Johannes Bisselius: Deliciae Veris – Frühlingsfreuden: Lateinischer Text, Übersetzung, Einführungen und Kommentar 9783110314496, 9783110314656

In 1638, the Jesuit, poet, preacher, and historian from Upper Swabia, Johannes Bisselius (1601–1682) published the first

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German Pages 818 [820] Year 2013

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Table of contents :
Einleitung
1. Jesuitendichtung und Jesuitenlyrik im alten Reich Vorbemerkungen zum Forschungsstand und Erkenntnisgewinn
2. Der Autor und sein Werk - mit Hinweisen zur Rezeption
3. Deliciae Veris: Autorbewusstsein und immanente Poetologie Thematik, Struktur und Komposition
a. Strukturierung als ästhetische Differenz
b. Variationen der autobiografischen Inszenierung
4. Adaptation, Integration und Revokation: Deutsche Schwankliteratur (J. Pauli) im lateinischen Textgewebe Exemplarisches zur Quellenverarbeitung
Zur Entstehung des Bandes und Dank
Editorischer Bericht
Reverendissimo Praesuli [...] VRBANO, AD MONTES ABBATI. Widmungsvorrede an Urban, Abt des Klosters Admont
VERNORVM LIBER I. Der Frühlingsgedichte erstes Buch
CONTINENS DELICIAS VERIS INCIPIENTIS SOLEM, ZEPHYRUM, CICONIAM, CATHEDRAM S. Petri, NAVIGATIONEM, AVICVLAS, VIOLAS, HIRVNDINEM
Enthaltend die Freuden des beginnenden Frühlings: Die Sonne, Zephyrus, den Storch, die Cathedra des Heiligen Petrus, Seefahrt, Vögel, Veilchen und die Schwalbe
ELEGIA I. Vernis illecebris etiam Infantiae Venam et Ingenium excitari. Dass mit den Reizen des Frühlings auch Geist und Begabung geweckt werden
I. Pueritiae primae ruditas: et Hyemis Squallor
Der rohe Zustand der frühen Kindheit und die Unwirtlichkeit des Winters
II. Pueritiae primae sensus
Die Empfindungen der frühen Kindheit
III. Admiratio Veris et rerum conditarum, sensim pueris subnascitur
Allmählich erwächst in den Knaben die Bewunderung des Frühlings und der verborgenen Dinge
IV. In Vere omnia contineri bona
Im Frühling seien alle Güter enthalten
SOL. DIE SONNE
ELEGIA II. DE SOLE
Solem, tanquam VERIS, et bonorum sub Luna principium, ab omnibus expeti
Die SONNE
Die Sonne, gleichsam Ursprung des FRÜHLINGS und alles Guten unter dem Mond, werde von allen herbeigewünscht
I. Invitatio Solis, ut ex Africa adproperet in Germaniam
Einladung an die Sonne, aus Afrika eilends nach Deutschland zu kommen
II. Solis species et fabrica
Aussehen und Bau der Sonne
III. Solis redeuntis, in terras Influens liberalitas
Die Freigebigkeit der bei ihrer Wiederkehr auf die Länder iederstrahlenden Sonne
ELEGIA III. Historica
[De Sancto Ioanne apricante.]
[Der Heilige Johannes sonnt sich]
ELEGIA IV. De DILVCVLO
Die MORGENDÄMMERUNG
ELEGIA V. Historica
MARIA IN SOLE
MARIA IN DER SONNE
I. Describitur Patmos: et Exilij Patmaei incommoda
Es werden Patmos und die Beschwernisse des Exils auf Patmos beschrieben
II. Varia Maris Aegaei spectacula
Verschiedene Erscheinungen auf dem Aegaeischen Meer
III. Ioannes diviniora quaerit
Johannes sucht Göttlicheres
IV. Aspectus MARIAE, omnibus Insularum spectaculis gratior. Der Anblick MARIENS, willkommener als jedes Schauspiel der Inselwelt
V. Interpretatur hoc Meteorum Ioannes, et in MARIA acquiescit
Johannes deutet dieses Himmelsgesicht und findet in MARIA seinen Frieden
ZEPHYRVS, SEV FAVONIVS
ZEPHYRUS, ODER: FAVONIUS
ELEGIA VI. DE ZEPHYRI ADVENTU
ZEPHYRS ANKUNFT
ELEGIA VII. De eodem Argumento
Ad Gunzium, Sueviae amnem, deambulanti auctori; simul cum Zephyro, Carminis impetus affluxit
Gleichen Inhalts
Als der Autor an der Günz, einem Fluss in Schwaben, entlang spazieren ging, wehte ihn mit dem Zephyr der Drang an, ein Gedicht zu verfassen
ELEGIA VIII. Laudes Zephyri
Lob des Zephyrs
ELEGIA IX. Historica
De VENTO RORIS flante, in fornace Babylonica
Der im babylonischen Feuerofen wehende TAUWIND
CICONIA DER STORCH
ELEGIA X. De CICONIAE Adventu
Die Ankunft des STORCHS
ELEGIA XI. De CICONIA Revolante
Die Rückkehr des STORCHS
ELEGIA XII. Historica
De CICONIA, beneficij memore
Über einen STORCH, der eine Wohltat nicht vergaß
ELEGIA XIII. Geographica
Cathedra S[ancti] Petri Antioch[iae], 22. Febr
Fest der Cathedra des Hl. Petrus in Antiochia am 22. Februar
I. Migrationem ex urbe Antiochena, à Ciconiae exemplo, PETRO suadet
Er rät PETRUS zur Wanderung aus der Stadt Antiochia nach dem Beispiel des Storchs
II. Italiam, et Europam caeteram PETRO visendam Angelus, in Spiritu ductor, proponit
Italien und das übrige Europa aufzusuchen, dazu fordert ein Engel als Führer im Geist den PETRUS auf
III De Anglia, sub Henrico VIII. relapsura
England wird unter Heinrich VIII. wieder abfallen
IV Americae, et Iaponum ad Christiana Sacra transitum, PETRO vaticinatur
Der Engel prophezeit PETRUS den Übertritt Amerikas und der Japaner zur christlichen Religion
NAVIGATIO
SEEFAHRT
ELEGIA XIV. DE NAVIGATIONE, VERnorum Siderum exortu, rursus aperiri coeptâ
Über eine SEEREISE, die beim Aufgang der FRÜHLINGSGESTIRNE erneut aufgenommen wird
I. Paraenesis ad Navigationem; sed, Cautam
Ermunterung zur Seefahrt, aber mit Bedacht
II. S[ancti] Satyri Naufragium
Der Schiffbruch des heiligen Satyrus
III S[anctus] Raymundus, pallio mare transmittit
Der heilige Raymund überquert auf einem Mantel das Meer
AVICULAE
VÖGELEIN
ELEGIA XV. DE ALAVDA
DIE LERCHE
ELEGIA XVI. Historica
ALAVDA VOLVCRIS COLONIAE ATTICAE CONSTITUTRIX
EINE LERCHE ALS GRÜNDERIN EINER ATTISCHEN KOLONIE
ELEGIA XVII. SPINVLVS
DER ZEISIG
I. Spinulum, Aviculam cicuratam (quam Germani Zeyslin appellant) aut amissam, aut interversam, deplorat, atque revocat
Er beklagt den Verlust seines Zeisigs, eines gezähmten Vögelchens (die Deutschen nennen es Zeyslin), das ihm verloren gegangen oder entwendet worden war, und ruft ihn zurück
II. Optat sibi Spinuli alas, quibus in Caelum evolet
Er wünscht sich die Flügel des Zeisigs, um damit in den Himmel hinauf zu fliegen
III Quos in Caelo conventos cuperet?
Mit wem er im Himmel zusammenzutreffen wünschte
ELEGIA XVIII
DIES S[ANCTO] IOSEPHO FESTVS, 19. Martij
Das FEST DES HEILIGEN JOSEPH am 19. März
I. Iosephi cum Poëta colloquium
Josephs Gespräch mit dem Dichter
II. Christus parvulus Luporum et Piscium Deliciae
Das Christusknäblein, die Freude der Wölfe und Fische
III Christo Parvulo Delicias facit Philomela
Die Nachtigall macht dem Christusknäblein Freude
IV Eidem Turtur domesticus obsequitur
Die häusliche Turteltaube folgt ihm
V. Christus Puerulus, Apium deliciae
Das Christusknäblein als Freude der Bienen
ELEGIA XIX. Historica
S[ANCTI] BENEDICTI Merula
SANKT BENEDIKTS Amsel
VIOLAE
VEILCHEN
ELEGIA XX. DE VIOLIS
DIE VEILCHEN
ELEGIA XXI. IN FVCOS
GEGEN DIE DROHNEN
ELEGIA XXII. Historica
APES, in ore infantis AMBROSII
BIENEN auf dem Mund des Kindes AMBROSIUS
HIRVNDO
DIE SCHWALBE
ELEGIA XXIII. HIRVDO LOQVAX
DER GESCHWÄTZIGE BLUTEGEL
VERNORVM LIBER II. Der Frühlingsgedichte zweites Buch
COMPREHENDENS DELICIAS VERIS CRESCENTIS PALMAS, PARASCEVEN, SABBATVM Sanctvm, PASCHA, PASCVA, SEGETES, NEMVS. Es umfasst die Freuden des Wachsenden Frühlings: Palmen, Karfreitag, Karsamstag, Ostern, Weideland, Saaten und den Wald
ELEGIA I. Veris progressu, Coeli desiderium accendi
Mit dem Fortschreiten des Frühlings wachse das Verlangen nach dem Himmel
I. Crescentis Veris descriptio
Beschreibung des wachsenden Frühlings
II. Frustra laudari praesentia, dum absunt aeterna
Vergeblich werde die Gegenwart gerühmt, wenn die Ewigkeit fehlt
III. In Christo solo Mentem acquieturam
Allein in Christus finde die Seele Frieden
PALMAE
PALMEN
ELEGIA II. Dominicae PALMARVM sollemnis Ritus describitur, et orthodoxis commendatur
Es wird beschrieben der feierliche Ritus des PALMSONNTAGS und den Rechtgläubigen empfohlen
ELEGIA III. De eadem PALMARVM Caerimonia
Nochmals über den feierlichen Brauch am PALMSONNTAG
ELEGIA IV. Palma S[ancti] Onuphrij
Die Palme des Heiligen Onuphrius
I. Palmâ non solos gentilicios Triumphos; sed et Christianam Historiam cohonestari. Narratur Divi Onuphrij solitudo, et vivendi ratio
Dass mit dem Palmzweig nicht allein die Siege der Heiden, sondern auch Erzählungen von Christen geehrt werden. Im Folgenden wird von der Einsamkeit des heiligen Onuphrius und seiner Art zu leben die Rede sein
II. Divi Onuphrij beata Mors; Palmae prodigiosa ruina
Des heiligen Onuphrius seliger Tod. Der Palme unheilverkündendes Ende
PARASCEVE
KARFREITAG
ELEGIA V. Luctus, ex Morte CHRISTI
Trauer um den Tod CHRISTI
ELEGIA VI. INIMICITIAE, CRVCI CHRISTI condonatae
HASSGEFÜHLE, dem KREUZ CHRISTI aufgeopfert
I. Adorationem CRVCIS, omni deposito odio, peragendam
Man soll das KREUZ verehren - aber nur, wenn man von allem Hass abgelassen hat
II. Inimicitia Gualberti
Die Hassgefühle Gualbertis
III Ejusdem placatio: prodigiosa mutatio
Seine Befriedung und wundersame Umkehr
SABBATVM SANCTVM
KARSAMSTAG
ELEGIA VII. In LAPIDEM sepulcralem
An den GRABSTEIN
I. Conqueritur de inflexili illius duritie; quòd nec Apostolis Christum, nec Mulieribus, sollicite ambientibus, velit restituere
Er beklagt sich über dessen unbewegliche Härte, dass er Christus weder den Aposteln noch den Frauen, die aufgeregt um ihn herumgehen, zurückgeben will
II. Magdalenae Ploratus; et cum Saxo expostulatio
Das Klagen der Magdalena und ihr Hadern mit dem Felsen
ELEGIA VIII. Historica
[DE S(ANCTA) MARIA AEGYPTIACÂ.]
[DIE HEILIGE MARIA AEGYPTIACA.]
I. Tam Crucem, quàm Sacra Cenotaphia, coli hoc die solere, et frequentari. Sed corde corporéque Impuritatis experte; ne Mariae Aegyptiacae exemplo repellantur
Sowohl das Kreuz als auch die heiligen Gräber pflege man am heutigen Tag zu verehren und zu besuchen, freilich mit von Unreinheit freiem Körper und Sinn, damit man nicht wie Maria Aegyptiaca abgewiesen werde
II. Mariae Aegyptiacae Repulsa, et Emendatio
Zurückweisung und Besserung der Maria Aegyptiaca
PASCHA
OSTERN
ELEGIA IX. Parodia Antiphonae Ecclesiasticae, REGINA COELI, LAETARE. etc
Parodie der kirchlichen Antiphon FREU DICH, DU HIMMELSKÖNIGIN usw
I. Virgini MATRI nuntiat, Filij triumphalem Anastasin. Ponere pervigiles curas jubet; et praesertim, etiam Apostolis tunc dormientibus
Er meldet der jungfräulichen MUTTER den Triumph der Auferstehung ihres Sohnes und fordert sie auf, ihre stets wachen Sorgen zu lassen; und vor allem meldet er dies auch den damals schlafenden Aposteln
II. Describit Virgini Christi Resurgentis Potentiam, in domito Inferno; splendorem vultûs et Quinque Vulnerum: Terrarúmque, per quas transit, germinantium laetitiam
Er beschreibt der Jungfrau die Macht [Gegenwart?] des auferstandenen Christus in der bezwungenen Unterwelt,den Glanz seines Antlitzes und der fünf Wunden sowie die Freude der grünenden Lande, die er durchquert
III. Galilaeam potissimùm revirescere, Christo excipiendo. Filij repentino interventu, Matris laetitiam impleri
Am ehesten werde Galiläa grün durch die Aufnahme Christi. Durch das unverhoffte Auftreten des Sohnes gelange die Freude seiner Mutter zur Erfüllung
ELEGIA X. HISTORIA DISCIPULORUM, in Emmaus euntium
Describitur LVCAE cap. 24
DIE GESCHICHTE VON DEN JÜNGERN, die nach Emmaus gingen. Beschrieben bei LUKAS im Kapitel 24
I. Duo ex Discipulis IESV, ibant IPSA DIE, in Castellum, quod erat in spatio stadiorum Sexaginta ab Ierusalem, nomine EMMAVS
Und siehe, zwei von ihnen gingen an DEMSELBEN TAGE in einen Flecken mit Namen EMMAUS, der sechzig Stadien von Jerusalem entfernt war
II. Et ipsi loquebantur ad invicem, de his omnibus, quae acciderant
Und sie redeten miteinander über alles dies, was sich zugetragen hatte
III Et factum est, dum fabularentur, et secum quaererent: et ipse IESVS appropinquans ibat cum illis
Und es geschah, als sie miteinander redeten, und sich befragten, nahete sich JESUS selbst; und ging mit ihnen
IV Oculi autem illorum tenebantur, ne eum agnoscerent
Ihre Augen aber waren gehalten, damit sie ihn nicht erkenneten
V. Et ait ad illos; Qui sunt hi sermones [...]
Und er sprach zu ihnen: Was sind das für Reden [.]
VI Et ipse dixit ad eos: O stulti [...]
Und er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen [.]
VII. Et appropinquaverunt Castello, quo ibant [...]
Und sie kamen nahe zu dem Flecken, wohin sie gingen [.]
PASCVA
WEIDELAND
ELEGIA XI. Diversorum gregum et armentorum in Pascua eductio. Vitam Pastorum antiquissimam, veréque Regiam esse
Der Auszug verschiedener Herden und Viehgruppen auf das Weideland. Dass das Leben der Hirten das allerälteste und wahrhaft ein königliches sei
ELEGIA XII. Historica
DE SVBVLCO, ET CAVSSIDICO
ÜBER EINEN SCHWEINEHIRTEN UND EINEN RECHTSANWALT
ELEGIA XIII. De APRILIS mensis inconstanti tempestate
Über das unbeständige Wetter des APRILS
SEGETES
SAATEN
ELEGIA XIV. De Segetum Venustate, et Adami lapsu
Vom Liebreiz der Saaten und dem Fall Adams
I. Aspectum Segetum, iam in culmo luxuriantium, ex edito loco iucundissimum accidere
Dass sich der Anblick der Saaten, die schon am Halm reifen, vom höhergelegenen Ort höchst erfreulich ausnehme
II. Protoplastorum infelici rebellione, tam beati germinis introductam esse Necessitatem
Dass durch die unselige Rebellion der Erstgeschaffenen solch beglückende Saat notwendig geworden sei
ELEGIA XV. Ad segetes Virentes; ne nimio plus maturescere approperent; ac flammis fiant aptiores
An die grünenden Getreidefelder, dass sie sich nicht zu sehr beeilen, reif und dadurch leichter entflammbar zu werden
ELEGIA XVI. Historica
SAMSONIS VVLPES Segetem incendentes
DIE FÜCHSE SAMSONS, wie sie Saaten in Brand stecken
I. DESCENDIT Samson in Thamnata [...]
Und Samson GING nach Thamnata [.]
II. Quae statim perrexerunt in segetes Philistinorum. [...]
Und sie liefen alsbald in die Saatfelder der Philister [.]
III. Dixeruntque Philistiim [...]
Und die Philister sprachen: [...]
NEMUS
DER WALD
ELEGIA XVII. De NEMORE
DER WALD
I. Patriae Nemus quoddam formosum: et eiusdem Verna facies
Ein schöner Wald in der Heimat und sein Aussehen im Frühling
II. Febricitanti, NEMORIS accessum, et studia, alternis profuisse
Dem Fieberkranken halfen abwechselnd der Gang in den WALD und die Studien
III Iacobi Sannazarii, Neapolitani Poëtae, Liber de Partu Virginis, auctori familiaris
Des Jacopo Sannazaro, des neapolitanischen Dichters, Buch über die Geburt der Jungfrau, das dem Autor vertraut ist
ELEGIA XVIII. TRES VNIVS VIRI VXORES, ex una arbore pendentes
DREI EHEFRAUEN EINES EINZIGEN MANNES, die an einem einzigen Baume hängen
I. ODIA MARITALIA, IN malas VXORES
EHELICHER HASSAUSBRUCH GEGEN böse EHEFRAUEN
II. Algoia, unde Pinifera? Refertur trium Bibonis Vxorum suspendium
Woher das fichtentragende Allgäu? Berichtet wird vom Aufhängen dreier Ehefrauen des Bibo
III. Pastoris Algoici Lycambea, in Improbas Nuptas, Satyra
Die Lycambeische Satire des Allgäuer Hirten wider die bösen Ehefrauen
VERNORVM LIBER III. Der Frühlingsgedichte drittes Buch
PROPONENS DELICIAS VERIS PERFECTI KALENDAS MAII, HORTVUM, PRATVM, OTIA ET LUSUS, VENATIONEM, ROSAS, ITINERA SACRA; sev, SVPPLICATIONES
ES LEGT VOR DIE FREUDEN DES VOLLENDETEN FRÜHLINGS: DEN ERSTEN MAI, DEN GARTEN, MUSSE-STUNDEN UND SPIELE, DIE JAGD, ROSEN UND PROZESSIONEN, oder auch: BITTGÄNGE
ELEGIA I. Kalendarum Maii laetitia, serenitásque: et Perfecti Veris descriptio. Tangitur mos eorum, qui hoc die Pineas perticas ad Villas erigunt, quas vulgò MAIOS appellant
Die Freuden und die Heiterkeit des ersten Mai und eine Beschreibung des reifen Frühlings. Berührt wird dabei das Verhalten derer, die an diesem Tag Fichtenstämme bei den Gehöften errichten, die sie im Volksmund MAIBÄUME nennen
KALENDAE MAII
DER ERSTE MAI
ELEGIA II. Historica
Anna Bolenia, Kalendarum Maij Delicijs abusa
Anna Boleyn missbraucht die Vergnügen des ersten Mai
HORTUS
DER GARTEN
ELEGIA III. Hortorum Voluptas: et Viridarij descriptio
Die Freude an den Gärten und die Beschreibung eines Parks
ELEGIA IV. Historica
SVSANNA in HORTO
SUSANNA im GARTEN
I Erat vir habitans in Babylone
Ein Mann wohnte zu Babylon [...]
II. Cùm autem egressae essent puellae; surrexerunt Duo Senes, et accurrerunt ad eam, etc
Nachdem aber die Mägdlein hinausgegangen waren, machten sich die zwei Ältesten auf, liefen zu ihr hin etc
III Ingemuit SVSANNA [...].
Da seufzte SUSANNA [...]
ELEGIA V. Historica
ANTI-SVSANNA
ANTI-SUSANNA
I. VIOLAE matronae constantia
Die Standhaftigkeit VIOLAS, der Ehefrau
II. Aniculae lenae, mira fraus, ad Pudicae constantiam labefactandam
Die wundersame List der alten Kupplerin, um die Standhaftigkeit der Keuschen zu Fall zu bringen
III. Aniculae mendax narratio, de filia in Catellam conversâ
Die Lügenerzählung der Alten über ihre in das Hündchen verwandelte Tochter
IV VIOLAE matronae stulta credulitas
Die törichte Leichtgläubigkeit von VIOLA, der Ehefrau
PRATVM
DIE WIESE
ELEGIA VI. Pratum agreste, ad Gunzium, Sueviae amnem
Eine Wiese auf dem Lande an der Günz, einem Fluss Schwabens
ELEGIA VII. Historica
De Lite Duorum Coniugum, propter PRATVM
Der Streit zweier Gatten wegen einer WIESE
ELEGIA VIII. Historica
De HERBA Salutifera, ad Statuam CHRISTI
Das Heil bringende KRAUT bei der Statue CHRISTI
OTIA ET LUSUS
MUSSESTUNDEN UND SPIELE
ELEGIA IX. Ambulatio infelix, tonitruis et magica grandine turbata
Ein unheilvoller Spaziergang, der in Donnerschlägen und verzaubertem Hagel endete
ELEGIA X. Historica
PISTOR in FARINA
DER BÄCKER im MEHL
ELEGIA XI. LVSVS, DIE VENERIS infaustus
Unheilvolles SPIEL an einem [KAR-]FREITAG
ELEGIA XII. In MAIVM pluvium
Auf den MAIREGEN
ELEGIA XIII. Historica
Meridiatio, sub fruticeto
Mittagsschlaf unter einem Strauch
ELEGIA XIV. PISCATIO. FISCHFANG
I. GUNZIJ amnis, et ripae descriptio
Beschreibung des Flusses GÜNZ und seines Ufers
II. Varij Pisces, hamis excepti
Das Angeln nach verschiedenen Fischen
III. Piscationis per tragulam modus: et Cancrorum captura
Fischfang mit einem (Stell-)Netz und Krebsfang
ELEGIA XV. MVSEVM
DAS STUDIERZIMMER
I. Muséi situs, et loci commoditas describitur
Die Lage des Studierzimmers wird samt ihren Vorzügen beschrieben
II. Morus arbor, Muséo imminens. Reguli aviculae cantilena
Der Maulbeerbaum, der vor dem Studierzimmer aufragt. Der Gesang des Zaunkönigs
VENATIO
DIE JAGD
ELEGIA XVI. DE VENATIONE
Venatores in Captura fortes: in nocturnis terroribus Imbelles
VON DER JAGD
Die Jäger: beim Fang tapfer, schwach aber bei nächtlichen Schrecken
ELEGIA XVII. Vrbs ROMA, Venatione LEPORIS capta
Die Eroberung ROMS durch eine HASENJAGD
I. Romanorum Seditio in Formosum Pontificem
Der Aufstand der Römer gegen den Bischof Formosus
II. Arnulphi Caesaris, in Italiam expeditio
Der Italienzug Kaiser Arnulphs
III. Vrbis Romanae oppugnatio. Descriptio Castelli S[ancti] Angeli
Die Belagerung der Stadt Rom. Beschreibung der Engelsburg
IV Oppugnationis irrita prorogatio: ac paene victoriae desperatio
Vergebliche Verlängerung der Belagerung und beinahe Verzweiflung am Sieg
V. Vrbis, beneficio Leporis, expugnatio
Die Eroberung der Stadt dank einem Hasen
VI Triumphus Arnulphî
Arnulphs Triumph
ROSAE
ROSEN
ELEGIA XVIII. Rosetum. Ad Petrum LASSVM, poëtam
Der Rosengarten An Peter MATT, Dichter
ELEGIA XIX. Fabulosa. DE ORIGINE ROSARVM
DIE ENTSTEHUNG DER ROSEN
I. Thaliae cum auctore colloquium
Gespräch Thalias mit dem Verfasser
II. Ex Diluvie mundi universali foedissimus enatus foetor
Auf Grund der Sintflut entsteht auf der ganzen Welt ein grässlicher Gestank
III Zephyri ablegatio: et germinum suaveolentium vndequaque collectio
Entsendung Zephyrs und Sammlung von süß duftenden Reisern von überall her
IV Rosarum, ex illa collectione, generatio
Die Erschaffung der Rosen auf Grund dieser Sammlung
ELEGIA XX. S[ANCTAE] DOROTHEAE ad THEOPHILVM ROSAE, et EPISTOLA
Die Heilige DOROTHEA schickt THEOPHILUS ROSEN und einen BRIEF
I. Exponit Virgo; Quem animum habuerit, ante Gladij ictum?
Die Jungfrau legt dar, was sie vor dem Schwertstreich empfand
II. Quem sensum habuerit, post ictum Gladij? Quem CHRISTI amplexum, in Coelo?
Was sie nach dem Schwertstreich gefühlt und was sie bei der Umarmung CHRISTI im Himmel empfunden habe
III Coelestis Regiae descriptio
Beschreibung des Himmelreiches
IV Virginum Martyrum in PARADISO flores, Coronae, et laeta Societas
Die Blumen, die Kränze und die frohe Gemeinschaft der jungfräulichen Märtyrer[innen] im PARADIES
V. In Amore CHRISTI, nullis verbis exprimendo, Coeli delicias occupari
In der Liebe CHRISTI, die nicht mit Worten auszudrücken ist, sich den Freuden des Himmels zu widmen
VI THEOPHILI ad eadem Gaudia invitatio
Einladung an THEOPHILUS zu denselben Freuden
VII. THEOPHILVS, quàm ludibunde ROSAS exegerit? Paraenesis ad fortitudinem, dignam Martyre
Wie THEOPHILUS im Spott ROSEN forderte. Ermahnung zur Stärke, wie sie einem Märtyrer angemessen ist
ITINERA SACRA, seu, SUPPLICATIONES
PROZESSIONEN, oder auch: BITTGÄNGE
ELEGIA XXI. FERIA SECVNDA, (quam vocant) ROGATIONVM
ZWEITER FEIERTAG, den man den der FÜRBITTEN nennt
ELEGIA XXII. FESTVM S[ANCTISSIMI] CORPORIS CHRISTI, descriptum IN MORBO
DAS FEST DES HEILIGSTEN LEIBES CHRISTI [Fronleichnam], beschrieben IN EINER KRANKHEIT
I. Desiderium frequentandae istius Supplicationis
Die Sehnsucht, bei dieser Prozession dabei zu sein
II. Describitur Viarum, platearúmque ornatus: et Supplicantium composita series. Tum et Musica
Beschrieben wird der Schmuck der Straßen und Plätze und die wohlgeordnete Reihe der Prozessionsteilnehmer. Dann auch die Musik
III S[ANCTISSIMAE] EVCHARISTIAE, ab Angelis mortalibúsque comitatus et veneratio
Die Verehrung der ALLERHEILIGSTEN EUCHARISTIE und ihre Begleitung durch Engel und Menschen
IV Pulsus aeris Campani: et tormentorum, ad quattuor Evangelia, explosio. Supplicantium mens, ac vota
Glockengeläut und Böllerschüsse nach den vier Evangelien. Gesinnung und Wünsche der Prozessionsteilnehmer
ELEGIA XXIII. S[ANCTISSIMAE] EVCHARISTIAE VENERATIO, Brutorum exemplis inculcata. Poena eorum, qui Divina in Ludum traxêre
VEREHRUNG der ALLERHEILIGSTEN EUCHARISTIE, eingeschärft an den Beispielen von Unverständigen. Bestrafung derer, die Heiliges zum Spiel machten
ELEGIA XXIV De PHILOMELA
Expostulanti, quòd in DELICIIS VERIS. praetermissa sit, respondet Est totius operis EPILOGVS
Die NACHTIGALL
Er antwortet ihr, weil sie sich beschwert, dass sie in den FRÜHLINGSFREUDEN übergangen wurde. Es ist der EPILOG des ganzen Werks
Kommentarteil
Kommentare und Einleitungen
Quellen und Literaturverzeichnis
I. Handschriften
1. Bisseliana
2. Andere Dokumente
II. Gedruckte Werke, Quellen, Texteditionen, Textsammlungen, Kommentare
1. Werke von Bisselius im Überblick
2. Werke anderer Autoren
III Untersuchungen und Darstellungen
Register
1. Index der in Bisselius’ Werk vorkommenden Eigennamen
2. Index der in Bisselius’ Werk vorkommenden Bezeichnungen für Flora und Fauna
3. Namensregister (zu Einleitung und Kommentarteil)
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Frühe Neuzeit Band 180

Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt

Johannes Bisselius: Deliciae Veris – Frühlingsfreuden Lateinischer Text, Übersetzung, Einführungen und Kommentar

Herausgegeben von Lutz Claren, Jost Eickmeyer, Wilhelm Kühlmann, Hermann Wiegand In Zusammenarbeit mit Karl Wilhelm Beichert, Wolfgang Schibel und Tino Licht

De Gruyter

ISBN 978-3-11-031449-6 e-ISBN 978-3-11-031465-6 ISSN 0934-5531 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress.

%LEOLRJUD¿VFKH,QIRUPDWLRQGHU'HXWVFKHQ1DWLRQDOELEOLRWKHN Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen 1DWLRQDOELEOLRJUD¿HGHWDLOOLHUWHELEOLRJUD¿VFKH'DWHQVLQGLP,QWHUQHWEHU http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/ Boston Gesamtherstellung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Einleitung 1. 2. 3.

Jesuitendichtung und Jesuitenlyrik im alten Reich Vorbemerkungen zum Forschungsstand und Erkenntnisgewinn ...... Der Autor und sein Werk – mit Hinweisen zur Rezeption ................ Deliciae Veris: Autorbewusstsein und immanente Poetologie Thematik, Struktur und Komposition

1 4

a. Strukturierung als ästhetische Differenz ..................................... 17 b. Variationen der autobiografischen Inszenierung ........................ 27 4.

Adaptation, Integration und Revokation: Deutsche Schwankliteratur (J. Pauli) im lateinischen Textgewebe Exemplarisches zur Quellenverarbeitung ......................................... 31

Zur Entstehung des Bandes und Dank ........................................................... 37 Editorischer Bericht ....................................................................................... 39

Edition: Deliciae Veris – Frühlingsfreuden [Die Deliciae Veris haben in der hier maßgeblichen Ausgabe von 1640 am Ende ein knappes Inhaltsverzeichnis, das allerdings die Überschriften der untergeordneten Elegien in Elegiengruppen nicht wiedergibt; daher wurden im Folgenden die Titel aller Elegien, wie sie im Text vorkommen, einschließlich der Untertitel, reproduziert] Reverendissimo Praesuli […] VRBANO, AD MONTES ABBATI. Widmungsvorrede an Urban, Abt des Klosters Admont ................................. 42

VI VERNORVM LIBER I. Der Frühlingsgedichte erstes Buch CONTINENS DELICIAS VERIS INCIPIENTIS SOLEM, ZEPHYRUM, CICONIAM, CATHEDRAM S. Petri, NAVIGATIONEM, AVICVLAS, VIOLAS, HIRVNDINEM. Enthaltend die Freuden des beginnenden Frühlings: Die Sonne, Zephyrus, den Storch, die Cathedra des Heiligen Petrus, Seefahrt, Vögel, Veilchen und die Schwalbe ............................................ 52 ELEGIA I. Vernis illecebris etiam Infantiae Venam et Ingenium excitari. Dass mit den Reizen des Frühlings auch Geist und Begabung geweckt werden I.

Pueritiae primae ruditas: et Hyemis Squallor. Der rohe Zustand der frühen Kindheit und die Unwirtlichkeit des Winters ........................................................................................ II. Pueritiae primae sensus. Die Empfindungen der frühen Kindheit ............................................ III. Admiratio Veris et rerum conditarum, sensim pueris subnascitur. Allmählich erwächst in den Knaben die Bewunderung des Frühlings und der verborgenen Dinge ....................................... IV. In Vere omnia contineri bona Im Frühling seien alle Güter enthalten .............................................

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SOL. DIE SONNE ELEGIA II. DE SOLE. Solem, tanquam VERIS, et bonorum sub Luna principium, ab omnibus expeti. Die SONNE Die Sonne, gleichsam Ursprung des FRÜHLINGS und alles Guten unter dem Mond, werde von allen herbeigewünscht ..................... 60 I.

Invitatio Solis, ut ex Africa adproperet in Germaniam. Einladung an die Sonne, aus Afrika eilends nach Deutschland zu kommen ......................................................................................... 60

VII II. Solis species et fabrica. Aussehen und Bau der Sonne ............................................................ 62 III. Solis redeuntis, in terras Influens liberalitas. Die Freigebigkeit der bei ihrer Wiederkehr auf die Länder iederstrahlenden Sonne ..................................................................... 62 ELEGIA III. Historica. [De Sancto Ioanne apricante.] [Der Heilige Johannes sonnt sich] ........................................................... 64 ELEGIA IV. De DILVCVLO. Die MORGENDÄMMERUNG ............................................................... 68 ELEGIA V. Historica. MARIA IN SOLE. MARIA IN DER SONNE I.

II. III. IV.

V.

Describitur Patmos: et Exilij Patmaei incommoda. Es werden Patmos und die Beschwernisse des Exils auf Patmos beschrieben .................................................................... Varia Maris Aegaei spectacula. Verschiedene Erscheinungen auf dem Aegaeischen Meer ................ Ioannes diviniora quaerit. Johannes sucht Göttlicheres ............................................................. Aspectus MARIAE, omnibus Insularum spectaculis gratior. Der Anblick MARIENS, willkommener als jedes Schauspiel der Inselwelt ...................................................................................... Interpretatur hoc Meteorum Ioannes, et in MARIA acquiescit. Johannes deutet dieses Himmelsgesicht und findet in MARIA seinen Frieden ...................................................................................

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ZEPHYRVS, SEV FAVONIVS. ZEPHYRUS, ODER: FAVONIUS ELEGIA VI. DE ZEPHYRI ADVENTU. ZEPHYRS ANKUNFT ............................................................................ 80

VIII ELEGIA VII. De eodem Argumento. Ad Gunzium, Sueviae amnem, deambulanti auctori; simul cum Zephyro, Carminis impetus affluxit. Gleichen Inhalts Als der Autor an der Günz, einem Fluss in Schwaben, entlang spazieren ging, wehte ihn mit dem Zephyr der Drang an, ein Gedicht zu verfassen ................................................................................ 82 ELEGIA VIII. Laudes Zephyri. Lob des Zephyrs ....................................................................................... 84 ELEGIA IX. Historica. De VENTO RORIS flante, in fornace Babylonica. Der im babylonischen Feuerofen wehende TAUWIND .......................... 86

CICONIA DER STORCH ELEGIA X. De CICONIAE Adventu. Die Ankunft des STORCHS ..................................................................... 92 ELEGIA XI. De CICONIA Revolante. Die Rückkehr des STORCHS .................................................................. 94 ELEGIA XII. Historica. De CICONIA, beneficij memore. Über einen STORCH, der eine Wohltat nicht vergaß .............................. 98 ELEGIA XIII. Geographica. Cathedra S[ancti] Petri Antioch[iae], 22. Febr. Fest der Cathedra des Hl. Petrus in Antiochia am 22. Februar .............. 102

IX I.

Migrationem ex urbe Antiochena, à Ciconiae exemplo, PETRO suadet. Er rät PETRUS zur Wanderung aus der Stadt Antiochia nach dem Beispiel des Storchs .......................................................... II. Italiam, et Europam caeteram PETRO visendam Angelus, in Spiritu ductor, proponit. Italien und das übrige Europa aufzusuchen, dazu fordert ein Engel als Führer im Geist den PETRUS auf .............................. III. De Anglia, sub Henrico VIII. relapsura. England wird unter Heinrich VIII. wieder abfallen .......................... IV. Americae, et Iaponum ad Christiana Sacra transitum, PETRO vaticinatur. Der Engel prophezeit PETRUS den Übertritt Amerikas und der Japaner zur christlichen Religion .......................................

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NAVIGATIO. SEEFAHRT ELEGIA XIV. DE NAVIGATIONE, VERnorum Siderum exortu, rursus aperiri coeptâ. Über eine SEEREISE, die beim Aufgang der FRÜHLINGSGESTIRNE erneut aufgenommen wird I.

Paraenesis ad Navigationem; sed, Cautam. Ermunterung zur Seefahrt, aber mit Bedacht ................................... 110 II. S[ancti] Satyri Naufragium. Der Schiffbruch des heiligen Satyrus ................................................ 112 III. S[anctus] Raymundus, pallio mare transmittit. Der heilige Raymund überquert auf einem Mantel das Meer ........... 114

AVICULAE. VÖGELEIN ELEGIA XV. DE ALAVDA. DIE LERCHE .......................................................................................... 116

X ELEGIA XVI. Historica. ALAVDA VOLVCRIS COLONIAE ATTICAE CONSTITUTRIX. EINE LERCHE ALS GRÜNDERIN EINER ATTISCHEN KOLONIE ................................................................................................ 118 ELEGIA XVII. SPINVLVS. DER ZEISIG I.

Spinulum, Aviculam cicuratam (quam Germani Zeyslin appellant) aut amissam, aut interversam, deplorat, atque revocat. Er beklagt den Verlust seines Zeisigs, eines gezähmten Vögelchens (die Deutschen nennen es Zeyslin), das ihm verloren gegangen oder entwendet worden war, und ruft ihn zurück .............................. 122 II. Optat sibi Spinuli alas, quibus in Caelum evolet. Er wünscht sich die Flügel des Zeisigs, um damit in den Himmel hinauf zu fliegen ........................................................... 124 III. Quos in Caelo conventos cuperet? Mit wem er im Himmel zusammenzutreffen wünschte ...................... 124 ELEGIA XVIII. DIES S[ANCTO] IOSEPHO FESTVS, 19. Martij. Das FEST DES HEILIGEN JOSEPH am 19. März I. II. III. IV. V.

Iosephi cum Poëta colloquium. Josephs Gespräch mit dem Dichter .................................................. Christus parvulus Luporum et Piscium Deliciae. Das Christusknäblein, die Freude der Wölfe und Fische ................. Christo Parvulo Delicias facit Philomela. Die Nachtigall macht dem Christusknäblein Freude ........................ Eidem Turtur domesticus obsequitur. Die häusliche Turteltaube folgt ihm ................................................. Christus Puerulus, Apium deliciae. Das Christusknäblein als Freude der Bienen ...................................

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ELEGIA XIX. Historica. S[ANCTI] BENEDICTI Merula. SANKT BENEDIKTS Amsel .................................................................. 136

XI VIOLAE. VEILCHEN ELEGIA XX. DE VIOLIS. DIE VEILCHEN ...................................................................................... 142 ELEGIA XXI. IN FVCOS. GEGEN DIE DROHNEN ........................................................................ 144 ELEGIA XXII. Historica. APES, in ore infantis AMBROSII. BIENEN auf dem Mund des Kindes AMBROSIUS ................................ 146

HIRVNDO. DIE SCHWALBE ELEGIA XXIII. HIRVDO LOQVAX. DER GESCHWÄTZIGE BLUTEGEL .................................................... 152

XII VERNORVM LIBER II. Der Frühlingsgedichte zweites Buch COMPREHENDENS DELICIAS VERIS CRESCENTIS PALMAS, PARASCEVEN, SABBATVM Sanctvm, PASCHA, PASCVA, SEGETES, NEMVS. Es umfasst die Freuden des Wachsenden Frühlings: Palmen, Karfreitag, Karsamstag, Ostern, Weideland, Saaten und den Wald ................................................................................ 156 ELEGIA I. Veris progressu, Coeli desiderium accendi. Mit dem Fortschreiten des Frühlings wachse das Verlangen nach dem Himmel I. Crescentis Veris descriptio. Beschreibung des wachsenden Frühlings ......................................... 158 II. Frustra laudari praesentia, dum absunt aeterna. Vergeblich werde die Gegenwart gerühmt, wenn die Ewigkeit fehlt .............................................................................. 160 III. In Christo solo Mentem acquieturam. Allein in Christus finde die Seele Frieden ........................................ 160

PALMAE. PALMEN ELEGIA II. Dominicae PALMARVM sollemnis Ritus describitur, et orthodoxis commendatur. Es wird beschrieben der feierliche Ritus des PALMSONNTAGS und den Rechtgläubigen empfohlen ......................................................... 164 ELEGIA III. De eadem PALMARVM Caerimonia. Nochmals über den feierlichen Brauch am PALMSONNTAG ............... 166 ELEGIA IV. Palma S[ancti] Onuphrij. Die Palme des Heiligen Onuphrius

XIII I.

Palmâ non solos gentilicios Triumphos; sed et Christianam Historiam cohonestari. Narratur Divi Onuphrij solitudo, et vivendi ratio. Dass mit dem Palmzweig nicht allein die Siege der Heiden, sondern auch Erzählungen von Christen geehrt werden. Im Folgenden wird von der Einsamkeit des heiligen Onuphrius und seiner Art zu leben die Rede sein ............................................... 170 II. Divi Onuphrij beata Mors; Palmae prodigiosa ruina. Des heiligen Onuphrius seliger Tod. Der Palme unheilverkündendes Ende ............................................... 172

PARASCEVE. KARFREITAG ELEGIA V. Luctus, ex Morte CHRISTI. Trauer um den Tod CHRISTI ................................................................... 174 ELEGIA VI. INIMICITIAE, CRVCI CHRISTI condonatae. HASSGEFÜHLE, dem KREUZ CHRISTI aufgeopfert I.

Adorationem CRVCIS, omni deposito odio, peragendam. Man soll das KREUZ verehren – aber nur, wenn man von allem Hass abgelassen hat ................................................................ 176 II. Inimicitia Gualberti. Die Hassgefühle Gualbertis .............................................................. 178 III. Ejusdem placatio: prodigiosa mutatio. Seine Befriedung und wundersame Umkehr ..................................... 178

SABBATVM SANCTVM. KARSAMSTAG ELEGIA VII. In LAPIDEM sepulcralem An den GRABSTEIN I.

Conqueritur de inflexili illius duritie; quòd nec Apostolis Christum, nec Mulieribus, sollicite ambientibus, velit restituere.

XIV Er beklagt sich über dessen unbewegliche Härte, dass er Christus weder den Aposteln noch den Frauen, die aufgeregt um ihn herumgehen, zurückgeben will ............................................. 182 II. Magdalenae Ploratus; et cum Saxo expostulatio. Das Klagen der Magdalena und ihr Hadern mit dem Felsen ........... 184 ELEGIA VIII. Historica. [DE S(ANCTA) MARIA AEGYPTIACÂ.] [DIE HEILIGE MARIA AEGYPTIACA.] I.

Tam Crucem, quàm Sacra Cenotaphia, coli hoc die solere, et frequentari. Sed corde corporéque Impuritatis experte; ne Mariae Aegyptiacae exemplo repellantur. Sowohl das Kreuz als auch die heiligen Gräber pflege man am heutigen Tag zu verehren und zu besuchen, freilich mit von Unreinheit freiem Körper und Sinn, damit man nicht wie Maria Aegyptiaca abgewiesen werde ............................................... 186 II. Mariae Aegyptiacae Repulsa, et Emendatio. Zurückweisung und Besserung der Maria Aegyptiaca ..................... 188

PASCHA. OSTERN ELEGIA IX. Parodia Antiphonae Ecclesiasticae, REGINA COELI, LAETARE. etc. Parodie der kirchlichen Antiphon FREU DICH, DU HIMMELSKÖNIGIN usw. I.

Virgini MATRI nuntiat, Filij triumphalem Anastasin. Ponere pervigiles curas jubet; et praesertim, etiam Apostolis tunc dormientibus. Er meldet der jungfräulichen MUTTER den Triumph der Auferstehung ihres Sohnes und fordert sie auf, ihre stets wachen Sorgen zu lassen; und vor allem meldet er dies auch den damals schlafenden Aposteln ..................................................... 190 II. Describit Virgini Christi Resurgentis Potentiam, in domito Inferno; splendorem vultûs et Quinque Vulnerum: Terrarúmque, per quas transit, germinantium laetitiam. Er beschreibt der Jungfrau die Macht [Gegenwart?] des auferstandenen Christus in der bezwungenen Unterwelt,

XV den Glanz seines Antlitzes und der fünf Wunden sowie die Freude der grünenden Lande, die er durchquert ........................ 192 III. Galilaeam potissimùm revirescere, Christo excipiendo. Filij repentino interventu, Matris laetitiam impleri. Am ehesten werde Galiläa grün durch die Aufnahme Christi. Durch das unverhoffte Auftreten des Sohnes gelange die Freude seiner Mutter zur Erfüllung ............................................ 194 ELEGIA X. HISTORIA DISCIPULORUM, in Emmaus euntium. Describitur LVCAE cap. 24. DIE GESCHICHTE VON DEN JÜNGERN, die nach Emmaus gingen. Beschrieben bei LUKAS im Kapitel 24 I.

Duo ex Discipulis IESV, ibant IPSA DIE, in Castellum, quod erat in spatio stadiorum Sexaginta ab Ierusalem, nomine EMMAVS. Und siehe, zwei von ihnen gingen an DEMSELBEN TAGE in einen Flecken mit Namen EMMAUS, der sechzig Stadien von Jerusalem entfernt war ............................................................... II. Et ipsi loquebantur ad invicem, de his omnibus, quae acciderant. Und sie redeten miteinander über alles dies, was sich zugetragen hatte ................................................................. III. Et factum est, dum fabularentur, et secum quaererent: et ipse IESVS appropinquans ibat cum illis. Und es geschah, als sie miteinander redeten, und sich befragten, nahete sich JESUS selbst; und ging mit ihnen ................ IV. Oculi autem illorum tenebantur, ne eum agnoscerent. Ihre Augen aber waren gehalten, damit sie ihn nicht erkenneten ..... V. Et ait ad illos; Qui sunt hi sermones […]. Und er sprach zu ihnen: Was sind das für Reden […] ..................... VI. Et ipse dixit ad eos: O stulti […]. Und er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen […] ........................ VII. Et appropinquaverunt Castello, quò ibant […]. Und sie kamen nahe zu dem Flecken, wohin sie gingen […] ...........

PASCVA. WEIDELAND ELEGIA XI. Diversorum gregum et armentorum in Pascua eductio. Vitam Pastorum antiquissimam, veréque Regiam esse.

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XVI Der Auszug verschiedener Herden und Viehgruppen auf das Weideland. Dass das Leben der Hirten das allerälteste und wahrhaft ein königliches sei .............................................................. 210 ELEGIA XII. Historica. DE SVBVLCO, ET CAVSSIDICO. ÜBER EINEN SCHWEINEHIRTEN UND EINEN RECHTSANWALT .................................................................................. 212 ELEGIA XIII. De APRILIS mensis inconstanti tempestate. Über das unbeständige Wetter des APRILS ............................................ 216

SEGETES. SAATEN ELEGIA XIV. De Segetum Venustate, et Adami lapsu. Vom Liebreiz der Saaten und dem Fall Adams I.

Aspectum Segetum, iam in culmo luxuriantium, ex edito loco iucundissimum accidere. Dass sich der Anblick der Saaten, die schon am Halm reifen, vom höhergelegenen Ort höchst erfreulich ausnehme ...................... 218 II. Protoplastorum infelici rebellione, tam beati germinis introductam esse Necessitatem. Dass durch die unselige Rebellion der Erstgeschaffenen solch beglückende Saat notwendig geworden sei ............................. 220 ELEGIA XV. Ad segetes Virentes; ne nimio plus maturescere approperent; ac flammis fiant aptiores. An die grünenden Getreidefelder, dass sie sich nicht zu sehr beeilen, reif und dadurch leichter entflammbar zu werden ..................... 222 ELEGIA XVI. Historica. SAMSONIS VVLPES Segetem incendentes. DIE FÜCHSE SAMSONS, wie sie Saaten in Brand stecken

XVII I.

DESCENDIT Samson in Thamnata […]. Und Samson GING nach Thamnata […]. ........................................ 224 II. Quae statim perrexerunt in segetes Philistinorum. […]. Und sie liefen alsbald in die Saatfelder der Philister […]. .............. 226 III. Dixeruntque Philistiim […]. Und die Philister sprachen: […]. ...................................................... 230

NEMUS. DER WALD ELEGIA XVII. De NEMORE. DER WALD I.

Patriae Nemus quoddam formosum: et eiusdem Verna facies. Ein schöner Wald in der Heimat und sein Aussehen im Frühling ....................................................................................... 232 II. Febricitanti, NEMORIS accessum, et studia, alternis profuisse. Dem Fieberkranken halfen abwechselnd der Gang in den WALD und die Studien .................................................................................. 234 III. Iacobi Sannazarii, Neapolitani Poëtae, Liber de Partu Virginis, auctori familiaris. Des Jacopo Sannazaro, des neapolitanischen Dichters, Buch über die Geburt der Jungfrau, das dem Autor vertraut ist ............... 236 ELEGIA XVIII. TRES VNIVS VIRI VXORES, ex una arbore pendentes. DREI EHEFRAUEN EINES EINZIGEN MANNES, die an einem einzigen Baume hängen I.

ODIA MARITALIA, IN malas VXORES. EHELICHER HASSAUSBRUCH GEGEN böse EHEFRAUEN .......................................................................... 238 II. Algoia, unde Pinifera? Refertur trium Bibonis Vxorum suspendium. Woher das fichtentragende Allgäu? Berichtet wird vom Aufhängen dreier Ehefrauen des Bibo .............. 238 III. Pastoris Algoici Lycambea, in Improbas Nuptas, Satyra. Die Lycambeische Satire des Allgäuer Hirten wider die bösen Ehefrauen .......................................................... 242

XVIII VERNORVM LIBER III. Der Frühlingsgedichte drittes Buch PROPONENS DELICIAS VERIS PERFECTI KALENDAS MAII, HORTVUM, PRATVM, OTIA ET LUSUS, VENATIONEM, ROSAS, ITINERA SACRA; sev, SVPPLICATIONES. ES LEGT VOR DIE FREUDEN DES VOLLENDETEN FRÜHLINGS: DEN ERSTEN MAI, DEN GARTEN, MUSSESTUNDEN UND SPIELE, DIE JAGD, ROSEN UND PROZESSIONEN, oder auch: BITTGÄNGE ELEGIA I. Kalendarum Maii laetitia, serenitásque: et Perfecti Veris descriptio. Tangitur mos eorum, qui hoc die Pineas perticas ad Villas erigunt, quas vulgò MAIOS appellant. Die Freuden und die Heiterkeit des ersten Mai und eine Beschreibung des reifen Frühlings. Berührt wird dabei das Verhalten derer, die an diesem Tag Fichtenstämme bei den Gehöften errichten, die sie im Volksmund MAIBÄUME nennen ............................................................ 246

KALENDAE MAII. DER ERSTE MAI ELEGIA II. Historica. Anna Bolenia, Kalendarum Maij Delicijs abusa. Anna Boleyn missbraucht die Vergnügen des ersten Mai ........................ 250

HORTUS. DER GARTEN ELEGIA III. Hortorum Voluptas: et Viridarij descriptio. Die Freude an den Gärten und die Beschreibung eines Parks ................ 256 ELEGIA IV. Historica. SVSANNA in HORTO. SUSANNA im GARTEN

XIX I.

Erat vir habitans in Babylone. Ein Mann wohnte zu Babylon […] ................................................... 258 II. Cùm autem egressae essent puellae; surrexerunt Duo Senes, et accurrerunt ad eam, etc. Nachdem aber die Mägdlein hinausgegangen waren, machten sich die zwei Ältesten auf, liefen zu ihr hin etc. .................. 264 III. Ingemuit SVSANNA […]. Da seufzte SUSANNA […] .............................................................. 266 ELEGIA V. Historica. ANTI-SVSANNA. ANTI-SUSANNA I.

VIOLAE matronae constantia. Die Standhaftigkeit VIOLAS, der Ehefrau ....................................... II. Aniculae lenae, mira fraus, ad Pudicae constantiam labefactandam. Die wundersame List der alten Kupplerin, um die Standhaftigkeit der Keuschen zu Fall zu bringen ............................. III. Aniculae mendax narratio, de filia in Catellam conversâ. Die Lügenerzählung der Alten über ihre in das Hündchen verwandelte Tochter .......................................................................... IV. VIOLAE matronae stulta credulitas. Die törichte Leichtgläubigkeit von VIOLA, der Ehefrau .................

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PRATUM. DIE WIESE ELEGIA VI. Pratum agreste, ad Gunzium, Sueviae amnem Eine Wiese auf dem Lande an der Günz, einem Fluss Schwabens .......... 278 ELEGIA VII. Historica. De Lite Duorum Coniugum, propter PRATVM. Der Streit zweier Gatten wegen einer WIESE ......................................... 280 ELEGIA VIII. Historica. De HERBA Salutifera, ad Statuam CHRISTI. Das Heil bringende KRAUT bei der Statue CHRISTI ............................ 286

XX OTIA ET LUSUS. MUSSESTUNDEN UND SPIELE ELEGIA IX. Ambulatio infelix, tonitruis et magica grandine turbata. Ein unheilvoller Spaziergang, der in Donnerschlägen und verzaubertem Hagel endete ............................................................... 292 ELEGIA X. Historica. PISTOR in FARINA. DER BÄCKER im MEHL ....................................................................... 294 ELEGIA XI. LVSVS, DIE VENERIS infaustus. Unheilvolles SPIEL an einem [KAR-]FREITAG .................................... 302 ELEGIA XII. In MAIVM pluvium. Auf den MAIREGEN ............................................................................... 304 ELEGIA XIII. Historica. Meridiatio, sub fruticeto. Mittagsschlaf unter einem Strauch .......................................................... 306 ELEGIA XIV. PISCATIO. FISCHFANG I.

GUNZIJ amnis, et ripae descriptio. Beschreibung des Flusses GÜNZ und seines Ufers ......................... 308 II. Varij Pisces, hamis excepti. Das Angeln nach verschiedenen Fischen ......................................... 310 III. Piscationis per tragulam modus: et Cancrorum captura. Fischfang mit einem (Stell-)Netz und Krebsfang .............................. 312

XXI ELEGIA XV. MVSEVM. DAS STUDIERZIMMER I.

Muséi situs, et loci commoditas describitur. Die Lage des Studierzimmers wird samt ihren Vorzügen beschrieben .............................................................. 314 II. Morus arbor, Muséo imminens. Reguli aviculae cantilena. Der Maulbeerbaum, der vor dem Studierzimmer aufragt. Der Gesang des Zaunkönigs ............................................................. 316

VENATIO. DIE JAGD ELEGIA XVI. DE VENATIONE. Venatores in Captura fortes: in nocturnis terroribus Imbelles VON DER JAGD Die Jäger: beim Fang tapfer, schwach aber bei nächtlichen Schrecken ........................................................................ 318 ELEGIA XVII. Vrbs ROMA, Venatione LEPORIS capta. Die Eroberung ROMS durch eine HASENJAGD I. II. III.

IV.

V. VI.

Romanorum Seditio in Formosum Pontificem. Der Aufstand der Römer gegen den Bischof Formosus .................... Arnulphi Caesaris, in Italiam expeditio. Der Italienzug Kaiser Arnulphs ........................................................ Vrbis Romanae oppugnatio. Descriptio Castelli S[ancti] Angeli Die Belagerung der Stadt Rom. Beschreibung der Engelsburg ........................................................... Oppugnationis irrita prorogatio: ac paene victoriae desperatio. Vergebliche Verlängerung der Belagerung und beinahe Verzweiflung am Sieg ........................................................................ Vrbis, beneficio Leporis, expugnatio. Die Eroberung der Stadt dank einem Hasen .................................... Triumphus Arnulphî. Arnulphs Triumph .............................................................................

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XXII ROSAE. ROSEN ELEGIA XVIII. Rosetum. Ad Petrum LASSVM, poëtam. Der Rosengarten An Peter MATT, Dichter ......................................................................... 342 ELEGIA XIX. Fabulosa. DE ORIGINE ROSARVM. DIE ENTSTEHUNG DER ROSEN I. Thaliae cum auctore colloquium. Gespräch Thalias mit dem Verfasser ................................................ II. Ex Diluvie mundi universali foedissimus enatus foetor. Auf Grund der Sintflut entsteht auf der ganzen Welt ein grässlicher Gestank .................................................................... III. Zephyri ablegatio: et germinum suaveolentium vndequaque collectio. Entsendung Zephyrs und Sammlung von süß duftenden Reisern von überall her ..................................................................... IV. Rosarum, ex illa collectione, generatio. Die Erschaffung der Rosen auf Grund dieser Sammlung .................

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ELEGIA XX. S[ANCTAE] DOROTHEAE ad THEOPHILVM ROSAE, et EPISTOLA. Die Heilige DOROTHEA schickt THEOPHILUS ROSEN und einen BRIEF I.

Exponit Virgo; Quem animum habuerit, ante Gladij ictum? Die Jungfrau legt dar, was sie vor dem Schwertstreich empfand ............................................................................................. II. Quem sensum habuerit, post ictum Gladij? Quem CHRISTI amplexum, in Coelo? Was sie nach dem Schwertstreich gefühlt und was sie bei der Umarmung CHRISTI im Himmel empfunden habe ................... III. Coelestis Regiae descriptio. Beschreibung des Himmelreiches ..................................................... IV. Virginum Martyrum in PARADISO flores, Coronae, et laeta Societas. Die Blumen, die Kränze und die frohe Gemeinschaft der jungfräulichen Märtyrer[innen] im PARADIES ........................

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XXIII V. In Amore CHRISTI, nullis verbis exprimendo, Coeli delicias occupari. In der Liebe CHRISTI, die nicht mit Worten auszudrücken ist, sich den Freuden des Himmels zu widmen ................................. 358 VI. THEOPHILI ad eadem Gaudia invitatio. Einladung an THEOPHILUS zu denselben Freuden ....................... 360 VII. THEOPHILVS, quàm ludibunde ROSAS exegerit? Paraenesis ad fortitudinem, dignam Martyre. Wie THEOPHILUS im Spott ROSEN forderte. Ermahnung zur Stärke, wie sie einem Märtyrer angemessen ist .................................................................................. 360

ITINERA SACRA, seu, SUPPLICATIONES. PROZESSIONEN, oder auch: BITTGÄNGE ELEGIA XXI. FERIA SECVNDA, (quam vocant) ROGATIONVM. ZWEITER FEIERTAG, den man den der FÜRBITTEN nennt ............... 364 ELEGIA XXII. FESTVM S[ANCTISSIMI] CORPORIS CHRISTI, descriptum IN MORBO. DAS FEST DES HEILIGSTEN LEIBES CHRISTI [Fronleichnam], beschrieben IN EINER KRANKHEIT I.

Desiderium frequentandae istius Supplicationis. Die Sehnsucht, bei dieser Prozession dabei zu sein ......................... II. Describitur Viarum, platearúmque ornatus: et Supplicantium composita series. Tum et Musica. Beschrieben wird der Schmuck der Straßen und Plätze und die wohlgeordnete Reihe der Prozessionsteilnehmer. Dann auch die Musik ........................................................................ III. S[ANCTISSIMAE] EVCHARISTIAE, ab Angelis mortalibúsque comitatus et veneratio. Die Verehrung der ALLERHEILIGSTEN EUCHARISTIE und ihre Begleitung durch Engel und Menschen .............................. IV. Pulsus aeris Campani: et tormentorum, ad quattuor Evangelia, explosio. Supplicantium mens, ac vota. Glockengeläut und Böllerschüsse nach den vier Evangelien. Gesinnung und Wünsche der Prozessionsteilnehmer .......................

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XXIV ELEGIA XXIII. S[ANCTISSIMAE] EVCHARISTIAE VENERATIO, Brutorum exemplis inculcata. Poena eorum, qui Divina in Ludum traxêre. VEREHRUNG der ALLERHEILIGSTEN EUCHARISTIE, eingeschärft an den Beispielen von Unverständigen. Bestrafung derer, die Heiliges zum Spiel machten ..................................................... 374 ELEGIA XXIV. De PHILOMELA. Expostulanti, quòd in DELICIIS VERIS. praetermissa sit, respondet. Est totius operis EPILOGVS Die NACHTIGALL Er antwortet ihr, weil sie sich beschwert, dass sie in den FRÜHLINGSFREUDEN übergangen wurde. Es ist der EPILOG des ganzen Werks ...................................................... 378

Kommentarteil Kommentare und Einleitungen ...................................................................... 385 Quellen und Literaturverzeichnis I.

Handschriften 1. Bisseliana ...................................................................................... 735 2. Andere Dokumente ....................................................................... 737

II. Gedruckte Werke, Quellen, Texteditionen, Textsammlungen, Kommentare 1. Werke von Bisselius im Überblick ............................................... 738 2. Werke anderer Autoren ................................................................. 752 III. Untersuchungen und Darstellungen .................................................. 756

XXV Register 1. 2. 3.

Index der in Bisselius’ Werk vorkommenden Eigennamen ......... 773 Index der in Bisselius’ Werk vorkommenden Bezeichnungen für Flora und Fauna ........................................................................... 782 Namensregister (zu Einleitung und Kommentarteil) ........................ 786

Einleitung 1. Jesuitendichtung und Jesuitenlyrik im alten Reich Vorbemerkungen zum Forschungsstand und Erkenntnisgewinn Mit dem hier vorgelegten Werk, der kommentierten und mit einer Prosaübersetzung versehenen Edition der Deliciae Veris (im Folgenden abgekürzt: DV), einem thematisch, kompositionell und ästhetisch herausragenden Elegien-Zyklus (Ingolstadt 1638, München 21640) des oberschwäbischen Jesuiten Johannes Bisselius (20. August 1601 – 9. März 1682),1 setzt die Heidelberger Sodalitas Neolatina ihre seit mehr als 20 Jahren dokumentierten Bemühungen2 fort, den Kontinent der hochrangigen und kulturhistorisch fesselnden neulateinischen Lyrik des alten Reiches nicht nur in der Präsentation der Texte, sondern auch durch Übersetzungen, Zeilenkommentare und beigegebene bzw. parallel publizierte Untersuchungen und Analysen zu erschließen. Damit soll einer gegründeten, aber noch fernen Gesamtdarstellung dieses literarischen Sektors vorgearbeitet, zugleich das kurrente Bild des literarischen Lebens jener Epoche bereichert, geschärft und nicht selten auch korrigiert werden. Dass wir uns in Heidelberg seit Fertigstellung der Teilausgabe von Baldes Urania Victrix (erschienen 2003) in langen Lektürephasen der Lyrik, d. h. der kürzeren Versdichtung deutscher Jesuiten in Gestalt von Jacob Pontanus (1542–1620), Jacob Bidermann (1578–1639) und Johannes Bisselius (1601–1682) zugewandt haben, bedeutete den Vorstoß in eine offenkundige forschungsgeschichtliche Lücke. Denn während mittlerweile der größte lateinische Lyriker der vorreformatorischen Ära, Konrad Celtis (1459–1508),3 aber auch einzelne Dichterpersönlichkeiten des reformatorischen Humanismus wie Petrus Lotichius Secundus (1528–1560)4 und neuerdings auch

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Der Nekrolog auf Bisselius von 1682, abgedruckt unten im Verzeichnis der handschriftlichen Quellen, gibt (versehentlich?) den 15. Juli als Geburtsdatum an, der ordenseigene Catalogus II (Jes. 374, s. u.) aber den 20. August. Von den gemeinsamen editorischen Arbeiten seien genannt Parnassus Palatinus 1989, HL=Humanistische Lyrik des 16. Jahrhunderts 1997, Jacob Balde: Urania Victrix 2003. Dazu nach den Editionen und Kommentaren in HL 1997 vor allem die weiterführenden Monografien von Müller 2001 und Robert 2003, dazu der Sammelband von Auhagen u. a. 2000 sowie die Edition der Oden von Schäfer 2008. Dazu nach den Editionen und Kommentaren in HL 1997 zum Beispiel der Sammelband von Auhagen/Schäfer 2001.

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Einleitung

Paul Schede Melissus (1539–1602)5 reges wissenschaftliches Interesse auf sich gezogen haben, hängt unsere Kenntnis der deutschen lateinischen Jesuitenlyrik mit augenfälliger Einseitigkeit bislang fast ganz ab von den Ergebnissen der Balde-Forschung. Sie ist seit der bahnbrechenden Biografie von Westermayer (1868, Neuausgabe mit Bibliografie 1998) zu einem recht üppig angeschwollenen Strom von wertvollen Studien, Teilausgaben und Sammelbänden herangewachsen.6 Diese Konzentration auf Balde hatte und hat ihren Grund nicht nur in der Breite und Tiefe, dem ästhetischen Rang, dem zeitgeschichtlichen Referenzwert und der diskursiven Komplexität seines Schaffens, sondern auch in der nach Herders Balde-Übersetzungen7 naheliegenden Verfügbarkeit seiner lateinischen Dichtung für den deutschen Kulturpatriotismus und das bayerische Regionalbewusstsein. Neben Balde hat, was die lateinische Jesuitendichtung angeht, seit dem 20. Jahrhundert fast nur das riesige Terrain der ordensspezifischen Dramenkultur, an ihrer Spitze Jakob Bidermann, verdiente und kontinuierliche Aufmerksamkeit gefunden, die in wertvollen Kompendien, Untersuchungen und auch rezenten Editionen ihren Niederschlag fand.8 Demgegenüber lag das analoge lyrische Werk selbst bekannter Poetologen oder Jesuitendramatiker so gut wie ganz im Schatten der Forschung. Wer sich, ganz abgesehen von Autoren wie Jakob Masen (1606–1681)9 oder Nicolaus Avancini (1611–1686),10 etwa der Versdichtungen des Theoretikers und geistigen Protagonisten Jakob Pontanus11 versichern möchte, kann nur auf erste forscherliche Ansätze zurückgreifen.12 Selbst die in ganz Europa mehrfach neugedruckte Epigrammsammlung von Jacob Bidermann oder seine Kollektion von Elegien wurde bisher lediglich in sehr vereinzelten Studien

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Dazu nach den Editionen und Kommentaren in HL die Studien von Czapla, Kühlmann, Robert und Schäfer, zusammengefasst in dem Schede-Artikel von Schäfer in: Killy/Kühlmann, Bd. 10 (2011), S. 267–269. Von den neueren Ausgaben seien genannt die der Urania Victrix von Claren, Kühlmann u. a. 2003, die des Panegyricus Equestris von Lukas und Haberer 2002, die der Dissertatio de studio poetico von Burkard 2004, die des sog. Jagdbuches von Lefèvre 2011 sowie die meisterhafte Kombination von Untersuchungen und Edition der Marienlyrik von Heider 1999, von den ergiebigen Sammelbänden die von Burkard u. a. 2006 und Lefèvre/Schäfer 2010; zur älteren Forschung zusammenfassend der Artikel von Kühlmann 2008; ferner nun Eickmeyer 2012, passim, bes. S. 464–489. Dazu grundlegend Mahlmann-Bauer 2006. Hervorgehoben seien (hier in Auswahl im Literaturverzeichnis angeführt) die PeriochenEdition von Szarota, die Untersuchungen und Handbücher von Valentin sowie die ergiebigen Editionen und Studien von Rädle; zu Bidermann nun der Sammelband von Gier 2005 sowie Hess 2009 und der zusammenfassende Artikel von Sieveke 2008. Zu ihm als Dramatiker zuletzt Eickmeyer 2009, zur Poetik Eickmeyer 2012, S. 264–283. Wertvoll die Edition seines Festdramas Pietas Victrix von Mundt/Seelbach 2002. Zum Dramen- und Schulbuchautor sowie zu seiner geistigen Physiognomie besonders Barbara Bauer 1984, sowie neuerdings, Dillingen betreffend, Rädle 1999, bes. S. 520f., und Leinsle 2006, 2009 u. 2001; zusammenfassend der Artikel von Sieveke 2010. Bielmann 1929; Heckel 2006; Textproben bei Kühlmann 2008, S. 100f.; danach zur Poetik und Dichtung Eickmeyer 2012, bes. 246–263 u. 534–564 mit Abdrucken im Textanhang.

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erörtert,13 wozu neuerdings jedoch, zur Gattung der heroischen Versepistel, das bahnbrechende, ja monumentale, von Editionen (im Textanhang) begleitete und in die europäische Literaturwelt führende Werk (2012) von Jost Eickmeyer tritt, samt begleitenden Aufsätzen. In dieser forschungsspezifischen Lage, die zugleich von gelingenden Vorstößen wie auch eklatanten Defiziten gekennzeichnet ist, widmen wir uns mit der folgenden Edition einem Autor, der, abgesehen von seiner reichhaltigen homiletischen und historiografischen Produktion, als Lyriker in mehreren Sammlungen hervortrat. Gerade in den DV lässt sich sein überragendes poetisches Ingenium erkennen. Denn dieser in seiner Art einmalige und hochkomplexe Elegien-Zyklus zeichnet sich aus (um nur wenige Merkmale zu nennen): – durch den bei aller titelbezogenen Kongruenz (das metereologische, naturhafte, kalendarisch-historische, auch emotional und mental wirksame, gelegentlich allegorisch überhöhte sinnliche und sinnhafte Makrosymbol des ›Frühlings‹) doch stets überraschenden Wechsel von Themen bzw. Diskursen und Gegenstandsbereichen, demgemäß auch Darstellungshaltungen (vom welt- und zeitgeschichtlichen historischen Panorama über legendarische bzw. biblische, bisweilen sogar esoterisch wirkende Cimelien und paraliturgische Festgedichte oder fromme Meditationen bis hin zum intimen, manchmal humoristisch gefärbten Genregemälde oder der autobiografisch, gern auch regional gefärbten fiktiven Erlebnispoesie); – durch eine sorgfältigst gearbeitete, bis in subtilste Verflechtungen und verbale Reminiszenzen reichende zyklusinterne Motivkohärenz, demgemäß durch eine sehr bewusst gehandhabte, oft kontrastive oder komplementäre Gruppenbildung der Elegien bzw. ihrer Teile (bei mehrteiligen Elegien); – durch stilistisches Raffinement in Ausnutzung aller lexikalischen und syntaktischen, auch prosodischen Möglichkeiten; – durch rhetorische Souveränität und demgemäß eine variationsreiche, oft in der dialogischen Überblendung verschiedener fiktionaler Redefiguren und Redeinstanzen frappierende konzeptuelle Erfindungsgabe; – durch eine immer wieder Möglichkeiten der autopoetischen Reflexion und metatextuellen Transparenz abschreitende auktoriale Gegenwart. Trotz seines riesigen Œuvres wurde Bisselius, abgesehen von der Pionierarbeit eines Anonymus (1916), regionalen Würdigungen durch Hans Pörnbacher und mehreren Vorstudien der Herausgeber dieses Bandes sowie einer jüngst erschienenen Werkbibliografie,14 in der gesamten älteren und jüngeren Forschung zur 13

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Zu benutzen ist die zweisprachige Auswahlausgabe der Epigramme von Schouwink 2003; herausragend zu den Epigrammen Hess 1988/2009; ferner Baumbach 2003; zu den Elegien exemplarisch Kühlmann 2006. Die diesbezüglichen Arbeiten von Kühlmann 1987, 2009, 2011 u. 2013 und Wiegand 1988, 1997, 2006 u. 2009 sind im Literaturverzeichnis erfasst und werden in dieser Einleitung bzw. in den Kommentaren, zum Teil wörtlich, verarbeitet. Die Werkbibliografie von Weiß/ Winkler erschien 2012 kurz vor Abschluss unserer Arbeiten.

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bayerisch-schwäbischen Jesuitenkultur allenfalls beiläufig erwähnt. Umso wichtiger erscheint uns diese erstmalige Edition seines wohl bedeutendsten Lyrikcorpus. Das sich dabei herausschälende sehr markante literarische Profil ist dazu geeignet, gegenwärtige Auffassungen der Lyrikgeschichte, zumal der des katholischen Kulturraumes erheblich zu modifizieren. Einige darauf bezogene Darlegungen werden in folgenden Kapiteln dieser Einleitung weiteren exemplarischen Aufschluss ergeben. Hinzuzunehmen sind für den Leser neben den Kommentaren immer auch die oft umfangreichen Einleitungen der Herausgeber zu jeder Elegie. Dort werden Strukturen, Texturen, Quellen und Motive, werkinterne wie auch übergreifende literaturgeschichtliche Zusammenhänge, nicht selten auch im Blick auf benachbarte Texte anderer Autoren, sichtbar. Im abschließenden Quellen- und Literaturverzeichnis machen wir ergänzend (teilweise mit Transkriptionen) aufmerksam auf einige handschriftliche, bisher unbekannte Zeugnisse (bes. Briefe) von Bisselius. Für die Zukunft ist, wenn noch möglich (Tempus ruit), ein Querschnitt durch das weitere umfangreiche lyrische Schaffen Bisselius’ geplant, dann jedoch nicht in kompletter Edition der Sammlungen, sondern in der Kombination von Editionen repräsentativer Gedichte bzw. Gedichtgruppen (wie immer samt Kommentaren und Übersetzungen) mit ausgreifenden kontextualisierenden Interpretationen.

2. Der Autor und sein Werk – mit Hinweisen zur Rezeption Der als Sohn des deutschen Schulmeisters und Messners (»aedituus«) Nicolaus Bisselius im bayerischen Oberschwaben (Babenhausen an der Günz) geborene Johannes Bisselius (eigentlich Bislin, Bisslin oder Büsslin) studierte, offenbar außerordentlich frühreif,15 nach dem Besuch der Lateinschule seiner Heimatstadt als Stipendiat einer Stiftung des Augsburger Großkaufmanns Anton Fugger (1493–1560), von seinem Geschäftsnachfolger Jakob Fugger (1542–1598) weiterhin finanziell unterstützt,16 seit 1617 in Dillingen, erwarb dort den Magistertitel (1621) und trat im selben Jahr als Novize in die Societas Jesu ein.17 So oft, so bewusst und so sensitiv wie kaum ein zweiter deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts, auch im Vergleich mit dem Ordensgenossen Jacob Balde, hat Bisselius mit deutlicher Freude am Lokalkolorit in den DV wie auch in dem 1644 folgenden zweiten Band seiner Jahreszeitendichtung, dem korrespondierenden Elegien-Zyklus der Deliciae Aestatis, seine angestammte Lebenswelt und das

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Der Nekrolog von 1682 (abgedruckt unten imVerzeichnis der handschriftlichen Quellen) berichtet vom Erwerb der deutschen und lateinischen Sprache schon im frühesten Alter. Der Name Johannes Bisslin (1628 auch noch ein Bruder Melchior Bisslin, zu ihm s. u.) in der Liste der Absolventen der Lateinschule Babenhausen; s. Karg 1999, S. 354 bzw. 359. Matrikel Dillingen, S. 487. Zu Vita und Werk s. neben dem grundlegenden Aufsatz des Anonymus 1916 die Artikel von Sommervogel I 1890, Sp. 1513–1518, Korrekturen VIII, Sp. 1843; Koch 1934, Wiegand 1988, Engleitner 1998 und Sieveke 2008 sowie den biografischen Abriss mit Hinweis auf weitere Archivalien bei Weiß/Winkler 2012, S. 484f.

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heimische Brauchtum literarisch fruchtbar gemacht:18 die Spaziergänge und die kräuterreichen Auwiesen an der Günz, in der man auch angeln konnte (I,6–8; III,6 u. 14), das ›königliche‹ Hirtenleben auf den Allgäuer Viehweiden und den in virtuoser Lautmalerei akustisch vergegenwärtigten Viehauftrieb (II,11), das Aufstellen des Maibaums durch die Dorfjugend (III,1), den Mairegen (III,12), aber auch ein heftiges Unwetter, hinter dem der Autor, belesen und befangen in der magischen ›Fachliteratur‹ und demgemäß im Teufelsglauben der Zeit, auch Hexenwerk vermuten durfte (III,9; vgl. auch III,10 mit dem Kommentar),19 nicht zuletzt das Fuggerschloss in Babenhausen samt seiner heute fast verschwundenen barocken Gartenanlage (III, 3). Selbstverständlich fand auch das liturgische Brauchtum, die Feier des Palmsonntags (II,2f.), die Bitt- oder Fronleichnamsprozession samt anschließenden Flurumgängen (III,22f.), die Bisselius in besonderer Pracht in Dilligen und Ingolstadt erleben konnte, seinen poetisch reich orchestrierten Niederschlag. Auch bei Bisselius lässt sich beobachten, daß die Jesuiten, anders als der deutsche Protestantismus, in der ignatianischen Applicatio sensuum, der »Anwendung der Sinne«, d. h. der sinnlichen Imagination und gesteuerten Entfaltung der Phantasie, für Architektur, Malerei und Graphik, auch für die Literatur eine zentrale geistliche und auch kulturell bestimmende Direktive formulierten.20 Zu den bleibenden Eindrücken des Novizen Bisselius wird es gehört haben, dass er bald nach seinem Ordenseintritt von Dillingen aus die vor allem im nahen Ingolstadt im Mai 1622 festlich begangenen, alle Register der Medienvielfalt nutzenden Feierlichkeiten zur Heiligsprechung der Ordensheroen Ignatius und Franz Xaver21 verfolgen konnte. In ihnen wurde sinnfällig, dass sich Ingolstadt wie auch Dillingen mittlerweile zu selbstbewusten Hoch- und Trutzburgen der katholischen ›Gegenreformation‹ und einer in erster Linie von den Jesuiten bestimmten Wissenschaft und Literatur entwickelt hatten. Es ist gewiss kein Zufall, sondern weist auf den mental bestimmenden historischen Erinnerungsraum des Dichters, dass Bisselius noch in hohem Alter der Niederlage des pfälzischen Calvinismus in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag (1621) eine eigene Darstellung (Leo Galeatus, 1677) widmete.22

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Dazu, auch mit Hinweisen auf die Deliciae Aestatis, Wiegand 2009. Wohl nur auf Bisselius’ eigene Angaben können die Berichte des Nekrologs von 1682 (abgedruckt unten im Handschriften- und Quellenverzeichnis) zurückgehen, dass er vor dem Ertrinken und vor schweren körperlichen Schäden, verursacht durch Nachstellungen von Hexen, nur durch die fromme Fürbitte seiner Mutter gerettet worden sei. Hier auch die Erinnerung, dass er, offenbar kurz vor dem Ordenseintritt, zwei Jahre lang zwanghaft »Blasphemien« von sich gegeben habe, von denen er sich nur durch asketische Willensstärke habe befreien können. Dazu im Rahmen der Ignatianischen Exercitia spiritualia wegweisend Eicheldinger 1991, S. 52–82, sowie Hess 1988. Dazu umfassend und ergiebig Hess 2004, ferner Schneider 2006. Zu diesem und den im Folgenden genannten Werken Bisselius’ vgl. unten das Werkverzeichnis im Anhang sowie die neue Werkbibliografie von Weiß/Winkler 2012; zum Leo Galeatus und der dazu gehörigen Elegie Proelium ad Pragam s. Wiegand 2006, bes. S. 74 u. 79–81.

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Zunächst jedoch wirkte Bisselius, der seine Studien der Philosophie und Theologie zeitweise in Landsberg und München weiterführte, als Lehrer in Regensburg (1623–1626) an dem von den Jesuiten geführten, mit dem örtlichen protestantischen Gymnasium poeticum konkurrierenden katholischen Gymnasium St. Paul.23 In diesen Jahren trat der junge Bisselius, was gewiss eine Auszeichnung bedeutete, in brieflichen Kontakt mit Matthäus Rader (1561–1634), dem durch seine Martialausgabe (zuerst 1599, 16 Ndr. bis 1648), durch seine Sammlung von Heiligenviten (Viridarium Sanctorum, 3 Bde., zuerst 1604–1614) und andere historische Arbeiten, aber auch als Dramatiker gerühmten und berühmten Ordensgenossen.24 Die erhaltenen vier Briefe an Rader aus den Jahren 1624 bis 162625 zeigen Bisselius als frommen und gelehrten Mönch, der sich um die Einhaltung der Fastengebote bemüht und seelsorgerische Mühen für das Prämonstratenserkloster Windberg bei Straubing übernimmt (26.11.1624), sich Sorgen um den Studienfortschritt und die finanzielle Unterstützung seines Bruders Melchior macht (8. Juni und 2. August 1625), der erst 1642 in den Orden eintrat,26 und sich mit einem griechischen Gedicht (in anakreontischen Versen) für die Zusendung von Raders Werk über die ›Vier letzten Dinge‹ des Menschen (Quatuor hominis ultima) bedankt. Nach dem Theologiestudium in Ingolstadt (seit 1626) und der Priesterweihe in Eichstätt (1629) finden wir Bisselius als Lehrer der Rhetorik (1630) in Ingolstadt,27 bald darauf wieder in Regensburg als »Rhetoriklehrer für die Patres, Präfekt des Vorlesens bei Tisch und Beichtvater in den Stadtkirchen« (1631/32).28 Über die von Bisselius dort eingerichtete ›Akademie‹, eine Art Fortbildungsseminar für Lehrer, wissen wir Näheres nur durch Duhr, der offenbar Manuskripte aus den sog. Oefelana (BayHSA Oef. 40), d. h. dem Nachlass des ehemaligen bayerischen Rats, Bibliothekars und »Antiquarius«, des großen Sammlers und Regionalforschers Andreas Felix Oefele (1706–1780), auswertete:29 Über die Übungen dieser Akademie mitten im Kriegslärm der Jahre 1631 und 1632 hat P. Joh. Bisselius als Greis von 81 Jahren eine Aufzeichnung verfaßt. Es waren im Durchschnitt 20 Teilnehmer aus der oberdeutschen und rheinischen Provinz; alle hatten ihre drei Jahre rühmlich vollendet. Die Übungen dauerten ein Jahr, jeder Monat hatte seine bestimmte Aufgabe: Brief, Poesie, Geschichtsstil, Predigt. Der Plan war nach Beratung mit den in den 23

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Dazu ausführlich und erhellend Gegenfurtner 1977; Bisselius hier (S. 196–199) unter dem Namen »Büschin« bzw. »Bieslin« für die Jahre 1623/24 bis 1625/26 als Lehrer der »Humanisten« geführt. Zu Rader und seinem Briefnachlass, der nach und nach in der Reihe der »Bayerischen Gelehrtenkorrespondenz« herausgegeben wird (bisher 2 Bde. erschienen, noch ohne die Bisselius-Briefe), vgl. besonders Schmid 1997 u. 2010, zu Raders Werk neuerdings Römhild 2010 sowie im Überblick den Artikel von Sieveke 2009. S. die Aufstellung unten im Quellenverzeichnis; die Briefe wurden uns auf Vermittlung von Dr. Helmuth Zäh dankenswerterweise auch mit einer Transkription bekannt gemacht durch die Güte von Frau Dr. Veronika Lukas und Herrn Dr. Magnus Ulrich Ferber. Wilczek 1988, S. 344. Matrikel Ingolstadt, S. 546. So nach den Akten in der Liste von Gegenfurtner 1977 (unter dem Namen »Biesel«), S. 205. Duhr, Geschichte der Jesuiten II,2, S. 554f.; aus dieser Zeit (1631/32) stammte die erhaltene Nachschrift seiner Vergilvorlesung (s. hier im Quellenverzeichnis).

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humanistischen Studien tüchtigsten Männern aufgestellt: Rader, Keller, Pontan, Bidermann usw. Es wurden stets die entsprechenden alten Klassiker, auch einige neue gelesen und schriftliche Übungen gemacht, die öffentlich vorgetragen werden mußten. Auf das Griechische wurde täglich 1/2 Stunde verwandt, eine Sentenz von etwa zwei lateinischen Versen mußte täglich ins Griechische übersetzt und vorgelegt werden als »Tessera«. Als Autoren las man Isokrates, Lucian, eine Paraphrase des Evangeliums des Hl. Johannes in griechischen Versen usw. Von Homer waren nicht genug Exemplare vorhanden. Die für das Drama Veranlagten unterrichtete Bisselius privatim. Besonders suchte er sie für die Tragödie zu begeistern; als Muster stellte er die Medea des Seneca vor, die Rader allen andern neun vorgezogen habe. Darüber verfaßte Bisselius auch eigene Anweisungen. Er unterwies auch in der Theaterpraxis, Einübung der Spieler, Kostümierung, Einlage von Zwischenspielen, Chören und Tänzen. Die Vorlesung war morgens 1/8–9 Uhr.[…]. Um 9 Uhr waren Privatstudien, Lektüre und schriftliche Arbeiten, nachmittags um 1/2–3 Uhr dieselben Übungen wie vormittags, die letzte halbe Stunde Griechisch.

Währenddessen verschlechterte sich die militärische Lage rapide. Im Jahr 1632 mussten die Jesuiten vor den Schweden und den Truppen Bernhards von Weimar (Einnahme Regensburgs 1633)30 flüchten. In diese Zeit (1632), die Bisselius (wie auch Balde, damals in Ingolstadt) durch den Tod Tillys (30. April 1632) erschütterte, fällt eine Fußreise durch die Oberpfalz, die Bisselius in einer der bemerkenswertesten literarischen Schöpfungen der Epoche, in seiner Icaria (Erstdruck 1637) schilderte.31 Mit diesem Titel wird wohl auf den gefallenen Ikarus, d. h. hier den geschlagenen ehemaligen Pfälzer Herrscher der Oberpfalz, den sog. Winterkönig, angespielt. Der prosimetrische Reisebericht in der Tradition der menippeischen, von John Barclay beeinflussten Satire verschlüsselt Namens- und Ortsangaben und wurde, bald mehrfach nachgedruckt und auch bei protestantischen Autoren wie Christian Gryphius aufmerksam registriert, erst in jüngerer Zeit durch Hermann Wiegand (1997) als farbiges, anekdotenreiches Zeitdokument und anspruchsvolles literarisches Vexierspiel hinreichend gewürdigt. Aus der im Folgenden abgedruckten dankbar huldigenden Widmungsvorrede an Urban Weber (Textor), Abt des Benediktinerklosters Admont in der Steiermark, genannt »Erneuerer des Klosters« (1599–1659), der bei den Jesuiten in Graz (außerdem in Salzburg) studiert hatte, lässt sich nicht erschließen, dass Bisselius wie andere Ordensbrüder vor den schwedischen Truppen und den Kriegswirren ungefähr in den Jahren 1633/34 nach Admont ausgewichen ist.32 Die Vorrede berichtet, dass Bisselius seine Deliciae Veris »neun Jahre« im Norden 30

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Gegenfurtner 1977, S. 124: »Von den Jesuiten blieben der Rektor, der Prokurator und der Domprediger mit zwei Brüdern in der Stadt [Regensburg]. Am 9. Januar 1634 vertrieb man auch diese Geistlichen, die Klöster und Kirchen wurden bis auf wenige Ausnahmen geschlossen. Das Jesuitenkolleg wandelte der Herzog von Weimar in ein protestantisches Predigerkonvikt um, wodurch es weiterer Zerstörung entging.« Bisselius’ Klagen um den Tod Tillys in der Icaria (S. 67f.) können hinzugefügt werden der weitläufigen, durchaus kontroversen Tilly-Publizistik, wie sie sachkundig neuerdings Jost Eickmeyer, Blutsäufer 2011 umrissen hat. Herrn Prof. Dr. Franz Fuchs (Würzburg) und dem ihm bekannten Pater bibliothecarius von Admont verdanke ich die Nachricht, dass zwar einige Werke von Bisselius in der Admonter Bibliothek erhalten sind, alle anderen Archivalien wie Briefe und dgl. jedoch bei einem späteren Brand vernichtet wurden.

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im Schreibtisch verwahrt habe, was wegen der Anspielung auf einen bekannten Passus bei Horaz (ars poetica 388) zwar nicht unbedingt wörtlich zu nehmen ist, jedoch insgesamt zur Abschätzung der Entstehungs- und Arbeitszeit ein wichtiges Indiz abgibt, das durch lokale Hinweise bestärkt wird (etwa im Besuch und der Beschreibung der Wallfahrtskirche Maria Orth bei Regensburg, I,4; in III,5 Regensburg als ›Stadt des Tiberius‹). Der Hinweis auf Nachrichten aus Äthiopien (I,10, bes. V. 26f., s. den Kommentar) legt die Abfassung zumindest dieser Elegie für die Zeit nach 1632 nahe.33 Für diese Jahre sind Aufenthalte in Ebersberg, München (1633/34) und Burghausen (1634/35) belegt. Nach ihrer Niederlage in der Schlacht bei Nördlingen (1634) zogen sich die protestantischen Truppen aus dem Süden zurück, Bisselius konnte heimkehren und wirkte von 1635 bis 1638 zeitweise in Vertretung als Professor für (vornehmlich aristotelische) Ethik an der Universität Ingolstadt, zusammen mit dem etwas jüngeren Ordensbruder Jacob Balde (1604–1668), der den Rhetoriklehrstuhl einnahm:34 im selben Haus ein denkwürdiges Miteinander der beiden literarischen Größen des katholischen Barockschrifttums, unvermeidlich dabei gewiss auch eine gegenseitige Beobachtung der beiderseitigen Arbeiten und Aspirationen! Umso bemerkenswerter erscheint es, dass sich beide Autoren, so jedenfalls zunächst auch Westermayer (1868), in ihren poetischen Werken anscheinend nicht erwähnen.35 Allerdings wollte Balde in seinem handschriftlichen Kommentar (»Interpretatio«) zum »Somnium«, einem rätselhaften Gedicht seiner Sylvae (VII,16), das höchst verschlüsselt Baldes Konflikte als bayerischer Hofhistoriograf behandelte (dazu s. u.), den Weggenossen Bisselius, seinen Vorgänger in diesem Amt, durchaus anerkennend charakterisieren. Bisselius erscheint hier als ein bereits berühmter Autor von gewandter Beredtheit sowohl in lateinischer wie auch deutscher Sprache:36 Quintus historiographus producitur Ioan. Bisselius Babenhusanus, Suevus, vir eloquentiae laude nulli secundus, linguam ex pharetra, calamum ex torno promit, missilia acuta, latino vernaculoque sermone praestans et iam scriptis libris celeber.

In einem nach seiner bahnbrechenden Balde-Monografie unterhaltenen Briefwechsel (1872/73) mit dem jungen Juristen und Balde-Verehrer Otto Voggenreiter (1846–1883) setzte sich Westermayer weiter mit den verschlüsselten Namen in Baldes Sylvae auseinander und vermutete nun in Korrektur seines älteren Befundes,37 dass Bisselius in Baldes Odendichtung (carm. IV,37f.) unter dem Pseudonym »Iodocus Birrus« humorvoll eingeführt wurde, in Anspielung darauf, dass die Heimat des geborenen Elsässers Balde und des Schwaben Bisselius (dazu bes. 38, V. 42f: »Errant heic etiam Suevus et Alsata, / Ambo sub dominis pluribus exules«) zeitweise von fremden Truppen besetzt war. Die Titel beider 33 34 35 36 37

Zu den historischen Vorgängen s. Böll 2000. Mederer 1782, Pars II, S. 273. Zu Balde und Bisselius s. Westermayer 1868, S. 57, 59f., 88, 153f., 197. Zit. n. Bach 1904, S. 19; eine Übersetzung bei Westermayer 1868, S. 60; zum »Somnium« s. Sauer 2005. Dazu Kühlmann 1994, bes. S. 95f.

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Oden Baldes38 deuten vielleicht darauf hin, dass sich Balde von der schmerzlichen Vogelschau angeregt fühlte, in der Bisselius in den DV (I,10f. u. 13) auf die von den Muslimen eroberten Gebiete blickte. Unangenehm getroffen fühlen musste sich Bisselius allerdings später von einem Passus in Baldes Leservorrede zu dessen allegorischem Elegien-Zyklus Urania Victrix (1663), in der er verschiedene Gattungen der Versdichtung als obsolet, ja als abgeleiert disqualifizierte. Das betraf aus Baldes Sicht die Heroische Versepistel wie auch die Jahreszeitendichtung.39 Dass Bisselius’ in vieler Hinsicht innovative Deliciae Veris und Deliciae Aestatis, die in Sprachgestus, Komposition und thematischer Variation als durchaus synkretistisches, keinesfalls nur deskriptives Genus anzusehen sind, mit einer solchen Abfertigung verkannt wurden, musste jedem Leser damals wie heute einleuchten. Ob Bisselius’ Elegien, die zwar mit Vogelallegorien, aber biografisch doch unverkennbar Neid und poetische Rivalitäten ins Licht rücken (vor allem III,15), auch den frühen Balde betreffen, muss dahingestellt bleiben. In dieser politisch und militärisch bewegten Kriegszeit machte sich Bisselius einen Namen durch seine Mitwirkung (als Verfasser des neu hinzugekommenen ersten Buches) an der Lyriksammlung des Cliens Marianus (41634), der in poetischer, zur Identifikation einladender Andachtspoesie den geistlichen Kriegsdienst für Maria nahebringen oder literarisch begleiten sollte, gedacht vor allem für die Mitglieder der an Schulen und Universitäten, auch in Dillingen (seit 1576), Ingolstadt (seit 1577) und Amberg (1626), aufblühenden Marianischen Kongregationen.40 Benutzbar waren diese Elegien als meditative und appellative Lektüre zu Andachtsübungen, wobei die zu Idolen verklärten Jungheiligen des Jesuitenordens, Aloysius von Gonzaga (1568–1591) und Stanislaus Kostka (1550–1568),41 mögliche Vorbilder abgaben, verführerische erotische Dichtung der Antike mahnend und kontrafaktorisch umgeschrieben wurde und bekannte Legendenvorlagen wie die Geschichte der Versuchung und Rettung des Teufelsbündners Theophilus, sonst ein beliebter Dramenstoff, sich nun als elaborierter Elegien-Zyklus (Elegia IX ) präsentierten.42 Daneben schrieb Bisselius an den DV, beteiligte sich anonym im Namen des Ordenskollegiums an Kasualwerken zu Ehren des baye38

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Balde, carm. IV,37: Auctor comite ac socio Iodoco Birro Constantinopolim perlustrat; IV,38: Cum auctor et Iodocus Birrus in foro Constinopolitano multa indigna cernere cogerentur. Weitere Forschungen könnten anderen potentiellen Verbindungen von Baldes Oden zu Bisselius’ Elegien nachgehen; vgl. etwa die Spinulus-Oden Baldes (carm. III,27 u. 43) mit Bisselius’ Spinulus-Elegie (I,17). Gerade verächtlich klangen die Sätze (zit. n. Balde: Urania Victrix, ed. Claren, Kühlmann u. a. 2003, dort S. 12 mit Übersetzung): Quid igitur adderemus ad ista? quandoquidem decoctus assis exhaustae Elegiae videatur: amandi quidem lugendique materia semper suppetit: at ijdem affectus, eodem rore manantes, plerumque redeunt. Ortum autem solis et occasum quis non descripsit? Ver et aestas defluxere, ut tempora solent. Quin anni Quatuor Tempora, nonnemo floridis compedibus impedivit, succinctè et eleganter. Scires nihil superesse nisi vetera. Dazu ausführlich Eickmeyer 2012, S. 466–473. Zu den Marianischen Kongregationen und ihren geistlichen Übungen s. Sammer 1996, bes. S. 39–71. Zur Verehrung der Jugendheiligen s. Hross 1968, Gloning 1997 sowie ausführlich Jetter 2012. Die diesbezüglichen Gedichte im Cliens Marianus stammen wohl nicht von Bisselius. Zum Cliens Marianus s. die umfassende Würdigung durch Wiegand 1988.

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rischen Herzoghauses, veröffentlichte seine besagte Icaria, dachte gewiss auch schon an Vorarbeiten für den Folgeband des Jahreszeiten-Zyklus, die Deliciae Aestatis (gedr. 1644). Besonders die Icaria machte auf die Ordensoberen einen guten Eindruck, so dass Bisselius mit Erfolg für die vakante Position des bayerischen Hofhistoriografen in München im Dienst Maximilians I. vorgeschlagen wurde,43 eine Stelle, auf der man zwischen unausgleichbaren päpstlichen und den dynastischen Interessen bzw. Geschichtsbildern der Wittelbacher zu lavieren hatte. Bisselius tat sich schwer, bekleidete dies Amt nur ein Jahr lang (1639), und auch sein Nachfolger, kein geringerer als Jacob Balde, flüchtete so schnell wie möglich vor dem Widerstreit unerfüllbarer Forderungen und Erwartungen.44 An der Abfassung oder Inszenierung von Schuldramen scheint sich Bisselius trotz seiner früheren Lehrtätigkeit (s. o.) nur selten beteiligt zu haben. Überliefert ist allerdings durch eine deutschsprachige Perioche (Inhaltsangabe, abgedruckt unten im Werkverzeichnis)45 und durch die Ingolstädter Ordensannalen46 bisher nur die Nachricht, dass er eines der ersten, wenn nicht sogar das erste ThomasMorus-Drama abgefasst hat (Aufführung am 8. Oktober 1631 in Ingolstadt): Tragoedia von Thoma Moro des vor Gott und der Welt berümbten Engelländischen Reichs Cantzler Wellcher vor 96 Jahren wegen Verfechtung wahren Glaubens hingerichtet worden. Das Thema passt gut zu dem regen Interesse, das Bisselius auch in den DV an dem englischen König Heinrich VIII. und der Entwicklung der anglikanischen ›Ketzerei‹ genommen hat (s. mit dem Kommentar hier I,13,4 sowie II,2), die bekanntlich auch Balde bewegte.47 Was Bisselius nach dem Auscheiden aus dem Amt des Hofhistoriografen erwartete, war offenbar eine zunächst schwierige Lebensphase mit häufig wechselnden Aufenthaltsorten48 und längeren Krankheitsphasen. Festen Fuß fasste er wieder 1650 als Studienpräfekt in Dillingen, wo er 1650/51 auch als Professor für Kontroverstheologie lehrte, dann, nach einer Station als Seelsorger in Straubing (1651–1653), 1554 als Studienpräfekt in Amberg. Wiederum in Dillingen bewährte er sich neben seinen weitläufigen historischen Arbeiten von 1661 bis 1667 als Prediger, zumal in der Fastenzeit, was dazu beigetragen haben dürfte, dass er zuletzt als Stadtprediger wieder nach Amberg, also in eine ehemals calvinistische Stadt versetzt wurde, die es nachhaltig zu rekatholisieren galt. Es war die Zeit, in der die Jesuiten in Amberg ein neues Kollegiengebäude (fertiggestellt 1669) und ein neues Gymnasium (1676) erbauten. In der Amberger Kirche (St. Georg), in der Bisselius predigte, konnte er auf zwei Seitenschiffaltäre 43 44 45

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Vgl. Duhr, Geschichte, Bd. II, 2, S. 730. Zu den Aufgaben und Konflikten zusammenfassend Schmid 1980 u. 2000, Benz 2003, bes. zu Balde, S. 490–495, Sauer 2005 und Breuer 2006. Im Handbuch von Valentin 1983), Tl. 1, S. 130, Nr. 1083, ein Hinweis auf die Münchener Perioche; nicht abgedruckt in der Periochenedition von Szarota (dort im Band 4, Indices, nur der Hinweis auf Jacob Bisselius, 1672–1738, vielleicht einen weitläufigen Verwandten unseres Autors, zu späteren Morus-Dramen ebd., S. 105). Zit. n. Rädle 1979, S. 191; s. auch Weiß/Winkler 2012, S. 488f. Vgl. Balde, carm. I,3: Thomae Mori Constantia. Kratz 1916, S. 25, nennt mit Verweis auf Archivalia (HSA München, Jes. 199) München, Landsberg, Ebersberg und Innsbruck (1648/1649; so auch Weiß/Winkler 2012).

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blicken, die den Ordensheroen Ignatius bzw. Franz Xaver geweiht waren.49 In Amberg verstarb Bisselius am 9. März 1681, nachdem er noch frühere deutschsprachige Fastenpredigten der Dillinger Jahre zum Druck bringen konnte. Nach eigenem Bekunden konzipierte er seine Predigten offenbar zunächst gern lateinisch, um sie für den Vortrag ins Deutsche zu übertragen.50 Von den Lyrica verabschiedete sich Bisselius gegen Ende der 1640er Jahre nicht ganz, aber doch weitgehend, in den Vordergrund trat nun der Historiker51 und der Prediger, beides auf der Grundlage einer geradezu polyhistorischen Belesenheit, die von der Antike bis zum Schrifttum der Zeitgenossen reichte. Dazu im Folgenden nur einige kursorische Hinweise. Den Anfang machte während eines Kuraufenthaltes im Engadin – Bisselius galt 1642/43 als »valetudinarius« –52 die Urlaubslektüre der deutschen Übersetzung eines spanischen Berichtes (1610) über eine abenteuerliche, von Schiffbrüchen und Irrfahrten gestörte Reise nach Südamerika aus der Feder des spanischen Ordensgenossen Pedro Govea de Victoria (ca. 1560–1630). Bisselius bearbeitete den Text in lateinischer Form, manches ergänzend, und verglich die Entdeckungsreisen mit den Fahrten der antiken Argonauten (Argonauticon Americanorum, 1652, später Ndr. in Amsterdam).53 Es folgte ein mehr als 2 000 Seiten umfassendes, in mehreren Bänden bzw. Teilbänden heranwachsendes Opus maximum über die Geschichte der alten Welt seit der Schöpfung. Der Titel der Bände (Ruinarum Decas, 1656–1665) deutet bereits an, dass diese Archäologie der Frühzeit geschichtstheologisch als Folge von Verfehlungen und Katastrophen und in der Perspektive auf den Untergang der alten Reiche konzipiert wurde, auch der des antiken Römischen Reiches, wozu ein Sonderband erschien (1664): die Weltgeschichte als göttliches Weltgericht. Dem Bibelstudium diente ein parallel dazu erarbeitetes, in dieser Art vorläufig wohl einmaliges topografisches und ethnologisches Handbuch zur Geografie Palaestinas (1659 u. 1679). Diese Werke gaben Anlass zu einem Briefkontakt (s. u. im Quellenverzeichnis) mit dem Altdorfer Rechtsprofessor Nicolaus Rittershusius (1597–1670), einem Sohn des berühmten Nürnberger Juristen Konrad Rittershusius (Rittershausen, 1560–1613). Überraschend ausführlich und entschuldigend äußert sich Bisselius hier zu den verschiedenen Stilmustern guter Prosa. Ebenfalls in diesen Jahren scheint sich ein durch Besuche und gegenseitige Gefälligkeiten (etwa die der Buchausleihe) bekräftigtes, eher entspanntes Verhältnis zu dem bekannten protestantischen Nürnberger Prediger und fruchtbaren geistlichen Schriftsteller 49

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Zu den Jesuiten in Amberg ausführlich Rixner 1832, Auer 1891; leider hier nichts zu Bisselius; zum historischen Kontext Ziegler 1980; Sixtus Lampl: St. Georg. Amberg. Regensburg 1999 (Schnell, Kunstführer Nr. 615). So in der Vorrede zu De Pestiferis Peccatorum Mortalium fructibus, Exempla tragica (1652); dies nach Kratz 1916, S. 30. Nur eine kurze Notiz über Bisselius bei Benz 2003, bes. S. 481: nichts Neues und gar nichts über die zahlreichen historischen Publikationen von Bisselius, die Herr Benz offenbar nicht zur Kenntnis genommen hat. Kratz 1916, S. 29. Dazu Hill 1970; zu den historischen Werken neben Kratz 1916 knapp Duhr, Geschichte der Jesuiten, Bd. III (1921), S. 566f.

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Johann Michael Dilherr (1604–1669) angebahnt zu haben, wie ein Brief an Dilherr vom 21. Oktober 1665 signalisiert (s. u. im Quellenverzeichnis). Bisselius spielt hier offenbar an auf Dilherrs Gastfreundschaft anlässlich eines Besuches von Kaiser Leopold I. in Nürnberg mit dem Besuch der Stadtbibliothek (1658). In der Bibliothek kam es angeblich zwischen Dilherr und Bisselius zu einem Streitgespräch, über das Schröttel (1962, S. 27, Anm. 124) berichtet: Bisselius wirft Dilherr vor, daß er verheiratet sei. Dieser entgegnet: Auch die Apostel, v. a. Petrus und Paulus waren verheiratet. Der Jesuit bestreitet das im Hinblick auf Paulus. Dilherr beruft sich auf Ignatius. Der Jesuit verwettet seinen Kopf, daß Ignatius davon kein Wort geschrieben habe. Dilherr legt ihm einen längst vor der Reformation geschriebenen Codex vor und zeigt ihm die betreffende Stelle aus den Briefen des Ignatius.

Ein historiografisches Gegenstück zu Bisselius’ Historie der alten Welt, diesmal in der Konzentration auf die eben vergangene Zeitgeschichte, folgte später in drei annalistisch geordneten, eigentlich auf je sieben Jahre ausgerichteten Bänden, in denen die Ereignisse von 1601 bis 1620 erzählt wurden (Aetatis Nostrae Gestorum Eminentium Medulla historica, per aliquot Septennia digesta, Amberg 1675–1677; mit einem Sonderband zum Schicksal der Maria Stuart, 1675),54 gleichsam als ob Bisselius das ehemals übertragene Amt des Hofhistoriografen nachholen wollte. Höchst ungewöhnlich präsentiert sich hier die Personalunion des Historikers und des Poeten, indem Bisselius nämlich im Anhang jedes Bandes die wichtigsten der vorher in Prosa dargestellten Ereignisse noch einmal in lateinischen Elegien nachdichtete. Zu diesen Verswerken zählt als ein geradezu spektakuläres Exempel die sorgfältig kommentierte, alle rhetorischen Mittel einsetzende, zuletzt in eine höhnische Invektive, gleichsam die aggressive Kontrafaktur eines Nachrufs mündende Elegie über den Prozess und die Hinrichtung (Verbrennung) des 1619 in Toulouse als Ketzer verurteilten angeblichen Freigeistes Giulio Cesare Vanini. Zuletzt erscheint Vanini hier, zur Warnung an die ›neuerungssüchtige Jugend‹, als brüllendes Opfer der Flammen, also der Natur, die er aus Bisselius’ Sicht frevelhaft angebetet hatte.55 Texte wie diese machen klar, dass es sachfremd und wenig erkennisfördernd ist, Historie nur auf das hin zu untersuchen, mit dem wir uns identifizieren können, oder das, was meist nur angeblich, für eine von der Moderne einzuholende Vorläuferschaft in Anspruch genommen wird. Diese Geschichtselegien neben zwei Sammlungen jambischer Bibeldichung (1670) waren wohl die letzten Hervorbringungen des lateinischen Poeten Bisselius. In das publizierte Werk schoben sich nun deutschsprachige Bände mit den Dillinger Fastenpredigten, zunächst 1666, dann die noch kurz vor seinem 54

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Von dem Jesuiten Christophorus Bechtlinus (1630–1698; Sommervogel, Tom. I, S. 1112f.), zuletzt Domprediger in Regensburg, lobt in seinen Epigrammatum Libri Quatuor (Regensburg 1696), Liber I, Nr. XXXVIII, S. 14: »Hanc qui conscripsit, Musa dictante, Medullam, / Inter Scriptores ipse Medulla fuit.« In Bisselius: Aetatis Nostrae Gestorum Medulla Historica Septennium III. Amberg 1676, S. 727–730; dazu ausführlich mit Text und Übersetzung in weiterer Perspektive Kühlmann zusammen mit Claren 2009.

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Tode erscheinenden Bände der Predigten der Jahre 1666 und 1667. Sie zeigen einen eifrigen Erzähler, der weniger die Bibel als vielmehr diverse weltliche und geistliche, vor allem historische Anekdoten und Stoffe zur lehrhaften, theologisch bewusst korrekten, immer wieder auf die Beschlüsse des Trienter Konzils anspielenden Katechese und moralischen Applikation ausbreitete, niemals ohne gelehrte Nachweise, gleichzeitig einen volkstümlichen Rhetor, der immer wieder in farbiger, bisweilen rustikaler, auch drastischer Diktion, welche das Idiom der Heimatlandschaft nicht verleugnete, seinen eigenen Emotionen freien Lauf ließ und so auch die Affekte des zuhörenden Publikums bewegen wollte. Wie ernst Bisselius sein Predigtamt und die dazu gehörigen gelehrten Vorstudien nahm und welche Zwecke seine Predigten verfolgten, erhellt sich ex negativo aus seiner beissenden Karikatur von Predigern, wie es sie gab, aber nicht geben sollte:56 […] wann sie ein gantze Wochen gefeyrt, gespihlt, getruncken, geluedert und geschwälgt haben, darnach erst am Sontag, wenn man das erste Gloggen Zaichen zur Predigt gibt, aufstehen, fragen: was für ein Evangelium? Und entzwischen unter den Anlegen der Klaydern sich erst erstudiren? Qualis preparatio, talis est concio. Was werden leyden die jenigen, die nichts darauf geistliches lesen, nichts oder nicht vil betrachten und betten und dahero hernach auch keinen Ernst, Saft und Geist im Reden erzaigen, weil sie keinen Geist nicht haben, die Gemaind also, demnach nothwendig, auch ohne Trost, Geschmackh und Geist und Fürhaben der Besserung ihres Lebens gehen lassen: Fablen aus dem Eylenspiegel erzehlen, nie kein Tugend herfürstreichen und vil weniger offentlich eingerißne Laster straffen […].

Dass Bisselius mit der Polemik gegen den »Eulenspiegel« den Gesamtbereich der moralisch anrüchigen Schwankdichtung meinte, war bei Predigern nicht ungewöhnlich.57 Umso mehr wird zu beachten sein (dazu unten Kap. 4), wie Bisselius Texte aus der Schwankliteratur in den Elegien-Zyklus der DV einarbeitete. Zwei Leseproben sollen diesen Versuch eines kurzen Autorporträts abschließen und die Arbeitsweise wie auch stilistische Physiognomie des muttersprachlichen Schriftstellers Bisselius ins Licht rücken. Die erste der beiden kurz vor dem Tod des Autors zum Druck gegebenen, zusammen, jedoch mit getrennten Titelblättern erschienenen und mit einem kurzen Vorwort vom 1. Januar 1682 versehenen Predigtsammlungen (Dillingen 1682) widmet sich den »sichtbarlichen Erscheinungen« der »Innwohneren der andern Welt«, also den verschiedenen Wesen jenseits der menschlichen Sphären: dem Teufel in seinen verschiedenen Rollen und Masken, den Engeln, aber auch den Erscheinungen erlöster oder verdammter Seelen. Der Prediger verfügt dabei über einen schier unerschöpflichen Fundus einschlägiger Anekdoten und literarischer Exzerpte, schöpft zugleich aus umlaufenden Wandergeschichten wie zum Beispiel der auch andernorts mehrfach erzählten Sage vom Rattenfänger von Hameln (S. 18–43), die unter anderem anhand einer Chronik der Stadt Hameln und durch Ordensautoritäten (Athanasius

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Aus Bisselius’ Predigtsammlung: Incolarum Alterius Mundi Phaenomena Historica. Das ist: Der Innwohneren der andern Welt sichtbarliche Erscheinungen. 1682 (s. Quellenverzeichnis), S. 108f. Zu Bisselius’ Predigten in kurzem Überblick Duhr, Geschichte der Jesuiten, Bd. III (1921), S. 612f. Zu einem Predigtwerk neuerdings Kraß 2012. Dazu erhellend Moser-Rath 1988.

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Kircher) historisch ›abgesichert‹ wird (Auszug, Worte im Wechsel der Schriftgrade und -typen hier einheitlich kursiv):58 Das achteten aber die Hammeler/ vnd beobachteten/ gar wenig: sondern liessen ihre kleine Bursch thun/ nach ihrem Lust/ und Willen; anheimbs/ vnd auf den Gassen. Und sihe/ da kam vnversehens wider daher/ der/ vor einem Jahr abgewisne/ Wunder-Mann: Vnd/ als ein Spilmann/ und Possenreisser/ hebte er auf der Stadt-Strassen an/ zu pfeiffen/ vnd zu blasen. Disem Gespil lieffen also bald zu/ ein grosse Menig der Kinder/ beeden Geschlechts/ Mägdlin so wol/ als Knaben; als wie sie jetzt pflegen/ wann sie ihren Gregory (wie mans nennt) halten/ oder Virgatum gehen. Der Abentheurer geht vor ihnen her/ dem Stadt-Thor zu/ welches das Koppen-Thor genannt war: das war offen. Die Menge der Kinder folgt ihm nach: Er führt sie zur Stadt/ durch die Bunglossen-Straß/ hinaus/ bis an den Gerichts-Ort/ der Koppel-Berg genannt/ Lateinisch aber/ in einem uhralten Hammelischen Missal, Locus Calvariæ, das ist: Schedelstadt; (vielleicht anzuzeigen/ wohin die böse vn- vnd übelerzogne Kinder gehören.) Alsbald sie dort hin kommen; zur stätt/ thut sich der Gerichts-Berg auf/ vnd von einander/ (wie dann noch heut die Sencken alldort gesehen wird/ zu oberst am End mit einem Stein/ und Alters halber/ jetzt nunmehr vnlesendlichen Gebänd-Schrifft/ gezaichnet) alldort hinein seynd/ samt dem Gespenst-Mann/ alle diese Kinder gegangen/ vnd verschwunden; Der Berg sich widerum zugeschlossen; Und der Kinder also in allem hundert/ vnd dreyssig verdorben/ daß man auf heutigen Tag nicht weiß/ wie es ihnen ergangen. […] Dann/ (Geliebte) der leidige Sathan/ (behüt uns GOTT davor) hatte sie mit sich in die andere Welt geführet/ vnd nicht nur ein Spülmann [sic!]/ oder ein Zauberer.

Die zweite Predigtsammlung, die von »Mortes Patheticae oder anmüetigen TodtFähln« handelt (das Wort »anmüetig« hat semantisch nichts mit unserem Verständnis von ›Anmut‹ zu tun, sondern meint, wie der lateinische Titel erläutert, ›herzbewegend‹, ›tragisch‹), gehört dem Typus nach zur Masse der hier spirituell, pastoraltheologisch und katechetisch umgeformten und umgedeuteten Erzählsammlungen der säkularen Literatur,59 an ihrer Spitze mit weitreichenden Wirkungen François de Rosset (1570–nach 1630) mit seinen Histoires mémorables et tragiques de ce temps (zuerst Paris 1613), 1624 von dem Ulmer Polyhistor Martin Zeiller (1589–1661)60 übersetzt und auch von anderen wissensvermittelnden Unterhaltungsschriftstellern der Epoche nachgeahmt. Bei Bisselius lesen wir hier als zweites »Exempel« aus heutiger Sicht eine Shakespeare-Kontrafaktur, nämlich die am 27. Februar (»Hornung«) 1667 in Dillingen gehaltene Predigt über Romeo und Julia, das bekannte, später sentimentalisierend überhöhte jugendliche Liebespaar (Romaeus, und Julietta, Edlen Stamms Zu Verona, S. 32–56). Von Shakespeare wird Bisselius allenfalls vom Hörensagen oder durch Aufführungen von Truppen der Wanderbühne gehört haben. Der große Dramatiker spielt selbstverständlich in der Predigt keine Rolle. Bisselius stützte sich offenbar auf 58 59

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Predigt vom 14. März 1666, hier zit. n. dem Druck von 1682 (s. Quellenverzeichnis), S. 31f. u. 33. Den derzeit besten Überblick darüber bietet Bd. XXI (1999) der Simpliciana, Schriften der Grimmelshausen-Gesellschaft, mit den Beiträgen eines Wolfenbütteler Arbeitsgespräches über barocke Erzählsammlungen. Bisselius benutzte Rosset/Zeiller für seine Vanini-Elegie (s. o.) und zitierte Zeiller auch mehrfach in seinen Predigten, darunter der im Folgenden auszugsweise vorgestellten Predigt über Romeo und Julia; zu Zeiller und der einschlägigen Forschungsliteratur s. Wilhelm Kühlmann, in: Killy/Kühlmann, Bd. 12 (2011), S. 634f. sowie Kühlmann 2012.

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Nachrichten in Zeillers Itinerarium Italiae (1640), vor allem auf den angeblich »ersten Beschreiber«, nämlich (S. 33f.): »Franciscus Belleforestus, in Frantzösischer; neulicher aber / Carpovorus [Druckfehler für »Carpophorus«, recte im unten angeführten Zitat!], in Teutscher/ Parte 5; Amphitheatri, cap. 111«. Hinter diesen Namen verbirgt sich François de Belleforest (1530–1583), ein französischer Übersetzer Matteo Bandellos (Histoires tragiques, 7 Bde. 1564–1582), unter dem Hüllwort Carpophorus ein ungenanntes Mitglied der wichtigsten deutschen Sprachgesellschaft, der sog. Fruchtbringenden Gesellschaft. Auch durch den latinisierten Titel Amphitheatrum darf man sich nicht irreführen lassen, denn es stellt sich heraus, dass Bisselius ein Werk aus der Nachbarschaft auf seinem Pult liegen hatte und teilweise wörtlich ausschrieb. Mit Carpophorus meinte er den Nürnberger Großschriftsteller Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658), genauer: sein kompilatorisches Sammelwerk Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mordgeschichte (zuerst Hamburg 1649/50 u. 31656), wo die Romeo-undJulia-Geschichte genau am angegebenen Ort zu lesen ist, unter dem Titel »Die verzweiffelte Liebe«.61 Anders als der säkulare Autor polemisiert Bisselius, die nötigen Verhaltenslehren ableitend und einschärfend, mit Berufung auf das tragische Exempel und gültige Konzilsdekrete gegen die sog. Winkelehe, d. h. die heimlich ohne Öffentlichkeit vollzogenen Eheschließungen. Dass das »raitzende verführerische Gelüst« (S. 33) der Liebenden auf wenig Sympathie stößt, lässt sich erwarten. Interessanter und geradezu folgerichtig aus der Sicht eines geistlichen ›Kollegen‹ ist es, wenn das Verhalten des bei Shakespeare episodisch auftretenden Seelsorgers »Bruder Lorenzo« sozusagen fachmännisch und kritisch referiert wird (Auszug):62 Hatte also darnach Julietta jhrer vorhabenden Beywohnung/ mit dem Roméo, disen scheinbarlichen praetext und Fürwand, daß es in allen Ehren zugehen wurd. Dem Roméo, aber/ mahlte der Sathan, oder sein Phantasey/ noch einen scheinbarlicheren für; Es köndte sich zutragen/ wann sie zwey ehelich wurden; daß/ mit der Zeit auch alle Monteschiner/ und Capelléten/ vermittelst ihrer Nachfolg/ widerumb gute und beharrliche Freund wurden. Sie sahen aber gleichwohl noch kein eintziges gangbares Mittel/ wie sie zwey erstlich/ und ehelich/ können zusamen kommen: weil beede Elteren unter einander Todtfeind waren; und es also niemahl wurden zulassen: Und diß war auch die Antwort deß Beichtvatters Romaei, welcher Laurentius gehaissen/ und den er deßwegen zu Rath gezogen: daß er nämblich keinen Weeg sehe/ wie vorhabender Heurath kondte ins Werck gestellt werden; in bedencken/ diser beeden Elteren/ als fürnemme Herren/ unversönliche Feindschafft zwischen einander übten. Und das war recht gerathen/ wie ein fürsichtiger Beichtvatter hat sollen rathen/ sein Beicht-Kind vor Schaden zu warnen: Wär der gute P. Lorenz nur nit weiter geschritten/ und sich eingemischt/ wo er nit hett sollen. So hat jhm aber das Fräulin kein Ruh gelassen: deren so bitter noth nach der Hochzeit war. Dann (so vil ich auß dem Original Scribenten abnimm) so bald Julietta erschmeckt/ daß deß Roméo Beichtvatter wenig Lust hett/ solchen Heurath zu rathen; hat sie gethan/ was villeicht öffter möchte geschehen: daß man dem Beichtiger alle/ auch weltliche /Händel/ will auff den Hals binden; als müste er alle Windlen wäschen; die gewißlich (dißfahls) nit in die Beichtstül/ sonder an den Bach/ und folgends auff die Zäun gehören. Julietta schickt ihr alte Kindsamme zu eben dem Beichtvatter/ dessen sich Roméo

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Ndr. der Ausgabe Hamburg 1656, Nr. CXI, S 387–393. Zit. n. dem Druck von 1682 (s. Quellenverzeichnis), S. 38–41.

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Einleitung gebrauchete: damit sie ein Eingang der Sachen machte; und folgt sie hernach; da sie ihm noch zuvor nie gebeicht hette; Es geschahe nit darumb/ damit der P. Lorenz ihr in ein Kloster hulff; sonder/ zu einem Ehemann. Die zwo/ in Summa, trischlen so vil und lang mit dem Beichtvatter/ daß sie ihn endtlich zur Einwilligung brachten. Roméo, muste auff inständiges anligen der Julietta, alsobald auch kommen: und (daß noch ungereimbter) er/ und Julietta und der Beichtvatter/ kamen in der Sacristey (sagt Carpophorus) in der Eyl zusamen: (was ist ungereimbters: Ein Weibsbild in der Sacristey? in solchen Umbständen?) Roméo gibt den Trau-Ring/ wird mit der Julietta darauff/ über Spitz und Knopff/ jhrer Elteren/ und aller anderen unwissend/ von dem Beichtvatter eingesegnet: und dem Roméo die Julietta eingehändiget und übergeben. (gleichsamb/ als wäre kein Pfarr/ noch Pfarrer/ noch anderer/ bevollmächtigter Priester/ noch Assistenten/ und dises Heuraths Beyständ/ in dem gantzen Verona zufinden: [(d); Verweis am Ende auf Zeiller] in welcher Statt doch/ zur selbigen Zeit/ über die 70000. der Herren/ Frauen/ und Burgerschafft/ zu finden gewest. Diese zwey seynd der Freuden voll/ auß der Sacristey/ und Kirchen/ anheimbs gangen; und gleich darauff/ noch ehe 24. Stund verloffen/ jhr Ehe/ durch Mittel/ die jhnen das alt Weib oder Kupplerin erfunden/ angefangen/ und würcklich vollzogen; aber mit unmässiger/ und Gott (halt ich dafür) gar mißfälliger Manier: In passione desiderii (sagt S. Paulus 1. ad Thessal. 4. v .5.) sicut gentes, wie Roß/ Esel/ und Maul-Esel/ in haydnischer/ und mit Christlicher/ Zucht-Regel. Bestiae! das laßt sich dann wol/ auß dem außgang der sachen/ vermuthen.

An anerkennenden Stimmen aus dem Jesuitenorden zu Bisselius’ Lebenswerk mangelte es zwar nicht, sein Nachleben lässt sich jedoch mit dem eines Balde oder Bidermann nicht vergleichen.63 In der verbreiteten, von dem italienischen Jesuiten Johannes Baptista Gandutius (Ganducci) herausgegebenen und topologisch geordneten Anthologie mit Glanzstücken lateinischer Versdichtung (von der Antike bis zu den Zeitgenossen, zuerst Köln 1698, zahlreiche Drucke)64 wurde Bisselius allerdings mit recht vielen, nämlich 18 Textbeispielen sowohl aus den DV (zehn Mustertexte) wie auch aus den Deliciae Aestatis aufgenommen. Kenner wie Gandutius sind zu beachten, denn sie deuten Maßstäbe und Bewertungskriterien seitens der belesenen Experten der frühmodernen Latinitas an. Für die DV ergibt sich dabei folgender Bestand, dessen Auswahlprinzipien (Originalität des Sujets, Virtuosität der Darstellung bzw. originelle Konzeption) sich ohne weiteres nachvollziehen lassen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Zum Lemma Paradisus (S. 33f.) aus DV III,20. Zum Lemma Quattuor Anni Tempestates (67f.) aus DV II,1. Zum Lemma Aeria, spez. Zephyrus (S. 85) aus DV I,9. Zum Lemma Pluvia/Tempestates (S. 89) aus DV III,12 Zum Lemma Grando (S. 92) aus DV III,9. Zum Lemma Piscatus (S. 163f.) aus DV II,14. Zum Lemma Regiones, hier zu Regio deserta et inculta (S. 199) aus DV I,5. 8. Zum Lemma Arces und Aedificia publica, hier Arx S. Angeli Romae (S. 219f.) aus DV III,17.

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Vgl. die Zusammenstellung bei Kratz 1916, S. 90–93. Hier benutzt die Ausgabe Venedig 1703.

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9. Zum Lemma Aetates Humanae, hier Puer (S. 328) aus DV I,1. 10. Zum Lemma Supplicatio Publica (S. 556f.) aus DV III,23. Auch bei späteren Kennern der europäischen Neolatinitas blieb Bisselius unvergessen. Zu diesen Experten und glühenden Liebhabern zählte der Münsteraner Professor Christoph Bernhard Schlüter (1801–1884), zeitweise ein einflussreicher Mentor der Dichterin Annette von Droste-Hülshoff.65 Schlüter, der auch als Übersetzer neulateinischer Werke hervortrat (darunter Marcus Antonius Flaminius. Mainz 1847; Angelinus Gazaeus. Münster 1847; Jacob Balde S.J., Paderborn 1857), sandte an die Droste neben Sannazaros Arcadia auch Bisselius’ Deliciae Veris zur Lektüre. Ihre in der Formulierung freundliche, jedoch reichlich bizarre Reaktion auf Bisselius belegt ein Brief an Schlüter vom 28. August 1846: Die beyden Lateiner nehme ich mit, – ich stecke mitten drin – in Beyden – und sage jetzt kein Wort darüber, – nur so viel – Beyde haben ihren Werth, aber Einer derselben macht mich halb närrisch vor Vergnügen – Was für ein liebes liebes Thierchen von einem Buche!66

Nach diesem Versuch eines kurzen Porträts von Person und Lebensleistung des Autors Bisselius sollen im Folgenden die Konzeption der DV sowie Beispiele der Quellenverarbeitung vorgestellt werden.

3. Deliciae Veris: Autorbewusstsein und immanente Poetologie Thematik, Struktur und Komposition a. Strukturierung als ästhetische Differenz Wer wie Bisselius im 17. Jahrhundert als Poeta doctus ein Lyrikbuch über die ›Frühlingsfreuden‹ schreiben wollte, war sich unweigerlich bewusst, mit dem Sujet der Jahreszeiten ein quasi zeitloses und literarisch renommiertes, ja fast schon abgegriffenes, jedenfalls bis in die Antike reichendes Thema aufzugreifen,67 das sich unter dem Lemma Descriptio quatuor temporum anni in der Ars versificatoria des mittelalterlichen Enzyklopädisten Matthaeus von Vendôme schon

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Zu Schlüter s. den zusammenfassenden Artikel von Kühlmann 2011. Zit. n. Annette von Droste-Hülshoff: Historisch-kritische Ausgabe [HKA]. Bd X,1: Briefe 1843–1848. Text. Bearbeitet von Winfried Woesler. Tübingen 1992, Nr. 412, S. 406. Mit Brief vom 21. August 1846 hatte Schlüter um ihr Urteil gebeten; s. HKA, Bd. XII,1: Briefe an die Droste 1841–1848. Text. Bearbeitet von Stefan Thürmer. Nr. 554, S. 222f. Schlüters intensive Bemühungen um die neulateinische Literatur Europas (ablesbar etwa auch in Briefen an Wilhelm Junkmann, ed. Josefine Nettesheim. Münster 1976) bedürften einer eigenen größeren Studie. Dazu im Überblick Maurmann-Broder (1975), Adam 1978 u. 1979, der Sammelband von Zeman 1989 und Bein 1995; zur deutschen Barocklyrik s. van Ingen 1989 sowie die Hinweise im Vorspann zum Kommentar von I,1.

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topologisch und poetologisch verfestigt darbot.68 Seit dem Hellenismus hatte sich die Vierteilung der Jahreszeiten gegenüber der archaischen Dichotomie von Sommer und Winter durchgesetzt, einer Zweiteilung, die freilich vor allem im muttersprachlichen Sektor, etwa in manchen Werken des Hans Sachs (z. B. in Ein Gesprech zwischen Sommer und Winter, 1538), noch lange nachwirkte. Der Streit bzw. der Vergleich der Jahreszeiten, früh schon greibar im Conflictus Veris et Hiemis des Alkuin (ca. 730–804), prägte zum Exempel auch den Prosatext Ein kurtzweilig Lobrede von wegen des Meyen (1551) des Wormser Schullehrers Caspar Scheidt (ca. 1525–1565). Geradezu kanonische Geltung kam Versen aus Ovids Metamorphosen zu (2,23–30), in denen im Preis der Sonne (auch Bisselius entfaltet alsbald das Thema: I,2, dann in geistlicher Überhöhung und theologischer Transparenz: I,4f.) stichwortartig und und bildhaft, quasi emblematisch, Charakteristika der Jahreszeitendichtung vorgegeben waren: […] purpurea velatus veste sedebat in solio Phoebus claris lucente smaragdis. a dextra laevaque Dies et Mensis et Annus Saeculaque et positae spatiis aequalibus Horae Verque novum stabat cinctum florente corona, Stabat nuda Aestas et spicea serta gerebat, stabat et Autumnus, calcatis sordibus uvis, et glacialis Hiems, canos hirsuta capillos. (Übersetzung von Erich Rösch: »[…] Da thronte, gehüllt in Purpurgewandung, Phoebus hoch auf dem Sitz, der strahlte von lichten Smaragden. Rechts und links von ihm stand der Tag, der Monat, das Jahr, dazu die Jahrhunderte und in gleichen Abständen auch die Stunden, da stand er Lenz, der junge, im Kranz von Blüten; stand der Sommer, nackt, und trug ein Ährengewinde, stand der Herbst, bespritzt vom Safte gekelterter Trauben, endlich in Haaren grau und struppig der eisige Winter.«)

Kaum anzunehmen ist, dass Bisselius die Jahreszeitenlieder der Carmina Burana kannte (darunter das bekannte: Ecce gratum et optatum ver reducit gaudia…), doch darf ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass er zumindest mit den berühmten altrömischen Exempeln der Frühlingsdichtung sehr wohl vertraut war: darunter vorab gewis dem Frühlingshymnus des Lukrez (1,1–20).69 Hier verschränkte sich das Lob der Venus, an deren Stelle bei Bisselius der in der Frühlingssonne erstrahlende Gott (als Spender alles Guten: I,1, Teilelegie 4) nebst der ›Himmelskönigin‹ Maria (I,5) und den Heiligen tritt, mit der berühmten Evokation der überall neues Leben spendenden Jahreszeit. Man geht nicht zu weit in der Annahme, dass die DV auch als christliche Anti-Lukrez-Kontrafaktur zu verstehen waren. Dass Bisselius zu Anfang (I,1) biografisch und anthropologisch, nicht aber kosmologisch oder schöpfungstheologisch argumentiert, d. h. mit platonisierenden Untertönen die sich in jedem Individuum stets von neuem vollziehende, hier am 68 69

Adam 1978, S. 121. Zu den späten Reflexen der lateinischen Frühlingsdichtung gehört das epische Maße annehmende Veris Encomium des schlesischen Barockdichters Heinrich Mühlpfort, nachzulesen in ders.: Poemata. Neudruck der Augabe Breslau und Frankfurt/M. 1686. Hg. und eingel. von Lutz Claren und Joachim Huber. Frankfurt/M. 1991 (Texte der Frühen Neuzeit 7), S. 3–19.

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Beispiel des fiktionalen Ichs demonstrierte Menschwerdung, Welterkenntnis und poetisch-sinnenhafte Weltergreifung mit dem Ende des Winters beginnen lässt, gehört zu den erstaunlichen konzeptuellen und expositorischen Kunstgriffen des ganzen Zyklus. Für Bisselius als Lehrer der Rhetorik und Poetik war es darüber hinaus gewiss selbstverständlich, auch die berühmten Frühlingsoden des Horaz (carm. 1,4: Solvitur acris hiems grata vice veris et Favoni, und 4,7: Diffugere nives)70 oder den Rhythmus des bäuerlichen Lebens im literarischen Gedächtnis zu halten, wie er in Vergils Lehrgedicht vom Landbau kunstvoll verarbeitet worden war (z. B. georg. 1,43ff., u. 2,315ff.). Seit den Kirchenvätern galten überdies die Vier Jahreszeiten (ggf. mit anderen Vierergruppen wie den Tagzeiten, Temperamenten, Elementen, Himmelsrichtungen oder Lebensaltern) keinesfalls nur als Sujet des empirisch-sinnenhaften Erlebens, sondern als Garanten und Signaturen der gottgewollten, in der gesetzlichen Abfolge der Weltperioden sichtbaren und weiterwirkenden Schöpfungsordnung, wobei mit dem Frühling primordiale Zustände oder gar der Beginn der Schöpfung selbst vorgestellt werden konnten. Wer als Christ die Jahreszeiten bedichtete, hatte es also zu tun mit dem numinosen Ordo revolubilis rerum und den Exempla divinae potestatis (Tertullian).71 Bisselius zog daraus die Konsequenzen, indem er Naturdichtung und heilsgeschichtlich akzentuierte Meditationspoesie auf der Folie der humanen Wirklichkeitserfahrung und Lebensbewältigung in seinem Zyklus vereinigte. Es war kein Zufall, dass Bisselius’ Ordensbruder Jacob Balde den letzthin tröstlichen, göttlich-providentiellen Gesetzcharakter der Tag- und Jahreszeiten am Beginn einer Ode an den bayerischen Herzog Maximilian I. hervorhob, in der es um die Bewältigung der innerweltlichen Kontingenzerfahrungen ging (Lyr. IV,1, mit der Überschrift: Omnia a divina Providentia pendere, & gubernari):72 Vnde haec dierum certaque noctium Vicissitudo! Quis vaga nubium, Solemque, palanteisque stellas, Et volucreis moderatur horas? Hyems tepenti Vere resolvitur. Succedit Aestas & gracilis Ceres. Quam pulcher Auctumnus racemis Induit, a Borea fugandus. Quo tanta motu Machina vertitur? Quis gyrat axem? quis refluum mare Seducit, aurigante Luna Oceani docileis recursus?

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Dazu umfassend Syndikus, Bd. I (1989), S. 70–78, bzw. Bd. II (1990), S. 356–363 mit vielen weiterführenden Hinweisen. Dazu und zu weiteren Beispielen und Nachweisen (u. a. Ambrosius, Augustinus, Isidor v. Sevilla) Adam 1978, bes. S. 126–130. Zit. n. der Gesamtausgabe von 1729, ed. Kühlmann/Wiegand 1990, Bd. I, S. 189.

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Einleitung Legem sequuntur cuncta. DEUS, DEUS Mundo supremus praesidet Arbiter; […] (Woher dieser sichere Wechsel von Tagen und Nächten? Wer lenkt das Vage der Wolken und die Sonne und die kreisenden Sterne und die flüchtigen Stunden? Der Winter wird vom lauen Frühling abgelöst, es folgen der Sommer und die zarte Ceres. Wie schön überzieht sich der Herbst mit den Trauben, der dann vom Nordwind vertrieben wird. Durch welche Kraft wird eine solche Maschine bewegt? Wer dreht die Achse? Wer führt beiseite das zurückfließende Meer, unter Führung des Mondes, den gelehrigen Rücklauf des Ozeans? Alles folgt dem Gesetz. GOTT, GOTT wirkt als höchster Lenker der Welt.)

In dieser wegweisenden Optik gehörte Jahreszeitendichtung, gestützt auf mancherlei biblische Belege, auch zu einer Theologie der Natur, deren Radius weit ins 18. Jahrhundert reichte, letzthin bis zu Haydns Oratorium Die Jahreszeiten (1801), dabei auch strophische geistliche Lyrik beispielsweise eines Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769) umfasste, darunter Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre oder Am Neuen Jahre (erste Strophe):73 Er ruft der Sonn und schafft den Mond, Das Jahr darnach zu teilen; Er schafft es, daß man sicher wohnt, Und heißt die Zeiten eilen: Er ordnet Jahre, Tag und Nacht: Auf! Laßt uns ihm, dem Gott der Macht, Ruhm, Preis und Dank erteilen.

Darüber hinaus konnten – dies nur im Nebenbei – renommierte Beispiele der bildenden Kunst74 anregend wirken. Botticelis Primavera, die Monatsbilder Pieter Bruegels d. Ä. (1525/30–1569), die Personifkationen der Jahreszeiten von Giuseppe Arcimboldo (ca. 1530–1503) oder der mit mythischen, pastoralen und biblischen Motiven angereicherte Jahreszeiten-Zyklus von Nicolas Poussin (1593–1665).75 Auch in der zeitgenössischen deutschen Druckgrafik waren Jahreszeitenbilder nicht ungewöhnlich.76 Dies alles will für Bisselius’ Schreibsituation bedacht sein: Originalität ließ sich auf dem gewählten poetischen Feld nur im Wettbewerb mit den Exempeln großer Vorgänger, d. h. in der bewusst und erkennbar abweichenden Transformation topischer Überlieferungen und in der möglichst überraschenden, bei Bisselius genau zu beobachtenden Neukonzeption des gesamten Zyklus vor Augen führen. Das Titelkupfer (von Wolfgang Kilian) der Erstausgabe zeigt in einer perspektivisch sich eröffnenden Landschaft nicht nur viele Sujets, Handlungsmomente und Figuren (Tiere, Pflanzen und Menschen), die im Zyklus behandelt werden, sondern identifiziert auch ein für allemal die im Text dann oft berufene 73 74 75 76

Gellert 1965, S. 308. Zusammenfassend Heinz 1989. Zu Poussin s. Blunt 1958 und Wild 1980. Zu Peter Aubry in Straßburg s. Schilling 1984, zu Wolfgang Kilian in Bayern s. Hämmerle 1927.

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Muse Thalia mit der Gottesmutter, hier mit dem jungen Jesus auf dem Arm und einer Lilie in der linken Hand darstellerisch in den Mittelpunkt gerückt. Schon hier kündigt sich an, dass Bisselius unverkennbar mit dem Willen zur ästhetischen und ideellen ›Differenz‹ gegenüber etablierten literarischen Mustern zu schreiben beabsichtigt (ich fasse zusammen): Kennzeichnend für die Deliciae ist eine durch Gruppenbildung und gegenseitige werkinterne (›intratextuelle‹), sich auf das ganze Buch ausdehnende Verweisbezüge höchst verdichtete, in dieser Art wohl einzigartige Komposition, die aus dem Frühlingszyklus ganz abseits der zu erwartenden sentimental-bukolischen Färbung wahrhaft ein chronologisch fortschreitendes, vielteiliges und doch kohärentes Weltgedicht entstehen lässt. In ingeniöser ›Inventio‹ und ständiger semiotischer Überblendung zusammengezogen und ausphantasiert ist hier der Gesamtbereich des geistlichen Lebens, d. h. der biblischen und visionären Offenbarung, der alltagspraktischen und liturgischen Frömmigkeit, der legendarischen Erinnerung wie auch der älteren und der aktuellen historischen Erfahrung, dies in der Interferenz des Bekannten und Unbekannten, ja sogar Kuriosen in der bedachten Variation der Themen und auktorialen Sprechhaltungen. In das am Kirchenjahr ablesbare Heilsgeschehen sind dabei einbezogen auch das ›satanische‹ Unheil, die sinnliche Phänomenalität der Natur, Möglichkeiten der humanen Lebensführung zwischen Arbeit, Wissenskultur und Muße, nicht zuletzt der auktoriale Rückbezug auf die das Werk konstituierende poetische Reflexion, Imagination und Produktivität. Grundsätzlich werden dabei Phänomene und Ereignisse der Natur und Kultur (Bibel, Legende, Profan- und Kirchengeschichte) zumeist unter gemeinsamen Überschriften subsumiert, zugleich das Schema des Frühlingszyklus mit geistlichen Meditationen, Erzählungen oder fiktionalen Visionen, auch Möglichkeiten der Kalenderdichtung aufgelockert, selbstverständlich an den Festen des Kirchenjahres orientiert, in dieser Hinsicht aber mehrfach und deutlich an Ovids Fasti, mittelbar damit auch an thematisch vergleichbare Beispiele wie die des Protestanten Nathan Chytraeus (1543–1598) mit seinen Fastorum Ecclesiae Christianae libri XII (Hanau 1594) erinnernd. Beschreibende, erzählende, dialogisch oder imaginativ inszenierte Elegien verschmelzen mit erprobten Modellen der geistlichen Andachts-, Memorial- und Kasualpoesie, manchmal auch in ›seriöser Parodie‹, d. h. Kontrafaktur, zum Beispiel eines bekannten Marienhymnus (II,9, Teilelegie 1) oder in mehrgliedrigen, in sich formal kontrastiven Neuerzählungen wichtiger biblischer, mehrfach durch apokryphe Überlieferungen ergänzte Episoden (zum Beispiel der überaschend erweiterten Emmaus-Geschichte II,10, oder der Marienklage II,7, der Josephsüberlieferung mit apokryphen Geschichten zur Kindheit Jesu, I,18, und der ins Burleske gewendeten Samson-Erzählung des Alten Testamentes, II,16), ausnahmsweise auch in der frappierenden Abwandlung gewohnter Schemata der Kasualpoesie (Geburtstagsglückwunsch, II,13). So wird das (gegebenenfalls mehrteilige) Einzelgedicht in seiner Konzeption mit überraschenden poetischen Erfindungen aufgelockert und in einen manchmal kaum zu erwartenden Konnex mit den Nachbarelegien gerückt. Es bilden sich Sub-Zyklen nicht nur in den einzelnen Büchern, sondern auch in einem Netz übergreifender Allusionen und Querverweisen im gesamten Werk.

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Die DV geben deshalb mannigfachen Anlass zu beobachten, wie sich nicht selten in allegorisierender oder assoziierender Verknüpfung verschiedene Gegenstandsbereiche und Bedeutungsebenen abwechseln: zwischen der sinnenhaften Beobachtung der Natur und humanen Lebenswelt, der daran anknüpfenden unterhaltsamen Integration geistlichen Wissens und Formen der impliziten wie expliziten protreptischen Ermahnung. Dem Titel entsprechend geht der Dichter zunächst zumeist aus von der Beobachtung meteorologischer (I,1f.; II,1 u. 13; III,1, 9 u. 12) und naturhafter Eindrücke der Flora und Fauna in der von Hirten (II,11, 12; II,18), Anglern (III,14), Jägern (III,16), auch Spaziergängern (I,7; III,9 u. 11) oder Prozessionen (II,2–3; III,21–22) belebten Landschaft bzw. im gepflegten Garten (III,3–5): der Wiederkehr der Sonne (I,2, Teilelegie 1–3), dem Wehen des sanften Frühlingswindes (I,6–8), der Ankunft der Störche (I,10–13), dem erwachenden Leben der Tiere und Pflanzen, (Rebhuhn I,3; Lerche I,15; Zeisig I,17; Nachtigall I,18, Teilelegie 3; III,24; Taube I,18, Teilelegie 4; Bienen I,18, Teilelegie 5; I,22; Amsel I,19 [als böser Geist des Hl. Benedikt], Veilchen I,20 [als Heilmittel samt Erscheinung der Frühlingsgöttin], I,20 [Drohnen und Bremsen, allegorisch für musenfeindliche Widersacher], I,23 [Schwalbe/Blutegel]; III,15 [Wettkampf rivalisierender Vögel, allegorisch bezogen auf das eigene Werk: des kleinen, aber virtuos singenden Zaunkönigs gegen die neidische Nachtigall]; Rosen III,19f.). Dass auch des Beginns der Seefahrt (I,14, Teilelegie 1) gedacht wird (für Bayern nicht gerade typisch!), ist sowohl antiken Anregungen zu verdanken77 als auch der Absicht, daran den Bericht über die Seereisen zweier heute so gut wie unbekannter Heiliger anzuknüpfen (I,14, Teilelegie 2–3). Mit Anekdoten belebt und geistlichen Reminiszenzen überhöht werden Erlebnisräume des Wiesengrundes (II,20 u. III,6–8), des Weidelandes (II,11–13), der prangenden Saaten (II,14: Kombination von Bergbesteigung, Landschaftsschilderung und Reflexion der Folgen des Sündenfalls) und des Waldes (II,17). Gerade in dieser Textzone dominieren vorab autobiografisch gefärbte; mehrmals auch poetologisch transparente Schilderungen. Bisselius liebt einen inventionalen Aussagemodus, der den Anspruch auf fiktionale Authentizität des lyrischen Ichs immer wieder auch mit betontem Lokalkolorit unterstützt. In solche Gedichtgruppen eingeschoben oder auch einzeln gestellt und durchgezählt finden sich, zunehmend in Buch II und III, Elegien mit »historischen« oder »geografischen« (als solche in der Überschrift gekennzeichneten) Sujets und (manchmal recht entlegenen) Gestalten der Bibel, der Legende und der älteren wie der aktuellen Kirchengeschichte. Die Jahreszeitendichtung führt so auch ein in die farbige, quasi mythische Legendenwelt der katholischen Heiligenkultur, die der protestantischen Poesie nicht zur Verfügung stand. Neben den Gestalten der Bibel (unter anderen Adam, Josua, Samson, Elias, Joseph, Johannes, Christus, Maria und Maria Magdalena) werden in überraschenden Erzählungen der Anfechtung, Bewährung oder Bekehrung aufgerufen die ›Wüstenmutter‹ Maria Aegyptiaca (II,8) sowie die Heiligen Benedikt (I,19), Satyrus (I,14, Teilelegie 2), Raymund (I,14, Teilelegie 3), Ambrosius (I,22), Onuphrius (II,4), Gualbertus 77

Eine der Anknüpfngspunkte etwa Horaz, carm. I,1,12–19, hier der zu See fahrende Kaufmann, von Bisselius dann durch die Seefahrt der Heiligen kontrastiv ersetzt.

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(mit dem Kolorit rinascimentaler Novellistik II,6), Johannes de Florentia (II,12), Dorothea und Theophilus (III, 20). Dazu treten, wie gesagt, Berichte über das regionale geistliche und weltliche Brauchtum (etwa den Maibaum, die Fronleichnams- und Flurprozessionen), anekdotische Erzählungen (etwa über eine Hexe und ihren Adepten, III,10), witzig-aitiologische Anknüpfungen (etwa zur Frage, warum das Allgäu von Nadelwald bedeckt ist, II,18, oder über den Ursprung der Rosen, III,19), stellenweise und stillschweigend sogar im Rekurs auf die muttersprachliche Schwankliteratur (dazu s. u. Kap. 4). Seltener eingeschoben sind auch (wie zum Beispiel in I,6 oder II,17, beide mit autoreferentiellem Bezug auf den Dichter; auch III,1 und III,6) Elegien ohne ausgesprochene religiös-spirituelle Botschaft bzw. Darstellungsstrategie: so etwa auch die humorvoll-satirische Darstellung der ängstlichen und abergläubischen adeligen Jagdgesellschaft (III,16) oder die turbulente Schilderung der mit brennenden Schwänzen eine Feuersbrunst auslösenden Füchse in der Samson-Geschichte (II,16), dies gewiss zu bewerten auch als eines der für seine Schüler gedachten poetischen Kabinettstücke des Rhetoriklehrers Bisselius. Grundsätzlich legt der Dichter Wert darauf, den beliebten heimatlichen Nahbereich der Darstellung und der persönlichen Perspektivik in weiten Ausblicken auch auf die Situation und die Probleme der päpstlichen Weltkirche zu durchbrechen (etwa im Storchen-Zyklus I,10f. u. 13 zu den Eroberungen der Muslime, dem Abfall Englands, dazu ebenfalls III,2, aber auch zur Ausbreitung der Kirche in Asien und Amerika). Neben diesen durchaus ungewöhnlichen thematischen Reizen, die bis ins historisch Kuriose oder gar Abseitige reichen (etwa I,16 oder III,17: die Eroberung Roms durch Arnulf von Kärnten) werden selbstverständlich offenbar mit aemulativem Ehrgeiz sehr bekannte Sujets einbezogen: z. B. in Elegien über die »Bienen des Hl. Ambrosius« (I,22), die Legenden der Maria Aegyptiaca (II,8) und der Maria Magdalena (II,7), über Anna Boleyn, die Frau Heinrichs VIII. (III,2), oder (im sichtlichen Wettwerb mit geläufigen Fassungen des Bühnendramas) über die Geschichte der Susanna im Bade (III,4). Indem deren paradigmatische Keuschheit in der folgenden Elegie durch die schwankhaft gefärbte Anekdote einer leichtgläubigen Ehebrecherin kontrafaktorisch gespiegelt erscheint (III,5), fassen wir in dieser Zweiergruppe exemplarisch eines der Verfahren, mit denen Bisselius seine Elegien teils wie hier in direkter Folge (etwa in variabler kontextueller Semantik der Veilchen in I,20f., zu verbinden mit dem Namen der »Anti-Susanna« in III,5) oder auch über größere Abstände hinweg (etwa zum Komplex Krankheit und Heilung in I,20 u. III,22) diskursiv oder motivspezifisch verklammert. Dabei werden die historischen und religiösen Stoffe assoziativ, Naturgegenstände bzw. Naturbeobachtungen des öfteren auch in direkter spiritueller Deutung an den Wortlaut von Textpassagen aus der Heiligen Schrift oder andere Quellen gebunden, zu denen auch Chroniken und naturkundliche Handbücher (etwa die eines U. Aldrovandri über die Vögel) zu zählen sind. Den Gedichten bzw. Gedichtgruppen sind dazu Einleitungen in Prosa vorangestellt. Sie dürfen nicht nur als meditative Lektüreanweisung gelten, sondern sollen in der vergleichenden Betrachtung von prätextuellen Anregungen und der jeweils folgenden poetischen Gestaltung auch die Abschätzung und Würdigung der dichterischen Originalität und Arbeitsweise des Autors ermöglichen.

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Spuren des Wettbewerbs mit etablierten Überlieferungen lassen sich immer wieder bis in die Mikrostilistik und Detailkomposition hinein verfolgen, etwa in der Schilderung der Wirkungen und Empfindungen, die durch den Frühlingswind (Zephyrus) ausgelöst werden (I,6–8), gleich darauf hart und ungewöhnlich kontrastierend verknüpft mit dem biblischen Motiv des babylonischen Feuerofens (I,9). Meisterhaft auch die Schilderung des Farbenspiels der Morgenröte (I,4; zu vergleichen unter anderem mit III,1), deren Anblick, über die Betrachtung der aufscheinenden oder sich entziehenden Sonne, im Folgenden zu einer in sich komplex verschränkten Elegienserie führt, die biblische und legendarische Überlieferungen mit Visionen einer vom lokalen Wallfahrtsfort ins Kosmische ausgeweiteten Marienfrömmigkeit verknüpft. Raffiniert arbeitet Bisselius mit variierten Darstellungsprinzipien und thematischen Schwerpunkten. Der Technik der bildlichen Ekphrasis (Kircheninneres I,4,30ff. im Kontrast zum Natureingang) gesellt sich die phantasiehafte Entfaltung mariologischer Attribute und Bildtraditionen (I,5, Teilelegie 4–5), diese wiederum sind exponiert durch pastoral eingefärbte Erzählungen von Johannes auf Patmos (I,5, Teilelegie 1–3), der sich dann als heiliger »Seher« zum poetischen und autoritativem Subjekt der Marienerscheinungen (eine der vielen, variabel eingesetzten personalen Epiphanien/Erscheinungen im Werk, z. B. I,18) verwandelt. Die auch im Stilgestus durchaus polyphonen Johannes-Episoden sind zudem im Nachhinein der Lektüre offenbar vorbereitet durch die aus apokrypher Überlieferung abgeleitete Kleinmalerei eines schwerelosen Idylls, in dem Johannes am Strand mit einem Rebhuhn spielt (I,3); diesem Spiel des Vogels kontrastiert die Belästigung des Hl. Benedikt durch die teuflische Amsel (I,19). Wer nach dem tieferen Sinn des Johannes-Idylls fragt, wird aus der Sicht eines anonymen Betrachters mit Maximen einer lebensdiätetischen, auch an anderen Stellen des Buches verteidigten Weisheit konfrontiert: der Legitimität und Notwendigkeit abwechselnder Ruhe und Anspannung. So wie an diesem Beispiel erkennbar, sollte sich bei der linearen Lektüre des Gesamtzyklus die Aufmerksamkeit des Lesers alsbald auf die Tektonik und die Prinzipien der Gruppenbildung richten. Mit welchem Kunstverstand der Autor hier arbeitet, scheint deutlich auf etwa auch in dem erwähnten Storchen-Zyklus (I,10–13). Mit dem einfachen Frühlingsmotiv (Ankunft und Flug der Störche, I,10f.) verflicht Bisselius aus der imaginären ›Vogelschau‹ projektive historische Reflexionen über den Gang der Welt- und Kirchengeschichte (bes. I,11 u. 13), dazu in der Mitte die rührende moralische Erzählung der Heilung eines verunglückten Jungstorches durch eine arme alte Frau, die zum Dank dafür von dem Vogel reich belohnt wird (I,12, hierin als wahrhaftes poetisches Kabinettstück die Schilderung der Behausung der Wohltäterin mit schnarchender Katze und ärmlichen Interieur). In anderen Elegien wurden offenbar Anregungen der zeitgenösischen Genre- oder Landschaftsmalerei fruchtbar gemacht (so deutlich in II,10: der Gang nach Emmaus). Ein vergleichbares Raffinement der erfindungsreichen Verknüpfung, wiederum mit dem Modell der Flugphantasie verbunden, beweist die Zeisig-Elegie (I,17): Aus der schmähenden Ansprache an den entflohenen Hausvogel erwächst der Wunsch, mit den Flügeln des Zeisigs zum Himmel aufzufliegen, durch die Sphären der Sternenwelt bis in das Gefilde der seligen

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Jungfrauen, Märtyrer und Kirchenlehrer. Dabei verschmilzt die Himmelsvision mit der Erinnerung an das Paradies. Als geradezu spektakulärer Kunstgriff ist anzusehen, dass Bisselius als Wächter dieses Paradieses einen custos Galilaeus (I,17,2,17) einsetzt: hier wohl kaum zu verstehen als Petrus, ein Mann aus Galiläa, sondern als sinnreiche Anspielung auf Galileo Galilei (1564–1642). Den Kampf um dessen Weltbild (spürbar auch in der Josua-Teilelegie II,10,6) hat Bisselius gewiss zur Kenntnis genommen. Was hier kryptisch zum Ausdruck kommt, ist offenbar die Erkenntnis, dass mit Galileo Galilei gerade jene Vorstellung des Kosmos und des Himmels verabschiedet ist, in der solch ein Phantasieflug in den Himmel möglich erscheint. Dass derartige demonstrative Verfahren stilistischer, tektonischer und thematischer Originalität und Variationsfreude auch in direktem Zusammenhang mit Bisselius’ Wirken als Rhetorik- und Poetikdozent zu denken sind, liegt auf der Hand. Konfessionspolemisches ist verhältnismäßig selten direkt artikuliert (gegen die Bilderstürmer etwa III,8, und gegen Heinrich VIII. von England, damit also gegen die englische Staatskirche: III,2). Wider alte und neue (auch jüdische) Glaubenszweifler und das Missverständnis, als sei Christus lediglich ein politischer Führer, werden Argumente für die Göttlichkeit Christi in den elaborierten Dialog eingearbeitet, den Jesus mit den nach Emmaus wandernden Jüngern führt (II,10). Hier und da äußert sich Kritik am Hochmut des Adels, etwa wenn anhand einer bunten Blumenwiese (III,6) ein erfreuliches Zusammenleben ohne Rangordnungen und Einzäunungen vorgeführt wird. Die folgende abbreviatorische Motivtabulatur mag im Rekurs auf obige Ausführungen dazu verhelfen, die Kohärenz und Komplexität des Gesamtwerkes jenseits der linearen Komposition des Autors im Überblick zu erfassen: 1. Metereologisches (Gestirn und Wetter): I,1–2 (Sol) – I,6–8 (Zephyr, darunter I,7: Günzspaziergang im Frühlingswind – II,1 (Ver Crescens), – II,13 (Aprilwetter) – III,1 (1. Mai: Ver Perfectum mit Maibaum) – III,9 (Unwetter im Mai, mit Hexenthema) – III,12 (Mairegen) 2. Lokales: Fluss (u. a. Günz), Dorf, Schloss : I,4 (Maria Orth a.d. Donau) – I,6–8 (Günzspaziergang) – I,20 (Landschaft um Babenhausen) – II,14 (Bergbesteigung mit Überblick über wogende Getreidefelder) – II,17 (Schloss Babenhausen) – III,3 (Hortorum Voluptas: Garten des Schlosses von Babenhausen) – III,6 (Auwiese mit vielfältigen bunten Blumen, gegen den Hochmut des Adels) – III,14 (Angeln in der Günz) 3. Flora und Fauna:: I,10–13 (Storch, mit Turcica und Anekdoten aus Vogelbüchern) – I,15f. (Lerche) – I,17 (Spinulus – »Zeyslin«) – I,18,4 (Taube) – I,18,5; I,22 (Bienen) – I,19 (Amsel des Hl. Benedikt) – I,20 (Veilchen) – I,21 (Drohnen und Bremsen, allegorisch für musenfeindliche Widersacher) – I,23 (Schwalbe: Hirudo–Hirundo) – II,14 (prangende Saaten) – III,15 (der siegreiche Zaunkönig und die neidische Nachtigall: direkter Bezug auf das entstehende eigene Werk) – III,18f. (Rosen) – I,18,3; III,24 (Nachtigall) 4. Maria: I,4–5 (s. auch unter 7: Marienfiguren: II,7f.)

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5. Christus einschl. Passionsgeschichte: I,18 (Christus parvulus; Apokryphes zur Kindheit Jesu) – II,5f., 9 u. 10 (Gang nach Emmaus mit Josua-Reminiszenz) 6. Sonstiges Biblisches: I,9 (Babyl. Ofen) – II,14 (Adams Fall) – II,16 (Samson) – III,4 (Susanna) – III,13 (Elias unter dem Wacholder; s. auch zu Nr. 7) 7. Legenden/Apokryphes/Heilige: I,3: (Johannes und das Rebhuhn) – I,5 (Johannes auf Patmos und Maria) – I,14 (Hll. Satyrus und Raymundus) – I,19 (Hl. Benedikt) – I,22 (Apes Ambrosii) – I,23 (Tobias-Legende) – II,4 (Hl. Onuphrius) –II,6 (Hl. Gualbertus) – II,7f. (Maria Magdalena und Maria Aegyptiaca) – II,12 (Schweineherde und Johannes de Florentia) – III,8 (De Herba Salutifera: wundertätiges Bild Christi, gegen die Bilderstürmer) – III,20 (Dorothea und Theophilus) – III,23 (Beispiele der Eucharistieverehrung) 8. Festtage/ Kirchenjahr : s. auch I,13 (Petri Stuhlfeier) – I,18 (Joseph) – II,2f. (Palmsonntag) – Ostern: s. unter Christus – III,22f. (Fronleichnam mit III,21: Flurprozession) 9. Kirchengeschichte und Profangeschichte: Vgl. Turcica in I,11f. – I,13 (Geographica, Antiochien, Petri Stuhlfeier, auch über Heinrich VIII. von England und Mission in Amerika und Japan) – III,2 (Anna Boleyn) – III,17 (Arnulf erobert Rom: die Hasenjagd) 10. Anekdoten: I,12 (dankbarer Storch) – s. auch unter 15: Hexen 11. Schwankhaftes (nach J. Pauli und anderen, darunter Poggio): II,18 (drei Frauen an einem Baum) – III,5 (Anti-Susanna) – III,7 (Ehestreit) – s. auch unter 15: Hexen 13. Volkskundliches/Alltag, auch Ätiologisches: II,11 (Herden und Hirten) – II,18 (Allgäu und der Nadelwald) – III,1 (Maibaum) – III,16 (Jagd) – III,21 (Flurprozession) – s. auch unter 15: Hexen 14. Persönliches (Biografisches): I,1 (Pueritiae primae ruditas) – II,14 (Bergbesteigung mit Blick über Landschaft) – I,20; III,22 (Krankheit und Heilung) – II,13 (Geburtstagsgedicht auf Freund) – III,11 (persönliche Anekdote: ein ungücklicher Spaziergang) – III,15 (Arbeitszimmer, Baum, Vogelgeschrei) 15. Poetologisches, literaturgeschichtliche Referenz: I,18 (Lizenzen der Fiktion) – I,20 (einschläfernde Lektüre von Psalmparaphrasen; Invektive gegen ungenannte Feinde der Musen) – I,23 (Schreibsituation) – II,17,3 (Sannazaro als Muster) – III,15 (Musei situs, et loci commoditas describitur: Wettstreit der Dichter-Vögel: Zaunkönig gegen Nachtigall) – III,18 (Ad Petrum Lassum, poetam) – III,24 (selbstreflexiver Epilog) 16. Hexen: III,9 (Unwetter und Schadenszauber) – III,10 (Pistor in Farina: der Lehrling und die Hexe)

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b. Variationen der autobiografischen Inszenierung Nach diesem Überblick über die poetische Gesamtkonzeption bietet es sich an, der Frage nachzugehen, ob und auf welche Weise die individuelle Schreibsituation und Schreibmotivation des Dichter im Rahmen einer autobiografischen Selbstinszenierung fiktionalisiert werden. Mit ›Fiktionsironie‹ lässt sich dabei der Doppeleffekt eines ambivalenten Modus der Darstellung bezeichnen, in welchem der reale Autor, ein gelehrter Ordensbruder in seiner Klause, zugleich als Akteur der im jeweiligen Gedicht exponierten Sprechersituation oder auch Handlungsfiktion in Erscheinung tritt. Grundsätzlich zu unterscheiden sind dabei zwei – sich allerdings mehrfach überschneidende – Gesichtspunkte: 1. die Rolle und Funktion des lyrischen Ichs in herausgehobener autobiografischer, teils narrativer, teils performativer Referenz als Mittelpunkt der poetisch realisierten und reflektierten Welt oder auch in der dialogischen Substitution des sprechenden Ichs durch einen im Text exponierten anderen Sprecher; 2. die Inszenierung dieses Ichs als Verfasserperson im Sinne einer expliziten Integration des Schreibvorgangs zwischen autobiografischer Modellierung, historischer bzw. zeitgeschichtlicher Referenz oder allegorisierender Lektüreanweisung, letztere jeweils mit wechselnden Akzenten vor den Elegien oder Elegiengruppen vorgegeben jeweils in einem Prosavorspann als Sonderform von ›Paratexten‹. Beide Verfahren sind zu verstehen als Darstellungsmomente und zugleich Aspekte einer bewussten werkinternen Poetik. Insofern die Regelpoetik des 17. Jahrhunderts (wie so oft) für solche inventiösen Kunstgriffe keinerlei Anweisungen bereithielt und hinter der Komplexität der Textur weit zurückbleibt, haben wir es mit einer originellen poetischen Konzeption an der Schwelle zur modernen lyrischen ›Subjektivität‹ zu tun, die allerdings in wechselnder Weise von Anregungen der antiken Elegientradition profitieren konnte. Indem Bisselius gleich in der ersten Elegie des ersten Buches den Frühling im autobiografischen Rückblick mit dem Ende der eigenen frühen Kindheit, d. h. der Entdeckung und Bewusstwerdung des Ichs und der Welt analogisiert, zugleich die Sonne und den Frühling mit der Summe alles Guten, ja sogar mit Gott gleichsetzt (I,1,4,9: ipse DEUS VER est), wird in spiritueller Mehrdeutigkeit der den Zyklus bestimmende autobiografische Darstellungsgestus exponiert. Er prägt in wechselnder situativer Konstellation den Beginn vieler Elegien – so etwa auch I,4 über die Morgendämmerung in der Nähe einer Marienwallfahrtsstätte bei Regensburg: Das Farbenspiel des durch Wolken halbverdeckten Sonnenaufgangs wird hier mit allen Nuancen der optischen Wahrnehmung aus der Perspektive eines erlebenden Ichs geschildert. Doch Bisselius entwirft bald eine mit der Natur hadernde Anklage. Die Sonne fungiert hier nicht als Gewähr und Zeichen der Gegenwart und Fürsorge des Schöpfers. Gerade weil sich die Sonne nicht durch die Wolken kämpfen kann, erscheint der Naturvorgang als Sinnbild einer

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im wahrsten Wortsinn in der Natur nur getrübten Wahrheitserfahrung, nur als unvollkommene Praefiguration der erst in der nahen Kirche unverdeckten Epiphanie des in Maria aufscheinenden göttlichen Lichts. Die biografische Situation wird so ausgebaut, dass mit einem ekphrastischen Neuansatz nicht nur der Übergang zu einer lokalen Stätte der Marienverehrung, sondern auch, abschließend mit einer mariologischen Transposition des Musenanrufs, der Übergang zu der nach gesehenen Bildern geschilderten, vom Dichter nun textuell reproduzierten Geschichte des Johannes auf Patmos vollzogen wird (I,5). Dieser explizite Bildbezug der Darstellung gehört zu den markanten Kennzeichen der Jesuitenlyrik. Auch in dieser Gruppe von fünf Elegien rückt das Marienthema wiederum bald in den Vordergrund, indem nicht nur die astrale Frauenerscheinung von Offb 12 inmitten der ägäischen Insellandschaft geschildert wird, sondern Johannes auch als mariologischer Interpret dieser Erscheinung zu Wort kommt (I,5,5), dies in einer Perspektive, die sich im Prosavorspann auf Bernhard von Clairvaux beruft, der, wie der Verfasser beteuert, ihm besonders zusagt. Andere Möglichkeiten bot die von Bisselius mehrfach evozierte Beobachterposition auf einem Berg (II,14) oder einem Turm, so etwa im Mittelteil einer Gruppe von drei ›Storchenelegien‹ (I,10–13). Der Dichter stellt als Leitzitat zu I,10 zunächst eine Jeremiasstelle (8,7) voran, befragt dann (I,11), von »meinem« Turm aus, den vom Nil kommenden Zugvogel nach den »Türkischen Neuigkeiten« (historischer Aspekt), um schließlich (I,12), die Vogelbücher des Ulysse Aldrovandi und Konrad Gessner benutzend, an den legendären Storch zu erinnern, der von einer Witwe gesundgepflegt wurde und ihr zum Dank bei seiner Wiederkehr eine Perle in den Schoß fallen ließ (moralische Exegese mit naturkundlicher Beglaubigung). Das imaginäre Zwiegespräch mit dem Storch in I,11 mündet schließlich in die Unheilsvision möglicher neuer Türkenkriege und schließt mit dem Friedenswunsch eines Dichters, der nur im Frieden Dichter sein will und kann. Bisselius legt Wert darauf, in emotionaler Rhetorisierung den Leser teilhaben zu lassen an der Freude, auf dem Turm zu stehen und die umliegende Landschaft zu betrachten (I,11). Wie die Beobachterposition von einem Turm aus wird mehrfach auch die narrative Exposition eines mit Begleitern unternommenen Spaziergangs bemüht. So etwa eingangs von III,9 in der demonstrativen Übermalung mit dem antikisierenden Kolorit der Hirten- und Landlebendichtung, die im Vorspann mit einem kurzen Bibelzitat eingeleitet wird (Hi 21,11). Die kleine Gesellschaft legt sich die bekannten antiken Namen zu und spielt mit musischer Beschwingheit in Wort und Gesang sowohl Vergils Bucolica wie auch die biblische Geschichte nach. Die auf diese Weise ebenso pagan wie auch christlich fundierte Imitationsästhetik feiert sich hier als gesellige Inszenierung. Umso störender und verheerender wirkt das aufkommende Unwetter, von dem sich der Sprecher im wahrsten Sinn des Wortes besonders betroffen fühlt, weil er die Hagelbrocken schmerzhaft auf seinem Kopf spürt. Auch in diesem Gedicht verschiebt sich in gleitendem Wechsel der thematische Diskurs, insofern nun zwar nicht die reflektierte Suche nach den satanischen Urhebern des Unheils (diese Ableitung wird ex silentio vorausgesetzt), sondern das Porträt einer mit Schadenszauber operierenden Hexe, einer neuen Medea, ihr Ge-

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ständnis und ihre Bestrafung in den Vordergrund rücken: ein heute unangenehmes Thema, das Bisselius andernorts in seinem Werk eher als schwankhafte Anekdote verarbeitete (III,10). Es sind auch und gerade diese Gedichte, die den zeit- und mentalitätsgeschichtlichen Indizwert des Werkes verstärken. Für die inventiöse Phantasie der autobiografischen Exposition der Elegien sei als letztes Beispiel der erste Teil einer aus fünf Gedichten bestehenden, kulturgeschichtlich und volkskundlich geradezu spektakulären Fronleichnamsgruppe (III,22) angeführt. Die erste Elegie beginnt mit der rhetorisch intensivierten Klage darüber, dass der Sprecher an der Prozession in der Stadt und dem folgenden Flurumgang gar nicht teilnehmen kann, das Geschehen als Kranker vielmehr nur durch die geschlossenen Fensterläden seines Zimmers wahrnimmt. Die folgende präzise Vergegenwärtigung aller Solennitäten, aller visuellen und akustischen Reize, erscheint so als Reflex einer »Sehnsucht« nach Teilhabe und einer Vorstellungskraft, die sich allerdings auf den rituellen Ablauf der von vielen städtischen Gruppen getragenen Prozession verlassen kann. Der eigene Wunsch, gesund zu werden, wird sinnreich mit der postulativen Segenswirkung des Heiligtums verknüpft. Als nicht seltene Variante der fiktional-autobiografischen Grundierung von Bisselius’ Jahreszeitendichtung sind jene Exempel anzusehen, in denen sich das lyrische Ich als schreibender, das eigene Tun und Denken reflektierender Dichter imaginiert. Zu dieser Textzone gehört eine bemerkenswerte Gruppe von fünf Teilelegien zum Fest des Hl. Joseph (I,18). Wenn überhaupt, konnte Bisselius hier allenfalls auf apokryphe Überlieferungen zurückgreifen, um das zu behandeln, was im Vorspann angedeutet und dann in den Elegien breit entfaltet wird: entzückende, manchmal fast bizarre Erzählungen über die Kindheit Jesu und seinen Umgang mit Tieren. Indem also hier der Bestand der kanonischen Überlieferung ganz außer Acht bleiben muss, kann und will Bisselius sein Vorgehen poetologisch begründen. Mit dem Aristotelischen Postulat der Wahrscheinlichkeit der Fiktion wird für die Dichtung eine Erfindungskraft jenseits überlieferter Wahrheiten in Anspruch genommen und ausdrücklich legitimiert. Fiktion bedeutet demnach, sich in der Genealogie außerbiblischer Geschichten zu bewegen, die auf diese Weise ebenfalls als Erdichtungen mit einem eigenen paradoxen Wahrheitsgehalt erscheinen. Um dies zu unterstreichen, bemüht Bisselius einen besonderen Modus der Beglaubigung: ›Wir Dichter sind privilegiert, sind im Himmel bekannt‹ (V. 11): sumus vates aliquid; sumus aethere noti. So ist auch diesem Dichter Ungewöhnliches vergönnt. Vom Himmel herab erscheint ihm auf seine Bitten hin der Hl. Joseph in Person mit seinen Insignien. Nicht die Muse oder die Bibel nobilitieren das Erzählte, sondern eine fiktive Privatoffenbarung. Die Ich-Erzählung wird zu einem Dialog, in dem das sprechende Ich weithin von der wörtlichen Vers-Erzählung des heiligen Nährvaters substituiert wird, einer Erzählung, die sich in einem Sub-Dialog passagenweise als die erinnernde intime Anrede an den Jesusknaben organisiert. Zusammen mit ähnlichen Gedichten, in denen eine schüttere Überlieferung sehr bewusst und sehr frei poetisch ausgesponnen wird, gehören diese Joseph-Elegien zu den aufschlussreichsten Dokumenten einer Bisselius bewegenden werkinternen Ästhetik im Sinne einer

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offensiven und produktiven Apologie der Freiheit poetischer Fiktion, die sogar »wahrer« sein kann als die gesicherte Überlieferung, dies in Fortführung einer gerade bei den Jesuiten, unter ihnen Jacob Masen, im Rekurs auf Aristoteles weiter entwickelten Reflexion über das Verhältnis von poetischem Wahrheitsanspruch und fiktionaler Phantasie.78 Was hier bei Bisselius entsteht, ist nichts anderes, als der Ansatz eines kleinen Versromans über den jungen Jesus. Deshalb ist es schlüssig, dass Bisselius anders als sonst im Vorspann auf jede praetextuelle Quellenangabe verzichtet. Wer die werkinterne Selbstauslegung des Dichters weiter verfolgt, wird die Polemik gegen einen mit allegorischem Namen gekennzeichneten Dichter und wohl auch Ordenskollegen (III,18: Ad Petrum Lassum, poetam) sowie gegen ungenannte, als Drohnen und Bremsen79 tierisch allegorisierte Musenfeinde heranziehen (I,21), wird literarhistorische Reminiszenzen zu würdigen haben (besonders II,17,3 an Sannazaro), auch beachten, dass das poetische Ich bei der Lektüre von Psalmdichtungen eines spanischen Ordensgenossen einschläft. In direkter Allegorese äußert sich in III,15, im Wettkampf rivalisierender Vögel (der virtuose Zaunkönig gegen die neidische Nachtigall), Bisselius’ Hochschätzung des eigenen lyrischen Werkes. Dazwischen schieben sich auch eher burleske Varianten einer auktorialen und texttypologischen Selbstreferenz, wie etwa in einer Elegie (I,23), die im Titel das Wort Hirudo (Blutegel) trägt, obwohl Hirundo (die Schwalbe) gemeint ist. Die Elegie präsentiert sich als performativer Werkstattbericht, indem hier so gut wie alle Möglichkeiten und Optionen der Komposition, Themenwahl und Schreibreflexion des Werkes zur Geltung kommen, nämlich a. der Versuch, das typische Getier des Frühlings einzubeziehen, in diesem Fall die Schwalbe, b. diese poetische Faktur nach Möglichkeit im geistlichen Schrifttum zu verankern, was schon im Vorspann mit Hinweis auf die stercora hirundinis jener Tobias-Geschichte geschieht, die in der Elegie aber zu einer auktorialen Schmährede an den fatalen und ehrenrührigen Vogel führt, c. diese biblische Referenz antikisierend zu überblenden, was anfangs mit der blutigen Figur der Progne (Prokne) gelingt, jedoch zugunsten der Tobias-Legende beiseite geschoben erscheint; d. die eigene Schreibsituation im Konnex des Themas zu exponieren, was dadurch geschieht, dass der Dichter anfangs vom kreischenden und kunst78

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Exemplarisch Jacob Masen: Palaestra Eloquentiae Ligatae. Pars Prima. Köln 1654, Cap. VI, S. 9: Duplex autem verisimilitudo diligenter hoc loco observanda est, quarum una historica, altera figurata dici potest: illa est rerum gestarum, quando ea ratione exponuntur, quâ geri potuerunt. atque ita suis adjunctis singulatim narrantur omnia, ut si Poeta illa praesens spectasset; sive revera acciderint, seu fuerint tantum cogitata. Altera rerum est, quae in se fictae videntur, licet ad rei verae similitudinem; licet tamen a se diversam veritatem significans. simulacro Alexandri similia, quod licet humanum nihil in sua natura habeat, significatione tamen herois illius specimen statuamque exhibet. Et talis fabula magis proprie quam illa mimesis […] quae rursum in propriam ac metaphoricam, sive allegoricam dividitur. Zur (ggf. kühnen) Anspielung auf das Wappen des Barberini-Papstes Urban VIII. s. zur Stelle im Kommentar.

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losen Getön der Schwalben am Dachrand vor seinem Fenster gequält erscheint, die sich aufdringlich dem Poeten »feilbieten«, allerdings nur mit dem Erfolg, dass ihm unter diesem Geräusch das Versmaß fast zu Hinkjamben entgleitet, ein Versmaß, das ironischerweise aber genau dem die Elegie dominierenden Genre der Schmährede entspricht. Überdies sträubt sich die Feder angesichts des Lärms und schreibt in der Überschrift witzigerweise Hirudo statt Hirundo. Bisselius gelingt es so, auf paradoxe Manier, abschließend mit einem volksläufigen Dictum, in seinen Frühlingszyklus auch ein Schwalbengedicht zu integrieren, indem er diesen Vogel als Störenfried der Niederschrift und der poetischen Muße agieren lässt, ja ihn eigentlich wegen seiner biblisch-mythischen Missetaten aus dem poetischen Gedächtnis verbannen will. Der Typus dieses Gedichteingangs erscheint variiert im zweiten Stück (Morus arbor, Museo imminens. Reguli aviculae cantilena) der Elegiengruppe III,15 (Museum), wo der aus Ovid (Geschichte von Pyramus und Thisbe) bekannte Maulbeerbaum vor dem Fenster steht, aus dem wider die poetischen Widersacher (verkörpert in der neidischen Nachtigall) virtuose Lieder eines kleinen Zaunkönigs, Bisselius’ DV, ertönen. Die Invention ähnlich und doch wieder anders in III,24, wo sich aus dem Laub einer Pappel die Nachtigall darüber beklagt, dass sie in Bisselius’ Zyklus nicht eigens und hinreichend berücksichtigt wurde. Indem die Nachtigall den Inhalt des Werkes nun im Detail referiert, gewinnt Bisselius nicht nur einen sinnvollen Abschluss des Zyklus, sondern konstruiert mit seiner folgenden Entschuldigung einen lyrischen Dialog, der dem Leser vorführt, wie daraus am Ende doch noch ein seiner Faktur nach ganz ungewohntes, alle vorgängigen Exempel überbietendes Nachtigallenlied geworden ist. Dieser Preis der Nachtigall kontrastiert – auch dies ein Element der konstruktiven Kohärenz des Zyklus – der Schmährede auf die Schwalbe in I,23: Das Schlussgedicht des dritten Buches variiert in intratextueller Referenz das Schlussgedicht des ersten Buches.

4. Adaptation, Integration und Revokation: Deutsche Schwankliteratur (J. Pauli) im lateinischen Textgewebe Exemplarisches zur Quellenverarbeitung Durch ältere und neuere Forschungen, zuletzt durch Studien von Johannes Klaus Kipf,80 sind für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit die Übernahme und Übertragung von schwankhaften Kurzerzählungen aus dem Lateinischen ins Deutsche, aber auch umgekehrt, ebenso nachgewiesen wie, etwa im Fall des Hans Sachs, die Verwendung gleicher Erzählungen in diversen Formtypen der frühneuhochdeutschen Literatur: »vom Meisterlied zum Prosaschwank oder vom 80

Kipf 2009 u. 2010, hier zit. n. 2010, S. 221.

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Versschwank (Schwankmäre) zum Fastnachtsspiel und zum Prosaschwank«. Als Beispiel einer in Zukunft fortzusetzenden, hier nur anzuregenden interpretativen Auseinandersetzung mit dem Œuvre von Bisselius, zu dem der Kommentarteil dieser Ausgabe zusätzliche Perspektiven umreißt, folgt zum Abschluss eine exemplarische Quellenstudie, die einen ganz ungewöhnlichen Befund beleuchtet, nämlich die poetische Verarbeitung von Prosaschwänken des Johannes Pauli (ca 1450 – nach 1520) in der lateinischen Jesuitenlyrik des 17. Jahrhunderts. Es geht also um die Übernahme und Transformation von Schwankvorlagen über strenge Gattungs- und Sprachgrenzen hinweg. Anhand von zwei Elegien der DV, denen im Kern schwankhafte Kurzerzählungen zugrunde liegen, lassen sich Art und Strategie der neuen, von Bisselius gewählten poetischen Amplifikation und Faktur nachweisen.81

Erstes Beispiel (II,18): Von der misogynen Wanderanekdote zur regional-aitiologischen »Satyra« Überschrift und Prosavorspann der dreiteiligen Elegie lassen bereits keinen Zweifel am schwankhaften Charakter des Sujets aufkommen, zumal die Untertitel der ersten und dritten Teilelegie das erprobte Genre des Eheschwankes (ähnlich III,7) samt misogynen Attacken auf solche Weise berufen, dass der Autor in der kommentierenden Exposition (1,1ff.) mit drastischen, sentenzenhaft verdichteten Behauptungen nicht als zölibatär lebender Ordensbruder spricht, sondern – mit nur schwachem Vorbehalt (1,3) – Gedanken, Wünsche und Gespräche von Ehemännern im hasserfüllten Ehekrieg artikuliert, dies sogar unter dem Lemma des ›gemeinen Nutzens‹ (commune bonum, 1,5). Der Hinweis auf den altrömischen Dichter Pacuvius (ca. 220–130 v. Chr.) im Prosavorspann nach der Epistel eines gewissen Valerius an Ruffinus wird begleitet von einer Ciceroreminiszenz und verflochten mit Zitatnachweisen in Theodor Zwingers monumentalem kompilatorischem Sammelwerk (Theatrum Vitae Humanae) und in Giglio Gregorio Giraldis Dichtergeschichte. Es wird eine Belesenheit suggeriert, die insoweit fraglich erscheint, als der antike Referenzradius (Pacuvius, Cicero) bereits bei Zwinger und durch ihn auch bei Giraldi abgeschritten wird. Die Aufnahme des Schwanks auch in Johannes Paulis Schimpf und Ernst, ein Werk, das, wie andernorts ersichtlich (dazu s. u.), Bisselius kannte, wird verschwiegen. Es kommt dem Jesuiten hier offenbar darauf an, die altrömische Dignität der Erzählung in einer illustren gelehrten Genealogie zu beglaubigen. Nicht also durch eine indigene literarisch-vernakulare Überlieferung wird Antikes überblendet, sondern erst in der folgenden narrativen Entfaltung ins Volkstümliche und Einheimische, konkret in das heimatliche Allgäu transferiert: in einer witzigen Synthese aus Antike und Gegenwart, mittels derer auf die gelehrte Überlieferung in bizarrer poetischer Invention und narrativer Aemulatio ein unge81

Ich stütze mich dabei auf meinen vorab publizierten Aufsatz (Kühlmann 2011). Für alle im Folgenden genannten Quellen verweise ich auf den Kommentarteil zu den behandelten Elegien sowie auf die ebenfalls Schwankvorlagen verpflichtete Elegie III,7 mit dem Kommentar.

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wohntes Licht fällt. Aus dem namenlosen Baum, an dem sich die Frauen erhängen, wird eine denkwürdige einheimische Fichte, aus dieser Fichte dann ein Geschehen abgeleitet, das scherzhaft und im Sinne wohl der aitiologischen Variante der antiken Elegiendichtung (Properz) erklären soll, wie aus dem ursprünglich agrarisch genutzten Allgäu ein mit Fichten bestandener Landstrich wurde. Der letzte Satz des Prosavorspanns akzentuiert die auch andernorts von Bisselius gern in Anspruch genommene Freiheit der poetischen Fiktion, so dass von Anfang an der Gestus der humoristisch-satirischen Neukonstruktion und -integration des alten Textbestandes angedeutet wird. Dabei wird der überlieferte Schwank im lateinischen Textgewand nur indirekt muttersprachlich gefärbt und als mündliche Erzählung qualifiziert, indem er einem Hirten in den Mund gelegt wird, der ›auf den Bergen zwischen seinen Kühen und Rindern saß‹. Diese dialogische Konzeption harmonisiert das in der Rangordnung der Gattungen niedrige Genre mit einer rustikalen Erzählerfigur, überführt damit die schriftlichen Quellen, die nun zugunsten der Erlebnisfiktion ganz ausgeschaltet werden, in eine ländliche, abseits der Zivilisation angesiedelte Kommunikationssphäre. Das ursprünglich schmale Handlungsgerüst koloriert Bisselius mit sinnlich-individuellen und situativen Details im Dienste der rhetorischen Evidentia. Der Schwankheld ist mit sprechendem Namen (Bibo) als Säufer charakterisiert und auch der notorische, in Schimpfen und Prügeln ausgetragene Ehestreit wird hinreichend genau angedeutet. Die Reaktion der männlichen Nachbarn, die sich einen ähnlichen Galgenbaum wünschen, erscheint derart hyperbolisch übertrieben und durchsichtig fiktiv, dass sich daraus die neue Mythe von der landschaftlichen Veränderung des Allgäus ableiten lässt. Dem auktorialen Ich, damit eigentlich auch dem Urheber solcher Mythopoesis, wächst als Textfigur hier nur die Rolle eines Kommentators und Zuhörers zu, dessen Lachen vom Gedröhn des Hirtenhorns übertönt wird. Die dritte Teilelegie setzt diesen Prozess der Transformation, noch immer im Munde des Allgäuer Hirten, auf andere Weise fort. Nun fällt im Titel der Begriff der Lycambea Satyra, womit also nicht nur ein lässiger Sermo horazischen Zuschnitts gemeint ist, sondern, wohl in Anlehnung an Stellen bei Horaz (epod. 6,13; epist. 1,19,25) auf die literarischen Attacken des Archilochos angespielt wird, der als verschmähter Freier angeblich Lycambes und seine Tochter Neobule mit seinen scharfen poetischen Pamphleten in den Tod trieb. Der so assoziierte Tod der antiken Frauenfigur durch die Macht des Wortes hat nur in dieser mehr als kühnen, fast burlesk anmutenden poetischen Kombination, vielleicht auch noch im latenten solidarischen Rekurs auf den anfangs erwähnten weiberzähmenden Dichter Pacuvius, zu tun mit dem im alten Schwank berufenen Freitod der von ihrem Mann gequälten Weiblichkeiten. Die nun folgende Wiederaufnahme der frauenfeindlichen Schmährede stellt sich also in die reflektierte Nachfolge des Archilochos, gleichzeitig verschmilzt die Rede des Allgäuer Hirten endgültig mit der textuellen Mentalität und der poetischen Dignität des gelehrten Verfassers. Denn nur dieser ist es, der in einer langen Reihe mythisch-poetischer Frauennamen alle möglichen, vor allem erotische Gefährdungen namhaft macht, die dem Mann von der Frau drohen, und der im letzten Vers mit einem Binnenreim, der

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den weiblichen Dolus beschwört, seine Elegiengruppe mit einer zeitlos gedachten Warnung abschließt.

Zweites Beispiel (III,5): Johannes Pauli als Ahnherr einer »Anti-Susanna« Der dreiteiligen Elegie über die Verführung und Errettung der biblischen Susanna (nach Dan 13), in der ein beliebter dramatischer und epischer Stoff in ein neues Genre überführt wird (III,4), fügt Bisselius unter dem Titel Anti-Susanna eine kontrastierende vierteilige Elegiengruppe an, die bereits im Prosavorspann auf ihre Quelle in einer der späteren Fassungen von Paulis Schwanksammlung hinweist. Wahrscheinlich hat Bisselius, darauf deutet der zitierte lateinische Titel, eine Ausgabe von 1609 benutzt. Drei Tendenzen der Veränderung und Neu-Integration der vernakularen Schwankerzählung lassen sich beobachten. Zunächst (1.) individualisiert Bisselius die burleske Geschichte und lokalisiert sie als ›historische‹ (so im Untertitel) mit preziösem Hinweis auf die ›Stadt des Tiberius‹ (1,1f.) in der Nähe von Regensburg. Die von einem hartnäckigen Freier angefochtene, durch ›Adel und Schönheit‹ ausgezeichnete junge Frau erhält vom Autor den Namen Viola; ihr Gatte erscheint als Sproß eines alten Adelsgeschlechtes, ihr Verführer, gleichermaßen von Adel, als ›Enkel des Croesus‹, also als ein Mann im Besitz verführerischen Reichtums, der in der Stadt lebt (V. 15–18). Mit dem vom Autor der jungen Frau verliehenen Namen Viola soll ausdrücklich der wahre Name verschleiert werden (V. 7f.). So wird aus den Aktanten des Schwankes das Personal einer intimen, vom Autor vorgeblich bewusst verhüllten Skandalgeschichte, die auf diese Weise Fiktives im auktorialen Spiel und Selbstbezug historisiert und aktualisiert. Der Schwank darf so als anekdotisches und belehrendes, ja warnendes historisches Exempel, nicht mehr nur als Textarrangement verstanden werden, das überlegenes oder befreiendes Lachen provoziert. Neben dieser andersartigen Exposition verändert sich (2.) bereits am Schluss des Prosavorspanns der Darstellungsgestus. Zwar bleibt die Schwankgeschichte in ihrem Kern unverändert, obwohl Pauli in rinascimentaler Unbekümmertheit die ›Erfolgsstory‹ einer geglückten ehebrecherischen Verkuppelung vorlegte, die der alten Vettel Lohn und Dank von beiden Beteiligten einbringt. Der Kommentar des geistlichen Autors sieht jedoch, so im Prosavorspann, in der List der Alten, aber auch in der Leichtgläubigkeit der umworbenen Frau, letzthin das Werk eines satanischen, ja ›verbrecherischen‹ Treibens im Zeichen der ruchlosen Schlange (nefanda dipsas). Dem entsprechen vereinzelte kommentierende Verse in der abschließenden Teilelegie (bes. 4,24), vorbreitet durch die Schluss-Sentenz in III,4,3,39. Überdies wird (3.) die Schwankgeschichte durch Spiegelungen im Zyklus beleuchtet, also aussagestrategisch dergestalt neu integriert, dass die Schwankgeschichte als Anti-Modell der ›keuschen und gottesfürchtigen‹ Susanna vorgeführt wird. Dies nicht nur in Bemerkungen am Ende des Vorspanns und der Schlusselegie, sondern auch in der über Pauli hinausweisenden Parallelführung des erzähl-

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ten Geschehens. Die misslungene Verführung der keuschen Susanna in ihrem Garten entspricht in der zweiten bis vierten Teilelegie eine andere frühlingshafte Gartenszene. In beiden Gedichtgruppen fällt so ein Stichwort, das die SusannaElegien mit dem thematischen Rahmen des Gesamtwerkes, den ›Frühlingsfreuden‹, Deliciae Veris, verkoppelt und das ja bereits als Titel des Unterkapitels fungiert: HORTVS. Bei Pauli fehlen Hinweise auf eine bestimmte Örtlichkeit, bei Bisselius eröffnet die mit fiktivem Namen individualisierte Kupplerin (Lausa!; ist der Anklang an den Namen Laura gewollt?) das scheinbar harmlose Gespräch mit ihrem Opfer in einem das allgemeine Behagen steigernden Frühlingsgarten (2,17ff.). Genau hier aber wird in der Durchbrechung der Fiktionsillusion und narrativen Distanz eine warnende Anrede des Erzählers eingeschoben (2,20): Casta cave. Zuletzt schließt die gelingende verbale Verführung der jungen Frau mit einer Geste, die das Ende des moralischen Agons andeutet, als deren Urheber sich der Autor selbst noch einmal ins Spiel bringt (4,26): ›Meine Keusche streckt (oder bietet dar) besiegt ihre Hände‹ (Victas dat mea Casta manus). Es ist dieser Sieg über die Keuschheit, der bereits vorher in direkter Gedankenrede der Kupplerin angekündigt war, nachdem sie das Hündchen mit Rettich, Senf und Pfeffer zum Weinen gebracht hatte (2,15: Nunc vicimus!). In beiden Susanna-Gruppen ist der Garten ein üppig-lustvoller, gefährlicher Ort, ein antiasketisches Ambiente und Raumsymbol. Denn am Ende werden in vielsinniger Wortwahl nun jene Gartenfreuden berufen (4,25: hortensia Orgia), bei denen nach dem Genuss von Speise und Wein der Liebhaber unbehindert die Szene betreten darf. Zwar benutzt auch Pauli wörtliche Anreden und Kurzdialoge, doch wird dieses Mittel der kommunikativen Personenzeichnung nun erheblich verstärkt. Während der Bewerber bei Pauli durch Unterhändler und Geschenke die Geliebte zu betören versucht, kommt er bei Bisselius mehrfach ungerufen ins Haus, holt sich jedoch (1,21ff.) seine Abfuhr in direkter Abweisung, in der Maximen der ehelichen Treue formuliert werden, nicht ohne das mythische Exempel von Helena und Paris zu bemühen. Stilistisch fasst der Erzähler die Abweisung mit Nachdruck in einem Hexameter mit zwei parallel gebauten anaphorischen Kola zusammen (1,33): Par animus VIOLAE semper, par criminis horror. Bis dahin entspricht die Charakterstärke der zweiten Susanna noch der keuschen Hartnäckigkeit der biblischen Figur. Bei Pauli begegnet der Liebhaber eher zufällig der alten Frau, bei Bisselius bittet er in direkter Rede zielstrebig und erfolgreich um deren Hilfe (1,35–40), appelliert zwar nicht an magische oder hexenhafte Künste (immerhin fällt das drohende Stichwort), doch an ihre ars, die sich dann als dolus herausstellt. Indem die Kupplerin mit ›Beste der Mütter‹ (optima Matrum) angeredet und ihre pietas und bewährte virtus hervorgehoben werden, bietet Bisselius in direkter Ironie ein Kurzbeispiel der amoralisch-zweckgerichteten kontrafaktischen Komplimentierrhetorik (1,35f.). Die Schwankerzählung, die Bisselius so integriert und eindeutig instrumentalisiert, führt in exemplarischer Absicht Machenschaften vor, mit denen weibliche Keuschheit überwunden wird, ja besiegt wird von törichter ›Leichtgläubigkeit‹ (so das Fazit in der Überschrift von Teilelegie 4). Insofern werfen beide weiblichen Figuren im Wechselspiel von Credulitas und dolus, also in einer von Pauli abweichenden moralischen Klassifi-

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kation und Abstraktion, Schlaglichter auf stereotype Merkmale von Weiblichkeit. Paulis Geschichte wird auf diese Weise zwar in ihrer Botschaft moralisch kommentiert, korrigiert und widerrufen, zugleich aber in detailfreudigen Amplifikationen und im Genuss ihres ästhetischen Mehrwertes, d. h. ihrer komischen und libertären Intentionalität in das lateinische Gesamtwerk integriert. So bewegt sich der Jesuit offenbar sehr bewusst in einer mehrstelligen Konstellation der aemulatio. Sie demonstriert konzeptionelle wie stilistische Distinktion und auktoriale Profilierung. Zum einen setzte sich der Autor ab von der etablierten SusannaDichtung, indem er nicht nur eine misslingende und eine gelungene Verführung gegenüberstellt und darstellerisch verschränkt (Gartenszenen), sondern so auch ausgerechnet wider alle Erbaulichkeit den Antitypus der biblischen Figur in die Gegenwart als Exempel transferiert. Zum zweiten beweist er wieder einmal die thematische Variabilität seines Elegien-Zyklus unter dem weiten Dach der Jahreszeitendichtung, zugleich dessen innere diskursive Kohärenz, indem, gerade in den beiden hier erörterten Beispielen, die eindeutige Bewertung und Behandlung der prekären Geschlechterbeziehung in den Mittelpunkt rücken. Zum dritten wird die fast alle Sujets einbeziehende Assimilationskraft der lateinischen Ordensdichtung und Formkultur gerade an scheinbar entlegenen Modellen der vielgelesenen vernakularen Schwankliteratur demonstriert und damit gegen die poetischen Konkurrenten, auch die innerhalb des Ordens, ein Zeichen gesetzt, gerade so als ob Bisselius in den großenteils spielerischen, ja burlesken Zügen seiner Darstellung genau den Doppelbegriff der »Ioco-Seria« Paulis treffen und übertreffen wollte. Eine derartige Integration des Schwankhaften und Literarisch-Populären, das auch Ausgriffe in die mündliche Überlieferung simuliert, bot stellenweise ansonsten nur die an ein breites Publikum gerichtete Predigtliteratur.

Zur Entstehung des Bandes und Dank In Fortsetzung langjährigen Zusammenwirkens entstand das vorliegende Werk im Kreis der Heidelberger Sodalitas Neolatina. Alle Gedichte wurden von einzelnen Mitgliedern zum ersten Mal übersetzt, diese Übersetzungen dann in der Runde mehrfach besprochen und emendiert. Für die Einrichtung des lateinischen Textes und die Indices zeichnet letzthin verantwortlich Lutz Claren, für die Endfassung der Übersetzungen Jost Eickmeyer. Am Kommentar samt jeweiligen Einleitungen waren in verschiedener Frequenz die im Titel genannten Sodales beteiligt, deren Autorschaft durch Namenskürzel (z. B. LC = Lutz Claren) angedeutet ist. WK hat darüber hinaus die Einleitung verfasst und die im Anhang abgedruckten Quellen besorgt. Der Kommentar zur Ambrosius-Elegie (I,22) stammt von dem damaligen Stipendiaten Jakub Šimek (am Ort genannt). Zeitweise nahmen an unseren Sitzungen teil und berieten uns bei der Übersetzung Ralf Georg Czapla, Jonas Göhler, Michael Hanstein, Rüdiger Niehl, Eduardo Otero, Daniela Quade, Hans Schneider und Werner Straube. Ihnen gilt unser Dank ebenso wie Frau Hanna Leybrand für ihre Hilfe bei der Endkorrektur. Im Frühjahr 2013 Wilhelm Kühlmann

Editorischer Bericht Für die Edition des lateinischen Textes wurden die beiden, zu Lebzeiten des Verfassers gedruckten Ausgaben der Deliciae Veris herangezogen, nämlich: A Vernorum libri tres, Quibus deliciae veris describuntur. Ingolstadii: Formis Typographicis Gregorii Haenlini 1638. 12° [Privatbesitz]. B Vernorum libri tres, Quibus deliciae veris describuntur. Editio altera. Monachii: Formis Cornelii Leyserii, Electoralis Typographi et Bibliopolae 1640. 12° [UB Mannheim, Sig.: Sch 073/347]. Die Leitausgabe bildete dabei B als der vom Autor selbst überarbeitete und emendierte Text, abweichende Lesarten sind im kritischen Apparat zu jedem Gedicht einzeln vermerkt. Ebenso sind die seltenen Fälle vermerkt, in denen Lesarten von A den Vorzug erhielten. Wenige offensichtliche Druck- oder Satzfehler wurden stillschweigenjod korrigiert, ligierte Diphthonge (æ, œ) ebenso aufgelöst wie das Et-Zeichen (&); beibehalten wurde dagegen die zeittypische variierende Setzung von »i« und »j« sowie »u« und »v«. Worte, die im lateinischen Druck Versalienen und Kleinbuchstaben mischen, werden in der Edition durchgängig in Versalien wiedergegeben. Im lateinischen Text sind alle Hinzufügungen seitens der Editoren durch eckige Klammern (»[ ]«) gekennzeichnet, in der deutschen Übersetzung bezeichnen diese auch einzelne Ergänzungen, welche das Textverständnis erleichtern sollen. Auslassungen, die Bisselius selbst in seinen Argumenta vornimmt, kennzeichnet er üblicherweise durch einen Asteriskus (»*«), dieser wird in der Übersetzung durch drei Punkte in eckigen Klammern (»[…]«) wiedergegeben; ebenso weist dieses Zeichen in den Kommentaren auf Auslassungen in Zitaten, etwa aus beigezogenen Quellentexten, hin. Allgemein ist die beigegebene Prosa-Übersetzung dazu gedacht, den lateinischen Text semantisch und sprachlich zu erschließen, erhebt jedoch keinen Anspruch auf poetische Qualität. Wo den Gedichten des Bisselius Bibelstellen als Argumenta oder Zwischentexte beigegeben sind, wurden diese nicht neu übersetzt, sondern folgender Ausgabe entnommen: Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments. Aus der Vulgata übersetzt von Joseph Franz von Allioli. Illustrierte Handausgabe, enthaltend den vom apostolischen Stuhle approbirten vollständigen Text. […] Landshut/München 1851.

Abb. 1: Titelkupfer der Erstausgabe Ingolstadt 1638 (Ausschnitt)

Johannes Bisselius (Bislin) SJ

DELICIAE VERIS Frühlingsfreuden (1638/1640)

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Reverendissimo Praesuli […]

Reverendissimo Praesuli, NOBILISSIMO, AMPLISSIMOQVE DOMINO, DOMINO VRBANO, AD MONTES ABBATI, Sacrae Caes[areae] Maiestati, Nec non, ILLVSTRISSIMIS, ATQVE REVERENDISSIMIS, ARCHIEPISCOPO SALISBVRGENSI, EPISCOPO BAMBERGENSI, A Consilijs, etc. IOANNES BISSELIVS, è Societate Iesu, S[alutem] D[icit].

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NOCTE caliginosa, quamdiu cum obverso nobis Orbe, propter Antipodas, Sol absens occupatur (Reverendissime Praesul, Nobilissime Domine) tamdiu tristi silentio, quietáque desidiâ, cuncta terrarum obvolvuntur. Diceres, Nihil tunc publicum neque placere, neque allicere; ac certè non arridere: multorúmque mortalium, priusquam diescat, odiosas querelas audias; Horizontem, et sylvas, et Orientis editiores colles incusantium: quòd eorum invidiâ, tanquam interjectis industriè obstaculis, DIEI retardetur occursus, et Lucis jucunda facies differatur. At simulac EX MONTIBVS aliunde, suspensarúmque Alpium intervallis, vel tenuissimus desiderati SOLIS nitor emicuerit: tametsi neque Currum adventantem Phoebi, neque (quod fatua quondam Aegyptus credidit) rotarum ascendentium stridorem, percipiamus: cuncti tamen ad intuitûs dulcissimi voluptatem arrigimur et animamur. Ad SOLEM, pro modulo pedéque suo (tanquam per Nomenclatorem ad salutationis officium citata) festinant Omnia. Videas tunc in pratis gramina, in agris Segetes, in stirpibus folia, cacumen attollere: Rorísque, matutino lucentes jubare guttulas, quibus plantas et germina NOX aspersit, ad Sidus diurnum converso capite vérgere. Tunc, secundùm sepes Violae, depressam foliorum humilitatem subrigunt. tunc in hortis heliotropia, narcissíque, circulos suos ad Solarem gyrum advertunt. tunc, medios inter vepres, Rosa, simul calyce convolutum florem, simul nodis inclusam odoris gratiam, aperit: et Oculo, quantocunque potest, Orbis oculum intuetur. tunc è lustris Venatorum praeda, ferae, prorumpunt: ex stabulis ad pastum pecora procedunt: ex alveis apiculae provolant: ex lectulis, operum et quaestûs studiosi mortales deproperant: Omnes in SOLIS vultum occursúsque intenti. Tunc etiam Ciconiae de tectorum fastigijs, non citiùs collum crotalúmque in coelum, quàm oculos in Orientis plagas erigunt: atque in Nemoribus, universum Avicularum genus, primo fulgore percussis noctibus, statim et ad ramos frondésque rostella acuunt; et verecundo cantûs praeludio diem, tanquam sibi sacrum, initiant: Sole, avium excitatore, Avere jusso. ITA vides, Reverendissime, Quanta pulcherrimi Sideris de MONTIBVS in subjectas valles refulgere ordientis, sit in aspectu venustas, in pertrahendis ad sui venerationem rerum ingenijs potentia: ut sanè, quidquid ille coelestium splendor orbium, SOL, ambit; id pariter,

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Dem ehrwürdigsten Kirchenfürsten, DEM ERLAUCHTEN UND ERHABENEN HERRN, HERRN URBAN, ABT VON ADMONT, RAT der heiligen kaiserlichen Majestät wie auch des ERZBISCHOFS VON SALZBURG, DES BISCHOFS VON BAMBERG usw. entbietet JOHANNES BISSELIUS aus der Gesellschaft Jesu seinen Gruß. IN DUNKLER NACHT, solange mit dem uns abgewandten Rund die Sonne wegen der Antipoden von uns ferngehalten wird, wälzt sich (ehrwürdigster Prälat, hochedler Herr) alles auf der Erde in traurigem Schweigen und träger Ruhe dahin. Man könnte sagen, dass dann im allgemeinen nichts gefällt oder verlockt und gewiss nicht einen anlacht, und bevor es Tag wird, kann man erbitterte Klagen vieler Sterblicher hören, welche den Horizont, die Wälder und die ragenden Berge des Ostens anklagen, dass nämlich durch deren Missgunst – gleichsam wegen der mit Fleiß aufgetürmten Hindernisse – das Erscheinen des TAGES verzögert und der liebliche Anblick des Lichtes aufgeschoben würden. Aber sobald an anderer Stelle VON DEN BERGEN und aus den Tälern der erhabenen Alpen auch nur der geringste Strahl der ersehnten SONNE erglänzt, werden wir alle, obschon wir weder den nahenden Wagen [10] des Phoebus noch (was das törichte Ägypten einst glaubte) das Knarren der aufwärts rollenden Räder vernehmen, dennoch zur Lust des angenehmsten Anblicks hingezogen und belebt. Soweit Kräfte und Füße tragen, eilt alles zur SONNE hin (gleichsam durch den ›Namennenner‹ zur Begrüßungspflicht herbeizitiert). Dann kannst Du sehen, wie sich auf den Wiesen die Gräser, auf den Äckern die Saaten, die Blätter an den Sträuchern aufrichten, und wie die kleinen Tautropfen, mit denen die NACHT Pflanzen und Sprossen besprenkelt hat, im Morgenlicht erglänzen, und diese sich mit gewendetem Haupt dem Tagesgestirn zuneigen. Dann richten an den Zäunen die Veilchen die demütige Niedrigkeit ihrer Blätter auf. Dann wenden in den Gärten die Sonnenblumen und Narzissen ihre Blütenkreise zum Sonnenrund. Dann eröffnet mitten unter Dornen [20] die Rose ihre im Kelch verschlossene Blüte, zugleich den Liebreiz ihres in den Knospen eingeschlossenen Duftes und erblickt mit ihrem Auge, soweit möglich, das Auge des Sonnenrunds. Die Beute der Jäger, die wilden Tiere, bricht aus ihren Verstecken hervor; aus den Ställen bewegt sich zur Weide das Vieh. Aus den Stöcken fliegen die kleinen Bienen, aus den Betten eilen die Menschen eifrig zu Arbeit und Erwerb. Alle sind gebannt vom Antlitz und Aufgang der SONNE. Dann erheben von den Firsten der Dächer auch die Störche nicht schneller Hals und Schnabel gen Himmel, als sie ihre Augen in östliche Gefilde richten. Und in den lichten Wäldern wetzt die ganze Vogelschar sofort, wenn die Nächte vom ersten Morgenstrahl durchdrungen sind, ihre Schnäbelchen an Zweigen und Blättern; und sie leiten im scheuen Vorspiel ihres Gesangs den Tag ein, heilig, wie er ihnen ist: [30] Sie heißen die Sonne, die sie weckt, willkommen. SO siehst du, Ehrwürdigster, welchen Liebreiz der Anblick des schönsten Gestirns bietet, wenn es von den BERGEN in die niedrigen Täler zu leuchten beginnt, und welche Macht die Geister der Dinge zu seiner Verehrung anzieht, so

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Reverendissimo Praesuli […]

SOLEM ambiat, propensissimâ in fulgorem istum inclinatione. Nunc autem, quorsum hoc theorema meum exeat, paucis animum adverte. TEIPSVM, Praesul Reverendissime, SOLEM à me dici designaríque, nec ut minùs Philosophicum irriseris, nec ut nimis assentatorium respueris. Non, ut parùm philosophicum: cùm sciamus, nequaquam sic instringi pulcherrimi Sideris illius Vnicam naturam, ut in Plura generis ejusdem astra propagari nequeat: neque tam ambitiosè stellis imperare, ut ejusdem nominis ortúsque participes Soles (si quos aliquando Numini visum esset, hodierno adjungere) superbo fastidio dedignetur. Praeterquam, quòd Parelios saltem, historia prisca recénsque agnoscat: et, si hae negarent, Oculi nostri, qui ternos subinde quaternósque contemplati sunt, affirmarent. Multò minùs, ceu nimis assentatorium rejeceris, quòd SOLIS tibi munus imponam. cùm in virtutum gestorúmque Tuorum claritate, tam meridianâ, palpare (velut in tenebris) neque si maximè velim, possim: citiùs immodico lumine, vel etiam invidiâ, caligaturis aemulorum oculis; quàm errore blanditiarum peccaturis laudum tuarum praeconibus. Quid enim, quaeso? Morum Tuorum, vitaéque, inter tot probatos, probitas eminentior, ac supra tot luces minores evecta lucerna major, ut monastici Candelabri fastigium teneret: quid est aliud, quàm virtutum quidam SOL, aut SOLIS certè Parelius? Ille Doctrinae Tuae splendor, quo pectus tuum illuminatissimum, quasi Lampada quandam Phariam implevisti; per mitiores aequè robustiorésque disciplinas, per Theologicas pariter philosophicásque scientias, inoffenso radio coruscantem: quid est, nisi splendor ille firmamenti, quo (Danielis ex oraculo) Docti fulgebunt? Illa liberalis tua sollicitudo, quâ studiorum oleum, Demosthenis lucubratione sumptuosius, etiam in TVOS ascétas transfundis; dum litterarum illis amorem per manus, tanquam facem, tradis: dum, quotquot è Coenobio capaces Lycéi vel Athenarum judicas; eos tui similes, hoc est, quàm doctissimos, esse cupis, et exempli potentis suavitate etiam cogis: quid est, nisi SOLIS indoles: qui Lucis gratiam in Lunam etiam, clientésque stellas transfundit, ingenuâ boni communicatione? Ille religiosae sanctimoniae tutor oculus tuus, et integritatis monasticae pervigil custos, LEGVM inculcatio, verbis exemplísque in Tuorum animos, de mentis Tuae calore influens; unde ascetarum corda, tanquam vivis subjectis ignibus, inflammentur et effervescant: quid loquitur aliud, nisi, Te SOLEM esse, sibimetipsi quidem eminenti, caeteris autem insititio quodam ardore, aestuantem? Tuus ille, divini cultûs amor, quem intrà coenobij tui septa sacráque, tanquam in Tuopte Coelo, conceptum natúmque, etiam foràs et ad exteros exportas: dum templa paroeciásque, tuo juri ac tutelae permissas, tanquam minorum gentium sphaeras percurris, donec in orbem et ad Tuos labor recurrat: dum (sicubi tuum astrum abesse cogitur) stellas vicarias, nec tamen nisi probatissimae lucis, substituis: quid aliud manifestè clamat,

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dass alles, was der Glanz der Himmelsphären, die SONNE, umfängt, gleichermaßen die SONNE in innigster Hinwendung zu ihrer Strahlkraft umringt. Nun aber beachte bitte ein wenig, worauf diese meine Betrachtung hinauswill. Dass nämlich DU SELBST, ehrwürdigster Kirchenfürst, von mir SONNE genannt und als solche bezeichnet wirst, kannst du wohl weder als zu wenig ›philosophisch‹ verspotten noch als allzu schmeichlerisch zurückweisen. [40] Keinesfalls als zu wenig ›philosophisch‹, da wir wissen, dass die einzigartige Natur jenes allerschönsten Gestirns keinesfalls so beschränkt ist, dass sie sich nicht auf mehrere Sterne derselben Art auszubreiten vermöchte, noch so ehrgeizig über die Sterne herrschte, dass sie die Sonnen desselben Namens und Ranges (wenn es der Gottheit einmal gefallen hätte, diese der heutigen hinzuzufügen) mit stolzem Hochmut verachtete. Außerdem, dass die alte und neue Geschichte wenigstens Nebensonnen kennt. Dies würden auch, wenn es beide nicht bestätigten, unsere Augen, die nacheinander drei und vier Nebensonnen betrachtet haben, bekräftigen. Viel weniger kannst du dies als allzu schmeichlerisch zurückweisen, dass ich dir das Amt der SONNE zuweise, da ich nicht, auch wenn ich es wollte, bei dem mittäglichen Glanz deiner Tugenden und Taten schmeicheln könnte (gleichsam wie im Dunkeln): [50] da die Augen durch das Unmaß des Lichts oder auch wegen der Missgunst von Nebenbuhlern eher in Dunkel gehüllt denn als Herolde deines Ruhms im Irrtum von Schmeicheleien sündigen würden. Wie denn also, bitte? Die Rechtschaffenheit deines Verhaltens und deines Lebens ist unter so viel Rechtschaffenen herausragender, und unter soviel kleineren Lichtern ragt dein größeres Licht hervor, dass es die höchste Stufe des mönchischen Lichtkranzes innehat: Was ist dies anderes, als gewissermaßen eine SONNE der Tugenden oder gewiss eine Nebensonne der SONNE? Jener Glanz deiner Gelehrsamkeit, mit dem du dein hell erleuchtetes Herz wie einen Pharischen Leuchtturm erfüllt hast, der in den milderen wie auch den anspruchsvolleren Disziplinen, in den theologischen wie gleichermaßen den philosophischen Wissenschaften mit ungehindertem Strahl erglänzt: Was ist dies anderes als jener Himmelsglanz, von dem [60] (nach dem Ausspruch Daniels) die Gelehrten erstrahlen werden? Jener freimütige Eifer, mit dem du das Öl der Studien, aufwendiger als die Arbeit eines Demosthenes, auch auf DEINE Mönche ausgießt, wenn du ihnen die Liebe zu den Wissenschaften eigenhändig wie eine Fackel übergibst, wenn du willst, dass alle, die du aus deinem Kloster sogar des Athenischen Lyceums für würdig hältst, ähnlich wie du sein sollen, das heißt, so gelehrt wie möglich, und sie mit dem Reiz eines mächtigen Beispiels dazu drängst: Was ist dies, wenn nicht die Eigenschaft der SONNE welche die Wohltat des Lichtes auch auf den Mond und die begleitenden Sterne verströmt in der echten Gemeinsamkeit des Guten? Jenes dein Auge, Wächter frommen Lebenswandels und wachsamer Hüter der monastischen Disziplin, das in Worten und Beispielen die REGELN in die [70] Herzen der Deinen einpflanzt und aus der Wärme deines Geistes einflößt, wodurch die Herzen der Mönche wie auf lebendem Feuer entflammt werden und erglühen: Was besagt dies anderes, als dass du die SONNE bist, die mit einer

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quàm, te SOLEM esse, caeterorum Siderum in medio collocatum? per temetipsum, planetásque Tuos, Communi bono libenter excurrere, neque tamen exerrare? denique Coelum tuum, concinno Sacrorum concentu, gloriam Dei, non sine Euangelica facundiâ, enarrare? Illa praeterea erga tuos Oeconomiae domesticae dexteritas, in exteros egentiores animosa liberalitas, in omnes sereni vultûs, amabili cum maturitate, suavitas: possúntne sic coelare tot luces tuas; ut non, plusquam metaphoricâ SOLIS aut Parelij appellatione, humanissimum VRBANI nomen ad gentes circumferant? cujus, E MONTIBVS, non minor in Reip[ublicae] commoda beneficae liberalitatis indulgentia promanat; quàm è sylvis colliúmque jugis matutini Sideris, ad spargendum diem, hilaris publicáque benevolentia procedit. Satìs lucidis, ut arbitror, argumentîs, facere fidem debui (etiam TIBI, qui radios Tuos ignorare mavis) Te, cum alijs viris excellentibus, SOLEM esse, vel profectò Parelium: AD MONTES cominus, E MONTIBUS eminus emicantem. Quod nominis Solaris magnificum decus, in litem vocare, neque Sacrosancta VERITAS, omnis hyperboles et palpi jurata hostis, audeat: quippe, quae vix inferiora reperiat in VRBANO nostro meritorum Lumina; quàm in SIMONE illo, Oniae filio, Sacerdote magno, per Siracidem numeraverit. Qui in vita sua (inquit) suffulsit DOMUM, et in diebus suis corroboravit TEMPLUM: qui adeptus est gloriam in CONVERSATIONE gentis. Quasi STELLA matutina, in medio nebulae: et quasi SOL refulgens, sic ille effulsit in Templo DEI. Interrogo; Quid horum in Te, vel lividus etiam et inimicus oculus, agnoscere dedignetur? QVAPROPTER mirari noli (Reverendissime) si ad SOLIS hujus AD-MONTANI conspectum amabilem, meae VERIS DELICIAE (quae per turbulentorum temporum confusam noctem, sub Arcticorum siderum caliginoso imperio, intrà Horatiani Novennij scrinia hucusque delituerunt) nunc tandem retectiore vultu prodeant. Noli irasci (nisi fortè humanitati tuae, omnia ad se allectanti) si ad indulgentissimi Tui jubaris, ex Alpibus renidentem splendorem, acclinentur mea Gramina, surgant Herbae, prorumpant Violae, pandantur Rosae: si efflorescant Horti, virescant Prata, procrescant Pascua, Nemora frondeant, Segetésque ventilentur. Si mei, de lustris, Venatici Lépores atque Cervi prosiliant: si de vimineis speluncis Apiculae, de culminibus Ciconiae, de nidis atque frondibus Aviculae provolent; tuo benevolo Lumini sui carminis genium, aut certè pennae colorem approbaturae. Si denique SOL ipse meus, à quo DELICIAS inchoavi, sub Tui SOLIS aut Parelij papilione malit, quàm sub tentorio suomet, habitare. TVVS (ô Praesul Nobilissime) tuorúmque ornamentorum decor, has omnes Vernae tempestatis illecebras, ad se magneticâ Suadâ, quovis Orpheo vel Amphione potentiùs, pellexit ac pertraxit. Hic VRBANO tuo Nomini, Rusticas meas Delicias jussit inscribere: hic cultissimis tuis aulaeis incultum et agreste VER meum intexere: Hic sanctissimis TUIS postibus

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Glut auflodert, die dich selbst hervorscheinen, die anderen aber recht in Durst entbrennen lässt? Jene deine Liebe zum Dienst an Gott, den du, entworfen und geboren innerhalb der Grenzen und Heiligtümer deines Klosters, gleichsam wie in deinem Himmel, auch nach draußen und zu den Auswärtigen weitergibst, wenn du die Kirchen und Pfarreien, die deiner Gerichtsbarkeit und Sorge anvertraut sind, gleich wie die Sphären kleinerer Völker durcheilst, bis die Mühe in den Kreis und zu den Deinen zurückfließt, und wenn du (sobald dein Gestirn abwesend zu sein gezwungen ist) stellvertretende Sterne, und gleichwohl nur von erprobtestem Lichte, an deine Stelle setzest: Was bezeugt dies anderes ganz offenkundig, [80] als dass du die SONNE bist, die in die Mitte der übrigen Sterne gesetzt ist? Dass du durch dich selbst und deine Planeten zum gemeinen Nutzen frei umläufst und dennoch nicht herumirrst? Schließlich dass dein Himmel im harmonischen Gleichklang der Heiligtümer den Ruhm Gottes nicht ohne die Beredsamkeit des Evangeliums bezeugt? Außerdem jene deine erwiesene Rechtschaffenheit des häuslichen Wirtschaftsbetriebs gegenüber den Deinen, die gegen die auswärtigen Bedürftigen beherzte Freigebigkeit, die Milde deines mit liebenswürdiger Reife verbundenen, auf alle gerichteten heiteren Angesichtes: Können sie so deine so vielen Lichter verheimlichen, dass sie nicht mit mehr als metaphorischer Benennung der SONNE oder Nebensonne den menschlichsten Namen URBANS bei allen Völkern verbreiten, VON dessen BERGEN eine nicht mindere Gnade freigebiger Gunst zum Vorteil des Gemeinwesens fließt, [90] als heiteres und öffentliches Wohlwollen des frühen Gestirns von den Wäldern und Bergrücken hervorkommt, um den Tag zu verbreiten? Mit, wie ich glaube, genügend einleuchtenden Argumenten sollte ich wohl glaubhaft gemacht haben (sogar DIR, der du deine Strahlen lieber ignorieren willst), dass du mit anderen herausragenden Männern die SONNE oder doch gewiss eine Nebensonne bist: bei deinen BERGEN aus der Nähe, von den BERGEN herab aus der Ferne erstrahlend. Diese Ehre des Sonnentitels zu bestreiten soll auch nicht die heilige WAHRHAFTIGKEIT wagen, die geschworene Feindin jeder Übertreibung und Schmeichelei, da sie doch bei unserem URBAN kaum geringere Lichter der Verdienste findet, als sie sie bei jenem SIMON, dem Sohn des Onias, dem Hohenpriester, durch Sirach [50,12,5–7] aufgezählt hat; der (sagte er) in seinem Leben sein HAUS baute [100] und in seinen Tagen den TEMPEL verstärkte, der Ruhm im Munde des Volkes erlangte. Wie der MORGENSTERN mitten im Nebel und gleichsam eine widerstrahlende SONNE, so erglänzte er im Tempel GOTTES. Ich frage: Was von alldem sollte bei Dir selbst ein neidisches oder auch feindseliges Auge anzuerkennen sich weigern? DESHALB wundere dich nicht (Ehrwürdigster), wenn zu dem lieblichen Anblick dieser ADMONTER SONNE meine FRÜHLINGSFREUDEN (die während der verwirrten Nacht turbulenter Zeiten unter der dunklen Herrschaft nördlicher Gestirne bisher nach Horazens Muster neun Jahre lang im Schrein verborgen waren) nun endlich mit aufgedeckterem Antlitz hervorkommen. Zürne nicht (es

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Reverendissimo Praesuli […]

FLORAM meam (Christianam quidem nunc illam, et castigatissimè pudicam, sed tamen ex sacra Profanáque mistam) mandavit, insculpere. HABES, quas nuncupandae tibi poëseos meae caussas habuerim? quae tamen quemvis, non penitus ad Tua décora caecutientem Scriptorem, allicere potuissent. Caeterùm illae aliae mihi caussae nuncupandi strictiores, neque cum quovis communes. TV enim, quantumvis me (ab AD-MONTANO tractu, tot fluvijs montibúsque divisum) non magìs, quàm Achillis armigerum, noveris; SOCIETATEM tamen IESV, matrem meam unicam, non nôsti tantùm, sed etiam tenerè complecteris universam: ut amoris illius intimaéque benevolentiae, jam non sterile VER, et inter solos stans nudos flores; sed maturas quoque messes, et, fructu robustos Auctumnos sperare, immò et exigere, posses. Nec Mihi erubesco, nec Tibi timeo; dum affectus tuos ac sensa, in hunc Ordinem minimum, profero: quem tu usque adeò confiteri non vereris ut adversùm mordaces, ubicunque res poscit, amicissimè intrepidéque defendas. Quid ego producam hîc tuos in S[anctum] IGNATIVM nostrum affectus? quid Tuam, instituti nostri domibus Collegiísque, toties benevolè promptéque locatam, quotiescunque necessitas ita tulit, operam? Quid Hospitalitatem? Quid commemorem dexterae tuae liberalissimae, magnum quidem in omnes, sed tamen in Nostros mirificum et excellens impendium? etiam hoc ipso, in quo haec scribo, Collegio, in beneficij tanti memoriam tot pedibus eunte, sempérque ituro; quot inopiae vivis subsidijs sublevare illud es dignatus? Plurima consultò praetermitto, ne fecisse Panegyrim videar, qui Epistolam volui: cujus sub finem, Reverendissimae Tuae Amplitudini, narro. DIVUS KEIVVINVS, notissimus apud Hyberniae gentes ABBAS, et ejusdem tecum (quod sciam) Instituti: cùm VERNI jejunij sanctimoniam, mortalium subductam oculis, CHRISTI exemplo, montanis sylvis, arborúmque solitudinibus operiret: die quodam de mapalis sui fenestra dexteram, veteri precantium ritu supinatam, tanquam è Coelo beneficium aliquod petiturus, protendit. Advolavit illico familiariter avis MERVLA, foetu gravida: sensímque non repugnantis manui, per securissimae quietis occasionem, incubans, primi VERIS partum et Ova exclusit. nec ille manum, quoad eniteretur, retraxit. Hujus insolentis prodigij fidem adhuc Sylvestri Gyraldi aetate (cujus isthaec calamô posteritati commendata sunt) Templorum Sacellorúmque imagines retinebant: quae nunquam sine MERVLA Divum KEIVVINVM repraesentabant. Finge hîc, immò Crede, Praesul Reverendissime, Te ad MONTES illos tuos, Alpiúmque recessus, KEIVVINVM esse redivivum. Certè quidem ABBAS es, ut ille: et ABBAS, ut ille, BENEDICTINVS: cujus Dexteram semper Extensam, Precum ad Superos aeterna frequentia, depingit. En, Volat ad TE, Partus hic meus, utinam quidem teres atque rotundus! (quale Ovum) sed tamen profectò VERNVS, et jejunio VERNO, jam ante Novennium, excludi; hoc autem demum anno, sub idem tempus, etiam

Widmungsrede an Urban

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sei denn [110] etwa deiner Wohltätigkeit, die alles an sich zieht), wenn an den Glanz deiner gnädigen Strahlen, die aus den Alpen erglänzen, meine Pflanzen sich anlehnen, sich erheben die Gräser, hervorbrechen Veilchen, sich ausbreiten die Rosen; wenn die Gärten erblühen, die Wiesen grünen, die Weiden sprießen, die Haine Laub treiben und sich die Saaten im Winde wiegen! Wenn aus ihrem Lager meine jagdbaren Hasen und Hirsche hervorspringen, wenn aus den Weidenkörben die kleinen Bienen, von den Dächern die Störche, aus den Nestern und Laubkronen die Vögelchen herausfliegen, um deinem wohlwollenden Licht den Genius ihres Gesanges oder gewiss die Farbe der Feder zu zeigen, und wenn endlich meine SONNE selbst, mit der ich die FREUDEN begonnen habe, lieber unter dem Baldachin deiner SONNE oder Nebensonne wohnen will als unter ihrem eigenen Zelt. [120] DEINE und Deiner Zierden Ehre (hochedler Prälat) lockte und zog an sich all diese Reize der Frühlingszeit mit magnetischer Redegabe, mächtiger noch als jeder Orpheus und Amphion. Sie gebot es, meine ländlichen ›Freuden‹ deinem Namen URBAN zu widmen; sie [gebot mir], deinen gepflegten Teppichen meinen ungepflegten und bäurischen FRÜHLING einzuweben; sie gab mir den Auftrag, DEINEN heiligen Säulen meine FLORA (fürwahr nun christlich und aufs Peinlichste keusch, aber trotzdem aus Heiligem und Profanem gemischt) einzumeißeln. KENNST du nun die Gründe, dir meine Poesie zu widmen, die doch jeden Autor, der deinen Ehren nicht ganz blind gegenübersteht, hätten anlocken können? [130] Im übrigen gibt es für mich andere, striktere Widmungsgründe, die ich nicht mit jedermann gemeinsam habe. Denn obwohl DU in mir (von der ADMONTER Gegend durch so viele Flüsse und Berge getrennt) nicht mehr als den Waffenträger Achills kennst, kennst du dennoch nicht nur die GESELLSCHAFT JESU, meine einzige Mutter, sondern hegst sie auch als ganze liebevoll, so dass du für solche Liebe und tiefstes Wohlwollen nicht mehr nur einen unfruchtbaren und unter einzelnen nackten Blüten dastehenden FRÜHLING, sondern auch die reife und fruchtstrotzende Herbstzeit erhoffen, ja sogar fordern könntest. Weder erröte ich vor Scham für mich noch fürchte ich für dich, wenn ich deine Gefühle und Gedanken, die auf diesen kleinsten Orden gerichtet sind, kundtue, zu dem dich zu bekennen du dich so wenig scheust, dass du ihn, wenn es die [140] Sachlage gebietet, gegen bissige Angriffe höchst freundschaftlich und unerschrocken verteidigst. Was soll ich hier deine Verehrung für unseren Heiligen IGNATIUS anführen? Was deine Hilfe, die du den Häusern und Kollegien unseres Instituts so oft wohlwollend und prompt gewährt hast, immer wenn es die Notwendigkeit mit sich brachte? Was soll ich die Gastfreundschaft, was erwähnen den Aufwand deiner freigebigen Rechten: groß fürwahr für alle, aber dennoch für die Unseren bewundernswürdig und herausragend? Wobei auch eben dieses Kollegium, in dem ich dies schreibe, sich ebenso häufig an solche Wohltat erinnert und immer erinnern wird, wie oft du es mit lebendigen Hilfeleistungen zu unterstützen für würdig hieltest.

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Reverendissimo Praesuli […]

excudi coeptus. Praebe ergo Manum illi Tuam, et Manum indulgentem; id est, patrocinij tutelaéque propitium fulcrum: quoad absolutiore plumâ pennáque, per caeterorum quoque volare manus discat. Cùm praesertim, in hoc DELICIARVM VERIS novitio Partu, etiam MERVLA sit (si legere digneris) sanctissimi Patris tui BENEDICTI symbolum: ex qua ille Ave, non maximâ, Victorias maximas, triumphos incomparabiles, et Romanorum vexillis potiores AQVILAS, Cupidinum domitor, reportavit. Vale, favéque, Praesul Reverendissime; ac VER (siquando vacat) non modò Lege; sed etiam ad immortalitatem Vive! Ingolstadij, Kalendis Maij, Anno Christiano M. DC. XXXVIII. In A durch Kursivierung hervorgehoben: 5 arridere, 15 pratis, Segetes, 18 Violae, 19 hortis, 21 Rosa, 23 Venatorum, 24 pastum, apiculae, 26 Ciconiae, 28 Nemoribus, Avicularum, 32 Sideris, 40 Philosophicum, assentatorium, 41 parùm philosophicum, 42 Vnicam, Plura, 46 Parelios, 48 nimis assentatorium, 49 claritate, 50 palpare, 54 luces, lucerna, 55 Candelabri, 56 Parelius, 57 Doctrinae, splendor, 60 splendor, firmamenti, 61 Docti fulgebunt, 64 facem, 65 Coenobio, Lycéi, Athenarum, 67 cogis, Lucis, 68 clientésque, 69 oculus, 71 calore, 72 ignibus, effervescant, 73 eminenti, insititio, 75 divini, 76 Coelo, 78 sphaeras, 79 stellas vicarias, 80 lucis, 82 Communi bono, excurrere, 83 exerrare, Coelum tuum, 84 gloriam Dei, enarrare, 87 luces, 88 Parelij, 91 Sideris, 93 lucidis, 94 radios, 95 Parelium, 99 Lumina, 100–104 Qui … DEI (außer [inquit]), 108 noctem, Arcticorum, 110 prodeant, 112 Alpibus, Gramina, 113 Herbae, Violae, Rosae, 114 Horti, Prata, Pascua, Nemora, Segetésque, 115 Venatici Lépores, 116 Apiculae, Ciconiae, 117 Aviculae, Lumini, 118 pennae, 122 Vernae, 124 Rusticas, cultissimis, 125 agreste, 137 messes, fructu, Auctumnos, 147 Collegio, 148 pedibus, vivis, 152 narro, 154 montanis, 160 manum, 161 Sylvestri Gyraldi, 165 redivivum, 166 Dexteram, 167 Extensam, 168 teres atque rotundus, 170 excludi 171 excudi, Manum, 172 patrocinij, fulcrum, 173 volare manus, 174 Partu, 179 Lege, VIVE. 9 aliunde] B; alicunde A 11 adventantem] B; adventantis A 12 tamen] B; tamen, A 13 Ad] B; AD A 29 noctibus] nictibus A; B 29 et] B; ac A 58 Phariam] B; Phariam, A 62 oleum] B; Oleum A 75 Tuus] B; Tuus, A 76 Tuopte Coelo] B; Coelo Tuopte A 84 Euangelica] B; Evangelica] A 100 DOMUM] B; DOMVM A 101 TEMPLUM] B; TEMPLVM A 125 TUIS] B; Tuis A 137 messes] B; Messes A 138 Mihi] B; mihi A 140 tu] B; Tu A – vereris] B; vereris, A 158 non repugnantis] B; non-repugnantis A 159 Ova] B; OVA A 179 Ingolstadij,] B; Ingolstadtij A

Widmungsrede an Urban

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Sehr viel übergehe ich bewusst, damit ich nicht offensichtlich eine Lobrede verfasse, der [150] ich doch einen Brief schreiben wollte. An dessen Ende erzähle ich deiner ehrwürdigsten Erhabenheit etwas: Als der HEILIGE KEVIN, höchst bekannter ABT unter den Stämmen Irlands, und mit dir (soweit ich weiß) zum selben Orden gehörig, der Heiligkeit des FRÜHLINGSFASTENS – den menschlichen Augen nach dem Beispiel CHRISTI entzogen – in den Bergwäldern und Waldeinsamkeiten oblag, streckte er eines Tages aus dem Fenster seiner Hütte die rechte Hand hervor, nach oben gekehrt nach alter Sitte der Bittenden, gleichsam eine Wohltat vom Himmel erflehend. Sofort flog vertraulich eine schwangere AMSEL herbei und legte dort, sich auf der Hand des nicht Zurückzuckenden, bei Gelegenheit sicherster Ruhe, niederlassend, allmählich das erste FRÜHLINGSERZEUGNIS, nämlich ihre Eier. Jener aber zog seine Hand, solange sie brütete, nicht zurück. Den Glauben an dieses ungewöhnliche Zeichen hielten noch [160] zur Zeit des Sylvester Gyraldus (durch dessen Feder dies der Nachwelt überliefert wurde) Bilder in Kirchen und Kapellen fest, [Bilder,] die den Heiligen KEVIN niemals ohne AMSEL zeigten. Stell’ dir also vor, ja glaube daran, ehrwürdigster Prälat, dass du in jenem deinem ADMONT und den entlegenen Alpentälern ein wiedererstandener KEVIN bist! Gewiss bist du ein ABT wie jener; und zwar ein BENEDIKTINERABT wie jener; seine stets ausgestreckte Rechte bildet die ewige Wiederholung der an die Himmlischen gerichteten Bitten nach. Siehe, es fliegt zu DIR mein Erzeugnis, hoffentlich geglättet und rund (wie ein Ei), aber doch tatsächlich FRÜHLINGSHAFT, das ich im FRÜHLINGSFASTEN vor neun Jahren ausgebrütet, erst in diesem Jahr aber, zur selben Zeit, [170] drucken zu lassen begonnen habe. Strecke ihm also deine Hand hin, und zwar eine gnädige Hand, d. h. die Unterstützung deines väterlichen Schutzes, bis es lernt, mit freierer Feder und Schwinge, auch durch die Hände der Übrigen zu fliegen. Zumal da in diesem neuen Werk der FRÜHLINGSFREUDEN auch (wenn Du es zu lesen geruhst) eine AMSEL vorkommt, das Symbol deines heiligsten Vaters BENEDIKT; mit Hilfe dieses, keineswegs größten Vogels, trug er die größten Siege, unvergleichliche Triumphe und als Bezwinger der Begierden ADLER davon, die mächtiger waren als die Feldzeichen der Römer. Lebewohl und sei mein Schutz, ehrwürdigster Bischof, und lies (wenn es irgend die Zeit erlaubt) nicht nur den FRÜHLING, sondern lebe bis zur Unsterblichkeit! Ingolstadt, am 1. Mai im Jahr Christi 1638 [180]

JOANNIS BISSELII è SOCIETATE JESV VERNORVM LIBRI TRES, QVIBVS DELICIAE VERIS DESCRIBUNTUR. Editio Altera. INVITATIO BIBLICA. SURGE, propera, amica mea, Columba mea, formosa mea, et veni! Jam enim Hyems transijt, Imber abijt, et recessit. Flores apparuerunt in terra nostra, tempus putationis advenit: Vox Turturis audita est in terra nostra: Ficus protulit grossos suos: Vineae florentes dederunt odorem suum. [Canticum] Canticor[um] 2 [10–13] VERNORVM LIBER I. CONTINENS DELICIAS VERIS INCIPIENTIS, SOLEM, ZEPHYRVM, CICONIAM, CATHEDRAM S[ANCTI] PETRI, NAVIGATIONEM, AVICVLAS, VIOLAS, HIRVNDINEM.

CONTINENS] B; Continens A PETRI] Petri A, B

JOHANNES BISSELIUS SJ DREI BÜCHER DER FRÜHLINGSFREUDEN. Zweite Auflage. BIBLISCHER VORSPRUCH MACHE DICH AUF, eile, meine Freundin, meine Taube, meine Schöne, und komm! Denn schon ist der Winter vorrüber, der Regen hat aufgehört und ist vergangen; Schon erscheinen die Blumen in unserem Lande, die Zeit ist gekommen, den Weinstock zu beschneiden, die Stimme der Turteltaube lässt sich in unserem Lande hören; der Feigenbaum setzt seine Knoten an, die Weinberge blühen und hauchen ihren Duft. Hohelied 2,10–13 DER FRÜHLINGSGEDICHTE ERSTES BUCH, ENTHALTEND FREUDEN DES ANBRECHENDEN FRÜHLINGS, DIE SONNE, ZEPHYRUS, EINEN STORCH, DEN STUHL DES HL. PETRUS, SCHIFFFAHRT, VÖGEL, VEILCHEN und EINE SCHWALBE

LIBER I.

ELEGIA I. ELEGIA I.] B; nächste Zeile: Prolusoria A

Vernis illecebris etiam Infantiae Venam et Ingenium excitari. I. Pueritiae primae ruditas: et Hyemis Squallor.

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PARVUS eram, trimóque minor: tamen ubere pulsus; Et, duce jam nullo, carpere doctus iter: Longa vacillantem turbabant carbasa gressum, Tardabátque breves invida ralla pedes. Balba reluctantem trudebant guttura vocem, Ibat et infanti blaesus ab ore sonus. Magnus Arundo labor, magnúsque erat, otia, pulvis: Déque luto structae, maxima Troja, casae. Tantillo genitrix dubitabat dicere: IANE! Ianelli tantùm nomine dignus eram. In nebulis tumulata suis Dianoea jacebat. Esse quod Ingenium debuit, umbra fuit. Est tamen Vmbrae etiam sua Lux, sua Noctibus astra; Et stata Cimmerius sidera nauta videt. Nec minùs in Puero mentis scintillat Opacum: Et Ratio è Cunis quantulacunque nitet. Non sola haec Ithaci, non sola est Hectoris aetas; Hîc etiam Astyanax, Telemachúsque vigent. Consulere Infanti, non et Meminisse, negatum est. O Superi, primos mî refricate dies! Quem primum Annorum memini (juvat ire retrorsum) Annus erat Scythicae barbarus axe nivis. Triste solum, gelidi Boreae, rigidissimus aër, Compulerant ipsos tecta sub alta Deos: Compulerant (quid nempe novum?) mortalia membra: In thalamos homines, in stabula arcta greges. Tunc ego prae reliquis colui Dis atque Deabus, Lignivorâ celebrem relligione Deam. Omnibus antetuli Sacra Fornacalia Sacris: Hîc sedi, hîc latui. Vita, CALERE, fuit.

ERSTES BUCH

ELEGIE I Dass mit den Reizen des Frühlings auch Geist und Begabung geweckt werden [I.] Der rohe Zustand der frühen Kindheit und die Unwirtlichkeit des Winters KLEIN war ich, noch nicht drei Jahre alt, jedoch von der Mutterbrust entwöhnt und fähig, schon ohne Führer vorwärts zu kommen. Noch verwirrten die langen Kleider den taumelnden Schritt, und das neidische Gewand hemmte die kleinen Füße. Die stammelnde Kehle stieß noch einen widerstrebenden Laut aus, und ein nur lallender Ton entwich dem kindlichen Mund. Ein Halm bedeutete große Anstrengung, groß war der Sandhaufen im müßigen Spiel, und noch von Lehm erbaut waren Deine Hütten, erhabenes Troja. Die Mutter zögerte noch, den kleinen Gernegroß »HANNES« zu nennen. Zu mir passte nur der Name »Hänschen«. [10] In seinen Nebeln lag noch das Denkvermögen begraben. Was Geist sein sollte, war noch Schatten. Jedoch auch zum Schatten gehört ein eigenes Licht, den Nächten das eigene Gestirn, auch der Cimmerische Seemann sieht seine Sterne. Nicht weniger funkelt bereits im Kind der Schatten des Geistes, und die Vernunft, wie gering auch immer, glänzt bereits in der Wiege. Nicht ist dies allein nur die Lebensstufe des Ithakers, nicht nur die eines Hektor. Hier gewinnen auch ihre Kraft ein Astyanax und ein Telemach. Rat zu pflegen ist dem Kind noch verweigert, nicht aber (mir), mich zu erinnern. O Götter, bringt mir zurück ins Gedächtnis meine ersten Tage! [20] Das erste Jahr, an das ich mich erinnere (Freude macht es, rückwärts zu gehen), war ein barbarisches Jahr mit einem Himmel von Skythischem Schnee. Der gefrorene Boden, die kalten Winde von Norden, die schneidende Luft hatten selbst die Götter unter die hohen Dächer getrieben: Sie hatten (wen wundert’s?) die sterblichen Glieder zusammengetrieben, in die Stuben die Menschen, in die festen Ställe die Herden. Damals verehrte ich mehr als die übrigen GÖTTER und Göttinnen nur die Göttin, die im holzverschlingenden Kult gefeiert wurde. Allen Kulten zog ich den Kult der Ofengöttin vor: Hier saß ich, hier hielt ich mich verborgen. Leben hieß WARM SEIN.

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Liber I

II. Pueritiae primae sensus.

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Interea non Terra mihi, non Orbita Solis, Non fuit alternîs Cynthia nota rotîs. Nescieram, Mundum esse aliquem. Sin scîsse faterer, Mundum intrà patrias sum ratus esse fores. Si bene te novi, rides, me tantula, lector, Nescisse. Hoc plus est; Nec mihi notus eram. Et me de Volucrum censu non esse, gemebam: Picta mihi chloris, picta placebat anas. Et flebam, modò donatus cùm liber in auras Effugeret Passer; Non potuisse sequi. Saepe etiam (ô votum!) par felibus esse, vovebam, Siqua catô murem prendere visa dolo est. Quadrupedem quoties quarto pede currere vidi, Clamabam; Heu, Quarto, cur ego cesso pede? Haec inter, fregíque hyemem, coluíque latebras, Mirans, tot Noctes post totidem ire Dies. 12 catô] B; cato A

III. Admiratio Veris et rerum conditarum, sensim pueris subnascitur.

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Qualis ab intortâ Limax testudine prodit, Si quando, abstersâ Plejade, Phoebe nites, Talis ab indoctae prorupit fornice noctis Mens bona, maturi temporis usa lucro. Vt visum est dignúmque astris, fixúmque Tonanti; Plurima Fatorum me docuêre libri. En! fluidîs sensim nivibus, Boreáque repressô, Cùm melior mites panderet aura vias Egredior (sive illud erat, Prorepere, caecis Prorepo è tectis) quáque libebat, eo. Ponè latus genitrix, comes et vestigia servans (Et, memini, genitrix Dîa Thalia fuit) Quà potui, et dederunt tenerae vestigia plantae, Clivosi supero cespitis alta puer. Audacem faciebat iter, Lucísque favores. Ascendo, et summo vertice figo gradum. Attollo hîc oculos; oculis Sol aureus instat: Demitto; inferiùs florida ridet humus.

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Erstes Buch

II. Die Empfindungen der frühen Kindheit Zu der Zeit war mir nicht die Erde bekannt, nicht der Pfad der Sonne, nicht der Mond mit seinem wechselnden Rund. Ich wusste nicht, dass es überhaupt eine Welt gab. Wenn ich aber mein Wissen hätte kundtun sollen, so war meine Meinung, die Welt reiche nur bis zu den Grenzen des väterlichen Hofes. Wenn ich Dich recht kenne, lachst Du, mein Leser, dass ich so Geringes nicht gewusst habe. Mehr noch als dies: Ich war mit mir selbst nicht bekannt. Und ich seufzte, nicht zur Gattung der Vögel zu gehören: Ein bunter Fink, eine bunte Ente gefielen mir. Und ich weinte, wenn der Spatz, eben geschenkt, frei in die Lüfte entfloh – ihm nicht folgen zu können. [10] Oft auch (was für ein Wunsch!) wollte ich wie die Katzen sein, wenn eine mit pfiffiger List eine Maus zu erhaschen schien. Sooft ich ein vierfüßiges Tier auf vier Füßen entlaufen sah, schrie ich: »Ach warum bin ich so langsam mit meinen vier Füßen?« Damit verbrachte ich den Winter und hütete den stillen Winkel, voll Verwunderung, dass so viele Nächte nach ebenso vielen Tagen kamen.

III. Allmählich erwächst in den Knaben die Bewunderung des Frühlings und der Schöpfung Wie eine Schnecke aus ihrem gewundenen Hause herauskommt, wenn irgendwann Du, Phoebus, erglänzest, da das Siebengestirn ausgelöscht ist, so brach aus der Höhle der unbelehrten Nacht der klare Geist hervor, hatte die Zeit der Reife sich zum Gewinn gemacht. Wie es passend dem [Schicksals-]Gestirn und dem Donnerer beschlossen erschien, lehrten mich [nun] die Bücher die Fülle des Schicksals. Sieh da, als allmählich die Schneemassen schmolzen, der kalte Wind sich gelegt hatte und als ein besserer Lufthauch gelinde Wege eröffnete, geh ich hinaus (oder vielmehr war das ein Hinauskriechen: ich krieche hinaus aus dem finsteren Haus) und gehe hin, wohin es beliebte, [10] mir zur Seite die Mutter, mich begleitend und über die Schritte wachend (und, ich erinnere mich, Mutter war die Göttliche Thalia). Soweit ich konnte und die zarten Füße die Schritte lenkten, überwinde ich, das Kind, die Höhen eines Grashügels. Kühn machten der Weg und die Gunst des Lichts. Ich steige hinauf und bleibe auf dem höchsten Punkt stehen. Hier erhebe ich die Augen; die goldene Sonne blendet die Augen; ich senke sie; drunten lacht der blühende Boden. Von dem, was das Ohr vernimmt, werde ich erregt; ein lieblichster Vogel erfüllt das Ohr: ich fasse den Ton, und vieltönig summt das [sizilische] Hybla. [20] Auch den Winden stemme ich mich entgegen; die Winde blähen meine linnenen Kleider, und ein heftiges Wehen schüttelt das verwickelte Sindonische Gewand. Auch jene schmeicheln-

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Liber I

Arrigor aure; aurem dulcissimus influit ales: Capto sonum, et multô murmurat Hybla sono. Obsto etiam Ventis; jactant mea lintea venti, Sindonáque implicitam flabra proterva vibrant: Illa etiam Aeoliô blandùm vernantia lusu, Intravêre meos, grata procella, sinus. Irruit et nudum tremulâ vertigine collum Spiritus, et crispâ basia fraude dedit. Arrisi hîc: placuítque fremor resonabilis aurae, Seu fuit haec Zephyri, seu fuit aura Noti. Circumspexi etiam: et latè rus omne virebat. Hîc demum addidici; Multa nitere forìs. Hîc tandem agnovi, Patriae post limina sedis, Posse etiam Thulen, posse jacere Sinas. Agnovi, majora domô, pomoeria Mundi; Maiores, quas Nix occuluisset, opes. Vidi Orbem, et Solem, et Zephyros, et germen, et arva. Tot mihi Delicias contulit una dies. 8 vias] B; vias. A 11 comes] B; comes, A 22 vibrant:] B; vibrant. A 34 Maiores] B; Majores A

IV. In Vere omnia contineri bona.

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Quaerebam attonitus, Quô lux tam dives ovaret Nomine? Quaerentem non remorata Dea est. Si petis ad plenum, non est hoc temporis hujus (Inquit, ab alternis Musa diserta modis) Si tamen hoc minimo satìs est, didicisse magistrô, Rem totam et nomen, Littera Terna dabit. Hoc Tempus, dulcésque horas, Lucésque beatas, Dic VER; et breviter dixeris, Omne bonum. Ipse DEVS VER est, Vernorum daedalus auctor: VER siquis nescit, vivere nescit Homo. Dixit: et abscessit; manserunt VERIS amores. Tempore ab hoc, aliquid si cano, Verna cano. Dat mihi Sol Phoebum: dant Venam Aganippida, fontes: Pierios Volucrum turba canora modos. Prata animos faciunt, laetum Tempe obvia versum. Heu mihi, materiae fertilitate premor!

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Erstes Buch

de Frühlingslust drang mit Aeolischem Spiel in meine Brust, eine willkommene Brise. Auch mit lebhaftem Wirbel drang ein Geisthauch auf den bloßen Nacken und gab mir Küsse in listiger Welle. Ich lächelte dazu, und mir gefiel das widertönende Brausen der Luft, ob das nun das Wehen des Frühlingswindes oder des Südwindes war. Ich blickte auch umher, und weithin grünte alles Land. Hier erst begann ich zu lernen, dass draußen vieles erglänzte. [30] Hier endlich erkannte ich, dass jenseits der Schwellen des Vaterhauses auch Thule liegen konnte, liegen konnte auch China. Ich erkannte, dass der Umkreis der Welt größer als unser Haus war; größere Mächte und Kräfte, die bisher der Schnee verhüllt hatte. Ich sah den Erdkreis und die Sonne und die Winde und den Trieb der Pflanze und die Felder. So viel reizende Freude gewährte mir ein einziger Tag.

IV. Im Frühling seien alle Güter enthalten Höchst erstaunt fragte ich, welchen Namens sich dieses so reiche Licht rühme. Die Göttin ließ den Fragenden nicht warten: »Wenn du auf das Ganze hinaus willst, ist es nicht eine Sache dieses Augenblicks« (sagte die Muse redegewandt mit ihrem alternierenden Versmaß), »wenn es dir aber genügt, dies vom kleinsten Lehrer zu lernen, werden dir drei Buchstaben die ganze Sache und den Namen bieten. Diese Zeit, die süßen Stunden und das Glück bringende Licht nenne FRÜHLING, und so wirst du all sein Gut mit einem Wort gesagt haben. GOTT selbst ist der FRÜHLING, der erfindungsreiche Urheber der Frühlingsgaben; ein Mensch, der den FRÜHLING nicht kennt, weiß nicht zu leben.« [10] Sprach’s und entfernte sich. Es blieb die Liebe zum FRÜHLING. Wenn ich seit dieser Zeit etwas besinge, besinge ich die Gaben des Frühlings. Die Sonne beschenkt mich mit Phoebus, die Quellen begaben mich mit der Aganippischen Ader, die wohltönende Vogelschar mit den Pierischen Weisen. Die Wiesen verleihen mir Mut, das Tempetal vor meinen Augen gibt mir einen fröhlichen Vers ein. Weh mir, ich werde von der Fruchtbarkeit des Stoffes schier erdrückt!

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Liber I

Omnia non possum; superest, Delecta referre, Et Florem è multis. Hoc quoque VERIS erit. 4 modis] B; modîs A 5 est,] B; est A 10 nescit Homo] B; nescit, Homo A 17 Delecta] B; delecta A 18 Florem] B; florem A

SOL. SOL in aspectu annuntians in exitu, Vas admirabile, OPVS excelsi * radios igneos exsufflans, et refulgens radijs suis. Ecclesiastici 43. Dulce LVMEN, et Delectabile est Oculis, videre SOLEM. Ecclesiastae 11. suis.] B; suis, obcaecat oculos. A – Delectabile] B; delectabile A

ELEGIA II. DE SOLE. Solem, tanquam VERIS, et bonorum sub Luna principium, ab omnibus expeti. I. Invitatio Solis, ut ex Africa adproperet in Germaniam. ut] B; vt A

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IAM novus Arctoas propior SOL adspicit arces; Productum gaudet Lux Alemanna jubar. Sensim Afros Titan, et Hiarbae damnat arenas; Accisum luget Punica Cirtha diem. Nunc radijs spatium extendunt melioribus Horae, Plúsque interregni Vesper et Ortus habent.

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Erstes Buch

Alles vermag ich nicht; es bleibt mir nur, Ausgewähltes zu erzählen und von einer Blüte unter vielen. Auch dies wird eine Gabe des FRÜHLINGS sein.

DIE SONNE Die SONNE verkündet ihn bei ihrem Aufgange durch ihr Erscheinen als ein wunderbares Gebild, ein WERK des Allerhöchsten. […] sie bläst feurige Strahlen, und blendet mit ihren leuchtenden Strahlen. Ecclesiasticus 43,2–5 Süß ist das LICHT, und angenehm ist es den Augen, die SONNE zu sehen. Ecclesiastes 11,7 ELEGIE II DIE SONNE Die Sonne, gleichsam Ursprung des FRÜHLINGS und alles Guten unter dem Mond, werde von allen herbeigesehnt. I. Einladung an die Sonne, aus Afrika eilends nach Deutschland zu kommen SCHON erblickt die neue SONNE – näher gekommen – die Burgen im Norden, und der deutsche Tag freut sich, dass das Gestirn vorgerückt ist. Nach und nach verwirft Titan die Afrikaner und die Wüste des Iarbas, das Punische Cirta beklagt die Verkürzung des Tages. Nunmehr dehnen die Tagesstunden mit intensiverer Strahlung ihren Raum aus; Abend und Morgen gewinnen einen größeren Anteil an der Zeit, die zwischen ihnen liegt.

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Exi igitur, fuscámque procùl pete pulsa Syenen, Nox longa! aut alios Endymionas adi. Cessatum satìs est, Geticae sub frigore brumae, Dum sepelit canas hirta pruina casas: Tandem iteretur opus! lentas dispescere Lunas, Et Vigilare, agili SOL monet ipse rotâ. Ille tot Europae rediviva negotia pandit, Belgica quot Syrias spargit in ora faces. I, felix! Libycíque procùl rubra brachia Cancri Effuge: Cimbrorum littora, Phoebe, pete. I, celer! et curru terras propiore Sicambras Instrepe. Vota tibi Teutonis ora facit. Te, quantum est oculorum, ultra citráque nivosum Danubium, et, furvâ quà strepit Albis Aquâ, Expetit, ac plenis includere nictibus ambit: Omniáque in solo SOLE theatra locat. 15 procùl] B; procul A 19 ultra] B; ultrà A 20 Aquâ] B; aquâ A

II. Solis species et fabrica.

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Nec mirum: specie rapitur, formáque Voluptas Optica; et ad tantae mens stupet artis Opus. Imminet, ecce, vagô revolubilis orbita circô, Pendétque è nulla machina tanta trabe! Sphaera, Syracosiô plus quàm planata cylindro, Perspicuo speculum vincit, et aera, globô. Aurea millenîs facies circumlita flammîs, Dissipat aequales, quà vibrat usque, comas: In medio, rutilis sapphirina trochlea guttis Sparsa, procùl tremulâ verberat ora face. Regna illinc, urbésque, et Nereos ampla refulgent Imperia. Haec superi lata Fenestra tholi est. 8 usque] B; vsque A

III. Solis redeuntis, in terras Influens liberalitas. Innumeri spargunt ingentia commoda lychni; Quótque Oculus radios, tot lucra terra capit.

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Erstes Buch

Mach dich also davon, lass’ dich vertreiben und begib dich weit weg zu dem dunklen Syene, lange Nacht, oder suche einen anderen Endymion auf! Genug der Untätigkeit, da unter der Getischen Eiseskälte starrender Winter weiße Hütten begräbt! [10] Es ist Zeit, die Arbeit wieder aufzunehmen! Die SONNE selbst mit ihren schnellen Rädern mahnt, die zur Trägheit verführenden Mondnächte weiter voneinander zu trennen und munter zu sein. Sie eröffnet für Europa die Wiederaufnahme so vieler Tätigkeiten, wie sie Syrische Strahlen an die Küste der Niederlande sendet. Geh’ mit Glück, und lasse in der Ferne die rötlichen Scheren des Libyschen Krebses zurück, komm, Phoebus, zum Gestade des Kimbrischen Landes! Komm schnell, und bewirke, dass das Sicambrische Land ächze, da dein Wagen näher kommt! Das deutsche Land heißt dich willkommen. Es sehnt sich nach dir mit allen Augen diesseits und jenseits der eisigen Donau, und da, wo die dunklen Wasser der Elbe rauschen, [20] und strebt danach, dich ganz mit seinen Blicken zu umfangen: Alles Schauen ist nun auf die SONNE gerichtet.

II. Aussehen und Bau der Sonne Und das braucht nicht zu verwundern. Vom Aussehen, wie es sich den Augen bietet, und von der Schönheit lässt man sich zur Augenlust hinreißen, und der menschliche Geist staunt angesichts eines so kunstvollen Werkes. Sieh nur, auf einer Kreisbahn bewegt sich das umlaufende Rund, und dieses gewaltige Werk hängt an keinem Stützbalken! Eine Sphära, sorgfältiger geglättet als der syrakusische Zylinder, übertrifft mit ihrem durchsichtigen Mantel Spiegel und Erz. Eine goldfarbene Form, umgeben von tausenden von Flammen, verstreut, wohin immer sie sich wendet, gleichförmige Strahlen. In ihrer Mitte trifft ein saphirfarbiger Wirbel mit rötlichen Tropfen aus der Ferne mit vibrierender Fackel die Gesichter. [10] Von ihr leuchten Reiche und Städte wider und die weiten Gefilde des Nereus. Dies ist das weite Fenster der Himmelskuppel.

III. Die Freigebigkeit der bei ihrer Wiederkehr auf die Länder niederstrahlenden Sonne Unzählige Strahlen verbreiten gewaltige Segnungen. Die Erde empfängt eben so viele Vorteile, wie das Auge Strahlen. Darin verbirgt sich die Wärme, darin

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Hîc Calor, hîc saevi latitat Fuga laeta Decembris, Hîc VER, hîc teneri Veris odora seges. Hinc Zephyri, hinc fluitant Eurorum mollia flabra; Hinc sua Phaeacum germina termes agit. De jubare hoc oritur (sive est Milesia proles, Sive Tarentino sidere rubra) Rosa. Denique, Paestanae quaecunque est gloria Florae, Quaecunque Assyrius cinnama praegnat ager, Totum hoc est vestri, Solaria fulgura, doni. Quò magis, ô, rapidis huc properate rotis. Apportate citis Vernum Titana quadrigîs: Tam longum asperitas nulla moretur iter! Siqua tamen glacies Riphaeîs horrida crustis, Pugnacem injiciet semisoluta moram, Ne trepidate! Vehit vester Lucra omnia currus. Tantum Onus, et glaciem franget, et omne gelu. Tunc ibit per aprica jocus. neque turpe jocari. Fecêre hoc magni, Sole calente, Viri: Nec puerili opus est discóve, trochóve, piláque. Vicinos Perdix, en, salit inter agros! Hujc Volucri puros Phoebos, et pabula praebe. Quae nunc est Perdix, mox tibi Mimus erit. 12 magis] B; magìs A 16 injiciet] B; inijciet A 19 jocus] B; Iocus A. – turpe jocari] B; turpe, Iocari A

ELEGIA III. Historica. [De Sancto Ioanne apricante.] Ludentem in aprico Divum IOANNEM Evangelistam, cum Perdice, Venator Ephesinus reperit: ac, veluti rem, à Sene, et Sene sancto, alienam admiratus, caussam rogavit. Quam Ioannes ab illo ipso, quem sciscitator gerebat, arcu accersitam, reddit; Nihil violentum diuturnum, nihil Diuturnum sine Remissione profuturum, arguendo. Vlysses Aldrovandus libro 13. Ornithologiae cap[ite] 16. ex Fulgoso. et alij. rem,] B; rem A violentum] B; Violentum A

QVÀ tumidis Ephesaea fremunt navalia trusa Fluctibus, et liquidô littora monte gemunt;

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die froh stimmende Flucht des grimmigen Dezembers, darin der FRÜHLING, darin die duftende Saat des zart keimenden Frühjahrs. Von ihr veranlasst, weht der sanfte Hauch des Zephyrs und der Südostwinde und treibt das Reis der Phäaken seine Keime. Von diesem Gestirn entsprießt (sei sie Milesischen Ursprungs oder unter Tarents Himmel rot erblüht) die Rose. Kurz – was immer zum Ruhm der Flora Paestums beiträgt, oder was an Zimt der Boden Assyriens reichlich hervorbringt, [10] das ist eure Gabe, Strahlen der Sonne. Eilt umso schneller hierher mit flinken Rädern und bringt das Frühlingsgestirn auf schnellem Viergespann herbei, keine Unbill soll den langen Weg behindern. Wenn aber gleichwohl schreckstarrendes Eis mit Riphäischem Frost eine Barriere bilden sollte, weil es noch nicht ganz geschmolzen ist, zaudert nicht! Euer Wagen trägt allen Segen! Eine solche Fracht wird alles Eis brechen und alle Kälte vertreiben. Dann wird unter heiterem Himmel ein lustiges Treiben herrschen: Nicht unschicklich ist es zu scherzen. Dies taten auch in der Sonnenwärme bedeutende Männer. [20] Und es bedarf nicht kindlichen Spiels mit Wurfscheibe, Reifen und Ball. Schau doch, das Rebhuhn hüpft auf den Nachbarfeldern herum! Biete doch diesem Vogel helle Sonnen und Futter! Es, das dir jetzt noch Rebhuhn ist, wird dir bald ein Schauspieler sein.

ELEGIE III Historischen Charakters [Der Heilige Johannes sonnt sich] Als der Hl. JOHANNES, der Evangelist, im Sonnenschein mit einem Rebhuhn spielt, findet ihn so ein Jäger aus Ephesus, und weil er sich über die Szene wundert, die sich gleichsam für einen alten Mann, und zwar einen heiligen Alten, nicht geziemte, fragte er nach dem Grund. Den gibt Johannes an , indem er gerade von dem Bogen ausging, den der Fragende führte: Nichts Gewaltsames sei von Dauer und nichts Dauerndes werde ohne Nachlass von Nutzen sein.

Ulysse Aldrovandi im 16. Kapitel des 13. Buches seiner Ornithologie, nach Fulgosus, sowie andere. WO die Docks von Ephesus dröhnen, getroffen von den angeschwollenen Fluten, und die Ufer von den Wasserbergen widerhallen, da stärkt JOHANNES, am fischreichen Meer sitzend, dessen Anblick vor Augen, seinen erschöpften Geist

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Ad piscosa sedens pelagi spectacula, fessos IOANNES animos, fractáque membra, levat. Gaudet Amazoniae dominis sub turribus urbis, Per scopulosa vagos confraga ferre pedes: Gestit et, umbrosae recubans ad murmura sylvae, Captare arboreum, quà citat aura, gelu. Apricari aliâs, coelóque ostendere sudo Ludum aliquem, et ludo scenam aperire, juvat: Scenae actrix, Avis est; Actor (quis crederet?) ipse: Perdicum ex agili gente Volucris erat. Incipit illa, minîs domini cicurata magistris, Saltare ad doctos irrequieta modos. Et nunc mobilibus gyrat spatia arcta choreîs. Et nunc contractas ampliat arte Vias. Assilit interdum, resilit modò; móxque recurrens, Ad genua à genibus, non ruit atque ruit. Saepe etiam, cinerescentis tecta aggere glebae, Occulitur, latebris concolor ipsa suis. Saepe quoque vnguiculis audax, et vestibus haerens, Consumit querulas, in mala nulla, minas. Mille alios nectítque dolos, et conserit artes. Obsequijs AQVILAE sic minor Ales adest. HAEC aliquis, tanto procùl in Sene demiratus, Aspicit, ut tanto non satìs aequa Seni: Tum propiùs, propiúsque movens, affatur. At illi Haud incomposito reddidit ore PATER; Arcum, inquit, nervúmque geris (nervum ille gerebat Atque arcum). Hos multo tende labore; fluent. Hos ipsos spatio interdum laxante remitte; Certior, in Nemorum Lucra, sagitta ruet. Sic ego, Nervum animi, concessa per otia, solvo, Quem nimiae tereret sedulitatis opus. Denique quidquid id est; Perdix nostra irrita non est. Perditur ista mihi, nec tamen Hora Perit.

1 QVà] B; QVâ A 10 juvat] B; iuvat A 11 ipse:] B; ipse. A 12 gente] B; gente, A 26 ut] B; vt A 35 Denique] B; Denique, A

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und die entkräfteten Glieder. Er freut sich, unter den herrschaftlichen Türmen der Stadt der Amazonen ziellos durch die unwegsamen Felsen zu spazieren, und beim Rauschen des schattigen Waldes auszuruhen und die Kühle unter den Bäumen zu genießen, wohin ihn eine leichte Brise lockt. Ein anderes Mal erfreut es ihn, sich zu sonnen und dem heiteren Himmel ein Spiel darzubieten und für ein Spiel die Bühne zu öffnen; [10] Actrice auf der Bühne ist ein Vogel, der Acteur – wer würde es glauben? – er selbst. Der Vogel gehörte zu der munteren Art der Rebhühner. Er begann, durch die mit Drohungen unterstützten Weisungen des Herrn abgerichtet, unermüdlich zu den erlernten Weisen zu tanzen. Bald dreht er sich auf engem Raum in beweglichem Reigen, bald erweitert er kunstvoll die engen Runden. Bald hüpft er herbei, bald hinweg, bald wieder von den Beinen des Herrn weghüpfend und zurückkehrend, zu ihnen eilt er und eilt doch nicht. Oft auch verbirgt [der Vogel] sich, gedeckt durch einen Aufwurf aschgrauer Scholle, da es von gleicher Farbe ist wie sein Versteck. [20] Oft auch klammert er sich kühn mit seinen Krällchen an die Kleider und zieht klagende Drohungen auf sich, allerdings ohne dass ihm ein Leid geschieht. Tausend andere Ränke und Kunststücke heckt er ununterbrochen aus, und der kleinere Vogel ist bereit, dem ADLER zu gehorchen. Dies sieht einer von ferne und wundert sich darüber bei einem so bedeutenden Greis, als ob es für einen so bedeutenden Greis nicht ganz angemessen sei, dann kommt er näher und näher und spricht ihn endlich an. Ihm aber antwortet der VATER mit ruhiger Miene: »Du trägst«, so spricht er, »den Bogen und seine Sehne (jener trug eine Sehne [30] und einen Bogen) – spanne sie mit aller Mühe, sie werden erschlaffen; entspanne sie bisweilen in erholsamer Pause: Dann wird der Pfeil sicherer auf die Beute im Walde fliegen. So löse ich, für erlaubte Mußestunden, die Anspannung des Geistes, den allzu fleißige Tätigkeit zermürben müsste. Wie immer dies aber auch sein mag – unser Rebhuhn ist kein Nichtsnutz. Diese Stunde vergeht mir zwar mit ihm, doch sie verdirbt nicht.«

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ELEGIA IV. DE DILVCVLO. Rupes est ac Sacellum, paullò suprà Ratisbonam, ad Confluentes Nabis et Danubij, Deiparae religioni sacrum: quod accolae Locum, vel Orth, appellant. Ibi Auroram auctor, pulcherrimè contrà radiantem, contemplatus, SOLEM votis advocat; principiò quidem naturalem, ac verum: deinde typicum atque metaphoricum. Ratisbonam] B; Ratisponam A

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SAEPE ego pendentem, scopuloso in littore Sylvam Occupo, Nabaeis quà coit Ister aquis. Hîc, canos inter frutices, et roscida saxa, Obvia in Eoas lumina figo plagas. Matutina (eheu!) tardum suspiria Phoebum, Necquicquam rauco saepe labore, cient. Clamo ego; Surge, Dies, et mundum sidere pinge! Clamanti, nihilô plenior illa venit. Pars coeli ista quidem Panchaeo fulgurat aurô: Pars haec Corycio ridet amoena crocô: Sarrano rubet haec, illa Afro punicat ostrô: Diluitur niveô caetera lacte Dea. Ah, DEA cur dixi? Divarum fallere non est. Aurorae dolus est: spem facit, absque fide. Cùm bene promisit plenîs Hyperiona flammis; Non stat promissis: non venit alma Dies. Quidnam, Aurora, facis? Quid, si non prima notâssem, Iam pridem e tacito fulgura lapsa peplo? Pace tuâ dicam! Illuso mendacia mundo Splendida prompsistis, túque tuúsque nitor. Promissae neuter venit ad Vadimonia Lucis: Nunc etiam, oppositu nubis, uterque latet. Quid precer iratus? vel, quam spes fracta Megaeram Evocet? Omnis enim laesa cupido furit. Imprecor; Vsque velis, Titan, atque usquè latere! SOLEM alium nobis forsitan Astra dabunt. Stat propè, littoreâ Marianum è rupe Sacellum, Horridus antiquâ relligione LOCVS. Antè fores, MARIAE effigies. Libet, arcta subire Ostia, et incurvô sternere membra situ. Interior variâ paries ab imagine doctus, Patmaei exilium Vatis, et acta, refert.

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ELEGIE IV DIE MORGENDÄMMERUNG Ein wenig oberhalb von Regensburg am Zusammenfluss von Naab und Donau finden sich ein Fels und eine Kirche, ein Heiligtum Gottes und der Gottesmutter, welches die Anwohner Locus, oder Orth, nennen. Nach der Betrachtung der Morgenröte Aurora, die ihm aufs Schönste entgegenstrahlt, ruft dort der Verfasser die SONNE mit seinen Gebeten an; zunächst die natürliche und wirkliche, dann die bildliche und übertragene. OFT halte ich mich in einem abschüssigen Wald am felsigen Ufer auf, dort, wo die Donau sich mit den Wassern der Naab vereint. Hier, zwischen silbrigen Sträuchern und benetzten Steinen, richte ich meine Augen auf die im Osten dämmernden Himmelsgefilde. Ach! morgendliche Seufzer rufen den trägen Phoebus herauf, oft vergeblich mit dumpfem Schmerz. »Komm herauf, Tag«, rufe ich, »und lasse die Welt in den Farben deines Glanzes erstrahlen!« Doch obwohl ich rufe, kommt er doch kein bisschen schneller zur Fülle. Jener Teil des Himmels blitzt schon von Panchaeischem Golde; dieser Teil lächelt noch mild in der Farbe des Kilikischen Krokus; [10] dieser färbt sich in Tyrischem Rot, jener errötet in Afrikanischem Purpur: Das Übrige der Göttin verschwimmt in milchigem Weiß. Ah, warum habe ich »Göttin« gesagt? Göttliche pflegen nicht zu täuschen. Aurora bedient sich der List: Sie macht Hoffnung, doch ohne sie zu erfüllen. Wenn sie so recht den Hyperion im vollen Flammenkleid versprochen hat, dann hält sie ihre Versprechungen nicht: Der segenbringende Tag kommt nicht. Was tust du, Aurora? Was, wenn ich nicht schon seit einer Weile bemerkt hätte, dass aus deinem ruhigen Gewand bereits erste Strahlen gefahren sind? Mit deiner Erlaubnis will ich sprechen! Du und dein Glanz, ihr habt die Welt genarrt und trügerisches Strahlen an den Tag gelegt. [20] Doch keines von euch beiden kommt, um für das versprochene Licht einzustehen: Beides liegt nun auch noch hinter einer Wolke verborgen. Was soll ich in meinem Zorn schimpfen? Soll die enttäuschte Hoffnung noch eine Megäre beschwören? Denn getäuschtes Begehren gerät stets in Raserei. Ich verfluche Dich, Titan, verstecke dich ruhig ewig hinter deinen Schleiern! Vielleicht wird uns der Himmel eine andere SONNE gewähren. Nahe erhebt sich eine Kirche der MARIA auf dem Felsen am Ufer; ORT, der mit alter Verehrung erschauern lässt. Vor den Türflügeln ein Bild Mariens. Es drängt mich, den schmalen Eingang zu betreten und auf dem unebenen Boden die Glieder hinzustrecken. [30] Im Inneren erzählt die Wand, lehrreich mit verschiedenen Bildern, die Verbannung des Sehers von Patmos und seine Taten.

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Mens calet, historiam hanc votivô evolvere versu. Huc ades! et trepidam dirige, Nympha, manum. Nympha, decus coeli, minimíque amplissima fani Gloria: quam semper nostra Thalia colit. Si neque SOL nostrum, nec Apollo adjuverit ausum: At, Tu aliquam (mea Lux) versibus adde diem! 15 flammis;] B; flammis A 16 Non stat promissis] B; Promissis non stat A 18 e] B; è A 38 diem] B; Diem A

ELEGIA V. Historica. MARIA IN SOLE. Divus IOANNES Evangelista, Zebedaei filiorum natu minor, sed tunc aetate jam affectâ, Domitiani Caesaris tyrannide, post ferventis Olei superatum Romae discrimen; relegatus in Patmon est, Aegaei maris Insulam, vnam è Quinquaginta tribus illis, quas Cycladas appellamus. Ibi, cum Próchoro discipulo, summâ rerum omnium inopiâ afflictissimus, sed coelestium solatiorum copiâ abundans, die quodam, post saeva tonitrua serenatô aethere, SOLEM aspexit, et in illo MVLIERIS simulacrum. Hanc alij Christianam Ecclesiam; alij non minore censu Patres MARIAM, Christi genitricem, interpretantur. Mihi nunc explicatio posterior, et, auctore magno, Divo Bernardo, placuit. Ostentum porrò describit ipse, qui aspexit, Apocalypseos cap[ite] 12. Et signum (inquit) magnum apparuit in caelo. Mulier amicta Sole, et Luna sub pedibus ejus, et in capite ejus Corona stellarum duodecim: et in utero habens, clamabat parturiens. * Et peperit filium masculum, qui recturus erat omnes gentes in virga ferreâ. Et raptus est filius eius ad DEVM, et ad thronum ejus. etc. et, auctore] B; et auctore A

I. Describitur Patmos: et Exilij Patmaei incommoda.

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DELICIAS locus omnis habet, si quaerere nôris; Et sua vel Scythicus commoda Vomer arat. Tu modò, cum duris, obfirma pectus, et opta. Quod tibi terra negat, forsitan Astra dabunt. Quid Zebedaeides, (Aegaeae Cycladis exul)

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Der Geist brennt darauf, diese Geschichte in andächtigen Versen zu erzählen. Steh’ mir bei, Jungfrau! Und lenke, Jungfrau, die zitternde Hand, Zierde des Himmels und höchster Ruhm des winzigen Heiligtums, du, der sich unsere Muse stets weiht. Wenn weder die SONNE noch Apoll unserem Wagnis helfen, dann gib doch du (mein Licht) zu diesen Versen den Tag!

