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Greek, Modern (1453-) Pages 882 Year 2018
Andreas Abele Jeremias Drexel SJ: Iulianus Apostata Tragoedia
Frühe Neuzeit
Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt
Band 219
Andreas Abele
Jeremias Drexel SJ: Iulianus Apostata Tragoedia Edition, Übersetzung und Kommentar
Zugl. Dissertation, Eberhard Karls Universität Tübingen, 2016, unter dem Titel ‚Jeremias Drexel SJ: Iulianus Apostata Tragoedia. Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar‘ Gedruckt mit Unterstützung der Stiftung Pegasus Ltd. for the Promotion of Neo-Latin Studies
ISBN 978-3-11-059498-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-059373-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-059276-4 ISSN 0934-5531 Library of Congress Control Number: 2018946396 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
| Παραιρεῖσθαι γάρ ἐστι καὶ ἀποθραύειν τῆς ἐλευθερίας τὸ κεφάλαιον, εἴ τις ἀφέλοιτο τοῦ λέγειν καὶ πράττειν, ὅτι βούλονται, τοὺς ἀνθρώπους. [Denn es würde bedeuten, der Freiheit den Kopf abzuschlagen und abzureißen, wenn man den Menschen verböte zu sagen und zu tun, was sie wollen.]
(Kaiser Julian im Misopogon, Iul. mis. 356b)
| Meinen Eltern
Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die leicht überarbeitete Fassung meiner im Sommersemester 2016 von der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen angenommenen Dissertationsschrift. Diese ist nicht allein das Produkt ihres Verfassers, sondern einer ganzen Reihe von Personen, die mich in vielfältiger Weise unterstützt haben und denen ich zu großem Dank verpflichtet bin. Allen voran danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Jürgen Leonhardt, der mich von meinen Studienjahren an gefördert und mir den Weg durch das ‚Dickicht‘ der neulateinischen Literatur zum Jesuitentheater gewiesen hat. Trotz vielfältiger Verpflichtungen als Dekan der Philosophischen Fakultät (meine Manuskripte haben ihn u.a. bis nach Neuseeland begleitet), hatte er stets ein offenes Ohr für meine Anliegen und konnte mir bei jedem Gespräch inhaltlich weiterhelfen. Danken möchte ich außerdem der Zweitbetreuerin meiner Dissertation, Frau Prof. Dr. Anja Wolkenhauer. Zu Dank verpflichtet bin ich des Weiteren Herrn assoz. Prof. Dr. Florian Schaffenrath, der das Drittgutachten verfasste und bereitwillig den Weg von Innsbruck nach Tübingen auf sich nahm, um meinem Promotionskolloquium beizuwohnen. An diesem nahmen neben den Betreuern dankenswerterweise auch Herr Prof. Dr. Mischa Meier sowie Herr Prof. Dr. Robert Kirstein teil. Letzterem bin ich zu großer Dankbarkeit verpflichtet, da er mir in den unterschiedlichsten Fragen stets freundlich, hilfsbereit und überaus engagiert zur Seite stand. Für seine zahlreichen Anregungen, kritischen Fragen und hilfreichen Empfehlungen bin ich ihm sehr dankbar. Eine Vielzahl an Aspekten, Problemen und Schwierigkeiten konnte ich auch mit meiner Kollegin, Frau Dr. Isa Gundlach, diskutieren und besprechen. Aus den Gesprächen mit ihr gewann ich zahlreiche Anregungen; viele Gedanken entwickelten sich dadurch weiter. Für seine Hilfe bei manchen ‚griechischen Problemen‘ danke ich Herrn Dr. Oliver Schelske. Ein großer Dank richtet sich an Herrn Prof. Dr. Eberhard Heck, von dessen einzigartiger Thesaurus Linguae Latinae-Expertise ich umfassend profitieren konnte. Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung für Handschriften und Alte Drucke der Bayerischen Staatsbibliothek München, namentlich v.a. Frau Dr. Rahel Bacher, Frau Dr. Julia Knödler sowie Frau Juliane Trede, die mir bei der Analyse des Manuskripts des Iulianus stets schnell, freundlich und zuvorkommend geholfen haben. Ein großer Dank geht auch an die ‚Gute Seele‘ des Philologischen Seminars, Frau Mehtap Irimie, Frau Marion Wolf und Frau Ulrike Falkenstein, die meinen Weg bereits seit vielen Jahren liebevoll begleiten und mich in unzähligen Anlie-
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X | Vorwort
gen zuverlässig und fürsorglich unterstützen. Letztere hat mir außerdem wertvolle Dienste beim Korrekturlesen erwiesen. Dasselbe gilt für Dr. Hans-Peter Nill. Ferner danke ich den Herausgebern der Frühen Neuzeit, allen voran Herrn Prof. Dr. Achim Aurnhammer und Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann, für die Annahme meines Manuskripts sowie Herrn Peter Heyl und Frau Nancy Christ vom De Gruyter Verlag. Bei Letztgenannter möchte ich mich ganz besonders für die überaus geduldige und ausgesprochen hilfsbereite Unterstützung bei der Erstellung des LATEX-Scripts bedanken. Ganz herzlich darf ich mich auch bei Frau Rhoda Schnur und der Stiftung Pegasus Ltd. for the Promotion of Neo-Latin Studies für die schnelle und unkomplizierte Bewilligung einer großzügigen Druckkostenbeihilfe bedanken. Ein herausragender Dank gebührt meiner Familie, nicht nur für ihre moralische Unterstützung während der Arbeit an der Dissertation und ihr großzügiges Verständnis für manchen langen Arbeitstag, sondern auch ganz besonders dafür, dass sie immer wieder für gerade jene Abwechslung und Ablenkung sorgt, ohne die einem ein solches Projekt schnell über den Kopf wachsen würde. Mein letzter und größter Dank geht an meine Eltern, die meinen wissenschaftlichen Weg von Beginn an vorurteilsfrei und mit aller nur erdenklichen Unterstützung begleitet und gefördert haben. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ihnen sei sie gewidmet.
Inhalt Vorwort | IX Siglen- und Abkürzungsverzeichnis | XV
Teil I: Einleitung 1
Kaiser Julian und die Nachwelt: Ein ‚Rezeptionsdrama‘ in fünf Akten | 3
2 2.1 2.2 2.3
Der Iulianus und sein Autor Jeremias Drexel SJ | 22 Das Manuskript des Iulianus (clm 2125) | 22 Drexels frühe Vita | 24 Die Entstehung des Iulianus | 34
3
Aufstieg und Fall Kaiser Julians: Vom (neu-)stoisch-christlichen Gelehrten zum heidnischen Tyrannen | 46 Justus Lipsius, der Neustoizismus und die Societas Iesu | 46 Stoa und Christentum: Ein ambivalentes Verhältnis | 46 Justus Lipsius und der Neustoizismus | 51 Justus Lipsius und die Societas Iesu | 57 Die eitle Ruhmsucht des stoischen Gelehrten: Jakob Bidermanns Cenodoxus | 61 Julians Aufstieg oder Die richtige/christliche Umsetzung des Neustoizismus | 65 Julian als Stoiker christlicher Ausprägung | 65 Die Christen im Iulianus als die wahren Stoiker | 77 Julians Fall oder Die falsche/unchristliche Umsetzung des Neustoizismus | 83 Die Verführung des (neu-)stoisch-christlichen Gelehrten Julian | 83 Julians ‚freie Willensentscheidung‘ | 89 Julian als alter Cenodoxus | 96 Julian als grausamer, affektverfallener Götzendiener | 101 Julian als Tyrann: Der Iulianus und der zeitgenössische Herrscherdiskurs | 105 Zwischenfazit | 117
3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.4
XII | Inhalt
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.3
Formale und dramentheoretische Analyse des Iulianus | 122 Der Iulianus als ‚Comicotragoedia‘ | 122 Die Protagonisten und der ‚Ausgang‘ des Iulianus | 123 Die Diktion des Iulianus | 126 Die Rolle der Komik | 130 Die Dramenstruktur des Iulianus | 143 Das Fünf-Akt-Schema des Iulianus | 143 Die Agnostoprologi als ein weiteres „Prolog-Experiment“ und die ‚Moral von der Geschichte‘ (Epilog) | 145 Die Rolle des Chors | 149 Rhetorische Elemente | 153 Zur Metrik des Iulianus | 160
5
Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus | 167
Teil II: Edition und Übersetzung Die Perioche des Iulianus | 179 Anmerkungen zur Edition und Übersetzung | 184 Iulianus Apostata Tragoedia | 189
Teil III: Kommentar Vorbemerkungen | 419 Zu den historischen Figuren im Iulianus | 421 Zu den Heiligen im Iulianus | 423 Zu den ‚sprechenden Namen‘ im Iulianus | 424 Isagoge | 425 Kommentar zur Iulianus Apostata Tragoedia | 429
Inhalt |
XIII
Teil IV: Verzeichnisse Antike und mittelalterliche Quellen | 743 Frühneuzeitliche Handschriften und Drucke (mit modernen Editionen) | 755 Sekundärliteratur | 759 Index auctorum | 801 Index biblicus | 833 Index verborum figurarumque praecipue neolatinarum | 837 Index nominum | 839 Index locorum | 849 Index rerum | 853
Siglen- und Abkürzungsverzeichnis Die verwendeten Abkürzungen für Autoren, Werke und Quellensammlungen sind separat im Quellenverzeichnis aufgelöst. Abb. ADB add. ÄGB Anm. ANRW Art. BBKL Bd./Bde. bes. BKV Bl. bzw. clm Comm. ad corr. CR del. DH d.h. DPhA fol. GCS griech. Hg. HWdPh HWdR Jhdt. Killy KKK lat. LMIC LThK MGP NDB N.F. Nr. o.ä. OLD PLRE RAC
Abbildung/Abbildungen Allgemeine Deutsche Biographie addidit (hat hinzugefügt) Ästhetische Grundbegriffe Anmerkung Aufstieg und Niedergang der römischen Welt Artikel Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Band/Bände besonders Bibliothek der Kirchenväter Blatt beziehungsweise Codex Latinus Monacensis Commentarium ad (Kommentar zu) correxit (hat verbessert) Corpus Reformatorum delevit (hat getilgt) Denziner/Hünermann: Enchiridion symbolorum das heißt Dictionnaire des Philosophes Antiques folium (Blatt) Die Griechischen Christlichen Schriftsteller griechisch Herausgeber; herausgegeben Historisches Wörterbuch der Philosophie Historisches Wörterbuch der Rhetorik Jahrhundert Killy Literaturlexikon Katechismus der Katholischen Kirche lateinisch Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae Lexikon für Theologie und Kirche Monumenta Germanica Paedagogica Neue Deutsche Biographie Neue Folge Nummer oder Ähnliches Oxford Latin Dictionary Prosopography of the Later Roman Empire Reallexikon für Antike und Christentum
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XVI | Siglen- und Abkürzungsverzeichnis
RE RLW S. sc. SChr. Sign. Sp. s.o./u. s.v. ThLG ThLL ThWNT TPMA TRE u.a. V. v.a. v./n.Chr. vgl. Wz Z. z.B. z.T.
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft Seite scilicet (das heißt) Sources Chrétiennes Signatur Spalte siehe oben/unten sub voce (unter dem Stichwort) Thesaurus Linguae Graecae Thesaurus Linguae Latinae Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament Thesaurus Proverbiorum Medii Aevii Theologische Realenzyklopädie unter anderem; und andere Vers vor allem vor/nach Christus vergleiche Wasserzeichen Zeile zum Beispiel zum Teil
| Teil I: Einleitung
1 Kaiser Julian und die Nachwelt: Ein ‚Rezeptionsdrama‘ in fünf Akten Es scheint fast so, als habe Gregor von Nazianz (329/330–390 n.Chr.) nur darauf gewartet, dass der römische Kaiser Flavius Claudius Iulianus auf seinem Feldzug gegen das Perserreich den Tod erlitt. Denn kurz nachdem Julian am 26. oder 27. Juni 363 n.Chr. der Wunde, die er auf dem Schlachtfeld bei Maranga am Tigris empfangen hatte, erlegen war, ließ der christliche Theologe seinen angestauten Groll und Hass losbrechen und spie Gift und Galle gegen den verstorbenen Kaiser. Mit Julians Tod endete dessen gerade einmal zwanzig Monate andauernde Alleinherrschaft, die aus christlicher Sicht von einer einzigen Entscheidung dominiert wurde: Nachdem Julian im Jahre 362 zum alleinigen Herrscher über das Imperium Romanum aufgestiegen war, wandte er sich als erster und einziger römischer Kaiser nach Konstantin dem Großen offen vom Christentum ab und bekannte sich wieder zu den ‚alten‘ Göttern. In zwei bitterbösen Invektiven setzt Gregor zu einer schonungslosen Abrechnung mit dem angeblichen Heuchler, Zauberer, Hochverräter und ‚Apostaten‘ an.¹ An einer Stelle bewies Gregor geradezu prophetische Voraussicht. Inmitten des tobenden Sturms an persönlichen Angriffen, wüsten Beschimpfungen, böswilligen Verleumdungen und erdichteten Schauerlegenden, den er über den Kaiser hereinbrechen lässt, merkt er an, dass sein schriftstellerischer Kampf gegen Julian erst der Anfang einer noch lange andauernden Entwicklung sei: Um die Tragödie bzw. Komödie jener Zeit werden sich wohl noch viele kümmern, denen es infolge ihres religiösen Standpunktes zukommen dürfte, dem Frevler mit Worten heimzuleuchten, damit diese wichtige Geschichte, die keineswegs vergessen werden darf, auch den Nachkommen überliefert werde.²
Die von Gregor in diesem Kontext verwendete Tragödien- bzw. Komödien-Metapher lässt sich aber auch auf die von ihm angekündigte reiche Rezeptionsgeschichte von Julians Leben und Wirken übertragen. Denn die Entwicklung der
1 Greg. Naz. or. 4 und 5. Vgl. Nesselrath 2001, S. 20–25; Bernardi 1978. Zur genauen Datierung der beiden Reden Contra Iulianum siehe Kurmann 1988, S. 6–12. Zum Beinamen Apostata, der maßgeblich auf Gregor von Nazianz und den Kirchenvater Augustinus zurückgeht, siehe Kommentar zu (im Folgenden abgekürzt mit ‚Comm. ad‘) V. 1293. 2 Πολλοῖς δὲ οἶμαι σπουδασθήσεσθαι τοῦ τότε καιροῦ τὴν ἔιτε τραγῳδίαν χρὴ λέγειν ἔιτε κωμῳδίαν, οἷς μέρος εὐσεβείας δόξει λόγῳ βάλλειν τόν ἀλιτήριον ὡς καὶ τοῖς ἔπειτα παραδοθῆναι πρᾶγμα τοσοῦτον καὶ ἥκιστα τοῦ λαθεῖν ἄξιον. Greg. Naz. or. 4,79. Übersetzung: Haeuser 1928. https://doi.org/10.1515/9783110593730-001
4 | 1 Kaiser Julian und die Nachwelt: Ein ‚Rezeptionsdrama‘ in fünf Akten
Bewertung der Julian-Figur in den folgenden Jahrhunderten kann in gewisser Weise ebenfalls als ein Drama in fünf Akten begriffen werden. Dieses ‚Rezeptionsdrama‘ wurde von der Forschung bereits mehrmals und ausführlich, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen, nacherzählt und eingehend analysiert,³ sodass an dieser Stelle eine paraphrasierende Wiedergabe der zentralen Beobachtungen und Ergebnisse genügen mag. ‚Erster Akt‘: Die Julian-Rezeption in der Spätantike Gregor selbst stellt mit seinen beiden Invektiven gegen Julian nicht nur gewissermaßen den Prolog dieses ‚Rezeptionsdramas‘, sondern auch eine Figur des ersten Aktes dar. Dieser ist geprägt vom erbitterten Kampf zwischen Gegnern und Anhängern des Kaisers.⁴ Zum Hauptgegenspieler Gregors entwickelte sich der aus Antiochia am Orontes stammende heidnische Rhetor und Freund Julians, Libanios (314–393/5). In seinem 364 entstandenen ‚Klagelied auf Julian‘ (Μονῳδία ἐπὶ Ἰουλιανῷ; or. 17 Foerster) sowie in seiner ‚Leichenrede auf Julian‘ (Ἐπιτάφιος ἐπὶ Ἰουλιανῷ; or. 18 Foerster), die ein Jahr später verfasst wurde, verleiht er seiner Trauer Ausdruck und verherrlicht den toten Kaiser, den er unter die Götter aufgenommen sieht.⁵ Als weitere zentrale Figuren treten in diesem ersten Akt der ebenfalls aus Antiochia stammende und spätere Erzbischof von Konstantinopel Johannes Chrysostomos (349?–407) sowie die Kirchengeschichtsschreiber Sokrates von Konstan3 Die umfangreichste Abhandlung zur Rezeptionsgeschichte Kaiser Julians stellt der zweibändige Sammelband von René Braun und Jean Richer (1981 bzw. 1978) dar, auch wenn die Rezeption der Julian-Figur im Mittelalter nur unzureichend berücksichtigt ist. Die beste Darstellung dieses komplexen Bereichs bietet Klaus Rosen (2006, S.394–462), wobei er wiederum, was für den vorliegenden Zusammenhang besonders bedauerlich ist, die Julian-Rezeption durch die Jesuiten vollkommen auslässt. Eine umfassende Arbeit zur Rezeptionsgeschichte der Julian-Figur, die einen übergeordneten Standpunkt einnimmt, die durchlaufenden Entwicklungslinien im Blick hat und mit mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen verknüpft, bleibt ein Desiderat der Forschung. In der entsprechenden Abhandlung von Klaus Bringmann (2004) wird die Rezeptionsgeschichte überhaupt nicht bearbeitet, in der von Marion Giebel nur sehr kurz (2002, S. 193–201). Etwas ausführlicher widmet sich Joseph Bidez (1940, S. 350–365) diesem Bereich. Eine erweiterte Aufzählung, die für die spätere Rezeption ausführliche, für die frühere eher kurze Quellenauszüge aufweist, bietet Richard Foerster (1905), jedoch lediglich für den Bereich der Dichtung. Noch älter, aber auch die Prosa berücksichtigend ist der Beitrag von Wilhelm Sigmund Teuffel (1846, S. 405–439). 4 Zum ‚Kampf um Julian‘ in der spätantiken Literatur siehe: Rosen 2006, S. 394–400; Nesselrath 2001; Straub 1962; Hahn 1960; Foerster 1905, S. 1–12 sowie den ersten Teil des Sammelbandes von Braun/Richer 1978, S. 15–227. Die antiken Quellen zu Leben und Werk Julians sind gesammelt bei Cancik/Cancik-Lindemaier 2011. 5 Vgl. Nesselrath 2001, S. 17–20; Petit 1978.
