ,Sollen‘ und ,Sein‘ sind im Begriffe der ,Rechtsgeltung‘ vereint zu denken“; Reinach, Phänomenologie, S. 189: „Aber die Funktion des positiven Rechts erschöpft sich nicht in dieser Wirksamkeit. Es erzeugt nicht nur Rechte, Verbindlichkeiten u. dgl., sondern es hat zugleich für ihre Durchsetzung zu sorgen . . . Das positive Recht hat die Aufgabe, für die Existenz des in dieser Weise Gebotenen oder für die Existenzmöglichkeit des Erlaubten zu sorgen. Es erfüllt sie ganz allgemein durch die Gewährung des Rechtsschutzes“; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 544 ff., S. 118 [Hervorh. im Original]: „Die Durchsetzbarkeit ist unabdingbares Geltungsmoment des positiven Rechts“; ausf. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 170 f.; Stammler, Rechtsphilosophie, § 38: „Das Gelten des Rechtes ist die Möglichkeit, es durchzusetzen“; wenn auch dieser Zusammenhang sich im Falle subjektiver Rechte in besonderer Form stellt, da deren Geltendmachung im Belieben des Rechtsinhabers steht, s. dazu auch oben Fn. 709. 714 Burckhardt, ARSP 29 (1935 / 36), S. 163, ebenso S. 171. 715 Aristoteles, Pol., 1319b 36 (S. 280). 716 Die Durchsetzung und Garantie einer Ordnung schafft neues Recht und ist dafür offensichtlich notwendig, so für den Fall der Revolution Kant, MdS, Rechtslehre, Zweiter Teil, § 49 Anmerkung A: „Übrigens, wenn eine Revolution einmal gelungen und eine neue Verfassung gegründet ist, so kann die Unrechtmäßigkeit des Beginnens und der Vollführung derselben die Untertanen von der Verbindlichkeit, der neuen Ordnung der Dinge sich als guter Staatsbürger zu fügen, nicht befreien, und sie können sich nicht weigern, derjenigen Obrigkeit ehrlich zu gehorchen, die jetzt die Gewalt hat“. Ersichtlich will Kant hier die „Verbindlichkeit“ der neuen Verfassung nicht nur faktisch, sondern auch normativ verstanden wissen, er redet nicht nur vom Sein, sondern vom Sollen. Auch der heutige Begriff des Staates enthält das Element der Staatsgewalt. Die Durchsetzbarkeit ist danach konstitutiv für das Recht. 717 Siegfried, Der Rechtsgedanke bei Aristoteles, S. 46. 718 Ein ähnlicher Gedankengang findet sich bei Bähr, Der Rechtsstaat, S. 192: „Damit der ,Rechtsstaat‘ zur Wahrheit werde, genügt es nicht, daß das öffentliche Recht durch Gesetze bestimmt sei, sondern es muss auch eine Rechtsprechung geben, welche das Recht für den concreten Fall feststellt, und damit für dessen Wiederherstellung, wo es verletzt ist, eine unzweifelhafte Grundlage schafft“; vgl. auch Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 66: „Der Begriff ,subjektives Recht‘ umfasst alle individuellen gerichtsgeschützten Rechtspositionen“.

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„Der Privatmann kann Unrecht erfahren von allen drei Staatsorganen her, vom Richter, der ein Fehlurteil spricht, wie auch von einer Verwaltungsbehörde, die ihm eine unverdiente Buße auferlegt, wie auch vom ,beschließenden‘ Staatsorgan“.719 In diesen Fällen kennt Aristoteles insbesondere bei rechtswidrigen Verwaltungsmaßnahmen die Notwendigkeit gerichtlichen Rechtsschutzes.720 Im Rahmen des Staatsentwurfs des Hippodamus von Milet referiert er über übergeordnete Gerichte, vor welche fehlerhafte Urteile gebracht werden können.721 Insofern soll es auch gegen judikatives Unrecht einen Rechtsschutz geben. Hier deutet sich schon an, dass der Zusammenhang zwischen Statuierung von Recht und seiner Durchsetzung konsequent zu Ende gedacht zu Rechtsschutzverfahren bei Verletzung des Rechts führen muss. Der Zusammenhang zwischen der Wirksamkeit des Rechts und seiner Durchsetzung, in der Regel in einem Verfahren, tritt insbesondere bei subjektiven Rechten zu Tage.722 Die in diesen enthaltenen materiellrechtlichen Gewährleistungen wären bedenklich in Frage gestellt, wenn sie nicht nötigenfalls zwangsweise durchgesetzt werden könnten. So ist denn auch die verfahrensrechtliche Dimension des materiellen Rechts ein immer wiederkehrender Topos.723 Des Weiteren streitet für das Erfordernis eines Rechtsschutzes die dem subjektiven Recht innewohnende Rechtsmacht, aus welcher sich aufgrund teleologischer Erwägungen flankierende Hilfsrechte zum Schutz der gewährten primären Rechtspositionen ergeben. All diese Zusammenhänge verdeutlichen: Recht muss gesetzt und durchgesetzt werden.724 Auf das „Ob“ und das „Wie“ eines Rechtsschutzes im Falle verfasSiegfried, Der Rechtsgedanke bei Aristoteles, S. 44. Aristoteles, N.E., 1132a 5 ff. (S. 103). 721 Aristoteles, Pol., 1267b 39 f. (S. 102). 722 Der Zusammenhang besteht sowohl objektivrechtlich, sowie in gesteigerter Form subjektivrechtlich, vgl. Sondervotum Geller, v. Schlabrendorff, Rupp BVerfGE 30, S. 1 (40) [Hervorh. vom Verf.]: „In der Tat wären die Freiheit und die verbürgten Rechte des Einzelnen ohne einen verfassungsmäßig gesicherten wirksamen Rechtsschutz wesenlos. Der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit bindet die Organe der Staatsgewalt an die verfassungsmäßige Ordnung, an Gesetz und Recht und bietet damit objektiven Schutz. Dem Bürger muss es, wenn der Schutz wirksam sein soll, darüber hinaus aber auch möglich sein, sich selbst gegen den Eingriff der Staatsgewalt zu wehren und ihn auf seine Rechtmäßigkeit prüfen zu lassen“; Lorenz, Jura 1983, S. 393 (395): „Denn zum subjektiven Recht gehört als notwendige Voraussetzung seiner aktuellen Geltung die gesicherte Chance seiner Verwirklichung“; vgl. auch Sondervotum Böhmer BVerfGE 49, S. 220 (235): „Im Grunde ist ein ordnungsgemäßes Verfahren die einzige Möglichkeit, Grundrechte . . . wirksam zu gewährleisten“; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 63: „Die Klagbarkeit der subjektiven Rechte ist das Mittel (und die Voraussetzung) ihrer realen Durchsetzbarkeit“. 723 Im Rahmen des aktionenrechtlichen Denkens war dieser Zusammenhang untrennbar miteinander verbunden. Nach der analytischen Unterscheidung Windscheids kann zwar formelles und materielles Recht voneinander begrifflich unterschieden werden. Hiermit soll jedoch keine Trennung verbunden sein. Insbesondere ging auch Windscheid als Anhänger der Willenstheorie davon aus, dass Rechte klagbar bzw. durchsetzbar sind, vgl. oben D.I.2.c)aa); zum Verhältnis von formellem und materiellem Recht sogleich im Text. 719 720

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sungsrechtlich gewährleisteter subjektiver Rechte soll im Folgenden eingegangen werden.

1. Der Anspruch auf Rechtsschutz Unter D. wurde die Rechtsmacht als konstitutiver Bestandteil des subjektiven Rechts ermittelt. Aus dem subjektiven Recht bzw. aus der durch dieses gewährten Rechtsmacht lässt sich das „Ob“ und „Wie“ des Rechtsschutzes ableiten. Im Folgenden soll zunächst das „Ob“ näher betrachtet werden, da die Frage nach dem „Wie“ sachlogisch nachfolgt. a) Subjektives Recht als Grundlage des Rechtsschutzanspruchs Schon dem Begriff nach bedeutet „Rechtsmacht“, dass hiermit dem subjektiv Berechtigten eine „Macht“ verliehen ist, welche rechtlicher, nicht tatsächlicher Natur ist,725 eben eine „Rechts“-„Macht“. Grundsätzlich ist daher mit der Statuierung eines subjektiven Rechts eine Durchsetzungsmöglichkeit verbunden, welche ihrerseits subjektivrechtliche Qualität aufweist. Der Anspruch auf ein Rechtsschutzverfahren ist daher dem subjektiven Recht inhärent. aa) Durchsetzbarkeit als Eigenschaft des subjektiven Rechts Deutlich wird das an dem in der Pandektistik zur inhaltlichen Bestimmung des subjektiven Rechts zunächst verwendeten Begriff der Willensmacht. Die Freiheit 724 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 175, wonach die Setzung des Rechts einem Willen zustehen müsse, dem auch die Durchsetzung möglich ist. Zum Ausdruck kommt der Gedanke einer wirksamen, dauerhaften Rechtssetzung auch in Ps. 94, 15: „Recht muss doch Recht bleiben“. 725 D. h. die im Recht als Recht vorgesehenen Reaktionen im Fall der Rechtsverletzung, nicht aber andere Erscheinungsformen, welche zur Einhaltung von Normen sorgen, wie etwa soziale Korrektive, die von anderer, mitunter sogar stärkerer Qualität sein können, vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 305: Die Zwangstheorie des Rechts „übersieht, dass es ausser dem Staate noch andere sociale Mächte giebt, die wesentliche Garantien der Erfüllung der Rechtsnormen darbieten. Der nichtorganisierte Druck, den die allgemeine Sitte, die besonderen Anstandsregeln bestimmter Gesellschaftsklassen und Berufe, die kirchlichen Verbände, Presse und Literatur auf das Individuum und die Gesamtheit ausüben, ist viel stärker als aller bewußte vom Staat ausgeübte Zwang“. Jedoch konzediert auch Jellinek, dass man ohne staatlichen Zwang nicht auskommt, wenn er fortfährt: „So gewiss einerseits die nichtstaatlichen Garantien allein ohne den staatlichen Zwang die Rechtsordnung nicht aufrecht zu erhalten vermögen, so fiele doch andererseits, wenn der Druck jener sozialen Mächte aufhörte, die Rechtsordnung selbst zusammen, denn der Rechtszwang ist nur ein zur unentbehrlichen Verstärkung der ausserstaatlichen Garantien dienendes Element“.

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bzw. der freie Wille wurde und wird als Substanz des Rechts verstanden.726, 727 „Dies, daß ein Dasein des freien Willens ist, ist das Recht“.728 Der „Boden des Rechts“ ist somit der freie Wille, welcher durch das Recht ermöglicht werden sollte, indem er auch realisiert wird – das Rechtssystem als „das Reich der verwirklichten Freiheit“.729, 730 Insofern geht es bei der normativen Anerkennung des freien Willens durch das Recht gerade auch um die rechtliche Realisierung dieses autonomen Willens, eben um eine gesetzgeberisch gewährleistete „Willensherr-

726 Vgl. nur Puchta, Cursus I, §§ 1 ff., § 29 (S. 70): „Das Recht, der allgemeine Wille . . . “. Vgl. auch Fn. 32. 727 Unter dem Eindruck neurobiologischer Untersuchungen ist eine rechtswissenschaftliche Debatte um die Willensfreiheit entstanden. Nach wie vor ist die Freiheit die Substanz des Rechts. Vgl. aus jüngster Zeit Burkhardt, in: FS Eser, S. 77; Hillenkamp, JZ 2005, S. 313, der von keiner Widerlegung der Willensfreiheit ausgeht (S. 18); Hochhuth, JZ 2005, S. 45, der davon ausgeht, die Neurobiologie begründe keine Zweifel an der Willenfreiheit (S. 753). 728 Hegel, Grundlinien, § 29; auch Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre, § B, stellt zur Definition des Rechtsbegriffs auf die Freiheit ab. Der Wille wurde hierbei nicht nur zur Begriffsbestimmung des subjektiven, sondern auch des objektiven Rechts verwendet, vgl. hierzu Jellinek, System, S. 42. Die Anerkennung der menschlichen Freiheit, der Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung und damit menschlicher Würde findet in Art. 1 Abs. 1 GG ihre verfassungsgesetzliche Ausprägung. Die dogmatische Umschreibung dieser Freiheit wird durch die Rechtsfigur des subjektiven Rechts geleistet, dazu oben A.I.2. 729 Hegel, Grundlinien, § 4. Es läuft geradezu vom abstrakten Recht ein unaufhörlicher Realisierungsprozess der Verwirklichung von Freiheit; über den „höheren Boden“ der Moralität, in welcher sich die mit dem Recht gesetzte Freiheit als „Freiheit des subjektiven Willens“ erweist, § 106, bis zum Endmoment des Staates als „Wirklichkeit der konkreten Freiheit“, § 260. Hegel begreift hier das „Reich der verwirklichten Freiheit“ aus § 4 und den Staat als „substantielle Einheit“, wo „die Freiheit zu ihrem höchsten Recht kommt“, § 258. 730 Dies gilt gleichermaßen für das subjektive wie auch für das objektive Recht. Letzteres ist „das Recht an sich, der allgemeine Wille“, so Hegel, Grundlinien, § 82 im Zusatz. Auf diese voluntaristische Komponente nimmt insbesondere auch die Imperativentheorie Bezug, vgl. etwa den Verweis auf Hegel bei Thon, Rechtsnorm, S. 1 Fn. 1; auch bei Kelsen findet sich der Zusammenhang von Rechtsnomen als Sollenssätzen und dem Wollen der Staatsperson, vgl. Kelsen, Hauptprobleme, S. 446, wonach das Wollen des Staates sein Sollen ist. Enthalten ist der allgemeine Wille auch im Begriff des Volksgeistes, welcher für Hegel und die Historische Rechtsschule gleichermaßen, freilich mit unterschiedlicher Akzentuierung gilt. Für Hegel dient der Volksgeist (§ 142: „Geist eines Volkes“) dazu, dem Gesetz konkreten Inhalt zu geben, vgl. Dritter Teil (§§ 142 ff.), wobei Ausgangspunkt und letzte Instanz stets das Gesetz bleibt. Für Puchta (Cursus I, § 10: „Das Recht ist der gemeinsame Wille der Volksgenossen . . . der Volksgeist ist die Quelle des . . . Rechts“) und v. Savigny (System I, S. 14: Recht als die Emanation des „in allen Einzelnen gemeinschaftlich lebenden und wirkenden Volksgeistes“) dient der Volksgeist zur Beschreibung des Vorrangs der Gesellschaft vor dem Staat, des Gewohnheitsrechts vor dem staatlich erzeugten Recht, vgl. v. Savigny, Pandektenvorlesung, S. 3: „Alles positive Recht entsteht aus einer inn’ren historischen Noth-wendigkeit, Gewohnheitsrecht; historische oder genetische Methode. Die Einwirkung der Gesetzgebg weder als factum noch als Recht wird hierbei geläugnet. Aber ein positives Recht war vorhanden vor der Handlg der gesetzgebenden Gewalt, sie entwickelt, schützt, hilft nach“. Gemeinsam ist allen Ansichten, dass eine Verknüpfung des allgemeinen „Willens“ in Form des Volksgeistes mit dem Recht hergestellt wird.

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schaft“ bzw. „Willensmacht“ als tatsächliche Verwirklichungsmöglichkeit.731 Dies ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass das Recht das äußere Verhalten von Personen regelt und somit die Ausübung von Rechten auf Außenwirkung gerichtet ist.732 Neben diesen begrifflichen und genetischen Gründen spricht für eine mit der Gewährung eines subjektiven Rechts verbundene Durchsetzungsmöglichkeit die normative Qualität des subjektiven Rechts. Das objektive Recht ist dadurch gekennzeichnet, dass es im Falle der nicht freiwilligen Befolgung auch gegen Widerstand zwangsweise durchgesetzt werden kann. Das subjektive Recht ist eine Teilmenge des objektiven Rechts und weist dieses Merkmal der Durchsetzbarkeit ebenfalls auf, wenn auch gerade die spezifische Differenz des subjektiven Rechts gegenüber dem nur objektiven Recht darin liegt, dass diese Durchsetzbarkeit eine spezielle Erscheinungsform insoweit aufweist, als diese subjektiviert wird. Die Durchsetzungsmöglichkeit hängt im Falle des subjektiven Rechts vom Willen des subjektiv Berechtigten ab. Wie oben unter D.I.2.c)aa) gezeigt wurde, bildet ein unbewehrtes Dürfen für sich noch kein subjektives Recht.733 Neben das rechtlich geschützte Interesse tritt als spezifische Differenz des subjektiven Rechts gerade eine diesem beigegebene Rechtsmacht. Die Durchsetzbarkeit ist somit eine Eigenschaft des materiellen Rechts, sowohl des objektiven wie des subjektiven Rechts. Damit ist dogmatisch keine systemwidrige Verschiebung vorgenommen. Materielles und formelles Recht werden zwar getrennt und hieraus legitimiert sich die Eigenständigkeit der Prozessrechtswissenschaft. Das formelle Recht hat jedoch nur dienende Funktion. 731 Vgl. etwa Puchta, Cursus I, §§ 6 , 29: die Rechte würden ohne Durchsetzungsmöglichkeit „eine höchst prekäre Existenz haben“, weshalb „ohne allen Schutz kein Recht denkbar“ sei; Regelsberger, Pandekten I, § 14, wonach Recht „im innersten Wesen“ Macht sei; Brinz, Pandekten I, § 18: die Verwirklichung des Rechts beruhe auf Zwang; Sintensis, Civilrecht I, § 27: jedes Recht ist „zunächst als ein ruhender Begriff versehen mit der Möglichkeit, ihm Anerkennung und Geltung zu verschaffen“; v. Savigny, System I, § 4 (S. 7), § 52 (S. 333); v. Jhering, Geist des römischen Rechts III, S. 328, wonach das Wesen des Rechts die Macht sei, Träger der Macht der Wille (S. 337), der Zweck des Rechts bestehe in der Willensmacht, der Herrschaft, und eine Herrschaft übe man aus, wenn man einen anderen zu Unterlassungen und Handlungen zwingen dürfen, die „Satisfaktion“, seinen Willen durchzusetzen werde gewährleistet; zu Windscheid, oben Fn. 414 – 417 sowie dort im Text; zum Begriff der Möglichkeit vgl. Fn. 429. 732 Vgl. nur Kant, MdS, Einleitung in die Rechtslehre § C [Hervorheb. im Original]: „ . . . jeder kann frei sein, obgleich seine Freiheit mir gänzlich indifferent wäre, oder ich im Herzen derselben gerne Abbruch tun möchte, wenn ich nur durch meine äußere Handlung ihr nicht Eintrag tue“, vgl. auch Fn. 21. 733 Insbesondere wurde gezeigt, dass das Einfordern des Geltungsanspruchs im Sinne eines bloß deklaratorischen Hinweises keine spezifische Differenz des subjektiven Rechts sein kann. Damit die Gewährung des subjektiven Rechts eine eigenständige Bedeutung hat, muss gerade die Geltendmachung des Rechts, das sich Berufen-Können auf sein Recht, etwas über einen bloß deklaratorischen Hinweis Hinausgehendes sein. Dies kann nur in einer normativ eingeräumten Durchsetzungsmöglichkeit liegen.

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Bestimmend, ob und welche Rechte durchgesetzt werden können, ist das materielle Recht.734 Der dienenden Funktion des Verfahrensrechts müssen alle prozessualen Begriffsbildungen Rechnung tragen, indem sie materiellrechtliche Elemente mit aufnehmen. Signifikant ist denn auch, dass die Prozessrechtswissenschaft bzw. die dogmatische Beschreibung des formellen Rechts keine dem materiellen Recht vergleichbaren kategorialen Begrifflichkeiten kennt, insbesondere keinen dem subjektiven Recht vergleichbaren Begriff. Vielmehr rekurriert die Prozessrechtswissenschaft selbst vielfach auf materiellrechtliche dogmatische Begriffe.735 Man denke nur an die dogmatische Beschreibung der Partei- oder Beteiligtenfähigkeit, die Klagebefugnis, usw. In all diesen Fällen greift man auf materiellrechtliche Kategorien zurück. So stellt man im Rahmen der Klagebefugnis auf den materiellrechtlichen Begriff des subjektiven Rechts ab,736 für die Partei- oder Beteiligtenfähigkeit auf die materiellrechtliche Rechtsfähigkeit. Es erscheint daher für die dogmatische Begriffsbildung nicht unstatthaft, dem Primat des materiellen Rechts Rechnung zu tragen und die potentielle Durchsetzbarkeit dogmatisch im subjektiven Recht selbst zu verankern. Die Eigenschaftsbestimmung des subjektiven Rechts als „durchsetzbar“ lässt sich im Übrigen positivrechtlich belegen.737 Da Grundlage und Grenze der Dogmatik das positive Recht bildet, muss die dogmatische Begriffsbildung dem Gesetz Rechnung tragen.738 Auch aus diesem Gesichtspunkt heraus muss die Durchsetzbarkeit dogmatisch als Eigenschaft des subjektiven Rechts beschrieben werden. Die spezifische Verknüpfung des normativen Geltungsanspruchs mit der Konkretisierung des Rechts durch ein Rechtsschutzverfahren und die damit vorgenommene gesetzgeberische Eigenschaftsbestimmung des subjektiven Rechts kommt im sys734 Der Gesetzgeber denkt bei der Statuierung subjektiver Rechte stets die Durchsetzbarkeit mit hinein, vgl. dazu schon oben D.I.2.c)bb) zum Beispiel des § 1297 BGB. Hinzu kommt, dass im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit von Verfahrensrechten diese in Form subjektiver Rechte gewährten Verfahrensrechte ihrerseits als materiellrechtlich zu behandeln sind, vgl. Goerlich, Verfahrensgarantien, S. 324; Morlok, Verfahrensfehler, S. 126. Wollte man nun die Durchsetzbarkeit in diesem Falle im formellen Recht suchen, so bedeutete dies, einen infiniten Regress auf das Verfahrensrecht. Das Verfahrensrecht würde durch Verfahrensrecht garantiert und durchgesetzt, Verfahrensrecht auf Verfahrensrecht angewendet. Dies wird vermieden, wenn man die Durchsetzbarkeit im subjektiven Recht selbst verankert. Dann ergibt sich auch bei formellrechtlichen subjektiven Rechten aus ihrer Rechtsqualität ihre Durchsetzbarkeit. 735 Dafür, dass das Prozessrecht nicht vom materiellen Recht getrennt werden kann Henckel, Prozessrecht, S. 26, 57; demgegenüber Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1. 736 Vgl. statt vieler Kopp / Schenke, VwGO, § 42, Rn. 48. 737 Die Durchsetzbarkeit denkt der Gesetzgeber bei der Statuierung eines subjektiven Rechts stets mit, vgl. unten Fn. 759, vgl. im Zusammenhang mit § 1297 BGB auch schon oben unter D.I.2.c)bb), woraus die grundsätzliche Durchsetzbarkeit subjektiver Rechte abzuleiten ist, vgl. oben Fn. 451. 738 s. oben D.I.2.b)bb).

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tematischen Zusammenhang von Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 19 GG in all seinen Absätzen zum Ausdruck.739 In Art. 1 Abs. 3 GG ist die Bindung aller staatlichen Gewalt an die Grundrechte als „unmittelbar geltendes Recht“ festgelegt. Damit ist die Reichweite der „Geltung“ durch die „Bindung“ aller Staatsgewalten in Hinsicht auf den Adressaten näher konkretisiert, aber über die personale Geltung hinaus die „Geltung“ der Grundrechte überhaupt vorausgesetzt und als „unmittelbare“ angeordnet. Die Geltung wird nun ferner näher dadurch umschrieben, dass die sachliche und persönliche Reichweite der Geltung im Einzelnen bestimmt wird. So ist kategorisch die Geltung aller Grundrechte in Bezug auf ihren Wesensgehalt als unbedingtes Minimum gem. Art. 19 Abs. 2 GG bestimmt. Weiterhin wird die personale Reichweite des Geltungsanspruchs der Grundrechte zugunsten inländischer juristischer Personen durch Art. 19 Abs. 3 GG erweitert. Art. 19 Abs. 1 GG beschreibt allgemein einzuhaltende Kriterien bei der an anderer Stelle vorgesehenen Form der Beschränkung von Grundrechten und damit der Beschränkung deren Geltung. Bedeutsam ist nun, dass offenbar auch Art. 19 Abs. 4 GG aufgrund seines systematischen Zusammenhangs in diese Eigenschaftsbestimmung der Grundrechte mit einbezogen ist. In Art. 19 Abs. 4 GG wird der gerichtliche Schutz bei Verletzung subjektiver Rechte angeordnet. Wie auch immer die Reichweite dieser Vorschrift bestimmt wird (dazu oben F.II.), zeigt sich, dass die Durchsetzbarkeit den Grundrechten inhäriert. Indem nun Art. 19 Abs. 4 GG in seinem Anwendungsbereich diese Durchsetzbarkeit in die konkrete Form eines gerichtlichen Rechtsschutzanspruchs bringt und seine Bedeutung gerade in dieser Spezifikation liegt, wird deutlich, dass ein amorpher, weiter gefasster Rechtsschutzanspruch740 in der Geltungsanordnung der Grundrechte gem. Art. 1 Abs. 3 GG als subjektive Rechte bereits enthalten ist.741 Die „Chance seiner Verwirklichung“ ist „als notwendige Voraussetzung seiner aktuellen Geltung“ bereits im Grundrecht qua subjektives Recht enthalten.742 Erhärtet wird dies durch den Vergleich mit Vorgängerregelungen. Mit der Vorschrift des Art. 1 Abs. 3 GG ist bewusst ein Kontrapunkt zur Rechtslage nach der WRV gesetzt, wo Grundrechte in mancherlei Hinsicht zu bloßen Programmsätzen geraten waren, auf deren Einhaltung man sich gegenüber dem Staat, insbesondere dem Gesetzgeber, nicht im Rahmen eines Rechtsschutzverfahrens berufen konnte.743 Diese Geltendmachung aber ist für das Gelten im Sinne prakti739 Vgl. auch Goerlich, Verfahrensgarantien, S. 321; zum Zusammenhang von Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG auch Schenke, Rechtsschutz, S. 61 f. 740 Zu den Erscheinungsformen des Rechtsschutzes s. unten b. 741 Auf Art. 1 Abs. 3 bezieht sich BVerfGE 52, S. 203 (207): „Er [der Richter, M.H.] ist daher nach Art. 1 Abs. 3 . . . zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet“. Neben der in Art. 1 Abs. 3 GG verfassungsgesetzlich angeordneten „Geltung“ ist der Begriff der „Geltung“ ebenfalls eng mit der Durchsetzung als Mittel der „Geltendmachung“ verbunden. Darauf wurde bereits hingewiesen, s. oben Einleitung zu F.III. 742 Lorenz, Jura 1983, S. 393 (395).

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scher Wirksamkeit gerade unentbehrlich. Die Formulierung „unmittelbar geltend“ schließt ein, dass man sich auf die Geltung der Grundrechte berufen kann und ihren Geltungsanspruch in einem Rechtsschutzverfahren einfordern kann.744 Die Verankerung von Verfahrensrechten als Teilaspekt des in den Grundrechten angelegten Schutzes ist ein anerkannter Topos der Grundrechtsdogmatik. Die Sicherung der Grundrechte durch Verfahren wird hierbei dem materiellrechtlichen Grundrechtsgehalt zugerechnet und damit in den Grundrechten als subjektiven Rechten selbst verortet. Im Einzelnen ist die dogmatische Herleitung freilich unterschiedlich. Teils wird auf eine grundrechtliche Schutzpflicht abgestellt, teils aus der Abwehrfunktion auf eine verfahrensrechtliche Komponente geschlossen, bald werden aber auch Abwehrrecht und Schutzrecht gemeinsam neben leistungsrechtlichen oder institutionellen Garantien herangezogen.745 Von diesen dogmatischen Differenzen abgesehen gibt es unstreitig Grundrechte, welchen eine verfahrensrechtliche Dimension immanent ist. So kann das Asylrecht gem. Art. 16a GG „grundsätzlich nur im Wege eines rechtlich geregelten Verfahrens wahrgenommen werden“.746 Das Verfahren ist nicht nur Beiwerk, sondern besitzt hierbei konstitutive Wirkung für die Geltendmachung der grundrechtlichen Gewährleistung.747 Es braucht an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen zu werden, welche grundrechtsdogmatische Begründung im Einzelnen zutreffend ist.748 An dieser Stelle kommt es nur darauf an, dass offenbar nach allen Auffassungen den Einzelgrundrechten qua subjektive Rechte verfahrensrechtliche Bedeutung zugemessen wird. Ein Rechtsschutzverfahren wird als „wesentliches Element des Grundrechts“ selbst und als dem „Grundrecht wesensmäßig zugehörig“ qualifiziert.749 743 Unter diesen Umständen wäre eine Herleitung eines Rechtsschutzes aus den materiellen Grundrechten nicht möglich, vgl. Schenke, Rechtsschutz, S. 59 f.; Goerlich, Verfahrensgarantien, S. 139 f. 744 Jarass, in: J / P, GG, Art. 1, Rn. 21, unter Verweis auf Stern, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1208, der der Formulierung eine gerichtliche Durchsetzbarkeit entnimmt, was wohl zu weit geht, da auch andere Rechtsschutzformen der subjektiven Rechtsqualität genügen, s. unten b sowie oben Fn. 733. 745 Vgl. dazu im Einzelnen m. w. N. Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 394 ff., 395. 746 BVerfGE 60, S. 253 (295). 747 BVerfGE 60, S. 253 (295); vgl. auch BVerfGE 52, S. 391 (407) zu Art. 16 GG aF: „Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG sichert nicht nur materiell das Asylrecht des politisch Verfolgten; der Bestimmung kommt auch verfahrensrechtliche Bedeutung zu“. 748 Vgl. dazu ausführlich mit Darstellung von Rspr. und Lit. Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 394 ff., der selbst davon ausgeht, dass grundrechtlich bedingte Verfahrensrechte eine „Schutzmodalität“ zur Verwirklichung des jeweils einschlägigen materiellrechtlichen Grundrechtsgehalts darstellt (S. 401). 749 BVerfGE 24, S. 367 (401), dort wird in Bezug auf Art. 14 GG sogar ein gerichtliches Rechtsschutzverfahren abgeleitet; vgl. auch BVerGE 49, S. 244 (247): „unauflösbarer Zusammenhang von materiellem Grundrecht und Verfahrensrecht“; ebenso BVerfGE 107, S. 299 (311): „Im Rechtsstaat des Grundgesetzes gehört zu einer grundrechtlichen Garantie die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle ihrer Einhaltung“. Das BVerfG hat diese Rechtsprechung nach und nach auf alle Grundrechte ausgedehnt, vgl. BVerfGE 101, S. 106 (121 f.)