ELEGIE V Historischen Charakters Maria in der Sonne Der Hl. JOHANNES, der Evangelist, der jüngere der Söhne des Zebedaeus, damals aber schon in hinfälligem Alter, wurde unter der Tyrannei des Kaisers Domitian, nachdem er in Rom die Probe mit siedendem Öl überstanden hatte, nach Patmos verbannt, einer Insel in der Aegaeis, einer von jenen 53, die Kykladen heißen. Dort erblickte er, zusammen mit seinem Schüler Prochorus, sehr in Bedrängnis durch den Mangel an allem, aber reich versehen mit der Fülle himmlischer Tröstungen, eines Tages, nachdem sich der Himmel nach heftigem Gewitter geklärt hatte, die SONNE, und in ihr das Bild einer FRAU. Diese deuten die einen Kirchenväter als die Kirche Christi, andere, mit nicht weniger Autorität, als MARIA, die Mutter Christi. Mir nun gefällt die zweite Deutung, und zwar auf die bedeutende Autorität des Hl. Bernhard hin. Die Offenbarung hat ferner der, der sie gehabt hat, selbst beschrieben, im 12. Kapitel der Apokalypse: »Und es erschien«, so sagte er, »ein großes Zeichen im Himmel: Ein Weib mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen. Und sie war gesegneten Leibes und rief in Geburtswehen […] Und sie gebar einen Sohn, einen mannhaften, der alle Völker mit eisernem Stabe beherrschen soll. Und ihr Sohn ward entrückt zu Gott und zu seinem Throne« usw. I. Es werden Patmos und die Beschwernisse des Exils auf Patmos beschrieben REIZE hat jeder Ort, wenn man nur zu suchen weiß; und selbst in Skythien gibt es Stellen, wo man voll Behagen den Pflug führt. Du wappne nur dein Herz mit

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Iunior, Icarias inter agebat aquas? Eminus hujc fasces, et Portae vasa Latinae Intentabat atrox cum Duce Roma suo: Comminus, undosis Myrtoa procella ruinîs, Vatidicum sparsit saepius imbre caput. Parvula pugnaci circumdata Patmos ab Euro, Succusso quoties est tremefacta solô? Exul ibi, aëriam selegerat advena rupem, Cujus in insana pars natat imma Theti. Ardua lunato frons despicit aequora saxô, Penduláque iligno murmure sylva fremit. Restat adhuc hodie fruticantis inhospita sedes Verticis, et sterili pumice fultus apex. Nulla ibi sepositae Cerealia pabula vitae, Non seges, aut flavîs spicea virga comis. Non glans, non acidîs Vindemia falsa labruscis, Non spuria, invitîs edita mora rubis. Non saltem, ostrinô tacitè serpentia luxu, Praebebant facilem devia fraga dapem: Cana sed è scabris enata absinthia tophis, Protulerant Scythicae fertilitatis opes. Rara per exesas errabat cochlea cautes, Viscoso signans lurida saxa gradu. Ponè pedes Vatis, minimô cicurabilis anno, Perdix, nunc altas docta habitare plagas: Et comes ille alter, fuscîs Melanaeetus alis (Facta est IOANNIS, quae Iovis ales erat.) Tertius exsilij et studiorum immotus Achates, Discipuláque haerens, inter amara, fide, Post frondes Prochorus divini effata magistri Pensabat, memori dans sacra Verba libro. Ipse Heros (ille ambrosius coenantis alumnus Numinis, et Coeli semper Erote fluens) Summa relegatô Scopuli fastigia calce Versabat. Dubium mens agitabat opus.

4 terra] B; Terra A 22 invitîs] A; invîtis B 28 Viscoso] B; Viscosô A

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Härte und bete – was dir die Erde versagt, werden dir vielleicht die Gestirne gewähren. Was tat der jüngere Sohn des Zebedaeus, der Verbannte auf der Kykladeninsel in der Aegaeis, umgeben von den Wassern des Ikarischen Meeres? Von fern wies ihm das furchtbare Rom mit seinem Führer Rutenbündel und den Kessel an der Porta Latina, in der Nähe überschüttete der Sturm der Aegaeis immer wieder durch wogende Brecher mit einem Schwall das Haupt des Propheten. [10] Wie oft wurde das winzige Patmos, umweht vom streitlustigen Eurus, durch Erschütterung des Erdbodens ins Wanken gebracht! Der verbannte Fremde hatte dort einen luftigen Fels erwählt, dessen unterster Teil im tobenden Meer schwimmt und dessen Außenseite mit halbmondartig gekrümmter Klippe steil aufs Meer blickt. Schwankend rauscht dumpf der Steineichenwald. Noch heute ist der ungastliche Sitz des buschigen Gipfels erhalten und die Spitze, der auf unfruchtbar zerklüftetem Gestein ruht. Nirgends gibt es dort Nahrung von Ceres’ Korn für ein besseres Leben, kein Saatfeld oder Getreidehalme mit gelben Ähren, [20] keine Eichel, keine fragwürdige Weinlese mit sauren Trauben, auch keine falschen Maulbeeren, von den Büschen unwillig hervorgebracht. Nicht einmal Erdbeeren, in üppigem Purpur am Boden kriechend, boten abseits vom Weg leichte Nahrung, sondern grauer Wermut, auf rauem Tuff gewachsen, brachte Schätze Skythischer Fruchtbarkeit hervor. Selten irrte eine Schnecke durch die ausgefressenen Felsen und hinterließ als Zeichen ihre Schleimspur auf den fahlen Steinen. Zu den Füßen des Propheten nur das Rebhuhn, im Bruchteil eines Jahres zu zähmen, das nun gelernt hatte, auf hochgelegenen Flächen zu hausen [30] sowie jener andere Begleiter, der Schwarzadler mit seinem dunklen Gefieder (der Jupiters Vogel war, ist der des Johannes geworden). Als dritter, unerschütterlicher Achates des Exils und der Studien hing Prochorus mit der Treue des Jüngers auch in den Bitternissen an ihm, bedachte hinter der Hülle aus Laub die Aussprüche des göttlichen Lehrers und vertraute seine Worte zur Erinnerung dem Buch an. Der Heros selbst (jener ambrosische Jünger des Gottes beim Mahle, der immer von himmlischer Liebe überfloss) trat oben auf den Fels mit dem Fuß des Verbannten. Sein Geist bedachte ein unbestimmtes Werk.

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II. Varia Maris Aegaei spectacula.

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Quacunque aspiceret, freta lata videbat; et udô, Ventorum è pugnis, littora fracta Notô; Aut pulsata alibi Syrijs vada Naxica remîs, Aut tumida Odrysiô barbara vela sinu; Aut propiùs gemmatâ Anates Colophonidas alâ, Piscosos tremulô findere clune lacus; Et poterat, Plumae tinctos nive, cernere Olores, Ire Caystraeis, vesca per arva, chorîs. Nec procul indè, macro recubans in littore Pastor, Servabat querulum, Thyrsidis arte, gregem, Disparéque hirsutum modulatus arundine carmen, Aequoreo timidas margine agebat oves. Exulis haec Oculos spectacula sola citabant: Illa sed, ô, tanto quantula cura Viro? 7 nive,] B; nive A

III. Ioannes diviniora quaerit.

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Alta oculus sequitur generosus: et, edita partu Palpebra coelesti, sidera sola petit, Huc ora, huc gemino spatiantia lumina fluxu, Evibrat: In Coelo, quod speculetur, habet. Sed tarda haec ipsa est tam grati janua ludi: Summa patent lentis amphitheatra serîs. Hispida sidereas umbrârant nubila portas, Pensilibúsque latens Sol erat ater aquîs: Tetra procellosos collegerat aura tumultus, Ibat et Argolicô Plejas aquosa freto: Mox fragor, et mistô decumana tonitrua Cauro, Et tremefacta unis, Terra, salum, aura, minîs. Pande, Pater, Coelum! (clamabat ad aethera Vates) Clamantem surdae detinuêre morae. Perstitit ille tamen, raucis tentare Tonantem Vocibus, et superas sollicitare fores. Scilicet, Invictis pretium est cum foenore Votis. Fertiliore venit Gratia Tarda sinu. 13 Coelum] B; Caelum A 15 tentare] B; lentare A

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II. Verschiedene Erscheinungen auf dem Aegaeischen Meer Wohin er auch schauen mochte, erblickte er weite Meeresflächen und vom feuchten Nordwind in den Kämpfen der Winde zerfurchte Gestade; oder an anderer Stelle die Fluten um Naxos, von syrischen Rudern durchpflügt, oder im Wind geblähte Barbarensegel im thrakischen Meerbusen; oder näher zu ihm, die Enten von Kolophon, die mit gesprenkeltem Gefieder und wackelndem Schwanz die fischreiche See durchzogen; auch Schwäne konnte er sehen, die mit schneeweißem Gefieder in kaystrischem Reigen über die mageren Felder zogen. Nicht weit davon lag ein Hirte am kargen Strand und hütete nach Art des Thyrsis seine blökende Herde. [10] Auf den ungleichen Rohren [der Panflöte] blies er eine ländliche Weise und weidete seine ängstlichen Schafe am Meeresrand. Dies waren die einzigen Schauspiele, die den Blick des Verbannten auf sich zogen; aber oh, wie wenig beschäftigten sie den großen Mann!

III. Johannes sucht Göttlicheres Ein edles Auge richtet sich nach oben, und das Lid, das dem Himmel entstammt, strebt allein nach den Sternen. Hierhin sendet er seinen Blick, hierhin den schweifenden Blick seiner beiden Augen: Am Himmel hat er, wonach er Ausschau halten kann. Aber selbst die Tür zu diesem so angenehmen Schauspiel ist träge, und langsam öffnen sich die Pforten des Theaters in der Höhe. Zerrissene Wolken hatten die Sternenpforten überschattet, und schwarz war die Sonne, die sich hinter den hängenden Regenwolken verbarg: Ein garstiger Wind hatte sich zu stürmischem Aufruhr angestaut, und die triefenden Plejaden ergossen sich über das argolische Meer: [10] Gleich darauf krachte es, gewaltige Donnerschläge mischten sich unter das Heulen des Caurus, und eine einzige Drohung erschütterte Erde, Flut und Luft. »Öffne, Vater, den Himmel!« (so rief immer wieder der Prophet zu den Höhen); sein Rufen blieb lange unerhört. Doch er hörte nicht auf, mit heiserer Stimme den Donnerer um Erhörung zu bitten und die Himmelstore zu bestürmen; denn wer nicht nachlässt im Gebet, dem wird sein Lohn mit Zinsen gewährt. Die späte Gnade kommt in umso größerer Fülle.

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IV. Aspectus MARIAE, omnibus Insularum spectaculîs gratior.

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Flebat adhuc. flenti nec opinîs aureus aether Subrisit radijs, explicuítque diem. Nec mora: coelicolûm, detersîs nubibus, ingens Emicat, ac pleno Regia Sole patet. Candida, diductis rerum miracula Velîs, Lux aperit: Mundi scena retecta patet. Montis ab aërij speculâ, jacuêre Prophetae Ante oculos, latô Dorica regna salo. Hinc Claros, indè Paros, Naxósque, et dura Seriphos: Tum Cos et Lesbos, tum Samos atque Chios. Prae reliquis Delos, stabili tandem incuba fundo, Est procùl Ortygios visa aperire tholos. SED nihil haec firmam inflectunt spectacula mentem. COELVM si quis amat, caetera Ficta putat. In medium torquet Senior sua lumina Solem, Persequitúrque capax abdita fata Sophus. SOLIS in aurato (visu mirabile!) circo, Apparet roseîs blanda Virago genis. Flava Arimaspaeô rutilabat palla metallo, Cingebat croceas fulva tiara comas. Luna premebatur dominis argentea plantîs: Ambibat nitidum stelleus ordo caput. Hinc, modò coelestem qui acceperat Ilithyiam, Maternâ exclusus fertilitate Puer, Ad sua vix natas tendebat sidera palmas, Sospes vt anguineae falleret ora famis.

14 Ficta] B; ficta A

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IV. Der Anblick MARIENS, willkommener als jedes Schauspiel der Inselwelt Seine Tränen flossen noch, da lächelte dem Weinenden in unverhofftem Strahlen ein goldener Himmel zu und breitete den hellen Tag aus. Und schon sind die Wolken hinweggewischt, und das riesige Königsschloss der Himmlischen leuchtet hervor und liegt im Glanz der vollen Sonne offen da. Die Schleier des Irdischen sind gelüftet, das klare Licht enthüllt das Wunderbare: Die Bühne der Welt steht unverdeckt offen. Von der Warte des luftigen Berges aus lagen vor den Augen des Propheten die Griechischen Reiche im weiten Meer; hier Klaros, dort Paros, Naxos und das harte Seriphos: sodann Kos und Lesbos, Samos und Chios. [10] Vor allen anderen schien Delos, das endlich auf festem Grund lag, in der Ferne die ortygischen Kuppeln zu zeigen. Doch diese Schauspiele lenken den standhaften Geist nicht im Geringsten ab. Liebt einer den Himmel, so ist ihm alles andere nur Schein. Mitten in die Sonne lenkt der Greis seine Blicke, und beharrlich verfolgt der empfängliche Weise das verborgene Schicksal. Im umgoldeten Rund der Sonne (ein wundersamer Anblick!) erscheint eine majestätische Jungfrau voll Liebreiz, mit rosigen Wangen; ihr rötlichgelbes Gewand funkelte, mit arimaspäischem Gold durchwirkt, ihr safranblondes Haar bekränzte eine schimmernde Krone. [20] Der silberne Mond lag unter den Fußsohlen seiner Herrin, ihr stattliches Haupt umgab ein Sternenkranz. An ihrer Seite war der Knabe, der gerade seine himmlische Geburt erfahren hatte, der Knabe, den die mütterliche Fruchtbarkeit geboren hatte. Die soeben geborenen Hände hielt er zu seinen Sternen erhoben, um heil dem gierigen Schlund der Schlange zu entgehen.

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V. Interpretatur hoc Meteorum Ioannes, et in MARIA acquiescit.

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Hîc Vates dubius, Quam crederet esse Puellam? (Nam geminam obtulerat bina figura fidem,) Sancta Sibyllinae tabularia consulit arcae, Mox; Agnosco (inquit) sive Ea, sive Mea, est: Vtraque Virgo placet. nostrae tamen ora MARIAE Malumus, in dubia credere picta face. Illa diurna mihi rutilet, Solem esse putabo: Illa mihi rutilet Vespere, sidus erit. Luna erit, umbriferîs quoties affulserit horis: Luce merâ si sit praestò, erit ipsa Dies. Quòd si fortè meis nunquam se obtutibus abdat, Iam nobis Coelum fiet, et omne jubar. Hujus in aspectu totum, ô, mihi transvolet aevum! Sat vitae est, si sat visa MARIA fuit. Ecce, mathematicîs nova quaeritis astra dioptris, Gens Pharia. In Matre hac Lactea tota via est. Dixit, et intuitu dudum indimotus avaro, In MATRIS casto lusit amore Senex. Vatidicos indè ad calamos, chartámque reversus, Intulit arcanis lucida monstra libris: Atque è sylvosae despectans vertice Patmi; Patme (ait) et Danaûm, Cyclades, inter aquas! Patria, an Exilium sitis, discernere durum est: Difficilem certè dat plaga vestra Larem; Sed datis interea et MATREM mihi cernere. MATREM Quisquis habet, Patriae dimidium Exul habet.

3 arcae,] B; arcae. A 4 Mea,] B; Mea A 9 umbriferîs] B; vmbriferis A 11 abdat,] B; abdat; A 12 Coelum] B; Caelum A 17 Dixit,] B; Dixit. A

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V. Johannes deutet dieses Himmelsgesicht und findet in MARIA seinen Frieden Hier war der Seher unsicher, für wen er diese Jungfrau halten sollte? Denn die zweifache Gestalt hatte in ihm zwei Vermutungen geweckt. Er zieht das heilige Archiv der sibyllinischen Truhe zu Rate, und bald spricht er: »Ich erkenne sie, ob es nun diese oder die Meine ist: Beide Jungfrauen gefallen mir. Doch ich ziehe es vor zu glauben, dass es das Antlitz unserer MARIA ist, das in dem ungewissen Strahlen abgebildet ist. Scheint mir dieses Licht am Tage, so werde ich es für die Sonne halten, scheint es am Abend, so wird es der Abendstern sein. Der Mond wird es sein, sooft es in den umschatteten Stunden erglänzt: Ist es im reinen Licht zur Stelle, wird es der Tag selbst sein. [10] Aber wenn es sich meinen Blicken nie mehr verbirgt, wird es mir der Himmel werden und alle Gestirne. Ach, möge mir in diesem Anblick das ganze Leben verfliegen! Lange genug habe ich gelebt, wenn ich MARIA lange genug geschaut habe. Seht, da sucht ihr mit astronomischen Gläsern neue Sterne, Volk von Pharos: Dabei ist in dieser Mutter die ganze Milchstraße.« So sprach er, und ohne seinen sehnsuchtsvollen Blick je abzuwenden, ergötzte sich der Alte lange an seiner keuschen Liebe zu der MUTTER. Dann kehrte er zu seinen prophetischen Schreibfedern und dem Papyrus zurück und trug die leuchtende Wundererscheinung in die Bücher der Geheimen Offenbarung ein: [20] Und vom Gipfel des waldigen Patmos herabblickend, sagte er: »Du, Patmos, und ihr, Kykladen in den Wassern der Danaer! Es ist schwer zu entscheiden, ob ihr Heimat oder Exil seid: Gewiss gewährt euer Landstrich nur eine beschwerliche Behausung; doch dabei gewährt ihr es mir, die MUTTER zu schauen. Ein jeder, der eine [oder: die] MUTTER hat, hat selbst als Verbannter einen Vorgeschmack der Heimat.«

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ZEPHYRVS, seu, FAVONIVS. Psalmo 134. Producit ventos de Thesauris suis. Psal [mo] 147. Flabit Spiritus ejus, et fluent Aquae. ejus,] B; ejus; A

ELEGIA VI. DE ZEPHYRI ADVENTV. Auctor, cum Sodalibus, ad Lacum et Sylvam quiescens, Favonij allapsum notat, et frui jubet. ADVENTV] B; in neuer Zeile: adventu A

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TEMPESTIVA Qvies fessis! Hîc, ipse quietem Nos Lacus, et Dryadum molle cubile, docent. Hîc sacer Aonias rarô fovet ordine fagos Collis; et hinc umbrîs, inde calore placet. Consideamus! Amant doctae sylvestria curae. Hîc sonet, alterno Fabula tracta joco. Pars Nivis exacta est, et sicca sedilia praebet: Pars superest, lento semisoluta gelu. Quid nocet? En, etiam hanc tandem sua decoquet aetas, Et liquidâ in Pontum coget abire fugâ. Interea quaedam est, etiam Exspectare, Voluptas: Cras abscedet Hyems, siqua relicta hodie est. Omnia vicinam spondent praeludia Floram: Consona praesagam spirat et aura fidem. Pandite, turba, sinus! Ab Atlantide molliter undâ Hesperias Zephyri promovet ala rates; Ac tepido stringens maria Europaea susurro, Aurorae Assyrias stridet ad usque plagas. Aspicite! ut fluidis leviter trepidantia rugis, Subdita disparibus stagna vibrentur aquis? Aspicite, ut tenera sylvam modò fronde comantem, Lenibus increpitent flabra canora minis! Blandus in obliquas, sine turba, defluit aures Ventulus, ac tenui maxima voce canit.

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ZEPHYRUS, ODER: FAVONIUS Psalm 134,7: …, der die Winde aus seinen Schatzkammern hervorholt Psalm 147,18: Es weht sein Wind, da fließen die Wasser.

ELEGIE VI ZEPHYRS ANKUNFT Als der Verfasser mit seinen Gefährten an See und Wald ruht, bemerkt er das Nahen des Favonius und fordert auf, sich an ihm zu freuen.

GLÜCKLICH die Ruhe für die Erschöpften! Hier lehren uns Ruhe der See selbst und das weiche Lager der Dryaden. Der heilige Hügel hier lässt in lichter Ordnung aonische Buchen wachsen, hier gefällt er durch Schatten, dort durch Wärme. Lassen wir uns nieder! Poetisch-gelehrte Arbeit liebt Waldesluft. Hier soll eine mit wechselndem Frohsinn ausgesponnene Geschichte erklingen. Ein Teil des Schnees ist geschmolzen, und dieser Umstand gewährt trockenen Sitz, ein Teil ist noch vorhanden, halbgeschmolzen in langsam weichendem Frost. Was schadet’s? Sieh, auch diesen wird schließlich die Zeit auflösen und ihn zwingen, in klar-fließender Flucht ins Meer zu verschwinden. [10] Darauf zu warten macht inzwischen schon Vergnügen. Morgen wird der Winter scheiden, auch wenn heute noch etwas von ihm da ist. Alle Vorzeichen künden die nahe Flora an, und einhellig atmet die Luft ein vielversprechendes Ahnen. Öffnet, ihr Freunde, eure Gewänder! Von der Woge des Atlantik führt Zephyrs Flügel sanft hesperische Segel heran und, während er mit lauem Säuseln über Europas Meere hinstreicht, klingt es bis zu Auroras syrischen Gefilden. Seht nur, wie die Gewässer leicht zittern in flüchtigen Runzeln und unter uns die Wasser sich in Wellen kräuseln! [20] Seht nur, wie den Wald, der sich gerade mit zartem Blattwerk belaubt, rauschendes Wehen mit sanftem Drohen durchfährt. Schmeichelnd streift ein Lüftchen von fern ohne Ungestüm die Ohren und kündet klingend mit zarter Stimme von großen Dingen.

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VER (ait) et tepidos mecum Titanas, et almam Flore novo Majam, et roscida prata, veho: Credite, mortales: ac, dum sinit aureus annus, Obvia praecipiti carpite dona manu; Festinate frui. Fugit omnis laetior hora: Verna tamen reliquis ocyùs hora fugit. Dum loqueris, Zephyrus languentibus interit alis: Et proprium Occidui est Flaminis, Occidere. 3 rarô] B; raro A 11 etiam] B; Etiam A 12 Hyems] B; hyems A 21 tenera] B; tenerâ A

ELEGIA VII. De eodem Argumento. Ad Gunzium, Sueviae amnem, deambulanti auctori; simul cum Zephyro, Carminis impetus affluxit.

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QVÀM juvat, ad patrij spatiantem flumina GunzI, Leniter impresso frangere prata pede? Nec me tam, vitreus (quamquam est verè Aureus) amnis, Quàm Maris Hesperij nobilis Aura, capit. Hanc ego, dum contrà adversis iter urgeo ripis, Diducto tunicae largiter abdo sinu. Parvo emitur, quidquid vendit Natura, paratu. Saepe etiam è Ventis grandia lucra feras. En, ego, dum patulo flabella Favonia collo Excipio, ac zephyris obvius ora gero, En mutor, virésque novas animúmque recoctum, Et quiddam accipio, quod neque, Phoebe, dares. Affluit imbutus meliori Pallade sanguis, Affluit Ascraeae nobilis humor aquae. Entheus, ingenuo redivivus sidere turget Impetus, in Versum, dum favet hora, furo. Ite aliquis, celerémque stylum, facilésque tabellas, Quas Cressa gypsat Noricus arte faber, Sive palimpsesti bibulam mihi porgite pellem. Scribam ego, dum Pennam carminis aptat Amor. Sed nemo est. Si nemo meis indulserit arma Votis; si láterem Vóxque precésque lavant; Si canimus surdis, dum plectrum in barbita docta Poscimus: at nihilo mitiùs usque furam.

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»Den FRÜHLING«, sagt er, »und laue Sonnentage und mit neuer Blüte die segenspendende Maja und betaute Wiesen bringe ich. Glaubt es, ihr Sterblichen, und, solange das goldene Jahr es gewährt, pflückt mit eiliger Hand die Gaben, die es bietet. Genießet ohne Verzug! Jede frohere Stunde entflieht, die Frühlingszeit aber noch schneller als die anderen.« [30] Während du noch sprichst, entschwindet Zephyr mit erschlaffenden Flügeln; eine Eigentümlichkeit des Windes, der vom Sonnenuntergang her weht, ist es, [selbst] zu vergehen.

ELEGIE VII Gleichen Inhalts Als der Autor an der Günz, einem Fluss in Schwaben, entlang spazieren ging, wehte ihn mit dem Zephyr der Drang an, ein Gedicht zu verfassen. WIE freut es mich, am Strom der Günz, meines Heimatflusses, spazieren zu gehen und mit sanftem Schritt das Wiesengras zu knicken! Und mich nimmt nicht so sehr der glasklare Fluss ein (obwohl er wahrhaft golden ist), wie der edle Luftstrom des westlichen Meeres. Diese berge ich, während ich meinen Weg eilends stromaufwärts nehme, reichlich im Bausch meines weit sich öffnenden Mantels. Mit geringem Aufwand ist zu erwerben, was die Natur feil bietet; oft kann man sogar von den Winden großen Gewinn schöpfen. [10] Sieh da, so wandle ich mich, während ich den Hauch des Favonius ganz auf meinen geöffneten Kragen wirken lasse und mein Gesicht in den Zephyr halte, gewinne neue Kräfte, einen frischen Geist und dazu etwas, was nicht einmal du, Phoebus, zu geben im Stande wärst. Blut fließt mir zu, von besserer Weisheit genährt, und edles Nass aus den Wassern von Askra. Ein gottbegeisterter Drang schwillt neu belebt von edlem eigenem Gestirn in mir, und er reißt mich zu einem Gedicht hin, solange die Gunst der Stunde währt. Geh doch einer, und bringe mir einen raschen Griffel und schnell beschreibbare Tafeln, wie sie mit kretischer Kunst Nürnberger Handwerker mit Gips überzogen fertigen, oder reiche mir das aufnahmefähige Pergament eines Palimpsests, und ich will schreiben, solange mir die Liebe zum Dichten die Feder bereithält. [20] Aber keiner ist zur Stelle. Wenn mir niemand das Gerät für mein Vorhaben gnädig bereit stellt, meine eindringlichen Bitten einen Ziegelstein waschen und wenn ich tauben Ohren singe, da ich für kunstvolle Lieder eine Laute fordere, will ich doch um nichts milder gestimmt im Furor sein.

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In Zephyri laudes se Pythius egeret ardor. LAVS vera in quovis est speciosa libro. Daedala nativo se codice populus offert: Hujus in abraso cortice, pauca noto. In dextra graphium est. Sculpo hîc tibi clauda, Favoni, Disticha. Vt aspires, non precor: Ipse facis. 10 zephyris] B; Zephyris A 15 Entheus,] B; Entheus A 18 Cressa] B; Cressâ A 22 láterem] B; laterem A 24 Poscimus:] B; Poscimus. A 26 libro] B; Libro A 27 nativo] B; nativô A 30 precor:] B; precor. A

ELEGIA VIII. Laudes Zephyri. Versibus, in cortice populeo incisis, Ventus hic ventis caeteris praefertur; et à mansuetudine commendatur. praefertur;] B; praefertur, A

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MVLTA etiam peregrè veniunt bona. Saepe sub axem Pacificum ingenium barbara terra dedit. Et te, Anthropophagis Brasilorum è portubus ortum Ad nos, ô Zephyre, squallida mittit Hyems. Tu tamen, humana placidissimus indole, mores Grajósque et Latios, extere Vente, sonas. Mollibus Hesperias alternans motibus alas, Nullo clamosum turbine cogis iter. Non tibi Bistonij stomachosa tonitrua Cauri, Non placuit torvi bilis aquosa Noti: Non te Gedrosij rabies violentior Euri, Non Mesophoenicis sibila pugna juvat: Sed, Samiâ propè lege silens, taciturna modestus Flamina moliris; vixque notandus, ades. Non tu magnanimis turrita Palatia rixis Aggressus, stratae funere molis ovas: Nec strage arborea, sylvestribus arva ruinis Integis, aut Nemeae frondea regna trahis. Vix cannam impellis, fragilíque statumine juncos: Per te, etiam sabuli est inviolata strues.

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Pythische Glut wird sich zum Lobe des Zephyrs verströmen. Wahrer Ruhm erglänzt in jeder Art von Buch. Passend bietet sich die Pappel mit dem ihr eigenen Bast dar. Ich nehme ihre Rinde ab, und notiere Weniges. In der Rechten habe ich einen Griffel, und ritze für dich, Favonius, »hinkende« Distichen. Dass du mich anhauchst, erbitte ich nicht. Du tust es von allein. [30]

ELEGIE VIII Lob des Zephyrs In den Versen, die in die Pappelrinde eingeritzt wurden, wird dieser Wind allen anderen vorgezogen und wegen seiner Sanftheit empfohlen. VIELE gute Dinge kommen von sehr weit her, und auch ein barbarischer Landstrich kann unter dem Himmelspol ein friedfertiges Gemüt verleihen. Auch dich, Zephyr, sendet von den Küsten der brasilianischen Menschenfresser der tosende Winter. Du aber tönst – deiner menschenfreundlichen Art entsprechend – nach griechischer und römischer Art, Wind aus der Fremde. Mit sanften Schlägen bewegst du im Wechsel deine Hesperischen Schwingen und brichst dir nicht mit Wirbelstürmen gewaltsam Bahn. Bei dir fand das grollende Donnern des Bisthonischen Caurus keinen Zuspruch und auch nicht das wasserreiche Zürnen des grimmigen Notus. [10] Du freust dich nicht an der gewalttätigen Wut des Gedrosischen Eurus noch an dem Pfeifen des kampfeslustigen Mesophoenix. Vielmehr reicht dir in deiner Bescheidenheit wie in Samos ein geräuschloses Wehen und du bist nahezu unbemerkt da. Du greifst nicht aus großmannssüchtiger Streitlust turmbewehrte Paläste an noch jubelst du über den Einsturz gewaltiger Gebäude, weil du sie dem Erdboden gleichgemacht hättest. Und du bedeckst nicht mit entwurzelten Bäumen oder ganzen Wäldern die Fluren oder reißt das Laubreich Nemaeas mit dir fort. Kaum knickst du einen Halm oder eine Binse mit ihrem zerbrechlichen Rohr. Sogar einen Sandhaufen lässt du unbehelligt. [20]

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Plumeus, ac tenerè fluidâ bombycinus aurâ, Ventivolo involvis prata novella sinu; Horridáque, halitibus plusquam Civilibus, afflans Rura foves. Ex te parturit omnis Ager. Verriculo discussa tuo viret humida gleba; Atque agis, in Cererem quidquid arator agit. Mitis, et exculto percursans murmure foeta Iugera, ridenti prolicis ore sata. Tam placido Paradoxa creas nova flamine; Nam, cùm Agrestis non sis, Agricola esse potes. 5 humana] B; humanâ A

ELEGIA IX. Historica. De VENTO RORIS flante, in fornace Babylonica. Tres Iuvenes Hebraeos, quòd statuam auream adorare detrectarent, Nabuchodonosor (alijs Nabunassor) Assyriorum monarcha, fornaci injecit. Sed, Angeli beneficio intactos, et Ventuli coelestis, prodigioso rore demulsos, sine stupore non recepit, quos Ambitione stupidâ damnaverat. Historiam vide Danielis 3. fusiùs perscriptam. coelestis,] B; coelestis A

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IMMODICO Solis radio caput aestuat aegrum; Nec tamen ulla meo fit medicina malo. Audijt hoc Zephyrus: qui, dum loquor, aethere pronus, Fervida mansueto temperat astra gelu. Talis (credo) tribus quondam est allapsus Ephebis, Quando Semiramios non timuêre focos. Res vetus est, ac certa fides. Babylonis in arvis Prostabat, nudo sub Iove, forma Iovis. Iuppiter ex auro, sed sub Nabunassoris ore (Hic Euphrataeis imperitabat aquis) Impia thuricremis crepitabat ab ignibus Ara, Dum cadit ad falsos victima vera Deos. In solio residens, sceptris Rex torvus avitis, Fulmina tot stringens, quot scelerum imperia, Ad cultum populos, et ad absona Sacra citabat, Voce, tubâ, citharis, fascibus, igne, nece. Factum erat ad votum (nam Regum obsistere votîs, Supplicio est) Domini jussa superba valent.

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Federleicht und seiden nimmst du die brachliegenden Wiesen mit sanftem Luftstrom in den Schoß deines Windes und hegst in großer Zuneigung mit deinem Hauch die winterstarren Fluren. Du bewirkst, dass jeglicher Landstrich fruchtbar wird. Von deinem Schleppnetz aufgefurcht grünt die feuchte Scholle, und du leistest, was der Pflüger für die Getreidesaat leistet. Mild und mit veredelndem Rauschen gehst du über die schwangeren Felder und lockst mit lächelndem Antlitz die Saaten hervor. Mit deinem sanften Wehen erzeugst du ein neues Paradox: Denn du kannst Bauer sein, ohne bäurisch zu sein. [30]

ELEGIE IX Historischen Charakters Der im babylonischen Feuerofen wehende TAUWIND Weil sich drei hebräische Jünglinge weigerten, ein goldenes Standbild anzubeten, ließ sie Nabuchodonosor (alias Nabunassor), der König der Assyrer, in den Feuerofen werfen. Als sie durch den Beistand eines Engels unversehrt geblieben und von dem wundersamen Tau des himmlischen Windes angerührt waren, nahm er sie, die er in törichter Überheblichkeit verurteilt hatte, nicht ohne Staunen wieder bei sich auf. Vergleiche die Geschichte im dritten Buch Daniel, wo sie ausführlicher beschrieben ist. »Von ÜBERREICHEM Sonnenstrahl krank fiebert mein Haupt; und dennoch wird meinem Übel keine Heilung zuteil.« Zephyrus hörte das: Während ich rede, mäßigt er, durch die Lüfte dahineilend, das glühend heiße Gestirn mit sanfter Kühle. Ein solcher Wind (glaube ich) gelangte auch einst zu den drei Jünglingen, als sie den babylonischen Ofen nicht fürchteten. Die Geschichte ist alt, und ihre Glaubwürdigkeit gesichert. In babylonischen Gefilden ragte unter freiem Himmel ein Bildnis Jupiters empor. Dieser Jupiter war aus Gold, trug aber das Antlitz Nabunassors (er herrschte über die Wasser des Euphrat). [10] Der verruchte Altar knisterte von Weihrauchfeuern, während das wahre Opfertier vor den falschen Göttern niederstürzte. Auf seinem Thron sitzend, sandte der König, grimmig thronend in seinem ererbten Reich, so viele vernichtende Blicke wie verbrecherische Befehle aus und rief mit seiner Stimme, mit Trompetenklang, mit Zithern, Ruten, Feuer und Tod das Volk zur Verehrung und zu unerhörten Opfern. Es war nach seinem Wunsch gegangen (denn den Wünschen der Könige sich zu widersetzen bringt den Tod). Die herrischen Befehle des Gebieters haben Geltung.

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Vnanimi tot regna genu sternuntur: ad Aram, Quam primam fuerat fas cecidisse, cadunt. Tres soli, immotâ juvenes statione, recusant, Isacidûm firmi relligione Patrum. Non hos difficti reverentia terruit Auri, Non flexit tetrici spumea Suada Ducis. Quamvis et Tigrim, et totam Babylona minetur, Illum undâ, hanc flammis terribilem atque rotis; Audent et Tigrim, et Babylonis spernere flammas: Vndat enim in forti pectore, major Amor. Stabat visu atrox, sensúque atrocius, Antrum, Lemniacô Fornax coctilis atra Deo; Mulciberíque olla, et Rhadamanthi ad Tartara furnus, Et ferrugineis fumus in astra fugis. Qualis ad Enceladi, Cyclopum busta, ruinas, Flagrat inexstinctâ Sicelis Aetna pyrâ, Aut qualis tremulae vetus ille Dicarchidos horror, Flammivomus Stygiâ Vesvius ardet aquâ; Talis inexhausto Babylonius igne Caminus, Stabat Idumaeis anxia poena Viris. Quid facerent? medios vincti jactantur in aestus, Praeproperámque urget turba ministra necem, Vrget naphthae atrox, flammato turbine, pestis, Vrget Sulphureis pix stimulata globis: Hortantur Proceres, atque implacata Tyranni Iussa, tot in ternum fata parata caput. Ipsa suas Natura acuit, certa urere, vires. Inter tot mortes, quantula pars Rogus est? Sed, quid agat? Vetat innocuos invadere, Numen (Natura, invito Numine, nulla valet) Et vetat, Assyrijs delapsus ab arcibus Ales, Vindice disjiciens impia busta manu. Iámque etiam Vulcani animos ac robora frangit, Matutinum afflans Hesperia Aura gelu. Mollis enim saevum, rorante Favonius alâ, Cum genio intravit pennipotente Focum: Intravit, domuítque ignes, fregítque vaporem, Roscido et Isacidas perpluit obsequio. Ortum est, pro flamma, flamen; pro funere, Vita; Pro fornace Hortus, pro gemitúque jocus; Delicium est, quod Supplicium Chaldaea tyrannis Credidit; In plausum et Cantica, Lessus abit. Attoniti agnoscunt refugae miracula flammae Rex, Proceres, populus, Persa, Sabaeus, Arabs.

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Mit einmütigem Kniefall werfen sich so viele Königreiche nieder; am Altar, der nach göttlichem Recht zuerst hätte stürtzen sollen, fallen sie nieder. [20] Nur drei Jünglinge, in unbewegter Haltung, weigern sich, verwurzelt in der Religion ihrer Väter aus Isaaks Stamm. Nicht schreckte sie die Ehrfurcht vor dem umgeschmiedeten Gold ab, nicht stimmte sie der schäumende Wortschwall des finsteren Herrschers um. Wie sehr er ihnen auch den Tigris und ganz Babylon androht – jener ist furchtbar durch sein Wasser, dieses durch Flammen und Folterräder – wagen sie es, dem Tigris und den Flammen Babylons ihre Geringschätzung zu zeigen: In ihrer tapferen Brust wogt eine größere Liebe. Es war da eine Höhle, grässlich anzuschauen, noch grässlicher zu spüren, nämlich der vom Lemnischen Gott gebrannte schwarze Feuerofen; [30] der Tiegel des Eisenschmelzers, der Glutofen des Rhadamanthys im Tartarus und der Rauch, der sich dunkelfarbig zu den Sternen verflüchtigt. Wie bei den Überresten des Enceladus, den Brandstätten der Kyklopen, der Sizilische Aetna mit unauslöschlichem Scheiterhaufen flackert oder wie jener alte Schrecken der zitternden Dikarchis, der Flammen speiende Vesuv in der Stygischen Flut brennt, so stand die Babylonische Feuerstätte mit ihrem unerschöpflichen Feuer, die angstmachende Pein, vor den Männern aus Palästina. Was hätten sie tun sollen? Gefesselt werden sie mitten in die Gluten geworfen. Die Schar der Gehilfen ist auf einen sehr schnellen Tod aus. [40] Das grausiges Verderben bringende Naphthaöl setzt ihnen mit einem Flammenwirbel zu, das Pech, entfacht durch Klumpen von Schwefel, bringt sie in Bedrängnis. Die Höflinge feuern an, und die unversöhnlichen Befehle des Tyrannen bringen viel Verderben über die drei Männer. Die Natur selbst, dazu bestimmt den Feuertod zu bringen, steigert ihre Kräfte. Ein wie geringer Teil unter so vielen Todesarten ist der Scheiterhaufen? Aber was soll er tun? Die Gottheit gestattet nicht, die Schuldlosen anzutasten. (Die Natur kommt gegen den Willen der Gottheit nicht an.) Und ein Engel lässt es nicht zu, der zu den Assyrern von den Höhen herabgeschwebt ist und mit rächender Hand die gottlose Brandstätte zerstört. [50] Und schon bricht der vom Westen kommende Wind den Mut und die Kraft Vulkans, indem er morgendliche Kälte herabweht. Der sanft wehende Favonius nämlich mit seinen tauigen Schwingen betrat mit dem beflügelten Schutzgeist die grimmige Feuerstätte, zähmte das Feuer, bändigte die Glut und beträufelte beflissen die Nachkommen Isaaks mit Tau. So entstand statt der Flamme ein Windeswehen, statt Tod Leben, statt einer Feuerstätte ein Garten, statt Wehklagen Scherzen; Lust ist, was die Chaldäische Zwingherrschaft für Qual gehalten hat; in Beifall und Gesang geht die Totenklage über. [60] Verblüfft nehmen sie das Wunder der zurückweichenden Flamme wahr: der König, die Höflinge, das Volk, der Perser, der Sabäer, der Araber.

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Ipse adeò, Extra se positus, se non capit Ignis, Tres in Semideos, nil potuisse Deos. Ergò amens, furno egreditur; stupefactáque perdit, Quos non jussa fuit perdere, Flamma Viros.

39 facerent] faceret A; B 47 Vetat] B; Vetat, A 50 disjiciens] B; disijciens A 54 genio] B; Genio A

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Sogar das Feuer, außer sich, versteht nicht, dass die Götter gegen drei Halbgötter nichts vermochten. Also weicht es, wie von Sinnen, aus dem Ofen, die Flamme vernichtet erstaunt die Männer, welche zu vernichten ihr nicht befohlen war.

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CICONIA Milvus in Coelo cognovit Tempus suum. Turtur, et hirundo, et CICONIA, custodierunt tempus adventûs sui. Ierem[iae] 8. sui] B; suj A

ELEGIA X. De CICONIAE Adventu. Ciconiam, circa Sollemnia Cathedrae Divi Petri Antiochiae, ex Africa redeuntem in Septentrionalia, auctor salutat: et, Atheniensium recepto ritu, sciscitatur; Quid novi? novi] B; Novi A

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PROCEDUNT Fasti, ac Veris reparata voluptas: Iam PETRI, in Fastis, Sacra Cathedra venit. Hunc PETRO (si fortè aliquem Sacra nostra laterent) Antiochia dedit relligiosa thronum. Ille dies idem est, tepidi quo Nuntia Veris Ales, de Ciconum nomine nota, redit. Vna eadémque Quies et Petrum in Sede reponit, Et lassam Nidi vimine mulcet Avem. Hos etiam ipsa notat tantos, et sentit, honores, Primáque festivo carmine rostra movet. Colla recurvato laxat Crotalistria ductu, Et quiddam extensum, barbaricúmque sonat. Si quidquam Hetruscâ nossemus in arte Poëtae, Assequerer vocis garrula sensa tuae. Ex Afris Numidúmque redis peregrina latebris, Trans Ligurum Oceanum, trans Tiberim atque Padum. Ex te igitur, si scire aliquid, si discere, non est; Scrutari saltem, et quaerere pauca, licet. Dic, rogo; Quid Veteris faciunt Carthaginis arces? Littore num solito Bagrada volvit aquas? Moenia quid Fessae? juratáque regna Marocci? Ecquid in Hispanos arma virúmque cient? Maurica Christiadas an adhuc violentia calcat? Rex Congi in sanâ relligione manet?

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DER STORCH Der Reiher am Himmel kennt seine Zeit, die Turteltaube, die Schwalbe und der STORCH halten die Zeit ihres Kommens ein. Jeremia 8,7 ELEGIE X Die Ankunft des STORCHS Der Autor begrüßt einen Storch, der um das Fest der Cathedra S. Petri in Antiochia aus Afrika in den Norden zurückkehrt, und fragt nach dem geläufigen Brauch der Athener: Was gibt es Neues? Der Kalender SCHREITET VORAN, und mit ihm die erneuerten Freuden des Frühlings: Schon zeigt der Kalender PETRI Stuhlfeier an. Diesen Thron gab (falls jemand unsere religiösen Feste nicht kennt) das fromme Antiochia dem PETRUS. Es ist eben jener Tag, an dem der gefiederte Frühlingsbote, der unter dem Namen der Kikonen bekannt ist, zurückkehrt. Derselbe Feiertag setzt Petrus auf seinen Stuhl und erfreut den müden Vogel mit dem Flechtwerk für sein Nest. Wie groß diese Ehre ist, spürt der Vogel selbst, und er zeigt es: Als erster stimmt er mit seinem Schnabel ein festliches Lied an. [10] In weiten Bögen schwingt der Klapperer seinen Hals, und ein gedehnter, fremdartiger Laut erklingt. Wenn wir Dichter uns auch nur ein wenig auf die Künste der Etrusker verstünden, ja dann könnte ich den Sinn deiner geschwätzigen Rede begreifen. Aus deinen Schlupfwinkeln in Afrika und Numidien kommst du fernher zurück, über das Ligurische Meer, über den Tiber und den Po. Wenn man daher von dir nichts erfahren und nichts lernen kann, so kann man doch wenigstens forschen und ein paar Fragen stellen. »Sag mir bitte: Wie geht es der alten Festung von Karthago? Wälzt der Bagrada seine Wasser noch zum selben Strand? [20] Wie steht es mit den Mauern von Fez? Und wie mit den verschworenen Reichen Marokkos? Rufen sie etwa Mannschaft und Kriegsgerät gegen die Spanier zusammen? Unterdrücken die grausamen Mauren noch immer die Christen? Bleibt der König des Kongo dem heilbringenden Glauben treu?

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Praecipuè memorare velis (potes omnia nôsse) Aethiopum quali sorte Monarcha regat? Anne Celachristo spirabilis aura supersit? Fratrísne, ut quondam, Regia jura juvet? Nestorianorum quot perfida millia Fratrum, In Coelum et Regem Martia signa rotent: De Tiberi quoque nôsse velim! reverentia fraenum Injicit; et quaeri, Quà fluat ille, vetat. Caetera si narres, denso quae fasce rogavi, Nec Tiberis fuerit, nec mihi cura Padi. Haec ego quaesieram. Visa est responsa Volucris Volvere, et in longos colla parare Logos. Certè equidem faucem arrexit: similísque loquenti, Solvit in artifices stridula rostra modos. Exspectabam ingens aliquid; cùm Pinsuit illa, Hoc solum advexit trans mare, Grande sofw=j Mox ultrà sua castra movens, Aquilonibus instat: Strymoniósque petit Threjciósque sinus. Si bene te novi, ô pietatis sedula custos, (Quanquam avis) humanâ, quod facis, arte facis. Ad Ciconas, patrémque tuum, matrémque revisens, Excurris. Patri est debita prima salus: Altera, matris erit. Post haec mora nulla trahatur! Stat tibi: ne pereat Nidus, amica; Redi! 5 tepidi] B; trepidi A 30 Coelum] B; coelum A – rotent:] B; rotent? A 32 Injicit] B; Inijcit A 39 illa,(?)] B; illa. A 41 ultrà] B; vltrà A 44 (Quanquam avis)] B; Quanquam Avis, A 47 haec] B; haec, A

ELEGIA XI. De CICONIA Revolante. Ciconiam, ex Thracia, salutatâ patriâ, redeuntem, auctor ex alta turri gratulabundus excipit: mox, De Novis Turcicis, interrogat et exsecratur.

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VAH Speculam! Non te superet Pharos illa Canopi, Non vincant culmen Nauplia saxa tuum! Tu longè mittenti oculos aptissima Turris, Tu Vigilum atque Ducum fida ministra dolis: Cúmque sub admotas assurgas vertice nubes, Appositè monstras, quae propè, quaeque procùl.

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Vor allem berichte doch (du kannst das alles wissen) unter welchen Umständen der König der Äthiopier herrscht, ob dem Celachristus noch der Lebensodem bleibt und ob er wie einst die königlichen Rechte seines Bruders unterstützt, und wie viele tausend ungläubige Nestorianerbrüder ihre Kriegszeichen gegen Himmel und König schwingen. [30] Auch vom Tiber möchte ich hören! Aber Ehrfurcht zügelt meine Neugier und verbietet mir zu fragen, wo (wie) er jetzt fließt. Wenn du mir das Übrige erzählst, wonach ich in dichter Folge gefragt habe, dann will ich mich weder um den Tiber scheren noch um den Po.« Das waren meine Fragen. Der Vogel schien sich zu einer Antwort anzuschikken und seinen Hals zu einer langen Rede bereit zu machen. Jedenfalls streckte er Kehle, und wie in Redehaltung öffnete er kunstgerecht den zischenden Schnabel. Ich war schon auf etwas Gewaltiges gefasst; da stampfte er auf. Nichts als das hat er über das Meer hergebracht, na bravo! [40] Bald brach er auf, drängte gen Norden und zog zum Strymonischen Meerbusen nach Thrakien. Wenn ich mich in dir nicht täusche, du eifriger Wächter der Pietät, dann tust du, was du tust, aus menschlicher Klugheit, wenn du auch ein Vogel bist. Zu den Kikonen ziehst du fort, um deinen Vater und deine Mutter wieder aufzusuchen. Dem Vater schulden wir zuerst unser Heil, an zweiter Stelle der Mutter. Doch danach dulde keinen Aufschub mehr! Für dich steht fest: Damit dein Nest nicht verfalle, mein Freund, kehre zurück!

ELEGIE XI Die Rückkehr des STORCHS Der Autor empfängt freudig den mit einem Gruß an die Heimat aus Thrakien zurückkehrenden Storch von einem hohen Turm aus. Bald befragt er ihn und flucht über die türkischen Neuigkeiten. POTZTAUSEND, der Aussichtsturm! Nicht könnte dich jener Pharos in Ägypten überragen, könnten deine Höhe nicht übersteigen die Felsen von Nauplion! Für den, der seine Augen in die Ferne schweifen lassen will, ist keiner so geeignet wie du, mein Turm, du, der treue Diener der Wächter und der Heerführer bei versteckter Beobachtung, und wenn du dich mit dem Scheitel erhebst bis zu den

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Quàm bene, dum licitis convertor ad otia nugis, Pronus in adversum Lumina figo nemus? Quàm bene circùm, urbes et agros et villica miror Praedia, sub numeros jussa venire meos? Hàc, horsum, spectare juvat. spectantibus aether, Et favet auricomo pura nitore dies. Quid tamen hinc video, Boreae de partibus, album, Aërias medium sollicitare vias? Fallor? an exiguo nubecula candida tractu, Advolat impulsu, vente citate, tuo? An magis (et verum est) Ciconum notissimus oris Ales adest, VERIS nuntia signa gerens? Scilicet hesterna est, candente Ciconia collo: Dúmque loquor, propiùs, nil dubitanda, venit. Quò ruis? an tacito transis haec culmina lapsu? Et tua garrulitas nil mea tecta juvat? Ecquid (si Volucris non vano Nuntia jure Diceris) ecquid habes, quod retulisse velis? Tu Rhodopen, tu dorsa Haemi, tu Strymonis urbes Vidisti, Odrysij nomina clara soli. Numquid et ex alto Byzantia fortè notâsti Moenia, Maumetis moenia pressa jugô? Annuis, ut video, proni sinuamine colli: In promptu, en! Nidus: si placet iste, Sede. Iámque sedes: gratóque imples stridore quietem. Nunc refer, è Turcis quae referenda putas. Pacem Otomanniades? an inhospita cogitat arma? Foederáne Hungaricis servat, an urit, agris? Me miserum! foedae Volucris dedit omina famae; Dextera quae visa est ferre, Sinistra tulit. Nam, crotalo dum collum agitat, de faucis hiatu (Hej mihi) vipereae despuit exta dapis: Evomuit tetri frusta indigesta colubri. Quae tam nigra affers, alba Volucris eras? Corvus eras, Corvorum epulis et nomine dignus Nuntius: Et VERIS Nuntius ales eris? Nescio quid laevum mihi mens praesignet in Angue, Si modò Threjciâ hunc es populatus humo. Haec, Solymanniaci ne sint praeludia Martis, Praemetuo. O, utinam sit Levis iste metus! Vellem etiam, Vanus! Vellem, metus esset inanis! Hîc ego, si unquam aliâs, esse Poëta velim! 6 quaeque] B; quaéque A 11 Hàc] A; in B schwer lesbar 17 magis] B; magìs A 37 Nam,] B; Nam A 47 Vellem, metus] B; Vellem metus A – inanis!] A; in B unleserlich

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Wolken, die dich streifen, zeigst du bequem alles, ob nah, ob fern. Wie wohltuend ist es, wenn ich mich in erlaubten Abschweifungen der Muße zuwende und die Augen stracks auf den gegenüberliegenden Wald richte! Wie wohltuend, ringsherum die Städte, Felder und Landgüter zu bewundern, die in meinen Versen vorkommen sollen! [10] Hierhin und dorthin zu schauen erfreut mich. Und wenn man zum Himmel aufblickt, umschmeichelt einen der reine Tag mit goldhaarigem Glanz. Was aber sehe ich von dort, aus nördlichem Gefilde, mitten durch die gleißende Helle die Luftwege durchstreichen? Täusche ich mich, oder fliegt heran ein helles Wölkchen im schmalen Zug, angetrieben durch dein Wehen, böiger Wind! Oder ist nicht vielmehr (ja, es ist wahr!) der bekannteste Vogel aus den Gefilden der Kikonen da und bringt mit sich Botschaft und Zeichen des FRÜHLINGS? Freilich, es ist offenbar der Storch von gestern mit seinem weiß glänzenden Hals, und indem ich rede, kommt er mir, nicht zu bezweifeln, näher. [20] Wohin des Wegs? Schwingst du dich etwa über diese Dächer nur in stillem Gleiten und erfreut deine Geschwätzigkeit nicht mein Haus? Hast du etwas, das du berichten willst (wo du doch mit gutem Recht ein geflügelter Bote genannt wirst), hast du etwas? Du hast Rhodope, du die Bergrücken des Haemus, du die Städte des Strymon, die berühmten Namen des odrysischen Landes gesehen. Hast du vielleicht aus der Höhe auch die Mauern von Byzanz bemerkt, Mauern, die von den Muslimen unterjocht sind? Du sagst »Ja«, wie ich sehe, indem du den vorwärts gestreckten Hals ein wenig biegst. Nun dann, ein Nest steht bereit, lass dich dort nieder, wenn es dir gefällt. [30] Schon lässt du dich nieder und erfüllst die Stille mit angenehmem Geklapper. Nun berichte, was du meinst von den Türken berichten zu müssen! Macht der Osmane Friede, oder sinnt er auf feindliche Waffen? Bewahrt er den Waffenstillstand oder sengt und brennt er in Ungarn? Ach, ich Armer! Der Vogel gab Zeichen einer schrecklichen Kunde. Er, der gute Kunde zu bringen schien, hat Schlimmes gebracht. Denn indem er klappernd seinen Hals in Bewegung setzte, spie er (weh mir!) aus dem Rachenschlund Bissen von Vipernfleisch, kotzte aus das Unverdaute einer grässlichen Schlange. Der du so »Schwarzes« mitbringst, warst du ein »weißer« Vogel? [40] Ein Rabe warst du und ein Bote, würdig des Fraßes und des Namens der Raben. Und du willst ein FRÜHLINGSBOTE sein? Irgendwie Unheildrohendes erblickt für die Zukunft mein Geist bei der Schlange, wenn du sie wirklich auf thrakischem Boden erbeutet hast. Ich fürchte, dass dies Vorspiele eines Türkenkrieges sind. O, wenn sich doch diese Furcht nur als grundlos erwiese – oder auch, wie gern, als eine nichtige, oder auch, wie gern als eine eitle Furcht! Dann möchte ich, wenn überhaupt irgendwann, ein Dichter sein!

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ELEGIA XII. Historica. De CICONIA, beneficij memore. CICONIAE Pullus, dum volatui primo malè felicibus experimentis praeludit, Nido delapsus, Crus fregerat. Hunc humo levatum HERACLEIS quaedam, Tarentina vidua, in suburbano suo sanavit, pavítque: mox adultiorem, dimisit. Ille, nondum plenè vertente anno, jam ex Pullo Ciconia perfecta, medicae suae Gemmam, restitutae sanitatis pretium, è rostro demisit in gremium. Narrant historiam Vlysses Aldrov[andus] l[ibro] 19. Ornithologiae, Gessnerus l[ibro]. 3. de avibus, ex Aeliano et Paraphraste Oppiani, in Ixeuticis. Historica.] B; fehlt in A ex Aeliano] B; Ex Aeliano A

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QVÀ Calabro incumbit pelago geniale Tarentum, Lanificísque lavat prata Galesus aquîs, Casta suburbano vitam fallebat agello, Nomine ab Herculeo femina nomen habens. Sola torum Viduum, post primi busta mariti, Sola casam, atque humiles parca colebat opes, Nec jam aliquid nôrat de toto molle Tarento, Praeter odoratae parva vepreta Rosae. Adde his, exiguo Violaria sobria rivo; Denique, Regnum ingens, Hortulus unus erat. Non procùl hinc, veterem foecunda Ciconia nidum Presserat: in nido pignora pulla novem. Dena priùs fuerant. decimum, dum imbellibus audax Se tentat pennis, straverat ira Noti. Ecce, ruens per prona agitur, pérque aspera pullus, Et teretis frangit juncea crura pedis. Casum saepe juvat Casus. Tunc fortè ruentem HERACLEIS anus, sede propinqua, notat. Surgit: et apricum, quem nens insederat, hortum Deserit accursans, deciduúmque levat. Inspicit, inspectásque ligat PODALIRIA plagas: Quáque potest et scit, Vulnera mulcet ope. Fama quoque est, Votis juvisse, et supplice fletu, Crura Machaonio dum lavat aegra vado. Ne desint alimenta fami; de littoris ulva, Purpureo ranas vellere saepe trahit,

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ELEGIE XII Historischen Charakters Über einen STORCH, der eine Wohltat nicht vergaß Als ein STORCHENJUNGES zum ersten Male mit glücklichen Versuchen Flugübungen machte, fiel es aus dem Nest und brach sich ein Bein. HERACLEIS, eine Witwe aus Tarent, hob es auf und heilte es und behütete es in ihrer Vorstadt. Bald ließ sie das Junge, als es erwachsener war, fliegen. Der Vogel aber, mittlerweile aus einem jungen zu einem richtigen Storch geworden, ließ seiner Heilerin, als sich noch nicht ein volles Jahr vollendet hatte, eine Perle als Belohnung für die Wiederherstellung der Gesundheit aus dem Schnabel in den Schoß fallen. Die Geschichte erzählen Ulysse Aldovandri im 19. Buch seiner Vogelkunde, Geßner im dritten Buch Über die Vögel, aus Aelian und dem Paraphrasten des Oppian in seinen Ixeutica. WO das heitere Tarent sich zum Kalabrischen Meerbusen neigt und der Galesus mit Wollschafe nährenden Wassern die Wiesen umspült, lebte sittsam auf einem kleinen Feld am Rande der Stadt eine Frau, die ihren Namen nach Herkules führte. Allein kümmerte sie sich nach dem Tode ihres ersten Gatten um ihr Witwenlager, allein um ihr Hütte und, sparsam genug, um ihr schmales Einkommen. Und bislang hatte sie nichts anderes von all dem Luxus Tarents kennengelernt als das kleine Gebüsch eines duftenden Rosenstrauches. Außerdem schlichte Veilchen am schmalen Bach, und dann gab es noch ein ungeheures Reich, einen einzigen kleinen Garten. [10] Nicht weit von hier hatte eine fruchtbare Störchin in einem alten Nest gebrütet – in dem Nest aber waren neun kleine Jungen. Erst waren es zehn gewesen. Das zehnte hatte, dieweil es sich kühn mit schwachen Federn erprobte, der Zorn des Windes heruntergeworfen. Siehe, vorwärts stürzt das Junge hinab und bricht die zarten Schenkel des verdrehten Beines. Der Zufall hilft oft dem Fall. Als das Junge hinabstürzt, bemerkt es zufällig die betagte HERACLEIS von ihrer benachbarten Wohnung aus. Sie springt auf, verlässt eilends ihren sonnigen Garten, in dem sie beim Nähen saß, und hebt den Hinabgefallenen auf. [20] Als ein weiblicher PODALIRIUS schaut sie ihn an, schient den Bruch und behandelt, soweit sie es kann und versteht, die Wunden. Auch geht die Sage, sie habe, als sie die verwundeten Glieder mit heilsamer Tinktur des Machaon auswusch, mit heißen Wünschen und tränenreichem Gebet geholfen.

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Et (quamvis querulas, quamvis patulo ore strepentes) Arte coaxantes mollit, et igne, feras: Frustáque segmentis carptim lacerata minutis, Alitis in tenerae rostra supina jacit. Crescit Avis, crescúntque novae, cum robore, pennae; Inque cicatricem tibia laesa coit. Sirius è Coelo, flagránsque excesserat aestas; Vrebat Calabras bruma propinqua nuces: Tum demum altricis migrare Ciconia tectis, Externósque audet quaerere sana lares. Laeta volat, pluviósque secans Aquilonibus Austros, Trans atram Meroën, Troglodytásque meat. Est locus Aethiopum (celebrata, sed ultima, tellus) Auro et gemmiferis surgit opimus agris: Luna dat his nomen. Lunaribus involat ales Montibus; ac praedam, tesqua per Afra, legit. Interea, cum Sole novo nova tempora Vernum Instaurant Zephyrum: blandior aura venit. Non mora! cum fratrum ter trina, et compare, turbâ Ales ad altricis praedia nota redit. Agnosci poterat: nam, recto caetera plebes Poplite dum surgit, claudicat iste genu. Hoc ipso placuit. retinebat supplicis artem, Tunc quoque submisso visus adire gradu. Heracléin adit, solito tunc colle sedentem; Et spuit in dominae gemmea dona sinus. Mox crotalo exultans, primi cunabula Nidi Occupat. In Patria est dulce, Sedere, domo. Lustrat anus donum; sed, ut obvia fragmina, damnat: Esse videbatur, lucrum obolare, Vitrum. Nox, quae cuncta tegit, mercem hanc pretiúmque retexit: Nocte, intrà thalamum barbara gemma nitet. Evigilârat anus: spondam, ecce, torúmque, fenestrásque, Et tunicam ad radios, reticulúmque videt, Parjêtibúsque haerens lardum, et pendentia tignis Allia, et admistis annua mala pyris: Vsque adeò et, thalami stertens in limine (quamvis Non traheret rhonchos) agnita Felis erat. Miratur, non lychnum usquam, non lampada fixam; Et tamen, ut pleno tecta micare die. Vix Gemmam tandem et Peregrinâ luce Pyropum Agnoscit simplex, ac veneratur, anus. Hoc pretium tulit, haec medicati praemia pulli:

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Um den Hunger des Tieres zu stillen, nimmt sie es oft auf sich, aus dem Uferschilf mit purpurfarbenem Gewebe Frösche zu fangen. Und sie dünstet kunstvoll die quakenden Tiere (obwohl sie jammern, obwohl sie mit offenem Maul lärmen) am Feuer und wirft die Brocken, in kleine Teile zerrissen, in den weit aufgerissenen Schnabel des zarten Jungvogels. [30] Der Vogel wächst heran, mit der Körperkraft wächst ein neues Federkleid, und das verletzte Bein wächst zusammen und vernarbt. Sirius war vom Himmel verschwunden, mit ihm der brennend heiße Sommer, und der nahe Winter ließ die calabrischen Nüsse reifen. Da erst wagte der Storch, vom Haus seiner Pflegemutter auszufliegen und sich in der Fremde ein Heim zu suchen – nunmehr gesund. Froh fliegt er dahin, durchmisst im Wind die regenreichen Stürme und zieht über das schwarze Meroe und die Troglodyten. Es gibt einen Platz bei den Äthiopiern (ein gerühmtes Stück Erde, aber am äußersten Ende der Welt) und erhebt sich dort, reich an Gold und edelsteintragenden Gefilden. [40] Der Mond gibt ihnen den Namen. Zum Mondgebirge fliegt der Vogel und sucht sich dort Beute in afrikanischer Ödnis. Nach einiger Zeit, als mit der heraufkommenden Sonne die neue Jahreszeit den frühlingshaften Zephyr erneuert, kommt eine mildere Brise. Kein Zögern! Mit der Schar seiner neun Brüder und Gefährten kehrt der Vogel zum bekannten Besitztum seiner Pflegemutter zurück. Man konnte ihn wiedererkennen, denn er hinkte, während sich das übrige Vogelvolk auf geradem Kniegelenk erhebt. Eben dadurch gefiel er. Denn er hatte noch an sich die Haltung eines Bittstellers, man sah ihn dann näher kommen mit eingeknicktem Schritt. [50] An Heracleis tritt er heran, die da auf ihrem gewohnten Hügel saß, und lässt in den Schoß seiner Herrin aus dem Schnabel ein Geschenk aus Geschmeide fallen. Mit freudigem Geklapper nimmt er Besitz von dem ursprünglichen Nest. Süß ist es, im Heimathaus zu sitzen. Die Alte mustert das Geschenk, tut es aber ab, als ob es alltägliche Glassplitter seien: Glas schien es zu sein, im Wert von Pfennigen. Erst die Nacht, die alles bedeckt, eröffnet ihr den tatsächlichen Wert und Preis. In der Nacht erglänzt die Perle aus dem Barbarenland. Die Alte war aufgewacht: Siehe, ihr Bettgestell, das Kissen, die Fenster, das Kleid und das Haarnetz erblickt sie im Strahlenschein, [60] den an den Wänden hängenden Speck, den Knoblauch an den Balken und die Äpfel, mit Birnen gemischt, vom letzten Jahr. Und ganz genau ließ sich erkennen die Katze, schnaufend auf der Schwelle des Schlafraums (mag sie auch nicht gerade geschnarcht haben). Sie wundert sich, dass zwar nirgendwo ein Lichtscheit oder eine Lampe zur Hand ist und doch das Gemach wie am hellen Tag erstrahlt. Kaum erkennt und bestaunt die einfache Alte schließlich die Perle und das mit fremdländischem Licht leuchtende Goldmetall.

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Quid superet, dubites: Gratiáne, an Meritum? Pauper erat: Gemmam mulier distraxit. et, ecce! Mox grandes, Vitri ad lumina, vidit Opes. 6 opes,] B; opes. A 55 donum;] B; donum, A 58 Nocte,] B; Nocte A 67 Peregrinâ] B; peregrinâ A

ELEGIA XIII. Geographica. Cathedra S[ancti] Petri Antioch[iae]. 22. Febr[uarii]. Divum Petrum, Antiochiae Pontificatûs Sedem sibi ponentem, auctor alloquitur: et Romam eminus, totúmque terrarum Orbem, Angelico ductu, commonstrat: quae regna, quásque Provincias, nunc aut olim, Ecclesiastico sit Principatu possessurus. Hortatur igitur, ut septem in Montes demigret; è quibus, tanquam CICONIA supra speculam, huc illuc in regiones excurrens, mundum serpentibus Ranísque Apocalypticis, hoc est, Venenosis Haeresibus, repurget. I. Migrationem ex urbe Antiochena, à Ciconiae exemplo, PETRO suadet. PETRO] B; PETRO A

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PETRE, quid hoc mentis dicam? quid Numinis in te: Aeternúmne dat urbs Antiochena thronum? Ergò, animo sedet immoto, tibi ponere Sedem (Neglecto Tiberi) supra Orientis aquas? Vsque adeóne Syrus tibi Sol arrisit, et aura, Quae de Corycio molliter orbe cadit? Vsque adeò vitrei te fascinat amnis Orontae, Ampláque quadrifido moenia fusa situ: Siccine te illa virens, uti Lauro ità crimine Daphne Obsita sacrilego traxit, anile nemus? Antiochia, Petre, est, quam tu nunc deligis Vrbem; Sed nondum est Orbis, quem tibi Fata parant. Migrandum ex una est, ut in omnes cura sit urbes. Migrandi exemplum fit tibi VERIS Avis. Haec ipsâ hac (si vera canit fama obvia) Luce, Proscribit requiem, et trans mare carpit iter.

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Diese Belohnung trug sie davon, dies war der Preis für die Heilung des jungen Storches. Was könnte größer sein, magst du zweifeln: Gnade oder Verdienst? [70] Arm war die Frau. Sie verkaufte die Perle und, siehe, bald erblickt sie im Licht ihres Fensters großen Wohlstand.

ELEGIE XIII Geographischen Charakters Fest der Cathedra des Hl. Petrus in Antiochia am 22. Februar Der Verfasser spricht den Hl. Petrus an, als dieser in Antiochia sich den Bischofssitz errichtet, und zeigt ihm deutlich in der Ferne unter Führung eines Engels Rom und den ganzen Erdkreis: welche Reiche und welche Gebiete er, jetzt oder dereinst, kraft kirchlichen Prinzipats besitzen wird. Er fordert ihn also auf, zu den Sieben Hügeln zu wandern, von denen aus er, wie der STORCH, hoch oben von seiner Warte hier- und dorthin in die Provinz enteilend, die Welt von apokalyptischen Schlangen und Fröschen, d. h. von giftigen Häresien, reinigen soll. I. Er rät PETRUS zur Wanderung aus der Stadt Antiochia nach dem Beispiel des Storchs PETRUS, wie soll ich deine Haltung nennen, wie den Geist in dir? Gibt dir die Stadt Antiochia den Thron für ewig? Hast du also unerschütterlich im Sinn, den Tiber zu missachten und deinen Sitz an den Wassern des Orients fest zu errichten? Gefällt dir die Sonne Syriens so sehr und die Luft, die sanft vom Kreis des korykischen Berges herabfällt? So sehr bezaubert dich der glasklare Strom des Orontes und die weite Stadt, die sich vierfach geteilt hinstreckt? So sehr hat dich jene grünende Daphne, von Lorbeer wie von Verbrechen bedeckt, angezogen, der Altweiberhain? [10] Antiochia, Petrus, ist die Stadt, die du jetzt erwählst, aber es ist noch nicht der Erdkreis, den dir das Schicksal bereit hält. Du musst aus der einen Stadt wandern, um für alle Städte sorgen zu können; Vorbild der Wanderung sei dir der Vogel des FRÜHLINGS. Dieser verbietet sich an eben diesem Tage die Ruhe (wenn die verbreitete Sage die Wahrheit verkündet) und nimmt den Weg über See. Verbannter der Winterszeit, Flüchtling des Herbstes, kurz nur Nachbar der Ernte, ist er Gast und Fremder fast auf jedem Boden. Wenn er sein Nest gefunden hat, kümmert er sich nicht um Syrien noch um das liebliche Damaskus oder, Thessalien, um deine Täler, [20] sondern er strebt zu den höchsten Plätzen

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Brumae exul, profuga Auctumni, brevis accola messis, Hospita paene omni est et peregrina solo. Nacta larem, nil vel Syriam, vel amoena Damasci, Vel curat valles, Thessala terra, tuas: Sed, loca summa petens, turrita cacumina munit; Hanc Arcem in praedas, et sua lucra, struit. Ex hac et campos, et putria despicit arva, Vipereáque graves fertilitate lacus. Ex hac in colubros, et edaces devolat hydros, Ranarúmque potens garrula monstra premit. Quod Ciconum Volucri Natura est, hoc tibi fiat Exemplum ac Ratio. Trans mare, PETRE, migra. Quaere procul Tiberim, Septémque, ad flumina, Montes: Ex his in Stygij bella Draconis abi. Ex his Haeretico clamosas gutture Ranas, Vel compesce minis, vel bonitate trahe. Haec fient. manet ista tuae certissima Mitrae Regia. SVB Petri Clave Quirinus erit. 1 te:] B; te? A 8 situ:] B; situ? A

II. Italiam, et Europam caeteram PETRO visendam Angelus, in Spiritu ductor, proponit. PETRO] B; PETRO A

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Tantisper divorte animum; quáque Omnia fas est Aspicere, Oenotrias aspice Mente plagas. Aeoliâ magnum vectus per Inane Curuli, Imperij lustra jura futura tui. Hoc monet ipsa etiam Coeli, sine nube, voluptas, Quaéque patent lato Terra fretúmque sinu. Hoc suadent Comites, Legio stellantis Olympi, Quae prope te vario est officiosa choro. Haud aliter, quàm, puniceus cùm nubila phoenix, Innumero Volucrum cinctus honore subit. Hîc ales Scyllaea suas, ibi ducit acanthis Turmas, hàc dulcem dux philomela gregem, It Carmen coelo varium; studium omnibus unum, Ars dispar: Prognês plus valet arte soror. Sic nunc Aligeri. Quorum coelestior unus, Dum tu per varios mente vagâre situs; EN, ait, en toto casura Lararia mundo!

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und baut sein Nest auf den Spitzen von Türmen, hier errichtet er zur Beute und zu seinem Gewinn seine Burg. Von hier aus sieht er auf Felder, auf sumpfige Fluren und auf Seen, die voll sind von Schlangenbrut. Von hier fliegt er herab auf Nattern und gefräßige Wasserschlangen und bedrängt machtvoll die Frösche, die quakenden Ungeheuer. Was für den Storchenvogel die Natur ist, das werde für dich vernunftbestimmtes Vorbild. Wandere, PETRUS, über See! Such in der Ferne den Tiber und an diesem Strom die Sieben Hügel und zieh von dort aus in den Krieg gegen den stygischen Drachen. [30] Von dort aus zähme die lautquakenden Frösche von Häretikern mit Drohungen oder gewinne sie durch Güte. Das wird geschehen: Es harrt unverbrüchlich jene Königsburg deiner Mitra. UNTER dem Schlüssel des Petrus wird Rom stehen.

II. Italien und das übrige Europa aufzusuchen, dazu fordert ein Engel als Führer im Geist den PETRUS auf Lass’ deinen Geist ein Weilchen entführen und schaue im Geist, mit dem man alles sehen kann, Oenotriens Breiten. Fahre auf luftigem Wagen durch die gewaltige Leere und betrachte dein künftiges Herrschaftsgebiet. Dazu mahnt das Vergnügen an dem wolkenlosen Himmel selbst wie auch Erde und Meer, die dir in weitem Bogen offenstehen. Dazu raten deine Gefährten, die Heerschar des gestirnten Himmels, die in buntem Chor dir zu Diensten steht: nicht anders als wenn der purpurfarbne Phoenix, umringt vom Ehrengeleit zahlloser Vögel, zu den Wolken aufsteigt. [10] (Hier führt die zur Ciris verwandelte Scylla ihre Scharen, dort der Fink die seinen, hier die Nachtigall ihre süße Herde; zum Himmel dringt vielfacher Gesang, alle haben denselben Eifer und verschiedene Kunst: An Kunst übertrifft Prognes Schwester die anderen.) So nun die Gefiederten. Von ihnen sagt einer, der dem Himmel näher ist, während du im Geist durch verschiedene Länder streifst: »SIEH nur, sieh die heidnischen Tempel, die auf der ganzen Welt zu Fall kommen werden. Sieh den Weihrauch, der statt den GÖTTERN dem einen GOTT entzündet werden soll! Siehst du, wie das Kapitol sich auf dem vornehmsten Stein erhebt, wo der schändliche Jupiter in herrlichem Tempel thront? [20] Welche Giebel der zweigesichtige Janus, der Greis ohne Charakter, errichtet, um zu beweisen, dass er zum Geschlecht der Götter gehört? Wie die

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En Vni, pro DIs, thura adolenda DEO! Aspicis, ut primo surgant Capitolia saxo, Quà turpis pulchrâ Iuppiter aede sedet? Quaeque bifrons, sine fronte senex, fastigia Ianus Erigat, ut superûm se probet esse genus? Quàm Coelum excelsis tangat Iuno invida templis? Vestáque quàm vigiles servet in igne focos? Cyprida quid memorem? Proprio tamen omnia mersa Pulvere Christiadûm saecula conspicient. Aspicies et tu; cùm, quà latissima Roma est, In Vaticano se tibi tota dabit. Perge, PETRE, et Tiberis penitus circumspice ripas; Ac mare, quod suprà est, inferiúsque mare. Hetruscásque urbes, Calabrósque atque Apula rura, Et Salentinos: et Capuana juga. Parte aliâ Venetos (latè olim jura daturos) Quódque electrifero traluit amne Padus, Ausoniámque omnem; quae post à stirpe revulsa Fana, tuis ponet templa dicanda sacris. Nec minùs accipiet melioris Numinis aras, Baetica, et aurifero regna beata Tago: Accipiet Braccata tuum, paritérque Togata, Iam non indomito Gallia Marte, jugum. Inde suas etiam coelo Germanus acerras Thuráque, Mercurio pessum eunte, dabit; Vicinósque trahet populos, Aquilonia regna, Vrsa sit ut sidus Magna Minórque tuum. 26 Pulvere] B; Pulvere, A

III. De Anglia, sub Henrico VIII. relapsurâ.

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At procul hinc gelido celebris natat Insula Ponto, Quam meliore sui parte Britannus arat. Haec Tamesim adjunget Tiberi; junctíque manerent, Roma Sacrîs domiti dum Caput orbis erit. Serva Venus geminis faciet divortia tedis, Sparsura in rapidos jura Fidémque Notos, Exilio, heu, longo! Viden’ hos, viridantibus herbis, Quos hilari colles cum grege Pastor habet? Hi campi, et lauro virides, et rore marino, Proh, quanto innocui sanguinis amne fluent? Cùm gladio pars icta dabit, pars colla securi,

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eifersüchtige Juno den Himmel mit hochragendem Tempel berührt und wie Vesta stets wache Flammen an der Feuerstatt hütet? Was soll ich Cypris erwähnen? Dies alles werden die christlichen Jahrhunderte im Staub versinken sehen. Auch du wirst es sehen, wenn sich dir Rom in all seiner Größe im Vatikan ganz ergibt. Weiter, PETRUS, und schau’ genau ringsum über die Ufer des Tiber und auf das adriatische und das tyrrenische Meer, [30] auf die etruskischen Städte, die Kalabrier und die Ländereien Apuliens, auf die Salentiner und die Höhen um Capua, auf der anderen Seite auf die Veneter (die einst weithin Macht ausüben werden) und das Land, das mit bernsteinhaltigem Strom der Po durchspült, und auf ganz Ausonien, das, nachdem es seine Heiligtümer von Grund auf zerstört hat, deinem Kult Kirchen weihen wird. Ebenso wird die Baetica Altäre des besseren Gottes empfangen und die durch den goldführenden Tajo gesegneten Reiche. Gallien, das hosen- wie das togatragende, wird, da Mars nicht mehr unbezwingbar ist, dein Joch auf sich nehmen. [40] Darauf wird auch der Germane, da Merkur zum Teufel geht, Kästchen mit Weihrauch dem Himmel darbringen und er wird seine Nachbarvölker, die Reiche unterm Nordwind, mit sich ziehen, so dass Großer und Kleiner Bär dein Gestirn sind.

III. England wird unter Heinrich VIII. wieder abfallen Aber fern von hier schwimmt eine volkreiche Insel im kalten Meer, die zum besseren Teil der Brite als Bauer bestellt. Sie wird dem Tiber die Themse zubringen und diese würden verbunden bleiben, solange Rom das Haupt des rechtgläubig geeinten Erdkreises sein wird. Doch die Liebe zu einer Unebenbürtigen wird durch eine zweite Hochzeit eine Scheidung herbeiführen und wird Recht und Glauben den reißenden Winden überlassen, ach, auf eine lange Zeit der Verbannung! Siehst du diese Hügel mit grünem Gras, die der Hirte mit froher Herde einnimmt? Diese Felder, grün von Lorbeer und Rosmarin, ach, von welchen Strömen unschuldigen Bluts werden sie triefen, [10] wenn ein Teil bei der Hinrichtung vom Schwert getroffen ist, ein Teil seinen Nacken dem Beil darbietet und ein Teil sogar sein herausgerissenes Herz auf Scheiterhaufen bringt, die davor

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Pars etiam in refugos eruta corda rogos. Quid tamen ista moror? Mutent sua sacra Britanni; Ausit idem hoc Boreae plurima terra scelus: Iámque etiam ipsa Virum numeret vix ampliùs unum Graecia, qui puras tollat ad astra manus: Perfida sit mundi pars prima, sit altera mundi; En, patet Occidui janua lata Maris! 9 campi,] B; campi A

IV. Americae, et Iaponum ad Christiana Sacra transitum, PETRO vaticinatur. PETRO] B; PETRO A

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Oceano hujc dat nomen Atlas: à fronte sinistros Aspicit Aethiopes, et Numidûm acre genus: A tergo populos sine Lege et Rege Fidéque: His dens humano saepe cruore natat. Lustra colunt, Brasilósque specus: Vrbs omnis in antris, Et lux, in lucis proditione, sita est. Quis credat? tamen in portu hoc tibi culmina surgent; Quóque loco nil est, quàm petra, PETRVS erit; Vlteriora vide! Quae nunc Pervania sulcat Aequora, tam tardè prora futura, Ratis, Navita terdenos postquam numerare nepotes Incipiet, modicâ de Rate, Classis erit: Hesperióque vehens magnos Heroas ab Alto, Inferet ingentem in Mexica tecta Deum. Quid memorem et Iaponas? Gens, nunc toto avia Gange, Illa tuum supplex ibit ad obsequium. Ex hac, qui placidae feret ultimus oscula plantae, Dum parvi aspiciet moenia magna Remi, Purpureósque Patres, majestatémque Sacrorum; Te penès esse Solum dicet, et esse Salum. Nec falsò. namque hinc, nullisdum proruta remis Aequora, Neptunus sub tua jura dabit, Abstrusósque Sinas, et ineluctabile Regnum, Romulidûm pandet dexteritate Patrum. HAEC, et plura tuae tribuent, PETRE, fata Tiarae: Imperium Titan vix teget omne tuum. Sidera restabunt, ut Sidera certiùs intres; Non humilis Syria hoc, Ardua Roma dabit. 7 culmina] B; Culmina A

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zurückschaudern. Wozu aber verweile ich dabei? Mögen die Briten ihre Religion wechseln, möge der größte Teil des Nordens dieselbe Untat wagen, möge schließlich sogar selbst Griechenland kaum mehr einen Mann zählen, der die Hände rein zum Himmel erhebt, mag der erste Erdteil und der zweite treulos sein – sieh, offen liegt das weite Tor zum Meer im Westen!

IV. Der Engel prophezeit PETRUS den Übertritt Amerikas und der Japaner zur christlichen Religion Diesem Ozean gibt der Atlas den Namen: Hier vorne blickt er auf die finsteren Aethiopier und den kriegerischen Stamm der Numider, dort hinten auf Völker ohne Gesetz, Königtum und Treu und Glauben, deren Zahn oft von menschlichem Blut trieft. Sie leben in Wildlagern und den Grotten Brasiliens, ihre ganze Stadt liegt in Höhlen und ihr Licht im Mangel an Licht. Wer mag es glauben? Trotzdem werden in diesem Hafen für dich Giebel emporragen und wo jetzt nichts ist als Fels, wird PETRUS herrschen. Sieh noch weiter hinaus! Das Boot, das jetzt das Meer vor Peru durchquert und das so spät ein Schiff werden soll, [10] wird, wenn der Seemann erst 30 Enkelgenerationen zu zählen beginnt, aus einem mäßigen Boot eine Flotte werden; diese wird über das hesperische Meer gewaltige Helden bringen und den großen Gott in die Häuser der Mexikaner einführen. Was soll ich die Japaner nennen? Das Volk, heute unzugänglich noch jenseits des Ganges, wird demütig zu deinem Dienst kommen. Der aus diesem Volk, der deiner freundlichen Hand aus der Ferne Küsse darbietet, wird sagen, wenn er die gewaltigen Mauern des Remus-Knaben, die Väter in Purpur und die Majestät der Heiligtümer sieht, in deiner Hand sei Land und Meer. [20] Und nicht zu Unrecht. Denn in dieser Region wird Neptun das Meer, das noch durch keine Schiffe durchstürmt wird, und die tief verborgenen Chinesen in deine Gewalt geben, und er wird ihr unbezwungenes Reich durch die heilbringende Rechtlichkeit der römischen Väter öffnen. DIES und mehr wird das Schicksal deiner Tiara verleihen, PETRUS: Die Sonne wird kaum dein ganzes Reich erfassen können. Übrig bleiben die Gestirne; dass du zu ihnen gelangst, wird dir nicht das bescheidene Syrien, sondern das hohe Rom gewisser gewähren.

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NAVIGATIO. ALIUS navigare cogitans, et per feros fluctus iter facere incipiens, ligno portante se fragilius Lignum invocat. * Tua autem, Pater, providentia gubernat: quoniam dedisti et in mari viam, et inter fluctus semitam firmissimam; ostendens, quoniam potens es ex omnibus salvare, etiam si sine arte aliquis adeat mare. Sapientiae 14. v. 1. ELEGIA XIV. DE NAVIGATIONE, VERNORUM SIDERUM EXORTU, RURSUS APERIRI COEPTÂ. Amicos, in Angliam profecturos, monet; ut exemplo S[ancti] Satyri, et Divi Raymundi, Deo potiùs, atque Innocentiae, quàm infido mari, confidant. Historiam Divi Satyri scribit Divus Ambrosius, frater eius germanus, orat[ione] funebri 1. de obitu Satyri . Divi Raymundi verò prodigiosam in pallio navigationem, Abraham Bzovius in An[nalibus] MCCLXXV. Ambrosius,] B; Ambrosius A

I. Paraenesis ad Navigationem; sed, Cautam.

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CAUDAM Aries monstrat fugiens, Os Taurus apertum, Dum Coelô exortus sidera Verna novat: Nos brumae digitum medium ostendemus, Amici. Bruma jacet, domitâ pressior Holsatiâ. Indicium exactae, Septem sint sidera, brumae, Quae mediâ inter Ovem sede, Bovémque micant. Vergiliae aetherio fulgent Atlantides auro Conspicuae; nisi quòd tectiùs una nitet. Quid tamen una nocet? Merope si exsurgere cessat, Saltem aperit clausum caetera turba fretum. Iam Rhenus, jam Scaldis aquas summittit ovantes, Iam frangi ad remos Baltica gaudet hyems. Aeoliae languent, ventosa ad littora, pugnae. Quid volumus? nostrum est (pandite vela) Mare. Sive est remigio Gothicus mihi Pontus arandus, Per Gothici socios aequoris arva sequar: Sive ex Ictiaco est adeunda Britannia portu,

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SEEFAHRT Wieder ein ANDERER denkt sich einzuschiffen, und tritt die Reise auf den wilden Fluten an: er rufet ein Holz an, das gebrechlicher ist als das Holz, das ihn trägt. […] aber deine Vorsicht, o Vater! regiert es, weil du auch im Meere einen Weg gabest, und eine gar sichere Bahn zwischen den Wellen, um zu zeigen, daß du Macht habest, aus allen Gefahren zu retten, auch wenn einer ohne Kunst auf’s Meer käme. Buch der Weisheit 14,1–4 ELEGIE XIV ÜBER EINE SEEREISE, DIE BEIM AUFGANG DER FRÜHLINGSGESTIRNE ERNEUT AUFGENOMMEN WIRD Er mahnt seine Freunde, die nach Britannien aufzubrechen sich anschikken, nach dem Beispiel der Heiligen Satyrus und Raymund lieber Gott und ihrer Unbescholtenheit zu vertrauen als dem unberechenbaren Meer. Die Geschichte des Heiligen Satyrus bietet der Heilige Ambrosius, sein leiblicher Bruder, in der ersten seiner Leichenreden. Die wundersame Seereise des Heiligen Raymund auf dem Mantel erzählt indessen Abraham Bzovius in seinen Annalen zum Jahr 1275. I. Ermunterung zur Seefahrt, aber mit Bedacht Seinen SCHWANZ zeigt im Fliehen der Widder, sein offenes Maul der Stier, während er im Aufgang am Himmel sein Frühlingsgestirn von neuem sehen lässt. Wir werden der Winterskälte den Mittelfinger zeigen, Freunde. Die Winterskälte unterliegt, noch mehr bedrängt, nachdem Holstein bezwungen ist. Zeichen für die Vertreibung der Kälte soll das Siebengestirn sein, das zwischen Schaf und Rind erglänzt. Die Vergilischen Atlantiden leuchten ansehnlich von himmlischem Gold, nur eine von ihnen scheint etwas versteckt. Was kann aber eine schaden? Wenn Merope zögert aufzugehen, gibt wenigstens die übrige Schar das noch nicht befahrene Meer frei. [10] Schon bietet der Rhein seine, schon die Schelde voller Jubel ihre Strömung dar, schon freut es den Baltischen Wintersturm, sich an den Rudern zu brechen. Die Kämpfe der Aeolischen Winde ermatten an den stürmischen Gestaden. Was wollen wir denn? Unser ist das Meer, setzt die Segel! Wenn ich das Gotische Meer mit dem Ruder durchfurchen muss, will ich den Gefährten über die Fluten des Gotischen Meeres folgen, wenn ich aus dem Hafen

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Liber I

Ictiacum Pelagus jam mihi marmor erit. At vos, ne solis, certo sine Numine, ventis Fidite. Saepe Maris polluit aura fidem; Saepe etiam evertit. Pelago ne credite, nautae; Ni Comes aut Numen naviget, aut Probitas. Haec duo Pristis erunt vobis, et Iasonis Argo: Absque his, in casus mille Carina patet. 18 Pelagus] B; pelagus A

II. S[ancti] Satyri Naufragium.

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Alcyone, evectum compacta in classe, maritum Funus in Aegaeis quàm citò vidit aquis? Ambrosidae Satyro (quamvis ratis Itala ferret Per mare) Carpathium quid fuit ire mare? Vix portu exierat; vasto quando obruta fluctu, Fracta est Tyndarijs sparsáque prora petris. Qualis parva suo dejecta Ciconia nido, Anxia sese arctis versat in imbricibus; Talem se medio excussus gerit aequore vector. Nam vixdum tactas hic perit inter aquas. Ille alius remos, puppim rapit alter aduncam; Et lis est nautis unica prora tribus. Omnia corripiunt retinendae pignora vitae: Virtutem nemo, aut Numinis optat opem. Solus in his Satyrus neque transtra natantia prensat, Nec Clavum, aut lacerae perfida tigna ratis. Quin, tabulam injectâ retinebat fortè sinistrâ, Dum perit à rapido panda carina Noto; Dimisit tabulam, et; Si sunt extrema petenda Auxilia, Auxilium certius (inquit) adest. Dixit: et, ut clausum, Panis sub imagine, Numen De Collo, assuetas inter habebat opes, Divinam audaci complexus pyxida dextrâ, Navifragas pronâ mole subivit aquas. Aeolus obstupuit, Neptuniáque Amphitrite, Vidit ut insolitum, per sua regna, DEVM. Africus ipse altùm siluit: sed et obvius Eurus Vecturam Satyro stravit Arioniam.

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von Calais aus nach Britannien zu fahren habe, wird die Meerenge bei Calais für mich zur schiffbaren See. Vertraut ihr aber nicht allein den Winden ohne sichere Unterstützung Gottes! Oft hat ein Wind die Sicherheit des Meeres bedroht [20] und es oft schon aufgewühlt. Vertraut nicht dem Meer, ihr Seeleute, wenn nicht Gott euer Begleiter ist oder eure Redlichkeit! Diese beiden werden euch [Vergils] Pristis und Jasons Argo sein; wenn sie fehlen, ist das Schiff tausend Unbilden ausgesetzt.

II. Der Schiffbruch des Heiligen Satyrus Wie schnell musste [H]Alcyone den Leichnam ihres Gatten [Ceyx], der mit einer großen Flotte ausgefahren war, im Aegaeischen Meer erblicken? Was brachte es Satyrus, dem Bruder des Ambrosius, zum Karpathischen Meer zu fahren (obgleich ihn ein Italisches Schiff trug)? Kaum hatte es den Hafen verlassen, als das Schiff von gewaltiger Flut überdeckt, an den Tyndarischen Felsen zerbarst und seine Reste zerstreut wurden. So wie ein kleiner Storch, wenn er aus seinem Nest fiel, sich ängstlich in engen Regenrinnen windet, ebenso verhält sich der Seefahrer, hinausgeschleudert, mitten auf dem Meer. Denn kaum hat er das Wasser berührt, [10] geht er auch schon zugrunde. Da greift einer nach dem Ruder, ein anderer nach dem gekrümmten Deck, und ein einziger Balken des Bugs verursacht unter drei Seeleuten Streit. Sie greifen hastig nach Allem, was zur Lebensrettung dienlich sein kann. Niemand wünscht sich Seelenstärke oder die Hilfe Gottes. Einzig Satyrus greift unter ihnen nicht nach treibenden Ruderbänken noch nach dem Steuer oder nach den unsicheren Balken des geborstenen Schiffes. Vielmehr hielt er gerade ein Brett fest in seiner linken Hand, als das geräumige Schiff im Wüten des Sturmes unterging. Er ließ das Brett fahren und sprach: »Wenn in äußerster Not Hilfe erbeten werden muss, ist sicherere Hilfe zugegen.« [20] Sprach’s, und da er unter der Gestalt des Brotes Gott selbst am Hals unter seinen gewohnten Habseligkeiten verborgen trug, umfasste er die göttliche Kapsel entschlossen mit seiner rechten Hand und sprang direkt in das Schiffe zerstörende Wasser. Da erstaunten Aeolus und Amphitrite, die Neptunstochter, als sie wider Erwarten GOTT in ihren Reichen erblickten. Tief schwieg Africus, Eurus wehte ihm entgegen und bot Satyrus eine Fuhr wie dem Arion.

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Caeruleo exceptum curru super aequora Triton, Intulit Hadriaco, post freta Graja, freto. 21 Dixit:] B; Dixit, A

III. S[anctus] Raymundus, pallio mare transmittit.

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Praestitit hoc, Numen. Quod si tibi fata negarent, Interdum et Probitas Numinis instar erit. Arragonum RAYMVNDVS opes et regna perosus, Hesperijs ibat vela daturus aquis, Non navis, non ullus erat pro littore nautes. Ipse sibi nautes, Navis, et Aura, fuit; Nam sua vecturis instravit pallia lymphis. Dum vestit, facili transigit arte fretum. Cursavit pannosa Ratis: Zephyrísque secundis, Si non Tecta, tamen per mare Sarta, redit.

5 nautes.] B; nautes: A

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Auf einem blauen Wagen nahm ihn Triton auf und trug ihn über die See, nach den griechischen Meeren brachte er ihn in die Adria. [30]

III. Der Heilige Raymund überquert auf einem Mantel das Meer Dies bewirkte Gott. Wenn aber das Schicksal dir solches verweigerte, kann auch bisweilen Redlichkeit die Stelle Gottes vertreten. RAYMUND war der Herrschaft und der Schätze Aragons überdrüssig und ging, um ins westliche Meer zu segeln. Er hatte kein Schiff, keinen Seemann für ein Ufer; er war sich selbst Seemann, Schiff und Brise. Denn er breitete seinen Mantel auf den Wassern aus, die er befahren wollte. Und indem er es kleidete, überquerte er ohne Anstrengung das Meer. Der Kahn, aus Lumpen gefertigt, fuhr dahin und bei günstigen Frühlingswinden kehrte er zwar nicht bedeckt, aber doch geflickt zurück. [10]

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AVICVLAE. Respicite Volatilia Coeli; quoniam non serunt, neque metunt, neque congregant in horrea: et Pater vester coelestis pascit illa. Matth[aei] 6. v[ersus] 26. Coeli;] B; Coeli, A

ELEGIA XV. DE ALAVDA. Alaudam (quam et Ko/rudon et korudw=na Graecis dici, Ornithologi testantur) exquisitè cantillantem, diaetâ suâ farréque dignam esse.

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IAM sensim et Volucrum tinnit concentibus aether: Ne, quaeso, agricolae cantibus obstrepite. Iam quoque Sylvestres thalamos meditantur, et ova, Ne quaeso aut ovis, aut generi, officite! Ferreus est, quicunque potest Corydona necare; Plumbeus, enectam siquis et esse potest. Quàm Scythicam hanc rear esse gulam? quàm immane barathrum, Perdere sustinuit quod Corydona cibum? Quid signem in Corydone? rogas. I; Dorida terram Consule, Cassitam quae Corydona vocat. Hanc Maro pastorem fecit, Siculúsque choraules: Pastorum meliùs Musa vocanda fuit. Vsque adeò exculto meditatur gutture carmen. Pierides, decimam hanc annumerate Deam! Exieram roseae primô Pallantidos ortu, Roscida quà cano gramine lucet humus: Ad laevam Ister erat, falsísque arbusta rosetîs Aspera, et excelsîs ripa tremenda jugis; Dextrâ agri, viridíque seges nova laeta flagello. Clamabam; Hîc verè Tempora VERIS eunt! Cùm subitò è glebis, quas multa insederat ales, Ardua ventivolo surgit Alauda gradu: Primatem hanc, regísque putem de stemmate natam: Nam plebejum Animum vix juvat, Alta sequi. Nostra, simul pennas, simul ora canora levavit; Vnâ vox et Avis, mobilitate vigent. Quid memorem, artifici deductum ex lege volatum, Turbinis in ritum dum rotat ales iter?

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VÖGELEIN Schauet auf die Vögel des Himmels! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in den Scheuern; und euer himmlischer Vater ernähret sie. Matthäus 6,26 ELEGIE XV. Die Lerche Die Lerche, welche die Griechen nach dem Zeugnis der Vogelkundler Ko/rudon oder koru/dwn nennen, sei wegen ihres trefflichen Gesangs ihrer Nahrung und ihrer Getreidekörner wert. SCHON erklingt allmählich am Himmel ein Konzert von Vogelstimmen: Ihr Bauern, lärmt nicht gegen ihren Gesang! Schon denken sie auch an ihre Nester im Wald und an Eier, schadet bitte nicht den Eiern oder der Brut! Eisenhart ist, wer eine Lerche töten kann, bleiern sogar, wer eine getötete zu essen vermag. Für was für eine Skythische Fresslust soll ich das halten und für was für einen ungeheuerlichen Schlund, der eine Lerche als Speise zu vernichten aushielt? Was ich mit Corydon bezeichne, fragst du? Geh ins Dorische Land, das die Lerche »Cassita« nennt und frage danach! [10] Maro machte sie zur Hirtin, ebenso der Sizilische Sänger. Besser hätte man sie »Muse der Hirten« genannt. Sie singt mit wohlklingender Stimme immerzu ein herrliches Lied, ihr Pieriden, gesellt sie euch als zehnte Muse zu! Ich war beim Aufgang der rosenfarbenen Eos dorthin gegangen, wo der betaute Boden von weißem Gras leuchtet. Zur Linken lag die Donau, ein Hain, dornenstarrend von wilden Rosenbüschen und ein Ufer, Furcht einflößend mit seinem jähen Abhang. Zur Rechten lagen Felder und eine neue Saat, üppig sprießend von grünen Halmen. Ich rief aus: »Hier zieht wahrhaft die Frühlingszeit ein!« [20] Da schwang sich plötzlich aus der Scholle, auf der zahlreiche Vögel saßen, eine Lerche hoch hinauf in die Lüfte. Ich möchte sie für eine Fürstin und aus königlichem Geblüt erachten, denn einen niedrigen Geist erfreut es nicht, in die Höhe zu steigen. Unser Vogel erhob zugleich seine Flügel und seine wohl tönende Stimme. Im Einklang von Stimme und Bewegung liegt seine Stärke. Was soll ich den ihrer Art eigenen kunstvollen Flug erwähnen? Sanft im Ansteigen, dreht der Vogel zahlreiche Bahnen, und stößt an die Wolken im Flug wie in einer Pferderennbahn. [30] Unentwegt vollzieht er die Bahn am Himmel und tiriliert dabei, bis Bahn und Schwingen den Augen entschwinden. Aber seine Melodie, sein Gesang und seine Weisen leben, und wo sein Körper nicht zugegen ist, ist seine Stimme da. Er dreht und wendet sich, singt seine Dorischen Weisen wieder und wieder in unzähligen Sequenzen. Man könnte meinen, alle musikalischen Wendungen seien in seiner kunstreichen Kehle vereinigt, alle, die

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Lenis ad ascensum, sexcenta volumina gyrat, Penduláque, hippodromi nubila more, terit. Aërium indefessa urget, cum voce, laborem: Ex oculis donec cursus et ala migrent. At melos, et cantus, et adhuc modulamina vivunt: Atque, ubi non praestò est corpore, carmine adest. Volvit et involvit, versátque, eadémque reversat Innumerabilibus Dorica metra fugis. Convenisse omnes in daedala guttura flexus, Et quos Harmonie, et, quos scit Apollo, putes. Lassa sub extremum (Nulla est aeterna voluptas) Obticet, et modulis ponit Alauda modum: Fulmineóque ruens notos petit impete campos. DI, date mercedem hujc dimidium hujus agri! Et quod granorum hic annus protrudet, et alter: Omnis enim mensâ est Musica digna suâ. 22 gradu:] B; gradu, A

ELEGIA XVI. Historica. ALAVDA VOLVCRIS, COLONIAE ATTICAE CONSTITUTRIX. Iuventus Attica, novis quaerendis sedibus è patrio solo dimissa, Peloponneso totâ, consiliorum et fortunarum incerta, vagabatur. Cassitulâ tandem ave ducente, quodam in monte, Messeniorum jugis, consedit. In eo Colónidas urbem, (sic ab Imperatore suo Colaeno nuncupatam Coloniam,) post longas errorum ambages, constituit. Rem, sicuti gesta est, breviter narrat Pausanias, libro quarto Hellados, in Messenicis, haud ità multò ante finem. cujus verba damus. Tv½ Korwnai/wn de\ po/lei e)sti\n oÀmoroj Kolwni/dej. oi( de\ e)ntau=qa ou) Messh-/nioi fasin eiÅnai, a)lla\ e)k th=j ¡Attikh=j a)gagei=n sfa=j le/gousi. Kolai/nw| de\ KORIDON th\n oÃrniqa, e)k manteu/matoj, e)j th\n a)poiki/an h(gh/sasqai. Kei=tai de\ to\ po /lisma, ai( Kolwni/dej, e) pi\ u(yhlou=, mikro\n a)po\ qala/sshj. ave] B; ave, A jugis] juris A; B

NVMEN habent Volucres: et (si non tota vetustas Vana canit) multos, prae Iove juvit Avis. Testis ab auspicibus, Libyae per devia, corvis Pellaei Regis ducta reducta phalanx.

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Harmonia kennt und Apoll. Zu guter Letzt erschöpft, verstummt die Lerche und setzt ihren Modulationen ein Ende (denn kein Vergnügen währt ewig). [40] Im Sturzflug kehrt sie zur bekannten Scholle zurück ihr GÖTTLICHEN, gebt ihr die Hälfte des Ertrages dieses Feldes zum Lohn, und was immer der Acker in diesem und im nächsten Jahr hervorbringt, denn jede Musik ist ihres Tisches wert!

ELEGIE XVI Historischen Charakters EINE LERCHE ALS GRÜNDERIN EINER ATTISCHEN KOLONIE

Eine Schar junger Athener wurde vom heimatlichen Boden weggeschickt, um neue Wohnsitze zu suchen, und streifte auf der ganzen Peloponnes umher, ungewiss, wozu sie sich entschließen solle und wie es ihr ergehen werde. Schließlich führte sie eine kleine Haubenlerche und sie ließen sich auf einem Berg im Gebiet der Messenier nieder. Auf ihm begründeten sie nach der langen Ungewissheit ihrer Irrwege die Stadt Colonidai (so nannten sie die Stadt nach ihrem Führer Colaenus). Wie sich die Geschichte zutrug, berichtet knapp Pausanias im 4. Buch seiner Beschreibung Griechenlands, Über die Messenier, kurz vor dem Ende. Seine Worte teilen wir im Folgenden mit: Ans Gebiet der Stadt Korone grenzen die Kolonider. Diese behaupten dort, nicht Messenier zu sein, sondern geben an, Kolainos habe sie aus Attika dorthin geführt. Dem Kolainos aber habe eine Haubenlerche, gemäß einem Orakelspruch, den Weg zu dem Siedlungsplatz gewiesen. [...] Die Stadt Kolonidai aber liegt auf einer Anhöhe, nicht weit vom Meer. GÖTTLICHE Kraft haben die Vögel und (wenn nicht das gesamte Altertum Falsches verkündet) hat vielen ein Vogel eher als Jupiter geholfen. Zeuge ist das Heer des makedonischen Königs, das von zukunftskündenden Raben durch die

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Testis, et, Ausonias meditatus Romulus arces; Cuj Regnum et felix alea, vultur erat. Sed mihi Graja placent. Latijs qui credere chartis Audes, ne Grajam respue, Lector, Avem. Cecropios nimius compleverat incola muros, Prolis et illuvie non satis urbis erat. Archontes (quos Roma Patres, hos dicit Achivus A / ) rxontaj) media Palladis arce sedent; Consiliúmque coquunt. Placet, exonerare juventam, Atque alibi, Tyrio quaerere more, Lares. Plebs scicscit: Delectum ineunt: Tenet una vetustam Pars sedem; Aegaeâ pars alia urbe migrat. Digressi inquirunt alia atque alia arva; sed arva Non Isthmos miseris, non Cronia ora, dabat. Curritur ulteriùs, socio et ductore Colaeno (Mopsopiâ clarus stirpe Colaenus erat). Dum dubitant, Quorsum? dum nusquam et ubique residunt, Fertur ab arcano vox fremuisse specu; QVID, vaga turba, facis? si fixa colonia cordi est, Sunt tibi cristati terga sequenda ducis. Audierant. galeáque ducem, cristísque Colaenum Laeti onerant. Sed nil plumea Cassis agit. Ergò aliò divina trahunt oracula moesti; Cristatúsque (ajunt) castra praeibit Equus. At nec Equo successus inest, neque pondera cristis: In rapidos abeunt plumáque, sórsque, Notos. Iámque adeò incerti errabant, dubia omnia circùm. Denique cristatis venit Alauda comis. Haec galeata caput, Cassitáque casside nota, Coepit signiferas antevolare manus. Dux notat; Accipimúsque (inquit) sequimúrque volantem: Meta, BONIS AVIBUS! meta laboris adest! Bina fefellerunt; tentemus tertia fata: Quid Tentâsse nocet? Perge, agè, miles, agè! Iussa facit miles: neque ducere cessat Alauda: In Messeniacos usque venitur agros. Mons procùl Alpheas despectat celsior arces, Herbidus in summo, planitiéque nitens. Hunc Cassita petit, potitúrque quieta petito: Huc confertim omnis tendit Achaea manus. Mons placet. hîc stabiles nullo prohibente, penates, Hîc sulco assignant moenia: fervet opus. Vrbs Coelo assurgit, feriúntque Colonides astra: Hoc quippe, Argolico de Duce, nomen habent.

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Einöden Libyens geführt und wieder zurückgeführt wurde. Zeuge ist auch Romulus, als er die Ausonische Burg im Sinn hatte: Ihm brachte ein Geier die Königsherrschaft und ein glückliches Los. Ich aber ziehe griechische Geschichten vor. Leser, der du den lateinischen Schriften Glauben zu schenken wagst, weise nicht einen Vogel aus Griechenland zurück. Zu viele Einwohner hatten die Stadt des Kekrops erfüllt, wegen einer Schwemme von Nachkommen reichte die Stadt nicht mehr aus. [10] Die Archonten (was Rom ›Väter‹, das nennt der Grieche ›Archonten‹) sitzen mitten in Athens Burg und kochen einen Plan aus. Sie beschließen, sich der Jugend zu entledigen; diese solle, nach Tyrischer Art, anderswo einen Wohnsitz suchen. Das Volk stimmt zu. Man trifft eine Auswahl. Ein Teil behält den alten Wohnsitz, der andere Teil verlässt die Stadt des Aegeus. Nach ihrem Abmarsch suchen sie immer neue Länder auf; aber den Unglücklichen gab weder der Isthmus noch Kroniens Küste Land. Man zieht eilends weiter und Colaenus war ihr Gefährte und Führer (berühmt war Colaenus wegen seiner Abstammung aus attischem Adel). [20] Während sie noch zweifelnd fragen »Wohin denn?«, während sie überall und nirgends sich niederlassen, soll aus geheimnisvoller Höhle eine Stimme dröhnend erklungen sein: »WAS tust du, unstete Schar? Wenn der Wunsch nach Ansiedlung fest in deinem Herzen steht, musst du dem buschtragenden Führer nachfolgen.« Sie hatten es vernommen und statteten froh ihren Führer Colaenus mit Helm und Helmbusch aus. Aber nichts bewirkt der gefiederte Helm. Daher deuten sie bekümmert das göttliche Orakel anders; »ein Pferd mit buschiger Mähne« – so sagen sie – »soll dem Heer vorausgehen.« Aber weder gewährt das Pferd Erfolg noch hat seine Mähne Gewicht: Kamm und Weissagung lösen sich in nichts auf. [30] Schon irrten sie völlig ziellos umher, ringsum war alles für sie voll Zweifel, schließlich kam eine Lerche mit zum Helmbusch geformten Kopffedern. Dieser Vogel mit dem behelmten Kopf, als Haubenlerche wegen der Haube bekannt, flog von nun an dem Fähndrich noch voraus. Der Führer bemerkt das; »wir setzen auf sie« – sagt er – »und folgen ihrem Flug: Das Ziel ist, MIT GLÜCKLICHEN VOGELZEICHEN, das Ziel der Mühsal ist nah! Zweimal hat das Orakel uns getäuscht, versuchen wir’s ein drittes Mal! Was schadet ein Versuch? Weiter, auf, Soldat, auf!« Die Soldaten führen den Befehl aus: Die Lerche führt unaufhörlich weiter, schließlich gelangt man ins Gefilde Messeniens. [40] Von fern blickt ein Berg auf die Burg am Alphëus hinab, auf dem Gipfel grasbedeckt, prangend mit seinem Plateau. Zu ihm zieht es die Lerche, sie lässt sich dort nieder und findet Ruhe; hierher strebt dichtgedrängt die ganze Achaeische Schar. Der Berg findet ihr Gefallen. Hier errichten sie, ohne dass jemand sie daran hindert, feste Häuser, hier bezeichnen sie mit einer Furche die Mauern: Die Arbeit schreitet eifrig voran. Die Stadt Colonidae erhebt sich zum Himmel, reicht empor zu den Sternen.

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Ne Romana sibi, sub Alaudae sola placeret Nominibus Legio; Doris alauda cavet. Illam Italam duxêre Duces: praeit ista Colaenum; Cúmque Phalange ipsos ducit Alauda Duces. 17 Digressi] B; Digressi, A 20 erat).] erat) A; B 24 cristati] B; Cristati A

ELEGIA XVII. SPINVLVS. I. Spinulum, Aviculam cicuratam (quam Germani Zeyslin appellant) aut amissam, aut interversam, deplorat, atque revocat.

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SPINULE, parvarum Volucrum non parvula Siren, (Non illud raucum, non, vacuum arte genus) Spinule, quem patrij captum prope littora GuntI, Nutrijt in dociles anxia cura jocos: Quae mihi te, solitum caveae sine carcere pasci, Et totâ assvetum spontè volare domo, Quae mihi te vel avara manus, vel distulit error? Heu, novus in pennas quis tibi venit amor? Suspicor, ac certum est (nisi te fur pessimus, et fur Abstulit Ornithoclops) te repetisse tuos: Suspicor, ad Patrem, matrémque, et amoena Sorores Nomina, ventivolam te secuisse viam: Suspicor, ad veteres Salices, Sylvestria regna, Ad frondes et aquae stagna redisse tuae. Stulte nimis! cuj nostra Ceres, cuj pascua nostra Sorduerint! Tanquam plus tibi Sylva daret? Si bene te Mater, si lautè turba Sororum Excipiet; milij ter tria grana dabunt. Haec promulsis erit; tunc Persica coena sequetur, Cannabis, ô nulli Cannabis apta dapi! Duritie Sipylum superans, annísque Sibyllas, Factura ah, collo jurgia multa tuo. Et tamen hîc laticésque novos, et farra videbas Mollia, saepe meâ mollia facta manu; Saepe superpresso bene tunsa et pinsita saxô.

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Diesen Namen hat ja, nach dem Argolischen Führer, die Stadt. Dass nicht allein die römische Legion unter dem Namen der Lerche sich gefällt, dafür sorgt die Dorische Lerche. [50] Jene Italische führten ihre Heerführer: Diese hier geht dem Colaenus voraus; diese Lerche führt gar die Führer mit ihrer Heerschar.

ELEGIE XVII DER ZEISIG I. Er beklagt den Verlust seines Zeisigs, eines gezähmten Vögelchens (die Deutschen nennen es Zeyslin), das ihm verloren gegangen oder entwendet worden war, und ruft ihn zurück ZEISIG, als Sänger nicht klein unter den kleinen Vögeln (dies ist eine nicht übel tönende und des kunstvollen Gesangs sehr wohl kundige Art), Zeisig, den man an den Ufern der heimischen Günz fing und dem ein sorgfältiger Meister gelehrige Scherze beibrachte, welch habgierige Hand hat dich mir entwendet oder welcher Irrweg trug dich davon, dich, der gewohnt war, außerhalb des gewölbten Käfigs Nahrung zu finden und frei im ganzen Haus herumzufliegen, wehe, welch ungewohnte Sehnsucht packte dich, deine Flügel zu gebrauchen? Ich nehme an, ja es ist gewiss, dass du, wenn dich nicht ein gemeiner Räuber oder Vogelfänger davontrug, zu den Deinen zurückgekehrt bist. [10] Ich vermute, dass du deinen Weg durch die Lüfte zu Vater, Mutter und Schwestern – süße Namen – genommen hast. Ich vermute, dass du zu den alten Weidenbäumen, deinem Reich im Wald, zum Laub und deinen heimischen Weihern zurückgekehrt bist. Heilloser Dummkopf, wenn dir unsere Körner und unsere Weiden missfallen haben, als könnte dir der Wald Besseres bieten! Selbst wenn dich deine Mutter und die Schar deiner Schwestern üppig versorgen, werden sie dir dreimal drei Körner Hirse bieten können. Dies wird die Vorspeise sein, darauf wird ein Persisches Königsmahl folgen, Hanf nämlich, Hanf, ach, für keine Mahlzeit geeignet. [20] Er übertrifft an Härte den Sipylus-Stein, an Alter die Sibyllen und verschafft deiner Kehle mancherlei Pein. Hier bei mir bekamst du doch frisches Wasser vorgesetzt und weiche Speltkörner, die von meiner eigenen Hand weich gemacht wurden, oft zerstoßen und zermahlen vom Druck eines Mühlsteines.

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Quid mirum est, dulcis si fuit Oda tibi! Spinule parve, redi! vel, si aurea vita videtur Aurae libertas, ulteriora pete. 2 genus] B; genus! A

II. Optat sibi Spinuli alas, quibus in Coelum evolet.

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Heu me! quòd non sum pennis instructus et alâ: Quàm cuperem, ô Superi! Spinulus esse meus! Tunc ego nec sylvas, nec aquas, neque consona Tempe, Non peterem Vernum, Delia regna, nemus: Nil horum: neque tanti esset vel Atlanticus hortus, Vel Babyloniacâ pensilis arte cedrus. Remigio alarum super Aëra vectus et Ignem, Tranarem sedes, Cynthia fulva, tuas. Altiùs hinc Martémque ultra, et Iovis astra, profectus, Vltra anthropophagi frigida signa Dei, Transgrederer fixo labentia sidera motu: Nec statio in firmo pegmate firma foret. Magna equidem, sed vota tamen iustissima fingo: Quae, si nil prosunt, quid tamen ipsa nocent? Ergò supergressus Primi quoque Mobilis orbem, Empyrea vellem figere sede gradum: Admissúsque tuo, Custos Galilaee, favore, In Paradisiacos usque vagarer agros. 13 iustissima] B; justissima A

III. Quos in Coelo conventos cuperet?

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O quater, atque iterum quater et quantum usque beatum! Quisquis in his nidum frondibus Ales habet. Sed nimium hoc: Spes ista aliqua mihi falce premenda est. Sufficiat, summo stringere summa pede. Sit satìs, ô, celeri coelestia prata volatu Libâsse, et tutâ mox revolare fugâ. Quod licet, et vitio vacuum est; Ad pauca morabor, Párque reversuro vix tria verba seram. Namque salutantis, prima ad viridaria, ritu, Virgineo dicam xai=re valéque choro.

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Was Wunders, wenn dein Gesang süß tönte! Kleiner Zeisig, kehr doch zurück, oder, falls dir die Freiheit der Lüfte das goldene Leben zu sein scheint, dann flieg in weitere Fernen!

II. Er wünscht sich die Flügel des Zeisigs, um damit in den Himmel hinauf zu fliegen Ach, dass ich nicht Federn noch Flügel habe! Wie sehr wünschte ich, ihr Himmlischen, mein Zeisig zu sein! Ich würde dann weder in die Wälder noch zu den Wassern oder ins klangvolle Tempetal fliegen und nicht in den Frühlingshain, das Reich von Delos. Nichts von alledem, und nicht würden mir die Gärten des Atlas oder die Babylonische Zeder in den Hängenden Gärten so viel bedeuten. Mit dem Ruder der Flügel würde ich über Luft und Feuer fliegen, an deinem Gestirn vorbei, gelbe Cynthia. Weiter hinaus würde ich vordringen über den Mars hinaus, das Gestirn Jupiters und das kalte Sternzeichen des Menschen fressenden Gottes. [10] An den Fixsternen würde ich vorbeifliegen, und würde nicht am Fixsternhimmel Halt machen. Ich denke mir kühne, aber verständliche Wünsche aus, was würden sie denn schaden, selbst wenn sie nichts nützten? Ich überflöge gern des ersten beweglichen Kreises Gestirnbahn, und nähme meinen Wohnsitz gerne im Empyraeum. Und mit deiner Erlaubnis, ›galileischer‹ Wächter, schweifte ich gerne aus bis zu den Gefilden des Paradieses!

III. Mit wem er im Himmel zusammenzutreffen wünschte O viermal und nochmals viermal und wie oft noch selig der Vogel, der in dieser Laubkrone sein Nest hat! Aber mein Wunsch geht zu weit! Solche Hoffnung muss ich mit einer Sichel beschneiden. Es soll genügen, die höchste Höhe mit der Fußspitze zu berühren. Genug muss es sein, die Himmelswiesen in schnellem Flug gerade nur zu berühren und dann sogleich zielsicher den Rückflug anzutreten. Was aber erlaubt und frei von Sünde ist: Mit wenigen Worten nur will ich verweilen und – gleich einem, der sich auf den Rückweg macht – kaum drei Worte am Stück sprechen. Denn, wie einer, der grüßt, will ich in den ersten Lustgärten ein »Sei gegrüßt« und zugleich ein »Lebewohl« der jungfräulichen Schar zurufen. [10] Und vielleicht wird mir wenigstens eine von diesen keuschen Jungfrauen ein

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Forsitan ex illa Castarum gente, vel una Xai=re mihi alternum succinet, atque, vale. Id grave si credet Catharina, vel innuba Petri Filia, vel Siculo Lucia clara rogo: Culpa mea haec fuerit (minùs illis florida nostra est Integritas) At non passim odiosus ero. De tot millenis Regina Britannica Nymphis, Vrsula saltem unâ chiliade exciperet. Post has, Indigetum Violaria docta Virorum, Priscósque aspiciam, lumina nostra, Patres: Quos inter Grajo fluidus Chrysostomus auro, Hieronymúsque Italo musteus eloquio: Indè recens junctum, tot prisca ad sidera, sidus, Quô Bellarmini purpura sacra flagrat. Deinde Roseta super, super ebria Sanguine forti Arva volans, Stephani Saxa videre velim, LaurentÍque ignem, et Placidi vocale metallum, Deinde et bissenis Atria culta Viris. Vlteriùs vetat ipse labor, vetat ire periclum: Nam quodcunque suprà est, jam prope Numen habet. Vt taceam superesse DEVM, restare Mariam (At quanta, et quanto Nomina fanda sono!) Me Seraphei ignes, Cherubináque deterrerent Agmina. Quis tantum Penniger ausit iter? Has Coeli Larium flammas quis tentet, et ignem, Ales? In hoc nolim Spinulus esse meus. 1 beatum!] A; in B unleserlich 26 velim,] B; velim; A

ELEGIA XVIII. DIES S[ANCTO] IOSEPHO FESTVS,

19. Martij. De Infantia Christi, miraculis insigni, divinas extra paginas, diversa quidam finxerunt veriùs, quàm tradiderunt. Quod illis libuit, Poësi saltem licuit: quae varias è Christo puerulo Delicias captatas, à varijs animalibus, commentatur. Narrantur porò DIVI IOSEPHI nutricij, velut conscio, ore, non quae facta sunt, sed, quae fieri potuêre.

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ebensolches »Sei gegrüßt« und ein »Lebewohl« zur Antwort geben. Sollte dies Katharina oder die unvermählte Tochter des Petrus oder Lucia, die durch ihren Sizilischen Scheiterhaufen berühmt ist, als sündhaft ansehen (ihnen erscheint wohl meine Unschuld weniger makellos); wird man dennoch mich nicht gänzlich zurückweisen, mag dies meine Schuld sein. Unter ihren vielen tausend Jungfrauen wird mich wohl die Britannische Königin Ursula wenigstens in eine ihrer Tausendschaften aufnehmen. Danach will ich die Veilchengärten der gelehrten heiligen Männer im Umkreis Gottes aufsuchen und die alten Väter anschauen, unsere Glanzlichter, [20] unter ihnen Chrysostomos, dessen Mund überfließt von griechischem Gold, und Hieronymus, süß wie Most in italischer Rede; sodann ein unlängst so vielen alten Gestirnen hinzugekommener Stern, an dem Bellarmins heiliger Purpur strahlt. Von dort will ich über die Rosengärten und über die Fluren fliegen, die vom Blut der tapferen Streiter getränkt triefen, und die Steine des Stephanus sehen, das Feuer des Laurentius und das klingende Metall des Placidus, darauf die Halle, die von den zwölf Aposteln bewohnt wird. Weiter vorzudringen verbietet die große Anstrengung, verbietet auch die Gefahr: Denn was darüber liegt, ist schon fast im göttlichen Bereich. [30] Um davon zu schweigen, dass GOTT noch übrig ist und Maria (o, wie große Namen und mit welchem Klang auszusprechen!), würden mich schon die Feuer der Seraphim und die Scharen der Cherubim zurückschaudern lassen. Welches gefiederte Wesen wollte einen solch schweren Weg wagen? Welcher Vogel würde die Flammen der Himmelsgeister versuchen und ihr Feuer? Zu diesem Wagnis möchte ich nicht mein Zeisig sein!

ELEGIE XVIII DAS FEST DES HL. JOSEPH am 19. März Über die Kindheit Christi, die sich durch Wunder auszeichnete, haben manche außerhalb der heiligen Schriften verschiedene Begebenheiten wahrheitsgetreuer erfunden, als sie es durch die Weitergabe der Überlieferung vermochten. Was ihnen gefiel, war sicherlich der Dichtkunst erlaubt. Diese behandelt verschiedene aus dem Leben des Christusknäbleins herausgegriffene entzückende Geschichten, die mit verschiedenen Tieren zu tun haben. Es wird nun sozusagen durch den Mund des HEILIGEN JOSEPH, des Nährvaters, erzählt, nicht was geschehen ist, sondern was hätte geschehen können.

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I. Iosephi cum Poëta colloquium.

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ISTE dies, Phoebi solito radiosior ortu, Quem mihi de Supera Sede, Thalia vehit? Fallor? IOSEPHI an roseo de Sidere fulget? Certè hoc, aut simili fulgure, dignus erat. Hoc, aut vix alio Senior mitissimus astro, Debuit è terris mitia fata sequi. O, mihi si liceat placidi Patris ora tueri! Et dare, et alternis reddere verba modis! Tunc ego vel Pylium contemnere Nestora possim, Aut facunda Ithaci spernere verba Ducis. Nempe! sumus vates aliquid; sumus aethere noti. Venit enim Elysio dius ab Orbe Faber. Canities olli venerabilis, et nitor almus; Vestis, Idumaeo larga fluénsque sinu. Quid dubitem? Iosephus erat; nam laeva securim, Et perpendiculum dextra magistra tulit. Ille mihi (ut mollem adstitui pro sede cathedram) Quid tuus hic (inquit) praeterit Astra labor? DELICIAS scribis, Zephyri quas tempora difflant: Et potes Aeternas perdere DELICIAS? Certè equidem perdit, quisquis coelestia coelat. Delicias Superûm qui canet, ille feret. Quin aliquid CHRISTI (si spiras Sidera) pangis? Quin Parvi Lusus Numinis atque jocos? DELICIAE Puer ille meae, castaéque Parentis Et Flos, et Fructus, VÉRque vtriusque fuit. Idem etiam Volucrum, dum Infantis bulla sinebat, Lusibus, alternum praebuit obsequium. Hoc et chalcographi credunt, memorésque tabellae, Arte, Calotte, tuâ, vel, Colaërte, tuâ: In quibus extremo digitorum è margine, morsum Parvula nunc tentat, nunc et omittit, Avis. Sic mihi Iosephus. Sed nondum dixerat ore, Quo volui Infantis Numinis acta loqui. Ergò ego; Ne pigeat (dixi) Mihi discere pulcrum est, Ne pigeat pleno plura docere metro. Nescio quid magnum sunt Verba Senilia semper: Sed tamen in Superis haec quoque Numen habent. Sic ego IOSEPHO. Sed laudatâ ille Senectâ, Non barbam mulsit, non tumida ora tulit; Non veteres juveni laudes narravit, et annos: Nam procul à Vero est Gloria vana Sene;

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I. Josephs Gespräch mit dem Dichter DIESER Tag, strahlender als der gewöhnliche Aufgang des Phoebus, wen bringt er mir, Thalia, aus seiner himmlischen Wohnung? Täusche ich mich? Oder glänzt er etwa vom rosenfarbenen Gestirn JOSEPHS? Sicherlich war er dieses oder ähnlichen Glanzes würdig. Unter diesem oder unter kaum einem anderen Stern konnte der so sanftmütige Greis von der Erde aus einem sanften Geschick folgen. O, möge es mir vergönnt sein, das Antlitz des friedsamen Vaters zu schauen und Worte mit ihm zu wechseln. Dann könnte ich sogar den Pylischen Nestor gering schätzen oder die beredten Worte des Fürsten von Ithaca verschmähen. [10] Doch! Wir Dichter bedeuten etwas, wir sind dem Himmel bekannt. Es kam nämlich aus Elysischen Gefilden der heilige Zimmermann. Er hatte verehrungswürdiges graues Haar und strahlte Güte aus. Er trug eine weite und fließende Gewandung mit idumäischem Faltenwurf. Was soll ich noch zweifeln? Es war Joseph. Denn seine Linke trug ein Beil und die führende Rechte ein Senkblei. Er sprach zu mir, sobald ich ihm als Sitz einen weichen Sessel hingestellt hatte: »Warum übergeht dein Schaffen die Sterne? Du schreibst FREUDIGE GESCHICHTEN, welche die Frühlingswinde davonblasen, und dabei können dir die Ewigen FREUDEN entgehen? [20] Mit Sicherheit verliert sie ein jeder, der himmlische Güter mit Stillschweigen übergeht. Wer die Wonnen des Himmels besingt, der wird sie gewinnen. Warum singst du nicht von CHRISTUS, wenn du doch Himmlisches erstrebst? Warum nichts von den Spielen und Scherzen des göttlichen Kindes? Der Knabe war meine FREUDE, Blüte und Frucht der keuschen Mutter und unser beider FRÜHLING. Auch bot er, solange sein Kindesalter es zuließ, den Vögeln im Spiel Anlass zu wechselseitigem Vergnügen. Dies bezeugen auch die Kupferstecher und jene Darstellungen, die durch deine Kunst, Callot oder durch deine, Collaert, daran erinnern, [30] und auf denen ein kleiner Vogel mal auf seine Fingerspitze pickt, mal nicht.« So sprach Joseph zu mir. Aber er hatte es noch nicht in einer Weise gesagt, wie ich über die Taten des göttlichen Kindes reden sollte. Also sagte ich: »Es soll dich nicht verdrießen. Für mich ist es schön, zu lernen. Es soll dich nicht verdrießen, mich im vollen Vers noch mehr zu lehren. Etwas Gewicht haben die Worte eines Greises immer: Aber erst recht haben sie auch im Himmel ihr Gewicht.« So sprach ich zu Joseph. Doch er strich auf dieses Lob des Greisentums hin nicht seinen Bart oder trug sein Antlitz stolz erhoben. [40] Er erzählte dem jungen Mann nicht von vergangenen Großtaten und Jahren. Denn eitler Ruhm liegt dem Wahren Greis fern, und noch ferner dem unseren. Der stützt sich nur auf einen Elfenbeinstab, dem er als Zimmermann ein abgemessenes Werkstück anlegt und sagt dann wie einer, der sich erheben will: »Wir werden staunen, so lange dieser helle Tag auf fester Bahn einherläuft. Ich kann mich kaum fassen, spende Beifall mit Händen und Füßen, als dein Knabenalter heranrückt, du zarter Christus. FREUDEN hat mir (ich gestehe es) auch dein reiferes Alter bereitet: Was hätte ich denn an meinem süßen Gott für traurig halten sollen? [50] Und doch wohn-

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Longius à Nostro est. Hic tantùm nixus eburno Stipite, dimensum cuj Faber aptat opus: Tum surrecturo similis; Mirabimur (inquit) Dum purus solido curret in axe dies. Vix ego me capio, et plaudo, pedibúsque resulto, Cùm Praetexta subit, Christe tenelle, tua. DELICIAS (fateor) dedit et tua grandior aetas: In dulci quid enim Numine Triste putem? Sed tamen in PVERI lepor infuit intimus ore: Omnis enim in minimo plus nitet ungue Decor. Hôc oculos trâxtíque meos, niveaéque Parentis: Traxisti, quidquid terra, mare, aura, ferunt. 15 laeva] B; Laeva A 17 mihi (ut… cathedram)] B; mihi; ut …cathedram; A 19 difflant:] A; in B unleserlich 24 Parvi] B; Parui A 25 castaéque] B; castaeque A 26 VÉRque] B; VERque A 27 Volucrum] B; Volucrum A 42 Sene;] B; Sene, A

II. Christus parvulus Luporum et Piscium Deliciae.

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Vidimus (et testes mea sint haec Lumina!) Tutum Sylvestres inter saepe meâsse Lupos Praecipuè, in terras quando Mareotidas exsul, Fugit Idumaei sceptra cruenta Ducis. Vt taceam, quoties Libycos à corpore Soles Arcuerint Thressae, pensilis umbra, grues. Vt taceam, quoties monstrosi è gurgite Nili, Pisciculos jussas hauserit inter aquas? Nam, simulac primae demersa est antlia ripae, Ripa stetit fluido tota referta grege. Res (fateor) rara est: Piscantem Piscis amabat, Dum Solem in Puero hoc squammea turba videt. Sole calent Pisces: ad Solis amoena resultant Fulgura: Sole palàm grex Galataeus ovat.

2 Lupos] B; Lupos, A

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te dem Antlitz des JUNGEN schalkhafter Humor inne. Vollkommener Liebreiz strahlte mehr noch am kleinsten Fingernagel. Dadurch zogst du meine Augen und die deiner schneeweißen Mutter auf dich, zogst alles an, was Erde, Meer und Luft hervorbringen.

II. Das Christusknäblein, die Freude der Wölfe und Fische Wir sahen (und meine eigenen Augen sollen hier Zeugen sein!), dass er oft sogar unter wilden Wölfen sicher wandelte, als er heimatlos vor der blutigen Herrschaft des Idumäischen Fürsten in Mareotische Lande floh. Zu schweigen davon, wie oft Thrakische Kraniche als schwebender Schatten die Libysche Sonne von seinem Leib fernhielten. Zu schweigen auch davon, wie oft er aus den Strudeln des grässlichen Niles mitten im Wasser, dem er gebot, kleine Fische fing. Denn sooft das Schöpfrad nahe am Ufer ins Wasser tauchte, war das gesamte Ufer schon voll von der feuchten Schar. [10] Diese Geschichte ist ungewöhnlich (ich gestehe es): Der Fisch liebte den Fischer, derweil die schuppige Schar in diesem Knaben die Sonne erblickt. Fische erwärmen sich an der Sonne. Dem lieblichen Glanz der Sonne springen sie entgegen: Die Galateische Schar jubelt, wenn die Sonne zugegen ist.

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III. Christo Parvulo Delicias facit Philomela.

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Dulcius est illud, cupidaéque disertius auri, Cantatrix Puero quod Philomela dedit. Novêre hoc valvae, novêre cubilia guttur, Guttur ad infantis mobile saepe fores. Seu Puer in primos flexisset lumina somnos, Haec serâ somnos voce ciebat Avis: Sive Puer nimiùm-Eoos vigilaret ad ortus, Haec docilî somnos arte novabat Avis: Iussit Amor Volucrem hanc turres praeponere Sylvis, Et Satyros cicuri postposuisse DEO. Sedit et ad laxam saepe ambitiosa fenestram: Dixit, quâ licuit dicere voce, CAPE! Verba fuêre, Melos. credámque, haud ficta fuisse: Libertas fuerat, Sic potuisse capi. 8 Avis:] B; Avis. A 11 saepe] B; interdum A

IV. Eidem Turtur domesticus obsequitur.

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Et certè hoc ipso Turtur sibi plausit honore, Turtur in ingenua vernula praeda domo. Ille jocos Gnato, et castos faciebat Amores: Ille dabat dijs basia crebra genis. In laribus comes, et minimo comes ibat in horto, Atque erat in medijs, quod solet umbra, vijs. Verrenti mediastinis conclavia curis, Praebebat famulam syrmate turtur opem. Idem etiam lapsas, modica inter prandia, micas Collegit, Domino restituítque suo. Farra dedi volucri, steriles quondam inter avenas: Haec domini ad gremium farrea dona tulit; Granáque selecto tantummodo flava nitore. Nempe aut nil dandum est, aut Bona danda, DEO.

9 lapsas] B; elapsas A

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III. Die Nachtigall bereitet dem Christusknäblein Freude Noch süßer und wohlklingender für ein geneigtes Ohr ist das, was die Sängerin Philomela dem Knaben zu Gehör gegeben hat. Tür und Wiege kennen diese Kehle, die Kehle, die sich oft an der Wohnstatt des Kindes geregt hat. Ob der Knabe seine Augen dem ersten Schlummer hingegeben hatte, dieser Vogel rief am Abend mit seiner Stimme den Schlummer herbei; ob der Knabe bis zum allzu frühen Aufgang der Morgenröte wachte, dieser Vogel brachte mit geübter Kunst wieder frischen Schlaf. Die Liebe befahl diesem Vogel, die hohen Gebäude den Wäldern vorzuziehen und die Satyrn der sanften GOTTHEIT hintanzustellen. [10] Oft saß die Nachtigal beflissen am offenen Fenster. Sie sagte, soweit es ihrer Stimme möglich war: FANG’ MICH! Die Worte waren Gesang, und ich möchte glauben, dass sie nicht unehrlich waren. Freiheit war es, dass sie sich so konnte fangen lassen.

IV. Die häusliche Turteltaube folgt ihm Und sicherlich gefiel sich die Turteltaube in eben dieser ehrenvollen Rolle, die Turteltaube als heimische Beute im eigenen Hause. Sie scherzte mit dem Sohn, schenkte ihm keusche Liebesbeweise und gab ihm häufig Küsse auf die göttlichen Wangen. Im Haus trat sie als seine Begleiterin auf, als Begleiterin auch im winzigen Garten, und mitten auf den Wegen war sie, was sonst ein Schatten ist. Wenn er die Zimmer mit der Beflissenheit eines Gehilfen ausfegte, gewährte ihm die Turteltaube diensteifrig Hilfe mit ihrem Federgewand. Sie sammelte auch Krümel, die während der bescheidenen Mahlzeiten zu Boden gefallen waren, ein und gab sie ihrem Herrn zurück. [10] Getreidekörner gab ich einmal diesem Vogel, unter leeres Stroh gemischt: Er trug diese Getreidegaben in den Schoß seines Herrn, nur goldgelbe Körner von erlesenem Glanz. Offenbar darf man GOTT nichts geben außer Gutes.«

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V. Christus Puerulus, Apium deliciae.

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Finiturus erat, positâ de sede levatus, Sidereúmque Senex jam repetebat iter: Pauca mihi urgenti verba addidit. Inter eundum, Ibant cum lento concita metra gradu. Sic mihi sis (inquit) comes, et bene sidera tangas, O vates, fato non moriture malo! Si bonus esse voles. Viden’ haec Apiaria? (casu Prostabant nostro cerea tecta lare) Admoneor veteris, per signa recentia, facti. VER fuit, et primis arbor honora comis. Ah, tenerum et liquidum est, quod nunc de Prole recordor! VER fuit, et partu succida terra novo. Iam Soles ibant, placidísque teporibus aurae: Surgebant udo gramen et herba solo. Tunc Sylvis vigor est, tunc prima in cortice vita: Hoc quoque (vix nocuum est) tempore caede nemus. Exieram. Mecum ille Quadrimulus, atque Securis; Istanc nostra manus presserat, Ille Manum. Dum sarmenta cadunt, dorso portanda tenello, Dum cadit et noster Palma futura labor, Interea tumulo assedit Puer almus aprico; Parva mora est, Fascis mox tuus, ecce, jacet! Haec ego dicebam. Zephyri (puto) vernáque flabra, Vicêre hunc. Somno lumina victa dedit. Nescieram hoc: neque, si scîssem, prohibere volebam: Debuerat nulli blandior esse Sopor. Diffideram Palmas: operi suus exitus ibat. Tinnijt, en, lentâ stridulus aure sonus! Murmur erat. Curro, virgultáque proxima lustro, Innumerae propiùs sentio carmen Apis. Mox Colli appropero. Mea gaudia, Christe, jacebas: Te propè, quidquid apum Sicelis Hybla fovet: Et quot Carmelus, montanáque nutrit Idume: Omnis in hoc Legio mellea Colle volat. Pars Pueri suprà sopiti bombilat ora: Pars in divinis visa sedere labris. IESVLE, mi Puer (exclamo) Quid, Iësule, dormis! Surge, fuge, abde tuum sub Coryleta Caput. Hej, vae! quàm nocuo surgent tibi labra tumore? Surge, agè, conde tuum, in pallia nostra, labrum. Ille nihil contrà. Pulso, post multa, sopore, Ad me suaveolo reddidit ore, PATER!

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V. Das Christusknäblein als Freude der Bienen Gerade wollte der Greis zum Ende kommen, indem er sich vom dargebotenen Sitz erhob, und nahm schon den Weg zu den Sternen wieder auf. Doch da ich ihn drängte, fügte er für mich noch einige Worte hinzu. Während des Gehens gingen ihm Verse in gemessenem Schritt von den Lippen: »So begleite mich denn«, sprach er, »und berühre nur die Sterne, o Dichter, der du nicht dazu bestimmt bist, durch übles Geschick zu sterben, wenn du nur gut sein willst! Siehst du diese Bienenhäuser?« (Zufällig standen vor unserem Haus Bienenkörbe mit ihrem Wachs.) »Durch diese neuen Zeichen entsinne ich mich einer alten Begebenheit. FRÜHLING war’s, und die Bäume prangten im ersten Grün. [10] Ach, zärtlich und klar stellen sich mir Erinnerungen an das Kind vor Augen. FRÜHLING war’s, und wiedergeboren stand die Erde im Saft. Schon nahten sonnige Tage, und die Lüfte waren von sanfter Wärme erfüllt: Kräuter und Gras sprossen aus dem feuchten Boden. Dann haben die Wälder Lebenskraft, dann regt sich neues Leben unter der Rinde. Zu dieser Zeit schlage Holz (es kann kaum schaden)! Ich ging hinaus. Bei mir waren der Vierjährige und das Beil. Meine Hand hielt dieses, jener hielt meine Hand. Während das Reisig zu Boden fiel, das auf dem zarten Rücken getragen werden musste, und da die Palme fällt, zugleich zukünftiges Siegeszeichen und unser Leid [20], setzte sich der holde Knabe unterdessen auf einen sonnigen Hügel. ›Kurz ist die Rast, siehe, dort liegt schon dein Rutenbündel.‹ So sprach ich. Die Zephyre (glaube ich) und die Frühlingsluft überwältigten ihn. Unterlegen schloss er die Augen und schlief ein. Ich hatte es nicht bemerkt. Und wenn ich es bemerkt hätte, hätte ich ihn nicht davon abhalten wollen. Keiner hätte einen angenehmeren Schlaf verdient. Ich hatte die Palmenstämme gespalten. Die Arbeit neigte sich ihrem Ende zu. Doch da! Es ertönte ein schwirrender Ton, den ich zu spät vernahm! Es war ein Summen. Ich renne und spähe in die nahen Hecken. Aus größerer Nähe höre ich das Lied unzähliger Bienen. [30] Schnell eile ich zum Hügel. Da lagst du, Christus, meine Freude. In deiner Nähe ist alles, was die Sizilische Hybla an Bienen hervorbringt und was der Karmel und die gebirgige Idume nährt, versammelt. Die ganze honigspendende Schar fliegt um diesen Hügel. Ein Teil summt über dem Gesicht des schlafenden Knaben, einen Teil sieht man auf den göttlichen Lippen sitzen. ›JESULEIN, mein Junge‹, rufe ich, ›Jesulein, was schläfst du? Steh auf, fliehe, verbirg dein Haupt unter den Haselbüschen! Oh weh, wie schlimm werden deine Lippen anschwellen. Steh’ auf, mach’, verbirg deine Lippen in meinem Mantel!‹ [40] Er aber tut nichts dergleichen. Als der Schlaf nach geraumer Zeit vertrieben war, erwiderte er mir mit wohlduftendem Mund: ›VATER!‹, dann wiederum, als er seine vom Schlaf tränenden Augen gerieben hatte: ›Was denn, Vater?‹ Auf dieses Wort hin flieht der summende Schwarm. Die geflügelten Honigsammler entweichen dorthin, von wo sie gekommen sind. Ich schaue nach, ob der Knabe am Mund verletzt ist. Es gab keine Wunde, keinen Stich, kein Anzeichen eines Makels, dieweil die Bienen die schlafende Gottheit sogar anbeteten. Auch Blumengebinde und, wie es angemessen war, Opferkuchen setzten sie dem Donnerer

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Mox, iterum somno dum undantia lumina tergit! Quid, Pater? Ad vocem hanc, stridula turma fugit; Mellilegaéque abeunt, unde advenêre, volucres. Scrutor ego, si sit saucius ora Puer? Nec Vulnus, neque Punctus erat, nec stigmatis index, Dum, vel Sopitum Numen, adorat Apis. Serta quoque, et, quà fas, posuit sua liba Tonanti; Nam Pueri in labris Flos erat, atque Favus. Sensi ego, cùm vigili imprimerem mox basia Gnato, Basia, nulli unquam succidiora Patri. HAEC mihi Iosephus, tenuésque evasit in auras; Cúmque illo vnà omnem distulit Aura fidem. 11 est,] A; est B 16 caede] A; cede B 17 Securis;] B; Securis: A 39 Hej] B; Hei A 43 tergit!] B; tergit; A 49 liba] B; Liba A

ELEGIA XIX. Historica. S[ancti] BENEDICTI Merula. Benedictus, Nursiâ, ex antiquissima Aniciorum stirpe, oriundus, in loco, qui Sublacus appellatur, depressam, et ab humano omni cultu sepositam, speluncam incolere instituit. Illic manè quodam, à Cacodaemone, Merulae volucris figuram induto, inquietatus; Impudicae foeminae, Romae quondam in studijs conspectae, foedâ memoriâ sollicitari coepit. Hanc tentationem, laboriosè diu repulsam; heroica denique nudi corporis inter spinas volutatione, tanquam Stimulum Stimulo, repressit. Vide S[ancti] Gregor[ii] l[ibri] 2. Dialogor[um] c[aput] 2. heroica] B; heroicâ A

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QVIS locus Idalio satìs est obstructus Amori? Quae sera sat rigidè clausa Cupidinibus? Haud ita victrici grassatur in obvia flammâ. Cùm semel indomitum Mulciber urit iter, Nec tam fulmineo perrumpit nubila lapsu, Cùm Iovis, in terras, ira trisulca ruit; Quàm certô, et celeri, et penitùs fixo, improba telô, Irruit in mentes, transadigítque Venus.

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vor. Denn auf den Lippen des Knaben waren Nektar und Honig. [50] Gleich als ich den Sohn nach seinem Erwachen küsste, fühlte ich Küsse, wie es süßere für einen Vater niemals geben könnte.« SO sprach Joseph zu mir und entschwand in die klaren Lüfte, und zusammen mit ihm nahm die Luft alle Gewissheit mit sich.

ELEGIE XIX Historischen Charakters Sankt BENEDIKTS Amsel Benedikt, der aus Nursia aus der uralten Familie der Anicier stammte, beschloss, an einem Ort, der Subiaco heißt, eine tiefgelegene und von aller menschlichen Behausung abgelegene Höhle zu bewohnen. Dort wurde er eines Tages früh morgens von dem Bösen Geist, der die Gestalt einer Amsel angenommen hatte, beunruhigt; die schimpfliche Erinnerung an eine schamlose Frau, die er einst in Rom während seiner Studien gesehen hatte, begann ihn zu reizen. Dieser Versuchung widerstand er in langem Kampf und unterdrückte sie endlich, gleichsam den Stachel mit dem Stachel, indem er sich tapfer nackt in Dornen wälzte. Vgl. Hl. Gregor, Dialoge Buch 2, Kap. 2. WELCHER Platz ist ausreichend gegen den Idalischen Amor geschützt? Welcher Riegel verschließt fest genug gegen die Eroten? Weder schreitet Vulcan mit so siegreicher Flamme voran, wenn er erst einmal unbezwingbar sich einen Pfad brennt, noch durchbricht Jupiter mit solchem Blitzschlag die Wolken, wenn sein Zorn mit dreigezacktem Blitz die Erde trifft, wie Venus mit sicherem, schnellem und tief treffendem Pfeil schamlos in die Herzen eindringt und sie durchbohrt.

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Nec fuga, nec latebrae prosunt. Licèt usque recedas, Semper adhuc Tecum es. Tecum erit, unde flagres. De Te bella tibi, de te Cypris excitat arma; Ac de Sponte tuâ vim tibi saepe facit. Omnia si desint hostilia, Tu tibi praestò es: Hostis, quanquam vnus, sat tibi multus eris. Vos mihi, queîs castae nimia est fiducia vitae, Atque animus nullis flexilis insidijs, Dicite, Nursiaden quid sic flammârit Alumnum, Vt medias Ignem volveret inter Aquas? Frigidus exesis pendebat Sub-lacus Antris, Saxa super, scabris caeca voraginibus: Torva forìs rerum facies, et torvior intus; Vitâsset talem Tisiphone ipsa Specum. Sed non hospitium hoc defugit Anicia proles: Vt lateas omnes, hîc, Benedicte, lates. Nec diverticulum hoc Phlegetontis castra fefellit: Vt Genij possent vincere, pugnat Avis. Ecce nigrans pennis, et furvo ventre volucris, Et rostro meditans versicolore dolum, Blandiloquîs MERVLAE titulîs, ac nomine, mendax, Luciferi ad primum sidus, in antra volat. (Hoc ipso auctorem didicisses fraudis, et omen: Lucifero quidquid mittitur, in dubio est) Et nunc illa quidem crebros gyratur in orbes, Implexo ludens insidiosa trocho: Nunc Iuvenis pacata ruens depugnat in ora, Adversâ fodicans improbitate genas. Interdum et calido spirat cava sibila flatu, Inflammans Stygia pectora Casta face. Sensisses Acheronta nigrum, tectum alite nigro: Certè Animo vetiti mox caluêre foci. Foeminea, ante oculos thalamorum Osoris, imago Constitit, atque opicis lusit imaginibus. Emicuit scintilla procax; et, quàm fuit Ales Irrequieta forìs, tam fuit intus Amor. Prô scelus! (exclamat toto Benedictus ab orbe Divisus) Fueram Solus; et Altera adest? Vnus in hoc antrum, sine teste et compare, veni: Cur Duo nunc, et (quod non licet) Ambo sumus? Nec plura. Hirsutis injecit vepribus artus; Atque intrà sentes se generosus agit. Hoc semel herois generosus fecerat ausis; Membráque purpureus tinxerat alba cruor. Hoc iterum atque iterum repetitis viribus audet:

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Weder Flucht noch Versteck nützen. Magst du auch immerfort zurückweichen, immer bist du noch bei dir. Bei dir hast du, was dich brennen lässt. [10] Aus dir beginnt Cypris den Krieg, aus dir erhebt sie die Waffen; und aus deinem eigenen Willen tut sie dir häufig Gewalt an. Wenn auch alles Feindliche fern ist, du bist dir gegenwärtig: Obwohl nur ein einziger, wirst du dir ein genügend zahlreicher Feind sein. Ihr, die ihr allzu selbstsicher auf eure Keuschheit pocht und deren Geist durch keinerlei Anschläge zu beugen sei, sagt ihr mir, was den Jüngling aus Nursia so in Flammen setzte, dass er seine Glut mitten im Wasser löschen musste! Subiaco hing eiskalt zwischen ausgefressenen Höhlen, darüber Felsen, finster von rauen Schlünden: [20] Grimmig ist draußen der Anblick und grimmiger drinnen; eine solche Höhle hätte sogar Tisiphone gemieden. Aber diese Unterkunft mied der Spross der Anicier nicht: Um vor allen verborgen zu sein, Benedikt, verbirgst du dich hier. Aber diese Herberge täuschte das Heer der Hölle nicht: Dass die bösen Geister siegen, dafür kämpfte ein Vogel. Sieh da, der Vogel mit dunklem Gefieder und schwarzem Bauch, der mit farbigem Schnabel auf List sinnt, trügerisch mit den einschmeichelnden Merkmalen der AMSEL und ihrem Namen, fliegt, beim ersten Funkeln des Morgensterns, in die Höhle. [30] (Eben daran hätte man den Urheber und die Bedeutung der List erkennen können: Was zur Stunde Lucifers, des Morgensterns, erscheint, ist bedenklich.) Und nun dreht sich jener Vogel wahrhaftig häufig im Kreis, indem er um Benedikt arglistig spielend herumwirbelt. Bald stürzt er sich auf das friedfertige Antlitz des Jünglings, sucht ihn niederzuringen und zerkratzt seine Wange mit fürchterlicher Schamlosigkeit; bisweilen stößt er auch mit heißem Atem hohl tönendes Zischen aus und setzt so dessen reines Herz durch die Stygische Fackel in Flammen. Man hätte bemerken können, dass der schwarze Acheron hinter dem schwarzen Vogel steckt: Sicherlich flammten bald verbotene Gluten in Benedikts Herzen. [40] Das Bild einer Frau stand dem Verächter des Beilagers vor Augen und narrte ihn mit derben Bildern. Ein mutwilliger Funke sprühte empor und ruhlos, wie der Vogel draußen, war drinnen Amor. »O Schande!« (ruft Benedikt, von der ganzen Welt geschieden) »Ich war allein; und doch ist eine Zweite da? Allein, ohne Zeuge und Gefährte, kam ich in diese Höhle. Warum sind wir jetzt zu zweit und (was nicht sein darf) ein Paar?« Nichts weiter sagt er. Er warf sich in Dornengesträuch und wälzt sich, sich ausgiebig peinigend, in dem Gestrüpp. [50] Kaum hatte er dies in heroischem Wagemut hochgesinnt getan, da färbte purpurrotes Blut seine weißen Glieder. Dies wagt er immer wieder mit wiedererlangten Kräften, und schon war sein Leib fast nur mehr eine einzige Wunde. Außerdem schlug er sich immer wieder mit zahllosen Zweigen, bis der Boden von blutigem Nass troff. Dann endlich, als die Amsel in die Lüfte und Cypris über die Meere vertrieben war und die Fackel keine Kämpfe mehr erregte, öffnete er als Sieger den Mund zu dem verdienten Paean: »So soll mir, ja so fortan häufig der Triumph gelingen! [60] So habe ich gekämpft und so soll jeder kämpfen, der zu meiner Heerschar gehören will. Venus ist nicht Stirn gegen Stirn zu bezwingen. Diese Kämpfe sind nicht zu bestehen durch hin und her geführte Hiebe, sondern durch unmittelbare Flucht an einen sicheren Ort. Den Pfeilen des Verlangens darf man nur den Rücken (und

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Iámque ferè Corpus, nil, nisi Vulnus erat. Addidit, innumeris plagas renovare labruscis; Sanguineo donec rore natavit humus. Tunc demum in Ventos Merulâ, tránsque aequora pulsa Cypride, jam nullâ bella movente face, Victor, in emeritum voces Paeana resolvit; Sic mihi, sic posthac saepe triumphus eat! Sic ego; sic pugnet, quisquis mea Castra sequetur: Non est adversâ fronte domanda Venus. Non ultro citróque datis haec praelia plagis, Sed primâ constant, in loca tuta, fugâ. Terga Cupidineis, (nec plus) sunt danda sagittis; Ceu torquet refugo spicula Parthus equo. Si minùs hîc opis est, Audete! meóque severi Exemplo, rigidis pungite membra rubis. Pro vepribus violae, pro saevis lilia surgent Sentibus, et fient Vulnera vestra Rosae. Haec demum ad Superos, certo fert tramite, colles Semita. Per Spinas surgit ad Astra via. At tu, quae nostram turbâsti, Thai, quietem, Hostica pacato dum simulacra cies: I, procul aeternùm; neque limina nostra revise: Proposito abludit tam mala Suada meo. Noster Amor Deus est, et post hunc Regia virgo: I, Venus, i: certum est; Hîc ego firmus ero. Virgine (quod coepi) mentem in statione tenebo: Subvertet castos nulla ruina pedes. Si tamen in Casum urgebis; super ista vepreta, Ne Tibi succumbam, Cóncido. Thai, vale!

4 urit] (?) B; ursit A 14 vnus] B; Vnus A. – multus] B; Multus A 36 fodicans] B; fodiens (?) A 55 Addidit,] B; Addidit A 64 primâ… fugâ] B; prima… fuga A 67 minùs] B; minus A 82 Thai] B; Thaj A

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nicht mehr als diesen) bieten, wie der Parther seine Pfeile schießt auf flüchtigem Pferd. Wenn aber hier keine Hilfe ist, so wagt es und verletzt, nach meinem Vorbild, streng eure Glieder mit dornigen Brombeerzweigen. Danach werden statt der Dornen Veilchen, statt der grausigen Stacheln Lilien sich erheben und eure Wunden zu Rosen werden. [70] Dieser Pfad endlich führt auf sicherem Weg zu den Gefilden hoch oben. Durch Dornen geht der Weg hinauf zu den Sternen. Du aber, Thais, die du unsere Ruhe dadurch gestört hast, dass du feindliche Bilder in meinem friedlichen Sinn erregtest, entferne dich in Ewigkeit und suche unsere Schwelle nicht mehr auf: Zu meinem Vorhaben passt nicht die so übel verführende Überredung. Unsere Liebe ist Gott und, nächst diesem, die königliche Jungfrau: Geh’, Venus, geh’: Es ist entschieden; hier werde ich standhaft sein. In jungfräulicher Haltung werde ich (was ich begann) meinen Sinn wachsam halten: Kein Straucheln soll die reinen Schritte zu Fall bringen. [80] Wenn du doch auf meinen Fall hindrängst, werde ich, um dir nicht zu erliegen, über jener Dornenhecke zu Fall kommen. Thais, lebe wohl!«

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VIOLAE. Venite, et fruamur bonis, quae sunt: et utamur Creaturâ, tanquam in juventute, celeriter. * Non praetereat nos FLOS Temporis. Sap[ientiae] 2. ELEGIA XX. DE VIOLIS. Violarum Odor, auctori febricitanti salutaris, post Ludovici Crucij Psalmorum Paraphrasin lectam, somnúmque in pensili pomario delibatum.

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EST Arces infrà Fabias, turritáque Castra, Leniter elatâ pensilis Hortus humo. Malus ibi, et (siquid memini) socia altera Malus, Foetibus ista suis dives, et illa suis. Sed tunc germen erant, et frons sine floris honore; Nondum ullum induerat succida Flora nemus. Aeger ego, alterno versabam incendia lecto; Febris, in exusto corpore, jura dabat. Fortè fuit pax luce illa, morbíque Vacuna: Suspensi nemoris visere rura, datum est. Omnia dum peragro, lustróque eadémque relustro; Implicuit lentus tempora fessa sopor. Procumbo, (incertum est, illáne sub Arbore, an illa?) Iessidae, in manibus, Carmina vatis erant, Carmina fatidicis Psalmorum exercita chordis, (Haec Italo Crucius Celtiber ore sonat.) Exciderant, digitísque Liber, sensúsque jacenti: Quantus eram, In Somno (quod bene vertat!) eram. Constitit ante oculos (oculos tunc mentis apertos) Gramineo Chloris conspicienda sinu: Crine virens, viridíque caput Diademate tollens; Visáque erant eadem, Chloris, et esse Viror. Quid facis? (invadit blandis Dea verna querelis) Aut quid in immensas it tua flamma moras? Rumpe moras; languori obsta: dispesce calores, Quémque trahis, vadat trans freta Sueca, sopor! Surge animis! surge et pedibus. Si est cura, valere, Ante oculos, morbi stat medicina tui.

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VEILCHEN Darum kommet, und lasset uns die gegenwärtigen Güter genießen, mit Hast das Geschaffene gebrauchen, so lange wir jung sind. […], und keine Lenzesblüte entgehe uns. Buch der Weisheit 2,6–7. Elegie XX DIE VEILCHEN Nach der Lektüre der Psalmenparaphrase des Ludovicus Crucius erweist sich Veilchenduft für den fieberkranken Autor als heilsam, ebenso ein Nickerchen in einem sanft ansteigenden Obstgarten Unterhalb der Fabischen Burg, im Schatten ihrer turmbewehrten Feste, LIEGT auf einem sich wölbenden Hügel ein sanft ansteigender Garten. Ein Apfelbaum steht dort, und ihm gesellt sich, wenn ich mich recht erinnere, ein zweiter Apfelbaum, jeder reich versehen mit seinen Früchten. Doch damals trugen sie nur Knospe und Laub, ohne Blütenzier; die saftige Flora hatte noch keinen Blütenhain übergezogen. Ich lag krank und wälzte mich in meiner Fieberhitze rastlos auf dem Bett herum. Das Fieber hatte in meinem ausgemergelten Körper das Heft in der Hand. An jenem Tag herrschte zufällig Frieden, und die Göttin Vacuna über meine Krankheit, und so war es mir gewährt, die Felder mit dem sanft ansteigenden Wald in Augenschein zu nehmen. [10] Während ich so alles durchschweifte und betrachtete, um dann das gleiche noch einmal zu betrachten, wand sich allmählich der Schlaf um meine müden Schläfen. Ich gleite zu Boden – ich weiß nicht mehr, ob unter diesem Baum oder jenem. In Händen hielt ich die Gesänge des Dichters aus dem Stamme Jesse, die Lieder der Psalmen, die zu prophetischem Saitenspiel erklungen waren (der Spanier Crucius lässt sie in lateinischer Zunge ertönen). Den Fingern war das Buch entglitten, dem Liegenden das Bewusstsein: Alles an mir war Schlaf (möge es ein gutes Ende finden!). Da stand mir plötzlich vor Augen – vor den Augen des Geistes, die dann geöffnet waren – die grünende Flora, ansehnlich, mit einem Busen von Gras, [20] das Haupt begrünt, einen grünen Stirnreif auf dem Haupt: Flora und das Grünen schienen dasselbe zu sein. »Was tust du da?«, fuhr mich die Frühlingsgöttin mit charmanter Beschwerde an, »oder warum zieht sich dein Feuer ins Endlose hin? Säume nicht länger, tue etwas gegen deine Schwäche, schwitze die Hitze aus, und der Schlaf, dem du dich hingibst, soll sich übers Schwedische Meer scheren! Erhebe dein Herz und stelle dich auf die Füße. Wenn dir etwas daran liegt, gesund zu sein, steht dir die Arznei für deine Krankheit vor Augen. Denk nur daran, mit begieriger Nase

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Tu tantùm memor esto, avidâ trahere obvia nare: Per Nares veniet, quae venit, hausta Salus. Dixit. et abscessit Sopor unà, et imago Soporis: Evigilo; Hinc atque hinc ad latus halat odor. Halat odor, qualem aut spargant viridaria Paesti, Aut quem spiraret gleba Sabaea Notum. Vt vidi, ut reperi, digitísque implexa diremi Gramina; Flos tepidâ, Flos novus ibat humo. Serpebant (si fortè roges, et nomen adores) Serpebant VIOLAE, veris odora seges. Hoc satìs est. VIOLAS qui dixerit, omnia dixit Cinnama, et Arabijs balsama messa jugis. Carpsi ego depopulans; et farsi oculósque manúsque, Et Calathum, et nares. Deliciásque tuli. Continuò, Febrísque migrat, virésque novantur: Halitibus VIOLAE spirat et halat Homo. 28 oculos,] B; oculum, en, A 32 Evigilo;] B; Evigilo: A

ELEGIA XXI. IN FVCOS. Fucis et insectis alijs indignatur, quòd in horto Violas ac flosculos caeteros exsugant. horto] B; Horto A

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FVCI, apium pestes, et vos tabani, altera pestis, In nostrum, vobis quis furor, ire nemus? Non vos Lex terret, quâ, tangi Aliena vetantur? Solum Hominem furti creditis esse reum? Vos, quot furta (rogo) claro quoque Sole, patratis? Quot praedas agitis? Creditis esse Deos? Creditis, esse aequi memores, et juris iniqui? Sed tamen haec aliquà culpa ferenda venit; At non culpa omnis. Praedari, moris aviti est; Praedari ex omni flore, quis, oro, probet? Vos etiam VIOLAM, nemorum inviolabile Numen, Vos VIOLAM audetis tangere, turpe pecus! Tangere sed minimum est: Etiam (ne, quaeso, negate! Vidi ipse) hirsuto figitis ora labro: Et plusquam audaci mella intima sugitis auso. Hej mihi! Quis VIOLIS, quàm gravis indè dolor!

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einzuatmen, was sich darbietet. Die Heilung, die zu dir kommt, wird durch die Nase eingesogen.« [30] Sprach’s, und zugleich verschwanden der Schlaf und das Traumgesicht. Ich erwache; um mich her weht von allen Seiten ein Duft herbei. Ein Duft weht, wie ihn die Parkanlagen von Paestum verströmen, oder wie der Nordwind, den die Schollen von Saba atmen könnten. Kaum sah ich [wieder], da fand ich schon und pflückte die Kräuter und wand sie mir um die Finger: Eine Blume, ein neuer Blumenflor zog sich über die warme Erde. Da krochen (falls du dich fragst und den Namen verehrst), – ja, VEILCHEN krochen da, die duftige Saat des Frühlings. Das reicht. Wer VEILCHEN nennt, hat allen Zimt und Balsam genannt, der auf den Höhen Arabiens geerntet wird. [40] Ich pflückte wie ein Plünderer, stopfte mir Augen, Hände, Korb und Nase voll, und ich schöpfte Wonnen daraus. Sogleich weicht das Fieber, und meine Kräfte kehren zurück: Im Hauch des VEILCHENS atmet und haucht der Mensch.

ELEGIE XXI. GEGEN DIE DROHNEN Er zürnt den Drohnen und anderen Insekten, weil sie im Garten die Veilchen und sonstigen Blümchen aussaugen »Ihr DROHNEN, Geißel der Bienen, und ihr Bremsen, eine Geißel auch ihr, was dringt ihr tobend in unseren Hain ein? Schreckt euch nicht das Gesetz, das es verbietet, sich an fremdem Gut zu vergreifen? Meint ihr, nur der Mensch könne sich des Diebstahls schuldig machen? Wieviele Diebereien, frage ich euch, verübt ihr, und das am hellichten Tag? Wieviele Beutestücke führt ihr fort? Glaubt ihr daran, dass es Götter gibt? Glaubt ihr, dass sie sich rechtes und unrechtes Tun merken? Jedenfalls muss ein solches Verschulden irgendwie gebüßt werden. Allerdings handelt es sich nicht schlechthin um ein Verschulden: Beute zu machen ist eure angestammte Art. Doch jede Blüte auszubeuten – wer, frage ich, kann das billigen? [10] Ihr wagt es sogar, euch an dem VEILCHEN, dem unantastbaren höheren Wesen der Haine – an dem VEILCHEN euch zu vergreifen wagt ihr, garstiges Vieh! Dass ihr nach ihm greift, ist freilich noch das Wenigste: Ihr drückt ihm sogar – leugnet es nur nicht, ich habe es ja selbst gesehen! – mit eurer stoppeligen Lippe einen Kuss auf und saugt – ein mehr als verwegenes Wagnis! – von tief innen den Honig heraus. Ach weh, wie sehr und wie tief schmerzt das die VEILCHEN!

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Vidi ego, vidi aliquam, sub avari abdomine Fuci, Extinctam subitò, quae modò tincta fuit, Tincta colore illo, quo vix coelestior alter Caeruleo medius purpureóque micat. Nil ego vobiscum hîc, pecus exsecrabile, pugno. Tantùm ajo; Ite procùl! vertite terga fugae! Intactas sinite esse meas, utcunque saluto, Dum VIOLAS Vitam, Deliciásque voco. Quòd si fortè meas surdâ disploditis irâ Pieridas, nec vos docta querela movet; Iam nunc in longos, per saecula postera, Ianos Scitote! Et nostrâ saeviet ira die. Aut ego vos rapidis mersandos undique nimbis, O Fuci, ô tabani, Plejade flente, dabo. Aut ego vos torvis, per Aprilia murmura, ventis Permissos, tradam trans freta Tusca vehi: Aut tandem in fures coelum omne, Hyadúmque ruinam, Dirásque immittam. Vos fera grando necet! Si tamen est usquam tantae emendatio culpae, Emendate; meo dummodo Flore procul. Sugite (si tanta est, sugendi germen, orexis) Sugite Colchorum toxica nata jugis; Sugite per Geticos absynthia lurida campos; Aut, super urticae spicula, confluite. Haec sunt Mella, apibus tam degenerantibus, aequa. Finieram. Illi ineunt murmura: Musa, fuge! 6 Creditis] B; Creditis, A 15 plusquam] B; plusquàm A 16 dolor!] B (Lesung unsicher); dolor? A 19 colore] B; Colore A 30 dabo.] B; dabo; A 38 Sugite] B; Sugite, A 42 Musa,] B; Musa A

ELEGIA XXII. Historica. APES, in ore infantis AMBROSII. Fucis atque Tabanis, Violarum Insultatoribus, Apiculas exadversùm opponimus, quietas auspicatásque divinioris flosculi occupatrices. Is Ambrosiolus fuit: quem aetas postea confirmatior Mediolanensium Infulae supponere verticem reluctantem coëgit. Tunc (Ambrosij Romani, Galliarum deinceps Praetoris filius) in Albano paternae villae violario,

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Gesehen hab ich, ja, hab es gesehen, wie eines unter dem Wanst einer gierigen Drohne plötzlich verblich, wo es doch eben noch farbig geprangt hatte, prangend in jener Farbe, die, himmlischer als jede andere, zwischen tiefblau und violett leuchtet. [20] Ich lasse mich mit euch, ihr abscheuliches Vieh, hier nicht auf einen Kampf ein. Ich sage nur: Weit fort mit euch! Macht kehrt und flieht! Lasst sie unversehrt, meine VEILCHEN, die ich zärtlich bald als ›mein Leben‹, bald als ›meine Wonne‹ anspreche. Wenn ihr aber, taub in euerm Zorn, meine Musenworte missachtet, und euch meine ausgeklügelte Klage nicht rührt, dann sollt ihr ein für allemal wissen: Mein Grimm wird viele Jahre lang bis in künftige Zeiten wüten, ja selbst noch an meinem letzten Tag. Ich werde euch, ihr Drohnen und ihr Bremsen, wenn die Plejaden weinen, allenthalben reißenden Regengüssen aussetzen, damit sie euch ersäufen; [30] oder ich werde euch im Frühlingssturm den scharfen Winden anheimgeben, auf dass sie euch über das Tyrrhenische Meer tragen; oder ich werde endlich auf euch Diebe den ganzen Himmel mit den Hyaden herabstürzen und die Furien auf euch losgehen lassen. Möge euch Hagel grausam erschlagen! Wenn jedoch nach so großem Verschulden eine Besserung irgend möglich ist, dann bessert euch, wofern es nur weit weg von meiner Blume geschieht. Sauget denn (wenn euer Appetit, Knospen auszusaugen, so groß ist), sauget das Gift, das auf den Bergen der Kolcher wächst, sauget den bleich machenden Wermut auf Getischen Fluren oder macht euch allesamt über die stachlige Brennessel her. [40] Das sind Honigsäfte, wie sie für so entartete Bienen gerade recht sind.« Damit schloss ich. Sie fangen an zu murren: »Muse, mach dich davon!«

ELEGIE XXII. Historischen Charakters BIENEN auf dem Mund des Kindes AMBROSIUS Den Drohnen und den Bremsen, die die Veilchen verhöhnt hatten, stellen wir Bienchen entgegen, die sich ruhig und in prophetischer Voraussicht auf ein überaus göttliches Blümchen setzten. Dies war der kleine Ambrosius, den später das reifere Alter nötigte, den widerstrebenden Scheitel unter der Mailänder Mitra zu beugen. Es wird erzählt, dass er, der Sohn des

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fingitur à Nutrice collocatus. Id interim pro vero, exploratóque traditur; Infantilibus illius Labellis, ubicunque tandem somno compositis, APICVLARVM examen, non sine mellificio, inquievisse. Quae res divinam Viri Eloquentiam praemonstrabat, ut de eo loquitur Ecclesia Romana, in ejusdem officio, die VII. Decembris. Quietas auspicatásque ... occupatrices] B; quietos auspicatósque ... insessores A Praetoris] B; Praetoris, A

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VILLA, sed Argolicis praetoria villa columnis Ardua, ad Albanum stabat opaca Nemus. Circùm hortus, circùm irriguo Viridaria prato, Ausoniísque thymis Gallica mixta thyma. Fortè (suburbano dum urbana negotia Rure Fallit, et ad sylvae frangit amoena, Pater) Infantem Ambrosium, VERIS sub sidere, Nutríx Sepositum Zephyris arboribúsque locat: Dúmque abit, atque redit; pro parvo magna Puello Vota edit. votis Numina sórsque favent. Stabant, ecce, cavîs numerosa alvêaria cellis: Et quot apes Hybla fert, et, quot Hymettus apes. Intus Concilium Reges de melle ciebant, Dum populus Violas, dum forìs arva legit. Hîc Puerum ut vidêre, procul custode, labellis Suavè renidentem, Deliciísque parem, Continuò Regésque alvêis, et turba Ministra Abscedunt Violis, Ambrosiúmque petunt. Quò, rogo, quò, gens casta ruis? Pueríne sub ora? Ora, corallineis floridiora Rosis? Ora, Crocum Pæstíque omnes redolentia calthas: Ora, et labra, omni succidiora labro? Hoc fugere est tedas? haecne illa innupta, Maronis Cantata ingenio, Vita, toríque fuga? Aut fraus est, aut fallor, Apes. nam infantis in ore Tam suavi, pro Vna, mille habitant Veneres. Haec ego; sed frustrà. non absterrentur ab auso, Quod coelo capiunt auspice, mellis Aves. Quidquid Aristaeus, quidquid numerabat Idumês Ductor apum Samson; quà data porta, volant: Ambrosiana super pars incuba bombilat ora, Caetera labrorum pars penetrale tenet. Prodigio nutrix media intervenit: et amens, A puero et somnos effugat, et volucres.

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Römers Ambrosius, der zu dieser Zeit Prätor von Gallien war, damals von der Amme im Albanischen Veilchengarten des väterlichen Landhauses hingelegt wurde. Inzwischen wird es als wahr und zuverlässig überliefert, dass sich auf seinen kindlichen Lippen, überall wo sie sich schließlich im Schlaf geöffnet hatten, ein BIENENSCHWARM niederließ, nicht ohne hier Honig zurückzulassen. »Dieses Ereignis deutete auf die göttliche Beredsamkeit des Mannes voraus«, wie über ihn die Römische Kirche in seinem Offizium am 7. Dezember berichtet. Das schattige LANDHAUS – nämlich das mit griechischen Säulen hochragende Haus des Prätors – stand an einem Albanischen Hain. Ringsum war ein Garten; ja, ringsum gab es Blumenbeete auf einer bewässerten Wiese; Römischer Thymian war hier mit dem Gallischen vermischt. Einmal in der FRÜHLINGSZEIT, während der Vater auf dem vorstädtischen Landgut die Pflichten der Stadt vergaß und in der Lieblichkeit des Waldes die Zeit vergehen ließ, legte die Amme den kleinen Ambrosius etwas abseits unter die Bäume, wo Zephyrwinde wehten. Bisweilen entfernte sie sich und kam wieder zurück. Sie sprach für den kleinen Knaben große Gebete – und sowohl die Himmlischen als auch das Schicksal waren den Gebeten gewogen. [10] Siehe, es standen dort zahlreiche Bienenhäuser mit gewölbten Zellen – und dort waren so viele Bienen, wie sie Hybla und Hymettus hervorbringen. Innen hielten Bienenkönige eine rege Beratung den Honig betreffend, während draußen ihr Volk Veilchen und Fluren absuchte. Als sie da, während die Hüterin gerade fern war, den Knaben erblickten, mit anziehend glänzenden Lippen und dem gleich, was sie erfreut, verließen sofort die Könige ihre Bienenstöcke und die Dienerschar die Veilchen und flogen auf Ambrosius zu. »Wohin«, frage ich, »o keusches Volk, wo eilst du hin? Doch nicht auf den Mund des Knaben? Den Mund, der schöner blüht als korallenrote Rosen, [20] den Mund, der den Duft des Safrans und aller Ringelblumen von Paestum verbreitet, den Mund und die Lippen, die saftiger als jede andere Lippe sind? Heißt dies die Ehe fliehen? Ist dies etwa jenes jungfräuliche Leben, welches der Dichtergeist Vergils besang, ist dies die Enthaltsamkeit vom Ehelager? Ihr Bienen, entweder ist es ein Betrug oder ich täusche mich. Denn in dem überaus süßen Mund des Kindes wohnen statt eines einzigen tausend Liebreize.« So sprach ich; aber vergeblich. Die Honigvögel lassen sich von ihrem Unternehmen, das sie dank himmlischer Fügung aufnehmen, nicht abschrecken. Ungeachtet dessen, was Aristaeus, was der Idumäische Bienenvater Samson [über die Keuschheit der Bienen] erzählten: [die Bienen] fliegen, wo sich ihnen eine Öffnung bietet. [30] Ein Teil setzt sich auf den Mund des Ambrosius nieder und summt, der andere Teil nimmt die Innenseite der Lippen ein. Während des Wunders kommt die Amme: Außer sich vertreibt sie vom Knaben den Schlaf und die geflügelten Geschöpfe.

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Non ità crystallis aurum, carbunculus auro, Aurorae certat Solis in axe jubar, Quàm nitor Infanti roseus certavit in ore; Iam tum magnum aliquid, Parvule noster, eras. Iam tum aliquis Paradisus eras: nam te undique circùm Caltha, thymus, Violae, rósque, favúsque fuit. Tunc quoque cùm laetae duplicares oscula Matri; Oscula deprêndit Melle madere tua.

5 urbana] B; vrbana A 9 Dúmque] B; Dumque A 21 calthas:] B; calthas? A 27 ego;] B; ego, A 38 magnum] B; Magnum A

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Nicht Gold mit den Krystallen, nicht ein Rubin mit dem Golde, nicht das strahlende Licht der Sonne wetteifert am Himmel so mit der Morgenröte, wie mit diesen der rötliche Glanz auf dem kindlichen Mund wetteiferte. Schon damals warst du, unser Kleiner, etwas Großes. Schon damals warst du gewissermaßen ein Paradies; denn überall um dich gab es Ringelblumen, Thymian und Veilchen sowie Tau und Honig. [40] Und als du die Küsse der freudigen Mutter erwidertest, bemerkte sie, dass deine Küsse von Honig troffen.

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HIRVNDO. Contigit, ut quadam die fatigatus (TOBIAS) à sepultura, veniens in domum suam, jactâsset se juxta parietem, et obdormîsset: et ex Nido HIRVNDINVM dormienti illi calida stercora inciderent super oculos ejus, fierétque Caecus. Tobiae 2. ELEGIA XXIII. HIRVDO LOQVAX. Hirundinem, (quam Prognem poëtae dicunt Latini, Graeci usitatiùs Philomelam, Aldrovando teste) exagitat, ob garrulitatem, inter studia sibi molestam. Negat; in ea quidquam, praeter Tobiae historiam, celebre recenseri posse.

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QVID mihi tu, maculîs pectus signata cruentis, Quid, Progne, ingratis obstrepis excubijs? Sive diem patulo Phoebus protrudit Olympo, Tu matutinâ stridula voce crepas: Sive diem fluctu Titan demergit Ibero, Tu vespertinum garrula murmur amas. Nempe, ego te vigilem totas ante ostia luces, Et jussi vitreas perstrepere ante fores? Nempe, ego te (spretis Philomelâ, et ruris alaudâ,) Accivi, ut cantûs ex Helicone Deam? Tanquam aliquid magnum, tanquam aere parabile, sic te Tectorum in claro margine prostituis. Carmen habes (fateor) sed, Quo pede, nescio; Si non Haec tua Scazontis claudicat oda genu. Confundis geniúmque tuum, tam dissona miscens; Ingeniúmque meum, dum procùl arte canis: Et mea, dum scribo, queritur turbata Thalia, Destitui numeros, te modulante, suos; Verbáque succîdi, titulíque elementa perire. Debuerat fieri carmen, Hirundo loquax: Te stridente, statim sublapsa est littera quinta; Scripta est (ecce, ingens error!) Hirudo loquax. Hôc tua garrulitas aspersit crimine pennam: Quis tibi non pennas vellat utrimque tuas?

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Erstes Buch

DIE SCHWALBE Es geschah aber, daß er [TOBIAS] eines Tages, da er müde vom Begraben nach Hause kam, sich an die Wand hinwarf und einschlief; und da er schlief, fiel ihm aus einem SCHWALBENNESTE der warme Koth auf seine Augen, und er ward blind. Tobias 2,10f. ELEGIE XXIII DER GESCHWÄTZIGE BLUTEGEL Er schilt eine Schwalbe (welche die römischen Dichter Progne nennen, die Griechen im allgemeinen Philomela nach dem Zeugnis des Aldrovandi) wegen ihrer Geschwätzigkeit, die ihm beim Studium zur Last fällt. Er behauptet, kein berühmtes Wort lasse sich über sie anführen außer der Geschichte von Tobias. WAS, Progne, die du an der Brust gezeichnet bist mit blutigen Malen, was störst du mich mit deiner lästigen Wachsamkeit? Wenn Phoebus vom weiten Himmel her das Licht verbreitet, kreischst du am frühen Morgen mit schriller Stimme, und wenn Titan das Licht im Iberischen Meer untergehen lässt, liebst du geschwätzig das Gezischel am Abend. Habe ich dich etwa geheißen, ganze Tage lang vor der Haustür und den Fenstern wachsam laut zu lärmen? Habe ich dich etwa (aus Verachtung für die Nachtigall und die Feldlerche) vom Helikon hierher gerufen als meine Göttin des Gesangs? [10] Wie irgendetwas Bedeutendes, wie etwas, das man für Geld kaufen kann, gerade so bietest du dich feil am lichten Rand des Dachs. Du verfügst über ein Lied (zugegeben), aber mit ich weiß nicht was für einem Metrum, es sei denn, diese deine Ode stolpert in Art eines Hinkjambus. Du verdirbst deinen Genius dadurch, dass du solche Misstöne erzeugst, und meine Schaffenskraft, wenn du so ohne alle Kunst singst. Und sogar meine Thalia klagt, während ich schreibe, ganz aufgelöst darüber, dass ihre Metren versagen, solange du den Takt vorgibst, dass ihr die Worte verstümmelt werden und dass Buchstaben der Überschrift verloren gehen. Es hätte ein Gedicht werden sollen, ›Die schwatzhafte Schwalbe‹: [20] Weil du kreischtest, stahl sich sogleich der fünfte Buchstabe davon; geschrieben stand – was für ein ungeheurer Irrtum – ›geschwätziger Blutegel‹. Diesen Fehler hat deine Schwatzhaftigkeit meiner Feder diktiert. Wer möchte da nicht dir beiderseits deine Federn ausrupfen?

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Si sapis ergo, Tace, nostróque à culmine migra; Sub trabe, sub tectis, sub lare limen habe: Tecum habita. Quid Solem ambis, vocúmque theatra? Si qua caret plausu, publica vitet Avis. Tu neque de reliquis aliquid memorabile gestis Proferre, ex omni gentis honore, queas. Fabula si cesset, quae Prognen sanguine damnat, Vnica te fastis inserit Historia. Tu calido innocuum maculâsti viscere Caecum, Tobiásque Bonus, Crimen, hirundo, tuum est. Da tamen hoc laudi. quid tum? De Millibus una est, Quam mundo celebrem spurcitia ista dedit; Quid reliquae hinc referent? Nec VER facit unica Progne; Nec VERIS faciet Sordida DELICIAS.

9 alaudâ] B; alauda A

Erstes Buch

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Schweig also, wenn du klug bist, ziehe fort aus unserem Dach und halte dich fern von meinem Haus und seinem Gebälk; bleibe für dich! Was suchst du die Sonne auf und eine Bühne für deine Stimme? Ein Vogel soll die öffentlichen Plätze meiden, wenn er keinen Applaus findet. Auch an sonstigen Taten könntest du nichts Erinnernswertes aus der gesamten Ehrentafel deines ›Volkes‹ beibringen. [30] Lässt man die Fabel, die Progne zur Blutschuld verurteilt, außer Betracht, so reiht nur eine einzige Erzählung dich in die Annalen ein. Du hast einen Unschuldigen mit deinem warmen Kot beschmutzt, dass er blind davon wurde: Der gütige Tobias ist dein Opfer, Schwalbe! Rechne es dir nur zum Ruhm an! Was weiter? Eine einzige von tausenden [Schwalben] ist es, die solcher Unrat weltweit berühmt gemacht hat. Was werden die anderen [Schwalben] zu berichten haben? Weder macht eine einzige Schwalbe den FRÜHLING noch wird eine schmutzige [Schwalbe] die FREUDEN DES FRÜHLINGS bewirken.

VERNORVM LIBER II. COMPREHENDENS DELICIAS VERIS CRESCENTIS. PALMAS, PARASCEVEN, SABBATVM Sanctum, PASCHA, PASCVA, SEGETES, NEMVS.

COMPREHENDENS] B; Comprehendens A CRESCENTIS.] B; CRESCENTIS, A

DER FRÜHLINGSGEDICHTE ZWEITES BUCH ES UMFASST DIE FREUDEN DES WACHSENDEN FRÜHLINGS, nämlich PALMEN, KARFREITAG, KARSAMSTAG, OSTERN, WEIDELAND, SAATEN und DEN WALD.

LIBER II.

ELEGIA I. Veris progressu, Coeli desiderium accendi. I. Crescentis Veris descriptio.

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VER viget, et viridi regnat Zephyritis amictu Culta, maritato florida facta sinu. Horrida Bistonij perierunt murmura flabri; Nuper et, in glacie quae fuit, unda fluit. Populeas vidi frondes, et lenta salicti Vimina, vicino succidiora vado. Stirps quoque, quae pigrae crescit Vindicta juventae, Flexilibus curvat ramea terga comis. Haec eadem, validâ truncum labefacta bipenni, Fundit ab arboreo mustea vina lacu. Applicat hujc aliquis sitientia labra fluento, Et bibit; Haecque Vlmus sit mihi Vitis, ait: Quamvis Betuleô flaccescant summa flagellô, Infima pampineo digna virore forent. Nunc etiam Herbarum vernat lanugine tellus: Nunc quodvis, quovis à pede, sentit onus. Mollia caeruleo variantur prata colore; Est hic, aut nusquam laus, Violatus honor. Nunc etiam pictae volucres, nemorúmque Choraulae, Dulcibus alternant garrula rostra modis. Exsultim vitulíque leves, celerésque capellae Circumagunt agiles, per juga nota, pedes. Ver agitur passim; cum Vere argenteus Annus; Vitáque siqua potest, VERNA placere potest.

ZWEITES BUCH

ELEGIE I Mit dem Fortschreiten des Frühlings wachse das Verlangen nach dem Himmel. I. Beschreibung des wachsenden Frühlings Der FRÜHLING steht in Saft, und Zephyritis, im Schmuck ihres grünen Gewandes, herrscht, durch Befruchtung ihres Schoßes zur Blüte gebracht. Das schaurige Tosen des Bistonischen Windes ist vergangen und die Welle, die eben noch unter Eis stand, fließt frei. Schon habe ich die Pappeln im Laub erblickt, die biegsamen Ruten der Weiden, noch frischer durch den nahen Bach. Auch der Stamm, der zur Strafe der faulen Jugend heranwächst, biegt den Rücken aus Zweigen unter seinem beweglichen Laub. Ebendieser lässt, wenn sein Stamm durch die starke Axt verletzt wird, aus der Wunde im Holz schäumenden Wein strömen. [10] Da naht jemand mit durstigen Lippen diesem Strom und trinkt. »Diese Ulme sei mein Weinstock«, sagt er. Obwohl die obersten Teile unter der Baetulischen Peitsche erschlaffen, verdienten die untersten grünes Weinlaub. Jetzt verjüngt sich auch die Erde durch den Flaum der Gräser, jetzt spürt sie von jedwedem Fuß jedwede Last. Die weichen Wiesen färben sich mannigfach mit himmlischem Blau. Hier oder nirgends findet die Veilchenblüte Lob und Ehre. Jetzt wechseln sich auch die bunten Vögel, die Chöre der Haine, mit süßen Weisen ihrer geschwätzigen Schnäbel ab. [20] In ausgelassenen Sprüngen ziehen die verspielten Kälber und die munteren Ziegen auf flinken Füßen über die ihnen vertrauten Anhöhen. Überall zeigt sich der Frühling, mit ihm das Jahr im Silberglanz; wenn je das Leben gefallen kann, dann im FRÜHLING.

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II. Frustra laudari praesentia, dum absunt aeterna.

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Hej mihi! quid celebro? cur, dum praesentia laudo, Absentis refrico tristia damna boni? Florida futilibus decanto Tempora cannis, Cui Veris flores, cui procùl Hortus adest. Vota meas aliena tenent et gaudia Musas: Ipse tamen voti pauper, et oris, ago. Vsque adeò, sperare datum est; spem tangere verbis, Non datur, et lassâ, quod peto, ferre prece. Sic Clarios Caeci radios, sic barbita Surdi, Sic laudat Cilicum germina, Naris inops. Sic patriam frustra optat humum, crebróque retractat, Qui mare navifragum, mox periturus, arat. 4 Cui] B; Cuj A – cui] B; cuj A

III. In Christo solo Mentem acquieturam.

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Christe, jubar nostrum, mea lux, mea sola voluptas, Quàm lentè Noster, si modo Noster eris? Quàm pridem Zephyros tellus, et Aprilia Tempe, Quàm dudum Majas imputat aethra suas? Post tot signatos, Floro de consule, Fastos; Post VER, tot volucrum vocibus increpitum, Differtur, Differtur adhuc mihi clivus Hymetti Coelitis, et superae Trinacris Hybla plagae. Ergò mihi soli semper mala Luna Decembres, Et, gelidâ dictos à Febre, portat equos? Scilicet unus ero, cuj nullum Hyperiona coelum? Cuj non praecipuam Plejada gignit Atlas? Cur igitur, si VERE tuo, si Flore carebo Semper, et ad solos nutriar usque NOTOS, Cur me, cur toties Divinae SPIRITVS aurae, In tua, veridico flamine, rura vocat? Quid VITAE, quae (pace tua!) tam innotuit Arbor Pollicitis, quantùm stat foliosa comis; Quid ROSA? quid niveis argentea Lilia rostris? Quid faciunt, superis sparsa Vireta jugis? Adde novo semper spumantia lacte fluenta, Et clausa Elysijs mella crepidinibus.

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Zweites Buch

II. Vergeblich werde die Gegenwart gerühmt, wenn die Ewigkeit fehlt Weh mir, was preise ich? Warum erinnere ich, wenn ich die Gegenwart rühme, an den bitteren Verlust des fehlenden Guten? Zeiten der Blüte besinge ich mit nichtigem Rohr, da mir die Frühlingsblumen und in der Ferne ein anderer Garten bereitstehen. Fremde Wünsche und Freuden beherrschen mein Lied, ich aber verzichte darauf, eigene Wünsche zu äußern. Stets ist es ja gewährt zu hoffen, aber nicht, mit Worten an die Hoffnung zu rühren, und auch nicht, mit matter Bitte vorzubringen, wonach ich verlange. So loben Blinde die Strahlen des Klarischen Apoll, Taube den Klang der Laute, und wer ohne Geruchssinn ist, die Kräuter Kilikiens. [10] So sehnt sich vergeblich nach dem Heimatboden und stellt ihn sich immer wieder vor Augen, wer das mit Schiffbruch drohende Meer durchpflügt, wo er bald untergehen wird.

III. Allein in Christus finde die Seele Frieden Christus, unser Glanz, mein Licht, meine einzige Wonne, wann endlich, wenn überhaupt, wirst du mir immer nahe sein? Wie lange schon schenkt uns die Erde das Wehen Zephyrs, das Tal Tempe im April, wie lange das Ätherblau seine Maitage? Nach so vielen Kalendertagen, die nach dem Konsul Florus bezeichnet sind, nach dem FRÜHLING, der in den Stimmen so vieler Vögel angekündigt ist, wird mir immer noch vorenthalten, ja vorenthalten, die Anhöhe des himmlischen Hymettos und das Sizilische Hybla der höheren Gefilde. Also bringt mir stets allein der böse Mond Dezember- und die nach dem eisigen Fieber genannten Tage? [10] Soll ich also der einzige sein, für den kein Himmel Hyperion [die Sonne] hervorbringt, nicht Atlas eine besondere Plejade? Warum also, wenn ich immer deinen FRÜHLING und seine Blüte entbehren soll und immerfort nur für NOTUS mich erhalte, warum ruft mich so häufig der GEIST der göttlichen Sphäre mit Wahrheit kündendem Wehen in dein Land? Was bewirkt der Baum des LEBENS, der – mit deiner Erlaubnis! – so berühmt ist durch Verheißungen, wie groß er dasteht im Schmuck seines Laubwerks; was die ROSE? Was die silberne Lilie mit ihren weißen Blüten? Was das hoch auf den Anhöhen verbreitete Grün? [20] Nimm noch die stets schäumenden Ströme frischer Milch und den hinter den Mauern des Elysiums verschlossenen Honig hinzu.

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OMNIA vera quidem (nec fas dubitare) tuísque Congrua promissis, quae loquor, esse scio: Si tamen optatos mihi longiùs extrahis hortos, Si de perpetuo nil breve VERE facis; Incipiam (sed, da veniam, dulcissime rerum!) Credere, credendum quod tua sacra monent: At prae tot reliquis, plus credam flumina Lactis, LACTATVS tantis undique POLLICITIS.

6 increpitum,] B; increpitum: A 7 modo] B; modò A 8 plagae.] B; plagae? A 11 coleum?] B; coelum; A 18 comis;] B; comis? A

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Ich weiß ja – und man darf nicht daran zweifeln –, dass ALLES, was ich sage, wahr ist und mit deinen Verheißungen übereinstimmt: Wenn du mir indessen die erwünschten Gärten weiter vorenthältst und vom ewigen FRÜHLING nicht auch mir einen kleinen Teil gewährst, dann werde ich anfangen – doch verzeih’ mir, du Süßester – wenigstens zu glauben, was deine Kirche zu glauben ermahnt; aber mehr als an alles übrige will ich an die Ströme von Milch glauben, MIT MILCH allseits genährt durch so gewaltige VERHEISSUNGEN. [30]

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PALMAE. Turba multa, quae venerat ad Diem festum; cùm audissent, quia venit JESVS Jerosolymam, acceperunt Ramos PALMARVM; et processerunt obviam ei, et clamabant; Hosanna! Benedictus, qui venit in nomine Domini, Rex Israël. Ioann[is] 12. à v[ersu]12. Jerosolymam] B; Ierosolymam A

ELEGIA II. Dominicae PALMARVM sollemnis Ritus describitur, et orthodoxis commendatur.

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PALMARVM SACRA VENERVNT! Properate, coloni; Et portate hilari RAMEA fercla manu. Servit ad hoc Buxus; satìs est Montana cupressus; Et, quae mentito PALMVLA folle tumet. Palmula quid refert, an de Libanitide sylvâ Creverit; an glebis, Teutoni terra, tuis? Dummodo quod placuit, peragat sub imagine Veri, Antiquae retinens Relligionis, amor. Salve, prisce, mihi! salve, multùm inclyte, ritus! Ritibus hoc ipso non removende novis. Quàm juvat, antiqui specimen spectare Triumphi, Quem, Solymaeorum duxit in urbe, Deus! Quàm juvat, ardenti juvenésque senésque videre Praesentes studio, dum sacra Pompa viget? Iámque, peragratis Castelli finibus, amplos Ingredimur campos, et Cereale solum. Circumeuntur agri; licita Ambarvalia fiunt: Sacrata Populus fronde superbus, ovat. Templa petit vicina chorus: Paeana modestum Mystarum ingeminat, sindone tecta, Cohors. Nec te praeteream, medio quod in agmine Currus Provehit, Arcadicum (sculpta figura) pecus. Agminis in turba, vehitur non tardus Asellus: Magni BVCEPHALVS Numinis iste fuit. Hujus terga premens, tunicatáque ephippia, Numen, Hosannaeum inter dicitur îsse melos. Victor Iô! Servator Iô! reparator Idumês! (Clamabat resonis plebs Solymaea choris.)

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PALMEN Als aber am folgenden Tage viel Volk, welches zu dem Feste gekommen war, gehört hatte, daß JESUS nach Jerusalem komme, nahmen sie PALMZWEIGE, gingen ihm entgegen, und riefen: Hosanna! Gebenedeit sey, der da kommt im Namen des Herrn, der König Israels! Johannes 12,12f. ELEGIE II Es wird beschrieben der feierliche Ritus des PALMSONNTAGS und den Rechtgläubigen empfohlen. DIE FEIER DES PALMSONNTAGS IST DA! Kommt herbei, ihr Landleute, und tragt mit freudiger Hand Gestecke mit ZWEIGEN! Dazu dient Buchsbaum, doch genügen auch eine Bergkiefer und eine KLEINE PALME, die in trügerischer Fülle anschwillt. Was macht es aus, ob die kleine Palme im Wald des Libanon gewachsen ist oder auf deiner Scholle, Deutsches Land, wenn nur die Liebe, die an der altehrwürdigen Religion festhält, unter dem Bild der Wahrheit bewahrt, was gefallen hat? Sei mir gegrüßt, ehrwürdiger, sei mir gegrüßt, hochberühmter Ritus, der eben deshalb nicht durch neue Riten ersetzt werden soll! [10] Wie macht es Freude, das Bild des alten Triumphzugs zu erblicken, den Gott in der Stadt Jerusalem anführte! Wie macht es Freude, dabei Junge und Alte mit brennendem Eifer zu sehen, wenn die heilige Feier vollzogen wird! Und schon haben wir die Grenzen der Festung überschritten und betreten die weiten Felder und den Getreide nährenden Acker. Umschritten werden die Felder, erlaubte ›Ambarvalien‹ finden statt, es jauchzt das Volk, stolz auf das heilige Laub. Die singende Schar strebt zur benachbarten Kirche. Eine Gruppe, mit feinen Gewändern bekleidet, antwortet dem gedämpften Gesang der Priester. [20] Und auch dich will ich nicht übergehen, Tier aus dem Arkadischen Hirtenland (eine Skulptur), das ein Wagen mitten im Zug voranführt. Im Getümmel des Zuges bewegt sich kein träger Esel. Er war der BUCEPHALUS des großen Gottes. Gott saß auf seinem Rücken und auf einer Pferdedecke. Dabei soll »Hosanna« gesungen worden sein. »Heil, du Sieger! Heil, du Herrscher, Retter Israels!« (So sang das Volk von Jerusalem im tönenden Chor.) Der Hochdonnernde selbst, so glaubt man, hat ohne Drohungen und Blitz gejauchzt beim Namen seines Sohnes. [30] Hierher, so glaubt man, hierher haben sich die Augen, hierher die weite Bühne des Himmels gewandt und jauchzenden Beifall gespendet. Sein Beifall war Krachen vom Himmel und Donnern bei heiterem Himmel, und statt des zwiegespaltenen Blitzes gab es einen himmlischen Feuerschein. Heute erneuert das Christenvolk in frommer Versammlung diese Feier und das Circusspiel der alten Rennbahn. Rings um die Figur des Esels laufen die Knaben und die halbwüchsige Jugend, in schnellem

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Ipse Tonans, ponénsque minas, et Fulmen omittens, Creditur, ad Nati nomen ovâsse sui. Creditur huc oculos, huc Coeli lata theatra Vertisse, et Plausum sustinuisse, dare. Plausus erat, Tonitru, et missus fragor, axe sereno; Aetheris et bifidi, fulguris instar, apex. Hanc hodie Pompam, et priscae Circensia metae, Christiadûm celebri Plebs pietate novat. Circùm Asini Effigiem, Pueri primaeváque Pubes, Vultu alacris, cursu concita, veste nitens, Discurrunt; gaudéntque rotas, et tangere Currum; De manibus funem longior ordo trahit. Additur et Cantus; resonat puerilibus aether Vocibus: et virides hinc recreantur Agri. Certè ego, dum specto, et populosis plausibus adsto; Laeta suum video tollere prata caput: Emergunt segetésque novae, fibraéque satorum; Obviáque in Violas, et thyma, vernat humus. Cantibus incensae, volucres quoque carmine certant, Plurimáque aërijs psallit Alauda fugis. ITE! Asinum ridete, cohors Pharisaea! licebit: Interea Pecus hoc erudit, atque rudit. Vobis nempe RVDIT, Fratrésque appellat, ab ortu Degeneres: Volucres ERVDIT. Eligite! 1 coloni] B; Coloni A 5 Palmula] B; Palmula, A 7 Dummodo] B; Dummodo, A 31 Creditur] B; Creditur, A 39 Currum;] B; Currum: A 49 Pharisaea!] B; Pharisaea: A

ELEGIA III. De eadem PALMARVM Caerimonia. Verâ deficiente PALMA, Herbam Sabinam (quam Sevum Germani nominant) aut Salicem, posse substitui.

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ANNUUS exactô remeavit Cynthius orbe; Et secum Ritus, quos tulit antè, refert. PALMARVM hanc dixêre Diem: Palmaria certè est; Cui plausum ante alias contulit ipse Deus. Ipse Deus (non caeca fides, quam Sidera firmant) Arcadicae pressit mitia terga ferae:

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Lauf, mit heiterem Antlitz und in festlicher Kleidung und freuen sich, die Räder und den Wagen berühren zu können. Eine lange Reihe zieht Hand bei Hand das Seil. [40] Auch Gesang kommt hinzu, von jungen Stimmen ertönt die Luft und dadurch gewinnen die Äcker neue Frische. Gewiss sehe ich, wenn ich zuschaue und dem Jauchzen des Volkes nahestehe, wie freudig die Wiesen ihr Haupt erheben. Neue Pflanzen tauchen auf und die Halme der Saaten. Und ringsum ergrünt der Boden in Veilchen und Thymian. Auch werden die Vögel zum Gesang entflammt und wetteifern in ihrem Singen, und sehr viele Lerchen psalmodieren in luftigen Flügen. GEHT, verlacht nur den Esel, ihr Pharisäer! Mag es so sein: Inzwischen macht uns dies Tier klug und dumm mit seinem Schreien. [50] Euch nämlich macht es DUMM, nennt euch Brüder, von Anfang an Verkommene! Die Vögel macht es KLUG. Trefft eure Wahl!

ELEGIE III Nochmals über den feierlichen Brauch am PALMSONNTAG Wenn ein echter PALMZWEIG fehlt, könne man stattdessen einen Zweig des Sabinischen Buschs, welches die Deutschen Säbenbaum nennen, oder eine Weidenrute verwenden WIE JEDES JAHR ist der Kynthische Gott, nachdem er seinen Kreis vollendet hatte, gekommen, und bringt mit sich Zeremonien zurück, die er zuvor fortgenommen hat. PALMSONNTAG nennt man diesen Tag, und die höchste Siegespalme verdient er sicherlich, spendet ihm doch vor anderen Tagen Gott selbst seinen Beifall. Gott selbst (und das ist kein Aberglaube, den die Sterne nähren)

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Victorésque imitatus Equos, Sellásque Curules, Et Currum, et tractas ad juga summa rotas, Magnificis venit, Solymaea ad moenia, pompis: Altera, erant frondes; altera pompa, Togae. Turba Togîs stravêre viam: laetantia frondem Brachia jactabant; PALMA erat apta Duci. Vnde, DVCEM pars una suum; pars altera REGEM, Pars alia Excelsum jusserat esse DEVM. Mens una, idem animus; sed non vox omnibus una. Tandem Hosannea concrepuêre tuba. Vox haec unanimi Solymaea Palatia Bombo, Vox Templorum adytum fregit, et indigenas. Pontificum fremuêre minae, Pharisaea tumultu Intumuit rabies; Vrbs tremefacta stupet. Astra tamen, Numénque probat, quod respuit hostis: Tu quoque, Christicolûm mos hodierne, probas. Auritum Sessore suo Pecus instruis. Istud Audaces Pueri, sedula turba, trahunt: Vestibus insignes, ligulísque recentibus omnes, PALMARVM cuperent saepiùs ire Diem. At Senior de plebe manus, viret arbore vernâ; Quae, si non PALMA est, Palma putetur; Erit. Seu Salicem attuleris, seu lenti arbusta Sabini; Adde Preces: fient AVREA Virga, Prece. 30 Preces:] B; Preces. A

ELEGIA IV. Palma S[ancti] Onuphrij. ONVPHRIVM, Thebaide, Aegypti notissimo asceteriô, digressum, cùm asperiora loca inquireret; regiuncula tandem excepit (quam OASIN nominant) omnis humani subsidij egens, et tantummodò sabuli arenarúmque dives. Ibi precibus Casulam, Angelica manu ex tempore structam, et PALMAM arborem, gurgustio imminentem, impetravit. Et Casulam quidem incoluit: PALMA verò, cujus Duodecim Nobiliores rami per menses totidem ex ordine fructum protrudebant, per ipsos Sexaginta annos nutritus est. Morienti tandem Onuphrio, et Arbor (tanquam officio defuncta suo) concordi ruinâ veluti commortua; PAPHNVTIVM casu tunc intervenientem, non modò spectatorem, sed et Historiae totius Scriptorem emeruit. Ex Graeco Paphnutiano Latinam interpretationem habes apud Rosvveydum, in Vitâ S[anctissimorum] Patrum. Lib[ro] 1. tantummodò] B; tantùmmodo A

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drückt den sanften Rücken des Arkadischen Tiers. Wie mit siegreichen Rossen, kurulischen Sesseln, und einem Wagen mit Rädern, die hoch hinauf gezogen wurden, ist er unter herrlichen Ehrbezeigungen zu den Mauern Jerusalems gekommen. Die einen zogen mit grünen Zweigen, die anderen mit Obergewändern einher. [10] Die Menge bedeckte den Weg mit ihren Obergewändern, freudige Arme schwenkten das Laubwerk. Die PALME galt einem Heerführer als angemessen. Dadurch war ein Teil davon überzeugt, dass er sein HEERFÜHRER, ein zweiter, dass er sein KÖNIG, ein anderer, dass er sein erhabener GOTT sei. Einen Gedanken, denselben Sinn, aber nicht dasselbe Wort haben sie alle gemeinsam. Dann ließen sie mit einer Tuba Hosannarufe erschallen. Dieser Ruf erschütterte mit tiefem, einmütigem Tone die Paläste Jerusalems, dieser Ruf erschütterte das Heiligste der Tempel und alle Einwohner. Die Priester brüllten Drohungen, die rasenden Pharisäer erhoben sich lärmend, die Stadt erstarrt voll Schrecken. [20] Himmlische Zeichen aber und Gottes Wille beweisen, was der Feind verschmäht. Auch Du, der Christen heutige Zeremonie, bestätigst es. Auf sein langohriges Tier setzt du den Reiter. Dieses ziehen muntere Kaben, ein emsiger Haufe. Sie alle, herausgeputzt mit neuen Kleidern und Schuhen, möchten den PALMSONNTAG gerne öfter feiern. Der Älteren einfache Schar aber ergrünt durch den heimischen, frühlingshaften Baum. Dieser soll, wenn er schon keine PALME ist, als Palme gelten; er wird es sein. Ob Du einen Weidenzweig hernimmst oder einen Zweig des biegsamen Sabinischen Buschs; sprich dein Gebet: Ein GOLDENER Zweig werden sie sein – durch dein Gebet. [30]

ELEGIE IV Die Palme des Heiligen Onuphrius Den ONUPHRIUS, der aus dem Thebaischen Asketenkloster, dem bekanntesten Ägyptens, fortgegangen war, weil er rauere Gegenden suchte, nahm schließlich ein kleines Gebiet, OASE genannt, auf, das aller Hilfe für Menschen entbehrte und einzig an Kies und Sand reich war. Dort erlangte er durch Gebete ein Hüttchen, welches in einem Augenblick von Engelshand errichtet worden war, und einen PALMBAUM, der seine kleine Hütte beschattete. Und in der Tat bewohnte er dieses Hüttchen; von der PALME aber, deren zwölf recht üppige Äste über ebenso viele Monate hinweg der Reihe nach Frucht hervorbrachten, ist er genau 60 Jahre lang ernährt worden. Gleichsam zusammen mit dem sterbenden Onuphrius starb in einträchtigem Untergang auch der Baum, als ob er seine Aufgabe erfüllt hätte. Er hat es verdient, dass PAPHNUTIUS, der damals zufällig hinzukam, nicht nur zum Zuschauer, sondern auch zum Chronisten dieser Geschichte wurde. Aus dem Griechischen des Paphnutius. Eine lateinische Übersetzung findet man bei Rosweyde, Leben der heiligen Väter, Buch 1.

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I. Palmâ non solos gentilitios Triumphos; sed et Christianam Historiam cohonestari. Narratur Divi Onuphrij solitudo, et vivendi ratio.

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PALMARES ne sola vetus jactare triumphos, Roma, velis! Alios hic quoque signat honos. Palmâ Christus ovat: Palmis Phoenissa superbit Débbora, Sisareae Carmine clara necis. Immensum est, numerare alios, quos Palmea velat Gloria. Pro multis, Vir satìs unus erit. THEBAIDOS notis digressus ONVPHRIVS antris, Vitabat ripas, turbide Nile, tuas. Quaerebat loca sola, suis aptissima curis; Quaerebat sterili tesqua inamoena situ. Non Meröe (licèt usta) Seni: Non ipsa Syene, (A Cancri quamvis sidere tosta) placet: Asperiora cupit, Tesqua horrida quaerit, et oras, Quas pedis humani semita nulla terat. Est Regio, Aegypti magìs ac magìs intima sento Effugiens tractu, degenerísque soli: Laevam, Arabum stringunt refluo freta rauca tumultu, Dextera Niliaci stat procul amne vadi. Hanc OASIN dixêre patres. huc, auspice coelo, Vix tandem emerito víxque labore, venit. Hîc specus ille nigrum quamvis inquirat, et antrum; Nec nigrum ille specus, nec tamen antra videt. Terra patens, nudúmque solum. nec plura rogâris; Non nisi Terra patens, non nisi nuda fuit. Non gramen, non herba recens, non arida saltem Planta, nec arbustum, nec folia, atque vepres. Quod minimum est; Non virga illic, non tigna jacebant: Non illic bipedum, quadrupedúmve nota. O Pater! ô, quid ages? Quodcunque habitabile non est, Nempe nec Humanum est. Ille; PRECEMVR! (ait) Procumbit, fundítque preces: Victum orat, et antrum. Nec mora; donatum est, quod voluêre Preces. Exstructam videt esse casam (manus, aethere lapsa, Struxerat) haec illi tecta, larémque dabat. Surgentem notat et Palmam (Palma, aethere missa, Creverat) haec illi pabula mira dabat. Pendebant (ità fama refert; ità digna vetustas) Bis senae, folio nobiliore, Comae. Bis senae frondes, totidem dum signa pererrat Cynthius, in totidem Liba dedêre dapem.

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I. Dass mit dem Palmzweig nicht allein die Siege der Heiden, sondern auch Erzählungen von Christen geehrt werden. Im Folgenden wird von der Einsamkeit des Heiligen Onuphrius und seiner Art zu leben die Rede sein. Prahle nicht damit, dass Du als Einzige PALMENREICHE Triumphzüge kanntest, altes Rom! Diese Ehre zeichnet auch andere aus. Mit dem Palmzweig triumphiert Christus, der Siegespalmen rühmt sich die Phönikerin Deborah, berühmt durch das Lied vom Mord an Sisara. Zu viel wäre es, auch noch die anderen aufzuzählen, welche die ruhmreiche Palme schmückt. Anstelle von vielen wird ein einziger Mann genügen. Nachdem ONUPHRIUS die bekannten Grotten der THEBAIS verlassen hatte, mied er, reißender Nil, deine Ufer. Er suchte eine einsame, für seine Absichten im höchsten Maße geeignete Gegend, suchte nach reizlosen Einöden in unfruchtbarer Lage. [10] Weder Meroë gefällt dem Greis (mag es auch ausgedörrt sein!) noch Syene selbst, obgleich es vom Wendekreis des Krebses verbrannt ist. Noch Unwirtlicheres wünscht er, schreckliche Steppen und Gestade, auf denen kein menschlicher Fuß seine Spur hinterlässt. Es gibt eine Gegend, die sich weiter und weiter vom Inneren Ägyptens mit rauem Zuge entfernt, und die aus entarteter Erde besteht. Zur Linken begrenzen sie die mit brausender Brandung tönenden Fluten des Arabischen Meeres, zur Rechten liegt sie fern vom Gewässer des Nilstroms. Diese Gegend haben die Väter OASE genannt. Hierhin gelangte er schließlich gerade so mit dem Segen des Himmels, und hatte doch kaum alle Mühe hinter sich gebracht. [20] Hier sucht er zwar den Schatten einer Höhle und eine Grotte, er bekommt jedoch weder den Schatten einer Höhle noch eine Grotte zu Gesicht. Erde gab es, die sich weithin erstreckte und den nackten Boden. Frag nicht weiter! Nichts gab es, außer sich weit erstreckender, nackter Erde, keinen Samen, kein frisches Gras, nicht einmal ausgetrocknete Pflanzen, weder Gestrüpp, noch Blätter oder Dornbüsche. Das ist noch das Wenigste! Keine Zweige, kein Holz lag hier, weder von Zwei-, noch von Vierbeinern fand sich eine Spur. O Vater! Was tust du da? Alles, was unbewohnbar ist, ist doch auch unmenschlich! »LASST UNS BETEN!« sagt jener, [30] sinkt nieder und spricht ein Gebet: Nahrung und einen Unterschlupf erfleht er. Unverzüglich wurde geschenkt, was die Bitten erbaten. Eine Hütte sieht er erbaut (eine Hand, vom Himmel gekommen, hatte sie erbaut) und sie gab ihm Obdach und Heim. Er bemerkt, daß sich auch eine Palme erhebt (der Baum war, vom Himmel geschickt, emporgewachsen) und sie gab ihm immer wieder wundervolle Speisen. Es hingen – so verkündet die Legende, so das würdige Alter – zweimal sechs Äste von recht edlem Blatte herab. Zweimal sechs Äste gaben, während der Kynthische Gott ebenso viele Sternbilder durchstreift, ebenso viele Brotlaibe als Speise. [40]

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Sive dapem vellet, stomachi in jejunia, siccam; Pellebat rabidam Palmea massa famem: Sive epulas mallet, sitienti fauce, liquentes; Arcebat tristem Succida Palma sitim. Iste tenor vitae, Casa parvula, Dapsilis arbor, Mens superis inhians, et sine labe Preces. 1 triumphos] B; Triumphos A 11 licet] B; licèt A 19 Hanc] B; Hunc A 21 Hîc] B; Hîc, A 38 folio nobiliore,] B; foliô nobiliore A 43 epulas] B; Epulas A

II. Divi Onuphrij beata Mors; Palmae prodigiosa ruina.

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Ac jam lustra illic duodena peregerat Heros (Hos annos illi frons duodena tulit) Supremum cùm fata diem dixêre citato. Ille; Nihil remorae est: si citat hora, migro! Vita (inquit) vita atra, vale! vocat altera vita, Clarior. Aegypto plus Solymaea placent. Me superae exspectant, Solymaea colonia, turres; E sabulo hoc, gemmîs lucida, Regna petam. Nulla meos tetigit sensus maculosa voluptas; Non est mens Epulîs, non vitiata merô. Tu mihi dictorum testis, tu Conscia, PALMA; Quae mihi sola Epulas, quae mihi Vina, dabas. Venimus huc unà; hîc unà succrevimus; unà Viximus: unà etiam, fas sit, utrumque Mori. Dixit. dicentem visa est tremefacta probare Palma, recurvatis officiosa comis. En! ruit exanimis Senior: Senis ultima fata (O Pietas!) sequitur stirps, animámque trahit: Mox etiam ex imma creperam radice ruinam Ducit; et ad Corpus prodigiosa jacet. Adfuit amborum Paphnutius (auspice ductus In loca senta Senex aethere) funeribus. Membra Patris, tumuli properô tegit aggere: Carmen Addere cùm vellet, non ibi marmor erat. Occiduas ergò Palmae locat ordine frondes; Ordo notas, versum hunc exhibuêre notae. HEIC situs est, Mundi juratus Onuphrius Hostis; Victorem ut scires, addita PALMA fuit.

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Ob ihm nun bei nüchternem Magen nach fester Speise verlangte: Die Frucht der Palme vertrieb den rasenden Hunger; oder ob es ihm wegen seiner dürstenden Kehle lieber nach flüssiger Nahrung verlangte: Die erfrischende Palme hielt den bitteren Durst fern. Dies war die Art seines Lebens: ein kleines Hüttchen, ein nährender Baum, ein Geist, den Himmlischen hingegeben, und Gebete ohne Anfechtung.

II. Des heiligen Onuphrius seliger Tod Der Palme unheilverkündendes Ende Und schon hatte der Held dort zwölf Lustren zugebracht (diese Jahre hatte ihm das zwölffache Grün gewährt), als das Schicksal mit einem Ruf seinen letzten Tag verkündete. Da sprach jener: »Ich zögere nicht. Wenn die Stunde schlägt, gehe ich! Leben«, sprach er, »unglückliches Leben, ade! Es ruft das andere, das erhabenere Leben. Besser als Ägypten gefällt mir Jerusalem. Hohe Türme, die Stadt Jerusalem – sie erwarten mich. Aus dieser Wüste möchte ich in das Reich eingehen, das von Juwelen glänzt. Keine sündhafte Begierde konnte meine Sinne betäuben, mein Geist ist weder durch Schlemmereien noch durch ungemischten Wein verdorben. [10] Du bist meiner Worte Zeuge, Du meine Mitwisserin, PALME, die Du allein mir festliche Speisen, mir Wein gabst. Gemeinsam sind wir hierher gekommen, gemeinsam schlugen wir hier Wurzeln; gemeinsam haben wir gelebt, und gemeinsam, so sei es heilige Pflicht, sterben wir beide.« Sprach’s und seinen Worten schien die Palme – nach einem kurzen Zittern – mit einem Nicken ihrer Blätter eifrig zuzustimmen. Sieh! Entseelt stürzt der Greis; des Alten Hingang folgt (welch Pflichtgefühl!) die Pflanze und haucht ihre Seele aus. Bald auch begann aus der Tiefe ihrer Wurzeln heraus der unheilverkündende Sturz und bedeutungsvoll liegt sie neben dem Leichnam. [20] Beider Tod wohnte Paphnutius bei, den der Himmel in diese raue Gegend geführt hatte. Des Vaters Gebeine deckt er mit eines Grabhügels eiligem Haufen. Als er ein Gedicht darauf schreiben wollte, fand sich dort kein Marmor. Also legt er das welke Laub der Palme in bestimmter Ordnung zurecht. Die Ordnung offenbarte Zeichen, die Zeichen den folgenden Vers: »HIER liegt er, der Welt geschworener Feind Onuphrius; dem, damit man weiß, dass er ein Sieger ist, eine PALME beigegeben war.

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Vnus, et Exiguus, duo cepit funera, Cippus: Hunc tumulum Nutrix, hunc et Alumnus habet. 2 frons] B; Frons A 8 hoc] B; hôc A

PARASCEVE. Effundam super domum David, et super habitatores Jerusalem, Spiritum Gratiae et Precum: et aspicient ad me, quem Confixerunt: et plangent eum planctu, quasi super Unigenitum, et dolebunt super eum, ut doleri solet in MORTE Primogeniti. Zachariae 12, à v[ersu] 10. Jerusalem] B; Iersualem A

ELEGIA V. Luctus, ex Morte CHRISTI.

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FLETE aliquis mecum (nam pauca madentia cerno Lumina) flete aliquis! sic jubet iste Dies. Rectiùs iste Dies, noménque et jura DIEI Perderet; et Noctis posset habere vices. Si bene quid video; Lux haec, Fax funebris orta est. Exstinctum est, quidquid Vitae Animaéque fuit. Assertor nostrae, super ardua sidera, gentis, Sensit inexpertae Vulnera saeva Necis. Ecce! trabi nexos Manuum, clavi ictibus, artus! En! clavô fixos barbariore PEDES! Hej mihi! quis vultus? quae lumina? quale genarum Diluvium? et rubeis tabida mala notis! Iámque sitit, jámque aetheriâ ciet ultima voce Sidera, et Expletum testificatur OPVS. Cerno oculos, fato occiduos: morientia cerno Pectora, et in nullos jam labra prompta sonos. Praecipuè (ô superi!) Coeli illud honestamentum Vepre cruentatum, vergit ad imma, CAPVT. Quid dicam? IMMORITVR Christus. Scena atra novatur; Et fit, quae fuerat fabula, Certa FIDES. Bina Thyestaeo nigrantur sidera luctu: Dissidium, hinc atque hinc, Terra dirempta facit.

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Ein einziger und nur kleiner Grabstein beherbergt zwei Tote. Diesen Grabhügel bewohnen die Nährmutter und auch ihr Schützling.« [30]

KARFREITAG Und ich will ausgießen über das Haus Davids, und über die Einwohner Jerusalems den Geist der Gnade und des Gebetes; und sie werden schauen auf mich, den sie durchbohrt haben; und sie werden ihn beklagen, wie man den einzigen Sohn beklaget, und weinen über ihn, wie man über den TOD des erstgeborenen zu weinen pflegt. Zacharias 12,10

ELEGIE V Trauer um den Tod CHRISTI WEINT mit mir, wenigstens einer mit mir (denn ich sehe wenige feuchte Augen), weint mit mir, einer mit mir. So fordert es dieser Tag. Könnte etwa nicht zurecht dieser Tag den Namen und die Rechte des TAGES verlieren und die Stelle der Nacht einnehmen? Wenn ich dies recht sehe: Dieses Licht, als Totenfackel ist es erschienen. Ausgelöscht ist, was Ursache des Lebens und der Seele war. Der Befreier unseres Volkes spürte über den hohen Sternen die grausamen Wunden des unerhörten Todes. Sieh! Seine Hände sind durch die Schläge an den Balken geheftet! Sieh! Seine FÜSSE sind durch einen noch grausameren Nagel fest angeschlagen. [10] Weh mir! Welches Antlitz! Was für Augen! Wie viele Tränen aus den Augenhöhlen und welche Wangen, zergehend mit roten Malen. Mal dürstet ihn, mal ruft er mit himmlischer Stimme die äußersten Sterne an und bezeugt, dass das WERK vollbracht wurde. Ich sehe seine Augen, die dem Tod nahe sind; ich sehe sein sterbendes Herz und seine Lippen, die zu keinen Lauten mehr fähig sind. Besonders, ihr Himmlischen, neigt jene Zierde des Himmels sein HAUPT, von Dornen bekränzt, mit Blut bespritzt. Was soll ich sagen? Christus STIRBT. Die grauenvolle Bühne erneuert sich und sichere GEWISSHEIT wird, was einst nur Sage war. [20] Zwei Sterne werden dunkel von der Trauer des Thyestes. Die Erde bricht auf und trennt sich – auf dieser und der anderen Seite – in zwei Teile. Die Felsen zerspringen, die Leichen werden heraufgerufen:

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Dissiliunt rupes, tumularia busta cientur: Versa est Terrarum, versa Figura Poli. Credimus esse aliquem, qui postmodo temperet orbem? Numen OBIT! Sed tu plura, Thalia, cave! Sat lachrymarum hoc est: nec erit brevis Oda pudori. Si qua est EX ANIMO Naenia, Longa sat est.

ELEGIA VI. INIMICITIAE, CRVCI CHRISTI condonatae. JOANNES, cognomento GVALBERTVS, natione Italus, patriâ Florentinus, ad Arnum fluvium; Patre instigante, Inimicum, Consanguinei interfectorem, internecino prosequebatur odio. Inermem tandem in via reperit, ipso PARASCEVES sollemni die. Iámque transfossurus, caeterùm in genua dejectum, ac DIEI illius reverentiâ interpositâ obtestantem, ut impraeparato parceret, veniâ vitae pariter et hostilitatis liberaliter donavit: et hoc, CHRISTI, in Crucem acti, gratâ memoriâ. Post haec in Sacellum vicinum digressus, et in preces, laudabili praetereuntium ritu, effusus: CRVCIFIXI effigiem Caput sibi inclinantem, ac voce diviniore protestantem audivit; Tam generosum victi animi actum sibi gratissimum accidisse. A quo proinde temporis puncto GVALBERTVS immutatus, in VALLIS (quam vocant) VMBROSAE solitudinem, sanctioris vitae ascésin exorsus, abijt. Vide Laurent[ium] Surium in Vita S[ancti] Gualb[erti]. I. Adorationem CRVCIS, omni deposito odio, peragendam.

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SIQUIS honor veteris manet et reverentia ritûs; I, plebs, et proceres! basia ferte CRVCI. Arboris hoc sacrae meritum, et lux ipsa, reposcit: Oscula, sed, purîs oscula ferte labris. Labra vacant vitio, tunc, cùm mens integra vitae est: Isthoc praecipuè ponite BELLA Die! Tu, quid inextinctâ (quicunque es) suavia bile Moliris? putri quid premis ore CRVCEM? Discolor à miti est, quod honoras, Numine, saevus In laedentem Animus. Dat veniam, ecce, Deus! Tu veniam durô ore negas. Procùl ergò recede! Aut Exempla oculos ad meliora refer. 2 proceres] B; Proceres A

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Die Gestalt der Erde ist verkehrt und auch die des Himmels. Glauben wir, dass es jemanden gibt, der künftig die Welt regieren kann? Gott STIRBT! Aber du, Thalia, hüte dich, etwas zu sagen! Dies ist genug der Tränen, für die kurze Ode werde ich mich nicht schämen. Wenn ein Trauerlied AUS DEM INNERSTEN kommt, ist es lang genug.

ELEGIE VI HASSGEFÜHLE, dem KREUZ CHRISTI aufgeopfert GIOVANNI mit Beinamen GUALBERTI, ein Italiener aus der Stadt Florenz am Fluss Arno, verfolgte, von seinem Vater angestachelt, seinen Feind, den Mörder eines Blutsverwandten mit tödlichem Hass. Schließlich traf er ihn auf der Straße genau am feierlichen KARFREITAG. Und schon wollte er ihn durchbohren, ihn, der schon auf die Knie gefallen war und ihn anflehte, nachdem er die Würde des TAGES geltend gemacht hatte, ihn zu schonen, weil er unvorbereitet war; Giovanni hat ihm großzügig das Leben geschenkt und gleichzeitig auch die Feindschaft beendet, und zwar in dankbarer Erinnerung an den Kreuzestod CHRISTI. Danach ging er in eine nahegelegene Kapelle und betete, so wie es die Vorbeigehenden lobenswerterweise zu tun pflegen. Er sah, wie das Bildnis des GEKREUZIGTEN seinen Kopf zu ihm neigte und hörte, wie er mit göttlicher Stimme sagte, dass diese großzügige Tat einer bekehrten Seele ihn sehr erfreut habe. Von diesem Zeitpunkt an war GUALBERTI völlig verwandelt und ging in die Einöde der sogenannten VALLUMBROSA, um dort ein heiliges, asketisches Leben zu beginnen. Siehe Laurentius Surius in seiner Vita des Hl. Gualberti.

I. Man soll das KREUZ verehren – aber nur, wenn man von allem Hass abgelassen hat WENN es noch Ehrfurcht und Achtung gegenüber dem alten Brauch gibt, gehe du, Volk, und ihr Vornehmsten! Küsst das KREUZ! Die Würde des heiligen Baumes und der Tag selbst fordern es. Küsst das Kreuz, aber küsst es mit reinen Lippen! Die Lippen sind frei von Sünde, dann, wenn deine Gesinnung rein ist. Vor allem lasst alle KÄMPFE an diesem Tag! Was sinnst Du, wer immer du bist, auf Küsse, wo du nicht einmal deinen galligen Groll bezähmt hast? Warum drückst du das KREUZ mit unreinem Mund? Mit der sanften Gottheit, die du verehrst, ist ein grausamer Sinn gegen den, der dich verletzt, unvereinbar. Siehe, Gott gewährt Versöhnung. [10] Du verweigerst Gnade mit schroffem Wort. Tritt also weit zurück! Oder richte deine Augen auf bessere Beispiele.

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II. Inimicitia Gualberti.

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Aspice GVALBERTVM, quicunque exporrigis iras, Tuscâ Gualbertum nobilitate satum. Hujus (nota cano) pater implacibilis hosti, Hostica quaerebat funera, mille vijs. Caussa perennantis, cum cursu temporis, Irae, Cognato fusus funere, sanguis erat; Vltor ero (dixit Genitor) Cruor imbre Cruorem Eluet aequali: pro nece reddo necem. Excitat in similes Nati quoque pectora flammas: Patris ab afflatu, Filius arma rapit. Arma rapit frustra Natúsque Patérque; nec hostem Opprimere insidijs ille, vel iste, potest. Providus exierat tela altera, et altera, et usque Quarta, hostis; lethi dispulerátque metum. Sed nulla est diuturna salus, cùm induruit Ira: Deceptis toties, sors dedit arma, minis. Sors fuit, ad patriam ut Gualbertus tenderet urbem (Vrbem, quae laeti nomine FLORIS ovat) Sors fuit, hac ipsa remearet ut hostis ab urbe: Effugij non spes, non modus ullus erat. Námque hinc oppositus callem arctum incluserat agger; Illinc praerapidis obstitit Arnus aquis. Vidit, et agnovit (Vindicta oculatior Argo est) Tuscus: et armigero; Quid facis? hostis adest: Hostis inermis adest (et inermis venerat ille, Oblitus culpas) Arma fer, arma, puer! Dixerat. et simul ense instat; Stringe, inquit, et unà Irrue! sub gemino certiùs ense cadet. Hostia cognato debetur grata cruori; Hostia mactator! Dum monet, arma vibrat. 20 ullus] B; ullus, A

III. Ejusdem placatio: prodigiosa mutatio.

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Defossurus erat, capulo tenus, immanem ensem. Succidit in pronam sed prior alter humum: Da veniam (exclamat) veniam, Gualberte, roganti! Sic tibi Crux prosit, sic Crucis ille cruor! Si tibi (quod fateor) durum est, donâsse nocenti;

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II. Die Hassgefühle Gualbertis Schau auf GUALBERTI, jedes Mal, wenn du zornig bist: Gualberti, Spross aus toskanischem Adel. Sein Vater (ich künde von bekannten Dingen) war dem Feind unversöhnlich und suchte ihn auf tausend Wegen zu töten. Grund des im Laufe der Zeit verewigten Hasses war das Blut, das bei der Ermordung eines Verwandten vergossen worden war. »Ich werde ihn rächen«, sagte der Vater: »Nur vergossenes Blut sühnt vergossenes Blut. Ich will Tod für Tod.« Er entfachte auch das Herz seines Sohnes mit gleichen Flammen. Von der Leidenschaft des Vaters aufgestachelt ergreift der Sohn die Waffen. [10] Vergeblich ergreifen die Waffen der Vater und der Sohn; weder jener noch dieser können den Feind im Hinterhalt töten. Schlau war der Feind dem einen und dem anderen bis zum vierten Anschlag entgangen und hatte die Todesangst abgelegt. Aber kein Glück ist dauerhaft, wenn der Zorn sich durchsetzt. Der Zufall gab die Waffen den so oft gescheiterten Drohungen. Es war ein Zufall, dass Gualberti in seine Mutterstadt ging (die mit der Bezeichnung einer fröhlichen BLUME jubelt); es war ein Zufall, dass der Feind aus dieser Stadt herauskam. Es gab keine Hoffnung, keine Möglichkeit zu fliehen [20], denn hier versperrte ein entgegengestellter Hügel die enge Straße, und dort trat der Fluss Arno mit seiner schnellen Strömung in den Weg. Der Toskaner sah und erkannte ihn (die Rache kann besser sehen als Argus). Und er sagte dem Waffenträger: »Was machst du? Der Feind ist da. Der Feind ist da und unbewaffnet (er kam nämlich unbewaffnet, hatte er doch seine Schuld vergessen). Egreife die Waffen, junger Mann!« Sprach’s, und gleichzeitig droht er mit dem Schwert. »Zieh’ das Schwert, drauf und dran! Er wird im Zweikampf fallen. Dem Blut meines Bruder bleibt ein erwünschtes Opfer schuldig. Das Opfer soll geschlachtet werden!« Während er das sagt, zuckt die Waffe. [30]

III. Seine Befriedung und wundersame Umkehr Er wollte das riesige Schwert bis zum Griff in ihn eingraben, aber der andere sank vorher zu Boden. »Verzeih mir«, schreit er, »der ich darum bitte! Dann helfe dir das Kreuz, sowie das Blut des Kreuzes! Wenn es dir unerträglich ist (was ich einsehe), diese Gaben dem Schuldigen zu geben, sei es nicht schwer, diese Gabe dem KREUZ zu erweisen. Meine Schuld drückt mich, aber dieser Baum soll

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Quod rogo, ne durum sit, tribuisse CRVCI. Me mea culpa premit; sed culpam haec elevet Arbor, Arbore ab hac pro me supplicat ipse DEVS. Supplicet, en, quino trajectus verbere CHRISTVS; Parcat ut ille tibi, tu modò parce mihi! Fleverat haec, positóque genû, palmísque decussi Supplice transpositis. et valuêre preces. Qualis, in obstantis cùm librat Poppa securim Tempora torva bovis, cùm petit ara bovem, Si casù immicuit tonitru fulménque trisulcum, Turbatis pallet mysta fugítque sacris : Excidit ipsa etiam, trepida cum mente, bipennis, Et notos repetit victima sospes agros: Sic pridem orantis gemitúque et voce repressus, Florentine, stupes; strictáque tela cadunt. CRVX tibi praecipuè, et pendentis de Cruce cultus, Transadigítque animos, conciliátque reo. Das veniam, dextrámque hosti; das pignora Pacis; Quíque Homicida priùs, nunc tibi Frater adest. Neu tibi diffidat, das ensem armatus inermi. O, verum ingenuae Nobilitatis opus! Hoc Superis Opus acceptum, Deus ipse probavit: Vt Virtus, ità Laus prodigiosa fuit. Ecce, iter inceptum tutas tenet alter in oras: Proxima Gualbertus templa Deúmque petit. Sternitur ante Crucem: visa est pendentis Imago (Mira, sed Acta, cano) transposuisse Caput: Visa erat in Iuvenem gratô se flectere nutu, Et tacitô grates solvere velle sono. Verba (recordor) erant; TIBI DEBEO, mi Gualberte! Tu modò Debentis Creditor esse velis! Audijt haec Iuvenis: Mundóque, et Sole relicto; VALLIS ad VMBROSAE SIDERA, dixit, Eo!

7 Arbor,] B; Arbor; A 25 ensem] B; Ensem A 29 iter] B; Iter A 38 VALLIS] B; VALLIS, A

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meine Schuld mildern, aus diesem Baum fleht GOTT selbst für mich. Wohlan! CHRISTUS, von fünf Wunden gemartert, soll mir beistehen. Verschone mich nun, damit er dich verschont!« [10] So hat er geweint, auf den Knien, mit nach oben gekehrten Händen und gebeugtem Hals. Und die Bitte wirkte. Wie wenn Poppa das Beil schwingt in die finstere Schläfe des Ochsen, da der Altar einen Ochsen fordert, und wenn dann ein dreizackiger Blitz mit einem Donner zufällig niederzuckt, der Priester erbleicht und flieht, nachdem das Opferfest gestört ist, die Doppelaxt schnell herabfällt und das Opfertier unversehrt in seine Gefilde flieht, so staunst du, Florentiner, schon vorher gehemmt vom Seufzen und von der Stimme des Betenden, und die gezückten Waffen sinken. [20] Das KREUZ und die Ehrung des Gekreuzigten durchbohren deine Seele und gewinnen dich für den Schuldigen. Du gewährst Verzeihung und deine rechte Hand dem Feind; du gibst ein Pfand des Friedens. Der einst ein Mörder war, ist jetzt dein Bruder. Ohne Misstrauen gibst du, der du bewaffnet bist, dem Unbewaffneten dein Schwert. O, echtes Werk wahren Adels! Gott hat dieses Werk anerkannt, das bei den Himmlischen erwünscht war. Wie seine Tugend, so war auch sein Lob folgenreich. Sieh, der eine setzt seinen angefangenen Weg zu einem sicheren Ort hin fort; Gualberti begibt sich in die naheliegenden Tempel und zu Gott. [30] Er wirft sich vor dem Kreuz zu Boden. Es wurde gesehen, wie das Bild des Gekreuzigten den Kopf bewegt hat (ich besinge wunderbare, aber wirkliche Taten). Es wurde gesehen, wie es sich vor dem jungen Mann aus Dankbarkeit beugte und mit stiller Stimme seine Dankbarkeit ausdrücken wollte. Er hat gesprochen (ich kann mich daran erinnern): ICH BIN DIR ETWAS SCHULDIG, mein lieber Gualberti! Du sollst der Gläubiger des Schuldners sein.« Der junge Mann hörte es und, nachdem er die Welt und das Sonnenlicht verlassen hat, sagte: »ICH GEHE zu den STERNEN von VALLUMBROSA.«

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SABBATVM SANCTVM. Vespere autem Sabbati, quae lucescit in prima Sabbati, venit Maria Magdalene, et altera Maria, videre sepulcrum. Matth[aei] 28. à v[ersu] 1. Maria autem stabat ad Monumentum forìs plorans.* Quia tulerunt Dominum meum, et nescio, ubi posuerunt eum. etc. Ioan[nis] 20. à v[ersu] 11. Vespere] B, Uespere A

ELEGIA VII. In LAPIDEM sepulcralem. I. Conqueritur de inflexili illius duritie; quòd nec Apostolis Christum, nec Mulieribus, sollicitè ambientibus, velit restituere.

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PAVCA mihi tecum (sed sit reverentia verbis!) Pauca, sepulchralis, verba serenda, LAPIS. Quem te dicam? Adamanta ferum? an durabile ferrum? Vtrumque immotâ conditione refers. Surdus es, et mutus. non te tetigêre querelae, Non te tot Capitum comminuêre preces. Te circùm, graviórque Petrus, celeríque Sodalis Poplite mobilior, ter tetulêre pedem: Ambijt et tenerô MARIA altera, et altera, passu: His MARIA accessit, Tertia, rara trias. Movissent alium MARIARVM Nomina: Magnum est, Magnum aliquid, verè siqua MARIA fuit.

2 sepulchralis] B; sepulcralis A 5 mutus.] B; mutus: A

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KARSAMSTAG Nach dem Sabbate aber, als der Morgen am ersten Tage der Woche anbrach, kam Maria Magdalena und die andere Maria, das Grab zu besehen. Matthäus 28,1 Maria aber stand außerhalb des Grabes, weinend. […] Weil sie meinen Herrn weggenommen haben; und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben usw. Johannes 20,11–13 ELEGIE VII An den GRABSTEIN I. Er beklagt sich über dessen unbewegliche Härte, dass er Christus weder den Aposteln noch den Frauen, die aufgeregt um ihn herumgehen, zurückgeben will Nur WENIGE Worte möchte ich (aber Achtung gebührt den Worten!), nur wenige, GRABSTEIN, an dich richten. Wie soll ich dich nennen? Einen wilden [ungeschliffenen] Diamanten? Oder ein dauerhaftes Eisen? An beide erinnerst du mit deinem unbewegten Zustand. Taub bist du und stumm. Klagen berühren dich nicht. Nicht untergruben dich die Bitten so vieler Häupter. Um dich herum schritten dreimal Petrus, ziemlich gemächlich, und ein beweglicherer Gefährte mit hurtigerem Schritt. Es gingen herum mit zartem Schritt die eine und die andere MARIA, diesen gesellte sich eine dritte MARIA, eine seltene Trias. [10] Einen anderen hätten die Namen der MARIEN bewegt. Groß ist es, ist etwas Großes, wenn es in Wahrheit auch nur eine MARIA gewesen ist.

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II. Magdalenae Ploratus; et cum Saxo expostulatio.

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Movisset multos (ut caetera nomina tollas) MAGDALA, prô! quantum MAGDALA prodigium! Nam, sive ambiguas vesper protruderet umbras, Clamabat sero vespere; REDDE MEVM! Sive pruinosô prodiret Lucifer ortu, Clamabat clarô sidere; REDDE MEVM! Subduxêre meum superíve, hominésve Magistrum: Quin, Tu ipse hunc celas, invidiose LAPIS. Redde, quod occultas! Nulla est SECVRA rapina, Quam tu fraude etiam vis retinere nova. Námque pates, vastóque jaces nil marmore clausus: In te ne Dominum suspicer esse meum. Fraudis forma nova! HAEC tacitîs secum illa querelis: Haec claro questu MAGDALA saepe tonat. Immò etiam, à Bustis aliorsum vertitur; et, seu De superis aliquis visus Ephebus erat; Seu de Terrigenis Olitorem objecerat Hortus, Hunc atque hunc poscit Magdala; REDDE MEVM! Quid tandem? quid, dure, facis LAPIS? Vnda cavavit Saepe petras, lentis Vnda voluta morîs: MAGDALA FLENS, Vnda est, Torrénsque, et Nilus, et Indus: Te tamen haud mollit. Non-lapis, in lapide, es.

vor 7] A: Illa die clausô, et coelo et clamabat apertô, Quantum erat in toto gutture; REDDE MEVM! 8 celas] B; coelas A

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II. Das Klagen der Magdalena und ihr Hadern mit dem Felsen Viele hätte MAGDALENA (um von anderen Namen zu schweigen), bewegt, ach, MAGDALENA – welch ein Vorzeichen! Denn, ob der Abend die schwankenden Schatten hervor trieb, schrie sie noch spät am Abend: »GIB MIR DEN MEINEN ZURÜCK!« Oder ob der Morgenstern hervorkam mit kühlem Aufgang, schrie sie unter heller Sonne: »GIB MIR DEN MEINEN ZURÜCK! Götter und Menschen haben meinen Meister entführt, ja sogar du, missgünstiger STEIN, du selbst verbirgst ihn vor mir. Gib zurück, was Du versteckst! Kein Raub ist SICHER, auch der nicht, den du mit neuartiger List behalten willst. [10] Denn du stehst offen und liegst keineswegs mehr verschlossen da im riesigen Marmorblock, damit ich nicht den Verdacht hege, mein Herr sei hinter dir. Unerhörte Form des Betrugs!« DIES sprach sie bei sich in stillen Klagen, dies lässt MAGDALENA oft mit lautem Jammer ertönen. Ja, von dem Grab wendet sie sich sogar anderswohin und, ob ihr nun erschien ein Jüngling aus dem Kreis der Himmlischen oder ob ihr der Garten von den Menschen einen Gärtner entgegenführte, von diesem und jenem forderte Magdalena: »GIB MIR DEN MEINEN ZURÜCK! Was denn, was, harter STEIN, tust du?« Die Welle höhlt öfter die Felsen, die bewegliche Welle in zähem Beharren. [20] Die WEINENDE MAGDALENA ist eine Welle und ein reißender Bach und Indus und Nil zugleich: Dich aber erweicht sie dennoch nicht. Im Stein bist du ein Nicht-Stein.

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ELEGIA VIII. Historica. [De SANCTA MARIA AEGYPTIACA.] MARIA, cognomento AEGYPTIACA, scortum urbis Alexandrinae facilè omnium contaminatissimum; susceptâ, non pietatis, sed libidinosae societatis caussâ, per mare Cyprium navigatione, Ierosolymam venit. Ingressura Templum, in quo tunc inclyta Domini CRVX adoraturis prostabat, occulta vi aliquoties repellitur. Invocatâ denique per Votum nuncupatum DEIPARA (cujus sacram Iconem in templi vestibulo fortè tunc intuebatur) et conceptâ tot scelerum seria poenitudine, Ingressum Aedis impetrat: Vitam immutat, et ad Iordanis trans-amnanam solitudinem, annos 40. fletu amarissimo transigit: donec ex infelici Prostibulo, beatum atque publicum Sanctimoniae Exemplar effecta, Coelo illata est. Herman[nus] [sic!] Rosvveyd[us] l[ibro] 1. Vit[arum] S[anctissimorum] Patr[um]. Sophronius Hierosolymitan[us]. Paulus Diaconus. alij complures. Ingressura] B; Jngressura A Invocatâ] B; Invocata A Herman.] B; Hermann. A

I. Tam Crucem, quàm Sacra Cenotaphia, coli hoc die solere, et frequentari. Sed corde corporéque Impuritatis experte; ne Mariae Aegyptiacae exemplo repellantur. corporéque] B; corporéque, A

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CRVX etiam hoc cantanda venit tibi Sole, Thalia! Plebs colit hanc, TVMVLI dum simulacra colit: Atque aliqua, antiquae Mater pietatis amatrix, Dum Natos circùm structa sepulcra trahit, Erudit ignaros, et; Qui cubat (inquit) in Antro, In CRVCE, praeterito vespere, Funus erat. In Cruce Numen erat: magna, ô, reverentia, magna Et Christi debet, debet et esse Crucis. Hoc vates moneo, teneram quod foemina prolem; Visite, turba, Antrum: visite, turba, Crucem. SED, Locus hic sacer est: stirps est sacra. Si quis adibis, Tecta priùs solito Crimina pande foro. Post Inimicitias, Veneris deterge Mephitin: Limina sunt casto casta terenda pede.

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ELEGIE VIII Historischen Charakters [DIE HEILIGE MARIA AEGYPTIACA] MARIA mit Beinamen AEGYPTIACA, von allen Dirnen der Stadt Alexandria gewiss die besudeltste, hatte -– nicht aus Frömmigkeit, sondern um buhlerischer Gesellschaft willen – eine Seefahrt über das Cyprische Meer unternommen und gelangte nach Jerusalem. Als sie die Kirche betreten wollte, in der sich zu jener Zeit das herrliche KREUZ des Herrn den Betenden darbot, wurde sie mehrmals von einer verborgenen Kraft zurückgestoßen. Als sie endlich im Stoßgebet die GOTTESMUTTER (deren heilige Ikone sie eben im Vorraum der Kirche zufällig erblickt hatte) angerufen und ernste Reue über so viele Sünden empfunden hatte, erlangte sie Eintritt in das Gotteshaus. Sie änderte ihr Leben und verbrachte 40 Jahre unter bitterstem Weinen in einer Einöde jenseits des Jordan, bis aus der unseligen Metze ein seliges und bekanntes Vorbild von Heiligmäßigkeit geworden war, und sie Eingang in den Himmel fand. Heribert Rosweyde, 1. Buch vom Leben der Heiligen Väter, Sophronius v. Jerusalem, der Diakon Paulus und viele andere.

I. Sowohl das Kreuz als auch die heiligen Gräber pflege man am heutigen Tag zu verehren und zu besuchen, freilich mit von Unreinheit freiem Körper und Sinn, damit man nicht wie Maria Aegyptiaca abgewiesen werde Dir, Thalia, steht es an diesem Tag auch an, das KREUZ zu besingen! Das Volk verehrt es, da es zugleich die Monumente des GRABES verehrt. Und eine Mutter, Freundin alter Frömmigkeit, belehrt, während sie die Kinder um die Grabdenkmäler führt, die unwissenden Kleinen und sagt: »Er, der im Felsengrab bestattet liegt, fand am Abend zuvor am KREUZ den Tod. Am Kreuz hing Gott. Ach, die große Verehrung, die Christus gebührt, muss auch Verehrung des Kreuzes sein.« Als Dichter erinnere ich an das, woran die Frau die kleinen Kinder erinnert: Besuche, Volk, die Gruft, besuche, Volk, das Kreuz! [10] ABER der Platz hier ist heilig, heilig ist der Kreuzesstamm. Bevor du, wer immer, dich nahst, sollst du zuvor an gewohnter Stelle verborgene Sünden bekennen. Versöhne dich zuerst und reinige dich dann vom Gestank der Venus: Reine Schwellen müssen mit reinem Fuß betreten werden.

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II. Mariae Aegyptiacae Repulsa, et Emendatio.

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Terreat Exemplum! LIBYCIS de finibus orta, Aethiopúmque nigrum, sed malè molle, genus, Iam dudum Pharias Aegypti insederat arces, Exposita innumeris una Puella viris. Ah, pudet, et verum est! specioso Nomine, tetros Velabat mores. dicta MARIA, Lupa est. Quid loquar? aut taceam? Tu Laida, Thaida, Phrynen, Et Phlogida, et Dryada, et Cyprida, finge tibi: Quodcunque has omnes finges Fecisse, Fuisse: Haec una et Fecit turpiter, atque Fuit. Templa etiam vento et velis Solymaea petivit (Tempus erat, recoli per stata sacra CRVCEM,) Navigat, et Cypridis maculat Cypria aequora culpis: Nautarum in medio naufraga Lena jacens. Et trahit in vetiti socios consortia lecti : Prô, foedum illusae relligionis iter! Ausa etiam est (quid enim non firma Protervia tentat?) Ad Solymaea procax ferre sacella pedem. Intrantem ejecit, tumido velut aequore, turba: Ejecit scelerum pondus, et ipse Locus. Ter portam attigerat; ter abit, quasi Syrte repulsa: Opprimitur numerô, Ter scelerata, suo. Quid faciat? Vitiorum illi sensim obviat ingens Ilias: indignam se CRVCIS Aede videt. O, quantum est, etiam ex ipsa spem sumere Poena? Supplicióque mali, desinere, esse Malum? Virgineae Meretrix Matri (fortè obvia Matrem Virgineam obtulerat picta figura) vovet. Vota valent. Iámque illa aditum, jámque intima Templi Impetrat; et dignam se CRVCIS Aede notat. Coelite quin etiam admonitu resipiscere gestit. NVLLA est ad rectam semita sera viam. Haec ait. Et Solymis, Sociísque, Pharóque relictis, Devia Iordanis trans vada, carpit iter. Accolit: et, quantum fluvius prope volvit Aquarum, Tantum ipsa ex oculis, lustra per octo, pluit. Profuit et Lacryma, et Fluvius. Vitam ELVIT omnem; LOTAQVE prodigium est AETHIOPISSA novum. 1 Exemplum] B; exemplum A – orta,] B; orta A 2 molle,] B; molle A

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II. Zurückweisung und Besserung der Maria Aegyptiaca Es schrecke dieses Beispiel: In LIBYSCHEN Landen geboren, schwarzer Äthiopierspross, übel wollüstig obendrein, hatte sie lang schon die Mauern des Pharos in Aegypten bewohnt. Das eine Mädchen hatte sich ungezählten Männern dargeboten. Ach, man schämt sich, und es ist wahr: Hinter ihrem edlen Namen verbarg sie schmutziges Treiben. Sie hieß MARIA und war doch eine Hure. Was soll ich sagen, oder was soll ich verschweigen? Stell dir Lais, Thais, Phryne und Phlogis und Dryas und die Cypris vor! Was nach deiner Vorstellung sie alle zusammengenommen getan haben und gewesen sind, das hat sie schändlich allein begangen, das war sie in einem. [10] Zu den Kirchen Jerusalems (es war nach dem Festkalender Zeit, das KREUZ zu verehren) zog sie mit Wind und Segel, fuhr und beschmutzte die Cyprischen Gewässer mit den Sünden der Cypris, lag als Kupplerin gestrandet inmitten von Matrosen, und zog die Freier in das Gemenge des unkeuschen Lagers. Ach, schamlose Pilgerfahrt eines verhöhnten Glaubens! Sie wagte sogar (Was nämlich wagt hartnäckige Frechheit nicht?), dreist den Fuß zu den Heiligtümern Jerusalems zu richten. Als sie eintreten wollte, warf sie ein Gedränge wie eine schwellende Woge zurück. Das Gewicht der Sünden und der Ort selbst warfen sie zurück. [20] Dreimal hatte sie den Zugang versucht, dreimal wich sie zurück, wie von der Syrte gehindert. Dreimal verrucht wurde sie von ihrer Sündenzahl zurückgestoßen. Was sollte sie tun? Die riesige Menge der Sünden kam ihr nach und nach in den Sinn. Sie erkannte, dass sie der KREUZESKIRCHE nicht würdig war. O wie herrlich ist es, aus der Strafe selbst Hoffnung zu ziehen und durch die Buße für die Sünde aufzuhören, sündig zu sein. Die Dirne betete (zufällig zeigte ein Bildnis gegenüber die jungfräuliche Mutter) zur jungfräulichen Mutter. Die Gebete wurden erhört, und schon erlangte sie Zutritt, schon ging sie ins Innere der Kirche und merkte, dass sie der KREUZESKIRCHE würdig war. [30] Ja sie verlangte – vom Himmel ermahnt – sogar, wieder zur Vernunft zu kommen. »Zum rechten Weg ist KEIN Abzweig zu spät.« So sprach sie, verließ Jerusalem, die Freier und Pharos und nahm ihren Weg über die abgelegenen Wasser des Jordan. Sie ließ sich nieder, und wieviel der Fluss in ihrer Nähe Wasser führte, soviel ließ sie selbst 40 Jahre lang aus den Augen strömen. Tränen und Fluss halfen. Ihr ganzes Leben WUSCH sie REIN. Das Wunder ist ohne Beispiel: Eine SCHWARZE wurde REIN GEWASCHEN.

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PASCHA. PASCHA nostrum immolatus est CHRISTVS. 1. Cor[inthiorum] 5. v[ersus] 7. Nunc autem CHRISTVS Resurrexit à mortuis, Primitiae Dormientium. 1. ad Cor[inthos] 15. v[ersus] 20. Resurrexit] B; resurrexit A

ELEGIA IX. Parodia Antiphonae Ecclesiasticae, REGINA COELI, LAETARE. etc. I. Virgini MATRI nuntiat, Filij triumphalem Anastasin. Ponere pervigiles curas jubet; et praesertim, etiam Apostolis tunc dormientibus. jubet] B; iubet A

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REGINA! ô Regina, novi nova Gloria Coeli (Nam Coelum et Soles innovat iste dies) Quid densas inter, dignissima LVCE, tenebras, Sola agis? et curas, orbe silente, premis? Iam tibi nox media it: Vita omnis, et aura quiescit; Corda (etiam culpis anxia) somnus habet. Dignare hoc; pérque umbram oculos circumfer et urbem. Notorum aspicies somnia tuta virûm. Hejc PETRVM arcanâ stertentem in rupe videbis: Hejc Zebedaeîdas molle cubile tegit. Parte alia Andreas, aliâ capit otia Thomas: Qualiacunque alibi strata, Philippus habet. Vna quies omnes paribus circumvolat alîs. TE solam Insomnem pervigil hora tenet. Et nunc dejecto spectas mortalia vultu; Nunc, versô ad superos lumine, Numen obis: Suspirásque tuum, momenta in singula, NATVM; Quem, spes est, reduces è Styge ferre pedes. Digna es, quam laetus, moestâ in caligine, rumor Mulceat. Huc aures arrige, Virgo, tuas!

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OSTERN Denn unser OSTERLAMM CHRISTUS ist geopfert worden. 1. Korinther 5,7 Nun aber ist CHRISTUS von den Todten auferstanden, der Erstling der Entschlafenen. 1. Korinther 15,20

ELEGIE IX Parodie der kirchlichen Antiphon FREU DICH, DU HIMMELSKÖNIGIN usw. I. Er meldet der jungfräulichen MUTTER den Triumph der Auferstehung ihres Sohnes und fordert sie auf, ihre stets wachen Sorgen zu lassen; und vor allem meldet er dies auch den damals schlafenden Aposteln KÖNIGIN, o Königin, neuer Ruhm des neuen Himmels (denn dieser Tag erneuert Himmel und Gestirne), was tust du allein in der undurchdringlichen Finsternis, die du doch mehr als andere im LICHT stehen solltest, und verbirgst deine Sorgen, die Welt aber schweigt? Schon naht dir die Mitternacht; alles Leben und jeder Hauch ruht; Schlaf beherrscht die Herzen (auch die von Schuld geängsteten). Dies kannst du für angemessen halten; richte die Blicke weitum auf Nacht und Stadt – du wirst die bekannten Männer in sorglosen Träumen erblicken. Hier wirst du PETRUS auf verborgenem Felsen schnarchen sehen, dort hüllt ein weiches Pfühl die Söhne des Zebedäus ein. [10] An der einen Stelle findet Andreas, an einer anderen Thomas Ruhe; anderswo liegt Philippus auf einem Lager. Ein Schlaf umfängt mit gleichen Flügeln alle. DU allein bist ständig wach und schlaflos. Bald schaust du mit gesenktem Blick auf die vergänglichen Dinge, bald wendest du dich, den Blick zu den Himmlischen gewandt, an die Gottheit; in jedem Augenblick seufzst du über deinen SOHN, den, wie du hoffst, seine Füße zurück von der Styx bringen. Du verdienst es, dass dich in der traurigen Dunkelheit frohe Kunde besänftigt. Darauf richte, Jungfrau, dein Ohr! [20] FREUE DICH, o, und wiederum freue dich mit der Freude von Göttinnen und empfange die Freude mit ganzem Herzen. Warum zweifelst du? Warum hast du Bedenken vor dem, was doch sicher ist? Hier geht es nicht um bloße Fabelei: Zur wahren Jungfrau darf man nur die Wahrheit sagen. Siehe, er, er, der Bezwinger des Erebus, die Freude der Himmlischen, er, des göttlichen Vaters göttlicher Sohn und selber Gott, den –

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LAETARE, ô iterum atque iterum Laetare, Dearum Laetitiam; et pleno gaudia carpe sinu. Quid dubitas? quid certa times? hîc fabula nulla est: Cum Vera, fas est, virgine Vera loqui. Ecce! Ille, Ille Erebi domitor, superúmque voluptas; Ille Patris Divi Dia propago, Deus; Quem tua (si pateris) virtus, MERITIQVE favores, Clauserunt uteri virginitate tui. Ille tuus, Mater, redivivus SVRGERE Natus Incipit, et plenâ VERBA replere FIDE. Sub domino jam calce urget Phlegethonta perustum, Regalíque urget Tartara tota pede. Victa simul MORS furva jacet: jacet Inferus horror; Cinctáque non-falsis saeva Gehenna minis. Iámque Animam avulsô sociam cum corpore nectit, Et, quidquid Christi est, vis animata refert. Diffugiunt custósque Stygis, custósque Sepulcri: Ceu quondam, illatô lumine, Noctis aves: Aut, velut aspectô bellorum fulmine, forti Scipiadâ, retulit Punica turma pedem. Ipse autem, Furiarum ingens contemptor et Orci, Ventila Heroa parta tropaea manu; Signiferáque quatit vexilla volantia dextrâ: Picta micant nitida Lintea festa CRVCE. 28 tui.] B; tui, A 35 nectit,] B; nectit: A

II. Describit Virgini Christi Resurgentis Potentiam, in domito Inferno; splendorem vultûs et Quinque Vulnerum: Terrarúmque, per quas transit, germinantium laetitiam.

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Aspiceres utinam, Qualísque et quantus ovaret, Taenariâ referens FILIVS arma domô! Ille, catenatô Saturnum, atrámque Cybellem, Atque Iovem, atque Deos, poplite victor agit: Passim Idola ruunt; reliquae Stygis una Ruina est Proxima. Laetantur, turba redempta, Patres. Ipse Triumphator, rutilo coelestia vultu Gaudia diffundit, Laetitiámque praeit. Vtraque sidereis splendescunt tempora flammis, Divinúmque vibrant lumina blanda jubar.

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wenn du es erlaubst – deine Tugend und die Gnade deines VERDIENSTES in deinen jungfräulichen Leib schlossen, dieser dein Sohn beginnt, o Mutter, sich lebend wieder zu ERHEBEN und in voller WAHRHEIT das WORT zu erfüllen. [30] Unter seinen herrischen Fuß zwingt er schon den ausgebrannten Phlegethon, mit königlichem Schritt bezwingt er den gesamten Tartarus. Besiegt liegt zugleich der finstere TOD, es liegt der Graus der Unterwelt und die von nicht-fiktiven Drohungen umgebene furchtbare Hölle. Und schon eint er wieder die Seele mit dem getrennten Körper, und die Seelenkraft bringt alles, was zu Christus gehört, zurück. Es fliehen der Wächter der Styx und der Wächter des Grabs wie sonst, beim Hereinbrechen des Lichts, die Vögel der Nacht, oder wie sich, beim Anblick des Blitzstrahls der Kriege, des tapferen Scipio-Sohnes, die punische Reiterei zurückzog. [40] Er selbst aber, der gewaltige Verächter der Furien und des Orcus, schwingt mit der Heldenhand das errungene Siegeszeichen, mit der Hand des Fahnenträgers schwingt er das wallende Banner – auf dem festlichen Tuch prangt bunt mit Glanz das KREUZ.

II. Er beschreibt der Jungfrau die Macht des auferstandenen Christus in der bezwungenen Unterwelt, den Glanz seines Antlitzes und der fünf Wunden sowie die Freude der grünenden Lande, die er durchquert Würdest du doch sehen, in welcher Gestalt und mit welcher Gewalt der SOHN triumphierte, als er die Waffen aus dem Haus des Taenaron zurückbrachte! Er führt Saturn und die finstere Kybele, Jupiter und die (übrigen) Götter siegreich in Fußfesseln heran; überall fallen die Idole; es bleibt, dass als nächstes die Styx in einem Akt zusammenbricht. Die Väter, eine Schar von Erlösten, freuen sich. Der Triumphator selbst verströmt vom verklärten Antlitz himmlische Freuden und schreitet dem Frohlocken voraus. Beide Schläfen strahlen vom Sternenfeuer und die leuchtenden Augen funkeln in göttlichem Glanz. [10] Sein Gesicht ist purpurfarben, wie es Pallantias dem ersten Aufgang [der Sonne] voraus trägt und wie es der Donnerer selbst lachend zeigt (doch wenn er heiteren Sinnes ist, legt er die Rechte des Donnerers ab) – was soll ich das Übrige berichten, das im Einzelnen

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Os, quale ad primos praefert Pallantias ortus, Purpureum, et quali rideat ipse Tonans (Sed, cùm mente hilaris, seponit jura Tonantis) Caetera quid referam, singula digna Deo? Ipsa adeò, Quino nuper squalentia tabô, VVLNERA (quis credat, Vulneris esse Decus?) Aemula Achaemenijs, rutilant gemmata, Pyropis: Quot Plagas, tot eum Sidera, ferre putes. Quáque viam, quáque ille gradum molitur et oras; Omnes orae, omnes emicuêre viae. Neu pompae obsequijs desit Terra illa, sub ipsa Nocte viret: Violas altera terra parit. Haec in Panchaeos Regio se effundit odores: Altera praeproperam jam meditata Rosam est. 1 Qualísque] B; Qualisque A

III. Galilaeam potissimùm revirescere, Christo excipiendo. Filij repentino interventu, Matris laetitiam impleri.

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Ante alios Galilaeus ager se totus adornat (Namque hunc ante alios Regia pacta manent) Exultat viridísque Thabor, vallésque resultant Aserides: subito palmite Chana tumet. Ipse quoque, extrema Libani spatiatus ab arce, Iordanes, misto laetior imbre fluit. Tantùm, ô, tantùm adsit! quaéque absens aspicit, illa Praesenti Natus permeet arva gradu! Fallor? an hoc ipsum, quod mens optavit, habemus? Colluxit radio coelite tota domus; Luminéque insolito Noctis jubar omne repressum, Indicat, è Superis Sidus adesse novum. Hoc ipsum est! LAETARE, Parens: nunc indice VATE Non opus est; Index FILIVS ipse venit. Surge, Occurre, Tene, Iunge oscula! Túque Thalia, Siste loqui! Incipiunt FILIVS atque PARENS.

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Gottes würdig ist? Ja, geradezu die WUNDEN selbst, die eben noch fünffach von Schorf bedeckt waren (wer sollte glauben, dass Wunden eine Zier sind?) leuchten rot wie Goldbronze der Achaemeniden, so dass man glauben kann, er trage so viele Sterne wie Wunden. Und wohin er geht, und in welche Gefilde er seinen Schritt richtet, da erstrahlen alle Gefilde, alle Wege. [20] Und damit jenes Land es nicht an Bereitwilligkeit beim Triumphzug fehlen lasse, grünt es noch in der Nacht, Veilchen bringt das andere Land hervor. Dieses Gebiet verströmt sich in Düften aus Panchaia, das andere hat schon eine vorzeitige Rose hervorgebracht.

III. Am ehesten werde Galiläa grün durch die Aufnahme Christi Durch das unverhoffte Auftreten des Sohnes gelange die Freude seiner Mutter zur Erfüllung Vor anderen schmückt sich das ganze Land Galiläa (denn vor anderen gelten für dieses die Vereinbarungen des Königs); es frohlockt im Grün der Thabor und die Täler [des Stammes] Asser hallen wider; unverhofft prangt Cana mit dem Weinstock. Auch der Jordan selbst, der hoch von der Burg des Libanon herabkommt, strömt froher, angeschwollen vom Regen. Möchte Er doch nur, o, möchte Er dasein! Die Fluren, die der Sohn aus der Ferne erblickt, möge er mit sichtbarem Schritt durchziehen! Täusche ich mich, oder haben wir bereits gerade das, was mein Sinn gewünscht hat? Von himmlischem Glanz erstrahlt die ganze Welt; [10] durch ungewohntes Licht ist jegliches nächtliche Leuchten zurückgedrängt. Es zeigt an, dass von den Himmlischen her ein neues Gestirn erschienen ist. Das ist es eben! FREUE DICH, Mutter; jetzt brauchen wir nicht mehr den Hinweis der SEHER, jetzt zeigt sich der SOHN selbst. Erhebe dich, eil’ ihm entgegen, halte ihn umfasst, tausch’ mit ihm Küsse! Und du, Thalia, ende deine Rede! Nun beginnen SOHN und MUTTER.

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ELEGIA X. HISTORIA DISCIPVLORVM, in Emmaus euntium. DISCIPVLORVM, in Emmaus] B; DISCIPVLORVM, IN Emmaus A

Describitur LVCAE cap[ite] 24. Emmaus] A; Emaus B

I. A versu 13. Duo ex Discipulis IESV, ibant IPSA DIE, in Castellum, quod erat in spatio stadiorum Sexaginta ab Ierusalem, nomine EMMAVS.

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TERTIUS à Christi tenebroso funere Titan, Ducebat, radiô jam meliore, diem. Iámque ferè mediam coeli conscenderat arcem, Quà spatium aequatum Vesper et Ortus habent; Digressi, Solymaea retrò pomoeria linquunt, Ex decies septem portio parva Viris. Grandior annorum CLEOPHAS, et Iunior alter (Nomen in ancipiti est: sit satìs, îsse Duos: Tantisper, Cleophae COMITEM dicemus; et, aevô Si verè inferior sit, IVVENALIS erit) Concordes animis, concordes passibus ibant: Parva EMAVS, magnum proliciebat iter. In manibus, cedrino mitratus scipio nodo; Ipse sed ad solidum stipes acernus erat. In pedibus, Syrio pellita ligamina loro. Veste recollectâ, corripuêre viam. Multa viae asperitas: donec Solymaea vorarent Principia, et rupes, terra Sióni, tuas. Rupibus evictis, cùm jam labor improbus aequos Calcaret Campos; commoda multa dabat. Ante oculos, Vernae facies laetissima terrae, Herbidáque, et picto florea prata solo. Comminus Hortorum nemorúmque tenerrima forma; Multáque Idumaeis pendula Palma jugîs. Eminus, aërio surgentes vertice Montes, Monstrabant tremulas in statione Cedros: Quaéque procùl nimiùm positis, secesserat orîs, Coeruleo stabat Sylva videnda situ. Hinc atque hinc, aliae ex alijs, sua culmina Villae

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ELEGIE X DIE GESCHICHTE VON DEN JÜNGERN, DIE NACH EMMAUS GINGEN Beschrieben bei LUKAS im Kapitel 24

I. Ab Vers 13. Und siehe, zwei von ihnen gingen an DEMSELBEN TAGE in einen Flecken mit Namen EMMAUS, der sechzig Stadien von Jerusalem entfernt war Der DRITTE Titan nach dem düsteren Tod Christi führte schon mit besserem Strahl den Tag herauf. Schon hatte er beinahe die Mitte der Himmelsburg erklommen, wo Morgen und Abend den gleichen Abstand halten, als Wanderer die Stadtgrenze Jerusalems hinter sich ließen, ein kleiner Teil von den 70 Jüngern. Reifer an Jahren war CLEOPHAS und jünger der andere (sein Name ist ungewiss; es muss reichen, dass es zwei waren, die gingen; einstweilen wollen wir ihn ›des Kleophas GEFÄHRTEN‹ nennen, auch soll er – wenn wirklich geringeren Alters – JUVENAL heißen). [10] Sie gingen gleichen Sinnes und gleichen Schrittes; das kleine EMMAUS lockte zu weitem Weg. In den Händen hielten sie einen Stock, von einem Zedernknauf gekrönt, dessen Stamm selbst ganz von Ahorn war. An den Füßen hatten sie Ledersandalen mit syrischen Riemen. Mit geschürzten Gewändern nahmen sie ihren Weg. Groß war die Mühsal des Weges, solange sie die Höhen Jerusalems und deine Felsen, Land Sion, durchquerten. Als sie die Felsen überwunden hatten, als schon nicht ermüdende Kraft die ebenen Felder durcheilte, brachte der Weg mancherlei Annehmlichkeit. [20] Vor Augen standen das heiterste Antlitz der Erde im Frühling und grüne, blühende Wiesen auf buntem Grund. In der Nähe sah man die zarteste Ahnung von Gärten und Hainen und manche Palme, die auf Idumäischen Hügeln stand. In der Ferne zeigten die mit himmelhohem Scheitel sich erhebenden Berge Zedern, die sich an ihrem Ort im Winde bewegten.

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Prodebant; et opes Oppida culta suas. Dextra parte humiles Anathota veterrima colles Tollebat, colles vix bene vite graves. Ad laevam Cariathiaris populosa, priores Aspectu clades, bellicáque acta novans: Et procùl, horribili populorum funere plexa Bethsamis, aspectum dum petit, Arca, tuum. Introrsum Gabaon, latissima moenia priscis, Nunc solo historiae rudere nota, jacet: Quamvis illa jacet; viridi locus aggere surgit, Quóque situ Gabaon floruit, herba natat. 9 et,] B; et A 12 EMAVS] A, B (metri causa; vgl. 6,38) 27 Quaéqie procùl] B; Quaeque procul A 37 Introrsum] Antrorsum A,B

II. Et ipsi loquebantur ad invicem, de his omnibus, quae acciderant.

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Caetera quid memorem, loca nota, ignota? beato Omnia ridebant VERIS amoena joco. Quid tristes tamen ista animos, quid sensa juvabant? NIL facit in moesto pectore laetus ager. Tristitia Cleophas, et amaro marcidus aestu, Tristitia mersus non leviore Comes, Ibant flammivomi languentes fulgure Solis, Tardabátque graves anxia cura pedes. Surda illis telluris erat, muta ipsa voluptas Aetheris: et medio nox rediviva die. Immemores Solis, pertaesi agríque, viaéque, Et Volucrum in sylvis, et Nemorum, atque Sui. Sermones lento tristes ore alternabant: Materies illis plurima CHRISTVS erat. Nec tamen hic solus. quidquid ferale sub axem Quartus abhinc dederat, proximiórque dies, Narrabant vero verborum, et simplice nexu. (FASTIDIT phaleras, comptáque dicta, Dolor) Hortus in ore illis, et opacâ densus OLIVA Clivus; et orantis GVTTA, Cruore nigrans: Inde rubri facinus Iudae, diffictáque Furis Oscula, et injectae in libera colla manus: Mox, ferus in Malchum Petrus: mox Perfidus idem In captum; et galli Vox, scelerísque dolor.

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Und ein Waldstück, das sich allzu weit von den anderen entfernt hatte, stand sichtbar an himmelblauem Ort. Hier und da, von verschiedenen Seiten ließen Dörfer ihre Giebel sehen und schmucke Städte ihre Pracht. [30] Auf der rechten Seite zeigte das uralte Anathoth seine flachen Hügel, die noch kaum mit Weinlaub bedeckt waren. Zur Linken lag das volkreiche Kariathaim und erinnerte durch seinen Anblick an frühere Niederlagen und Kriegstaten, in der Ferne Bethsames, bestraft durch schrecklichen Tod seiner Einwohner, da es, Bundeslade, dich anschauen wollte, davor Gabaon, in alten Zeiten mit ganz ausgedehnten Mauern, nun einzig durch Trümmer der Geschichte bekannt. Obgleich es darniederliegt, erhebt sich der Ort mit grünem Wall und an der Stelle, wo Gabaon blühte, wogt das Gras. [40]

II. Und sie redeten mit einander über alles dies, was sich zugetragen hatte Was soll ich den Rest, die bekannten oder unbekannten Orte aufzählen? Alle Freuden des FRÜHLINGS luden zu schicklichem Scherz. Was freilich half dieses, was halfen die Eindrücke den betrübten Sinnen? Die lachende Flur bewirkt NICHTS in traurigem Herzen. In Trübsinn versunken und ausgezehrt von bitterer Glut waren Cleophas und nicht minder sein Begleiter; sie gingen ermattet vom Strahl der flammensprühenden Sonne, und drückende Sorge lähmte ihre schweren Schritte. Taub waren sie vor den Reizen der Erde, stumm vor denen des Himmels, und die Nacht steht wieder auf mitten am Tag. [10] Sie achteten nicht auf die Sonne, hatten Verdruss am Feld und am Weg und an den Vögeln in den Wäldern und an den Hainen und an sich selbst. Traurige Rede tauschten sie mit stockender Zunge, reichlich Anlass dazu gab ihnen CHRISTUS. Nicht aber er allein. Alles Verderbliche, was der vierte Tag vor diesem und der Tag danach auf Erden gebracht hatten, erzählten sie in einfach-redlicher Fügung der Worte (Schmerz VERABSCHEUT Schmuck und geputzte Rede). Über den Garten sprachen sie und den von schattiger OLIVE dicht bestandenen Berg und über die TRÄNE des Betenden, die schwarz gewesen war von Blut, [20] dann über den Verrat des rothaarigen Judas und die geheuchelten Küsse des Diebs und Hände, die sich um den vertrauensseligen Nacken gelegt hatten, bald über Petrus, der auf Malchus losgegangen war, bald über denselben, der dem gefangenen Christus die Treue gebrochen hatte, über den Ruf des Hahns und die Reue über den Verrat, über ANNAS, der älter an Lebensjahren, aber mit den Jahren immer bösartiger geworden war, und über Kaiphas, den Hohenpriester eines törichten Glaubens, über das unsichere Schwanken des PILATUS hinter den verschlossenen Türen seines Amtssitzes, über die Marionette von einem Tetrarchen, der keine Entschei-

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Atque aevi senior, sed ab annis nequior ANNAS: Cayphásque, et fatuae relligionis apex; PILATIQVE anceps, intrà Praetoria, fluctus: Irritus et voti scurra Tetrarcha sui. Venit et in linguam his, populi modò noxa, Barabbas; Atque idem populi postmodo Vox, et Amor. Narrabant Terga icta flagris, Caput aspera passum Dumeta, et colaphis ingemuisse genas. Feralíque aegros humeros sub stirpe labantes, Ebriáque infami murrina vasa mero; Latronúmque satellitium, Clavósque cruentos, Regiáque atroci brachia fixa CRVCI. Nec Solis refugi tenebras tacuêre, nec Orbis Fundamenta, suis eruta paene locis: MESSIAMQVE omnem, et promissi culmina Regni, Et, Solymaeorum sceptra novanda Ducum, Pellendósque omni penitùs Phoenice Quirites Limite, et Ausonio libera colla jugô. Omnia narrabant: et adhuc narranda manebant. DE TANTO possit quis brevis esse Viro? 4 ager] B; Ager A 38 Fundamenta,] B; Fundamenta A

III. Et factum est, dum fabularentur, et secum quaererent: et ipse IESVS appropinquans ibat cum illis.

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Iam stadia ex stadijs dena altera et altera dena, Promôrant curvam pulverulenta viam. Campus erat planus: dextrâ Silonia rupes Radebatur: et in fine Tragoedia erat. Rursum eadem, atque eadem, mens ulceris aegra, retractat: Rursum ex Horto hortus nascitur atque logus. Squaluerant sermone simul, simul aegra calore, Clamabántque aliquod torrida labra vadum. Iámque erat ad Valles propiori limite ventum: Et ventum ad fines, Aialon atra, tuos. Hinc atque hinc nigrâ pendentes ilice Sylvae, Nigrarántque lacum, munierántque locum. Nam lacus ad laevam, vivis gelidissimus umbris, Fontanîs longè roscidus ibat aquis. Torserat ora sitis: sed, dum sermo alter et alter Ducitur, oblita est se, laticémque sitis. Praeterituri etiam fuerant argentea pigri

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dung hatte fällen wollen. Auch kam zwischen ihnen Barabbas zur Sprache, der eben noch Schaden des Volkes und dann im Munde des Volkes und sein Liebling gewesen war. [30] Sie erzählten, wie der Rücken mit Peitschenhieben geschunden worden war, wie das Haupt scharfe Dornen zu dulden hatte und wie die Wangen vor Schlägen gebebt hatten, erzählten von den schwachen Schultern, die unter dem Marterholz gewankt hatten, von dem mit saurem Wein gefüllten Steinbecher, von den Schächern neben ihm, den blutigen Nägeln und den königlichen Armen, die an das harte KREUZ geheftet worden waren. Sie übergingen nicht das Dunkel, als sich die Sonne verbarg, und wie die Fundamente des Erdkreises fast aus ihrem Sitz gerissen worden wären, übergingen nichts, was den MESSIAS betraf, und die Höhen des verhießenen Königreiches und dass die Rechte der Herrscher Jerusalems erneuert, [40] dass die Quiriten ganz aus dem Heiligen Land vertrieben werden müssten und die Nacken frei sein sollten vom italischen Joch. Alles erzählten sie und noch immer blieb etwas zu erzählen. Wer könnte angesichts eines SO GROSSEN Mannes sich kurz fassen?

