Johann Gottlieb Fichte: Auswahl aus seinen Werken [Reprint 2019 ed.] 9783486751260, 9783486751253


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German Pages 94 [96] Year 1925

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Menschheit
Kultur und Staatsverfassung
„Über die Bestimmung des Gelehrten"
Zukunftsglaube
Von der Macht der Ideen
Volk
Aus den Gesprächen über den Patriotismus
„Was ein Volk sei in der höheren Bedeutung des Wortes und was Patriotismus"
Über Glück und Unglück
Napoleon
Gott
Stufen der Weltauffassung
Lebe
Anhang
Überblick über Leben und Wirken Fichtes
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Johann Gottlieb Fichte: Auswahl aus seinen Werken [Reprint 2019 ed.]
 9783486751260, 9783486751253

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Der Dreiturmbücherei

Herausgeber: Jakob Brummer, München und Ludwig Hasen clever, Würzburg

N r. 2 l

Nach dem Gemälde von Hrinr DLHling (1808) gestochen von ?oh. Friedr. 2ügel.

Johann Gottlieb Fichte Auswahl aus seinen Werken

Besorgt von

Ludwig Hasenclever

,^habt ihr den goldenen Flügel des Genius

je rauschen gehört, — nicht dessen, der zu Gesängen, sonder» dessen, der zu Täte» begeistert?" (Fichte)

München und Berlin 1925 Druck und Verlag von R. Oldenbvurg

Inhalt. Seite

Einleitung..........................................................................................

7

Menschheit.

Kultur und Staatsverfassung............................................. „Über die Bestimmung des Gelehrten"..................................... Zukunftsglaube.................................................................................. Von der Macht der Ideen.............................................................

9 14 24 35

Volk. Aus den Gesprächen über den Patriotismus............................ „Was ein Volk sei in der höheren Bedeutung des Wortes und was Patriotismus".................................................................. Über Glück und Unglück.............................................................. Napoleon...........................................................................................

53 69 73

Gott. Stufen der Weltauffassung.......................................................... Leben...............................................................................................

78 86

Anhang.................................................................. Überblick über Leben und Wirken Fichtes.................................

90 94

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Einleitung. „Einen feurigeren Eifer, seine Bestimmung auf jede Gefahr zu er­ füllen, ein stärkeres Gefühl für Erhabenheit und Würde, eine männlichere Denkungsart nach allen Richtungen hin, soweit die deutsche Sprache reicht, zu verbreiten", war Sehnsucht und Sendung Joh. Gottlieb Fichtes. Das gleiche ist die dringlichste Aufgabe der deutschen Schule und des deutschen Erziehers von heute. Wo könnten wir zu ihrer Lösung wirksamere Hilfe finden als eben im Werke Fichtes selber? Freilich, die tiefsten Gedanken seiner theoretischen Philosophie, der „Wissenschaftslehre", nachzudenken: wieviele haben dazu heute noch das nötige Organ? Aber seine Gesinnung nachzuerleben und in sich herzustellen, muß der zur Führung berufenen deutschen Jugend möglich sein, wenn anders unser Volk von innen heraus gesunden soll: jene Ge­ sinnung, die aus tiefsten religiösen Quellen gespeist mit leidenschaftlicher Hingabe an klar geschaute Ideale im ganzen Umkreis des Lebens darauf dringt, daß überall das Seinsollende sich verwirkliche. Diese Gesinnung ist es, was der Persönlichkeit und dem Lebenswerk Fichtes die Einheit gibt. Wohl hat er im Laufe seines öffentlichen Wir­ kens einmal wenigstens entschieden die Blickrichtung geändert: der „Kosmo­ polit" wandelte sich zum „Patrioten", der alle Schranken verachtende Weltbürger zum freiwillig sich beschränkenden Staatsbürger. Aber eben damit blieb er sich treu. Mochten die Aufgaben wechseln, die er sich gestellt sah: der heilige verantwortungsfrohe Ernst, der unerschrockene Mannessinn, mit der er sich ihrer anaahm, war stets der gleiche. Als ihn die Kantische Philosophie aus dem Schicksalsglauben der Spinozaschule erlöste und ihm die beseligende Gewißheit gab, daß es sich lohnte, in dieser Welt zu wollen und zu handeln, — mehr noch: daß der Mensch die Bestimmung habe, diese Welt nach Dernunftideen mit Sinn zu erfüllen und zu gestalten, da erkannte er es als seinen besonderen Beruf, der Menschheit zum Bewußtsein dieser Bestimmung zu verhelfen. Und er teilte nur den Irrtum der Besten seiner Zeit, wenn er — ungestüm genug — unter Nichtbeachtung alle- dessen, was damals „Volk" und „Vater­ land" hieß, gleich die Belange der ganzen Menschheit zu verfechten stch auschickte. So tat er das Seine, um den verschütteten Menschenrechten gegen den überlebten Absolutismus mit seinen erstarrten Zufälligkeiten Luft zu machen. Da aber geschah das Entscheidende: auf dem frei werdenden Boden wurde ihm als einzige wirklich nährende Wurzel aller Menschen­ rechte das richtig verstandene einzelne national,bestimmte Volkstum sichtbar. Napoleon lehrte es ihn: man zertritt dein Menschentum, wenn

man dein Volkstnm zertritt. Rur durch dein Volk bist du Mensch. — Es bedurfte für Fichte keiner Besinnung. Er wäre nicht er gewesen, wenn er sich nicht schützend vor sein Volk gestellt hätte gegen jenes andere, das da die Menschenrechte verkündet hatte und dafür jedes wirkliche Recht mit Füßen trat. Aber er mußte darum doch nicht verbrennen, was er bisher atu gebetet hatte. Kein Bruch kam in sein Wesen: er fand die Formel, die es ihm erlaubte, beide« — der Menschheit und dem Volke — zugleich zu bienen und zudem diesen Dienst als ein gottgewolltes Priestertum zu erfassen. Als Denker, der in der Kühle deS Arbeitszimmers sich Welt und Lebe« deutet, abseits bleiben von dem gewaltige« Geschehen seiner Zett, — das konnte und wollte er nicht. Beim Bersten der Throne Patriarchen, lüft t« kosten war nicht seine Sache. Mündete doch schon sei« theoretisches Denken in der Überzeugung, daß allein im Handeln sich Sinn und Wert des Seins erschließe. „Nicht »um Wissen, sondern rum Tun nach deinem Wisse« bist du bestimmt," ruft er uns andere« yt, und von sich selbst hat er in früher Selbsterkenntnis gestanden: „Ich habe nur eine Leidenschaft, nur ei« Bedürfnis, nur ein volles Gesicht meiner selbst, das — außer mir ju wirke«." Darum genügt es ihm bald nicht mehr, ein Führer rum Wissen zu sein. (Wie wenige konnten ihm schon damals folgen yt dem, was er sein Wissen nannte!) Führer juc Tat wollte er werde« — und ward es. Den Mann, „dem wir alles verdanken", hat ihn — wider, willig und eben darum aufrichtig — Goethe genannt. Und wieder kann er sich unseren Dank verdienen. Die Geschlossenheit seines Wesens bringt es mit sich, daß hinter jeder Zelle, die er schrieb, und hinter jedem Satz, den er sprach, der ganze Mana sieht. Wo ihr ihn packt, da ist er — Fichte. Auch in jeder seiner volkS, tümliche« Schriften hat man ihn ganz. Wenn hier trotzdem nicht eine einzelne Schrift, sondern eine Auslese aus verschiedenen Werken geboten wird, so geschieht es io der Hoffnung, auf diese Weise zu umfassender Be, schäftigung mit Fichte überhaupt zu verlocken. Immerhin war es so auch leichter, seine drei große« Deokziele — Menschheit, Volk, Gott — und seine drei großen Forderungen — Selbstbefreiung, Selbstbehaup, tung, Selbstbeherrschung — auf schmalem Raum (wie wir hoffen: wirksam) vorzuführe». Über die Bedeutung, die den einzelnen Abschnitten noerhalb des Gesamtwertes zukommt, sprechen wir im Anhang.

Würzburg, im Oktober 1925.

Dr. Ludwig Hasenclever.

Kultur und Staatsverfassung. i. Nichts in der Sinnenwelt, nichts von unserem Treiben, Tu» oder Leiden, als Erscheinung betrachtet, hat einen Wert, als insofern es auf Kultur wirkt. Genuß hat an sich gar keinen Wert; er bekommt einen, höchstens als Mittel jur Belebung und Erneuerung unserer Kräfte für Kultur. Kultur heißt Übung aller Kräfte auf den Zweck der völlige» Freiheit, der völligen Unabhängigkeit von allem, was nicht wir selbst, unser reines Selbst ist. Ich mache mich hierüber deutlicher. Wirb uns durch und in der Form unseres reinen Selbst, durch das Sittengesetz in uns, unser wahrer letzter Endzweck aufgestellt, so ist alles in uns, was nicht zu dieser reinen Form gehört, oder alles, was uns zu flnnlichen Wesen macht, nicht selbst Zweck, sondern bloß Mittel für unseren höheren geistigen Zweck. Es soll uns nämlich nie bestimmen, sondern soll durch das Höhere in uns, durch die Vernunft, immer bestimmt werden. Es soll nie tätig fein, als auf das Geheiß der Vernunft; und nie auf andere Art tätig sein, als nach der Norm, die jene ihm vorschreibt. Wir können von der Sinnlichkeit sagen, was jener Wilde bei MarmonteN) in seinem Totengesange von der Gefahr sagt: So, wie wir geboren wurden, forderte ste uns zu einem langen fürchterlichen Zweikampf um Freiheit oder Sklaverei auf. Über­ windest du, sagte ste uns, so will ich dein Sklav sein. Ich werde dir ein sehr brauchbarer Diener sein können; aber ich bleibe immer ein unwilliger Diener, und sobald du mein Joch erleichterst, empöre ich mich gegen meinen Herrn und Überwinder, überwinde ich dich aber, so werde ich dich beschimpfen und entehren und unter die Füße treten. Da du mir zu nichts nütze sein kannst, so werde ich nach dem Rechte eines Eroberers dich ganz zu vertilgen suchen. Ja diesem Kampfe nun muß mit der Sinnlichkeit zweierlei geschehen. Sie soll erstlich bezähmt und unterjocht werben; ste soll nicht mehr gebieten, sondern dienen; sie soll sich nicht mehr anmaßen

*) Marmontel Jean Fran;., frz. Schriftsteller (1723—99) in seinem Roma» „Les Incas“.

uns unsere Zwecke vorzuschreibeu ober sie ju bedingen. Dies ist die erste Handlung der Befreiung unseres Ich; die Bezähmung der Sinnlichkeit. — Aber damit ist noch lange nicht alles geschehen. Die Sinnlichkeit soll nicht nur nicht Gebieter, sie soll auch Diener, und zwar eia geschickter, tauglicher Diener sein; sie soll zu brauchen sein. Dazu gehört, daß man alle ihre Kräfte aufsuche, sie auf alle Art bilde, und ins Unendliche erhöhend verstärke. Das ist die zweite Handlung der Befreiung unseres Ich: die Kultur der Sinnlichkeit. Hierbei zwei Anmerkungen! Zuvörderst, wenn ich hiervon Sinn, lichkeit rede, so versiehe ich nicht etwa bloß das darunter, was man sonst wohl mit diesem Namen bezeichnete, die niederen Gemütskräfte, oder wohl gar bloß die körperlichen Kräfte des Menschen. Im Gegen, satz gegen das reine Ich gehört alles zur Sinnlichkeit, was nicht selbst dieses reine Ich ist, also alle unsere körperlichen und Gemütskräfte, welche und insofern sie durch etwas außer uns bestimmt werden können. Alles, was bildsam ist, was geübt und verstärkt werden kann, gehört dazu. Die reine Form unseres Selbst ist es, die keiner Bildung fähig ist: sie ist völlig unveränderlich. In diesem Sinne des Worts gehört demnach Bildung des Geistes oder Herzens durch das reinste Denken oder durch die erhabensten Vorstellungen aus der Religion nicht minder zur Bildung der Sinnlichkeit, des sinnlichen Wesens in uns, als etwa die Übung der Füße durch den Tanz. Zweitens dürfte etwa die vorgeschlagene Übung und Erhöhung der sinnlichen Kräfte jemanden auf den Gedanken bringen, daß da, durch die Macht der Sinnlichkeit selbst vermehrt und sie mit neuen Waffen gegen die Vernunft werde ausgerüstet werden. Aber das ist nicht. Gesetzlosigkeit ist der ursprüngliche Charakter der Sinnlichkeit; nur in ihr liegt ihre eigentümliche Stärke: so wie dieses Werkzeug ihr entwunden wird, wird sie kraftlos. — Alle jene Bildung geschieht wenigstens nach Regeln, wenn auch nicht nach Gesetzen, auf gewisse Zwecke hin, mithin zum wenigsten gesetzmäßig; es wird durch sie der Sinnlichkeit gleichsam die Uniform der Vernunft angelegt, die Waffen, die diese gibt, sind ihr selbst unschädlich und sie ist gegen sie unverwundbar. Durch die höchste Ausübung dieser beiden Rechte des Überwin, dees über die Sinnlichkeit nun würde der Mensch frei, d. i. bloß von sich, von seinem reinen Ich abhängig werten. Jedem: „Ich will" in seiner Brust müßte ein: „Es steht da" in der Welt der Erscheinungen entsprechen. Ohne die Ausübung des ersteren könnte er auch nicht einmal wollen; seine Handlungen würden durch Antriebe

außer ihm, wie sie auf seine Sinnlichkeit wirke», bestimmt; er wäre ein Instrument, das jum Einklänge in bas große Konzert der Sinnen­ welt gespielt würde und jedesmal den Ton angäbe, den das blinde Fatum auf ihm griffe. Nach Ausübung des ersteren Rechts könnte er zwar selbsttätig sein wollen; aber ohne das zweite geltend zu machen, wäre sein Wille ein ohnmächtiger Wille; er wollte, und das wäre es alles. Er wäre ein Gebieter, — aber ohne Diener, ein König — aber ohne Untertanen. Er stünde noch immer unter dem eiserne« Zepter des FatumS, wäre noch an seine Ketten gefesselt und seiu Wollen wäre ein ohnmächtiges Gerassel mit denselben. Die erste Hand­ lung des Überwindens versichert «ns das Wollen; die zweite des An­ werbens und Wehrhaftmacheas unserer Kräfte versichert uns das Könne n. Diese Kultur zur Freiheit nun ist der einzig-mögliche Endzweck deS Menschen, insofern er ein Teil der Sinnen­ welt ist; welcher höchste sinnliche Endzweck aber wieder nicht Endzweck des Menschen an sich, sondern letztes Mittel für Erreichung seines höheren geistigen Endzwecks ist, der völligen Übereinstim­ mung seines Willens mit dem Gesetze der Vernunft. Alles, was Menschen tun und treiben, muß sich als Mittel für diesen letzten Endzweck in der Sinnenwelt betrachten lassen, oder es ist ein Treiben ohne Zweck, ein unvernünftiges Treiben.

s. Daß, wenn wirklich Kultur zur Freiheit der einzige Endzweck der Staatsverbindung sein kann, alle Staatsverfassungen, die den völlig entgegengesetzten Zweck der Sklaverei aller und der Freiheit eines Einzigen, der Kultur aller für die Zwecke dieses Einzigen und der Verhinderung aller Arten der Kultur, die zur Freiheit mehrerer führen, zum Endzwecke haben, derAbänderung nicht nur fähig seien, sondern auch wirklich abgeäadert werden müssen, ist nun erwiesen; und wir stehen nun beim zweiten Teil der Frage: wenn nun eine Staatsverfassung gegeben würde, welche diesen Endzweck er­ weislich durch die sichersten Mittel beabsichtigte, würde nicht diese schlechterdings unabänderlich sein? Keine Staatsverfassung ist unabänderlich, es ist in ihrer Natur, baß sie sich alle ändern. Eine schlechte, die gegen den notwendigen Endzweck aller Staatsverbindungen streitet, muß abgeändert werden; eine gute die ihn befördert, ändert sich selbst ab. Die erstere ist ein Feuer in faulen Stoppeln, welches raucht, ohne Licht noch Wärme

j« geben; es muß ausgegossen werben. Die letztere ist eine Kerze, die sich durch stch selbst verzehrt, so wie sie leuchtet, und welche ver, löschen würde, wenn der Tag anbräche. Die Klausel im gesellschaftlichen Vertrage: daß er unabänderlich sein solle; wäre mithin der härteste Widerspruch gegen den Geist der Menschheit. Ich verspreche: an dieser Staatsverfaffung nie etwas zu ändern oder ändern zu lassen, heißt: ich verspreche, kein Mensch zu sein, noch zu dulden, daß, so weit ich reichen kann, irgend einer ein Mensch sei. Ich begnüge mich mit dem Range eines geschickten Tiers. Ich verbinde mich, und verbinde alle auf der Stufe der Kultur, auf die wir hinaufgerückt sind, stehen zu bleiben. So wie der Biber heute ebenso baut, wie seine Vorfahren vor tausend Jahren bauten; so wie die Biene heute ihre Zellen ebenso einrichtet, wie ihr Geschlecht vor Jahrtausenden: so wollen auch wir und unsere Nachkommen nach Jahrtausenden unsere Denkart, unsere theoretischen, politischen, sittlichen Maximen immer so einrichten, wie sie jetzt eingerichtet sind. — Und ein solches Versprechen, wenn es auch gegeben wäre, sollte gültig sein? — Nein, Mensch, du durftest bas nicht versprechen; du hast das Recht nicht, auf deine Menschheit Verzicht zu tun. Dein Versprechen ist rechtswidrig, mithin rechtsunkräftig. So weit also hätte die Menschheit ihrer selbst vergessen können, daß sie das einzige Vorrecht, welches ihre Tierheit vor anderen Tieren auszeichnet, das Vorrecht der Dervollkommunng ins unendliche, aufgegeben; daß sie unter dem eisernen Joche des Despoten für ewig sogar auf den Willen Verzicht getan hätte, es zu zerbrechen? — Net», verlaß uns nicht, heiliges Palladium der Menschheit, tröstender Gedanke, daß aus jeder unserer Arbeiten und jedem unserer Leiden unserem Brudergeschlechte eine neue Vollkommenheit und eine neue Wonne entspringt, daß wir für sie arbeiten, und nicht vergebens arbeiten; daß an der Stelle, wo wir jetzt uns abmühen und — was schlimmer ist als das — gröblich irren und fehlen, einst eia Geschlecht blühen wird, welches immer darf, was es will, weil es nichts will, als Gutes; — indem wir in höheren Regionen unS unserer Nachkommenschaft freuen und unter ihren Tugenden jeden Keim ausgewachsen wiederfinden, den wir in sie legten, und ihn für den unsrigen erkennen. Begeistere uns, Aussicht auf diese Zett, zum Gefühl unserer Würde und zeige uns dieselbe wenigstens in unseren Anlagen, wenn auch unser gegenwärtiger Zustand ihr wider, spricht. Gieß Kühnheit und hohen Enthusiasmus auf unsere Unter, «ehmuagen, und würden wir darüber zerknirscht, so erquicke —

indeß der erste Gedanke: ich tat meine Pflicht, uns erhält — erquicke uns der zweite Gedanke: kein Samenkorn, das ich streute, geht in der sittlichen Welt verloren; ich werde am Tage der Garben die Früchte desselben erblicken und mir von ihnen unsterbliche Kränze winden. Jesus und Luther, heilige Schutzgeister der Freiheit, die ihr in den Tagen eurer Erniedrigung mit Riesenkraft in den Fesseln der Menschheit herumbrachet, und fie zerknicktet, wohin ihr grifft, seht herab aus höheren Sphären auf eure Nachkommenschaft, und freut euch der schon aufgegangenen, der schon im Winde wogenden Saat: bald wird der dritte, der euer Werk vollendete, der die letzte stärkste Fessel der Menschheit zerbrach, ohne daß fie, ohne daß vielleicht er selbst es wußte, zu euch versammelt werdens. Wir werden ihm nach­ weinen; ihr aber werbet ihm fröhlich den ihn erwartenden Platz in eurer Gesellschaft anweisen, und das Zeitalter, das ihn verstehen und darstellen wird, wird euch danken. (AuS: „Beitrag zur Berichtigung bet Urteile deS Publikums über die französische Revolution." 1793« Kap. 1.)

*) Gemeint ist der 70jährige Jmm. Kant.

Mer die Bestimmung des Gelehrten. Ich habe heule von der Bestimmung des Gelehrten ju reden. Ich befinde mich mit diesem Gegenstände in einer besonderen Lage. Sie alle, meine Herren, ober doch die meisten unter Ihnen haben die Wissenschaften zur Beschäftigung Ihres Lebens gewählt, und ich — so wie Sie; Sie alle — so läßt fich annehmen — wende» ihre ganze Kraft an, um mit Ehre zum Gelehrtenstande gezählet werden zu können; und ich habe getan und tue das gleiche. Ich soll als Gelehrter vor angehende» Gelehrten von der Bestimmung des Gelehrten reden. Ich soll den Gegenstand gründlich untersuchen; ihn, wenn ich's vermag, erschöpfen; ich soll in der Darstellung der Wahrheit nichts vergeben. Und wie? Wenn ich eine sehr ehrwürdige, sehr erhabene, vor allen übrigen Ständen sehr ausgezeichnete Be­ stimmung für diesen Stand auffinde: werde ich ste aufstellen können, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, die übrigen Stände herabzu­ würdigen, von Eigendünkel geblendet zu scheinen?-------- Aber ich rede als Philosoph, dem es obliegt, jeden Begriff scharf zu bestimmen. Was kann ich dagegen, daß eben dieser Begriff im System an der Reihe ist? Ich darf der erkannten Wahrheit nichts vergeben. Sie ist immer Wahrheit, und auch die Bescheidenheit ist ihr unter­ geordnet und ist eine falsche Bescheidenheit, wo ste ihr Eintrag tut. Lassen Sie uns unseren Gegenstand fürs erste kalt und so unter­ suchen, als ob er keine Beziehung auf uns hätte; ihn untersuchen als einen Begriff aus einer uns völlig ftemden Welt. Lassen Sie uns unsere Beweise desto mehr schärfen. Lassen Sie uns nicht vergessen, was ich zu seiner Zeit gar nicht mit geringerer Kraft darzustellen ge­ denke: daß jeder Stand notwendig ist; jeder unsere Achtung verdient; daß nicht der Stand, sondern die würdige Behauptung desselben das Individuum ehrt; und daß jeder nur insofern ehrwürdiger ist, inwiefern er der vollkommenen Erfüllung seines Platzes in der Reihe am nächsten kommt; — daß eben darum der Gelehrte Ursach hat, am allerbescheidensten zu sein, weil ihm ein Ziel aufgesteckt ist, von dem er stets gar weit entfernt bleiben wird, — weil er ein sehr erhabnes Ideal zu erreichen hat, dem er gewöhnlich nur in einer großen Entfernung sich annähert. —

„3m Menschen sind mancherlei Triebe und Anlagen, und es ist die Bestimmung jedes einzelnen, alle seine Anlagen, so weit er nur irgend kann, auszubilden. Unter andern ist in ihm der Trieb zur Gesellschaft; diese bietet ihm eine neue, besondere Bildung dar, — die für die Gesellschaft — und eine ungemeine Leichtigkeit -er Bildung überhaupt. Es ist dem Menschen darüber nichts vorge­ schrieben, ob er alle seine Anlagen insgesamt unmittelbar an der Natur, oder ob er sie mittelbar durch die Gesellschaft ansbilden wolle. Das erstere ist schwer und bringt die Gesellschaft nicht weiter; daher erwählt mit Recht jedes Individuum in der Gesellschaft sich einen bestimmten Zweig von der allgemeinen Ausbildung, überläßt die übrigen den Mitgliedern der Gesellschaft «nd erwartet, daß sie an dem Vorteil ihrer Bildung i h n werden Anteil nehmen lassen, so «le er an der seinigen sie Anteil nehmen läßt; und das ist der Ursprung und der Rechtsgrund der Verschiedenheit der Stände in der Gesellschaft." Dieses sind die Resultate meiner bisherigen Vorlesungen. Einer Einteilung der verschiedenen Stände nach reinen Vernunft­ begriffen, welche recht wohl möglich ist, müßte eine erschöpfte Auf­ zählung aller natürliche» Anlagen und Bedürfnisse des Menschen (nicht etwa seiner bloß erkünstelten Bedürfnisse) zum Grunde gelegt werden. — Der Kultur jeder Anlage — oder was das gleiche heißt — der Befriedigung jedes natürlichen, auf einen im Menschen ur­ sprünglich liegenden Trieb gegründeten Bedürfnisses, kann ein besonderer Stand gewidmet werden. Wir behalten uns diese Unter­ suchung bis zu einer andern Zeit vor, um in gegenwärtiger Stunde eine uns näher liegende zu unternehmen. Wenn die Frage über die Vollkommenheit ober Unvollkommen­ heit einer nach obigen Grundsätzen eingerichteten Gesellschaft ent­ stünde — und jede Gesellschaft richtet sich durch die natürlichen Triebe des Menschen ohne alle Leitung nud völlig von selbst gerade so ein, wie aus unserer Untersuchung über den Ursprung der Gesellschaft erhellet — wenn, sage ich, jene Frage entstünde, so würde die Beant­ wortung derselben die Untersuchung folgender Frage voraussetzen: ist in der gegebenen Gesellschaft für die Entwicklung und Befrie­ digung aller Bedürfnisse, und zwar für die g l e i ch f ö r m i g e Entwicklung und Befriedigung aller, gesorgt? Wäre dafür ge­ sorgt, so wäre die Gesellschaft, als Gesellschaft, vollkommen, das heißt nicht, sie erreichte ihr Ziel, welches nach unsern ehemaligen Betrach­ tungen unmöglich ist; sondern sie wäre so eingerichtet, daß sie ihrem

Ziele sich notwendig immer mehr annähern müßte; wäre dafür nicht gesorgt, so könnte sie zwar wohl durch ein glückliches Ohngefähr auf dem Wege der Kultur weiter vorrücken; aber man könnte nie sicher darauf rechnen; sie könnte ebensowohl durch ein unglückliches Ohngefähr zurückkommen. — Die Sorge für diese gleichförmige Entwicklung aller Anlagen des Menschen setzt zuvörderst die Kenntnis seiner sämtlichen Anlagen, die Wissenschaft aller seiner Triebe und Bedürfnisse, die geschehene Ausmessung seines ganzen Wesens voraus. Aber diese vollständige Kenntnis des ganzen Menschen gründet sich selbst auf eine Anlage, welche entwickelt werben muß; denn es gibt allerdings einen Trieb im Menschen, zu w i sse n, «ad insbesondere dasjenige zu wissen, was ihm nottut. Die Entwicklung dieser Anlage aber erfordert alle Zeit und alle Kräfte eines Menschen; gibt es irgendein gemeinsames Bedürfnis, welches bringend erfordert, daß ein besonderer Stand feiner Befriedtguug sich widme, so ist es dieses. — Nun aber würde die bloße Kenntnis der Anlagen und Bedürfnisse des Menschen ohne die Wissenschaft, sie zu ent, wickeln und zu befriedigen, nicht nur eine höchst trau, rige und nteberschlageade, sie würde zugleich eine leere und völlig unnütze Kenntnis sein. — Derjenige handelt sehr «nfreundschaft, sich gegen mich, der mir meinen Mangel zeigt, ohne mir zugleich die Mittel zu zeigen, wie ich meinen Mangel ersetzen könne; der mich zum Gefühl meiner Bedürfnisse bringt, ohne mich in den Stand zu setzen, sie zu befriedigen. Hätte er mich lieber in meiner tierischen Unwissenheit gelassen!— Kurz, jene Kenntnis würde nicht diejenige Kenntnis sein, die die Gesellschaft verlangte, und um deren willen sie einen besonderen Stand, der in dem Besitze von Kenntnissen wäre, haben mußte; denn sie zweckte nicht ab auf Vervollkommnung des Geschlechts und vermittelst dieser Vervollkommnung auf Dereini, gung, wie sie doch sollte. — Mit jener Kenntnis der Bedürfnisse muß demnach zugleich die Kenntnis der M t t t e l vereinigt sein, wie sie befriediget werden können; und diese Kenntnis fällt mit Recht dem gleichen Stande anheim, weil keine ohne die andere vollständig, noch weniger tätig und lebendig werde» kann. Die Kenntnis der erstern Art gründet sich auf reine Vernunft, sätze und ist philosophisch; die von der zweiten zum Teil auf Erfahrung und ist insofern philosophisch,historisch (nicht bloß historisch; denn ich muß ja die Zwecke, die sich nur philo, sophisch erkennen lasse«, auf die in der Erfahrung gegebene« Gegen,

stände beziehen, um die letztem als Mittel zur Erreichung der erster» beurteilen zu können). — Diese Kenntnis soll der Gesellschaft nützlich werden; es ist demnach nicht bloß darum zu tun, überhaupt zu wissen, welche Anlagen der Mensch an sich habe, und durch welche Mittel überhaupt man dieselben entwickeln könne; eine solche Kenntnis würde noch immer gänzlich unfruchtbar bleiben. Sie muß noch einen Schritt weiter gehen, um den erwünschten Nutzen wirklich zu gewähren. Man muß wissen, auf welcher bestimm­ ten Stufe der Kultur diejenige Gesellschaft, deren Mitglied man ist, in einem bestimmten Zeitpunkte stehe, — welche bestimmte Stufe sie von dieser aus zu ersteigen und welcher Mittel sie sich dafür zu bedienen habe. Nun kann man allerdings aus Vernunftgründen, unter Voraussetzung einer Erfahrung überhaupt, vor aller bestimmtten Erfahrung vorher, den Gang des Menschengeschlechts berechnen; man kann die einzelnen Stufen ohngefähr angeben, über welche es schreiten muß, um bei einem bestimmten Grade der Bildung anzu­ langen; aber die Stufe angeben, auf welcher es in einem bestimmten Zeitpunkte wirklich stehe, das kann man schlechterdings nicht aus bloßen Dernunftsgründen; darüber muß man die Erfahrung be­ fragen; man muß die Begebenheit der Vorwelt — aber mit einem durch Philosophie geläuterten Blicke — erforschen; man muß seine Augen rund um sich herum richten und seine Zeitgenossen beob­ achten. Dieser letzte Teil der für die Gesellschaft notwendigen Kennt­ nis ist demnach bloß historisch. Oie drei angezeigten Arten der Erkenntnis, vereinigt gedacht — und außer der Vereinigung stiften sie nur geringen Nutzen — machen das aus, was man Gelehrsamkeit nennt oder wenigstens ausschließend nennen sollte; und derjenige, der sein Leben der Er­ werbung dieser Kenntnisse widmet, heißt ein Gelehrter. Eben nicht jeder einzelne muß nach jenen drei Arten der Erkenntnis den ganzen Umfang des menschlichen Wissens um­ fassen — das würde größtenteils unmöglich, und eben darum, weil es unmöglich ist, würde das Bestreben darnach fruchtlos sein und das ganze Leben eines Mitgliedes — das der Gesellschaft nützlich hätte werden können — ohne Gewinn für selbige ver­ schwenden. Einzelne mögen sich einzelne Teile jenes Gebiets ab­ stecken; aber jeder sollte seinen Teil nach jenen drei Ansichten: philosophisch, philosophisch-historisch und bloß historisch, bearbeiten.— Ich deute dadurch nur vorläufig an, was ich zu einer andern Zeit weiter ausführen werde; um vor der Hand wenigstens durch mein