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tinopel (ca. 380–439), Theodoret von Kyrrhos (ca. 393–466) und Sozomenos (gest. um 450) einerseits⁶ und der Historiker Ammianus Marcellinus (ca. 330–400) andererseits auf, der selbst als Soldat an Julians Perserfeldzug teilgenommen hatte.⁷ Während Letztgenannter in seinen Res gestae, der ausführlichsten Darstellung von Julians Herrschaft überhaupt, trotz manch kritischer Töne den Kaiser weitgehend verherrlichend ins Zentrum seines gesamten Geschichtswerkes stellt, setzen die genannten Christen die Schmähtiraden Gregors gegen den angeblichen Götzenverehrer und Christenverfolger fort. In der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts veranlasst Cassiodor (ca. 490–590) eine locker aneinandergereihte Synthese der kirchengeschichtlichen Darstellungen des Sokrates, Sozomenos und Theodoret in lateinischer Übersetzung, für die sich die Bezeichnung Historia Tripartita etablierte.⁸ ‚Zweiter Akt‘: Der Antichrist. Die Julian-Rezeption im Mittelalter War der Kampf zwischen Julians heidnischen Anhängern und christlichen Gegnern in der Spätantike noch mehr oder weniger unentschieden, verlagerte sich das Kräfteverhältnis im Mittelalter zugunsten der Gegner.⁹ Dem christlichen Mittelalter, das gewissermaßen als zweiter Akt des ‚Rezeptionsdramas‘ aufgefasst werden kann, stand mit der erwähnten Historia Tripartita eine Vorlage zur Verfügung, die in gebündelter Form das julianfeindliche Bild präsentierte, das nach seinem Tode von den Christen gezeichnet worden war. Gleichzeitig fanden projulianische Schriften aufgrund der Apostasie des Kaisers keinen Eingang in ähn-
6 Vgl. v.a.: Joh. Chrys. Paneg. Bab. 1 und 2; Paneg. Iuv. Zu Julian Apostata bei Johannes Chrysostomos siehe Di Santo 2005 und Nesselrath 2001, S. 25–26; Sokr. hist. eccl. 3,1–23; Soz. hist. eccl. 4,21–6,2 (siehe zu den drei Letztgenannten v.a. Nesselrath 2001, S. 34–43); Theod. hist. eccl. 3. Weitere julianfeindliche Schriften stammen vom Syrer Ephraem (Iul. 1–4; Text: CSCO 174,71–91; Übersetzung: CSCO 175,64–86; vgl. Richer 1978), von Theodoros von Mopsuestia (Edition, italienische Übersetzung und Kommentar durch Guida 1994), Philippos von Side (nur indirekt in der Kirchengeschichte des Sokrates belegt, vgl. Sokr. hist. eccl. 7,27), Kyrillos von Alexandria (PG 76,509–1064; Edition und französische Übersetzung der ersten beiden Bücher durch Burguière/Évieux 1985), Rufinus von Aquileia (hist. 10,33–40) und Philostorgios (heute nur noch in der Zusammenfassung von Photios greifbar, vgl. Phot. 40). 7 V.a. Amm. 15–25. Vgl. Nesselrath 2001, S. 30–33; Fontaine 1978. Zu Ammians Julian-Bild und dessen narrativer Ausgestaltung siehe Ross 2016. Eine julianfreundliche Haltung nehmen auch Eunapios von Sardes (nur indirekt bei Photios belegt, vgl. Phot. 77) und Zosimos (hist. 3,1–29) ein. Vgl. Nesselrath 2001, S. 27–29; Straub 1962, S. 317–318. 8 Für die Auswahl, Zusammenfassung und Übersetzung der griechischen Vorlagen war Epiphanius Scholasticus verantwortlich. Vgl. Nesselrath 2001, S. 43 und Hanslik 1971. 9 Zur Julian-Rezeption im christlichen Mittelalter siehe: Rosen 2006, S. 400–413; Foerster 1905, S. 12–19.
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liche Sammelwerke oder wurden teilweise erst im Humanismus wiederentdeckt. Dementsprechend einseitig präsentiert dieser zweite Akt Julian als facettenlosen Verräter, Christenverfolger und Antichristen. In dieser Weise tritt er u.a. in der Conversio Gallicani Principis Miliciae der Hrotsvit von Gandersheim (ca. 935–975) auf, einem Märtyrerdrama rund um die Heiligen Gallicanus, Johannes und Paulus,¹⁰ ferner in der sogenannten ‚Regensburger Kaiserchronik‘ aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, die die Zeit von der Gründung Roms bis zur Herrschaft Konrads III. behandelt und eine sehr eigenartige und phantastische Geschichte über Julians Aufstieg, Herrschaft und Fall erzählt,¹¹ sowie in der Legenda Aurea (LA) des Jacobus de Voragine (1228/9–1298), der Julian als negative Kontrastfigur zu vier gleichnamigen Heiligen darstellt¹² und ihn später in seiner Erzählung von der Enthauptung Johannes’ des Täufers, dessen Grab der Kaiser angeblich geschändet haben soll, erneut äußerst negativ charakterisiert, wobei er (wie er selbst ausdrücklich angibt) der Darstellung in der Historia Tripartita folgt.¹³ ‚Dritter Akt‘: Das Blatt wendet sich. Die Julian-Rezeption in der Frühen Neuzeit Den entscheidenden Ausschlag für „die Wende“ weg von dieser einseitig negativen Beurteilung hin zu einem differenzierteren Julian-Bild gab das Zeitalter des Renaissance-Humanismus. Entscheidenden Anteil daran hatte die Wiederentdeckung von Ammians Geschichtswerk im Jahr 1417 durch den italienischen Humanisten Gianfrancesco Poggio Bracciolini (1380–1459).¹⁴ Der Charakter der Julian10 Hrot. Gall. = MGH SS. rer. Germ. 34, S. 109–126. Vgl. Rosen 2006, S. 406; Larmat 1978a; Foerster 1905, S. 12–13. 11 MGH Dt. Chron. 1,1. Vgl. Souyris 1978; Foerster 1905, S. 13–17. 12 LA 30, im Einzelnen: Julianus, Bischof von Le Mans, viertes (?) Jhdt., den die LA mit Simon, dem Pharisäer, bei dem Jesus eingekehrt ist (Lc 7,36), und dem anonymen Aussätzigen, den Jesus heilte (vgl. Mt 8,2; Mc 1,40 sowie Lc 5,12), identifiziert. Laut LA wurde dieser Julian später vom Apostel Petrus nach Le Mans gesandt; vgl. Häuptli 2014, S. 462 Anm. 2; AA SS 27. Januar, Bd. 2, S. 761–767; BHL, Nr. 4543–4549. Julianus von Brioude, Märtyrer während der decischen oder diocletianischen Christenverfolgung; vgl. Häuptli 2014, S. 464 Anm. 7; Mathon 1965; AA SS 28. August, Bd. 6, S. 169–188; BHL, Nr. 4540–4542. Julianus, Diakon und Bruder des Priesters Julius, die auf Anordnung von Theodosius I. im Piemont missioniert und zahlreiche Kirchen erbaut haben sollen; vgl. Häuptli 2014, S. 466 Anm. 16; Amore 1965; AA SS 31. Januar, Bd. 2, S. 1100–1104; BHL, Nr. 4557–4558. Julianus Hospitator (vielleicht siebtes Jhdt.), der unwissentlich seine Eltern getötet und daraufhin eine Bußwallfahrt nach Rom unternommen haben soll, woraufhin er sich nach Potenza oder an den Fluss Gard in der Provence begab, wo er Reisende versorgte und bei der Überquerung des Flusses half; vgl. Häuptli 2014, S. 468–469 Anm. 20; Merkt ³1996; Somer 1965; Gaiffier 1945; AA SS 29. Januar, Bd. 2, S. 974; BHL, Nr. 4550–4551. Vgl. Rosen 2006, S. 412. 13 LA 125. 14 Vgl. Raschle 2010, Sp. 9; Nesselrath 1992, S. 134 und 139; Reynolds 1986; vgl. dazu auch Greenblatt 2011, S. 58. Zur Julian-Rezeption im Zeitalter des Renaissance-Humanismus siehe: Rosen
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Figur gewinnt in diesem dritten Akt des ‚rezeptionsgeschichtlichen Dramas‘ um seine Person zunehmend an Tiefe und Komplexität. In der am 17. Februar 1491 dargebotenen Sacra rappresentazione di San Giovanni e Paolo aus der Feder Lorenzo de’ Medicis (1449–1492) werden Julian trotz seiner mitleidlosen und grausamen Verurteilungen von Christen und seiner eitlen Ruhmsucht einige positive Züge verliehen, darunter seine herausragende Bildung. Lorenzo stellt seinen Julian als eine Verkörperung des zeitgenössischen Idealmodells eines Herrschers dar, der Herrscherwürde und -pflicht miteinander in Einklang bringt.¹⁵ Ein ebenfalls ambivalentes Julian-Bild ist bei Erasmus von Rotterdam (1464/9–1536) festzustellen. Während er Julian in einem Brief aus dem Jahre 1517 noch an das Ende einer zugegeben eher antiklimaktischen Aufzählung der größten Verbrecher auf dem römischen Kaiserthron setzt,¹⁶ erscheint der Kaiser in der 1531 erschienenen Sammlung von Apophthegmata in einem positiveren Licht. Erasmus erzählt darin in Rückgriff auf Sokrates von Konstantinopel, wie Julian Eunuchen, Köche und Friseure aus seinem Palast gejagt hat.¹⁷ Außerdem werden ihm in Anlehnung an Ammian positive Eigenschaften wie Selbstbeherrschung, Witz und Intelligenz zugesprochen.¹⁸ In der zwei Jahre später erschienenen Schrift De amabili Ecclesiae concordia steht Julian dann schon in einer Reihe von bedeutenden Heiden wie 2006, S. 413–421; Hartweg 1978a; Hartweg 1978b; Larmat 1978b; Nicolas 1978; Foerster 1905, S. 19–24. Zu Julians Rolle im spanischen Theater des Siglo de Oro siehe Roux 1978. 15 Vgl. Rosen 2006, S. 414; Nesselrath 1992; Nicolas 1978, S. 321–326 und 331; Foerster 1905, S. 19. 16 Nec enim arbitror quenquam, non dico principem sed tyrannum, sic penitus omnem hominis sensum exuisse, ut vitam sibi iucundam ducat, si norit suum nomen apud posteros omnium aetatum ac nationum animis tam invisum et execrabile fore quam nunc est Neronis, Caligulae, Heliogabali, Commodi, Domitiani ac Iuliani; ad quorum mentionem, ceu portentorum verius quam principum, nemo iam non despuit, non abominatur, non detestatur. Erasm. epist. 586 Allen = LB IV,324D– 329A. [Denn ich glaube nicht, dass irgendein, ich sage absichtlich nicht Kaiser, sondern Tyrann, seine gesamte menschliche Selbstwahrnehmung so vollkommen preisgegeben hätte, dass er sein Leben glücklich einschätzte, wenn er gewusst hätte, dass sein Name bei den Menschen aller künftigen Zeiten und Völker so verhasst und verflucht sein würde, wie es nun der Name eines Nero, Caligula, Elagabal, Commodus, Domitian und Julian ist; bei der Erwähnung dieser vielmehr Ungeheuer als Kaiser spuckt ein jeder verächtlich aus, spürt ein jeder tiefe Verachtung, spricht ein jeder Flüche aus.] 17 Julianus Imperator eunuchos, coquos, tonsores, ejecit e Palatio. Rogatus quam ob causam, negavit ‚sibi esse opus eunuchis, quum uxor decessisset, nec opus esse coquis, quod simplicissimis cibis vesceretur‘. De tonsoribus dixit ‚unum multis sufficere‘ [= Sokr. hist. eccl. 3,1,50]. LB IV,362E. [Kaiser Julian hat Eunuchen, Köche und Friseure aus seinem Palast geworfen. Auf die Frage, warum er das getan habe, antwortete er, „dass er keine Eunuchen mehr brauche, da seine Frau gestorben sei, und dass er keine Köche nötig habe, da er sich auf einfachste Art und Weise ernähre“. Im Hinblick auf die Friseure sagte er, „dass einer für viele Menschen ausreiche.“] 18 Julianus Imperator, ni fallor, quum in frequenti turba quidam ipsum his verbis appellaret adversus adversarium suum: ‚Thalassius inimicus pietatis tuae nostra per vim eripuit‘; ‚agnosco‘, inquit,
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Zenon, Xenokrates und Sokrates insbesondere aufgrund seiner angeblichen Freigebigkeit gegenüber den Armen, die allerdings – dies wird ausdrücklich betont – gegen Christus gerichtet gewesen sei.¹⁹ Eine weitere Entwicklungsstufe der Julian-Rezeption repräsentieren Jean Bodin (1529–1596) und Michel de Montaigne (1533–1592). Der Staatstheoretiker Bodin zeigt im Methodus ad facilem historiarum cognitionem anhand der Julian-Figur die Parteilichkeit der Kirchengeschichtsschreibung auf. In Anlehnung an die abschließende Beurteilung Julians durch Ammian²⁰ kommt Bodin zu einem sehr differenzierten und ausgewogenen Urteil. Julian weise drei schwerwiegende Fehler auf, nämlich die Vermischung des Christentums mit seinem „altweiberhaften Aberglauben“ (tatsächlich formuliert Ammian diesen Vorwurf jedoch gegen Constantius II. und nicht, wie Bodin behauptet, gegen Julian), sein ‚Rhetorenedikt‘²¹ und seine Grausamkeit. Demgegenüber stünden jedoch zahlreiche Tugenden wie Mäßigung (temperantia), Tapferkeit (fortitudo), Unerschütterlichkeit (continentia), Weisheitshunger (sapientiae studium) und Gerechtigkeit (iustitia).²² Ist bei
‚ab illo me fuisse laesum, proinde dic illi ut mihi potiori inimico prius satisfaciat‘ [= Amm. 22,9,16– 17]: mandavitque Praefecto ne prius cognosceretur illorum negotium, quam ipse cum Thalassio rediret in gratiam. Quod alter adduxerat ad maturandam vindictam, Caesar torsit in cunctationem. LB IV,366E. [Kaiser Julian hat, wenn ich mich nicht irre, als vor ihm jemand in einer großen Menschenansammlung gegen einen persönlichen Feind die Worte „Thalassius, ein Feind deiner Güte, hat mir gewaltsam mein Eigentum geraubt,“ vorbrachte, Folgendes gesagt: „Ich sehe es auch so, dass ich von ihm geschädigt wurde. Daher sag jenem, dass er zunächst mir, einem mächtigeren Gegner, Genugtuung leisten solle.“ Und er trug dem Präfekten auf, dass der Streitfall zwischen diesen beiden erst dann angehört werde, wenn er selbst mit Thalassius wieder ins Reine gekommen ist. Was jener vorbrachte, um die Strafe zu beschleunigen, hat der Kaiser in ein Abwarten umgedreht.] 19 Laudatur Zenonis continentia, Xenocratis integritas, Socratis patientia, sed quoniam extra Christum facta sunt, non contulerunt veram felicitatem. Julianus Imperator immensam pecuniae vim effudit in subsidia pauperum, sed adversus Christum. LB V,485D–E. [Zenon wird für seine Selbstbeherrschung, Xenokrates für seine Unbescholtenheit und Sokrates für seine aushaltende Geduld gerühmt. Da ihre Taten aber ohne Christus erfolgten, haben sie ihnen keine wahre Glückseligkeit verschafft. Kaiser Julian hat eine gewaltige Menge Geld für die Armen ausgegeben. Dies aber war gegen Christus gerichtet.] Zu Julian bei Erasmus siehe auch Rosen 2006, S. 415–416; Larmat 1978, S. 303–305. 20 Amm. 25,4. 21 Siehe hierzu Comm. ad 2642–2643. 22 At ecclesiastici fere scriptores cum de adversariis nostrae religionis scriberent, tantis odiis exarserunt ut non modo laudes eorum obruere, verumetiam omnibus contumeliis lacerare conarentur. argumento sit Iulianus Augustus, is qui transfuga usurpatur, qui tametsi capitali odio ac supliciis omnibus dignus esset, quae tamen ab eo praeclare gesta sunt, historias scribentem non decuit praeterire, quod nostri fecerunt. In quo certe Amiani Marcellini candorem ac studium inquirendae veritatis imitari debuissent. is enim principum virtutes ac vitia, ut optimus quisque scriptor, summa fide
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Bodin noch eine zögerliche Rehabilitation des einseitig negativen Julian-Bildes festzustellen, hat sich dieses bei Montaigne bereits in einen Lobpreis verwandelt.²³ Ebenfalls unter Berufung auf Ammian stellt er Julians moralische Überlegenheit über dessen Zeitgenossen heraus. Der Kaiser trägt bei ihm kaum negative Züge. Einzig sein Aberglaube wird erwähnt. Den Berichten über die grausamen Christenverfolgungen schenkt Montaigne keinen Glauben. Auch die berühmten Legenden rund um den Tod des Kaisers verwirft er. Für ihn stehen nicht Überlegungen zur Historiographie im Vordergrund, sondern lediglich die Freiheit des Gewissens, die in der Julian-Figur verwirklicht sei und die den Kaiser zu einem „tres-grand homme et rare“ mache.²⁴ Vor diesem geistesgeschichtlichen Hintergrund betritt die Julian-Figur auch die Bühne der Jesuiten.²⁵ Nach ersten Anfängen im Mittelalter wurde die JulianFigur nun immer häufiger in ein dramatisches Gewand gehüllt. Drexels Iulianus ist das früheste bisher belegte Beispiel für den Julian-Stoff auf der Jesuitenbühne. Für den deutschen Sprachraum sind bisher insgesamt achtzehn weitere Dra-
notavit. Iulianum accusat quod religionem Christianam absolutam ac simplicem (sic enim loquitur) anili susperstitione confudisset: quod Christianis litteras crudeliter ademisset: quod Palatinos Constantij comites occidi iussisset. eiusdem tamen virtutes egregias oratione singulari commendavit; summam temperantiam, fortitudinem, continentiam, sapientiae studium, ac iustitiam opinione maiorem. Bodin 1566, S. 88–89. [Die Kirchengeschichtsschreiber aber wurden in der Regel, wenn sie über Feinde unserer Religion schrieben, von solchem Hass entflammt, dass sie nicht nur versuchten, deren ruhmreiche Taten zu verdecken, sondern sie auch mit allen möglichen Schmähungen zu verunglimpfen. Als Beweis soll Kaiser Julian dienen, den man als Überläufer bezeichnet und der es freilich verdient hat, dass man ihn auf den Tod hasst und mit allen erdenklichen Strafen martert. Aber dennoch ziemte es sich für einen Geschichtsschreiber nicht, das stillschweigend zu übergehen (wie es die Unsrigen [sc. die christliche Kirchengeschichtsschreiber] bisher taten), was er ruhmreich geleistet hat. Dabei hätte man ohne Zweifel die Ehrlichkeit und den Eifer bei der Wahrheitsfindung des Ammianus Marcellinus nachahmen müssen. Denn dieser listet Tugenden und Laster der Kaiser auf und das mit, wie es die besten Schriftsteller tun, höchster Glaubwürdigkeit. Er klagt Julian an, dass er die klare und einfache christliche Religion mit altweiberhaftem Aberglauben vermischte (so schreibt er es selbst [= Amm. 21,16,18]), dass er die Christen auf grausame Art und Weise von der Bildung ausschloss und dass er die Mitglieder von Constantius’ Hof hinrichten ließ. Dennoch verfasst er eine einzigartige Lobrede auf die herausragenden Tugenden desselben. Er habe über höchste Mäßigung, Tapferkeit, Selbstbeherrschung, Wahrheitshunger und Gerechtigkeit, die größer war, als man vermuten könnte, verfügt.] Vgl. Rosen 2006, S. 419– 420. 23 Montaigne 2004 [erstmals 1580/1588] Buch II, Kap. 19: De la Liberté de Conscience. 24 Montaigne 2004 [erstmals 1580/1588], S. 669. Vgl. Rosen 2006, S. 420–421; Nesselrath 1992, S. 134; Larmat 1978b, S. 312–314. 25 Vgl. Hartweg 1978c; Foerster 1905, S. 25–39.