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Nichts anderes findet sich bei der Ableitung des sog. Justizgewährleistungsanspruchs. Dieser hat vor allem für privatrechtliche Streitigkeiten Bedeutung,750 wird aber nunmehr auch in der eingangs zitierten Plenumsentscheidung bezüglich des Rechtsschutzes gegen den Richter als einschlägig angesehen.751 Seine Grundlage findet er im Rechtsstaatsprinzip. Als Ausgleich für das staatliche Gewaltmonopol und das damit einhergehende Selbsthilfeverbot zu Lasten der Bürger ist dem Rechtsstaatsprinzip die Gewährleistung staatlichen Rechtsschutzes immanent.752 Damit aus der Justizgewährleistungspflicht ein Justizgewährleistungsanspruch wird, muss man die objektivrechtliche Grundlage des Rechtsstaatsprinzips subjektivieren. Dazu bedarf es eines Rückgriffs auf ein subjektives Recht. Bei der partiellen Verweigerung bzw. Nichterfüllung der Justizgewährleistungspflicht im Einzelfall mag man dabei auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG zurückgreifen. Eine Ungleichheit sieht darin schon Gönner: „Selbst die Reichsgesetze erkennen dies, da sie den Recurs an die Visitatoren erlauben, wenn das Reichskammergericht in Verweigerung der Prozesse eine Ungleichheit begeht“.753 Das BVerfG greift allerdings zur Subjektivierung des Justizgewährleistungsanspruchs auf Art. 2 Abs. 1 GG zurück, über den eine Verletzung des Rechtsschutzanspruchs geltend gemacht werden kann.754 Damit wird ein weiteres Mal ein materielles subjektives Recht zur Begründung eines formellrechtlichen Anspruchs herangezogen. Nach alledem kann nun kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen, dass im subjektiven Recht selbst ein Anspruch auf Rechtsschutz wurzelt. Dies hat insbesondere auch im Falle subjektiver Rechte gegen den Richter zu gelten.755 „Sicherung der Rechte als Zweck der richterlichen Gewalt im Staate fordert, daß die Rechte des Bürgers auch gegen diejenigen Verletzungen sicher gestellt werden, welche zu Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG; BVerfGE 51, S. 324 (346 ff.) zu Art. 2 Abs. 2 GG; BVerfGE 83, S. 130 (148) zu Art. 5 Abs. 3 GG; BVerfGE 39, S. 276 (294); 44, S. 105 (109 ff.); 45, S. 422 (430 ff.) zu Art. 12 GG; BVerfGE 56, S. 216 (236) zu Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG. Im Übrigen geht es davon aus, dass dies dem Grunde nach für alle Grundrechte gilt, vgl. BVerfGE 39, S. 276 (294): „Zu den wesentlichen Bestandteilen eines verfassungsmäßigen Rechts gehört – wie das BVerfG bereits im Zusammenhang mit Art. 14 GG angesprochen hat – seine Durchsetzbarkeit“. 750 BVerfGE 54, S. 277 (291). 751 BVerfGE 107, S. 395 (407) = NJW 2003, S. 1924 (1926). 752 Papier, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 153, Rn. 1. 753 Gönner, Handbuch, S. 118. 754 BVerfGE 69, S. 381 (385); 78, S. 123 (126). Wenn man dies so versteht, dass Art. 2 Abs. 1 GG zumindest immer subsidiär als Auffanggrundrecht einschlägig angesehen wird, so folgt aus diesem Ansatz, dass grundsätzlich alle anderen Grundrechte neben dem Art. 2 Abs. 1 GG zur Subjektivierung des dem Rechtsstaatsprinzips innewohnenden Rechtsschutzes geeignet sind und jedem Einzelgrundrecht ein Rechtsschutzanspruch inhäriert. 755 So weist Schenke, JZ 2005, S. 116 (125), für die verfassungsmäßig garantierten Verfahrensrechte gegen den Richter zu Recht darauf hin, dass alleine aus der subjektiven Rechtsqualität dieser Rechte die Notwendigkeit eines gerichtlichen Rechtsschutzes folge. „Ohne dessen Etablierung müßten die Verfahrensrechte ihren subjektivrechtlichen Charakter einbüßen“, vgl. Schenke, JZ 2005, S. 116 (125).

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ihm durch den Richter zugefügt werden können, und mit rechtlicher Nothwendigkeit gehet hieraus das Daseyn der Rechtsmittel hervor, so dass jede Staatsverfassung mit sich selbst in Widerspruch steht, wenn sie nicht dieser unerlässlichen Forderung der Vernunft Genüge leistet“.756 Auch spricht die Existenz von materiellrechtlichen Abwehransprüchen, welche im Verletzungsfall das Primärrecht schützen sollen, für einen damit einhergehenden Rechtsschutz. Ein Anspruch setzt voraus, dass ein Verfahren zu seiner Durchsetzung zur Verfügung steht.757 Ansonsten wäre der mit den flankierenden Hilfsrechten bezweckte Schutz des Primärrechts ein papierner Schutz.758 „Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann“.759 Das subjektive Recht als sedes materiae eines Rechtsschutzanspruchs bedeutet freilich nicht, alles Verfahrensrecht in ein „aktionenrechtliches Verfahrensgeflecht“760 auflösen zu wollen. Freilich ist diese Formulierung des BVerfG ungenau. Es liegt hier genau genommen ein römisch-rechtliches Aktionendenken „mit umgekehrten Vorzeichen“761 vor, denn dort wurde von der actio auf das ius,762 hier würde von der ius auf die actio geschlossen. Aus dem subjektiven Recht kann aber nicht konkret dinglich das zu seiner Durchsetzung erforderliche Verfahren im Einzelnen deduziert werden. Die Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens obliegt vielmehr dem Gesetzgeber, dem dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt. Vielmehr geht es bei der Verankerung des Rechtsschutzes im subjektiven Recht nur um die Herleitung und Garantie eines für das subjektive Recht konstitutiven Minimums eines staatlich organisierten Rechtsschutzverfahrens.763 „Aus den materiellen Grundrechten lassen sich hierfür nur elementare, rechtsstaatlich unverzichtbare Verfahrensanforderungen ableiten“.764 Gönner, Handbuch, S. 110. Schenke, JZ 2005, S. 116 (125). 758 Neben die Abwehransprüche tritt ein Rechtsschutzanspruch auf die Durchsetzung der Rechtsfolgen dieser Ansprüche, vgl. Bleckmann, Grundrechte, § 11, Rn. 21. 759 § 89 EinlPrALR 1794; vgl. i.d.S. auch Bethge, NJW 1982, S. 1 (6): „ . . . jedes materielle Grundrecht enthält als essentiales Element den verfassungskräftigen Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz; wem die (Verfassungs-)Gesetze ein (Grund-)Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht durchgesetzt werden kann“. 760 BVerfGE 60, S. 253 (297). 761 Arndt, Praktikabilität, S. 109. 762 s. zur „glossatorischen Methode“ schon oben D.I.1.a). 763 Ausführlich zur Herleitung eines staatlichen Rechtsschutzverfahrens aus dem Rechtsmachtmoment Schenke, Rechtsschutz, S. 58 ff. Nach Schenke, S. 87, kann „die „Notwendigkeit eines Rechtsschutzes“ aus dem Rechtsmachtmoment des subjektiven Rechts „deduziert“ werden. s. zur verfahrensrechtlichen Bedeutung von Grundrechten auch grundlegend Goerlich, Verfahrensgarantien, passim, der hierzu vor allem auf die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte rekurriert, vgl. S. 54, 186 ff. 764 BVerfGE 60, S. 253 (295). Wenn auch dafür ggf. die Bereitstellung eines qualifizierten Verfahrens erforderlich sein kann, vgl. BVerfGE 54, S. 277 (291). 756 757

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bb) Rückgriff auf die subjektive Rechtsqualität Ergibt sich aus der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte ein Anspruch auf ein staatlich organisiertes Rechtsschutzverfahren, stellt sich das Problem des Verhältnisses dieses Anspruchs zu anderen Ansprüchen, welche ebenfalls Rechtsschutz gewähren. Dazu ist der aus der subjektiven Rechtsqualität abzuleitende Rechtsschutz von anderen Erscheinungsformen des Rechtsschutzes abzugrenzen. (1) Die Ansprüche auf Rechtsschutz Der Anspruch auf ein Rechtsschutzverfahren ist weit zu verstehen. Er kann sowohl durch behördlichen wie gerichtlichen Rechtsschutz erfüllt werden. Welche dieser beiden Erscheinungsformen zum Schutz des Grundrechts geboten ist, lässt sich nur für das jeweils in Rede stehende Einzelrecht untersuchen (s. unten F.III.1.b) für das judikative Unrecht). Es verbleibt damit das Problem, den aus den Grundrechten selbst abzuleitenden Rechtsschutz, den Anspruch des Art. 19 Abs. 4 GG und den Justizgewährleistungsanspruch zueinander ins Verhältnis zu setzen. Der „allgemeine“ Justizgewährleistungsanspruch ist im Verhältnis zu dem aus den Grundrechten abzuleitenden Rechtsschutzanspruch enger, da er einen Anspruch auf justiziellen Schutz enthält, während der aus den Grundrechten unmittelbar zu entnehmende Rechtsschutz auch behördliche Rechtsschutzformen umfasst. Die allgemeine aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie ist in Art. 19 Abs. 4 GG „sektoral präzisiert und grundrechtlich fundiert“.765 Art. 19 Abs. 4 GG erweist sich damit „als vor die Klammer gezogene allgemeine Effektuierung materieller Rechte“,766 nicht nur den aus den Grundrechten selbst zu entnehmenden Verfahrenssicherungen,767 sondern auch 765 Papier, in: Isensse / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 153, Rn. 6; vgl. zum Verhältnis von Art. 19 Abs. 4 GG zum allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch SchmidtAßmann, in: M / D, GG, Art. 19 IV, Rn. 16 ff.; Krebs, in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19, Rn. 50; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 19 IV, Rn. 35 ff. 766 Lorenz, NJW 1977, S. 865 (867). 767 Aus Art. 19 Abs. 4 GG ist außerhalb seines Anwendungsbereichs nicht etwa ein Umkehrschluss zu ziehen. Sinn dieser spezialgesetzlichen Gewährleistung ist ja gerade innerhalb ihres Anwendungsbereichs eine Aufwertung des Rechtsschutzanspruchs durch eine eigene verfassungsrechtlich abgesicherte Gewährleistung, welche damit den Gedanken des Rechtsschutzes stärken, aber nicht schwächen will. Außerhalb ihres Anwendungsbereichs mag es andere Formen des Rechtsschutzes geben, wohl kaum aber wird der Vorschrift, welche das Verfahrensrecht als eigenständiges Recht betont, eine Entwertung des verfahrensrechtlichen Schutzes im Übrigen zu entnehmen sein. So hat außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG der durch die materiellen Grundrechte gewährleistete Rechtsschutz seine eigene Berechtigung, z. B. beim Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 1, Rn. 11.

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dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch vorrangig,768 soweit sein Anwendungsbereich reicht. Er regelt spezialgesetzlich in Form eines verselbstständigten Anspruchs in spezifischer Form den Rechtsschutz gegen die wie weit auch immer interpretierte „öffentliche Gewalt“. Als eine lex specialis weist ihn insbesondere die Regelung des Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG aus, weil eine solche Bestimmung ohne ausdrückliche Regelung nicht im Rahmen eines allgemeinen Rechtsschutzanspruchs ableitbar wäre. Des Weiteren ist das Recht aus Art. 19 Abs. 4 GG schrankenlos gewährleistet. Art. 2 Abs. 1 GG, über welchen der Justizgewährleistungsanspruch subjektiviert wird, steht dagegen unter Gesetzesvorbehalt.769 Der Justizgewährleistungsanspruch ist zu Art. 19 Abs. 4 GG kein aliud, insofern man meinen könnte, Art. 19 Abs. 4 GG garantiere Rechschutz in öffentlichrechtlichen, der Justizgewährleistungsanspruch in privatrechtlichen Streitigkeiten. Der Anspruch auf Justizgewähr wurde zwar zunächst als Grundlage des Rechtsschutzes in zivilrechtlichen Streitigkeiten anerkannt, „ermöglicht Rechtsschutz aber auch in weiteren Fällen, in denen dies rechtsstaatlich geboten ist“.770 Das Verhältnis der spezialgesetzlichen Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG einerseits und des eine größere tatbestandliche Reichweite aufweisenden Justizgewährleistungsanspruchs anderseits wird dogmatisch dadurch adäquat abgebildet, indem Art. 19 Abs. 4 GG als eine lex specialis gegenüber dem Anspruch auf Justizgewähr sowie dem aus den Grundrechten selbst sich ergebenden Rechtsschutzanspruch qualifiziert wird, soweit letzterer auch auf ein gerichtliches Verfahren geht.771 Danach ergibt sich folgende Reihung vom Besonderen zum Allgemeinen: Art. 19 Abs. 4 GG – Allgemeiner Justizgewährleistungsanspruch – Behördlicher und gerichtlicher Rechtsschutz unmittelbar aus den Grundrechten.

768 Vgl. Kopp / Schenke, VwGO, § 1, Rn. 11 m. w. N., wonach es aufgrund der Spezialität des Art. 19 Abs. 4 GG keines Rückgriffs auf den Justizgewährleistungsanspruch bedarf. 769 Gegen den eigenständigen Rechtsschutzgehalt des materiellen Rechts lässt sich auch nicht Art. 19 Abs. 4 GG anführen. Zur konstitutiven Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 GG neben einem aus den Grundrechten selbst abgeleiteten Rechtsschutz, vgl. Schenke, Rechtsschutz, S. 85 f.; anders Arndt, Praktikabilität, S. 109, 124, der bei einer von ihm abgelehnten Verankerung des Rechtsschutzes im Einzelgrundrecht von einer deklaratorischen Bedeutung des Art. 19 Abs. 4 GG ausgeht; ähnlich Alexy, Theorie, S. 167 f. 770 BVerfGE 107, S. 395 (407) = NJW 2003, S. 1924 (1926). 771 BVerfGE 60, S. 253 (297) neigt allerdings dazu, Art. 19 Abs. 4 GG und die materiellen Grundrechte in ein Ergänzungsverhältnis zu setzen („dem aus Art. 19 Abs. 4 GG wie aus etwaigen materiellen Grundrechtsverbürgungen folgenden Schutzanspruch“), stellt aber im Folgenden klar, dass kein „grundrechtsspezifisches Sonderverfahrensrecht“ existiert und „daß aus materiellen Grundrechten . . . über . . . Art. 19 Abs. 4 GG . . . hinaus [Ansprüche auf Rechtsschutz, M.H.] nur unter besonderen Umständen und nur dann gezogen werden könnten, wenn sich unzweideutig ergäbe, daß rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse hinreichenden Rechtsschutzes nicht mehr gewahrt wären“, S. 298. Damit betont auch das BVerfG trotz des angenommenen Ergänzungsverhältnisses von materiellen Grundrechten und Art. 19 Abs. 4 GG den grundsätzlichen Vorrang des Art. 19 Abs. 4 GG und damit dessen Spezialität.

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(2) Der Rechtsschutzanspruch bei judikativem Unrecht Betrachtet man das Problem des Rechtsschutzes bei judikativem Unrecht vor diesem Hintergrund, so kann nun eine dogmatische Zuordnung des bei judikativem Unrecht gebotenen Rechtsschutzes erfolgen. Wie oben unter F.II. nachgewiesen unterfällt die Judikative nicht dem Begriff der öffentlichen Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist nicht eröffnet. Nach dem Vorgesagten ist zunächst auf den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch zurückzugreifen,772 der als Auffangtatbestand in jenen Fällen fungiert, in welchen Art. 19 Abs. 4 GG nicht als lex specialis vorgeht. Ein solches Vorgehen scheint zunächst Vorteile zu bieten, da dieses Recht dogmatisch eine flexiblere Handhabe des Rechtsschutzes zu ermöglichen scheint,773 andererseits erweist es sich jedoch als problematisch. Symptomatisch geworden ist das Problem des Rechtsschutzes gegen den Richter vor allem bei Verletzung von grundgesetzlich garantierten Verfahrensrechten. Rechte wie das des Art. 103 Abs. 1 GG können nur durch den Richter erfüllt und folglich in dieser Hinsicht nur durch ihn verletzt werden. Es will nicht recht zusammenpassen, dass es keinen Rechtsschutz gegen den Richter gibt, aber gleichzeitig Rechte existieren, welche nur durch den Richter verletzt werden können: „Die das gerichtliche Verfahren betreffenden Verfahrensgrundrechte können nicht durch einen Träger der vollziehenden Gewalt verletzt werden, denn sie sind ausschließlich an die Gerichte adressiert. Wird Art. 19 Abs. 4 GG einengend dahin ausgelegt, dass er den Rechtsschutz gegen richterliche Akte nicht umfasst, verbleibt dort ein Rechtsschutzdefizit, das aber durch den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch behoben wird. Er ermöglicht Rechtsschutz hinsichtlich der gerichtlichen Verfahrensdurchführung, soweit durch sie die Verfahrensgrundrechte verletzt sein können. Andernfalls bliebe eine Verletzung dieser Grundrechte ohne verfassungsrechtlich gesicherte Möglichkeit fachgerichtlicher Abhilfe“.774 Wenn aber nun der Rechtsschutz bei judikativem Unrecht bei Verletzung von Verfahrensgrundrechten virulent wird und hierfür ein Rechtsschutzanspruch als erforderlich erachtet wird, dann müsste doch all denjenigen, die Träger dieser Verfahrensrechte sein können, dieser Rechtsschutzanspruch zukommen. Das BVerfG bezieht sich zur Begründung eines solchen Rechtsschutzanspruchs ausdrücklich auf den „Justizgewährleistungsanspruch“. Es spricht nicht in objektivrechtlichem Vokabular vom „Justizgewährleistungsgebot“. Die Subjektivierung dieses Anspruchs nimmt das BVerfG in Art. 2 Abs. 1 GG vor.775 Bedenkt man nun, dass die So BVerfGE 107, S. 395 (406 f.) = NJW 2003, S. 1924 (1926). Dazu Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 19 IV, Rn. 98; ders., in: FS Schmitt Glaeser, S. 317, 333. 774 BVerfGE 107, S. 395 (407) = NJW 2003, S. 1924 (1926). 775 BVerfGE 50, S. 1; 53, S. 115; 84, S. 366; 87, S. 48. Zunächst rekurrierte das BVerfG verstärkt auf das Rechtsstaatsprinzip, vgl. BVerfGE 50, S. 1, oder auf einen unmittelbaren Anspruch aus den materiellen Grundrechten, vgl. BVerfGE 35, S. 279, bald auch auf Art. 103 772 773

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Verfahrensrechte jedem Verfahrensbeteiligten zustehen, nicht aber jeder Verfahrensbeteiligte sich notwendigerweise auf die Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG berufen kann, so wird das Defizit dieser Konstruktion offenbar. So können sich etwa Hoheitsträger auf die Rechte der Art. 19 Abs. 4, 101 Abs. 1 S. 2, 103 Abs. 1 GG berufen, nicht aber auf das des Art. 2 Abs. 1 GG.776 Das Gleiche gilt für ausländische juristische Personen.777 Wie soll ihnen ein Rechtsschutzanspruch zustehen, wenn sie sich auf die Verletzung des Rechts, aus welchem sich dieser ergibt, nicht berufen können? Ein weiterer Einwand liegt darin, dass bei einem Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG der darüber begründete Abwehranspruch ggf. weiteren verfassungsrechtlichen Schranken unterliegt, als denen des verletzten Rechts, was sich für den Verletzten als nachteilig darstellt. So unterliegt das Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG nur verfassungsimmanenten Schranken im Gegensatz zum Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Letztlich erscheint es auch befremdlich, wenn verletztes Primärrecht und der als Reaktion auf diese Verletzung gewährte Reaktionsanspruch in ihrem Entstehungsgrund auseinander fallen. Ein weiterer Einwand gegen einen Rückgriff auf den für zivilrechtliche Streitigkeiten entwickelten Justizgewährleistungsanspruch ergibt sich daraus, dass der über diesen Anspruch eröffnete Rechtsweg grundsätzlich den gleichen Anforderungen genügen muss wie der durch Art. 19 Abs. 4 GG. „Der Gewährleistungsgehalt beider Rechtsweggarantien ist gerade in Bezug auf den allgemeinen Rechtsschutzstandard weitgehend identisch“.778 Zu den unverzichtbaren Kernelementen des gerichtlichen Rechtsschutzes gehört das nemo iudex in sua causa. Konsequenterweise müsste daher bei Rückgriff auf den Justizgewährleistungsanspruch eine richterliche Selbstkontrolle dem dann gebotenen Rechtsschutz nicht genügen.779 Gerade eine solche hat aber das BVerfG im Falle der Gehörsverletzung als ausreichend angesehen. Bezeichnenderweise tenoriert das BVerfG in seiner Entscheidung auch einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip und nicht einen solchen gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Dies kann nichts anderes bedeuten, als dass der rechtsstaatlich gebotene Rechtsschutzanspruch über Art. 103 Abs. 1 GG subjektiviert wird und der gebotene Rechtsschutz in diesem Recht selbst zu suchen ist.780 Abs. 1 GG BVerfGE 40, S. 46; 42, S. 120; 69, S. 381; 78, S. 123; 86, S. 280; 88, S. 118; 93, S. 99. 776 Statt vieler Jarass, in: J / P, GG, Art. 19, Rn. 22 ff. 777 Vgl. Jarass, in: J / P, GG, Art. 19, Rn. 20. 778 So zu Recht Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 (2196). 779 Darauf weist zu Recht Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 (2197) hin; zustimmend Schenke, JZ 2005, S. 116 (125). 780 So das hat das BVerfG an anderer Stelle selbst diesen Anspruch bereits unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG hergeleitet, vgl. oben Fn. 775. Im Übrigen scheint auch bei einer Konstruktion des Justizgewährleistungsanspruchs über Art. 2 Abs. 1 GG die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG dafür zu sprechen, dass diese Ableitung nur gilt, soweit Art. 2 Abs. 1 GG

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Wird aber der Sache nach auf einen in Art. 103 Abs. 1 GG selbst liegenden Rechtsschutz abgestellt, so mag man einen solchen Rechtsschutz begrifflich verselbstständigen und dieser jedem subjektiven Recht zukommenden Gewährleistungsdimension einen eigenen Namen geben: Justizgewährleistungsanspruch. Man muss sich dabei allerdings im Klaren sein, dass man damit dem Grunde nach stets auf den in den Grundrechten liegenden Rechtsschutzanspruch abstellt. Im Übrigen erweist sich im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG im Gegensatz zu privatrechtlichen Streitigkeiten ein Rückgriff auf den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch als redundant. Lässt sich bei Privatrechtsstreitigkeiten aus subjektiven Privatrechten einfachgesetzlichen Rangs kein öffentlichrechtlicher Anspruch auf Rechtsschutz mit Verfassungsrang ableiten und bedarf es daher einer grundrechtlichen Umlenknorm, so ist dies im Falle des dem Öffentlichen Recht angehörenden und mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht notwendig. Auch aus diesem Gesichtspunkt heraus, scheint der Rekurs auf den Justizgewährleistungsanspruch für diesen Fall überflüssig.781 Der gesuchte Rechtsschutzanspruch bei judikativem Unrecht kann nur ein solcher aus den Grundrechten qua subjektive Rechte abgeleiteter sein. Ein Rückgriff bei Verneinung des Art. 19 Abs. 4 GG auf Rechtsschutzansprüche unmittelbar aus den Freiheitsgrundrechten findet sich im rechtswissenschaftlichen Schrifttum vor allem im Bereich des normativen Unrechts für den Fall der Nichterstreckung des Art. 19 Abs. 4 GG auf die Legislative.782 Die Konsequenz der vorliegenden Konstellation, eines in den Grundrechten selbst liegenden Rechtsschutzanspruchs und der Nichtanwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG, formuliert zutreffend Arndt: Man müsse, wenn man das Postulat gerichtlicher Durchsetzbarkeit in den Grundrechten selbst verankere, „konsequenterweise“, wenn Art. 19 Abs. 4 GG qua Auslegung ausgeschlossen sei, den Rechtsschutz unmittelbar aus dem Grundrecht selbst als gegeben erachten.783 Aber auch das BVerfG selbst sieht die Einzelgrundrechte unmittelbar hinter der Anwendung des Art. 19 Abs. 4 GG: „Sofern die normative Ausgestaltung einer gerichtlichen Verfahrensordnung die umfassende Nachprüfung des Verfahrensgegenstandes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht und eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung nicht auf Grund seiner Subsidiarität zurücktritt und insofern ggf. das jeweilige speziellere Einzelgrundrecht Grundlage des Rechtsschutzanspruchs ist. 781 Schenke, JZ 2005, S. 116 (125), vielmehr ergibt sich schon allein aus der subjektiven Rechtsqualität der Verfahrensrechte die Notwendigkeit eines Rechtsschutzverfahrens. 782 Vgl. ausf. Schenke, Rechtsschutz, S. 58 ff.; Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 411, dort insbes. Fn. 1172, der zwar grundsätzlich einen Rückgriff auf die Grundrechte für überflüssig hält, aber einräumt, es läge „partiell anders“, wenn man mit dem BVerfG entgegen der überwiegenden Literatur Art. 19 Abs. 4 GG nicht auf die Legislative erstreckt. Für diesen Fall will Cremer auf den sich aus den Grundrechten ergebenden Rechtsschutz zurückgreifen. Dann müsste die Argumentation von Cremer aber auch im Falle der Nichterstreckung auf die Judikative gelten. 783 Arndt, Praktikabilität, S. 110 f.