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Zeugnis zu beteuern, daß das Studium einer gründlichen Philosophie die Erwerbung empirischer Kenntnisse, wenn sie nur gründlich sind, gar nicht überflüssig macht, sondern, daß sie vielmehr die Unentbehr­ lichkeit derselben am überzeugendsten dartut. — Der Zweck aller dieser Kenntnisse nun ist der oben angezeigte: vermittelst derselben zu sorgen, daß alle Anlagen der Menschheit gleichförmig, stets aber fortschreitend, sich entwickeln: und hieraus ergibt sich denn die wahre Bestimmung des Gelehrtenstandes: es ist die oberste Auf­ sicht über den wirklichen Fortgang des Men­ schengeschlechts im allgemeinen und die stete Beförderung dieses Fortgangs. — Ich tue mir Gewalt an, meine Herren, um von der erhabenen Idee, die jetzt aufgestellt ist, meine Empfindung noch nicht fortreißen zu lassen: der Weg der kalten Untersuchung ist noch nicht geendigt. Aber das muß ich doch im Vorbeigehen bemerklich machen, was diejenigen eigentlich tun würden, die den freien Fortgang der Wissenschaften zu hemmen suchten. Ich sage: tun w ü r d e n ; denn wie kann ich wissen, ob es dergleichen Leute gibt oder nicht? Von dem Fortgänge der Wissenschaften hängt unmittelbar der ganze Fortgang des Men­ schengeschlechts ab. Wer jenen aufhält, hält diesen auf. — Und wer diesen aufhält, — welchen Charakter stellt derselbe öffentlich vor sein Zeitalter und vor die Nachwelt hin? Lauter als durch tausend Stim­ men, durch Handlungen ruft er der Welt und der Nachwelt in die betäubten Ohren: die Menschen um mich herum sollen, wenigstens solange ich lebe, nicht weiser und besser werden; denn in ihrem gewaltsamen Fortgänge würde auch ich, trotz alles Widerstrebens, wenigstens in etwas mit fortgeriffen werden; und dies verabscheue ich; ich will nicht erleuchteter, ich will nicht edler werden: Finsternis und Verkehrtheit ist mein Element, und ich werde meine letzten Kräfte aufbieten, um mich nicht aus demselben verrücken zu lassen. — Alles kann die Menschheit entbehren; alles kann man ihr rauben, ohne ihrer wahren Würde zu nahe zu treten; nur nicht die Möglichkeit der Ver­ vollkommnung. Kalt und schlauer, als das menschenfeindliche Wesen, das uns die Bibel schildert, haben diese Menschenfeinde überlegt und berechnet und aus der heiligsten Tiefe herausgesucht, wo sie die Menschheit angreifen müßten, um dieselbe im Keime zu zerdrücken, und — sie haben es gefnnden.—Die Menschheit wendet unwillig von ihrem Bilde sich weg. — Wir gehen zu unsrer Untersuchung zurück.— Die Wissenschaft ist selbst ein Zweig der menschlichen Bildung; jeder Zweig derselben muß weiter gebracht werden, wenn alle

Anlagen der Menschheit weiter ausgebildet werden sollen; es kommt demnach jedem Gelehrten, so wie jedem Menschen, der einen besondern Stand gewählt hat, ju, daß er strebe, die Wissenschaft, und insbesondere den von ihm gewählten Teil der Wissenschaft weiter zu bringen; es kommt ihm zu, wie jedem Menschen in seinem Fache; ja es kommt ihm weit mehr zu. Er soll über die Fortschritte der üb­ rigen Stände wachen, fie befördern; und er selbst wollte nicht fort­ schreiten? Don seinem Fortschritte hängen die Fortschritte der menschlichen Bildung ab; er muß ihnen immer zuvor sein, um für sie den Weg zu bahnen und ihn zu untersuchen und sie auf den­ selben zu leiten; und er wollte zurückbleiben? Don dem Augenblicke an hörte er auf zu sein, was er sein sollte; und da er nichts anders wäre, so wäre er gar nichts. — Ich sage nicht, daß jeder Gelehrter sein Fach wirklich weiter bringen müsse. Wenn er nun nicht kann? Aber ich sage, daß er streben müsse, es weiter zu bringen; daß er nicht ruhen, — nicht glauben müsse, seiner Pflicht Genüge getan zu haben, bis er es weiter gebracht hat. So lange er lebt, könnte er doch immer noch es weiter bringen; übereilt ihn der Tod, ehe er seinen Zweck erreicht hat: nun wohl, so ist er für diese Welt der Erscheinungen seiner Pflichten entbunden und sein ernster Wille wird ihm für Erfüllung angerechnet. Gilt folgende Regel für alle Menschen, so gilt sie ganz besonders für den Gelehrten: der Gelehrte vergesse, was er getan hat, sobald es getan ist, und denke stets nur auf das, was er noch zu tun hat. Der ist noch nicht weit gekommen, für de» sich sein Feld nicht bei jedem Schritte, den er in demselben tut, erweitert. Der Gelehrte ist ganz vorzüglich für die Gesellschaft bestimmt: er ist, insofern er Gelehrter ist, mehr als irgendein Stand ganz eigent­ lich nnr durch die Gesellschaft und für die Gesellschaft da; er hat dem­ nach ganz besonders die Pflicht, die gesellschaftlichen Talente, Emp­ fänglichkeit und Mitteilungsfertigkeit, vor­ züglich und in dem höchstmöglichen Grade in sich auszubilden. Die Empfänglichkeit sollte in ihm, wenn er auf die gehörige Art sich die gehörigen empirischen Kenntnisse erworben hat, schon vorzüglich ausgebildet sein. Er soll bekannt sein mit demjenigen in seiner Wis­ senschaft, was schon vor ihm da war: das kann er nicht anders als durch Unterricht — sei es nun mündlicher oder Bücherunterricht — gelernt, nicht aber durch Nachdenken aus bloßen Vernunftgründen entwickelt haben. Aber er soll durch stetes Hinzulernen sich diese Empfänglichkeit erhalten; und sich vor der oft und bisweilen be-

vorzüglichen Selbstdenkern vorkommenden gänzlichen Verschlossen­ heit vor fremden Meinungen und Darstellungsarten zu verwahren suchen; denn niemand ist so unterrichtet, daß er nicht immer noch hivzulernen könnte und bisweilen noch etwas sehr Nötiges zu lernen hätte; und selten ist jemand so unwissend, daß er nicht selbst dem Gelehrtesten etwas sollte sagen können, was derselbe nicht weiß. Der Mitteilungsfertigkeit bedarf der Gelehrte immer; denn er besitzt seine Kenntnis nicht für sich selbst, sondern für die Gesellschaft. Diese hat er von Jugend auf zu üben, sie hat er in steter Tätig­ keit zu erhalten, — d u r ch welche Mittel, werden wir zu sei­ ner Zeit untersuchen. Seine für die Gesellschaft erworbene Kenntnis soll er nun wirklich zum Nutzen der Gesellschaft anwenden; er soll die Menschen zum Gefühl ihrer wahren Bedürfnisse bringen und sie mit den Mitteln ihrer Befriedigung bekannt machen. Das heißt nun aber nicht, er soll sich mit ihnen in die tiefen Untersuchungen einlassen, die er selbst unternehmen mußte, um etwas Gewisses und Sicheres zu finden. Dann ginge er darauf aus, alle Menschen zu so großen Ge­ lehrten zu machen, als er etwa selbst sein mag; und das ist unmöglich und zweckwidrig. Das übrige muß auch getan werden; und dazu sind andere Stände; und wenn diese ihre Zeit gelehrten Unter­ suchungen widmen sollten, so würden auch die Gelehrten bald auf­ hören müssen. Gelehrte zu sein. Wie kann und soll er denn seine Kennt­ nisse verbreiten? Die Gesellschaft könnte ohne Zutrauen auf die Red­ lichkeit und Geschicklichkeit anderer nicht bestehen, und dieses Zu­ trauen ist demnach tiefin unser Herz geprägt; und wir haben es durch eine besondere Wohltat der Natur nie in einem höhern Grade als da, wo wir der Redlichkeit und Geschicklichkeit des andern am dringend­ sten bedürfen. Er darf auf dieses Vertrauen zu seiner Redlichkeit und Geschicklichkeit rechnen, wenn er es sich erworben hat, wie er soll. — Ferner ist in allen Menschen ein Gefühl des Wahren, welches freilich allein nicht hinreicht, sondern entwickelt, geprüft, geläutert werden muß; und das eben ist die Aufgabe des Gelehrten. Es würde dem Ungelehrten nicht hinreichen, um ihn auf alle Wahrheiten zu führen, deren er bedürfte; aber wenn es nur sonst — und das ge­ schieht oft gerade durch Leute, die sich zu den Gelehrten zählen, — wenn es nur sonst nicht etwa künstlich verfälscht worden ist, wird es immer hinreichen, daß er die Wahrheit, wenn ein anderer ihn darauf hinführt, auch ohne tiefe Gründe für Wahrheit anerkenne. — Auf dieses Wahrheitsgefühl darf der Gelehrte gleichfalls rechnen. —

Also der Gelehrte ist, insoweit wir den Begriff desselben bis jetzt entwickelt haben, seiner Bestimmung nach der Lehrer des Menschengeschlechts. Aber er hat die Menschen nicht nur im allgemeinen mit ihren Bedürfnissen und den Mitteln, dieselben ju befriedigen, bekannt zu machen: er hat ste insbesondere zu jeder Zeit und an jedem Orte auf die eben jetzt, unter diesen bestimmten Umständen, eintretenden Bedürfnisse und auf die bestimmten Mittel, die jetzt aufgegebenen Zwecke zu erreichen, zu leiten. Er steht nicht bloß das Gegenwärtige, er sieht auch das Künftige; er sieht nicht bloß den jetzigen Standpunkt, er sieht auch, wohin das Menschengeschlecht nunmehr schreiten muß, wenn es auf dem Wege zu seinem letzten Ziele bleiben und nicht von demselben abirren, oder auf ihm zurückgehen soll. Er kann nicht verlangen, es auf einmal bis zu dem Punkte fortzureißen, der etwa ihm in die Augen strahlt; es kann seinen Weg nicht überspringen: er hat nur zu sorgen, daß es nicht stille stehe und daß es nicht zurück­ gehe. In dieser Rücksicht ist der Gelehrte der E r z i e h e r der Mensch­ heit. — Ich merke hiebei ausdrücklich an, daß der Gelehrte bei diesem Geschäft so wie bei allen seinen Geschäften unter dem Gebiete des Sittengesetzes, der gebotenen Übereinstimmung mit sich selbst, stehe. Er wirkt auf die Gesellschaft; diese gründet sich auf den Begriff der Freiheit; sie und jedes Mitglied derselben ist frei; und er darf sie nicht anders behandeln, als durch moralische Mittel. Der Gelehrte wird nicht in die Versuchung kommen, die Menschen durch Zwangs­ mittel, durch Gebrauch physischer Gewalt, zur Annahme seiner Überzeugungen zu bringen; gegen diese Torheit sollte man doch in unserm Zeitalter kein Wort mehr zu verlieren haben; aber er soll sie auch nicht täuschen. Abgerechnet, daß er dadurch sich an sich selbst vergeht, und daß die Pflichten des Menschen in jedem Falle höher sein würden als die Pflichten des Gelehrten, vergeht er dadurch sich zugleich gegen die Gesellschaft. Jedes Individuum in derselben soll aus freier Wahl und aus einer von ihm selbst hinlänglich beurteilten Überzeugung handeln; es soll sich selbst bei jeder seiner Handlungen als Mitzweck betrachten können und als solcher von jedem Mitglied behandelt werden. Wer getäuscht wird, wird als bloßes Mittel behandelt. Der letzte Zweck jedes einzelnen Menschen sowohl als der ganzen Gelsellschaft, mithin auch aller Arbeiten des Gelehrten an der Gesellschaft, ist sittliche Veredlung des ganzen Menschen. Es ist die Pflicht des Gelehrten, diesen letzten Zweck immer aufzustellen.

und ihn bei allem, was er in der Gesellschaft tut, vor Augen ju haben. Niemand aber kann mit Glück an sittlicher Veredlung arbeiten, der nicht selbst ein guter Mensch ist. Wir lehren nicht bloß durch Worte; wir lehren auch weit eindringender durch unser Beispiel; und jeder, der in der Gesellschaft lebt, ist ihr ein gutes Beispiel schuldig, weil die Kraft des Beispiels erst durch unser Leben in der Gesellschaft entsteht. Wieviel mehr ist der Gelehrte dies schuldig, der in allen Stücken der Kultur den übrigen Ständen zuvor sein sollt Ist er in dem ersten und höchsten, demjenigen, was auf alle Kultur abjweckt, zurück, wie kann er Muster sein, das er doch sein soll; und wie kann er glauben, daß die andern seinen Lehren folgen werden, denen er vor aller Augen durch jede Handlung seines Lebens widerspricht? (Die Worte, die der Stifter der christlichen Religion an seine Schüler richtete, gelten ganz eigentlich für den Gelehrten: Ihr seid das Salz der Erde; wenn das Salz seine Kraft verliekt, womit soll man salzen? Wenn die Auswahl unter den Menschen ver­ dorben ist, wo soll man noch fittliche Güter suchen?) Also der Gelehrte in der letzten Rücksicht betrachtet soll der si t t l i ch beste Mensch seines Zeitalters sein: er soll die höchste Stufe der bis auf ihn möglichen sittlichen Ausbildung in sich darstellen. Dies ist unsre gemeinschaftliche Bestimmung, meine Herren, dies unser gemeinschaftliches Schicksal. Ein glückliches Schicksal, noch durch seinen besonderen Beruf bestimmt zu sein, dasjenige zu tun, was man schon um seines allgemeinen Berufs willen, als Mensch, tun müßte; seine Zeit und seine Kräfte auf nichts wenden zu sollen als darauf, wozu man sich sonst Zeit und Kraft mit kluger Kargheit absparen müßte; zur Arbeit, zum Geschäfte, zum einzigen Tage­ werk seines Lebens zu haben, was andern süße Erholung von der Arbeit sein würde! Es ist ein stärkender, seelenerhebender Gedanke, den jeder unter Ihnen haben kann, welcher seiner Bestimmung wert ist: auch mir an meinem Teile ist die Kultur meines Zeitalters und der folgenden Zeitalter anvertraut; auch aus meinen Arbeiten wird sich der Gang der künftigen Geschlechter, die Weltgeschichte der Nationen, die noch werden sollen, entwickeln. Ich bin dazu berufen, der Wahrheit Zeugnis zu geben; an meinem Leben und an meinen Schicksalen liegt nichts; an den Wirkungen meines Lebens liegt un­ endlich viel. Ich bin ein Priester der Wahrheit; ich bin in ihrem Solde; ich habe mich verbindlich gemacht, alles für sie zu tun und zu wagen und zu leiben. Wenn ich um ihrer willen verfolgt und gehaßt werden, wenn ich in ihrem Dienste gar sterben sollte: was tät' ich dann

Sonderliches, was tät' ich bann weiter, als das, was ich schlechthin tun müßte? — Ich weiß es, meine Herren, wieviel ich jetzt gesagt habe; ich weiß es ebensogut, baß ein entmanntes und nervenloses Zeitalter diese Empfindung und diesen Ausdruck derselben nicht erträgt; daß es alles dasjenige, wozu es sich nicht selbst ju erheben vermag, mit schüchterner Stimme, durch welche die innere Scham sich verrät, Schwärmerei nennt, daß es mit Angst seine Augen von einem Ge­ mälde jurückreißt, in welchem es nichts sieht, als seine Entnervung und seine Schande; daß alles Starke und Erhebende einen solchen Eindruck auf dasselbe macht, wie jede Berührung auf den an allen Gliedern Gelähmten: ich weiß das alles; aber ich weiß auch, wo ich rede. Ich rede vor jungen Männern, die schon durch ihre Jahre vor dieser gänzlichen Nervenlosigkeit gesichert sind, und ich möchte neben und vermittelst einer männlichen Sittenlehre zugleich Empfindungen in ihre Seele senken, die sie auch in Zukunft vor derselben bewahren könnten. Ich gestehe es freimütig, daß ich eben von diesem Punkte aus, auf den die Vorsehung mich stellte, etwas beitragen möchte, um eine männlichere Denkungsart, ein stärkeres Gefühl für Erhabenheit und Würde, einen feuriger» Eifer, seine Bestimmung auf jede Ge­ fahr zu erfüllen, nach allen Richtungen hin, soweit die deutsche Sprache reicht, und weiter, wenn ich könnte, zu verbreiten; damit ich einst, wenn Sie diese Gegenden werden verlassen und sich nach allen Enden werden verstreuet haben, in Ihnen an allen Enden, wo Sie leben werden, Männer wüßte, deren auserwählte Freundin die Wahr­ heit ist; die an ihr hangen im Leben und im Tode; die sie aufnehmen, wenn sie von aller Welt ausgestoßen ist; die ste öffentlich in Schutz nehmen, wenn sie verleumdet und verlästert wird; die für sie den schlau versteckten Haß des Großen, das fade Lächeln des Aberwitzes, und das bemitleidende Achselzucken des Kleinfinns freudig ertragen. In dieser Absicht habe ich gesagt, was ich gesagt habe, und in dieser Endabsicht werde ich alles sagen, was ich unter Ihnen sagen werde. („Einige Vorlesungen über die Bestimmung beS Gelehrten". 1794. 4. Dorl.)

Zukunftsglaube. Auch schon in der bloßen Betrachtung der Welt, wie sie ist, abgesehen vom Gebote, äußert sich in meinem Innern der Wunsch, das Sehnen, — nein, kein bloßes Sehnen, — die absolute Forde­ rung einer besseren Welt. Ich werfe einen Blick auf das gegenwärtige Verhältnis der Menschen gegeneinander selbst und gegen die Natur; auf die Schwäche ihrer Kraft, auf die Stärke ihrer Begierden und Leidenschaften. Es ertönt unwiderstehlich in meinem Innern: So kann es unmöglich bleiben sollen; es muß, o es muß alles anders und besser werden. Ich kann mir die gegenwärtige Lage der Menschheit schlechthin nicht denken als diejenige, bei der es nun bleiben könne; schlechthin nicht denken als ihre ganze und letzte Bestimmung. Dann wäre alles Traum und Täuschung; und es wäre nicht der Mühe wert, gelebt, und dieses stets wiederkehrende, auf nichts ausgehende, und nichts bedeutende Spiel mit getrieben zu haben. Nur inwiefern ich diesen Zustand betrachten darf als Mittel eines besseren, als Durchgangspunkt zu einem höheren und vollkommneren, erhält er Wert für mich; nicht um sein selbst, sondern um des Besseren willen, das er vorbereitet, kann ich ihn tragen, ihn achten und in ihm freudig das Meinige vollbringen. In dem Gegenwärtigen kann mein Gemüt nicht Platz fassen, noch einen Augenblick ruhen; unwiderstehlich wird es von ihm zurückgestoßen; nach dem Künftigen und Besseren strömt unaufhaltsam hin mein ganzes Leben. Ich äße nur und tränke, damit ich wiederum hungern und dürsten und essen und trinken könnte, so lange, bis das unter meinen Füßen eröffnete Grab mich verschlänge und ich selbst als Speise dem Boden entkeimte? Ich zeugte Wesen meinesgleichen, damit auch sie essen und trinken und sterben und Wesen ihres­ gleichen hinterlassen könnten, die dasselbe tun werden, was ich schon tat? Wozu dieser unablässig in sich selbst zurückkehrende Zirkel, dieses immer von neuem auf dieselbe Weise wieder angehende Spiel, in welchem alles wird, um zu vergehen, und vergeht, um nur wieder werben zu können, wie es schon war; dieses Ungeheuer, unaufhörlich sich selbst verschlingend, damit es sich wiederum ge­ bären könne, sich gebärend, damit es sich wiederum verschlingen könne?

Nimmermehr kann dies die Bestimmung sein meines Seins, und alles Seins. Es muß etwas geben, das da ist, weil es geworden ist; und nun bleibt, und nimmer wieder werden kann, nachdem es einmal geworden ist; und dieses Bleibende muß im Wechsel des Vergänglichen stch erzeugen und in ihm fortdauern und unver­ sehrt fortgetragen werden auf den Wogen der Zeit. Noch erringet mit Mühe unser Geschlecht seinen Unterhalt und seine Fortdauer von der widerstrebenden Natur. Noch ist die größere Hälfte der Menschen ihr Leben hindurch unter harte Arbeit gebeugt, um stch und der kleinen Hälfte, die für sie denkt, Nahrung zu verschaffen; sind unsterbliche Geister genötigt, alles ihr Dichten und Trachten, und ihre ganze Anstrengung auf den Boden zu heften, der ihre Nahrung trägt. Noch ereignet es sich oft, daß, wenn nun der Arbeiter vollendet hat und für seine Mühe sich seine und seiner Mühe Fortdauer verspricht, eine feindselige Witterung in einem Augenblicke zerstört, was er jahrelang langsam und wohlbedächtig vorbereitete, und den fleißigen und sorgfältigen Mann, unverschuldet, dem Hunger und dem Elende preisgibt; noch immer oft genug, daß Wasserfluten, Sturmwinde, Vulkane ganze Länder verheeren, und Werke, die das Gepräge eines vernünftigen Geistes tragen, mit ihren Werkmeistern zugleich dem wilden Chaos des Todes und der Zerstörung vermischen. Noch raffen Krankheiten die Men­ schen ins »»zeitige Grab, Männer in der Blüte ihrer Kräfte, und Kinder, deren Dasein ohne Frucht und Folge vorübergeht; noch ziehen Seuchen durch blühende Staaten, lassen die wenigen, die ihnen entgehen, verwaist und des gewohnten Beistandes ihrer Ge­ nossen beraubt, einsam dastehen und tun alles, was an ihnen ist, um das Land der Wildnis zurückzugeben, welches der Fleiß der Men­ schen sich schon zum Eigentums errungen hatte. — So ist es: so kann es nicht immerdar bleiben sollen. Kein Werk, das das Gepräge der Vernunft trägt und unternommen wurde, um die Macht der Vernunft zu erweitern, kann rein verloren sein im Fortgänge der Zeiten. Die Opfer, welche die unregelmäßige Gewalttätigkeit der Natur von der Vernunft zieht, müssen jene Gewalttätigkeit wenigstens ermüden, ausfüllen und versöhnen. Die Kraft, welche außer der Regel geschadet hat, kann es auf diese Weise nicht mehr sollen, sie kann nicht bestimmt sein, sich zu erneuern, sie muß durch Einen Ausbruch von nun an auf ewig verbraucht sein. Alle jene Ausbrüche der rohen Gewalt, vor welchen die menschliche Macht in Nichts verschwindet, jene verwüstenden Orkane, jene Erdbeben,

jene Vulkane können nichts anderes sein denn das letzte Sträuben der wilden Masse gegen de» gesetzmäßig fortschreitenden, belebenden und jweckmäßigen Gang, zu welchem sie ihrem eigenen Triebe zu­ wider gezwungen wird — nichts denn die letzten erschütternden Streiche der sich erst vollendenden Ausbildung unseres Erdballes. Jener Widerstand muß allmählich schwächer, und endlich erschöpft werden, da in -em gesetzmäßigen Gange nichts liege» kann, das seine Kraft erneuere; jene Ausbildung muß endlich vollendet, und das uns bestimmte Wohnhaus fertig werden. Die Natur muß allmählich in die Lage eiatreten, daß sich auf ihren gleichmäßigen Schritt sicher rechnen und zählen lasse, und daß ihre Kraft unverrückt ein bestimmtes Verhältnis mit der Macht halte, die bestimmt ist, sie zu beherrschen, — mit -er menschlichen. — Inwiefern dieses Verhältnis schon ist und die zweckmäßige Ausbildung der Natur schon festen Fuß gewonnen hat, soll das Menschenwerk selbst, durch sein bloßes Dasein und durch seine von der Absicht seines Werkmeisters unabhängigen Wirkungen, wiederum in die Natur eingreifen, und ein neues belebendes Prinzip in ihr darstellen. Angebaute Länder sollen den trägen und feindseligen Dunstkreis der ewigen Wälder, der Wüsteneien, der Sümpfe beleben und mildern; geordneter und mannigfaltiger Anbau soll rund um sich her neuen Lebens- und Befruchtungs-Trieb in die Lüfte verbreiten, und die Sonne soll ihre belebendsten Strahlen in diejenige Atmo­ sphäre ausströmen, in welcher ein gesundes, arbeitsames und kunst­ reiches Volk atmet. — Im Andrange der Not zuerst geweckt, soll späterhin besonnener und ruhig die Wissenschaft eindringen in die unverrückbaren Gesetze der Natur, die ganze Gewalt dieser Natur übersehen und ihre möglichen Entwicklungen berechnen lernen; soll eine neue Natur im Begriffe sich bilden und an die lebendige und tätige eng sich anschmkegen und auf dem Fuße ihr folgen. Und jede Erkenntnis, welche die Vernunft der Natur abgerungen, soll aufbehalten werden im Laufe der Zeiten, und Grundlage neuer Erkenntnis werden für den gemeinsame» Verstand unseres Ge­ schlechts. So soll uns die Natur immer durchschaubarer und durch­ sichtiger werden bis in ihr geheimstes Innere und die erleuchtete und durch ihre Erfindungen bewaffnete menschliche Kraft soll ohne Mühe dieselbe beherrschen und die einmal gemachte Eroberung friedlich behaupten. Es soll allmählich keines größeren Aufwandes an mechanischer Arbeit bedürfen, als ihrer der menschliche Körper bedarf zu seiner Entwicklung, Ausblldung und Gesundheit; und

diese Arbeit soll aufhören, Last zu sein; — denn das vernünftige Wesen ist nicht zum Lastträger bestimmt. Aber es ist nicht die Natur, es ist die Freiheit selbst, die die meisten und die fürchterlichsten Unordnungen unter unserem Geschlechte verursacht; des Menschen grausamster Feind ist der Mensch. Noch durchirren gesetzlose Horben von Wilden ungeheure Wüsteneien; sie begegnen sich in der Wüste und werden einander zur festlichen Speise; oder, wo die Kultur die wilden Haufen endlich unter das Gesetz zu Völkern vereinigte, greifen die Völker einander an mit der Macht, die ihnen die Vereinigung gab und das Gesetz. Den Müh­ seligkeiten und dem Mangel trotzend durchziehen die Heere friedlich Wald und Feld; sie erblicken einander und der Anblick von ihres­ gleichen ist des Mordes Losung. Mit dem Höchsten, was der mensch­ liche Verstand ersonnen, ausgerüstet, durchschneiden die Kriegs­ flotte» den Ozean; durch Sturm und Wellen hindurch drängen sich Menschen, um auf der einsamen unwirtbaren Fläche Mensche» zu suchen; sie finden sie und trotzen der Wut der Elemente, um mit eigener Hand sie zu vertilgen. Im Innern der Staaten selbst, wo die Menschen zur Gleichheit unter dem Gesetze vereinigt zu sein scheinen, ist es großenteils noch immer Gewalt und List, was unter dem ehrwürdigen Namen des Gesetzes herrscht; hier wird der Krieg um so schändlicher geführt, weil er sich -nicht als Krieg an­ kündigt und dem Befehdeten sogar den Vorsatz raubt, sich gegen ungerechte Gewalt zu verteidigen. Kleinere Verbindungen freuen sich laut der Unwissenheit, der Torheit, des Lasters und des Elendes, in welche die größeren Haufen ihrer Mitbrüder versunken sind, machen es sich laut zum angelegensten Zwecke, sie darin zu erhalten, und sie tiefer hineinzustürzen, damit sie dieselben ewig zu Sklaven behalten; — und jeden zu verderben, der es wagen sollte, sie zu er­ leuchten und zu verbessern. Noch kann überall kein Vorsatz irgend­ einer Verbesserung gefaßt werben, der nicht ein Heer der mannig­ faltigsten selbstsüchtigen Zwecke aus ihrer Ruhe aufrege und zum Kriege reize; der nicht die verschiedensten und einander widersprechend­ sten Denkarten zum einmütigen Kampfe gegen sich verbinde. Das Gute ist immer das Schwächere, denn es ist einfach und kann nur um sein selbst willen geliebt werden; das Böse lockt jeden Einzelnen mit der Versprechung, die für ihn die verführendste ist, und die Ver­ kehrten, unter sich selbst im ewigen Kampfe, schließen Waffenstillstand, sobald das Gute sich blicken läßt, um diesem mit der vereinigten Kraft ihres Verderbens entgegenzugehe». Jedoch, kaum bedarf