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men belegt, in denen Julian die Hauptfigur darstellt.²⁶ Mit einer einzigen weiteren Ausnahme²⁷ ist für keine dieser Aufführungen der Dramentext überliefert. Im Gegensatz zu Drexels Iulianus vermitteln die z.T. erhaltenen gedruckten Inhaltsangaben der Stücke (Periochen), sofern auf deren Grundlage überhaupt eine konkrete Charakterisierung der Hauptfigur adäquat vorgenommen werden kann, den Eindruck, dass die Julian-Figur darin wenig Komplexität aufweist.²⁸ Häufig ist sie der mittelalterlichen Rezeption insofern wesensverwandt, als Julian lediglich als Hintergrundfolie für die eigentlichen Helden der Stücke, die Märtyrer und Heiligen, dient. Ein innerer Entwicklungsprozess bzw. eine komplexe psychologische
26 Folgende Belege für Aufführungen mit Julian Apostata als Hauptfigur lassen sich für den deutschen Sprachraum feststellen: Köln 1612 (Valentin 1983/4, Nr. 668); Münster 1616 (vgl. Stork 2013, S. 128, Nr. 88); Luzern 1624 (vgl. Foerster 1905, S. 24); München 1630 (Nr. 1065; siehe auch S. 44); Wien 1630 (Nr. 1072); Wien 1635 (Nr. 1154; Perioche: BSB München: 4° Bavar. 2197, I, 67; abgedruckt in Szarota 1979–1983 II,1, S. 831–845); Linz 1644 (Nr. 1379); Landshut 1659 (Nr. 1883; BSB München: 4° Bavar. 2193, II, 50, 4° Bavar. 2197, III, 53; Szarota 1979–1983 II,1, S. 847–854); Münster 1664 (Nr. 2055; vgl. Stork 2013, S. 162–163, Nr. 138); Ellwangen 1679 (Nr. 2550; Perioche: Bibliothèque Nationale Universitaire Straßburg: CD. 102724); Augsburg 1694 (Nr. 3136; BSB München: 4° Bavar. 2193, V, 36; Szarota 1979–1983 II,1, S. 855–862); München 1695 (Nr. 3224); Dillingen 1699 (Nr. 3377; BSB München: 4° Bavar. 2193, V, 83; Szarota 1979–1983 II,1, S. 863–870); Münster 1700 (Nr. 3449; vgl. Stork 2013, S. 196–197, Nr. 163); München 1708 (Nr. 3750; BSB München: 4° Bavar. 2195, II, 5; Szarota 1979–1983 II,1, S. 871–878); Pruntrut 1717 (Nr. 4108); Bamberg 1732 (Nr. 4845); Neuburg 1765 (Nr. 7274). 27 Octavius Napelius: Tragoedia de Iuliano Apostata, Innsbruck 1617/18. Das Manuskript mit der Signatur clm 24657 (S. 799ff.) befindet sich heute in der BSB München. Von Valentin 1983/4 nicht berücksichtigt, von Karl Pörnbacher (1961, S. 231), der einer Anmerkung von Johannes Müller (1930 II, S. 21–22) folgt, fälschlicherweise ebenfalls Drexel zugeschrieben. 28 Diese Feststellung würde für Drexels Iulianus auch dann gelten, wenn man lediglich die Perioche als Referenzpunkt heranzöge. Denn es wäre durchaus denkbar, dass die Perioche ein stark vereinfachtes Bild der tatsächlichen dramatischen Verwicklung präsentiert. Somit würde ein Vergleich zwischen Drexels Iulianus mit anderen Dramen, die lediglich durch ihre Periochen greifbar sind, an falschen methodischen Prämissen scheitern. Auch wenn nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die genannten, nicht überlieferten Dramentexte mit Julian-Stoff ein komplexeres und vielschichtigeres Bild von ihrem Protagonisten zeichneten, als es ihre überlieferten Periochen suggerieren, muss man bei einem Vergleich der jeweiligen Periochen zu der Beobachtung kommen, dass Drexels Julian-Perioche im Gegensatz zu denjenigen der übrigen erwähnten Julian-Dramen hervorhebt, dass in seiner Hauptfigur ein Wandlungsprozess stattfindet. Die der Zusammenfassung der einzelnen Szenen vorangehende Isagoge betont ausdrücklich, dass Julian einen inneren Transformationsprozess durchläuft. Sie nennt mit der „maßlosen Gier nach Ruhm und Anerkennung“ auch das psychologische Motiv, das den Wandel in der Hauptfigur initiiert: in transversum egit immodica laudis cupido. Julians vorbildlicher Charakter, den die Periochen der seiner Apostasie vom Christentum vorangehenden Szenen (I,1–8) hervorheben, steht ferner im Widerspruch zu seiner späteren überaus negativen Charakterisierung nach seiner Abkehr vom Christentum (ab II,1).
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Handlungsmotivation, die hinter Julians Abkehr vom Christentum steckt, scheint kaum ausgemacht werden zu können. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, als sei dieser Aspekt im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts von den Dramatikern der Societas Iesu immer mehr zugunsten einer möglichst imposanten und spektakulären Aufführung, teilweise mit einer gewaltigen Anzahl an Schauspielern,²⁹ vernachlässigt worden.³⁰ ‚Vierter Akt‘: Julian, der Held. Die Julian-Rezeption im Zeitalter der Aufklärung, des Nationalismus und Faschismus Der, bleibt man der von Gregor übernommenen Dramen-Metapher treu, vierte Akt der ‚Julian-Rezeption‘ ist als Gegenbild des zweiten zu sehen.³¹ Im Zeitalter der Aufklärung erfuhr die Julian-Figur nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zunehmenden Säkularisierung eine regelrechte Verehrung. Ausgehend von den Vorarbeiten Bodins und Montaignes stieg für französische Aufklärer wie Montesquieu (1689–1755) und Voltaire (1694–1778) Julian zum strahlenden Held der Geschichte auf. Er fungiert als Musterbeispiel im Kampf gegen den absoluten Wahrheitsanspruch der Religion und für eine vernunftbasierte Toleranz. Er stellt den Idealtypus des aufgeklärten Souveräns dar, dessen Milde dem in der traditionellen Julian-Rezeption verankerten Bild der Grausamkeit gegenübergestellt wird, um die Unfähigkeit der Kirche zu brandmarken, zu einem objektiven moralischen Urteil zu kommen.³²
29 Für die Julianus Apostata Tragoedia beispielsweise, die am 5. September 1659 in Landshut aufgeführt wurde, nennt der syllabus Actorum, der der Perioche angefügt wurde, 117 Akteure, die an der Inszenierung beteiligt gewesen waren. 30 Vgl. Hartweg 1978c, S. 362. 31 Zur Julian-Rezeption von der Aufklärung bis in die Zeit des Nationalsozialismus siehe: Rosen 2006, S. 421–452; Spink 1967; Foerster 1905, S. 29–120. Zu Julian bei David Friedrich Strauß und Joseph von Eichendorff siehe Kühlmann 2004. 32 Montesquieu formuliert innerhalb seiner Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence von 1734 mit rühmenden Worten einen ganzen Katalog an Tugenden, die er in Julian verwirklicht sieht: Einfachheit, Bescheidenheit, Weisheit, Standhaftigkeit, ökonomisches Handeln, Führungsstärke, Tüchtigkeit und heldenhafte Taten gegen die Barbaren: „Ce faste & cette pompe Asiatique ayant été établis, les yeux s’y acoutumerent d’abord, & lorsque Julien voulut mettre de la simplicité & de la modestie dans se manieres, on appella oubli de la dignité ce qui n’étoit que la mémoire des anciennes mœurs. […] Ce Prince [sc. Julien] par sa sagesse, sa constance, son œconomie, sa conduite, sa valeur, & une suite continuelle d’actions héroïques rechassa les Barbares, & la terreur de son nom les contint tant qu’il vécut.“ Considérations, Kap. XVII, S. 224–225 bzw. 230. – Für Voltaire stellt Julian ein Ideal für Toleranz und die Sorge um die Rechtsgleichheit aller Menschen dar, das sogar Marc Aurel übertreffe: „Nul empereur ne fut plus équitable et ne rendit la justice plus impartialement, non pas même Marc-Aurèle.“ Œuvres com-
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Im neunzehnten und in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Julian-Figur dann als vielseitige Projektionsfläche für die verschiedensten geistigen, politischen, ideologischen und religiösen Anliegen regelrecht missbraucht. Friedrich Rode (1855–1923) feiert Julian für dessen Schrift Contra Galilaeos als Vorreiter der modernen Leben-Jesu-Forschung und Evangelienkritik.³³ In den Dienst des ‚Kulturkampfes‘ nimmt ihn Adolf Hasenclever (1849–1910), der sich mit Verweis auf Julians ‚Rhetorenedikt‘ für eine säkulare Universitätsanstatt einer kirchlichen Ausbildung stark macht.³⁴ Auch der Nationalismus der zweiten Hälfte des neunzehnten und des frühen zwanzigsten Jahrhunderts ging an der Julian-Figur nicht vorbei. Im ‚Professorenroman‘ des Breslauer Juristen und Historikers Felix Dahn (1834–1912) mit dem Titel Julian der Abtrünnige dient Julian als ausländischer Unterdrücker, gegen den sich die Germanen in ihrer angeblichen ungebrochenen Freiheitsliebe und Überlegenheit über die Römer und alle anderen Völker³⁵ unter der Führung des Alamannen Chnodomar verbünden, wodurch Julian zum das ‚Germanen-‘ bzw. ‚Deutschtum‘ einenden
plètes 11, S. 241; ähnlich 29, S. 254: „Julien fut le plus tolérant des hommes, et l’unique chef de parti qui fût tolérant.“ Voltaire sieht in Julian v.a. ein Opfer christlicher Diffamierung (vgl. v.a. Œuvres complètes 26, S. 285). Vgl. Rosen 2006, S. 421–422, 426 und 428; Cotoni/Vigliéno 1981, S. 12. Selbst kirchliche Vertreter wie der Abbé La Bléterie (1696–1772) kommen zu einem ausgewogenen Gesamturteil, das, wiederum stark von Ammian beeinflusst, Stärken und Schwächen des Kaisers berücksichtigt. Vgl. Rosen 2006, S. 423–424; Neveu 2000; Cotoni/Vigliéno 1981, S. 13–14. 33 So z.B.: „Wir stossen in Julians Schrift auf Anschauungen über die Verschiedenheit des Lehrbegriffs der einzelnen neutestamentlichen Schriftsteller, über den Unterschied des alttestamentlichen Messiasideals und des späteren Christusbildes der Kirche, über die principielle Abweichung des Christenthums vom Hebraismus der alttestamentlichen Zeit, über die Discrepanz der Lehre des Urchristenthums von der Theologie des nicänischen Zeitalter, mithin auf Anschauungen, die wir sonst als Entdeckungen der modernen kritischen Theologie zu betrachten gewohnt sind. Während Julians Werk in dem Jahrhundert, welches auf seine Abfassung folgte, vom Cyrill von Alexandria zwar nicht widerlegt, aber doch verdammt worden ist, wird man dasselbe jetzt nach anderthalb Jahrtausenden als das Erzeugnis eines eminent kritischen Geistes, welches in vielen Punkten unwiderlegt ist und unwiderlegt bleiben wird, hochschätzen müssen.“ Rode 1877, S. 102–103. Vgl. auch Rosen 2006, S. 436–437; Bouffartigue 1981, S. 97–98. 34 „Damals hat der Staat in Gestalt des Julian der christlichen Kirche schaden wollen, indem er ihr die humanistische Bildung entzog, heutzutage verlangt der Staat von den Geistlichen eine möglichst umfassende humanistische Bildung, und die katholische Kirche ist’s jetzt, welche ihre Geistlichen von der frischen Luft der Universitäten nach Kräften fern zu halten sucht, um ihnen eine beschränkte Seminarbildung zu verleihen.“ Hasenclever 1890, S. 46. Vgl. Rosen 2006, S. 437. 35 Vgl. z.B.: „Ich [sc. der Franke Merowech] habe in diesen achtzehn Jahren gar vieler Völker Söhne und Sitten gesehen zu Rom, zu Byzanz, zu Antiochia, zu Alexandria: nichts fand ich, was mir besser gefiel als Germanenart. Klüger sind manche, nicht edler und nicht stärker. Die Welt aber gehört nicht den Schlauesten: den stärksten und edelsten. Und das sind wir.“ Dahn 1912 [erstmals 1893], S. 154. Siehe außerdem S. 325–330, 566 und 652.
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Feindbild stilisiert wird.³⁶ In apologetischer Art und Weise lässt der Autor seinen Protagonisten später aber auch insofern Partei für die Germanen ergreifen, als er ausdrücklich betont, dass nicht barbarische, insbesondere germanische Invasoren für das Ende des Römischen Reiches verantwortlich sein würden, sondern die „entrömerten Römer“ selbst, die ihre Heimat nur noch im „Christenhimmel“ sähen.³⁷ In François de la Motte Fouqués romantisch-legendenhafter Novelle Die Geschichten vom Kaiser Julianus und seinen Rittern (1818) wird Julian vor dem Wertehorizont der erzählten mittelalterlichen Welt als ein vom rechten Weg und Glauben Abgekommener und als Opfer einer intellektuellen Verführung zum Polytheismus gescholten.³⁸ Neben solchen und weiteren Julian-Romanen³⁹ ist es aber v.a. das Drama, das die Julian-Rezeption im neunzehnten Jahrhundert dominiert. Prominentester Vertreter aus einer Vielzahl von Stücken,⁴⁰ die nicht nur der Präsentation von kirchengeschichtlicher Gelehrsamkeit, sondern auch als Mittel zur Positionierung im ‚Kulturkampf‘ dienten, ist dabei sicherlich Henrik Ibsens 1873 erschienenes Doppeldrama Kaiser und Galiläer. Ibsen lässt seinen Julian im ersten Teil mit dem Titel Cäsars Abfall in einer Vision von einer Weltherrschaft im Rahmen eines „Dritten Reiches“ träumen. In diesem würden alle Gegensätze, nicht zuletzt die zwischen Heiden und Christen, aufgehoben. Die „Notwendigkeit“ habe Julian für die Errichtung dieses „Dritten Reiches“ bestimmt, das als eine Vereinigung der beiden Vorgängerreiche, die auf dem „Baum der Erkenntnis“ bzw. auf dem „Baum des Kreuzes“ gegründet wären, eine Zukunft voller Hoffnung und Frieden bereite.⁴¹ Unter den Eindrücken der Ereignisse in Europa in den Jahren 1870/1 lässt Ibsen im zweiten Teil des Stücks (Kaiser Julian) die Hauptfigur ihre Zukunftsvision jedoch als idealistischen Traum verwerfen. Julian versucht mit
36 So am Ende des Treffens der germanischen Fürsten: „‚Nur weil wir müssen, weil wir keine Wahl haben, – nur deshalb folg ich [sc. der Franke Merowech] dir, Chnodomar, falls der Vater es verstattet und das Gauding zustimmt.‘ ‚Heilo, wackrer Junge‘, rief der riesige König. ‚Wenn du nur kömmst und dreinschlägst, – warum du’s thust, – das gilt mir gleich. Hier meine Hand und nieder mit den Römern! ‘“ Dahn 1912 [erstmals 1893], S. 162–163. 37 Dahn 1912 [erstmals 1893], S. 185. Vgl. Beßlich 2011, S. 165–168; Rosen 2006, S. 439; Souyris 1981. 38 Vgl. Beßlich 2011, S. 158–163; Philippon 1981. 39 Als weitere Beispiele wären zu nennen: Philippson, Ludwig 1866 : Sepphoris und Rom. Ein historischer Roman aus dem 4. Jahrhundert. Berlin; Tyrol, Marie 1889: Kaiser Julian der Abtrünnige. Historischer Roman. Leipzig; Ohl, Ludwig 1909: Vicisti! Historischer Roman. Paderborn. Vgl. Beßlich 2011, S. 157 Anm. 8. 40 Für die Jahre 1853–1904 aufgelistet von Rosen 2006, S. 438–439, zusammengestellt aus Souyris 1981, S. 337–339 und Foerster 1905, S. 56–120; für die Jahre vor 1853 siehe Foerster 1905, S. 43–56. Eine kleinere Auswahl liefert Beßlich 2011, S. 155 Anm. 2. 41 Vgl. Ibsen 1899: Cäsars Abfall, III, S. 72–78.
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aller Macht seine Vision durch eine Wiederbelebung der Vergangenheit in die Wirklichkeit umzusetzen. Von Hass, Aberglauben und Eitelkeit getrieben verfolgt er Christi Anhänger. Am Ende des Dramas wird klar, dass Julian letztlich nur das „Zweite Reich“ festigte und jener „Messias“, der das „Dritte Reich“ begründen werde, erst noch folgen würde.⁴² Jener selbsterklärte ‚Messias‘ und tatsächlicher Begründer eines, wenn auch anders gearteten und kurzlebigen ‚Dritten Reiches‘, Adolf Hitler (1889–1945), brachte große Sympathien für den Apostaten auf. Bereits zuvor bot Julians ‚Kampf‘ gegen die Kirche den Anknüpfungspunkt für die Rezeption durch faschistische Agitatoren. Schon vor seiner Wende hin zum Faschismus verherrlichte Benito Mussolini (1883–1945) als Redakteur der sozialistischen Zeitung La lotta di classe Julians Widerstand gegen die Kirche und instrumentalisierte ihn für sein Vorhaben eines laizistischen Bildungswesens sowie seinen Kampf gegen klerikale Ansprüche in Italien. Infolge der Lateranverträge 1929 nahm er seinen feindlichen Ton jedoch stark zurück.⁴³ Hitler hegte besondere Bewunderung für Julians Schrift Contra Galilaeos, wie er im Tischgespräch vom 21. Oktober 1941 verlauten ließ.⁴⁴ Laut Hitler, so merkte er beim Mittagessen vom 27. Januar 1942 im Beisein von Heinrich Himmler an, entspreche die christliche Polemik gegen Julian nichts anderem als der angeblichen jüdischen Agitation gegen den Nationalsozialis-
42 So bringt es Julians Vertrauter Maximus nach dem Tod des Kaisers zum Ausdruck: „Warst Du auch diesmal nicht der rechte, […] alle Zeichen betrogen mich, alle Wunderstimmen sprachen mit zwei Zungen, so daß ich glaubte, in Dir den Versöhner der beiden Reiche zu sehen. – Das dritte Reich wird kommen! Der Menschengeist wird sein Erbe wieder in Besitz nehmen, – und dann sollen Sühnopfer flammen für Dich und Deine zwei Genossen beim Symposion.“ Ibsen 1899: Kaiser Julian, V, S. 317. Vgl. Kittang 2011; Wærp 2011; Rosen 2006, S. 438; Richer 1981b; Foerster 1905, S. 71–80. Zu Ibsens Julian als antichristliche Integrationsfigur siehe Sommer 2011. 43 Laut Mussolini, liege Julians Entschluss, die Bevölkerung dem Heidentum zurückführen, in der Verkommenheit und in den Skandalen des Episkopats begründet. Diese hätten dafür gesorgt, dass das Christentum zum Katholizismus degeneriert sei, wobei er eine Parallele zur darwinistischen Evolutionstheorie zieht. So in einem Zeitungsbericht vom 14. Juli 1909 über eine wöchentlich stattfindende Versammlung der Lega per la Cultura Sociale, bei der Mussolini als Redner auftrat: „Si dilungò [sc. il Mussolini] a parlare e spiegare l’apostasia di Giuliano ‚l’apostata‘, che voleva condurre il popolo al paganesimo, spinto dagli esempi malvagi e scandalosi dei vescovi, che cominciavano a degenerare il cristianesimo in cattolicismo. Fece poi un’interessante digressione sulla lege di evoluzione umana, secondo la teoria di Darwin.“ Susmel/Susmel [Hg.] 1951–1963 II, S. 293. Vgl. Rosen 2006, S. 443–444. 44 „Ich habe gar nicht gewusst, wie klar ein Mann wie Julian die Christen und das Christentum beurteilte. Man muß das einmal lesen.“ Jochmann [Hg.] 1980, S. 96. Ähnlich im Gespräch während des Abendessens vom 25.11.1941 im Beisein Heinrich Himmlers: „Das Buch mit den Aussprüchen des Kaisers Julian [sc. Eggers 1941a] müßte man in Millionen verbreiten: Eine wunderbare Einsicht, antike Weisheit, ein Erkennen, es ist phantastisch!“ Jochmann [Hg.] 1980, S. 106.