III. Und es geschah, als sie miteinander redeten, und sich befragten, nahete sich JESUS selbst; und ging mit ihnen Schon gingen Meilen aus Meilen, weitere zehn und nochmal zehn auf kurvenreichem Weg staubig hervor. Die Gegend war flach, man passierte den Fels von Silo zur Rechten und das Ende der Tragödie stand bevor. Der wie an einem Geschwür krankende Sinn erwog dasselbe und wieder dasselbe. Wieder ging aus einem Garten der nächste hervor und ein Wort ergab das andere. Schmutzig waren die Lippen vom Reden geworden und wund zugleich von der Hitze; versengt lechzten sie nach einem Nass; schon war man in die Täler nahe der Grenze gekommen und in dein Gebiet, schwarzes Aialon. [10] Auf dem einen und auf dem anderen Hang standen Wälder von dunkler Steineiche; sie färbten den See schwarz und beschirmten den Ort. Zur Linken nämlich lag ein See, eiskalt durch die lebendigen Schatten, und er erstreckte sich weithin, von Quellwasser taufrisch. Der Durst quälte die Gaumen, aber während Rede um Rede ging, vergaß er sich und das Nass. Schon waren die Verdrossenen dabei an den silbernen Wassern vorbeizugehen, wenn nicht eine aus den Wassern geborene Erscheinung sie angezogen hätte. Sieh doch! Wo wogend die kristallene Najade halb zurückgezogen den Bogen des Ufers berührt, [20] erstrahlt ein ungewöhnlicher und für die Augen von Sterblichen unfassbarer Glanz und streicht, wie Schatten es tun, über die Wasser.

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Stagna; nisi è stagnis res nova nata, trahat. Ecce tibi! qua parte undans crystallina Najas, Stringebat ripae semireducta sinum; Insolitus, maiórque oculis mortalibus albet Splendor: et umbrarum, per vada, more meat. Ad latus, inter aquas, incedit; et ambulat illô, Quo se supra undas impete cymba movet. Primus id ostentum Iuvenalis vidit, et; O, quod SOLARI majus lumine lumen adest? Quod Iubar umbrosas accendit fulgure lymphas (Inquit) et in medijs Coelum imitatur aquis? Aspice! Iamdudum Comes aspiciebat, et; Aut hîc Fallimur, aut Numen non procul (inquit) abest. 5 aegra,] B; aegra A

IV. Oculi autem illorum tenebantur, ne eum agnoscerent.

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Dum nova mirantur spectacula, et avia pascunt Lumina; suffundi lumina nocte notant: Caligo premit atra oculos; mox, nocte repulsa, Incerto ad visum pupula rore natat. Insimul à tergo vestigia visa sequentis Instrepere, et celeri verrere calce solum. Respiciunt: post terga instans jamjámque Viator Assequitur: jam fit tertius ipse Comes. Iámque etiam graditur medius; nec dum ore, nec ortu, Nec nudo saltem nomine notus, Homo.

V. Et ait ad illos; Qui sunt hi sermones, quos confertis ad invicem, ambulantes, et estis tristes? Et respondens unus, cui nomen Cleophas, dixit ei; Tu solus peregrinus es in Ierusalem; et non cognovisti, quae facta sunt in illa his diebus? Quibus ille dixit; Quae? Et dixerunt; De IESV Nazareno; qui fuit vir Propheta, potens in opere et sermone, coram Deo et omni populo; et quomodo eum tradiderunt summi sacerdotes et Principes nostri in damnationem mortis, et Crucifixerunt. Nos autem sperabamus, quia ipse esset redempturus Israël. Et nunc super haec omnia, tertia dies est hodie, quòd haec facta sunt. etc. Israël] B; Jsraël A nostri] B; nostri, A

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Zur Seite, mitten im Wasser, schreitet er einher und wandelt dort, wo gewöhnlich das Schiff sich mit Ungestüm über die Wasser trägt. Zuerst sah der Jüngere diese Erscheinung und sprach: »O, was ist da für ein Licht, stärker als das Licht der SONNE! Was für ein Gestirn entzündet mit seinem Strahl die schattigen Wasser und ahmt mitten in den Wogen den Himmel nach! Sieh nur!« Der Begleiter sah das schon lang und sprach: »Entweder täuscht uns etwas oder Gott ist nicht fern«.

IV. Ihre Augen aber waren gehalten, damit sie ihn nicht erkenneten Während sie die neuartige Erscheinung bewundern und die schweifenden Blicke weiden, merken sie, wie diese von Nacht überzogen werden. Tiefe Dunkelheit schließt die Augen, doch gleich wird die Nacht wieder verscheucht und die Pupille schwimmt in Tau, der den Blick verwischt. Zugleich scheinen im Rücken Schritte eines Mannes hörbar zu werden und mit schnellem Schuh über den Boden zu fegen. Sie blicken zurück, im Rücken sich nähernd tritt schon ein Wanderer heran, alsbald wird er zum dritten Gefährten, ja schon schreitet er in der Mitte einher, noch nicht dem Gesicht nach, nicht der Herkunft nach, ja nicht einmal dem nackten Namen nach bekannt, ein Mensch. [10]

V. Und er sprach zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr mit einander auf dem Wege wechselt, und ihr seyd traurig? Da antwortete einer, Namen Cleophas war, und sprach zu ihm: Bist du der einzige Fremdling in Jerusalem, und weißt nicht, was daselbst geschehen ist in diesen Tagen? Und er sprach zu ihnen: Was? Und sie sprachen: Das mit JESU von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in That und Rede vor Gott und allem Volke; und wie ihn unsere Hohenpriester und Vorsteher zur Todesstrafe überliefert, und gekreuziget haben. Wir aber hofften, daß er es wäre, der Israel erlösete. Und nun ist heute nach diesem allem der dritte Tag, daß dieses geschehen ist usw.

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Continuò alloquitur; Pridem, ac pridem insequor (inquit) Et noto, vos querulo nectere verba sono. Atque animi simul atque pedum, dum inceditis, aegros Funereis Lessum planctibus instruere. Dicite, quid caussae est? Atque illum, justa rogantem, Asperior rigido verberat ore Senex, Vtque Rudem actorum Cleophas accusat. At ille Instat, et intrepida voce rogata premit; Nec prius absistit, quàm omnem Iuvenalis, ab ovo Ruminet historiam. Lacrima finis erat. Excepit Iuvenem Senior, flentémque secutus Flens Cleophas; Et nunc in CRVCE fata subIt: De Cruce Dux tumulum Nasaraeus inivit et umbras. Hej mihi! dux, Gestis Eloquióque potens! Et nunc ille quidem tegitur, tellure repôstus: Spes nostrae unà illic, quà jacet ipse, jacent. Spes erat, Hebraeis illum reparata daturum Imperia, atque Italo libera colla jugo: Nunc conclamatum est! Mors omnia sustulit Vna: Et nunc à morte it Tertius iste Dies. 3 dum inceditis,] B; (dum inceditis) A

VI. Et ipse dixit ad eos: O stulti, et tardi corde, ad credendum in omnibus, quae locuti sunt Prophetae! Nónne haec oportuit pati Christum et ita intrare in gloriam suam? Et incipiens à Moyse, et omnibus Prophetis, interpretabatur illis, in omnibus Scripturis, quae de ipso erant. Nónne] B; Nonne A Christum] B; Christum, A

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Dixerat haec, lacrymis iterum turbatus obortis: Dicentem audierat non sine fronte comes: Tertius ille comes, Rex ipse erat: Ille, Dolorum Materies: Ille, hoc nobile Funus erat. Ipse quidem vero, sed adhuc Incognitus, ore, Fulmineo in geminos turbine verba jacit: Et; Quaenam haec tardae stolida est vecordia mentis? Credulitas ubi nunc (inquit) ubi alma Fides? Creditis, arcanae vera esse oracula chartae? Creditis, Isacij carmina vera Ducis? Creditis, Hebraei non fallere Cantica Regis? Creditis, in Divis vatibus, esse Deum?

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Sofort spricht er sie an. »Seit langem schon«, spricht er, »folge ich euch und bemerke, dass ihr eure Worte mit Klagen vermengt und dass ihr, während ihr wandert, unter Totengesängen eine Trauerklage sowohl der Füße als auch der Seele veranstaltet. Sagt, was ist der Grund dafür?« Und obwohl er sich zu Recht erkundigt, tadelt ihn der allzu raue Alte, Cleophas, unfreundlich und wirft ihm vor, dass er der Geschehnisse unkundig sei. Er aber besteht darauf und drängt mit unerschütterlicher Miene auf die erbetene Kunde, will sich auch nicht früher zufrieden geben, als bis der Junge die ganze Geschichte von Anfang an erzählt hat. Sie endete in Tränen: [10] Der Ältere schließt sich dem Jungen an, und weinend folgt Cleophas dem Weinenden: »Und nun erfüllt er am KREUZ sein Schicksal: Vom Kreuz ging der Anführer aus Nazareth ins Grab und zu den Schatten, Wehe mir!, der Anführer, mächtig in Taten und Worten! Und jetzt ist er begraben, von Erde bedeckt: Unsere Hoffnungen liegen dort, wo er liegt, mit ihm begraben. Die Hoffnung war, dass er den Juden die wieder errichtete Herrschaft bringe und ihren Nacken vom Italischen Joch befreie: Jetzt ist es aus und beweint! Ein Tod hat alles zunichte gemacht: Und heute ist der dritte Tag nach seinem Tod.« [20]

VI. Und er sprach zu ihnen: O ihr Unverständigen von langsamer Fassungskraft, um alles zu glauben, was die Propheten gesprochen haben! Mußte nicht Christus dieß leiden, und so in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an von Moses und allen Propheten, und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm geschrieben steht.

So sprach er, geschüttelt von den wiederum aufwallenden Tränen; sein Gefährte hörte den Sprechenden mit großer Bewegung an; der dritte Gefährte war der ›König‹ selbst: Er war der Grund ihres Jammers, er war dieser edle Tote. Er selbst, doch vom Ansehen noch unerkannt, schleudert nun den beiden gleich einem blitzenden Unwetter seine Worte entgegen und spricht: »Was ist das für ein törichter Wahnwitz des trägen Gemütes? Wo ist euer Vertrauen, wo der segenspendende Glaube? Glaubt ihr, dass die Prophezeiungen der geheimen Schriften wahr sind? Glaubt ihr, dass der Anführer der Juden Wahres gesungen hat? [10] Dass die Lieder jenes jüdischen Königs keine Lügen sind? Glaubt ihr, dass Gott in den göttlichen Propheten gewesen ist?

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Non tot habet Palmas Phoenix, tot pruna Damascus, Tot Libanus Cedros, tot Iericho alma Rosas; Quot Veteres, de Rege novo, mysteria promunt: In nocte est, si quem tam radiosa latent. At non talem illi, qualem vestratia CHRISTVM Somnia fingebant; I, Cleopha, atque Lege! PASSVRVS, passurus erat. Non Purpura Regem, CRVX exspectabat Sanguinis amne rubens. Hanc ipsam (si fortè fides, post tanta, vacillat) Hanc vallem, quam nunc currimus, aspicite! AIALON, ut scitis, veteri de nomine dicta, Nunc quoque post tantum nomina tempus habet. Caussa est, historiae monimentum (id nomina servat) IOSVA in hoc fixit Quina tropaea loco: IOSVA et Occiduum jussit consistere Solem, Et Lunam jussit. Lunáque, Sólque stetit. Sic debellatum est. Exemplum IOSVA fiat; Victor erat; sed, per Tristia, Victor erat. Nomen idem Nasarenus habet, quod Iosua Ductor: Iosua si multum, plus Nasarenus agit. Hic domitor, plus quinque Ducum, sed Vulnere Quino Nigrato jussit Sole latere diem. HAEC, atque his majora, dabat documenta Magister. Transita tantisper Vallis et unda fuit. Transita iam Gabäe, Saulis de funere nota: Iam se sensim EMAVS, jam sua tecta dabat. Ille loquebatur: Comites audita bibebant. Haec illis poterat frangere lympha sitim. Sed sitis, ex alio crescens flammatior aestu, Surgebat: flammas Regia verba cient. Pectora flagrabant. Strophiô Iuvenalis et umbrâ Quaerebat Zephyros. INTVS at Ignis erat.

2 comes] B; Comes A 15 Veteres] B; veteres A 29 fiat;] B; fiat! A

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Phönizien hat nicht so viele Palmen, Damaskus nicht so viele Pflaumenbäume, der Libanon nicht so viele Zedern und das gesegnete Jericho nicht so viele Rosen, wie es Mysterien der Alten über den Neuen König gibt: In der Nacht ist, wem ein solches Strahlen verborgen bleibt. Sie bieten einen anderen CHRISTUS, als ihn eure persönlichen Träume erdichten: Geh, Cleophas, und lies! Zum LEIDEN, zum Leiden war er bestimmt. Kein purpurner Mantel, das KREUZ, gerötet vom Blutstrom, erwartete den König. [20] Betrachtet (wenn vielleicht der Glaube nach so großer Zumutung schwankend wird) dieses Tal, das wir gerade durchwandern! AIALON wird es, wie ihr wisst, mit altem Namen genannt, jetzt trägt es auch nach so langer Zeit diesen Namen. Der Grund ist: Als Erinnerung an die Geschichte (sie bewahrt die Namen) hat JOSUA an diesem Ort ein fünffaches Denkmal errichtet: JOSUA befahl der untergehenden Sonne stillzustehen, befahl es auch dem Mond. Sonne und Mond standen still. So hat man die Schlacht gewonnen. JOSUA mag als Beispiel dienen: Er war Sieger, aber Sieger unter traurigen Umständen. [30] Der Nazarener trägt denselben Namen wie der Heerführer Josua: Wenn Josua auch viel bewirkt, der Nazarener bewirkt noch mehr. Hier siegte der Herr über mehr als fünf Fürsten, jedoch durch fünf Wunden, und befahl, dass die Sonne sich verdunkle und der Tag sich verberge.« DIESE Zeichen, und größere noch, gab der Meister. In kurzer Zeit hatte man Tal und Fluss hinter sich gelassen, auch Gabaë, das bekannt für den Tod Sauls ist. Allmählich gab EMMAUS sich selbst, gab seine Häuser zu erkennen. Er sprach immer noch: Die Gefährten tranken das Gehörte. Dieses Nass konnte ihren Durst stillen [40], doch es regte sich ein Durst, der brennender noch unter einer anderen Hitze wuchs: Die Worte des Königs schürten die Flammen. Die Herzen brannten auf. Juvenal suchte unter Flechtwerk und im Schatten kühle Frühlingslüfte. IM INNEREN aber brannte das Feuer.

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VII. Et appropinquaverunt Castello, quò ibant: et ipse se finxit, longiùs ire. et coëgerunt illum, dicentes; Mane nobiscum, quoniam advesperascit, et inclinata est jam dies. Et intravit cum illis. Et factum est, dum recumberet cum eis: accepit Panem, et benedixit, ac fregit, et porrigebat illis, et aperti sunt oculi eorum, et cognoverunt eum, et ipse evanuit ex oculis eorum. * Et surgentes, eádem hora, regressi sunt in Ierusalem, * et narrabant, quomodo cognoverunt eum, in fractione Panis. Ierusalem,] B; Ierusalem A narrabant,] B; narrabant * A

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Contigerant Emaunta suam Cleophásque, Comésque. Tertius; Vlteriùs me vocat (inquit) iter. Illi obstant; Suadáque suum centuplice laudant Hospitium, audaces injiciúntque manus; Quid facis? Occiduum jam Sol festinat in aequor, Densáque ab Ephramijs montibus umbra ruit. Si sapis (vt tecum sapientia nata videtur) Quaeso, mane! Hospitij grandia lucra feres. Ter monita audierat: ter firmo audita renutu Abnuerat: plusquam ter revocatus erat. Tandem, etiam Cogi placuit. Subit hospita tecta: Mensa datur; Mensam COENA, MERVMque premit. Azymus in Coenam (sic Paschatis ordo volebat) Infertur PANIS: Frangere, ritus erat. Frangit: et in medio, frangens, agnoscitur actu. Ex oculis comitum nubilus humor abit; CHRISTVM (inquit Cleophas) rediviváque Numina cerno! Dum cernit, medio demigrat ille loco: Quáque libet, tenues agili secat impete ventos; Et jam illis nusquam est, qui priùs hospes erat. Mirantur, gaudéntque simul, simul acta retractant; Hospita tecta migrant, et Solymaea petunt. Hoc Iter, hos cursus, Peregrinorúmque labores, Hanc Cleophae, recolit nunc quoque turba, Viam. Itur in haec Templa, aut isthaec. Et devius Error Vix unum Cleopham, Mille Emmauntas habet.

4 injiciúntque] B; inijciúntque A

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VII. Und sie kamen nahe zu dem Flecken, wohin sie gingen; und er stellte sich, als wollte er weiter gehen. Aber sie nöthigten ihn, und sprachen: Bleibe bei uns, denn es wird Abend, und der Tag hat sich schon geneiget. Und er ging mit ihnen hinein. Und es geschah, als er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brod, segnete es, brach es und reichte es ihnen. Da wurden ihre Augen aufgethan, und sie erkannten ihn; er aber verschwand aus ihrem Gesichte. […] Und sie machten sich in der nämlichen Stunde auf, und gingen nach Jerusalem zurück […]. Und sie erzählten […], wie sie ihn am Brodbrechen erkannt hätten. Cleophas und seine Begleiter erreichten ihr Emmaus. Der dritte sagt: »Mein Weg ruft mich weiter.« Doch sie widersprechen ihm und loben ihre Herberge mit hundertfältiger Überredungskunst, nahmen kühn auch die Hände zur Hilfe: »Was soll das? Die Sonne eilt schon dem östlichen Meer entgegen, und dichter Schatten sinkt von den Bergen gen Ephraim herab. Wenn du weise bist (und die Weisheit scheint dir eingeboren zu sein), dann bleib, bitte. Du wirst große Vorteile in unserer Herberge haben.« Dreimal hörte er ihre Bitten, dreimal lehnte er das Gehörte mit entschiedenem Kopfschütteln ab: Doch mehr als dreimal wurde er zurückgerufen. [10] Schließlich gab er ihrem Drängen nach. Er betritt das gastliche Haus: Man setzt sich zu Tisch, SPEISEN und WEIN drängen sich auf der Tafel. Ungesäuertes BROT wird aufgetischt (so will es die Passah-Ordnung): Sitte ist, es zu brechen. Er bricht es und gerade bei dieser Tätigkeit wird er als der Brotbrechende erkannt. Der feuchte Nebel verschwindet von den Augen seiner Begleiter; »CHRISTUS«, spricht Cleophas, »ich erkenne den auferstandenen Gott!« Und während er ihn erkennt, verschwindet der mitten vom Platze und durchteilt mit schneller Bewegung die lauen Lüfte. Und schon ist er, der eben noch Gastfreund war, nicht mehr unter ihnen. [20] Sie staunen, freuen sich zugleich, wiederholen das eben Geschehene; verlassen das gastliche Haus und wandern nach Jerusalem. Diese Wanderung, diesen Lauf und die Mühen der Pilgerschaft, diesen Weg des Cleophas, nimmt jetzt auch eine Menschenmenge wieder auf sich. Man geht in diese Kirchen oder in jene. Und die Irrfahrt kennt tausenderlei Emmaus, aber kaum einen Cleophas.

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PASCVA. In Pascuis uberrimis pascam eas (Oves) et in montibus excelsis Israël erunt Pascua earum. Ibi requiescent in herbis Virentibus, et in Pascuis pinguibus pascentur. * et suscitabo super eas PASTOREM unum. Ezech[ielis] 34. à v[ersu] 14. ELEGIA XI. Diversorum gregum et armentorum in Pascua eductio. Vitam Pastorum antiquissimam, veréque Regiam esse.

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IAM stellae abscedunt, dubiámque crepuscula lucem Exsolvunt, croceae murice picta Deae. Iam sonat agresti Pastoria buccina flexu, Bucolicísque ululat fagina canna tubis. Longum, ingens, vastum, incurvum, tonat aure Celeusma; Ite Pecus! (pastor bis ciet) ITE, PECVS! Ergò simul ruit omne PECVS: stabula alma relinquunt; Et dicunt (quâ fas dicere voce) Vale! Parte una torvíque boves, tumidaéque juvencae, Cum vitulis, lato pascua rure petunt: Parte aliâ informes caprae, cum faece marita, Lanigeríque greges, Agna Ariésque, migrant. Setigeros alibi, (Boeotica pectora) Porcos Adspicias, denso tendere in arva globô. Nec, Capitolinae custodia pervigil arcis, Anser abest, foetô pinguior anser agro. Vnum opus atque labor; sed vox non una ruentûm, Confusô terrent nubila prima sono. Hic boat, haec mugit: raucas trahit illa querelas Caprissans: grunnit sus pigra, balat ovis. Anser, ab antiquo clangit. Discordia vocum est, Quas mox concordi gramine campus alet. TITYRVS à tergo insequitur, pecorúmque Magistri (Ductores proprios singula classis habet) Hos tegit hirsutus, suffulta pelle, galerus: Pera latus; peram scortea margo, tegit. Hîc alimenta suos condítque et promit in usus PASTOR. at in potum quaelibet unda fluet. Laeva quatit baculum, resonam manus altera Cannam: Nudatô graditur per lutulenta pede.

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WEIDELAND Ich will sie (die Schafe) auf die beste Weide führen, auf den hohen Bergen Israels soll ihre Weide sein; daselbst sollen sie ruhen auf grünem Gras, und fette Weiden haben auf Israels Bergen […]. Und ich will jenen einzigen HIRTEN über sie setzen. Ezechiel 34,14 u. 23. ELEGIE XI Der Auszug verschiedener Herden und Viehgruppen auf das Weideland Dass das Leben der Hirten das allerälteste und wahrhaft ein königliches sei SCHON schwinden die Sterne, und Dämmerung löst das Zwielicht auf, gemalt vom Purpursaft der krokusfarbenen Göttin. Schon hallt aus ländlich gebogenem Lauf das Hirtenhorn, und es tönt die buchene Sackpfeife im schäferlichen Klang. Im Ohr tönt langhin, laut, wild und hallend der Kommandoruf: »Los, ihr Tiere!« (der Hirte treibt sie zweimal an) »LOS, IHR TIERE!« Also sammelt sich alles VIEH, und sie verlassen den traulichen Stall und sagen ihm ›Adé‹ (mit welchem Laut sie sich auch zu äußern vermögen). Auf der einen Seite eilen die starrblickenden Rinder und strotzenden Kühe mit ihren Kälbern der Weide auf dem weiten Land zu, [10] auf der anderen Seite marschieren die unhübschen Ziegen, das Weibchen mit seinem dreckigen Bock, und wolltragende Herden, Schaf und Widder. Anderswo kann man borstentragende Schweine (Böotische Rasse) in dichtem Trupp aufs Feld streben sehen. Auch eine Gans fehlt nicht, die wachsame Wächterin des Kapitols, eine Gans fetter noch als der fette Acker. Ein gemeinsames Treiben und Mühen, aber keine gemeinsame Stimme der Dahineilenden; sie erschrecken die unteren Wolken mit ihrem verworrenen Ton. Der brüllt, diese muht, jene zieht rau meckernde Klagelaute, das faule Schwein grunzt, es blökt das Schaf. [20] Seit alters schnattert die Gans. Es herrscht ein Missklang von Stimmen derer, die bald das Feld in einträchtigem Grasen nähren wird. Hinten nach folgen ein TITYRUS und die ›Meister‹ des Viehs (jede Klasse hat ihre eigenen Führer). Diese bedeckt eine mit struppigem Fell unterfütterte Kappe, die Seite bedeckt ein Ranzen, den Ranzen eine Lederklappe. Hier bewahrt der HIRT seine Nahrung und holt sie bei Bedarf heraus. Aber zum Trank fließt jede beliebige Quelle. Die Linke schwingt einen Stock, die andere Hand eine tönende Sackpfeife. Man läuft barfuß durch den Schmutz. [30]

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Iámque adeò expulsum pecus est, jam pabula carpunt: Pastor in aprico frigora colle fugit. Aut, ubi Sol summo steterit flagrantior orbe, Sub Piceae umbrifero papilione sedet: Atque ibi, quod placitum est, devolvit arundine Carmen: Rustica Pastores fistula cantat avos; Pastor erat Cyrus: Pastor cum fratre Quirinus: Et Pecoris MOYSES ductor, et Isacidûm. Iessîdes pascebat oves, dum cresceret aetas: Vir factus, Solymis jura, Syrísque dabat. Ipse (quid in longum discedimus?) Ipse Salutis Auctor, et Astrorum, maximus arte, Faber, Pastorum exsultat titulô; vult Pastor haberi, Et Pastoritijs curat ovile modîs. Omnes, quos cecini, Regésque Ducésque fuêre; Sed praeluserunt imperio, arva Gregum. O felix, atque, ante alias, gens rustica felix; Si bene te nôsses, tu quoque Regna tenes. Sceptra tibi, BACVLVS: Solium, viridissima Tellus; Purpura, Nunquam ullis ERVBVISSE malis. Quid Reges faciat, si quaeritis; arrigite aurem. REGES OBSEQVIVM, et, SVBDITA TVRBA, FACIT. SVB vobis, Gregis Obsequium est, procùl indè Rebelles: SVB vobis Herbae, Rus, Iuga, Cuncta, jacent. 17 opus] B; opus, A 20 sus] B; Sus A. – ovis] B; Ovis A 42 Faber,] A; Faber. B

ELEGIA XII. Historica. DE SVBVLCO, ET CAVSSIDICO. PORCOS quidam Pastor, cùm profundo jam vespere domum reduceret; modis nullis, quantumvis tentatis omnibus, in Haram summoenianam potuit compellere. Subijt denique mentem, diris imprecationibus agere. Proinde; Agitè, inquit, damnatum pecus! In haram vel tandem irrumpite, eo impetu, quo nostrates Iurisconsulti, caussarúmque patroni in Tartarum irruunt. Vix dixerat: et uno agmine grex omnis Porcorum certatim jussa fecit. Quod è Turri moenibus proxima Advocatorum nonnemo (Ioannes de Florentia, cognomento Parens, dictus) cùm videret audirétque: dispositis postridie rebus domesticis, sanctae Franciscanorum familiae sese addixit; tam postea Legum Observantiâ, quàm antehac Peritiâ, memorabilis.

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Und schon war das Vieh genügend weit hinausgetrieben, schon rupfen sie das Weidegras. Der Hirt flieht vor der Kühle auf sonnigem Hügel oder sitzt, wenn die Sonne brennender am Zenit steht, unter einem schattenspendenden Fichtenschirm. Und dort leiert er auf seiner Flöte herunter ein ihm gefälliges Lied. Die ländliche Flöte besingt die Hirten der Vorzeit: Ein Hirt war Cyrus; ein Hirt Quirinus mit seinem Bruder, auch MOSES ein Führer der Herden und der Isakiden. Der aus Jesses Stamm weidete die Schafe, als er, zum Manne geworden, heranwuchs, gab er Jerusalem und Syrien Gesetze. [40] Er selbst (was soll ich lang abschweifen?), er selbst, der Ursprung des Heils und kunstreichste Schöpfer der Sterne, freute sich über den Titel eines Hirten, will als Hirt gelten und sorgt sich nach Weise der Hirten um den Schafstall. Alle, die ich besungen habe, waren Könige und Führer, aber die Gefilde der Herden waren ein Vorspiel der Herrschaft. O glückliches und vor anderen glückliches Landvolk! Wenn du dich wohl erkennen würdest, hast auch du ein Herrscheramt inne. Der STOCK ist dein Szepter, der Thron ist die höchst fruchtbar grünende Erde, der Purpur, niemals vor Untaten ERRÖTEN zu müssen. [50] Wenn ihr fragt, was Könige macht, spitzt die Ohren! GEHORSAM und ein UNTERTÄNIGES VOLK MACHT DIE KÖNIGE. UNTER euch waltet der Gehorsam der Herde, dann sind fern die Rebellen. UNTER euch liegen Gräser, Länder, Äcker, Alles.

ELEGIE XII Historischen Charakters ÜBER EINEN SCHWEINEHIRTEN UND EINEN RECHTSANWALT Ein Schweinehirte konnte seine SCHWEINE, als er sie spät am Abend nach Hause zurückführte, auf keine Weise trotz aller Bemühungen in ihren an der Mauer gelegenen Stall zusammentreiben. Schließlich kam es ihm in den Sinn, sie mit heftigen Flüchen anzutreiben. »Sofort, hierher«, sagte er, »verdammtes Vieh! Kommt endlich in den Stall mit der Eile, mit dem sich unsere Rechtsgelehrten und Anwälte in die Hölle drängen!« Kaum hatte er dieses gesagt, als schon in geordnetem Zug die ganze Schweineherde um die Wette den Befehl ausführte. Als dies ein gewisser Advokat (Johannes de Florentia, mit Beinamen »Parens« genannt) vom hohen Turm an den Mauern aus sah und hörte, ordnete er am nächsten Tag seine häuslichen Angelegenheiten und schloss sich der Gemeinschaft der Franziskaner an: darnach ebenso erinnerungswürdig dank seiner Regeltreue wie vorher dank seiner juristischen Erfahrung.

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Chronica F[ratrum] Minorum. S[ancti] Antonin[i]. Tom[us] 3. hist[oriae] titul[o] 24. c[apite] 9. proximus] B; proximâ A

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VESPER erat, clausóque dies exactus Olympo Hesperijs Phoebum praecipitabat Aquis. Lux dubia, et qualem nocturna crepuscula portant. Prospicio ad dubium, è principe Turre, jubar. Coelicolae! quem ludum illic, quae seria, vidi? Porcorum è seris turba redibat agris. Insequitur celerem lentè properante SVBVLCVS Calce gregem, et tardos increpat ipse pedes. Vt ventum ad portas, portas sera firma ligârat; Nocturnósque aditus clauserat aere Vigil. Moenibus, et nostrae (quà moenia despicit) Arci Proxima (nôstis) Hara est, hospita noctis hara, Ampla quidem, pecudúmque capax; sed postibus arctis: Huc jubet exclusum PORCIVS ire gregem. (Id nomen Genitrix dedit officiúmque Subulco) ITE, inquit: Vacua est aula, quieta domus. Ite, subite; vocant nox et sopor: Ite, clientes! Hospitium vobis, ecce, forésque patent! Hortabatur. In haec surda grex aure, magistrum Negligit, aversis devius usque vijs. Ille minis, ille instat agens baculóque, manúque: Nil agit ille manu, nil baculo atque minis. Diversim hàc illac abeunt dispersa, ruúntque Agmina; et huc illuc dissociata meant. Verberibus nihil (infit) ago: Verba aspera, verba Torquebo, diris horrida carminibus. Ite, ô putentis lutulenta colonia fundi! Thebanum ite genus! Daemonis ite pecus! Antra subi, sus pigra, subi! scrofa horrida, scrofa Sordida! Quid grunnis, bellua? Tecta subi! HAEC Pastor. Sed perstat adhuc, refugítque superbus Imperium Porcus: nec maledicta timet. Hej, quid agat Pastor? Tandem acribus incitus iris, Verba ex affectu, pro ratione, rapit. Ite, subite (inquit) stabulum tanto agmine, quantum CAVSSIDICORVM hodie sub Styga grando ruit. Vix ea fatus erat (veréne, an somnia fatus, Nescio) momentum verba tulêre suum. Vltro omnes, ultro cursum undique et undique Porci Conglomerant: ultro jam stata tecta petunt.

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Chronik der Minderbrüder des Heiligen Antoninus, Bd. 3, 24. Titelgeschichte, Kap. 9. ABEND war’s, und der aus dem geschlossenen Olymp vertriebene Tag stürzte sich in die Hesperischen Wasser. Zwielicht, wie es die abendliche Dämmerung mit sich bringt. Vom Hauptturm schaute ich aus nach dem entschwindenden Lichtstreifen. Himmel! Welch Lustiges, welch Ernsthaftes erblicke ich! Eine Schweineherde kam spät von den Feldern zurück. Ein SCHWEINEHIRT folgt mit langsam-eiligem Schritt seiner schnellen Herde und schimpft mit seinen langsamen Füßen. Als man an das Tor kam, hatte ein fester Riegel dies Tor schon versperrt, und der Wächter hatte den nächtlichen Zugang mit einem Schloss versperrt. [10] Nahe an den Mauern und unserer Burg (von wo aus sie auf die Mauern herabschaut) liegt (wie du weißt) ein Saustall, Herberge für die Nacht, zwar geräumig und mit ausreichendem Platz für das Vieh, doch mit engem Eingang. Hierher zu kommen befahl PORCIUS seiner ausgeschlossenen Herde. (Diesen Namen und das Amt des Schweinehirten verlieh ihm die Mutter.) »LOS!«, sagte er: »Die Halle ist leer, ruhig das Haus! Kommt, folgt mir, es locken Nacht und Schlaf! Geht nur, Schutzbefohlene! Seht, für euch öffnen sich die Tore der Herberge.« Immer wieder mahnte er. Taub aber auf diesem Ohr kümmerte sich die Herde nicht um ihren Meister, schweift dahin und dorthin auf Abwegen. [20] Er mit Drohungen, er mit Stock und Hand fuchtelnd bedrängt sie. Nichts richtet er aus mit der Hand, nichts mit dem Stock und mit seinen Drohungen. In verschiedene Richtungen dahin und dorthin zerstreuen und drängen sich die Gruppen, lösen sich hierhin und dorthin auf. »Nichts erreiche ich mit Schlägen « (sagte er). Harte Worte werde ich schleudern, Worte, die von bösen Formeln strotzen. »Geh, schmutzige Gemeinde des Schlamms! Geh, Thebanische Sippschaft, geh Teufelsvieh! Ab in die Höhle, faules Schwein, los! Schreckliches Sauvolk, Sauvolk, dreckiges! Was grunzt du, Ungeheuer! Rein mit dir!« [30] DIES der Hirte. Aber das Schwein bleibt stehen und weicht dem Befehl aus, auch die Schimpfworte fürchtet es nicht. Ach, was soll der Hirte tun? Schließlich wird er von heftigem Zorn getrieben und wählt, ohne nachzudenken, Worte aus dem Affekt heraus. »Geht, kommt in den Stall in solchem Zug, wie heute ein großer Zug von RECHTSVERDREHERN in die Hölle stürzt.« Kaum hatte er das gesagt (ich weiß nicht, ob wahr oder visionär gesprochen), entfalteten die Worte ihre Wirkung. Freiwillig sammeln sich alle, alle Schweine in ihrem Lauf von allen Seiten, freiwillig eilen sie unter das feste Dach. [40]

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Vnà omnes, alij ante alios, denso impete postes Irrumpunt: et Haram praeripit ambitio. Dirupêre fores, dum primus et ultimus intrant: Tantum est verbosi Fulminis obsequium! Vidi ego: mecum unà Baldi consultus in arte, Nescio quis: rigidis obstupuítque comîs. Is mihi; Cras, inquit, Baldum et Fora nostra relinquam: Non temerè est monstrum hoc: Cras sacra claustra colam. Iudicium hucusque Extremum, stantésque sinistrâ Fugi HOEDOS. posthac SVS mihi terror erit. Dixit. Et Assisij jurans in foedera Patris, Verba Fide astrinxit, coelibe Fune latus. 27 fundi!] B; fundi, A 30 grunnis,] B; grunnis A 36 sub Styga] B; in Tartara A

ELEGIA XIII De APRILIS mensis inconstanti tempestate. Ad LEONEM quendam, Virum Doctissimum: cuj Vndecimum Aprilis, ceu Natalitium, gratulatur.

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QVOD Genio plerique vovent, poscúntque Poëtae, Vt Natalitijs SOL eat albus equis; Hoc tibi nostra, LEO, negat, et negat usque, Thalia, O LEO, Patritiae firma columna domûs. Da veniam: dedit antè mihi Lucina roganti, Quae, quod sentimus, sensit et ipsa malum. Nonne vides, diro tristetur ut omine coelum? Vernáque transversâ squaleat aura fide? Ambigit, an tepeat, caleátve, an ningat Aprilis? O malè constantes, Ventus, Aprilis, Amor! En, aliquis solidâ scribens sua carmina luce, Cogitur artifici luce juvare diem. Nunc etiam horribili pulsantur grandine tecta; Nunc fluit informi Plejade moesta via. Interdum ostendit vultum frons Solis apertum; Interdum ostensum polluit imbre caput. Quod tamen utcunque est; Si non tibi tempora plaudunt, Ipse tibi Genius plaudat, ovétque tuus. Natalis tuus est: qualis sit cunque, Beatus! Tu Luci natus, non fuit Illa tibi. Gesamter Text nach A; laes. in B.

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Alle zusammen, die einen vor den anderen, brechen sie in dichtem Trupp durch die Tür, und ihr Eifer reißt den Stall ein. Es brechen die Türpfosten, dieweil zugleich das erste und das letzte Eingang suchen. So groß ist der Gehorsam vor einem Wortblitz! Ich selbst habe es gesehen: mit mir ein Gelehrter in der Kunst des Baldus – weiß nicht wer, und er erstarrte mit gesträubten Haaren. Der [sprach] zu mir und sagte: »Morgen will ich Baldus und unsere Gerichtshöfe verlassen. Nicht umsonst ist dieses Vorzeichen: Morgen werde ich die Heilige Klausur aufsuchen. Bisher bin ich geflohen vor dem Letzten Gericht und vor den BÖCKEN, die zur Linken stehen. Fortan wird mir ein SCHWEIN zum [heilsamen] Schrecken werden.« Sprach’s und legte den Eid auf die Regeln des Vaters in Assisi ab, umgürtete seine Worte mit seinem Glauben und seine Seite mit der Kordel der Ehelosigkeit.

ELEGIE XIII Über das unbeständige Wetter des APRIL An einen gewissen LEO, einen hochgelehrten Mann, dem er zum 11. April, seinem Geburtstag, gratuliert. WAS sich die meisten persönlich wünschen und die Dichter verlangen, dass nämlich die SONNE hellglänzend daherkommt auf ihren Geburtstagspferden, das verweigert dir, LEO, und verweigert dir weiterhin unsere Thalia, o LEO, Du feste Säule des Vaterhauses[?]. Verzeih’, früher verlieh mir dies Lucina auf mein Bitten hin, sie, die nun auch selbst das Übel, das wir empfinden, empfunden hat. Siehst du nicht, wie sich mit schlimmem Zeichen der Himmel verfinstert und sich der Frühlingshauch wider alle Erwartung abkühlt. Weiß der April nicht, ob er lau oder warm oder mit Schnee daherkommen soll? O Ihr Unbeständigen: Wind, April, Liebe! [10] Sieh, einer, der seine Gedichte sonst bei taghellem Licht schreibt, sieht sich nun gezwungen, dem Tag durch Kunstlicht aufzuhelfen. Nun werden sogar die Dächer durch schrecklichen Hagelschlag erschüttert, nun zerfließt traurig der Weg unter formlosem Siebengestirn. Manchmal zeigt die Sonnenstirn offen ihr Antlitz, manchmal befleckt sie ihr vorgezeigtes Haupt mit Regen. Gleichwohl, wie auch immer er [der Geburtstag] ist: Wenn dir schon nicht die Wetterzeiten huldigen, soll dir dein Genius selbst huldigen und zujauchzen! Es sei dein Geburtstag , wie auch immer, ein Tag der Freude! Du bist zum Lichte geboren, jenes aber nicht für dich. [20]

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SEGETES. Sic est Regnum DEI. Quemadmodum, si Homo jaciat sementem in terram, et dormiat, et exsurgat nocte et die: et semen germinet et increscat, dum nescit. Ultrò enim terra fructificat, primùm Herbam: deinde Spicam: deinde plenum frumentum in SPICA. Marci 4. vers[u] 26. ELEGIA XIV De Segetum venustate; et Adami lapsu. I. Aspectum Segetum, iam in culmo luxuriantium, ex edito loco iucundissimum accidere.

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MONS est, praecipiti stringens prope Tartara lapsu; Atque idem excelso vastus in astra jugô. Quem, metus est, prono descensûs vincere lapsu; Et labor Herculeus, verticis alta sequi. Scandendum tamen usquè fuit, quantumlibet aegro Poplite. sic coeptum nempe jubebat iter. Montibus evictis; lapidosis aspera tesquis Sylva, viatorem fregit iniqua pedem. Concalui: mediúsque dies duplicaverat aestum: Iuvit, succiduo procubuisse situ: Ecce, simul sylvîs tandem, clivísque relictis, Aequa sub aspectum planáque terra stetit. Amnis erat medius: dextrà Cerealia rura, Atque sinistrorsum rure opulenta Ceres. Quantumcunque oculi possunt includere visu, Totum erat alma seges, sed sine farre Seges. Verna adolescenti surgebant semina culmô: Iam cubiti major vertice culmus erat. Iam sensim spicarum etiam consurgere crista Visa, carens granis. Grana, dat ipsa dies. Vt vidi, ut tetigi; Zephyri pepulêre calorem, Inque meos serpsit mollior aura sinus. Cippus erat mediô (seu mavis, Terminus) arvo: Conscendi hunc; mollem praebuit herba torum. O superi! quàm blanda fuit, Sedisse, voluptas! Vndabat Verno laeta virore Ceres.

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SAATEN Mit dem Reiche GOTTES ist es, wie wenn ein Mensch Samen auf das Land streut. Er mag schlafen, oder aufstehen bei Tag und bei Nacht, der Same keimt und wächst auf, ohne daß er es wahrnimmt. Denn die Erde trägt von selbst Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, endlich die volle Frucht in der ÄHRE. Markus 4,26 ELEGIE XIV Vom Liebreiz der Saaten und dem Fall Adams I. Dass sich der Anblick der Saaten, die schon am Halm reifen, vom höhergelegenen Ort höchst erfreulich ausnehme Es gibt einen BERG, der mit steilem Hang nah an die Unterwelt reicht, und zugleich mit hohem Kamm zu den Sternen ragt. Man hat Angst, ihn im steilen Vorwärtsgleiten zu bewältigen, und es ist Herkulesarbeit, zu den Höhen des Gipfels zu streben. Dennoch musste er ganz bezwungen werden, selbst mit noch so entkräfteten Beinen, so nämlich gebot es der eingeschlagene Weg. Hatte man das Bergstück bezwungen, zermürbte den Wanderer ein Wald, rau durch steinige Wildnis und lästig für den Schritt. Mir wurde heiß: Der Mittag hatte die Hitze verdoppelt; und es bot sich an, auf abschüssigem Hang zu verweilen. [10] Siehe, als endlich zugleich Wald und Höhen überwunden waren, stand die flache und ebene Erde vor Augen. In der Mitte war ein Fluss, rechts lagen Getreidefelder, und auch nach links hin stand das Getreide üppig im Feld. Soviel die Augen mit dem Blick fassen konnten, alles war reiche Saat, aber Saat ohne Frucht. Die Frühsaat erhob sich mit jungem Halm, der am Scheitel schon mehr als eine Elle maß. Auch schien sich schon allmählich der Kamm der Ähren zu bilden, doch das Korn fehlte. Der nämliche Tag spendete das Korn. [20] Sowie ich das sah, wie berührte ich es da! Die Zephyrn verscheuchten die Hitze, und linde Luft wehte in mein Gewand. Mitten im Feld stand ein Stein (oder, wenn du lieber willst, ein Grenzstein). Auf diesem ließ ich mich nieder; das Gras hielt ein weiches Kissen bereit. O ihr Himmlischen, wie groß war das Vergnügen zu sitzen! Das reiche Getreide wogte mit jungem Grün.

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Mollis ab Hesperijs sua flabra Favonius undis, Coeperat infirmis insinuare Satis. Quae sata tunc vidi? quàm crispo agitata tumultu? Quàm varijs segetum fluctibus ibat ager? Et nunc prona nigras simulabant tritica valles, Fortior imbellem dum premit Aura fibram; Nunc, gradibus sensim assurgens, humus herbida nabat; Dum placidè hiscenti gurgite flabra tument. Aspiceres, albere alios Hyperione campos; Partem aliam atratâ nube repentè premi. Praecipuè, horridulos juvat attendisse susurros; Cùm tot spicarum in millibus, Eure, fremis; Culmum alium, cum culmo alio, spirabilis urget Impetus: et tumido frendet arista Notô. Tunc ego vel requiêsse velim (daret hora soporem!) Vel lepido digitos implicuisse libro. SEGETES … accidere] nach A, laes. in B 6 Poplite.] B; Poplite: A 10 situ:] B; situ. A 18 major] B; maior A 25 voluptas!] B; voluptas: A 27 juvat] B; iuvat A 38 Cùm] B; Cùm, A 40 Impetus:] B; Impetus, A 41 soporem!] B; soporem A

II. Protoplastorum infelici rebellione, tam beati germinis introductam esse Necessitatem.

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Hej mihi! tam felix, primaevi ab origine mundi, Nulla fuit facies, nulla futura fuit! Poma dabant epulas, ficúsque, et mustea mella: Extorsit segetes non-bona caussa bonas. Prima hominum Genitrix vetiti pomaria rami Flexit: et, à ramo, flectere nisa Virum est. Blanditijs, quod nisa fuit, malè-suada peregit: In ventos summi jussa Tonantis eunt: DIs erimus, sine lite, pares; Cibus iste Deorum est! Hic superûm mensas, Ambrosiámque dabit: Quantum est, ô quantum, locupleti ex Arbore Pomum Diripuisse unum? vix notat ista Tonans. Tentemus! DIXERE simùl, simùl edit Adamus. Ex Malo hoc fluxit principium omne mali.

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Der milde Favonius begann aus Hesperischen Wogen seine Lüftchen in die zarte Saat zu wehen. Was sah ich da für Saaten! Wie wurden sie vom Wirbel gekräuselt! Wie wogte das Feld hin und her im Fluten der Saaten! [30] Und bald bildeten die gebogenen Stängel dunkle Täler, wenn eine stärkere Böe die biegsamen Halme drückte, bald richtete der grasbedeckte Boden sich wieder auf und wogte, wenn angenehm die Lüfte mit weit sich öffnendem Strudel anschwollen. Du hättest sehen können, wie ein Teil der Felder in der Sonne glänzt, wie der andere Teil plötzlich von düsterer Wolke überschattet wird. Vor allem macht es Freude, das starke Rauschen zu vernehmen, wenn du, Eurus, in so viel tausend Ähren dich hören lässt. Einen Halm mit dem anderen drückt der luftige Ansturm, und die Granne raschelt im böigen Notus. [40] Dann möchte ich gern ruhen (wenn die Stunde Schlaf gewährt), oder die Finger durch ein hübsches Büchlein gleiten lassen.

II. Dass durch die unselige Rebellion der Erstgeschaffenen solch beglückende Saat notwendig geworden sei Weh mir! Seit erstem Anbeginn der Welt gab es keinen solchen Anblick, und nicht wird er wiederkehren. Obstbäume gaben Nahrung, Feigen nämlich und Honigmost; eine ungute Ursache zwang die guten Saaten auszuwachsen. Die Urmutter der Menschen bog den Früchte tragenden, verbotenen Zweig, und vom Zweige her versuchte sie den Mann umzustimmen. Sie riet zum Übel und vollbrachte mit Schmeicheleien, was sie erreichen wollte: Die Gebote des höchsten Gottes zerstoben im Wind. »Den Göttern werden wir gewiss gleich sein; das hier ist die Speise der Götter. Sie verspricht Göttermahl und Ambrosia. [10] Was, o was macht es schon aus, von einem vollen Baum eine einzige Frucht zu nehmen? Gott merkt das kaum. Lass’ uns das versuchen!« SPRACHEN sie zugleich, gleichzeitig biss auch Adam hinein. Alles Übel ging aus diesem Apfel hervor.

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Numinis imperio, Syrio pelluntur ab horto: Non his Poma forìs, non cibus alter erat. Vrticae passim, tribulíque, veprésque malignam Vrgebant glebam. DAPS erat ista Deûm! Mollijt, ecce, DEVM, miserorum haec vita Deorum; Ite (ait) et sterilem frangite (cedet) humum. Sudanda est, sudanda tamen Cura omnis: agellum Improbus assiduo vulneret aere ligo. Vulneribus defessa dabit, quod sponte negaret Tellus, centuplicis farrea dona lucri. Paruerant monitis: segetem dat Campus alumnam; Daps placet haec Hominum: non placet illa Deûm. 11 ô quantum] B; ô Quantum A

ELEGIA XV. Ad segetes Virentes; ne nimio plus maturescere approperent; ac flammis fiant aptiores.

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CRESCE, seges, lentè! Lentè properantia durant; Maturam in spicas provehet alma Dies. Nunc contenta tuo, quamvis multùm uda, virore, Ablacta sensim. sit tibi forma satìs. Tutior es, dum in lacte vires: dum infantia tecum, Humidáque herba, natat. Vix tibi grando nocet. Vix jam Euri evertunt: nimius vix deijcit imber: Nec tibi, qui cladi est messibus, Ignis obest. Felix sorte tua, si nec tibi flamma timenda est. Hej mihi! quot messes perdidit ista lues? Saepe, sub aestiva deprênsus nocte viator, Dum prope maturos igne fovetur agros, Manè, focum socors, et non-extincta reliquit Lumina: succensa est flava calore Ceres. Sic, cum fruge Annus perijt. matura fuisse Semina, damno illis exitióque fuit. Quid Samson? (populi Samson verè unicus Hector Hebraei! quantum est, hoc duce, passa Seges? Historia est: Divina nihil tibi pagina fingit. Hanc referam ipse mihi: vel Tibi, siquis ades: Aut etiam, si nemo usquam est Auditor in agris; Pulvere in hoc scribam. Penna, bacillus erit. Sed tu, Verna Seges, tantisper garrula pone Murmura. TRANQVILLVM seria Musa petit.

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Auf Gottes Befehl verstieß man sie aus dem Assyrischen Garten. Draußen gab es für sie keine Obstbäume, auch keine andere Speise. Nesseln, Disteln und Dornbüsche überzogen die Erde. Das war die SPEISE für diese armen ›Götter‹. Und siehe, GOTT empfand Mitleid über das Dasein der ›Götter‹. »Geht hin, sprach er, und brecht den Boden um (er wird es gewähren). [20] Unter Schweiß aber, unter Schweiß soll jegliche Aufzucht erfolgen: Rastlos und unentwegt muss der Boden mit der Eisenhacke aufgerissen werden. Die von Wunden entkräftete Erde wird das bieten, was sie von sich aus nicht herausgäbe: Getreidegaben von hundertfachem Ertrag.« Den Mahnungen gehorchten sie: Das Feld ließ die Saat sprießen. Diese Menschenspeise war genießbar, die Götterspeise nicht.

ELEGIE XV An die grünenden Getreidefelder, dass sie sich nicht zu sehr beeilen, reif und dadurch leichter entflammbar zu werden WACHSE, Getreidefeld, langsam! Was mit Weile eilt, hat Bestand. Noch rechtzeitig wird dich der nährende Tag Ähren ansetzen lassen. Zufrieden mit deinem jetzigen Grün, obwohl sehr feucht, entwöhne dich nur langsam der Milch. Der jetzige Zustand soll dir genug sein! Du bist sicherer, solange du noch in der Milch grünst, solange du noch jung bist und der Halm noch unreif wogt. Kaum schadet nun dir Hagel, kaum werfen dich Stürme um, kaum schmettert dich allzu starker Regen zu Boden. Und nicht schadet dir Feuer, das den reifen Feldfrüchten Schaden bringt. Du kannst über dein Los glücklich sein, wenn du das Feuer noch nicht fürchten musst. Wehe mir! Wie viele Ernten hat dieses Unheil schon verdorben! [10] Oft ließ ein von der Sommernacht überraschter Wanderer, nachdem er sich in der Nähe von reifen Feldern am Feuer gewärmt hatte, am Morgen die Feuerstelle und die Flammen ungelöscht sorglos zurück. Es entzündete sich an der Hitze das goldgelbe Getreide. So ging mit der Frucht die Mühe eines ganzen Jahres zugrunde. Dass die Pflanzen reif gewesen sind, schadete ihnen und verdarb sie. Was hat das mit Samson zu tun? (Samson ist wahrhaftig der einzigartige Hektor des hebräischen Volkes!) Wie viel musste das Getreide auf seine Veranlassung hin erdulden? Das ist Geschichte: Die heilige Schrift erfindet dir nichts. Diese, die folgende, werde ich mir selbst erzählen oder dir, wer immer du sein magst, [20] oder ich werde sie auch, wenn kein Zuhörer irgendwo auf den Feldern ist, in diesen Sand schreiben. Ein Stöckchen wird meine Feder sein. Aber du, Getreidefeld im Frühling, unterlasse kurze Zeit dein geschwätziges Rauschen. Die ernste Muse verlangt nach RUHE.

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Vos etiam, Zephyri, requiescite! Pulvere carmen In gracili scriptum, si terit Aura; perit. 3 uda,] B; uda A 4 forma] B; Forma A 5 lacte] B; Lacte A 9 flamma] B; Flamma A 20 ades:] B; ades. A

ELEGIA XVI. Historica. SAMSONIS VVLPES, Segetem incendentes. I. Iudicum 14. à v[ersu] 1. DESCENDIT Samson in Thamnata: vidénsque ibi mulierem de filiabus Philisthijm, * locutus est mulieri, quae placuerat oculis ejus, * Descendit itaque pater ejus ad mulierem, et fecit filio suo Samson convivium. Et infra, Iudicum 15. à v[ersu] 1. POST aliquantulum autem temporis, cùm dies triticeae messis instarent, venit Samson, invisere volens uxorem suam. * Cúmque cubiculum eius solito vellet intrare; prohibuit eum Pater illius, dicens; Putavi, quòd odisses eam, et ideò tradidi illam amico tuo. * Cuj Samson respondit; Ab hac die non erit culpa in me contra Philistaeos: faciam enim vobis mala. Perrexítque, et cepit TRECENTAS VVLPES: caudásque earum junxit ad caudas: et faces ligavit in medio. Quas igne succendens, dimisit, ut huc, illúcque discurrerent. oculis ejus… ejus ad] B; oculis eius… eius ad A Cuj Samson] B; Cui Samson A junxit] B; iunxit A

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PRISCA, Palaestinas inter non ultima turres, Thamnatae magnum moenia nomen erant. Hinc tedas, thalamúmque sibi Manuëius Heros Legerat. Infregit jus geniale socer; Abductámque novis Natam sponsalibus, uni Eripuítque viro, prostituítque proco. Conjugis ereptae justâ furiatus Erinny; Hostis ero, Samson dixit, et Vltor ero. Multas (crede mihi) tedas dabit unica Teda; Et, quae Thamnata est, esse Gomorrha potest.

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Auch ihr, Frühlingswinde, ruht aus! Das in feinen Staub geschriebene Gedicht verdirbt, wenn der Wind darüber weht.

ELEGIE XVI Historischen Charakters DIE FÜCHSE SAMSONS, wie sie Saaten in Brand stecken I. Richter 14,1–10: Und Samson GING nach Thamnatha, und er sah daselbst ein Weib von den Töchtern der Philister. […] Und er ging hinab, und redete mit dem Weibe, die seinen Augen gefallen hatte. […] Und sein Vater ging hinab zu dem Weibe, und bereitete seinem Sohn Samson ein Mahl. Und im Weiteren, Richter 15,1–5: Aber NACH einiger Zeit, da die Weizenernte war, kam Samson, und wollte sein Weib besuchen […]. Und da er in ihre Kammer gehen wollte, wie sonst, wehrte ihm ihr Vater und sprach: Ich meinte, du wärest ihr gram gewesen, und habe sie darum deinem Freunde gegeben […]. Und Samson antwortete ihm: Von nun an bin ich schuldlos an euch Philistern, denn ich werde Böses an euch üben. Und er ging hin, und fing DREIHUNDERT FÜCHSE, und band den Schwanz des einen an den Schwanz des andern, und that Fackeln in die Mitte, und zündete sie an, und entließ sie, daß sie hin und her liefen.

Die ALTEHRWÜRDIGEN Mauern Timnats, unter den Stadttürmen Palästinas nicht die geringsten, hatten einen bedeutenden Ruf. Hier hatte sich der heldenhafte Sproß Manoachs ein Ehebett und eine Gattin erwählt. Das Eherecht brach sein Schwiegervater, entzog ihm die Tochter für eine neue Verbindung, entriss sie dem Gemahl und gab sie zugleich dem Brautführer preis. In gerechtem Zorn über den Entzug der Gattin sagte Samson voll rasender Wut: »Ich werde euer Feind sein und Rache üben. Viele Fackeln (glaub’ mir) wird die eine Hochzeitsfackel zur Folge haben, und die Stadt, die jetzt Timnat ist, kann Gomorrha sein. [10]

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Nec satìs est, ulcisci unum: Socer improbus omnem Clade trahet gentem. Numinis ira jubet. Dum sedet, ac roso Vindictam exsugit ab ungue; Respicit ad Patrios (nam remeârat) agros. Ecce tibi! patrijs in agros ex sepibus ibat, Furaci VVLPES insidiosa gradu. Cristatae Volucris referebat in ore maritam, Quam Samsonaeis traxerat è stabulis. Observat furtúmque simul, furísque latebras: Raptricis latebrae mons Thalabinus erant; Hic mihi Mons (inquit) non aes, non saeva metalla, Non chalybem, aut ferrum, in castra inimica dabit: Pro Virtute dolum, pro Telis suggeret Astum: Hîc Gallinivoris sunt sua lustra feris. Sic ille: Ac ne spes foret, aut venatio vana, Explorat. regnum hoc VVLPIBVS esse, docent. Instat: et adsciscit socios. Vicinia praestò est Venanti: in casses plurima praeda ruit. Ter centum claudit, gannitu et syrmate blandas, Quadrupedes. Plures nulla Diana dedit. Indè astum secum, et densîs funalia cerîs, Nectit: et in cursum VVLPIBVS arma parat. Centum ipse et comites (sed plures unicus ipse) Et decies quinas composuêre faces. Mox bina ex binis, captiva animalia, septis Emittunt. astat cum Pare quaeque suâ. Stringitur, ac, flammis capiendis apta, ligatur Cannabis: et caudam cauda ligata trahit. Innexae ad medium, sensim urunt syrmata tedae: His instructa malis, it Fera juncta Ferae. Vinctus, ceu liber, campos grex fulvus apertos Occupat: et quà fert semita prima, ruit. 7 Erinny;] B; Erinny: A 14 Patrios] B; patrios A

II. Iudic[um] 15. à v[ersu] 5. Quae statìm perrexerunt in segetes Philistinorum. Quibus succensis, et comportatae jam fruges, et adhuc stantes in stipula, concrematae sunt: in tantum, ut vineas quoque et oliveta flamma consumeret. oliveta] B; Oliveta A

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Und es wird mir nicht genügen, mich nur an einem zu rächen. Mein ruchloser Schwiegervater wird sein ganzes Volk mit ins Verderben reißen. Der Zorn Gottes verlangt es. Während er so dasaß und aus seinem abgekauten Nagel Rache sog, blickte er auf die heimatliche Flur (denn er war zurückgekehrt). Sieh da, aus dem Gehege seines Vaters lief ein listiger FUCHS schleunigen Laufes wie ein Dieb aufs Feld. Im Maul trug er die Gefährtin eines Hahnes, die er aus den Ställen Samsons geraubt hatte. Samson beobachtet zugleich den Diebstahl und das Versteck des Diebes, der Berg Thalaba war das Versteck des Räubers. [20] »Dieser Berg«, sprach er, »wird mir weder Erz, noch grausames Metall, nicht Kupfer oder Eisen gegen das feindliche Lager liefern. Anstelle von Tapferkeit wird er mir eine List, und anstelle von Wurfgeschossen eine Finte bieten. Hier haben die Hühner verschlingenden Bestien ihr Lager.« So sprach er. Und er geht auf Kundschaft, damit seine Hoffnung nicht eitel und die Jagd nicht vergebens sei. Man belehrt ihn, dies sei das Reich der FÜCHSE. Er beharrt auf seinem Vorsatz und sucht sich Gefährten. Bei seiner Jagd unterstützt ihn die Nachbarschaft; zahlreiche Beute geht ihm ins Netz. Dreihundert Vierfüßler, schmeichelnd durch ihr Winseln und ihre Schwänze, schließt er ein. Mehr konnte ihm keine Jagdgöttin geben. [30] Darauf sann er auf eine Finte und band Stricke, mit Wachs getränkt, aneinander und schuf so den Füchsen Waffen für ihren Lauf. 100 Fackeln erzeugten er und seine Gefährten (er allein aber mehr) sowie weitere 50. Bald lassen sie Paar auf Paar die gefangenen Tiere aus der Umzäunung. Jedes Tier steht mit seinem Partner bereit. Hanf wird straff aneinandergebunden, geeignet, um Feuer zu fangen, ein verbundener Schwanz zieht den anderen nach. In die Mitte eingebunden, entflammt allmählich die Fackel die gewundenen Stricke. Mit solch verderbenbringendem Werkzeug versehen, geht Bestie an Bestie gebunden: [40] Gebunden erobert die gelb lodernde Herde, als wäre sie frei, das offene Feld und stürzt dahin, wohin sie der erste Pfad trägt.

II. Richter 15,5: Und sie liefen alsbald in die Saatfelder der Philister. Als diese angezündet waren, da verbrannten die schon zusammengebrachten Früchte, und was noch stand auf dem Halme, so daß die Flamme auch die Weinberge und Ölgärten verzehrte.

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PRIMA Philistaeos hinc inde ferebat in agros Semita. triticea fruge sonabat ager. Iam stipulae albebant, jam dentem falcis arista Poscebat; Primae tempora Messis erant. Pars major, restabat adhuc: pars, solis et horae Impatiens, nudam secta premebat humum. Huc via tediferas, via pervia et invia, VVLPES Pertrahit: huc ardens cauda, facésque citant. Instigat clamore Heros; baculóque reliso Ad baculum, comitum terret agítque globus. Nox erat, et toto densissima nubila coelo; Cùm subitò ignitae prosiluêre Ferae. Diversis Paria acta vijs, diversa subintrant Iugera. diverso jugere flamma micat. Flamma crepat. mox aucta Notis et turbine curvo, Praecipitî rapitur, vasta per arva, rogo: Truditur igne ignis, Cererémque ex ordine lambit Vsta Ceres; Sylvas flamma, casásque rapit. Vitiferos etiam colles, oleáque superbos, Scandit: et excultis foeta Vireta jugis. Quámque procul dolor, et flammatae incendia caudae, Expellunt trepidam, vento agitante, feram: Tam procùl indomitae grassantur in omnia Tedae: Claráque de media est Nocte novata Dies. Eminus Azotus, propiúsque ambusta relucet Accaros, et largâ barbara Gaza face: Occiduúmque fretum, et longo Cypros avia tractu, Nocturnô obstupuit corradiata rogo. Nil Canis in VVLPEM: nil contra incendia Fontes: Nil in rem Vires, nil potuêre Viri. Irritáque, inter tot Flammas, muliebris abibat Lacryma. fumosi nil valuêre Dei. Actum, actum est! Quodcunque ligo, quod stiva, quod occa, Quod longa annosus proruit arte labor, Diruit unius prope lusus, et orgia, Noctis; Areáque, ex tota Messe relicta, jacet.

18 Ceres] B; Ceres, A 26 largâ] B; larga A

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DER ERSTE Pfad führte hier und dort zu den Feldern der Philister, die Äcker wogten von Weizenfrucht. Schon waren die Ähren gelb, schon verlangte es die Halme nach dem Zahn der Sichel, es war die Zeit der ersten Ernte. Der größere Teil stand noch, ein anderer, der die Sonnenstrahlen und die Länge der Zeit nicht ertrug, bedeckte nach dem Schnitt den nackten Boden. Hierher trug ihr Weg über zugängliches wie unwegsames Gelände die Fackel tragenden FÜCHSE, hierher trieben sie der feurige Schwanz und die Fackeln. Mit lautem Rufen feuerte sie der Held an und mit dem Aufeinanderschlagen von Stöcken schreckte sie die Schar seiner Gefährten auf und trieb sie an: [10] Es war Nacht und der Himmel überzogen von dichten Wolken, als plötzlich die feurigen Bestien hervorbrachen. Die Paare, vorwärtsgetrieben auf verschiedenen Wegen, drangen in verschiedene Ackerflächen ein. Auf unterschiedlichen Feldern loderte die Flamme. Die Flamme zischte. Alsbald stärker entfacht vom Südwind und vom Wirbelsturm, tobt sie in rasendem Feuer über gewaltige Flächen. Feuer wird von Feuer bedrängt, verbranntes Getreide stößt in der Folge an Getreide, die Flamme rafft Wälder und Hütten mit sich. Auch zu den über Wein und Oliven stolzen Hügeln dringt sie hinauf und zu den grünen Hainen auf den wohlbebauten Bergrücken. [20] Und wie weit der Schmerz und die Brandwunde am entflammten Schwanz die Bestie im Toben des Windes treibt, so weit wüten die unbezähmbaren Fackeln gegen alles und mitten in der Nacht erneuert sich der helllichte Tag. In der Ferne leuchtet Azot, näher das angesengte Accar und das barbarische Gaza von reichlich brennender Fackel. Ja; das westliche Meer und das weit entfernt liegende Zypern erstaunt, hell erleuchtet vom nächtlichen Scheiterhaufen. Nichts vermochte der Hund gegen den FUCHS, nichts Quellwasser gegen die Brände, nichts Kraftanstrengung gegen die Sache, nichts vermochten Männer. [30] Vergeblich rann unter so vielen Flammen eine Frauenträne, nichts richteten die beräucherten Götter aus. Es ist aus, ja es ist aus! Was immer Hacke, Pflugsterz und Egge, was die Arbeit eines ganzen Jahres mit unermüdlicher Kunst hervorbrachte, vernichteten beinahe Spielwerk und Orgien einer einzigen Nacht und das Feld verlor die ganze Ernte und liegt wüst.

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III. Iudic[um] 15. à v[ersu] 6. Dixerúntque Philisthijm; Quis fecit hanc rem? Quibus dictum est; SAMSON gener Thamnathaei. * Percussítque eos ingenti plagâ; ita, ut stupentes suram femori imponerent.

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Manè erat, et moestos aurora reduxerat ortus. Quaerebant; Vsti quis foret auctor Agri? Parcite quaesito, agricolae! dum prodeat auctor, Ipse ego tantisper proditor hujus ero. Sed tamen et caussam prodam. Vir Hebraeus, et unus, Vnius Samson cultor in orbe DEI; Multos esse tibi nôrat, gens impia, Divos: Nôrat, multa tibi, crebráque Festa Deûm: Astaron, Astarténque, et Numina tot Muscarum, Dagonémque Patrem, Militiámque poli. Credidit, exiguam hanc Samson nimis esse Deorum Summam: pauca nimis, DIs sacra, Festa coli. Addere DIs voluit vestris unum, unica Sacra, A vestris nondum Sacra recepta tholis. Mulciber, en, VVLCANVS, et Ambarvalia deêrant. Ne desint, VVLPES et Vaga FLAMMA, cavent.

De multitudine hac ferarum, et monte Thalabino, vulpium feracissimo; vide Iacob Salianum, Annal[es] Ecclesiast[icos] Tomo secundo.

1 aurora] B; Aurora A

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III. Richter 15,6f.: Und die Philister sprachen: Wer hat das gethan? Und man sagte ihnen: SAMSON, der Eidam des Thamnathäers, hat es gethan […]. Und er schlug sie mit schweren Streichen, so daß sie vor Schrecken ihre Waden an ihre Hüften legten. Es war früher Morgen, und Aurora war traurig wieder aufgegangen. Sie fragten, wer der Urheber dieses Feldbrandes sei. Haltet euch bitte zurück, Bauern. Bis der Urheber auftritt, will ich ihn selbst ein wenig preisgeben. Zugleich werde ich euch aber auch den Grund nennen. Ein Hebräer ist er, Samson, ein einzigartiger Verehrer des einen GOTTES. Er wusste, gottloses Volk, dass du viele Götter hast, ebenso wusste er, dass du viele und vielbesuchte Götterfeste kennst: Astaron und Astarte, und viele Götter der Fliegen, Vater Dagon und die Heerschar des Himmels: [10] Er war der Meinung, dass dies ein zu geringer Götterhaufe sei, und dass allzu wenige Feste für die Götzen gefeiert würden. Er wollte zu euren Göttern einen hinzufügen, ein einzigartiges Fest, ein Götterfest, wie es in eure Tempel noch keinen Eingang gefunden hatte: Der Schmelzer VULCANUS und die Ambarvalia fehlten. FÜCHSE und die schweifende FLAMME sorgen dafür, dass sie nicht fehlen.

Über diese Menge an Bestien und den Berg Thalaba, der von Füchsen wimmelt, vergleiche Iacobus Salianus im zweiten Band der Annales ecclesiastici.

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NEMVS. Obumbraverunt SYLVAE, et omne Lignum suavitatis Israël, ex mandato DEI. Baruch 5. v[ersus] 8. ELEGIA XVII. De NEMORE. I. Patriae Nemus quoddam formosum: et eiusdem Verna facies.

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QVÀ Fabiana vident australem Hyperiona Castra (CASTRA mihi patrium sunt FABIANA solum) Molle NEMVS jacet: hoc liquidus circumluit undae Circulus, et gemino confraga fonte rigat. Insula parva natat, rauco circumsona fluctu: Et supra medias unica Quercus aquas. Illic et Nymphas credunt, Dryadásque morari, Tam diversa uno Numina juncta loco. Et vetus Aegerie, Oenotrio modò fonte relicto, Fertur in hos posthac ausa venire lacus: Hîc notum revocare Numam, renovare vetusta, Quae caeca didicit Carmina sorte loqui. Vltra undam, vetus atque recens circumsita Sylva, Vix cessura tuis, stirps Rhodopaea, comis. Et mistae ilicibus cerasi, proceráque fagus, Ac piceae, ac denso Pinus opaca situ. Betuleóque comans puerilis sylvula flagro: Et summontanîs falsa fruteta rosis. ASPIDVM hoc dixêre Nemus, sine nominis ansa: Aspis enim nusquam est, Colchica nulla lues. Intybus, et Violae, per gramina Verna: sed aestu, Fragorum in gracili purpura serpit humo. His adde et fungos: non illud inutile monstrum, Quod vix, Irorum de grege, lixa voret. Nobilius fungi genus est, quod Claudius edit: Ex ista hujc credas mista Venena dape. Parte alia sylvestris agri, quà vallibus immis Subsidet, et riguo cespite terra viret; LILIOLA insurgunt, CONVALLIBVS apta morari: Hinc quoque plebejus nominat illa favor.

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DER WALD Und Schatten werden Israel geben die WÄLDER, und alle wohlriechenden Bäume auf GOTTES Befehl. Baruch 5,8 ELEGIE XVII DER WALD I. Ein schöner Wald in der Heimat und sein Aussehen im Frühling WO die Fabiusburg zur südlichen Sonne blickt (BABENHAUSEN ist mir heimatlicher Boden), da liegt ein lieblicher WALD: Ihn umspült des Wassers flüssiger Lauf und bewässert sein Gehölz mit zwiefachem Quell. Eine kleine Insel schwimmt darauf, umtönt von rauschender Flut, und bis zur Mitte des Wassers ragt eine einzelne Eiche. Man glaubt, Nymphen und Dryaden hielten sich dort auf, solch unterschiedliche Gottheiten hätten an diesem einen Ort zusammengefunden. Auch die alte Quellnymphe Egeria soll, kaum dass sie den Italischen Quell verlassen hatte, gewagt haben, alsdann in diese Gewässer zu kommen, [10] hier wieder den bekannten Numa zu rufen und wiederum die alten Sprüche zu künden, die sie, mag blind auch das Schicksal sein, zu sagen versteht. Jenseits des Wassers liegt ringsum ein alter, frisch ausschlagender Wald, der kaum hinter Deinen Blättern zurückweichen wird, rhodopäischer Baum. Unter die Steineichen haben sich Kirschbäume gemischt, die hochgewachsene Buche, Föhren und die Fichte, die mit ihrem dichten Wuchs Schatten spendet. Dazu trägt Birkenranken der jugendliche Wald und Gebirgsrosen, täuschend, das Gesträuch. SCHLANGENWALD nennt man dieses Gebiet, ohne dass es einen Anhaltspunkt für den Namen gäbe. Denn nirgends findet sich eine Natter, nirgends das Gift von Kolchis. [20] Zichorien und Veilchen schlängeln sich überall durch das frühlingsfrische Gras, doch ist es erst warm, kriecht das Rot der Erdbeeren über den kargen Boden. Außerdem wachsen dort Pilze, aber nicht jene ungenießbare Scheußlichkeit, die selbst ein bettelarmer Diener kaum hinunterbringt. Es ist eine edlere Pilzart, wie Claudius sie verzehrte: Dass ihm aus dieser Speise Gift gemischt wurde, könnte man glauben. In einem anderen Teil des Waldgebietes, wo es sich in sehr tiefen Tälern einsenkt und die Erde grün von saftigem Gras ist, richten MAIGLÖCKCHEN sich auf, fähig, in TALKESSELN zu wachsen. Daher gibt ihnen des Volkes Gunst auch diesen Namen. [30]

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Scapus in his junco similis: folia ampla, repanda: Flos patuli calycis: paene Sabaeus odor. Hîc VERIS miramur opes: hîc florida regna: Hîc scenam, hîc nobis Amphitheatra damus.

II. Febricitanti, NEMORIS accessum, et studia, alternis profuisse.

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Huc ego, febrili multùm licèt obrutus aestu, Accessi quoties; Febris ab igne levor. Quis credat prodesse, Rapi quondam impete certo? Improba momentum vota tenere suum? Contrà omnes morbíque iras, et scita Galeni, Erumpo, spretis, in Nemora alta, toris. Erumpo, non Phoebo aliquo, sed Amore trahente: Vota (viae comites) et Liber unus, erant. Vtrumque hoc memini. Votum fuit, esse sub umbris; Et Fueram, umbrosos arbore dante sinus. At liber in manibus, Rufus, qui gesta Monarchae Condidit Emathij: vel tua Musa, Maro. Ah, quoties agilésque pilas, cursúmque volucrem, Aprilésque, nihil diximus esse, jocos? Ah, quoties etiam canibus sub confraga ductis, Venantûm dulci lusimus arte globum? Cùm fremerent Dorcas, et Hylax, et parvus Hylactor: Cùm positas fugerent cervus apérque plagas: Cùm resonaret Iö! et Iò! revolubilis Echo; Cùm rueret timidus per mea lustra Lepus! Aut ego post densas stabam, sine murmure, fagos; Aut nigra montani post Coryleta jugi.

NEMVS … suum?] nach A; laes. B 10 Fueram] B; fueram A 18 plagas:] B; plagas. A 19 Echo;] B; Echo, A 20 Lepus!] B; Lepus; A 22 Coryleta] B; coryleta A

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Stiele besitzen sie, ähnlich der Binse, und Blätter, die ausladend sind und rückwärts sich krümmen. Die Blüte hat die Form eines offenen Kelches, ihr Duft ist beinahe arabisch. Hier bewundern wir das Füllhorn des FRÜHLINGS, hier das blühende Reich. Dies nehmen wir als Bühne, dies als Theater.

II. Dem Fieberkranken halfen abwechselnd der Gang in den WALD und die Studien Sooft ich, mag mich des Fiebers Hitze auch heftig geschüttelt haben, hierher gegangen bin, wurde ich von der Glut des Fiebers befreit. Wer möchte glauben, dass es nützt, sich einmal von einem entschlossenen Schwung hinreißen zu lassen, und ein unvernünftiger Wunsch seine Kraft behält? Gegen alles Wüten der Krankheit und die Ratschläge Galens sprang ich aus dem Bett und eilte in den tiefen Wald. Nicht von der Sonne, sondern von der Liebe gezogen, eilte ich. Wünsche und ein einziges Buch begleiteten mich auf meinem Weg. An beides erinnere ich mich: Mein Wunsch war es, im Schatten zu sein, und ich war es tatsächlich, da ein Baum mir einen schattigen Zufluchtsort bot. [10] Das Buch in meinen Händen aber war entweder Rufus, der die Taten des makedonischen Königs niederschrieb, oder dein Lied, Vergil. Ach, wie oft haben wir gesagt, dass das Spiel mit dem flinken Ball, der schnelle Lauf und Aprilscherze nichts seien! Ach, wie oft haben wir auch, wenn man Hunde ins Unterholz geführt hatte, mit heiterer Kunst der Jäger Schar genarrt! Während Dorcas, Hylax und der kleine Hylactor knurrten, während Hirsch und Keiler den aufgestellten Fangnetzen entgingen, während das Echo tönend »Juchhei!« und noch einmal »Juchhei!« widerhallen ließ, während der Hase furchtsam durch meinen Wald rannte, [20] stand ich entweder lautlos hinter den dicken Buchen oder hinter den dunklen Haselbüschen des Bergjochs.

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III. Iacobi Sannazarij, Neapolitani Poëtae, Liber de Partu Virginis, auctori familiaris.

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Interdum cordíque fuit, curaéque legenti, Is, qui altum, à Partu Virgine, nomen habet, ACTIVS, adscito SYNCERVS stemmate notus: Ingenio cujus nil, nisi Vita, nocet. Heu, Superi facerent, ut vel Syncerior esses; Vel SANNAZARI fama retenta foret! Tutior in veteris latuisses vellere Gentis: Quae, si non scripsit, Carmine digna dedit. Tu tamen ex una meruisti Virgine, quantum Nulla tibi Phyllis, nulla Neaera dabit. Illud opus meliore viro, meliore Parente Dignius, Aonidum prodidit antra mihi. Tempore ab hoc, monitore Deo, doctrice MARIA, Nil, nisi legitimum, nostra Thalia canit. Ad Veneres alij citharam, et cava Barbita frangant: Nostrum, hîc si taceat, plus Monochordon aget. Sed satìs haec. Libet, hac sub Pinu sternere corpus: Historiam et carmen, Pinea poma dabunt. I, Zephyre; et frondes audacibus excute flabris; Decidet ex illis NVX nova, NVPTA MALA. 3 ACTIVS] B; ACCIVS A

ELEGIA XVIII. TRES VNIVS VIRI VXORES, ex vna arbore pendentes. Marcus Pacuvius, Tragoediarum scriptor notissimus, Vxorem duxerat, pravis moribus praeditam. Hanc dum Vir coërcet; illa sese ex domestici NEMORIS arbore suspendit. Secutae sunt eandem morum nequitiam, idem fatum, et eandem arborem, duae aliae ex ordine à Pacuvio ductae. Quod tergeminum nuptarum suspendium, homini congratulata Romanorum vicinia Civium est: atque ex illa stirpe sibi singuli Ramum unum, suos in Hortos, depoposcerunt; tanquam fatali quodam, in feminarum interitum, stipite progenitum. Hanc sive Historiam, sive fabulam, recenset Valerius quidam, in epistola ad Ruffinum, apud Theodorum Zvvingerum, in Theatro vitae humanae, lib[ro] 19. Eandem refert, non de Romano poëta, sed de quodam Siculo, Marc[us] Tullius l[ibro] 2. de orat[ore] et Gyrald[us] dialogo 8. Histor[iarum] Poetic[arum]. Rem, tam variè à varijs distractam, libuit

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III. Des Jacopo Sannazaro, des neapolitanischen Dichters, Buch über die Geburt der Jungfrau, das dem Autor vertraut ist Manchmal wandte ich mich lesend mit Herz und Gemüt demjenigen zu, der seinen großen Namen von der Jungfrauengeburt besitzt, ACTIUS, den man nach einer hergeholten Genealogie als SINCERUS, den Unbefleckten, kennt, dessen dichterische Begabung nichts beeinträchtigt, außer seiner Lebensführung. Ach, wenn doch die Himmlischen gäben, dass du entweder ein Unbefleckterer wärest oder dass du den guten Ruf eines SANNAZARO bewahrt hättest! Sicherer hättest Du Dich im Fell des alten Geschlechts geborgen, das, auch wenn es nicht schrieb, Stoff gab, der eines Liedes würdig war. Du hast jedoch durch die eine Jungfrau soviel Lohn verdient, wie keine Phyllis und keine Neaera Dir geben wird. [10] Jenes Werk, das einen besseren Mann und einen besseren Schöpfer verdient hätte, schloss mir die Grotten der Musen auf. Seit dieser Zeit singt unsere Thalia, unter Gottes Führung und von MARIA belehrt, nur Geziemendes. Mögen andere die Leier und die gewölbte Laute zu Liebesliedern entkräften, unser nur einsaitig bespanntes Instrument, mag es dazu auch schweigen, wird mehr ausrichten. Doch genug davon! Ich möchte meinen Leib nun unter dieser Kiefer ausstrecken, deren Zapfen mir Stoff und Melodie geben werden. Geh, Zephyrus, und schüttle das Laub mit deinem ungestümen Wehen! Eine neue NUSS wird daraus herabfallen, eine BÖSE EHEFRAU. [20]

ELEGIE XVIII DREI EHEFRAUEN EINES EINZIGEN MANNES, die an einem einzigen Baume hängen Marcus Pacuvius, der höchst bekannte Verfasser von Tragödien, hatte eine Frau von üblem Betragen geheiratet. Als er diese nach Mannesart zähmte, erhängte sie sich an einem Baum des dem Hause nahegelegenen WÄLDCHENS. In die Fußstapfen ihrer sittlichen Verwahrlosung folgten der Reihe nach zwei andere von Pacuvius geheiratete Frauen und erlitten dasselbe Schicksal am selben Baum. Zu diesem dreifachen Quasi-Galgen für Ehefrauen beglückwünschte den Mann die Nachbarschaft römischer Bürger und erbat sich für ihre Gärten – jeder für sich – von jenem Stamm nur einen Zweig, da dieser ja gleichsam zum schicksalhaften Unheil der Frauen gewachsen sei. Diese Geschichte oder erfundene Fabel erzählt ein gewisser Valerius in einem Brief an Ruffinus bei Theodor Zwinger in dessen Theatrum Vitae Humanae, Buch 19. Dieselbe berichtet, nicht von einem römischen Poeten, sondern von einem gewissen Sikuler, Marcus Tullius [Cicero] im zweiten Buch von De oratore und Giraldo

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ALMANGOVIAE (quam ALGOIAM hodie dicimus) et arbori PINVI, cujus illa regiuncula est feracissima, tribuere: Commento, fortassis in sanctam veritatem aliquid; sed in Apollinem nihil, peccaturo. VXORES, ex vna arbores] B; VXORES, EX VNA arbore A

[I.] ODIA MARITALIA, IN malas VXORES. I.] fehlt in A und B.

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PRIMA Maritorum sunt, Se bene vivere, vota: Vxorem, poscunt proxima vota, mori. Multorum hic sermo est; Valeat, cui femina cordi est! Perdere si non vis ipse, perire sine! Communi sunt ista bono. Sic publica crescunt Commoda; sic sylvae, sylvicomúmque genus. RHETIA sic stirpes, Algojáque rura, novârunt. Algoij nemo jugera nescit agri. Terra minùs Cereri est, quàm ditibus apta bubulcis: Plus NEMORVM, fundi quàm Cerealis, habet. Illa quidem sua farra legit: tamen ampliùs olim. Quaesivi; Cur tam Pineus esset ager? Quaerenti, fordas inter montanáque Pastor Quidam armenta sedens; Sic (ait) hospes, habe! Mitior in messes longè latéque fovendas Non fuit, Algoijs montibus, ulla plaga. Palladias etiam baccas, vitémque priores Stringebant. Hodie vix sua signa manent.

II. Algoia, vnde Pinifera? Refertur trium Bibonis Vxorum suspendium.

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Agricolas inter regnabat ditior unus : Quàm mihi non notus, tam fuit ille suis. Ampla fuit domus hujc: post hanc Viridissima Tempe: In medio, Pinus sola, sed apta, stetit. Arboris, ignotum reliquis genus, ipse fovebat: Huc cum vicinis conveniebat avîs. Saepe sub hac Potor, sed saepius arbore Potus, Ad nuptam sero Sole redibat heram. Litigiosa virum mulier, Potâsse, fremebat: Ille coërcebat verbere verba mala.

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im achten Dialog seiner Historia Poetica. Diese so unterschiedlich von Verschiedenen verbreitete Sache wollte ich gern dem ALMANGAU (den wir heute ALLGÄU nennen) und einem FICHTENBAUM (woran diese Gegend äußerst reich ist) zuschreiben: Ich berichte sie, vielleicht ein wenig gegen die heilige Wahrheit sündigend, nicht aber gegen Apoll. I. EHELICHER HASSAUSBRUCH GEGEN böse EHEFRAUEN Die ERSTEN Wünsche der Ehemänner sind die, gut zu leben. Die nächsten Wünsche, daß die Ehefrau stirbt. Davon ist bei vielen die Rede. Mag der zusehen, dem die Frau am Herzen liegt! Wenn du sie nicht selbst umbringen willst, laß sie umkommen! Diese [Wünsche] dienen dem gemeinen Nutzen. So wachsen der allgemeine Vorteil, so die Wälder und das waldhaarige Volk, so haben die Stämme RÄTIEN und die Landgefilde des Allgäus erneuert. Jedermann kennt die Höhen des ländlichen Allgäus. Ein Land, weniger zum Getreideanbau geeignet als geschaffen für reiche Rinderhirten. Mehr WÄLDCHEN besitzt es als Getreideland. [10] Zwar erntet es seinen Dinkel, jedoch einst davon noch mehr. Ich fragte, warum das Land so von Fichten bewachsen ist. Als ich dies fragte, sagte mir ein Hirt, der auf den Bergen zwischen seinen Kühen und Rindern saß: »Sollst es wissen, Fremder! Kein Landstrich war gesegneter weit und breit für gute Ernten als die Allgäuer Berge. Sogar die Beeren der Pallas und den Wein pflückten die Vorfahren. Heute bleiben davon kaum noch Spuren übrig.«

II. Woher das fichtentragende Allgäu? Berichtet wird vom Aufhängen dreier Ehefrauen des Bibo »Unter den Bauern regierte ein besonders reicher, ebenso mir nicht bekannt wie den Seinen. Ein großes Haus hatte er, dahinter ein saftig-grünes Tempetal. In dessen Mitte stand allein, aber praktisch eine Fichte. Er allein hegte diese Baumart, die den anderen unbekannt war. Hier kam er mit den alten Männern der Nachbarschaft zusammen. Oft unter diesem Baum trinkend, noch öfter betrunken, kehrte er spät am Tage zu seiner Eheherrin zurück. Keifend beschimpfte die Frau den Mann, daß er betrunken sei, der aber zähmte das Geschimpfe mit Schlägen. [10]

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Crebriùs haec eadem, grave pondus vtrimque, redibant: Non tulit hic Litem, non tulit illa Merum; Quid faciam, ut malè sit Potori? (femina dixit) Pendebo! Arboreum móxque pependit onus. Insuper et Pinum sceleri delegit. At aegrè Non tulit: Vxorem duxit, ut antè, Bibo. (Sit Bibo tantisper, quem Pocula sola notârunt) Duxit: et, hac ducta, Tertia ducta fuit. Vtraque posterior, sortem est imitata prioris: Ex una Tria sunt pendula fronde Mala. Advocat ille: venit vicinia tota virorum; Et circus major, quàm voluisset, adest. Inde docet, Triplicis tria lurida funera Nuptae; Quis casus? lethi quis modus, atque Locus? Vt fortunatae monstravit brachia PINVS, Tota fuit tanto Concio mota bono. Divinos clamant Ramos, Divina fuisse Semina. Vult totum turba marita NEMVS. Iámque trahunt, rapiúntque manu, carpúntque securî, Felices quondam fronde BIBONIS opes. Ramus is, ante suos est in certamine fratres: Vnde pependerunt Tres, ibi Mille trahunt. Inseritur passim PINVS. sunt praedia Pinu, Sunt campi, et montes, et sata summa juga. Iámque et defuerunt Frondes. Quod defuit illis, Rhetia suggessit proxima. Sudat opus. Rhetia dat trabis immensas ex abjete moles, Advolvúntque datam plebs studiosa trabem. Denique, quae Pinum non noverat ampliùs Vnam: Algojûm subitò est Pinea facta plaga. FINIERAT Pastor. Risi, gratésque rependi: Ille sed incurvam sumsit in ora Tubam: Historiámque omnem cornu reboante retractans, Subdidit in Nuptas haec Maledicta malas.

Viridissima Tempe:] B; viridissima Tempe. A

Zweites Buch

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Eben dies kam immer häufiger vor, beiden eine große Belastung, er ertrug nicht den Zank, jene nicht den Alkohol. Was soll ich machen, dass es dem Säufer übel ergeht (sagte sich die Frau), ich will mich aufhängen. Und bald hing sie als Last am Baum. Ausgerechnet die Fichte wählte sie für das Verbrechen aus. Aber Bibo litt nicht darunter, heiratete wie vorher (ein Weilchen soll er Bibo sein, den doch allein seine Sauflust kennzeichnete), heiratete und nahm nach der zweiten noch eine dritte Frau. Beide späteren teilten das Schicksal ihrer Vorgängerin: An einem Ast pendelten drei Übel. [20] Er ruft die benachbarten Männer herbei, und sie kommen. Und es bildete sich ein größerer Kreis, als ihm lieb war. Dann unterrichtet er sie von den drei bleichen Todesfällen der drei Frauen. Was ist passiert? Welch eine Art und welch ein Platz des Todes? Als er die Zweige der schicksalhaften FICHTE zeigte, war die ganze Versammlung von solcher Wohltat bewegt. Göttlich nennen sie die Zweige, aus göttlichem Samen entsprossen. Einen ganzen HAIN wünscht sich das männliche Ehevolk. Und schon ziehen sie, reißen mit der Hand und pflücken rücksichtslos von BIBOS Besitz, der einst fruchtbar im Grün stand. [30] Es ist dieser Zweig, um den mehr als um seine Brüder gekämpft wird: Der, an dem drei Frauen hingen, an dem zerren Tausend. Überall wird die FICHTE gesät, und besät mit der Fichte sind Grundstücke, Felder, Berge und die hohen Bergkämme. Und schon fehlte es an Gezweig. Was ihnen fehlte, lieferte das nahe Rätien. Man schwitzt bei der Arbeit. Rätien liefert eine ungeheure Masse Fichtenholz, und das Volk wälzt eifrig das Holz herbei, das ihm gegeben war. Schließlich wurde das Allgäu, das kaum mehr als eine Fichte kannte, plötzlich ein fichtenbestandener Landstrich.« [40] SO ENDIGTE der Hirte. Ich lachte und zollte ihm Dank. Er aber nahm sein gebogenes Horn in den Mund, und indem er die ganze Geschichte mit dröhnendem Hornschall bekräftigte, fügte er gegen böse Eheweiber diese Verwünschungen hinzu.

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Liber II

III. Pastoris Algoici Lycambea, in Improbas Nuptas, Satyra.

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Perdidit exemplo geminas Dira unica Diras; Non totum Mulier perdidit Vna genus. Tum, si nulla foret Mulier, scelus omne perîsset; Tunc, puto, tunc iterum saecula pura forent. Nunc nos relliquiae, vel, siqua superfuit Igni, Deteriùs quavis Lernide peste premunt. Da veniam, quaecunque nihil, Matrona, mereris; Sed puto, Nasceris postmodo, siqua nihil. Aspice de decies centenis Millibus unam! Optima si fuerit, vix erit absque lue. Si Paris abfuerit, si Pergamos atque Mycenae; Si neque Phyllis erit, si neque Colchis anus: Si neque Thessalicas artes, neque noverit ollas; Si neque vindictas, usta Corinthe, tuas; Si Circem ignorat, Circaeáqueque pocula nescit: Si nec erit Thais, nec populosa Lyce; Denique, si neque sit, quod Messallina petulca, Aut Faustina suis, aut Rosimunda, procis: Fraudibus inveniet Mulier, quod peccet, et Astu. Quamvis nata Colo, non erit absque Dolo.

9 unam] B; vnam A 13 ollas;] B; ollas, A

Zweites Buch

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III. Die Lycambeische Satire des Allgäuer Hirten wider die bösen Ehefrauen Durch ihr Beispiel vernichtete eine einzige Furie zwei Furien, [aber] diese einzige Frau verdarb nicht das ganze Geschlecht. Wenn es keine Frau mehr gäbe, dann wäre alles Verbrecherische verschwunden, dann, glaube ich, dann wären alle Zeiten wieder gereinigt. Nun drücken uns die Übrigen oder, wenn eine dem Feuer entgangen ist, Schlimmeres als jede Lerneische Seuche. Verzeiht mir, all ihr ehrwürdigen Frauen, die ihr dieses nicht verdient! Aber ich glaube, du wirst noch, wenn überhaupt, noch geboren werden. Betrachte eine von einer einer Million! [Selbst] wenn sie die Beste ist, wird sie es kaum sein ohne Befleckung. [10] Wenn es Paris nicht geben wird, wenn nicht Pergamos und Mykene, wenn es weder Phyllis geben wird noch die Alte aus Kolchis, wenn sie weder Thessalische Künste noch Kessel kennt, auch nicht deine Strafen, verbranntes Korinth, wenn sie Kirke nicht kennt und nichts von den Bechern der Kirke weiß, wenn es weder Thais geben wird noch das volkreiche Lyke, wenn es schließlich nichts gibt, was die geile Messalina oder Faustine oder Rosimunda für ihre Freier [listig erfindet] – listig und mit Scharfsinn wird eine Frau das finden, mit dem sie sündigt. Auch wenn nur geboren für den Spinnrocken, ohne List wird sie nicht sein. [20]

VERNORUM LIBER III. PROPONENS DELICIAS VERIS PERFECTI. KALENDAS MAII, HORTVM, PRATVM, OTIA, ET LVSVS, VENATIONEM, ROSAS, ITINERA SACRA, seu, SVPPLICATIONES.

PERFECTI.] B; PERFECTI, A

DER FRÜHLINGSGEDICHTE DRITTES BUCH. ES LEGT VOR DIE FREUDEN DES REIFEN FRÜHLINGS: DEN ERSTEN MAI, EINEN GARTEN, EINE WIESE, MUSSESTUNDEN UND SPIELE, EINE JAGD, ROSEN, PROZESSIONEN oder auch BITTGÄNGE

LIBER III.

ELEGIA I. Kalendarum Maij laetitia, serenitásque: et Perfecti Veris descriptio. Tangitur mos eorum, qui hoc die Pineas perticas ad Villas erigunt, quas vulgò MAIOS appellant. erigunt,] B; erigunt: A

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DICITE, Iô! Paean! et plaudite calce, Camoenae! Vicimus Aprilem! vicimus! Aura silet. Instabiles vertêre solum, et cava murmura, venti: Nulla tonat grando, nulla procella furit. Nulla diem sudum Coeli inconstantia turbat; Iam non VER tenerum barbara frangit Hyems. Omnia fiebant, Aprili regna tenente. Nunc, pulso Aprilis turbine, MAIVS adest. Majus adest: Majíque sacra est Lux ista KALENDIS. Lucidius solitô Sol vibrat axe jubar. Sensi ego, cùm roseo prodiret amabilis ore Aurora. assueto pictior illa fuit. Sensi hoc, insolito cùm surgeret aureus ortu Lucifer, et dixi; VERNA erit ista Dies! Approbat eventus matutini omina vatis. Aut nunquam, aut hodie, Tempora VERIS eunt. Explicitum est, quacunque patet, caelum omne: nec atrae, Inter Horizontas, nubis imago sedet. Conticuêre Noti: placidáque Favonius aurâ Sibilat, et Phoebum non sinit esse gravem. Matutina bibunt divinum Pascua rorem: Concentúque Avium consonat omne Nemus. Nulla est nunc Arbor, nullum sine flore frutetum: Vnanimi stirpis floret honore Pyrus. Albicat et Pomus, cornúsque, et quidquid in arcto Aut calyce, aut solio, dulce tragema fovet. Sithonijs nivium cerasos candescere floccis (Ni se Flora suo prodat odore) putes. Iámque etiam (dum praecalidus coquit omnia Titan) Rauca, sub ambusta fronde, Cicada fremit: Et fremit, immensis semper fugitiva Locusta Saltibus: à Zephyri dum cadat ore calor.

DRITTES BUCH

ELEGIE I Die Freuden und die Heiterkeit des ersten Mai und eine Beschreibung des reifen Frühlings. Berührt wird dabei das Verhalten derer, die an diesem Tag Fichtenstämme bei den Gehöften errichten, die sie im Volksmund MAIBÄUME nennen. SPRECHT »Hurra, Heil«, jubelt und applaudiert mit den Füßen, ihr Musen! Den April haben wir hinter uns! Haben ihn hinter uns! Der Luftstrom schweigt. Unbeständige Winde und das hohle Pfeifen haben das Land verlassen. Kein Hagelsturm dröhnt, kein Wirbelwind wütet. Keine Unbeständigkeit des Himmels trübt mehr den heiteren Tag. Schon bricht nicht mehr der barbarische Winter den zarten FRÜHLING. Alles dies geschah, als noch der April herrschte. Nun ist der Aprilsturm vertrieben, der MAI ist da. Der Mai ist da, und dieser Tag ist heilig eben durch den MAIANFANG. Lichtvoller als auf bisheriger Bahn sendet die Sonne ihren Strahl. [10] Ich habe es gespürt, als die liebliche Morgenröte mit ihrem Rosenantlitz hervorkam. Farbiger als sonst war sie. Ich habe es gespürt, als der goldene Morgenstern sich erhob mit ungewohntem Aufgang, und gesagt habe ich: »Dies wird ein FRÜHLINGSTAG sein!« Es bestätigt der Ausgang die Prophezeiung des morgendlichen Sehers. Niemals oder heute kommen die Zeiten des FRÜHLINGS. Entfaltet ist überall, wo er sich auftut, der ganze Himmel, und von Horizont zu Horizont hält sich kein Bild einer schwarzen Wolke. Die harschen Winde sind zum Schweigen gebracht, es säuselt eine Frühlingsbrise mit friedlichem Hauch und lässt die Sonne nicht beschwerlich werden. [20] In der Frühe trinken die Wiesen den göttlichen Tau und allüberall tönt der Hain vom Konzert der Vögel. Kein Baum, kein Strauch steht nun ohne Blüte. Es blüht ein Birnbaum im Flor des ganzen Stammes, weißlich erstrahlt ein Apfelbaum, die Kirsche und alles, was in enger Knospe oder im Blatt leckere Früchte heranwachsen lässt. Man möchte glauben, dass die Kirschen von Sithonischen Schneeflocken erglänzen (wenn sich nicht Flora mit ihrem Duft verriete). Und schon zirpt auch (wenn Titan heiß alles zum Kochen bringt) die raue Zikade unter dem verbrannten Laub, [30] und es zirpt, immer in weiten Sprüngen auf der Flucht, die Heuschrecke, wenn die Wärme von Zephyrs Antlitz herab strahlt.

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Vespere (nam mitem, spero, nova vespera solem Proferet) in virides, quà libet, itur agros: Laetáque turba procùl notas petit agmine sylvas. Hîc Iuvenum est, PINVS celsa recisa, labor. Ardua congeritur, revolutáque montibus Arbos, Ad patrium trahitur despolianda Larem. Inde supervacuos, toto cum cortice, ramos Destringunt: Frondens nec violatur apex. Stirps demum effosso defigitur aggere: quaéque PINVS erat, solum est nunc caput, atque coma. Alta tamen dominas extollit Pertica frondes. Haec sunt, MAIALI fixa Tropaea die. Si quaeras; quaenam haec, aut, quónam ex Hoste, tropaea? Iam dixi. APRILEM Vicimus! Hoc Spolium est.

8 Nunc,] B; Nunc A 9 Majíque] B; Maijque A 33 Vespere] B; Vespera A 41 quaéque] B; quaeque A

Drittes Buch

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Am Abend (denn, wie ich hoffe, wird der frühe Abend die Sonnenwärme mildern) geht man, wohin es beliebt, auf die Felder. In der Ferne eilt eine fröhliche Schar truppweise in den wohl bekannten Wald. Hier gibt es Arbeit für die jungen Männer, wenn eine ragende FICHTE gefällt ist. Der zum Entasten bestimmte hohe Baum wird geschleppt und gerollt von den Bergen, gezogen zur nahen Behausung. Dann streift man die überflüssigen Äste mitsamt der ganzen Rinde ab, nicht aber wird die grüne Spitze verletzt. [40] Der Stamm wird nun in einer ausgehobenen Grube befestigt, und was eine FICHTE war, ist nun nur Haupt und Haar. Gleichwohl erhebt der Baum sein herrliches Laub. Dies sind die am MAITAG errichteten Trophäen. Wenn du fragst: »Welche Trophäen denn oder über welchen Feind errungen?« Gesagt habe ich es schon: Wir haben den APRIL besiegt! Dies ist die Beute.

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Liber III

KALENDAE MAII. Iniqui sunt Coetus vestri. KALENDAS vestras, et sollemnitates vestras, odivit anima mea. Isaiae 1. v[ersus] 14. ELEGIA II. Historica. Anna Bolenia, Kalendarum Maij Delicijs abusa. Extrusâ, per impudentem scrupuli simulationem, CATHARINA Hispana, legitimâ conjuge: HENRICVS VIII. Britannorum Rex, ANNAM sibi copulavit, cognomento BOLENIAM. quae mox in aula toróque omnia potuit, sed tyrannide parùm diuturnâ. Cùm enim Amorem, multis communicato corpore vulgatum, etiam in Musicum quendam, (cuj MARCO Smettono nomen fuit) transtulisset: et in Grenovvicensis Viridarij ludis sollemnibus effusiùs sudanti Proco, sudarium de pergula trajecisset: HENRICVM regem, eminus stantem, non fefellit. Abducta mox Londinum; cùm tot, in uno adulterij scelere latentia crimina, defensione nullâ dilueret; Anglicanae Securis ictu luit. Vide Nicolaum Sanderum l[ibro] 1. de Schismat[e] Anglicano.

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VTERE VERE quidem: sed honesto Vere, Iuventa, Vtere. PESTIFERA est Flora, pudore carens. Est locus ad latas Tamesis laetissimus undas: Anglica GRENVVICI nomina collis habet. Britonicis hic est secessus et otia grata, Regibus. hîc curas nobilis umbra levat. Hîc agitantur Equi, Phrygij glomeramine campi: Hîc levis indemni luditur Hasta joco. Venerat huc, notum Regina BOLENIA probrum, Incestis Cydarim nuper adepta toris: MAIAE aderant (lux, apta animis ludóque) KALENDAE: Rex quoque, cúmque suo Curia rege, venit. Mappa datur: celerésque ruunt è carcere manni: Pro palma Victor gemmea lucra capit. Scena quoque, et varijs lucent spectacula monstris: Et Regem et Proceres structa theatra juvant. Spectabant omnes; nec erat, quod cernere nolles: Cunctorum in se oculos Roscius unus habet. Sola, alias gestit spectare Bolenia formas:

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Drittes Buch

DER ERSTE MAI Eure Versammlungen sind ungerecht. Eure NEUMONDE und eure Feste hasset meine Seele. Jesaja 1,13f. ELEGIE II Historischen Charakters Anne Boleyn missbraucht die Vergnügen des ersten Mai Nachdem die Spanierin CATHARINA, die legitime Gattin, unter der schamlosen Vorgabe von Gewissensskrupeln verstoßen worden war, verband HEINRICH VIII., der König der Briten, sich mit ANNE, mit Zunamen BOLEYN, die bald am Hof und im Bett alles beherrschte, allerdings in einer wenig dauerhaften Tyrannei. Als sie nämlich ihre Liebe, die sie durch die körperliche Verbindung mit vielen gemein gemacht hatte, auf einen Musiker (der MARC Smetton hieß) übertrug und bei den feierlichen Spielen im Park von Greenwich ihrem Freier, der ziemlich heftig schwitzte, ein Taschentuch vom Altan zugeworfen hatte, entging dies König HEINRICH nicht, obwohl er weiter entfernt stand. Sie wurde sogleich nach London abgeführt, und als sie so zahlreiche sich unter dem einen Verbrechen des Ehebruchs verbergende Vorwürfe durch keine Verteidigung widerlegen konnte, büßte sie durch einen Hieb eines englischen Beils. Siehe Nikolaus Sander: Das englische Schisma, Buch 1. GENIESSE den FRÜHLING, aber genieße ihn mit Anstand, Jugend. VERDERBLICH ist Flora, wenn sie ohne Scham ist. Es gibt einen heiteren Ort am breiten Strom der Themse; auf englisch heißt der Hügel GREENWICH. Für die englischen Könige ist dies eine willkommene Möglichkeit, sich in Muße zurückzuziehen. Hier lindert vornehmer Schatten ihre Sorgen. Hier tummeln sich Pferde auf dem Rund des Phrygischen Feldes. Hier spielt man mit leichter Lanze in arglosem Scherz. Hierher war die Königin BOLEYN, das bekannte Schandmal, gekommen, die vor kurzem die Krone durch eine sündhafte Verbindung erlangt hatte. [10] Der ERSTE MAI war gekommen (ein Tag, willkommen für Stimmung und Spiel), auch der König kam und mit ihm sein Gefolge. Mit dem Tuch wird das Startzeichen gegeben: Aus den Schranken stürzen die schnellen Pferde los: Statt eines Palmzweigs bekommt der Sieger einen Edelstein als Preis. Auch ein Schauspiel prangt mit mannigfachen Darbietungen: König und Adel erfreut ein Bühnenbau. Alle waren nur Auge, und nichts gab es, was man entbehren wollte:

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Sola, aliò mentem, et lumina blanda, refert. Inter Arionios, ad regia Templa, ministros, Harmoniês celebris gutture MARCVS erat: Smettónum dixêre Angli. Vocalior, ánne Pulcrior, Annae esset? lis dubitanda fuit. Pulchrior est Annae visus. Smettonus ab Anna Scribitur, innumeros inter, et ipse procos. Flagitium texêre diu Torus, atque Tenebrae; Dum soli incestam Rex putat, esse sibi. CLAVSA aperit Tempus. Majae prompsêre Kalendae, Cur oculos aliò flecteret Anna suos. Sudabat cantu, multóque Hyperione MARCVS: Sudanti Strophium deêrat. et Anna daret. Sed Pudor, atque locus, factum prohibebat, apertus. OMNIA perrumpit denique fortis amor. Sindona demittit meretrix Regalis amato, (Proh!) Famulo: et nutum blanditiásque vibrat. Quid facis, heu demens? aut, quae te in fata reservas? Non hîc est furtis, Idaliaéque locus. Ista quidem MAII lux est (Majaéque Kalendae) Sed MAIESTATEM subruet illa tuam. Harmonie MARCI dulcis, tibi fiet Amara, Totáque Smettoni Musica, Lessus erit. AETERNVM nihil est sceleri; nisi Poena. Voluptas Transcursa est; reliqua est Poena. Quid, Anna, facis? NON SEMPER furtiva latent. Rex, auspice casu, Flexerat in dominae, lumina sueta, genas. Indignanti oculo Marcúmque, et munera Marco Iacta, notat. Vulnus concipit. Ira tumet. Mox hortum, et ludos, et tota theatra, relinquit: Londinúmque fremens, regia tecta, redit. Vae tibi! vae miserae! quantum unica parvula sindon Sudorum, Anna, dabit? Lux tibi Summa venit! Suspicio violenta furit. jam et Iulia lex stat Contra suspectam: et regia jura citant. Attrahitur (mora nulla) Procus: ferit ascia moechum. Attrahitur conjunx Regia: fitque Rea. Quae nectenda dedit multis, plectenda jubetur Nunc quoque Carnifici perfida Colla dare. Colla dat, ac poenas. Et nunc jacet unica regis Vita, Puella, Vxor, Filia, Moecha, Nihil. Exultâsse ferunt Tamesin, tot caede Bonorum Nuper purpureum, nunc quoque caede Lupae: Et cecinisse; Flue! flue, turbide et improbe sanguis! A te principium Fluctibus omne meis.

Drittes Buch

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Aller Augen zieht der eine Roscius auf sich. Einzig die Boleyn verlangt andere Formen zu sehen: Einzig sie richtet anderswohin ihre schmeichelnden Blicke. [20] Unter den Arions-Dienern an der Kapelle des Königs war MARCUS berühmt wegen seiner wohltönenden Kehle. Smetton hieß er auf englisch. Ob seine Stimme oder seine Gestalt Anna lieber war, darüber hätte man kaum streiten können. Seine Gestalt erschien Anna schöner. Auch Smetton wird von Anna unter ihre zahllosen Liebhaber gerechnet. Ihre Untat bedeckten lange die Ehe und die Dunkelheit; nämlich, solange der König glaubt, sie sei unkeusch einzig mit ihm. Das VERSCHLOSSENE enthüllt die Zeit. Der erste Mai brachte ans Licht, warum Anna ihre Blicke anderswohin richtete. [30] MARCUS schwitzt beim Singen und unter dem heftigen Strahlen Hyperions. Als er schwitzte, fehlte ihm ein Tuch und Anna gäbe es ihm, doch Scham und die Öffentlichkeit verhinderten es. ALLE Bedenken durchbricht schließlich ihre heiße Liebe. Ein feines Tuch wirft die königliche Dirne ihrem Geliebten hinab, (ach!) einem Diener, und nickt ihm schmeichelnd zu. Was tust du, wehe, du Unsinnige? Für welches Geschick bestimmst du dich? Hier ist nicht Platz für Heimlichkeiten und Venus. Zwar ist dies der MAITAG (die Kalenden des Mai), aber der wird deine MAIESTÄT stürzen. [40] Die süße Harmonie des MARCUS wird dir bitter werden, Smettons ganze Musik wird deine Totenklage sein. Für die Sünde gibt es keine EWIGKEIT außer der der Pein. Die Lust ist vergangen, es bleibt die Pein. Was, Anna, tust du? NICHT IMMER bleiben die Heimlichkeiten verborgen. Der König hatte, durch einen ahnungsvollen Zufall, auf das Antlitz seiner Herrin seine gewohnten Blicke gerichtet. Mit empörtem Blick bemerkt er Marcus und das ihm zugeworfene Geschenk. Er empfängt eine Wunde. Sein Zorn schwillt. Gleich verlässt er den Park, die Spiele und das gesamte Schauspiel und kehrt tobend nach London, in den Königspalast, zurück. [50] Wehe dir! Wehe der Unglücklichen! Wieviel Schweiß wird dich, Anna, ein einziges kleines Tuch kosten! Dein letzter Tag naht! Heftiger Verdacht rast. Schon spricht das julische Gesetz gegen die Verdächtige; man zieht sie vor den königlichen Gerichtshof. Ohne Säumen wird der Liebhaber herbeigeschleppt: Das Beil trifft den Ehebrecher. Die Gattin des Königs wird herbeigeschleppt und die Anklage erhoben. Die Treulose muss den Nacken, den sie vielen zur Umarmung bot, jetzt auf Befehl auch dem Henker zur Bestrafung bieten. Sie biegt ihren Nacken und empfängt die Strafe. Und dann liegt das einzige Leben des Königs da – Mädchen, Gattin, Tochter, Ehebrecherin und Nichts. [60] Die Themse soll frohlockt haben, die eben noch vom Blut so vieler Guten purpurrot gefärbt war, jetzt auch vom Blut der Hure: Und die Themse soll gesungen haben: »Fließe, fließe, ungestümes und schändliches Blut! Mit dir nehmen alle meine Fluten ihren Anfang.

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Tu populorum Aris Tanaquil, Tu regis Amica, Tu prope Britonicae sola Topanta rei. Te Divam ille suam, te dicere Numen amabat; Nec toto est (dixit) Sanctior ANNA polô. Omnia cùm Fueris, nunc desinis Esse. potésque, ANNA quidem; sed non ANNA PERENNA cani.

5 secessus] B; secessus, A 12 quoque] B; quoque; A – cúmque] A; Cúmque B 25 Pulchrior] B; Pulcrior A 26 ipse] B; ipso A 38 Idaliaéque] B; Idaliaeque A 41 Amara,] B; Amara: A 43 sceleri;] B; sceleri, A 51 quantum] B; Quantum A 56 fitque] B; fítque A 64 meis.] B; meis: A

Drittes Buch

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Du warst für die Altäre des Volkes Tanaquil, du warst die Geliebte des Königs, du warst beinahe das Ein und Alles für Britanniens Sache. Der König nannte dich gern seine Heilige, seine Göttin; im ganzen Himmel gibt es (so sagte er) keine heiligere ANNA. Während du alles gewesen bist, hörst du jetzt auf zu sein. Und man kann dich zwar als ANNA, nicht aber als ANNA PERENNA besingen.« [70]

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HORTVS. Emissiones tuae PARADISVS malorum Punicorum, cum Pomorum fructibus. Cypri cum nardo, Nardus et Crocus, Fistula et Cinnamomum, cum universis lignis LIBANI. * Fons HORTORVM, Puteus aquarum Viventium; quae fluunt impetu de LIBANO. [Canticum] Canticor[um] 4. v.12. ELEGIA III. Hortorum Voluptas: et Viridarij descriptio.

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PRISCUM in me scelus est, olímque et morte piandum, Afflictum assidua mole gravare caput. Nam, seu cura prior cecidit, cura altera surgit: Seu nulla est, nova fit caussa, novúsque labor. Tunc ego, cùm, fractum studijs componere robur Molior, et tristem conciliare diem; Evagor: in dextra liber est, fingentibus aptus: Ad latus, è Melita fida sequela, Canis. Est prope natales, pomoeria parva, penates, Arx celsa. huc, celsae sub nemus arcis, eo. Hortus in aspectu est, culto celeberrimus arvo: Hunc lateris cocti structile cingit opus. Interiora alto vallantur claustra roseto, Quod cancellati pegmatis haeret ope. Areolas, scelus est, nulla celebrare Thalia: Hîc artem insumpsit cultor, et ingenium. I, agè, lector, obi, et mecum loca Daedala vise: Clamabis; Novus hoc stat Paradisus agro. Pulvillus circùm, tonso viridissima buxus Vertice luxuriat, tutáque septa fovet. Serpit in hac doctus variato errore character, Magnorúmque refert nomina picta virûm: Annum etiam, et Solis cursus, et pensa diei, Ferrea defixo gnomone signat acus. Florea quid memorem tibi sidera? Vix ego Noctis Tot, quot clara Horti divitis Astra, canam. Astra Viretorum, quid sunt, nisi, mille colorum Germina, Plëiadum lucidiora choris? Aspalathum Solymis celebrem, aeternúmque Amarantum Aspicio, et Veneris molle supercilium.

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Drittes Buch

DER GARTEN Dein Gewächs ist ein PARADIES von Granatäpfelbäumen mit der Frucht ihrer Äpfel, mit Cypern und Narden, Narden und Safran, Cadten und Zimmet, mit allen Bäumen des LIBANON […]. Eine Quelle der GÄRTEN, ein Brunnen lebendiger Wasser, die ungestüm vom LIBANON fließen. Hohelied 4,12–15 ELEGIE III Die Freude an den Gärten und die Beschreibung eines Parks DAS, worin ich mich gegen mich selbst versündige und was ich dereinst mit dem Tod werde büßen müssen, ist: mein leidendes Haupt mit dauernder Last zu beschweren. Denn wenn die frühere Sorge abgefallen ist, erhebt sich die nächste. Oder wenn es keine Sorge gibt, entsteht ein neuer Grund und eine neue Plage. Wenn ich dann vorhabe, meinen durch die Studien geschwächten Geist zu beruhigen und den traurigen Tag für mich zu gewinnen, schweife ich umher: In meiner Rechten habe ich ein Buch, das für Dichter geeignet ist, an meiner Seite ist ein Malteserhündchen, ein treuer Begleiter. Es gibt in der Nähe meines Geburtshauses, eines kleinen Obstbauernhofes, eine hochragende Burg. Hierher, in das Wäldchen der hohen Burg, gehe ich. [10] Ein Garten kommt mir in den Blick, hoch berühmt wegen seines gepflegten Zustandes: Diesen umgibt eine gemauerte Umzäunung aus Backstein. Der innere Bereich wird durch eine hohe Rosenhecke schützend umgeben, die an dem stützenden Gitter eines Gerüsts hochrankt. Es wäre ein Verbrechen, das Gärtchen nicht in einer Dichtung zu preisen: Hier hat der Gartengestalter Kunst und Geist eingesetzt. Auf, Leser, komm, tritt heran und besuche mit mir den kunstvoll gestalteten Ort: Du wirst ausrufen: »An dieser Stelle ist ein neues Paradies.« Wie ein kleines Kissen steht ringsum üppig dunkelgrüner Buchs, seine Spitzen sind abgeschnitten, und er bildet eine sichere Einfriedung. [20] Es wuchert in diesem gelehrte Schrift in verwirrendem Labyrinth und nennt malerisch die Namen großer Männer. Eine eiserne Nadel bezeichnet als angehefteter Zeiger der Sonnenuhr auch das Jahr, die Bahnen der Sonne und die Aufgaben des Tages. Was soll ich dir von den aus Blumen gebildeten Sternen erzählen? Kaum könnte ich dir so viele helle Sterne der Nacht nennen, wie der reiche Garten hat. Was sind die Sterne des Parks wenn nicht tausend farbige Knospen, leuchtender als der Chor der Pleiaden? Das in Jerusalem berühmte Rosenholz und das immer blühende Tausendschön erblicke ich und die weiche Venusbraue. [30]

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Tum Caltham, solis vultus atque astra sequentem: Te, Narcisse puer, téque, Hyacinthe puer! Sunt etiam hîc violae flaventes? est Libanotis: Et blando multa stat rosa panda sinu. Caerula non absunt, non desunt Lilia gilva; Non, quae Sarrani muricis imbre rubent. Vltima, et (heu!) Verni jam temporis ultima meta, Candida odorifero lilia caule tument. In medio est gelidis sedes accomoda Nymphis: Fons salit, et vivas arbor opacat aquas: Hujc, sitiens nemoris custos, arentia mergit Labra; nec exsuccam flumine fraudat humum. Quid, Babyloniacis suspensa Vireta columnis, PRODIGIVM, et magnum dicimus Orbis Opus? Illa quidem pendent, jejunáque lumina pascunt: Nubibus, et nudo crescere jussa Iovi: Infrà quisquis erit, nihil inde asportat. At hortus Iste, Homines ditat Flore, et odore, Deos. 5 studijs] B; studijs, A 8 sequela,] B; sequela A 18 agro.] B; agro! A 19 pulvillus] B; pulvillos A 32 Te,] B; Te A 33 flaventes?] B; flaventes: A 40 arbor] B; Arbor A

ELEGIA IV. Historica. SVSANNA in HORTO. I. Danielis 13. Erat vir habitans in Babylone, et nomen ejus Ioakim. Et accepit vxorem, nomine Susannam, filiam Helciae, pulcram nimis, ac timentem Deum. * Erat autem Ioakim dives valde: et erat ei Pomarium vicinum domui suae: et ad ipsum confluebant Iudaei; eò, quòd esset honorabilior omnium. Et constituti sunt de populo duo Senes Iudices, in illo anno. * Isti frequentabant domum Ioakim; et veniebant ad eos, omnes, qui habebant judicia. Cùm autem populus revertisset, per meridiem: ingrediebatur SVSANNA, et deambulabat in Pomario viri sui. Et videbant eam Senes quotidie ingredientem et deambulantem. * Factum est autem, cùm observarent diem aptum; ingressa est aliquando, sicut heri et nudiustertius, cum duabus solis puellis: voluítque

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Dann die Ringelblume, die dem Antlitz der Sonne und den Sternen folgt, dich, Knabe Narcissus, und dich, Knabe Hyacinthus! Gibt es hier auch gelbe Veilchen? Es gibt Rosmarin, und viele Rosen stehen da, prangend mit weit geöffneter Blüte. Blaue Lilien fehlen nicht, es fehlen nicht honiggelbe, auch nicht die, die rot sind von dem Saft der Sarranischen Purpurschnecke. Als letzte, und ach!, schon als letzte Station der Frühlingszeit, stehen die weißen Lilien da, üppig, mit duftendem Stempel. In der Mitte befindet sich ein passender Sitz für die Nymphen des kühlen Nass’, eine Quelle springt hervor und ein Baum beschattet das lebendige Gewässer. [40] Dahinein taucht der durstige ›Wächter des Waldes‹ seine trockenen Lippen; und doch betrügt er den ausgetrockneten Boden nicht um das Wasser. Warum nenne ich die auf Babylonischen Säulen hängenden Gärten ein großes WELTWUNDER? Jene hängen zwar und nähren hungrige Blicke, zu wachsen geheißen den Wolken und dem freien Himmel entgegen: Wer immer darunter sein wird, der hat nichts davon. Aber dieser Garten bereichert die Menschen und Götter mit Blumen und Duft.

ELEGIE IV Historischen Charakters SUSANNA im GARTEN I. Daniel 13,1–16 Ein Mann wohnte zu Babylon, der Joakim hieß. Dieser nahm ein Weib, Susanna genannt, eine Tochter Helcias, die sehr schön war, und Gott fürchtete. […] Joakim aber war sehr reich, und hatte einen Baumgarten, der nahe bei seinem Hause war; und die Juden kamen bei ihm zusammen, weil er unter allen der ansehnlichste war. Und man bestellte in diesem Jahr aus dem Volke zwei Älteste, Richter […]. Diese kamen oft in das Haus Joakims, und alle, die etwas vor Gericht suchten, kamen (dahin) zu ihnen. Wenn aber das Volk um die Mittagszeit wieder weggegangen war, begab sich SUSANNA in dem Baumgarten ihres Mannes, zu lustwandeln. Und die Ältesten sahen sie täglich hineingehen und herumwandeln; […]. Es begab sich aber, da sie auf einen gelegenen Tag warteten, daß Susanna, von zwei Mägdlein nur

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lavari in Pomario: Aestus quippe erat, et non erat ibi quisquam, praeter duos Senes, absconditos. Et quae praeterea in historia subsequuntur. vir] B; Vir A ejus] B; eius A Ioakim] B; Ioackim A vxorem] B; Vxorem A Deum.] B; Deum A judicia] B; iudicia A autem, cùm] A; autem cùm B Aestus] B; aestus A

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HORTORUM ante alios Amor est tolerandus amores; Hôc, tutum et facile est, Pulcra videre, loco. Insidias tantùm Cypridis, latebrásque caveto, O, cujcunque Nemus frondeáque umbra placent. Praecipuè hîc juvenes moneo, timidásque puellas: Casta licèt, sociâ nequa puella care. Integra si mens est, vitio tua fama fatiscet; Si sociam excludas, dum loca sola petes. Inter Idumaeas ut erat pulcerrima natas, Quas Babylon vidit, quas Solymaeus ager: Sic Babyloniacas inter castissima nuptas SVSANNA (Hebraeis finibus exul) erat. Forma venustabat vitam, sine labe decoram: Vir dives nuptae contigit, illa Viro. Exilij supra sortem res ampla; penates Augusti; et, quae vel regia tecta putes. Hîc fora captivae, juratáque curia genti: Hîc jura Isacides praetor Hebraea dabat. Huc reus, huc judex, huc actor, et ora patrona, Portabant lites, ambiguámque Themin. Pulcra domus decuit: sed plus vicina decebat Vrbica pomiferis consita sylva toris. Artifici stirpes positae quincunce virebant: Pomorum pretio non erat ordo minor. Hîc Citria, hîc medico redolentia Medica flore, Hîc mixta auratis Punica mala pyris. In medio, mirum naturae artísque theatrum, Nativo stabat pumice ducta specus. Pumicibus mistae cautes: de cautibus, alto Pendula subsultu, viva cadebat aqua. Neve parùm foret undarum pretiosa ruina: Stratum erat è Parij marmoris arte solum. Praecipites marmor latices, spumámque bibebat: Exciso undabant pura lavacra lacu.

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begleitet, nach ihrer Gewohnheit in den Baumgarten ging, sich zu baden; denn es war heiß. Es war niemand darin außer den zwei Ältesten, welche sich verborgen hatten und nach ihr schauten usw.

Eine Vorliebe für GÄRTEN ist vor allen anderen Liebhabereien zu gestatten. An diesem Platz ist leicht und sicher Schönes zu betrachten. Nur soll sich vor den Nachstellungen und den Fallen der Venus, oh, ein jeder hüten, dem ein Hain und ein laubichter Schatten gefallen! Vor allem ermahne ich hier die jungen Männer und die furchtsamen Mädchen. Magst du auch keusch sein, Mädchen, lass dich von einer Freundin begleiten! Auch wenn dein Sinn lauter ist, wird sich dein guter Ruf übler Nachrede aussetzen, wenn du eine Freundin ausschließt, sobald du einsame Plätze aufsuchst. Wie die allerschönste war unter den jüdischen Mädchen, die Babylon, die das Gefilde von Jerusalem sah, [10] so war SUSANNA (im Exil aus dem Land der Hebräer) unter den Frauen von Babylon die keuscheste. Ihre Schönheit war Zier eines ehrenvollen Lebens ohne Makel. Ein reicher Mann bekam sie zur Frau, sie ihn zum Manne. Besser, als das Exil es erwarten ließ, waren ihre Lebensumstände: ein stattliches Haus und so beschaffen, dass man es für einen Königspalast halten könnte. Hier waren der Markplatz und das Geschworenengericht für das gefangene Volk [der Juden], hier sprach ein jüdischer Richter hebräisches Recht. Hierher trugen der Angeklagte, hierher der Richter, hierhin der Anwalt und die Vormünder ihre Rechtsstreitigkeiten und die Zweifelsfragen der Rechtsprechung. [20] Das schöne Haus passte dazu, mehr aber noch passte dazu ein städtischer Hain in der Nähe mit zahlreichen baumbestandenen Ruheplätzen. In kunstvollen Fünfergruppen ergrünten Sträucher, nicht weniger wertvoll war der Bestand an Obstbäumen. Hier Zitrusbäume, hier Orangen, duftend in Medischer Blüte, hier Granatäpfel, gemischt mit goldgelben Birnen. In der Mitte, und das war ein wunderbares kunstvolles Naturtheater, stand eine aus Naturstein erbaute Grotte. Den Steinen waren Felsen untermischt, von den Felsen fiel herab, schwebend in hochspritzendem Guss, lebendiges Wasser. [30] Und als wäre das nicht genug des kostbar herabstürzenden Wassers: eine kostbare Ruine, war der Boden kunstvoll gepflastert mit Parischem Marmor. Den Marmor benetzte von oben schäumendes Nass, und in einem ausgehöhlten Bassin wellte sich reines Wasser zum Baden.

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Grata quies aestu fessis: vivúmque sedile, Rupes, et verni cespitis herba, dabant. Circùm umbrae, ac densum platanis nigrantibus antrum, Pendebat, Solem fronde fugante, Nemus. Fontibus ex illis, et amoenae gurgite conchae, Furtivas aliò rivus agebat aquas: Ac per opaca fluens tacito pomaria lapsu, Mollibat succo fertiliore solum. Ibat ad hos, media jam fracta luce, recessus SVSANNA. Hic illi, à conjuge, solus amor. Hic Castae ludus: Rhodus hôc et saltus in horto. Hoc solùm errabat (caeterà justa) loco. Sole sub aestivo Zephyros captabat et Euros: (Flabellum melius non daret artis opus) Hîc respirabat, quotiésque accesserat; Euge, Conscius hinc (inquit) consciáque omnis abest. Este procùl, procùl hinc oculi, visúsque protervi: Praecipuè hinc oculus se juvenilis agat. HEI, quid agis? Iuvenilem oculum, matrona, repellis: Nec tamen ex illo, quod verearis, habes. Te SVSANNA Senes, propiúsque procúlque notârunt: Et Duo sunt, quibus es saepe notata, Senes. Difficile est Vni Geminos vitare latrones: Quod duo viderunt, concupiêre duo. Turpe quidem capularis Amor: Turpe, albus adulter; Et, quae sub Cineris funere flamma latet: Sed, quid ages? Non curat amans, quotus avolet annus? Tantùm, ne voti transvolet ansa cavet. Hos tu si spernas, et, quam profitentur orexin, Immoto damnes torva supercilio; Ne ferrum, generosa, time: nihil ense nocebunt: Iudicium et linguas, perfidáque ora vibrant. Intactam, ut tactam, totâ Babylone crepabunt. Quid refert? Malus hic, sed Tibi, rumor erit. Crimen (ne dubita) diducent. Hîc tua caussa Concidet: à geminis Testibus una cades. Haec ego: sed frustra; nec enim Susanna movetur Carmine: nec Bona mens tam mala fata timet. FORTE dies solito flagrantior auxerat aestum, Dum calidus toto Sirius ore latrat. Iámque infra medium properantior aethera Titan Sudantes cursu praecipitabat equos. In Pometa redit, velut antè solebat, et antè, SVSANNA: hîc ventos captat, ut antè, suos. Sed nusquam venti, nusquam Zephyritides aurae:

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Den von der Sommerhitze Müden eine willkommene Ruhe, und die Felsen und das Gras einer frühlingshaften Rasenbank gewährten einen lebendigen Sitzplatz. Ringsum fiel Schatten und wölbte sich – eine dichte Grotte aus schwarzen Platanen – ein Hain, dessen Laub die Sonne vertrieb. Aus jenem Quell und einem Brunnen in anmutiger Muschelgestalt trieb der Bach verborgene Wasser auch anderswohin [40] und weichte – in stillem Strömen durch die schattige Obstplantage – mit nährendem Nass den Boden auf. Am frühen Nachmittag ging SUSANNA zu diesem entlegenem Ort. Dies war ihre einzige Liebe neben dem Gatten. Hier der Spielplatz für die Keusche und in diesem Garten ihr ›Rhodischer Sprung‹. Nur an diesem Ort spazierte sie (auf geradem Wege) herum. Unter der sengenden Sonne genoss sie die Zephyr- und Euruswinde (eine bessere Kühlung könnte kein Werk der Kunst bewirken), hier atmete sie jedes Mal auf, wenn sie sich dem Ort näherte. »Wohlan denn« (sagte sie) »kein männlicher oder weiblicher Mitwisser ist da. [50] Bleibt fern, fern von hier, ihr Augen und frechen Blicke! Vor allem das Auge der Burschen soll sich von hier fortmachen!« »ACH, was tust du? Den Blick eines Burschen, ehrwürdige Frau, wünschst du hinweg? Und doch hast du von einem solchen nichts zu befürchten. Dich, SUSANNA, haben Alte aus der Nähe und der Ferne beobachtet; und zwar sind es zwei Alte, von denen du oft beobachtet wurdest. Schwer ist es für eine allein, zwei Räubern zu entgehen. Was die zwei erblickten, wollten die zwei haben. Schändlich ist doch eine Liebe, die dem Grabe nahe ist. Schändlich ein weißhaariger Buhler und eine Flamme, die unter Asche begraben liegt. [60] Aber was soll man tun? Ein Liebender kümmert sich nicht darum, wie viele der Jahre dahinflogen, nur davor hütet er sich, dass die sich bietende Chance vorbeifliegt. Wenn du diese zurückweist und das Begehren, das sie bekennen, ohne mit der Wimper zu zucken, stolz verschmähst, dann fürchte, edle Frau, nicht das Eisen; nicht mit Schwertes Gewalt werden sie dir schaden, setzen [vielmehr] das Gerücht und üble Nachrede in Bewegung. In ganz Babylon werden sie dich, die Unverführbare, wie eine Verführte beschimpfen. Wie das? Das Gerücht wird böse sein, und zwar für dich. Den Vorwurf werden sie (zweifele nicht!) verbreiten. Darunter wird deine Sache zusammenbrechen. Alleinstehend wirst du fallen unter zwei Zeugen.« [70] Soweit meine Rede. Aber vergebens. Denn Susanna lässt sich nicht durch ein Gedicht bewegen, und eine gute Gesinnung fürchtet nicht ein so böses Geschick. ZUFÄLLIG hatte ein heißerer Tag als sonst die Hitze vermehrt, während der glühende Sirius aus ganzem Maule bellte: Und Titan hatte eiliger schon über dem Scheitel des Himmelsbogens die schwitzenden Pferde im Laufe herab getrieben. Und SUSANNA ging, wie sie es früher schon immer wieder zu tun pflegte, in den Baumgarten. Hier wollte sie sich, wie früher, Kühlung im Wind verschaffen. Aber nirgendwo Winde, nirgendwo ein Zephyrhauch.

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Abnuerántque omnem nubila nulla Notum. Traxerat et famulas; I, Myrrhina (dixit) et Abra, Ite citae: properâ smegmata ferte manu. Ferte simul byssúmque novam, tunicámque recentem; Imbutúmque oleo liquidiore vitrum. Dixerat. Illae abeunt: sed enim priùs ostia claudunt, Per quae legitima est, anteriórque via. Pseudothyrô digressae ambae, mandata facessunt: Ast Hera fontani tendit in antra lacus. 16 Augusti;] B; Augusti, A 32 stratum] A; stracum B 48 (Flabellum… non… opus)] B; Flabellum.… num… opus? A 64 supercilio;] B; supercilio, A 66 vibrant.] B; vibrant A 71 movetur] B; movetur. A 83 recentem;] B; recentem, A

II. A versu 19 Cùm autem egressae essent puellae; surrexerunt Duo Senes, et accurrerunt ad eam, etc.

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Hîc lotura sedet: sed, ne malè tuta sederet, Omnia circùm oculis, nequis adesset, obit. Nemo videbatur. Tantummodo frondis opacae Sub tegete, et platano, parva sedebat avis. Haec aestum et curas insueta dulciter hora Decipiens, varium laeta trahebat epos. Audit; et auditâ capitur; penitúsque lavacris, Si digito insideat, praeposuisset avem. Avolat haec demum: fugientem, fronte supinâ Atque oculis sequitur: nec revocare, datur. Hoc ipsum incendit faciem. Sudore fluebant Ora, superfuso digna refrigerio. Marginis in summo vernabant cespite flores; Hos plenâ in fascem colligit illa vola. Fit cumulus, justúmque manus gravat aspergillum: Hôc sparsura genas, si madefiat, erat. Ergo immergit aquis: in aquis, dum pendula tingit Germina, visa sibi est Ora videre Virûm. Mox plusquam Ora virûm: quotiésque resederat unda Sparsa, Duos cernit (sic dedit umbra) Senes. Prô facinus! quae me Stygijs simulacra fatigant

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Der wolkenlose Himmel hatte den Notus gänzlich verweigert. [80] Und sie hatte ihre Dienerinnen gerufen: »Geht« (sagte sie) »Myrrhina und Abra, geht schnell, bringt mir mit flinker Hand das Badezeug herbei. Bringt mir ein neues luftiges Gewand, ein frisches Hemd und eine Flasche mit klarstem Öl.« Sprach’s, jene gehen, aber vorher schließen sie die Pforte, durch die der rechtmäßige Hauptweg führt. Beide entschwinden durch eine Hintertür, eilfertig, den Auftrag zu erfüllen. Ihre Herrin aber zieht es zu der Grotte mit dem Quellsee.

II. Von Vers 19 an: Nachdem aber die Mägdlein hinausgegangen waren, machten sich die zwei Ältesten auf, liefen zu ihr hin usw. Hier setzte sie sich hin, um zu baden. Aber um nicht ungesichert dort zu sitzen, mustert sie ringsherum alles mit den Augen, dass keiner dabei sei. Niemand war zu erblicken. Nur saß unter dem schattigen Laubdach einer Platane ein kleiner Vogel. Zu ungewohnter Stunde ließ er angenehm die Hitze und die Sorgen vergessen und entspann freudig eine bunte Geschichte. Sie hört es und lässt sich von dem Gesang des Vogels ergreifen, und wenn er sich auf ihren Finger setzen würde, hätte sie den Vogel durchaus dem Bade vorgezogen. Schließlich fliegt er weg; sie blickt empor und verfolgt den Wegfliegenden mit den Augen; aber es ist ihr nicht vergönnt, ihn zurückzurufen. [10] Eben dies entflammt ihr Antlitz. Von den Wangen floss der Schweiß, würdig einer Abkühlung durch einen Wasserguss. Oben auf der Rasenbank erblühten Blumen am Rande. Diese sammelt sie in einem Bunde mit voller Hand. Es wird ein Strauß, und ein richtiger Wedel liegt so in ihrer Hand. Damit wollte sie die Wangen besprengen, wenn er befeuchtet würde. Also tauchte sie ihn ins Wasser. Während sie die herabhängenden Pflanzen des Straußes benetzte, schien es ihr, als erblicke sie im Wasser die Gesichter von Männern. Bald mehr als nur Männergesichter. Immer wenn sie da saß und sich mit Wasser besprengte, sah sie zwei alte Männer (so verriet es deren Spiegelbild). [20] »O Schande! Was für Bilder quälen mich mit teuflischem Trugwerk?

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Lusibus? Hinc atque hinc à Sene cingor (ait) Insimul erigitur; retróque paventia flectit Lumina. Prosiliunt, en, duo monstra, Senes. Vt viso tremit agna lupo, vel cerva Leone, Vt pavet accipitris stricta columba minis: Sic SVSANNA animis, sic corpore fluctuat omni: Pallet ad aspectos, ceu nova cera, Viros. Illi infanda petunt; si spernat, acerba minantur: Et, quae praeterea Musa pudórque vetant. 3 Tantummodo] B; Tantummodo, A 24 monstra,] B; monstra A

III. A versu 22. Ingemuit SVSANNA, et ait; Angustiae sunt mihi undique. Si enim hoc egero; Mors mihi est: si autem non egero, non effugiam manus vestras. Sed meliùs est mihi, absque opere incidere in manus vestras, quàm, peccare in conspectu Domini. Et exclamavit voce magnâ SVSANNA. Exclamaverunt autem et Senes adversùs eam. etc.

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Excutit illa Senes: fontémque procósque perosa, Ingemit, et clarâ Sidera voce ciet; Hej me (inquit) Vos ô Superi, túque arbiter Orbis, Eripite! implexus me labyrinthus habet. Hinc premor, indè premor. Si, quod voluêre, recuso, Innocuae crimen suppliciúmque struent. Sin maculor: sit salva licèt, sit libera vita; Vitta tamen Nuptae, ménsque, pudórque jacent. Quod scelus eluerit (certum est) non Tigridis unda; Non, Euphrataeo quae vada ponte sonant. MORS, utrimque palàm est. Sed, sed, SVB IVDICE FALSO, IVDICE QVAM COELO, PRAESTAT obire, Viri. Dixit. et ingenti ferit aurea sidera Voce: Clamanti occlamant, voce sequace, Senes. Illa fugam, Zonámque simul cum cursibus aptat. Cursantem alteruter, dum tremit ipsa, praeit. Dimovet obstantis ferrata repagula portae: Irruit, et caussas serva caterva rogat. Posset Hera, et vellet, veras exponere caussas: Impediunt lacrimae, fictáque verba Senum. Hi famulis fucum, et mentita cubilia narrant: Serviles (pulcrum est) erubuêre genae. Caetera, quis nescit? raptam in praetoria castam?

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Hier und dort« (sagt sie) »werde ich von einem alten Mann belagert.« Zugleich richtet sie sich auf und schaut ängstlich zurück. Sieh da, die beiden Ungeheuer, die alten Männer, springen hervor. Wie ein Schaf erzittert, wenn es den Wolf erblickt, oder eine Hirschkuh vor einem Löwen, wie die Taube sich fürchtet, gebannt vom Drohen des Habichts, so erzittert SUSANNA im Innern, so am ganzen Körper. Beim Anblick der Männer erbleicht sie wie frisches Wachs. Von ihr verlangen sie Unsägliches; wenn sie es verweigere, drohen sie Schreckliches an. Und außerdem, was Muse und Scham [zu sagen] verbieten. [30]

III. Von Vers 22 an: Da seufzte SUSANNA, und sprach: Ich bin bedrängt von allen Seiten; denn wenn ich das thue, so bin ich des Todes; thue ich’s aber nicht, so entkomme ich nicht euren Händen. Aber ich will lieber ohne die That in eure Hände fallen, als sündigen vor dem Angesichte des Herrn. Und SUSANNA schrie mit lauter Stimme; und auch die Ältesten schrieen wider sie. Sie schüttelt die alten Männer ab, und mit Abscheu vor der Quelle und den Freiern stöhnt sie auf und mit lauter Stimme bewegt sie die Sterne: »Weh mir« (sagt sie) »oh ihr Himmlischen und du, Weltenrichter, errettet mich! Ein Labyrinth hält mich gefangen. Von hier und von dort werde ich erpresst. Wenn ich, was sie wollten, verweigere, werden sie mir trotz meiner Unschuld Gericht und Strafe auferlegen. Wenn ich mich aber beflecke, liegt, mag auch mein Leben unversehrt, mag es frei sein, doch die Binde der Ehegattin, liegen reiner Sinn und die Scham am Boden. Dieses Verbrechen (es ist gewiss) können weder die Welle des Tigris noch die Wasser, die unter der Euphratbrücke rauschen, sühnen. [10] Auf beiden Seiten droht offen der Tod. Und doch, und doch, ihr Männer: ES IST BESSER, VOR EINEM FALSCHEN RICHTER ALS VOR DEM RICHTER IM HIMMEL dahin zu gehen.« Sprach’s und mit ungeheurer Stimmkraft erreicht sie die goldenen Sterne. Als sie so schreit, schreien die alten Männer im Echo dagegen. Sie sucht die Flucht und richtet zugleich ihren Gürtel beim Laufen. Beide kommen der Laufenden, dieweil sie erzittert, zuvor. Sie entfernt die eisernen Riegel der entgegenstehenden Pforte, stürzt hinein, und die Schar der Diener fragt nach den Gründen. Es könnte die Herrin und wollte auch die wahren Gründe erläutern, doch hindern sie Tränen und die erlogenen Worte der alten Männer. [20] Die erzählen den Dienern Falschheiten und erlügen ein Beilager. Die Wangen der Diener (das ist schön) erröteten. Im übrigen, wer weiß es nicht? Dass sie, die Keusche, vor Gericht geschleppt wurde, und dass sie dank der beiden Zeugen angeklagt wurde, und dass sie öffentlich dazu verurteilt wurde, im Innern unschuldig, die babylonische Strafe der Steinigung zu erwarten?

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Et gemino factam Iudice teste Ream? Damnatámque palàm, innocuo Babylonia saxa Exspectâsse animo? Rescidit acta PVER: Aetherióque ardens sensu, revocavit iniqui Scita Fori: nocuos substituítque Procos. Convicti, sine lite, Senes, sine vindice Poenam, Quam struxêre probae, lege jubente, ferunt. Intacta ut vitio, sic diri pondere saxi, Nupta redit, nullo foeda reperta toro. Vir gaudet, genitórque pius, matérque fidelis: Cum Domina visa est Laetitia ipsa redux. Ergò domum, velut antè, colit. POMARIA tantùm Vitâsse, et gelidi dicitur antra Lacûs. Exemplo hoc, cave Sola HORTOS; cave, faemina, sylvas: SVB Folijs multi delituêre doli. Casta licèt subeas: Stygius latet Anguis in herba. Si SVSANNA diu, non stetit EVA diu. 7 maculor:] B; maculor; A vita;] B; vita, A 20 lacrimae] B; lacrymae A 37 HORTOS;] B; HORTOS, A

ELEGIA V. Historica. ANTI-SVSANNA. Hanc ANTI-SVSANNAE nomine insignimus (VIOLAM nobis dictam) quòd contrarium castissimae SVSANNAE animum in HORTIS tenuerit. Rem gestam plures referunt auctores, sed recentiùs Ioannes Pauli in Iocoserijs: cujus haec narrationis est summa. MATRONAM, forma pariter ac nobilitate praecellentem, absente Viro, procax juvenis deperibat. cùm inflectere pudicam non promissis, non blanditiarum frequentatione posset: Vetulam convenit (quam LAVSAM nomino) consilium capturus. Haec, Amore lenociniísque praemio audito, ad sollicitatam pergit: Inter Viridaria colloquitur; unà secum CATELLAM, multo pipere sinapíque, post longam esuriem, devorato lacrymantem, adducens. Miranti sciscitantíque fletûs in Catella caussam, mentitur; Hanc Filiam fuisse suam, nunc, (inauditâ in Caniculam metamorphosi) veterem culpam luere, quòd amoris mutui pertinaci repulsa, Iuvenem amatorem ad necem adegisset. Caveret proinde pudicissima; Ne, sideribus iratis, in eadem Catellae fata incideret, quae duritiem proco eandem exhiberet.

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Ein KNABE durchschnitt das Geschehen, und erbrennend in himmlischem Sinn widerrief er die Beschlüsse des ungerechten Gerichtes und machte an ihrer Stelle die schuldigen Freier zu Angeklagten. Ohne Widerspruch wurden die alten Männer überführt, ohne Widerspruch haben sie, da das Gesetz es will, die Strafen zu ertragen, die sie der Rechtschaffenen zugedacht haben. [30] Die Ehefrau kehrt von der Sünde wie von dem Gewicht eines schweren Steines entlastet zurück, keines Ehebruchs für schuldig befunden. Ihr Mann freut sich, auch der fromme Vater und die treue Mutter; mit der Herrin schien die Freude selbst heimgekehrt zu sein. Also hütet sie wie zuvor das Haus. Nur soll sie die BAUMGÄRTEN und die Grotten mit kühlem Wasser gemieden haben. Nach diesem Beispiel hüte dich, Weib, wenn du allein bist, vor den GÄRTEN, hüte dich vor den Wäldern! UNTER den Blättern lauern viele Gefahren. Magst du auch keusch hineingehen, die teuflische Schlange lauert im Grase. Wenn auch SUSANNA lange standhielt, nicht hielt doch EVA lange stand.

ELEGIE V Historischen Charakters ANTI-SUSANNA Diese bezeichnen wir mit dem Namen ANTI-SUSANNA (von uns VIOLA genannt), weil sie eine der keuschen SUSANNA entgegengesetzte Gesinnung im GARTEN hegte. Das Geschehen berichten mehrere Autoren, neuerdings aber Johannes Pauli in seiner Sammlung Schimpf und Ernst. Dies ist der Grundriss der Geschichte. Ein vorwitziger junger Mann verliebte sich unsterblich in eine an Schönheit und Adel gleichermaßen herausragende EHEFRAU – in Abwesenheit des Gatten. Als er die Keusche weder durch Versprechungen noch durch dauernde Schmeicheleien herumkriegen konnte, traf er sich mit einer alten Vettel (die ich LAUSA nenne), um Abhilfe zu schaffen. Als diese von Liebe und einer Belohnung für die Kuppelei hörte, machte sie sich auf zu der, auf die man es abgesehen hatte. Die Unterredung fand im Garten statt; mit sich führte sie ein HÜNDCHEN, das Tränen in den Augen hatte, da es nach langem Hungern viel Pfeffer und Senf verschlungen hatte. Als jene sich wunderte und den Grund des Weinens beim Hündchen wissen wollte, gab sie lügnerisch vor: Dieses sei ihre Tochter gewesen, büße aber nun (in einer unerhörten Verwandlung in einen kleinen Hund) eine

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Suasit simplici, persuasit improbae, dictavit flagitium celeratae, nefanda Dipsas. Hoc SVSANNA nec factum credidisset: nec creditum, plus quàm DEVM, timuisset. fuisse suam,] B; fuisse suam. A pudicissima] B; Pudicissima A

I. VIOLAE matronae constantia.

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SEPTIMUS antiqua TiberI lapis urbe recedit: Arx illic, viridi stat celebrata jugô. Hanc genus insigne, et centesimus incolit haeres; Illustris laudum Vir forìs atque domi. Tanto digna toro conjunx, et stemmate digna, Obtigit, in paucos invenienda toros; Nomen an edicam? meliùs, sine nomine vero, Si picta Violam dixero voce, loquar. Castior in tota, quàm longè finditur Istro, Non fuit Europâ: Fama, Deúsque sciunt. Forma illi damno fuit, et peregrina libido: Et plus quàm forma ac Cypris, Anile scelus. Res ità fortè tulit: Diversas ivit in oras Vir, fidae certus conjugis, atque domûs. Vix ierat: Iuvenis vicinâ venit ab vrbe, Illicitae dudum saevus amore facis. Par illi Generis, sed censu clarior, ortus: Ille nepos Croesi; nostra, trineptis erat. Ingreditur, tentátque domum, dominámque lacessit: Provocat ad Cypriae furta nefanda Deae. Quid facis? insano tetigisti limina calce; Non habet hîc Helene, non Paris ipse locum. Candida conjugij, nullo temeranda colore, Aut fuco, lex est. VIR, licèt absit, adest. CONIVGIS è fidae non exit pectore Conjunx: IPSE Larem, sed non deserit illa Fidem. Haec VIOLAE responsa tulit delusus adulter: Et, quoties redijt, talia saepe tulit. Irritus intrârat bis, ter; bis térque furorum Irritus exierat. Quid nisi restet ANVS? Non tamen invenit, quae carmine frangeret iras; Nec, cujus cantu mollior iret Amor. Par animus VIOLAE semper, par criminis horror.

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alte Schuld ab, weil sie in hartnäckiger Ablehnung wechselseitiger Liebe einen liebenden Jüngling in den Tod getrieben habe. Deshalb solle sich die Keuscheste der Keuschen davor hüten, dass ihr, welche die gleiche Härte ihrem Freier gegenüber an den Tag lege, im Zorn der Sterne nicht das gleiche Schicksal wie das des Hündchens zuteil werde. Dies riet die ruchlose Schlange der Einfältigen, überzeugte die Unredliche, diktierte die Schandtat der Verbrecherin. SUSANNA hätte nicht geglaubt, dass dies so geschehen sei, und hätte es, auch wenn sie es geglaubt hätte, nicht mehr gefürchtet als GOTT. I. Die Standhaftigkeit VIOLAS, der Ehefrau Von der alten Stadt des Tiberius entfernt steht der SIEBENTE Meilenstein. Dort erhebt sich eine berühmte Burg auf grünem Hügel. Diese bewohnt ein berühmtes Geschlecht, und zwar der hundertste Nachkomme, ein in Heimat und Fremde hochgerühmter Mann. Er bekam eine solcher Ehe würdige und einer solchen Ahnenreihe würdige Gattin, die man nur zu wenigen [vergleichbaren] Beilagern finden kann. Soll ich den Namen sagen? Besser, wenn ich sie – ohne den wahren Namen – mit dem sprechenden Namen ›Viola‹ nenne. In ganz Europa, das die Donau durchfließt, gab es keine Keuschere. Ihr guter Ruf und Gott wissen das. [10] Zum Unheil wurden ihr ihre Schönheit und von außen kommende Begier – mehr noch als Schönheit und Venus die Schandtat einer alten Frau. Die Sache trug sich etwa so zu: In verschiedene Länder verreiste der Mann, der treuen Gattin gewiss und seines Hauses. Kaum war er gegangen, kam ein junger Mann aus der benachbarten Stadt, schon lange wild entbrannt von der Fackel unerlaubter Liebe. Von Geburt aus im Rang der Familie gleich, aber an Vermögen glänzender. Er war ein Enkel des Croesus, unsere Heldin [nur] eine Enkelin im fünften Glied. Er kommt herein, besucht das Haus und reizt die Herrin, will sie verlocken zum unsäglichen Vergehen der Cyprischen Göttin. [20] »Was tust du? Mit unheiligem Schritt hast du die Schwelle berührt. Hier haben nicht Helena, erst recht nicht Paris ihren Sitz. Es gilt das Gesetz der reinen Ehe, durch keine Färbung und Schminke verletzbar. Zwar ist der MANN abwesend, doch ist er da. Der Gatte entschwindet nicht aus dem Herzen einer treuen EHEFRAU. Zwar lässt ER das Haus, nicht aber sie die eheliche Treue hinter sich.« Diese Antworten VIOLAS ertrug der verspottete Liebhaber, und sooft er zurückkehrte, trug er solche davon. Vergeblich war er zwei-, dreimal hereingekommen, zwei- und dreimal war er ohne Erfolg seiner rasenden Liebe hinausgegangen. Was bleibt ihm übrig als eine ALTE FRAU? [30] Trotzdem findet er keine, die den Zorn durch Zaubersprüche brechen könnte und auch keine, durch deren Gesang seine Liebe erträglicher würde. Immer die gleiche Gesinnung VIOLAS, immer der gleiche Abscheu vor dem Verbrechen.

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Ad Lausam demum venit amator anum. Hujc; Fer opem (dixit) si quam potes, optima Matrum: Non magicis opus est artibus: arte potes. En, morior! Tua te pietas, spectatáque virtus, Ne mihi non prosis, admonet: Vror, Amo! Adjicit et pretium verbis: et, plura daturum, Si modò juvisset, jurat. At illa; Iuvo! Tu modò nil perplexus (ait) depone laborem: Ad dominam, quarto Sole cadente, redi. 6 toros;] B; toros. A 8 picta] B; pictâ A 39 Adjicit] B; Adijcit A

II. Aniculae lenae, mira fraus, ad Pudicae constantiam labefactandam. Aniculae] B; Aniculae, A

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Intereà variô mulier se turbine versat; Quid struat? invenit denique Lausa dolum. Occurrit vafrae Melitaea Canicula fraudi: Excipit hanc; clausae cogit in antra casae: Tres ibi Titanas, totidem Titanidas umbras, Absque cibo Catulam condit, et absque vado: Quarta diem attulerat, reparato Memnonis ortu; Latranti tandem porgitur offa Cani. Hanc fera cingiberis radix, saevúmque sinapi, Et triti piperis fecerat aura gravem. Quid diuturna fames distinguat? in obvia passim Involat, et saturat macra catella gulam. Continuò, assiduis destillant lumina guttis: Flet Canis, ut, charo in funere, fleret Homo. Lausa, sinu condens flentem; Nunc vicimus! (inquit) Egreditur tectis, ad Violámque venit. Manè erat herbosum: Verno matrona vireto, Floribus in laetis laetior ipsa, vacat. Nunc thyma convellit, nunc praeproperos Narcissos. Casta cave! In flore hoc crimen, et omen, habes! Vt venit, dixítque suam, retulítque salutem, Nota, (sed ignotae duplicitatis,) Anus: Incipit; Adventûs coelum est mihi causa, sacríque, Quos tibi sermones jungere saepe libet. Iunximus his similes alterno saepius ore: Si quid habes, vltrò confer, et aure bibam.

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Schließlich geht der Liebhaber zu Lausa, einer alten Frau. »Mir hier« (sagte er) »komm zu Hilfe, soweit du kannst, beste der Mütter. Keiner magischen Künste bedarf es, du kannst es durch List. Sieh, ich sterbe! Deine Frömmigkeit und anerkannte Tugend mahnen dich, mir zu Nutze zu sein. Ich brenne, ich liebe.« Und seinen Worten fügte er eine Belohnung hinzu, schwört, noch mehr zu geben, wenn sie nur Hilfe bringe. Jene aber: »Ich helfe! [40] Stell’ dein Bemühen ein, bleibe ganz ruhig! Geh’ wieder zur Herrin, wenn die Sonne zum vierten Mal sinkt.«

II. Die wundersame List der alten Kupplerin, um die Standhaftigkeit der Keuschen zu Fall zu bringen Inzwischen tummelt sich die Frau in großer Geschäftigkeit. Was soll sie machen? Schließlich findet Lausa eine List. Ihrem gewieften Betrug kommt ein Malteserhündchen entgegen. Dies nimmt sie, sperrt es in das Dunkel einer geschlossenen Kiste. Dort verwahrt sie das Hündchen drei Tage und ebenso viele Nächte ohne Futter und ohne Wasser. Die vierte [Nacht] hatte den Tag gebracht, und der Morgenstrahl Memnons war zu sehen, da bietet sie schließlich dem bellenden Hund einen Bissen an. Diesen hatten die wilde Wurzel des Ingwers, die Schärfe des Senfs und ein Hauch gestoßenen Pfeffers scharf gemacht. [10] Was sollte sich der tagelange Hunger daran stören? Blindlings fliegt das ausgehungerte Hündchen dem entgegen und sättigt seine Gier. Sofort triefen die Augen von dauernden Tränen. Der Hund weint, so wie ein Mensch beim Begräbnis eines Lieben weinen würde. Lausa birgt den Weinenden in ihrem Gewandbausch. »Nun« (sagt sie) »haben wir gewonnen.« Sie verlässt das Haus und geht zu Viola. Es war eine grasgrüne Frühe. Die Ehefrau ergeht sich müßig im frühlingshaften Grün, unter freudenerregenden Blüten selbst noch freudiger gestimmt. Bald pflückt sie Thymian, bald frühzeitige Narzissen. Achtung, du Keusche! In dieser Blume hast du vor dir ein Zeichen der Beschuldigung! [20] Sobald sie kam, gab und erwiderte die Alte den Gruß und sprach zu ihr, die von ihrer Doppelzüngigkeit nichts wusste: »Das schöne Wetter ist der Grund meines Besuchs und die frommen Gespräche, die ich oft gern mit dir führe. Haben wir uns doch oft schon in ähnlicher Weise unterhalten. Wenn du was [Neues] hast, sag es mir und ich werde es mit offenem Ohr sehr gern hören.«

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Incautae placuit studium, Pietásque senilis. Alterna surgunt verba, cadúntque vice. 4 hanc;] B; hanc, A – casae:] B; casae.

III. Aniculae mendax narratio, de filia in Catellam conversâ.

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Sol prope diversos medius calfecerat orbes: Itur ad instructas, inter opaca, dapes. Dissimulata diu, tecto de gramine prodit Fletibus uda Canis: cauda flagellat anum. Fraus latuit Violam: lacrymis stupefacta ferinis Et miserata scelus; Quid fera luget? ait. Dic age! Lausa diu suppresso constitit ore, Maestáque dejecta lumina fronte tulit. Iussa loqui, gemitum dedit, immo è pectore ductum. Tunc sic; Invito, quod loquor, ore loquor. Sub fida tamen esse Rosa portenta putabo, Quae tibi narrâro. Flos monet, atque locus. Mox iterum gemitu, ac gemitu plus triplice ducto, Vix tandem, exsputo pectore, verba facit. O, Hera! quam cernis lacrymis undare Catellam; Nunc canis est, Olim non fuit: astra sciunt! Quid loquor infelix? Dolor ipse loquatur in illa, Et lacrimae hoc dicant, degenerésque genae. Filia (si me olim nescis peperisse) fuítque Vir mihi: tu nondum conscia Solis eras. Vir citò decessit: mihi parvula nata remansit: Ad plenos sensim venit adulta dies. Forma fuit, morésque, quibus nihil addere posses: Tam dignam, innumeri concupiêre viri. Plus alijs unus, terrâ peregrinus Iberâ: Ausus ad illicitum est sollicitare jocum. Filia, materno bene docta resistere ritu, Restitit: insana nec superata face est. Impatiens eadem crebrò tentavit Amator: Verba eadem natae, quae tulit antè, tulit. Denique pertaesus vitam, pertaesus amorem, Multa minans, miseram finijt ense diem. Sed priùs in nostris (dictu miserabile!) valvis, Haec nigro scripsit verba legenda metrô! SE negat ipse sibi, cuj Galla negavit amorem: DI faciant, ut sit Galla, quod olim Hecube!

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Der Arglosen gefielen dies Bemühen und die ehrerbietige Haltung der Alten. Worte werden gewechselt im Auf und Ab der Unterhaltung.

III. Die Lügenerzählung der Alten über ihre in das Hündchen verwandelte Tochter Die hochstehende Sonne hatte fast schon mehrere Länder erwärmt, da geht man im Schatten an den vorbereiteten Imbiss. Hervorkommt, lange verheimlicht, aus deckendem Gras der tränenfeuchte Hund. Sein Schwanz umwedelt die Alte. Der Betrug blieb Viola verborgen. Von den Tränen des Tieres erstaunt und aus Mitleid mit dem, was ihm widerfahren war, sagte sie: »Warum trauert das Tier? Sag an!« Lausa stand da, lange ganz still, und senkte mit traurigem Blick die Augen zu Boden. Aufgefordert zu sprechen, seufzte sie tief aus der Brust heraus. Dann dies: »Ungern sage ich das, was ich sage. [10] Doch will ich glauben, dass diese schrecklichen Wunder, die ich dir erzähle, unter dem Siegel der Verschwiegenheit bleiben. Dazu mahnt dieser blumige Ort.« Bald seufzte sie wiederum auf, und seufzte tief mehr als dreimal, schließlich sprach sie stockend tief aus der Brust: »O Herrin, das Hündchen, das du tränenüberströmt siehst, ist nun ein Hund, war es aber einstmals nicht. Das wissen die Sterne. Was soll ich Unglückliche davon sagen? In ihm mag der Schmerz selbst sprechen, und es mögen die Tränen reden und die eingefallenen Wangen. Ich hatte einen Mann und eine Tochter (die ich, falls du es nicht weißt, vor Zeiten geboren habe). Du hattest das Licht noch nicht erblickt. [20] Der Mann schied schnell dahin, mir blieb die kleine Tochter. Allmählich wuchs sie gereift zu vollen Jahren heran. Ihre Schönheit und ihr Betragen waren so, dass man nichts hätte hinzufügen können. Unzählige Männer begehrten sie verständlicherweise. Mehr als andere einer, ein Fremder aus Spanien. Zum unerlaubten Liebesscherz wagte er sie zu verlocken. Meine Tochter, nach Mutters Art im Widerstreben wohl belehrt, widersetzte sich und ließ sich durch die unheilvolle Fackel [der Liebe] nicht überwinden. Immer wieder versuchte es ungeduldig der Liebhaber, trug aber die gleichen Antworten der Tochter davon wie schon vorher. [30] Schließlich nahm er sich – aus Überdruss am Leben, Überdruss an der Liebe, vieles androhend – mit dem Schwert das elende Leben. Vorher aber schrieb er (schrecklich, dies zu erwähnen!) auf unsere Tür folgende dort zu lesenden Worte im schwarzen Versmaß: ›Es verneint SICH selbst, dem Galla ihre Liebe verweigerte. Mögen es die GÖTTER bewirken, dass Galla das wird, was einst Hecuba wurde.‹

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QVIS PVTET, Haec audisse Deos? tamen impia vota Momento penitùs non caruêre suo. Facta Canis, facta est Hecube, mea filia. Dixit; Et dicti in summo cardine, flevit Anus. 18 lacrimae] B; lacrymae A 34 metrô!] B; metrô; A 40 Et] B; Et, A

IV. VIOLAE matronae stulta credulitas.

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Restabat memorare, quibus mutatio foeda Fraudibus in vulgus dissimulata foret. Restiterat fari, quae, post haec fata, puellam Abdiderint latebrae? quis cibus? unde dolor? Pleraque, composito lacrymis dominantibus ore, Dicere cùm nollet, dicere visa fuit. Intellecta sat est, è nutibus. Indè resumptâ, Vt voluit, lingua; Scilicet, ista fleo, Ista, simul mecum, crebro mea filia luctu Commeminit. Clarum est, quid fera nostra fleat? Dixit: et ingemuit. VIOLAM lacrymare coëgit. Quid faciam? (dixit) me quoque fata premunt. Ah timeo! et timeo, quò se mea conferat ira? Irascor simili, cuj tua Nata, Proco. Et quia coepi (inquit) totum tibi, mater, ab ovo Exsequar, unde malum hoc? quis modus? ecqua fuga? Exsequitur: consultat: Anus negat, esse Pudicae Conjugis. at Cautae conjugis esse putat; Vir tuus (inquit) abest: Quis scit, quò saeva repulsa Exeat? Esse Canis tu quoque, dura, potes. Denique, quid facias? serva, si is cogit, utrumque: Et si non instat, Ne malè coge mori. Credula tot technis Castissima, flexit amorem: (AD facinus primus fit, Dubitare, gradus.) Ergo dapes cumulant, hortensiáque Orgia sumunt: Vina ineunt. Victas dat mea Casta manus. Hesperus ortus erat: pactum procus intrat in hortum: Prô scelus! Ex VIOLA jam Violata redit! Indulsit metui (Quae prudens crederet?) et, dum Esse CANIS verita est, maluit esse LVPA. 18 Conjugis. at] B; Conjugis: aut A 29 Quae] B; quae A – dum] B; quae A

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WER SOLLTE GLAUBEN, dass dies die Götter erhörten. Trotzdem blieben seine ruchlosen Verwünschungen nicht ohne tiefgreifende Wirkung. Meine Tochter wurde ein Hund, sie wurde eine Hecuba.« So sprach die Alte und weinte am Schluss über das Gesagte. [40]

IV. Die törichte Leichtgläubigkeit von VIOLA, der Ehefrau Zu erzählen blieb, mit welchen Listen die schreckliche Verwandlung vor dem Volk verheimlicht wurde. Zu sagen blieb, welches Versteck nach diesem Schicksalsschlag das Mädchen verbarg, was ihre Nahrung war, woher der Schmerz. Obwohl sie das meiste, tränenüberströmt, nicht sagen wollte, schien sie [doch] zu sprechen. »Aus Andeutungen ist genug zu erkennen.« Darauf nahm sie, wie sie es wünschte, wieder das Wort. »Allerdings – ich weine darüber – hat sich meine Tochter in häufiger Trauer mit mir daran erinnert. Ist nun klar, warum unser Tier weint?« [10] Sprach’s und seufzte, nötigte VIOLA zu Tränen. »Was soll ich machen?« (sagte diese) »Auch mich bedrängt das Geschick. Ach, ich fürchte mich, fürchte, wohin mich mein Zorn mit sich reißt. Wie deine Tochter zürne ich einem ähnlichen Freier. Und weil ich« (sagte sie) »davon begonnen habe, will ich dir, Mutter, das Ganze von Anfang an erzählen, woher das Übel kommt, welch ein Maß ihm gesetzt ist, welch ein Ausweg.« Sie erzählt es, fragt um Rat. Die Alte sagt, das sei nicht Zeichen einer keuschen Ehefrau, glaubt vielmehr, es mache eine vorsichtige Frau aus. »Dein Mann ist nicht da« (sagte sie), »wer weiß, was deine wilde Abwehr für Folgen hat? Auch du, du Hartherzige, kannst ein Hund werden. [20] Schließlich, was sollst du machen? Rettet euch beide, wenn er dich nötigt. Und wenn er sich dir nicht [mehr] aufdrängt, zwinge ihn nicht, auf üble Art zu sterben.« Soviel Listen Glauben schenkend, bog sie, die überaus Keusche, sich die Liebe zurecht. (In Zweifel zu geraten ist der erste Schritt ZUR Schandtat). Also speisen sie üppig, genießen die Gartenfreuden, stürzen sich auf den Wein. Meine Keusche streckt besiegt ihre Hände. Aufgegangen war der Abendstern. Wie verabredet, betritt der Liebhaber den Garten. O Verbrechen! VIOLA kommt geschändet dort heraus! Sie gab ihrer Furcht nach (welche Kluge sollte das glauben?) und wollte, weil sie befürchtete, ein HUND zu werden, lieber eine HURE sein. [30]

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PRATVM. Aperta sunt PRATA: et apparuerunt HERBAE virentes: et collecta sunt foena. Proverb[ia] 27. v[ersus] 25. Si FOENVM Agri, quod hodie est, et cras in clibanum mittitur, sic DEVS vestit: quantò magìs vos, modicae fidei? Matth[aeus] 6. v[ersus] 30. ELEGIA VI. Pratum agreste, ad Gunzium, Sueviae amnem.

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NEGLECTUM hoc PRATVM est, vitreis ubi Gunzius undis Populeum stringit, fronde sonante, Nemus: Desertum est. docet hoc Sepes defracta, paténsque Semita. Sub domino non tremit herba jugo. Quis credat? Cùm nemo colat, nemo ambiat arvum: Cùm tantùm pecori non sit inepta seges; Nemo tamen violat. jacet intemerata viroris Forma: nec impresso de pede, sordet humus. Ipsa etiam Roris, sub prima crepuscula, gutta Pendet inexcusso, quà sinit hora, gelû. Herba virens, graménque undans, pinguissima vestit Iugera; et innumero flore triumphat ager. Mista ulvis verbena nitet, saliuncáque juncis: Betonicae rident gramina picta crocô. Hîc serpilla jacent, ibi livida quercula pendet: Hîc bibula ad rivum mentha, thymúsque natant. Flos rubet hic, flos ille albet, nigrat alter opacus, Iste alius Tyrij muricis imbre madet. Et dubia videas tinctas flavedine plantas, Luteolúmque alibi, caeruleúmque decus. Chloridos ars omnis, discordi PRATA colore Dividit; unanimi qui statione nitet. Hoc quoque magnificum est: NVLLO stant ordine, mixta Germina; nec regnat nobilitatis honos. Magna minórque errat, tituli sine lege, genista: Nulli illic tumor est, dicere; CEDE LOCO!

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DIE WIESE Die FLUREN thun sich auf, und grüne KRÄUTER erscheinen, und Gras sammelt man von den Bergen. Sprüche 27,25 Wenn nun GOTT das GRAS auf dem Felde, welches heute steht, und morgen in den Ofen geworfen wird, also kleidet, wie viel mehr euch, ihr Kleingläubigen! Matthäus 6,30 ELEGIE VI Eine Wiese auf dem Lande an der Günz, einem Fluss Schwabens VERNACHLÄSSIGT liegt hier die WIESE, wo die Günz mit kristallklaren Wassern an einem Pappelhain unter dem Rauschen der Blätter vorbeizieht. Verlassen ist sie: Das zeigt der nieder gebrochene Zaun und ihr Fußweg, der nun offen steht. Das Gras zittert nicht unter herrischem Joch. Wer mag das glauben? Obgleich niemand die Flur bebaut, keiner sie überwacht und das Gras für das Vieh überaus schmackhaft ist, wagt doch keiner, sie zu verletzen; in makelloser Pracht ihrer Grüns liegt die Wiese da, und der Boden ist nicht zertreten von schmutzigem Fußtritt. Ja sogar ein Tautropfen hängt, ohne in der Kühle zu zerfließen, in der ersten Morgendämmerung, solange die Stunde es zulässt. [10] Grünendes Gras und wogende Halme kleiden die reiche Flur, unzählige Blumen bringt in stolzer Freude die Erde hervor. Zwischen Sumpfgras blitzt Eisenkraut heraus, und Narden zwischen Binsen, safranfarben lacht die rötliche Betonie. Hier kriecht Quendel, dort lässt mit bläulichem Schimmer eine kleine Eiche ihre Äste hängen, am Wasser schwimmen die durstige Minze und der Thymian. Die eine Blume hier blüht rot, jene weiß, eine andere wiederum dunkel, wieder eine andere ist benetzt von der Farbe der Tyrischen Purpurschnecke. Pflanzen kann man sehen, in zweifelhaften Fahlgelb gefärbt, andere ziert Hellgelb oder Himmelblau. [20] Die Kunst der Flora hat über die WIESEN verschiedene Farben verteilt, aber einträchtig leuchten sie gemeinsam. Auch dies ist großartig: Die Sprösslinge wachsen OHNE Rangordnung untereinander vermischt, es gibt keine Vorrangstellung des Adels. Großer und kleiner Ginster wachsen nebeneinander, keiner hat den Hochmut zu sagen: »WEICHE VON DER STELLE!«

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Omnibus ex aequo Sol unus, et unica Luna est: Vna omnes gleba, et, spiritus unus alit. Felix ergò tuo Florae tam divite regno, O cespes; quem nec septa, nec ordo, juvant! Neglectus quamvis jaceas; tamen arrige cristas: IN FLORE ES, si non IN PRETIO ESSE potes. 1 undis] undis. A; B 8 nec] B; nec, A 24 nobilitatis] B; Nobilitatis A

ELEGIA VII. Historica. De Lite Duorum Conjugum, propter PRATVM. Nimis strictè DEMESSVM PRATI foenum, quidam PASTOR deambulans, arguebat. Vxor hujus, ambulationis comes, nasutiùs locutura; NON enimvero MESSVM, sed DETONSVM esse GRAMEN, contendebat. Adversùm haec, Viro identidem pro MESSIONE, Foeminâ pro TONSVRA, litigantibus, contentione tantâ, quantum forum est; Rixa denique, mox foeda pugna, et mulieris in vicinum puteum ruina, subsecuta est. Caeterùm in aquis adhuc, et exitio proxima Xantippe; tamen TONSI graminis vocem et controversiam, quasi pro Reip[ublicae] summa, moriens retinuit: retentámque, geminis exporrectis digitis, est professa: magnum pertinacis, pro Lana caprina, Patrocinij Exemplar mulieribus futura.

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NARRABO, qua nôro, fide. SVB montibus Istri Consortes ibant, HARPVS et HARPA, tori. Harpus amans veri: sed litis amantior Harpa, Vnanimem geminum vix meminêre diem. Tedae prima dies, fuit his concordia prima: Altera, cùm socia rus abiêre via. Lucis erat medium: fervebant sidera Ledae, (Maij nomen) iter per vaga prata fuit. Succida maturis latè strepitantia campis Gramina pendebant, lenè sonante Noto. Picta renidebat, non uno gleba colore Herbida; gemmatas et variabat opes. Talis ab auratis scintillat lucibus aether, Quando serenatis noctibus albet hyems. Pars herbae major stabat; pars una resecta, Ex herba Foenum coeperat esse novum.

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Über allen scheinen eine Sonne und ein Mond, alle nährt eine Scholle und ein Odem. Sei glücklich also über deine reiche Herrschaft der Flora, oh Wiese, die an Zaun oder Rangordnung keine Freude hat! [30] Magst du auch vernachlässigt daliegen, richte gleichwohl deine Halme auf! DU STEHST IN BLÜTE, wenn du auch nicht NACH DEINEM WERT GESCHÄTZT WIRST.

ELEGIE VII Historischen Charakters Der Streit zweier Gatten wegen einer Wiese. Ein HIRTE behauptete auf dem Weg, das Gras einer WIESE sei allzu kurz GEMÄHT. Seine Gattin und Weggenossin hielt, um witziger zu sprechen, dagegen, das GRAS sei wahrlich NICHT GEMÄHT, sondern GESCHOREN. Als dagegen der Mann zugunsten des MÄHENS, die Frau für das SCHEREN stritt, und zwar so heftig, dass es wie ein öffentlicher Rechtsstreit erschien, kam es in der Folge schließlich zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung, bald zu einem hässlichen Kampf und zum Sturz der Frau in einen Brunnen in der Nähe. Als sie im Übrigen schon im Wasser versunken und dem Tode schon nahe war, hielt die Xanthippe gleichwohl am SCHEREN und dem Streit noch im Sterben fest, als ginge es um die wichtigsten Staatsangelegenheiten, und bekannte sich zu ihrer Haltung, indem sie zwei Finger empor streckte. Damit bot sie für die Zukunft den Frauen ein gewichtiges Beispiel eines sturen Eintretens für den Streit um Kaisers Bart. ICH WERDE BERICHTEN, so getreu ich vermag. HARPUS und HARPA, die das Bett teilten, waren am Fuß der Berge entlang der Donau unterwegs. Harpus, ein wahrheitsliebender Mann, sehr streitlustig dagegen Harpa. Sie konnten sich kaum an zwei ganze Tage erinnern, die sie in Eintracht verlebt hatten. Der erste Tag ihrer Hochzeit war der erste in Eintracht, der zweite, als sie gemeinsam aufs Land zogen. Es war Mittag, und das Gestirn der Leda glühte vor Hitze, Mai war’s, ihr Weg führte sie über weite Wiesen. Saftig wogten die Gräser weithin auf reifen Feldern, und der Südwind wehte sanft. [10] Das grasreiche Land lachte in nicht nur einer Farbe und schillerte in prachtvollem Schmuck. So blinkt der Himmel von goldenen Lichtern, wenn in sternklaren Nächten die Winterlandschaft weiß strahlt. Der größere Teil des Grases stand noch, ein Teil war geschnitten, und das Gras war zu frischem Heu geworden.

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Sic via fortè tulit: Venerunt Harpus et Harpa, Ad prati sectum, FALCE PREMENTE, locum. Falx nimio plus stricta fuit; vel, stricta videri Debuit. ad fibras usque jacebat ager. Harpus ait; Nimiùm certè fuit ille pusillus, Quisquis tam pressa MESSVIT arva manu. Harpa statim contrà; Nimiùm fuit ille severus, Quisquis ad usque imam prata TOTONDIT humum. MESSVIT ille quidem nimiùm, non herclè TOTONDIT, Vir, rigido Veri Vindice functus, ait. Immò TOTONDIT! (ait mulier) non MESSVIT. Ille, MESSVIT! Illa; Nimis falce TOTONDIT agrum! Vir; Sanè mihi MESSVS ager, mihi messa videntur Gramina: nec contrà, si sapis, uxor ages. Hujc Vxor; Pol! TONSVS ager, mihi tonsa teruntur Gramina: nec contrà, si sapit, Harpus aget. Harpus agit contrà; Nemo tam DEMETET arctè, Quàm demessa jacent, quae pede prata tero. Harpa, nihil cedens; Nemo tam DETONDEBIT; Quàm detonsa jacent, quae pede rura premo. Non tenuit bilem Vir non-malus; Ergóne pergis, Pessima pestis? (ait) TONSAQVE rura crepas? Non timuit bilem Mulier, sed et ipsa; Quid (inquit) Improbe pastor, ais? MESSAne prata putem? Herclè putabis, et hoc nolénsque volénsque loquéris (Objicit ille) trium scortea lena virûm! Illa Viro; Non mecastor! non obsequor: Et te Styx priùs atra voret, semivir, hirce, caper! Quis ferat haec, et ab hac, spargi convicia? Certè Non tulit Harpus, eam verba pudenda loqui. Ergò; TÒNSAne sint, an, Gramina MESSA? relinquo: (Inquit) Te TVNSAM plus satìs, Harpa, dabo. En, semel! en iterum, bis, ter, quater, ampliùs insto: TVNDO tuum, TVNDO, litigiosa caput. Et tamen haec ità sunt, ut dixi, Gramina TONSA (Exclamat mulier TVNSA) quid, Hirce, feris? Hirce, caper, bobus (quos pascis) bardior ipsis: Squalide, foede, virûm virus, et omne scelus! PVLICEVM hanc contrà vir erat dicturus Omasum: Illa Viri, impactis clavibus, ora stitit. Tunc, veluti victrix, dentes pastore vomente; At posthac saltem Gramina TONSA feres? Dixit: et elatas iterum magno impulit actu Claves; Impulsas cautior ille fugit.

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Wie es sich zufällig ergab, kamen Harpus und Harpa zu dem Teil der Wiese, der mit SCHARFER SENSE geschnitten war. Die Sense war allzu stark geführt worden, oder es musste zumindest so erscheinen, das Feld war bis auf die Stoppeln gemäht. [20] Harpus sagte: »Der, der die Wiesen bis fast zum Boden MÄHTE, muss wohl ziemlich kleinwüchsig gewesen sein.« Sofort sprach Harpa dagegen: »Allzu streng war der, der die Wiese so bis auf den Grund GESCHOREN hat.« »Er MÄHTE sie allzu tief ab, und SCHOR sie weiß Gott nicht,« sagte der Mann als strenger Verfechter der Wahrheit. »Vielmehr SCHOR er sie« (sagte die Frau), und MÄHTE sie nicht.« Jener: »Er MÄHTE.« Sie: »Allzu sehr SCHOR er das Feld mit der Sense.« Der Mann: »GEMÄHT scheint mir wahrlich das Feld und scheinen die Gräser, und du wirst nicht widersprechen, wenn du klug bist, Frau!« [30] Ihm antwortete drauf die Frau: »Bei Pollux, der Acker ist GESCHOREN, und ich trete auf geschorene Gräser, Harpus wird nicht dagegen halten, wenn er klug ist.« Harpus hält dagegen: »Niemand wird die Wiesen so niedrig ABMÄHEN, wie die daliegen, auf die ich mit meinem Fuß trete.« Harpa gab in nichts nach: »Niemand wird das Feld so SCHEREN, wie es geschoren daliegt, während ich mit meinem Fuß darauf trete.« Dem nicht üblen Mann lief die Galle über: »Du machst also weiter, schlimme Pest, und krächzt, das Feld sei GESCHOREN,« sagte er. Auch der Frau lief die Galle über, und sie sagte ihrerseits: »Was schwätzt du, dreister Hirt, ich soll glauben, die Wiesen seien GEMÄHT?« [40] »Beim Herkules, du wirst es glauben, und wirst es, ob du willst oder nicht, zugestehen,« warf er ein, »du schamlose Kupplerin dreier Männer!« Sie antwortete dem Mann: »Bei Castor, ich gehorche dir nicht, eher wird dich die schwarze Styx verschlingen, du Eunuch, Bock, Ziegenbock!« Wer könnte ertragen, solche Schimpfwörter und dazu von einer solchen Frau hören zu müssen. Harpus jedenfalls ertrug es nicht, dass sie schamlose Wörter gebrauchte: »Also, ich lasse ab, zu streiten, ob die Gräser GESCHOREN oder GEMÄHT sind. Ich will dich lieber VERHAUEN, Harpa. Guck, einmal, und noch eins, zwei-, drei-, viermal und mehr schlage ich zu, ich HAUE dir auf den Kopf, du Streitliesel!« [50] »Und doch sind diese Gräser GESCHOREN, wie ich sagte,« (schreit die GESCHLAGENE Frau), »was schlägst du mich, du Bock? Du Bock, du Ziegenbock, du Einfaltspinsel, einfältiger als die Ochsen, die du zur Weide führst! Du Schmutzfink, Dreckspatz, Bazillus und Gauner!« Der Mann wollte gerade gegen sie einen dicken FLOHStich ausstoßen, jene aber schlug ihm mit Schlüsseln auf den Mund, und sprach, gleichsam siegreich, als der Hirt die Zähne ausspie, »Wirst du jetzt endlich hinnehmen, dass die Gräser GESCHOREN sind?« Sprach’s, und schlug mit voller Wucht erneut die Schlüssel auf ihn. Er wich ihnen – vorsichtiger geworden – aus. [60]

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Indè, recompositis in rixam viribus, Harpam Insequitur: necdum desinit Harpa loqui. Immò ultro, jactátque minas, et congerit ictus: Pulsa, repulsa redit: retrogradúmque ruit. POST illam, prati in medio, putealibus undis, Fons fuit: infirmo margine cinctus erat. Illuc foenisecae soliti, pecorúmque magistri Ire die medio, cùm ligat ora sitis. Aetas longa, putrem putei vitiaverat oram. Irruit hujc orae, dum cavet Harpa virum. Dum nescit, quid post dorsum malè putreat; et dum Pro TONSO miserè gramine bella gerit; Vitatura viri pugnum minitantis, in oram Incurrit putei: putrida margo ruit. Insimul Harpa ruit, fontanum lapsa sub antrum. Altus erat puteus, nec satìs aptus opi. Fòrs tamen invenisset opem: daret Harpus. at illa Iam mergenda, Stygis nil reveretur aquas. Vltrò quin etiam rixas producit, et ultrò; Heus (ait) heus! iterum Gramina TONSA voco. Ajo, TONSA fuisse: et erant quoque FORFICE Tonsa. Ecquid inaudîsti, vir? meliora sape; Ille tamen contrà clamat, DEMESSA fuisse: Dum penitas mulier mersa subivit aquas. Spectavit mersam, gemuítque in fata maritus: Tunc saltem litem depositurus erat. Foemina dissensit (moriens quoque) Corpore toto Mersa, tamen summa litigat Harpa manu. Dicere non potuit, DETONSVM GRAMEN. at illud Dixerunt DIGITI, qui coiêre, DVO. Forficis expressit, TONDENTIS vellera, formam. O mulier, constans oris et Eumenidum! HAEC mihi, quae retuli, pastor referebat, et; Harpa (Dixit) erat conjux: Harpus ego ipse fui. Discessi, dixíque vale! Tamen antè rogavi, Qua luerit poena Conjugis ossa suae? Ille; Quid exspectas? inquit: Placamine nullo MORS redimi digno tam PRETIOSA potest. 17 Sic] B wegen Verschmutzung schwer leserlich, eventuell ut; Sic A 30 uxor] B; uxor, A 42 objicit] B; obijcit A 50 litigiosa] B; litigiosa, A 53 ipsis:] B; ipsis. A 77 illa] B; illa, A 82 sape;] B; sape! A 89 GRAMEN.] B; GRAMEN: A

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Darauf sammelte er seine Kräfte zum Streit und verfolgte Harpa, gleichwohl hörte Harpa nicht auf zu reden. Vielmehr stieß sie selbst Drohungen hervor und teilte Schläge aus, kehrte geschlagen und wieder geschlagen zurück und stürzte rückwärts. HINTER ihr befand sich inmitten der Wiese ein Brunnen voll Wasser, der hatte einen unbefestigten Rand. Dorthin pflegten mittags die Schnitter und Hüter des Viehs zu gehen, wenn Durst die Kehlen zuschnürte. Die lange Zeit hatte den brüchigen Rand des Brunnens baufällig werden lassen. Dort hinein stürzte Harpa auf der Flucht vor ihrem Mann. [70] Da sie nicht wusste, was hinter ihrem Rücken vermoderte, und immer noch elend focht für das SCHEREN des Grases, stürzte sie, um dem drohenden Schlag ihres Mannes auszuweichen, über den Rand des Brunnens, die morsche Fassung brach ein. Zugleich brach Harpa ein und stürzte in die Tiefe des Brunnens. Tief war der Schacht, und man konnte keine Hilfe leisten. Aber sie hätte vielleicht Hilfe gefunden, Harpus würde sie leisten: Jene aber, schon im Begriff zu ertrinken, hatte keine Scheu vor den Wassern der Styx. Vielmehr führte sie den Streit weiter, und rief erneut: »He, ich nenne die Gräser immer noch GESCHOREN! [80] Ich sage, sie seien GESCHOREN, und sie waren auch mit der SCHERE geschnitten. Hast du gehört, Mann? Komm zur Vernunft!« Er aber schrie dagegen, sie seien GEMÄHT. Und als die Frau tief ins Wasser getaucht war, sah ihr Gatte, dass sie am Ertrinken war, und seufzte tief über ihr Geschick. Da endlich wollte er den Streit beenden. Aber die Frau blieb bei ihrer Meinung auch noch im Sterben, und mit ihrem ganzen Körper untergetaucht, stritt Harpa noch mit den Fingerspitzen. Sprechen konnte sie nicht mehr, das GRAS sei GESCHOREN, aber ihre BEIDEN FINGER, die sich schlossen, zeigten es an. [90] Sie bildeten eine Schere nach, die Felle SCHOR. O Frau, zäh festhaltend an deiner Äußerung und den Rachegöttinnen! DIES, was ich berichte, erzählte mir ein Hirte, und sagte, »Harpa war meine Gattin, ich selbst war Harpus.« Ich ging weg und sagte Lebewohl. Gleichwohl fragte ich zuvor, welche Strafe er für den Tod seiner Gattin erlitten habe. »Was erwartest du«, erwiderte er, »ein so KOSTBARER TOD kann durch keine würdige Sühne aufgewogen werden.«

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ELEGIA VIII. Historica. De HERBA Salutifera, ad Statuam CHRISTI. Haemorrhoissa mulier, à Christi fimbriae contactu consanata, memoriae Soteriorúmque caussâ, Statuam SERVATORI aeneam, super columnam Caesaréae Philippi collocavit. Ad Simulacrum hoc, ignoti generis enata HERBA, morbis omnibus, ad usque Iuliani Apostatae tempora, medicamento fuit. Hic primus Columnam, Signum, et prodigiosam plantam excîdit. De hac porrò Statua, HERBAEQVE medicis viribus (quoniam ICONOCLASTAE soli sacras Imagines Ecclesiae tam nascenti, quàm adultae detrahere nituntur) Eusebij Pamphili verba referam, ex Historia Ecclesiastica libro z. capite ih. Sic ergò, in Caesaréae Philippi mentionem devolutus, scribit. Epeida\n th=sde th=j po/lewj ei)j mnh/mhn e)lh/luqa, ou)k aÃcion h(gou=mai parelqei=n dih/ghsin kai\ toi=j meq'h(ma=j mnhmoneu/ esqai a)ci/an. Th\n ga\r AIMORROOUSAN, hÁn e)k tw=n i(erw=n eu)aggeli/ wn pro\j tou= Swth=roj h(mw=n tou= pa/qouj eu(re/sqai a)pallagh\n memaqh/kamen, e)nqe/nde eÃlegon o(rma=sqai. Tonte oiÅkon au)th=j e) pi\ th½j po/lewj dei/knusqai, kai\ th=j u(po\ tou= Swth=roj ei)j au) th\n eu)ergesi/aj qaumasta\ tro/paia parame/nein. e(sta/nai ga\r e)f' u(yhlou= li/qou, pro\j me\n tai=j pu/laij tou= au)th=j oiÃkou, gunaiko\j EKTUPWMA xa/lkeon, e)pi\ go/nu keklime/non, kai\ tetame/naij e)pi\ to\ pro/ sqen tai=j xersi\n, i(keteuou/sh| eo)iko/j. Tou=tou de\ aÃntikruj, aÃllo, th=j au)th=j uÀlhj, ANDROS oÃrqion sxh½m a, diploi/da kosmi/wj peribeblhme/non, kai\ th\n xei=ra tv= gunaiki\ protei=non, ouâ para\ toi=j posi\n e)pi\ th\j sth-/lhj au)thìj, ce/non ti BOTANHS eiÅdoj fu/ ein, oá me/xri tou= kraspe/diou th=j tou= xalkou= diploi/doj a©nio\n, ALECIFARMAKON ti pantoi/wn NOSHMATWN tugxa/nei. Tou=ton de\ to\n ¡Andria/nta, EIKONA tou= IHSOU fe/rein eÃlegon. eÃmene de\ ei)j h(ma=j, w(j kai\ oÃyei paralaqei=n e)pidhmh/santaj au)tou\j tv= po-/lei. kai\ qaumasto\n qou)de\n, tou\j pa/lai e)c e)qnw=n eue)rgethqe/ntaj, pro\j tou= SWTHROS h(mw=n, tau=ta pepoihke/nai. oÀte kai\ tw=n ¡Aposto/lwn au) tou= ta\j ¡Eiko/naj PAULOU, kai\ PETROU, kai\ au)tou= dh\ XRISTOU, dia\ Xrwma/twn e)n grafai=j swzome/naj i(storh/samen.

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ELEGIE VIII Historischen Charakters Das Heil bringende KRAUT bei der Statue CHRISTI Die Frau, die an Blutfluss litt und durch Berührung mit dem Saum des Gewandes Christi völlig genesen war, errichtete zur Erinnerung an die Heilung in Caesarea Philippi auf einer Säule dem HEILAND eine Bronzestatue. Bei diesem Bildnis sprosste ein KRAUT unbekannter Art und diente bis zu den Zeiten Julians des Abtrünnigen als Heilmittel für alle Krankheiten. Dieser hat zuerst die Säule, das Standbild und die seltsame Pflanze vernichten lassen. Über diese Statue und die heilsamen Kräfte des KRAUTS will ich (weil die BILDERSTÜRMER allein sowohl der entstehenden wie der erwachsenen Kirche die heiligen Bilder zu nehmen bestrebt sind) die Worte des Pamphilus-Schülers Eusebius wiedergeben, und zwar aus dem 7. Buch, Kapitel 18 seiner Kirchengeschichte. Folgendermaßen schreibt er, nachdem er zur Erwähnung von Caesarea Philippi gelangt ist: Nachdem ich zur Erwähnung dieser Stadt gelangt bin, halte ich es nicht für angemessen, eine Geschichte zu übergehen, die auch den Menschen nach uns der Erinnerung wert sein wird. Man sagt nämlich, dass die Frau, die an BLUTFLUSS litt und von der wir aus den heiligen Evangelien wissen, dass sie durch unseren Heiland Befreiung von ihren Leiden gefunden hat, von hier stamme. Ihr Haus werde noch in der Nähe der Stadt gezeigt und es sei auch noch ein erstaunliches Denkmal der ihr vom Heiland erwiesenen Wohltat vorhanden. Es stehe nämlich auf einem hohen Stein vor den Toren ihres Hauses ein bronzenes STANDBILD einer Frau, die kniee und ihre Hände wie eine Betende nach vorn ausstrecke. Ihr gegenüber befinde sich ein anderes Standbild aus dem selben Material, die stehende Figur eines MANNES, der ein Doppelgewand schön umgelegt habe und seine Hand nach der Frau ausstreckt; zu dessen Füßen wachse an der Säule selbst eine seltsame PLANZE, die bis zum Saum des bronzenen Doppelgewandes emporreiche und ein ABWEHRMITTEL gegen KRANKHEITEN aller Art sei. Die Männerfigur aber stelle, wie man sagte, das BILD JESU dar. Es hat sich aber sogar bis auf unsere Tage erhalten, so dass die Besucher der Stadt es besichtigen können. Und es ist nicht verwunderlich, dass die Heiden, die in der Frühzeit (der Kirche) Wohltaten von unserem HEILAND erfuhren, das getan haben, da wir ja berichtet haben, dass sich auch die in Farben gemalten Bilder seiner Apostel PAULUS und PETRUS und sogar CHRISTI selbst erhalten haben.

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FLOS morbos ut odore fugat, sic tactibus Herba: Herba Palaestinô nata, sed una, solo. Paneadem veteres urbem dixêre; Philippus Caesaris hanc primus voce Tetrarcha notat. Magnificas hîc ante arces, ex aere Colossus Stabat, et artifici fusa columna foco, Sidonij, Tyriíve manu formata Myronis, Signabat CHRISTI Fimbriam, et historiam. Notius hoc gesto vix quidquam est; quippe, Syrissam Sanatam, exstincto sanguinis amne, Nurum. Ne meritum excideret, meriti monimenta locavit SOTERI mulier; firmáque ab aere, dedit. In summo simulacra duo. nam, in veste fluente Rex medicus stabat dexteriore situ. At laevâ Mulier dives, sed paupere gestu, Tendebat cupidam, vestis ad imma, manum. Caetera quid referam? vacui est, tam nota referre. Aerea sub puro stabat IMAGO Iove. Longa dies glebâ, atque ervo: mox cespite, summam Intexit Statuam. Iámque virebat Opus. Ecce tibi! reliquo surgit cum gramine germen, Cuj neque tu nomen, docte Galene, dares: Herba erat. ulteriùs fari tibi Sidera nomen Sola queant, Germen quae genuêre novum. Iámque pedes crescens, talósque, atque ultima limbi, Sub domino attigerat syrmate, Planta latens. Dant vires latebrae occultas; dat fimbria ficta, Quidquid tacta olim fimbria vera dedit. Herba, salutiferum (dictu memorabile!) Numen Concipit: et morbis tabida membra levat. Huc totis cursatur agris: Phoenicia quaerit, Quaerit ab Assyrijs finibus aeger opem: Inventámque reportat opem. Medicabile factum est, Quodcunque attactum est. Planta perennis erat. Fama (sed Aonidum) est; Etiam huc venisse volucres: Dúmque oculum caeco cernit HIRVNDO dari, Prisca Chelidoniae damnâsse emplastra medelae; Hujc Statuae pullos applicuisse suos. Venit et, Herculeo titubans passerculus aestu, Et formicarum languida crure cohors. Crura receperunt formicae, aegérque salutem Passer. Ab hac passer desijt esse salax. Perstitit hoc Superûm plus quàm tria saecula munus, Aeternaturâ, si licuisset, ope.

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Wie eine BLUME Krankheiten durch ihren Duft vertreibt, so ein Kraut durch Berührungen, ein Kraut, das dem Boden Palästinas entspross, doch nur ein einziges. Panias nannten die Alten die Stadt; der Tetrarch Philippus bezeichnet sie zuerst mit dem Namen Caesars. Vor dieser prächtigen Festung standen ein Koloss aus Bronze und eine durchs Feuer des Meisters gegossene Säule und zeigte, geformt von der Hand eines Myron aus Sidon oder Tyrus CHRISTUS, seinen Gewandsaum und dessen Geschichte. Kaum etwas ist bekannter als dieses Geschehnis, dass nämlich die Schwiegertochter einer Syrerin durch Stillung ihres Blutflusses geheilt wurde. [10] Damit das Verdienst nicht vergessen werde, ließ die Frau dem HEILAND [für dieses Geschehnis] ein festes Denkmal aus Bronze errichten und stiftete es. Hoch oben befanden sich zwei Gestalten; denn in fließendem Gewand stand der königliche Arzt weiter rechts. Zur Linken aber streckte die reiche Frau, mit der Geste einer Armen, ihre sehnsüchtige Hand zum unteren Rand seines Gewandes. Was soll ich weiter berichten? Es ist überflüssig, so Bekanntes zu berichten. Das bronzene BILD stand unter freiem Himmel. Die lange Zeit überzog die Statue bis oben mit Erde und Erve und dann mit Rasen. Schon war das Werk grün. [20] Nun sieh nur! Mit den übrigen Pflanzen spross ein Keim, den nicht einmal du, gelehrter Galen, benennen könntest. Es war ein Kraut. Den genauen Namen könnten dir allein die Sterne nennen, die den neuen Keim hervorbrachten. Schon hatte die unbekannte Pflanze wachsend die Füße, die Knöchel und den untersten Saum unten am Gewande des Herrn erreicht. Die Heimlichkeit schenkt verborgene Kräfte; der Saum am Bild gewährt, was einst der wahre Saum bei der Berührung gewährte. Das Kraut bekommt – wahrhaft gedenkenswert! – heilende Kraft und befreit ausgezehrte Gliedmaßen von ihren Krankheiten. [30] Von überallher eilt man hierhin. Phönizien sucht, der Kranke aus dem Gebiet Assyriens sucht Hilfe, und hat er sie gefunden, dann gibt er sie weiter. Heilsam ist, was berührt wurde. Die Pflanze ist unvergänglich. Eine Legende – jedoch der Aonier – sagt, hierher seien die Vögel gekommen und die SCHWALBE habe, als sie bemerkte, dass einem Blinden sein Gesicht wiedergegeben werde, die alten Pflaster aus Schwalbenwurz verworfen und ihre Jungen zu dieser Statue gebracht. Es kamen auch, schwankend in der Hitze des Herkules, ein kleiner Sperling und die sieche Schar der Ameisen. [40] Die Ameisen bekamen wieder die Kraft ihrer Beine und der kranke Sperling Heilung. Von Stund’ an war der Spatz nicht mehr geil. Diese Gabe der Himmlischen hielt mehr als drei Jahrhunderte hindurch an, mit einer Hilfe, die, wenn möglich, für die Ewigkeit bestimmt war.

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At quis homo, (ô Musae!) subvertit? APOSTATA Caesar, Ex OVE sanguineus degenerante LVPVS. Paneada hic truculentus abit: Miracula ridet Germinis, et; Colchum tollite Gramen (ait). Tollitur, ac refugis immittitur Herba caminis: Ad facinus flammas infremuisse, ferunt. NEMPE, SVA est suprema dies Hominíque Feraeque, Atque Herbis. Vivax debuit Herba mori. GRAMEN erat (si vera ferox dat nomina Caesar, Dum Germen divum, Gramina Colcha vocat) Sed, dentem abstinuêre Homines. nec frigida laesit Bruma, nec Arctoo saeva pruina gelu: Non Canis aetherius, non arida torruit Aestas: Non mersêre Hyades, non rapuêre Noti. Cuncta pepercerunt: Afflixit Apostata. GRAMEN Debuit aut nemo, aut BESTIA demetere.

6 foco] B; foco. A 37 medelae;] B; medelae: A 51 Feraeque] B; Feraéque A 59 Afflixit] B; afflixit A

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Aber welcher Mensch – o ihr Musen! – vernichtete sie? Der ABTRÜNNIGE Kaiser, der aus einem SCHAF entartete zu einem blutgierigen WOLF. Grimmig kommt er nach Panias, lacht über das Wunder des Krauts und sagt: »Beseitigt das kolchische Gras!« Es wird beseitigt und in die Öfen geworfen, die davor zurückscheuen; die Flammen sollen bei dieser Untat unwillig getost haben. [50] DENN IHREN letzten Tag haben Mensch, Tier und Pflanzen. Das lebenspendende Kraut musste sterben. GRAS war es (wenn der trotzige Kaiser die wahren Namen verwendet, indem er das göttliche Kraut ›kolchisches Gras‹ nennt). Doch die Menschen aßen nicht davon. Der kalte Winter und der grimme Frost setzten ihm nicht mit nordischem Eis zu; nicht der Hundsstern, nicht der trockene Sommer sengte es; die Hyaden ertränkten es nicht und Notus riss es nicht mit sich. Alles war voll Schonung – erst der Abtrünnige brauchte Gewalt. Das GRAS durfte niemand, nur ein UNTIER mähen.

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OTIA ET LVSVS. Egrediuntur, quasi greges, Parvuli eorum: et Infantes exultant LVSIBVS. Tenent tympanum, et citharam: et gaudent ad sonitum organi. Ducunt in bonis Dies suos. etc. Iob 21 à versu 11. ELEGIA IX. Ambulatio infelix, tonitruis et magica grandine turbata.

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IN cursu jam MAIVS erat: jam floribus arbor Deciduis, foetae frondis agebat opes. Fervebant Soles: stridebant rura cicadis: In Tempe, et virides exspatiabar agros. Huc Nemora, huc salices, huc florea prata citabant, Vmbrarúmque silens, et resupina quies. Mecum aequaeva cohors, non una matre, sed una Gente, sati comites, Nisus et Euryalus: Tum Lupus, et Trebulus, Lepidúsque, et Marcus, et Anser; ANSER plus centum garrulus anseribus. In manibus citharae, fatuóque tonantia bombo Tympana; qui pictos tantùm animaret equos. Pascua contigimus. Pastorem turba sequuntur Omnis: et in modulos LVDICRA Musa coit. Ludebam Mopsum; comites lusêre Menalcam: Vox pastoris erat; Iô! Meliboee, DEVS! Ecce tibi! sudo strepuêre tonitrua coelo, Et subitò nusquam est, qui modo Phoebus erat: Surgimus: ac rapidi miramur murmura Cauri: Horrida praecipiti nube procella ruit. Vnà turbo, tonánsque fragor, fulgúrque trisulcum, Vnà nimbus atrox, et niger imber adest. Diffugimus: latis passim properatur ab agris, Totáque disjecta Musica voce jacet. Ecce, alia ex alijs! Borealibus ater ab oris Impetus exoritur: GRANDINE terra crepat. Commistos nivibus silices, glaciémque notâsses, Pondere, quo mundum Pyrrháque vírque, novant. Hoc caput, hoc testor, quo saxa ruentia sensi; Non fuerant pugno saxa minora meo. Quid pecudum memorem clades? quid funera florum? IMPIA non possunt facta latere diu.

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MUSSESTUNDEN UND SPIELE Ihre Jungen gehen aus wie eine Heerde, und ihre Kinder hüpfen und SPIELEN; halten Pauken und Harfen, und freuen sich beim Klange der Pfeifen. Sie bringen ihre Tage in Wohlleben zu usw. Hiob 21,11–13 ELEGIE IX Ein unheilvoller Spaziergang, der in Donnerschlägen und verzaubertem Hagel endete Es war schon mitten im MAI; schon ließ der Baum die Blüten fallen und den Schatz des fruchtbringenden Laubes anschwellen. Die Tage glühten im Sonnenschein, überall auf den Feldern zirpten die Grillen. Ich machte einen Spaziergang in [unserem] Tempe-Tal und auf den grünen Fluren. Hierher zogen mich die Haine, die Weiden, die blühenden Wiesen und die lautlose, entspannte Ruhe der Schatten. Mit mir ging ein Grüppchen von Männern meines Alters: Die Gefährten Nisus und Euryalus, nicht von einer Mutter geboren, doch aus einer Familie, dann Lupus, Trebulus, Lepidus, Marcus und Anser (ANSER, der geschwätziger ist als hundert Gänse). [10] In Händen hielten wir Lauten und Tamburine, die mit ihrem dumpfen Dröhnen sogar gemalte Pferde hätten antreiben können. Wir kamen zum Weideland. Die ganze Herde folgte dem Hirten, und die LEICHTE Muse vereinte uns in fröhlichen Liedchen. Ich spielte den Mopsus, meine Gefährten den Menalcas. Der Hirtenruf schallte: »Oh Meliboeus, ein GOTT!« Doch da! Aus heiterem Himmel krachten Donnerschläge, und Phoebus, der gerade noch da gewesen war, war auf einmal nirgends mehr zu sehen. Wir stehen auf und staunen, wie der reißende Nordwind braust: Da sinkt mit einem Mal eine Wolke herab, und schauderhafter Sturzregen ergießt sich über uns. [20] Zugleich sind Wirbelwind, Donnerkrachen und dreigezackte Blitze, grässliches Sturmgewölk und schwarze Regenflut um uns. Wir stieben nach allen Seiten auseinander, überall eilt alles von den weiten Feldern, und die ganze Musik liegt darnieder, ihr Klang zunichte gemacht. Da, eins kommt zum anderen: Finster rollt es von Norden an, HAGEL prasselt auf die Erde. Unter das Schneetreiben gemischt konnte man Steine und Eisbrocken ausmachen, so schwer wie die, mit denen Pyrrha und ihr Mann die Erde erneuert hatten. Ich schwöre bei meinem Haupt, auf das ich die Steinbrocken fallen fühlte: Diese Brocken waren nicht kleiner als meine Faust. [30] Was soll ich vom Gemetzel unter den Schafen erzählen und von den Leichenhaufen der Blumen? Doch GOTTLOSE Taten können nicht lange verborgen bleiben.

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Vix bene reddiderat totum lux postera Solem: Accusatur Anus; Brullia nomen erat. Brullia convicta est, primi sub lumina Phoebi, Sollicitè varias circumijsse fores: Brullia, lac quaesîsse recens, lactísque reperti Sinum, in vicini rura tulisse Senis. Vidêre et testes (quos non Maga viderat ipsa) Confusum albenti rore natare solum: Et (dictu infaustum, at strigibus notum atque Megaeris) Fumum, post vetulae carmen, in astra rapi. An dubitemus adhuc, quin juncta volaverit ipsa, Fumosae vires distulerítque trahae? Certè, Anus est confessa scelus. Tam noxia fassam Medeam, in nubes Furca (sed Vsta) tulit. 21 trisulcum,] A; trisulcum; B 31 florum?] A; in B Satzzeichen nicht lesbar

ELEGIA X. Historica. PISTOR in FARINA. Anus Veneficae, sese crebrò, nocturnum ante volatum, inungentis, imitatione tangi coepit curiosus Iuvenis; qui Canidiae illi locatam operam in pistrino exhibebat. Quodam vespere, cùm domum bene potus revertisset, ac vetulam ad choreas magicas, praemissa inunctione, revectam advertisset; vestitus adhuc et ocreatus, Vnguentum, quod in armario temerè mulier reposuerat, involat: atque à pedibus primùm caligísque nefastum exorsus chrisma, cùm Incantantis verba vocésque minùs assecutus esset; peregrinae linguae mysteria ratus, qualiacunque (dummodo exotica) valitura: in obvium sibi versum, quem puer olim in scholis arripuerat, erupit. Protinus igitur evolatura membra (quae quidem inuncta jam erant) dum retinere, sed irrito conatu, laborat; in pistorium alveum, farinâ refertum, abstergendi unguinis caussâ, se conjecit. sed cum eo unà per furnum, caminúmque et aëra elatus, vix tandem, JESV pronuntiato nomine, in palustrem foveam praeceps, at salvus, devolutus est: sui similibus Exemplum non fabulosum futurus; Ne LVSVM tentent, quem sine scelere nemo didicit, sine Numinis ira nemo exercuit, sine flamma (vel mortali vel immortali) nemo expiavit.

Anus] B; Anûs B

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Kaum hatte uns der nächste Tag die Sonne ganz und wohlbehalten zurückgebracht, klagt man eine Alte an; Brullia hieß sie. Brullia wurde überführt, im ersten Morgengrauen angelegentlich um verschiedene Türen herumgeschlichen zu sein; ferner, sich frische Milch beschafft und von dieser Milch einen Kübel auf das Land eines alten Nachbarn gebracht zu haben. Zeugen hatten, von der Hexe selbst unbemerkt, gesehen, wie die Erde, die sie damit begossen hatte, in weißem Tau schwamm; [40] und sie sahen auch – es bringt schon Unglück, es nur auszusprechen, aber die Hexen und bösen Weiber wissen davon –, wie auf einen Zauberspruch der Alten Rauch zu den Sternen emporgezogen wurde. Sollen wir da noch bezweifeln, dass sie zugleich auch selbst mitgeflogen ist und die Kräfte der rauchigen Dreschgabel verbreitet hat? Es ist gewiss, die Alte gestand ihr Verbrechen. Diese Medea, die so große Schuld bekannt hatte, hob sich dann auf einer Gabel (aber einer verbrannten) zu den Wolken empor.

ELEGIE X Historischen Charakters DER BÄCKER im MEHL Ein fürwitziger junger Mann wurde nach und nach von der Lust erfasst, eine alte Giftmischerin nachzuahmen, die sich häufig vor ihrem nächtlichen Flug einsalbte. Er arbeitete gegen Lohn für jene Canidia in deren Bäckerei. Eines Abends, als er recht betrunken nach Hause kam und bemerkte, dass die Alte nach ihrer Salbung wieder zu magischen Tänzen abgefahren war, bemächtigte er sich – noch in Jacke und Hose – der Salbe, die das Weib leichtsinnig in einem Schrank abgelegt hatte. Dann begann er von den Füßen und den Schienbeinen herauf die schändliche Salbe zu versuchen. Als es ihm kaum mehr gelang, die magischen Formeln der Zaubersängerin nachzuahmen, meinte er, es würden die Mysterien einer fremden Sprache – welche auch immer, wenn nur exotisch – ihre Wirkung tun, und ließ einen ihm zufällig einfallenden Vers heraus, den er einst als Knabe in der Schule aufgeschnappt hatte. Als er sich vergebens darum bemühte, seine daraufhin sofort wegfliegenden Glieder zurückzuhalten, warf er sich, um die Salbe abzustreifen, in einen mit Mehl gefüllten Backtrog. Aber zusammen mit dem wird er durch den Rauchfang, den Kamin und die Luft hinausgetragen. Kaum aber, dass er den Namen »JESUS« ausspricht, stürzt er kopfüber in eine sumpfige Grube und kommt, aber ohne Schaden, auf der Erde an: ein nicht erdichtetes Beispiel für Seinesgleichen, damit sie sich nicht an einem SPIEL versuchen, das noch niemand ohne ein Verbrechen erlernte, niemand ohne Gottes Zorn ausübte, niemand ohne das Feuer (ob irdisch oder ewig) sühnte.

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NOVI olim, Aemonia celebrem nimis arte Megaeram: Pulta vocabatur, pultibus apta coqua. Vir Pultae pistrinum habuit, post fata mariti, Sola suum incoluit, nec tamen una, Larem. Pistorem famulum, domini prope jure, viríque, Ascivit. Famulo sors fuit ista lucro. More malo, si quando tumens est visa crumena, Ebrius à Cereris mollibus ibat aquis. Festus erat, celebérque dies: potaverat ille, Ac sera potus venerat urbe domum. Non procul hinc furno, cogente sopore, grabatum; Mox etiam somnum, nocte gravante, capit. Cynthia lucivago tantisper prodijt orbe: Pulta venit, viduum linquere tuta torum. Serve, quiescis? ait (Nondum plenè ille quiêrat) Incipio, hem, notis evolitare Rotis! Dixerat. hinc sueto depromit pyxida lustrô, Nunc haec, nunc isthaec unguine membra linit. Oblita, carminibus lenit: furcáque prehensâ; Furca, per has, per eas, (inquit) abito vias! Ecce tibi! erupit; celeríque volumine vecta, Iam non visa fuit, quae modò visa fuit. Audierat voces, sed non et nomina vocum, Viderat et magicum Panobibactus opus. (Hoc Iuveni nomen res ipsa, patérque dederunt) Quin sequor, inquit, Heram? Res brevis, ársque levis. Sic visum est stolido. Scrutatur, et invenit unguen: Illinit indè manus, oblinit indè pedes. Sola recordatur nondum bene Thessala verba: Haeret, et haerentem linguáque vóxque fugit. Mox recipit vocem; Non sunt Alemannica (fatur) Quae modò praefata est verba volucris hera. Quidquid id est, utcunque fuit; sint verba Latina! Qualiacunque loquar grammata docta, juvat. Ergò linens iterum, priùs oblitus unguine, membra, Stipite sese armat: jámque vehendus, ait; Pinsitus, ac Pistus, Pinsúsque a Pinsuit, Exi! (Has docuit voces Emmanuelis Opus, Has olim puer, has juvenis, tradente magistro, Cognôrat: factus Pistor, in ore tulit.) Verba quidem valuêre nihil; Mens, verba loquentis, Vncta nimis sensim membra levavit humo. Dextra tamen tantùm manus ibat, ut unctiùs uncta; Et pes de pedibus praevius unus erat.

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Einst KANNTE ICH eine Megäre, die allzu berühmt war dank ihrer hämonischen Kunst. Pulta wurde sie genannt, eine geeignete Köchin für armselige Suppen. Der Mann der Pulta hatte eine Bäckerei: Nach dem Tode des Ehemannes bewohnte sie allein das Haus, doch nicht ganz allein. Einen Bäckergehilfen holte sie sich hinzu, beinahe mit dem Recht des Herren und Mannes. Dieser Umstand war dem Gehilfen vorteilhaft. Immer wenn einmal die Börse voll genug erschien, kam er nach seiner üblen Gewohnheit trunken von wohligen Bierchen daher. Nun war ein Festtag voller Leben; er hatte gezecht und kam zu später Stunde aus der Stadt nach Hause. [10] Nicht weit vom Ofen suchte er, da er müde war, seine bescheidene Lagerstatt auf. Bald fiel er auch in den Schlaf, während die Nacht hinuntersank. Cynthia war mit ihrer schweifenden Lichtscheibe ein wenig vorangeschritten, da kam Pulta, arglos genug, ihr Witwenlager zu verlassen. »Diener, schläfst du?«, sagte sie (er aber war noch nicht ganz zur Ruhe gekommen), »ich beginne, wohlan denn, auf den bekannten Rädern auszufliegen!« Sprach’s, dann holte sie die Salbenbüchse aus dem gewohnten Versteck. Bald diese, bald jene Glieder beschmiert sie mit Salbe. Die Glieder, die beschmiert waren, lullt sie mit Gesängen ein und ergreift die Gabel »Gabel« (sprach sie), »trag mich dahin auf diesen, auf jenen Wegen!« [20] Sieh nur, sie steigt auf, und, im schnellen Bogen empor getragen, ward sie, die eben noch sichtbar war, schon nicht mehr gesehen. Es hatte aber Panobibactus die Laute gehört, nicht aber die Worte des Gesagten, hatte auch das magische Werk gesehen. (Die Sache selbst und der Vater gaben dem jungen Mann diesen Namen). »Warum soll ich«, sagte er, »der Herrin nicht folgen? Schnell ist die Sache getan, und leicht, wenn man es kann.« So beschloss es der Törichte. Suchte und fand die Salbe, beschmierte darauf die Hände, beschmierte darauf die Füße. Allein an die thessalischen Worte erinnerte er sich noch nicht recht. Er stockt und, während er stockt, schwinden Laut und Stimme. [30] Bald kann er wieder sprechen: »Es sind keine deutschen Worte« (sagte er), »die eben die fliegende Herrin aussprach. Was auch immer es ist und wie auch immer es war, es sind wohl lateinische Worte. Es hilft alles, was ich an gelehrten Buchstaben ausspreche.« Also ergreift er, indem er die Glieder wiederum salbte, obwohl er sie schon vorher gesalbt hatte, einen Stab und spricht, schon bei der Abfahrt: »Zerstoßen, zerstampft und gemahlen von ›er hat gemahlen‹, komm heraus!« (Diese Formen hatte ihn das Werk des Emmanuel gelehrt, Bezeichnungen, die er teils als Knabe, teils als junger Mann aus dem Munde seines Lehrers kennengelernt hatte; als er Bäcker wurde, führte er sie ständig im Munde.) [40] Die Worte vermochten zwar nichts; doch die Gesinnung dessen, der sie aussprach, erhob die besonders stark gesalbten Glieder sehr allmählich vom Boden. Doch machte sich nur die rechte Hand selbständig, weil sie stärker gesalbt war, und ein Fuß von beiden Füßen machte sich früher auf den Weg als der andere.

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Scilicet arvinâ fuit hic mollitior unus: Crassior et dextro crure natabat adeps. Sensit id; ac, toto qui mallet corpore tolli, Indoluit, non vi compare cuncta trahi. Excutit ergò manu pinguem, pedibúsque mephitin, Quódque è crure potest demere, demit onus. Translatâ hinc caligas lutulat pinguedine Pistor; Et supra caligas antipetasma suas. Allinit et ligulis virus, thoracáque totum Inficit. infecit quidquid, abire parat. In ventos thorax, in ventos pésque manúsque: In ventos caligae, pársque propinqua, ruunt. Vix se, vix artus tenuit, nondum unguine tinctos. Quid faciat? tetrum ponere tentat onus: Donec adeps, omni detersus corpore, cedat, Spem libertatis non habet ille suae. Iámque operis magici, jam impensae poenitet artis: Abjicit è manibus, quidquid olebat Anum. Stipitis auxilium reicit, propetasmáque solvit: Non potuit ligulas solvere (plus biberat.) Dum sudans solvit, dum secum pugnat, et urget; In promptu auxilium est: quid miser (inquit) ago? Insimul in lintrem, subigendae ponè farinae Appositum, praeceps strenua membra jacit. Detersurus in hoc magicae medicamina pestis, Nunc huc, nunc illuc se, caligásque rotat. Necdum observârat: linter, ceu pluma farinis Mollibus undabat (namque replêrat anus) Postquam oculos sensim pulvis tener, oráque sepsit, Obstruxítque viam naribus alba Ceres; Iam non ille memor lentae picis abstergendae, Sed cupidus tutae, quà data porta, viae; Pinsitus, ac Pistus, Pinsusque à Pinsuit (inquit) Exi! Grossus adeps nos, atomúsque premit. Huj! celer, huj! volitet limax cum torque phaselus (Haec quoque Grammaticês dogmata combiberat) Vix ea protulerat; limace phaselus hiulco Tardior, aërium praecipitavit iter: Linter in alta volans, furnum perrupit et aedes; Ac mox praefurni per penetrale ruit. Impetus expulsis quantus solet esse sagittis, Talis in egressu Panobibactus erat. Pars quoque de summo cecidit disjecta camino: Vicinae sonitu perstrepuêre domus.

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Freilich war dieser eine geschmeidiger dank der Schmiere, und am rechten Bein tropfte dichter das Fett. Das spürte er, und weil er mit dem ganzen Körper empor wollte, litt er darunter, dass nicht alles mit gleicher Kraft gezogen wurde. Also streifte er von der Hand und den Füßen den fetten Schmer, und soviel der Last, wie er von dem Bein abstreifen konnte, nahm er hinweg. [50] Von da überträgt der Bäcker die Schmiere, beschmiert seine Stiefel und auch oberhalb seiner Schienbeine die Oberschenkel, schmiert die Salbe auch auf die Gewandschnüre, benetzt die ganze Brust. Alles was er benetzt, bereitet sich vor zum Aufschwung. In einen Sturmwind geraten die Brust, in den Sturmwind Hände und Füße, die Schienbeine und die benachbarten Teile des Körpers. Kaum kann er sich, kaum die Glieder festhalten, die noch nicht von der Salbe benetzt sind. Was soll er machen? Er versucht die grässliche Last loszuwerden. Solange nicht das Fett vom ganzen Körper abgestreift und fort ist, hat er keine Hoffnung, wieder freizukommen, [60] und schon bereut er das magische Werk, den Aufwand an böser Kunst. Er wirft alles aus den Händen, was nach der Alten riecht. Die Hilfe der Gabel verwirft er und löst das Gewand. Die Gewandschnüre konnte er nicht lösen (er war zu betrunken). Während er sie schwitzend löst, während er mit sich kämpft und sich abplagt, ist Hilfe zur Stelle. »Was tue ich Armer?« (sagte er). Sogleich wirft er seine stämmigen Glieder in einen in der Nähe abgestellten Trog, der zum Mischen von Mehl bestimmt war, um darin die Gifte des magischen Unheils abzustreifen. Bald hierhin, bald dorthin wälzt er sich und seine Beine. [70] Aber nicht beachtet hatte er: Der Trog stäubte, leicht wie eine Feder, vom weichen Mehl (denn die Alte hatte ihn gefüllt). Nachdem das zarte Pulver allmählich Augen und Mund verstopft und die weiße Ceres ihm in der Nase den Weg zum Atmen verlegt hatte, dachte er nicht mehr daran, den zähen Schleim abzustreifen, sondern war darauf aus, sich auf welchem Weg auch immer Luft zu verschaffen: »Zerstoßen, zerstampft und gemahlen von ›er hat gemahlen‹, komm heraus!«, sagte er, »Riesenfett und Atom bedrängen uns: Hui, schnell, hui, fliegen mögen Schnecke samt Kette und Kahn!« (Auch diese Lehrsätze der Grammatik hatte er eingesogen.) [80] Kaum hatte er sie herausgebracht, nahm das Gefährt, langsamer als eine Schnecke in ihrem Haus seinen Weg in die Luft. Der Trog fliegt in die Höhe, durchbricht den Rauchfang und die Wände, und bald schnellt er empor durch das Innere des Schornsteins. Schnell wie sonst ein Schuss von Pfeilen, so war Panobibactus bei seiner Ausfahrt. Auch brach ein Teil vom Kamin oben ab und fiel herunter; die Nachbarhäuser erbebten vom Lärm.

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Extimuit tenebrásque nigras, raucúmque fragorem Pistor: et ex alto; Quò miser, inquit, agor? Hoc quoque suggessit timor: inclamavit IESVM. Vox fuit ista bono, vox fuit ista malo. Inferiùs suberat, lento spurcissima coeno, Atque profunda palus, vix superanda pede. Huc (nondum toto IESVM inclamaverat ore) De summo linter lapsus, ad imma cadit. Intonuit casu, cessítque refusa lacuna. At tu, merse nimis Panobibacte, jaces. Dicite, Pierides; Linter pistorius, atque Ipse sub hoc situs est pistor, et alma Ceres. Qui transis, miserere trium: dic, oro, viator; Terra levis reliquis, his tribus esto gravis! Sic Phoebus, sic Musa facit, sic vota viator. Fecimus alitibus non bona vota bonis. Ecce tibi, mersus spissis emergitur undis, Et menti ac patriae redditur ille suae. Lucifer obscuras noctis disjecerat umbras: Ingreditur longum Panobibactus iter. Invenit, heu, patrios illo vix Sole penates: (Tam brevis in tantas vexerat hora plagas) Vt redijt, Pultam incusat. Damnatáque Pulta Nequitiae socias prodit, agítque reas. In dubio mala caussa diu fuit: acta negabant. Iudicium clarum postmodo Flamma dedit.

3 habuit,] B; habuit. A 11 grabatum;] A; unleserlich in B 20 Furca,] A; Furca B 45 unus:] B; unus, A 49 mephitin,] B; mephitin: A 51 Pistor;] B; Pistor, A 62 Abjicit] B; Abijcit A 71 pluma] B; pluma, A 83 volans, furnum] B; volans furnum, A 111 incusat.] B; incusat: A

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Zu fürchten begann der Bäcker die schwarze Dunkelheit und das raue Krachen, und von der Höhe aus sprach er: »Wohin werde ich Armer getragen?« [90] Die Furcht gab ihm auch dies ein: Er rief JESUS an. Dieser Anruf war ihm zum Heil, dieser Anruf war ihm zum Unheil. Tief drunten lag ein Sumpf, schmutzig und tief mit zähem Schlamm gefüllt, kaum mit den Füßen zu begehen. Hierher (kaum hatte er JESUS laut angerufen) glitt der Trog aus der Höhe und fiel in die Tiefe. Vom Fall klatschte das Sumpfwasser und schlug hohe Wellen. Du aber, Panobibactus, liegst dort, tief eingesunken. Sagt mir, ihr Musen: Der Bäckertrog liegt dort und unter ihm der Bäcker und das nährende Mehl. [100] Der du vorübergehst, erbarme dich der drei! Sag’ bitte, Wanderer: Die Erde möge anderen leicht, diesen drei aber schwer sein! So wünscht es Phoebus, so die Muse, so der Wanderer. Nichts Gutes haben wir gewünscht zur guten Vorbedeutung. Sieh an: Eingetaucht taucht er aus den dichten Wellen auf und wird seinem Bewusstsein und seiner Heimat zurückgegeben. Der Morgenstern hatte die dunklen Schatten der Nacht zerstreut, als sich Panobibactus auf seinen langen Heimweg machte. Ach, kaum wird er an diesem einen Tag das Heimathaus erreichen (in so entfernte Gegenden hatte ihn diese nur so kurze Stunde verschlagen). [110] Als er zurückkam, verklagte er Pulta, und Pulta verrät, verurteilt die Gefährtinnen ihres Frevels, macht sie zu Angeklagten. Im Zweifel stand lange die böse Sache: Sie leugneten das Geschehene. Ein klares Urteil gab daraufhin bald das Feuer.

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ELEGIA XI. LVSVS, Die VENERIS infaustus.

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O Benè! quòd rigidas etiam dant LVDICRA poenas, NEC Minöe suo Parvula noxa caret! Ille dies hic est, veteris quo incommoda lapsûs, Et morsum Pomi mortua VITA luit. His Tenebris (quis namque Diem, tam fata nefasta Dixerit?) in trifido stipite Numen obIt. Aequum erat, ut tristi caperem nigra carbasa vultu: Vix alius decuit, LVCE cadente, color. Aequum erat, ut lacrymae immorerer, moriente Tonante: Exspirante DEO, quomodo vivat Homo? Haec tamen (ah demens) studia in contraria flexi: Estque actis calamus sanctior iste meis. Egressus, dimisi aras, sed nescius (eheu!) Tam magnum esse, aras praeterijsse, nefas. Templa alij, cultúmque Crucis, stata sacra, petebant: Stultus ego in virides exspatiabar agros. Invitabat ad hoc, solito propè purior aether, Et volucrum cantus, et Zephyraeus amor. Adjice, VERIS opes, et succida gramine prata. Multa erat in nostrum noxia caussa malum. Et pastoritia est illic inventa juventus: (O, nunquam in similes invenienda jocos!) Lusimus. et ludum DISCVS dabat, aggere jactus: Nempe, ETIAM in Discis Alea jacta, latet. Hîc certè latuit: Iactum, est jactura secuta. Stabam ego pro metis, in mea damna vigil. Ecce! Lapis tumuli procul è statione vibratus, Incidit in nostrum, non sine clade, caput. Fronte sub adversa, libratus acumine fixo, Haesit: et, educto sanguine, pinxit humum. Ora tamen priùs, atque oculos, et tempora, pinxit. Restat adhuc tanti vulneris alta nota. Inspice, qui poteris, nasi prope summa poëtam: E veteri invenies stigmate, vera loqui. Saucia frons loquitur, quà se prope culmina naris, In geminas findunt lumina bina vias. Ex illa jam clade CRVCEM, templúmque frequento: VVLNERAque, ex Vno vulnere, QVINQVE colo. 19 Adjice] B; Adijce A 23 Lusimus.] B; Lusimus: A.

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ELEGIE XI Unheilvolles SPIEL am [KAR-]FREITAG O, wie gut, dass auch SPIELE grausam bestraft werden und ein ganz geringes Vergehen seinem Minos NICHT entgeht! Dies ist der Tag, an dem das LEBEN sterbend den Schaden des alten Falls und den Biss in die Frucht gesühnt hat. In dieser Nacht (denn wer würde ein so unheilvolles Verhängnis »Tag« nennen?) starb an dreifachem Stamm die Gottheit. Es wäre recht und billig gewesen, mit trauriger Miene zu schwarzem Tuch zu greifen: Eine andere Farbe war – verlosch doch das LICHT – kaum schicklich. Es wäre recht und billig gewesen, bei Tränen zu verweilen, da der Donnerer starb: Wenn GOTT stirbt, wie kann der Mensch leben? [10] Gleichwohl verkehrte ich (ach, ich Narr!) diese Überlegungen in gegenteilige Beschäftigungen, und es ist diese meine Feder heiliger als meine Taten. Ich ging hinaus und verließ die Altäre, doch ohne zu wissen (o weh!), welch großer Frevel es ist, die Altäre zu missachten. Andere suchten die Tempel und die Anbetung des Kreuzes, die anberaumten Gottesdienste auf, ich Tor spazierte hinaus auf grünende Felder. Dazu luden der Himmel, der beinahe klarer als gewöhnlich war, der Gesang der Vögel und der Liebeshauch des Zephyrs ein, dazu noch der Reichtum des FRÜHLINGS und Wiesen in saftigem Gras. Zahlreich waren die verderblichen Gründe für mein Vergehen. [20] Und dort fand sich die Hirtenjugend – o, niemals darf man sie zu gleichem Spiel versammelt antreffen! Wir spielten. Und zum Spiel diente eine WURFSCHEIBE, von einem Erdhügel geworfen. Allerdings, SOGAR in Wurfscheiben verbirgt sich ein Wagnis wie bei einem Würfelwurf. Hier war es ohne Zweifel verborgen: Man warf und flugs wurde ich niedergeworfen. Ich stand da am Ende des Wurffeldes, ganz aufmerksam zu meinem Verderben. Sieh da! Der Stein wurde aus der Ferne vom Wurfpunkt auf dem Erdhügel geschleudert und traf meinen Kopf nicht ohne Schaden. Schwungvoll geworfen, blieb er mit seiner scharfen Kante unterhalb der ihm zugewandten Stirn haften, ließ das Blut hervorspritzen und färbte damit den Erdboden. [30] Zuerst aber färbte er Gesicht, Augen und Schläfen. Noch jetzt zeugt eine tiefe Narbe von dieser großen Wunde. Betrachte, die du es kannst, den Dichter aus der Nähe, Nasenspitze: An dem alten Wundmal wirst du feststellen, dass er die Wahrheit sagt. Die verletzte Stirn spricht für sich, da, wo sich bei der Nasenwurzel die Augen in zwei Blickrichtungen trennen. Jenes Unglücks wegen suche ich jetzt oft KREUZ und Kirche auf und verehre wegen Einer Wunde nun FÜNF.

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ELEGIA XII. In MAIVM pluvium.

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QVID MAII hoc? nuper cecinit te nostra Thalia, Inque tuas laudes larga fluénsque fuit. Produxi ipse tuas, nullo incentore Kalendas; Ac, quasi Victori, fixa tropaea dedi. Tu quid agis? nondum medius, nondum Idibus actis, Aspera degeneri nubila fronte trahis. Ingenium coeli, nativáque nomina mutas: Imbre fluunt noctes, et madet amne dies (Si tamen est supèr ulla Dies: nam turbine furvo Noctescunt Soles, lúxque diurna perit). Grandibus interea nimborum insultibus, omnis Herba jacet; Nemorum flos ruit, arva rigent. Quíque priùs teneros halârat cespes odores, Nunc superinducto naufragus imbre natat. Nusquam iter est: periêre viae (quis credat?) et urbis Semita, coenosi mersa palude luti. Hoc pretium est laudis, caussas evertere laudum? Hoc serto ingratus carmina nostra beas? Quae tibi, quae, tanto pro crimine, digna reponam Scommata? proh turpi, Mensis inique, probro! Scilicet, IMBELLI fluitas, non-laese, procellâ: MOLLIS et assiduo, dum pluis, imbre gemis. An PLVERE hoc dicam? an facinus credam esse VIRILE? Non certè! Hoc FLERE est: Lacryma, non pluvia, est. Denique FOEMINEVM hoc opus est, noctésque diésque PLORARE. Hoc noster (vah probra!) MAIVS agit? Nunc igitur resipisce. aut, si muliebriter esse FLENS pergas, MAIA es, qui modò MAIVS eras.

9 supèr] B; super A 12 jacet;] B; jacet: A

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ELEGIE XII Auf den MAIREGEN WAS soll denn das, MAI? Neulich besang dich unsere Muse und war bei den Lobsprüchen auf dich ausführlich und überquellend. Ich habe selbst deine Kalenden vorgestellt, ohne dazu angestiftet worden zu sein; und ich habe dir, gleichsam als dem Sieger, bleibende Trophäen errichtet. Und was machst du? Noch ist nicht Mitte des Monats, noch sind die Iden nicht vorbei, und du lässt mit einer Miene, die man von Dir nicht kennt, raue Wolken aufziehen. Du veränderst das dir sonst eigene Wetter und zerstörst den früheren guten Ruf: Vom Regen triefen die Nächte und vom Wasser sind die Tage nass (Wenn überhaupt noch ein Tag kommt; denn mit dunklen Sturmwolken verfinstern sich die Sonnen, und das Licht des Tages geht unter.) [10] Inzwischen liegt durch die gewaltigen Regengüsse das ganze Gras darnieder, die Blütenpracht der Haine vergeht, das Getreide wächst nicht mehr. Und der Rasen, der früher zarte Düfte verströmen ließ, schwimmt jetzt in den gefallenen Regenfluten schiffbrüchig unter Wasser. Nirgends ist mehr ein Weg: Untergegangen sind die Straßen (wer könnte das glauben!) und die Gassen in der Stadt, versunken im Sumpf morastigen Drecks. Ist das der Dank für das Lob: die Gründe für die Lobsprüche zu beseitigen? Mit solchem Kranz beglückst du undankbar meine Gedichte? Welche Sticheleien, welche soll ich dir für ein so großes Verbrechen zurückgeben? Ach, ungerechter Monat, für dein schändliches Tun? [20] Freilich, da ich dich nicht verletzt habe, kommst du in einem Wetter daher, das UNKRIEGERISCH ist: Du WEICHLING stöhnst, während du triefst, unter dem andauernden Regen. Aber soll ich das »REGNEN« nennen? Soll ich das ein MÄNNLICHES Verhalten nennen? Sicher nicht! Das ist »WEINEN«. Es handelt sich um Tränen, nicht um Regen. Dann ist dies ein WEIBLICHES Tun, Nächte und Tage lang laut zu WEINEN. Das tut (ach Schande!) unser MAI? Komme jetzt also wieder zur Vernunft, oder, wenn du weiter weibisch WEINEN willst, bist du »MAIA«, der du soeben noch »MAIUS« warst.

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ELEGIA XIII. Historica. Meridiatio, sub fruticeto. Immiscetur ELIAE Prophetae, sub Iunipero dormientis, historia. 3. Regum c[apitulo] 19. à v[ersu] 1. Nunciavit Achab (Rex Israël) Iezabel omnia, quae fecerat ELIAS, et quomodo occidisset universos Prophetas gladio. Misítque Iezabel nuncium ad Eliam, dicens: Haec mihi faciant Dij, et haec addant, nisi hac horâ cras posuero animam tuam, sicut animam unius ex illis. Timuit ergò Elias, et abijt, quocunque eum ferebat voluntas. Venítque in Bersabee, et dimisit ibi puerum suum: et perrexit in desertum, viam vnius diei. Cúmque venisset, et sederet subter unam Iuniperum; petivit animae suae, ut moreretur. * Projecítque se, et obdormivit in umbra Iuniperi. Et ecce, Angelus Domini tetigit eum, et dixit illi; Surge et comede, etc. quae illic vide. Eliam,] B; Eliam A Et ecce] B; Et, ecce A

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HIC virgulta sonant, Zephyrô vexata loquaci: Parva, sed in somnos nubilis, umbra jacet. Nunc medius coquit arva dies: caput aestuat aegrum: Et plusquam Calabrâ maceror ora siti. Defecêre etiam vires. quis Prandia portat? Sub frutice hoc rigido sternere membra juvat. DORMIAM, VT ESVRIAM MINVS, ac minùs aridus urar. SAEPE dedit Cererem, saepe fluenta Sopor: Multorúmque fuit Somnus medicina malorum. Sensêre hoc magni, Numine teste, viri. Sensit et ELIAS, Thesbitae nomine clarus, Cùm fugeret gladium, Sidoni saeva, tuum. Sidonis hujc Iesabel, merita nece mota suorum; Hoc ipsô (dixit) quo periêre mei, Te perdam gladio. Et perdendo, dicta probâsset. Ille sed insidias exijt, arte pedum. Iam Samaritis erat, jam cursa Philistias ora: Haec fuga tota seni, non fuga tuta, fuit. Tutus Idumaeis vix tandem in finibus, inquit; Terminus hîc vitae, terminus esto viae! Plus nimiô nobis, alijs plus viximus aequo: Tot mala, Mors redimat; sed breviore malo. Dixit. et exhausti questus vaga murumura ventris,

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ELEGIE XIII Historischen Charakters Mittagsschlaf unter einem Strauch Es fließt ein die Erzählung im 3. Buch der Könige 19 ab Vers 1 vom Propheten ELIAS, der unterm Wacholderbusch schläft. Aber Achab (der König von Israel) berichtete Jezabel alles, was Elias gethan, und wie er alle Propheten mit dem Schwerte getödtet. Da sandte Jezabel einen Boten zu Elias, und sprach: Dieß und das sollen mir die Götter thun, wenn ich nicht morgen um diese Stunde deiner Seele thue, wie der Seele eines jeden von ihnen! Darum fürchtete sich Elias, und machte sich auf, und ging, wohin ihn nur immer sein Wille trieb; und er kam nach Bersabee in Juda, und entließ da seinen Knaben, und er ging weiter in die Wüste, eine Tagreise weit; und als er bis dahin kam, setzte er sich unter einen Wacholderbaum, und wünschte sich den Tod. [...] Und er legte sich nieder, und entschlief im Schatten des Wacholderbaumes; und siehe, ein Engel des Herrn rührte ihn an und sprach zu ihm: Stehe auf und iß! Usw. siehe dort. HIER rauschen die Zweige, bewegt vom schwatzhaften Zephyr. Ein Schatten liegt da, klein, aber zum Schlafen einladend. Eben erhitzt der Mittag die Flur, brennt auf den schmerzenden Kopf, und von mehr als Kalabrischem Durst werd’ ich am Mund verzehrt. Auch die Kräfte sind geschwunden. Wer bringt Stärkung? Es tut gut, unter diesem starren Gehölz die Glieder zu strecken. ICH WILL SCHLAFEN, UM WENIGER ZU HUNGERN und weniger auszutrocknen und Durst zu leiden. OFT gab der Schlaf Brot, oft gab er Wasser. Der Schlaf war Heilmittel für manche Übel; große Männer, Gott ist Zeuge, erfuhren das. [10] Auch ELIAS, berühmt durch den Beinamen ›der Thesbiter‹, erfuhr das, als er vor deinem Schwert, zornige Frau aus Sidon, floh. Jezabel von Sidon, erschüttert vom Tod der Ihren – obwohl er doch gerecht war –, sprach zu ihm: »Ich werde dich mit demselben Schwert töten, mit dem die Meinen starben.« Und sie hätte durch Mord die Worte erfüllt. Er aber entging der Nachstellung auf Schusters Rappen. Schon waren die Grenze Samarias, schon die Grenze des Philisterlandes passiert. Den ganzen Fluchtweg hatte der Alte absolviert, war aber immer noch nicht ganz in Sicherheit. Kaum, dass er sich endlich im Land Edom in Sicherheit gebracht hatte, sprach er: »Hier soll der Weg ein Ende, hier das Leben ein Ende haben! [20] Mehr als genug für uns, mehr als billig für andere haben wir gelebt.

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Posse satur, quamvis non datur, esse petit. Solus amor victûs, vitae quoque fecit amorem. Languida Iuniperi tegmine membra fovet. Iuniperum tamen antè quatit. nihil arbor alebat: Pro dapibus, Vati somnus et umbra venit. Stellifer interea noctem produxerat aether; Sopitum Raphaël bis stetit ante senem: Et bis; Surge, sede, (dixit) quaéque offero, carpe! Admonet: admonitu tardior alter erat. Surge, sede (repetit Genius) sedet ille, vidétque: Vicinus capiti panis et unda jacet. Laetus utrúmque pater populatur. Et aliger illi; Immensae cibus est debitor iste viae: Est Arabum tibi terra supèr, supèr invius Oreb (Inquit; et extremo subtrahit ora sono) THESBITES jussi certus: Quid parcimus ergò? Panis hic, est omni parte fruendus, ait. Dum fruitur toto, dum cortice rodit in immo, Mista notat cineri farra suprema suo. O pretiosa fames! (Vates exclamat) In istis Credideram libis, et Mel, et esse Favum. Tun’ PANIS fueras, cineri commistus? Eamus! Si Cinis esca fuit, non erit Esca via? 19 inquit;] B; (inquit) A 31 bis;] B; bis: A 35 Laetus utrúmque] B; Laetus, vtrumque A 38 (Inquit; et extremo subtrahit ora sono)] B; (Inquit) et extremo subtrahit ora sono. A

ELEGIA XIV. PISCATIO. I. GVNZIJ amnis, et ripae descriptio.

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ME juvat, ad vitrei capere otia fluminis algam, Lenè repercussos aure bibente sonos. Hîc hortus, mediúmque horti qui dividit arvum Gunzius (incertum est, Flumen, an Amnis, eat?) Quod minimum tamen est in aquis; sat tractibus amplis, Iam lembi patiens, jam ratis, unda fluit. Vnda fluens strictim incedit: dispárque ruenti, Perspicuo nantûm monstrat in amne gregem.

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Die vielen Qualen soll der Tod – auch eine Qual, aber kürzer – nehmen.« So sprach er, und belästigt vom wiederholten Knurren des leeren Bauches wollte er sich sättigen, obwohl das nicht ging. Nur das Verlangen nach Essen führte auch zum Verlangen nach Leben. Seine matten Glieder barg er unter dem Dach eines Wacholderbaums. Er schüttelte freilich vorher den Wacholder; der Baum gab keine Nahrung. Nur Schlaf und Schatten dienten dem Propheten zur Speise. Unterdessen hatte der sternentragende Himmel die Nacht heraufgeführt. Zweimal trat Raphael zu dem schlafenden Alten. [30] Und zweimal sagte er: »Erhebe dich, setz dich, und nimm, was ich dir gebe!« Er ermahnt ihn, doch allzu träge für die Ermahnung ist der andere. Der Engel wiederholt: »Erhebe dich, setz dich auf!« Jener setzt sich und sieht: Vor seinem Haupt stehen Brot und Wasser. Erfreut greift Vater Elias kräftig zu beidem. Und der Engel spricht zu ihm: »Diese Mahlzeit verpflichtet zu einem weiten Weg. Das Land der Araber, das unwegsame Bergland des Horeb stehen dir bevor.« Spricht’s und beim letzten Wort entzieht er sein Antlitz. Der THESBITER kennt nun den Befehl und sagt: »Was halten wir uns also zurück; dieses Brot muss ganz aufgegessen werden.« Während er es ganz verzehrt, während er die Kruste im Mund zermahlt, merkt er, dass die letzten Bissen mit Asche vermischt sind. Laut ruft der Prophet aus: »O teurer Hunger! Ich hatte geglaubt, dass in diesen Fladen Honig und süße Wabe sind. Warst du etwa BROT mit Asche gemischt? Lass’ uns gehen! Wenn der Staub des Weges die Speise war, sollte dann nicht Speise der Weg sein?«

ELEGIE XIV FISCHFANG I. Beschreibung des Flusses GÜNZ und seines Ufers MIR tut es gut, am Gestade des glasklaren Flusses Ruhe und Muße zu finden, während mein Ohr die sanft widerhallenden Geräusche [der Wellen] trinkt. Hier ist der Garten, hier die Günz (unklar, ob sie als Fluss oder als Strom fließt), welche die Gartenlandschaft mitten durchtrennt. Was bei Gewässern das Mindeste ist, ihre Welle fließt in ausreichend breiten Strömen, so dass sie bald einen Nachen, bald ein Floß trägt. Die Welle flutet gar ruhig heran: Alles andere als aufgewühlt lässt sie im durchsichtigen Strom den Schwarm der Fische sehen.

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Ripas alga recens, muscosáque protegit herba: Admittunt siccos ultima saxa pedes. Vsque adeò hîc tutum est, etiam sine lege natandi, Et sine sollicita flumen inire rate. Tutum est, immersa niveos educere dextra Scrupillos; humerum non superante vado. Aspiceres summae volucres in margine ripae, Non uno titulo quas trahit amnis amor. Illic et fulicae, madidíque à nomine mergi: Illic nasutae garrulitatis anas. Ponè, suos etiam posuit gravis ardea nidos: Et Maeandraeus foedera junxit olor.

II. Varij Pisces, hamis excepti.

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His ego DELICIIS, hoc GVNZI insanus amore, Quid facerem, ad patrij laeta salicta soli? Dignus eram, Superûm concessum munere donum Perdere; concessum si mihi vile foret. Non certè mihi vile fuit. Dedit otia Phoebus, (Otia primaevae non inimica scholae;) Exsilui (et fateor: nôrunt, post sidera, Nymphae, Nôrunt Gunziades, conscia turba, Deae) Exsilui; sumptísque hamis, et arundine raptâ, Feci, utcunque humilis suasit avarities. Protinus, aut unctis caelabam subdola crustis Aera: vel armabam muricis induvijs. Aut ego suffosso lumbricos colle legebam: (Sunt haec hamatis certa vorago dolis.) Vermiculata simùl ferro est inserta sagina, Ilicet incauto facta sagena gregi est. Namque, ubi vix tremulo piscatrix pertica lino Incidit, et placidis prona pependit aquis; Certatim squamata cohors majórque minórque, Adfuit: in parvum non gula parva cibum. Gobius ante alios, cauto praerodere morsu Suetus, et assiduo sollicitare joco; Denique non-cauto deceptus inhaesit hiatu: Sic captum, in siccam linea traxit humum. Gobius unus erat, sed non tamen unica cura:

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Die Ufer deckt frisches Grün und mit Moos durchsetztes Gras; die Steine am Rand gewähren trockene Füße. [10] Hier ist der Fluss in dem Maße sicher, dass man sogar ohne schwimmen zu können und ohne schwankendes Floß in ihm baden kann; sicher genug, die Hand einzutauchen und schneeweiße Kiesel herauszufischen, während das seichte Wasser nur bis zur Schulter reicht. Am Rand des höchsten Ufers könntest du Vögel mit verschiedenen Namen erblicken, welche die Liebe zum Fluss hierher führt. Dort sind Blässhühner und Taucher, die schon dem Namen nach nass sind; dort eine Ente mit ihrem spöttischen Geschnatter. Dahinter hat sogar der ehrwürdige Reiher ein Nest gebaut; und der mäandrische Schwan hat sein Bündnis geschlossen. [20]

II. Das Angeln nach verschiedenen Fischen Was sollte ich, hingerissen von der Liebe zur GÜNZ und diesen HERRLICHKEITEN, bei den stolzen Weidenbäumen des Heimatbodens tun? Wenn mir die Gabe, die mir durch ein Geschenk der Himmlischen zuteil geworden war, gleichgültig gewesen wäre, hätte ich es verdient, sie zu verlieren. Doch gewiss war sie mir nicht gleichgültig. Phoebus gab mir Muße (eine Muße, die der jugendlichen Erziehung nicht abträglich war): Ich sprang auf (ich gestehe es: Nächst dem Himmelsgestirn wissen es die Nymphen, wissen es die göttlichen Töchter der Günz, die kundige Schar), auf sprang ich, ergriff einige Angelhaken, riss ein Schilfrohr ab und handelte, wie es mir mein bescheidener Jagdeifer riet. [10] Entweder tarnte ich sogleich das heimtückische Erz mit getränkten Brocken oder steckte Schneckenfleisch darauf; oder ich grub am Hügel und sammelte dort Regenwürmer (sie sind sichere Köder für den mit Haken bewehrten Hinterhalt). Ist erst das sich ringelnde Futter auf das Eisen gesteckt, so ist auch schon das Fangmittel für den arglosen Schwarm bereitet. Denn kaum war die Angelrute mit zitterndem Faden eingetaucht und hing geneigt über dem ruhigen Wasser, als auch schon eine größere und eine kleiner Kompanie der Geschuppten zur Stelle war, eine mit der anderen wetteifernd – nicht gerade kleine Gier auf eine kleine Speise. [20] Der Gründling vor allen anderen, gewohnt, mit vorsichtigem Biss vorne zu nagen und mit ständigem Spiel die anderen aufzustören, er blieb schließlich, nach einem allzu unvorsichtigen Schnappen, als Betrogener hängen. So gefangen hat ihn die Leine auf trockenes Land gezogen. Dies war der eine Gründling, jedoch blieb es nicht dabei:

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Addita, post praedam hanc, praeda secunda fuit: Inde aliae, atque aliae; dein altera et altera ducta est: Favit ad hoc nobis gurges, et ipsa dies. 9 Exsilui;] B; Exsilui A. – raptâ,] B; rapta: A 28 nobis] A; uobis B (umgekehrtes ›n‹)

III. Piscationis per tragulam modus: et Cancrorum captura.

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Illa dies calido rutilabat flammea Sole. SOLE CAPE: ad solem squamea turba salit. Tum quoque, vel quovis statuatur tragula Phoebo: Tragula flumineo non minùs apta lucro. Tu modò reticuli (circus quod ligneus ambit) Ostia praecipiti fortiter obde vado. Dum captabis aquas, capies et aquatica saepe Pignora; quod trado, si bene dogma tenes. NON SATIS opposito est defigere flumine cassem; Quaere operis socium subsidiúmque tui. Ille tuus quicunque comes, mediúsque laborum est, Supra te liquido stétque, juvétque loco. In dextra hujc contus, multa praefixus aluta: Fac, sint in stagno (sed sine labe) pedes. Pòst, ubi tempus erit, cùm jam tibi tragula fixa est; Turbet aquam pedibus: stipite turbet aquam. Hic labor, in linum tibi plenis agmina pinnis Congeret: hinc dives, qui modò pauper, eris. Tu modò, ne socij oblitus, contíque ministri, In partem lucri spontè venire jube. DIVISISSE etiam (captum est quodcunque) juvabit: Materies crebri sors erit ista joci. Scilicet, interdum lapides sarmentáque sola, Decepta ejiciet tragula: DIVIDITE! CAETERA quae canerem, Piscandi commoda; nostro Nec sunt digna choro, nec satìs apta foro. Nec Puerum armamus, tempus, non aera, volentem Contrahere. Expandant retia plena Senes. SAT puero est, juveníque Hamus: sat tragula frugi. SI tamen et CANCROS quaeritis: ecce, damus! Crure ferè genuúmque tenus, te littoris udo Committe. ad ripas scrobs tibi multa latet. Aude animis: immitte manus: scrutare cavernas: Aut barbâ, aut tremulo syrmate, carpe feram.

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Drittes Buch

Dieser Beute wurde eine weitere hinzugefügt; dann wurden andere und noch andere; schließlich eins ums andere herausgezogen: Zu diesem Tun waren uns das Nass und der Tag selbst wohlgesonnen.

III. Fischfang mit einem (Stell-)Netz und Krebsfang Der brennende Tag glühte unter der heißen Sonne. ANGLE NUR BEI SONNENSCHEIN, denn die schuppige Schar springt ans Sonnenlicht. Bei jedem beliebigen Wetter aber kannst du ein Stellnetz aufbauen, eines, das für gleichen Gewinn aus dem Fluss nicht weniger geeignet ist. Richte nur die Öffnung deines Netzes (um das ein hölzerner Rahmen läuft) mit Kraft gegen die drängende Flut. Während du dafür sorgst, dass sich Wasser im Netz fängt, magst du wohl auch oft aus dem Wasser Beute machen, wenn du dich nur gut an die Regel hältst, die ich dir gebe. NICHT GENUG, das Netz aufzustellen, wo es dem Angriff des Flusses ausgesetzt ist: Suche Verbündete und Hilfsmittel für deine Unternehmung. [10] Wer immer dein Gefährte und Helfer bei deinen Bemühungen sei, er soll oberhalb von dir im Wasser stehen, und dir an seinem Platz hilfreich sein. Er trägt in der Rechten einen vorn mit viel Leder umwundenen Stab: Sorge dafür, dass seine Füße (auf festem Grund) im Gewässer stehen. Dann, zu dem Zeitpunkt, wenn du dein Stellnetz schon aufgebaut hast, soll er das Wasser mit den Füßen und mit der Stange aufwühlen. Diese Arbeit wird dir ganze Massen mit der vollen Kraft ihrer Flossen in die Fäden treiben: Jetzt bist du reich, der du gerade noch arm warst. Vergiss aber nur nicht deinen Gefährten mit dem Stock, biete ihm freiwillig an, dass er einen Teil der Ausbeute bekomme. [20] Denn, wie groß auch der Fang ist, es wird sich lohnen, ihn zu TEILEN. Vielleicht wird es Stoff für einen gern gehörten Scherz sein: Wenn nämlich das eingeholte und getäuschte Netz ab und zu nur Steine und Holz zutage fördert: TEILT ES! Die ANDEREN Annehmlichkeiten des Fischfanges, die ich besingen könnte, sind weder unserer Dichtung würdig, noch hinreichend für die Öffentlichkeit geeignet. Auch bereiten wir keinen Knaben vor, der etwa willens ist, sich die Zeit zu vertreiben, statt Geld zu verdienen. Die Alten sollen die vollen Fangnetze ausspannen. Für den Knaben und den Jüngling ist der Angelhaken GENUG; das Stellnetz taugt für den Bescheidenen. WENN du jedoch auch nach KREBSEN fragst: Siehe, wir geben dir Auskunft! [30] Begib dich bis an die Unterschenkel, fast bis zu den Knien in das Nass des Ufers. Viele Gruben verbergen sich am Ufer. Wage es mit Mut: Tauche die Hände hinein und durchwühle die Höhlen. Entweder am ›Bart‹ oder am zitternden Schwanz wirst du dein Wild fangen.

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Liber III

Quamvis chela tenax te mordeat: attrahe; prendes. Retrogrado veniet sub tua jura pede. 24 ejiciet] B; eijciet A 25 CAETERA] B; CAETERA, A

ELEGIA XV. MVSEVM. I. Muséi situs, et loci commoditas describitur.

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NVNC ego divinos (veterum Sacra magna) Penates, Vt mei sint horum Numine tuta, canam. Et pro jure canam. Nam, seu glacialis inhorret Bruma, manent Musis apta caverna meis: Seu gravis ore Canis torrentes omnia flammas Exspuat, haec placidi frigora VERIS habent. Inchoet Autumnus rigidi praeludia coeli, Territus aversis haec fugit antra minis. Hîc sua vel nimbi moveant, vel praelia venti: In mea regna nihil juris habere volunt. Me juvat et tellus; aër consentit, et aether: Ac, (si dispicias singula) sole juvor. Namque ubi sidereum, circo spatiosior, orbem Incipit aestivo currere Phoebus equo; Quamvis Eoo primum jubar aequore fusum Deneget, inviti conditione loci: Me tamen accedit; quáque est iter, indè, refractis Luminibus, radio languidiore venit: Nec timor est, ne maturo me torreat aestu, Neu’ sudore genas, neu’ gravet ora siti. Cùm neque flabra mihi peregrinos concita ventos Concilient, lento nec levet unda gelu; Vespertina tamen medio sunt frigora Sole: Sunt Zephyri, exhaustis otia Thespidibus.

1 Sacra … Penates] B; sacra … penates A

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Drittes Buch

Wie sehr dich auch die hartnäckige Schere zwicken mag, ziehe fest; du wirst ihn erjagen. Im Rückwärtsgang wird er sich in deine Gewalt begeben.

ELEGIE XV DAS STUDIERZIMMER I. Die Lage des Studierzimmers wird samt ihren Vorzügen beschrieben NUN will ich die göttlichen Penaten – jene von den Alten so hoch verehrten heiligen Wesen – besingen, auf dass sie mit ihrem Walten meinen Wohnbereich schützen. Und zu Recht werde ich sie besingen; denn ob auch der Winter vor Frost starrt – dieser [Wohnbereich] bleibt für meine Musen ein passendes Gewölbe, und selbst wenn das Maul des drückenden Hundssterns Flammen speit, die alles ausdörren, ist er angenehm kühl wie im FRÜHLING. Mag auch der Herbst ein Vorspiel rauen Winterwetters bieten – vor meiner Grotte macht er sich erschrocken davon, und abgewendet sind seine Drohungen. Prallen hier einmal Regenwolken oder Winde kämpfend aufeinander – auf mein Reich erheben sie keinen Anspruch. [10] Auch das Terrain sagt mir zu, entsprechend die Luft und der Himmel, und (genau betrachtet) ist auch die Sonne mir günstig. Denn sobald Phoebus im Sommer beginnt, mit seinen Rossen am Firmament die weitere Kreisbahn zu durchlaufen, da erreicht er mich trotzdem – wenngleich er mir der allzu großen Entfernung wegen den ersten Glanz, der auf das Ostmeer fällt, versagt – und kommt, wo immer sich ein Weg bietet, durch Spiegelung seines Lichts heran, wenn auch mit schwächerem Strahl. Und ich brauche nicht zu befürchten, dass er mich mit seiner vollen Hitze ausdörrt, die Wangen mit Schweiß und den Mund mit Durst plagt. [20] Wenn auch kein Fächerwedeln ferne Winde zu mir herführt und mich auch kein Wasserlauf mit träge machender Kühle entspannt, so herrscht doch abendliche Frische, selbst wenn die Sonne am höchsten steht; es wehen Zephyrlüfte – ein Ort der Muße für die erschöpften Thespiaden.

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II. Morus arbor, Muséo imminens. Reguli aviculae cantilena.

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Id praestat dilecta mihi Thysbëia MORVS, Quae thalami vitreas excubat ante fores. Truncus in adversum valido duo brachia ramo Mittit; ut expassas orba virago manus. Stat suprà, densum folijs caput: unde virenti (Ceu Maris obiectu) luce fenestra natat. Nec satìs est, quòd et aspectu delectet opaco Arbor, et ignotos temperet umbra dies: Sunt et Aves. et avis (quaecunque est) hospita frondis, Saepè suos nostra judicat aure choros. Vidi ego, cùm lato nuper vagus iret in horto Regulus, exiguo corpore major avis: Cùm modò diffusas malos, modò suaveolentes Fronde pyros, spreto falleret hospitio: Cùm neque buxeti frutices, nec odora roseta, Quae multo surgunt vimine, tecta darent; In nostrum migrâsse Nemus. Post omnia visa, Sola fuit MORI gratior umbra meae. Hîc curvae innixus frondi, cùm proximus ales, Nescio quod tereret, sed sine laude, melos; Dicere visus erat; Quid epos, furiosa volucris, Perdis? habet cantu Regulus imperium. Invideat quamvis, et non patiatur, aëdon: Si tamen audierit carmina nostra; feret. Mox coeptum est carmen. gracili modulamine metra Mille fluunt, dociles gutture dante vias. Quid referam? modò cassita est, modò dulcis acanthis Visa mihi, et tota re philomela fuit. Ipsa sibi volucris, jam non erat illa volucris, Quae fuerat; tremula dum statione ruit. Mox agili sudum prorumpit in aethera pennâ, Ereptura Iovi, quas meruisset, opes. HAS ego DELICIAS taceam? Sed et ipsa supersunt Astra: vel, ex astris munera missa mihi. Sunt matutini rores, seróque pluentes Vespere, quos coeli non gravis imber alit. Immittunt radios (quos non specularia portant, Non aër) medio fulgura missa die: Aonidásque meas inter, pulcerrimus errat Aliger; et docta temperat arte Deas. Sed, satìs haec! LAR, secessûs penetralis amator, Pluribus IN LVCEM se vetat ipse trahi.

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II. Der Maulbeerbaum, der vor dem Studierzimmer aufragt Der Gesang des Zaunkönigs Das macht mein lieber MAULBEERBAUM, bekannt aus der Erzählung von Thisbe, der vor den gläsernen Pforten meines Gemaches wacht. Sein Stamm streckt mir zwei starke Äste als Arme entgegen, so wie die mannhafte Jungfrau, als sie sich verlassen fand, ihre Hände weit ausstreckte. Darüber erhebt sich seine Krone mit dichtem Laub, wovon das Fenster in grünlichem (wie von Meerwasser gefiltertem) Licht flimmert. Und nicht genug damit, dass der Baum den Blick angenehm abschirmt und mit seinem Schatten das Tageslicht dämpft und fernhält – auch Vögel finden sich dort, und ein Vogel (welcher es auch sei), der sich im Laubwerk einquartiert hat, lässt seine Melodien oft von unserem Ohr begutachten. [10] Gesehen habe ich, als neulich der Zaunkönig – ein Vogel, klein von Gestalt, im Übrigen aber größer – im weitläufigen Garten umherschweifte, als er bald die weit ausladenden Apfelbäume, bald die mit ihrem Laubwerk süß duftenden Birnbäume als Wirte verschmähte und enttäuschte, als ihm weder die Buchsbaumsträucher noch die wohlriechenden Rosenhecken, die dicht verschränkt in die Höhe schießen, ein Dach bieten konnten, dass er in meinen Hain kam. Nachdem er sich alles angesehen hatte, gefiel ihm besser als alles andere der Schatten meines MAULBEERBAUMS. Hier ließ er sich auf einem gewölbten Blatt nieder, und während ein Vogel ganz in der Nähe nicht gerade rühmlich ein Lied plärrte, [20] schien er zu sagen: ›Was trägst du umsonst deine Rhapsodie vor, du sinnlos eifernder Vogel? Im Gesang dominiert der Zaunkönig. Zwar neidet es ihm die Nachtigall und will es nicht leiden; doch hat sie unsere Gedichte erst einmal gehört, wird sie sich damit abfinden müssen.‹ Sogleich hebt er an zu singen. In feiner Melodik strömen tausend Verse hervor, von seiner Kehle geschmeidig geformt. Wie soll ich es ausdrücken? Mal glaubte ich eine Haubenlerche, mal einen wohltönenden Stieglitz zu hören, und im Ganzen genommen war es eine Nachtigall. Sich selbst sogar galt der Vogel nicht mehr als derselbe, der er zuvor gewesen war, und plötzlich verlässt er seinen schwankenden Sitz. [30] Schon stürmt er mit flinker Feder in den wolkenlosen Himmel hinauf, um sich von Jupiter den Lohn, den er verdient zu haben meinte, mit Gewalt zu holen. Und von SOLCHEN FREUDEN sollte ich schweigen? Doch gibt es da auch noch die Sterne selbst oder vielmehr die Gaben, die mir von den Sternen her gesandt wurden: Es gibt den Morgentau und den spät abends hernieder träufenden Tau, genährt von leichter Feuchte des Himmels. Am hellichten Tag senden mir Blitze Strahlen herein (die nicht durchs Fensterglas und aus der Luft kommen) und unter meinen Aoniden wandelt eine überaus schöne männliche Gestalt mit Flügeln und dirigiert die Göttinnen gelehrt und kunstvoll. [40] Doch damit soll es genug sein! Der SCHUTZGOTT, der es liebt, sich im innersten Heim zu verbergen, verbietet es, dass er weiter INS LICHT gezogen werde.

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VENATIO. Ibi (cum his, qui descendunt in lacum) universi VENATORES; qui deducti sunt cum interfectis, PAVENTES, et in sua fortitudine confusi. Ezechiel. 32. v[ersus] 30. Quattuor sunt minima terrae: et ipsa sunt sapientiora Sapientibus. Formicae, populus infirmus, qui praeparat in messe cibum sibi: LEPVSCVLVS, plebs invalida, qui collocat in Petra cubile suum. etc. Proverbior[um] 30. v[ersus] 24. Ibi] B; Jbi A Petra] B; PETRA A

ELEGIA XVI. DE VENATIONE. Venatores in Captura fortes: in nocturnis terroribus Imbelles.

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IAM pridem in Montes, et in horrida Maenala cursus, In Nemeae valles, Taygetíque nemus; In lustra, ac densis vepreta rigentia dumis, Aprorúmque itur, devia tesqua, lares: Iam trepidant damae: jam vix hiat Appula vulpes: Iam vitam à pedibus discit habere Lepus. Retia nunc passim, et solitae Formidinis horror, Atque plagae, et dociles per juga summa canes. Quos contrà arrecti veniunt in praelia cervi, Dum fugere infestos non datur arte dolos. Latrat Hylax: sequitur Laelaps: comprendit Hylactor: Pamphagus invadit: caetera turba necat. Quamvis et frutices, et stent spelaea saluti; Nec spelaea feram, nec fruticeta juvant. Irruit, ac valido torquet venabula nisu Venator; strato fortis in hoste Gigas. Sic luce exactâ, cùm vesper inhorruit ater, Cùm densa ex altis montibus umbra cadit: Magnifico redeunt, Dryadum per regna, triumpho; Victor, jô! Paean! consonat omne jugum.

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DIE JAGD Dort sind alle [JÄGER], die hinabfuhren mit den Erschlagenen, ZAGEND und zu Schanden geworden bei ihrer Tapferkeit. Ezechiel 32,30 Vier sind sehr klein auf Erden, und doch weiser als die Weisen: Die Ameisen, ein schwaches Volk, das sich in der Ernte Speise bereitet, die KANINCHEN, ein kraftloses Volk, das sein Lager in Felsen baut usw. Sprüche 30,24–26

ELEGIE XVI VON DER JAGD Die Jäger: beim Fang stark, schwach aber bei nächtlichen Schrecken SCHON seit langem führt ihr Gang in die Berge, ins schreckliche MaenalonMassiv, in die Nemeischen Täler und in den Wald des Taygetos. Zu den den Wildlagern geht man und in das von dornigem Gezweig starrende Gestrüpp und zur Heimstatt der wilden Eber, ein Gefilde im Abseits. Schon zittern die Damhirsche, schon kann der Apulische Fuchs kaum noch keuchen, schon lernt der Hase, sein Heil in der Flucht zu suchen. Nun überall Netze und der Schrecken gewohnten Treibens, und Schläge und Hunde, abgerichtet im engen Halsband. Gegen sie kommen die Hirsche aufgerichtet herbei zum Kampf, wenn die Möglichkeit nicht mehr gegeben ist, vor den feindlichen Nachstellungen listig zu fliehen. [10] Hylax bellt, hinter ihm Laelaps, es schnappt zu Hylactor, Pamphagus springt vor, der Rest der Meute tötet. Mögen auch Strauchwerk und Höhlen zur Rettung bereit stehen, so helfen doch dem Wild weder Höhlen noch Strauchwerk. Der Jäger dringt vor und schwingt mit starker Hand die Jagdspieße, ein starker Riese, wenn der Feind hingestreckt ist. Hier, wenn das Licht geschwunden ist, wenn der schwarze Abend graust, wenn der dichte Schatten von den hohen Bergen fällt, ziehen sie in großartigem Triumph durch die Reiche der Dryaden. »Sieger, Ja! Heil!«, so tönt jedes Bergjoch wider. [20]

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Interea, coelô in nubes et opaca coacto, Degener in dubia nascitur aure pavor. Vmbram quisque suam (quae, oppresso sidere, nulla est) Saepe timent manes, dama necata, tuos: Quódque vehunt, nullo metuunt terrente cadaver, Seu Meleagraea est cuspide fossus aper: Sive Actaeonijs trajecta est cerva sagittis, Quae modò confossa est, fit rediviva fera. Siquid et horrisono latraverit ore molossus: Cerberus ac Stygij fingitur ira Iovis. Quódque Caledoniae nocturnus in aggere sylvae, Aut puer, aut timidus saepe viator agit, Seu mus, sub latebras, seu se mustela recepit Lutea, seu strictum raserit angvis iter; Vltima quaeque timent. Sed tunc magìs, aura susurrum Si ciet, ac trepidis flatibus arva quatit, Stant horrore comae, stant rectis auribus omnes: Cúmque parùm noto mens tremit icta Noto. Quòd si increbuerit, justóque à turbine frondes Perculerit, plenîs torta procella minis; Tum neque cor, nemorum his domitoribus, aut stata mens est: Quótque fluit folijs sylva, tot hi lacrymis. Saepe etiam obliquo transversim limite currens, Nocturnus fregit Martia corda LEPVS. O, verè, ô, cristis dignos Actaeonas illis, Quas Venatori Gargaphis unda dedit! Quid tamen hoc magni est? Fugiens Lepus, ipsa fugavit Moenia, ad Hannibalis non pavefacta minas. Musa, mihi memora: tu, Roma ter inclyta, frende; Olim Aquilis leporem praepotuisse tuis.

13 saluti;] B; saluti. A 15 nisu] B; nisis A 30 Cerberus] A; Cerberus, B 33 mus,] B; mus A 36 quatit,] quatit. A; B

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Inzwischen erwächst, da sich der Himmel in dunkle Wolken zusammenzieht, in den Ungewissheiten über die gehörten Geräusche ganz unadelige Angst. Jeder fürchtet seinen Schatten (der, da kein Stern leuchtet, gar nicht da ist), oft fürchten sie eure Geister, ihr erlegten Damhirsche. Auch wenn nichts droht, fürchten sie sich vor jedem Kadaver, den sie mitschleppen, ob es ein mit dem Spieß Meleagers durchbohrter Eber ist oder eine von den Pfeilen Aktaeons durchbohrte Hirschkuh, die, eben erstochen, als wildes Tier wieder lebendig wird. Wenn irgendwie ein Molosserhund mit schrecklichem Maul bellt, stellen sie sich den Cerberus und den Zorn des Stygischen Jupiter vor. [30] Und wie es einen Knaben nächtlich im Gefilde des Caledonischen Waldes oder einen Wanderer furchtsam umtreibt, ob nun eine Maus oder ein bräunliches Wiesel sich ins Versteck zurückzieht oder eine geringelte Schlange den Weg berührt, fürchten sie nur das Schlimmste. Dann aber mehr noch, wenn ein Lüftchen ein Säuseln hervorruft oder mit heftigem Wehen die Flur erzittern lässt. Vor Schrecken stehen die Haare, sie stehen alle mit gespitzten Ohren, und wenn das Herz bebt, getroffen vom Schlag einer kalten Böe. Wenn diese sich wiederholt und im richtigen Wirbelwind die Blätter durchsaust, ein Sturm mit voller Gewalt sich erhebt, [40] dann bleiben bei diesen Herren der Wälder weder Herz noch Sinn gefasst, und sie zerfließen in so viel Tränen, wie der Wald in seinen Blättern wogt. Oft auch zerbrach ein nächtlicher HASE die martialischen Gemüter, wenn er quer über den Weg lief. O, wahrlich, o Aktaeone, würdig jener Helmbüsche, die dem Jäger das Gargaphische Wasser verlieh! Was ist gleichwohl daran Großes? Ein flüchtiger Hase schlug jene Mauern in die Flucht, die vor den Drohungen Hannibals nicht zum Zittern gebracht worden waren. Muse, bring es mir ins Gedächtnis! Du dreimal berühmtes Rom, knirsche darüber mit den Zähnen, dass einst ein Hase mächtiger war als deine Adler.

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ELEGIA XVII. Vrbs ROMA, Venatione LEPORIS capta. FORMOSVM, Romanum Pontificem, moribus eruditionéque probatissimum, Romanorum quorundam factio Procerum, Civiúmque, contra jus fásque Cathedrâ depulerat. Hujus in libertatem atque Sedem restituendi caussâ, in Italiam profectus ARNVLPHVS, Bojus, Carolomanno genitus, postea Augustus, depulso jam à cervicibus imperij Gvidone Italo: posteaquam diu, nihil succedente conatu, seditiosam Vrbem obsedisset; Fortunâ denique perfecit, quod Marte Bellonáque non potuit. Nam latibulo suo progressus LEPVSCVLVS, suâ fugâ jam desperantem ARNVLPHI militem, quasi per Venationis ludicrum, ad insequendum pertraxit: hinc ex uno manipulo cohortes et legiones. Qui in moenibus praesidio ac pro portis tutelae stabant; caussae tam levis ignari, séque repentino Germanorum incursu peti suspicati: relictis aequè stationibus atque armis, intrà moenium tuta refugerunt; simul portarum, quas apertas deseruerant, simul veteris Romae virtutísque obliti. Sic Imperatorijs, per tam pronam occasionem, irrumpentibus, Vrbs populorum et gentium Domina, ne per serium quidem, sed Venatici joci simulacrô, capta, severéque coërcita est, anno salutis 896 Arnulphus à Formoso liberato, more veteri, coronatus, et Augustalibus insignitus. Ex Horat[ii] Tursellin[i] Epitom[a] l[ibro] 7. Rhegin[one] et Sigeberto. P[ater] Andr[eas] Brunner, Excub[a] Tutelar[i] in Arnulpho. restituendi caussâ,] B; restituendi causâ A – diu,] B; diu A Conatu,] B; conatu A praesidio] B; praesidio,A 896] B; 896. A

I. Romanorum Seditio in Formosum Pontificem.

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NVNC mihi, nunc alios, Elegëia, pande recessus: Castalius venâ fons meliore fluat! Arma canam, nova bella, priùs non cognita Soli: Hinc neque Phoebeae cognita bella lyrae. Phoebus, ut est arcu, jaculóque, manúque tremendus, Sic arcu tantùm vincit, et arte manûs: Nostra FVGA, timidóque venit victoria cursu: Cantari sua vult impare gesta pede. Vtque alter brevior Lépori est, et longior alter In cursu gressus; sic, Elegeja, veni.