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gewährleistet, ist damit dem aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wie aus etwaigen materiellen Grundrechtsverbürgungen folgenden Schutzanspruch genügt“.784 Ist damit der Rechtsschutz bei judikativem Unrecht für jedes verletzte Einzelrecht gleich grundgelegt, so ist damit nur ein unverzichtbares Minimum gemeint. Im Weiteren wird zu untersuchen sein, welchen Inhalt diese verfassungsrechtliche Minimalgarantie hat. Da es sich hierbei um eine absolute Grenze handelt, welche zu unterschreiten verfassungsrechtlich nicht erlaubt ist, ist davon auszugehen, dass auch stärker geschützte Rechte den Schutz auch des „schwächsten“ Grundrechts aufweisen müssen und deshalb eine Zersplitterung eines derart begründeten Rechtsschutzes nicht zu befürchten ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass der abzuleitende Anspruch formeller Natur ist, also nicht von der inhaltlichen Reichweite des jeweiligen Einzelrechts abhängt. Vielmehr beruht bei allen Einzelrechten die Ableitung auf deren subjektiver Rechtsqualität. Diese unterscheidet sich aber nicht. Es gibt nur eine, stets gleich bleibende Erscheinungsform des subjektiven Rechts, welche sich nach der herrschenden Kombinationstheorie bestimmt und hinter welcher Art. 1 Abs. 1 GG steht. Welchen Inhalt dieses Recht hat, bestimmt gerade der „Wille“ des subjektiv Berechtigten, welche „Macht“ und vor allem, dass dieser Wille überhaupt normative Macht besitzt, bestimmt aber das Recht. b) Erscheinungsformen des Rechtsschutzes Betrachtet man die Erscheinungsformen der dem Willen verliehenen Macht, so kann die vom Recht vorgesehene Durchsetzungsmöglichkeit grundsätzlich nur in einem, zunächst weit zu fassenden, staatlich organisiertem Rechtsschutzverfahren liegen. Dies ergibt sich daraus, dass andere Reaktionsmöglichkeiten, welche das Recht kennt, um auf Rechtsverletzungen zu reagieren, als „Rechtsschutz“ ausgeschieden werden können. Systematisiert man die Rechtsmacht als Erzwingbarkeit kann sie nur staatliche oder nicht-staatliche Erzwingbarkeit bedeuten. Sie kann eine unmittelbare oder mittelbare Erzwingbarkeit sein. Tertium non datur. Können nicht-staatliche und mittelbare Erzwingungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden, so ergibt sich als Konsequenz, dass die gesuchte Rechtsmacht nur in einem staatlich organisierten Rechtsschutzverfahren liegen kann. aa) Ausschluss bestimmter Formen des Rechtsschutzes (1) Die Selbsthilfe In einem ersten Schritt können alle Formen privater Erzwingung ausgeschlossen werden. Als Kehrseite des staatlichen Gewaltmonopols und des staatlich gewährleisteten Rechtsschutzes scheidet die Selbsthilfe grundsätzlich aus. Es ist „ein zen784 BVerfGE 60, S. 253 (297), auch wenn soweit Art. 19 Abs. 4 GG reicht, dieser vorrangig ist, vgl. oben Fn. 771.

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traler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtige Durchsetzung von Rechtsansprüchen zwischen Privaten grundsätzlich zu verwehren“.785 Die Selbsthilfe ist daher nur ausnahmsweise anstatt, aber nicht außerhalb der staatlich vorgesehenen Durchsetzung von Rechten vorgesehen. Die Selbsthilfe wurde im Zusammenhang mit dem Rechtsmachtmoment des subjektiven Rechts seit jeher kritisch betrachtet.786 Überlässt man die Durchsetzung des Rechts dem subjektiv Berechtigten, so mag dieser bei der Beurteilung von Inhalt und Umfang seines Rechts unzutreffende Bewertungen vornehmen, da er in eigenen Angelegenheiten entscheidet. Die Rechtsverletzung ist daher „vor den Schranken des Gerichts“ zu beheben, da die an der Rechtsverletzung Beteiligten „anderer sich einmischenden Rücksichten wegen, keine Angemessenheit mit dem Spruch der reinen und strengen Gerechtigkeit enthalten“. 787 Des Weiteren weist die Selbsthilfe Nachteile gegenüber staatlich organisiertem Rechtsschutz auf, als sie dem Berechtigten das Risiko der tatsächlichen Durchführbarkeit des Rechtsschutzes aufbürdet. Der Berechtigte muss nicht immer der Stärkere sein.788 Gut zusammengefasst finden sich „alle Unvollkommenheiten, die der Selbsthilfe anhaften“ bei Kohler: „1. Der Staat kann sich die richtigere Erkenntnis verschaffen, als der Einzelne, der zudem häufig verblendet und in seinem Eigenwahn befangen ist; 2. der Staat ist immer der Stärkere, wenn es sich um die Überwindung des Einzelnen handelt und es kommt nicht mehr darauf an, welche Partei die kräftigere oder schwächere ist: der Staat reicht dem Schwächsten den Arm und überwindet den Mächtigsten, wenn er im Unrecht ist. 3. Der Staat ist frei von blinder Leidenschaft und kann sich vollkommen den Zwecken des Rechts widmen; während der Einzelne infolge seiner leidenschaftlichen Absichten hundertfach dem Rechte entgegen handelt, so wird der Staat in jedem Falle das Bestreben in sich tragen, das Recht und nur das Recht zu verwirklichen“.789 Aufgrund der Defizite, welche die Selbsthilfe aufweist, versteht schon die Pandektistik die durch das subjektive Recht BVerfGE 54, S. 277 (292). Vgl. schon Dig. 4, 12, 13. 787 Kant, MdS, Rechtslehre, 2. Teil, 1. Abschnitt, Anmerkung E.; vgl. auch ders., MdS, Anhang zur Einleitung in die Rechtslehre II.: „ . . . was jemand für sich selbst mit gutem Grunde für Recht erkennt, vor einem Gerichtshofe nicht Bestätigung finden und, was er selbst an sich als unrecht beurteilen muß, von ebendemselben Nachsicht erlangen kann“; vgl. auch Hegel, Grundlinien, § 219 [Hervorh. im Original]: „Das Recht . . . steht dem besonderen Wollen und Meinen vom Rechte selbstständig gegenüber . . . Erkenntnis und Verwirklichung des Rechts im besonderen Falle, ohne die subjektive Empfindung des besonderen Interesses, kommt einer öffentlichen Macht, dem Gerichte zu“; vom Gerichtszwang und Beschränkung legitimer Selbsthilfe geht auch Hobbes, Leviathan, 1. Teil, 15. Kapitel, aus (vgl. dort insbes. S. 119 [Hervorh. im Original]: „Denn das Gesetz, das den Frieden als das Ziel vorschreibt, schreibt Verhandlungen als Mittel dazu vor“, S. 120: „Und deshalb gehört zum natürlichen Gesetz, daß diejenigen, die sich in einem Streit befinden, ihr Recht dem Urteil eines Schiedsrichters unterwerfen sollen“). 788 Puchta, Cursus I, § 29 (S. 71). 789 Kohler, Rechtsphilosophie, S. 293. 785 786

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gewährte Rechtsmacht grundsätzlich als einen Rechtsschutz in einem staatlich organisierten Erzwingungsverfahren.790 Die Selbsthilfe ist in einem rechtsstaatlich geordneten Gemeinwesen grundsätzlich unzulässig und nur ausnahmsweise zugelassen.791 Sie vermag den staatlich gewährten Rechtsschutz nicht zu verdrängen. Sie steht nicht neben, sondern subsidiär hinter ihm. Dies zeigt sich daran, dass die gesetzgeberische Verneinung der staatlichen Durchsetzung eines Rechts grundsätzlich das Verbot an den Berechtigten einschließt, durch private Gewalt eine zwangsweise Durchsetzung des Rechts vorzunehmen. So darf etwa das Selbsthilferecht gem. § 229 BGB nur im Falle gerichtlich durchsetzbarer Ansprüche ausgeübt werden.792 Dies ergibt sich bereits aus der tatbestandlichen Umschreibung dieser Vorschrift, wo gefordert ist, dass „obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist“. Ist zur Durchsetzung eines Rechts kein staatlicher Rechtsschutz vorgesehen, so wird die obrigkeitliche Hilfe zu Recht verweigert und Selbsthilfe ist ausgeschlossen.793 Ist mit der Statuierung eines subjektiven Rechts in Form der Rechtsmacht, einer normativ vorgesehenen Erzwingungsmöglichkeit, nicht die Selbsthilfe erfasst, so auch nicht andere damit zusammenhängende Formen der nichtstaatlichen Durchsetzung eines Rechts. Wenn die Selbsthilfe aus den genannten Gründen ausgeschlossen ist, dann hat Gleiches auch für spezielle Ausprägungen der Selbsthilfe794 zu gelten. Aus denselben Gründen vermögen auch andere, mit der Selbsthilfe bzw. privater Rechtsdurchsetzung zusammenhängende Formen der Rechtsmacht die staatliche Erzwingungsmöglichkeit nicht aus ihrer zur Bestimmung der Rechtsmacht entscheidenden Position zu verdrängen.795 Zu nennen sind hier beispielsweise die Aufrechnung gem. §§ 387 ff. BGB, das Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB oder auch das oben796 bereits angesprochene Recht gem. § 1301 BGB.797 Diese Rechte sind bezeichnenderweise auch im Zivilrecht nie mit absoluten Beherrschungsrechten in Verbindung gebracht worden.798 790 Zumeist wurde die Erzwingung verengt auf die gerichtliche Verfolgbarkeit bzw. Klagbarkeit. Vgl. Puchta, Cursus I, § 29; Sintensis, Civilrecht I, § 28; Windscheid / Kipp, Pandekten I, §§ 122 f.; ebenso vertritt Wetzell, ein Schüler von Puchta, in seinem System, S. 2, der Anspruch auf „Wiederherstellung“ des verletzten Privatrechts sei als „ein gerichtlich, d. h. durch den Staat zu verwirklichender zu denken“. 791 Statt vieler Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 229, Rn. 1, Überbl v § 226, Rn. 1. 792 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 229, Rn. 2. 793 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 229, Rn. 4. 794 Z. B. für die Selbsthilferechte gem. §§ 561, 859, 910, 962 BGB. 795 Nicht überzeugend daher Herbst, Rechtsschutzanspruch, S. 264, 175 f., der zwischen gerichtlicher und außergerichtlicher Erzwingbarkeit unterscheidet und nur die letztere im subjektiven Recht verankert. Herbst beruft sich hierbei auf die Untersuchungen von Reichel, Jher. Jahrbuch 59 (1911), S. 409 ff.; ders., Jher. Jahrbuch 60 (1912), S. 38 ff.; Stech, ZZP 77 (1964), S. 161 ff.; zutreffend hiergegen sowie zur Irrelevanz außergerichtlichen Zwangs Roth, Organstreitigkeiten, S. 403 ff. 796 Vgl. dazu D.I.2.c)bb). 797 Hierauf beziehen sich die in Fn. 795 Genannten.

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Ebenfalls nicht mit dem Rechtsmachtmoment gleichgesetzt oder in Verbindung gebracht werden kann das in Art. 20 Abs. 4 GG gewährte Widerstandsrecht.799 Diese Vorschrift gewährt ein „Recht zum Widerstand“ gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Von einer „Beseitigung“ kann nicht bei kurzfristigen oder vereinzelten Verletzungen der Prinzipien des Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG ausgegangen werden. Daher gewährt dieses Recht gerade keinen Schutz gegen einzelne Maßnahmen staatlicher Hoheitsträger.800 Dies wäre jedoch für eine subjektivrechtliche Rechtsmacht erforderlich, da diese gerade die Reaktion auf eine bestimmte Rechtsverletzung sein soll.801 Im Übrigen stellt das Widerstandsrecht eine ultima ratio dar. Als Ausnahmeerscheinung erscheint es kaum geeignet, die gesuchte Rechtsmacht im Falle judikativen Unrechts zu sein. Im Übrigen müsste der Widerstandleistende zunächst mildere Mittel ergreifen, so dass das Widerstandsrecht ähnlich den oben dargestellten Selbsthilferechten durch andere Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschlossen würde. (2) Mittelbare Formen des Rechtsschutzes Keine taugliche Rechtsmacht bedeutet auch der Verweis auf andere Sanktionen judikativer Rechtsverletzungen als die subjektivrechtlich geforderten Sekundärrechte. So nennt Herbst für den Schutz subjektiver Rechte gegen den Richter neben den Rechtsmitteln als Durchsetzungsmöglichkeit die Strafandrohung des § 336 StGB aF (§ 339 StGB) sowie die Möglichkeit des Schadensersatzes im Wege der Amtshaftung gem. § 839 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.802 Dies überzeugt nicht. Der Straftatbestand der Rechtsbeugung als Sanktion einer richterlichen Rechtsverletzung genügt nicht der mit dem subjektiven Recht statuierten Rechtsmacht. Geschütztes Rechtsgut des § 339 StGB ist die Rechtspflege.803 Dem Schutz von Schenke, Rechtsschutz, S. 78. Vgl. Schenke, Rechtsschutz, S. 78 Fn. 200. 800 Jarass, in: J / P, GG, Art. 20, Rn. 86. 801 Vgl. E.II. 802 Herbst, Rechtsschutzanspruch, S. 269 m. w. N. dort in Fn. 3; ebenso betont Papier, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 153, Rn. 23 ff., für den Justizgewährleistungsanspruch, dieser sei ein „individuelles Recht, das der zwangsweisen Durchsetzung durch den Rechtsschutzsuchenden fähig ist“. Als Mittel hierzu nennt er neben den prozessualen Rechtsbehelfen ebenfalls Amtshaftung und den Straftatbestand der Rechtsbeugung. Daneben verweist er, Rn. 24, auf die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch kein tauglicher Rechtsschutz, da sie nur bei Grundrechten, nicht bei sonstigen subjektiven Rechten einschlägig ist. Selbst bei Grundrechtsverletzungen bietet sie aufgrund der Beschränkung der Überprüfung auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts nur unzureichend Rechtsschutz. Ähnliches gilt für die Möglichkeit der Menschenrechtsbeschwerde. Diese bietet gem. Art. 13 EMRK die Möglichkeit, die „in dieser Konvention anerkannten Rechten oder Freiheiten“ geltend zu machen. Sonstige subjektive Rechte blieben unberücksichtigt. Zur Dienstaufsichtsbeschwerde, vgl. unten im Text bei Fn. 812. 798 799

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Individualrechtsgütern dient diese Vorschrift nur mittelbar. Dementsprechend hängt die strafrechtliche Verfolgung auch nicht vom Willen des subjektiv Berechtigten in dem Sinne ab, dass nur dann, wenn dieser die Sanktion will, diese auch eintritt.804 Insofern liegt keine „Willensmacht“ des subjektiv Berechtigten vor. Dem subjektiven Recht genügen nur subjektivrechtlich organisierte Erscheinungsformen der Rechtsmacht.805 Des Weiteren würde durch § 339 StGB nur schuldhaftes Richterhandeln sanktioniert, das subjektive Recht erfordert jedoch in Gestalt sekundärer Hilfsrechte einen Schutz gegen jedwede Beeinträchtigung.806 Die Amtshaftung kann zwar als Tertiärrecht grundsätzlich in Bezug zum subjektiven Recht gesetzt werden.807 Die konkrete Ausgestaltung der Amtshaftung mit ihrer Sanktionierung staatlicher Innenpflichten steht jedoch auf einer anderen Basis als eine aus dem subjektiven Recht begründete Tertiärhaftung, welche als Sanktion der dem subjektiven Recht korrespondieren Pflichten begründet sein müsste. Stellt man somit einen Bezug zwischen subjektivem Recht und Amtshaftung her, so negierte man schlichtweg die Positivierung, welche die Amtshaftung in Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB gefunden hat.808 Im Übrigen ließe sich die Amtshaftung nicht mit der gleichen Notwendigkeit wie die Sekundärhaftung herleiten. Der durch die sekundären Hilfsrechte bewirkte Schutz macht, soweit er reicht, einen Schutz durch Tertiärrechte entbehrlich. Eine Herleitung des Tertiärrechts als teleologisch gebotener Schutz des Primärrechts käme folglich nicht in Betracht.809 Davon abgesehen würde durch die Möglichkeit, einen Amtshaftungsanspruch geltend zu machen, das subjektive Primärrecht bzw. im Verletzungsfall, die durch das subjektive Recht gebotene Beseitigungspflicht, nicht durchsetzbar, da die bereits getroffene richterliche Entscheidung nicht in Frage gestellt werden könnte.810 Es läge noch nicht einmal eine mittelbare Möglichkeit zur Durchsetzung vor, da der Amtshaftungsanspruch im Falle richterlicher Tröndle / Fischer, StGB, § 339, Rn. 2. Vgl. dazu oben Fn. 438. 805 Vgl. oben bei D.I.2.c)bb). 806 s. oben E.II.1.b)aa) und E.II.3. 807 Zum Begriff des Tertiärrechts oben Fn. 305. Den subjektivrechtlichen Bezug stellt Grzeszick, Rechte und Ansprüche, passim, her. 808 Deswegen ist die These von Grzeszick (Fn. 807), als rechtsdogmatische verstanden nicht überzeugend, denn Grundlage und Grenze der Dogmatik ist das geltende Recht, vgl. oben D.I.2.b)bb) und Fn. 374. Ebenso kritisch gegenüber Grzeszick ist Reiling, Individuelle Rechte, S. 493 Fn. 419. 809 Hier zeigt sich gerade die eigenständige Bedeutung der Positivierung der Amtshaftung in Art. 34 GG. 810 Vgl. schon Gönner, Handbuch, S. 9: „Abgewendet soll sie werden, die Rechtsverletzung“, wozu eine Instanz notwendig ist, worunter nach Gönner, S. 11, die „Prüfung der Legalität des richterlichen Verfahrens“ zu verstehen ist. „Es ist demnach keine Instanz, wenn der Verletzte gegen den schuldbaren oder dolosen Richter eine Entschädigungsklage . . . anstellt“, vgl. Gönner, S. 9. 803 804

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Entscheidungen gem. § 839 Abs. 2 S. 1 BGB ausgeschlossen ist. In diesem Tertiärrecht könnte weder eine „wertmäßige“ Rechtsmacht gesehen werden, als sie einen Ausgleich in Geld für die subjektive Rechtsverletzung brächte, noch eine irgendwie geartete Form mittelbarer Durchsetzbarkeit, als sie durch einen potentiellen finanziellen Nachteil für den Staat einen Anreiz zur vorherigen Beseitigung der Rechtsverletzung schaffte.811 Nicht zuletzt gilt für die Amtshaftung dasselbe wie für die Sanktionierung subjektiver Rechtsverletzungen durch Straftatbestände: jede verschuldensabhängige Fehlerfolge bietet einen nur einen lückenhaften Schutz im Falle einer subjektiven Rechtsverletzung, da bei einer nicht schuldhaften Verletzung eine Sanktion ausbleibt. Alle verschuldensabhängigen Sanktionen stellen daher alleine keine taugliche Rechtsmacht dar. Kein geeigneter Rechtsschutz liegt auch in dienstrechtlichen oder disziplinarrechtlichen Maßnahmen, welche auf Anregung des in seinen Rechten verletzten Verfahrensbeteiligten grundsätzlich in Betracht kommen.812 Die Anregung ist nicht bindend und somit stehen die dadurch ausgelösten Sanktionen richterlicher Pflichtverletzungen nicht im „Willen“ des Berechtigten und stellen keine dem Willen des Berechtigten gewährte „Macht“ dar. Auch aus weiteren Gründen wäre ein im Rahmen der Dienstaufsicht gem. § 26 DRiG erfolgender Rechtsschutz ungenügend. Zum einen ist er stark eingeschränkt, weil er die richterliche Unabhängigkeit zu beachten hat (vgl. § 26 Abs. 1 DRiG). Des Weiteren ermöglicht er nicht die Aufhebung oder Änderung einer gerichtlichen Entscheidung, sondern vielmehr im Wesentlichen nur präventiven Schutz durch Vorhaltungen und Ermahnungen, zukünftiges Fehlverhalten zu unterlassen, vgl. § 26 Abs. 2 DRiG. Bei disziplinarrechtlichen Maßnahmen gem. §§ 38 – 43, 46, 61 – 64, 83 DRiG kommt neben dem bereits Erwähnten hinzu, dass diese nur bei Dienstvergehen, also schuldhaften Pflichtverletzungen in Betracht kommen. Ähnlich wie bei straf- oder schadensersatzrechtlichen Sanktionen blieben wegen des Verschuldenserfordernisses unverschuldete Rechtsverletzungen außen vor. In diesen Fällen würde kein Rechtsschutz gewährt. Ein staatliches Rechtsschutzverfahren für den Fall der Rechtsverletzung nicht auszuschließen vermögen auch die anderen Reaktionsmöglichkeiten, welche das Recht kennt, um eine Rechtsverletzung zu sanktionieren. So führte auch eine grundsätzlich mögliche gesetzgeberische Anordnung der Nichtigkeit gerichtlicher Entscheidungen nicht zur Entbehrlichkeit eines staatlichen Rechtsschutzverfahrens, da zum einen auch nichtige Akte gewisse formale Rechtswirkungen hervorzubringen vermögen, die dann zu beseitigen wären, zum anderen es darüber 811 Im Übrigen ergibt sich aus der Notwendigkeit eines prinzipalen Rechtsschutzes, s. unten F.III.1.b)cc), dass der sog. „sekundäre Rechtsschutz“ über die Amtshaftung nicht ausreicht, weil hier nur inzident über die Rechtmäßigkeit, nicht einmal über die Wirksamkeit, des richterlichen Aktes befunden würde. 812 Auf diese Möglichkeit der „zwangsweisen Durchsetzung“ weist Papier, in: Isensse / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 153, Rn. 23, hin.

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hinaus möglich sein müsste, den durch diese ausgelösten Rechtsschein zu beseitigen.813 bb) Die Rechtsmacht als gerichtlicher Rechtsschutz Omnis determinatio est negatio. – Aufgrund des Ausschlusses anderer Erscheinungsformen des Rechtsschutzes in Form diverser rechtlicher Reaktionen, welche das Recht für den Fall einer Rechtsverletzung kennt, kann die durch das subjektive Recht gewährte Rechtsmacht nur in einem staatlich organisierten Rechtsschutzverfahren liegen.814 Positiv ergibt sich dies bereits daraus, dass alles Recht, folglich auch das subjektive Recht, sich gerade durch die staatliche Erzwingbarkeit auszeichnet.815 Inhalt und rechtstechnische Form dieses Rechtsschutzverfahrens sind mit dieser Bestimmung der Rechtsmacht freilich noch offen. Zum einen könnte Gegenstand dieses Rechtsschutzverfahrens die Feststellung des Bestehens des verletzten Rechts sein, das Verfahren könnte aber auch zur Durchsetzung des oben ermittelten Beseitigungsanspruchs dienen; die Rechtsverletzung könnte prinzipal oder inzident in dem Verfahren geltend gemacht werden. Zum anderen genügte dem Rechtsmachtmoment sowohl ein behördlicher oder als auch ein gerichtlicher Rechtsschutz.816 Im Falle judikativen Unrechts lässt sich jedoch Inhalt und Form des Rechtsschutzanspruchs näher präzisieren. Verfassungsrechtlich wird durch den materiellrechtlichen Beseitigungsanspruch der Rechtsschutz bei judikativem Unrecht inhaltlich näher bestimmt. Eine erste Konkretisierung des Rechtsschutzverfahrens kann nun dahingehend vorgenommen werden, dass es sich bei diesem Verfahren um ein gerichtliches Rechtsschutzverfahren handeln muss und insoweit behördliche Formen des Rechtsschutzes ausscheiden. Da im Falle judikativen Unrechts dem Beseiti813 Selbst bei nichtigen, sogar u.U. bei Nicht-Akten, stellt sich das Problem, die Fehlerhaftigkeit in einem Verfahren klären zu lassen, dazu bereits oben C.III.2. (vgl. dort insbes. auch Fn. 243) und Einleitung zu D.; zum Problem vgl. auch Schenke, Rechtsschutz, S. 79 f. 814 Ebenso Schenke, Rechtsschutz S. 78. 815 Dazu schon oben Fn. 433 sowie dort im Text. 816 Insofern wird dem Rechtsmachtmoment auch durch verwaltungsmäßigen Zwang Rechnung getragen, vgl. Schenke, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 290; ders., Rechtsschutz, S. 82; staatliches Gewaltmonopol und Selbsthilfeverbot der Bürger führen nicht zwangsläufig zur Notwendigkeit gerichtlichen Schutzes, vgl. BVerfGE 8, S. 174 (184). Zu weitgehend daher Westphal, Garantie, S. 50, die den gerichtlichen Rechtsschutz aus der subjektiven Rechtsqualität ableitet, wie auch Röhl, Rechtslehre, S. 363. Verschiedene Erscheinungsformen des Rechtsschutzes lassen sich bereits bei Aristoteles nachweisen. Dieser kennt neben dem gerichtlichen Rechtsschutz (allgemein zum gerichtlichen Rechtsschutz vgl. Aristoteles, N.E., 1132a 5 ff.) gegen Verwaltungshandeln (vgl. ders., Pol., 1300b 23), aber auch gegen richterliches und legislatives Handeln, auch Formen des behördlichen Rechtsschutzes, vgl. etwa Aristoteles, Pol., 1286b, 1289a 16, wonach die Regiereden gesetzlichen Übertretungen wehren sollen, ders., Pol., 1287a 21: die Regierenden als Wächter der Gesetze.

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gungsanspruch Rechnung getragen werden muss, muss im Rahmen des Rechtsschutzverfahrens eine bereits getroffene gerichtliche Entscheidung aufgehoben oder geändert werden. Der Erlass, die Änderung und Aufhebung gerichtlicher Entscheidungen ist als rechtsprechende Tätigkeit gem. Art. 92 GG der Judikative vorbehalten. Insoweit ergibt der Gedanke des actus contrarius, dass die im Rahmen des Rechtsschutzverfahrens bei judikativem Unrecht notwendige Aufhebung oder Änderung einer gerichtlichen Entscheidung ebenfalls rechtsprechende Tätigkeit ist.817 Dies erhärtet sich, wenn das Grundgesetz selbst die Überprüfung818 sowie die Änderung und Aufhebung richterlicher Entscheidungen materiell als Rechtsprechung qualifiziert, vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG. Eine Wahrnehmung dieser Aufgaben durch Exekutive oder Legislative begegnete somit verfassungsrechtlichen Bedenken, da Art. 92 GG materielle Rechtsprechungsakte der Judikative vorbehält. Des Weiteren gibt der Gewaltenteilungsgrundsatz mit seinem Gedanken der gegenseitigen Kontrolle der Staatsgewalten vor, dass, damit die gegenseitige Kontrolle Wirksamkeit erlangen kann, die einzelnen Staatsgewalten gegenseitig die von ihnen erlassenen Staatsakte anerkennen und als rechtsgültig behandeln.819 So sind beispielsweise Exekutive und Judikative an die von der Legislative erlassenen Gesetze sowie die Verfassung gebunden, vgl. Art. 20 Abs. 3, 97, 100 GG, die Judikative an Entscheidungen der Verwaltung.820 Die grundgesetzliche Gewaltenteilung wäre nun bedenklich in Frage gestellt, überantwortete man die im Falle des judikativen Unrechts durch den Beseitigungsanspruch gebotene Einwirkung auf eine bereits getroffene gerichtliche Entscheidung einer anderen Gewalt als der Judikative. So sind denn auch Durchbrechungen des Gewaltenteilungsgrundsatzes im Falle judikativen Unrechts eng begrenzte Ausnahmeerscheinungen, welche nur durch besondere sachliche Gründe zu rechtfertigen sind, z. B. im Falle der Notwendigkeit legislativen Tätigwerdens aufgrund der großen Zahl der von einem judikativen Rechtsverstoß betroffenen Urteile oder der Schwere des Rechtsverstoßes.821 Gerichtliche Entscheidungen können etwa auch durch den Gesetzgeber aufgehoben werden.822 Der dadurch bewirkte Rechtsschutz ist aber kein dem Rechtsmacht817 Hinzu kommt, dass auch die Erfüllung der anderen materiellrechtlichen staatlichen Verpflichtungen im Falle judikativen Unrechts der Rechtsprechung vorbehalten ist. So muss im Falle der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG eine Heilung der unterbliebenen Anhörung durch Nachholung erfolgen. 818 Rechtsanwendungsakte der rechtsprechenden Gewalt sind nur durch Organe derselben Gewalt überprüfbar, Stern, Staatsrecht II, S. 896. 819 Zum Problem schon oben C.II.1. 820 Zur Bindung der Gerichte an Verwaltungsentscheidungen BVerfGE 75, S. 329 (346 ff.); zur Beschränkung der Gerichte auf bloße Rechtskontrolle BVerwGE 72, S. 300 (317); 76, S. 90 (93). 821 BVerfG, 2 BvR 486 / 05 vom 8. 3. 2006, Abs. 74 – 75, abrufbar unter http: //www. bverfg.de.