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mus.⁴⁵ Vom Schriftsteller Kurt Eggers, der für die „Feiergestaltung“ innerhalb der SS zuständig war, wurde ‚der Führer‘ als Reinkarnation Julians gesehen, der als Retter „in höchster Not“ erscheint und den Kampf gegen die „fanatisierten christlichen Massen“ führt.⁴⁶ Von den nationalsozialistischen Ideologen wurde diese Parallelität jedoch nicht zu Ende gedacht bzw. Julians wohlbekanntes Ende bewusst ausgeklammert. Dieses wiederum bot manchen Widerstandskreisen einen Anknüpfungspunkt: Der 1942 inhaftierte Herausgeber der Deutschen Rundschau, Rudolf Pechel (1882–1961), bedient sich bei seiner Einschätzung Julians eines Zitats des Kaisers selbst. Laut ihm verkörpere Julian in seiner „Unfähigkeit zur Unterscheidung zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen […] die gefährlichste Form des Wahnsinns“.⁴⁷ Dieses Zitat ließ sich aber auch, worauf Klaus Rosen hingewiesen hat,⁴⁸ leicht auf den ‚Führer‘ beziehen. ‚Fünfter Akt‘: Julian in der modernen Forschung Kaum weniger umstritten und instrumentalisiert als die Jahrhunderte zuvor ist die Julian-Figur dann in der wissenschaftlichen Aufarbeitung seiner Herrschaft, die man als vorerst letzten, noch offenen fünften Akt des ‚Rezeptionsdramas‘ auffassen kann. Dieser überlagert zeitlich teilweise den vorhergehenden,⁴⁹ wodurch die hier angewandte Dramenmetapher zugegebenermaßen in eine leichte chronologische Schieflage gerät. Auch in der modernen Forschung wird Julian z.T. als diskursive Projektionsfläche für die großen Themen des jeweiligen Zeitgeists herangezogen und funktionalisiert. So zeichnete gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts der mit sechzehn Jahren zum katholischen und schon ein Jahr später erneut zum protestantischen Glauben konvertierte Edward Gibbon (1737–1794) in seiner Analyse des Untergangs des Römischen Reiches ein z.T. sehr widersprüchliches Bild von Julian.⁵⁰ Der Kaiser habe zwar aufgrund seiner herausragenden Fähigkeiten als Mensch, Soldat und Philosoph den Kaiserthron verdient innege-
45 „Man täte besser, von ‚Konstantin dem Verräter‘ und von ‚Julian dem Treuen‘ zu sprechen, statt den einen den Großen und den anderen den Abtrünnigen zu nennen. Was das Christentum gegen Julian geschrieben hat, ist dasselbe Wortgeblödel, welches das jüdische Schrifttum über uns ergossen hat, während die Schriften des Julian reine Weisheit sind.“ Jochmann [Hg.] 1980, S. 236. 46 Eggers 1941b, S. 10–17. Vgl. Rosen 2006, S. 448–452. 47 Pechel 1948, S. 205 = Iul. frg. 165: τὸ μὴ προϊδέσθαι τό τε δυνατὸν καὶ τὸ ἀδύνατον ἐν πράγμασι τῆς ἐσχάτης ἀπονοίας ἐστὶ σημεῖον. 48 Rosen 2006, S. 451. 49 Siehe dazu Rosen 2006, S. 456–462. 50 Gibbon 1906/7 [erstmals 1776–1788] III, c. 19 sowie IV, c. 22 und ganz besonders c. 23 und 24. Vgl. Rosen 2006, S. 427–428; Larthomas 1981; Bowersock 1977.
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habt, sei aber an seinem Fanatismus und Übereifer gescheitert. Julian regierte, so die Meinung Gibbons, der Zeit seines Lebens Sympathie für seinen „Freund Julian“ hegte,⁵¹ zur falschen Zeit: Das Römische Reich der Spätantike, das sich innerlich aufgelöst habe und gleichzeitig von außen immer neuen Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei, sei auf einen außergewöhnlichen Menschen getroffen, der seine Tugenden und Ideen zu dessen Rettung einsetzen wollte, letztlich aber daran scheitern musste. Theodor Mommsen (1817–1903) stellt in seinen Vorlesungen zur römischen Kaisergeschichte Julians Humanität, Tapferkeit und Bildung seinen Mängeln an Takt, Festigkeit und im äußeren Erscheinungsbild entgegen, entlarvt seine Toleranz als unecht und tadelt sein militärisches Vorgehen beim Perserfeldzug.⁵² Zu einem positiveren Urteil gelangt Leopold von Ranke (1795–1886), der in Julians Handeln ein durchdachtes System erkennt und die zu erwartende Wirkung seines militärischen Unterfangens gegen das Perserreich, wäre es gelungen, über die Taten Alexanders des Großen stellt.⁵³ Von Ranke bringt große Begeisterung für Julians Staatsführung, seinen Perserfeldzug und die damit verbundene Alexanderimitatio auf. Nicht der Feldherr Julian sei für das Scheitern verantwortlich gewesen, sondern sein Heer.⁵⁴ Gestützt auf seine Edition von Julians Werken veröffentlichte Joseph Bidez (1867–1945) im Jahre 1930 eine Biographie über den Kaiser. Darin unterstellt er ihm den Willen, nach christlichem Vorbild eine Theokratie zugunsten des Heidentums zu errichten. Letztlich sieht er bei der Julian-Figur mehr Licht als Schatten.⁵⁵ Das aus den Erfahrungen mit den Diktatoren der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entwachsene generelle Misstrauen gegenüber großen Einzelpersönlichkeiten in der Geschichte löste in Bezug auf Julian zwar u.a. die religiösen
51 So in einem Brief vom 24.2.1781 an Dorothea Gibbon: „And I believe that I sincerely agree with my friend Julian in esteeming the praise of those only, who will freely censure my defects.“ Norton [Hg.] 1965, S. 260, Nr. 496. Vgl. Larthomas 1981, S. 77–78. 52 Demandt/Demandt [Hg.] 1992, S. 528, 538–540, 546–547 und 552. Vgl. Rosen 2006, S. 437. 53 „Man sieht, es war System in den Ideen Julians. Wollte man die Erfolge, die er sich versprach, durchdenken, so würde jene hellenistische Hierarchie, mit der er umging, nach dem Orient ausgebreitet und dadurch zugleich im Westen befestigt worden sein; der Sieg im Osten hätte zur Grundlage einer unbedingt hierarchisch-weltlichen Macht gedient; das Perserreich würde gestürzt, Rom mit Indien und den Gangesländern in Verbindung getreten sein. Gigantische Vorstellungen, die noch mehr in sich schlossen, als eine Herstellung des Reiches Alexanders des Großen, da das römische Reich den Occident beherrschte, dessen Kräfte nunmehr von Julian gegen den Orient in das Feld geführt wurden.“ Ranke 1881–1888 IV,1, S. 114. 54 Von Ranke 1881–1888 IV,1, S. 112–127. Vgl. Rosen 2006, S. 437–438. 55 Bidez 1930; zitiert wird hier und im Folgenden nach der deutschsprachigen Ausgabe: Bidez 1940, v.a. S. 368–371. Vgl. Rosen 2006, S. 446–448; Bouffartigue 1981, S. 104–105.
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Vorbehalte gegen ihn ab, führte jedoch nicht zu einer paradigmatischen Neuorientierung in seiner Bewertung. Julian wurde dementsprechend von Glen Bowersock (*1936) in eine Reihe von „isolierten und selbstverleugnenden Aktivisten wie Lenin und Mao Tse-tung“ gestellt.⁵⁶ Dem widersprach Robert Browning (1914–1997), der Julian als Mensch seiner Zeit begriff, hochgebildet, militärisch begabt, große Hoffnung weckend, der aktuellen Problemen mit einem Rückgriff auf die überlieferte Tradition begegnen wollte, letztlich aber, und darin folgt er der Ansicht von Bidez, zwar verständliche, aber zu viele entscheidende Fehler beging.⁵⁷ Während Gerhard Wirth (*1926) in Julian einen egozentrischen Kaiser sieht, der in Innen- wie Außenpolitik planlos und hektisch verfährt, dem die Zügel entgleiten und der in Halbwahrheiten verfangen, verbittert und resigniert letztlich Selbstmord begeht,⁵⁸ erfährt der Apostat von Alexander Demandt (*1937) Lob für seinen Versuch der Erneuerung der kulturellen Grundlagen des Reiches.⁵⁹ Pierre Renucci (*1956) rühmt ihn seiner freiheitsliebenden, rechtschaffenen und tugendhaften Herrschaft, die ihn zum letzten „wahren Kaiser“ Roms mache.⁶⁰ Marion Giebel (*1939) zeichnet ebenfalls ein positives Bild des Kaisers.⁶¹ Klaus Bringmann (*1936) dagegen bescheinigt Julian ein Scheitern auf ganzer Linie, indem er seinen kaiserlichen Spielraum auf dem Gebiet der Religion überschätzte, seine Mitmenschen in seinen Vorhaben überforderte und einen politisch sinnlosen sowie militärisch unnötigen Perserfeldzug führte.⁶² Die momentan jüngste Gesamtbiographie zu Julian aus dem Jahr 2006, die aus der Feder Klaus Rosens (*1937) stammt, versucht Julian als Mensch innerhalb seiner psychologischen Disposition zu verstehen und daraus seine jeweilige Handlungsmotivation zu rekonstruieren. Auch wenn dieses Vorgehen zu vielen Spekulationen und Schwierigkeiten führt, liefert Rosen ein beeindruckend vollständiges Bild Julians, das versucht, die Widersprüchlichkeiten seines Charakters zu erklären. Trotz seiner anziehenden Persönlichkeit, seiner großen Intelligenz und Hellsichtigkeit im Handeln habe es Julian bei manchen Entscheidungen den-
56 „He can easily take his place in the class of ascetic revolutionaries, which included in later times such other isolated and self-denying activists as Lenin and Mao Tse-tung.“ Bowersock 1978, S. 20; vgl. auch S. 74 und 118–119. 57 Browning 1976; hier und im Folgenden zitiert nach der deutschen Ausgabe: Browning 1977, S. 7–8 und 343–344. 58 Wirth 1978. 59 Demandt ²2007, S. 134. 60 Renucci 2000, S. 518. 61 Giebel 2002, bes. S. 88–92 und 198–201. 62 Bringmann 2004, bes. S. 187–191.
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noch an Klarsicht und Klugheit gefehlt, sodass Rosens Julian-Bild letztlich eher ins Negative tendiert.⁶³ Drexels Iulianus in der Forschung Innerhalb dieses letzten Aktes des ‚Rezeptionsdramas‘, der die wissenschaftliche Aufarbeitung seiner Herrschaft und damit verbunden auch, gewissermaßen selbstreflektierend, die Rezeptionsgeschichte selbst behandelt, taucht Drexels Iulianus bisher nur sehr sporadisch auf. Soweit bisher bekannt beschäftigte sich mit ihm erstmals Richard Foerster. Er kam 1905 zu dem Ergebnis, dass der Iulianus „nur [eine] Erzählung in dramatischer Form mit ganz losem Gefüge und sehr vielen Einlagen episodischen Charakters“⁶⁴ sei. Er betont dabei zwar, dass er sich direkt auf das in München befindliche Manuskript stütze, begnügt sich dann aber damit, den erhaltenen Periochentext in gekürzter Fassung abzudrucken. Auf das Manuskript griff nachweislich Bernhard Duhr SJ in seiner mehrbändigen Geschichte der Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge zurück. Duhr sah im Hinblick auf Bühnenstücke mit historischen Stoffen einen besonderen didaktischen Nutzen darin, dass in ihnen die geschichtlichen Kenntnisse gewissermaßen spielerisch vermittelt werden. In einer erläuternden Anmerkung zu Drexels Iulianus zitiert er die erste und fünfte Strophe des Chorlieds der Schlussszene sowie die abschließenden Worte des Chorführers.⁶⁵ Karl Pörnbacher, der sich in mehreren Publikationen eingehend mit Drexels Biographie und Werk beschäftigt hat,⁶⁶ gibt in seiner 1965 erschienenen Monographie über Drexel eine kurze Inhaltsangabe einer jeden Szene, wobei auch er sich, teilweise sogar wörtlich, der gedruckten Perioche bedient.⁶⁷ Seine eher knappe, im Rahmen seiner Gesamtzusammenstellung der Werke Drexels jedoch weitgehend ausreichende Kurzcharakterisierung des Iulianus beweist aber, dass er sich auch mit dem Dramentext auseinandergesetzt hat. Er konstatiert ganz allgemein sowohl die Durchmischung von Komik und Ernst als auch den Einfluss von dramatischen Werken seiner Mitbrüder auf Drexels Drama, insbesondere denen Jakob Bidermanns, ohne dies jedoch näher zu beleuchten.⁶⁸ Es geht ihm v.a. darum aufzuzeigen, dass Drexels Iulianus ein typischer Repräsentant des Dramas seiner 63 Vgl. Bouffartigue 2009, S. 240. 64 Foerster 1905, S. 25. 65 Drex. Iul. 2714–2717, 2736–2739 bzw. 2751–2757; vgl. Duhr 1913 I, S. 678 mit Anm. 1. 66 Vgl. Pörnbacher 2009; Pörnbacher 1981; Pörnbacher 1965a; Pörnbacher 1965b; Pörnbacher 1961. 67 Pörnbacher 1965a, S. 123–125. 68 Vgl. Pörnbacher 1965a, S. 125–126. Eine ganz ähnliche inhaltliche Zusammenfassung und Kurzcharakterisierung des Iulianus liefert Pörnbacher 2009 (S. 61–66).
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Zeit ist, das maßgeblich vom auf der Bühne inszenierten Kampf zwischen Gott und dem Teufel um die menschliche Seele geprägt sei. Dasselbe Anliegen verfolgt Frédéric Hartweg, dessen Beitrag von 1978 die bisher letzte ausführlichere Beschäftigung mit dem Iulianus markiert. Über Pörnbacher hinausgehend weist er darauf hin, dass Drexel das Dramengeschehen weitgehend als eine Verkettung von psychologischen Motivationen abfolgen lasse und nicht denselben Fehler begehe wie seine Vorlagen, die zugunsten einer möglichst reichen Aneinanderreihung von Quellen nur allzu oft bis zur Absurdität reichende Widersprüche in Kauf nähmen.⁶⁹ Insgesamt – und an diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an – konnte der Iulianus jedoch, obwohl mit ihm das wichtigste Dokument im Hinblick auf die Julian-Rezeption auf der Bühne der Jesuiten überhaupt vorliegt, noch nicht von der Hochschätzung profitieren, die dem Jesuitentheater ausgehend von den zahlreichen Arbeiten von Fidel Rädle und Jean-Marie Valentin seit den späten 70er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in den Kulturwissenschaften entgegengebracht wird.⁷⁰ Dieser Befund ist umso bedauerlicher, als der Iulianus nicht nur die Rezeptionsgeschichte der Julian-Figur noch weiter bereichern, sondern auch eine Vielzahl von wichtigen Aspekten im Hinblick auf seinen Autor sowie das geistesgeschichtliche Umfeld der Entstehung seiner frühen literarischen Werke näher beleuchten kann. Das bisher fast vollkommen vernachlässigte dramatische Frühwerk des bedeutendsten aszetischen Schriftstellers des siebzehnten Jahrhunderts, als der Drexel in der Forschung schon seit längerer Zeit gilt,⁷¹ eröffnet einen Weg, sich neben dem weitgehend bekannten Theologen und Erbauungsschriftsteller
69 Hartweg 1978c, bes. S. 357–358. 70 Allein schon die in den letzten Jahren erschienene Vielzahl an Editionen von bislang z.T. lediglich handschriftlich verfügbaren Dramentexten belegt, dass das Jesuitentheater mittlerweile eine zentrale Rolle in den Kulturwissenschaften einnimmt. Vgl. z.B. Paul 2015 (Ignaz Weitenauer: Annibal Moriens); Stork 2013 (Jacobus Riswich: Petrus Telonarius; Anonymus: Coena Magna); Saulini 2011 (Stephano Tucci: Christus Nascens – Christus patiens – Christus Iudex); Tilg 2005 (Johannes Holonius: Tragoedia de fortissimo S. Catharinae certamine; Johannes Sonhovius: Catharinias; Anonymus: Catharina Tragoedia); Bauer/Leonhardt 2000 (Triumphus Divi Michaelis); Weber 2000 (Jakob Gretser: Augustinus Conversus). Als Beispiele für bereits zeitgenössisch im Druck erschienene und jüngst neu edierte Dramen siehe z.B.: Wirthensohn 2015 (Anton Claus: Publius Scipio sui victor); Paul 2013 (Petrus Mussonius: Pompeius Magnus); Torino 2007/8 (Bernardino Stefonio: Crispus); Mundt/Seelbach 2002 (Nicolaus Avancini: Pietas victrix). 71 Vgl. Breuer 1979, S. 122; Kratz 1959. Einen ersten bibliographischen Überblick über die Forschungsliteratur zu Drexel bieten Battafarano 1984b und Valentin 1983/4 II, S. 1197. Siehe ferner die jüngeren Arbeiten von Crowe 2013; Battafarano 1984a. Zur Biographie Drexels siehe die bibliographische Zusammenstellung auf S. 25 Anm. 10.