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ELEGIE XVII Die Eroberung ROMS durch eine HASENJAGD FORMOSUS, den Bischof Roms, der wegen seiner Sitten und Bildung anerkannt war, hatte eine Partei römischer Adliger und Bürger gegen göttliches und menschliches Recht aus seinem Amt vertrieben. Um ihn zu befreien und wieder in sein Amt einzusetzen, zog der Bayer ARNULPH, Karlmanns Sohn, der später Kaiser war, nach Italien, nachdem er bereits das Reich vom Druck des Italieners Guido befreit hatte; nachdem er lange die aufrührerische Stadt belagert hatte, ohne dass sein Versuch erfolgreich war, erreichte er schließlich durch einen glücklichen Zufall, was er mit Kriegsgewalt nicht hatte erreichen können. Denn ein HÄSCHEN kam aus seinem Versteck hervor und brachte durch seine Flucht Soldaten ARNULPHS, die schon die Hoffnung aufgegeben hatten, dazu, ihm nachzusetzen, und dabei wurden aus einer Handvoll Soldaten Kohorten und Legionen. Die Posten, die zum Schutz auf den Mauern und vor den Toren standen, wussten nichts von diesem so nichtigen Anlass und vermuteten, ihnen gelte der plötzliche Ansturm der Deutschen; daher ließen sie Posten wie Waffen im Stich und flüchteten hinter die sicheren Mauern, ohne an die Tore, die sie offen preisgegeben hatten, und an das alte Rom und seine Tapferkeit zu denken. So drangen die kaiserlichen Truppen bei so günstiger Gelegenheit ein, und die Stadt, die die Herrin der Völker und Stämme war, wurde nicht einmal ernsthaft, sondern durch den Anschein eines Jagdvergnügens eingenommen und streng zur Rechenschaft gezogen; im Jahre des Heils 896 wurde Arnulph von dem befreiten Formosus nach alter Sitte gekrönt und mit den kaiserlichen Insignien versehen. Aus der Epitome des Orazio Torsellini, I,7, Rhegino und Sigebert. Pater Andreas Brunner in seiner Excubia Tutelaris über Arnulph. I. Der Aufstand der Römer gegen den Bischof Formosus JETZT, Elegie, jetzt öffne mir andere Tiefen: der kastalische Quell möge in reicherem Schwall fließen! Waffentaten will ich besingen, neuartige Kriege, wie sie der Sonne zuvor nicht bekannt: daher sind diese Kriege auch der Lyra des Phoebus nicht bekannt. Wie Phoebus mit Bogen und Pfeil und seiner Tatkraft zu fürchten ist, so bezwingt er auch mit dem Bogen allein und seiner Kunst die Scharen: Unser Sieg kommt durch FLUCHT und ängstlichen Lauf zustande und will, dass seine Geschehnisse in den ungleichen Versen der Elegie besungen werden. Und wie der eine Schritt des Hasen beim Lauf kürzer, der andere länger ist, so komm, Elegie, auch du. [10]

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Tu quoque, Diva, fave, nemorum patrona! ferarum Hostis! in hoc partem tu quoque laudis habes. ROMA, quid immensô majus sê vidit in orbe? Res tamen exigua est, quâ minor illa fuit. Roma illa, illa potens armis, et duplice Sole, Quem fulgere suis jussit ab imperijs: Roma, suum quondam coelo caput indere visa, Et coeli posthac jussa tenere vices: Quam Superi maris, et timuit maris Infera Tethys, Appeninigenae quam tremuêre DEI: Cujus ad aspectum, quoties septemplice monte Surgeret, Alpinae delicuêre nives. Adde, tot ac tantos, non empto nomine, DIVOS, Praesidiúmque aris, praesidiúmque focis. CLAVE Petrum, Gladio fortem plus simplice Paulum (Alter opum curam portat, et alter opem) Omnia quae debet terrarum vincere, victa est: Dum furit in proprium seditiosa Caput. Extera vis nullo fregit Capitolia motu: Fracta intestino est turbida Roma malô; Dum se Formoso dubitat parére, negátque: (Formosus pulcrae tunc Pater urbis erat) Deformare suum voluit sua Nata parentem. Heu, rediviva novis Tullia prisca minis! 11 Tu] A; Te (?) B.

II. Arnulphi Caesaris, in Italiam expeditio.

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SED sequitur sua poena reos, sua bella rebelles: NON impunè tulit, qui prior arma tulit. Ecce, ruit vindex Maiestatísque, sacraéque Arnulphus cathedrae, Romulidásque petit. Caesaris hujc tituli, victô Gvidone, dederunt Iura tuenda domi, juráque danda forìs. Teutones hunc veteres, et regna recentia cingunt, Et Boji, et notis Rhetia mota tubîs. Macte tuis, Arnulphe, viris et viribus audax! Italiam major nam rediture venis. Si vacat, et pateris vatum praesagia: vatum More canam. Fati tessera fausta tui est. Impellit placidis tua signa Favonius aurîs:

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Auch du, Göttin, sei uns gewogen, Herrin der Haine und Feindin der Tiere, bei diesem Unternehmen gehört auch dir ein Teil des Lobs. ROM – was kennt es in der unermesslichen Welt Größeres als sich? Und doch war es eine Kleinigkeit, der jenes unterlegen war. Jenes Rom, mächtig durch Waffengewalt und die zweifache Sonne, die es nach seinen Befehlen strahlen hieß, Rom, das einst offenbar mit seinem Haupt bis in den Himmel ragte und dem später befohlen wurde die Stellvertretung des Himmels auszuüben, das Tethys im adriatischen und im tyrrhenischen Meer fürchtete, vor dem die dem Apennin entsprossenen GÖTTER zitterten, [20] bei dessen Anblick, sooft es sich mit seinen sieben Hügeln erhob, der Schnee auf den Alpen dahinschmolz; nimm noch hinzu so zahlreiche und so bedeutende HEILIGE, die diese Bezeichnung verdienen, den Schutz für Altäre und Heime, Petrus, kraftvoll durch die SCHLÜSSELGEWALT, und Paulus, durch mehr als ein Schwert (der eine Schatzwalter des Himmels, der andere des Heils) – Rom, das den ganzen Erdkreis bezwingen müsste, ist bezwungen, dieweil es rasend gegen sein eigenes Haupt sich erhebt. Gewalt von außen konnte das Kapitol auf keine Weise brechen, durch inneres Übel ist das wirre Rom gebrochen, [30] dieweil es sich scheut und weigert, Formosus zu gehorchen (Formosus war damals Vater der schönen Stadt) – deformieren wollte der Spross seinen Vater. Ach, wie lebt die alte Tullia mit neuen Drohungen wieder auf!

II. Der Italienzug Kaiser Arnulphs DOCH folgt den Schuldigen ihre Strafe, den Aufrührern der ihnen gebührende Krieg: Wer zuerst die Waffen ergriff, tat das NICHT ungestraft. Siehe, es stürmt Arnulph zur Rache für die Verletzung seiner Majestät und den heiligen Stuhl und greift die Nachfahren des Romulus an. Nach dem Sieg über Guido gab ihm der Titel ›Kaiser‹ die Aufgabe, das Recht zu Hause zu schützen und draußen zu gewähren. Die alten Teutonen und neue Könige sowie die Bayern umringen ihn und Rhätien, das durch die bekannten Tubasignale aufgeboten ist. Heil dir, kühner Arnulph, ob deiner Mannen und deiner Macht! Denn du kommst nach Italien, um von dort gemehrt zurückzukehren. [10] Wenn du Zeit und Geduld hast und die Ankündigungen der Seher gestattest, will ich nach Art der Seher singen. Der Würfel des Schicksals ist dir günstig. Favonius lässt deine Feldzeichen in milden Lüften flattern, günstige Winde setzen die kriegerischen Adler in Bewegung. Zahlreiche Reiher stoßen zu dir vom Tyrrhenischen Meer und in Scharen begleiten dich Glück verheißende Vögel. Der Taucher, gewohnt sich am Ausonischen

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Pugnacésque Aquilas flabra secunda movent. Plurima de Tusco tibi subvolat ardea Ponto, Turmatímque Bonae te comitantur Aves. Mergus, ad Ausonium solitus se tingere littus, Nunc sedet, ac siccus praelia sicca jubet. Nec dubites. NON Arma solent, sed Caussa, tropaeum Ponere: Pro coelo praelia, Caesar, inis. Victorem faciunt si victi; judice victus Iam dudum Oenotrius Numine, miles erat. Tunc jam succubuit, cùm stare Rebellio coepit: Tunc ruit, invito cùm fuit Alta Deô. Major erit nunquam, quisquis Minor esse recusat: Hic tumor Augustos concidet ante pedes. Aspicis, ut jam nunc veritus tua cornua, (Teuto) Demissis Italus cornibus amnis eat? Cernis, ut attonitis stringat cita flumina ripis, Caesareus Tiberim cùm tremefecit eques? Perfuga jam Fluvius, jam transfuga vellet haberi; Mobilibus siquid crederet hostis aquis. Oratum pacem Tibur venit, Hercule tutum; Siquid in Herculeis viribus esset opis. Praenestina venit: venit illò Tuscula pubes, Et Nomentani currit arator agri. Ostia legatas mittunt Tjberina carinas, Adversóque licèt flumine, tuta petunt. Quid cessas, Arnulphe? tibi dant foedera reges: Et palmam spondent sidera! signa move! Caesar es. Augustus fieri potes, auspice Marte: De minima major re potes esse. Move! Signa move! monet hoc etiam is, quò classica vertis, Pons, qui de MILVIS nomina prisca trahit. Pontis in hoc flexu quondam est Catilina retectus: Et qui foverunt spes, Catilina, tuas. Ponte sub hoc cecidit, magicis Maxentius armis, Non caussae, aut fisus viribus atque loco. Concidat hoc etiam Romana rebellio fato! Et, si fas, ipso hoc corruat illa vadô!

2 qui] quae A,B 8 Boji] B; Boij A 33 tutum;] B; tutum: A

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Meer zu netzen, sitzt nun still, und mit trockenem Gefieder befiehlt er Kämpfe auf dem Trockenen. Du wirst wohl nicht zögern. NICHT die Kraft der Waffen, sondern die gerechte Sache pflegt das Siegeszeichen zu errichten: Für den Himmel, du Caesar, gehst du in den Kampf. [20] Wenn die Besiegten den Sieger zum Sieger machen, dann war nach dem Urteil der Gottheit längst schon der oenotrische Krieger besiegt. Damals schon erlag die Rebellion, als sie begann, damals schon brach sie zusammen, als sie, gegen den Willen Gottes, oben auf war. Niemals wird überlegen sein, wer sich weigert, der Geringere zu sein: Dieser aufwallende Hochmut wird vor den Füßen des Kaisers zusammenfallen. Siehst du, wie jetzt schon aus Furcht vor deinen Hörnern, Teuto, der Italische Strom mit mutlos gesenkten Hörnern dahergeht? Erkennst du, wie der Tiber zwischen erschütterten Ufern sein rasches Fließen hemmt, da ihn der kaiserliche Reiter erzittern ließ? [30] Als Überläufer schon, ja schon als Deserteur wollte der Fluss gelten, wenn der Gegner irgendein Vertrauen auf die beweglichen Wasser setzte. Um Frieden zu erbitten, kommt Tibur, das unter dem Schutz des Herkules sicher ist, wenn in den Kräften des Herkules auch nur die geringste Hilfe wäre. Es kommt die junge Mannschaft aus Praeneste, es kommt die aus Tusculum dorthin, und es eilt herbei, wer das Feld von Nomentum bestellt. Ostia an der Mündung des Tibers entsendet Boote und sucht, wenn auch gegen den Strom, Sicherheit. Was zögerst du, Arnulph? Könige schließen Bündnisse mit dir und die Gestirne verheißen dir Sieg. Brich auf! [40] Du bist der Caesar, Augustus kannst du werden unter dem Schutz des Mars. Durch einen kleinen Umstand kannst du wachsen. Brich los! Brich auf! Dazu mahnt auch die Brücke, zu der du das Signal richtest, die ihren alten Namen vom MILAN [›Weih‹] ableitet. Am Bogen dieser Brücke wurde einst Catilina entdeckt und die, Catilina, die deine Hoffnung nährten. Unter dieser Brücke kam Maxentius zu Fall, der sein Vertrauen setzte auf die Waffen des Aberglaubens, nicht auf seine Sache, seine Kräfte und den günstigen Ort. Möge durch solches Schicksal auch die römische Rebellion zu Fall kommen, und, wenn es der Himmel will, an eben dieser Furt zusammenbrechen. [50]

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III. Vrbis Romanae oppugnatio. Descriptio Castelli S[ancti] Angeli.

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Iámque sonant streperaéque tubae, lituíque minaces, Romáque Vindelicis cingitur arcta globis. Aggeribus fossae, complentur moenia crate: Ballistâ turres, arjete saxa tonant. Circuitu munit Caesar tentoria toto, Castráque cum vallis fossa perennis obit. Obsidet, avertítque vias. Vacat Appia: muta est Carseolina: tacent marmora Flaminij. Siccantur fontes: rivi coguntur et amnes Divisis Tiberim non reparare vadis. Vndáque, post Tiberim, restabat Salvia tantùm, Tergemino Paulli fonte salubris aqua. Non poterat, tanto à spatio, liquor esse saluti: Salvia sola urbi non prohibenda fuit. Quid tamen ista movent passos graviora Quirites? Illâ, quâ coepta est, perfidiam Arce fovent. Quot colles, tot erant arces, tot in arcibus urbes: Capta semel, non est urbs capienda semel. Fac, Capitolinis nil firmum in turribus esse; Fac, veteri Gallô plus Alemannus agat. Fac, nec Aventino, neque forti Pallantaeo, Non alijs priscas montibus esse minas: Pons tibi, pons superest duris, Alemanne, periclîs Pervius. hàc belli est invia facta via. Aelius, Hadriaco notus cognomine Caesar, Se Mausoléo hôc texit: at Arce, suos: Quáque videt Tuscos Tiberis, mediósque Faliscos, Vix proprias, tanta prae strue, cernit aquas. Aliger, aërio gladium pro culmine vibrans, Angelico totum nomine signat opus. Nomine quod signat, re quondam fertur, et acri Egregius Custos asseruisse manu. Moenia si videas, immania moenia dices: Si turrim, pinnas Troadas esse putes. Infima si cernas, si propugnacula summa, His quondam credas delituisse Iovem. Iuppiter hîc certè tumidos vitare Gigantas, Hos potuit Memphi praeposuisse specus; Ni timor obstiterat, ni ficti fabula belli. ARCE sub hac vera nil latet absque fugâ. Huc quoque jam tum se malè sana Rebellio vertit, In Vaticanum dum capit arma Patrem.

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III. Die Belagerung der Stadt Rom. Beschreibung der Engelsburg Und schon erklingen die durchdringenden Trompeten und die drohenden Zinke und Rom wird eng umschlossen von den Scharen der Vindelicer. Mit Erde werden die Gräben, mit Flechtwerk die Mauern gefüllt: Von Wurfsteinen erdröhnen die Türme, vom Sturmbock das Mauerwerk. Ringsum befestigt der Kaiser allenthalben die Zelte, das Lager umgeben Wälle und ein dauernder Graben. Der Kaiser liegt vor der Stadt und versperrt die Straßen. Die Via Appia ist leer, die Caseolina stumm, es schweigt der Marmor des Flaminius. Die Quellen werden ausgetrocknet, Bäche und Flüsse dazu gebracht, den Tiber nicht an verschiedenen Zuflüssen aufzufüllen: [10] Außer dem Tiber blieb als einziges Wasser die Salvia, das heilsame Wasser aus der dreifachen Quelle des Paullus. Aus so großer Entfernung konnte das Wasser nicht hilfreich sein: Die Salvia musste als einzige von der Stadt nicht ferngehalten werden. Was aber bewegt das die Quiriten, die doch schon Schlimmeres erlitten haben? Auf jener Burg vertiefen sie ihre Treulosigkeit, wo sie einst begann. Wie viele Hügel es gab, so viele Burgen gab es und so viele Stadtviertel in den Burgen: Auch wenn die Stadt einmal eingenommen ist, kann sie doch nicht auf einmal eingenommen werden. Setze den Fall, dass die Türme des Kapitols keinen Widerstand leisten, setze den Fall, dass der Alemanne mehr als der Gallier der Antike erreicht, [20] setze den Fall, dass vom Aventin, vom festen Palatin und von den anderen Bergen nicht die alten Drohungen ausgehen: Eine Brücke, eine Brücke ist noch vorhanden, Alemanne, die für dich nur unter großen Gefahren beschreitbar ist. So ist der Weg zum Kampf unwegsam geworden. Der Kaiser Aelius, bekannt unter dem Cognomen Hadrianus, barg sich in diesem Mausoleum, und die Seinen in dieser Burg. Wo der Tiber einerseits zu den Etruskern, andererseits mitten zu den Faliskern schaut, da kann er, vor der ungeheuren Masse, kaum sein eigenes Wasser sehen. Ein flügeltragender Engel, der auf luftiger Spitze sein Schwert schwingt, bezeichnet mit seinem Namen das ganze Werk. [30] Was er mit seinem Namen bezeichnet, das soll er einst in Wirklichkeit getan und mit entschlossener Hand als herausragender Wächter ins Werk gesetzt haben. Wenn du die Mauern siehst, nennst du sie wohl gewaltig, wenn du diesen Turm ansiehst, meinst du wohl, es seien die Zinnen Troias. Wenn du die Bollwerke tief unten und die hoch oben ins Auge fasst, glaubst du wohl, hier habe sich einst Jupiter verschanzt. Jupiter hätte hier sicherlich der Empörung der Giganten entgehen, diese Höhlungen Memphis vorziehen können, wenn nicht Furcht, nicht die Fabel eines erdichteten Krieges dem im Wege stand. In dieser BURG verbirgt sich niemand, ohne wirklich auf der Flucht zu sein. [40] Hierher wandte sich auch damals schon die wahnwitzige Rebellion, als sie gegen den Heiligen Vater im Vatikan die Waffen ergriff.

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Quid reliquam fabricae memorem molémque sitúmque? An Divinus erat structor? an ipse DEVS? Crediderim Babylonis opus, molimina Nini. Roma sed è molli nil Babylone trahit. Castelli caput est, medio quae machina surgit Vertice; quam Tiberis dixeris esse Pharon. Area planitiem supremi exporrigit orbis, Quam lapidum jactu vix superare queas. Hîc quoque tunc pueri, dum Páxque patrésque sinebant, Connixi, oppositum non tetigêre scopum. Sed jaculis pueri, lusúque propinqua petebant: Nunc procul indè vibrant seria tela Senes. Illinc et flammae volucres, et missile fundîs Torquetur plumbum, coctus et igne silex. Nec minùs Arnulphus flammas, silicésque, calénsque Campanum inspergit. Tutiùs hostis agit. Teláque cùm desint, sabulum nova tela ministrat; Cúmque cavo jacitur glarea tosta globo: Saeva lues galeis, et inevitabile monstrum! Quae tetigit, rapidâ colliquat arma face. 5 Circuitu munit Caesar tentoria toto,] B; Circuitu munit tot tentoria Caesar A 57 silicésque,] B; silicésque A

IV. Oppugnationis irrita prorogatio: ac paene victoriae desperatio.

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Caesareus Mars ergò labat, vis Rhetica clauda est: Pro Roma bellum Fórsque, locúsque trahunt. Fallor? an exacto jam Sol circùm iverat anno? Lunáque bis sexto non procul orbe stetit? Caesar ad Ausoniam sicut sua fixerat urbem, Caesar in hac ipsa castra tenebat humo. Et nive sunt pelles semel, et semel aestibus ustae: Signa semel Zephyris, et tumuêre Notis. Ipse suas carpítque moras, numerátque Dianas Arnulphus: quamvis non fovet ipse moras. Nec trahit urbs obsessa diem. Confecta labore, Macra fame, vellet Roma, Licere capi. Oh, quoties passis murum subiêre capillis Ausonides, socero non prohibente, nurus? Ah, quoties inter medios matrum ploratus, Cùm Pacem hae peterent, auxiliúmque malis, Nomine pro Pacis, sunt usi nomine Panis, Maternis pueri nexibus impliciti?

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Wozu soll ich die übrige gewaltige Masse des Bauwerks erwähnen? War der Erbauer göttlich? Oder gar GOTT selbst? Ich möchte es wohl für ein Werk Babylons halten, für einen Bau des Ninus, doch Rom nimmt nichts vom verweichlichten Babylon an. Das Haupt des Castells ist ein Bauwerk, das sich mitten auf dem Gipfel erhebt; man könnte es den Pharos des Tiber nennen. Eine Fläche erstreckt sich eben im Kreis auf dem obersten Stockwerk, das man kaum mit einem Steinwurf erreichen könnte. [50] Hier haben auch zu der Zeit, als Frieden und die Väter es zuließen, Knaben trotz aller Anstrengung das Ziel nicht erreicht, das ihnen widerstand. Aber mit Pfeilen zielten die Knaben im Spiel aus der Nähe: Jetzt schleudern von dort die Alten ernsthaft Geschosse in die Weite. Von dort werden fliegende Brände und Geschosse aus Blei von Geschützen geschleudert sowie feurig glühender Stein. Ebenso verteilt Arnulph Feuer, Stein und heißes Glockenerz. In größerer Sicherheit agiert der Feind. Wenn es an Geschossen fehlt, bietet der Kies neue Geschosse und mit einer hohlen Schleuderpfanne wird glühendes Kieselgestein geschossen [60] – grausiges Verderben für die Helme und ein unentrinnbares Unheil! Die Waffen, die es traf, verzehrt es mit reißender Glut.

IV. Vergebliche Verlängerung der Belagerung und beinahe Verzweiflung am Sieg Das Kriegsglück des Kaisers also wankte, die Gewalt der Rhätier war erlahmt. Den Krieg um Rom ziehen das Glück und seine Umstände in die Länge. Täusche ich mich, oder hatte die Sonne schon einen Jahreskreis durchschritten und es war nicht weit vom zwölften Vollmond? Wie der Kaiser sein Lager bei der Ausonischen Stadt errichtet hatte, so hielt er es fest auf diesem Boden. Vom Schnee wurde die Haut einmal und einmal von der Sommerglut verbrannt, die Fahnen wurden einmal vom Zephyr und einmal vom Notus gebläht. Arnulph selbst steht diese Verzögerung durch und zählt die Monde, wiewohl er selbst die Verzögerung nicht schätzt. [10] Auch die belagerte Stadt nimmt die Zeit nicht gerne hin: Von der Mühsal erschöpft, vom Hunger abgezehrt, wäre es Rom recht, es dürfte sich erobern lassen. O wie oft gingen die ausonischen Frauen mit aufgelöstem Haar unten an der Mauer hin, ohne dass die Schwiegerväter es ihnen verwehrten? Ach, wie oft haben mitten im Jammern der Mütter, als diese um Frieden und Abhilfe für die Leiden baten, ihre Kinder, umschlungen von den mütterlichen Armen, statt des Wortes ›Frieden‹ das Wort ›Brot‹ gesprochen?

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Vnica vel victis, foret haec Victoria, victu Sistere praerabidam sufficiente famem. Solos nulla domat Proceres penuria quadrae: Nec Cereris memores Mars ferus esse sinit. Magnum opus, Invitos: Majus, superare Superbos: Extremos animos Ira Rebellis habet. Sed Spes est, quae castra fovet, quae moenia transit. Saepe dedit Tempus, quod bona Caussa negat. Exspectat, patitúrque moram constantia vera, Et saltem intuitu pascitur ipsa sui: Nec, quia ter Rhodopen frustra Venator obivit, Quarta supra Rhodopen retia cassa putat. Castra jubet modico servari milite Caesar Pristina: proferri sed nova castra jubet. Huc sensim trepido similis suppárque fatenti, Et mox, ut profugo non procul, agmen agit. Signa Viae Lapidem veteres dixêre Latini: Plus uno Lapidis limite miles abit. Iámque erat ex illa (credo) nox septima nocte, Caesareus subijt cùm nova castra vigil. Excubiae invigilant, poterátque quiescere Caesar: SOPITVR nullo bellica cura toro. Sed, velut Hispanae rector super aequora classis, Quem jubet Eoas quaerere Plutus opes: Sive Bonae data vela Spei zona arida tardet, Sive neget ditem saeva procella Goam; Exspectat tamen ille Notos in puppe secundos, Déque die servat nubila, nocte polos. Non illum aut sopor, aut incauti cura Lyaei, Sed tenti funes, veláque torta tenent: Creber et in summi scandit carchesia mali, Ventorúmque omnes signat, obítque vices. Denique, sic illi praestò mare semper oberrat, Vt, quod mox superat, vix tetigisse putet; Donec nigra SPEI trans aequora vectus, et Afros: Indorum, et Gangis littora pacta tenet. SIC multâ Arnulphus fessus pugnáque, diéque, Tertia cùm noctis buccina signa daret, Incubuit rigido spoliatis pellibus urso (Nam fugiunt molles Martia membra toros) Incubuit, modicam passus non sponte quietem. Sopitum LEPORIS ludit imago Ducem.

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Der einzige Gewinn für sie, selbst als Besiegte, wäre dies: mit ausreichender Nahrung den schlimm quälenden Hunger zu stillen. [20] Einzig den Vornehmen gebietet nicht der Mangel an einem Stück Brot Einhalt, und der wilde Mars lässt sie nicht an Ceres denken. Eine gewaltige Aufgabe, Leute gegen ihren Willen, eine gewaltigere, hochfahrend Stolze zu bezwingen, der Ingrimm der Aufrührer ist zum Äußersten entschlossen. Aber die Hoffnung ist es, die das Belagerungsheer wärmt und die über die Mauer dringt. Oft schenkt die Zeit, was die gute Sache nicht erlangt. Wahre Beständigkeit kann warten, nimmt die Verzögerung hin und nährt sich wenigstens an der Selbstgewissheit: Wenn der Jäger dreimal vergeblich das Rhodopegebirge durchstreifte, meint er doch nicht, beim vierten Mal seine Netze leer zu finden. [30] Der Kaiser lässt mit mäßiger Besatzung das alte Lager bestehen, befiehlt aber, ein neues weiter entfernt anzulegen. Hierher führt er allmählich, gleichsam voller Angst und ähnlich einem, der sie zugibt, und geradezu nicht anders als ein Flüchtling, sein Heer. Als Maße der Straße nannten die alten Latiner den Meilenstein. Mehr als die Strecke eines Meilensteins zieht sich das Heer zurück. Schon war es seit jener Nacht die siebte Nacht, wie ich glaube, als die kaiserliche Wache das neue Lager betrat. Die Posten stehen auf Wache und der Kaiser hätte ruhen können: Doch die Sorge um den Krieg lässt ihn auf keinem Bett SCHLAF finden. [40] Aber wie der Admiral der spanischen Flotte auf dem Meer, den das Verlangen nach Reichtum treibt, nach den Schätzen im Osten zu suchen, ob nun die trockene Zone des Kaps der guten Hoffnung die gesetzten Segel hemmt oder ob wilder Seegang ihn das reiche Goa nicht erreichen lässt, wie jener trotzdem auf dem Heck günstige Winde erwartet und bei Tage die Wolken, bei Nacht die Polarsterne beobachtet – weder beherrscht ihn der Schlaf noch die Liebe zum unvorsichtig machenden Wein, sondern gespannte Taue und gereffte Segel –, wie er oft sogar zum Top des höchsten Mastes steigt und allen Wechsel der Winde vermerkt und seine Maßnahmen trifft, [50] bis er schließlich – so sehr beschäftigen ihn stets die Sorgen und das Meer, dass er, was er bald bewältigen wird, kaum in Angriff genommen zu haben glaubt – durch die schwarze Flut um das Kap der Guten HOFFNUNG und um Afrika gefahren ist und Afrika und, wie vereinbart, die Gestade des indischen Ganges erreicht hat, – SO lag Arnulph, erschöpft von den zahlreichen Kämpfen an vielen Tagen, als das Horn der dritten Nachtwache das Zeichen gab auf dem dem wilden Bären genommenen Fell – denn der Leib des Kriegers meidet weiche Pfühle –, er lag da und es überkam ihn spontan ein kurzer Schlaf. Mit dem Heerführer trieb im Schlaf das Bild eines HASEN sein Spiel. [60]

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Romuleos hic visus erat transcendere muros, Figere et Ausonio Boica signa foro. Nec mora longa data est: rumpunt spectacula somnum. Excitus, ad Proceres talia dicta refert. Surgimus? an dormimus adhuc? ô Martia pubes! An, SVA narrantes somnia, somnus agit? Quidquid id est, vidisse juvat, retulisse juvabit. VIX sine successu Somnia sera cadunt. Arma, duces, et tela puto capienda: novóque Roboris insultu castra petenda Remi. Quidni Castra vocem, quam vos malè dicitis Vrbem? Moenia transilijt quae Remus, atque Lepus? Sunt (fateor) majora quidem, quàm saltibus apta, Sed tamen Almanicis inferiora viris: Quippe etiam Leporis (siquid mea somnia claudunt Ominis) audaci pervia facta fugae. Dixit. Et assensu latè legio omnis, et omnis Ala Ducem assequitur: spectráque laeta probant. Induitur galeámque caput, cristámque comantem Miles; et ense latus munit, et aere manum. 19 victis,] B; victis A 23 Majus] B; majus A 33 similis] B; similis, A 51 oberrat,] B; oberrat: A

V. Vrbis, beneficio Leporis, expugnatio.

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Iam peîlis acies, jam stabant alta sarissis Agmina, sub signis jam cataphractus eques. Fatalis tunc fortè LEPVS sub ponte latebat, Milve, tuo, sicci fornicis usus ope. Huc se sub latebras trepidis conjecerat ausis, Castrorum metuens, militiaéque minas. Vix stadio exierant Alemannica cornua primo, Cùm rupit latebras, prosiluítque Lepus. Primus in hunc oculos primae vexillifer alae Vertit, et; Haec tua sunt somnia, Caesar! (ait) Nec mora; persequitur. Sequitúrque exercitus omnis: Irruit in timidam ludicra turba feram. Dúmque jocô primùm, risúque, et praepete cursu Ludum agitant; faciunt seria fata viam. Fit fuga, fit fremitus, fit clamor, et agminis omnis Impetus: in LEPOREM nobilis ira furit.

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Dieser schien die Mauern des Romulus zu übersteigen und auf dem Ausonischen Forum die Boischen Zeichen zu errichten. Und es dauerte nicht lange, da macht das Traumgesicht dem Schlaf ein Ende. Aufgeschreckt spricht er zu den Anführern Folgendes: »Sind wir wach oder schlafen wir noch, o Kriegsmannschaft? Oder bewirkt der Schlaf, dass man nur im Traum redet? Was er auch bedeuten mag, ich habe den Traum gern gesehen und werde ihn gern erzählen. Späte Träume sind SELTEN ohne Vorbedeutung. Zum Schwert, ihr Führer, so glaube ich, und zum Speer müssen wir greifen und das Feldlager des Remus müssen wir mit erneuter Gewalt berennen. [70] Warum soll ich nicht ›Feldlager‹ nennen, was ihr zu Unrecht ›Stadt‹ nennt, – Mauern, über die Remus und ein Hase hinweg sprangen? Sie sind zwar, wie ich zugebe, sicherlich zu hoch zum Überspringen, aber doch zu niedrig für die Alemannen, denn sie wurden sogar (wenn meine Träume ein Vorzeichen einschließen) für die kühne Flucht eines Hasen überwindbar.« So sprach er und einstimmig schließt sich ihm weithin jede Legion und jede Abteilung an – sie nehmen das Vorzeichen an. Der Krieger setzt aufs Haupt den Helm mit seinem wallenden Busch und rüstet mit dem Schwert die Seite und mit dem Schild den Arm. [80]

V. Die Eroberung der Stadt dank einem Hasen Schon standen die Reihen mit Spießen, schon die Züge mit hochragenden Lanzen, schon war der Reiter im Harnisch bei den Feldzeichen. Schicksalhaft verbarg sich damals zufällig ein HASE unter der Brücke, Milvus, unter deiner Brücke, und machte sich die Trockenheit unter dem Brückenbogen zunutze. Hierher hatte er sich in angstvollem Wagnis ins Versteck gestürzt aus Angst vor den kriegerischen Drohungen des Lagers. Kaum waren die alemannischen Truppen die ersten zweihundert Meter vorgerückt, da brach der Hase mit einem Satz aus dem Versteck hervor. Als erster erblickte ihn der Standartenträger der ersten Schar und rief: »Da ist dein Traum, Caesar!« [10] Und ohne zu zögern setzt er ihm nach. Es folgt das ganze Heer: Die zum Spaß geneigte Menge stürzt sich auf das ängstliche Wild. Während sie zuerst unter Scherz und Lachen und in eilendem Lauf ihr Spiel treiben, nimmt das Schicksal im Ernst seinen Lauf.

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Huc pedes, huc eques, huc acies consumitur et Mars: Huc Bellonam ardor, caecáque fata trahunt. Illo fortè die, primi sub fulgura Solis, Romuleus muros jussus obire vigil, In muris rarus, pro vallo rarior ibat: Nam (veluti profugi) vix metus hostis erat. Maxima pro fossis statio; sed, stare perosa, Deses in herbosa corpus agebat humo. Tessera nulla viris, nisi talus, et alea blanda. (Lude, vigil! dudum est Alea jacta tibi!) TERRETVR minimo secors fiducia casu; Tunc majus Verô creditur omne malum. Venerat, en! portas propiùs, non agmen, at ira Agminis hostilis, barbaricúsque sonus: Fervebant pedibúsque solum, strepitúque tumultus: Aër voce, viae pulvere, corda metu. Audierant, sed, deposita jam mente, Quirites: Pars major censet, terga fugámque dari. Dum dubitant, dum multa volunt, et plurima nolunt; Hostis adest, et adest (jam prope praeda) LEPVS. Non tenuêre pedes ultrà, non valla Quirites: Arma, viri, vigiles, ut levis umbra, volant. Ad Portam, Ad Portam fuga fit: fuga concita Portas Clamat: et arctatis Aelia Porta patet. Nec sensêre satìs (tantum METVS omnia caecat!) Interea latuit Teutonas iste metus. In leporem hi spumant, LEPORI indignantur, et instant. Prô! quantum vel vox unica saepe valet! Voce, sibi assuetâ, clamabant Teutones, Hàs! Hàs! Has fugit, ut Stygias turma Latina minas. Et quoties LEPORI inclamabant Teutones, Hàs! Hàs! HAS turres, vel in HAS, turba Latina fugit. Has, has, has Turres defendite! (conclamabant) Has Latiâ signat Boica voce cohors. Iámque fuga portas Romanus, et Aelia castra Ceperat, ingenti miscuerátque metu; Oblitus portas, oblitus et obdere vectes (Tanta fuit tutae curáque Ménsque fugae!) Caesareus longo Leporem sudore petitum Miles, in extremo clauserat articulo. Hîc gladios in eum, juratáque tela vibrârant. Ecce, notant nullis moenia clausa seris.

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Man kommt ins Laufen, man kommt ins Lärmen und man kommt ins Schreien, und das ganze Heer kommt in Schwung: Gegen einen HASEN wütet der Ingrimm der Edlen. Darauf zielt der Fußsoldat, darauf der Reiter, darauf das Heer und Mars: Dahin treiben Bellona die Leidenschaft und das blinde Schicksal. Zufällig patrouillierten an jenem Tag bei den ersten Strahlen der Sonne die römischen Wächter, die an der Mauer Posten beziehen sollten, [20] nur in geringer Zahl auf den Mauern und in noch geringerer vor dem Wall: Denn es bestand kaum Furcht vor dem Feind (als ob er schon geflohen wäre). Den zahlreichsten Posten gab es vor dem Graben; weil man aber das Herumstehen leid war, lag man träge auf dem grasbewachsenen Boden. Keine Parole hatten die Männer im Sinn, nur den Würfel und das gefällige Spiel. (Spiel nur, Wächter! Schon längst ist der Würfel für dich gefallen!) Fahrlässige Vertrauensseligkeit wird durch den geringsten Umstand ERSCHRECKT, da sieht man alles Übel größer, als es wirklich ist. Siehe, es war recht nahe an die Tore nicht der Heereszug, sondern der Ingrimm des feindlichen Heeres gelangt und barbarischer Lärm: [30] Der Boden dröhnte von den Fußtritten, das Getümmel vom Getöse – voll waren die Luft vom Geschrei, die Straßen vom Staub, die Herzen von Furcht. Die Quiriten hörten es, aber schon mit niedergeschlagenem Sinn: Der größere Teil beschließt, sich zur Flucht zu wenden. Während sie noch zögern, während sie vielerlei vorhaben und das meiste verwerfen, ist der Feind da und es ist – schon nahezu Beute – der HASE da. Nicht länger hielten die Quiriten ihre Füße und den Wall: Die Waffen, die Männer, die Wachen fliegen dahin wie ein flüchtiger Traum. Zum Tor, zum Tor flieht man, die eilige Flucht ruft: »Die Tore!«, und für die dicht gedrängte Schar steht das Aelische Tor offen. [40] Und sie nahmen nichts mehr ausreichend wahr (so sehr blendet FURCHT alles) – indessen blieb den Teutonen diese Furcht verborgen. Gegen den Hasen schäumen sie, empören sich über den HASEN und setzen ihm nach. O, welche Kraft hat oft selbst ein einziges Wort! Mit dem ihnen vertrauten Wort riefen die Teutonen: »Has! Has!« Vor diesen drohenden Rufen floh die Schar der Latiner wie vor den Drohungen der Styx. Und sooft die Teutonen hinter dem HASEN herriefen »Has! Has!«, floh die Menge der Latiner in DIESE oder in JENE Türme. »Diese Türme, diese, diese verteidigt!«, so riefen sie miteinander, »diese bezeichnet mit lateinischem Wort die Kohorte der Boier.« [50] Schon hatte der Römer auf seiner Flucht das Aelische Tor und die Burg erreicht und mit seiner ungeheuren Furcht erfüllt; er hatte die Tore vergessen und, ihre Riegel vorzuschieben (So sehr war ihr Sinn erfüllt von der Sorge um sichere Flucht!), und der kaiserliche Soldat hatte den Hasen, dem er mit langem Schweißvergießen nachgejagt war, in die Enge getrieben. Da zückten sie die Schwerter gegen ihn und schwangen einhellig ihre Lanzen. Siehe, da bemerken sie, dass die Mauer durch keine Riegel verschlossen ist.

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Protinus arripiunt facilis compendia belli, Et; Duplicem (clamant) spem beat una dies. Nec plus fata, ruit legio: Tiberísque secuta Dexterius spatium, moenia plena petit. Irruit, et capit, et patulae tenet atria Molis, Et summa signum figit in Arce suum. Advolat, adglomerátque viam, et rapit agmina Caesar Omnia: Teutonicis compita miscet equis: Tam citò non sermo, quantùm Victoria currit: Nec tam Mars tardè, quàm mihi carmen, ijt. Roma dat Arnulpho palmam, dat culmina septem. Capta semel, non est urbs vaga capta semel. 1 sarissis] B; sarissis. A 28 Verô] B; verô A 45 assuetâ] B; assueta A 48 in HAS,] B; in HAS A 52 metu;] B; metu, A 54 Mensque] B; mensque A 60 Et;] B; Et, A 67 Victoria] B; Victoria, A

VI. Triumphus Arnulphî.

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Iámque triumphali scandit Capitolia Caesar Limite; devictos et jubet ire Duces. Formosi Claves, ac Mitra recepta, redúxque Fulget honos: Solio duplice Caesar ovat. Neu’ pompae sit caussa latens; LEPVS (altera caussa Post Superos) auro et papilione tumet. Serica magnifico volitabant carbasa linô, Quae Phrygiae attulerant picta tropaea manus. Haec Leporis tumulus, Victoris et Vrna sepulti: Ipse supra busti culmina funus erat. Circuitu stabant Aquilae, Iovis agmina, toto; Confessae, timidam plus potuisse feram. Sub pedibus victíque Duces, caesíque rebelles, Romáque cum Tuscis pressa jacebat aquis. Vtque foret testatus honos, sed et auctor honoris: In caesi Leporis lemmate Carmen erat; ROMA, caput mundi, Bojis circumdata castris, Expugnata mea denique morte, jacet. Iactet Alexander, jactet velocia bella Iulius, et celeri fixa tropaea manu:

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Sogleich ergreifen sie die Möglichkeit, den Krieg leicht abzukürzen, und rufen: »Erfüllung doppelter Hoffnung gewährt ein einziger Tag!« [60] Ohne mehr zu sagen, stürzt die Legion vor und folgt in den Bereich am rechten Tiberufer und in die von der Menge gefüllten Mauern. Sie bricht hinein, nimmt sie ein und hat das Atrium des gewaltigen Baus, und sie hisst hoch oben auf der Burg ihr Banner. Der Kaiser eilt herbei, erfüllt die Straßen mit seinen Scharen und reißt sie mit sich, er erfüllt die Wege und Plätze mit den Pferden der Teutonen. So schnell wie der Sieg läuft nicht die Erzählung und Mars schritt nicht so langsam voran wie mein Gedicht. Rom übergibt Arnulph die Siegespalme und übergibt ihm die Sieben Hügel. Einmal eingenommen ist die unstete Stadt nicht [nur] einmal eingenommen. [70]

VI. Arnulphs Triumph Und schon steigt der Kaiser auf der Triumphstraße hinauf zum Kapitol und befiehlt den besiegten Anführern, mit ihm zu ziehen. Des Formosus wiedererlangte Schlüssel und die Mitra sowie seine Ehre erglänzen bei seiner Rückkehr: Auf doppeltem Thron triumphiert der Kaiser. Damit aber der Grund für den Triumph nicht verborgen bleibt: Der HASE (nach den Himmlischen der zweite Grund) prangt in Gold auf dem Baldachin. Chinesisches Gespinst flattert in prachtvollen Bahnen, bunte Trophäen, die Scharen aus Phrygien herbeigebracht hatten. Dies der Grabhügel und die Urne für den Hasen, den Sieger: Er selbst stand oben auf der Grabstätte als Denkmal. [10] Überall ringsum standen Adler, das Gefolge Jupiters, und bekundeten, das ängstliche Wild habe mehr vermocht als sie: Zu seinen Füßen lagen geduckt die besiegten Führer und die geschlagenen Rebellen, Rom und die Tuskischen Wasser. Und damit die Ehre bezeugt sei, aber auch der Urheber der Ehre, stand in einer Schrifttafel das Epigramm auf den Hasen: »ROM, das Haupt der Welt, von Boischen Lagern umringt, liegt schließlich durch meinen Tod erobert offen da. Alexander und Iulius Caesar mögen sich schneller Siege rühmen und mit rascher Hand errichteter Trophäen: [20]

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Plus ego, plus LEPVS hîs feci. Victoria nempe Ocyor illa fuit, quae Leporina fuit: Adde, quòd et Major. Quid ab omni rarius aevo, Quàm Portam, Vrbem, Hostes, à Fugiente capi!

9 Vrna] B; urna A

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Mehr habe ich, ein HASE, erreicht als sie. Denn der Sieg kam ja schneller, der dem Hasen verdankt wurde, außerdem war er bedeutender. Was ist in aller Zeit seltener, als dass Tor, Stadt und Feinde von einem Fliehenden bezwungen werden!«

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ROSAE. Obaudite me, DIVINI fructus: et quasi ROSA, plantata super rivos aquarum, fructificate. * Florete flores, quasi Lilium, et date ODOREM: et frondete in gratiam. etc. Ecclesiastici 39. à versu 17. ELEGIA XVIII. Rosetum. Ad Petrum LASSVM, poëtam. Vt Perfecto Vere fruatur; Rosarum Colore, Numero, Odoréque invitantibus.

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LASSE, quid hoc? Iam VERNA prope est exacta voluptas: Iam Zephyri exspirant, jam coquet arva Leo: Tu necdum expertus Majalis gaudia Florae, Vrbica, pro patulis montibus, antra colis. Hîc totos mavis tetricus disperdere Soles, Quàm Musis genij solvere fraena sui. Egredere, egredere urbani, Petre, carceris umbrâ; In campum, in lucem, in praedia nostra veni! Hîc tibi quae cantem viridis compendia ruris? Et coelum et Solem, qui negat ista, neget. Invenies oculorum illic, et pabula naris; Quódque ego pro palma computo; Multa ROSA est. Hîc certè, hîc Regina ROSA est; quia regnat in horto: Hôc propè solo omnis germine cespes ovat. Aspicies (utinam aspiceres!) candore micantes Lacteolo: aspicies sanguinis imbre rubras: Parte alia, sublucentes intercute lacte; Puniceas cernes, Sidoniásque ROSAS. Purpureae placuêre mihi, quia densior harum Copia; et expasso pleniùs orbe tument. Sexcentorum illas foliorum circulus ambit: Mollitiésque fibram succida semper alit. Diductus cum Sole calyx, eructat ODOREM, Qui vel busto animam restituisse queat. Quanti hoc, Petre, facis? VER unum atque unica messis, Fudit quadragies mille, decémque Rosas.

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ROSEN Höret auf mich, ihr Kinder GOTTES! und bringet Früchte wie eine ROSE, die gepflanzt ist an Wasserbächen. […] Blühet wie die LILIE, gebet einen Geruch und gründet holdselig usw. Ecclesiasticus 39,17–19 ELEGIE XVIII Der Rosengarten An Peter MATT, Dichter Dass er den vollendeten Frühling genieße, da ihn Farbe, Anzahl und Duft der Rosen dazu einladen MATT, was ist das? Die Pracht des FRÜHLINGS geht bereits zur Neige: Schon sind die Zephyrwinde erschöpft, schon erhitzt der Löwe die Fluren. Doch du kennst die Freuden der Flora im Mai nicht und bewohnst statt offener Berge die Höhlen der Stadt. Hier willst du lieber im Finstern alle Sonnentage versäumen als den Musen die Zügel ihrer Begabung locker lassen. Hinaus, hinaus, Petrus, aus dem Dunkel des städtischen Kerkers, komm ins Freie, ins Licht, auf unser Landgut! Hier ist der Überfluss an grünender Flur, den ich besinge! – Wer das bestreitet, mag auch Himmel und Sonne bestreiten. [10] Dort wirst du Nahrung für Augen und Nase finden: Eine Menge ROSEN gibt es, die für mich einer Palme gleichkommen. Hier, ja, hier ist die ROSE die Königin, denn sie herrscht im Garten: Fast nur mit dieser Pflanze prangt der ganze Rasen. Diese wirst du (wenn du es doch nur könntest!) in milchweißem Glanz erstrahlen sehen, jene rot vom Regen des Blutes, andere wieder, die milchige Flecken hervor blitzen lassen; Punische und Sidonische Rosen wirst du unterscheiden. Mir gefallen die purpurnen, weil ihre Blüte dichter ist und weil sie mit entfaltetem Rund zu stolzerer Fülle gelangen. [20] Ein Kreis aus unzähligen Blättern umläuft sie, und ihre zarte Feuchtigkeit nährt beständig den Stängel. Ihre Knospe verströmt, von der Sonne geöffnet, einen DUFT, der auch einen Toten zum Leben erwecken könnte. Und wieviel machst du daraus, Peter? Es gibt nur einen FRÜHLING und eine Erntezeit. Viezigtausend und zehntausend Rosen hat er gespendet.

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Prodigio est, Numerus. Sed me nec summa, nec horti Tam capit aspectus, quàm capit almus ODOR. Hunc celebro, hunc veneror: solum hunc nasutus adoro: QVID Color (oro) oculis? Quid bona forma daret, Si fatuus spiraret Odor? Nunc junctus uterque est: Ínque ROSA plenum jam PARADISON habes. 1 prope] B; propè A

ELEGIA XIX. Fabulosa. DE ORIGINE ROSARVM. I. Thaliae cum auctore colloquium.

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MECUM multa hodie, primi sub fulgura Phoebi, Pensabam, dum per picta Roseta vagor. Mirabar tacitus, quae tantae semina plantae? Vnde ROSARVM ortus? qualis origo foret? Haerentem expedijt (non antehac visa diurno Sidere) purpureo culta Thalia sinu. Forma Deae similis: condîtus nectare sermo. Caetera quid referam? non sinit illa loqui. Ipsa prior loquitur: causásque ortúsque Rosarum Exsequitur; méque in devia tecta trahit. Hîc; Respira (inquit) repetenda est altiùs Orbis Historia. Historiam dum tibi pando, Sede. Dixerat. Assedi. Tum pluribus illa diserta, Solvit in humanos dîa labella modos; 1 fulgura] A; in B evtl. fulgure – Phoebi] B; Phoebj A 9 causásque] B; caussásque A 13 Dixerat.] B; Dixerat: A

II. Ex Diluvie mundi universali foedissimus enatus foetor. Diluvie] (?) B; Diluvio A – universali] B; universali, A

ANTE (ait) oppressum pluvijs ultricibus orbem, Ante Noachaeae tempora flenda Ratis,

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Ein Wunder ist diese Zahl. Aber mich ergreift weder ihre Anzahl noch der Anblick des Gartens so sehr, wie mich ihr sanfter DUFT berückt. Ihn feiere ich, ihn verehre ich: Nur ihn bete ich mit an, ganz und gar Nase. WAS, bitte, könnten Farbe und schöne Gestalt den Augen geben, [30] wenn der Duft vergebens sich verströmte? Jetzt ist beides verbunden: Und in der ROSE hast du schon das ganze PARADIES.

ELEGIE XIX Eine Fabel DIE ENTSTEHUNG DER ROSEN I. Gespräch Thalias mit dem Verfasser Vieles erwog ich BEI MIR im ersten Blitzen der Sonne, als ich so durch bunte Rosenhaine lief. Ich wunderte mich im Stillen, welche Samen wohl diese Pflanze habe, wie die ROSEN entstanden seien und welches ihr Ursprung gewesen. Den Zweifelnden erlöste Thalia, im Schmuck ihres purpurnen Gewandes, die ich zuvor bei Tag noch nie gesehen hatte. Ihre Gestalt glich der einer Göttin, gewürzt mit Nektar war ihre Rede. Was soll ich das Übrige berichten? Mich lässt sie nicht zu Wort kommen. Sie selbst spricht zuerst und berichtet von den Gründen der Entstehung der Rosen und zieht mich in ein abgelegenes Gebäude. [10] »Erhole dich hier«, sprach sie, »ich muss weiter ausholen und dir die Geschichte der Welt erzählen. Setz’ dich, während ich sie dir darlege.« Sprach’s, und ich ließ mich nieder. Darauf erzählte sie beredt mit vielen Worten und öffnete ihre göttlichen Lippen in der Weise menschlicher Rede:

II. Auf Grund der Sintflut entsteht auf der ganzen Welt ein grässlicher Gestank »VOR dem Unwetter«, sprach sie, »als das Strafgericht die Erde überflutete, ja vor den beklagenswerten Zeiten der Arche Noah hatte die ROSE schon ihren Ursprung mitsamt den Dornen genommen, schon war sie unter den Blumen als edel weithin bekannt. Die Freiheit fehlte ihr, Raum und ein weiteres Feld, denn

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Iam ROSA vitales, cum spina, acceperat ortus: Iam, flores inter, nobile nomen erat. Libertas dêrat, spatiúmque, et latius arvum: Nam Paradisiacis clausa jacebat agris; Donec (in obscoenos coelô omni, omníque ruente Aequore mortales) omnia Pontus erant; Cùm nemora, et saltus, campíque, hortíque, viretáque, Obruta vindicibus diluerentur aquis. Vt posuêre suos tandem madida astra furores, Et sensim imbibito gleba retecta freto est! Tum verò nova monstra putris protrusit in auras Terra, Pia in primis, postmodo dira parens. Hej mihi! Dira parens saevae luis, atque veneni: Ipsa quoque afflârat Sidera teter odor. Ipsi (fas mihi sit, Musarum arcana fateri) Semidei horrebant, semideaéque malum. Conveniunt Dryades, Nymphaeque, ac Najades albae, Floráque Pomonâ moesta sorore soror. Auxilium Natura parens est visa datura: Auxilium exquirunt. Ipsa erat aegra parens. Ergò Tonantem adeunt: marcebant vultibus omnes. Hunc orant aliquam, siqua supersit, opem. Lingua tremens clamabat opem: vox haesit in ore. Res tandem coepit, justáque caussa, loqui. 5 dêrat] B; deêrat A 8 erant;] B; erant: A 9 Cùm] B; Et A 12 est!] B; est; A 14 dira] B; dira, A 18 malum.] B; malum, A 22 exquirunt.] B; exquirunt: A 23 adeunt:] B; adeunt. A 26 caussa,] B; caussa A

III. Zephyri ablegatio: et germinum suaveolentium vndequaque collectio.

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Audijt astripotens: sortísque misertus acerbae; Grande malum est: dandum grande levamen (ait) Nec mora. Rex Zephyrum occiduis accersit ab oris: (Allapsu Zephyri mollior aura redit.) Ire jubet terrarum oras atque aequora circùm, Et difflare putrem sub Stygis antra luem.

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sie lag eingeschlossen in den Gefilden des Paradieses, bis Alles zum Meer wurde (als sich der ganze Himmel und alles Wasser über die schamlosen Sterblichen ergoss), als Haine, Waldgebirge, Felder, Gärten und Wiesen, von den rächenden Wassern bedeckt, überflutet wurden. [10] Als endlich die feuchten Gestirne ihren Zorn verrauchen ließen, allmählich die Scholle das Wasser aufgesaugt hatte und wieder auftauchte, da erst stieß die Erde neue seltsame Gewächse in die fauligen Lüfte hervor, die Erde, zuerst eine liebevolle, nun aber grässliche Mutter! Weh mir, grässliche Mutter wütender Seuche und von Gift, schlimmer Gestank hatte sogar die Sterne angehaucht. Selbst Halbgötter (es mag mir erlaubt sein, Geheimnisse der Musen preiszugeben) und Halbgöttinnen schauderten vor dem Übel. Dryaden kamen zusammen. Nymphen und weiße Najaden, Flora in Trauer mitsamt ihrer Schwester Pomona. [20] Hilfe schien Mutter Natur bringen zu wollen, Hilfe suchten sie dringlich: Die Mutter selbst aber war krank. Also suchten sie den Donnerer auf, alle mit verhärmten Gesichtern, ihn baten sie um etwelche Hilfe, wenn es denn noch eine gebe. Ihre Zunge versuchte zitternd um Hilfe zu rufen, das Wort blieb ihnen im Hals stecken. Die Sache und ihr gerechter Grund begannen endlich zu reden.

III. Entsendung Zephyrs und Sammlung von süß duftenden Reisern von überall her Der Herr der Gestirne hörte sie, erbarmte sich ihres elenden Loses und sprach: ›Groß ist das Übel, also bedarf es eines großes Heilmittels.‹ Unverzüglich holte der Herrscher den Zephyr von den westlichen Küsten. (Mit dem Nahen Zephyrs kehrte die sanftere Luft zurück.) Er hieß ihn um die Küsten der Länder und um die Meere gehen und die faulige Luft zu den Höhlen der Styx wegblasen. Und nicht genug damit.

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Nec satìs: aurâ omni, glebáque, et cespite tersîs, Mandat odoratas orbis adire plagas; Harum (inquit) Genium, et medicatas excute sylvas: Antìdotum saevi fiat odoris, Odor. Audierat: mandata facit: circumvolat orbem: Colligit in laxos gramina mille sinus. Carpendam regio sese applicat omnis, et arvum: Pro stirpe, en, Zephyro praebita gleba fuit. Suffecit. nam (fronde licèt, folijsque careret) In glebis liquor, et nobile semen, erat. Engaddaea dedit coelestia balsama Vallis: De Libano est tenerae lecta medulla Cedri. Phoenices myrrham, Citreum affudêre liquorem Medorum montes; terra Cilissa crocum. Felices thuris lacrymam flevêre Sabaei: Cinnamon Assyrij, malobatrúmque Syri. Terra alia est largita aliud. Iámque omne repletum est A Zephyro gremium, ventivolíque sinus: Ergò hilaris super astra redit: collecta, Tonantis Ante pedes fundit; praemiáque apta petit. Cuj pater omnipotens; Tuus hic labor, esto laboris Praemia. Sit Zephyri gratia, gratus Odor! 1 acerbae;] B; acerbae, A 7 aurâ] B; aura A

IV. Rosarum, ex illa collectione, generatio.

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Dixit. et imperiô, quo coelum, nubila, terras, Et maria, ex nihilo jusserat esse aliquid, Imperio hôc, peregrè lectos afflavit odores: En! misto subitus fluxit odore liquor! In nubes liquor elapsus, latè omnia tinxit Nubila; et haec pluvijs foeta gravavit aquis. Iussit, ab his, tacito in terras descendere lapsu, Numen, et ambrosij rore lavare Noti. Factum est, quod jussit: Superis terra imbribus undat; Quáque madet tellus roscida, nata Rosa est. Vidêre hanc Nymphae: et, tetro medicamen odori Dum quaerunt, nares admovet una suas; Continuò; In flore hoc (clamat) myrrha omnis, aroma Omne, latent: odor hic thus et amomon alit. In bulla hac foliosâ habitat cedrus atque medulla:

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Er sollte – so lautete der Befehl – alle Luft, Scholle und Wiesen reinigen und sich zu den duftenden Landstrichen der Erde verfügen. ›Deren Geist und heilende Wälder beschaffe‹, so sprach der Herr, ›ein Gegenmittel gegen den schlimmen Gestank werde der Duft.‹ [10] Er hörte es, führte den Befehl aus und flog rings um die Erde, tausende von Gewächsen sammelte er in seinen weit geöffneten Schoß. Jede Region und jede Flur bot sich zum Pflücken dar, ja anstelle von Gewächsen gab sich dem Zephyr die Scholle. Das genügte, denn (mochte sie auch weder Laub noch Blätter haben), war doch in den Erdbrocken Saft und ein edler Samen. Das Tal von Engaddi gab himmlischen Balsam, im Libanon wurde das Mark der zarten Zeder gesammelt. Die Phöniker lieferten reichlich Myrrhe, Zitrussaft die Berge der Meder, Safran die kilikische Erde. [20] Die glücklichen Sabäer weinten die Träne von Weihrauch, die Assyrer Zimt und die Syrer Öl von Betel. Jedes Land spendete etwas Anderes. Schon hatte sich Zephyr seinen bauschigen Schoß und Busen gefüllt und kehrte frohgemut zum Himmel über den Sternen zurück. Er goss, was er gesammelt hatte, zu Füßen des Donnerers aus und bat um entsprechenden Lohn. Zu ihm sprach der allmächtige Vater also: ›Dies war deine Mühe, erhalte entsprechend den Lohn: Der Dank für Zephyr sei dankbar willkommener Duft!‹

IV. Die Erschaffung der Rosen auf Grund dieser Sammlung Sprach’s, und mit dem Machtspruch, mit dem er einst Himmel, Wolken, Länder und Meere aus dem Nichts hatte entstehen lassen, mit eben diesem Machtspruch hauchte er die in der Fremde gesammelten Düfte an und, siehe da, plötzlich floss die Flüssigkeit mit Duft untermischt. Die Flüssigkeit verströmte zu den Wolken und benetzte weithin alle Wölkchen und schwängerte sie mit fruchtbaren Regenwassern. Gott befahl ihnen, von diesen Wolken in stillem Fall auf die Erde nieder zu regnen und sie mit dem Tau des ambrosischen Südwinds zu benetzen. Es geschah, wie er befohlen hatte. Die Erde schwimmt im himmlischen Regen, und dort, wo die Erde vom Tau feucht ist, entspringt eine Rose. [10] Die Nymphen sahen sie, und während sie ein Heilmittel gegen den grässlichen Gestank suchen, kommt eine mit der Nase in ihre Nähe. Sogleich ruft sie aus: ›In dieser Blume ist alle Myrrhe und jegliches Aroma verborgen. Dieser Duft nährt Weihrauch und Balsam. In diesem blättrigen Kelch wohnen die Zeder und ihr Mark:

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Hîc Nabathaea suum balsama germen habent. Denique, in hoc VERNI clausit se gratia coeli: Cúmque suo coelo delitet ipse Tonans. Diluitur, siqua ulla reses contagio sordet; Iam morbi, et mortes, et Libitina, migrant. HAEC mihi de Nymphis, caussísque, ortúque Rosarum, Rettulit Aonidum diva Thalia fide. Tempore ab hoc, Florum jam non REGINA, sed ipsa AVGVSTA et IVNO est, tam generosa Rosa. Veris, in hac sola, laudes et stemma tenemus. Qui vis VER breviter pingere, pinge ROSAM. 19 sordet;] B; sordet: A

ELEGIA XX. S[ANCTAE] DOROTHEAE ad THEOPHILVM ROSAE, et EPISTOLA. Caesaréa, Cappadocum Urbs est, ad Melan fluvium sita, Maza quondam nominata. In hac, DOROTHEA Virgo, sub Sapricio, provinciae Praeside, post equuleum ac verbera, reductis priùs ad Christianam constantiam Chresta Callistáque sororibus, gladio icta est, VI. Februarij. Dum ad supplicium educitur: THEOPHILO cuidam Advocato, per sannas et ludibrium ROSAS, è sponsi sui PARADISO flagitanti, pollicetur: ac mox, per Angelum submittit. Hujus, in corbe, ROSIS Epistolam adjungimus, DOROTHEAE digito nominéque perscriptam. In ea supplicium suum, historiae seriem, Paradisíque gaudia, caelestibus plena delicijs, recenset: ea mente, ut ad parem Martyrij constantiam Theophilum pertrahat. Quod et perfecit. Nam hic, adjunctus CHRISTO, post acerrima tormenta, gladio caesus occubuit. Vide Baron[ii] Martyrolog[ium] 6. Februarii. Surium tom[o] 1. et alios. DOROTHEA THEOPHILO SALVTEM. I. Exponit Virgo; Quem animum habuerit, ante Gladij ictum? QVI Flores, et poma capis: ne corticis albi, Sub nostro appositi munere, verba fuge. Littera nulla tibi, tantùm Promissa dabantur: Sed vixdum dederam, colla secanda dedi.

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Hier hat der Spross seinen Nabathäischen Balsam.‹ Kurz: In ihm verschloss sich die Anmut des FRÜHLINGSHIMMELS und verbirgt sich der Donnerer selbst mitsamt seinem Himmel. Aufgelöst wird sie, wenn irgend noch eine Seuche mit ihrem Schmutz übrig blieb, schon ziehen Krankheiten, Todesfälle und Libitina davon.« [20] SOLCHES berichtete mir die göttliche Thalia mit der den Musen eigenen Zuverlässigkeit über die Nymphen, und die Ursprungsgründe der Rosen. Seit dieser Zeit ist sie nicht mehr nur KÖNIGIN der Blumen, sondern ihre KAISERIN und GÖTTLICHE MUTTER, die viel edle Rose. In ihr allein haben wir Ruhm und Abstammung des Frühlings. Wer den FRÜHLING kurz malen will, male eine ROSE.

ELEGIE XX Die Heilige DOROTHEA schickt THEOPHILUS ROSEN und einen BRIEF Caesarea ist eine Stadt in Kappadokien, am Fluss Melas gelegen, und trug einst den Namen Maza. Dort wurde die Jungfrau DOROTHEA unter dem Provinzstatthalter Sapricius, nach Folterbank und Schlägen und nachdem sie zuvor die Schwestern Chresta und Callista zur christlichen Standhaftigkeit zurückgeführt hatte, am 6. Februar durch das Schwert getötet. Während sie zum Richtplatz geführt wird, verspricht sie einem gewissen THEOPHILUS, einem Advokaten, für seinen Hohn und seine Spötteleien ROSEN aus dem PARADIES ihres Bräutigams, wie er es verlangt. Und schickt sie ihm bald, durch einen Engel. Wir fügen hier einen Brief im Korb mit den ROSEN an, der von der Hand und unter dem Namen der DOROTHEA verfasst ist. Darin erzählt sie von ihrer Hinrichtung, der Abfolge der Geschichte und den Freuden des Paradieses, voller himmlischer Köstlichkeiten, in der Absicht, Theophilus zu der gleichen Standhaftigkeit im Martyrium geneigt zu machen; was ihr auch gelang. Denn er schloss sich CHRISTUS an und starb nach furchtbaren Foltern durch das Schwert. Siehe Baronius: Martyrologium Romanum zum 6. Februar. Surius, Bd. I u. a. DOROTHEA GRÜSST IHREN THEOPHILUS I. Die Jungfrau legt dar, was sie vor dem Schwertstreich empfand DU, der du Blumen und Äpfel bekommst, erschrick nicht vor den Worten auf dem weißen Blatt, das meinem Geschenk beigelegt ist. Kein Brief, nur ein Ver-

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Continuò et scriptum adjeci: nota ducta cruore est, Quem celer è trunco corpore penna bibit. Supposui calatho chartam: vix ipse notavit Lator. at, explicito tegmine, plura leges. QVAM, cuj mitto, precor contingere posse salutem, DOROTHEA, aeternùm salva futura, fruor. Verba parùm hîc faciunt. Quid enim sit, SALVA, Salúsque? Si non plus multò fortia facta darent? O Animum! ô sensum! quàm non elusa potitur Praemia, magnanimo meta peracta gradu! Vt posui nudata genu; spoliatáque lino, In gelidam cervix est patefacta necem: Hortantur circùm, matrona puelláque vírque Plurimus, et, juguli cuj data cura mei: Heu, insana nimis, nimis (ah) formae inscia virgo Flore frui! Frustra sic cadis, ante diem? Sic genitrix, sic te genitor, sine conjuge Natam, Spontè lacessito quòd ruis ense, fleant? Quódque omnis natura vetat; Nive candida tellus, De te, purpureo foeda cruore, fluet? Quin miserere tui, mentitúmque abjice coelum; Aut certo gladius funere colla metet. Dixêre: et renui. Validis citò quassa lacertis Et collum, et colli verba, machaera tulit. 23 vetat;] B; vetat: A 25 abjice] B; abijce A

II. Quam sensum habuerit, post ictum Gladij? Quem CHRISTI amplexum, in Coelo?

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SENSVS erat (si fortè roges) in vulnere saevus: Sed tam, quàm saevus, non diuturnus erat. Obstupui primò: et, membrorum extrusa latebris Corporeum Mens est quaerere visa larem. Hoc quoque vix tantùm duravit, quàm cita nictant Fulgura: mox Anima est reddita tota sibi. Quàm subita, atque agilis, pingui bene mole soluta, Ausa fui rapidos antevolare Notos? Non adeò velox, venientis cauta perîcli, Accipitrem plausa turre columba fugit: Nec tam Gnossiacas linquunt cita tela pharetras,

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sprechen wurde dir gegeben: Doch ich hatte es kaum gegeben, schon musste ich meinen Hals dem Schwert darbieten. Ich habe sogleich ein Schreiben hinzugefügt, die Schrift ist mit jenem Blut geschrieben, das die flinke Feder aus dem verstümmelten Körper getrunken hat. Den Brief legte ich auf den Boden des Korbes: Der Advokat selbst hat ihn wohl kaum bemerkt. Aber du wirst mehr lesen, wenn du das Blatt aufgefaltet hast. Ich bete, dass auch du, dem ich es schicke, jenes ›Heiles‹ teilhaftig wirst, das ich, DOROTHEA, als ewig Errettete, auf alle Zeit genieße. [10] Worte richten zu wenig aus. Denn was heißt schon ›ERRETTETE‹ und ›Heil‹, wenn nicht tapfere Taten viel mehr bewirkten? O Herz! O Sinn! Wie untrüglich sind die Belohnungen, die man erlangt, nachdem man mutigen Schrittes das Ziel erreicht hat! Als ich auf das entblößte Knie sinke, nackt und meines Leinengewandes entkleidet, und meinen Nacken dem eiskalten Mord biete, da rufen mir ringsum Frauen, Mädchen und Männer, auch jener, dem ich meine Kehle dargeboten habe, vielfach zu: »Ach, du wahnsinnige Jungfrau, ach, wie wenig kannst du Törichte die Blüte deiner Schönheit genießen! Willst du so zwecklos vor der Zeit fallen? [20] Soll so deine Mutter, so dein Vater ihre unverheiratete Tochter beweinen, da du aus freien Stücken unter dem Schwert stirbst, das du herausgefordert hast? Soll, was der ganzen Natur zuwiderläuft, die vom Schnee weiße Erde durch dein rotes Blut befleckt werden? Nein, erbarme dich deiner selbst und entsage diesem erlogenen Himmel, oder das Schwert wird deinen Hals zum sicheren Tod durchtrennen.« So sprachen sie, ich aber lehnte ab. Schnell schnitt das ›Schlachtmesser‹ durch starke Muskeln und Hals und zugleich dem Halse das Wort ab.

II. Was sie nach dem Schwertstreich gefühlt und was sie bei der Umarmung CHRISTI im Himmel empfunden habe Rasend war der SCHMERZ an der Wunde (wenn du es wissen willst): Doch so rasend er war, so kurz dauerte er an. Zuerst erstarrte ich, und mein Geist schien, nachdem er aus dem Gefängnis der Glieder vertrieben war, sein körperliches Heim zu suchen. Doch auch dies dauerte nicht länger als ein schneller Blitz aufleuchtet: Bald kam die Seele ganz zu sich. Wie schnell und beweglich wage ich, befreit von der Last des Fleisches, den schnellen Winden voraus zu fliegen! So schnell flieht nicht die flatternde Taube vor dem Habicht aus dem Taubenschlag, wenn sie der kommenden Gefahr entgehen will; [10] sogar die Pfeile, von deren eherner Spitze getroffen die Hirschkuh niederfällt, verlassen ihre kretischen Köcher nicht so schnell, wie ich, nachdem ich die Wolken durchflogen hatte, zu den höchsten Gestirnen vorstieß und zur Wohnstatt der Himmlischen empor flog. Zweifle nicht daran: Ich sah meinen Leichnam mit abgetrenntem Kopf niedersin-

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Aëre quêjs patulo cerva petita cadit; Quantùm ego, transsultis altissima sidera nimbis, Eminui, ad superas emicuíque domos. Neu’ dubites: truncum, absecta cervice, notavi Iam stans in summo, procubuisse, polo. Cúmque caput, primo exstinctum pallore, levaret Lictor, et emoriens fleret in ore decus; Iam complexa meum miris, sine corpore, membris, Stringebam CHRISTVM, basiáque alta dabam. Iámque eadem ex illo, castóque novóque trahebam More: nec extincti defuit oris honor. Et neque cassa genis, nec eram sine flore genarum; Auxerat ornatus utraque mala suos. Ne fallâre tamen; nec me, quas tangere fas sit, Formosae dotes Mentis habere putes: Sunt oculi, sunt labra mihi, sunt ora decora, Pluráque: quae sola credulitate capis. Sed neque sic liquidò. Sunt inferiora supremis Lumina corporei viribus ingenij. Numinis hoc opus est. QVID habet, nisi grandia Numen? IN NVLLO parvum se sinit esse DEVS. Hoc quoque; tantillâ quòd tam prolixa repentè est Littera missa morâ: quid, nisi dicta, probat? Tu tamen, in minimis defixe Theophile, vixdum Concipis aspectu munera nostra tuo: Dúmque legis, nunc Poma auro radiantia primo, Nunc vivas repetis vultu animóque ROSAS. Te juvat ergò calyx; calycis mihi nucleus instat: Quàm cuperem (ah) simili te quoque sorte frui! Scilicet, EXIGVVM est, neglecto carpere fructu, Parva nimis florum munera. Pasce famem. (Si tamen est tam digna fames tibi) Largiter opta; Non erit in nostra dextera parca penu.

1 saevus:] B; saevus A 3 et,] B; et A 39 calyx;] B; calyx, A

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ken, als ich bereits an der höchsten Himmelskuppel war. Und als der Henker das Haupt, das schon vom Tode bleich war, emporhob und über die im Tode schwindende Schönheit weinte, umfing ich bereits mit wunderbaren Gliedern (ohne Körper) meinen CHRISTUS in der Umarmung und gab ihm hoch oben Küsse. [20] Und schon erwiderte er sie in dieser keuschen und ungewohnten Weise: Auch meinem toten Antlitz fehlte es nicht an Zier. Weder waren meine Wangen zerschlagen, noch fehlte ihnen Glanz: Jede von ihnen vergrößerte den Glanz der anderen. Doch täusche dich nicht und glaube nicht, dass ich nur über Gaben eines schönen Geistes verfüge, die man berühren darf: Ich habe Augen und Lippen, ein helles Antlitz und anderes mehr, was du nur durch Glauben erfassen kannst. Aber doch nicht ganz und gar. Die Augen sind den höchsten Kräften, welche im Körper wohnen, untergeordnet. [30] Dies ist das Werk Gottes. WAS hat Gott, das nicht groß wäre? IN NICHTS lässt GOTT sich selbst klein sein. Beweist nicht auch die Tatsache, dass dieser weit gereiste Brief so unvermutet und in kurzer Zeit überbracht wurde, meine Worte? Du jedoch, Theophilus, der du im Kleinsten verhaftet bist, nimmst unsere Gaben gerade erst zur Kenntnis: Während du liest, wendest du Gesicht und Gedanken mal den Äpfeln zu, die in frischem Gold erstrahlen, mal den lebendigen ROSEN. Dir gefällt also die Knospe; mir bietet sich die Frucht dar: Ach, wie sehr wünschte ich, dass auch du ein solches Los genießen mögest! [40] Denn eine KLEINIGKEIT ist es, verschmähte Früchte zu ernten, allzu gering auch die Gabe der Blumen. Stille deinen Hunger. (Wenn jedoch der Hunger deiner würdig ist:) Wünsche ihn dir reichlich. Die Rechte wird aus unserem Vorrat nicht sparsam austeilen.

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III. Caelestis Regiae descriptio.

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Aspiceres utinam! cupidam Praesentia mentem Flammaret; nec jam tardus hiaret amor. Nocte caret Regio haec, caret atro Vespere Titan; Qui, radio numquam deficiente, nitet. Sunt procùl hinc Hyades, procùl atro nubila tractu: Nec gravis Vrsa gelu, nec nocet igne Leo. Annus agit, sine lege Anni, VER semper amoenum: Quódque videt sidus gemma, racemus habet. Nulla lutô turpis fit semita, pulvere nulla: Stat nusquam foedo pigra lacuna situ. Sic superûm poscunt plantae; quos, (orbe subacto) Turpe esset, reduci spargere sorde pedem. CONTINGVNT maculae mortalibus. Ite sub astra, Mortales; jam non, quod maculetur, erit. Quid plateas, auro rutilas? quid compita cantem? Aut, quid Erythraeis atria picta Bonis? Moenia quae dicam? num Argentea moenia dicam, Purius argento quae solidavit ebur? Sardonychas dicam in tectis? et Iäspida valvîs? Cùm pretio sanè nobiliore micent. Lucidiora tamen fora sunt, divisáque Divis Curia, quáque alta Numen ab arce tonat. 5 tractu :] B; tractu; A 16 Bonis] B; opibus A.

IV. Virginum Martyrum in PARADISO flores, Coronae, et laeta Societas.

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Caetera vel campus viridantibus occupat herbis, Vel semper culto florida gleba solo. Quóque magìs laeter: Non solo è flore beamur: Tota patent pedibus roscida prata meis. Nunc mihi carpuntur nitidis argentea labris LILIA; nunc flavis caltha repanda comis. Interdum nigro vaccinia grata colore: Aut Violarum, inter caerula, blandus odor. Plus cognata tamen recreant me LILIA; plus me, Quae circumplexo jam ROSA vepre caret.

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III. Beschreibung des Himmelreiches Könntest du es doch sehen! Diese Gegenwart entflammte deine Seele, und die Liebe würde, gar nicht träge, den Mund aufsperren. Diese Gefilde kennen keine Nacht, keinen dunklen Abend kennt Titan, der scheint, ohne dass seine Strahlen schwächer würden. Fern sind hier die Hyaden, fern ist der dunkle Zug der Wolken, weder schadet die grimme Bärin durch Kälte, noch der Löwe durch Hitze. Das Jahr vergeht ohne Jahreszeiten, immer herrscht angenehmer FRÜHLING, und was das Gestirn sieht, hat Knospen und Früchte. Keine Pflanze wird hässlich zu Unrat, keine zu Staub, nirgends steht eine faule Lache am schmutzigen Ort. [10] So fordern es die Pflanzen der Himmlischen, für die es schimpflich wäre, den Fuß mit dem Schmutz irdischen Kreislaufes zu beflecken. Makel TREFFEN die Sterblichen; kommt zu den Sternen, ihr Sterblichen, und schon wird es nichts mehr geben, was beflecken könnte. Was soll ich die goldglänzenden Straßen, was die Kreuzwege besingen? Oder die mit Erythräischen Gaben geschmückten Innenhöfe? Was soll ich von den Gebäuden sagen? Soll ich denn silberne Mauern nennen, die Elfenbein, reiner noch als Silber, befestigt? Was soll ich die mit Sardonyx gedeckten Dächer schildern, den Jaspis an den Türflügeln? Da sie doch in edlerem Wert erstrahlen. [20] Glänzender sind jedoch die Plätze, das abgeteilte Ratsgebäude für die Heiligen und die hohe Burg, von der Gott herab donnert.

IV. Die Blumen, die Kränze und die frohe Gemeinschaft der jungfräulichen Märtyrer[innen] im PARADIES Das übrige Gebiet deckt entweder ein Feld mit grünenden Pflanzen oder fruchtbares Ackerland mit stets bebautem Boden. Und worüber ich noch glücklicher bin: Nicht nur von einer Blume werden wir erfreut: All die taufrischen Wiesen stehen meinem Fuß offen. Bald pflücke ich silberne LILIEN mit ihren glänzenden Lippen, bald die gebogenen Ringelblumen mit ihrer blonden Haarpracht. Dazwischen locken Hyazinthen mit ihrer dunklen Farbe oder der liebliche Duft der Veilchen in ihrem himmlischen Blau. Doch die LILIEN erquicken mich mehr, da sie mir stärker verbunden sind; mehr auch die ROSE, deren Ranken hier noch frei von Dornen sind. [10]

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Germinis est utriusque suum decus: Istud honore; Illud odorifera plus nive posse putes. Iunge decus florum: Geminorum gloria crescet, Dum socia in medio purpura lacte natat. Hinc Capiti sertum surgit: quo compta nitescit, Quaecunque audaci functa Virago nece est. Hoc evincta nitet, quae saevis Vbera cultris Virgo dedit, Siculae palma pudicitiae. Hoc etiam, nuper felicibus addita Nymphis, Parva annis, nulla laudibus AGNA minor. Hujc propior palmâ EMERITA est; quae proxima busto, Et lacrymas Agnae, et posthuma colla, dedit. Denique concordes, Chresta et Callista sorores, Vt similes ortu, sic mihi morte pares. Quas ego (cùm vitam mallent, formidine poenae) Mutato docui pectore, velle necem. His nunc jungor; habet similem par pugna Coronam: At, quantô minor est Munere Pugna suo?

V. In Amore CHRISTI, nullis verbis exprimendo, Coeli delicias occupari.

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Antè Melas siccis Mazzëia moenia ripis Linquet; ut, expleto littore, fiat ager: Et priùs, adjuncto Calpe Tartessia Tauro, Porriget agnatas in juga nexa manus: Quàm tibi, quae, vel quanta habeam, seu pandere verbis, Seu possit plenis aemula charta notis. EXPERIARE velim! minùs experientia sudat, Quàm nota narratrix. Omnia dicet Amor. Nam, quid id est, nisi plenus Amor? stat Amore voluptas: Diligimus dulci, diligimúrque vice. Quem, nisi? Sed, quem stringat Amor, ne penna revelet, Impedit is, qui me scribere iussit, Amor. NVMEN id est: et – Quid rursus fari irrita conor? Non capit has tantas congius unus aquas. Hoc unum satìs est, liquido quòd dulcia cursu, Gaudia inexhaustum sint habitura vadum.

12 iussit] B; jussit A

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Jede der beiden Pflanzen hat ihre Zier: Man könnte meinen, dass jene durch ihre Ehre, diese durch ihr duftendes Schneeweiß mehr vermöchte. Verbinde die Schönheit der Blumen, und beider Ruhm wird wachsen, während die purpurne Schwester inmitten des Milchweiß schwimmt. Hier wächst dem Haupt ein Kranz als Schmuck für jede Jungfrau, die eines kühnen Todes gestorben ist. Mit ihm schmückt sich die Jungfrau, die ihre Brüste den wütenden Messern darbot, jene sizilische Siegespalme der Keuschheit; mit ihm [schmückt sich] auch AGNES, jung an Jahren aber nicht weniger zu loben, die sich kürzlich zu den seligen Jungfrauen gesellt hat. [20] Ihr zunächst hat jene EMERITA die Palme VERDIENT, die nahe am Grab um Agnes weinte und danach ihren Hals [den Henkern] bot; und schließlich die einträchtigen Schwestern Chresta und Callista: Wie sie durch ihre Herkunft mir gleichen, gleichen sie mir auch im Tod. Ich habe sie (als sie sich aus Angst vor der Strafe das Leben wünschten) gelehrt, ihr Herz umzukehren und den Tod zu wollen. Mit ihnen bin ich nun vereint. Der gleiche Kampf trägt eine gleiche Krone: Aber wieviel geringer ist doch der Kampf angesichts des Lohnes!

V. In der Liebe CHRISTI, die nicht mit Worten auszudrücken ist, sich den Freuden des Himmels zu widmen Eher verlässt der Melas mit trockenen Ufern die Mauern Maza[ka]s, um aus seinem Bett zu verschwinden und zum Feld zu werden; eher reckt die Tartessische Calpe ihre Arme, um sich mit ihrem Bruder Taurus untrennbar zu vereinen, als dass dieser Brief dir mit Worten oder mit der Fülle an Geschriebenem auch nur annähernd offenbaren könnte, was und wie Vieles mir geschenkt wurde. Ich wünschte, du könntest es ERFAHREN! Die Erfahrung müht sich weniger als die schriftliche Erzählung. Die Liebe wird alles verkünden. Denn was ist es außer der vollkommenen Liebe? Durch Liebe entsteht Verlangen: Ich empfinde süße Liebe und werde wiedergeliebt. [10] Wen außer…? Aber auf dass meine Feder nicht enthüllt, wen die Liebe beherrscht, hemmt mich gerade diese Liebe, die mich zugleich zum Schreiben drängt. GOTT ist es: und … – Warum versuche ich abermals vergeblich, es in Worten auszudrücken? So viel Wasser kann kein einzelnes Gefäß fassen. Es genügt nur zu sagen, dass die Süßigkeit im Strom fließt und der Fluss der Freuden niemals versiegen wird.

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VI. THEOPHILI ad eadem Gaudia invitatio.

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Ergò agè, rumpe moras, plenásque, Theophile, vires, Exacue, in gladium. Tu quoque Noster eris. Iam tibi, dum legitur, quia coelat Epistula multum, Multa sitim peperit quaerere. pelle sitim. Iam cadit et vultus, lacrymámque illapsa retorquet Lacryma, qua scripto facta litura meo est. QVID faciam? (exclamas) quid nunc? quid denique? Quaeque Pro te consuevi saepe dolere, doles. Certè (ego si pretium merui mihi) debita nobis Praemia sollicitâ pro pietate, dabis. Excuties turpémque Iovem, stultámque Minervam: Mutatîs quaeres astra, DEVMQVE sacris. 10 Praemia] B; Praemia, A.

VII. THEOPHILVS, quàm ludibundè ROSAS exegerit? Paraenesis ad fortitudinem, dignam Martyre.

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Haec nuper monui; et Mulier, sine mente, videbar; Ac meritô innumeris excrucianda malis. Digna tibi palmis, et acerbis visa catastis, Cùm mihi sub pugnis concrepuêre genae. Sed tunc praecipuè (prô mens, saepe inscia veri!) Stulta tibi fueram, cùm moritura fui; Scilicet (ajebas) Hominis tibi teda pudori est: Divinos ambis, sponsa superba, toros! Eja, agè, laudo! (suo neque risu verba carebant) Verùm, aliquis nobis hinc quoque fructus eat. Cùm festiva premes geniali tempora sertô; Vna sit è multis, fac, ROSA nostra rosis! Id tua promittunt nobis VIRIDARIA. Sic tu. Nil ego tam salso sum tremefacta joco. Immò animos auxi; risúque in seria tracto, Accepi oblatam jussa, dedíque fidem. Vt MERITI fieret duplex, si gratia Velox, Ante statam volui munus adesse diem. Nam, fora dum repetis, promissáque nostra retractas; Ad solitas ego sum conscia versa preces. QVID coeli trepidet fiducia? Poplite prono, Vix levo connexas, in tua vota, manus;

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VI. Einladung an THEOPHILUS zu denselben Freuden Also auf, lass’ das Säumen und dränge mit vollen Kräften auf das Schwert, Theophilus. Dann wirst du auch einer der Unseren sein. Denn schon während du liest, verhüllt dir der Brief Vieles und weckt einen Durst, nach Vielem zu fragen. Lösche den Durst. Schon entgleist deine Miene, und eine Träne fließt und lässt die nächste hervorquellen, durch die in meiner Schrift Verwischungen entstanden sind. »WAS soll ich tun?« (rufst du aus) »Was nun? Was denn?« Du leidest, was ich an deiner Stelle oft erlitten habe. Sicherlich wirst du mir (wenn ich mir irgendeinen Lohn erworben habe) die schuldige Belohnung für die Herausforderung des Glaubens zugestehen. [10] Du wirst den schändlichen Jupiter und die dumme Minerva abschütteln, deine Heiligtümer verändern und nun nach den Sternen und GOTT streben.

VII. Wie THEOPHILUS im Spott ROSEN forderte. Ermahnung zur Stärke, wie sie einem Märtyrer angemessen ist Dazu habe ich dich schon vor Kurzem ermahnt und erschien dir da als törichte Frau, die es verdient habe, mit unzähligen Qualen gepeinigt zu werden. Ich erschien dir der Schläge und des harten Folterrostes würdig, als meine Wangen unter Fausthieben ächzten. Aber damals, als ich dem Tode geweiht war, erschien ich dir nur dumm (oh, menschlicher Verstand, der du oft die Wahrheit nicht kennst!), denn (so sagtest du): »Einen Mann zu heiraten scheint dir schändlich. Nun, so strebe nach dem göttlichen Brautgemach, du stolze Braut! Nur zu, ich lobe dich ja!« (und die Worte begleitete Hohngelächter). »Fürwahr, irgendein Nutzen sollte auch mir daraus erwachsen. [10] Wenn du dich mit dem Hochzeitskranz zum Festtag aufmachst, schicke doch eine der vielen ROSEN an mich! Das werden deine LUSTGÄRTEN mir doch gewähren.« So sprachst du. Doch mich erschütterte ein so höhnischer Scherz nicht. Im Gegenteil: Ich stärkte meinen Mut, und indem ich den Scherz in Ernst verwandelte, nahm ich deine Forderung an und versprach dir, ihr nachzukommen. Damit mein VERDIENST sich verdopple, wenn die Gnade schnell ist, wollte ich, dass mein Geschenk vor dem festgesetzten Tag ankomme. Denn während du wieder zum Marktplatz gehst und mein Versprechen noch einmal überdenkst, wende ich mich zuversichtlich meinen gewohnten Gebeten zu. [20] WARUM sollte mein Vertrauen in den Himmel wanken? Ich beuge das Knie, erhebe kaum die gefalteten Hände zu einem Gebet um deinetwillen – siehe:

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Hem tibi! brumosis non debita germina Lunis, Adsunt, et puer, et corbula, VERIS onus. Quid, quòd pollicitum superavit copia nostrum? Nam sunt promissis addita Poma ROSIS. Continuò tibi mitto: et coeptum ad funera callem, Aligero blandùm respiciente, premo. Lentiùs ille quidem (puerum mea pugna tenebat) Sed, quocunque tulit tempore, nostra tulit. Succedet nobis, forti qui proximus auso, Sanguine tinget humum. CVR ferit ossa pavor? Pone metum! Forsan te fata, Theophile, poscunt. Iam dubitas: PRIMVS fit, dubitare, labor. Fortiùs adde pedem! mox non grave, ponere vitam: Mox etiam fiet ludus, et ambitio. Mens tua condetur coelo, Cinis ultimus urnâ: Versus et, in tumuli marmore, talis erit! Astra petunt alij, SPINIS obsessa, rubísque: Hic primus, ducibus venit ad astra ROSIS.

10 eat.] B; eat! A 12 rosis] B; Rosis A. 19 retractas;] B; retractas: A.

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Schon sind Pflanzen da, wie sie die winterlichen Monate nicht hervorbringen, ein Junge und ein Körbchen, beladen mit Gaben des FRÜHLINGS. Was denn? Die Fülle hat mein Versprechen noch übertroffen! Denn zu den versprochenen ROSEN sind Äpfel hinzugekommen. Sofort schicke ich sie dir und gehe dann auf dem Weg, den ich begonnen habe, weiter in den Tod, während der Engel mir freundlich nachblickt. Der Jüngling trug nur langsam (da mein Kampf ihn zurückhielt) meine Gabe davon, aber er hat sie überbracht, zu welchem Zeitpunkt auch immer. [30] Mir wird derjenige nachfolgen, der meinem kühnen Wagnis am nächsten ist; er wird mit seinem Blut den Boden besprengen. WARUM fährt dir Furcht in die Knochen? Keine Angst! Vielleicht fordert dich das Schicksal, Theophilus. Schon zweifelst du: Zur ERSTEN Qual wird es, zu zweifeln. Schreite nur mutiger aus! Bald wird es dir nicht mehr schlimm erscheinen, das Leben dranzugeben: Bald wird es zum Spiel und zu deinem Ehrgeiz. Deine Seele wird im Himmel weilen, deine tote Asche in der Urne. Und solch ein Vers wird auf dem Marmor deines Grabes stehen: ›Andere streben nach den Sternen, die von DORNIGEN Ranken umschlossen sind: Dieser kam als erster zu den Sternen, indem er von ROSEN sich führen ließ.‹ [40]

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ITINERA SACRA, seu, SVPPLICATIONES. Si, clauso coelo, PLVVIA non fluxerit, propter peccata populi: et deprecati te fuerint in loco isto, * exaudi de coelo, Domine: * et da Pluviam terrae, quam dedisti populo tuo, ad possidendum. Fames si orta fuerit in terra, et pestilentia: aerugo et aurugo, et locusta, et bruchus: et Hostes, vastatis regionibus, portas obsederint civitatis, omnísque plaga et infirmitas presserit: si quis de populo tuo Israël fuerit DEPRECATVS, * tu exaudies de coelo, de sublimi scilicet habitaculo tuo: et propitiare. etc. 2. Paralipom[enon] c[apite] 6. à versu 26. pestilentia:] B; pestilentia. A

ELEGIA XXI. FERIA SECVNDA, (quam vocant) ROGATIONVM.

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SI quis habes aures, resono Campana tumultu Aera audi! Ad dignum quippe citaris iter. Somno Aurora modum ponit; NON surgere, pigri est: Nunc, pro Pulvino, grandius instat opus. Surge, agè! coelicolûm fas est Pulvinar obire, Et peregrina pio Templa subire pede. ALTERA LVX ista est, qua supplice sidera ritu Poscimus: Vnanimi plebs pia voce ROGAT. Iámque, ecce, egredimur! jam, obliquis aurea signis, Crux sacra praeradiat, castráque tota trahit. A Cruce, magnifico volitant vexilla triumpho: Cantorum insequitur, sacrificúsque, chorus. Tum plebs, à sacris cultu semota profano. Postremam hîc aciem grex muliebris habet. Si bene subducas, longum est, quod supplicat, agmen: Vix finem atque fidem lumina nostra dabunt. Adde, viae illecebras, tot amoeni commoda ruris: Hanc, dices, stratam pro Pietate viam. Hinc atque hinc viridi procurrunt gramina campo: Illinc atque istinc populus umbrat iter.

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PROZESSIONEN, oder auch: BITTGÄNGE Wenn der Himmel verschlossen ist, und kein REGEN fällt um der Sünden des Volkes willen, und sie flehen zu dir an diesem Orte […] so wollest du erhören vom Himmel, o Herr! […] und Regen geben dem Lande, das du deinem Volke zum Besitze gegeben. Wenn ein Hunger geworden im Lande, und Pest, Dürre und Brand, und Heuschrecken, und Raupen, wenn die Feinde die Gegenden verwüsten und der Städte Thore belagern, und allerlei Plage und Elend drücket: und dann einer von deinem Volk Israel FLEHET […], so wollest du erhören vom Himmel, von deiner hohen Wohnung nämlich, und gnädig seyn usw. 2. Paralipomenon 6,26–30 ELEGIE XXI ZWEITER FEIERTAG, den man den der FÜRBITTEN nennt WENN du Ohren hast, höre das Erz der Glocken mit seinem widerhallenden Läuten! Du wirst ja zu einem Gang gerufen, der es wert ist. Aurora setzt dem Schlaf ein Ende; NICHT aufzustehen ist ein Kennzeichen von Faulheit: Jetzt steht, anstelle des Betts, ein größeres Werk bevor. Erhebe dich, auf! Es ist richtig, die Wohnstätte der Himmelsbewohner aufzusuchen und fremde Kirchen mit frommem Fuß zu betreten. Es ist dies der ZWEITE TAG, an dem wir mit demütigem Ritus den Himmel anflehen: Mit einmütiger Stimme BETET das fromme Volk. Und siehe, schon treten wir hinaus! Schon strahlt, golden an den schräg gehaltenen Fahnenstangen, das heilige Kreuz voran und zieht die ganze Stadt hinter sich her. [10] Hinter dem Kreuz flattern in großartigem Triumph die Fahnen: Es folgen der Priester und der Chor der Sänger. Dann das Volk, durch seine weltliche Kleidung vom Klerus unterschieden. Den letzten Platz in der Reihe hier hat die Schar der Frauen. Wenn du es gut überschlägst, ist der Zug der Beter lang: Unsere Augen werden kaum glaubwürdig ein Ende finden. Füge die Reize des Weges hinzu, so viele Annehmlichkeiten des anmutigen Landes. Du wirst sagen, dieser Weg sei für die Frömmigkeit gepflastert worden. Hier und da sprießen Gräser aus dem grünen Feld: Da und dort beschattet eine Pappel den Weg. [20]

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Populeas stringit, quà laeva est semita, sylvas, Perspicuus rivo mobiliore latex. At, quà dextra procùl quernos videt obvia saltus, Pendentes scopuli vertice cernit aquas: Fontanóque ruit crystallinus umor ab antro: Tantaleam haec posset frangere lympha sitim. Dum loquimur Superis, dum pulsat sidera cantus; Dum, quod quisque in rem concipit, astra rogat: Saltibus è medijs pictissima provolat ales, Artificíque agilis turbine gyrat iter: Donec in emeritum pennis tollatur Olympum, Dulcibus interea submodulata choris. Quaecunque es, seu vera olim ac montana volucris; Seu ficta, Angelicae conditionis, Avis; Ad pauca haec subsiste priùs, quàm nubila rumpas. Ecce, unas juncto fundimus ore preces. Mysta rogat, rogat Harmonie, per cantica festa: His vota includunt plebs Procerésque sua. Vota edunt. tamen, an tangant adamantina coeli Ostia? in ambiguo est. Adjuvat aura preces. Nunc Euri Zephyríque silent, Boreásque, Notúsque: Tu propè sola, Avis, es, quam Zephyrum esse velim. I, precor, I, volucris! perfer, super astra, precantûm Alloquia! Hoc totum est, quod Pia turba ROGAT. Plejadas instringat, tumidósque coërceat imbres, Et parca vibret fulmina nube Tonans! Serventur segetes: Pax alma virescat, et almae Pacis alumnus ager! Grandine turbo vacet! Sint procùl hinc nimbíque truces, prestérque, procellaéque, Immodicíque imbres, immodicúsque calor! Addimus, ut migret nostris ALARICVS ab oris: Et, cùm Regna adeat, non adeunda sibi, Regna habeat! satìs ampla tenet Neptunus: In illis Cum veteri Pharao sit Pharaone novus. Baltica cum Lappis repetat freta victus: et illic Cum Geticis Pontum compleat agminibus. Tot calicum è templis raptor, spolietur! Et, Auro Amisso, è Vitreo gurgite praedo bibat!

24 vertice] B; è vertie A 57 Auro] B; auro A 58 Vitreo] B; vitreo A

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Auf der linken Seite geht der Pfad an Pappelwäldern entlang, klares Wasser in einem munteren Bach. Aber wo die rechte Seite des Wegs, sich aufdrängend, in der Ferne auf Eichenwälder sieht, nimmt sie auch ein Gewässer wahr, das aus dem Scheitel eines Felsens herabströmt: Kristallklares Wasser stürzt aus einer Höhlenquelle. Dieses Nass hätte den Durst des Tantalus stillen können. Während wir zu den Himmlischen sprechen, während der Gesang an die Sterne schlägt, während ein jeder den Himmel um das bittet, was ihm am Herzen liegt, fliegt mitten aus dem Wald ein kunterbunter Vogel und beschreibt in künstlichem Wirbel behände eine Kreisbahn, [30] bis er sich mit seinen Flügeln zum Olymp erhebt, der ausgedient hat, inzwischen begleitet von wohlklingenden Chören. Wer immer du auch bist, entweder ein einst wirklicher Vogel des Gebirges oder scheinbar ein Vogel vom Stand eines Engels, mache hier ein wenig Halt, bevor du die Wolken durchbrichst. Siehe, wir sprechen ein einziges Gebet mit vereinter Stimme. Der Priester betet, der wohl tönende Chor betet mit festlichen Liedern: Das Volk und die Vornehmen schließen darin ihre Gebete ein. Sie sprechen die Gebete. Trotzdem, ob sie die stählernen Türen des Himmels berühren, ist zweifelhaft. Die Luft unterstützt die Gebete. [40] Nun schweigen die Winde aus Ost und West, aus Norden und Süden: Du, Vogel, bist es nur allein, von dem ich möchte, dass du der Frühlingswind bist. Fliege, ich bitte dich, fliege, Vogel, trage die Anrufungen der Betenden hinauf bis über die Sterne. Das ist alles, was die fromme Schar ERBITTET: Der Donnerer soll die Plejaden festbinden, ausgiebige Regengüsse einschränken und nur wenige Blitze aus der Wolke schleudern. Geschützt sollen werden die Felder: Segen spendender Frieden soll grünen und der Acker, ein Zögling des Segen spendenden Friedens! Der Sturm soll keinen Hagel bringen. Fern von hier sollen sein heftige Regengüsse, feuriger Wirbelwind und Stürme, und unmäßige Schauer und unmäßige Hitze! [50] Wir fügen hinzu, dass ALARICH von unserer Gegend weichen soll. Und wenn er Reiche angreift, die er nicht angreifen darf, soll er folgende Reiche haben! Genügend große besitzt Neptun: In ihnen soll er mit dem alten Pharao ein neuer Pharao sein. Besiegt soll er die Ostsee mit den Lappen wieder aufsuchen: Und dort soll er das Meer mit seinen getischen Heeren füllen. Der Räuber so vieler Kelche aus den Kirchen soll selbst beraubt werden! Und, wenn er das Gold verloren hat, soll der Dieb aus dem gläsernen Abgrund [des Meeres] trinken!

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ELEGIA XXII. FESTVM S[ANCTISSIMI] CORPORIS CHRISTI, descriptum IN MORBO. I. Desiderium frequentandae istius Supplicationis.

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HEJ mihi! febrilis quare mea viscera torquet Flamma? quid invitum lectus et umbra tenent? Nunc erat, ut festo prodirem cultus amictu, Et medij aspicerer pro statione fori. Nunc erat, ut, mille explicito per gaudia vultu, Vndique laetitiae sobria signa darem. Coelicolis aliter visum est. Includimur aegri; Nec licet, audacem in compita ferre pedem. De pompa spectare datur tantum, unica quantum (Atque ea non laxâ crate) fenestra sinit. At qualis quantúsque Dies? quàm digna triumphi Gloria, quam mundo proferet iste Dies? Haec lux, Extrema est fugitivi linea Veris: Et mihi totius clausula VERIS erit. Hâc magnum colitur, sub PANIS imagine, Numen: CORPORIS hoc FESTVM est: Corpora sana dabit. O ter, et, ô novies, Superi, deciésque beatos, Quos membrorum habiles, haec mea vota juvant! SED tempus, spectare aliquid. Viden’, aureus ut se Diffundat, toto Solis in axe, nitor? Explicitum insuetô coelum silet omne sereno: Nusquam Euri, nusquam murmurat aura Noti. Iámque IRE hora jubet: jam clarum è turre celevsma Insonat. E Templo principe surgit ITER. Vndique Campani mugitibus intonat aeris, Vocalíque aër seditione fremit.

11 qualis] B; qualis, A

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ELEGIE XXII DAS FEST DES HEILIGSTEN LEIBES CHRISTI [Fronleichnam], beschrieben IN EINER KRANKHEIT I. Die Sehnsucht, bei dieser Prozession dabei zu sein O WEH mir! Weshalb quält eine Fieberflamme mein Inneres? Was hält mich gegen meinen Willen ein Bett im Schatten zurück? Nun wäre es Zeit, umhüllt mit einem festlichen Gewand hervorzukommen und mich vor einer Station mitten auf dem Marktplatz sehen zu lassen. Nun wäre es Zeit, mit heiterem Blick durch tausend Freuden überall verhaltene Zeichen der Freude zu geben. Anderes beschlossen die Himmelsbewohner. Krank werde ich eingesperrt und darf nicht den Fuß kühn ins Freie bewegen. Von der Feier ist nur soviel zu sehen, wie es das einzige Fenster (und dies bei geschlossenem Laden) zulässt. [10] Aber was für ein großer Tag! Wie würdig der Ruhm des Triumphes, den dieser Tag der Welt bringt! Dies ist der Tag, die äußerste Grenze des flüchtigen Frühlings. Und mir wird es der Schluss des ganzen FRÜHLINGSZYKLUS sein. Unter diesem Bild des BROTES wird die große Gottheit verehrt. Dies ist das FEST des LEIBES, es wird den Leibern Heil bringen. O ihr Himmlischen, dreimal, o neunmal und zehnmal Selige, die den Gliedern Stärke verleihen; meine Gebete werden sie geneigt machen! ABER es ist Zeit, auf anderes zu blicken. Siehst du, wie sich der goldene Glanz der Sonne überall am Himmel ausbreitet? [20] Der ganze Himmel schweigt, entfaltet in ungewohnter Heiterkeit, nirgendwo rauscht ein Hauch des Eurus- oder Notuswindes. Schon befiehlt die Stunde, AUFZUBRECHEN, schon ertönt vom Turme das helle Signal. Von der Kirche aus erhebt sich der WEG. Überall ertönt Glockengeläut, und die Luft erzittert vom Gewirr der Klänge.

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II. Describitur Viarum, platearúmque ornatus: et Supplicantium composita series. Tum et Musica.

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Quà via cunque patet, quáque altera, et altera ducit Semita, seu dextra est, sive sinistra via; Translatae ex agris, surgunt laeto ordine sylvae; Hospitáque, hîc illic, compita fronde virent. In media Nemus urbe vides: ferróque recisus, Nunc hîc radices advena Lucus agit. Vrbica diverso sparguntur marmora flore: Atque, ubi flos non est, gramen et herba jacent. Gramineo integitur pulvísque, lutúmque virore: In medio, credas, surgere PRATA foro. Adde, quòd ornato domus omnis, et omnia cultu Atria velantur, pensilibúsque Sacris: Quáque expanduntur Tyrio fulgentia succô Stragula, et Assyria discolor arte tapes; Magnificae pendent Arae: stant aurea signa: Multáque Apelleâ ducta tabella manu. Prospiciunt, timidè aulaeis à fronte reductis, Et pueri, et matrum relligiosa tribus. Caetera pars urbis pulcro trahit ordine pompam: Incedúntque suo vir, muliérque loco. ORDINE nil melius! PERIT Ars, quam deficit Ordo. ORDINE ni fiant, vix valuêre Preces. Ante aciem, primáque volant in fronte tropaea; Et vexilla, sua latè animosa Cruce. Centum hinc, atque alia in seriem centum, alta coruscant Lumina, ceratis lumina ducta strijs. Tertia, formosae series indulta juventae, Aligerûm educit, sub sua signa, gregem: Et teneros ostentat Hylas, puerilia castra; Hi plumâ, et cultu versicolore placent: Sed plus simplicitate placent. Arma omnibus, arma Sunt sua, quae Dominae sint simulacra Necis. Pars oneri par est: alijs aut corbula, flore Farta, datur fessis: aut leve, Lilia, onus. Hos superûm, ex auro et gemmis, simulacra sequuntur, Quaeque potest validos thensa gravare humeros. Hîc Superûm (portate, viri! nam sarcina magna est) Condita cum pretio lipsana prisca cubant. Succedit tergo, cantorum exercitus omnis: Cantorúmque duces Orpheus atque Linus.

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II. Beschrieben wird der Schmuck der Straßen und Plätze und die wohlgeordnete Reihe der Prozessionsteilnehmer. Dann auch die Musik. Überall, wo sich ein Weg auftut und wo die eine oder andere Gasse hinführt, ob rechts oder links der Straße, erheben sich in fröhlicher Ordnung die aus den Feldern beigebrachten Bäume und lassen die gastlichen Wegkreuzungen hier und dort mit ihrem Laub ergrünen. Mitten in der Stadt siehst du einen Hain, und, vom Eisen gefällt, treibt nun hier als Fremdling ein Wäldchen seine Wurzeln. Auf den Marmor der Stadt werden bunte Blumen gestreut, und, wo es keine Blumen gibt, liegen Gräser und Kräuter. Mit einer Grashülle werden Staub und Schmutz verdeckt. Mitten auf dem Marktplatz, könnte man glauben, erheben sich WIESEN. [10] Füge hinzu, dass jedes Haus und alle Gebäude mit Schmuckzier verhüllt sind und mit aufgehängten Heiligenbildern. Und wo sich mit Tyrischem Saft gefärbte Decken ausbreiten und ein dank Assyrischer Kunst farbiger Teppich, ragen großartige Altäre auf, stehen goldene Statuen und viele Gemälde, von der Hand des Apelles gezeichnet. Auch schauen Kinder zu, wenn scheu vor ihren Augen die Vorhänge entfernt sind, und eine Schar frommer Mütter. Der übrige Teil der Stadt bildet in schöner Ordnung den Festzug: Mann und Frau gehen daher, jeder an seinem Platz. [20] Nichts besser als die ORDNUNG! Die Kunst GEHT ZUGRUNDE, wenn die Ordnung fehlt. Kaum etwas vermöchten Gebete, wenn sie nicht ORDENTLICH geschehen. Ganz an der Spitze voran wehen die ersten Siegeszeichen und Fahnen, weithin ausstrahlend mit ihrem Kreuz. Hier leuchten hundert und der Reihe nach aberhundert Lichter in die Höhe, Lichter aus gezogenem Kerzenwachs. Eine dritte Gruppe, die schöne Jugend darstellend, führt unter ihren Zeichen eine Engelschar heran, und ein Hylas weist auf zarte Burschen, eine männliche Jungschar. Die gefallen durch ihre Federn und den farbenprächtigen Schmuck. [30] Mehr aber gefallen sie durch ihre Schlichtheit. Alle haben Waffen, die ihnen eigenen Waffen, die Bilder des Todes des Herrn sein können. Ein Teil ist der Last gewachsen. Den anderen wird, wenn sie erschöpft sind, ein Blumenkörbchen überreicht oder eine Lilie, eine leichte Last. Ihnen folgen, aus Gold und Edelsteinen, Bilder der Heiligen und ein Tragegestell, das kräftige Schultern belasten kann. Hierin sind geborgen (tragt sie, Männer, denn es ist eine große Last) alte Reliquien der Heiligen in kostbarem Schrein. Dahinter folgen der ganze Chor der Sänger und Orpheus und Linus, die Führer der Sänger. [40]

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Divisêre vices. Canit alter, et Occinit alter; Saepe etiam misto pugnat uterque choro. Turba Sacerdotum, ut gressu, sic proxima cantu, Vocales latè jactat in astra preces, Consentítque Lino: quaéque Orpheî coeperit alta Musica, resperso terminat ipsa sono. 36 Quaeque] B; Quaéque A 37 Hîc Superûm] B; Coelicolûm hîc A

III. S[ANCTISSIMAE] EVCHARISTIAE, ab Angelis mortalibúsque comitatus et veneratio. mortalibúsque] B; mortalibúsque, A

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Agmine ab hoc, mortale nihil, parvúmque videres, (Spectator) tua si lumina tersa forent: Aspiceres centena procùl, millenáque juxtim Millia, coelestis nomina militiae. Aspiceres Cherubina simul, Seraphináque circùm Agmina, sexcentis officiosa modis. Namque en, en!, ille astrigeri moderator Olympi, Alba latens PANIS post simulacra, venit. Pone genu, quicunque vides. reverenter ADORA! Hoc, qui praecedunt, quíque sequuntur, agunt. Mysta gerit NVMEN: Mystam comitantur euntem Ductores procerum, patriciúsque decor. Nobilitas (neque turpe putat sibi Regia saepe Purpura) subsequitur, cum pare quisque suo. Flammatam manus una facem premit; altera sertum (Diviparae sertum Virginis) atque preces. Arridet faculis coelum: et, tot millia gaudet Tedarum, totidem posse novare dies. At NVMEN sua Vela tegunt: nam serica latè VMBELLA, explicito tenditur apta sinu; Et suspensa suis impendet opaca columnis: Non intrò calidi spicula Solis eunt. Plebs melior, procerésque pij, sacratáque templis Turba, coronato vertice Serta gerunt. Serto infans, sertóque puer, comptaéque puellae, Serto aetas omnis tempora vincta premit: Buxo alius, pars pulegio, pars fronde triumphat: Si cuj picta placent, Flore corona nitet. 9 vides.] B; vides: A

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Wechselseitig haben sie sich aufgeteilt. Es singt der eine, und abwechselnd singt dagegen der andere. Oft überbieten sich beide im gemischten Chor. Die Schar der Priester, im Gefolge wie im Gesang am nächsten, schmettert laute Gebete weithin gen Himmel und stimmt ein mit Linus, und was als hohe Musik des Orpheus begann, beschließt sie im hallenden Widerklang.

III. Die Verehrung der ALLERHEILIGSTEN EUCHARISTIE und ihre Begleitung durch Engel und Menschen Unter dem Eindruck der Prozession könntest du (Zuschauer) nichts Menschliches und Kleines erblicken, auch wenn dein Blick klar wäre: Erblicken würdest du in der Ferne hunderte und daneben tausende Namen der himmlischen Heerschar. Würdest erblicken ringsum Züge der Cherubine und der Seraphine, diensteifrig auf ungezählte Weise. Denn siehe, siehe, es kommt, verborgen hinter den Bildern des weißen BROTES, der Herrscher des sternetragenden Olymp. Knie nieder ein jeder, der das erblickt! BETE es ehrfürchtig AN! Das tun die, die vorangehen und die, die folgen. [10] Ein Priester trägt die GOTTHEIT. Den Priester begleiten, wo er geht, die Häupter der Vornehmen und die Zierde der Patrizier. Es folgt der Adel, jeder mit seinesgleichen (glaubt er doch oft, es sei ihm ein Königspurpur nicht schimpflich). Eine Hand hält eine flammende Fackel, die andere mit den Gebeten einen Rosenkranz (den Kranz der Gottesgebärenden Jungfrau). Zu den Lichtern lacht der Himmel und freut sich darüber, dass so viel tausend Leuchten ebenso viele Tage erneuern können. Aber die GOTTHEIT ist von eigenen Schleiern bedeckt. Denn weit wird ein seidener SCHIRM aufgespannt, sein Baldachin passend entfaltet, [20] und aufgespannt hängt dieser Schattenspender an eigenen Stangen. Nicht herein dringen die Strahlen der warmen Sonne. Der bessere Teil des Volkes, die frommen Honoratioren und die Geistlichkeit tragen einen Kranz auf dem gekrönten Haupt. Das Kind, der Knabe, die Mädchen sind bekränzt, jedes Alter hat seine Schläfen mit einem Kranz umwunden. Ein anderer feiert den Triumph mit Buchsbaum, ein Teil mit wohlriechender Minze, ein Teil mit Laub. Wenn einer Freude an Farben hat, erglänzt dort eine Blumenkrone.

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IV. Pulsus aeris Campani: et tormentorum, ad quattuor Evangelia, explosio. Supplicantium mens, ac vota.

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Interea nec pulsu aeris turrita quiescunt Culmina; nec, sistri cymbala juncta sono: Cantorúmque cohors concentibus aurea mulcet Sidera; et, à tergo, foemina multa canit. Auditum (quacunque via est) imitantur alaudae Carmen. Et Harmonien Harmonie aucta trahit. Tum (certae si quando vices ac tempora poscunt, Explevítque suas Ara Quaterna preces) Horrifico reboant tormenta curulia bombo, Quassáque Castrensi fulmine tecta tremunt: Terror ubique, et ubique fragor. Mens sola Piorum Plaudit, et effusa gaudia voce ciet. SIC Vrbs, sic latè sparsis pomoeria fossis, Sic obeuntur agri; ne violentur agri. PAX segeti petitur, tuteláque fida colonis: VOTVM est; Aërias hinc procùl ire minas. Vota urbem, et primi tangunt praetoria regni: Poscitur; VT nusquam NVMEN abesse velit! A Nobis saltem ne absit; citò, mysta, reporta, (Ventum est ad metas) in sua templa, DEVM. 6 Carmen.] B; Carmen: A. 13 pomoeria] B; pomaeria A.

ELEGIA XXIII. S[ANCTISSIMAE] EVCHARISTIAE VENERATIO, Brutorum exemplis inculcata. Poena eorum, qui Divina in Ludum traxêre. De Ovicula S[ancti] Francisci narrat Divus Bonavent[ura] in Vita. De Bobus Caesarius l[ibro] 9. De pueris ludentibus, Ioan[nes] Moschus. De Apicularum cantu, Dauroult[us] cap[ite] 5. exempl[orum]. VENERAtio, Brutorum] B; VENERATIO BRVtorum A pueris] B; Pueris A.

QVI Sacra gestari, Panis sub imagine, cernis Fercula; plus visis aspice: Crede DEO! Nec solis hîc siste Oculis. quod cernere non est, Numen adest: quod erat cernere, (Panis) abest.

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IV. Glockengeläut und Böllerschüsse nach den vier Evangelien Gesinnung und Wünsche der Prozessionsteilnehmer Inzwischen ruhen sich die Turmspitzen nicht aus vom Glockengeläut und auch nicht die damit verbundenen Klingeln mit hellem Schall. Eine Sängerschar ertönt harmonisch bis zu den goldenen Sternen, und dahinter singt eine große Gruppe von Frauen. Auf allen Wegen ahmen sie den Gesang der Lerche nach, den sie vernommen haben. Harmonie vermehrt sich und zieht Harmonie nach sich. Dann aber (wenn es der zeitliche Wechsel erfordert und die vier Altäre ihre Bittgebete ausgesprochen haben) ertönen die Geschütze des Rats mit schrecklichem Getöse, und vom Kriegsblitz erschüttert beben die Dächer. [10] Überall Erschrecken, und überall Getöse. Nur der Sinn der Frommen spendet Beifall und fördert mit lauter Stimme die Freude. SO werden die Stadt, so weithin die Vorstädte an den Gräben entlang, so die Felder begangen – damit den Feldern kein Schaden geschieht. FRIEDE wird für die Saaten erfleht, traulicher Schutz den Bauern, das ist der WUNSCH, und dass die Drohungen des Wetters weit von hier wandern. Die Wünsche gelten der Stadt und dem Hauptsitz des ersten Reiches. Man fordert, DASS sich GOTT niemals abwenden möge! Damit er wenigstens uns nicht fehle, trage, Priester, schnell (denn man hat den Wendepunkt erreicht) GOTT wieder in sein Haus. [20]

ELEGIE XXIII VEREHRUNG der ALLERHEILIGSTEN EUCHARISTIE, eingeschärft an den Beispielen von Unverständigen. Bestrafung derer, die Heiliges zum Spiel machten

Vom Schäfchen des Hl. Franziskus erzählt der Hl. Bonaventura in dessen Vita, von den Ochsen Caesarius in Buch 9, von den spielenden Knaben Iohann Moschus, vom Gesang der Bienchen d’Averoult im fünften Hauptteil der Exemplar DU, DER du siehst, dass in Form des Brotes geweihte Speisen gereicht werden, erwäge mehr als du siehst, glaube GOTT! Lass’ hier nicht nur die Augen teilhaben: Gott, der nicht sichtbar ist, ist präsent, das Brot, das man zu erblicken meinte, ist nicht da.

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Viderunt hoc bruta etiam, non pectore bruto. Ex his, quid credas, quid venereris, habes. Pura Galesaei pecoris generosáque proles, FRANCISCO Indigeti se sociârat OVIS. Hujus ducta manu, templi veniebat ad Aras: Et, non docta manu, quod petit ara, dabat. Nam pronum dabat illa genu: pedibúsque colebat Non rudibus tectum coelite farre Deum. Quid, Superi, hoc? Quod omittit homo, non negligit Agnus. Tam stupidus, quare non Homo fiat OVIS? Immò etiam fiat, media inter prata, Iuvencus: Nam Cultu hîc etiam nomina Taurus habet. En, fures, (ut fama refert) de nocte supina, Sacratae gazas diripuêre domûs. Gazam hanc credebant Numos, non Numen, habere. Dum reserant, illic Eucharis esca latet. Abjiciunt. at manè Boves abjecta notârunt, Non ausi suprà Numen arare suum. Factus Adorator sic est, qui venit Arator, Taurus; Zodiaci sidere digna pecus! Vos contrà et crucibus digni, et non simplice flamma, Quos Brenni furis posthuma culpa gravat! Sacrilegi quàm dira luent, quàm infanda latrones, Si tanti interdum, fingere sacra, stetit? In Tyrijs ludebat agris pastoria pubes, Dum Syrij attondent pascua laeta boves. Materies Mimi fuit Ara, puérque Sacerdos. Atque Ministrorum ficta, sed apta, cohors. Addiderant et verba, polô tractura Tonantem. Haud impunè! Polô vindice flamma ruit. Flamma locum tulit, atque jocum. Puerile voravit Agmen: et, absque Sacro, multa Holocausta dedit. Quantò igitur satiùs, Coelum reverenter habere? Et neque re Numen, nec violare joco? MAXIMA Majestas magnos meritò urget honores: Quos saepe à Minimo pleniùs ore tulit. Quid minus est Apibus? quid gutture pressius illo? Hae tamen hujc ingens accinuêre melos. Certa fides! Temerè abjecti Sacra mystica PANIS Quondam etiam Hyblaeae devenerantur Apes. Sublata asservant: neu’ fur Apiaria vexet, Templa DEO è Ceris, miráque tecta locant. Sic aeterna sibi sperant et Hymettidi genti Numina: laetitiâ spem, modulísque fovent.

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Sogar Unverständige sahen das, unverständig freilich nicht im Herzen. Von ihnen kannst du erfahren, was du glauben, was du verehren sollst. Der reine und edle Nachkomme eines Galesaeischen Tieres, ein SCHAF, gesellte sich einst seinem Landsmann FRANZISKUS zu. Von seiner Hand geführt, kam es zum Kirchenaltar, und ohne von einer Hand angeleitet zu werden, gab es, was der Altar gebietet. [10] Denn es bot ein gebeugtes Knie und verehrte mit gelehrigen Beinen den im himmlischen Brot verborgenen Gott. Was, ihr Himmlischen, ist das? Das Lamm missachtet nicht, was der Mensch verschmäht. Wenn er so dumm ist, warum wird der Mensch dann nicht zum SCHAF? Ja, sogar ein Kalb sollte er werden, mitten auf der Wiese, denn auch der Stier hat durch Anbetung hier seinen Ruhm. Siehe, Räuber plünderten – wie die Legende erzählt – im Schlummer der Nacht die Schätze eines geweihten Hauses. Sie glaubten, dass der Schatz Geld und nicht Gott enthalte. Als sie ihn öffneten, lag darin die Hostie verwahrt. [20] Die warfen sie weg, morgens aber bemerkten Ochsen das achtlos Hingeworfene und wagten nicht, mit dem Pflug über ihren Gott zu ziehen. Und so wurde der Stier, der als Pflüger kam, zum Pfleger, ein Tier, eines Tierkreiszeichens würdig! Ihr aber nicht; der Kreuzesstrafe seid ihr wert und der vielfachen Flamme, da die ewige Schuld des Räubers Brennus auf euch lastet. Wie unsagbar grausam werden frevlerische Diebe büßen, wenn bisweilen schon hohe Strafe für das Nachspielen einer Zeremonie droht? Auf den Feldern von Tyros spielten Hirtenkinder, während Syrische Stiere die fetten Weiden abgrasten. [30] Gegenstand des Stücks war der Altar, der Knabe der Priester, auch die Riege der Diener war gespielt, aber gut. Auch Formeln waren gesprochen worden, den Donnerer vom Himmel zu holen. Und dies nicht ungesühnt: Vom rächenden Himmel schoss die Flamme. Die Flamme tilgte Ort und Spiel, verschlang die Knabenschar und ließ – fern von einem Heiligtum – ein großes Brandopfer lodern. Um wieviel also ist es besser, den Himmel in Ehren zu halten und Gott weder im Ernst noch im Spiel zu verhöhnen! Die HÖCHSTE Majestät verlangt zu Recht große Ehren, welche sie oft aus kleinstem Mund reicher vernahm. [40] Was ist kleiner als die Bienen, welche Kehle enger als ihre? Dennoch summten sie ihm eine gewaltige Melodie. Glaubhaft ist die Kunde: Die verborgene Heiligkeit eines achtlos weggeworfenen BROTES verehrten einst auch die Bienen vom Hyblos. Sie nahmen es und bewahrten es, und damit kein Dieb den Bienenstock heimsuche, bauten sie GOTT ein Haus und wunderbare Dächer von Wachs. So erhofften sie für sich und das ganze Geschlecht vom Hymettos den ewigen Beistand Gottes; mit fröhlichen Weisen und Tanz hielten sie die Hoffnung lebendig.

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Sed NVLLA est diuturna Sacrae possessio Praedae. Prodidit has tantas Musica dulcis opes. Audijt; ac rapuit templúmque Deúmque Colonus; Et sine Coelesti Melle reliquit APES. 15 Iuvencus] B; juvencus . 19 habere.] B; habere: A 21 Abjiciunt.] B; Abijciunt A 31 Sacerdos.] B; Sacerdos, A 35 jocum. Puerile] B; jocum, ac Puerile A 40 Minimo] B; minimo A

ELEGIA XXIV. De PHILOMELA. Expostulanti, quòd in DELICIIS VERIS praetermissa sit, respondet. Est totius operis EPILOGVS.

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POPULEAS inter frondes (nam proxima villae, In qua scribebam, Populus alta viret) Attica Romanis queritur Philomela Camoenis (Sic tamen, ut questus fiat et ipse melos) Si penitus didici querulae mysteria vocis, Et mea mens volucris verba retrusa capit: Articulata satìs vox est, sat clara querela: In me, cantricis guttur et ira furit; TV Bona VERIS (ait) scalpro, calamísque dedisti: Quod videat lector, quod legat, indè capit. Iam, tribus exactis, cessat labor iste, Libellis: Nec tamen hîc aliquo stat Philomela loco. Vidi egomet, volvíque libros, titulósque revolvi: (Attica námque sumus Gens, studiosa NOVI.) Aspexi et frontem, sculpti compendia VERIS; Cujus, Diva PARENS, eminet inter Opes. Hujc soli nihil invideo: QVIS cedere nolit Reginae Superûm? VER gerit illa manu: VER tulit illa sinu. VERNO plenissima fructu, (Quamvis nulla essent LILIA, nulla ROSA) DELICIAS, puero in CHRISTO, complectitur omnes: Vt Flores pedibus, sic premit Invidiam. Ergò, nihil Mariana urit me gloria. Tantae Ad solium Nymphae jure cademus Aves.

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Aber der Besitz geweihter Beute währt NICHT lang: Die liebliche Musik verriet den gewaltigen Schatz. [50] Das hörte der Bauer und raubte den Tempel und den Gott und ließ die BIENEN ohne himmlischen Nektar zurück.

ELEGIE XXIV. Über die NACHTIGALL Er antwortet ihr, weil sie sich beschwert, dass sie in den FRÜHLINGSFREUDEN übergangen wurde. Es ist der EPILOG des ganzen Werks. In dem Laub einer PAPPEL (denn unmittelbar in der Nähe des Landhauses, in dem ich schrieb, grünt eine hohe Pappel) beklagt sich die attische Nachtigall mit römischen Versen (aber doch so, dass selbst die Klage ein Lied wird), wenn ich die Geheimnisse der klagenden Stimme ganz verstanden habe und mein Geist die verborgenen Worte des Vogels erfasst. Verständlich genug ist die Stimme, deutlich genug die Klage: Gegen mich wütet die zornige Kehle der Sängerin. Sie sagt: »DU hast die Vorzüge des FRÜHLINGS mit Griffel und Schreibrohr dargestellt. Was der Leser sehen, was er lesen soll, entnimmt er daraus. [10] Nun, nachdem du drei Büchlein ausgeführt hast, hört diese Arbeit auf: Und dennoch kommt hier nirgends die Nachtigall vor. Ich habe es selbst gesehen und ich habe die Bücher gewälzt und die Überschriften immer wieder aufgeschlagen (denn unser Geschlecht stammt aus Attica und wir sind begierig auf NEUES): Ich habe auch das Titelblatt angeschaut, die in einem Stich dargestellten Vorteile des FRÜHLINGS, unter dessen Schätzen ragt die MUTTER Gottes heraus. Ihr allein neide ich nichts: WER wollte der Himmelskönigin nicht weichen? Jene hat den FRÜHLING in der Hand, jene trägt den FRÜHLING auf dem Schoß. Übervoll von dem Gewinn, den der FRÜHLING bringt (obwohl es noch keine LILIEN, keine ROSEN gab), [20] umfasst sie in dem Knaben CHRISTUS alle FREUDEN: Wie sie auf Blumen mit den Füßen tritt, so unterdrückt sie auch den Neid. Also stört der Ruhm Marias mich keineswegs. Zurecht werden wir Vögel vor dem Thron der so großen Jungfrau niederfallen.

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Sed tu, DELICIAS inter, monimentáque VERIS, Cantâsti, quidquid Symbola Veris habent. Prodûxti Soles, Zephyros, mare, flumina, terras: Palmas, Pascha, nemus, pascua, prata, sata. Ornâsti Violas, Majum, Viridaria, Lusus, Atque Rosis hortos, compita culta Rosis. Nec Ciconum tibi praeterita est rostrata volucris: Est Apis, est Vernas Spinulus inter aves. Ipsa etiam (quod jurè queror) celebratur Hirundo: O dignam historiâ, materiéque sua! Nec LEPVS (ingenti quamvis formidine velox) Effugit vestros, clauda Elegeîa, pedes. Sola nihil tituli, nihil hîc fero laudis, Aëdon: Sola, nec in tabulae limine jus habeo. Quòd si quando mei subrepsit mentio; parca est, Et cursim, ac, Nilum quo bibit ore canis. Quid merui? Responde aliquid! dic, VERNE poëta; Cur praetermissa est Regia VERIS Avis? SIC mihi perpetuis iterúmque iterúmque susurris Luscinia occlamat. SIC ego reddo vicem. SAEPE equidem, Philomela, manum, calamósque madentes Admôram. Et versus, alter et alter, erant. TV subitò in modulos, Amphioniámque soluta Harmoniam, majus carmine trudis opus. Vocem voce urgens, diuináque cantica miscens, Coelesti vatem gutturis arte rapis. Abripior. dúmque aure bibo: dum, mente sub imma, Omnia Cantantis condere sensa paro. Sensibus emoveor; mediáque oblitus in Oda Sum, philomela, mei: sum, philomela, tui. Da veniam fasso! Siquid tamen insuper optas, Exigis et laudes ambitiosa novas: VERE alio, philomela, redi: sed, sospite Vate! Quae mera nunc VOX es; postmodo CARMEN eris.

FINIS.

52 Cantantis] B; cantantis A

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Aber du hast unter den FREUDEN und Denkmälern des FRÜHLINGS alles besungen, was es an Kennzeichen des Frühlings gibt. Du hast vorgestellt Sonnen, Zephyre, das Meer, Flüsse, Länder, Palmen, Ostern, den Wald, Weiden, Wiesen, Saaten. Schmuckvoll dargestellt hast du Veilchen, den Mai, Lustgärten, Spiele und mit Rosen bepflanzte Gärten, Kreuzungen, bepflanzt mit Rosen. [30] Und nicht wurde von dir übergangen der langschnäblige Vogel der Kikonen. Nicht ist die Biene übergangen, es ist der kleine Zeisig unter den Frühlingsvögeln. Selbst die Schwalbe wird auch gefeiert, worüber ich mich zu Recht beklage: O wie würdig ist sie ihrer Geschichte und Veranlagung! Und auch der HASE (obwohl wegen seiner gewaltigen Furcht schnell) entging nicht deinen Versfüßen, hinkende Elegie. Ich allein, die Nachtigall, komme in keiner Überschrift vor, trage kein Lob davon: Ich allein habe nicht das Recht, an der Schwelle des Buches zu stehen. Und wenn ich überhaupt einmal erwähnt bin, ist es nur beiläufig und flüchtig und so, wie ein Hund mit einem Maulvoll aus dem Nil trinkt. [40] Womit habe ich das verdient? Antworte etwas! Sprich, FRÜHLINGSDICHTER: Warum wurde der königliche Vogel des FRÜHLINGS übergangen?« SO schreit mir die Nachtigall immer und immer wieder mit andauerndem Flöten entgegen. Und SO antworte ich nun meinerseits: »OFT hatte ich für meine Person, Nachtigall, Hand und nasse Schreibfeder angesetzt. Und es entstanden schon der eine und der andere Vers. Da stößt DU, frei für Melodien und für den Wohlklang des Amphion, ein Werk hervor, das größer ist als mein Gedicht. Laut nach Laut hervor pressend und göttliche Lieder erzeugend reißt du den Dichter mit der himmlischen Kunst deiner Stimme dahin. [50] Ich werde davon hingerissen, und während ich mit dem Ohr trinke, während ich mich darauf vorbereite, alles Gehörte ganz tief im Geist des Singenden aufzubewahren, werde ich durch die Gefühle erschüttert und mitten beim Dichten der Ode vergaß ich, Nachtigall, mich, vergaß ich, Nachtigall, dich. Verzeih dem Geständigen! Wenn du dennoch etwas darüber hinaus wünschst und ehrgeizig neue Lobgedichte forderst: Kehre, Nachtigall, in einem anderen FRÜHLING zurück, aber solange der Dichter noch wohlbehalten ist! Du, die du jetzt eine reine STIMME bist, wirst dann ein GEDICHT sein.

ENDE.

Abb. 2: Topothesia, Karte Palästinas, zwischen S. 42 und 43

Kommentarteil

Kommentare und Einleitungen Zum Titelkupfer (JE) Es handelt sich um das Titelkupfer zur Erstausgabe 1638 (A). Als zentrales Bildelement auf diesem Stich Wolfgang Kilians (zu ihm s. o. in der Einleitung) nimmt der Betrachter zunächst die Jungfrau Maria wahr, die auf einem zwischen Tondo, Krater und Blumenschale changierenden Sockel sitzt, das Gewand bis zu den bloßen, von Maiglöckchen und Veilchen umspielten Füßen in Falten gelegt, mit der rechten Hand den Jesusknaben stützend, umfassend, der auf ihrem rechten Knie steht, in der linken Hand einen Strauß Blumen, evtl. Lilien, haltend. Krone und Nimbus weisen sie als Gottesmutter und Himmelskönigin aus, wobei sich ihr und Jesu Nimbus sinnreich überschneiden. Kopf und Gesicht des Jesusknabens sind nicht nur kleiner, sondern auch auf einer schrägen Achse leicht unterhalb von Kopf und Antlitz Mariens gesetzt, während beide den leicht verklärten Blick zum linken oberen Bildrand erheben. Die Linke des Jesusknabens ist in einer Segensgeste über der Brust Mariens nur leicht erhoben, auf dem Finger der Rechten lässt sich gerade ein Vogel nieder, was an den noch gespreizten Flügeln erkennbar ist. (Allfällige Seelenmetaphorik wäre hier durch die ikonografische Tradition gestützt.) Bemerkenswerter noch ist jedoch der um dieses zentrale Figurenpaar herum reich illustrierte Vorder-, Mittel- und Hintergrund des Stiches. Direkt auf der Wölbung des erwähnten Sockels erscheint neben dem Titel des Werkes eine weitere Inschrift, die eine wichtige Interpretation des Autors aufweist: »Haec nostra Thalia est«, wodurch unabweislich die Marienfigur zugleich als Muse für die folgende Dichtung zu deuten ist (s. auch unten im Kommentar). Wiederum vor diesem Sockel wachsen im rechten Vordergrund neun wilde Rosen auf einer beschatteten Erhebung, im zentralen Vordergrund fängt ein realistisch gezeichneter Storch einen Frosch aus einem Teich, der wiederum sich zum linken Vordergrund hin verbreitert, sodass eine schwimmende und eine gründelnde Ente sowie ganz rechts außen ein Fisch kenntlich werden. Folgt man der Bildkomposition im Uhrzeigersinn, so wird im linken Mittelgrund, perspektiviert durch eine leicht hügelige Landschaft, ein Hirte mit einer kleinen Schafherde erkennbar, hinter ihm ein eingezäuntes Stück Weide oder Wiese, hinter dem sich die Landschaft ins Undeutliche verliert, bis im oberen Mittelgrund eine links vom Bildrand beschnittene Zitadelle erscheint, die sich auf eine Meeresbucht hin öffnet. In dieser Bucht ist ein großer Dreimaster bei gerefften Segeln zu erkennen, oberhalb, vor dem

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Hintergrund auch kleinere Schiffe und weitere Gebäude am Horizont, jeweils nur schemenhaft. Der Hintergrund schließlich wird von einer viergipfeligen Gebirgssilhouette bestimmt, die sich über die gesamte Breite des Stiches hinzieht, von links her effektvoll von der aufgehenden Sonne beschienen, die einige in hoher Luft fliegende Vögel anzuziehen scheint. Zur Mitte hin wird das Bergpanorama von einem einzigen massiven Baumstamm durchtrennt, der direkt hinter der Gottesmutter aus dem Mittelgrund aufzuragen scheint, wobei nur wenige Äste oder Blätter noch unterhalb des oberen Bildrandes liegen. Dieser Baum dient nicht nur dazu, mittels einer auffälligen Vertikalachse abermals das zentrale Figurenpaar hervorzuheben, sondern ist obendrein mir einer vertikalen Spalte versehen, in die hinein oder aus der heraus eine ganze Reihe von Bienen krabbeln. Ein einziger, massiver und belaubter Ast wächst, sich verzweigend, aus ihm heraus dem linken oberen Bildrand zu, begrenzt so den strahlenden Sonnenball von oben her und bietet äußert links oben einem größeren Vogel Platz, der mir einem angedeuteten Ölzweig im Schnabel, sicher aber durch einen kleinen Nimbus wohl auch als Figuration des Heiligen Geistes (und somit als Blickziel von Mutter und Kind?) zu deuten wäre. Rechts des massiven Stammes verdunkelt sich zunächst die Himmelssicht – in gewolltem Kontrast zum klaren Sonnenaufgang – durch das dichtere Laub eines zweiten massiven Baumes, der vom rechten Bildrand beschnitten wird. Man erkennt zwar noch ziehende Vögel und die fortgesetzte Gebirgssilhouette, doch sind es vor allem Bildmotive der Jagd, die dieses Segment des Bildes in oberem und unterem Mittelgrund bestimmen: zunächst ein kapitaler Hirsch, darunter ein (offenbar unter Vernachlässigung der perspektivierten Größe) in Baumhöhe einherspringender Hase, unterhalb des Lilienstraußes in der Hand Mariens springt ein sich umblickender Fuchs, wohl fliehend, aus dem Wald. Die meisten dieser kleineren Bildelemente (Schiff, Hirsch, Hase, Fuchs) sind in ihrer Bewegungsrichtung auf die Gottesmutter ausgerichtet. Am äußersten rechten Bildrand und im größten Schattendunkel des zweiten Baumstammes hat Bisselius mit einem Bescheidenheitstopos eine weitere Inschrift mit seinen Namen, der Gesellschaft Jesu und der Gattungsbezeichnung der Deliciae Veris, »Elegiae«, direkt in die Rinde des Baume geritzt untergebracht. Eine solche ausführliche Bildbeschreibung verdeutlicht, dass dieses Titelkupfer von Kilian offenbar unter genauen Angaben als auf das gesamte folgende Werk bezogene, zu vorgängigen Bildmeditation einladende Inhaltsübersicht angefertigt wurde. Damit steht es vom Typus her dem bekannten ›Phoenix‹ auf dem Titelkupfer von Grimmelshausens Simplicissimus deutlich näher als den eher auf eine mystisch-allegorische Deutung hin komponierten Titelzeichnungen und -kupfern zu Friedrich Spees Trvtz-Nachtigal. Denn jedes der genannten Bildelemente ist unmittelbar auf ein Kapitel der folgenden drei Bücher Deliciae Veris, teils sogar auf eine konkrete Elegie zu beziehen: Maiglöckchen: II,17,1,29–32; Veilchen: I,20 u. 21; Rosen III,18–20; Storch: I,10–13; Enten: I,5,2,8 (freilich auf dem Meer); Fische: I,18,2 u. III,17; Hirte: I,5,2,10f., II,18, v. a. 3, II,11 u. III,11; Weide/Wiese: II,11–13, III,6 u. 7; Schiff: I,14; Sonne: I,2–5 und passim; Bienen: I,18,5, I,22 u. III,23,43–52; Hirsch: III,16; Hase: III,16 u. III,17; Fuchs: II,16 u.

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III,16. – Nur die Ameisen, die den äußerst rechten Baumstamm wimmelnd auf und ab laufen, bleiben in den DV marginal und könnten allenfalls auf III,8,40f. anspielen.

Zur Widmungsvorrede (WK) VRBANO, AD MONTES ABBATI] Urban Weber (Textor), Abt des Benediktinerklosters Admont in der Steiermark, genannt »Erneuerer des Klosters« (1599–1659), aus Krumau (Böhmen), regierte seit 1628. Weber studierte bei den Jesuiten in Graz (außerdem in Salzburg), wirkte in Graz auch als »Rector« der Studentenkongregation Zum Heiligen Geist. Weber profilierte sich in regen wirtschaflichen Aktivitäten, in zahlreichen Neu- und Umbauten der Klostergebäude (darunter der sog. Steinerne Saal der Bibliothek), der angeschlossenen Pfarrkirchen und Herrensitze (z. B. Schloss Röthelstein), förderte dadurch auch die bildenden Künste. In seine Amtszeit fielen die Anfänge des Stiftstheaters. Außerdem reorganisierte Weber die im Stift schon länger bestehende lateinische Schule. Im Jahre 1641 wurde er zum Präses und Visitator der Salzburger Benediktinerkongregation gewählt, einer Kongregation von elf Klöstern in Österreich und Salzburg. »Er besaß mehr als gewöhnliche Bildung; er drückte sich gern in lateinischer Sprache aus und verriet innige Vertrautheit mit den Klassikern. Seine Beredsamkeit war hinreißend, sein Urteil stets zutreffend«, so Wichner 1880, zur Amtszeit Webers S. 277–291, hier S. 277; darauf beruhend die Darstellung von Rudolf List: Stift Admont 1074–1974. Festschrift zur Neunhundertjahrfeier. Ried im Innkreis 1974, zu Weber S. 265–277. 1 Antipodas] Die ›Gegenfüßler‹, also die Bewohner der südlichen Erdhalbkugel. Bekannt ist und war das Kapitel, in dem sich Augustinus (civ. 16,9) gegen die Existenz von Antipoden wendet. 10f. currum adventantem Phoebi] Der Sonnenwagen, z. B. aus der Phaeton-Sage bekannt, sonst auch häufig in astronomischen Umschreibungen der Tag- und Jahreszeiten wie etwa Vergil, Aen. 6,535f. 11 quod … Aegyptus credidit] Anspielung auf den altägyptischen Kult der Sonne (›Re‹), an die sich viele Hymnen richteten, bekannt unter anderem durch Plutarch, aber im Sinne religiöser Symbolik auch durch die Florentiner Neuplatoniker, bes. durch Marsilio Ficinos auch in Deutschland gedruckten Traktat De comparatione solis ad Deum. 14 Nomenclatorem] In der Antike eigentlich der Bedienstete (Haussklave), der seinem Herrn die Namen der besuchenden ›Klienten‹ bei der pflichtgemäßen »salutatio« ins Ohr flüsterte; hier dadurch die Andeutung, daß sich auch Bisselius als ›Client‹ des mächtigen Abtes verstehen möchte.

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Kommentarteil

46 Parelios] Der Begriff (ursprünglich griechisch) schon in der Antike, etwa bei Livius 28,11,3 und Seneca, nat. 1,11,2f., im Sinne von sog. Nebensonnen (eigentlich optische Spiegelungen/Halo-Phänomene am Himmel). Sie wurden immer wieder im 16. und 17. Jahrhundert beobachtet und teilweise durch Flugblätter beschrieben, dabei meist wie die Kometen als ›prodigium‹ gedeutet; Beispiele aus dem Jahre 1571 (Köln) bzw. 1615 (Nürnberg) sind abgedruckt und ausführlich kommentiert in: Deutsche Illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts, Hg. v. Wolfgang Harms. Bd I. Wolfenbüttel, Teil I. Tübingen 1985, Nr. 185 (S. 378f.) und Nr. 189 (S. 386f.). 58 Lampada … Phariam] Anspielung auf den Pharos, den Leuchtturm des Hafens von Alexandria im alten Ägypten. 60f. Danielis ex oraculo] Dan 12,3f.: qui autem docti fuerunt fulgebunt quasi splendor firmamenti et qui ad iustitiam erudiunt multos quasi stellae in perpetuas aeternitates. 62f. Demosthenis lucubratione] Der athenische Redner Demosthenes, hier metonymisch für den weiteren Bereich der griechischen Rhetorik und Literatur. 63 ascetas] Der Begriff im Sinne von ›Mönchen‹ gebraucht seit der christlichen Spätantike (4.–6. Jahrhundert). 65 capaces Lycei vel Athenarum] Das Lyceum, der Platz, also mittelbar auch die Schule in Athen, wo Aristoteles lehrte, hier wiederum metonymisch für die gelehrten, darunter auch die griechischen und speziell philosophischen Studien; wie oben Anspielung auf Abt Urbans Reform der Klosterschule. 70 LEGVM inculcaltio] Das Einschärfen der Klosterregeln (vom Verbum inculcare, ursprünglich in der Bedeutung ›festtreten, einrammen‹); Urbans diesbezügliche Strenge trug offenbar dazu bei, daß er bald darauf (1641) zum Präses und Visitator der Salzburger Benediktinerkongregation gewählt wurde; dazu s. o. 77 paroeciasque] Die dem Stift angeschlossenen Pfarreien. Zu Abt Urbans umfangreicher Bau- und Reformtätigkeit vgl. die oben angegebene Literatur. 83f. coelum tuum … gloriam Dei … enarrare] Anspielung auf Psalm 18: Caeli enarrant gloriam Dei; später bei Christian Fürchtegott Gellert (1715–1769): »Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre.« 86 sereni vultûs] Junktur wie in Horaz’ Kleopatra-Ode, carm. 1,37,26. 97f. palpi jurata hostis] Palpus: eigentlich ›Hand, Handfläche‹; metaphorisch für Schmeichelei wohl nach Persius 5,176f.: Ius habet ille sui, palpo quem tollit hiantem, / Cretata Ambitio? 99f. SIMONE illo … per Siracidem numeraverit] Nach Sir 50. 108f. per turbulentorum temporum … Arcticorum siderum caliginoso imperio] Umschreibung für den Einfall der Schweden in Bayern (1632/33); im April

Einführungen und Kommentare

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1632 war so gut wie das ganze Bistum Augsburg (darunter auch Dillingen) in schwedischer Hand. 109 intra Horatiani Novennij] Nach der bekannten Empfehlung des Horaz in seiner Verspoetik (ars 388f.), ein dichterisches Werk neun Jahre lang zu bearbeiten und liegen zu lassen: nonumque prematur in annum membranis intus positis. 110 retectiore vultu] Vielleicht in Anspielung auf die berühmte Bibelstelle 2 Kor 12–17 (Moses mit verdecktem bzw. enthülltem Angesicht). 119 Parelij papilione] Papilio: in der Bedeutung ›Zelt‹ (davon später das franz. ›Pavillon‹) in der Antike nur spätlateinisch; so bei Tertullian, Ad martyres 3. 123 Orpheo vel Amphione] Die Zusammenstellung beider mythischer Gestalten für die Macht des Gesanges und der Dichtung auch in der schon oben von Bisselius alludierten Horazischen ars poetica, 391–396. 126 FLORAM] Die altrömische Göttin der Blumen und des Frühlings, auch in eigenen Feiern verehrt (vgl. Ovid, fast. 5, 183–378; Martial 1,35,8), worauf Bisselius in I,20,6 zurückkommt. Hier metonymisch für die eigene Frühlingsdichtung als christlicher Kontrafaktur heidnischer Dichtungen und Kulte. 133 Quam Achillis armigerum] Metonymisch für den unbekannten ›Kleinen Mann‹ neben den bekannten Größen, nach Vergil, Aen. 2,476f. und Ovid, met. 12,364: armiger ille tui fuerat genitoris, Achille. 139–141 in hunc Ordinem minimum … intrepidéque defendas] Webers Neigung zum Jesuitenorden ergab sich nicht nur aus seinen theologischen Studien (unter anderem bei den Grazer Jesuiten). Er stiftete auch »Jahr für Jahr« Prämien für die Jesuitenschulen in Leoben und Krumau, wo er von Schülern und Lehrern in Gedichten und Schauspielen gefeiert wurde (so Wichern 1880, S. 288f.; List 1974, S. 275; s. o.). 145 Hospitalitatem] Das Kloster Admont nahm im Zuge des Dreißigjährigen Krieges, vor allem während der schwedischen Einfälle, immer wieder Flüchtlinge aus deutschen Klöstern auf; s. Wichern 1880, S. 218 (s. o.), hier aber nichts zu Jesuiten. Wegen eines Brandes im Jahre 1865 sind in Admont Akten zur Beherbergung der deutschen Jesuiten in jener Zeit nicht mehr vorhanden, jedoch haben sich in der Admonter Klosterbibliothek 14 Ausgaben verschiedener Schriften von Bisselius erhalten, darunter ein Widmungsexemplar von Bisselius’ Icaria an einen gewissen Johannes Weishaupt (ab ipso Autore mittitur). Dies nach brieflicher Auskunft von Herrn J. Tomaschek, Kloster Admont, an Prof. Dr. Franz Fuchs, Würzburg. 147–149 Hoc ipso … Collegio … sublevare … vivis subsidijs] Anspielung auf Hilfen wie unter anderem dadurch, dass Abt Weber den Jesuiten zu Ingolstadt 1639 – also direkt nach Bisselius’ Widmungsvorrede, offenbar nicht zum ersten Mal – 15 Milchkühe aus dem oberen Ennstal schenkte (Wichner 1880, S. 282).

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152 Divus KEIVVINUS … ABBAS] Kevin (gälisch: Caemgen, lat. Coemgenus, Caimgenus, Keivinus), irischer Mönch, Bischof und Heiliger (ca. 480 – 3. Juni 618 oder 622). Ließ sich in der Nähe Dublins als Einsiedler nieder, gründete dann in Glendalough, Grafschaft Wicklow, ein nachmals berühmtes Kloster und geistiges Zentrum Irlands. Zahlreiche Legenden (s. u.) ranken sich um sein Leben und Wirken. Vgl. Art. ›Glendalough‹. In: LexMA, Bd. 4 (1989), Sp. 1495f.; Art. ›Kevin‹. In: Bautz, Bd. III (1992), S. 1431–1433 (Hugo Altmann). 157 Advolavit … MERVLA] S. zum folgenden Lemma. 161 Sylvestri Gyraldi aetate] Gemeint ist Giraldus Cambrensis (ca. 1146–1223), spez. dessen für die irische Geschichte wichtiges Werk Topographia Hibernica, das Bisselius offenbar in einem Antwerpener Plantin-Druck benutzte, in dem der Vorname des Autors mit »Sylvester« angegeben war, nämlich: R. Stanihurstii Dublinensis De rebus in Hibernia gestis libri quattuor […] Accessit his libris Hibernicarum rerum Appendix, ex Sylvestro Giraldo Cambrensi […] collecta. Antverpiae apud Christophorum Plantinum 1584, S. 219–264; dies nach Repertorium Fontium Historiae Medii Aevi V. Rom 1284, S. 145; vgl. zum Autor auch LexMA, Bd. IV, Sp. 1459f. Bisselius’ Vorlage ist neugedruckt in: Giraldi Cambrensis Topographia Hibernica, et Expugnatio Hibernica. Ed. James F. Dimock, M.A. London 1867 (Rolls Series 21), Nachdr. London 1964, hier in Cap. XXVIII (De miraculis; et primo de pomis, et corvis, et merula sancti Keivini), spez. S. 116: Sanctus igitur Keivinus, quadragesimali quodam tempore hominum frequentiam ex consuetudine fugiens, solitudine quadam, tugurico modico, quo sole tantum et pluvia defenderetur, soli contemplationi vacans, lectioni et orationi insistebat. Qui cum manum, more solito, per fenestram ad coelum elevaret, ei forte merula insedit. Et quasis nido fugiens ova posuit. Cui sanctus tanta patientia et mansuetudine compassus est, ut nec manum clauderet nec retraheret; sed usque ad plenam pullorum exclusionem eam infatiganter extenderet et aptaret. In hujus autem signi perpetuam memoriam omnes imagines sancti Keivini per Hiberniam in manu extensa merulam habent. 169f. jam ante Novennium … excludi] Wichtiger entstehungsgeschichtlicher Hinweis. Er bedeutet, dass Bisselius, gerechnet vom Datum der Vorrede und Erstausgabe (1638) an, mit diesem Werk 1629 zumindest begonnen hatte. Ganz wörtlich ist diese Angabe nicht zu nehmen, da Bisselius mit sichtlichem Stolz auch auf die berühmte Empfehlung des Horaz anspielt (ars 388: nonum prematur in annum), an der Dichtung neun Jahre lang zu feilen bzw. diese neun Jahre lang bis zur letzten Überarbeitung ruhen zu lassen. – Excludi mit Sonderbedeutung von excludere: eigentlich ›ausschließen‹, hier im Sinne von ›herausgehen lassen‹ oder metaphorisch für ›ausbrüten‹. Hier Anspielung auf oben erzählte Legende des Hl. Kevin, der die Amsel solange in seiner Hand Hand brüten ließ, bis sie ›ausschlüpfte‹. S. den Quellentext des Giraldus Cambrensis zum obigen Lemma.

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174f. MERVLA … Patris tui BENEDICTI symbolum] Vgl. hier im Folgenden zur Merula-Elegie (I,19). 177 vexillis potiores AQVILAS] Bisselius denkt an die römischen Legionsadler.

Zu Elegie I,1 (WK) Die vierteilige Elegiengruppe identifiziert – im erinnernden Rückblick (I,1,1,21) – die sinnliche Erfahrung des Frühlings im Kontrast zum dunklen und kalten Winter mit der Entdeckung der Umwelt, ja der Welt überhaupt in der Wahrnehmungsoptik und Bewußtseinsentwicklung des Kleinkindes. Aus den Fehleinschätzungen und Projektionen der spielerisch-infantilen Phantasie, der Verwechselung der eigenen und der fremden Wirklichkeit (I,1,2), befreit sich das Kind, indem es sich als geistiges Wesen (I,1,3) aufmacht und im Schein der Sonne die visuellen, taktilen und akustischen Reize der Natur und Objektwelt genießt. In dieser ›Urszene‹ wird allerdings schon angedeutet, daß die poetischen Kindheitserinnerungen nicht nur als realistisch gemeinter Lebensrückblick aufgefaßt werden dürfen. Über den spirituellen Sinn des Textes wird der Leser in der die Eingangsgruppe abschließenden vierten Elegie aufgeklärt. Vielleicht in latenter Polemik gegen den bei den Humanisten sehr bekannten Lukrezischen Frühlingsmythos (De rerum natura 1,1ff.), der die Allmacht der Liebesgöttin preist, gewiß auch als Kontrafaktur paganer ›laudes veris‹ (vgl. etwa Vergil, georg. 2,323ff.) erscheint bei Bisselius Gott als der Frühling (I,1,4,9), d. h. als Mensch und Natur durchdringendes Prinzip schöpferischer Lebenskraft. Der Aufbruch in die Welt des Frühlings und damit die auch kosmotheologische Erfahrung Gottes bedeutet – im autoreferentiellen Konzept des Gesamtwerks – zugleich die Berufung zum Dichter (I,1,4,12ff.). Überkommene Darstellungsmotive kennzeichnen das auch zeitlich (una dies, I,1,3,36) zum symbolischen Augenblick erhobene Ende der Kindheit: der Ausgang, das »Hinauskriechen« aus dem Schneckenhaus und der an Plato gemahnenden dunklen Höhle, die Besteigung des Hügels, der Blick in die Sonne, vor deren Glanz sich – wie in Goethes Faust – die Augen senken müssen und die ringsherum sich ausbreitende Welt erschließen. In bemerkenswerter sprachlicher Variation wird die körperliche Erfahrung des Windes vergegenwärtigt, der sich zum mitreißenden Sturm steigert. Hier spätestens mündet der Prozess der Reife (maturi temporis lucrum, I,1,3,4) in ein Erweckungserlebnis mit heilsgeschichtlichen Dimensionen. Mit der Entfaltung der bona mens, die sich der Welt öffnet, deutet sich bereits die Berufung zum Dichter und das Einwirken des (Heiligen) Geistes an: so die ambivalente Semantik des Begriffes Spiritus (I,1,3,26). Bereits in I,1,3,12 war aus der begleitenden Mutter die Muse Thalia geworden, hatte sich hinter der heimatlichen Umwelt das antike Musengefilde mit seinen Sinnenreizen (I,1,3,18–20) aufgetan. Die ›Küsse‹ des Windes (V. 26) – ist an den Kuss der Musen gedacht? – verschmelzen kühn genug mit der tremula vertigo Spiritus. Was das Ich an sich erfährt, ist die immer neue Macht des biblischen Pfingstwunders. Im Kleinkind, das noch in der engen

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Kommentarteil

Sphäre unmittelbarer Körperlichkeit lebte, hatte sich bereits der Funken der ratio angekündigt. Er kommt nun – in musischer Erweckung und geistig/geistlicher Besinnung – zur Reife. Der Frühling wird zum Movens und Bild einer inspirierten Hinwendung zu Gott und zur Welt. An diesem Punkt berühren sich die Gedichte des Bisselius mit der Frühlingslyrik anderer geistlicher Autoren der Zeit, etwa mit der Gruppe von Jahreszeiten-Sonetten der Catharina Regina von Greiffenberg (Sämtliche Werke, Bd. 1, Nürnberg 1652, Nachdr. 1983, S. 221–243) darin 15 Sonette über die Gott=lobende Frülings=Lust (S. 223–237). Exemplarisch auch hier die Verschränkung von Sinnenfreunde mit spiritueller Sinngebung (S. 226): LAchen des Himmels/ Geburts=Tag der Freuden/ Hochzeit der Erden/ Erzielung der Zier/ quelle der Wollust nach Herzens Begier/ Wiesen voll Biesem die Sinnen zu weiden/ süsses Erquicken auf schmerzliches Leiden! Ewigkeits=Spiegel man findet in dir/ Himmlischer Siegel=Ring/ Heller Saphir/ Da sich ließ Göttlicher Name einschneiden! du druckest die Einflüß der Sternen herab/ daß sie der Erden das Grünungs=Bild gab/ welches versiegelt die Göttlichen Gnaden/ ob wir schon leider mit Sünden beladen/ Daß er/ in Jährlich= verneuender Welt/ Gleichwohl den ewigen Gnaden=Bund hält

Oder (S. 228) zum Frühling als Zeit und Movens dichterischer Inspiration: O Früling/ ein Vatter der Heliconinnen/ du Musenfreund/ Meister der Weisheit und Lust/ der Künste Cupido/ der Pallas ihr Brust/ laß Pegasens Säffte mir kräfftig zurinnen/ auf daß mich netz’ und ergetze darinnen. Erfülle das Hirne mit Himmlischem Must/ Und mach mir die heimlichen Wunder bewust/ erheblich und löbliche Dinge zusinnen! Die Göttlichen Werke den Menschen verklär. erzehl’ und entheele sein seltzames schicken. Entdecke sein heiliges Wunder=Erquicken. in allen Welt=theilen sein’ Ehre vermehr. Sey/ lieblicher Früling/ die freundliche Taub/ Ach bring’ uns das frölich Erlaubnuß=Oel=Laub’.

Ausgeklammert wird bei Bisselius eine Interpretation der menschlichen Natur, die diese gegenüber dem Eingriff göttlicher Gnade abwertet und auf die verderblichen Folgen des Sündenfalls abhebt. Die existenziell-naturhafte Verschuldung selbst des Kleinkindes, die vor allem Augustinus – wegweisend auch für künftige Theologen – hervorgehoben hatte (vgl. conf. I,7) – wird bei Bisselius offensichtlich bewußt verschwiegen, wenn nicht abgelehnt. Auffallend auch im Vergleich zu ähnlichen Passagen in Grimmelshausens Simplicissimus-Roman (bes. Kap.

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I,9) ist jedenfalls die Tatsache, daß Menschwerdung hier nicht gleichgesetzt wird mit heilsgeschichtlicher Belehrung, daß bei Bisselius auch in der ›Dunkelheit‹ der kindlichen Welterfahrung bereits der Funken der ›ratio‹ leuchtet, dass schließlich die Seele keine »leere Tafel« (tabula rasa) ist, in der doktrinär verbindliche Ich-Ideale eingezeichnet werden müssen. Ganz augustinisch dagegen noch im 18. Jahrhundert die Sicht eines Albrecht von Haller (Aus: Gedanken über Vernunft, Aberglauben und Glauben, 1729, zit. n. A v. H.: Die Alpen und andere Gedichte, Stuttgart 1965, S. 26, V. 65–70): Ein Kind ist noch ein Kraut, das an der Stange klebt, Nicht von sich selbst besteht und nur durch andre lebt. Darauf, wann nach und nach sein Denken wird sein Eigen, Und Witz und Bosheit sich durch stärkers Werkzeug zeigen, Wächst Geiz und Ehrsucht schon, noch weil ein Kinderspiel, Ein Ball und schneller Reif, ist seiner Wünsche Ziel.

So spricht viel dafür, dass Bisselius sich bei der Rekonstruktion des frühkindlichen Entwicklungsganges auch durch eine der frühesten Schriften zur KleinkindPädagogik inspirieren ließ, nämlich durch Jan Amos Comenius’ Informatorium Maternum Der Mutterschul, in dem ausführlich die ersten Phasen der infantilen Bewußtseinsentwicklung beschrieben werden. Eine deutsche Ausgabe erschien 1636 bei Wolfgang Endter in Nürnberg, ND Leipzig 1987; für Bisselius relevant bes. Kap. IV, S. 70–82 (»Auff was weise die Kinder im Verstande sollen geübt werden.«). Denkbar ist auch der Einfluss von Plutarch, De pueris educandis (bes. Kap. 5): die Vorstellung von Kindheitserlebnissen, die tief sitzen, und der Vergleich des Erinnerungsprozesses mit dem Abdruck eines Siegels. Zugleich wollte Bisselius offenbar mit dem an der eigenen Biografie ablesbaren Naturstand des Menschen eine entwicklungsgeschichtliche Stufe der Humanität beglaubigen. Vielleicht deshalb, vielleicht aus der Sicht auf das historisch späte Christentum, in dem sich der Gang der Menschheit vollendet, werden in I, 1f. nur antike Beispiele von Kindlichkeit angeführt (I,1,1,18). Zum Prozess der Menschwerdung in der antiken Welt gehörte auch die pagane Götzenverehrung, noch instinkthaft gebunden, mit Angstgefühlen und animalischen Wunschphantasien verwebt, hier in jener humoristischen Beleuchtung dargestellt, in der sich das frierende Kind an den Ofen und dessen Sacra Fornacalia (I,1,1,29) flüchtet.

Zu I,1,1 1 trimoque minor] Vielleicht hier assoziiert Horazens Vergleich der törichten Liebenden mit dem dreijährigen Kind, das im Sandhaufen (s. u. V. 7) spielt; sat. 2,3,251f.: nec quicquam differre, utrumne in pulvere, trimus / quale prius, ludas opus. 1 ubere pulsus] Verbum simplex pro composito; vgl. vom jungen Löwen Horaz, carm. 4,4,14.: fulvae matris ab ubere / iam lacte depulsum leonem, oder

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Vergil georg. 3, 187: equus depulsus ab ubere matris; für Kinder Sueton, Tib. 3, 44: infantes … lacte depulsos. 2 carpere … iter] So etwa Ovid, fast. 5,88 und öfter; ähnlich carpere viam: seit Horaz, sat. 1,5,95 und Vergil (z. B. Aen. 6,629f.) geläufige dichterische Metapher, wohl auf Ennius zurückzuführen. 3 vacillantem gressum] Das Verb sonst auch für den schwankenden Gang von Betrunkenen; vgl. Lukrez, 3,478f.: praepediuntur / crura vacillanti, tardescit lingua, madet mens. 4 invida ralla] Allusion wohl auf Plautus, Epid. 229: quid istae quae uestei quotannis nomina inuenint noua? / tunicam rallam, tunicam spissam, linteolum caesicium. 5 balba reluctantem trudebant guttura vocem] Balbus: stotternd, wie der junge Demosthenes (Cicero, de orat. 1,260), oder wie bei dem alten Mann, der mit seinem Enkel in gebrochener Kindersprache redet; so bei Tibull 2,5,94: balba cum puero dicere verba senem. 6 blaesus … sonus] Blaesus: lispelnd oder lallend; die Junktur blaesus sonus bei Ovid, am. 3,6,24, ähnlich Ovid, ars 3,294: blaesaque fit iusso lingua coacta sono? 7 pulvis] S. o. zu V. 1. 8 maxima Troja] Die Fiktion, der kleine Johannes habe sich aus Sand oder Lehm eine Stadt gebaut, wofür hier metonymisch das mythische Troja steht. 11 Dianoea] Griechisches Wort, bezeichnet das Denkvermögen und die Intellektualität des Menschen generell; von Aristoteles (metaph. 1025 b 25) in den ›praktischen‹, ›poietischen‹ und ›theoretischen‹ Teil gegliedert. 14 Cimmerius … nauta] Cimmerius: Beiname für den Bosporus und das Schwarze Meer, oft mit dem Sinn des Exotischen; vgl. Ovid, Pont., 4,10,1f.: Cimmerio … litore; seit Homer nach dem Namen der Kimmerer, eines in Dunst und Nebel gehüllten (dies für Bisselius der Vergleichsaspekt), im äußersten Westen wohnenden Volkes; Ovid, met. 11,592f. 17 Ithaci … Hectoris aetas] Odysseus, nach seiner Heimatinsel Ithaca, und Hector, zwei Haupthelden der Homerischen Epen, hier als Vertreter der berühmten Erwachsenen. 18 Astyanax, Telemachúsque] Kinder und Jugendliche in den Homerischen Epen: Astyanax, der kleine Sohn Hectors und Andromaches, dazu Telemach, der Sohn des Odysseus; hier Anspielung auf die Familienszene Il. 6,370ff., spez. 466–493. 20 refricate dies] Das Verb für den aktiven Vorgang der Erinnerung wie Cicero, de orat. 2,199: sic et eorum dolorem … oratione refricabam; vgl. auch Ovid, rem. 729: Admonitu refricatur amor vulnusque novatum.

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21 juvat ire retrorsum] Im übertragenen Sinne für den Rückgriff der Erinnerung; anders Prudentius (contra Symmachum 1,333) für den Lauf der Sonne: nec solitum conversus iter revocare retrorsum. 22 Scythicae … nivis] Scythicus für die Gebiete nördlich des Schwarzen Meeres, dann metonymisch allgemein für den rauhen Norden mit Schnee und Kälte; vgl. Vergil, georg. 3,196f. 23 gelidi Boreae] Boreas (lat. Aquilo), der kalte Nordwind; die Junktur häufig: z. B. Ovid, am. 2,11,10; trist. 1,2,29; Manilius 5, 70. 28 Lignivorâ … relligione] Lignivorus (heute gebräuchlich in der wissenschaftlichen Terminologie, z. B. für Termiten), nicht belegt im klassischen Latein (nach OLD); relligione: Die Verdoppelung des »l« aus metrischen Gründen (gerade bei diesem Wort) in humanistischer Lyrik nicht unüblich; häufig z. B. auch bei Schede Melissus. Im übrigen konnte die Verdoppelung des Konsonanten auch im Frühneuhochdeutschen die Länge des vorangehenden Vokals anzeigen. 29 Sacra Fornacalia] Das altrömische Fest der Ofengöttin; vgl. Ovid, fast. 2,527. 30 Vita, CALERE] Die Wärme hier nicht nur als lebensnotwendige Qualität der Umgebung, d.h der warmen Behausung, sondern vielleicht zugleich im anthropologisch-medizinischen Sinne: Wärme als somatisches Vitalprinzip (›Lebenswärme‹), so immer wieder behandelt in der Naturphilosophie der Spätrenaissance im Anschluss an Aristoteles und Galen; vgl. dazu Mulsow 1998, bes. S. 213–219.

Zu I,1,2 2 alternis Cynthia … rotîs] Cynthia, eigentlich Diana, die Göttin des Berges Cynthus auf Delos, als Schwester des Phoebus Apollo häufig für ›Mond‹ gebraucht. – alternis … rotis: der mythische Wagen, der jeweils nacheinander von der Sonne und dem Mond benutzt wird (deshalb wohl alternis); vgl. Silius 4,480f.: Condebat noctem devexo Cynthia curru / fraternis afflata rotis. 8 chloris] Ein im klassischen Griechisch nicht belegtes Wort, zusammenhängend mit gr. ›chloros‹ (›grüngelb‹), hier wohl für einen bunten Vogel (Grünfink; so auch in den Vogelbüchern des 16. Jahrhunderts, z. B. bei Konrad Gessner), der Name wohl in Anlehnung an Vogelnamen bei Plinius: ›chloreus‹ (nat. hist., 10,203) und besonders ›chlorion‹ (›Goldamsel‹; ebd. 10,87), die ›sich im Winter nicht sehen läßt und um die Sonnenwende hervorkommt‹. Ein Gedicht des pfälzischen Dicherarztes Johannes Posthius auf den Vogel Chloris ist abgedruckt bei Dornau 1619/1995, Tl. 1, S. 366.

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Kommentarteil

15 fregique hyemem] Vielleicht in Anlehnung an Petronius, fragm. 41,1: autumnus fregerat umbras / Atque hiemem. 15 coluique latebras] Vgl. Silius 15,472: Frondosi collis latebras ac saxa cappesit.

Zu I,1,3 2 abstersâ Plejade] Die Plejaden (hier im metonymischen Singular), das Siebengestirn im Sternbild des Stiers (ursprünglich die sieben Töchter des Atlas), das Regen und Wolken mit sich bringt (Horaz, carm. 4,14,21; Statius, silv. 3,2,76); abstersas also im Sinne von ›abgewischt‹, d. h. frei von Regen, so daß die Sonne (hier mythisch als »Phoebus«) aufgeht, oder übertragen (so übersetzt) ›ausgelöscht, nicht mehr am Himmel sichtbar‹. Der Hinweis auf die Plejaden gehört zur Topik der Frühlingsschilderung; so etwa bei Konrad Celtis, carm. 1,2,7f.: Pleiades sentit pluuias resolui / Lampade Phoebi (zit. n. HL, S. 14). 5 fixumque Tonanti] Tonans – geläufiges altepische Beiwort für Iupiter als höchsten Donnergott; für die Bedeutung von fixum; vgl. Vergil, Aen. 4,15: si mihi non animo fixum immotumque sederet. 12 Dia Thalia] Thalia, eine der Musen, hier dieser Name wohl metonymisch aus metrischen Gründen; die Muse, die Bisselius im Titelkupfer der Erstausgabe wegweisend mit der Gottesmutter Maria identifizierte (s. o. in der Einleitung dieser Edition) tritt hier gleichnishaft anstelle der leiblichen Mutter, sodass Bisselius seine künftige Berufung zum Literaten andeutet, vielleicht mit Seitenblick auf Ovids poetische Autobiografie in trist. 4,10. 13 tenerae vestigia plantae] Vom Kind ähnlich Vergil, Aen. 5,573: utque pedum primis infans vestigia plantis; vestigia plantae für Fußspuren: Ovid, fast. 4,463. 16 figo gradum] Sonst oft (so OLD) figere vestigia oder figere gressum; hier ähnlich wie Valerius Flaccus 7,559: fixerat ille gradus. 17 oculis Sol … instat] Ähnlich in mythischer Periphrase Ovid, epist. 8,105: cum tamen altus equis Titan radiantibus instat. 19 Arrigor aure] Der Ablativ in syntaktisch origineller Abwandlung des geläufigen transitiven aurem arrigere. 20 Hybla] Sizilischer Berg, metonymisch für pastoral-ländliche Atmosphäre, gekennzeichnet durch üppige Bienenkräuter, durch Bienenzucht und Bienenhonig. Das Summen der Bienen hier durch das lautmalende murmurat angedeutet.

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22 Sindonáque] Gräzisierende, an kaiserzeitliche Dichter angelehnte Bezeichnung für eine bestimmte, ursprünglich aus Indien stammende feine Leinwand; vgl. Martial 4,19.12: in Tyria sindone. 23 Aeolio … lusu] Abgeleitet von Aeolus, dem Gott der Winde; bei Horaz, carm. 1,3,3: ventorum pater; vgl. etwa Vergil, Aen. 5,791: Aeoliis … procellis. 26 Spiritus] Das Wort bewußt mehrdeutig: als Windhauch, der den Nacken streift, aber mittelbar auch im Sinne der geistigen Erweckung in lockerer, jedenfalls semantisch nahegelegter Assoziation an das Pfingstereignis, hier transformiert zum Erlebnis der Weltentdeckung. 26 basia crispâ … fraude] Kühne und wohl neue Formulierung; crispus eigentlich für krause oder sich kräuselnde oder verwirrte Haare; hier der körperliche Aspekt (die durch den Wind zerzausten Haare) allegorisiert (vorbereitet durch Thalia, V. 12), zum Musenkuß des Spiritus, der sich noch ohne Wissen des Kindes vollzieht (deshalb fraude). 32 Thulen … Sinas] Thule, die sagenhafte nördliche Insel: ultima Thule: Vergil, georg. 1,30; ferner Konrad Celtis’ Amores 4,14: Navigationem ab hostiis Albis ad Tylen insulam aborta tempestate describit: HL, S. 120– 133 mit dem Kommentar bes. S. 1014f.; – China und Thule als äußerste Weltgegenden, metonymisch für das Ganze der Erde; gr. Sinai seit Ptolemaios für ein Volk im südlichen China, dann für China insgesamt (den Jesuiten durch die Chinamissionen wohlbekannt; das Wort nicht im klassischen Latein belegt. 33 pomoeria Mundi] Pomerium – eigentlich der freie Raum an der Stadtgrenze oder die Stadtgrenze selbst, so auch bei Erasmus (Querela pacis, ed. O. Herding, Darmstadt 1977, S. 74 u. 88): regni pomoeria.

Zu I,1,4 1 lux … ovaret] Das Verb mit ungewohnter Beziehung auf Unbelebtes vielleicht in Anlehnung an Vergil, Aen. 10,409: ille sedens victor flammas despectat ovantis. 3 ad plenum] Adverbialer Gebrauch in Anlehnung an Formulierungen wie Horaz, carm. 1,17,15: tibi copia / manabit ad plenum benigno … cornu; Vergil, georg. 2,243f.: dulcesque a fontibus undae / ad plenum calcentur. 4 alternis Musa … modis] Hinweis auf das zweizeilige elegische Distichon in verschiedenem Versmaß als Kennzeichen der Elegien, demgemäß auf die formale Gattungszugehörigkeit von Bisselius’ Dichtung, dies in lockerer Anknüpfung (wie auch unten V. 16) an Ovid, am. 1,1,17f. u. 27–30. 13 Phoebum … Venam Aganippida] Aganippe war die Musenquelle am Berg Helikon; vgl. z. B. Catull 61,30; Vergil, ecl. 10,12; Ovid, met. 5,312 usw.

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14 turba canora] Die singenden Vögel gehören zur topischen Frühlingsschilderung, so schon im Venus- und Frühlingshymnus zu Anfang von Lukrez’ De natura rerum, 12ff.; hier ist im Vogelsang die Frühlingsdichtung des Autors präfiguriert. 15 Tempe obvia] Das zwischen Olymp und Ossa gelegene, vom Peneios durchströmte Tempe-Tal, hier wie auch sonst (schon bei Theokrit) häufig metonymisch für eine ländlich-bukolisch ›schöne‹ Landschaft; vgl. Catull 64,35; Vergil, georg. 2,469; 4,317, Horaz, carm. 1,7,4; 1,21,9; 3,1,24 usw. 16 materiae fertilitate] Materia als Stoff der Dichtung auch bei Ovid, am. 1,119; die Junktur auch bei Vergil, catal., Aetna, 417, hier allerdings für die vulkanische Lava: cetera materies quaecumque est fertilis igni.

Zu Elegie I,2 (HW) I. Der Dichter lädt in dem dreiteiligen Gedicht die Sonne, den Ursprung des Frühlings, ein, aus Afrika eilends in den (deutschen) Norden zu kommen (V. 1–8). Im Norden war man schon zu lange in Folge der Eiseskälte untätig. Mit dem Erscheinen der Sonne können in Europa die notwendigen Tätigkeiten wieder aufgenommen werden. (V. 9–14). Das kimbrische Land sehnt sich nach der Sonne, die deshalb schnell kommen soll (V. 15–22).

II. Die Sehnsucht der Menschen im Norden braucht nicht zu verwundern, denn das wunderbare Aussehen der Sonne erregt Freude und Lust bei dem Betrachter (V. 1–2). Die Sonnenkugel bewegt sich frei auf um die Erde laufender Kreisbahn, ohne irgendwo befestigt zu sein. Sie übertrifft in ihrer Reflektion Spiegel und Erz. (V. 3–5). Die Sonne verstreut goldfarben überall hin ihre Strahlen, die von einer Spindel in der Mitte des Sonnenbaues ihren Ausgang nehmen (V. 6–10). So beleuchtet sie Länder, Städte und Meer und bietet einen Einblick in den Himmel.

III. Die Strahlen der Sonne sorgen für vielfältigen Segen. In ihnen liegt die Vertreibung des Winters ebenso beschlossen wie die zarten Keime des Frühjahrs (V. 1–6). Von der Sonne erwärmt, sprießen Rosen und Zimt (V. 7–11). Also möge sie sich beeilen, nach Norden zu kommen, um ihre Gaben zu bringen. Dann werde die Kraft der Winterkälte gebrochen (V. 12–18) und endlich von Erwachsenen und Kindern wieder heiteres Spielen möglich sein. Das Rebhuhn sei dafür Beispiel. (V. 19–24).

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Unverkennbar ist die Ringkomposition der Trilogie. Die Aufforderung an die Sonne im ersten Teilstück, eilends nach Nordeuropa zu kommen, wird im dritten Teil wieder aufgenommen – in einer Weise, die an die Frühlingsgedichte der Carmina Burana gemahnt, ohne dass an einen direkten Einfluss zu denken wäre. Freilich fehlt bei dem jesuitischen Dichter jedes erotische Moment, das in den Frühlingsgedichten der Carmina Burana eine zentrale Rolle spielt. Die letzten Verse des dritten Teils mit der Perdix weisen zugleich auf die nächste Elegie voraus, das Spiel des Hl. Johannes mit dem Rebhuhn. Damit wird das Mittelstück umrahmt, in dem der herrliche Bau der Sonne beschrieben wird. Die Sonnensymbolik ist seit der Spätantike in der christlichen Tradition sehr wichtig. In Auseinandersetzung mit dem Kult des unbesiegten Sonnengottes Sol invictus wurde Jesus Christus als Sol verus gefeiert. Bisselius’ Ordensgenosse und Freund Jakob Balde rühmt in seinem bekannten Heliotropium-Gedicht (c. 48 Heliotropium sive mens hominis ad Deum versa) Jesus Christus als Sol maior parvique faber (V. 25), die wahre Sonne, welche die kleinere geschaffen habe. Ihr gegenüber ist die andere keineswegs schöner (formosior, V. 24). Davon ist bei Bisselius direkt nicht die Rede, schwingt aber vielleicht mit. Die Sonnendarstellung des Bisselius ist freilich von der antik-paganen Vorstellung vom Wagen des Sonnengottes bestimmt (Vgl. die Teilelegien 1,12; 1,17; 3,12; 3,17). Unter den jesuitischen Ordensgenossen des Bisselius hat sich besonders der Astronom Christoph Scheiner (1575–1650), der Entdecker der Sonnenflecken und Gegner des heliozentrischen Systems Galileis, intensiv mit der Sonne beschäftigt. Im zweiten Teil des vierten Buches seines einschlägigen Hauptwerkes Rosa Ursina sive Sol (Bracciano 1624–1630) führt er aus, dass der Himmel und die Gestirne feurig seien. Dies kann Bisselius’ Vorstellungen beeinflusst haben. Die Sonne sei am vierten Schöpfungstag aus einer Feuer- und Lichtwolke geschaffen worden. Vgl. dazu etwa: Franz Daxecker: Das Hauptwerk des Astronomen P. Christoph Scheiner SJ »Rosa Ursina sive Sol« – eine Zusammenfassung. Innsbruck 1996; Franz Daxecker u. a.: Sonne entdecken. Christoph Scheiner 1575–1650. Ingolstadt 2000, S. 30–41 mit weiterführender Literatur; knappe, instruktive Zusammenfassung mit weiterer Literatur von Rita Haub: Sonne; Mond und Sterne. Jesuiten als Entdecker. Kevelaer 2008 (= Topos TB 6429), S. 19–35. Keine Rolle für Bisselius’ Sonnenvorstellung spielt dagegen das erst 1660 in Würzburg erschienene Iter extaticum coeleste des Ordensgenossen Athanasius Kircher (1601/2–1680), in dem u. a. auch – gegen Galileo Galilei – das modifizierte geozentrische System von Tycho Brahe vertreten wird. Aus den poetischen Darstellungen der Sonne der eigenen Ordensgenossen – zu nennen sind etwa Laurent Le Brun und Antoine Chanut (vgl. Jo. Baptista Gandutius: Descriptiones Poeticae ex probatioribus poetis excerptae … Venedig 1703, S. 20–25 mit zahlreichen Belegstellen aus diesen Autoren, aber auch aus der antiken Literatur) – ragt die des Bisselius durch ihre Originalität entschieden heraus.

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Zu I,2,1 1 Arctoas … arces] Diese Junktur ist antik nicht belegt. Von arctoae provinciae spricht z. B. Ammianus Marcellinus 31,13,1 für den Norden. 2 Lux Alemanna] Junktur weder antik noch mittelalterlich. 3 Titan] Als anderer Name für Helios, den Sonnengott z. B. Vergil, Aen. 4,119. 3 Hiarbae] Der Numiderkönig Iarbas, auf dessen Land Karthago im Norden Afrikas liegt, ist in der Aeneis Vergils (Aen. 4,36 u. ö.) der Rivale des Aeneas. 4 Punica Cirta] Stadt im Binnenland Numidiens, Residenz des Numiderkönigs Syphax. Vgl. Sallust, Iug. 22,2 u. ö. Die Junktur ist nicht antik. 6 interregni] Antik eigentlich nur als politischer Terminus technicus verwendet. 7 Syenen] Syene, Stadt in Oberägypten, wegen ihres roten Granits berühmt. Von der atra Syene spricht Claudian, carm. 28,19. 8 Endymiona] Endymion war ein Hirtenjunge oder Jäger, in den sich die Mondgöttin Luna verliebte. Sie küsste den Schlafenden; vgl. Hygin, fab. 271 u. a. 9 Cessatum satis est] Vgl. wörtlich Ovid, am. 3,1,24. 9 Geticae brumae] Ähnlich Statius, Theb. 4,421f. Das Land der Geten nördlich des schwarzen Meeres gilt seit Ovids Exildichtung als gänzlich kalt und unwirtlich. 10 hirta pruina] Junktur nicht antik; ein übliches Epitheton ist etwa cana pruina. 11 agili … rotâ] Vgl. Ovid, Pont. 2,10,34. 14 Syrias … faces] nicht antik. 15 I, felix] Silius Italicus 3, 116 u. ö. 15 rubra brachia] Vgl. Lukan 10,259: calidi … bracchia Cancri. 16 Cimbrorum littora] Die Kimbern, ein Germanenstamm aus Jütland, hatte die Römer am Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts, in Angst und Schrecken versetzt, bis sie von Marius bezwungen wurden. 17 terras … Sicambras] Die Sicambrer bzw. Sugambrer waren ein Germanenstamm in der Nähe des heutigen Köln. 18 Teutonis ora] Teutones war ursprünglich ein Kollektivname für Germanenstämme, ging später auf den Stamm der Teutonen über. Der adjektivische Singular Teutonis ist nicht antik. 19/20 nivosum / Danubium] Der Fluss Strymon wird von Ovid, trist. 5,3,21 nivosus genannt. 20 theatra locat] Junktur antik nicht belegt; zur Metaphorik von Theater und Schauspiel vgl. unten in I,5 den Titel der zweiten Teilelegie und 3,6 sowie den Titel der vierten Teilelegie und 4,13.

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Zu I,2,2 2 Optica] Das griechische Wort ist in der lateinischen Literatur adjektivisch in Verbindung mit cognitio bei Martianus Capella, de nuptiis 6,706 belegt. Christoph Scheiner SJ veröffentlichte 1619 ein Buch Oculus hoc est: Fundamentum opticum, in dem es um die physiologische Optik des Auges geht. Dasselbe Thema behandelt er im zweiten Teil seiner Rosa Ursina sive Sol (vgl. Einleitung). Dazu Daxecker u. a., S. 43–45 mit weiterer Literatur. 2 mens stupet] Vgl. Celsus, de medicina 3,26. 3 revolubilis orbita] Vgl. Ausonius, ecl. 8,13. 5 Sphaera] Vgl. die Definition bei Hygin, astr.: Sphaera est species quaedam in rotundo conformata, omnibus ex partibus aequalis apparens, unde reliqui circuli finiuntur. Über die Sonnenkugel schreibt derselbe: Praeterea quaeritur quare sol contra mundi inclinationem currens videatur cum ipsa sua sphaera occidere et verti. 5 planata] Vgl. Chalcidius, Commentarius in Platonis Timaeum, pars 1, cap. 87: Erit porro dissertationis initium tale: quia naturaliter uisus noster in directum porrigitur, est porro longe excelsa et eminens sphaera quae aplanes dicitur. 5 Syracosiô … cylindro] Cicero fand als Quaestor in Sizilien das verschollen geglaubte Grab des Syrakusaners Archimedes, das mit einem Zylinder geschmückt war. Vgl. z. B. Tusc. 5,23,64. 6 perspicuo … globo] Junktur nicht antik. 7 Aurea … facies] Ähnlich Petrus Damiani, epist. 89,571: aurea caeli facies serenatur. 8 comas] Comae für Feuerstrahlen begegnet zuerst bei Catull 66,79. 9 sapphirina trochlea] Unklar ist, was genau gemeint ist. Offenbar geht Bisselius davon aus, dass eine Winde im Inneren der Sonne die Strahlen durch ihre Drehung ausschleudert. Auf einem lapis sapphirinus sehen Moses und Aaron Gott in Ex 24,10 sitzen: viderunt Deum Israhel sub pedibus eius quasi opus lapidis sapphirini et quasi caelum cum serenum est. 10 tremulâ … face] Von Sonnenfackeln spricht Christoph Scheiner in der Einleitung der Rosa Ursina sive Sol 1624; vgl. Daxecker u. a., S. 30. Von tremula … flamma redet Silius 1,357. 11f.] Ähnlich beschreibt der italienische Humanist Giovanni Pontano (1426– 1503) in seinen Lehrgedicht De stellis die Wirkung der Sonne (Zit. n. Gandutius – vgl. Vorspann –, S. 20): Atque hunc [scil. Solem], ne qua opere in tanto decor ullus abesset, Praefecit luci rerum pater: ipse nitentes

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Spargeret ut radios, ipse ut lustraret olympum, Et terras simul, & magnas liquidi aeris ora …

Zu I,2,3 4 teneri Veris] Tenerum wird der Frühling genannt, weil er »zarte« Blumen hervorbringt. 6 Phaeacum] Die Phäaken, Bewohner der Insel Scheria bzw. Korfu, leben immerzu herrlich und in Freuden. 7 Milesia proles] Die Bewohner der ionischen Stadt Milet galten im Altertum als verwöhnte Glückskinder, die Überfluss an vielen Gütern hatten. Plinius, nat. erwähnt in Buch 11,16–20 neben den Rosen aus der Campana, die früh kommen und denen aus Praeneste auch die aus Milet, die spät wachsen. 8 Tarentino sidere] Für Tarent gilt Ähnliches wie für Milet. 9 Paestanae Florae] Rosen aus Pästum waren in der Antike offenbar berühmt vgl. etwa Martial 4,42,10: Paestanis rubeant aemula labra rosis; Aus. Idyll. 14,1: Vidi Paestano gaudere rosaria cultu. Vgl. auch zu V. 7. 10 Assyrius ager] Assyrien gilt als Land zahlreicher Wohlgerüche. Vgl. etwa Laktanz, De ave Phoenice 79ff.: Colligit hinc sucos et odores diuite silua, / Quos legit Assyrius, quos opulentus Arabs … Cinnamon hinc auram que procul spirantis amomi / Congerit et mixto balsama cum folio. 13 citis quadrigîs] Vgl. Plautus, Aul. 600. 15 Riphaeis … crustis] Das riphäische Gebierge im äußersten Norden Sarmatiens bzw. Skythiens gilt als besonders unwirtlich. 16 semisoluta] das Wort ist nicht antik belegt. 17 Ne trepidate] Vgl. Vergil, Aen. 9,114 u. ö. 20 Sole calente] Vgl. z. B. Tibull 1,5,22 u. ö. 20 Viri] Valerius Maximus berichtet 8,8, dass auch bedeutende Männer wie Sokrates oder Homer nicht verschmäht hätten, wie Knaben zu spielen: Ext. 1. Idque vidit, cui nulla pars sapientiae obscura fuit, Socrates, ideoque non erubuit tunc, cum interposita harundine cruribus suis cum parvulis filiolis ludens ab Alcibiade risus est. 2. Homerus quoque, ingeni caelestis vates, non aliud sensit vehementissimis Achillis manibus canoras fides aptando, ut earum militare robur leni pacis studio relaxaret. 21 trochoque] Vgl. Horaz, carm. 24,56–58: haerere ingenuus puer / venarique timet, ludere doctior / seu Graeco iubeas trocho … 22 Perdix] Vgl. das folgende Gedicht. 23 pabula … praebe] Vgl. Columella 10, 83: pabula praebere u. a.

Einführungen und Kommentare

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Zu Elegie I,3 (LC/WK) Mit dieser Elegie beginnt jene Gruppe von Gedichten, die wie im Folgenden (vgl. I,5; 9; 12; 16; 19; 22. II,8; 10 mit der Variante: Historia Discipulorum in Emmaum Euntium; 12; 16. III,2; 4; 5; 7; 8; 10; 13, außerdem die Gattungsbezeichnung »Geographica« in I,13) einen eigenen Typus mit dem Untertitel »Historica« bilden und offensichtlich nicht nur – nach heutigem Verständnis – Historisches (narrativ überlieferte Geschehnisse) aus dem Fundus der Profan- bzw. Kirchengeschichte heranziehen, sondern auch Erzählungen der Bibel und der außerbiblischen Legendenliteratur als argumentum (Inhalt) bemühen. In diesem Fall beruft sich Bisselius zwar auf seine ornithologische Hauptquelle, das Vogelbuch des Aldrovandi (s. u. im Kommentar), poetisiert de facto aber, merkwürdigerweise ohne darauf Bezug zu nehmen (vielleicht mit Rücksicht auf die Legendenpolemik der Protestanten), eine bekannte Anekdote aus der in Handschriften und Drucken in ganz Europa weit verbreiteten, dem Kirchenjahr folgenden Legendensammlung Legenda Aurea (dazu der Artikel in LexMA!) des Genueser Dominikaners Jacobus de Voragine (ca. 1230–1298) zur Vita des Evangelisten Johannes; in der deutschen Gesamtübersetzung von Richard Benz (Heidelberg 101984), S. 70f., in der neueren deutschen Auswahlausgabe, hg. von Jacques Laager (Zürich 1982), S. 51f.: »In seinem Buch ›Gespräche der Väter‹ erzählt Kassian [4./5. Jahrhundert n. Chr.]: Jemand hatte Johannes ein lebendes Rebhuhn geschenkt. Da sah nun ein Jüngling, wie Johannes das Huhn sanft streichelte und liebkoste, und sagte lachend zu seinen Kameraden: ›Schaut doch, wie dieser Greis wie ein Knabe mit einem kleinen Vogel spielt!‹ Johannes erkannte dies in seinem Geist, rief den Jüngling herbei und fragte ihn, was er in seiner Hand halte. Auf dessen Antwort, er halte einen Bogen, fragte Johannes weiter: ›Was machst du damit?‹ Der Jüngling: ›Wir schießen damit auf Vögel und Tiere.‹ Der Apostel. ›Wie denn?‹ Da spannte der Jüngling den Bogen und hielt ihn dann gespannt in der Hand. Da ihm aber der Apostel nichts sagte, entspannte er wieder den Bogen. Das sagte ihm Johannes. ›Mein Sohn, warum hast du den Bogen entspannt?‹ Und jener: ›Bliebe er länger gespannt, so würde er kraftlos zum Schießen.‹ Da erwiderte der Apostel: ›Genauso würde auch der schwache Mensch für die Kontemplation weniger tauglich, wenn er immer in seiner Spannung verharrte und sich weigerte, bisweilen seiner Schwäche entgegenzukommen. Denn auch der Adler fliegt ja höher als alle übrigen Vögel und schaut fest in die Sonne, trotzdem zwingt ihn die Natur, wieder tief hinunter zu steigen. Genauso der menschliche Geist: Wenn er sich etwas von der Kontemplation zurückzieht und sich häufig erholt, strebt er um so eifriger zum Himmel.‹« Bisselius zielt mit dieser Elegie, an dritter Stelle des Zyklus auffällig platziert, offenbar nicht auf Erbauliches oder theologische, ggf. allegorisch vermittelte Aussagen der Heilsgeschichte, sondern durchaus selbstreflexiv auf die eigene Lebensdiätetik und sein dichterisches Tun. Das illustre Exempel illustriert und legitimiert die These: Dichtung ist immer wieder auch Spiel (ludus, V. 10), bedarf der Muße abseits der immer erneuten Formulierung asketischer und theologischer Botschaften. Indem Bisselius über Johannes’ Spiel mit dem Rebhuhn in

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quasi bukolischer Entspannung (vgl. V. 7) am Meeresstrand berichtet, scheint er ein auch apologetisch verwendbares Modell gefunden zu haben, mit dem das eigene Konzept der Frühlingsdichtung mit der betonten Hinwendung zu Flora und Fauna, zugleich die wechselnden inneren Haltungen des Autors und die thematische Vielfalt des Werkes insgesamt im Horizont der ordensspezifischen Anforderungen beglaubigt werden konnten. Die Anekdote fand auch in der Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts noch Widerhall, so z. B. in Wilhelm Raabes Erzählung Die Gänse von Bützow (zuerst erschienen 1866), Drittes Kapitel (Erzählungen. München 1963, S. 147). »Ich sehe in den Augenblicken, wo Sankt Johannes der Evangelist auf Patmos [!] mit seinem Rebhun spielte, auf den Brunnen meinem Fenster gegenüber. Auch Jean Paul ist Johannes, der beim Spiel mit dem Rebhuhn Erholung sucht, geläufig: »der heilige Johannes […], wenn er sich eine Spielstunde mit seinem zahmen Rebhuhn erlaubte.« (J.P.: Titan, 16. Zykel. Sämtliche Werke I,3. München 1961, S. 94.) Bemerkenswert der Vers noch bei Wilhelm Lehmann: »Mit seinem Rebhuhn spielt Johannes, der Evangelist.« (Ruhm des Daseins, V. 11. In: Ders.: Gesammelte Werke, Bd.1, Stuttgart 1982, S. 218). Die Gliederung der Darstellung entspricht der Überlieferung: 1–8

Der greise Johannes geht bei Ephesus am Ufer des Meeres spazieren, bis er sich an einer schattigen Stelle ausruht. 9–24 Ein Rebhuhn spielt in der Sonne und führt einen Tanz aus, woran Johannes seine Freude hat. 25–36 Das beobachtet ein Jäger und spricht den Greis darauf an; der erklärt, wie des Jägers Bogen nicht immer gespannt sei, bedürfe auch sein Geist der Entspannung.

IOANNES] Mit Johannes, dem Sohn des Zebedaeus und Bruder des Jacobus (Mk 1,19) identifiziert die Tradition – und mit ihr Bisselius – den Lieblingsjünger von Johannes 13,23ff., 19,26f., 20,2–8 und sieht in ihm den Verfasser des Johannes-Evangeliums, der Apokalypse und der 3 Johannes-Briefe; er sei unter Domitian nach Patmos verbannt worden (Tertullian, De praescriptione haereticorum 36,3; Eusebius, Historia Ecclesiastica 3,18,1) und habe dann bis zur Zeit Trajans in Ephesus gelebt (Irenaeus, Adversus haereses 3,3,4; Eusebius, H.E. 3,23,3f., 5,20,6), wo er in hohem Alter das Evangelium geschrieben habe (Irenaeus, Adversus haereses 3,1,2; Eusebius, H.E. 5,8,4). Während in diesem Gedicht der Aufenthalt in Ephesus vorausgesetzt ist, geht DV I,5 vom Aufenthalt auf Patmos aus. Cum Perdice] Bisselius setzt sich sowohl von antiken Texten zum Rebhuhn als auch von einer Texttradition ab, für die das Rebhuhn eine vor allem theologische Bedeutung hatte; in Frage kamen in dieser Beziehung Ovid, met. 8,236–259; wichtig das Ergebnis der Metamorphose 254ff.: Sed vigor ingenii quondam velocis in alas inque pedes abiit; nomen, quod et ante, remansit. Non tamen haec alte volucris sua corpora tollit

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Einführungen und Kommentare nec facit in ramis altoque cacumine nidos: propter humum volitat ponitque in saepibus ova antiquique memor metuit sublimia casus. Statius silv. 2,4,12f., 16: Huc doctae stipentur aves, quis nobile fandi ius natura dedit; … quique refert iungens iterata vocabula perdix,

Jer 17,11: Perdix fovit, quae non peperit; fecit divitias, et non in iudicio; in dimidio dierum suorum derelinquet eas, et in novissimo suo erit insipiens. (Luther: Denn gleich wie ein Vogel der sich uber eier setzt / vnd brütet sie nicht aus / Also ist der so vnrecht Gut samlet / Denn er mus dauon / wenn ers am wenigsten acht / vnd mus doch zu letzt spot dazu haben.) Ambrosius, epist. 7,40: 1. Clamavit perdix, congregavit, quae non peperit. Licet enim mihi de superioris fine epistulae sequentis mutuari exordium. Celeberrima quaestio; et ideo, ut possimus eam absolvere, quid de natura avis istius habeat historia, consideremus. Nam et hoc considerare non mediocris prudentiae est, siquidem et Salomon naturas cognovit animalium et locutus est de pecoribus et volatilibus et de reptilibus et de piscibus. 2. Dicitur itaque avis ista plena esse doli, fraudis, fallaciae, quae decipiendi venatoris vias calleat atque artes noverit, ut eum a pullis avertat suis, omniaque temptamenta versutiae non praetermittere, quo possit venantem abducere a nido et cubilibus suis. Certe si insistere adverterit, tamdiu illudit, quamdiu suboli fugiendi signum tribuat et potestatem. Quam ubi evasisse senserit, tunc se et ipsa subtrahit et lubrica arte deceptum insidiantem relinquit. 3. Fertur etiam promiscuae esse permixtionis, ut in feminas cum summo certamine mares irruant et vaga calescant libidine. Unde impurum et malivolum et fraudulentum animal adversario et circumscriptori generis humani fallacissimoque et impuritatis auctori conferendum putatur. Clamavit ergo perdix qui a perdendo nomen accepit, satanas ille qui Latine contrarius dicitur. Clamavit in Eva primum, clamavit in Cain, clamavit in Pharao, Dathan, Abiron, Chore. Caspar Dornau/Dornavius (1619/1995) zitiert in seinem einschlägigen Kompendium zum Lemma ›perdix‹ lediglich (S. 433–436) einen Passus aus Aldrovandis Vogelbuch (s. o.) sowie ein Epigramm (2 Distichen) von Caelius Calcagninus. Ephesinus] Nach Eusebius, H.E. 3,31,3 ist der Apostel Johannes in Ephesus gestorben. Ulysses Aldrovandus] Zu Aldrovandi s. unten zu I,12; hier ULYSSIS ALDROVANDI PHILOSOPHI ET MEDICI BONONIENSIS ORNITHOLOGIAE TOMVS ALTER. BONON[IAE] MDCXXXVII Liber XIII Caput XVII. Kapitel 17 trägt den Titel DE PERDICIBUS IN GENERE (S.103), wie üblich mit den Untertiteln AEQUIVOCA (S.107), SYNONYMA (S.108), GENERA. DIFFERENTIAE (S.109), LOCVS (S.110), ANATOMICA (S.111), SENSVS (S.111), ASTVS. DOCILITAS. Ingenium. (S.111), VOLATVS (S.115), VOX (S.116), AETAS (S.116), SALACITAS: COITVS (S.117),

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GENERATI. PARTVS (S.120), NIDVS, INCVBATVS, EXCLVSIO (S.120), EDVCATIO (S.121), CIBVS. SAGINATIO (S.122), PVGNA (S.123), ANTIPATHIA. SYMPATHIA (S.123), CAPIENDI RATIO (S.124), PRODIGIVM, AVGVRIVM (S.126), VSVS IN SACRIS (S.126), DENOMINATA (S.127), MYSTICA (S.128), MORALIA (S.129), HIEROGLYPHICA (S.130), APOPHTHEGMATA (S.131), EPIGRAMMA (S.131), EMBLEMA (S.131), VSVS IN CIBO (S.132), VSVS IN MEDICINA (S.134), PROVERBIA (S.135), ICONES (S.136), FABVLOSA (S.137). Dann folgt DE PERDICIBVS IN SPECIE et primum de Perdice Graeca Bellonij. Cap. XVII. Die gemeinte Stelle lautet (im Abschnitt APOPHTHEGMATA): Fulgosus de B[eato] Ioanne Euangelista elegantissimum recitat apophthegma, quo viuentem hominem innuit in negocijs perpetuò versari non posse, ita ne aliquando ocium non attingat. Cùm enim saepè animi recreand[i] causa sanctissimus ille vir cum Perdice luderet, eamque ob rem ab adolescente quodam amatore irrideretur, arbitrante parùm conuenire seni homini, qui sanctimoniae exemplum atque specimen esset vt ociosus cùm aue animi laxamentum quaereret. Ioannes pendere arcum ab eius humero conspicatus, petijt vt arcum tenderet. Quòd cùm egisset adolescens, saepiusque sagitasset, demum a Ioanne dimissus, arcum remisit. Tum Ioannes remittendi causam quaesiuit. Respondente autem adolescente, arcui funem se detraxisse, ne cùm vti eo necesse fuerit, sagittationi inutile non inueniat. Tunc Ioannes, et ego et caeteri honesto ocio interdum relaxamur, vt maioribus viribus orationi atque ieiunio sufficere possimus. Quod fieri non posset, si semper eodem tenore viueremus. Idem de Amasi rege narrat Herodianus [am Rand: liber 2]. Fulgosus] Baptista Fulgosus (Fregoso), Doge Genuas 1479–1481; schrieb in der Verbannung auf italienisch neun Bücher Exempla memorabilia nach dem Vorbild des Valerius Maximus, übersetzt ins Lateinische von Camilo Gilino. Mailand 1509. alij] Außer Herodian gibt Aldrovandi niemanden an. tumidis … Fluctibus] Vgl. Seneca, Herc.f. 551: consurgunt tumidis fluctibus aequora. 3 piscosa … spectacula] Nicht ganz logische Junktur wie Vergil, Aen. 4,253f.: circum / piscosos scopulos humilis volat aequora iuxta. 4 fracta membra] In der Konstruktion einfacher als Horaz, sat. 1,1,5: multo iam fractus membra labore. 5 Amazoniae … urbis] Viele äolische und ionische Griechenstädte, wie Smyrna und Ephesus, schrieben ihre Gründung den kleinasiatischen Amazonen zu. 6 Per scopulosa … confraga] Ähnlich Ambrosius, Explanatio psalmorum XII, ps. 1, cap. 24: dum ambulas, incidisti scopulosum et confragosum iter.

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6 vagos … ferre pedes] Vgl. Ovid, ars 3,418: saepe vagos ultra limina ferte pedes. Der Ausdruck, der bei Ovid der Aufforderung an die Frauen dient, die Öffentlichkeit außerhalb des Hauses zu suchen, hat bei Bisselius den neuzeitlichen Charakter des zur Erholung in der Natur unternommenen Ausflugs. 7 umbrosae … silvae] Vgl. Properz 1,20,7: umbrosae flumina silvae. 7 recubans ad murmura silvae] Vgl. Vergil, ecl. 1,1: recubans sub tegmine fagi. Die Musik, die Tityrus selbst in der idyllischen Szene bei Vergil auf der ›avena‹ macht, ertönt bei Bisselius ebenfalls: V.14 tanzt das Rebhuhn ad doctos … modos. 9 Apricari] Wie manche andere Formulierung ein Beleg für die Vorliebe des Bisselius für entlegenes Vokabular; vgl. Varro, sat. frg. 328: licet videre multos cotidie hieme in sole apricari. 9 caelo … sudo] Vgl. Plautus, Mil. 2: quam solis radii esse olim quom sudum est solent. 11 quis crederet?] Vgl. z. B. Ovid, trist. 3,9,1: hic quoque sunt igitur Graiae – quis crederet? – urbes. 13 cicurata] Sehr seltenes Wort; aus der Antike nur belegt Varro, ling. 7,5,91: apud Pacuvium: ›nulla res neque cicurare neque mederi potis est neque reficere‹. cicurare mansuefacere: quod enim a fero discretum, id dicitur cicur, et ideo dictum ›cicur ingenium optineo‹ mansuetum. 14 saltare ad … modos] Vgl. Livius 7,2,4: ad tibicinis modos saltantes. 14 doctos … modos] Zunächst wird ›doctus‹ auf die Person bezogen, Horaz, carm. 3,9,10: dulcis docta modos et citharae sciens, und Martial 6,71,2: Gaditanis ludere docta modis; erst von Paulinus Nolanus auf die ›modi‹ übertragen; carm. 15,34f.: mea solvere doctis / ora modis. 14 irrequieta] Auch dies ein recht seltenes Wort; vgl. Silius 3,352: Callaici coniunx obit irrequieta mariti. 17 assilit] Für Vogeltiere verwendet Columella 8,3: Neque enim debent ipsis nidis involare, ne, dum adsiliunt, pedibus ova confringant. 19 cinerescentis] Das Verb nicht vor Tertullian belegt, apol. 40: Olet adhuc incendio terra, et si qua illic arborum poma, conantur oculis tenus, ceterum contacta cinerescunt. 21 unguiculis] Die preziös wirkende Deminutivform bei Plautus, aber auch Lukrez 6,946f.: diditur in venas cibus omnis, auget alitque / corporis extremas quoque partis unguiculosque. 21 vestibus haerens] In anderem Sinn als hier bei Manilius 4,750f.: laxo Persis amictu / vestibus ipsa suis haerens Nilusque tumescens.

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23 nectit … dolos] Vgl. Seneca, Tro. 927f.: fare quos Ithacus dolos, / quae scelera nectat. 24 Obsequijs] Der Adler als das Symbol des Evangelisten Johannes, mit diesem identifiziert? 27 propiùs propiusque] Vgl. Seneca, De ira 3,42,4: propiusque ac propius accedit. 29 arcum … geris] Vgl. Ovid, trist. 5,7a,15f.: in quibus est nemo, qui non coryton et arcum / telaque vipereo lurida felle gerat. Der Bogen als Symbol innerer Anspannung hier nach der Anekdote der Legenda Aurea: s. o. in der Einleitung. 30 Hos … tende] Vgl. Ovid, met. 2,603f.: flexumque a cornibus arcum / tendit. 32 sagitta ruet] Das übliche Verb für die Bewegung des Pfeils ist volare oder Ableitungen; vgl. Lukan 7,511f.: inde sagittae, inde faces et saxa volant; Ammianus Marcellinus 31,15,11: emitterentur arcu sagittae, quae volitantes vires integras inservabant. 33 Nervum animi] Die Verbindung erst spät; vgl. Apuleius, De Platone et eius dogmate 2,21: inde est quod fortitudinem nervos animi ipsasque cervices ait; die Bedeutung ›geistige Haltung, Kraft‹ schon früher, s. u. Valerius Maximus. 33 concessa … otia] Ein geläufiges Wort in seltener Konstruktion und Junktur: Cyprianus Gallus Heptateuch, Levit. V. 254: quo cunctis concessa simul sunt otia rebus. 33 nervum solvo] Valerius Maximus 2,6,1: tenacissimos patriae nervos externarum deliciarum contagione solvi et hebetari noluerunt. 36 Perditur] Vgl. Ambrosius l.c. (s. hier im Vorspann): perdix qui a perdendo nomen accepit. 36 Hora Perit] Vgl. Martial 12,1,4: hora nec aestiva est nec tibi tota perit.

Zu Elegie I,4 (JE) Die vierte Elegie scheint zunächst die Funktion einer Exposition für die mehrteilige Elegie I,5 Maria in Sole auszuüben: Aus personaler, quasi autobiografischer Perspektive beschreibt der Dichter, wie er bei Sonnenaufgang in die Wallfahrtskirche gelangt, deren Wandmalereien in der folgenden Elegie Gegenstand der ausführlichen Ekphrasis werden. Der Prosavorspann legt Ort und Zeitpunkt, zumindest in Form der Tageszeit, für das folgende Gedicht fest, das somit als Naturgedicht ad hoc hinlänglich charakterisiert scheint: auctor … Solem votis advocat. – Doch der letzte Satz des Argumentum kontrastiert die scheinbare Einfachheit dieses Gedichts wesentlich: Hier ist ausdrücklich von zwei Sonnen die Rede,

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oder genauer: von zwei Sinnebenen, auf denen die Sonne betrachtet werden kann und soll, einer natürlichen, realen und einer figurativen, metaphorischen. Damit ist eine zusätzliche Bedeutungsschicht für die nachfolgenden Verse etabliert, die durchaus an traditionelle Auslegungsstrategien (etwa die gemäß des vierfachen Schriftsinns) anknüpft. Anhand dieses Deutungsmusters ist die Elegie zunächst in zwei Teile aufzuteilen: deren erster durch die Hinwendung des auctor zur realen Sonne der Morgendämmerung (V. 1–26), deren zweiter durch die Hinwendung zur übertragenen »Sonne« der Gottesmutter (V. 27–38) gekennzeichnet ist. – Nachdem die ersten beiden Distichen expositorisch die Situation des Sprechers in der morgendlichen Abgeschiedenheit des Waldes festgelegt haben, entwickelt sich im Folgenden eine an Ovids Amores (1,13) gemahnende Dialogsituation zwischen dem auctor und der Morgenröte (ähnlich DV I,21 mit einer Ansprache des Autors an die Drohnen): Suspiria (V. 5) und rauco labore (V. 6), Clamo (V. 7) und Clamanti (V. 8) markieren dabei die bittende oder fordernde Haltung des Sprechers, die offenbar kein Entgegenkommen findet (tardum, V. 5, Nequiquam, V. 6, nihilo plenior, V. 8). Der Adressat ist zunächst der Tag oder die Sonne, deren ›Reaktion‹, die Färbung verschiedener Partien des Himmels in den folgenden beiden Distichen (V. 9–12), mit einer Fülle von antikisierenden, teils preziösen Formulierungen beschrieben wird. Doch dann ruft der Sprecher sich zur Ordnung: Die Bezeichnung Dea (V. 12) für jene Morgenröte, die wenige Verse später als neue Adressatin erkennbar wird, scheint ihm unangemessen. Nach Art eines Syllogismus (V. 13: Divarum fallere non est. V. 14: Aurorae dolus est, ergo: Dea non est) folgert er dies aus der Treulosigkeit der Aurora, die nun gerade nicht den hellen Tag heraufführt, sondern ihn in Wolken hüllt (nubila, V. 22). In den folgenden Versen wird Aurorae dolus mit verschiedenen Argumenten belegt, die eine Variationsbreite von der rhetorischen Durchformung, wie die rhetorische Fragen in V. 17/18, bis zu juristischer Terminologie (V. 21: neuter venit ad Vadimonia) aufweisen. Die Quintessenz dieser an die pseudo-vergilischen Dirae erinnernden Passage ist, die Strahlen der Morgenröte als mendacia splendida gegenüber einer getäuschten Welt zu entlarven (V. 19/20). Abermals unterbricht sich der Sprecher und lässt vom Schimpfen über die reale Sonne ab, wobei seine Enttäuschung sich in gnomischen Formen und antikliebeselegischem Sprachgebrauch äußert (V. 24). Gegen den furor und die Megaera (V. 23) des enttäuschten Sonnenanbeters setzt er nun die »andere Sonne« (V. 26), die sich im Folgenden als die in der nahegelegenen Wallfahrtskirche verehrte Jungfrau Maria herausstellt. Damit ist mit harter Fügung der Übergang zum zweiten Teil geschaffen, der wiederum mit einer Veränderung des Ortes, dem Eintritt in die Kirche beginnt, um die Veränderung des inneren Standpunktes folgen zu lassen: Die Haltung des Sprechers ist wiederum eine bittende, wie die prostratio beim Eintritt in die Kirche (V. 30) deutlich macht: Doch hier wird sein Bitten erhört. Die Wandbemalung im Inneren des Heiligtums zeigt ihm statt des trügerischen Leuchtens der Aurora die Wahrheit der Offenbarung (V. 31/32), und nun verspürt er die Wärme, die er

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eben noch vermisst hat (V. 33: mens calet) und die zugleich die Wärme der dichterischen Inspiration ist (ebd.: historiam evolvere versu). Für die Umsetzung dieser Inspiration bittet er nun um die Hilfe der Gottesmutter und stellt abschließend das Verhältnis zwischen dem als heidnisch indizierten Licht der äußeren Welt (V. 37: Sol, Apollo) und dem geistigen Licht des in Maria verkörperten göttlichen, zugleich persönlichen Heils (V. 38: mea Lux) heraus. Die folgende Elegie wird somit als dichterische Ausformung (in Form der Ekphrasis) der in diesem Vorspann programmatisch gesetzten metaphysischen Hierarchie zwischen dem Licht göttlicher Offenbarung und dem (nur scheinbar wahren; vgl. Vorspann: verum!), in Wirklichkeit aber täuschenden ›natürlichen‹ Licht der Welt angekündigt. Ratisbonam … Confluentis Nabis et Danuvii] Die Mündung der Naab in die Donau nördlich von Regensburg. Deiparae religioni sacrum] Die seit 1352 bekannte Wallfahrtskirche von Mariaort, auf einer schmalen Landzunge am Zusammenfluss von Naab und Donau gelegen, ehemals zum Kloster St. Emmeram gehörig. Die Marienwallfahrt florierte v. a. im 17. Jahrhundert unter Bischof Albert IV. von Törring (Regensburg), zwei Gnadenbilder (ca. 1370) sind heute noch erhalten. Vgl. Dehio 1991, S. 296/297. Locum, vel Orth] Mariaort, seit 1192 belegt, heute Teil der Gemeinde Pettendorf im Landkreis Regensburg. naturalem … typicum … metaphoricum] Termini, die an die Praxis des mehrfachen Schriftsinns gemahnen (sensus litteralis, allegoricus, moralis, anagocius). Bisselius trennt freilich nur die literale von der figürlichen Ebene und gibt damit die Perspektiven für eine Deutung des Sol im folgenden Gedicht auf mehreren Ebenen vor. 2 Nabaeis … aquis] Ovid, Pont. 3,3,25/26. 4 Eoas … plagas] Statius, silv. 2,4,24/25: occidit aeriae celeberrima gloria gentis / psittacus, ille plagae viridis regnator Eoae? 5 Matutina … Phoebum] Lukrez 5,462–466. 5 Phoebum] ›Der Strahlende‹, Beiname Apollos als Gott des Lichts. 7 Surge … pinge!] Gleiches Wortmaterial findet sich in: Silius 11,453/454. Eine bewusste Kontrafaktur muss allerdings fraglich bleiben. 9–12 Pars caeli … Dea] Durch die verschiedenen Demonstrativpronomina gegliederte, mit antiken Anspielungen gesättigte Beschreibung des sich färbenden Morgenhimmels: an einigen Stellen schon goldgelb, an anderen noch in dunklem Purpur, während der Punkt des Sonnenaufgangs weiß erscheint. 9 Panchaeo auro] Von Panchaïa, einer legendären Insel vor der arabischen Ostküste, die besonders für seine Edelmetalle und Gewürze berühmt war: Vergil, georg. 2,139. Daher auch die Verbindung zum Myrrha-Mythos: Ovid, met. 10,476–480.

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10 Corycio … croco] Vom legendären specus Corycius, einem Tal bei der Kilikischen Stadt Korykos, das für seinen Krokus und daraus gewonnenen Safran berühmt war (Mela 1,13,2ff.). Daher war die Junktur antik sehr gängig: Horaz, sat. 2,4,67–69; Martial, 3,64,1/2. Bei Lukrez (2,414–421), ähnlich dieser Stelle, mit der Verbindung zu Panchaeos odores. – Corycius crocus und Panchaeus, die jeweils auch als Düfte konnotiert sein können, verleihen der Passage zusätzlich synästhetische Qualitäten. 11 Sarrano … Africo … ostro] Ostrum, der aus Purpurschnecken gewonnene Farbstoff, wird hier als »sarranisch« bezeichnet, von Sarra, dem alten Namen von Tyros, das für seine Purpurfärbereien berühmt war; andererseits als »afrikanisch«, karthagisch, noch präzisiert durch punicat, eine Verbalableitung von Poeni: ›Karthager‹. Karthago hatte als ursprünglich phönizische Kolonie die Purpurherstellung übernommen; die Begriffe sind wohl synonym zu verstehen. Zu Sarrano ostro: Vergil, georg. 2,505/506 mit dem Kommentar des Servius ad loc.; Columella, 10,286/287; Ausonius, eph. 7,19–21. – Ähnlich seltene Vokabeln begegnen bei der Marienerscheinung im folgenden Gedicht: I,5,4,19/20. 12 Diluitur … Dea] Alliterierend wird hier der eigentliche Ort des erhofften Sonnenaufgangs bezeichnet, gleichzeitig Aurora zum ersten Mal im Gedicht erwähnt. Die Doppeldeutigkeit des Verbs, ›zerfließen‹ aber auch ›vertrieben werden‹ (z. B. Ovid, ars 1,237/238), deutet auf die folgende Enttäuschung des Verfassers voraus. 12 niveo … lacte] Ovid, fast. 4,151; Tibull 3,2,20. 13f. Ah … fide] Die Alliteration verbindet Dea, Divarum und dolus und markiert so den Umschlag Auroras von einer »Himmlischen« in eine heidnische, trügerische Göttin, die nun namentlich genannt wird. Dazu passt die zunehmende Verwendung elegischer Sprache: 13 fallere non est] Ovid, epist. 2,63/64. 14 spem facit] Ovid, epist. 16,13/14. 15 Hyperiona] Der Sonnengott Hyperion als Personifikation des von Aurora angekündigten Sonnenaufgangs. 18 Iam … peplo?] Aurora wird hier als Person imaginiert: Wolken bilden ihren Peplos (Übergewand), das die fulgura der Sonne verbirgt. – Hier ist eine Anspielung auf das folgende Gedicht zu vermuten, in dem gerade nicht die Sonne verhüllt wird, sondern Maria als mulier amicta sole dem Johannes erscheint: I,5, Argumentum und Teilelegie 4,15–26. 19 Pace tua dicam!] Gängige captatio benevolentiae der antiken Rhetorik. Z. B. Cicero, Marcell. 4, Mil. 103. 20 tuque tuusque nitor] Vergil, Aen. 4,94: Junos ironischer Kommentar gegenüber Venus: tuque puerque tuus: magnum et memorabile nomen.

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21 non venit ad Vadimonia Lucis] Vadimonium als juristischer terminus technicus für einen vereinbarten Gerichtstermin. Vgl. Cicero, Quinct. 52, passim. Hier preziös für den tatsächlichen Sonnenaufgang. 23 Quid precer iratus?] Ovid, am. 1,12,29/30. 23 Megaeram] Die Furie des Zorns. Vgl. Vergil, Aen. 12,846. 24 Omnis … furit] Paraphrase des elegischen Topos vom Zürnen der verschmähten Liebe. Vgl. z. B. Ovid, epist. 4,148: saevit Amor. 25 Imprecor] Nimmt precer (23) wieder auf. – Gängig mit Objekt: ›jmdm. etwas Böses wünschen‹. Vgl. Vergil, Aen. 4,628/629: litora litoribus contraria, fluctibus undas / Imprecor, arma armis: pugnent ipsique nepotesque. Hier absolut: ›verwünschen‹. 25 Titan] Der Sonnengott. 26 Solem … dabunt] Spielerische variatio zwischen Sol und Astra, die synonym gebraucht werden können (vgl. Vergil, Aen. 6,725: Titania astra). Hier letztere wohl metonymisch für den Himmel aufzufassen, damit metaphorisch für die göttliche Macht, zu der im Folgenden übergeleitet wird. 26 Solem alium] Anspielung auf die Nebensonnen, die auch den motivisch-allegorischen Rahmen für Bisselius’ Widmungsvorrede an Abt Urban von Admont abgeben. Vgl. dort. 28 Horridus … Locus] Überbietung von Ovid, fast. 3,264: est locus, antiqua religione sacer. – Gleichzeitig doppelte Bedeutung von Locus als Ort der Kirche und Ortsname (Mariaort). 29 Ante fores, Mariae effigies] Eines der beiden Gnadenbilder, das steinerne, das an der Außenwand angebracht war. 31 paries … doctus] Preziöse Formulierung für den »lehrreichen« Schmuck des Kircheninnenraums, die in der folgenden Elegie (I,5) mit einer ausführlichen Ekphrasis bedachten Wandgemälde mit der Darstellung der Offenbarung. Es handelt sich wohl um gotischen Wandschmuck, der die fast vollständige barocke Neugestaltung der Wallfahrtskirche 1774–1776 nicht überstanden hat. 31 varia ab imagine] Vergil, Aen. 12,665/666. 32 Patmaei exilium Vatis] Johannes, Verfasser der Apokalypse, hier bereits als »Prophet« präzisiert. Er wurde wohl zur Regierungszeit Domitians (81–96) auf die griech. Insel Patmos verbannt, wo er seine Visionen niederschrieb, die schließlich (wenngleich nicht unumstritten) als letztes Buch in den Kanon der Bibel aufgenommen wurden. Vgl. Elegie I,5. In Mittelalter und Früher Neuzeit wurde er als mit dem Evangelisten Johannes weitgehend identisch vorgestellt, so dass I,1, 3, 4 u. 5 eine Reihe von Johannes-Gedichten bilden. 34 Huc ades!] Formel bei der Anrufung göttlichen Beistandes, u. a. Vergil, ecl. 2,45; Tibull 1,7.

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34 Nympha] In der ursprünglichen Bedeutung des griechischen Wortes, ›junge Frau‹, hier auf die Jungfrau Maria bezogen. 35 Nympha, decus caeli] Vergil, Aen. 12,142. 36 Thalia] Thalia, eigentlich die Muse des komischen Theaters, wird von Bisselius immer wieder als ›seine‹ Muse angesprochen. Vgl. I,3,12; I,18,1,2; I,23,17; II,5,26; II,8,1,1; II,9,3,15; I,17,3,14; III,3,13; III,12,1; III,19,1 passim und Teilelegie 4,25. – Das Titelkupfer weist die Bezeichnung Thalia eindeutig der Gottesmutter, die DV also der geistlich-marianischen Dichtung zu. 37 Si … ausum] Fortsetzung des Werbens um göttlichen Beistand durch Kontrastierung mit denjenigen Mächten, die keine Hilfe bringen. Vgl. Vergil, Aen. 10,457–459: hunc ubi contiguum missae fore credidit hastae, / ire prior Pallas, siqua fors adiuvet ausum / viribus imparibus, magnumque ita ad aethera fatur: – Hier ist es der (heidnische) Sonnengott, der in zwei Aspekte geteilt erscheint: Sol, der römische Sonnengott als eine weitere Personifikation der Sonne; Apollo, einerseits als Gott des Lichts mehr oder weniger mit Titan/Sol identisch aufzufassen, andererseits spielt er hier auch als Personifikation der Dichtkunst eine Rolle: Er, der vorchristliche Gott, ist gerade nicht derjenige, der bei dem Unternehmen des Dichters (V. 33: historiam evolvere versu) helfen soll, sondern die Gottesmutter (s. V. 38). 38 mea Lux] Gängiges Epitheton der elegischen Dichtung (z. B. Ovid, am. 1,8; 2,17; Properz 2,14,29; 2,29,1). Hier fügt es sich zugleich in den Licht-Diskurs ein, der in variierten Formulierungen das Gedicht strukturiert, und lädt ihn unmissverständlich religiös auf: Maria als das Licht des Heils, das durch mea als das vom Verfasser angestrebte kenntlich wird. 38 adde diem] Der (nunmehr religiös allegorisierte) Sonnenaufgang wird in die Macht der Maria als Heilsbringerin gestellt. Gleichzeitig ist der Aufruf als Bitte des Dichters um Inspiration u. dgl. schon antik. Vgl. Ovid, fast. 6,725/726 (dessen Bitte leider wohl nicht erhört wurde): Iam sex et totidem luces de mense supersunt, / Huic unum numero tu tamen adde diem.

Zu Elegie I,5 (JE) Im direkten Anschluss an die Anrufung Mariens durch den Dichter (s. Ende Elegie I,4) folgt nun in der fünften Elegie die ekphrastische Poetisierung jener Fresken, die der Wanderer der vierten Elegie in Maria Orth betrachtet. Bisselius begibt sich mit dem Bezug auf den Apokalyptiker Johannes, den er nach altkirchlicher Lehre (Justin, Clemens v. Alexandrien, Origenes) mit dem Evangelisten identifiziert, auf ein seit der Reformation immer wieder heiß umkämpftes Diskursfeld, in dem es um nichts Geringeres geht als die Auslegung der Offenbarung. Erwartungsgemäß setzt er sich von den meisten lutherischen Exegeten ab, die sowohl den Drachen als auch den Antichristen der johanneischen Vision

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meist im römischen Papsttum erblickten, doch stützt er sich ebensowenig auf polemische (Bellarmin, Suárez) oder historische Ausleger der Gesellschaft Jesu, seien sie nun präteristisch (Ludovico de Alcázar: Vestigatio Arcani Sensus in Apocalypsi, Antwerpen 1614) oder futuristisch orientiert (Francisco Ribera: In sacram Beati Johannis Apostoli & Evangelistae Apocalypsin Commentarij, Lyon 1592). Vielmehr bezieht er sich, wie bereits das Argumentum deutlich macht, auf die Deutung aus einer Predigt Bernhards von Clairvaux zu Mariä Himmelfahrt, in welcher der Kirchenlehrer das apokalyptische Weib mit der Jungfrau Maria identifiziert (s. u., Kommentar). Diese Frauengestalt der mulier amicta sole (Offb 12,1) bildet auch das einzige Element, das Bisselius der Offenbarung entnimmt, zugleich stellt sie, bzw. die sie umgebende Sonne, den Bezug zum Kontext der Frühlingselegien her. Im innerfiktionalen Zusammenhang der vierten Elegie dürften die fünf Teilelegien jeweils fünf Abbildungen oder Bildteilen dessen entsprechen, was in der Wallfahrtskapelle die Wände geziert hat, dem »äußeren« Blick des Betrachters entspricht der »innere« Blick und v. a. die Blickrichtung des bereits greisen (Teilelegie 5,18: Senex) Johannes. So zeigt das erste Gedicht ekphrastisch (describitur bereits im Titel) die Insel Patmos in ihrer geografischen Lage sowie die näheren kargen Lebensumstände des Johannes und seines Dieners. Sowohl der konventionelle Adler als auch der Schreiber hinter einem Vorhang ist jeweils bildlichen Darstellungen verpflichtet (s. etwa LCI, Bd. 7, Sp. 111–113 u. 121), das Rebhuhn dagegen entstammt der Legendarik (s. o. zu DV I,3). – Die zweite, sehr kurze Teilelegie evoziert nun umgekehrt den Blick des Johannes in die Weite, wobei durch preziöses, teils antiker Exildichtung entstammendes Vokabular Johannes einerseits poetologisch als der Dichter-Seher (Schwäne), andererseits durch den Blick auf einen Hirten als Visionär des »guten Hirten« Christus gekennzeichnet wird. Letztere Strategie ähnelt strukturell dem christologischen Verfahren der Daphnis-Lieder Friedrich Spees (Spee, Trutz-Nachtigal, Nr. 30–50; s. dazu Eicheldinger 1991, S. 287–316, Rémi 2006, S. 75–213) – Doch die spectacula, mithin das innerweltliche Theater der zweiten Teilelegie reicht Johannes nicht aus, er richtet den Blick nun gen Himmel und fordert geradezu im Gebet die göttliche Offenbarung, wobei er in die Analogie zum frommen Wanderer der vierten Elegie rückt, der ebenfalls von einem Unwetter heimgesucht wird und ebenfalls das geistliche Licht begehrt, nachdem er das weltliche als trügerisch erkannt hat. – Die letzten beiden Teilelegien bilden insofern eine Einheit, als sich nun die Schau des apokalyptischen Weibes ereignet (4), und Johannes diese geradezu philologisch korrekt, nämlich unter Rückgriff auf sibyllinische Schriften, auslegt. Somit nutzt Bisselius die marianische Deutung des apokalyptischen (Teil-)Geschehens nicht nur für sein Poem, sondern lässt seinen Johannes eine solche performativ vollziehen. Dass er dabei ausgerechnet Sibyllinae arcae (5,3) hinzuzieht, dürfte als Bisselius’ Kommentar zur zeitgenössischen Diskussion um die Echtheit der ›Sibyllinischen Weissagungen‹ zu lesen sein: Bereits Ende des 16. Jahrhunderts hatte Johannes Opsopoeus sie mit philologischen Mitteln radikal in Frage gestellt (dazu nun EH, Abt. 1, Bd. 3, S. 242–276), nachdem Sebastian Castellio 1546 eine lateinische Übersetzung vorgelegt hatte. Die Diskussion,

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aufs engste verschränkt mit einer christianisierenden Deutung von Vergils vierter Ecloge, dauerte bis ins 17. Jahrhundert an, wobei jesuitische Gelehrte wie Antonio Possevino oder Pierre-Daniel Huet sich mehrheitlich für die Echtheit der Orakel aussprachen (vgl. dazu Häfner 2003, S. 254–265 und, speziell zu jesuitischen Deutungen, S. 291–304). Ebenso auf aktuelle, nun astronomisch-kosmologische, Diskussionen dürfte die scharfe Absage gemünzt sein, die Johannes der gens Pharia (Teilelegie 5,16), also den Himmelsbeobachtern, hier v. a. Galileo, erteilt und ihnen die Gottesmutter als einzig gangbaren Weg zu göttlicher Erkenntnis empfiehlt (ebd., V. 15/16). Ein in direkter Rede abgefasstes emphatisches Bekenntnis zur Marienfrömmigkeit, bei der die Personen des Johannes, des betrachtenden Wanderers aus der vierten Elegie und des Dichters Bisselius nahezu ineins fallen, beschließt die Elegie. Divus IOANNES Evangelista] Vgl. auch DV I,3f. Zebedaei filiorum minor] Vgl. Mt 4,21: et procedens inde vidit [Iesus] alios duos fratres Iacobum Zebedaei et Iohannem fratrem eius in navi cum Zebedaeo patre eorum. Domitiani … tyrannide] Bisselius folgt der traditionellen Datierung der Apocalypse um das Jahr 95, also in die Herrschaft Domitians (81–96); vgl. Irenaeus, Adv. haer. 5,30,3; Eusebius, H.E. 3,17–21. quas Cycladas appellamus] Patmos gehört nicht zu den Kykladen, sondern zu den Sporaden. Vgl. Hygin, fab. 276,5: Cyclades insulae sunt novem, id est Andros, Myconos, Delos, Tenos, Naxos, Seriphus, Gyarus, Paros, Rhenia. Próchoro] Prochorus, der Schreiber des Johannes, später Bischof von Nikomedia und Märtyrer der frühen Christenheit, biblisch belegt in Apg 6,5; vgl. Art. ›Prochoros‹. In: Bautz, Bd. 24 (2005), Sp. 1185 (Ekkart Sauser). alii Christianam ecclesiam] Diese Deutung wurde von, teils chiliastisch geprägten, protestantischen Exegeten und, als Reaktion auf diese, von altgläubigen historisierenden Deutungen (Ribera, Alcázar, s. Vorspann) favorisiert. Vgl. dazu Barnes 1988; Smolinsky 2000. In der Dichtung der Gesellschaft Jesu findet sich eine solche ApocalypseAuslegung prominent bei Jacob Bidermann, Heroidum Epistulae, S. 108–116: Ecclesia militans triumphanti; zu diesem und dem bei Bidermann folgenden Ecclesia-Brief jetzt ausführlich Eickmeyer 2012, Kap. 3.2.1.3. alii … MARIAM] S. das folgende Lemma. auctore magno divo Bernardo] Bernhard v. Clairvaux: Sermo in dominica infra octavam assumptionis beatae Mariae virginis. In: Bernardi Opera, Bd. 5 (1968), S. 263–265: Putasne ipsa est sole amicta mulier? Esto siquidem, ut de praesenti Ecclesia id intelligendum propheticae visionis series ipsa demonstret; sed id plane non inconvenienter Mariae videbitur attribuendum Nimirum ea est, quae velut alterum solem induit sibi. Quemadmodum enim

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ille super bonos et malos indifferenter oritur, sic ipsa quoque praeterita non discutit merita, sed omnibus sese exorabilem, omnibus clementissimam praebet, omnium denique necessitates amplissimo quodam miseratur affectu Nam et defectus omnis sub ea, et quidquid fragilitatis seu corruptionis est, excellentissima quadam sublimitate prae ceteris omnibus excedit et supergreditur creaturis, ut merito sub pedibus eius luna esse dicatur. […] Denique et continuo per Herodem draco insidiatus est parienti, ut nascentem excipiens filium devoraret, quod inimicitiae essent inter semen mulieris et draconis; deutsch in Bernhard, Sämtliche Werke, Bd. 8 (1997), S. 597–601. Die Kirche identifiziert Bernhard hingegen mit dem Mond, da sie ihre Erleuchtung von der ›Lichtquelle‹ Mariens her beziehe (Opera, Bd. 5, S. 265): Iam si Ecclesia lunae magis videtur intelligenda vocabulo, quod videlicet non ex se splendeat, sed ab eo qui dicit: SINE ME NIHIL POTESTIS FACERE, habes mediatricem, quam tibi paulo ante commendavimus, evidenter expressam. MULIER, inquit, AMICTA SOLE, ET LUNA SUB PEDIBUS EIUS: Deutsch, Werke, Bd. 8 (1997), S. 601. Et signum … ad thronum ejus] Offb 12,1f. u. 5.

Zu I,5,1 2 Scythicus] Die Skythen, ein iranisches Volk von Reitern und Viehzüchtern, waren als Bogenschützen berühmt; die Junktur Scythicus … vomer (wohl als Adynaton) ohne Parallele. Vgl. unten V. 26, 5 Zebedaeides] Neubildung des Patronymikons, nach dem Muster etwa des aus dem Griechischen übernommenen Atrides; vgl. Properz 3,7,23. 6 Icarias … aquas] Vgl. Ovid, fast. 4,281–284: Cyclades excipiunt, Lesbo post terga relicta, / quaeque Carysteis frangitur unda vadis; / transit et Icarium, lapsas ubi perdidit alas / Icarus, et vastae nomina fecit aquae. – S. u. zu V. 9. 7 Portae … Latinae] Tor Roms in der Aurelianischen Mauer, durch die die via Latina in südöstlicher Richtung verläuft. Hier wurde gemäß der Legende Johannes auf Befehl Domitians in einen Kessel mit siedendem Öl geworfen, das dem Jünger jedoch nichts anhaben konnte (Tertullian, De praescriptione haereticorum 36,3). – Berühmt ist ewa die bildliche Darstellung der Martyriums in Albrecht Dürers Holzschnitt-Zyklus Apocalipsis cum figuris von 1498 (hier der zweite Schnitt). 9 Myrtoa procella] Myrtoum mare: Teil der Ägäis zwischen Kreta und Euboia; vgl. Plinius nat. 4,71: Cyclades et Sporades ab oriente litoribus Icariis Asiae, ab occidente Myrtois Atticae, a septentrione Aegaeo mari, a meridie Cretico et Carpathio inclusae […]. 14 Theti] Thetis, eine Nereide, Gemahlin des Peleus und Mutter Achills; hier metonymisch für das Meer.

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19 Cerealia pabula] Ceres, die Göttin des Feldbaus, steht für Getreide; die Junktur hat damit, anders als Cerealia semina (Ovid, met. 1,123) oder dona (ebd., 11,122) etwas Pleonastisches. 25 cana … absinthia] Vgl. Ovid, trist. 5,13,21: cana prius gelido desint absinthia Ponto. 26 protulerant … opes] Ironische Wendung, wobei des Plusquamperfekt metri causa gesetzt sein dürfte. Die Scythica fertilitas stellt eine Verbindung zu V. 2 her, jedoch ironisch: Denn eine »skythische« Fruchtbarkeit stelle ja ein Paradox dar. 30 Perdix] S. DV I,3. 31 Melanaeetus] Variante metri causa für melanaetos; vgl. Plinius, nat. 10,6: melanaetos a Graecis dicta, eadem leporaria, minima magnitudine, viribus praecipua, colore nigricans, sola aquilarum fetus suos alit – ceterae, ut dicemus, fugant –, sola sine clangore, sine murmuratione. – Der Adler ist das Symbol des Evangelisten Johannes. 32 (Facta … erant)] Eine geradezu ikonografische Aufwertung des Christentums gegenüber heidnischem Polytheismus, zugleich starke Mythenkritik. 33 Achates] Gefährte des Aeneas und von sprichwörtlicher Treue; vgl. z. B. Vergil, Aen. 6,158: fidus Achates. 36 memori … libro] Es dürfte das Evangelium gemeint sein, vielleicht auch, proleptisch, Johannes’ Vision, mithin die Offenbarung. 37 Heros] Auffallend antikisierende, aber nicht abwegige Bezeichnung für den durch den Adler begleiteten und symbolisierten Jünger. 37f. coenantis … Numinis] Anspielung auf die Sacra cena, die nun Apokalyptiker, Evangelisten und Jesu Lieblingsjünger identifiziert; vgl. Joh 13,23: Erat ergo recumbens unus ex discipulis eius in sinu Iesu, quem diligebat Iesus. 40 Dubium … opus] Meint wohl die Offenbarung, die insofern »unsicher« ist, als sie noch des auslegenden Momentes, der Frauenerscheinung nämlich, bedarf.

Zu I,5,2 spectacula] S. u., zu Teilelegie 3,6. 4 Odrysiô] Die Odrysen waren der mächtigste Stammesverband unter den Thrakern. 5 Colophonidas] Adjektivbildung nach Colophon, einer lydischen Hafenstadt; hier preziös mit den Enten verbunden. Vgl. prominent Horaz, epist. 1,1,1–3: Quid tibi visa Chios, Bullati, notaque Lesbos, / quid concinna Samos, quid Croesi regia Sardis, / Zmyrna quid et Colophon?

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8 Caystraeis] Nach dem Fluss Kaystros, an dessen »asischen« Wiesen sich Scharen von Schwänen niederlassen (Mela 1,17,2). – Vgl. Ovid, trist. 5,1,11–13, wo der Schwan zum Vergleichsobjekt des sinnenden (wie Johannes) exilierten Dichters wird: utque iacens ripa deflere Caystrius ales / dicitur ore suam deficiente necem, / sic ego … – Sehr preziös scheint, dass Schwäne und Enten hier zu Seevögeln werden! 8 vesca per arva] Metaphorisch für die unfruchtbare See. Klanglich ähnlich Ovid, fast. 3,446. 10 Thyrsidis] Thyrsis, ein Schäfer in Vergils siebenter Ecloge, hier als Typus des Hirten schlechthin. 11 modulatus arundine carmen] Ovid, met. 11,154 (von Pan): et leve cerata modulatur harundine carmen; Silius 14,471f. (von Daphnis): ille ubi septena modulatus harundine carmen / mulcebat silvas. 13 Exulis] Hier wird Johannes explizit ein Verbannter genannt, was bereits Anspielungen auf antike Exildichtung insinuiert haben (s. o. zu V. 8); zugleich kann eine Ausgeschlossenheit im geistlichen Sinne gemeint sein, die in den folgenden Teilelegien schwinden wird.

Zu I,5,3 2 sidera] Vielleicht eine proleptische Anspielung auf die zwölf Sterne in Offb 12,1. 3 Huc, … huc] Die Wiederholung unterstreicht die Aufwertung der himmlischen gegenüber der irdischen Sphäre, welche die zweite Teilelegie präsentierte. 6 Summa … amphitheatra] Höchst preziös für das sphärisch gedachte Himmelsgewölbe, zugleich durch die Wertung im Summa ein kontrastierender Rückbezug auf die spectacula im Titel der zweiten Teilelegie. Vgl. auch unten Teilelegie 4,6. 10 Argolicô … freto] Metonymisch für die Ägäis. 10 Plejas] Pars pro toto für das sprichwörtlich Regen bringende Siebengestirn; in den DV auch in I,1,3,2 und I,21,30. 11 Cauro] Nordwestwind; s. u. I,8,8. 13 Pande, Pater, Coelum] Als doppelte adressatio oder Coelum als Objekt zu pandere zu lesen. Die erste wörtliche Rede des Johannes, analog zum Gebet des Wanderers in Elegie I,4; vgl. auch unten, Teilelegie 5,4f. – Der Wunsch gemahnt an Friedrich Spees berühmtes Kirchenlied O Heiland, reiß die Himmel auf. 13 Vates] Zum ersten Mal wird Johannes im Gedicht explizit als Seher bezeichnet, mit diesem Gebet beginnt also seine Vision.

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15 Tonantem] Hier nicht nur konventionalisierte, sondern situativ angemessene Bezeichnung für den christlichen Gott. 16f. Scilicet … sinu] Allgemeine Sentenz, die einerseits das fortwährende Gebet in der Andachtspraxis (auch für den Leser!) aufwertet, andererseits reflexiv auch die in I,4 angekündigte Dichtung als Form der Andacht rechtfertigt.

Zu I,5,4 spectaculis gratior] S. o. den Titel der zweiten Teilelegie. 1 Flebat adhuc.] Ein der elegischen Tradition inhaltlich entsprechender Verseingang; als Similie bei Valerius Flaccus 8,205. 6 Mundi scena retecta] Theatralische Metaphorik (vgl. oben, Teilelegie 2, Teilelegie 3,6 sowie den Titel der vierten Teilelegie) wird – im Anschluss an die barocke Vorstellung vom theatrum mundi – aufgegriffen, um nun die Umwertung der Welt durch das göttliche Licht zu dokumentieren. 8 Dorica regna] Metonymisch für die griechischen Inseln, die im Folgenden genannt werden. 9f. Claros … Paros … Naxos … Seriphos … Cos … Lesbos … Samos … Chios] Paros, Naxos und Seriphos repräsentieren die eingangs der Elegie erwähnten Kykladen, doch der klare Blick des Sehers reicht bis an die kleinasiatische Küste, wo Lesbos, Samos, Kos und Chios liegen (und damit de facto Patmos tatsächlich näher). Einzig Claros bleibt unklar: Entweder ist die kleinasiatische Stadt gemeint oder es liegt eine Verwechslung mit der Kyklade Keos vor. 11 Delos … fundo] Die mythisch schwimmende Insel Delos, »Zentrum« der Kykladen, scheint nun im göttlichen Lichte gar gefestigt. Zugleich mag eine Anspielung auf den antiken Licht-Gott Apoll vorliegen. Eines seiner Hauptheiligtümer befand sich auf Delos. Der »feste Grund« wäre dann, abermals subtil mythenkritisch, der christliche gegenüber dem heidnischem Gott; vgl. auch Phoebus und Hyperion im voraufgehenden Gedicht: I,4,5 u. 15. 12 Ortygios … tholos] Das auf sie sizilische Insel Ortygia deutende Adjektiv hier gleichbedeutend mit ›delisch‹. 13 spectacula] S. den Titel dieser Teilelegie sowie oben Teilelegie 2, dagegen Teilelegie 3,6. 14 COELUM … putat.] Gnomische Aussage, die mit Rückbezug auf Elegie I,4 die bekannte Aufwertung des Himmlischen abermals betont. 19 Arimaspaeô] Preziös für eine besonders exotische Völkerschaft, aus deren Gold des Gewand der Jungfrau gewirkt ist. 20 tiara] Hieronymus, Commentarium in David 1,3 erklärt: ›tiara‹ autem verbum Graecum est, et usu versum in Latinum – de quo et Vergilius (Aen. 7,247): …

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sceptrumque sacerque tiaras –; est autem genus pileoli, quo Persarum Chaldaeorumque gens utitur. – Im AT heißt die Kopfbedeckung der Priester tiara; Ex 29,6: et pones tiaram in capite eius (sc. Aaron) et lamminam sanctam super tiaram. Vgl. auch Beda Venerabilis, De tabernaculo 3: Tiara namque quae et cidaris et mitra vocabatur tegebat et ornabat pontifices, ut hoc indumento ammoneretur omnes capitis sensus Deo consecratos habere. 15–26] Amplifizierende und auf Marienikonografie konzentrierte Poetisierung von Offb 12,1–6. 16 Sophus] Steigernd zu Teilelegie 2,13: Vates. 23 Ilithyiam] Ilithyia, die Göttin der Geburtshilfe; vgl. Horaz, carm. saec. 14; Ovid, am. 2,13,21 und met. 9,283. 26 anguineae famis] Einzige Anspielung auf den Drachen der Apocalypse, zugleich Rekurs auf die Schlange unter den Füßen der Himmelskönigin Maria, wie sie aus unzähligen bildlichen Darstellungen geläufig und in der heilsgeschichtlichen Dogmatik eminent wichtig ist (s. Art ›Das Marienbild des Barock‹. In: LCI, Bd. 3, Sp. 199–206 [Martin Lechner], hier v. a. Sp. 199/200 zu ›Maria vom Siege‹ sowie die Abb. 23 ebd., Sp. 196).

Zu I,5,5 1 dubius] S. Teilelegie 1,40. Die Offenbarung scheint erst mit der nun folgenden Deutung wirklich abgeschlossen zu sein. 3 Sibyllinae … arcae] Gemeint sind wohl die sog. Sibyllinischen Orakel, eine spätantike Sammlung angeblich heidnischer, christlich überformter Prophezeiungen. Die hier an Johannes gezeigte direkte Rezeption der Orakel und ihr Nutzen für die Deutung seiner Vision plädieren eindeutig für ihre Echtheit; zur philologischen, auch konfessionell aufgeladenen, Diskussion über die Oracula Sibyllina s. die Bemerkungen oben im Vorspann. 4 Mox, Agnosco] Beginn der zweiten wörtlichen Rede des Johannes, in der er nach dem Gebet nun zur Erkenntnis Mariens gelangt. 4f. Ea … Mea … MARIA] Schrittweise, ja lautweise voranschreitende Annäherung an die Identifikation der Frauengestalt. 7f. Illa … mihi rutilet] Die anaphorische Wiederholung unterstreicht die immerwährende und damit wahre Sonnenhaftigkeit Mariens. 15 mathematicis nova … astra dioptris] Eine, Johannes nur in den Mund gelegte, Kritik an astronomischen Entdeckungen zur Zeit des Bisselius: Galileo hatte ja durch sein exakteres Teleskop »neue« Sterne entdeckt bzw. sichtbar gemacht (auch in der Milchstraße; vgl. den Folgevers!). Diese Deutung liegt umso näher, da Bisselius verschiedentlich in den DV mehr oder minder versteckt auf Galileo anspielt; vgl. I,17,2,17 und II,10,6,27/28.

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16 Gens Pharia] Kein Druckfehler, während eigentlich das Volk von Paros gemeint ist; vielmehr eine mit der Metaphorik des Leuchtturms spielende Bezeichnung für die Astronomen, wiederum zur Zeit des Bisselius: Von hohen Türmen, ›Obervatorien‹ aus, treffen diese ihre irrigen Beobachtungen, die nur dem weltlichen »Theater« verhaftet bleiben. 16 Matre … Lactea … via] Um sein wissenschaftskritisches Argument abzuschließen, lässt Bisselius Johannes das astronomische Phänomen der Milchstraße, assoziativ Milch mit der Mutter verbindend, auf Maria wenden. Zugleich muss man eine mehrfache Bedeutung von via annehmen, die nicht nur die antike Galaxis meint, sondern auch die Vermittlerrolle der Gottesmutter zwischen Mensch und Christus unterstreicht (vgl. das berühmte Jesuswort Joh 14,6). 18 casto amore] Die Formulierung betont, dass Johannes in geistlicher Liebe entbrannt ist, durch die er die Offenbarung nun schreiben kann (s. die folgenden Verse). 20 arcanis libris] Nun setzt Johannes zum Verfassen der Apocalypse an, die bei Bisselius auf eine mariologische Essenz reduziert erscheint. 22 Patme (ait) et … Cyclades] Mit der direkten Apostrophe an seinen Aufenthaltsort leitet Johannes sein das Gedicht abschließendes Marienlob ein. 25 MATREM … MATREM] Die effektvolle repetitio und die Hervorhebung der Versalien lassen keinen Zweifel am Preis der Gottesmutter. So schließt sich zugleich der Bogen zur Elegie I,4: Die imaginierte Ekphrasis des Dichters aus der vierten Elegie schließt ebenso mit einem Marienlob, nun aus dem Munde des Johannes, wie die vierte Elegie selbst. 26 Patriae dimidium] Patria meint hier sicherlich nicht Galiläa als vormalige oder gar Ephesus als zukünftige Heimstatt des Johannes, sondern das ›Reich des Vaters‹, den Himmel also, den die Vermittlung Marias dem Propheten bereits zur Hälfte gesichert hat.

Zu Elegie I,6 (LC/WK) Mit dieser Elegie schließt Bisselius im Blick auf den erlaubten Müßiggang und die gebotene Entspannung von den Studien thematisch an I,3 an. Auch an anderen Stellen im Werk evoziert er das Erlebnis eines Ausflugs in die Natur (z. B. II,14; 17,2; III,1 u. 9; 13f. u. 18). Hier dominiert der Genuss des freundlich-lauen Frühlingswindes, des seit der Antike in so gut wie allen Frühlingsschilderungen gern berufenen Zephyrs bzw. Favonius (im Bayerischen vielleicht mit »Föhn« assoziiert), dies gewiss unter anderem in Erinnerung an Horazens archetypische Frühlingsode (carm. 1,4): Solvitur acris hiems grata vice veris et Favoni. Bemerkenswert ist des Dichters genaue und sensible Schilderung der sensuellen Eindrü-

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cke (V. 19–24), bemerkenswert auch der Appell an die Freunde (im Munde des Zephyrs), die Annehmlichkeiten des Augenblicks zu genießen (V. 29: Festinate frui), und damit die demonstrative Enthaltsamkeit des Dichters von allen genuin christlich-erbaulichen Zügen. Gliederung und Inhalt: 1–6

Der Autor und eine Gruppe Sodales trefffen auf eine amoene Szenerie: See und bewaldeter Hügel bieten Ruhe und Erholung von den gelehrten Studien; deshalb Aufforderung, sich niederzulassen. 7–14 Ein Teil des Schnees ist bereits geschmolzen, so daß man trockene Sitzplätze finden kann, den Rest wird die kommende Wärme auflösen, eine freudige Erwartung; denn alles deutet auf den kommenden Frühling hin. 15–24 Aufforderung an die Gefährten, (pandite V.15) sich dem sanften Wehen des Zephyrs zu öffnen, (aspicite V.19) zu bemerken, wie dieser die Oberfläche des Sees kräuselt und (aspicite V.21) wie er in den Bäumen spielt. 25–30 Zephyr selber kündet an, den warmen Frühling zu bringen und fordert die Sterblichen auf, die schnell vorübergehenden glücklichen Stunden zu genießen. 31–32 Mit diesen Worten schwindet Zephyr dahin.

ZEPHYRVS, seu FAVONIVS] Zephyrus seit Homer geläufig für den Westwind, in Italien sanft und lau, rein lateinisch Favonius. 1 Tempestiva Quies] Vgl. Statius, silv. 4,4,33f.: vires instigat alitque / tempestiva quies. 1 Quies fessis] Vgl. Seneca, Herc.f. 925f.: detur aliquando otium / quiesque fessis. 2 Dryadis] Dryas: Baum- oder Waldnymphe, meist im Plural, z. B. Vergil, georg. 1,11: ferte simul Faunique pedes Dryadesque puellae. 3 sacer … Collis] Valerius Maximus 8,9,1: in colle, qui sacer appellatur (d. h. in diesem Fall der ›Heilige Berg‹ bei Rom). 3 Aonias … fagos] Aonia, mythischer Name für Böotien mit dem Musenberg Helikon und der Quelle Aganippe; die Buchen werden aonisch genannt, weil sie zum Ensemble der Anregungen des Dichters Bisselius gehören. 4 umbrîs, … calore placet] Vgl. Paulinus Nolanus, carm. 28,51f.: quia sic tecti iuvat umbra per aestum, / sicut aprica placent in frigore siccaque in imbri. 5 doctae … curae] Vgl. Martianus Capella 1,22,8: quae possit docta totum praevertere cura. 6 sonet] Der Konjunktiv eher Optativ als Potentialis. 6 alterno … joco] Vgl. Claudian, carm. mai. 28,60f.: alternos cum plebe iocos dilectaque passus / iurgia. 8 semisolutus] Vermutlich neuzeitliche Neubildung; Bisselius gebraucht es auch in I,2,3,16.

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9 decoquet aetas] Augustinus, De natura et origine animae 1,3,3: aetatis maturitas decoquat. 10 in Pontum abire] Vgl. Plinius, nat. 16,138: et quid attinet in Pontum abire? (Wo der Pontus Euxinus, das Schwarze Meer, gemeint ist). 11 quaedam est … Exspectare Voluptas] Angelehnt an Ovid, trist. 4,3,37: est quaedam flere voluptas. 12 abscedet Hyems] Origenes (secundum translationem quam fecit Rufinus), Commentarium in cant. cant. 3: ›hiems‹, quae ei causa exorta videbatur, ›abscessit‹. Kommentar zu Cant. Cant. 2,11: Iam enim hiems transiit; Imber abiit, et recessit. 13 Omnia … spondent] Iuvencus, Evangeliorum libri IV, 1,195: Omnia quem vatum spondent oracula Christum. 13 Floram] Göttin der Blumen und Blüten, s. o. zur Widmungsvorrede. 13 praeludia] Das Verb praeludere bei Statius und Ambrosius, das Substantiv anscheinend zuerst im 12. Jahrhundert, z. B. bei Bernhard von Clairvaux, Sententiae Series 2,3: Quos sane in conclavi remotioris vitae positos ad imitationis apostolicae fastigium tendere videbimus, illis quietis et pacis geminam soliditatem, cuius etiam in suo corpore quaedam praeludia sentiunt, vivae vocis ministerio spondeamus. 14 spirat … fidem] Vgl. Lukan 5,83: divinam spirare fidem. 15 Pandite … sinus] In übertragenem Sinn Juvenal 1,149f.: omne in praecipiti vitium stetit: utere velis, / totos pande sinus. 15 Ab Atlantide … undâ] Atlantis, adj. zu Atlas, dem Gebirge in Mauretanien, davon abgeleitet auch die Bezeichnung für Inseln westlich von Mauretanien und schließlich für das Meer; hier in dieser Bedeutung. 16 Hesperias … rates] Hesperia ist das abendliche, im Westen gelegene Land, auch das Abendland. 18 Assyrias … plagas] Assyrius schon z. B. bei Horaz im Sinne von Syrius verwendet, z. B. ars 118; carm. 2,11,16 u. 3,4,32; Assyrii plaga bei Hieronymus in den Commentarii in Isaiam 10,30. 19 Aspicite, ut] Anaphorisch V. 21 wieder aufgenommen; vgl. – ohne Anapher – Vergil, Aen. 6,855: aspice, ut … ingreditur; ebenfalls mit Indikativ Vergil, ecl. 5,6f; mit Konjunktiv Properz 2,29,37f. und öfter bei Ovid. 19 Fluidis … trepidantia rugis] Concettistische Junktur. 20 disparibus … vibrentur aquis] Inhaltlich gegenüber dem vorhergehenden Vers concettistisch – wiederum auch in Wortwahl und Junktur – augmentierende Variante.

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21 tenera … fronde] Vgl. Ovid, fast. 4,398: nunc epulae tenera fronde cacumen erant. 21 Sylvam … comantem] Vgl. Valerius Flaccus 1,429f.: bis Taygeton silvasque comantes / struxerat. 23 sine turba] Mit anderer Bedeutung von turba Petron, sat. 73,2: nihil melius esse dicebat quam sine turba lavari. 24 tenui … voce] Vgl. Seneca, controv. 1,1,8: summissa et tenui atque elisa ieunio voce. Anthologia Latina 1,1,452,7f. (Pseudo-Seneca): secreta silentia noctis / summissa ac tenui rumpere voce solet. 25 tepidos … Titanas] Titanen sind eine Gruppe von Göttern, die in Hesiods Theogonie als Abkömmlinge von Gaia und Uranos bezeichnet werden; in lat. Poesie ist der Sonnengott häufig als Titan bezeichnet, z. B. Vergil, Aen. 4,117–119: venatum Aeneas unaque miserrima Dido / in nemus ire parant, ubi primos crastinus ortus / extulerit Titan radiisque retexerit orbem. – Die Junktur tepidus Titan vorbereitet Seneca, Herc. Oet. 1286–89: Sic Arctoas laxare nives / quamvis tepido sidere Titan / non tamen audet vincitque faces / solis adulti glaciale iubar. Der Plural weist aber auf mehrfaches Erscheinen der Sonne hin, sodass mythologisch überhöht von lauen Sonnen- oder Frühlingstagen die Rede ist. 25 (ait)] Dass zu der so bezeichneten direkten Rede des Zephyr nicht nur das Distichon 25f. gehört, scheint der Doppelpunkt am Ende anzudeuten; sinnvoller Weise wird die Anrede an die Sterblichen insgesamt, die Aufforderungen V. 15–22 überbietend, dem Zephyrus in den Mund gelegt. 25f. almam … Majam] Maia, Tochter des Atlas und der Plejone, Mutter Merkurs, eine der Pleiaden; das Attribut bei Horaz, carm. 1,2,41f.: sive mutata iuvenem figura / ales in terris imitaris almae / filius Maiae. Wie die Titanes für Sonnentage stehen so Maia für den Monat Mai; vgl. Ovid, fast. 5,103f.: at tu materno donasti nomine mensem, / inventor curvae, furibus apte, fidis (gegen Ende einer Partie, die in V.1 mit der Frage ›quaeritis unde putem Maio data nomina mensi?‹ beginnt). 26 Flore novo] Häufige Junktur, z. B. Vergil, georg. 4,142; Ovid, epist. 14,30; Silius 3,84. 26 Roscida prata] Ironisch bei Martial 1,88,6: quaeque virent lacrimis roscida prata meis. 27 Credite, mortales] Vgl. Prudentius, Amartigenia 445: Credite, captivi mortales. 27 Aureus annus] Claudian, Contra Stilichonem 2,474: mortales aureus et nomen praetendit consulis annus. 28 praecipiti … manu] Petron, sat. 40,2: mollia praecipiti rumpere fila manu.

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29 fugit … hora] Vgl. Ovid, am. 1,11,15: dum loquor (das in V. 31 verwendet), hora fugit; vgl. auch Persius 5,153; Silius 15,64. 31 dum loqueris] Mit dieser Wendung fällt der Dichter dem Zephyrus ins Wort. 32 Occidui … Flaminis] Die Bezeichnung für den Westwind verwendet um des Wortspiels ›occiduus – occidere‹ willen, das im Deutschen nur schwer nachzuahmen ist.

Zu Elegie I,7 (HW) Im Frühling spaziert Bisselius wohl in seiner Heimat Babenhausen an der Günz entlang. Die Frühlingswinde aus dem Westen, Favonius und Zephyrus, inspirieren ihn zum Dichten (V. 30). Auf dem Hintergrund der antiken Inspirationstheorie (vgl. dazu etwa Curtius, S. 469–471), die den Dichter von dem Gott Phoebus Apollo ergriffen sieht, so dass er »gottbegeistert« (entheus V. 15) ist und vor göttlicher Begeisterung »rast« (V. 16, 24), entwickelt Bisselius eine eigene, originelle Auffassung: Es ist das Wehen der Frühlingswinde, das ihn zum Dichten inspiriert (V. 9–12), denn er wandelt sich (V. 11) und gewinnt neue Kräfte. Als Praetext dürfte dabei mit V. 11 die paulinische Vorstellung vom »neuen Menschen« stehen, den der Christ »anziehen« müsse (vgl. zu V. 11). Augustinus spricht in diesem Zusammenhang in seiner Schrift De doctrina Christiana davon, dass man das alte Kleid ablegen und »neue Kräfte« gewinnen müsse (vgl. ebenfalls zu V. 11). Diese – von Bisselius indessen nur angedeutete – Beziehung steht wohl im Hintergrund seiner Inspirationsauffassung. Die gewählten Bilder bleiben freilich in den antik-paganen Vorstellungshorizonten, die die Inspiration eben auf das Wirken des delphischen Gottes Phoebus Apollo zurückführen, dessen Priester der Dichter ist. Aber die neue Inspiration könnte Phoebus nicht geben (V. 12), sie verleiht nur die (gottgegebene) Natur. 1 patrij … GunzI] Die Günz im heutigen bayerischen Schwaben fließt an Babenhausen, dem Geburtsort des Bisselius, vorbei. 1 Quam juvat] Vgl. Tibull 1,46. 2 frangere prata] Seneca, Phoen. 549: frangi prata. 3 vitreus … amnis] die Verbindung bei Columella 10, 136: vitreo … amni. 4 mobilis Aura] Ovid, ars 3,698. 4 Maris Hesperij] Junktur nicht antik. 9 flabella Favonia] Favonius ist ein Westwind, dessen Wehen das Kommen des Frühlings anzeigt. Die adjektivische Form Favonia ist nicht antik. 10 zephyris] West- bzw. Frühlingswinde. Vgl. Kommentar zum nächsten Gedicht.

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Kommentarteil

11 mutor virésque novas] Hier spielt offenbar die paulinische Vorstellung vom »neuen Menschen« eine Rolle vgl. Paulus, Eph 4,22 induite novum hominem. Augustinus, doctr. Christ. 2,16 formuliert in diesem Zusammenhang: deposita vetere tunica vires novas accipere. 12 Phoebe] Phoebus Apollo als Inspirator der Dichtkunst, etwa auch in der Poetik De studio poetico von Bisselius’ Ordensgenossen Jakob Balde. Vgl. dazu Thorsten Burkard: Jacob Balde: Dissertatio de studio poetico. Einleitung, Edition, Übersetzung, Kommentar. München 2004 (Münchner Balde-Studien 3), Register s. v. »Phoebus«. – Bisselius hat ihn, freilich als trügerischen Gott, bereits in I,4 und I,5 vorgestellt (s. im Einzelnen den Kommentar oben). 13 meliori Pallade] Pallas Athene als Spenderin der Inspiration. 14 Ascraeae … aquae] Hier bezogen auf den Musenquell in Verbindung mit dem Helikon. Vgl. Properz 2,10,25: nondum etiam Ascraeos norunt mea carmina fontes. 15 Entheus] Nach der antiken Inspirationstheorie ergreift der Gott (Apollo) von dem Dichter Besitz, dieser ist »gottbegeistert« (e)/nqeoj). 16 dum favet hora] Vgl. Horaz, carm. 3,11,50: dum favet nox. 16 furo] furere ist terminus technicus für das Besessensein des Dichters. Vgl. etwa Carmina Einsidlensia 1,19: carmine seu virgo furit. 18 Cressa … arte] Vgl. Horaz, carm. 1,36,10: Cressa ne careat pulchra dies nota. 19 palimpsesti] Ein abgeschabtes, neu zu beschreibendes Pergament; vgl. Catull 22,5; Cicero, fam. 7,18,2. 22 látere … lavant] Proverbial für vergebliches Handeln. Vgl. etwa Terenz, Phorm. 186. 23 Si canimus surdis] Vgl. Vergil, ecl. 10,8: non canimus surdis. 25 Pythius … ardor] Die vom Pythischen Apollo entfachte dichterische Glut. 29f. clauda … disticha] Die Distichen »hinken«, da ihnen ein Versfuß fehlt. Vgl. etwa den Locus classicus bei Ovid, am. 1,13f.

Zu Elegie I,8 (HW) In Fortsetzung von I,6 und I,7 preist Bisselius den westlichen Frühlingswind Zephyrus. Seine hier angenommene Herkunft aus Brasilien, wo Menschenfresser wohnen (dieser Topos findet sich seit den Reisebeschreibungen von Hans Staden, Warhaftige Historia und beschreibung eyner Landtschafft der Wilden, Nacketen Grimmigen Menschenfresser-Leuthen in der Newen Welt America gelegen (1557), und Jean de Lerys Histoire d’ un voyage faict en terre de Bresil

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(1578) und ihren lateinischen und deutschen Versionen in den Reisesammlungen Theodor de Brys Americae seit 1590 als ständiges Attribut der Landesbewohner; vgl. Neuber 1991), führt den Frühlingswind nicht dazu, die Sitten der »wilden nacketen Menschenfresser« (Staden) zu bringen, sondern griechisch-römische Humanität (V. 5f.). Zephyrs Wirken wird abgegrenzt gegen das anderer Winde wie des Bistonischen Caurus (V. 9), eines Nordwestwindes aus Thrakien, weiter des regenreichen Notus, eines Südwindes (V. 10), des Gedrosischen Eurus aus Persien, eines Ostwindes (V. 11) und des in der Literatur der Antike nicht belegten Mesophoenix, eines Süd-Ost-Windes. Wie ein pythagoreischer »Novize«, dem Schweigen auferlegt ist (V. 13), kommt Zephyr sanft und ohne Gewaltsamkeit, sein Wehen befeuchtet die Felder. Bei der Beschreibung des Zephyrwindes kommt als Vorbild aus der antiken Literatur vor allem eine Stelle aus dem zweiten Buch von Claudians De raptu Proserpinae in Frage (2,71–93). Die BisseliusStelle ihrerseits wird den jesuitischen Zöglingen als Vorbild einer Descriptio poetica des Frühlingswindes von Johannes Baptista Gandutius empfohlen in: Descriptiones Poeticae Ex Probatioribus Poetis Excerptae […]. Venedig 1703, S. 85. Das Gedicht endet in einem Paradox: Der humane Zephyr ist nicht bäurisch, fördert aber die Landwirtschaft (V. 30). Aus der antiken Literatur sind die nomina ventorum vor allem aus Vitruv bekannt, der sie in 1,6 von De architectura aufführt, dazu kommt ein anonymes Gedicht Versus de duodecim ventis aus der Anthologia Latina. In seinem Kommentar zu diesem Gedicht zitiert Wernsdorf (Poetae Latini Minores, tom V. Altenburg 1788, 523–532) weitere antike Autoren bis zu Isidor von Sevilla, die sich mit antiken Windbezeichnungen nach den Himmelsrichtungen befassen. Bisselius dürfte bei der Abfassung dieses Gedichtes ein episches Gedicht De Ventis seines im 17. Jahrhundert viel gelesenen Ordensgenossen Charles Malapert (1580–1630) gekannt haben, das zuerst 1615 in dem Caroli Malapertii Montensis e Societate Iesv variorvm poematvm Fascicvlus. Calissij, Typis Alberti Gedelij erschien und danach in den Poemata des Autors gedruckt wurde. Dieses Gedicht beschreibt ein stürmisches Unwetter im Jahr 1606, das als Kampf der Winde inszeniert wird. Das zweite Buch handelt de Ventorum origine & progressu. Über die Zephyri schreibt Malapert (zit. n. Bernhardi Bauhusii et Balduini Cabillavi […] Epigrammata. Caroli Malaperti […] Poemata. Antwerpen 1634, S. 209): Fas equidem & Zephyris genus altum accersere caelo; Nec fuerint patri indecores, seu Iuppiter illis, Seu Saturnus erit genitor, seu sidere ab vno Ventorum nequeunt discordia semina nasci …

Zephyri] West- und Frühlingswind, Sohn des Astraeus und der Aurora; vgl. Hesiod, theog. 379. »Er wurde als ein junger Mensch, mit einem angenehmen und freundlichen Gesichte, Fluegeln auf dem Rücken, und einem Kranze von allerhand Bluhmen auf dem Kopfe, gebildet.« (Hederich, S. 2498). Vgl. Philostrat, imag. 1,24.

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1 peregrè] Plautinische Formulierung z. B. Stich. 586 peregre in patriam rediisse. 2 barbara terra] Ovid, trist. 4,46,32. 3 Anthropophagis Brasilorum] Vgl. den Vorspann. Hans von Staden beschreibt in seinem bekannten Reisebericht etwa im 28. und im 36. Kapitel Anthropophagie der Bewohner Südamerikas. Vgl. [Theodor] De Bry: Americae. Faksimile der Ausg. Frankfurt 1593ff. München 1970, Das dritte Teil, S. 42f.; ebenso Lery im 15. Kapitel seines Werkes, ebenda 192–212. – In der Antike war besonders den Skythen Anthropophagie unterstellt worden. Vgl. Gellius 9,4,6. 9 Bistonij] Unwirtliche Landschaft in Thrakien. Bisselius wählt originelle, in der antiken Literatur nicht vorgeprägte Attribute bzw. Junkturen, um die Gewalt des Windes zu kennzeichnen. 9 Cauri] Kalte(r) Nordwestwind(e). Vgl. etwa Vergil, georg. 3,356 semper hiems, semper spirantes frigora cauri. 10 Noti] Nótos, wie seine Brüder Argestes, Zepyrus und Boreas Sohn des Astraeus und der Aurora, Südwind. Vgl. Hesiod, theog. 380. 11 Gedrosij] Landschaft in Persien. 12 Mesophoenicis] Antik nicht belegt. Nach Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyclopädie oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus= und Landwirthschaft (1773–1858), s. v. ›Mesophoenix‹: »ist der Wind, welcher 78° 45’ von Süden gegen Osten abweicht, und im Deutschen Sud gen Osten genannt wird.« Woher ihn Bisselius kennt, war nicht zu ermitteln. 13 Samiâ … lege] Nach einigen Überlieferungen stammte der Philosoph Phythagoras aus Samos. Wer sein Jünger werden wollte, musste ein Schweigegelübde ablegen. 18 Nemeae] Waldtal in der Argolis in Griechenland. 22 prata novella] Ovid, ars 2,698. 25 Verriculo] Häufiger everriculum, eigentlich Schleppnetz. Vgl. z. B. Valerius Maximus 1,4,7.

Zu Elegie I,9 (HW) Die originelle »Paraphrase« des 3. Kapitels aus dem Buch Daniel über die drei Männer im Feuerofen versetzt die biblische Erzählung in eine gänzlich antikisierende Szenerie. Babylon, der Regierungssitz Nabuchodonosors bzw. Nebukadnezars, wird als Stadt der Semiramis inszeniert (V. 6), die goldene Statue, die Nebukadnezar aufrichten lässt, ist eine des Jupiter (V. 8). Die eigentliche »Ofenszene« operiert mit den antiken Gottheiten Vulcanus, Rhadamantys und dem Titanen Enceladus (V. 30–33), auch die Landschaft ist im Vergleich die des antiken Süditalien, so der

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sizilische Aetna, die Dikarchis um Puteoli-Pozzuoli und den Vesuv. Bisselius’ Geschichte von den drei Männern im Feuerofen rückt damit in die Nähe der christlichen Märtyrerdichtung schon der Spätantike, wie sie in den Epigrammata des Papstes Damasus und dem Zyklus Peristefanon des Prudentius greifbar wird. Zu dieser antikisierenden, bereits in der neulateinischen Bibeldichtung des 16. Jahrhunderts begegnenden Aura gehört, dass der Engel, der die drei Jünglinge rettet, genius pennipotens genannt wird (V. 54, zuvor Ales, V. 49). Bisselius steht damit in einer Tradition, die in Jacopo Sannazaros De partu Virginis ein Vorbild hat. Diesen Text hatte Bisselius selbst dem 1634 von ihm verantwortlich mitverfassten und in fünfter Auflage neu herausgegebenen Cliens Marianus, einer didaktischen Elegiensammlung, als Mustertext eines lateinischen geistlichen Epos beigegeben (zu Bisselius’ Hochschätzung des Neapolitaner Dichters s. auch DV II,17, Teilelegie 3, und den Kommentar dazu). In der spärlichen Bibeldichtung seines Ordens (zu denken ist an die epische Herodias von Jakob Bidermann von 1622 über den bethlehemitischen Kindermord, das einzige eigentliche Bibelepos, das in den Parnassus Societatis Jesu [1662] aufgenommen wurde) spielt das Alte Testament kaum eine Rolle – im Unterschied zum Jesuitendrama, das immer wieder auf alttestamentliche Stoffe rekurrierte. Die Flamen Sidronius Hosschius und Guilielmus Becanus etwa entnehmen in ihren der historia sacra gewidmeten Dichtungen wie Christus patiens und Lacrymae S. Petri bei Hosschius (1656) oder dem Elegienkranz auf die Kindheitsgeschichte Jesu im ersten Elegienbuch des Becanus (1655) ihre Stoffe nahezu ausschließlich dem Neuen Testament und vermeiden ebenso wie Renatus Rapinus und Carolus Malapert in ihren epischen bzw. elegischen Gedichten mit dem Titel Christus patiens den Einsatz heidnischer Mythologie. Auch das vielleicht wichtigste Bibelepos eines Ordensangehörigen, der Iesus puer von Tommaso Ceva (1690), geht mit antik-paganen Mythologica wesentlich zurückhaltender um als Bisselius. Eine Ausnahme von der Regel, sich in elegischen und epischen Dichtungen auf Stoffe aus dem Neuen Testament zu beschränken, macht indessen die Sarcotis, ein episches Gedicht in fünf Büchern von Jakob Masen, das den Fall Adams zum Gegenstand hat und vielleicht das Epos Paradise Lost von John Milton beeinflusst hat. Es erschien zuerst in der Palaestra eloquentiae ligatae Masens 1654 und wurde noch im 19. Jahrhundert ins Deutsche übersetzt. Demgegenüber greift Bisselius wiederholt auf das Alte Testament zurück. Auf das Daniel-Buch rekurriert er erneut in Elegie II,7 und II, 8 der Deliciae Aestatis, auf Daniel in der Löwengrube in III,9 sowie auf die Geschichte der Moabiterin Ruth ebenda III,5, 19, 30f. Typisch für Bisselius ist der Einsatz von paronomastischen und antithetischen bzw. paradoxen Wortspielen (z. B. V. 8 u. 57 mit den Antithesen), die in concetti ausgeformt werden. Aus der spätantiken Märtyrerdichtung stammen die assyndetischen Häufungen in V. 16 u. 62. 1 IMMODICO … radio] Vgl. Silius 9,225: ab immodico Phoebo. 3 Zephyrus] Vgl. zum Titel von I,7. 5 tribus … Ephebis] Nach Dan 3,13 sind dies Sedrac, Misac und Abdenago.

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6 Semiramios … focos] Da Semiramis mit Babylon assoziiert wird, steht hier Semiramius für »babylonisch«. 7f.] Vgl. Dan 3,1: Nabuchodonnosor rex fecit statuam auream altitudine cubitorum sexaginta, latitudine cubitorum sex et statuit eam in Campo Dusam provinciae Babylonis. 8 forma Iovis] Dies ist eigene, antikisierende Zutat des Bisselius, die in dem biblischen Bericht keine Grundlage hat. 11 thuricremis … ab ignibus] Vgl: Lucan 9,989 turicremos … in ignes. 12 victima vera] So wird Christus von Augustinus, enarrationes in Psalmos, Psalmus 149,6 bezeichnet. 13 in solio residens] So wörtlich Ovid, fast. 6,613. 13 Rex torvus] Entsprechend wird der ägyptische Pharao beim Auszug der Israeliten aus Ägypten bei Cyprianus Gallus, Heptateuchos, Exodus 30, rex torvus Aegypti genannt. 14 Fulmina tot stringens] Nabuchodonnosor wird mit dem Blitze schleudernden Jupiter gleichgesetzt. Vgl. etwa Vergil, Aen. 4,208. 18 jussa superba] Vergil, Aen. 10,445. 21 immotâ … statione] Ähnlich Ovid, fast. 5,60: et pro dis aderant in statione suis. 30 Lemniacô … Deo] Hephaistos-Vulcanus wurde von Jupiter vom Himmel auf die Insel Lemnos geschleudert, weshalb er »der Gott von Lemnos« genannt wurde. 30 coctilis] Coctiles werden die Mauern Babylons in der Pyramus-und-ThisbeErzählung in Ovid, met. 4,58 genannt. 31 Mulciberique] Beiname des Vulcanus; vgl. z. B. Macrobius, Sat. 6,5. 31 Rhadamanthi] Sohn des Jupiter und der Europa, Bruder des Minos, richtet in der Unterwelt die Verstorbenen, vor allem Verbrecher. 33 Enceladi] Sohn des Tartarus und der Erde oder des Titan. Jupiter erschlug den Titanen mit dem Blitz und setzte über ihn den Berg Ätna auf Sizilien, daher Cyclopum busta. Vgl. etwa Vergil, Aen. 3,578. 35 Dicarchidos] Landschaft um Pozzuoli am Vesuv. 39 Idumaeis … Viris] Nach einer Landschaft pars pro toto für die Israeliten. 49 Assyrijs delapsus ab arcibus Ales] Der Engel, der die drei Männer im Feuerofen rettet. 53 Favonius] Der milde Westwind; vgl. oben zu I,7,9

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54 genio … pennipotente] Im Neulateinischen wird der Engel zuweilen genius genannt. 59 Chaldaea tyrannis] Synonym für Babylon. 60 Lessus] Totenklage.