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moment genügender Rechtsschutz, da der Gesetzgeber nicht über den einzelnen Fall und insbesondere nicht über das Vorliegen einer konkreten Rechtsverletzung entscheiden kann. Im NS-AufhG ist zwar in § 3 für den Einzelfall ein Feststellungsantrag an die Staatsanwaltschaft vorgesehen. Die durch diese getroffene Feststellung ist allerdings im Verhältnis zu der bereits durch das Gesetz in dessen § 1 ausgesprochenen Aufhebung nur deklaratorisch. Die eigentliche Aufhebung nimmt der Gesetzgeber vor,823 was, wie bereits angesprochen, im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz nicht unbedenklich ist oder doch zumindest eine Ausnahmeerscheinung zu bleiben hat und somit nicht als generelle Lösung im Falle judikativen Unrechts in Betracht kommt.824 Eine Einwirkung der Exekutive auf den Bestand gerichtlicher Entscheidungen verbietet sich ebenfalls, wenn sich auch dafür scheinbar nur historische Beispiele finden lassen. Man denke nur an den bekannten Fall des Müllers Arnold und den „Machtspruch“ des preußischen Regenten Friedrich II., welcher letzten Endes selbst eine Kassation des Urteils gegen den Müller Arnold vornahm.825 Vordergründig nicht hierher gehört das Begnadigungsrecht des Bundespräsidenten gem. Art. 60 Abs. 2 GG.826 „Das Begnadigungsrecht, wie es das Grundgesetz in Art. 60 Abs. 2 kennt, besteht in der Befugnis, im Einzelfall eine rechtskräftig erkannte Strafe ganz oder teilweise zu erlassen, sie umzuwandeln oder ihre Vollstreckung auszusetzen“.827 Der Bundespräsident modifiziert hierbei als Teil der Exekutive die rechtlichen Folgen einer richterlichen Entscheidung, wenn er auch ihren Bestand unangetastet lässt.828 „Die Begnadigung ist die Erlassung der Strafe, die aber das Recht nicht aufhebt. Dieses bleibt vielmehr, und der Begnadigte ist nach wie 822 Vgl. z. B. das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG) v. 25. 8. 1998 (BGBl. I 1998, S. 2501), geändert durch Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege v. 23. 7. 2002 (BGBl. I 2002, S. 2714). 823 BVerfG, 2 BvR 486 / 05 vom 8. 3. 2006, Abs. 41, abrufbar unter http: //www.bverfg. de. 824 Vgl. auch BT-Drs. 14 / 8276, S. 5; ebenso BVerfG, 2 BvR 486 / 05 vom 8. 3. 2006, Abs. 74, abrufbar unter http: //www.bverfg.de. 825 Vgl. zu diesen Vorgängen Diesselhorst, Die Prozesse des Müllers Arnold und das Eingreifen Friedrichs des Großen, passim, insb. S. 51 ff.; vgl. zum „Machtspruch“ Friedrich II. auch Hegel, Grundlinien, § 295, wobei sich die Befürwortung des Machtspruchs im Falle Hegels bezeichnenderweise aus seiner Auffassung zur Gewaltenteilung erklärt, welche nicht zwischen Exekutive und Judikative trennt, dazu Fn. 709. Damit spielt auch nach Hegel die Gewaltenteilung, freilich in einer gegenteiligen Weise, im Falle der Behebung des judikativen Unrechts eine maßgebliche Rolle. 826 Frühere Zeiten kannten neben dem Recht des Regenten, zu abolieren, bei zivilgerichtlichen Urteilen die Möglichkeit, ein Moratorium zu gewähren, vgl. dazu Gerber, Grundzüge des Staatsrechts, S. 180 f. Diese Möglichkeit wurde durch § 14 des Reichsgesetzes betreffend die Einführung der Civilprocessordnung v. 30. Januar 1877 aufgehoben. 827 BVerfGE 25, S. 352 (358). 828 Die gerichtliche Entscheidung als solche bleibt bestehen, vgl. Herzog, in: M / D, GG, Art. 60, Rn. 26.

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vor ein Verbrecher; die Gnade spricht nicht aus, daß er kein Verbrechen begangen habe“.829 Werden auch nur die Folgen einer richterlichen Entscheidung modifiziert, genügt schon dieser Umstand, um Bedenken zu begründen. So weist das BVerfG zu Recht darauf hin, dass im Falle des Begnadigungsrechts die Möglichkeit bestehe, eine im Rechtsweg zustande gekommene und im Rechtsweg nicht mehr änderbare Entscheidung auf „anderem“, „besonderem“ Wege zu korrigieren.830 Es betont, dass hierbei ein Übergriff der Exekutive in die rechtsprechende Gewalt vorliege, welcher zwar dem Gewaltenteilungsgrundsatz fremd sei, aber sich aus der Übernahme dieses Instituts in seinem historisch überlieferten Sinn durch das Grundgesetz rechtfertigen lasse.831 Eine Rechtfertigung ist jedoch nicht unproblematisch, wenn man bedenkt, dass es in diesen Fällen ggf. noch nicht einmal zu einer mittelbaren Kontrolle durch die Judikative kommt. So wird etwa die gerichtliche Überprüfbarkeit von Gnadenentscheidungen durch das BVerfG abgelehnt.832 Selbst wenn man all diese Bedenken einmal beiseite ließe, käme das Begnadigungsrecht als Rechtsschutzverfahren nicht in Frage, da es nur einen kleinen Teilausschnitt möglichen judikativen Unrechts erfasst. Damit bestünde der über ein Begnadigungsrecht gewährte Rechtsschutz nur für „eine rechtskräftig erkannte Strafe“833, nicht aber hinsichtlich anderer gerichtlicher Entscheidungen. Mag auch die Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatzes im Einzelfall zu rechtfertigen sein, so gilt im Falle judikativen Unrechts für exekutives wie für legislatives Handeln gleichermaßen: Damit die damit verbundenen Durchbrechungen des Gewaltenteilungsgrundsatzes Ausnahmen bleiben, kann der bei der Kontrolle richterlicher Rechtsverletzungen erforderliche Rechtsschutz nur durch die Judikative selbst erfolgen.834 cc) Der Rechtsschutz als prinzipale Rügemöglichkeit Neben der Bestimmung des Rechtsschutzes als gerichtliches Rechtsschutzverfahren lässt sich noch eine weitere Konkretisierung des gebotenen Rechtsschutzes vornehmen. Ohne die Heranziehung weiterer Kriterien ist das Rechtsschutzverfahren an sich amorph. Es erfordert nur irgendeine, jedoch keine bestimmte Form von Rechtsschutz. Das Rechtsmachtmoment des subjektiven Rechts enthält ähnlich wie seine partielle Positivierung in Art. 19 Abs. 4 GG zwar ein kategorisches Gebot des „Ob“ des Rechtsschutzes. Ihm sind aber keine näheren Bestimmungen 829 830 831 832 833 834

Hegel, Grundlinien, § 282. BVerfGE 25, S. 352 (358). BVerfGE 25, S. 352 (361). Kritisch dazu m. w. N. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 90. Fn. 827. So auch Schenke, JZ 2005, S. 116 (125).

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hinsichtlich des „Wie“ des gebotenen Rechtsschutzes zu entnehmen. Insbesondere fordert der gebotene Rechtsschutz nicht zwingend, dass die eingetretene Rechtsverletzung als solche zum Gegenstand des Rechtsschutzverfahrens gemacht wird.835 Vielmehr genügt dem Rechtsschutz im Falle der Nichtigkeit eines Hoheitsakts auch die dadurch eingeräumte inzidente Rügemöglichkeit.836 Dies gilt nun grundsätzlich auch im Falle judikativen Unrechts. Wie aber unter C. festgestellt, hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen auch und gerade für den Fall ihrer Rechtswidrigkeit angeordnet. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Form des Rechtsschutzes zu berücksichtigen. Da aufgrund der grundsätzlichen Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen die Kassation oder Abänderung des jeweiligen Rechtsprechungsakts unumgänglich ist, kommt nur ein prinzipaler Rechtsschutz in Betracht.837 Die Einbeziehung des rechtsverletzenden Richterakts im Rahmen der einfachgesetzlichen Rechtsschutzmöglichkeiten wurde bereits oben unter E.III.2. dargelegt.

2. Rechtsschutz nur bei Verletzung formeller subjektiver Rechte Nachdem festgestellt wurde, dass der Rechtsschutz bei judikativem Unrecht seine Grundlage in den gegen die Judikative gewährten subjektiven Rechten selbst finden muss, reicht ein solcher Rechtsschutz nur soweit, als es der Schutz dieser Rechte erfordert. Wie unter D. gezeigt ist die Herleitung des hierbei gebotenen Schutzes stets teleologisch zu begründen. Der Schutz von Rechten durch flankieSchenke, Rechtsschutz, S. 159. So im Falle von Normen, dazu Schenke, Rechtsschutz, S. 159 ff. 837 Zu diesem Zusammenhang von Wirksamkeit und prinzipaler Rügemöglichkeit vgl. Schenke, Rechtsschutz, S. 159; s. auch oben C.III. und Einleitung zu D. Dies ergibt sich im Übrigen daraus, dass der Gesetzgeber hinsichtlich judikativer Rechtsverletzungen in Gestalt der Rechtsmittel prinzipale Rügemöglichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen wie Form-, Frist- und Kostenerfordernissen geregelt hat. Bei Zulassung eines inzidenten Rechtsschutzes in diesen Fällen würden diese einschränkenden Voraussetzungen bedenklich in Frage gestellt. Zudem implizierte ein inzidenter Rechtsschutz gegen Judikate die Unwirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen. Dem widerspricht die unter C. festgestellte grundsätzliche Wirksamkeit. Selbst wenn man unterstellt, dass der Gesetzgeber von dem ihm bei der Bestimmung der Wirksamkeit zustehenden Sanktionierungsspielraum dahingehend Gebrauch machen würde, dass er die grundsätzliche Unwirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen im Falle der Rechtswidrigkeit anordnete, so wäre dies, und damit zusammenhängend der damit angeordnete grundsätzlich inzidente Rechtsschutz, mit Blick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz problematisch, dazu schon oben C.II.1. Inzidenter Rechtsschutz kommt folglich bei judikativem Unrecht nur ausnahmsweise als verfassungsrechtlich zulässig in Betracht. Es sind dies die Fälle von Nicht-Urteilen oder auch nichtigen Urteilen bzw. Scheinurteilen, wenngleich in letzterem Fall bereits prinzipale Rügemöglichkeiten gewährt werden, vgl. dazu oben Fn. 243. 835 836

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rende Hilfsrechte im Verletzungsfall ist grundsätzlich sowohl bei materiellen wie auch formellen subjektiven Rechten gefordert. Art. 1 Abs. 3 GG ist insoweit keine Differenzierung zu entnehmen. Dennoch besteht, soweit es um das formelle Recht auf Rechtsschutz geht, ein Unterschied. Aus der subjektiven Rechtsqualität folgt ein Anspruch auf Rechtsschutz. Dieser Anspruch ist jedoch nur auf ein unabdingbares Minimum gerichtet. So betont auch das BVerfG, dass aus der Ableitung von Rechtsschutz aus materiellen Grundrechten sich nur „rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse hinreichenden Rechtsschutzes“838 ergeben können. Alles andere würde auch auf eine Überdehnung der Verfassung hinauslaufen. Es obliegt dem Gesetzgeber, den Anspruch auf Rechtsschutz auszugestalten. Die aus der subjektiven Rechtsqualität abzuleitende Minimalgarantie fordert zumindest eine einmalige Rechtsschutzmöglichkeit. Ansonsten wäre überhaupt kein Rechtsschutz gegeben und insofern der Anspruch auf Rechtsschutz gänzlich unerfüllt. Man könnte dann sinnvollerweise nicht von einem Anspruch auf Rechtsschutz reden, wenn es keinerlei Rechtsschutz gibt. Dies gilt auch für den vorliegend zu erfüllenden Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz. Das BVerfG betont daher zu Recht, es reiche „grundsätzlich aus, ist in einem Rechtsstaat aber auch als Minimum zu sichern, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zu Einholung einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder ob mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können“.839 a) Kein Rechtsschutz bei materiellen subjektiven Rechten Bei allen materiellen subjektiven Rechten verhält es sich nun so, dass diesem Grundsatz der einmaligen Kontrolle stets durch das Verfahren, in welchem die judikative Rechtsverletzung vorgenommen wurde, bereits Rechung getragen ist. Denn materielle subjektive Rechte richten sich als Verhaltensnorm zunächst immer an einen anderen als den Richter. Das judikative Unrecht ist in diesem Fall nur im Rahmen des Rechtsschutzes gegen die von einem andern als dem Richter begangene Rechtsverletzung denkbar. Der Rechtsschutz gegen diese Rechtsverletzung, sofern er fehlerfrei ist, ist zugleich der geforderte Rechtsschutz gegen den Richter.840 Eine nochmalige Kontrolle lässt sich folglich der subjektiven Rechtsqualität, aus welcher nur der Anspruch auf mindestens eine einmalige Rechtsschutzmöglichkeit abzuleiten ist, nicht entnehmen. „Die Garantie einer einmaligen gerichtBVerfGE 60, S. 253 (298). BVerfGE 107, S. 395 (402) = NJW 2003, S. 1924. 840 Dazu in Bezug auf Art. 19 Abs. 4 GG, vgl. Schenke, JZ 2005, S. 116 (120 ff.). Danach ergibt sich aus dem Anspruch auf Rechtsschutz in Bezug auf die Exekutive zugleich Rechtsschutz gegen die Judikative. 838 839

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lichen Entscheidung über ein behauptetes Recht zielt darauf ab, Konflikte um eine mögliche Rechtsverletzung einer Prüfung und einer bestandskräftigen Entscheidung zuzuführen. Weiter reicht diese Garantie nicht. Verfassungsrechtlich ist es nicht geboten, auch den Akt der gerichtlichen Überprüfung selbst daraufhin kontrollieren zu können, ob in ihm die für den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Rechtsnormen nunmehr vom Gericht verletzt wurden. Im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens nimmt das verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsschutzsystem bei der Überprüfung eines Verhaltens ein verbleibendes Risiko falscher Rechtsanwendung durch das Gericht in Kauf“.841 Neben der richterlichen Rechtsverletzung besteht stets vorprozessual eine andere Rechtsverletzung. Den Verletzungen des Richters kommt im Verhältnis dazu keine eigenständige Bedeutung zu, so dass der Schutz gegen die vorprozessuale Verletzung teleologisch ausreicht. Verklagt etwa der A den B auf Zahlung des Kaufpreises, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hat der A „wirklich“ materiellrechtlich einen Anspruch oder aber er hat keinen. Wenn er einen hat, dann liegt die Verletzung dieses Rechts in der Nichtzahlung durch B. Spricht der Richter in diesem Fall dem A den Anspruch zu, verletzt er das Recht nicht, erkennt er ihn ab, so begeht er im Verhältnis zu der Rechtsverletzung durch B zwar eine eigene Rechtsverletzung gegenüber A, welche jedoch nicht ins Gewicht fällt. Auch ohne die Rechtsverletzung des Richters hat B nicht gezahlt. Schließlich richtet sich das materielle Recht immer gegen einen anderen als den Richter. Der Richter muss im Beispielsfall ja nicht den Kaufpreis zahlen. Nur der Rechtsschutz gegenüber B hilft dem A insoweit weiter, weil es ja der B ist, der zahlen soll. Bietet dieses Rechtsschutzverfahren gegen B eine normative Durchsetzungsmöglichkeit, dass B den Kaufpreis zahlt, so ist dem Recht des A Genüge getan. Das angesprochene Rechtsschutzverfahren ist jedoch bereits der vom Richter gewährte Rechtsschutz. Hier entstehende Fehler nimmt das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem in Kauf und dies ist „nicht zuletzt deshalb hinnehmbar, weil durch institutionelle Vorkehrungen und entsprechende Verfahrensvorgaben Sorge dafür getragen worden ist, dass Rechtsanwendungsfehler möglichst unterbleiben. Die Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) soll sichern, dass die Gerichte ihre Entscheidung allein an Gesetz und Recht ausrichten. Die Verfahrensgrundrechte, insbesondere Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG, sollen gewährleisten, dass die richterliche Entscheidung willkürfrei durch eine nach objektiven Kriterien bestimmte Instanz auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage und auf Grund einer unvoreingenommenen rechtlichen Würdigung unter Einbeziehung des Vortrags der Parteien ergeht. Überprüfen die unabhängigen Gerichte in diesem Rahmen einen Vorgang auf rechtliche Fehler und begehen sie dabei keinen neuen eigenständigen Verstoß gegen die grundgesetzlichen Verfahrensgarantien, ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, wenn die gerichtliche Entscheidung nicht mehr durch eine weitere Instanz auf Fehler hin überprüft werden kann“.842 841

BVerfGE 107, S. 395 (402) = NJW 2003, S. 1924.

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

Hat der A im zweiten der denkbaren Fälle in „Wirklichkeit“ keinen Anspruch, gibt es wieder zwei Möglichkeiten. Entweder der Richter weist die Klage, mit welcher der nicht bestehende Anspruch geltend gemacht wurde, ab. Dann aber hat er keine Rechtsverletzung begangen. Oder aber er erkennt dem A einen Anspruch zu, den dieser gegenüber B nicht hat. Die Rechtsverletzung des B wäre jedoch in diesem Fall nicht eingetreten, wenn A nicht geklagt hätte und ist also eine solche des A. Auch muss er den zuerkannten Geldbetrag an A, nicht an den Richter zahlen. Der Rechtsschutz, welcher hier geboten ist, muss sich wiederum nicht gegen den Richter, sondern gegen den anderen Verfahrensbeteiligten richten. Die gleichen Beispiele ließen sich durchspielen im Bürger-Staat-Verhältnis. So greift beim rechtswidrigen Erlass eines Verwaltungsakts nicht der Richter, sondern die Verwaltung in Rechte des Bürgers ein, Art. 2 Abs. 1 GG. Bestätigt der Richter rechtswidrig diese Rechtsverletzung, indem er eine Anfechtungsklage zu Unrecht zurückweist, dann perpetuiert er nur die bereits vorliegende Rechtverletzung usw., begeht aber keinen „neuen eigenständigen Verstoß“.843, 844 Es ist der Unterschied zwischen Handlungs- und Entscheidungsnorm, welcher den vorgenannten Überlegungen zu Grunde liegt. Das materielle Recht ist für den Richter Prüfungsmaßstab zur Beurteilung des Rechtsstreits, Art. 97 Abs. 1 GG. Es auferlegt ihm keine Handlungspflicht. Diese bestehen vielmehr zwischen den Verfahrensbeteiligten. Dort ist der Rechtsschutz zu bewirken. Die verschiedenen rechtlichen Relationen der an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten und ihre Würdigung im Rahmen von Rechtsverletzungen unterscheidet schon Gönner: „Die oberste Einteilung aller Rechtsmittel muss daher vorgenommen werden, ob der Richter eine Verletzung zufügte, welche dem Gegner des verletzten Theils Rechte erwirbt, die man demselben durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzustreiten suchet, oder ob die Verletzung dem Gegner keine Rechte verleihet . . . Nur bey Verletzungen, welche aus dem Akte der richterlichen Reflexion hervorgehen, sind eigentliche Rechtsmittel möglich; denn nur dieses Reflectieren erzeugt eine Norm der Rechte unter den Parteien, über deren Rechtmäßigkeit der Verletzte mit dem Gegner streiten kann“.845 Anders liegt es nun bei Verletzung von Rechten, welche Handlungsanweisungen an den Richter enthalten, weil sie sich vornehmlich an diesen richten und nur durch ihn erfüllt werden können. Hierunter fallen alle Verfahrensrechte, insbesondere die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. So führt Gönner BVerfGE 107, S. 395 (402 f.) = NJW 2003, S. 1924 f. [Hervorh. vom Verf.]. Vgl. Fn. 842; ebenso Pache / Knauff, BayVBl. 2004, S. 385 (387); im Falle einer gerichtlichen Entscheidung über hoheitliches Handeln Dürig, in: M / D, GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 119 f. 844 Auch hier ist der geforderte Rechtsschutz der gegen die Verwaltung. Im Rahmen dessen wird auch Rechtsschutz gegen judikatives Unrecht, soweit richterliches Handeln sich als Teil des Rechtsschutzes gegen die Exekutive begreift, geleistet. Der gebotene Rechtsschutz bei materiellrechtlichen Rechtsverletzungen ist jedoch nur ein solcher gegenüber der Verwaltung, vgl. dazu Schenke, JZ 2005, S. 116 (120 ff.). 845 Gönner, Handbuch, S. 119, 122 [Hervorh. vom Verf.]. 842 843

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an der zitierten Stelle weiter aus: „Auch dieses Merkmal will ich durch ein Beispiel aufhellen. Wenn der Richter auf eine Klage gar nichts verfügt oder erklärt, dass er dem Kläger kein Gehör gebe . . . wo sollte ein Gegner seyn, der aus einer solchen Versagung . . . ein Recht erlangte?“846 In solchen Fällen kommt offenbar bei Rechtsverletzungen nur Rechtsschutz gegen den Richter in Betracht. Ansonsten ist das verletzte Gehörsrecht schutzlos gestellt. Nun kann man die Argumentation mit ihrer Anknüpfung an den Unterschied von Handlungs- und Entscheidungsnorm und die daraus abgeleiteten Folgerungen anzuzweifeln versuchen.847 Bei allen teleologischen Überlegungen zur Schutzbedürftigkeit darf nicht aus den Augen verloren werden, dass, was vorliegend auch nicht bestritten werden soll, trotzdem eine rechtswidrige richterliche Entscheidung vorliegt, welche in Rechte des Bürgers, zumindest das aus Art. 2 Abs. 1 GG, eingreifen könnte. Die Frage ist nur, welche Folgen diese Rechtsverletzung haben soll bzw. welche dogmatischen Konsequenzen man aus dieser zieht. Als maßgeblich hält Voßkuhle das Vorliegen der richterlichen Rechtsverletzung, indem er betont: „Diese Argumentation erscheint konsequent, wenn man die zur rechtlichen Würdigung des Falles herangezogenen Normen einmal als Handlungsnormen und einmal als Kontrollnormen begreift. Sie verliert aber den hoheitlichen Eingriffscharakter der richterlichen Entscheidung aus dem Blick. Stellt man diesen Gedanken in den Vordergrund, dann will es nicht recht einleuchten, warum der erstmalige Verstoß gegen Art. 103 I GG den Rechtsweg eröffnet, der erstmalige Verstoß gegen Art. 2 I und 3 I GG, durch eine inhaltlich fehlerhafte Rechtsanwendung (im Zivilprozess) dagegen nicht“.848 Wenn sich nun aus Art. 2 Abs. 1 GG bei jeder materiell rechtswidrigen Entscheidung ein Anspruch auf Beseitigung dieser Entscheidung ableiten lässt,849 welcher Gönner, Handbuch, S. 122. So Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 (2197). 848 Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 (2197); für eine Gleichbehandlung von materiellen Verstößen und Verfahrensverstößen auch Seidel, Außerordentliche Rechtsbehelfe, S. 189. 849 Materiellrechtlich besteht ein solcher Anspruch, wie unter E. gezeigt, da aufgrund der subjektiven Rechtsqualität Beseitigungsansprüche grundsätzlich bei allen subjektiven Rechten entstehen. Die Annahme eines solchen Anspruchs macht auch ohne zwingende, eigens und nur für diesen Verstoß geschaffene Durchsetzungsmöglichkeit einen Sinn. Wenn der Gesetzgeber zwar nicht gezwungen ist, zur Durchsetzung dieser Ansprüche ein Verfahren zur Verfügung zu stellen, er dies aber gleichwohl durch Zurverfügungstellen von Rechtsmitteln macht, dann hat er bei der Ausgestaltung der Rechtsmittel den inhaltlichen Vorgaben des Beseitigungsanspruchs Rechnung zu tragen. Ähnlich hat das BVerfG bei Art. 19 Abs. 4 GG angenommen, diese Vorschrift gewähre keinen Instanzenzug. Stellt der Gesetzgeber aber einen solchen zur Verfügung, dann ist dieser Rechtsweg und muss die Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG erfüllen, insoweit der dadurch zur Verfügung gestellte Rechtsschutz effektiv sein muss. Ähnlich muss der Gesetzgeber die Durchsetzbarkeit des Beseitigungsanspruchs im Falle der Verletzung materieller Rechte gegen den Richter nicht installieren. Dies ergibt sich, wie zu zeigen sein wird, daraus, dass bei Verletzung materieller Rechte der Rechtsschutz teleologisch nicht geboten ist und folglich nicht aus der subjektiven Rechtsqualität abgeleitet werden kann. Gewährt er trotzdem Rechtsschutz, muss er dem grundsätzlich auch in diesen 846 847

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

durchsetzbar wäre, so bedeutete die Anerkennung eines solchen Anspruchs, den Voßkuhle hier fordert, die Anerkennung eines Anspruchs auf eine richtige Entscheidung des Richters.850 Die Frage ist, ob man neben der objektivrechtlichen Verpflichtung des Richters aus Art. 97 GG, gemäß der Entscheidungsnorm, welche der Richter seiner Entscheidung zu Grunde legt, zu entscheiden, dogmatisch ein dieser Verhaltenspflicht des Richters korrelierendes subjektives Recht anerkennen will. Dabei gilt es, die folgenden Bedenken zu beachten. Ein solcher „materieller Rechtsschutzanspruch“ wird im Gegensatz zum formellen Justizgewährleistungsanspruch in der Prozessrechtswissenschaft, aber auch sonst einhellig abgelehnt.851, 852 Auch forderte ein solcher Anspruch, welcher seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 GG hätte, einen ihm eigenen Verletzungsbegriff. Der Richter bringt das Recht im Prozess erst hervor. Wie will man auf die „wirkliche“ Rechtslage rekurrieren? „Vor den Gerichten erhält das Recht die Bestimmung, ein erweisbares sein zu müssen“.853 Wenn also der A aus dem obigen Beispiel in „Wirklichkeit“ einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung hat, er diesen aber nicht in der vom Verfahrensrecht vorgeschriebenen Form geltend zu machen vermag und der Richter ihn nach dem Verfahrensrecht zu Recht aberkennt – liegt dann ein unrichtiges Urteil vor? Man kann die Richtigkeit eines Urteils nur nach Maßgabe des prozessualen und materiellen Rechts beurteilen.854 Geltend gemacht wird nicht eine einzelne materielle Rechtsnorm, sondern ein prozessualer Anspruch. In unseFällen bestehenden Beseitigungsanspruch Rechnung tragen, in dem das Rechtsschutzverfahren zur Beseitigung der Rechtsverletzung führen können muss. Im Falle eines Rechtsmittels hat der einzelne Verfahrensbeteiligte ja einen Anspruch auf eine Entscheidung, welche nicht das Gesetz verletzt (vgl. §§ 545 Abs. 1, 546 ZPO), bzw. welche „richtig“ ist (vgl. § 561 ZPO). Hiernach rechtfertigt sich dogmatisch die Annahme von materiellrechtlichen Beseitigungsansprüchen auch dann, wenn deren Durchsetzung verfassungsrechtlich nicht geboten ist, weil der einmaligen Durchsetzungsmöglichkeit schon Genüge getan ist im Rahmen des erstinstanzlich gegen die Rechtsverletzung eines Dritten gewährten Rechtsschutzes. Sie verleihen dem fakultativen Rechtsschutz inhaltliche Gestalt und treffen verfassungsrechtlich gebotene inhaltliche Anforderungen an den fakultativ gewährten einfachgesetzlichen Rechtsschutz. Auch ist die Annahme eines Beseitigungsanspruchs als materiellrechtliches Korrelat der Urteilsverfassungsbeschwerde unerlässlich. Ansonsten wäre die Verfassungsbeschwerde ähnlich der Feststellungsklage ein rein prozessuales Gebilde. 850 Von einem Anspruch darüber hinaus auf eine günstige Entscheidung soll gar nicht die Rede sein. 851 Vgl. Hartmann, in: B / L / A / H, ZPO, Grundz § 253, Rn. 2, 3; Detterbeck, AcP 192 (1992), S. 325 (333 f.) jeweils m. w. N. 852 Im Folgenden soll mit „Rechtsschutzanspruch“ in Abgrenzung zum Justizgewährleistungsanspruch immer der Anspruch gemeint sein, welcher dem Rechtsschutz inhaltliche Vorgaben macht. Wenngleich nicht zu verkennen ist, dass auch der Justizgewährleistungsanspruch mit seinem Gebot, „effektiven Rechtsschutz“ zu fordern, inhaltlich den Justizgewährleistungsanspruch anreichert. Dennoch besteht ein Unterschied zum „Rechtsschutzanspruch“, welcher insofern weiter geht, als er auf den Erlass einer bestimmten inhaltlich richtigen Entscheidung gerichtet ist. 853 Hegel, Grundlinien, § 222 [Hervorh. im Original]. 854 Dazu Braun, Restitution und Rechtskraft, Zweiter Teil, S. 32 f.