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auch dem Pädagogen, Philologen und nicht zuletzt dem dramatischen Dichter Drexel zu nähern. Des Weiteren gehört der Iulianus jenem oben beschriebenen ‚dritten Akt‘ der Julian-Rezeption und damit jener Wendeepoche an, die sich hinsichtlich der Rezeptionsgeschichte durch ein ebenso (für die christliche Sicht) neuartiges wie ambivalentes und dadurch hochinteressantes und spannendes Julian-Bild auszeichnet. Wie in der unmittelbar auf den Tod des Kaisers folgenden Zeit entfachte sich (nach der einseitig negativen Beurteilung im Mittelalter) im Zuge des Renaissance-Humanismus, wie gezeigt, ein Kampf um die Deutungshoheit über Julians Leben und Wirken, in den auch Drexel, gewissermaßen ‚bewaffnet‘ mit seinem Drama, zog. Dabei drängt sich nicht nur die Frage nach Kontinuität und Wandel des traditionellen Julian-Bildes bei Drexel auf, sondern gleichzeitig auch die nach dem Einfluss, den sein direktes schriftstellerisches Umfeld auf das Bühnenstück möglicherweise ausübte. Dieser Aspekt ist insofern von hoher Relevanz, als zu Drexels unmittelbarer Umgebung mit Jakob Pontanus, Matthäus Rader und Jakob Bidermann die bedeutendsten Intellektuellen der oberdeutschen Ordensprovinz der zweiten Hälfte des sechzehnten und ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts überhaupt gehörten. Über seinen Lehrer Rader stand Drexel sogar mit einem der größten Gelehrten seiner Zeit, dem Niederländer Justus Lipsius, und dessen neustoizistischem Konzept indirekt in Verbindung. In diesem Kontext muss auch beachtet werden, dass, wie noch detailliert zu sehen sein wird, Drexels Iulianus im Gegensatz zu vielen zeitgenössischen Jesuitendramen keine plumpe Schwarz-Weiß-Malerei aufweist, die sich aus stereotyp gezeichneten und facettenlosen Antagonisten speist und dabei oftmals in einfachster Weise einen scharfen Trennstrich zwischen Gut und Böse, Erlösung und Verdammung bzw. moralisch vorbildlichem und verwerflichem Handeln zieht. Vielmehr zeichnet sich seine prominente Hauptfigur durch einen hohen Grad an psychologischer Tiefe und Komplexität aus, die die dramatische Verwicklung maßgeblich gestaltet. Angesichts der aufgezählten Aspekte bietet der Iulianus somit die Möglichkeit, zu einem breiteren und differenzierteren Verständnis sowohl des frühneuzeitlichen Dramenwesens insgesamt als auch besonders der frühneuzeitlichen Philosophie- und Bildungsgeschichte sowie der Julian-Rezeption und deren mentalitätsgeschichtlichen Kontext zu gelangen. Die weitgehende Vernachlässigung des Iulianus in der modernen Forschung lag zu einem guten Teil sicherlich darin begründet, dass der Dramentext, soweit bisher bekannt, lediglich im Autograph seines Autors vorliegt und bisher nicht in gedruckter Form zugänglich war. Die vorliegende Edition möge, insbesondere durch die mitgelieferte Übersetzung und den angeschlossenen Kommentar, Drexels Iulianus, um sich ein letztes Mal auf Gregors Metapher zu beziehen, weiter ins
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Scheinwerferlicht der Bühne der „Tragödie bzw. Komödie“ um die Beurteilung der Julian-Figur rücken und dessen fünften Akt um eine weitere wichtige Szene ergänzen.
2 Der Iulianus und sein Autor Jeremias Drexel SJ 2.1 Das Manuskript des Iulianus (clm 2125) Die nachfolgende detaillierte Handschriftenbeschreibung des Iulianus folgt den Richtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).¹ Clm 2125 Jeremias Drexel: Iulianus Apostata Tragoedia Papier · I + 71 Bl. · 20,4 x 16,7 · Dillingen an der Donau und Ingolstadt · 1606–1608 3 Wz: Wappen, identisch mit Piccard-Online Nr. 26315 (nachgewiesen Dillingen a.d. Donau 1607); Heraldischer Adler, einmal mit Kreuz im Herzschild, ähnlich zu Piccard-Online Nr. 152786 · neuzeitliche Foliierung 1–79; Lagen: IV⁴ (erstes Bl. als Vorderspiegel verklebt; Vorsatzbl.; zwei leere ungezählte Bll. zwischen Bl. 1/2 jetzt 1a–b) + 7 IV⁶⁰ + II⁶⁴ + IV⁷¹ (letztes Bl. als Hinterspiegel verklebt); Reklamant lediglich auf 20v ; 63v –71v nicht beschrieben · zwei Hände (vgl. Abschnitt 2.3), Haupthand = Jeremias Drexel, zwei zeitlich auseinanderliegende Arbeitsphasen: Handschrift der ersten Arbeitsphase sehr sauber und gleichmäßig, der zweiten schlampiger und unregelmäßiger, Abweichungen insbesondere in der Schreibung der Großbuchstaben ‚A‘, ‚E‘, ‚M‘ und ‚N‘ (vgl. Abb. 2.1, S. 23); weitere Hand nimmt ab Bl. 36 Randmarkierungen sowie vereinzelte Verbesserungen (in roter Farbe: 49v , 50r , 57r , 61r ) und Anmerkungen (36v , 43v ) vor · heller Ledereinband der Zeit mit Streicheisenlinien und Blindstempel; 4 von ehemals 5 metallenen Blattweisern, die den Beginn eines jeden Aktes markieren, noch vorhanden; 2 Bänder an der Innenseite von VD und RD, jetzt ausgerissen. Autograph (vgl. Vermerk auf Titelseite, 1r : Scripsit R.P. Hieremias Drexel S.J. p.m.; vgl. Abb. 2, S. 189); verfasst zwischen 1606 und 1608 (vgl. Abschnitt 2.3). Clm 2125 befand sich spätestens seit 1662 im Münchener Jesuitenkollegium (vgl. Besitzervermerk auf dem Titelblatt: Collegij S.J. Monachij 1662), verblieb dann bei der Auflösung der Societas Iesu 1773 ebendort, ging formal aber in den Besitz der bayerischen Hofbibliothek in München über (vgl. Kaltwasser 1999, S. 85; Müller 1985, S. 333); alte Signatur der Hofbibliothek: Cod. Bavar. 1125.
1 Richtlinien Handschriftenkatalogisierung. Hg. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Unterausschuß für Handschriftenkatalogisierung. 5. erweiterte Aufl. Bonn 1992. https://doi.org/10.1515/9783110593730-002
2.1 Das Manuskript des Iulianus (clm 2125)
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1r –63r Jeremias Drexel: Iulianus Apostata Tragoedia. (1r ) Titelblatt. (2r ) Personae. (2v ) Argumenta. (3r –4v ) Agnostoprologi. (5r –15v ) Actus primus. (16r –25r ) Actus secundus. (25r –34v ) Actus tertius. (35r –46v ) Actus quartus. (47r –63r ) Actus quintus. 63v –71v leer.
Abb. 2.1: Dieser Auszug aus dem dritten Akt zeigt die handschriftlichen Unterschiede zwischen der ersten (D¹) und zweiten Arbeitungsphase (D²) durch Drexel. D¹ verläuft zum überwiegenden Teil sehr sauber und gleichmäßig und weist den Charakter einer Reinschrift auf. Die Randbemerkungen oben rechts und unten links (nach Verlust bei der Bindung), sowie der zweite Vers von Szene III,7 wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt. Gleiches gilt für die Verbesserung des ersten Wortes des sechsten Verses. Bayerische Staatsbibliothek München, Clm 2125.
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2.2 Drexels frühe Vita Die Vita Drexelii Da der biographische Kontext für die Entstehungsgeschichte des Dramentextes, die im folgenden Kapitel untersucht wird, eine hohe Relevanz aufweist, muss an dieser Stelle zunächst ein Blick auf Drexels Leben, insbesondere auf die Jahre seiner Ausbildung und ersten Lehrtätigkeiten geworfen werden. Ein zentrales, von der Forschung bislang jedoch größtenteils unberücksichtigtes Dokument ist in diesem Zusammenhang eine handschriftlich verfasste Biographie Drexels mit dem Titel Vita P. Hieremiae Drexelii (Vit. Drex.).² Dieses Manuskript befindet sich heute im Hauptstaatsarchiv München (Sign.: Jesuitica 515). Beim Verfasser handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Laurenz Forer SJ (1580–1659).³ An Forer, von 1619 bis 1646 Beichtvater des Bischofs von Augsburg, ist das zusammen mit der Vita Drexelii überlieferte Begleitschreiben des Abts von Pfäfers (Kanton St. Gallen), Jodok Höslins (ca. 1592–1637),⁴ adressiert. Außerdem schildert der Autor der Vita Drexelii, dass er selbst in Augsburg Zeuge von Drexels hoher Beredsamkeit geworden sei und dass ihm während seiner Zeit als Lehrer ebendort Drexel als eine Art Mentor auf dem Gebiet der litterae politiores zur Seite gestellt worden sei.⁵ Drexels Biographie überschneidet sich mit der Forers insbesondere in den Jahren 1603, in dem beide am Augsburger Jesuitenkolleg lehrten,⁶ und 1607, in dem sie zusammen am Ingolstädter Kolleg das Studium der Theologie
2 Lediglich Jean-Marie Valentin (1983/4 II, S. 1043–1044) zieht sie in seinem knappen biographischen Abriss zu Drexel als Quelle heran. Selbst Karl Pörnbacher, obwohl ein „Drexel-Spezialist“ (vgl. Valentin 1983/4 II, S. 1043), ließ sie in seinen zahlreichen Abhandlungen außen vor. Aufgrund der Tatsache, dass die Vita Drexelii bisher noch unediert geblieben ist, wird im Folgenden ausführlicher aus ihr zitiert. 3 Zu Forer siehe: Koch 1962 I, Sp. 565–566; Duhr 1913 II, S. 73–75 und 411–412; Buddecke 1878; Backer/Sommervogel 1869–1878 I, Sp. 1908–1917. 4 Zu Jodok Höslin siehe: Vogler 2007. 5 Eminuit in P. Hieremia iam studiorum tempore eruditio, eloquentiaque non vulgaris, et talentum ad habendas conciones; sive enim praecipuis Societatis nostrae Festis domi ad nostros in triclinio latinam, aut vernacula oratione diceret, sive foris in templo Beatissimae Virginis [sc. Augustanae] ad academicos peroraret […]. unde etiam a superioribus, iunioribus nostris, qui Philosophicam absolverunt, in politioribus litteris instructor datus. Vit. Drex. fol. 2r –2v . [Schon zu seinen Studienzeiten ragte Pater Jeremias durch seine Gelehrsamkeit, seine nicht alltägliche Beredsamkeit und seine Predigtbegabung heraus, sei es, dass er bei besonderen Anlässen unserer Societas im Kolleg zu uns beim Abendessen in Latein oder Deutsch sprach, sei es, dass er außerhalb des Kollegs in der Kirche der allerseligsten Jungfrau zu den Akademikern predigte […]. Deshalb wurde er von den Vorgesetzten uns jüngeren Lehrern, die wir die Philosophieklasse absolviert hatten, als Mentor für den Unterricht in den litterae politiores zur Seite gestellt.] 6 Siehe v.a. Hist. Coll. Aug. S. 404.
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aufnahmen.⁷ Aufgrund konkreter Jahresangaben innerhalb der Vita einerseits und den Lebensdaten ihres Verfassers andererseits muss ihre Abfassung in die Jahre zwischen 1657 und 1659 datiert werden. Neben dieser Quelle wird für den folgenden biographischen Abriss auch die Historia Provinciae Societatis Germaniae Superioris herangezogen. Diese Geschichte der Jesuiten der oberdeutschen Ordensprovinz wurde von Ignatius Agricola SJ (1661–1729)⁸ begründet und von Adam Flott SJ (1679–1744) und Franz Xaver Kropf SJ (1691–1746) fortgesetzt.⁹ Die entsprechenden Abschnitte zu Drexel weisen große Parallelen zur Vita Drexelii auf und blieben in biographischen Abhandlungen zu Drexel bisher ebenfalls weitgehend unberücksichtigt.¹⁰ Drexels Studien- und Lehrjahre Jeremias Drexel¹¹ wurde am 15. August 1581 in Augsburg geboren. Wie die Mehrheit der Augsburger Stadtbevölkerung zu dieser Zeit gehörte auch die Familie Drexel dem lutherischen Bekenntnis an. Nachdem der Vater Anfang des Jahres 1584 überraschend verstorben war, vertraute die Mutter vermutlich aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten¹² die Erziehung ihres Sohnes den Jesuiten an, die sich unter der Führung von Petrus Canisius bereits im Jahr 1559 in der Stadt niedergelassen und 1582 das dortige Jesuitengymnasium St. Salvator eröffnet
7 Vgl. Wilczek 1981, S. 18. 8 Vgl. Ruland 1875; Backer/Sommervogel 1869–1878 I, Sp. 31. 9 Agricola: Band 1–2 (Augsburg 1727/9); Flott: Band 3 (Augsburg 1734); Kropf: Band 4–5 (Augsburg 1746/1754). 10 Kurze biographische Abrisse zu Drexel liefern ferner: Pörnbacher 2009, S. 58–61; Körner 2005 I, S. 393–394; Dünnhaupt ²1990–1993 I, S. 1368; Bautz 1990; Koch 1962 I, Sp. 455–456; Kratz 1959; Duhr 1913 II, S. 444; Buddecke 1877; Backer/Sommervogel 1869–1878 I, Sp. 1646–1655. Als Grundlage der Darstellung dienen neben der erwähnten Vita Drexelii v.a. die neueste Abhandlung durch Barbara Mahlmann-Bauer (²2008) sowie Jean-Marie Valentin (1983/4 II, S. 1043–1044) und Karl Pörnbacher (1965a, S. 14–32), wobei Letztgenannter einige falsche Angaben und Unstimmigkeiten aufweist. 11 Abweichende Schreibarten wie Drexl, Dräxl, Träxl oder Drechsel sind ebenfalls überliefert. 12 Tenuis fortunae, Vit. Drex. fol. 1r . Pauperitatem, ut Matrem, tenerrime dilexit, Vit. Drex. fol. 11v . Vgl. Agricola/Flott/Kropf 1754, S. 410; Pörnbacher 1965a, S. 14; Duhr 1913 II, S. 444. – Der Rat der Stadt Augsburg hatte bei der Zulassung der Gründung des Jesuitengymnasiums St. Salvator bestimmt, dass das Kolleg und die dazugehörige Schule allen Augsburger Einwohnern unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten und ihrer Konfession (sc. nur die vom Augsburger Religionsfrieden zugelassenen) offen stehen müssen. Somit schickten viele Augsburger Protestanten ihre Kinder auf das St. Salvator Kolleg, das im Gegensatz zum protestantischen Gymnasium St. Anna kein Schulgeld erhob und das protestantische Schüler seit 1582 vom Besuch der katholischen Messe und vom Lernen des Katechismus (nicht jedoch vom Religionsunterricht) freistellte. Vgl. O’Malley 1995, S. 240–241; Oblinger 1991, S. 473–474; Rupp 1982, S. 32; Duhr 1907, S. 204.
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hatten.¹³ Zu Drexels Lehrern gehörten u.a. die berühmten Jesuitenpatres Matthäus Rader (1561–1634) und Jakob Pontanus (1542–1626).¹⁴ Der aus Innichen in Südtirol stammende Rader wirkte fast 22 Jahre als Lehrer an verschiedenen Kollegien der oberdeutschen Ordensprovinz. Zu seinen Schülern zählten neben Drexel u.a. auch die Jesuitenpatres Jakob Bidermann (1578–1639) und Georg Stengel (1584–1651).¹⁵ Ferner machte sich Rader einen Namen als Herausgeber bzw. Kommentator von antiken Texten (Martial 1599 bzw. 1602;¹⁶ Curtius Rufus 1615; Senecas Medea 1631), Verfasser von hagiographischen Werken (Viridarium Sanctorum 1604–1614; Bavaria Sancta 1615–1627) und Autor von Bühnenstücken (u.a. Drama de Divo Cassiano 1594). Schon Zeitgenossen wie Justus Lipsius, Julius Caesar Scaliger und Marcus Welser schätzten den Philologen Rader besonders hoch. Eine Generation älter ist der aus Brüx in Böhmen stammende Jakob Pontanus, zu dessen Schülern Rader zählte. Er war fast drei Jahrzehnte am Augsburger Jesuitenkolleg aktiv. Pontanus war maßgeblich an der Abfassung der Ratio studiorum
13 Vgl. Mahlmann-Bauer ²2008, S. 104; Pörnbacher 1965a, S. 14–15. Jean-Marie Valentin (1983/4 II, S. 1043) schlägt als Einschulungstermin Drexels den Beginn des Schuljahres 1589/90 vor. Dies würde voraussetzen, dass das Jesuitengymnasium in Augsburg auch die elementare Ausbildung der Schüler übernahm, worauf in den vorhandenen Quellen jedoch nichts hindeutet. In der Regel wurden nur Schüler in ein Jesuitengymnasium aufgenommen, die dafür bereits befähigt waren, d.h. bereits zumindest Lesen und Schreiben beherrschten und über Grundkenntnisse im Lateinischen verfügten (vgl. Baer 1982, S. 29). Mussten diese Voraussetzungen erst noch geschaffen werden, was beim überwiegenden Teil der Kinder der Fall war, lag das Eintrittsalter meist bei zehn bis vierzehn Jahren. Für Drexel sollte daher aufgrund der bekannten Jahresangaben für die späteren schulischen Stationen und des regulären Klassenstufenplans die Aufnahme ins Augsburger Jesuitengymnasium für das Schuljahr 1591/2 oder 1592/3 angenommen werden. Dem ging ein wohl zweijähriger Besuch einer örtlichen Elementarschule voraus. 14 Zu Rader siehe: Sieveke ²2010a; Schmid 2006, S. 261–263; Körner 2005 III, S. 1552–1553; Schmid 2003; Haub 1996; Winhard 1994; Valentin 1983/4 II, S. 1099; Koch 1962 II, Sp. 1490–1491; Duhr 1913 II, S. 417–423. – Zu Pontanus (eigentl. Spanmüller) siehe: Sieveke ²2010b; Körner 2005 III, S. 1517; Bauer 2001; Bauer 1986, S. 241–318; Bauer 1984; Valentin 1983/4 II, S. 1097–1098; Koch 1962 II, Sp. 1453–1454; Duhr 1913 II, S. 369–370 und 440. 15 In einem angeblich von Rader selbst verfassten Epigramm sind diese drei als die berühmtesten seiner Schüler genannt (aus: Agricola/Flott/Kropf 1729, S. 85): Tres ego discipulos habui de mille trecentis Stengelium salsum, Drexeliumque pium, Atque Bidermannum, qui nunc est alter Aquinas, Atque Stagyrites, Tullius, atque Maro. [Unter den tausenden meiner Schüler hatte ich drei ganz herausragende, nämlich den witzigen Stengel, den frommen Drexel und Bidermann, der nun ein zweiter Thomas von Aquin, ein zweiter Aristoteles, ein zweiter Cicero und ein zweiter Vergil ist.] Zur Identifikation des alter Aquinas mit Thomas von Aquin (anstatt des römischen Satirikers Juvenal) siehe Stroh 2005, S. 191 Anm. 2. 16 Zu Raders Martialausgabe und -kommentar siehe Römmelt 2010.