es ihres Widerstandes; denn noch immer bekämpfen aus Miß­ verstand und Irrtum, aus Mißtrauen, aus geheimer Eigenliebe die Guten einander selbst, — oft um so heftiger, je ernstlicher jeder von seiner Seite, was er fürs Beste erkennt, durchzusetzen strebt; und reiben eine Kraft, die vereinigt kaum dem Bösen die Wage halten würde, im Streite gegeneinander selbst auf. Da tadelt einer den anderen, daß er mit stürmischer Ungeduld alles übereile und nicht erwarten könne, bis der gute Erfolg gehörig vorbereitet sei; während der andere diesen beschuldigt, daß er aus Zaghaftigkeit und Feigheit nichts ausführen, gegen seine bessere Überzeugung alles lassen wolle, wie es ist, und daß für ihn die Stunde des Handelns wohl nie anbrechen werde; und nur der Allwissende könnte sagen, ob einer, und welcher von beiden in diesem Streite recht habe. Da hält fast jeder das Geschäft, dessen Notwendigkeit ihm gerade am meisten ein­ leuchtet und zu dessen Ausführung er sich die meiste Fertigkeit erworben, für das wichtigste und angelegenste, für den Punkt, von welchem alle andere Verbesserung ausgehen müsse; fordert alle Guten auf, ihre Kräfte mit ihm zu vereinigen und sie ihm für die Ausführung seines Zweckes zu unterordnen, und hält es für Verrat an der guten Sache, wenn sie sich dessen weigern; indes die anderen von ihrer Seite dieselben Ansprüche an ihn machen, und ihn desselben Verrates beschuldigen, wenn e r sich weigert. So scheinen alle guten Vorsätze unter den Menschen in leere Bestrebungen zu verschwinden, die keine Spur ihres Daseins hinter sich lassen; indessen alles so gut oder so schlecht geht, als es ohne diese Bestrebungen durch den blinden Naturmechanismus gehen kann, und ewig fortgehen wird. * Ewig fortgehen wird? Nimmermehr; wenn nicht das ganze menschliche Dasein ein zweckloses und nichts bedeutendes Spiel ist. — Jene wilden Stämme können nicht immer wild bleiben sollen; es kann kein Geschlecht erzeugt sein mit allen Anlagen zur voll­ kommenen Menschheit, das da bestimmt wäre, diese Anlagen nie zu entwickeln, und nie mehr zu werden als das, wozu die Natur eines künstlicheren Tieres völlig hinreichte. Jene Wilden sind be­ stimmt, die Stammväter kräftiger, gebildeter und würdiger Gene­ rationen zu sein; außerdem ließe sich kein Zweck ihres Daseins denken, noch die Möglichkeit dieses Daseins in einer vernünftig eingerichteten Welt begreifen. Wilde Stämme können kultiviert werden, denn sie sind es schon geworden, und die kultiviertesten Völker der neuen Welt stammen selbst von Milden ab. Ob nun die Bildung unmittel-

bar aus der menschlichen Gesellschaft sich natürlich entwickle, oder ob sie immer durch Unterricht und Beispiel von außen kommen müsse und die erste Quelle aller menschlichen Kultur in einem übermensch­ lichen Unterrichte zu suchen sei: — auf demselben Wege, auf welchem die ehemaligen Wilden nunmehr zur Kultur gelangt sind, werden allmählich auch die gegenwärtigen sie erhalten. Sie werden allerdings durch dieselben Gefahren und Verderbnisse der ersten bloß sinnlichen Kultur hindurchgehen, von welchen gegenwärtig die gebildeten Völker gedrückt sind; aber sie werden dadurch denn doch in Vereinigung mit dem großen Ganzen der Menschheit treten und fähig werden, an -en wettern Fortschritten desselben Anteil zu nehmen. — Es ist die Bestimmung unseres Geschlechtes, sich zu einem einigen, in allen seinen Teilen durchgängig mit sich selbst bekannten und allenthalben auf die gleiche Weise ausgebildeten Körper zu vereinigen. Die Natur und selbst die Leidenschaften und Laster der Menschen haben von Anfang an gegen dieses Ziel hingetrieben; es ist schon ein großer Teil des Weges zu ihm zurückgelegt und es läßt sich sicher darauf rechnen, daß dasselbe, die Bedingung der weiteren gemeinschaftlichen Fortschritte, zu seiner Zeit erreicht sein werde. Befrage man doch die Geschichte nicht, ob die Menschen im ganzen rein sittlicher geworden! Zu ausgedehnter, umfassender, gewaltiger Willkür sind sie herangewachsen; aber beinahe wurde es notwendig durch ihre Lage, daß sie diese Willkür fast nur zum Bösen anwendeten. Befrage man sie ebensowenig, ob die auf einige wenige Punkte zusammengedrängte ästhetische Bildung und Ver­ standes-Kultur der Dorwelt nicht die der neueren Welt dem Grade nach übertroffen haben möchte! Es könnte kommen, daß man eine beschämende Antwort erhielte, und daß in dieser Rücksicht das Men­ schengeschlecht durch sein Alter nicht vorgerückt, sondern zurück­ gekommen zu sein schiene. Aber befrage man sie, diese Geschichte, in welchem Zeitpunkte die vorhandene Bildung am weitesten aus­ gebreitet und unter die mehrsten einzelnen verteilt gewesen; und man wird ohne Zweifel finden, daß vom Anfänge der Geschichte an bis auf unsere Tage die wenigen lichten Punkte der Kultur sich von ihrem Mittelpunkte aus erweitert und einen einzelnen nach dem anderen und ein Volk nach dem anderen ergriffen haben, und daß diese weitere Verbreitung der Bildung unter unseren Augen fortdauere. — Und dies war das erste Ziel der Menschheit auf ihrer unendlichen Bahn. Bis dieses erreicht, bis die vorhandene Bildung jedes Zeitalters über den ganzen bewohnten Erdball verteilt und 2Y

unser Geschlecht der uneingeschränkteste« Mitteilung mit sich selbst fähig ist, muß eine Nation die andere, ein Weltteil den anderen auf der gemeinschaftlichen Bahn erwarten und jeder dem allgemeine» Bunde, um dessen willen allein sie selbst da sind, seine Jahrhunderte des scheinbaren Stillstandes oder Rückganges zum Opfer bringen. Nachdem jenes erste Ziel erreicht sein wird, nachdem alles Nützliche, was an einem Ende der Erde gefunden worden, sogleich allen be­ kannt und mitgeteilt werden wird, dann wird ununterbrochen, ohne Stillstand und Rückgang, mit gemeinschaftlicher Kraft und mit einem Schritte die Menschheit zu einer Bildung 'sich erheben, für welche es uns an Begriffen mangelt. Im Innern jener sonderbaren Verbindungen, die das ver­ nunftlose Ohngefähr zusammengebracht und welche man Staaten nennt, erhält, nachdem sie nur eine Zeitlang ruhig bestanden haben, der gegen die noch neue Unterdrückung gereizte Widerstand erschlafft ist und die Gärung der verschiedenen Kräfte sich gesetzt hat, — der Mißbrauch durch seine Fortdauer und durch die allgemeine Duldung eine Art von fester Form, und die herrschenden Stände, im un­ bestrittenen Genusse ihrer errungenen Vorrechte, haben nichts mehr zu tun, als dieselben zu erweitern und auch der Erweiterung dieselbe feste Form zu geben. Durch ihre Unersättlichkeit getrieben, werden sie dieselben von Geschlecht zu Geschlecht erweitern und nimmer sagen: Hier isss genug; bis endlich die Unterdrückung das höchste Maß erreicht hat und völlig unerträglich geworden ist, und die Unterdrückten von der Verzweiflung die Kraft zurückerhalten werden, die ihnen ihr schon seit Jahrhunderten ausgetUgter Mut nicht geben konnte. Sie werden dann nicht länger irgendeinen unter sich dulden, der sich nicht begnügt, allen gleich zu sein und zu bleiben. Um vor gegenseitiger Gewalttätigkeit untereinander selbst und vor neuer Unterdrückung sich zu schützen, werden sie alle unter­ einander sich die gleichen Verbindlichkeiten auflegen. Ihre Verab­ redungen, in welchen jeder über sich selbst beschließt, was er beschließt, und nicht über einen Untergebenen, dessen Leiden ihm selbst nie weh tun und dessen Schicksal ihn selbst nie treffen wird: diese Verab­ redungen, nach denen keiner hoffen kann, daß e r es sein werde, der die verstattete Ungerechtigkeit ausüben, sondern jeder befürchten muß, daß er sie erdulden werde, — diese Verabredungen, welche allein den Namen einer Gesetzgebung verdienen, die ganz etwas anderes ist als jene Verordnungen der verbündeten Herren an die zahllosen Herden ihrer Sklaven, diese Verabredungen werden

notwendig gerecht sein und einen wahren Staat begründen, in welchem jeder einzelne durch die Sorge für seine eigene Sicherheit unwiderstehlich gezwungen wird, die Sicherheit aller anderen ohne Ausnahme zu schonen, da, zufolge der getroffenen Einrichtung, jede Beschädigung, die er dem andern zufügen will, nicht den andern trifft, sondern unfehlbar auf ihn selbst zurückfällt. Durch die Errichtung dieses einigen wahren Staates, diese feste Begründung des innerlichen Friedens, ist zugleich der aus­ wärtige Krieg, wenigstens mit wahren Staaten, seiner Möglichkeit nach abgeschnitten. Schon um seines eigenen Vorteils willen, schon um in seinem eigenen Bürger keinen Gedanken an Unrecht, Raub und Gewalttätigkeit aufkommen und ihm keine Möglichkeit des Gewinnes übrig zu lassen außer durch Fleiß und Arbeitsam­ keit in der vom Gesetze angewiesenen Sphäre, muß jeder Staat die Verletzung eines Bürgers des benachbarten Staates ebenso streng verbieten, so sorgfältig verhindern, so genau ersetzen lassen und so hart bestrafen, als ob sie an dem eigenen Mitbürger ausgeübt wäre. Dieses Gesetz über die Sicherheit der Nachbar» ist notwendiges Gesetz jedes Staates, der kein Räuberstaat ist. Und hierdurch ist dann die Möglichkeit jeder gerechten Klage eines Staates gegen den anderen und jeder Fall der Notwehr unter den Völkern völlig auf­ gehoben. Es gibt nicht notwendig und fortdauernd unmittelbare Verhältnisse der Staaten als solcher zueinander, über die ste in Streit geraten könnten; es gibt in der Regel nur Beziehungen der einzelnen Mitbürger eines Staates auf die einzelnen Mitbürger des anderen; nur in der Person eines seiner Bürger könnte ein Staat verletzt werden; aber diese Verletzung wird auf der Stelle ersetzt und so der beleidigte Staat befriedigt. — Es gibt zwischen solchen Staaten keinen Rang, der da beleidigt, keinen Ehrgeiz, der da ver­ letzt werden könnte; zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates ist kein Beamter bevollmächtigt, noch kann er dazu versucht werden, indem ihm für seine Person nicht der geringste Vorteil aus einem solchen Einflüsse entstehen könnte. Daß eine ganze Nation beschließen solle, des Raubes halber ein benachbartes Land mit Kriege zu überziehen, ist unmöglich, indem in einem Staate, in welchem alle gleich find, der Raub nicht die Beute einiger wenigen werden, sondern unter alle fich gleich verteilen müßte, dieser Anteil des einzelnen aber ihm nimmermehr die Mühe des Krieges lohnen würde. Nur da, wo der Vortell den wenigen Unter­ drückern zuteil wird, der Nachteil aber, die Mühe, die Kosten, auf das

zahllose Heer der Sklaven fällt, ist ein Raubkrieg möglich und be­ greiflich. — Nicht von Staaten ihresgleichen könnten diese Staaten Krieg zu befürchten haben; lediglich von Wilden oder Barbaren, die die Ungeschicklichkeit, durch Arbeit sich zu bereichern, zum Raube reizte, oder von Sklavenvölkern, die durch ihre Herren auf einen Raub ausgetrieben würden, von welchem sie selbst nie etwas ge­ nießen werden. Gegen die ersteren ist ohne Zweifel schon jeder einzelne Staat durch die Künste der Kultur der stärkere, gegen die letzteren durch Verbindung sich zu stärken, heischt der gemeinsame Vorteil aller. Kein freier Staat kann Verfassungen, deren Ober­ herren Vorteile davon haben, wenn sie benachbarte Völker unter­ jochen, und die daher durch ihr bloßes Dasein die Ruhe der Nachbarn unaufhörlich bedrohen, vernünftigerweise neben sich dulden; die Sorge für ihre eigene Sicherheit nötigt alle freie Staaten, alles um sich herum gleichfalls in freie Staaten umzuschaffen, und so um ihres eigenen Wohles willen das Reich der Kultur über die Wilden, das der Freiheit über die Sklavenvölker rund um sich her zu verbreiten. Bald werden die durch sie gebildeten oder befreiten Völker mit ihren noch barbarischen oder sklavischen Nachbarn tu dieselbe Lage geraten, in welcher die früher freien vor kurzem noch mit ihnen selbst waren, und genötigt sein, dasselbe für diese zu tun, was soeben für sie geschah: und so wird denn, nachdem nur einige wahrhaft freie Staaten entstan­ den, notwendig das Gebiet der Kultur und der Freiheit, und mit ihm des allgemeinen Friedens, allmählich den ganzen Erdball umschlingen. So erfolgt notwendig aus der Errichtung einer rechtlichen Verfassung im Innern und aus der Befestigung des Friedens zwischen den einzelnen Rechtlichkeit im äußeren Verhältnisse der Völker gegeneinander und allgemeiner Friede der Staaten. Jene Errichtung einer rechtlichen Verfassung im Innern aber und die Befreiung des ersten Volkes, das da wahrhaftig frei wird, erfolgt notwendig aus dem stets wachsenden Drucke der herrschenden Stände auf die beherrschten, so lange, bis er unleidlich wird; — ein Fortschritt, welchen man den Leidenschaften und der Verblendung jener Stände, auch wenn sie gewarnt werden, sehr ruhig überlassen kann. In diesem einzig wahren Staate wird überhaupt alle Ver­ suchung zum Bösen, ja sogar die Möglichkeit, vernünftigerweise eine böse Handlung zu beschließen, rein abgeschnitten sein und es wird dem Menschen so nahe gelegt werden, als es ihm gelegt werden kann, seinen Willen auf das Gute zu richten. Es ist kein Mensch, der das Böse liebe, weil es böse ist; er liebt

in ihm nur die Vorteile und Genüsse, die es ihm verheißt und die es ihm in der gegenwärtigen Lage der Menschheit mehrenteils wirklich gewährt. Solange diese Lage fortdauert, solange ein Preis auf das Laster gesetzt ist, ist eine gründliche Verbesserung der Men, schen im ganjen kaum j» hoffe«. Aber in einer bürgerlichen Der, faffuag, wie sie sein soll, wie sie durch die Vernunft gefordert wird, wie der Denker leicht sie beschreibt, ohnerachtet er bis jetzt sie nirgends findet, und wie ste sich unter dem ersten Volke, das sich wahrhaftig befreit, notwendig bilden wird, — in einer solchen Verfassung zeigt das Böse keine Vorteile, sondern vielmehr die sichersten Nachteile, und durch die bloße Selbstliebe wird die Ausschweifung der Selbst, liebe in ungerechte Handlungen unterdrückt. Nach der untrüglichen Einrichtung in einem solchen Staate ist jede Devorteilung und Unter, drückung des anderen, jede Vergrößerung auf desselben Kosten nicht nur sicher vergeblich und alle Mühe dabei verloren, sondern sie kehrt sich sogar gegen ihren Urheber; und ihn selbst trifft unaus, bleiblich Las Übel, das er dem anderen zufügen wollte. In seinem Staate, außer seinem Staate, auf dem ganzen Erdboden trifft er keinen, den er ungestraft beleidigen könne. Aber es ist nicht zu erwarten, daß jemand Böses beschließen werde, bloß um Böses zu beschließen, ohnerachtet er es nie ausführa kann und nichts daraus erfolgt als sein eigener Schade. Der Gebrauch der Freiheit zum Bösen ist aufgehoben; der Mensch muß sich entschließen, diese seine Freiheit entweder gänzlich aufzugeben und geduldig ein leidendes Rad in der großen Maschine des Ganzen zu werden oder dieselbe auf das Gute zu wenden. Und so wird dann auf dem so vorbereiteten Boden leicht das Gute gedeihen. Nachdem keine selbstsüchtigen Absichten mehr die Menschen zu teilen und ihre Kräfte im Kampfe untereinander selbst aufzureiben vermögen, bleibt ihnen nichts übrig, als ihre vereinigte Macht gegen den einigen gemeinschaftlichen Gegner zu richten, der ihnen noch übrig ist, die widerstrebende, ungebildete Natur; nicht mehr getrennt durch Privatzwecke, verbinden sie sich notwendig zu dem einigen, gemeinsamen Zwecke und es entsteht ein Körper, den allenthalben derselbe Geist und dieselbe Liebe belebt. Jeder Nachtell des einzelnen ist nun, da er nicht mehr Vorteil für irgendeinen andern sein kann, Nachteil für das Ganze und für jedes einzelne Glied desselben und wird in jedem Gliede mit demselben Schmerze empfunden und mit derselben Tätigkeit ersetzt; jeden Fortschritt, den ein Mensch gemacht hat, hat die ganze menschliche Natur gemacht. Hier, wo

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das kleine, enge Selbst der Personen schon durch die Verfassung ver­ nichtet ist, liebt jeder jeden anderen wahrhaft als fich selbst, als Be­ standteil jenes großen Selbst, das allein für seine Liebe übrig bleibt und von dem auch er nichts mehr ist als ein bloßer Bestandteil, der nur mit dem Ganzen zugleich gewinnen oder verlieren kann. Hier ist der Widerstreit des Bösen gegen das Gute aufgehoben, denn es kann kein Böses mehr aufkommen. Der Streit der Guten untereinander selbst über das Gute verschwindet, nun es ihnen erleichtert ist, das Gute wahrhaft um sein selbst, nicht um ihrer selbst willen als der Urheber davon zu lieben; nun es ihnen nur noch darum zu tun sein kann, daß es geschehe, daß die Wahrheit gefunden, daß die nützliche Tat ausgeführt werde, nicht aber, durch w e n es ge­ schehe. Hier ist jeder immer in Bereitschaft, seine Kraft an die Kraft des anderen anzuschließen und fle der des anderen unterzuordnen; wer nach dem Urteile aller das Beste am besten ausführen wird, den werden alle unterstützen und des Gelingens mit gleicher Freude genießen. Dieses ist der Zweck unseres irdischen Lebens, -en uns die Ver­ nunft aufstellt und für dessen unfehlbare Erreichung sie bürgt. Es ist dies kein Ziel, »ach dem wir nur zu streben hätten, um unsere Kräfte an etwas Großem zu üben, dessen Wirklichkeit aber wir etwa aufgeben müßten: es soll, es muß wirklich werden, es muß in irgendeiner Zeit erreicht sein sollen dieses Ziel; so gewiß eine Sinnenwelt ist und ein vernünftiges Geschlecht in der Zeit, bet welchem außer jenem Zwecke sich gar nichts Ernsthaftes und Ver­ nünftiges denken läßt und dessen Dasein allein durch jenen Zweck begreiflich wird. Soll nicht das ganze menschliche Leben fich ver­ wandeln in ein Schauspiel für einen bösartigen Geist, der den Armen dieses unaustilgbare Streben nach dem Unvergänglichen etnpflanzte, bloß um fich an ihrem unaufhörlichen Ringen nach dem, was ste unaufhörlich flieht, an ihrem jedesmal wiederholten Haschen nach dem, was ihnen abermals entschlüpfen wird, an ihrem rast­ losen Herumtreiben im stets wiederkehrenden Kreise zu belustigen und ihres Ernstes beim abgeschmackten Possenspiel zu lachen; soll nicht der Weise, der dieses Spiel bald durchschauen und den es verdrieße» wird, seine Rolle in demselben fortzuführen, das Leben von fich werfen, und der Augenblick des Erwachens zur Vernunft der Augenblick des irdischen Todes werden: — so muß jener Zweck erreicht werden sollen. O, er ist erreichbar im Leben und durch Las Leben, denn die Vernunft gebietet mir zu leben; er ist er­ reichbar, denn — ich bin.

(„Bestimmung te# Menschen". 1800. 3. Buch.)

Von der Macht der Ideen. In der vorigen Stunde sagten wir: „Die Vernunft geht auf das eine Leben, das als Leben der Gattung erscheint. Wird die Vernunft aus dem menschlichen Lebe» hinweggenommen, so bleibt lediglich die Individualität und die Liebe derselben übrig". Sonach besteht das vernünftige Leben darin, daß die Person in der Gattung sich vergesse, ihr Leben an das Leben des Ganzen setze und es ihm aufopfere; das vernunftlose hingegen darin, daß die Person nichts denke denn sich selber, nichts liebe denn sich selber und in Bejtehung auf sich selber, und ihr ganzes Leben lediglich an ihr eigenes per­ sönliches Wohlsein setze: und falls das, was vernünftig ist, zugleich gut, und das, was vernunftwidrig ist, zugleich schlecht zu nennen sein dürfte, — so gibt es nur eine Tugend, die — sich selber als Person zu vergessen, und nur ein Laster, das — an sich selbst zu denken. Die soeben ausgesprochenen Worte sind genau zu nehmen, und nach der Strenge so zu verstehen, wie sie lauten. Die Mil­ derung, welche etwa hier versucht werden könnte, daß man nur nicht an sich allein, sondern an die anderen zugleich mit denken müsse, ist ganz dieselbe Sittenlehre, welche wir als die des dritten Zeitalters aufgestellt haben, nur daß sie hier noch obendrein in­ konsequent ist und sich zu verhüllen strebt, da, wo sie noch nicht alle Scham überwunden. Wer auch nur überhaupt an sich als Person denkt und irgendein Leben und Sein und irgendeinen Selbstgenuß begehrt außer in der Gattung und für die Gattung, der ist im Grund und Boden, mit welchen anderweitigen guten Werken er auch seine Mißgestalt zu verhüllen suche, dennoch nur ein gemeiner, kleiner, schlechter und dabei unseliger Mensch: dieses, also, wie wir es ausgedrückt haben, ist unsere Meinung, gegen welche auch wohl in alle Ewigkeit sich nichts Gründliches wird vorbringen lassen. Was dieses Geschlecht, seitdem es existiert, dagegen vorge­ bracht hat, und dagegen vorbringen wird, so lange es existieren wird, kommt zurück auf die dreiste Versicherung, daß der Mensch sich selbst vergessen gar nicht könne, und daß die persönliche Selbst­ liebe mit seiner Natur innigst verwachsen und unaustilgbar in

sie verwebt sei. Ich frage diese Versicherer, woher sie den« wissen, was der Mensch könne und was er nicht könne. Offenbar kann diese ihre Aussage durchaus auf nichts anderes sich gründen, als auf die Beobachtung ihrer selber; und es mag wohl wahr sein, daß sie für ihre Person, nachdem sie nun einmal sind, was sie sind, und wenn sie es bleiben wollen, sich selbst ju vergessen nie vermögen werden. Aber was berechtigt sie denn, das Maß ihres Vermögens oder Nichtvermögens jum allgemeinen Maßstabe des Vermögens der Gattung ju erheben? Wohl kann der Edle wissen, wie dem Unedlen zumute ist, denn wir alle werden im Egoismus erjeugt und geboren, und haben in ihm gelebt, und es kostet Kampf und Mühe, diese alte Natur in uns ju ertöten; keineswegs aber kann der Unedle wissen, wie dem Edlen jumute ist, indem er nie in dessen Welt gekommen, und durch sie den Durchgang gemacht hat, wie der Edle durch die setntge allerdings hindurch mußte. Der letztere umfaßt beide Welten, der erstere nur die eine, die ihn gefangen hält, so wie der Wachende allerdings im Wachen den Traum und der Sehende allerdings die Finsternis ju denken vermag, der Träumende aber im Traume keineswegs das Wachen, noch der Blindgeborene das Licht. Erst nachdem sie in der höheren Welt angelangt sein und in ihr Besitz genommen haben werden, werden sie können, was sie jetzt ju können leugnen, und werden vermittelst dieses Könnens zugleich wissen, daß der Mensch es könne. Darein also, daß das persönliche Leben gesetzt werde an das der Gattung, oder daß man sich selber vergesse in anderen, haben wir das rechte und vernunftmäßige Leben gesetzt. Sich vergessen in anderen — es versteht sich diese anderen gleichfalls nicht als Person, wo es doch immer bei der persönlichen Individualität bliebe, sondern als Gattung genommen. Verstehen Sie mich also: die Sympathie, die uns treibt, den persönlichen Schmerz anderer zu lindern und ihre Freude zu teilen und zu erhöhen, das Wohl­ wollen, das uns kettet an Freunde und Verwandte, die Liebe, die uns htnzieht zum Gatten und zu den Kindern, — alles dieses gar oft mit beträchtlichen Aufopferungen an eigener Bequemlichkeit, und an eigenem Vergnügen, ist der erste stille und geheime Zug des Dernunftinstinkts, um vorläufig nur den härtesten und gröbsten Egoismus zu brechen und die Entwicklung einer sich verbreitenden und umfassenden Liebe anzufangen. Doch geht diese Liebe immer nur auf individuelle Personen, weit entfernt, daß sie die Menschheit schlechthin ohne allen Unterschied der Personen und als Gattung,

umfassen sollte; und ohnerachtet sie allerdings den Vorhof des höheren Lebens ausmacht, und wohl keiner den Eintritt in dasselbe erhalte» dürfte, der nicht erst in diesem Gebiete der sanfteren Triebe die Weihe empfangen, so ist sie doch nicht selbst das höhere Leben. Dieses umfaßt eben die Gattung als Gattung. Das Leben der Gattung aber ist ausgedrückt in den Ideen: deren Grund­ charakter sowohl als die verschiedenen Arten derselben wir im Verlaufe dieser Vorträge sattsam werden kennen lernen. Die obige Formel: sein Leben an die Gattung setzen, läßt daher sich auch also aus, rücken: sein Leben an die Ideen setzen; denn die Ideen gehen eben auf die Gattung als solche und auf ihr Leben; und sonach besteht das vernunftmäßige und darum rechte gute und wahrhaftige Leben darin, daß man sich selbst in den Ideen vergesse, keinen Genuß suche noch kenne als den in ihnen und in der Aufopferung alles anderen Lebensgenusses für sie.... Alles Große und Gute, worauf unsere gegenwärtige Existenz sich stützt, und davon ausgeht, und unter dessen alleiniger Voraus, setzung unser Zeitalter sein Wesen treiben kann, wie es dasselbe treibt, ist lediglich dadurch wirklich geworden, daß edle und kräftige Menschen allen Lebensgenuß für Ideen aufgeopfert haben; und wir selber mit allem, was wir sind, sind das Resultat der Aufopferung aller früheren Generationen und besonders ihrer würdigsten Mit, glieder. Keineswegs aber gedenke ich diese Bemerkung also zu gebrauchen, baß ich Sie durch die Betrachtung des Nutzens, den jene Opfer Ihnen bringen, zur Toleranz gegen jene Vorgänger besteche; denn sodann würde ich in Ihnen gerade diejenige Denkart wiederum erregen und sie zu meinem gegenwärtigen Zwecke ge, brauchen, welche ich ganz aus der Welt vertilgen würde, falls ich es vermöchte: auch würde ich sodann die Antwort erwarten müssen: Gut für uns, daß jene Toren waren, die uns im Schweiße ihres Angesichts Schätze sammelten, welche wir genießen: wir werden, soviel an uns liegt, vor ähnlicher Torheit uns hüten; mögen die künftigen Generationen sehen, wie sie zurechtkommen werden, wenn wir nicht mehr leben: — und ich würde diese Antwort wenigstens als konsequent rühmen müssen. Ist es doch erlebt worden, daß bei Versuchen mit der Menschheit, welche, wenn sie nur sonst in der Ordnung einhergegangen wären, von dieser Seite keinen Tadel verdient hätten, man laut die Stimme erhoben und gefragt, ob es denn auch wohl recht sei, daß diegegenwärtige Generation den künftigen so große Opfer bringe; worauf man sich triumphierend um.

gesehen, als ob man etwas sehr Tiefsinniges und vor aller Gegen, rede Sicheres ausgesprochen hätte. Vielmehr möchte ich nur folgendes wissen: ob Sie eine solche Denk, und Handelsweise, ganz unab, hängig davon, ob Sie dieselbe klug finden, worüber dermalen kein Urteil begehrt wird, — nicht doch genötigt sind höchlichst zu respek­ tieren und zu bewundern. Werfen Sie mit mir einen Blick auf die uns umgebende Welt. Sie wissen, daß noch bis diesen Augenblick mehrere Striche des Erdbodens mit faulenden Morästen und undurchdringlichen Wal, düngen bedeckt daliegen, deren kalte und dumpfe Atmosphäre giftige Insekten erjeugt und verheerende Seuchen aushaucht, fast ganz jum Wohnhause anheimgefallen dem Wilde und den wenigen menschlichen Gestalten, welche La leben, bloß ein dumpfes und freudenloses Dasein ohne Freiheit, Geschicklichkeit und Würde, verstattend. Es ist aus der Geschichte bekannt, daß der Boden, den wir dermalen bewohnen, ehemals größtenteils dieselbe Gestalt trug. Jetzt sind die Moräste ausgetrocknet, und die Waldungen ausgehauen, verwandelt in fruchttragende Ebnen und Rebenhügel, welche die Lüfte reinigen, und sie mit belebenden Düften schwängern; den Flüssen sind ihre Betten angewiesen, und bauernde Brücken über sie gelegt; Dörfer und Städte sind dem Boden entstiegen, mit haltbaren bequemen und anständigen Wohnungen für die Menschen, und mit öffentlichen Gebäuden, welche schon Jahrhunderten trotzten, jum Gebrauche und zur Erhebung des Gemütes. Sie wissen, daß noch bis diesen Augenblick wilde Stämme ungeheure Wüsteneien durchstreifen, ihr kärgliches Leben mit unreinen und eckelhaften Nah, rungsmitteln, an denen es öfter gebricht, fristend; doch, wie sie aneinanderstoßen, sich bekriegend um diese dürftige Nahrung, und ihre ärmlichen Erwerbs- und Luxuswerkzeuge; erstreckend die Wut der Rache bis jum Verzehren des Mitmenschen. Es ist höchst wahr, scheinlich, daß wir insgesamt von dergleichen Stämmen Herkommen, wenigstens in einer der Generationen unsrer Vorväter durch diesen Zustand hindurchgegangen sind. Jetzt sind die Menschen aus den Wäldern versammelt und zu Massen vereinigt. Wie in der Wildnis jede Familie ihre mannigfaltigsten Bedürfnisse selber unmittelbar zu besorgen, zugleich die Erwerbswerkzeuge für jedes selber zu verfertigen hatte, mit mannigfaltigem Verluste an Zeit und vergeudeter Kraft, so sind die entstandenen Menschenmengen jetzt in Stände verteilt, deren jeder nur das Eine treibt, dessen Er, lernung und Übung er sein Leben gewidmet, versorgend darin alle