Zu Elegie I,10 (WK) Mit den drei Storchen-Elegien (I,10–12), eng, doch kontrastiv zusammengehörig, entfaltet Bisselius auf je verschiedene Weise ein weiteres, im üblichen Ablauf des Frühlings sich aufdrängendes Naturmotiv (der Storch als »Frühlingsbote«, V. 5). Hier wie auch später in I,13 wird das Fest »Petri Stuhlfeier« (22. Februar) als Zeitpunkt der Storchenrückkehr benannt, damit auch die Überführung des kirchlichen Patriarchats von Antiochia nach Rom in Erinnerung gerufen. Indem anschließend die Flugroute des aus Afrika zum Nestbau heimkehrenden Vogels verfolgt wird, kann Bisselius das Naturgeschehen mit weiten geografischen und kirchengeschichtlichen Assoziationen, die in I,11–13 fortgeführt werden, überblenden. Aus dem Naturgedicht wird in der imaginären Befragung des nach Norden fliegenden Vogels (V. 19f.) eine schmerzliche kosmopolitische Meditation nicht nur über die an die Muslime verlorenen, ehemals christlichen Gebiete Nordafrikas (V. 19–23), sondern auch über die derzeitige Lage im Kongo und im christlichen Äthiopien, nicht ohne Seitenhieb auf die Nachfahren und Anhänger der einst nach Oberägypten verbannten, in Ephesus verurteilten, aber offenbar immer noch weiter wirksamen Nestorianer (V. 29). Indem er sich in die ›Vogelschau‹ des Storchs vertieft, evoziert Bisselius jene Flugreisen der Phantasie, die bald darauf der große Ordensgenosse Jakob Balde in seinen »Enthusiasmen«, poetischen Entrückungen und Reisevisionen über Ländergrenzen hinweg, in Odenform vorlegen wird; so etwa carm. 3,47: Enthusiasmus. Auctor prope Cairum conscensa primae magnitudinis pyramide, veterem novamque Aegyptum contemplatur, oder ebd. 4,37: Constantinopolim perlustrat. Enthusiasmus. Nach einem abschließenden Blick auf Rom und Oberitalien (V. 31–34), wird klar, dass der Vogel, oft als sprachlos-»elinguis« bezeichnet, nur zischen, aber nicht sprechen oder gar antworten kann (V. 35–40). Obwohl am Anfang schon die Heimkehr des Storches suggeriert wird, setzt Bisselius mit V. 41 neu an: mit dem Flug nach Norden in Richtung Balkan (V. 42) und zu den »Ciconen« (V. 45), von denen gern der lateinische Name des Storches abgeleitet wurde. Zitiert wird hier schon (weiter ausgeführt dann in I,12), die sprichwörtliche, fast menschliche pietas des Vogels (V. 44f.) gegenüber seinen Eltern und seinen Kindern, hier zuerst in der Liebe zu seinen Eltern (gemäß dem Vierten Gebot wie auch nach altrömischen Vorstellungen), zu denen ein ›Ausflug‹ (V. 46: excurrens) unternommen wird. Dadurch fühlt sich das sprechende Ich am Ende dazu bewogen, mit Nachdruck die Rückkehr des Storches auf das angestammte Nest zu erbitten, ja zu fordern.

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Die Storchen-Elegien verwenden, wie im Vorspann zu I,12 angegeben wird (dazu unten der Kommentar), antike Quellen und ornithologische Standardwerke der europäischen Renaissanceliteratur. Ornithologisches Wissen über den Storch (Zugvogel, sorgsame Aufzucht der Jungen) war in der Antike verbreitet (vgl. Plinius, hist. 10, bes. 61–63; zusammenfassend der Artikel ›Storch‹ in NP, Bd. 11, 2001, Sp. 1019–1021). ›Storchengedichte‹ gab es freilich weder bei den Griechen noch bei den Römern, sehr wohl aber in der Neuzeit. Dornavius/Dornau (Amphitheatrum 1619 [1995]) bietet neben einer großangelegten Lobrede (»Encomium«) über den Storch aus der Feder des Lindauer Schulmannes Caspar Hedelin (S. 439–450) zwei jambische Gedichte über die Sorge des Storches für seine Jungen und seine Eltern von Cornelius Musius (1500–1572, Priester in Delft/Holland, S. 451) sowie von Georg Gallus (um 1600, lebte in Böhmen) eine zweiteilige Elegie (S. 451f.), in der geläufige Motive (Brutsorge, Feindschaft gegenüber Schlangen und Fröschen, Nest auf den Dächern nach der Rückkehr vom Zug, Schnabelklappern) verarbeitet werden. 2 Petri … Sacra Cathedra] Das Fest war in Rom und Antiochia seit dem 4. Jahrhundert bekannt (zeitweise auch am 18.1. gefeiert). Gedacht wurde dabei der Übertragung des Hirtenamts an Petrus und damit auch der Nachfolge des Petrus im Rom, mithin auch der päpstlichen Macht. 4 Antiochia] Sitz eines alten christlichen Patriarchats, bekannt durch berühmte Theologen, aber auch durch dogmatische Streitigkeiten (Monophysitismus u. a.), im Mittelalter nach Damaskus verlegt. Bisselius legt Wert darauf, die Übertragung dieser im Einzugsbereich der griechischen Orthodoxie liegenden Würde auf Rom zu akzentuieren, vielleicht wohl wissend, dass sich schon früh die libanesischen Maroniten an Rom anschlossen (im 17. und 18. Jahrhundert auch Fraktionen der syrischen Christen). 5 tepidi Veris] Vgl. Ovid, fast. 5,601f.: tum mihi non dubiis auctoribus incipit aestas, / et tepidi finem tempora veris habent. 8 Nidi vimine mulcet] Wörtlich, aber nicht sachlich anschließend an die Junktur vimine mulcens bei Statius (Theb. 2,30); vimen sonst ein diversen Zwecken dienender Zweig oder Ableger, auch ein daraus hergestelltes Geflecht (etwa Vergil, georg. 2,241; 245). 11 Crotalistria] Eigentlich eine zu Kastagnetten tanzende Frau (Properz, 4,8,39), auf die Stimme des Storches bezogen und von Bisselius gewiss alludiert Petronius 55,6: Ciconia etiam, grata peregrina hospita / Pietati cultrix gracilipes crotalistria / Avis exul hiemis, titulus tepidi temporis. 13 Hetrusca … in arte] Die bei den Etruskern verbreitete, auf die Römer übergehende Kunst der priesterlichen Wahrsagekunst (Etruscorum haruspicum disciplina; Cicero, nat. deor. 2,10), hier von Bisselius witzig vor allem auf die Vogelschau (augurium, auspicium) bezogen; vgl. unten zu I,11,35.

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19 Dic, rogo] Geläufige Junktur in der Komödiensprache (Plautus, Men. 914; Pseud. 340; Rud. 124); vgl. auch Ausonius, epigr. 33,9f.: dic rogo, quae sis / sum dea, cui nomen nec Cicero ipse dedit. 19–23] Carthaginis arces: Das heutige Tunesien in Erinnerung an die berühmte Widersacherin Roms, die Stadt Carthago; Bagrada: Fluß in Nordafrika, genannt unter anderem bei Cäsar, civ. 2,14,1, sowie Lukan, 4,588; Fessae: Die heutige Stadt Fez in Marokko; Maurica … violentia: die kriegerische Macht der ›Mauren‹, hier nicht so sehr in der Erinnerung an das einst maurische Spanien als an die das Mittelmeer heimsuchenden Seeräuber und ihre christlichen Sklaven, gewiß auch an die letzthin erfolglosen Kriegszüge Karls V. gegen Nordafrika. 24 Rex Congi] Das ehemalige Königreich Kongo, großenteils im heutigen Angola gelegen und bis 1651 selbstständig, von den Portugiesen 1482 entdeckt. 1491 ließ sich der König des Kongo, Nzinga Nkuwu, taufen, und nahm den Namen Johannes I. an. Auch sein Nachfolger Alfons I. förderte die Verbreitung des Christentums. Im 17. Jahrhundert kam es zu Konflikten mit Portugal, auf die Bisselius anzuspielen scheint. 26 Monarcha Aethiopum] Seit der Zeit um 500 war das Kaiserreich Äthiopien christlich, wurde jedoch seit 1527 durch Einfälle muslimischer Mächte heimgesucht und nur mithilfe der Portugiesen gerettet; zu den Einzelheiten und der Forschungsliteratur s. Friedrich Heyer: ›Äthiopien‹. In: TRE, Bd. I, S. 572–596, spez. 580f. sowie Böll 2000. 27 Celachristo] Sela Krestos, der katholische Heerführer des äthiopischen Kaisers (reg. 1607–1632), nach Bisselius seines Bruders, der sich, bewegt von spanischen Jesuiten, mit Schreiben (1607) an Papst Paul V. zur Union mit der römischen Kirche entschlossen hatte. Sela Krestos schlug 1608 eine Rebellion gegen die Jesuitenniederlassung Fremona nieder. Im Jahre 1632 [Indiz auch für die Abfassungszeit dieser Elegie] wurde der Kaiser zum Thronverzicht genötigt. Sein Sohn Fasiladas (reg. 1632–1667) verwies die Missionare des Landes. 29 Nestorianorum … fratrum] Anhänger des Nestorius (381–451), zeitweise Patriarch von Konstantinopel (428–431). Seine Lehre, die sich in Fragen der Christologie und Mariologie (Maria als Christusgebärerin, nicht als Gottesgebärerin) von der sich verfestigenden Orthodoxie unterschied, wurde auf dem Konzil von Ephesus (431) verurteilt. Seine Anhänger hielten sich (bis heute) in Fraktionen der sog. Altorientalischen Kirche, bes. der assyrischen Kirche, die sich wiederum teilweise der russischen Orthodoxie zuwandte. 31f. fraenum Injicit] Gedacht ist wohl an die häufigen Hochwasser durch Überschwemmungen des Tibers. 36f. responsa … volvere] Volvere (›flüssig reden‹) im Bezug auf Worte, Aussprüche und Texte häufiger bei Cicero, etwa Brut. 246: Celeriter sane verbis volvens; ebd. 280: verbis volvebat crebras sententias; orat. 229: quo melius aut cadat aut volvatur oratio.

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41 castra movens] Kühne Übertragung des unter anderem aus Cäsar bekannten militärischen Terminus. 41 Aquilonibus instat] Vgl. Manilius 5,69f.: Heniochus clivoque rotas convellit ab imo, / qua gelidus Boreas aquilonibus instat. 42 Strymonios … Threjiciosque sinus] S. u. zu I,11,24. 42 Si bene te novi] Bemerkenswerte Reminiszenz, wörtlich nach dem Versanfang von Horaz, epist. 1,18,1. 45 Ad Ciconas] S. u. zu I,11,17. 48 mora trahatur] Zur Junkur vgl. z. B. Livius 9,27,5: nec Romanum morae, qua trahebant bellum, paenitebat.

Zu Elegie I,11 (WK) Auch hier ist das Verfahren zu verfolgen, wie aus sinnlichen, in diesem Fall visuellen Eindrücken diskursive Aussagenkomplexe, auch aktuelle auktoriale Botschaften historischer, moralischer oder theologischer Provenienz entwickelt werden. Mit autobiografischem Gestus und in klarer fiktionaler Sprecherperspektive (der in einer Mußestunde auf einen Turm kletternde Beobachter, der im weiten Blick die Landschaft genießt und dabei auch an seine Dichtung denkt; V. 1–12: der Blick von oben ähnlich auch in II,12) wird der optische Eindruck evoziert, in dem sich ein herannahendes weißes Wölkchen (V. 15) als Storch entpuppt. In rhetorisch bewegter Sprache (gleich zu Anfang der Ausruf, V. 1, dann das zweifelnde »fallor«, V. 15) wird schließlich der Storch wie in I,10 als Frühlingsbote (V. 18) angesprochen, als ein Exemplar, das vom lyrischen Ich schon einen Tag zuvor entdeckt worden ist (V. 19; Verknüpfung mit I,10). Es folgt eine ganz kurze Erzählpassage: Der Storch nähert sich dem Beobachter (V. 19). Nicht jedoch Verhalten und Eigenart des Tieres bestimmen im folgenden die Ökonomie der Darstellung, sondern die Phantasie des Sprechers, der sich den bereits anfangs angedeuteten (V. 1) und nun mit exotischen Landschafts- und Völkernamen (korrespondierend dann I,12, bes. V. 36–42: der Flug nach Afrika) illustrierten Heimflug des Vogels imaginiert (V. 21). Das geografisch-antikisierende Kolorit wird sogleich historisch und zeitgeschichtlich eingefärbt: Wenn der Storch auch Byzanz (V. 26), heute Istanbul, und die von den Türken besetzten oder bedrohten Länder des Balkans (V. 25) überflogen hat, wird er – aus der ›Vogelschau‹ – zum Augenzeugen des christlich-osmanischen Kräfteringens und kann, metaphorisch vermenschlicht, als ›Bote‹ Auskunft über die Lage an der habsburgisch-türkischen Militärgrenze geben. In einer erneuten affektiven Wendung (der Ausruf V. 35) wandelt sich der weiße Storch zum imaginären schwarzen Raben (V. 40f.), aus dem Frühlingsboten wird ein zeitgeschichtlicher Unglücksbote. Der Heimflug und die Annäherung des Vogels verschmelzen mit literarischen Allusionen an die antike Vogelschau (V. 35f., 42), in der einst politisches bzw. militärisches

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Heil oder Unheil geweissagt wurde: Unheil nun und jetzt, zeichenhaft ansichtig insofern, als der harmlose Storch aus seinem Schnabel halbverdaute Stücke einer Schlange ausspeit (V. 36–39). Am Ende drängt sich dem reflektierenden Ich die Furcht vor einem neuen Türkenkrieg auf (V. 44f.). In dem Wunsch, diese Furcht grundlos erscheinen zu lassen, erweist sich der Sprecher zugleich als Dichter, dem es aufgetragen ist, den Frieden zu beschwören und im Frieden zu schaffen. Ex Thracia, salutatâ patriâ redeuntem] Bisselius weiß, dass die Störche in Afrika (am oberen Nil) überwintern; s. im folgenden Gedicht. Hier wird Thrakien, also die Balkanlandschaft, erwähnt, weil das Türkenthema in den Mittelpunkt rückt. – Das patriâ kann sich nur auf die ›Heimat‹ Deutschland beziehen (vgl. V. 54). 1 Speculam] Da Bisselius zu der nicht datierbaren Zeit der Niederschrift des Gedichtes in Regensburg, Dillingen oder Ingolstadt lebte, könnte es sich um einen Blick von einem Kirchturm oder einem Turm der Stadtbefestigung auf die Donauniederung handeln; der Dichter weist im folgenden auf eine Mußestunde hin, in der er vom Turm aus ins Weite blickt. 1 Pharos illa Canopi] Der berühmte Leuchtturm (eines der ›sieben Weltwunder‹) am Hafen von Alexandria in Ägypten; Canopus: Stadt und Insel an der Westmündung des Nils. 2 Nauplia saxa] Der felsige Berg der Stadt und Festung Nauplion auf der griechischen Peloponnes. 10 sub numeros … meos] Numeri für Verse und metrisch gestaltete Texte wie z. B. Ovid, am. 1,15,28: discentur numeri, culte Tibulle, tui. 12 auricomo nitore] Preziöse Junktur; vgl. Valerius Flaccus 4,92: Sol auricomis cingentibus horis. 15 nubecula] Dieser Diminutiv z. B. bei Plinius, nat. 18,82,356. 16 vente citate] Citatus für ›schnell‹; vgl. etwa Vergil, Aen. 12,373 (von Pferden). 17 Ciconum … oris] Cicones sind eine schon bei Homer erwähnte Völkerschaft im Süden Thrakiens (vgl. etwa Vergil, Aen. 4,520; Ovid, met. 10,2). Bisselius skizziert also den Zug der Störche von Äthiopien über Ägypten, Kleinasien und den Balkan. 24f. Rhodopen … Odrysii nomina clara soli] Weitere geografische Bezeichnungen für Balkangefilde; Rhodope: Gebirgszug im westlichen Thrakien; dorsa Haemi: Gebirgszug im Norden Thrakiens (vgl. etwa Horaz, carm. 1,12,6); Strymonis: heute Struma, Fluss an der thrakisch-makedonischen Grenze; Odrysii nomina clara soli: Die Odrysier waren eine Völkerschaft im Inneren Thrakiens; vgl. Ovid, Pont. 1,8,15.

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26f. Byzantia … Maumetis … iugo] Das von den Osmanen seit 1453 eingenommene ehemalige Konstantinopel/Byzanz. Maumetis wohl aus metrischen Gründen für die ›Mohammedaner‹. 28 proni sinuamine colli] Das Wort sinuamen wohl nicht im klassischen Latein vorkommend, abgeleitet vom Verbum sinuare – ›krümmen‹ (etwa bei Vergil, georg. 3,192); häufiger dann in der christlichen Dichtung der Spätanike (Iuvencus 3,56; Prudentius, psych. 870). 32 Pacem Otomanniades] Anspielung auf den vom Kaiser zuletzt 1615 (Erneuerung des Friedensschlusses von Zsitva-Torok, 1606) mit den Osmanen geschlossenen Frieden, der nun wieder, auch durch Raubzüge in Ungarn (V. 33), bedroht erscheint (V. 44). 35 Dextera … Sinistra] Die kontrastiven Himmelsgegenden und Seiten in Anspielung auf die antike Vogelschau (Technik der priesterlichen Weissagung und Zukunftsvorhersage; V. 34) als Metaphern für Gutes und Unheilbringendes; vgl. oben zu I,10,13. 36 crotalo] Crotalum im klassischen Latein eigentlich eine Art rasselnder Kastagnette; hier vielleicht in der Sonderbedeutung in Anlehnung an das lautmalende Verb crotalare für das Klappern des Storches wie bei Sueton (fr. 161) gebildet. 37 vipereae despuit exta dapis] Offenbar sehr bewusste motivische und kontrastive Verklammerung mit der folgenden Elegie, in welcher der Storch eine Perle aus dem Mund ›ausspeit‹. – Störche als Schlangenfresser: Plinius nat. 10,62. 39 nigra] Schwarz im Sinne von ›unheilvoll, Unheil ankündigend‹, concettistisch mit der weißen Farbe des Storches kombiniert. Als Verkündiger des Unheils wandelte sich der weiße Storch in den schwarzen Raben. 40 Corvus] Zum Raben als Unglücksvogel vgl. Livius 21,62,4; Horaz, carm. 3,27,11.

Zu Elegie I,12 (WK) Bisselius zitiert und verwendet eine bei Aelian überlieferte, in berühmten Vogelbüchern der Renaissance (dazu im Kommentar) rekapitulierte Erzählung, die dem Vogel musterhaftes moralisches Verhalten zuschreibt, diesmal nicht, wie sonst geläufig, in der Aufzucht der Jungen, sondern im Zeichen der Dankbarkeit gegenüber einem Menschen, der dem verletzten Jungtier geholfen, ja das Leben gerettet hat. Mit Zügen der Tierfabel präsentiert sich die Elegie als rührende moralische Verserzählung über die Tugenden der Barmherzigkeit und der nun auch in materieller Belohnung ›erstrahlenden‹ Dankbarkeit. Die knappe Prosaanekdote wird vom Dichter mehrmals mit sinnlicher Detailfreude, also in rhetorischer

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›Evidenz‹, der subiectio ad oculos (vgl. Quintilian 4,2,63–65; 8,3,61–70; 9,2,40) ausgemalt: wie die arme Witwe die Wunde des Jungstorches pflegt und Nahrung für ihren Schützling besorgt, ja diese schnabelgerecht zerkleinert (V. 21–32), wie sich der ehemalige Patient im nächsten Jahr durch sein Hinken zu erkennen gibt (V. 47f.), vor allem aber, wie im Glanz der Perle, die er der nichtsahnenden Alten aus dem Schnabel zuwirft, die ärmliche Hütte samt dem im einzelnen aufgezählten Hausrat und der im Schlaf schnaufenden Katze erstrahlt (V. 56–68). Das ›Fabula docet‹ wird mit sinnreicher konfessioneller Pointe (gegen die Lutheraner, bei denen moralische Bewährung vor Gott nicht gerecht macht) in rhetorischer Frage dargeboten (V. 70): Belohnung als (unverdiente) Gnade oder aufgrund moralisch guten Handelns. Ulysses Aldrovandus libro 19 Ornithologiae] Ulisse Aldrovandi (1522–1605), namhafter italienischer Mathematiker, Mediziner und Naturkundler, bes. Zoologe, Professor in Bologna (endgültig 1561). Veröffentlichte unter anderem in drei Bänden (zuerst 1599–1603) eine großangelegte Vogelkunde (Ornithologia). Zu ihm s. DSB, Bd.1 (1970), S. 108–110 (Carlo Castellani); Bisselius bezieht sich auf das umfangreiche Ciconia-Kapitel in Bd. 3 (Liber Vigesimus ac postremus), hier benutzt in der Ausg. Bologna 1637: De Auibus, quae circa aquas degunt: De Ciconia, Cap. I, S. 291–311. Topologische Kategorien sind hier: Aequivoca – Synonyma – Genus. Differentiae. Forma – Locus. Migratio – Mores. Ingenium. Prudentia – Vox – Volatus. Gressus – Victus – Nidus. Coitus. Partus. Exclusio. – Antipathia. Puigna. Sympathia. – Corporis Affectus. Praesagium. Auguria – Cognominata. Denominata-Moralia. Dazu kommt eine nach literarischen Genera (z. B. Hieroglyphica und Apologi) geordnete Blütenlese zum Thema. Für diese Elegie maßgebend spez. S. 297 unter dem Lemma Mores, Ingenium, Prudentia und zu der Marginalie Ciconia gemmam pro medicato crure reportat mit Referat Aelians: Vt vt est multa de huius auis gratitudine eximia, referuntur: Insigne profectò in primis illius est specimen, quòd habet Aelianus: Gratam, inquit, accepti beneficij memoriam ipsae etiam bestiae retinent. Tarentina mulier, nomine Heracleis, et cateris in rebus ex maximè raro foeminarum genere fuit, et verò ab omni stupro integram, castamque se marito conseruavit: quippe quae vt viuentem cùm studiosè, et diligenter coluisset, sic postquam è vita excessisset, se fidissimam, et ab omni libidine continentem humato coniugi praestans: vrbanas commorationes, et domum, in qua mortuum vidisset maritum adeò malè odit, vt pro moerore ad sepulchri monumentum, vbi sepultura affectus ille esset, miserrimé commoraretur. Haec igitur foemina, cùm aestiuo anni tempore Ciconijs pullorum suorum volatum experientibus, vnus et infirmissima aetate, et alarum debilitate delapsus alterum crus fregisset, eiusmodi casum intuita, se cognito morbo misericordem pullo praebuit. Nam et vulnus obligauit, et medicamentis, et cibo, potioneque adhibitis cicatricem obduxit, et ad incolumitatem perduxit: atque iam advolatum confirmatum, è manibus dimisit. Hic admirabili quadam naturae intelligentia non ignorans se conseruatae vitae praemium mulieri debere, anno post, cùm ad vernum solem fortè apricantem eam,

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quae sibi benignè fecerat, perspexisset, demisso, atque humili volatu proximè ad ipsam profecta, in eius sinum lapidem euomuit, deinde in tecto subsedit. Cuius facti admiratione commota Heracleis, dubitabat, quid istuc esset. Cùm igitur intus alicubi deposuisset, nocte sequenti somno soluta cum fulgere, et radiatam domum tanquam immissis facibus ex eo splendore perspexit: vbi verò Ciconiam comprehendisset, et vulneris cicatricem percepisset, hanc agnouit eam esse, quam miseratione commota sanauisset. Hactenus Aelianus. Gessnerus] Konrad Gessner (1516–1565), berühmter, in Zürich lebender bibliografischer Kompilator und Enzyklopädist (Bibliotheca universalis, Zürich 1545), zugleich bahnbrechender naturkundlicher Fachschriftsteller; in Frage kommt hier der vogelkundliche Teil (zuerst erschienen Zürich 1555) von Gessners postum ergänzter vierbändiger Historia animalium (1551–1558); deutsch unter dem Titel: Vogelbuch Darinn die art / natur vnd eigenchafft aller vöglen / sampt jrer waren Contrafactur / angezeigt wird. Zürich 1557, ND Zürich 1969, hier zum Storch (»Von dem Storcken«); Bl. CCXXX–CCXXIII, hier Bl. CCXXXII: »Diß ist auch anzeigung eines grossen verstands deß Storckens/ ob er gleych vnbill damit abwenden/ oder danckbarkeit habe wöllen erzeigen. Dann als einer auff ein zeyt einem Storcken ein bein abgeworffen hatt/ vnd diser widerumb kaum vnd mit grossem schmerz in sein näst geflogen/ ist er von weyberen/ so jn dann hinckend gesehen hattend/ widerumb geneert worden/ vnd mit anderen widerumb hinweg geflogen. Im nachgenden jar als er Früling wider kommen HUZDUGDEHUDPKLQFNHQHUNHQQW YQGGLHZHLEHUDEVHLQHU]ĤNXQIIWDOVGHU gern bey jnen eynkart/ erfröuwet/ hat er von stundan auß seinem langen schnabel ein schön vnd kostlich pärlin den weyberen für jre füß gekotzet (welches sy ein belonung der vorempfangnen gutthat seyn vermerckt habend/ als Oppianus/ vnd vast auff die weyß auch Elianus außweyßt.« Vgl. zu Gessner NDB, Bd. 6 (1994), S. 342–345 (Eduard K. Fueter); Killy/Kühlmann, Bd. 4 (2009), S. 204–206 (Joachim Telle). Ex Aeliano] Ailianos (Claudius Aelianus; frühes 3. Jahrhundert n. Chr.) schrieb 17 Bücher über die natura animalium, eine der Quellen auch für Gessner und Aldrovandi (s. o.); zu Aelian s. NP, Bd. 1 (1996), S. 327; Bisselius zitierte hier gewiss nach Aldrovandi. Paraphraste Oppiani, in Ixeuticis] Gemeint ist ein dem Lehrdichter Oppian (um 200 n. Chr.) zugeschriebenes, nur in Gestalt einer (angeblich von einem gewissen Euteknios stammenden) Paraphrase erhaltenes Werk über den Vogelfang (Ixeutika); s. NP, Bd. 8 (2000), S. 1259; hier gewiss nach Aldovandri zitiert; s. o. 1 geniale Tarentum] Das Adjektiv in Bezug auf erfreuliche Örtlichkeiten wie zum Beispiel Ovid, am. 2,13,7. 2 Galaesus] Der Fluss Galaso bei Tarent, hier mit literarischer Anspielung auf die Schafzucht wie bei Horaz, carm. 2,6,10f.: dulce pellitis ovibus Galaesi flumen.

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3 vitam fallebat] Der Akkusativ des Nomens hier wie bei Zeitangaben (›die Lebenszeit hinbringen‹), z. B Ovid, epist. 1,9: spatiosam fallere noctem. 5 post busta mariti] Auffällig, dass Bisselius die bei Aldrovandi, der literarischen Quelle (s. o.), breit ausgemalte eheliche wie posteheliche Keuschheit der Heracleis hier darstellerisch kaum akzentuiert, stattdessen vor allem im folgenden ein idyllisches Genregemälde entwirft. 16 juncea] Eigentlich ›aus Binsen hergestellt, binsenartig‹, d. h. schlank und zart. 21 Podaliria] Nach Podaleirios, dem sagenhaften griechischen Arzt und angeblichen Sohn des Aeskulap. 24 Machaonio … vado] Machaon: Der aus Homer bekannte Arzt. – vadum: eigentlich ›Wasser, Gewässer, Fluß, seichte Stelle im Wasser‹, hier kühn und wohl ganz unklassisch auf die Heiltinktur übertragen. 26 purpureo … vellere] Die Junktur auch bei Claudian, carm. 30,71,74. 27 patulo ore] Wie Ovid, epist. 16, 56, dort von einem Rind (bovis). 28 coaxantes] Das lautmalerische Verb bei Sueton, Aug. 94,7; ähnlich schon Aristophanes in den Fröschen. 33 Sirius] Der Hundsstern, metonymisch für Hochsommer. 34 Calabras … nuces] Bisselius dürfte Plinius gekannt haben, wo die Nüsse bzw. Kastanien von Tarent erwähnt werden: nat. 15, 24, 90 bzw. 94. 38 Trans atram Meroën Troglodytasque] Meroë: eine Insel im oberen Nil, hier wohl nach Plinius, nat. 5,10,53 (wie wohl auch das Adjektiv atram, enallagetisch bezogen auf das dunkle Wasser, andeutet): circa clarissimam Meroen Astabores laevo alveo dictus, hoc est ramus aquae venientis e tenebris. – Troglodytas (auch: Trogodytae): Wüstenstamm, meist im nördl. Sudan in Nachbarschaft der Äthiopier angesiedelt; vgl. Plinius, nat. 2,75,183; 5,8,43; 12,42,86. 39–42 Locus Aethiopum … Lunaribus … Montibus] Das noch aus Wilhelm Raabes Roman (Abu Telfan oder die Heimkehr vom Mondgebirge) bekannte und seit Ptolemaios so genannte Gebirge (Montes Lunares) in Äthiopien; so auch im Zedler (Bd. 20 [1739], S. 1092f.). 42 tesqua per Afra] Tesqua im Sinne von loca, vielleicht in Anlehnung an Horaz, epist. 1,14,19: deserta et inhospita tesqua. 48 Poplite … surgit] S. zum folgenden Lemma. 50 submisso … gradu] Bisselius kombiniert in V. 48 u. 50 vielleicht die Junktur Catulls (64,370): submisso poplite. 56 obolare] Von Obolos, der kleinen griechischen Münze. 57ff.] Die folgenden Verse lassen im Vergleich zur Vorlage (Aldrovandis radiata

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domus, s. o.) genau verfolgen, wie Bisselius im Sinne rhetorischer Distributio und Evidentia, wie sie Quintilian definierte (s. o. in der Einleitung zu dieser Elegie sowie den Artikel von A. Kemmann: ›Evidentia‹. In: HWRH, Bd. 3 [1996], bes. Sp. 39–47), die idyllische Genreszene einer ärmlichen Behausung ausmalt. Man denkt an die niederländische Malerei der Zeit. 64 traheret ronchos] Die Vorstellung des Schnarchens (ronchos) hier durch das Verb intensiviert und weiter veranschaulicht; fast ein Germanismus (›Atemzüge‹)? 67 Pyropum] Eigentliche Goldbronze; unklar bleibt, ob sich Bisselius vorstellt, dass die Perle von einem Metall eingefasst war, oder ob er den Begriff pyropum nur variabel für ein glänzendes Schmuckstück einsetzt, etwa in Anlehnung an Lukrez 2,803. 70 Gratiâne, an meritum?] Fragender Seitenblick auf die konfessionelle Streitfrage nach dem Wert der menschlichen Verdienste vor Gott, die vom Luthertum bestritten wurden.

Zu Elegie I,13 (LC/WK) Die vierteilige, konzeptionell und inhaltlich ehrgeizige Elegiengruppe schließt im ersten Teil (Vergleich mit dem wandernden Storch als Frühlingsbote: V. 17ff.) an die Gruppe der drei mehrfach von Genreszenen bestimmten Storchengedichte (I,10–12) unmittelbar an, dies auch im Rückbezug auf den Anfang von I,10, wo anlässlich von ›Petri Stuhlfeier‹ an den Wechsel des Patriarchensitzes von Antiochien nach Rom erinnert wird. Nun dominieren Gesichtspunkte der älteren und neueren, durchaus engagiert und parteilich referierten Kirchengeschichte: einer Geschichte der katholischen Weltkirche unter dem römischen Dominat, dies allerdings mit einer Bilanz von Gewinn und auch Verlust. Insofern schließt sich Bisselius an andere Formen der Poetisierung von älterer und aktueller Kirchengeschichte an, wie sie etwa zu beobachten ist in den Heroides seines Ordensbruders Jacob Bidermann, spez. Heroides III,1–2, zur Ecclesia militans; dazu im einzelnen Eickmeyer 2012, S. 331–382. Wie diese Darstellungsabsicht literarisiert wird, zeigt Bisselius als gewieften Rhetoriker und ›sinnreichen‹ Dichter, indem er in Frage, Mahnung und Bericht zwei Sprecherinstanzen einführt: in Teil 1 und zu Beginn von Teil 2 das Petrus anredende fiktive Autor-Ich, anschließend einen Engel, der Petrus in einer Art von Geistreise über die Länder und Kontinente zeigend, berichtend und mahnend hinwegführt: Das Motiv der Vogelschau des wandernden Storches (so in I,10) wird aufgegriffen. Der Storch fungiert dabei als »vernunftbestimmtes Vorbild«(1,27), die Häretiker werden zu Fröschen, die durch Drohungen und durch Güte in Zaum zu halten sind (1,31f.). Der erste Teil arbeitet in einer perspektivisch-präsentischen Zeitverschiebung im Sinne eines Rückblicks auf die frühe,

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auch das östliche Mittelmeergebiet beherrschende Kirche, in der Fiktionssillusion, als gehe es noch um die Wahl zwischen Antiochien und Rom. Im Folgenden werden die Christianisierung Italiens und Europas vergegenwärtigt (Teil 2), dann (Teil 3) der Abfall des anglikanischen Englands (das Thema wird wieder aufgriffen in der Elegie über Anne Boleyn: III,2) recht drastisch vorgeführt, der Verlust von Griechenland und Nordeuropa dagegen recht kurz abgetan. Im triumphierenden Kontrast dazu wird anschließend (Teil 4) der Übergang Amerikas und sogar Japans und Chinas an das römische Christentum geweissagt. Im Einzelnen ergibt sich folgende Gliederung: I. 1–10

Petrus wird verwundert gefragt, ob er unbeweglich an Antiochia als Bischofssitz festhalten wolle. 11–16 Antiochia sei nicht der ihm vom Fatum zugedachte Ort, der den Erdkreis bestimmt. Daß er sich auf den Weg machen muß, solle er am Beispiel des Storchs lernen. 17–26 Beschreibung der Lebensgewohnheiten des Storchs. 27–34 Was der Storch von Natur aus tut, das soll Petrus sich aus Vernunft zum Vorbild nehmen und, wie sich der Storch von seinen hochgelegenen Nestern aus auf Schlangen und Frösche stürzt, das Quaken der Häretiker bekämpfen.

II. 1–14 15–44 19–28 29–36 37–44

Petrus wird aufgefordert, sich geistig aus der Vogelperspektive die Bereiche seiner, von Antiochia aus gesehen, künftigen kirchlichen Herrschaft zu betrachten, von Engeln geleitet, wie der Phoenix von der Schar der Vögel. Einer der Engel erklärt Petrus die Bereiche seiner künftigen Herrschaft: Rom Italien Spanien, Frankreich, Deutschland, die Länder des Nordens

III. 1–4 5–12

In der Ferne verbindet sich eine Insel im Meer mit der Kirche Roms. Liebe wird diese Verbindung unterbrechen und Ströme von Blut werden mit dem Religionswechsel fließen. 13–18 Nicht nur England wird von Rom abfallen, sondern der ganze Norden, wie zuvor schon Griechenland; aber jenseits des Meeres öffnen sich neue Länder.

IV. 1–14

Jenseits des atlantischen Meeres wird Brasilien, Peru und Mexiko sich zur katholischen Konfession bekennen. 15–24 Japan, Indien und China werden sich den katholischen Vätern öffnen. 25–28 Schlußapostrophe an Petrus: Dies und mehr ist dir verheißen, wenn du nach Rom gehst.

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Cathedra S. Petri Antioch.] Das von Bisselius genannte Datum erschließt die Bedeutung des Titels: Am 22. Februar wird nach dem Missale Romanum (Tridentinum) das Fest In Cathedra S. Petri Ap. Antiochiae gefeiert, wie am 18. Januar In Cathedra S. Petri Ap. Romae; mit dem Begriff Cathedra Petri verbindet sich seit Alters die Vorstellung vom Primat Petri; vgl. Cyprianus Carthaginiensis (Bischof 248/249–258), De ecclesiae catholicae unitate, c. 5: Hoc erant utique et ceteri quod fuit Petrus, sed primatus Petro datur et una ecclesia et cathedra una monstratur; et pastores sunt omnes, sed grex unus ostenditur qui ab apostolis omnibus unianimi consensione pascatur. Die Vorstellung, Petrus habe in Antiochia ein Bistum begründet, findet sich anscheinend in lateinischer Literatur explizit zuerst bei Fulgentius Ruspensis (467–533), Liber de trinitate, c. 1: Quae usque nunc per successionum seriem in cathedra Petri Apostoli Romae uel Antiochiae, in cathedra Marci Euangelistae in Alexandria, in cathedra Iohannis Euangelistae Ephesi, in cathedra Iacobi Hierosolymae, ab episcopis ipsarum urbium praedicatur. Antiochia wurde 300 v. Chr. durch Seleukos I. Nikator gegründet und nach dessen Tod die Hauptstadt des Seleukidenreichs. Nach der Eroberung durch Pompeius 64 v. Chr. wurde A. die Hauptstadt der Provinz Syrien und entwickelte sich seitdem zur Weltstadt, die an Bedeutung mit Alexandria und Rom wetteiferte. Im NT wird Antiochia als Wirkungsstätte des Paulus erwähnt (z. B. Apg 11,26), wo zum ersten Mal die Bezeichnung Chistiani verwendet wurde; Petrus wird in diesem Kontext nicht genannt; im Zusammenhang mit der unter und nach Konstantin geschaffenen Metropolitanverfassung wurden Rom, Alexandria und Antiochia Patriarchate, zu denen 381 Konstantinopel und 451 Jerusalem kamen. CICONIA] Damit reiht sich das Gedicht in die mit I,10 beginnende Serie der Storchen-Gedichte ein. serpentibus Ranisque Apocalypticis] Frösche: Offb 16,13; Schlange: 20,1; im Mittelalter wird ›Frau Welt‹ als Schöne Frau dargestellt, deren Rücken von Fröschen und Schlangen bedeckt ist.

Zu I,13,1 1 hoc mentis] Vgl. Quintilian, inst. 4,2,74: si alioqui hoc mentis habuissent. 2 thronum … aeternum] Hilarius Pictaviensis, Tractatus super psalmos 59,2: Nathan propheta throni aeterni regem ex David semine nuntiavit, also nicht des Stellvertreters, sondern Christi selbst. 3 animo … immoto] Vgl. Tacitus, ann. 15,23,4: Thraseam … immoto animo … excepisse. 3 ponere Sedem] Cyprianus Carthaginiensis, epist. 59,3,2: Super stellas Dei ponam sedem meam (so der Antichrist in animo suo); häufig bei Augustinus, z. B. Enarrationes in psalmos 1,4; 35,17; 47,3 und öfter.

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6 Corycio … orbe] Corycus ist ein wegen des vorzüglichen Safrans berühmter Berg (Plinius, nat. 21,31) und eine Stadt in Kilikien. Hier wegen der herabfallenden Lüfte wohl der Berg gemeint. 7 vitrei amnis] Vgl. Columella 10,136: vitreoque Siler qui defluit amni. 7 fascinat] Mit diesem Wort wird gesagt, dass das Hängen an Antiochia gegen Gottes Willen ist; vgl. Augustinus, epist. 211,3: quae vos fascinavit suasio illa non est ex Deo, qui vocavit vos. 9 virens … Daphne] Daphne heißt ein Stadtteil Antiochias; vgl. Plinius nat. 5,79: intus ipsa Antiochia libera, e)pi\ Dafnh/j cognominata, Oronte amne dividitur. Mit crimine obsita wird wohl auf Christenverfolgungen angespielt (ganz abgesehen davon, daß Lauro … Daphne auch die Erinnerung an Ovids Darstellung der Verwandlung heraufruft, met. 1,452–565). 11f. Vrbem … Orbis] Die bekannte Paronomasie, die erst, wenn urbs Rom ist, ihren tradierten Sinn erfüllt. 15 hac … Luce] Vgl. Ovid, trist. 3,13,25: si tamen est aliquid nobis hac luce precandum; und öfter. 16 Proscribit requiem] Kühne Junktur, die man vielleicht durch eine Formulierung wie ingenium Ciceronis proscribere (Seneca, contr. 10, Praef. 6) vorbereitet sehen kann. 16 carpit iter] Vgl. Ovid, fast. 3,604; 5,88; trist. 1,10,4: carpit iter (an der gleichen Versstelle). 21 turrita cacumina] Vgl. Ovid, am. 3,8,47: quo tibi, turritis incingere moenibus urbes? Bisselius denkt für die Storchennester allerdings nicht speziell an Mauern. 23 putria … arva] Vgl. Statius, Theb. 4,241: curribus innumeris late putria arva lacessant. 26 garrula monstra] Garrulus als Epitheton des Frosches: Vergil, catal., Ciris 74. 28 exemplum ac Ratio] In der Rhetorik einander ergänzende Modi der Argumentation; vgl. z. B. Cicero, inv. 1,38,68: eorum igitur, quae constant, exempla ponemus, horum, quae dubia sunt, rationes afferemus. 29 Septem … Montes] Zur Identifikation geeignetes Merkmal Roms; vgl. Ovid, trist. 1,56,25f.: sed, quae de septem totum circumspicit orbem / montibus, imperii Roma deumque locus. 32 compescere minis] Augustinus, contra Gaudentium 1,19,20: non pater filium a libertate peccandi minis ullis poenisve compescat (befürchtete Konsequenz: laxatis habenis). 33 tuae … Mitrae] In Griechenland und Rom war die mitra eine nur von Frauen und effeminierten Männern getragene Kopfbinde, aber auch die allgemein

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von Asiaten getragene Kopfbedeckung ›Turban‹; im AT Kopfbedeckung der Priester; vgl. Ex 29,9: et impones eis mitras eruntque sacerdotes mei in religione perpetua; hier die Kopfbedeckung des Bischofs, im Fall des Petrus (tuae … Mitrae) von der Tiara (vgl. DV I,13,4,25) kaum zu unterscheiden. 34 Sub Petri Clave] Aus Mt 16,19 stammendes Attribut des Petrus: Et tibi dabo claves regni caelorum; zur Fortwirkung vgl. z. B. Augustinus, serm. 149: si autem ad visionem Petri non pertinent, nec ad claves, quae datae sunt Petro. 34 Quirinus] Zur Bedeutung vgl. Laktanz, inst. 1,21,23: Romulus post mortem Quirinus factus est; d. h. aber, dass Petrus ein zweiter Gründer Roms, des christlichen Rom, sei und dass seine Verehrung als Heiliger die kultische Verehrung des Romulus-Quirinus wie überhaupt der heidnischen Götter ablösen wird.

Zu I,13,2 ductor] In der Vulgata AT Gott selbst, z. B. Jes. 63,14: spiritus Domini ductor eius fuit. Vgl. auch zu DV I,16,19. 3 magnum … per Inane] Vgl. Lukrez 1,1018: copia ferretur magnum per inane soluta. 5f.] Hier werden die sinnlichen Vorzüge Italiens als Motiv für Petrus genannt! 6 Terra fretumque] Claudian, carm. min. 31,36 (an der gleichen Versstelle). 7 stellantis Olympi] Claudian, carm. min. 31,21. (an der gleichen Versstelle). – legio stellantis Olympi lässt zwar an die himmlischen Heerscharen denken, aber z. B. Lk 2,13 heißt der Ausdruck multitudo militiae caelestis. 9 haud aliter, quam … cum] Häufige Einleitung eines Vergleichs, z. B. Ovid, met. 10,595; 15,553; Liv. 1,31,2. 9 phoenix] Der Phönix galt als sagenhafter Vogel, von dessen ungeheurer Lebensdauer Hesiod frg. 171 berichtet; dazu Herodot 2,73 von seiner Verehrung im ägyptischen Heliopolis, wohin er alle 500 Jahre mit einem großen, selbstgefertigten Ei komme, in dem die Überreste seines Vaters ruhten, die er im dortigen Sonnentempel bestatte. Die Legende von seiner Selbstverbrennung und Neuerstehung aus der Asche ist später und nicht ägyptisch; sie ließ den Phönix (etwa in Laktanz’ De ave Phoenice) zum Symbol der Ewigkeit bzw. der Auferstehung werden (so auch in der Emblematik). 9 puniceus … phoenix] Paronomasie, bei der puniceus für ›östlich‹ überhaupt stehen kann, denn die Heimat des Phoenix ist Oceani summo circumfluus aequore lucus / trans Indos Eurumque viret, wie Claudians Gedicht Phoenix (carm. min. 27) beginnt; puniceus kann aber auch für die Farbe ›rot‹ stehen wie bei Ovid, met. 2,607: candida puniceo perfudit membra cruore; die rote Farbe bei Claudian, ebd. V. 17f: igneus ora / cingit honos; V. 20: Tyrio pin-

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guntur crura veneno; dort V. 76f. auch die Vorstellung, dass den sterbenden Phoenix Vögel umringen: innumerae comitantur aves stipatque volantem / alituum suspensa cohors. Der militärische Ausdruck cohors von Bisselius durch legio (V. 7) überboten, während das Adjektiv innumerus übernommen wird und durch die neue Junktur innumero … honore einen besonderen Akzent bekommt. – Die zu V. 6f. zitierten Formulierungen stammen aus einem Gedicht, wo die Vögel zur Hochzeit des Orpheus herbeieilen, als letzter und bedeutendster wird Phoenix genannt. – In De excessu Satyri fratris 2,59 erzählt Ambrosius die Geschichte des Vogels Phoenix ausführlich als mythisches Argument für die Auferstehung. 9 nubila … subit] Vgl. Properz 4,4,27: dumque subit primo Capitolia nubila fumo. 10 cinctus honore] Ovid, ars 3,392: navalique gener cinctus honore caput (an der gleichen Versstelle). 11 ales Scyllaea] Ebenso wie dulcem gregem (V.12) nicht belegte Junktur. 13 Carmen … varium] Vergil, catal. 15,4: et rudis in vario carmine Calliope. 13 It carmen caelo] Vgl. Vergil, Aen. 5,451: it clamor caelo. 14 Prognês … soror] Prognes (oder Procnes) Schwester ist Philomela, die Nachtigall (zu Progne I,23, zu Philomela in III,15,2 und III,24); ihre Geschichte und Verwandlung in Vögel erzählt Ovid met. 6,424–674. 15 caelestior] Der Komparativ nur einmal in Rufins Origenesübersetzung belegt. 16 mente vagâre] Junktur zuerst bei Chromatius Aquileiensis mit anderer Bedeutung, dann bei Gregor dem Großen und zahlreicher seit dem 12. Jahrhundert. 17 Lararia] Gebräuchlich nur im Sg. und erst seit der Kaiserzeit: das Heiligtum, wo Laren, Penaten und der Genius verehrt wurden. Hier allgemein für Stätten heidnischer Kulte und für diese selbst. 18 tura adolenda] Kultisches Entzünden von Weihrauch bei Prudentius, Contra Symmachum 1,222; Perist. 3,29 ebenso wie im AT 1 Kön 11,8 Zeichen heidnischer Kulte; zur Zeit der Christenverfolgung reichte das Streuen einiger Weihrauchkörner in die Flammen als Zeichen für die Teilnahme am staatlichen Kult; vgl. Laktanz, inst. 5,18,12: nam cruciari atque interfici malle quam tura tribus digitis comprehensa in focum iacere tam ineptum videtur quam in periculo vitae alterius animam magis curare quam suam. Noch im Codex Theodosii 16,10,12 wie andere Opfer verboten, später von der Kirche übernommen; wichtig dann, wie hier, wem der Weihrauch dargebracht wird. 19 aspicis ut] Häufig, z. B. Ovid, trist. 1,9,7; 3,4a,11; 5,14,35. Eine imaginierte Romreise auch in der Africa des Petrarca.

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21 bifrons … Janus] Der nach vorn und hinten sehende Gott des Eingangs und Ausgangs, auch Ianus geminus genannt. 21 sine fronte senex] Christliche Polemik? Der Gott, der angeblich in Vergangenheit und Zukunft schaut, sieht in Wirklichkeit gar nichts. 23 Juno invida] Nirgends heißt Juno invida, obwohl das Attribut für ihre Rolle etwa in der Aeneis nicht unpassend wäre. 23 excelsis … templis] Seneca, benef. 3,29,5: innituntur fundamentis suis templa excelsa. 24 in igne focos] Ovid, fast. 6,382: Cererem mollitamque manu duret in igne focus (an der gleichen Versstelle). 24 servet … focos] Ovid, trist. 4,2,14: perpetua servant virginitate focos. 25 quid memorem?] Häufige Einleitung einer Praeteritio. 28 Vaticano] Schon in der antiken Dichtung kommt neben dem kurz gemessenen ›i‹ (Horaz, carm. 1,20,7: redderet laudes tibi Vaticani – im sapphischen Elfsilbler) das lange vor: Martial 1,18,2: in Vaticanis condita musta cadis (im Pentameter). 32 Salentinos] Die Salentiner sind ein Volksstamm in Calabrien. 34 electrifero … amne] Das Adjektiv nur einmal belegt und ebenfalls im Zusammenhang mit dem Po verwendet: Claudian, Fescennina dicta Honorio Augusto et Mariae (carm. mai. 12), 1–15: Athesis strepat choreis / calamisque flexuosus / leve Mincius susurret / et Padus electriferis / admoduletur alnis. 36 ponet templa] Das Verb ungewöhnlich für den Bau von Tempeln. 38 aurifero … Tago] Dass der Tajo Gold führt, ist gängige Vorstellung: Catull 29,19; Ovid, am. 1,15,34; Silius 1,155 und öfter. 39 Braccata] Zur Erklärung vgl. Plinius, nat. 3,31: Narbonensis provincia appellatur pars Galliarum, quae interno mari adluitur, Bracata antea dicta; genannt nach der Hose, dem charakteristischen Kleidungsstück der Gallier. 39 Togata] Wiederum Plinius nat. 3,112: ab Ancona Gallica ora incipit Togatae Galliae cognomine; d. h. die beiden Bezeichnungen gelten für die zur Zeit Caesars bestehenden beiden gallischen Provinzen. Die in Italien gelegene war so weit romanisiert, dass die Toga als Unterscheidungszeichen gelten konnte. Das – noch– freie Gallien hieß comata, wie nochmals Plinius bestätigt nat. 4,105: Gallia omnis Comata uno nomine appellata in tria populorum genera dividitur, amnibus maxime distincta, womit er in Formulierung und Inhalt an den Beginn von Caesars Bellum Gallicum anknüpft.

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Zu I,13,3 Anglia] Wie die Verse 13–17 zeigen, ist Anglia stellvertretend für die reformierten Länder genannt, sicherlich weil der Religionswechsel Heinrichs VIII. sich der Polemik besonders anbot. relapsurâ] Relabi terminus technicus für den Abfall vom rechten Glauben, z. B. Ambrosius, Explanatio Psalmorum XII, ps. 47, cap. 9,2: iustus erat, cum apostolorum numero necteretur, sed quia subplantatus est a diabolo, in locis nunc deplorat et ingemit impiorum, quod de gratia sit relapsus ad poenam. 1 natat Insula] Mela, De chorograph. 2,82: velut insula natat. 2 meliore sui parte] Vgl. Ovid, met. 9,269: parte sui meliore viget. 4 Roma … dum Caput orbis erit] Zitat nach Ovid, am. 1,15,26: Roma triumphati dum caput orbis erit. 5 divortia] Zunächst räumliche Entfernungen bezeichnend (z. B. Tacitus, Agr. 19,4: divortia itinerum), im 4. Jahrhundert auch die Scheidung einer Ehe: Hieronymus, Commentarii in IV epistulas Paulinas; Ad Ephes. l. 3: ne per occasionem fidei in Christum inter maritos et uxores divortia fierent. Sachlich gemeint ist Heinrichs VIII. ›Scheidung‹ von Katharina von Kastilien und die 2. Ehe mit Anne Boleyn, die zur Trennung von Rom führte; vgl. den Anfang von Baldes Ode auf Thomas Morus carm. 1,3,1–8: Hic ille MORUS, quo melius nihil / Titan Britanno vidit ab aethere. / Funesta cum Regem Bolena / Illicito furiasset aestu: / Audax iniquas spernere nuptias / Amore veri, propositum minis / Obvertit Henrici, tyranno / Fortior, indocilisque flecti. S. auch unten zu III,2 die Elegie über Anne Boleyn und das hier im Anhang abgedruckte, wohl von Bisselius stammmende Thomas-Morus-Drama. 5 geminis taedis] Die zweite Hochzeit Heinrichs, die mit Anne Boleyn, gemeint, der der Bruch mit Rom vorausging; s. abermals unten Elegie III,2. 6 rapidos … Notos] Vgl. Vergil, Aen. 6,75: ne turbata volent rapidis ludibria ventis; auch die Individualisierung mit Notus kommt vor: Ovid, fast. 3,588: percutitur rapido puppis adunca Noto. 6 jura Fidemque] Als Inbegriff des menschlich Verpflichtenden z. B. Vergil, Aen. 2,541f.: iura fidemque / supplicis erubuit. 7 Exilio … longo] Für die weite Entfernung Vergil, Aen. 2,780: longa tibi exilia. 8 hilari … cum grege] Junktur antik ohne Vorbild. 9 campi … virides] Vergil, georg. 3,6: viridi in campo. 10 innocui sanguinis] Die Junktur zuerst bei Prudentius, amart. 219; psych. 501; contra Symmach. 1,515; peristeph. 3,87. 10 Sanguinis amne] Anregend für die antik nicht belegte Verbindung könnte Lukan 7,700 gewesen sein: turbatos incursu sanguinis amnes.

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10 amne fluent] Seneca, apocol. 7,2: ubi Rhodanus ingens amne praerapido fluit; aber fluere im Sinne von ›überströmen von‹ mit Subjekt campus scheint ein Germanismus zu sein. 11 Syntaktische Struktur unklar: was gibt (dabit) die gladio pars icta? Oder ist icta das erste Prädikat und dabit gegen die Interpunktion und den Versfluss zum zweiten pars zu ziehen? Auch in refugos eruta corda rogos dare ist sehr manieriert. Und was sind schließlich refugi rogi? 13 Quid tamen ista moror?] Erstaunlich, wie in den Versen 13–17 die von der Reformation ergriffenen Länder als verloren mit konzessivem Konjunktiv zugunsten der zu missionierenden aufgegeben werden. 13 mutent … sacra] Mutare sacra antik nicht belegt, dagegen mutare religionem Arnobius, Adversus nationes 2,68. 15 Virum numeret … unum] Im Sinn von ›aufweisen‹ dürfte numerare ein Germanismus sein. 16 Graecia] Wegen des Schismas und gewiss auch wegen der Eroberung durch die Türken genannt. 16 puras … manus] Zur Bezeichnung kultischer Reinheit Horaz, epod. 17,49; Properz 2,32,28; Ovid, am. 1,12,16. 16 tollat ad astra manus] Priapea 12,6: rugosasque manus ad astra tollens. 18 janua lata Maris] Vgl. Ovid, trist. 1,10,32: hic locus est gemini ianua vasta maris; hier bildet die Meerenge bei Byzanz das Tor zu zwei Meeren; bei Bisselius ist das Meer selbst das Tor zu den jenseits liegenden neuentdeckten Ländern, in Begriffen der Grammatik der Unterschied zwischen Gen. objectivus und Gen. explicativus.

Zu I,13,4 1 Oceano … Atlas] Das gilt zumindest für das westlich vor Nordafrika gelegene Meer; vgl. Euripides, Hipp. 3 u. 1053; Lukrez 5,35f.: propter Atlanteum litus pelagique severa, / quo neque noster adit quisquam nec barbarus audet; vgl. auch in DV I,6,15 die Formulierung ab Atlantide … unda. 2 Numidûm] Gen. Pl. Gewöhnlich Numidarum; vgl. Sallust, Iug. 46,3: genus Numidarum infidum. 2 acre genus] Vgl. Vergil, georg. 2,167: genus acre virum, genannt werden dann Marser, Sabeller, Ligurer und Volsker stellvertretend für die Völker Italiens; sonst vor allem für Tiere wie Löwen (Lukrez 5,862; Ovid, fast. 4,215) und Wölfe (Vergil, georg. 3,264).

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3 sine Lege … Fideque] Auf das goldene Zeitalter kann sine lege allein verweisen; vgl. Ovid, met. 1,90: sine lege fidem rectumque colebat; aber die Indianer werden nicht idealisiert, sondern als Wilde gesehen, denen jegliche menschliche Ordnung fehlt, eine Vorstellung, die in dem V. 4 genannten Kannibalismus kulminiert. 4 Dens … natat] Statius, Theb. 9,438: stagna cruore natant; Silius 12,673f.: cum Tyrrhena natarent / stagna cruore virum; aber cruore natare mit Subjekt dens ist singulär. 6 lux, in lucis proditione, sita est] Für die manierierte Paradoxie gibt es kein Vorbild außer allenfalls lucus a non lucendo. 8 petra, PETRVS] Nicht nachahmbare Paronomasie, die aus Mt 16,19 entlehnt ist. 9 Vlteriora vide!] Erinnert deutlich an die im spanischen Wappen enthaltene Devise Karls V. (»Plus ultra«), mit welcher der Vorstoß über die Säulen des Hercules, d. h. das Mittelmeer, hinaus in die überseeischen Kolonialreiche gemeint war; so auch in der Emblematik; dazu Beispiele bei Henkel/Schöne 1996, Sp. 1198f.; vgl. dazu auch unten zu V. 26. 9f. sulcat / Aequora] Vgl. Ovid, Pont. 1,4,35: vastum sulcavimus aequor. 9–11 nunc ter denos … numerare nepotes] Hier wird der Sprung vom fiktiven Zeitpunkt der vaticinatio zur Gegenwart des Autors in großzügig gerechneten 30 Generationen gemacht. 13 Hesperio … ab Alto] Das ist geografisch von Antiochia bzw. Rom aus formuliert; für die Bewohner Amerikas kommen die Spanier über Eoum mare. 13 Vehens magnos Heroas] Nach Vergil, ecl. 4,34f. formuliert: altera quae vehat Argo / delectos heroas. 14 inferet … Deum] Variation aus dem Prooemium der Aeneis (1,6): inferretque deos Latio. 15 toto avia Gange] Von Lukrez wird avius gern gebraucht, um das Abweichen vom Richtigen zu bezeichnen, so 2,222: a vera longe ratione recedit, oder 2,740: procul avius erras; avius a auch Augustinus, In Johannis evangelium tractatus 13,11; hier soll wohl der ferne Ganges genannt werden, von dem die Japaner – und V.23 die Chinesen – ihrerseits nochmals weit entfernt sind. Seitdem Franz Xaver 1549 in Kagoshima gelandet war, hatte es in Japan eine intensive Missionierung durch Jesuiten ›von oben‹, d. h. von den Herrschern her, gegeben, der allerdings bereits 1614 durch ein Verbot aus politischen Gründen begegnet wurde. Mit der Niederschlagung eines christlichen Aufstandes in Shimbara 1638 endeten diese Christianisierungsversuche Japans. Zu Bedeutung von Franz Xaver für die jesuitische Literatur s. Pohle 2000, zur Asienmission verschiedene Beiträge in Meier 2000.

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16 ibit ad obsequium] Für den Übergang zum rechten Glauben bzw. zu Christentum charakteristischer Ausdruck, ein Beispiel Ambrosiaster, Quaestiones Veteris et Novi testamenti, 109,19: Melchisedek … praecedit ad obsequium. 19 purpureos … Patres] Bei Statius, silv. 4,1,26 für die Senatoren, hier für hohe Würdenträger der Kirche verwendet. 20 Solum … Salum] Unnachahmliche Paronomasie ohne Vorbild in der Antike. 22 sub tua jura dabit] Vgl. Cyprianus Gallus, Heptateuchos, Lev 215f.: filia sanctifici fuerit si tradita vatis / externi sub iura viri. 23 Abstrusos … Sinas] Wenn der Zusammenhang besteht, hat Bisselius hier ein entlegenes Muster variiert: Pacuvius Tragoediarum fragmenta 394 Ribbeck 1962: Omnes latebras, subluta mole omnes abstrusos sinus. Auch in China begann die Missionstätigkeit der Jesuiten Mitte des 16. Jahrhunderts mit ansehnlichen Erfolgen in den herrschenden Kreisen wegen der wissenschaftlichen Kompetenz der jesuitischen Missionare; weil die Jesuiten aber allzusehr bereit waren, tradierte chinesische religiöse Vorstellungen gelten zu lassen oder gar zu übernehmen, stieß ihre Tätigkeit auf immer stärkere Vorbehalte in Rom, bis schließlich 1715 durch ein Edikt Clemens XI. den in China wirkenden Missionaren ein förmlicher Eid gegen den Ahnenkult auferlegt wurde. 23 et ineluctabile regnum] Vorbild ist offenbar Vergils et ineluctabile fatum bei Vergil, Aen. 8,334. 25 Tiarae] Vgl. DV I,5,4,20. 26 Imperium … tuum] Mittelbar auf den Papst als Nachfolger des Petrus wird hier der für das spanische Kolonialreich (›in dem Sonne nicht untergeht‹) bezogen. S. auch oben zu V. 9. 28 Ardua Roma] Statius, silv. 4,4,14 werden die Mauern Roms ardua genannt: ardua iam densae rarescunt moenia Romae; daneben kann Rom ›celsa‹ heißen, Paulinus Petricordiae (5. Jahrhundert), De vita Sancti Martini 1,292f.: celsae iam liquerat ardua Romae / moenia. Als Attribut für Rom selbst ist ardua nicht belegt.

Zu Elegie I,14 (HW) In dem dreiteiligen Gedicht De navigatione ermuntert der Dichter in emphatischer Rede nicht genannte jesuitische Freunde zur Fahrt nach England. Sie sollen sich nach dem Beispiel des Hl. Satyrus, des Bruders von Ambrosius, und des Hl. Raymundus von Pennaforte mehr auf Gott und ihre Unschuld als auf das ungewisse Meer verlassen. Das Gedicht gehört in den Zusammenhang des unbedingten Gehorsams gegenüber dem Orden und des gefährlichen Missionsauftrages an die Jesuiten. In seiner Ode carm. 4,17 Ad Sabinum Fuscum in Indias profecturum

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behandelt Jakob Balde ein ähnliches Sujet – freilich ganz anders als Bisselius. Das Propemptikon Baldes für den Freund integriert die Sorgen der daheim bleibenden Angehörigen, die freilich den zur Missionierung Entschlossenen nicht umstimmen können: Mens immota sibi manet. Iam pulsata sonant litora; iam fremit Ventosi chorus Aeoli Et frondosa levans brachia Mexicum Complecti parat hospitem: Iungamus placidis vota Favoniis. (V. 33–38).

Ein weiteres solches jesuitisches Indienfahrtgedicht, in dem es um unbedingte Missions- und Opferbereitschaft geht, verfasste etwa der Niederländer Jacobus Wallius S.J.: Evangelico praeconi Justo Van Surcq è Belgio in Occidentis Indiam vela facienti. Dort ist das mögliche Ziel der Bekehrungsfahrt eindeutig bezeichnet: Quos nunc ille ignes nutrit sub pectore! Quantam Romanis sobolem, quantam promittit Olympo! Forsan et ipse suo, quae tradet, sacra cruore Sanciet. Hunc sperat finem pretiumque laborum … (Zit. n. der zweisprachigen Ausg. mit franz. Übertragung: J. Brunel (Hg.): Parnasse Latin moderne […] Lyon 1808, tome second, S. 392–401, hier S. 400).

Ähnlich fasst ein Epigramm des französischen Jesuiten Jean de la Commire zusammen: Ad Missionarios S. J. proficiscentes in Indiam. Ite, viri, mundum Christo submittere vester Sit labor: armatos quis Cruce sustineat? Victrices fuso surgent de sanguine palmae: Vitaque tormentis rapta triumphus erit. (Zit. n. Brunel (s. o.), tome premier, S. 136).

I. Es ist die Zeit, da der Aries seinen Schwanz und der Taurus sein geöffnetes Maul zeigt und am Himmel sein Frühlingsgestirn aufgehen lässt. Also werden die Gefährten der Winterkälte den Mittelfinger zeigen und ihr trotzen (V. 1–4). Die Pleiaden leuchten als Zeichen des neuen Frühlings schon, auch wenn eine von ihnen, Merope, zögert (V. 5–10). Rhein und Schelde sind schon eisfrei und die Aeolischen Stürme verlieren ihre Gewalt (V. 11–13). Also ist es Zeit, aufzubrechen, ob vom nördlichen Meer, oder von Calais (V. 14–18). Man muss auf Gott vertrauen und auf die eigene Redlichkeit. Diese beiden werden die Stelle zweier berühmter antiker Schiffe der Antike, der Pristis und der Argo, vertreten, denn ohne Gott und die Probitas ist das Schiff bedroht (V. 19–24).

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II. Was hatte der Hl. Satyrus davon, zum Karpathischen Meer zu fahren, sein Schiff barst nach Verlassen des Hafens, an den Tyndarischen Felsen (V. 1–6)? Wie ein Storch sind die Seefahrer beim Schiffbruch vom Untergang bedroht. Sie greifen nach jedem Mittel, sich zu retten, nur an Seelenstärke (Virtus) und Gott (Numen) denkt keiner (V. 7–14). Einzig Satyrus vertraut auf Gott, wirft sogar das Brett weg, das er gerade umklammert hält, umgreift fest ein Amulett mit einer Hostie und springt ins Wasser, auf die Hilfe Gottes vertrauend (V. 15–24). Die Nymphen des Meeres staunen, Gott in Gestalt der Hostie bei sich zu sehen, die Winde verstummen und bieten sogar Satyrus ihre Hilfe an wie einst die Delphine Arion. Triton bringt ihn in die Adria (V. 25–30). III. Der Hl. Raymund ist der Schätze Aragons überdrüssig und beschließt, das Land zu verlassen und über das westliche Meer zu fahren (V. 1–4). Dazu benötigt er kein Schiff, sondern fährt auf seinem Mantel, den er ausbreitet, über die See (V. 5–8). Der aus Flicken bestehende Mantel sichert die Rückkehr (V. 9–10). Angliam] England war besonders unter der Regierung Elizabeths I. und James I. für die Angehörigen des Jesuitenordens sehr gefährlich. Sie versuchten, den bedrängten englischen Katholiken zu Hilfe zu kommen und sie geistlich zu betreuen. Wurden sie entdeckt, drohten ihnen zumeist Folter, Haft und Hinrichtung. Wer sich als Jesuit entschloss, nach England zu gehen, bereitete sich also auf das Martyrium für den katholischen Glauben vor. Im dritten Teil des vorigen Gedichtes mit der Überschrift De Anglia, sub Henrico VIII. relapsurâ beklagt Bisselius den Abfall Englands unter König Heinrich VIII. und die Märtyrer – zu denken ist etwa an John Fisher und Thomas Morus, die beide 1535 hingerichtet wurden, aber auch an die englischen Jesuiten Edmund Campion und Robert Southwell, die unter Elizabeth I. nach qualvollen Foltern hingerichtet wurden. Der aus Deventer stammende Jesuit Johannes Kreihing (1595–1670), u. a. Rektor der Kollegien in Bamberg und Würzburg, beklagt in einem Epigramm seiner 1558 erschienenen Poemata Aposcholasmatica die Perfida Anglia, die von der katholischen Kirche abgefallen ist. Zit. n. Mertz/Murphy, S.54. Jakob Balde hat dagegen in seiner berühmten Ode Thomae Mori constantia (carm. 1,3) in V. 7 vor allem auf den tyrannus Heinrich VIII. abgehoben. Zu England und den Jesuiten vgl. die zusammenfassenden Artikel mit weiterführender Lit. in: Koch, s. v. ›England‹, Sp. 484–488; ›Englische Märtyrer‹, Sp. 491. Ferner O’Neill/Dominguez, Bd. III. (2001), s. v. »Inglaterra«, S. 2021–2028. S. Satyri] Der Hl. Satyrus war der Bruder des Hl. Ambrosius. Sein Fest wird am 17. September begangen. Um 335 n. Chr. geboren, begleitete er seinen

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Bruder Ambrosius, als dieser Bischof von Mailand wurde, und lebte ehelos in dessen Haushalt, zusammen mit der Schwester Marcellina. Noch als Katechumene erlitt er auf einer Reise nach Afrika Schiffbruch. Von katholischen Christen, die nach damaliger Sitte das Hl. Sakrament mit sich führten, erbat der Hl. Satyrus eine Partikel und erhielt sie auch, hüllte sie in sein Schultertuch (orarium) und sprang voll Zuversicht ins Meer. Er kam tatsächlich als Erster aus dem Schiffbruch glücklich ans Land und erbat die Taufe, und als er erfuhr, dass der Bischof des Ortes mit der römischen Kirche nicht in Gemeinschaft stand, wollte er sich lieber nochmal den Gefahren des Meeres anvertrauen, als sich den Anschein geben, als billige er Spaltung und Uneinigkeit in der Kirche. Von der Reise zurückgekehrt, verfiel er in eine schwere Krankheit. Nach seinem Tod ließ Ambrosius seinen Leichnam in die nach ihm genannte Ambrosianische Basilica bringen, wo er ihm die Trauerrede (in excessu fratris) hielt. Nach Umlauf von sieben Tagen beerdigte er ihn in der Portianischen Kirche, heute St. Viktor. Der Tod des Hl. Satyrus, vgl. auch das Martyrologium Romanum zum 17. September, fällt zwischen die Jahre 383 und 393. Vgl. Stadler, Bd. 5, S. 221f. Divi Raymundi] Der Hl. Raymundus von Pennaforte. Geboren um 1170 auf Schloss Pennaforte in Katalonien. Fest am 7. oder 23. Januar. 1204 ging er zum Rechtsstudium nach Bologna, von wo er 1219 in seine Heimat zurückkehrte und 1222 in den Dominikanerorden eintrat. In Predigten forderte er seine Landsleute auf, die Sünde in sich selbst zu bezwingen, um die Mauren besiegen zu können. Darauf trat tatsächlich eine Wende ein. Die Könige von Kastilien und Leon nahmen den Mauren feste Plätze weg, und Jakob, König von Aragon, vertrieb sie vob den Inseln Mallorca und Menorca, und später, im J. 1237, aus dem ganzen Königreich Valencia. Papst Gregor IX. berief daher im J. 1230 Raymundus nach Rom, machte ihn zum Auditor der Rota, Hauskaplan und zu seinem Beichtvater. Als solcher legte er dem Papste zur Buße auf, die Bittschriften der Armen vor allen andern Dingen zu erledigen. Im Auftrag dieses Papstes sammelte der Hl. Raymundus die Dekrete der Päpste und Konzilien vom Jahre 1150, wo Gratians Sammlung endigte. An diesem Werk der Decretalen arbeitete er drei Jahre (von 1231–1234) und erwarb sich damit bleibenden Ruhm. Eine Ernennung zum Erzbischof von Tarragona schlug er 1235 aus und zog sich in die Einsamkeit zurück. 1238 wurde er zum Generaloberen seines Ordens gewählt. In der Folge betätigte er sich intensiv mit der Bekehrung der Albigenser, Juden und Mauren. Eine Reise des Hl. Raymundus in Begleitung des Königs nach Mallorca war Anlass zu dem in Teilelegie III beschriebenen Wunder. Unzufrieden mit dem Lebenswandel des Königs erbat er seine Entlassung. Der König verweigerte sie und verbot ihm, sich einzuschiffen. Der Hl. Raymundus vertraute nun der Legende nach auf Gott, breitete seinen Mantel auf dem Meer aus und gelangte über eine Strecke von sechzig Seemeilen nach Mallorca, von wo er unversehrt nach Barcelona zurückkehrte. Am Januar 1275 verstarb er. 1601 sprach ihn Papst Clemens VII. heilig. In verschiedenen Kalendarien werden unterschiedliche Festtage angegeben. Der Heilige wird abgebildet als Dominikaner, wie er auf

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seinem Mantel das Meer überquert. Sein Pilgerstab bildet den Mastbaum, ein Teil des Mantels das Segeltuch. In der St.-Dominikus-Kirche zu Bologna befindet er sich auf einem Kahn; sein Mantel dient ihm als Segel. Ausführliche Vita in Stadler u. a. (s. o.), S. 42–45. Divus Ambrosius] Der Hl. Ambrosius hielt nach dem Tod seines Bruders die erhaltene Leichenpredigt De excessu fratris Satyri. Abraham Bzovius] Der polnische Dominikaner und Kirchenhistoriker (Bzowski 1567–1637) setzte die Annales Ecclesiastici des Caesar Baronius fort. Der Band mit dem Text zum Hl. Raymundus von Pennaforte erschien unter dem Titel: Annalivm Ecclesiasticorvm post Illvstr[em] et reverendiss[imum] […] Caesarem Baronivm S[anctae] R[omanae] Ecclesiae Cardinalem … Tomvs XIII. Rerum in orbe Christiano ab Anno Dom[ini] 1198 usque ad annum 1299 Gestarum narrationem complectens Avctore […] Abrahamo Bzovio Polono S[anctae] Theologiae doctore … Coloniae Agrippinae Anno MDCXVI. Der Text findet sich S. 841 zum Jahr 1275 (Kürzel sind aufgelöst): Interim ignarus eiusce consilij B. Raymundus in portum porrexit: vbi ab omnibus nauiculatoribus communi consensu reiectus, cognita Iacobi regis voluntate, in portum Sollar profectus est, itineris sui comiti hoc vnum firmissime asseuerans, ibi aeternum regem sibi non defuturum. At cum neque in eo portu a nautis admitteretur, id secum ipse demiratus, hoc magna fide pronunciauit. Regem mortalem ita statuisse, sed regem aeternum aliter prouisurum. Itaque omnibus in litore salutatis, per quosdam rupes & praerupta saxa in mare porrecta aliquantulum progressus, in mare descendit ac socium allocutus: Videbis, inquit, quemadmodum Deus optimam nauem prouidebit. Quare fiduciae plenus, expanso super aquis pallio, reductaque eius ora instar veli ad baculum, quo tanquam malo vteretur, Dei opem inuocans, ac signo Crucis muniens, relicto in insula suo modicae fidei ac dubitante socio, mari se commisit: ac leni, prosperoque inflante vento perambulans semitas maris, ac benedicens Deum qui dominator potestati eius, 160. Miliaria 6. Horis confecit, omnibusque circum littora insolitum nauigandi genus admirantibus ad Barcinonem appulit, vbi resumpto pallio, quod ne quidem aqua perfusum erat, ad monasterium sui Ordinis sub meridiem se contulit …

Zu I,14,1 1 Aries] Das Sternzeichen des Widders. Seine Herrschaft endet am 20. April. 1 Os] Das Sternzeichen des Stieres beginnt am 21. April seine Herrschaft. 2 sidera Verna] Über die Gestirne in den Jahreszeiten vgl. Manilius 2,268f.: quattuor in partes scribuntur sidera terna; / hiberna aestivis, autumni verna repugnant.

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5 Septem … sidera] Es sind das Siebengestirn der Pleiaden, der Töchter des Atlas und der Pleione: Elektra, Halcyone, Celaeno, Maja, Sterope, Taygete und Merope. 7 Vergiliae … Atlantides] Vgl. Vergils Ausführungen in georg. 1,221. 7/8 auro / conspicuae] Vgl. Statius, Theb. 2,406f.: auro conspicuus. 9 una nocet] Vgl. in gleicher Bedeutung Manilius 4,456: nocet una. 9 Merope] Eine der Pleiaden. Genannt mit ihren Schwestern bei Ovid, fast. 4,175; Aratos, transl. Cicero 35. 10 clausum … fretum] Vgl. Livius 37,13,10: clausum mare. 15 Pontus arandus] Ähnlich Vergil, Aen. 2,780; 3,495. 18 marmor] Vgl. Vergil, georg. 1,256: infidum … marmor für die Meeresfläche. 19 certo sine Numine] Ähnlich die Junktur certi numinis providentia bei Macrobius, sat. 1,12,8. 20 polluit aura] Ähnlich Seneca, nat. 6,27,2. 23 Pristis] Name eines Schiffes im fünften Buch der Aeneis Vergils (5,116), das am Rumpf das geschnitzte Bild eines Wals trug. 23 Argo] Name des Schiffes, mit dem Jason nach Kolchis fuhr, um das Goldene Vließ zu rauben, woher die Argonauten ihren Namen haben. Das »glückhafft Schiff« von Zürich, das Johann Fischart 1576 besang, trug in einem lateinischen Gedicht von Rudolph Gwalter den Titel Argo Tigurina. Einen sehr kritischen Blick auf die Argonautenfahrt wirft Jakob Balde in carm. 3,14 mit dem Titel Argonautae: Die Suche nach dem Goldenen Vließ macht die Argonauten zu rei (V. 13).

Zu I,14,2 1 Alcyone] Die Gemahlin des Ceyx, Tochter des Aeolus. Sie stürzte sich ins Meer, als sie sah, dass ihr Gemahl Schiffbruch erlitt und ertrank. Tethis verwandelte beide in Eisvögel (alcyones). Ovid erzählt beider Geschichte im 11. Buch der Metamorphosen. 4 Carpathium mare] Vgl. Properz 3,7,12 u. ö. 5 obruta fluctu] Ähnlich Juvenal 14,296. 6 Tyndariis … petris] Tyndareus ist ein König von Sparta, Vater der Leda, Klytaimnestra, Kastors und des Pollux. 11–14] Die Beschreibung der Panik der Schiffbrüchigen kontrastiert dem unerschütterlichen Gottvertrauen, das in der zur Ablegung der Ordensgelübde entstandenen Heliotropium-Ode (carm. 4,48) Baldes anlässlich eines gedachten

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Schiffbruchs zum Ausdruck kommt. In der unbeugsamen Bereitschaft zum Gehorsam gegenüber den Aufträgen Gottes und des Ordens berühren sich freilich Baldes und Bisselius’ Gedicht: Si Deus ire monet, nunquam retinebit Orion, Nubilus inter aquas: Ut gladio findat mediae fundamina navis Tutior asser erit. (V. 17–20).

Eine eindrückliche Schilderung eines Schiffbruches findet sich auch in der Elegie II,7 der Heroum Epistolae von Bisselius’ Ordensgenossen Jakob Bidermann (1578–1639), betitelt Emanuel Sosa, naufragus, Lusitanis (zit. n. der Ausg. Bordeaux 1635, S. 102–111. Daraus seien einige Verse zitiert: Hinc clamare viri, trepidique pauescere nautae, Et dubias inter, vota vouere, preces. Proijcimus tum quisque suas, & mergimus vndis, Quas auidi nuper quaesieramus, opes. […] Omnia turbantur clamoribus: obruit alter Alterum: & auxilio foemina virque caret. (S. 105f.)

11 puppim … aduncam] Vgl. Ovid, fast. 3,588: percutitur rapido puppis adunca noto; auch epist. 16,114. 13 pignora vitae] Ovid, fast. 4,323. 15–24] Die Geschichte des Schiffbruchs erzählt Ambrosius von Mailand im 43. Kapitel von De excessu fratris Satyri: Quid igitur observantiam eius erga dei cultum praedicem? Qui priusquam perfectioribus esset initiatus mysteriis, in naufragio constitutus, cum ea, qua veheretur, navis scopuloso inlisa vado et urgentibus hinc atque inde fluctibus solveretur, non mortem metuens, sed ne vacuus mysterii exiret e vita, quos initiatos esse cognoverat, ab his divinum illud fidelium sacramentum poposcit, non ut curiosos oculos insereret arcanis, sed ut fidei suae consequeretur auxilium. Etenim ligari fecit in orario et orarium involvit in collo atque ita se deiecit in mare, non requirens de navis conpage resoluta tabulam, cui supernatans iuvaretur, quoniam fidei solius arma quaesierat. (Zit. n. Migne PL, Bd. 16, Sp. 1304B). Auffallend sind die Differenzen der poetischen Gestaltung des Bisselius zu seiner Quelle. Dort ist keine Rede davon, dass Satyrus sogar ein Brett losgelassen habe, an das er sich klammerte. Bei Bisselius verlässt er sich ausschließlich auf Gottes Hilfe, die ihm in der Hostie gegenwärtig ist. Bei ihm trägt er zudem die Kapsel mit der Hostie selbst um den Hals, während er sie in der Quelle von christlichen Mitreisenden erbittet. Bemerkenswert ist auch, dass Bisselius die antiken Meergötter Satyrus zu Hilfe kommen lässt, wovon in der Vorlage natürlich keine Rede ist. 18 rapido … Noto] Vgl. zu V. 11. Notus entspricht Auster und ist ein Südwind.

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25 Aeolus] Sohn des Hippotes, Beherrscher der Winde. Vgl. z. B. Vergil, Aen. 1,52ff. 25 Neptuniaque Amphitrite] Eine Nereide oder Okeanide, Gemahlin des Meeresgottes Neptun; daher das Epitheton. 27 Africus] Ein Westsüdwestwind. 27 Eurus] Ein Südostwind. 28 Vecturam … Arioniam] Arion ist der bekannte Sänger und Zitherspieler, der aus Methymna auf Lesbos stammte. Herodot berichtet in seinen Historien 1,23–24 als Erster ausführlich seine Legende. Arion siegt bei einem Sängerwettstreit auf Sizilien. Reich beschenkt tritt er die Heimfahrt an. Von Neid erfüllt, stellen ihn die Seeleute vor die Wahl, über Bord zu springen oder ermordet zu werden. Arion bittet sich aus, ein letztes Lied anstimmen zu dürfen. Eine Gruppe von Delfinen rettet den ins Meer gesprungenen und setzt ihn in Tainaron wohlbehalten ans Land. In Korinth erhalten die Seeleute ihre verdiente Strafe. Eine elegische Version des Mythus mit allegorischer Deutung bietet Bisselius’ Ordensgenosse Pierre Just Sautel in seinen Lusus poetici allegorici unter dem Titel Arion Delphino vectus (benutzte Ausg.: Lüttich 1682, S. 156–160). Die Apodosis Allegoriae hebt auf den Gegensatz der gnadenlosen Habgier der Seeleute zu der Humanität der Delfine ab. 28 Vecturam] Das Wort ist nicht antik belegt. 29 caruleo … curru] Vgl. Vergil, Aen. 5,819. 29 Triton] Sohn des Neptun und der Galacia, ein Meergott, der mit Rossen oder Meerungeheuern fährt.

Zu I,14,3 Vgl. zur Einleitung und zu Abraham Bzovius. 1 Praestitit hoc, Numen] Junktur wie Valerius Maximus 1,1,5.: numen praestitit. 2 Numinis instar] Häufige Junktur, z. B. Ovid, met. 14,124 u. ö. 5 nautes] Diese griechische Form bei Vergil, Aen. 5,728 als Eigenname belegt. 10 Tecta … Sarta] Die Antithese hat im Text der Legende keine Entsprechung, ebenso wenig pannosa in V. 9.

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Zu Elegie I,15 (HW) Die 15. Elegie des ersten Buches eröffnet eine Trilogie von reizvollen Vogelgedichten, von denen I,15 und I,16 der Lerche gewidmet sind. Das erste Gedicht ist bestimmt von der eigenen Begegnung des Dichters mit der alauda. Aus V. 10 wird deutlich, dass es um die cassita genannte Art geht, griechisch Korydon, also die Haubenlerche (wissenschaftlicher Name Galerita Cristata). Eröffnet wird die Elegie mit einem morgendlichen Stimmungsbild: Der Luftraum beginnt sich mit dem concentus der Vögel zu erfüllen. Schon in Vers 2 wird aber eine wesentliche Intention des ersten, bis Vers 14 reichenden Teils des Gedichtes deutlich: Die Bauern sollen weder den Nestern noch den Eiern des Vogels schaden (V. 3–4). Es geht in der Folge wesentlich um die vom Dichter verdammte Jagd auf die Singvögel, die als Speise dienen (V. 5–8). Tatsächlich waren Lerchen begehrte Delikatessen, und selbst der zeitgenössische Ornithologe Jan Jonston findet offenbar nichts dabei, die schmackhaften Vögel zu verspeisen: De usu in cibis taceo. Juniores et pinguiusculas nemo non appetit – »Über den Gebrauch als Speise schweige ich. Die Jüngeren und hübsch fetten isst jeder gern.« (Zit. n. Beichert 2010, S. 141). Vgl. dazu auch Beichert 2004 mit reichen Quellenangaben und Literaturbelegen. Im Gesnerschen Vogelbuch wird das Fleisch der Lerche sogar als Heilmittel empfohlen: »Die Kobel=Lerch gebraten gessen/ ist gut fuer das Bauchkrimmen« (Zit. n. Gesneri Redivivi, aucti & emendati Tomus II. Oder Vollkommenes Vogel=Buch … Durch Georgium Horstium M.D. ND der Ausg. 1669. Hannover 1995, S. 237). Bis ins 19. Jahrhundert waren Lerchen vor allem auch in Mitteldeutschland begehrte Leckerbissen, wo man sie unter der Bezeichnung »Leipziger Lerchen« feilbot, ehe dieser Fang unterbunden wurde. Noch am Ende des 19. Jahrhunderts wurden jährlich etwa drei Millionen Lerchen als Speisevögel zumeist aus den Niederlanden allein nach London geliefert (vgl. Meyers Großes Konversationslexikon. Bd. 12. Leipzig/Wien 61905, S. 434). Bisselius scheint hier auch unter seinen Zeitgenossen eine besondere, dem Geschöpf und Sänger Gottes gegenüber sehr freundliche und von Empathie zeugende Haltung einzunehmen. Er nutzt dabei sprachliche Junkturen und emphatische Ausdrucksmittel der römischen Liebeselegie, um seine entschiedene Abneigung gegen die Vogelfänger zum Ausdruck zu bringen. Der Name Corydon stammt aus dem dorischen Griechisch. Er verweist zugleich auf die Namen von Hirten in der bukolischen Dichtung Vergils (ecl. 2 u. 7) und Theokrits (Id. 4 – V. 11f.), bei beiden Dichtern Namen begnadeter Sänger. Die Haubenlerche singt so herrlich, dass man sie als zehnte Muse bezeichnen müsste (V. 13f.). Nach dieser Einleitung kommt Bisselius zum zweiten Hauptteil des Poems, der zugleich deutlich werden lässt, warum er den Fang der Lerchen als Speisevögel zutiefst verabscheut (V. 15–44). Der Dichter geht frühmorgens im Frühling an der Donau spazieren, als aus der Ackerscholle eine Haubenlerche aufsteigt (V. 15–22). Er sieht in ihr einen königlichen Vogel (V. 23f.). Die Lerche steigt in unzähligen Windungen auf. Zugleich mit dem Aufstieg ertönt ihre Stimme, die auch zu vernehmen ist, wenn man den Vogel nicht mehr sieht. (V. 25–38). Endlich erschöpft, kehrt sie im Sturzflug zur

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Ackerfurche zurück (V. 39–41). Als Lohn für ihren herrlichen Gesang wünscht ihr der Dichter den Ertrag der Hälfte des Feldes für zwei Jahre (V. 42–44). Erstaunlich ist, dass Bisselius auf die geläufige (falsche) Etymologie alauda von laus verzichtet, die den Vogel sein Gotteslob (etwa Deum lauda) anstimmen lässt und die etwa in dem Lerchengedicht von Nicolaus Bähr eine prominente Rolle spielt (vgl. Beichert 2010, S. 138). Dieser vermeintlich etymologische Bezug begegnet schon in der mittelalterlichen Hymnendichtung. So etwa in einem Hymnus bei Blume/Dreves, Bd. 27, S. 31–33 wo es heißt: Illa [scil. Alauda] septem vicibus Sursum volitabat Et praeclaris vocibus Sic Deum collaudabat …

In der neulateinischen Dichtung scheint die Lerche nicht sehr häufig in selbständigen Gedichten besungen worden zu sein. Caspar Dornavius, der etwa zahlreiche Nachtigallen- und Schwalbengedichte anführt, bringt neben einem prosaischen Alaudae Encomium aus Aldrovandi, der wiederum Baptista Mantuanus zitiert, nur einen Auszug aus Guillaume de Salluste du Bartas, wo der Gesang der Lerche mit tireli wiedergeben wird, ein Gedicht Friedrich Taubmanns Alauda candida, das auf ein Wappentier anspielt, sowie mehrere poetische Stücke des böhmischen Autors Georgius Gallus aus Chrudim (um 1600), darunter eines, das später typische Motive bietet: De Alaudis/ Primo, & quidem ningente Vere, cantillantibus. Aera, rura, boues frigus licet acre perurat: Blanda Creatorem cantat Alauda Deum. O Homo quum te etiam Sors aspera versat & urget; Impiger officium fac tueare tuum. (Zit. n. Dornau 1618/1995, S. 467f., hier S. 468.)

Ein weiteres Gedicht desselben Autors macht es zum Verdienst der Lerche, wenn im Frühling alle Vögel zwitschern, da sie von ihr angeregt werden. Der französische Jesuit Laurent Le Brun würdigt in einem Gedicht über das Hexaemeron die Lerche mit folgendem Distichon: It galeata caput, doctoque per aera gyro Carmine vicinum mulcet Alauda polum. (Zit. n. Gandutius 1703, S. 100.)

Ein sehr umfangreiches lateinisches Lerchengedicht findet sich schließlich als drittes Vogelgedicht in der Ornithophonia von Nicolaus Bähr in 756 Versen, die gleichsam die lateinische poetische Nachtigallentradition bündeln. Vgl. dazu Beichert 2010, S. 138–183. Unter den zahlreichen volkssprachlichen Nachfolgern, die Bisselius’ Lerchengedicht gefunden hat, (Eichendorff, Droste-Hülshoff, Dieffenbach u. a.) steht vor allem ein Gedicht An die Lerche von Ernst Moritz Arndt aus dem Jahr 1836 bei allen zeitbedingten Differenzen in seiner Motivik dem des Bisselius nahe. Seine

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letzte Strophe lautet (zit. n. Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte. Berlin u. a. 1912, S. 215): O wie süß, mit dir zu kreisen In dem heitern Sonnenstrahl! O wie süß, mit dir zu reisen Himmelauf vom Erdental! Auszujubeln, auszusingen, Was das stille Herz nur weiß, Und aus voller Brust zu klingen Liebeslust und Himmelspreis!

1 Volucrum tinnit concentibus aether] Ähnlich die Frühlingsbeschreibung in Ovid, fast. 1,151–160, hier 155f.: et tepidum volucres concentibus aera mulcent, / ludit et in pratis luxuriatque pecus. Die oft in den Liebesliedern der Carmina Burana begegnenden Frühlingseingänge mit dem concentus avium dürften Bisselius schwerlich bekannt gewesen sein. 5 Ferreus est] Eine bei Tibull (2,3,2) und Ovid (am. 2,5,11 u. 2,19,4) belegte Junktur, die einen gefühllosen Menschen bezeichnet. 6 Plumbeus] Als Steigerung zu Ferreus gedacht nicht belegt. Für einen gefühllosen Menschen gebraucht bei Sueton, Nero 2,2. 7 Scythica … gulam] Das Reitervolk der Skythen nördlich des Schwarzen Meeres gilt in der Antike als besonders barbarisch. Sie sollen rohes Fleisch verzehrt haben. 7 immane barathrum] Für einen unersättlichen Vielfraß verwendet bei Horaz, epist. 1,15,31. 10 Corydona] Z. B. bei Theokrit, der Id. 8,141 das Wort gebraucht. Theokrit schreibt im dorischen Dialekt. 11 Maro] In Vergils zweiter und siebter Ekloge heißt ein Hirte Corydon. 11 Sicúlusque choraules] Gemeint ist Theokrit. In seinem vierten Idyll ist der Name eines Hirten ebenfalls Korydon. 13 meditatur … carmen] nach Vergil, ecl. 1,2 u. ö. 13 gutture] Vgl. Ovid, am. 1,13,7: Et liquidum tenui gutture cantat avis. 14 decimam … Deam] Als »zehnte Musa« wurde z. B. Sappho bezeichnet. Als Schwester der neun Musen (und damit als zehnte Göttin) begegnet die Lerche bei Nicolaus Bähr in der Ornithophonia; vgl. Beichert 2010, S. 183, V. 745– 752. 15 primo … ortu] Zur Lerche als Botin des Morgens vgl. Rupertus Tuitensis (von Deutz), Liber de divinis officiis 7,255: velut alauda matutina per vocum suarum saepe volitat acumina.

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15 Pallantidos ortu] Vgl. Ovid, met. 15,700. Pallantis heisst Aurora, die Morgenröte, als Nachfahrin des Giganten Pallas. 16 falsísque rosetîs] Wohl Buschwindröschen. 19 seges … laeta] Vgl. Ambrosius, Expositio Psalmi CXVIII, 2,2,20: seges laeta. 20 Tempora Veris eunt] Ähnliche Junktur Ovid, am. 1,6,40. 22 Ardua … Alauda] Die Lerche schwingt sich in Kreisen hoch empor. 22 ventivolo] Das Wort ist nicht belegt, vielleicht Neubildung durch Bisselius. 23 Primatem] Spätlateinisches Wort. 23 de stemmate] Vgl. Statius, silv. 5,3,23 u. ö. 25 pennas … levavit] Ähnlich Augustinus, Enarrationes in Psalmos, Psalmus 140, 2,12: pennas, quibus levet in caelum. 26 Vnâ vox et avis] Die Lerche kann während des Fliegens singen. 26 mobilitate vigent] Vgl. Vergil, Aen. 4,175: mobilitate viget. 27 Quid memorem] Rhetorische Frage wie Vergil, Aen. 6,123 u. ö. 28 Turbinis in ritum] Ähnlich Manilius 3,361: turbinis in morem. 29 sescenta … volumina] Hier für »unzählige«, wie z. B. bei Cicero, Sest. 27,59 u. ö. 30 hippodromi … more] Das heißt, sie fliegt über den Wolken in elliptischer Bewegung. 34 carmine adest] Vgl. ähnlich Ovid, fast. 1,64: inque meo primum carmine Ianus adest. 36 Dorica metra] Dies wohl deshalb, weil Korydon ein »dorischer« Vogel ist. Vgl. zu V. 10. 38 Harmonie] Griech. Form für Harmonia, Tochter des Mars und der Venus, Gemahlin des Kadmos, hier als Göttin des harmonischen Gesanges. 41 Fulminéoque … impete] Vgl. Silius 12,461f.: donec fulmineo partus vestigia cursu / colliget.

Zu Elegie I,16 (LC/WK) Wenn Bisselius hier einen weiteren typischen Frühlingsvogel, die Lerche, zum zweiten Mal nach I,15 aufruft (mit doppeltem Vorspann, erst lateinischer Inhaltsangabe, dann griechischem Zitat der Quelle), zeigt er auf besonders markante Weise seine auch von der manieristischen Ästhetik geprägte Vorgehensweise, indem er

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das Lerchenmotiv, das zuerst trivial erscheint, einleitend und im Vorspann mit einer literarisch äußerst entlegenen historischen Anekdote verknüpft, nach der sich gemäß einem rätselhaften Orakelspruch schließlich eine Haubenlerche als Führerin einer zur Auswanderung getriebenen entschlossenen attischen Völkerschaft erweist; dabei das semantische Spiel verschiedener Bedeutungen von cristatus (›behelmt‹) auskostet und dabei reale und metaphorische Referenzen überblendet; am Schluss die Opposition von militärischen und zivilen historischen Assoziationen hervorhebt.

In der manieristischen Darstellungsästhetik zielten derartige ›sinnreiche‹ (konzeptionell ›argute‹) Kombinationen ganz bewusst auf die Verwunderung bzw. Bewunderung des Publikums (stupore, meraviglia, applauso). Das Gedicht gehört im Zyklus zur Reihe jener Texte, die sich christlich-erbaulicher, theologischer oder gar katechetischer Aussagen und Darstellungsstrategien ganz enthalten. Indem er sich als Pausanias-Leser ausgibt, verschweigt Bisselius seine offenbar eigentliche Quelle: einen entsprechenden Passus aus dem Alauda-Kapitel in der Ornithologia, dem Vogelbuch, seines sonst von ihm oft genannten Hauptgewährsmannes U. Aldrovandi (dazu s. zu I,12), hier Buch XVIII, spez. S. 835 unter dem Lemma AVGVRIVM. PRAESAGIA; hierdurch dürfte Bisselius auf Pausanias aufmerksam gemacht worden sein: COLAENVS quidam Colonidas vrbem colonis Athenis deducta condidit, Corydo, id est, Alauda duce vsus ex oraculo: vt ex verbis [marginal: In Mess.] Pausaniae cognoscere licet. Quae sint eiusmodi: Coronaeorum vrbi finitimae sunt Colonides, Negant verò qui illic habitant, se Messenios esse, sed ex Attica se terra huc à Colaeno deductos aiunt ipsum Colaenum Galeritam ex oraculo secutum in ea loca venisse. Haec ille. Im Einzelnen ergibt sich folgende Gliederung: 1–8 9–16 17–24 25–34 35–38 39–48 49–52

Numinose Bedeutung von Vögeln, z. B. bei Alexander dem Großen und bei Romulus. Wegen der zu zahlreichen Bevölkerung fasst Athen den Beschluss, einen Teil der Jugend des Landes zu verweisen; sie sollen sich anderswo Wohnsitze suchen. Nach längerer vergeblicher Suche wird ihnen durch eine Stimme bedeutet, sich vom dux cristatus an die richtige Stelle führen zu lassen. Wer ist der dux cristatus? Deutung des Orakelspruchs erst auf ihren Anführer Colaenus, dann auf ein Pferd, schließlich auf eine Haubenlerche. Colaenus befiehlt (in direkter Rede), der Lerche zu folgen. Die Lerche führt sie nach Messenien, wo sie auf einem Berg die nach ihrem Führer Colonidae genannte Stadt errichten. Römische Imperatoren führten die legio alauda, die Lerche führte die griechische Schar.

Colaeno] Der Name Colaenus in der lateinischen Literatur laut CLCLT–5 und Poëtria Nova nicht genannt; s. allerdings zum Bericht bei Aldrovandi oben in der Einleitung!

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Pausanias] Geb. um 115 n. Chr., verfasst ca. 170/180 eine Perihegese Griechenlands in 10 Büchern, die die Städte und Sehenswürdigkeiten Griechenlands beschreibt. haud ità multò ante finem] Benutzte Bisselius eine Pausanias-Ausgabe ohne Kapiteleinteilung? Die zitierte Stelle steht jedenfalls 4,34,5 (Pausaniae Graeciae descriptio. Edidit, Graeca emendavit, apparatum criticum adiecit Hermannus Hitzig. Commentarium … addiderunt Hermannus Hitzig et Hugo Bluemner. Voluminis secundi pars prior. Lipsiae 1901) Der Asteriskus im Zitat verweist auf die Auslassung eines Satzes, wonach die Bewohner Sprache und Lebensweise ihrer dorischen Umgebung angenommen hätten. Der Kommentar zur Stelle nennt andere Namensformen der Stadt und äußert Vermutungen über die Lage; dann fährt er fort: »Da der attische Ursprung der Bewohner von Kolonides anderweitig nicht bezeugt ist, so muss wohl angenommen werden, dass die Sage ihre Entstehung der falschen Etymologie des Namens verdankt, der natürlich von kolwno/j« – ›der Hügel‹ – »abgeleitet ist.« Außerdem wird erwähnt, dass Pausanias mehrfach erzählt, dass »Thiere als Führer und Wegweiser gedient haben«: 3,22,12; 23,7; 8,8,4; 9,12,1; 19,4; 10,6,2. Das Motiv, diese Geschichte aufzunehmen, wird vielleicht erhellt durch Ambrosius, exc. Sat. 2,70: Potestis non credere oraculis, non evangelio, non prophetis, qui fabulis inanibus creditis? Die Satyrus-Legende hat Bisselius in I,14,2, behandelt. 3f. Testis … phalanx] Pellaeus rex: Alexander der Große. Die Geschichte aber anscheinend nicht bei Curtius Rufus. Über den Zug zum Ammonorakel berichten Arrian 3,3,1–4,5; Curtius Rufus 4,7,5–32; Plutarch, Alexander 26,11–27; Diodor 17,49,2–51,4; Iustinus 11,11–12; Ps. Kallisth. 1,30,2–31,1; Plutarch, Alexander 27,3–4: »Als sodann die Merkzeichen, die für die Führer da waren, verschwunden waren, Verwirrung entstand und in der Ungewißheit die Karawane sich auseinanderzog, da erschienen Raben und übernahmen die Leitung des Zuges, flogen, wenn er ihnen nachfolgte, voraus und trieben zur Eile, und warteten, wenn er zurückblieb und sich verlangsamte. Was aber das Wunderbarste war: Bei Nacht brachten sie – wie Kallisthenes berichtet – die Verirrten durch ihr Schreien und Krächzen wieder auf den rechten Weg. (nach: Plutarch, Fünf Doppelbiografien, griechisch und deutsch, übersetzt von Konrat Ziegler und Walter Wuhrmann, Zürich 1994, Teil 1, S. 77). Über Probleme auf dem Rückweg berichtet Plutarch nicht. 5f. Ausonias … vultur erat] Livius erzählt 1,6,4–7,3, wie durch augurium der Streit zwischen Romulus und Remus um die Königswürde entschieden werden sollte, wie dem Remus früher sex voltures sich zeigten, dem Romulus danach aber duplex numerus, und wie im Streit, ob der Zeitpunkt oder die Anzahl ausschlaggebend sei, schließlich Remus den Tod gefunden habe. 7f. mihi Graja placent … ne Grajam respue] Auffallender, auch das eigene Wissensinteresse herausstreichender Einsatz für die Graeca (wohl im Sinne von altgriechischer Kultur und Literatur), für die vielfach schon damals galt: sunt,

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non leguntur, die aber der junge Bisselius in seinem zu Regensburg gehaltenen Seminar besonders beachtete (s. o. in der Einleitung zur Vita). 9 Cecropios … muros] Athen, Periphrase nach Kekrops, dem mythischen Gründer und ersten König Athens. 11 Achivus] Wie V. 44 Achaeus allgemein für ›Grieche, griechisch‹ gebraucht. 12 media Palladis arce sedent] Die Akropolis als Tagungsort der Archonten vorgestellt. 13 Consiliumque coquunt] Vgl. Livius 3,36,2: impotentibus instructi consiliis, quae secreto ab aliis coquebant. 14 Tyrio … more] Mit der klassisch nicht belegten Junktur verweist Bisselius auf die Gründung Karthagos und anderer Städte durch die Phönizier aus Tyrus. 15 Plebs sciscit] Ähnlich (plebs scivit) Livius 3,54,14; 6,38,9; 7,16,1; die Form sciscit klassisch nicht belegt. 16 Aegaeâ … urbe] Athen, nach Aigeus, dem sagenhaften König Athens und Vater des Theseus. 18 Isthmos] Periphrase für Korinth. 18 Cronia ora] Plinius, nat. 5,143: ea appellata est Cronia, dein Thessalis, dein Melianda et Strymonis: Die Rede ist von einem Fluss in Kleinasien Asiam et Bithyniam disterminans; dann müsste die Schar also auch zur See unterwegs gewesen sein, worauf bei Bisselius nichts hindeutet, oder er hat geografisch falsche Vorstellungen. Für welche Stadt Cronia ora Periphrase sein soll, ist damit nicht zu ermitteln. 19 ductor] Das gegenüber dux archaische Wort bei Dichtern beliebt; vgl. Lukrez 1,86; Vergil, Aen. 1,189; 235; auch in der Vulgata verwendet; vgl. Anm. zu I,13,2, Vorspann. 20 Mopsopiâ … stirpe] Mopsopia, bei Dichtern der hellenistischen Zeit beliebter Name für Attika, im Lateinischen z. B. Ovid, met. 5,661: Mopsopium iuvenem für Triptolemos, 6,423: Mopsopios … muros, bzw. epist. 8,72: Mopsopia … urbe für Athen. 21 nusquam et ubique] Vgl. Marius Victorinus, Aletheia 2,266f.: fulgor / lubricus et totum perlustrans nusquam et ubique est. 23 vaga turba] Für den schwankenden Sinn Ovid, am. 2,9,53 vaga turba, puellae; met. 13,221; für unstete Bewegung Seneca, Herc. f. 868f.: omnis haec magnis vaga turba terris / ibit ad manes; Ausonius, Mosella 250: vaga turba natantum. Als Gegensatz zu vaga turba wäre im folgenden Satz auch fixa colonia als allerdings pleonastisches Subjekt denkbar, jedoch ist die Junktur cordi fixa vorgegeben: Statius, silv. 1,2,58: nec cordi fixa voluntas; Theb. 6,394: nil fixum cordi; Paulinus Nolanus, carm. 10,267: adfigi fixumque haerescere cordi.

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30 rapidos … Notos] Ohne besonderen Grund Notus speziell statt der Winde überhaupt genannt; Ovid, fast. 3,588: rapido Noto; epist. 18,37: (Boreas ist angeredet) de rapidis immansuetissime ventis. 31 incerti errabant] Vgl. Ambrosius, De paenitentia 2,3: in mediis fluctibus incertus errabit. 33 cassita] Gellius 2,28,3: Avicula, inquit, est parva, nomen est cassita. (Apologus Aesopi Phrygis memoratu non inutilis). 36 bonis avibus] Ovid, fast. 1,513; met. 15,640; auch von Balde benutzt: Urania victrix 1,6,145f. 36 meta laboris] Erst spät auftretende Junktur: Ambrosius, De Jacob et vita beata 1,6,23: Brevis huius laboris est meta; Ausonius, ecl. 24,12: Cerberus extremi suprema est meta laboris. 37 fefellerunt … fata] Für antik-heidnische Vorstellungen nicht akzeptable Formulierung (ebenso temptare fata); anders ist es mit Orakeln, z. B. Ovid, met. 1,492: suaque illum [sc. Apollo!] oracula fallunt; nach der christlichen Wende ist dann zu unterscheiden, woher die Orakel stammen: Augustinus, De divinatione daemonum 6,10: veracissima enim sunt angelica et prophetica oracula. Die Bedeutung der heidnischen Orakel wird nicht generell bestritten, sondern folgendermaßen erklärt (ebd. 3,7): daemonum eam esse naturam, ut aerii corporis sensu terrenorum corporum sensum facile praecedant. 38 Perge, age] In den Punica des Silius Italicus beliebte Formulierung: 8,32; 12,193; 511; 15,571. 39 iussa facit] Beliebte Formulierung, z. B. Vergil, Aen. 1,302; 4,295: iussa facessunt; Ovid, fast. 1,379: iussa facit pastor (Subjekt ist allerdings nie miles oder milites). 40 Messeniacus] In CLCLT–5 und Poëtria Nova nicht belegt; klassisch Messenius, z. B. Ov. met. 12,549: Messenia moenia. 41 Mons … despectat] Vgl. Paulinus Nolanus, carm. 27,525f.: et tremula conpage minax pendebat aquae mons, / despectans transire pedes. 45 nullo prohibente] So, an derselben Versstelle, Ovid, am. 2,10,21; ars 1,139; Pont. 4,5,15. 46 sulco assignat moenia] Kontamination zweier Formulierungen und Vorgänge: Ovid fast. 4,825: inde premens stivam designat moenia sulco: Mit dem Pflug wird der Verlauf der Stadtmauer bezeichnet (designare), was ein sakraler Vorgang ist. Tibull 2,5,41: Iam tibi Laurentes assignat Iuppiter agros: Hier geht es um die Zuweisung (assignare) von Besitz. 46 Fervet opus] Vergil, georg. 4,169; Aen. 1,436 (beide Male am Hexameteranfang); Ovid, Pont. 3,9,22 (wie hier am Pentameterende).

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47 Urbs … assurgit] Gewöhnlich das sich Erheben eines Liegenden oder Sitzenden bezeichnend, aber: Martial 8,36,5: septenos pariter credas assurgere montes. 47 feriunt … astra] Vgl. Claudian, Bellum Geticum 341: praeruptis ferit astra iugis. 48 nomen habent] Wie hier am Pentameterende Ovid, am. 1,15,20; ars 2,96; Pont. 3,2,96; fast. 2,472; 4,80, hier bedeutungsentsprechend: a quo Sulmonis moenia nomen habent. 49f. sub Alaudae … Nominibus Legio] Alauda war der spätere Name der legio V Gallica; vgl. Sueton, Iul. 24,2: qua fiducia ad legiones, quas a re publica acceperat, alias privato sumptu addidit, unam etiam ex Transalpinis conscriptam, vocabulo quoque Gallico – Alauda enim appellabatur –, quam disciplina cultuque Romano institutam et ornatam postea uniuersam ciuitate donavit. Eine Lerche war das Schildemblem der Legion, der Helmbusch glich vielleicht dem Schopf einer Haubenlerche. Zum Namen vgl. Plinius, nat. 11,121: in capite paucis animalium nec nisi volucribus apices, diversi quidem generis, phoenici plumarum serie e medio eo exeunte alia, pavonibus crinitis arbusculis, stymphalidi cirro, phasianae corniculis, praeterea parvae avi, quae, ab illo galerita appellata quondam, postea Gallico vocabulo etiam legioni nomen dederat alaudae. 52 ducit … duces] Das paronomastische Paradox hat allenfalls das Vorbild Livius 37,46,4, das allerdings andere Bedeutung hat (Beschreibung eines Triumphzugs): captivos nobiles, Aetolos et regios duces, sex et triginta duxit.

Zu Elegie I,17 (HW) Wie Bisselius hat sein Ordensgenosse Jacob Balde in carm. 3,43 seinen Zeisig besungen (De spinulo suo). Offenbar war der Vogel ein beliebtes Haustier. Ganz anders freilich als Bisselius konzentriert sich Balde auf das Zwiegespräch mit seinem zahmen Vogel, der es wagt, den Dichter zu stören, was nicht einmal der Papagei oder der Pfau, Junos Vogel, tun würden. Baldes Zeisig braucht den Käfig nicht zu fürchten, da er sich frei bewegen darf. Nach dem Tod wird ihm der Dichter ein Grab mit Veilchen und Rosen, den Blumen der Musen, schmücken. Bisselius dagegen nimmt den Abflug seines Zeisigs in die Freiheit, die er ihm am Ende des ersten Teilgedichtes gönnt (1,28 Aurae libertas), zum Anlass, eine grandiose Himmelsreise zu den Wiesen des Paradieses zu imaginieren. 1.

Sein Zeisig, den er an den Ufern der heimatlichen Günz wohl selbst gefangen hat (V. 3), ist verschwunden. Wenn ihn nicht ein Dieb entwendet hat, ist er wohl selbst zu seinen Angehörigen und in seine Waldheimat (V. 13) entflogen: Das Futter, das ihm der Dichter bereitet hat, war ihm

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wohl zu gering (V. 14–16). Aber seine Angehörigen können ihm wohl doch nur minderwertiges Futter bieten (V. 17–22). Der Dichter hingegen hatte ihm selbst ein Futter zubereitet, das ihm eine süßen Gesang verschaffte (V. 23–26). O wenn er doch zurückkehren würde! Der Dichter möchte nun selbst sein Zeisig sein, um in den Himmel zu fliegen. Nicht das Tempetal, noch das Herrschaftsgebiet Apollos, noch die Gärten der Hesperiden, noch die hängenden Gärten der Semiramis wären ihm genug (V. 1–6). An Mond, Mars, Jupiter, Saturn und den Gestirnsbahnen vorbei flöge er zum Empyreum und würde mit Erlaubnis des Wächters des Paradieses bis ins Paradies fliegen (V. 7–18). Viermal glücklich der Vogel, der dort sein Nest hat! Aber diese Hoffnung ist zu stark. Man darf das Paradies und die Himmelswiesen nur kurz besuchen (V. 1–6). Er möchte den Chor der virgines nur grüßen und vielleicht von ihnen wiedergegrüßt werden (V. 7–12). Die könnte vielleicht den keuschen Jungfrauen missfallen, weil er ihnen zu wenig keusch erschiene (V. 13–18). Darauf möchte er die Veilchenwiese der Kirchenlehrer besuchen (V. 19–24) und schließlich den Rosengarten der Märtyrer (V. 25–28). Weiter vorzudringen wäre nicht erlaubt, da er auf Gott, Maria und die Chöre der Engel träfe (V. 29–34). Dies sollte freilich kein Vogel wagen, und darin möchte er nicht sein Zeisig sein.

Zu I,17,1 Bisselius’ ›Himmelsreise‹ in der zweiten Teilelegie rekurriert offensichtlich auf die astronomischen Vorstellungen des Spätmittelalters mit den verschiedenen Sphären, die Bisselius als sein Zeisig bis zum Empyreum, dem äußersten Himmel als Sitz Gottes und der Seligen zu erreichen versucht. Die Beschreibung des Paradieses in der dritten Teilelegie hat ihr Vorbild in der Beschreibung der Himmelswiesen bzw. Himmelsgärten der altchristlichen Literatur, wie sie etwa in Kapitel 4 und Kapitel 11 der Passio S. Perpetuae et Felicitatis zu finden ist. So ist dort 4,5 von einem spatium immensum horti, in 11,2 von einem viridarium die Rede, zu dem die Märtyrer in ihrer Vision von vier Engeln geleitet werden. Bisselius’ Ordensbruder Tarquinius Gallutius beschreibt in carm. 1,5 das Paradies ganz ähnlich als locus amoenissimus, wobei die roseta sicher auf die Märtyrer anspielen: Illic purpureis collucent arva rosetis: Fragrat humus violis, & molli pinguia musco Prata virent, luditque fugax è fontibus unda … (Zit. n. Gandutius SJ: Descriptiones Poeticae Ex Probatioribus Poetis Excerptae. Venedig 1703, S. 35).

1 Siren] hier nichtklassisch für Singvogel. Balde nennt in carm. 3,43,7 De spinulo suo seinen Zeisig Siren rustica. 3 GuntI] die Günz bei Babenhausen, dem Heimatort des Bisselius.

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4 anxia cura] vgl. Paulinus Nolanus, carm. 21, 604 u. ö. 6 spontè volare] Vgl. Claudian, In Rufinum. 2,233. 7 distulit error] Vgl. Vergil, ecl. 8,41: abstulit error. 12 secuisse viam] Seneca, benef. 6,15,1: secanti viam. 21 Duritie Sipylum superans] Vgl. Seneca, Herc. Oet. 185: sipylum flebile saxum. 23 laticésque novos] Vgl. Prudentius, Cath. 5,90: et latices novos. 28 ulteriora pete] Vgl. Ovid, am. 1,6,10: ulteriora petit.

Zu I,17,2 3 Tempe] Liebliches Tal in Thessalien zwischen Ossa und Olymp, vom Fluss Peneus durchflossen. Mit dem Begriff werden metonymisch loci amoeni und Gärten bezeichnet. 4 Delia regna] Das Reich des Delius Apollo, der die Sonnenwärme bringt, bzw. seiner Schwester Diana, die als »Hüterin der Haine« figuriert. Vgl. Horaz, carm. 3,22,1: montium custos nemorumque virgo; Catull 34,9. 5 Atlanticus hortus] Die Gärten der Hesperiden in Mauretanien. Als Herkules für Eurystheus die goldenen Äpfel aus den Gärten der Hesperiden holen soll, erbietet sich der Riese Atlas, der das Himmelsgewölbe trägt, sie ihm zu holen, wenn er dafür das Himmelsgewölbe übernähme. Als Herkules merkt, dass ihn Atlas betrügen will, überlistet er ihn. 6 Babyloniacâ pensilis arte] Gemeint sind die hängenden Gärten der babylonischen Königin Semiramis. Zu pensilis vgl. Valerius Maximus 9,1,1. 7 Remigio alarum] Vgl. Vergil, Aen. 1,301. 7 Aera et Ignem] Aer ist nach antiker Vorstellung die unterste Luftschicht des Himmels, darüber liegt der aether oder ignis. Vgl. dazu Isidor von Sevilla, orig. 13,5: Aether locus est in quo sidera sunt, et significat eum ignem qui a toto mundo in altum separatus est. 8 Cynthia fulva] Die Mondgöttin, da sie in Delos auf dem mons Cynthius geboren wurde. 9 Martémque ultra, et Iovis astra] Die Planeten Mars und Jupiter. Mars gilt als nimis fervidus, Jupiter als placidum sidus. 10 anthropophagi … Dei] Saturnus, der seine eigenen Kinder verspeiste, weil ihm vorhergesagt worden war, dass sie ihn vom Thron stürzen würden. Dass er hier als »Menschenfresser« figuriert, soll wohl demonstrieren, dass die antiken Götter doch nur Menschen waren. 11 fixo labentia sidera motu] Vgl. Manilius 1,683: vario labentia sidera motu.

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15 Primi … Mobilis] Das primum mobile ist in der spätmittelalterlichen Astronomie die äußerste Himmelssphäre nach den Planetensphären, dem firmamentum und dem celum Cristallinum. Vgl. etwa die Abbildung der Himmelssphären in Hartmann Schedel: weltchronik. Kolorierte Gesamtausgabe von 1493. Einleitung und Kommentar von Stephan Füssel. Köln u. a. 2001, Blatt Vv. 16 Empyrea … sede] Das Empyreum ist in der spätmittelalterlichen Astronomie der dritte und äußerste Himmel eines »straff hierarchisch geordnet(en)« Himmelssystems … , »in dem Gott und die Engel leben« (Stephan Cartier: Weltenbilder. Eine Kulturgeschichte des Himmels. Leipzig 2002, S. 182). Für Jodocus Ascensius Badius, Parthenice Catharinaria Baptistae Mantuani exposita. Paris um 1507, Buch 3, Z. 1621 sind die regna empyrea die sedes beatorum. 17 Custos Galilaee] Gemeint ist zunächst wohl der Paradieswächter Gen. 3,24 et conlocavit ante paradisum voluptatis cherubin et flammeum gladium atque versatilem ad custodiendam viam ligni vitae. Zugleich ist aber sicher auch auf Galileo Galilei und seine heliozentrische Theorie angespielt, die das Empyreum natürlich gegenstandslos werden ließ. Ob Bisselius seine von der Kirche und seinem Orden abgelehnte Theorie zumindest für diskussionswürdig hielt, wird nicht ganz deutlich, ist aber angesichts der Ablehnung durch angesehene Mitglieder des Ordens wie Christoph Scheiner zumindest fragwürdig.

Zu I,17,3 1 O quater] Emphatische Steigerung der Seligpreisung. 5 caelestia prata] Die »Himmelswiesen« der spätantiken Märtyrerliteratur; vgl. Einleitung zu Teilelegie 3. 9 viridaria] Vgl. Passio SS. Perpetuae et Felicitatis 11,2. 10 Virgineo] Bei der Himmelsschau in dem Gedicht De virginitate (c. 8,3 ed. Leo, in älteren Ausgaben 7,3) des Venantius Fortunatus erscheinen zunächst die Engelchöre, dann die Patriarchen und Märtyrer. V. 25f. führt Maria den Chor der Jungfrauen (virgineus grex) an. 10 xai=re] Der Papagei kann bei Persius, pr. 8 diesen griechischen Gruß sprechen: Quis expedivit psittaco suum chaire? 13 Catharina] Wohl die heilige Katharina von Alexandrien, die seit dem 10. Jahrhundert u. a. als Schutzpatronin der Schulen fungiert. Vgl. Bautz s. v. mit Literatur. 13f. innuba Petri / filia] Gemeint ist wohl die heilige Praxedis, die Schwester der Pudentiana und Tochter des Pudens, bei dem die Apostelfürsten in Rom wohnten und den sie mit seiner Familie tauften. In diesem Sinn ist Praxedis, die legendäre Stifterin der Kirche S. Prassede in Rom, eine geistliche Toch-

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ter des Petrus. Ihr Fest wird am 21. Juli gefeiert. Vgl. zu diesem Datum das Martyrologium Romanum (ed. 1749, S. 133) zum 21 Juli: Romae sanctae Praxedis virginis, quae in omni castitate et lege divina erudita, vigiliis & orationibus atque jejuniis assidue vacans, quievit in Christo; sepultaque est juxta sororem suam Pudentianam via Salaria. 17f. millenis … nymphis / Vrsula] Die heilige Ursula mit den elftausend Jungfrauen. Ihr Fest wird am 21. Oktober gefeiert. Vgl. Martyrologium Romanum (s. o. zu 13f.) zum 21. Oktober, 202: Apud Coloniam Agrippinam natalis sanctarum Ursulae & sociarum ejus, quae pro Christiana religione & virginitatis constantia ab Hunnis interfectae, martyrio vitam consummarunt, & plurima earum corpora Coloniae condita fuerunt. Der Legende nach war Ursula dieTochter eines Königs von Britannien mit Namen Nothus oder Maurus. Vgl. Jacobus de Voragine (101984), S. 620–624; Bautz s. v. 19 Violaria] Die Veilchen sind die Blumen der ›Bekenner‹ Christi: Vgl. Ambrosius von Mailand, Expositio Evangelii secundum Lucam, 7,l, 1355 sunt enim horti quidam diversarum pomiferi virtutum iuxta quod scriptum est: hortus clausus soror mea sponsa, hortus clausus, fons signatus, eo quod ubi integritas, ubi castitas, ubi religio, ubi fida silentia secretorum, ubi claritas angelorum est, ill ic c onf e ssorum v i ol ae, lilia virginum, rosae martyrum sunt. 21 Graio … Chrysostomus auro] Der Erzbischof und Kirchenlehrer Johannes Chrysostomos (um 344–407 n. Chr.) erhielt im 6. Jahrhundert den Beinamen »Goldmund«. Zu ihm vgl. Rudolf Brändle: Johannes Chrysostomus. Bischof, Reformer, Märtyrer. Stuttgart 1999; Bautz s. v. 22 Hieronymusque] Hieronymus von Stridon (347–419), einer der vier offiziellen lateinischen Lehrer der Kirche, Übersetzer der Vulgata u.v. a. Seine Rede ist »mostsüß.« Knapp zu ihm Pierre Notin. In: TRE, Bd. 15, Sp. 304–315. 24 Bellarmini] Mit dem Kardinal (seit 1599) Roberto Bellarmino (1542–1621) fügt Bisselius den alten Kirchenvätern einen Angehörigen seines eigenen Ordens (Eintritt 1560) hinzu, der zu den wichtigsten Kontroverstheologen der katholischen Kirche in der Zeit nach dem Tridentinum gehört; Heiligsprechung am 29.6.1930, Ernennung zum Kirchenlehrer am 17.9. 1931. Wichtigstes Hauptwerk sind die Disputationes de Controversiis chistianae fidei adversus huius temporis haereticos. 3 Bde. Ingolstadt 1586–89. Kurze Information aus jesuitischer Sicht in: Koch, S. 184–187. 25 Roseta] Die Rose ist Symbol des Martyriums. Vgl. oben zu V. 19. 28 Stephani] Der heilige »Erzmärtyrer« Stephanus der Apostelgeschichte. Fest am 26. Dezember. Vgl. Martyrologium Romanum (zu V. 13f.), S. 247. 29 Laurentique ignem] Der römische Archidiakon und Märtyrer Laurentius, der unter Valentinian den Märtyrertod erlitt, Fest am 10. August, wurde gemäß der Legende nach vielen Martern auf einem eisernen Rost geröstet. Vgl. Martyrologium Romanum (zu V. 13f.), S. 148: Romae via Tiburtina natalis

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beati Laurentii Archidiaconi, qui in persecutione Valeriani post plurima tormenta carceris, verberum diversorum, scorpionum, fustium, & plumbatarum & laminarum ardentium, ad ultimum in craticula ferrea assatus, martyrium complevit … Prudentius hat ihm in der Sammlung Peristefanon einen eigenen Hymnus gewidmet. 29 Placidi vocale metallum] Der heilige Eustachius, der zuvor Placidus hieß und Soldat gewesen war, wurde in einem metallenen Stier unter Hadrian zu Tode geröstet. »Da hieß der Kaiser unter einem ehernen Stier ein Feuer entzünden und hieß sie lebend darein stoßen.« (Jacobus de Voragine 1984, S. 636). Fest am 20. September. Vgl. Martyrologium Romanum (zu V. 13f.), S. 180. 30 bis senis Viris] Gemeint sind die zwölf Apostel. 35 Seraphei … Cherubinaque] Ordnungen der Engel. Beachtenswert die gewichtigen Spondeen.

Zu Elegie I,18 (JE) In einem knappen, jedoch poetologisch wichtigen Vorspann macht Bisselius neben überlieferter Wahrheit (historia) auch das plausibel Wahrscheinliche (argumentum) für seine Dichtung fruchtbar, eine Differenzierung, die etwa auch die Roman-Poetik des Barock durchzieht (s. Trappen 1998; Zeller 1998). Dies ist umso wichtiger, da er ja in den folgenden Elegien Episoden aus der Kindheit Jesu poetisiert, die der apokryphen Überlieferung, namentlich dem Pseudo-MatthäusEvangelium (vermutlich 7. Jahrhundert) oder anderem Sondergut entstammen (vgl. Apokryphe Kindheitsevangelien, S. 213–255; Einzelheiten im Kommentar). Die fünf Teilelegien werden dadurch gerahmt, dass der Heilige Joseph persönlich in einer Art Epiphanie an seinem Festtag zum Dichter herabsteigt (1,12) und ihn am Schluss wieder verlässt (S. 5,53f.). In einer originellen Variation des Inspirations-Topos fungiert nun Joseph als Anreger für die Elegien selbst, indem er zunächst den Dichter dafür schilt, dass er nur vergängliche »Freuden« verfasse (1,19f.), wobei er sowohl auf den Werktitel als auch auf den Zephyr anspielt, der ja die zweite Gedichtgruppe im ersten Buch geprägt hatte (s. I,6–9). Als Alternative schlägt der heilige Greis »himmlische Freuden«, mithin die Beschäftigung mit Jesus als dem Gewährsmann des ewigen Lebens vor (1,22/23). – Der Dichter selbst repliziert und fordert in der folgenden dialogischen Passage (1,33–44) Joseph auf ihn weiter zu erleuchten, sodass die übrigen Verse der ersten Teilelegie und die folgenden Teilelegien geradezu als direkte Rede (vgl. V. 36: pleno metro) des Heiligen gelten können, zu deren Medium der gedruckte Text geradezu wird. Die eigentliche Erzählung Josephs von der Kindheit seines (Zieh-)Sohnes wird deutlich durch den Adressaten-Wechsel markiert (1,47f.): Nun wird Jesus direkt angesprochen und steht im Mittelpunkt. – Bemerkenswert ist in dieser ersten Teilelegie auch, dass Joseph explizit auf bildende Künstler, namentlich Jacques Callot und Adriaen Collaert verweist, an deren Werken er gleichsam die Taug-

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lichkeit des Jesusknabens für ein frühlingshaftes Sujet aufweist (1,28–31). Im Hintergrund dürfte hier die jesuitische Andachtspraxis und ihre starke Betonung der Bildmeditation stehen (vgl. von und zur Mühlen 1997; Rahner 1957). In den folgenden vier Teilelegien präsentiert Joseph in einer Art Erinnerungsbericht den kleinen Jesus als deliciae, was auch bedeutet: als Gegenstand für die gleichnahmige Dichtung des Bisselius, wobei er die Göttlichkeit des Knaben an verschiedenen Tieren aufzeigt, die zum Teil (über die frühlingshaft idyllische Atmosphäre hinaus; vgl. 5,10–24) auch Verbindungen zu anderen Elegien in Bisselius’ Zyklus knüpfen. So spielt der Fischfang (2,7–14) wieder in Elegie III,14 (PISCATIO, hier v. a. Teilelegien II u. III) eine Rolle. Die Nachtigall (Teilelegie III) wird in der epilogartigen Abschlusselegie des gesamten Werkes wieder begegnen (III,24). Und wenn sich die Bienen auf den Mund des Jesuskindes setzen, um es zu verehren (5,28–52), korrespondiert dies genau mit der als historica, also traditionell abgesichert, bezeichneten Elegie I,22, in der Bienen den Heiligen Ambrosius im Kindesalter auf gleiche Weise heimsuchen, sowie einigen Versen aus Elegie III,23. Dass Joseph und Jesus in dieser letzten Teilelegie ausgerechnet ausziehen, um Palmen zu fällen, verweist – über die etablierte Symbolik der Palme als Siegeszeichen und innerbiblische Anseipelungen hinaus – intratextuell auf drei Elegien des zweiten Buches, die inhaltlich um Palmen und den Palmsonntag gruppiert sind (II,2–4). Neben der Epilog-Elegie der Philomela weisen diese Josephs-Elegien damit ein Höchstmaß an Querverbdinungen innerhalb der Deliciae Veris auf. Zudem kommt den Tieren, von deren Liebe und Verehrung für Jesus der Heilige Zimmermann berichtet, erwartungsgemäß ein geistlicher Nebensinn zu. Der Fischfang in Teilelegie I schließt sich an die biblisch belegte Symbolik des ›Menschenfischers‹ Christus an, Nachtigall und Turteltaube (Teilel. III u. IV) sind aus Hohelied-Exegese, mittelalterlicher Tiersymbolik und zeitgenössischer geistlicher Dichtung (man denke nur an Spees Trutz-Nachtigal) wohl vertraut (s. im Einzelnen den Kommentar sowie den Kommentar zu III,24). Im Gegensatz freilich zu manch mittelalterlicher Symbolik, nach der die Nachtigall mit ihrem süßen Gesang für Christus steht, wird sie ebenso wie die Turteltaube, deren Deutung als Symbol der Braut des Hoheliedes und darüber hinaus als christliche Einzelseele hier fortwirkt, geradezu zur Geliebten des Jesusknaben, die ihm »Dienst« (Titel IV: obsequium) leistet oder sich von ihm fangen lässt (3,13f.). – Insgesamt überschneiden sich in allen Teilgedichten Motivkomplexe der römischen Liebeselegie mit christlicher Symbolik, Typologie und Exegese und ergeben aus dem Munde Josephs (bzw. der Feder des Bisselius) eine nach Form, Inhalt, Antikerezeption und geistlicher Mehrdimensionalität komplex komponierte Elegie, die wohl – ähnlich wie die erwähnten Bildwerke – den Leser zur Meditation über das Dargestellte aufrufen soll. In diese Richtung deutet auch, dass der Dichter nahezu die gesamte Elegie hindurch passiv bleibt, sich im Wortsinne vom Heiligen Joseph die Geschehnisse um den Jesusknaben vor Augen stellen lässt. Funktional zu unterscheiden sind dabei die jeweils exakt 14 Verse umfassenden Teilelegien II, III und IV von der fünften, bedeutend längeren. Nicht nur, dass die letzte Teilelegie durch eine Unterbrechung in den Erzählungen Josephs und die Aufforderung des Dichters an ihn, doch fortzufahren, klar vom übrigen

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Gedicht abgegrenzt ist, auch bieten die drei ersteren jeweils eine paränetisch verhüllte Lehre für den Dichter bzw. den Leser, wie er sich gegenüber Jesus zu verhalten habe: Er müsse sich dem Gottessohn als dem »Licht« unbedingt zuwenden (Teilel. II), ja sich von ihm in Liebe fangen lassen (Teilel. III) und ihn – mit durchaus konfessionspolemischem Aplomb – durch gute Werke verehren (Teilel. IV). Dagegen wird in der letzten Teilelegie, auch unter Rückgriff auf typologische Auslegungen des AT, stärker auf die Passion Christi angespielt, wobei das sonst mit dem Hl. Ambrosius verbundene Bienen-Wunder zum Schluss abermals Opferdienst und Werkgerechtigkeit in den Vordergrund rückt. Literaturgeschichtlich wird Bisselius mit dieser langen, die Kindheit Jesu imaginierenden Elegie zum Vorläufer seines jüngeren italienischen Ordensgenossen Tommaso Ceva (1648–1736), der 1690 ein erfolgreiches Epos Iesus Puer (Mediolani: Malatesta 1690 u. ö.) veröffentlichte. Johannes David Müller übersetzte es noch 1822 unter dem Titel Jesus, der Knabe (Magdeburg) ins Deutsche. 19. Martij] Der Josefstag, ein Hochfest des katholischen Kirchenjahres. divinas extra paginas] Umschreibung für die nicht kanonischen Evangelien und andere unbiblische Quellen, die sich der Kindheit Jesu widmen; die im Folgenden von Bisselius poetisierten Episoden finden sich nur zum Teil im Pseudo-Evangelium des Matthäus (Apokryphen zum alten und neuen Testament, S. 466). finxerunt … tradiderunt.] Deutlich markierte Differenzierung von überlieferter Wahrheit (historia) und Fiktion. Bemerkenswert ist, dass letztere durch den Komparativ veriùs durchaus privilegiert wird. Quod … licuit] Durch die Assonanz von libere und licere unterstützt, wird die Aufwertung der apokryphen Evangelien, somit deren Wirklichkeitsanspruch, auf Bisselius’ eigene Dichtung übertragen. DIVI JOSEPHI … conscio, ore] Indem er den Hl. Joseph selbst sprechen lässt, unterstreicht der den Wirklichkeitsanspruch des Dargebotenen; kann doch der Vater Jesu wahrlich als Augenzeuge (conscius) gelten. Die apokryphen Quelle, die zum Teil den Inhalt liefert, wird innerfiktional ebenso mit der Authentizität des Zeitgenossen versehen wie die vermutlichen fiktiven Zutaten des Bisselius. non quae facta … potuêre] Bisselius sichert sich dogmatisch ab, indem er abermals zwischen dem biblisch belegten Geschehen (historia) und dem wahrscheinlichen Geschehen (argumentum) seiner Quellen unterscheidet.

Zu I,18,1 1–3 ISTE … fulget?] Zwei rhetorische Fragen wecken Neugier auf das Kommende, deuten zugleich seine Neuartigkeit an.

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2 Thalia] S. Kommentar zu I,4,36. 3 Fallor? … an] Gängige elegische und epische Junktur; vgl. u. a. Ovid, am. 3,1,34; Pont. 8,21; fast. 1,515; met. 13,641. 7f. Patris ora … modis!] Kontrafaktorische Umbildung der Begenung zwischen Aeneas und seinem Vater Anchises im sechsten Buch der Aeneis: Vergil, Aen. 6,687–689: venisti tandem, tuaque expectata parenti / vicit iter durum pietas? datur ora tueri, / nate, tua et notas audire et reddere voces? – Was dort eintritt, wünscht der Dichter aus der Perspektive des »Sohnes« – und wird im Folgenden erhört. 8 alternis modis] Hier bereits eine implizite Anspielung auf das abwechselnde Metrum der Elegie (vgl. u. zu V. 36: pleno metro) 9f. Tunc … Ducis] Gerade aufgrund der Anspielungen auf Nestor und Odysseus wohl angelehnt an Verse (Ps.-)Vergils: catal. 911f.; Elegiae in Maecenatem 1,137–140. – Der alte Nestor wird überdies bei Homer, Il. 1,247–249 als »honigsüßer Redner« bezeichnet. Programmatisch wird hier antik-heidnische gegenüber christlicher Dichtung abgewertet. 11 sumus … noti.] In Ausweitung des vorangegangenen Distichons bezeichnet sich der Dichter selbst als explizit christlicher, lehnt sich dabei terminologisch (vates) an das Selbstverständnis augusteischer Poeten an. Die Inspiration des »Dichter-Sehers« kommt in diesem Fall vom Heiligen Joseph. 12 dius faber] Die Bezeichnung »göttlicher Zimmermann« evoziert nicht zufällig den ›Weltbaumeister‹. Diese Auslegung der Josephs-Figur als Antitypus des Schöpfers geht auf Ambrosius zurück; vgl. Expositio in evangelium secundum Lucam 3,2 (Migne, PL 15, Bd. 1/2, Sp. 1671f.). 19 Quid dubitem?] Vgl. Vergil, Aen. 9,191. 14–16 Vestis … tulit] Wallendes Gewand, Beil und Senkblei gehören zur festen Ikonografie des Heiligen als Zimmermann; vgl. Heublein 1998, S. 217–256 mit Beispielen und weiterer Literatur. 19f. DELICIAS … DELICIAS?] Das durch Versalien hervorgehobene Delicias spielt einerseits selbstreflexiv auf die Deliciae Veris an, die Joseph hier gegen die »ewigen Freuden«, das Seelenheil, aufwiegt. Vor allem der chiastische Versbau und die bei Bisselius seltene Synhaphie Difflanti / Et verbinden beide Gedanken deutlich. Zugleich wird damit der in V. 11 formulierte selbstbewusste Anspruch des »im Himmel bekannten« Dichters relativiert: Er muss erst noch den angemessenen Gegenstand finden. Vgl. auch die Wiederaufnahme des Wortes in den Titeln der einzelnen Teilelegien. 21 coelestia coelat] Die an eine scheinbare figura etymologica grenzende Assonanz macht das Adynaton auffällig, Himmlisches komplett verbergen zu wollen. Damit unterstreicht Joseph die Mängel eines solchen Dichters.

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22 Delicias Superûm] Dies sind nun, durch Wortwahl markiert, die »Freuden«, welche einem christlichen Dichter anstehen. 23f. Quin … jocos] Durch anaphorisches Quin verleiht Joseph seinen Fragen Gewicht, zugleich wird durch die Verben spirare und pangere abermals ein inspiriertes christliches Dichtertum evoziert. 25 DELICIAE] In Anspielung auf die vorangegangenen Verse wird nun deliciae im Sinne der persönlichen Freude benutzt, welche Jesus für Joseph darstellte. 26 Et Flos, et Fructus] Erste Anspielung auf das Hohelied, das in den Teilelegien einen wichtigen Prätext bildet. Vgl. Hld 2,1: Ego flos campi et lilium convallium. 26 VÉRque utriusque] Als »Frühling« bezeichnet, wird Jesus somit abermals zum angemessenen Gegenstand für Bisselius’ Elegienzyklus erklärt. 28 obsequium] Die erste Anspielung auf Vokabular der römischen Liebeselegie, in der das obsequium amoris, d. h. der treue Liebesdienst, eine wichtige Rolle spielt; dazu vgl. Ovid, ars 2,177–336; Holzberg 2001, S. 198–203. – S. auch unten zu Teilelegie 3,9, zum Titel der vierten Teilelegie und zu 4,3. 29–32 Hoc … Avis.] Für die Darstellung des Jesusknabens mit Vögeln führt Joseph überraschenderweise zeitgenössische Kupferstecher an, um deren Bildsujets als Beglaubigung seiner Darstellung heranzuziehen. Er bezieht sich explizit auf zwei bildende Künstler, deren Wichtigkeit durch die direkte Apostrophe zusätzlich unterstrichen wird. Vgl. die folgenden Lemmata. Ein Vogel auf dem Finger Jesu ist auch auf dem Titelkupfer (Abb. 1) zu sehen. 30 Calotte] Jacques Callot (1592–1635), berühmter französischer Zeichner, Kupferstecher und Radierer, bekannt v. a. für seine Kriegsdarstellungen. Hier dürfte freilich auf ein geistliches Werk Callots angespielt sein, die Vita et Historia Beatæ Mariæ Virginis Matris Dei (nach 1630; 14 Tafeln). Zu seinem geistlichen Werk s. Pernod 1992. Auf Callot bezieht sich unter Bisselius’ Ordensgenossen auch Friedrich Spee von Langenfeld, wenn er in seiner Meditationsanleitung Güldenes Tugend-Buch dessen Radierungen als äußere Vorlagen für das innerliche meditative Vor-Augen-Stellen von Bildern empfiehlt (vgl. Spee, Güldenes Tugend-Buch, S. 74,20–40). – Was das von Joseph im Gedicht evozierte Sujet des Jesusknabens, der mit einem Vogel spielt, betrifft, so konnte eine mögliche Vorlage bislang nicht ermittelt werden. Vgl. immerhin Callots Radierung Le Benedicite, auf der die Heilige Familie, in häuslicher Intimität, beim Abendbrot versammelt ist (Jacques Callot 1591– 1635, S. 446a, Nr. 542). Joseph reicht dem Jesusknaben einen Becher, was das Distichon der Bildunterschrift analogisierend auslegt: Eia age care pver, calicem bibe, te manet alter / qvi tensis manibvs non nisi morte cadet. – Solche Vorausdeutungen auch bei Bisselius, s. u. zu Teilelegie 5,17ff. 30 Colaërte] Adriaen Collaert (1560–1618), bekannter flämischer Grafiker und Kupferstecher. Er fertigte eine 30 Tafeln umfassende Vita Jesu Salvatoris

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(um 1620; vgl. Diels/Leesberg, S. 118–130) an, die sich freilich auf die kanonischen Texte bezieht und keine Darstellung der apokryphen Kindheitsgeschichten bietet. 33f. ore / quo] Nachdem der Dichter von Joseph die Inhalte seines Gedichts angewiesen bekommen hat, muss noch die Art und Weise geklärt werden, in der er dichten soll. 35f. Ne pigeat] Die parallele Konstruktion unterstreicht die Aussage des Dichters, Joseph zum Lehrer nehmen zu wollen. 36 pleno metro] Als poetologischer Begriff scheint hier auf das ›volle‹ epische Versmaß angespielt zu sein (vgl. oben, zu V. 8). Der Dichter erkundigt sich nach der Gattung, in der er die Kindheit Jesu bedichten soll. 37 quid magnum sunt Verba] Dürfte ebenfalls auf die hohe Stillage des Epos anspielen. 39–44] Josephs Antwort wird durch Gesten eingeleitet, die m.E. poeotologisch zu lesen sind und implizit des Dichters Frage nach der Gattung beantworten. S. die folgenden Lemmata. 40 Non barbam mulsit] Im Gegensatz zu dem, was Ovid vom Gott Janus schreibt (fast. 1, 259/260): ille, manu mulcens propexam ad pectora barbam / protinus Oebalii rettulit arma Tati. – Nicht Heldentaten sollen hier besungen werden, wobei zugleich der christliche Heilige sich vom heidnischen Gott absetzt. 41 Non … annos] Keine laudes im Sinne eines Heldenpreises will er bieten; zu veteres … annos vgl. auch Ovid, met. 9,421. 42 Nam … Sene] Als Begründung folgt, dass ein »wahrer Greis« (wohl in Abgrenzung zum zuvor deutlich alludierten Janus) keine weltliche Heldendichtung (vana Gloria) empfiehlt. 43 Longius à Nostro] In Fortführung des Gedankens: Der überdies Heilige Greis Joseph bietet keine Heldendichtung. 43 nixus eburno] Zugleich spricht er mit göttlicher Autorität, wie die Anspielung auf Ovids Jupiter-Darstellung bezeugt (met. 1,178): celsior ipse loco sceptroque innixus eburno. 44 dimensum … opus] Opus verweist auf das nun folgende Werk, das nach dem zuvor Gesagten nicht mehr im epischen Hexameter gehalten sein kann. Die rechte dimensio, die der »Handwerker« Joseph »anpasst«, meint die niedrigere Stillage der Elegie. 45f. Tum … dies.] Die inquit-Formel markiert nun den Beginn von Josephs Rede bzw. Dichtung. Die den Dichter einbegreifende Formulierung Mirabimur meint zugleich den Leser. 47 plaudo, pedibúsque resulto] Vgl. Vergil, Aen. 6,644; das Applaus-Motiv könnte auch auf ein Josephs-Drama anspielen; vgl. den folgenden Vers.

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48 Praetexta … tua] Kann nicht nur, vermittels der Toga der römischen Knaben, das Knabenalter Jeus bezeichnen, sondern auch in Fortsetzung der TheaterMetaphorik aus dem vorigen Vers mit dem seit der Spätantike kanonischen Begriff fabula praetexta für die römische Tragödie auf ein Josephs-Drama anspielen. Die folgenden Berichte aus der Kindheit Jesu würden sich dann wie auf einer Bühne entfalten. Dass um die Abfassungszeit Interesse an dramatischen Bearbeitungen der Kindheit Jesu bestand, zeigt etwa die Perioche des am 7. und 8. Oktober 1636 in München aufgeführten Dramas Jesvs Maria Joseph Jn all jhrem Ellende Drey Sonnen Oder: Summen Rechter Vollkommenheit […] (BSB, Sign.: Film R 710–36) – Zugleich wendet sich hier Joseph zum ersten Mal im Affekt der eigenen Erzählung direkt an Jesus. 49 DELICIAS] Eine weitere Anspielung auf das Werk des Bisselius wie auch auf Jesus als Freudenquell. 53f. Hôc … ferunt] Überbietung eines Augustus rühmenden Verses bei Ovid (trist. 2,325/326): utque trahunt oculos radiantia lumina solis, / traxissent animum sic tua facta meum. – Nicht nur die Augen des Dichters, sondern der gesamten Welt zog der Jesusknabe auf sich, wie die folgenden Teilelegien belegen. 53 niveaeque Parentis] Glänzendes Weiß dient oftmals als Attribut der jungfräulichen Gottesmutter.

Zu 1,18,2 Christus … deliciae] Zu den Wölfen vgl. Ps.-Matthäus 19,2. 1 Vidimus … Lumina!] Die Augenzeugenschaft Josephs soll die Wirklichkeit des Dargebotenen unterstreichen; vgl. Kommentar zum Vorspann. 3f. exsul, … Ducis] Die Flucht vor Herodes nach Ägypten. 4 sceptra cruenta] Vgl. Seneca, Oed. 335. 5 u. 7 Vt taceam] Vgl. Ovid, trist 5,2,29; hier anaphorisch eingesetzt, um die Wunder des Jesusknabens durch eine scheinbare Praeteritio hervorzuheben. 5f. Vt … grues.] Bei Ps.-Matthäus ist es ein Palmbaum, der Maria Schatten spendet (Kap. 20/21), Ceva greift diese Episode auf: Iesus Puer 1,223–237 (2009, S. 26–28). Bisselius’ Quelle konnte bislang nicht ermittelt werden. 7f. Vt … aquas?] Nicht bei Ps.-Matthäus. Bisselius’ Quelle konnte bislang nicht ermittelt werden; denkbar immerhin, dass er mit dem Fischfang auf den wundersamen Fang des erwachsenen Jesus auf dem See Genezareth (Lk 5,1–11; Joh 21,3–11) anspielt. 11 Res … est] Das Wunder wird benannt, zugleich durch die beteuernde Parenthese (fateor) bekräftigt.

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11 Piscantem Piscis] Figura etymologica, die das Paradox dieses Fisch-Wunders unterstreicht. 12–14 Solem … ovat.] Die Erklärung dieses Wunders wird gleichsam von der Metapher geleistet, die Jesus als Sonne auffasst. Damit zieht diese Stelle Verknüpfungen einerseits zur Fischfang-Elegie (III,14,3,1–4), zugleich zu den vier der Sonne gewidmeten Elegie im ersten Buch (2–5). 14 grex Galateus] Kühne Junktur, die preziös auf die Nereide Galat(h)ea anspielt. Vgl. Art. ›Galateia 1‹. In: NP 4, Sp.741 (Ruth Elisabeth Harder).

Zu I,18,3 1f.] Beinahe scherzhaft wirkt der Eingang, nach dem – naturgemäß – der Gesang der Nachtigall im Vergleich zu den stummen Fischen als »süßer für die Ohren« bezeichnet wird. 2 Cantatrix … Philomela] Die Nachtigall erscheint hier als Sängerin, wie sie seit Ovids Mythos vom Inzest des Tereus (met. 6,412–674) in Text und Illustrationen zu den Metamorphosen weit verbreitet war. Aus dem reichen Vorkommen der Sängerin in barocker Lyrik vgl. u. a. Spee, Trutz-Nachtigal, S. 29–33: Anders Liebsgesang der Gespons JESV Darin eine Nachtigal mitt dem Echo, oder Widerschal spielet; s. auch unten Einleitung und Kommentar zu Elegie III,24 mit weiterer Literatur. 5–8 Sive … Avis:] Sowohl durch Parallelismus als auch durch anaphorisches Sive und epiphorisches Avis sind die Distichen geschickt verbunden, was die stetige Tätigkeit der Sängerin Philomela für Jesus unterstreicht. 7 nimiùm-Eoos … ortus] Abgesehen von dem preziösen Kompositum ist auch die Junktur antik nicht belegt. Am nächsten kommt Conrad Celtis, carm. 5,32: Egra sed Eoos flectit sua cornua in ortus. 9 Iussit amor.] Die Anhänglichkeit der Nachtigall wird in Begriffen des elegischen servitium amoris gefasst; vgl. etwa Ovid. am. 1,2,3: hoc quoque iussit Amor: procul hinc, procul este, severi! 10 Satyros cicuri … DEO] Ähnlich wie die Anspielungen auf Ovids Janus in Teilelegie I (s. o. zu 1,40 Non barbam mulsit) wird hier im Zuge christlicher Mythenkritik der eine Gott gegenüber den in polytheistischer Mehrzahl auftreten den Satyrn – auch typografisch – aufgewertet. Bemerkenswert ist, dass in gedanklicher Umkehrung der Zusammenhänge gerade Gott als »zahm« gegenüber den ›wilden‹ Göttern bezeichnet wird, während eigentlich die Zahmheit der Nachtigall erklärt wird. 12 CAPE] In antiker Tradition singt Philomela den Namen ihres Mordopfers Itys, prominent etwa bei Horaz als Ityn flebiliter gemens / infelix avis (carm.

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4,12,5/6). Hier dient das an sich weniger melodische CAPE zur Vorbereitung des scheinparadoxen Elegieschlusses. 13 credámque, haud ficta fuisse] Eine weitere Bekräftigungsformel Josephs, die jene »Sprache« der Nachtigall, darüber hinaus aber auch seinen gesamten nicht-kanonischen Bericht, plausibel machen soll. 14 Libertas … capi.] Schein-Paradox: Freiheit besteht in der Unterwerfung unter Christus.

Zu I,18,4 Turtur] Auch diese Episode scheint auf keine direkte Quelle, zumindest nicht die Kindheitsevangelien, zurückzugehen. Zugleich wird der Motivbereich der Teilelegien hier deutlich auf das Hohelied und seine Exegese hin erweitert, wo die Turteltaube als Indiz des Frühlings (Hld 2,11f.) aber auch als Vergleich und Metapher für die ersehnte (keusche) Geliebte vorkommt (Hld 1,9; vgl. auch Hld 2,14 u. 4,1, hier freilich columba). Zur Exegese: Ohly 1958, S. 50 (bei Hieronymus); ausführlich Keel 1984,, S. 53–62. – In der Barockdichtung avancierte die Turteltaube mal zum mystisch grundierten Symbol für die Christus suchende Seele oder für die Kirche insgesamt. Titelgebend wirkte sie u. a. für Gesang- und Andachtsbücher wie die Geistliche Turteltaub (München 1639) oder geistliche Sammelwerke wie noch Carl J. Lehners Turtur Sacer oder Geistl[ich] Turteltaub (Köln 1720). – S. auch den Art. ›Taube‹. In: LCI, Bd. 4, Sp. 241–244 (Joachim Poeschke). obsequitur] Der Begriff spielt abermals auf das Konzept des obsequium amoris an; vgl. oben zu Teilelegie 1,28. 1 plausit] Die Formulierung könnte die Theater-Motivik aus Teilelegie I wieder aufnehmen (s. o. zu Versen 1,47 u. 48). 2 vernula praeda] Die leicht paradoxe Formulierung mag darauf anspielen, dass die zahme Taube nun überdies die »Liebes«-Beute Jesu geworden ist. 3 castos … Amores] Neben Martial 10,35,8/9 dürfte hier eine durch castus bewirkte »Entschärfung« der römischen Liebeselegie intendiert sein, was auch die Majuskel des Substantives nahelegt: Hier ist zugleich Ovids oft inkriminierte Elegien-Sammlung gemeint. Zum Komplex der Deserotisierung der antiken Gattung speziell bei jesuitischen Dichtern: Wiegand 2004. 4 dijs … genis.] Umkehrung eines Hoheliedverses, in dem die Wangen der Geliebten mit denen einer Taube verglichen werden (Hld 1,9): pulchrae sunt genae tuae sicut turturis. 5 comes] Die repetitio unterstreicht die Anhänglichkeit des Vogels. 8 syrmate] Der preziöse Ausdruck für das Federkleid der Taube verweist abermals auf einen dramatischen Nebensinn, war das entsprechende Gewand

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doch bereits in der Antike oft metonymisch für die Tragödie gebraucht, etwa Martial 4,49,8 oder Iuvenal 15,30. 12 dona tulit] Sicherlich eine konfessionspolemische Spitze, indem die Werkgerechtigkeit am Exempel Jesu selbst und der ihm dienenden Taube gerechtfertigt wird. 14 Nempe … DEO.] Effektvoll am Schluss der Elegie, zugleich durch den Versaldruck unterstrichen, wird hier die Taube zu einem Exempel der Werkgerechtigkeit. Die allgemeine Gnome erweitert dabei den Bezugsrahmen bis auf den Leser: Man soll Gott opfern, indem man gute Taten vollbringt.

Zu I,18,5 Apium] Vgl. Elegie I,22 und III,23,41–52; das Bienenwunder entstammt abermals nicht apokryphen Evangelien. Anders als etwa in Friedrich Spees 23. Lied der Trvtz-Nachtigal, in dem die Bienen, teils allegorisch angereichert, zum Exempel der göttlichen Schöpfungsmacht und zugleich (vermittels ihrer Wachsproduktion für Kerzen), der stetigen Andacht werden (Spee 1985, S. 110–121; dazu ausführlich, sogar mit Erwähnung Bisselius’: Rémi 2006, S. 243–257), bleibt Bisselius bei der Evokation einer einzelnen Episode, welche die Bienen als »Opfernde« von Nektar und Honig zeigt. Zu vergleichen wären hier auch Jacob Baldes Apiarium-Oden über das Bienenwunder von Haidhausen (Balde 1729, Bd. 2, S. 48–56; dazu Herzog 1976, S. 45–104) 1–4] Der zweite dialogische Part der gesamten Elegie, freilich implizit, da die Einrede des Dichters in V. 3 ganz knapp Paraphrasiert wird: mihi urgenti. 2 Sidereumque senex … iter] Ähnlich alliterierend: (Ps.-)Vergil: Elegiae in Maecenatem 2,27: senex pete sidera. 3 lento … gradu] Eine weitere poetologische Reflexion auf das »schrittweise«, d. h. zweiteilige Metrum der Elegie. 4 mihi sis comes] Der Dichter ist nun aus der Rolle des Lernenden (vgl. oben 1,35) zum Begleiter des Heiligen avanciert. 5 et bene sidera tangas] Das »Berühren der Sterne« spielt auch auf den Enthusiasmus des Dichters in der Zeisig-Elegie an; vgl. I,17, v. a. die Teilelegien 2 u. 3. 6f.] Die Zeichensetzung ist so zu konstruieren, dass das Ausrufezeichen lediglich den Vers abschließt, der Satz aber mit dem folgenden Konditionalsatz weitergeht 6 non moriture] Vgl. oben 1,19/20. 7 Viden’ haec Apiaria?] Durch die deiktische Geste wird, gemäß jesuitischer Meditationspraxis, nun ein alltäglicher Gegenstand zum Auslöser der Erinnerung Josephs und somit der Meditation von Dichter und Leser.

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9 Admoneor … facti.] Die erinnernde Meditation wird von Joseph ausdrücklich an den neuen Gegenstand (signa recentia) gebunden, der somit wahrlich zeichenhaft wird. 10–14] Die Beschreibung des Frühlings erinnert, gerade auch in der durch Versaldruck verstärkten Anapher VER fuit (V. 10 u. 12) an Bisselius’ eigene Gedichte im ersten Teil der Deliciae Veris, etwa in I,1,3 (hier, V. 20, auch schon Bienen) oder I,6–8. – Ähnlich werden Frühling und Bienen zu Beginn von Spees Bienenlied verknüpft: Spee (s. o. zum Titel der Teilelegie), Str. 4. 17 Exieram … securis.] In der Kombination des Knaben und des Schneidwerkzeugs liegt hier die erste Anspielung auf die Opferung Isaaks (Gen 22), wenn Abraham ähnlich ausgerüstet mit seinem Sohn auszieht: Gen 22,6. – Impliziert wird damit die Passion Christi, als deren Typus die Opferung Isaaks in der Tradition christlicher Exegese gilt. Dazu und zur breiten Rezeption des biblischen Stoffes in Literatur und bildender Kunst der Frühen Neuzeit s. Steiger/Heinen 2006. 17 Quadrimulus] Antik seltene Bezeichnung eines Vierjährigen; s. Plautus, Poen. 85; Cap. 981. 18 Istanc … Manum] Die chiastische Konstruktion verschränkt nicht nur die Person Jesu mit dem Beil, sondern auch typologisch die Genesis-Szene (vgl. zu V. 17) mit Josephs Bericht. 19f. Dum … labor] Die beiden durch Anapher und die variatio von cadere verknüpften Verse führen nun die typologische Verbindung von Genesis 22 und der Passion Christi aus, wobei diese Szene gleichsam »in der Mitte« des Geschehens liegt. S. die folgenden Lemmata. 19 Dum … tenello] Dieses Detail entspricht der Szene in Gen 22,6: tulit quoque ligna holocausti et inposuit super Isaac filium. 20 Dum … labor.] Dem Literalsinn nach wird hier eine Palme geschlagen; zugleich deutet noster labor jedoch ebenso auf die Passion voraus wie die Palma futura auf die Auferstehung; Bisselius mag hier überdies eine Episode aus dem Ps.-Matthäus-Evangelium variiert haben (20/21): Ein Zweig der Palme, die Maria in der Wüste Schatten und Speise spendete, wird von Jesus in den Himmel versetzt als zukünftiges Siegeszeichen für alle Märtyrer. 21 tumulo] Das Bisselius hier keine Formulierung mit collis o.dgl. wählte, passt in den Zusammenhang: Tumulus weist zugleich auf den Grabeshügel Christi voraus. 22 Parva … jacet!] Diese explizite Aussage Josephs evoziert vermittels des Reisigbündels (Fasces) abermals die Szene Gen 22,6 (s. o.) und deutet in noch stärkerer Verknappung als die Verse 19f. auf die schon bald bevorstehende Passion hin: Parva mora est. 23 Zephyri] Vgl. oben Elegien I,6–9.

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24 lumina victa dedit] Hier greift Bisselius unversehens wieder auf antike Prätexte zurück, v. a. Ovid: rem. 500: dum videor, somno lumina victa dedi. Ähnlich Tibull 1,2,2: Occupet ut fessi lumina victa sopor. 28 stridulus] Antik oftmals von Waffen oder Kriegsgerät, sodass hier unmittelbar Gefahr evoziert wird; vgl. u. a. Vergil, Aen. 12,267: stridula cornus; Lukan 7,475: stridulus aer; 8,304: stridula tela; Statius, Theb 8,680: stridula cornus. 29 Murmur erat] Vgl. Ovid: met. 7,645; 9,421; vgl. die Formulierung in I,1,3,20. 29 Curro … lustro] die schnelle Reihung der Verben dynamisiert das Geschehen in der Rückschau Josephs. 30 carmen Apis] Im Lichte der vielen poetologischen Anspielungen in dieser Elegie ist womöglich auch carmen hier nicht zufällig gesetzt. Wie die Bienen Jesus ihre Opfer darbringen, was im Folgenden deutlich wird, so sollen auch andere »Sänger«, also Dichter sich dem Gottessohn zuwenden. 31 Mea gaudia, Christe] Zum zweiten Mal (s. o., 1,48) wendet sich Joseph im Bericht in einer direkten adressatio an seinen Sohn. Die Anrede ist dabei klassisch elegisch; vgl. Ovid: am. 2,5,29. 32 Sicelis Hybla] Ein Berg auf Sizilien, der schon in der Antike für seine Bienen berühmt war; vgl. Plinius, nat. 11,32; Ovid: trist. 5,13,22; vgl. die Formulierung in I,1,3,20 u. III,23,44. 33 Carmelus … Idume] Berg Karmel und die Landschaft Idumäa (vgl. Bisselius’ Topothesia, S. 82f. zum Karmel) sind wohl metonymisch für Judäa aufzufassen. Vermutlich eine Anspielung auf die wilden Bienen, von deren Honig sich Johannes der Täufer ernährte: Mt 3,4: esca autem eius erat lucustae et mel silvestre. 34 Legio mellea] Die Formulierung nimmt die militärischen Anklänge von V. 28 (s. o.) wieder auf: Noch scheinen die Bienen Joseph gefährlich. – Mit ähnlicher Bildlichkeit freilich schon Claudian: De rapt. Pros. 2,123–130; ebenfalls in militärische Bilder und Metaphern kleidet Spee seinen Bienenschwarm und unterstreicht zugleich seine Unschädlichkeit für die Blumen: Spee (s. o.), v. a. Str. 4–10. 35f. Pars … Pars] Die Anapher kann inhaltlich als Fortsetzung militärischer Metaphorik gesehen werden. 37–40 IESVLE … labrum.] Die teils durch Versaldruck zusätzlich hervorgehobenen Anrufe und Imperativreihungen illustrieren den Affektgrad Josephs und dienen zugleich dazu, Dichter und Lesern das Geschehen zu vergegenwärtigen. 41 Ille nihil contrà] Vgl. Statius, Theb. 680 (im selben Vers findet sich eine stridula cornus!). 42 suaveolo ore] Der »süße« Mund des Jesusknabens nimmt die Anspielung auf

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den »honigsüßen« Redner Nestor wieder auf; vgl. oben zu 1,9f. 44 stridula turma] Die Bienen werden weiterhin mit militärischer Metaphorik bezeichnet (s. o.). 45 Mellilegae … volucres] Nicht antik. Entsprechend in Spees Bienenlied (s. o.), Str. 13, V. 109: »Honigvögelein«. 47 stigmatis index] Hier die deutlichste Prolepse auf Passion und Kreuzestod. 48 Numen adorat Apis.] Die Gottesfurcht der Bienen hat Bisselius in einer weiteren Elegie dargestellt: S. u. zu III,23,41–52; sie ist auch Thema in Baldes Oden auf das Bienenwunder von Haidhausen (s. o. zum Titel der Teilelegie). 49 Serta … liba] Blumengirlande und Opferkuchen weisen zunächst auf Rituale der Antike zurück. 49 Tonanti] Dazu fügt sich, dass hier Jesus, obwohl noch ein Knabe, zum ersten und einzigen Mal in der Elegie antikisierend als »Donnerer« bezeichnet wird. Zur Bezeichnung vgl. oben zu I,1,3,5. 50 Flos … Favus] Die scheinbar heidnischen Opfergaben entpuppen sich nun als Blüten(pollen) und Honigwaben, welche die Bienen Jesus verehrten. 51f. Sensi … Patri] Effektvoll sind hier die beiden entscheidenden Dativ-Objekte ans jeweilige Versende gerückt: Zwar gibt Joseph dem Jesus Küsse, doch jene wiederum sind, dank der Bienen, ihm selbst, dem Vater, süß. Ähnlich wie im Fall der Turteltaube werden also die Gaben der Bienen auch hier dadurch wertvoll, dass ein Dritter neben Gott und dem Geber davon Nutzen hat. 52 Basia succidiora] Vgl. oben zu 5,42 und zu 1,9f. 54 Cumque … fidem] An diesem sehr knappen Schluss relativiert Bisselius, geschickt und an seinen Vorspann anknüpfend, den Wahrheitsgehalt seines Gedichtes. Nur die Präsenz Josephs hat seinen alles andere als kanonischen Bericht beglaubigt, sodass der nun allein gelassene Dichter seine Elegie wohlweislich nicht historica überschrieben hat.

Zu Elegie I,19 (LC/WK) In seinem Frühlingszyklus orientiert sich Bisselius gleichermaßen an den spezifischen Phänomenen der Jahreszeit (Fauna und Flora, Gestirne und Wetter, Landschaftliches) wie an den Festen des Kirchenjahres. Seine Elegie über den Hl. Benedikt, dessen Fest zeitweise am 21. März gefeiert wurde, passt demgemäß in den chronologischen Rahmen, deutet auch auf das Bestreben, neben heute eher unbekannten Heiligen wie Satyrus und Raymundus (I,14, deutlich motiviert durch das Thema des Abfalls der englischen Kirche in I,13), oder auch den Hl. Onuphrius (II,3) die großen Heiligengestalten der Bibel wie den Hl. Joseph (zum 19.März:

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I,18) oder der Kirchengeschichte zur Geltung zu bringen. Insofern präludiert die Benedikt-Elegie der bald darauf folgenden Ambrosius-Elegie (I,22). Auch hier legt Bisselius Wert darauf, das legendarische Geschehen sinnreich mit der oft titelgebenden Serie der im Zyklus behandelten Vögel zu verknüpfen, so dass eine bekannte und oft behandelte Überlieferung in eine unerwartete Darstellungsoptik rückt. Die titelgebende Amsel, in der als Quelle dienenden Benedikt-Vita Gregors d. Gr. erwähnt (s. u. im Kommentar), wird hier nicht wie im Gedicht über die Haubenlerche (I,16) in einem entlegenen historischen Kontext exponiert, sondern sogleich eindeutig allegorisch entschlüsselt: als Erscheinungsform des Teufels und seiner sinnlichen Versuchungen in Gestalt von Visionen verführischer Weiblichkeit. Die Benedikt umschmeichelnde teuflische Amsel wirkt dabei – ein Beispiel für Bisselius’ werkinterne Spiegelungstechnik – unter anderem auch als Gegenbild zum früher dargestellten Spiel des Johannes mit dem Rebhuhn (I,3). Das Gedicht stellt sich dar als antifemininer Appell zur mönchisch-männlichen Askese, konzeptionell aufgelockert zunächst durch eine dicht figuralisierte Mischung der auktorialen Rede: beginnend mit zwei thematisch exponierenden Fragen, die eher Exklamationen gleichen, gefolgt von einem sprachlich antikisierenden und mythisch metaphorisierten Kommentar über die Bedrohungen durch Venus (V. 9), der immer wieder den Leser einbezieht (vgl. das doppelte tecum in V. 11 oder das Ecce in V. 28); diesem schließt sich, in szenisch-deiktischer Präsenz nahegebracht, die legendarische Episode der teuflischen Versuchung und ihrer drastischen Therapie im Dornbusch an. Den Schluss (ab V. 57) bildet eine mahnende ›oratio ficta‹ des Heiligen selbst, die sich in die Zukunft, also auch in die Gegenwart des Autors und seiner Leser wendet und die der in der berühmten antiken Hetärenfigur der »Thais« (V. 74 u. 83) personifizierten Macht der Venus in mariologisch gefärbter Frömmigkeit (V. 78) den energischen Abschied gibt. Indem Bisselius gerade diese asketische Episode der Benedikt-Vita aufgreift, bewegt er sich mit inventiöser Eigenständigkeit auf einem breiten literarischen und künstlerischen Feld, bildkünstlerisch greifbar in Zeichnungen und Gemälden u. a.von Albrecht Dürer (eine ikonografische Liste bietet Pigler (21974), hier Bd. 1, S. 430 mit Tafel 140, S. 127 in Bd. 3; zur bildkünstlerischen BenediktIkonografie sind mit Erfolg auch zu unserem Thema (Versuchung Benedikts; Dornbuschszene) zu konsultieren Dr. P. Gregor Martin Lechner OSB: Der heilige Benedikt in der Ikonografie. In: 1500 Jahre Benedikt, S. 21–45; hier auch ein ikonografisch aufschlussreiches Werkverzeichnis zur begleitenden Ausstellung S. 133–182; der Band enthält zur Versuchung Benedikts zum Beispiel die Abbildung (Tafel XXI) eines farbigen Kupferstichs von Johann Sadeler (1550–1600) und Daniel Mayer (1576–1630); vgl. Lechner 1980; Art. ›Benedikt von Nursia‹. In: LCI, Bd. 5, S. 351–364 (Vincent Mayr); Telesko 2006. In literarischer Hinsicht sind besonders die Predigten, darunter die Gruppe der Benedikt-Predigten, zu beachten, dazu äußerst ergiebig mit üppigen Nachweisen Schrott (2006), hier auch Textauszüge (S. 250–253) aus der in den Predigten »ganz unverzichtbaren Dornbusch-Episode« (Schrott) wie etwa aus einer noch 1762 in Wessobrunn gehaltenen Predigt (zit. n. ebd. S. 250f.): »Eines Tages geschahe es, daß ohngefehr ein ungemein hitzige und gewaltige geile Liebes-

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Flamme BENEDICTUM entzündete, und ihme solchergestalten zusetzte, daß er wenig fehlte, von derselben völlig verzehrt zu werden, und er in der Verwirrung fast anfieng mit sich zu berathschlagen, ob er nicht die Einsamkeit verlassen, und jenem Geschöpf, so seine Einbildungskraft inne hatte, nachsetzen sollte. Wie aber hat BENEDICTUS sich vor dem leidigen Fall noch gerettet? Weil die Flamme, welche der Gnaden-Geist in dem Herzen BENEDICTI angeblasen, weit heftiger und gewaltiger um sich grieffe, so hat ihn solche darzu verleitet, daß er seine Kleider alsbald von sich gelegt, mit geschwinden Schritten dem nahe gelegenen dicken und spitzigen Dorn-Hauffen zugeloffen, und, ohne sich lang zu besinnen, voller Hitze, voll des Eifers und Geists, unerschrocken mitten unter die grausam stechende Dörner, gleich als in ein lind- und sanftes Feder-Bett hineingesprungen, auch sich so viel und lang herum gewelzet, bis durch das aufwallende Blut der Unzucht Geist, so zu sagen, ersäuffet, und der garstige Brand völlig gedämpfet ward.« Denkbar ist, dass diese poetische Huldigung an den Ordensgründer in Zusammenhang steht mit Benedikts Kontakten zum Abt Textor des Benediktinerklosters Admont (s. oben zur Widmungsvorrede). Im Einzelnen ergibt sich folgende Gliederung: 1–14 Nirgends gibt es Zuflucht vor den Versuchungen der Venus. 15–18 Apostrophe der allzu Sicheren: Selbst Benedikt war nicht gefeit. 19–24 Um vor allen und allem verborgen zu sein, hatte sich Benedikt in eine unwirtliche Höhle bei Subiaco zurückgezogen. (V.24: Anrede an Benedikt) 25–32 Das konnte der Hölle nicht entgehen: In der Morgendämmerung, der Zeit ›Lucifers‹, erscheint Benedikt eine schwarze Amsel. 33–46 Sie treibt vor seinen Augen ihr Spiel, dabei erhitzt sich unter dem teuflischen Einfluss allmählich sein Gemüt: Er sieht vor sich das Bild einer Frau. Höhepunkt in direkter Rede Benedikts: Warum bin ich hier in der Einsamkeit nicht allein? 47–56 Zur Abwehr der Versuchung wälzt sich Benedikt in Dorngestrüpp, bis er im eigenen Blut schwimmt. Dann endlich weicht der Teufel in Gestalt der Amsel. 57–82 Rede Benedikts. 57–72 An seine Nachfolger: Nur mit solch drastischen Maßnahmen ist der Versuchung zu begegnen. 73–82 An Thais: Seine Liebe gilt Gott und der himmlischen Jungfrau.

BENEDICTI] Der heilige Benedikt von Nursia, geb. um 480 in Nursia im Königreich der Langobarden, gest. um 547; sein Festtag ist der 11. Juli (orthodox der 21. März); Gründer des Benediktinerklosters auf dem Monte Cassino, Vater des abendländischen Mönchstums; die von ihm formulierte Klosterregel (Regula Sancti Benedicti) wurde vorbildlich für das gesamte Klosterleben in Europa. Die Hauptquelle für sein Leben ist die legendenumwobene Darstellung in Buch 2 der Dialogi Papst Gregors des Großen, der sich auf einen Schüler Benedikts beruft. Danach stammte Bisselius aus angesehener Familie und wurde von seinen Eltern in römische Schulen geschickt: Im Jahre 546 wurde Rom von den Goten Totilas geplündert und verwüstet. Schockiert von der Zügellosigkeit in Rom zog Bisselius sich in seiner Jugend nach Enfide (heute Affile) in den Simbruinischen Hügeln zurück, später in eine Höhle

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nahe dem See bei Neros Palast oberhalb von Subiaco, wo er drei Jahre lang allein lebte, von Romanus, einem Mönch, mit Nahrung versorgt. Als sich der Ruf seiner Heiligkeit verbreitete, bot man ihm an, Abt eines der nahegelegenen Klöster zu werden. Da man sich aber seinen Reformversuchen widersetzte, kehrte er in seine Höhle zurück, gründete aber später zwölf Klöster mit jeweils zwölf Mönchen, deren Oberaufsicht er sich vorbehielt. Unter diesen Mönchen waren seine beiden bekanntesten Schüler, Maurus und Placidus. Später zog er sich wegen Intrigen nach Süden zurück, wohin ihm einige seiner Schüler folgten, und gründete oberhalb von Cassino, zwischen Rom und Neapel, sein Kloster in einer noch vorwiegend heidnischen Gegend, deren Bewohner sich unter dem Eindruck seines Wirkens zum Christentum bekehrten. Seine Schwester Scholastica leitete ein Nonnenkloster in der Nähe, sie starb kurz vor ihrem Bruder. Anicii] Name einer aus Praeneste stammenden, in der Kaiserzeit, vor allem in nachdiokletianischer Zeit als stadtrömische Familie aufblühenden gens, als christlicher Adel im 5. Jahrhundert zu höchster Bedeutung gelangt. Cacodaemone] Griechische Wortbildung ›böser Geist‹; vgl. Ebehardus Bethuniensis (gest. ca.1212) Graecismus 8,109: Estque sciens daemon, hinc cacodaemon habes; Carmina Burana seria 22,7,1: Qui colunt cacodaemones; Jan van Ruusbroec secundum Translationem Surii (1552), De vera contemplatione 2b,61: Cacodaemon mundum suae subdidit ditioni ac voluntati, idemque puta diabolus, maxime armatus est in clerum, et eos omnes, qui in flagitiis et vitiis suis de bonis victitant spiritalibus seu Ecclesiasticis. Vide Sancti Gregorii libri 2. Dialogorum caput 2] Vgl. Gregorius Magnus, Dialogorum libri IV, 2,2: Quadam vero die dum solus esset, tentator adfuit. Nam nigra parvaque avis, quae vulgo merula nominatur, circa ejus faciem volitare coepit, ejusque vultui importune insistere, ita ut manu capi posset, si hanc vir sanctus tenere voluisset: sed signo crucis edito recessit avis. Tanta autem carnis tentatio ave eadem recedente secuta est, quantam vir sanctus nunquam fuerat expertus. Quamdam namque aliquando feminam viderat, quam malignus spiritus ante ejus mentis oculos reduxit: tantoque igne servi Dei animum in specie illius accendit, ut se in ejus pectore amoris flamma vix caperet, et jam etiam pene deserere eremum voluptate victus deliberaret. Cum subito superna gratia respectus ad semetipsum reversus est, atque urticarum et veprium juxta densa succrescere fruteta conspiciens, exutus indumento nudum se in illis spinarum aculeis et urticarum incendiis projecit: ibique diu volutatus, toto ex eis corpore vulneratus exiit, et per cutis vulnera eduxit a corpore vulnus mentis; quia voluptatem traxit in dolorem. Cumque bene poenaliter foris arderet, exstinxit quod intus illicite ardebat. Vicit itaque peccatum, quia mutavit incendium. Ex quo videlicet tempore, sicut post discipulis ipse perhibebat, ita in eo est tentatio voluptatis edomita, ut tale aliquid in se minime sentiret. (Zit. n. Migne PGL, Bd. 66, Sp. 132A–C). Einsehbar ist die deutsche Übersetzung: Des Heiligen Papstes und Kirchenlehrers Gregor des Großen vier Bücher Dialoge. Aus dem Lateinischen übersetzt von Prälat J. Funck.

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München 1933 (Bibliothek der Kirchenväter, 2. R., 3). 1 Idalio … amori] Idalion: griechisch-phönikische Stadt auf Zypern, bei den antiken Dichtern als ein Hauptsitz des Aphroditekultes häufig genannt; dementsprechend Idalia Venus; vgl. Vergil, Aen. 5,759f.: tum vicina astris Erycino in vertice sedes / fundatur Veneri Idaliae, während Idalius amor mit pejorativer Wertung wie hier christlichem Denken entspricht, ohne in CLCLT–5 oder Poëtria Nova belegt zu sein. 2 sera … clausa] Vgl. Alexander Neckam (1157–1217), Laudes Divinae Sapientiae 2,784: Qua novit clausas fur reserare seras. 3 victrici … flammâ] Vgl. Ovid, fast. 1,525: urite victrices Neptunia Pergama flammae; im Vergleich mit Blick auf übertragenen Sinn wie hier Arnobius Iunior, Conflictus cum Serapione 2,16: Et quemadmodum ferri materies, cum in medio fornacis aestu conflatur, ignis instar ardescit et in eius speciem uertitur et colorem et candorem ipsius imitatur flammae uictricis, ita etiam carnis natura, cum aeterno atque incorruptibili dei uerbo coniuncta destitit esse, quod fuerat, nec ulterius remansit in peste. 4 Cum semel] Häufig, z. B. Catull 5,5; Lukrez 1,406; 5,394; Vergil, Aen. 12,208 und öfter. 4 Mulciber] Seit Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. bezeugter Name des Vulcanus, hier metonym gebraucht. 4 Mulciber urit] Vgl. Ovid, met. 14,533. 4 indomitum … iter] In CLCLT–5 und Poëtria Nova nicht belegte Junktur. 6 ira trisulca] Kühne Weiterbildung von Ovid, am. 2,5,52: excutere irato tela trisulca Iovi. 7 certô … telô] Vgl. Ovid, met. 8,351: da mihi, quod petitur, certo contingere telo. 7 penitus fixo] Die Junktur Seneca, Oed. 968. 11 excitat arma] Vgl. Paulinus Nolanus, carm.15,130 (an der gleichen Versstelle, Subjekt draco lividus, d. h. der Teufel). 12 de Sponte tuâ] Varro, ling. 6,7: qui spoponderat filiam, despondisse dicebant, quod de sponte eius, id est de voluntate, exierat: non enim, si volebat, dabat, quod sponsu erat alligatus. Falls Bisselius an diese Stelle gedacht hat, meint das de also, dass mit der sponsio die Entscheidungsfreiheit dahin ist. Höhepunkt der anaphorischen Reihe: de te bella … de te excitat arma. 12 Vim tibi … facit] Der Ausdruck dreimal bei Augustinus, z. B. Contra secundam Iuliani responsinem opus imperfectum 6, (Migne, PL 45, Sp. 1573): vim tibi facit rerum evidentia; danach häufig im MA.

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14 sat … multus] Vgl. Valerius Flaccus 1,174f.: Nec passus rex plura virum »sat multa parato / in quaecumque vocas« ait. 15 nimia … fiducia] Vgl. Ovid, ars 1,707: A, nimia est iuveni propriae fiducia formae. 15 castae … vitae] Vgl. Ilias Latina 33: castam vitam multos duxisse per annos; Ausonius, Parentalia 19,5: Inviolata tuens castae praeconia vitae. 17 Nursiaden] Das griechische Patronymikon (hier vom Geburtsort gebildet) weder in CLCLT–5 noch in Poëtria Nova belegt. 18 ignem volveret] Vgl. Ambrosius, epist. 1,3,10: Denique Iudas ad remedium pervenire non potuit, cum diceret: Peccavi, quod tradiderim sanguinem iustum, quia alienum ignem volvebat in pectore suo, qui eum inflammavit ad laqueum. Aber ignem volvere inter aquas lebt von dem Gegensatz Feuer – Wasser und ist, da ›Wasser‹ für ›Dornen‹ steht, höchst manieristisch. 19 exesis … antris] Vgl. Seneca, Thy. 75f.: quisquis exeso iaces / pavidus sub antro. 21 Torva … facies] Übertragen auf landschaftliche Gestaltung antik nicht belegt. 22 Tisiphone] Eine der drei Erinnyen bzw. Furiae neben Allekto und Megaira; bei Vergil in der Unterwelt am Eingang zum Tartarus; vgl. Aen. 6,555f.: Tisiphoneque sedens, palla succincta cruenta, / vestibulum exsomnis servat noctesque diesque. 25 diverticulum] Der Scheideweg; vgl. Prudentius, Contra Symmachum 2,849f.: Sola errore caret simplex via nescia flecti / in diverticulum biviis nec pluribus anceps. Hier Variante statt deverticulum; Tacitus, ann. 13,25,1: Nero itinera urbis et lupanaria et deverticula veste servili in dissimulationem sui compositus pererrabat. 25 Phlegethontis] Phlegethon, Fluss im Hades, der nach Vergil den Tartarus umgibt: Aen. 6,548–551: Respicit Aeneas: subito et sub rupe sinistra / moenia lata videt, triplici circumdata muro, / quae rapidus flammis ambit torrentibus amnis, / Tartareus Phlegethon, torquetque sonantia saxa. 26 Genij] Genius ist ursprünglich die dem Mann innewohnende »Macht«, die sich nicht nur in der Zeugungskraft äußert, sondern umfassend die Persönlichkeit an sich bezeichnet; er ist jedem eigen und erlischt mit dem Tod; der Geburtstag ist sein Fest. Dem »Genius« des Mannes entspricht die »Iuno« der Frau. Da er aber mit der Zeugungskraft zu tun hat (vgl. Augustin, civ. 7,13: quid est genius? »deus, inquit, qui praepositus est ac uim habet omnium rerum gignendarum.«), christlich bedenklich, die Genij also wohl böse Geister. 28 rostro … versicolore] Dass sogar der Schnabel bunt ist, ist besonders verdächtig, sonst ist es nur das Gefieder; vgl. Properz 3,13,32: variam plumae versicoloris avem.

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30 Luciferi ad primum sidus] Lucifer ist der Morgenstern, ›der das Licht bringt‹, sidus also wohl der ›Glanz‹; die Formulierung fast wörtlich aus Vergil, georg. 3,324: Luciferi primo cum sidere. Lucifer ist im Christlichen aber auch der Teufel; vgl. Hieronymus, epist. 22,4: cecidit Lucifer, qui mane oriebatur, et ille, qui in paradiso deliciarum nutritus est, meruit audire: si alte feraris ut aquila, inde te detraham, dicit dominus. Dixerat enim in corde suo: super sidera caeli ponam sedem meam et ero similis Altissimo. 31f. Hoc ipso … in dubio est] Hier ist die Synonymie als Erklärung verwendet: Die Stunde Lucifers, des Morgensterns, ist die Stunde des Teufels. 32 in dubio est] Häufig vorkommende Formulierung, z. B. Ovid, fast. 2,781: exitus in dubio est. 33 gyratur] Fremdwort aus dem Griechischen, einmal bei Plinius, nat. 5,63, dann häufig seit Ambrosius verwendet. 37 cava sibila] Vgl. Lukrez 5,1382f.: et zephyri cava per calamorum sibila primum / agrestis docuere cavas inflare cicutas. 38 Stygia … face] Vgl. Seneca, Octavia 162f.: polluit Stygia face / sacros Penates. 38 Pectora Casta] Junktur bei Ovid, epist. 13,30; Tacitus, dial. 12,2; Paulinus Nolanus, epist. 16,6; carm. 16,127f.; Prudentius, Psychomachia 519. 41 Foeminea … imago] Macrobius, sat. 1,17,67 u. 69. 41 thalamorum Osoris] Getaufte Komödiensprache; vgl. Plautus, Asin. 859: osorem uxoris suae; Poen. 74: osori mulierum. 42 opicis] Vgl. Iuvenal 3,207: et divina opici rodebant carmina mures. Auch Iuvenal 6,455 und dreimal bei Ausonius. Im Georges Opicus, das dasselbe wie oskisch sei und ›altfränkisch, bäurisch, roh‹ bedeute mit Hinweis auf Scholien und Auslegungen zur Juvenalstelle. 45 Prô scelus] Martial 2,46,8; Tertullian, De idololatria: Pro scelus! semel Iudaei Christo manus intulerunt, isti quotidie corpus eius lacessunt. 45 toto … ab orbe] Lukan 8,503 an der selben Versstelle: toto iam pulsus ab orbe. 45f. ab orbe / Divisus] Vgl. Hieronymus, epist. 46,10: divisus ab orbe nostro Britannus. 47 sine teste et compare] sine teste (z. B. Properz 4,9,13 und danach häufig) und sine compare (z. B. Ovid, ars 3,359) belegt, die Kombination nicht. 49 Hirsutis vepribus] Vgl. Vergil, georg. 3,444: Hirsuti secuerunt corpora vepres. 52 purpureus … cruor] Die Farbe bezeichnet den Triumph der Märtyrer; vgl. Cyprian, epist. 10,5,2: Erat ante in operibus fratrum candida, nunc facta est in martyrum cruore purpurea; Ambrosius, De institutione virginis 17,109: purpureo Dominici cruoris redimita velamine; Petrus Chrysologus, sermo 31:

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Texebatur autem regium vestimentum, quod in purpureum fulgorem cruor tingeret passionis. Die Junktur poetisch zuerst bei Sedulius, Carmen paschale 5,287f.: eque patienti / vulnere purpureus cruor et simul unda cucurrit (gemeint ist hier das Blut Christi), dann häufig. 53 iterum atque iterum repetitis viribus] Vgl. Rufinus, Eusebii Historia ecclesiastica, Continuatio Rufini: repetitis secundo et tertio ac saepius viribus. 55 labruscis] Zur Erklärung vgl. Plinius, nat. 14,98: fit e labrusca, hoc est vite silvestri, quod vocatur oenanthinum, floris eius libris duabus in musti cado maceratis. 56 Sanguineo … rore] Im Plural Silius 14,486; 15,363; Statius, Theb. 5,590. 57 in Ventos … pulsa] Zum Ausdruck vgl. Augustinus, sermo 22: nondum sic evanuit, nondum sic est dispersus in ventos. 59 voces … resolvit] Ähnlich Ovid, met. 2,282: vix equidem fauces haec ipsa in verba resolvo. 59 emeritum … Paeana] Der erworbene Anspruch ähnlich ausgedrückt Silius 11,459–461: sed quos pulsabat Riphaeum ad Strymona nervos / auditus Superis, auditus Manibus Orpheus, / emerito fulgent clara inter sidera caelo. Paean hieß ein Bitt- und Danklied an eine Gottheit, besonders Apoll und Artemis. 60 triumphus eat] An gleicher Versstelle Ovid, am. 2,9,16; epist. 7,154. 61 mea castra sequetur] Ausdruck der Elegiker, z. B. Properz 2,10,19: haec ego castra sequar. Wegen der ›militia Christi‹ mit neuer Realität erfüllt. 62 adversâ fronte] Vgl. z. B. Silius 5,93f.: sedet obvius hostis / adversa fronte. 63 ultro citroque] Vgl. Lukrez 4,36: volitant ultro citroque per auras. 65 Cupidineis … sagittis] Die Junktur bei Ovid, rem. 157 und Claudian, carm. 10,71. 66 torquet … spicula Parthus] Nach Vergil, ecl. 10,59f.: libet Partho torquere Cydonia cornu / spicula. 69f. violae … lilia … Rosae] Die Blumen sind in der christlichen Deutung Ordnungen bestimmter Heiliger zugeordnet: Violae den Confessores, Lilia den keuschen Virgines (die auch masculini generis sein können, s. u. V. 79) und Rosae den Martyres; vgl. Ambrosius, Expositio Evangelii secundum Lucam lib. 7: sunt enim horti quidam diversarum pomiferi virtutum iuxta quod scriptum est: hortus clausus soror mea sponsa, hortus clausus, fons signatus, eo quod ubi integritas, ubi castitas, ubi religio, ubi fida silentia secretorum, ubi claritas angelorum est, illic confessorum uiolae, lilia virginum, rosae martyrum sunt; nicht völlig entsprechend Augustinus, sermo 304: habet, habet, fratres, habet hortus ille dominicus, non solum rosas martyrum, sed et lilia virginum, et coniugatorum hederas, violasque viduarum. – Die erste und

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letzte Blume stellt zudem eine Verbindung zu den von ihnen bestimmten Gedichtgruppen in den DV her: I,20f. (Veilchen) u. III,18–20 (Rosen). 71 certo … tramite] Die Formulierung bei Horaz, sat. 2,3,49 (an der gleichen Versstelle) und Prudentius, Contra Symmachum 1,310. 72 Per Spinas ad Astra] Variante von per aspera ad astra, für das man (Büchmann usw.) Seneca als Ausgangspunkt (Herc. f. 437) annimmt: non est ad astra mollis e terris via. 74 simulacra cies] Die Junktur bei Lukrez 2,41; 324; Vergil, Aen. 5,585; 674 und später. 74 Thai] Thais aus Athen war eine der berühmten Hetären des Altertums, Titelheldin auch von Komödien; s. den Artikel sub verbo in NP. 75 I procùl] Wie hier am Versanfang Ovid, ars 3,505; rem. 214; met. 2,464. 76 abludit] Das Wort antik nur Hor. sat. 2,3,320 belegt: haec a te non multum abludit imago. 76 Suada] Das Substantiv erst bei Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii 9,888. 78 Regia virgo] In poetischen Texten zuerst Catull 64,86f., mehrfach in den Metamorphosen Ovids (z. B. 2,570); auf Maria bezogen zuerst bei Beda (um 700) in der Vita Cuthberti; mehrfach bei Petrus Damiani (11. Jahrhundert). Maria wird seit dem 12. Jahrhundert als Regina coeli verehrt; vgl. etwa Gualterus de Sancto Victore, Sermo 10: Est enim mundi imperatrix, regina coeli, domina angelorum, virgo mater Dei, virgo virginum, regina reginarum et domina dominarum. 80 Subvertet … pedes] Vgl. Hi 30,12: Pedes meos subverterunt. 80 castos … pedes] Vgl. Augustinus, serm. 280: calcatus est ergo draco pede casto. 83 Thai] S. zu V. 74.

Zu Elegie I,20 (JE) Zu den auf persönliche Erlebnisse des Dichters als Kind oder Erwachsener rekurrierenden Elegien im ersten Buch (1, 4, 7, 10, 11, 17 u. 23) gehört auch diese kürzere 20. Aus der Erinnerung (deutlich markiert in V. 3) berichtet der poeta, wie er, fieberkrank, durch einen Garten am Fuß des Fuggerschlosses in Babenhausen spazierte und unter einem Baum einschlief. Die Traumvision von der allegorischen Gestalt der Gartengöttin Flora, die hier tendenziell mit Bisselius’ Muse Thalia verschmilzt, ermahnt den Kranken zur wachen Bekämpfung seiner Schwäche und lässt ihn darauf, erwacht, die Veilchen entdecken, deren

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panegyrisch gepriesener Duft ihn schließlich vom Fieber heilt. Damit reiht sich diese Elegie in die Tradition der subjektiven Krankheitsgedichte ein, wie sie etwa Petrus Lotichius Secundus’ Elegie De se aegrotante (Poemata 1543, I,6) oder, volkssprachlich, Andreas Gryphius’ Sonett Thränen in schwerer Krankheit (1640) repräsentieren (vgl. zum Typus sowie zu den genannten Kühlmann 1992). Zudem verknüpft diese Ausgangssituation das Gedicht mit Bisselius’ mehrteiligem Fronleichnamspoem (III,22). – Die Situation, dass der Dichter mit einem Buch (hier Crucius’ Psalmparaphrasen, s. u. im Kommentar) in der Natur ausruht, kehrt überdies wieder in II,14,1,41f. und II,17, Teilelegie 2 u. 3. Mag auch dem geschilderten individuellen Erlebnis zunächst kein geistlicher Nebensinn abzugewinnen sein, so wird dieser doch durch die Symbolik der Veilchen transportiert, denen das durch dieses Gedicht eröffnete Buchsegment gewidmet ist. Als traditionell den Confessores, der Jungfräulichkeit allgemein (vgl. etwa Masen 1681, S. 424) und oftmals speziell der Gottesmutter zugeordnete Blumen verbinden sie das Zeugnis von und den Aufruf zur Keuschheit, wie Bisselius ihn in der Benedikt-Elegie (I,19, s. dort insbesondere zu V. 69f.) präsentiert hatte, womöglich mit einer spezifisch jesuitischen Marienfrömmigkeit, wie sie auch bereits in der vierten Elegie des ersten Buches thematisiert wurde. – Auch eine kontrastive Beziehung innerhalb der DV lässt sich herstellen, indem der heilende Duft der Veilchen hier in scharfem Gegensatz zum ›Sündenfall‹ der naiven Anti-Susanna in Elegie III,5 steht, die ihrerseits den Namen »Viola« trägt. 1–6] Ein ekphrastischer Eingang schildert zunächst den Garten am Fuße des Fuggerschlosses. 1 Arces … Fabias] Das Babenhausener Schloss, das seit dem 13. Jahrhundert existiert, wurde 1538 von Anton Fugger erworben und ab 1543 vollständig umgebaut. Die heutige Fassade und der Schlosspark gehen freilich im Wesentlichen auf das 19. Jahrhundert zurück. Vgl. Fugger-Museum Schloss Babenhausen. München et al. 1990 (Kunstführer 1831). – Bisselius selbst war lange Jahre Günstling der Fugger (s. die Einleitung zu diesem Band), sodass sein Gedicht auf eigener Anschauung des Schauplatzes fußen dürfte. 2 pensilis Hortus] Anspielung auf die sagenhaften ›hängenden‹ Gärten der baylonischen Königin Semiramis; vgl. DV I,17, Teilelegie 2, V. 6. – Zudem stellt der Ort des Geschehens eine Verbindung zu jenen Elegien des dritten Buches her, die unter der Kapitelüberschrift HORTVS stehen (III,3–5), u. a. auch den Elegien um die getäuschte ›Viola‹ (III,5). 3 (siquidem memini)] Die Parenthese weist den Bericht als erinnerungsgestütze Retrospektive aus. 6 Flora] Diese Nennung der römischen Frühlingsgöttin bereitet ihre gleich folgende Erscheinung vor. Zum mythologischen Hintergrund s. Art. ›Flora‹. In: NP, Bd. 4 (1998), 561f. (Fritz Graf).

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7 Aeger ego] Nun folgt der zweite, auf die Person des kranken Dichters bezogene Teil. 9 morbíque Vacuna] Ein Wortspiel, durch das Bisselius pseudo-etymologisch vacuus, also das Freisein von Krankheitssymptomen, mit der sabinischen Wald- und Flurgöttin Vacuna verknüpft. Diese, seit der Antike bekannt (Horaz, epist. 1,10,49; Ovid, fast. 6,307), deutet im Kontext der Elegie wiederum auf Flora voraus. 13 (incertum … illa?)] Abermals ein Hinweis auf die womöglich unvollständige Erinnerung des Dichters; vgl. oben V. 3. 14f. Iessidae … chordis] Die bereits im Titel der Elegie erwähnten Psalmen Davids. Nicht ohne Provokation und nur mit dem Fieber zu entschuldigen scheint es, dass der Dichter ausgerechnet bei der Lektüre des biblischen Gedicht-Corpus schlechthin einschläft! Ebenso bemerkenswert scheint, dass die heilende Wirkung des Davidgesanges, den das AT ja für Saul belegt, bei unserem Dichter gerade nicht wirkt. 16 Crucius Celtiber] Der spanische Jesuit Ludovicus Crucius (Luís da Cruz, 1532–1604) lehrte Rhetorik und Theologie in Coimbra. Neben einigen Dramen (vgl. dazu Nascimento/des Souse Barbosa 2005) war er v. a. für seine Psalmen-Übersetzung bekannt, die 1597 in Ingoldstadt erschien und viele weitere Auflagen erlebte: Interpretatio poetica Latina in centum quinquaginta psalmos. Ingolstadt: Sartorius 1597; Madrid: Sanchez 1600; Lyon: Rigaud 1608. vgl. Sommervogel, Bd. 2, Sp. 1709f.) – Insofern könnte das unbotmäßige Einschlummern des Dichters auch weniger auf den Sänger David als auf die Nachdichtung von da Cruz gemünzt sein; womöglich auch, nicht ohne anti-romanischen Akzent, gegen die Subgattung der Psalmparaphrasen. 16 Exciderant … jacenti] Die zeugmatische Formulierung bildet den Vorgang des Einschlummerns auch im Vers ab. 18 (quod bene vertat)] nach Vergil, ecl. 9,6. 19 Constitit ante oculos] Diese Formulierung beglaubigt nicht nur das Traumgeschehen, sondern weist auch auf das Vor-Augen-Stellen, eine wichtige Übung jesuitischer Meditationspraxis hin. Vgl. auch die Variation unten, V. 28. Floras Erscheinung erinnert so ans Auftreten der personifizierten Philosophia in der Consolatio des Boethius. 19 (oculos … mentis apertos)] Im Traum sei der Geist zugänglicher als im Wachzustand, eine Annahme, die frühneuzeitliche Naturkunde, Philosophie und Dichtung verschiedentlich beschäftigte; vgl. dazu umfassend Gantet 2010, hier z. B. S. 268–272 zum ›Auge des Geistes‹, das Bisselius’ Zeitgenosse Jan Amos Comenius mit einer spirituellen Lichtphysik zu bestimmen suchte. 20 Chloris] Die seit Ovid (fast. 5,195) geläufige griechische Bezeichnung der Flora; vgl. auch DV 1,1,2,8, wo chloris freilich den Grünfink bezeichnet.

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21f. Crine … Viror] Die ausschmückende, in eine hyperbolische Identität von Flora und ›Grünsein‹ mündende Beschreibung mag von zeitgenössischen allegorischen Darstellungen inspiriert sein. 22 blandis querelis] Vgl. Statius, silv. 2,1,45. 25 Rumpe moras] gängige Aufforderung in der Dichtung; etwa Vergil, Aen. 9,13; georg. 3,43; Ovid, met. 15,583. 26 freta Sueca] die Ostsee als »schwedisches Meer«, über das der Schlaf sich hyperbolisch scheren solle. Womöglich steckt in der Wendung eine anti-schwedische Anspielung, die Bisselius, angesichts der schwedischen Besatzung Bayerns, in Elegie III,21 zu offener Ablehnung steigert. 28 Ante oculos] In Analogie zur Traumwahrnehmung (s. o. zu V. 19) stellt nun Flora dem Schlafenden die ihm umgebenden Blumen als Heilmittel buchstäblich »vor Augen«. 31 Dixit … Soporis] Vgl. das ähnliche Verschwinden Josephs am Ende der Elegie I,19. 33 Paesti] Das für seinen Rosenduft berühmte Paestum; vgl. u. a. Cicero, Att. 11,17,3. Properz 4,5,59. 34 gleba Sabaea] Das seit Plinius (nat. 12,52) für seine Düfte bekannte Arabien. Vgl. nur Horaz, carm. 1,29,3. 37 (si … adores)] Der Leser wird nun direkt in das olfaktorische Geschehen einbezogen, indem der Dichter dessen eventuelle Frage antizipiert. 38 VIOLAE] Erst hier und in V. 39 wird effektvoll der Name der Blume genannt. 39 VIOLAS … dixit.] Dieser allumfassende Anspruch der an sich eher bescheidenen Veilchen mag auch auf den bekannten geistlichen Nebensinn hindeuten; als Attribute der gelehrten Heiligen kamen die Veilchen auch bereits in der Spinulus-Elegie vor: S. I,17,3,19. 40 Cinnama … jugis] In Fortsetzung des vorangehenden Verses werden abermals die Duftstoffe Arabiens (vgl. V. 34) aufgerufen. 41 depopulans] Starker Ausdruck, sonst in kriegerischem Kontext für Verwüstungen gebraucht; vgl. etwa Livius 5,4,13; 33,14,7 u. ö.; in der Dichtung seltener; vgl. aber Ovid, fast. 1,683; trist. 3,10,56. Bisselius verwendet das Verb (als Simplex) abermals in seiner Elias-Elegie, III,13,35, für das hungrige Essen des Propheten. 42 Deliciasque] Das Schlüsselwort der gesamten Gedichtsammlung bindet auch diese Elegie an den Werktitel zurück.

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44 Halitibus … Homo] Diese durch Alliteration verstärkte Gnome am Schluss dürfte abermals auf den geistlichen Nebensinn der propagierten Jungfräulichkeit zu deuten sein.

Zu Elegie I,21 (WSch/WK) Wie versteckt wohl auch an anderen Stellen des Zyklus (allegorisch auch in III,15,2) und in direktem Anschluss an I,20 wirft dieses typologisch außergewöhnliche Gedicht (vgl. docta querela, V. 26) Licht auf ungenannte Gegner, Neider oder unproduktive Nachahmer (und Zensoren?) der Dichtungen des Bisselius, wohl eher innerhalb als außerhalb des Ordens. Die Gegner werden hier im Bilde der schmarotzenden Drohnen und in scharfen Schmähworten geradezu entmenschlicht (z. B »garstiges Vieh«, V. 12), die eigene Dichtung im Bild der bescheidenen, aber bunt erblühenden Veilchen geradezu mit Vokabeln der Zärtlichkeit aus dem Fundus der antiken Liebeselegie (vita, deliciae, V. 24) bedacht. Typologisch handelt es sich hier um eine rabiate Versinvektive, die den Gegnern sogar den Tod an den Hals wünscht (vgl. V. 34) und die, den antiken Vorbildern nach, weniger auf den elegischen Formenkreis zurückweist als auf aggressive Kurzgedichte bei Catull, auf manche Horazischen Epoden oder auf die Dirae (Fluchgedicht) der Appendix Vergiliana. Es verdient Beachtung, dass im Wappen der römischen Familie Barberini (also auch des literarisch interessierten und tätigen Papstes Urban VIII.) drei Bienen abgebildet waren. IN FVCOS] Im Anschluss an Seneca (epist. 84,5) gilt den Humanisten die Biene als Sinnbild einer Imitatio, die Vorbildliches sammelt und es sich aneignet, um ihm endlich – als Aemulatio – ihr eigenes Gepräge zu geben; vgl. De Rentiis 1998, von Stackelberg 1956 sowie Waszink 1974. Die Drohne scheint hier für die schiere Plünderung fremden Besitzes, der keine weitere Verarbeitung folgt, also eine geistlose imitatio, zu stehen. Vgl. Vergil, georg. 4, 244: immunisque sedens aliena ad pabula fucus. Phaedrus 3,13,1f.: Apes in alta fecerant quercu favos: / Hos fuci inertes esse dicebant suos. Im Argumentum der folgenden Elegie (I,22) heißt es: Fucis atque Tabanis, Violarum Insultatoribus, Apiculas exadversùm opponimus, quietas auspicatásque divinioris flosculi occupatrices. Violas] Zu den Veilchen als Sinnbild neuen Lebens und der Inspiration s. das Ende des vorangehenden Gedichts, V. 43f.: Continuò, Febrísque migrat, virésque novantur: / Halitibus VIOLAE spirat et halat Homo. – Vgl. auch Masen (Speculum 1681), S. 424: Viola symbolum Virginitatis et suavis eloquii. flosculos] In Rhetorik und Poetik sind flosculi Ausdrücke, die die Rede schmücken (vgl. Cicero, Sest. 56,119; Quintilian, inst. 10,5,23 u. ö.), auch Sentenzen (vgl. Seneca, epist. 33,1).

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1 tabani] Nur in Prosa nachgewiesen (nach Varro bei Plinius, nat. 11,100 u. ö.). 2 quis furor] Diese Junktur kommt in der Dichtung seit Vergil (Aen. 5,670) häufig vor, oft am Versanfang und im Kontext des Krieges. 2 nemus] Oft der einer Gottheit (z. B. den Musen) heilige Hain (Vergil, Aen. 7,759). 4 Solum Hominem] Diese Gegenüberstellung von Mensch und Tier spielt mit der Vermenschlichung der Tierfiguren, die von der Tierfabel her vertraut und auch für diese Elegie gültig ist. 6 creditis esse Deos?] Vgl. Varro Atacinus, fragm. 24a, 1f.: marmoreo Licinus tumulo iacet, at Cato parvo, / Pompeius nullo: credimus esse deos? Formulierungen mit esse Deos kommen bei Cicero und den Elegikern, wo sie von der göttlichen Gerechtigkeit sprechen, mehrfach vor. 7 inìqui] Der irreguläre Akzent soll hier die Vokallänge und damit auch den Wortakzent signalisieren. Akzente und Satzzeichen sind in diesem Druck, wohl in didaktischer und leserfreundlicher Absicht, reichlich verwendet. 9 moris aviti] Diese Formulierung ist nur zweimal belegt: Varro, Sat. fragm. 258: funere familiari conmoti avito ac patrito more precabamur. Iustinus, Epitome historiarum Philippicarum Pompei Trogi 1,1,4: Primus omnium Ninus, rex Assyriorum, veterem et quasi avitum gentibus morem nova imperii cupiditate mutavit. 11 inviolabile] Eine Eigenschaft des Heiligen; vgl. Silius 16,16: velut inviolabile telis / Servabant sacrumque caput. Tacitus, ann. 3,62: uti Dianae Leucophrynae perfugium inviolabile foret. Die Paronomasie VIOLAM … inviolabile numen ist in der Übersetzung nicht nachgebildet. Vgl. das entsprechende, thematisch ganz anders gelagerte Wortspiel (Viola–violabilis) in III,5,4,28. 12 turpe pecus] Vgl. Horaz, sat. 1,3,99ff.: Cum prorepserunt primis animalia terris, / mutum et turpe pecus, glandem atque cubilia propter / unguibus et pugnis, dein fustibus atque ita porro / pugnabant armis. 14 hirsuto] Als Qualifikation des Schreibstils: Ovid, trist. 2,259: nihil est hirsutius illis (sc. annalibus). 14 figitis ora] Vgl. Vergil, Aen. 1,687: cum dabit amplexus atque oscula dulcia figet. 15 plusquam] Die orthografische Norm trennt: plus quam. 15 audaci … auso] Eine figura etymologica mit audere auch Vergil, Aen. 6,624: Ausi omnes immane nefas ausoque potiti. 17 Vidi ego, vidi] Pathetische Epanalepse; vgl. Ovid, met. 15,262f.: vidi ego, quod fuerat quondam solidissima tellus, / esse fretum, vidi factas ex aequore terras.

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18 Extinctam] Orthografische Variante von Exstinctam, durch die eine grafisch wahrnehmbare Paronomasie mit tincta hergestellt wird. 19 coelestior] Die folgende Farbbezeichnung Caeruleo gehört etymologisch zu caelum; purpureóque dürfte symbolisch auf liturgische Gewänder und damit ebenfalls auf die himmlische Sphäre verweisen. 21 Nil ego vobiscum … pugno] Der gelehrte Dichter (vgl. V. 26: docta querela) will sich nicht zum Kampf mit den Drohnen bzw. Stümpern herablassen. Stattdessen evoziert er seine poetische auctoritas (V. 25–34). 22 ajo; ] Statt des Strichpunkts wäre ein Doppelpunkt zu erwarten; vgl. V. 42. 22 vertite terga fugae] Vgl. Jer 49,8: fugite, terga vertite, descendite in voragine. 25 disploditis] Hier wohl metri gratiâ anstelle von exploditis gebraucht; diese Bedeutung ist für displodo sonst nicht nachgewiesen. 27 per saecula postera] Vgl. Statius, silv. 5,2,88f.: excidat illa dies aevo nec postera credant / saecula. 27 in longos … Ianos] Vgl. Ausonius, fast. 1,7: tu quoque venturos per longum consere Ianos, / ut mea digessit pagina praeteritos. 33 Hyadúmque ruinam] Griech. ›Hyádes‹ sind »die Regnenden«, sieben Sterne, die das Haupt des Stieres bilden; nach Ovid, fast. 5,164ff. Schwestern der Plejaden. 35 emendatio culpae] Vgl. Tacitus, ann. 15,20,3: nam culpa quam poena tempore prior, emendari quam peccare posterius est. Zur »Besserung« werden V. 37–40 giftige Säfte empfohlen, wie sie als Brechmittel gebraucht wurden; so z. B. helleborum, die Nieswurz; vgl. Plautus, Pseud. 4,8,89: helleborum his hominibus opus est (d. h. diese Leute sind nicht recht bei Sinnen). 37 orexis] Dieses griechische Wort ist in römischer Literatur selten: Iuvenal 11,127: hinc surgit orexis, / hinc stomacho vires; ebd. 6,428; Historia Augusta, 17,29,9. 38 Colchorum] Aus dem Land der Kolcher am Ostende des Schwarzen Meeres stammt die Königstochter und Zauberin Medea, die, von Jason verstoßen, seine neue Gattin vergiftet; Ovid, met. 7,394: sed postquam Colchis arsit nova nupta venenis. 39 per Geticos] Die Geten sind eine thrakische Stammesgruppe an der unteren Donau; vgl. Ovid, Pont. 2,7,31: Nulla Getis toto gens est truculentior orbe. 42 Musa, fuge!] Die Drohnen vertreiben also eher die Muse, als sich in ihrem Tun stören zu lassen!

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Zu Elegie I, 22 (JŠ/WK)1 In dieser Elegie werden im Wesentlichen zwei größere Motivkreise, die jedoch durchaus im Zusammenhang stehen, verarbeitet. Zum einen spielt die Wundergeschichte des kleinen Ambrosius eine zentrale Rolle. Sie bildet die erzählerische Achse der Elegie. Dazu gesellt sich das Motiv der Bienen, ohne das zwar bereits die Ambrosiusgeschichte nicht denkbar wäre, das jedoch von Bisselius um Züge aus einer anderen Tradition erweitert wird.

Ambrosius und seine Kindheitsgeschichte Der spätere Bischof Ambrosius von Mailand (vermutlich 339–397, zu ihm Döpp/ Geerlings, S. 13–22) wurde als Sohn von Aurelius Ambrosius, der zwischen September 337 und April 340 das Amt des praefectus praetorio Galliarum innehatte, geboren. Die Familie war mit großer Wahrscheinlichkeit mit derjenigen des römischen Redners Quintus Aurelius Symmachus verwandt. Der Sitz des Prätors befand sich damals in Trier (Treveri), einer der bedeutendsten Städte des Imperiums. Die moderne Forschung nimmt an, dass Ambrosius in Trier geboren wurde. Über Ambrosius’ Kindheit ist überhaupt wenig bekannt. Die einzige Ausnahme stellt eine kurze Anekdote dar, die von einem Bienenwunder berichtet. Diese Geschichte, die von mehreren späteren Ambrosius-Viten übernommen wurde, findet sich zum ersten Mal in der von Paulinus von Mailand, dem notarius des Mailänder Bischofs, wohl um 412/413 verfassten Vita Ambrosii. Paulinus wurde zu dieser Schrift durch Augustinus angeregt. Die betreffende Stelle in der Vita lautet: Unde a die nativitatis ejus narrandi initium sumam, ut gratia viri ab incunabulis quae fuerit, agnoscatur. […] Igitur posito in administratione praefecturae Galliarum patre ejus Ambrosio, natus est Ambrosius. Qui infans in area praetorii in cuna positus, cum dormiret aperto ore, subito examen apum adveniens, faciem ejus atque ora complevit; ita ut ingrediendi in os, egrediendique vices frequentarent. Quae pater, qui propter cum matre vel filia deambulabat, ne abigerentur ab ancilla, quae curam nutriendi infantis susceperat, prohibens (sollicita enim erat ne infanti nocerent) exspectabat patrio affectu, quo fine illud miraculum clauderetur. At illae post aliquamdiu evolantes, in tantam aeris altitudinem sublevatae sunt, ut humanis oculis minime viderentur. Quo facto territus pater ait: Si vixerit infantulus iste, aliquid magni erit. Operabatur enim jam tunc Dominus in servuli sui infantia, ut impleretur quod dictum est: Favi mellis sermones boni; illud enim examen apum scriptorum ipsius nobis generabat favos, qui coelestia dona annuntiarent, et mentes hominum de terrenis ad coelum erigerent.2

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Der folgende Kommentar (samt der wertvollen motivgeschichtlichen Einleitung) wie auch die Übersetzung dieser Elegie beruhen (mit Genehmigung des Verfassers) auf einer herausragenden Heidelberger Oberseminararbeit (hier nur behutsam gekürzt und bearbeitet von WK) von Herrn cand. phil. (mittlerweile Dr.) Jakub Šimek (Sommersemester 2004). Paulinus Mediolanensis: Vita sancti Ambrosii Mediolanensis episcopi, a Paulino ejus notario ad beatum Augustinum conscripta. In: Migne, PL 14, Sp. 27–46, hier Sp. 27f.

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Die kurze Geschichte lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der kleine Ambrosius schläft auf dem nicht näher bestimmten Gelände des prätorischen Hauses in seiner Wiege. Als sich im Schlaf sein Mund öffnet, kommt plötzlich ein Bienenschwarm, bedeckt das Gesicht und den Mund des Kindes, wobei die Bienen wechselweise in den Mund hineindringen und wieder herauskommen. Der Vater macht gerade zusammen mit der Mutter oder der Tochter einen Spaziergang in der Nähe, sieht das Geschehen und hindert die besorgte Amme daran, die Bienen zu verjagen, denn er hält das Ereignis offenbar für ein Wunder (miraculum) und will den Ausgang abwarten. Nach einer Weile erhebt sich der Bienenschwarm und entzieht sich in der Höhe den Blicken der Familie. Der Vater ist erschreckt und deutet das Geschehene als Hinweis auf die künftige Größe des Sohnes. Vom Verfasser der Vita wird mit dem Ereignis ein Zitat aus den Schriften des Ambrosius in Verbindung gebracht,3 in dem gute Rede in Anlehnung an ein biblisches Sprichwort (favus mellis verba conposita dulcedo animae et sanitas ossuum)4 bildlich als Honigwabe bezeichnet wird. Schon damals sei Gott im Leben des künftigen Kirchenschriftstellers tätig gewesen. Die Bienen sollen im Kind die Gabe hinterlassen haben, Schriften zu verfassen, welche die göttliche Güte verkünden und das menschliche Herz zum Himmel zu erheben in der Lage sind. Diese Geschichte wurde im 7. Jahrhundert von Aldhelm (um 640–709), dem Begründer der lateinischen Literatur der Angelsachsen, in sein Werk De virginitate, ein Lob der jungfräulichen Askese von Männern und Frauen anhand von Beispielen aus der Bibel und der Väterzeit, aufgenommen. Etwas später verfasste Aldhelm eine versifizierte Version des ersten Werkes, De laudibus virginum. Zunächst sei hier der Text in Prosa vorgestellt: Ambrosium vero superni nectaris ambrosia redolentem sub taciturnitatis velamento delitescere non patiar, cujus mellifluam dogmatum dulcedinem et purae virginitatis praerogativam pulchra praesagia portendebant. Siquidem infantulus cum in cunis supinus quiesceret, ex improviso examen apum ora labraque sine periculo pausantis complevit, qui ingrediendi et egrediendi per tenera pueruli labra certatim vices frequentabant. Ac demum genitore Ambrosio eventum rei praestolante, et vernae, quae altrix infantis fuerat, ne abigerentur imperante, supernis coeli ciimatibus per aethera avolantes catervatim mortalium visus aufugiunt. Qualis autem vel quantus idem patriarcha virtutum gloria et miraculorum signis effulserit, neminem reor expertum, nisi qui gesta conversationis illius a Paulino viro venerabili digesta didicerit.5

Der Ambrosius-Abschnitt wird bei Aldhelm mit dem etymologischen Verweis Ambrosius – ambrosia eingeleitet. Der heilige Kirchenvater verbreite den Duft himmlischer Speisen und Getränke. Das schöne Wunderzeichen habe auf die Süßigkeit der Lehre (wir finden hier das Adjektiv melliflua, das in der mittelalterlichen Tradition fest mit dem Namen des Ambrosius sowie später des Bernhard

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»Sunt et sermones boni, sicut favi mellis« (Ambrosius Mediolanensis: Epistola ad Constantium. In: Migne, PL. Bd. 16, Sp. 917–926, hier Sp. 918). Spr 16,24. Aldhelmus Schireburnensis: De laudibus virginitatis sive de virginitate sanctorum. In: Migne, PL 89, Sp. 103–162, hier Sp. 124.

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von Claivaux verbunden sein sollte) und die Keuschheit gedeutet. Der Verlauf der Geschichte bleibt der gleiche wie bei Paulinus, der hier ausdrücklich als Vorlage erwähnt wird. Von seiner Vorlage unterscheidet sich Aldhelm vor allem durch das gewählte Vokabular und den manieristischen Stil, der jedoch für diesen vielleicht auch durch die irische Latinität beeinflussten Autor durchaus typisch ist. Es folgt der metrisch bearbeitete Text: Jam fuit Hesperiae famosus laude sacerdos Ambrosius, Christi complens praecepta benigni, Spiritus et castae servavit foedera carnis, Qui nomen gerit Ambrosiae de nectare ductum. Hic tener in cunis quondam dum parvulus esset, Magna futurarum gessit spectacula rerum; Namque examen apum numerosis forte catervis Contexit faciem pueri, mirabile fatu; Quae licet horrenda stiparent labra cohorte, Non tamen infantis sensit discrimina corpus. Sic crebris vicibus replebant ora jacentis, Atque catervatim rursum remeare studebant. Post haec aetherios repetentes agmine nimbos, Visibus humanis certant abscedere porro. Haec pater Ambrosii stupuit miracula cernens, A quo sortitur nomen sic inclyta proles. Hoc nempe examen quo sancti labra redundant, Dulcia mulsorum portendit verba favorum, E quibus affatim dulcescunt pectora plebis. Lucida digessit venerandus opuscula doctor, Cum ratione pia pandens ab origine prima, Qualiter hunc mundum summi prudentia Patris Tempora praesentem tunc per bis terna dierum Fecerit aeterno disponens saecula nutu. Haec, inquam, docuit crebro sermone sacerdos, Plures perducens ad coeli regna phalanges.6

Diese etwas amplifizierte Version lässt in der Schilderung des Wunders die Amme aus, betont jedoch ausführlicher den Bezug des Wunderzeichens auf den ›süßen‹ Charakter von Ambrosius’ Schriften. Angespielt wird hier auf den Kommentar zur Schöpfungsgeschichte, Exameron libri sex. Aldhelm hat mit seinen Schriften auf die angelsächsische Kultur und Literatur und durch sie auf die karolingische Epoche gewirkt. Die Bienengeschichte des Ambrosius wurde ebenfalls in eine der berühmtesten Vitensammlungen des Mittelalters, in die wahrscheinlich um 1263/67 verfasste Legenda aurea des Jacobus de Voragine,7 aufgenommen. Die eigentliche Vita wird hier von einer ausführlichen etymologischen Erörterung des Namens eingeleitet: Ambrosius dicitur de ambra, quae est species valde redolens et pretiosa. Iste enim ecclesiae valde pretiosus exstitit et in dictis et in factis suis valde redoluit. Vel dicitur Ambrosius ab 6 7

Aldhelmus Schireburnensis: De laudibus virginum. In: Migne, PL 89, Sp. 237–280, Sp. 250. Vgl. Art. ›Jacobus de Voragine‹. In: LexMA, Bd. 5, Sp. 262 (Giulia Barone).

Einführungen und Kommentare

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ambra et syos, quod est Deus, quasi ambra Dei. Deus enim per eum quasi per ambram ubique redolet. Fuit enim et est bonus odor Christi in omni loco. Vel dicitur ab ambor, quod est pater luminis, et sior, quod est parvulus: quia pater in multorum filiorum spirituali generatione, luminosus in sacrae scripturae expositione et parvulus in sua humili conversatione. Vel sicut dicitur in Glossario: ambrosia, esca angelorum, ambrosium coeleste mellis favum. Fuit enim coelestis odor per odoriferam famam, sapor per contemplationem intimam, coeleste mellis favum per dulcem scripturarum expositionem, esca angelica per gloriosam fruitionem. Ejus vitam scripsit Paulinus Nolanus episcopus ad Augustinum. […] Ambrosius, filius Ambrosii praefecti Romae, cum in cunabulis in atrio praetorii esset positus et dormiret, examen apum subito veniens faciem ejus et os ita complevit, ut quasi in alveolum suum intrarent pariter et exirent. Quae postea evolantes in tantam aëris altitudinem sublevatae sunt, ut humanis oculis minime viderentur. Quo peracto territus pater ait: si vixerit infantulus iste, aliquid magni erit.8

Mit besonderem Nachdruck ist in der etymologischen Erläuterung der Name des Heiligen mit angenehmem Duft und der Süßigkeit des Honigs assoziiert. Der gute Ruf des Ambrosius wird mit angenehmem Duft gleichgesetzt, die Süßigkeit seiner Schriftauslegung mit himmlischen Honigwaben. Als Quelle der Vita wird ausdrücklich Paulinus genannt. In der eigentlichen Bienengeschichte wird der Vater, im Unterschied zu den älteren Schriften, als römischer Präfekt bezeichnet. Interessant ist der Vergleich des kindlichen Mundes mit einem Bienenstock; zwar hat die Schilderung ein- und austretender Bienen auch zuvor diese Vorstellung evoziert, doch zum ersten Mal wird sie hier explizit zum Ausdruck gebracht. Im Übrigen sind zahlreiche wörtliche Übernahmen von Paulinus festzustellen, mehrere Elemente der Geschichte, etwa die Amme oder die Mutter bzw. Schwester, sind jedoch weggelassen. In der frühen Neuzeit setzt eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit der Kirchengeschichte ein, die legendenhafte Züge zwar als überliefert berichtet, jedoch in der Tendenz, abgesehen von poetischen Werken, nicht weiter amplifiziert. Eine bekannte Ambrosius-Vita aus dem 16. Jahrhundert stammt von dem römischen Kardinal und Kirchenhistoriker Cesare Baronio (1538–1607), der sich vor allem durch sein monumentales Werk Annales Ecclesiastici einen Namen machte. Er besorgte auch eine Ambrosius-Ausgabe, der er eine eigens verfasste Vita des Heiligen anschloss. Baronios Vita wurde zwar zusammen mit seiner Ausgabe vielfach aufgelegt, jedoch nicht allgemein angenommen; der Autor selbst war mit ihr später nicht mehr zufrieden (s. u.). Im Jahr 1679 erschien dann in Paris eine neue Ambrosius-Vita von G. Hermant in französischer Sprache,9 die allgemeine Anerkennung fand. Ausführlich wird darüber in der Pariser Ambrosius-Ausgabe von 1690 berichtet, die eine neue lateinische Ambrosius-Vita enthält. Aus dieser neuen Ambrosius-Biografie können wir ungefähr die historischen Vorstellungen des 17. Jahrhunderts über die Kindheit des Ambrosius rekonstruieren:

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Jacobus a Voragine: Legenda aurea vulgo Historia Lombardica dicta. Hrsg. von Th. Graesse. 3. Aufl. Breslau 1890. S. 250. Hermant, G.: La Vie de saint Ambroise. Paris 1679.

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Kommentarteil

Extra controversiam est natum in Galliis esse nostrum Ambrosium; ejus parentem, Ambrosium etiam nomine, in iisdem provinciis praefecti dignitatem obtinuisse […]. At non tanta est de tempore & loco in quo primùm lucem adspexit, scriptorum consensio. […] Quod porro ad locum, qui eumdem nascentem exceperit, satis cognoscitur ex verbis Paulini eam urbem fuisse, in qua sedem habere consueverat Galliarum praefectus. Verum illa ipsa urbs quaenam censenda sit, haud parva lis est; alii enim Arelati, alii Treviris aut etiam Lugduno hunc honorem deferunt, singuli videlicet harum urbium nobilitati ac praerogativis antiquis nixi: sed revera nullum argumentum quo ceteris in hoc anteponenda liquido demonstretur, in medium promentes. Non desunt praeterea qui Romam ipsam vocitent Ambrosii patriam: sed patria nihil aliud apud eos his locis sonat, quam familiae atque originis solum natale, nec non solitum parentum sancti viri, & ipsius etiam non modico tempore domicilium. […] In illa igitur harum urbium, ubi praefecti galliarum praetorium erat, in lucem editus est noster Ambrosius: ubi & Paulinus prodigium illud memorat contigisse; quo apiculae in os infantuli alternatim intrantes atque exeuntes, summam illius in dicendo, & hominibus ad Christi obsequium alliciendis suavitatem visae sunt pertendere.1

Über den Namen der Stadt, wo Ambrosius geboren wurde, scheint also auch hier keine Einigkeit zu herrschen. Bisselius nennt als Quelle für seine Elegie im Vorspann des Gedichts lediglich das Stundengebet. In der vierten Lesung des Ambrosius-Festes findet sich tatsächlich die Geschichte, jedoch sehr zusammengerafft: Ambrósius epíscopus Mediolanénsis, Ambrósii civis Románi filius, patre Gálliae praefécto natus est. In hujus infántis ore exámen apum consedísse dícitur: quae res divínam viri eloquéntiam praemonstrábat.2

Welche Varianten der Bienengeschichte Bisselius außerdem noch verwendet hat, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Neben dem kurzen Offizium-Text wird er gewiss Paulinus gelesen haben, auch die Gedichte Aldhelms und die Legenda aurea dürfte man als Quelle annehmen. Ob Baronios Ambrosius-Vita Eingang in Bisselius’ Gedicht fand, bedürfte weiterer Überprüfung. Der Doctor mellifluus hat im christlichen Abendland als einer von den vier lateinischen Kirchenvätern sowohl im Mittelalter als auch in der frühen Neuzeit ein hohes Ansehen genossen. Nicht nur durch seine exegetischen Werke, sondern ganz besonders auch durch die ihm zugeschriebenen liturgischen Hymnen, die in Ordensgemeinschaften einen eminenten Platz im täglichen Offizium hatten, wird er auch für den Jesuiten Johannes Bisselius eine große Rolle gespielt haben. Zu beachten ist im Zusammenhang der behandelten Elegie ebenfalls die Tatsache, dass Ambrosius der Verfasser von mehreren Schriften über die Jungfräulichkeit

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Sancti Ambrosii Mediolanensis episcopi opera, ad manvscriptos codices Vaticanos, Gallicanos, Belgicos, et c. nec-non ad editiones veteres emendata, studio et labore monachorum Ordinis S. Benedicti, è Congregatione S. Mauri. Tomus secundus. Paris 1690. Appendix, S. 31. Breviarium Romanum ex decreto sacrosancti concilii Tridentini restitutum S. Pii V Pontificis maximi jussu editum aliorumque pontificum cura recognitum Pii papae X auctoritate reformatum. Editio typica iterum impressa. Pars hiemalis. Rom/Regensburg 1915, S. 528.

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ist.3 Das Thema der Keuschheit spielt in Bisselius’ Gedicht vor allem im Zusammenhang mit den Bienen eine Rolle.

Bienen und Bienenwunder Einer der ersten römischen Schriftsteller, die sich mit dem Thema der Bienen auseinandersetzten, war M. Terentius Varro (116–27 v. Chr.) in seinem Werk De re rustica (bes. 3,16). Für Bisselius’ Text ist dabei folgendes von Belang: Varro bezeichnet die Bienen als volucres – geflügelte Geschöpfe, die von der Natur mit ingenium sowie ars begabt sind. Sie entstehen entweder aus anderen Bienen oder aus verwesten Rinderkadavern. Ihre Erzeugnisse sagen nicht nur Menschen, sondern auch Göttern zu, denn sie werden als Honigkuchen auf den Altären den Gottheiten geopfert. Wie die Menschen bilden Bienen civitates, haben einen rex, dem sie überall folgen, und ein imperium. Ganz besonders achten sie auf Sauberkeit, setzen sich nie auf einem verschmutzten oder schlecht riechenden Platz nieder; vielmehr werden sie durch den sapor dulcis der Blumen angezogen. Man sagt von ihnen, sie seien die musarum volucres, denn ebenso wie den Musen der Helikon und der Olymp zugewiesen wird, wies die Natur den Bienen floridos et incultos montes zu. Sie tauschen untereinander Signale aus, wobei das Kommando der Anführer mit dem Trompetenschall verglichen werden kann. Von allen Pflanzen ist für die Honigerzeugung der Thymian am besten geeignet. Ausführlich befasst sich mit Bienen ebenfalls Plinius der Ältere (23/24– 79 n. Chr.) in seiner Naturalis historia (bes. 11,27ff.) Ihm zufolge sind Bienen als die einzige Insektenart um der Menschen willen geschaffen worden. Sie haben eine res publica, halten consilia ab, unterstehen ihren duces und besitzen mores. Besonders hebt Plinius ihr ingenium hervor. Beim Eingang ihrer Stöcke stellen sie tagsüber Wachen wie bei einem Lager auf. Morgens werden sie von einer Biene mit zwei- oder dreifachem Summen wie mit einer Trompete aufgeweckt. Über die Drohnen (fuci) sagt Plinius, sie seien inperfectae apes und nur im Frühling anzutreffen. Ihren Herrschern bauen die Bienen im Innersten der Stöcke weite und prächtige königliche Zellen. Der Honig bringt den Menschen einen großen Genuss von himmlischer Natur (magnam caelestis naturae voluptatem), der beste sei in Attica und Sizilien, wo Hymettos und Hybla liegen, anzutreffen. Über den Thymian, den Plinius für eine der besten Honigpflanzen hält, wird gesagt, er beginne bei der Sommersonnenwende zu blühen. Die Bienen sind empfindlich gegen jeden üblen Geruch, und die Imker, die den Honig ernten, müssen gewaschen und sauber sein. Über die Fortpflanzungart der Bienen herrscht nach Plinius unter den Gelehrten Uneinigkeit, denn eine Begattung habe bei ihnen noch nie jemand beobachtet. Nach der vorherrschenden Meinung wird der Nachwuchs im Mund der Bienen vom Blütenstaub zusammengesetzt. Im Zusammenleben der Bienen betont Plinius den Gehorsam dem Herrscher gegenüber. Dieser verlässt niemals den Stock, es sei denn, wenn der ganze Schwarm ausfliegen will; das könne man bereits einige Tage vorher an intensiverem Summen im Stock merken. 3

De virginibus ad Marcellinam sororem libri tres; De viduis; De virginitate; De institutione virginis et S. Mariae virginitate perpetua ad Eusebium; Exhortatio virginitatis.

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Schon früh wurde der naturkundliche Sachverhalt poetologisch metaphorisiert. So in Platons Ion: Alle guten Dichter singen nicht allein auf Grund eines Fachwissens, sondern vor allem dank einer göttlichen Inspiration. Bei dieser Gelegenheit werden sie mit Bienen verglichen: Denn es sagen ja doch zu uns die Dichter, daß sie von honigfließenden Quellen aus irgendwelchen Musengärten und -triften die Lieder pflücken und uns bringen, wie die Bienen, auch selbst so umherflatternd. Und wahr sagen sie. Denn ein leichtes Ding ist der Dichter, beschwingt und heilig, und nicht eher in der Lage zu dichten, bevor er nicht in göttliche Begeisterung geraten und von Sinnen ist und der Verstand nicht mehr in ihm wohnt.4

Zu den bedeutendsten römischen Dichtern, die sich mit dem Thema der Bienen in ihrer Poesie befasst haben, gehört Vergil. Auf Vergil beruft sich ausdrücklich auch Bisselius in seinem Gedicht (V. 23f.). Das vierte Buch der Georgica ist ausdrücklich den Bienen gewidmet. Den aus der Luft tauenden Honig bezeichnet auch Vergil als caelestia dona, ebenso spricht er im Zusammenhang mit Bienen von Anführern, einer gens und von Sitten (4,1ff.). Bei der Ankunft des Frühlings – ja, der Frühling gehört sogar ihnen: »vere suo« (4,22) – führen die Könige ihre Schwärme aus und lassen die aus den Waben befreite Jugend spielen. Um die Bienenstöcke sollen sich ausreichend Wasser und aromatische Blumen befinden – u. a. Saturei (thymbra) und Veilchen (violaria). Wenn ein Schwarm aus dem Stock auszieht, sucht er nach gutem Süßwasser und nach Laubdächern (4,61f.). Auch Gärten, die von Safranblüten duften, sollen die Bienen locken, ebenso wird Thymian besonders empfohlen. Wenn die Bienen nach getaner Arbeit in den Stock zurückkommen, sind ihre Schenkel mit Thymian bedeckt, nach Thymian riecht auch der Honig. Die Aufgaben im Bienenvolk sind aufgeteilt – die einen sorgen auf der Flur für die Nahrung, andere bewachen das Tor. Ihrem König erweisen sie große Ehren. Was die Fortpflanzung der Bienen angeht, kennen sie nicht den Dienst der Venus, sondern lesen ihren Nachwuchs mit ihrem Mund von Blüten und vom Laub auf (4,197ff.): Illum adeo placuisse apibus mirabere morem, quod nec concubitu indulgent nec corpora segnes in Venerem solvunt aut fetus nixibus edunt; verum ipsae e foliis natos, e suavibus herbis ore legunt […].

In Bienen soll ein Funke des die ganze Welt durchdringenden göttlichen Geistes wohnen: esse apibus partem divinae mentis et haustus / aetherios dixere (4,220). Im zweiten Teil des vierten Buches berichtet Vergil ausführlich die Geschichte des Hirten Aristaeus, um die Bugonie (Bienenentstehung aus Tierkadavern) mythologisch zu begründen. Aristaeus, der seine Bienen als Strafe für sein unkeusches Verhalten verloren hatte, fleht seine göttliche Mutter Cyrene um Hilfe an. Diese verrät ihm, wie neue Bienen aus verwesenden Kadavern geschlachteter

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Platon: Ion. Hrsg. und übersetzt von Helmut Flashar. München 1963, 534b.

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Stiere entstehen können. Aristaeus befolgt Cyrenes Rat und wird zum Begründer dieser Kunst. Ein ähnliches Geschehen wird im biblischen Buch der Richter berichtet. Hier begegnet Samson einem jungen Löwen und zerreißt ihn, geleitet durch den Geist Gottes. Nach einigen Tagen geht er am Löwenkadaver vorbei und bemerkt, dass sich im Mund des Löwen ein Bienenschwarm befindet, der dort bereits Honigwaben gebaut hat. Samson isst von diesem Honig und gibt auch seinen Eltern davon: […] apparuit catulus leonis saevus rugiens et occurrit ei / inruit autem spiritus Domini in Samson / et dilaceravit leonem quasi hedum […] et post aliquot dies revertens […] declinavit ut videret cadaver leonis / et ecce examen apium in ore leonis erat ac favus mellis / quem cum sumpsisset in manibus comedebat in via / veniensque ad patrem suum et matrem dedit eis partem / qui et ipsi comederunt […].5

Diese Geschichte wurde später als Sinnbild für die Auferstehung gedeutet.6 Das Motiv der Bienen, die an göttlicher Inspiration teilhaben, begegnet in der gesamten europäischen Literatur. So vergleichen etwa mystische Kirchenschriftsteller des Mittelalters die Engel mit Bienen, die ununterbrochen zwischen Himmel und Erde hin und her fliegen. Anselm von Canterbury schreibt über die Engel: […] per te millia millium, ad complenda Patris mysteria, alacri discursu jugiter meant inter coelum et terram, quasi apes negotiosae inter alvearia et flores disponentes omnia suaviter […].7 Besonders ist aber Bernhard von Clairvaux zu beachten: Licet comedi non soleant, suguntur tamen ab apibus et de liquore e floribus expresso dulcissima sibi mella conficiunt. Apes ejusmodi, ut puto, sunt illi qui pennis contemplationis elevari sciunt et possunt, suaque ipsorum possunt alvearia, hoc est corporis curam, relinquere, et ad hortum deliciarum transvolare, in quo omnium florum divitias et divites delicias inveniunt. Hortus enim iste paradisus est.8

Diese Stellen verarbeitet dann Dante im Paradiso zu einem prächtigen Bild der Himmelsrose. Ein Schwarm der mit Bienen verglichenen Engel lässt sich auf den Blättern der Rose, welche die Seligen bedeuten, nieder: Die andre [Schar], die im Flug die Glorie dessen Besingt und schaut, der sie mit Liebe fesselt, Und seine Güte, die sie so geschaffen, Kam wie ein Bienenschwarm, der zu den Blüten Hinfliegt, um wieder dorthin heimzukehren, Wo seine süße Arbeit angesammelt, Hernieder zu der großen Blume, welche So viele Blätter schmücken, und stieg wieder

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Ri 14,5ff. Vgl. Lurker, Manfred (Hg.): Wörterbuch der Symbolik. 5., durchges. und erw. Aufl. Stuttgart 1991. S. 92. Anselmus Cantuariensis: Liber meditationum et orationum. Meditatio XIII. De Christo. In: Migne, PL 158, Sp. 773–779, hier Sp. 774. Bernardus Claraevallensis [Autorschaft heute unsicher]: Vitis mystica seu tractatus de passione Domini super Ego sum vitis vera. In: Migne, PL 184, Sp. 635–740, hier Sp. 725.

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Kommentarteil Empor zum Wohnsitz ihrer ewigen Liebe. Die Angesichter waren alle flammend, Die Flügel golden, weiß war alles andre; Kein Schnee kann jemals solch ein Weiß erreichen.9

All diese Texte können Bisselius beeinflusst haben. Doch nicht nur in Jenseitsvisionen treten Bienen als Boten des Himmels auf. Bereits seit der Antike ist das Thema des Bienenwunders in der Literatur verbreitet. Selbst für das Bienenwunder des Ambrosius lassen sich auffällige Paralellen finden.10 Der griechische Geograf Pausanias berichtet über Pindaros: Als Pindar noch Jüngling war und einst bei der größten Mittagshitze nach Thespiai ging, überfielen ihn Müdigkeit und Schlaf. Daher legte er sich nur wenig vom Weg entfernt nieder. Als er sich so niedergelassen hatte, kamen Bienen hinzu und bildeten an seinen Lippen Waben. Dies war für Pindar der Beginn, Lieder zu dichten.11

Die Bienen auf dem Mund als Zeichen der Dichterbegabung oder der Beredsamkeit werden beinahe topisch. Dieselbe Geschichte wird von Cicero über Platon berichtet: at Platoni cum in cunis parvulo dormienti apes in labellis consedissent, responsum est singulari illum suavitate orationis fore. ita futura eloquentia provisa in infante est.12

So auch Plinius der Ältere: sedere in ore infantis tum etiam Platonis, suavitatem illam praedulcis eloquii portendentes.13 Cicero bezeichnet derartige Ereignisse nicht als Wunder, sondern spricht von hübschen Deutungen oder von Zufällen, sofern es sich nicht überhaupt nur um gut erfundene Geschichten handelt: Atque haec ostentorum genera mirabile nihil habent; quae cum facta sunt, tum ad coniecturam aliqua interpretatione revocantur, ut illa tritici grana in os pueri Midae congesta aut apes, quas dixisti in labris Platonis consedisse pueri, non tam mirabilia sint quam coniecta belle; quae tamen vel ipsa falsa esse vel ea, quae praedicta sunt, fortuito cecidisse potuerunt.14

Auch die christliche Hagiografie bietet mit Isidor von Sevilla eine Parallele zu Ambrosius’ Geschichte:

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Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Ital.–dt. Übersetzt und kommentiert von Hermann Gmelin. 6 Bde. Stuttgart 1949ff. Bd. 3, Paradiso, 31,4ff. Vgl. Delahaye, Hippolyte: Les légendes hagiografiques. Brüssel 41955, S. 32. Pausanias: Reisen in Griechenland. Auf Grund der kommentierten Übersetzung von Ernst Meyer hrsg. von Felix Eckstein, abgeschlossen von Peter C. Bol. 3 Bde. Zürich/München 3 1986–1989. Bd. 3; 9,23,2. M. Tullius Cicero: Über die Wahrsagung. De divinatione. Lat–dt. Hrsg., übersetzt und erläutert von Christoph Schäublin. München/Zürich 1991. 1,78f. Nat., 11,55. Cicero, div. 2,66.

Einführungen und Kommentare

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Igitur cum esset infantulus, sicut de B. Ambrosio legitur, & à nutrice ad hortum duceretur, anus capta oblivione, eum inter olera dimittens discessit. Post aliquot autem dies, lugens filium, solarium Severianus pater ascendit; atque sedens contra viridarium aspexit; viditque innumeram apum multitudinem cum ingenti murmure super puerum certatim descendere, atque inde ad caelos volare: qui in stuporem versus ad hortum concite descendit, vocatisque servientibus festinavit ut rei gestae videret miraculum. Accedentes autem viderunt alias apum in os pueri intrantes & exeuntes, alias vero super faciem & totum corpus mellis & favi operimenta texentes. Patre vero filium cum clamore & lacrymis amplectente apes in tantam se altitudinem aeris extulerunt, ut oculis corporeis non possent videri. Haec de multis, quae cum eo taliter gesta sunt, pauca proposui, ut prudens advertere possit, à quanta virtutum inceperit perfectione.15

Aus dem Hochmittelalter ist des Weiteren eine Reihe von Bienenwundern überliefert, die mit der Eucharistie zusammenhängen. Das immer wieder vorkommende Schema der Geschichte ist dieses: Ein Imker, dessen Bienen nicht genug Honig liefern, wirft in den Bienenstock das Altarsakrament, in der Hoffnung, die Bienen würden auf magische Weise ihre Erträge erhöhen. Statt dessen erweisen die Bienen zur Verwunderung des sündigen Imkers dem eucharistischen Brot große Ehren, ähnlich wie es in der Liturgie geschieht. Das Ereignis wird als göttliches Zeichen gedeutet.16 Vom Hostienwunder hat sich später auch Jacob Balde in seinem ApiariumZyklus in den Silvae inspirieren lassen.17 Balde schildert hier das Bienenwunder von Heidhausen, bei dem sich ein Bienenschwarm auf einem Kreuz niedergelassen hat. Der Dichter allegorisiert das Ereignis im Hinblick auf die Kontemplation der Wunden Christi, wobei er sich der Topik der mittelalterlich-barocken Kreuzmystik bedient.18 Baldes Bienen-Gedichte sind eng mit dem Thema des Kreuzes verknüpft und sind, abgesehen von den überall zu erwartenden VergilReminiszenzen, von ganz anderen religiös-mystischen Texten inspiriert als Johannes Bisselius’ in seiner Elegie. Als Quelle für die Deliciae veris ist Baldes Apiarium-Zyklus mit Sicherheit nicht anzunehmen, da dieser nach Baldes eigener Aussage erst 1641 entstanden ist, also bereits nach dem Erscheinen beider Auflagen von Bisselius’ Elegien. Die Keuschheit der Bienen erweist sich nicht nur bei Balde, sondern allgemein in der barocken Literatur als fruchtbares Motiv ist.19 So auch in Friedrich Spees Trutz-Nachtigal:

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Acta Sanctorum Aprilis, collecta, digesta, illustrata, a Godefrido Henschenio et Daniele Papebrochio, e Societate Iesu. Tomus I. quo priores X dies continentur. Antwerpen 1675, S. 331f. Vgl. Petrus Cluniacensis: De miraculis libri duo. In: Migne, PL 189, Sp. 851–954, cap. 1; Herbertus Turrium in Sardinia: De miraculis libri tres. In: Migne, PL 185, Sp. 1273–1384, liber III, cap. 30; Caesarius Heisterbacensis: Dialogus miraculorum. Hrsg. von Joseph Strange. Bd. 2. Köln 1851. Cap. 8. – Vgl. Caesarius als (vermittelte) Quelle für Bisselius in der Elegie III,23. Balde 1729, Bd. 2, S. 48–56. Vgl. Herzog 1976, S. 45–104. Die Fortpflanzung der Bienen durch Befruchtung der Königin beim Hochzeitsflug ist erst seit 1791 bekannt.

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Kommentarteil Gar sehr sie sich vermehren Doch keusch ohn Heurath sein; Ohn Lieb sie sich beschweren Mit süssn kinderlein. Sie nur von Blumen lesen Die Kleinen ihrer art; Da findet sich das wesen All ihrer Erben zart.20

Überhaupt wurde die Biene in der Frühen Neuzeit in vielen Lobgedichten und Prosareden behandelt (gute Auswahl bei Dornau/Dornavius, Amphitheatrum 1619, Bd. 1, S. 129–160!). Man hat gemeint, es gebe vielleicht kein anderes so kleines Tier, an dem sich die Wundertaten Gottes besser offenbaren würden als an Bienen. Von den vielen symbolischen Bedeutungen der Biene sei hier allein die kurze Auslegung des französischen Jesuiten Nikolaus Caussin zitiert, die vom biblischen Vers »brevis in volatilibus est apis / et initium dulcoris habet fructus illius«21 ausgeht: IN PARVIS MAGNA. Apis. Ait sapiens: Parua inter aues est apis, & principium dulcedinum fructus illius. Apodosis Haud aliter diuina opera incomprehensibilia sunt in hominibus, & mirabilia in excelsis, & super mel & favum ac super creata omnia dulciora.22

Zur Interpretation Die Elegie I,22 ist das dritte Gedicht der Gruppe VIOLAE. Das Motiv der Bienen und der ihnen schadenden Drohnen bildet auch den Übergang zur Elegie I,22, wie der erste Satz des Vorspanns deutlich macht. Im Vorspann werden zunächst die Bienen den eben behandelten Drohnen und Bremsen entgegengesetzt, wobei ihre Ruhe (wohl im Gegensatz zum chaotisch-überstürzten Verhalten anderer Insekten) und ihre Fähigkeit, Künftiges vorauszusehen, hervorgehoben werden. In prophetischer Voraussicht hätten sich diese auf eine göttliche Blume gesetzt, die sofort als der kleine Ambrosius ausgewiesen wird. Knapp wird in den nächsten Sätzen der Verlauf der Geschichte skizziert, als Quelle wird das Offizium des Ambrosius-Festes am 7. Dezember genannt. In wörtlicher Übernahme aus dem genannten Text des Offiziums ist die Deutung des Wunders eingeschoben. Dieses sei ein Zeichen für die von Gott geschenkte Beredsamkeit gewesen. Wäh20

21 22

Spee, Trvtz-Nachtigal, Nr. 23, S. 118–130 (Lob des Schöpffers darinn ein kleines wercklein seiner Weißheit, nemblich die wunder liebliche Handthirung der Jmmen oder Bienen Poetisch beschrieben wird), hier Strophe 30, S. 126. Sir 11,3. Nicolaus Caussin: Electorum symbolorum et parabolarum historicarum Syntagmata. Ex Horo, Clemente, Epiphanio & alijs cum notis & obseruationibus. Accedunt Symposij Poëtae Aenigmata. Auctore, R. P. Nicolao Caussino Trecenti è Societate Iesu. In: De symbolica Aegyptiorum Sapientia, in qua symbola, parabolae, historiae selectae, quae ad omnem emblematum, aenigmatum, hieroglyphicorum cognitionem viam praestant. Autore Nicolao Caußino Trecensi è Soc[ietate] Iesu. Köln 1623, hier S. 76

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rend Bisselius zunächst mit fingitur die Möglichkeit, dass es sich um Erfundenes handelt, nicht auszuschließen scheint, bekräftigt er jedoch zugleich, dass in der späteren Tradition das Ereignis für wahr gehalten wurde und immer noch wird. Die ersten Verse der Elegie führen dem Leser das Bild des prätorischen Hauses vor Augen. Der konkrete Ort wird nicht genannt, doch fühlt man sich bei der Erwähnung der Argolicae columnae (V. 1) an die viel ausführlichere Schilderung der in griechischem Stil gebauten luxuriösen Villen im Moseltal bei Trier erinnert, die sich in der Mosella von Ausonius befindet. Die Erwähnung der steil hochragenden Säulen lässt ebenso an die Beschreibung der Burg des Bischofs Nicetius von Trier (530–566) bei Venantius Fortunatus denken (s. u. im Kommentar). Diese Signale und die Bezeichnung als »vorstädtisches Landgut« (V. 5) sprechen für die Annahme, dass Bisselius den Sitz des Prätors in der Vorstadt von Trier verortete. Die Beschreibung des Ortes weist klassische Elemente eines locus amoenus auf (V. 6). Das Haus befindet sich in der Nähe eines schattenspendenden Hains, rings um das Gebäude gibt es einen Garten mit wohlbewässertem Rasen und Blumen, hinzu kommt der sanfte Frühlingswind. Nur eines fehlt, wenn man an die Topik solcher Beschreibungen denkt: die Vögel; möglicherweise soll der Leser sie vermissen, um sie später mit den mellis aves (V. 28) doch zu finden. Die zwei untereinander gemischten Thymianarten sind möglicherweise ein Hinweis auf die gelungene Symbiose des Römischen mit Gallien, der Thymian selbst wird in der lateinischen Tradition nachdrücklich für die Bienenzucht empfohlen, denn aus ihm entsteht der beste Honig. Der vorstädtische bzw. ländliche Charakter des prätorischen Gutes wird in Kontrast zur Stadt gesetzt (V. 5f.). Das wiederholte Weggehen und Zurückkommen der Amme wird rhetorisch effektvoll durch ein antithetisch gestaltetes Polyptoton zum Ausdruck gebracht (V. 9); möglicherweise soll der Leser bereits hier unwillkürlich an die unablässige Bewegung der Bienen erinnert werden. Der Kontrast des Kleinen mit dem Großen, der später in aller Deutlichkeit als die Anwesenheit der Gaben des Allmächtigen im kleinen Kind gedeutet wird (V. 38), jedoch auch allgemein in der barocken Symbolik vornehmlich mit den Bienen in Verbindung gebracht wird, erscheint hier bereits in einer knappen Verschränkung (pro parvo magna, V. 9). Während die Amme in den Ambrosius-Viten lediglich eine passive Rolle spielt, zeigt Bisselius sie in einem neuen Licht: Die Frau betet für das ihr anvertraute Kind und die Gottheit erhört ihr Gebet (V. 10). Aus dieser kleinen Idylle wird der Leser durch die Exclamatio ecce herausgerissen, und sein innerer Blick wird auf die zahlreichen Bienenstöcke gelenkt, die sich in der Nähe des Kindes befinden (V. 11). In den rhetorisch überaus kunstvoll gebauten folgenden drei Versen wird kurz das Bienenleben beschrieben. Zunächst will der Dichter dem Leser anhand von zwei aus der klassischen Literatur bekannten Bienenstandorten die große Zahl der Bienen vor Augen führen; er tut dies in zwei elliptisch gebauten und durch Anapher, parallele und zugleich chiastische Konstruktion sowie durch Wiederholungen und Assonanzen miteinander verknüpften Teilsätzen (V. 12). Im Folgenden wird mit einem Funken Humor (anthropomorphisierende Darstellung) die Beratung der Bienenkönige im Inne-

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Kommentarteil

ren des Stockes erwähnt (man beachte übrigens die assonierende Vokalfolge Reges de melle), der die draußen stattfindende Arbeit des Bienenvolkes entgegengestellt wird (V. 13f.). Es verwundert nicht, dass als einzige Blume auf der hier sonst nicht näher beschriebenen Flur das Veilchen konkret erwähnt wird, denn gerade die viola bildet das übergeordnete Thema der Elegiegruppe, in der sich unser Text befindet. Aber auch die barocke symbolische Auslegung des Veilchens scheint in unseren Kontext sehr gut zu passen: Das Veilchen bedeutet Jungfräulichkeit und süße Eloquenz.23 Nach der kurzen Schilderung des Bienenlebens beginnt die eigentliche Handlung. Die Bienen bemerken das kleine Kind – wie oben erwähnt eines der zentralen Motive des ganzen Zyklus, worauf hier auch sofort mit dem Schlüsselbegriff deliciae aufmerksam gemacht wird –, die Könige verlassen ihre Zellen und die Dienerschar die Veilchen (nachdrückliche Betonung der festen Hierarchie innerhalb des Bienenvolkes) und fliegen auf Ambrosius zu (V. 15–18). Das lyrische Ich nutzt diese Gelegenheit, um mit einer emphatisch betonten rhetorischen Frage auf die Bühne zu treten; die Bienen, die hier periphrastisch als »das keusche Volk« angesprochen werden, werden gefragt, wohin sie sich stürzen. Sofort wird auch auf den Mund des Ambrosius verwiesen und das spätere Geschehen vorweggenommen (V. 19). In den drei folgenden Versen (V. 19–21) wird dann der Mund des Knaben mit Rosen verglichen (die korallenrote Farbe der Rosen wird durch das metaphorische floridiora überboten), mit dem Duft des Safrans und der Ringelblumen von Paestum, und schließlich wird die überragende Saftigkeit der Lippen hervorgehoben. Die genannten Blumen gehören in der Dichtung zu dem ständigen Inventar der frühlingshaften Natur. Vergil besingt in seinem Bienenbuch die zweimal blühenden Rosengärten von Paestum24 und erwähnt den lieblich duftenden Safran25, aber auch die caltha ist in der klassischen Literatur im Zusammenhang mit der Topik des locus amoenus ausreichend belegt (s. u. im Kommentar). In der barocken Symbolik kann der Safran die voluptas bezeichnen, steht aber auch für Demut.26 Gerade die Deutung des Safrans in die Richtung des sinnlichen Vergnügens würde einen passenden Übergang zur nächsten Serie rhetorischer Fragen bilden, die das lyrische Ich an die fliegenden Bienen richtet (V. 23f.). Spielerisch wird hier auf die traditionelle Lehre von der Keuschheit der Bienen zurückgegriffen, die angesichts des Geschehens in Frage gestellt wird. Sich auf den Mund des Knaben zu stürzen, in dem nicht nur eine venus, sondern gleich tausend wohnen, kann man nicht Enthaltsamkeit nennen. Der Genuss, den die Berührung der Lippen des Heiligen bringt, wird hier – eben um die Bienen in dem inszenierten rhetorischen Spiel ihres unenthaltsamen Verhaltens zu überführen – für ein sinnliches Vergnügen ausgegeben. So ist auch die gespielte Empörung des lyrischen Ichs zu verstehen, dass sich berechtigt sieht, das Benehmen 23

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Viola symbolum Virginitatis et suavis eloquii. […] Est enim flos primus veris, & colore perquam gratus. (Masen 1681, S. 424). Vergil, georg. 4,119. Ebd., 4,109 u. 182. Vgl. Crocus voluptatis quoddam argumentum praebet, […] unde nuptialibus instructus lectis fuit, humilitatis sive demissionis quoque imago quaedam est: nam calcatus altior odoratiorq; emergit. (Masen 1681, S. 425).

Einführungen und Kommentare

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der Bienen mit dem Hinweis auf das einstige Lob des großen Vergil zu tadeln. Durch eine mehrfache a-Alliteration wird unterstrichen, dass die – periphrastisch so bezeichneten – Honigvögel27 sich von ihrem Vorhaben, bei dem sie vom Himmel selbst gelenkt werden, nicht abbringen lassen (V. 27f.). Es folgt ein Hinweis auf zwei Gestalten, die in der literarischen Tradition des Abendlandes mit Bienen verknüpft sind. Zunächst wiederum eine Vergilische Anspielung auf die Sage von Aristaeus (dazu s. o.). Der biblische Samson wird vom Dichter als »Bienenaufzieher« ausgewiesen (ductor apum, V. 30). Das Gemeinsame beider Geschichten ist die ungeschlechtliche Fortpflanzung der Bienen, der das in der Elegie geschilderte Geschehen zu widersprechen scheint. Mit einem knappen, aber überaus deutlichen Vergilzitat aus der Aeneis vergleicht der Dichter die fliegenden Bienen mit Winden, die sich dorthin stürzen, wo sich ihnen der Zugang geöffnet hat. Die Bienen bedecken summend die Lippen und das Innere des Mundes von Ambrosius (V. 31f.). Gleich im nächsten Vers wird das Ereignis unmissverständlich als Wunderzeichen gedeutet (prodigio – V. 33). In der verschränkten Form eines Zeugmas (& somnos effugat, & volucres – V. 34) wird dann geschildert, wie die völlig erschrockene Amme die Bienen verjagt und dabei den Knaben aufweckt.28 Durch einen dreifach gesteigerten Vergleich wird in Form einer Wettstreitmetapher das wunderschöne Rot der Lippen des Knaben gefeiert (V. 35–37). Die Schilderung des roten Mundes auf dem Hintergrund der schneeweißen Haut ist einer der beliebtesten Topoi der Schönheitsbeschreibung. In den zwei darauffolgenden, durch eine Anapher verbundenen Versen (V. 38f.) wird in einer kunstvollen Antithese auf die geistige Größe des kleinen Kindes hingewiesen; das Kind wird dabei direkt apostrophiert. Die Wendung parvulus noster, der sich der Dichter an dieser Stelle bedient, wird in der Latinität für eine liebevolle Bezeichnung des eigenen Kindes verwendet, bei Bernhard von Clairvaux mit Vorliebe auch für den kleinen Jesus. Das Kind wird »gewissermaßen als ein Paradies« bezeichnet. Im V. 40 werden dann zunächst asyndetisch drei im Gedicht bereits erwähnte Blumenarten zusammengefasst, in der zweiten Pentameterhälfte wird dann auch auf den Tau und die Honigwaben, traditionell auch allegorisch ausdeutbar (als gute Lehre) als Merkmale des irdischen Paradieses hingewiesen. Die Elegie wird durch eine zarte Pointe abgeschlossen, in der mit der Doppeldeutigkeit von oscula gespielt wird (V. 41f.). Die glückliche Mutter küsst ihren kleinen Sohn und während des Kusses stellt sie fest, dass sein Mund mit Honig benetzt ist – eine Vorausdeutung auf die künftige Beredtsamkeit. Violarum insultatoribus] Vergil, georg. 4,10ff.: neque oves haedique petulci / floribus insultent.

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Eine ganz ähnliche Wendung, wenn auch in deutscher Sprache, verwendet Friedrich Spee in seiner Trutznachtigall (s. Kommentar). Hier entfernt sich Bisselius von der bei Paulinus überlieferten Geschichte. Dort will zwar die Amme die Bienen verjagen, wird daran jedoch von Ambrosius’ Vater gehindert, der im Geschehen ein göttliches Zeichen sieht.

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Kommentarteil

Infulae] In der Antike die bei liturgischen Handlungen um den Kopf geschlungene Wollbinde, mittellat. für die Mitra, den Bischofshut. Tunc (Ambrosij etc.] Breviarium Romanum, 7. Dezember, In II Nocturno, Lectio IV: Ambrosius episcopus Mediolanensis, Ambrosii civis Romani filius, patre Galliae praefecto natus est. In huius infantis ore examen apum consedisse dicitur: quae res divinam viri eloquentiam praemonstrabat. Argolicis] Metonymisch für ›griechisch‹. 1f. columnis / ardua] Venantius Fortunatus, Opera poetica 3,12,29: ardua marmoreis suspenditur aula columnis. 3 irriguo … prato] Vgl. Properz 1,20,37f.: et circum irriguo surgebant lilia prato / candida purpureis mixta papaueribus; Vergil, georg. 4,32: inriguumque bibant violaria fontem. 5 suburbano … rure] Vgl. Ovid, ars 2,265: rure suburbano poteris tibi dicere missa; Horaz, epist. 1,7,75f.: mane cliens et iam certus conviva iubetur / rura suburbana indictis comes ire Latinis. 5 urbana negotia] Vgl. Livius, 1,55,1: inde ad negotia urbana animum convertit; Plinius, epist. 7,30,2: me huc quoque urbana negotia persequuntur. 7 sub sidere] Geläufige Junktur wie Vergil, ecl. 10,64: Aethiopum versemus ovis sub sidere cancri. 9 abit, atque redit] Vgl. Plautus, Aul. 444: quo abis? redi rursum!; Varro, rust.1,2,5: ubi nox et dies modice redit et abit. 10 pro parvo magna] Vgl. Ovid, Pont. 4,8,35: parva quidem fateor pro magnis munera reddi; Seneca, benef. 2,15,2: nec exiguum dilatabo nec magna pro parvis accipi patiar. 10 votis numina … favent] Seneca, Phaedr. 423: iam fave votis, dea; Ovid, epist. 4,71: sic faveant Satyri montanaque numina Panes; Ovid, met. 4,702: faveant modo numina. 11 cavis … cellis] Columella 8,9,3: cellulae cavatae. 12 quot apes Hybla … quot Hymettus apes] Vgl. Ovid, ars 2,517: quot lepores in Atho, quot apes pascuntur in Hybla; ibid. 3,150: nec quot apes Hyblae, nec quot in Alpe ferae; Ovid, trist. 5,6,38: florida quam multas Hybla tuetur apes; Martial, 7,88,8: pascat et Hybla meas, pascat Hymettos apes. Bemerkenswert Valerius Maximus 1,6,3 (de externis): […] apes Platonis praetulerim […] hae solidae et aeternae felicitatis indices extiterunt, dormientis in cunis parvuli labellis mel inserendo. qua re audita prodigiorum interpretes singularem eloquii suavitatem ore eius emanaturam dixerunt. ac mihi quidem illae apes non montem Hymettium thymi flore redolentem, sed Musarum Heliconios colles omni genere doctrinae virentis dearum instinctu depastae maximo ingenio dulcissima summae eloquentiae instillasse videntur alimenta.

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14 violas … legit] Ovid, trist. 3,12,5: iam violam puerique legunt hilaresque puellae. 19 quo … ruis] Vergil, Aen. 2, 520: aut quo ruis?; Horaz, epod. 7,1; Properz 4,1,71: quo ruis imprudens; Ovid, epist. 16,123: quo ruis? exclamat. 20 ora … floridiora] Catull 61,193: ore floridulo nitens. 20 corallineis] Klassisch nicht belegt; hier wohl metri causa aus corralinus (›ko›kokorallenrot‹). 21 ora … redolentia] Statius, silv. 2,1,46: osculaque impliciti vernos redolentia flores; Sedulius Scotus, Carmina, 1,21f.: pectore cui redolent flaventia musta sophiae / oreque doctiloquo mellea dona fluunt. 21 crocum Paestique … calthas] Ovid, Pont. 2,4,28: calthaque Paestanas vincet odore rosas; Ovid, fast. 4,437ff.: illa legit calthas, huic sunt violaria curae, / illa papavereas subsecat ungue comas; / has, hyacinthe, tenes; illas, amarante, moraris; / pars thyma, pars rhoean et meliloton amat; / plurima lecta rosa est, sunt et sine nomine flores: / ipsa crocos tenues liliaque alba legit. 24 torique fuga] Ovid, am. 2,11,7: fugit notumque torum sociosque Penates. 25 fraus … fallor] Ovid, Ibis 432: temptabisque cibi fallere fraude Iovem; Ambrosius, De bono mortis 9,40: fraus est, quia fallitur visus. 25f. in ore … habitant] Augustinus, De moribus ecclesiae catholicae et Manichaeorum 2,13,27: blasphemiae, cum a corde profectae, quotidie in ore vestro habitent; Augustinus, Enarrationes in Psalmos 30,2,3,7: quomodo vivit in corde tuo, sic habitet in ore tuo; Bernardus Claraevallensis, Sermones de diversis 69,2: habitans igitur in corde est sapientia, habitans in ore veritas, habitans in corpore iustitia. 26 pro una, mille] Livius, 3,14,4: mille pro uno Caesones extitisse plebes quereretur; Augustinus, Enarrationes in Psalmos 89,5: ne putarent autem aliqui mille annos sic computari apud deum pro uno die. 27 mille … veneres] Ovid, am. 3,14,24: inque modos venerem mille figuret amor; Ovid, ars 2,679: venerem iungunt per mille figuras; ibid. 3,787: mille ioci Veneris. 28 coelo … auspice] Vergil, Aen. 4,45: dis equidem auspicibus reor et Iunone secunda. 28 mellis aves] Vgl. Spee, Trutz-Nachtigal 23,13: honig-vögelein. 29 Aristaeus] Vergil, georg. 4,317f.: pastor Aristaeus fugiens Peneia Tempe / amissis, ut fama, apibus morboque fameque; Ovid, fast. 1,363f.: flebat Aristaeus, quod apes cum stirpe necatas / viderat inceptos destituisse favos; Plinius, nat. 14,53: Aristaeum primum omnium in eadem gente mel miscuisse vino.

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30 doctor apum Samson] Ri 14,6ff.: inruit autem spiritus Domini in Samson … et ecce examen apium in ore leonis erat ac favus mellis. Das Gemeinsame der beiden Geschichten über Aristaeus und Samson ist der Bericht über eine Fortpflanzungsweise der Bienen, die auf den Geschlechtsverkehr verzichtet. Diese keuschen Wesen fliegen nun aber auf den Mund des Ambrosius, wo sie nicht nur eine venus finden, sondern gleich mille Veneres. Auf diese Weise verraten sie – freilich nur in dieser spielerischen Ansprache des Dichters, der die Begriffe deliciae und venus absichtlich in ihrer Zweideutigkeit belässt – ihren guten Ruf. 30 qua data porta, volant] Vergil, Aen. 1,83: qua data porta, ruunt. 31 incuba] Ein klassisch so nicht belegter Ausdruck, abgeleitet von incubare: ›in oder auf etw. Liegen‹. Incubus, urspr. ›Alptraum‹, wurde seit der Antike ein männlicher Dämon genannt, der mit Menschen Geschlechtsverkehr treibt (vgl. Art. ›Incubus‹. In: LexMA, Bd. 5, Sp. 399f. [Christoph Daxelmüller]). Bisselius spielt offensichtlich mit den erotischen Konnotationen. 33 media intervenit] Seneca, epist. 14,12: qui furentium principum armis medius intervenit?; Augustinus, doctr. christ. 2,20: si iunctim ambulantibus amicis lapis aut canis aut puer medius intervenerit. 34 somnos … et volucres] Vergil, Aen. 2,793f.: effugit imago, / par levibus ventis volucrique simillima somno. 35 carbunculus auro] Ambrosius, De paradiso 3,15: Phison igitur prudentia est et ideo habet bonum aurum, splendidum carbunculum et prasinum lapidem; Ez 28, 13: in deliciis paradisi Dei fuisti / omnis lapis pretiosus operimentum tuum / sardius topazius et iaspis / chrysolitus et onyx et berillus / sapphyrus et carbunculus et zmaragdus / aurum opus decoris tui et foramina tua in die qua conditus es praeparata sunt; Thomas a Kempis, De resurrectione orationes 1,2: sacratissimos pedes tuos cruci affixos, sole clariores, nive candidiores, carbunculo pulchriores, auro digniores, omni unguento et balsamo flagrantiores. 36 aurorae … solis in axe jubar] Silius 12,637: ecce serenato clarum iubar emicat axe; Seneca, Herc. Oet. 1289: solis adusti glaciale iubar. Augustinus, civ. 18,23: eripitur solis iubar et chorus interit astris. 38 magnum aliquid] Reich belegt, z. B. Silius 15,549f.: magnum aliquid tibi, si patriae vis addere fatis, / audendum est. 38 magnum … parvule] Origenes sec. translationem Rufini, In Leviticum homiliae 16,7: ut ultra iam non simus ›parvuli‹, sed ›magni‹ efficiamur, sicut magnus factus est Isaac, et ›magnus‹ factus est Moyses et ›magnus‹ Iohannes; Augustinus, doctr. christ. 4,18: etiam in rebus quamlibet parvulis magna sunt; Augustinus, serm. 373: quae est ista humilis celsitudo, infirmi fortitudo, parvuli magnitudo?

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38 parvule noster] Bernardus Claraevallensis, Sermones in adventu Domini 2,2: bene ergo parvulus noster eligere novit. 39 undique circum] Vergil, Aen. 3,634: numina sortitique vices una undique circum. 40 rosque, favusque] Calpurnius Siculus, ecl. 2,66: rorantesque favos damus et liquentia mella; Prudentius, Liber Cathemerinon 3,71ff.: mella recens mihi cecropia / nectare sudat olente favus; / haec opifex apis aerio / rore liquat tenuique thymo / nexilis inscia conubii; Claudian, In Rufinum 1,383: rorabunt querceta favis. 41 laetae … matri] Silius, 15,770: Dictynna et laetae praebet spectacula matri. 42 oscula … madere] Martial 12,93,3f.: parvum basiat usque morionem; / hunc multis rapit osculis madentem. 42 melle madere] Ausonius, Commemoratio professorum Burdigalensium 15,1f.: facete, comis, animo iuvenali senex, / cui felle nullo, melle multo mens madens.

Zu Elegie I,23 (WK) Wer die werkinterne Selbstauslegung des Dichters verfolgt, wird die Polemik gegen einen mit allegorischem Namen gekennzeichneten Dichter- und wohl auch Ordenskollegen heranziehen (III,18: Ad Petrum Lassum, poetam; vgl. auch I,21) und wird literarhistorische Reminiszenzen zu würdigen haben (etwa II,17,3 an Sannazaro). Dazwischen schieben sich auch eher burleske Varianten einer auktorialen und texttypologischen Selbstreferenz wie in dieser Elegie, die im Titel das Wort Hirudo (Blutegel) trägt, obwohl Hirundo (die Schwalbe) gemeint ist. Die Elegie präsentiert sich als performativer Werkstattbericht, indem hier so gut wie alle Möglichkeiten und Optionen der Komposition, Themenwahl und Schreibreflexion des Werkes zur Geltung kommen, nämlich: a. b.

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der Versuch, das typische Getier des Frühlings einzubeziehen, in diesem Fall die Schwalbe; diese poetische Faktur nach Möglichkeit im geistlichen Schrifttum zu verankern; so schon im Vorspann mit Hinweis auf die »stercora hirundinis«(so in der Vulgatafassung; die moderne Einheitsübersetzung der Bibel spricht statt von einer Schwalbe von »Sperlingen«), die in der biblischen Tobias-Geschichte (Tob 2,9–10) Tobias erblinden lassen, was in der Elegie zu einer auktorialen Schmährede an den fatalen und ehrenrührigen Vogel führt; diese biblische Referenz antikisierend zu überblenden, was anfangs mit der blutigen Figur der Progne (vgl. Ovid, met. 6, 424–674) gelingt, jedoch zugunsten der Tobias-Legende beiseite geschoben erscheint;

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die eigene Schreibsituation im Konnex des Themas zu exponieren, was dadurch geschieht, dass der Dichter anfangs vom kreischenden und kunstlosen Getön der Schwalben am Dachrand vor seinem Fenster gequält erscheint, die sich aufdringlich dem Poeten »feilbieten«, allerdings nur mit dem Erfolg, dass ihm unter diesem Geräusch das Versmaß fast zu Hinkjamben entgleitet, ein Versmaß, das ironischerweise aber genau dem die Elegie dominierenden Genre der Schmährede entspricht. Überdies sträubt sich die Feder angesichts des Lärms und schreibt in der Überschrift witzigerweise hirudo statt hirundo. Bisselius gelingt es so, auf paradoxe Manier, abschließend mit einem volksläufigen Diktum, in seinen Frühlingszyklus auch ein Schwalbengedicht zu integrieren, indem er diesen Vogel als Störenfried der Niederschrift und der poetischen Muße agieren lässt, ja ihn eigentlich wegen seiner biblisch-mythischen Missetaten aus dem poetischen Gedächtnis verbannen will.

Hirundinem … Aldrovando teste] Zu Aldrovandi, Bisselius’ maßgeblicher ornithologischer Autorität, s. den Kommentar zu I,12: hier der Verweis auf den -Abschnitt, Band 2, S. 658–697; zur Benennung ausführlich in den Kapiteln Aequivoca und Synonyma, S. 658–660; schon im Vorspann (S. 658) wird das Thema des misstönenden Dauergezwitschers der Schwalbe und der Art bzw. des Ortes ihres Nestbaus aufgegriffen (zu Vox und Cantus ausführlich auch S. 669; vgl. unten zu V. 2). Aldrovandi beginnt: Hirundo meo iudicio, quamuis propter obstreperam molestissimamque cantus sui garrulitatem, naturaeque feritatem indocilitatemque, vtpote quae nunquam mansuescit, aut disciplinam admittit […] apud quos vis scriptores malè audiat […]. 1f. Maculis cruentis … Progne] Progne war die Schwester der Philomela und Gattin des Tereus, sie rächte ihre von Tereus vergewaltigte Schwester, indem sie diesem den gemeinsamen Sohn Itys als Mahl vorsetzte, von Tereus verfolgt, wird sie in eine Rauchschwalbe verwandelt; Ovid berichtet die Geschichte (Ovid, met. 6,424–674), hier spez. mit dem Bezug auf das rote Brustgefieder der Rauchschwalbe (669f.): neque adhuc de pectore caedis / excessere notae, signataque sanguine pluma est. 2 obstrepis] Wörtlicher Anklang an Aldrovandi; s. o. 2 excubiis] Anregend dürfte die erste Strophe von Horaz’ Ode 3,16 gewirkt haben, wo Danaë von einer Hundemeute bewacht wird (spez. V. 1–3): Inclusam Danaen … vigilum canum / tristes excubiae munierant. 3 Olympo] Olympus, der Berg der antiken Götter, metonymisch auch für Himmel wie z. B. (von der Sonne gesagt) Vergil, georg. 1,450. 7 totas … luces] Diese Junktur wohl ungewöhnlich, in der antiken Dichtersprache jedoch geläufig die Metonymie lux für ›Tag‹ (im Gegensatz zur Nacht); vgl. Lukrez 5,681; Ovid, met. 7,662.

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10 cantûs ex Helicone Deam] Die Muse oder die Musen als Göttinnen der Dichtkunst in Anlehnung an Stellen wie Vergil, Aen. 10,163: pandite nunc Helicona, deae, cantusque movete. 14 Scazontis claudicat oda genu] Der Scazon oder Hinkjambus, in der Antike von Catull und Martial verwendet, im Späthumanismus von zahlreichen Dichtern, darunter von Daniel Heinsius, Julius Cäsar Scaliger und Caspar von Barth, auch vom jungen Martin Opitz benutzt; zur Geschichte der neulateinischen Dichtung in Hinkjamben, ausgehend von Opitz, lehrreich und weiterführend Robert Seidel: Zwischen Architextualität und Intertextualität. Überlegungen zur Poetik neulateinischer Dichtung am Beispiel von Martin Opitzens Hipponax ad Asterien. In Glei/Seidel 2006, S. 171–208, spez. S. 191–193; in den Poetiken der führenden Jesuiten galt der Hinkjambus als besonders geeignet für Schmähgedichte; so etwa bei Jacob Masen SJ: Scazonticum carmen imprimis reprehensionis idoneum est (Palaestra, S. 82), aber auch schon vorher bei Jacob Pontanus SJ (Poeticae institutiones, S. 168): Cum versus iambicus ad maledicendum reperiatur aptissimus, tum nescio quo pacto in hoc vno negotio supra caeteros isti scazontes excellunt. 18 destitui numeros] Problematische Stelle, der transitive Gebrauch des Verbums (hier im Passiv) mit dem nominalen Akkusativobjekt in einer unerwarteten syntaktischen Konstruktion, also nicht im Sinne von ›jemanden einer Sache berauben‹; man würde dann einen Ablativ erwarten; denkbar wäre also numeris suis statt numeros suos; wenn man keinen Druckfehler annehmen will, verwendet Bisselius destituere hier im Sinne von ›jemanden im Stich lassen‹ oder ›liegen lassen‹, d. h. ›verderben‹; ähnlich sonst für Sachen außerhalb des dichterischen Bereichs; vgl. Vergil, ecl. 1,60: et freta destituent nudos in litore piscis. 18 te modulante] Modulari für Gesang und Poesie, prototypisch bei Vergil, ecl. 5,14. 26 limen habe] Problematisches Verständnis, limen steht metonymisch gern für Haus oder Wohnstatt; also weist Bisselius der Schwalbe zwar einen Platz im Hause unter den Balken etc. zu, nicht aber einen Platz zum Gesang am Dachfirst vor seinem Fenster (V. 25). Thematisch wird hier der von Erasmus kommentierte Satz (mit Berufung auf Hieronymus und Aristoteles: Adagia, ed. Clericus, Sp. 22f.) aufgegriffen: Hirundines ne habeas sub eodem tecto. 31 Progne] S. o. zu V. 1f. 34 Tobias] s. o. in der Einleitung. 38 nec Ver facit unica Progne] Auch im Deutschen volksläufiges Sprichwort (»Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer«), in den modernen europäischen Sprachen zurückgehend auf Aristoteles, eth. Nic. 1,6.