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von 1599, der endgültigen Fassung der zentralen Studienordnung der Societas Iesu, beteiligt. Zu seinen wichtigsten Werken zählen die Progymnasmata latinitatis (1588–1594), ein vierbändiges Lehrbuch der lateinischen Sprache und Grammatik. Sein Poetiklehrbuch (Poeticarum Instiutionum libri tres, Ingolstadt 1594) war innerhalb des Jesuitenordens bis in die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts das einflussreichste Werk seiner Art. Seine in den Progymnasmata enthaltenen Bühnenstücke (Eleazarus Machabaeus 1587; Stratocles sive Bellum 1590; Immolatio Isaac 1590) sind die einzigen Jesuitendramen aus dem Reich, die im sechzehnten Jahrhundert im Druck erschienen sind.¹⁷ An späterer Stelle wird sich noch zeigen, dass Drexels Iulianus einen gewissen Einfluss insbesondere des Theophilus, der immer wieder Rader zugeschrieben wird, sowie des Stratocles von Pontanus nicht leugnen kann.¹⁸ Es war wohl maßgeblich Raders Einfluss sowie angeblich dem des Dompredigers Gregor Roseffius (1538–1623) zuzuschreiben, dass Drexel noch während seiner Schulzeit, vermutlich zwischen 1594 und 1595, also nach Abschluss der Grammatikklasse am Jesuitenkolleg, zum Katholizismus konvertierte.¹⁹ Während seiner Zeit am Augsburger Jesuitengymnasium entwickelte Drexel eine besondere Bindung zur Marianischen Kongregation, die ihn sein Leben lang begleiten sollte und von der er noch in seinen Spätwerken behauptete, dass er ihr alles in seinem Leben zu verdanken habe.²⁰ Im Anschluss an die Absolvierung des Gymna-
17 Vgl. Abele 2015, S. 74–75 mit Anm. 34. 18 Zur Beziehung zwischen dem Iulianus und Theophilus siehe S. 120. Zur Reminiszenz des Stratocles in Drexels Agnostoprologi siehe Einleitung zu den Agnostoprologi. 19 Patre, qui a fide catholica non admodum alienus erat, mature rebus humanis per mortem subducto, Hieremias occasionem nactus est, Heterodoxae fidei valedicendi, et ad partes orthodoxas, societatisque scholas transeundi, quod utrumque Augustae fecit. […] cuius vero opera primo ad veram fidem, tum etiam ad societatis religionem permotus [sc. Drexelius], atque adductus fuerit, non scitur, anne forsan P. Gregorii Roseffii, qui illa tempestate ultra 45 annos in cathedrali ecclesia augustana tanto fructu dixit, ut communi fama urbis illius in fide constantia Patri Gregorio adscripta fuerit; an vero P. Mathaei Raderi ductu, quem professorem in humanioribus litteris habuit. Vit. Drex. fol. 1r –1v . [Nach dem frühen Tod seines Vaters, der gegenüber dem katholischen Glauben nicht vollkommen fremd geworden war, ergab sich für Jeremias die Gelegenheit, dem häretischen Glauben abzuschwören und zur Orthodoxie und Schulbildung der Societas überzugehen, was er beides in Augsburg tat. […] Wer letztlich dafür verantwortlich war, dass er zunächst zum wahren Glauben und dann sogar zur jesuitischen Frömmigkeit fand, darüber weiß man nichts, ob es vielleicht der des Pater Gregorius Roseffius war, der zu jener Zeit über 45 Jahre lang im Augsburger Dom mit solchem Erfolg predigte, dass der Augsburger Volksmund die Ursache für Drexels Standhaftigkeit im Glauben Pater Gregorius zuschrieb, oder ob es in Wahrheit der des Pater Matthäus Rader war, der ihn in den Humaniora unterrichtete.] Vgl. Valentin 1983/4 II, S. 1043. 20 Vgl. die Vorrede zum Nicetas (München 1624); siehe auch Vit. Drex. fol. 1v und Agricola/Flott/Kropf (1754, S. 410), jeweils mit Zitat aus dem Nicetas. In diesem Zusammenhang führt
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siums trat er am 27. Juli 1598 als Siebzehnjähriger die erste Probezeit des Jesuitenordens (Noviziat) in Landsberg am Lech an, die zwei Jahre dauern sollte.²¹ Da am Augsburger Jesuitenkolleg die weiterführenden Philosophie- und Theologiekurse erst ab dem Jahr 1619 kontinuierlich eingerichtet wurden,²² war Drexel dazu gezwungen, andernorts seinen Bildungsweg fortzusetzen. Zwischen 1600 und 1603 datiert sein erster Studienaufenthalt in Ingolstadt, wo er am dortigen Jesuitenkolleg Philosophie studierte.²³ Die folgenden vier Jahre waren von verschiedenen Lehrtätigkeiten geprägt. In den Schuljahren 1603/4 und 1604/5 unterrichtete er zusammen mit Rader in Augsburg.²⁴ Seit dieser Zeit verband beide eine innige Freundschaft. Rader war es auch, der seinen ehemaligen Schüler immer wieder zum Schreiben und Veröffentlichen aufforderte. Außerdem entwickelte sich zwischen den beiden eine erfolgreiche Kooperation auf dem Gebiet des Verfassens und Inszenierens von Schuldramen, auf die noch detailliert eingegangen wird.²⁵
Karl Pörnbacher (1961, S. 229 und 1965a, S. 15–16, erneut 1981, S. 73) als ein Hauptargument für Drexels Konversion den Einfluss an, den die Einweihung der Augsburger Jesuitenkirche in Verbindung mit der gleichzeitig erfolgten Gründung der Marianischen Kongregation am 1. Mai 1584 auf Drexel gehabt haben müsse. Auch wenn, worauf Pörnbacher zurecht hinweist, in den Schriften Drexels eine besondere Affinität zur Kongregation feststellbar ist, liefert dieses Verhältnis dennoch keine hinreichende Begründung für die Konversion. Größerer Einfluss muss sicherlich den Erziehern und Lehrern am Jesuitengymnasium zugeschrieben werden. Am wahrscheinlichsten ist eine Summe von verschiedenen Erlebnissen, Einflüssen und Überzeugungen, die den jungen Drexel letztlich zu dieser Entscheidung gebracht haben. 21 Septendecim annorum iuvenis Societatem Jesu amplexus est, primam probationem landspergae exorsus anno 1598, 27. julii. Vit. Drex. fol. 1v . [Im Alter von siebzehn Jahren nahm ihn der Jesuitenorden in seine Arme auf. Seine erste Probezeit trat er am 27. Juli 1598 in Landsberg an.] Vgl. Mahlmann-Bauer ²2008, S. 104; Agricola/Flott/Kropf 1754, S. 410. 22 Vgl. Rupp 1982, S. 31. 23 Absoluto tirocinii biennio, Philosophiam Ingolstadii triennio audiit. Vit. Drex. fol. 2r . [Nach seiner zweijährigen Probezeit studierte er drei Jahre lang Philosophie in Ingolstadt.] Im Catalogus studiosorum Logices in Universitate Ingolstadiensi ist Drexel für das Jahr 1600 aufgeführt (Cat. Log. Ing. fol. 162v ; Hist. Coll. Ing. fol. 113). Sein Name scheint aber erst nachträglich in die Liste einfügt worden zu sein. Im Catalogus studiosorum Physices steht er für das Jahr 1601 an erster Stelle. Der Eintrag in den Catalogus studiosorum Metaphysicae für das Jahr 1602 wurde von späterer Hand mit dem Zusatz Concionator aulicus Serenissimi Ducis Bavariae celeberrimus (Cat. Metaph. Ing. fol. 7r ) versehen. Vgl. Wilczek 1993, S. 113 und 115. Jean-Marie Valentin (1983/4 II, S. 1043) dagegen datiert diesen Aufenthalt in Ingolstadt um ein Jahr nach hinten. Gegen seine Behauptung, Drexel sei somit erst ab 1604 als Lehrer in Augsburg tätig, spricht aber deutlich der Eintrag in der Historia Collegii für das Jahr 1603. Vgl. Mahlmann-Bauer ²2008, S. 104. 24 Humanitatem M. Hieremias Drexel, curriculo Philosophiae Ingolstadij absoluto hic excepit. Hist. Coll. Aug. S. 404. [Den Unterricht in den Humaniora übernahm Magister Jeremias Drexel, nachdem er in Ingolstadt sein Philosophiestudium abgeschlossen hatte.] 25 Siehe Abschnitt 2.3; vgl. Pörnbacher 1981, S. 74.
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Von Herbst 1605 bis Sommer 1607 lehrte Drexel die Humaniora in Dillingen an der Donau, woraufhin er erneut nach Ingolstadt übersiedelte und dort im Jahr 1610 das Theologiestudium abschloss.²⁶ Aus diesen Jahren der Studien- bzw. Lehrtätigkeit stammen Drexels erste literarische Werke. Während seiner Aufenthalte in Augsburg und Dillingen verfasste er zunächst dramatische Kleinformen wie Dialoge, die den Charakter von Lehrgesprächen trugen, von denen heute allerdings kaum mehr als die Titel erhalten sind.²⁷ In Dillingen entstand dann mit dem Triumphus Crucis ein erstes größeres Drama. Es wurde am 11. und 12. Oktober 1606 in Ingolstadt aufgeführt.²⁸ Drexel, der seit Herbst 1607 erneut in Ingolstadt studierte, brachte dann am 16. Oktober 1608 zum Schuljahresbeginn seine Tragödie Iulianus Apostata auf die Bühne. Lebenskrise, Priesterweihe, Schulleitertätigkeit Drexel, um dessen Gesundheit es zeitlebens nicht gut bestellt war, fiel zwischen 1606 und 1609 aufgrund von größeren körperlichen Beschwerden in eine tiefe Lebenskrise, in der er sogar mit seinem baldigen Ableben rechnete.²⁹ Während dieser schwierigen Zeit kehrte er dem Theater den Rücken und konzentrierte sich fast ausschließlich auf das Studium der Theologie. Als Ausdruck dieser ‚Neuorientierung‘ bzw. eines Richtungsentscheids nach seinen Studienjahren kann seine Weihe zum Priester gesehen werden, die am 18. Dezember 1610 in Eichstätt
26 Ac deinde etiam Theologiam scholasticam [sc. Ingolstadij audiit], postquam Dilingae humaniores disciplinas quadriennio tradidit, et quidem biennio Rhetoricam, Magister etiamnum. Vit. Drex. fol. 2r . [Und damals studierte er auch scholastische Theologie, nachdem er in Dillingen vier Jahre lang Humaniora, davon zwei Jahre, mittlerweile im Rang eines Magister, Rhetorik.] Die Vita Drexelii weist an dieser Stelle eine Ungenauigkeit auf, die auch Agricola/Flott/Kropf (1754, S. 410–411) übernommen haben. Die Zeitangabe quadriennio ist auf die gesamte Dauer seiner Lehrtätigkeit in Dillingen und Augsburg von 1603 bis 1607 zu beziehen. Vgl. Wilczek 1993, S. 119 und 122; Valentin 1983/4 II, S. 1043; Pörnbacher 1965a, S. 15–18. 27 Siehe im Einzelnen Abschnitt 2.3. 28 Acta Acad. Ing. fol. 71v . Vgl. Valentin 1983/4 I, Nr. 567. Näheres zum Triumphus Crucis und seiner Entstehung siehe Abschnitt 2.3 29 Imbecilla semper [erat] valetudine. Vit. Drex. fol. 6v . [Er war stets bei schlechter Gesundheit.] Iam in adolescentiae annis pertenui semper valetudine fuit, nec aberant indicia vel †…†, vel ventriculi prorsus infirmi, aut alterius latentis cuiusdam mali. Vit. Drex. fol. 12r . [Schon in seiner Jugend war er bei schlechter Gesundheit, und es gab auch Anzeichen dafür, dass er entweder †…† oder einen überaus empfindlichen Magen besaß oder dass er unter einer bestimmten anderen Krankheit litt, die sich nicht diagnostizieren ließ.] Zum Gesundheitszustand Drexels in den Jahren 1606 bis 1609 siehe auch Abschnitt 2.3.
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erfolgte. Drei Tage später feierte er in der Münchener Jesuitenkirche St. Michael seine Primiz.³⁰ München, zu dieser Zeit nicht nur eines der bedeutendsten kulturellen Zentren des Reiches, wo Künstler wie Peter Candid (ca. 1548–1628), Komponisten wie Orlando di Lasso (1530/2–1594) und Dichter wie der erwähnte Jakob Bidermann oder Jakob Balde (1604–1668) wirkten, sondern auch die politische ‚Hauptstadt des Katholizismus‘, nachdem Herzog Maximilian 1609 die Führung der katholischen Liga im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges übernommen hatte und das Herzogtum Bayern zum Bollwerk gegen den Protestantismus machte,³¹ sollte im weiteren Verlauf von Drexels Biographie zum Mittelpunkt seines Schaffens und Wirkens werden. Nachdem sich sein allgemeiner Gesundheitszustand im Laufe des Jahres 1609 anscheinend gebessert und er die ‚Sinnkrise‘ seines Lebens überwunden hatte,³² wurde er bereits am 20. Oktober 1610 nach dem Rücktritt Bidermanns öffentlich zu dessen Nachfolger im Amt des Leiters des dortigen 30 Primum sacrum Monachii in aede D. Michaelis archangeli Deo obtulit anno 1610, 21. Decembris, festo S. Thomae apostoli. Vit. Drex. fol. 2r . [Sein erstes Messopfer brachte er Gott in der Münchener St. Michaels Kirche am 21. Dezember 1610, am Fest des Hl. Apostels Thomas, dar.] Vgl. MahlmannBauer ²2008, S. 104; Pörnbacher 1965a, S. 20. 31 Vgl. Pörnbacher 1965a, S. 21. 32 In einem Brief an Rader vom 12.8.1609 erwähnt Drexel noch explizit seinen schlechten Gesundheitszustand und seine Motivationslosigkeit, seine Schriften zu veröffentlichen: Quid enim ego miser et unius diei homullus libros cogitem et publicum? […] mihi Libitinaria potius quam typographiaca officina cogitanda. Sed uti nil obest, imo prodest quam plurimum, ire velle in Indias, etsi nunquam iturus sis: ita bonum est plurima velle scribere, etsi nil unquam scripturus sis. Sic ego facio: annos cogito et longum aevum, chartas meas farcio, varia colligo, et tantum non ad typos do, qui tamen scio atram Divam mihi iam supra caput stare, meque multorum vocibus palam devoveri capulo. fiat, quod bono Deo visum. pridem ego vitam nauseavi; modo in hac nausea perseverem, nec ulla nauseati redeat appetitio, quod tu mihi, mi optime Pater, impetrabis in divinis. Schmid 1995, Nr. 228. [Was soll ich, ein elender Kerl, der nur noch so gut wie einen Tag zu leben hat, Gedanken an Bücher und ans Veröffentlichen verschwenden? […] An die Werkstatt des Sargbauers, nicht an die des Druckers muss ich denken. Aber wie es nicht schadet, ganz im Gegenteil sogar überaus großen Nutzen bringt, nach Indien gehen zu wollen, auch wenn man niemals dorthin gehen wird, so ist es sinnvoll, vieles schreiben zu wollen, auch wenn man es niemals schreiben wird. So mache ich es: Ich denke an viele weitere Lebensjahre und an ein hohes Alter, ich stopfe meine Blätter voll, trage verschiedenes zusammen, gebe es aber nur nicht in den Druck, da ich weiß, dass doch der finstere Tod mir im Nacken sitzt und dass mich viele Leute ganz offen schon dem Grabe weihen. Es soll so kommen, wie der liebe Gott es will. Schon vor langer Zeit habe ich mein Leben ausgespien; solange ich an dieser Übelkeit leide, kommt auch der Appetit am Ausgespienen nicht wieder zurück, den du mir, mein lieber Pater, durch deine Voraussagen wieder wecken willst.] Dagegen kommt er in den Briefen der Folgezeit (Schmid 1995, Nr. 240 und 260 vom 24.1.1610 bzw. 6.1.1611) auf seinen Gesundheitszustand nicht mehr zu sprechen. Angesichts der Ernennung zum Schulleiter des Münchener Jesuitengymnasiums, zu der es im Falle einer dauerhaften gravierenderen Erkrankung wohl kaum gekommen wäre, sollte man von Drexels Worten vom 20.1.1611 an
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Jesuitengymnasiums, der zu dieser Zeit wichtigsten Bildungseinrichtung des Herzogtums Bayern, bestimmt.³³ Er verließ München jedoch bereits wieder am 3. Oktober 1611, um in Ebersberg das Tertiat, die dritte und letzte Probezeit vor der endgültigen Aufnahme in die Societas Iesu, zu absolvieren. Nach seiner Rückkehr zum Osterfest des folgenden Jahres übernahm er zwar erneut das Amt des Schulleiters, bekleidete dieses jedoch wiederum nur für kurze Zeit, bis zum 3. August 1612.³⁴ Drexel kehrte daraufhin in seine Heimatstadt Augsburg zurück (1612–1615), um dort zunächst die Leitung der Marianischen Kongregation und eine Predigerstelle zu übernehmen und anschließend zusätzlich noch als Nachfolger von Rader das dortige Jesuitengymnasium zu leiten und sich erneut dem Unterricht zu widmen.³⁵ Drexel am Münchener Hof Im Jahre 1615 gelang Jeremias Drexel im Alter von 34 Jahren der größte Karrieresprung seines Lebens, nachdem der bayerische Herzog Maximilian I. auf den begabten Jesuitenpater aufmerksam geworden war. Von ihm wurde Drexel erneut nach München berufen, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 1638 die Stelle des Hofpredigers besetzte.³⁶ Er begleitete den bayerischen Herzog im Rahmen
Rader ein gewisses Maß an Übertreibung subtrahieren und eher betonen, dass sich v.a. sein psychischer Zustand verbessert und er eine gewisse Arbeitsmotivation wiedererlangt hat: ita mecum res habet: potius mihi hypogaeum quam Lyceum, conditorium quam carmen, tumulus quam Parnassus, sandapila quam cathedra, Parcae quam Musae cogitandae; quamvis ita iam valeam (bono Deo laus) ut vix meliorem valetudinem sperare possim, aut etiam optare debeam. satis mihi est, et, si humanam sortem measque noxas cogitem, plusquam satis est, non decumbere, nec ex toto feriari; sacrificare quotidie, subinde lectitare quippiam, etiam scribere et pro more meo enotare. Schmid 1995, Nr. 261. [So ist es um mich bestellt: Ich muss eher an meine Gruft als an mein Gymnasium, eher an meinen Sarg als an einen Gesang von mir, eher an meinen Grabhügel als an den Musenberg, eher an meine Totenbahre als an meinen Lehrstuhl, eher an die Parzen als an die Musen denken, trotz dass es mir momentan so gut geht (Lob sei dem Lieben Gott), dass ich mir kaum eine bessere Gesundheit erhoffen könnte, geschweige denn wünschen dürfte. Ich bin zufrieden damit, und wenn ich an das menschliche Schicksal und an meine Gebrechen denke, bin ich sogar mehr als zufrieden damit, wenn ich nicht bettlägerig und nicht gänzlich arbeitsunfähig bin, wenn ich jeden Tag die Messe feiern, gleich darauf etwas lesen, ja sogar schreiben und Notizen machen kann, wie ich es gewohnt bin.] 33 Diar. Gymn. Mon. fol. 74r . Vgl. Mahlmann-Bauer ²2008, S. 104; Pörnbacher 1981, S. 75. 34 Diar. Gymn. Mon. fol. 75r . 35 Vgl. Mahlmann-Bauer ²2008, S. 104; Valentin 1983/4 II, S. 1043–1044; Pörnbacher 1965a, S. 20–21. 36 Anno 1615 a Serenissimo Maximiliano primo huius nominis Bavariae Duce, ac postea Electore, ad aulicam cathedram assumptus fuit. Gessit id officii usque ad annum 1638, qui vitae istius postremus fuit. Vit. Drex. fol. 2v . [Im Jahre 1615 wurde er vom durchlauchtesten Maximilian I.,
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des Böhmisch-pfälzischen Krieges (1618–1619), der ersten Phase des Dreißigjährigen Krieges, nach Böhmen und erlebte als Augenzeuge die Schlacht am Weißen Berg. Während der Zeit im Heerlager (14. Juli bis 27. November 1620) führte er ein Tagebuch, in dem er seine Erlebnisse und Eindrücke festhielt.³⁷ Einen weiteren Nachweis dafür, wie hoch Drexels Ansehen und Bedeutung im Zusammenhang mit seinem Amt am bayerischen Hof war, liefert u.a. die Tatsache, dass sich sein Name unter den 42 Geiseln befand, die der schwedische König Gustav Adolf der Stadt München nach ihrer Eroberung im Jahre 1632 auferlegte.³⁸ Als weitere Belege für Drexels Bedeutung führt die Vita Drexelii Briefe von hochrangigen Kirchenvertretern (z.B. Petrus Aloysius, apostolischer Nuntius; Peter Pazmany, Kardinal und Erzbischof von Exztergom) an, die überaus bewundernde Worte für den Empfänger finden.³⁹ Jeremias Drexel starb in der Nacht vom 18. auf den 19. April 1638 in München und wurde in der dortigen St. Michaels Kirche bestattet.⁴⁰ Die Reaktionen auf seinen Tod spiegeln die Bedeutung seiner Person und seines Werkes für die Zeitgenossen wider. Jakob Balde, Drexels Nachfolger im Amt des Hofpredigers, verfasste zu dessen Ehren eine Ode.⁴¹ Maximilian Rassler nahm in seiner 1714 erschienenen Übersetzung von Matthäus Raders Bavaria Sancta Drexel unter die bayerischen Heiligen auf.⁴² Als Rechtfertigung dafür wird u.a. eine postume Wundertat Drexels angeführt.⁴³ Welche Bedeutung Drexels Werk über die Grenzen Münchens und Bayerns hinaus auch für den Rest des Reiches und im Besonderen für die Protes-
Herzog von Bayern und später Kurfürst, als Hofprediger eingesetzt. Er führte dieses Amt bis in sein Todesjahr 1638 aus.] Siehe auch Valentin 1983/4 II, S. 1044; Pörnbacher 1965a, S. 21; Agricola/Flott/Kropf 1754, S. 411; vgl. Cat. Metaph. Ing. fol. 7r . 37 Herausgegeben von Riezler 1903. 38 Drexel befand sich zu dieser Zeit jedoch in Salzburg. An seiner statt bot sich Adam Schiffer, der minister des Jesuitenkollegs, an. Vgl. Pörnbacher 1981, S. 75; Duhr 1913 I, S. 421–422; Agricola/Flott/Kropf 1754, S. 63–64. Siehe dazu auch Vit. Drex. fol. 8r . 39 Vit. Drex. fol. 4v –6r . 40 Transit autem ad eam [sc. mortem] sacris omnibus rite procuratus Monachii, 19. Aprilis, Anno 1638 aetatis suae 57. Vit. Drex. fol. 15v –16r . [Nachdem er die Sterbesakramente dem Ritus nach empfangen hatte, starb er am 19. April 1638 mit 57 Jahren.] Siehe auch fol. 18r –18v ; vgl. Agricola/Flott/Kropf 1754, S. 419. 41 Balde Lyr. 1,16. Vgl. Vit. Drex. fol. 16v –17v ; Agricola/Flott/Kropf 1754, S. 420. 42 Rassler 1714 III, S. 319–323. 43 Im Jahre 1643 soll ein bettlägeriger Magenkranker mit einem Kruzifix in der Hand, das Drexel häufig bei sich gehabt habe, Christus um Hilfe angefleht und dabei Drexel als himmlischen Fürsprecher angerufen haben. Nach dem Gelöbnis, dass er im Falle einer Genesung eine Messe am Dreifaltigkeitsaltar der Münchener Jesuitenkirchen St. Michael, dem Grab Drexels, lesen lasse, soll er auf wundersame Weise geheilt worden sein (Rassler 1714 III, S. 323; dieselbe Erzählung in der Vita Drexelii, fol. 21v ).