übrigen Stände, und versorgt von ihnen mit allen seinen übrigen Bedürfnissen; und so wird der Naturgewalt die möglichst größte gebildete und geordnete Masse von vereinigter Dernunftkraft gegenübergestellt. Ihrer Wut sich gegenseitig ju bekriegen und zu berauben, bieten Gesetze, und die Verwalter derselben, einen un­ durchdringlichen Damm; jeder Streit wird unblutig geschlichtet und die Lust des Verbrechens durch harte Strafen in das innerste Dunkel des Herzens zurückgeschreckt und so ist der innere Friede geboren und jeder bewegt stch sicher innerhalb der ihm angewiesenen Grenzen. Ansehnlichen Massen von Menschen, oft entsprungen aus sehr ungleich­ artigen Abstammungen, und vereinigt, man weiß kaum wie, stehen ebenso ansehnliche Massen, ebenso wunderbar vereinigt, gegenüber, und flößen, jede nicht recht bekannt mit der Kraft der anderen, stch gegenseitig Furcht ein, damit auch der äußere Friede von Zeit zu Zeit die Menschen beglücke, oder, wenn es zum Kriege kommt, selbst die überwiegende Macht an dem Widerstände der anderen gleich­ falls beträchtlichen ermatte und stch breche und statt der ins­ geheim immer beabsichtigten Vertilgung der Friede erfolge; und so hat selbst zwischen unabhängigen Völkern sich eine Art von Völker­ recht, und aus getrennte» Dolkshaufen eine Art von Völkerrepublik erzeugt. Sie wissen, wie noch bis jetzt den scheuen und mit sich selbst unbekannten Wilden jede Naturkraft einengt oder tötet. Uns ist durch die Wissenschaft unsere eigene geistige Natur aufgedeckt, und dadurch die äußere sinnliche Naturgewalt großenteils uns unterwor­ fen worden. Die Mechanik hat die schwache menschliche Kraft bei­ nahe ins unendliche vervielfältigt und fährt fort sie zu verviel­ fältigen. Die Chemie hat uns an mehreren Stellen in die geheime Werkstätte der Natur eingeführt und uns fähig gemacht, manches ihrer Wunder für unseren Zweck nachzutun und vor großen Beschä­ digungen durch sie uns zu schützen; die Astronomie hat den Himmel erobert und seine Bahnen gemessen. Sie wissen, und die gesamte Geschichte des Altertums sowie die Beschreibung der noch vorhande­ nen Wildlinge bezeugen es Ihnen, daß jene Völker, selbst die ge­ bildetsten unter ihnen nicht ausgenommen, entronnen den Schreck­ nissen der äußeren Natur und eingekehrt in die geheime Tiefe ihres Herzens, erst da das furchtbarste Schrecknis fanden: die Gottheit, als ihren Feind. Durch kriechende Demütigungen und Suppli­ kationen, durch Aufopferung dessen, was ihnen am liebsten war, durch freiwillig sich zugefügte Martern, durch Menschenopfer, durch das Blut des eingeborenen Sohnes, wenn es galt, suchten sie dieses

auf alles menschliche Wohlsein eifersüchtige Wesen zu bestechen, mit ihren unerwarteten Glücksfällen es auszusöhnen, sie ihm ab­ zubitten. Dies ist die Religion der alten Welt und der noch vorhandenen Wildlinge, und ich fordere jeden Geschichtsforscher auf, in diesem Gebiete eine andere nachzuweisen. Uns ist jenes Schreckbilb längst entschwunden und die Erlösung und Genugtuung, von der in einem gewissen System gesprochen wird, ist offenbare Tatsache, wir mögen nun daran glauben oder nicht, und sie ist um so mehr Tatsache, je weniger wir daran glauben wollen. Unser Zeitalter, weit entfernt die Gottheit zu scheuen, hat in seinen Repräsentanten dieselbe sogar zu ihrem Lustdiener bestallt. Wir unseres Orts, weit entfernt das­ selbe über diesen seinen Mangel an Gottesfurcht zu tadeln, rechnen denselben vielmehr unter seine Vorzüge: und nachdem sie nun ein­ mal zu dem rechten Genusse der Gottheit, sie zu lieben und in ihr zu leben und selig zu sein, nicht fähig sind, so mögen wir es ihnen wohl gönnen, daß sie dieselbe nicht fürchten. Mögen sie, wenn sie wollen, sich derselben ganz erledigen, oder mögen sie auch die­ selbe sich also verarbeiten, wie sie ihnen erfreulich werden kann. So wie ich zuerst sagte, E. V., war ehemals die Gestalt der Menschheit und ist es zum Teil noch; so wie ich zuletzt sagte, ist jetzo wenigstens unter uns ihre Gestalt. Wie und durch wen, und auf welcherlei Antriebe ist denn diese neue Schöpfung vollbracht worden? Wer hat denn zuvörderst, besonders den neueuropäischen, Län­ dern, ihre bewohnbare und gebildeter Menschen würdige Gestalt gegeben? Hierauf antwortet die Geschichte: Religiöse waren es, welche, in dem festen Glauben, daß es Gottes Wille sei, daß der scheue Flüchtling in den Wäldern zu einem gesitteten Leben und in ihm zu der beseligenden Erkenntnis der menschenliebenden Gottheit gebracht werde, gebildete Länder und alle die sinnlichen und gei­ stigen Genüsse derselben und ihre Familien, Freunde und Verwandte verließen, hinausgingen in die öde Wildnis, übernahmen den bitter­ sten Mangel, und die härteste Arbeit, und was mehr ist, die uner­ müdete Geduld, unartige Geschlechter, von denen sie verfolgt, und beraubt wurden, an sich zu ziehen, und ihr Vertrauen zu gewinnen, oft am Ziele eines durchgekümmerten Lebens des Märtyrertodes starben, von der Hand derer, für die sie ihn starben, und für uns, derselben Enkel und Urenkel, freudig in der Hoffnung, daß über ihrer Marterstätte eine würdigere Generation aufblühen werde. Diese setzten ohne Zweifel ihr persönliches Leben, und seinen Genuß

an ihre Idee und in dieser Idee an die Gattung. Und so mir jemand einwerfen dürfte: sie opferten das gegenwärtige Leben der St# Wartung einer unendlich höheren himmlischen Seligkeit auf, welche sie durch diese Entbehrungen und Arbeiten ju verdienen hofften, — doch immer nur dem G enu sse den Genuß, und zwar den geringeren dem größeren: so bitte ich einen solchen mit mir ernsthaft folgendes zu überlegen. Wie unangemessen sie sich auch etwa über diese Seligkeit anderer Welten in Worten ausdrücken, und in welche sinnliche Bilder sie auch die Beschreibung derselben einkleiden mochten, so wünschte ich nur das zu wissen, wie sie denn zu dem festen Glauben an diese andere Welt, den sie durch ihr Opfer dokumentierten, auch nur ge­ kommen seien, und was dieser Glaube als Akt des Gemüts denn doch eigentlich sei. Opfert denn nicht das Gemüt, welches gläubig eine andere Welt als sicherlich vorhanden ergreift, in diesem bloßen Ergreifen schon die gegenwärtige auf, und ist denn nicht dieser Glaube schon selber das im Gemüt mit einem Male für immer vollendete und vollzogene Opfer, welches sodann erst bei einzelnen Vorfällen im Leben als Erscheinung eintritt? Mag es immer gar kein Wunder, sondern durchaus begreiflich, und von dir selber, der du diesen Einwurf machst, in derselben Lage nachzutun sein, daß sie alles aufopferten, nachdem sie einmal an ein ewiges Lebeo glaubten; so ist dies das Wunder, d a ß sie glaubten, welches der Egoist, der das gegenwärtige nie aus dem Auge zu lassen fähig ist, ihnen nimmermehr nachtun, noch in dieselbe Lage hineinkommen wird. Wer hat die rohen Stämme vereinigt, und die widerstrebenden in das Joch der Gesetze und des friedlichen Lebens gezwungen? Wer hat sie darin erhalten und die stehenden Staaten gegen Auflösung durch innere Unordnung und gegen Zerstörung durch äußere Gewalt ge­ schützt?—Welches auch ihre Namen sein mögen, Heroen waren es, große Strecken ihrem Zeitalter zuvorgeeilt, Riesen unter den Umge­ benden an körperlicher und geistiger Kraft. Sie unterwarfen ihrem Begriffe von dem, was da sein sollte, Geschlechter, von denen sie dafür gehaßt und gefürchtet wurden; schlaflos durchsannen sie, für diese Geschlechter sorgend, die Nächte; rastlos stürzten sie sich von Schlachtfeld zu Schlachtfeld, entsagend den Genüssen, die sie wohl hätten haben können, immer ihr Leben als Beute darbietend, oft verspritzend ihr Blut. Und was suchten sie mit dieser Mühe und wodurch wurden sie dafür entschädigt? Ein Begriff, ein bloßer Be­ griff von einem durch sie hervorzubringenden Zustande, der aber

schlechthin, ohne allen weiteren Zweck außer ihm, realisiert werden sollte, war es, der sie begeisterte; und das unaussprechliche Wohl, gefallen an diesem Begriffe war es, was sie belohnte und für alle Mühe entschädigte; dieser Begriff war es, der die Wurjel ihres in, neren Lebens ausmachte, indes er das äußere in Schatten stellte, verdunkelte und als etwas des Andenkens Unwürdiges aufgab; die Kraft dieses Begriffes war es, die den durch die Geburt seiner Umgebung Gleichen zum körperlichen und geistigen Riesen heraus, arbeitete; derselben Idee fiel die Person zum Opfer, durch welche sie erst zn einem würdigen Opfer ausgestaltet worden. Was treibt den König, der auf angeerbtem Throne sicher ruhen, und des Markes des Landes genießen könnte, — was treibt, um an ein bekanntes Beispiel, das von dem empfindelnben Zwerggeschlechte auch so oft gemißdeutet worden, meine Frage anzuknüpfen, — was treibt den mazedonischen Helden aus dem angeerbten, schon vom Vater wohlgesicherten und reichlich versehenen Königreiche in einen fremden Weltteil, den er unter ununterbrochenen Kämpfen durch, zieht und erobert? Wollte er dadurch satter werden und gesünder? Was heftet den Sieg an seine Fußsohlen und schreckt vor ihm her die ihm an Menge ungeheuer überlegenen Feinde? Ist dies bloßer Zufall? Nein, eine Idee isi'S, die den Zug beginnt und die ihn be, glückt. Weichliche Halbbarbaren hatten das damals geistreichst ausgebildete Volk unter der Sonne wegen seiner kleineren Anzahl zu verachten und den Gedanken seiner Unterjochung zu fassen ge, wagt; sie hatten in Asien wohnende verbrüderte Stämme wirklich unterjocht und das gebildete und freie den Gesetzen und den empörenden Strafen roher und sklavischer Völkerschaften unter, worfen. Dieser Frevel mußte nicht ungestraft verübt sein; auch mußte umgekehrt das gebildete herrschen und das ungebildete dienen, wenn geschehen sollte, was Rechtens ist. Diese Idee lebte schon seit langem in den edleren griechischen Gemütern, bis sie in Alexander zur leben, digen Flamme wurde, welche sein individuelles Leben bestimmte, und aufzehrte. Rechne man mir nun nicht vor die Tausende, die auf seinem Zuge fielen; erwähne man nicht seines eigenen frühzeitig erfolgten Todes: was konnte er denn nun, nach Realisierung der Idee, noch Größeres tun als sterben?... Die Ehre dürfte man nämlich sagen, die Ehre ist es, die den Helden begeistert; das brennende Bild seines Ruhmes bei der Vor, weit und der Nachwelt ist es, welches ihn durch Mühe und Gefahren hindurchtreibt und ein ganzes aufgeopfertes Leben ihm in der,

jenigen Münze, der er nun einmal den höchsten Wert gegeben, reich­ lich bezahlt. Ich antworte: wenn dies sich also verhielte, was ist denn diese Ehre selber? Woher bekäme denn der Gedanke an das Urteil anderer über uns, besonders an das Urteil künftiger Generationen, deren Tadel oder Lob, unvernommen von uns, über unseren Grä­ bern verhallen wird, diese furchtbare Gewalt, mit der er das per­ sönliche Leben des Heroen verschlingen soll? Müßte denn nicht offen­ bar seiner Gesinnung das Prinzip zum Grunde liegen, daß sein Leben nur unter der Bedingung Wert für ihn haben und ihm erträglich sein könne, inwiefern die Stimme der gesamten Menschheit sich vereinigen müsse, demselben einen Wert beizulegen? Wäre denn sonach nicht diese Gesinnung schon selber unmittelbar der Gedanke der Gattung? Und der Gedanke ihres Ausspruches, als der Gattung über das Individuum, die Anerkennung, daß diese Gattung allein das Endurteil über wahren Wert habe? Wäre es nicht die Voraussetzung, daß dieses Endurteil auf die Frage sich stützen werde, ob das Individuum der Gattung sich aufgeopfert, und der stumm sich ergebende Respekt vor diesem Urteil aus dieser Prämisse — kürz: wäre diese Gesinnung nicht unmittelbar gerade dieselbe, in die wir das vernunftmäßige Leben gesetzt haben? Aber lassen Sie uns diesen Gegenstand noch inniger durchdringen. Der Held handelt, — ohne Zweifel denn doch auf eine bestimmte Weise, setze ich hinzu, — um dadurch Ruhm bei Welt und Nach­ welt zu erwerben, sagt man — ohne Zweifel denn doch, setze ich abermals hinzu, ohne bei Welt und Nachwelt erst die Herumfrage gehalten zu haben, ob sie ein Leben in dieser Weise loben wolle — ohne, setze ich ferner hinzu, ohne über diesen Zweifel auf irgendeine Weise in der Erfahrung sich Rats erholen zu können, indem seine Handelsweise, so gewiß sie nach einer Idee einhergeht, eine neue, und bisher unerhörte, darum noch nie an das menschliche Urteil gehaltene Handelsweise ist. Doch rechnet er bei dieser Handelsweise so sicher auf Ruhm, sagt man, daß er auf die Richtigkeit dieser Berechnung sein Leben daran setzt. Wie weiß er denn nun, daß er sich nicht verrechne? So wie er an das Handeln geht, und das Opfer seines Lebens schon mit einem Male für immer im Gemüte vollendet hat, hat noch einzig und allein er selber und kein anderer außer ihm seine Handelsweise beurteilt und sie gebilligt; wie weiß er denn nun, daß Mitwelt und Nachwelt sie billigen und mit unsterblichem Ruhme belegen werde, und wie kommt er dazu, seinen eigenen Maßstab des Ehrewürdigen so kühn der ganzen Gattung anzumuten? Doch tut er es, wie ihr

sagt; und so erweist diese einzige Bemerkung, daß er keineswegs durch die Hoffnung ihres Rühmens bewogen, tuend, wie er tut, vielmehr durch seine aus dem Urquell der Ehre vor sich selber rein hervorbre­ chende Tat ihnen hinlegt, was sie billigen und ehren müssen, falls ihm an ihrem Urteil überhaupt gelegen sein solle; verachtend bis zur Vernichtung sie selber und ihr Urteil, falls es nicht der Wider­ schein ist seines eigenen für alle Ewigkeit gefällten Urteils. Und so erzeugt nicht der Ehrgeiz große Taten, sondern große Taten erzeugen erst im Gemüte den Glauben an eine Welt, von der man geehrt sein mag. Die Ehre zwar, in derjenigen Gestalt, in welcher sie alle Tage vorkommt, und von der wir hier nicht reden, geht völlig auf in der Furcht vor der Schande; ohne zu Taten zu treiben, hält sie bloß zurück von dem, was notorisch verachtet wird, und ver­ schwindet, sobald man hoffen darf, daß es niemand erfahren werde. Ein anderer Ehrgeiz, von welchem wir hier gleichfalls nicht reden, der erst in alten Chronikenbüchern nachschlägt, was da gelobt worden, und es nachzumachen strebt, um auch gelobt zu werden, und welcher, unfähig das Neue zu erschaffen, ausgetrocknete Mumien, die ehemals freilich kräftig leben mochten, in sich zu wiederholen strebt, mag sich auch wohl aufopfern, aber das, wofür er fällt, heißt nicht Idee, sondern es heißt Grille: und er verfehlt seines Zwecks; denn das einmal Gestorbene wird nie wieder lebendig, und, wenn auch nicht von der vielleicht blöden und betäubten Mitwelt, doch sicherlich von der Nachwelt, wird der Nachahmer, der sich für einen Schöpfer hielt, verachtet. Diese hier, lediglich in Beziehung auf den Heroismus beige­ brachte Bemerkung über die Ehre, gelte auch für das folgende, wo von der Oberflächlichkeit gleichfalls eines Ehrgeizes erwähnt zu werden pflegt, über dessen Wesen und Möglichkeit nachzudenken sie nie die Kraft gehabt. Durch die Wissenschaft ist dem vorher scheuen, und durch jede Naturgewalt eingeengten Wilde« seine innere Natur aufgedeckt, und die ihn umgebende äußere unterworfen: sagten wir in der vorigen Stunde. Wer sind die, welche die Wissenschaften erfanden und er­ weiterten? Haben sie dieses ohne Mühe und Aufopferung vermocht? Was hat ihnen für diese Aufopferung gelohnt? Indes ihr Zettlater um sie herum fröhlich seines Tages genoß, waren sie verloren in einsames Nachdenken, um zu entdecken, ein Gesetz, einen Zusammenhang, -er ihre Bewunderung erregt hatte, und mit welchem sie durchaus nichts weiter wollten, als ihn eben

entdecke»: aufopfernd Genüsse und Vermögen, vernachlässigend ihre äußeren Angelegenheiten, vergeudend die feinsten Geister ihrer stenj, verlacht vom Volke als Toren, und Träumer. — Nun, ihre Entdeckungen Haden ja dem menschlichen Leben mannigfaltig genützt, wie wir selbst erinnert. — Wohl: aber haben sie diese Früchte ihrer Mühen mitgenossen? Haben ste dieselben im Auge gehabt oder fie nur geahnt? Haben ste nicht vielmehr, wenn ihr geistiger Aufflug durch eine solche Ansicht anderer von ihrem Geschäft unterbrochen wurde, über die Entweihung des Heiligen zu profanem Gebrauche des Lebens, von welchem letzteren ihnen freilich verborgen blieb, daß es gleichfalls geheiligt werden müsse, wahrhaft erhabene Klagen angestimmt? Erst nachdem durch ihre Bemühung ihre Entdeckungen so faßlich gemacht und so verbreitet waren, daß ste auch an weniger begeisterte Köpfe gebracht werden konnten, wurden ste von diesen — welche wir, auf einem ganz anderen Standpunkte stehend, darüber keineswegs verachten; die es aber erkennen sollen, daß ste nicht so edler Natur stnd, als jene — auf die Bedürfnisse des Lebens angewendet, und so das Menschengeschlecht mit Übermacht gegen die Natur bewaffnet. Wenn also nicht einmal der Anblick, nicht einmal die Ahnung der Nutzbarkeit ihrer Entdeckungen sie entschädigen konnte, was entschädigte ste denn für die dargebrach­ ten Opfer? Und was entschädigt noch heute, falls noch heute jemand, mit denselben Aufopferungen und ohne dafür etwas zu begehren, unter dem Spotte und dem Hohngelächter des Pöbels rein sein Auge nach der ewig neufließenden Quelle der Wahrheit hinrichtet? — Das ist es: ste sind in das neue Lebenselement der geistigen Klar­ heit und Durchsichtigkeit hineingeraten, wodurch bas Leben in jedem anderen Elemente durchaus ungenießbar gemacht wird. Eine höhere Welt, die uns zuerst und die uns am innigsten durch das Licht, welches in ihr einheimisch ist, ergreift, ist ihnen aufgegangen; dieses Licht hat mit seinem wohltätigen und erquickenden Scheine ihre Augen ergriffen und erfüllt, so daß ste ewig nach nichts anderem sich richten können, als nach jenen in tiefer Nacht allein erleuchteten Höhen: dieses Licht hält in diesen ihren Augen ihr ganzes Leben gefesselt und gefangen, so daß alle ihre übrigen Sinne ruhig er­ sterben. Ste bedürfen keiner Entschädigung: ste haben einen uner­ meßlichen Gewinn gemacht. Das furchtbare Schreckbilb einer menschenfeindlichen Gottheit ist entflohen, sagten wir, und dem Menschengeschlechte Ruhe und Freiheit von diesem Schreckbilde erworben. Wer war es, der diesen

allgemein verbreiteten, und so tief in allen Völkern eingewurzelten Wahnausrottete? Geschah es ohne Aufopferungen? Was hat für diese Opfer entschädigt? Die christliche Religion ganz allein ist es, welche dieses Wunder vollbracht, und durch jedes Opfer der ihr Ergebenen und von ihr Ergriffenen durchgesetzt hat. Was diese, was der erhabene Stifter derselben, was seine nächsten Zeugen, was deren nächste Nachfolger lange Reihen von Jahrhunderten hindurch, bis auch auf uns, als eine späte Geburt, ihr Wort kam, — gearbeitet und unter blöd­ sinnigen und abergläubischen Völkern erduldet: lediglich begeistert von der beseligenden Wahrheit, die ihnen innerlich aufgegangen war und ihr Leben ergriffen hatte, will ich nicht erinnern. Das Zeitalter erinnert sich dessen sehr wohl und bringt es häufig in Erwähnung, um ihrer Schwärmerei zu spotten. Lediglich durch das Christentum und durch das ungeheure Wunder, wodurch dieses entstand und in die Welt eingcführt wurde, ist die Verwandlung geschehen. Daß, nachdem die Wahrheit verkündigt und durch zahlreiche Anhänger auch eine Autorität geworden, man ruhig denkend ihren Gründen nachforsche, sie in seinem eigenen Verstände nachkonstruiete und auf diese Weise sie gewissermaßen nacherfinde, läßt sich erklären und ist sehr begreiflich; aber woher der erste den Mur bekam, dem all­ gemeinen und durch die bisherige Übereinstimmung des ganzen Geschlechts geheiligten Schreäbilde, dessen bloßer Gedanke schon lähmte, kühn in die Augen zu sehen und zu finden, es sei nicht, und statt seiner sei nur Liebe und Seligkeit, bas war das Wunder Ob Sie, E. D., sich entbrechen könne» diese in allen diesen Beispielen sich zeigende Aufopferung des persönlichen Lebens­ genusses für Ideen zu billigen, ist die Frage, deren Beantwortung nun Ihnen selbst überlassen wird ebenso, wie Ihnen überlassen wird das Geschäft, aus diesem Phänomen die Folgerungen zu ziehen, welche nach unserer früheren Auseinandersetzung sich daraus ergeben. („Die Grund-Üge deS gegenwärtigen Zeitalters". 1805. AuS der 3. und 4. Vorlesung.)

Aus den Gesprächen über den Patriotismus. 1. A. ... Aber Patriotismus muß doch sei» und muß doch etwas sein und muß geübt werden; und ich wüßte nicht wie man ihn anders üben könnte als auf die beschriebene Weise. B. Wie, wenn nun hiebei jemand der Meinung wäre, daß es gar keinen Patriotismus als abgesonderten und für sich bestehenden Akt und Zustand gebe, eben so, wie es auch keine Religiosität als abgesonderten und für sich bestehenden Akt und Zustand gibt, sondern daß der Patriotismus nur das bleibende Element und die Grunde form all unsers bürgerlichen Lebens sein solle, eben so wie die Reli­ giosität das bleibende Element unsers höher» geistigen Lebens über­ haupt? A. Ich kann hierin Sie eben nicht so recht verstehen. B. Meine Meinung ist, daß jedweder Einzelne an seinem Orte und in seiner Lage das Seinige aus aller Kraft tun solle; und daß sodann, indem es mit allem Einzelnen gut steht, es ohne irgend je, mandes Zutun und ohne Hilfe eines besonderen Patriotismus auch mit dem Ganzen gut stehen werde. Die innern Angelegenheiten sind sodann gut bestellt. Dem Staate auch äußerlich diejenige Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die Würde und den gebieten­ den Einfluß, den er im allgemeinen Staatenverhältniffe haben kann und soll, zu verschaffen und zu erhalten, und so auch die äußern Angelegenheiten anzuordnen, überlasse auch fernerhin jeder, den weder sein Beruf treibt noch sein Geist berechtiget Ratschläge darüber abzugeben, ruhig der obersten Behörde; noch überdies überzeugt sein könnend, daß durch seine und anderer Einzelnen Pflichttreue selbst diesem Geschäfte trefflich vorgearbeitet werde....

2. B. Ohne Zweifel soll doch der Patriotismus ein Gegensatz und eine weitere Bestimmung des Kosmopolitismus sein? A. Mag sein. B. Wir würden daher den Patriotismus begreifen, wenn wir zuerst wüßten, was Kosmopolitismus sei, und sähen, wie dieser im Patriotismus weiter bestimmt werde?

A. Mag auch sein. 8. Kosmopolitismus ist der herrschend eWille, daß der Iweck des Daseins des Men­ schengeschlechts im Menschengeschlechte er­ reicht werde. Patriotismus ist der Wille, daß dieser Zweck erreicht werde zu allererst inderjenigen Nation, deren Mitglieder wir selber sind, und daß von dieser aus der Er­ folg sich verbreite über das ganze Geschlecht. A. Nun, das will ich einmal annehmen.

B. Es wir- Ihnen, wenn Sie den aufgestellten Begriff noch mehr in der Nähe ansehen, zugleich einleuchtev, daß es gar keinen Kosmopolitismus überhaupt wirklich geben könne, sondern daß in der Wirklichkeit der Kosmopolitismus notwendig Patriotismus wer­ den müsse.

A. Ich bin nicht Freund vom Ansehen in der Nähe; ich habe dagegen meine Gründe. Inzwischen ist diese Ihre Be­ hauptung so sehr nach meinem Wunsche, baß ich mir es wohl gefallen lassen will, wen» Sie selbst mir den Begriff mehr in die Nähe rücken. B. Wo irgend der herrschende Wille ist, daß der Zweck des Menschengeschlechts erreicht werbe, da bleibt dieser Wille nicht untätig, sondern er bricht aus, arbeitet, und wirket nach seiner Richtung. Er kann aber nur eingreifen in die nächsten Um­ gebungen, in denen unmittelbar als lebendige Kraft er lebet und da ist. So gewiß er nun in irgend einem Staate lebet, so stehen diese Umgebungen unter den Wirkungsmöglichkeiten des Staates, in dem er lebt, welcher Staat durch seine eigene organische Einheit sich scheidet von der übrigen Welt und so die Wirksamkeit jenes seinen guten Bürgers, zwar in seinem Medium und nach seinen Gesetzen, innerhalb seiner selbst fortleitet; da aber, wo er selber sich abscheidet von der Umgebung, auch dieser Wirksamkeit den ihn selbst als Einheit haltenden Damm vorsetzt. Und so wird denn jedweder Kosmopolit ganz notwendig, vermittelst seiner Be­ schränkung durch die Nation, Patriot; und jeder, der in seiner Nation der kräftigste und regsamste Patriot ist, ebendarum der regsamste Weltbürger, indem der letzte Zweck aller Nationalbildung doch immer der ist, daß diese Bildung sich verbreite über das Geschlecht....

3B. Nicht wahr. Sie sind ein Deutscher? A. Nein, kein Deutscher; ich will kein Deutscher sein. bin ein Preuße, und noch dazu ein patriotischer Preuße*).

Ich

B. Nun, verstehen Sie mich nur recht. Die Absonderung des Preußen von den übrigen Deutschen ist künstlich, gegründet auf willkürliche und durch das Ohngefähr zu Stande gebrachte Ein­ richtungen; die Absonderung des Deutschen von den übrigen Europäischen Nationen ist begründet durch die Natur. Durch gemein­ schaftliche Sprache und gemeinsamen Nationalcharakter, welche die Deutschen gegenseitig vereinigen, sind diese von jenen getrennt. Jeder besondere Deutsche, und da sie von Preußen reden, der Preuße, wird nur hindurchgehend durch den Deutschen zum Preußen, so wie nur der rechte wahre Deutsche ein rechter Preuße ist. Es versteht sich freilich, daß, wie ich schon früher sagte, der preußische Deutsche nur innerhalb seiner Grenze, welche freilich die organische Einheit des Preußischen Staates ihm gibt, sich bewegen kann und wirken. A. Eine gemeinschaftliche Sprache der Deutschen! Das begreift sich. Aber ein gemeinsamer Nationalcharakter derselben? Haben denn die Deutschen sogar einen Nationalcharakter?

B. Wenigstens haben unsre Voreltern merklichen Ernst, Ausdauern, Suchen des redlichen Gewinnes und Streben mehr nach dem Wesen als dem Scheine sich als ihren bezeichnende« Charakter zuzueignen gesucht. Ich will nicht wissen, ob die gegen­ wärtige deutsche Generation mit einigem Glücke jene Prädikate sich zueignev könnte, oder ob sie dieselben auch nur wollen würde, wenn man sie ihr, selbst ohne Aequivalent, darböte. Wie aber wäre es, wenn gerade dies die der Menschheit im Deutschen zu allererst anzumutende Bildung wäre, daß er, und zwar mit Besonnenheit, seinen Nationalcharakter, und zwar den oben genannten, der wohl sein natürlicher sein dürfte, den des redlichen Ernstes in dem, was in der ewigen Zeit jetzt an der Tagesordnung ist, falls dieser Charak­ ter etwa verloren sein sollte, wiederherstellte. Der in der Preußischen Staatseinheit lebende, und wirkende Deutsche wird nun wollen, und wirken, daß in dieser Staatseinheit

*) «So nämlich ließ ich mir in Berlin antworten, wo ich dieses Ge­ spräch abfaßte. Mein deutscher Leser an irgendeinem andern Orte wird mit demselben Fuge sich antworten lassen: ich bin ein Sachs«, Bayer, Österreicher usw." (Fichte.)