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Zu Elegie II,1 (LC/WK) Die Inhaltsübersicht des zweiten Buchs nennt nach vier liturgisch bedeutsamen Festtagen der Osterzeit drei Gegenstandsbereiche des ländlichen Lebensraumes. Das Schema des geistlichen Kalenders verknüpft sich so programmatisch wieder mit den Themen der Natur und der Arbeiten der Jahreszeit. PARASCEVEN] Parasceve, im Lateinischen Fremdwort aus dem Griechischen, wird mit ›Rüsttag‹ wiedergegeben; das Wort bezeichnet den Tag vor dem Sabbat; vgl. Mk 15,42: erat parasceve, quod est ante sabbatum; vgl. auch Lk 23,54. Ehemals liturgische Bezeichnung für ›Karfreitag‹. Die beiden Aspekte der Einleitungselegie des zweiten Buchs werden in der Überschrift angedeutet: Der Frühling entwickelt sich und führt zu geistlichen Meditationen, die in den Überschriften der drei Einzelgedichte verdeutlicht werden. Das erste begnügt sich mit der Beschreibung von Phänomenen der erfreulichen Jahreszeit, im Schlussvers sententenzenhaft gesteigert: Wenn das irdische Leben gefallen kann, dann im Frühling. Im zweiten Gedicht ruft sich der Dichter zur Besinnung: Über der Freude am Frühling ist ihm entfallen, dass das wesentliche bonum fehlt. Dem wendet er sich im dritten Teil zu: Der wahre Frühling wird ihm erst zuteil werden, wenn er mit Christus vereinigt sein wird.

Zu II,1,1 1 Ver viget] Vgl. Augustinus, De Musica 4 (= Varro, Men. frg. 79a): ver blandum viget arvis, adest hospes hirundo. 1 Zephyritis] Noch zu Lebzeiten ist Arsinoë II. am Kap Zephyrion ein Tempel errichtet worden, wo sie als Aphrodite Zephyritis verehrt wurde; hier also Venus gemeint; im Prooemium von Lukrez’De rerum natura liegt ein Vorbild für die Beziehung Venus – Frühling vor. 1 viridi … amictu] Vgl. Claudian, Bellum geticum 166f.: solutis / ver nivibus viridem monti reparavit amictum. 2 maritato … sinu] Vgl. Claudian, rapt. Pros. 2,89: [Zephyrus] glaebas fecundo rore maritat. 3 Bistonij] Die Bistones sind eine thrakische Völkerschaft, Bistonius entspricht also Thracius; Bistoni … flabri sind also Nordwinde; vgl. Lukan, 4,767: Bistonio torquetur turbine. 4 in glacie … fuit] Vgl. Claudian, Panegyricus dictus Honorio Augusto tertium consuli, 150: in glacie stantem … Histrum. 5 Populeas … frondes] Geläufige Junktur, z. B. Vergil, Aen. 5,134 (Singular); 8,32; 10,190 (Plural).

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5f. lenta salicti / Vimina] Vgl. Paulinus von Nola 9,5: lentis qua consita ripa salictis. 6 succidiora] Die Komparation von succidus in der Antike nicht belegt; vgl. Bisselius’ Verwendung in I,18,5,52. 7 Stirps] Nach V.12 eine Ulme; pigrae … Vindicta juventae: also ein Gewächs, aus dem man die Stöcke zur, damals gewöhnlichen, Prügelstrafe schneidet. 10 Fundit … lacu] Schneidet bzw. schnitt man Ulmen, wie Ahorn und Birken, an, um Harz zu gewinnen? Das sollte nach V.12 genießbar sein – der Wein des Armen? 13 Betuleô] Zu Baetis, einem Fluß in Spanien, gehört das Adjektiv Baeticus, ganz abgesehen davon, dass schwer verständlich wäre, was ein flagellum Baeticum dann sein sollte. Nach Plinius, nat. 37,135 sind baetuli Meteorsteine, hier wohl metaphorisch für alles stehend, was vom Himmel kommt; Baetuleum flagellum dann soviel wie ›Himmelsglut‹. 14 Infima … forent] Zu denken ist daran, dass Weinreben nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch in Deutschland oft an Bäumen und gerade an Ulmen rankten und so ihr junges Laub vor der Sonne geschützt wurde; darauf bezieht sich eine beliebte Figur der Emblematik; vgl. Henkel/Schöne, Sp. 259f. 15 vernat … tellus] Vgl. Ovid, met. 7,284: vernat humus, floresque et mollia pabula surgunt. 16 quodvis, quovis] Preziöses Polyptoton. 17ff.] Nach den neue Möglichkeiten suchenden und schwierigen Partien geht die Beschreibung des Frühlings jetzt in geläufigere Bahnen über. 17 mollia … prata] Häufige Junktur, z. B. Vergil, ecl. 10,42; Properz 3,3,18; Statius, Theb. 4,437. 18 hic aut nusquam] Vgl. Terenz, Haut. 279; Horaz, epist. 1,17,39. 18 Violatus honor] Auf den ersten Blick ist nicht zu verstehen, welche Ehre verletzt sein soll; Bisselius hat wohl eine Vokabel violatus zu viola erfunden; bedenkt man, dass viola wie auch andern Orts in den DV Sinnbild für Demut und Beredsamkeit (auch die des Dichters) ist (s. zu I,21, Vorspann), ergibt sich ein Verständnis im Sinne von violae oder violarum honor, dies in deutlichem Rückbezug auf die autobiografisch gefärbten Viola-Gedichte I,20–23, zugleich im Vorgriff auf die ›verletzte Ehre‹ der Viola im Anti-Susanna-Gedicht (III,5). 19 pictae volucres] Vgl. Vergil, georg. 4,243; Aen. 4,525. 20 Dulcibus … modis] Vgl. Horaz, carm. 3,9,10: dulcis docta modos. 22 agiles … pedes] Vgl. Seneca, Oed. 776f.: agilique magis / pedeper saltus ac saxa vagus; Phaedr. 234: aspera agili saxa calcantem pede. Die Schlussverse

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entfalten im Blick auf die nun im Frühling (auch das Werk ist gemeint) munter laufenden ›Füße‹ Füße‹ (auch die Versfüße … ) einen autoreferentiellen Doppelsinn.

Zu II,1,2 2 trista damna] Vgl. Petron, carm. 46,4; Statius, silv. 3,1,3. 4 Veris flores] Vgl. Ambrosius, Exameron 4,5,22: Ante aduentum Christi hiems erat, post aduentum Christi flores sunt ueris et messis aestatis. 5 meas … Musas] Seit Properz (z. B. 2,1,39) und Ovid (z. B. am. 3,1,6) ist mea Musa geläufige Bezeichnung des Dichters für sein Tun und dessen Ergebnis, seit Martial (2,92,2) auch im Plural. Hier betont in Antithese zu aliena; die ausgedrückte ›Entfremdung‹ ist durch die chiastische Stellung dargestellt: Vota meas aliena … gaudia. 6 voti pauper et oris] In der Freude am Frühling kommt das eigentliche Verlangen des geistlichen Dichters nicht zum Ausdruck. 9 Clarios … radios] Clarus: kleine Stadt bei Kolophon in Kleinasien, berühmt durch Orakel und Tempel des Apollon; Clarius also apollinisch, hier aber Apoll mit dem Sonnengott identifiziert, so dass Clarii radii Sonnenstrahlen sind. 9f. Sic … inops] Da der Frühling in seinen sinnlichen Erscheinungsformen dem Dichter ja zugänglich ist, muß gemeint sein, dass sein Lob in seiner Intensität sich nicht auf den wahrnehmbaren Frühling bezieht, sondern auf die seiner Wahrnehmung entzogenen ›himmlischen Freuden‹. 10 Cilicum germina] Kilikien war berühmt insbesondere für Safran, aber auch allgemein für seine Pflanzenpracht; vgl. Statius, silv. 2,1,160–163: quod tibi purpureo tristis rogus aggere crevit, / quod Cilicum flores, quod munera graminis Indi, / quodque Arabes Phariique Palaestinique liquores / arsuram lavere comam? 10 laudat] Der Form nach auf inops bezogen, gehört syntaktisch (Zeugma) auch zu Caeci und Surdi.

Zu II,1,3 In Christo … acquieturam] Paraphrase des Augustinischen cor nostrum inquietum est, donec requiescat in te, Domine (conf. 1,1). 1 Christe … voluptas] Bei Ambrosius die Vorstellung von Paradies, Christus, Licht und voluptas miteinander verknüpft: De Paradiso 3,23: ergo bene paradisus, qui pluribus fluminibus inrigatur, secundum orientem, non contra

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orientem, hoc est secundum illum orientem, cui nomen est oriens, id est secundum Christum, qui iubar quoddam aeternae lucis effudit, et est in Edem, hoc est in voluptate. 3 Aprilia Tempe] Tempe ist Nom. oder Akk. Plural, Aprilia also Attribut. Das Tal Tempe in Thessalien, durchflossen vom Fluss Peneios, ist durch seine reizende Lage zwischen Olymp, Ossa und Pelion berühmt. 5 Floro de Consule] Mit dem Cognomen Florus ist in republikanischer Zeit bekannt geworden C. Aquillius Florus, Consul 259, der in Sizilien gegen die Karthager kämpfte und im folgenden Jahr triumphierte; in der Kaiserzeit L. Mestrius Florus, Freund des Plutarch, kämpfte 69 bei Bedriacum auf Seiten Othos, unter Vespasian zwischen 72 und 75 Consul suffectus. Sicherlich geht es Bisselius aber um das Wortspiel mit flos, und mit Consul Florus könnte der Frühling personifiziert sein, dem Sinn nach also ›nach so vielen Blütentagen‹. 6 VER … increpitum] Das negativ konnotierte Verb und die ungewöhnliche Junktur erklären sich aus der dem gesamten Teilelegie 3 zugrundeliegenden Unterscheidung zwischen dem irdischen, in diesem Zusammenhang abgewerteten, Frühling und dem paradiesischen ewigen. 7 Differtur, Differtur] Emphatische Geminatio. 7 Hymetti] Berg in Attika, reich an Bienenkräutern. 8 Trinacris Hybla] Hybla, Berg auf Sizilien – Trinacria –, ebenfalls reich an Bienenkräutern. – Zu beiden Geogprahica s. die topische Beschreibung des Bienenschwarmes in I,18, Teilelegie 5 und I,22. 9 mihi soli] Steigerung gegenüber dem mihi (V.7); Hyperbel zum Ausdruck der Enttäuschung, dass sein sehnlichstes Verlangen nicht erfüllt wird. 9f.] Im Vergleich mit dem himmlischen Frühling ist der irdische nur wie ein Winter anzusehen, den nicht die Sonne, sondern mala Luna heraufführt. 10 dictos à Febre … equos] Wohl die equi des Wagens des Sonnengottes, Metonymie für ›Tage‹; Paronomasie febris – Februarius; wenn mit der Paradoxie gelida … Febre nicht Schüttelfrost gemeint ist, gelida als Enallage auf die Pferde bzw. Tage zu beziehen. 11 Hyperiona] Hyperion, ursprünglich einer der Titanen und Vater des Helios, später Bezeichnung für den Sonnengott; vgl. Ovid, met. 15,406: Hyperionis urbe potitus, wo Heliopolis gemeint ist. 11 unus ero] Fortführung der mit differtur mihi V. 7 begonnenen Betonung der bevorzugt unglücklichen Lage des Dichters. 12 Plejada … Atlas] Die Pleiaden sind Töchter des Atlas; vgl. Ovid, met. 6,174: Pleiadum soror est genetrix mea; maximus Atlas / est avus. Astronomisch das ›Siebengestirn‹.

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12 praecipuam Plejada] Der Singular zuerst bei Claudian, carm. 8,438; 26,209; dann bei Augustinus mehrfach: Adnotationes in Iob 38. Vermutlich zeichnet sich die praecipua Pleias durch besonderes Strahlen aus; nach Ovid war es aber gerade umgekehrt, eine der Pleiaden zeichnete sich durch mangelnden Glanz aus: fast. 4,165–178. 15f. SPIRITVS … veridico flamine] Das Wehen des heiligen Geistes als Inspirationsquelle des Dichters, der damit den Wahrheitsgehalt seiner Verse betont. 17 VITAE … Arbor] Sowohl der Baum des Lebens aus Gen 3,22 wie das Kreuz. 21 spumantia lacte fluenta] Vgl. Vergil, ecl. 5,67: pocula … spumantia lacte; Aen. 3,67; Prudentius, Apotheosis 472: spumantia cymbia lacte. 23ff.] Was sich der Dichter mit himmlischem Hymettus und Hybla usw. an himmlischen Freuden ausmalt, widerspricht nicht den Promissa Christi; aber da sie ihm im irdischen Leben verschlossen sind, wird er sich sozusagen mit den nüchternen Formulierungen des Credo begnügen müssen. 30 Lactatus] Die Formulierung und Argumentation wohl bestimmt durch 1 Kor 3,2: lac vobis potum dedi, non escam: nondum enim poteratis: sed nec nunc quidem potestis: adhuc enim carnales estis. Der Gegensatz des irdischen und des ewigen Frühlings bestimmt durch 1 Kor 13,12: videmus nunc per speculum in enigmate: tunc autem facie ad faciem. Nunc cognosco ex parte: tunc autem cognoscam sicut et cognitus sum.

Zu Elegie II,2 (WK) Mit dieser Elegie beginnt eine Dreiergruppe, die im Rhythmus des Kirchenjahres, am Anfang der Karwoche, das liturgisch-symbolische Sujet der ›Palme‹ umkreist. Bisselius schildert, beginnend und schließend in appellativ-performativer Rede (V. 1: properate; Anrede an Widersacher, V. 49–52), aus der Sicht eines äußerlich und innerlich beteiligten Beobachters und Kommentators (V. 43) eine Flurprozession am Palmsonntag (Dominica in Palmis de passione Domini), dem sechsten Sonntag der Fastenzeit und Sonntag vor Ostern, an dem seit dem Mittelalter (regional bis heute) der Palmbusch gebunden und an einer Palmstange getragen wird. Bisselius verteidigt damit einen altehrwürdigen ›Ritus‹, der nicht durch neue Riten ersetzt werden soll (V. 7–10; scharf gegen Kritiker V. 49). Konzeptionell wird in Lexik und Semantik der Einzug Christi, d. h. Gottes, in Jerusalem (V. 12, 27f.), im Vorspann nach Joh 12,12ff. berichtet, mit literarischen Reminiszenzen an den altrömischen Triumphzug (V. 11, 19, 27, zusammen mit den Hosanna-Rufen) kombiniert und überblendet, was ja durchaus den historischen Wurzeln des Ritus und der Tradition der älteren Bildkunst seit dem frühen Christentum entspricht. Aus dem einst weltlich-heidnischen Geschehen wird eine sacra Pompa (V. 14 u. 35f.). Statt der jüdischen oder römischen Palmen dürfen nun auch einheimische Gewächse zum Palmbusch ausgewählt werden (V. 3–6;

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dazu auch die folgende Elegie II,3). Der segnende Umgang durch die Felder erinnert an die altrömischen Ambarvalien (V. 17), zugleich wird gewiss der religiösheidnische Feldumgang (lustratio) einer berühmten Elegie des Tibull assoziiert (2,1), der zu Beginn (V.1f.) ebenfalls das Alter des Ritus beschwört: Quisquis adest, faveat: fruges lustramus et agros, / ritus ut a prisco traditus extat avo. Ab V. 21 richtet sich der Blick auf den von der Menge in freudiger Erregung an einem Seil gezogenen (V. 37–40) und mit Gesängen (V. 41) begleiteten Palmesel, auf dem eine Christusfigur sitzt. Der Esel lässt sich dadurch mit dem berühmten Ross eines heidnischen Weltherrschers, nämlich dem Bucephalus Alexanders d. Gr., vergleichen (V. 24). Gott selbst gibt durch Zeichen am Himmel (V. 29–34) dazu seine Zustimmung ebenso wie – hier das thematische Bindeglied zum Sujet des Frühlingszyklus – die gesamte Natur, die ergrünenden Wiesen und Saaten und die singenden Vögel (V. 44–48; Verweis auch auf Themen und Überschriften später folgender Elegien in Buch II). Der Schluss des Gedichtes spielt mit der eingewurzelten Charakteristik des Esels als eines ›dummen‹ Tieres. Genau dies trifft nach Bisselius auf die ›degenerierten Pharisäer‹ (V. 49 u. 52) des alten Jerusalems und der Gegenwart (d. h. Protestanten und gewisse katholische Intellektuelle?) zu, die sich nicht belehren lassen wollen. Die Elegie gehört zu jenen Exempeln des Zyklus, in denen Bisselius so wie kein anderer deutscher Jesuit nicht nur mit religiösem Eifer, sondern sichtlich auch mit historischem, ja quasi volkskundlichem Interesse das populäre Brauchtum seiner Heimat und seines Wirkungskreises in seine Darstellungen einbezog (vgl. I,4: zur Wallfahrtskirche Maria Orth; III,1: Aufstellen des Maibaums). Zugleich bildet die Palmsonntagsgruppe (II,2–4) das Komplement zu den beiden, teils mehrteiligen Fronleichnamsgedichten (III,22f.), die mit III,21 (Flurprozession mit der Bitte um Regen) eine thematische Einheit bilden. Es muss auffallen, dass von der theologischen Semantik des Esels als eines Sinnbilds von Armut, Erniedrigung und Demut (verbreitet in der frühneuzeitlichen Literatur zur Laus Asini; dazu umfassend Kühlmann 1993) bei Bisselius nicht die Rede ist. Gleichermaßen lehrreich im äußersten Kontrast ist ein Vergleich mit der schlichten, gebetshaft periphrastischen Perikopenlyrik selbst der namhaften protestantischen Verfasser, zum Beispiel den fast genau gleichzeitigen Sonn- und Feiertagssonetten (1639) des Andreas Gryphius, in diesem Fall mit dem Sonett Am Palmen Sontag. Matth. 21 (Gesamtausgabe, ed. Szyrocki, Bd. 1, 1963, S. 145). Die bei Bisselius sichtbare Palm-Motivik und triumphale Darstellungsgestik erhielt sich bis in die Versdichtung der spätromantischen Frömmigkeit des 19. Jahrhunderts, ablesbar etwa in einem achtstrophigen Gedicht Palmsonntag des Guido Görres (1805–1852): Nun schwinge Siegspalmen und öffne weit dein Thor, / Jerusalem! Dein König, dein Heiland steht davor. / Und breite Festgewänder und Blumen vor ihm aus, / Und gehe ihm entgegen, und ruf’ Hosanna aus! […], – für den Schulgebrauch bestimmt, denn abgedruckt in: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für höhere katholische Schulen […]. Hg. v. Dr. L. Kellner. Freiburg i. Br. 61817, S. 7f. Zu den hier und im Folgenden relevanten liturgischen und volkskundlichen Aspekten der Feierlichkeiten in der Karwoche vgl. die Übersichten von Mar-

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tin Klöckener und Walter Hartiner: Art. ›Karwoche‹, in LThK, Bd. 4 (1995); Sp. 1276–1281; Ulrich Köpf: Art. ›Kreuz‹. In: TRE, Bd. 19 (1990), S. 712–761, und ders: ›Passionsfrömmigkeit‹, ebd., Bd. 27 (1997), S. 722–764. Zur Karwoche in Theologie, Dichtung und Bildender Kunst bietet aktuelle Zugänge der Sammelband von Heinen/Steiger 2010. Zur Rolle der Prozessionen, auch der Umgänge und Fluprozessionen im ländlichen Bayern instruktiv Wiebel-Fanderl 1987. 1 properate] Der colloquiale intransitive Imperativ in der Kömödiensprache (Plautus, Bacch. 100: propera), aber auch im militärischen Sinne wie bei Lukan 2,498 (equitum properate catervae, ite simul pedites); der imperativische Aufruf an die Beteiligten eines Festes gleich im ersten Vers nicht ungewöhnlich seit Catull, 62,1: vesper adest: iuvenes, consurgite. 2 fercla] Ferculum: Gerät, Gestell zum Umhertragen eines Gegenstandes, einer Statue, auch bei den altrömischen Triumphumzügen; vgl. Cicero, Pis. 61; off. 1,131; so bei Bisselius auch im zweiten Vers des zweiten Fronleichnamsgedichtes (III,23,2). 3 Montana cupressus] Gewiss nicht die Zypresse, der Mittelmeer-Baum, gemeint, sondern in metaphorischer Umschreibung einer der einheimischen Nadelbäume (Bergkiefer, Lärche, Tanne, Fichte); s. im Folgenden zu II,3. 4 mentito … folle] Bemerkenswerte Lexik: follis eigentlich ›Schlauch, Sack, Blasebalg, Ball‹ (dazu Martial 14,1), hier wohl nur im Sinne von ›runder Fülle‹ (Fülle–folle: lautsymbolischer Germanismus?) des gebundenen Palmbusches; mentito, weil nicht aus Palmblättern bestehend. 9 Salve … salve] Von solchen Heilrufen einst beim Einzug der triumphierenden Feldherren berichtet Sueton, Cal. 6 und Aug. 57, analog poetisch gestaltet bei Horaz, carm. 4,2,45ff. 11 Quam juvat] Vgl. Seneca, Phaedr. 519f.: quam iuvat nuda manu / captasse frontem; in Prosa Seneca, epist. 86, 10: Sed, di boni, quam iuvat illa balinea intrare obscura; am Versanfang bei den Klassikern häufig quid iuvat; vgl. Ovid, am. 2,6,19; 2,14,1. 14 sacra Pompa] Im Gegensatz zur altrömischen pompa triumphalis. 15 peragratis Castelli finibus] Da über Entstehungsort und -zeit der Elegie nichts festzumachen ist, bleibt der mögliche lokale Bezug des Castellum (eine Burg oder die Befestigung einer Stadt, wahrscheinlich Ingolstadt) unklar. 17 licita Ambarvalia] Altrömisches, aber auch im christlichen Sinne, deshalb licita, umzuformendes Frühlingsfest mit eigenem Priesterkollegium zur Entsühnung der Feldmark, poetisch angedeutet bei Vergil, ecl. 3,77; 5,75, ausführlicher Tibull 2,1. 19 Paeana] Paean –eine Götterhymne, auch ein Siegeslied beim Triumphzug; mit griech. Akkusativ z. B. bei Properz 3,15,42f. und Vergil, Aen. 6,656f.: con

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spicit, ecce, alios dextra laevaque per herbam / vescentis laetumque choro paeana canentis. 23 sindone tecta] Ursprünglich feines Textilgewebe aus Phönikien (vgl. Martial 4,19,12), hier wohl antikisierend für kostbare Sonntagskleidung. 22 Arcadicum … pecus] Im Beiwort des Esels lässt Bisselius das ländlich archaische Arkadien, die längst poetisch-symbolische Welt der Bauern und Hirten, mit dem ländlichen Bayern bzw. Oberschwaben verschmelzen. 24 BUCEPHALUS] Das Streitross Alexanders d. Gr., im Lateinischen etwa nachlesbar bei Curtius, der im akademischen Unterricht häufig gelesenen Alexandergeschichte (9,3,23). 25 ephippia] Das Wort klingt wie ein preziöser Graezismus, war jedoch schon im Gebrauch z. B. bei Caesar, bell. Gall. 4,4; Horaz, epist. 1,14,43. 29 Tonans] Altepisches und beliebtes Beiwort für Jupiter als höchsten Donnergott (in Rom der Capitolinische Iupiter) z. B. bei Ovid, fast. 2,69; Statius, Theb. 2,71f: dies noto signata Tonantis fulmine. 31 Coeli … theatra] Ungewöhnlich anstelle des, etwa nach Ovid (met. 1,257), bekannten Ausdrucks für den Göttersitz (regia caeli). Ähnliche Theatermetaphorik nutzt Bisselius auch in I,2,1,22; I,3,10/11; I,5,3,6 u. 4,6 (amphitheatra); I,23,27; II,5,19; III,4,1,27. 33 fragor, axe sereno] Donnern bei heiterem Himmel, schon in der Antike genanntes divinatorisches Zeichen (prodigium); hier mit wörtlichem Anklang an Statius, Theb. 5, 85–87: Sol operum medius summo librabat Olympo / lucentis, seu staret Equos, quater axe sereno / intonuit. 35 priscae Circensia metae] Altrömisches Lokalkolorit, hier gewiss auch in Anknüpfung an die geläufige Stelle bei Horaz, carm. 1,1,4f. (metaque fervidis evitata rotis). 41 cantus] Die Liturgie der frühneuzeitlichen Palmprozession war von Gesängen (Antiphonen, Responsorien, Hymnen) mitgeprägt, wozu auch die feierliche Begrüßung des Kreuzes gehörte (etwa durch den Hymnus Gloria, laus et honor, abgedruckt bei Wackernagel, Bd. 1 [1864], Nr. 130, S. 88). 49 cohors Pharisaea] Zur ›Verstocktheit‹ der Pharisaeer unter anderem Joh 9, 35–41; Christi Wehruf über die Schriftgelehrten und Pharisaeer Mt 23. 50 erudit, atque rudit] Kaum übersetzbares Wortspiel; das rudit von rudere: ›Tierlaute vom arkadischen Esel‹ z. B. bei Persius, 3,9: Arcadiae pecuaria rudere credas. Hier in der Zusammenstellung mit erudit mit transitivem Doppelsinn (wie ein Esel schreien; dumm machen).

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Zu Elegie II,3 (WK) Die Elegie greift durchweg Motive der vorhergehenden Elegie auf: die Analogisierung und retrospektive Überblendung des römischen Triumphzuges mit dem hier in den Mittelpunkt rückenden biblischen Einzug Christi in Jerusalem (V. 7–21), den von der Jugend freudig gezogenen Palmesel, auf dem Christus, also Gott, sitzt (V. 5f., 23), den Beifall Gottes (V. 21), auch die Freiheit, statt der exotischen Palmen andere, einheimische Gewächse zur Palmprozession zu wählen (V. 27–29). Der pointierte Schluss hebt ab auf die verwandelnde, also entscheidende Wirkung des Gebetes, mit dem sich die Insignien des Palmsonntags – hier mit hintersinniger Erinnerung an eine berühmte Passage in Vergils Aeneis – zu einem ›Goldenen Zweig‹ verwandeln. Generell wird auch hier wieder im literarischen Detail ersichtlich, wie Altrömisch-Heidnisches nicht verdammt, sondern als zwar überwundenes, aber weiterwirkendes und Kontinuität stiftendes Moment der religiösen Lebensführung transparent gehalten wird (dies im Unterschied zu den meisten Protestanten). quam Sevum Germani nominant] Der Seuenbaum, ein dem Wacholder (oder der Lärche) ähnlicher Nadelbaum (s. u. zu V. 29), wie er in dem berühmten Kräuterbuch von Leonhart Fuchs (Basel 1543, ND o. O. 2002), unpag. cap. LIIII, unter dem Titel »Von Seuenbaum« beschrieben und abgebildet wird: »Seuenbaum würt von den Griechen Brathys / und von den Lateinischen Sabina oder Sauina genent […]. Einer hat bletter wie die Cipreß / und ist der so gemeinlich an allen orten unsers Teutschen lands wechst. […]. Ist stäts grün / und außgebreytet / wie der Weckholder.« Zu den im Norden verwendeten Pfanzen für die verschiedenartige Gestaltungen des Palmbusches s. Art. ›Palmsonntag‹. In: Wörterbuch der Deutschen Volkskunde. Stuttgart 31974, S. 628–630. 1 Annua venerunt] Am Versbeginn signifikante Anspielung auf Ovid, am. 3,10,1, wo an das altrömische Fest der Cerealien erinnert wird: Annua venerunt Cerealis tempora sacri. 1 Cynthius] Nach dem Berg auf Delos, häufiger Beiname für Apollo, wie hier u. ö. aber auch metoynmisch für die Sonne; vgl. Ovid, fast. 3,345f. (protulerit totum crastinus orbem Cynthius), wo Cynthius-Apollo das ganze Rund der Sonne zeigt; hier also in Verbindung mit V. 2 preziöse Umschreibung für den im Gang des Jahres wiederkehrenden Palm-Sonntag. 5 non caeca fides, quam Sidera firmant] Der Ausdruck wohl aus dem Deutschen übernommen, hier gegen den vorchristlichen, nur durch Himmelszeichen bekräftigten Glauben. 7 Sellas Curules] Ehrenzeichen; die Sessel, auf denen die römischen Amtsträger und Herrscher saßen. 8 tractas ad iuga] Hier im Vergleich der Triumphzug hoch zum Kapitol.

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13f. DVCEM … DEVM] In den Kollektiva pars una und pars alia werden, fast versteckt, zwei Deutungen der Gestalt Jesu gegenübergestellt: Die einen sehen in ihm den weltlichen ›Anführer‹ und ›König der Juden‹, der die Römer aus dem Land treiben werde, die anderen deuten ihn – im christlichen Sinne korrekt – als Gott. Die Fehldeutung der ersten Gruppe nimmt so bereits die allzu weltliche Interpretation der Jünger auf dem Gang nach Emmaus vorweg, die Bisselius ausführlich in DV II,10, Teilelegie 2 u. 5 darstellen wird. 14 Excelsum iusserat esse DEVM] Der Jubelruf in Anlehnung an Mt 21,9; Mk 11,9. 17 Bombo] Meist nicht wie hier für menschliche Stimmen, sondern für den tiefen hallenden oder summenden Ton von Musikinstrumenten gebraucht (etwa schon bei Catull 64,263); bei Suteon (Nero 20,3) für den erzwungenen Applaus (Klatschen), den Kaiser Nero für seine gesanglichen Darbietungen erwartete. 23 auritum … pecus] Der Esel als ›Langohr‹; vgl. die Umschreibung bei Ovid, am 2,7,15: auritus asellus. 25 ligulis] Schuhe wohl im Sinne von Sandalen; vgl. Juvenal, 5,20. 29 lenti arbusta Sabini] Bisselius denkt literarisch wohl an das Grün vom ›Sabinischen Sardebaum‹ (Säbenbaum, Seuenbaum) bei Ovid, fast. 1,343, auch dort zu kultischen Zwecken gebraucht, d. h. aber assoziativ im regionalen, einheimischen Kontext (dazu s. o. zum Titel) auch an den Wacholder (Juniperus Sabinus), der traditionell zum ländlichen Ambiente gehörte (etwa bei Vergil, ecl. 7,53); zu diesem Baum Ausführliches schon im Mittelalter bei Petrus de Crescentiis: Ruralia commoda (1996), Buch V, Kap. 6f., S. 191. 30 Aurea Virga] Bedeutsame Anspielung auf den ›Goldenen Zweig‹, der Aeneas in der Aeneis (6,136ff.) den Weg in die Unterwelt eröffnet.

Zu Elegie II,4 (WK) Wer sich wundert, dass in dieser Elegie ein heute so gut wie unbekannter heiliger Anachoret, der Hl. Onophrios, lat. Onuphrius (ca. 320–um 400), im Mittelpunkt steht, wird Lokalgeschichtliches in Erinnerung zu rufen haben. Heinrich der Löwe (1129–1195), Münchens Gründer, soll eine Hirnschale dieses Heiligen als Reliquie von einem Kreuzzug mitgebracht haben. Sie wurde angeblich bis 1816 in der Kapelle St. Laurenz aufbewahrt. Das Wandbild eines nur mit Blättern bekleideten Mannes (manchmal für den Hl. Christophorus gehalten) befand sich seit dem 15. Jahrhundert an der Fassade des Hauses Marienplatz 17, wo es nach der Kriegszerstörung erneuert wurde und heute noch als Mosaik in modernisierter Form zu sehen ist. Im 15. Jahrhundert war es dort angeblich als Dank für die glückliche Rückkehr eines Münchener Bürgers von einer Pilgerreise ins Hl. Land gemalt worden.

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Bisselius bezieht sich also auf die Person eines Münchener Schutzpatrons und ein Bildwerk, das in München und darüber hinaus jedermann bekannt war (vgl. Schinzel-Penth [32000]). Elemente der sagenhaften Onuphrius-Legende, die auf den Hl. Paphnutius (ca. 360, Abt und Bischof in der ägyptischen Thebais; Döpp/Gerlings, S. 476) zurückgeht, entnahm Bisselius, wie im Vorspann vermerkt, der Sammlung der Vitae Patrum, die der Jesuit Heribert Rosweyde (1569 in Utrecht–1629 Antwerpen) erarbeitet und 1615 in Antwerpen publiziert hatte (zu ihm s. u. zu Elegie II,8, Lemma Rosvveyd). Die Onuphrius-Vita ist heute mit den Noten Rosweydes lesbar und von uns benutzt bei Migne, PL 73 (1849), Sp. 212–222; dort zum Palmwunder der ersten Elegie in abweichendem Wortlaut (Sp. 216): […] alimenta vero sprevi corporalia, ut dignus acciperem spiritalia. Sanctus enim angelus quotidie panem mihi offerebat, et aquam pro mensura ministrabat, ut corpus meum confortaretur, ne deficeret, et jugiter in laude Dei perseveraret. Arbores palmarum ibidem constitutae erant, quae duodecies in anno dactylorum fructus germinabant. Quos per singulos colligens, pro pane edebam, mixtos herbarum foliis, et erant in ore meo tanquam favus mellis.

Bei Bisselius wird aus den Palmen (Plural) eine Palme mit zwölf Ästen, die Monat für Monat die nährende Frucht, sechzig Jahre lang, hervorbringt. Zu vergleichen wären im weiteren Ausgriff die 1494 über Onuphrius geschriebenen Gedichte des Sebastian Brant (1458–1521): Vita Onophryi (in elegischen Distichen) sowie nochmals: Vita sanctissimi Onofrii (polymetrische Gedichtgruppe), abgedruckt in Sebastian Brant: Kleine Texte. Hg. v. Thomas Wilhelmi. Bd. 1.1. Stuttgart-Bad Cannstatt 1998, S.167–181. Nicht zuletzt dürfte Bisselius gewusst haben, dass Ignatius, der Ordensgründer, auch von der frühchristlichen Vätertradition angeregt war und dass es gerade Onuphrius war, der auf Ignatius einen »tiefen Eindruck« machte; dies nach Bacht 1956, S. 227. Bisselius geht recht frei mit seiner Quelle um, in welcher die Heiligenvita als Dialog von Paphnutius und Onuphrius gestaltet ist. Bisselius fügt den Namen des Paphnutius im Verstext erst am Ende der Sterbeszene (V. 2,21) ein, rekurriert jedoch mehrfach auf die Technik der direkten, quasi dialogisch konzipierten bekenntnishaften Selbstdarstellung des Heiligen (V. 1,29ff. u. 2,3ff.), wobei nun der Palmbaum als Mitwisser und Zeuge des asketischen Lebens von Onuphrius, mit ihm zugrunde gehend, personifiziert wird (V. 2,11 u. 15–20). Bei Rosweyde heißt es vom Absterben der Palmen nur lapidar, in der Erzählung des Paphnutius (nach Migne, s. o., Sp. 220): Denique me astante, ipsa spelunca cecidit cum magna ruina, et palmae radicitus erutae simul procubuerint. Bisselius spricht nicht von einer Wohnhöhle (vgl. aber: antrum, V. 1,31), sondern gewährt seinem Heiligen neben der nährenden Palme eine vom Himmel geschenkte ärmliche Hütte (V. 1,33f.). Es ist Paphnutius (= Bisselius), der – hier werden sehr bewusst Formtraditionen der Elegie aufgegriffen (s. u. im Kommentar) – ein Grabepigramm (carmen, V. 23) auf beide Akteure (Onuphrius und die nährende Palme) schreibt (V. 25–30), nicht in Marmor gemeißelt (V. 24), sondern mit Hilfe der Palmblätter, deren fiktive legendenhaft ausgesponnene Inschrift mit der vorliegenden Memorialdichtung des Jesuiten verschmilzt. Noch einmal wird hier die Palme als Siegeszeichen beschworen.

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Zu II,4,1 3 Phoenissa] Sinnreiches Wortspiel mit dem griech. Begriff foi/nic, lat. Phoenix (›Dattelpalme‹). 4 Débbora, Sisarenae Carmine … necis] Das berühmte Debora-Lied (Ri 5,1–31), neben dem Psalter und dem Hohenlied das prominenteste Beispiel der altjüdischen Lieddichtung, nach dem Tod (der Ermordung) des feindlichen Heerführers Sisera/Sisara (Ri 4,17ff.). 7 Thebaidos] Das Wüstengebiet um die altägyptische Stadt Theben, bekannt dadurch, dass sich dort seit dem 3. Jahrhundert zahlreiche mönchische Einsiedeleien entwickelten (erläutert V. 9–20), darunter die des literarisch und bildkünstlerisch (etwa bei Matthias Grünewald) immer wieder gern berufenen, unter Versuchungen leidenden Hl. Antonius; vgl. die von Karl Suso Frank hg. Quellen: Mönche im frühchristlichen Ägypten. Düsseldorf 1967; Altaner 1966, S. 261–269. 10 tesqua (auch V. 13)] Plural im Sinne von loca etwa bei Horaz (dem Sinne nach hier genau passend) epist.1,14,19: deserta et inhospita tesqua. 11 Meröe-Syene] Altägyptische Örtlichkeiten. 21–29] Ein Beispiel für Bisselius’ beliebte rhetorische Kabinettstücke, hier die lokale Ekphrasis mittels einer langen Reihe von Verneinungen, teils polysyndetisch durch Kopula verknüpft, teils asyndetisch und in syntaktischer Ellipse als Worthäufung (V. 25f.) gestaltet, auch durch epanaleptische Wortwiederholungen (V. 23f: terra–nudum) intensiviert. 29 O Pater] Mit der Anrede schlüpft Bisselius in die Rolle des Paphnutius in der bei Rosweyde überlieferten Vita. 37 fama refert … digna vetustas] Die Historizität der hier erzählten Legende wird nicht bestritten, jedoch mit dem Hinweis auf eine altehrwürdig dunkle Überlieferung letzthin offengelassen. 44 succida Palma] Preziöse Lexik; sonst auch sucidus (›frisch‹, ›erfrischend‹, bes. für frisch geschorene Wolle); das Beiwort in der Antike wohl meist nur in Prosa; vgl. aber Iuvenal 5,24f.: Vinum quod sucida nolit / lana pati.

Zu II,4,2 3 Supremum … diem dixere] Abwandlung von Junkturen wie supremum diem obire (Petronius, sat. 61,9) oder supremum diem explere (Tacitus, ann. 1,53,1). 4 citat hora] Das Verb in der Antike (und bis heute) auch gern fachsprachlich gebraucht im Sinne von ›zum Gericht zitieren, rufen‹.

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7 superae … turres] Von Bisselius nur stichworthaft, aber eindeutig assoziiert: Jerusalem, die »hochgebaute Stadt«, hier wie in der christlichen Tradition das himmlische Jerusalem, paradigmatisch gefeiert in dem berühmten Hymnus des protestantischen Theologen Johann Matthäus Meyfart (1590–1642), abgedruckt in Maché/Meid 1980, S. 41f., beginnend mit der ersten Strophe: JErusalem du hochgebawte Stadt/ Wolt Gott/ wer Ich in dir/ Mein sehnlich Hertz so groß Verlangen hat/ Und ist nicht mehr bey mir! Weit über Berg und Thale/ Weit über blache Feld/ Schwingt es sich überale und eylt aus dieser Welt.

Im katholischen Sektor ist vergleichbar der große vierteilige Lyrikzyklus von Angelus Silesius (1624–1677): Sinnliche Beschreibung der vier letzten Dinge (Erstdruck 1675), spez. der vierte Teil: Die ewigen Freuden der Seligen; hier die Strophen 1–13 mit der Beschreibung des mit Edelsteinen verzierten Himmlischen Jerusalem (ed. Held, Bd. 3, S. 268–271). Lehrreich zur Topik auch eine Ode (sechs Strophen) des große Benediktinerdichters Simon Rettenpacher (1634–1706) in der großen Lyriksammlung seiner Silvae (Buch X, Nr. 26, greifbar in der Ausgabe [2006], Teil II, Lib. VIII–XII, S. 310f. mit deutscher Übersetzung). 8 gemmis lucida] Vgl. Angelus Silesius (s. vorhergehendes Lemma); zu den Mauern und Stadttoren die Strophen 3–7, hier zum Exempel Str. 4, S. 269: Sie funkeln, daß auch fast’s Gesicht Vergeht noch auf den Grenzen, Dort leucht des Chalzedoniers Licht, Da steht der Goldstein glänzen. Dort blickt der Sardonyk hervor Mit seinen schönen Wangen, Da steigt der Amethyst empor, Mit Purpur reich behangen.

17 recurvatis comis] Das Substantiv gerade in der klassischen Poesie häufig für Blätter und Teile von Pflanzen (viele Belege in OLD), das Attribut in dieser Junktur ungewöhnlich, vielleicht angeregt von Statius, Theb. 3,330: hi Paphias myrtos a stirpe recurvant. 19 creperam … ruinam] Das seltene, fast nur alt- oder spätlateinisch überlieferte Attribut hier mit zweifelhafter Bedeutung. 22 loca senta] Nach Vergil, Aen. 6,462 oder Ovid, met. 4,436. 27–30] Die poetische Grabschrift (das Grabepitaph hier carmen, V. 23, genannt). In Liebes- oder Trauerelegien auf den künftigen Grabstein samt Epitaph anzuspielen oder sich diese vorzustellen gehörte zum Motivfundus der auguste-

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ischen klassischen Poesie; vgl. Properz, 2,13,35f., Ovid, trist. 3,3,73–76; Tibull 1,3,54–56, so dann auch bei deutschen Renaissancedichtern nachgeahmt; prominent etwa bei Lotichius, El. 1,6 (abgedruckt in HL, S. 424–429 mit dem Kommentar S. 1200–1203). 27 Mundi juratus … Hostis] Der ›geschworene Feind‹, vielleicht aus dem Deutschen übernommen; sonst in beiden Sprachen ein Rechtsbegriff wie in der Junktur iuratus iudex (so bei Cicero). 29 Cippus] Der Grabstein oder das Grabdenkmal wie Horaz, sat. 1,8,12.

Zu Elegie II,5 (WK) Ein rhetorisch bewegtes, in die Ich-Perspektive gerücktes, zugleich ungenannte Adressaten leidenschaftlich ansprechendes Karfreitagsgedicht, das dazu aufruft, den Tod Christi in seiner Gottmenschlichkeit (vgl. V. 7f.) am Kreuz mit allen körperlichen Affekten, vor allem dem für das Sujet klassischen Affektindiz der ›Tränen‹,1 imaginativ mitzuerleben. Dieser Affektbewegung, die als psychische und elocutionelle Emotionalität performativ im Gedicht vorgeführt wird, dient die drastische Vergegenwärtigung der Marterwerkzeuge und der körperlichen Qualen Christi. Dies entspricht dem biblischen Ecce homo und lässt sich vergleichen mit den deutschen Passionsgedichten des Jesuiten Friedrich Spee im Rollenspiel der geistlichen Pastorale (Christus als Hirtenheros Daphnis), spez. Trvtz-Nachtigal, S. 221–225 (Nr. 42) mit dem wiederholten Strophenbeginn: »Schaw den Menschen, o du schnöde, / Frech, vnd stoltze, böse Welt.« Bei Bisselius erscheint der Tod am Kreuz in der topischen Perspektive der ›Andacht vor oder unter dem Kreuz‹2 als eine quasi-antike Tragödie, was mit dem kühnen, ja eigentlich bizarren Verweis auf Thyestes (und damit auf das Drama Senecas) angedeutet wird, Thyestes, dem von Atreus Fleisch und Blut seiner Kinder als Versöhnungsmahl vorgesetzt werden (kühne, paradox-concettistische Anspielung auf den Zusammenhang von Christi Tod und Heilswirken im Abendmahl?). Bisselius akzentuiert (als ein auktoriales ›Alleinstellungsmerkmal‹?) vor allem aber das bei Thyestes’ Tat von Seneca fabulös (V. 21) breit ausgemalte Entsetzen

1

2

Vgl. zu Andreas Gryphius’ Zyklus Tränen über das Leiden Jesu Christi und generell zur deutschsprachigen protestantischen Passionsdichtung Krummacher 1976, S. 309–392; weiter ausgreifend und nach wie vor gültig zur mentalen und sozialen Funktion der poetischen Kreuzestheologie bei Gryphius Mauser 1976, bes. S. 86–100. So schrieb der polnische Jesuit Matthias Casimir Sarbievius/Sarbiewski (1595–1640) eine Elegie mit dem Titel Titel Ad pedes CHRISTI in cruce morientis Autor provolutus, das von Andreas Gryphius in Sonettform nachgedichtet wurde (An den gecreutzigten JEsum; Sonette I,6; Gesamtausgabe, Bd. 1, S. 32; vgl. vorher schon in den sog. Lissaer Sonetten, Nr. 3, ebd. S. 9: An den am Creutz auffgehenckten Heyland).

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der in ihren Grundfesten erschütterten Natur, darunter auch die Verdunkelung von Sonne und Mond (Bisselius, V. 22; vgl. Seneca, Thyestes, V. 813–835):3 Ist kein Verlaß mehr nun auf den himmlischen Fahrplan? Kehrt kein Abend mehr wieder, kein neuer Morgen? Staunen lähmt sie, bereit zur Übergabe des Morgenrots An den Gott, sie die Mutter des Frühlichts, Aurora: Fassungslos steht sie wie festgefrorn auf der Schwelle Zu dem, was ihr Reich war. Wie soll sie nun tränken, Die müden Pferde, sie fragt sich, wie soll sie nun baden Die schwitzenden Leiber in kühlen Fluten, die Mähnen? Verkehrte Welt! Plötzlich steht Sol, ein ungebetener Gast, Aurora im Weg: sieht, die er nie zuvor sah und bringt ihr Zur Unzeit die Finsternis dar, noch ehe die Nacht In die Rüstung stieg. Keiner der Sterne ist aufgegangen, Keines der Lichter funkelt am Himmelsrand überm Pol. Noch hat der Mond nicht die dichten Schatten vertrieben. Und wennschon, ach, blieb er doch immerfort Nacht! Es zittern die Herzen, und wie sie zittern, erschüttert Vom Schlagzeug der Angst: Was, wenn es einstürzt, das All unterm Anprall Von soviel Schicksal, und über Götter wie Menschen Bricht wieder das Chaos herein und zertrümmert das Sein? Was, wenn Natur sich zurückholt die alte Erde, Sämtliche Meere, das Feuer und die Sternbilder alle, Kreisend im Weltall?

Dies wird analogisiert mit der zeichenhaften, nun nicht mehr fabulösen, sondern tatsächlichen (certa fides, V. 21) apokalyptischen Reaktion des Kosmos bei Christi Kreuzigung (nach Mt 27,51–53: V. 23–25): Aufbrechen der Erde, Erdbeben, Auferweckung von Toten, Erschütterung des Himmels. Das Gedicht endet in einer Aposiopese; die Kürze der Elegie soll bekräftigen, dass kunstvolle Rhetorik sich mit dem Zustand innerlicher Betroffenheit nicht verträgt. Auffälligerweise setzt Bisselius dem Gedicht nicht einen Prosavorspann aus dem biblischen Passionsbericht voran, sondern ein prophetisches Zitat aus dem Alten Testament, in dem das Leiden Christi nach gängiger Lehre typologisch vorausgesagt wird. Zugleich wird damit vermieden, was in protestantischer Lyrik bevorzugt war: das Genre des oft kaum mehr als paraphrastischen Perikopengedichts. Wo der biblische Bericht nicht paraphrasiert wird, ist z. B. bei Andreas Gryphius ein die sinnliche Anschauung des Leidens eher vermeidender, dogmatisch meditativer Grundzug der Geschehensverarbeitung möglich (Gryphius, Sonette 3, Nr. XXVII: Auff das Fest deß Todes Jesu Christi / oder auff den guten Freytag; Gesamtausgabe, Bd. 1, Nr. 27, S. 201f.): O, Schmertz! das Leben stirbt! O Wunder! GOTT muß leiden! Der alles trägt fällt hin/ die Ehre wird veracht

3

Hier zit. n. der neuen Übersetzung von Durs Grünbein, die ich entnehme dem Beiheft zur Aufführung im Nationaltheater Mannheim (2001), S. 36. – An einigen Stellen abweichend davon Grünbeins publizierte Fassung: Seneca 2006, dort die Stelle S. 67–69.

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Der alles deckt ist nackt/ der Tröster ist verschmacht Der Lufft vnd Wälder schuff/ muß Lufft vnd Wälder meiden! Er hat die Lufft zur Pein/ vnd muß am Holtz abscheyden. Der Glantz der Herrligkeit/ verschwind’t in herber Nacht Der Segen wird ein Fluch/ die vnerschöpffte Nacht/ Hat keine Kräffte mehr! den König aller Heyden. Erwürg’t der Knechte Schaar. Was Boßheit hat verschuld’t Zahlt Unschuld willig auß/ wie emsig ist Gedult Uns Gottes grosse Gunst auffs neue vor zu bringen! O härter als ein Stein/ den nicht die Treu bewegt/ Wenn Sonn vnd Tag verschwartzt/wenn sich der Erdkreiß regt Wenn Todten selbst erstehn vnd harte Felß auffspringen!

Gryphius’ Sonett 1, Nr. 5 (Uber des Herrn Leiche; ebd. S. 31f.) entspricht in der Verbindung von Pathosrede und visueller Imagination (Beginn: Ach weh! was seh’ ich hier?) eher dem von Bisselius gewählten Darstellungstypus. Dabei entspricht dessen Vergegenwärtigung der Passion durch verinnerlichtes sinnliches wie geistliches ›Anschauen‹ (V. 10: Ecce; V 11: En; V. 16: am Versanfang und -ende cerno) durchaus den Exercitien des Ordensgründers Ignatius von Loyola So heißt es z. B. in einer Bearbeitung des Paters Jakob Brucker, gegenüber dem Originaltext sinnreich amplifizierend (Brucker [111925], S. 203 [zur zweiten Betrachtung der Dritten Woche]): Die dritte Ursache war die lebhafte Vorstellung aller Peinen und Martern, welch er noch in derselben Nacht und während des folgenden Tages an jedem Gliede seines Leibes ausstehen sollte; dann der Gedanke an alle erdenklichen Arten von Verachtung, Spott und Hohn, welche ihm seine Feinde zufügen würden. Wer ist aber so unempfindlich und hat so ein steinernes Herz, daß ihn eine solche Vorstellung nicht in einen Abgrund von Traurigkeit versenkte?

Gleichwohl verzichtet Bisselius anders als Ignatius hier auf die Applikation des Leidensgeschehens, auf die gewissenhafte Erforschung der eigenen Existenz oder eine gebetshafte Abrundung. Knapp wird in diesem Passionsgedicht und in den folgenden Elegien II,6–8 das biblische Geschehen zusammengezogen, das bei zwei anderen bedeutenden deutschen Jesuitendichtern zyklisch breiter entfaltet wurde; so besonders von Jacob Pontanus S.J.: Floridorum Libri octo, hier benutzt die Ausg. Augsburg 1597, spez. S. 44–92 (Dolorum Liber Primus und Secundus; insgesamt 39 Gedichte).1 Hier sei als naheliegendes Beispiel zitiert aus Dolorum Liber Primus, Nr. 21, S. 65f.: Crucifixio. Das in diesem Fall emotional eher dürre und lehrhafte, das Leidensgeschehen fast pedantisch zerlegende und aufzählende Textverfahren zeigt den Abstand von Bisselius und deutet selbst im begrenzten jesuitischen Textsektor die enorme Spannweite ästhetischer Konzeptionen und Inventionen gerade bei einem prominenten Sujet an: Non est cruci poena vlla comparabilis; Tormenta crux post se relinquit omnia. 1

Zu Pontanus’ Verarbeitung (S. 83–86) des alten Passionssalve (Salve, caput cruentatum; darnach Paul Gerhardts O Haupt voll Blut und Wunden; Wirkungen auch bei Autoren wie Harsdörffer, Rist und Angelus Silesius) s. die Hinweise bei Kühlmann 2008, bes. S. 99–102.

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Adeste gentes quas videt nascens dies, Quasque; pelagro se conditurus aspicit. Venite adoremus cruci affixum Deum. Ploremus ante Dominum, et vsque pectora Feriamus. Heu nostra hîc salus suspenditur. Pro perditißimis, et improbißimis Dirè necatur omnium insontißimus. Stat membra nudus, et tremit prae algoribus. O lacrymosum et cautibus spectaculum Ita lacerati corporis crudeliter. Ecce vt terebratum trabem iacitur super, Nullo coactu porrigit duplices manus, Pedes et ambos arbori dat figere. Quid non dolorum ictus habebant singuli, Ferrum vbi retusum, et crasso adactum malleo. Ossicula, venulasque, et ipsos neruulos Cruciatibus vexabat incredibilibus? Tensumque; corpus acriter, ceu tympanum, Nunquid dolores non ferebat maximos? Ebulliunt, videte, fontes sanguinum, Tellus rubescit strata ceu sit purpura. Veneranda mater, istané oculis, auribus Tolerare quibas? exanimis heu quomodo Non corruisti? ah ipsamet viscera tibi Rupere claui, et superior verbis dolor Carpebat, vrebatque; tua praecordia. Sublimè crux tollitur, humique pangitur; Vndae rubentes defluunt benignius; Luxantur omnia membra sedibus suis. Non est cruci poena vlla comparabilis; Tormenta crux post se relinquit omnia.

Auch Jacob Bidermann SJ versammelte um das Golgatha-Geschehen in seinen oft gedruckten Epigrammatum Libri tres (zuerst 1620) einen freilich erheblich schmaleren Gedichtzyklus (in: Liber Primus. Classis tertia. Dolores; in der späten Neuausgabe Venedig 1732, S. 18–20). Bei Bisselius’ großem Ordensbruder Jacob Balde werden vergleichsweise wenige Passionsgedichte in die lyrischen Kollektionen eingefügt und prägen weder ihre Struktur noch ihr gedankliches Profil.2 Zum weiten Umfeld der text- und bildkünstlerischen Verarbeitung des Passionsgeschehens sind mit Gewinn heranzuziehen die Sammelbände von Steiger u. a. 2005 und Steiger/Heinen 2010, hier bes. zu den sonst kaum beachteten Jesuitica der Aufsatz von Jost Eickmeyer (vgl. im Folgenden seine Kommentare zu II,7–9). PARASCEVE] Im Neuen Testament der ›Rüsttag‹ auf den Sabbat, also der Freitag.

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Etwa Sylvae II,5 (1729, Bd. II, S. 53: Secura in Cruce quies); dazu Herzog 1976, S. 670– 673.

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1 Flete aliquis] Zu dieser Konstruktion vgl. den Hinweis und die Beispiele bei Kühner-Stegmann: Satzlehre. Erster Teil (1962), S. 60, Nr. 4: »Eine seltsame, in volkstümlicher Gesprächsweise vorkommende Ausdrucksweise ist die Verbindung des indefiniten Pronomens quis oder aliquis mit der zweiten Person des Imperativs im Plurale, daher ziemlich oft bei den Komikern.« 5 Fax funebris] In Abwandlung von Vergil, Aen. 11,143 (faces funereae); vgl. auch Manilius 1,893. 8 Assertor nostrae, super ardua sidera, gentis] Assertor: ursprünglich ein Rechtsbegriff; als Befreier von der Knechtschaft ausgerechnet bei Ovid, rem. 73; vgl. auch Sen, epist. 13,14; Tacitus, hist. 2,61. – Das super ardua sidera deutet an, dogmatisch nicht unwichtig, dass der leidende und sterbende Mensch Christus zugleich Gottessohn, d. h. Gott bleibt. 12f. genarum Diluvium] Nicht nur kühne hyperbolische Metapher, sondern, wenn Diluvium auf die Sündflut anspielt, auch der heilsgeschichtliche Bogen zwischen der Urschuld des Menschen und der nun sich im Gedicht vollziehenden und unter Tränen wahrgenommenen Erlösung durch das Leiden am Kreuz. 16 Cerno … cerno] Beliebte repetitive Rahmenstellung. 18 vergit ad imma] Das Neigen des Hauptes beim Sterben hier in neuer Formulierung nach Joh 19, 30 (Vulgata): et inclinato capite tradidit spiritum. 22 Bina … luctu] S. o. in der Einleitung. 23f.] Poetische Paraphrase der biblischen Passage unter anderem bei Mt 27,51– 53. 24 tumularia busta] Tumularia: das von tumulus abgeleitete Adjektiv nicht im antiken Latein zu finden, jedenfalls nicht im klassischen Gebrauch (nicht im OLD, nicht im Georges). – Bustum nicht nur im Sinne von ›Grab, Grabhügel‹ (wie z. B. Catull 64,363; Vergil, Aen. 11,849; Ovid, met. 4,88; des öfteren bei Lukan), sondern auch metonymisch für Leichnam bei Autoren der Kaiserzeit; vgl. Statius, Theb. 12,247f.: egena sepulcri busta.

Zu Elegie II,6 (WK) Nach dem von schmerzlichem Pathos bewegten Trauergedicht auf Christi Kreuzestod folgt, damit eine Zweiergruppe bildend, eine dreiteilige Elegie, die in doppeltem Kontrast das Thema der wahren Kreuzesverehrung aufgreift und weiterführt: zum einen, indem Bisselius anstelle des biblischen Bezugs nun im zweiten und dritten Teil tief in den Legendenfundus greift, wie er in der populären, mehrfach nachgedruckten und ergänzten Vitensammlung De probatis sanctorum historiis (zuerst 6 Bde., Köln 1570–75, hier im Juli-Band, S. 58–60, zu lesen elektronisch in »The Digital Library of the Catholic Reformation«); die Samm-

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lung erschien dann in zwölf Monatsbänden ebd. 1617–18) des Kölner Kartäusers Laurentius Surius (ca. 1523–1578)1 zur Verfügung stand, zum anderen, indem anhand dieser historisch gültigen, hier anekdotisch verknappten Lebensgeschichte die wahre Kreuzesverehrung in der moralischen Disziplinierung des Ichs, in der Abkehr von Hass und Streit, illustriert wird. Die dreiteilige Elegie beginnt im ersten Teil mit einer lehrhaften Aufforderung an imaginäre Adressaten, die zwar, einem alten Ritus folgend, das Kreuz küssen, aber die zwischenmenschliche Versöhnung verweigern. Als Exempel, zur Nachfolge (1,12) anreizend, wird dann die ›wunderbare, aber wahre‹ (3,32), an einem Karfreitag geschehene Geschichte des Florentiner Heiligen und Gründers der benediktinischen Einsiedlergemeinschaft von Vallombrosa, des Johannes Gualbertus (ca. 995–1073), erzählt. Wenn Bisselius hier mit farbigem Kolorit (2,20–30: ein szenisches Mantel- und Degenstück!) von einer Familienfehde, von Hass und Blutrache, von der fatalen Begegnung von ›Opfer‹ und ›Schlächter‹ (2,30), aber auch von Umkehr, Entsagung und Askese berichtet, scheint er im Zeichen des Kreuzes (3,21f.) auch ein frommes Pendant zur Renaissancenovellistik darbieten zu wollen. Scheute er sich doch in späten Predigten nicht, unter anderem auch das bekannte Liebesdrama von Romeo und Julia auf mahnend-erbauliche Weise nachzuerzählen und zu kommentieren (s. dazu in der Einleitung des Bandes). Beachtenswert, dass sich Bisselius hier besonders an den Adel wendet (3,26). Es gehört zu Signalen weitreichender kulturell-religiöser Erinnerung, dass die hier angezogene Geschichte auch noch in einem verbreiteten katholischen Hausbuch des 20. Jahrhunderts abgedruckt wurde, nämlich in Hans Hümmeler: Helden und Heilige. 2 Bde. Bonn 1933 bzw. 1934 (Buchgemeinde Bonn. Religiöse Schriftenreihe 9 bzw. 10), in Tl./Bd. 2 (1934) zum 12. Juli unter dem Titel »Johanes Gualbertus« (ich zitiere den ersten Teil): Wehe der Sippe, die den Fluch der Blutrache auf sich gezogen hat! Sie ist verfemt und vogelfrei, bis auch ihr Blut den Sand rötet. Den Gualbertis, einem reichen ritterlichen Geschlecht zu Florenz, hatte man den ältesten Sohn, den Erben des Namens, erschlagen. Finster ritten sie seither durch die Gassen der Stadt und die Wälder des Apennin, mit scharfen Augen nach dem Mörder und seinen Verwandten ausschauend. Endlich, durch einen Zufall gelang es Giovanni, dem jüngeren Bruder, an enem Karfreitag den Müdegehetzten in einem Hohlweg zu stellen. Der war ohne Waffen und wehrlos, der Schrecken lähmte ihm die Glieder; so blieb er mit kreuzweise ausgebreiteten Armen stehen und erwartete den Todesstoß. Giovanni hatte schon die Waffe erhoben, als ihm in einer plötzlichen Eingebung zum Bewußtsein kam, daß der Erlöser der Welt heute mit ausgespannen Armen am Kreuze verblutet war. Er sprang vom Pferd, zog den Feind seiner Familie schweigend an die Brust und machte sich, im tiefsten Herzen erregt, auf den Rückweg. An einem Wegkreuz, das vor einer Felskapelle stand, drängte es ihn, kniend seinem Gott zu danken, daß er ihn vor dem Mord bewahrt habe. Als er zitternd und stammelnd sein Gebet sprach, war es ihm, als neige der Gekreuzigte sein Haupt vor ihm. In diesem Augenblick fiel alle Weltlust von ihm ab wie ein mürbes Gewand. […].

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Zwischen 1570 und 1575 erschienen die sechs Bände De probatis Sanctorum historiis des Kölner Kartäusers Laurentius Surius, nach Vorarbeiten des Aloysius Lipomannus. Außer vielen Auflagen folgten zwei erweiterte Ausgaben über Surius’ Tod hinaus (1578; 1617/18); Zu ihm s. jetzt den Artikel von Licht 2011 sowie Sawilla 2009, passim, s. Register.

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Zu II,6,1 1 veteris … ritus] Die Sitte, das Kreuz zu küssen, ist in der alten Kirche überliefert, heute bekanntlich vor allem noch in den Ostkirchen üblich. 3 Arboris … sacrae] In der Formulierung schwingt mit die geläufige typologischallegorische Analogisierung des Kreuzes Christi mit dem Paradiesesbaum (Baum des Lebens, Gen 2,9). 5 integra vitae] Mit unverkennbarem Anklang an den Beginn von Horaz, carm. 1,22: Integer vitae scelerisque purus. 7 inextinctâ … bile] Das Adjektiv im klassischen Latein Beiwort zu Feuer, Flamme, Hunger, aber auch, hier vielleicht anregend, zu Affekten wie der Begierde wie Ovid, fast. 1,413 (inexstincta libido). 11 durô ore] Junktur wie Terenz, Eun. 806 und Ovid, met. 5,451 (duri puer oris). 12 Aut … refer] Leseanweisung für das Folgende.

Zu II,6,2 5 perennantis … Irae] Perennans hier (unklassisch) als intensivierendes deverbales Adjektiv; vgl. zum Verbum Ovid, ars 3,42; Ovid, fast. 1,721. 7f. Cruor … Cruorem eluet] Wohl in Anknüpfung an Gen. 9,6. (Vulg.): Quicunque effuderit humanum sanguinem, fundetur sanguis illius. Daraus auch der populäre Grundsatz der Blutrache. 15 induruit Ira] Das Verb auf Affekte (dolor, ira) bezogen bei Boethius, cons. 1, pros. 5. 18 laeti nomine FLORIS] Etymologische Ableitung des Stadtnamens Florenz. 22 praerapidis … aquis] Vgl. zum reißenden Strom von Flüssen etwa Seneca, apocol. 7,2: ubi Rhodanus ingens amne praerapido fluit. 23 oculatior Argo] Oculatior: vgl. die bekannte Stelle bei Plautus, Truc. 488: Pluris est oculatus testis unus quam auriti decem. – Argus: der hundertäugige Riese; Ovid, met.1,624–723. 26 Oblitus culpas] Zum Akkusativ bei oblivisci im älteren Latein, ausnahmsweise auch beim Partizip (Vergil, Aen. 2,59: sucos oblita priores), s. Kühner-Stegmann: Satzlehre. Erster Teil (1962), S. 471. 27 Stringe] Vom Ziehen einer Waffe (Schwert oder Dolch), hier elliptisch ohne Objekt wie das deutsche ›Zieh’‹; vgl. z. B. Vergil, Aen. 2,449f.: alii strictis mucronibus imas / obsedere fores. 27f. una Irrue] Vgl. Vergil, Aen. 3,222: inruimus ferro.

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28 sub gemino … ense] Kühne Formulierung; wohl im Sinne von ›im Zweikampf‹(?). 30 mactator] Wie Seneca, Tro. 1002: Perge, mactator senum. 30 arma vibrat] Das Verb im allgemeinen auf Wurf- oder Schleuderwaffen (hasta, tela) bezogen, z. B. Cicero, de orat. 2,325; Vergil, Aen. 11,603; Lukan 7,82.

Zu II,6,3 1 Defossurus … ensem] Junktur drastisch und ungewöhnlich, vielleicht neu: defodere sonst vom Eingraben oder Vergraben von Gegenständen oder Pflanzen. 1 Capulo tenus] Vgl. Vergil, Aen. 2,553: lateri capulo tenus abdidit ensem. 7 Arbor] S. o. zu 1,3. 9 quino … verbere] Bisselius spielt an auf die fünf Wunden Christi, also diejenigen Schmerzensmale, die Christus bei der Passion empfing: die an den Querbalken genagelten Hände (1 u. 2), die Nagelung am Kreuzfuß (3), am Kreuzhaupt das von der Dornenkrone verwundete Haupt (4) und schließlich die Seitenwunde des durchbohrten Herzens (5). Ihre Verehrung führte in der Frühen Neuzeit zur Entstehung von Textzyklen: (Fasten-)Predigten, Meditations- und Andachtsübungen und Gebeten, die aber Bisselius bewusst vermeidet: z. B. Jakob Beinhart: Hertzenschatz, von den Fünf Wunden Jesu Christi […] Sambt andechtigen Gebeten auf jedes Capitel gerichtet. Liegnitz: Schneider [1593]; Johann Förster: Quinaria Sacri quinarii meditatio, Das ist: Fünff Lehr und Trostreiche Predigten Von den Fünff Heilfliessenden Wunden, […] Jesu Christi, Darin […] anweisung gethan wird, welcher gestalt dieses theurwerte Gnadengeheimniß zugebracht. Wittenberg: Berger 1613: Albert Steinhaus: Animae Thesaurus, & Summum Bonum: Contra Animae Defectum, & Summum Malum, Der Seelen Schatz/ und höchstes Guth: Aus dem vollen Beutel der fünff Wunden Jesu Christi genommen. Mit der Hand deß Glaubens zu fassen/ und in die innerliche Truhe deß Hertzens einzuschliessen/ Zum Schutz Widr Geistlich Armuth/ Und der Sündenfluth/ Widr der Seelen Noth/ Und den ewign Todt; Bey der Sepultur deß Weyland Ehrnvesten/ Vorachtbarn und Hochgelahrten Herrn Pauli Reinicken/ I. U. Doctoris, und wolbestalten Syndici dero Newstadt Hildeßheimb/ wie derselb/ nach dem er den 2 Febr. selig verschieden/ den 5 ejusdem drauff in S. Lamberti Kirchen in sein Ruhebettlein gesetzet worden. Der Christlichen Gemein fürgetragen. Hildesheim: Gössel 1626. In der katholischen Wundenverehrung verbreitet ist das sog. Fünfwundenkreuz, auf dem die Wunden Christi in Kreuzform angeordnet sind. S. auch: Art. ›Wundmale Christi‹. In: LThK 10 (2001), Sp. 1320–1324 (Klaus Scholtissek), sowie, in jeder Hinsicht weiterführend, Jörg Jochen Berns: Die Arma-Christi-Ikonografie: Modell und Varianten. In: Berns 2000, S. 25–90. – Bisselius spielt

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verschiedentlich in den DV auf die fünf Wunden Christi an, s. etwa DV II,9,2,15; II,10,6,33; III,11,38. 13 Poppa] Orthografische Variante für Popa – ›Opfermetzger‹; vgl. Persius 6,73; Seneca, Ag. 897. 13 librat … securim] Vgl. Silius, 2,622f: raptam librans dilectae in colla securim / coniugis. 15 fulmen trisulcum] Vgl. Seneca, Phaedr. 189: trisulci fulminis deus. 22 transadigit] Lexem nicht im klassischen Latein, vielleicht in Anspielung auf pertransivit gladius des bekannten Hymnus Stabat mater dolorosa (Wackernagel, Bd.1, Nr. 214, S. 136). 26 ingenuae Nobilitatis opus] Bisselius spricht hier die falschen Ehrbegriffe des Adels an. 28 prodigiosa] Hier wohl auch mit dem Nebensinn: ›folgenreich, von großer Vorbedeutung‹, im Blick auf die im Folgenden erzählte Ordensgründung. 32 transposuisse Caput] So berichtet von Surius; s. im Prosavorspann. 38 VALLIS … VMBROSAE] S. o. in der Einleitung.

Zu Elegie II,7 (JE) In diesen beiden, unter dem Lemma des Karsamstag zusammengefassten Teilelegien poetisiert Bisselius, gemäß den vorgeschalteten Bibelstellen augenscheinlich das Osterevangelium nach Mt 28 und Joh 11f. Doch die inhaltlich divergierenden Evangelien, mehr noch die poetische Umsetzung, zeigen deutlich, dass er sich vom Darstellungstypus der Bibelparaphrase bewusst absetzt: Beide Kurzelegien beziehen sich auf Handlungsmotive aus mittelalterlichen Osterspielen: den Wettlauf der Jünger zum Grab und die Magdalenenklage, von denen vor allem letztere in katholischer wie auch evangelischer geistlicher Dichtung bereits zu Bisselius’ Zeit unzählige Male behandelt worden war (vgl. Beck-Chauvard 2009, v. a. S. 129–340; Eickmeyer 2010). Trotzdem (oder gerade deshalb) zielt Bisselius’ Gedicht auf überraschende Effekte ab. Teilelegie I wird einem anonymen Sprecher in den Mund gelegt, der sich anklagend an den Stein vor der Grabeshöhle Christi wendet. Christus scheint weder entrückt noch auferstanden, sondern von dem direkt angesprochenen, anthropomorphisierend als gefühlskalt (buchstäblich und metaphorisch »verhärtet«; s. 1,3), taub und stumm gescholtenen Stein gefangen zu sein. Während die erste Hälfte der ersten Teilelegie dem antiken Formtypus des elegischen Paraklausithyrons (dazu Copley 1959; Yardley 1978) folgt, wird die angekündigte biblische Szenerie erst ab dem siebenten Vers, und auch dann in geradezu lakonischer Kürze angesprochen: Petrus und Johannes, wobei der »Lieblingsjünger« nicht einmal namentlich genannt wird, dann die Gruppe der Frauen treten auf, die halb scherzhaft

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als Trias von ›Marien‹ umschrieben wird. Diese Nennung der Dreizahl verweist jedoch dominant auf Lk 24, nicht auf die vorangestellten Bibelzitate und bereitet so den Schlusspunkt dieser Teilelegie vor: Im letzten Vers scheint ironische Skepsis gegenüber den divergenten biblischen Zeugnissen anzuklingen, verè siqua MARIA fuit, was einerseits den Text aus Joh 20 privilegiert, aus dem sich die folgende Teilelegie herleitet, andererseits aber womöglich auch die zwischen Altgläubigen und Protestanten umstrittene Einheit der biblischen Magdalena-Figuren hintersinnig ins Spiel bringen könnte (s. zu diesem Streit vornehmlich des 16. Jahrhunderts die nun maßgebliche Edition der skandalisierenden Traktate des Pariser Humanisten Jacques Lefèvre d’Étaples bei Porrer 2009 sowie zusammenfassend Eickmeyer 2012, S. 494–507). Mag der Leser hier bereits das eklatante Fehlen jeder Verkündigung der Auferstehung durch den oder die Engel am leeren Grab (nach Mt 28,2/3, Mk 16,6 oder Joh 20,11ff.), somit von Erlösungs- und Heilsgewissheit bemerkt haben, so tritt diese Leerstelle in der folgenden, ausschließlich Maria Magdalena gewidmeten Teilelegie noch stärker hervor. Bisselius vermeidet auch hier etablierte Gattungsmuster, sei es des Heroidenbriefes, wie ihn Eobanus Hessus hundert Jahre zuvor gedichtet hat (Hessus 1990, S. 294–303), sei es der weit verbreiteten Odenund Epigrammdichtung seiner Ordensgenossen Bidermann und Sarbiewski zum Thema (etwa Sarbiewksi: Ad Divam Magdalenam. In: Carmina; Paris 1719: Lyr. III,2, S. 110; zuerst gedruckt etwa gleichzeitig mit Bisselius: Antwerpen 1634), ebenso ähnelt sein Gedicht in keiner Weise der hoch affektgeladenen Langelegie eines Jakob Pontanus (Poeticae Institutiones, S. 317–334) oder dem nicht weniger amplifizierenden Magdalenen-Lied Friedrich Spees (Trutz-Nachtigal, S. 55–70 [Nr. 11]. – zu den bisher genannten ausführlicher: Eickmeyer 2012, S. 524–575), löst sich vielmehr deutlicher von seiner biblischen Grundlage und ist damit auch kaum mit der ungefähr zeitgleichen Dichtung des Andreas Gryphius in seinen Sonn- und Feiertagssonetten vergleichbar (1963, S. 175). – Ähnlichkeiten ergeben sich lediglich zur umfänglichsten zeitgenössischen Sammlung von Magdalenenlyrik und -epigrammatik, nämlich der Magdalena des flämischen Jesuiten Baudouin Cabilliau (Antwerpen 1625; zu diesem Werk knapp: Eickmeyer 2012, S. 575–586): Seine Elegie III,18 (Cabillavius 1625, S. 108f.) trägt den Titel Magdalena expostulat cum inani sepulcro, weist ähnliche verbale Pathosformeln auf (z. B. ebd., S. 108, V. 9: rupes, rupes, ah! o perfida rupes) und kommt somit als möglicher Prätext für dieses Gedicht in Frage. Strukturell bleibt die Geste des Paraklausithyrons erhalten, wird jedoch nun auf die dritte Person der Magdalena übertragen, freilich nicht in eine umfängliche Beschreibung der trauernden Frau am Grab, sondern in ein psychologisches, geradezu ›performatives‹ Sprachgemälde, das in dem repetetiven und stereotypen REDDE MEVM (V. 4,6 u. 18 mit sinnreicher Anspielung auf Ovid) geradezu in einer Pathosformel angesichts des offenen Grabes erstarrt. Die Heilsgewissheit versprechenden Engel, sogar die auf Christus und die Noli-Me-tangere-Szene (nach Joh 20,17) vorausdeutende Gestalt des Gärtners werden von dieser Suada auf das Minimum eines Distichons zurückgedrängt (V. 16f.). So verwundert es kaum mehr, dass auch das Ende dieser Elegie die Situation nicht auf biblische Gewissheit hin

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auflöst (zum Problem der elegischen Darstellung einer Noli-Me-tangere-Szene vgl. Eickmeyer, Meeting With Christ [im Druck]). Vielmehr mündet sie in einen arguten, eher epigrammatischen Syllogismus mit einer für das geistliche Thema spektakulären paradoxen Pointe, deren Effekt nicht vom biblischen Aussagegehalt, sondern rein ästhetisch im Sinne eines Concettos bestimmt ist. Man kann somit Bisselius’ Magdalenen-Gedicht (auch im Unterschied zum folgenden, sich stärker an die hagiografische Tradition anschließenden Gedicht über Maria Aegyptiaca) als ein eindrückliches Zeugnis innovativer arguter Dichtung ansehen, die es sich zum Ziel setzt, auch aus manchen unzählige Male zuvor poetisierten Stoffen und Szenen dem Leser ästhetische Überraschungen zu bereiten.

Zu II,7,1 2 verba serenda] Zur Junktur vgl. Horaz, ars 46: in verbis etiam tenuis cautusque serendis. 3 Adamanta ferum] Adamas ist sowohl eine stahlharte Substanz als auch im engeren Sinne Diamant (so übersetzt): Die Härte dieses Materials vergleichsweise in ähnlichem Zusammenhang auch bei Ovid berufen; vgl. ars 1,659 (kontrastiv zu Bisselius): Et lacrimae prosunt; lacrimis adamanta movebis; met. 9,615 (hier die Kombination von adamas und ferrum wie in V. 3): nec rigidas silices solidumve in pectore ferrum / aut adamanta gerit nec lac bibit ille leaenae. – Das Adjektiv ferum zu adamanta hier wohl nur wegen des Wortspiels mit dem folgenden ferrum. 4 REDDE MEVM] Vgl. V. 6 u. 18. Sinntragende Anspielung auf einen lakonischen Kommentar in Ovids Ars amatoria (3,449–452): ›Redde meum!‹ clamant spoliatae saepe puellae, / ›Redde meum!‹ toto voce boante foro: / Has, Venus, e templis multo radiantibus auro / Lenta vides lites Appiadesque tuae. – Magdalena wird hier als ›Verlassenes Mädchen‹ stilisiert, das vergeblich gegenüber einer ganz gelassenen Gottheit klagt. Die Pointe liegt, wie oft bei Bisselius, im Kontrast der christlichen zur heidnischen Konstellation: Während Venus tatsächlich mitleidlos in ihrem goldenen Tempel verharrt, weiß Bisselius’ Leser ja, dass Maria ihren verlorenen Geliebten treffen wird. Kühn bleibt, dass Bisselius diese Auflösung der Situation ganz aus dem Gedicht ausklammert! 7 graviorque Petrus … sodalis] Petrus und Johannes nach Lk 24 und bes. Joh 20; hier auch der Hinweis, dass Johannes schneller als Petrus lief; dieser ›Wettlauf der Apostel‹ bildet oftmals einen festen Bestandteil des mittelalterlichen Osterspiels; vgl. etwa im noch dem Ritus sehr nahestehenden Prager Osterspiel die Konvent-Strophe Currebant duo simul (Hartl 1969, S. 14. V. 64–67) oder, wesentlich ausgeschmückter, einen Dialog zwischen Petrus und Johannes im Wiener Osterspiel, V. 1139–1195 (ebd., S. 117–119). 9f. Maria altera, et altera … Tertia] Die drei Marien in Lk 24,10.

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Zu II,7,2 3 protruderet umbras] Ungewöhnliche Junktur; Formulierungen mit protrudere, ›fortstoßen‹ bei Lukrez (4,246f.: protrudit agitque / aera) im physikalischen, bei Silius (9,317f.: nec protrudi … / avertive potest pubes) im militärischen Sinne. 5 pruinoso Lucifer … ortu] Vgl. Ovid, am. 6,65: Iamque pruinosus molitur Lucifer axes. 16 De superis aliquis visus Ephebus] Der Engel (Jüngling) am Grab; vgl. Mk 16; Lk 24, Joh 20. 17 Olitorem] Christus, den Maria Magdalena mit einem Gärtner verwechselt: Joh 20,15. 19–22] Klassischer Syllogismus, im Logikunterricht der Jesuiten eingeübt, auch Kennzeichen ›arguter‹, bes. epigrammatischer Stilistik: Zwei Prämissen, dann eine paradoxe Conclusio. Erste Prämisse: Stetes Wasser höhlt den Stein. Zweite Prämisse: Die Tränen der Magdalena sind Wasser, reißender Bach und Wasserstrom. Geforderte Conclusio: Also höhlt Magdalena den Stein/Grabstein. Doch dies wird verneint (V. 22). Daraus ergibt sich formal als Pointe: Der Stein ist kein Stein (zur Deutung auch: Eickmeyer 2010, S. 391–393). 22 Non-lapis] Bei Bisselius gelegentlich vorkommende negative Wortbildung; vgl. II,9,1,34: Non-falsis; II,14,2,4: non-bona; II,15,13: non-extincta; III,7,37: non-malus; III,14,2,23: non-cauto.

Zu Elegie II,8 (JE) Mit dieser Elegie führt Bisselius die vorangegangene über den Grabstein Christi und die Klagen der Magdalena fort, indem er nun das biblische Geschehen verlässt und die Verehrung des Grabes im christlichen Kult thematisiert, zugleich aber eine weitere Maria, die reuige Büßerin Maria Aegyptiaca, als Gegenstand wählt. Beide Frauen, beispielhafte ›heilige Sünderinnen‹, wurden in der Überlieferung ihrer Legenden oftmals kontaminiert oder nebeneinander angeordnet (vgl. Hansel 1937, S. 73–75; Kunze 1969, S. 10 u. seinen Anhang, S. 173–186; außerdem sei verwiesen auf seine Anthologie mittelalterlicher Texte: Kunze 1978). Doch während seine Magdalenen-Darstellung stark von biblischen und legendarischen Vorlagen abstrahiert (s. Kommentar zu II,7), hält er sich für dieses ebenfalls zweiteilige Gedicht ausdrücklich an tradierte Vorlagen, wie schon der Zusatz Historica deutlich macht und die konkreten Quellenangaben am Ende des Vorspanns belegen (s. dazu unten im Kommentar). Der Stoff um die »Wüstenmutter« Maria Aegyptiaca war im 17. Jahrundert nicht nur aus hagiografischen Kompendien hinlänglich bekannt, sondern auch Gegenstand mancher dichterischen Umsetzung geworden. Aus Legendarik und mittelalterlicher Hymnen-Tradition (z. B. Blume/Dreves 28, S. 31, Nr 8; 51,

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S. 250, Nr. 211, Str. 36; 10, S. 249f., Nr. 330) speisen sich wohl die Heroidenbriefe des Eobanus Hessus (s. Hessus 2008, S. 306–315, epist. 14) und Andreas Alenus (1574, S. 128v–231v [recte: 131v], epist. III,21); vgl. zu beiden Dörrie 1968, S. 370–374 u. 386–388; speziell zu Hessus’ Aegyptiaca-Brief: Kunze 1969, S. 129–133, sowie insbesondere Vredeveld 1978. Doch die Versepisteln nutzen eine, auf Ovids Vorbild zurückgehende, Technik der psychologisiernden Introspektion in die schreibende Eremitin dazu, deren Sehnsucht nach dem (ostkirchlichen) Hl. Zosimas, mithin nach der von ihm in die Wüste gebrachten Wegzehrung, symbolisch für die Eucharistie, auszumalen. Bisselius jedoch klammert ihren männlichen Gegenpart und damit die der legendarischen Tradition angehörende Rahmenhandlung ganz aus, ja nennt ihn nicht einmal. Ebenso reduziert er die Beschreibung der sonnenverbrannten, schrecklichen Einöde und der Buße Mariens, auf welche die Humanisten viel Raum verwendeten (bei Hessus: V. 1–50 u. 86–166), auf die letzten zweieinhalb Distichen der zweiten Teilelegie (V. 34–38). Diese Gewichtung unterscheidet seine Elegie auch von näherstehenden Specimina lateinischer Barockdichtung, den Epigrammen etwa seiner Ordensgenossen François Remond (Francisci Remondi Epigrammata et Elegiae. Antverpiae: Trognaesius 1606, S. 23: ›XLIIX. Ad Sanctam Mariam Aegyptiacam‹) und Jacob Bidermann (1620, S. 143/144 [II,93 im ›Virginum chorus nonus‹]: ›Maria Aegyptiaca inter feras flevit, quod inter homines peccarat‹) und einer in ihrer arguten Verknappung ingeniösen Ode Jacob Baldes (1729, Bd. 1, S. 96: ›Maria Aegyptiaca poenitens‹ [II,16]; zu Bidermann und Balde s. Kunze 1969, S. 143–149): Alle drei malen gerade die schwere Buße der Asketin durch drastische (Selbst-)Beschreibungen (Bidermann) oder paradoxe Junkturen und hyperbolische Metaphern (Balde) aus. Dagegen zeigt sich das Bisselius-Gedicht stärker der narrativen Chronologie der Legenden verpflichtet, wobei er – in Analogie zur vorangegangenen Elegie auf den Grabstein Jesu – erst in der zweiten Teilelegie auf die Vita der Heiligen zu sprechen kommt. Die erste Teilelegie bleibt dagegen unverkennbar, deutlicher noch als II,6, einer didaktischen Intention verpflichtet, wenn der Dichter sein Schreiben explizit in Analogie zur lehrenden und mahnenden Rede einer frommen Mutter an ihr Kind setzt (1,3–8 u. 9–14, v. a. V. 5: Erudit ignaros, von der Mutter und V. 9: Hoc vates moneo, teneram quod foemina prolem). Auf diese Weise kann er zugleich seine Lehre, die auf eine Kreuzesverehrung, frei von Feindschaft und weltlichen Lüsten gerichtet ist, an eine authentische Volksfrömmigkeit gegenüber den Heiligen Stätten und dem Kreuz selbst zurückbinden. Die zweite Teilelegie liefert dann die ägyptische Büßerin als illustrierendes Beispiel mit unverhohlen abschreckender Wirkung, deutlich in der knappen Überleitung, V. 1: Terreat Exemplum! Auch wenn die folgende Elegie der traditionellen Vita (und damit auch den narrativen Schilderungen in den Heroidenbriefen) recht eng folgt, nimmt sie dennoch eine weitere Umgewichtung vor, die nun zum Komplex der Kreuzesverehrung hinzutritt: Das Bild der Gottesmutter ermöglicht in einem besonders kunstvoll alliterierenden Distichon (2,27/28) der Sünderin, die nun Reue zeigt, Zugang zum Allerheiligsten, nimmt also eine prominente Vermittlerfunktion ein. Dass diese Intercessio der Gottesmutter, die ih-

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reseits analog zu der lehrenden »liebevollen« Mutter aus der ersten Teilelegie ist, als wichtiges Theologoumenon in der Auseinandersetzung mit protestantischen Konfessionen, im Zentrum steht, zeigt auch der weitere Verlauf: Die himmlische Stimme, die Maria noch in der Legende dirigiert hat (s. u. im Kommentar), klingt allenfalls im coelite … admonitu (2,31) an, doch sie selbst spricht, einsichtig, reumütig, und begibt sich in die Einöde jenseits des Jordan. Zur Vermittlung kommt nun die tätige Reue über 40 Jahre hinweg, an deren Ende Bisselius mit einer eigenen arguten Wendung, die auf den Beginn der zweiten Teilelegie zurückweist, einen Schlusspunkt setzt, den weder die Heroidenbrief-Dichter setzen konnten, noch Bidermann oder Balde setzen mochten: die – im wahrsten Sinne – »Reinwaschung« der Erz-Sünderin. Nimmt man von hier aus die beiden Elegien 7f. in den Blick, die ja allein das recht kleine Unterkapitel zum »Karsamstag« bilden, so wird Bisselius’ ganz eigenes poetisches Verfahren augenfällig: Nicht nur zeichnet er einen Weg von der Reue (schon eines Gualbertus in II,6) und der Trauer der Magdalenerin zur Vergebung durch tätige Buße am Exempel Maria Aegyptiacas, sondern er schildert auch zwei Sünderinnen, zwei Marien, die er gerade durch das kennzeichnet, was in vielen anderen poetischen Darstellung die jeweils andere auszeichnet: Maria Magdalena wird hier nicht als die konvertierte Sünderin gezeigt, sondern letztlich als uneinsichtig Klagende; und umgekehrt werden dem Leser nun nicht die sehnsuchtsvollen Klagen der büßenden Maria Aegyptiaca an Zosimas und ihr Hoffen auf göttliche Gnade präsentiert, sondern die Geschichte einer Reinwaschung durch tätige Reue und die Vermittlung der Gottesmutter – der dritten Maria, gewissermaßen. MARIA AEGYPTIACA] Frühchristliche Eremitin und Heilige der westlichen wie östlichen Kirchen (knapp über sie: Dorn 1967, S. 64 –67). Ihr Gedenktag, der 2. April, fällt in den Frühling. Neben Onuphrius (s. II,4) ist sie die zweite Anachoreten-Gestalt, die Bisselius in seinem Frühlingszyklus bedichtet. (Vgl. Martyrologium, ed. 1749, S. 55) contaminatissimum] Sexuell konnotiert in Horazens Actium-Ode (carm. 1,37,9/10): contaminato cum grege turpium / morbo virorum; schon bei Cicero im Superlativ: prov. 6, 14 (über Gabinius). mare Cyprium] Kleiner Teil des Mittelmeers zwischen Zypern, Kilikien im Norden und dem nördlichen Syrien im Osten; hier weniger um der Reiseroute als v. a. um der Anspielung auf Venus (Cypris) willen gewählt. Es klingt an Horaz, carm. 1,1,13/14. trans-amnanam] Ungewöhnliche Wortbildung; klassisch gebräuchlicher wären amnicus oder amnensis. fletu amarissimo] Preziöse Paronomasie für die Flut von Tränen, die Maria vergießt. Vgl. den Schluss von Baldes Ode (s. o.), V. 7f.: Aegyptus in me sicca squalet: / Vos, lacrymae, meus este Nilus.

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Prostibulum] Gleichermaßen antike (Plautus: Aul. 285 u. a.) wie in der Vulgata häufige Bezeichnung für eine Prostituierte: Lev 21,7; Dtn 23,18; als Bezeichnung für das Bordell bei Ez 16,24 u. Joel 3,3. Rosvveyd] Heribert Rosweyde (1596–1629), von Bisselius hier mit falschem Vornamen versehen. Der niederländische Jesuit, Professor und Studienpräfekt in Antwerpen, setzte mit seinen Vitae Patrum (Antwerpen 1615) das Bindeglied zwischen der mittelalterlichen Vitaspatrum-Literatur und dem hagiografischen Großunternehmen der von Jean Bolland initiierten Acta Sanctorum (s. dazu Sawilla 2009, S. 389–397 und passim). Die Vita der ägyptischen Maria findet sich bei Rosweyde (21617) S. 291–299, hier die von Bisselius ausschließlich übernommene Binnenerzählung Marias S. 295a–296b (Kap. 13–18). Rosweyde nennt als Quellen Sophrionus und Paulus Diaconus, die der Dichter also von ihm übernommen haben könnte; vgl. folgende zwei Lemmata. Sophronius Hierosolymitan] Sophronius, dem letzten Patriarchen von Jerusalem (560 –ca. 638) wurde eine wohl von der Wende 6./7. Jahrhundert stammende lat. Übersetzung zugeschrieben, die auch in die gängige Vitaspatrum aufgenommen wurde (vgl. G. Röwenkamp: ›Sophronius v. Jerusalem‹. In: Döpp/ Geerlings 2002, S. 648). In einer Ausgabe, die noch im 16. Jahrhundert ebenfalls einen Sophronius, nun jedoch Hieronymus, als Verfasser führte, findet sich Maria Aegyptiaca: In vitas patrum percelebre opus oculos mortalibus celumque aperiens, cuius lectura peccatoris etiam saxeum cor emolit […]. Lugduni: Huguetan 1515, S. 39v–43r (nach Paulus Diaconus; s. folgendes Lemma). Paulus Diaconus] Nicht der langobardische Geschichtsschreiber, sondern ein Neapolitaner Diakon des neunten Jahrhunderts. Sigebert v. Gembloux belegt seine lat. Übersetzung, die im Jahr 876/77 im Auftrag Karls d. Kahlen angefertigt worden sei (vgl. Kunze 1969 S. 26/27; Dorn 1967, S. 66f.). alij complures] Zu den hier nicht genannten Hagiographica zählt etwa das wichtige Kompendium des Laurentius Surius (21581), Bd. 2, S. 187r–190r. Tam Crucem … repellantur] Mit diesem Titel, der als grundsätzliches Thema der Elegie die Kreuzesverehrung benennt und der sogleich im ersten Vers CRVX … cantanda fortgeführt wird, schließt die Elegie nicht nur an das voraufgegangene Magdalenen-Gedicht, sondern auch an die Gualbertus-Elegie II,6, an: Wie dieser soll die Heilige als (nun negatives) Exempel dienen; vgl. auch im Prosavorspann die Rede von der Geläuterten als Exemplar.

Zu II,8,1 1 tibi … Thalia!] Abermals wird die Muse des Bisselius, mithin die Gottesmutter, direkt angesprochen; vgl. DV I,4,36; I,18,1,2 u. ö.

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2 TVMVLI … Simluacra colit] Eine für die katholische, genauer jesuitische Bildauffassung wichtige Stelle. Verehrung wird bereits dem »Abbild« zuteil, einer bildnerischen Nachahmung des originalen Grabes. Unabhängig vom atomistischen Beiklang des simulacrum seit Lukrez (vgl. 4,30 –53) richtet sich diese Aussage direkt gegen die Bildkritik der protestantischen Gegenseite. – Sachlich dürfte hier eine der zahlreichen Kleinarchitekturen gemeint sein, die das Grab Christi oder die Jerusalemer Grabeskirche nachbilden und die nördlich der Alpen schon seit der Romanik auftreten (vgl. den bebilderten, informativen Katalog von Kamm 2003). Im Wallfahrts- und Prozessionswesen der Barockzeit wurde die Errichtung solcher Gräber Christi wieder befördert, in Bayern speziell in Bernbeuren, später auch in Waldshut und Neumarkt/ Oberpfalz. Bisselius könnte das romanische Grab Christi in der Eichstätter Kapuzinerkirche vor Augen gehabt haben. 3 antiquae … pietatis] Sicherlich eine erste konfessionspolemische Spitze gegen die ›neugläubigen‹ Ketzer. 4 circùm … trahit] Dieses »Umgehen« des Altars oder der heiligen Stätte auch in DV II,2,17: licita Ambarvalia. – Womöglich ist hier auch an den »Rundgang« entlang eines Stationen-Kreuzweges oder um eine Nachbildung des Hl. Grabes gedacht. 5 Erudit ignaros] Eine erster Hinweis auf die didaktische Absicht der gesamten Elegie; vgl. die folgenden Kommentare zu V. 9. 6f. In CRVCE … Cruce] Die anaphorische Struktur lenkt die Aufmerksamkeit auf den Doppelsinn des in: Nicht nur »am« Kreuz war Christus (hier obendrein durch das paradoxe Dogma des toten Gottes verstärkt), sondern auch »im« Kreuz ist er präsent, was umso größere Verehrung verlangt. 8 Et … Crucis.] Die grammatisch chiastische, exakt um die Mittelzäsur des Pentameters gruppierte Konstruktion unterstreicht diese Identität von Kreuz und Christus, zumindest in der Verehrung, zusätzlich. 9 Hoc … prolem.] Poetologisch wichtiger Vers, in dem das Gedicht des in augusteischer Diktion als »Seher« bezeichneten Poeten mit der Ermahnung der christlichen Mutter an ihre unwissenden Kinder gleichgesetzt wird; vgl. zum Terminus Art. ›Poeta Vates‹. In: NP 15/2, Sp. 378 –382 (Rüdiger v. Tiedemann). 11 Locus … sacer] Im sakralen Sinne für heilige u. »sakrosankte« Orte bereits antik, etwa bei Cicero, har. resp. 14,1; Rhet. Her. 2,4,7. 13 Inimicitias] Rückverweis auf Elegie II,6, in der Gualbertus gerade von rachsüchtiger Feindschaft an der rechten Kreuzesverehrung gehindert wurde; vgl. den Titel von Teilelegie II,6,2. 13 Veneris Mephitin] Angelehnt an Vergil: Aen. 7,84, werden körperliche Lüste drastisch als »Gestank« abgewertet.

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14 Limina … pede.] Kontrafaktur von Ovid, fast. 4,324 (Gebet der Claudia Quinta an Juno, die »Mutter der Götter«[!]): re dabis, et castas casta sequere manus. Auch terenda an dieser Versstelle ist häufig im elegischen Kontext; vgl. Ovid, ars 1,40 u. 52; Properz 3,3,18; 3,18,22.

Zu II,8,2 Repulsa] Nachklassische Form; klassisch wäre repulsus gebräuchlich. 1 Terreat Exemplum!] Mit dem emphatischen Ausruf wird die folgende Version der Aegyptiaca-Legende deutlich als abschreckendes Beispiel gekennzeichnet. – Ähnlicher Versbeginn bei Properz 4,6,48; Tibull 1,1,18; Ovid: Pont. 1,2,12. 2 Aethiopúmque nigrum] Tautologisch, steht Aethiops doch bereits für ›schwarz‹: Iuvenal 2,23; Plinius, nat. 32,141. Hier wird aber die Schlusspointe bereits vorbereitet; vgl. unten zu V. 38. 2 malè molle genus] Mollis mit sexueller Konnotation schon bei Livius 33,28,2: molles viri für die pathices. 3 Pharias … arces] Ähnlich bei Lukan 10,184: Pharias urbes. Statius, silv. 3,2,112: Pharias … harenas. 4 innumeris una] Die effektvolle Syntax lässt die Gegensätze zwischen der einzelnen Frau Maria und ihren unzähligen Freiern direkt an der Mittelzäsur aufeinanderprallen. 5 Ah, pudet] Beliebter Ausruf der antiken Satire, s. etwa Martial 4,67,7: ah pudet ingratae, pudet ah male divitis arcae; 12,15,9: pudet, ah pudet fateri; auch bei Tibull 1,5,42: Ah pudet, et narrat scire nefanda meam. – Bei Bisselius mit einer Beteuerungsformel verknüpft, s. folgendes Lemma. 5 et verum est!] Diese Steigerung der Schändlichkeit fungiert zugleich als Beglaubigung der Wahrheit des Legendenstoffes. Daher kann er sie auch im Untertitel als Historica ankündigen. 6 dicta MARIA, Lupa est.] Anders als bei Bidermann oder Balde (s. o., Vorspann) ist die Sünderin hier namentlich im Text genannt; sodass hier Schein, also Name, und Sein stark auseinanderklaffen, wie der Kraftausdruck lupa für ›Hure‹ (z. B. Plautus, Epid. 403, Juvenal 3,66) unterstreicht. – Inhaltlich zeichnet Bisselius die Genese eines solchen ›gefallenen Mädchens‹ auch in der Anti-Susanna-Elegie III,5. 7–10 Quid? … Fuit.] In einer über zwei Distichen sich erstreckenden, mit rhetorischen Fragen, teil syndetischen, teils asyndetischen Reihungen und Polyptota angereicherten Periode stellt der Dichter hyperbolisch die Schändlichkeit der ägyptischen Maria heraus. Im Einzelnen s. die folgenden Lemmata

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7 Quid … taceam?] Die rhetorischen Fragen gemahnen ebenso an Cicero (z. B. Caecin. 25: quo modo aut loquar aut taceam … ) wie an die Unentschlossenheit mancher Komödienfigur; vgl. etwa Terenz, Phorm. 186. 7f. Laida … Cyprida] Reihung berühmt-berüchtigter Frauengestalten, nämlich Lais, einer korinthischen Hetäre (z. B. Properz 2,6,1), Thais, athenischen Hetäre, Gattin des Ptolemäus in Ägypten (was den Bezug hier nahelegt; vgl. Properz 2,6,3; Ovid: ars 3,604), Phryne, deren Schönheit sogar die Athener Richter bestach (Properz 2,6,6; vgl. Horaz: epod. 14,16), Phlogis, einer aussätzigen Prostituierten bei Martial (11,60,12), einer Dryade Pars pro toto für die leichtlebigen Nymphen der antiken Mythologie (vielleicht nach Martial 9,61,14) und überleitend zu Venus selbst, die als Ausgeburt der illiziten Lust diese Reihe schließt. – Thais allerdings kann auch die Heilige meinen, deren Darstellung als reuige Hure Ähnlichkeiten zu Maria Aegyptiaca aufweist. Ihre Legende hatte etwa auch Eobanus Hessus verarbeitet (epist. 11; vgl. Hessus 2008, S. 270–279; eine Interpretation dieses Briefe bei Eickmeyer 2012, S. 183–192) 7f. Tu … finge tibi] All diese schändlichen Frauen soll der Leser sich vor Augen stellen, was die hyperbolische Verurteilung der Maria Aegyptiaca vorbereitet; s. folgendes Distichon. 9f. Fecisse, Fuisse … Fecit … Fuit] Beide Polyptota sollen v. a. auf das una (V. 10) hinweisen, durch das Maria gleichsam als Summe der antiken Sünderinnen, mithin – in subtiler Mythenkritik – jene noch überbietend auftritt (vgl. oben, V. 4). 12 (Tempus … CRVCEM)] Ähnlich Hessus, V. 68 (2008, S. 308): Causa novae populis crux pietatis erat; bei Alenus 1574, S. 129r, machen sich die Seeleute auf, Christiferae vt visant alma trophaea crucis. 13 Cypridis … Cypria … culpis] Alliterierend nimmt der Vers die doppelte Bedeutung des »Kyprischen Meeres« wieder auf, die schon im Prosavorspann anklang. 14f. Nautarum … jacens] Durchaus explizite Ausführung des Gedankens; ähnlich drastisch bei Hessus, der jedoch nur den Kapitän ins Spiel bringt, V. 71/72 (2008, S. 310): Mercedem rigidus poscebat navita iustam: / Pro naulo miserum corpus habere dedi. Deutlich diskreter Alenus 1574, S. 129r: Quandoquidem verbis lascivis atque pudendis / Nequitiae multis semina multa dedi. – Möglich, dass Bisselius beide überbieten wollte, daher auch die subtile, moralisch aufgeladene figura etymologica zwischen Nautarum und naufraga. – Bei Rosweyde berichtet Maria ähnlich (21617, Kap. 13, S. 295a): Corpus enim meum in potestate habentes, pro naulo accipient. 14 Lena] Die Kupplerin, eine Standardfigur der Komödie, aber auch bei Ovid, am. 3,5,40; einschlägig hier, da die Seereise ja Gelegenheit bietet: Ovid, ars 3,751: grata mora est Veneri, maxima lena mora est.

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15f. Et … iter!] Wichtige Erweiterung gegenüber Hessus und Alenus, da hier die verderbliche Wirkung der Sünderin auch auf die Pilger thematisiert wird. 16 Prô, foedum] Der affektvolle Ausruf steigert die Verdammung Marias durch den Dichter; sprachlich vgl. Terenz, Eun. 943: pro deum fidem, facinus foedum! 18 ferre pedem] Gägnige Junktur, etwa Ovid, am. 1,12,6; Pont. 2,2,78. 19f. Intrantem … Locus.] Bemerkenswert »realistische« Darstellung von Marias Unfähigkeit, die Kirche zu betreten: Die Menschenmasse (turba) hält sie ab! Zugleich liefert das Distichon durch das fast anaphorische ejecit die geistliche Erklärung: Marias Sünden und die Heiligkeit des Ortes. Die Formulierung tumido aequore führt zusätzlich die Schiffsreise, nun metaphorisch, fort. Vorlage ist zweifellos abermals Rosweyde (21617, Kap. 16, S. 295b): sed quasi militaris multitudo esset taxata, ut mihi ingredienti aditum clauderet, ita me repentina aliqua prohiberet virtus, et iterum inveniebar in atrio. 21f. Ter … ter … suo.] Diese Szenerie des dreifachen vergeblichen Versuches schon bei Vergil, Aen. 2,792/93; 8,230–32; 10,685; Ovid, met. 11,419 u. fast. 2,823. Dieser Zug der Legende auch bei Rosweyde (21617, Kap. 16, S. 295b): Hoc ter & quater passa et facere conans, nihilque proficiens […] recedens discessi; auch Hessus behält ihn bei (2008, S. 310, V. 75f.): Hic ego ter conata aedes intrare sacratas, / ter jacui sacras ante repulsa fores. Alenus betont eher Sündenlast und die physische Einwirkung der Reue (1574, S. 129rf.). 21 quasi Syrte] Abermals wird der Bildbereich der Seefahrt gewählt; vgl. oben zu V. 19. 23 Quid faciat?] Ovid, epist. 11,51: Quid faciam infelix? 23f. Vitiorum … Ilias] Im Sinne einer unüberschaubaren Menge und zugleich Gefahr schon bei Cicero, Att. 8,11,3: tanta malorum impendet Ilias. Im Hintergrund vielleicht auch Ovids Bemerkung, die Ilias und Ehebruch verbindet (trist 2,371): Ilias quid est nisi adultera. 24 indignam … videt.] Vgl. dazu unten, zu V. 30. 25f.] Die Fragezeichen an den Versenden sind, angesichts der schwankenden Interpunktion der Zeit, wohl als Ausrufezeichen zu lesen. 25 O, quantum est] Anspielung auf den berühmten Eingang von Persius’ erster Satire (1,1): O curas hominum, o quantum est in rebus inane! 27–29] In einem von Alliterationen getragenen Passus wird nun die Hure mit der Gottesmutter in Beziehugn gesetzt, was sich schon oben, freilich dort noch kontrastiv, angedeutet hat (s. zu V. 6). Im Einzelnen s. die folgenden Lemmata. 27f. Virgineae Meretrix Matri … vovet] Die gesperrte Wortstellung drückt auch in der Wortfolge nun die Hinwendung der Sünderin Maria zur Gottesmutter, umgekehrt auch das Erbarmen dieser mit jener aus. Zugleich greift Mater

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auf die christlich erziehende Mutter in der ersten Teilelegie zurück (s. o. zu 1,5 u. 9). – Das Gebet selbst als Möglichkeit, eine Affektrede einzubinden, unterschlägt Bisselius allerdings, anders als Hessus (2008, S. 310, V. 79 –82), Alenus (1574, S. 129v; elf Distichen!) und Rosweyde (21617, S. 295b/296a). 27f. (fortè … picta figura)] Die ›sachliche‹ Erklärung wird in der Parenthese nachgeliefert. Ähnlich setzt Hessus die Legende um (2008, S. 310, V. 77/78: Dum queror … / Visa mihi a dextra est matris imago Dei.). Ebenso Alenus (1574, S. 129v): Tandem Christiparae mihi cernebatur imago / Virginis; hac visa spes aliquanta venit. – Wichtig ist, dass es sich um eine gemalte (picta) Darstellung handelt, da dieses Detail wieder den Komplex der Bilderverehrung aufgreift (vgl. Teilelegie 1, zu V. 2, simulacrum). 29 vota valent] Durch Alliteration und etymologische Verknüpfung (vota – vovent) wird das Geschehen der vorausgehenden Verse verdichtet; zugleich markiert der Eingang eine christliche Kontrafaktur zu Ovid, fast. 4,895f.: vota valent meliora: cadit Mezentius ingens / atque indignanti pectore plangit humum. 30 et dignam … notat.] Nahezu wörtliche Wiederholung des Verses 24 (s. o.), die umso deutlicher den Kontrast markiert: Durch die intercessio Mariens wird die Aegyptiaca nun zum Kreuz und zum rechten Leben geführt. 31 Coelite … admonitu] Womöglich »Rest« der in Hagiografie und mancher Dichtung überlieferten himmlischen Stimme (der Gottesmutter?), die Maria auffordert, jenseits des Jordans Eremitin zu werden; vgl. Rosweyde (21617), Kap. 17, S. 296a: Iordanem si transieris, bonam invenies requiem. Dies noch ausführlich bei Hessus (2008, S. 310, V. 85 –88) und Alenus (1574, S. 130r). 31 NVLLA … viam.] Als einzige wörtliche Rede der Maria Aegyptiaca ein knapper, gnomischer Einwurf, an dem sich wiederum die didaktische Tendenz des gesamten Poems ablesen lässt. 33 Solymis … relictis] Die asyndetische Reihung ahmt formal den ›HetärenKatalog‹ aus V. 7f. nach (s. dort) und nimmt ihn inhaltlich zugleich zurück: Maria ist nun geläutert. 35 Accolit] Anklang an den Eingang von Hessus’ Heroidenbrief (2008, S. 306, V. 1): Accola fluctivagi … , der nahelegt, dass Bisselius seinen Vorgänger kannte. 35f. quantum fluvius … Tantum … pluit] Diese Verknüpfung des Jordans mit dem Tränenstrom Marias weist auf das argute Ende der Magdalenen-Elegie zurück (s. zu II,7, Teilelegie II, V. 21/22). Ähnlich, doch noch verknappter, lässt Balde seine Aegyptiaca-Ode enden (s. o. zum Vorspann: fletu amarissimo). 37f.] Die Läuterung der Maria setzt Bisselius an den Schluss und kehrt so den Nutzen von Reue und Bildandacht bzw. -verehrung für das Seelenheil heraus.

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38 LOTAQVE … AETHIOPISSA] Paradoxe Schlusswendung, in der die Läuterung der Maria auch farbsymbolisch ausgedrückt wird: Die Schwarze ist nun weiß. Dieses Wunder (prodigium) nimmt die Formulierung aus V. 2, Aethiopúmque nigrum, wieder auf.

Zu Elegie II,9 (LC/JE) Als einzige unter den Elegien der DV weist diese neunte im Titel bereits einen Hinweis auf ihre spezifische Schreibweise auf: Sie wird als Parodia bezeichnet, mithin als formale, strukturelle und inhaltliche Transformation eines vorgefundenen Textes (Texttyps) in einen anderen (zur Reichweiste des frühneuzeitlichen Parodie-Begriffs s. den Sammelband Glei/Seidel 2006). Besonders bemerkenswert überdies, dass Bisselius als Ausgangstext die altkirchliche Antiphon der Osterzeit Regina Coeli, Laetare (›Freue Dich, Himmelskönigin‹) wählt und sie in ein deutlich längeres, immerhin drei Teilelegien umfassendes Gedicht umformt. Der Vergleich beider Texte zeigt denn auch, dass hier Parodia vor allem Amplificatio bedeutet; denn nur in Teilelegie I sind V. 1 Regina Coeli und V. 21 laetare wörtlich übernommen, V. 27 entspricht quem meruisti portare, V. 28 Virgo Maria und V. 29f. resurrexit sicut dixit und surrexit Dominus vere; dabei wurden die gereimten rhythmischen Verse in metrische Distichen umgesetzt. Alles übrige ist Erweiterung, die den Text aus der liturgischen in die Situation der historischen Osternacht nach der Kreuzigung und vor der Auferstehung transponiert. Die den Elegien jeweils vorausgesetzten Prosatitel geben den Inhalt der drei Teile genau an. Im Detail erweist sich der Sprecher der Elegie analog zum Sänger der Antiphon, denn er verkündet der Gottesmutter in direkter Apostrophe die Auferstehung. In der ersten Teilelegie steht jedoch zunächst die Evokation der (Oster-)Nacht, der schlafenden Jünger (fast eine Genre-Szene!) und der wachenden Maria im Vordergrund (1,1–18). Nach kurzem reflektierenden Übergang (1,19f.) greift der Sprecher massiver ein, indem er das, was bei Maria noch spes (1,18) war, Gewissheit werden lässt: In rühmenden Worten verkündet er die Auferstehung, die Heilstat Christi und somit die Erfüllung der Schrift (1,21–30, prägnant V. 30: VERBA replere FIDE). Er schließt die Elegie mit einer an antikisierender Lexik und Heroentopik reichen Beschreibung der Katabasis und des Sieges Christi über Tod und Lucifer ab (1,31–44), die er übergangslos in der zweiten Teilelegie mit einer Skizze der Anastasis und der Heraufführung der Gerechten aus der Hölle fortführt (2,1–6). Bezeichnenderweise erhält auch hier antikisierendes Kolorit – Christus trifft in der Hölle geradezu einen heidnischen Olymp mit Saturn, Kybele, Jupiter und weiteren Göttern an – vor eventuell etablierten Darstellungsformen aus Passions- und Osterspiel (dazu Schmidt 1915) oder auch der bildenden Kunst den Vorrang. Der Großteil der zweiten Teilelegie ist jedoch der Evokation des triumphierenden Christus selbst gewidmet. In einer fast petrarkistischen Manier der Beschreibung de capite ad pedes wird der Triumphator (2,7)

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geschildert, unterbrochen nur von einer scheinbaren Praeteritio (2,14), werden seine Wunden, auf die Bisselius in den DV ja verschiedentlich anspielt (s. u. im Kommentar), zur Zierde erklärt (2,16). Sein Schritt schließlich lässt die Landschaft in Helligkeit erstrahlen, sodass Bisselius am Ende der zweiten Teilelegie einen effektvollen Kontrast zu den densas tenebras (1,2) des Gedichteingangs setzen kann. Bevor er mit dem Ende der dritten Teilelegie auch die Klammer der Parodie schließt, indem er die Himmelskönigin abermals anspricht und geradezu eine Zusammenführung von Mutter und Sohn imaginiert (3,15f.), tritt unversehens die Landschaft Galiläas und der Umgebung in der Vordergrund, welche die Auferstehung grünend und leuchtend begrüßt. Zum Einen soll dieses ›Begrüßen‹ des Auferstandenen durch die Landschaft in der Ökonomie der Teilelegie die Begrüßung durch Maria am Schluss vorbereiten. Zum Anderen stellt die frohlockende Natur in einschlägigen Ostergedichten der Zeit keine Seltenheit dar. So vermerkt etwa Maria Magdalena in Hessus’ Heroidenbrief an Jesus (Hessus 2008, S. 186/188, V. 135–140): Et iam vicinia tota Cantat ut inferni viceris arma ducis. Reddita testatur mundus tua signa renascens, Gaudet et in reditu quicquid ubique tuo. Nunc iterum spondent Solimi sua balsama colles. Reddit odoratas Hierichus alta rosas.

Zum Dritten bereitet Bisselius mit dieser Beschreibung der Natur des Heiligen Landes auf subtile Weise die folgende Emmaus-Elegie II,10 vor. Auch dort durchstreifen die Jünger Galiläa auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus, auch dort könnte ihnen die frühlingshafte Natur (II,10,2,2–4) als Anzeichen der Auferstehung gelten, doch die beiden müssen erst Emmaus und die Erkenntnis Christi erreichen. Schließlich bemerkt der Sprecher dieser Elegie gegenüber der Gottesmutter, dass sie nun auf keine Prophetie mehr angewiesen seien, da die Schrift sich erfüllt habe (3,13f.: indice VATE / Non opus est); auch in der Emmaus-Elegie spielt die rechte Deutung der Heiligen Schrift, insbesondere der Prophet Josua eine zentrale Rolle (s. dort die Kommentare v. a. zu den Teilelegien 2 u. 5f.). Somit erweist sich die Antiphon-Elegie als sinnreicher Auftakt des Unterkapitels PASCHA; ja, wenn man die Elegien 5 bis 10 zusammen sieht, erhält man gar fast ein chronologisches Abschreiten der Heiligen Woche: Karfreitag (5f.), Karsamstag (7: Maria Magdalena vor der Begegnung mit dem Auferstandenen), Ostersonntag (9), Ostermontag (10). REGINA COELI, LAETARE] Antiphon zum Stundengebet der österlichen Festzeit aus dem 13. Jahrhundert; Verfasser unbekannt: Regina caeli, laetare, alleluja. / Quia quem meruisti portare, alleluia, / Resurrexit sicut dixit, alleluia. / Ora pro nobis Deum, alleluia. Gaude et laetare, Virgo Maria, alleluia, Quia surrexit Dominus vere, alleluia. (So im Römischen Sonntagsmessbuch von Schott, Freiburg 1958, S. 650; eine auf 1600 datierte deutsche Fassung in ›Gotteslob‹ Nr. 576).

Einführungen und Kommentare

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Zu II,9,1 1 REGINA … Coeli] Vgl. die bildliche Darstellung der Krönung Mariens durch Christus oder Mariens neben Christus auf dem Thron z. B. in den Apsiden römischer Kirchen um 1200 (Santa Maria in Trastevere)! Schon im 8. Jahrhundert wird Maria im Sermo de Assumptione Mariae des Ambrosius Rudpertus Regina caelorum genannt: Sufficere debet tantum notitiae humanae hanc vere fateri reginam caelorum, pro eo quod regem peperit angelorum. 1 novi … Coeli] Novum coelum gehört in AT und NT zur Erlösung am Ende der Zeit: z. B. Jes 65,17: ego creo coelos novos et terram novam; Offb. 21,1: Et vidi caelum novum et terram novam. Primum enim caelum, et prima terra abiit, et mare iam non est. 2 Coelum et Soles] Pleonastisch, da sol zu coelum gehört; die übliche Vorstellung ist die Erneuerung von Himmel und Erde; vgl. das vorherige Lemma. 2 iste dies] Gemeint ›Pascha‹, also Ostern, als Präfiguration der Vollendung. 3 densas … tenebras] Vgl. Lukan 7,616; Silius 12,654; Statius, Theb. 12,304; Iuvenal 12,18. 4 curas … premis] Vgl. Vergil, Aen. 4,332: curam sub corde premebat. 5 nox media] Vgl. Properz 16,1; [Seneca], Herc. Oet. 461. 7 per umbram … et urbem] Durch Alliteration gebundenes Hendiadyoin. 8 Notorum … virûm] Die im Folgenden namentlich genannten Jünger Christi. 9 arcanâ … in rupe] Vgl. Claudian, carm. 26,30: arcanae rupis inane subit. 10 Zebedaeîdas] Griechisches Patronymikon (metri causa das »i« gelängt); gemeint sind Jakobus und Johannes; vgl. den Komm. zur Johannes-Elegie I,5, dort zum Argumentum, Zebedaei filiorum minor. 10 molle cubile tegit] Die Junktur molle cubile bei Celsus, De medicina 1,3, wo sicherlich ein weiches Lager gemeint ist; dagegen ist hier offenbar die Decke gemeint. 11 capit otia] Die Junktur bei Seneca, de ira 11,10,2. 12 strata … habet] Vgl. Hieronymus, epist. 108,15: mollia … strata non habuit. 13 Vna quies omnes] Vgl. Vergil, georg. 4,184; Manilius 4,899; Ausonius, carm. 2,28: omnibus una quies jeweils am Hexameteranfang. 13 paribus … alîs] Die Formulierung bei Vergil (Aen. 4,252; 5,657; 9,14) und Ovid (met. 2,708); dargestellt wird jeweils, wie sich eine Gottheit entfernt. 14 pervigil hora] Junktur ohne Vorbild. 15 dejecto … vultu] Vgl. Ovid, met. 6,607: deiectoque in humum vultu iurare volenti.

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16 versô … lumine] Vgl. Cyprianus Gallus, Exodus 436f.: cum Iudaea manus confestim lumine verso / respicit immensas acies. 17 Suspiras … NATVM] Vgl. Cyprianus Gallus, Genesis 722: exanimem lasso suspirans pectore natum. 18 reduces … pedes] Vgl. Seneca, Ag. 401: reducem, expetito litori impressit pedem. 18 è Styge] Styx, der Fluss der – heidnischen – Unterwelt, für die ganze Unterwelt; vgl. z. B. Vergil Aen. 6,154f.: sic demum lucos Stygis et regna invia vivis / aspicies; sachlich ist der Descensus Christi in die Hölle gemeint, aus der er die Gerechten befreit; s. auch unten zu V. 25, 31f. u. 34. 19 laetus … rumor] Vgl. Ovid, Pont. 4,4,19: laeto Pontum rumore replevit. 20 aures arrige] Vgl. Terenz, Andr. 933: arrige aures; allerdings ohne die Erweiterung durch huc, die durch Contamination etwa mit animum advertere entstanden sein könnte; dabei ist die Richtungsangabe durch ad oder in gebräuchlich. 21f. LAETARE … Laetitiam] Die figura etymologica ist ohne Vorbild in der antiken Literatur. 22 pleno … sinu] Mit vergleichbarer Bedeutung bei Paulinus von Nola, carm. 21,95: ipse sinu pleno dignos miretur alumnos. 22 gaudia carpe] Die Junktur findet sich Ovid, ars 3,661; Statius, Theb. 11,184; Martial 7,47,11 und Nemesianus, ecl. 2,7, allerdings überall mit der Konnotation des Illegitimen. 23 hîc fabula nulla est] Der Bedeutung nach am nächsten Ovid, trist. 4,10,68: nomine sub nostro fabula nulla fuit. 25 Erebi] Erebos, wie Styx aus dem Griechischen stammend, Bezeichnung für die Unterwelt; vgl. Vergil, Aen. 6,403f. 26 Patris … Deus] Umschreibung der trinitarischen Position Christi, im Credo: Deus verus de Deo vero. 27 MERITI] Marias Meritum ist die Zustimmung zur Verkündigung des Engels, Lk 1,38: Dixit autem Maria: Ecce ancilla Domini, fiat mihi secundum verbum tuum. 30 plenâ VERBA replere FIDE] Die Paronomasie unterstreicht die Erfüllung der Verheißung. Auffallend fides zur Bezeichnung der Realisierung. 31 Phlegethonta] Phlegethon ist nach Homer, Od. 10,513 ein Unterweltsstrom, der zusammen mit dem Kokytos in den Acheron mündet. 32 Tartara] Nebenform – Neutrum im Plural – zu Tartaros, Bezeichnung für die Unterwelt, die – nach Homer, Il. 8,13f. – noch unter dem Hades liegt. – Die heidnisch-mythologischen Namen bezeichnen, was im Credo inferi genannt wird (descendit ad inferos).

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33 Victa … MORS] Die Überwindung des Todes gehört zur Erlösungstat Christi, die erst am Ende der Zeit zur vollen Realisierung kommt zusammen mit der neuen Erde und dem neuen Himmel; vgl. Offb. 21,4: mors ultra non erit, neque luctus, neque clamor, neque dolor erit ultra, quia prima abierunt. 34 Gehenna] Aus dem Hebräischen stammende Bezeichnung für die Hölle; vgl. Mt 5,29: Quod si oculus tuus dexter scandalizat te, erue eum et proice abs te; expedit enim tibi, ut pereat unum membrorum tuorum quam totum corpus tuum mittatur in gehennam. 34 non-falsis] Bei Bisselius gelegentlich vorkommende negative Wortbildung; vgl. II,7,2,22: Non-lapis; II,14,2,4: non-bona; II,15,13: non-extincta; III,7,37: non-malus. 35 Animam … nectit] Umkehrung der platonisierenden Vorstellung, nach der sich im Tod die Seele vom Körper trennt. 37 custos Stygis] Cerberus; die Formulierung bei Seneca, Ag. 13; der echte Singular hier verbunden mit dem kollektiven custos Sepulcri; denn bei Mt 27,66 ist von mehreren Wächtern die Rede, wie es die Tradition übernommen hat. 38 illato lumine] Eine Formulierung Augustins, serm. 4,5. 38 Noctis aves] Bei Ovid (fast. 6,159) und Statius, Theb. 10,217. 39f. bellorum fulmine, forti / Scipiadâ] Das griechisch gebildete Patronymikon zusammen mit der Charakterisierung bellorum fulmen schon bei Lukrez 3,1034: Scipiadas, belli fulmen, Carthaginis horror. 40 retulit Punica turma pedem] Wohl Anspielung auf den zweiten Punischen Krieg, an dessen Ende Scipio 220 v. Chr. das zahlenmäßig überlegene karthagische Herr in der Schlacht von Zama besiegte. 41 Furiarum … Orci] Furiae, Unterweltsdämonen, und Orcus, die Unterwelt, sind lateinischen Ursprungs. Wieder werden in einer seit dem Humanismus geläufigen Praxis heidnische Mythologica kühn für einen Ehrentitel Christi verwendet: Furiarum ingens contemptor et Orci. 42 Ventilat … manu] In bildlichen Darstellungen ›Christus mit der Siegesfahne‹ geläufig als visuelle Umsetzung der Anastasis. Vgl. etwa Pietro Peruginos Auferstehung und Himmelfahrt Christi (ca. 1490), hier Christus über dem Grab schwebend, ein Banner mit rotem Kreuz auf weißem Grund in der Linken; vgl. Art ›Auferstehung Christi‹. In: LCI, Bd. 1, Sp. 201–218 (Pia Wilhelm), zum hier genannten Typus v. a. Sp. 214 u. die Abb. Sp. 209f.

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Zu II,9,2 1 Qualisque et quantus] Die beiden Pronomina mit verschiedenen Konjunktionsformen kombiniert Vergil, Aen. 3,641; Ovid, met. 3,284; Seneca, epist. 76,32 und öfter. 1 ovaret] Die ovatio war ein minderer Triumph – Servius, Aen. 4,543: ovatio est minor triumphus –, bei dem der Feldherr nicht im Triumphwagen, sondern zu Pferd oder zu Fuß, nicht im Triumphgewand, sondern in der praetexta und ohne Szepter, nicht mit Lorbeer bekränzt, sondern mit Myrte und beim Klang von Flöten statt von Trompeten zum Kapitol zog. Dass für Bisselius die Minderung der Ehre keine Rolle spielte, zeigt V. 7, wo er Christus Triumphator nennt; vor allem wollte er den Sieg über die heidnischen Götter sichtbar werden lassen. – Auf die Metaphorik des Triumphzuges greift Bisselius auch in seiner Palmsonntags-Elegie (II,3) und im mehrteiligen Fronleichnams-Gedicht (III,22) zurück; s. jeweils dort. 2 Taenariâ … domô] Tainaron, das südlichste Kap der Peloponnes, wo sich einer der Zugänge zur Unterwelt befunden haben soll. Taenaria domus ist also Periphrase für die Unterwelt, aus der die besiegten Götter dem triumphierenden Christus folgen müssen. 4 poplite … agit] Vielleicht sind hier zwei Vorstellungen durch Abbreviatur in eins geraten und nahezu unverständlich geworden: Die Götter knien vor Christus nieder, z. B. Vergil, Aen. 12,927: duplicato poplite, und er führt sie im Triumph mit sich: agit. 5 Passim idola ruunt] Eine Götter- bzw. Götzendämmerung. 6 Laetantur … Patres] Patres sind die Gerechten und Propheten des Alten Testaments, die im Limbus Patrum, dem mildesten, weil straflosen, Teil der ›Hölle‹, vorgestellt wurden; durch Christi Abstieg in das Reich der Toten – descendit ad inferos – wurden die Väter aus dem Limbus befreit und in den ›Himmel‹ gebracht, worüber sie frohlocken. Bisselius scheut hier die konfessionelle Spitze nicht, wurde die Vorstellung vom Limbus doch von Protestanten scharf abgelehnt. 6 turba redempta] Schon bei Tertullian ist redimere und seine Ableitungen terminus technicus für ›Erlösen‹; vgl. Adversus Marcionem 4,43 (hier nach: Migne, PL 2, Sp. 466B): Nos autem putabamus, inquiunt, ipsum esse redemptorem Israhelis, utique suum Christum. 7f. rutilo … diffundit] Röte des Gesichts als Zeichen der Freude. 8 Gaudia … Laetitiam] Durch die Gaudia Christi wird Laetitia der Patres hervorgerufen, denen Christus vorangeht. 9 Vtraque … flammis] Aus Vergil, Aen. 8,680f.: (Augustus) geminas cui tempora flammas / laeta vomunt patriumque aperitur vertice sidus. Zum Plural

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utraque … tempora vgl. Lukrez 4,671: utraque enim sunt in mellis commixta sapore. 10 vibrant … jubar] Vgl. Paulinus Nolanus, carm.10,57f.: hic ergo nostris ut suum praecordiis / vibraverit coelo iubar. 11 Pallantias] So oder Pallantis heißt bei Ovid Aurora, die Göttin der Morgenröte, als Tochter des Giganten Pallas; vgl. Ovid, fast. 4,373f.: Postera cum caelo motis Pallantias astris / fulserit; vgl. fast. 6,567; met. 9,421; 15,191 u. 700. West zu Hesiod, Theogonie 376: »genealogy […] presupposed by Ovid« (Hesiod, Theogony, edited with Prolegomena and Commentary by M.L.West, Oxford 1971). 11 ad primos … ortus] Vgl. Vergil, Aen. 4,118f.: ubi primos crastinus ortus / extulerit Titan. Praeferre ad im Sinn von ›jemandem vorantragen‹ ist ungewöhnlich. 11f. Os … Purpureum] Von der Morgenröte Statius, Theb. 3,440f.: septima iam nitidum terris Aurora deisque / purpureo vehit ore diem. 13 seponit jura Tonantis] Subjekt Christus. 14 Caetera quid referam, singula] Aus Ovid, am. 5,23: singula quid referam? 15f. Quino … VULNERA] Die fünf Wundmale Christi an Händen, Füßen und der Seite; vgl. auch DV II,6,3,9; II,10,6,33; III,11,38. 16 Vulneris esse Decus] Teil der Kreuzestheologie, nach der, was in heidnischen Augen Schmach war, zur Erhöhung und Auszeichnung wurde. In ähnlicher Weise deutet Bisselius in der Emmaus-Elegie (II,10,6,33) die Wunden zu Siegeszeichen um. 17 Achaemnijs … Pyropis] Die Achaemeniden sind das persische Königshaus, das für seinen besonderen Reichtum und Prunk berühmt war. Pyropus (Feuerglanz) ist eine Goldlegierung. Die – heidnisch schmählichen – Wunden Christi überbieten nun in ihrem Glanz selbst den Prunk der Achaemeniden. 18 Plagas … Sidera] Weitere Steigerung ins Kosmische. 19 viam … molitur] Junktur bei Augustinus, civ. 16,4: tutam veramque in caelum viam molitur humilitas; zeugmatisch die beiden anderen Objekte verbunden. 22 altera terra] Über die apokalyptische Vorstellung der ›Neuen Erde‹ s. o. zu Teilelegie 1,2. Das Wunder der Neuen Erde ereignet sich proleptisch schon in der Osternacht. 23 Panchaeos … odores] Panchaea ist eine fabelhafte Insel östlich von Arabien, reich an Edelmetallen, Weihrauch und Myrrhen und ebenso wie Arabien mit der Vorstellung des Wohlgeruchs verbunden. Die Junktur bei Lukrez an derselben Versstelle: 2,417: araque Panchaeos exhalat propter odores.

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23f. Haec … Regio … Altera] Wenn Haec Regio die biblische Landschaft sein sollte, könnte Altera die des Dichters sein. 24 Rosam] Die Rose als Blume der Märtyrer schafft hier Quervebindungen zu diversen anderen Elegien der DV, v. a. zu denen des mit dieser Blume überschriebenen Kapitels (III,18–20).

Zu II,9,3 Galilaeam] Galiläa ist die nördlichste der drei westlich des Jordans gelegenen Landschaften, Siedlungsgebiet der Stämme Naphthali, Sebulon und Asser und später Wirkungsstätte Jesu. S. dazu in Bisselius’ späterer Topothesia die S. 25 u. 32. laetitiam impleri] Vgl. [Quintilian] decl. mai. 4,8: laetitiam civitatis implevi. 1 Galilaeus ager] Bezeichnet wie ager Romanus das gesamte Gebiet. 1 se … adornat] Vgl. Augustinus, Contra Fortunatum 21: se adornans anima. 2 Regia pacta] Die Junktur bei Silius 14,156: cui pacta ad regia misso. 3 Thabor] Berg am Ostrand der Jesreelebene in Nordisrael. In der christlichen Überlieferung wird er mit der ›Verklärung Christi‹ (Mt 17,1–9; Mk. 9,1–12; Lk 9,28–36) in Verbindung gebracht. Bisselius äußert sich umfänglich über den Berg in Topothesia, S. 91f., seine Belege (!) ebd. S. 133f. 3 Exultat … Thabor] Vgl. Ps 88,13: Thabor et Hermon in nomine tuo exsultabunt. 3f. vallésque … Aserides] Aser (so die Vulgata; Luther: Asser; Einheitsübersetzung Ascher), einer der Söhne Jakobs und entsprechend der Name eines der Stämme Israels; vgl. Gen 30,13; 35,26; Aserides dann die Nachkommen Assers; zu Dtn 33,24f. in der Neue(n) Jerusalemer Bibel die Anmerkung: »Ascher wohnte am Meer in einer ölbaumreichen Gegend.« Vgl. in Bisselius’ Topothesia S. 94–103 zur Tribus Asser; s. auch die hier beigegebene Karte (Abb. 2). 3 vallésque resultant] Vgl. Vergil, Aen. 8,305: consonat omne nemus strepitu collesque resultant. 4 palmite … tumet] Bei Ovid der Ablativ nicht instrumental, sondern durch Präposition bestimmt: fast. 1,152: et nova de gravido palmite gemma tumet; bzw. fast. 3,238: uvidaque in tenero palmite gemma tumet; Bisselius setzt die zwei Wörter an die gleichen Versstellen. Chana] Stadt in Galiläa, wo Jesus nach der Überlieferung seine ersten beiden Wunder getan hat; vgl. Joh 2,1–11; 4,46–54.

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6 Iordanes] Entspringt nicht auf dem Libanon, sondern am Hermon, der zum östlich vom Libanon gelegenen Antilibanon gehört. Bisselius wusste dies nicht, da er noch in seiner Topothesia schreibt (S. 21): Fluvius hic [Jordanes] […] de gemino bipartiti nominis sui fonte, sub ipsis Libani radicibus […] enascitur. 9 Fallor? an] Häufige Junktur, z. B. Ovid, am. 3,1,34; Pont. 2,8,21; 3,2,29; fast. 1,515; 5,549. 10 tota domus] Häufige antike Junktur, nie an dieser Versstelle. Welches Haus ist gemeint? Nirgends bisher ein Hinweis, dass Maria sich in einem Haus aufhält. Aber vielleicht, wie eventuell Haec und Altera Regio am Ende von Teilelegie 1, sowohl das Haus Marias wie das des Dichters gemeint. 12 Sidus … novum] Schon bei Augustinus, serm. 199,2 ist Christus selbst, dort allerdings durch seine Geburt, der neue Stern: ipse enim natus ex matre, de coelo terrae novum sidus ostendit, qui natus ex patre coelum terramque formavit. – Vgl. im Kontrast die »neuen Sterne« der irrenden Himmelsgelehrten (I,5,5,15f.). 13 indice VATE] Mit der Verwirklichung der Verheißungen verlieren die Seher der Vorzeit – teste David cum Sibylla – ihre Bedeutung; zugleich könnte auch der Dichter als Seher mitgemeint sein; vgl. etwa DV II,8,1,9. 15 Iunge oscula] Geläufiger Ausdruck; vgl. Ovid, am. 2,5,23; epist. 2,94; 18,101; 20,141 und öfter. 15 Thalia, / Siste loqui] Auch der Dichter – vates; vgl. V.13 – kann nun schweigen. – Dies wohl eine der wenigen Stellen der DV, in der Thalia als nicht identisch mit der Mutter Gottes zu denken ist. 16 Incipiunt FILIVS atque PARENS] Anspielung auf incipe, parve puer am Ende von Vergils vierter Ekloge (V. 60 u. 62), die in Mittelalter und früher Neuzeit prononciert christlich interpretiert wurde (vgl. dazu Häfner 2003, S. 265–291).

Zu Elegie II,10 (JE/TL) In einer weiteren mehrteiligen Langelegie, an Umfang mit DV I,5, III,17 oder III,20 zu vergleichen, scheint Bisselius zunächst eine plane Paraphrase der biblischen Geschichte vom Gang der beiden Jünger nach Emmaus zu bieten (Lk 24). Obwohl jedoch die sieben Teilgedichte mit den jeweils zugehörigen Bibelversen unterschiedlichen Umfanges überschrieben sind, versteht der Autor es auch hier, mannigfache Facetten, sowohl was Semantik, als auch was die Präsentationsweise der Geschichte, Amplifikation, Subtexte und Stillagen betrifft, so zu verschmelzen, dass auch diese Elegie ihrem künstlerischem Wert nach den Status der Versparaphrase weit hinter sich lässt.

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Eine in der Idylle lieblicher Frühlingslandschaft begonnene Wanderung (Teilelegie I) führt die beiden Jünger Jesu von Jerusalem nach Emmaus. Die mit viel Detailfreude und unter Berücksichtigung der geografischen Besonderheiten, die Bisselius später in seiner umfänglichen Palaestinae Topothesia (1649) behandelt, geschilderten lieblichen Örtlichkeiten und die freundliche Natur stehen in Spannung zur schweren Betrübnis (Teilelegie II), mit der beide Männer immer wieder auf die vor vier Tagen sich überstürzenden Ereignisse der Passion Christi zu sprechen kommen. Ohne Blick für die Schönheiten der Natur, welche die Wanderer hätten erfreuen können und in denen die Botschaft der Auferstehung schon zeichenhaft vorweggenommen wird, kreisen ihre Gedanken immer um dieselben Szenen und nehmen schließlich einen Irrweg, indem Auftreten und Passion Christi als irdische Verheißung gedeutet werden – diese Fehldeutung wurde von Bisselius schon in der Palmsonntags-Elegie II,3,13f. zumindest angedeutet. Eine Lichterscheinung (Teilelegie III) über den Wassern führt einen dritten Wanderer in ihre Mitte. Mit Reminiszenzen des biblischen Geschehens (See Genezareth), vor allem aber mit zahlreichen Signalwörtern der ›klassischen‹ Unterweltsvorstellung (umbrae, ater, aquae) wird Christus, der von den Jüngern nicht erkannt wird, in die Szenerie eingeführt (Teilelegie IV). Somit auch innerhalb des Geschehens mit einem Wissensvorsprung versehen, folgt der Leser der Unterredung Jesu mit den Jüngern (Teilelegie V), in deren erstem Teil die Jünger, was sie bereits in der zweiten Teilelegie begonnen hatten, Passion und Tod Jesu rekapitulieren und auf zeitgeschichtlich-politische Weise deuten, worauf der unbekannte Dritte wiederum scharf antwortet und sie aus der Schrift über die Heilswahrheiten belehrt (Teilelegie VI). Ankunft in Emmaus und Wiedererkennung Jesu durch die Jünger werden dem gegenüber knapp aber pointiert in der siebenten Teilelegie präsentiert, die Bisselius am Schluss mit einer überraschend aktualisierenden Pointe auf den Brauch des Osterspaziergangs bezieht. Bisselius lässt vor den Lesern in poetischen Bildern das Genregemälde eines Spaziergangs in biblischer Landschaft erstehen. Zwei Wanderer betreten eine Frühlingsidylle mit pittoresken Orten und sanfter Natur, wie sie vor allem in der Tafelmalerei der Zeit gegenwärtig ist. Beinahe eine Illustration zu Bisselius’ Elegie stellt das fast gleichzeitige Gemälde (ca. 1640) von Jan Wildens (1586–1653) Christus op weg naar Emmaüs (Sankt Petersburg, Eremitage) dar. Landschaft und Frühlingserwachen, das bereits in Elegie II,9 (s. o.) beschrieben wurde und sich hier nun fortsetzt, bilden einen scharfen Kontrast zum Passionsgeschehen. Die Jünger stehen unter dem Eindruck der Ereignisse, die sich seit vier Tagen (vom Ostermontag aus gerechnet), seit dem Aufenthalt im Garten Gethsemane, abgespielt haben. Ihre erinnernde Rede dient nicht der Compassio des Lesers, sondern ist ganz auf die Zeichnung ihres tiefen Schmerzes ansgelegt, der sie gegenüber der Wahrheit blind macht. Dadurch ist zugleich ihre Fehldeutung der Passion als Fehlschlag im Kampf des jüdischen Messias gegen die römischen Fremdherrschaft (etwa im Horizont des Bellum Judaicum eines Flavius Josephus; zum Komplex vgl. die Beiträge in Neusner/Green/Frerichs 1987) hinreichend motiviert, eine Deutung freilich, die ihr unbekannter Begleiter in der umfangreichsten der Teilelegien nach al-

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len Regeln der Kunst widerlegt: einerseits aus der heiligen Schrift, andererseits durch den Appell an ihre individuelle Glaubensfestigkeit, drittens – wiederum die geografischen Besonderheiten des Weges einbeziehend – anhand eines historisch und exegetisch intrikaten Exempels, der (schon onomastisch gestützten) Analogie zwischen Josua und Jesus. Bevor es jedoch zu dieser Belehrung kommt, inszeniert Bisselius den bei Lukas lapidar geschilderten ›Auftritt‹ des Auferstandenen als ingeniös amplifiziertes spectaculum einer Lichterscheinung. Im Hintergrund stehen Höllenfahrt (Katabasis) Christi und die Überwindung des Todes durch den Wiederaufstieg (Anastasis) aus dem Herzen der Erde (Mt 12,40 [nach Allioli]: »Denn gleichwie Jonas drei Tage und drei Nächte im Bauche des Fisches gewesen, also wird auch der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde seyn.«), den Bisselius als Wiederkunft des Lichts aus dem Reich der Schatten darstellt. Lässt sich schon an dieser formal-inhaltlichen Charakterisierung die starke Ausschmückung und große Bandbreite stilistischer Variationen (vgl. auch die stilkritische Bemerkung in 2,17f.) ablesen, mit denen Bisselius sich des biblischen Textes annimmt, so fügt die abschließende Teilelegie dem einen weiteren Aspekt hinzu: Hier wechselt der Dichter abermals Ton- und Stillage. Mit preziösen und evokativ-szenischen Formulierungen schließt er wieder an das Genrebild der ersten Teilelegie an. Vielleicht muss man auch hier bildliche Darstellungen im Hintergrund vermuten, etwa Marten de Vos’ (1532–1603) Emmaus-Szene (Stich von Servatius Raeven nach 1551; HAB Wolfenbüttel), die offenbar die Einladung der Jünger an Jesus zeigt. Zugleich wird die vorangestellte Bibelstelle deutlich amplifiziert, indem der Dichter das Bedrängen Jesu durch die Jünger in wörtlicher Rede und zum Teil durch Komödiensprache plastisch schildert. Dem gegenüber wird die ›Anagnorisis‹-Szene kunstvoll verknappt, jedoch mit theologischen Implikationen versehen. Erst zum Schluss verengt der Dichter alle inhaltlichen und stilistischen Aspekte, die er in seiner Emmaus-Elegie integriert hatte, auf die Figur des Cleophas und seiner Erkenntnis Christi, die er im Rahmen einer skeptischen Diagnose der eigenen Gegenwart zu den massenhaften Spaziergängern am Ostermontag in Beziehung setzt, die – anders als der Jünger – Christus nicht wahrhaft erkennen. Somit fügen sich auch die an diversen Stellen in die Elegie eingewobenen genauen Zeitangaben (1,1; 2,16; 5,1; 5,20) zu einer Chronologie vom Gründonnerstag bis Ostermontag zusammen, an deren Ende eben die Erkenntnis des auferstandenen Christus stehen sollte.

Zu II,10,1 6 ex decies septem] Von 70 Jüngern spricht Lk 10,1. 7 grandior annorum Cleophas] Nur einer der beiden Wanderer ist bei Lk 24,18 mit Namen Cleophas (Kontraktion von Cleopatros) genannt; sein höheres Alter ist offenbar daraus geschlossen, dass er auf die Frage des noch unerkannten Jesus in Lk 24,18 das Wort ergreift; vgl. unten 5,6f.

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10 Iuvenalis] ›Der Jüngere‹, demnach eine aus dem Alter abgeleitete Namensinvention des Bisselius. 12 parca Emaus] Gewöhnlich Emmaus; Flecken (castellum; daher wohl parva) in der Tribus Juda (nach Bisselius’ Topothesia an der Grenze zur Tribus Benjamin; vgl. die Karte Abb. 2); laut Lk 24,13 (von Bisselius zitiert) »sechzig Stadien von Jerusalem entfernt«; außerdem erwähnt in 1 Makk 3,40; 3,57; 4,3 u. 9,50. 13 cedrino mitratus scipio nodo] Der elfenbeinerne scipio galt als Insignie des Konsuls (vgl. etwa Tacitus, ann. 4,26) – hier (auch durch den Zedernknauf) zum christlichen Würdenzeichen umgedeutet. Einen Elfenbeinstab trägt auch der würdige Heilige Joseph in Bisselius’ Elegie I,18, s. dort 1,43f. 15f. Syrio pellita ligamina loro / veste recollecta] Vgl. Mt 3,4: Ioannes habebat vestimentum de pilis camelorum et zonam pelliciam circa lumbos suos. 18 terra Sioni] Gegend um Zion (= Jerusalem) 24 Idumaeis iugis] Idumaea wird die Gegend zwischen Totem Meer und Rotem Meer (hebr. Edom) genannt; bei Bisselius (Topothesia, Karte vor S. 1)bildet eine Bergkette die Südgrenze Palästinas zum Idumea Regnum. 24 Palma] Vgl. Teilelegie 6,13. 26 Cedros] Vgl. Teilelegie 6,14. 28 coeruleo situ] Valerius Flaccus 3,398–390: Est procul ad Stygiae devexa silentia noctis / Cimmerium domus et superis incognita tellus / caeruleo tenebrosa situ. 29f. Hinc … suas] Die detaillierte Landschaftsschilderung ist offenbar angeregt von der zeitgenössischen und älteren darstellenden Kunst; das Sujet ›Weg nach Emmaus‹ war ein beliebtes Motiv in der Tafelmalerei, etwa bei Lelio Orsi (ca. 1508–1587) I pellegrini di Emmaus (1560–1565; London, National Gallery) und Jan Wildens (s. o., Vorspann). Sicherlich ist für eine genauere Rekonstruktion auch die zeitgenössische Druckgrafik nach Marten de Vos oder Pieter Coecke van Aelst (1502–1550) nicht zu vernachlässigen. 31 Anathota] Stadt in der Tribus Benjamin, die (Jos 21,18) den Leviten anvertraut wurde. 31 humiles colles] Vielleicht ein Reflex der Namensetymologie, ›Gehorsam‹ nach Hieronymus, Liber interpretationis hebraicorum nominum: Anathoth obediens. 33 Cariathiaris … aspectu clades, bellicaque acta novans] Kariathaim liegt in der Tribus Juda; die von den Israeliten (Jos 13,19) eroberte Stadt wurde laut Jer 48,1 später von den Moabitern eingenommen und zurückerobert: »So spricht der Herr der Heerscharen, der Gott Israels, zu Moab: Wehe über Nabo, denn es ist verwüstet und zu Schanden geworden; eingenommen ist Kariathaim … «

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35f. horribili populorum funere plexa / Bethsamis] In Bethsames in der Tribus Juda stand die Bundeslade nach der Rückführung aus der Stadt der Philister; die Einwohner der Stadt und das übrige Volk wurden bestraft, » … weil sie die Lade des Herrn beschaut hatten. Er schlug von den Einwohnern siebenzig Mann, und fünfzigtausend vom übrigen Volke« (1 Sam 6,19). Vgl. auch Num 4,20: »Andere sollen nicht aus Neugier zusehen, was im Heiligthume ist, bevor es verhüllt wird, sonst werden sie sterben«; paraphrasiert in Topothesia, S. 59f. 37 Gabaon, latissima moenia] Stadt in der Tribus Benjamin; berühmt durch den entscheidenden Sieg der Israeliten unter Josua über die Amorrhiter (Jos 10,1– 15); die ausgedehnten Mauern sind erwähnt in 1 Kön 3,4; vgl. Topothesia, S. 63. 40 herba natat] Vgl. DV II,14,1,26: Vndabat … Ceres und II,14,1,30: segetum fluctibus ibat ager.

Zu II,10,2 1 Caetera quid memorem] Geläufige Formel der Praeteritio, hier mit wörtlicher Nähe zu Horaz, sat. 1,8,40: singula quid memorem; häufig auch bei Vergil. 7 flammivomi] Episches Kompositum seit Juvencus (4. Jahrhundert); bei ihm an prominenter Stelle: Juvencus, praef. 23. 10 medio nox rediviva die] Erstes (vorausweisendes) Passionsmotiv der ›Sonnenfinsternis‹ aus den synoptischen Evangelien, etwa Mt 27,45: »Von der sechsten Stunde an aber entstand eine Finsterniß über die ganze Erde bis zur neunten Stunde.« – Vgl. auch unten, Teilelegie 3,22 u. 26. 13 sermones alternabant] Ähnliche Junktur bei Augustinus, De natura et origine animae 1,18,30: Cum itaque isti sic inter se alternante sermone certaverint. 14 materies Christus] Vgl. Teilelegie 6,4. 16 quartus] Gründonnerstag (gezählt ab Ostermontag, an dem der Gang erfolgt). 16 proximiorque dies] Karfreitag. 17f. narrabant … dolor] Christliches an der Sprache der Bibel ausgerichtetes Stilideal des sermo humilis: »Die Geburt im Stalle zu Bethlehem, das Leben zwischen Fischern und Zöllnern und anderen beliebigen Personen des alltäglichen Getriebes, die Passion mit all ihren realistischen und würdelosen Vorgängen paßte weder zum Stil der erhabenen Beredsamkeit noch zu dem der Tragödie oder des großen Epos.« (Erich Auerbach: Literatursprache und Publikum in der lateinischen Spätantike und im Mittelalter. Bern 1958, S. 43) Höchst luzide am Beispiel von Andreas Gryphius’ Dichtung erläutert diese Stildiskussion Krummacher 1976, S. 393–434.

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19–38 hortus … locis] In der erinnernden Rede der Jünger werden Stationen und Szenen der Passion rekapituliert, und zwar in folgender Auswahl (nachgewiesen sind vorzugsweise die Stellen in Mt): 19 Ölberg (Mt 26,30); 20 Gebet im Garten Gethsemane (Mt 26,36); 21f. Judaskuss (Mt 26,49); 23 Ohr des Malchus (Joh 18,10); 23f. Verleugnung Petri (Mt 26,69); 25f. Jesus vor Annas und Kaiphas (Joh 18,13), 27 Jesus vor Pilatus (Mt 27,26), 31f. Geißelung und Dornenkrönung (Mt 27,29); 33 Jesus trägt das Kreuz (Joh 19,17); 34 Essigschwamm (Joh 19,29); 35 die beiden Schächer (Mt 27,44); 36 die Kreuzigung (Mt 27,35); 37 Sonnenfinsternis (Mt 27,45); 38 Erdbeben (Mt 27,51). Die Szenen werden teils noch einmal gegenüber dem unerkannten Jesus referiert; vgl. 5,9–20. – Bisselius hat dieses ruminierende Vor-Augen-Stellen der Passion bereits in seinem hoch affektiven Karfreitags-Gedicht (dort in direkter Ansprache an den Leser) inszeniert; vgl. oben zu Elegie II,5. 21 Judas ruber] Ruber synonym zu ›sündhaft‹; vgl. Jes 1,18f.: si fuerint peccata vestra ut coccinum quasi nix dealbabuntur et si fuerint rubra quasi vermiculus velut lana erunt. 26 relligionis] Häufig anzutreffende Konsonantendopplung zur Längung der kurzen ersten Silbe von religio in daktylischer Dichtung. 39–42 Messiamque … jugo] Cleophas und sein Begleiter deuten den Lebensweg des Messias als Verheißung irdischer Befreiung und überhören Jesu eigene Worte: regnum meum non est de hoc mundo (Joh 18,36); diese ›säkulare‹ Deutung ist vorgeprägt in den Prophezeiungen des Jes 9,1–7 u. 11,1–10; vgl. unten die Wiederaufnahme in Teilelegie 5,17f. 42 libera colla jugo] Beliebte Junktur seit Claudian, carm. 18,6: et pateant duro libera colla iugo.

Zu II,10,3 3 Silonia rupes] Siloa/Siloe, Quelle bzw. Gewässer in den Bergen Jerusalems, erwähnt in Joh 9,11: »Gehe hin zu dem Teiche Siloe und wasche Dich!« 4 tragoedia] Zur bei Bisselius häufig anzutreffenden Theatermetaphorik vgl. unten zu 5,1. 6 ex horto hortus nascitur atque logus] Zu ergänzen: ex logo; diese Ellipse soll vielleicht eine ehrfürchtige Scheu vor dem ›wirkenden Wort‹ zum Ausdruck bringen. 10–14 Et ventum … aquis] Passage, in der mehrfach Bilder und Wörter auftauchen, die den Bereichen Dunkelheit und Unterwelt zuzuordnen sind: 10 atra; 11 nigra ilice; 12 nigrarantque lacum; 13 vivis umbris; 14 aquis. 10 Aialon atra] Die ›Dunkelheit‹ von Aialon ist aus dem Halt der Gestirne über Gabaon und dem Tal Aialon unter Josua abgeleitet: »Sonne, bewege dich

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nicht gegen Gabaon, und Mond, nicht gegen das Thal Ajalon!« (Jos 10,13); vgl. unten zu 6,23–39. 11 nigra pendentes ilice sylvae] Zur Schilderung des locus horribilis bedient sich Bisselius eines Vergilzitats (Aen. 9,381f.): silva fuit late dumis atque ilice nigra / horrida. 15 torserat ora sitis] Properz 4,9,21: sicco torquet sitis ora palato. Zur spirituellen Metaphorik des körperlichen und geistlichen Durstes s. u. zu 6,40–42. 18 Najas] Wassernymphe, die metonymisch für ›Gewässer‹ steht. 19 ecce tibi] Beliebtes Eingangssignal seit Vergil, Aen. 3,477: Ecce tibi Ausoniae tellus: hanc arripe velis. 20 semireducta] Das seltene Kompositum findet sich bei Ovid, ars 2,614. 22 splendor] Biblisch mehrfach ein Zeichen der Präsenz Gottes, z. B. Ez 10,4: et atrium repletum est splendore gloriae domini. 22 umbrarum more] ›Schatten‹ ist im Sinne von ›Totenschatten‹ und als Anspielung auf den descensus Christi ins Totenreich zu verstehen. 24 supra undas impete cymba movet] Reminiszenz an das Wandeln Jesu auf dem See Genezareth in Mt 14,25f. 24 impete] In daktylischer Dichtung häufig statt impetu, z. B. bei Ovid, met. 8,359: In iuvenes certo sic impete vulnificus sus; abermals unten in Teilelegie 7,19. 26 solari maius lumine lumen] Die Junktur solare lumen ist erst sei Beda Venerabilis (735), De tabernaculo nachweisbar und setzt die Existenz eines lumen maius (Gott) in christlicher Weltanschauung voraus. Zugleich klingt hier deutlich liturgischer Sprachgebrauch (lumen de lumine) an. 1640 verwendete Jacob Balde in ähnlicher Weise die Symbolik des ›göttlichen Lichts‹ in seiner Heliotropium-Ode (Lyr. 4,48); vgl. dazu ausführlich Herzog 1976, S. 9–43. 27f. quod … aquis] Die Erscheinung wird vom Jünger mit deutlichen Bezügen zur Überwindung des Todes (umbrosas lymphas) durch das Ewige Leben (coelum) beschrieben.

Zu II,10,4 1 spectacula] Abermals greift Bisselius auf Metaphorik des Theaters zurück; vgl. I,2,1,22; I,5,3,6; I,23,27; II,2,31; II,17,1,34; III,17,4,63 sowie oben, Teilelegie 3,4. 4 pupula] Im Sinne von ›Auge‹ etwa bei Horaz, epod. 5,40.

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5f.] Der optische Eindruck der Jünger beherrschte bislang die Darstellung. Nun wird er vom akustischen abgelöst. 5 Insimul] In dieser Form etwa bei Statius, silv. 1,6,36. 6 celeri calce] Ähnlich Schede Melissus 1585, Buch III, S. 12 (epigr. Ad Christophorum Comitem Palatinum, V. 2): Arduus, et celeri calce fatigat humum. 10 Nec … Homo] Die schon in V. 9 durch reihendes nec begonnene Periode drückt einerseits aus, dass der dritte Reisende völlig unerkannt bleibt, zugleich wird aber durch die Majuskel des Homo auf des Pilatus Ecce Homo (Joh 19,5) und somit auf die Identität Christi angespielt.

Zu II,10,5 1 Continuò alloquitur] Elision oder Synaloephe unterstreicht hier gleich zu Beginn auch lautlich, wie schnell der unerkannte Christus die Jünger anredet. 1 Pridem, ac pridem] Ebenfalls durch Majuskel hervorgehoben, flicht der Sprecher hier mittels der Zeitangabe eine Anspielung auf die Auferstehung ein. 2 querulo nectere verba sono] Die Formulierung ist kombiniert aus: Statius, Theb. 8,636: Talia [verba] nectebant, subito cum pigra tumultu […] und Properz 3,6,16: rettulit et querulo iurgia nostra sono? 5 quid caussae est?] Eine sinnig kontrastierende Allusion auf Horaz, sat. 1,1,20– 22: Quid causae est, merito quin illis Iuppiter ambas / Iratus buccas inflet neque se fore posthac / Tam facilem dicat, votis ut praebeat aurem? – Während Horazens Jupiter sein Verschwinden ankündigt, ist hier der christliche Gott in Christo ja gerade gegenwärtig. 5–7 justa … accusat] Die gegenüber dem dürren Bibeltext des Argumentum wertende amplificatio des Bisselius hebt den Irrtum der Jünger deutlich hervor. 8 Instat … premit] Die Wortwahl gemahnt an Darstellungen eines unerschrockenen Helden auf dem Kampfplatz, etwa: Vergil, Aen. 10,433: hinc Pallas instat et urget; Statius, Theb. 6,858f.: Agylleus / sponte premit parvumque gemens duplicatur in hostem. 8 intrepida voce] Vielleicht nach Seneca, Phaedr. 593: intrepida constent verba. 9 ab ovo] Sprichwörtlich für die umständliche Erzählung seit Horaz, ars 147. 10 Ruminet historiam] ›Juvenals‹ Erzählung wird somit nicht nur – konform mit dem Titel der gesamten Elegie – abermals als historisch-empirische Wahrheit apostrophiert, sondern zugleich auch durch das Verb ruminare als Akt der Meditation gekennzeichnet; vgl. Ruppert 1977. Im Hintergrund steht sicherlich auch jesuitische Meditationspraxis, s. etwa (im Blick auf Friedrich Spee) Eicheldinger 1991, S. 54f. u. 100–131.

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11 Excepit] Excipere hier wohl über die Bedeutung ›aufnehmen‹ hinaus sogar physisch als ›stützen‹ gedacht: Der weinend zusammenbrechende ›Juvenal‹ wird von Cleophas gehalten, der zugleich auch die Rede fortführt. 11f. flentem … Flens] Das Polyptoton unterstreicht die starke emotionale Reaktion der beiden, die offenbar durch das abermalige Vor-Augen-Stellen der Lebens- und Leidensgeschichte Christi hervorgerufen wird; vgl. dazu Rahner 1957. 12–20] Die nun eingeschaltete wörtliche Rede des Cleophas rekapituliert Kreuzestod und Grablegung Christi, setzt also die oben bereits begonnene Rückschau auf das Passionsgeschehen (2,19–38) fort, die Bisselius in einer der Elegien zum Karfreitag bereits affektreich dargestellt hatte (vgl. oben II,5). Solche inserierten Passionsdarstellungen sind in humanistischer und barocker Dichtung keine Seltenheit, begegnen etwa oftmals in Gedichten, die Magdalena am Grab zeigen; vgl. etwa Hessus 2008, S. 180/181 (Maria Magdalena Jesu Christo, V. 29–56), Pontanus 1594, S. 318–321 (Mariae Magdalenae ardentissima ergo Iesum caritas, V. 31–44 u. 89–122). 13 Nasaraeus] Anspielung auf die dreisprachige Tafel am Kreuz Jesu: Iesus Nazare(n)us Rex Iudeorum, eine Bezeichnung, die von den Jüngern falsch gedeutet wird (s. o., 2,39–44). 14f. Dux … dux] Die zweimalige Bezeichnung ›Anführer‹ für Jesus zeigt nicht nur den gesteigerten Affekt der Rede an, sondern könnte hier eine prononciert jüdische Deutung des Messias nahelegen. 16f. Spes … Spes erat] Wie schon als dux, wird Jesus nun – nicht weniger emphatisch – zweimal als ›Hoffnung‹ bezeichnet, freilich fälschlich, wie das Imperfekt erat anzeigt: Die in Gegenwart und Zukunft wirkende Heilstat Christi wird von Cleophas verkannt. 17f. Hebraeis … jugo] Cleophas’ Fehldeutung wird nun, im Anschluss an Teilelegie 2,39–44 (s. o.), als eine politische kenntlich, die Jesus als ›Messias‹ im Sinn der jüdischen Hoffnung auf eine Restitution des Königtums deutet (vgl. den Vorspann sowie, aus neutestamentlicher Perspektive: George MacRae S.J.: Messiah and Gospel. In: Neusner/Green/Frerichs 1987, S. 169–185). Die Deutung entspricht übrigens ex negativo den Erwägungen der Hohenpriester in Joh 11,48 (nach Allioli): »Wenn wir ihn so lassen, werden alle an ihn glauben; und die Römer werden kommen, und unser Land und Volk wegnehmen.« 20 Tertius … Dies] Durch Majuskel wird der bereits im biblischen Argumentum zitierte Umstand hevorgehoben, dass Cleophas mit dieser Äußerung das Heilsversprechen Jesu, am dritten Tage wiederzukehren (Mt 12,40, »das Zeichen des Jonas«) nennt, ohne dass er es selbst bemerkte.

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Zu II,10,6 1 lacrymis … obortis] Lexikalisch und situativ nachgebildet wird Ovid, met. 6,495: Pandion comitem lacrimis commendat obortis. 2 non sine fronte] Hier wohl im Sinne von Horaz, carm. 3,29,16: sollicitam explicuere frontem. 3 Tertius] Der Versbeginn greift den »dritten Tag« vom Schluss der vorangegangenen Teilelegie wieder auf und leitet so die in drei knappen parataktischen Sätzen folgende Identifizierung Jesu – freilich nur durch den Leser – ein. 4 nobile Funus] Martial 8,30,5/6. 6 Fulmineo … jacit] Sinntragende Allusion auf Jupiter, nahegelegt schon durch das Adjektiv von fulmen – ›Blitz‹; die Formulierung ähnelt der Ansprache Jupiters an die Nymphen in Ovid, fast. 2,590: et iacit in medio talia verba choro. – Jesus zeigt hier gewissermaßen »im Donnern« seine Göttlichkeit, wird jedoch nicht erkannt. 7 vecordia] Ein starkes Wort für ›Wahnsinn‹, etwa: Ovid, met. 12,227; Sallust, Iug. 99,3 (über die kampfunfähigen Mauren und Gaetuler); Silius 5,627 (vom Wahnsinn des Krieges); bei Tacitus gängig für den Irrsinn von Herrschern oder hochgestellten Personen: ann. 11,26,1; 14,62,4; 16,3,2. 8 alma Fides] Auch im Kontext einer Deszendenz-These bei Silius 6,131f.: sedem / ceperat alma Fides mentemque amplexa tenebat. 9–12] In einer Reihe durch anaphorisches Creditis eingeleiteter Fragen fordert der unerkannte Jesus geradezu ein Glaubensbekenntnis ein. Hier wird gleichsam die Form des Katechismus in einer besonders privilegierten, da von Jesus selbst kommenden, Glaubensunterweisung präfiguriert. 9 arcanae … oracula chartae] Wohl auf die, christlich gedeuteten, Sibyllinischen Orakel bezogen; vgl. Elegie I,5,5,3 und den Kommentar dazu. 10 Isacij … carmina Ducis] Wohl auf König David als einen der ›Anführer‹ Israels gemünzt, dessen Psalmen in der Frühen Neuzeit als christliches Gegenstück zu antiker Lyrik und Hymnik profiliert wurden. 11 Hebraei … Cantica Regis] Durch das Signalwort Cantica eindeutig auf das Hohelied zu beziehen, das seit Origenes allegorisch auf das Verhältnis Gottes oder des göttlichen Logos zur Kirche oder zur Einzelseele hin interpretiert wurde; vgl. Ohly 1958, hier S. 17–25 zu Origenes. 12 in Divis vatibus esse Deum] Als letzte Instanz werden die Propheten (v. a. zu denken an Jesaja, Daniel, Jona und im Blick auf die Auferstehung Hosea 6,2) genannt, deren direkte Inspiration prägnant durch inesse Deum ausgedrückt wird. Ähnliche Formulierungen (Deus inesse … in … ) antik bei Cicero, nat. deor. 1,52, christlich gewendet dann bei Origenes (transl. Rufino), De principiis 3,6,2.

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13–15 Non tot … Quot] In einem reihenden, hyperbolischen Vergleich mit der Flora des vorderen Orients wird, immer noch im Munde Christi, die Deutlichkeit der Überlieferung herausgestrichen. 13 Palma Phoenix] Gräzisierend für das palmenreiche Phönizien, zugleich ein Wortspiel, da griech. foi/nic auch ›Dattelpalme‹ bedeutet. Bisselius setzt so einen Bezug zu den Elegien II,2–4 (v. a. II,4,1,3) und I,18,5,20–27; vgl. auch oben Teilelegie 1,24. 13 Pruna Damascus] Damaskus galt als Hauptlieferant für Pflaumen; prägnant etwa bei Serenus im Liber medicinalis (ed. Vollmer, Leipzig 1916), cap. 27, V. 517: prunaque conveniunt, quae mittit clara Damascus. (Serenus’ Dichtung wurde u. a. bei Forschauer in Zürich 1541 gedruckt, konnte Bisselius also bekannt sein.) 14 Libanus Cedros] Die sprichwörtlichen Zedern des Libanon, hier womöglich mit einer sinnreichen weiteren Anspielung auf Salomon versehen, der in 1 Kön 4,33 u. 5,6 zu Libanonzedern in Beziehung gesetzt wird; vgl. auch oben, Teilelegie 1,26. 14 Iericho Rosas] Die legendäre Rose von Jericho; zusammen mit der Libanonzeder als Vergleich gebraucht bei Sir 24,17f.: quasi cedrus exaltata sum in Libano et quasi cypressus in monte Sion et quasi palma exaltata sum in Cades et quasi plantatio rosae in Iericho. 15 de Rege novo] Die Formulierung meint nicht nur den »kommenden König«, sondern auch einen »neuartigen« in dem Sinne, dass er von den jüdischen Erwartungen an den Messias, wie ›Juvenal‹ und Cleophas sie hegen, abweicht (vgl. oben zu Teilelegie 5,17f.). 15 mysteria promunt] In dieser Junktur und ebenfalls in einer Aufforderung an die Zuhörer, die Tradition zu berücksichtigen bei Augustinus, Enarratio in Psalmum 109, 17 (nach Migne, PL 37, Sp. 1460): Non ergo opus est mysteria promere; Scripturae vobis intiment quid est sacerdotium secundum ordinem Melchisedec. 16 In nocte est] Vgl. Gregor der Große, In librum primum Regum variarum expositionum libri sex 4,4,61 (Migne, PL 79, Sp. 275D): Ignorans ergo, in nocte est; cum illustretur, in die. 17f. At … fingebant.] Scharf adversativ wird die politisch-messianische Deutung der Jünger ausdrücklich als Fiktion verworfen. 18 vestratia Somnia] Diese lexikalische Abqualifizierung der messianischen Ideen auf Seiten der Jünger (womöglich auch mancher, gar jüdischer, Zeitgenossen des Bisselius?) beruht implizit auf dem Satz Jesu »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« (Joh 18,36). 18 I … lege!] Womöglich Anspielung auf das Tolle, lege des Augustinus (conf. 8,12,29).

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19f. PASSVRVS … rubens.] Effektvoll knapp konterkariert Jesus das Königsbild der Jünger mit dem Verweis auf die Passion als zentrales Heilswirken: Die wichtigsten Begriffe werden durch Versalien hervorgehoben, zugleich in einem fast schon arguten Vergleich der Purpur eines Königsmantels durch das rote Blut des Heilandes ersetzt. 21–34] Jesus flicht ein typologisches Exempel ein, das sich unmittelbar an der umliegenden Landschaft orientiert, somit die biblische Ekphrasis der ersten Teilelegien fortsetzt. 21f. Hanc … Hanc … aspicite!] Das anaphorische Demonstrativpronomen steigert die Intensität des Aufrufs an die Jünger, nun endlich die Augen zu öffnen, zusätzlich. 23 AIALON] Die bereits erwähnte Stätte (vgl. oben 3,10) und das Wirken Josuas dort werden nun von Christus zunächst historisch in Erinnerung gerufen. Bisselius widmet der Schlacht und der im Tal von Aialon stillstehenden Sonne eine eigene Elegie in seinen späteren Deliciae Aestatis, S. 133–139 (I,23). 25 nomina servat] Nach Vergil, georg. 2,240 (von einem unfruchtbaren Landstrich): nec baccho genus aut pomis sua nomina servat. 26 Quina tropaea] Josua besiegte den vereinten Heerbann von fünf Königen; vgl. Jos 10,5. 27f. IOSVA … stetit.] Recht enge Versparaphrase von Jos 10,12f.: dixitque coram eis sol contra Gabaon ne movearis et luna contra vallem Ahialon, steteruntque sol et luna donec ulcisceretur se gens de inimicis suis. – Womöglich schwingt hier, über den biblischen Bezug hinaus, auch eine Spitze gegen neuere astronomische Theorien zu Bisselius’ Zeit mit: Wenn Sonne und Mond standen, müssen sie, v. a. die Sonne, sich zuvor bewegt haben, ein Argument, das gegen die Thesen des Kopernikus und Galileos immer wieder vorgebracht wurde; vgl. etwa Luther, Tischreden, Bd. 4, S. 412f., Nr. 4638 (WA, Abt. 2,4), sowie Finocchiaro 1989, S. 134f. (Niccolò Lorinis Einwände), 136f. (zu Giovani Caccinis Josua-Predigt in Florenz) u. ö. – Bisselius selbst scheint in den DV verschiedentlich auf den umstrittenen Florentiner Astronomen anzuspielen; vgl. I,5,16 und I,17,2,17. 29 debellatum est] Häufige Formulierung für eine Entscheidungsschlacht, s. etwa Livius 2,26,6; 2,31,2; 7,28,3; 34,17,4 u. ö. 29 Exemplum … fiat.] Jesus schließt, deutlich durch das Wort Exemplum markiert, eine Auslegung an, die Josua zu ihm selbst in Beziehung setzt; vgl. Bisselius’ ähnlicher Verseingang in II,8,2,1. 30 Victor … erat.] Die verdoppelte Formulierung betont das direkt auf die Mitteldihärese folgende Tristis: Josua siegte durch Vernichtung feindlicher Heere und Zerstörung von Stadtmauern, was im Kontrast zum Sieg Christi im Folgenden steht.

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31 Nomen … Ductor.] Zunächst wird jedoch die Namensgleichheit Jesu und Josuas ins Spiel gebracht. Im Hintergrund mag Origenes stehen, der in einer Reihe von Homilien die Kriegszüge Josuas mit dem Heilswirken Jesu verknüpfte, v. a. über die Namensgleichheit beider; vgl. Origenes, Homilie 1, hier v. a. Kap. 3, wo Origenes die Übertragung vom Sohn Nuns auf Jesus von Nazareth anhand des Namensgleichheit vornimmt (vgl. die moderne Edition Origenes 1960, S. 100; dt. in Elßner/Heither 2006, S. 19–24, v. a. S. 20/21). 32 Iosua … agit.] Doch durch den direkten Vergleich (multum – plus) wird sogleich die Differenz zwischen den Verdiensten betont. 33f. Hic … diem.] In einem arguten Distichon werden die Fünfzahl sowie die Befehlsgewalt über die Sonne als Vergleichspunkte zwischen beiden ›Heroen‹ aufgezeigt: Während Josua fünf feindliche Heere vor Gabaon besiegte, siegte Christus (über den Tod) durch seine fünf Wunden; während Josua mit Gottes Hilfe Sonne und Mond anhalten ließ (s. o. zu 6,27f.), um den Tag zu verlängern, so verdunkelte sich, als eines der Prodigien, während Christus starb, die Sonne am hellen Tage (Mt 27,45), worum die Jünger nachweislich (s. o. 2,10) wissen. Der Rückgriff auf die fünf Wunden Jesu verbindet diese Teilelegie überdies mit der unmittelbar vorangegangenen II,9,2,15–17 sowie mit der Passions-Elegie II,6,3,9. 35 HAEC] Der Versaldruck weist auf das Gewicht von Jesu Lehre hin, deren weiterer Inhalt in einer Praeteritio gerafft wird. 37 Gabaë … nota] Gemeint ist die Hügelkette von Gelboë (auch Gilboa), wo Sauls Heer von den Philistern vernichtend geschlagen wurde und er selbst sich ins Schwert stürzte (1 Sam 28,4–31,5); Bisselius diskutiert die Beschaffenheit es Ortes ausführlicher und im Rückgriff auf Ludolfs von Sudheim (als »Rudolphus de Suchen«) De itinere Terrae Sanctae liber (Antwerpen, ca. 1485, dt. 1584 u. 1609) und Christianus Adrichomius’ (Christian Kruik van Adrichem) Theatrum Terrae Sanctae et Biblicarum Historiarum (Köln 1590) in seiner Topothesia, S. 83f. u. 153. (Zu den genannten Gewährsleuten s. Röhricht 1890, S. 78 zu Ludolf u. S. 209 zu Kruik, wenngleich über ein anderes Werk.) 38 tecta dabat.] Ähnlich Ovid, ars 2,622: quercus tecta cibumque dabat. 39 audita bibebant] Wohl variierend nach Horaz, carm. 2,13,32: bibit aure vulgus, oder Properz 3,6,8: suspensis auribus ista bibam. 40 frangere lympha sitim] Bereits durch (metaphorisches) bibere im letzten Vers vorbereitet, greift die Formulierung präzise jene Passagen in Teilelegie 3, V. 7f. u. 15f. auf,. in denen vom Durst der Jünger die Rede ist: Während dort ihr Gespräch untereinander den Durst nur vergessen lassen konnte, stillen ihn die Worte Christi nun (emphatisch: frangere), wobei auch ein geistlicher Nebensinn bei diesem ›Durst‹ mitzubedenken ist. – Sprachlich ähnlich Angelo Poliziano: Carmen ad Bartholomaeum Fontium, V. 25: Cum propior valeat tollere lympha sitim.

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41f. Sed sitis … cient.] Bisselius variiert die Bedeutung von ›Durst‹ weiter, indem er ihn nun auf die Sehnsucht nach dem Wort Gottes bezieht. 42 Regia] Ebenso variiert er das Adjektiv zu rex, einem Wort, das bereits im Gedicht prekären Interpretationsspielraum aufwies (s. o. 6,3, 15 u. 19). Hier bezieht es sich sicherlich – gleichsam als Erzählerkommentar – auf Christus als Sohn Gottes, obwohl die Jünger ihn noch nicht erkannt haben. 43 Pectora flagrabant] Entsprechend dem Bericht bei Lk 24,33: et dixerunt ad invicem nonne cor nostrum ardens erat in nobis dum loqueretur in via; zur Formulierung vgl. Claudian, carm. 7,74f.: ardor erat! quanta flagrabant pectora voto / optatas audire tubas […]. 43 Strophiô] Im Sinne von ›Kranz‹ bei Vergil, Copa 31f.; ebenso wohl Cicero, har. resp. 44; Catull 64,65. – Hier im Zusammenspiel mit umbrâ wohl eher als ›Geflochtenes‹ (griech. stre/fein) im weiteren Sinne, etwa eines Strohhutes oder auch einer Laube oder Überdachung zu verstehen. (Hier mögen abermals bildkünstlerische Darstellungen im Hintergrund stehen.) 44 Zephyros] Einmal mehr ruft Bisselius die Frühlingswinde, nun als kühlende, auf und verknüpft so die Schlussverse dieser Teilelegie mit der ebenfalls biblisch-›historischen‹ Elegie I,9: Der Dreizahl der Jünglinge im Feuerofen dort entspricht die Dreizahl der Wanderer hier; wie jene von Engelshand gerettet wurden, so hat Gott selbst (in Gestalt Jesu) diese hier belehrt. 44 INTVS at ignis erat.] Sinnreiche Umkehrung von Ovid, epist. 16,105: Ardebam, quamvis hinc procul ignis erat.

Zu II,10,7 1 Emaunta suam] Das an sich merkwürdige Personalpronomen könnte andeuten, dass den beiden Jüngern nun ihr persönliches ›Emmaus‹ im Sinne des Erkennens Christi bevorsteht; vielleicht liegt darin auch eine Anspielung auf Bisselius’ kritische Schlusspointe (s. u. zu 7,25f.) 2 Vlteriùs … iter] Nach Vergil, Aen. 5,32: Quoque vocat vertamus iter. 3 Suadaque … centuplice] Suada ursprünglich wohl röm. Göttin der Überredung (so Ennius nach Gellius 12,2,3 [Konjektur]), gelegentlich auch für eine copiöse Rede im Positiven wie Negativen gebraucht. In dieser preziösen Junktur stellt sie das Einreden der Jünger auf ihren Begleiter recht plastisch vor Augen. S. auch die Formulierung im Folgevers. 4 injiciúntque manus] Geradezu szenisch nach: Ovid, fast. 6,525 (von Mänaden!): iniciuntque manus puerumque revellere pugnant; ars 1,116 (von zudringlichen Herren im Theater!): virginibus cupidas iniciuntque manus. – Dass ausdrücklich von körperlichen Kontakt zu Jesus die Rede ist, könnte über den direkten biblischen Bezug hinaus auch auf die Episode vom ungläu-

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bigen Thomas verweisen, der erst durch die Berührung der fünf Wunden vom Heilsgeschehen überzeugt wird (Joh 20,19–29). 5 Quid facis?] Ovid, fast. 2,386; 3,496; 4,556 u. ö.; inhaltlich nahe läge auch am. 2,5,29: quid facis? exclamo quo nunc mea gaudia defers? 5 Occiduum … aequor] Als Junktur gerade für Himmelskörper etwa bei Avienus 753 u. 1263. 6 Densaque … umbra] Ähnlich Tibull 3,7,153. 6 Ephramijs montibus] Weniger die Bergkette der Tribus Ephraim, sondern Berge, die gen Ephraim liegen, sprich westnordwestlich von Emmaus: Hebron und Ephron; vgl. die Karte sowie Bisselius’ Beschreibung in Topothesia, S. 45f. 7 Si sapis … videtur)] Statt Si sapias, häufig in der Komödiensprache, etwa Plautus, Bacch. 1027; Curc. 28; Most. 515; Terenz, Eun. 76 u. ö. Bisselius spinnt die lebhafte Überredungsszene, auch in der eher kolloquialen Formulierung der Parenthese, sprachlich aus, zumal vor dem Hintergrund des knappen biblischen Prätextes. 8 Quaeso, mane] Durch Umkehrung dem Pentameter angepasst, stammt auch diese Formulierung oft aus Komödien, etwa Plautus, epist. 204; Poen. 807. 8 lucra feres] Klassisch wäre lucrum/lucri facere gängiger, vielleicht hier auch Andeutung einer kolloquialen Variante, welche die Szenerie lebendig machen soll. 9f. Ter … ter … erat.] Die rituelle Dreizahl mag an Umgangsformen des vorderen Orients angelehnt sein, evoziert aber auch sprachlich die Creusa-Szene aus Vergils Aeneis (die Similie hier 2,792–794). 12 COENA MERVMque] Die Versalien heben die Analogie, ja: Wiederholung das Abendmahles und so auch die Eucharistie insgesamt hervor (vgl. III,21– 23). Abermals weiß der Leser mehr als die anwesenden Jünger. 13 Azymus … volebat)] Das ungesäuerte Brot des Passah-Festes deutet im christlichen Sinne auf Ostern. Sprachlich vgl. Lk 22,1: adpropinquabat autem dies festus azymorum qui dicitur pascha. 14 PANIS] Abermals durch Versaldruck hervorgehoben, tritt nun das zweite Ingrediens von Abendmahl bzw. Eucharistie hinzu. 14f. Frangere … Frangit … frangens] Im dreifachen Polyptoton verlangsamt sich geradezu das Geschehen, sodass der Augenblick des Brotbrechens sowohl als Moment der Anagnorisis innerhalb der Emmaus-Geschichte, aber auch als Kern der Eucharistiefeier in den Vordergrund tritt. 17 CHRISTVM … cerno!] Die ›Anagnorisis‹, sprachlich sehr eng an Lk 24,30f., wird durch die Aussage des Cleophas bestätigt, der nun auch zum ersten Mal den ›richtigen‹ Namen Jesu benutzt. Theologische Bedeutungen bleiben da-

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bei nicht aus: Im Brotbrechen wird Christus als gegenwärtig erkannt, was konfessionspolemisch durchaus auf die Realpräsenz Christi in der Eucharistie gemünzt sein kann. Der zunächst irritierende Plural Numina könnte sich überdies aus einem implizierten Bekenntnis zur Trinität herleiten, das Bisselius Cleophas in den Mund legt. – Diese Szene des Bortbrechens und der Erkenntnis Cleophas’ stellt abermals ein Sujet für zahlreiche bildkünstlerische Werke dar, wie sie in Renaissance und Barock überall in Europa entstanden. Eine direkte Vorlage freilich scheint hier kaum auszumachen; vgl. die Übersicht bei Pigler (21974), Bd. 1, S. 352–361, sowie zum Exempel ebd., Tafelband, S. 111 (Tafel 123). 18 medio … demigrat loco] Loco demigrare etwa bei Plautus, Amph. 240; zur situativen Raffung des Geschehens vgl. hier medio loco mit V. 15: medio actu. 19 Quaque … ventos] Christi Verschwinden ähnelt dem Verhalten antiker Götter in epischen Schilderungen, etwa: Vergil, Aen. 1,411–413 (Venus). Zu impete s. o. den Kommentar zu 3,24. 22 hospita tecta] Valerius Flaccus 2,651. 23f. Hoc iter … Viam.] Im Zusammenhang des Kapitels »PASCHA« bei Bisselius wohl zunächst auf den Brauch des Spaziergangs am Ostermontag zu beziehen. Dazu vemerkt der Magdeburger Theologe Simon Pauli in seiner Postilla, Das ist: Auszlegung der Euangelien, an Sontagen vnd fürnemesten Festen (Frankfurt a.M. 1573 u. ö.): »Im Bapsttumb giengen die Leut auff den Ostermontag hinaus Spatzieren, welches sie (Luc. 24, 13 fg.) hiessen: Nach Emahus [sic!] gehen.« (Hier zit. n. Wander, Bd. 5 [1880], Sp. 812 s. v. ›Emmaus‹.) 25f. Itur … habet.] Die Schlusspointe allerdings fügt dem einen kritischen Kommentar an die Adresse seiner Zeitgenossen hinzu: Kaum einer unter diesen Osterspaziergängern, deren Kirchenbesuche oft wahllos bleiben, ist in der Lage, wie Cleophas Christus wahrhaftig zu erkennen!

Zu Elegie II,11 (WK) Mit ausdrücklichem intertextuellen Bezug (diverse Allusionen, markant allein schon gekennzeichnet durch den Hirtennamen Tityrus, V. 22) präsentiert sich die Elegie zunächst (V. 1–34) als genrespezifische Transformation der Pastoraldichtung Vergils (Bucolica; vgl. V. 4), eine Transformation, die mit farbigem Kolorit anfangs den morgendlichen Weideauftrieb des Viehs vergegenwärtigt, wie ihn Bisselius in seiner Heimat (s. die Allgäu-Elegien II,13 und III,1) gewiss immer wieder beobachten konnte. Gelegenheit zu stilistischem Glanz und deskriptiver Genremalerei im Zeichen einer poetischen copia verborum bot sich in der charakterisierenden Aufzählung der Tierarten (V. 9–16) sowie der Tierlaute und Tierstimmen (V. 17–22) als discordia vocum (V. 21). Dem schließt sich, Vergil

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übertreffend, eine detailfreudige Beschreibung des rustikal ausgerüsteten Hirten an, des Allgäuer Tityrus also, der schließlich seine Ruhepause im Schatten einer Fichte genießt (V. 23–26). Selbstverständlich bläst der Hirte auf seiner ›ländlichen Flöte‹ (V. 36) und singt ein Lied (V. 37–54), freilich eines, das nicht einen pastoralen Sängerwettstreit evoziert, sondern ein latent zeitkritisches Lied, das zuletzt Maximen der Herrschaftslehre (V. 51–54) im Lob des Hirtendaseins formuliert. Tityrus singt, beginnend bei Cyrus (V. 37), dem gerühmten Perserkönig, und in direkter Anspielung auf ein berühmtes Kapitel von Xenophons Kyrupaedie (1,2; s. u. im Kommentar), fortführend über Quirinus (d. h. Romulus) zu Moses (V. 38), von der Aufgabe der Herrscher als ›Hirten der Völker‹, gewiß auch in Erinnerung an die seit Homer gebrauchte archaische Formel (Poemen Laoon). Solche Hirten sind vor Rebellion (V. 53) bewahrt, bei ihnen bleibt das gerechte Verhältnis zwischen sorgsamen Herrschern und gehorsamen Untertanen ungestört. (Ob Bisselius bei solchen Denkfiguren an den oberösterreichischen Bauernaufstand von 1625/26 denkt, sei dahingestellt.) Selbst Gott in Christus (darauf bezogen V. 41–44) wollte nichts als Hirte sein, der sich um das Wohl seiner Schafe kümmert. In solcher Umschreibung lässt Bisselius die seit der christlichen Spätantike, auch in der geistlichen Bukolik der Jesuiten geläufige (vgl. zu Friedrich Spee S.J. bes. Eicheldinger 1991, S. 287–316) allegorische Imagination von Christus als dem Hirtenheros Daphnis anklingen. Blickt man weiter voraus, ergibt sich eine überraschende Kontrastparallele in fernem Widerhall von Xenophons Kyrupaedie-Kapitel (1,2) zu berühmten Abschnitten (Kap. 1,2–3) von Grimmelshausens Simplicissimus-Roman (Erstdruck 1669, ed. Breuer 1989, S. 21–26): auch dort ein Hirte in Gestalt freilich eines unschuldig tumben Hirtenknabens, der auf einer Sackpfeife bläst. Seine idyllische, ja paradiesische, vor- und außergeschichtliche Existenz wird durch die einbrechende Soldateska des Dreißigjährigen Krieges grausam zerstört. Auch dort inseriert der Dichter nach seiner Quelle (Garzoni), protreptisch und in geradezu polyhistorischer Ausweitung, ein Lob des Hirtendaseins in Form eines Kataloges von Herrschern, mythischen und biblischen Figuren, die einst und eigentlich Hirten waren. Bisselius kommt es nicht auf die Fülle solcher Belege an, sondern auf das latent warnende Fazit am Schluss der Elegie, die sozialpolitische Lehre. 1 stellae abscedunt] Das Verb von der Bewegung der Gestirne gebraucht bei Plinius, nat. 18,277: abscedit et sol. 1f. Dubiamque crepuscula lucem exsolvunt] Lexikalisch preziöse Umschreibung für Morgendämmerung; lux dubia etwa bei Ovid, met. 4,401; Apuleius, met. 9,9,4. 2 croceae … Deae] Die Göttin der Morgenröte in variierter Abbreviatur von Vergil, georg. 1,446f.: aut ubi pallida surget / Tithoni croceum linquens Aurora cubile. 3 Agresti … buccina flexu] Buccina als Trompete oder Horn, oft im militärischen Kontext (etwa Vergil, Aen. 7,519), aber auch als ländliches Instrument wie

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bei Properz, 4,10, 29: nunc intra muros pastoris bucina lenti. 4 fagina canna] Das Adjektiv wohl als zitierende Anspielung auf Vergils Eclogen (3,37): pocula … fagina in Kombination mit 1,1: sub tegmine fagi; canna in Variation zu arundo/harundo (etwa Vergil, ecl. 6,8) für die Röhren der Hirten- oder Panflöte (fistula; vgl. zu beiden Ausdrücken unten V. 35f.); dazu etwa Ovid, met. 2, 680–683 (hier auch die Fellmütze und der Hirtenstab): illud erat tempus, quo te pastoria pellis / texit onusque fuit baculum silvestre sinistrae, / alterius dispar septenis fistula cannis; ferner Ovid, met. 1,683f.: iunctisque canendo / vincere harundinibus servantia lumina temptat; zur wörtlichen Bedeutung (Schilfrohr, Riedgras) s. Ovid, met. 8,336f. 6 ITE Pecus] Inhaltlich kontrastive Anspielung auf Vergil, ecl. 1,74: Ite meae, quondam felix pecus, ite capellae. 13 Setigeros porcos] Die Schweine als ›Borstenvieh‹; vgl. Vergil, Aen. 7,17: saetigeri sues; vgl. auch Ovid, met. 8,376 zum calydonischen Eber. 14 Boeotica pectora] Das Toponym wohl nicht unbedacht auch in Assoziation mit dem Wortklang ›bayerisch‹, seit Horaz auch manchmal mit der aus klimatischen Umständen abgeleiteten Nebenbedeutung ›unkultiviert, stumpfsinnig, hinterwäldlerisch‹; vgl. epist. 2,1,244: Boetum in crasso iurares aere natum. 15 Capitolinae custodia pervigil arcis] Die bei vielen römischen Schriftstellern, unter ihnen Livius 5,47,4, erwähnte Sage, dernach die der Juno heiligen Gänse des römischen Capitols die Stadt durch ihr Schnattern vor einem heimlichen Angriff der Gallier bewahrt hätten (nach Livius 390 v. Chr.). 20 Caprissans] Nicht im klassischen Latein (nicht im OLD, nicht im Georges). In der Bedeutung ›meckern‹ mit Verweis auf den frühlateinischen Dichter Accius aufgeführt bei Adam Friedrich Kirsch: Abundantissimum Cornu Copiae Linguae Latinae et Germanicae Selectum […]. Leipzig 1774 (lesbar in CAMENA). 20 grunnit] Das lautmalerische Verb (vom Grunzen der Schweine) wie Juvenal 15,22. 20 balat] Zum lautmalenden Verb s. etwa Vergil, georg. 1,272; 3,457. 25 hirsutus … galerus] Hirsutus oft von Tieren: behaart, struppig; galerus als Kopfbedeckung aus Fell, hier wohl in direkter Anspielung auf Vergil, Aen. 7,688f.: fulvosque lupi de pelle galeros / tegmen habent capiti; vgl. auch Properz 4,10,20: et galea hirsuta compta lupina iuba. S. auch oben zu V. 4. 26 Pera] Die Umhängetasche, mehrfach im Blick auf die wandernden bedürfnislosen Kyniker wie bei Martial 4,53,3 (cum baculo peraque senem) gebraucht, von Bisselius hier kontextuell im Sinne bäuerlicher simplicitas umgewidmet; vgl. auch unter der Überschrift Pera Martial 14,81. 26 scortea] Vgl. Varro, ling. 7,84: dicimus scortea ea, quae e corio ac pellibus sunt facta.

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29 resonam … cannam] S. oben zu V. 4. 34 Sub … umbrifero papilione] Papilio hier nicht in der klassischen Bedeutung als ›Schmetterling‹, sondern als spätantike Bezeichnung, aus der Militärsprache (Vegetius, Epitoma rei militaris 1,23; 2,13 u. ö.) für ›Zelt‹, so auch bei Tertullian (ad martyres 3). 35 arundine] S. oben zu V. 4. 37 Pastor erat Cyrus] Kyros II., d. Gr. (6. Jahrhundert v. Chr.), Begründer des persischen Weltreiches, galt vor allem seit Xenophons Kyrou Paideia (Kyrupaedie, entst. ca. 360 v. Chr.) von der Antike bis ins 18. Jahrhundert als herausragendes Exempel eines mustergültigen, gerechten und humanen Herrschers. Bisselius bezeugt hier mit erkennbaren Anspielungen seine Kenntnis dieses Werkes, besonders des Kapitels 1,2 (ed. Rainer Nickel [1992], S. 8f.), in dem über das Verhältnis der Hirten zu ihren Herden als modellhafter Relation von Herrschaft und Gehorsam meditiert wird. Es geht also nicht um eine etwaige Behauptung, dass Cyrus tatsächlich zeitweise als Hirte gelebt habe (1,2 in der Übersetzung von Nickel): Darüber hinaus dachten wir daran, daß doch auch die Rinderhirten Herren ihrer Rinder und die Pferdepfleger Herren ihrer Pferde sind und daß überhaupt alle, die man Hirten nennt, selbstverständlich als Herren der Tiere gelten, für die sie zuständig sind. Allerdings schienen uns alle diese Tierherden ihren Hirten bereitwilliger zu gehorchen als die Menschen ihren Herren. Denn die Herden gehen dorthin, wo die Hirten sie hinführen, sie weiden an den Plätzen, wo man sie hinbringt, und sie laufen nicht dorthin, wo sie nicht hinlaufen sollen. Außerdem lassen sie es zu, daß die Hirten den Ertrag, den sie erbringen, so nutzen, wie diese es jeweils wünschen. Wir haben aber auch noch nie gehört, daß sich eine Herde gegen ihren Hirten zusammengeschlossen hätte, um den Gehorsam zu verweigern oder um den Hirten an der Nutzung des Ertrags zu hindern. Die Herden sind sogar gegenüber allen fremden Tieren feindseliger eingestellt als gegenüber ihren Hirten, die sie beherrschen und ihren Nutzen aus ihnen ziehen. Die Menschen hingegen schließen sich gegen niemanden lieber zusammen als gegen diejenigen, bei denen sie damit rechnen, daß sie über sie zu herrschen versuchen.

37 cum fratre Quirinus] Quirinus in der Legende und in der augusteischen Dichtung (Vergil, Aen.1,292; Ovid, met. 14,805ff.; fast. 2,475ff.) identifiziert mit Romulus als dem Begründer des römischen Staates; nur periphrastisch ist sein Bruder Remus angedeutet. 38 Moyses] Moses hier paradigmatisch nach Cyrus und Quirinus/Romulus als Dritter der Volksführer und Staatengründer genannt. Moses als Hirte: Ex 2,17; 3,1. 43 vult Pastor haberi] Vor allem nach Christi großer Rede Joh 10,1–18, bes. 11: »Ich bin der gute Hirt.«

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Zu Elegie II,12 (WK) Der Prosavorspann, einer, von heute aus gesehen, entlegenen Quelle entnommen,1 erzählt von der Ordensberufung des Johannes Parenti, oder »Parens« (geb. in der Toscana, deshalb »de Florentia«, gest. 1250), des ersten Nachfolgers des Hl. Franciscus.2 Die Anekdote über den ehemaligen Juristen (Richter) wird in der Elegie zur Ich-Erzählung eines ungenannten Augenzeugen (V. 45: Vidi ego) umgeformt. So erscheint der geschichtliche Abstand überwunden. Es dominiert eine Erlebensperspektive, gestaltet in farbigstem Kolorit und in prallen Szenen mit wörtlicher Rede, auch einer lebhaften Interjektion des Erzählers (V. 33: Hej, quid agat Pastor?). Dem zeitgenössischen Leser wird bereits zu Beginn, im Blick von einem Burgturm, ›unserem Turm‹ (V. 11), auf den heimkehrenden und aus der Stadt ausgesperrten Schweinehirten die Möglichkeit unmittelbarer Identifikation erlaubt. Erst im letzten Teil der Elegie (V. 45ff.) tritt der Heilige mit dem Bekenntnis seiner augenblicklichen Bekehrung und seiner Abkehr von allem Irdischen, d. h. seinem Eintritt in den Franziskanerorden auf. Die Pointe und die Zielrichtung des Darstellung bestehen darin, dass die Verwünschungen des Hirten gegenüber seiner störrischen Schweineherde, die den drohenden Höllensturz der Rechtsgelehrten (V. 36) beruft, ja überhaupt der Vergleich der Juristen mit den Schweinen zum Anlass der augenblicklichen Bekehrung eines praktizierenden Juristen werden. Diese Konversion des Juristen wird parallelisiert mit dem Drang der störrischen Schweine in den Stall, sobald der Hirte an die drohende Hölle erinnert. Die in der Satire des 17. Jahrhunderts nicht ungewöhnliche Polemik gegen die Ränke und Kniffe gewissenloser Juristen wird auf diese Weise in eine zwar historisch entfernte, jedoch immer von Neuem erfahrbare Exempelerzählung überführt. Für die immer wieder erstaunlich sorgfältige Komposition des Zyklus ist bezeichnend, dass Bisselius auch diese Elegie mit der vorhergehenden, wie auch an vielen anderen Stellen zu beobachten, sehr deutlich verklammert: durch das kontrastiv-analoge Darstellungsmotiv des Hirten mit seiner Herde (in II,11 beim morgendlichen Weideauftrieb, hier bei der abendlichen Heimkehr zum Stall) und durch wörtliche Allusionen (s. u. zu V. 3, 6f., 28). Das Gedicht bietet sich an als moderne satirisch-applikative Kontrafaktur der bekannten biblischen Geschichte (Mt. 8,30–32), in der die Teufel in eine Herde Schweine fahren, sich ins Meer stürzen und ertrinken. Im Einzelnen ergibt sich folgende Gliederung der sorgfältig disponierten Geschichte:

1

2

Es handelt sich um: Chronica Antonini. Prima pars Historiarum Domini Antonini Archipraesulis Florenti […]. Lyon 1543. Die von Bisselius poetisiert Anekdote findet sich hier in Bd. 3, fol CCIII5 [in marine: Frater Ioannes Parens]. Zu Parenti: P. Dr. Lothar Hardick OFM: Nach Deutschland und England. Die Chroniken der Minderbrüder Jordan von Giano und Thomas von Eccleston. Werl/Westf. 1957, passim (Register); Helmut Feld: Franziskus von Assisi und seine Bewegung. Darmstadt 1994, S. 362 u. ö. (Register).

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1–6 7–44

Exposition: Blick auf den heimkehrenden Schweinehirten Der Hirt und seine störrischen Schweine 7–20 Antrieb der Schweine und ihre Weigerung, in den für sie bestimmten Stall zu gehen. 21–36 Versuch des Hirten, die Schweine zum Einzug in den Stall zu bewegen: 21–32 Erster Versuch: Lockungen, Drohungen und Schläge 32–36 Zweiter Versuch: Beschimpfungen der Schweine und ihr Vergleich mit der ›heute‹ zur Hölle fahrenden Schar von Rechtsgelehrten 37–44 Reaktion der Schweine; augenblicklicher Drang in den Stall 45–52 Reaktion des mit dem Ich-Erzähler sprechenden Juristen: Absage an die Juristerei, Bekehrung im Vorblick auf das Jüngste Gericht (V. 49f.) und Hinwendung zum Orden des Hl. Franciscus.

1 Vesper erat] Beliebte Variante eines Gedichtanfangs von Ovid, am. 3,5,1: nox erat. 3 Lux dubia] mit wörtlichem Anklang an die vorhergehende Elegie (II,11,1.) 5 Coelicolae] Bereits im poetischen Latein der Antike verwendet (z. B. Catull 68,138; Vergil, Aen. 2,592; 10,97), erst recht dann geläufiges Lexem der christlichen Latinität; hier Latinisierung eines erstaunten Ausrufs, sinngemäß etwa: ›bei allen Heiligen‹. 7 lente properante] Wie im Anklang an die bekannte Maxime festina lente bei Sueton, Aug. 25.4. 12 hara] Gelegentlich auch in der augusteischen Poesie für den Schweinestall; vgl. Tibull 1,10,26: Hostiaque e plena rustica porcus hara. 14 Porcius] Sprechender Name (ähnlich bei Bisselius auch in II,18 Bibo für den Säufer) für den Schweinehirten. 16f. ITE … Ite … Ite] (wie im Folgenden auch V. 27f., 35) in direktem Anschluss an II,11,6. 27 putentis lutulenta colonia fundi] Ungewöhnliche, wohl genial neue und drastische Formulierung. 28 Thebanum … genus] Nach der Hauptstadt metonymisch für das ländlichzurückgebliebene Böotien; so hatte Bisselius auch schon in II,11,13 die Schweineherde genannt. 28 Daemonis … pecus] Daemon – der Teufel. 36 grando] Eigentlich: Hagel, Hagelschauer; hier in ungewöhnlicher Metaphorik. 42 ambitio] Wie schon V. 28 mit kontextueller Ambivalenz, hier auf die Schweine bezogen, doch auch die Juristen assoziierend. 45 Baldi consultus in arte] Baldo degli Ubaldi (1319 oder 1327–1400), bedeutender Jurist des 14. Jahrhunderts; steht oft metonymisch für den Gesamtbereich der akademischen Jurisprudenz. 48 monstrum] Hier als warnendes Vorzeichen (portentum, prodigium).

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49f. stantes sinistrâ … Hoedos] Die Trennung der Schafe von den Böcken beim Jüngsten Gericht nach Mt 25,32. 52 Assisij … Patris] Der Hl. Franciscus als Gründer des nach ihm benannten Ordens.

Zu Elegie II,13 (WK) Im vorliegenden Gedichtband steht diese Elegie einzigartig dar: als poetischer Geburtstagsglückwunsch an einen von uns nicht identifizierten Leo. Überraschenderweise werden dabei wichtige Merkmale des Kasualgenres, alle Züge der Personalpanegyrik, offenbar bewusst vermieden: Über den Adressaten und seine Leistungen erfahren wir so gut wie nichts. Stattdessen thematisiert Bisselius witzig Eindrücke seiner Schreibsituation, das schlechte Aprilwetter (V. 1–9). Weil sich die Sonne auf ihren Geburtstagspferden (V. 2) weitgehend verbirgt, muss der Dichter bei ›Kunstlicht‹ (V. 12. » artifici luce«; ein Neologismus?) schreiben. Dieser anekdotische Ansatz gibt aber nun Gelegenheit, in pointierter Form, d. h. mit concettistischer Antithetik (Lichtgestalt des Adressaten auch im Dunkel des Tages; Freude auch bei der Verwünschung des Wetters) am Ende doch noch den geziemenden Geburtstagsglückwunsch auszusprechen (V. 10–20). Zu den Archetypen des rinascimentalen Geburtstagsgedichts gehört Tibulls Glückwunschelegie an Messalla (1,7) sowie mehrere Gedichte in Statius’ Silvae (2,7; u.4,7f.). Nicht nur bei deutschen Neulateinern der Frühen Neuzeit lässt sich beobachten, wie gerade beim Thema ›Geburtstag‹ die Huldigung an den Genius (hier V. 1) in den Vordergrund tritt (dazu Kühlmann 1992/2006; vgl. auch die Beispiele von Aurpach und Schede Melissus in HL, S. 668f. u. 812–815). Im Genius wird das von Geburt an Unverwechselbare der individuellen Persönlichkeit erfasst, gemäß der Definition von Horaz, epist. 2, 2,187f.: scit Genius, natale comes qui temperat astrum, / naturae deus humanae mortalis, in unum. 1 poscuntque Poetae] Anspielung auf das hier in Frage kommende und poetisch geläufige Genre des Genethliakons. 2 Natalitijs Sol … equis] Das Bild der Sonnenpferde, oft mit dem Phaeton-Mythos verknüpft wie etwa Lukrez, 5,397f.; auch im übertragenen Sinne wie bei Tibull 2,1,87 (auf die Nacht bezogen). 4 LEO] Bisher nicht identifiziert. Ob das folgende Patritiae … domus auf bürgerlich-patrizische Herkunft weist und ob die in der Überschrift angedeutete Qualifikation (Virum doctissimum) auf einen akademischen Würdenträger, etwa im Umkreis der Universität Ingolstadt, anspielt, oder ob mit Patritiae domus auf das eigene ›Vaterhaus‹ in Babenhausen angespielt ist, muss offen bleiben; demgemäß versteht sich auch die Übersetzung nur als Versuch.

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5 Lucina] Göttin der Geburt wie bei Statius, silv. 4,8,22 (vgl. auch Catull 34,13, Vergil, ecl. 4,10, Properz 4,1,99), insofern zum Geburtstagsgedicht gehörig, hier aber wohl auch im etymologischen Doppelsinn als Göttin des Lichts verstanden. 8 fide … transversâ] Fides hier wohl im Sinne von ›gerechter Erwartung‹. Kühne, vielleicht neue Formulierung. Vielleicht auch Anspielung auf das Sternbild der Leier. 14 informi Plejade] Das Siebengestirn, traditionell als Regenbringer angesprochen (z. B. Horaz, carm. 4,14,21; Ovid, Pont. 1,8,28).

Zu Elegie II,14 (JE) Die Elegie beginnt, wie manche andere in den DV auch, mit der Beschreibung eines Ganges, hier jedoch keines Spazierganges an der idyllischen Günz (vgl. I,7), sondern vielmehr einer anstregenden Wanderung (1,5f.: aegro / poplite) auf einen Berg und durch Wälder (1,1–9). Das Ziel der Wanderung bleibt im Unklaren, vielmehr entfaltet sich die erste Teilelegie im Weiteren aus der Schau des Dichters von der erhöhten Position des Berghanges aus (vgl. die ähnlich geartete Perspektive vom Turm herab in I,11) auf die weite Ebene hin. Und diese Schau, eingeleitet durch deiktisches Ecce (1,11) gilt, konform mit dem Übertitel des Kapitels (SEGETES), den Getreidefeldern in der ländlichen Umgebung, die zunächst optisch, dann in einer innerfiktional kaum motivierten Annäherung auch haptisch (1,20: Berührung; 1,27f.: Wind) beschrieben werden. Diese fast phänomenologisch genaue und sprachlich variable Evokation des von Sonne und Wind in immer neue Schatten, Wellen und Täler verwandelten Getreidefeldes – auf immerhin 29 Versen! – ist sicherlich zu den ingeniösen Kabinettstücken der Deliciae Veris zu zählen. Doch belässt es Bisselius, anders, als es der idyllische Ausgang der ersten Teilelegie mit Ruhe und Muße zum Lesen (1,41f.) vielleicht vermuten ließe, nicht dabei. Der bereits im Titel angekündigte Fall Adams bildet nun das Thema der zweiten Teilelegie, wobei Bisselius die auf den ersten Blick merkwürdige Kombination auf zweierlei Arten verknüpft: Einerseits liefert er mit der zweiten Teilelegie das Aition (im Sinne einer alexandrinisch-neoterischen Dichtung) für die Existenz von Getreidesaaten in der Welt überhaupt (vgl. 2,25), gebündelt in der argut-paradoxen Formulierung (2,4): Extorsit segetes non-bona causa bonas; andererseits wirkt die Interjektion Hej mihi! (2,1), mit der die zweite Teilelegie beginnt, als subtiles Bindeglied: Der Leser bekommt den Eindruck, dass der Dichter, den er eben noch am Getreidefeld ruhend, allenfalls lesend angetroffen hat, nun unversehens in die von seiner Umgebung angeregte geistliche Meditation übergeht, die den Anblick des wogenden Feldes mit dem ›Anblick‹ des Paradieses vor dem Sündenfall kurzschließt (2,1f.).

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Indem er gerade die Schlangen-Episode unterschlägt, setzt sich Bisselius auch und womöglich intentional vom Gros der nicht gerade reichhaltigen spätantiken Bibelepik ab, sofern diese sich dem dritten Genesis-Kapitel widmet (zur Gattungs- und Stoffgeschichte vgl. Döpp 2009, hier v. a. S. 10–18, sowie umfassend Czapla [im Druck]). Sieht man einmal von Jacob Masens Epyllion Sarcotis ab (Masen 1682/83, Tl. II, S. 245–319, dazu Czapla [im Druck], Register), gibt es auch nicht viel jesuitische Dichtung, die den Sündenfall zum Gegenstand hat, und auch Bisselius hält die Rekapitulation bei aller Ausfaltung recht kurz, ja verkürzt sie auf vielsagende Weise. So kommen in seiner Schilderung weder Teufel noch Schlange vor, vielmehr wird die Urmutter Eva zur Auslöserin und Propagatorin des fatalen Wunsches nach der Frucht (2,5–13). Die Vertreibung aus dem Paradies zieht Bisselius dagegen auf einen Vers zusammen (2,15; vielleicht mit Anspielung auf die zeitgenössische Diskussion um die geografische Lage des Paradiesgartens). Gottes Anweisung zur Feldarbeit bringt er demgegenüber ausführlich, weil es ihm ja um das Aition der Getreidefelder geht. Zugleich lässt er sich das seinerzeit bereits topische Wortspiel von malus (›Apfel‹) und malus (›böse‹) nicht entgehen, macht aber mehr aus seiner eigenen Invention der Gegenüberstellung von Menschenspeise und ›Götterspeise‹ (bereits 2,10, antikisierend: Ambrosiamque; 2,18, ironisch: DAPS … Deûm), auf der auch die Schlusspointe beruht (2,36). Auf diese Weise kann Bisselius in dieser Elegie eine stimmungsvolle und sprachlich ambitionierte Beschreibung der Saatfelder mit einer geistlichen Deutung und moralisch-paränetischem Sinn verbinden und dadurch zugleich abermals seine dichterische Variabilität unter Beweis stellen.

Zu II,14,1 1 MONS est] Vgl. die ähnlichen Verseingänge bei Properz 4,4,83; Ovid, met. 3,143. 2 prope Tartara] Hyperbolische Wendung, mit der Bisselius die Tiefe des Abhangs unterstreicht. 2 excelso … iugo] Dieselbe Position im Vers bei Ovid, fast. 2,306. 3 prono … lapsu] Hier ist wohl zunächst an den Abstieg (descensûs), möglicherweise nach einem Teilaufstieg gedacht. Der Folgevers dreht dann die Perspektive zum Aufstieg hin. 4 labor Herculeus] Sprichwörtlich die Mühe des Hercules, der im Auftrage seines Onkels, des Usurpators Eurystheus, (mindestens) zwölf schwere Arbeiten bewältigte. 5f. aegro / poplite] Valerius Flaccus 2,93: alternos aegro cunctantem poplite gressus.

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8 viatorem … fregit pedem] Preziöse Formulierung für das Hemmnis, das der Wald wohl durch Unterholz bietet. Fregit pedem im wörtlichen Sinne bei Augustinus, civ. 22,22. 9 Concalui] Klassisch kein poetisches Wort. Hier wohl an biblischem Sprachgebrauch orientiert, etwa Ps 38,4: concaluit cor meum intra me et in meditatione mea exardescet ignis. 10 succiduo … situ] Vgl. Ovid, epist. 17,24: Succiduo dicor procubuisse genu. 11 Ecce] Beginn der ausgreifenden Beschreibung des Ausblicks vom Berghang aus. 12 sub aspectum … stetit.] Klassisch geläufiger wären sub aspectum venire, cadere oder subicere. Fast ein Germanismus? 13f. Cerealia … Ceres.] Die Paronomasie unterstreicht den Reichtum der Getreidefelder. 16 alma seges … Seges] Die repetitio wirkt intensivierend; vgl. zu V. 13f. 16 sine farre] S. Horaz, sat. 2,8,87: non sine farre. 20 Grana … dies.] Der Dichter imaginiert, dass es gerade jener Tag sei, der das Korn zur Reife führe. Damit läutet er eine eher imaginative Passage des Gedichts ein. S. die Folgeverse. 21 Vt … tetigi] Es scheint unplausibel, dass er, der gerade noch das weite Tal vom Hang aus betrachtet hat, nun schon unten am Feld ist, um die Ähren zu berühren. Der Dichter imaginiert oder rafft. 21 Zephyri] Der in den DV viel berufene Frühlingswind wirk abkühlend wie in I,9, mit dem die Elegie dadurch ebenso verknüpft ist, wie die Elegien I,6–8. 23 Terminus] Sicherlich Anspielung auf die dem Grenzgott Terminus gewidmete Passage bei Ovid, fast. 2,655–676 mit dem emphatischen Ausruf zum Schluss (V. 676): tuus est hic ager, ille tuus. 25 O superi!] Der typische Anruf der Himmlischen an dieser Versstelle z. B. Ovid, met. 9,244; Lukan 2,296. 25 quàm blanda … voluptas!] Silius 15,108: quam spondet blanda Voluptas. 26 Vndabat Ceres] Mit ähnlicher Wellenmetaphorik unten 1,30 und II,10,1,40: herba natat. 29f. Quae … ager?] Die Fragezeichen sind in heutiger Zeichensetzung als Ausrufezeichen aufzufassen. 30 fluctibus ibat ager] Die Metapher aus V. 26 (s. o.) wird fortgeführt. S. auch unten, V. 33. Zur Junktur vgl. Claudian, Epithalamium dictum Honorio et Mariae 136: pelagi sub fluctibus ibat … 33 herbida nabat.] S. o. zu V. 30 u. 36.

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34 gurgite … tument] Ähnlich Valerius Flaccus 5,521: ceu tumet atque imo sub gurgite concipit austros. 38 Eure] Mit der teilweisen Verdunkelung der Felder tritt nun der rauhere Ostwind hinzu. 39 Culmum … alio] Lautmalerische u-Laute, Alliterationen und Synaloephen bilden das Rauschen des Widnes im Getreide auch lautlich ab. 40 Notô] Als Steigerung zum Zephyr aus V. 21 und Eurus aus V. 38 ruft Bisselius nun sogar den stürmischen Südwind Notus auf. 41f. Tunc … libro] Der Dichter endet die Elegie mit der, hier bewusst im Konjunktiv formulierten, Vorstellung, nahe dem Getreidefeld Rekreation zu finden. Die Situation der Ruhe mit dem Buch entspricht der Schilderung in DV I,20 sowie II,17, Teilelegien 2f.

Zu II,14,2 Protoplastorum] Seit den Kirchenvätern Begriff für die erstgeschaffenen Adam und Eva; vgl. etwa Augustinus, epist. 202(A),4f.; Ambrosius, serm. 27,5. 1 Hej mihi!] Gängiger Ausruf etwa der römischen Komödie; vgl. etwa Plautus, Amph. 798; 1109; Aul. 391; Bacch. 1116 u. ö. 2 nulla futura fuit] Vgl. Ovid, ars 2,14,18; Pont. 1,7,42; epist. 16,140. 3 Poma … mella] Knapp wird die freigiebige Natur des Paradieses, ähnlich der Saturnia aetas oder dem Goldenen Zeitalter, evoziert. 4 segetes non-bona caussa bonas] Die Elegie wird als aitiologische für die Entstehung der Saatfelder benannt, zugleich wird in der paradoxen Formulierung auf die böse Ursache des Sündenfalls, die Hybris, hingewiesen; für ähnliche Verneinungen durch »non-« s. II,7,22: Non-lapis; II,9,1,34: Non-falsis; II,15,13: non-extincta und III,7,37: non-malus. 5–24] Die poetische Paraphrase der Sündenfall-Geschichte verkürzt die biblische Handlung (Gen 3) sinnreich (vgl. oben im Vorspann). 5f. Prima … est] Das Distichon schreibt mit misogynem Unterton, Eva die Rolle der verführenden Schlange im Paradies zu; man beachte das Wortspiel mit wörtlicher und übertragener Bedeutung von flectere! Vgl. aber unten zu V. 13. 7 malè-suada] ›Zum Übel überredend‹; eine der von Bisselius gern genutzten Möglichkeiten der Komposition durch Bindestrich; vgl. oben zu V. 4. 9f. DIs … dabit.] Es ist nicht ganz eindeutig, wer hier und bis V. 12 spricht. Womöglich bietet die wörtliche Rede die Überredungskünste Evas. Möglicherweise bezieht sich DIXERE simùl (V. 13) auch auf die ganze Passage, vielleicht sprechen aber auch beide nur Tentemus! (V. 13). Inhaltlich para-

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phrasiert Bisselius hier die Worte der Schlange Gen 3,5. 9 sine lite] Vgl. die Elegie zum Streit der Ehegatten DV III,7. 9f. Cibus Deorum … Ambrosiamque] Mit antiksierendem Kolorit führt Bisselius den Begriff der ›Götterspeise‹ ein, der im weiteren Verlauf der Elegie leitmotivischen Charakter erhält. 11f. Quantum … Tonans.] Dieses zweite, ›pragmatische‹ Argument hat keine Entsprechung im Bibeltext, soll wohl der ›weiblichen Schläue‹ Evas zugeschrieben werden. 13 DIXERE … Adamus.] Die direkte Geminatio des simùl unterstreicht nun bemerkenswerterweise, dass beide Seiten, Adam wie Eva, zugleich und in gleichem Maße an der Ursünde beteiligt waren. 14 Malo … mali.] Bisselius variiert das sicherlich zu seiner Zeit schon topische Wortspiel, das auf den unterschiedlichen Vokallängen von PƗOXV (›Apfel‹) und malus (›böse‹) beruht. 15f. Numinis … erat.] Der Dichter verkürzt die schon in der Genesis knapp gehaltene Vertreibung aus dem Paradies um den Cherub vor der Pforte (Gen 3,23f.). Die Wendung Syrio … horto könnte andeuten, dass Bisselius den Paradiesgarten im Vorderen Orient vermutet und damit in einer zeitgenössischen Debatte Position bezieht. 17f. Vrticae … glebam] Entspricht Gen 3,17f.: comedes eam cunctis diebus vitae tuae spinas et tribulos germinabit tibi et comedes herbas terrae. 18 DAPS … Deûm!] Sarkastischer Kommentar; vgl. oben zu 2,9f. und unten zu 2,26. 19 DEVM … Deorum] Auch grafisch wird hier der wahre Gott von den falschen, da vermeintlich selbternannten ›Göttern‹, den Menschen, die nun in die Geschichte eingetreten sind, geschieden. 19 miserorum … Deorum] Wohl bewusste und sinntragende Anspielung auf den frühchristlichen Apologeten Minucius Felix, Octavius 22,1: Considera denique sacra ipsa et ipsa mysteria: invenies exitus tristes, fata et funera et luctus atque planctus miserorum deorum. (Der Dialog wurde unter dem Namen des Verfassers 1543 in Heidelberg ediert.) 20 Ite (ait) … lucri.] Die Anordnungen Gottes wiederum in wörtlicher Rede, die ebenso wie Evas (und Adams) Suasorie in 2,9–13 knapp fünf Verse umfasst. – Inhaltlich amplifiziert Bisselius einen Vers aus Gen 3,19: in sudore vultus tui vesceris pane donec revertaris in terram de qua sumptus es quia pulvis es et in pulverem reverteris. 21 Sudanda est, sudanda] Die Wiederholung unterstreicht die Mühsal der künftigen menschlichen Arbeit.

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22 Improbus … ligo] Obwohl hier spezifisch das Arbeitsgerät gemeint ist, klingen zweifellos die berühmten Vergil-Verse an (georg. 1,145f.): labor omnia vicit / improbus et duris urgens in rebus egestas. 24 Tellus] Gemeint ist die Erdgöttin, die hier allegorisch für die Erde steht. 25 Paruerant monitis] Eine fast identische Formulierung, ebenfalls am Verseingang, findet sich im Carmen de martyrio Macchabaeorum (wohl 5. Jahrhundert, Verf. unbekannt), 197: paruerit monitis et regis tempserit iras. 26 Daps … Hominum … Deûm.] Der Schlussvers bündelt die Rede von der ›Götterspeise‹ (s. o. zu 2,9f. u. 18) nochmals in einer Pointe: Denn das Gedicht hat nun die Aitiologie der ›Menschenspeise‹ aus Getreideanbau geliefert.

Zu Elegie II,15 (KWB) Die kurze Elegie (26 Verse) ist eine Warnung vor den Gefahren zu schnellen Wachstums und Reifens, dargestellt an den in der Elegie apostrophierten Getreidefeldern. Nach der Warnung in den Versen 1–4, enthalten in den beiden Imperativen Cresce lentè (V.1) und Ablacta sensim (V. 4), kommt die Begründung in Form der Beschreibung der Gefahren, die das zu schnelle Reifen mit sich bringt (V. 5–9), vor denen aber junges Getreide noch sicher ist. Die Gefahr des Abbrennens wird in den folgenden Versen, eingeleitet durch den Ausruf Hej mihi! (V. 10), weiter ausgeführt und deren Wahrscheinlichkeit durch die Szene des Wanderers, der nach dem Übernachten am Feuer dieses am Morgen nicht löscht, glaubhaft gemacht. Die brennenden Getreidefelder erinnern den Dichter an die Geschichte Samsons im Alten Testament (V. 17–19). Er wird sie in der folgenden Elegie II,16 ausführlich schildern (referam V. 20). In einem Wechsel der Argumentationsrichtung macht sich der Dichter dann Gedanken über potentielle Zuhörer bzw. Leser dieser Samsongeschichte (V. 20–22): Er kommt als solcher selbst in Frage oder auch ein nicht näher gekennzeichneter Zuhörer auf den Feldern; schließlich bleibt, wenn kein Zuhörer in der Nähe ist, die Möglichkeit, die Geschichte mit einem Stock in den Sand zu schreiben. Die Verse 20ff. stellen somit eine kurze, aber höchst bemerkenswerte, in dieser Art seltene Reflexion über die Frage dar, für wen ein Dichter schreibt: für sich selbst, möglicherweise für einen ihm unbekannten Leser oder für ein vergängliches und in seiner Existenz gefährdetes Medium. In einer erneuten Wendung fordert er zum Schluss für das Dichten und Aufschreiben gute Bedingungen, d. h. Ruhe, und zwar vom Saatfeld und von den Frühlingswinden, weil diese die Gefahr mit sich bringen, das in den Sand Geschriebene zu verwischen. 1 Lentè properantia] Variation und Erweiterung der antiken Redensart Festina lente Sueton, Aug. 15 et al. 4f. Ablacta / in lacte] Die Körner des Getreides sind, bevor sie reif werden, hell

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und sehr weich, weil ihr Inneres mit einer weißen, süßen Flüssigkeit (Milch) gefüllt ist. In dem Maß, wie sich diese Milch zum harten Korn verfestigt, reift das Getreide. Das Wort ablactare ist in der Antike biblisch mehrfach belegt (z. B. Gen 21,8; Ps 130,2) und bedeutet dort ›den Säugling entwöhnen‹; dieser Reifungsprozess beim Menschen wird hier auf das Getreide und allegorisch wohl auch auf das eigene dichterische Werk übertragen. 17 Samson] Samson (oder Simson) verbrennt, weil sein Schwiegervater seine Frau einem anderen gegeben hat, das Getreide, die Weingärten und Ölbäume der Philister. Zu dem genauen Hergang vgl. II,16 sowie Ri 15,1–6. Die hier gewählte Analogisierung von Samson und Hektor, dem Helden der Homerischen Ilias, entspricht kontrafaktorischen Techniken der epochalen Bibelepik.

Zu II,16 (HW) Unter den poetischen Bearbeitungen biblischer Texte in den Deliciae Veris ist die vorliegende die zweite mit einem Thema aus dem Alten Testament. Bisselius wählt aus dem Buch der Richter nicht die oft behandelte Episode von Samson und Delila aus, sondern in einem Triptychon die von dem Racheakt Samsons mit den Füchsen an den Philistern für die Vorenthaltung seiner Gemahlin (Ri 14–15). Er konzentriert sich dabei völlig auf die Geschichte mit den Füchsen, die er im Vergleich zu dem biblischen Bericht erheblich dramatischer gestaltet. Gegenüber dem Bibeltext verfährt Bisselius mit seiner Gestaltung recht frei. So hat etwa die Beschreibung des Fuchses, der aus den Ställen des Samson ein Huhn gestohlen hat (I,15–20) im biblischen Referenztext keine Entsprechung, und die Nennung des Berges Thalaba in I,20 ist nicht dem Bibeltext zu entnehmen, sondern nur dem – von Bisselius angeführten – Bericht der Annales Ecclesiastici Veteris Testamenti des Jesuiten Jaques Salian (vgl. unten den Textauszug zur Quellenangabe). Wesentlich frei komponiert sind auch besonders der zweite und dritte Teil des Triptychons. Im letzten Teil ist vor allem die Nennung und Anrufung der Götter der Philister eine Erweiterung gegenüber dem biblischen Text. Die Behandlung alttestamentlicher Stoffe in poetischer amplifizierender Paraphrase findet sich bei Jesuitendichtern eher selten. Eine lutherische Parallele bietet etwa die postum 1599 publizierte Hebraeis des bekannten württembergischen Humanisten Nikodemus Frischlin (1547–1590), in der freilich Samson bzw. Simson nur zweimal beiläufig erwähnt wird.

I. In Timna, einer Stadt Palästinas, hatte sich Samson, der Sohn Manoachs aus dem Stamm Dan, eine Frau genommen, wurde aber von seinem Schwiegervater, einem Philister, betrogen, der sie in Samsons Abwesenheit einem neuen Freier zu unkeuscher Verbindung überließ. (V. 1–6). In gerechtem Zorn schwört Samson Rache und droht Timna durch Brand das Schicksal Gomorrhas an. Die Rache an dem Schwiegervater wird dessen ganzen Stamm treffen (V. 7–12). Während

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er über die Rache nachsinnt, sieht Samson einen Fuchs, der aus Samsons Hühnerstall ein Huhn stiehlt. Dieser Fuchs flüchtet zum Berg Thalaba (V. 13–20). Dieser Berg soll nun für Samson Helfer für eine List werden. Dort ist das Reich der Füchse (V. 21–26). Um sein Vorhaben auszuführen, sichert sich Samson die Unterstützung seiner Nachbarn, die reiche Beute machen: Dreihundert Füchse werden in Netzen gefangen. Je zwei Füchse werden zusammengebunden mit einer Fackel, die zwischen ihnen mit Hanfseilen an den Schwänzen befestigt wird. (V. 27–38). Diese Fackeln werden in Brand gesteckt Die Füchsen rennen nun in Panik geradewegs auf die Felder der Philister zu.

II. Zur Zeit der ersten Ernte treffen die Füchse auf die Felder, ein Teil von ihnen war schon abgemäht. Die fackeltragenden Füchse stürzen nun in diese Felder, wobei sie der Held anstachelt; mit durch Stockschläge erzeugtem Lärm unterstützen ihn dabei seine Gefährten (V. 1–10). Es ist Nacht, und der Himmel wolkenbedeckt. Da stürzen plötzlich die brennenden Tiere in die Getreidefelder und verwüsten in ihrer Panik die Ernte durch das Feuer, das die Fackeln verursachen und das zudem Winde weiter anfachen. Das Polyptoton der Verse 13f. (Diversis … diversa … diverso) betont die panische Hilflosigkeit der Füchse, die damit zugleich das beabsichtigte Zerstörungswerk wirksam machen. Auch Weinberge fallen dem Feuer zum Opfer (V. 11–24). Im Widerschein des Feuers leuchten die Städte Azot, Accar und Gaza. Sogar das Meer und Zypern staunen, vom Feuer erleuchtet. (V. 25–28). Nichts hilft gegen die Füchse und das Feuer, auch nicht Frauentränen und Opfer an die Götter. Der Ertrag des ganzen Jahres ist in einer einzigen Nacht vernichtet V. 29–36). Die anaphorische Reihung (nihil … nihil) in V. 29f. unterstreicht die Aussichtslosigkeit der Bemühungen der Philister.

III. Am Morgen wird das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar und die Philister fragen nach dem Verursacher. In auktorialem Selbsteinbezug nennt der Dichter Samson (V. 1–4). Wenn Bisselius die Vielgötterei der Philister als Motiv für Samson anführt, weicht er vom biblischen Bericht ab, in dem davon keine Rede ist. Das Triptychon gipfelt in der ebenfalls nicht biblischen ironischen Wendung, Samson habe mit seinem Handeln den Götzen der Philister einen weiteren hinzufügen wollen, nämlich Vulkan, und das in ihrem Festkalender fehlende Fest der Ambarvalia.

Zu II,16,1 2 Thamnata] Die Stadt bzw. das Tal von Timna unweit von Bet-Schemesch in Palästina. 3 Manueius Heros] Samson bzw. Simson als Sohn des Manoach aus dem Stamm Dan; vgl. Ri 13. Das adjektivische Patronymikon scheint im Lateinischen nicht belegt. Die Vulgata nennt den Vater Manue.

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7 Erinny] Antikisierendes Kolorit: Die Erinnyen sind griechische Rachegöttinnen. 7 furiatus] Isidor von Sevilla, De differentiis verborum 211 gibt an, das furiatus im Unterschied zu furiosus von Jemandem gesagt werde, der mit Grund in Wut gerate. 9 unica Teda] Wieder antikisierend: Teda ist hier die Hochzeitsfackel bei der römischen Hochzeitsfeier. 10 Gomorrha] In Gen 19,24 zusammen mit Sodom eine Stadt, die wegen ihrer Freveltaten von Gott mit Feuer und Schwefel vernichtet werden. 20 Mons Thalabinus] Den Namen des Berges hat Bisselius bei seiner am Ende des Textes angegebenen Quelle gefunden. Der Ordensgenosse Jaques Salian publizierte ein umfängliches annalistisch angelegtes Werk zum Alten Testament: Annales Ecclesiastici Veteris et Novi Testamenti […] Tomvs Secvndvs. Lvtetiae Parisiorvm 1620. Dort ist zum Annus Mundi 2880, S. 871–874 ausführlich die Geschichte Samsons mit den Füchsen wiedergegeben und weit über den Bibeltext hinaus kommentiert. Mit Berufung auf den Kirchenhistoriker Theodoret wird dort der Berg auf dem zahlreiche Füchse gehaust haben sollen, in Thalabin genannt. 21 non aes, non saeva metalla] In Timna wurden bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. Kupfererze abgebaut, noch eine Kupfermine im heutigen Israel trägt diesen Namen. 24 Gallinivoris] Das sprechende Wort ist nicht belegt und vielleicht Neubildung durch Bisselius. 28 in casses] Vgl. Ovid, ars 2,2: Decidit in casses praeda petita meos.

Zu II,16,2 4 Tempora messis] Junktur wie Vergil, georg. 4,239 u. ö. 5/6 solis … impatiens] Vgl. Lukan 7,866. 6 premebat humum] Vgl. Ovid, met. 4,635f.: armenta per herbas/ errabant, et humum vicinia nulla premebant. 7 via pervia et invia] Dasselbe Paradoxon auch bei Gualterus a Castellione, Alexandreis 7,522f.; Petrus Venerabilis, epist. 80,215,15. 9 Nox erat] Häufiger Hexameterbeginn, zuerst Vergil, Aen. 4,522. 11 densissima nubila] Vgl. Vergil, Aen. 6,592: densa inter nubila. 15 Flamma crepat] Ähnlich Seneca, nat. 2,15,5. 16 vasta … arva] Vgl: Ovid, Pont. 1,3,56.

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17 Cereremque lambit] Vgl. Eugenius Toletanus revisor, Dracontii librorum recognitio 1,538: fax aethera lambit. 19 vitiferos … colles] Junktur wie Plinius, nat. 3,60 u. ö. 22 vento agitante] Junktur wie z. B. Thomas a Kempis, Sermones ad novicios regulares 6,3, sermo 20. 25 Azotus] Die israelitische Stadt Esdod bzw. Aschdod zwischen Aschkelon und Jabneel. 26 Accaros] Die Stadt Accaron, so die übliche Namensform. Vgl. etwa Eucherius, Instructionum ad Salomonem 2,1,2: Accaron urbs Palaestinae; sunt alii qui aestimant Accaron esse turrem Stratonis et postea hanc appellatam fuisse Caesaream. 26 barbara Gaza] Stadt in Israel an der Mittelmeerküste; das Epitheton ist nicht belegt. 31f. muliebris … lacryma] Vgl. Publilius Syrus, M 35. 33 Actum, actum est] Emphatische Anadiplosis. 33 occa] Sehr seltenes umgangssprachliches Wort für ›Egge‹. Vgl. Vegetius, mulomedicina 1,56,5: crates, quae occa vocatur a vulgo.

Zu II,16,3 1 Manè erat] Häufige Wendung seit Plautus, Aul. 655. 5 Vir Hebraeus] Junktur wie Hieronymus, epist. 70,3,7. 7 gens impia] Vgl. z. B. Iuvencus 2,706. 9 Astaron] Der Götze Astaroth. Vgl. Hieronymus, Commentarii in prophetas minores, In Osee 2,8,305: oblitus est enim israel factoris sui et aedificauit delubra in excelsis, totos colles et montes, et umbrosas arbores baal et astaroth et aliis idolis consecrans. 9 Astarténque] Astarte ist eine phönizisch-syrische Mondgöttin. 9 Numina tot Muscarum] Gemeint ist vor allem Baal, der »Herr der Fliegen«. Vgl. z. B. Hrabanus Maurus, Expositio in Matthaeum 4,354,54: Id est Belzebub, qui deus erat Accaron; nam ›Bel‹ quidem ipse est ›Baal‹, ›zebub‹ autem ›musca‹ vocatur; nec iuxta quaedam mendosa exemplaria l littera vel d in fine est nominis legenda, sed b: Belzebub; ergo ›Bahal muscarum‹, id est ›vir muscarum‹ sive ›habens muscas‹ interpretatur, ob sordes videlicet immolaticii cruoris, ex cuius spurcissimo ritu vel nomine principem daemoniorum cognominabant. 10 Dagonémque Patrem] Götze der Philister.

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15 Mulciber] ›Der Schmelzer‹. Beiname des römischen Schmiedegottes Vulcanus. 15 Ambarvalia] Römisches Flurweihefest mit einer Prozession um die Felder. Vgl. Tibull 2,1. Dazu mit motivgeschichtlichem Kommentar vgl. Paul Pöstgen: Tibulls Ambarvalgedicht (II,I). Würzburg 1940 (= Kieler Arbeiten zur klassischen Philologie 6). 16f.] Beißende Ironie des Bisselius. 18 Iacob. Salianum] Vgl. oben zu I,20. Salianus beschäftigt sich besonders mit der Frage der Zahl der Füchse. Dazu schreibt der Editor des Salianus (Annales, wie oben zu I,20, S. 871f.): Scio trecentas hasce vulpes profanis hominibus excitasse risus, fabulam non narrationem referri existimantibus, quibus accuratissimè satisfacit Salianus noster, & rem verissimam etiam insanis istis credibilem facit. Docet enim variis in locis varia inueniri animalia; & quidem magna copia, quae alibi rariora inueniantur. Iudaeam uerò, atque Palaestinam vulpibus abundasse, alia pleráque Scripturae loca significant.

Im weiteren Verlauf der Kommentierung nennt er den Berg in Thalabin.

Zu Elegie II,17 (JE) Mit dem ersten Gedicht der dem Wald (NEMVS) gewidmeten Sektion kehrt Bisselius abermals in heimische Gefilde zurück. Er schildert in der ersten, umfangreichsten Teilelegie mit mannigfachen Anspielungen auf antike Literatur einen Wald nahe seinem Geburtsort Babenhausen. Unter diesen Anspielungen mag die Evokation der altrömischen Nymphe Egeria, die nun im Waldsee bei Babenhausen »ihren« Numa (V. 9–12), so wörtlich, »zurückruft«, einen bezeichnenden Nebensinn haben: Galt Numa Pompilius, der sagenhafte zweite König Roms, doch seit der Antike als weiser Herrscher, Friedensfürst und Religionsstifter (auch als Pythagoreer, s. Ovid, met. 13,60–481, was hier wohl eine untergeordnete Rolle spielt). Indem Bisselius ihn nun und zwar nach Bayern »zurückruft«, legt die Passage Aktualisierungen nahe: Unter einem Herrscher und einer herrschenden Religion soll derjenige Frieden auch im Reich herrschen, unter dem damals Rom aufblühen konnte. Bedenkt man, dass bereits in mittelalterlicher Mythenexegese Numa oftmals mit den frühen Päpsten Roms analog gesetzt wurde (Silk 2004, hier S. 872–877), dann lässt sich Bisselius’ Beschwörung des römischen Königs ohne weiteres als, antikisierend verhülltes, Plädoyer für den Primat der römischkatholischen Macht im Reich ausdeuten. – Als Gegenexempel zum weisen Herrscher Numa wird der als böswillig und lächerlich verschrieene Claudius immerhin angedeutet (V. 25f.; zu Einzelheiten einer politisch-aktualisierenden Deutung der Teilelegie s. u. den Kommentar). In dieses Waldstück, dass Bisselius ausdrücklich als »Bühne« (Amphitheatra, V. 34) bezeichnet, begibt sich in der zweiten Teilelegie der Dichter in der

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Erinnerung an die Zeit als Schüler, als er in diesem Wald Erholung vom Fieber suchte. Dadurch entsteht ein direkter Bezug nicht nur zum vorangestellten Bibelvers (Baruch 5,8) sondern auch zur Elegie I,20 (De Violis) sowie II,14,1,41f. Wie dort, so hält sich Bisselius auch hier lesend im Grünen auf, wobei nun aber, kontrastiv zu I,20, betont wird, dass auch die Studien heilsame Wirkung ausgeübt hätten (Teilelegie II, Titel). Auch an harmlose Scherze, die er in seiner Jugend mit den Jägern getrieben hat, erinnert er sich, was wiederum die Verbindung zum Kapitel über die Jagd im dritten Buch (III,16f.) herstellt, dort v. a. zur 16. Elegie, in der sich die Jäger ebenfalls von der Nacht und der Umgebung täuschen lassen. (Zu weiteren Binnenverweisen dieser als Bindeglied zwischen den Büchern der Deliciae fungierenden Elegie s. u. den Kommentar.) Mit der dritten Teilelegie kehrt Bisselius unversehens zu seiner Lektüre zurück, nun speziell zum Neapolitaner Humanisten Jacopo Sannazaro (1458–1530) und sein Vergil nacheiferndes Bibelepyllion De partu virginis (gedr. 1526 u. ö.), ein in den Deliciae Veris, abgesehen von I,20, einzigartiger expliziter Rekurs auf neulateinische Dichtung. Bisselius rügt ihn allerdings für seine erotische Elegiendichtung, von der er zeittypisch auf den Lebenswandel des Verfassers rückschließt (so schon Czapla 2006, S. 241f.). Gleichwohl bekennt er in einer poetologisch wichtigen Reflexion zugleich, dass jenes berühmtes Epyllion auf die Geburt Christi ihm eine gleichermaßen antikisierende wie christliche Poesie erschlossen (3,12: Aonidum prodidit antra mihi) und ihn selbst dadurch zu geistlicher Dichtung angeregt habe (3,13f.), womit wohl seine frühe Mariendichtung gemeint sein dürfte. Die scharfe Praeteritio am Schluss (V. 17–20) leitet dann mit den Motiven der Fichte und der bösen Ehefrau unmittelbar zur folgenden 18. Elegie über, die somit, in einer Verschränkung der Zeitebenen, direkt von der Situation des Ruhens im Wald inspiriert, in die Fiktion der Elegie eingebunden wird. Überdies spricht in der folgenden Elegie ein Hirte, was jenes (und damit auch dieses) Gedicht mit der Hirten-Elegie II,11 verknüpft, in der Bisselius seinen monarchistischen Standpunkt anhand einer Exempelreihe aus der Antike verdeutlicht (s. Kommentar zu II,11,37–54). Numa kann dort zwar nicht unter den pastores firmieren (wenngleich er bildkünstlerisch oftmals in einer bukolischen Landschaft situiert wird; vgl. Häfner 2011, dort Farbtafel II). Doch die aktuellen politischen Bezüge treten in der elften wie in dieser 17. Elegie zu Tage. Ein weiteres Zeugnis für Bisselius’ kunstvolle Erfindung von Übergängen und Verknüpfungen zwischen den einzelnen Elegien.

Zu II,17,1 1–3 Qvà … jacet] Ganz ähnlicher Gedichtanfang in I,20. 1 Fabiana Castra] Abermals ist Babenhausen gemeint, wie die Erklärung im Folgevers deutlich macht. 2 patrium … solum] Bisselius bezeichnet Babenhausen explizit als seinen Geburtsort.

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3 liquidus … undae] Schede 1586, II, S. 110 (Ad Ioannem Hagium): Quem simul Aonidum liquidâ circumluit undâ. 5 insula natat] Mela 2,84. 6 supra … aquas] Vgl. Ovid, fast. 6,780: multaque per medias vina bibantur aquas. 7–12 Illic … loqui.] Bisselius schildert die Waldquelle unter starkem Rückgriff auf antike Motive, verzichtet bemerkenswerterweise weitgehend auf eine christliche Mythenkritik, bezeichnet die Nymphen sogar als diversa Numina (V. 8); allenfalls fügt er leicht distanzierende Formulierungen ein, V. 7 etwa credunt, V. 10: Fertur. – Hier scheint es weniger auf religiösen Gehalt als auf eine plastische Beschreibung der Örtlichkeit und auf einen zeitgeschichtlichen Nebensinn anzukommen (s. u. zu VV. 11f., 25f., 29 u. 33). Zugleich wird durch diese ungebrochene Antikisierung poetisch die Aura des Ortes erhöht, der übrigens zum Herrschaftsbereich der Fugger, also Bisselius’ Gönner, gehörte. 7 Nymphas] Nymphen, hier als lokale Gottheiten der »niederen Mythologie«. 7 Dryadasque] Dryaden, Baum- oder Waldnymphen; etwa: Vergil, ecl. 5,59. 9 vetus Aegerie] Egeria, Quellnymphe und weissagende Gemahlin des Numa Pompilius, gehört zu den Mythen aus Roms Frühzeit; vgl. Ovid, met. 15,478– 551, Vergil, Aen. 7,763–770; Valerius Maximus 1,2,1 (dort in der bei Bisselius ähnlichen Schreibweise Aegeria). 9 Oenotrio fonte relicto] Egerias Grotte bei Ariccia nahe Rom war berühmt und wurde später in manchem Schlossgarten (Rheinsberg, Wörlitz) nachgebildet. Dass Bisselius sie in den Babenhauser Wald »umsiedelt«, nobilitiert abermals seine heimische Örtlichkeit. – Zur Rezeption Numas und des ariccischen Haines gerade zu Bisselius’ Zeit jetzt (ausgehend von einem Gemälde Poussins aus dem Jahr 1629) Häfner 2011. 9 Oenotrio] Paronomasie nach dem Sabinerkönig Oenotrus, von Bisselius wohl gewählt, um auf die Frühzeit Roms zurückzublicken; vgl. etwa Vergil, Aen. 1,532 u. 3,165: Oenotri coluere viri. 11 revocare … renovare] Grammatisch parallel und alliterierend, imitieren die Infinitive geradezu das Rufen und Weissagen Egerias. 11 notum Numam] Numa Pompilius, der sagenhafte zweite König Roms, wurde seit der Antike als Begründer einer Staatsreligion und Friedensfürst gewürdigt, so bei Cicero (rep. 2,13f.) und Livius (1,19–21), ebenso in Plutarchs Numa-Vita. Petrarca nahm ihn in diesem Sinn unter seine Viri illustres auf (1,2). Dass Egeria ihn hier nicht nur, wie der Mythos berichtet, betrauert, sondern geradezu nach Bayern »zurückruft«, legt einen aktualisierenden Nebensinn der Passage nahe (s. o. den Vorspann).

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11f. vetusta … loqui.] Die vetusta carmina meinen die Ratschläge, auf denen die weise Staatslenkung des Numa beruhte; vgl. Ovid, fast. 3,273–299. Plutarch, Numa 4,2. Dass Egeria diese nun erneuert (renovare, V. 11), stützt abermals eine aktualisierende Deutung, nach der eine solche auch für das Reich um 1640 vonnöten wäre. 12 caeca sorte] Diese Formulierung greift die in Bildkunst und Emblematik gängige Vorstellung von der blinden Fortuna auf, die – auch als historisch wirksame Macht – nicht zielgerichtet agiert, sondern Kontingenz schafft; vgl. dazu Kirchner 1970, S. 41–54. Solche Kontingenz herrsche, so eine aktualisierende Lesart, zu Bisselius’ Zeit im Reich und es bedürfe der Besinnung auf eine höhere Macht (Egeria wäre hier christlich auszulegen), um ihrer Herr zu werden. 13 vetus atque recens] Diese paradox erscheinende Verbindung von Attributen der Sylva setzt den Gedanken der Erneuerung altrömischer Herrschaft durch eine »neurömische« lexikalisch subtil fort. 14 stirps Rhodopaea] Rhodope(i)us für ›thrakisch‹ etwa bei Ovid, epist. 2,1 (von Phyllis); met. 10,10f. (von Orpheus); Lukan 6, 618 (vom Gebirge, in der Rede der Hexe von Endor!). Hier wohl ohne tieferen Nebensinn so zu deuten, dass der oberschwäbische Wald einem thrakischen Bergwald gleiche. 15–18 Et … rosis] Der Katalog von Bäumen und zuletzt auch Sträuchern ist montiert und modifiziert aus: Vergil, georg. 2,17/18: densissima silva, / ut cerasis ulmisque; georg. 1,137: altaque fagus; 2,266 (piceae); 2,443 (pinus); Plinius, nat. 16,75 u. 176: betul(l)a; nat. 18,40 (frutecta). 18 summontanis] Nich im klassischen Latein; ob im engeren Sinne eine ›Gebirgsrose‹ (r. pendulina) oder eine schlichte Heckenrose (r. corymbifera) gemeint ist, muss fraglich bleiben. Doch verbindet die Erwähung der Rosen diese Passage mit den Elegien I,12,8; I,19,70, v. a. aber den im Kapitel ROSAE zusammengefassten Gedichten III,18–20. 19 ASPIDVM … Nemus] Womöglich ein ›Schlangenwald‹ genanntes Flurstück in der Nähe Babenhausens gemeint? 19 ansa] Hier im übertragenen Sinne: ›Anhaltspunkt‹; nominis ansa gerade für (ps.-)etymologische Erläuterungen womöglich gängig; vgl. etwa Otto Zwierlein: Lucubrationes Philologae. Hg. v. Rainer Jakobi u. Rebekka Junge. Berlin/New York 2004, S. 223 m. Anm. 62: sic fervore meri nominis ansa datur (aus einer akrostichischen Inschrift zur Erläuterung des Namens v. Andreas Mergiletus). 20 Colchica … lues] Kolchis, am schwarzen Meer gelegen, seit Medea schon in der Antike für Gifte und Giftmischer berüchtigt; vgl. nur Horaz, carm. 2,13,9: ille venena Colcha [tractavit]; Colchicum als Giftpflanze auch bei Plinius, nat. 18,129. Vgl. auch unten zu V. 25f.

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21 Intybus] Als Nebenform zu ›intubum‹ belegt etwa bei Gessner 1749, Bd. II, S. 1206; dort, S. 1205, die Erklärung: Herba est ex cichoriorum genere, quam Graeci Serim vocant. Vulgo corrupto nomine vocamus Endiviam; antik bei Vergil, georg. 1,20: et amaris intuba fibris. 21 Violae] Eine weitere Verbindung zu diversen anderen Elegien, etwa I,12,9 v. a. aber zu El. I,20; zur geistlichen Deutung der Veilchen s. den Kommentar dort. 24 Irorum] Der ithakische Bettler Iros war bereits in der Antike sprichwörtlich, so etwa bei Martial 5,39,9; 6,77,1. 24 lixa] Im Sinne von ›Gerichtsdiener‹ bei Apuleius, met. 1,24. 25f. Claudius … dape.] Ganz knapp flicht Bisselius die Überlieferung vom Tod des Kaisers Claudius ein, nach der er von einem seiner Diener mit einem Pilzgericht vergiftet worden sei; vgl. Tacitus, ann. 12,66f.; Sueton, Claud. 44. – Indem hier nun der zweite römische Herrscher erwähnt wird, führt Bisselius den politischen Subtext der Teilelegie fort. Claudius, der schon antiken Geschichtsschreibern als obskur, launisch, manipulierbar und zuweilen auch lächerlich galt (vgl. nur Sueton, Claud. 35–40; Cassius Dio 60,2,4–6), kann hier gewissermaßen als Gegenbild zu Numa (s. o., zu V. 11) aufgefasst werden, mithin als (gerade durch Evokation des Giftmordes) warnendes Beispiel an zeitgenössische Herrscher. 29f. LILIOLA … favor.] Vordergründig gibt Bisselius eine Erläuterung des (freilich nicht volkstümlichen, sondern lateinischen) Namens ›convallaria‹ (Maiglöckchen), die in der deutschen Übersetzung kaum nachzuahmen ist. Noch Adam Friedrich Kirsch vermerkt in seinem Abundantissimum Cornu Copiae Linguae Latinae Et Germanicae Selectum. Leipzig 1774, S. 708b: Lilium conuallium, Mayenblume. – Darüber hinaus spielt diese ›Lilie im Tale‹ auch auf den entsprechenden Vers des Hohenliedes an (Hld 2,1: ego flos campi et lilium convallium) und gehört überdies, was auch die lexikalische Verwandtschaft mit der Lilie unterstreicht, zu den Blumen der Marienverehrung und wurde seit dem Mittelalter gern in bildlichen Darstellungen verwendet. S. auch den Kommentar zu V. 31f. 29 insurgunt] Vielleicht auch mit einem Nebensinn zu verstehen, der die bisherigen politisch-monarchistischen Subtexte mit dem in diesem Vers eingeführten geistlichen Sinn verbindet: Mit Christus, der ›Lilie‹ des Hohenliedes, und Maria sind die aktuellen Entsprechungen zu den vetusta carmina der Egeria gegeben, sprich: Richtlinien für eine weise, friedliche Herrschaft. Diese müssen sich aus Bisselius’ Sicht ›erheben‹, damit Oberschwaben oder gar das Reich einer besseren Zukunft entgegen geht; s. auch unten zu V. 33. 31f. Scapus … calycis] Eben so zeigt etwa das Frankfurter Paradiesgärtlein (ca. 1410; Städel Frankfurt) zwei Maiglöckchen zu Füßen der in frühlingshaftem Grün sitzenden Himmelskönigin. Sie finden sich auch, gemeinsam mit Veilchen, vor den Füßen Marias mit dem Kind auf dem Titelkupfer der DV (s. Abb. 1).

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33 Hîc … regna] Der politische Subtext kommt hier zum Abschluss und zugleich zu höchster Deutlichkeit: Das »blühende Reich« hängt, so suggeriert es das deiktische Hîc, von den Präzepten ab, die Bisselius, in Anspielungen und antiken Kontexten verborgen, gegeben hat. Damit wird auch der so oft angerufene Frühling um eine neue Bedeutungsfacette erweitert: Politisch meint er nun eine Aufbruchsstimmung, konkret etwa nach der Besetzung Bayerns in den 1630er Jahren, zugleich die Hoffnung auf eine anbrechende katholische Restitution insgesamt, mag sie 1638/40 auch noch kühn gewesen sein. 34 Hîc … damus] In der mittels anaphorischem Hîc angefügten Überleitung zur nächsten Teilelegie, die dann gleichsam in den Kulissen seiner Erinnnerung ablaufen wird, nutzt der Dichter abermals Metaphorik von Bühne und Theater; ähnliche übertragene Bedeutungen in: I,2,1,22; I,3,10/11; I,5,3,6 u. 4,6 (amphitheatra); I,23,27; II,2,31; II,5,19; III,4,1,27.

Zu II,17,2 1–6 Huc … toris] Vgl. die analoge Situation in I,20,7–10. 2 Accessi quoties] Das folgende Geschehen wird somit als Erinnerung des Dichters kenntlich. 5 Galeni] Der griechische Arzt des zweiten Jahrhunderts wird hier wohl unspezifisch als Autorität der Schulmedizin jener Zeit genannt. 6f. Erumpo … Erumpo] Die Anapher unterstreicht die energische Bettflucht des Kranken. Im Kontrast dazu: Das Fernbleiben des ebenfalls fiebernden Dichters von der Fronleichnamsprozession in III,22,1,1–4. 6 sed Amore trahente] Ähnlich Statius, silv. 2,6,10. 8 Vota] Wohl auch im Sinne von ›Gebete‹, die in den folgenden Versen erhört werden. 8 (viae comites)] Die Stellung in Parenthese scheint unklar und wird in der Übersetzung vernachlässigt. 8 Liber unus] Die analoge Situation in I,20,14–16. 11f. At … Maro.] Die beiden Werke, im Schulstoff der höheren Klassen vorgesehen, verbinden zugleich die vorliegenden Teilelegien sowie die Interessen des Dichters: Curtius Rufus’ Alexander-Vita weist auf die exemplarischen Monarchen zurück, die in Teilelegie I eine Rolle spielten, unter Vergils Werken bilden einerseits die Georgica eine materielle Basis der ersten Teilelegie insgesamt, andererseits weist das Aeneas-Epos auf den Bibelepiker Sannazaro voraus, der in der dritten Teilelegie im Mittelpunkt stehen wird. – Und schließlich kann die Verbindung von Geschichtsschreibung und Dichtung auch für das Œuvre des Bisselius insgesamt gelten, auf das er hier, gebrochen durch die Lektüre als Jugendlicher, hinweist.

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12 Emathij] Von Emathia, einer älteren Bezeichnung Makedoniens; vgl. Plinius, nat. 4,33; Vergil, georg. 4,390; Lukan 1,1f. 14–16 Ah quoties … globum?] Auch die Kinderspiele verschweigt Bisselius nicht, flicht sie vielmehr in diesen durch Anaphern der Hexameter verknüpften Distichen ein (die Fragezeichen scheinen je als Ausrufezeichen zu lesen zu sein). Bisselius nutzt hier wiederum die Gelegenheit für thematische Querverbindungen in seine Deliciae Veris: Das erste Distichon deutet nur kurz Spiele und Scherze an und so auf El. III,11 (unglücklicher Ausgang eines Wurfspiels), aber auch auf die schwer bestraften Scherze einer die Hl. Messe nachspielenden Kinderschar in III,23,29–40. Das zweite Distichon hingegen weist auf die beiden Jagd-Elegien III,16f., in denen sich Jäger – hier im wörtlichen, dort im übertragenen Sinne – zwar nicht von Kindern, doch von der Dunkelheit (16) bzw. der deutschen Sprache (17) täuschen lassen. 17–20 Cum … Lepus!] In einer durch Anaphern fest verknüpften Passage aus Nebensätzen, in der Jagd und Flucht der Tiere, das Rufen der Knaben und Rennen des Hasen gleichzeitig ablaufen, wird nun das Jagdgeschehen amplifiziert, wobei Bisselius seine Erinnerung mit literarischen Reminiszenzen anreichert, was durchaus dem Programm der Teilelegie entspricht (s. o. zu V. 11/12). Im Einzelnen s. die folgenden Lemmata 17 Dorcas … Hylax … Hylactor] Ähnlich den Pflanzen in der ersten Teilelegie werden nun typische Hundenamen aus antiker Dichtung kompiliert, nämlich: Hylax aus Vergil, ecl. 8,107; Hylactor aus Ovid, met. 3,224; Dorcas vermutlich für Dorceus aus ebd., 3,210. Die ersten beiden Hunde werden auch im Jagd-Gedicht, DV III,16,11, genannt. 19 Cum … Echo] Der Jubelschrei der Jäger hier nach Ovid, ars 2,1/2: Dicite: Io Paean! et io, bis dicite, Paean! / Decidit in casses praeda petita meos. Vgl. auch El. III,16,20. – Echo hingegen deutet an, dass die Jäger gerade von einem falschen Ruf irregeführt werden, den die Kinder im Scherz ausstoßen; dass ihnen das Wild eben nicht »ins Garn gegangen« ist. Hier und – soweit ich sehe – nur hier in den DV deutet Bisselius das in barocker Dichtung sehr beliebte Motiv des Echos an, das sowohl von weltlichen Dichtern wie Zesen und Opitz aber auch für geistliche Sinngebungen verwendet wurde, etwa von Jacob Bidermann oder von Friedrich Spee (Trutz-Nachtigall, S, 23–33 [Nr. 4 u. 5]); zusammenfassend mit weiterer Literatur dazu Eickmeyer 2011 (zu Zesen und Bidermann). 20 Lepus] Vgl. III,16,6, v. a. aber die Elegie III,17, Teilelegie 5, über die Rolle des Hasen bei der Eroberung Roms. 21f. Aut … jugi.] Nicht ohne Denouement geht die Elegie zu Ende: Das durch anaphorisches Aut verknüpfte Distichon zeigt den Jungen Bisselius, der sich im Getümmel der Jagd still versteckt. 21 densas … fagos] Vergil, georg. 1,137.

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21 sine murmure] Ovid, met. 5,587: sine murmure euntes. 22 Coryleta] Ovid, fast. 2,587.

Zu II,17,3 Iacobi Sannazarij] Jacopo Sannazaro, in ganz Europa geschätzter und verbreiteter Renaissance-Dichter aus Neapel, Schüler Giovanni Pontanos, in dessen Nachfolge er erotische Elegien und Poeme im Stile Catulls dichtete. Einen prominenten Platz in der neulateinischen Dichtung Europas sichern ihm neben seinem Hauptwerk (s. dazu das folgende Lemma) die Eclogae Piscatoriae (1526), das Ovid imitierende Gedicht Salices. Auch in der Volkssprache tat er sich durch ein prosimetrisches Schäfergedicht Arcadia hervor. – S. insgesamt die Aufsätze in: Sabbatino 2009 u. Schäfer 2006, hier v. a. die Beiträge von Tamara Visser, Florian Schaffenrath und Ralf Georg Czapla. Liber de Partu Virginis] Sannazaros ca. 50 Seiten umfassendes, an Vergil orientiertes Kleineops De Partu Virginis (Über die Jungfrauengeburt) war ab 1526 sein größter Erfolg, zunächst unter italienischen Humanisten, und kann als Anfangspunkt der neuzeitlichen Bibelepik gelten. Doch der europaweit geführte Streit um das rechte Maß zwischen Annäherung an die Antike und Wahrung christlicher Grundsätze machte, vermittelt durch die scharfe Kritik des Erasmus in seinem Ciceronianus (1528), Sannazaro auch nördlich der Alpen berühmt. – Scaliger zählt ihn in seinen Poetices libri septem (Buch 6, Kap. 4) gerade aufgrund seines Epyllions zu den hervorragendsten Dichtern seiner Zeit; dazu sowie zur gleichwohl geäußerten Kritik Scaligers Reineke 1988, S. 464–496. Näheres zum Epyllion selbst s. das vorangehende Lemma, ferner wegweisend Czapla (im Druck), Register. 1 legenti] Unversehens kehrt Bisselius von der tumultuösen Jagd am Ende der vorangegangenen Teilelegie wieder zur Lektüre zurück. 2 à Partu Virgine] S. o. zum Titel der Teilelegie. 3 ACTIVS … notus] In der Accademia Pontaniana, in die Sannazaro 1478 eintrat, wählte er den Dichternamen Actius Sincerus. Pontanos Lehrdialog Actius (1499) bezieht sich direkt auf ihn. In diesem Sinne zeigt der Name eben keine Genealogie an. – Bisselius weiß das Wort sincerus, ›unbefleckt‹ allerdings im Doppelsinn aufzufassen; vgl. V. 5. 4 nil, nisi Vita, nocet.] In Umkehrung der Catullischen Verse, dass ein Poet, nicht aber seine Dichtung keusch sein müsse (16,5f.: nam castum esse decet pium poetam / ipsum, versiculos nihil necesse est.), bleibt für Bisselius an Sannazaro nun gerade der Lebenswandel unannehmbar, wie die lakonische Litotes effektvoll deutlich macht. 5 Syncerior] Schon die Majuskel zeigt an, dass das Wortspiel mit Sannazaros Dichternamen fortgesetzt wird.

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6 Vel … foret!] Und das Wortspiel wird auf den ›Familiennamen‹ ausgedehnt: Am Nazariustag geboren, wurde der eigentlich aus spanischem Adel stammende Jacopo nach ihm benannt. Dieser Heilige wird nun als erstes besseres Vorbild benannt. 7f. Tutior … dedit.] Jacopo stammte aus dem Geschlecht der Lomellina, die ihre Genealogie in der Lombardei auf vor-römische Zeit zurückführen und insofern besingenswert seien. 9 tamen] Der konzessive Anschluss zeigt, dass Bisselius nun doch zum Lob des Sannazaro übergeht. 9f. una Virgine … Phyllis … Neaera] Die direkte Gegenüberstellung der Frauenfiguren streicht einerseits Sannazaros Epyllion als höchst verdienstvoll heraus, wertet zugleich jedoch seine Elegiendichtung ab, wie Neaera als Name einer typischen Dichtergeliebten nahelegt (vgl. Lygdamus in Tibull 3,1,6; Horaz, carm. 3,14,21; auch Vergil, ecl. 3,3 [dort Geliebte des Hirten Aegon]), zudem auch die Arcadia, deren weibliche Hauptfigur den Namen Phyllis trägt. 11 meliore … Parente] Unmissverständlich macht der Dichter deutlich, dass der Mensch Sannazaro hinter seinem Epyllion zurückbleibt. Dies hat poetologische Gründe, wie sich im Folgenden zeigt. 12 Aonidum … mihi] Die Lektüre von De partu virginis erhält Schlüsselfunktion für den dichterischen Werdegang des Bisselius. Man beachte auch die antikisierende Wortwahl (Aonidum, etwa: Ovid, met. 6,2; Statius, silv. 1,2,247 u. ö.), die hier über das Motiv der Grotte auch wieder die Egeria der ersten Teilelegie in Erinnerung ruft. 13 monitore … MARIA] Der doppelte Leitstern aus Gott (Christus) und Maria, der bereits am Schluss der ersten Teilelegie herauspräpariert werden konnte, wird nun auch für Bisselius’ eigenes Dichten in Anspruch genommen: Er setzt sich so symbolisch an die Stelle Numas, Maria an die Stelle Egerias der ersten Teilelegie. 14 nil, nisi legitimum] Kontrastiv zur Abwertung Sannazaros in 3,4. Sachlich dürfte Bisselius auf seine frühe marianische Dichtung anspielen, v. a. den, anonym publizierten, Cliens Marianus (41634); s. zu diesem Werk Wiegand 1988. 14 Thalia] Die bei Bisselius übliche Bezeichnung für seine Muse, also die Gottesmutter, unterstreicht diesen Zusammenhang. 15 Ad … frangant] Unvermittelt scheint auch ein anderer Dichter neben Sannazaro hier in der Kritik zu stehen: Jacob Balde, der vor seiner Konversion zur geistlichen Dichtung weltliche Liebeslieder sang, berichtet in einer berühmten, Cantus Durus betitelten Ode, wie er, vom Kirchengesang gerührt, seine Laute zerschlug (silv. VIII,26, Str. 24): Ergo moerenti stimulatus ira, / Barbitum mensae, fidibus solutis, / Bis ter illisi. Iacuere centum / Fragmina terris.

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Wenngleich die Ode zu Bisselius’ Zeit noch nicht gedruckt vorlag, mag die Anekdote im Orden bekannt gewesen sein. Hier könnte ein weiteres Indiz für ein eher gespanntes Verhältnis zwischen den ehemaligen Kollegen greifbar sein (s. auch die Einleitung zur Edition). 16 Nostrum … aget.] Programmatisch weist Bisselius jede weltliche Liebesdichtung von sich. Aus dem Barbiton ist ein Monochordon geworden, das eben nur eine Saite hat: die geistliche. 17–20 Sed … MALA.] In einer scharfen Praeteritio lässt der Dichter nun die Kritik an weltlicher Dichtung und das eigene Programm auf sich beruhen, vergegenwärtigt sich zugleich die Szenerie im Wald, die bislang nur in der Erinnerung der zweiten Teilelegie präsent war und deutet durch die Motive Pinea und v. a. NVPTA MALA im letzten Vers bereits auf die folgende Elegie II,18, deren Inspiration so bereits in dieser Elegie fiktionalisiert wird. 19 I, Zephyre] Eine weitere Verbindung innerhalb der Deliciae, nun insbesondere zum ersten Buch; s. I,1,3,28 u. 38; I,2,3,5; v. a. die Zephyr-Elegien I,6–8. – Der Aufruf steht im Kontrast zum ebenfalls poetologisch motivierten Befehl an den Zephyr in II,15 (s. dort V. 25f.).

Zu Elegie II,18 (WK) Durch ältere und neuere Forschungen, zuletzt durch Studien von Johannes Klaus Kipf (2009 u. 2010, hier zit. n. 2010, S. 221.) sind für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit die Übernahme und Übertragung von schwankhaften Kurzerzählungen aus dem Lateinischen ins Deutsche, aber auch umgekehrt, ebenso nachgewiesen wie, etwa im Fall des Hans Sachs, die Verwendung gleicher Erzählungen in diversen Formtypen der frühneuhochdeutschen Literatur: »vom Meisterlied zum Prosaschwank oder vom Versschwank (Schwankmäre) zum Fastnachtsspiel und zum Prosaschwank«. Wir haben es demgegenüber hier mit einem höchst ungewöhnlichen Befund zu tun, der Symbiose von gelehrter Jesuitendichtung und populärer Schwanktradition, dergestalt dass Bisselius in seinem Elegien-Zyklus nicht nur hier (vgl. auch III 5 u. 7) weit verbreitete Prosaschwänke auf derart originelle Weise einarbeitet, dass aus der misogynen Wanderanekdote schließlich eine regional-aitiologische Satyra entsteht. Überschrift und Prosavorspann der dreiteiligen Elegie lassen bereits keinen Zweifel am schwankhaften Charakter des Sujets aufkommen, zumal die Untertitel der ersten und dritten Teilelegie das erprobte Genre des Eheschwankes samt misogynen Attacken auf solche Weise berufen, dass der Autor in der kommentierenden Exposition (1,1ff.) mit drastischen, sentenzenhaft verdichteten Behauptungen nicht als zölibatär lebender Ordensbruder spricht, sondern – mit nur schwachem Vorbehalt (1,3) – Gedanken, Wünsche und Gespräche von Ehemännern im hasserfüllten Ehekrieg artikuliert, dies sogar unter dem Lemma des »gemeinen Nutzens« (commune bonum, 1,5). Der Hinweis auf den altrömischen Dichter Pacuvius (ca. 220–130 v. Chr.) im

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Prosavorspann nach der Epistel eines gewissen Valerius an Ruffinus wird begleitet von einer Ciceroreminiszenz und verflochten mit Zitatnachweisen in Theodor Zwingers monumentalem kompilatorischem Sammelwerk (Theatrum Vitae Humanae) und in Giglio Gregorio Giraldis »Dichtergeschichte«. Es wird eine Belesenheit suggeriert, die insoweit fraglich erscheint, als der antike Referenzradius (Pacuvius, Cicero) bereits bei Zwinger und durch ihn auch bei Giraldi abgeschritten wird (s. u. Textanhang I). Die Aufnahme des Schwanks auch in Johannes Paulis Schimpf und Ernst (s. u. Textanhang II), ein Werk, das, wir werden sehen (s. u. zu Elegie III,5), Bisselius kannte, wird hier verschwiegen. Es kommt dem Jesuiten offenbar darauf an, die altrömische Dignität der Erzählung in einer illustren gelehrten Genealogie zu beglaubigen. Nicht also durch eine indigene literarischvernakulare Überlieferung wird Antikes überblendet, sondern erst in der folgenden narrativen Entfaltung ins Volkstümliche und Einheimische, konkret: in das heimatliche Allgäu transferiert – in einer witzigen Synthese aus Antike und Gegenwart, mittels derer auf die gelehrte Überlieferung in bizarrer poetischer Invention und narrativer ›aemulatio‹ ein ungewohntes Licht fällt. Aus dem namenlosen Baum, an dem sich die Frauen erhängen, wird eine denkwürdige einheimische Fichte, aus dieser Fichte dann ein Geschehen abgeleitet, das scherzhaft und im Sinne wohl der aitiologischen Variante der antiken Elegiendichtung (Properz) erklären soll, wie aus dem ursprünglich agrarisch genutzten Allgäu ein mit Fichten bestandener Landstrich wurde. Der letzte Satz des Prosavorspanns akzentuiert die auch andernorts von Bisselius gern in Anspuch genommene Freiheit der poetischen Fiktion, so dass von Anfang an der Gestus einer humoristisch-satirischen Neukonstruktion und -integration des alten Textbestandes angedeutet wird. Dabei wird der überlieferte Schwank im lateinischen Textgewand nur indirekt muttersprachlich gefärbt und als mündliche Erzählung qualifiziert, indem er einem Hirten in den Mund gelegt wird, der »auf den Bergen zwischen seinen Kühen und Rindern saß«. Diese dialogische Konzeption harmonisiert das in der Rangordnung der Gattungen niedrige Genre mit einer rustikalen Erzählerfigur, überführt damit die schriftlichen Quellen, die nun zugunsten der Erlebnisfiktion ganz ausgeschaltet werden, in eine ländliche, abseits der Zivilisation angesiedelte Kommunikationssphäre. Das ursprünglich schmale Handlungsgerüst koloriert Bisselius mit sinnlich-individuellen und situativen Details im Dienste der rhetorischen Evidentia. Der Schwankheld ist mit sprechendem Namen (Bibo) als Säufer charakterisiert, und auch der notorische, in Schimpfen und Prügeln ausgetragene Ehestreit wird hinreichend genau angedeutet. Die Reaktion der männlichen Nachbarn, die sich einen ähnlichen Galgenbaum wünschen, erscheint derart hyperbolisch übertrieben und durchsichtig fiktiv, dass sich daraus die neue Mythe von der landschaftlichen Veränderung des Allgäus ableiten lässt. Dem auktorialen Ich, damit eigentlich auch dem Urheber solcher Mythopoesis, wächst als Textfigur hier nur die Rolle eines Kommentators und Zuhörers zu, dessen Lachen vom Gedröhn des Hirtenhorns übertönt wird. Die dritte Teilelegie setzt diesen Prozess der Transformation, noch immer im Munde des Allgäuer Hirten, auf andere Weise fort. Nun fällt im Titel der Begriff der Lycambea Satyra, womit also nicht nur ein lässiger sermo Horazischen Zu-

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schnitts gemeint ist, sondern, wohl in Anlehnung an Stellen bei Horaz (epod. 6,13; epist. 1,19,25) auf die literarischen Attacken des Archilochos angespielt wird, der als verschmähter Freier angeblich Lycambes und seine Tochter Neobule mit seinen scharfen poetischen Pamphleten in den Tod trieb. Der so assoziierte Tod der antiken Frauenfigur durch die Macht des Wortes hat nur in dieser mehr als kühnen, fast burlesk anmutenden poetischen Kombination, vielleicht auch noch im latenten solidarischen Rekurs auf den anfangs erwähnten weiberzähmenden Dichter Pacuvius, zu tun mit dem im alten Schwank berufenen Freitod der von ihrem Mann gequälten Weiblichkeiten. Die nun folgende Wiederaufnahme der frauenfeindlichen Schmährede stellt sich also in die reflektierte Nachfolge des Archilochos, gleichzeitig verschmilzt die Rede des Allgäuer Hirten endgültig mit der textuellen Mentalität und der poetischen Dignität des gelehrten Verfassers. Denn nur dieser ist es, der in einer langen Reihe mythisch-poetischer bzw. historischer Frauennamen alle möglichen, vor allem erotische Gefährdungen namhaft macht, die dem Mann von der Frau drohen, und der im letzten Vers mit einem Binnenreim, der den weiblichen Dolus beschwört, seine Elegiengruppe mit einer zeitlos gedachten Warnung abschließt. ALMANGOVIAE … ALGOIAM] Geläufige latinisierte Toponyme, wie sie unter anderem gebraucht wurden in der bekannten Topographia Sueviae (Abbildungen von Matthaeus Merian, Text von Martin Zeiller), Frankfurt a. M. 1643, S. 99 (hier unter dem Lemma »Imenstatt«): »Ligt im Algöw/ Alpgovia, von den benachbarten Alpen/ oder Almangovia von den Allemannern also genandt.«

Zu II,18,1 2 Vxorem, poscunt proxima vota, mori] Der Bezug auf die verbreitete Verwünschung des Ehepartners, im frauenfeindlichen Duktus durch das humoristische Schwankgenre entschärft, gehört durchaus zur Exposition barocker Ehestandspredigten, ablesbar etwa in Predigten von Bisselius’ bayerischem Ordensbruder Georg Stengel (1584–1651), enthalten in seinem großen Sammelwerk Opus de Iudiciis divinis (4 Bde., Ingolstadt 1651, deutsch Augsburg, Dillingen 1712), hier zit. n. den sprachlich modernisierten Auszügen (ohne Stellennachweise) in: Bayerische Barockprediger 1961, S. 19–52, hier Auszüge aus den S. 38–41 unter der Überschrift »Ob das unzertrennliche Eheband zu hart und zu streng verbinde?«: Unter den Eheleuten werden sehr viele gefunden, welchen das unzertrennliche Eheband ein unerträgliches Joch vorkommet und also ein großes, wo nicht das größte, Übel des Ehestands schätzen. Dahero merket man ziemlich oft, daß mancher Ehegenoß nur dem Schein nach traure und sich gleichsam zwingen will zum Weinen, wann ihm der andere gestorben ist. Er lachet vielmehr in sein Schnupftüchlein hinein, wann er ihm die Zäher abwischen will. Hat doch der Job schon gesagt: viduae illius non plorabunt, daß manche Wittib bei dem Tod ihres Ehemanns nicht wird weinen. Herentgegen wünschen etliche Eheleut, welche einander sehr lieben, daß dieses so enge Band noch mehrer sollte zu-

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sammen gezogen werden. Diesen Punkten schieben wir in das folgende Kapitel auf. […] Wer siehet nicht, daß es sehr hart ankomme und einem ein erschröckliche Sach seie, wann er sein Leben lang muß gefangen und an Eisen und Banden angeschmiedet sein? O wie viel wollten lieber sich an die Ruderbänk auf einer Galeeren ihr ganzes Leben lang verbannen lassen als ohne alle Hoffnung einer Erlösung in der Ehe bei einander wohnen? Dann es sagt etwan einer, wann ich gleich an die Ketten angeschmiedet bin, hab ich doch ein Hoffnung, wanngleich dieselbe klein ist, ich werde endlich etwas erfinden können, daß ich mich durch einen heimblichen Vorteil derselben entledigen und mit der Flucht in die Freiheit werde setzen können. Aber wann ich einmal mit einem Heirat bin verknüpfet, kann mir niemand daraus helfen als der einzige leidige Tod, wann er über mich oder über meinen Gegenteil, an dem ich so stark bin angefesselt, kommen wird. Ach wie kreuziget nicht oft ein schlimmes Weib ihren Mann! Ein schlimmes Weib ist ein herzbrechende Kummernus. Es ist besser bei Löwen und Drachen wohnen als mit einem bösen Weib hausen. […]. Aber es hilft kein Seufzen und Weinen und Jammern. Was einmal Gott durch das heilige Sakrament der Ehe zusammengeben hat, das kann kein Mensch mehr scheiden. […]. Jener Bauer, da er von seinen Befreundten getröstet wurde wegen des Tods seines Eheweibs, hat gesagt, sein Weib seie gar ungern und wider ihren Willen gestorben, er aber habe sie gern und mit gutem seinem Willen sterben gesehen. Als man aber die Ursach dieser seiner Red zu wissen begehrte, hat er also darauf geantwortet: er hätte viel Jahr mit seinem Weib gehauset und wäre niemal einer Meinung und Willen, er mit ihr und sie mit ihm, gewesen, hätten also auch in dem Tod nichts Neues anfangen wollen und erst alldorten miteinander übereins kommen und eines Willens werden wollen. […]. Wann nun dann die Männer solche eigensinnige und widerwärtige Weiber bekommen haben, welche gleich einem schlimmen Pferd wider den Mann gehen, wünschen manche, daß ihre Weiber nicht allein in dem nächsten Fluß ertrunken wären, sondern sie wollten dieselbe gern auf das hohe Meer hinaus führen und alldorten nacher Calecut schwimmen lassen, damit sie solche Weiber auch nicht begraben durften. Man erzählet von einem, der in dem Gebürg wohnte, daß er sein Pfeifen oder Schalmeien von der Wand herab genommen und lustig aufgepfiffen habe, da sein Weib schon in den Zügen lage und den Geist aufgeben wollte. Die Umbstehende hatten ihn darvon abgemahnet, indem jetzt nicht Zeit wäre lustig zu sein sondern zu trauren. Aber er wollte sich darvon nicht abhalten lassen und sagte mit lachendem Mund: wir seind in Freuden zusammen kommen, also wollen wir auch mit Freuden von einander scheiden, damit der Anfang und das End übereinstimme. Eben auf einen solchen Schlag hat jener Ehemann in dem Griechenland sich beklaget, daß er in seinem Ehestand nur zwei glückselige und gute Täg gehabe: Nämlich die erste Freud hab ihm gemacht der Hochzeit Tag, die andere, da sein Weib gestorben wäre. Der erste und letzte war gänzlich voll Freud, die andere Täg waren lauteres Leid.