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rem Beispielsfall würde ein Rechtsschutzanspruch anders als der rein materiellrechtliche Anspruch aus dem Kaufvertrag neben den Voraussetzungen des § 433 Abs. 2 BGB auch voraussetzen, dass alle Sachurteils- und Rechtsschutzvoraussetzungen vorliegen. Nur über den prozessualen Anspruch entscheidet der Richter, nur auf diesen bezieht sich die Rechtskraft. Demgegenüber hat der Einzelne aber auf Grund seines Anspruchs auf Justizgewährleistung nur einen formellen Anspruch auf Tätigwerden des Richters, jedoch keinen materiellen Anspruch auf ein richtiges Urteil. Wenn er vor der Entscheidung des Richters keinen Anspruch auf eine inhaltlich richtige Entscheidung hat, wieso sollte er nach der Entscheidung einen solchen Anspruch haben? Wie kann über den als Sekundärrecht sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Beseitigungsanspruch die Verletzung eines Rechts sanktioniert werden, welches primärrechtlich in dieser Form gar nicht besteht? Die Annahme eines dementsprechenden primärrechtlichen Anspruchs (nicht der unstreitig aus Art. 97 GG bestehenden objektiven Pflicht des Richters) würde auf einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gegen den Richter hinauslaufen. Ein subjektives Recht auf die Anwendung des objektiven Rechts ist aber eine contradictio in adiecto. Im Zusammenhang mit der Drittwirkungsproblematik hat die Verletzung von Grundrechten durch einen richterlichen Akt spezifische Bedeutung erlangt, weswegen auch das obige Beispiel eines Zivilrechtsstreits ausgewählt wurde. Nur die Annahme eines Rechtsschutzanspruchs, welcher gerade ein Anspruch gegen den Richter auf eine richtige Entscheidung ist, könnte in diesen Fällen erklären, weswegen in jeder unrichtigen Entscheidung eines Gerichts zugleich eine materiellrechtliche Verletzung liegt. Wohl hat man ein subjektives Recht gegenüber dem jeweiligen Verfahrensgegner, aber besteht ein solches in gleichem Maße gegenüber dem Richter? Dies wäre notwendig, um von einer Durchsetzung dieses Rechts gegen den Richter reden zu können. „Ein Recht kann nur von dem verletzt werden, gegenüber dem es besteht. Wenn Zivilgerichte durch den Inhalt ihrer Urteile Grundrechte der Bürger verletzen können, dann muss es sich bei den verletzten Rechten um Rechte des Bürgers gegen den Staat handeln“.855 Ein Gericht, welches die obige Kaufpreisklage zu Unrecht abweist, verletzt nicht § 433 Abs. 2 BGB, sondern die Pflicht nach § 433 Abs. 2 BGB zu erkennen. Das Gericht ist „allenfalls Partei des Prozeßrechtsverhältnisses, . . . aber nicht des materiellen Rechtsverhältnisses, das es ordnet oder über das es entscheidet“.856 Die Frage ist nun, ob man dogmatisch ein dieser Pflicht, nach dem Gesetz zu entscheiden, korrelierendes subjektives Recht annehmen will. Das subjektive Recht gebietet grundsätzlich die Sanktionierung dieser Pflicht im Falle ihrer Verletzung. Es müsste sich bei Annahme eines dahingehenden Rechts also eine Sanktion oder Durchsetzungsmöglichkeit finden lassen. 855 856

Alexy, Theorie, S. 486. Bettermann, in: GS Jellinek, S. 361, 374.

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

Verletzt der Richter durch ein materielles Fehlurteil Art. 2 Abs. 1 GG, dann kann in diesen Fällen Urteilsverfassungsbeschwerde erhoben werden. Hiermit kann aber wegen der Beschränkung der Überprüfung durch das BVerfG auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts gerade nicht die Anwendung des einfachen Rechts auf seine Richtigkeit geprüft werden. Darüber hinaus hat der Richter bei der Anwendung bürgerlichrechtlicher Vorschriften die Grundrechte als Teil einer objektiven Werteordnung zu berücksichtigen – sprich als Prinzipien, nicht als Rechte. Dies zeigt, dass ein dahingehender Rechtsschutzanspruch nicht existiert, da er nicht erzwingbar ist. Es läge in der dogmatischen Konstruktion eines solchen Anspruchs eine nicht zu rechtfertigende Subjektivierung von Pflichten der Rechtsprechung. Es gibt für den „einzelnen weder ein Recht darauf, dass die Ergebnisse der Rechtsprechung in allen Hinsichten grundrechtsgemäß sind, noch ein Recht darauf, dass sie schlechthin richtig sind, sondern nur ein Recht darauf, dass den für seine Position sprechenden grundrechtlichen Prinzipien im gebotenen Maße Rechnung getragen wird“.857 Wenn man einen solchen Anspruch gegen den Richter annähme, welcher nur grundrechtlich fundiert sein könnte, so bedeutete dies, dass die Grundrechtsbindung des Richters auf das materiellrechtliche Verhältnis zwischen den streitenden Parteien zurückwirken müsste.858 Mit anderen Worten wäre das Ergebnis die Annahme einer zumindest der Sache nach unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Zivilrecht, welche allgemein abgelehnt wird. Um den Windscheidschen Gedanken aufzugreifen: dieser schloss von der actio auf das zu Grund liegende ius.859 Es besteht ein Gleichlauf zwischen actio und ius. Der soeben beschriebene Rechtsschutzanspruch, so man einen solchen annähme, entspräche der actio. Mit dieser actio würde in unserem obigen Beispiel Kaufpreisklage erhoben. Der Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB wäre das zu Grunde liegende ius. Beide, actio und ius, müsste nun inhaltlich deckungsgleich sein. Im Rahmen des Rechtsschutzanspruchs sind vom Richter die Grundrechte zu beachten, d. h. die Grundrechte wirken inhaltlich auf die actio ein. Dann macht es keinen Sinn, ein davon inhaltlich abweichendes materielles Recht anzunehmen, welches keiner Grundrechtsbindung unterliegt.860 Das materielle Recht, welches hier gemeint ist, ist aber das zwischen den Privatrechtssubjekten. Wenn die Grundrechte aber dann den Rechtsschutzanspruch und den damit gleichlaufenden mateAlexy, Theorie, S. 489. Überhaupt wirkte damit das öffentlichrechtliche Prozessrecht auf das privatrechtliche materielle Recht zurück, vgl. Henckel, Prozessrecht, S. 60: „Doch muß man fragen, ob man auf dem richtigen Weg ist, wenn man . . . gestützt auf den öffentlichrechtlichen Charakter des Prozesses, das materielle Privatrecht durch den Prozess verändert. Man begibt sich damit in die Gefahr, das materielle Privatrecht unter äußerer Aufrechterhaltung seines Normenbestandes auf dem Umweg über öffentlichrechtliche Gesichtspunkte zu verfälschen“. 859 Windscheid, Actio, S. 6. 860 Das Recht entfaltet seine vorprozessuale Steuerungsfunktion nur in der Form, in der es durchsetzbar ist. 857 858

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riellrechtlichen Anspruch bestimmen, dann müssten aber die Grundrechte auch materiellrechtlich im Privatrecht gelten. Der Schluss ist gezogen worden. So behauptet Leisner, dass „die Drittwirkung letzen Endes immer eine unmittelbare sein wird“.861 Konstruiert man die Drittwirkungsproblematik richtergerichtet über die Annahme eines Rechtsschutzanspruchs, welcher seine Grundlage in den Grundrechten, subsidiär immer in Art. 2 Abs. 1 GG findet, so ist das Ergebnis der Sache nach eine unmittelbare Drittwirkung.862 Zu Recht hat diese Konstruktion der Drittwirkung keine Gefolgschaft gefunden. Der solchermaßen grundrechtsgebundene Richter müsste im Zivilrechtsstreit die Grundrechte aller am Verfahren Beteiligten beachten und ggf. durch Abwägung zum Ausgleich bringen. Dies ist aber vorrangig eine legislatorische Aufgabe und daher unter den Aspekt der Gewaltenteilung problematisch. Ein auf die Grundrechte, zumindest auf Art. 2 Abs. 1 GG, gestützter materiellrechtlicher Rechtsschutzanspruch, welcher den Inhalt der richterlichen Entscheidung bestimmt, erweist sich folglich auch unter funktionellrechtlichen Gesichtspunkten als bedenklich. Ein Rechtsschutzanspruch, welcher zu einer Drittwirkung der Grundrechte über den Richter führt, ist daher abzulehnen. Ob die Drittwirkung in diesen Fällen formal eine unmittelbare wäre, kann dahin stehen. Jedenfalls wäre sie eine solche der Sache nach. Die Annahme eines von den Grundrechten unmittelbar nicht beeinflussten privatrechtlichen subjektiven Rechts erwiese sich als Fiktion, weil die Durchsetzung dieses Rechts immer grundrechtsgebunden wäre. Dies bliebe nicht ohne Vorwirkung auf das materielle Recht.863 Das durch das subjektive Recht verpflichtete andere Privatrechtssubjekt wäre sich bewusst, dass der private Anspruch nur in der grundrechtlich konformen Weise durchgesetzt werden kann, und würde die über den Rechtsschutzanspruch formulierbare Verhaltensnorm befolgen, nicht aber eine davon unabhängig als bestehend angenommene Verhaltensanforderung. Insofern ist der durch Windscheid aufgezeigte Rückschluss von der actio auf das materielle ius zutreffend. Beide dürfen nicht auseinander fallen. Die Annahme einer solchen unmittelbaren Drittwirkung bedeutete eine Destruktion des Zivilrechts und beseitigte die allgemein anerkannte kategoriale Scheidung von Zivilrecht und Öffentlichem Recht, wenn auch zugunsten des Letzteren. Sie kann im Ergebnis nicht richtig sein.864 Aufrechtzuerhalten ist dies nur unter der Prämisse, dass die dabei durch die richtergerichteten materiellen Grundrechte ausgelöste Wirkung nur eine solche der Grundrechte als Prinzipien ist, nicht aber als subjektive Rechte.865 Die Anerkennung eines solchen Rechtsschutzanspruchs in Leisner, Grundrechte und Privatrecht, S. 378. Alexy, Theorie, S. 491. 863 Vgl. nur Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 573, Rn. 23, dessen Kommentierung aus einer Aufzählung verfassungsrechtlicher Entscheidungen besteht und eingeleitet wird mit den Worten: „Die Praxis wird inzwischen weitghd von der Rspr. des BVerfG best.“. 864 Zu diesem Einwand Alexy, Theorie, S. 491 f. 861 862

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

Gestalt eines subjektiven Rechts gegen den Richter zernichtete das gleichfalls bestehende subjektive Privatrecht, indem es über die Grundrechtsbindung des Richters die grundrechtlichen Vorgaben als zwingendes Recht in die Privatrechtsordnung implementierte.866 Ein solcher Rechtsschutzanspruch, mit welchem man die Rechtsstellung des Bürgers verbessern wollte, verschlechterte sie und erwiese sich damit letztlich als ein Danaergeschenk. Dies zeigt die Verfehltheit des Ansatzes, welcher bei Verletzung materieller Grundrechte durch den Richter einen dementsprechenden Rechtsschutzanspruch fordert. Die Annahme eines solchen Anspruchs hätte die beschriebenen bedenklichen Konsequenzen und wird daher wie schon oben belegt867 in der Prozessrechtswissenschaft zu Recht abgelehnt. Selbst wenn man all die vorgetragenen Bedenken außer Acht lässt, hieße es die Rechtsverletzung des Richters und die damit stets einhergehende vorpozessuale Rechtsverletzung eines Dritten falsch ins Verhältnis zu setzen, wenn man allzu sehr auf die richterliche Rechtsverletzung abstellt. Der Akzent kann hierbei mit guten Gründen auf die der richterlichen Rechtsverletzung vorhergehende und diese stets bedingende Rechtsverletzung eines Dritten gesetzt werden. So mag der Hinweis auf die Rechtsverletzung des Richters zutreffen. Über seine richtige Bewertung im Zusammenhang des Problems des Rechtsschutzes bei judikativem Unrecht ist damit allein nichts ausgesagt. Als Zwischenergebnis ist zusammenzufassen, dass es Rechtsschutz gegen den Richter nur bei Verletzung formeller verfassungsmäßig garantierter subjektiver Rechte gegen den Richter gibt.868 b) Rechtsschutz im Schiedsverfahren Einen weiteren Beweis, dass ein Unterschied zwischen Verletzung von formellem und materiellem Recht durch den Richter in Bezug auf den Rechtsschutz hiergegen besteht, soll uns eine letzte Überlegung liefern. Es ist die Lösung des Rechtsschutzes bei judikativem Unrecht, welche Feuerbach gibt und die uns einen weiteren Teilbereich judikativen Unrechts, den Schiedsvertrag, erschließt. Auch das Schiedsverfahren ist materiell Rechtsprechung869 und nach dem Grundgesetz zulässig.870 865 Zum Unterschied von Regel und Prinzip vgl. Alexy, Theorie, S. 71 ff.; zur richtergerichteten Theorie als Erklärung der unmittelbaren Drittwirkung unter Rekurs auf Prinzipien, vgl. Alexy, S. 488, 492. 866 Die sog. Drittwirkungsproblematik ist über an den Gesetzgeber aus den Grundrechten abzuleitende Schutzpflichten zu konstruieren. Im Gegensatz zum Richter kann der Gesetzgeber auf die Privatrechtsordnung gestaltend Einfluss nehmen und es besteht schon aus Gründen der Normenhierarchie eine Grundrechtsbindung des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber vermag das zwischen den Zivilrechtssubjekten geltende Rechtsverhältnis zu regeln, nicht aber der Richter. 867 Vgl. Fn. 851. 868 So im Ergebnis auch Schenke, JZ 2005, S. 116 (120 ff.). 869 BGH NJW 1986, S. 3078 m. w. N.

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Feuerbach erklärt die Ausübung (staatlicher)871 richterlicher Gewalt durch einen Vertrag, in dem sich Regent und Volk „auf einen dritten als Schiedsrichter kompromittieren“. 872 „Bei der Ernennung eines Schiedsrichters sind zwei Verträge vorhanden, der eine zwischen den streitenden Parteien (compromissum;) durch welchen sie sich verbindlich machen, das was der Dritte für Recht erkennt, auch für Recht gelten zu lassen; der andere zwischen den streitenden Partheien und dem Schiedsrichter (receptum,) durch welchen jene diesem sich unterwerfen, und dieser ihnen verspricht über ihre Sache zu entscheiden“.873 Weil die sich um ein Recht streitenden Parteien sich nicht über ein zwischen ihnen bestehendes Recht einigen können, akzeptieren sie den Spruch eines Dritten. Diese Vereinbarung hat keine inhaltlichen Beschränkungen, denn wenn die Parteien sich inhaltlich einigen könnten, würden sie nicht den Spruch eines Dritten brauchen, sondern einen Vergleich schließen. Daher kann durch den Spruch des Dritten kein Recht einer Partei verletzt werden – volenti non fit iniuria.874 Anders liegt es jedoch, wenn der Dritte zu seinem Spruch aufgrund eines Verfahrensfehlers gelangt, z. B. eine der beiden Parteien nicht anhört. Könnte man dann immer noch dem „compromissum“ entnehmen, dass die Parteien sich auch dies versprochen haben, nicht nur die Entscheidung, sondern auch ein fehlerhaftes Verfahren zu akzeptieren? Würde jede der beiden Parteien einen solchen Vertrag überhaupt abschließen, in dem sie sich auch im Falle eines ungerechten Verfahrens dem Spruch unterwirft? Damit aber wird deutlich, dass es auch nach Feuerbachs Ansatz einen Rechtsschutz (nur) bei Verletzung von Verfahrensrechten geben muss. Interessanterweise findet sich für die obige Interpretation des Feuerbachschen Ansatzes ein positivrechtlicher Beleg. Das Gesetz sieht als einzigen Rechtsbehelf gegen einen Schiedsspruch gem. § 1059 ZPO (entsprechend § 1042 ZPO aF) den Antrag auf gerichtliche Aufhebung vor. Damit können bestimmte in § 1059 Abs. 2 ZPO abschließend aufgezählte Fehler des Schiedsrichters geltend gemacht werden. Es sind dies gem. Nr. 1a die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung als Grundlage BGHZ 65, S. 61 m. w. N. Der uns interessierende Schiedsvertrag ist gerade nichtsstaatliche Streitentscheidung. Die Argumentation Feuerbachs, welche auch die staatliche Gerichtsbarkeit in Form eines Schiedsvertrags fasst, ist jedoch insofern übertragbar. 872 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 252. 873 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 253 [Hervorh. im Original]. 874 Feuerbach, Anti-Hobbes, S. 254; ähnlich auch Fichte, Grundlage, S. 396 [Hervorh. im Original]: Soll ein Dritter streitentscheidend tätig sein, „so müssen ihm beide zugleich die Entscheidung ihrer gegenwärtigen Streitigkeit . . . , d. h. sie müssten ihm ihr Recht des Gerichts übergeben. Sie müssten ihm dasselbe ohne Vorbehalt übergeben; es muß von ihm keine Appellation statt finden. Denn wenn einer unter ihnen das Urtheil ihres nunmehrigen gemeinschaftlichen Richters leiten könnte, so verschaffte er noch immerfort sich selbst Recht . . . Beide müssen also ihre physische Macht, und ihr Rechtsurtheil, d.i. alle ihre Rechte jenem Dritten unbedingt unterwerfen“. 870 871

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

der Entscheidung, gem. Nr. 1b die verfahrensfehlerhafte Behinderung des Antragstellers, gem. Nr. 1c die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts und nach Nr. 1d Verfahrensfehler im Übrigen. Nach Nr. 2 können die mangelnde Schiedsfähigkeit und ein Verstoß gegen den ordre-public gerügt werden. Die Verletzung rechtlichen Gehörs unterfällt § 1059 Abs. 2 Nr. 1d ZPO.875 Die Bestimmungen des § 1059 ZPO sind zwingendes Recht876 und damit stets Bestandteil des Schiedsvertrags. Hiernach zeigt sich deutlich, dass die in Nr. 1 geregelten verfahrensrechtlichen Fehler nach der gesetzgeberischen Wertung immer zum Rechtsschutz gegen den schiedsrichterlichen Akt führen sollen. Anders liegt es bezüglich des Inhalts des Richterspruchs. Hier soll nur der Verstoß gegen den ordre-public rügbar sein und damit die inhaltliche Überprüfbarkeit ihre Grenze an einem weit gezogenen Rahmen finden. Es ist damit zum Ausdruck gebracht, dass gegen den Schiedsrichter, welchem der Rechtsschutz für das zwischen den Parteien streitige Recht zukommt, grundsätzlich, aber das auch unbedingt, Rechtsschutz nur bei der Verletzung von Verfahrensrecht in Betracht kommt. Auch nur dazu hat den Schiedsrichter der mit den Parteien geschlossene Vertrag877 verpflichtet. Durch diesen Vertrag wird der Schiedsrichter verpflichtet, den Streit nach Maßgabe des Schiedsvertrags in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren einer alsbaldigen Erledigung zuzuführen.878 Die Regelung des Schiedsverfahrens führt das Problem des Rechtsschutzes gegen den Richter in einem Teilbereich judikativen Unrechts einer gesetzgeberischen Lösung zu. Hierbei findet sich das oben ermittelte Ergebnis bestätigt, wonach Rechtsschutz nur bei Verletzung eines rechtsstaatlich gebotenen, ununterschreitbaren Minimums zu gewährleisten ist. Es ist dies der Fall bei Verstoß gegen den ordre-public und bei Verletzung von Verfahrensrecht. Damit ist der Rechtsschutz bezüglich materieller Fehler auf einen absoluten Ausnahmetatbestand begrenzt und ansonsten nicht gegeben. Dies im Gegensatz zu formellrechtlichen Verstößen, bei welchen wenigstens als sonstige Verstöße gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1d ZPO grundsätzlich Rechtsschutz gegen den formell fehlerhaften Schiedsspruch gewährt wird. Die Begrenzung des Rechtsschutzes auf Verletzung von Verfahrensrechten erfährt von daher eine weitere und letzte Bestätigung. Im Folgenden soll der Umfang des damit verbleibenden Rechtsschutzes bei judikativem Unrecht insofern näher bestimmt werden, als die Verfahrensrechte im Einzelnen zu benennen sind, welche einen Rechtsschutzanspruch auslösen.

Albers, in: B / L / A / H, ZPO, § 1059, Rn. 9. Albers, in: B / L / A / H, ZPO, § 1059, Rn. 1. 877 Dieser Schiedsrichtervertrag ist genau wie bei Feuerbach von dem zwischen den Parteien geschlossenen Schiedsvertrag zu unterscheiden, vgl. dazu Albers, in: B / L / A / H, ZPO, § 1029, Rn. 3, Anh § 1035, Rn. 1. 878 Albers, in: B / L / A / H, ZPO, Anh § 1035, Rn. 5. 875 876

III. Rechtsschutz außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG

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c) Rechtsschutz bei allen formellen subjektiven Rechten Rechtsschutz gegen den Richter ist bei Verletzung aller verfassungsmäßig garantierten Verfahrensrechte gegeben. Der Begrenzung auf das Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG, welche das BVerfG in seiner Plenumsentscheidung angenommen hat, kann insofern nicht gefolgt werden.879 Der Rechtsschutz gegen den Richter ist zu erweitern auf alle verfassungsmäßig garantierten Verfahrensrechte, insbesondere Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Werden diese Rechte verletzt, muss ebenfalls der Rechtsweg offen stehen.880 Dies nicht nur, weil in allen Fällen gleichermaßen die subjektive Rechtsqualität einen Rechtsschutz gebietet, sondern weil auch der Verstoß gegen ein Verfahrensgrundrecht oft mit der Verletzung eines anderen Verfahrensgrundrechts einhergeht, wie etwa bei Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG. Zu weit geht es wohl, eine Koppelung des Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG vorzunehmen, indem man argumentiert, rechtliches Gehör „vor Gericht“ müsse als rechtliches Gehör „vor einem zuständigem Gericht“ verstanden werden. Dann bedeutete jede Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zugleich eine Verletzung des Gehörsrechts und schon von daher wäre Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG in den Rechtsschutz gegen den Richter mit einzubeziehen. Richtig ist jedoch, dass beide Rechte sich oft überschneiden und Verstöße sich nicht klar trennen lassen. So kann etwa im Fall der (dolosen) Gehörsverletzung des Richters oft eine Befangenheit vorliegen. Beschränkt man den Rechtsschutz auf das Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG, so bringt man diese materielle Abgrenzungsproblematik mit in das Rechtsschutzproblem hinein. Auch aus diesem Grund scheint es zweckmäßig, den Rechtsschutz auf alle Prozessgrundrechte auszudehnen. Bei den formellen Rechten muss es sich um Verfahrensrechte handeln, welche mit verfassungsmäßigem Rang ausgestattet sind. Nur aus solchen Rechten kann sich ein Gesetzgebungsauftrag an den Gesetzgeber ableiten, dem sich daraus ergebenden Beseitigungsanspruch sowie wie dem gebotenen Rechtsschutz Rechnung zu tragen.881 Insoweit kann eine weitere Beschränkung vorgenommen werden. Nicht alle an den Richter adressierten formellen Rechte, sondern nur solche von Verfassungsrang, gebieten Rechtsschutz gegen den Richter.

879 Das BVerfGE 107, S. 395 (407) = NJW 2003, S. 1924 (1926), erwägt wohl auch andere Prozessgrundrechte: „Der Justizgewährleistungsanspruch ermöglicht Rechtsschutz aber auch in weiteren Fällen, in denen dies rechtsstaatlich geboten ist. So liegt es bei der erstmaligen Verletzung von Verfahrensgrundrechten durch ein Gericht. Die Verfahrensgrundrechte, insbesondere die des Art. 101 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG . . .“. Es lässt die Frage der Erstreckung jedoch offen. Auch der neu eingeführte Rechtsbehelf der Anhörungsrüge bezieht sich nur auf die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG, vgl. § 152a VwGO, § 321a ZPO. 880 Für eine Erweiterung auch Kley, DVBl. 2003, S. 1160 f.; Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193 (2197); Spiecker gen Döhmann, NVwZ 2003, S. 1464 (1465); Pache / Knauff, BayVBl. 2004, S. 385 (387); ähnlich schon Lorenz, Rechtsschutz, S. 244. 881 So auch Schenke, JZ 2005, S. 116 (125).

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

d) Das Problem des Rechtsschutzes ad infinitum Durch die hier vorgenommene Beschränkung des Rechtsschutzes gegen den Richter auf die Verletzung formeller Rechte ist die Befürchtung des infiniten Rechtsschutzes in weiten Teilen entkräftet, da Rechtsschutz bei Verletzung materieller Rechte ausscheidet. Insofern bewahrheiten sich die der Arbeit vorangestellten Worte Feuerbachs: Bei der Frage nach dem Rechtsschutz gegen den Richter geht es bei Fehlentscheidungen nicht um die Frage, ob die von der richterlichen Entscheidung Betroffenen sich „beunruhigen können“, sondern, ob sie dazu „ein Recht haben“. Ein solches Recht besteht bei materiellen Rechtsverletzungen nicht. Deshalb kann es hier mit der Auflösung des Gordischen Knotens, dass „bis ins Unendliche fort eine höhere Instanz“ vorhanden müsste, in der Tat „keine Schwierigkeit“ haben. Auf Grund des Einmaligkeitserfordernisses ist dem aus der subjektiven Rechtsqualität ableitbaren Minimum genügt und ein weiterer Rechtsschutz nicht gefordert. Das Infinitproblem ist der kardinale Einwand gegen die Annahme eines Rechtsschutzes bei judikativem Unrecht. Nimmt man einmal den Rechtsschutz als gegeben an, so muss bei jeder neuen Verletzung immer wieder Rechtsschutz stattfinden. Es scheint, als werde man die Geister, die man rief, nicht mehr los. Ein willkürlicher Abbruch kommt nicht in Betracht, da er ohne einen Bruch mit der Argumentation, welche zur Annahme eines Rechtsschutzes geführt hat, nicht zu begründen wäre. Denn diese Argumentation muss zwingenden Charakter insofern aufweisen, als sich aus ihr unabdingbar Rechtsschutz ableiten lassen muss. Gerade der kategorisch gebotene Rechtsschutz erzeugt das Infinitproblem. Bei einem Abbruch des Rechtsschutzes würde aber genau das in Frage gestellt. Dies ist das eigentliche Problem des judikativen Unrechts, welches sich jedem stellt, der es lösen will. E vinculis ratiocinatur. Es kommen auf Grund der dargestellten Struktur der möglichen Lösungen nur zwei Strategien in Betracht:882 entweder muss man gänzlich oder in einzelnen Teilen den Rechtsschutz ablehnen, wodurch das Infinitproblem gleich mitsamt dem eigenständigen Rechtsschutz gegen den Richter beseitigt ist, oder aber man nimmt einen Rechtsschutz an und versucht, die Bedenken des infiniten Rechtsschutzes zu relativieren. Hierbei mag sich durchaus eine Mischung aus beiden Lösungsstrategien anbieten, weil die Relativierung des Infinit-Einwands nicht bei allen Rechten gleich gelingt. Der Infinit-Einwand ist in gewisser Hinsicht unbestreitbar eine bedeutsame Einwendung. Ohne ein Ende des Rechtsschutzes könnte eine wesentliche Aufgabe der Rechtsprechung, nämlich das letzte Wort in Streitigkeiten zu haben, nicht erfüllt werden. Das Perhorreszieren vor dem Rechtsschutz gegen den Richter erklärt sich letztlich hieraus. Jeder, der gleichwohl den Rechtsschutz gegen den Richter zulässt, muss dem Rechnung tragen und einen Punkt setzen, an dem jeder Rechtsstreit einmal ein Ende hat. So schreibt schon Gönner: „Diese Forderung [nach Rechtsmit882

Zum judikativen Unrecht als Abwägungsproblem schon oben E.I.1.b).

III. Rechtsschutz außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG

231

teln, M.H.] erstreckt sich auf alle mögliche Verletzungen [von Rechten durch die richterliche Gewalt, M.H.], unter derjenigen Beschränkung, dass eine Progression der Rechtsmittel ins Unendliche als diesen Zweck zerstörend, vernunftwidrig ist, und dass ein Punkt festgesetzt werden muss, über welchen hinaus eine weitere Anfechtung nicht statt findet“.883 Der Einwand ist vorliegend im Falle materieller Rechtsverletzungen eliminiert, er verbleibt jedoch bei der Verletzung von Prozessgrundrechten, wo ein Rechtsschutz angenommen wird. Aber auch hier lässt er sich wesentlich relativieren. Der geforderte Rechtsschutz ist auf ein unabdingbares Minimum begrenzt.884 Er muss nur einmal stattfinden. Auch ist die Eröffnung einer neuen Instanz hierzu nicht notwendig.885 Zu einem infiniten Rechtsschutz kann es nur dann kommen, wenn der Richter im Rahmen des Rechtsschutzes gegen judikatives Unrecht neues judikatives Unrecht begeht, d. h. es müssten dazu stets immer wieder neue, andere Rechtsverletzungen vorgenommen werden. Dies ist nicht sehr wahrscheinlich. Ein Richter, welcher Rechtsschutz bei judikativem Unrecht gewährleistet, wird besonders achtsam sein. Hinzu kommt, dass bei Verletzung von Verfahrensrechten zahlreiche Beschränkungen des Rechtsschutzes möglich sind. Es sind dies, wie unter G. darzulegen sein wird, Beschränkungen schon des materiellen Rechts. Wenn aber kein materielles Recht besteht, so kann akzessorisch dazu auch kein Rechtsschutz in diesen Fällen gefordert sein und die Beschränkung ist zugleich eine solche des Rechtsschutzes. Zu nennen ist bei Verfahrensrechten vor allem das Beruhens-Erfordernis, wonach, wenn sich ein Verfahrensfehler nicht auf das Ergebnis ausgewirkt hat, kein Beseitigungsanspruch gegeben ist und folglich auch ein Rechtsschutz zur Durchsetzung des Verfahrensrechts nicht gefordert ist. Durch dieses Korrektiv wird das Infinitargument merklich abgefedert. Letztlich darf auch das Infinitargument nicht allzu sehr überbewertet werden. So steht die Annahme des Rechtsschutzes gegen den Richter in harmonischem Zusammenhang mit europarechtlichen Rechtsentwicklungen, wonach die Staatshaftung in Gestalt von Schadensersatzansprüchen bei judikativem Unrecht unter Durchbrechung des § 839 Abs. 2 S. 1 BGB zugelassen wird.886 Im Rahmen des Schadensersatzes wird die richterliche Entscheidung nochmals inzident in Frage gestellt. Die Entscheidung über den Schadensersatz könnte als richterliche Entscheidung ihrerseits sowohl zunächst mit Rechtsmitteln als auch danach im Rahmen eines erneuten Schadensersatzprozesses angegriffen werden. Trotzdem ist die europarechtlich gebotene Staatshaftung bei judikativem Unrecht ein Faktum, was die nationale Dogmatik berücksichtigen sollte und was Bedenken gegen die An883 884 885 886

Gönner, Handbuch, S. 110 [Hervorh. vom Verf.]. s. oben F.III.1.a)bb). s. oben E.IV.1.b). und F.II.4. Vgl. EuGH Slg. 2003, I-10239.