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zunächst und am allervollendetsten der deutsche Nationalcharakter hervortrete; daß derselbe von hier aus sich verbreite über die ver­ wandten deutschen Stämme und von diesen aus erst, wie dies denn auch ohne alles sein Wollen von selbst also erfolgen wird, allmählich über die gesamte Menschheit. Dieses wünsche nun ich als DeutschPreußischer Patriot mit einer Wärme, daß weder Sie noch irgend jemand es mit größerer kann. Was hingegen der Preuße, als reiner Preuße, im Gegensatze gegen die übrige Menschheit sei oder bedeute, und wie er, außer dem so eben angegebnen Interesse des preußischen Deutschen, als Preuße noch ein anderes Interesse haben könne, als daß die Teile der Monarchie zu Einem Staatskörper vereinigt bleiben, in gutem innren Wohlstände blühen und den gebührenden Rang im Europäischen Staatensysteme behaupten, und wie zu die­ sem Zwecke jemand auf andere Weise beitragen könne, als daß er an seinem Orte seine Schuldigkeit tue, bekenne ich nicht zu begreifen, und werfe es eben darum, da ich nur das klar begreifliche zugebe, völlig weg; überzeugt, daß jener dunkle und verworrene Begriff eines besondern Preußischen Patriotismus eine Ausgeburt der Lüge und der ungeschickten Schmeichelei sei. 4* C So haben Sie über Patriotismus gedacht vor einem Jahre, zur Zeit des tiefsten und sichersten Friedens, wie es der Menge erschien. Heute denken Sie hoffentlich ans andere Weise, wie Sie ja auch seitdem in Einigem anders gehandelt haben. B. Auf andere Weise wohl kaum, vielleicht aber, daß ich das­ selbe sich gleichbleibende Denken nur auf noch andere Gegenstände auszudehnen für nötig finde. C. Ich konnte diese Antwort voraussehen. „Die Prinzipien werden durch keine Zeit und keiner Zeit Ereignis geändert; nur die Anwendung derselben wird bestimmt durch den Stoff, den die Zeit darbietet." — Wer kennt nicht diese Axiome? Sollte es aber wirklich nur eine Ausdehnung der Sphäre sein und nicht vielmehr eine Umänderung des Prinzips selber, das sich Ihnen als unzuläng­ lich bewährt hätte, was ich Ihnen zutraue und an Ihnen zu be­ merken glaube? B. Lassen Sie uns sehen. Meine Gedanken über Patriotismus setzten allerdings den Staat in tiefem Frieden voraus und be­ trachteten innerhalb dieser Voraussetzung denselben in doppelter Rücksicht. Teils daß er in Absicht seiner Form fest auf sich selber ruhe»

und beharren müsse: und für diesen Zweck kann meinem noch immer fortdauernden Erachten nach keiner mehr leisten, als daß er an seinem Orte seine Schuldigkeit genau, und so wie sie von ihm ge­ fordert ist, vollbringe. Jedes Darübertun würde in einem wohlge­ ordneten und nach allen seinen Teilen gehörig in einander greifen­ den und genau berechneten Staate nur Unordnungen und Stö­ rungen verursachen. Sodann, daß der Staat innerhalb dieser seiner beharrenden Form und gedeckt von dieser immerfort sich neu gebäre ju einem höhern und geistigern Leben. Das letztere, sagte ich, sei nach sichtbarer Erlöschung des Vernunftinstinktes nur durch klare Wissenschaft und auf klare Wissenschaft gegründete Vernunft­ kunst möglich; wer daher für den Staat noch mehr tun wolle als das, was die Schuldigkeit seines Standes und Berufs eben mit sich bringe, der könne eS nur tun entweder durch tätige Beförderung der wissenschaftlichen Klarheit oder, falls dieses sein Vermögen ihm versage, durch herzlichen Respekt, den er der Wissenschaft bezeuge. So im Frieden. Gan; anders aber, wenn durch Krieg die Fort­ dauer der stehenden und festen Form, innerhalb welcher allein alle Fortentwicklung der bürgerlichen Lebens möglich ist, gefährdet wird und die Bürger verhindert sind, in dem hergebrachten geordneten Gange die Pflichten ihres Berufs zu erfüllen. Dann muß wohl das höhere Leben, das in seinen bedingenden Umgebungen angegriffen ist, einen Augenblick anhalten, um vor allen Dingen des ihm streitig gemachten Standpunktes seines geistigen Waltens sich zu versichern. Dann kommt der ganze Staat in eine revolutionäre Spannung, und der Bürger muß mehr tun, als von ihm gefordert ist und als von ihm innerhalb der bloßen Sphäre des Rechtsbegriffes gefordert werden kann. Jetzt tritt tätiger Patriotismus, freie Aufopferung und Heldensinn an die Stelle des vorher allein erlaubten ordnungs­ mäßigen Gehorsams. Das Eigentum, mit dessen guter und regel­ mäßiger Verwaltung vorher dem Staate am meisten gedient war, werde jetzt aufgeopfert; das Leben, das vorher für alle bürgerliche Zwecke, so lang es sein könnte, erhalten werden sollte, werde jetzt der Gefahr entgegengestellt; denn der Staat ist nicht in seiner natürlichen Lage, sondern er ist in Not und mit ihm ist das Heil aller gefährdet. Eine genaue Berechnung, was jeder Einzelne tun solle, ist jetzt nicht möglich; der Staat bedarf aller seiner Kraft, und je früher diese ganz in Tätigkeit versetzt ist, desto früher tritt der Zustand der Ordnung und der gesetzmäßigen Verteilung der Laste» wiederum ein; aber seine Kraft wird ganz in Tätigkeit versetzt nur 4*

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dadurch, daß jeder Einjelne die (einige ganz darbietet. So soll im Kriege der Bürger mehr tun als im Frieden. Ebenso soll er, be­ sonders in einem gefahrvollen Kriege, manches unterlassen, was im tiefen Frieden er mit seinem vollen Rechte und vielleicht zu großem Heile des Ganzen tun kann und soll. Was etwa z. B. für bessere Grundorganisation noch ju tun sein möchte, zu erörtern, ist eben nicht an der Tagesordnung, wenn der Boden aller wirklichen oder möglichen Organisation schwanket. Zumal dieses vor aller Welt Ohren bitter und zankend aufzurücken in solchen Zeiten und da­ durch die Gemüter der ohnedies betäubten, befangenen und Ge­ genstände der Rache für ihre Drangsale suchenden Menge noch mehr zu verwirren, heißt, auf^s billigste beurteilt, nicht sehr besonnen handeln. Sind unter uns Familienzwiste, so lasset uns diese ausmachen, wenn die Exi­ stenz der Familie überhaupt nicht mehr gefährdet sein wird. Gerade der Zeit der allgemeinen Not sich zu bedienen, um zu erzwingen, wovon man glaubt, daß es im Guten nicht zugestanden werden würde, wäre eine gebildeter Menschen sehr unwürdige I m p i e t ä t. („Der lpalrolismus und sein Gegenteil". 1807.)

Was ein Volk sei, in der höheren Bedeutung

des Wortes, und was Vaterlandsliebe. Die vier letzten Reden haben die Fragen beantwortet: was ist der Deutsche, im Gegensatze mit andern Völkern germanischer Ab­ kunft? Der Beweis, der durch dieses alles für das Ganje unserer Untersuchung geführt werden soll, wird vollendet, wenn wir noch die Untersuchung der Frage hinjufügen: was ist ein Volk? welche letztere Frage gleich ist einer andern und jugleich mit beantwortet diese andere, oft aufgeworfene und auf sehr verschiedene Weisen beantwortete Frage, diese: was ist Vaterlandsliebe, oder, wie man flch richtiger ausdrücken würde, was ist Liebe des Eivjelnen zu seiner Nation? Sind wir bisher im Gange unsrer Untersuchung richtig ver­ fahren, so muß hierbei gleich erhellen, daß nur der Deutsche — der ursprüngliche und nicht in einer willkürlichen Satzung er­ storbene Mensch — wahrhaft ein Volk hat und auf eins zu rechnen befugt ist, und daß nur er der eigentlichen und vernunftgemäßen Liebe ju seiner Nation fähig ist. Wir bahnen uns den Weg zur Lösung der gestellten Auf­ gabe durch folgende, fürs erste außer dem Zusammenhänge des bisherigen ju liegen scheinende Bemerkung. Die Religion, wie wir dies schon in unsrer dritten Rede an­ gemerkt haben, vermag durchaus hinwegzuversetzen über alle Zeit und über das ganze gegenwärtige und sinnliche Leben, ohne darum der Rechtlichkeit, Sittlichkeit und Heiligkeit des von diesem Glauben ergriffenen Lebens den mindesten Abbruch zu tun. Man kann, auch bei der sichern Überzeugung, daß alles unser Wirken auf dieser Erde nicht die mindeste Spur hinter sich lasten und nicht die mindeste Frucht bringen werde, ja, daß das Göttliche sogar verkehrt und zu einem Werkzeuge des Bösen und noch tieferer sittlicher Verderbnis werde gebraucht werden, dennoch fortfahren in diesem Wirken, lediglich um das in uns ausgebrochene göttliche Leben aufrecht zu erhalten, und in Beziehung auf eine höhere Ordnung der Dinge in einer künftigen Welt, in welcher nichts in Gott Geschehenes zugrunde geht. So waren z. B. die Apostel und überhaupt die ersten.

Christen durch ihren Glauben an den Himmel schon im Leben gänzlich über die Erde hinweggesctzt, und die Angelegenheiten derselben, der Staat, irdisches Vaterland und Nation, waren von ihnen so gänzlich aufgegeben, daß sie dieselben auch sogar ihrer Beachtung nicht mehr würdigten. So möglich dieses nun auch ist, und so leicht auch dem Glauben, und so freudig auch man sich darein ergeben muß, wenn es einmal unabänderlich der Wille Gottes ist, daß wir kein irdisches Vaterland mehr haben, und hienieden Aus­ gestoßene und Knechte seien: so ist dies dennoch nicht der natürliche Zustand und die Regel des Weltganges, sondern es ist eine seltene Ausnahme; auch ist es ein sehr verkehrter Gebrauch der Religion, der unter andern auch sehr häufig vom Christentums gemacht worden, wenn dieselbe gleich von vornherein und ohne Rücksicht auf die vor­ handenen Umstände darauf ausgeht, diese Zurückziehung von den Angelegenheiten des Staates und der Nation als wahre religiöse Gesinnung zu empfehlen. In einer solchen Lage, wenn sie wahr und wirklich ist, und nicht etwa bloß durch religiöse Schwärmerei herbei­ geführt, verliert das zeitliche Leben alle Selbstbeständigkeit und es wird lediglich zu einem Vorhofe des wahren Lebens und zu einer schweren Prüfung, die man bloß aus Gehorsam und Ergebung in Len Willen Gottes erträgt; und dann ist es wahr, daß, wie es schon von vielen vorgestellt worden, unsterbliche Geister nur zu ihrer Strafe in irdische Leiber als in Gefängnisse eingetaucht sind. In der regel­ mäßigen Ordnung der Dinge hingegen soll das irdische Leben selber wahrhaftig Leben sein, dessen man sich erfreuen, und das man, freilich in Erwartung eines höher», dankbar genießen könne; und obwohl es wahr ist, daß die Religion auch der Trost ist des widerrecht­ lich zerdrückten Sklaven, so ist dennoch vor allen Dingen dies religiöser Sinn, daß man sich gegen die Sklaverei stemme und, so man es verhindern kann, die Religion nicht bis zum bloßen Troste der Ge­ fangenen herabsinken lasse. Dem Tyrannen steht es wohl an, religiöse Ergebung zu predigen, und die, denen er auf Erden kein Plätzchen verstatten will, an den Himmel zu verweisen: wir andern müssen weniger eilen, diese von ihm empfohlene Ansicht der Religion uns anzueignen, und, falls wir können, verhindern, daß man die Erde zur Hölle mache, um eine desto größere Sehnsucht nach dem Himmel zu erregen. Der natürliche, nur im wahren Falle der Not aufzugebende Trieb des Menschen ist der, den Himmel schon auf dieser Erde zu finden, und ewig Dauerndes zu verflößen in sein irdisches Tagewerk;

das Unvergängliche im Zeitlichen selbst zu pflanzen und zu erziehen, — nicht bloß auf eine unbegreifliche Weise, und allein durch die sterblichen Augen undurchdringbare Kluft mit dem Ewigen zusam­ menhängend, sondern auf eine dem sterblichen Auge selbst sicht­ bare Weise. Daß ich bei diesem gemeinfaßlichen Beispiele anhebe: Welcher Edeldenkende will nicht und wünscht nicht, in seinen Kindern und wiederum in den Kindern dieser sein eigenes Leben von neuem auf eine verbesserte Weise zu wiederholen und in dem Leben derselben veredelt und vervollkommnet auch auf dieser Erde noch fortzuleben, nachdem er längst gestorben ist; den Geist, den Sinn und die Sitte, mit denen er vielleicht in seinen Tagen abschreckend war für die Ver­ kehrtheit und das Verderben, befestigend die Rechtschaffenheit, auf­ munternd die Trägheit, erhebend die Niedergeschlagenheit, der Sterblichkeit zu entreißen, und sie, als sein bestes Vermächtnis an die Nachtwelt, niederzulegen in den Gemütern seiner Hinterlassenen, damit auch diese sie einst eben also verschönert und vermehrt wieder niederlegen? Welcher Edeldenkende will nicht durch Tun oder Denken ein Samenkorn streuen zu unendlicher immer fortgehender Vervoll­ kommnung seines Geschlechts, etwas Neues und vorher nie Dagewe­ senes hineinwerfen in die Zeit, das in ihr bleibe und nie versiegende Quelle werde neuer Schöpfungen; seinen Platz auf dieser Erde und die ihm verliehene kurze Spanne Zeit bezahlen mit einem auch hieniede« ewig Dauernden, so daß er als dieser Einzelne, wenn auch nicht genannt durch die Geschichte (denn Durst nach Nachruhm ist eine verächtliche Eitelkeit), dennoch in seinem eigenen Bewußtsein und seinem Glauben offenbare Denkmale hinterlasse, daß auch e r bagewesen sei. Welcher Edeldenkende will das nicht, sagte ich; aber nur nach den Bedürfnissen der also Denkenden als der Regel, wie alle sein sollten, ist die Welt zu betrachten und einzurichten und um ihrer willen allein ist eine Welt da. Sie sind der Kern derselben und die anders Denkenden sind als selbst nur ein Teil der vergänglichen Welt, solange sie also denken, auch nur um ihrer willen da und müssen sich nach ihnen bequemen, so lange, bis sie geworben sind wie sie. Was könnte es nun sein, das dieser Aufforderung und diesem Glauben des Edlen an die Ewigkeit und Vergänglichkeit seines Wer­ kes die Gewähr zu leisten vermöchte? Offenbar nur eine Ordnung der Dinge, die er für selbst ewig und für fähig, Ewiges in sich auf­ zunehmen, anzuerkennen vermöchte. Eine solche Ordnung aber ist die freilich in keinem Begriffe zu erfassende, aber dennoch wahrhaft

vorhandene besondere geistige Natur der menschlichen Umgebung, aus welcher er selbst mit allem seinen Denken und Tun und mit seinem Glauben an die Ewigkeit desselben hervorgegangen ist, das Volk, von welchem er abstammt, und unter welchem er gebildet wurde, und zu dem, was er jetzt ist, Heraufwuchs. Denn so unbezweifelt es auch wahr ist, daß sein Werk, wenn er mit Recht Anspruch macht auf-essen Ewigkeit, keineswegs der bloße Erfolg des geistigen Natur­ gesetzes seiner Nation ist und mit diesem Erfolg rein aufgeht, sondern daß es ein Mehreres ist denn das und insofern unmittelbar ansströmt aus dem ursprünglichen und göttlichen Leben; so ist es dennoch ebenso wahr, daß jenes mehrere sogleich bei seiner ersten Gestaltung zu einer sichtbaren Erscheinung unter jenes besondere geistige Natur­ gesetz sich gefügt und nur nach demselben sich einen sinnlichen Aus­ druck gebildet hat. Unter dasselbe Naturgesetz nun werden, so lange dieses Volk besteht, auch alle ferneren Offenbarungen des Göttlichen in demselben eintreten und in ihm sich gestalten. Dadurch aber, daß auch er da war und so wirkte, ist selbst dieses Gesetz weiter bestimmt und seine Wirksamkeit ist ein stehender Bestandteil desselben geworden. Auch hiernach wir- alles folgende sich fügen und an dasselbe sich anschließen müssen. Und so ist er denn sicher, daß die durch ihn er­ rungene Ausbildung bleibt in seinem Volke, so lange dieses selbst bleibt, und fortdauernder Bestimmungsgrund wird aller fernern Entwicklung desselben. Dies ist nun in höherer, vom Standpunkte der Ansicht einer geistigen Welt überhaupt genommener Bedeutung des Worts, ein Volk: das Ganze der in Gesellschaft miteinander fortlebenden und sich aus sichselbstimmerfortnatürlich und geistig erzeugenden Menschen, das insgesamt unter einem gewissen besondern Gesetze der Ent­ wicklung des Göttlichen aus ihm steht. Die Gemeinsamkeit dieses besondern Gesetzes ist es, was in der ewigen Welt und eben darum auch in der zeitlichen diese Menge zu einem natürlichen und von sich selbst durchdrungenen Ganzen verbindet. Dieses Gesetz selbst, seinem Inhalt nach, kann wohl im ganzen erfaßt werde«, so wie wir es an den Deutschen, als einem Urvolke, erfaßt haben; es kann sogar durch Erwägung der Erscheinungen eines solchen Volkes noch höher in manchen seiner weitern Bestimmungen begriffen werden; aber es kann niemals von irgendeinem, der ja selbst immerfort unter desselben ihm unbewußten Einflüsse bleibt, ganz mit dem Begriffe durchdrungen werden, obwohl im allgemeinen klar etngesehen werten

kann, daß es ein solches Gesetz gebe. Es ist dieses Gesetz ein Mehr der Bildlichkeit, das mit dem Mehr der unbildlichen Ursprünglichkeit in der Erscheinung unmittelbar verschmiljt; und so sind denn, in der Erscheinung eben, beide nicht wieder zu trennen. Jenes Gesetz be­ stimmt durchaus und vollendet das, was man den Nationalcharakter eines Volkes genannt hat; jenes Gesetz der Entwicklung des Ursprüng­ lichen und Göttlichen. Es ist aus dem letzteren klar, daß Menschen, welche, so wie wir bisher die Ausländerei beschrieben haben, an ein Ursprüngliches, und an eine Fortentwicklung desselben gar nicht glauben, sondern bloß an einen ewigen Kreislauf des scheinbaren Lebens, und welche durch ihren Glauben werden, wie sie glauben, im höhern Sinne gar kein Volk sind, und da sie in der Tat eigentlich auch nicht da sind, ebensowenig einen Nationalcharakter zu haben vermögen. Der Glaube des edlen Menschen an die ewige Fortdauer seiner Wirksamkeit auch auf dieser Erde gründet sich demnach auf die Hoff­ nung der ewigen Fortdauer des Volkes, aus dem er selber sich ent­ wickelt hat, und der Eigentümlichkeit desselben, nach jenem verbor­ genen Gesetze, ohne Einmischung und Verderbung durch irgendein Fremdes und in das Ganze dieser Gesetzgebung nicht Gehöriges. Diese Eigentümlichkeit ist das Ewige, dem er die Ewigkeit seiner selbst und seines Fortwirkens anvertraut, die ewige Ordnung der Dinge, in die er sein Ewiges legt; ihre Fortdauer muß er wollen, denn sie allein ist ihm das entbindende Mittel, wodurch die kurze Spanne seines Lebens hienieden zu fortdauerndem Leben ausgedehnt wird. Sein Glaube und sein Streben, Unvergängliches zu pflanzen, sein Begriff, in welchem er sein eigenes Leben als sein ewiges Leben erfaßt, ist das Band, welches zunächst seine Nation und vermittelst ihrer das ganze Menschengeschlecht innigst mit ihm selber verknüpft, und ihrer aller Bedürfnisse, bis ans Ende der Tage, einführt in sein erweitertes Herz. Dies ist seine Liebe zu seinem Volke, zuvörderst achtend, vertrauend, desselben sich freuend, mit der Abstammung daraus sich ehrend. Es ist Göttliches in ihm erschienen, und das Ursprüngliche hat dasselbegewürdigt, es zu seiner Hülle und zu seinem unmittelbaren Verflößungsmittel in die Welt zu machen; es wird darum auch ferner Göttliches aus ihm hervorbrechen. Sodann tätig, wirksam, sich aufopfernd für dasselbe. Das Leben, bloß als Leben, als Fortsetzung des wechselnden Daseins, hat für ihn ja ohnedies nie Wert gehabt, er hat es nur gewollt als Quelle des Dauernden; aber diese Dauer verspricht ihm allein die selbständige Fortdauer

seiner Nation; um diese zu retten, muß er sogar sterben wollen, damit diese lebe und er in ihr lebe das einzige Leben, das er von je gemocht hat. So ist es. Die Liebe, die wahrhaftig Liebe sei und nicht bloß eine vorübergehende Begehrlichkeit, haftet nie auf Vergänglichem, son­ dern sie erwacht und entzündet sich und ruht allein in dem Ewigen. Nicht einmal sich selbst vermag der Mensch zu lieben, es sei denn, daß er sich als Ewiges erfasse; außerdem vermag er sich sogar nicht zu achten, noch zu billigen. Noch weniger vermag er etwas außer sich zu lieben, außer also, -aß er es aufnehme in die Ewigkeit seines Glau­ bens und seines Gemüts und es anknüpfe an dieses. Wer nicht zu­ vörderst sich als ewig erblickt, der hat überhaupt keine Liebe und kann auch nicht lieben ein Vaterland, dergleichen es für ihn nicht gibt. Wer zwar vielleicht sein unsichtbares Leben, nicht aber eben also sein sichtbares Leben als ewig erblickt, der mag wohl einen Himmel haben und in diesem sein Vaterland; aber hienieden hat er kein Vaterland, denn auch dieses wird nur unter dem Bilde der Ewigkeit und zwar der sichtbaren und versinnlichten Ewigkeit erblickt, und er vermag daher auch nicht sein Vaterland zu lieben. Ist einem solchen keins überliefert worden, so ist er zu beklagen; wem eins über­ liefert worden ist, und in wessen Gemüte Himmel und Erde, Unsicht­ bares und Sichtbares sich durchdringen und so erst einen wahren und gediegenen Himmel erschaffen, der kämpft bis auf den letzten Blutstropfen, um den teuren Besitz ungeschmälert wiederum zu überliefern an die Folgezeit. So ist es auch von jeher gewesen, ohnerachtet es nicht von jeher mit dieser Allgemeinheit und mit dieser Klarheit ausgesprochen worden. Was begeisterte die Edlen unter den Römern, deren Gesinnung und Denkweise noch in ihren Denkmalen unter uns leben und atmen, zu Mühen und Aufopferungen, zum Dulden und Tragen fürs Vaterland? Sie sprechen es selbst oft und deutlich aus. Ihr fester Glaube war es an die ewige Fortdauer ihrer Roma und ihre zu­ versichtliche Aussicht, in dieser Ewigkeit selber ewig mit fortzuleben im Strome der Zeit. Inwiefern dieser Glaube Grund hatte, und sie selbst, wenn sie in sich selber vollkommen klar gewesen wären, denselben gefaßt haben würden, hat er sie auch nicht getäuscht. Bis auf diesen Tag lebet das, was wirklich ewig war in ihrer ewigen Roma, und sie mit demselben, in unsrer Mitte fort, und wird in seinen Folgen fortleben bis ans Ende der Tage. Volk und Vaterland in dieser Bedeutung, als Träger und Unter­ pfand der irdischen Ewigkeit und als dasjenige, was hienieden

ewig sein kann, liegt weit hinaus über den Staat, im gewöhnlichen Sinne des Worts, — über die gesellschaftliche Ordnung, wie dieselbe im bloßen klaren Begriffe erfaßt, und nach Anleitung dieses Begriffs errichtet und erhalten wird. Dieser will gewisses Recht, innerlichen Frieden, und daß jeder durch Fleiß seinen Unterhalt und die Fristung seines sinnlichen Daseins finde, so lange Gott sie ihm gewähren will. Dieses alles ist nur Mittel, Bedingung und Gerüst dessen, was die Vaterlandsliebe eigentlich will, des Aufblühens des Ewigen und Göttlichen in der Welt, immer reiner, vollkommner und getroffener im unendlichen Fortgänge. Eben darum muß diese Vaterlandsliebe den Staat selbst regieren, als durchaus oberste, letzte und unabhängige Behörde, zuvörderst, indem sie ihn beschränkt in der Wahl der Mittel für seinen nächsten Zweck, den innerlichen Frieden. Für diesen Zweck muß freilich die natürlche Freiheit des Einzelnen auf mancherlei Weise beschränkt werden, und wenn man gar keine andere Rücksicht und Absicht mit ihnen hätte denn diese, so würde man wohl tun, dieselbe so eng, als immer nur möglich, zu beschränken, alle ihre Regungen unter eine einförmige Regel zu bringen und sie unter immerwährender Aufsicht zu erhalten. Gesetzt, diese Strenge wäre nicht nötig, so könnte sie wenigstens für diesen alleinigen Zweck nicht schaden. Nur die höhere Ansicht des Menschengeschlechts und der Völker erweitert diese beschränkte Berechnung. Freiheit, auch in den Regungen des äußerlichen Lebens, ist der Boden, in welchem die höhere Bildung keimt; eine Gesetzgebung, welche diese letztere im Auge behält, wirb der ersteren einen möglichst ausgebreiteten Kreis lassen, selber auf die Gefahr hin, daß ein geringerer Grad der ein­ förmigen Ruhe und Stille erfolge, und daß das Regieren ein wenig schwerer und mühsamer werde. Um dies an einem Beispiele zu erläutern: man hat erlebt, daß Nationen ins Angesicht gesagt worden, sie bedürften nicht so vieler Freiheit als etwa manche andre Nation. Diese Rede kann sogar eine Schonung und Milderung enthalten, indem man eigent­ lich sagen wollte, sie könnte soviele Freiheit gar nicht ertragen, und nur eine hohe Strenge könnte verhindern, daß sie sich nicht unter­ einander selbst aufrieben. Wenn aber die Worte also genommen werden, wie sie gesagt sind, so sind sie wahr unter der Voraussetzung, daß eine solche Nation des ursprünglichen Lebens und des Triebes nach solchem durchaus unfähig sei. Eine solche Nation, falls eine solche, in der auch nicht wenige Edlere eine Ausnahme von der allge­ meinen Regel machten, möglich sein sollte, bedürfte in der Tat

gar keiner Freiheit, denn diese ist nur für die höheren, über den Staat hinausliegendev Zwecke; sie bedarf bloß der Bezähmung und Abrichtung, damit die Einzelnen friedlich nebeneinander bestehen, und damit das Ganze zu einem tüchtigen Mittel für willkürlich zu setzende außer ihr liegende Zwecke zubereitet werde. Wir können unentschieden lassen, ob man irgendeiner Nation dies mit Wahrheit sagen könne: so viel ist klar, daß ein ursprüngliches Volk der Freiheit bedarf, daß diese das Unterpfand ist seines Beharrens als ur­ sprünglich, und daß es in seiner Fortdauer einen immer höher steigenden Grad derselben ohne alle Gefahr erträgt. Und dies ist das erste Stück, in Rücksicht dessen die Vaterlandsliebe den Staat selbst regieren muß. Sodann muß sie es sein, die den Staat darin regiert, daß sie ihm selbst einen höheren Zweck setzt denn den gewöhnlichen der Erhaltung des inneren Friedens, des Eigentums, der persönlichen Freiheit, des Lebens und des Wohlseins aller. Für diesen höhern Zweck allein und in keiner andern Absicht bringt der Staat eine bewaffnete Macht zusammen. Wenn von der Anwendung dieser die Rede entsteht, wenn es gilt, alle Zwecke des Staates im bloßen Begriffe — Eigentum, persönliche Freiheit, Leben und Wohlsein — ja die Fortdauer des Staats selbst auf das Spiel zu setzen und ohne einen klaren Verstandesbegriff von der sichern Erreichung des Beab­ sichtigten, dergleichen in Dingen dieser Art nie möglich ist, ursprüng­ lich und Gott allein verantwortlich zu entscheiden: dann lebt am Ruder des Staates erst ein wahrhaft ursprüngliches und erstes Leben, und an dieser Stelle erst treten ein die wahren Majestätsrechte der Regierung, gleich Gott um höheren Lebens willen das niedere Leben daran zu wagen. In der Erhaltung der hergebrachten Verfassung, der Gesetze, des bürgerlichen Wohlstandes ist sogar kein rechtes eigentliches Leben und kein ursprünglicher Entschluß. Umstände und Lage, längst vielleicht verstorbene Gesetzgeber haben diese er­ schaffen; die folgenden Zeitalter gehen gläubig fort auf der ange­ tretenen Bahn und leben so in der Tat nicht ein eignes öffentliches Leben, sondern sie wiederholen nur ein ehemaliges Leben. Es bedarf in solchen Zeiten keiner eigentlichen Regierung. Wenn aber dieser gleichmäßige Fortgang in Gefahr gerät, und es nun gilt, über neue, nie also bagewesene Fälle zu entscheiden: dann bedarf es eines Lebens, das aus sich selber lebe. Welcher Geist nun ist es, der in solchen Fällen sich an das Ruder stellen dürfe, der mit eigener Sicher­ heit und Gewißheit und ohne unruhiges Hin- und Herschwanke»