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tanten hatte, belegt ein Nachruf auf Jeremias Drexel aus der Feder des lutherischen Abtes von St. Georgen im Schwarzwald, Andreas Carolus (1632–1704): Explevit in Bavaria, Hieremias Drexelius, Bavariae Ducis et Electoralis Maximiliani Confessionarius, Jesuita celebris, ac passim in Germania notus, praesertim ex variis, quos, dum vivebat edidit, libellis, ad promovendam pietatem Christianam et rite componendos mores, vel, ut loquitur Magnus ille gentium Doctor, ad vivendum pie, iuste, sobrie, collimantibus.⁴⁴
Die generelle Einschätzung passim in Germania notus ist auch mit konkreten Zahlen zu belegen: Schon zu Drexels Lebzeiten sollen zwischen 1620 und 1639 allein 158.700 Exemplare seiner Werke erschienen sein.⁴⁵ Der kurfürstliche Drucker Kornelius Leyser hat nach eigenen Angaben im Jahr 1642 insgesamt 107.000 Exemplare von Drexels Schriften verkauft, alle drei Münchener Verleger zusammen 170.700 Druckschriften.⁴⁶ Seine Werke wurden nicht nur ins Deutsche, sondern auch ins Französische, Englische, Spanische, Flämische, Italienische, Tschechische und Polnische übersetzt.⁴⁷ Zu seinen wichtigsten Werken zählen die theologischen Traktate De Aeternitate Considerationes (‚Betrachtungen von der Ewigkeit/und was die Ewigkeit sey‘, 1620), das auflagenstärkste Werk Drexels überhaupt, ferner der Zodiacus Christianus (‚Christlicher Himmel-Circul‘, 1622), worin er dem weltlichen Tierkreiszeichen zwölf christliche Tugenden gegenüberstellt, durch die der Mensch zum ewigen Leben bei Gott gelangt, sowie die Deliciae Gentis Humanae/ Christus Jesus Nascens, Moriens, Resurgens, Orbis Amori Propositus (‚Frewde deß Menschlichen Geschlechts Christus Jesus/ Nach seiner Geburt/ Leiden und Aufferstehung/ Der 44 Aus: Memorabilia Ecclesiastica seculi a Nato Christo Septimi, Juxta annorum seriem notata. Et convenienti Ordine digesta per Andream Carolum, Abbatem San. Georgianum in Ducatu Wirtembergico. Tübingen 1697, Tomus I, S. 925. – Übersetzung: In Bayern starb Jeremias Drexel, Beichtvater des bayerischen Herzogs und Kurfürsten Maximilian, ein bedeutender Jesuit und in ganz Deutschland besonders durch verschiedene Schriften bekannt, die er zu seinen Lebzeiten herausgab und die darauf abzielten, christliche Frömmigkeit und angemessene Verhaltensweisen zu fördern oder, wie es der große Völkerapostel [sc. Paulus] sagt, ein frommes, gerechtes und besonnenes Leben zu führen [= Tit 2,12]. – Die Bezeichnung Drexels als ‚Beichtvater‘ (confessionarius) ist nicht ganz zutreffend. Sie resultiert vermutlich aus der zeitlichen sowie geographischen Distanz. 45 Die Informationen stammen aus dem Vorwort des Druckers Kornelius Leyser zur ersten postum veröffentlichten Schrift Noe (Noe. Architectus arcae in diluvio, Nauarchus descriptus et morali doctrina illustratus a R. P. Hiermia Drexelio Soc. Iesu. Ex posthumis Libellus primus. Monachii 1639, Typographus Lectori). 46 Vgl. Pörnbacher ²1988, S. 987; Breuer 1979, S. 123–128; Pörnbacher 1965a, S. 60; Duhr 1913 I, S. 446; Backer/Sommervogel 1869–1878 I, Sp. 1655. Zu derselben Einschätzung gelangen Agricola/Flott/Kropf (1754, S. 413–414; vgl. Vit. Drex. fol. 3v ). 47 Vgl. Breuer 1979, S. 122. Siehe auch das Vorwort zu Drexels Noe (siehe Anm. 45).
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Welt zur Lieb vorgestellt‘, 1638). Letztgenannter Traktat fasst viele Leitgedanken aus Drexels theologischen Werken zusammen und betont die vollkommene Liebe zu Gott als zentrale Tugend, durch die sich der Mensch das Heil erwirbt.⁴⁸
2.3 Die Entstehung des Iulianus Um den Entstehungsprozess des Iulianus nachvollziehen zu können, muss nach den biographischen Voraussetzungen ein Blick auf Drexels dramatische Werke geworfen werden, die er in den Jahren vor dem Iulianus verfasste. Während seiner Studien- und Lehrjahre in Augsburg, Dillingen und Ingolstadt entstanden Drexels erste literarische Werke. Im Schuljahr 1604/5 wurden zwei seiner Dramen auf die Bühne des Augsburger Jesuitenkollegs gebracht. Es handelt sich dabei um die Stücke De quinquenni puero ex D. Gregorii dialogis und Ex Menaeis de milite Carthaginiensi redivivo.⁴⁹ Wichtig ist in diesem Zusammenhang ein Eintrag, den die Historia Collegii Augustani zu diesen beiden Aufführungen festhält: utrumque M. Hieremias Drexel fecit, P. Rader dedit.⁵⁰ Hieraus wird deutlich, dass eine Arbeitsteilung zwischen Drexel und seinem ehemaligen Lehrer Matthäus Rader vorgenommen wurde. Drexel verfasste den Text zu den beiden genannten Stücken (fecit), Rader kümmerte sich um die Inszenierung (dedit). Ein ähnliches Vorgehen lässt sich auch für den Dialog De cruce ferenda (1606) feststellen, der während Drexels Dillinger Zeit entstand. In einem Brief an Rader anlässlich des Neujahrstages 1606 merkt Drexel an, dass er tuam crucem (‚den für dich bestimmten Dialog über das Kreuz‘) in nur drei Tagen notdürftig „zusammengeschustert, zusammengezimmert und grob behauen“ habe.⁵¹ Am 16. Januar sandte Drexel den Dialog dann zu Rader nach Augsburg, wobei er nochmals betont, dass die Schrift in so kurzer Zeit entstanden sei und man noch letzte Hand anlegen müsse.⁵² Diese Aussage, die darauf hinweist, dass Rader nicht nur die Inszenierung des Dramas übernahm, sondern dem Text auch noch den letzten 48 Vgl. Pörnbacher 1965a, S. 66–69 bzw. 106–108. 49 Valentin 1983/4 I, Nr. 519 bzw. 520. Vgl. Pörnbacher 1965a, S. 17, erneut 1981, S. 73. Laut JeanMarie Valentin (1983/4 I, Nr. 634) wurde De quinquenni puero im Jahr 1609 in Prag erneut aufgeführt. Für eine Autorenschaft Drexels hinsichtlich des dieser Aufführung zugrunde liegenden Textes lassen sich jedoch keine Beweise außer die partielle Übereinstimmung des Titels finden. 50 Hist. Coll. Aug. S. 410. 51 Tuam crucem triduo fabricavi, dolavi, exasciavi. Schmid 1995, Nr. 170, Brief vom 1.1.1606. 52 Lima quaedam indigent et polimine, non nego. Sed scis triduum duntaxat huic scriptioni datum […]. tu limam, imo vitam dabis. Schmid 1995, Nr. 172, Brief vom 16.1.1606. [Manches braucht noch Feile und Bimsstein, darüber bin ich mir im Klaren. Aber du weißt ja, dass dies in nicht mehr als drei Tagen zu Papier kam […]. Du wirst es glatt feilen, ja ihm vielmehr Leben einhauchen.]
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Schliff verlieh, gibt einen weiteren wichtigen Hinweis auf das Wesen der Kooperation zwischen den beiden befreundeten Jesuitenpatres. Eine ähnliche Zusammenarbeit ist zwei Jahre später im Kontext von Drexels Beitrag zu einem von Rader initiierten Certamen poeticum festzustellen. Drexel sandte seinen anhand von Raders Vorschlägen verbesserten Text erneut an diesen zurück. Dabei ordnet er sich (sicherlich mit einem bestimmten Maß an scherzhafter Bescheidenheit) vollkommen dem Urteil seines einstigen Lehrers unter.⁵³ Rader brachte De cruce ferenda anlässlich des Schuljahresbeginns 1606 in Augsburg auf die Bühne.⁵⁴ Fast zeitgleich wurde im Jesuitenkolleg in Ingolstadt ein weiteres Drama aus Drexels Feder mit dem Titel Loquens Triumphus Crucis aufgeführt.⁵⁵ Dieses Stück stellt eine vermutlich nicht identische, aber sehr ähnliche Version zum Dialog De cruce ferenda dar. Auch diese Aufführung muss von einem anderen Jesuitenpater geleitet worden sein, weil sich Drexel zur selben Zeit in Dillingen befand und dort mit der Darbietung seines Fusculus beschäftigt war.⁵⁶ In einem Brief vom 18. Oktober 1606 erkundigt sich Drexel bei Rader, wie die Aufführung von De cruce ferenda geglückt sei, und bittet ihn, das Manuskript zurückzusenden.⁵⁷ Mehrere Wochen später wiederholt er diese Aufforderung, wobei er Wert auf Raders Ergänzungen legt.⁵⁸ Einen Hinweis auf seine Arbeitstechnik liefert Drexel darin ebenfalls, indem er anmerkt, dass ihm lediglich verstreute Notizzettel übrig geblieben seien.⁵⁹
53 Ecce, mi Radere, candidus sum, qua nota me tibi non ignotum puto, et omnia tuo iudicio subijcio promtissime. Itaque partum hunc meum in manus tibi trado; si dignum censes, educa. Schmid 1995, Nr. 208, Brief vom 27.4.1608. [Siehe, mein Freund Rader, ich bin ein aufrichtiger Mensch, eine Eigenschaft, die, wie ich glaube, dir an mir nicht unbemerkt geblieben ist, und ordne alles bereitwilligst deinem Urteil unter. Deshalb übergebe ich dir das, was meine Feder geboren hat; ziehe du es groß, wenn du es für würdig erachtest.] Vgl auch Pörnbacher (1965a, S. 19), der den Brief jedoch in den falschen Monat datiert. 54 Hist. Coll. Aug. S. 451. 55 Acta Acad. Ing. fol. 71v . Vgl. Mahlmann-Bauer ²2008, S. 105; Valentin 1983/4 I, Nr. 567. Neben dem Iulianus ist der Triumphus Crucis das einzige erhaltene Drama Drexels. Heute liegt das Manuskript in der Studienbibliothek Dillingen unter der Signatur Cod. Dill. XV 237 (fol. 155–234). Die Perioche zum Drama ist ebenfalls erhalten und in der Bayerischen Staatsbibliothek unter der Signatur 4° Bavar. 2197, I, 105 zu finden. Fälschlicherweise wird dieses Stück in der Literatur häufig unter dem Titel Laqueus Triumphus Crucis angegeben (vgl. Valentin 1983/4 I, Nr. 567). 56 Siehe Anm. 63 57 Schmid 1995, Nr. 190, Brief vom 18.10.1606. 58 Obsecro, inquam, exemplar mitte, sed cum ijs etiam quae a te addita. Schmid 1995, Nr. 191, Brief vom 3.12.1606. [Ich bitte dich inständig, sage ich, sende mir das Exemplar zu, aber auch zusammen mit dem, was du ergänzt hast.] 59 Ipse mihi homo improvidus, nihil retinui praeter chartulas quasdam dissipatas, quas aegre colligam. Schmid 1995, Nr. 191, Brief vom 3.12.1606. [Ich bin ein Mensch, der für sich selbst keine
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Warum Drexel an diesem Verfahren der Arbeitsteilung bzw. an der Abtretung der Verantwortung für die Aufführungen interessiert gewesen sein dürfte, lässt sich ebenfalls aus den Briefen an Rader entnehmen. Darin schildert er, sicherlich nicht ohne selbstironischen Unterton, dass er bei den Inszenierungen seiner Dramen von unglücklichen äußeren Umständen verfolgt werde. Im bereits erwähnten Neujahrsbrief von 1606 schreibt Drexel, dass er für die Weihnachtszeit ein Bühnenstück mit dem Titel Erithrenoterpsis (‚Laute Wehklagenfreude‘) verfasst habe.⁶⁰ Die Aufführung war aufgrund der äußeren Umstände ein wahres Fiasko. Denn aufgrund der Kälte musste das Drama im beheizten Raum des Kollegs dargeboten werden, der für solche Anlässe laut Drexel vollkommen ungeeignet war.⁶¹ Drexel fasst abschließend seine Sicht der Dinge spöttisch zusammen: in tuum proscenium, mi Radere, mea nata videbantur, alia iam recusant aut recusantur.⁶² Ähnlich erging es Drexel mit seinem Drama Fusculus (Oktober 1606), das wohl eine Überarbeitung des 1604 verfassten Stücks De quinquenni puero ex D. Gregorii dialogis war und in Dillingen unter seiner eigenen Regie aufgeführt wurde.⁶³ Er beklagt sich gegenüber Rader über die fehlende Begabung der Schauspieler mit Ausnahme des Hauptdarstellers.⁶⁴
Vorkehrungen trifft. Ich habe nichts zurückbehalten außer ein paar verstreute Zettel, die ich nur mit Mühe zusammentragen kann.] 60 Drexel selbst gibt zu diesem sonst nicht näher bekannten Stück eine kurze Inhaltsangabe: Luatus und Plausus streiten sich in Bethlehem darum, ob man an Christi Geburtstag klagen oder sich freuen müsse (Schmid 1995, Nr. 170, Brief vom 1.1.1606. Vgl. Mahlmann-Bauer ²2008, S. 105; Pörnbacher 1965a, S. 17). 61 Et ne actio frigeret, in hypocausto danda fuit, sed et hunc illi locum sors invidit. Schmid 1995, Nr. 191, Brief vom 3.12.1606. [Und damit es bei der Aufführung nicht zu kalt wurde, musste das Stück im beheizten Raum des Kollegs dargeboten werden. Aber das Schicksal gönnte ihm auch diesen Ort nicht.] 62 Übersetzung: Was von mir stammt, mein Rader, scheint für deine Bühne geboren zu sein, andere Gegebenheiten lehnt es ab oder wird selbst von diesen abgelehnt. 63 Schmid 190, Nr. 190, Brief vom 18.10.1606; Hist. Coll. Dil. fol. 37r . Vgl. Valentin 1983/4 I, Nr. 561. Weitere Dramen, für die eine Autorenschaft Drexels von der Forschung angenommen wird, sind: Nestenon, Augsburg 1605 (Valentin 1983/4 I, Nr. 538; Müller 1930 II, S. 56); Tridentinus puer a Judaeis caesus, Augsburg 1605 und Innsbruck 1610 (Valentin 1983/4 I, Nr. 539 bzw. 643; Duhr 1913 I, S. 703; von Müller [1930 II, S. 56] Kaspar Rhey zugeschrieben; angebliche Wiederaufführung in Innsbruck im Jahre 1610, vgl. Valentin 1983/4 I, Nr. 643); De Christo redivivo (Pörnbacher 1965a, S. 17). 64 Nos Fusculum hic ex Orco reduximus, vellem sepultus mansisset. Certe plerique actores Roscij non fuerunt. Quaedam tam insulsa et frigida ut ad illa nihil sit nix Gallica. Fusculus solus tanto melior, quanto peiores alij. Schmid 1995, Nr. 191, Brief vom 3.12.1606. [Ich habe hier meinen Fusculus wieder zum Leben erweckt, ich wünschte jedoch, er wäre begraben geblieben. Ohne Zweifel waren die meisten Schauspieler nicht gerade Meister ihrer Zunft. Manches war so abgeschmackt und
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Entscheidend für das Verständnis der folgenden zwei Jahre in Drexels Leben (1606–1608) und somit auch für sein literarisches Schaffen in dieser Zeit ist wiederum ein Brief an Rader, der auf den 28. Dezember 1606 (Schmid 1995, Nr. 192) datiert werden muss.⁶⁵ Radero suo Hieremias. Quicquid me rogas, mi Radere, imperas. De Iuliano nihil controverto; mittam. sed en hic remoram, quae moram innectat. describendus prius est (quid dubitem?) quam mittendus. a me describi, meorum oculorum certe non est (eos iam prope funeravi) ab alio id postulare sine praemiolo, difficile. quare quid hac in re fieri placeat, e brevi scida resciam. […] At hortaris ut Theodosianum illud et Eudocianum pomum cogitem: ah, mi Radere, funus cogito et sepulchrum non syrma et cothurnum. et quid quaeso est, quod in vita retineat, nisi libri et litterae? Et tamen quam in his parva aut nulla libertas? Eo iam rerum venimus, ut quae olim didicisse pulchrum erat, turpe iam sit scire. adeoque iam nemo minus habet reprehensionis, quam qui minus eruditionis. Memini quid mihi olim commendaris in horto nostro. Eruditionem, dicebas, eripi tibi non sinas. actum est, Radere, erepta est, certe ex parte. quidquid scribo timide scribo et sine omni libertate, quae sola facit ut verba atroci stilo effodiantur, et per sententiarum tormentum liber spiritus praecipitetur.