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F. Der judikative Rechtsschutzanspruch

nahme eines Rechtsschutzes gegen den Richter relativiert. Im Ergebnis bereitet die Zulassung eines Rechtsschutzes gegen den Richter, wenn sie auf Verfahrensrechte beschränkt wird, kein Problem des infiniten Rechtsschutzes. So betont auch das BVerfG: „Das Risiko eines Rechtswegs ohne Ende besteht . . . in einem solchen Fall nicht“.887

IV. Resümee Die Untersuchung des vorangegangenen Abschnitts hat gezeigt, dass subjektive Rechte letztlich nur dann subjektive Rechte sind, wenn sie durchsetzbar sind. Dem stand jedoch der Satz des „kein Rechtsschutz gegen, sondern durch den Richter“ entgegen. Es erscheint zunächst befremdlich, dass über Richter Richter Richter sein sollen. Die Absurdität dieser Vorstellung versinnbildlicht sich nicht nur in der Worthäufung im vorigen Satz, sondern auch in der Vorstellung des „Richter über Richter“ im quantitativen Sinn, dass der dadurch ausgelöste Kontrollprozess zu einer nicht bestimmbaren Zahl von Richtern führt und damit infinit ist. Art. 19 Abs. 4 GG ist nicht anwendbar auf die Fälle judikativen Unrechts. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift führte zu Widersprüchen, die nur unter Relativierung ihres Gewährleistungsgehalts sowie unter Aufgabe ihrer bisherigen dogmatischen Interpretation gelöst werden könnten. Es besteht im Übrigen keine Notwendigkeit, den Rechtsschutz gegen den Richter in das dogmatische Korsett des Art. 19 Abs. 4 GG zu pressen, als die Lösung des Rechtsschutzproblems anderweit zufrieden stellend und dogmatisch weitaus flexibler gelöst werden kann. Die Verfassung hat außerhalb des Art. 19 Abs. 4 GG mit der Statuierung von subjektiven Rechten gerade auch gegenüber der Rechtsprechung die Frage des Rechtsschutzes gegenüber dem Richter positiv beantwortet. So ist der Satz des „Rechtsschutz durch, aber nicht gegen den Richter“ zu präzisieren und richtig zu stellen: Soweit der Richter das Recht tatsächlich schützt, als er selbst es einhält, bedarf es keines Schutzes gegen ihn; fällt aber der „Rechtsschutz durch den Richter“, so fällt auch die Ablehnung des „nicht gegen den Richter“ weg. In diesem Fall gilt umgekehrt: Wenn kein Rechtsschutz durch den Richter, dann gegen ihn. Aufgrund der teleologischen Erwägungen, welche im Rahmen der Begründung des Rechtsschutzes aus der subjektiven Rechtsqualität maßgeblich sind, ergab sich eine Beschränkung der Problematik des Rechtsschutzes gegen den Richter auf die Verletzung von Verfahrensrechten.

887

BVerfGE 107, S. 395 (402) = NJW 2003, S. 1924.

G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben und keines zu haben. Er wird sich also entscheiden müssen, beides zu verbinden. (Friedrich Schlegel)

In der Rechtsordnung bestehen eine Reihe gesetzlicher Regelungen, welche die Fehlerfolge „Beseitigungsanspruch“ beschränken oder sogar gänzlich ausschließen.888 So finden sich im gerichtlichen Verfahrensrecht Präklusionsvorschriften, im Rechtsmittelrecht Form- und Fristerfordernisse sowie sonstige Rechtsmittelvoraussetzungen. Diese Fehlerfolgenbeschränkungen stellen sich als legislative Eingriffe in diejenigen subjektiven Rechte dar, aus denen der jeweilige Beseitigungsanspruch als sekundäres Hilfsrecht folgt, insofern sie grundrechtlich fundierte Beseitigungsansprüche ausschließen oder beschränken. Eingriffe in Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte sind nicht von vornherein unzulässig. Vielmehr werfen sie die Frage nach der Rechtfertigung des Eingriffs auf. Hierbei gilt es zu bedenken, dass mittels der Fehlerfolgenbeschränkungen in keine bestimmten Grundrechtspositionen eingegriffen wird, sondern vielmehr grundsätzlich ein Eingriff in verschiedene, auch vorbehaltslos gewährleistete Grundrechtspositionen vorgenommen wird. Folglich können in der nachfolgenden Untersuchung nur verfassungsimmanente Schranken herangezogen werden. Ein solches Vorgehen ist auch mit Blick auf das vorliegend zu untersuchende, vorbehaltlos gewährte Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt. Viele dieser Beschränkungen sind auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 103 Abs. 1 GG bereits einschlägig in Rechtsprechung und Literatur diskutiert worden. Hierbei war Bezugspunkt das jeweilige grundrechtliche Primärrecht. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass ein Beseitigungsanspruch gegen die Judikative bisher nicht angenommen wurde. Jedoch lassen sich die insofern angeführten Rechtfertigungsgründe im Wege des Erst-Recht-Schlusses übertragen. Ist unter den nachfolgend angeführten Gründen schon ein Eingriff in das jeweilige Primärrecht möglich, so ist erst recht unter den gleichen Voraussetzungen ein Eingriff in Gestalt einer Beschränkung derjenigen Hilfsrechte zulässig, welche die Integrität des Primärrechts schützen und insofern akzessorisch sind. 888 Allgemein zu den Instrumenten der Fehlerbehandlung, insbesondere durch Statuieren von Fehlerfolgenvoraussetzungen, Morlok, Verfahrensfehler, S. 158 ff.

234

G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

Schwieriger als die grundgesetzliche Rechtfertigung der einzelnen Beschränkungen wird sich die Frage nach deren dogmatischer Verortung im Tatbestand des Beseitigungsanspruchs gestalten. Sekundäre Hilfsrechte sind wie jegliche anderen materiellen Rechte inhaltlich begrenzt. Beispielsweise ist es allgemein anerkannt, dass eine Verpflichtung zur Erbringung einer unmöglichen Leistung nicht besteht. Der Satz des „nemo ultra posse“ gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Bereich des Öffentlichen Rechts889 und findet ebenso bei abwehrrechtlichen Ansprüchen Berücksichtigung.890 Wenn auch Beschränkungen und Ausschlussgründe hinsichtlich des Beseitigungsanspruchs bekannt sind, so besteht keine Einigkeit hinsichtlich ihrer dogmatischen Einordnung.891 Aus den grundsätzlichen Überlegungen zum Bürger-Staat-Verhältnis und der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte ergibt sich jedoch, dass das Vorliegen des Beseitigungsanspruchs bei Rechtsverletzungen den Regelfall darstellt und auch darstellen muss. Beschränkungen, welche zum Ausschluss dieses Anspruchs führen, bilden die Ausnahme. Dies lässt es angezeigt erscheinen, die Ausnahmetatbestände dogmatisch zu verselbstständigen und den oben unter E.II. dargestellten regelmäßigen Anspruchsvoraussetzungen des Beseitigungsanspruchs gegenüberzustellen. Eines der dazu tauglichen Instrumente stellt die Erfassung der Beschränkungen als Anspruchseinwendungen dar. So entspricht es auch der zivilrechtlichen Systematik, den positiv formulierten Anspruchsvoraussetzungen Einwendungen gegenüberzustellen.892 Diese im Allgemeinen für Ansprüche bestehende materiellrechtliche Systematik kann, da sie dem Ausnahmecharakter der Ausschlusstatbestände Rechnung trägt, auch im vorliegenden Kontext nutzbar gemacht werden. Soweit möglich sind die Beschränkungen der Fehlerfolgen hiernach einzuordnen.893 Die Regelungen, welche Fehlerfolgen beschränken, sind dementsprechend jeweils unter zwei Aspekten zu untersuchen. Zum einen ist ihre dogmatische Verortung im Beseitigungsanspruch anzugeben, zum anderen sind sie auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu befragen.

I. Die Präklusion Eine erste einschlägig diskutierte Fallgruppe stellen Präklusionsvorschriften dar. Ist der Verfahrensbeteiligte mit Vorbringen präkludiert, so findet er bezüglich dieKopp / Ramsauer, VwVfG, § 44, Rn. 39. Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 1, S. 718 f. 891 Pietzko, Folgenbeseitigungsanspruch, S. 503. 892 Vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, § 29 II. 893 Gleichwohl nicht alle Fehlerfolgenbeschränkungen Einwendungen darstellen, so z. B. die Beschränkung des Beruhens-Kriteriums als Regelung eines Zurechnungszusammenhangs, vgl. unten G.IV. Die Einwendungssystematik ist aber eines der dogmatischen Instrumente, um den Ausnahmecharakter dieser Beschränkungen zu erfassen. 889 890

II. Der Rechtsmittelverzicht

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ses Vortrags auch im Rahmen von Rechtsmitteln kein Gehör.894 Dem Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt und damit ist auch der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge beschränkt. Die verfassungsrechtliche Legitimation der Präklusion ergibt sich aus den rechtsstaatlichen Gründen der Verfahrenskonzentration und der Verfahrensbeschleunigung.895 Diese rechtfertigen es, den am gerichtlichen Verfahren Beteiligten Förderungs- und Mitwirkungspflichten in Bezug auf das Verfahren aufzuerlegen. Bezogen auf das verletzte Recht ist in der nicht rechtzeitigen Geltendmachung eine Obliegenheitsverletzung zu sehen, welche die damit verbundenen nachteiligen Einschränkungen zu Lasten des Verfahrensbeteiligten legitimiert.896 Die Präklusion ist in den Prozessgesetzen geregelt. Mit ihr wird jedoch auch die Durchsetzbarkeit des Beseitigungsanspruchs ausgeschlossen, indem sie der Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs ein dauerhaftes verfahrensrechtliches Hindernis entgegensetzt. Man könnte versucht sein, dies als rechtshemmende Einrede aufzufassen. Im Falle einer solchen Einrede ist die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs dauernd oder vorübergehend gehemmt. Dies kann soweit reichen, dass von den Anspruchswirkungen nahezu nichts übrig bleibt, vgl. §§ 222 Abs. 1, 223 BGB. Die Abgrenzung der rechtshemmenden Einrede von der rechtsvernichtenden Einwendung kann daher im Einzelfall schwierig sein. Aus der subjektiven Rechtsnatur eines Anspruchs ergibt sich jedoch das maßgebliche Abgrenzungskriterium. Das subjektive Recht ist maßgeblich durch seine Ausübbarkeit bestimmt.897 Führt nun eine Beschränkung zum endgültigen Ausschluss jedweder Möglichkeit, den Anspruch geltend zu machen, muss der Anspruch als untergegangen betrachtet werden.898 Dies bedeutet, dass dieser Ausschluss als rechtsvernichtende Einwendung dogmatisch zutreffend erfasst wird. Wird nun im Falle der Präklusion dem Beseitigungsanspruch dauerhaft die Ausübbarkeit genommen, so stellt die Präklusion folglich eine rechtsvernichtende Einwendung dar.

II. Der Rechtsmittelverzicht Vom Blickwinkel des Beseitigungsanspruchs aus erlangt das prozessuale Institut des Rechtsmittelverzichts899 eine weitere Bedeutung. Zunächst ist der Verzicht auf den materiellrechtlichen Beseitigungsanspruch vom Verzicht auf den prozessualen §§ 530 – 532 ZPO; § 87b i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO, § 128a VwGO. Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I, Rn. 72. 896 Schultze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I, Rn. 54 f., 72. 897 s. oben D.I.2. 898 Insbesondere besteht ein Unterschied zum exekutiven Beseitigungsanspruch. Die Verwaltung kann einen bestandskräftigen Verwaltungsakt ändern. Der Rechtsprechung ist die Disposition bzgl. rechtskräftiger Entscheidungen entzogen. Der Fristablauf führt hier zu einem endgültigen Verlust der Rechtsmacht. 899 § 515 ZPO, §§ 565 i.V.m. 515 ZPO; § 173 VwGO i.V.m. § 515 ZPO; § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 515 ZPO; § 302 StPO. 894 895

236

G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

Rechtsbehelf zu unterscheiden. In der Regel wird aber in dem besagten Rechtsmittelverzicht auch der Verzicht auf den Beseitigungsanspruch zu sehen sein. In dem Verzicht des Rechtsinhabers auf den ihm zustehenden Schutz liegt die Rechtfertigung, den ihm grundsätzlich zustehenden Anspruch als nunmehr ausgeschlossen zu betrachten. Die verfassungsrechtliche Legitimation bereitet keine Schwierigkeiten. Der Verzicht auf Ansprüche stellt eine geläufige Erscheinung dar. In der Regel kann der Verfügungsberechtigte Rechtsinhaber auf einen Anspruch wie auch auf andere subjektive Rechte verzichten und diese dadurch zum Erlöschen bringen.900 Eine solche Dispositionsbefugnis, z. B. in Form von Übertragbarkeit und Verzicht, gehört jedoch nicht wesensnotwendig zum subjektiven Recht. Auch unübertragbare und unverzichtbare Rechte sind subjektive Rechte.901 Das Gesetz schließt an vielen Stellen die Möglichkeit des Verzichts aus.902 Auch auf grundrechtlicher Ebene findet sich in Gestalt der Regelung des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG ein Verbot von Abreden, die die Beschränkung oder Verhinderung der Koalitionsfreiheit zum Gegenstand haben. So wäre ein Verzicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber darauf, einer Gewerkschaft beizutreten, nichtig. Des Weiteren gibt es auch sonstige verzichtsfeindliche Grundrechte, wie z. B. Art. 6 GG.903 Alle diese Rechtspositionen sind trotz der fehlenden Möglichkeit des Verzichts subjektive Rechte, so dass der Verzicht nicht Bestandteil des subjektiven Rechts sein kann. Dem Wesen des subjektiven Rechts lässt sich aus der ihm innewohnenden Willensmacht nur die Freiheit entnehmen, dass Recht auszuüben oder von dem Recht keinen Gebrauch zu machen.904 Dieses Nichtausüben bzw. Nichtgeltendmachen des Rechts ist jedoch vom Verzicht zu unterscheiden.905 Ergibt sich die Möglichkeit des Verzichts nicht aus der subjektiven Rechtsqualität des Beseitigungsanspruchs, so bedarf er einer anderweitigen Ableitung. Hier wird man davon auszugehen haben, dass die angeführten gesetzgeberischen Beschränkungen der Verzichtsmöglichkeit Ausnahmen darstellen, so dass im Umkehrschluss der Verzicht grundsätzlich als zulässig zu erachten ist. Insbesondere sind im vorliegenden Fall keine Beschränkungen des Verzichts ersichtlich, vielmehr wird der Verzicht auf den materiellrechtlichen Anspruch mittelbar in den prozessualen Vorschriften vorausgesetzt. Das dem Rechtsmittel zugrunde liegende materielle Recht bildet der Beseitigungsanspruch (dazu schon oben E.III.2.). Aufgrund dieser Verknüpfung ist davon auszugehen, dass sowohl der Verzicht auf das Rechtsmittel als auch auf den Beseitigungsanspruch zulässig ist. Im Übrigen ist Vgl. §§ 959 , 2346 BGB. Nawiasky, Rechtslehre, S. 160. 902 Vgl. etwa § 2 Abs. 3 BBesG; § 619 BGB; § 1614 Abs. 1 BGB; § 89b Abs. 4 S. 1 HGB; § 77 Abs. 4 S. 1 und 2 BetrVG; §§ 50, 93 Abs. 4 S. 3 AktG. 903 Jarass, in: J / P, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 27; Robbers, JuS 1985, S. 925 (927). 904 Vgl. oben D.I.2. 905 BGH FamRZ 1981, S. 763. 900 901

III. Die Bestimmung von Fristen

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mit Blick auf die verfassungsrechtliche Fundierung des Beseitigungsanspruchs auch den Grundrechten nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Insbesondere steht der Verzichtsmöglichkeit nicht das vielfach diskutierte Problem des Grundrechtsverzichts entgegen. Denn nach allen vertretenen Auffassungen ist es möglich, auf einzelne, durch das Grundrecht geschützte Handlungsweisen wirksam zu verzichten.906 Der Verzicht führt als Erlöschenstatbestand zum Untergang des Rechts und ist folglich als rechtsvernichtende Einwendung einzuordnen.

III. Die Bestimmung von Fristen Rechtsmittel sind befristet, was dazu führt, dass die Möglichkeit der Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs nach Ablauf der Frist ausgeschlossen ist. Fragt man nach der verfassungsrechtlichen Legitimation, so gehört es zu dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Prinzip der Rechtssicherheit, dass gerichtliche Entscheidungen nicht ständig aufhebbar oder abänderbar sind, sondern ab einem bestimmten Zeitpunkt Rechtskraft erlangen.907 Die Rechtskraft dient dem Rechtsfrieden sowie auch dem Vertrauensschutz des ggf. durch die Entscheidung begünstigten anderen Verfahrensbeteiligten. 908 Im Rahmen der Rechtsmittelfristen besteht ausreichende und zumutbare Möglichkeit, den Beseitigungsanspruch geltend zu machen. Wird davon kein Gebrauch gemacht, müssen die damit verbundenen Nachteile in Kauf genommen werden und die angeführten gegenläufigen Interessen am Bestand und der Aufrechterhaltung der gerichtlichen Entscheidung erhalten Vorrang. Inwiefern zusätzlich in Bezug auf das Verstreichenlassen der Frist der materiellrechtliche Genehmigungsgedanke heranzuziehen ist, bedarf keiner Erörterung, als die Abwägung der beteiligten Interessen bereits die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beschränkung des Beseitigungsanspruchs mittels Fristen ergibt. Nach Fristablauf ist die Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs dauerhaft ausgeschlossen, so dass aus gleichen Gründen wie schon im Falle der Präklusion nach dem Verstreichen der Frist der Anspruch als untergegangen zu betrachten ist. Das Erlöschen von Ansprüchen durch Zeitablauf ist auch sonst dem Recht nicht fremd, vgl. § 864 Abs. 1 BGB. Das Fristerfordernis ist daher in Bezug auf den Beseitigungsanspruch dogmatisch als rechtsvernichtende Einrede zu sehen.

906 907 908

Jarass, in: J / P, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 27. Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 304. Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 3, Rn. 304.

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers Eine weitere, nicht gleichermaßen dogmatisch erschlossene Fallgruppe findet sich in Gestalt von Fehlerfolgenbeschränkungen, welche Fehlerfolgen von der einschränkenden Voraussetzung der Relevanz des Fehlers für das Ergebnis abhängig machen. Grundgedanke dieser Art von Beschränkung ist, dass insbesondere bei Verfahrensfehlern in Bezug auf das Verfahrensprodukt Fehlerfolgen dann unangebracht scheinen, wenn der Fehler im Verfahren keine hinreichende innere Verknüpfung mit dem Ergebnis eines Verfahrens aufweist und sich in der inhaltlichen Anordnung der verfahrensbeendenden Entscheidung nicht niedergeschlagen hat. Zwar ist das konkret fehlerhafte Geschehen (also das Verfahren einschließlich des Verfahrensfehlers) Bedingung dieses konkreten Ergebnisses im Sinne einer conditio sine qua non, aber offenbar erscheint dies nicht ausreichend, um das Ergebnis in Form von Fehlerfolgenregelungen wieder in Frage zu stellen. Es kommt auf den Verfahrensfehler „im Ergebnis“ gar nicht an. So etwa, weil in der Sache nur ein Ergebnis rechtlich zulässig ist, sich auch bei Beachtung der einschlägigen Verfahrensvorschrift die bereits vorliegende, wenn auch unter Umständen anders begründete Entscheidung ergeben hätte oder sich bei nochmaliger Durchführung des Verfahrens ergeben würde. In solchen Fallkonstellationen erweist sich eine Fehlerfolgenregelung das Verfahrensergebnis betreffend als wenig sinnvoll, weil die Folge dieses konkreten Fehlers sich im Verfahrensergebnis gar nicht mehr ausmachen lässt. 1. Überblick Den vorgenannten Erwägungen wird gesetzgeberisch an vielen Stellen in der Rechtsordnung Rechnung getragen.909 Die Kausalität des Fehlers für die Sachentscheidung ist eine häufig verwendete Fehlerfolgenvoraussetzung. Sie ist vor allem aus den Normierungen des gerichtlichen Verfahrens bekannt. Hier bildet sie ein „klassisches Instrument des Revisionsrechts“.910 Dem Rechtsmittel der Revision bleibt bei fehlender Kausalität des Verfahrensfehlers für das Ergebnis der Erfolg versagt. Dabei wird der Gedanke der fehlenden Ergebnisrelevanz gesetzestechnisch verschieden ausgestaltet, so etwa in den Beruhens-Vorschriften911 einerseits und in den Vorschriften der Ergebnisrichtigkeit912 andererseits. Der Unterschied liegt in dem unterschiedlichen Blickwinkel, aus dem heraus die Relevanz für das Z. B. § 214 Abs. 3, S. 2 BauGB; § 79 Abs. 2 S. 2 VwGO; § 46 VwVfG. Morlok, Verfahrensfehler, S. 185. 911 Vgl. § 137 Abs. 1 VwGO; § 118 FGO; §§ 545 Abs. 1, 621e Abs. 2 S. 2, 1065 Abs. 2 S. 1 ZPO; § 162 SGG; § 73 Abs. 1 ArbGG; § 337 Abs. 1 StPO; § 10 Abs. 3 S. 6 BRAGO; § 7 Abs. 1 S. 1 InsO; §§ 14 Abs. 3, 156 Abs. 2 KostO; § 76 Abs. 2 GWB; § 127 Nr. 2 BRRG. 912 Vgl. § 144 Abs. 4 VwGO; § 561 ZPO; § 78 GBO; § 27 FGG. 909 910

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers

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Ergebnis beurteilt wird: so ist bei den Beruhens-Vorschriften die Ergebnisrelevanz aus Sicht des vorinstanzlichen Gerichts zu beurteilen, bei den Vorschriften über die Ergebnisrichtigkeit aus Sicht des Rechtsmittelgerichts. 913, 914 Über diese gesetzgeberische Verwendung hinaus wird auch in Rechtsprechung und Lehre die Ergebnisrelevanz zumeist in Form eines Kausalitätserfordernisses („Beruhen“) als ungeschriebene Voraussetzung in den verschiedensten Zusammenhängen verwendet.915 Hierbei ist für unsere Untersuchung insbesondere die Judikatur des BVerfG im Zusammenhang mit Verstößen gegen Art. 103 Abs. 1 GG relevant. Zwar findet sich im Verfassungsbeschwerdeverfahren in den §§ 92 ff. BVerfGG keine dem Revisionsrecht vergleichbare Beruhens-Regelung oder eine ähnliche Vorschrift, welche die Ergebnisrelevanz regelt.916 Gleichwohl wird einer Urteilsverfassungsbeschwerde im Falle der Geltendmachung einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG nach h. M. der Erfolg versagt, wenn die aufzuhebende gerichtliche Entscheidung nicht auf der Verletzung des Gehörsrechts „beruht“.917 Auch hier kehrt die Ergebnisrelevanz als maßgebliches Kriterium für die (im Fall einer Urteilsverfassungsbeschwerde erfolgende) Aufhebung von gerichtlichen Entscheidungen und damit des Beseitigungsanspruchs wieder. Der Unterschied zu den genannten revisionsrechtlichen Vorschriften ist ein doppelter. Zum einen ist in den fachgerichtlichen Verfahrensordnungen die Ergebnisrelevanz ausdrücklich in einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet. Dieser Unterschied ließe sich dadurch relativieren, als in dieser durchgehenden Gesetzessystematik ein allgemeiner Rechtsgedanke gesehen werden könnte. Zum anderen geht es z. B. bei der Revision um eine Beschränkung der Aufhebungsmöglichkeit in einem fachgerichtlichen Verfahren, bei der Verfassungsbeschwerde um ein verfassungsgerichtliches Verfahren. Auch dieser Unterschied relativiert sich, insofern es sich in beiden Fällen mateEichberger, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner,VwGO, § 144, Rn. 32. Ein weiterer Unterschied besteht insofern, als es beim Beruhen zu einem Ausschluss des Beseitigungsanspruchs kommt, im Falle der Ergebnisrichtigkeit jedoch nicht, dazu unten G.IV.3.a). 915 Z. B. im Wahlrecht, dazu Morlok, Verfahrensfehler, S. 185; bei Fehlern im Gesetzgebungsverfahren Stettner, in: Dreier, GG, Art. 76, Rn. 6; schließlich auch im Zivilrecht im Bereich des Vereins- und Gesellschaftsrechts, vgl. die Auslegung der §§ 241, 243 AktG, dazu Zöller, in: Kölner Kommentar, AktG, § 243, Rn. 77. 916 Wenngleich man mit Blick darauf, dass sämtliche gerichtlichen Verfahrensordnungen ein solches Beruhenserfordernis enthalten, mit guten Gründen annehmen könnte, das Beruhen enthalte einen allgemeinen Rechtsgedanken und sei daher auch im Bereich des Verfassungsprozessrechts anzuwenden. 917 BVerfGE 7, S. 95 (99); 7, S. 239 (241); 17, S. 86 (96); 17, S. 356 (363 f.); 53, S. 219 (233); 60, S. 247 (250); 60, S. 313 (318); 73, S. 322 (330); 86, S. 133 (147); 89, S. 381 (392 f.); 92, S. 158 (184 f.); Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 103, Rn. 43; Knemeyer, in: Isensee / Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts VI, § 155, Rn. 69; Nolte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 103 Abs. 1, Rn. 78, 84; Pieroth, in: J / P, GG, Art. 103, Rn. 29; Schmidt-Aßmann, in: M / D, GG, Art. 103 I, Rn. 151, 155; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 103 I, Rn. 77; Waldner, Rechtliches Gehör, Rn. 516 ff.; Wassermann, in: AK, GG, Art. 103, Rn. 41. 913 914

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

riellrechtlich um die Beschränkung des verfassungsrechtlich fundierten Beseitigungsanspruchs handelt. Im Übrigen wird stets die gleiche Voraussetzung der Ergebnisrelevanz verwendet, welche als ausschlaggebend für die Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung angesehen wird und damit als Beschränkung einer Fehlerfolge. Zu Grunde liegt auch in den nicht gesetzgeberisch angeordneten, in Rechtsprechung und Lehre verwendeten Beruhenserfordernissen die Erwägung der fehlenden Kausalität des Fehlers für das Ergebnis. Zu klären ist, worin diese an den verschiedensten Stellen verwendete einschränkende Voraussetzung der Ergebnisrelevanz ihre verfassungsrechtliche Legitimation findet. Gleichermaßen zu beleuchten ist, an welcher Stelle man die gefundene Legitimation verfassungsdogmatisch verortet. 2. Verfassungsrechtliche Legitimation Die Vorschriften der Ergebnisrelevanz stellen sich als eine sachgerechte Abwägungsentscheidung der einander widersprechenden Interessen bei der Fehlerbehandlung dar.918 Für die Aufrechterhaltung der gerichtlichen Entscheidung spricht, dass die in ihr getroffene Anordnung in der Sache zutreffend ist. Die darin enthaltene Belastung muss der in einem Verfahrensrecht Verletzte ihrem Inhalt nach wegen ihrer materiellen Rechtmäßigkeit hinnehmen. Dies ergibt sich aus den die gerichtliche Entscheidung tragenden Normen. In ihnen ist die Abwägung getroffen, inwieweit es gerechtfertigt erscheint, dem Betroffenen eine nachteilige Belastung aufzuerlegen. Die in der richterlichen Entscheidung getroffene Anordnung entspricht diesen Normen, so dass das Ergebnis der im materiellen Recht getroffenen Interessenabwägung auch für den Bestand der richterlichen Entscheidung streitet. Hinzu kommt das Interesse des oder der anderen am gerichtlichen Verfahren Beteiligten an der Aufrechterhaltung der gerichtlichen Entscheidung, die für sie eine Begünstigung enthält. Daneben sprechen auch Rechtssicherheitsbedürfnisse für den Bestand der Entscheidung. Weiter gilt es zu bedenken, dass richterliche Entscheidungen gebundene Entscheidungen darstellen. Für den Richter besteht eine Pflicht zum Erlass einer Entscheidung diesen Inhalts. Daran ändert auch die zwischenzeitliche Aufhebung nichts, da bei mangelndem Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler die Entscheidung mit gleichem Tenor wieder erlassen werden müsste. Dagegen steht das Interesse des in seinen Verfahrensrechten Verletzten an der Aufhebung. Stellt man dieses Interesse in die Abwägung zu den vorhergehenden gegenläufigen Interessen, so ist zu beachten, dass dem Interesse des Verletzten durch die Ausgestaltung und Auslegung des Beruhenskriteriums bereits Rechnung getragen wird. Die in den gerichtlichen Verfahrensordnungen statuierten Beruhens918

Morlok, Verfahrensfehler, S. 186.