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zu entscheiden vermöge, der in »»bezweifeltes Recht habe, jedem, den es treffen mag, ob er nun selbst es wolle oder nicht, gebietend anjumuten und den Widerstrebenden zu zwingen, daß er alles, bis auf sein Leben, in Gefahr setze? Richt der Geist der ruhigen bürger­ lichen Liebe der Verfassung und der Gesetze, sondern die verzehrende Flamme der höheren Vaterlandsliebe, die die Nation als Hülle des Ewigen umfaßt, für welche der Edle mit Freuden sich opfert, und der Unedle, der nur um des ersten willen da ist, sich eben opfern soll. Nicht jene bürgerliche Liebe der Verfassung ist es; diese vermag dies gar nicht, wenn sie bei Verstände bleibt. Wie es auch ergehen möge, da nicht umsonst regiert wird, so wird sich immer ein Regent für sie finden. Lasset den neuen Regenten sogar die Sklaverei wollen (und wp ist Sklaverei, außer in der Nichtachtung und Unterdrükkung der Eigentümlichkeit eines ursprünglichen Volkes, dergleichen für jenen Sinn nicht vorhanden ist?) — lasset ihn auch die Sklaverei wollen, — da aus dem Leben der Sklaven, ihrer Menge, sogar ihrem Wohlstände sich Nutzung ziehen läßt: so wird, wenn er nur einiger­ maßen ein Rechner ist, die Sklaverei unter ihm erträglich ausfallen. Leben und Unterhalt werden sie wenigstens immer finden. Wofür sollten fie denn also kämpfen? Nach jenen beiden ist es die Ruhe, die ihnen über alles geht. Diese wird durch die Fortdauer des Kampfes nur gestört. Sie werden darum alles anwenden, daß dieser nur recht bald ein Ende nehme, fie werden sich fügen, sie werden nachgeben und warum sollten sie nicht? Es ist ihnen ja nie um mehr zu tun gewesen und sie haben vom Leben nie etwas Weiteres gehofft, denn die Fortsetzung der Gewohnheit dazusein unter erleidliche» Bedingungen. Die Verheißung eines Lebens auch hienieden über die Dauer des Lebens hienieden hinaus, — allein diese ist es, die bis zum Tode fürs Vaterland begeistern kann. So ist es auch bisher gewesen. Wo da wirklich regiert worden ist, wo bestanden worden sind ernste Kämpfe, wo der Sieg errungen worden ist gegen gewaltigen Widerstand, da ist es jene Verheißung ewigen Lebens gewesen, die da regierte und kämpfte und siegle. Im Glauben an diese Verheißung kämpften die in diesen Reden früher erwähnten deutschen Protestanten. Wußten sie etwa nicht, daß auch mit dem alten Glauben Völker regiert und in rechtlicher Ordnung zusammengehalten werden könnten, und daß man auch bei diesem Glauben seinen guten Lebensunterhalt finden können? Warum beschlossen denn also ihre Fürsten bewaffneten Wider­ stand, und warum leisteten ihn mit Begeisterung die Völker? —Der

Himmel war es und die ewige Seligkeit, für welche sie willig ihr Blut vergossen. — Aber welche irdische Gewalt hätte denn anch in das innere Heiligtum ihres Gemütes eindringe», und den Glauben, der ihnen ja nun einmal aufgegangen war, und auf welchen allein sie ihrer Seligkeit Hoffnung gründeten, darin austilgen können? Also auch ihre eigene Seligkeit war es nicht, für die sie kämpften; dieser waren sie schon versichert: die Seligkeit ihrer Kinder, ihrer noch ungebornen Enkel und aller noch ungebornen Nachkommenschaft war es; auch diese sollten auferzogen werden in derselben Lehre, die ihnen als allein heilbringend erschienen war, auch diese sollten teilhaftig werden des Heiles, das für sie angebrochen war; diese Hoffnung allein war es, die durch den Feind bedroht wurde: für sie, für eine Ord­ nung der Dinge, die lange nach ihrem Tode über ihren Gräbern blühen sollte, verspritzten sie mit dieser Freudigkeit ihr Blut. Geben wir zu, daß sie sich selbst nicht ganz klar waren, daß sie in der Be­ zeichnung des Edelsten, was in ihnen war, mit Worten sich ver­ griffen und mit dem Munde ihrem Gemüte unrecht taten; be­ kennen wir gern, daß ihr Glaubensbekenntnis nicht das einige und ausschließende Mittel war, des Himmels jenseits des Grabes teilhaftig zu werden: so ist doch dies ewig wahr, daß mehr Himmel diesseits des Grabes, ein mutigeres und fröhlicheres Emporblicken von der Erde und eine freiere Regung des Geistes durch ihre Aufopferung, in alles Leben der Folgezeit gekommen ist, und die Nachkommen ihrer Gegner ebensowohl als wir selbst, ihre Nachkommen die Früchte ihrer Mühen bis auf diesen Tag genießen. In diesem Glauben setzten unsre ältesten gemeinsamen Vorfahren, das Stammvolk der neuen Bildung, die von den Römern Germa­ nier genannten Deutschen, sich der herandringenden Weltherrschaft der Römer mutig entgegen. Sahen sie denn nicht vor Augen den höhern Flor der römischen Provinzen neben sich, die feinern Ge­ nüsse in denselben, dabei Gesetze, Richterstühle, Rutenbündel und Beile in Überfluß? Waren die Römer nicht bereitwillig genug, sie an allen diesen Segnungen teilnehmen zu lassen? Erlebten sie nicht an mehreren ihrer eigenen Fürsten, die sich nur bedeuten ließen, daß der Krieg gegen solche Wohltäter der Menschheit Rebellion sei. Beweise der gepriesenen römischen Klemenz, indem sie die Nach­ giebigen mit Königstiteln, mit Anführerstellen in ihren Heeren, mit römischen Opferbinden auszierten, ihnen, wenn sie etwa von ihren Landsleuten ausgetrieben wurden, einen Zufluchtsort und Unter#

halt in ihren Pflanzstädten gaben?1) Hatten sie keinen Sinn für die Vorzüge römischer Bildung, z. B. für die bessere Einrichtung ihrer Heere, in denen sogar ein Arminius das Kriegshandwerk zu erlernen nicht verschmähte? Keine von allen diesen Unwissenheiten oder Nicht­ beobachtungen ist ihnen aufzurücken. Ihre Nachkommen haben sogar, sobald sie es ohne Verlust für ihre Freiheit konnten, die Bildung der­ selben sich angeeignet, inwieweit es ohne Verlust ihrer Eigentüm­ lichkeit möglich war. Wofür haben sie denn also mehrere Menschen­ alter hindurch gekämpft im blutigen, immer mit derselben Kraft sich wieder erneuernden Kriege? Ein römischer Schriftsteller?) läßt es ihre Anführer also anssprechen: „ob ihnen denn etwas anderes übrig bleibe, als entweder die Freiheit zu behaupten oder zu sterben, bevor sie Sklaven würden". Freiheit war ihnen, daß sie eben Deutsche blieben, daß sie fortführen, ihre Angelegenheiten selbständig und ursprünglich, ihrem eigenen Geiste gemäß zu entscheiden, und diesem gleichfalls gemäß auch in ihrer Fortbildung vorwärtszurücken, und daß sie diese Selbständigkeit auch auf ihre Nachkommenschaft fort­ pflanzten: Sklaverei hießen ihnen alle jene Segnungen, die ihnen die Römer antrugen, weil sie dabei etwas anderes denn Deutsche, weil sie halbe Römer werden müßten. Es verstehe sich von selbst, setzten sie voraus, daß jeder, ehe er dies werde, lieber sterbe, und daß ein wahrhafter Deutscher nur könne leben wollen, um eben Deut­ scher zu sein und zu bleiben, und die ©einigen zu eben solchen zu bilden. Sie sind nicht alle gestorben, sie haben die Sklaverei nicht ge­ sehen, sie haben die Freiheit hinterlassen ihren Kindern. Ihrem beharrlichen Widerstande verdankt es die ganze neue Welt, daß sie da ist, so wie sie da ist. Wäre es den Römern gelungen, auch sie zu unterjochen, und, wie dies der Römer allenthalben tat, sie als Nation auszurotten, so hätte die ganze Fortentwicklung der Menschheit eine andere, und man kann nicht glauben erfreulichere Richtung genom­ men. Ihnen verdanken wir, die nächsten Erben ihres Bodens, ihrer Sprache und ihrer Gesinnung, daß wir noch Deutsche sind, daß der Strom ursprünglichen und selbständigen Lebens uns noch trägt, ihnen verdanken wir alles, was wir seitdem als Nation ge­ wesen sind, ihnen, falls es nicht etwa jetzo mit uns zu Ende ist

*) Tacitus arm. 157 (Segimundus), 58 (Segestes); 119 (Flavus), 63 (Maroboduus, Catualda). 2) Tac. arm. II15; Worte des Arminius. 6z

und der letzte von ihnen abgestammte Blutstropfen in unseren Adern verflegt ist, ihnen werden wir verdanken alles, was wir noch ferner sein werden. Ihnen verdanken selbst die übrigen, uns jetzt ;um Aus­ lande gewordenen Stämme, in ihnen unsre Brüder, ihr Dasein; als jene die ewige Roma besiegten, war noch keins aller dieser Völker vorhanden; damals wurde zugleich auch ihnen die Möglichkeit ihrer künftigen Entstehung mit erkämpft. Diese, und alle andere in der Weltgeschichte, die ihres Sinnes waren, haben gesiegt, weil das Ewige sie begeisterte, und so siegt immer und notwendig diese Begeisterung über den, der nicht begei­ stert ist. Nicht die Gewalt der Arme, noch die Tüchtigkeit der Waffen, sondern die Kraft des Gemüts ist es, welche Siege erkämpft. Wer ei» begrenztes Ziel sich setzt seiner Aufopferungen und sich nicht weiter wagen mag als bis zu einem gewissen Punkte, der gibt den Widerstand auf, sobald die Gefahr ihm an diesen durchaus nicht aufzugebenden, noch zu entbehrenden Punkt kommt. Wer gar kein Ziel sich gesetzt hat, sondern alles und das Höchste, was man htenieden verlieren kann, das Leben, daransetzt, gibt den Widerstand nie auf und siegt, so der Gegner ein begrenzteres Ziel hat, ohne Zweifel. Ein Volk, das da fähig ist, sei es auch nur in seinen höch­ sten Stellvertretern und Anführern, das Gesicht*) aus der Geister­ welt, Selbständigkeit, fest ins Auge zu fassen, und von der Liebe dafür ergriffen zu werden, wie unsre ältesten Vorfahren, siegt gewiß über ein solches, das nur zum Werkzeuge fremder Herrschsucht und zu Unterjochung selbständiger Völker gebraucht wird, wie die römi­ schen Heere; denn die erster« haben alles zu verlieren, die letzter« bloß einiges zu gewinnen. Über die Denkart aber, die den Krieg als ein Glücksspiel ansieht ,um zeitlichen Gewinn oder Verlust, und bei der schon, ehe sie das Spiel anfängt, fesisteht, bis zu welcher Summe sie auf die Karten setzen wolle, siegt sogar eine Grille. Denken Sie sich z. B. einen Mohamet, — nicht den wirklichen der Geschichte, über welchen ich kein Urteil zu haben bekenne, sondern den eines bekannten französischen Dichters,?)—der sich einmal fest in den Kopf gesetzt habe, er sei eine der ungemeinen Naturen, die da berufen sind, das dunkle, das gemeine Erdenvolk zu leiten, und dem, zufolge dieser ersten Voraussetzung, alle seine Einfälle, so dürftig und beschränkt sie auch in der Tat sein mögen, dieweil es die seinigen *) „Gesicht", wie oft bei Fichte = Wunschbild, Ideal. 2) Voltaire.

find, notwendiger scheinen müssen als große und erhabene und be­ seligende Ideen, und alles, was denselben sich widersetzt, als dunkles gemeines Volk, Feinde ihres eignen Wohls, übelgesinnte und Hassens­ würdige; der nun, um diesen seinen Eigendünkel vor fich selbst als Göttlichen Ruf ;u rechtfertigen, und ganz aufgegangen in diesem Gedanken mit all seinem Leben, alles daran setzen muß und nicht ruhen kann, bis er alles, das nicht ebenso groß von ihm denken will denn er selbst, zertreten hat und bis aus der ganzen Mitwelt sein eigner Glaube an seine göttliche Sendung ihm zurückstrahle: ich will nicht sagen, wie es ihm ergehen würde, falls wirklich ein geistiges Gesicht, das da wahr ist und klar in sich selbst, gegen ihn in die Kampfbahn träte; aber jenen beschränkten Glücksspielern ge­ winnt er es sicher ab, denn er setzt alles gegen sie, die nicht alles setzen; sie treibt kein Geist, ihn aber treibt allerdings ein schwärmeri­ scher Geist: der seines gewaltigen und kräftigen Eigendünkels. Aus allem gehet hervor, daß der Staat als bloßes Regiment des im gewöhnlichen friedlichen Gange fortschreitenden menschlichen Lebens nichts Erstes und für sich selbst Seiendes, sondern daß er bloß das Mittel ist für den höhern Zweck der ewig gleichmäßig fort­ gehenden Ausbildung des rein Menschlichen in dieser Nation; daß es allein das Gesicht und die Liebe dieser ewigen Fortbildung ist, welche immerfort auch in ruhigen Zeitläuften die höhere Aufsicht über die Staatsverwaltung führen soll, welche, wo die Selbständigkeit des Volkes in Gefahr ist, allein dieselbe zu retten vermag. Bei den Deut­ schen, unter denen als einem ursprünglichen Volke diese Vaterlands­ liebe möglich und, wie wir fest zu wissen glauben, bis jetzt auch wirk­ lich war, konnte dieselbe bis jetzt mit einer hohen Zuversicht auf die Sicherheit ihrer wichtigsten Angelegenheit rechnen. Wie nur noch bei den Griechen in der alten Zeit, war bei ihnen der Staat und die Nation sogar voneinander gesondert und jedes für sich dargestellt, der erste in den besonderen deutschen Reichen und Fürstentümern, die letzte sichtbar im Reichsverbande, unsichtbar, nicht zufolge eines niedergeschriebenen, aber eines in aller Gemütern lebenden Rechtes geltend und in ihren Folgen allenthalben in das Auge springend in einer Menge von Gewohnheiten und Einrichtungen. So weit die deutsche Zunge reichte, konnte jeder, dem im Bezirke derselben das Licht anbrach, sich doppelt betrachten als Bürger, teils seines Ge­ burtsstaates, dessen Fürsorge er zunächst empfohlen war, teils des ganzen gemeinsamen Vaterlandes deutscher Nation. Jedem war es verstattet, über die ganze Oberfläche des Vaterlandes hin sich

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diejenige Bildung, die am meisten Verwandtschaft zu seinem Geiste hatte, oder den demselben angemessensten Wirkungskreis aufzu­ suchen, und das Talent wuchs nicht hinein in seine Stelle, wie ein Baum, sondern es war ihm erlaubt, dieselbe zu suchen. Wer durch die Richtung, die seine Bildung nahm, mit seiner nächsten Umgebung entzweit wurde, fand leicht anderwärts willige Aufnahme, fand neue Freunde statt der verlornen, fand Zeit und Ruhe, um sich näher zu erklären, vielleicht die erzürnten selbst zu gewinnen und zu ver­ söhnen und so das Ganze zu einigen. Kein deutschgeborener Fürst hat es je über sich vermocht, seinen Untertanen das Vaterland inner­ halb der Berge oder Flüsse, wo er regierte, abzustecken, und dieselben zu betrachten als gebunden an die Erdscholle. Eine Wahrheit, die an einem Orte nicht laut werden durfte, durfte es an einem andern, an welchem vielleicht im Gegenteile diejenigen verboten waren, die dort erlaubt wurden; und so fand denn bei manchen Einseitig­ keiten und Engherzigkeiten der besonderen Staaten, dennoch in Deutschland, dieses als ein Ganzes genommen, die höchste Freiheit der Erforschung und der Mitteilung statt, die jemals ein Volk be­ sessen; und die höhere Bildung war und blieb allenthalben der Er­ folg aus der Wechselwirkung der Bürger aller deutschen Staaten, und diese höhere Bildung kam denn in dieser Gestalt auch allmählich herab zum größer» Volke, das somit immer fortfuhr, sich selber durch sich selbst im großen und ganzen zu erziehen. Dieses wesentliche Unterpfand der Fortdauer einer deutschen Nation schmälerte, wie gesagt, kein am Ruder der Regierung sitzendes deutsches Gemüt; und wenn auch in Absicht andrer ursprünglichen Entscheidungen nicht immer geschehen sein sollte, was die höhere deutsche Vaterlandliebe wünschen mußte, so ist wenigstens der Angelegenheit desselben nicht gerade entgegengehandelt worden; man hat nicht gesucht, jene Liebe zu untergraben, sie auszurotten und eine entgegengesetzte

Liebe an ihre Stelle zu bringen. Wenn nun aber etwa die ursprüngliche Leitung sowohl jener höher» Bildung als der Nationalmacht, die allein für jene und ihre Fortdauer als Zweck gebraucht werden darf, die Verwendung deutschen Gutes und deutschen Blutes, aus der Botmäßigkeit deut­ schen Gemüts in eine andere kommen sollte, was würde sodann notwendig erfolgen müssen? Hier ist der Ort, wo es der in unserer ersten Rede in Anspruch genommenen Geneigtheit, sich über die eigenen Angelegenheiten nicht täuschen zu wollen, und des Mutes, die Wahrheit sehen zu

wollen und sie sich ju gestehen, vorzüglich bedarf; auch ist es, so viel mir bekannt, noch immer erlaubt, in deutscher Sprache miteinander vom Vaterlande zu reden, wenigstens zu seufzen; und wir würden, glaube ich, nicht wohl tun, wenn wir aus unsrer eignen Mitte heraus ein solches Verbot verfrühten und dem Mute, der ohne Zweifel über das Wagnis schon vorher mit sich zurate gegangen sein wird, die Fessel der Zaghaftigkeit Einzelner anlegen wollten. Malen Sie sich also die vorausgesetzte neue Gewalt so gütig und so wohlwollend vor, als Sie irgend wollen, machen Sie sie so gut wie Gott: werden Sie ihr auch göttlichen Verstand einsetzen können? Mag sie alles Ernstes das höchste Glück und Wohlsein aller wollen: wird das höchste Wohlsein, das sie zu fassen vermag, wohl auch deutsches Wohlsein sein? So hoffe ich über den Hauptpunkt, den ich Ihnen heute vorgetragen, von Ihnen recht wohl verstanden worden zu sein, ich hoffe, daß mehrere hiebei gedacht und gefühlt haben: ich drücke nur deutlich aus und spreche aus mit Worten, wie es ihnen von jeher im Gemüte gelegen; ich hoffe, daß es auch mit den übrigen Deutschen, die einst dieses lesen werden, sich also verhalten werde; auch haben vor mir mehrere Deutsche ohngefähr dasselbe gesagt; und dem immerfort bezeugten Widerstreben gegen eine bloß me­ chanische Einrichtung und Berechnung des Staates hat dunkel jene Gesinnung zum Grunde gelegen. Und nun fordre ich alle, die mit der neuen Literatur des Ausland es bekannt sind, auf, mir nachzu­ weisen, welcher neuere Weise, Dichter, Gesetzgeber derselben eine die­ sem ähnliche Ahnung, die das Menschengeschlecht als ein ewig fort­ schreitendes betrachte und alles sein Regen in der Zeit nur auf diesen Fortschritt beziehe, jemals verraten habe; ob irgendeiner selbst in dem Zeitpunkte, als sie am kühnsten zu politischer Schöpfung sich emporschwangen, mehr als nur nicht Ungleichheit, inneren Frieden, äußeren Nationalruhm und, wo es aufs Höchste getrieben wurde, häusliche Glückseligkeit vom Staate gefordert habe? Ist, wie man aus allen diesen Anzeigen schließen muß, dieses ihr Höchstes, so werden sie auch uns keine höheren Bedürfnisse und keine höheren Forderungen an das Leben beimessen, und, immer jene wohltätigen Gesinnungen gegen uns und die Abwesenheit alles Eigennutzes und aller Sucht, mehr sein zu wollen denn wir, vorausgesetzt, trefflich für uns gesorgt zu haben glauben, wenn wir alles das finden, was sie allein als begehrungswürdig kennen; dasjenige aber, warum der Edlere unter uns allein leben mag, ist sodann ausgetilgt aus dem öffentlichen Leben, und das Volk, das für die Anregungen des Ed-

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leren sich stets empfänglich gezeigt hat, und welches man sogar nach seiner Mehrheit zu jenem Adel emporzuheben hoffen durfte, ist, sowie es behandelt wird, wie jene behandelt sein wollen, herab­ gesetzt unter seinen Rang, entwürdigt, ausgetilgt aus der Reihe der Dinge, indem es zusammenfließt mit dem von niederer Art. In wem nun jene höheren Anforderungen an das Leben nebst dem Gefühle ihres göttlichen Rechtes dennoch lebendig und kräftig bleiben, der fühlt mit tiefem Unwillen sich zurückgedrängt in jene ersten Zeiten des Christentums, zu denen gesagt ist: „Ihr sollt nicht widerstreben dem Übel, sondern, so dir jemand einen Streich gibt auf den rechten Backen, dem biete den andern auch dar, und so jemand deinen Rock nehmen will, dem laß auch den Mantel"; mit Recht daS letzte, denn so lange er noch einen Mantel an dir sieht, sucht er einen Handel an dich, um dir auch diesen zu nehmen; erst wie du ganz nackend bist, entgehst du seiner Aufmerksamkeit und hast vor ihm Ruhe. Eben sein höherer Sinn, der ihn ehrt, macht ihm die Erde zur Hölle und zum Ekel; er wünscht nicht geboren zu sein, er wünscht, daß sein Auge je eher je lieber sich dem Anblicke dieses Tages verschließe; unversiegbare Trauer bis an das Grab erfaßt seine Tage; dem, was ihm lieb ist, kann er keine bessere Gabe wünschen denn einen dumpfen und genügsamen Sinn, damit es mit weniger Schmerz einem ewigen Leben jenseits des Grabes entgegenlebe. Diese Vernichtung jeder etwa ins Künftige unter uns aus­ brechenden edler» Regung und diese Heruvtersetzung unsrer ganzen Nation, durch das einzige, nachdem die andern vergeblich angewendet worden sind, noch übrigbleibende Mittel zu verhindern, tragen Ihnen diese Reden an. Sie tragen Ihnen an, die wahre und allmächtige Vaterlandsliebe in der Erfassung unsers Volks als eines ewigen, nnd als Bürgen unsrer eignen Ewigkeit durch die Erziehung in aller Gemüter recht tief und unauslöschlich zu begründen. Welche Erziehung dies vermöge und auf welche Weise, werden wir in den folgenden Reden ersehen. („Reden an die deutsche Nation". 1808. 8. Rede.)

Über Glück und Unglück. Was auch immer der bloße nicht selbst anteilnehmende Beob­ achter der menschlichen Unternehmungen von Glück oder Unglück halten, und tote viel oder wenig von dem Erfolge derselben er einer unbekannten und nicht unter unsre Berechnung zu bringenden Ursache juschreiben möge; so soll doch der, der getrieben ist, wirklich etwas zu unternehmen, jener unbekannten Ursache durchaus keinen Einfluß jugestehen, sondern es muß ein solcher fich bestreben, sein Vorhaben soweit zu durchdringen, als irgend möglich ist, und so weit er es durchdringt, alles berechnen, und nun in gutem Glauben und mit unerschütterlicher Fassung, an das Werk gehen. Die meisten Male wird einem solchen Mute und Glauben das Unternehmen ge­ lingen: Mißlingen aber, Untergang, Tod, wenn es einmal sein muß, kommen ohne unsre Mühe, und trotz unsrer besten Berech­ nungen, von selber. So nun jemand durch die Betrachtung, daß es doch immer möglich bleibe, baß ihm das Unternehmen miß­ länge, flch abhalten lassen wollte etwas zu tun, bis ihm die ab­ solute Unmöglichkeit des Mißlingens mathematisch demonstriert wäre, so würde ein solcher, da eine solche Demonstration niemals möglich ist, nimmer ;um Handeln kommen. So ist es freilich äußerst selten, daß eine vom Dache fallende Last einen Vorüber­ gehenden töte, doch ist es geschehen, und wer gegen diese Gefahr sich vollkommen stchersiellen wollte, der müßte niemals sein Zimmer verlassen, in welchem jedoch auch die Decke über ihn hereinbrechen kann, welcher Gefahr er entgangen sein würde, wenn er zu der Zeit sich auf der Gasse befunden hätte. In Gefahr sind wir unaufhör­ lich, und wer auf absolute Versicherung wartet, ehe er etwas unter­ nimmt, dem mag dienlich sein, in der Einsamkeit erbauliche Betrach­ tungen anjustellen über die Sterblichkeit der Menschen, und die Hinfälligkeit aller Dinge, von dem handelnden Leben aber bleibe er entfernt. Der schönste Glückstern, der einem Helden ins Leben leuchten kann, ist der Glaube, daß kein Unglück sei und daß jede Gefahr durch feste Fassung und durch den Mut, der nichts und, wenn es gilt, auch das eigne Leben nicht schont, besiegt werde. Gehe ein solcher sogar unter in der Gefahr, so bleibt es nur den Zurückgebliebenen, 69

sein Unglück zu beklagen: er selbst ist nicht mehr zugegen bei seinem Unglücke. So ist auch die würdigste Verehrung, welche der Mensch der über unsre Schicksale waltenden Gottheit zu bringen vermag, der Glaube, daß sie reich genug gewesen, uns also auszustatten, daß wir selbst unser Schicksal machen könnten; dagegen ist es Lästerung, anzunehmen, daß unter dem Regimente eines solchen Wesens das­ jenige, was allein Wert hat an dem Menschen, Klarheit des Geistes und Festigkeit des Willens, keine Kräfte seien, sondern alles durch ein blindes und vernunftloses Ohngefähr entschieden werde. Denke, könnte man dem Menschen zurufen, daß du nicht durch dich selbst seiest, und alles durch Gott, damit du edel und stark werdest in diesem Gedanken; aber wirke, als wenn kein Gott sei, der dir helfen könnte, sondern du allein alles tun müssest, wie er dir den» auch in der Tat nicht anders helfen will, als wie er dir schon geholfen hat, dadurch, daß er dich dir selbst gab. Wo gleich beim Anfänge einer Unternehmung kein rechtes eignes Herz bei der Sache ist, sondern die Vorsehung hingestellt wird, wie es scheint, nm etwas in Bereit­ schaft zu haben, dem man die Schuld des unglücklichen Erfolges gebe, da ist eben deswegen zu befürchten, daß man ihrer zu diesem Behufe bedürfen werde. Dieser Glaube, sage ich, und das Leben in diesem Glauben, ist selbst das rechte eigentliche Glück. Dagegen ist das eigentliche Unglück das Mißtrauen in die Möglichkeit eigner Einsicht und eigner Kraft und die verzagte Ergebung in das blinde Geschick und in alles, was dasselbe aus uns machen wolle; woraus Unentschlossen­ heit, Schwanken in den gefaßten Plänen, und, um es mit einem Zuge zu bezeichnen, derjenige Zustand entsteht, da man zugleich auch nicht will, was man will, und zugleich auch will, was man nicht will. Wer so ist, der ist unglücklich geboren, ihm geht das Unglück nach auf allen seinen Schritten, und wohin er tritt, bringt er es mit sich. Sehe man doch nach in der Geschichte, was denn dasjenige sei, was die Menge, an die das Urteilen nie eher kommt, bis der Erfolg gegeben ist, von jeher Glück oder Unglück genannt hat! — Es tut im Verfolge einer Unternehmung sich ein Umstand her­ vor, der an sich weder notwendig war, noch durch irgend einen mensch­ lichen Verstand vorherzusehen. Der verständige Mann durchschaut auf der Stelle, wie derselbe zu gebrauchen sei für seinen Zweck, und gebraucht ihn also; er, der vielleicht, wenn statt des eingetretenen gerade sein Gegenteil sich ereignet hätte, auch dieses eben so

zweckmäßig gefunden haben würde. Es friert z. B. zu ungewöhnli­ cher Zeit ungewöhnlich stark; und er geht über die mit Eis bedeckten Flüsse, Seen, Moräste, und erobert gegen alle Erwartung; er, der, wenn Tauwetter eingefallen wäre, vielleicht in dieselben offenen Seen und Moräste den Feind versenkt hätte. Die Menge, welche zwischen dem Froste und der Eroberung kein Mittelglied sieht, staunt sein Glück an und es ist sein Vorteil, sie dabei zu lassen, weil dies in das Gebiet des Wunderbaren fällt und den Mann zum be­ sondern Lieblinge der Gottheit erhebt, dagegen die nackte Wahrheit, daß sein Glück auf seinem Verstände beruht habe, viel zu gemein und zu natürlich ist. Ein anderer hat vielleicht auf eines und das andre, das sich zutragen könnte, gerechnet und ist dagegen gerüstet; und möchte dies kommen, so würde er sich recht gut aus dem Handel ziehen. Leider aber erfolgt nicht dieses, sondern ein anderes, worauf, als gleichwohl auch möglich, er ebenfalls hätte rechnen können und sollen: darauf ist er nicht vorbereitet und er fällt. Da sich ihm nun dennoch nicht nachsagen läßt, daß er gar nichts bedacht habe, indem er einiges doch wirklich bedacht hat, so will er lieber Unglück gehabt haben, als seinen unzulänglichen Verstand er­ kennen und anklagen; und vielleicht wirb ihm zum Ersätze für sein erstes Unglück daS Glück zuteil, daß er bei der unverständigen Menge Glauben findet. Das so eben beschriebne besondere Glück aus einzelnen Ereig­ nissen macht jeder, der mit einem gehörig tiefen und umfassenden Plane an ein großes Unternehmen geht, sich zu eigen und fesselt es an sein Gefolge. Er hat auf manchen nachteiligen Umstand gerechnet, welcher, da so wenig alles Üble geschieht, das wir fürchten, als alles Gute, das wir hoffen, nicht eintritt; er hat gegen diese Übel Kräfte in Bereitschaft gesetzt, welche, hievon erübrigt, ihm für andere Zwecke gewonnen werden. Er hat auf manches günstige Ereignis nicht gerechnet, welches gleichwohl, wie dies immer geschieht, sich einstellt. Er weiß dies auf das beste zu benutzen und hat aber­ mals gewonnen. Überhaupt sind demjenigen, der einmal im Vor­ teil ist, alle Dinge freundlich; so lange er nämlich in sich diejenigen Eigenschaften, durch die er anfangs in den Vorteil kam, aufrecht erhält und durch Siegestaumel sich nicht zum Übermut, Sorglosig­ keit und Vermessenheit hinreißen läßt. Dagegen sind dem, der in den Nachteil gekommen, alle Dinge weit schwerer zu handhaben, und es ist zu befürchten, daß sein erstes Unglück eine Reihe andrer Unglücks­ fälle zur Folge haben werden.