6 sylvicomum] Semantik hier wohl abseits des klassischen Lateins (nicht im OLD), normaler Weise auf ein zu ergänzendes ›mons‹ (so bei Marius Victorinus) und dgl. zu beziehen; Übersetzung problematisch (im Sinne von ›struppig‹?). 7 RHETIA] Nach der kaiserzeitlichen römischen Provinz Rätien (mit der Hauptstadt Augsburg: Augusta Vindelicorum), welche den Alpenraum und Gebiete um die Donau südlich des ›rätischen‹ Limes umfasste, also auch das Allgäu. 9 bubulcis] Vgl. Ovid, trist. 3,12,30; Juvenal 7,116; vor allem aber (vielleicht hier bewusste Anspielung darauf) Martial 10,7,5 (Epigramm zu den Eroberungen Trajans): die contumeliosi bubulci. 14 fordas] Die trächtigen Kühe wie Ovid, fast. 4,631.

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17 Palladias … baccas] Die Oliven, als Frucht des der Athene/ Pallas Minerva heiligen Ölbaums; so etwa Ovid, met. 8,664: ponitur hic bicolor sincerae baca Minervae, hier sagenhaft ausgesponnene Übertreibung: das Allgäu einst ein Oliven- und Weinland …

Zu II,18,2 3 Viridissima Tempe] Das Attribut, hier zum schönen und fruchtbaren Tempetal in der Nähe des Olymp (auch sonst bei Bisselius immer wieder antikisierend herangezogen); vgl. beispielsweise viridissima ripa bei Vergil, georg 3,143 oder area viridissima bei Ovid, am. 3,5,5. 8 Potor … Potus] Sinntragendes Wortspiel; potor wie Horaz, sat. 2,4,59 oder, Bisselius inspirierend, epist. 1,18,91: potores bibuli media de nocte Falerni. – potus für ›betrunken‹ wie etwa Horaz, epist. 1,19,7; Properz 2,29,1. 16 Bibo] Sprechender erfundener Name von bibere – ›trinken‹. 23 lurida funera] Luridus gern für die bleiche Farbe der Knochen oder die Gesichtsfarbe bei Kranken oder Sterbenden (etwa Apuleius, met. 5,18,5: exangui colore lurida), funera metonymisch schon in der klassischen Dichtersprache für Leiche oder Leichnam, etwa bei Properz 1,17,8; 4,11,3; Bisselius assoziiert gewiss auch semantische Färbungen z. B. von Horaz, epod. 17,22 (ossa lurida); Ovid, met. 14,746f. (lurida membra). 36 Sudat opus] Kühne Junktur, metonymisch für die Arbeit der Menschen. 42 incurvam … Tubam] Das Attribut ungewöhnlich und differenzierend für die normalerweise gerade auslaufende Kriegstrompete. 42 cornu reboante] Vgl. Catull 63,21: ubi tympana reboant.

Zu II,18,3 Lycambea … Satyra] S. o. in der Einleitung. 1 Perdidit] Bewusster paronomastischer Anschluss an den letzten Vers der vorhergehenden Elegie (Subdidit). 5 siqua superfuit Igni] Anspielung auf die Verbrennung von ›Hexen‹ (vgl. dazu Elegie III,10). 6 Lernide peste] Das Adjektiv (klassisch meist lernaeus) in graezisierender Abwandlung für den Sumpf und die lernaeische Schlange, die von Hercules getötet wurde; vgl. Lukrez 5,26f.: Lernaea pestis hydra. 12 Paris … Mycenae] Anspielung auf den Trojanischen Krieg, der durch den Raub der Helena durch Paris ausgelöst wurde.

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13 Phyllis] Der Name in deutlicher Anknüpfung an II,17,3,10; beliebter, in antiker, aber auch in rinascimentaler Dichtung gebrauchter Mädchenname, oft im erotischen Kontext; vgl. Vergil, ecl. 5,10; 7,14; Horaz, carm. 4,11,3. 13 Colchis Anus] Die immer wieder, prototypisch bei Ovid (met. 7, bes. 324– 359), als Zauberin und Giftmischerin genannte Medea, Tochter des Königs von Colchis; hier zum alten Weib gemacht (anus); vgl. Kommentar zu Bisselius III,10. 15 usta Corinthe] Gewundene Anspielung auf das 146 v. Chr. von Rom zerstörte (verbrannte) aufsässige Korinth, hier in Assoziation mit der Verbrennung von Hexen (wie schon oben V. 5) nach Art der Medea. 16 Circem … nescit] Kirke, die aus Homers Odyssee bekannte zaubermächtige Tochter des Sonnengottes, die Odysseus’ Gefährten in Schweine verwandelte; vgl. Ovid, met. 14,244–307. 17 Thais] Berühmte Hetäre in Athen, erwähnt als Geliebte des Dichters Menander bei Properz 2,6,3; vgl. Ovid, ars 3, 604. 17 populosa Lyce] Höchst bedeutsame Anspielung auf die in einem Liebes- und Werbegedicht (Paraklausithyron) des Horaz (carm. 3,10; mit direktem Motivbezug zur vorliegenden Elegie des Bisselius) angeredete Partnerin; Bisselius kritisiert so wie schon in II,17,3 indirekt die antike und moderne erotische Dichtung. Ist der Name mit dem sinnreichen Verweis auf Horaz so zu verstehen, meint das Beiwort nicht ›volkreich‹ und dgl., sondern so etwas wie ›allgemein bekannt, populär‹. 18 Messalina petulca] Die für ihre Unzucht bekannte Gattin des römischen Kaisers Claudius; vgl. Tacitus, ann. 11,2ff.; das Attribut sonst meist von Tieren gebraucht. 19 Faustina] Verschiedene Namen von Gattinnen römischer Kaiser kommen in Frage; vielleicht denkt Bisselius an Faustina, die Gattin Marc Aurels, der Affären mit Männern, darunter Gladiatoren, nachgesagt wurden; vgl. NP, Bd. 4, Sp. 443. 20 Rosimunda] Bezug nicht ganz klar: entweder a) Rosamunde Clifford, Geliebte Königs Heinrich II. von England, oder (wahrscheinlicher) b) die Tochter des Gepidenkönigs (oder Langobardenkönigs) Kunimund, die Alboin, ihren Gatten und Mörder ihres Vaters, vergiften ließ (so Gregor von Tours und Paulus Diaconus); zu dieser Geschichte und ihrer europaweiten Resonanz bis ins 19. Jahrhundert (u. a. bei Boccaccio, Machiavelli, Johannes Pauli, Hans Sachs) s. Art. ›Alboin und Rosamunde‹ bei Frenzel 1970, S. 25–29. Auch diese Geschichte konnte Bisselius bei Johannes Pauli finden: ed. Österley (s. u. zum Textanhang), S. 155f. (Nr. 231); ND/Nacherzählung bei Langer 1988 (s. u. zum Textanhang), S. 29f. 21 Colo … Dolo] Paronomastischer Parallelismus am Ende der beiden Vershälften, noch einmal die antinomischen Frauenbilder zusammenfassend.

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Textanhang I Aus Giglio Gregorio Giraldi: Historiae Poetarum Tam Graecorum Quam Latinorum Dialogi Decem […]. Basel 1545, Dialogus VIII, S. 896, zitiert in Theodor Zwinger: Theatrum Vitae Humanae […] Basel 1565, Lib. XIX, Sp. 1425a unter dem Lemma Coniugia mala, morosa, infelicia, dissensionum plena: Est in epistola Valerij cuiusdam ad Ruffinum de Pacuuio historia, quam hoc loco uobis referre placet. Pacuuius, inquit, flens, ait Actio uel Ario uicino suo: Amice, arborem habeo in horto meo infelicem, de qua prima uxor mea se suspendit, postmodum secunda, iam nunc tertia. Cui Arius: Miror te in tot succesibus lachrymas inuenisse. Et iterum: Dei boni, quot tibi dispendia arbor illa suspendit: et tertio: Amice dede mihi de arbore illa surculos quos seram. Hæc ille: quibus uerbis historiam planè percipietis, quæ in ridiculis est à M. Tullio posita, libro de oratore secundo: Salsa sunt etiam, inquit, quæ habent suspicionem ridiculi absconditam, quo in genere est illud Siculi, cui cum familiaris quidam quereretur, quòd diceret uxorem suam suspendisse se de ficu, Amabò te, inquit, da mihi ex illa arbore quos seram surculos. Sed de Pacuuio iam satis, quem apud Ciceronem suum amicum et hospitem fatetur Lælius. Citantur à grammaticis huius fabulæ pleræque.

Textanhang II Aus Pauli 1866/1967, S. 530f. (Nr. 637). Zur weiten Überlieferung des Schwankes (u. a. bei Plutarch, Diogenes Laertius, Erasmus und Hans Sachs) s. die Ausg. von Bolte (Pauli 1924, Bd. 2, S. 394). [Abgedruckt auch in: Scherz und Ernst: Deutsche Schwänke des 16. Jahrhunderts. Leipzig 1973, S. 57f. [Nr. 50], sowie in: Venusnarren. Erotisch-verwegene Geschichten nach alten Vorlagen. Auswahl, Übertragung und Nachwort von Horst Langer. Rostock 1988, S. 35].

Von schimpff das dcxxxvii. ES WAS EIN PHILOSOPHUS, DER HET EIN FRAWEN nach etlichen iaren erhenckt sie sich selber an einem baum in dem garten, er nam ein ander fraw nach etlichen iaren, die selbig erhenckt sich auch an dem selben baum, die drit det auch der gleichen, mit kurtzen worten, der gût philosophus ward leidig des vnfalsz, vnd het ein gûten gesellen in einer andern stat, dem schreib er, vnd klagt im sein leiden, der selbig schreib im widerumb, tröstet in vnd sprach, er wer ein dorecht man, es wer ein glück, wan eim das weib stürb, lieber entbot er im, schick mir drü zweiglin von dem baum, ich will eins pflantzen, die anderen meinen nachbauren geben, ob wir der weiber auch abkemen. Es spricht manche frau ich wolt gern wissen wie einer frawen wer deren der man stürb, also sprechen auch die man, vnd kumpt doch selten das best hernach, vnd würd ie eins dem andern gût wan es nit mer vff erdtreich ist.

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Zu Elegie III,1 (WK) Das Eingangsgedicht des dritten Buches, sogleich kontrafaktorisch als Siegeslied (Epinikion, Paean; V. 2: vicimus!) gekennzeichnet, kommt ganz ohne religiöse Konnotationen oder erbauliche Appelle aus. Es huldigt den Freuden des ersten Maitages, einem neuen Lebensgefühl, nachdem die Unbilden des Aprils (Regen, Sturm, Hagel) überstanden sind. Die Morgenröte und der aufgehende Morgenstern (das Darstellungsmotiv noch ambitionierter in I,4) verkündigen einen als ideal gezeichneten schönen Frühlingstag, der in visuellen und akustischen Impressionen distributiv geschildert wird. Der Darstellungsbogen spannt sich vom Morgen über den Mittag bis zum frühen Abend, an dem man auf die Felder geht oder an dem sich, so im Detail im Folgenden mit volkskundlichem Dokumentationswert vergegenwärtigt, eine Gruppe junger Männer in den Wald aufmacht, um eine Fichte zu schlagen, einen Maibaum. Wir lesen hier den zumindest in lateinischer Dichtung wohl ersten poetischen Bericht über die Aufstellung eines Maibaums. Diese Sitte war üblich und ist dokumentiert seit dem 16. Jahrhundert vor allem in Schwaben, Bayern, Franken und Österreich, wurde aber im 17. Jahrhundert teilweise – wegen der sich anschließenden Tanzlustbarkeiten – verboten. Bisselius verfolgt, wie der Stamm mühsam von den Bergen bis zum Dorf gerollt und bis auf die grüne Spitze von den Ästen und der Rinde befreit wird. Die Beschreibung der Bearbeitung und Aufrichtung des Maibaums mündet in eine deutende Pointe, die sich an die Anfangsverse anschließt: Der Maibaum wird zur »Trophäe« eines Sieges und einer Beute, des Sieges über den April. Wie auch andernorts im Zyklus scheut sich Bisselius nicht, populäres Brauchtum seiner Heimat in den Motivfundus und die Konzeption seiner Elegien zu integrieren, wobei er hier offenbar auch an die ältere poetische Topik vom ›Kampf der Jahreszeiten‹ (vgl. etwa Kaspar Scheidt: Lobrede von wegen des Meyen. Worms 1551, ed. Philipp Strauch. Halle/S. 1929) erinnert. Auch hier wiederum auffällig, wie Bisselius sein poetisches Vokabular durch Anleihen bei den prosaischen Fachidiomen erweitert (horizon, frutetum, tragema, locusta, pertica). Kontrafakturen des altrömischen Triumphgesanges waren nicht selten, ablesbar etwa auch an Huttens poetischer Feier Reuchlins (Triumphus Capnionis); dazu Kühlmann 2010. 1 Iô! Paean!] Das erste Wort zitiert den jauchzenden Ausruf eines altrömischen Triumphgesanges wie z. B. Horaz, epod. 9, 21 und carm. 4,2,49f.: Teque, dum procedis ›io triumphe‹ / non semel dicemus, ›io triumphe‹. Dem folgt mit Paean, gleichsam als texttypologische Erläuterung für den Leser, die terminologische Bezeichnung des hymnischen Freudengesanges; vgl. zu Bisselius II,2,19 und Vergil, Aen. 6,656f.: conspicit, ecce, alios dextra laevaque per herbam / vescentis laetumque choro paeana canentis. 1 plaudite calce] Mit den Füßen Beifall spenden: ingeniöse Abweichung vom zu erwartenden Händeklatschen; vielleicht in bewusst lapidarer Variation des Beginns von Horaz’ berühmtem Siegeslied (carm. 1,37,1f.): Nunc est biben-

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dum, nunc pede libero / pulsanda tellus. Vgl. den Beifall mit Händen und Füßen im ersten Teilstück der Josephelegie (I,18,1,47). 3 vertêre solum] In dieser Bedeutung, intransitiv und ohne Präposition gebraucht, wohl neu (solum vertere in der Agrarsprache sonst ›mit der Hacke umgraben‹); hier vergleichbar mit Formulierungen wie iter, vias oder cursus/cursum vertere (so bei Vergil und Ovid). 3 cava murmura] Cavus nicht nur ›hohl‹, sondern auch für akustische Phänomene gebraucht: sowohl für den Ton von Musikinstrumenten als auch für Metereologica wie Donner, Stürme und Wolken; vgl. Lukrez, 6,124–127; Vergil, Aen. 9,670f.: cum Iuppiter horridus austris / torquet aquosam hiemem et caelo cava nubila rumpit. 5 diem sudum] Hier metonymische Übertragung; sudus sonst meist nur vom klaren Himmel und sonnigen Wetter gebraucht; Bisselius dürfte die Schilderung eines beginnenden schönen Tages bei Apuleius (met. 11,7,3ff.) gekannt haben, hier am Ende (7,5): […] magnoque procellarum sedato fragore ac turbido fluctuum tumore posito mare quietas adluvies temperabat, caelum autem nubilosa caligine disiecta nudo sudoque luminis proprii splendore candebat. 11f. roseo … Aurora] Altepische, seit Homers ›rosenfingriger Eos‹ geläufige Paraphrase der Morgenröte und des Sonnenaufgangs; vgl. Lukrez 5,610: rosea sol alte lampade lucens; Vergil, Aen. 6, 535f.: roseis Aurora quadrigis / iam medium aetherio cursu traiecerat axem; Properz, 3,24,7: et color est totiens roseo collatus Eoo; vom Morgenstern Statius, Theb. 2, 137ff.: illi roseus per nubila seras advertit flammas […] Lucifer (bei Bisselius in V. 13f. zu Lucifer das Beiwort roseus durch aureus ersetzt). 16 aut nunquam aut hodie] Rhetorisch amplifizierende Steigerung des Ausdrucks; die antithetische Disjunktion (fast wie ein Germanismus anmutend: ›heute oder nie‹) vielleicht nach der Komödiensprache wie Plautus, Capt. 981: aut ego aut tu; Terenz, Ph. 483: aut vivam aut moriar. 18 Inter Horizontas] Horizon – graezisierender, eigentlich unpoetischer Begriff der astronomischen oder geografischen Fachsprache (Seneca, nat.; Vitruv), bei Manilius im einschlägigen Zusammenhang terminologisch erklärt (Astr. 1,663–665): Hic terrestris erit, quia terram amplectitur orbis, / et mundum plano praecingit limite gyrus / Atque a fine trahens titulum memoratur horizon. 21 bibunt divinum Pascua rorem] Gewiss nicht ohne Anspielung auf Vergil, ecl. 3,111: sat prata biberunt. – divinum rorem enspricht der gut biblischen Junktur ros caeli. 23 frutetum] Wiederum (wie schon II,17,1,18) ein Begriff, der ursprünglich fast nur in der postklassischen Prosa und Fachsprache (Plinius, nat.; Gellius) geläufig war (z. B. nicht in Vergils georg., nicht im OLD).

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26 dulce tragema] Wiederum ein preziöser Graezismus; tragema im Plural für ›Früchte‹ bei Plinius, nat. 13,48. 27 Sithoniis … floccis] Sithonius – ›aus Thrakien, thrakisch‹; poetisch wegen der Winterkälte mit dem weißen Schnee verbunden; vgl. Vergil, ecl. 10, 66: Sithonias nives. – floccus: eigentlich eine Wollfaser oder -flocke, schon bei Plinius (nat.) auf Pflanzliches übertragen; da Bisselius hier an die frühe weiße Kirschblüte denkt, dürfte der bewusste semantische Germanismus ›Schneeflocke‹ nahe liegen. 30 Cicada] Die Zikade und ihr schrilles Zirpen seit Hesiod (Erga 582f.) sonst eher ein Zeichen des Hochsommers wie z. B. Vergil, georg. 3,328; jedoch hier ähnlich wie Vergil, ecl. 2,13 den hohen Mittag mit seiner Hitze anzeigend. 31 Locusta] Das Wort sonst außer bei Plautus eher im Prosaschrifttum (Livius, Tacitus) geläufig. 32 à Zephyri ore] Bisselius scheint hier an die allegorischen Personifikationen der Winde (Köpfe mit aufgeblasenen Wangen) bzw. Himmelsrichtungen in der bildenden Kunst oder auch auf Landkarten zu denken. 36 PINVS celsa] Zur Sitte des Maibaums s. o. in der Einleitung sowie Meinl/ Schweiggert 1991; mit vielen Dokumenten (auch aus der katholischen Predigtliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts) Moser 1961, bes. S. 145–148, hier z. B. zit. S. 146 der Oberbayerische Landpfarrer Andreas Strobl: »Die MayBäum, ehe daß sie gesetzt und aufgestellt werden, thut man zuvor schelen, man ziehet ihnen die rauhe Haut oder Rinden ab, damit sie schön glatt und weiß seynd. Sie müssen auch schön gerad und hoch seyn, obenher werden sie mit einem grünen Büschlein, gleichsam mit einer Cron gezieret […].« 43 Pertica] Eigentlich eine lange Stange oder ein Stock, z. B. zum Abschlagen von Früchten, zur Abstützung der Weinreben oder auch als Messlatte. Wiederum ein eher prosaischer Begriff der Fachsprachen (z. B. bei Plinius, nat.), hier durchaus sinnvoll, da ja der Maibaum von Ästen und Rinde befreit ist.

Zu Elegie III,2 (LC/WK) Nicht Naturmotive, nicht Hagiografisches, nicht Erbauliches oder allegorisch Auslegbares aus dem biblischen Erzählfundus greift Bisselius in dieser »historischen« Elegie auf, sondern, anfangs sehr locker mit dem Frühling als Zeit gefährlicher erotischer Versuchungen verknüpft, ein spektakuläres und folgenschweres Ereignis der fast noch zeitgenössischen Kirchen- und Staatengeschichte (zu den histor. Daten s. im Kommentar!): die Hinrichtung der Anne (Anna) Boleyn, der zweiten Gattin Heinrichs VIII. von England. Nicht die Trauer um das Opfer leitet den Darstellungswillen, sondern die ausdrückliche Erinnerung an Katharina von Aragon, Heinrichs erste Frau, nach deren Verstoßung

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sich der König mit dem Papst entzweite und schließlich die Oberhoheit über die später sog. Anglikanische Kirche an sich riss. Anna Boleyn erscheint als amouröse Ehebrecherin, die ihre Gunst unter anderen einem einschmeichelnden Sänger schenkt und den verdienten Tod stirbt. Ihr Schatten fällt so auch noch auf Elisabeth I. von England. Zuletzt spiegelt sich ihr Tod kontrastiv-concettistisch in den homonymen ›Annen‹ der antiken und biblischen Geschichte. Zugleich stehen ihr Leben und Sterben, bei formaler Analogie der Hinrichtung durch den König, im Gegensatz zum grausamen Märtyrertod der gegen die königliche Suprematie opponierenden Altgläubigen, auf die bewusst verhalten angespielt wird (V. 61). Dies betrifft mittelbar nicht nur die unter Heinrich VIII. Hingerichteten (s. dazu im Kommentar), sondern auch spätere Opfer: Die implizierten Leser kannten die Enthauptung (1587) der Maria Stuart, gewiss auch die gegen Jacob I. gerichtete sog. Pulververschwörung (1605), deren Beteiligte (engagierte Katholiken) dabei den Tod fanden bzw. hingerichtet wurden. Boleyns Tod erscheint demgemäß als archetypische Antilegende, nicht als würdiges heroisches Exempel. In ihrem geschichtlichem Stoff, dessen bleibende, weil folgenschwere Aktualität als evident vorausgesetzt ist, versteht sich die Elegie als Pendant zu I,13,3, auch zu Bisselius’ Thomas-Morus-Drama, außerdem als parteilicher Beitrag einer weiterhin aktuellen Erinnerungs- und Kalenderdichtung und so als thematische Erweiterung des Lyrikbuches insgesamt. Möglicherweise ist gerade dieses Gedicht auch deshalb zum 1. Mai in den Zyklus eingefügt, um eine katholische-polemische Antwort auf bekannte Maigedichte des namhaften schottischen, scharf antikatholischen Dichters George Buchanan (1506–1582) vorzustellen, abgedruckt mit englischer Übersetzung in: An Anthology of Neo-Latin Poetry. Ed. translated by Fred J. Nichols. New Haven/London 1979, S. 469–477 bzw. 482–485. Im Maria-StuartKapitel eines seiner späteren erbaulichen Werke hat Bisselius seine Meinung zu Buchanan formuliert: »[…] der zwar ein trefflicher Poët gewesen, im überigen aber / der Verlogniste [sic!] unter allen Historicis oder Geschicht-schreiberen / und / wie Obert. Barenstapolius, in Maria Innocente, schreibt / Ein dreyfacher Ehebrecher / ein zwyfacher Außgesprungner / und vom Glauben abgefallner / Apostata; Anfangs ein Minorit, darnach ein Lutheraner / folgends ein Calvinist / und endlich ein Atheus. Und in Summa: ein Bößwicht auff alle Vier.« Zit. n. J. Bisselius: Mortes Patheticae […]. Dillingen 1682, S. 99. Es ergibt sich folgende Gliederung der Elegie: 1–2 3–8 9–12 13–18 19–24 25–28 29–36 37–44

Ermahnung der Jugend, sich in züchtiger Weise des Frühlings zu erfreuen. Beschreibung von Greenwich, einem Ort der Muße, wohin sich die Könige zur Erholung zurückziehen. Anne Boleyn, die Königin, sowie der König sind am 1. Mai hierher gekommen. Pferderennen und andere Spektakel ziehen die Aufmerksamkeit aller auf sich. Nur die Königin kann ihre Blicke nicht von Marc Smetton abwenden, einem berühmten Sänger. Er gehört zu den Unzähligen, mit denen Anne Ehebruch getrieben hat. Dieses Geheimnis bringt der 1. Mai ans Licht: Anne wirft dem schweißbedeckten Marc ihr Tuch zu. Apostrophe an Anne: Diese unbesonnene Handlung bedeutet Annes Untergang.

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45–60 Der König, dem Annes Handlung nicht entgangen ist, kehrt nach London zurück und lässt Smetton und die Königin vor Gericht stellen, das beide zum Tode verurteilt. 61–70 Rede der Themse, die sich nach der Hinrichtung so vieler romtreuer Katholiken über den Tod Annes freut, an diese bzw. ihr Blut.

KALENDAE MAII] Mit diesem Titel knüpft Bisselius wohl bewusst an zwei Gedichte des schottischen Dichters George Buchanans (1506–1582) an (s. o.). Anna Bolenia] Anne Boleyn (1501 oder 1507–1536), zweite Frau König Heinrichs VIII. und Mutter Elisabeths I. Nach einem längeren Aufenthalt in Frankreich am Königshof kehrte Anne 1522 nach England zurück und lebte an Heinrichs Hof als Hofdame der Königin. Ihre Ehe mit Lord Henry Percy wurde auf Heinrichs Befehl durch Kardinal Wolsey verhindert. Irgendwann verliebte sich der König in sie. Seit 1527 versuchte er erfolglos die Genehmigung Roms für die Annullierung seiner Ehe mit Catharina zu erreichen. Am 25. Januar 1533 wurden Heinrich und Anne heimlich verheiratet, an Ostern wurde die Ehe öffentlich verkündet. Im September wurde eine Tochter, die spätere Elisabeth I. geboren. Da aber ein männlicher Thronfolger ausblieb, betrieb Heinrich, der das Interesse an Anne verloren hatte, ihre Verurteilung. Am 2. Mai 1536 ließ er sie in den Tower bringen mit der Anklage wegen Ehebruchs mit zahlreichen Männern, Inzests mit ihrem Bruder und wegen des Plans, den König umzubringen. Obwohl diese Anschuldigungen unbewiesen blieben, wurde sie wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Sie wurde am 19. Mai enthauptet. Am 30. Mai heiratete Heinrich Jane Seymour. CATHARINA] Katharina von Aragon (1485–1536), jüngste Tochter der spanischen Herrscher Ferdinand II. von Aragon und der Isabella von Kastilien, erste Ehefrau Heinrichs VIII. 1501 heiratete sie Arthur, den ältesten Sohn Heinrichs VII. von England, der im Jahr darauf starb. Darauf wurde sie mit Heinrich, dem zweiten Sohn, verlobt, die Hochzeit fand aber erst nach dessen Thronbesteigung 1509 statt. Zwischen 1510 und 1518 brachte Katharina sechs Kinder zur Welt, darunter zwei Söhne, aber außer einer Tochter (Mary) waren dies entweder Totgeburten oder sie starben früh. Im Juli 1531 trennte Heinrich sich von ihr und zwang sie, die in England sehr angesehen war, die letzten Jahre in vollständiger Zurückgezogenheit zu verleben. HENRICVS VIII.] (1491–1547), zweiter Sohn Heinrichs VII., des ersten Tudorkönigs, und Elisabeths, der Tochter Eduards IV. von York. 1509 bis 1547 König von England. Die Annullierung der ersten Ehe mit Katharina von Aragon führte zum Bruch mit Rom und mit dem Suprematsakt 1534, die den König zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche machte, zur Einführung der Reformation in England. MARCO Smettono] Marc Smeaton, ein Sänger der königlichen Kapelle und Lautenspieler, der durch seine Begabung die Aufmerksamkeit Anne Boleyns erregte; am 30. April 1536 wegen seiner Beziehung zur Königin verhaftet, am 12. Mai zusammen mit drei anderen (Henry Norris, Sir Francis Weston, William Brereton) wegen angeblichen Ehebruchs mit der Königin und wegen

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Hochverrats zum Tode verurteilt und am 17. Mai hingerichtet. Annes Bruder, Lord Rochford, wurde am selben Tag wie Anne zum Tode verurteilt und ebenfalls am 17. Mai hingerichtet. Grenovvicensis Viridarij] 1433 ließ Humphrey Plantagenet, Herzog von Gloucester, den Greenwich Park umzäunen und einen Wachturm am nördlich angrenzenden Hügel errichten. Heinrich VIII. wurde in Greenwich Park geboren und verbrachte viel Zeit dort mit seinen Frauen Katharina, Anne Boleyn und Anna von Cleve. Auch seine Töchter Maria I. und Elisabeth wurden dort geboren. Nicolaum Sanderum] Gestorben 1580. Das von Bisselius herangezogene Werk (hier benutzt in der von jesuitischer Seite ergänzten Ausg.): Nicolai Sanderi Angli Doctor[is] Theolog[iae] De Origine Ac Progressv Schismatis Anglicani; Libri Tres: Qvibvs Historiae Continentvr maximè Ecclesiastica, Annorum circiter 60. lectu dignißima; Aucti priùs per Edoardvm Rishtonvm, Romaeque impreßi; Nvnc Vero Addita Appendice R[everendi P[atris] Petri Ribadeneirae Soc[ietatis] Iesv, iterum in Germania locupletiùs et castigatiùs editi. […] Coloniae Agrippinae: sumptibus Petri Henningi. 1610. Daraus folgende Zitate: S.147–150 das Ende der Anne Boleyn: Venerat tempus quo Anna iterum pareret, peperit autem informem quendam carnis molem, ac praeterea nihil. Rex omninò videre volens quid Anna peperisset, ea de causa in cubiculum eius mox à partu intrabat. Illa et de aborsu dolens, et de Regis amore in aliam translato indignans: Ecce (inquit ad Regem) post illum diem quo meretricem illam Ianam tuis genibus insidentem conspexi, quàm pulchrè vterus meus officii functus est? Bono animo sis meum corculum (inquit Rex) non erit posthac cur de me queraris: et exibat quidem moestus. Anna verò vbi Henricum nec hactenus masculum ex se generasse, nec iam deinceps generaturum speraret; constituit experiri, an alia quapiam via, quae Regis vxor iam esset, etiam Regis mater effici posset. Putabat autem adulterij sui crimen eò magis occultandum, si potius cum fratre suo Georgio Boleno, quàm cum alio quopiam rem haberet. Quin etiam volebat superbissima et sui ipsius amori deditissima mulier, de genere et sanguine Bolenorum ex vtraque parte esse, qui regnum in Anglia occuparet. Sed cùm neque ex illo scelerato incestu, quod maximè cupiebat, assecuta esset, coepit animum suum ad vagam libidinem eò vsque applicare, vt praeter Noresium, Vestonum et Bruertonum, homines non ignobiles, etiam Marcum quendam Musicum suum, in regium thorum pelliceret. Quae tam effusa libido, cùm Regem diu latere non posset, tamen se nihil scire simulavit vsque ad Calendas Maias. Illo die, cùm Rex Grenuici ludicris quibusdam spectaculis interesset, atque Annam Bolenam vidisset à fenestra sudarium quodam demisisse, quo unus ex ipsius amasij faciem sudore appletam extergeret; è Theatro statim prorumpens, nemine salutato Londinum ad Palatium Vestmonasteriense, quod quinque milliaribus Grenuico aberat, vesperi, sex tantum comitibus asumptis, se contulit. Quod cum Anna renunciatum esset, illa quoque se ex turba subduxit, nec hoc sine causa fecisse Regem suspicata illam noctem magna cum animi sollicitudine traduxit. Postea luce cimbas ac triremes parari iussit quibus per Tamesin Londinum veheretur, cumque in medio ferè itinere esset, ecce in ipso flumine ministri Regij, qui eam operiebantur, vt captiuam ducerent in Arcem, quae ripae fluminis imminebat. Ibi Bolena, primò mirari atque adeò indignari, deinde queri, ac coelum clamoribus complere:

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postremò; supplicare ac instantissimè petere, vt vel semel Regem alloqui, aut in eius saltem prodire prospectum permitteretur. Verùm nihil horum concedebat Henricus qui Iana Seimera potitus, Annae mortem iam animo designauerat. Vnde paucis post diebus ad tribunal publicum educta, et ab ipso Thoma Boleno, qui pater ipsius putabatur, inter alios iudices iussu Regis considente, adulterij et incestus condemnata, decimo quarto Calendas Iunias capite feritur, cùm non totis quinque mensibus post Catharinae mortem Reginae titulo potita esset; cuius rei dolore etiam Thomas Bolenus, è vita non multò post migravit. Georgius verò Bolenus Annae frater, Henricus etiam Noresius, Gulielmus Bruertonus, Franciscus Vestonus nobiles, et Marcus Smetonus musicus, qui omnes ex Regio cubiculo fuerant, ob incestum et adulterium, quod cum Anna Bolena commiserant, triduò post Annae supplicium, securi publicè percussi, meritas libidinis suae poenas dederunt. Postridie quàm Annae cervices amputatae sunt, Rex longioris morae impatiens, Ianam Seimeram in vxorem accepit; manifestum vt omnibus fieret, illud ita inter eos antea conuenisse, vt eo ipso die Anna morti traderetur, quò locum faceret Ianae; quam Henricus etiam priùs viuente Anna, adamaverat, et ipsi praetulerat, vt non minus quàm iusta sint iudicia Dei, reddentis vnicuique iuxta opera sua: sicut Anna Catharinam supplantauerat, sic et Iana supplanauit Annam. Annae mors nullo genere luctus aut doloris significatione, vel à Rege ipso, vel à ciuibus fuit cohonestata; sed vniversis potiùs laetitiam attulit, propter insignem vitiosissimi eius tum animi tum corporis nequitiam. Exteri autem vt rem acceperint, ex his Coclaei verbis ad Morisonum patet. Misera (inquit) Anna, Reginae [recte: Regina], pellex, funesto exitu satis declarauit; et iniquum fuisse Regis divortium, et inauspicatum suum pellicatum potiùs, quàm matrimonium extitisse. Haec ille. Infelix ergo Anna Bolena, quae tanto cum opprobrio sit nata, enutrita, nupta, et mortua; infoelix quòd vnà secum patrem fratremque multosque alios perdiderit; infoelix, quòd cum aemula tantae nobilitatis ac virtutis in contentionem venerit, cui ipsa erat omnibus in rebus dissimillima; sed infoelicissima, quod prima schismatis omnisque exitij causa suae patriae extiterit, filiamque postea reliquerit, quae matris mensuram in omni genere iniquitatis cumulauit. Atque haec de Bolena.

Zu den opprobria ihrer Geburt wird S. 15f. berichtet, Anna könne nicht die Tochter des Thomas Boleyn sein, da sie während dessen zweijähriger Abwesenheit als Botschafter in Frankreich empfangen und geboren sei; vielmehr habe Heinrich schon mit ihrer Mutter in dieser Zeit ein Verhältnis gehabt – wie später mit ihrer Schwester –, und sei ihr Vater (zum Jahr 1527): Iam enim Rex omninò statuerat; si Catharinam reijicere posset, Annam Bolenam in locum eius assumere … Non ignorabat quidem Volsaeus, Henricum miserè amare Annam Bolenam, atque adeò deperire: sed illam putabat concubinae tantùm. non etiam vxoris loco futuram; non secus ac eiusdem Annae primùm mater, deindè et soror concubinarum loco iamdiù Regi fuerant, absque vlla spe vxoris Regiae dignitatem consequendi. Erat Anna Bolena, vxoris Thomae Boleni, equitis aurati filia: vxoris dico, nam ipsius Thomae Boleni filia esse non poterat, propterea quòd illo in Francia legatum agente, et biennium ibi commorante, Anna Bolena interim domi concepta est et nata. [(Marginalie:) Haec narrantur à Gulielmo Rastallo indice in vita Thomae Mori.] … Bolenus quanquam à regis ira sibi timendum videret, tamen prius mandatis eius non paruit, quàm abvxore audisset, ipsam à rege solicitatam fuisse, nec Annam Bolenam alterius quam Regis Henrici filiam esse. … Thomas vxori conciliatus Annam Bolenam filiae loco educat.

Dass dann Heinrichs Verhältnis mit Anna inzestuös gewesen wäre, wird S. 86–88 erörtert:

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[Es war dargelegt worden, dass zwischen Heinrich und Catharina von Aragon keine verwandtschaftlichen Beziehungen bestanden, die ein Ehehindernis hätten sein können.] At contrà certissimum est inter Henricum et Annam Bolenam, verum affinitatis impedimentum intervenisse; idque ipsum Regem non ignorasse; eò quòd Clementi septimo per literas suas confessus sit se Mariam Bolenam, Annae sororem vterinam cognovisse. Ex qua carnali copula, Henricus toti familiae Bolenorum factus est affinis seu proximus sanguinis. … Quid verò, quòd idem Rex Henricus etiam matrem Annae Bolenae priùs cognoverat, vt antè explicauimus? Ex qua sanè copula tale affinitatis genus inter Henricum et Annam intercessit, qualis est consanguinitas inter parentes et liberos. At pater filiam suam ducere in aeternum prohibetur, quia inter ascendentes et descendentes nullae unquam nuptiae permittuntur. … Itaque vt Henricus Annam Bolenam, eius mulieris quam semel cognoverat filiam duceret, res longè difficilioris dispensationis fuit, propterea quòd hoc affinitatis genus ipsam nuptiarum essentiam propiùs attingere videtur, quàm vt in eo dispensari omninò deceat; maximè si concubitus matris sit multis manifestus. Quare cùm Henricus contra naturae quodammodo legem, post matrem Annae Bolenae cognitam, ausus sit filiam in vxorem assumere; quàm impudenter obtendit se non ausum esse Catharinam retinere, ne in DEVM peccaret? Quam impudenter etiam praetexuit, se credidisse, quòd Pontifex authoritatem non habuerit Catharinae nuptias permittendi?

In der Hauptsache macht sich offenbar Sander (und, ihm folgend, Bisselius) die offizielle Anklage gegen Anna zu eigen. Allerdings vereinfacht und konkretisiert Bisselius den Ablauf, indem er Smetton als den Empfänger des Tuchs und als einziges Justizopfer neben der Königin nennt. 1 VTERE VERE] Vgl. Ausonius, Epigrammata 14,2: Vtere vere tuo; casta puella anus est. 2 Flora] Altrömische Göttin der Blüte, von Bisselius schon in der Widmungsvorrede (s.dort) angesprochen; ihr Fest, die Floralia, in der Kaiserzeit vom 28. April bis 3. Mai gefeiert, hatte zum Teil lasziven Charakter, daher wohl auch die Feststellung in V. 2; ein anderes Flora-Bild evoziert Bisselius in DV I,6,13 und I,20,6 u. 19–31. 2 pudore carens] Die Junktur z. B. Ovid, met. 3,552; trist. 4,4a,50 u. ö. 3 latas … undas] Auch diese Junktur bei Ovid: am. 3,6,85: Dum loquor, increvit latas spatiosus in undas. 6 curas levat] Geläufige Junktur, z. B. Ovid, met. 5,500; fast. 5,238; trist. 1,11,12. 8 levis … Hasta] Vgl. Vergil, Aen. 9,576; Martial, (Spectaculorum liber) 1,12,2. 10 Cydarim] Eine tiaraähnliche Kopfbedeckung; vgl. Petrus Damiani, Litterae CLXXX, vol.1, epist. 24: Et dixit: Ponite cydarim mundam super caput eius. […] Cydaris etiam munda in eius capite ponitur, quia felicitatis aeternae gloria coronatur; Guillelmus Duranti senior, dictus Speculator, Rationale divinorum officiorum 3,19,15: Septimum et supremum capitis ornamentum erat cydaris

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uel tyara quam ultimo pontifex assumebat, significans humilitatem de qua Dominus ait: Omnis qui se exaltat humiliabitur etc. 14 gemmea lucra] Nicht belegte Junktur. 15 varijs … monstris] Vgl. Claudian, carm. 26,20: Plurima sed quamvis variis miracula monstris. 16 structa theatra] Vgl. Ovid, met. 11,25: Noctis avem cernunt; structoque utrimque theatro. 18 Roscius] Q. Roscius Gallus, römischer Schauspieler, wegen seiner Meisterschaft, vor allem in der Komödie, von Sulla in den Ritterstand erhoben; von Cicero in einem Privatprozess (nicht zu verwechseln mit der Rede für Roscius Amerinus) vertreten. Hier Appellativum für irgendeinen Schauspieler. 18 oculos in se habet] Ungewöhnliche Formulierung. 21 Arionios … ministros] Arion, um 600, galt als bester kitharodischer Künstler seiner Zeit; bekannt die Legende von seiner wunderbaren Errettung durch einen Delphin; vgl. Herodot 1,23f. Arionii ministri: Musiker. Das Adjektiv bei Ovid, ars 3,326 u. fast. 2,93 jeweils an derselben Hexameterstelle wie hier. 23 Vocalior] Der Komparativ nicht belegt; als Personenmerkmal z. B. Properz 2,34,37 u. Ovid, fast. 2,91 (beide Male für Arion). 27 Torus, atque Tenebrae] Durch Alliteration verstärktes Hendiadyoin. 28 soli incestam … sibi] Ungewöhnlich die Ergänzung im Dativ. 29 CLAUSA aperit] Vgl. Ovid, fast. 6,102: Numine clausa aperit, claudit aperta suo. 31 Hyperione] Hyperion, Sohn des Uranos und der Gaia, mit Helios identifiziert; hier Metonymie für ›Sonne‹. 31 multo … Hyperione] Statius, silv. 3,1,53: Incumbit terris ictusque Hyperione multo. 37 Quid facis, heu demens?] Vgl. Ovid, Pont. 4,3,29: Quid facis, ah, demens? Aber bei Ovid entspricht die Anrede an den Adressaten der Gattung Brief, hier dagegen wird durch die Apostrophierung die elegische Darstellung (Rede an den Leser) dramatisch durchbrochen: Die dargestellte Person wird angesprochen, ja geradezu gewarnt. 37 quae te in fata reservas] Das Verb paradox, da sich Anna durch ihr Handeln gerade nicht bewahrt, sondern preisgibt. 38 furtis … locus] Cicero, Verr. 2,5,59: illi tibi et locum furtis et vehiculum furtivorum comparaverunt. 38 Idaliae] Idalia ist die in Idalion, ihrem Hauptkultort auf Zypern, verehrte Aphrodite bzw. Venus.

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38 furtis Idaliaeque] Wiederum ein Hendiadyoin. 39f. Maii … Majae … Majestatem] Paronomasie. 41 dulcis … Amara] Akzentuierung der Situation durch die Antithese. 42 Lessus] Besonders intensive Form der Totenklage; vgl. Cicero, Tusc. 2,23 (55): hic nimirum est ›lessus‹, quem XII tabulae in funeribus adhiberi vetuerunt. 43 AETERNUM … Poena] Das Adjektiv zuerst als Attribut zu poena bei Tertullian, Apol. 45. 43f. Voluptas / transcursa est] Nicht belegte Junktur. 45 auspice casu] Paradox, denn der Zufall ist ja gerade das, was der Seher nicht vorhersehen kann. 47f. oculo … notat] Vgl. Ovid, ars 1,109: Respiciunt oculisque notant sibi quisque puellam. 48 Vulnus concipit] Keine belegte Junktur. 48 Ira tumet] Metrisch muss ira Nominativ sein; Seneca, Thy. 737 ist in ira tumet am Ende eines Iambus ira Ablativ; der Bisseliusstelle entsprechende Formulierungen kommen nur partizipial vor: Minucius Felix 7,2 imminens ira aut … iam tumens et saeviens; Prudentius, Psychomachia 113 ira tumens. 51 Vae tibi] Wiederum die Apostrophierung, hier zum dramatischen Ausdruck des Mitleids mit dem der Königin drohenden Schicksal. 51f. quantum unica parvula sindon / sudorum] Antithese, unterstrichen durch die Allitteration der letzten beiden Wörter. 52 Lux … Summa] Für den letzten Lebenstag Seneca, Herc. Oet. 1473: lux ista summa est. 53 Iulia lex] Anspielung auf die lex Iulia de adulteriis coercendis des Kaisers Augustus vom Jahr 18 v. Chr., die gegen Ehebruch gerichtet war. 54 regia jura] Das königliche Gericht? 55 attrahitur] In entsprechender Situation Laktanz, De mortibus persecutorum 29,8: attrahitur ad imperatorem rebellis imperator. 55 mora nulla] Als quasi adverbial gebrauchter Nominativ Cyprian (?), Carmen de Sodoma 61: dicta et facta simul vulgi mora nulla furentis. 55 ascia] Zur Bedeutung vgl. Augustinus, De musica 1: ascia sive securi. Gegenüber Sander ist die Reihenfolge der Verfahren umgekehrt: Der Nebenumstand wird vorweggenommen, um beim Hauptgegenstand steigernd verweilen zu können.

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57f. nectenda … Colla] Vgl. Ovid, epist. 2,141f.: Colla quoque, infidis quia se nectenda lacertis / Praebuerunt, laqueis inplicuisse iuvat. Dagegen ist die Junktur collum plectere nicht belegt. 58 Colla dare] Als Zeichen der Unterwerfung z. B. Properz 2,10,15: India quin, Auguste, tuo dat colla triumpho; Tibull 1,4,16: Taedia: paulatim sub iuga colla dabit; und öfter. 59 Colla dat, ac poenas] Das Zeugma zweier klassischer Formulierungen ist nicht belegt. 60 Vita, Puella, Vxor, Filia, Moecha, Nihil] Asyndetische Congeries, die sich in eine positive und eine negative Trias gliedert; mit Filia beginnt die negative Trias (offenbar nimmt Bisselius die Darstellung Sanders, Anne sei eine Tochter Heinrichs, ernst); insgesamt ist der Vers als Antiklimax gestaltet, die in Nihil ihren negativen Höhepunkt hat. 61 tot caede Bonorum] Die Junktur caedes bonorum in Prosa bei Livius, Sallust, Cicero weit verbreitet. Zur Sache: Wer die Gesetze von 1534, welche die Trennung von Rom und die Suprematie des Königs in der Kirche von England sanktionierten, nicht anerkennen wollte, wurde wegen Hochverrates verhaftet und hingerichtet. Besonders die Suprematsakte stieß bei vielen Kartäuser- und Franziskanermönchen und einigen Geistlichen auf vehementen Widerstand. Ihre prominentesten Gegner waren Katharina von Aragon, Heinrichs VIII. eigene Tochter Maria, John Fisher, Bischof von Rochester, und Sir Thomas More. Nur Katharina von Aragon konnte sich weigern, den Eid abzulegen, ohne dafür sterben zu müssen. Ihre Tochter Maria erkannte, nachdem sie von ihrem Vater des Hochverrates für schuldig erklärt und verurteilt werden sollte, am 15. Juni 1536 die Gesetze von 1534 an. John Fisher (1459–1535), Bischof von Rochester (seit 1504), wurde dagegen am 22. Juni 1535 wegen Hochverrates hingerichtet. Das andere prominente Opfer war Sir Thomas More (1477/78–1535), Jurist, Lordkanzler und prominenter humanistischer Gelehrter, Freund des Erasmus von Rotterdam (darüber von Bisselius das wohl früheste Drama, s. u. den Abdruck im Anhang!). Er wurde am 6. Juli 1535 auf dem Platz vor dem Tower geköpft. Mehr als John Fisher und Sir Thomas More hatten vier Kartäusermönche und zwei Priester wegen ihrer Weigerung, den Eid abzulegen, zu leiden. Sie waren bereits am 29. April 1535 wegen Hochverrates vor das Obergericht in Westminster gebracht worden. Auch sie konnten und wollten Heinrich VIII. nicht als Oberhaupt der englischen Kirche anerkennen. Trotz Anwendung der Folter blieben sie bei ihrer Überzeugung und wurden für schuldig befunden und wie üblich zum Tode durch Erhängen, Schleifen, Enthaupten und Vierteilen verurteilt. Nur in ihrem Fall wurde das Urteil ordnungsgemäß und ohne Umwandlung in Tod durch Enthaupten (wie es bei John Fisher und Sir Thomas More der Fall war) am 4. Mai 1535 vollstreckt. Am 8. Mai schrieb der kaiserliche Gesandte in England, Eustache Chapuys, in einem Brief über die grauenerregende Hinrichtung folgendes: »Nachdem

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man sie unter den Galgen geschleift hatte, ließ man die Verurteilten einen nach dem anderen auf einen Karren steigen, der unter ihnen weggezogen wurde, so daß sie hingen; danach wurde sofort der Strick durchschnitten (damit sie am Leben blieben!), und man richtete sie auf und stellte sie an einer dafür hergerichteten Stelle auf, um sie stehend zu erhalten und ihnen die Schamteile abzuschneiden, die ins Feuer geworfen wurden; man schnitt sie auf und riß ihnen die Eingeweide heraus, hierauf wurde ihnen der Kopf abgeschlagen und ihre Körper gevierteilt. Zuvor hatte man ihnen das Herz ausgerissen und ihnen damit den Mund und das Gesicht eingerieben.« (Dies nach Uwe Baumann: Heinrich VIII. Reinbek b. Hamburg 62009, S. 95f.) 65 Tanaquil] Entstammte einem vornehmen etruskischen Geschlecht und heiratete in Tarquinia Tarquinius Priscus. In der Deutung von Vorzeichen bewandert, verschaffte sie ihrem Mann den Thron in Rom und nach dessen Ermordung ihrem Schwiegersohn Servius Tullius die Nachfolge; vgl. Livius 1,34; 41. Wird Anne Boleyn mit Tanaquil verglichen, so wird Heinrich damit als Tyrann bezeichnet. 66 Topanta] Verhunztes Griechisch, vulgärlateinische Redensart; vgl. Petronius 37,4: [Fortunata] Trimalchionis topanta est. 68 Nec … Sanctior Anna] Die Verblendung Heinrichs zeigt sich darin, dass er Anne Boleyn sogar über Anna, die Mutter Marias erhebt. 70 Anna Perenna] Römische Göttin des in seinem steten Fluss und seiner ewigen Wiederkehr betrachteten Jahres mit Fest am 15. März, bei dem man sich gegenseitig wünschte, »ut annare et perennare commode liceat« (Macrobius 1,12,6; vgl. Ovid, fast. 3,523–542). Die Perennität ist für Anne Boleyn eben durch ihre Hinrichtung ausgeschlossen.

Zu Elegie III,3 (WK) Bisselius’ Elegien-Zyklus ist durchzogen von einer Gedichtreihe, die mit betont autobiografischem Darstellungsgestus Heimatliches beruft (dazu zusammenfassend Wiegand 2009): Landschaft und Burg (Schloss) von Babenhausen an der Günz im schwäbischen Unterallgäu (dazu auch I,20 und II,17). Zu den poetischen Spaziergängen an der Günz (I,6–8), den dort gewährten Angel- und Fischerfreuden (II,14) sowie der Schilderung einer Flusswiese (III,6) gesellt sich hier ein Gang, zu dem der Leser ausdrücklich eingeladen wird, weil er, wie im Prosavorspann der Überschrift angedeutet, so etwas wie ein ›Paradies‹ finden wird, ein Gartenparadies (V. 17f.). Es war Anton Fugger, der 1537/38 die Herrschaft Babenhausen und das Burggebäude1 gekauft hatte und es waren die Fugger, die dem 1

Renoviert durch den Augsburger Baumeister Quirin Knoll, im 18. Jahrhundert und (in der Fassade) noch einmal 1845 verändert. Zum kulturgeschichtlichen Kontext s. Hubertus Huber: Musikpflege am Fuggerhof in Babenhausen (1554–1836). Augsburg 2003 (Materialien

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späteren Dichter durch ein Stipendium das Studium ermöglichten. Besonders diese Elegie, die in eine sehr dichte, zuletzt, wie ausdrücklich angekündigt (V. 15), panegyrisch überhöhte Beschreibung des Burggartens übergeht, darf auch als Akt des Dankes an die hohen Gönner verstanden werden. Die Exposition (V. 1–10) nimmt einen sehr persönlichen, fast intimen Charakter an: Bedrängt von Kopfschmerzen, Sorgen und Arbeiten, quasi ausgebrannt (fractus studiis, V. 5), steigt das lyrische Ich, von einem Malteserhündchen, seinem treuen Gefährten, begleitet und ein Buch in der Hand (V. 7f.; zu diesem Motiv auch I,20 und II,17), nahe bei seinem Geburtshaus samt kleinem Obstgarten (V. 9) hoch zu einem Wäldchen, von dem aus sich der Blick auf den von einer Mauer und einer Rosenhecke (V. 11f.) umgebenen Burggarten eröffnet. Die folgende Beschreibung erwähnt die gärtnerische Gestaltung (beschnittene Buchsbaumeinfriedungen, V. 19f.), in einem Irrgarten (V. 21) Inschriften (?) mit Namen großer Männer (V. 22), eine Sonnenuhr (V. 23f.), um sich dann in einem kleinen Katalog der Farbenpracht der verschiedenen Blumen (V. 25–38), die nach Sternbildern geordnet sind (V. 25f.) zuzuwenden; auch findet sich dort ein wohl grottenartiger Ruhesitz mit kühlend fließendem Quellwasser (V. 39– 42). Indem zum Schluss dieser Garten versuchsweise mit einem der Sieben Weltwunder (V. 43f.), den Hängenden Gärten Babylons, verglichen wird, ergibt sich die entscheidende Differenz: Es geht nicht um ein monumentales Konstrukt, sondern um einen Garten, der ›die Menschen und Götter‹ erfreut und bereichert. Welche Blumen Bisselius in seinem Katalog (V. 25–38) meint bzw. gesehen haben will und wie sie in deutscher Sprache zu nennen sind, ist im Einzelfall wegen der schwankenden Nomenklatur problematisch. Stützen konnte er sich jedenfalls auf die alte Fachliteratur (bes. Plinius, nat.) sowie auf poetische Blumenkataloge wie Culex, 397–410 und Ovid, fast. 4,435–444. Von uns wurde unter den lateinischen Begriffen jeweils nachgeschlagen im Pflanzenbuch von Fuchs (1543) und Lonitzer (1555). Die Gartenbeschreibung verbindet, wieder ein Indiz für Verzahnung und Gruppenbildung im Zyklus, diese Elegie mit den ersten beiden Teilen der folgenden Susanna-Elegie (III,4,1–2), das den Sprecher begleitende Malteserhündchen weist voraus auf die Anti-Susanna-Elegie III,5. 5 fractum studijs] Fractus auf den psychischen Zustand bezogen des öfteren bei Cicero: wie z. B. in der Rede De Domo sua 97: qui me animo nimis fracto esse atque adflicto loquebantur. 7 fingentibus aptus] Mit substantiviertem Partizip bemerkenswerte Bezeichnung für den Dichter, der mit ›Fiktionen‹ arbeitet. Es geht also um ein Buch, das besonders für Dichter geeignet ist oder um ein Buch mit Dichtungen. 8 Melita … Canis] Melita – ›Malta‹, also ein Malteserhündchen, ein kleiner Hund, eher ein Schoßhund, mit weißem, langhaarigen Fell. Vorverweisend

zur Geschichte der Fugger 3). Die heutige Gartenanlage lässt die von Bisselius beschriebene Gestaltung nur noch erahnen.

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auf III,5, Teilel. 2–4, den Betrug der Kupplerin mit einem angeblich weinden Malteserhündchen. 12 lateris cocti … structile opus] Die ganze Stelle ist wohl inspiriert durch Properz 3,11,21f.: Persarum statuit Babylona Semiramis urbem / ut solidum cocto tolleret aggere opus; daran anknüpfend Martial 9,75,1f.: Non silice duro structilive caemento, / nec latere cocto, quo Samiramis longam Babylona cinxit. Coquere für das Brennen von Ziegeln, Kalk und dgl. geläufig in der Fachliteratur (Vitruv, Plinius), aber poetisch z. B. weiter auch bei Statius, silv. 3,120f.: Coquitur pars umida terrae / protecturas hiemes atque exclusura pruinas. 14 cancellati pegmatis] Offenbar ein Gerüst oder Spalier aus kreuzweise oder zu Rechtecken angeordneten Hölzern oder Latten; zu cancellatus vgl. Plinius, nat. 8,30; 9,164 für die runzelige Haut eines Elefanten bzw. die kreuzweise verschlungenen Arme eines Polypen. 17 Daedala] Nach Daedalus, dem Baumeister und Techniker (sagenhaften Erbauer des kretischen Labyrinths und der künstlichen Flügel des Icarus; Ovid, met. 8,155–168, 183–235), adjektivisch für alle Arten der technischen Kunstfertigkeit gebraucht. 20f.] Inschriften in einer Art von kleinem Irrgarten? 24 Die Sonnenuhr mit einer eisernen Nadel (acus) als Zeiger (gnomon nach Vitruv 9,1,1). 29 Aspalathum Solymis celebrem] Die Pflanze, auch im Plinius-Kommentar von König nicht eindeutig identifiziert, als wohlduftend bei Plinius (nat. 12, 110) beschrieben und mit dem römischen ligustrum gleichgesetzt: spina candida magnitudine arboris modicae, flore rosae. Vorher hatte Plinius als ihre Heimat unter anderem Judäa genannt; darauf bezieht sich wohl Bisselius’ Kommentar: Solymis celebrem; in der lat. Vulgata kommt die Pflanze nicht vor (überprüft nach der lateinischen Konkordanz von Hugo Cardinalis, 1654), auch nicht im Pflanzenbuch von Fuchs (1543). Nichts Erhellendes bei Lonitzer 1555. 29 Amaranthum] Ein Fuchsschwanzgewächs; vgl. Plinius, nat. 21,47: Est autem spica purpurea verius quam flos aliquis; Culex 3,406; bei Tibull 3,4,33f. offenbar eher den Lilien zugerechnet: et cum contexunt amarantis alba puellae / lilia; Ovid, fast. 4,439. Nicht im Pflanzenbuch von Fuchs (1543), bei Lonitzer (Onomasticon 1555) mit der Chrysantheme oder dem Tausendschön identifiziert. Der Nürnberger Sigmund von Birken (mit Dichtername Floridan) nannte eine seiner pastoral-petrarkistischen Lyriksammlungen Amaranten-Garten. Nun aus den Hss. hg. v. Klaus Garber u. Hartmut Laufhütte in Zusammenarbeit mit Ralf Schuster. Tübingen 2009 (Sigmund von Birken. Werke und Korrespondenz, Bd. I/1 und I/2.). 29 Veneris molle supercilium] Welche Blume gemeint ist, bleibt fraglich; mit supercilium Veneris (Augenbraue der Venus) wurde später immer wieder die

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Schafgarbe (Achillea millefolium) bezeichnet; die Junktur teilweise wörtlich wie Statius, Theb. 6, 62f.: summa crepant auro, Tyrioque attollitur ostro / molle supercilium. 30 Caltham] Unter dem Namen »Ringelblume« und Caltha beschrieben und abgebildet bei Fuchs 1543, Nr. 143 (unpag.), hier wie auch sonst bei Fuchs zu Namen, Gestalt, »wachsung«, »Zeit« (»Blüet vom Meyen an durch das gantze jar«), »natur und complexion« und, auch für Renaissance-Gärten nicht unwichtig, »krafft vnd würkung«; auch bei Lonitzer (Onomasticon 1555) als Ringelblume verstanden. 31 Narcisse … Hyacinthe] Die berühmten, aus Menschengestalt verwandelten Blumen gemäß Ovid, met. 3,341–510 bzw. 10,162–219. 32 Libanotis] Der Name mehrfach bei Plinius, nat. 19,187 (L. duftet wie Weihrauch.); so auch 20,172; 21,58 (hier auch mit dem Alant identifiziert); Lonitzer (Onomasticon 1555) unterscheidet L. nigra (»Hirtzwurz«) von Libanotis coronaria (»Rosmarin«). 34 rosa] Vgl. die elaborierte Dreiergruppe der Rosenelegien III,18–20. 35 Lilia gilva] Zum Adjektiv (Anschein eines Germanismus) vgl. Vergil, georg. 3,82f.: Color … e gilvo. 36 Sarrani muricis] Sarranus von Sarra, dem alten Namen des phönizischen Tyrus, bekannt für seine Purpurschnecken; vgl. Vergil (zum tyrischen Purpur) georg. 2,506: et Sarrano dormiat ostro. 38 odorifera … caule] Vgl. Vergil, Aen. 12,411–414: Hic Venus … dictamnum … carpit ab Ida / puberibus caulem foliis et flore comantem purpureo. 40 opacat] Vgl. Vergil, Aen. 6,195f.: ubi pinguem dives opacat / ramus humum. 41 nemoris custos] In der Diktion erinnernd an einen berühmten Gedichtanfang bei Horaz, auf Diana bezogen (3,22,1): Montium custos nemorumque virgo; jedoch unklare Anspielung; da vorher (V. 39) von ›Nymphen‹ die Rede ist, ist wohl in poetischer Mythopoesis an den Wald- und Flurgott Pan gedacht. 42 exsuccam] Das Adjektiv sonst eher im übertragenen Sinne, z. B. für die kraftlose Rede wie bei Quintilian (inst. 12,10,14) gebraucht. 43 Babyloniacis … columnis] Die sog. Hängenden Gärten der Semiramis, der Tradition nach eines der Sieben Weltwunder (so auch in V. 44); s. oben zu V. 12; zur Sache NP, Bd. 5, Sp. 65f. bzw. 12/2, Sp. 477f. 44 PRODIGIUM] Hier wohl parallel zum Turmbau von Babel zu verstehen als ungeheuerliches Unterfangen. 44 magnum … orbis opus] S. zu V. 43. 46 Nubibus … Iovi] Assoziation mit dem in den (leeren) Himmel strebenden Turmbau zu Babel/Babylon.

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Kommentarteil

Zu Elegie III,4 (WK) Die im biblischen Buch Daniel (13,1–14,42) berichtete, von Bisselius im Vorspann seiner aus drei Teilen bestehenden Elegie rekapitulierte Geschichte von der versuchten Verführung, ungerechten Anklage und wunderbaren Errettung der keuschen ›Susanna im Bade‹ (hier: ›im Garten‹) gehört zu den beliebtesten sozialpädagogischen, Ehemoral und männlichen bzw. obrigkeitlichen Machtmissbrauch ins Licht rückenden Sujets der Dichtung (zum Überblick: Pilger 1880; Casey 1976, am Schluss hier eine Liste von Aufführungen; Michael 1984, passim, s. Register; Washoff 2007, bes. S. 392–398) und Malerei (s. die Aufstellung bei Pigler 1974, Bd. I, S. 218–230 [!] sowie exemplarisch Hermann 1990) des 16. Jahrhunderts. Es entstanden, auch als Lehrstücke der urbanen Policey-Gesetzgebung, zu diversen Aufführungen fast im ganzen deutschen Sprachraum zahlreiche lateinische und auch (des öfteren als Übersetzung) deutschsprachige SusannaDramen, teils anonym überlieferte Stücke, zumeist aber Bühnendichtungen aus der Feder namhafter Autoren. Zu ihnen gehörten Sixt Birck (1501–1555),1 Paul Rebhu[h]n (1500–1546),2 Jaspar von Gennep (um 1500–nach 1546),3 Nicodemus Frischlin (1547–1590) mit seinem Bruder Jacob (als Übersetzer)4 und, außerhalb der Reichsgrenzen, Cornelius Schonaeus (1540–1611; Susanna, 1600) und der Dominikaner Johannes Placentius (gest. 1548; Susanna, Antwerpen 1532).5 Auf diverse, offenbar nicht sehr zahlreiche Aufführungen von Susanna-Dramen in Jesuitenkollegien, verweist Valentin (1983, S. 26, 28, 191 u. 1963, s. Register); dazu ergänzend anhand des Sachregister bei Szarota (1979ff., hier Bd. 4, S. 474) zu eruieren weitere jesuitische Bearbeitungen oder Verwendungen des Stoffes bis ins 18. Jahrhundert, darunter, zeitnah zu Bisselius ein Drama mit dem Titel Nihil Est Opertum, Quod Non Reveletur; Aufführung in Ingolstadt am 6.9.1645. Abdruck der Perioche bei Szarota (1979ff.), Bd. 2,1, S. 1183–1196. – Demgegenüber versuchte sich der württembergische Dichterpfarrer Georg Konrad Maickler 1

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Die history von der frommen Gottsfürchtigen frouwen Susanna. Basel 1532; lateinisch 1536. Neu hg. von Manfred Brauneck. In: Ders. (Hg.): Sixt Birck. Sämtliche Dramen. Bd. II. Berlin, New York 1976 (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts), S. 1–53, 167–222. Ein Geistlich Spiel von der Gotfürchtigen und keuschen Frauen Susannen. Zwickau 1536 (zahlreiche weitere Drucke); Neuausgabe hg. von Hans-Gert Roloff. Stuttgart 1967 (Reclams UB 8787/88); auch in Rebhun: Das Gesamtwerk. Hg. v. Paul F. Casey. Bern u. a. 2002. Zum Vergleich von Birck, Rebhun u. a. s. Waltraud Timmermann: Theaterspiel als Medium evangelischer Verkündigung. Zu Aussage und Funktion der Dramen Paul Rebhuhns. In: Archiv für Kulturgeschichte 66 (1984), S. 117–155. Von ihm: Ein kurtzweilige und lustige Comedi, uß der Historien Susanne. Köln 1552. Neuausgabe seiner Susanna (Tübingen 1577) mit der Übersetzung in Nicodemus Frischlin: Sämtliche Werke. Erster Band. Dramen I. Rebecca. Susanna. 2 Tle./Bde. Hg. v. Adalbert Elschenbroich †. Redaktionell bearbeitet von Lothar Mundt. 2. Teil Deutsche Übersetzung von Jakob Frischlin, Auszüge aus anderen Übersetzern, Paralipomena [hier Auszüge aus der Übersetzung, 1604, des Schlesiers Andreas Calagius [1549–1609], S. 468–486]. Berlin u. a. 1992. Vgl. Cheri Brown: The Susanna of Johannes Placentius: The First Latin Version of the Bible Drama. In: Humanistica Lovaniensia 36 (1987), S. 239–251.

Einführungen und Kommentare

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(1574–1647) ungefähr gleichzeitig mit Bisselius an einer versepischen Susannadichtung (Historia Sacra Susannae, in ders. Poemata sacra. Tübingen 1635, S. 294–304); s. dazu Czapla (im Druck). Wenn Bisselius hier das Formschema der Elegie bevorzugt, wird das Bestreben deutlich, sich möglichst originell von den dramatischen und epischen Großformen abzusetzen und das fast allzu bekannte Sujet auch für eine intimere, quasi-lyrische und atmosphärisch verdichtete Behandlung aufzubereiten. Es entsteht so ein dreiteiliges, gleichsam dreiaktiges Epyllion, das durch direkte Einrede des auktorialen Ichs (Warnung an Susanna: 1,52–70, gleichsam als geheimer Warner im Garten) nicht nur die Illusion dialogischer und szenischer Erzählergegenwart aufbaut, sondern sogar autoreferentiell die inserierte Anrede als Akt des fiktionalen Schreibens thematisiert, insofern die Interpellation des Poeten (leider nur) mit dem hier vorgelegten Gedicht identisch ist, von dem sich Susanna nicht beeinflussen lässt (1,71f: nec enim Susanna movetur / Carmine). In der Beschreibung der Wasserspiele und der Bade- bzw. Brunnenanlage konkurrierte Bisselius unweigerlich und gewiss auch sehr bewusst mit der letzthin auf Horazens Bandusia-Ode (carm. 3,13) zurückweisenden lyrischen bzw. panegyrischen Brunnenpoesie der europäischen Renaissance; dazu materialreich und weiterführend, zum Vergleich einladend, Blänsdorf/Janik/Schäfer 1993. Das Gedicht schließt sich darstellerisch in den ersten beiden Teilen, der Beschreibung einer von Wohlstand zeugenden Parkanlage, direkt an DV III,3 (s. dort) an, wo der Erholung suchende Dichter eine erquickende Gartenanlage in der Nähe seines Geburtshauses, also im oberschwäbischen Babenhausen, rühmt.

Zu III,4,1 Es lassen sich in der ersten Elegie vier klar markierte Teile erkennen: 1–8 11–20 21–42

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Warnende (V. 5: moneo) allgemeine Meditation über die zwar legitime, aber auch gefährliche Freude an Gärten, besondere an die furchtsamen Mädchen gerichtet, mit der Empfehlung, solche Gärten nicht ohne Begleiterin aufzusuchen. Einführung von Susannas Gatten Joachim, trotz seines (babylonischen) Exils verfügt Joachim über großen Reichtum, weil er in der Stadtmitte am Marktplatz als angesehener Richter wirkt. Preziöse ekphrastische (von Bisselius als poetisches Kabinettstück besonders sorgfältig ausgearbeitete, so in den Susanna-Dramen kaum interessierende, strukturell unmögliche, deshalb nicht vorkommende) Vergegenwärtigung des von Büschen, Baumgruppen und künstlichen Wasserläufen durchzogenen, nahe der Stadt gelegenen Gartens (eines wohlhabenden Mannes) samt einer künstlichen Grotte und einem mit kostbarem Marmor eingerichteten Badebassin, verbunden mit der Kultur von gruppenweise angepflanzten Beerensträuchern und Obstbäumen. Susannas Spaziergang im lieblichen Garten mit Selbstgespräch (Gedankenreferat: Abwehr der männlichen Blicke). Daraufhin warnende interpellatorisch-proleptische Rede des poetischen Ichs, das vergeblich die drohende Gefahr durch die lüsternen alten Männer bis hin zum Gerichtsurteil gegen Susanna als Teil des vorliegenden, im Nachhinein wirkungslosen Gedichtes beschwörend vorwegnimmt. Susannas Spaziergang im Waldpark an einem heißen Tag; die Dienerinnen werden weggeschickt, um Badeutensilien zu holen.

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3 Cypridis] Venus mit ihrem griechischen Beinamen nach der Insel Zypern (traditionell der Venus heilig); vgl. oben II,8, Argumentum: mare Cyprium. 9 Idumaeas] Volksgruppe (auch Edomiter) nach der Landschaft Idumaea rings um Hebron (biblisch geläufige Bezeichnung), aber etwa auch bei Vergil, georg. 3,12 für die Palmen von Edom. 10 Solymaeus ager] Das Gebiet von Jerusalem (lat. Solyma oder Solymae; vgl. Martial, 11,94,5). 12 Hebraeis finibus exul] Während der Zeit der sog. Babylonischen Gefangenschaft der Juden. 13 venustabat] Das Verb (denominal von venustus) nur im spätantiken Latein (mehrfach bei Ambrosius und Fulgentius), nicht in OLD. 18 Isacides] Nachkomme des biblischen Isaac, metonymisch für einen Juden. 25 medico redolentia Medica flore] Beispiel für Bisselius’ lautmalerische und wortspielerische (medico – Medica) elocutionelle ›Politur‹. Medicus erklärt von Plinius, nat. 12,15: malus Assyria, quam alii Medicam vocant. 26 Punica mala] Der Granatapfel, so ausdrücklich erklärt bei Columella, 12,42 (mala dulcia granata, quae Punica vocantur). 27 naturae artisque theatrum] Junktur so nicht im klassischen Latein. Anregungen für seine Gartenbeschreibung (vgl. hier auch II,3 mit Komm.) konnte Bisselius schon in der antiken Literatur finden, z. B. die berühmten Schilderungen der Landsitze von Plinius, epist.1,3 u. 2,17 sowie 5,6 (vgl. bes. die Abschnitte 23–27 u. 36–37); hier auch die obligaten Marmorsitze, Marmorbecken, stillen Wasserläufe und die dazugehörigen Platanen. In seinem folgenden großen Elegien-Zyklus, den Deliciae Aestatis (München 1644) hat Bisselius in der mehrteiligen Elegie I,11 die »Villa Albertina« in der Nähe Münchens auf der Folie berühmter Namen des Altertums gerühmt. Mit Bisselius’ ambitiöser Schilderung ist die Tatsache zu vergleichen, dass sich Susanna beispielsweise in Rebhuns Drama (Akt III,2; ed. Roloff; s. o. Anm. 2, S. 31) ganz schlicht an einem »Brunnen« badet: Ytzund scheind fein warm die sunn Drumb ich gehen will zum brunn Und daselbs mich badn ein weil/ Drumb so macht euch auff mit eyl Volgt mir in den garten nach Dann richt auß auch eure sach.

30 subsultu] Ableitung von dem Verbum subsilire oder subsultare (›aufspringen‹, vor allem von Lebewesen); im Blick auf Wasserspiele ingeniös und gegenüber der Antike wohl ganz neu; vgl. aber (vom Feuer) Lukrez 2,191: nec cum subsiliunt ignes ad tecta domorum. Vgl. desilire in Horazens Bandusia-Ode (carm. 3,13,15).

Einführungen und Kommentare

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31 pretiosa ruina] Hier nicht ›Ruine‹ im heutigen Sinne, sondern wörtlich das ›Hinunterfallen‹ oder ›Hinunterstürzen‹ für den Wasserfall (ruina aquarum). 42 mollibat … solum] In Abwandlung des mollit humum bei Ovid, met. 7,472. 44 a conjuge] Das ›a‹ in lapidarer Verkürzung wegen des solus hier im Sinne von ›abgesehen von‹. 45 Rhodus … et saltus in horto] Mit witziger Anspielung auf eine bekannte Redewendung, vor allem bekannt durch Erasmus’ Adagia (ed. Clericus, Sp. 788): Hic Rhodus, hic saltus. 48 Flabellum] Diminutiv von flabrum (dem Lufthauch oder Wehen des Windes), zugleich in der Bedeutung von ›Fächer‹ wie Properz 2,24,11; Martial 3,82,11. 49 Euge] Fast nur bei Plautus und Terenz (z. B. Andr. 345) belegt, hier Symptom für Bisselius’ Rückgriff auf die frühlateinische Idiomatik und Lexik der Komödiensprache, wie in der Kaiserzeit auch bei Persius und Martial. 51 Este procul] Bekannte feierliche Formel wie Vergil, Aen. 6, 258. 59 capularis] Vgl. Plautus, Mil. 628. 62 voti … ansa] Ungewöhnliche, wenn nicht neue Junktur. 63 orexin] Nach Juvenal 6,428. 64 immoto … supercilio] Gefühllos, ohne innere Bewegung. Bisselius kannte gewiss die berühmte Textpassage bei Quintilian, inst. 11,3,74 und besonders 78f., wo das weite Spektrum der Körpersprache mittels der Augenbrauen abgeschritten wird. 69 Crimen … diducent] Rechts- und prozessspezifischer Terminus, z. B. bei Quintilian, inst. 7,1,35: defensionem diducere; 10,5f.; zur Schwächung von Beweisgründen (4,2,82): at enim quaedam argumenta turba valent, diducta leviora sunt. 74 Sirius] Der Hundsstern zur Andeutung der Sommerhitze, traditionell kombiniert mit der Erfrischung des kühlenden Wassers zur hora Caniculae seit Horazens Bandusia-Ode (carm. 3,13,9). 82 smegmata] Seltene Vokabel (für ein Reinigungsmittel, eine Art von Seife), gewiss nach Plinius, nat. 27, 111 (zu einer Pflanze): Smegmata mulieribus faciunt ex iis. 87 Pseudothyro] Die Hintertür; wohl mit bewusster und sehr feinsinniger Anspielung auf die kriminelle Unzucht, wie sie Cicero in einer seiner Reden brandmarkte (p. red. in sen. 14): Idem domi quam libidinosus, quam impurus, quam intemperans, non ianua receptis sed pseudothyro intromissis voluptatibus. 89 fontani … lacus] Ein See mit Quelle oder wohl eher Umschreibung für Springbrunnen, d. h. in Assoziation mit der in Dichtungen der Spätrenaissance (etwa

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bei Ronsard) gefeierten ›fontaine‹; vgl. zur Junktur ähnlich Ovid, ars 3,726; fast. 1,269f.

Zu III,4,2 Zwei kontrastive, aber mit V. 17f. gleitend ineinander übergehende Teile: 1–16

Idyllische Badeszene, mit atmosphärischen lokalen und situativen Einzelheiten ausgemalt (Vogelgesang, Wasserguss, Rasenbank mit Blumen, die zu einem Strauß gebunden werden; Dienerinnen holen Badesachen). 17–30 Entdeckung der lüsternen alten Männer, zunächst nur als Spiegelbilder. Überfall der Lüstlinge mit unsittlichem Antrag, dessen Inhalt, als der Dichtung unziemlich, in einer Praeteritio übergangen wird.

5f. Curas … decipiens] Das Verb hier im Sinne des geläufigeren fallere; vgl. Horaz, sat. 2,7,114: iam vino quaerens, iam somno fallere curam. 6 varium trahebat epos] Kühn vom langdauernden (trahere: in die Länge ziehen) und abwechslungsreichen (varium) Vogelgesang; vgl. III,15,2,21. 14 vola] Preziöse, bei Prudentius belegte, jedenfalls unklassische Vokabel für Hand, Handfläche. 15 aspergillum] Begriff des christlich-mittelalterlichen Lateins; nicht in OLD; als Priester denkt Bisselius hier wohl an den Weihwasser-Wedel. 21 Pro facinus] Ähnlich Terenz, Eun. 942; Ovid, am. 1,6,22. 26 accipitris … columba minis] Im Zusammenhang einer Gruppe geläufiger Vergleiche, hier der vom Habicht und der angstvollen Taube (so schon bei Homer) nach Vergil, Aen. 11,721f.: quam facile accipiter saxo sacer ales ab alto / consequitur pennis sublimem in nube columbam; ähnlich Horaz, carm. 1,37,15–18. 27 sic corpore fluctuat omni] Vgl. Apuleius, met. 10,2,6: crederes et illam fluctuare tantum vaporibus febrium.

Zu III,4,3 Bisselius vermeidet, dem gewählten Genre gemäß, die in den Susanna-Dramen topische Schilderung der Gerichtsverhandlung. Auch das Erscheinen des hier namenlosen himmlischen Retters wird recht lapidar abgetan. Stattdessen ergibt sich folgende Gliederung: 1–22

Susanna ist sich ihres Dilemmas bewusst (Verlust der Unschuld oder todesdrohende Anklage; dieses wird in Frischlins Susanna-Drama sowohl im Dialog als auch im Monolog breit ausgeführt; s. in der deutschen Übersetzung von J. Frischlin, wie oben, Anm. 4, bes. S. 338–343) und appelliert an den himmlischen Richter (V. 11f.);

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auf ihrer Flucht gehindert, kann sie auch von den Dienerinnen gegen die schreienden Lügen der Ankläger nicht entlastet werden. 23–30 Kurze Zusammenfassung der Anklage und des Urteils der Steinigung (als allgemein bekannt); nur kurze, ganz unspektakuläre Erwähnung des himmlischen Knabens (Daniel), der die schuldigen Freier an den Pranger stellt, die nun bestraft werden. 31–40 Harmonisches Ende, allerdings mit abschließender auktorialer Warnung: Die treue Ehefrau kehrt ins Haus zurück (Freude auch bei den Eltern), vermeidet jedoch in Zukunft gefährliche Lustgärten und Badeplätze. Die Stimme des Autors erinnert warnend an die biblische Eva.

1 procos] Erinnerung an die seit Homers Odyssee bekannten lüstern-rüpelhaften Freier der Penelope; bei Cicero (Brutus, 330): impudentes proci. 13 ferit aurea sidera] Abwandlung des berühmten horazischen feriam sidera vertice (carm.1,1,36). 15 Zonam] Der Begriff sonst eher fachsprachlich für Bereiche am Himmel und auf der Erde gebraucht; vgl. Vergil, georg. 1, 233. 23–26] Die Fragezeichen hinter den elliptisch verkürzten abhängigen Nebensätzen (als AcI) wiederholen das übergeordnete Fragezeichen hinter Quis nescit. 23 Caetera, quis nescit?] Ovid, am. 1,5,25. 26 PUER] Der hier ungenannte Daniel. 29 sine vindice poenam] Wichtige Anspielung auch durch die Wortstellung im Vers. Bisselius erinnert so an die Schilderung der universalen Gerechtigkeit in der Goldenen Zeit, wie sie Ovid in seinen Metamorphosen schildert (1,89– 106); vgl. dort die Versschlüsse 89 (quae vindice nullo) bzw. 92 (sine vindice tuti). 29f. Poenam … struxere] Bisselius vermeidet das gewöhnliche poenam constituere (Cicero u. a.), um die Vorstellung der fälschlichen, der nur ›konstruierten‹ Anklage und damit auch Strafe, mithin die geläufigen Phrasen von struere insidias oder dolos (vgl. Cicero, Clu. 190; Ovid, met. 1,198) mitschwingen zu lassen. 39 latet Anguis in herba] Berühmte Redewendung nach Vergil, ecl. 3,92; hier mit dem Begriff der Schlange selbstverständlich zugleich die Erinnerung an die Rolle des Teufels im Paradies.

Zu Elegie III,5 (WK) Zu Struktur, Quellenverarbeitung und Kontextbezug dieser Elegie s. oben in der Einleitung zum vorliegenden Band, Kap. IV. Ioannes Pauli] S. oben in der Einleitung und den Textanhang im Anschluss an den folgenden Kommentar.

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in Caniculam metamorphosi] Bedeutsamer Hinweis, insofern sich Bisselius ausdrücklich auf das poetische Terrain Ovids, des Metamorphosendichters, begibt. dipsas] Name einer Schlange (Lukan 9,738; Martial 3,44,7), hier Hüllwort für den Teufel, zugleich direkter Hinweis auf Ovids Schmähgedicht gegen eine Kupplerin und Hexe mit den Anfangsversen (am. 1,8,1f.): Est quaedam (quicumque volet cognoscere lenam / Audiat), est quaedam nomine Dipsas anus. Direkter Rückbezug auf die Schluss-Sentenz in III,4,38.

Zu III,5,1 1 Antiqua TiberI … urbe] Regensburg, lat. Castra Regina, in der Tat schon im 1. Jahrhundert n. Chr. Standort eines Kohortenlagers. Später von Kaiser Marc Aurel zum Legionslager mit einer anwachsenden Zivilsiedlung erweitert. Über die Frühgeschichte Bayerns war man durch die Bayerische Chronik (hier zu Regensburg als Gründung des Tiberius Buch II; Kap. 49) des Johannes Aventinus (1477–1534) gut unterrichtet. Bisselius hielt sich in den 1620er Jahren und um 1630 in Regensburg auf; die alte Schwankgeschichte wird durch scheinbar genaue Lokalisierung der Erlebensgegenwart des Autors und seines Publikums zugeordnet; dazu passt dann das andeutungsvolle Verschweigen des ›wahren‹ Namens der weiblichen Hauptfigur (V. 7). 1 SEPTIMUS … lapis] Gerechnet nach römischen Meilen also gut zehn Kilometer von Regensburg entfernt. 5 stemmate] Die für den Rang der Nobilität Ausschlag gebende Ahnentafel. 8 picta … voce] Der sprechende (›gemalte‹) Name (der Text bietet eindeutig picta anstelle des auch möglichen ficta) wird erläutert am Schluss des Gedichtes (Teilelegie 3,28: Viola = Violata). 14 Res … tulit] Auffällige intransitive Konstruktion von ferre, hier verstanden als Ersatzperfekt von fieri? 17 censu] Census – eigentlich der Begriff für die im alten Rom veranschlagte Steuerklasse, dann häufig metonymisch für den Besitzstand bzw. Reichtum. 18 Croesi] Croesus – König der Lyder, seit Herodot (bes. Buch III) sprichwörtlicher Repräsentant des Reichtums (z. B. Catull 115,3, Horaz, epist. 1,11,2). 18 trineptis] Ein recht esoterischer Begriff der Rechtsliteratur: Enkelin im fünften Glied (wenige Belege im OLD). 22 Helene, non Paris] Bezug auf das seit Homer bekannte Geschehen, die Entführung der Helena durch Paris. Ironischerweise hatte auch Paris bei seinem Werben um Helena Erfolg, wie letztlich auch dieser Bewerber um Viola zu seinem Ziel kommen wird.

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29f. furorum irritus] Zum Liebes-Furor vgl. etwa Properz 1,5,3: Quid tibi vis, insane? Meos sentire furores? – Zu irritus mit Genitiv s. Kühner-Stegmann, Satzlehre. Erster Teil, S. 444. 31f. carmine frangeret iras … cantu] Gedacht ist an magische Formeln und Lieder im Kontext des Liebeszaubers, der den Widerstand der begehrten Frau brechen sollte. So bereits häufig erwähnt in der antiken Dichtung (Horaz, Tibull, Properz, Ovid), aber auch bei den deutschen Humanisten: z. B. Celtis (s. HL, S. 86–99 mit dem Kommentar S. 994–1000) sowie Schede Melissus; dazu im größeren Kontext Kühlmann 2000/2006; zum Hexenthema bei Bisselius s. hier zu III,9f. 36 magicis … artibus] S. zu V. 31f. 37 morior] Höchste metaphorische Beteuerung des Liebesschmerzes; vgl. Properz 2,8,17f.: sic igitur prima moriere aetate, Properti? / sed morere; interea gaudeat illa tuo! Bisselius kannte gewiss auch die berühmte Formel des Hohen Liedes (8,6: fortis ut mors dilectio). 41 nil perplexus] Nil hier als verstärktes non.

Zu III,5,2 1 vario … se turbine versat] Für turbo als Bezeichnung für psychische Hast und Verwirrung vgl. z. B. Ovid, am. 2,9,28: Nescio quo misere turbine mentis agor. 3 Melitaea canicula] Melita – ›Malta‹; wie auch in III,3,8, ein Malteserhündchen, ein kleiner Schoßhund. 5 Titanidas umbras] Pretiöse paronomastische Umschreibung für Nacht von Titan = Sonne (z. B. Vergil, Aen. 4,119) und dem davon abgeleiteten Adjektiv. 6 vado] Pretiös ganz allgemein für Wasser (aqua). 7 Memnonis ortu] Memnon, mythischer König der Äthiopier, Sohn der Morgenröte (Aurora), für die er hier metonymisch steht. 9 fera radix cingiberis] Zum bitteren Geschmack (amaritudo) der Ingwerwurzel schon Plin. nat. 12,28. 13 destillant lumina] In Abwandlung von Formulierungen wie Statius, Theb. 5,728: alio maduerunt lumina fletu. 17 Manè herbosum] Mane als Substantiv (hier mit kühnem metaphorischen Attribut) wie z. B. Vergil mit der hier sichtlich von Bisselius paraphrasierten und alludierten Stelle georg. 3,325f.: mane novum, dum gramina canent / et ros in tenera pecori gratissimus herba; Properz 2,29,23: Mane erat.

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19 praeproperos Narcissos] Das Attribut hier vielleicht in Anlehnung an Plinius, nat. 18,208: Aestivas alites praeposteri aut praeproperi rigores negant. 20 in flore … omen] Erinnerung an den mythischen Narcissus, der die Nymphe Echo und alle Liebhaberinnen verschmähte; Ovid, met. 3,341–510. 22 duplicitatis] Duplicitas: nicht im klassischen Latein (nicht im OLD), jedoch in diesem Sinne bei Augustinus (und dann auch im Mittelalter) als duplicitas diaboli (quaest. evangel. 2, qu. 31). 24 sermones iungere] In dieser verbalen Junktur wohl im klassischen Sprachgebrauch ungewöhnlich; vgl. aber Silius 13,734f.: si iungere cordi est colloquium. 26 aure bibam] Wie Horaz, carm. 2,13,32: bibit aure; Properz 3,6,8: supensis auribus ista bibam. 28 surgunt verba, caduntque] Vgl. Properz, 1,16,34: at mea nocturno verba cadunt Zephyro; auch Ovid, epist. 3,97; Ovid, trist. 5,12, 35: carmina nulla mihi surgunt; Vergil. Aen. 9,190f.: percipe porro / quid dubitem et quae nunc animo sententia surgat.

Zu III,5,3 4 cauda flagellat anum] Vgl. Ovid met. 3,93f.: arbor et imae / parte flagellari gemuit sua robora caudae. 9 gemitum dedit … ductum] Kombination von Vergil, Aen. 12,713 (dat gemitum tellus) und ebd. 2,288 (sed graviter gemitus imo de pectore ducens). 11 Sub fida … Rosa] Nach einer nicht antiken, sondern erst in der Frühen Neuzeit (im Sinne von, so auch hier: unter dem Siegel der Vertraulichkeit) gebräuchlichen Redewendung; Röhrich (72006), Bd. 2, s. v. ›Rose‹; Wander (1867– 1880), Bd. 3, Sp. 1729f. 14 exsputo pectore] Pectus für das Innere des Menschen, das Herz. Das Verb im übertragenen Sinne wie Lukrez 2,1041: exspuere ex animo rationem. 15 lacrymis undare] Sonst in Bezug auf menschliches Blut wie Vergil, Aen. 10,908. 35 Galla] Der fiktive Name der angeblich in das Hündchen verwandelten Tochter. 36 Hecube] Mutter des Trojaners Hektor, rächt Polydoros und wird in eine Hündin verwandelt; Erinnerung an Ovid, met. 13,533–577.

Zu III,5,4 Credulitas] In diesem Sinne, als Charakteristikum für Mädchen und junge Frauen, schon bei Ovid, epist. 7,37: Credulitas damno solet esse puellis.

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1 mutatio] Wie schon mehrfach oben die gezielte Erinnerung an Ovids Metamorphosen, spez. den Eingangsvers (mutatas dicere formas). 13 fata premunt] Wie Lukan, 8,544: Fata premunt civilia mundi; vgl. Vergil, Aen. 4,614: sic fata Iovis poscunt. 19 repulsa] Zurückweisung im erotischen Zusammenhang wie z. B. Ovid, epist. 20,167: gravior mihi morte repulsa est. 23 tot technis] Technae im Sinne von List oder Trick des öfteren in der Komödie. 23 flexit amorem] In Analogie zur häufigeren Junktur animum flectere. 24 Dubitare] Weitreichende Sentenz: Die Warnung vor dem Zweifel von Bisselius gewiss auch in einem Sinn verstanden, der über diese Geschichte hinausweist. 26 vina ineunt] Bizarre Formulierung, vielleicht in Anlehnung an Junkturen wie convivia inire oder somnum oder proelium inire. 26 victas dat … manus] Wohl sehr bewusstes, weil sinntragendes Zitat nach den programmatischen Versen von Ovid, am. 1,2,19f.: En ego confiteor; tua sum nova praeda, Cupido, / Porrigimus victas ad tua iura manus. 28 Pro Scelus!] In Abwandlung des häufigeren o scelus!; Statius silv. 2,7; Theb. 2,488; häufig in Reden Ciceros wie z. B. dom. 47. 28 VIOLA Violata] S. o. zu Teilelegie 1,8. 29 Indulsit metui] In Anlehnung an Junkturen wie indulgere amori, dolori oder furori. 30 LVPA] Pointierter Schluss in Bezug auf das vorhergehende Canis. Auch Lupa ist als ›Wölfin‹ eine Art von Hund, doch bedeutet Lupa hier im variablen lateinischen Wortsinn die Hure (vgl. lupanar – ›Bordell‹).

Textanhang Aus Johannes Pauli: Schimpf und Ernst (Ausg. Frankfurt 1560, Bl. 122a), nach Pauli 1924, Bd. 2: Paulis Fortsetzer und Übersetzer/Erläuterungen, S. 106–108 (Nr. 873); s. hier die Aufstellung der Ausgaben, zu 1560 S. 147, zu der Ausgabe mit kurzem lateinischen Obertitel (Ioco-Seria) von 1609 (o.O.), S. 151; zu den weitläufigen Überlieferungen des Schwankes im Kommentar zur Stelle, S. 444. 873. Von einer alten Kuplerin und von eim allweg weinenden Hündlin. Ein Edelmann hett ein rein, keusch, überschönes Weib, die in allezeit ehret und größlich liebet über alle zeitliche Ding. Es füget sich, das er in Andacht und Ablaß gen Rom ziehen wollte, und als er sein Weib in keuschem Wandel und guten Sitten wohl het beweret, setzet er alles Trewen auff sie und wolt ir ander Hüter nicht zugeben denn sie selber in

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Kommentarteil seim Abwesen. Da er aber hinweg was geritten, lebet die Frau in allen Dingen wol, in reinem Gemüt und keuschem Wesen einheimisch und selten gesehen. Auff ein Zeit begab sich, das sie in eignem Geschefft mußt außgehen. Und da sie wider heim eilet, ersahe sie ein Jünglin, der ward von dem Sehen so einbrünstiglich in ihrer Liebe entzündet, das er jhe lenger jhe mehr also brinnend ward, das er meinet gut sterben, wo sie ihm nicht werden möchte. Und wiewol er ir mancherley Undertreger und Kupler sendet mit mancherley köstliche Gabe, dadurch doch die hertisten Gemüt der Frawen offt erwecket werden, dennoch widerstund sie krefftiglich allen anfechtigen Reitzungen. Da aber der Jüngling sahe, das er von der Frawen gar veracht was und weder Bitt, Miet noch Gab nicht helffen wollten, ward er durch grossen Unmut so sehr bekümmert, das er in schwere Kranckheit fiel. Nicht dester minder stund er alle Tag also krancker auff von seinem Beth unnd gieng für das Hauß seiner liebgehaßten Frawen unmutig und trawrend mit zehrenden Augen, ob er sie doch nur sehen möchte. Auff ein Zeit, da er also trawrig umb ir Hauß gieng, begegnet ihm ein altes Weib erbarer Gestalt mit geistlichen Kleidern, die fragt, warumb er so sehr betrübet were. Aber der Jüngling schemet sich zu sagen, das sein Gemüt von unordenlicher Liebe wegen so hart sol gekestiget und gefangen sein, und wolt ihr das nicht sagen. So sprach die alte Vettel zu ihm: ›Welcher Krancker sein Kranckheit dem Artzt nicht zu wissen thut, den bedarff nicht wundern, ob er kräncker wirdt.‹ Da fieng der Jüngling an zu sagen alle Ding, wie sie waren ergangen, und begeret darüber Hilff und Rath. Da sprach die Alte: ›Hab guten Muth, lieber Jüngling! Dir sol bald gholffen werden, das du deinen Willen mögest vollbringen.‹ Darmit schied sie von im und gieng Heim in ihr Hauß. Da hett sie ein kleines Hündlein, das ließ sie biß an den dritten Tag ungessen, und da das hart hungerig ward, gab sie im Brodt zu essen, derein Senffmehl geknetten was, darvon das Hündlin zehern warde, als ob es weinet, umb Scherpffe wegen des Senffs. Da nam sie das Hündlein und füret es mit ir inn der erbaren, keuschen Frawen Hauß. Von deren ward das alt Weib wol und schön empfangen, denn sie füret einen erbarn geistlichen Schein, darumb achtet sie irer Zukunfft nicht klein, on allen bösen List und Argwohn. Dieweil sie aber von mancherley Dingen mit einander redten, so ersicht die keusch Frau das zehern Hündlein der Vetteln unnd fraget sie der Ursach des Weinens. Da ward sie gescherpfft in irer Bößlistigkeit und sprach: ›O liebste Freundin, ich bit dich, du wöllest mir mein grosses Leid unnd Schmertzen nit erneweren mit deiner Frage, warumb diß mein allerliebstes Hündlein allezeit weine. Denn so ich daran gedencke, wo wirdt mein Hertz so voll leidiges Schmertzen, das ich besorge, wo ich das sagen sollte, eh das ich das endet, mir würde Lebens vor grossem Leid zerrinnen.‹ Da aber die keusche Frau nicht aß wolt lassen zu fragen und zu bitten, das zu sagen, fienge das alt Weib also an: ›O liebste Frawe, das Hündlein, das du sihst, ist mein liebste Tochter gewesen, leider viel zu fromb unnd andechtig. In deren Liebe ein Jüngling so einbrünstiglichen entzündet ward, das nichts darüber was, unnd halff weder Bitt, Miet noch Gabe, sie verachtet in gar. Da er aber mercket, das er so gar von ir verspützet was, fiel er vor grossem Leid inn tödtliche Kranckheit. Darumb wurden die Gött beweget inn Erbarmung des Jünglings unnd verwandelten mein liebste Tochter in das allweg weinende Hündlein zu Straff der Missethat, das sie des Jünglings weinend Gebet nicht hette erhöret.‹ Diesen List sagt das alte Weib der erbaren Frawen mit trawriger Geberd und Zwingen der Thren, als ob ir sehr weh geschehen wer von dem Sagen. Da sprach die erbar keusch Frau: ›O Allerliebste, ich bin erschrocken unnd weiß nicht, was ich darzu sagen sol. Denn ich weiß mich eben einer solchen Missethat schuldig sein, denn ein Jüngling hat mich auch also hart angestrengt und meiner Lieb so einbrünstiglich begert, das er meinet sterben müssen, wo ich ihn nicht gewere. Aber umb Keuschheit zu ehren und Stetigkeit gegen meinem liebsten Mann, hab ich ihn verachtet unnd gantz verschmahet. Darumb du mich inn Angst hast gesteckt.‹ Da sprach die alt Koplerin: ›Darumb rathe ich dir, allerliebste Freundin, das du des Jünglings Gebet wöllest erhören, so beldest du magst, das du dich vor solcher Verwandlung mögest bewaren und nicht ein weinender Hund werdest.‹ Da sprach die Frau: ›Ich wil mich fürbas hüten, das ich den Göttern nicht widerwertig befunden werde. Und ob er mich aber bitten würd, so wil ich ihm die Werck der Liebe nicht versagen. Ob er aber mich nicht bitten würde, so wölte ich

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mich im entgentragen, wo ich ihn wißte zu finden.‹ – ›Du thust recht daran‹, sprach die alte Vettel unnd schied damit hinweg und bracht dem Jüngling die fröliche Bottschafft und füget in zu seiner allerliebsten Frawen und erlanget Lohn und Danck von inen beiden.

Zu Elegie III,6 (HW) Zahlreiche Gedichte des Bisselius sind seiner Heimatregion um Babenhausen an der Günz im gräflich-fuggerschen, heute bayerischen Schwaben gewidmet; vgl. dazu Wiegand 2009. Das vorliegende Gedicht bietet das eindrückliche, außerordentlich gelungene Stimmungsbild einer Wiese an der Günz, die nicht bewirtschaftet wird. Die Verse 4 u. 21–28 mit ihrer Betonung der Gleichrangigkeit aller Blumen lassen sich durchaus auch als immanente Kritik an der ständisch gegliederten Feudalgesellschaft lesen, in der eben nicht gilt: nec regnat nobilitatis honos (V. 24) und in der das ausufernde barocke Titelwesen mit den z. T. erbittert geführten Rangstreitigkeiten etwa unter Diplomaten keinen Platz hat (vgl. V. 25f.). Die Wiese an der Günz liegt vernachlässigt. Indiz dafür ist die niedergebrochene Umzäunung und der offene Zugang: Die Wiese hat keinen Herrn, vor dem sie zittern müsste (V. 1–4). Gleichwohl (oder vielleicht gerade deshalb) wird sie von Keinem beeinträchtigt (V. 5–10). Zahlreiche Gräser und Blumen blühen dort (V. 10–20). Sie wachsen ohne Pflege. Es fällt ins Auge, dass Bisselius – dem Wildwuchs der Wiese entsprechend – mit Eisenkraut, Narden, der Betonie, Quendel, Minze und Thymian Pflanzen nennt, die in der poetischen Hierarchie der Pflanzen in der Dichtung eine eher bescheidene Rolle spielen. In Caspar Dornaus Amphitheatrum Sapientiae Socraticae Ioco-Seriae (1995), S. 184–198, etwa finden sich zwar zahlreiche Gedichte auf rosa, viola, lilium und wenigstens eines (von Petrus Lotichius Secundus) auf die Raute, keine aber auf die Pflanzen, die im vorliegenden Gedicht gewürdigt werden. Derselbe Befund ergibt sich, wenn man in Gandutius’ Descriptiones Poeticae (zitierte Ausg.: Venedig 1703, S. 228–236) die zahlreichen – zumeist von jesuitischen Autoren stammenden – Gedichte unter dem Stichwort flores mustert. Auch dort finden sich viele Gedichte auf die rosa (von Augustinus Mascardus S.J.; Laurent Le Brun; dem Polen Albert Ines und Antoine Chanut S.J.). Die Lilie ist vertreten durch Gedichte von Johannes Bisselius S.J., also unserem Autor, nämlich aus den Deliciae Aestatis I,17; wieder Laurent Le Brun S.J. und Albert Ines S.J., Jacob Bidermann S.J. und Gilbertus Joninus S.J. Das Heliotropium besang – außer dem nicht angeführten Jakob Balde S.J. (carm. 4,48) – in einem hexametrischen Stück Antoine Chanut S.J., die Tulpe Laurent Le Brun S.J. und die Narzisse wieder der Pole Albert Ines S.J. Ein Grund für diesen Befund liegt sicher darin, dass Bisselius seine Blumenwiese eben ›demokratisch‹ organisiert und für die ›fürstlichen‹ Blumen Rose, Lilie und Heliotropium dort kein Platz ist, wohl aber für die ›minderen‹ Blumen – abgesehen davon, dass sie natürlich auf einer solchen Wiese auch schwerlich zu finden sein werden. So braucht es nicht zu verwundern, dass der letzte Teil des Gedich-

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tes (V. 29–32) in einem Preis des schlichten Reichtums der Blumenwiese gipfelt, die zwar keine Wertschätzung im Sinne eines hohen Ranges genießt, dafür aber in voller Blüte steht. Noch einmal wird das Neclectum von Vers 1 im vorletzten Vers aufgenommen, um zu zeigen, dass die Wiese – obgleich (scheinbar) vernachlässigt – doch sich ihrer Pracht freuen darf. Die einleitenden Bibelzitate verweisen nämlich emblematisch zugleich auf Gott als den Schöpfer dieser Pracht. 1 vitreus] Zu vitreus in Verbindung mit Wasser vgl. Vergil, Aen. 7,759: vitrea … unda. 2 Populeum … nemus] Ähnlich Balde, epod. 7,55–57. 9 Roris gutta] Vgl. Weish 11,23: roris gutta matutini. 10 sub prima crepuscula] Vgl. Ovid, fast. 5,455: sub prima crepuscula. 11 herba virens] Vgl. Ambrosius, epist. 140,9,20: virens herba; die Junktur herba virens wie Eugenius Tolelanus revisor – Dracontii librorum recognitio 1,50. 13 saliuncáque juncis] Als humilis im Vergleich zur Rose erscheint die Narde bei Vergil, ecl. 5,17f.: puniceis humilis quantum saliunca rosetis, / iudicio nostro tantum tibi cedit Amyntas. 14 Betonicae] Zur Heilkraft der Bethonie bei Kopfschmerzen und Wassersucht vgl. Alexander Neckam: Suppletio defectuum, distinctio 1, V. 293f.: Bethonice uirtus auris capitisque dolori, / Fracture capitis, ydropicis dat opem. 15 serpilla] Feldthymian wird neben anderen Pflanzen in der vielgelesen Parthenice secunda Catharinaria des Johannes Baptista Mantuanus 3,291–296 genannt: Prata sub arboribus raris florentia semper; Lilia, serpillum, narcissus, amaracus, omne Gramen odoriferum, uiolae, rosa, balsamus, arbor Thurea, myrrha, thymum, buxus, terebinthus, amomum, Nardus et Aiacis frondes rorisque marini Irriguos circum riuos sua brachia tendunt.

15 livida quercula] Es ist unklar, um welche Pflanze es sich handelt. 16 bibula mentha] Als ructatrix (Aufstoßen verursachend) wird die Minze bei Martial 10,48,10 bezeichnet. Das Epitheton bibula lässt ebenso wie der beschriebene Lebensraum an die Mentha aquatica denken. 16 thymúsque] Als khueenlin bezeichnet Bisselius den von ihm auch Roemischer Quaendel genannten thymus im Indiculus onomasticus der Deliciae Aestatis, S. 460. 17 flos rubet hic] Zur Junktur vgl. Mythographi Vaticani, Mythographus 2,208,5: Hic autem flos rubet quasi lilium.

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18 Tyrij muricis] Das Rot der Purpurschnecke aus Tyros. Vgl. z. B. Tibull 2,4,22: O pereat, quicumque legit virides que smaragdos / Et niveam Tyrio murice tingit ovem.

Zu Elegie III,7 (HW) Die El. III,7 der Deliciae Veris ist wie andere Gedichte ähnlicher Motivik (dazu Kühlmann 2011) ein Zeugnis für die gelungene Rezeption volkssprachlicher Schwankmotive aus der Literatur des 16. Jahrhunderts, die ihrerseits auf Fazetien des italienischen Humanismus (besonders Poggio Bracciolini) fußt. Konkret wird hier das Schwankmotiv der Frau aufgenommen, die mit ihrem Mann unentwegt streitet, ihn unablässig als »Knicker« bzw. »Lauser« beschimpft und noch angesichts des Todes das letzte ›Wort‹ haben muss bzw. durch eine Geste ihre Meinung zum Ausdruck bringt, als sie schon nicht mehr sprechen kann, weil ihr Mund durch das Wasser eines Brunnens bereits verschlossen ist, in den sie von ihrem erzürnten Mann gestürzt wurde oder in den sie selbst gestürzt ist. Das Motiv fand weite Verbreitung (nachgewiesen in: Pauli 1924, Bd. 2: Paulis Fortsetzer und Übersetzer/Erläuterungen, S. 387f. zu Nr. 595: »Luesknueller nant eine iren Mann« und S. 444 zu Nr. 872:»Eine Frau schalt iren Mann ein Lauser und wolt nit widerrufen«; vgl. auch Art. ›Die widerspenstige Ehefrau‹. In: EM, Bd. 3, Sp. 1077–1082 [Elfriede Moser-Rath]). Das Motiv hat noch in Johann Peter Hebel einen genialen Gestalter gefunden, der die misogynen Tendenzen der Vorlagen zugunsten einer Einbeziehung der Schuld des Mannes entschärft; vgl. dazu Wiegand 2006. Bisher nicht ermittelte (und auch von Bisselius nicht angegebene) unmittelbare Hauptquelle für das vorliegende Gedicht ist indessen ein Schwank von Martin Montanus aus seiner Gartengesellschaft: »Von einem bauren und seinem Weib, die steths recht haben wolt und dem mann allzeit zuo wider was.« (vgl. Johannes Bolte (Hg.): Martin Montanus: Schwankbücher (1557–1566). Tübingen 1899 [Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 217], S. 352–354, Nr. 89). Dies ergibt sich zweifelsfrei daraus, dass schon bei Montanus der letzlich tödlich verlaufende Streit um die Frage geht, ob eine Wiese gemäht oder geschoren sei, also genau die Frage, die dem Streit der Eheleute auch bei Bisselius zu Grunde liegt: »Da sie aber einsmals ein grossen zanck einer matten halb, ob die geschoren oder gemaehet wer, miteinander hetten, sagt der man, sie were gemaehet; aber die Frau wolt, sie were geschorn.« (Montanus, S. 352). Als der erzürnte Mann seine Frau verprügelt, wird sie – wie bei Bisselius – nur noch halsstarriger: »Ye mehr er schluog, ye mehr sie uff ihrem fuernemmen und streitigen Kopf beharrt.« In der Folge nimmt Montanus ein Motiv auf, das ursprünglich aus den Facezie des italienischen Humanisten Poggio Bracciolini stammt und von Bisselius stark abgewandelt wird: Der erzürnte Mann lässt die Frau, um ihren Widerstand zu brechen, an einem Seil in einen Brunnen hinab, damit sie – eingetaucht in das Wasser – nicht mehr widerspreche und zur Besinnung komme. Als

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sie aber – das Wasser reicht ihr bis zum Kinn – noch immer fortfährt, taucht er sie ganz unter, erreicht aber auch jetzt sein Ziel nicht: At illa, loquendi facultate adempta, etiam dum suffocaretur, quod loqui nequibat digitis exprimebat: nam manibus super caput erectis, atque ungulis utriusque pollicis coniunctis saltem quod potuit gestu viro pediculos obiiciebat. Unguibus enim eorum digitorum pediculi a feminis occidi consueverunt. (Zit. n. Poggio Bracciolini: Facezie. Introducione, traduzione e note di Stefano Pittaluga. o. O. 1995 (Garzanti editore), Nr. 59, S. 66f.: De muliere obstinata quae virum pediculosum vocavit).

Bisselius stimmt mit der Poggio-Tradition darin überein, dass der Tod der bösen Frau unmittelbar im Zusammenhang mit der tätlichen Auseinandersetzung der Eheleute erfolgt, während bei Montanus der Ehemann es zunächst nicht zum Äußersten kommen lässt. Bei ihm ertrinkt die Frau erst später in einem Fluss. Freilich gewinnt Montanus damit die Möglichkeit zu einer weiteren Pointe. Als er seine Frau flussaufwärts sucht, weist bei ihm den Bauern ein Beobachter des Geschehens darauf hin, dass die Frau doch flussabwärts gesucht werden müsse. Der Bauer aber meint zu wissen, warum er flussaufwärts sucht: »O nein, keins wegs ist sie das wasser hinab geflossen. Dann sie war allweg so widerspenstig, wann ich gesagt hab, das wasser lauffe den berg ab, hatt sie gewoelt, es lauff den berg uff. Deshalb nit wol mueglich, das sie das wasser ab, sunder uff werts geflossen.« (Montanus, S. 354). Ganz einig sind sich Montanus und Bisselius in der misogynen Wertung des Geschehens. Während aber Bisselius’ Hirte mit beißendem Sarkasmus die mors pretiosa seiner Frau kommentiert (V. 97f.), gibt Montanus seine misogyne Moral ganz schlicht: »Also findt man noch vil halsstarriger weiber, an denen crisam und tauff verloren, die allweg das letzt wort haben woellen, an denen weder schlagen noch stossen hilfft; wan man einen teufel heraus schlecht, so schlecht man dagegen drey hinein; man muoss sie nur selbst ertrincken lassen« (Montanus, S. 354). Bisselius’ wesentliche eigene Leistung in der Gestaltung des Schwankes liegt darin, dass er ihn mit sprachlichen und inhaltlichen Elementen der römischen Komödie anreichert und damit in eine gleichsam antikische Aura transponiert (vgl. dazu den Einzelkommentar). Zugleich setzt er bewusst insistierende sprachliche Ausdrucksmittel ein, um den Streit plastisch werden zu lassen. Durch die dialogische Gestaltung gewinnt der Schwank beträchtlich an Eindrücklichkeit. Die Gliederung der Elegie ist luzid: V. 1–6 stellen die dramatis personae Harpus und Harpa, und das Thema vor, V. 7–14 führen in die Situation ein, V. 15–44 zeigen die Entwicklung des Streites, ob das Schneiden des Grases angemessen mit metere oder tondere wiederzugeben sei (entspricht bei Montanus: »mähen« oder »scheren«). Ab Vers 45 verliert der Ehemann die Geduld und wird, was seine Frau erwidert, handgreiflich und verfolgt sie (bis V. 64). Schließlich stürzt sie dabei in einen baufälligen Brunnen (V. 61–76). Der Ehemann wäre bereit, die Ertrinkende zu retten, sie aber fährt fort, auf ihrer Meinung zu beharren. (V. 77– 86). Auch als sie nicht mehr sprechen kann, setzt sie ihre Widersetzlichkeit fort, indem ihre Finger eine Schere formen (V. 87–92). Der Erzähler, der dem Dichter da Geschehen berichtet, gibt sich als der Ehemann zu erkennen. Als der Dichter

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fragt, welche Sühne er für den Tod der Gattin habe leisten müssen, antwortet der Ehemann mit einen zynischen Sarkasmus: Ein so kostbarer Tod könne durch kein angemessenes Mittel gesühnt werden. Lana caprina] Sprichwörtlich: Beispielsweise Horaz, epist. 1,18,15 alter rixatur de lana saepe caprina. 1 Istri] Die Donau. Auch Johann Peter Hebel lässt seine Version der Geschichte »Das letzte Wort« an der Donau spielen; vgl. Wiegand 2006, S. 225. 2 consortes … tori] Zur Junktur vgl. Ovid, met. 1,317: consorte tori. 2 HARPVS et HARPA] Wohl sprechende Namen, abgeleitet von griech. a(/rph – ›Sichel‹, in der lat. Literatur harpa z. B. bei Valerius Flaccus 4,390 u. ö. – Ihr Streit um das ›Schneiden‹ hat den Eheleuten also die Namen gegeben. 3 amans veri … litis amantior] Der Chiasmus unterstreicht das ›Über-KreuzLiegen‹ der Partner. 7 sidera Ledae] Vgl. Ovid, am. 2,11,29 u. ö. Gemeint sind Castor und Pollux. 9 maturis … campis] Vgl. Columella 10,90: maturi … campi. 17 via … tulit] Junktur wie Properz 3,22,25. 22 MESSVIT arva] Diese Junktur auch bei Jacob Balde, carm. 3,6,9. 25 MESSVIT … TOTONDIT] Entspricht dem ›Mähen‹ und ›Scheren‹ bei Martin Montanus. 26 Vir … Veri Vindice] Starke Alliteration, um das Recht des Mannes zu betonen. Zur Junktur vgl. Marcellinus et Faustinus, De confessione fidei 24,775: veri vindicem. 31 Pol!] Bekräftigender Ausruf, typisch für die Sprache der römischen Komödie, vor allem Plautus. 31 TONSVS … tonsa teruntur] Erneut starke Alliteration zur Bekräftigung der Position Harpas. 32–36] Die ›Argumentation‹ Harpas spiegelt bis in die Wortwiederholung hinein die von Harpus. 37 non-malus] Die gedankliche Litotes unterstreicht den moralischen Anspruch des Harpus und sein Recht; zu Bisselius’ Vorliebe für Komposition durch Bindestriche vgl. II,7,22: Non-lapis; II,9,1,34: Non-falsis; II,14,2,4: non-bona; II,15,13: non-extincta. 41 Herclè] Wie pol häufiger Ausruf in der römischen Komödie. 41 Nolénsque volénsque] Offenbar zuerst bei Tertullian, De pudicitia 22,60 belegt.

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42 scortea lena] Das Hendiadyoin, antik nicht belegt, verstärkt die Beleidigung der Frau. 43 mecastor] ›Beim Castor!‹ Wieder Komödiensprache, vor allem bei Plautus belegt. 44 Styx … atra] Junktur bei Vergil, georg. 1,243. Die Styx ist der Unterweltfluss. 44 semivir] Übles Schimpfwort, etwa ›Eunuch‹. 44 hirce] Das Gegenteil zu semivir, etwa ›geiler Bock‹. 44 caper] Schimpfwort ›kastrierter Bock‹. 46 verba pudenda] Junktur wie Tibull 1,2,74. 47f. TONSAne … TVNSAM] alliterierendes Wortspiel, in V. 51f. wiederholt. 54 virus] Als Schimpfwort antik nicht belegt. 55 PVLICEVM … Omasum] Das Adjektiv puliceus antik nicht belegt; da omasum »Dickwanst« bedeutet; vgl. Horaz, sat. 2,5,40 ist dies eine kuriose Zusammenstellung. Unsere Übersetzung versucht die Paradoxie wiederzugeben. 61 recompositis] Das Verbum recomponere ist nicht belegt. 63 jactátque minas] Ähnlich Ammianus Marcellinus 27,2,3 minas iactanter sonantes. 65 putealibus undis] Vgl. Ovid, catal. Ibis 389. 67 foenisecae] Nur drei antike Belege: Persius 6,40; Columella 3,18,4f. 92 Eumenidum] Die Eumeniden (ein Euphemismus: ›die Wohlgesonnenen‹) sind griechische Rachegöttinnen. 98 MORS … PRETIOSA] Die Junktur, aber mit ganz anderer Stoßrichtung, bei Cyprian, epist. 10,2,3 Pretiosa mors haec est quae emit inmortalitatem.

Zu Elegie III,8 (LC/HW) In Elegie III,8 gibt Bisselius die poetische Fassung einer Geschichte, die er selbst in V. 9 als allgemein bekannt bezeichnet (V. 9): die Heilung der blutflüssigen Frau in Caesarea Philippi nach Mt 9,20–22 und weiteren Bibelstellen (s. u. den Kommentar). Dazu kommt die Errichtung einer Statuengruppe mit dem Christus medicus im Zentrum durch eben diese Frau, wovon Eusebius von Caesarea in seiner Kirchengeschichte (7,18) erzählt, und schließlich der Versuch des vom Christentum abtrünnigen Kaisers Julianus Apostata, das heilbringende Kraut zu vernichten, das bei dieser Statue wuchs. Während Bisselius aber die neutestamentlichen Bibelstellen und die Kirchengeschichte des Eusebius von Caesarea als Quellen benennt, verschweigt er völlig seine Quellen zu Julianus Apostata (V. 45–60).

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Über eine Auseinandersetzung Julians mit der wundertätigen Statue wird schon in der polemischen Literatur des 4. Jahrhunderts berichtet. In den Parastaseis Syntomoi Chronikai (Enarrationes Breves), einer anonymen byzantinischen Quelle dieser Zeit, heißt die Frau Veronika (Vgl. die Edition von Theodorus Preger: Scriptores Originum Constantinopolitanarum. Fasciculus prior. Leipzig 1901, S.19–73, hier S. 53, Kap. 48). – Eine weitere Hauptstelle ist die Kirchengeschichte des Byzantiners Salamanes Hermeias Sozomenos (etwa 380– 445). Sozomenos stammte aus einer christlichen Familie in Gaza. Er studierte Rhetorik und Recht wahrscheinlich in Beirut. Nach 425 war er in Konstantinopel ansässig, wo er als Anwalt praktizierte. Dort verfasste er eine Kirchengeschichte (e)kklesiastikh/ i(storia ) in neun Büchern für die Zeit von 324 bis etwa 420. Im fünften Buch dieser Kirchengeschichte berichtet Sozomenos, der den abtrünnigen Kaiser Julianus Apostata ganz entschieden verurteilt, von Julians Vorgehen gegen die Statue (5,21,1–3). Julian habe die Christusstatue zerstören und durch eine eigene ersetzen lassen. Diese wiederum sei freilich durch ein Feuer vom Himmel zerstört worden. Den Christen sei es gelungen, die von den Heiden schwer beschädigte Christus-Statue aus den verstreuten Bruchstücken wieder herzustellen. Über das Heilkraut berichtet freilich Sozomenos nur als Referat aus Eusebius. Der Kirchenhistoriker wundert sich nicht darüber, dass Gott den Menschen solche Wohltaten zuteil werden lässt. Näher bei dem Bericht des Bisselius steht eine aus der lateinischen Zusammenfassung Cassiodors in der Historia tripartita hervorgegangene Erzählung des lateinischen Mittelalters, in der die Frau mit der biblischen Hl. Martha in eins gesetzt wird; vgl. Klapper 1914, S. 268f., Nr 46. mit der Anführung weiterer mittellateinischer Quellen: Martha errichtet Jesus aus Dankbarkeit für ihre Heilung eine Christusstatue und alle Pflanzen, die sie an den Saum des Gewandes der Statue hielt, wurden zu Heilkräutern. Julian wollte nun nachweisen, dass die Heilkraft des Krautes nicht von der Statue herrühre, sondern aus dem Boden komme. Er ließ die Christus-Statue durch eine eigene ersetzen, freilich nicht ohne zuvor seine eigenen Kräuter an die der Christusfigur gehalten zu haben. Als er mit den so geweihten Kräutern die eigene Statue berührte, fuhr ein Blitz vom Himmel und zerstörte die Julianfigur. Bisselius dürfte seine Version der Geschichte aus der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine haben, aus der wohl auch die Angabe stammt, dass der Vater der Hl. Martha aus Syrien gestammt habe (vgl. zu V. 9). Die Legenda Aurea berichtet u. a. (Jacobus 1984, S. 396): Es erzählt Eusebius im fünften Buch [sic!] der Historia Ecclesiastica, dass das blutflüssige Weib, nachdem es geheilt war, in ihrem Hof oder Garten eine Statue machte nach Christi Bild mit dem Rock und dem Rocksaum, wie sie ihn hatte gesehen, und verehrte das Bild gar sehr. Das Gras aber, das unter dem Standbild wuchs und zuvor keine Kraft hatte gehabt, ward so heilsam, wenn es den Saum der Statue hatte berührt, dass viele Kranke davon gesund wurden. Ambrosius aber spricht, dass jene Blutflüssige, die der Herr geheilt hatte, Sanct Martha sei gewesen. Es erzählt Hieronymus, als wir auch in der Historia Tripartita lesen, dass Julianus der Abtrünnige das Bild, das die Blutflüssige hatte gemacht, liess wegnehmen und das seine an die Stelle setzen; das ward aber vom Blitz zerstört.

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Freilich ist angesichts dieser Legendenfassungen auffällig, dass Bisselius den Namen der Frau nicht nennt. Das könnte auf eine gewisse Zurückhaltung etwa gegenüber der Identifikation der Frau mit der biblischen Martha hindeuten und wäre ein Hinweis darauf, dass ihm etwa die Sozomenos-Version, möglicherweise aus der lateinischen Fassung Cassiodors in der Historia ecclesiastica tripartita durchaus bekannt war, wo kein Name genannt wird. In der jesuitischen Dramatik, in der Julianus Apostata wiederholt Gegenstand war, scheint die Geschichte der blutflüssigen Frau keine Rolle zu spielen; vgl. dazu Philipp 1929, S. 36–43. Sie kennt keine nichtdramatischen Bearbeitungen des Stoffes von Jesuiten, also auch nicht Bisselius. Zur Stofftradition vgl. auch die umfangreiche Aufsatzsammlung von Braun/Richer 1978. Eigene Leistung des Bisselius sind wohl die Episoden von Schwalbe (V. 35– 38) und Sperling (V. 39–42). Beide dienen ebenso wie die entschiedene Betonung der Herba (in V. 48–52) dazu, die historia der blutflüssigen Frau in den Zyklus der Frühlingsgedichte einzubetten. Dass Bisselius über die weitverzweigte Stofftradition hinausgeht, zeigt er selbst mit der Einführung der Aonides, der Musen, in V 35. Als Gliederung des Gedichtes ergibt sich: 1–2 3–12 13–16 17–30 31–34 35–44 45–52 53–58 59–60

Gnomischer Beginn. Beschreibung der Lokalität und Hinweis auf die Heilung der blutflüssigen Frau, die zur Erinnerung eine Skulptur stiftete. Beschreibung der Skulptur. Das Wunderkraut und seine Wirkung Durch die Zeiten kommen die Menschen von weither. Selbst Tiere sollen die heilsame Wirkung erfahren haben. Kaiser Julian Apostata macht dem Wunderkraut ein Ende. Betonung der wunderbaren Beständigkeit des Krauts, das dann auf Befehl des Kaisers verbrannt wurde. Damit erweist er sich als Vieh.

Haemorrhoissa mulier] Die Heilung der Blutflüssigen: Mt 9,20–22; Mk 5,25–34; Lk 8,43–48. Caesaréae Philippi] Philipp ist ein Sohn Herodes des Großen aus der Ehe mit Kleopatra; durch testamentarische Verfügung wird er Tetrarch der Gaulinitis, Trachonitis, Batania und Panias; die am Südabhang des Hermon gelegene Stadt, die er zur Hauptstadt seiner Tetrarchie macht, wird zum ersten Mal bei Polybios (16,18,2; 28,1,3) erwähnt unter dem Namen Panion; nach Plinius (nat. 5,16,74) hieß die umgebende Landschaft unter Zenodoros Panias; Philipp nannte seine Hauptstadt zu Ehren des Kaisers Caesarea (Kaisa/reia); Mk. 8,27 heißt sie zur Unterscheidung von anderen Städten dieses Namens Caesarea Philippi (Kaisa/reia tou= Fili/ppou) Eusebij Pamphili] Eusebius von Caesarea, geb. wahrscheinlich 260–265 dort, gest. um 339–340 als Bischof von Caesarea. In seiner Jugend war er von dem gelehrten Pamphilos, der sich um die literarische Hinterlassenschaft des

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Origenes bemühte, geschult und zur Mitarbeit herangezogen worden; daher nannte er sich voll Dankbarkeit Eusebius Pamphili (o( tou= Pamfi/lou). Verfasser u. a. einer Kirchengeschichte (Ekklesiastikh/ i(stori/a) in zehn Büchern. Die in Frage kommende Stelle über die blutflüssige Frau findet sich in 7,18. Der griechische Text wurde verglichen mit: Eusebius 1955, 7,18; Interpunktion und Verwendung von Großbuchstaben der Ausgabe 1640 beibehalten. Für die deutsche Übersetzung wurde verglichen: Eusebius 1967. Die Abweichungen des schwartzschen Textes sind im Folgenden notiert: Epeida\n] Epeidh\ eu(re/sqai] eu(/resqai tugxa/nei] tugxa/nein ei)j h(ma=j] kai\ ei)j h(ma=j

In der lateinischen Version des Rufinus (345–410) lautet die Stelle folgendermaßen (7,18,1–4): 1. Verum quia urbis huius fecimus mentionem, iustum videtur commemorare etiam illud in ea, quod historia dignum duximus. mulierem, quam sanguinis profluvio laborantem a Salvatore curatam Euangelia tradiderunt, huius urbis civem constat fuisse domusque eius in ea etiam nunc ostenditur. 2. pro foribus vero domus ipsius basis quaedam in loco editiore conlocata monstratur, in qua mulieris ipsius velut genibus provolutae palmasque suppliciter tendentis imago aere videtur expressa. adstat vero alia aere nihilominus fusa statua habitu viri stola compte circumdati et dexteram mulieri porrigentis. huius ad pedem statuae e basi herba quaedam nova specie nascitur, quae cum exorta fuerit, excrescere usque ad stolae illius aerei indumenti fimbriam solet; quam cum summo vertice crescens herba contigerit, vires inde ad depellendos omnes morbos languoresque conquirit, ita ut, quaecumque illa fuerit infirmitas corporis, haustu exiguo madefacti salutaris graminis depellatur, nihil omnino virium gerens, si antequam aereae fimbriae summitatem crescendo contigerit, decerpatur. 3. hanc statuam ad similitudinem vultus Iesu formatam tradebant, quae permansit ad nostra usque tempora, sicut ipsi oculis nostris inspeximus. 4. et nihil mirum, si hi qui ex gentibus crediderant, pro beneficiis, quae a Salvatore fuerant consecuti, huiusmodi velut munus videbantur offerre, cum videamus etiam nunc et apostolorum Petri vel Pauli et ipsius Salvatoris imagines designari tabulasque depingi.

1 FLOS … Herba] Die gnomische Formulierung scheint ohne Vorbild zu sein; der zweite Teil erinnert an Hygin, fab. 136,6: altera serpens … herbam attulit, atque eius tactu serpenti spiritum restituit. 3 Paneadem] S. oben zu Caesaréae Philippi. 7 manu formata] Vgl. Claudian, rapt. Pros. 1,238: Cyclopum formata manu. 7 Myronis] Myron von Eleutherai, Bildhauer, vor allem Erzgießer, etwa zwischen 460 und 430 tätig; sicherlich stammen von ihm der Diskobol und die AthenaMarsyas-Gruppe. 8 CHRISTI fimbriam] Vgl. Mt 9,20; Lk 8,44: tetigit fimbriam vestimenti eius.

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9f. Syrissam … Nurum] An den angegebenen Stellen werden von der Blutflüssigen weder die Volkszugehörigkeit noch Verwandtschaftsbeziehungen erwähnt. Mt 15,21–28; Mk 7,24–30 wird von der Heilung der Tochter einer mulier Chananaea (Mt) bzw. Syrophoenissa (Mk) berichtet. Als Tochter eines Syrus, der obendrein noch über Syrien gebietet, erscheint die Frau (Martha) in der Legenda Aurea (s. o.). 12 SOTERI] Das griechische Wort aus dem Eusebiustext übernommen. 13 veste fluente] Vgl. Properz 3,17,31: et feries nudos veste fluente pedes. 14 Rex medicus] Zu Christus medicus, dem Heiland als Arzt; vgl. jetzt Michael Dörnemann: Krankheit und Heilung in der Theologie der frühen Kirchenväter Tübingen 2003 (Studien und Texte zu Antike und Christentum 20). 16 cupidam … manum] Bei Ovid an derselben Stelle des Pentameters ars 1,116: virginibus cupidas iniciuntque manus; bzw. ars 1,452: et revocat cupidas alea saepe manus. 17 Caetera quid referam?] Vgl. Silius Italicus 16,256. 18 sub puro … Iove] Antik wurde die Formulierung sub Iove in der Regel ausreichend gefunden; vgl. Ovid ars 1,726; 2,623 und öfter bis Claudian; im Textzusammenhang einsichtig, erweitert Ovid, fast. 2,138: quodcumque est alto sub Iove, Caesar habet; mit metereologischer Erweiterung: Horaz, carm. 1,1,25: sub Iove frigido. Vgl. auch DV III,11,17. 19 longa dies] Häufig vorkommende Junktur, z. B. Vergil, Aen. 5,783; am Hexameteranfang wie hier z. B. Tibull 1,4,17; Ovid, Pont. 2,4,25. 19 ervo] Die Erve ist eine mit der Wicke verwandte Hülsenfrucht, von Plinius, nat. 18,59 im Zusammenhang mit Kichererbse und Bohne erwähnt, von Celsus, De medicina mehrfach genannt, u. a. als purgierendes Mittel. 21 ecce tibi] Häufige Verbindung, z. B. Vergil, Aen. 3,477: ecce tibi Ausoniae tellus; statt des Nomens hier das Phänomen in einem Satz beschrieben; tibi wohl schon auf Galenus zu beziehen. 22 Galene] Galenus, geb. nach 129 n.Chr. in Pergamon, gest. 199 in Rom, wo er den größten Teil seines Lebens verbracht hat, die medizinische Autorität für Spätantike und Mittelalter. Selbst ihm wäre das Wunderkraut unbekannt; vgl. die Nennung in DV II,17,2,5. 23f. ulteriùs … queant] Dass – als Zeichen des Ruhms – der Name bis zu den Sternen gelangt oder erhoben wird, ist eine geläufige Vorstellung z. B. Lukan 7,11; Silius Italicus 10,308; Claudian, carm. 24,3,96; dass aber die Sterne das Geheimnis eines Namens enthüllen (können), unterstreicht das Mirakulöse. Ins Überirdisch-Wunderbare wird dann auch die Herkunft des germen verwiesen.

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26 Sub domino … syrmate] Das syrma ist ein Schleppkleid, Talar, ein feierliches, z. B. von den Schauspielern der Tragödie getragenes Gewand. 27 vires … occultas] Bei Vergil, georg. 1,86 bekommt unfruchtbare Erde durch Abbrennen der levis stipula occultas vires; hier aber nicht ein unverständlicher natürlicher Vorgang gemeint, sondern die wunderbaren Kräfte. 27f. fimbria ficta … fimbria vera] Die Antithese unterstreicht die paradoxe wunderbare Identität der Wirkung. 29–60] In der zweiten Hälfte des Gedichts gerät die Statue ganz aus dem Blick, nur mehr von dem wundertätigen Kraut ist die Rede. 29 memorabile dictu] Prätentiöse Junktur, vielleicht steht dahinter mirabile dictu Vergil, Aen.1,439; 2,174; memorabile mit Supinum in der antiken Literatur nur [Tertullian], Carmen adversus Marcionem (5. Jahrhundert) 1,49 In vino vertuntur aquae, memorabile visu, ebenfalls eine unmittelbar einleuchtendere Formulierung. 29 salutiferum … Numen] Der ursprünglichen Bedeutung von Numen (die Gottheit, soweit sie in ihrer Kraft und Wirksamkeit erkenntlich wird) sehr nahe Verwendung des Worts, wobei hier durch das Attribut die christliche Deutung praevalent ist. 30 tabida membra] Zweimal in dem zu V. 29 herangezogenen [Tertullian], Carmen adversus Marcionem: 1,52 u. 3,185. 31 Huc … cursatur] Klassisch nie ohne die Kombination mit illuc: Cicero, nat. deor. 2,115: ex corporibus huc et illuc casu et temere cursantibus; ähnlich Seneca, apocol. 9,6; Tacitus, hist. 5,20,1; ann. 15,50,4. 31 totis agris] Die Junktur mit anderer Bedeutung Vergil, ecl. 1,11f.: undique totis / usque adeo turbatur agris. 31–33 Phoenicia … opem] Hochstilisierter Satz mit Anadiplosis des Verbs (quaerit), Variatio in der Form des Subjekts (Phoenicia gegen ab Assyrijs finibus aeger) und gemeinsamem Objekt (opem), das dann als Epiphora den nächsten Teilsatz abschließt. 33 reportat opem] Dass der Genesene von der Heilung nicht nur berichtet, sondern die Heilkraft weiterträgt, wird durch den nächsten Satz erklärt. 35 Aonidum] Aonier = Böotier = Musen; vgl. V.45. Hier weist Bisselius darauf hin, dass er sich von seiner Quelle entfernt. 36 oculum caeco … dari] Für Sehkraft im übertragenen Sinn Petrus Chrysologus (ca. 380–450) Sermo 178: dat caeco oculos, quos non dedit natura nascenti. 37 Chelidoniae … emplastra medelae] Chelidonia herba bzw. einfach Chelidonia ist Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), als Antidot verwendet, bzw. Schellkraut (Chelidonium maius), bei Erkrankungen von Leber und Galle und als krampflösendes Mittel eingesetzt.

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39 Herculeo … aestu] Gemeint ist entweder die Wirkung des Nessus-Hemdes; vgl. Seneca Herc. Oet. 1218–1223: Heu qualis intus scorpios, quis fervida / plaga revulsus cancer infixus meas / urit medullas? Sanguinis quondam capax / tumidi igne cor pulmonis arentes fibras / distendit, ardet felle siccato iecur / totumque lentus sanguinem avexit vapor, oder das Feuer des Scheiterhaufens, das Herakles von dieser Qual erlösen soll; vgl. ebd. 1740–1743: inter vapores positus et flammae minas / immotus, inconcusus, in neutrum latus / correpta torquens membra adhortatur, monet, gerit alquid ardens. 40 formicarum … cohors] Vgl. Hieronymus, Vita Malchi 7: aspicio formicarum gregem angusto calle fervere. Mit grex bleibt er allerdings im tierischen Bereich. 41f. Crura … salax] Während die Wirkung bei den Ameisen sich noch im ›natürlichen‹ Bereich hält, geht sie bei dem Sperling, vorbereitet durch salus, darüber hinaus: Er ändert sein Leben. 44 Aeternaturâ] Während bei Horaz carm. 4,14,5 aeternare transitiv ist, gebraucht Bisselius das Verb intransitiv. 45 At … subvertit] In Anlehnung an Vergil formuliert; vgl. Aen. 9,77f.: Quis deus, o Musae, tam saeva incendia Teucris / avertit? 45 APOSTATA Caesar] Flavius Claudius Iulianus, geb. 331 in Konstantinopel, gefallen 363 in Mesopotamien, 361–363 römischer Kaiser, der den Tempelbesitz der heidnischen Kulte wiederherstellte, wieder heidnische Feldzeichen einführte und schließlich eine heidnische ›Staatskirche‹ gründete und daher als Apostat auf den Widerstand der Christen stieß. Maßgebliche umfangreiche Biografie jetzt von Rosen 2006. Dort findet sich S. 394–462 u. 506–517 (Anmerkungen) auch ein umfangreiches Kapitel »Der Umstrittene« über die Rezeption des Kaisers in Geschichtsschreibung und Literatur von der Spätantike bis zur Schwelle des 21. Jahrhunderts mit üppigen Noten und Literaturangaben, die für den vorliegenden Kommentar sehr hilfreich waren und dankbar genutzt wurden. 46 Ex OVE … LVPVS] Bisselius nimmt also nicht Verstellung, sondern eine Verwandlung an; die umgekehrte sieht Augustinus bei Paulus, Sermo 316: cum lapidaretur Stephanus agnus, adhuc ille erat lupus, adhuc sanguinem sitiebat. Für Hieronymus ist Julian ein »tollwütiger Hund«; vgl. zu diesen und anderen Schimpfwörtern für den toten Apostaten Rosen 2006, S. 396f. 48 Colchum … Gramen] Colchis am Schwarzen Meer ist die Heimat der Medea und gilt als Heimat von Zauberei und Magie und entsprechender Pflanzen; Plinius, nat. 28,128 wird Colchicum als Bezeichnung für ein Gift verwendet; heute versteht man unter Colchicum autumnale die Herbstzeitlose. 55–58 Sed … Noti] Die hier beschriebene Wirkung des Krauts zeigt seine Wunderkraft von einer anderen Seite.

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55f. frigida … Bruma] Vgl. Vergil, Aeneis 2,472: frigida sub terra tumidum quem Bruma tegebat. 57 Canis aetherius] Sirius, der hellste Fixstern im Kleinen Hund; in Griechenland und Rom wurde er, weil er fiebererregende Hitze zu verursachen schien, als feindlich angesehen. 58 Hyades] Die Hyaden sind ein Sternbild, dessen Erscheinen Regen ankündigte bzw. zu verursachen schien. 59f. Afflixit Apostata … BESTIA] Wer, wie die Reformierten, die Bilderverehrung und Wunder ablehnt, gilt, wie Julianus Apostata, als religionsloses, wildes Tier. Schon die byzantinischen Ikonoklasten wurden mit dem ›Bilderstürmer‹ Julian in Verbindung gebracht; dazu Rosen 2006, S. 400f.

Zu Elegie III,9 (WK) Scheinbar schildert diese Elegie zunächst nur einen heiteren Mai-Spaziergang (V. 4. exspatiabar), den das sprechende Ich in einer Gruppe fröhlicher gleichaltriger, scherzhaft charakterisierter Freunde (V. 9f.) mit Musik gemäß dem vorangestellten Hiob-Zitat (V. 11f.) aufs Land unternimmt, um sich dort an den Rollenspielen der Pastoralpoesie Vergils zu erfreuen (V. 15f.). Soweit der erste Teil. Der zweite Teil schildert virtuos und mit autobiografischem Bezug das Aufziehen und Wüten eines Unwetters samt verheerendem Hagelschlag mit Schäden an Vieh und Pflanzen (V. 17–31). Nüchtern wird dann im dritten Teil berichtet, dass eine alte Frau wegen Schadenszaubers als Hexe angeklagt wird und dass sich Zeugen finden, welche diese Frau als Agentin der schwarzmagischen Praktiken (Maga, V. 39) belasten. Eine suggestive Frage (V. 43f.) lässt kaum einen Zweifel daran, dass hier Hexentreiben und Hexenflug (Flug in die Lüfte auf einer Gabel, V. 46) vorliegen. Die Frau gesteht ihr »Verbrechen« (scelus, V. 45) und wird, wie Bisselius am Ende nur andeutet, verbrannt. So wirkt dieses Gedicht als Übergang zu III,10 (s. dazu den auch für dieses Gedicht gültigen Kommentar), einer burleskeren Variante des Hexenthemas (dort wie hier auch der Hexenflug), an dessen Ende ebenfalls der Scheiterhaufen leuchtet. Grausig, aber Indiz einer historischen Mentalität, die hier, wenngleich ohne explizite Stellungnahme des Autors, auch in der Poesie fassbar wird. 2 deciduis] Das Adjektiv häufig bei Plinius, hier wohl nach nat. 19,169: flore rufo et protinus deciduo. 4 Tempe] Das Tal, das der Peneius in seinem Durchbruch zwischen Olymp und Ossa bildet; seit der hellenistischen Dichtung vielberufenes Inbild einer schönen Landschaft.

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5 prata] Themenstichwort aus der Überschrift zu Buch III, das die Elegien 6 bis 8 zusammenstellt. 6 resupina quies] Ungewöhnliche Junktur; das Adjektiv (eigentlich für den rückwärts Hingelehnten, gemütlich Lagernden oder Liegenden); sonst zu dem Abstractum quies meist Beiworte wie piger, secura, tranquilla. 7 aequaeva] Vgl. Vergil, 2,561: ut regem aequaevum … vidi; Macrobius, sat. 7,11,2: Age Servi, non solum adulescentium, qui tibi aequaevi sunt, sed senum. 9 Nisus et Euryalus] Erinnerung an das berühmte Freundespaar in Vergils Aeneis (Buch IX), um die innige Beziehung der Freundesgruppe anzudeuten. 9 Lupus … Anser] Lateinische Namensreihe, vielleicht in Anspielungen auf den bürgerlichen Namen der Gefährten (Lupus =Wolf?). 11 citharae] Da die Musikinstrumente offenbar bei dem Spaziergang mitgeführt wurden, kommt im 16. und 17. Jahrhundert die Laute als bevorzugtes Begleitinstrument des Gesanges in Frage. 11f. tympana] Wörtlicher Bezug auf das der Elegie vorangestellte Hiob-Zitat; wohl kaum eine Art von Trommel, sondern so etwas wie ein Tamburin; vgl. Claudian, rapt. Proserp. 3,130: tympana si quatiam, planctus mihi tympana reddunt. 13 pascua] Themenstichwort aus der Überschrift zu Buch II, unter dem die Elegien 11–13 stehen. 14 LUDICRA Musa] Vielleicht nach Ausonius, 322,1: Sunt etiam Musis sua ludicra. 15 Mopsus … Menalcas] Literarische Hirtenfiguren, die bei Vergil (ecl. 5) in einen musikalischen Wettstreit eintreten. 16 Io Meliboee, DEVS] Erinnerung an die Hirtenfigur von Vergil (ecl. 1) mit einem leicht variierten Zitat der ersten Hälfte von V. 6. Die Gefährten scheinen mit musikalischer Begleitung Vergils Eklogen zitieren zu wollen. 19 murmura Cauri] Vgl. Vergil, georg. 3,356: semper hiems, semper spirantes frigora Cauri. 26 GRANDINE] Hagel und Hagelschäden, Unwetter aller Art, gehörten zu den in Bisselius’ frühen Jahren immer wieder vorgebrachten Beschuldigungen des ›Schadenszaubers‹ gegen Hexen und ›Magier‹; darüber existieren zahlreiche Verhörprotokolle, z. B. Urgicht Apolloniä Theobald Pflügers Inwohners zu Apfelbach [im Kreis Mergentheim] abtrünnigen Eheweibs; nach dem Abdruck bei P. Beck: Hexenprozesse aus dem Fränkischen. Fortsetzung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte VII (1884), S. 76–80, hier S. 79f. (Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll):

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Mehr zu Apfelbach, ehe sie in Verhaft gekommen vor 4 Wochen, sei sie in das Thal im Busch und auf den Hagen unterschiedlich zu zweimalen auf Tänze gefahren, dabei die Engel Martin Ehemans, Anna Melchior Werners Weiber, so allbereits hingerichtet, und andere ihre Gesellschaft, so kundlich, gewesen, Wetter habe sie auch helfen machen, das erste im Flecken Belsenberg sie und ihre Gespielen zusammengeholfen; im Hermuthäuserthal sei ein ziemlicher Regen hernach gekommen und ›etzlicher maßen geflöst.‹ Item sie und ihre Gespielen haben abermals im Flecken Belsenberg einen Sturmwind gemacht, ferners auch sie und ihre Gesellschaft zu Lustbrunn ein Wetter, bei dem Althäuser Holz, so an der Herrn zu Mergentheim Felder stoßt, seien Kiesel, Regen und ein Wind hernach gekommen, und habe es geflöst. Vor ungefähr zwei oder drei Jahren haben sie und ihre Gespielen zu Neunkirchen in dem Neunkircher Hölzlein ein Wetter gemacht, seien nur große Winde darauf erfolgt. Item zu Apfelbach am Tag Petri und Pauli habe sie das letzte Wetter oben bei der Eiche helfen machen: dabei seien gewesen die AnnaWörnerin, Engel Demennin, das Anna Fräulein und ihre 4 Buhlteufel. Item zu Belsenberg vor 12 Jahren, als sie noch ledig gewesen, haben sie und ihre Gespielen einen Reifen über den Oesterwald, im Willen die Eicheln zu verderben, gemacht, wie dann dieselben zum Theil und nicht gar verdorben. Der andere Reifen, so sie gemacht, sei kein rechter Reifen, sondern ein dicker Nebel geworden, damit sie die Baumblüthe verdorben haben. Item vor ungefähr 2 Jahren haben sie und ihre Gespielen zu Lustbrunn einen Reifen über die Weingärten gemacht, damit die Weinblüthe verdorben, sei auch desselben Jahrs wenig Wein daselbsten geworden. Weiters bekannt, sie und mehrgedachte ihre Gespielen zu Belsenberg, haben dem Paulsen, das ein Pferd auf der Herbstwaide in einen Erlenbusch hineingedrückt, welches frisch und gesund gewesen und alsbald abgestanden; die Roßhirten wären nicht weit davon gewesen und hätten miteinander gespielt; damit man sie nicht sollte sehen, hätten sie zusammengeholfen und einen Nebel gemacht.

28 Pyrrha] Bezug auf die Geschichte bei Ovid, met. 1,350–415: Pyrrha, mit ihrem Gatten Deucalion aus der großen Flut gerettet, erschaffen die neuen Menschen aus Steinen. 34 Brullia] Fiktiver Name wie Pulta und Panobibactus in III,10; ähnlich auch II,18 und III,5. 37 lac quaesisse] Der Milchraub auch in dem großen Fluchgedicht auf die Machenschaften der Hexen des pfälzischen Dichterhumanisten Paul Schede Melissus (In veneficarum sagarumque incantamenta, & Christinae fidei ejerationes, erschienen 1595); dazu den Beitrag mit Text und Übersetzung von Kühlmann (2000/2006), im Abdruck von 2006 bes. S. 340f. 39 Maga] Eindeutige Qualifizierung als Hexe. 41 Megaeris] Megaera war eine der drei antiken Furien, die auch mit den Hexen identifiziert werden konnte. 43 volaverit ista] Zum Hexenflug s. u. zu III,10. 44 traha] Traha, auch trahea: Fachwort aus der Landwirtschaft; eigentlich Spitzen einer Egge, hier aber in der Junktur Fumosae … trahae einerseits bezogen auf V. 42 (fumum … in astra rapi) und mit distulerit in Parallele zum

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Schlussvers, wo von der Furca die Rede ist: in nubes … tulit. Vgl. Vergil, georg. 1,164: tribulaque traheaeque et iniquo pondere rastri. 46 Medeam] Vgl. Ovid, met., bes. 7,179ff. Paradigmatische antike Figur für das verderbliche Zauber- und Hexenwesen; so auch Ovid,. epist. 6,151. 46 VSTA] Auch am Ende von III,10 wird der Flammentod nur ganz knapp angedeutet.

Zu Elegie III,10 (WK) Es sind verhältnismäßig wenige lateinische oder deutschsprachige Gedichte des deutschen Kulturraums, in denen das Phänomen der ›Hexerei‹ oder der Hexenverfolgung thematisch oder darstellerisch in den Mittelpunkt rückt, wenngleich besonders mit der durch Horaz berühmten ›Hexe‹ Canidia (dazu unten im Kommentar!) oder durch Ovid (am. 1,8) Hexerei und variante magische Praktiken durchaus literarische Zelebrität besaßen, deshalb schon im Frühhumanismus, bei Konrad Celtis (1459–1508), deutliche Spuren hinterließen; s. dazu Wiegand 2000. Ausnahmecharakter besitzen zwei lateinische Gedichte (davon eines abgedruckt in HL, S. 850–852) des zuletzt in der Pfalz lebenden Späthumanisten Paul Schede Melissus (1539–1602), in denen er in autobiografischer Optik und sichtlich im lebensgeschichtlichen Erfahrungs- und vermeintlichen Bedrohungszusammenhang die magischen Praktiken von Hexen verflucht (dazu ausführlich im weiteren Überblick Kühlmann [2000/2006]). Bisselius versifiziert hier in einem fast balladesk anmutenden epischen Gestus (man denkt an Goethes Der Zauberlehrling) offenbar einen Fall seiner näheren Umgebung, sichtlich als Warnung vor der gefährlichen Neugierde (curiositas) junger Leute zu verstehen, die im Protagonisten des Geschehens, einem Bäckergesellen und entlaufenen Jesuitenschüler, das abschreckende Exempel eines curiosus iuvenis (so im Vorspann) entdecken sollen. Mit äußerst farbigem Alltagsdetail wird geschildert, wie der Bäckergehilfe, nach einer abendlichen Bierrunde betrunken auf seinem ärmlichen Lager liegend, erleben muss, wie seine Herrin, die Bäckerswitwe, ihren Körper mit Hexensalbe bestreicht, einige magische Formeln murmelt und zum Hexentanz ausfährt. Als er neugierig und verwegen dieses Abenteuer ›nachahmen‹ will, fallen ihm die magischen Formeln nicht ein. Auf der Suche nach exotischen Wortkombinationen ersetzt er sie durch entlegene Merkverse einer geläufigen jesuitischen Schulgrammatik. Die Formeln wirken nicht, wohl aber seine frevelhafte Gesinnung, dazu sein Bemühen, die Hexensalbe auf Körper und Kleidung aufzutragen. Bisselius bietet hier ein schillerndes, sich artistisch verselbstständigendes Kabinettstück erzählerischer Virtuosität, indem er das Auf- und Abstreichen und Verteilen der Salbe mit den entsprechenden Folgen der levatio verschiedener Körperteile mit grotesker Genauigkeit ausmalt. Als dem Helden die Folgen seines nunmehr quälenden Handelns bewusst werden, stürzt er sich in einen mit Mehl gefüllten Trog, um die

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Salbe dort abzustreifen, was aber nur zur Folge hat, dass sich der ganze Trog mit ihm zur Ausfahrt durch den Schornstein in die Luft erhebt. Nur der Anruf Christi rettet den jungen Mann, der samt Trog und Mehlstaub in einen Sumpf fällt, mehr als eine Tageswanderung entfernt. Wieder zu Hause angekommen, bezichtigt er seine Herrin der Hexerei. Sie wird samt Helferinnen angeklagt, ›überführt‹ und verbrannt. Letzteres wird von Bisselius nur in grausigem Lakonismus berichtet, Zweifel am Urteil ist allenfalls angedeutet (V. 114: In dubio mala causa fuit), Anschuldigungen, Prozess, Folter und Hinrichtung sind darstellerisch ausgespart. In seiner Erfindung und Darstellung konnte sich Bisselius inspirieren lassen von einer Erzählfolge in dem berühmten spätantiken Roman von Apuleius (Metamorphosen; dt. Der Goldene Esel 3,15ff., hier 21; freundlicher Hinweis darauf von Frau Oberstudienrätin i.R. Hanna Leybrand). Auch hier wird das Treiben der Zauberin von Bediensteten beobachtet: zunächst bei Praktiken des Liebeszaubers, dann beim Ausflug als Vogel (Uhu) nach der Verwendung von Zaubersalbe (zit. n. der zweisprachigen Ausgabe von Rudolf Helm. Darmstadt 61970, S. 117): […] und heißt mich durch eine Türritze beobachten, was dort in folgender Weise vor sich ging. Zunächst entkleidet sich Pamphile aller Gewänder, schließt eine kleine Truhe auf und entnimmt daraus mehrere Büchsen; von einer von ihnen entfernt sie den Deckel und holt daraus eine Salbe, die sie lange in ihren Händen reibt; dann bestreicht sie sich ganz und gar von den Zehenspitzen bis oben zu den Haaren, spricht im geheimen viel mit der Lampe und schüttelt in zitternder Bewegung ihre Glieder. Und während sie in sanfter Schwingung sich wiegen, sproßt zarter Flaum hervor […]. Pamphile wird zum Uhu. […] dann hebt sie sich in die Höhe und fliegt mit mächtigem Flügelschlag hinaus.

Die lyrische Anekdote verwendet Kenntnisse der zeitgenössischen Dämonologie in einem Darstellungsverhalten, das, heute schwer verständlich, in der – auch lexikalisch – sorgfältigen Ausgestaltung der Details streckenweise eine humoristische Färbung, ja geradezu schwankhafte Dimension annimmt und so das Kapitalverbrechen des crimen magiae fast vergessen lässt. Funktional versteht sich die Elegie, die aus dem thematischen Zusammenhang eines Zyklus mit Frühlingsgedichten ganz herausfällt, als Warnung an junge Leute, mit denen es der akademische Lehrer Bisselius zu tun hatte. Das Hexentreiben per se interessiert den Dichter weniger. Den Hexenglauben teilte er wohl mit den meisten, auch den intellektuell prominenten Zeitgenossen. Friedrich Spees machtvolle Schrift gegen die Hexenverfolgung, seine Cautio Criminalis (anonyme Erstausgabe Rinteln 1631; vgl. dazu die Aufsätze bes. von Franz 1991), wird Bisselius noch kaum zur Kenntnis genommen haben. Ob der lapidare Schlussvers, nachdem endlich die Flamme das Urteil spricht, verhaltene Skepsis andeutet, ist zu bezweifeln, zumal der Sprecher in einer auktorialen Interjektion (V. 99–104) dem Bäckergesellen und seinem magischen Gefährt nichts Gutes wünscht. Insofern bleibt Bisselius nicht nur hinter Spee, sondern auch hinter einem Jesuiten wie Adam Tanner (1575–1632), Professor in Innsbruck, zurück, der sich im dritten Band seiner Universalis Theologia scholastica, speculativa, practica (1626–1627) gegen Denunziationen und gegen die Fragwürdigkeiten der Hexenprozesse wandte; dazu und zum zeitgenössischen Schrifttum insgesamt höchst instruktiv Trunz 1987, S. 211–244.

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Crebro … inungentis] Die Salbung der Hexen samt dem Gebrauch magischer Formeln (s. u.) vor der ›Ausfahrt‹ gehört zum hexenmagischen Diskurs (zu möglichen Anregungen bei Apuleius s. o. in der Einleitung). Bisselius beschränkt sich auf diese Handlungen der Hexe und die ›Ausfahrt‹ selbst, deutet den Hexensabbat nur vage an (im Folgenden: choreae magicae), bemüht, was die Hilfsinstrumente der ›Ausfahrt‹ angeht, nur Stock oder Gabel, also nicht Ziegenböcke oder Hunde, wie sie auf bildkünstlerischen Darstellungen etwa bei Hans Baldung Grien (1484–1545) oder auch auf Flugblättern zu sehen waren. Bemerkenswerterweise wird die Hexe hier auch nicht des Schadenszaubers beschuldigt, was sonst eine der gängigsten Inkriminationen war (s. o. zu III,9). Die einschlägige Fachliteratur war Bisselius zweifellos zur Hand. Dazu zählte das Hexenkompendium des aus Spanien stammenden, in den katholischen Niederlanden wirkenden Jesuiten Martin Delrio (1551–1608): Disquisitionum magicarum libri sex (Löwen 1599; in Deutschland unter anderem Mainz 1603, 1612, 1628; dann noch Köln 1657 und 1678). Justus Lipsius (offenbar hexengläubig wie Bodin, Fischart oder Paul Schede Melissus) schrieb auf dieses fatale Werk ein rühmendes Gedicht, hier nach dem Abdruck in: Delitiae Poetarum Belgicorum, Bd. 3. Frankfurt a. M. 1614, S. 367: In Delrij Disquisitiones magicas. Cuius doctum opus hoc? Quod ima, summa Pennâ permeat et sagace mente Sagas et stygias styges reuelat? Quod tu Thessala terra vosque Colchi Infames malè cantibus patrastis; Quod Panes, Satyrique, D[r?[]usijque Peccastis, genus improbum saláxque, Totum hoc eruit erutis medetur: Sed quis? Delrius eruditione Idem relligione clarus. ergo Hîc pura et liquida omnia; hîc venena Nulla quae timeas opinionum: Huic libro faueas, faue tibi ipse, Atque istum lege, vt ima summa noris.

Bei Delrio wurde über die nächtlichen Zusammenkünfte der Hexen und ihre magische Beförderung von Ort zu Ort auf 15 engbedruckten Folioseiten gehandelt: »So pflegen also die Hexen, sobald sie sich mit ihren Salben eingerieben haben, auf Stöcken, Gabeln oder Holzscheiten zum Sabbat zu gehen, indem sie entweder einen Fuß darauf stützen oder auch auf Besen oder Schilfrohren zu reiten.« Hier zit. n. dem materialreichen Aufsatz und der Übersetzung von Becker-Cantarino 1999, S. 193–225, spez. S. 210, hier auch mehrere Abbildungen, darunter Darstellungen von Hans Baldung Grien. Für die höchst instruktive Flugblattliteratur verweise ich auf die Abbildungen und Kommentare bei Harms u. a. 1985, bes. Nr. 153–155, S. 312–317. Ein anderes Standardwerk, nämlich der ›Hexenhammer‹ (Malleus maleficarum) von Jakob Sprenger und Heinrich Institoris (Erstdruck 1487; deutsche Überset-

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zung Berlin 1906, ND als Taschenbuchausgabe München 1982, hier benutzt) präzisierte als Grundsubstanz der Hexensalbe ein Gebräu »aus den Knochen und Gliedern von Kindern, und zwar besonders von solchen, die durch das Bad der Taufe wiedergeboren sind« (Zweiter Teil, S. 29); hier auch ausführlich und mit Beispielen gegen diejenigen, die Hexenfahrten in der Realität für unmöglich halten (Zweiter Teil, S. 46–53). Bezeichnenderweise wurde die besagte oder eine ähnliche Art von Salbe samt Berichten über ›Ausfahrten‹ bei den peinlich befragten ›Hexen‹ dann auch urkundlich belegt; so etwa im Vernehmungsprotokoll der »Anna Caspar Stübers, seßhaft zu Apfelbach, abtrünnigen Eheweibs« (1628), abgedruckt in P. Beck: Hexenprozesse aus dem Fränkischen (Fortsetzung). In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte VII (1894), S. 157: Wie auch zum drittenmal sei sie in Asmus Gotthards Keller gefahren […] Sie seien allweg auf Gabeln gefahren; die Schmiere habe ihr ›Geschwey‹ Engel gegeben, ihre Mutter die Gabeln geschmiert. Die Schmiere habe sie von einem ungetauften Kind, so ihre Mutter mit einem Karst ausgegraben und des Hans Hilberts gewesen, solcher Gestalt gemacht, als sie nehmlich bemeltes Kind in einem Kessel gesotten, dazu sie Korn, Waizen, Kraut, schwarz Hefen genommen und in’s Teufels Namen unter einander gerührt […].«

Canidiae] Metonymisch für den Typus insgesamt steht hier die durch Horaz (epod. 5 u. 8; sat. 1,8) allen Gebildeten bekannte Hexe Canidia. Conrad Celtis verwendete die hier und in anderen literarischen Vorlagen (z. B. Ovid, met. 7 mit dem Medea-Mythos, und Lukan, 6,431ff. mit der Hexe Erichtho, spez. 508ff.!) ausgebreiteten Motive (Nekromantie, Menschenopfer, Liebeszauber) halb ironisch, auch indem er sich selbst als Magier darstellt, in Epigrammen, in seinen Oden (bes. 3,19) und in einem bekannten Gedicht seines AmoresZyklus (1,14: De exclusione; necromanticas et magicas artes commemorat; abgedruckt mit Kommentar in: HL, S. 86–97); zum Gesamtkomplex s. Wiegand 2000 sowie im weiteren Ausblick Luck 1962 und Graf 1996. choreas magicas] Delrio nach Becker-Cantarino 1999, S. 211: »Es kommt vor, daß die Teufel ihre Untergebenen an die Hand nehmen und […] einen absurden Ritus vollführen, indem sie Schulter an Schulter einen Kreis bilden, sich an den Händen fassen und tanzen, wobei sie den Kopf schütteln und besessen Drehungen machen.« – Der deutsche Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld sah in diesen Hexentänzen »Phantasey« oder »Einbildung«: Cautio Criminalis, hier in der deutschen Fassung fol. 11, S. 227. ocreatus] Eigentlich ›mit einem Beinharnisch versehen‹ (vgl. Horaz, sat. 2,3,234), hier metonymisch auf das Beinkleid insgesamt, also die Hose zu beziehen. Incantantis verba] Hier nicht die magischen Formeln und Gesänge, die bei Schadens- oder Liebeszauber angewandt wurden, sondern Formeln bei der Ausfahrt zum Hexentanz; zur magischen Incantatio (im Anschluss an die oben erwähnten Gedichte von Schede Melisssus) und mit Hinweis auf die üppige Literatur wie z. B. Pietro Pomponazzi: De naturalium effectuum causis sive

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de Incantationibus. ND aus ders.: Opera. Basel 1567. Hildesheim/New York 1979; s. Kühlmann 2000/2006. 1 Haemonia … arte] Haemonius – ›thessalisch‹ (dazu s. u.), sprichwörtliches Beiwort für magische Praktiken; Haemonides waren so bei Lukan 6,436 thessalische Hexen, dort auch die Junkturen Haemoniae artes (6,486) oder Haemonius cantus (6, 694). 1 celebrem … Megaeram] Megaera, eine der Furien; vgl. z. B. Vergil, Aen. 12, 846–848; mit der gleichen Bezeichnung versieht Bisselius die Hexenkünste der Brullia in III,9,41. 5 domini prope iure] Dass Handwerkerwitwen mit einem Gehilfen das Geschäft ihres verstorbenen Ehemanns weiterführen durften, war nicht ungewöhnlich und im Zunftrecht geregelt. 8 Cereris … aquis] Hübsche Umschreibung für das aus Gerste oder Weizen gebraute Bier; Ceres als mythische Personifikation des Getreides. 11 grabatum] Griechisches Fremdwort; Bisselius konnte es beispielsweise bei Catull (10,22) finden. 13 Cynthia] Cynthia heißt die Mondgöttin, zugleich Diana, weil sie auf dem Kynthos (Gebirge auf der Insel Delos) geboren wurde. 16 notis … Rotis] Dass die Hexe auf einem Wagen mit Rädern fährt (sonst hier die furca genannt, V. 20) verweist – eher metaphorisch – auf die protoytypische Zauberin Medea (Ovid, met. 7) und ihr Drachengefährt (currus draconum; V. 218, 234). 19 carminibus lenit] Magische Beschwörungsformeln: s. o.; lenire: warum die mit Salbe beschmierten Glieder noch durch Zaubergesänge für die Ausfahrt vorbereitet werden, ist nicht ersichtlich, könnte aber an die entsprechende Szene in Apuleius’ Metamorphosen angelehnt sein (s. o. im Vorspann); das Verb hier wohl im Sinne von ›geneigt machen‹ wie Catull 116,3. 24 Panobibactus] Griechisch-lateinischer sprechender Phantasiename aus griech. Pan (alles) und bibere (trinken). 29 Thessala verba] Thessalien metonymisch als geografische Domäne der Zauberei; das Adjektiv so bereits bei Horaz in einer Aufzählung von Ingredienzien des Aberglaubens (epist. 2,2,208f.): Somnia, terrores magicos, miracula, sagas, nocturnos lemures portentaque Thessala rides? Ausführlich Lukan 6,438ff. 37 Pinsitus, ac Pistus, Pinsusque a Pinsuit] Lateinischer Merkvers zur Konjugation und zu den Stammformen des Verbums pinsere – ›zerstampfen‹, zitiert aus einem auch in Deutschland sehr verbreiteten Lehrbuch eines portugiesischen Jesuiten; s. zum folgenden Lemma:

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38 Emmanuelis opus] Gemeint ist eines der zahlreichen, oft bis ins 19. Jahrhundert gedruckten Lehrbücher (vgl. VD 16, Nr. A 2070–2083) des portugiesischen Jesuiten Emmanuel (oder: Manuel) Alvarez (Alvarus; 1526–1582 oder 1583); hier offenbar gemeint (s. u. V. 80) die zuerst 1572 in Lissabon gedruckten De institutione grammatica libri tres, das damals übliche Grammatiklehrbuch an den Jesuitengymnasien; vgl. Duhr (1907–1928), Bd. 1, S. 43, 252, 256, 259; Duhr 1896, S. 186, 222f., 236; Rader-Briefwechsel, Bd. I (1995), Nr. 226, dazu S. 461. In einer Ausg. Köln (Birckmann) von 1596 findet sich die Stelle auf S. 250. 45 arvina] Vgl. Plautus, Poen. 1016; Vergil, Aen. 7, 627; auffällig, wie sich Bisselius bei der Bezeichnung für die Hexensalbe um Abwechslung bemüht: unguen (V. 18,27,35,58); mephitis (V. 49), pinguedo (V. 51), virus (V. 53), taetrum onus (V. 58), magicae medicamina pestis (V. 69), lenta pix (V. 75); vorher schon im Prosavorspann: unguentum und chrisma. 49 mephitin] Eigentlich eine übelriechende Ausdünstung; vgl. Vergil, Aen. 7,84; Persius 3,99. – Vgl. auch die analoge Formulierung, dort aber für die Sünden der Maria Aegyptiaca, in DV II,8,1,13. 51 caligas lutulat] Caliga: eigentlich der römische Militärstiefel; lutulat: seltenes transitives denominales Verbum von lutum: Schmutz. 53 antipetasma] Graezismus (im Sinne des spätlateinischen antependium); nicht im klassischen Latein (nicht im OLD), im Griechischen bzw. im Mittelalter (Rupert von Deutz) wohl nur propetasma bzw. parapetasma. Magri (Hierolexikon 1677, S. 90) bietet allerdings die hier reichlich sinnlose kurze Definition: Graeca vox (griech.) antipetasma, Pallium Altaris, in quo antiquitus Cruces effigiare solebant. 62 olebat Anum] Olere (transitiv): eigentlich ›duften nach‹; vgl. z. B. Horaz sat. 1,2,27. 63 propetasma] Graezismus, eigentlich ›Vorhang‹; nicht im klassischen Latein (nicht im OLD), wohl aber vereinzelt im Griechischen und im Mittelalter. 77 Pinsitus, ac Pistus, Pinsusque a Pinsuit] S. o. zu V. 37. 80 Grammatices dogmata] S. o. zu V. 38. 83 praefurni] Bei Vitruv (7,10,2; 8,2,4) eigentlich als Öffnung, Eingang einer Feuerstelle (Ofenloch, Heizstelle) beschrieben; dass der Kamin gemeint ist, wird durch per penetrale verdeutlicht. 95 mersus … emergitur] Polyptoton, bei Bisselius als Stilmittel besonders beliebt. 111ff. Pultam incusat … Flamma dedit] Reihend-lapidare Kurzfassung des Prozesses von der Anklage bis zur Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen. Ähnlich Bisselius in seiner Elegie zur Verbrennung des ›Ketzers‹ Vanini, dazu s. Kühlmann/Claren 2009.

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Zu Elegie III,11 (JE) Dieses kurze Gedicht gibt erst auf den zweiten Blick seine frömmigkeitsgeschichtliche Positionierung preis. Bisselius bietet offenbar (ähnlich wie in DV I,1) eine autobiografische Erinnerung, in diesem Fall daran, wie er, vermutlich als Knabe, den Kirchgang am Karfreitag missachtend, mit einigen Hirtenkindern gespielt und sich beim Spielen mit einer Wurfscheibe schwer am Kopf verletzt hat (V. 13–31). Dieses Geschehen wird nun mit einem längeren deutenden Vorspann versehen, in dem die Heiligung des Karfreitags und die Wichtigkeit von Kirchgang und Kreuzverehrung an diesem Tag unterstrichen werden und der Dichter sich selbst in der Rückschau als unwissenden Toren darstellt (V. 1–12). Damit steht die Elegie in thematisch enger Verknüpfung mit El. II,5f. (Ob das Gedicht in einer früheren Konzeption der DV zur Karfreitags-Gruppe gehören sollte und, womöglich, weil es dort nicht mehr passend erschien, hierher verschoben wurde, muss offen bleiben; interessant immerhin, dass aus dem Titel kein unmittelbarer Bezug auf den Karfreitag abzulesen ist) Bemerkenswert für die dichterische Technik des Bisselius ist, dass er das verführerische Ambiente, das den Knaben zum Spielen an jenem Freitag lockte, mit exakt den Worten und Frühlingsmotiven beschreibt, die er überall in den DV geistlich nobilitiert, teils sogar als Titel für einzelne Sektionen verwendet: Vögel und Zephyrwind (V. 18), allgemein Frühlingsfreuden (V. 19 in Versalien!) und Wiesen (ebd.). Gewissermaßen gibt er hier ein Exempel für einen falschen, nämlich gottvergessenen, Umgang mit dem Frühling und unterstreicht damit ex negativo seine eigene dichterische Umsetzung in den Elegien der DV. Dazu fügt sich eine poetologische Andeutung in V. 12 (s. u., Kommentar). Schließlich endet er mit einer halb komischen Passage (V. 32–38), in der die Narbe des erwachsenen Dichters ihm selbst und anderen als Mahnmal dienen soll. Zugleich liefert die Elegie in quasi-kallimacheischer Weise das Aition für den fleißigen Kirchgang, vor allem die Verehrung des Kreuzes und der fünf Wunden Christi durch den Dichter. 1f.] Der gnomische Beginn weist auf eine allgemeine Regel, dass auch spielerische Verfehlungen nicht ungesühnt bleiben. 1 O Benè!] Ein an Komödiensprache erinnernder Ausruf. 2 Minöe] Seltene Ablativform von Minos, dem sagenumwobenen König Kretas, der nach seinem Tod gemeinsam mit dem Bruder Rhadamantys in der Unterwelt Recht sprach; vgl. Cicero, rep. 2,2; Tusc. 1,10 u. 98; Vergil, Aen. 6,432. Hier metonymisch für Richter oder Urteil im allgemeinen. 3–6] Ausführliche Periphrase für den Freitag, der nicht etymologisch auf Venus, sondern auf den Karfreitag als jenen Tag zurückgeführt wird, an dem Christus am Kreuz den Sündenfall Adams büsste. Zugleich der erste Hinweis im Gedicht, dass überhaupt ein Karfreitag gemeint ist.

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3 veteris … lapsûs] Der hier erwähnte Sündenfall verknüpft die Elegie mit DV II,14, Teilel. 2. 4 mortua VITA] Die enge Stellung im Vers betont das schon semantische Paradoxon von der am Kreuz sterbenden Gottheit. Dass diese das Leben gebracht hat, heben die Versalien hervor. 5f. Tenebris … Dixerit?)] Bisselius führt die Periphrase fort, indem er in Form einer correctio den Karfreitag nicht als ›Tag‹, sondern ›Finsternis‹ bezeichnet. Zugleich spielt er sicher auf die Verdunklung der Sonne in der Todesstunde Jesu an, die bereits verschiedentlich in den DV genannt wurde; vgl. II,5,21 u. 10,6,35. 6 trifido stipite] Trifidus antik oftmals von göttlichen Attributen, etwa dem Blitzstrahl Jupiters (Ovid, met. 2,325) oder dem Dreizack Neptuns (Valerius Flaccus 1,641), hier auf das Kreuz als Ehrenzeichen des christlichen Gottes übertragen. 6–10 Aequum … Homo?] In zwei durch anaphorisches Aequum erat verbundenen Distichen leitet der Dichter zur eigenen (bestraften) Verfehlung über, um die es im Folgenden geht. Effektvoll wird gleich zu Beginn das eigentlich angemessene Verhalten im Irrealis als verpasste Chance dargestellt. 8 LVCE cadente] Eine weitere Periphrase für den sterbenden Christus. 9 immorerer, moriente] Die fast eine Pseudo-Etymologie suggerierende syntaktische Engführung verbindet das Trauern des Dichters mit dem Tod Jesu. 10 Exspirante … Homo?] Die rhetorische Frage bildet den hyperbolischen Endpunkt dieser Passage, in der die Pflicht des Menschen gegenüber Gott nochmals gebündelt wird. 12 Estque … meis.] Eine der bei Bisselius häufigen poetologisch referentiellen Wendungen: Seine Schreibart und damit seine Dichtung ist heiliger als die Tat, die er hier beschreibt. 17–19 Invitabat … prata.] Hier tragen nun die sonst in den DV positiv konnotierten Frühlingsfreuden zur Verfehlung des Jungen bei. Insbesondere amor am Schluss des ersten Distichons offenbart deren ganze Ambivalenz: Liebe zur Frühlingslust ist schlecht, wenn sie dem amor divinus vorgezogen wird. 23 DISCVS] Um welche Art von Wurfspiel es sich gehandelt hat, muss offen bleiben. Im Diskusspiel verbirgt sich zugleich eine Anspielung auf die Schelte Ciceros in ähnlichem Zusammenhang (de or. 2,21): hoc ipso tempore […] auditores discum audire quam philosophum malunt. 24 Nempe … latet.] Das Paradox liegt darin, dass eine Scheibe eben kein Kubus ist. Jedoch steht hier nicht die Wortbedeutung von alea im Vordergrund; vgl. folgendes Lemma.

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24 Alea jacta] Anspielung auf den berühmten Ausspruch Caesars bei Sueton, Iul. 32,1: Iacta alea est. – Dieser stammt selbst aus dem Jargon des (Glücks-) Spiels, sodass Bisselius hier seine Pointe durchaus ironisch vorbereitet, zugleich aber an das Schicksal Caesars, dem die Querung des Rubicon letztlich auch zum Schaden gereichte, rückbindet. 26 in mea damna vigil] Proleptische Formulierung, die geradezu eine Vorahnung des Unfalls im Knaben suggeriert (ähnlich V. 20). Oder ein schlechtes Gewissen? – Vorbild ist Ovid, Pont. 1,2,44 (dort allerdings im Traum): et vigilant sensus in mea damna mei. 28 non sine clade] Sinnreiche Kontrafaktur von Horaz, carm. 4,14,32 (über Tiberius): stravit humum sine clade victor. – Hier wird eben der junge Bisselius zu Boden geworfen. 32 Restat … nota.] Unversehens springt die Darstellung in die Schreibgegenwart, in der nun die Narbe der Unfallwunde als Mahnung an den Dichter (und die Leser) fungiert. 33f. Inspice … loqui] Scherzhafte Apostrophe an die Nasenspitze, sich gleichsam zurückzuwenden und die Stirnwunde zu betrachten. Zugleich dient die Narbe zur Beglaubigung des im Gedicht Geschilderten. 34 stigmate] Mit dem Signalwort, das auf die Stigmata Jesu anspielt, bereitet Bisselius die Pointe des letzten Verses vor. 37f. Ex … colo.] Zum Schluss erhebt der Dichter die versifizierte Geschichte vom Unfall, etwa nach der aitiologischen Kurzdichtung der Alexandriner (Kallimachos) und römischen Neoteriker, explizit zu einem Aition für seine praktische Frömmigkeit. 38 VVLNERAque … Vno vulnere … QVINQVE] Die Schlusspointe setzt die Kopfwunde des Bisselius zu den fünf Wunden Christi in Beziehung, die er, durch den Unfall ›bekehrt‹, intensiv verehrt. Auf die fünf Wunden spielte er auch schon in früheren Gedichten an, s. DV II,9,2,15; II,10,6,33. – Graphisch kommt in diesem Vers überdies hinzu, dass die Fünfzahl der Wunden in der Fünfzahl der Majuskel »V« gespiegelt, wird, die ja wiederum für die römische Zahl fünf steht!

Zu Elegie III,12 (JE) In der kurzen Elegie wendet sich der Dichter in einer direkten Apostrophe an den Mai, den er in einer rhetorisch ausgefeilten Scheltrede für das ungewöhnlich schlechte Wetter in diesem Monat rügt. Neben manchen Querverbindungen zu anderen Elegien der Sammlung – etwa dem von einer ›Hexe‹ herbeigeführten Unwetter in DV III,9 – nutzt Bisselius vor allem die Gelegenheit für ein (womöglich auch für die Schule taugliches) Kabinettstück, die abwechslungsreiche Ekphrasis

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der vom Regen verdunkelten und durchnässten Stadt und Landschaft (V. 9–16). Den Rahmen bietet dabei der Vorwurf, der Mai verhalte sich undankbar dem Dichter gegenüber, der ihn ja in diesen Elegien besinge (V. 1–4 u. 17–19). Daraus leitet er am Schluss ein witziges Concetto ab, indem er den Regen des Mais nicht mehr als Regen, sondern als Tränen bezeichnet und dem Monat so in einer leicht misogynen Pointe die Männlichkeit abspricht. Dies wird schließlich in dem, an Catulls Attis-Gedicht carm. 63 gemahnenden, Wechsel des Geschlecht von MAIVS zu MAIA augenfällig: Der Dichter droht dem Mai geradezu mit Kastration! Wie manche Elegie der DV entbehrt auch diese ganz eines geistlichen Hauptoder Nebensinns, rückt aber umso deutlicher die Spannweite von Bisselius’ Ausdrucksmöglichkeiten in den Vordergrund und mag nicht zuletzt als ironisch-poetologische Selbstreflexion zu lesen sein: Ein Dichter, der sich beklagt, dass seine Lobgedichte keinen Einfluss auf das Wetter haben. 1 QVID … hoc?] Typischer Einsatz der römischen Komödie, hier metri causa leicht umgestellt. Vgl. Plautus, Amph. 576; 769; Bacch. 415; Asin. 407 u. ö. 1 Thalia] Die mehrfach genannte Muse des Dichters; vgl. Vgl. I,3,12; I,18,1,2; I,23,17; II,5,26; II,8,1,1; II,9,3,15; I,17,3,14; III,3,13; III,19,1 passim und Teilelegie 4, 25. Bisselius hatte das dritte Buch seiner Frühlingsgedichte mit dem Mai einsetzen lassen. Vgl. unten, zu V. 3: Kalendas. 3 incentore] Incentor klassisch selten, wie hier etwa bei Orosius 5,20,4: incentore Mario. 3 Kalendas] Vgl. oben DV III,2. 5 Tu quid agis?] Ähnlich als Vorwurf kolloquial bei Cicero, epist. 7,11,2,1. 6 degeneri fronte] Degener, ein stark negatives Attribut, ähnlich z. B. bei Prudentius, Contra Symmachum 2,643: nec tam degeneri venerandis supplicat ore. 7 nativaque nomen] Der Monatsname Maius leitet sich von maior, ›größer‹ ab. Durch den unverhofften Regen handelt der Mai seinem Namen zuwider, reduziert sich selbst gleichsam. Bisselius bereitet hier die Pointe von V. 22–28 schon vor. 9–16] In einer klimaktisch sich zuspitzenden, stilistisch durchgeformten Passage werden die Auswirkungen des Mai-Unwetters von der Verdunklung der Sonne bis zur Unwegsamkeit der Straßen in der Stadt vorgestellt. 12 arva rigent] Ovid, met. 11, 145: arva rigent auro madidis pallentia glaebis. 14 superinducto … imbre] Biblischer Sprachgebrauch; vgl. etwa 2 Chron 33,11; idcirco superinduxit eis principes exercitus regis Assyriorum; Dan 9,12: […], ut superinducerent in nos malum magnum. 14 naufragus] Die hyperbolische Formulierung spielt auf die Warnung des Autors vor zu frühen Seereisen an, die auch im Frühlingssturm scheitern könnten:

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DV I,14, Teilelegie 1; vgl. aber auch die Maria Aegyptiaca geltende metaphorische Formulierung in II,8,2,14f. 15 Nusquam iter est.] Kontrafaktur auf Vergil, Aen. 9,321: hac iter est. 16 coenosi … luti] Aussagekräftiges Adjektiv von caenum/coenum, ›Kot, Schmutz‹; klassisch etwa bei Columella 7,10,6 oder Iuvenal 3,266 (von der Styx). 17f.] Die rhetorischen Fragen greifen den eingasngs (V. 1–4) geäußerten Vorwurf, der Mai sei undankbar, wieder auf und verschärfen ihn. 20 Scommata] Mit diesem Signalwort, das auf eine satirische oder scharf spöttelnde Dichtung verweist (seit Macrobius, sat. 7,3,1 u. ö.), bereitet Bisselius seine Schlusspointe vor. 22 MOLLIS] Das in Versalien gesetzte Wort leitet nun die ›Feminisierung‹ des Mais ein. 22 assiduo] Statt assidue häufig in der Komödiensprache; vgl. Plautus, Cist. 185; Mil. 50; Most. 976; Truc. 422. 25f. FOEMINEVM … PLORARE] Indem er in der Lexik den Regen des Mais alliterierend von pluere zu plorare verschiebt, bereitet Bisselius die Schlusspointe des effeminierten Monats vor. 27f. resipisce aut … es] Der Dichter stellt den Mai gleichsam vor die Wahl, sich auf ein angemessen sonniges Wetter zu besinnen oder als effeminiert zu gelten. 28 MAIA … MAIVS] Der grammatische Geschlechtswechsel, wie Bisselius ihn dem Mai hier in Aussicht stellt, erinnert an Catulls 63. Gedicht, in dem Attis sich durch Kastration zum Kybele-Priester weiht. Während der junge Mann dort zunächst deutlich männlich erscheint (V. 1: vectus), wandelt sich schon im achten Vers ein Attribut ins Femininum (citata), bis er schließlich als ›unechte‹ Frau bezeichnet wird (V. 27: notha mulier). Im sicher beabsichtigten Kontrast dazu: DV I,6,25f.: almam … Maiam.

Zu Elegie III,13 (TL) In Szene gesetzt wird eine Rast auf freiem Feld unter heißer Mittagsonne. Das lyrische Ich (V.7) begibt sich in den Schatten eines Strauches, um Hunger und Durst durch Ruhe und Schlaf zu besänftigen. Die vorgebliche Wohltat des Schlafs wird an einer Begebenheit aus 1 Kön 19 gemessen: Elias flüchtet vor den Nachstellungen der ihm feindlich gesinnten Königin Jezabel in die Wüste, sinkt erschöpft und lebensmüde unter einem Wacholderbusch nieder und wird von einem Engel im Schlaf zweimal aufgefordert, Trank und Speise zu nehmen. Die Brisanz der biblischen Vorlage und der Reiz der poetischen Bearbeitung liegen darin, dass der zuvor so mächtige und unbesiegte Prophet Elias zunächst

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die Flucht ergreift und dann erschöpft aufgibt, als er sich in Sicherheit gebracht hat. Seine Todessehnsucht ist seelische Schwäche, während der Körper durch Hunger und Durst Lebenswillen demonstriert. Zweimal muss der Erzengel Raphael zum Aufstehen mahnen, ehe die Willenskraft des Elias wiederhergestellt ist. In der exegetischen Tradition konzentrieren sich die Autoren auf diese zweifache Ermahnung, an der exemplarisch die Schwäche menschlicher Natur demonstriert wird: Der Mensch bedarf der zweifachen Speise von Nahrung und Gotteswort zur Erlangung des Himmelreichs (vgl. etwa Hrabanus Maurus Commentarius in libros IV regum 3,19; Migne PL 109, Sp. 210–213). Die in Kapitälchen gesetzten Signalwörter DORMIAM VT ESVRIAM MINVS verweisen jenseits des biblischen Hintergrunds auf eine bei Seneca epist. 24,25 geführte Erwägung des fastidium vitae. Der mahnende (paränetische) Grundton von Bisselius’ Elegie wird unterstrichen, indem in Vers 27f. die Warnung vor den ›schweren‹ (giftigen) Schatten des Wacholderbusches zitiert wird, mit der Vergil (ecl. 10,75) seine Hirtendichtungen beschließt. Bisselius’ Bearbeitung entfaltet und überspitzt den lehrhaften Gehalt des biblischen Exempels. Das Nickerchen in bukolischer Idylle ist nur vermeintliche Erquickung für den von Durst und Hunger Geplagten. Gegen den (unausgesprochenen) Vorwurf der Trägheit führt das lyrische Ich das vorgeblich schlagende Beispiel des Elias an, welches sich bei genauem Betrachten ins Gegenteil verkehrt: Der Schlaf kann Trank und Speise nicht ersetzen und den Wanderer erwarten neue, noch größere Mühen. Vordergründige Verheißung (des Schlafes) schlägt um in die Bekräftigung des Auftrags, den Weg fortzusetzen. Bisselius’ poetische Fiktion überbietet das biblische Geschehen, indem nicht nur der Auftrag zur Fortsetzung des Weges formuliert wird, sondern in der Qualität der Speise der Weg vorweggenommen ist. Das harte Brot nimmt den Geschmack von Asche an; der Wanderer (homo viator) schmeckt im Brot den staubigen Weg (des Lebens). Ein pointierter Abschluss gelingt in der paradox-concettistischen Spiegelung der Brotmetapher: Wenn sich in der Nahrung der Weg manifestiert, dann muss der Weg Nahrung sein. Meridiatio] Nur einmal bei Cicero, div. 2,142 belegt: nunc quidem propter intermissionem forensis operae et lucubrationes detraxi et meridiationes addidi. 2 nubilis in somnos] Die auch syntaktisch kühne Konstruktion des eigentlich ›heiratsfähig, mannbar‹ bedeutenden nubilis, orientiert sich vielleicht am barocken ›brünstig‹ (vgl. Fleming 1865, S. 42 [Poetische Wälder 2,7,21–23]: »Apollo war mir günstig, | der Musicant’ und Artzt, weil du mich machtest brünstig | zu seiner doppeln Kunst«). 3 coquit arva] Vgl. Silius 12, 374: arva coquit nimium. 4 Calabrâ maceror ora siti] Die Junktur Calabra sitis geht wohl aus von Horaz carm. 1,31,5: aestuosae grata Calabriae / armenta. Der an das medial zu verstehende maceror (›schwinden‹) angeschlossene Akkusativ (ora) der Beziehung (sog. Accusativus graecus) steht auf die Frage ›Woran?/In welcher Hinsicht?‹ wie etwa Properz 2,13,27: nudum pectus lacerata.

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7 DORMIAM VT ESVRIAM MINVS] Vgl. Seneca epist. 24,25: Est enim, mi Lucili, ut ad alia sic etiam ad moriendum inconsulta animi inclinatio, quae saepe generosos atque acerrimae indolis viros corripit, saepe ignavos iacentesque: illi contemnunt vitam, hi gravantur. Quosdam subit eadem faciendi videndique satietas et vitae non odium sed fastidium, in quod prolabimur ipsa inpellente philosophia, dum dicimus: ›quousque eadem? Nempe expergiscar dormiam, esuriam […] algebo, aestuabo.‹ 8 Cererem] Die Göttin des Ackerbaus Ceres steht metonymisch für das Getreide oder wie im vorliegenden Falle ›die Nahrung‹ allgemein. 10 Sensêre hoc magni, Numine teste, viri] Die Formulierung Numine teste legt biblische Exempel nahe, bei denen der Traum oft Zugang zur göttlichen Welt ist (z. B. Jakobs Traum von der Himmelsleiter Gen 28,12 oder Josefs Traum in Mt 2,13, in welchem er die Weisung zur Flucht nach Ägypten erhält). 11 Thesbitae] Epitheton des Elias in 1 Kön 17,1 u. ö. (dort immer Thesbites). Nach Hieronymus’ Liber interpretationis hebraicorum nominum 1 Kön als captivans sive convertens zu deuten. 12 Sidoni] Jezabel ist Tochter des Königs von Sidon, also nicht von jüdischer Herkunft; vgl. 1 Kön 16,31: insuper duxit uxorem [scil. Ahab] Hiezabel filiam Ethbaal regis Sidoniorum et abiit et servivit Baal et adoravit eum. 16 arte pedum] Die Junktur findet sich nur einmal bei Paulinus von Nola, carm. 25,124. 17–19 Samaritis … Philistias … Idumaeis] Elias flieht vom Norden durch Samaria und Philisterland über die Südgrenze Palästinas bis in das Land Edom/ Idumaea südlich des Toten Meeres. Bisselius war ein hervorragender Kenner der Geographia sacra und Autor einer geografischen Studie zum Heiligen Land (Palestinae seu Terrae Sanctae Topothesia Dillingen 1659, 21679); vgl. auch die Anmerkungen zur Elegie II,10. 23 vaga murmura] Nur zweimal bei Statius nachzuweisen (Theb. 6,562; silv. 1,1,65). 27f. iuniperum … somnus et umbra venit] Vgl. Vergil, ecl. 10,75: solet esse gravis cantantibus umbra, / iuniperi gravis umbra. 33 Genius] Der Gebrauch von genius für den (Schutz-) ›Engel‹ findet sich erstmals in der lateinischen Übersetzung des Pastor Hermas (Hirte des Hermas), einem ursprünglich griechischen Werk des 2. Jahrhunderts in der Tradition der Apokalypse, später dann prominent bei Martianus Capella De nuptiis Philologiae et Mercurii 2,152. 35 populatur] Steht hier (wie nicht selten) als Deponens und nicht in der Grundbedeutung ›plündern‹ sondern als gesucht derbe Vokabel für ›gieriges Verschlingen‹ (sonst gern für die Fressgier von Tieren verwendet; vgl. Vergil

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Aen. 4,402: ingentem formicae farris acervum / cum populant). Vgl. die ähnliche Verwendung von depopulare in DV I,20,41. 37 Oreb] Elias flüchtet auf den Berg Sinai (= Horeb). 43 pretiosa fames] Junktur nach Martial 10,96,9; dort zielt die Wendung ironisch auf den Luxus Roms, wo selbst zu hungern teuer ist.

Zu Elegie III,14 (JE) In dieser Elegie kehrt Bisselius, wie schon in DV I,7 und III,6, zu seinem heimatlichen Fluss, der Günz, zurück. In drei Teilelegien vergegenwärtigt er die idyllisch geschilderte Flora und Fauna an der Günz (die er zu einem schiffbaren Strom hyperbolisch aufwertet: 1,5f.). Gerade in der zweiten Teilelegie, in der er sich zu Beginn geradezu als elegischer Liebhaber des Flusses stilisiert (2,1), fällt die Gabe des Dichters mit der des Anglers zusammen (2,3–5). Er beschreibt kundig die Techniken des Fisch- und, in der dritten Teilelegie, Krebsfangs, nicht ohne gelegentlich einen geistlichen Nebensinn (3,2) oder Morallehren (3,21–24 über das Teilen des Fangs) zu insinuieren. Trotz der mannigfachen durch Versalien hervorgehobenen Worte ergibt sich m.E. keine kohärente allegorische oder geistliche Deutung des Gedichts, vielmehr stellt Bisselius eine variantenreiche Neudichtung auf der Grundlage antiker Vorbilder, etwa der Mosella des Ausonius oder der Ovid zugeschriebenen Halieutica (s. u.) zur Schau. Ferner wäre an Einflüsse der Eclogae Piscatoriae des von Bisselius ausdrücklich (s. DV II,17,3) geschätzten Sannazaro zu denken.

Zu III,14,1 1 capere otia] Antik eher otia agere oder otia ducere. Immerhin: Ambrosius, epist. 7,36,30: secura captare otia. fluminis algam] Hyperbolisch für das Flussufer. Ansonsten eher von der Meeresküste gebraucht; vgl. z. B. Ovid, epist. 18,108: Hellespontiaci quam maris alga potest; Plinius, nat. 13,135; 32,66: algam maris. 2 repercussos sonos] Antik v. a. für Echo und Widerhall gebraucht; vgl. Tacitus, Germ. 3,1: quo plenior et gravior vox repercussu intumescat; Bisselius spielt eher an auf Prudentius, peristefanon 10,933 (vom Gesang): nunc ex palato det repercussos sonos. 2 aure bibente] Zur Junktur vgl. Horaz, carm. 2,13,32: bibit aure; Statius, silv. 5,2,58f.: bibe talia pronis / auribus; Augustinus, Enarratio in Psalmum 36, 1,3: accommoda per aurem os cordis, et bibe quod audis. – Bisselius variiert diese Junktur auch in DV III,5,2,26.

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8 nantûm gregem] Vgl. Columella 8,14: greges nantium; Plinius, nat. 8,114: maria trameant gregatim nantes. 9 alga recens] Paronomasie zu V. 1; diesmal alga in wörtlicher Bedeutung, ›Seetang‹, jedoch abermals hyperbolisch, da es immer noch um die Günz geht. 10 admittunt siccos pedes] Vgl. Ovid, met. 14,50 (von Circe): summaque decurrit pedibus super aequora siccis. 14 Scrupillos] Deminutiv zu scrupulus, ›kleiner, spitzer Stein‹. Vgl. mittelengl. Scrupil, scriple. 16 Non uno titulo] Ähnlich Manilius 3,104: uno titulo comprenditur; oder Cassiodor, var. 6,16,23: … ut in uno eodemque titulo dispar esset dignitas. 17 madidique à nomine mergi] Wortspiel mit lat. mergi, als Verb ›untertauchen‹, zugleich Nominativ Pluralis zu mergus, ›Taucher‹. 19 gravis ardea] Silius 8,358: … quos Castrum Phrygibusque gravis quondam Ardea misit. 20 Maeandraeus … olor] Maeandraeus ungewöhnliche Form; insgesamt wohl Anspielung auf Ovid, epist. 7,1f.: Sic ubi fata vocant, udis abiectus in herbis / Ad vada Maeandri concinit albus olor; möglicherweise auch beschreibend auf den geschwungenen Hals oder ein ›mäanderndes‹ Schwimmen des Schwanes zu deuten. 20 foedera junxit] Gängige Formulierung für eine friedliche oder freundschaftliche, hier gar eheliche Verbindung; vgl. Vergil, Aen. 4,112; 7,546 u. ö. 11,164/165: nec vos arguerim, Teucri, nec foedera nec quas / iunximus hospitio dextras. – Aus diesem Bezug auf Troja wird evtl. auch die Bezeichnung »mäandrischer Schwan« plausibel. Livius 7,30,4; im Sinne einer sanktionierten Liebesverbindung bei Ovid, epist. 4,147: Tolle moras tantum properataque foedera iunge.

Zu III,14,2 1 insanus amore] Variation des elegischen Topos insanus amor; z. B. Ovid, epist. 15,176: Sit procul insano victus amore timor! Oder Ovid, ars 1,372: Addat et insano iuret amore mori; Properz 2,14,18: scilicet insano nemo in amore videt. 2 Quid facerem, ad patrij laeta salicta] Ovid, trist. 1,3,49: quid facerem? blando patriae retinebar amore … Die doppeldeutige Formulierung ad laeta salicta kann auch auf DV I,7,27f. anspielen, wo der Dichter, ebenfalls an der Günz spazierend, ein Gedicht in die Rinde einer Pappel ritzt: Daedala nativô se codice populus offert: / Hujus in abraso cortice, pauca noto.

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3 Dignus eram] Ovid, met. 14,30/31: dignus eras ultro, poteras certeque, rogari, / et, si spem dederis, mihi crede, rogaberis ultro. 4f. mihi vile foret … mihi vile fuit.] Im geistlichen Sinne bei Paulinus von Nola, carm. 15,320: si mihi vile fides et carum haec vita fuisset. 5 Dedit otia Phoebus] Phoebus sowohl als Sonnengott aufzufassen, insofern die Frühlingssonne den Dichter zur Muße reizt, als auch als Gott der Dichter, insofern der Poet im Folgenden (innerfiktional) nicht dichtet, sondern angelt. 6 (Otia … scholae)] Kontrastierend Paulinus v. Nola, carm. 10,165–167: de vanis libera curis / otia amant strepitumque fori rerumque tumultus / cunctaque divinis inimica negotia donis … 7f. Exsilui] Ovid, met. 3,760: Exsiluere viri, sive hoc insania fecit. Statius, Theb. 7,122/123: Exsiluere animi, dubiumque in murmure vulgus / pendet: ›ubi iste fragor?‹ 7 Nymphae] Vgl. die Apostrophe bei Ausonius, Mos. 82: Tu mihi flumineis habitatrix Nais in oris. 8 Gunziades] Bildung nach dem antiken Gentilnamen (Battiades, Atlantiades) oder Herkunftsnamens (Lemniades, Iliades) als episches Epitheton, hier mit dem Fluss Günz. 8 conscia turba] Wohl nach Ovid, fast. 2,99f.: Namque gubernator destricto constitit ense / ceteraque armata conscia turba manu. Dort freilich von echten Verschwörern. 10 humilis avarities] Eigentlich ein Gegensatz; vgl. Raimundus Lullus, De virtutibus et peccatis 5,121,76: Caritas generat humilitatem, et avaritia superbiam. 11f. Protinus … induvijs] Angelehnt an Ovid, met. 8,855–858 (von der in einen Fischer verwandelten Hypermestra): hanc dominus spectans ›o qui pendentia parvo / aera cibo celas, moderator harundinis‹, inquit / ›sic mare compositum, sic sit tibi piscis in unda / credulus et nullus nisi fixus sentiat hamos.‹ 17 tremulo lino] Variation einer beliebten Junktur im Zusammenhang mit Fischen, z. B. Seneca, Herc. fur. 159: sentit tremulum linea piscem; oder Martial 3,58,26f.: sed tendit avidis rete subdolum turdis / tremulave captum linea trahit piscem. 18 placidis prona pependit aquis] Mit der charakteristischen Alliteration: Ausonius, Mos. 33: Tu placidis praelapsus aquis. 19 squamata cohors] Squamatus selten für squameus oder squamosus, im geistlichen Sinne etwa Arator 1,69 (von Petrus): quo piscatore solebat / Squamea turba capi. Zu cohors vgl. Ausonius, Mos. 131f.: flumineas inter memorande cohortes, / Gobio.

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21 Gobius] Auch Gobio; vgl. V. 19. [Ps.-]Ovid, halieutica 130f.: lubricus et spina nocuos non gobius ulli / et nigrum niveo portans in corpore virus. 21 cauto morsu] Antithetisch zu V. 23: non-cauto hiatu. 23 non-cauto hiatu] Vgl. V. 21; die Negativbildung durch non und Bindestrich auch in II,7,22; II,9,1,34; II,14,2,4; II,15,13; III,7,37. 26 praeda secunda] Evtl. Anspielung auf die secunda praeda (die Provinz Pontus) in Catull 29,18. 27 Inde aliae, atque aliae] Vgl. Lukrez, 1,605f.: inde aliae atque aliae similes ex ordine partes / agmine condenso naturam corporis explent. 28 gurges] Preziös ›Strudel‹, wiederum auf die Günz bezogen.

Zu III,14,3 tragulam] Vgl. Varro, ling. 5,24,115: tragula a traiciendo. 2 squamea turba] S. o., Teilelegie 2,19. 2 SOLE CAPE … salit.] Vgl. DV I,18,2,10–14; dort wird die Liebe der Fische zur Sonne in eine Wundertat des Knaben Jesus eingeflochten; der geistliche Nebensinn des ›Menschenfischers‹ scheint hier wie dort evident. 7f. Dum … tenes] Evtl. ist für diese und die folgende Passage (bis V. 18) ein geistlicher Nebensinn zu vermuten, der v. a. in dogma tenere zum Vorschein kommt. Hier steht wohl die piscatio Christi im Hintergrund (vgl. oben, Teilelegie 2,19). 9 cassem] Grattius, cynegetica 28. 13 contus] Vgl. Isidor, etym. 18,7,1: Hasta est contus cum ferro; cuius diminutivum facit hastilia. 14 (sed sine labe)] Ovid, trist. 2,110: Parva quidem periit, sed sine labe domus. 15 ubi tempus erit] Junktur der Lehr- und Landdichtung; vgl. etwa: Cato, agr. 23,2; 33,2; 133,1 sowie Vergil, ecl. 3,97: Ipse, ubi tempus erit, omnis in fonte lavabo.

Zu Elegie III,15 (WSch/WK) Eine der hintergründigen, allegorisch ebenso transparenten wie verrätselten, wiederum die eigene Schreibsituation und poetische Konzeption bzw. Variabilität thematisierenden Elegien, die laut Überschrift einem Studierzimmer gelten, Bisselius’ Arbeitsplatz. Doch lässt sich der Autor gar nicht auf das ein, was sonst in

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Briefen und Gedichten der Frühen Neuzeit als Museum eines humanistisch gebildeten Gelehrten, so gewiss auch eines gelehrten Jesuiten, evoziert wird, nämlich ein Studierzimmer mit Schreibpult und einer mehr oder minder großen Bibliothek (zu derartiger ›Museumslyrik‹ s. die Stellensammlung bei Kühlmann 1982, S. 279, dies unter dem Lemma »Bibliothekslyrik« weitergeführt von Werle 2007, S. 117–128.). Das Studierzimmer verwandelt sich im ersten Teil in eine Musengrotte (V. 8), vor den Unbilden der Witterung geschützt, in mancher Hinsicht (die sanften Zephyrwinde, V. 1,24) einem locus aemoenus ähnlich. Vor diesem Musenort, an dem sich die translatio studii von Osten nach Westen realisiert (s. im Kommentar zu V. 1,15) steht (Teilelegie 2) ein Maulbeerbaum, im Bayern des frühen 17. Jahrhunderts als realhistorische Referenz ganz unmöglich. Bisselius kannte gewiss das poetologische Signum der mit dem Maulbeerbaum zu assoziierenden Seidenraupe, Sinnbild der poetischen Originalität und Produktivität im Gegensatz zu den nur Fremdes sammelnden und kombinierenden Bienen (s. dazu im Kommentar; ein ähnlicher Gegensatz wie zwischen Drohne und Biene in I,21), huldigt zugleich mit der Erinnerung an Ovids Metamorphosen (die Erzählung von Pyramus und Thisbe) einem seiner antiken Vorbilder. Der latente Gegensatz von Seidenraupe und Biene wird im Folgenden variiert und aktualisiert, indem der Maulbeerbaum als Ort eines Zweikampfs zwischen zwei singenden Vögeln erscheint, die als allegorische Typen rivalisierender Dichter kaum zu verkennen und auch so entschlüsselt sind (V. 2,24: carmina nostra!): Der kleine Zaunkönig (vorgestellt im Gestus der Bescheidenheit) siegt (V. 2,22: habet cantu Regulus imperium) durch seinen kunstvollen und variablen Gesang (V. 2,25–30) über die neidische Nachtigall (V. 2,23; keinesfalls mit Friedrich Spees Trutz-Nachtigal zu identifizieren, die erst postum 1649 erschien und die Bisselius damals nicht kennen konnte) und darf sich schließlich seinen Lohn vom Himmel erhoffen (V. 2,34f.). Das sprechende Ich gibt sich zunächst nur als Beobachter des Geschehens. Indem dann der virtuos singende Zaunkönig selbst gegen die neidische Nachtigall das Wort ergreift (V. 2,21–24) und zur eigentlichen Nachtigall wird (V. 2,28!), verschmilzt dieses Vogel-Ich alsbald mit dem des sein eigenes Werk, die Deliciae (V. 2,33!), charakterisierenden Dichters, der sich freudenspendender Gaben rühmt und dessen Schaffen von einer rätselhaften geflügelten Gestalt (Merkur/Apollo oder der eigene Genius in der Bildfigur eines Engels?) beglaubigt wird. (V. 2,39f.). MVSEVM] Griech. mouseion bedeutet unter anderem ›Ort des Studiums der Wissenschaften und Künste‹, so gesagt z. B. von Athen, von Platons Akademie und der Bibliothek von Alexandria. Lat. museum für das Studierzimmer schon bei Varro, rust. 3,5,9; Sueton, Claud. 42,2.

Zu III,15,1 1 Penates] Als (di) penates werden die im Inneren des Hauses (penus) verehrten Schutzgottheiten der Familie bezeichnet, metonymisch dann auch das Heim

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selbst. Junktur von penetralia und sacra: Ovid, met. 1,287: [sc. flumina] tectaque cumque suis rapiunt penetralia sacris. – Junktur von penates und lar (s. unten zu V. 2,65) bei Livius 1,29,4: larem ac penates tectaque. Dass der Autor, der in einem Jesuitenkolleg lebt, hier ihm persönlich zugehörige Hausgottheiten einführt, ist der antikischen Darstellung zuzurechnen. 7 praeludia] Antik belegt ist nur praelusio (Plinius, epist. 6,13). 8 antra] Das von römischen Dichtern aus dem Griechischen übernommene Wort antrum erscheint auch als Wohnung der Musen: Horaz, carm. 3,4,40: [sc. vos Caesarem] Pierio recreatis antro. 15 Eoo … aequore] Eous ist in der römischen Literatur öfters Gegenbegriff von Hesperius. Eoum mare wird gewöhnlich bei Indien lokalisiert; vgl. Tibull 2,2,15f.: … gemmarum quidquid felicibus Indis / nascitur, Eoi qua maris unda rubet. – Phoebus ist hier nicht nur die Sonne, sondern auch Apoll als Führer der Musen. Die translatio studii von Hellas – Eoum mare dürfte hier auf die Ägäis Homers zu beziehen sein – nach Hesperien geschieht durch imitatio als Spiegelung und Brechung des ursprünglichen Lichts. Sehr wahrscheinlich bezieht sich Bisselius also hier auf eine Gedankenfigur, die in der humanistischen Lyrik seit Conrad Celtis’ Programmgedicht Ad Phoebum ut Germaniam petat (mit Übersetzung und Kommentar: HL, S. 68–71 u. 977– 979) geläufig war. 19f.] Gemeint ist hier wohl auch das Leiden des vom Gott besessenen vates, demnach mittelbar wohl auch die rinascimentale Topik der poetischen Inspiration; dazu umfassend Steppich 2002. 21f.] Zu levet kann das Objekt me aus dem vorhergehenden Satz (mihi) ergänzt werden. Klangwirkung durch gehäufte K- und L-Laute. 23f.] Indirektes Objekt zu sunt ist mihi aus Vers 21. 24 Thespidibus] Thespides ist eine wohl ad hoc gebildete Nebenform (in CLCLT–5 nicht belegt) von Thespiades (adjektivisch Ovid, met. 5,310; als Substantiv Varro, ling. 7,2,20), von der Stadt Thespiai am Helikon. Zur Konstruktion: otia gehört als nähere Bestimmung zu frigora und Zephyri; exhaustis Thespidibus kann sich auf die Mühen des langen Wegs, den Phoebus (V. 13– 18) und die ihn begleitenden Musen zurückgelegt haben, oder auch auf den beschwerlichen Schuldienst des Autors beziehen.

Zu III,15,2 Morus arbor] Schwerlich wurde zur Zeit des Dichters in Bayern der zur Seidengewinnung dienende weiße Maulbeerbaum angepflanzt, wie es im 18. Jahrhundert in wärmeren Gegenden Deutschlands geschah. Kälteresistent, aber für die Seidenraupenzucht weniger geeignet sind die Arten morus nigra oder morus rubra. Dennoch dürfte morus hier auf die Seidenraupe verweisen, die

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schon Petrarca als Sinnbild poetischen Schaffens anführt; vgl. Jöns 1998. – Petrarca distanziert sich in seinen Ausführungen über die Ausbildung eines literarischen Stils von Senecas Bienengleichnis (Seneca, epist. 84,5: nos quoque has apes debemus imitari et quaecumque ex diversa lectione congessimus, separare, melius enim distincta servantur, deinde adhibita ingenii nostri cura et facultate in unum saporem varia illa libamenta confundere, ut etiam si apparuerit, unde sumptum sit, aliud tamen esse quam unde sumptum est, appareat), indem er sagt (Petrarca, epist. fam. 1,8): Felicius quidem, non apium more passim sparsa colligere, sed quorundam haud multo maiorum vermium exemplo, quorum visceribus sericum prodit, ex se ipso sapere potius et loqui, dummodo et sensus gravis ac verus, et sermo esset ornatus. imminens] Vgl. Vergil, Aen. 1,165: desuper horrentique atrum nemus imminet umbra (vgl. unten V. 2,17: In nostrum migrâsse Nemus). Vom einzelnen Baum Horaz, carm. 3,22,5: imminens villae tua pinus esto. Reguli aviculae] Im Indiculus onomasticus seiner Aestivorum libri tres, quibus deliciae aestatis describuntur (1644) erläutert Bisselius: Regulus, I,81. Avicula exigua, auratâ verticis maculâ. Gr. Trochilus. Goldhänlin / Ochsenäuglin / Königlin. Das Goldhähnchen kommt, aber, da nur kümmerlich singend, in dem hier gegebenen Kontext nicht in Frage. Dass Regulus auch als ›Zaunkönig‹ verstanden wurde, vermerkt Gesner (Vogelbuch 1569/ND 1981, S. 145 sub verbo Regulus vel Trochilus): »So viel schrieben die Alten vom Goldhänlein/ wiewohl etliche dieser Stücke dem Zaunschlüpfferlein beygemessen/ welches gemeinglich für einen König gehalten / und mit diesem von vielen Skribenten verwirret wird.« Im übrigen ist ornithologisches Detail hier für Bisselius wenig relevant, da es auf den ›königlichen‹ Sieg des kleinen Vogels über die anmaßend neidische Nachtigall ankommt. Den Wagemut des Regulus akzentuiert Masen, Speculum (31681), cap. 73, num. 72: REGVLVS seu Trochilus avicularum paene est minima, quae tamen ingenti ausu reginam volucrum aquilam impetere dicitur. (4) Audacia. Diese Eigenschaft beweist der Vogel in unserem Gedicht. 1 Thysbëia MORVS] Die Schreibung des Eigennamens mit ›y‹ ist wohl als problematischer Gräzismus anzusehen. Das Trema wäre eher auf dem ›i‹ zu erwarten. Vgl. Ovid, met. 4,89f. (Erzählung von Pyramus und Thisbe): … arbor ibi niveis uberrima pomis, / ardua morus, erat, gelido contermina fonti. Zum Maulbeerbaum Masen 1681, cap. 79, num. 25: MORVS ultima paene arborum, transacto jam frigore, in flores erumpit. (10) Prudentia. sed tarditatem hanc prudentem celeritate germinis ac fructuum compensat, (11) Festinatio cauta. ne ab aestu tardentur. Mora (qui fructus sunt) succum primo candidum acidumque, deinde purpureum et vinosum, postea, jam plene matura et decidua, nigrum suavemque complectuntur. (12) Senes magis sapiunt. Salubris fructus, moderate refrigerat, foliis serici vermes pascuntur. (13) Mollium victus. Der informierte Leser konnte mit dem Maulbeerbaum also mehrere Eigenschaften, die für gelehrte Tätigkeit von Bedeutung sind, assoziieren. – An die Erzählung von Pyramus und Thisbe wurde mit der Junktur Thysbaea

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arbos auch in dem kunstvollen Lehrgedicht über die Seidenraupenzucht (De Bombyce) des vielgelesenen italienischen Späthumanisten Marcus Hieronymus Vida (1490–1566) erinnert (in der Edition der Gesammelten Werke. Lyon 1536, u. ö., S. 61–98, hier S. 74). 4 expassas … manus] Vgl. Gellius 15,15,1: Ab eo, quod est ›pando‹, ›passum‹ veteres dixerunt, non ›pansum‹, et cum ›ex‹ praepositione ›expassum‹, non ›expansum‹. Ibid. 3: et ›passis manibus‹ et ›velis passis‹ dicimus, quod significat diductis atque distentis. 4 virago] Als mutige und starke junge Frau kann Thisbe gelten, weil sie sich nach Entdeckung ihres toten Geliebten selbst den Tod gab. 5 densum folijs caput] Die Formulierung (folijs!) kann andeuten, dass der Maulbeerbaum Sinnbild der literarischen Tradition ist. Vgl. Ovid, ars 3,691f.: Nec densum foliis buxum fragilesque myricae / Nec tenues cytisi cultaque pinus abest. (In der Schilderung eines locus amoenus.) 8 ignotos] Scil. vom Autor in seinem Studierzimmer nicht erfahren, was die Übersetzung durch ›fernhält‹ andeutet. 9 (quaecunque est)] Die Parenthese kann gelehrt darauf anspielen, dass nicht geklärt ist, welche Vogelart regulus bezeichnet; sie kann aber auch die Frage anregen, wer mit diesem Vogel gemeint sein könnte. 17 Nemus] Oft für den Hain der Musen gebraucht. Ein einzelner, großer Baum hyperbolisch als nemus bezeichnet: Ovid, met. 8,743f.: Stabat in his ingens annoso robore quercus, / una nemus. 21 epos] Das griechische Wort bezeichnet im Lateinischen zumeist die epische Dichtung (Horaz, sat. 1,10,43; Martial 12,94); es zielt hier wohl auf deren Länge und hohen Anspruch. 21 furiosa volucris] Wieder Anspielung auf den ungenannten poetischen Rivalen. 22 habet cantu Regulus imperium] Mit diesem ein Wortspiel aufweisenden Satz kann neben der Qualität gelehrter lateinischer Dichtung auch die Maßgeblichkeit ihrer Poetik gemeint sein. 23 aëdon] Die Nachtigall wird in römischer Literatur außer luscinia und philomela (vgl. Ovid, met. 6,412–674 den Mythos von Procne und Philomela) auch griech. a)h/dwn genannt (z. B. Seneca, Agam. 671). 25 metra] Das aus dem Griechischen übernommene Wort metrum bezeichnet metonymisch den Vers selbst. In das Bild singender Vögel passte freilich ›Takte‹ besser, doch sollte der Bezug auf die Dichtung, der zuvor schon durch epos, carmina und carmen angedeutet ist, gewahrt bleiben. 26 dociles gutture dante vias] Enallage.

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27 acanthis] Acanthis oder acalanthis (griech.) = ›Distelfink‹ (Stieglitz) oder ›Goldfink‹; vgl. Vergil, georg. 3,338: litoraque alcyonem resonant, acalanthida dumi. Das lateinische Äquivalent FDUGXƝOLV passt nicht ins Versmaß. 31f. Mox … opes.] Vgl. oben zum Titel von Teilelegie 2. Aus agili … pennâ lässt sich leicht eine Selbstcharakteristik des Dichters herauslesen: Seine Schreibfeder ist flink und wandlungsfähig. 33 DELICIAS] Die Großschreibung weist auf den Titel des Werkes selbst hin; folglich ist der ganze Passus (V. 25–30) als dessen Charakteristik zu lesen. 36 imber] Regenguss; in poetischer Sprache auch: ›Feuchtigkeit, Nass‹ (jeder Art). Ist dieses Nass ein Äquivalent des Musenquells? 38 fulgura] Wohl Geistesblitze poetischer Inspiration. 40 Aliger] Während der Vogel regulus für den poeta doctus zu stehen scheint, kann Aliger einen Engel oder auch den Götterboten Merkur mit seinen geflügelten Sandalen und der geflügelten Mütze meinen (wie Statius, silv. 3,3,80f.: summi Iovis aliger Arcas / nuntius), der auch Schutzgott der redenden Künste ist. 40 temperat] Tempero im musikalischen Kontext: Properz 2,34,79f.: tale facis carmen docta testudine, quale / Cynthius impositis temperat articulis; Horaz, carm. 4,3,17f.: o, testudinis aureae / dulcem quae strepitum, Pieri, temperas; Ovid, met. 10,108 (von Apollo): qui citharam nervis et nervis temperat arcum. 41 LAR] Hiermit wird der Kreis zu den Penaten des Anfangs geschlossen (vgl. Anm. zu V. 1,1). Die Identifikation von Aliger bleibt in der Schwebe.

Zu Elegie III,16 (WK) Hier nun wie so oft neben der thematischen Verzahnung und Gruppenbildung der in doppelter Hinsicht gesuchte Kontrast: 1.

2.

indem nach dem Arbeitszimmer des Ordensgeistlichen (III,15) nun das Thema Jagd, mithin der Auszug in Feld, Wald und Gebirge in den Mittelpunkt rückt, indem die erste dieser Jagdelegien (III,16) zwar mit antikisierenden Landschaftsbegriffen übermalt wird, tatsächlich ihrem Thema nach zum lebensweltlichen Erfahrungsbereich des Autors und seiner Leser gehörte, jedoch die zweite, mehrteilige Elegie (III,17), mit einem kuriosen Sujet tief in den apokryphen Anekdotenfundus der mittelalterlichen Geschichte ausgreift.

Das Jagdthema war in der Antike durch literarisch nobilitierte, in der Elegie stichworthaft und offenkundig planmäßig zitierte Exempel berühmt (s. Art. ›Jagd‹.

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In: NP, Bd. 5 [1998], Sp. 834–836 [Helmuth Schneider]): Herakles und der Nemeische Löwe bzw. Erymanthische Eber; Meleagros und der Kalydonische Eber, dazu unter anderem Homer, Il. 9, 533–549; Ovid, met. 8, 273–424; aber auch die Jagd des Actaeon, Ovid, met. 3, 138–252. Bisselius zielt aber in seiner letzthin satirischen Darstellungskonzeption sichtlich auf einige in der frühneuzeitlichen Literatur durchaus heikle Wirklichkeitsbezüge, insofern damit das Jagdprivileg des Adels und somit auch die bis weit ins 18. Jahrhundert oft beklagten Übergriffe des Adels auf die Bauern (Schädigung der Ernten, Fronarbeiten als Treiber usw.) kaum zu verdrängen waren. Mit der Figur des ›gewaltigen Jägers‹ Nimrod (Gen 10,9) lag eine diesbezügliche biblische Bezugsfigur vor. Einen Eindruck von den Auseinandersetzungen geben Werke des lutherischen, aus Sachsen stammenden, zuletzt in Straßburg lebenden Theologen und Autors Cyriacus Spangenberg (1528–1604). In seinem konzeptionell wegweisenden Beitrag zur sog. Teufelsliteratur (Der Jagdteuffel, 16 Ausg. seit dem Erstdruck: Eisleben 1560, Neuausg. Ria Stambaugh. Berlin/New York 1980) ließ er mit bemerkenswerter Schärfe Töne des Bauernkriegs anklingen und wandte sich in polyhistorischer Einbindung sowohl des antiken wie auch des frühneuzeitlichen, dabei auch des lateinischen Schrifttums, unter Berufung auf die Bibel, aber auch auf das ›Naturrecht‹ gegen die schrankenlose Willkür des Adels, dessen Jagdleidenschaft die Bauern verelenden lässt (Ed. 1980, S. 220): »Daher es kömpt/ das die Thiere/ so nach natürlichem Recht gemein/ und nach andern rechten des sind/ der sie fehet/ nu allein die Herrn und Junckern Tyrannischer weise/ mit freveln geboten/ unter sich reissen/ Denn da nimpt man den bawren ihre Gütter und Ecker/ müssen sich ihrer gründe und boden verzeihen/ man verbeut Wald und Weide den Hirten/ das nur das Wild desser mehr abzufretzen habe/ und sich denselben Junckern zur wollust mesten möge.« Ähnliche Passagen enthält Spangenbergs umfangreicher Adels Spiegel (2 Tle., Schmalkalden 1591 u. 1594), »das ambitionierteste frühneuzeitliche Kompendium zum Thema ›Adel‹« (Horst Carl). In der neulateinischen Versliteratur lyrischen Zuschnitts nahm das Thema Jagd in Deutschland nur bei Bisselius’ Ordensbruder und Dichter-Konkurrenten Jacob Balde einen beachtenswerten Raum ein: sowohl im gesamten ersten Buch der Sylvae, das unter dem Titel De venatione 17 Gedichte enthält (Erstdruck 1643, dazu Balde/Lefèvre 2010), sowie im satirischen Porträt des ›königlichen Jägers‹ Hippolytus Scarabaza in Baldes elegischem Spätwerk, dem großangelegten Zyklus Urania Victrix (ersch. 1663, dazu die Heidelberger Teiledition 2003, daraus das folgende Zitat, S. XL). In ihrer Antwort (IV,2) auf die Werbungen des mächtigen Jägers artikuliert Urania auch die zeitgenössische Kritik an den Auswüchsen des Jagdwesens: Estis, iô, Regum (sed proh dolor!) inclyta pompa Invidiosa tamen, quin onerosa nimis. Quantum auri insumunt lato venabula ferro! Ingentes census prodigit hasta nocens. Debita pauperibus saturant alimenta molossos: Implenturque canes esurit aeger homo.

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Ihr seid, heißa!, der Könige berühmtes Gefolge, aber ach [o Leid!], doch mißliebig, ja allzu beschwerlich. Wieviel Geld verbrauchen die Jagdspieße für das breite Eisen! Gewaltige Steuereinnahmen verschwendet die schändliche Lanze. Lebensmittel, die für die Armen nötig wären, sättigen Molosserhunde; Hunde schlagen sich voll, im Elend darbt der Mensch.

Obwohl es bei Bisselius um eine größere Jagd geht, bei der die Tiere, vor allem Großwild, von Hunden und Treibern zuletzt zum Abschuss in ein Netz gejagt werden (erster Teil V. 1–20), enthält sich Bisselius hier jeder offenen Kritik. Stattdessen entfaltet er im zweiten Teil (bis V. 46) einen genialen Einfall, um die Jagdheroen satirisch, ja geradezu in schwankhafter Beleuchtung der Lächerlichkeit preiszugeben. Er zeichnet die »nemorum dormitores« (V. 40) und »Martia corda«(V. 44) als abergläubische und kleinmütige Angsthasen, die sich vor den eigenen, gar nicht sichtbaren Schatten (V. 23), den eben erlegten Tieren (V. 24), vor jedem Kleinlebewesen (V. 34), jedem Geräusch, ja selbst vor dem Wind im nächtlichen Wald (V. 35–41) bis zum Weinen (V. 41) fürchten. Die Elegie endet mit einer Coda (V. 47–50), mittels welcher, durch einen Musenanruf (V. 49) markiert, der Übergang zur folgenden Elegie (III,17) gelingt: Hier wird eine Hase, der eben noch Gejagte, zum großen militärischen Helden. Vorbehalte gegen Standesprivilegien kommen auch an anderer Stelle der DV zur Geltung, wie etwa in der Beschreibung der Günz-Wiese mit ihren quasi egalitär wachsenden Planzen (III,6). 1 Maenala] Wildes Waldgebirge in Arkadien, Aufenthalt auch der Jagdgöttin Diana (Ovid, met. 2,415; 442) 2 Nemeae valles] Anspielung auf den Nemeischen Löwen, den Herakles erlegte (vgl. Vergil, Aen. 8,295); Nemea, Stadt in der Argolis. 2 Taygeti nemus] Taygetos, Waldgebirge auf der Peloponnes. 5 Appula vulpes] Wohl in Variation der bei Horaz erwähnten Apulischen Wölfe (carm. 1,33,7). 8 plagae] Wohl die ›Schläge‹, d. h. Geräusche der Treiber (so auch heute noch bei Treibjagden), mit denen das Wild aufgescheucht wird. 11f. Hylax … Laelaps … Hylactor … Pamphagus] Sprechende Hundenamen; syntaktisch und in der Versrhythmik bemerkenswert mit je einem handlungstypischen differenzierenden Verbum zu kurzen Kola kombiniert; genaue und sinnreiche intertextuelle Anspielung insofern, als diese Namen aus dem berühmten Katalog der Hundenamen bei Ovid (Schilderung der Jagd Actaeons) entnommen sind; vgl. Ovid, met. 3,206–225. 19f.] Das Anstimmen des Siegesliedes (Paean) kontrastiert der Schilderung im zweiten Teil der Elegie. 26 Meleagraea cuspide fossus aper] Die Jagd des Meleagros auf den Kalydonischen Eber; s. o. in der Einleitung; die Formulierung in wörtlicher Anlehnung an Ovid, epist. 4,172: et cadat adversa cuspide fossus aper.

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26 Actaeonijs … sagittis] Die Pfeile des Jägers Actaeon; s. in der Einleitung und zu V. 11f. 29 Molossus] Massiger Kampf- oder Jagdhund (so auch bei Balde, s. o. in der Einleitung); vgl. Vergil, georg. 3,405; Horaz, epod. 6,5. 30 Cerberus] Der berüchtigte Höllenhund, ›Locus classicus‹: Vergil, Aen. 6,417f. 30 Stygii Iovis] Pluto als Herr der Unterwelt, Bruder Jupiters; hier im christlichen Kontext auch mit der Angst vor dem Teufel zu assoziieren. 31 Caledoniae … sylvae] S. zu V. 26. 34 raserit … iter] Als Enallage verstanden; vgl. Vergil, Aen. 5,217: radit iter liquidum celeris neque commovet alas. 37 Stant … comae] Die Formulierung bewusst und ironisch koordiniert mit dem folgenden (V. 41): stata mens. 45 Actaeonas] s. in der Einleitung sowie zu V. 11f. u. 26. 46 Gargaphis unda] Anspielung auf den mit einer Quelle versehenen Talgrund bzw. die Grotte der Diana, die Actaeon in einen Hirsch verwandelte und von ihren Hunden zerreißen ließ; vgl. Ovid, spez. met. 3,155f.: Vallis erat piceis et acuta densa cupressu / nomine Gargaphie, succinctae sacra Dianae. 48 ad Hannibalis non pavefacta minas] Anspielung auf die drohende Belagerung Roms durch Hannibal im zweiten Punischen Krieg nach der Niederlage bei Cannae (216 v. Chr.). 49 Musa, mihi memora] Wörtlich nach dem berühmten Versanfang von Vergil, Aen.1,8, hier andeutend, dass sich Bisselius eines historisch-epischen Stoffes, jedoch in komisierender Beleuchtung annimmt.

Zu Elegie III,17 (LC/WK) Zur Einführung zitieren wir (ausnahmsweise) aus der Feder eines modernen Autors die spektakuläre literarische Verarbeitung jener illustren Personenkonstellation, die Bisselius’ Elegie behandelt, nämlich eine Passage aus den späten Tagebüchern von Ernst Jünger: Siebzig verweht I. Stuttgart 1980, S. 268f. (hier auch manches, was Bisselius nicht berührt): Korsika darf sich nicht nur eines Kaisers rühmen, sondern auch eines Papstes, der aus diesem Städtchen Sagone hervorgegangen ist. Er hieß Formosus und bestieg im Jahr 891 den Apostolischen Stuhl. Arnulf von Kärnten wurde von ihm zum Kaiser gekrönt. Allerdings zählt er zu jenen Päpsten, deren Regiment als das der »Pornokraten« in die Geschichte eingegangen ist.

Einführungen und Kommentare

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Am Wirken des Formosus und an den Händeln seiner Zeit ist vieles dunkel; es scheint, daß Nietzsches Vision »Cesare Borgia als Papst« schon damals der Verwirklichung nahegekommen ist. Die Giftmischerei muß hoch in Blüte gestanden haben; es heißt, daß auch Arnulf ihr zum Opfer gefallen sei. Man soll ihm einen Trank gegeben haben, der ihn zunächst stupid machte und dann allmählich seine Eingeweide zerfraß, so daß er drei Jahre später in Deutschland zugrunde ging. Ursache war ein Blutbad, das Arnulf unter den Gegnern des Formosus in der römischen Aristokratie angerichtet hatte; den Überlebenden forderte er den Treueeid ab. Aber auch Gutes wird von Formosus berichtet: so, daß er mit achtzig Jahren jungfräulich starb. Frodoard rühmt ihn als »castus, parcus sibi, largus egenis«. Freilich gibt es wohl kaum einen Tyrannen, der nicht seine Lobsänger gefunden hat. Von den egeni, den Bedürftigen, ist anzunehmen, daß damit arme Verwandte und überhaupt Klienten in weitestem Umfang gemeint waren. Formosus müßte sonst kein Korse gewesen sein. Posten und Pfründen wurden durch Arnulfs Proskriptionen in Menge frei. Dieser mit Grausamkeit verquickte Nepotismus macht den Haß begreiflich, mit dem Formosus noch nach seinem Tode verfolgt wurde. Nachdem sein Nachfolger, Bonifaz VI., ein Zwischenspiel von nur fünfzehn Tagen Dauer gegeben hatte, wurde der fürchterliche Stephan VII. zum Papst gewählt. Zu seinen Erfindungen gehörte die »Synode des Entsetzens«, die den Formosus posthum verurteilte. Sein Leichnam wurde ausgegraben und, mit dem Ornat bekleidet, auf den päpstlichen Stuhl gesetzt. Zur Verteidigung wurde dem Toten ein Advokat gegeben, und am Ende der makabren Verhandlung sprach Stephanus das Urteil aus. Der Leichnam wurde der Insignien beraubt und in den Tiber geworfen, nachdem man ihm drei Finger und den Kopf abgehackt hatte. Im Schreckenskabinett der Geschichte gebührt dieser Schandtat einer der dunkelsten Winkel, zusammen etwa mit der Hinschlachtung des byzantinischen Andronikos.

Diese Elegie gehört zu einer unter dem Titel Venatio stehenden Gruppe (III,16– 17) und scheint auf den ersten Blick kaum mehr als Bisselius’ kuriosen, auch das Entlegene einbeziehenden Einfallsreichtum zu bestätigen, mit welcher (in Analogie etwa zu den Storchen-Elegien I,10–13) Historisches mit einem Tier, hier dem Hasen und der Hasenjagd, verknüpft wird, das den Radius der im Gesamtzyklus behandelten Species von Flora und Fauna bereichert. Im Kern aber haben wir vor uns eine vor allem in der fünften Teilelegie durch eine teilweise burleske Darstellungsnote in ihrer historisch-politischen Brisanz entschärfte Vergegenwärtigung der Eroberung Roms (895) durch Herzog Arnulph (Arnulf) von Kärnten (seit 887 ostfränkischer König; Kaiserkrönung 896), der auch in Bayern (mit Regensburg als Zentrum) herrschte, einer Eroberung im Dienste des damaligen Papstes Formosus, der durch innerrömische Unruhen bedrängt war (1,27f.). So profiliert sich als Poet auch der Historiker Bisselius, der bald darauf (1639) für ein Jahr das Amt des bayerischen Hofhistoriografen bekleidete und in dieser Funktion mit denselben unlösbaren Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, vor denen nach kurzer Zeit er selbst wie vor und nach ihm auch andere Jesuiten, unter ihnen Jacob Balde (s. Benz 2003, S. 483–495, sowie oben in der Einleitung des Bandes) resignierten, nämlich vor der Behandlung Kaiser Ludwig IV., des Bayern (1281–1347), dessen Königswahl schon angefochten wurde (bald Doppelkönigtum, 1314) und der im Zusammenhang mit dem Investiturstreit erbitterte Kämpfe mit den Päpsten Johannes XXII. und Gregor VII. ausfocht, von diesem gebannt und schließlich im Reich entmachtet wurde. Es ergibt sich so eine interessante perspektivische Opposition: Während Formosus Gegnern in der Stadt Rom zeitweise weichen musste, hatte Ludwig seine Kaiserwahl (1328) nicht zuletzt dem

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römischen Stadtvolk zu verdanken. Indem Bisselius in diesen Elegien Arnulf als Retter des Papstes im Widerschein einer alten Allianz auftreten lässt, schreibt er geradezu eine Kontrafaktur zur neuralgischen Ludwig-Historie. Dem dabei schier unlösbaren Konflikt zwischen Papsttreue und bayerischem Territorialpatriotismus ließ sich auf diese Weise entspannt aus dem Weg gehen. Unverkennbar ist auch, dass sich der große Appell an den Kaiser, in den Kampf gegen die Aufrührer zu ziehen (2,20ff.), nicht nur auf den frühmittelalterlichen Kampf um die Herrschaft in Italien, sondern zum Erscheinungsjahr der DV (1638) auch auf die Konfrontationen des Dreißigjährigen Krieges beziehen lässt. Die Quellenangaben am Ende des Vorspanns nehmen unter anderen mit Andreas Brunner S.J. (1589–1650, zu ihm und den anderen genannten Personen s. u. im Kommentar) Bezug auf einen Tiroler, zeitweise auch in Dillingen bzw. München lehrenden namhaften Ordensbruder, der von Kurfürst Maximilian I. zum Historiografen ernannt worden war und in mehreren Publikationen als Geschichtsschreiber Bayerns hervortrat. Sehr wohl möglich, dass sich Bisselius auch von einem scherzhaften Gedicht über die Hasenjagd bei Martial (12,14) hat inspirieren lassen. Dass die von Bisselius ausgesponnene Hasenanekdote eine eigene Literaturgeschichte hat, deuten Verse an, die Paulus Beniaminus Nasgot in seine zu Konstanz 1792 erschienenen Epigrammatum Libri IV einreihte (S. 45); hier in der Serie seiner in Distichen gefassten Kaiserporträts (De Imperatoribus Romanis) unter der Überschrift Arnulphus:

Lepus è dumento excitatus occasio fuit Expugnationis Romae. Per Leporem fit saepe Lepor, proverbia dicunt: Roma hoc per leporem seria damna tulit. Die sechs Teile von III,17 sind etwa folgendermaßen gegliedert:

I. Aufstand der Römer gegen Formosus 1-12

13-28 29-34

Da der Dichter von Kriegen singen will, soll ihm die Elegie größere Möglichkeiten eröffnen; doch da der Sieg durch Flucht und durch einen Hasen, der ungleichen Schritt hat, zustandekam, ist die Elegie die angemessene Form. Neben Apollo gebührt auch Diana Lob wegen der darzustellenden Ereignisse. Rom, einst Herrin der Welt (13–22, eingeschobene laus Romae), jetzt unter dem Schutz der Heiligen, insbesondere des Petrus und des Paulus (23–26), ist durch einen Aufstand gebrochen. Gegen den heiligen Vater hat sich Rom, eine zweite Tullia, erhoben.

II. Italienzug Kaiser Arnulphs 1-8 9–50

Die Strafe folgt unmittelbar: Kaiser Arnulph greift Rom an. Apostrophe an Kaiser Arnulph.

9-12

Glückwunsch an Arnulph und Ankündigung, dass der Dichter wie ein Seher verkünden will, was geschehen wird. Die Natur wird mit Winden und Vögeln Zeichen geben, dass sie dem Unternehmen des Kaisers gewogen ist.

13-18

Einführungen und Kommentare 19-26 26-32 33-38 39-44 45-50

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Der Aufstand war von Anbeginn zum Scheitern verurteilt, weil er ungerecht ist. Der Tiber wird Zeichen geben, dass er auf der Seite des Kaisers ist. (Als Frage: Aspicis, ut … 27; Cernis, ut … 29) Die Orte um Rom, Tibur (33), Praeneste (35), Tusculum (35), Nomentum (36) und Ostia (37) werden sich dem Kaiser anschließen. Aufforderung an den Kaiser, den Zug zu unternehmen. Der Aufforderung schließt sich auch die Milvische Brücke an, die Zeuge der Aufdeckung der catilinarischen Verschwörung und des Untergangs des Maxentius war.

III. Belagerung Roms; die Engelsburg 1–14 Rom vom kaiserlichen Heer eingeschlossen; Belagerungsmaßnahmen. 15–24 Durch diese lassen sich die Aufrührer nicht erschüttern; die Hügel Roms sind wie einzelne Burgen, aber selbst wenn sie den Verteidigern keinen Schutz böten – man gelangt nur über eine unbegehbare Brücke, die im Schutz der Engelsburg steht, über den Tiber 25–52 Die Engelsburg. 25–28 Das Mausoleum des Kaisers Hadrian ist so gewaltig, dass daneben der Tiber fast verschwindet. 29–32 Es trägt seinen Namen nach dem (schützenden) Engel auf seiner Zinne. 33–42 Dies gewaltige Bauwerk erinnert an die Burg Troja, ja Juppiter hätte hier vor den Giganten Zuflucht gefunden. Es ist der Hauptstützpunkt der Aufrührer. 43–46 Dies Bauwerk lässt an einen Gott als Erschaffer denken, ja an den Turm von Babylon. 47–52 Oben auf der Engelsburg befindet sich eine freie Fläche, die kaum mit einem Steinwurf erreicht werden kann. 53–56 Von dort schleudern die Verteidiger ihre Geschosse. 57–62 Das Heer des Kaisers bedient sich ähnlicher Mittel, aber mit weniger Erfolg.

IV. Vergebliche Verlängerung der Belagerung und beinahe Verzweiflung am Sieg 1–10 Die Belagerung zieht sich ein ganzes Jahr hin. 11–20 Wegen der Belagerung herrscht in Rom Hungersnot, Frauen und Kinder wünschen Frieden. 21-24 Die Führer des Aufstands bleiben trotzdem ungebrochen. 25-30 Aber auch das kaiserliche Heer gibt die Hoffnung nicht auf. 31-36 Scheinbar gibt der Kaiser auf: Er lässt in weiterer Entfernung von Rom ein zweites Lager beziehen. 37-62 Am siebten Tag danach findet der Kaiser nachts keine Ruhe – ausführlicher Vergleich mit einem spanischen Flottenadmiral (41–51), bis er schließlich in kurzem Schlaf einen Hasen die Mauern Roms übersteigen sieht. 63-80 Er fährt ermutigt aus dem Schlaf auf, berichtet von seinem Traum und lässt das Heer sich rüsten.

V. Eroberung der Stadt dank einem Hasen 1-8

Als das kampfbereite Heer vorrückt, bricht ein Hase, der sich an der Milvischen Brücke versteckt hat, erschreckt hervor. 9-18 Kaum hat man den Hasen erblickt, setzt das Heer, zuerst im Spaß, dann immer ernsthafter, zur Verfolgung an. 19–26 An diesem Tag waren die Mauern Roms, auch im Vertrauen auf den – scheinbaren – Abzug des Kaisers nur spärlich bewacht, vor der Mauer nur wenige, dem Spiel ergebene Posten.

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27–34 Als das Kaiserliche Heer unter großem Lärmen herannaht, scheint den Posten Flucht das Beste. 35-40 Während man noch zögert, ist der Feind da, und man flieht zum Stadttor. 41-50 Die kaiserlichen Truppen merken davon zunächst nichts, sondern jagen hinter dem Hasen her, sich mit dem Ruf »Has!« anfeuernd, was die Römer als Latein auffassen. 51-58 Als das Heer den Hasen an der Stadtmauer in die Enge getrieben hat, bemerkt es, dass die Posten auf der Flucht das Stadttor nicht geschlossen haben. 59-70 Man nutzt die Gelegenheit, und im Nu ist die Stadt erobert.

VI. Arnulphs Triumph 1-4 5-24

Im Triumph zieht der Kaiser aufs Kapitol. Ehrung des Hasens.

5-10 11-16

Der Hase, Anlass des Sieges, wird feierlich mit einem Denkmal geehrt. Rings um den Hasen Heeresadler zum Zeichen, dass der Hase mehr vermocht hat als sie; zu seinen Füßen die Aufrührer und das besiegte Rom. 17–24 Eine Inschrift lässt den Hasen sprechen, dass durch seine Flucht der glückliche Sieg errungen wurde, so schnell, dass der fliehende Hase Alexanders und Caesars Siege in den Schatten stellte.

FORMOSVM] Formosus, ca. 816 in Rom (?) geboren, 864 Kardinalbischof von Porto in Italien, von Papst Nikolaus I. zur Bekehrung Bulgariens entsandt; von Papst Hadrian II. und Johannes VIII. 869 bzw 875 mit Missionen nach Frankreich betraut. Nachdem er 876 das Misstrauen Johannes VIII. erregt hatte, floh er aus Rom und wurde exkommuniziert. Absolution durch Papst Marinus I., der ihn 883 wieder als Bischof von Porto einsetzte. Während der Pontifikate von Marinus, Hadrian III. und Stephan V. (VI.) wuchs sein Einfluss. So wurde er am 6. Oktober 891 zum Papst gewählt. Um Rom von den Gegenkaisern Guido und dessen Sohn Lambert von Spoleto zu befreien, rief er die Hilfe des ostfränkischen Königs Arnulf an. 896 krönte er Arnulf in Rom zum Kaiser. Bevor dieser Spoleto angreifen konnte, musste er sich krankheitshalber nach Deutschland zurückziehen; Formosus starb kurz danach am 4. April 896 in Rom. Unter der Leitung seines Nachfolgers Stephan VII. (VIII.) fand in Rom eine Synode statt, auf der ihm posthum der Prozess gemacht wurde (›Cadaver-Synode‹). Sein Leichnam wurde exhumiert, seine Wahl zum Papst für ungültig erklärt, seine Erlasse für unwirksam, die Segensfinger abgeschlagen und sein Leichnam dann erst in eine Grube, später in den Tiber geworfen. Das führte zur politischen Spaltung Roms: Stephan wurde ins Gefängnis geworfen und dort stranguliert; Papst Theodor II. setzte die Ordination des Formosus wieder in Kraft und bestattete seinen Leichnam feierlich. ARNVLPHVS] Gest. 899 (zu ihm s. mit der älteren Forschung Walter Schlesinger in: NDB, Bd. 1 [1953], S. 395f.). Arnulf war Herzog von Kärnten, illegitimer Sohn von Karlmann, dem ältesten Bruder Karls III. des Dicken, der König von Bayern war. Arnulf erbte das Herzogtum Kärnten von seinem Vater, wurde aber von der Thronfolge als König ausgeschlossen. Arnulf gelang es, die Herrschaft in Kärnten und die Grenzen des Landes zu sichern. Auf dem Reichstag zu Frankfurt im November 887 revoltierten die ostfränkischen

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Fürsten gegen den unfähigen Kaiser Karl den Dicken und wählten Arnulf zum König der Ostfranken, während die Westfranken, Burgund und Italien ihn nicht anerkannten, sondern Könige aus ihrem eigenen Adel wählten (Ende des karolingischen Gesamtreichs). Arnulfs Machtzentrum blieb Bayern, aber es gelang ihm, seine Macht als deutscher König in Lothringen zu behaupten und auch eine lockere Autorität über die anderen Könige auszuüben. Als Formosus Hilfe gegen Guido und Lambert von Spoleto suchte, unternahm er 894 einen ersten, im Oktober 895 einen zweiten Heereszug nach Italien und erschien vor den Mauern Roms. Rom fiel und Arnulf wurde am 22. Februar in St. Peter zum Kaiser gekrönt. Zu den Einzelheiten nach wie vor (anhand der alten Chroniken) ergiebig Dümmler (21888), bes. zum zweiten Romzug Arnulfs und der Befreiung des Papstes S. 413–420, zur Erstürmung Roms S. 418 (ohne die Hasenanekdote). Gvidone] Guido II, Sohn Guidos I., Herzog von Spoleto; erhob während der Wirren am Ende der karolingischen Epoche Ansprüche auf den Kaiserthron; zwar hatte er 888 trotz der Unterstützung durch Erzbischof Fulk von Reims keinen Erfolg mit dem Streben nach dem Thron der Westfranken, doch gelang es ihm 889, König Berengar von Italien (888–924) zu bekämpfen und sich von Papst Stephan V. zum Kaiser krönen zu lassen. Guido starb 894. Horat. Tursellin] Der Jesuit Horatius Tursellinus (Torsellini, 1545–1599), berühmter Verfasser rhetorischer und vielgelesener historischer, darunter auch ordensgeschichtlicher Werke (unter anderem zu Franz Xaver) lehrte 20 Jahre lang am Collegium Romanum, anschließend auch in Florenz. Von Bisselius ist hier offenbar gemeint: Historiarum ab Origine Mundi usque ad annum […] Epitome. Rom 1598. Zahlreiche Drucke und Fortführungen (u. a. Douai 1600, Lyon 1620 u. ö., Köln 1621 u. ö. Die Hasengeschichte mit sichtlichem Missbehagen kurz erzählt in der Ausg. Köln 1629, 299f. mit der Bilanz: Ex eo tempore Germani proceres sibi ius imperii etsi nondum maturum, nec iure partum, vsurparunt. Zur breiten Wirkung Torsellinis in den katholischen Ländern Europas und zur Differenzierung der bis weit ins 18. Jahrhundert reichenden ca. 135 Drucke (auch in Übersetzungen) s. Neddermeyer 1988. Rhegin.] Regino, Abt von Prüm (gest. 915), unter anderem Verfasser eines im Mittelalter vielgelesenen Chronicon, hier bes. zum Jahr 896; in der Edition von Fridericus Kurze. Hannover 1890, S. 144. Sigeberto] Sigebert von Gembloux (Sigebertus Gemblacensis, ca. 1030–1112, Chronica, Hg. v. L. Bethmann, MGH. Scriptores 6, Hannover 1844 (Nd. Stuttgart 1980; zum Jahr 900 (!); mit der Hasen-Anekdote): Formosus Portuensis episcopus Romanae aecclesiae centesimus xiiii-us presidet contra voluntatem quorundam Romanorum, qui Sergium diaconum Romanae aecclesiae papam facere uoluerant, sed non preualuerant. Hic Formosus cum aliquando in sinistram suspicionem uenisset octauo Iohanni papae, timore eius fugiens episcopatum Portuensem reliquit; et quia revocatus a papa redire noluit anathematizatus est; et tandem ad satisfaciendum papae

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in Galliam veniens usque ad laicalem habitum degradatus est, iurans se non amplius Romam intraturum nec episcopatum suae urbis repetiturum; confirmans etiam propriae manus subscripto se in laicali communione perseveraturum. Post a Marino successore Iohannis in episcopatu contra datum sacramentum restitutus, non solum Romam intravit, sed etiam Romanae aecclesiae papatum suscepit. Propter quod cum multo scandalo multa per multos annos questio et controversia agitata est in aecclesia; aliis eius et ab eo ordinatorum consecrationem irritam esse debere preiudicantibus, aliis e contra, qualiscunque fuerit Formosus, tamen propter sacerdotalis officii dignitatem et fidem eorum qui ordinati fuerant, omnes consecrationes eius ratas esse debere saniori consilio iudicantibus; presertim cum ipse Formosus a Marino papa absolutus fuerit a sacramenti periurio. Ab hoc Formoso Arnulfus rex invitatus Romam venit, sed non admissus, Romam Leonianam obsedit. Lepusculo forte versus urbem fugiente, et exercitu cum clamore nimio sequente, Romani timentes se de muro proiciunt, et hostibus per factos acervos murum ascendendi locum faciunt. Sic Roma capta, illos qui papam iniuriaverant, decollari fecit, et a papa in imperatorem benedicitur. Fulco Remorum archiepiscopus perimitur a VVenemaro satellite Balduini Flandrensium comitis, pro eo quod abbatiam sancti Vedasti Atrebatis a Karolo in beneficium acceperat, quam Balduinus iam per aliquot annos, quamvis nullo concedente, inuaserat. P. Andreas Brunner] Aus Tirol stammender, zeitweise in München und Dillingen, zuletzt in Innsbruck wirkender Jesuit (1589–1650), Prediger, Dramatiker und Geschichtsschreiber, von Kurfürst Maximilian 1622 mit dem Amt eines bayerischen Historiografen betraut; zunächst als Assistent Matthäus Raders S.J. Als sein Hauptwerk ist anzusehen: Annales Virtutis et Fortunae Boiorum. 3 Bde. München 1626–1637, von Leibniz 1710 neu ediert. Auch er scheiterte letzthin an der Aufgabe, die Geschichte Kaiser Ludwigs des Bayern zu schreiben. Brunner war wohl recht eng mit Jacob Balde befreundet, der an ihn eine seiner Oden richtete (Lyr. 1,33). Zu Brunner s. Westermayer (1868/1998), passim, Benz 2003, passim (wenig ergiebig) sowie zusammenfassend Sieveke 2008. Bisselius bezieht sich hier offenbar auf Brunners eben erschienene: Excubiae tutelares […] LX heroum. München 1637 (auf Deutsch erschienen Nürnberg 1681 als Schau-Plaz Bayerischer Helden), hier die Geschichte als Lachnummer der ganzen Welt erzählt, S. 113f.: Quod praeter Romam totus orbis rideat, Lepusculus ad capiendam vrbem ARNULPHO ducem se praebuit. illum e suo exiliente cubili dum militaris turba vndique coorta ardore venatico insequitur, praesidiarij turribus moenibusque Romanis impositi sese peti rati, ipsi quoque Lepores sed galeati manuum armorumque obliti in pedes se coniecere. Ita Lepus captae vrbis pretio libertatem redemit.

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Zu III,17,1 1–4 NVNC … lyrae] Ironisch-pathetisches Prooemium: Die Elegie soll ein episches Thema fassen. Bemerkenswert die in dieser Partie gehäuften Allusionen auf klassische Stellen, ein Verfahren, das Bisselius sonst meidet. 1 NVNC mihi, nunc alios] Vgl. Horaz, sat. 2,2,135: Nunc mihi, nunc alii. 2 Castalius … fons] Vgl. Martial 12,2,13: Fons ibi Castalius vitreo torrente superbit. 2 vena … meliore fluat] Vgl. Ovid, Pont. 4,2,20: Et carmen vena pauperiore fluit. 3 arma canam] Vgl. außer dem Beginn der Aeneis auch Properz 3,9,47f.: Te duce vel Iovis arma canam caeloque minante / Coeum. 3 nova bella] Häufige Junktur, z. B. Vergil, Aen. 6,820; Ovid, am. 2,12,21 und mehrfach bei Silius; ist hier zugleich ein genus ludicrum wie Baldes Batrachomyomachia gemeint? Vgl. deren Beginn: Invisas acies … hinc canere incipimus. 3 cognita Soli] In der Spätantike und im Mittelalter nicht seltene Junktur, bei der aber durchweg soli von solus abzuleiten ist. 5 arcu iaculoque] Vgl. Silius 1,394: Bella feris arcu iaculoque agitarat Hiberus. 6 arcu] So sehr es naheliegt, unter arcus hier im Kontrast zum vorhergehenden Vers die gebogene Form der Lyra, korrespondierend mit arte, zu verstehen, so gibt es doch keinen antiken Beleg für diese Verwendung von arcus. 7 venit victoria] Zuerst bei Ambrosius, epist. 7,45,1, diese unklassische Verbindung mit victoria als Subjekt: Venit tibi innocens victoria, ut sine voti amaritudine potiaris victoriae securitate. Bei Bisselius durch die Ablative Fuga bzw. cursu klassischen Formulierungen angenähert. 8 impare pede] Meint im Pentameter die Tatsache, dass der Pentameter rein numerisch um ein Metrum kürzer ist als der Hexameter, und bezeichnet damit die Elegie. Ovid ruft trist. 3,1,11 die Vorstellung des Hinkens hervor: Clauda quod alterno subsidunt carmina uersu, / Vel pedis hoc ratio, uel uia longa facit. Da die für die Schilderung von Siegen vorgegebene Gattung das hexametrische Epos ist, ist die Behauptung, der hier zu schildernde Sieg verlange nach Darstellung im Epos, fast skurril. Auch die Formulierung cantari sua vult … gesta – klassisch nicht belegt – geht in diese Richtung. Vgl. auch die Bezugnahme auf das eigene geglückte oder missglückte Versmaß in I,23. 9f. utque … gressus] Der Vergleich geht wohl auf das Hakenschlagen des Hasen; als Begründung für die Gattung Elegie gleichermaßen skurril. 11 Diva] Artemis bzw. Diana, Schwester Apollons. Artemis ist ursprünglich Herrin der Tiere und gilt erst später als Göttin der Jagd; die Paradoxie dieser

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Funktionsänderung umschreibt Bisselius mit der (in beiden Teilen vorbildlosen) antithetischen Doppelformulierung nemorum patrona, ferarum hostis. 12 in hoc … habes] Wegen der Jagd auf einen Hasen gebührt auch Diana ein Teil des Ruhms. 13–26] Umfangreiche laus Romae; vgl. zur Topik Vergil, georg. 2,534f., Properz 3,22,17f., Martial 12,8,1f.; Claudian, Stilicho 3,130–137; Ausonius, Ordo urbium nobilium 1: Prima urbes inter, divum domus, aurea Roma. 14 Res … exigua] Das Adjektiv attributiv zu res zuerst bei Pseudo-Quintilian, declamatio 12,20, außerdem Augustinus, enarrationes in Psalmos Ps. 130,8. 15 duplice sole] Weder die beiden Konsuln noch Papst und Kaiser, sondern die gleich genannten Apostelfürsten Petrus und Paulus, die als Gründer des christlichen Rom gelten. Ohne Diskussion der physikalischen Möglichkeit (Erscheinung der ›Doppelsonne‹ durch Halo-Effekt) sind hier die beiden Sonnen Zeichen der Stärke Roms. 16 quem … imperiis] Der Glanz der Sonnen Petrus und Paulus beruht einerseits auf ihrem Märtyrertod, der auf Befehl des heidnischen Rom erfolgte; dann aber auch auf der Verehrung, die sie als Apostelfürsten genossen, die in dem Bau der Kathedralen über ihren Gräbern zum Ausdruck kam. 17 suum … coelo caput indere] Vgl. Horaz, carm. 1,1,36 (über sich selbst): sublimi feriam sidera vertice. Rom selbst als caput z. B. Ovid, fast. 5,93: Roma, orbis caput; vgl. auch Claudian, Stilicho 3,130f.: urbi, qua nihil in terris complectitur altius aether. 18 coeli … tenere vices] Anspielung auf die Rolle des Papstes als Stellvertreter Christi auf Erden gemäß Mt 16,19: Et tibi dabo claves regni coelorum. Et quodcumque ligaveris super terram, erit ligatum et in caelis: et quodcumque solveris super terram, erit solutum et in caelis. 19 Superi maris] Übliche Bezeichnung für das mare Adriaticum, entsprechend ist mare inferum das mare Tyrrhenum. 19 Infera] Metri causa in Enallage auf Tethys bezogen. 19 Tethys] Meeresgöttin, nach Ilias 14,201f. Gemahlin des Okeanos und Ahnherrin aller Götter. Metonymisch häufig für ›Meer‹; hier in seltsamem Pleonasmus Beziehungswort für doppelt gesetztes maris, wodurch Tethys selbst gewissermaßen verdoppelt erscheint. 20 Apenninigenae] Nicht belegt (weder in CLCLT–5 noch in Poetria Nova). 20 septemplice monte] Die sieben Hügel Roms; vgl. Ovid, trist. 1,5b,25f.: quae de septem totum circumspicit orbem / montibus, imperii Roma deumque locus. Das Adjektiv wird in der Antike nicht in diesem Zusammenhang gebraucht. 21 Cuius ad aspectum] An derselben Versstelle bei Cyprianus Gallus (5. Jahrhundert), Heptateuchos, Genesis 1384.

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22 Alpinae delicuere nives] Zur Charakteristik der außerordentlichen Wirkung des surgere Roms gehört es, dass der ›ewige Schnee‹ gemeint sein muss, der beim Anblick Roms schmilzt. Alpinae nives bei Vergil, ecl. 10,47; Claudian, carm. 7,99; 17,308. 24 Praesidiumque … focis] Der Schutz des kultischen und des häuslichen Bereichs häufig so zusammengefasst, z. B. Livius 5,30,1: sibi pro aris focisque … dimicandum fore; 9,12,5: pro aris ac focis dimicabatur. 25 Gladio … plus simplice] Nicht so sehr das Schwert, mit dem Paulus hingerichtet wurde (das Attribut, durch das er auf bildlichen Darstellungen gekennzeichnet wird); sondern das geistliche Schwert des Wortes; vgl. Eph 6,16f: in omnibus sumentes scutum fidei, in quo possitis omnia tela nequissimi ignea extinguere, et gladium spiritus (quod est verbum Dei); Hebr 4,12: Vivus est enim sermo Dei, et efficax et penetrabilior omni gladio ancipiti et pertingens usque ad divisionem animae et spiritus, compagum quoque ac medullarum, et discretor cogitationum et intentionum cordis; Offb 19,15: Et de ore eius (des wiederkehrenden Christus) procedit gladius ex utraque parte acutus. Mit plus simplice ist wohl anceps (Hebr 4,12) bzw. ex utraque parte acutus (Offb 19,15) umschrieben. 26 curam portat] Benedictus Anianensis (ca. 750–ca. 821), Concordia Regularum 51,9: Cui ab abbate fuerit ordinatum, loqui studeat, vel etiam a praeposito qui curam aliorum portat. Am nächsten kommt davor Gregorius Magnus, Registrum epistolarum 1,24: pastoralis curae pondera portare, woraus sich der Ausdruck vielleicht entwickelt hat, der zunächst als Germanismus erscheint. 26 alter … alter] Die Aufgabenverteilung, durch Paronomasie (opum – opem) unterstrichen, entspricht den für die Personen charakteristischen Attributen: Der Schlüssel hat die cura opum, das Schwert bringt opem. 26 portat … opem] Vgl. Ovid, trist. 2,72: hic sibi portat opem; auch Silius 9,457; gebräuchlich seit Ennius und Plautus die Verbindung mit ferre. 27 omnia … terrarum] Vorbild ist wohl eine Formulierung wie Ciris 521: omnia … terrarum milia; aber schon Paulinus Nolanus, carm. 14,45f. verwendet, wie hier, omnia substantivisch: omnia gaudent / terrarum et caeli. 27 debet … vincere, victa est] Der Kontrast zwischen Anspruch und geschichtlicher Realität wirkungsvoll durch Aktiv und Passiv desselben Verbs formuliert. 28 in proprium … caput] Bei Claudian, De consulatu Stilichonis, Praef. 2: [Maior Scipiades] in proprium vertit Punica bella caput geht ebenso wie 2 Chr (Paralipomena) 6,23: reddas iniquo viam suam in caput proprium anders als hier die Handlung nicht von dem aus, auf dessen Haupt die Folgen fallen. 29 Extera vis] Vgl. Lukrez 2,277: vis extera.

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29f. fregit … Fracta … est] Wiederum wie V. 27 Aktiv und Passiv desselben Verbs; zum Passiv vgl. Tacitus, hist. 4,76,1: fractae populi Romani vires; Ambrosius, De Apologia David ad Theodosium Augustum 6,27: Romana virtus suis motibus frata consenuit. Daher könnte nullo … motu im vorhergehenden Vers stammen. 30 intestino … malo] intestinum malum zur Bezeichnung politischer Übel in einem Gemeinwesen bei Cicero häufig, z. B. leg. agr. 1,26,9; Verr. 2,1,39; fam. 11,25,2. 30 turbida Roma] Von Persius 1,5 nicht politisch gemeint. 31 dubitat parere] Vgl. Curtius Rufus 7,7,11; [Seneca] Octavia 863; se durch negat zu erklären. 32 Formosus pulchrae … Pater urbis] Spiel mit der Bedeutung des Namens Formosus (formenreich, schön); fortgesetzt im folgenden Vers mit deformare. 34 Tullia] Tullia, die Tochter des Servius Tullius, brachte zusammen mit Tarquinius, dem späteren Superbus, zunächst ihren Gemahl und ihre Schwester und dann ihren Vater um; vgl. Livius 1,46–48. Mit ihr wird das gegen den heiligen Vater aufrührerische Rom verglichen.

Zu III,17,2 1 sequitur … poena] Häufige Junktur, z. B. Cicero, Brut. 15,11; vor allem aber bei Christen: Ambrosius, De Paradiso 6,31; Augustinus, epist. 102,26; enarrationes in Psalmos, Ps. 101,1,11 und öfter. 1 bella rebelles] Obwohl bellum und rebellare bzw. rebellis aus sachlichen Gründen seit Caesar und vor allem Livius häufig nahe beieinander gebraucht werden, scheint die so bewusst als Paronomasie gesetzte Juxtaposition Eigentum des Bisselius zu sein. 2 arma tulit] An derselben Versstelle Ovid, Pont. 4,8,52; fast. 2,462; Martial 4,11,4. 4 Romulidas] Griechisches Patronymikon, wie z. B. Atride, aber von römischem Namen abgeleitet; schon bei Lukrez 4,683 und Vergil, Aen. 8,638 für die Römer belegt. 5 Caesaris … tituli] Vgl. Ovid, fast. 3,419f.: Caesaris innumeris, quos maluit ille mereri, / accessit titulis pontificalis honor. 6 domi … foris] Ursprünglich die Unterscheidung zwischen dem Bereich der Stadt Rom, wo Frieden, und dem außerhalb, wo potentiell stets Krieg herrschte. Mit der Ausdehnung der römischen Herrschaft weitet sich der Bereich domi aus; hier Übertragung auf den Bereich des römisch-deutschen Reiches.

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6 iura tuenda] Die Junktur bei Ovid, am. 3,4,44; ars 1,196; politisch bei Lukan 2,316; 3,152. 6 iura … danda] Die Junktur in der Regel für innenpolitische Verhältnisse; vgl. Vergil, georg. 4,562: (Caesar) per populos dat iura. 7f. Teutones … regna recentia … Boji … Rhaetia] Soll die Vorstellung bestärken, dass die deutschen Fürsten insgesamt hinter dem Kaiser stehen. Unter regna recentia im Gegensatz zu den Teutones veteres dürfte Bisselius die damaligen Herrschaftsgebiete der deutschen und böhmischen Stammesfürsten verstanden haben. 9 Macte] Alte römische Seligpreisungsformel mit sakralem Hintergrund, am geläufigsten macte virtute esto z. B. Horaz, sat. 1,2,31f. (als Cato-Zitat ausgewiesen). Mit diesem Vers beginnt die Apostrophe an den Kaiser, die durch venis (10), pateris (11), Fati … tui (12), tua signa (13), tibi (15), te (16), dubites (19), aspicis (27), cernis (29), cessas, Arnulphe (39), move (40), es, potes (41), potes (42) fortgesetzt wird; dabei könnten aspicis (27) und cernis (29) auch allgemein an den Leser adressiert sein. 9 viribus audax] Wie hier am Hexameterende Vergil, Aen. 5,67. 10 maior … rediture] Ähnlich Lukan 8,321: unde redi maiore triumpho. 11f. vatum / More canam] Die Junktur ähnlich, allerdings verneint, Statius, Theb. 10,829: non mihi iam solito vatum de more canendum. 12 Fati tessera] Ungewöhnliche Junktur in diesem Zusammenhang, da tessera gerade für die Unberechenbarkeit steht; vgl. Cicero, div. 2,85: idem prope modum, quod micare, quod talos iacere, quod tesseras, quibus in rebus temeritas et casus, non ratio nec consilium valet. 13 placidis … auris] Vgl. Lukan 9,41f.: et hinc placidis alto delabitur auris / in litus. 14–17 Aquilas … ardea … Aves … Mergus] Der Adler gewiss der Reichsadler, die anderen Vögel metaphorisch für Arnulfs verbündete italienische Hilfstruppen (darunter Pavia), von denen weitere im Folgenden (V. 2,33–38) angedeutet werden. 15 Tusco … Ponto] Während die Periphrase Tuscus amnis für den Tiber geläufig ist (z. B. Vergil, Aen. 8,472; 10,199; 11,316; Ovid, ars 3,386; fast. 1,233), kommt für das Meer nur die Verbindung mit mare (Horaz, epist. 1,2,202) und aequor (Horaz, carm. 4,4,54) vor. Üblicherweise mare Tyrrhenum bzw. inferum. 15 Plurima … Ponto] Verweis auf Unterstützung des Kaisers durch Pisa? 17f. Mergus … iubet] Wegen solitus se tingere Verweis auf Venedig? Aber litus Ausonium verweist zumindest nicht speziell auf die Ostküste Italiens; vgl. Vergil, Aen. 7,198; Ovid, met. 14,76f., wo die Westküste gemeint ist.

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19f. tropaeum / Ponere] Vgl. Nepos, Datames 8,3: postero die tropaeum posuit; und christlich verstanden, Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus 36,4: tamquam tropaeum in frontibus fidelium positurus. 20 Pro coelo] Während 1,24 praesidium … focis schon für das heidnische Rom gilt, ist hier der christliche Anspruch formuliert. 22 Oenotrius] Oenotria ist ein alter Name für das südöstliche Italien, der metonymisch für ganz Italien gebraucht wird; vgl. Tertullian, Apologeticum 10: Tota denique Italia post Oenotriam Saturnia cognominabatur. Oenotrius … miles sind also die italienischen Krieger, die sich, anders als die V.15–17 genannten, gegen Papst und Kaiser stellen. 24 ruit] Hier bezeichnet das Verb den Zusammenbruch, den Ruin der Gegner; dagegen V. 3 die unaufhaltsame Aktion des Kaisers. 25 Maior … recusat] Variation der Sentenz, dass nur, wer zu gehorchen gelernt hat, imstande ist, zu befehlen. 27 Aspicis, ut] Häufig, zuerst Ovid, trist. 1,9,7. 33 Tibur] Alte Latinerstadt, heute Tivoli, mit Herculestempel; daher Hercule tutum; vgl. Martial 4,62,1: Tibur in Herculeum migravit nigra Lycoris. 34 in Herculeis viribus] Vgl. Ovid, met. 12,554f.: bis sex Herculeis ceciderunt … viribus. 34 si quid … esset opis] Vgl. Curtius Rufus 3,5,13: si quid opis, si quid artis in medicis est. 35 Praenestina] Adjektiv, bezogen auf pubes, zu Praeneste; eine Stadt in Latium, heute Palestrina. 35 Tuscula] Tusculum ist eine uralte Stadt in Latium, heute Frascati. 36 Nomentani] Nomentum, von manchen für latinisch, von anderen für sabinisch gehaltene Stadt nordöstlich von Rom, heute Mentana. Das Gebiet wird als ager Nomentanus bezeichnet; vgl. Martial 1,105,1: In Nomentanis, Ovidi, quod nascitur agris; Plinius, nat. 14,48: in Nomentano agro. 37 Ostia … Tiberina] Die an der Mündung des Tiber gelegene Hafenstadt. 38 Adverso … flumine] Vgl. Lukrez 6,719f.: haec adverso flabra feruntur / flumine; Vergil, georg. 1,201 adverso vix flumine; in Prosa bei Caesar und Livius. 38 tuta petunt] Am Anfang des Hexameters Vergil, Aen. 11,871. 39 Quid cessas?] Schon bei Plautus und Terenz geläufig, z. B. Curc. 672; Andr. 979. 40 signa move] Signa movere ist Terminus technicus für den Aufbruch eines Heeres.

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41 Caesar … Augustus] Bisselius denkt wahrscheinlich weniger an die Unterscheidung Caesar – Augustus nach der diocletianischen Ordnung als vielmehr an Augustus als Inbegriff der segensreichen Herrschaft über ein befriedetes Reich. 41 auspice Marte] Mit Mars nicht belegt, aber mit Apollo oder Jupiter, z. B. auspice Phoebo Statius, silv. 2,2,39; 3,5,74; Iove auspice bei Prudentius, Contra Symmachum 2,708. Christlich ist auspice Deo oder auspice Christo keine Seltenheit, z. B. Ennodius, Epistulae (6. Jahrhundert) 1,5,10; Gregor von Tours, Historiarum Libri X, 6,11. 44 Pons … trahit] Die Brücke heißt gewöhnlich pons Mulvius (s. nächste Anmerkung), heute Ponte Molle; Bisselius zieht die Form Milvius, die spät benutzt wird (Aurelius Victor 19,4 u. 40,23), vor, weil sie ihm Gelegenheit gibt einen weiteren Vogel – sei es Weihe oder Falke – zu nennen. 45 Catilina retectus] Hier wurden Gesandte der Allobroger mit eindeutig belastendenen Schriftstücken Catilinas festgenommen; vgl. Sallust, Cat. 45,1: his rebus ita actis, constituta nocte qua proficiscerentur Cicero per legatos cuncta edoctus L. Valerio Flacco et C. Pomptino praetoribus imperat, ut in ponte Mulvio per insidias Allobrogum comitatus deprehendant. 47 Ponte sub hoc cecidit … Maxentius] Vgl. Aurelius Victor, Historiae abbreviatae 40,23: Sed Maxentius atrocior in dies tandem urbe in Saxa rubra milia ferme novem aegerrime progressus, cum caesa acie fugiens semet Romam reciperet, insidiis, quas hosti apud pontem Milvium locaverat, in transgressu Tiberis interceptus est tyrannidis anno sexto. M. Aurelius Valerius Maxentius war 306– 312 einer der römischen Kaiser der diocletianischen Tetrarchie; er wurde von Konstantin dem ›Großen‹, der seine Soldaten unter dem Zeichen des Kreuzes – in hoc signo vinces – kämpfen ließ, an der Milvischen Brücke besiegt.

Zu III,17,3 1 streperae] Das Adjektiv, abgeleitet von strepere, ist nicht belegt. 2 Vindelicis] Die Vindelici waren eine germanische Völkerschaft, nördlich von Rhätien, südlich der Donau; Hauptort Augusta Vindelicorum, das heutige Augsburg. 2 globis] Das Wort globus bezeichnet nicht nur, bezogen auf Menschen, eine ungeordnete Menge, sondern ist anscheinend auch militärischer Terminus technicus. Vgl. Cato, De re militari, frg. 11: sive forte opus sit cuneo aut globo aut forcipe aut turribus aut serra, ut adoriare. 4 Ballista … tonant] Das Vokabular ähnlich Ovid, met. 11,508f.: nec levius pulsata sonat, quam ferreus olim / cum laceras aries ballistave concutit arces. Das Verb tonare Überbietung von sonare oder Gedächtnisfehler.

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4 ariete] Metrisch ebenso Vergil, Aen. 2,492: custodes sufferre valent; labat ariete crebro. 7 avertitque vias] Vgl. [Ps.-]Ovid, halieutica 22 (mit etwas anderem Sinn): avertitque vias oculos frustrata sequentis. 7f. Appia … Carseolina … Flaminii] Drei von Rom ausgehende Straßen; via Appia, nach Statius, silv. 2,2,12 longarum regina viarum, von Appius Claudius, Censor 312, zuerst bis Formiae gebaut, später bis Capua, Benevent und Brundisium verlängert (jetzt etwa SS 7); via Carseolina ist keine offizielle Bezeichnung: Carseoli war eine Stadt der Aequiculi, erwähnt Livius 10,13,1, an der späteren Via Valeria, die die Fortsetzung der Via Tiburtina durch das Anio-Tal war und am Lacus Fucinus vorbei zu der Hafenstadt Aternum (heute Pescara) führte (jetzt etwa SS 5); die via Flaminia, erbaut unter C. Flaminius 220 v. Chr., führte über Narnia bis Ariminum (heute SS 3). 11 Salvia] Beleg für eine solche Quelle: In Ostia (Insula I, Regio XV) hat man eine Inschrift gefunden: AQVA SALVIA / HERCULI SAC. 12 Tergemino … aqua] Der Legende nach entsprangen an der Stelle, wo Paulus enthauptet wurde, drei Quellen mit heilbringendem Wasser. Dort wurde unter Konstantin die Kirche Alle Tre Fontane errichtet, in den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Pilgerführern offenbar meist identifiziert mit der Kirche St. Anastasius; vgl. die diversen Angaben bei Miedema 2003, u. a. S. 108, 164 u. 265: »[C]zu en III Brunnen. Da wart sant Paulus entheubt. Das heubt thet III sprung von der erde, vnd zu ydem sprung ruft daz heubt: ›Iesus‹. Vnd als uft ein sprug, ein brun. Die fliesent noch heut. By ydem brun ist CCC tag ablas, vnd in der kirchen ist hundert tage ablas.« 13 tanto a spatio] Germanismus? 15 passos graviora … Quirites] Vgl. Vergil, Aen. 1,199: O passi graviora, dabit deus his quoque finem. 18 Capta … semel] Vgl. V. 70. 19–21 Fac … / Fac … / Fac …] Die Anapher mit verschiedenen Konstruktionen kombiniert, zweimal AcI, einmal Finalsatz. Zum AcI vgl. Lukrez 2,485f.: fac enim minimis e partibus esse / corpora prima tribus. Mit Finalsatz ist es eigentlich ›sorge dafür, dass‹. 20 veteri Gallo] Die Eroberung Roms durch die Gallier 387 v. Chr. 21 Pallantaeo] Ungewöhnliche Bildung für Palatinus. 22 aliis montibus] Neben den im Text genannten Caelius, Cespius und Oppius (= Esquiliae), Quirinalis, Viminalis. 25 Aelius … Caesar] Publius Aelius Hadrianus, römischer Kaiser 117–138; beigesetzt in dem von ihm errichteten Mausoleum, der Engelsburg (s. hierzu V. 29f.).

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26 at Arce] Kaiser Aurelius ließ nach dem Bau der Mauern 271 auf der linken Tiberseite das Hadriansmausoleum zu einem befestigten Brückenkopf auf der andern Tiberseite ausbauen. 27 Tuscos] Etrusker, die sowohl Tusci wie auch Etrusci heißen. 27 mediosque Faliscos] Falisci heißen die Bewohner der Stadt Falerii, nordöstlich von Rom, die, ursprünglich den Latinern verwandt, unter etruskischen Einfluss geraten sind. Der Tiber fließt zwar mitten durch das Gebiet der Etrusker, aber nicht durch Falerii. 29f. Aliger … opus] Das Grabmal des Kaisers Hadrian bekam im Mittelalter den Namen Engelsburg, weil Gregor der Große während einer Pest 590 die Vision eines Engels gehabt haben soll, der von der Spitze des Grabmals aus mit gezücktem Schwert das Ende der Heimsuchung verkündete. Die steinerne Engelsfigur, die zur Zeit des Bisselius die Engelsburg krönte, stammte von Raffaello da Montelupo (1505–1566); sie wurde 1753 durch eine Bronzefigur Verschaffelts ersetzt. 33 Moenia si videas] Die Engelsburg wurde im Mittelalter unter Benedikt IX. (1033–44) und in der Renaissance unter Alexander VI. (1492–1503) und Julius II. (1503–1513) weiter ausgebaut. 36f. delituisse Iovem … vitare Gigantas] Die Giganten, Söhne der Gaia, empörten sich im Namen ihrer Mutter gegen die olympischen Götter, von denen sie bezwungen wurden. Früheste Erwähnung der Gigantomachie bei Pindar, von Claudian zwei unvollständige poetische Gigantomachiae (lateinisch und griechisch) erhalten. Dass Iuppiter sich habe verstecken wollen, wird nirgends erwähnt. Jedoch diente die Engelsburg Päpsten als Burg, z.B verbarg Clemens VII. sich hier 1527 während des Sacco di Roma vor den Truppen Karls V. 38f Memphi praeposuisse … belli] Memphis war eine der Hauptstädte Altägyptens; Keimzelle bildete eine ›Weiße Mauer‹ (vgl. Thukydides 1,104) genannte Festung. 41 male sana] So wird der Zustand Didos nach der Erzählung des Aeneas charakterisiert; Vergil, Aen. 4,8. 43 Quid … memorem] Geläufige Formel der Praeteritio, z. B. Vergil, Aen. 6,122f.; 8,483. 44 Divinus … structor … ipse Deus] In sich gesteigerte Hyperbel. Die Frage, ob und inwieweit Bisselius eine der vorliegenden Beschreibungen Roms und der Engelsburg benutzte oderAbbildungen zu Rate zog, muss offen bleiben. 45 Babylonis opus] Verweis auf den Turmbau von Babel; vgl. Gen 11,4: faciamus nobis civitatem et turrim, cuius culmen pertingat ad caelum. 45 Nini] Nach griechischer Überlieferung, die von den Keilschriften nicht gestützt wird, Begründer des assyrischen Reiches; vgl. Augustin, civ. 4,6: pri-

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mus omnium Ninus rex Assyriorum veterem et quasi avitum gentibus morem nova imperii cupiditate mutavit. 46 molli … Babylone] Babylon hier stellvertretend für den Orient stehend, der als verweichlicht galt; vgl. z. B. Seneca, De ira 1,11,4: Asiae Syriaeque molles bello viri. 48 Pharon] Auf der Insel Pharos, vor Alexandria, befand sich ein 400 Ellen hoher Leuchtturm; vgl. Caesar, civ. 3,112,1: Pharus est in insula turris magna altitudine mirificis operibus extructa, quae nomen ab insula cepit. 50 lapidum iactu] Als Entfernungsangabe z. B. Apuleius, Florida 2,2: intra lapidis iactum. 52 conixi] Zum Ausdruck der Anstrengung beim Wurf Vergil, Aen. 9,410f.: toto conixus corpore ferrum / conicit. 53f. Sed … Senes] Die Antithese chiastisch gebaut: iaculis – lusu – propinqua und procul – seria – tela; die Stellung von pueri bzw. Senes entsprechend. 54 vibrant tela] Vgl. Lukan 7,82: vibrant tela manus. 59 Campanum] Isidor von Sevilla, Etymologiae 16,20,9: Campanum quoque inter genera aeris vocatur a Campania scilicet provincia, quae est in Italiae partibus, utensilibus [et] vasis omnibus probatissimum. 60 tela ministrat] An derselben Versstelle Lukan 7,574. 62 rapida … face] Die Junktur Valerius Flaccus 5,33: rapidae sonuere faces; Statius, Theb. 4,467f.: nec rapidas cunctatur frondibus atris / subiectare faces.