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers

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erfordernisse werden zu Gunsten des Verletzten extensiv ausgelegt. Im Falle eines Verfahrensfehlers reicht für die Aufhebung einer gerichtlichen Entscheidung die bloße Möglichkeit der Ergebnisrelevanz bereits aus.919 Dies bedeutet, dass es zur Beschränkung des Aufhebungsanspruchs schon dann nicht mehr kommt, wenn die Kausalität des Verfahrensfehlers für die Entscheidung in der Sache nicht ausgeschlossen werden kann. Dies entspricht auch der bereits oben920 angesprochenen Beweislastverteilung im Bürger-Staat-Verhältnis. Die Beschränkung des Beseitigungsanspruchs stellt sich als Eingriff in das Recht dar, welches den Beseitigungsanspruch hervorbringt. Im Rechtsstaat darf der Staat aber nur dann in Freiheit und Eigentum des Bürgers gerechtfertigt eingreifen, wenn die Voraussetzungen dafür durch ihn nachgewiesen sind. Die Feststellung der Relevanz von Verfahrensfehlern für die Sachentscheidung ist mit gewissen Unwägbarkeiten verbunden und lässt sich oftmals nicht mit Sicherheit feststellen.921 Erfordert aber die grundsätzliche Beweislastverteilung im Bürger-Staat-Verhältnis Gewissheit in Bezug auf die Eingriffsvoraussetzungen, müssen sich verbleibende Ungewissheiten zu Lasten des Staates auswirken. Dem entspricht es, wenn die bloße Möglichkeit der Relevanz des Verfahrensfehlers zum Wegfall der Beschränkung des Aufhebungsanspruchs führt. Somit ist den Interessen des in seinen Verfahrensrechten Verletzten ausreichend Rechnung getragen. In den verbleibenden Fallkonstellationen, in denen es mangels Beruhens zur Beschränkung des Beseitigungsanspruchs im Einzelfall kommt, hat der Verletzte kein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Aufhebung, da insofern die oben erwähnten gegenläufigen Interessen überwiegen. Dies erweckt auch keine Bedenken in Bezug auf den vielfach erörterten Selbstzweckcharakter von Verfahrensvorschriften.922 Dem Eigenwert des Verfahrens und auch der subjektiven Rechtsqualität der Verfahrensvorschriften wird wie soeben ausgeführt durch das Beruhenskriterium ausreichend Rechnung getragen. Die dem Verfahrensrecht aufgrund seiner subjektiven Rechtsqualität innewohnende Rechtsmacht zur Verteidigung wird dadurch beachtet, dass kein genereller Ausschluss erfolgt. Vielmehr kommt es nur im Einzelfall zu einem Ausschluss, falls kein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Ausübung des Beseitigungsanspruchs besteht. Zudem liegt das Beruhenskriterium nur in den seltensten Fällen nicht vor und führt so nur in Ausnahmefällen zu einer Beschränkung.923 Auch die formelle 919 BGH NJW 1995, S. 1841 (1842); Rosenberg / Schwab / Gottwald, Zivilprozessrecht, § 143 VI.; Wenzel, in: MüKo, ZPO-Reform, § 545, Rn. 14, § 561, Rn. 2; Ball, in: Musielak, ZPO, § 545, Rn. 11; Eichberger, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 137, Rn. 108; Kopp / Schenke, VwGO, § 137, Rn. 23. 920 s. C.II.2.b). 921 Vgl. Eichberger, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 137, Rn. 108. 922 So aber Morlok, Verfahrensfehler, S. 187 f., insbesondere in Bezug auf das Beruhenserfordernis im Zusammenhang mit Art. 103 Abs. 1 GG, S. 188 Fn. 196. 923 So ist etwa bei Zulassung der Verfassungsbeschwerde das Beruhenserfordernis fast immer gegeben, Schmidt-Bleibtreu, in: Maunz / Schmidt-Bleibtreu / Klein / Betghe, BVerfGG, § 95, Rn. 154.

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

Rechtsbindung des Richters und damit die Beachtung der Verfahrensrechte werden dadurch nicht in Frage gestellt.924 Dies wäre erst dann der Fall, wenn dadurch die Verletzung von Verfahrensrechten, z. B. des Art. 103 Abs. 1 GG, in toto oder doch in wesentlichem Umfang sanktionslos gestellt wäre. Eine solche Konstellation wird aber durch das Kriterium der Ergebnisrelevanz nicht herbeigeführt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem Umstand der Verletzung des Verfahrensrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG schon dadurch Rechnung getragen hat, dass er weder die Rechtswidrigkeit der nachfolgenden gerichtlichen Entscheidung ausgeschlossen hat925 noch die dadurch erfolgte Rechtsverletzung926. Die Berücksichtigung der durch das Beruhenskriterium repräsentierten Belange auf Ebene eines Ausschlusses des Beseitigungsanspruchs im Einzelfall erscheint insofern sachgerecht. Das Kriterium der Ergebnisrelevanz ist aufgrund der Berücksichtigung des Einzelfalls und der damit gewährleisteten Flexibilität geeignet, den erforderlichen Ausgleich der Interessen herbeizuführen. Es ist folglich nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich, weil sonst die Interessen der anderen durch die Entscheidung begünstigten Verfahrensbeteiligten gänzlich vernachlässigt würden. Letztlich erscheint es auch angemessen, weil es nur in Ausnahmefällen zu einer Beschränkung der Verfahrensrechte des Verletzten führt. So ergeben sich auch unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbotes keine Bedenken. Insgesamt stellt das Kriterium der Ergebnisrelevanz das Ergebnis einer überzeugenden Abwägungsentscheidung dar.

3. Dogmatische Verortung im Beseitigungsanspruch Zu klären bleibt die dogmatische Einordnung dieser Beschränkung. Dazu sind die Vorschriften im gerichtlichen Rechtsmittelrecht zu untersuchen, welche den Gedanken der Ergebnisrelevanz normieren. Die Vorschriften sind dabei zunächst einzeln nacheinander zu betrachten. Dabei wird sich zeigen, dass sich nur in Bezug auf das Beruhenskriterium die Frage nach der dogmatischen Einordnung stellt, da nur hier eine Beschränkung vorliegt. a) Ausprägung von Treu und Glauben In einem ersten Schritt sollen die Vorschriften näher beleuchtet werden, welche den Ausschlussgrund des Beruhens verwenden.

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Zu dem bestehenden Sanktionierungsspielraum schon oben C.III. Vgl. oben B.II. Vgl. oben E.II.1.b).

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers

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aa) Beruhens-Regelungen Als Beispiel soll die Vorschrift des § 137 Abs. 1 VwGO dienen.927 Hiernach hat das Rechtsmittel der Revision nur Erfolg, wenn das Urteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts beruht. Man könnte versucht sein, mit Bezug auf den Beseitigungsanspruch die Regelung des § 137 Abs. 1 VwGO als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben und damit als rechtshemmende Einrede in Bezug auf den Beseitigungsanspruch zu sehen. Nach diesem Grundsatz ist jedem Recht eine inhaltliche Begrenzung immanent.928 Eine Rechtsausübung wider Treu und Glauben ist missbräuchlich und daher unzulässig. Eine solch missbräuchliche Verwendung liegt etwa im Falle fehlenden schutzwürdigen Eigeninteresses vor, wenn sich die Rechtsausübung als nutzlos darstellt.929 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr besteht, sog. dolo-agit-Satz.930 Vordergründig liegt die Konstellation des dolo-agit dem Beruhenskriterium des § 137 Abs. 1 VwGO zugrunde. Beruht nämlich das Urteil nicht auf der Verletzung revisiblen Rechts, insbesondere nicht auf der Verletzung einer Verfahrensvorschrift, dann erscheint die Ausübung des Beseitigungsanspruchs nutzlos. Würde nämlich das Urteil dementsprechend aufgehoben und der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen, so käme doch die Vorinstanz nach nunmehr ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens bei unveränderter Sach- und Rechtslage zum gleichen Ergebnis, weil es eben an einem „Beruhen“ der Entscheidung in der Sache auf dem Verfahrensfehler fehlt. Die mit dem Rechtsmittel erreichte Veränderung würde alsbald wieder rückgängig gemacht. In der Literatur wird teilweise das Beruhens-Erfordernis in Bezug auf Art. 103 Abs. 1 GG dogmatisch im doloagit-Satz verortet.931 Würde man von einer Anwendung des dolo-agit-Satzes ausgehen, überzeugte dies aus zwei Gründen nicht.932 Der erste Grund liegt in den unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkten beim „Beruhen“ einerseits und beim dolo-agit anderer927 Entsprechende Parallelvorschriften finden sich in allen gerichtlichen Verfahrensordnungen, vgl. nachfolgende, bei weitem nicht abschließende Aufzählung: § 118 FGO; §§ 545, 621e Abs. 2 S. 2, 1065 Abs. 2 S. 1 ZPO; § 162 SGG; § 73 ArbGG; § 337 StPO; § 76 Abs. 2 GWB. 928 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 38, wobei freilich an dieser Immanenztheorie Bedenken anzumelden sind, insofern sie zu einer bedenklichen Begrenzung des Inhalts subjektiver Rechtspositionen von innen heraus führt. Vorzugswürdig erscheint, die Beschränkung nur in Bezug auf die Ausübbarkeit subjektiver Rechtspositionen in einem allgemeinen Rechtsgedanken zu sehen, der vielfach Ausdruck gefunden hat. Auf Verfassungsebene ist hier die Regelung des Art. 14 Abs. 2 GG zu nennen. 929 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 50. 930 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 52. 931 Roth, Faktische Eingriffe, S. 646. 932 Dies hat Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 249 ff., für den Beseitigungsanspruch gegen Verwaltungsakte nachgewiesen. Die von Baumeister angeführten Überlegungen lassen sich auch im vorliegenden Kontext fruchtbar machen.

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

seits. So ist zur Beurteilung des Beruhens der Blickwinkel des vorinstanzlichen Gerichts maßgeblich.933 Ein Beruhen ist dann gegeben, „wenn die Möglichkeit besteht, dass das Gericht ohne den Rechtsverstoß zu einem für den Rechtsmittelführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können“.934 Der Beurteilungszeitpunkt liegt also in der Vergangenheit. Im Falle des dolo-agit kommt es demgegenüber auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Rechts an.935 Der maßgebliche Zeitpunkt liegt folglich in der Gegenwart. Damit fallen die Beurteilungszeitpunkte auseinander. Weiterhin ist zu beachten, dass das Beruhen bei Verfahrensfehlern bereits dann gegeben ist, falls „ohne die Verletzung möglicherweise anders erkannt wäre“.936 Umgekehrt formuliert bedeutet dies, dass ein Beruhen dann verneint werden kann, wenn mit Gewissheit das Gericht auch ohne den Verfahrensverstoß die gleiche Entscheidung getroffen hätte. Beim dolo-agit wäre jedoch für einen Ausschluss des Beseitigungsanspruchs relevant, ob das Gericht zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs die Entscheidung treffen könnte, es reichte also die bloße Möglichkeit aus. Sähe man von dem oben angeführten Unterschied der Beurteilungszeitpunkte einmal ab und würde man nun den dolo-agit-Satz in die Vergangenheit transferieren,937 müsste man konsequenterweise auch zum vergangenen Zeitpunkt die bloße Möglichkeit des Erlasses einer rechtmäßigen Entscheidung, d. h. der gleichen Entscheidung auch bei Beachtung der Verfahrensvorschrift, ausreichen lassen. Dann aber lässt sich der dolo-agit-Satz und die oben angeführte allgemein befürwortete Auslegung der Beruhens-Vorschriften nicht zur Deckung bringen. Wäre doch beim dolo-agit die bloße Möglichkeit einer rechtmäßigen Entscheidung ausreichend, für den Ausschluss mangels Beruhen jedoch muss die Möglichkeit einer anderen Entscheidung ausgeschlossen werden. Dies ist dann der Fall, wenn feststeht, dass das vorinstanzliche Gericht nicht anders entschieden hätte. Damit unterscheiden sich „Beruhen“ und dolo-agit nicht nur hinsichtlich des Beurteilungszeitpunkts, sondern auch hinsichtlich des erforderlichen Gewissheitsgrads.938 Vor allem aber überzeugt die Rückführung der Beruhensvorschriften auf das dolo-agit deshalb nicht, weil mit dem Beruhen eine Kausalitätsfrage geregelt ist.939 Eichberger, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 144, Rn. 32. Kopp / Schenke, VwGO, § 137, Rn. 23. 935 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 242, Rn. 38. 936 BGH NJW 1990, S. 122; Albers, in: B / L / A / H, ZPO, § 545, Rn. 2. 937 Denn das Beruhen stellt ja auf einen vergangenen Zeitpunkt ab. Für eine rückwärts gewandte Anwendung plädiert Roth, Faktische Eingriffe, S. 640. Der dolo-agit-Satz sei „vom Futur ins Perfekt“ zu übertragen. Dies hat freilich schon den eindeutigen Wortlaut dieser Rechtsregel gegen sich („redditurus“). 938 So auch Baumeister, Beseitigungsanspruch, S. 249 ff. 939 Das „Beruhen“ wird allgemein als Kausalitätserfordernis aufgefasst, vgl. statt vieler Albers, in: B / L / A / H, ZPO, § 545, Rn. 2: „ursächlich“; Kopp / Schenke, VwGO, § 137, Rn. 23: „Kausalität“. 933 934

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers

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Hierbei handelt es sich um die normative Verknüpfung einer Pflichtwidrigkeit, z. B. des Verstoßes gegen eine Verfahrensvorschrift, mit dem dadurch hervorgerufenen Ergebnis. Die dafür relevanten Kriterien sind ersichtlich keine solchen von Treu und Glauben. Vielmehr geht es um ein Kausalitätsproblem. Kausalität als juristische Kategorie hat normativen Charakter. So sind Kausalitätsfragen letztlich immer Wertungsfragen.940 Es geht dabei um die Klärung von Zurechnungszusammenhängen.941 bb) Vorschriften über die Ergebnisrichtigkeit Abschließend sind jene Vorschriften zu betrachten, welche im Falle der Ergebnisrichtigkeit einem Rechtsmittel den Erfolg versagen. Als Beispiel soll die Vorschrift des § 144 Abs. 4 VwGO dienen.942 Danach ist die Revision zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung bestehenden Rechts ergeben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Auch hier könnte man die Anwendung des dolo-agit erwägen. Dies umso mehr, als die den vorgenannten Rechtsmittelvorschriften nachgebildete Vorschrift des § 46 VwVfG in der Verwaltungsrechtslehre mit dem dolo-agit-Satz in Verbindung gebracht wird.943 Im Gegensatz zu den Beruhensvorschriften scheinen hier geringere Bedenken gegen die Anwendung des dolo-agit zu sprechen. Zunächst fallen nicht wie bei den Beruhens-Regelungen die Beurteilungszeitpunkte auseinander. Entscheidend ist gerade nicht ein vergangener Zeitpunkt, die Sicht der Vorinstanz, sondern die gegenwärtige Beurteilung des Revisionsgerichts. Es prüft, ob das Urteil sich nicht aus anderen als den angegebenen sachlichrechtlichen oder prozessualen Gründen als zutreffend erweist.944 So kommt es insbesondere nicht zur Aufhebung, wenn eine Feststellung unter Versagung rechtlichen Gehörs getroffen wurde und es auf sie nach Auffassung des Revisionsgerichts nicht ankommt.945 Dass der Beurteilungszeitpunkt ein gegenwärtiger ist, zeigt sich insbesondere daran, dass zwischenzeitliche Veränderungen Berücksichtigung finden. So ist die Revision auch dann zurückzuweisen, wenn die angefochtene Entscheidung auf Grund eines nach seinem Erlass ergangenen Gesetzes aufrechtzuerhalten ist.946 Röhl, Rechtslehre, S. 479. Dieses Zurechnungsproblem stellt sich in allen Teilbereichen der Rechtsordnung, vgl. nur Röhl, Rechtslehre, S. 476 ff. 942 Zu den entsprechenden Parallelvorschriften vgl. oben Fn. 912. 943 Zu § 46 VwVfG aF Schenke, DÖV 1986, S. 305 (306, 314); Hufen, DVBl. 1988, S. 69 (75); Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 46, Rn. 4; a.A. nunmehr zu § 46 VwVfG nF Kopp / Schenke, VwGO, § 113, Rn. 56; zustimmend Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (458). 944 Albers, in: B / L / A / H, ZPO, § 561, Rn. 3. 945 BVerwG DVBl. 1994, S. 1191. 946 BGH NJW 1951, S. 922. 940 941

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

Noch ein weiterer Umstand scheint für das dolo-agit zu sprechen. Genau wie im Falle des dolo-agit ein „Hin und Her“ verhindert werden soll,947 findet sich diese Erwägung auch in der Vorschrift des § 144 Abs. 4 VwGO. Würde das Revisionsgericht aufheben und zurückverweisen, so müsste dennoch dem Ergebnis nach eine gleichlautende Entscheidung in der Sache getroffen werden. Die verfahrensökonomisch unsinnige Zurückverweisung erspart § 144 Abs. 4 VwGO. Trotz all dieser Übereinstimmungen mit der durch den Treu-und-Glauben-Satz begründeten Einschränkung ist diese Zuordnung unzutreffend, da in den Vorschriften über die Ergebnisrichtigkeit bei näherer Betrachtung überhaupt keine Beschränkung des Beseitigungsanspruchs liegt. Durch diese Regelungen soll nur ein „für den Revisionslaien unverständlicher Widerspruch“948 vermieden werden. Sie sind ein „kosmetischer Kunstgriff“949 insofern, als das Urteil der Vorinstanz durch Zurückweisung der Revision (und damit scheinbar auch dem Ausschluss einer Aufhebung bzw. eines darin verkörperten Beseitigungsanspruchs) aufrechterhalten wird. Sieht man jedoch genauer hin, so wird in den Fällen der Ergebnisrichtigkeit der Sache nach das Urteil zugleich kassiert und repetiert. Genau in dieser angesichts des „kosmetischen Kunstgriffs“ äußerlich nicht in Erscheinung tretenden Kassation muss aber gerade die Erfüllung des bestehenden Beseitigungsanspruchs gesehen werden, so dass in diesen Fällen der Beseitigungsanspruch nicht beschränkt, sondern durch Erfüllung erloschen ist.950 Da in den Vorschriften über die Ergebnisrichtigkeit nun überhaupt keine Beschränkung liegt, wäre es auch unzutreffend, darin eine Beschränkung eines in Gestalt eines Kausalitätserfordernisses geregelten Zurechnungszusammenhangs zu sehen. Folglich unterscheiden sich die Beruhensregelungen und die Vorschriften über die Ergebnisrichtigkeit. Nur durch Erstere wird der Beseitigungsanspruch ausgeschlossen.951

947 Freilich will der dolo-agit-Satz nicht nur einen überflüssigen Austausch der Leistungen verhindern, sondern auch bzw. gerade das damit verbundene Rückforderungsrisiko dem Leistenden nicht aufbürden. 948 Bettermann, ZZP 88 (1975), S. 365 (377). 949 Bettermann, ZZP 88 (1975), S. 365 (377). 950 Äußerlich in Erscheinung treten kann die Kassation in gewisser Hinsicht freilich dann, wenn das Revisionsgericht die Entscheidung dem Tenor nach aufrechterhält, jedoch mit einer anderen Begründung, indem es etwa eine rechtswidrige Begründung durch eine nunmehr rechtmäßige ersetzt. 951 Angesichts dieses Ergebnisses ist in der verwaltungsrechtlichen Problematik des § 46 VwVfG insofern Vorsicht geboten, als bei einem Vergleich dieser Vorschrift mit den Regelungen des gerichtlichen Verfahrensrechts nicht einheitlich auf die Beruhensregelungen und die Vorschriften der Ergebnisrichtigkeit abgestellt werden kann, da diese Unterschiede aufweisen. Anleihen bei der Ergebnisrichtigkeit verbieten sich insofern, als hier im Gegensatz zu § 46 VwVfG gar keine Beschränkung vorliegt.

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers

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b) Regelung eines Zurechnungszusammenhangs Das Beruhenskriterium hat sich somit als Regelung eines Kausal- und damit eines Zurechnungszusammenhangs erwiesen. Ein Kausalitätserfordernis sowie die Zurechnungsproblematik finden sich auch als Voraussetzung für das Eingreifen des Beseitigungsanspruchs.952 Der Beseitigungsanspruch ist gerade die Kehrseite der staatlichen Verantwortlichkeit oder er ist mit anderen Worten das Ergebnis der Zurechnung einer Schutzbereichsbeeinträchtigung (eines Erfolgs) zu einem normwidrigen hoheitlichen Verhalten. Diese Zurechnungsfrage ist keine tatsächliche, sondern eine normative, und deswegen eine von der positiven Rechtsordnung zu beantwortende Frage. Der Gesetzgeber entscheidet, welche Anknüpfungspunkte er für die Zurechnung als maßgeblich erachtet. aa) Der Rechtswidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang Als (gesetzgeberische) Anknüpfungspunkte für die Bestimmung des spezifischen Zusammenhangs zwischen einem Verhalten und der Beeinträchtigung eines Rechts kommt das Verhalten als tatsächliches wie auch als normatives Phänomen in Betracht.953 Es kann einerseits auf den Zusammenhang des physisch-realen Verhaltens (beim Unterlassen als hypothetisches, gleichwohl in seiner Wirkung als physisch-real gedachtes Verhalten) mit dem eingetretenen Erfolg abgestellt werden, wofür die naturgesetzliche Kausalität das einschlägige Beurteilungskriterium darstellt. Dieses durch die conditio-sine-qua-non-Formel ausgedrückte Haftungskriterium findet sich bekanntlich in allen Teilbereichen des Rechts als Minimalanforderung jeglicher rechtlichen Verantwortlichkeit.954 Es kann aber auch auf das Verhalten als normatives durch die Rechtsordnung bewertetes Geschehen abgestellt werden in Bezug auf die in ihm liegende und zum Ausdruck kommende Pflichtwidrigkeit. Diese Pflichtwidrigkeit kann gesetzgeberisch zum Anknüpfungspunkt der Haftung und damit der Zurechnung gemacht werden. Damit es zur Haftung kommt, muss die Beeinträchtigung eines Rechts (der Erfolg) nicht nur auf das Verhalten, sondern auch auf die darin liegende Pflichtwidrigkeit zurückzuführen sein. Es muss ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang955 bestehen. Der Gesetzgeber hat eine solche Bestimmung etwa in § 839 Vgl. E.II.1.a). Hanau, Pflichtwidrigkeit, S. 83, wobei das Gesetz entscheidet, welche dieser Anknüpfungspunkte Relevanz besitzen sollen. 954 Bei dieser Frage geht es im eigentlichen Sinn auch um keine juristische, sondern vielmehr kann darüber ein Naturwissenschaftler befinden. Diese Zurechnung ist somit keine Zurechnung im juristischen Sinn, vgl. dazu schon oben E.II.1.a). 955 Die Ausdrücke Pflichtwidrigkeitszusammenhang und Rechtswidrigkeitszusammenhang werden vorliegend synonym verwendet, zu diesem Zusammenhang zwischen Rechtswidrigkeit und Pflichtwidrigkeit s. oben B.I. 952 953

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

Abs. 1 S. 1 BGB getroffen, wenn dort bestimmt wird, es sei der aus der Pflichtverletzung entstandene Schaden zu ersetzen.956 Auch bei allen Verhaltenstatbeständen in § 823 Abs. 2 BGB ist Anknüpfungspunkt der Haftung ein Normverstoß bzw. eine Pflichtwidrigkeit, als hier auf die Verletzung eines Schutzgesetzes abgestellt wird. Bei § 823 Abs. 1 BGB ist die Anknüpfung an die Pflichtwidrigkeit nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Hier geht es unter anderem um den Schutz subjektiver Rechte und die für diesen Fall bestimmte Haftung für subjektive Rechtsverletzungen. Dies ist offenbar für unsere Untersuchung von Bedeutung, da hier die Reichweite der Verantwortlichkeit im Falle einer Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts geregelt wird. Auch im Falle des Beseitigungsanspruchs geht es mit der Bestimmung von dessen Reichweite letztlich um die Bestimmung der Reichweite der staatlichen Verantwortlichkeit im Falle einer subjektiven Rechtsverletzung. Bei der subjektiven Rechtsverletzung, welche die Verkehrung des subjektiven Rechts darstellt, liegt das Anknüpfen an eine Pflichtwidrigkeit nahe. Das subjektive Recht ist seinem Gehalt nach eine zuerkannte Willens- oder Rechtsmacht; der dadurch bewirkte Schutz ist kein tatsächlicher, sondern ein rechtlicher, weil die dadurch zuerkannte Macht eine rechtliche ist.957 Wenn aber das durch das subjektive Recht geschützte Etwas normativen Charakter aufweist, dann muss die Kehrseite dessen, die Beeinträchtigung, gerade eine normative Beeinträchtigung sein und folglich ihrerseits rechtlichen und nicht nur tatsächlichen Charakter aufweisen. Dies bedeutet nun, dass in jeder Rechtsverletzung eine Pflichtverletzung liegt. Jedem subjektiven Recht entspricht eine Pflicht, nämlich die, seine Geltung zu beachten und damit letztlich den dieses Recht statuierenden Sollenssatz zu befolgen. Daher kommt es bei jeder subjektiven Rechtsverletzung auf eine Pflichtverletzung an. Die Verantwortlichkeit für die Verletzung eines subjektiven Rechts hängt maßgeblich mit der Verletzung einer Pflicht zusammen, es besteht bezüglich der Haftung ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Dies bedeutet, dass die Reichweite der Haftung der der verletzten Pflicht entspricht. Auswirkungen hat dies etwa bei der Frage, ob der Verletzer für eine Rechtsverletzung haften soll, die bei Beachtung der Norm zwar ausgeblieben wäre, aber von der Norm nicht verhindert werden 956 Vgl. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB: „Verletzt ein Beamter . . . die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er . . . den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen“. Anknüpfungspunkt ist hier die Amtspflicht und nur mittelbar die dem verletzten Recht korrespondierende Pflicht, insofern als diese die Drittgerichtetheit der Amtspflicht zu begründen vermag. Es geht bei diesem Beispiel auch nur darum, die Anknüpfung an eine Pflichtverletzung positivrechtlich zu belegen. 957 So wäre es unzutreffend als Schutzgut des Eigentums eine Sache als physisch-realen Gegenstand zu sehen. Geschützt durch das Eigentumsrecht ist die Willensmacht in Bezug auf die Sache, so dass etwa ein Einwirken auf die Sachsubstanz nicht die eigentliche Störung des Eigentumsrechts darstellt, sondern die darin liegende Beeinträchtigung der durch das Recht gewährten Willensmacht des Berechtigten, die eingeschränkt oder aufgehoben wird. Deutlich zeigt sich das Normative der Beeinträchtigung im Fall des Unterlassungsanspruchs. Hier liegt ja oft noch gar kein physisch-reales Geschehen vor, an welches angeknüpft werden könnte.