Im allgemeinen aber kann man als Regel annehmen, und wird es im Leben und durch die Geschichte bestätigt finden, daß, je unentschloßner, mutloser, träger, kränkelnder, je mehr das Leben verträumend und für frisches Leben erstorben Einzelne oder auch ganze Zeitalter waren, desto fester glaubten fie an Unglück, und an et» dunkles Verhängnis, gleichsam um die Schuld ihrer heimlich gefühlten Untauglichkeit dadurch von fich selbst abzulehnen; je kräftiger dagegen Einzelne oder ganze Zeitalter in sich selbst waren, desto mehr glaubten sie an das überwiegende Vermögen tüchtiger Menschen, und hielten dafür, daß nichts unerreichbar sei dem «n, erschütterlichen Willen. (Aus- „M-chiav-u". 1807.)

Napoleon. Erkenne ich recht Gott und seinen Weltplan, wie ich festiglich glaube, — habe ich auch die bisherige durch sein ganzes öffentliches Leben dargelegte Erscheinung unseres Feindes richtig begriffen, worin als einem geschichtlichen Datum ich mich irren kann: so ist in ihm alles Böse, gegen Gott und Freiheit Feindliche, was seit Be­ ginn der Zeit bekämpft worden ist von allen Tugendhaften, zusam­ mengedrängt und auf einmal erschienen, ausgestattet mit aller Kraft, die das Böse haben kann. Wozu? Auch alle Kraft des Guten, die jemals in der Welt erschienen ist, soll sich vereinigen und es über­ winden. Dies ist das große Schauspiel, welches, meines Erachtens, dieser Zeit vorbehalten ist. Das Reich des Teufels ist nicht dazu da, damit es sei, und von den Unentschiedenen, weder Gott noch dem Teufel Gehörigen, Herrenlosen duldend ertragen werde, sondern damit eö zerstört und durch seine Zerstörung der Name Gottes ver­ herrlicht werde. Ist dieser Mensch eine Rute in der Hand Gottes, wie viele meinen, und wie ich in gewissem Sinne zugebe, so ist ct'd nicht dazu, daß wir ihr den entblößten Rücken hinhalten, um vor Gott ein Opfer zu bringen, wenn es recht blutet, sondern daß wir dieselbe zerbrechen.... Lassen Sie uns den Mann sehen, der an die Spitze jenes (des französischen) Volkes sich gestellt hat. Zuvörderst, er ist kein Franzose. Wäre er dies, so würden jene geselligen Grundansichten, jene Ach­ tung für die Meinung anderer und kurz für etwas außer ihm selber, einige wohltätige Schwäche und Inkonsequenz seinem Charakter beimischen, wie dergleichen sich z. B. im vierzehnten Ludwig, meines Erachtens der schlimmsten Ausgeburt des französischen National­ charakters, vorfanden. Aber er ist aus einem Volke, das schon unter den Alten wegen seiner Wildheit berüchtigt war, das gegen die Zeit seiner Geburt in harter Sklaverei noch mehr verwildert war, das einen verzweifelten Kampf gekämpft hatte, um die Fesseln zu zer­ brechen, und infolge dieses Kampfes in die Sklaverei eines nur schlaueren Herrschers gefallen und um seine Freiheit betrogen worden

war*). Die Begriffe und Empfindungen, die aus einer solchen Lage seines Vaterlandes fich entwickelten, mögen die ersten Bildungsmittel seines aufkeimenden Verstandes gewesen sein. Unter der franzöfischen Nation, die auf diese Weise ihm zuerst bekannt wurde, er­ hielt er seine Bildung, fie legte fich ihm dar in den Begebenheiten einer Revolution, deren innere Triebfedern zu schauen er alle Gelegen­ heit hatte, und er mußte bald mit innigster Klarheit dieses Volk begreifen lernen als eine höchst regsame Masse, die da fähig wäre, durchaus jedwede Richtung anzunehmen, keinesweges aber durch fich selbst fich eine bestimmte und dauernde zu geben. Konnte es anders kommen, als daß er, wie er diese Nation fand, der er selbst seine Verstandesausbildung dankte, und die er ungefähr für die erste halten mochte, so auch das ganze übrige Menschengeschlecht ansahe? Don einer höheren fittlichen Bestimmung des Menschen hatte er durchaus keine Ahnung. Woher sollte er fie bekommen, da fie nicht, wie etwa bei den Franzosen, durch eine glückliche An­ gewöhnung in früher Jugend ihm zuteil war, durch deutliche Er­ kenntnis aber vermittels der Philosophie oder des Christentums seine spätere Bildung fie ihm auch nicht darbot? Zu dieser voll­ kommenen Klarheit über die eigentliche Beschaffenheit der Nation, über die er fich der Oberherrschaft bemächtigte, trat ein durch seine Abstammung aus einem kräftigen Volke begründeter und durch seinen steten aber zu verbergenden Widerstreit gegen die Um­ gebungen seiner Jugend gestählter, kräftiger und unerschütterlicher Wille. Mit diesen Bestandteilen der Menschengröße, der ruhigen Klarheit, dem festen Willen ausgerüstet, wäre er der Wohltäter und Befreier der Menschheit geworden, wenn auch nur eine leise Ahnung der fittlichen Bestimmung des Menschengeschlechts in seinen Geist gefalle» wäre. Eine solche fiel niemals in ihn, und so wurde er denn ein Beispiel für alle Zeiten, was jene beiden Bestandteile rein für fich und ohne irgendeine Anschauung des Geistigen geben können. Es bildete sich ihm hieraus folgendes Erkenntnisgebäude: daß die gesamte Menschheit eine blinde, entweder gänzlich stagnierende, ober unregelmäßig und verwirrt durcheinander und miteinander streitend sich regende Masse von Kraft sei; baß weder jene Stagnation T) Korsika war bis 1768 im Besitz der Republik Genua. Eine Freiheits­ bewegung unter Paoli scheiterte an dem Eingreifen Frankreichs, das sodann die Insel durch Kauf an sich brachte. Am 15. Aug. 1769 (angeblich) wurde Napoleon geboren.

sein solle, sondern Bewegung, noch diese unordentliche, sondern eine nach einem Ziele sich richtende Bewegung: daß selten, und durch Jahrtausende getrennt Geister geboren würden, die bestimmt seien,dieser Masse die Richtung zu geben, dergleichen einer Karl der Große gewesen ist, und er der nächste nach ihm, daß die Eingebungen dieser Geister das Einzige und wahrhaft Göttliche und Heilige und die ersten Prinzipien der Weltbewegung seien, und daß für sie schlechthin alle anderen Zwecke der Sicherheit oder des Genusses aufgeopfert, für sie alle Kräfte in Bewegung gesetzt und jedwedes Leben in Beschlag genommen werden müsse, und daß es Auflehnung sei gegen das höchste Weltgesetz, solchen Anregungen sich entgegen­ zusetzen. In ihm sei erschienen dieses Weltgesetz in der neuen Ord­ nung der Dinge, die er in dem Kulturstaate*) unter seiner Oberherr­ schaft ausführen wolle: das nächste Glied dieser Ordnung sei der­ malen die Freiheit der Meere, wie er sagt, die Oberherr­ schaft der Meere in seinen Händen, wie er es eigentlich meint, und für diesen allernächsten durch das Weltgesetz gesetzten Zweck müsse alles Glück von Europa aufgeopfert werben, alles Blut fließen; denn dafür allein sei es da. Diesen großen Weltplan, der frei­ lich über das Ziel eines Menschenlebens sich hinauserstreckt, soll nun nach ihm seine Dynastie fort- und ausführen, solange bis etwa nach einem Jahrtausend ein anderer inspirierter Held wie er auftreten, und mit neuer Offenbarung in seine und Karls Schöpfung eingreifen wird. Man hat geahnt, baß es mit ihm eiu anderes Bewenden habe, als mit anderen vorzeitigen und gleichzeitigen Herrschern. So ist es auch. Öffentliche Blätter zwar meinten, daß die Gesinnungen eines Generals in ihm verschwinden würden durch Einführung der Erb­ folge für seine Dynastie. Nicht recht begriffen: Jene Herrscher sind gewohnt, sich als Verteidiger des Eigentums und Leben an­ zusehen, als Mittel zu diesem Zwecke, der darum nie aufgeopfert wer­ den darf: dieser setzt sich als Verteidiger eines absoluten — selbst Zweck seienden — Willens, eines Weltgesetzes, in der Tat aber nur eines individuellen Willens, einer Grille, ausgerüstet mit der formalen Kraft des sittlichen Willens. Dies ist sein wahres unter­ scheidendes Wesen. Jene sind nicht imstande, ihren gegen sie immer noch erhabenen Gegner auch nur zu begreifen. Es ist allerdings wahr, daß alles aufgeopfert werten soll — dem Sittlichen, der Freiheit; baß alles aufgeopfert werden soll, hat er richtig gesehen. *) — Gesamtstaat der kultivierten Menschheit.

für seine Person beschlossen, und er wird sicher Wort halten bis zum letzten Atemzuge; dafür bürgt die Kraft seines Willens. — Seine Denkart ist mit Erhabenheit umgeben, weil sie kühn ist und den Genuß verschmäht; darum verführt sie leicht erhabene, das Rechte nur nicht erkennende Gemüter. — Nur soll es eben nicht geopfert werden seinem eigensinnigen Entwürfe; diesem aufgeopfert zu werden, ist er selbst sogar viel zu edel; der Freiheit des Menschen­ geschlechts sollte er sich aufopfern und uns alle mit sich und dann müßte z. B. ich, und jeder, der die Welt sieht, wie ich sie sehe, freudig sich ihm nachstürzen in die heilige Opferflamme. In dieser Klarheit und in dieser Festigkeit beruhet seine Stärke. — In der Klarheit: alle unbenutzte Kraft ist sein; alle in der Welt gezeigte Schwäche muß werden seine Stärke. Wie der Geier schwebt über den niederen Lüften und umherschaut nach Beute, so schwebt er über dem betäubten Europa, lauschend auf alle falschen Maßregeln und Schwächen, um flugschnell herabzustürzen und sie sich zu Nutze zu machen. In der Festigkeit: die anderen wollen auch wohl herr­ schen, aber sie wollen noch so vieles andere nebenbei und das erste nur, wenn sie es neben diesem haben können; sie wollen ihr Leben, ihre Gesundheit, ihren Herrscherplatz nicht aufopfern; sie wollen bei Ehren bleiben; sie wollen wohl gar geliebt sein. Keine dergleichen Schwächen wandelt ihn an: sein Leben und alle Bequemlichkeiten desselben setzt er daran; der Hitze, dem Froste, dem Hunger, dem Kugelregen setzt er sich aus, das hat er gezeigt: auf beschrän­ kende Verträge, dergleichen man ihm angeboten, läßt er sich nicht ein; ruhiger Beherrscher von Frankreich, was man ihm etwa bietet, will er nicht sein, sondern ruhiger Herr der Welt will er sein, und, falls er das nicht kann, gar nicht sein. Dies zeigt er jetzt und wird es ferner zeigen. Die haben durchaus kein Bild von ihm, und gestalten ihn »ach ihrem Bilde, die da glauben, daß auf andere Bedingungen mit ihm und seiner Dynastie, wie er sie will, sich etwas anderes schließen lasse denn Waffenstillstände. Ehre und Treue? Er hat es freiwillig bei der Einverleibung Hollands ausgesprochen, daß ein Herrscher damit es halte, wie die Zeiten es mit sich bringen: so lange es ihm selbst zuträglich ist, — ja; — wenn es ihm nachtei­ lig wird, nicht mehr. Daher kommt auch in allen »eueren Staats­ schriften desselben das Wort „R e ch t" gar nicht mehr vor, und fällt nach ihm heraus aus der Sprache, sondern es ist allenthalben nur die Rede vom „Wohl e" der Nation, dem Ruhme der Armeen, den Trophäen, die er in allen Landen erfochten.

So ist unser Gegner. Er ist begeistert und hat einen absoluten Willen: was bisher gegen ihn aufgetreten, konnte nur rechne», und hatte einen bedingten Willen. Er ist zu besiegen auch nur durch Begeisterung eines absoluten Willens, und zwar durch die stärkere, nicht für eine Grille, sondern für die Freiheit. Ob diese nun in uns lebt und mit derselben Klarheit und Festigkeit von uns ergriffen wird, mit welcher er ergriffen hat seine Grille, und durch Täuschung oder Schrecken alle für sie in Tätigkeit zu setzen weiß, davon wird der Ausgang des begonnenen Kampfes abhängen. (Staatslehre. 1813. 2. Abschnitt.)

Stufen der Weltauffaffung. Die erste, niedrigste, oberflächlichste und verworrenste Weise, die Welt zu nehmen, ist die, wenn man dasjenige für die Welt und das wirkliche Daseiende hält, was in die äußeren Sinne fällt: dies für das Höchste, Wahrhafte und für fich Bestehende. Diese Anstcht ist auch in diesen unsern Vorlesungen, besonders in der dritten, sattsam geschildert, deutlich, wie es mir scheint, charakteristert und schon da­ mals durch einen selber nur auf der Oberfläche liegenden Wink in ihrer Verwerflichkeit und Seichtigkeit hinlänglich dargestellt worden. Daß cs demohnerachtet die Anstcht unserer Weltweisen und des in ihrer Schule gebildeten Zeitalters sei, ist gleichfalls zugestanden: sowie zugleich gezeigt worden, daß diese Anstcht keineswegs in ihrer Logik liege, — indem überhaupt aller Logik jene Ansicht ins Gesicht wider­ spricht, — sondern in ihrer Liebe. Hierbei kann ich nun mich nicht länger aufhalten; denn auch in diesen Vorlesungen müssen wir weiter kommen und darum einiges als nun für immer abgetan hinter uns lassen. Ob nun jemand auf seinem Sinne bestehe und fortfahre zu sagen: aber diese Dinge sind ja offenbar, wirklich und wahrhaftig da; denn ich sehe sie ja, und höre sie usw.: so wisse dieser, daß wir uns durch seine dreiste Versicherung und seinen festen Glauben gar nicht irre machen lassen, sondern daß es bei unserm kategorischen, unum­ wundenen und ganz nach den Worten zu verstehenden: Nein, diese Dinge sind nicht, gerade darum weil sie sichtbar und hörbar sind,— auf einmal für immer verbleibt; und daß wir mit einem solchen, als der Verständigung und Belehrung durchaus unfähig, gar nicht weiter reden können. Die zweite, aus der ursprünglichen Spaltung möglicher Ansichten der Welt hervorgehende Ansicht ist die, da man die Welt erfasset als ein Gesetz der Ordnung und des gleichen Rechts in einem Systeme vernünftiger Wesen. Verstehen Sie mich gerade also, wie die Worte lauten. Ein Gesetz, und zwar ein ordnendes und gleichendes Gesetz für die Freiheit mehrerer ist dieser Ansicht das eigentliche Reale und für sich selber Bestehende; dasjenige, mit welchem die Welt anhebt, und worin sie ihre Wurzel hat. Falls hierbei jemand sich wundern sollte, wie denn ein Gesetz, das da ja, wie ein solcher sich ausdrücken

würde, ein bloßes Verhältnis nnd lediglich ein Abstraktionsbegriff sei, für ein Selbständiges gehalten werden könne, so käme einem solchen die Verwunderung lediglich daher, daß er nichts als real fasten könnte, außer der sichtbaren nnd fühlbaren Materie; und er gehört sonach unter diejenigen, mit denen wir gar nicht reden. Ein Gesetz, sage ich, ist für diese Weltansicht das Erste, was da allein wahrhaftig t st, und durch welches alles andere, was da ist, erst d a ist. Freiheit und ein Menschengeschlecht ist ihr das Zweite, vorhanden lediglich, weil ein Gesetz an die Freiheit notwendig Freiheit und freie Wesen setzt: und der einige Grund und Beweis der Selbständigkeit des Menschen ist in diesem Systeme das in seinem Innern sich offenbarende Sittengesetz. Eine Sinnenwelt endlich ist ihr das Dritte; diese ist lediglich die Sphäre des freien Handelns der Menschen; vorhanden dadurch, daß ein freies Handeln Objekte dieses Handelns notwendig setzt. In Absicht der aus dieser Ansicht hervorgehenden Wissenschaften gehört hierher nicht bloß die Rechtslehre, als aufstellend die juridischen Verhältnisse der Menschen, sondern auch die gewöhnliche Sittenlehre, die nur darauf ausgeht, daß keiner dem andern Unrecht tue und nur jeder bas Pflichtwidrige, ob es nun durch ein ausdrückliches Ge­ setz des Staats verboten sei oder nicht, unterlasse. Beispiele i« dieser Ansicht der Welt lassen aus der gewöhnlichen Ansicht des Lebens sich nicht beibringen, indem diese, in die Materie gewurzelt, nicht einmal zu ihr sich erhebt; aber in der philosophischen Literatur ist K a n t, wenn man seine philosophische Laufbahn nicht weiter als bis zur Kritik der praktischen Vernunft verfolgt, das getroffenste und kon­ sequenteste Beispiel dieser Ansicht; — den eigentlichen Charakter dieser Denkart, den wir oben so ausdrückten, daß die Realität und Selbständigkeit des Menschen nur durch das in ihm waltende Sitten­ gesetz bewiesen, und daß er lediglich dadurch etwas an sich werbe, drückt Kant aus mit denselben Worten. — Auch wir für unsere Person haben diese Weltansicht, niemals zwar als die höchste, aber als den eine Rechtslehre und eine Sittenlehre begründende» Standpunkt in unserer Bearbeitung dieser beiden Disziplinen ange­ geben, durchgeführt und, wie wir uns bewußt sind, nicht ohne Ener­ gie ausgesprochen: es kann also in unserm Zeitalter denen, welche für das Gesagte sich näher interessieren, nicht an Exemplaren der beschriebenen zweiten Weltanstcht fehlen, übrigens gehört die rein moralische innere Gesinnung, daß lediglich um des Gesetzes willen gehandelt werde, die auch in der Sphäre der niederen Moralität stattfindet, und deren Einschärfung weder von Kant, noch von uns

vergessen worden, nicht hierher, wo wir es allein mit den Objekten zu tun haben. Eine allgemeine Bemerkung, welche für alle folgende Gesichts­ punkte mit gilt, will ich gleich bei diesem, wo sie sich am klarsten machen läßt, beibringen. Nämlich dazu, daß man überhaupt einen festen Standpunkt seiner Weltansicht habe, gehört, daß man das Reale, das Selbständige und die Wurzel der Welt in—e i n e n, bestimmten und unveränderlichen Grundpunkt setze, ans welchem man das übrige, als nur teilhabend an der Realität des ersten und nur mittel­ bar gesetzt durch jenes erste, ableite: gerade so, wie wir oben, im Namen der zweiten Weltansicht, das Menschengeschlecht als das Zweite und die Sinnenwelt als dasDritte aus dem ordnenden Gesetze als dem Ersten abgeleitet haben. Keineswegs aber gilt es, daß man die Realitäten mische und menge und etwa der Sinnenwelt die ihrige zumessen, aber doch auch nebenbei der moralischen Welt die ihrige nicht absprechen wolle, wie zuweilen die ganz Verworrenen diese Fragen abzutun suchen. Solche haben gar keinen festen Blick und gar keine gerade Richtung ihres geistigen Auges, sondern sie schiele» immerfort auf das Mannigfaltige. Weit vorzüglicher denn sie ist der, der sich entschieden an die Sinnenwelt hält und alles übrige außer ihr ableugnct; denn ob er schon ebenso kurzsichtig ist als sie, so ist er doch nicht noch überdies ebenso feig und mutlos. — In Summa: eine höhere Weltansicht duldet nicht etwa neben sich auch die niedere, sondern jede höhere vernichtet ihre niedere,—als absolute und als höchsten Standpunkt, — und ordnet dieselbe sich unter. Die dritte Ansicht der Welt ist die aus dem Standpunkte der wahren und höhern Sittlichkeit. Es ist nicht nötig, über diesen dem Zeitalter so gut als ganz verborgnen Standpunkt sehr bestimmte Rechenschaft abznlegen. — Auch ihm ist, ebenso wie dem jetzt be­ schriebenen zweiten Standpunkte, ein Gesetz für die Geisterwelt das Höchste, Erste und absolut Reale; und hierin kommen die beiden Ansichten überein. Aber das Gesetz des dritten Standpunktes ist nicht so wie das des zweiten lediglich ein das Vorhandene ord­ nendes, sondern vielmehr ein das Neue und schlechthin nicht Vorhandene, innerhalb des Vorhandenen, erschaffendes Gesetz. Jenes ist nur negativ, nur aufhebend den Widerstreit zwischen den verschiedenen freien Kräften und herstellend Gleichgewicht und Ruhe: dieses begehret die dadurch in Ruhe gebrachte Kraft wieder auszurüsten mit einem neuen Leben. Es strebt an, könnte man sagen, nicht bloß wie jenes, die Form der Idee, sondern die quali-

tative und reale Idee selber. Sei» Zweck läßt sich kurz also angeben: es will die Menschheit in dem von ihm Ergriffenen und durch ihn in andern in der Wirklichkeit zu dem machen, was sie ihrer Bestimmung nach ist, — zum getroffenen Abbilde, Abdrucke und zur Offenbarung des innern göttlichen Wesens. — Die Ableitungs­ leiter dieser dritten Weltansicht, in Absicht der Realität, ist daher diese: Das wahrhaft Reale und Selbständige ist ihr das Heilige, Gute, Schöne; das Zweite ist ihr die Menschheit, als bestimmt, jenes in sich darzustellen; das ordnende Gesetz in derselben, als das Dritte, ist ihr lediglich das Mittel, um für ihre wahre Bestimmung sie in innere und äußere Ruhe zu bringen; endlich die Sianenwelt, als das Vierte, ist ihr lediglich die Sphäre für die äußere und innere, niedere und höhere Freiheit und Moralität: — lediglich die Sphäre für die Freiheit, sage ich; was sie aufallen höheren Standpunkten ist und bleibt und niemals eine andere Realität an sich zu bringen vermag. Exemplare dieser Ansicht finden sich in der Menschengeschichte,— freilich nur für den, der ein Auge hat sie zu entdecken. Durch höhere Mo­ ralität allein und durch die von ihr Ergriffenen ist Religion, und insbesondere die christliche Religion,—ist Weisheit und Wissenschaft, ist Ge­ setzgebung und Kultur,istd te Kunst,ist alles Gute und Achtungswürdige, das wir besitzen, in die Welt gekommen. In der Literatur finden sich, außer in Dichtern zerstreut, uur wenig Spuren dieser Weltansicht: unter den alten Philosophen mag Plato eine Ahndung derselben haben, unter der »eueren Jacobis zuweilen an diese Region streifen. Die vierte Ansicht der Welt ist die aus dem Standpunkte der Re­ ligion; welche, falls sie hervorgehet aus der dritten soeben beschrie­ benen Ansicht und mit ihr vereinigt ist, beschrieben werden müßte als die klare Erkenntnis, daß jenes Heilige, Gute und Schöne keines­ wegs unsere Ausgeburt, oder die Ausgeburt eines an sich nichtigen Geistes, Lichtes, Denkens, — sondern, daß es die Erscheinung des in­ neren Wesens Gottes in Uns als dem Lichte unmittelbar sei, — sein Ausdruck und sein Bild durchaus und schlechthin, und ohne allen Abzug also, wie sein inneres Wesen herauszutreten vermag in einem Bilde. Diese, die religiöse Ansicht, ist eben diejenige Einsicht, auf deren Erzeugung wir in den bisherigen Vorlesungen hingearbeitet haben, und welche wir nun, in dem Zusammenhangs ihrer Grundsätze, schärfer und bestimmter also ausdrücken können, i. Gott allein ist, und außer ihm nichts, — ein, wie mir es scheint, leicht einzusehender *) Friedrich Heinrich Jacobi (1743—1819), Düsseldorf und München; Jugendfreund Goethes.

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Satz und die ausschließende Bedingung aller religiösen Ansicht. 2. Indem wir nun auf diese Weise sagen: „Gott ist", haben wir einen durchaus ieeren, über Gottes inneres Wesen schlechthin keinen Auf­ schluß gebenden Begriff. Was wollten wir denn aus diesem Begriff auf die Frage antworten: Was denn Gott nun sei? —Der einzig mögliche Zusatz, daß er absolut sei von sich, durch sich, in sich, ist selbst nur die an ihm dargestellte Grundform unsers Verstandes, und sagt nichts weiter aus als unsre Denkweise desselben; noch dazu nur negativ, und wie wir ihn nicht denken sollen, d. h. wir sollen ihn nicht von einem andern ableiten, so wie wir, durch das Wesen unsers Verstandes genötiget, mit andern Gegenständen unsers Denkens verfahren. Dieser Begriff von Gott ist daher ein gehaltloser Schattenbegriff; und indem wir sagen: „Gott ist", ist er eben für uns innerlich nichts, und wird gerade durch dieses Sagen selber zu nichts. 3. Nun aber tritt Gott dennoch, wie wir dies oben fleißig auseinander gesetzt haben, außer diesem leeren Schattenbegriffe, in seinem wirk­ lichen, wahren und unmittelbaren Leben in uns ein; oder strenger ausgedrückt, wir selbst sind dieses sein unmittelbares Leben.—Wohl: von diesem unmittelbaren göttlichen Leben aber—wissen wir nichts: und da, gleichfalls nach unserer Äußerung, unser eigenes, uns an­ gehöriges Dasein nur dasjenige ist, was wir im Bewußtsein erfassen­ können, so bleibt jenes unser Sein in Gott, ohnerachtet es in der Wurzel immer das unsrige sein mag, uns dennoch ewig — fremd, und so in der Tat und Wahrheit für uns selbst nicht Unser Sein; wir sind durch jene Einsicht um nichts gebessert und bleiben von Gott ebenso entfernt als je. — Wir wissen von jenem unmittel­ baren göttlichen Leben nichts, sagte ich: denn mit dem ersten Schlage des Bewußtseins schon verwandelt es sich in eine tote Welt, die sich noch überdies in fünf Standpunkte ihrer möglichen Ansicht teilt. Mag es doch immer Gott selber sein, der hinter allen diesen Gestalten lebet; wir sehen nicht ihn, sondern immer nur seine Hülle; wir sehen ihn als Stein, Kraut, Tier, sehen ihn, wenn wir höher uns schwingen, als Naturgesetz, als Sittengesetz, und alles dieses ist doch immer nicht Er. Immer verhüllt die Form uns das Wesen; immer verdeckt unser Sehen selbst uns den Gegenstand und unser Auge selbst steht unserm Auge im Wege. — Ich sage dir, der du so klagest: erhebe dich nur in den Standpunkt der Religion, und alle Hüllen schwinden; die Welt vergehet dir mit ihrem toten Prinzip und die Gottheit selbst tritt wieder in dich ein,in ihrer ersten und ursprünglichen Form, als Leben, als dein eigenes Leben, das du leben sollst und leben wirst. Nur noch

die e i n e, unaustilgbare Form der Reflexion i) bleibt, die Unendlichkeit dieses göttlichen Lebens in dir, welches in Gott freilich nur Eins ist; aber diese Form drückt dich nicht; denn du begehrst sie, und liebst sie: sie irret dich nicht; denn du vermagst sie ju erklären. In dem, was der heilige Mensch tut, lebet und liebet, erscheint Gott nicht mehr im Schatten oder bedeckt von einer Hülle, sondern in seinem eigenen unmittelbaren und kräftigen Leben; und die, aus dem leeren Schattenbegriffe von Gott unbeantwortliche Frage: Was ist Gott, wird hier so beantwortet; er i st dasjenige, was der ihm ergebene und von ihm Begeisterte t u t. Willst du Gott schauen, wie er in sich selber ist, von Angesicht zu Angesicht? Suche ihn nicht jenseit der Wolken; du kannst ihn allenthalben finden, wo du bist. Schaue an das Leben seiner Ergebenen, und du schaust Ihn an; ergib dich selber ihm, und du findest ihn in deiner Brust. Dies, E. V., ist die Ansicht der Welt und des Seins, vom Stand­ punkte der Religion. Die fünfte und letzte Ansicht der Welt ist die aus dem Stand­ punkte der Wissenschaft. Der Wissenschaft, sage ich, der einen, absoluten und in sich selber vollendeten. Die Wissenschaft erfaßt alle diese Punkte der Verwandlung des Einen in ein Mannigfaltiges und des Absoluten in ein Relatives vollständig in ihrer Ordnung und in ihrem Verhältnisse jueinander; allenthalben und von jedem einzelnen Standpunkts aus zurückzuführen vermögend nach dem Gesetze jedes Mannigfaltige auf die Einheit oder aus der Einheit abjuleiten vermögend jedes Mannigfaltige: so wie wir die Grundzüge dieser Wissenschaft in dieser und in den letzten beiden Vorlesungen vor Ihren Augen entwickelt haben. Sie, die Wissenschaft, geht über die Ein­ sicht, d a ß schlechthin alles Mannigfaltige in dem Einen gegründet und auf dasselbe zurückzuführen sei, welche schon die Religion gewährt, hinaus zu der Einsicht des Wie dieses Zusammenhanges: und für sie wird genetisch, was für die Religion nur ein absolutes Faktum ist. Die Religion ohne Wissenschaft ist irgendwo ein bloßer, demohngeachtet jedoch unerschütterlicher Glaube: die Wissenschaft hebt allein Glauben auf und verwandelt ihn in Schauen. — Da wir hier diesen wissenschaftlichen Standpunkt keineswegs als zu unserem eigent­ lichen Zwecke gehörig, sondern nur um der Vollständigkeit willen angeben, so sei es genug, über ihn nur folgendes hinzuzusetzen.

l) Reflexion, hier etwa — Spiegelung des einen göttlichen Wesens im Bewußtsein der von ihm erfüllten Einzelmeaschen. 6*