Zu III,17,4 1 vis Rhaetica] Vgl. zu 2,8. 3f. exacto … stetit] Pleonastisch an Sonne und Mond gemessene Zeitangabe. 4 Luna … stetit] Verkürzter biblischer Sprachgebrauch; vgl. Hab 3,11: sol et luna steterunt in habitaculo suo. 5 sua … fixerat] Nicht klassischer Sprachgebrauch; vgl. aber Itinerarium Egeriae seu Peregrinatio ad loca sancta (4. Jahrhundert): fixerunt castra filii Israhel. 6 in hac ipsa humo] Vgl. Ovid, ars 3,696: lassus in hac iuvenis saepe rededit humo. 7f. Et … Notis.] Nach der Hervorhebung der Hartnäckigkeit des Kaisers wird diese durch weitere Bestimmung des Zeitverlaufs in den Jahreszeiten unterstrichen. 9 Dianas] Diana ist wie die griechische Artemis auch Mondgöttin; hier also metonymisch für Monate.

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11 Confecta labore] An derselben Versstelle Tibull 1,7,39. 13 passis … capillis] An derselben Versstelle Ovid, met. 4,521. 13 u. 15 O, quoties … Ah, quoties] Variierte Anapher; zuerst die Aktion der Mütter, dann die der Kinder genannt. 14 socero non prohibente] Sind auch die Väter der Rebellen zur Übergabe bereit? 16 Cum Pacem hae peterent] Erst hier das Ziel der Mütter genannt. 17 Pacis … Panis] Unübersetzbare Paronomasie, mit der Möglichkeit spielend, dass die Kinder, Maternis … nexibus impliciti, nur nachlallen. 19 victis … Victoria, victu] Wieder unübersetzbare Paronomasie, welche die Paradoxie steigert, dass die kriegerische Niederlage der Sieg der Mütter wäre. 22 Cereris … Mars] Die heidnischen Götter metonymisch für den konkreten Gegensatz Brot – Krieg. 23f. Magnum … habet] Sentenziöse doppelte Steigerung: magnum – maius, Invitos – Superbos. Die zweite Reihe durch Extremos animos weitergeführt, so dass das superare unmöglich scheint. 25 Sed Spes est] Gewissermaßen spes contra spem. 27 constantia vera] Diese Steigerung gegenüber gewöhnlicher constantia erst christlich, Lactanz, inst. 6,17,26: haec est virtus, haec vera constantia. 29f. Nec … putat] Ein exemplum: Der thrakische Jäger gibt auch nach drei Fehlschlägen nicht auf. 29 Rhodopen] Gebirgsmassiv in Thrakien; vgl. Ovid, epist. 2,113f.: qua patet umbrosum Rhodope glacialis ad Haemum, / et sacer admissas exigit Hebrus aquas. Wildreiches Jagdgebiet; vgl. Silius 2,72f.: stravisse feras immitis amabat, / quales Threiciae Rhodopen Pangaeque lustrant. 32 proferri … nova castra] Obwohl castra proferre bedeutet, das Lager nach vorne zu verlegen, ist hier die Anlage eines weiter von Rom entfernten Lagers gemeint, d. h. der Vorgang wird von Rom aus gesehen. 35 veteres dixere Latini] Aulus Gellius spricht von veteres Latini gerade im Zusammenhang mit Bezeichnungsproblemen (Noctes Atticae, Inhaltsangabe zu Kapitel 5,20): quid autem id ipsum appellaverint veteres Latini; zu 13,6: quid veteres Latini dixerint. 36 uno Lapidis limite] Zwar bezeichneten die Römer die Entfernung von Rom – vom Millenarius aureus – mit Meilen-Steinen; aber die Verwendung von limes scheint eher im Zusammenhang mit Flächenmaßen gebräuchlich gewesen zu sein, z. B. Hyginus minor Gromaticus, Constitutio limitum (In: Corpus agrimensorum Romanorum, ed. C. Thulin, Leipzig 1913, S. 131–171),

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S. 136: Divus Augustus in assignationibus suis numero limitum inscriptos lapides omnibus centuriarum angulis defigi iussit. 37 ex illa … nocte] Vgl. Paulinus v. Nola, carm. 23,110: ex illa modo nocte diem cadit annus in istam. 39 Excubiae invigilant] Das Verb absolut sehr selten gebraucht, z. B. Columella 10,159: Invigilate, viri. 41 Sed, velut] Beginn eines weit ausgeführten Vergleichs mit einem spanischen Admiral – für Bisselius ist das Zeitalter der Entdeckungen fast noch Gegenwart; velut wird durch sic V.55 aufgenommen. Die im folgenden genannten Fahrtziele passen weniger zu einem spanischen als zu einem portugiesischen Admiral. 42 Eoas … opes] Schon in der Antike gilt der Orient als reich; vgl. Ovid, ars, 1,202: Eoas Latio dux meus addat opes; Statius, Theb. 6,60: Eoas complexus opes. 43 Bonae … Spei zona arida] Das Kap der Guten Hoffnung wurde 1488 durch den Portugiesen Bartolomeu Diaz entdeckt; entweder er oder der portugiesische König Johann II. gaben ihm den Namen, weil damit der Seeweg nach Indien entdeckt sei. 44 Goam] 1498 erreichten die Portugiesen unter Vasco da Gama die Westküste Indiens; 1510 wird Goa portugiesische Kolonie. 44 saeva procella] Vgl. Lukrez 3,305: saevas tolerare procellas; Silius 12,334f.: ille trucem belli nubem saevasque procellas / in Libyam violentus aget. 47 Lyaei] Ein Name des Dionysos ist Lyaeus (der Sorgenlösende); hier metonymisch für ›Wein‹. 53 nigra … aequora] Vgl. Horaz, carm. 3,27,23: aequoris nigri fremitum. 53 trans aequora vectus] Vgl. Statius, silv. 3,5,79: trans aequora vectae. 54 Indorum, et Gangis litora] Von Indien und dem Fluss Ganges hatten die Römer wenn auch vage Vorstellungen; vgl. Vergil, georg. 2,136–139: Sed neque Medorum silvae ditissima terra / nec pulcher Ganges atque auro turbidus Hermus / laudibus Italiae certent, non Bactra neque Indi / totaque turiferis Panchaia pinguis harenis. 56 Tertia … bucina signa] Vgl. Seneca, Thy. 799: tertia misit bucina signum. 58 Martia membra] Vgl. Silius 5,278: Martia commendat mananti sanguine membra. 58 molles toros] In der römischen Elegie geläufige Formulierung, z. B. Properz 1,3,34: sic ait in molli fixa toro cubitum; vgl. auch Tibull 1,2,58; Ovid, am. 2,4,14. 59 passus non sponte] Betont durch Pleonasmus das Unfreiwillige.

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60 ludit imago] Für das Spiel des Traums auch Horaz, carm. 3,27,38–42: vigilansne ploro / turpe commissum an vitiis carentem / ludit imago / vana, quae porta fugiens eburna / somnium ducit? 61 Romuleos … muros] Vgl. Silius 7,485: Punica Romuleos quatient mox spicula muros; 11,75: Romuleis durastis, ait, succedere muris. 62 Figere … signa] Vgl. Seneca, Oed. 116: figere et mundo tua signa primo. 63 Nec mora longa data est] Vgl. Ovid, fast. 1,541: Nec mora longa fuit. 64 talia dicta refert] Wie hier am Versende Ovid, fast. 4,518. 67 quidquid id est] Häufig verwendete Formulierung, mit der Bedenken etc. beiseite geschoben werden, z. B. Lukrez 3,135; 5,577; Vergil, Aen. 2,49; Ovid, Pont. 1,1,21 u. ö. 67 vidisse … iuvabit] Anspielung auf Vergil (Aen. 1,203): forsan et haec olim meminisse iuvabit. 68 Somnia … cadunt] Vgl. Horaz, epist. 2,1,52: quo promissa cadant et somnia Pythagorea, wobei cadere bei Bisselius aber eine andere Bedeutung hat. 70 Remi] Vergleich der Empörer gegen den Papst mit dem Bruder des Romulus, der nach der Überlieferung seinen spöttischen Sprung über die noch zu niedrige Stadtmauer mit dem Leben bezahlte. Weitergeführt in V. 72. 71 quam vos male dicitis Urbem] Gewöhnlich wird male dicere mit dem Dativ verwendet in der Bedeutung ›schmähen‹ o.ä., mit dem Akkusativ wie hier etwa Varro, ling. 9,42,71: a Scipione quidam male dicunt Scipioninos; nam est Scipionarios. 73 saltibus apta] An gleicher Versstelle Ovid, met. 15,377. 74 Almanicis] Das Adjektiv verkürzt statt Alamanicus oder Alemanicus. 76 audaci … fugae] Das Oxymoron bezeichnet die beiden Aspekte: Flucht vor dem deutschen Heer und Eindringen in Rom. 77f. legio omnis, et omnis / Ala] Chiastische Gliederung der Bezeichnungen für Fußvolk und Reiterei.

Zu III,17,5 1 sarissis] Fremdwort aus dem Griechischen, sarisa ist die lange Lanze der Makedonen; vgl. Livius 37,42,4: usus praelongarum hastarum – sarisas Macedones vocant. 2 cataphractus] Auch dies ein griechisches Wort, bezeichnet den in einen eisernen Schuppenpanzer Gehüllten; vgl. Livius 35,48,2: loricatos, quos cataphractos vocant.

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4 usus ope] Wie hier am Pentameterende Ovid, fast. 3,318. 13 ioco … risuque] Vgl. Horaz, sat. 1,8,50: magno risuque iocoque. 13 praepete cursu] Nur, wie hier am Hexameterende Statius, Theb. 6,298; Claudian, In Rufinum 1,262; Prudentius, Amartigenia 293; Psychomachia 270. 15 Fit … clamor] Dreifache Anapher, verstärkt durch Alliteration. 16 nobilis ira] Vgl. Lukan 6,487: nobilis ira leonum. 17f. Huc … huc … huc / Huc] Vierfache Anapher betont mit der Kurzatmigkeit die Eile der Aktion. 18 caeca fata] Gesperrt bei Horaz, carm. 2,13,15: caeca timet aliunde fata. 19 Illo forte die] Ebenfalls am Hexameteranfang Lukan 7,235. 19 primi sub fulgura Solis] Vgl. Vergil, Aen. 6,255: primi sub lumina solis. 25 alea blanda] Vgl. Ovid, Pont. 1,5,46: nec tenet incertas alea blanda manus; Martial 4,14,7f.: dum blanda vagus alea December / incertis sonat hinc et hinc fritillis. 26 est Alea iacta] Das bekannte Zitat aus Sueton, Iul. 33,1: iacta alea est, inquit. Schon in Caesars Mund ein Zitat aus Menander. – Vgl. bei Bisselius (dort in anderem Zusammenhang) DV III,11,24. 27 secors] Zwar verzeichnet Georges neben socordia auch secordia, beim Adjektiv aber nur socors. 28 maius Vero] Vgl. Livius 21,32,7: fama … , qua incerta in maius vero ferri solent. 30 barbaricus … sonus] Vgl. Claudian, carm. 18,8: barbaricos docili concipit aure sonos. 31f. Fervebant … tumultus] Fünf Subjekte mit Ablativergänzung zu dem einen Verb gesetzt, mit Umkehr der Reihenfolge Ablativ/Substantiv in der 2. Zeile des Satzes. 34 terga fugamque dari] Vergil, Aen. 12,367: fugam dant nubila caelo. – Fugam dare also ›fliehen‹; dagegen 7,28f.: Neptunus … fugam dedit: ›gewährte schnelle Fahrt‹. 35 Dum dubitant] Ebenso am Hexameteranfang Ovid, met. 15,651. 36 hostis adest] Ebenso am Hexameteranfang Vergil, Aen. 9,38; Ovid, met. 12,66; Pont. 1,3,57 und andere. 38 levis umbra] An derselben Versstelle im Pentameter Tibull 2,5,96; Ovid, fast. 5,434. 40 Aelia Porta] Ob es ein Tor dieses Namens gab oder ob Bisselius diese Bezeichnung geschaffen hat, muss offen bleiben; es gab jedenfalls eine porta aenea,

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und es gab bei dem Grabmal Hadrians ein Tor in der leoninischen Mauer; vgl. Gregorovius (21988), Bd. 3, S. 326: »Die Leonische Mauer umzog dieses Viertel von der Engelsburg aufwärts bis herab zu Santo Spirito. Außer dem Tore dieses Namens gab es noch folgende andere: Torrione oder Cavalleggieri, Pertusa, Belvedere, (ehemals Viridaria oder S. Pellegrino), die Porta Castelli und die Aënëa.« Vgl. auch Krautheimer 1987, S.135 ist ein Ausschnitt der Romkarte von A. Strozzi (1474) mit dem Borgo und der Leoninischen Mauer zu sehen; beim Sepulcrum Adriani (Castello S. Angelo) eine Porta Subiecta bzw. Porta Castel. S. Agnolo. 43 Lepori indignantur] Ungewöhnlich der Dativ; mit dem folgenden instant zu erklären? 44 quantum … valet] Wie hier auf den Pentameter verteilt Properz 2,29,30. 45–50 In diesen Versen ist »Has« sowohl als das (bayrisch verkürzte) deutsche Wort ›Hase‹, wie auch als das lateinische Demonstrativum zu verstehen. 46 Stygias … minas] Vgl. Valerius Flaccus 3,446: huc Stygias transire minas. 48 Has turres, vel in Has] Die Präposition wohl auf beide Akkusative zu beziehen. 51 Aelia castra] Die Engelsburg. 54 tutae … fugae] Die Wörter in anderem Casus an derselben Versstelle Properz 4,9,54: cede agedum et tuta limina linque fuga. 55 longo … sudore] Vgl. Statius, Theb. 11,92f.: sed iam – effabor enim – longo sudore fatiscunt / corda. 67f. Non tam … iit] Zweifacher Vergleich von Geschehen und Darstellung, unterschieden nach Mündlichkeit und Schriftlichkeit, antithetisch formuliert. 69 culmina septem] Für die Hügel Roms das Substantiv auch Statius, silv. 1,1,64: septem per culmina. 70 Capta … semel] Mit Hinweis auf frühere Eroberungen durch die Gallier, durch Alarich und die spätere Einnahme durch die Truppen Karls V.?

Zu III,17,6 1 scandit Capitolia] Anspielung auf Horaz, carm. 3,30,7f.: dum Capitolium / scandet cum tacita virgine pontifex. 4 solio duplice] Als König und als Kaiser? 5f. altera causa / Post Superos] Unterscheidung der causae secundae von der Causa prima, Gott; Post Superos ist heidnische Periphrase für Post Deum; vgl. Tertullian, De resurrectione mortuorum 63: Quid, anima, invides carni?Nemo tam proximus tibi, quem post Deum diligas.

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6 papilione] Das Wort papilio bezeichnet außer dem Schmetterling auch ein Zelt; vgl. Vegetius, Epitoma rei militaris 2,13,6: Rursus ipsae centuriae in contubernia divisae sunt, ut decem militibus sub uno papilione degentibus unus quasi praeesset decanus, qui caput contubernii nominatur. Was das für unsere Stelle genau bedeutet, ist unklar: vielleicht ein zeltartiger prunkvoller Käfig, in dem der Hase gefangengehalten und gezeigt wurde? 11 Circuitu stabant … toto] Biblischer Sprachgebrauch, ohne toto, daher mit Präposition; vgl. Ambrosius, De Fide 5,6: omnes angeli stabant in circuitu sedis. 11 Aquilae] Vogel Jupiters und Hoheitszeichen. 17 Roma, caput mundi] Der Terminus bei Lukan 2,655f.: ipsa, caput mundi, bellorum maxima merces, / Roma.

Zu Elegie III,18 (HW) Diese Elegie eröffnet ein Triptychon, dessen Thema Rosen sind. Sie sind in der latein. Dichtung seit der frühen Kaiserzeit Gegenstand eigener Gedichte. Florus werden drei Rosengedichte zugeschrieben, in denen Venus als Gartenherrin erscheint, an deren spinae sich ein Knabe die weißen (marmorei) Finger blutig sticht, so dass sich die Rosen blutrot färben (vgl. Duff/Duff 1982, S. 431–433, Nr. XI–XIII). Unter den Dubia des Ausonius findet sich ein carmen De rosis nascentibus (Anthologia Latina 646R, Appendix Vergiliana, S. 113f.), in dem ebenfalls Venus als Herrin der Rosen figuriert. In der mittellateinischen Hymnik wird diese Herrschaft der Venus über die Rosen auf Maria übertragen, die sehr oft selbst als »duftende Rose« bzw. »Rose ohne Dornen« in zahllosen Hymnen versinnbildlicht wird. So wird etwa in einem spätmittelalterlichen Hymnus Maria als O Regina, fragrans rosa apostrophiert (Blume/Dreves, Bd. 39, Nr. 289, Str. 9). In der neulat. Dichtung eröffnet ein wirkmächtiges Rosengedicht die Basia des »heiligen, großen Küssers« (Goethe) Johannes Secundus (1511–1536). Wie bei Bisselius in III,19 – freilich ganz anders gewendet – geht es um ein Aition, nämlich die Frage, wie aus den Rosen die Küsse entstanden seien: Als Venus ihren Enkel Ascanius nach Kythera brachte und ihn in einen Kranz von Rosen bettete, erinnerte der schlafende Knabe sie plötzlich an ihren geliebten Adonis. Um den Schlaf des Knaben nicht zu stören, küsst sie die ihn umschließenden Rosen, und aus den Rosen werden ebenso viele Küsse (Johannes Secundus, Basium 1,11–14): Ecce calent illae, cupidaeque per ora Diones aura susurranti flamine lenta subit. Quotque rosas tetigit, tot basia nata repente gaudia reddebant multiplicata deae.

Unter den Ordensgenossen des Bisselius widmet Maciej Kazimierz Sarbiewski (1595–1640) ein Gedicht seiner Odensammlung (IV,18) Ad Rosam, in dem wie

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in der mittelalterlichen Hymnik die Verbindung mit der Gottesmutter hergestellt wird. In den 1668 postum veröffentlichten Plantarum libri sex des englischem metaphysical poet Abraham Cowley (1618–1667) wird die Rose zweimal eingehend gewürdigt. Ganz auf die Rose als Symbol der Vergänglichkeit und der daraus resultierenden Hinwendung zum carpe diem zielt die Ode Ad rosam (Ode IV) der Opuscula poetica 1761 des Göttinger und Hallenser Universitätsprofessors und Lessing-Gegners Christian Adolph Klotz (1738–1771): Mox solis nimiis icta caloribus Pones deciduo flore caput tuum, Et canis moribunda Consperges foliis humum. Vitae flos fugiet non aliter meae: Forsan iam tacito mors properat pedo, Iam circumvolat atris Pennis illa meum caput. Quid demens animo gaudia differam Iucundosque dies? Quemque diem putans Diluxisse supremum, Nec fidens ego crastino.

Ganz anders konzentriert sich Bisselius in seinem Gedicht III,18 auf die Aufforderung an den Dichter Petrus Lassus (Peter Matt?), im ausgehenden (V. 2) Frühling das Blühen der Natur im Mai zu genießen. Er verkrieche sich noch in den Höhlen der Stadt, ohne den Musen die Möglichkeit zur Entfaltung zu bieten (V. 1–5). Jetzt aber solle er die den Kerker der Stadt verlassen, um unter freiem Himmel »Nahrung« für Augen und Nase zu finden (V. 6–10). Besonders werden zahlreiche purpurfarbene und weiße Rosen, die »Palmen« der Pflanzenwelt, seine Aufmerksamkeit erregen (V. 11–17). Das elegische Ich erfreut sich an den purpurfarbenen, da sie in großer Zahl wachsen und einen wunderbaren Duft verströmen (V. 18–24). Ihre große Zahl möge dem Adressaten als Vorzeichen gelten, auf ihn kommt es Bisselius vor allem an, den die bloße Schönheit ohne Duft sei wirkungslos (V. 27–31). Hier aber ergebe die Vereinigung von Schönheit und Duft das Paradies (V. 31f.). Theologische Symbolik scheint so in den Schlussversen (wie in V. 12 der verdeckte Hinweis auf die »Himmelskönigin« und in V. 16 der Verweis auf die Rose als Blume der Märtyrer) auf: Die Rosenwiese verweist – wie schon in der frühchristlichen Passio Perpetuae et Felicitatis auf das himmlische Paradies. Ad Petrum LASSUM] Noch nicht ermittelt. 1 VERNA … voluptas] Vgl. Balde, carm. 4,27,69: Verna post longas hiemes voluptas. 2 arva coquit] Vgl. Silius 12,374; Orientius, Commonitorium 1,118: aestas iam gravida fructibus arva coquit.

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2 Leo] das Sternbild des Löwen (23. Juli bis 23. August). Diese Angabe steht aber im Widerspruch zu V. 3: Majalis … Florae. 11 multa ROSA] Vgl. Horaz, carm. 1,5,1: multa … in rosa. 12 Regina ROSA EST] Die königliche Stellung der Rose resultiert hier wohl nicht zuletzt aus der Verbindung mit der »Himmelskönigin«, zu deren wichtigsten Sinnbildern die Rose zählt. Vgl. etwa Hermannus Werdinensis, Hortus Deliciarum, V. 4365: Celi regina, rosa parturiens sine spina. 15f. candore … Lacteolo … rubras] Diese Vereinigung von Weiß- und Rottönen weist auf die Paradies-Beschreibung der Heiligen Dorothea in der übernächsten Elegie voraus, wo die Kombination farbsymbolisch für die jungfräulichen Märtyrer steht; vgl. III,20,4,11–14. 15 sanguinis imbre] So auch Statius, Theb. 5,596. In der mittelalterlichen Hagiografie nicht selten gebraucht, um den »Blutregen der Märtyrer« zu verbidlichen; z. B. Gozechinus Leodiensis, Vita Albani martyris Moguntinensis, S. 165, Z. 26. 17 Puniceas … ROSAS] Häufig in der lat. Literatur; vgl. etwa Vergil, ecl. 5,17; Horaz, carm. 4,10,4: puniceae rosae. 17 Sidoniasque] Die Phönizische Stadt Sidon steht für Luxuswaren aller Art, besonders auch für die Farbe Purpur. 21 Sexcentorum] Hier, wie oft, gebraucht für »unzählige«. 23 calyx] antik nicht für »Blütenkelch« belegt. 32 PARDISON] Diese griechische Akkusativform ist in der antiken lat. Literatur nicht belegt, zeigt aber die vielfach zu beobachtende Vorliebe des Bisselius für Griechisches.

Zu Elegie III,19 (HW) Als ›Fabel‹ figuriert zu Recht die vierteilige Elegie III,19, erkennbar an der Hinwendung der Dryaden und ihrer Schwestern in Abschnitt 2, V. 23–26 an den antikisch als Tonans apostrophierten Gott, Abhilfe gegen die Not der Sintflut zu schaffen. Diese Situation findet sich oft seit der Antike in Fabeln. So bitten schon bei Phaedrus 1,2 die Frösche Jupiter Tonans um einen König, der ihrer Anarchie ein Ende setzen solle. Zugleich hat das Fabulosa einen ironischen Nebensinn. In Ovidischer Szenerie (vgl. am. 3,1) ist Thalia, die Muse der komischen Dichtkunst und der Bukolik, Gesprächspartnerin des elegischen Ichs. Wenn in Abschnitt 4,V. 21f. von ihrer Schilderung der origo rosarum gesagt wird, sie habe Aonidum … fide berichtet, kann dies nur (selbst-)ironisch gemeint sein. Seit dem griechischen Dichter Hesiod wird nämlich den Musen unterstellt, zu lügen, ihre fides ist also topisch höchst zweifelhaft. Vgl. dazu etwa Stroh 1976 mit weiterer

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Literatur. Dazu begründen die figmenta poetarum gegenüber der biblischen Botschaft einen Vorwurf, mit dem sich schon die christliche Dichtung der Spätantike auseinanderzusetzen hatte. Vgl. dazu Gompf 1973 mit weiterer Literatur. Gleichwohl legitimiert der Rekurs auf die biblische Sintflut Gen 7–8 in Abschnitt 2 das poetische Vorhaben des Bisselius, wenn das auch dadurch scheinbar abgeschwächt wird, dass er unbefangen mit der biblischen Bildwelt die antike mythologische Szenerie amalgiert. Freilich weiß sich hier Bisselius im Einklang mit der Dichtung vieler seiner Ordensgenossen, allen voran Jacob Balde, die aus diesem artistischen und hoch artifiziellen Spiel der Überblendung biblischtheologischer Sujets durch antike Bildsprache Spielräume gewinnen, die an die Kennerschaft des Lesers appellieren. Im Sujet von III,19 nimmt Bisselius die schon hellenistische (Kallimachos) Aitiendichtung auf, um die Entstehung der Rosen und besonders des Rosenduftes zu erklären. Er tut dies auf eine ebenso verschmitzte wie originelle Weise.

I. Bei Sonnenaufgang begibt sich der Dichter in einen Rosenhain. Dabei bewegt ihn die Frage, woher die Rosen stammen (V. 1–4). Die Muse Thalia kommt ihm in purpurfarbener Kleidung zu Hilfe, die er bei Tag noch nie gesehen hatte. Sie, einer Göttin ähnlich, kündigt ihm an, die ganze Historia mitteilen zu wollen.

II. Thalia berichtet, dass bereits vor der Sintflut Rosen existiert hätten, freilich eingeschlossen im Paradies (V. 1–6). Die Sintflut veränderte das Antlitz der Erde vollkommen. Anstelle des Paradiesesgartens trat eine völlig verpestete, hässliche Erde mit furchtbarem Gestank (V. 7–16). Selbst Halbgöttinen sind darüber entsetzt, Flora und Pomona desgleichen, Mutter Natur sollte wohl helfen, ist aber selbst krank vor Kummer (V. 17–22). Also bitten sie zagend (Jupiter) Tonans, Abhilfe zu schaffen (V. 23–26).

III. Der Herr über die Gestirne erhört sie und schickt Zephyr, den westlichen Frühlingswind, mit dem Auftrag, die Pest von der Erde zu tilgen, sie in die Unterwelt zu verbannen und einen wohlriechenden Duft anstelle des grässlichen Gestankes zu bringen (V. 1–10). Zephyr macht sich sogleich auf den Weg und sammelt Wohlgerüche aus allen Weltgegenden in seinem Bausch und bringt sie vor Gott (V. 11–26). Als Lohn für seine Mühe erhält er von Gott angenehmen Duft. (V. 27f.).

IV. Der Machtspruch Gottes verwandelt den gesammelten Duft in Flüssigkeit (V. 1–8). Auf sein Geheiß strömt dieser Duftregen auf die Erde nieder und, wo er niedergeht, entstehen Rosen (V. 9f.). Die Nymphen nehmen begeistert den neuen

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Duft auf (V. 11–18). Alle Pest flieht von der Erde (V. 19f.). So lautet der Bericht Thalias, mit der Verlässlichkeit der Musen vorgetragen (V. 21f.). Seit dieser Zeit ist die edle Rose Königin der Blumen, ja ihre Kaiserin. Sie ist der Inbegriff des Frühlings (V. 23–26).

Zu III,19,1 Thaliae] Thalia, eine der neun Musen, vertritt die komische Dichtung und die Hirtendichtung; ausweislich des Titelkupfers zu den DV (s. Abb. 1) muss sie hier mit der Jungfrau Maria identifiziert werden. Bisselius gibt damit einen klaren Hinweis auf die Ernsthaftigkeit der aitiologischen Fabel, von der er in der Folge seinen poetischen Bericht gibt. 3 Mirabar tacitus] Vgl. Ovid, fast. 5,275: tacitus mirabar. 6 purpureo … sinu] Vgl. Ovid, fast. 5,28: purpureo conspicienda sinu. 7 Forma Deae similis] Vgl. Vergil, Aen. 1,589: os umerosque deo similis; Jacob Balde, epod. 15,19: Os umerosque deae similis. 7 condîtus nectare sermo] Biblische Formulierung. Vgl. Kol 4,6: sermo vester semper in gratia sale sit conditus. Danach oft in der patristischen Literatur. 8 Caetera quid referam] Geläufige Praeteritio; vgl. etwa Silius 16,256. 8 non sinit illa loqui] Vgl. Ambrosius Autpertus, Expositio in Apocalypsin 4,9,20: suscepti nunc operis intentio non sinit amplius loqui. 12 Historiam dum tibi pando] Vgl. Augustinus, civ. 7,27,5: euhemerus pandit historiam.

Zu III,19,2 Ex Diluvio mundi] Die Sintflut wird beschrieben in Gen 7–8. Originell – und zugleich für sein Vorhaben Voraussetzung – bei Bisselius ist die ausführliche Beschreibung des furchtbaren Gestanks, der nach Ende der Sintflut die Erde verpestet habe. Davon steht nichts in dem biblischen Bericht. Auch im vierten Buch der Bibeldichtung De spiritalis historiae gestis des spätantiken Dichters Avitus von Vienne (um 460–518), das De diluvio mundi betitelt ist und von der Sintflut handelt, ist davon keine Rede. Sprachlich ist in dem Gedicht der starke Einfluss der Metamorphosen Ovids festzustellen, der III,19 zugleich zu einer Verwandlungssage werden lässt. 1 pluvijs ultricibus] Die Sintflut straft die Sünden der Menschen. 2 Noachaeae … Ratis] die Arche Noah. 4 nobile nomen] Silius 1,274 u. ö.

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7 coelo … ruente] Vgl. Seneca, nat. 3,27,15: caelo ipso in terram ruente. 8 omnia Pontus erant] Formulierung nach Ovid, met. 1,292. 13 nova monstra] Ovid, met. 1,437 u. ö. 15 Dira parens] So wird Ovid, ars 2,383, Medea genannt. 16 teter odor] Ähnlich Seneca, nat. 2,53,1: Taeter post fulmen odor. 18 Semidei … semideaeque] Als »Halbgötter« werden Nymphen, Faune und ihre Verwandten von Ovid, met. 1,192 bezeichnet. 19 Dryades] Baumnymphen. 19 Nymphae] Wasserhalbgöttinen. 19 Najades] Ebenfalls Wassernymphen. 20 Floráque] So bezeichnet Ovid, fast. 5,195, die Göttin der Blumen. 20 Pomonâ] Die Göttin des Obstes; vgl. Ovid, met. 14,623. 21 Natura parens] Vgl. Seneca, Phaedr. 959 u. ö. 23 Tonantem] Seit Iuvencus 2,795 wird Gott in der christlich-lateinischen Dichtung oft mit dem Epitheton des römischen Jupiter angesprochen. 25 vox haesit in ore] Wohl gebildet nach der Junktur Vergil, Aen. 2,774: vox faucibus haesit.

Zu III,19,3 1 astripotens] Das Wort ist antik nicht belegt. Für den christlichen Gott wird es zuerst bei Liutprant von Cremona verwendet: Liutprant Cremonensis, Antapodosis 4,19,404. 3 Nec mora] Seit Terenz, Andr. 971, häufig verwendete Junktur. 3 Zephyrum] Der im Westen entstehende Frühlingswind. 3 occiduis … ab oris] So auch Paulinus Nolanus, carm. 21,367. 4 mollior aura] Vgl. Ovid, fast. 2,148 u. ö. 6 Stygem] Styx ist die Unterwelt. 12 laxos … sinus] Vgl. Ovid, fast. 4,436. 17 Engaddaea … vallis] Das biblische Engaddi wird von Beda Venerabilis, In principium Genesis … 3,14,128 als balsami et palmarum fertile bezeichnet, danach oft in der Kommentarliteratur. 18 De Libano …] Von limpidissimum tus, in quo macula nulla est spricht Burginda, Expositio Apponii in cant. Cant. XII, expositio brevis 2,8,404.

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19 Phoenices myrrham] Die Myrrhe wird gewöhnlich als arabische Pflanze betrachtet. 19f. Citreum … liquorem/Medorum] Der Zitrusbaum wurde auch »medischer Apfelbaum« genannt. Vgl. Georges zu citrus. 20 Terra Cilissa crocum] Vgl. Ovid, Ibis 200: terra Cilissa crocos. 21 thuris lacrymam] Die Gegend um die Stadt Saba in der Arabia felix war reich an Weihrauch. Vgl. Plinius, nat. 12,52. 22 Cinnamon Assyrii] Assyrien liefert viele wohlriechende Planzen, darunter auch amomum. Vgl. Vergil, ecl. 3,89. 22 malobatrúmque] Ein aus Indien oder Syrien stammendes wohlriechendes Gewürz; vgl. Georges s. v. 24 ventivolíque] Wortbildung nicht antik; vgl. aber das Glossarium in Humanistica Lovaniensia 28 (1979), S. 211: ›wind-borne‹. 25 pater omnipotens] Oft seit Lukrez 5,399. 25 tuus … labor] Vgl. Vergil, Aen. 1,76f.

Zu III,19,4 1 coelum, nubila, terras …] Ähnlich Ovid, fast. 1,117f. quidquid ubique vides, caelum, mare, nubila, terras / omnia sunt nostra clausa patentque manu. 7 tacito … lapsu] Vgl. Paulinus Petricordiae, De vita S. Martini 5,158 tacito manans … lapsu. 8 Notus] Südwind. 10 tellus roscida] Junktur wie Seneca, Phaedr. 45. 16 Nabathaea … balsama] Der wohlriechende Balsam stammt oft von den Nabatäern, einem Volk in Arabien. 20 Libitina] Leichengöttin bzw. Totengöttin. 22 Aonidum … fide] Vgl. dazu oben den Vorspann zur Elegie. 24 generosa Rosa] Ovid, fast. 5,210 spricht im Zusammenhang der Herrschaft Floras/Chloris’ von generoso flore. 26 pinge ROSAM] Auf dem Titelkupfer der Ausg. 1638 (Abb. 1) ist die Gottesmutter in einer floralen Umgebung dargestellt. Im Vordergrund des Bildes sind mehrere Rosen zu sehen. Damit wird zugleich die Verbindung zwischen Maria, der Himmelskönigin, und den Rosen hergestellt.

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Zu Elegie III,20 (JE) Die 20. Elegie zählt nicht nur zu den längsten in den DV, sondern bietet Bisselius auch Gelegenheit, sich einer bislang in der Sammlung nicht vertretenen Gattung anzunähern, nämlich dem Heroidenbrief. Wie schon in anderen Elegien (I,14,2; I,14,3; I,18; I,19; I,22; II,4; II,8) greift er einen Gegenstand aus Heiligenlegenden auf, hier das Martyrium der Heiligen Dorothea und der damit zusammenhängenden Bekehrung samt anschließendem Martyrium des Heiligen Theophilus, die beide am 7. Februar verehrt werden. Auch in der deutschsprachigen Poesie sind Dorotheen-Dichtungen geläufig (vgl. Busse 1930). Der protestantische Schulmann Nicolaus Herman verfasste für seine Sontags Euangelia (Leipzig 1562) Ein Lied von S. Dorothea, welchs ist ein vnterweisung eins Christlichen Jungfrewleins; vgl. Wackernagel 1864–1877, Nr. 1372. – Doch statt eine einfache Versparaphrase der bei Laurentius Surius (s. u.) und anderen Hagiografen überlieferten Legende zu präsentieren, orientiert sich Bisselius offenkundig an älteren und neueren Heroidenbriefsammlungen, in denen der Dorotheen-Stoff zu den am meisten bedichteten gehört. Nach Ovidischem Vorbild fiktive Briefe Dorotheas an Theophilus verfassten Helius Eobanus Hessus (epist. 23 bzw. in der überarbeiteten Fassung III,8; die Erstfassung bietet Hessus 2008, S. 414–421; s. dazu: Suerbaum 2008, S. 96f.) und Bisselius’ Ordensgenossen Baudouin Cabilliau (1636, epist. II,6) und Jean Vincart (1640 [u. ö.], epist. I,5). Umgekehrt ein Schreiben des Theophilus an Dorothea nahm Jacob Bidermann in seine Sammlung von Heldenbriefen auf (1634, S. 36–41). Angesichts einer solchen Häufung kann es nicht verwundern, dass Dorothea auch im Katalog der längst ›abgeleierten‹ Stoffe firmiert, den Jacob Balde in der Isagoge zu seinem allegorischen Elegien-Zyklus Urania Victrix (1663) anführt (vgl. Balde 2003, S. 12f.). Dass Bisselius seine Vorgänger kennt und zu überbieten trachtet, legt schon die überaus kühne Invention der Schreibsituation nahe: Während bei Hessus und Cabilliau (wie auch später bei Vincart) Dorothea kurz vor ihrer Hinrichtung an Theophilus schreibt, lässt Bisselius sie nach der Enthauptung direkt aus den himmlischen Gefilden, in die sie sogleich aufgefahren ist, einen Brief verfassen, den sie – eine düster-drastische Pointe – mit dem Blut des eigenen Leichnams niederschreibt (1,5f.)! Lediglich Bidermanns Theophilus schreibt an Dorothea, nachdem sie das Martyrium bereits erlitten hat, immerhin aber noch zu seinen Lebzeiten. Dass Bisselius die überraschende Wirkung dieser Schreibsituation bewusst einkalkuliert, ja besonders zur Geltung bringen will, zeigen die parallel formulierten Titel der ersten beiden Teilelegien: Während der erste angibt, Dorothea schreibe, was sie vor dem Schwertstreich fühle – dies ginge noch mit der ›natürlichen‹ Chronologie konform, der sich die anderen Heroidenbriefe anschließen –, enthüllt der zweite, dass sie nun obendrein schreibe, wes Sinnes sie nach dem Martyrium gewesen sei. (Diese sicherlich bewusste Absetzung von den Vorläufern und einige Einzelbeobachtungen legen einen Abfassungstermin für diese Elegie in oder nach dem Jahr 1636, als Cabilliaus Heroidenbriefe erschienen, zumindest nahe.)

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Zugleich nutzt Bisselius diese ungewöhnliche Voraussetzung auch dazu, ausführlich und an frühere Elegien (I,17) anknüpfend, die Auffahrt in die himmlischen Gefilde, die ›Felder der Seligen‹ und den himmlischen Palast dort sowie die Gemeinschaft mit Christus und die Liebe zu Gott in mit preziösem Vokabular und stilistischen variationes ausgeschmückten Passagen zu beschreiben (Teilelegie 2 bis 5), stets beglaubigt durch die ›authentische‹ Schrift der Hl. Dorothea. Knapp in der zweiten, vollends erst in der sechsten Teilelegie wendet sich die Schreiberin dann dem Empfänger des Briefes zu und imaginiert (antizipiert? oder sieht gar?) dessen emotionale Reaktion auf den Brief – ein Paradox, das nicht minder kühn konstruiert scheint als die Schreibsituation selbst. In der sechsten Teilelegie lädt sie (anders, als der Titel es vermuten ließe) Theophilus weniger zum Martyrium an, als dass sie es als zukünftiges Faktum in Aussicht stellt. Die siebente und abschließende Teilelegie bietet noch ein rhetorisch ausgefeiltes Plädoyer (vgl. ihren Titel: Paraenesis) für die Standhaftigkeit des Märtyrers. (Die Rosen im Körbchen Dorotheas, welche das Gedicht eigentlich mit dem Thema des Kapitels verknüpfen, spielen insgesamt nur eine marginale Rolle.) Und in dieser Hinsicht enthüllen die letzten Teilelegien zugleich den psychagogischen Subtext des Gedichtes, indem die Paränese zum Schluss deutlich über die innerfiktionale Kommunikation zwischen der Heiligen und dem zu Bekehrenden hinausweist: Wenn Dorothea Theophilus in den glühendsten Farben die ewigen Freuden ausmalt, die auf das Martyrium folgen und zugleich zur Standhaftigkeit angesichts des (Glaubens-)Zweifels (7,34) und handfesterer Bedrängnisse aufruft, dann mag auch ihr Autor Bisselius seine Leser (Schüler, Adepten?) zum standhaften Glauben und Bekennertum anspornen, Tugenden, die in konfessionellen Auseinandersetzungen ebenso als erforderlich erachtet wurden wie etwa im Bereich der weltweiten Mission. Die von Dorothea vorgebrachte Meinung, nicht Worte, sondern Taten sicherten das Seelenheil (vgl. 1,9–12 und passim), fügt sich nahtlos in diese mutmaßliche Intention des Gedichtes ein und dürfte überdies eine konfessionspolemische Spitze für Werkgerechtigkeit und gegen eine ›Gesinnungs-Ethik‹ der Lutheraner und Reformierten enthalten. Das Genre des Heroidenbriefes unterstützt diese Wirkung durch die eindeutige Ich-Du-Kommunikation zusätzlich, da Dorotheas Lehre an ihren Leser sich mit Bisselius’ Lehre an seine Leser gewissermaßen überlagert (bedeutungsvoll in diesem Zusammenhang: 6,3: dum legitur). Caesaréa … occubuit.] Das Argumentum hat Bisselius auf Grundlage der genannten Quellen (s. u.) wohl selbst formuliert. Hujus … Epistolam adjungimus … perscriptam.] Poetologisch wichtige Formulierung. Zumal im adjungimus tritt die Autorschaft des Bisselius in den Vordergrund, der dem Rosenwunder der Dorothea einen legendarisch nicht belegten Brief hinzufügt, nämlich die folgende Elegie. (Zu Vorläufern dieser Brieffiktion unter frühneuzeitlichen Heroidendichtern s. o. die Einleitung). Baronii Martyrologium] Der Oratorianer und berühmte Kirchenhistoriker Cesare Baronio arbeitete zusammen mit Guglielmo Sirleto und im Auftrag Gregors

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XIII. ein aktuelles Martyrologium (Romanum) auf der Grundlage mittelalterlicher Vorläufer und frühneuzeitlicher Vorarbeiten (Surius) aus. Im Jahr 1586 überarbeitete Baronio das Werk abermals für Sixtus V. Auf ihm beruhen die aktuellen Martyrologien ebenso wie Baronius’ direkte Nachfolger als Hagiografen, etwa der ebenfalls von Bisselius benutze Rosweyde (s. zu II,4 u. II,8). Die Dorotheenlegende wird mit reichhaltigem hagiografischen Kommentar von Baronius vermerkt in (z. B.): Martyrologium Romanum. Ad Novam Kalendarii Rationem et Ecclesiasticae Historiae veritatem restitutum […]. Accesserunt Notationes atque Tractatus de Martyrologio Romano Auctore Caesare Baronio Sorano. Venetiis: Zalterius 1597, S. 72f. Surium] Zu ihm s. den Kommentar zum Vorspann von II,6. – Eine im Vergleich zum Martyrologium Romanum ausführlichere Fassung der Dorothea-Legende findet sich in Surius 1581, Bd. I, S. 273r–274v. DOROTHEA … SALVTEM] Der in den DV singuläre zweite Übertitel vor den Teilelegien entspricht einer typischen Grußformel des lateinischen Briefes, wie sie z. T. auch in dichterischen Versepisteln benutzt wurden (vgl. etwa die Titel der Heroidenbriefe bei Bisselius’ Ordensbruder Jean Vincart [1640]). Die folgenden sieben Teilelegien sind somit als (gegliederter) christlicher Heldinnenbrief zu lesen.

Zu III,20,1 Exponit] Die Formulierung kennzeichnet die erste Teilelegie deutlich als expositio des ›Briefes‹. 3f. dabantur … dederam … dedi] Geradezu lakonisches Polyptoton, in dem Dorothea ihre Enthauptung beinahe als Nebensache abtut. 5f. Contiuò … bibit] Hyperbolische, höchst argute Gedankenfügung, in der die Hinrichtungsszene mit der Schreibsituation kurzgeschlossen wird. Zugleich variiert und überbietet Bisselius den Topos, dass Heroiden ihre Schreibsituation thematisieren: Dorothea schreibt mit ihrem eigenen Blut! Ähnliches hat nur Cabilliau versucht, als er in seinem Briefzyklus über Genovefa von Brabant die verfolgte Unschuld ihren Brief mit der eigenen Muttermilch schreiben ließ (dazu Eickmeyer 2012, S. 420f.). Gleichzeitig beglaubigt das Schreiben mit dem Märtyrerblut (als positives Gegenstück zu manchem Teufelspakt) zusätzlich die Fiktion. 7 calatho] Als Blumenkörbchen auch bei Vergil, ecl. 2,46; Ovid, met. 5,393; 14,267. 8 Lator] Vermutlich nicht der »Überbringer« des Korbes, sondern ein juristischer Fachbegriff (Vgl. Livius 4,53,13: legis agrariae lator oder Cicero, Cat. 4,10: latorem Semproniae legis), der auf den ›Advokaten‹ Theophilus zu beziehen ist.

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8 tegmine] Tegmen eigentlich für Dächer oder sonstiges schützend Gewölbtes. Da die, auch grafisch abgesetzten, ersten acht Verse aber schon zum Brief gehören, ist die Vorstellung wohl, dass sie auf dem Umschlag oder der gefalteten Außenseite des Briefes zu lesen standen. 9f. salutem … salva] Scharfsinniges Spiel mit der Bedeutung von salus als ›Heil‹ und Grußformel. Antik bekannt aus Ovid, Pont. 1,10,1f. oder epist. 16,1f. Wie hier mit christlichem Nebensinn erscheint die Briefformel oftmals in frühneuzeitlichen Heroidenbriefen (vgl. dazu Eickmeyer 2012, S. 131, 162, 167f. u. 184). 11f. SALVA, Salúsque … darent?] Die folgenden Verse führen das Wortspiel fort und münzen es in die, für eine Briefschreiberin zunächst paradox erscheinende, Ansicht um, nicht Worte, sondern Taten (effektvoll alliterierend: fortia facta) sicherten das Heil. Darin steckt sicherlich eine Spitze gegen das Advokatentum des Theophilus (zur Advokatenschelte bei Bisselius vgl. auch DV II,12). Das Folgende zeigt zudem, dass hier der Aufruf an Theophilus zum Martyrium in Teilelegie 6f. bereits vorbereitet wird. 13 O Animum! ô sensum!] Die emphatischen Ausrufe suggerieren den emotionalen ›Ausnahmezustand‹ Dorotheas. 16 gelidam necem] Sinnreiche Enallage: Kühl ist der Stahl des Henkerschwertes, das den Tod bringt. 15–28] Dorothea flicht, darin Ovidischen Heroinen ähnlich, ihre Vorgeschichte, hier die Geschichte ihrer Enthauptung ein. Der voraufgegangene Konflikt mit dem Statthalter Sapricius, der einen Großteil der Legende ausmacht, kommt dabei nicht vor (Bisselius vermerkt ihn im Argumentum; vgl. dagegen Surius [21581], Bd. I, S. 273rf.). 15f. nudata … spoliata … patefacta] Die Reihung von Partizipien (letztere zu einem Prädikat gehörig) des Passivs unterstreichen, wie ausgeliefert Dorothea ihren Feinden und dem Henker ist. 17 matrona puellaque virque] Die enge Reihung zeigt, wie gleichsam das gesamte Publikum (auch der Henker, V. 18) sie zur Umkehr bewegen wollen. 18–26] Dramatisierend eingeschaltet wird die umfängliche und emphatische wörtliche Rede der ›Menge‹, in der sie Dorothea weltliche Güter vor Augen stellt: Schönheit (V. 19 formae), Jugend (V. 20: ante diem), Familie (V. 21: genitor, genitrix), Ehe (V. 21: sine conjuge), ein ›Naturrecht‹ (V. 23: omnis natura vetat), die ›wahre‹ heidnische Religion (V. 25: mentitum coelum). 27 Dixêre: et renui] Umso lakonischer fällt die Ablehnung Dorotheas aus. 28 et collum; et colli verba … tulit] Argut wiederum die zeugmatische Verwendung von ›Abschneiden‹ des Halses und zugleich des Wortes. 28 machaera] Volkstümliche, zugleich pejorative Bezeichnung des Henkerschwertes als ›Schlachtmesser‹; vgl. Plautus, Bacch. 68; Curc. 424; 567.

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Zu III,20,2 1 SENSVS … saevus] Geradezu phänomenologisch beschreibt Dorothea Theophilus den Schmerz der Hinrichtung. 2 saevus, non diuturnus] Sogleich hebt sie aber durch die Endlichkeit den Wert dieses Schmerzes auf. 3 Obstupui] Vgl. Properz 1,3,28. 3–6] Die Trennung der Seele vom Körper erzeugt zunächst auch ein Geüfhl der Unbehaustheit (V. 4: est quaerere visa larem), wird jedoch, im Sinne eines christlichen Platonismus, als ›Befreiung‹ der Seele aus dem Kerker des Leibes gewertet (V. 3: membrorum … latebris; V. 6: Anima est reddita tota sibi). 7 pingui mole] In Fortführung des platonischen Gedankens charakterisiert Dorothea den Körper als »fette« Last. 10 Accipitrem … fugit] Der Vergleich nach Vergil, Aen. 11,721f. und Ovid, met. 5,605f. 11f. tela … cerva] Das Bild vielleicht nach Vergil, Aen. 6,659f. Mit Hirschkuh und Pfeilen sind zugleich Motive des Hohenliedes (2,7) und der Mystik aufgerufen (vgl. Dimler 1972), die bereits die mystische ›Heimkehr‹ Dorotheas zur ihrem ›Bräutigam‹ Christus (s. u.) vorbereiten. 13 transsultis] Transultare für den Sprung eines Pferdes bei Livius 23,29,5. 15–18 Neu’ … decus] Sehr plastisch wird die Auffahrt Dorotheas mit einem Blick hinab auf die verlassene weltliche Sphäre kontrastiert. 15 truncum, absecta cervice] Der Blick auf den eigenen Leichnam deutet den Übergang in einen ›himmlischen‹ Leib an, der unten, V. 22–28 beschrieben wird. Im Hintergrund steht Paulus’ Unterscheidung des irdischen vom himmlischen Leib (1 Kor 15,40–49). 19f. Iam … dabam.] Beinahe gleichzeitig, wie das Semikolon in V. 18 verdeutlicht, mit der Abwendung vom Irdischen vollzieht sich Dorotheas Ankunft im Himmelreich, szenisch beschrieben als mystisch-erotische Vereinigung mit Jesus, der sie (gemäß christlicher Braut-Mystik) umarmt und den sie wiederum küsst. Vgl. dazu Art. ›Brautsymbolik. II. Brautmystik‹. In: 3LThK 2 (1994), Sp. 665f. (Marianne Heimbach-Steins). 19 sine corpore] Hier ist noch der irdische Leib gemeint. 21f. Iamque … More] Die mystische Vereinigung ist besiegelt, indem Christus Dorotheas Küsse erwidert; castoque (V. 21) weist darauf hin, dass nicht voluptas, sondern amor divinus gemeint ist. 22–28] Es folgt die Beschreibung des himmlischen Leibes, der geradezu aus der Vereinigung mit Christus zu erwachsen scheint.

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23 cassa genis] Die Schläge deuten auf Dorotheas Folterung vor der Hinrichtung hin, die Bisselius ansonsten ausklammert. S. Surius (21581), Bd. I, S. 273v. Vgl. auch unten zu 7,3. 25 Ne fallâre tamen] Die Bekräftigungsformel unterstreicht Dorotheas Darstellung. 28 quae … capis.] Der himmlische Leib kann nicht berührt (oben, V. 25 tangere), sondern nur durch Glauben erfasst werden. 29f. Sunt … ingenij] Schwierige Konstruktion der Bezüge in dieser Sentenz. Gemeint ist wohl, dass die Augen den menschlichen Geistesgaben unterlegen seien. Das wäre auch poetologisch nicht unwichtig, implizierte es doch, dass auch für den Leser des Bisselius die Augen nicht ausreichen, sondern dass Glauben und womöglich mystische Spekulation hinzutreten müssen. – Strukturell liegt hier ein Komplement zu III,18,27–31, wo Bisselius bemerkt, dass zur Schönheit auch Duft, mithin ein nicht-optische Wirkkraft hinzukommen müsse. 33f. Hoc … probat?] Der wunderbare Brief selbst wird zum Zeugnis für die Größe und Allmacht Gottes, zugleich zur Beglaubigung seiner selbst. 35–44] Die erste Hinwendung zu Theophilus und seiner Lesesituation, wobei durch die Präsens-Formen zunächst unklar bleibt, ob Dorothea sie imaginiert oder tatsächlich wahrnimmt (vgl. unten, zu Teilelegie 6f.). 38 ROSAS] Zum ersten Mal werden in dieser Elegie die Blumen, mit denen das Kapitel der DV überschrieben ist, beim Namen genannt. 39 calyx … calycis … nucleus] Das Verhältnis von irdischem und himmlischem Dasein wird in eine weitere Metapher gehüllt, die entfernt an die Poetologie von Hülle und Kern erinnert. (Vgl. dazu am Beispiel Grimmelshausen: Gersch 1973.) Der Übergang von irdischer zu himmlischer Sphäre, damit auch von weltlicher zu geistiger Schau, wird durch das Martyrium ermöglicht. 40 Quàm cuperem (ah)] Der durch die emphatische Interjektion hervorgehobene Wunsch mag eine kontrastive Anspielung auf Prudentius, peristefanon 3,101–103 enthalten. Dort ist die Situation freilich umgekehrt, denn der Prätor spricht zur (nachmals Heiligen) Eulalia: Quam cuperem tamen ante necem, / si potis est, revocare tuam, / torva puellula, nequitiam! – Inhaltlich ahmt das Wünschen Dorotheas für Theophilus die mannigfachen Wünsche Ovidischer Heldinnen für (oder gegen) ihre fernen Liebhaber nach; vgl. etwa Ovid, epist. 1,5f.; 4,125f.; 7,51f. 42f. famem … fames] Dem Literalsinn nach wird der Hunger auf die Äpfel in Theophilus’ Korb bezogen; eine zum ›Kern‹ vordringende geistliche Deutung müsste den Hunger als Drang nach geistiger Erkenntnis, nach der himmlischen Sphäre, mithin nach dem Martyrium, lesen (vgl. analog den ›Durst‹ unten 6,4).

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44 Non … penu.] Nach der geistlichen Deutung des ›Hungers‹ ist denn auch diese Freigiebigkeit Dorotheas als Übergang zu den folgenden Briefteilen (Teilelegien) zu deuten: Sie schließt nun Theophilus weitere Geheimnisse auf.

Zu III,20,3 1 Aspiceres utinam!] Ein weiterer parodistischer Rekurs auf Ovids Heroides, nämlich die Epistel Didos (epist 7, 183f.): Adspicias utinam, quae sit scribentis imago: / Scribimus, et gremio Troicus ensis adest. Während die Karthagische Königin sich aus Verzweiflung umbringen wird, ist Dorothea – durch den Märtyrertod – über jede Verzweiflung erhaben. – S. auch unten, 5,7. 2 tardus hiaret amor] Sehr bildliche Formulierung, die wohl meint, das Himmelreich sei ein Ort des höchsten Entzückens für die Liebe; mit amor ist dann sicherlich der amor divinus benannt. 2–8] Im ersten Abschnitt der Himmelsbeschreibung wird zunächst die Zeitlosigkeit der Gefilde im »ewigen Frühling« amplifizierend geschildert. Womöglich kannte Bisselius eine ähnliche Schilderung im Augustinus-Brief, den sein Ordensgenosse Bidermann in seine Heroum Epistolae aufnahm: Bidermann 1634, S. 24–31, v. a. S. 26–28. 2 Nocte … Titan] Die chiastische Fügung versinnbildlicht, dass beide ›Enden‹ eines Tages eben keine Enden sind. 5 Hyades] Das regenbringende Siebengestirn; vgl. Vergil, Aen. 3,516: Horaz, carm. 1,3,14 6 Vrsa gelu] Der (große oder kleine) Bär als nördliches Wintergestirn. 6 igne Leo] Der Löwe als südliches Sommergestirn; auch erwähnt in III,18,2. 7 Annus agit] Tibull 1,4,20. 7 VER semper] Der »ewige Frühling« der himmlischen Sphäre fügt sich zum Generalthema der DV. 8 Quódque … gemma … racemus] Ohne Jahreszeiten tragen die Pflanzen zugleich Knospen und Früchte. Vgl. Bidermann 1634, S. 27. 9–14] Aus der (Jahres-)Zeitlosigkeit der himmlischen Gefilde ergibt sich, dass es keinen Verfall und keinen Unrat gibt. So auch bei Bidermann 1634, S. 26: Nulla locum infestant ullo contagia tabo: / Nulla lues illic, quam LUA purget, adest. 11 (orbe subacto)] Einzige Similie bei Tacitus, hist. 2,38,1: subacto orbe; Walther von Châtillon, Alexandreis 8,385. 13f. CONTINGVNT … erit.] Die Versalien deuten auf eine besondere Bedeutung dieser Sätze hin. In der Tat vermischen sich in dieser Sentenz gewis-

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sermaßen Dorotheas Ansprache an Theophilus und diejenige des Bisselius an seine Leser: Alle sollen sich nach dem Himmel ausrichten, um irdischer ›Befleckung‹ zu entgehen. 15–19] Eine Reihe von fünf praeteritiones in rhetorischen Fragen schildert – trotz gegenteiliger Intention – den Glanz von Gold und Edelsteinen an Straßen und Gebäuden mit teils preziösem Vokabular; im Hintergrund steht wohl die Beschreibung des himmlischen Jerusalem in Offb 21,11–15 oder eine einschlägige, an Preziosen reiche Schilderung in Prudentius’ Psychomachie (V. 845–874); zu letzterer s. auch Gnilka 1963, S. 94–123. 16 Erythraeis … Bonis] Wohl Perlen aus dem Roten Meer, häufig bei Martial als Erythraei lapilli: 4,6,18; 5,37,4; 9,2,9; 9,12,5. 17f. Argentea moenia … ebur] Neben biblischen Prätexten sind auch antike zu berücksichtigen. Diese Beschreibung etwa erinnert an Ovids Schilderung des Sonnenpalastes (met. 2,3f.), von dem es heißt: cuius ebur nitidum fastigia summa tegebat, / argenti bifores radiabant lumine valvae. – Auch Bidermanns Augustinus-Brief könnte abermals anregend gewirkt haben (Bidermann 1634, S. 24–31, v. a. S. 26). 19 Sardonychen … Iäspida] Die Kombination der Edelsteine legt einen Bezug auf Prudentius nahe: Psychomachia 860f.: sardonicem pingunt amethystina, pingit iaspis / sardium iuxta adpositum pulcherque topazon. 21f. Lucidiora … tonat.] Eher knapp fällt in diesem Distichon die Beschreibung des Allerheiligsten aus, vielleicht auch, um deutlich zu machen, dass es sich menschlicher Beschreibungsweisen entzieht (s. u. zu Teilelegie 5).

Zu III,20,4 1–10] Von den Gebäuden kommt Dorothea auf die gartenartige Landschaft der himmlischen Sphäre zu sprechen. Sie erinnert nicht nur an die Beschreibung der himmlischen Gefilde in Bisselius’ Zeisig-Elegie (I,17, Teilelegie 3), sondern kann schon auf eine ähnlich ausgeschmückte Passage des spätantiken Dichters Venantius Fortunatus zurückgeführt werden (s. dessen carm. 8,3, etwa 29–42); vgl. auch bei Bidermann 1634, S. 27, eine ähnliche Passage von sechs Distichen: Undique destillant opobalsama, lilia candent; Et Crocus innocuo plurimus igne rubet. Passim prata virent, ridet seges obvia passim; Et faciles rivi, per sata, mellis eunt. Hic Nardi spiratur odos; hic rore beato Nobilis Elysium prodit aroma liquor. Parturiunt. Violam, et Caltham, et Colocasia campi, Et Casiam, et pleno sparsa ligustra thymo. Hic itidem felix, ab onustis pendula ramis Poma fovet, Zephyro morigerante, nemus.

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Vitiferi colles, et dulcibus una racemis Autumnum medio vere venire iubent.

6 LILA] Während Caltha und Viola auch in Bidermanns Schilderung auftauchen, kehrt Bisselius die Lilie besonders hervor, einerseits seits durch Versaldruck, andererseits durch doppelte Erwähnung (V. 9). 6 caltha] Vgl. die Erwähnung dieser Blume in I,22,21 und III,3,30 und den Kommentar jeweils. 8 Violarum] Die Veilchen verbinden diese Elegie mit I,20–22 sowie – über den Namen der Protagonistin – kontrastiv mit III,5. 9f. Plus cognata … LILIA … ROSA] Dorothea ruft die gängige christliche Blumensymbolik auf, nach der Lilie und Rose (neben Mariensymbolen) für die jungfräulichen Märtyrer stehen. 10 vepre caret.] Vgl. dazu die vorangegangene Elegie I,19. 11–14 Geminis … natat] Die Blumen- und Farbensymbolik wird ausgeweitet, indem Dorothea das Weiß der Lilie (Jungfräulichkeit) und den Purpur der Rose (Märtyrertum) vereint, wie schon durch ihre Tat. Vgl. auch oben III,18,15f. 17–24] Es folgen Exempel von vier jungfräulichen Märtyrerinnen, in deren Reihe Dorothea nun gehört (s. V. 27). Insofern stellt diese Elegie auch ein Komplement zum ›Himmelsflug‹ des Zeisigs in I,17 dar, dort besonders Teilelegie 3. 17f. Hoc … pudicitiae] Periphrase für die Hl. Lucia, Schutzheilige Siziliens. Genannt ist sie in I,17,3,14. 20 AGNA] Die Hl. Agnes von Rom, Märtyrerin um 250; zu ihrem Gedenktag, dem 21. Januar, verzeichnet Surius die maßgebliche Vita des Ambrosius: Surius (21581), Bd. I, S. 154r–155v. 21 EMERITA] Wortspiel, das emereri und die Hl. Emerita verknüpft, eine römische Märtyrerin, die am 22. September zusammen mit der Hl. Degna verehrt wird. 23f. Chresta et Callista … pares] Die beiden Schwestern, von denen Bisselius auch im Argumentum spricht, wurden von Dorothea bekehrt, das Martyrium für ihren Glauben zu erleiden; vgl. Surius (21581), Bd. I, S. 273v. 25–27 Quas … suo?] Obwohl der relativische Anschluss zunächst signalisiert, dass Dorothea von ihrem Wirken für Chresta und Callista berichtet, weitet sich das letzte Distichon doch wieder ins Allgemeine. Implizit beziehen sich die Äußerungen zum Martyrium auch hier schon auf Theophilus (und den Leser).

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Zu III.20,5 1–6] In einem langen, vielgliedrigen und entlegenen Adynaton stellt Dorothea fest, dass die Liebe Christi nicht in Worten ausgedrückt werden kann. 1 Melas] Fluss in Kappadokien, nahe der Grenze Kilikiens. 1 Mazzeïa] Oder ›Mazaka‹, eine alte Bezeichnung für Caesarea, die Heimatstadt Dorotheas, durch die der Melas fließt. 2 Calpe Tartessia] Calpe, ein Berg auf der spanischen Seite der Meerenge von Gibraltar, eine der ›Säulen des Hercules‹; vgl. Lukan 1,555; 4,71. 2 Tauro] Der Taurus, eine Gebirgskette vom Süden Kleinasiens bis zum Schwarzen Meer; vgl. Mela 1,15,2. 4 in juga nexa manus] Vgl. (Ps.-)Ovid, Consolatio ad Liviam 274: duraque per saevas vincula nexa manus. 7 EXPERIARE velim!] S. o. zu 3,1. 7f. minùs … narratrix] Die Bildung narratrix klassisch nicht belegt. Inhaltlich eine weitere ›sprachkritische‹ Äußerung, die implizit zur Tat aufruft; vgl. oben 1,11f. 8 Omnia dicet Amor.] Sinnreiche Anspielung auf Vergil, ecl. 10,69: Omnia vincit amor. Dorothea vertraut auf die erkenntnisschaffende Kraft des amor divinus, wie Vergil seinen Vers fortführt: et nos cedamus Amori. Vgl. auch Ovid, ars 2,678 und (Ps.-)Ovid, Ciris 437. 10 Diligimus … diligimúrque] Das Polyptoton lässt die Wechselseitigkeit der göttlichen Liebe sinnfällig werden. 11 Quem, nisi?] Aposiopese, da Dorothea am weiteren offenen Schreiben gehindert wird. Vgl. dazu den Schluss der Museums-Elegie III,15,2,39–42. 11f. Sed … iussit, Amor.] Abermals eine präzise Kontrafaktur zu einem antike Distichon: Ovid, epist. 4,9f. (Phaedra): Qua licet et sequitur pudor, est miscendus amori; / Dicere quae puduit, scribere iussit amor. 13 NVMEN … et –] Zweite, durch den Gedankenstrich deutlicher markierte Aposiopese. 15 liquido … cursu] Vgl., wenngleich mit anderer Aussage, (Ps.-)Ovid, Ovid, Laus Pisonis 62f.: Dulcia seu mavis liquidoque fluentia cursu / Verba. 16 Gaudia inexhaustum] Die Zusammenstellung erinnert an mystischen Sprachgebrauch; Vgl. etwa Laurentius Surius’ Übersetzung von Jan van Ruysbroeks Speculum aeternae salutis (1553), Kap. 9: Ita ergo inter immensum ac inexhaustum amorem et infinitum gaudium.

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Zu III,20,6 1 Ergò agè] Typische adhortative Formel; vgl. etwa Vergil, georg. 1,63; Ovid, ars 1,343; 2,143 u. 489. 1 rumpe moras] Vergil, Aen. 4,569: heia age, rumpe moras!; ähnlich Ovid, met. 15,583. 2 Exacue, in gladium] Das Komma hat keinen satzgliedernden Sinn. Abermals bringt Dorothea ein argutes Wortspiel, indem das Objekt, das man zu exacuere erwarten würde, nämlich gladium, zum Endzweck der Handlung wird: Theophilus soll sich »auf das Schwert hin spitzen«. 2 Noster eris.] An dieser Versstelle auch bei Ovid, ars 1,178. 3–9] Doch nun wechselt Dorothea zu Beschreibungen der Lesesituation des Theophilus, als ob sie (von ihrem überhimmlischen Ort her) die Szene beobachten könnte. Bisselius erweitert hier auf spektakuläre Weise die Möglichkeiten des Genres Heroidenbrief, indem er die Ungewissheit der Schreiberinnen über die Reaktion des Lesers durch Dorotheas (paradoxes) Wissen um Theophilus ersetzt. Narrativ kann er so zugleich die Theophilus-Legende, die ja außerhalb des Briefes sich abspielen muss, in das Gedicht mit hineinnehmen. 3 dum legitur] An dieser Stelle suggeriert die unpersönliche Formulierung eine Verwischung der Grenzen zwischen Theophilus als Leser und Bisselius’ Leser als Lesern des Dorothea-Briefes. 4 sitim … pelle sitim.] ›Durst‹ ist hier im geistlichen Sinne des geradezu körperlich sich manifestierenden Strebens nach Christus (und in diesem Fall auch dem Martyrium) gemeint. Vgl. die ähnliche Verwendung in der Emmaus-Elegie II,10,6,40–42; ferner die geistliche Sinngebung des Hungers oben 2,42f. 5f. Iam … est.] Innovative Variation des schon antik verbreiteten Topos der liturae: Während dort die Verwischungen stets von den Tränen der Schreibenden herrühren, imaginiert (oder sieht?) Dorothea hier die heftige emotionale Reaktion des Theophilus, sodass nun die Tränen des Lesers die Schrift unleserlich machen. 7 QVID … denique?] Die Schreiberin imaginiert nicht nur die Aufgewühltheit des Theophilus, sondern stellt sie selbst dar, indem sie ihm seine verzweifelten, abreißenden Fragen gleichsam in den Mund legt. Das Präsens (exclamas) verrät dabei keinerlei Zweifel einer unschlüssigen Schreiberin (wie noch bei Ovid und seinen frühneuzeitlichen Nachfolgern üblich), sondern die Gewissheit einer wunderbar-antichronologischen Wahrnehmung. 9–12] Während bislang die Beschreibung in Präsens-Formen gehalten war, wechselt Dorothea nun ins Futur, indem sie gleichsam die verzweifelten Fragen des Theophilus beantwortet und somit ihn nicht nur zum Martyrium aufruft, sondern es als unumstößlich sicher (V. 9: certè) darstellt.

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11 turpémque Iovem, stultámque Minervam] Über die deutliche Kritik am Heidentum hinaus steckt gerade in Minerva ein Ressentiment gegen die Wissenschaften. Es ist, wie alle der bisherigen Abwertungen der Macht des Wortes, auf Theophilus’ Profession als Advokat gemünzt, mag aber auch von Bisselius in weiterem Sinne intendiert sein. 12 quaeres astra] Vgl. Ovid, fast. 6,195.

Zu III,20,7 1–30] Erst nun, zum Schluss, führt Dorothea den Teil ihrer Vorgeschichte an, in dem sie Theophilus traf und von ihm verspottet wurde; vgl. Surius 1581, Bd. I, S. 273v/274r. 1 sine mente] Vgl. Vergil, Aen. 6,56: haut equidem sine mente reor, sine numine divom. 3 Digna tibi palmis] Wortspiel mit der Doppelbedeutung von palma: ›Siegespalme‹ und ›Handfläche‹; Theophilus fand die Schläge gerechtfertigt, während Dorothea doch den Palmzweig der Märtyrer erwarb. 3 catastis] Im Sinne von ›Materrost‹ bei Prudentius, peristefanon 1,56. 7–13] Im Kontrast zu oben, 6,7, führt die Schreiberin hier die Spottworte des Theophilus als wörtliche Rede an. 8 Divinos … toros!] Im Spott des Theophilus steckt wiederum tiefere Wahrheit: Dorothea wurde ja tatsächlich – brautmystisch – mit ihrem himmlischen sponsus Jesus vereint. 9–11 Eja, agè … rosis!] Bisselius amplifiziert bzw. wandelt ab Surius 1581, Bd. I, S. 273v: Eia tu sponsa Christi, mitte mihi de paradiso sponsi tui mala aut rosas. 13 VIRIDARIA] Die durch Versaldruck hervorgehobenen ›Gärten‹ spielen, ohne dass der Sprecher es schon wüsste, auf die himmlischen Wiesen an, die Dorothea in Teilelegie 4 beschreibt. Als Leser aber muss Theophilus nun seinen Irrtum erkennen. 14 salso joco] Sal im Sinne von scharfem, bitterem Scherz bei Horaz, epist. 2,2,58/59: hic delectatur iambis, / ille Bioneis sermonibus et sale nigro. 15 animos auxi] Vgl. Ovid, fast. 3,65. 23 Hem tibi!] Typische Komödiensprache; s. etwa Plautus, Asin. 445; Aul. 720; Capt. 631: Hem rursum tibi. 23 brumosis … lunis] Im Februar sind keine Rosen zu erwarten; nur das Wunder des erhörten Gebets bringt sie hervor.

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26 addita Poma] Auch Äpfel zählen nicht zu den Früchten des Februars. S. zu beiden Gaben Surius (21581), Bd. I, S. 274r. 27 Continuò tibi mitto] Hier gerät Bisselius die Chronologie oder Plausibilität ein wenig ins Schwanken, da er Dorothea den Korb mit Äpfeln und Rosen noch vor ihrer Enthauptung absenden lässt, während sie den Brief doch erst nach dem Martyrium schreiben kann (vgl. oben 1,5). 28 Aligero] Der als puer (V. 24) eingeführte Bote Dorotheas wird nun als Engel kenntlich. Als solchen stellt ihn ungefähr zeitgleich mit Bisselius auch Jean Vincart in der Illustration zu seiner Dorothea-Heroide dar; vgl. Vincart (31675), S. 33. 31–40] Von der Erzählung geht Dorothea nun zum Aufruf an Theophilus über, das Martyrium auf sich zu nehmen. 32 Sanguine tinget humum.] Die Formulierung vielleicht nach Prudentius, peristefanon 11,43f. 33 Pone metum!] Diese Aufforderung antik oftmals im elegischen oder erotischen Kontext; s. Ovid, ars 1,556; epist. 16,68; prominent epist. 20,1. 22 fata, Theophile, poscunt] Ins Christliche gewendet aus Vergil, Aen. 4,614: et sic fata Iovis poscunt. 34 PRIMVS … dubitare, labor.] Durch Versalien betont, weist Dorothea die (Glaubens-)Zweifel als die erste Anfechtung des Märtyrers aus. Somit ist die gesamte Elegie, von Bisselius’ Intention her, auch gegen aufkommende Glaubenszweifel seiner Leser gerichtet. 35 Fortiùs adde pedem!] Ein Aufruf zur Standfestigkeit, ja Sturheit. Vielleicht nach Augustinus, epist. 73,2: fortius fige pedem. Ähnlich Hieronymus, epist. 102, 2: memento […], quod bos lassus fortius figat pedem. 36 ambitio] Womöglich eine Anspielung auf die weltliche Praxis des Advokaten Theophilus in seinen öffentlichen Geschäften, nun ins Geistliche gewendet. 37 Mens tua … urnâ] Das Zeugma verknüpft grammatisch eine substantielle Trennung von Seele und Körper, wie Dorothea sie für sich oben beschrieben hat (2,1–8). Die Erwähnung der urna weist zugleich, kontrastierend, auf Ovid, epist. 11,123 zurück: Urnaque nos habeat quamlibet arta duos! 38 Versus … erit] Abermals knüpft Bisselius’ Dorothea an die Tradition der Heroidendichtung an, wo Dido (Ovid, epist. 7,197f.) und Phyllis (2,145–148) ihren eigenen Grabspruch noch zu Lebzeiten entwerfen. Zu den imaginierten Epitaphien bei Ovid vgl. Viarre 2002, v. a. S. 215f.; zur Imitatio und Aemulatio dieser Grabsprüche in der Briefdichtung der frühen Neuzeit vgl. Eickmeyer (2012), S. 407 mit Anm. 545 u. 651. – Die Pointe besteht in diesem Fall darin, dass hier eine schon Gestorbene den Grabspruch für einen anderen abfasst.

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39 SPINIS … rubisque] Weltlichem Ansehen, das schwer zu erlangen sei, stellt Dorothea das Seelenheil gegenüber. Subtil spielt sie darauf an, dass im himmlischen Paradiesgarten die Rosen keine Dornen haben (vgl. oben 4,10). 40 ducibus … ROSIS] Zum Schluss werden in Theophilus’ ›Grabspruch‹ die Rosen noch einmal prominent, da ihnen als sichtbaren und materiellen Zeichen eine Mittlerfunktion zwischen Dorothea, damit implizit auch Gott/Christus, und dem nun bekehrten Theophilus zukommt. – Damit kommt zugleich der gesamte den Rosen gewidmete Zyklus zu einem Abschluss, der in seiner appellativen Faktur auch den Leser stark einbezieht.

Zu Elegie III,21 (JE) Nachdem er in der vorausgegangenen Elegie seine ›Stimme‹ ganz der fiktiven Briefschreiberin Dorothea überlassen hat, tritt Bisselius in der 21. Elegie, die das Kapitel zu Prozessionenen einleitet, wieder als dominantes lyrisches Ich auf. Das zeigt sich insbesondere in den direkten Apostrophen der ersten Verse (1–9), den adhortativen Interjektionen (V. 9: ecce!) und den Verbformen in zweiter Person Pluralis (V. 8f.): Der Leser scheint geradezu als Gefährte auf der Bittprozession zum Montag vor Christi Himmelfahrt imaginiert zu sein (zum Brauch s. Art. ›Bittprozession‹. In: 3LThK, Band 2, Sp. 512f. [Andreas Heinz]). Somit bereitet diese Elegie, neben einem Rückbezug auf die Palmsonntagsprozession (s. II,2), vor allem die mehrteilige Fronleichnamselegie III,22 (auch chronologisch nach dem Festtagskalender) vor. Wie diese beschreibt auch sie Teilnehmer, Abfolge und Weg des Umganges genau (V. 9–16), jedoch weniger ausführlich, aus der Perspektive des beobachtenden Dichters. Wichtig ist die stete Rückbindung an ein angesprochenes Gegenüber (V. 15 u. 18), sodass die Szenerie dem Leser präsent gehalten wird. Eine lange ekphrastische Passage (V. 19–26) leitet zum eigentlichen ›Geschehnis‹ über, das Bisselius erzählt: Ein nicht näher bestimmter bunter Vogel, den der Dichter mit deutlicher Fiktionsironie zwischen Frühlingswind und himmlischem Boten oszillieren lässt (V. 34 u. 41), soll die Gebete der andächtigen Gemeinde gen Himmel tragen (V. 42–44). Zu diesen Bitten um günstiges Wetter und fruchtbare Ernte, die man zum Bitttag Rogationum erwarten würde, gesellt sich unversehens am Schluss des Gedichts das die gesamte Prozessionshandlung sowie die Fiktion des Vogels zurückdrängende, politisch brisante Gebet darum, dass ein gewisser »Alarich«, hinter dem sich der Schwedenkönig Gustav II. Adolf (1594–1632) verbirgt, wieder an, besser noch in die Ostsee vertrieben werde (V. 51–58). Somit wird der starke persönliche Bezug, den Bisselius durch die Wahl der Perspektive unterstreicht, womöglich durch biografische Hintergründe gedeckt. Die Entstehung des Gedichts dürfte angesichts der 1638 nicht mehr aktuellen Verwünschung wohl auf 1632, das Jahr der schwedischen Besatzung in Bayern zu datieren sein.

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FERIA … ROGATIONVM] Der Montag vor Himmelfahrt, an dem der katholische Brauch seit Papst Leo III. (795–816) allgemein Bittprozessionen vorsieht, oftmals regional mit Gebeten gegen Unwetter und für ertragreiche Ernten verknüpft; s. Art. ›Bitttage‹. In: Becker-Huberti 2000, Sp. 39, hier v. a. 39b zu den Rogationstagen. 1 quis habes aures] Erinnernd an Jes 42,20: qui vides multa nonne custodies qui apertas habes aures nonne audies. 1 Campana … aera] Spätlateinisch für ›Glocke‹; vgl. in dieser Verwendung auch III,17,3,58 [?] u. 22,1,25. 4 Pulvino] Die Majuskel deutet auf das Wortspiel zwischen pulvinus und pulvinar hin (s. den Folgevers). 4 grandius instat opus] Nach Ovid, am. 3,1,70 und fast. 4,948: grandior urget opus. 5 Surge, agè!] In Epik und Elegie typischer Aufruf an ein Gegenüber; vgl. Vergil, Aen. 3,169; 8,59; 10,241; Ovid, epist. 14,73; met. 11,669 u. ö. 5 Pulvinar] Die Majuskel deutet auf das Wortspiel zwischen pulvinus und pulvinar hin (s. den vorangegangenen Vers). Zudem weist die Formulierung auf eine ähnliche Aufforderung zum feierlichen Tempelgang bei Cicero (Cat. 3,23): Quam ob rem, Quirites, quoniam ad omnia pulvinaria supplicatio decreta est, celebratote illos dies cum coniugibus ac liberis vestris. 6 peregrina Templa] Vgl. die ähnliche Formulierung zum Ostermontagsspaziergang, dort freilich mit anderer Bewertung: II,10,7,23–25. 7 ALTERA LVX] Der Montag, welcher dem Sonntag ›Rogate‹, dem fünften nach Ostern, folgt. 8 ROGAT] Eben die Bezeichnung des zweiten Festtages: ›Rogationum‹. 9 ecce, egredimur!] Der Ausruf und die folgende Verbform binden den Leser abermals als Teilnehmer dicht an das Geschehen; vgl. auch unten zu V. 37. 10 castraque tota] Die Wortwahl könnte den Ort des Geschehens entweder als Castra Fabiana, Babenhausen, oder als Castra Tiberina, Regensburg, näher bestimmen. 10f. castraque … vexilla … triumpho] Im jesuitischen Kontext ist hier immer auch an die, oftmals in ignatianischen Exerzitien verwendete, Vorstellung von den zwei Bannern, eines zu Jesus, das andere zu Satan gehörig, zu erinnern (vgl. etwa Ignatius 1998, S. 160–165). 10–14 Crux … Sacrificusque … Tum plebs … Postremum … grex muliebris] Die aufgezählten Zeichen, Personen und Gruppen zeigen die streng nach katholischer Hierarchie geordnete Abfolge der Prozessionsteilnehmer.

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16 finem atque fidem] Gemeint ist, dass die Augen kein Ende des Zuges ausmachen und somit kein zuverlässiges ›Ergebnis‹ der Zählung (V. 15: subducere) erreichen können. Eine deutsche Übersetzung kann dieses Wortspiel kaum wiedergeben. 17 Adde] Gängiger Verseingang, der hier wiederum die Hinwendung an ein Gegenüber, mithin den Leser, verstärkt. Vgl. Lukrez 3,1036f.; Vergil, georg. 2,155; Properz 4,4,61; Ovid, am. 1,14,13 u. ö. 17 amoeni … ruris] Vielleicht nach Horaz, epist. 1,10,6f.: ego laudo ruris amoeni / rivos … Inhaltlich bilden diese Verse den Übergang zur Ekphrasis des Prozessionsweges in den V. 19–26. 18 pro Pietate] Kontrastiv zu Catull 76,26: o di reddite mi hoc pro pietate mea. 19 Hinc atque hinc] Typischer Beginn einer ekphrastischen Passage; vgl. Vergil, Aen. 1,162; 500; 9,380; 12,431; Silius 1,375; 4,274; 9,313 u. ö. 20 Illinc atque istinc] Die entsprechenden Korrelativa zu den in V. 19 genannten Pronomina kommen schon seltener vor; vgl. immerhin in der Ilias latina V. 773. 21 Populeas … silvas] Nach Vergil, Aen. 8,32. 22 rivo mobiliore] Vgl. Horaz, carm. 1,7,14; Claudian, rapt. Pros. 2,104. 24f. Pendentes scopuli … antro] Bisselius variiert hier Motive aus Vergil, Aen. 1,166f.: fronte sub adversa scopulis pendentibus antrum, / intus aquae dulces vivoque sedilia saxo; Vgl. auch ebd. 8,668; Manilius 5,628. 26 Tantaleam … sitim] Die heute sprichwörtliche Strafe des phrygischen Königs Tantalos, der nach antiker Sage nach seinem Tod in der Unterwelt bis zum Kinn in einem See steht, der sich aber, sobald er die Lippen netzen will, zurückzieht; eine ähnliche Formulierung bei Properz 2,17,5f.; Ovid, am. 2,2,44. 27 pulsat sidera cantus] Hier von den Gesängen oder der Litanei, welche die Bittgänge oftmals begleitete (vgl. Art. ›Bittprozession‹, wie im Vorspann). Die Formulierung bei Vergil oder Silius oftmals im negativen Sinne, so etwa Aen. 3,619f. (vom Kyklopen): ipse arduus altaque pulsat / sidera; oder Silius 5,393f.: clamor vario discrimine vocum / fert belli rabiem ad superos et sidera pulsat. 29 pictissima ales] Die Identität des Vogels, einerseits bunt, andererseits hoch fliegend (V. 30f.), muss unklar bleiben. Womöglich ist ein Sinnbild des andächtigen Gebetes denkbar. 31 emeritum Olympum] Eine der in den DV immer wieder eher beiläufig eingestreuten Spitzen der Kritik gegen heidnische Mythologie: Der polytheistische Himmel der Antike ist unbrauchbar geworden. – Vgl. etwa prominent den Kampf Jupiters in III,17,3,36–39.

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33f. Quaecunque … Avis] Der Dichter selbst ist sich über den Status des Vogel im Unklaren: Ob er echt (V. 33: vera) oder, mit Fiktionsironie, erdichtet (V. 34: ficta) sein mag? 34 Angelicae conditionis] Bisselius erwägt auch, dass der Vogel eine Engelserscheinung sein könnte. Hier ist bereits die Vermittlerfunktion angedeutet, die dem Tier im Folgenden zukommen soll (s. die folgenden Verse) 35f.] Während bislang die direkte Apostrophe immer an einen Zuschauer der Prozession, mithin den Leser, gerichtet war, wendet sich der Dichter nun an den Vogel. 35 nubila rumpas] Vgl. Vergil, Aen. 9,670f. 36 Ecce] Vgl. zu V. 9, hier freilich auf den Vogel bezogen. 37 Mysta] In der frühen Neuzeit häufig vorkommende Bezeichnung für den Priester; s. auch unten zu III,22,3,11. 37 Harmonie] In diesem metonymischen Sinne bei Prudentius, cath. 3,90: nostra, deus, canet harmonia. 39f. adamantina / Ostia] Der Gedanke, durch Bitten das Härteste brechen zu wollen, nach: Ovid, ars 1,679: lacrimis adamanta movebis! – Die Evokation einer diamantenen Himmelspforte mag wiederum auch auf Beschreibungen des Paradieses oder himmlischen Jerusalems anspielen, wie sie aus der Offenbarung oder aus Prudentius geläufig sind; vgl. dazu oben zu III,20,4. 40 in ambiguo est] Die Formulierung nach Ovid, met. 1,537 u. 3,253. 40 Adjuvat aura preces.] Nach Ovid, ars 2,514: Nec semper dubias adiuvat aura rates. 41 Euri … Notusque] Die vier Winde werden auch aufgezählt bei Ovid, trist. 1,2,27–30, hier von Bisselius maximal verknappt. 42 Tu … velim.] Alle Qualitäten des Zephyrs, wie Bisselius sie in vielen Elegien der DV geschildert hat (vgl. I,6–9 u. ö.), überträgt er jetzt auf den ominösen Vogel, der zum Vermittler der Gebete für die Gemeinde wird. 43 I, precor] Ähnlich Valerius Flaccus 7,240; Statius, Theb. 8,742; 10,671. 44 ROGAT] Eine weitere Anspielung auf die liturgische Bezeichnung des Tages als ›Rogationum‹. 45–58] Es folgen die mit hoc (V. 44) bereits angekündigten Gebete der Menge, die der Vogel zum Himmel tragen möge. 45 Plejadas] S. o., zu I,1,3,2; I,6,25f.; I,14,1,5; II,1,3,12; II,13,14. 46 Et … Tonans] Kontrastiv zu Ovid, met. 2,307f. 47 Serventur segetes] Die Alliteration unterstreicht die inständige Bitte um ertragreiche Ernte, wie sie bei den Gebeten der ›Bittwoche‹ nicht unüblich war.

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47 Pax alma] Anspielend auf Tibull 1,10,67/68: At nobis, Pax alma, veni spicamque teneto, / profluat et pomis candidus ante sinus. – Zugleich wird mit der Erwähnung des Friedens hier die Schlussbitte, V. 51–58, vorbereitet. 48 Grandine turbo vacet] Angespielt ist sicherlich auch auf den ›Zorn des Herrn‹, gemäß Jes 28,2: ecce validus et fortis Domini sicut impetus grandinis turbo. – Einen schweren Hagelschlag schildert Bisselius in DV III,9. 49 Sint procul hinc] Als Abwehrgeste und apotropäisches Gebet antiken Formeln nachempfunden, etwa bei Properz 4,6,9; Ovid, epist. 4,75; Statius, silv. 4,4,85; [Ps.-]Seneca, Octavia 80. 50 Immodicique … immodicusque] Das Polyptoton unterstreicht den Wunsch des Landvolks nach einer ausgeglichenen Wetterlage. 51 Addimus] Mit dieser Formel, die zugleich auf die Festgemeinde wie auch, subtiler, auf das lyrische Ich der Elegie gemünzt sein kann, fügt Bisselius nun die letzte Bitte nach politischem Frieden an. Vgl. den ähnlichen Schluss der Storchen-Elegie I,11,45–48. 51 ALARICVS] Weniger Alarich I., der berühmte (West-)Gotenkönig und Eroberer Roms im frühen fünften Jahrhundert, dürfte gemeint sein, sondern (wie v. a. die folgenden Verse bestätigen) der nicht minder nach Eroberungen strebende Gustav II. Adolf von Schweden, der nach seinem erfolgreichen Krieg in Nord- und Mitteldeutschland 1632 ins Kurfürstentum Bayern einmarschiert war. Nicht nur, dass sich manch skandinavische Herrschaft auf eine Genealogie der als tapfer und widerstandsfähig geltenden Goten berief, Gustav Adolf selbst stand nicht an, diese Parallele direkt auf sich zu beziehen, wenn er bei seiner Krönungsfeier 1617 in einem allegorischen Actus als gotischer Herrscher Berik auftrat (vgl. Oredsson 1994, S. 28). Dem historisch versierten Bisselius dürfte dieser Anspielungshorizont aus zeitgenössischen Quellen vertraut gewesen sein. – Als einschlägiger Vergleichstext zu dieser letzten Bitte der Elegie kann Jacob Baldes Ode Ad Aquilam Romani Imperii gelten, in der er die kaiserliche Macht zum entschiedenen Vorgehen gegen die als »Hunnen« (V. 14: Hunnis) bezeichneten Schweden aufruft; s. Balde 1729/1990, Bd. I, S. 47, und dazu Schoolfield 1991. 52 Regna … sibi] Eine doppeldeutige Formulierung, die einerseits – politisch – auf Gustav Adolfs widerrechtliches Eindringen ins Reich und insbesondere nach Bayern zu beziehen ist, andererseits – im Lichte des folgenden Verses – auf ›unbetretbare‹ Reiche, wie das Meer Neptuns. 53 Regna … Neptunus] Dem spöttisch-kämpferischen habeat folgt die Pointe, dass Bisselius hier die Reiche des Meeresgottes im Sinn hat, die dem Eroberer ja offen stünden. – Hier spielt er sicherlich auch darauf an, dass der Schwedenkönig stets primär die Herrschaft im Ostseeraum angestrebt hatte bzw. auch über die See in Pommern angelandet war.

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54 Cum … novus.] Mit einer biblischen Anspielung wird der Schwedenkönig nun obendrein mit Pharao verglichen, der sich gegen den Auszug der Israeliten aus Ägypten stellte und dafür mit sieben Plagen und, letzthin, dem Tod bei der Verfolgung im Roten Meer bestraft wurde (Ex 7–14). Dass dieser so schlimm sei, wie jener gewesen, macht die Bezeichnung als ›neuer‹ Pharao deutlich. 55 Lappis] ›Lappländer‹, im 17. Jahrhundert wohl meist ohne nennenswerte Unterschiede auf Russen, Schweden oder Norweger zu beziehen; hier sicherlich auf die Truppen Gustav Adolfs; s. den gleichen Begriff abermals in der Aquila-Ode Baldes (s. o. zu 51 ALARICVS), V. 15. 55 victus] Entscheidender Hinweis zur Deutung der Passage: Nur der Schwede würde sich »geschlagen« nach Nordeuropa (zurück) begeben. 56 Cum Geticis Pontum] Ein weiteres Wortspiel, das einerseits die Bezeichnung »Alarich« des Goten mit den Geten, einer thrakisch-dacischen Völkerschaft am Unterlauf der Donau, verknüpft. Zugleich sind es auch die Geten, die zu Ovids Zeit am Schwarzen Meer siedelten, worauf zweifellos die Bezeichnung Pontus anspielt, die insgesamt die Tradition der ovidischen Pontica und der tristia assoziiert. – Realiter muss mit diesem »Meer« aber die Ostsee gemeint sein, da der Besiegte sich ja zu den »Balten« (V. 55) aufmachen soll. 57 Tot … raptor] Zur altgläubigen Propaganda gegen die protestantische Gegenseite gehörte der Vorwurf, die feindliche Soldateska habe Kirchen geplündert. Angesichts der Geschehnisse in der Maingegend und der ›Pfaffengasse‹ beim Durchzug der Protestanten scheint die Formulierung durchaus berechtigt. 57f. Auro … Vitreo] Mit einem weiteren sarkastischen Wortspiel schließt Bisselius dieses ›Gebet‹: Ohne goldenen Kelch soll der verhasste König eben das ›glasklare‹ Meer auszutrinken versuchen, also schmählich ertrinken!

Zu Elegie III,22 (WK) Eine aus vier Teilelegien bestehende, konzeptionell, kulturgeschichtlich und volkskundlich herausragende Fronleichnamsgruppe (fortgesetzt in III,23), die wiederum ein Beispiel bietet für die autobiografische Fiktionsphantasie des Autors. Der Fronleichnamstag signiert einen Abschluss in doppelter Hinsicht (1,13f.): das Ende des Frühlings als Jahreszeit, zugleich das Finale des vorliegenden Zyklus, der nach den Fronleichnamsgedichten (III,22f.) in einem Epilog rückblickend, scherzhaft und ›autoreferentiell‹ zusammengefasst wird (III,24). Gedichte auf das genuin katholische, seit dem 13. Jahrhundert gefeierte Fronleichnamsfest (Sollemnitas Corporis Christi; Fronleichnam = ›Herrenleib‹) begegnen nicht selten in der Jesuitenlyrik, dokumentierte sich doch bei diesem Fest das katholische Verständnis der Eucharistie, d. h. des ›Altarssakramentes‹. Sinnlich fassbar wurde dadurch die in der (seit dem Thomismus dogmatisch kon-

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zipierten) ›Transsubstantiation‹ von Brot und Wein bewirkte Gegenwart Christi, dessen Selbstopfer sich in der Messe sinnbildlich erneut vollzieht. In den von Friedrich Spee S.J. in seinem Güldenem-Tugend-Buch (abgeschlossen 1640; Erstdruck Köln 1649, hier nach [1969], spez. S. 37) finden sich die entsprechenden Glaubensartikel exemplarisch und präzise in Frage und Antwort formuliert: 6 Frag. Glaubst du auch, vnd bekennest das inder heyligen Meß Gott dem Allmächtigen ein recht war versöhnliches Opffer für die lebendige vnd abgestiorbenen aufgeopffert und fürgetragen werde? Antwortt: Ja. 7 Frag: Daß auch in dem heyligsten Sacrament deß Alters warhafftig, leibhafftig, mit gantzer substantz, vnd wesen sey der wahre leib vnd blut mit der Seel vnd Gottheit vnsers Herren Jesu Christi? Das auch ein warhaffte verwandlung der wesenheit, oder gantzen substantz des brots in den leib, vnd des weins in das blut gesche, welche verenderung oder verwandlung die heilige Catholische kirch zu Latein nennet Transsubstantiationem? Sag an, ob du es glaubest? Antwort: Ja; ich glaube es.

Die Fronleichnamsprozession mit ihren verschiedenen ›Stationen‹, in der Christus, d. h. aber Gott (s. auch im Folgenden: III,23,1–4) in der Oblate der Monstranz segenbringend herumgetragen wurde (im ländlichen Raum in der Art eines ›Flurumgangs‹; vgl. dazu hier die in dieser Hinsicht vorbereitende Elegie III,21, sowie die Palmsonntags-Prozession in II,2–4), galt in den Konfessionskämpfen der Frühen Neuzeit als Demonstration altkirchlicher Religiosität und gab nicht selten, gerade in konfessionell gemischten Städten oder Gebieten, Anlass zu heftigen Auseinandersetzungen (etwa die Fronleichnamsprozession von Donauwörth der Jahre 1605/06 im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges, vom Rat verboten, dann vom Kaiser und Reichshofrat erzwungen; die Stadt dann 1608 von bayerischen Truppen besetzt). Übergreifende Studien zur jesuitisch-lateinischen Fronleichnamsdichtung scheinen zu fehlen. Bisselius’ eigenwillige, von konfessioneller Polemik freie Gestaltung des auch in Dramen, kontroverstheologischen Abhandlungen und erbaulichen Prosatexten oft behandelten, manchmal mit dem – nicht selten antijudaistischen – Komplex der ›Hostienschändung‹ verknüpften Sujets1 wäre zu vergleichen mit Jacobus Pontanus S.J.: In Sanctissimam Eucharistiam, divini amoris alimentum (fünfteiliger Kleinzyklus). In: ders: Floridorum Libri VIII, Augsburg 1597 (Ingolstadt 41602), Liber VII, I, S. 191–196; ders.: De caussis institutae Eucharistiae. Elegia XIII.; Caussae, panis & vini species, nobilitas, adumbrationes. Elegia XIV.; Praeparatio ad Eucharistiam ineundam. Elegia XV., in: ders. (1594), S. 301–310; die deutschsprachigen Fronleichnamsgedichte von Friedrich Spee S.J. (darunter: Am Heyligen Fronleichnams Fest, von dem hochwürdigen Sacrament des Altars. In: Trvtz-Nachtigall (1985), Nr. [51], S. 290–295) sind weiterführend behandelt von Rémi 2006, S. 453–478. Bisselius’ literarisches Konzept unterscheidet sich in markanter Distanz von einer Tradition der Fronleichnamslieder, die mit den Hymnen Pange Lingua und Lauda Sion Salvatorem einsetzte und seit der Mitte des 16. Jahrhunderts auch verstärkt in deutschsprachigen Fassun1

Dazu etwa der Schweizer Benediktiner Wolfgang Rot (1597–1663) in seinen beiden Stücken (Luzern 1621) Schöne Nachpurschaft und Panis Eucharisticus indigne tractatus (Nachdr. Hg. v. J. H. Heß. Augsburg/Köln 1927); vgl. zu Rot den Artikel von Franz Günter Sieveke in Killy/Kühlmann, Bd. 10, S. 38.

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gen greifbar wird (vgl. Bäumker 1886–1911, Bd. 1, Nr. 371–413, S. 693–737). Aus diesem Textfundus dürften sich die von Bisselius im Text erwähnten und gerühmten Gesänge der Prozessionsteilnehmer, lateinisch und deutsch, gespeist haben. Nach anfänglicher Reserve förderten gerade die Jesuiten bei passender Gelegenheit auch den deutschen (katechetischen) Volksgesang (dazu umfassend Moser 1981, S. 67–84, auch mit dem Beispiel einer Linzer Fronleichnamsprozession 1606, S. 72). Seit der Reformation gehörte das Verständnis der ›Eucharistie‹ im Kontext der Abendmahlslehre zu den bevorzugten Themen der Kontroverstheologie, auf katholischer Seite schon früh zu verfolgen in den Schriften des Franziskaners Kaspar Schatzgeyer (1463/64–1527), darunter Vom hochwirdigsten Sacrament des zartten Fronleichnams Christi (München 1525). Zur modernen kulturgeschichtlichen und intermedialen Erforschung der verschiedenen Formen, Funktionen und Anlässe von ›Prozessionen‹ s. den Sammelband von Gvozdeva/Velten 2011. Die von Bisselius hier evozierte oberdeutsche Ritualität und soziale Einbindung der Fronleichnamsprozession scheint im einzelnen angeregt worden zu sein von italienisch-römischen, in vielen Einzelheiten mit Bisselius kongruenten Vorbildern. Darauf verweisen ältere Beschreibungen wie die sehr genaue des pommerschen (lutherischen) Diplomaten und späteren Bürgermeisters von Stralsund Bartholomäus Sastrow (1520–1603). In seiner bemerkenswerten Autobiografie berichtet er über eine in Rom erlebte Fronleichnamsprozession des Jahres 1546, hier zit. n. der sprachlich modernisierten Fassung und Neuedition von Horst Langer (Sastrow 2011, S. 82f.): Am Fronleichnamstag wird vom Papst stets eine prächtige Prozession gehalten. Zu diesem Zweck werden die Gassen, durch die er zieht, mit vielerlei Blumen bestreut und die Häuser auf beiden Seiten mit prächtigen Teppichen behängt; aus den Kardinalspalästen, die in der Nähe liegen, werden Ehrenschüsse abgegeben und kunstvoll hergestellte Feuerbälle geworfen. Da ist eine solch große Menschenmenge beisammen, dass man leicht auf ihren Köpfen einhergehen könnte, und alle Fenster in den Häusern liegen voller Schaulustiger. Voran gehen die Schüler in weißen Röcken, dann folgen in ihren Gewändern die Messpfaffen und gewöhnlichen Pfaffen, nach ihnen die Prälaten und Domherren, alle sind in weiße Leinwand gekleidet. Schießlich kommen die Bischöfe in weißem Kamelot und unmittelbar vor dem Papst die Kardinäle in weißem Damast; diese haben ihre Kardinalshüte, die Bischöfe ihre Bischofsmütze auf. […]. In seinen Händen hält er [der Papst] eine goldene Monstranz, die wie ein Ring ausssieht. Inwendig misst sie etwa eine Handspanne; sie ist kunstreich hergestellt, und das heilige Brot ist in ihrer Mitte so zierlich aufgehängt, dass man kaum sehen kann, woran es haftet. Hinter dem Papst gehen seine Offizianten, alle Konsistorialen, Doktoren, Advokaten, Prokuratoren, Notare und nach diesen zu beiden Seiten vornehme Bürger in großer Zahl. Auf jeder Seite sind es drei Reihen; in der ersten schreiten die Ersten vom Adel und die römischen Patrizier mit langen brennenden Kerzen in der Hand, in der zweiten deutsche Soldaten und in der äußersten die Leibwachen, Reiter und Landsknechte, alle sind wohl geputzt und ausstaffiert. Bei einem Fronleichnamszug, dessen Zeuge ich wurde, ging, als der Papst in die Nähe der Engelsburg kam, ein kunstreiches, wie von einem Uhrwerk gesteuertes Feuerwerk los, und es sah nicht anders aus, als stünde das ganze Castellum Angeli in Flammen. Als er später zum Petersdom kam und in seinen Palast getragen wurde, schossen etliche Kanonen Salut. Von der Engelsburg antwortete es ebenso, desgleichen aus einigen Kardinalspalästen; sie schossen mit großem Geschütz, mit Mörsern, so dass einem Hören und Sehen verging. Als

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dieses Knallen etwas abgeklungen war, stand der Papst oben vor dem Palastfenster und las aus einem kostbar vergoldeten Buch, das ihm vorgehalten wurde. Ich konnte nicht hören,was er sagte, aber alle Menschen, die da versammelt waren, fielen auf die Knie nieder. Ich aber blieb stehen. Die um ich waren, starrten mich an – sie meinten wohl, ich sei von Sinnen, weil ich nicht auf die Knie fiel.

Zu III,22,1 Die erste Elegie beginnt mit der rhetorisch intensivierten Klage darüber, dass der Sprecher an der Prozession in der Stadt (doch wohl eher Ingolstadt als Regensburg; s. u. zu 4,17) und dem folgenden Flurumgang gar nicht teilnehmen kann, das Geschehen als Kranker vielmehr nur durch die geschlossenen Fensterläden seines Zimmers wahrnimmt (V. 1–18) und sich an dem guten Wetter erfreut (V. 19–22). Die folgende präzise Vergegenwärtigung aller Solennitäten mit vielfältigen visuellen und akustischen Reizen (beginnend beim Aufbruch der Prozession unter Glockengeläut und Gesang, V. 23–26) erscheint so als Reflex einer »Sehnsucht« nach Teilhabe und einer Vorstellungskraft, die sich auf den rituellen Ablauf der von vielen städtischen Gruppen getragenen Prozession verlassen kann. Der eigene Wunsch, gesund zu werden, wird sinnreich mit der postulativen Segenswirkung des Heiligtums, der wahren ›Verkörperung‹ Christi, verknüpft (V. 15–18). 3 erat, ut] Zum Gebrauch des ut nach unpersönlichen Ausdrücken, hier etwa im Sinne von opus oder necesse erat vgl. Kühner-Stegmann, Satzlehre, 2. Teil, S. 236f. 4 medii pro statione fori] Die im Kirchenlatein vorgegebene Bedeutung der ›Station‹ einer Prozession, bei der Halt gemacht wird vor einem Stationsaltar (so hier von Bisselius gebraucht) und in Gebet und Gesang rituelle Handlungen vorgenommen werden, ist vorgeprägt von der antiken Bedeutung von statio als Ruhe oder Rast bei einer Reise oder Fahrt; vgl. etwa Vergil, Aen. 5, 128. Die Stelle weist offenbar darauf hin, dass Bisselius wegen seiner Krankheit auf seinen Dienst am Stationsaltar auf dem Marktplatz (forum) verzichten muss, setzt also wohl seine Priesterweihe (1629) voraus. 14 clausula] In der antiken Prosa Bezeichnung für die Schlusspassage eines Textes, z. B. einer Rede oder eines Briefes; vgl. Cicero, Phil. 1,3 47; Seneca, epist. 11,8. 18 membrorum habiles] Das Adjektiv in Verbindung mit membrum, hier allerdings mit einem kühnen Genitiv und einem elliptischen, grammatisch schwer einzuordnenden, mit quos beginnenden Kolon (vgl. Vergil, georg. 4, 418: habilis membris venit vigor). 23 celeusma] Griechischer, im kaiserzeitlichen Latein aufkommender Begriff, ursprünglich Signal für die die Ruderer, bei Martial und anderen in der Form celeuma; vgl. Martial 3,67,4.

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24f. insonat … intonat] Ein Beispiel für die bei Bisselius nach Art des Binnenreims beliebten Homoioteleuta, hier mit semantischer Kongruenz. 25 Campani aeris] Periphrase für die im mittelalterlichen Latein aufkommende Vokabel für ›Glocke‹ (campanum); vgl. III,17,3,58 u. III, 21,1. 26 seditione] Ungewohnte Semantik des Begriffs, sonst meist für ›Aufruhr, Tumult, Aufstand‹ und dgl.

Zu III,22,2 Vergegenwärtigt werden die mit frischem Grün verzierten Straßenzüge der Stadt, auch die Bedeckung der Wege mit Bildern und Mustern aus Blumen und Gräsern (V. 1–10). An den Häusern hängen Heiligenbilder. Die verschiedenen Altäre der Prozessionsstationen sind geschmückt mit farbigen Decken, Teppichen und Statuen (V. 11–17). Hervorgehoben wird die genaue Ordnung (als solche pathetisch gefeiert: V. 21f.) des Festzuges mit den daran beteiligten Gruppen, die von vielen Kerzen beleuchtet werden, an der Spitze das Kreuz (V. 24). Die männliche Jungschar ist mit verschiedenen Insignien geschmückt, darunter den Leidenszeichen Christi (V. 18–34). Männer tragen Statuen und schwere Schreine mit den Reliquien von Heiligen (V. 35–38). Einzel- und Chorgesänge der Beteiligten begleiten den Festzug (V. 39–46). 8 Vrbica … marmora] Wohl keine Junktur des klassischen Lateins, das Adjektiv erst seit der Kaiserzeit gebräuchlich. 9 Gramineo … virore] Das Adjektiv in augusteischer Dichtung etwa bei Vergil, Aen. 5,287, Ovid, am. 3,5,5; hier vielleicht in Kombination mit Apuleius, flor. 10: pratorum virores. Zur möglicherweise franziskanischen Anregung der bei Fronleichnamsprozessionen örtlich bis heute üblichen Teppiche aus Blumen und Gräsern s. Moser 1981, S. 408f. 13 Tyrio … succo] Die in der Antike aus dem Saft der tyrischen, d. h. phönizischen Purpurschnecke hergestellte Farbe; vgl. Ovid, met. 6,222f: conscendunt in equos Tyrioque rubentia suco terga premunt. 14 Assyria … arte] Bisselius denkt an die orientalische Kunst des Teppichknüpfens oder -webens; vgl. Statius, Theb. 2,90–92: ubi ingens / fuderat Assyriis exstructa tapetibus alto / membra toro. 15 pendent Arae] Bisselius meint in hyperbolischer Formulierung den hoch aufragenden Bau der Altäre, die von oben herab zu ›hängen‹ oder zu schweben scheinen; ähnlich (von Bauten) Martial 2,14,9: inde petit centum pendentia tecta columnis. 16 Apelleâ … manu] Nach Apelles, dem berühmten Maler der Antike; vgl. Plinius, nat. 35,79; Jacob Balde, Urania Victrix I,3.

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17 aulaeis … a fronte reductis] Aulaeum – eigentlich der Theatervorhang; der Begriff akzentuiert das theatralische Festgeschehen, hier wohl in dem Sinne, dass Schutzvorhänge vor den Kostbarkeiten der Heiligenbilder oder der Altaraufbauten zurückgezogen werden. 24 vexilla … animosa Cruce] Wohl nicht ohne Anspielung auf den alten Hymnus Vexilla regis prodeunt des Venantius Fortunatus (ca. 530–609). 26 strijs] Von stria, in der Antike ein Streifen oder Steg an den Säulen, vornehmlich architektonischer Fachbegriff; hier metonymisch für die säulenartigen großen Kerzen insgesamt. 28 Aligerûm … gregem] Umschreibung für die flügeltragenden Engel, d. h. die als Engel gewandeten jungen Mädchen. 29 Hylas] Metonymischer, bei antiken Dichtern (Vergil, Properz, Ovid) vorkommender Phantasiename für den Anführer der männlichen Jungschar. 31f. arma … quae ominae sint simulacra necis] Gedacht ist wohl an die arma Christi, die als Zeichen/Insignien der Passion Christi galten, s. dazu hier die Erläuterungen zu II,5 (Vorspann). 36 thensa] Auch tensa: in der Antike der Götterwagen, d. h. ein Wagen, auf dem man Götterstatuen transportierte; hier wohl eher metaphorisch für ein Tragegestell, das die Schultern der Männer belastet; vgl. Cicero, Ver. 1,154: viam tensarum atque pompae; Sueton, Iul. 76,1: tensam et ferculum circensi pompa. 38 lipsana] Graezismus nach griech leipsana für lat. reliquiae; der THLL verweist auf einen Beleg bei Pseudo-Hilarius. 40 Orpheus atque Linus] Linus, Sohn des Apollo und der Muse Terpsichore (vgl. Vergil, ecl. 4,55f.), galt als Lehrer des Orpheus, hier also metonymisch beide Namen als mythische Urheber und bleibende Repräsentanten von Musik und Dichtkunst. 44 jactat in astra] Das Verb in Verbindung mit vox oder verba etwa bei Vergil, Aen. 2,768: voces iactare per umbram. 46 resperso … sono] Kühne Übertragung; das Verb sonst überwiegend von Flüssigkeiten gebraucht.

Zu III,22,3 Zu diesem Geschehen wird, in Anrede an den Zuschauer (V. 2), die himmlische Schar der Heiligen und Engel imaginiert (V. 1–6). Es folgt der Höhepunkt, mit Pathosformeln eingeleitet: Christus als Weltenherrscher (V. 8), nicht als leidender Gottessohn. Bisselius wechselt in den Imperativ (V. 9): Vor dem Bild, das Gott selbst enthält und verbirgt, ist niederzuknien. Die

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Monstranz, geschützt von einem an Stangen getragenen Baldachin (V. 19– 21), wird begleitet von den Priestern, den Patriziern und dem Adel, in den Händen Fackeln und Rosenkränze (V. 11–22). Das ›bessere‹ Volk, auch die Kinder tragen einen Kranz auf dem Haupt, gefertigt aus verschiedenen Kräutern oder aus Laub (V. 23–28). 7 astrigeri moderator Olympi] Hier wie auch sonst ohne Scheu die in der Idiomatik durchaus ›heidnische‹, d. h. antikisierende Überformung christlicher Vorstellungen, hier in Erinnerung an Jupiter und den olympischen Götterhimmel (vgl. z. B. Horaz, 1,12,58); astrigeri: Belege bei Statius, Theb. 8,315; 10,828. 8 Alba latens PANIS post simulacra] S. o. zu 2,32 u. 35; außergewöhnlich in diesem Kontext die Präposition post, mit der Bisselius vielleicht bewusst umkämpfte Formulierungen mit in oder sub vermeidet. 9 Pone genu] Das Niederknien vor der vorbeigetragenen Monstranz als unabdingbares Zeichen der Glaubenszugehörigkeit und Frömmigkeit, von den Protestanten bei dieser und bei anderen Gelegenheiten verweigert (s. o. in der Einleitung den Bericht von B. Sastrow). 11 mysta] So nicht im klassischen Latein (nicht in OLD), wohl aber griech. mystes, der in die religiösen Geheimnisse Eingeweihte; vgl. Ovid, fast. 4,536; hier preziöse Umschreibung für den das Allerheiligste tragenden Priester; in diesem Sinne verwandte Bisselius die Bezeichnung schon oben in III,21,37. 13 neque turpe putat] Anspielung darauf, dass, in Ingolstadt sehr wohl möglich, Angehörige des bayerischen Herzoghauses bei der Prozession mitgingen? 28 pulegio] Auch puleium; ein Kraut: die Minze oder Ähnliches; ein Kranz daraus bei Martial 12,32,19: corona pulei. 28 picta] Im Sinne von ›farbig‹ oder ›bunt‹ wie z. B. Vergil, georg. 4,13 oder Ovid, met. 14,838 (vom Regenbogen).

Zu III,22,4 Verschiedene Gesänge, den Lerchen gleich, ertönen im Wechsel mit Gebeten an den verschiedenen Stationen mit ihren vier Altären (V. 1–8). Zu Ehren Gottes ertönen Böllerschüsse (V. 9–11). Die Prozession geht hinaus in die Vorstadt bis zu den Feldern (V. 13f.), wo der Wendepunkt (V. 20) erreicht ist. Gebetet wird um eine gute Ernte, gutes Wetter und um Frieden, aber auch um göttliche Hilfe für die Stadt (V. 14–20). 6 Harmonien Harmonie aucta trahit] Lautmalerisches Polyptoton; Bisselius bevorzugt in seinem Graezismus die jonische Wortendung auf ›-ie‹.

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9 tormenta curulia] Curulis: Beiwort für die sella curulis, den Tragsessel des römischen Konsuls oder anderer hoher Amtsträger; hier übertragen auf den örtlichen Magistrat als Führungsgremium der Stadt. 14 obeuntur agri … violentur agri] Wiederum das von Bisselius beliebte, die Binnengliederung von Vers und Satz sinngemäß akzentuierende Homoioteleuton (vgl. oben zu 1,24f.). 17 primi tangunt praetoria regni] Bisselius wirkte von 1623–1626 und dann wieder 1631/32 in Regensburg, in den Jahren 1630 und 1635–1638 als Professor in Ingolstadt. Die Formulierung (primi regni; Bezug auf die Anfänge der Stadt in der römischen Kaiserzeit?) könnte auf den ersten Blick auf Regensburg deuten. Doch Bisselius verschleiert den genauen lokalen Bezug, und die geschilderte Sollenität (mit einer statio auf dem Markplatz) ist gewiss eher im bayerischen Ingolstadt als in der noch überwiegend protestantischen Stadt Regensburg vorzustellen. Dann könnte mit der Formulierung an die Tatsache erinnert werden, dass Ingolstadt seit Kaiser Ludwig dem Bayern zeitweise Hauptstadt des Teilherzogtums Bayern-Ingolstadt wurde (für die Jahre 1392–1447); mit den praetoria primi regni könnten also ältere Bauten wie das sog. Neue Schloss gemeint sein. Für die Datierung ist nicht unwichtig, dass schon am Anfang der Elegiengruppe offenbar Bisselius’ Priesterweihe vorausgesetzt wird (1629), wodurch sich ein Entstehungsdatum post quem ergibt (s. o. zu 1,4).

Zu Elegie III,23 (TL) Dem Segment der vier eucharistischen Teilelegien III,22 lässt Bisselius eine (vordergründig) paränetisch-didaktische Dichtung folgen. Den Stoff liefert die Exempelliteratur, wie sie aus Bibel und Apokryphen, vor allem aber aus der Hagiografie des Frühmittelalters, zumal den Lebensbeschreibungen der Mönchsväter (Vitas patrum) erwuchs. Diese existierte ab dem 12. Jahrhundert als ein eigenständiges, außerordentlich produktives Genus volkstümlicher, nicht selten skurriler Kurzgeschichten, die der Vermittlung moraltheologischer Inhalte dienten und vorzüglich auf die Bedürfnisse der Predigt zugeschnitten waren. Einer ihrer Hauptautoren war der rheinische Zisterzienserprior Caesarius von Heisterbach († 1240), dessen zwölfgliedriger Dialogus miraculorum eine eigenständige distinctio nona de sacramento corporis et sanguinis Christi enthält, worin das bei Bisselius geschilderte Exempel 7 De corpore Domini in ecclesia furato, quod a bobus in agro proditum est zu finden ist. In der Elegie vorangestellt ist ein Beispiel aus der großen ›offiziellen‹ Franziskusbiografie (legenda maior) des Mystikers, Theologen und Franziskanergenerals Bonaventura († 1274), wo in Kapitel VIII,7 von einem Franziskus geschenkten Schäfchen berichtet wird, das den Mahnungen des Heiligen zur Gottesfurcht durch Kniefall vor der Hostie Folge leistet. Der in lateinischen Übersetzungen seit dem 11. Jahrhundert kursierenden,

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ursprünglich griechischen Sammlung von Reiseerlebnissen des Wandermönches Johannes Moschos († ca. 620), dem geistlichen Leimon (= Pratum spirituale), ist die schaurige Anekdote von den im Spiel zelebrierenden und vom Himmelsfeuer vertilgten Knaben entnommen. Wohl ohne von der Identität des Verfassers zu wissen, schließt Bisselius mit einem Extrakt aus dem umfangreichen und weitgehend unedierten Oeuvre des Franziskaners Juan Gil de Zamora († vor 1318) über die Eucharistiefrömmigkeit der Bienen. Die Kenntnis dieser Beispiele verdankt er der in mehrbändigen Editionen verbreiteten Sammlung von Flores exemplorum des französischen Jesuiten Antoine d’Averoult († 1614) (künftig zit. n. dem leicht zugänglichen Druck 1624). Diese mehrteilige Kollektion enthält einen fünften Teil über die Sakramente, in dem die Eucharistie an dritter Stelle behandelt wird. Dem eigenständigen Unterkapitel (Titulus VI) De reverentia a brutis S. Eucharistiae exhibita entstammen die von Bisselius beigebrachten Exempel aus Bonaventura, Caesarius von Heisterbach und Juan Gil de Zamora (ebd., S. 59). Ein bei d’Averoult erzähltes Beispiel Pastores ovium verba consecrationis temere proferentes igne caelesti consumuntur (ebd., S. 38) ist nicht das von Bisselius nach Johannes Moschos’ Pratum Spirituale 196 (Migne PGL, Bd. 87/3, Sp. 3079–3084) bedichtete. (Vgl. zum Umgang der Bienen mit der Hostie auch oben, zu I,22, dort den Vorspann mit Anm. 24) Angesichts der zahlreichen konfessionspolemischen (und antijüdischen) Exempel zur Eucharistieverehrung bei Antoine d’Averoult überrascht Bisselius mit einer ›neutralen‹ Auswahl, bei welcher der (vielleicht vom Leser erwartete) gegenreformatorische Vorstoß unterbleibt, vielmehr das rechte Eucharistieverständnis (schon V. 1–4 mit Anklang an den eucharistischen Hymnus Tantum ergo) generell (und somit auch gegen eigene Zweifler) angemahnt wird. Ihr Gewicht erhalten die Exempel dadurch, dass Menschen nicht vermittelbar zu sein scheint, worin selbst Unverständige Einsicht haben. Dieser instinkthafte (Herzens-)Glaube ist aller rationalen Skepsis überlegen, was in dem Gedanken gipfelt, dass Zweifler besser Schafe wären (V. 14). Die grausame Vergeltung des an sich unschuldigen Messspiels der Hirtenknaben exemplifiziert und übersteigert die Strafandrohung, wirkt aber aufdringlich und wie ein Fremdkörper in der vom Bienenexempel abgeschlossenen Beispielreihe. Diese Unstimmigkeit und der sachlich unbefriedigende Schluss – die Bienen werden um den Gegenstand ihrer Verehrung gebracht, weil sie ihm mit bescheidenen Mitteln gewaltige Melodien singen und sich so verraten – legt erneut eine Autoreferenz nahe: Die Warnung, Göttliches auch nicht im Spiel zu entweihen (V. 28: fingere sacra), wirkt wie eine Spitze gegen das mit dem Sakralen sein Spiel treibende und der Sacra Poesis unterlegene Theater (oder gegen katholische Fronleichnamsspiele im spanischsüditalienischen Raum?), die kuriose Beraubung der Bienen abermals wie eine Klage über Nachahmer und den Diebstahl geistigen Eigentums (auffälligerweise wieder mit Anklang an die poetologische Symbolik im allgemeinen [und Zeichen Urbans VIII. im besonderen?]). De Ovicula … exempl.] Zur Auswahl der Stoffe s. o. im Vorspann.

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1–4] QVI Sacra … abest] Mit inhaltlichem und wörtlichem Bezug auf den Eucharistiehymnus (Pange lingua) des Thomas von Aquin († 1274), von dem die letzten beiden Strophen (Tantum ergo) Teil der Fronleichnamsliturgie sind. 4 Numen adest] Junktur nach Ovid, ars 1,640. 5 bruta] Elliptisch für bruta animalia nach dem bekannten Schema der menschlichen universitas bei Gregor, Moralia in Hi 6,16: […] sunt bruta animalia, vivunt et sentiunt nec tamen intellegunt […]. homo itaque, quia habet commune esse cum lapidibus, vivere cum arboribus, sentire cum animalibus, discernere cum angelis, recte nomine universitatis exprimitur […]. Diese Stufenleiter der Schöpfung findet sich auch in einer Evangelienhomilie (29,2) Gregors, die Brevierlesung an Himmelfahrt war; vgl. Walter Berschin: Uodalscalc von Augsburg. In: Ders.: Mittellateinische Studien II. Heidelberg 2010, S. 296f. 7–14 Pura … OVIS] Cum aliquando beatissimus P. Franciscus Ordinis fratrum minorum institutor apud sanctam Mariam de Portiuncula esset, quaedam viro Dei fuit ovis oblata, quam propter innocentiae et simplicitatis amorem, quas ovis natura praetendit, gratanter suscepit. Monebat pius vir oviculam, ut et laudibus divinis intenderet et ab omni fratrum offensa caveret. Ovis autem, quasi viri Dei pietatem adverteret, informationem ipsius solicite observabat. […] Insuper et cum elevaretur sacratissimum Christi corpus inter Missarum solennia, flexis curvabatur poplitibus, tanquam si reverens pecus de irreverentia indevotos argueret Christoque devotos ad Sacramenti reverentiam invitaret (Bonaventura, Vita S. Francisci, VIII,7 nach d’Averoult 1624, S. 59). 7 Galaesei] Abgleitet von Galesus, dem Namen eines Flusses in Apulien, den Horaz, carm. 2,6,9–12 als bukolische Idylle (samt Schafen) besingt: Unde si Parcae prohibent iniquae, / dulce pellitis ovibus Galaesi / flumen et regnata petam Laconi / rura Phalantho. 16 Cultu hîc etiam nomina Taurus] Das archaische, eigentlich abgelehnte Opfertier erfährt bei Bisselius eine christliche ›Billigung‹. 17–24 En, fures … pecus] In villa, quae Komele dicitur, nocte fures ecclesiam infringentes inter caetera etiam scrinium cum corpore Domini inde tulerunt. Qui cum nihil aliud in eo praeter reliquias et pyxidem cum Sacramento reperissent, nil prorsus de eis curantes eandem pyxidem super fulcrum agri villae proximi ponentes confusi recesserunt. Mane cum rusticus cum aratro et bobus in eodem agro araret venissentque animalia juxta pyxidem, stupentia steterunt. Quos cum arator stimularet nec procederent, nunc recalcitrando, nunc exorbitando, iratus ait: Quis diabolus est in bobus istis?[…] Diligentius tamen circumspiciens deprehendit ante pedes boum pyxidem, et scrinium ecclesiae suae iuxta illam. Tunc causam rebellionis non ignorans omnibus in agro dimissis in villam recurrit, tam sacerdoti quam caeteris, quae acta sunt, referens. […] (Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum, IX,7 nach d’Averoult 1624, S. 59).

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20 Eucharis esca] ›Gnadenbrot‹; als Adjektiv latinisiert taucht eucharis seit der Vulgataübersetzung auf; vgl. Sir 6,5: verbum dulce multiplicat amicos et mitigat inimicos et lingua eucharis in bono homine abundat. 24 Zodiaci] Nachklassisch für den Tierkreis (ursprünglich orbis signifer); latinisiert seit dem 2. Jahrhundert n. Chr.; vgl. etwa Gellius 3,10,4: Ac neque ipse zodiacus septenario numero caret […]. 26 posthuma] Eigentlich postuma; verbreitete pseudoetymologische Schreibung nach humare (›beerdigen‹) des Superlativs von posterus. 26 Brenni] Anspielung auf den gallischen Heerführer Brennus, der im 4. vorchristlichen Jahrhundert Rom ausraubte und zum Inbegriff des Plünderers wurde (mit zeitgenössischer Pointe?). 29–36 In Tyriis … dedit] In provincia, inquit, mea (erat autem Apamiensis secundae Syrorum provinciae ex oppido quod dicitur Thorax) ager est ab urbe quasi quadraginta milliaribus distans, qui Gonagus dicitur; in hoc sive in ejus finibus pueri pascebant pecora et, ut solet pueris contingere, puerili consuetudine voluerunt ludere. Cumque luderent, dixerunt ad invicem: Venite celebremus missam et offeramus sacrificium et communicemus, sicuti semper in sancta ecclesia presbyter facit. Quod cum placuisset omnibus, constituunt ex eis unum in ordine presbyteri duosque alios pueros in ministrorum officio veniuntque ad saxum quoddam […] ac supra saxum in morem altaris apponunt panem […]. Cum igitur omnia secundum ecclesiasticam consuetudinem fecissent, priusquam panes frangerent ac communicarent, ignis coelitus delapsus, quae proposita erant, consumpsit omnia saxumque totum combussit ita, ut nihil omnino neque saxi, neque eorum, quae fuerant superposita, relinqueretur (Johannes Moschos, Pratum spirituale 196; Migne PGL 87/3, Sp. 3079–3082). In der Version von Johannes Moschos werden die Knaben nicht vom Feuer verzehrt. 29 In Tyriis] Gemeint ist Tyros, die alte phönizische Siedlung im heutigen Libanon; bei Johannes Moschos ist Thorax vorgegeben. 30 attondent pascua laeta boves] Vgl. Iuvencus 2,423: Ingemit ut ruris dominus, cui pascua laeta / innumerae tondent pecudes rectoris egentes; das Iuvencuszitat erweist sich als gelehrt-etymologische Anspielung auf den Gegenstand des Exempels (V. 15 Iuvencus im Sinne von ›Jungstier‹). 34 Haud impunè] Beliebte Junktur seit Tibull 2,3,65: Haud impune licet formosas tristibus agris / abdere. 43–52 Certa … APES] Cum enim sacerdos quidam ferret corpus Christi et ipse in terram cadens illud amisisset cum pyxide, qua portabatur, ecce apes de suis alveolis agminatim exeuntes suoque Creatori honorem deferentes eidem sacrariolum ex sua cera miro artificio composuerunt. Quod cum perdidicisset, illuc cum fidelium multitudine procedens et pyxidem cum corpore Dominico inde elevans ipsum magna cum reverentia ad ecclesiam reportavit (Juan Gil

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de Zamora nach d’Averoult 1624, S. 59). Das Beispiel von Tieren, die den Priester über die rechte Behandlung der Hostie belehren, wendet Bisselius zu einem ungerechten Raub eines Bauern an den Bienen, die Gott in der Hostie besingen. 44 Hybleae] Epitheton der Bienen nach dem blütenreichen sizilischen Berg Hybla, der als Gefilde der Bienen galt, etwa bei Vergil, ecl. 1,54; vgl. auch die Elegien I,1,3,20; I,18,5,32; I,22,12 und II,1,3,8. 47 Hymettidi] Attische Bienenlandschaft, häufig bei Ovid, etwa ars 2,423: Hymettia mella; vgl. in den DV auch I,22,12 und II,1,3,7.

Zu Elegie III,24 (KWB/WK) Von dem Encomium Philomelae aus der Anthologia Latina (Nr. 762, V. 2) über Gedichte humanistischer und barocker Autoren (bspw. die Ornithophonia des Bremer Dichters Nicolaus Bähr; vgl. hierzu Beichert 2010, S. 91f.) bis ins Volkslied (z. B. »Grüß Gott, du schöner Maien: Frau Nachtigall mit Schalle Hat die fürnehmste Stell.«) galt die Nachtigall als die beste Sängerin unter den Vögeln. Selbst im 20. Jahrhundert finden wir noch dieses Urteil (de Wael 1908, S. 1): »Di tutti gli uccelli il rosignuolo è quello che ha il canto il più armonioso, il più variato ed il più bello.« – Diesem Urteil schließt sich auch Bisselius an, allerdings auf eine überraschende und originelle Weise, die teilweise der Positionierung des Gedichts am Ende der Elegiensammlung geschuldet ist. Nach der Einleitung (V. 1–8), in welcher der Dichter eine konkrete Situation (ähnlich wie in I,23 und III,15, Teilelegie 2) evoziert, folgt die lange fiktive Anklagerede des Vogels (V. 9–42), die in mancher Hinsicht wie ein (ordenspezifisches) Gutachten wirkt. Zu unterscheiden sind vier Abschnitte. Im ersten (V. 9–15) beklagt sich die Nachtigall wütend (querela und ira, V. 7f.) darüber, dass sie im Werk des Dichters vergeblich nach Stellen über sich gesucht habe (obwohl solche Erwähnungen durchaus vorkommen wie in III,23,9, dem Ende des ersten Buches, und III,15, Teilelegie 2, wo der virtuose Zeisig mit der Nachtigall wetteifert). Der Vorwurf aktualisiert einen zeitgenössischen Erwartungshorizont, insofern in der Tat Lyrik zum Preis der Nachtigall zum etablierten Fundus der europäischen Humanistendichtung gehörte (zahlreiche Beispiele z. B. von Petrus Lotichius Secundus, aber auch dem Ordenskollegen Jacob Pontanus bei Dornau [1619/1995], Teil 1, S. 391–398). Zu erinnern wäre hier auch an Jacob Baldes ungeheuer variationsreiche Nachtigallenoden in seinem Zyklus Paraphrasis Lyrica in Philomelam D. Bonaventurae Doct. Ecclesiae (in: Balde 1729/1990, Bd. VI, S. 194–258); zu den zerstreuten Studien zur Nachtigallendichtung ist, auf den deutschen Bereich, Harsdörffer, Grimmelshausen u. a. bezogen, aber auch mit Hinweis auf den bekannten polnischen Jesuiten Matthias (nicht Johannes, wie fälschlich Kayser) Sarbievius (Vorbild für Harsdörffer!), ist mit Gewinn heranzuziehen das nach wie vor unverzichtbare Standardwerk von Kayser 1932, bes. S. 216–220.

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Im zweiten Teil der fiktiven Rede des Vogels (16–24) wird argumentiert, dass nichts dagegen einzuwenden sei, wenn die Gottesmutter der Nachtigall vorgezogen werde. Sichtlich nimmt diese Passage Bezug auf das Titelkupfer der DV. Im dritten Teil (25–36), weitgehend eine Aufzählung, werden, mit Schwerpunkt auf den Phänomenen der Natur, alle Gegenstandsbereiche der DV aufgeführt. Gerade hier erfüllt die Elegie den bereits in der Überschrift markierten Charakter des »Epilogs«. Der vierte Teil (V. 37–42) greift das Thema des ersten wieder auf und fragt abschließend nach dem Grund der Vernachlässigung. Nach zwei Übergangsversen (43f.) folgt die Verteidigungsrede des Dichters bis zum Schluss (45–58). Der Dichter charakterisiert den Nachtigallengesang mit Amphionia (s. u. im Kommentar) Harmonia (V. 47f.) und mit coelestis ars (V. 50), Eigenschaften, durch die der Vogel den Dichter dahinreißt (rapis V. 50) und seiner Sinne beraubt (V. 51: Abripior und V. 53: Sensibus emoveor). Das größte Lob des Gesangs der Nachtigall besteht also darin, dass der Vogel durch seine Virtuosität ein Lob durch den Dichter verhindert (V. 53f.), d. h. dass der Angeklagte im Rausch des Gehörten, d. h. aber auch der großen Dichtung (poetologische Konnotationen liegen nahe), das mehrfach begonnene Nachtigallengedicht (V. 45f.) und dabei sich selbst vergessen hat: Bestehe die Nachtigall trotzdem auf einem Lob, müsse sie einen anderen Frühling (V. 57) abwarten. Hier scheint Bisselius auf sein kommendes Werk, die Deliciae Aestatis, hinzudeuten. Bisselius gelingt es also am Schluss seines Werkes, ein Nachtigallengedicht zu schreiben, ohne sich aemulativ an die traditionelle Nachtigallenlyrik anzuschließen, und auf diese Art zu leisten, was die Nachtigall eigentlich fordert, nämlich novas laudes (V. 56!) zu schreiben. De PHILOMELA] Außer diesem Namen für die Nachtigall verwendet Bisselius in der Elegie auch den griechischen, von Aristoteles benutzten Artnamen Aëdon (›Sänger‹) und den lateinischen Luscinia (zur Diskussion um diesen und die anderen Namen der Nachtigall vgl. Capponi 1979, S. 314–318, auch Lunczer 2009, S. 113f.). 1 POPULEAS inter frondes] Verg. Aen. 10,190. 3 Attica … queritur Philomela] Anspielung auf die Sage von Philomela, Prokne, Tereus und Itys. Tereus heiratete die Tochter des athenischen Königs Pandion, Prokne, die ihm den Sohn Itys gebar. Als Prokne von ihrer Schwester Philomele besucht wurde, verliebte sich Tereus in diese, brachte sie in eine Burg in einem tiefen Wald, vergewaltigte sie dort und schnitt ihr die Zunge heraus, damit sie nichts verraten konnte. Seiner Frau Prokne aber erzählte er, ihre Schwester sei tot. Philomele webte jedoch ihre Leidensgeschichte in einen Teppich und schickte diesen in den Palast des Tereus, wo Prokne die wahren Zusammenhänge erkannte. Aus Rache brachte sie Itys um und setzte ihn Tereus zur Speise vor, wobei ihr Philomele half. Der Wut des Tereus entgingen die Schwestern dadurch, dass sie in Vögel verwandelt wurden, Prokne in eine Nachtigall, Philomele in eine Schwalbe. Bei den lateinischen, und auch bei

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den neulateinischen, Autoren ist es umgekehrt: Prokne ist dort die Schwalbe, Philomele die Nachtigall. Wegen dieser tragischen Geschichte wird das Lied der Nachtigall in der Regel als Klage aufgefasst. Ausführlich geschildert ist die Geschichte von Ovid, met. 6,412–674. Auch Bisselius sieht den Nachtigallengesang als Klage (vgl. queritur V. 3, questus V. 4, querulae V. 5 und querela V. 7), doch bezieht er die Klage nicht auf die geschilderte Vorgeschichte, sondern auf die gegenwärtige Situation, den Abschluss des Werkes. 14 (Attica … studiosa NOVI)] Auf die sprichwörtliche Neugier der Athener hat Bisselius schon in seiner Strochen-Elegie angespielt: S. I,10, Argumentum. 15f. Aspexi … Opes] Nun, am Ende der Sammlung, liefert Bisselius gleichsam aus dem Schnabel der Nachtigall eine deutende Beschreibung des Titelkupfers nach (Abb. 1), das der Vogel als gründlicher Leser betrachtet habe. 18f. VER … VER … VERNO … fructu] Die intensivierende Reihung und Paronomasie deutet den Jesusknaben auf dem Schoß Mariens als Personifikation des Frühlings (ähnliche Anspielungen etwa in Elegie I,18, s. dort den Vorspann und zu 1,26). 20 Quamvis … LILIA … ROSA] Die Einschränkung scheint unmotiviert, hält Maria doch auf dem Titelkupfer einen frisch geernteten Strauß Lilien in der Hand, während ferner im rechten Vordergrund des Bildes wilde Rosen wachsen. Zur einschlägigen Symbolik der Pflanzen (Jungfräulichkeit und Märtyrertum) s. o. zu III,20,4,9. 21 DELICIAS … omnes] Formulierung und Versaldruck lassen erkennen, dass Bisselius’ Deliciae insgesamt als geistliche Dichtung mit Jesus als eigentlichem Thema aufzufassen sind; vgl. dazu die ›Ermahnung‹ Josephs in I,18,1,19–26. 24 Nympha] Hier, wie auch in DV I,4,34, in der wörtlichen Bedeutung ›junge Frau‹ auf die Jungfrau Maria bezogen. 27 Soles] Die Nachtigall zählt hier und im Folgenden stichwortartig die einzelnen Unterkapitel der Deliciae Veris auf, was ihr Gedicht tatsächlich zu einem resümierenden Epilog macht; soles bezieht sich auf I,2–5. 27 Zephyros] Vgl. die Elegien I,6–9. 27 mare] Wohl auf die Elegie unter dem Stichwort NAVIGATIO zu beziehen, mithin I,14. 27 flumina] Ohne klaren Kapitelbezug scheint Philomela hier auf die Erwähnung von Flüssen anzuspielen, also etwa auf I,6–8 und III,14. 27 terras] Hier ist wohl an die Storchen-Elegien zu denken, zumal an jene, die den weiten Überflug des Storches über diverse Erdteile und Länder behandelt: I,13.

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28 Palmas] Vgl. die Elegien II,2–4. 28 Pascha] Vgl. die Elegien II,9f., schließt man die Karfeiertage mit ein auch II,5–8. 28 nemus] Vgl. die Elegien II,17f. 28 pascua] Vgl. die Elegien II,11–13; überdies findet sich diese Vokabel als Bezeichnung des Themas von Vergils Eklogen nach Donat auf dem Grabstein des Dichters (Don. Vita Verg. 36). 28 prata] Gemeint sind die Elegien III,6–8. 28 sata] Thema in den Elegien II,14–16. 29 Violas] S. die Elegien I,20–22. 28 Majum] Wohl gemünzt auf die Mai-Elegie III,1f. sowie das Schmähgedicht auf den Mairegen III,12. 28 Viridaria] Explizit schon vom Titel her auf Elegie III,3 zu beziehen. 28 Lusus] S. die Elegien III,9–15. 29 Atque Rosis] Vgl. III,18–20. 29 hortos] Meint alle Garten-Elegien, also III,3–5. 31 Ciconum – volucris] Die Storchen-Elegien insgesamt, I,10–13. 32 Apis] Bienen kommen an verschiedenen Stellen der DV vor, hier dürfte auf die Elegien I,18, I,22 und III,23 angespielt sein. 32 Spinulus] Der Himmelsflug des Zeisigs in Elegie I,17. 33 Hirundo] S. Elegie I,23. 35 Lepus] Vor allem die lange Elegie über Arnulfs Eroberung Roms mit Hilfe eines Hasen: III,17. 40 Et cursim … canis] vgl. Plin. nat. 8,149: Certum est iuxta Nilum amnem [canes] currentes lambere, ne crocodilorum aviditati occasionem praebeant. Danach auch z. B. Du Bellay, Poemata 3,28,1–3: Cur te sic fugiam, tuumque limen / Currens praeteream, canem ut bibentem / Ex Nilo perhibent, Marina, quaeris. 47 Amphioniam] Amphion war ein Sohn des Zeus und der Antiope. Sein Spiel auf der Lyra war von so magischer Schönheit, dass selbst Steine ihm gehorchten und sich, beim Wiederaufbau des zerstörten Theben, von selbst zusammenfügten. Er gehörte wie Orpheus, Arion und Linus zu den sagenhaften Sängern der Antike. Zum Preis der Vogelgesänge wird er von Bähr in seiner Ornithophonia allein viermal herangezogen. 51 dúmque aure bibo] Wie Horaz, carm. 2,13,32: bibit aure.

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53f. oblitus … tui.] Offenbar kontrastiv Sedulius Scotus nachgebildet, carm. 72,31f.: Sum memor ecce tui, resonat ceu parva Camena; / Sis memor, oro, mei: sum memor ecce tui; ähnlich ders., carm. 70,21f.

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Handschriften 1. Bisseliana Meine schriftliche wie auch durch den Kollegen Dr. Helmuth Zäh unternommene Suche nach weiteren Briefen Bislins blieben im Fuggerarchiv wie auch im Fürstlich-Fürstenbergischen Archiv in Arnsberg/W. (Hinweis auf Briefrelikte bei Lahrkamp 1953, S. 363f.) ohne Erfolg (WK). – Zum Abdruck der BisseliusBriefe: Alle Abkürzungen und Ligaturen sind aufgelöst, u/v-Schreibung ist normalisiert.] 1.

Vier Briefe an Matthäus Rader S.J. (in Abschriften)1 a) Regensburg, den 2. August 1624 HSTA München: ADPJ (=Archiv der deutschen Provinz der Jesuiten München) 42–2, 3 Nr. 73. b) Regensburg, den 26. November 1624 Ebd. Nr. 74. c) Regensburg, den 8. Juni 1625 Ebd. Nr. 75. d) Regensburg, den 10. Februar 1626 Ebd. M I, 31, 76.

2.

Analysis Virgiliana P. Bisselii Soc. Iesu [Mitschrift oder Abschrift einer Vergil-Vorlesung von Bisselius, unbekannte Hand, Nachlaß von Johann Kaspar von Lippert]: BSB, clm 24562 (insges. 58 Bll.); einzig erhaltener Teil hs. Unterrichtsmaterialien der Jahre 1631/32; so Weiß/Winkler 2012, S. 489.

3.

Brief an Ferdinand von Fürstenberg vom 14. März 1652 (nach Weiß/Winkler 2012, S. 484).

1

Dazu s. o. in der Einleitung dieses Bandes.

736 4.

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Brief an den Altdorfer Professor Nicolaus Rittershusius, Amberg, den 29. Oktober 1656.2 Eigenhändige Ausfertigung; Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv Autografen K 58. Nobilissime Vir, Clarissime Domine, Pax à Christo! Mirificâ provocatus humanitate Tua, Rittershusi Clarissime et qua, tum antehac Victoriae mei Libros XV non es dedignatus parare tibi pretio (cum ego donaturus ultro fuerim, si tunc scissem) tum nuperrime nomen etiam meum manum, cooptare voluisti Tuorum inter Encomiorum familiares memorias: ausus sum, en, etiam Ruinarum Illustrium Decadem meam primam, ad bibliothecae tuae, si non interiores lares; at saltem ad fores, si repulsam, merentur, et ad focos, si flammam, ablegare. Quae Tua facilitas est, eruditaque Prudentia: boni consules tantisper; dum et Altera sequatur Decas, et alteram, caeterae subsequentes: quas in longam expectationem non prospiciam. Ignosces etiam, eadem ingenii morumque tuorum suavitate: si quid aut in Stylo repereris, aut dictione, quod doctissimo sensui tuo saporique minus arridebit. Sacra profanis et haec illis, intertexere meditatus; nec totus esse Ciceronianus Livianusque, nec in solidum Ambrosianus et Hieronymi sectator, potui. Servavi tamen (ni fallor) quod in Argonauticis olim meis: ut synaloephas, ac vocalium in diversis vocibus concursum, sollerter evitarem per universum Operis decursum: servaturus idem et in subsecuturis Quinarum Decadibus, [griechisch:] euphonias, ut mihi videor, in hoc mollitudini consulens, ac pronuntiationis lenitati. Ceterorum Tuum erit, non meum, Vir Nobilissime, judicium: cum, in causa propria, nemo tam aequus sit, quam in aliena Praetor. Valebis interim, Clarissime Vir; meique memor esse perges, sicut et ego Tui. Dabam Ambergae, 3. Calend. Novembris. M.D.C.LVI. post restitutam salutem, anno. Tui Clarissimi nominis observantissimus Joannes Bisselius, Societatis JESU. P. S. Si placet: mitte mihi tui nominis in Epistolis, titulos, et Inscriptionem plenam: ne Nomenclatoris imperiti poenam [griechisch:] paratitlôssi decorum tuorum, incurram. Idem

5.

Stammbuchblatt für den Kandidaten der Medizin Georg Seger, o. D, Amberg 1659 (Privatbesitz Dr. H. Zäh, Augsburg).

6.

Brief an Johann Michael Dilherr (1604–1669) in Nürnberg, Dillingen, den 21. Oktober 1665.

2

Spätestens seit der zweiten Auflage von Rittershausens Genealogiae Imperatorum (1656) wurde diesem Werk ein Begleitpoem von Bisselius in 18 Distichen vorangestellt; dazu Weiß/ Winkler 2012, S. 495.

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Eigenhändige Ausfertigung; Sammlung Meusebach (früher Königl. Bibliothek/Stabi Berlin, derzeit Bibl. Jagielliónska, Krakau, M 32), hier nach Mikrofilm 159 der HAB Wolfenbüttel, erwähnt in Bürger 1984, S. 157. Nobilissime, Magnifice, Clarissimeque Domine, Pax Christi! Clarissimae Dominationis Vestrae brevem illam quidem, ac paene Spartanam, Atticâ quamvis Humanitate potiorem epistolam Octobris, 9. die, Calendri novi laetus accepi. Cuj cur illico (quod officii ratio postulâsset) non responderim; caussam fortassis Praenobilis Dominus Jo[hannes] Paulus à Paumgarten exponet. Caeterùm, Magnificae V[estrae] Claritudini nequaquam opus erat; propriis ad me datîs, Decada meam Quartam, tanquam beneficium, ac donum quoddam prosequi: recordanti praesertim, et quantùm ea sibi me, tam diuturnâ, liberalî patientiaeque plenâ, Suidae commodatione devinxerit. Et ante sexennium quam munificâ me coenâ, cum Praenobilibus Dominis Consulibus, ceterísque Viris Consultissimis, exceperit domi suae; seu Musarum potiùs Norimbergensium Parnassô; cujus rei memoriam ego gratam etiamnum retineo; retineboque, cum humanitatis illius praedicatione prolixâ quoad vivam. Quòd autem Magnifica Claritudo Vestra, praeter haec etiam solutionem offert aut compensationem: injuriam fieri genio meo puto; cujus est, fuitque semper, Dare beatiùs libentiùsque, quam accipere, juxta Christi Regis apophthegma. Servum ego me Benefactorum meorum, non autem Nundinatorem profiteor. Quapropter, altum esto Remunerationum, apud Claritudinem Vestram erga me, silentium! potiúsque, siquid aliud quod in arbitrio facultatibusque meis erit, desideràrit; id ut promptè gratificaturo quoties velet, mihi significet, et imperet. Cuj Salutem ego plurimum, ab auctore Salutis omnis, precor ex animo: cum omnibus Collegis meis. Dillingae, mensis Octobris 21., Calendri novi Anno 1665. Magnificae Clarissimaeque Dominationis Vestrae Servus in Christo Joannes Bisselius S.J.

2. Andere Dokumente HSA München, Oef. 40: Oeconomica Syntomica (Bericht über seine Regensburger ›Academia Oratoria‹); s. dazu oben in der Einleitung; erwähnt bei Weiß/ Winkler 2012, S. 484. HSA München, Jesuitica 189, S. 113–119: Elogium auf Bisselius; so Weiß/Winkler 2012, S. 484. HSA München, Jesuitica 374: Catalogus II, Earundem personarum Societatis Jesu in Provincia Germaniae Superioris ab Anno 1600 usque ad Annum 1700 in hanc Societatem susceptam, ex eadem deinde vel dimissae, vel in ea sunt mortuae.

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HSA München, Jesuitica 375: Catalogus Provinciae Germaniae Superioris à primo eius institutae anno M.D.LXIII. HSA München, Jesuitica 376: Catalogus Personarum Societatis Superioris Germaniae Ordine alphabetico. Secundum Nomen. HSA München, Jesuitica 708: Index Operum von Bisselius; so Weiß/Winkler 2012, S. 484. HSA München, Jesuitica 1126: Historia Collegii Ambergensis S. J., hier Nekrolog zu Bisselius (S. 77r zum Jahr 1682): Abiit ad superos die 9. Martij P. Johannes Bisselius Babenhusij in Suevia natus an. 1601. die 15 Julij cuius viri memoria plurium librorum monumentis celebratur; accessere etiam bina opera posthuma alterum inscribitur: Phaenomena historica alterius Mundi, alterum: Mortes Patheticae. Naturae dotes nactus praeclara sub quartum et quintum aetatis annum vernaculae et Latinae Litteraturae rudimenta potuit; progressus postea inter domesticos parietes ad cultiores Musas, ferè solâ propriae industriae magistrâ, aetatis anno 17 ad eloquentiae palaestram attigit, Graecae quoque Linguae studiosus in ea plurimùm excelluit, nec minus in Scientia Philosophica; Subin Societatem ingressus etiam inter Theologis emicuit; praeclarus demum per triginta et amplius annos Ecclesiastes ad populum dixit. Scientias comitata pari gradu virtus est, à teneris annis in ea excultus caeli favores constanter obtinuit. In infantia ex Lamiarum insidijs, voto matris ad superos facto, evasit; aliàs submersionis, item perdendi oculi ex allisione Lignei cunei periculum singulari Dei ope declinavit adolescens; Juvenem orationi addictus à malignis blasphemi Spiritus suggestionibus per biennium vexatum conceptum à se castitatis votum salvavit, denique post viriles exantlatos pro Deo labores, et senio scribendis libris impenso universè bene meritus ad aeternam mercedem vocatus est.

II. Gedruckte Werke, Quellen, Texteditionen, Textsammlungen, Kommentare Zur detaillierten Beschreibung der Bisselius-Drucke sowie den zusätzlichen Hinweisen auf ungedruckte, hier nicht aufgenommene Werke gemäß dem hs. Index operum (s. o.) vgl. Weiß/Winkler 2012.

1. Werke von Bisselius im Überblick (Titel vereinfacht und gekürzt) 1. Theses Logicae Ex Verbis Et Sententiis Aristotelis In Organo collectae & defensae. Dillingen 1620 [Dissertation zum Baccalaureat].

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Quellen- und Literaturverzeichnis

2. [Zwei Beiträge in]: Trophaea Parallela siue Veterum Boicae Gentis Heroum. München 1623 [Festgabe des Münchener Jesuitenkollegs zur Verleihung der Kurwürde an Maximilian von Bayern]. 3. [Autorschaft durch hs. Index operum belegt] Teda Nuptialis […]. Ingolstadt1627 [Hochzeitsgedichte mit anderen Poemen an den bayerischen Rat Wolfgang Dieterich von Törring; s. Weiß/Winkler 2012, S. 486f.]. 4. [Autorschaft durch hs. Index operum belegt] Peplum nuptiale. Ingolstadt 1629 [Episierendes Hochzeitsgedicht mit weiteren poetischen Beigaben an den Straubinger Juristen und Syndicus Vitus Endres; zum Inhalt s. Weiß/ Winkler 2012, S. 487]. 5. [Autorschaft durch hs. Index operum belegt] Eques Aureus Sive Didacus Sylvicastrius. Konstanz 1629 [Beitrag zu einer Festschrift des Konstanzer Jesuitenkollegs zur Biscofsweihe von Johann von Waldburg; zum Inhalt s. Weiß/ Winkler 2012, S. 487f.]. 6. Theologia, Ad Disputationem Publicam Proposita. Ingolstadt 1630 [Sammlung von 36 Thesen zur öffentlichen Disputation nach dem Ende des vierten theologischen Studienjahres; Weiß/Winkler 2012, S. 488]. 7. [Anonym, Bisselius zugeschrieben]: Thomas-Morus-Drama 1631; Perioche. Ingolstadt: Hänlin 1631; im Folgenden ohne das Verzeichnis der Akteure abgedruckt: THOMAS MORVS, Das ist: TRAGOEDIA Von THOMA MORO, Dem/ vor Gott vnd der Welt berümbten/ Engelländischen ReichsCantzler: Wellicher vor 96 Jahren/ von dem Gottlosen Wieterich Henrico, der Engelländischen König/ wegen verfechtung wahren Glaubens/ vnd H. Römischen Stuelß/ Tyrannischer weiß hingerichtet worden. Gehalten In dem Churfürstlichen Academischen Gymnasio der Societet IESV zu Ingolstatt. Den 15. Octobris, Anno M. DC. XXXI. Gedruckt zu Ingolstatt/ bey

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Gregori Hänlin. PALMAM Exaltatam in Cades. (Ecclesiastici 24.) Quasi in Silua lignorum, securius exciderunt; in securi & Alciâ deiecerunt eam. (Psalmo 73.) Argumentum Oder Innhalt diser Tragedy. ALß Heinrich der Achte diß Namens Engelländischer König/ wegen vnzimlicher vnd Bluetschändiger Lieb gegen Anna Bolenia, sich nicht allein von Catharina/ seiner Ersten/ rechtmeßigen/ Ehegemahlin; sondern auch von schuldigen gehorsam der H. alleinseligmachenden Kirchen/ vnnd subiection deß H. Apostolischen Stuelß/ abtrinniger weiß/ geschayden/ vnnd abgesöndert: anderßthayls aber sich vnnd seine/ ins künfftig folgende Leibßerben/ so jhme in dem Reich nachtretten würden/ für dz höchste sichtbarliche Haupt der Engelländischen Kirchen auff Erden auffgeworffen; mit begehren/ daß sollichen biß dato vnerhörten angemaßten gewalt/ gantz Engelland solte mit offentlichem Eyd erkennen vnd guetthayssen: Hatt sich vor allen andern Thomas Morus, gewester Oberster ReichßCantzler/ alß ein auffrechter/ frommer vnd behertzter vertäydiger der Warheit/ vnd Römischen H. Stuels/ dessen geweigert. Dessentwegen er dann erstlich in lange schwere Gefängnüs/ verstossen: Folgends/ nach mancherley listigen vnnd feindtlichen versuchungen/ so jhme/ doch vergebens/ zu dem abfall antreiben wollen; mit schmertzen vnnd verwunderung aller Welt/ durch Tyrannischen befelch Königs Henrici, in der Hauptstatt Londen/ offentlichen/ mit einem Beyl/ nach Engelländischem gebrauch/ enthauptet worden: In dem 1535. Jahr Christi/ seines alters aber im 52. Wie solliches außführlich beschreiben Thomas Stapletonus, in vita. Sanderus l. I. de Schismate. Surius in Commentario. Florimundus, Polus, vnd andere. [A 2]

PROLOGVS. SEuerinus Boëtius, vor zeitten Römischer Burgenmaister/ stellet vor Augen den gottlosen Wietterichen/ Theodoricum, der Sueden oder Gotten König; Von wellichem er/ Boëtius, alß ein vertädiger deß alleinseligmachenden Glaubens/ vnd Feind der Arzianischen Ketzerey/ entleibet worden. Verspricht den Spectatoribus; an heuto einen newen Theodoricum, an Henrico dem Achten Engelländischen König; einem newen Boëtium, an Thoma Moro, Obersten Engelländischen ReichßCantzlern/ fürzustellen. Gibt benebens auch an tag die hochscheinende/ hellglantzende Tugend Thomæ Mori, vnd Ioannis Roffensis, vnder gestallt vnd figur zweyer hellbrennenden Leuchteren/ darinn ihr eigne Controfet zu sehen; so hernach von Megæra der Höllgöttin/ mit Bluett/ wie sie vermeint/ außgetilget werden.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

ACTUS I. Von Thomæ Mori nochwerendem Obersten ReichsCantzler Ampt: seiner Verwaltung: vnd verstossung Catharinæ der rechtmeßigen Königin/ aus befelch Henrici deß Achten.

SCENA I. Thomas Morus, beschweret sich seiner/ in obgelegnem ReichsCantzlerampt/ tragenden Bürden: allermeisten aber gegenwärtigen/ zergänglichen Ehren/ so jhne von gewünschter Rhue deß Herzens abzügen. Zu jhme stosset Thomas Hauardus, Ein behertzter Sieghaffter Kriegsheld/ vnnd Fürst in Norfolcia: Wellicher sich zwar für einen rechtglaubigen außgab vnd hielt: aber doch/ in bedencken Königlicher gnaden/ den Mantel nach dem Wind richtete. Dise beyde Herren vnterreden sich wegen nechstkünfftiger verstossung Catharinæ, vnd verruchter Hochzeit/ so Henricus der König gegen Anna Bolenia anzustellen gesinnet ware. Morus wird/ dem könig dißfals beyfall zu thun/ in den Königlichen Pallast erforderet.

SCENA II. Fürst von Norfolcia, rühmet/ auß vberzeugung eignes Gewissens/ die Tugend/ vnd auffrechte/ redliche beständigkeit Mori, vber alle andere Engelländische Räht/ vnd Rathßconsorten.

SCENA III. König Henricus der Acht/ vnangesehen/ jhme Morus, wegen anstehender Ehescheydung/ ein abschlägige/ mißrahtende antwort ertheilt; fahrt in seinem verkehrten/ vnd von Vnzucht verblendten willen fort; entschließt sich/ eignerautorität/ von seiner Ehelichen Gemahl Catharinâ zu scheyden. Ertheilt darauff befelch/ alßbaldt hochernante heylige vnd frome matron auß der Kammer vnd Beywohnung zuschaffen: Annam Boleniam an jhr statt einzusetzen. Seine Räth vnd Hoffherren geben sollichem allem beyfall. Ja auch Norfolcius, redet gantz das widerspill dessen/ so er kurtz zuvor gegen Moro sich verlauten lassen: lobet heuchlerischer weiß/ den gantzen Königlichen fürschlag.

SCENA IV. Pudiconem, einen frembden/ verstellten/ auß Cypern ankommenden Kauffmann/ kombt Portumnus ein Engelländischer Schiffmann/ sambt Transtrario, seinem Ruderknecht/ mit rauhen Wortten an/ wegen hartfolgender Fuhrbezahlung. Wird doch entlich/ seines erachtens/ zu genügen befriediget. Pudico, gibt sich durch sechs Buchstaben/ vnd eben so viel Cyprische Aepffel/ zuerkennen; daß er anagrammaticê seye Cupido, oder vnzüchtiger Liebteufel: Ja der Schutzengel selbsten der newerkohrnen Königin Annæ Boleniæ. Nimbt sein weg sambt seinen Gefärdten vnnd allerhand Wahren/ auff den Königlichen Pallast zu; mit versprechen/ durch vertreiben vnd Kauffmannschafft/ besonders seiner

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Aepflen auß Cypern/ das Gifft der vnreinen Lieb/ gegen dem König/ vnd gantzes Engelland/ außzubreyten. Erzeigt auch in dem werck/ waß namhafte brunst er in ermeldtem Königreich/ durch solliche Wahr/ erwecken gesinnet seye. Wird in den Pallast beruffen.

SCENA V. Portumnus, der Schifman kehrt bald wider zuruck/ beklagt sich/ nach dem die Kueh schon auß dem Stall; waß massen er/ alß er ein Zech zuthun vermeint/ an statt 2. Engelländischen Cronen/ so jhme von Pudicone bezahlt worden/ in der Hand darfür/ weiß nicht was/ gefunden. Stellet Pudiconi ferners nach.

SCENA VI. Morus, gelegenheit deß vppigen tantzen/ springen/ vnd singens/ dessen sich Anna Bolenia die newvermeinte Königin in dem Pallast gebrauchte/ Propheceyet Clementi seinem Secretario, nit alleinen seinen/ nachfolgends obstehenden/ tod; sondern auch deß gantzen Engellands entlichen vbelstand vnnd vndergang. Sitzet bald darauff zu Gericht. Führet billichen/ rechtmeßigen Proceß/ sonderlich wider einschleichende Ketzer/ vnd Ketzermeister: wie auch nicht weniger wider die Dieben vnd Beutelabschneyder. Gegen einem Maßwitzigen Gerichtsconsorten vnd assessorem, wellicher sich in verwahrung seiner sachen/ vieler straichen außthate; gebrauchet Morus sonders glimpfigen list/ jhne zu demüttigen: in dem aus anstifftung Mori, eben hochernanten Assessori vor offentlichem Gericht sein Säckel/ von einem Maußkopf abgeschnitten vnd gezwackt wird.

SCENA VII. Pudico, oder Cupido, frolocket wegen seiner wolersproßnen Kaufmannschafft: in bedencken/ daß er/ nach gebrauch selbiger zeit Engelländischen Hoffs/ von wegen seiner Aepflen/ vnd Possen reissens/ aus einem Kauffmann allbereit ein Hofmann; aus einem Hofmann der Königin Fürschneyder vnd Credentzer worden; verhoffend ins künftig noch höher sich zuerschwingen. Gibt Portumno, dem Schifmann/ so jhne deß betrugs bezüchtigen wolte/ harten vnd flachen bescheyd. Bekommet ein Exemplar Päbstlicher Bullen, in wellicher König Henricus, wegen ohne fug verstoßnen Catharinæ, in Bann gethan wird; verhönet solliche. Weiset entlich auch seinen Gesellen/ deß Königs Henrici Cupidinem, oder Schutzgeist/ ein sondlich schöne Creatur. Scilicet. Hiemit die vngeformte vnmäßigkeit deß Königs darzuthun.

ACTVS II. Von ablegung deß Obristen ReichsCantzler Ampts Thomæ Mori: vnd selbigen Hertzhafften verfassung/ auf künfftige Anstöß vnd persecution.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

SCENA I. Cromuelus, Königlicher Secretarius, wirdt von König Henrico zu Moro, sambt einem Exemplar Bäpstlichen Excommunication-bulla, gesändet; mit ernstlichem befelch/ nachzuschlagen; Ob dem Bäpstlichen Römischen Stuel gebührender gehorsamb/ ein Gebott Gottes; oder nur allein ein Satzung der Menschen seye. Solches macht Moro nicht schlechte Sorg vnnd Gedancken/ gehet inn solchen hin/ sich neben dem Fluß Tamesi, so neben seinem Pallast vnnd Gärten fürüber rann/ seiner gewonheit nach schlaffen zu legen: Ertheylt doch zuvor/ sambt einem Trinckgelt/ den Königlichen Trabanten befelch; sich forthin zum öfftern vnversehner weiß in seiner Behausung anzumelden; vnd jhne/ Morum, gleichsamb auß Königlichem Gebott/ für das Gericht vnnd parlament zu citieren, welches dann Boêtius an Moro sonders Lobs würdig erkläret.

SCENA II. Somnus, der Schlaff/ bringt durch hülff Tamesis deß Fluß/ vnd Nympharum, dessen Töchtern/ mit gesang/ Morum in ein tieffe ruh. Somnus stellet für augen den Traum Mori; wie auch jhne selbsten; welcher massen er in ein disputation, mit dem fürsten von Norfolcia gerahte/ wegen præeminenz vnnd höchsten gewalt deß Bäpstlichen Stuel. Morus erweckt den verfluchten VVicleffum; einem Engelländischen Kätzer/ sambt etlichen seinen Gefährten; vnnd erweist auß jhren Peinen/ wie höchlich es Gott mißfalle/ seinen auff Erden Römischen Statthalter für des höchste Haupt nit erkennen. Morum stercket in der rechten meynung der heilige Kirchenlehrer Hyeronymus; vnnd Petrus, der Apostelfürst. Entschleust sich entlich Morus, das CantzlerAmbt vnd alle Ehren diser Welt von sich zu schlagen; vnnd für verthädigung Bäpstlichen primatus, Guet vnd Blut darzusetzen.

SCENA III. Auß Teutschenlanden kombt von Keyser Carolo dem Fünfften ein Ambassiator oder Legat. Dessen anbringen seyn solle/ daß auff begeren Caroli, die vertribne Königin Catharina, als deß Keysers Fraw Mutter Schwester/ in vorige Ehe vnd Ehr eingesetzt werde. Im widrigen fahl/ wolte Keyser Carolus, sambt Spannischer vnd Päbstlicher hülff/ den König Heinrich mit Kriegsverfassung darzu vermögen/ endtschlossen seyn.

SCENA IV. Pudico, oder Cupido, ziecht allgemach inn guldiner Kettin auff: vermelt/ daß er auß einem Königlichen Trucksessen Boleniæ, durch selbiger fürschub/ zu einem Engelländischen Freyheren erhoben; werd also Baro oder Freyhern Di Pudico genennet. Sucht hin vnd wider weiß vnd weg/ wie er Morum möge ins Verderben vnd Todt bringen: dan diß/ vnd kein anders/ habe er in befelch von der newen Königin Bolenia; welche Moro jnsonders auffsetzig/ wegen/ daß er sich jhrer [Ps] derzeit widersetzet. Findet entlich/ durch einspinnen feines

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[Ps] derzeit widersetzet. Findet entlich druch einspinnen seins [Papierschaden] kleinen Nachtrabanten/ einen listigen Weg.

SCENA V. Morus thut König Henrico einen Fußfall/ jhne [Ps] Königlichen Gnaden/ deß nunmehr vnerträglichen ReichsCantzlerAmbts zuentlassen/ wird entlichen/ gleichwol schwerlich/ seiner [Ps]. Auff dessen abtretten/ den König ein spate Rew ankommen [Ps] Entlassung wegen: Fasset grossen Zorn nit allein wider Morum [Ps] auch wider Carolum den Keyser; wider die Bäpstliche/ hin [Ps] / außgesprengte Excommunication-bullen. Entschliest sich [Ps]/ deß Bäpstlichen gehorsams sich gäntzlich zuentschütten. V [Ps] manchen guten fürschlag/ Gelt/ auff künfftige Kriegsbereytung/ auffzubringen. Baro Di-Pudico, verspricht jhme/ auff künfftig [Ps] gen ein namhafften Schatz zu entdecken.

SCENA VI. Wegen abgelegtes CantzlerAmpts frolocket Morus. [Ps] Aloysiam, sein Ehegemahl/ inn der Kirchen embsig betten. [Ps] sich als einen Diener; vnnd durch auffmahnen der Frawen/ [Ps] ben/ es seye der Herr Cantzler schon auffgebrochen/ gibt er jhr [sannft zu; Ps] verstehen sein abtretten von dem CantzlerAmpt. Linderet benebens [Ps] gefastes trawren mit höflichem schertz.

SCENA VII. Die newliche bestelte Königliche Trabanten/ kommen/ verstelter weiß zur behausung Mori: vnd fordern jhne fürs Königliche Gericht/ alldorten vmb Lebensgefahr sich zuverantworten. Vnder der Frawen vnd dem Haußgesind/ gibt es grosse bestürtzung vnd jämmerung. Solchen allen spricht mit kräfftigem abmahnung zu/ Margarita, die Eltiste vnder den dreyen Töchtern Mori. Dessenhalben sie dann von dem Herren Vatter/ so sich mit fleiß verborgen/ doch alles gehört/ billich geprisen: das Haußgesindt aber einen verweiß empfanget.

ACTVS III. Von Mori hertzhaffter verthädigung deß Päbstlichen Gewalts vnd præeminenz. Auch seiner/ deßwegen vorgenommener/ Gefängknüs.

SCENA I. König Henricus sambt etlichen seiner jnnersten Räthen/ kombt/ auff antreiben Baronis Di-Pudico, gen Grenvvikh, einen Berg vnnd Schloß/ nicht fern von Londen entlegen: in meynung/ alldorten/ auff die vorhabende Kriegspræparation, einen ansehlichen Schatz zufinden. Nach langem vergebenlichen graben stost jhnen zuhanden ein Kopff. Auß dessen gelegenheit/ durch zuschierung Suffolcij, vnd Cromueli, der Freyherr Di-Pudico, dem Geltstichigen vnd verblendten König klärlich darthut; daß einmahl kein leichterer weg/ Gelt vnd Schätz zu sam-

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Quellen- und Literaturverzeichnis

meln/ seye/ als/ daß Moro der Kopff zwischen die Füß gelegt werde. Daran ob gleichwol der König schwerlich kombt; wegen sonders hochachtens/ so er gegen Moro trug; verwilliget er doch/ selbigem ein Fallen zu machen/ durch künfftigen Eydschwur/ dardurch Morus genöttiget [Ps] jhne König für das höchste Haupt der Kirchen inn Engellandt zu er [be? Ps] kennen.

SCENA II. Baro Di-Pudico, last seinen Gehülffen Morionellum, so jhme inn nechstangestifften List deß Schatzgrabens/ nicht wenig verhülfflich gewesen/ auff einen/ jhme gebürenden Triumphwagen setzen.

SCENA III. Auß Königlichem befelch/ præsidiert der Gottslästerliche/ abtrinnige Ertzbischoff Thomas Cranmerus, in offentlichem Parlament. Alldorten erkläret vnd ernennt er erstlich Thomam Audlæum, einen Heuchler vnd Königlichen Schmaichler/ zum Obersten Engelländischen Cantzler/ an statt Mori. Fürs ander auch verordnet er (fürgebentlich/ auß vollhabender Macht) König Henricum, den Achten/ in Engellandt/ sambt allen seinen Nachkommenden LeibsErben/ vngeacht Bäpstlicher auctoritet, hinfüro zu ewigen Zeiten/ für das höchste Haupt der Kirchen in Engellandt zuerkennen. Befilcht entlichen/ sich auff nechsten Parlamentstag verfast zu machen/ solches Decret mit einem Eyd/ keinen außgenommen/ anzunemmen.

SCENA IV. Auß anschaffung Cranmeri kommen zwen Königliche Trabanten für die Behausung Mori: erfordern jhn auff künfftigen morgen für das offentliche Parlament/ alldorten das Königliche Decret, mit einem Eydschwur anzunemmen. Aloysia sein Fraw/ bildet jhr zu endt ein/ es werd solliche Erforderung widerumb/ wie newlich/ ein Spiegelfechten seyn.

SCENA V. Allweilen sich theils in Teutschen vnnd Spannischen Ländern/ theils in Lincolnia, einer Engeländischen Prouintz/ Kriegsempörungen wider Henricum den König begundten zuerheben; wirdt zu Londen vnd anderstwo hin und wider Volck geworben: Vnder dem commando Fürstens Norfolcij vnd Baronis Di-Pudico. Daß doch meiste burst wenig mutt zur Schlacht habe/ zeigt jhnen ein küener Jüngling/ wellicher sie mit einem nassen Schaub jaget. Die vbrigen/ verpflichten sie wider den Pabst zu kriegen.

SCENA VI. Morus, nach vielfältiger vorbereitung/ macht sich auff den Weg/ zu Londen/ vor dem Königlichen Parlament zuerscheinen. Die Fraw hebt an zu glauben/ daß die sach ein ernst mit sich bringe. Morus gesegnet sie alle; in bedencken/

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daß er/ durch Göttliche erleuchtung/ sein folgende Gefängnüs vnd Marter vor gesehen. Propheceyet auch solliches Margaritæ seiner Tochter/ alß einer sehr/ in allen Künsten erfahrnen Frawen/ in Griechischer Sprach.

SCENA VII. Das Königliche/ newlich angestellte/ Parlament/ gewint seinen fortgang. Cranmerus befilcht in folgende 2. stuck zu schweren. Erstlich/ daß Elisabetha, die newlich aus Bolenia dem König erzeugte Tochter/ ein rechtmäßige Erbin seye deß Königreichs Engelland. Fürs ander/ daß Henricus der König seye das höchste Haupt der Engelländischen Kirchen/ aufferden/ Vnd nicht der Römische Pabst. Zu sollichem Gottslästerlichen Eydschwur/ wirt allererstens/ vor allen Geistlichen vnd Weltlichen/ Thomas Morus erfordert. Der sich dann solliches beständiglich weigert. Wird derentwegen/ sich etwas reiffers darüber zu bedencken/ entzwischen in den Garten hinaus geschaffet. Werender zeit/ willigen alle/ Geistlichen vnnd Weltlichen Stands/ in den Eyd. Roffensis vnnd Wilsonus allein setzen sich darwider: werden derentwegen in verhafft genommen. Morus wird zum andernmal gerufft: bleibt auf seiner heiligen meinung standthafftiglich/ wider aller anderen antrieb vnnd reitzen. Wird entlich in die Gefängnüs/ aus befelch Audlæi, deß Cantzlers/ geführet. Darein er dann mit grosser ruh/ seines Hertzens/ gehet.

ACTVS IV. Von Mori beständigkeit in der Gefängknüs/ wider mancherley starcke versuchung.

SCENA I. In Mori Behausung/ entstehet bey Fraw Aloysia, vnd dem HaußGesind/ hohe betrübtnüs/ wegen trawriger bottschaft/ seiner Gefängnüs. Der Königliche Notarius kombt auch alßbald/ alles/ waß Moro zugehörig/ zu inuentiren/ vnd folgends/ anß Königlichem befelch/ in arrest zu bringen. Margarita, die Tochter Mori, erlangt von jhme/ erlaubnüs/ dem Herren Vatern/ auf sein begehren/ ein härines Kleyd/ vnd Geissel zuzusenden. Zu dessen Vrkund sie dann auch das Väterliche schreiben/ auffweiset.

SCENA II. Bey dem Parlament/ so sich/ nach Engelländischem brauch/ auf etlich Täg erstrecket/ befindet sich auch der König. Führet starcke klag wider die halßstärzigkeit deren/ so sich deß Eyds weigerten. Wünschet vnn bearbeitet sich auf alle weg/ Morum auf sein seyten zu bringen. VVilsonus fallt ab: vnd thut den Eyd. Margarita, Mori Tochter/ thut jhme Henrico, einen Fueßfall vmb Väterliche erledigung: vnn bringt bey nah den König zur Barmhertzigkeit. Wird aber alles widerumb vmbgestossen/ durch Baronem Di-Pudico, wellicher von Bolenia zu

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Quellen- und Literaturverzeichnis

diesem angestifft/ dem König/ im Namen der Königin/ ein Bitt fürwirfft/ Moro in keinem zuverschonen. Schafft also der Tyrann die Tochter ab: Morum laßt er in härtere Gefängknüs vnd Eysen legen: Roffensem, vnnd andere Gottselige/ befilcht er hinzurichten. Wird jhm von seinen Rähten alles recht geben.

SCENA III. Pudico, oder Cupido, verspüret/ daß wegen grosser Heiligkeit/ vnd ansehens deß Roffensischen Bischoffs/ vnd anderer Gottliebenden Geistlichen/ sich die Engelländer widerten/ den Königlichen Befelch in Mord der Priesterschaft zuvollstrecken. Rüffet derowegen von der Höllen Doëgum, jenen mörderischen Idumæer; mit ernstlichem antreiben/ sich/ sambt seinen Gesellen/ in Henckersmanier zuverstellen; vnnd also durch rath die Engelländer zum Gottlosen Priestermord anzutreiben. Darzu er jhn dann willig erfindet. Besinnet sich benebens Pudico, auf etliche list/ wider Morum vnd sein Haußgesind zuverüben.

SCENA IV. Fürst von Norfolcia, kombt auß antrib deß Königs/ zu Moro in die Gefängknüs: in meinung/ auf aller ort fund/ griff/ vnn anmanung/ zudem abfahl/ vnd Gottlosen Eydschwur Morum, zuvermögen: insonderheit aber durch das Exempel VVilsoni, eines hochberümbten Theologi; vnnd den todt Roffensis. Morus, damit er seiner abkäme; sagt/ er habe entlich sich eines andern besunnen: vnnd sein meinung geendert. Mit wellichen wortten dann alßbald Norfolcius, dem König zueylet: Vnd flux widerumb zu Moro; von jhme Schrifftliche Verzeichnüs seiner Enderung begehret. Befindet sich aber höchlich betrogen, allweilen die gantze Enderung der meinung Mori vmb den Bart/ vnd nicht vmb den Eyd/ vermeint gewesen/ gehet mit zorn daruon. Deß verlauffs frewet sich Pudico; mit versprechen/ er wolle auß diser Enderung deß Sentenz, die gantze Welt mit Lugen anfüllen; wie ers dann jedermänniglich verkündet.

SCENA V. Fraw Aloysia, Mori Gemahl/ wird theils durch das falsche geschrey/ so von enderung deß Sentenz von jhrem Herren außkommen/ bewegt: theils durch antrib deß Königs gereitzt; zu Moro in die Gefängnüs zu kommen/ vnd jhme/ wegen enderter meinung glück zu wünschen. Wird aber von jhrem falschem wohn/ mit jhrem leyd/ abgetriben: kan jhren Herren im wenigsten nicht zu dem abfall bringen: viel weniger/ daß er 20. Jahr seines lebens solte vmb die gantze Ewigkeit vertauschen. Wird entlich selbsten von Moro auf den rechten Weg geführet.

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ACTVS V. Von Mori Vervrtheilung/ Marter/ vnnd Begräbnuß.

SCENA I. König Henricus, wegen der jmmerwerenden Standthafftigkeit Mori, wider alles versuechen/ bitten/ vnd trowen/ nicht wenig bekümmert; entschliest sich entlich/ inn bedencken Mori voriger trewlich vnnd redlich gelayster Diensten; ja innerwegung seiner grossen Frombkeit/ Geschickligkeit/ vnnd Ansehen/ bey der gantzen Welt; Morum bey dem Leben/ doch in ewiger Gefängknuß zuhalten. Wirdt von Pudicone, so Anna Bolenia zu dem König deßwegen abgefertiget/ auff das widerspil/ listiger weiß gezogen. Befilcht also der Tyrann Audlæo dem Cantzler/ Morum für das Gericht zuliffern/ vnnd zu dem Todt zuverdammen lassen.

SCENA II. Pudico iubiliert wegen glücklichen fortgangs/ mit dem Todt Mori, vnnd stellet ein Triumph an; darinnen er an Tag gibt; durch was Waffen vnnd Instrumenten dem König das Hertz wider Morum gewonnen.

SCENA III. Morus wird auß dem Londinensischen Thurn/ für das Parlament/ oder Engelländisches Landtgericht geführet: Von Sydnæo, Königlichen Aduocaten, als ein feindt Königlicher Mayestätt/ verklagt/ wegen deß gewaigerten gottlosen Eydschwurs. Vnnd/ vngeacht er/ munter vnnd kräfftig alle falsche Anklag widerlegt; durch höchste vnbilligkeit vom Leben zum Todt vervrtheilt. Auff welches dann Morus, mit grosser hertzhafften Beständigkeit/ sein Sententz vnd Meynung/ von dem Primat vnd höchsten Gewalt deß Römischen Bapsts/ widerholet: straffet auch/ inn gebühr/ offentlich alle vngetrewe Räth deß Königs Henrici; bittet für seine Verfolger; vnnd gibt sich willig inn die Händt GOttes.

SCENA IV. Entzwischen/ weil Morus, von dem Gerichtssaal/ widerumb der Gefängknuß zugeführt wirdt: ersihet jhne Ioannes Morus, sein eyniger Sohn; tritt zu seinem vervrtheylten Herren Vatter vnerschrocken hinan: begert von jhme knyent, mit grosser Demuet/ den Vätterlichen letsten Segen. Baldt nach solchem/ als auch Margarita, Mori Tochter/ den Vatter ersehen: tringet sie mit grosser Arbeit vnnd Mühe/ mitten durch die Soldaten vnd Königliche Trabanten hinein; fallt dem Vatter zu Füssen/ begert mit grossem Hertzleyd mit jhm zu reden/ kan aber vor Schmertzen wenig: wirdt von Moro getröstet/ vnnd nach ertheyltem Segen/ abgewisen. Sie aber kan sich in die läng nicht enthalten: kombt widerumb mitten von dem hinweg scheyden; tringet abermahls durch die Soldaten hinein: fallt dem Vatter vnversehens vmb den Leib; bringt jhme dar jhre zween kleine Söhnlein Antonium vnd Thomam; damit er jhnen sein letsten Segen ertheyle. Begert

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Quellen- und Literaturverzeichnis

endtlich mit dem Vatter gäntzlich zusterben/ vnnd muß durch newe ermahnung abgewisen werden. Ab welchem trawrigen spectacul dann auch die Feindt Mori sich entsetzen.

SCENA V. Pudico, erzehlt: was massen er auß dem vnlängst außgesprengtem Geschrey/ von Mori enderung deß Sentenz, gelegenheit genommen/ ein falschen Brieff zu stellen/ vnd er dem Namen Margaritæ, an Cæciliam, dritte Tochter deß Mori, vnd Margaritæ Schwester: so selbiger zeit abwesent/ Verwalterin oder Landtspræsidentin inn Glocestria, einer Landtschafft Angliæ, war. An selbige Cæciliam habe er durch Schreiben gelangen lassen/ wie daß Morus, jhr Herr Vatter/ auff solche enderung nicht allein der Gefängknuß entlassen/ sondern auch zu vorigen vnd höhern Ehren gelangt seye. Solle derentwegen eylendts auff Londen zu eylen/ jhme zu gratulieren.

SCENA VI. Phantiel vnd Polemurgus, zwen höllische Geister/ durch Pudiconis anstifftung/ verstellen sich/ Phantiel zwar in Erasmum Rhoterdamum; Polemurgus aber inn Norfolcium. Polemurgus biet Moro sein Kriegsvolck an/ jhne zu saluieren. Phantiel aber bemühet sich jhne zubereden/ daß er sich in der Gefängknuß deß harten geyßlens/ so er verübte/ entschlüge; vnd mit sich/ als seinem alten besten Freundt/ in Niderlandt heymblich darvon ziehe/ sich deß obstehenden Todes zuentbinden. Morus durch das H. Creutz/ vnnd anrüffung deß süssen Namens IESV, verjagt beyde/ vnd erkennet hiemit jhren betrug.

SCENA VII. Margarita, Mori Tochter/ allweilen der Gerichts- vnnd Todtstag jhres Vattern verhanden/ gehet sambt jhren zween Söhnlein/ vnd etlichen Befreundten Knäblein/ hin vnnd wider zu den Londinensischen Kirchen; für das ewige Heyl jhres/ inn kurtzem sterbenden Vattern/ andächtig zubetten. Verschafft/ daß sie alle mit Rosenkräntzlein versehen; vnd gibt reichlich Allmosen/ den Haußarmen Burgern.

SCENA VIII. Morus wirdt in schlechter Kleydung zu der Richtstatt außgeführt: ein rothes Creutz inn der Handt tragent. Propheceyet der trawrigen Burgerschafft den gewissen vndergang alles gutes in Engelland. Auff dem Weg hilft er/ durch sein heiliges Gebett vnd Trost einem verzweiflenden/ beängsten Menschen/ auß VVintonia. Verzeyhet seinem scharpffrichter: Kusset jhne; vnd verehret jhne auch mit einer Englischen Cronen/ bettet andächtig/ bietet willig den Hals her/ vnnd wirdt (beständig inn seiner profession vnnd Glauben/ biß an das Endt) mit einem Beyl/ nach Engellendischem brauch/ enthauptet. Inn der Statt Londen/ ist seines vnschuldigen Todts wegen/ grosse Meuterey vnnd Auffruhr.

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SCENA IX. Mori seliger Leichnamb wirdt in die Gefängknuß getragen. Pudico, sagt/ er habe alles verzicht/ was jhme von seinem Meyster/ vnnd von der schändtlichen Bolenia anbefolhen worden. An jetzo/ weil der König/ wider alle hoffnung/ ab dem Todt Mori sehr vbel contentiert seye; scheyde er/ alß flüchtig von dannen; mit verstellung/ als ob er deß Königs Zorn förchtete. Müsse auch anderßwo was vbels anstifften.

SCENA X. Cæcilia, ein Tochter Mori, vnd Præsidentin in Glocestria, kombt mit grossem Pomp vnnd Frewden eylendts zu Londen an; auß antrib der Brieffen/ so Pudico im Namen Margaritæ an sie gestellet. Begert den Herren Vatter zu sehen/ vnd jhme inn seiner newerstatten dignitet (wie sie vermeynet) glück zuwünschen. Trifft ohn gefähr an jhr Schwester Margaritam; verwundert sich jhrer Klag vnd grossen Trawrigkeit. Wirdt nach vilem der gantzen Sach/ wider den willen Margaritæ, verständiget/ mit sonderlichem Schmertzen/ vnnd in die nechste Behausung geführt; wegen der grossen Klag vnd Geschreyß. Margarita aber wendet sich zu der Begräbnuß; findet das Gelt/ vmb die Matery/ darein der Leichnamb solte gelegt werden/ durch ein Göttliches Wunderwerck/ in einem schon zuuor außgelehrten Seckel.

EPILOGVS. Boëtius, vergleichet Henricum den König jenem Rhamno; das ist/ Hecken oder Dornstauden (daruon Iudic. 9.v.8.) aus wellicher dz fewr außgeschlagen/ vnd den gantzen Wald verherget: Engelland aber einer Wüsten vnd Wiltnüs: Thomam Morum einem standthaftigen dapfferen Palmenbaum/ wellicher allein sollichem Rhamno widerstand gethan/ vnd derentwegen von seinem schädlichen fewr nit berühret worden. Wird solliches alles von Tamesi, dem Engelländischen Fluß/ vnnd seinen gefärten/ für die augen gestellt/ vnd gesagter massen repræsentirt. Wird beschlossen mit einem frölichen Lobgesang/ deß triumphirenden Mori. Laus DEO & Thomæ ipsius Martyri. 8. [von Bisselius wohl nur das erste Buch] Cliens Marianus Diversorum Elegiis descriptus. 4. erw. Aufl. München 1634. 9. [Anonym im Namen des »Collegium Ingolstadiense« zur Geburt des bayerischen Thronfolgers Ferdinand Maria] Palma Boica, Sive Gratulatio Natalitia […] Principibus Ac Dominis, utriusque Bavariae Ducibus, Comitibus Palatini Rheni, etc. Maximiliano, S[acri] R[omani] I[mperii]. Septemviro Patri; Mariae-Annae, Matri, Ferdinando-Mariae-Francisco-Ignatio-Wolfgan-

Quellen- und Literaturverzeichnis

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go Filio. Pridie Cal. Novemb[ris] Anno Christi M.DC.XXXVI. Felicissime orto. Ingolstadt 1636 [zum Inhalt s. Weiß/Winkler 2012, S. 490]. 10. Icaria. Ingolstadt 1637; Nürnberg 1667; nach de Backer/Sommervogel auch: Ingolstadt 1670; München 1695. 11. Eligiae seu Deliciae Veris. Ingolstadt 1638; München 21640. 12. Phoenix, Oder Fürstlicher Son[n]envogel, Das ist/ Christliche Leich= und EhrenPredig deß […] Ioannis Francisci Caroli Pfaltzgraffen bei Rhein/ Hertzogen in Obern vnd Nider Bayern […]. München 1640 [ Titelaufnahme gekürzt nach Boge/Bogner 1999, S. 395, Nr. 22]. 13. Deliciae aestatis. München 1644. 14. Argonauticon Americanorum, sive Historiae Periculorum Petri de Vinea, ac Sociorum eius, Libri XV. München 1647; nach der Backer/Sommervogel auch Gedani=Danzig [recte wohl: Amsterdam] 1688; nachgewiesen der ND von 1698 bei Weiß/Winkler 2012, S. 493. 15. De Pestiferis Peccatorum Mortalium fructibus, Exempla Tragica, per Anni M.DC.LI Quadrigesimam, pro suggestu, exposita. Dillingen 1652, 21679. 16. Illustrium ab orbe condito Ruinarum Decas Prima. Amberg 1656. Decas Secunda. Ebd. 1657; Decas Tertia, Pars Prima. Ebd. 1658; Decas III. Pars Altera. Cum Indice suo; Palaestinaeque Topothesia separata. Ebd. 1658; Decas IV quadripartita usque ad Christum. Dillingen 1663; Decas IV. Pars II. Ebd. 1663; Pars III. Ebd. 1663; Pars IV. Ebd. 1664; Index Universalis. Ebd. 1665; Teilnachdruck ebd. 1679. 17. Palaestinae, Seu, Terrae Sanctae, Topothesia, Secundum Regiones, ac Tribus, expressa. Amberg 1659; Dillingen 1679. 18. Reipublicae Romanae Veteris Ortus, Et Interitus. Dillingen 1664. 19. Digitus Dei, Humana Corda Tangens, Das ist/ Hertz-Berüerender Finger Gottes […] In vnderschidlichen Fasten-Exemplen vorgestellt, vnd allermaist zu Dillingen in der Academischen unser Lieben Frawen Kirchen der Societet Iesu, in dem Jahr Christi 1665 geprediget. Dillingen 1666; ND 1680. 20. Antiquitatum Angelicarum Vet[eris] Testamenti Libri Tres. Amberg 1670. 21. Antiquitatum Angelicarum Alterius Testamenti Libri Tres. Ebd. 1670. 22. Aetatis Nostrae Gestorum Eminentium Medulla historica, per aliquot Septennia digesta. 3 Bde. [zu den Jahren 1601–1620]. Amberg 1675–1677; in Bd. 2: Appendix: Mariae Stuartae Viventis ac Morientis Acta. Amberg 1675; ND Sulzbach 1725 u. Amberg 1727 [bibliografische Aufnahme der Bände bei Weiß/Winkler 2012, S. 502–505]. 23. Leo Galeatus Anni M.DC.XX. Hoc est, Maximiliani, Bavariae Ducis, Expeditio, Pugna Victoria Pragensis. Amberg 1677; ND Sulzbach 1724. 24. [zusammen, jedoch mit getrennten Titelblättern gedruckt; gemeinsames Vorwort des Verfassers vom 1. Januar 1682] Incolarum Alterius Mundi Phaenomena Historica. Das ist: Der Innwohneren der andern Welt sichtbarliche Erscheinungen. In Fasten=Exempeln zu Dillingen/ in der Academischen

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Kirchen der Societet JESU Predigweiß fürgestellt. Dillingen 1682 [Predigten des Jahres 1666] – Mortes Patheticae Oder Anmüetige Todt-Fähl. In Fasten=Exempeln zu Dillingen/ in der Academischen Kirche der Societet JESU Predigweiß fürgestellt. Dillingen 1682 [Predigten des Jahres 1667].

2. Werke anderer Autoren Agricola, Ignatius/Flotto, Adam/Kropf, Franz Xaver: Historia provinciae Societatis Jesu Germaniae Superioris. Tom. I-IV. Augsburg 1727–1754. Aldrovandus (Aldovandri), Ulysses: Ornithologia. 3 Bde. Bologna 1637. Alenus, Andreas: Sacrarum Heroidum libri tres. In quibus praeter alia plurima, quae ad intelligendas Veteris & Noui Testamenti historias, et pietatis incrementum conferunt; studiosae iuuentuti vtilia, scituque dignissima continentur. Louvain: Rutger Velpius 1574. Apokryphe Kindheitsevangelien, übers. u. eingel. v. Gerhard Schneider. Freiburg i.Br. 1995 (Fontes Christiani, Reihe 1, 18). Apokryphen zum Alten und Neuen Testament, Hg., eingel. u. erl. v. Alfred Schindler. Zürich 1990 (Manesse Bibliothek der Weltliteratur). Avancini, Nicolaus S.J.: Pietas victrix – der Sieg der Pietas. Hg., übersetzt, eingel. und mit Anmerk. vers. v. Lothar Mundt u. Ulrich Seelbach. Tübingen 2008 (Frühe Neuzeit 73). Bach, Joseph (Hg.): Jakob Balde. Interpretatio Somnii de cursu Historiae Bavaricae. Mit Einleit. Hg., durch dens. Regensburg 1904 (Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Bischöfl. Gymnasiums zu Straßburg i. Els.). Balde, Jacob S.J.: Opera Poetica Omnia. ND der Ausg. München 1729. Hg., u. eingel. v. Wilhelm Kühlmann u. Hermann Wiegand. Frankfurt a. M. 1990 (Texte der Frühen Neuzeit 1). Ders.: Panegyricus Equestris (1628). Edition und Übersetzung mit einem historischen Kommentar. Hg. v. Veronika Lukas u. Stephanie Haberer. Augsburg 2002. Ders.: Urania Victrix – Die siegreiche Urania. Liber I–II. Erstes und zweites Buch. In Zusammenarbeit mit Joachim Huber u. Werner Straube eingel., hg., übers. u. komm. v. Lutz Claren, Wilhelm Kühlmann, Wolfgang Schibel, Robert Seidel u. Hermann Wiegand. Tübingen 2003 (Frühe Neuzeit 85). Ders.: Dissertatio De Studio Poetico (1658). Einleit., Edition, Übers., Komm. v. Thorsten Burkard. München 2004 (Münchner Balde-Studien 3). [Ders.] Eckard Lefèvre: Das Jagdbuch De Venatione (Sylvae 1) des Barockdichters Jakob Balde. Einführung, Text, Übersetzung, Interpretation. Hildesheim/Zürich/New York 2011 (Spudasmata 140). Bauer, Barbara/Leonhardt, Jürgen (Hg.): Triumphus Divi Michaelis Archangeli Bavarici. Triumph des Heiligen Michael, Patron Bayerns (München 1597). Einleit., Text u. Übers., Komm. Regensburg 2000 (Jesuitica 2). Bäumker (1886–1911) = Das katholische deutsche Kirchenlied in seinen Singweisen von den frühesten Zeiten bis gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts; auf Grund handschriftlicher und gedruckter Quellen bearb. v. Wilhelm Bäumker. 4 Bde. Freiburg i.Br. [u. a.] 1886–1911. Bautz = Biograhisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Hg. v. Friedrich Wilhelm Bautz, ab Bd. III v. Friedrich Bautz, fortgef. v. Traugott Bautz. Hamm u. a., Bd.1ff. 1990ff. Bernhard v. Clairvaux: Opera. Ad fidem codicum recensuerunt Jean Leclercq, O.S.B. et H. Rochais. 9 Bde. Romae 1957–1998. Ders.: Sämtliche Werke Lateinisch/deutsch. 10 Bde. Hg. v. Gerhard B. Winkler. Innsbruck 1990– 1999. Bidermann, Jacob S.J: Epigrammata. Dillingen: Algeyer 1620. Ders.: Heroum Epistolae. Ad Romanum exemplar recusae. Monachi 1634.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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772

Kommentarteil

der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B 189), S. 23–42. Yardley, J.C.: The Elegiac Paraclausithyron. In: Eranos 76 (1978), S. 19–34. Zedler = Johann Heinrich Zedler: Großes vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste […]. 64 Bde. u. 4. Suppl.-Bde. Halle a.d.S./Leipzig 1732–1754. Zeller, Rosmarie: Fabula und Historia im Kontext der Gattungspoetik. In: Simpliciana 20 (1998), S. 49–62. Zeman, Herbert (Hg.): Die Jahreszeiten in Dichtung, Philosophie und Bildender Kunst. Ein Kunstbrevier für Liebhaber. Graz/Wien/Köln 1989. Ziegler, Walter: Die Rekatholisierung der Oberpfalz. In: Um Glauben und Reich 1980, S. 436– 447. Zoepfl, Friedrich: Die Studienbibliothek in Dillingen. Ihre Geschichte von 1549 bis 1945. In: Jahrbuch des historischen Vereines Dillingen 70 (1968), S. 24–50.

Register 1. Index der in Bisselius’ Werk vorkommenden Eigennamen V T P fett kursiv

Bisselius’ Vorrede Titel Paratext: Vorspann zur Elegie oder biblischer Vorspruch gedruckte Ziffern bezeichnen jeweils mit der römischen das Buch und mit der arabischen die Elegie gesetzte arabische Ziffern bezeichnen die Teilelegien

Abra III,4,1,81 Accaros II,16,2,26 Achab III,13,P Achaemenius II,9,2,17 Achaeus I,16,44 Achates I,5,1,33 Acheron I,19,39 Achilles V,133 Achivus I,16,11 Actaeon III,16,45 Actaeonius III,16,27 Ad Montes V,T; 95; 164 Adamus II,14,2,13 Aegaeus I,5,P; 1,5; 2,T; I,14,2,2; 16,16 Aegyptus V,11; II,4,P; 1,15; 2,6; 8,2,3 Aelianus I,12,P Aelius III,17,3,25; 5,40; 51 Aeolius I,1,3,23; 13,2,3; 14,1,13 Aethiopissa II,8,2,38 Aethiops I,10,26; 12,39; 13,4,2; II,8,2,2 Afer I,2,1,3; 4,11; 10,15; 12,42; III,17,4,53 Africa I,2,1,T; 10,P Africus I,14,2,27 Aganippis I,1,4,13 Agna III,20,4,20; 22 Aialon II,10,3,10; 6,23 Alaricus III,21,51 Albanus I,22,P; 2 Albis I,2,1,20

Alcyone I,14,2,1 Aldrovandus, Ulysses I,3,P; 12,P; 23,P Alemannicus III,10,31; 17,5,7 Alemannus III,17,3,20; 23 Alexander III,17,6,19 Alexandrinus II,8,P Algoia II,18,P; 2,P Algoicus II,18,3,T Algoius II,18,1,7f.; 16; 2,40 Almangovia II,18,P Almanicus III,17,4,74 Alpes V,9; 112; 165 Alpheus I,16,41 Alpinus III,17,1,22 Amazonius I,3,5 Ambarvalia II,2,17; 16,3,15 Ambrosia II,14,2,10 Ambrosianus I,22,31 Ambrosidas I,14,2,3 Ambrosius (Divus) I,14, 1,P; 22,T; P; 7; 18 America I,13,4,T Amor I,19,1 Amphion V,123 Amphionius III,24,47 Amphitrite I,14,2,25 Anathota II,10,1,31 Andreas (apostolus) II,9,1,11 Angeli (Castellum Sancti) III,17,3,T Angelicus II,4,P; III,17,3,30

774 Anglia I,13,3,T; 14,1,P Anglicanus III,2,P Anglicus III,2,4 Anglus III,2,23 Anicius I,19,P; 23 Anna Perenna III,2,70 Annas II,10,1,25 Anser III,9,9 Antiochenus I,13,1,P; 2 Antiochia I,10,P; 4; 13,T; P; 11 Anti-Susanna III,5,T; P Antonius II,12,P Aonis III,8,35; 15,2,39; 19,4,22 Aonius I,6,3 Apelleus III,22,2,16 Apenninigena III,17,1,20 Apollo I,4,37; 15,38; II,18,P Appius III,17,3,7 Appulus III,16,5 Aprilis I,21,31; II,1,3,3; II,13,T; P; 9f.; III,1,2; 7f.; 46 Apulus I,13,2,31 Aquilo I,12,37 Aquilonius I,13,2,43 Arabius 1,20,40 Arabs I,9,62; II,4,1,17; III,13,37 Arcadicus II,2,22; 3,6 Arctous I,2,1,1 Argo I,14,1,23; II,6,2,23 Argolicus I,5,3,10; 16,48; 22,1 Aries I,14,1,1 Arimaspaeus I,5,4,19 Arionia I,14,2,28 Arionius III,2,21 Aristaeus I,22,29 Arnulphus III,17,P; 2,T; 4; 9; 39; 3,57; 4,10; 55; 5,69; 6,T Arnus II,6,P; 2,2 Ascraeus I,7,14 Assisius II,12,51 Assyrius I,2,3,14; 6,18; 9,P; 49; III,8,32; III,19,3,22; 22,2,14 Astarot II,16,3,9 Astarte II,16,3,9 Astyanax I,1,1,18 Athenae V,65 Atheniensis I,10,P Atlanticus I,17,2,5 Atlantis I,6,15; 14,1,7 Atlas I,13,4,1; II,1,3,12 Atticus I,16,T; P; III,24,3; 14 Attike I,16,P

Kommentarteil Aurora I,4,14; 17; 6,18; III,1,12 Ausonia I,13,2,35 Ausonis III,17,4,14 Ausonius I,16,5; 22,4; II,10,1,42; III,17,2,17; 4,5; 62 Auster I,12,37 Australis II,17,1,1 Aventinus III,17,3,21 Azotus II,16,2,25 Babylon I,9,7; 25; 27; III,4,1,P; 10; 67; 17,3,45f Babyloniacus I,17,2,6; III,3,43; 4,1,11 Babylonicus I,9,P Babylonius I,9,37; III,4,3,25 Baetuleus II,1,1,13 Bagrada I,10,20 Baldus II,12,45; 47 Balticus I,14,1,12 Balticus III,21,55 Bambergensis V,T Baronius (Caesar) III,20,P Barrabas II,10,1,29 Baruch II,17,P Belgicus I,2,1,14 Bellarminus (Robertus) I,17,3,24 Bellona III,17,P; 5,18 Benedictinus V,166 Benedictus V,174; I,19,T; P; 24; 45 Bernardus I,5,P Bersabee III,13,P Bethsamis II,10,1,36 Betonica III,6,14 Bibo II,18,2,P; 16f.; 30 Bisselius, Ioannes V,T Bistonius I,8,9; II,1,1,3 Boeoticus II,11,13 Boicus III,17,4,62; 5,50 Boius III,17,P; 2,8; 6,17 Bolenia, Anna III,2,T; P; 9; 19; 24f.; 30; 32; 44; 52; 68; 70 Bonaventura III,23,P Borealis III,9,25 Boreas I,1,3,7; 11,13; 13,3,14; III,21,41 Bos (sidus) I,14,1,6 Brasilus 1,8,3; I,13,4,5 Britannia I,14,1,17 Britannicus I,17,3,17 Britannus I,13,3,2; 13; III,2,P Britonicus III,2,5; 66 Brullia III,9,35f.; 38 Brunner, Andreas III,17,P

Index der Eigennamen Bucephalus II,2,24 Byzantia I,11,27 Bzovius, Abraham I,14,1,P

775

Christus V,154; I,18,P; 1,23; 48; 2,T; 3,T; 5,T; 31; II,1,3,P; 1; 4,1,3; 5,T; 9; 6,T; P; 3,9; 7,P; 8,1,8; 9,P; 1,36; 2,P; 3,P; 10,1,14; 6,P; 17; 7,17; III,8,T; P; 8; 20,P; 2,P; 20; 5,P; 22,T; Caesarea III,20,P 24,21 Caesarea Philippi III,8,P Chrysostomus I,17,3,21 Caesarus III,23,P Cicero, Marcus Tullius II,18,P Calaber I,12,1; 34; I,13,2,31; III,13,4 Cilissus III,19,3,20 Caledonia III,16,31 Cilix II,1,2,10 Callista III,20,P; 4,23 Cimber I,2,1,16 Calottus (Jacobus) I,18,1,30 Cimmerius I,1,1,14 Calpe III,20,5,3 Circaeus II,18,3,15 Camoena III,1,1; 24,3 Circe II,18,3,15 Cana II,9,3,4 Cirta I,2,1,4 Canidia III,10,P Clarius II,1,2,9 Canopus I,11,1 Claros I,5,4,9 Capitolia III,17,1,29 Cleophas II,10,1,7; 9; 2,5; 5,P; 7; 12; 6,18; 7,1; Capitolinus II,11,15; III,17,3,19 17; 24; 26 Capitolius I,13,2,19; III,17,6,1 Colaenus I,16,P,19f.; 25; 51 Cappadox III,20,P Colaërtus (Adrianus) I,18,1,30 Capuanus I,13,2,32 Colchis II,18,3,12 Cariathiaris II,10,1,33 Colchus I,21,38; III,8,48 Carmelus I,18,5,33 Colonidae I,16,P Carolomannus III,17,P Colonis I,16,47 Carpathius I,14,2,4 Colophonides I,5,2,5 Carseolinus III,17,3,8 Congus I,10,24 Carthago I,10,19 Corinthius II,9,P; 18,3,14 Castalius III,17,1,2 Corycius I,4,10; 13,1,6 Catharina (Petri filia) I,17,3,13 Corydon I,15,5; 8-10 Catharina (ab Aragon) III,2,P Cos I,5,4,10 Catilina III,17,2,45f. Croesus III,5,1,18 Caurus I,5,3,11; 8,9; III,9,19 Cronius I,16,18 Cayphas II,10,1,26 Crucius, Ludovicus I,20,P; 16 Caystraeus I,5,2,8 Cybelle II,9,2,3 Cecrops I,16,9 Cyclas I,5,P; 1,5; 5,22 Celachristus I,10,27 Cyclops I,9,33 Celtiber 1,20,16 Cynthi III,10,13 Cerberus III,16,30 Cynthia I,1,2,2 Cerealis I,5,1,19; II,2,16; 14,1,13; 18,1,10 Cynthius I,17,2,8; II,3,1; 4,1,40 Ceres I,8,26; 17,1,15; II,14,1,14; 26; II,15,14; Cypris I,13,2,25; 19,11; 58; II,8,2,8; 13; 16,2,17f.; 18,1,9; III,10,8; 74; 100; 13,8; III,4,1,3; 5,1,12 17,4,22 Cyprius II,8,P; 2,13; III,5,1,20 Chaldaeus I,9,59 Cypros II,16,2,27 Cherubinus I,17,3,33 Cyprus III,3,P Chios I,5,4,10 Cyrus II,11,37 Chloris (i.e. Flora) I,20,20; 22; III,6,21 Chresta III,20,P,4,23 Daedalus I,7,27; III,3,17 Christianus V,126; 179; I,13,4,T; II,4,1,P; Dago II,16,3,10 III,20,P Damascus I,13,1,19; II,10,6,13 Christias I,10,23; I,13,2,26; II,2,36 Danai I,5,5,22 Christicola II,3,22 Daniel (propheta) V,60; I,9,P; III,4,1,P; 2,P; 3,P

776 Danuvius I,2,1,20; 4,P Daphne I,13,1,9 Dauroultus (Antonius) III,23,P David II,5,P Debbora II,4,1,4 December I,2,3,7; 22,P; II,1,3,9 Deipara II,8,P Delius I,17,2,4 Delos I,5,4,11 Demosthenes V,62 Diana II,16,1,30; III,17,4,9 Dicarchis I,9,35 Domitianus I,5,P Doricus I,5,4,8; 15,36; 16,50 Doris I,16,50 Dorothea III,20,T; P; 1,T; 10 Dryas I,6,2; II,8,2,8; III,16,19; 19,2,19

Kommentarteil Fessa I,10,21 Flaminius III,17,3,8 Flora V,126; I,2,3,13; III,1,28; 2,2; 6,29; 19,2,20 Florentinus II,6,P; 3,20 Florus (consul) II,1,3,5 Formosus (episcopus) III,17,P; 1,T; 31f.; 6,3 Franciscanus II,12,P Franciscus (Divus) III,23,P; 8 Fratres Minores II,12,P Furiae II,9,1,41

Gabaë II,10,6,37 Gabaon II,10,1,37; 40 Galaesus I,12,2 Galenus III,8,22 Galesaeus III,23,7 Galilaea II,9,3,P Ecclesiasticus III,18,P Galilaeus I,17,2,17; 9,3,1 Elias III,13,P; 11 Galla III,5,3,35f. Elysius I,18,1,12; II,1,3,22 Gallia I,13,2,40; 22,P Em(m)aus II,10,P; 1,P; 12; 6,38; 7,1; 26 Gallicus I,22,4 Emerita III,20,4,21 Gallus III,17,3,20 Emmanuelis III,10,38 Ganges I,13,4,15; III,17,4,54 Empyreus I,17,2,16 Gargaphis III,16,46 Enceladus I,9,33 Gaza II,16,2,26 Endymion I,2,1,8 Gedrosius 1,8,11 Engaddaeus III,19,3,17 Gehenna II,9,1,34 Eous I,4,4; 18,3,7; III,15,1,15; 17,4,42 Genius III,19,3,9 Ephesaeus I,3,1 Germanus I,13,2,41; 17,P; II,3,P; III,17,P Ephesinus I,3,P Gessnerus (Conradus) I,12,P Ephramius II,10,7,6 Geticus I,2,1,9; 21,39; III,21,56 Erebus II,9,1,25 Gigantes III,17,3,36 Erinnys II,16,1,7 Gigas III,16,16 Erythraeus III,20,3,16 Gnossiacus III,20,2,11 Eumenis III,7,90 Goa III,17,4,44 Euphrataeus I,9,10; III,4,3,10 Gomorrha II,16,1,10 Europa I,2,1,13; 13,2,T; III,5,1,10 Gothicus I,14,1,15f. Europaeus I,6,17 Graecia I,13,3,16 Eurus I,2,3,9; 5,1,11; 8,11; 14,2,27; II,14,1,38; Graecus I,15,P; II,4,P II,15,7; III,4,1,47; 21,41; 22,1,22 Graius I,8,6; 14,2,30; 16,7f.; 17,3,21 Euryalus III,9,8 Gregorius (Magnus) I,19,P Eusebius III,8,P Grenvvicensis III,2,P Eva III,4,3,40 Grenvvicius III,2,4 Ezechiel II,11,P; III,16,P Gualbertus, Ioannes II,6,P; 2,T; 1f.; 17; 3,3; 30; 35 Fabianus II,17,1,1f. Guido, Hzg. v. Spoleto III,17,P; 2,5 Fabius 1,20,1 Guntius I,17,1,3 Faliscus III,17,3,27 Gunziades III,14,2,8 Faustina II,18,3,18 Gunzius I,7,P; 1; III,6,P; T; 1; 14,1,T; 4; 2,1 Favonius I,6,P; 7,9; 29; 9,53; II,14,1,27; Gyraldus (Lilius Gregorius) II,18,P III,1,19; 17,2,13 Gyraldus, Silvester V,161

Index der Eigennamen

777

Idumaeus I,9,38; 18,1,14; 2,4; II,10,1,24; Hadriacus I,14,2,30; III,17,3,25 III,4,1,9; 13,19 Haemonius III,10,1 Idume I,18,5,33; I,22,29; II,2,27 Haemus I,11,25 Ieremias I,10,P Hannibal III,16,48 Iericho II,10,6,14 Harpa III,7,2f.; 17; 46; 59f.; 68; 73; 86; 91 Harpus III,7,2f.; 17; 21; 30f.; 33; 44; 75; 92 Ierusalem II,10,1,P; 5,P; 7,P Hebraeus I,9,P; II,10,5,17; 6,11; 15,18; 16,3,5; Iesabel III,13,13 Iessida 1,20,14 III,4,1,12; 18 Iessides II,11,39 Hector I,1,1,17; II,15,17 Iesulus I,18,5,37 Hecube III,5,3,36; 39 Iesus II,2,P; II,10,1,P; 2,P; 5,P; III,8,P; 10,P; Helcia III,4,1,P 91; 95 Helene III,5,1,22 Iezabel III,13,P Helicon I,23,10 Ignatius (a Loyola) V,142 Hellas I,16,P Ilithyia I,5,4,23 Henricus VIII. I,13,3,T; III,2,P Indus II,7,2,21; III,17,4,54 Heracleis I,12,P; 18; 51 Ingolstadium V,178 Hercules III,17,2,33 Herculeus I,12,4; II,14,1,4; III,8,39; 17,2,34 Ioakim III,4,1,P Ioannes (apostolus, evangelista) I,3,P; 5; 5,P; Hesperius I,6,16; 7,4; 8,7; 9,52; 13,4,13; 1,32; 3,T; 5,T; II,2,P; 7,P 14,3,4; II,12,2; 14,1,27; III,5,4,27 Ioannes (de Florentia) II,12,P Hetruscus I,10,13; 13,2,31 Iob III,9,P Hiberus I,23,5 Iordanes II,8,P; 34; 9,3,6 Hieronymus I,17,3,22 +LHURVRO\PD ĺ-HUXVDOHP6RO\PD II,2,P; Iosua II,10,6,26f.; 29; 31 Isacides III,4,1,18 8,P Isacis I,9,56; II,11,38 Hispanus I,10,22; III,17,4,41 Isacius II,10,6,10 Hister I,4,2; 15,17 Israël II,2,P; 10,5,P; 11,P; 17,P; III,13,P; 21,P Holsatia I,14,1,4 Ister III,5,1,9; 7,1 Horatianus V,109 Isthmos I,16,18 Hungaricus I,11,34 Italia I,13,2,T; III,17,2,10 Hyacinthus III,3,32 Italus I,14,2,3; 16,51; 17,3,22; 20,16; II,6,P; Hyas I,21,33; III,8,58; 20,2,5 10,5,18; III,17,P; 2,28 Hybernia V,152 Ithacus I,1,1,17 Hybla I,1,3,20; 18,5,32; 22,12; II,1,3,8 Iuda II,10,1,21 Hyblaeus III,23,44 Iudaeus III,4,1,P Hylactor III,16,11 Iulianus Apostata III,8,P; 45; 59 Hylas III,22,2,29 Iulius (Caesar) III,17,6,20 Hylax III,16,11 Iulius III,2,53 Hymettis III,23,47 Iuno I,13,2,23; III,19,4,24 Hymettus I,22,12; II,1,3,7 ,XSSLWHU ĺ7RQDQV I,5,1,32; 9,8f.; 13,2,20; Hyperion I,1,3,37; 4,15; II,1,3,11; 14,1,35; 16,2; 17,2,9; 19,6; II,9,2,4; III,3,46; 17,1,1; III,2,31 15,2,32; 17,3,36; 6,11 Ixeutica I,12,P Ianellus I,1,1,10 Ianus I,1,1,9; 13,2,21; 21,27 -HUXVDOHP ĺ+LHURVRO\PD6RO\PD II,5,P Iapon I,13,4,T; 15 Josephus I,18,T; P; 1,T; 3; 15; 33; 39; 5,53 Iarbas I,2,1,3 Iason I,14,1,23 Keivvinus V,152; 164; 165 Iberus III,5,3,25 Kolainos I,16,P Icarius I,5,1,6 Kolonides I,16,P Ictiacus I,14,1,17f. Koronaios I,16,P Idalius I,19,1; III,2,38

778

Kommentarteil

Maroccus I,10,21 Mars I,13,2,40; 17,2,9; III,17,5,P; 2,41; 4,1; 22; 5,17; 68 Martius I,10,30; 18,T; III,16,44; 17,4,58; 65 Matthaeus (evangelista) I,15,P; II,7,P; III,6,P Maumeta I,11,28 Mauricus I,10,23 Maxentius III,17,2,47 Maza III,20,P Mazzëius III,20,5,1 Medea III,9,47 Mediolanensis I,22,P Medus III,19,3,20 Megaera I,4,23; III, 9,42; 10,1 Melas III,20,P; 5,1 Meleagraeus III,16,26 Meliboeus III,9,16 Melitaeus III,5,2,3 Memno III,5,2,7 Memphis III,17,3, 38 Menalca III,9,15 Mercurius I,13,2,42 Meroe I,12,38; 14,1,9 Mesophoenicus 1,8,12 Messallina II,18,3,17 Messeniacus I,16,40 Messenicus I,16,P Messenius I,16,P Messias II,10,1,39 Mexicus I,13,4,14 Milesius I,2,3,11 Milvus III,17,2,44; 5,4 Minerva III,20,6,11 Minöe III,11,2 Mopsopius I,16,20 Machaon I,12,24 Mopsus III,9,15 Maeandraeus III,14,1,20 Moschus III,23,P Maenalus III,16,1 Moyses II,10,6,P; 11,38 Magdala II,7,2,2; 14; 18; 21 Mulciber I,19,4; II,16,3,15 Maialis III,1,44; III,18,3 Musa I,1,4,4; 15,12; 21,42; II,1,2,5; III,4,2,30; Maius V,179; II,1,3,4; III,P; 1,P; 8f.; 2,T; 11; 9,14; 10,103; 15,1,4; 16,49; 18,6; 19,2,17 29; 39; 7,8; 9,1; 12,T; 1; 26; 28; 24,29 Musica III,22,2,T; 46; 23,50 Malchus II,10,1,23 Musicus III,9,24 Manuëius II,16,1,3 Mycenae II,18,3,11 Marcus (evangelista) II,14,P; III,9,9 Myrene II,4,1,11 Mareotis I,18,2,3 Myro III,8,7 Maria Aegyptiaca II,8,P; 1,P; 2,T; 6 Myrrhina III,4,1,81 Maria I,4,29; 5,T; P; 4,T; 5,T; 14; 17,3,31; II,7,P; 1,9-12 Nabaeus I,4,2 Maria Magdalena II,7,P; 2,T Nabathaeus III,19,4,16 Marianus I,4,27; III,24,23 Nabis I,4,P Maro I,15,11; 22,23 Nabuchodonosor I,9,P Laelaps III,16,11 Lais II,8,2,7 Lappus III,21,55 Lar I,5,5,24; 16,14; 17,3,35; 23,26; III,1,38; 5,1,26; 10,4; 15,2,41; 16,4 Lassus, Petrus III,18,P; 1; 7; 25 Latinus I,5,1,7; II,4,P; III,10,33; 17,4,35; 5,46; 48 Latius 1,8,6; 16,7; III,17,5,50 Laurentius I,17,3,27 Lausa III,5,P; 1,34; 2,2; 15; 3,7 Lesbos I,5,4,10 Leda III,7,7 Leo II,13,T; 3f.; III,18,2; 20,2,6 Lepidus III,9,9 Lernides II,18,3,6 Libanitis II,2,5 Libanotis III,3,33 Libanus II,9,3,5; 10,6,14; III,3,P; 19,3,18 Libitina III,19,4,20 Libya I,16,3 Libycus I,2,1,15; 18,2,5; II,8,2,1 Ligur I,10,16 Linus III,22,2,40; 45 Londinum III,2,P Lucas II,10,T Lucia I,17,3,14 Lucifer III,1,14 Luina II,13,5 Lunares Montes I,12,41f. Lupus III,9,9 Lyaeus III,17,4,47 Lycambes II,18,3,T Lyce II,18,3,16

Index der Eigennamen Nabunassor I,9,P; 9 Naias II,10,3,19; III,19,2,19 Narcissus III,3,32 Nasaraeus II,10,5,13 Nasarenus II,10,6,31f. Nauplia I,11,2 Naxicus I,5,2,3 Naxos I,5,4,9 Nazarenus II,10,5,P Nemea I,8,18; Neptunus I,13,4,22; 14,2,25; III,21,53 Nereus I,2,2,11 Nestor I,18,1,9 Niliacus II,4,1,18 Nilus I,18,2,7; II,4,1,8; 7,2,21; III,24,40 Ninus III,17,3,45 Nisus III,9,8 Noachaeus III,19,2,2 Nomentanus III,17,2,36 Noricus I,7,18 Notus I,1,3,28; 5,2,2; 8,10; 12,14; 13,3,6; 14,2,18; 20,34; II,1,3,14; 14,1,40; 16,2,15; III,1,19; 4,1,80; 7,10; 8,58; 16,38; 17,4,8; 45; 19,4,8; 20,2,8; 21,41; 22,1,22 Numida I,10,15; 13,4,2 Nursia I,19,P Nursias I,19,17 Nympha III,3,39; 14,2,7; 19,2,19; 4,11; 21; 20,4,19; 24,24 Oceanus I,10,16 Odrysius I,5,2,4; 11,26 Oenotrius I,13,2,2; III,17,2,22 Olympus I,13,2,7; 23,3; II,12,1; III,21,31 Onias V,99 Onuphrius II,4,P,1,P; 7; 2,T; 27 Oppianus I,12,P Orcus II,9,1,41 Oreb III,13,37 Ornithoclops I,17,1,10 Orontas I,13,1,7 Orpheus V,123; III,22,2,40; 45 Orth I,4,P Ortygius I,5,4,12 Ostia III,17,2,37 Ottomaniades I,11,33 Ovis (sidus) I,14,1,6 Pacuvius, Marcus II,18,P Padus I,10,16; 13,2,34 Paean II,2,19; III,1,1; 16,20 Paestanus I,2,3,13

779 Paestum 1,20,33; 22,21 Palaestinus II,16,1,1; III,8,2 Palatius 1,8,15 Palladius II,18,1,17 Pallantaeus III,17,3,21 Pallantias II,9,2,11 Pallas I,7,13; 15,15; 16,12 Pamphagus III,16,12 Panchaeus I,4,9; II,9,2,23 Paneas III,8,3; 47 Panobibactus III,10,24; 86; 98; 108 Paphnutianus II,4,P Paphnutius II,4,P; 2,21 Paradisiacus I,17,2,18; III,19,2,6 Paradisus I,22,39; III,3,P; 18; 18,32; 20,P; 4,T Parens, Ioannes II,12,P Paris II,18,3,11; III,5,1,22 Parius III,4,1,32 Paros I,5,4,9 Parthus I,19,66 Patmaeus I,4,32; 5,1,T Patmos I,5,P; 1,T; 11; 5,5,21f. Paul(l)us III,17,1,25; 3,12 Pauli, Ioannes III,5,P Paulus (apostolus) III,8,P Paulus Diaconus II,8,P Pausanias I,16,P Pellaeus I,16,4 Peloponnesus I,16,P Penates III,3,9; 4,1,15; 15,1,1 Pergamos II,18,3,11 Persa I,9,62 Persicus I,17,1,19 Peruanius I,13,4,9 Petrus (apostolus) I,10,P; 2f.; 7; 13,T; P; 1,T; 11; 28; 34; 2,T; 4,T; 5,8; 4,25; 2,29; 17,3,13; II,7,1,7; 9,1,9; 10,1,23; III,8,P; 17,1,25 Phaeax I,2,3,10 Pharao III,21,54 Pharisaeus II,2,49; 3,19 Pharius V,58; I,5,5,16; II,8,2,3 Pharos I,11,1; II,8,2,33; III,17,3,48 Philippus (apostolus) II,9,1,12 Philippus (tetrarcha) III,8,3 Philistaeus II,16,1,P; 2,1 Philistia III,13,17 Philistiim II,16,1,P; 3,P Philistinus II,16,2,P Philomela I,18,3,T; 2; 23,P; 9; III,24,T; 3; 12; 45; 54 Phlegethon I,19,25; II,9,1,31 Phlogis II,8,2,8

780

Kommentarteil

Romanus V,176; I,16,49; 22,P; II,18,P; Phoebe III,14,3,3 III,17,P; 1,T; 2,49; 3,T; 5,51; 24,3 Phoebeus III,17,1,4f. Phoebus V,11; I,1,3,2; 4,13; 2,1,16; 3,27; 4,5; Romuleus III,17,4,61; 5,20 7,12; 18,1,1; 23,3; II,12,2; III,1,20; 9,18; Romulida I,13,4,24; III,17,2,4 36; 10,103; 14,2,5; 15,1,1; 17,1,4f.; 19,1,1 Romulus I,16,5 Roscius III,2,18 Phoenice II,10,1,41; III,19,3,19 Rosimunda II,18,3,18 Phoenicia III,8,31 Rosweydus (Heribertus) II,4,P; 8,P Phoenissa II,4,1,3 Ruffinus II,18,P Phoenix II,10,6,13 Phrygius III,2,7; 17,6,8 Sabaeus I,9,62; 20,34; III,19,3,21 Phryne II,8,2,7 Salentinus I,13,2,32 Phyllis II,18,3,12 Pieris I,15,14; 21,26; III,10,99 Salianus, Iacob II,16,3,PS Pierius I,1,4,14 Salisburgensis V,T Pilatus II,10,1,27 Salvius III,17,3,11; 14 Placidus I,17,3,27 Samaritis III,13,17 Pleias I,1,3,2; 5,3,10; 21,30; II,13,14; III,3,28; Samius 1,8,13 21,45 Samos I,5,4,10 Plutus III,17,4,42 Samson I,22,30; II,15,17; II,16,T; 1,P; 3,P; Podaliria I,12,21 6; 11 Pomona III,19,2,20 Samsonaeus II,16,1,18 Poppa II,6,3,13 Sanderus, Nicolaus III,2,P Praenestinus III,17,2,35 Sapricius III,20,P Prochorus I,5,P; 1,35 Sarranus I,4,11 Progne I,23,P; 2; 31; 37 Saturnus II,9,2,3 Pulta III,10,2f.; 14; 111 Satyrus (Divus) I,14,1,P; 2,T; 3; 15; 28 Puniceus III,18,18 Satyrus I,18,3,10 Punicus I,2,1,4; II,9,1,40; III,3,P; III,4,1,26 Saul II,10,6,37 Pylius I,18,1,9 Scaldis I,14,1,11 Pyrrha III,9,28 Scazon I,23,14 Pythius I,7,25 Scipiades II,9,1,40 Pyrrha III,9,28 Scyllaeus I,13,2,11 Pythius I,7,25 Scythicus I,1,1,22; 5,1,2; 26; 15,7 Septentrionalis I,10,P Quirinus I,13,1,34; II,11,37 Serapheus I,17,3,33 Quirites II,10,1,41; III,17,3,15; 5,33; 37 Sericus III,17,6,7 Seriphos I,5,4,9 Raphaël III,13,30 Sibylla I,17,1,21 Ratisbona I,4,P Sibyllinus I,5,5,3 Raymundus (Divus) I,14,1,P; 3,P; 3 Sicelis I,18,5,32 Remus I,13,4,18; III,17,4,70; 72 Sicelus I,9,34 Rhaetia III,17,2,8 Siculus I,15,11; II,18,P; III,20,4,18 Rhaeticus III,17,4,1 Sidonius III,8,7; 13,12f.; 18,18 Rhenus I,14,1,11 Sigamber I,2,1,17 Rhetia II,18,2,36f. Sigebertus III,17,P Rhetius II,18,1,7 Silonius II,10,3,3 Rhodope I,11,25; III,17,4,29f. Simon V,99 Rhodus III,4,1,45 Sin I,1,3,34 Riphaeus I,2,3,19 Sina I,13,4,23 Roma I,5,1,8; 13,P; 2,27; 3,4; 4,28; 16,11; Sion II,10,1,18 II,4,1,1; III,16,49; 17,T; P; 1,13; 15; 30; Sipylus I,17,1,21 3,2; 46; 4,2; 12; 5,69; 6,14; 17 Siracides V,100

Index der Eigennamen

781

Thabor II,9,3,3 Siren I,17,1,1 Sirius I,12,33; III,4,1,74 Thais I,19,73; 82; II,8,2,7; 18,3,16 Sisareus II,4,1,4 Thalabinus II,16,1,20; 3,PS Sithonius III,1,27 Thalia I,1,3,12; 4,36; 18,1,2; 23,17; II,5,26; Smettonus, Marcus III,2,P; 22f.; 25; 31; 41; 47 8,1,1; 9,3,15; 13,3; III,3,15; 19,1,T; 6; 4,22 6RO\PD ĺ+LHURVR\OPD-HUXVDOHP II,8,2,33; Thamnata II,16,1,P; 2; 10 11,40; III,3,29 Thamnataeus II,16,3,P Solymaea II,4,2,6f. Thebais II,4,P; 7 Solymaeus II,2,12; 28; 3,9; 17; 8,2,11; 18; Thebanus II,12,28 II,10,1,5; 17; 40; 7,22; III,4,1,10 Themis III,4,1,20 Solymanniacus I,11,45 Theophilus (Divus) III,20,T; P; 1T; 2; 35; 6,T; Sophronius Hierosolmitanus II,8,P 1; 7,T Stephanus I,17,3,26 Thesbites III,13,11; 39 Strymon I,11,25 Thespis III,15,1,24 Stygius I,9,36; 13,1,30; 19,38; III,4,2,21; Thessalicus II,18,3,13 3,39; 16,30; 17,5,46 Thessalus I,13,1,20; III,10,29 Thetis I,5,1,14 Styx II,9,1,18; 37; 2,5; 12,36; III,7,42; 76; 19,3,6 Thisbeius III,15,2,1 Sublacus I,19,P; 19 Thomas (apostolus) II,9,1,11 Suecus 1,20,26 Thracia I,11,P Suevia I,7,P; III,6,T; P; 1 Threicius I,11,44 Surius III,20,P Thressus I,18,2,6 Surius, Laurentius II,6,P Thule I,1,3,34 Susanna III,4,T; 1,P; 12; 44; 55; 71; 78; 2,27; Thyestaeus II,5,21 3,P; 40; 5,P Thyrsis I,5,2,10 Syene II,4,1,11 Tiberinus III,17,2,37 Sylvestris I,17,1,13 Tiberis I,10,16; 31; 34; 13,1,4; 29; 2,29; 3,3; Syracosius I,2,2,5 III,5,1,1; 17,2,30; 3,10f.; 27; 3,48; 5,61 Syria I,13,1,19; 4,28 Tibur III,17,2,33 Syrissa III,8,9 Tigris I,9,25; 27 Syrius I,2,1,14; 5,2,3; 14,2,15 Tisiphone I,19,22 Syrus I,13,1,5; II,11,40; III,19,3,22 Titan I,2,1,3; 3,17; 4,25; 6,25; 13,4,26; 23,5; II,10,1,1; III,1,29; 4,1,75; 5,2,5; 20,3,3 Taenarius II,9,2,2 Titanis III,5,2,5 Tagus I,13,2,38 Tobias I,23,P; 34 Tamesis I,13,3,3; III,2,3; 61 Tonans (Iuppiter) I,1,3,5; 18,5,49; II,2,29; Tanaquil III,2,65 14,2,8; 12; III,11,9; 19,2,23; 3,25; 4,18; Tantaleus III,21,26 21,46 Tarentinus I,2,3,12; 12,P Trebulus III,9,9 Tarentum I,12,1; 7 Trinacris II,1,3,8 Tartara II,9,1,32; 14,1,1 Triton I,14,2,29 Tartarus II,12,P Troas III,17,3,34 Tartessius III,20,5,3 Troglodyta I,12,38 Taurus (astrum) I,14,1,1 Tullia III,17,1,34 Taurus (mons) III,20,5,3 Turc(i)a I,11,32 Taygetus III,16,2 Turcicus I,11,P Telemachus I,1,1,18 Tursellinus, Horatius III,17,P Tempe I,1,4,15; 17,2,3; II,1,3,3; 18,2,3; III,9,4 Tusco III,17,2,15 Tethys III,17,1,19 Tusculus III,17,2,35 Teuto I,2,1,18; III,17,2,7; 27; 5,45; 47 Tuscus I,21,32; II,6,2,2; 24; III,17,3,27; 6,14 Teutonicus III,17,5,66 Tyndarius I,14,2,6 Teutonis II,2,6 Tyrius I,16,14; III,6,18; 8,7; 22,2,13; 23,29

782

Kommentarteil

Urbanus (Textor) V,T; 88; 98; 123 Ursa III,20,2,6 Ursula I,17,3,18

Zacharias II,5,P Zebedaeides I,5,1,5 Zebedaeus I,5,P Zephyraeus III,11,18 Valerius II,18,P Zephyritis II,1,1,1; III,4,1,79 Vallis Umbrosa II,6,P; 3,38 Zephyrus I,1,3,28; 2,3,9; 6,P; T; 16; 31; 7,P; 10; 25; 8,T; 4; 9,3; 12,44; 14,3,9; 18,1,19; Vaticanus I,13,2,28; III,17,3,42 5,23; II,1,3,3; 10,6,44; 14,1,21; 15,25; Venetus I,13,2,33 Venus I,19,8; 62; 78; 22,26; II,8,1,13; III,11,T III,1,32; 4,1,47; 13,1; 15,1,24; 17,4,8; 18,2; 19,3,T; 3f.; 14; 24; 28; 21,41f.; 24,27 Vergilius I,14,1,7 Zvvingerus, Theodorus II,18,P Vesta I,13,2,24 Vesuvius I,9,36 Vindelicus III,17,3,2 Vulcanus I,9,51; II,16,3,15 Xant(h)ippe III,7,P

2. Index der in Bisselius’ Werk vorkommenden Bezeichnungen für Flora und Fauna abies II,18,2,37 Absinthium I, 5,1,25; 21,39 acanthis III,15,2,27 accipiter III,20,2,10; 4,2,26 aëdon III,15,2,23; 24,37 ager I,2,3,10; 8,24; II,9,3,1; 10,2,4; 14,1,30; 16,2,1f.; 18,1,12; III,1,34; 4,1,10; 7,20; 28f.; 9,4; 23; 11,16; 19,2,6; 21,48; 22,4,14 agna II,11,12; III,4,2,25; 23,13 alauda I,15,T; P; 22; 40; 16,T; 32,39,49f.; 52; 23,9; II,2,48; 22,4,5 ales I,17,3,34; 19,39; 43; III,10,104; 15,2,19; 21,29 alga III,14,1,9 aliger III,15,2,40 allium I,12,62 amarantus III,3,29 amomon III,19,4,14 anas I,1,2,8; 5,2,5; III,14,1,18 anguis I,11,43; III,4,3,39; 16,34 anser II,11,16; 21; III,9,10 aonis III,15,2,39 aper III,16,4; 26 apiarium I,18,5,7; III,23,45 apicula V,24; 116; I,22,P; III,23,P apis I,18,5,T; 30; 48; 20,1; 21,41; 22,T; 12; 25; 30; III,23,41; 44; 52; 24,32 aquila V,176 ; I,3,24; III,16,50; 17,2,14; 6,11 arbor V,155; I,18,5,10; 20,13; 22,8; II,1,3,17; 3,27; 4,P; 1,45; 6,1,3; 3,7f.; 14,2,11; 9,1;

17,2,10; 18,T; P; 2,5; 7; III,1,23; 37; 3,40; 13,27; 15,2,T,8 arboreus I,3,6; 8,17; II,1,1,10; 18,2,14 arbustum I,15,17; II,3,29; 4,1,26 ardea III,14,1,19; 17,2,15 aries II,11,12 arista II,16,2,3 armentum II,18,1,14 arundo II,11,35 arvum III, 3,11; 6,5; 7,22; 8,19; 12,12; 13,P; 26f.; 14,1,4; 16,36; 19,2,5; 3,13 asellus II,2,23 asinus II,2,37; 49 avicula V,28; 117; I,T15; 17,1,P; III,15,2,T avis V,31; I,15,26; 16,P; 2; 36; 18,1,32; 3,6; 8; 19,26; 22,28; 23,28; II,4,1,38; III,1,22; 4,2,4; 8; 15,2,9; 12; 17,2,16; 21,34; 42; 24,24; 32; 42 bacca II,18,1,17 balsamum I,20,40 bestia III,8,60 bipes II,4,1,28 bos II,11,9; III,7,53; 23,21; 30 bruchus III,P21 brutum III,23,5 buxetum III,15,2,15 buxus III,3,19; 22,3,27

783

Index der Bezeichnungen für Flora und Fauna caltha I,22,21; 40; III,3,31; 20,4,6 cancer III,14,3,T; 30 canicula III,P5; 2,3 canis II,16,2,29; III,3,8; 5,2,8; 14; 3,4; 16; 39; 5,4,20; 30; 16,8; 24,40 cannabis I,17,1,20; II,16,1,38 capella II,1,1,21 caper II,17,2,18; III,7,44; 53 capra II,11,11 caprinus III,7,P cassita I,16,33; 43; III,15,2,27 cassitula I,16,P catella III,P5; 2,12; 3,T; 15 cedrinus II,10,1,13 cedrus I,17,2,6; II,10,1,26; 6,14; III,19,3,18; 4,15 cerva III, 4,2,25; 16,27; 20,2,12 cervus V,115; I,11,41; 16,3; II,17,2,18; III,16,9 cespes III,4,1,36; 2,13; 8,19; 12,13; 18,14; 19,3,7 chelidonius III,8,37 chloris I,1,2,8 cicada III,1,30; 9,3 ciconia V,26; 116; I,P; T10; T; P; 11,T; P; 19; 12,T; P; 11; 35; 13,P; 1,P; 14,2,7 cingiber III,5,2,9 cinnamomum III,P3 cinnamon III,19,3,22 cinnamum I,2,3,10; 20,40 citreus III,19,3,19 citrium III,4,1,25 cochlea I,5,1,27 coluber I,11,39; 13,1,25 columba PI; III,20,2,10 concha III,4,1,39 corydon I,15,P; 5; 8–10; 16,P coryletum II,17,2,22 crocus I,22,21; III,P3; 9,3,20 cupressus II,2,3 dama III,16,5; 24 dumetum II,10,2,32 equus II, 2,7; 13,2; III,9,12 faginus II,11,4 fagus I,6,3; II,17,1,15; 2,21 far I,17,1,23; 18,4,11; II,18,1,11 farreus II,14,2,24 felis I,1,2,11; I,12,64

fera V,23; II, 2,6; 16,1,40; 2,12; 22; III, 5,4,10; 8,51; 16,28; 17,5,12; 6,12 ferinus III,5,3,5 ficus PI; II,14,2,3 fistula III,P3 flora I,20,6; III,2,2 florens III,3,25; 9,5 floreus II,10,1,22 floridus II,1,2,3; 17,1,33; III,20,4,2 flos V,21; 137; I,18,5,50; 20,5; 36; 21,10; 36; II,1,2,4; 3,13; 17,1,32; III,1,23; 3,48; 4,1,25; 2,13; 5,2,18; 20; 3,12; 6,12; 8,1; 12,12; 19,2,4; 4,13; 20,1,1; 20; 2,23; 42; 4,T; 3; 13; 22,2,7f.; 33; 3,28; 24,22 flosculus I,22,P foenum III,P6; foliosus III,19,4,15 folium V,16; 19; II,4,1,26; 3,38; III,15,2,5; 18,21; 19,3,15 forda II,18,1,13 formica III, 8,40f.; 16,P fragum I,5,1,24; II,17,1,22 frondens III,1,40; 4,1,4 frons II, 2,18; 3,10f.; 4,1,39; 17,3,19; 18,2,20; 35; 1,30; III,4,1,38; 6,2; 9,2; 15,2,9; 19; 16,39; 19,3,15; 22,2,4; 24,1 fructus V,137; I,18,1,24; II,4,P; III,P18; III,20,2,41; 7,10; 24,19 frutetum II,17,1,18; III,1,23 frutex III,13,6; 15,2,15; 16,13f. frux II,15,15; 16,2,P fucus I,21,T; P; 1; 17; 30; 22,P fulica III,14,1,17 fungus II,17,1,23; 25 gallinivorus II,16,1,24 gallus II,10,2,24 germen V,17; II,1,2,10; 14,2,T; III,18,14; 19,3,T; 4,16; 20,4,11; III,3,28; 4,2,18; 8,21; 24; 48; 54 glans I,5,1,21 gleba III,8,19; 19,3,7; 14; 16; 20,4,2 gobius III,14,2,21; 25 gramen V,112; II,4,1,25; 17,1,21; III,5,3,3; 6,11; 7,P; 10; 30; 32; 51; 58; 72; 80; 89; 8,21; 48; 53f.; 59; 11,19; 19,3,12; 21,19; 22,2,8 gramineus III,22,2,9 grus I,18,2,6 haedus II,12,50 heliotropium V,19

784 herba V,113; I,18,5,14; II,1,1,15; 4,1,25; 10,1,40; 11,54; 14,24; 15,6; P14; III,4,1,36; 3,39; P6; 4; 14; 7,15f.; 8,T; P; 1f.; 23; 29; 49; 52; 12,12; 14,1,9; 20,4,1; 22,2,8 herbidus II,10,1,22; III,7,12 herbosus III,5,2,17; 17,5,24 hircus III,7,44; 52f. hirundo I,P; P10; T23; T; P; 20; 22; 34; III,8,36; 24,33 hortus V,114; II,18,P; PIII; T3; P3,11; 26; 47; 4,1,1; 45; 3,37; P5; 14,1,3; 24,30 hyacinthus III,3,32 hydrus I,13,1,25 ilex II,10,3,11; 17,1,15 iuniperus III,13,P; 26f. iuvencus III,23,15 juncus I,8,19; II,17,1,31 juvencus II,11,9 laniger II,11,12 laurus I,13,1,9; 3,9 leo III,4,2,25 leporinus III,17,6,22 lepus V,115; II,17,2,20; III,16,5; 44; 47; 50; 17,T; 1,9; 4,60; 72; 75; 5,T; 3; 8; 16; 36; 43; 47; 55; 6,5; 9; 16; 21; III,24,35 lepusculus III,P16; 17,P ligneus III,14,3,5 lignum I,P14; II,P17; III,P3 liliolum II,17,1,29 lilium II,1,3,19; III,3,35; 38; P18; 20,4,6; 9; 22,2,34; 24,20 locusta III,1,31; P21 lucus III,22,2,6 lumbricus III,14,2,13 lupa (i.e. meretrix) III,2,62; 5,4,20 lupus I,18,2,T; 2; III,8,46 luscinia III,24,44 malobatrum III,19,3,22 malum I,12,62; II,14,2,14; III,P3 malus I,20,3; III,15,2,13 medica III,4,1,25 mellilegus I,18,5,45 mergus III,14,1,17; 17,2,17 merula V,157; 163; 173; I,19,T; P; 29; 57 milvus I,P10; III,17,2,44; 5,4 molossus III,16,29 morum I,5,1,22; III,15,2,T; 1; 18 murex II,11,2; III,3,36; 14,2,12

Kommentarteil mus I,1,2,12; III,16,33 mustela III,16,33 myrrha III,19,3,13 narcissus V,19; III,3,32 nardus III,P3 nemus V,28; 114 II,T17; T; 1,3; 19; 2,T; 6; 18,P; 1,10; 2,28; III,1,22; 3,41; 4,1,4; 6,2; 9,5; 12,12; 15,2,17; 16,41; 22,2,5; 24,28 nux II,17,3,20 olivetum II,16,2,P olor I,5,2,7; III,14,1,20 omasum III,7,55 ovile II,11,44 ovis I,5,2,12; II,P11; T; 20; 39; III,8,46; 23,8; 14 palma I,18,5,20; 27; II,T; T2; P2; P; 1; 14; 3,T; P; 3; 12; 26; 28; 4,T; P; 1,T; 3; 35; 44; 2,T; 11; 16; 25; 28; 10,1,24; 6,13; III,20,4,21 palmarius II,2,3 palmeus II,4,1,5; 42 palmula II,2,4f. pampineus II,1,1,14 papilio V,119 pascua V,114; III,23,30; 24,28 pascuum III,9,13 passer I,1,2,10; III,8,42 passerculus III,8,39 pecus V,24; I,21,21; II,2,50; 3,23; 11,6f.; 31; 12,P; 13; 28; II,2,50; 3,23; III,6,6; 7,67; 9,31; 23,24 perdix I,2,3,22; 24; 3,P; 12; 35; 5,1,30 philomela I,13,2,12; 18,3,T; 2; 23,P; 9; III,15,2,28; 24,T; 3; 12; 45; 54; 57 Phoenix I,13,2,9 piceus II,11,34; 17,1,16 pineus II,17,3,18; 18,1,12; 2,40; III,1,P piniferus II,18,2,T pinus II,17,1,16; 3,17; 18,P; 2,4; 15; 25; 33; 39; III,1,36; 42 piper III,P5; 2,10 piscis I,18,2,T; 2; 11; 13; III,14,2,T planta II,4,1,26; III,8,P; 26; 34 platanus III,4,1,37; 2,4 pomarium II,14,2,5; III,4,1,P; 41; 3,35 pometum III,4,1,77 pomiferus III,4,1,22 pomum II,14,2,3; 16; III,P3; 4,1,24; 11,4; 20,1,1; 2,37; 7,26;

785

Index der Bezeichnungen für Flora und Fauna pomus III,1,25 populeus I,8,P; II,1,1,5; III, 6,2; 21,21; 24,1 populus I,7,27; 21,20; 24,2 porcus II,11,13; 12,P; 6; 32; 39 praedium III,18,8 pratum V,114; III, T6; P6; 6,T; 1; 9,5; 7,T; P; 8; 18; 24; 34; 40; 65; 11,19; 20,4,4; 22,2,10; 23,15; 24,28 progne I,13,2,14; I,23,P; 2; 31; 37 pulegium III,22,2,27 puliceus III,7,55 pullus III,8,38 pyrum I,12,62; III,4,1,26 pyrus III,15,2,14 quadripes II,4,1,28 quadrupes II,16,1,30 quercus II,17,1,6 quernus III,21,23 racemus III,20,3,8 rameus II,2,2 ramus II,18,2,27; 31; III,1,39; 15,2,3 rana I,12,26; 13,P; 1,26; 31 regulus III,15,2,T; 12; 22 ros marinus I,13,3,9 rosa V,21; 113; I,2,3,8; 12,8; 19,70; 22,20; II,17,1,18; PIII; 3,34; 5,3,11; T18; P18,12f; 18; 26; 32; 19,T,1,4; 9; 2,3; 4,T; 10; 21; 24; 26; 20,T; P; 2,38; 4,10; 7,T; 12; 26; 40; 24,20; 30 rosetum I,15,17; 17,3,25; III,3,13; 15,2,15; 18,T; P; 19,1,2 roseus III,1,11 salictum II,1,1,5; III,14,2,2 salix I,17,1,13; II,2,P; 29; III,9,5 saltus III,21,23; 29 satum II,14,1,28–30; III,24,28 scapus II,17,1,31 scrofa II,12,29 seges V,15; 114; II,T14; T; 1,T; 16; 2,4; 25; 15,T; 1; 18; 23; 16,2,P; III,6,6; 21,47 semen II,15,16 sentis I,19,50 sepes V,18; III,6,3 setiger II,11,13 sinape III,5,P; 2,9 spica II,15,2 spina I,19,P spinulus I,17,T; 1,P; 1; 3; 27; 2,T; 3,36; III,24,32

stipula II,16,2,3 stirps V,16; II,18,P; 1,7; III,1,41; 4,1,23; 19,3,14 sus II,11,20; 12,29; 50 sylva V,91; II,P17; 1,13; 18,1,6; III,1,35; 4,1,22; 3,37; 16,31; 42; 19,3,9; 21,21; 22,2,3 sylvestris II,17,1,27 sylvicomus II,18,1,6 sylvula II,17,1,17 tabanus I,21,1; 30; 22,P taurus III,23,16; 24 teges III,4,2,4 thus I,13,2,18; 42; III,19,3,21; 4,14 thymum I,22,4; II,2,46; III,5,2,19 thymus I,22,40 trabs II,18,P; 2,37f. tribulus II,14,2,17 triticeus II,16,1,P; 2,2 truncus III,15,2,3 turtur PI; P10; 18,4,8. ulmus II,1,1,12 ulva III,6,13 ursus III,17,4,57 urtica I,21,40; II,14,2,17 vaccinium III,20,4,7 vepretum I,19,81 vepris V,20; I,19,49; 69; II,4,1,26; 5,18; 14,2,17 vermiculatus III,14,2,15 vernus III,5,2,17 vimen III,15,2,16 vindemia I,5,1,21 viola V,18; 113; I,P; 19,69; P20,T; P; 38f.; 44; 21,P; 11f.; 16; 24; 22,P; 14; 18; 40; II,2,46; 9,2,22; 17,1,21; III,3,33; 20,4,8; 24,29 violarium I,12,9; 17,3,19; 22,P violatus II,1,1,18 vipereus I,11,38; 13,1,24 virens III,P6; 11; 15,2,5 viretum II,1,3,20; 16,2,20; III,3,27; 43; 5,2,17 virga II,4,1,27 viridans III,20,4,1 viridarium III,2,P; 3,T; 5,P; 20,7,13; 24,29 viridis III,11,16; 18,9 viror III,6,7 vitis II,1,1,12; 10,1,32; 18,1,17

786 vitulus II,11,10 volatile I,P15 volucris I,15,1; 16,1; 17,1,1; 18,1,27; 3,9; 4,11; 5,45; 19,27; 22,34; II,1,1,21; 16,1,17; 17,2,13; III,8,35; 11,18; 14,1,15; 15,2,21; 29; 21,33; 43; 24,6; 31

Kommentarteil vulpes II,15,T; 1,P; 16; 26; 32; 2,29; 3,16; III,16,5 vultur I,16,6 Zeyslin I,17,1,P

3. Namensregister (zu Einleitung und Kommentarteil) Das Register verzeichnet historische, literarische und mythologische Personen, welche in der Einleitung zur Edition sowie in den Einführungen und Kommentaren zu den einzelnen Gedichten genannt werden (außer dem Autor Johannes Bisselius); auch Werke, deren Zuschreibung ungewiss ist. Namen zeitgenössischer Forscher werden dagegen nur dann verzeichnet, wenn sie im Haupttext genannt bzw. diskutiert werden. Autoren aus den Kommentaren werden nur dann aufgeführt, wenn ihre dortige Nennung über den reinen Nachweis einer Similie hinausgeht. Abraham 481 Actaeon 670–672 Adam 22, 26, 429, 581f., 584f. Adonis 694 Aelian(us), Claudius 436-438 Aeneas 474, 527, 687 Agnes v. Rom, Hl. 709 Alarich, Kg. d. Westgoten 693, 714, 718f. Albert IV., Bf. v. Regensburg 410 Alcázar, Ludovico de 414f. Aldhelm 499f., 502 Aldrovandi, Ulisse 23, 28, 403, 405f., 437, 439, 459, 462, 516 Alenus, Andreas 543, 548–550 Alexander d. Große 463, 523, 525, 676 Alexander VI., Papst 687 Alfons I., Kg. v. Kongo 433 Alkuin 18 Aloysius v. Gonzaga, Hl. 9 Álvarez, Manuel 653 Ambrosius, Hl. 22f., 26, 450, 452–454, 456, 463, 472f., 484, 498–515 Amphion 733 Anchises 474 Angelus Silesius 530, 533 Anna v. Kleve 612 Annas 564 Anonymus [i.e. Wilhelm Kratz] 3 Anselm v. Canterbury 505 Antonius, Hl. 529 Apelles 723

Apoll, röm. Gott 18, 410, 413, 419, 425f., 467f., 526, 663, 665f., 674, 724 Apuleius v. Madaura 649–652 Archilochos 33, 602 Archimedes 401 Arcimboldo, Giuseppe 20 Arion 457, 615, 733 Aristaeus 504f., 514f. Aristoteles v. Stagira 30, 388, 394f., 517, 731 Arndt, Ernst Moritz 459f. Arnulf, Mgf. v. Kärnten, röm-dt. Kaiser 23, 26, 673–694, 733 Arsinoë II., Tochter Ptolamaios’ I. 518 Ascanius 694 Asser 558 Astaroth 590 Astarte 590 Astyanax 394 Athene, röm. Göttin 426, 604, 712 Atreus 531 Aubry, Peter 20 Augustinus, Aurelius 387, 392, 425 Augustus, röm. Kaiser 616, 685 Aurora 411 Aurpach, Johannes 580 Ausonius, Decimius Magnus 509, 661, 694 Avancini, Niccolò 2 Aventinus, Johannes 628 Averoult, Antoine d‘ 727–730

787

Namensregister Bähr, Nicolaus 459f., 730f., 733 Balde, Jacob 1f., 4, 8-10, 16f., 19, 399, 426, 431, 447, 450–452, 455f., 465–467, 480, 483, 507, 534, 543f., 547, 550, 565, 599f., 633f., 670f., 673, 678, 697, 701, 718f., 730 Baldo degli Ubaldi 579 Balduin I., Gf. v. Flandern 678 Baldung Grien, Hans 650 Bandello, Matteo 15 Baptista Mantuanus, Johannes 459, 634 Barclay, John 7 Baronio, Cesare 454, 501f., 702f. Barth, Caspar v. 517 Becanus, Guilielmus 429 Bechtlin(us), Christophorus 12 Beinhart, Jakob 538 Bellarmino, Roberto 414, 470 Benedikt, Hl. 22, 24-26, 483–492 Benedikt IX., Papst 687 Berengar, Kg. v. Italien 677 Bernhard v. Clairvaux, Hl. 28, 414f., 423, 499f., 505, 511 Bernhard, Hzg. v.Sachsen- Weimar 7 Bibo 33, 601, 604 Bidermann, Jacob 1f., 7, 16, 415, 429, 440, 456, 534, 540, 543f., 547, 597, 633, 701, 707–709 Birck, Sixt 622 Birken, Sigmund v. 620 %LVOLQĺ%LVVHOLXV Bisselius, Jacob 10 Bisselius, Melchior 4, 6 Bisselius, Nicolaus 4 Boccaccio, Giovanni 605 Bodin, Jean 650 Boleyn, Anna 23, 26, 441, 447, 609–618 Boleyn, George 612 Boleyn, Mary 614 Boleyn, Thomas 613 Bolland, Jean 545 Bonaventura, Hl. 726, 730 Bonifaz VI., Papst 673 Borgia, Cesare 673 Botticelli, Sandro 20 Brahe, Tycho 399 Brant, Sebastian 528 Brennus, gall. Heerführer 729 Brereton, William 612f. Brucker, Jakob 533 Bruegel, Pieter (d.Ä.) 20 Brunner, Andreas 674, 678f. Buchanan, George 610

Bzovius, Abraham 454 %]RZVNLĺ%]RYLXV Cabil(l)iau, Baudouin 540, 701, 703 Caesar, Gaius Iulius 446, 656, 676, 692 Caesarius v. Heisterbach 507, 726–728 Calagius, Andreas 622 Calcagnini, Celio 405 Callista, Hl. 709 Callot, Jacques 471, 475 Campion, Edmund 452 Canidia 648, 651 Carmina Burana 18, 399, 460 Cassianus, Johannes 403 Cassiodor(us), Flavius Magnus Aurelius 639f. Castellio, Sebastian 414 Catull(us), Gaius Valerius 495, 598, 657f. Caurus 427f. Caussin, Nicolas 508 Celtis, Conrad 1, 396f., 478, 629, 648, 651, 666 Ceres 19f., 660 Ceva, Tommaso 429, 473, 652, 660 Chanut, Antoine 399, 633f. Chapuys, Eustache 618 Chresta, Hl. 709 Chytraeus, Nathan 21 Cicero, Marcus Tullius 32, 401, 506, 601, 606, 656 Claren, Lutz 37 Claudian(us), Claudius 427, 687 Claudius, Appius 686 Claudius, röm. Kaiser 591, 595 Clemens v. Alexandrien 413 Clemens VII., Papst 453, 614, 687 Clemens XI., Papst 450 Cleophas (Jünger Jesu) 561, 564, 567, 569, 573f. Coecke van Aelst, Pieter 562 Colaenus 462 Collaert, Adriaen 471, 475f. Comenius, Jan Amos 393, 493 Cowley, Abraham 695 Crucius, Ludovicus 493 Curtius Rufus, Quintus 596 Cyrene 504f. Cyrus II., Kg. v. Persien 575, 577 Czapla, Ralf Georg 37 GD&UX]/XtVĺ&UXFLXV Dagon 590

788 Damasus I., Hl. Papst 429 Daniel 428f., 568, 622, 627 Dante Aligheri 505f. Daphnis 531, 575 'DXURXOWLXVĺ$YHURXOW David, Kg. v. Israel 493, 568 de Bry, Theodor 427f. de la Commire, Jean 451 de Lery, Jean 426 de Vos, Marten 561f. Debora 529 Degna, Hl. 709 Delrio, Martin 650f. Demosthenes 388, 394 Deukalion 647 Diana, röm. Göttin 468, 672, 674, 680, 688 Diaz, Bartolomeu 690 Dido, Kgn. v. Karthago 687, 713 Dieffenbach, Georg Christian 459 Dilherr, Johann Michael 12 Diogenes Laertios 606 Domitian, röm. Kaiser 404, 412, 415f. Dornau, Caspar 405, 432, 459, 508, 633, 730 Dorothea, Hl. 23, 26, 696, 701–714 Droste-Hülshoff, Annette v. 17, 459 du Bartas, Guillaume Salluste 459 Dürer, Albrecht 416, 484 Egeria 591, 593–595, 599 Eichendorff, Joseph v. 459 Elias 22, 26, 494, 659–661 Elisabeth I., Kgn. v. England 452, 610–612 Emerita, Hl. 709 Enceladus 428, 430 Endter, Wolfgang 393 Eobanus Hessus, Helius 540, 543, 548–550, 552, 567, 701 Erasmus v. Rotterdam, Desiderius 517, 598, 606, 617, 625 Eulalia, Hl. 706 Eurus 427f. Eusebius v. Caesarea 638–641 Eustachius, Hl. 471 Euteknios 438 Eva 582, 584f., 627 (YHUDHUWV-DQĺ-RKDQQHV6HFXQGXV Fasiladas, Kaiser v. Äthiopien 433 Faustina 605 Favonius 425f., 430 Ficino, Marsilio 387

Kommentarteil Fischart, Johann 455, 650 Fisher, John, Bf. v. Rochester 452, 617f. Flaminius, Gaius 686 Flaminius, Marcus Antonius 17 Flavius, Josephus 560 Flora 328, 423, 491–494, 614, 697, 699 Florus, Gaius Aquilius 521 Florus, Lucius Mestrius 521 Florus, Publius Annius 694 Formosus, Bf. v. Rom 673–694 Förster, Johann 538 François de Belleforest 15 Franciscus, Hl. 578, 580 Franz Xaver, Hl. 5, 11, 449, 677 Frischlin, Jacob 622, 627 Frischlin, Nicodemus 587, 622, 627 Frodoard v. Reims 673 Fuchs, Franz 7 Fuchs, Leonhard 526, 619–621 Fugger, Anton 4, 492, 593, 618f. Fugger, Jakob 4, 593 Fulco, Bf. v. Reims 677f. Fulgosus (Baptista), Doge Genuas 406 Galen 395, 596, 642 Galilei, Galileo 25, 399, 415, 420, 469, 570 Gallus, Georgius 432, 459 Gallutius, Tarquinius 467 Ganducci, Giovanni Battista 16f., 427, 633 Garzoni, Tommaso 575 Gazaeus, Angelinus 17 Gellert, Christian Fürchtegott 20, 388 Gennep, Jaspar von 622 Genovefa v. Brabant 703 Gessner, Konrad 28, 395, 438, 458, 667 Gil de Zamora, Juan 727, 729f. Giraldi, Giulio Gregorio 32, 601, 606 Giraldus Cambrensis 390 Goethe, Johann Wolfgang 391, 648, 694 Göhler, Jonas 37 Görres, Guido 523 Govea de Victoria, Pedro 11 Gratian 453 Gregor I. (der Große), Papst 484f., 687 Gregor VII., Papst 674 Gregor IX., Papst 453 Gregor XIII., Papst 702f. Greiffenberg, Catharina Regina v. 392 Grimmelshausen, Johann Jakob Christoffel v. 386, 392f., 575, 706, 730 Gryphius, Andreas 492, 523, 531–533, 540, 563

789

Namensregister Gryphius, Christian 7 Gualberti, Giovanni, Hl. 22, 26, 536–539, 544–546 Guido II., Hz. v. Spoleto 676f. Gustav II. Adolf, Kg. v. Schweden 714, 718f.

Itys 478, 516, 731

Hadrian, röm. Kaiser 471, 675, 686, 693 Hadrian II., Papst 676 Hadrian III., Papst 676 Haller, Albrecht v. 393 Hannibal 672 Hanstein, Michael 37 Harpa 636f. Harpus 636f. Harsdörffer, Georg Philipp 15, 533, 730 Haydn, Joseph 20 Hebel, Johann Peter 635, 637 Hector 394, 587, 630f. Hecuba 631 Hedelin, Caspar 432 Heinrich VIII., Kg. v. England 10, 23, 25f., 447, 452, 609–614, 617f. Heinrich der Löwe, Hzg. v. Sachsen u. Bayern 527 Heinsius, Daniel 517 Helena 35, 604, 629 Herbertus Turrium Sardiniae 507 Hercules 582, 604, 670f. Herder, Johann Gottfried 2 Herman, Nicolaus 701 Hermant, Godefroy 501f. Herodian 406 Hesiod 696f. Hieronymus, Hl. 470, 479, 545 Homer 7, 402, 422, 575, 587, 605, 666, 670 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 8, 19, 22, 33, 393, 421, 495, 566, 580, 601f., 605, 629 Hosea 568 Hosschius, Sidronius 429 Huet, Pierre-Daniel 415 Humphrey Plantagenet, Hzg. v. Gloucester 612

Jacobus, Hl. 404, 553 Jacobus de Voragine 403, 470f., 500f., 639f. Jakob (Patriarch) 558 Jakob I., Kg. v. England 452, 610 Jakob, Kg. v. Aragón 453 Janus, röm. Gott 446, 476 Jason 455 Jean Paul 404 Jeremias 28 Jesaja 568 Jesus Christus 22, 25f., 29f., 385f., 399, 418, 430, 442, 471–483, 518, 520, 522, 526f., 531–535, 537–542, 546, 551–575, 592, 595, 599, 639–643, 649, 655f., 664, 705f., 710f., 714, 719–726, 729f., 732 Jezabel 659f. Joachim, Ehemann Susannas 623 Johann II., Kg. v. Portugal 690 Johann t’Serclaes, Gf. v. Tilly 7 Johannes, Hl. 7, 22, 24, 26, 28, 399, 403f., 412–421, 484, 539, 541, 553 Johannes Chrysostomos, Hl. 470 Johannes de Florentia, Hl. 23, 26, 578–580 Johannes VIII., Papst 676, 678 Johannes XXII., Papst 674 Johannes I., Kg. v. Kongo 433 Johannes Secundus 694 Jona 561, 567f. Joninus, Guilbertus 633 Jonston, Jon 458 Joseph, Hl. 21f., 29, 471–483, 494, 562, 732 Josua 22, 25f., 552, 561, 563–565, 570f. Judas 564 Julia 14–16, 536 Julian (Apostata), röm. Kaiser 638f., 644f. Julius II., Papst 687 Jünger, Ernst 672f. Junkmann, Wilhelm 17 Jupiter 428, 430, 525, 551, 568, 655, 672, 675, 687, 694, 696f., 716, 725 Justinus Martyr 413 ›Juvenal‹ (Jünger Jesu) 562, 566f., 569

Ignatius v. Loyola, Hl. 5, 11f., 528, 533, 715 Ilithyia 420 Ines, Albert 633f. Institoris, Heinrich 651 Isaak 481 Isidor v. Sevilla 427, 506f. Isokrates 7

Kaiphas 564 Kallimachos 656, 697 Karl III. (der Dicke), fränk. Kg., .röm. Kaiser 677f. Karl V., röm.-dt. Kaiser 433, 449, 687, 693 Karlmann, Kg. v. Bayern 677 Katharina v. Alexandrien, Hl. 469

790 Katharina v. Aragón 447, 611–614, 617 Keller, Jacob 7 Kevin, Hl. 390 Kilian, Wolfgang 20, 385f. Kipf, Johannes Klaus 31f., 600 Kircher, Athanasius 13f., 399 Kirke 605 Klotz, Christian Adolph 695 Knoll, Quirin 619 .RFK(REDQĺ(REDQXV+HVVXV Konstantin, röm. Kaiser 442, 658f. Kopernikus, Nikolaus 570 Kostka, Stanislaus, Hl. 9 Kreihing, Johannes 452 Krösus 34, 628 Kruik van Adrichem, Christian 571 Kühlmann, Wilhelm 37 Lais 548 Lambert v. Spoleto 676f. Lassus, Petrus 26, 30, 515, 695 Laurentius, Hl. 470f. Lausa 35 Le Brun, Laurent 399, 459, 633f. Lefèvre d’Étaples, Jacques 540 Lehmann, Wilhelm 404 Lehner, Carl J. 479 Leo III., Papst 715 Leopold I., röm.-dt. Kaiser 12 Leybrand, Hanna 37 Libitina, röm. Göttin 700 Linus 724, 733 Lipomannus, Aloysius 536 Lipsius, Justus 650 Lotichius Secundus, Petrus 1, 492, 531, 633, 730 Lonitzer, Adam 619–621 Lucia, Hl. 709 Lucifer 489, 551 Lucina, röm. Göttin 581 Ludolf v. Sudheim 571 Ludwig IV. (der Bayer), röm.-dt. Kaiser 673f., 678, 726 Lukas, Hl. 561 Lukian v. Samosata 7 Lukrez (Titus Lucretius Carus) 18, 391, 398, 546 Lycambes 33, 602 Machaon 439 Machiavelli, Niccolò 605 Maia 424, 658

Kommentarteil Maickler, Georg Conrad 623 Malapert, Charles 427, 429 Manoach 587f. Marc(us) Aurel(ius), röm. Kaiser 628 Marcellina, Schwester d. Ambrosius 453 Maria (Gottesmutter) 18, 20, 22, 25f., 28, 385f., 408–410, 413, 416, 420f., 433, 467, 485, 491, 544, 549–559, 592, 595, 599, 694, 698, 731f. Maria Aegyptiaca, Hl. 22f., 26, 541–551, 658 Maria Magdalena, Hl. 22f., 26, 539–542, 544, 552, 567 Maria I., Kg. v. England 612, 617 Marinus I., Papst 676, 678 Martha, Hl. 639f. Martial(is), Marcus Valerius 517, 674 Mascardus, Augustinus 633 Masen, Jacob 2, 30, 429, 517, 582, 667 Matthäus (Ps.-) 471f., 477, 481 Matthäus v. Vendôme 17 Maurus 486 Maxentius, röm. Kaiser 675, 685 Maximilian I., Hzg. v. Bayern 10, 19, 674, 678 Medea 28, 594, 605, 644, 648, 651f. Meleagros 670, 672 Mercur 665, 669 Merian, Matthäus 602 Mesophoenix 427f. Messalina 605 Meyfart, Johann Matthäus 530 Milton, John 429 0LQHUYDĺ$WKHQH Minos 654f. Minutius Felix 585 Montanus, Martin 635–637 More, Thomas 10, 447, 452, 610, 617f. Moschos, Johannes 727, 729 Moses 575, 577 Mühlpfort, Heinrich 18 Müller, Johannes David 473 Musius, Cornelius 432 Myron v. Eleutherai 642 Nasgot, Paul Benjamin 674 Neaera 599 Nebukadnezar 428 Neobule 33, 602 Neptun(us) 655 Nero, röm. Kaiser 486, 527 Nestor 474, 483

791

Namensregister Nestorius 433 Nicetius v. Trier 509 Nicolaus I., Papst 676 Nietzsche, Friedrich 673 Nimrod 670 Norris, Henry 611–613 Numa Pompilius 591–595 Nzinga Nkuwu ĺ Johannes I., Kg. v. Kongo Odysseus 394, 474, 605 Oefele, Andreas Felix 6 Oenotrus, Kg. d. Sabiner 593 Onuphrius, Hl. 22, 26, 483, 527–531, 544 Opitz, Martin 517, 597 Oppian 438 Opsopoeus, Johannes 414 Origenes 413, 568, 571 Orpheus 724, 733 Orsi, Lelio 562 Otero, Edoardo 37 Ovid(ius), Publius … Naso 18, 21, 31, 396, 409, 460, 516, 540f., 543, 598, 628f., 661, 665, 670f., 698, 707f. Pacuvius, Marcus 32f., 600–602, 606 Panobibactus 652 Paphnutius, Hl. 528f. Parenti, Johannes, Hl. 578 Paris 35, 604, 629 Passio S. Perpetuae et Felicitatis 467 Paul V., Papst 433 Pauli, Johannes 26, 31f., 34-36, 601, 605f., 628, 631–633, 635 Pauli, Simon 574 Paulinus v. Mailand 498 Paulus, Hl. 12, 16, 426, 442, 674, 680f., 686, 705 Pausanias 462f., 506 Perugino, Pietro 555 Petrarca, Francesco 445, 593, 667 Petrus, Hl. 12, 25, 431f., 440–444, 539, 541, 564, 674, 680 Petrus v. Cluny 507 Phaedrus, Gaius Iulius 696 Phaeton 387, 580 Philomela 445, 478, 516, 668, 731f. Phlogis 548 Phoebus ĺ Apoll Phoenix 444f. Phryne 548 Phyllis 599, 605, 713 Pindar 506, 687

Placentius, Johannes 622 Placidus 486 Platon 504, 506, 665 Plinius, Gaius … Secundus (d.Ä.) 395, 446, 503f., 506 Plinius, Gaius … Secundus (d.J.) 624 Plutarch 387, 393, 606 Pluto 672 Podaleirios 439 Poggio Bracciolini, Gianfrancesco 26, 635f. Polydoros 630 Pomona, röm. Göttin 697, 699 Pompeius, Gnaeus … Magnus 442 Pomponazzi, Pietro 652 Pontano, Giovanni 401f., 598 Pontanus, Jacob 1f., 7, 517, 533f., 540, 567, 720, 730 Pontius Pilatus 564, 566 Pörnbacher, Hans 3 Possevino, Antonio 415 Posthius, Johannes 395 Poussin, Nicolas 20, 593 Praxedis, Hl. 469f. Prochorus 415 Progne 30, 445, 515f., 668, 731f. Properz (Sextus Aurelius Propertius) 33, 601, 629 Prudentius, Aurelius … Clemens 429, 706, 708, 712, 717 Pyramus 665 Pyrrha 647 Quade, Daniela 37 4XLULQXVĺ5RPXOXV Raabe, Wilhelm 404, 439 Rader, Matthäus 6f., 678 Raffaelo da Montelupo 687 Raphael (Erzengel) 659 Rapinus, Renatus 429 Raymund v. Penafort, Hl. 22, 26, 450, 452–454, 483 Rebhu(h)n, Paul 622, 624 Remond, François 543 Remus 463, 577, 691 Rettenpacher, Simon 530 Reuchlin, Johannes 607 Rhadamantys 428, 430, 654 Rhegino v. Prüm 677 Ribera, Francisco 414f. Richter ĺ Jean Paul Rist, Johann 533

792 Rittershusius, Nicolaus 11 Romanus 486 Romeo 14–16, 536 Romulus 575, 577 Roscius, Quintus … Gallus 615 Rosimunda, Tochter Kunimunds 605 Rosset, François de 14 Rosweyde, Heribert 528, 545, 548-550, 703 Rot, Wolfgang 720 Ruffinus, Publius Cornelius 32, 601, 606 Rufinus v. Aquileia 641 Ruysbroeck, Jan van 710 Sachs, Hans 18, 31, 600, 606 Sadeler, Johann 484 Salian, Jacques 587, 589, 591 Salomon 569 Samson 21-23, 26, 505, 511, 514, 586–591 Sander, Nicolas 612–614, 617 Sannazaro, Jacopo 17, 26, 30, 429, 515, 592, 596, 598f., 661 Sapricius, Statthalter i. Caesarea 704 Sarbievius, Matthias Casimir 531, 540, 694f., 730 6DUELHZVNLĺ6DUELHYLXV Sastrow, Bartholomäus 721f., 725 Satyrus, Hl. 22, 26, 450, 452f., 455f., 483 Saul, Kg. v. Israel 571 Sautel, Pierre Juste 457 Scaliger, Julius Caesar 517, 598 Schatzgeyer, Kaspar 721 Schede, Paul (gen. Melissus) 2, 395, 566, 580, 629, 647f., 650, 652 Schedel, Hartmann 469 6FKHIIOHU-RKDQQHVĺ$QJHOXV6LOHVLXV Scheidt, Caspar 18, 607 Scheiner, Christoph 399, 401; 469 Schlüter, Christoph Bernhard 17 Schneider, Hans 37 Scholastica, Hl., 486 Schonaeus, Cornelius 622 Scipio Africanus, Publius Cornelius (d.Ä.) 555 Sedulius Scotus 734 Seidel, Robert 517 Sela Krestos 433 Seleukos I. Nikator 442 Semiramis 430, 467f., 492, 621 Seneca, Lucius Annaeus 7, 495, 531f., 659f., 667 Seymour, Jane 611, 613 Shakespeare, William 14f.

Kommentarteil Sibyllinische Orakel 414f., 420, 568 Sigebert v. Gembloux 677 Šimek, Jakub 37 Sirleto, Guglielmo 702 Sixtus V., Papst 703 Smetton, Marc 610–612 Sokrates 402 Sophronius v. Jerusalem 545 Southwell, Robert 452 Sozomenos, Salamanes Hermeias 639 6SDJQXROL*LRYDQQL%DWWLVWDĺ0DQWXDQXV Spangenberg, Cyriacus 670 6SDQPOOHUĺ3RQWDQXV Spee v. Langenfeld, Friedrich 386, 414, 418, 472, 475, 478, 480, 482f., 507, 511, 531, 540, 566, 575, 597, 649, 651, 665, 720 Sprenger, Jakob 651 Staden, Hans 426–428 Statius, Publius Papinius 580 Steinhaus, Albert 538 Stengel, Georg 602 Stephanus, Hl. 470 Stephan V. (VI.), Papst 676f. Stephan VII. (VIII.), Papst 673, 676 Straube, Werner 37 Strobl, Andreas 609 Stuart, Mary 12, 610 Suárez, Francisco 414 Surius, Laurentius 536, 545, 701, 703f., 706, 709f., 712f. Susanna 23, 26, 34-36, 619, 622–627 Symmachus, Quintus Aurelius 498 Syncerus, Actius ĺ Sannazaro Tanaquil 618 Tanner, Adam 649f. Taubmann, Friedrich 459 Telemach 394 Tereus 478, 516, 731 Terminus, röm. Gott 583 Tertullian(us), Quintus Septimius Florens 19 Textor ĺ Weber Thais 484f., 491, 548, 605 Thalia 20, 385, 391, 396, 413, 545, 559, 657, 696–698 Theodor II., Papst 676 Theokrit 458 Theophilus (Teufelsbündler) 9 Theophilus, Hl. 23, 26, 701–714 Thisbe 430, 665, 667f. Thomas v. Aquin, Hl. 728 Thyestes 531f.

793

Namensregister Thyrsis 418 Tiberius, röm. Kaiser 8, 34, 628 Tibull(us), Albius 523, 580, 629 Tityrus 574f. Tobias 26, 30, 515 Torsellini, Orazio 677 Trajan, röm. Kaiser 404 Tullia, Tochter d. Servius Tullius 674, 682 Urban VIII., Papst 495, 727 Ursula, Hl. 470 Valerius 32, 601 Vanini, Giulio Cesare 12 Varro, Marcus Terentius 503 Vasco da Gama 690 Venantius Fortunatus 469, 509, 708, 724 Venus, röm. Göttin 18, 484f., 518, 544, 546, 548, 624, 655, 694 Vergil(ius), Publius … Maro 19, 458, 504f., 510f., 526f., 559, 573f., 592, 596, 598, 646, 659 Vida, Marco Girolamo 668 Vincart, Jean 701, 703, 713

Viola 34f. Vitruv(ius), Marcus … Pollio 427 Voggenreiter, Otto 8 Vulcanus 428, 430, 591 Wallius, Jacobus 451 Weber, Urban 7, 387–389, 412, 485 Weishaupt, Johannes 389 Westermayer, Georg 2, 8 Weston, Francis 611–613 Wiegand, Hermann 7 Wildens, Jan 560, 562 Wolsey, Thomas, Erzbf. v. York 611, 613 Xenophon 575, 577 Zebedäus 404 Zeiller, Martin 14f., 602 Zephyrus 24, 422, 424–429, 471, 572, 583, 600, 609, 654, 697, 699, 717 Zesen, Philipp v. 597 Zosimas, Hl. 543f. Zwinger, Theodor 32, 601