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers

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sollte. Die Reichweite der Pflicht, hier nach ihrem Sinn und Zweck teleologisch reduziert, bestimmt die Reichweite der Haftung, dahingehend nämlich, dass sie zu einer Beschränkung führt. Die Einhaltung der Pflicht vermag die Beeinträchtigung zu verhindern, sie soll es aber nicht, kürzer: die Norm kann mehr als sie soll. Dieser Zusammenhang wird als Rechtswidrigkeitszusammenhang oder auch als Schutzzweckzusammenhang bezeichnet.958 Er ist ein allgemein anerkanntes Kriterium zur Haftungsbeschränkung. Zudem hat er eine ausdrückliche gesetzgeberische Anerkennung als Haftungsbeschränkung des öffentlichrechtlichen Beseitigungsanspruchs erfahren. Im Bereich des Polizeirechts besteht als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Beseitigungsanspruchs ein Anspruch auf Löschung und Vernichtung von Daten, vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 1 BWPolG.959 Dieser Anspruch hängt stets davon ab, dass die weitere Speicherung der Daten unzulässig ist. Nun bestimmt etwa § 37 Abs. 2 S. 2 BWPolG, dass die Speicherung von Daten zu einem anderen polizeilichen Zweck, als sie erlangt worden sind, auch dann zulässig ist, soweit die Polizei die Daten auch zu diesem Zweck erheben dürfte. Dies bedeutet, wenn die Erlangung der Daten rechtswidrig war, aber die Daten hypothetisch auf rechtmäßigem Weg erlangt werden könnten, so ist damit die Speicherung trotz Rechtswidrigkeit zulässig und in Folge dessen der Vernichtungs- und Löschungsanspruch ausgeschlossen.960 In diesem Fall besteht also kein Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Datenerlangung und der Erhebung der Daten und deren Speicherung. Die Daten hätten auch rechtmäßig erlangt werden können. Es wäre wenig zweckmäßig, die Daten auf Grund ihrer Rechtswidrigkeit zunächst zu löschen, wenn diese anschließend gleich wieder rechtmäßig erhoben werden könnten. Deswegen schränkt der Gesetzgeber den insoweit bestehenden Beseitigungsanspruch ein. Man könnte versucht sein, diese anerkannte Fallgruppe der Haftungsbeschränkung als einschlägig zur dogmatischen Beschreibung des Beruhenskriteriums zu sehen. Das Beruhenskriterium dient der Einschränkung staatlicher Verantwortlichkeit, da es die sekundärrechtliche Haftung für eine subjektive Rechtsverletzung 958 Das rechtmäßige Alternativverhalten ist gleichbedeutend mit dem Pflichtwidrigkeitszusammenhang, vgl. Tröndle / Fischer, StGB, Vor § 13, Rn. 17c. Wenn man den Erfolg auch rechtmäßig hätte herbeiführen könne (Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens), dann ist der entstandene Schaden nicht auf die Verletzung der von der Rechtsordnung auferlegten Pflicht zurück zu führen. Es fehlt der Rechtswidrigkeits- bzw. Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Wenn aber der Schaden nicht auf die Verletzung des vom Recht Geforderten zurückgeführt werden kann, dann wollte insoweit das Recht diesen Schaden nicht verhindern. In diesem Sinn auch Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb v § 249, Rn. 105 unter Verweis auf BGH NJW 2000, S. 661: Schäden, die auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten entstanden wären, werden grundsätzlich nicht vom Schutzzweck einer Norm erfasst. Insofern hängen alle verwendeten Begriffe miteinander zusammen. 959 Dazu sowie zu den entsprechenden landespolizeilichen Regelungen Schenke, Polizeirecht, Rn. 218. 960 Zu dem Einwand der Rechtmäßigkeit des hypothetischen Ersatzeingriffs, vgl. Schenke, Polizeirecht, Rn. 207.

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

ausschließt. Verwendet wird dieses Kriterium bei Verfahrensrechten, welche subjektive Rechte darstellen. Folglich bedeutet die Verletzung dieser Verfahrensrechte immer eine Pflichtverletzung, z. B. im Falle des Art. 103 Abs. 1 GG die Verletzung der Anhörungspflicht. Von der Reichweite der Pflicht als Kehrseite des jeweiligen Verfahrensrechts hängt folglich die Reichweite der sekundärrechtlichen Verantwortlichkeit ab.961 Stellt man nun auf die dienende Funktion des Verfahrensrechts ab, so liegt Sinn und Zweck von Verfahrensrechten in der Verwirklichung des materiellen Rechts. In den Beruhens-Fällen besteht nun aber eine materiellrechtlich richtige Entscheidung. Auch bei Beachtung des Verfahrensrechts wäre inhaltlich dieselbe Entscheidung zu treffen und durch das materielle Recht vorgegeben. Mit den Worten des Rechtswidrigkeitszusammenhangs ausgedrückt: die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Pflicht sollte ihrem Sinn und Zweck nach nicht vor der mit diesem Inhalt getroffenen Entscheidung schützen. Die Aufhebung wäre verfahrensökonomisch nicht sinnvoll, da die gleiche Entscheidung auch bei Einhaltung verfahrensrechtlicher Bestimmungen hätte getroffen werden können und nunmehr, da richterliche Entscheidungen gebundene Entscheidungen sind, alsbald wieder getroffen werden müsste. bb) „Beruhen“ als Rechtswidrigkeitszusammenhang Mit dieser Interpretation von Verfahren und Verfahrensrechten, die hiermit zur Prämisse gemacht wird, ist ein Streit um den Charakter von Verfahrensrechten angesprochen, der sich im Ergebnis bei genauerer Betrachtung als irrelevant herausstellt, nämlich der, ob Verfahrensrechte Mittel oder Selbstzweck sind, ob sie dienende Funktion haben oder einen Eigenwert besitzen. Wie soeben ausgeführt, gelangt man mit der Ansicht der dienenden Funktion allen Verfahrensrechts zu einer Beschränkung der Verantwortlichkeit bei Verletzung dieser Rechte. Sieht man jedoch genauer hin, benötigt man gar nicht diesen Rückgriff auf Sinn und Zweck der Verfahrensrechte. Die Besonderheit liegt in Folgendem: Im Fall des Rechtswidrigkeitszusammenhangs geht es darum, dass eine Norm vor einer Beeinträchtigung schützen kann, aber nicht soll. Im Fall des Beruhenskriteriums ist jedoch eine Besonderheit gegeben. Bei den Beruhens-Fällen wäre auch bei Beachtung des Verfahrensrechts dieselbe materiellrechtliche Beeinträchtigung eingetreten. Es geht dabei um die Frage, ob der Verletzer haften soll für etwas, was auch bei normgemäßen Verhalten eingetreten wäre, obwohl es die Norm eigentlich verhindern wollte. Kurz und mit anderen Worten: die Norm wollte den eingetretenen Zustand verhindern, aber sie konnte es nicht. Beim Rechtswidrigkeitszusammenhang konnte sie es, wollte bzw. sollte es aber nicht. 961 Auch im Falle des § 3 StHG müssen die Voraussetzungen des § 1 StHG vorliegen, daher ist nach Schäfer / Bonk, StHG, § 3, Rn. 18 i.V.m. § 1, Rn. 218 – 242 (hier insbes. Rn. 241 explizit zur Gehörsverletzung), ein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und der Beeinträchtigung des Geschädigten erforderlich.

IV. Das Abstellen auf die Ergebnisrelevanz des Fehlers

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Nun kann man sagen, wenn eine Norm etwas nicht verhindern kann, dann soll sie es auch nicht. Insofern lässt sich auch dieser Fall unter den Rechtswidrigkeitszusammenhang fassen, als hiermit die Haftung auf das von einer Norm Geforderte beschränkt werden soll. Gleichwohl empfiehlt es sich, diese Fallgruppe als Unterfall des Rechtswidrigkeitszusammenhangs dogmatisch zu verselbständigen, als sie hinsichtlich der Feststellung ihrer Voraussetzungen Besonderheiten aufweist.962 Lässt sich feststellen, dass der Gesetzgeber in einem bestimmten Kontext für die Haftungsreichweite die Normreichweite als maßgeblich ansieht, so ist in einem zweiten Schritt teleologisch die Reichweite der Pflicht und damit die Reichweite der Haftung zu bestimmen. Dieser zweite Schritt entfällt jedoch in dem angeführten Sonderfall. Hier ergibt sich die Reichweite der Haftung daraus, dass anstelle des tatsächlichen Verhaltens das normativ gebotene gesetzt wird. Wäre bei pflichtgemäßen Verhalten die Beeinträchtigung ebenfalls eingetreten, so entfällt die Haftung. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf eine teleologische Überlegung an, sondern ersichtlich auf eine Prüfung der Kausalität des normwidrigen Verhaltens für den eingetretenen Erfolg. Diese Prüfung zur Bestimmung der Verantwortlichkeit weist Ähnlichkeiten zu der im Falle des Unterlassens auf. Dies erklärt sich daraus, dass jede Pflichtwidrigkeit normativ eine Unterlassung bedeutet, nämlich die Unterlassung der Pflichterfüllung bzw. die Befolgung eines Sollenssatzes. So kann dieser Sonderfall der Haftungsbegrenzung als Kausalität der Rechts- oder Pflichtwidrigkeit bezeichnet werden.963 Bei der Kausalität der Pflichtwidrigkeit als Unterfall des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs kommt es ersichtlich zwar auf einen (kausalen) Zusammenhang der durch die Verletzung herbeigeführten Beeinträchtigung zur Pflichtwidrigkeit an, jedoch auf keine teleologische Begrenzung der Pflicht. Wenn es nun in den Beruhens-Fällen um die Kausalität eines Verfahrensverstoßes als Verstoß gegen eine dem Adressaten auferlegte Pflicht geht, so kommt es auf Sinn und Zweck dieser Pflicht bzw. allgemeiner des Verfahrensrechts gar nicht an. Die verfahrensrechtlichen Pflichten hätten auch bei ihrer Beachtung ein Verfahrensergebnis dieses Inhalts nicht verhindern können, gleichviel ob sie dienende Funktion oder Selbstzweckcharakter haben. Mit dem Beruhenskriterium knüpft der Gesetzgeber ähnlich wie bei § 823 BGB an die Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens an und bestimmt damit, wie oben gezeigt in verfassungsrechtlich zulässiger Weise, das maßgebliche Zurechnungskriterium, aus dem sich die Reichweite der staatlichen Verantwortlichkeit ergibt. Der Rechtswidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhang wird allgemein sowohl im Rahmen der haftungsbegründenen als auch der haftungsausfüllenden Kausalität verwendet.964 Anzusiedeln ist die durch das Beruhenskriterium bewirkte Hanau, Kausalität, S. 89. s. dazu ausf. Hanau, Kausalität, S. 83 ff. und passim. 964 Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823, Rn. 20: haftungsbegründende Kausalität als Zusammenhang zwischen Handlung und Rechtsgutverletzung; § 249, Rn. 47: das rechtmäßige 962 963

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G. Die Beschränkung von Fehlerfolgen

Haftungsbeschränkung in Gestalt des Rechtswidrigkeits- bzw. Schutzzweckzusammenhangs im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität.965 Denn damit soll nicht die subjektive Rechtsverletzung ausgeschlossen werden, was sich bei Ansiedlung in der haftungsbegründenden Kausalität ergeben würde, sondern nur der sich als Rechtsfolge der subjektiven Rechtsverletzung ergebende Beseitigungsanspruch.

V. Resümee Die Untersuchungen des vorangegangen Kapitels ergaben, dass sich in der Rechtsordnung zahlreiche einfachgesetzliche Regelungen finden, welche die Fehlerfolge „Beseitigungsanspruch“ beschränken oder sogar gänzlich ausschließen. So finden sich im gerichtlichen Verfahrensrecht Präklusionsvorschriften, im Rechtsmittelrecht Form- und Fristerfordernisse sowie sonstige Rechtsmittelvoraussetzungen. Diese Fehlerfolgenbeschränkungen stellen sich als legislative Eingriffe in diejenigen subjektiven Rechte dar, aus denen der jeweilige Beseitigungsanspruch als sekundäres Hilfsrecht folgt, insofern sie grundrechtlich fundierte Beseitigungsansprüche ausschließen oder beschränken. Eingriffe in Grundrechte oder grundrechtsähnliche Rechte sind nicht von vornherein unzulässig. Vielmehr stellt sich das Problem ihrer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Fehlerfolgenbeschränkungen werfen neben der Frage nach ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation die Frage nach ihrer verfassungsdogmatischen Verortung im Rahmen des Beseitigungsanspruchs auf. Da der Beseitigungsanspruch bei Vorliegen der unter E.II. abschließend ermittelten Voraussetzungen grundsätzlich gegeben ist, sind Fehlerfolgenbeschränkungen als Ausnahmetatbestände dogmatisch gegenüber den Tatbestandsvoraussetzungen zu verselbstständigen. Besondere Bedeutsamkeit unter den Fehlerfolgenbeschränkungen besitzt das Beruhenskriterium. Es führt bei Verletzung von Verfahrensrechten zum Ausschluss des Beseitigungsanspruchs, falls der Verfahrensfehler sich nicht auf das Verfahrensergebnis ausgewirkt hat. Das Beruhenskriterium ist ein anerkanntes Instrument zur Beschränkung von Fehlerfolgen und enthält eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Abwägung der Sach- und Interessenlage. Neben der damit gegebenen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung war das Beruhenskriterium dogmatisch im Beseitigungsanspruch zu verorten. Mit dem „Beruhen“ wird die Reichweite der Haftung des Verletzers und damit ein Zurechnungsproblem umschrieben. Eine weitere Konkretisierung innerhalb der Zurechnungsproblematik ergab die Zuordnung des haftungsbeschränkenden Korrektivs des Beruhens zum RechtswidrigAlternativverhalten bezieht sich „im Schwerpunkt“ auf haftungsbegründende Kausalität, möglich ist der Einwand aber auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität. 965 So auch die potentielle Zuordnung dieses haftungsbegrenzenden Topos im Rahmen des Beseitigungsanspruchs durch Schenke, DÖV 1986, S. 305 (309).

V. Resümee

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keitszusammenhang in einer spezifischen Ausprägung. In den Beruhens-Fällen kann das Verfahrensergebnis nicht auf die Rechtswidrigkeit, den Verfahrensfehler, zurückgeführt werden – insofern mangelt es an einem Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die dabei eintretende Haftungsbeschränkung war auf Ebene der haftungsausfüllenden Kausalität anzusiedeln, insofern sie nicht das Vorliegen einer primärrechtlichen Rechtsverletzung, sondern nur die sekundärrechtliche Haftung in Gestalt eines Beseitigungsanspruchs ausschließt. Mit der Einbindung von Beschränkungstatbeständen erfährt das Problem des judikativen Unrechts hinsichtlich seiner Folgen einerseits eine wesentliche Einschränkung, was andererseits aber zugleich Bedenken entgegenzuhalten ist, welche gegen die grundsätzliche Annahme der Haftung für judikatives Unrecht vorgetragen werden könnten. In Gestalt der Beschränkungen stehen adäquate Korrektive zur Verfügung, um eine Ausuferung der Haftung für judikatives Unrecht abzufedern. Nicht zuletzt wurde die dogmatische Aussagekraft der Annahme eines judikativen Beseitigungsanspruchs demonstriert. Unter E.III. wurde gezeigt, dass die Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs eine verfassungsdogmatische Erklärung für die Rechtsfolge einfachgesetzlicher Rechtsmittel bietet. Im vorliegenden Abschnitt wurden die einfachgesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich Zulässigkeit und Begründetheit von Rechtsmitteln zum Beseitigungsanspruch in Bezug gesetzt und so eine verfassungsdogmatische Einordnung dieser Beschränkungstatbestände ermöglicht.

Zusammenfassung und Ausblick Man nehme das nicht übel. Eben dasjenige, was niemand zugibt, niemand hören will, muss desto öfter wiederholt werden. (Johann Wolfgang von Goethe)

Das Ende der Untersuchung ist noch nicht das Ende der Arbeit. Es verbleibt die Aufgabe, die gewonnenen Erkenntnisse zusammenzufassen. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Rechtsfigur des subjektiven Rechts vom argumentativen Eröffnungszug zum dogmatischen Wegweiser für die Beschreibung der Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG sowie des judikativen Unrecht insgesamt geworden ist. Innere und äußere Mitte der Arbeit ist der Begriff des subjektiven Rechts (D.). Ausgehend von der Frage, welche rechtlichen Folgen der Verstoß gegen das Recht des Art. 103 Abs. 1 GG hat, wurde zu Beginn der Untersuchung die Unterscheidung von Fehler und Fehlerfolge getroffen (A.II.). Der Begriff des Fehlers war gleichbedeutend mit der rechtlichen Bewertung als rechtswidrig. Danach haben gerichtliche Entscheidungen im Falle des Verstoßes gegen das Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG als fehlerhaft und damit rechtswidrig zu gelten (B.). Gleichwohl beanspruchen gerichtliche Entscheidungen trotz ihrer Rechtswidrigkeit rechtliche Wirksamkeit. Dies ergab sich aus der gesetzgeberischen Entscheidung für das Anfechtungsprinzip (C.). Rechtswidrigkeit und Wirksamkeit stehen als objektivrechtliche Fehlerfolgen in Wechselwirkung mit subjektivrechtlichen Fehlerfolgen, welche deswegen nach dem Gang unserer Darstellung (A.II.) im Anschluss daran untersucht wurden. Im weiteren Fortgang wurden dementsprechend weitere Fehlerfolgen in Gestalt von Reaktionsansprüchen näher betrachtet. Ausgehend von der Tatsache, dass bei Verletzung subjektiver Rechte in allen Teilbereichen der Rechtsordnung das verletzte Primärrecht flankierende Hilfsrechte auszulösen vermag, wurde als solches Hilfsrecht insbesondere der Beseitigungsanspruch fokussiert (E.). Als Ergebnis dessen wurde die Annahme von Beseitigungsansprüchen, welche gegenüber der Exekutive bereits seit langem Gemeingut sind, mutatis mutandis auch gegenüber der Judikative befürwortet. Zu den notwendigen Anpassungen gehörte etwa die Herausarbeitung der Fehlerfolgenbeschränkungen (G.). Soweit die einfachgesetzlichen Verfahrensordnungen solche Beschränkungen des Beseitigungsanspruchs vorsehen, sind diese nicht unzulässig, sondern lediglich rechtfertigungsbedürftig. So

Zusammenfassung und Ausblick

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wurde etwa das in Rechtsmittelregelungen vorgesehene Beruhenskriterium analysiert und dogmatisch in Bezug auf den Beseitigungsanspruch als Zurechnungsproblem identifiziert (G.IV.). Das Beruhenskriterium stellt das Ergebnis einer überzeugenden Sach- und Interessenabwägung dar und erfährt von daher seine verfassungsrechtliche Legitimation. Abschließend wurde die Bedeutung der ermittelten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Rechtsbehelfe der einfachgesetzlichen gerichtlichen Verfahrensordnungen untersucht (E.III.2.) und festgestellt, dass hinsichtlich deren Ausgestaltung in Form des Kassationselements der oben ermittelte Beseitigungsanspruch wiederkehrt, in Form von Rechtsmittelbeschränkungen die oben gefundenen, verfassungsrechtlich gerechtfertigten Möglichkeiten der Fehlerfolgenbeschränkung. Damit ist eine verfassungsrechtliche Rechtsmitteldogmatik gewonnen. Ausgehend vom Vorliegen eines materiellrechtlichen Reaktionsanspruchs in Gestalt des ermittelten Beseitigungsanspruchs wurde weiter nach einem korrespondierenden formellrechtlichen Reaktionsanspruch gefragt (F.). Die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 4 GG wurde verneint, da die Judikative aus dem Begriff der „öffentlichen Gewalt“ mittels einer teleologischen Reduktion auszuklammern ist (F.II.). Ein Rechtsschutzanspruch ergibt sich jedoch aus der subjektiven Rechtsqualität der Grundrechte bzw. grundrechtsgleichen Rechte (F.III.). Tragender Leitgedanke für den formellrechtlichen Reaktionsanspruch war das Rechtsmachtmoment des subjektiven Rechts – wer Recht hat, muss auch die Möglichkeit haben, Recht zu bekommen. Bedenken gegen die Annahme eines solchen Anspruchs bestehen nicht. Insbesondere der Einwand des mit einem solchen Anspruch einhergehenden infiniten Rechtsschutzes ist nicht stichhaltig. Zum einen deswegen, weil der formellrechtliche Reaktionsanspruch nur bei Verletzung formeller subjektiver Rechte Bedeutung besitzt und insofern eine Eingrenzung des Problems erreicht wurde (F.III.2.). Weiterhin besteht der formellrechtliche Rechtsschutzanspruch nur akzessorisch zu den materiellen Ansprüchen, welche mittels ihm durchgesetzt werden. Diese sind jedoch beschränkbar (G.). Zuletzt garantiert der Rechtsschutzanspruch nur ein verfassungsrechtliches Minimum dahingehend, dass mindestens eine einmalige Durchsetzungsmöglichkeit besteht. Abschließend bleibt, zu resümieren und einen Ausblick zu wagen. Die Pannenfälle bei Gehörsverletzungen und die damit verbundene Problematik der außerordentlichen Rechtsbehelfe sowie die Überlastung des Bundesverfassungsgerichts veranlasste, die Folgen des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu untersuchen. Die Ermittlung dieser Fehlerfolgen sollte exemplarischen Charakter für die Behandlung von Rechtsverletzungen durch den Richter haben und eine Basis für verallgemeinernde Aussagen liefern. Hierbei hat eine erste Systematisierung des Problems der Rechtsverletzung durch den Richter verdeutlicht, dass die sich stellenden Fragen über den Untersuchungsgegenstand hinausführen und deren Beantwortung ein noch ausstehendes Desiderat bildet. Im Rahmen der Arbeit wurde jedoch ein wesentlicher Teilbereich judikativen Unrechts untersucht und die Rechtsverletzungen im Verhältnis Bürger-Judikative betrachtet. Die Rechtsverlet-

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Zusammenfassung und Ausblick

zungen im Rechtsverhältnis Bürger-Judikative konnten dogmatisch entsprechend den Grundsätzen im allgemeinen Verhältnis des Bürgers zum Staat beschrieben werden. Insofern konnte eine Brücke geschlagen werden zu der bestehenden Dogmatik der Rechtsverhältnisse des Bürgers zur Exekutive und Legislative. Mit der Annahme eines Beseitigungsanspruchs und einer Rechtsschutzgarantie gegenüber Rechtsprechungsakten wurde eine systematische Geschlossenheit des BürgerStaat-Verhältnisses erreicht. Von Bedeutung erwies sich fernerhin, das Fehlerfolgenregime als geschlossenes Ganzes zu erfassen und die dabei bestehenden sachlogischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fehlerfolgen aufzuzeigen. Bei der Lösung der exponierten Aufgaben erwies sich die Rechtsfigur des subjektiven Rechts als eine clavis universalis. Ist auch im Rahmen der Arbeit das Problems des judikativen Unrechts nicht insgesamt einer Lösung zugeführt worden, insofern nicht alle denkbaren Rechtsverhältnisse betrachtet wurden, so ist im Rahmen dieser Arbeit immerhin eine Antwort auf die Frage des Juvenal966 gefunden: Wer bewacht die Wächter? – Führt man sich vor Augen, dass die Lösung jedes Paradoxons in der Vermeidung von Äquivokation und Rekursivität liegt, muss das Ergebnis der Untersuchung allzu trivial erscheinen: die Wächter. Anfang und Ende der Arbeit – das Phänomen des judikativen Unrechts sowie die Reaktionen des Rechts auf dieses – sind in zwei Worten zusammengefaßt: Unrecht richten.

966 Decimus Iunius Iuvenalis, röm. Redner und Dichter um 60-140 n. Chr., der Satire VI, 347 die Frage stellt: „Sed quis custodiet ipsos custodes?“.

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Sachwortverzeichnis Anfechtungsprinzip 71 Anhörungsrüge 17 Anspruch – auf Beseitigung siehe Beseitigungsanspruch 120 – auf Justizgewährleistung 203 – auf Rechtsschutz 195 – auf Unterlassung siehe Unterlassungsanspruch 132 – Begriff 107 Aufhebungsanspruch siehe Beseitigungsanspruch 127, 129, 131, 133 Beeinträchtigung – Begriff 142 – Erscheinungsformen 143 Befangenheit 177 Beruhenskriterium 244, 251 Beseitigung einer gerichtlichen Entscheidung – durch den Gesetzgeber 215 – durch die Exekutive 216 – durch die Fachgerichte 171 Beseitigungsanspruch 120, 126, 128, 130, 132, 134, 136, 138, 140, 142, 144, 146, 148, 150, 152, 154, 156, 158, 160, 162, 164, 166, 168, 170, 172, 174, 176, 178, 180 – Beschränkungen 234, 236, 238, 240, 242, 244, 246, 248, 250, 252, 254 – gegen die Exekutive 29 – gegen die Judikative 126, 128, 130, 132, 134, 136, 138, 140, 142, 144, 146, 148, 150, 152, 154, 156, 158, 160, 162, 164, 166, 168, 170, 172, 174, 176, 178, 180 – gegen die Legislative 29 – Rechtsfolge 162 – relative Rechte 120 – Tatbestandsvoraussetzungen 135, 137, 139, 141, 143, 145, 147, 149, 151, 153, 155, 157, 159, 161

– und Rechtsstaatsprinzip 78 – Verhältnis zum Unterlassungsanspruch 132 Devolutiveffekt 175 Dogmatik 97 Dolo-agit-Satz 244 Dürfen siehe Erlaubnis 92 duty 95 Eingriff 139 Erfolgsunrecht 40, 155 Erlassvorgang als Anknüpfung für das Rechtswidrigkeitsurteil 40, 42 Erlaubnis 92 Erzwingbarkeit 110 – des objektiven Rechts 110 – des subjektiven Rechts 113 Fachgerichtsbarkeit 171 Fehler 35 Fehlerfolge 35 Fehlerfolgenbeschränkung 36, 234, 236, 238, 240, 242, 244, 246, 248, 250, 252, 254 Glossatorische Methode 77 Grundrechtseingriff – als Voraussetzung für den Beseitigungsanspruch 139 – finaler, unmittelbarer 152 – klassischer 152 Hecksche-Formel 172 Hilfsrechte 119, 121, 123 – bei formellen Rechten 122 – bei relativen Rechten 121 Infinit-Problem 231 Interessentheorie 83

Sachwortverzeichnis Judikatives Unrecht – Begriff 21 – Erscheinungsformen 33 Justizgewährleistungsanspruch 203 Kausalität – als Zurechnungsprinzip 147, 149 – eines Fehlers für das Ergebnis 239 – haftungsbegründende ~ 146 Kombinationstheorie 83 leges imperfectae 115 Müller-Arnold-Fall 216 Negation – des Rechts 44 – des Unrechts bzw. der Negation 143 Nicht-Urteil 59 objektives Recht 109 – als Ausdruck menschlicher Freiheit 195 – als Bewertung von Interessen 106 Präklusion 235 privilege 94 Reaktionsanspruch 36 Realakt, als Nicht-Rechtsakt 143 Recht – als Relationsbegriff 22 – imperfektes siehe leges imperfectae 115 – objektives siehe objektives Recht 195 – subjektives siehe subjektives Recht 22 Rechtmäßiges Alternativverhalten 250 Rechtmäßigkeitsvermutung 63 Rechtsakt, Begriff 38 Rechtsmacht 83, 103 – Anspruch auf Rechtsschutz 195 – Inhalt 143 Rechtsmittelverzicht siehe Verzicht 236, 237 Rechtsschutz – ad infinitum 231 – aus Art. 19 Abs. 4 GG 182, 203 – aus dem subjektiven Recht 195 – Erscheinungsformen 208 – Selbsthilfe 208 Rechtssicherheit 67 18 Hößlein

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Rechtsstaatsprinzip 25 – als Grundlage des Beseitigungsanspruchs 78 – formelles 28 – materielles 28 Rechtsverhältnis 21 – im engeren Sinn 23 – im weiteren Sinn 21 Rechtsverletzung 142 – gerichtliche Feststellungsmöglichkeit 168 Rechtswidrigkeit 37, 39, 41, 43, 45 – als Tatbestandsmerkmal des Beseitigungsanspruchs 155 – bei Verfahrensfehlern 160 – zeitliche Veränderung der Rechtswidrigkeit 158 Rechtswidrigkeitszusammenhang 251 right 95 Sanktionierungsspielraum 69 Sanktionslosigkeit 69 Schiedsverfahren 227 Schumannsche-Formel 172 Schutzzweckzusammenhang 248 Selbsthilfe 208 Selbstkontrolle 176 subjektives Recht 75, 76, 78, 80, 82, 84, 86, 88, 90, 92, 94, 96, 98, 100, 102, 104, 106, 108, 110, 112, 114, 116, 118, 120, 122, 124 – als Ausdruck menschlicher Freiheit 195 – primäres 92, 136 – Rechtsmacht 103 – sekundäres 119, 121, 123 – Verhältnis zum objektiven Recht 105 System 99 Tertiärrecht 84 – Verhältnis zum Sekundärrecht 127 Treu und Glauben 243 Umdeutung 65 Unrecht, als Negation des Rechts 44 Unterlassungsanspruch 119, 132 – Verhältnis zum Beseitigungsanspruch 132 Unverbrüchlichkeit des Rechts 70 Veränderung der Sach- oder Rechtslage 158

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Sachwortverzeichnis

Verfassungsgerichtsbarkeit 171 Verhaltensunrecht 40, 155 Verzicht 236, 237

Zurechnung 147

Willensmacht 83, 195 Willenstheorie 83

Zustandsunrecht 155

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Zurechnungslehre 149 Zurechnungszusammenhang 146 Zwangstheorie 110