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Das gottselige und selige Leben ist durch ihn zwar keineswegs bedingt; dennoch aber gehört die Anforderung, diese Wissenschaft in uns und andern zu realifieren, in das Gebiet der höher» Moralität. Oer wahr­ haftige und vollendete Mensch soll durchaus in sich selber klar sein: denndie allseitige und durchgeführte Klarheit gehört ;um Bilde und Ab­ drucke Gottes. Don der anderen Seite aber kann freilich keiner diese An­ forderung an sich selber tun, an den sie nicht schon ohne alles sein Zutun ergangen und dadurch selbst ihm ersi klar und verständlich geworden ist. Noch ist folgendes über die angezeigten fünf Standpunkte anzu­ merken und dadurch das Bild des Religiösen zu vollenden. Die beiden zuletzt genannten Standpunkte, der wissenschaftliche sowohl als der religiöse, sind lediglich betrachtend und beschauend, keineswegs an sich tätig und praktisch. Sie sind bloße stehende und ruhende Ansicht, die im Innern des Gemütes bleibt, keines­ wegs aber zu einem Handeln treibende und in demselben aus­ brechende Ansicht. Dagegen ist der dritte Gesichtspunkt, der der hö­ hern Moralität, praktisch und zu einem Handeln treibend. Und jetzt setze ich hinzu: Die wahrhaftige Religion, ohnerachtet sie das Auge des von ihr Ergriffenen zu ihrer Sphäre erhebt, hält dennoch sein Leben in dem Gebiete des Handelns und des echt moralischen Handelns fest. Wirkliche und wahre Religiosität ist nicht lediglich betrachtend und beschauend, nicht bloß brütend über andächtigen Gedanken, sondern sie ist notwendig tätig. Sie besteht, wie wir ge­ sehen, in dem innigen Bewußtsein, daß Gott in uns wirklich lebe und tätig sei und sein Werk vollziehe. Ist nun in uns überhaupt kein wirkliches Leben und geht keine Tätigkeit und kein erscheinendes Werk von uns aus, so ist auch Gott nicht in uns tätig. Unser Be­ wußtsein von der Bereinigung Gottes mit uns ist sodann täuschend und nichtig; ein leeres Schattenbild eines Zustandes, welcher der unsrige nicht ist; vielleicht die allgemeine, aber tote Einsicht, daß ein solcher Zustand möglich und in andern vielleicht wirklich sei, an welchem wir jedoch nicht den geringsten Anteil haben. Wir sind aus dem Gebiete der Realität geschieden und wieder in das des leeren Schattenbegriffs verbannt. Das letztere ist Schwärmerei und Träumerei, weil ihr keine Realität entspricht; und diese Schwärmerei ist eines der Gebrechen des Mystizismus, dessen wir früher er­ wähnten und ihn der wahren Religion entgegensetzten; durch leben­ dige Tätigkeit unterscheidet sich die wahre Religiosität von jener Schwärmerei. Die Religion ist nicht bloßes andächtiges Träumen, sagte ich: die Religion ist überhaupt nicht ein für sich bestehendes Ge-

schäft, das man abgesondert von andere» Geschäften, etwa in ge­ wissen Tagen «nd Stunden treiben könnte; sondern sie ist der innere Geist, der alles unser, übrigens seinen Weg ununterbrochen fort, setzendes, Denken und Handeln durchdringt, belebt und in sich eintaucht. — Daß das göttliche Leben und Walten wirklich in uns lebe, ist unabtrennlich von der Religion, sagte ich. Doch kommt es dabei, wie es nach dem unter dem dritten Standpunkte Gesagten scheinen möchte, keineswegs an auf die Sphäre, in welcher man handelt. Wen seine Erkenntnis ju den Objekten der höheren Mora, lität erhebt, dieser wird freilich, falls ihn die Religion ergreift, in dieser Sphäre leben und handeln, weil diese sein eigentümlicher Beruf ist. Wer einen niedern hat, dem wird selbst dieser niedere durch die Religion geheiliget und erhält durch sie, wenn auch nicht das Materiale, dennoch die Form der höhern Moralität; ju welcher nichts mehr gehört, als daß man sein Geschäft, als den Willen Gottes an uns und in uns, erkenne und liebe. So jemand in diesem Glauben sein Feld bestellt oder das unscheinbarste Handgewerbe mit Treue treibt, so ist dieser höher und seliger, als ob jemand, falls dies möglich wäre, ohne diesen Glauben die Menschheit auf Jahrtausende hinaus beglückseligte. Dies daher ist das Bild und der innere Geist des wahrhaft Re, ligiosen: — er erfasset seine Welt, den Gegenstand seiner Liebe und seines Strebens, nicht als irgendeinen Genuß: keineswegs, als ob Trübsinn oder abergläubische Scheu ihm den Genuß und die Freude als etwas Sündliches vorstellte, sondern weil er weiß, daß kein Genuß ihm wirkliche Freude gewähren kann. Er erfasset seine Welt als ein T u n, welches er eben darum, weil es seine Welt ist, allein lebt und nur in ihm leben mag und nur in ihm allen Genuß seiner selbst findet. Dieses Tun will er nun wiederum nicht darum, damit sein Erfolg in der Sinnenwelt wirklich werde; wie ihn denn in der Tat der Erfolg oder Nichterfolg durchaus nicht kümmert, sondern er nur im Tun, rein als Tun, lebt: sondern er will es darum, weil es der Wille Gottes in ihm und sein eigener, eigentlicher Anteil am Sein ist. Und so fließet denn sein Leben ganz einfach und rein ab, nichts anderes kennend, wollend oder begehrend, über diesen Mittel, punkt nie herausschwebend, durch nichts außer ihm Liegendes ge, rührt oder getrübt. S o ist sein Leben. Ob dies nun nicht notwendig die reinste und vollkommenste Seligkeit sei, «ollen wir zu einer anderen Zeit untersuchen. („Anweisung ium seligen reden". 1806. der 5. Vorlesung.)

Leben. Nachdem mein Herz aller Begier nach dem Irdischen verschlossen ist, nachdem ich in der Tat für das Vergängliche gar kein Herz mehr habe, erscheint meinem Auge das Universum in einer verklärten Gestalt. Die tote lastende Masse, die nur den Raum ausstopfte, ist verschwunden und an ihrer Stelle fließt und woget und rauscht der ewige Strom von Leben und Kraft und Tat — vom ursprüng­ lichen Leben; von Deinem Leben, Unendlicher; denn alles Leben ist Dein Leben und nur das religiöse Auge dringt ein in das Reich der wahren Schönheit. Ich bin Dir verwandt, und was ich rund um mich herum er­ blicke, ist mir verwandt; es ist alles belebt und beseelt und blickt aus helle» Geisteraugen mich an und redet mit Geistertönen an mein Herz. Auf das mannigfaltigste zerteilt und getrennt schaue in allen Gestalten außer mir ich selbst mich wieder und strahle mir aus ihnen entgegen, wie die Morgensonne in tausend Tautropfen mannigfaltig gebrochen sich selbst entgegenglänzt. Dein Leben, wie es der Endliche zu fassen vermag, ist sich selbst schlechthin durch sich selbst bildendes und darstellendes Wollen; dieses Leben fließt — im Auge des Sterblichen mannigfach ver­ sinnbildlicht — durch mich hindurch herab in die ganze unermeß­ liche Natur. Hier strömt es als sich selbst schaffende und bildende Materie durch meine Adern und Muskeln hindurch und setzt außer mir seine Fülle ab im Baume, in der Pflanze, im Grase. Ein zusammenhängender Strom, Tropfen an Tropfen, fließt das bil­ dende Leben in allen Gestalten und allenthalben, wohin ihm mein Auge zu folgen vermag; und blickt mich an — aus jedem Punkte des Universums anders — als dieselbe Kraft, durch die es in ge­ heimem Dunkel meinen eignen Körper bildet. Dort wogt es frei und hüpft und tanzt als sich selbst bildende Bewegung im Tiere und stellt in jedem neuen Körper sich dar als eine andere eigene für sich bestehende Welt: dieselbe Kraft, welche, mir unsichtbar, in meinen eigenen Gliedmaßen sich regt und bewegt. Alles, was sich regt, folgt diesem allgemeinen Zuge, diesem einigen Prinzip aller Bewegung, das von einem Ende des Universums zum ande­ ren die harmonische Erschütterung fortleitet: das Tier ohne Frei-

Helt; ich, von welchem in der sichtbaren Welt die Bewegung aus­ geht, ohne daß sie darum in mir gegründet sei, mit Freiheit. Aber rein und heilig und deinem eigenen Wesen so nahe, als im Auge des Sterblichen etwas ihm sein kann, fließet dieses dein Leben hin als Band, das Geister mit Geistern in eins ver­ schlingt, als Luft und Äther der einen Dernunftwelt; undenkbar und unbegreiflich und doch offenbar da liegend vor dem geistigen Auge. In diesem Lichtstrome fortgeleitet schwebt der Gedanke, unaufgehalten und derselbe bleibend von Seele zu Seele und kommt reiner und verklärt zurück aus der verwandten Brust. Durch dieses Geheimnis findet der einzelne sich selbst und versteht und liebt sich selbst nur in einem anderen; und jeder Geist wickelt sich los nur von anderen Geistern und es gibt keinen Menschen, sondern nur eine Menschheit, kein einzelnes Denken und Lieben und Hassen, sondern nur ein Denken und Lieben und Hassen inund durcheinander. Durch dieses Geheimnis strömt die Verwandt­ schaft der Geister in der unsichtbaren Welt fort bis in ihre körperliche Natur und stellt sich dar in zwei Geschlechtern, die, wenn auch jedes geistige Band zerreißen könnte, schon als Naturwesen genötigt sind, sich zu lieben; fließt aus in die Zärtlichkeit der Eltern und Kinder und Geschwister, gleich als ob die Seelen ebenso aus einem Blute entsprossen wären, wie die Leiber, und die Gemüter Zweige und Blüten desselben Stammes wären; und umfasset von da aus in engeren oder weiteren Kreisen die ganze empfindende Welt. Selbst ihrem Hasse liegt der Durst nach Liebe zum Grunde und es entsteht keine Feindschaft, außer aus versagter Freundschaft. Dieses ewige Leben und Regen in allen Adern der sinnlichen und geistigen Natur erblickt mein Auge durch das, was andern tote Masse scheint, hindurch; und sieht dieses Leben stets steigen und wachsen und zum geistigeren Ausdrucke seiner selbst sich ver­ klären. Das Universum ist mir nicht mehr jener in sich selbst zurück­ laufende Zirkel, jenes unaufhörlich sich wiederholende Spiel, jenes Ungeheuer, das sich selbst verschlingt, um sich wieder zu gebären, wie es schon war; es ist vor meinem Blicke vergeistigt und trägt das eigne Gepräge des Geistes: stetes Fortschreiten zum Vollkommneren in einer geraden Linie, die in die Unendlichkeit geht. Die Sonne gehet auf und gehet unter; und die Sterne ver­ sinken und kommen wieder; und alle Sphären halten ihren Zirkel­ tanz: aber sie komme» nie so wieder, wie sie verschwanden, und in den leuchtenden Quellen des Lebens ist selbst Leben und Fort87

bilden. Jede Stunde, von ihnen herbeigeführt, jeder Morgen und jeder Abend sinkt mit neuem Gedeihen herab auf die Welt; neues Leben und neue Liebe entträufelt den Sphären wie die Tautropfen der Wolke und umfängt die Natur, wie die kühle Nacht die Erde. Aller Tod in der Natur ist Geburt und gerade im Sterben er­ scheint sichtbar die Erhöhung des Lebens. Es ist kein tötendes Prin­ zip in der Natur, denn die Natur ist durchaus lauter Leben; nicht der Tod tötet, sondern das lebendigere Leben, welches, hinter dem alten verborgen, beginnt und sich entwickelt. Tod und Geburt ist bloß das Ringen des Lebens mit sich selbst, um sich stets verklärter und ihm selbst ähnlicher darjustellea. Und mein Tod könnte etwas anderes sein — meiner, der ich überhaupt nicht eine bloße Dar­ stellung und Abbildung des Lebens bin, sondern das ursprüngliche, allein wahre und wesentliche Leben in mir selbst trage? — Es ist gar kein möglicher Gedanke, daß die Natur ein Leben vernichten solle, das aus ihr nicht stammt; die Natur, um deren willen nicht ich, sondern die selbst nur um meinetwillen lebt. Aber selbst mein natürliches Leben, selbst diese bloße Dar­ stellung des inneren unsichtbaren Lebens vor dem Blicke des End­ lichen, kann sie nicht vernichten, weil sie sonst sich selbst müßte ver­ nichten können; sie, die bloß für mich und um meinetwillen da ist, und nicht ist, wenn ich nicht bin. Gerade darum, weil sie mich tötet, muß sie mich neu beleben; es kann nur mein in ihr sich entwickelndes höheres Leben sein, vor welchem mein gegenwärtiges verschwindet; und das, was der Sterbliche Tod nennt, ist die sichtbare Erscheinung einer zweiten Belebung. Stürbe kein vernünftiges Wesen auf der Erde, das da nun einmal ihr Licht erblickt hätte, so wäre kein Grund da, eines neuen Himmels und einer neuen Erde zu harren: die einzig mögliche Absicht dieser Natur, Vernunft darzustellen und zu er­ halten, wäre schon hienieden erfüllt, und ihr Umkreis wäre geschlossen. Aber der Akt, durch den sie ein freies selbständiges Wesen tötet, ist ihr feierliches, aller Vernunft kündbares Hinüberschretten über diesen Akt und über die ganze Sphäre, die sie dadurch beschließt; die Erscheinung des Todes ist der Leiter, an welchem mein geistiges Auge zu dem neuen Leben meiner selbst und einer Natur für mich hinübergleitet. Jeder meinesgleichen, der aus der irdischen Verbindung heraus­ tritt und der meinem Geiste nicht für vernichtet gelten kann — denn er ist meinesgleichen — zieht meinen Gedanken mit sich htn-

über; er ist noch, und ihm gebührt eine Stätte. Indes wir hieaiedea um ihn trauern — so wie Trauer sein würde, wenn sie könnte, im dumpfen Reiche der Bewußtlosigkeit, wenn sich ihm ein Mensch jum Lichte der Erdensonne entreißt,—ist drüben Freude, daß der Mensch ju ihrer Welt geboren wurde, so wie wir Erdenbürger die unsrigen mit Freude empfangen. Wenn ich einst ihnen folgen werde, wird für mich nur Freude sein; denn die Trauer bleibt in der Sphäre zu­ rück, die ich verlasse. Es verschwindet vor meinem Blicke und versinkt die Welt, die ich noch soeben bewunderte. In aller Fülle des Lebens, der Ordnung und des Gedeihens, welche ich in ihr schaue, ist sie doch nur der Vorhang, durch die eine unendlich vollkommenere mir ver­ deckt wird, und der Keim, aus dem diese sich entwickeln soll. Mein Glaube tritt hinter diesen Vorhang und erwärmt und belebt diesen Keim. Er sieht nichts Bestimmtes, aber er erwartet mehr, als er hienieden fassen kann und je in der Zeit wird fassen können. So lebe und so bin ich, und so bin ich unveränderlich, fest und vollendet für alle Ewigkeit; denn dieses Sein ist kein von außen angenommenes, es ist mein eignes, einiges wahres Sein und Wesen. („Bestimmung des Menschen". 1800. Schluß.)

Anhang. Zu S. 9 ff.: Die Schrift, der unser erster Abschnitt entnommen ist, hat hohe zeitgeschichtliche Bedeutung. In kaum einer zweiten deutschen Veröffentlichung jener Tage wetterleuchtet es so von sittlichem Groll und grimmem Hohn über die damaligen staatlichen und gesellschaftlichen Ver­ hältnisse wie in diesem politischen Erstling des damals Dreißigjährigen. Zugleich aber weist sie vorwärts: der niederreißende Geist der Rousseau und Montesquieu wird bereits verschmolzen mit dem Geiste Kants. Zum Segen für die Entwicklung der Dinge in Deutschland war hier durch die Philosophie Kants schon ein tiefes Strombett gegraben, das die schäumen­ den Wildwasser des Westens aufnehmen und aufbauender Arbeit zuleiten konnte. In dem Kantianer Fichte vollzog sich zuerst die beruhigende Stauung: er prüft die Rechtmäßigkeit des politischen Umsturzes nicht nur an dem zufälligen Stoff der französischen Revolution, sondern grundsätzlich — und bejaht sie. Aber es ist ihm selbstverständlich, daß alle politischen Forderungen der sittlichen Weihe bedürfen und ihre Erfüllung nicht auf dem Wege roher Gewalt finden sollen. — „Würdigkeit der Freiheit muß von unten heraufkommen; die Befreiung kann ohne Unordnung nur von oben herunterkommen." Kein besserer Leitsatz ließe sich finden für die preußischen Reformer nach 1806. Fichte war ihr Wegweiser. Zu S.r4ff.: „Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewig­ lich." Diese Worte (Daniel 12/3) liest man im Dorotheen-Friedhof zu Berlin auf Fichtes Grabstein. — Mit Recht hat man, um seine Lebensarbeit zu kennzeichnen, gerade des Lehrers gedacht. Er war es nicht nur in land­ läufigem Sinn für seine Schüler, er war es für sein Volk. Und auch die Gelehrsamkeit erhielt in seinen Augen ihren höchsten Wert erst durch ihre Mitteilung: „Der Gelehrte ist seiner Bestimmung nach der Lehrer des Menschengeschlechts." Voll jenes pädagogischen „Eros", der die platonische Akademie zusammenhält, wollte Fichte — ganz im Sinne Platos und noch unserer Zeit vorauseilend — die Berliner Universität als Arbeits­ und Lebensgemeinschaft von Schülern und Lehrern errichtet wissen. Aber auch in der Form des üblichen akademischen Unterrichtes faßte er sein Amt zunächst als das des Erziehers auf. Wiederholt (1794, 1806, 1811) hat er sich darüber in eigenen Vorlesungen ausgesprochen und dabei auch für den werdenden Gelehrten, den Studenten, ewig gültige Worte gefunden. Seit Plato den Philosophen die oberste Leitung aller menschlichen Ange­ legenheiten vorbehalten sehen wollte, ist die soziale Aufgabe des Gebildeten nicht mehr so eindrucksvoll dargestellt und so stolz begründet worden, wie

es Fichte getan hat. Und da Stimmen dieser Art an unseren Hochschulen auch seither nicht mehr zu ertönen pflegen, sollten diese Vorlesungen Fichtes — neben der Antrittsrede seines Jenaer Amtsgenoffen Schiller — wenig­ stens mit den Primanern der höheren Schulen gelesen werden! — Zu S.24ff.: „Dor uns liegt, was Rousseau unter dem Namen des Naturzustandes und jene Dichter unter der Benennung des goldenen Zeit­ alters hinter uns setzen." Mit diesem Satze hat Fichte — eines Sinnes mit Lessing, Herder, Kant und Schiller — der pessimistischen Kulturauf­ fassung Rousseaus bewußt den Zukunstsglauben des deutschen Idealismus entgegengesetzt. Nicht rückwärts gedreht kann und darf das Rad der Ge­ schichte werden. Überall im ganzen Umkreis des menschlichen Daseins flnd, so ferne wir ihnen auch noch sein mögen, Ziele sichtbar, die erreicht werden müssen, wenn wir unsere Bestimmung erfüllen sollen. Der Beweis für unsere Bestimmung aber liegt in unseren — Sehnsüchten. Kein Wissen gibt es davon, das sich lückenlos dartun ließe; aber ohne den Glauben daran müßten wir verzweifeln.

Zu S. 35 ff«: Ist in den vorausgehenden Teilen von den Zielen der Menschheitsentwicklung die Rede gewesen, so bringt dieser Abschnitt ge­ wissermaßen den geschichtlichen Beweis für die Erreichbarkeit dieser Ziele. Ein „Beweis" ist es freilich nur für den, der auf dem Boden der „ideali­ stischen Geschichtsauffassung" zu stehen vermag, wie ihn eben Fichte uns am nachdrücklichsten bereitet hat. Aber auch die entgegengesetzte „materiali­ stische" Auffassung der Geschichte wird gerade gegen die vorliegende Be­ weisführung nicht viel einwenden können. Man mag in der wirtschaft­ lichen Not den Ausgangspunkt und in dem „größtmöglichen Behagen der größtmöglichen Zahl" das Ziel des historischen Geschehens erblicken: daß auch dieses Ziel nur zu erreichen ist, „wenn edle und kräftige Menschen allen Lebensgenuß" für eben diese „Idee aufopfern", können auch die Vertreter der materialistischen Auffassung nicht leugnen. Sie würden ja eben der Bewegung, der sie dienen wollen, — dem Sozialismus — die stärkste Triebkraft rauben und ihren bisherigen Verlauf Lügen strafen: von Helden und Märtyrern ist auch in der materialistisch aufgefaßten Geschichte — glücklicherweise — zu reden Anlaß.

Zu S. 47 ff.: Über die bedeutungsvolle Wandlung in Fichtes politi­ schem Denken haben wir uns in der Einleitung ausgesprochen. Die ge­ wählten Abschnitte aus den Gesprächen „Der Patriotismus und sein Gegenteil" sollen den Leser diese Wandlung in den entscheidenden Ge­ dankengängen miterleben lassen. Daß dabei manches Wort auch noch für uns gesagt ist, muß nicht besonders betont werden. Man setze z. B. für „Kosmopolitismus": „Internationalismus" und ziehe die Nutzanwendung selber! Zu S. 53 ff.: Bei keinem der Werke Fichtes war es mißlicher, statt des Ganzen nur einen Teil zu geben als bei den „Reden an die deutsche Nation". Die großartige Geschlossenheit und hinreißende Steigerung des

Gedankengangs kann nur am Ganzen erlebt werben; nur auS dem Ganzen auch der Standpunkt gewonnen werden, von dem aus alle Geschichte als einheitlicher, vernunstgeleiteter, zweckgerichteter einmaliger Vorgang gesehen wird, in dem gerade dem deutschen Volk die wesentlichste Rolle zuge­ fallen sei. —Wir bescheiden uns damit, das Kernstück des Ganzen zu geben. Nach dem Tilstter Frieden (1807) in das besetzte Berlin zurückgekehrt, fühlte Fichte die Pflicht, seinem Volke zu helfen. „Mut und Hoffnung zu bringen in die Zerschlagenen, Freude zu verkünden in die tiefe Trauer" ist der Zweck seiner „Reden". Mut und Hoffnung aber konnte nur aus der Gewißheit kommen, daß eine Abwehr des Untergangs möglich sei. Sollte sie aber möglich sein, so mußte man dem bisher unbesiegten Gewaltwillen des Gegners etwas entgegenzusetzen haben, was stärker war. Als dieses Stärkere erkannte Fichte das Volk, das sich seines wahren Wesens be­ wußt ist. Ist das Volk nur eine vom Selbsterhaltungstrieb zur Sicherung des Behagens zusammengehaltene Herde oder eine zufällige Menge von Untertanen eines zufälligen Herrschers, so war es notwendig der Spielball des Überwinders, der weder fremdes Behagen noch fremde Herrscherrechte zu achten gewillt war. Alle aus irdischen Bedürfnissen abgeleiteten Rechte konnten an dem Mißbrauch irdischer Kräfte zu schänden werden. Stärker als alle irdischen Kräfte aber ist zuletzt — die Idee. Es fragte sich, was ist ein Volk der Idee nach. Die 8. Rede gibt darauf die Antwort.

An die Möglichkeit, sein Volk auf e i n m a l mit dem Bewußtsein seiner Idee zu erfüllen, hat Fichte nicht geglaubt. Er rechnete erst mit einem kommenden Geschlecht und entwarf den großartigen Plan einer völligen Neugestaltung des Volkes durch eine nationale Erziehung, die mit aller Vergangenheit brach. — Aber „mit ihrem heiligen Wetterschlage, mit Un­ erbittlichkeit vollbringt die Not an einem großen Tage, was kaum Jahrhun­ derten gelingt". Noch die gleiche Generation schlug die Schlacht bei Leipzig.

Zu S. 69 ff.: Als nach Jena die preußische Regierung vor der schwer­ wiegenden Frage stand, ob der Krieg fortzusetzen oder auf jede Bedingung hin Friede zu schließen sei, da drohte bekanntlich Friedrich Wilhelm IIL, in dessen Händen die Entscheidung lag, zu versagen. Man kennt die denk­ würdige Beratung zwischen König, Ministern und Heerführern, die am 21. November zu Osterode stattfand und die man als die Geburtsstunde des neuen Preußen bezeichnet hat. Um diese Zeit hatte Fichte das verant­ wortungsvolle Amt eines politischen Zensors in Königsberg. Cs ist kein Zufall, daß er gerade damals Fühlung suchte mit dem Klassiker der Real­ politik Nie. Machiavelli (1469—1527). Mit seiner Schrift über den Floren­ tiner erreichte der „Ikarus des deutschen Geisteslebens", wie — etwas schief: denn wo wäre sein Sturz?—Treitschke ihn genannt hat, die größte Erdennähe: er suchte unmittelbaren Einfluß auf das politische Geschehen, indem er — als Gesinnungsgenosse Steins — btm schwankenden König den schweren Entschluß zu erleichtern trachtete. Ob diesem freilich seine Ausfüh­ rungen in der Zeitschrift Vesta wirklich zu Gesicht kamen, wissen wir nicht.

Zu S. 7z ff.: Ist diese berühmte Charakteristik Napoleons auch erst 1813 geschrieben, so war sie doch schon in den „Reden an die deutsche Nation" zwischen den Zeilen zu lesen. Sie kann als Ergänzung gerade des oben abgedruckten Abschnittes gefaßt werden. Galt es damals das Selbstbewußtsein des deutschen Volkes zu heben durch den Hinweis auf seine Bedeutung für den göttlichen Weltplan, so galt es jetzt, wo der Ent­ scheidungskampf anhob, die richtige Erkenntnis vom Wesen des Gegners zu vermitteln. Vor allem galt es dessen Grenzen zu bestimmen. Daß sie nicht in irgendwelchen Realitäten zu suchen seien, war gerade durch die verhältnismäßige Folgenlostgkeit des Zusammenbruchs in Rußland klar geworden. „Die Gesundheit seiner Majestät war nie besser", hatte das berüchtigte 29. Bulletin, der Wahrheit entsprechend, verkünden dürfen. Fichte fand die Grenzen Napoleons — auch hier auf die metaphysischen Hintergründe des Lebens zurückgehend — im Sittlichen. Geahnt haben andere das auch. Aber Siegesgewißheit aus dieser Einsicht schöpfen konnte nur, wer wie Fichte die unerschütterliche Überzeugung hatte: „Das wahr­ haft Reale und Selbständige ist das Heilige, Gute, Schöne."

Zu ©. 78 ff.: Daß das Denken Fichtes durchglüht ist von religiösem Feuer, ist dem Leser wohl auch schon aus dem Bisherigen zum Bewußt­ sein gekommen. In der Tat ist er ganz nur für den zu verstehen, der seinen religiösen Standpunkt erfaßt hat. Damit aber rühren wir an seine metaphysische Welt, die in wenigen Sätzen nicht darzutun ist. Wir be­ gnügen uns damit zu zeigen, daß ihm die religiöse Weltauffassung als die höchste gilt — denn was er als fünfte Stufe noch über die religiöse Auffassung stellt und als „wissenschaftliche" bezeichnet, ist nur die höchste Erfüllung der vorigen, — und daß er, seiner ganzen Art entsprechend, die Religion als Quelle und Ziel zugleich des rechten Handelns er­ lebt hat; sie ist „notwendig tätig". Er selbst hat sich als „Religiösen" ge­ fühlt und besonders dadurch noch über einen Kant emporgehoben gesehen. Von jeher hat er dabei Religion und Christentum gleichgesetzt. Unter Christentum aber versteht er nicht das paultnische, sondern die Lehre des Evangelisten Johannes: nur mit ihm „kann der Philosoph zusammen­ kommen". Zu ©. 86 ff.: Wir schließen unsere Auswahl mit dem hinreißenden Hymnus auf das All-Leben, in den Fichte sein Buch „Über die Bestimmung des Menschen" ausklingen läßt, und glauben damit eine der schönsten Proben deutscher Prosa überhaupt vorzulegen. Nach diesem Buch greife, wer Fichtes Lebens- und Weltanschauung kennenlernen will. Nie zuvor und nie später hat er sich klarer und packender ausgesprochen als in den drei — zum Teil dramatisch geformten — Kapiteln: Zweifel — Wissen — Glaube.

Überblick über Leben und Wirken Fichtes. 19. Mai 1762: Geburt zu Rammenau (Ober-Lausitz). 1774 bis 1780: Schüler der „Fürstenschule" in Pforta. 1780: Student der Theologie in Jena. 1781 bis 1788: Student in Leipzig; bittere Armut; kein Abschluß des Studiums. August 1788 bis Ostern 1790: Hauslehrer in Zürich. März 1790: Verlobung mit Klopstocks Nichte Johanna Rahn. Herbst 1790 bis 1791: Leipzig. Studium der Kantischen Philosophie. 1791: Vorübergehend in Warschau als Hauslehrer. Juli 1791 bis März 1793: In Königsberg bei Kant. „Kritik aller Offen­ barung." März 1793 bis Mai 1794: In Zürich. Verheiratung mit Johanna Nahn. „Zurückforderung der Denkfreiheit." „Beitrag zur Berichtigung des Urteils über die Französische Revolution." „Über den Begriff der Wissenschaftslehre." 18. Mai 1794 bis April 1799: Professor in Jena. Verschiedene Fassungen und Bearbeitungen der Wissenschaftslehre 1794 bis 1797. „Über die Bestimmung des Gelehrten" 1794. „Naturrecht" 1796. „Sitten­ lehre" 1798. 1798/99: Der „Atheismusstreit." Schriften zum „Atheismusstreit." März 1799: Entlassung Fichtes. 1800 bis 1806: Als Privatgelehrter in Berlin. „Geschlossener Handels­ staat." „Bestimmung des Menschen" 1800. „Nikolais Leben und sonderbare Meinungen" 1801. Weiterer Ausbau der Wissen­ schaftslehre. „Über die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters" 1804/05. Sommer 1805: Vorübergehend Professor in Erlangen. „Anweisung zum seligen Leben" 1806. Oktober 1806 bis Juni 1807: Professor in Königsberg; politischer Zensor. Machiavell 1807. „Der Patriotismus und sein Gegenteil" 1807. Juni und Juli 1807: In Dänemark. August 1807: Rückkehr in das besetzte Berlin. „Reden an die deutsche Nation" 1808. 1810: Professor und Dekan an der neugegründeten Universität Berlin. Vorlesungen über Sittenlehre und Politik. 1811: Rektor der Universität. 1813: Abbruch der Vorlesungen am 19. Januar. Landsturmmann. („Über den Begriff des wahren Krieges.") 29. Januar 1814: Tod infolge eines durch seine im Lazarett tätige Frau übertragenen Fiebers.