unterkühlt, dass im Vergleich dazu ein gallischer Winter [sprichwörtliche Wendung, vgl. Petron. 19,3] gar nichts ist. Allein derjenige, der den Fusculus gespielt hat, ragte umso weiter heraus, je schlechter die Übrigen waren.] 65 Karl Pörnbacher (1965a, S. 20) datiert den Brief fälschlicherweise in das Jahr 1608. Laut ihm sprechen die Tatsachen, dass der Iulianus erwähnt wird, dessen Aufführung sicher im Jahr 1608 stattfand, und dass vom schlechten Gesundheitszustand Drexels die Rede ist, den er auch in einem weiteren Brief an Rader vom 12. August 1609 zur Sprache bringt, für das Abfassungsjahr 1608. Die Datierung in das Jahr 1606 geht auf Schmid (1995, S. 385–387) zurück, der als Grundlage die dankenden Worte Drexels für den Erhalt des Manuskripts von De cruce ferenda heranzieht, das er zum Monatsbeginn von Rader schriftlich anforderte. – In Ergänzung zu Schmid sind zwei weitere Punkte zu nennen, die seine These untermauern: Erstens verspricht Drexel gegen Ende des Briefes, dass er Rader seinen Currus, einen emblematischen Bilderzyklus, der am Fronleichnamstag 1605 die Wände der Kirche oder des Saales der Marianischen Kongregation in Augsburg schmückte (vgl. Hist. Coll. Aug. S. 426–427), zusenden werde. Zwei Jahre später, am 1.6.1608, bekräftigt Drexel dann seine Absicht der Zusendung (mittendi vero, quod promisi, commodam occasionem tempus dabit, Schmid 1995, Nr. 209) und wiederholt diese nochmals am 28.8. (neque vero obliviscar id anathema D. Virgini Augustanae suspendere, quod promisi, Schmid 1995, Nr. 213). Eine Datierung des Briefes vom 28.12.1606 in das Jahr 1608 ist demnach aufgrund der dadurch entstehenden langen Zeitdistanz nur schwer zu halten. Zweitens merkt Drexel in besagtem Brief an, dass er noch nicht wisse, ob er den Bilderzyklus aus Ingolstadt oder aus München an Rader nach Augsburg senden werde (sed vel Ingolstadio vel Monachio, non hinc [s.c. Dilinga] statui certo). Das heißt, dass Drexel zum Abfassungszeitpunkt des Briefes noch nicht entschieden hat, wohin ihn sein künftiger Weg führen wird. Ein Aufenthalt in Ingolstadt wäre aber für eine Datierung ins Jahr 1608 Voraussetzung. Sowohl die Orts- als auch indirekte Jahresangabe am Ende des Briefes Dilingae hoc extremo anno, die Innocentum als auch das erwähnte Adverb hinc lassen keinen anderen Abfassungsort als Dillingen und auch kein anderes Abfassungsjahr als 1606 zu.
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[Jeremias grüßt seinen Freund Rader. Jegliche Bitte deinerseits, mein Rader, ist mir Befehl. Im Hinblick auf den Iulianus habe ich nichts einzuwenden; ich werde ihn dir zusenden. Aber siehe, da gibt es ein Hindernis, das dies verzögern wird. Er muss erst noch kopiert werden (was könnte ich daran zweifeln?), bevor er versandt werden kann. Dass er von mir kopiert wird, ist aufgrund des Zustands meiner Augen mit Sicherheit nicht möglich (ich habe sie schon beinahe zu Grabe getragen); dies ohne Lohn von einem anderen zu verlangen, ist schwierig. Wie also in dieser Sache weiter zu verfahren ist, möchte ich gerne durch eine kurze Notiz von dir erfahren. […] Und da forderst du mich auch noch dazu auf, mir über den ‚Apfel des Theodosius und der Eudoxia‘ Gedanken zu machen: Ach, mein Rader, ich mache mir Gedanken über meinen Tod und mein Begräbnis, nicht über Tragödien und Komödien. Und was ist es bitte, was mich noch am Leben hält, außer Bücher und die Künste? Und trotzdem, wie klein ist die geistige Freiheit in diesen, wenn überhaupt eine vorhanden ist? Meine Situation ist schon so weit fortgeschritten, dass das, was einst gelernt zu haben schön war, jetzt schändlich ist zu wissen. So erntet man jetzt umso weniger Tadel, über je weniger gelehrten Forscherdrang man verfügt. Ich erinnere mich daran, was du mir einst in unserem Garten aufgetragen hast. Lass nicht zu, sagtest du immer wieder, dass dir dein Forscherdrang entrissen wird. Es ist geschehen, Rader, er wurde mir entrissen, zumindest teilweise. Was auch immer ich schreibe, ich schreibe es unter Furcht und ohne jede geistige Freiheit, die allein bewirkt, dass der trotzige Schreibgriffel Worte zu Papier bringt und dass der Geist durch seine literarische Betätigung hinauskatapultiert wird und dadurch frei in die Welt hinausstürmt.]⁶⁶
66 Die beiden am Ende des Briefes von Drexel gebrauchten Bilder stammen aus den Satyrica Petrons (Petron. 4,3 bzw. 118,6). Über die Deutung von beiden ist in der Forschung viel diskutiert worden. Für die Wendung verba atroci stilo effodere liefert Natalie Breitenstein (2009, S. 63–64, ad 4,3) eine ausführliche Zusammenfassung der zahlreichen Vorschläge (bereits die frühneuzeitlichen Kommentare zu Petron beinhalten diese verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten, vgl. dazu den Kommentar des Johann von Wowern: Petronii Arbitri Satyricon: cum uberioribus, Commentarii instar, notis; concinnius multo et commodius quam ante dispositis. Leiden 1604, S. 163: Stilo scribebant in cerata tabella, cuius stili pars, qua scribebatur, acumen dicebatur […]. Altera pars erat obtusa, qua in cera quae non placebant, verba delebant, ac ceram rursum complanabant. [Mit einem Griffel schrieben sie in eine Wachstafeln. Das Ende des Griffels, mit dem man schrieb, wurde Spitze genannt. Das andere Ende war stumpf. Mit ihm tilgten sie das, was ihnen ins Wachs geschrieben nicht gefiel, und zogen das Wachs wieder glatt.] Es ist davon auszugehen, dass Drexel diese Wendung Petrons an dieser Stelle so verstand, wie dies später auch Johann Karl Schönberger (1919, S. 1199 und 1938, S. 175), Josef Delz (1981, S. 67) und Michele Coccia (1973, S. 21 Anm. 28) taten. Laut ihnen beschreibe effodere an der genannten Stelle bei Petron das Einritzen der Buchstaben in eine Wachstafel während des Schreibvorgangs (ebenso in der Übersetzung von Schönberger 1992). Die von Breitenstein bevorzugte Deutung als „Korrektur von Geschriebenem“ ergibt in Bezug auf Drexels Aussage keinen Sinn. Es geht ihm schließlich nicht darum, die fehlende geistige Freiheit dafür verantwortlich zu machen, dass ihm keine Korrekturen mehr gelingen. Vielmehr sieht er sie als Grund dafür an, warum ihm das Schreiben überhaupt nicht mehr gelingen will. – Die Deutung der Formulierung per sententiarum tormentum liber spiritus praecipitetur stellt insofern ein noch größeres Problem dar, als die Stelle verderbt zu sein scheint (vgl. die Ausgabe von Müller ⁴2003). Besonders das Wort tormentum, das auch Editionen vom Be-
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Aus diesen Zeilen können drei im vorliegenden Zusammenhang wichtige Punkte entnommen werden: Erstens hat Drexel den Iulianus, von dem sich Rader in einem unbekannten früheren Brief eine Kopie erbeten haben muss (quicquid me rogas), in Dillingen verfasst und schon längere Zeit vor dem Versenden des Briefes vollendet, worüber er seinen Briefpartner zuvor schon informiert haben muss. Zweitens scheint es um Drexels Gesundheitszustand schon zu dieser Zeit sehr schlecht bestellt gewesen zu sein, sodass es ihm zumindest vorübergehend nicht möglich war, eine Abschrift des Dramas anzufertigen. Aus denselben Gründen sieht er sich nicht in der Lage, ein weiteres Drama, das von Rader angeregt wurde, zu verfassen.⁶⁷ Drexels Anmerkung, dass er aufgrund seiner Augen eine Kopie des Iulianus nicht anfertigen könne, weil er „sie schon fast zu Grabe getragen“ habe, lassen keinen Zweifel daran zu, dass er zu dieser Zeit zusätzlich zu seinem generell schlechten Gesundheitszustand auch noch unter einer ernsten Augenerkrankung litt. Untermauern lässt sich diese subjektive Aussage Drexels dadurch, dass sich seine Handschrift in den Briefen an Rader im Laufe des Dezembers 1606 relativ plötzlich zu verändern begann, was höchstwahrscheinlich auf die erwähnte Erkrankung der Augen zurückzuführen ist. Man merkt der Handschrift des ausführlich behandelten Briefes vom 28. Dezember 1606 (Schmid 1995, Nr. 192) deutlich an, dass sich sein Verfasser ausgesprochen unpässlich fühlte und die Zeilen regelrecht ‚hingeschmiert‘ hat. Einzelne Veränderungen aus dieser Zeit setzen sich sogar dauerhaft in Drexels Handschrift fest.⁶⁸ Seine Worte belegen drittens, dass er sich gegen Ende seines Aufenthalts in Dillingen in einer tiefen Identitäts- und Schaffenskrise befand. Es scheint, als ha-
ginn des siebzehnten Jahrhunderts aufweisen, ist bei modernen Herausgebern sehr umstritten. Bei Drexel wird es in der Weise verstanden, dass der Schreibvorgang (sententiae) metaphorisch als Schleuder bzw. Katapult (tormentum) zu sehen ist, das den Geist des Schreibers erst befreit und somit frei dahinfliegen lässt. Eine gewisse Doppeldeutigkeit des Substantivs tormentum (in diesem Fall in der Bedeutung ‚Folter[-werkzeug])‘, die auf die mit dem Schreiben verbundenen Anstrengungen bzw. Selbstqualen hindeutet, ist bei Drexel, zumal in seiner damaligen Situation, jedoch auch nicht ganz zu leugnen (vgl. Mitchell ²1923, S. 324 ad Petron. 118). Ausgehend von diesen Überlegungen ist die Übersetzung der betreffenden Stelle in Drexels Brief durch Pörnbacher (1965a, S. 20: „Durch Urteile wird ein freier Geist vernichtet.“) abzulehnen. 67 Auch wenn man ein bestimmten Maß an Vergänglichkeitstopik abzieht, ist festzuhalten, dass seine Schriften aus den Jahren 1606 bis 1608 sehr stark von der Beschäftigung mit dem Tod geprägt sind. Schon vor dem Iulianus nahm er mit einem Gedicht über den Tod an Raders Certamen poeticum teil (vgl. Pörnbacher 1965a, S. 18). 68 Dies trifft insbesondere auf die Schreibung der Großbuchstaben ‚A‘, ‚E‘, ‚M‘ und ‚N‘ zu. Vgl. dazu die handschriftlichen Briefe Drexels an Rader vom 4.11.1601, 1.1., 16.1., 1.7., 18.10. und 3.12.1606 einerseits (Schmid 1995, Nr. 94, 170, 172, 187, 190 und 191) und diejenigen vom 28.12.1606, 17.2, 13.4., 27.4., 1.6., 28.8.1608 und 12.8.1609 andererseits (Schmid 1995, Nr. 192, 206, 207–209, 213, 228).
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be er das dortige Umfeld als sehr belastend empfunden. Seine fatalistischen Aussagen, dass „das, was einst gelernt zu haben schön war, jetzt schändlich […] zu wissen“ sei, sowie dass „man jetzt umso weniger Tadel [ernte], über je weniger gelehrten Forscherdrang man verfüg[e]“, können ein Hinweis darauf sein, dass seine intellektuelle Begabung und Fähigkeiten sowie seine hohen literarischen Ambitionen zumindest von bestimmten Kreisen des Dillinger Kollegs argwöhnisch beäugt und möglicherweise auch mit einem Hinweis auf das christliche Ideal der Demut getadelt wurden. Während seiner Dillinger Zeit beschlich Drexel scheinbar immer mehr das Gefühl, dass seinem Intellekt und seinen literarischen Ambitionen und der damit einhergehenden hohen Produktivität allzu enge Grenzen gesetzt wurden, woraufhin er resigniert in eine tiefe Sinnkrise fiel. Er litt scheinbar vehement unter der Beschränkung seiner geistigen Freiheit (libertas) und seines gelehrten Forscherdrangs (eruditio). Wenn er an späterer Stelle im zitierten Brief anmerkt, dass sein Convivium, ein nicht näher bekannter Zyklus aus siebzig Emblemen, den er in Dillingen herausgegeben hat, in den dortigen Jahresberichten jedoch nicht einmal erwähnt werde, ist daraus abzulesen, dass Drexel die ihm gebührende Anerkennung ein Stück weit vermisste. Fast schon wehmütig sehnt er sich in jene Zeiten zurück, in denen Rader ausführlich in den Litterae annuae des Augsburger Kollegs über Drexels Schaffen berichtete: Currum meum mittam […] et adiungam insuper Convivium meum quod hic dedi: ultra 70. emblematum est; de illo tamen nec verbum in annuis. tu olim de 50. quaternionibus paratragaediasti in tuis annalibus. Sed sileo, sileo.⁶⁹
Drexels geminierter, selbsttadelnder Ausruf Sed sileo, sileo könnte möglicherweise ebenfalls darauf hindeuten, dass er aufgrund eines allzu sehr auf Ruhm und Anerkennung ausgerichteten Verhaltens jüngst in irgendeiner Weise zurechtgewiesen und zur Zurückhaltung aufgefordert wurde, was er sich mit dieser an sich selbst gerichteten Aussage performativ in Erinnerung ruft. Gleichzeitig ist anzunehmen, dass diese belastende Einengung und Frustration, wie er sie in Dillingen erfuhr, in ein Wechselverhältnis zu seinem Gesundheitszustand, um den es angeblich ohnehin schon immer schlecht bestellt war, getreten ist. Vielleicht wollte Rader daher durch die externen Aufführungen von Drexels Stücken der schwierigen Situation, in der sich sein Freund befand, zumindest
69 Schmid 1995, Nr. 192, Brief vom 28.12.1606. – Übersetzung: Meinen Currus werde ich dir zusenden […] und mein Convivium, das ich hier vor Ort veröffentlicht habe, werde ich ihm auch anhängen: Es beinhaltet mehr als siebzig Embleme; darüber steht in den Jahresberichten jedoch kein Wort. Du dagegen hast einst in deinen Annalen wegen fünfzig Quartbögen von mir einen ganzen Roman verfasst. Aber ich bin ja schon ruhig, ich bin ja schon ruhig. Vgl. Pörnbacher 1965a, S. 20.
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teilweise Abhilfe schaffen, was sowohl die Beschränkung von Drexels geistiger Freiheit als auch die von ihm vermisste Anerkennung betrifft. Somit besaß Rader ein vielschichtiges Interesse daran, auch für die Dramenaufführung zum Schuljahresbeginn 1607 die Zusammenarbeit mit Drexel fortzusetzen. Sie war in der Vergangenheit erfolgreich verlaufen und er konnte dadurch versuchen, seinem ehemaligen Schüler aus dessen Krise zu helfen. Zu diesem Zweck erbat er sich Ende 1606 den Text des Iulianus. Nach dessen Erhalt wollte er dann im Laufe des Jahres 1607 einen Blick darauf werfen, gegebenenfalls Änderungen und Verbesserungen vorschlagen und sich Gedanken über die Aufführung im Herbst machen. Mit der Aufforderung, ein Drama über Theodosius und Eudoxia zu verfassen, hatte Rader dann bereits den Beginn des übernächsten Schuljahres 1608/9 im Visier.⁷⁰ Aufgrund von Drexels Übersiedelung zum Schuljahr 1607/8 von Dillingen nach Ingolstadt und seines immer noch angeschlagenen Gesundheitszustandes, der mindestens bis in das Jahr 1609 in dieser Weise andauern sollte,⁷¹ kam es im Herbst 1607 zu keiner Aufführung eines seiner Werke. Auffallend ist außerdem, dass für das Jahr 1607 weder in Augsburg noch in Ingolstadt eine dramatische Aufführung belegt ist.⁷² Möglicherweise hat man sich in beiden Kollegien auf eine Fortsetzung der erfolgreichen Kooperation zwischen Drexel und Rader verlassen, die dann aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Erstgenannten nicht zustande kommen konnte. Somit dauerte es bis zum Schuljahresbeginn 1608 (renovatio studiorum), bis am 18. Oktober in der Aula des Ingolstädter Jesuitenkollegs Drexels Iulianus aufgeführt wurde.⁷³ Auch wenn die Acta Collegii Ingolstadiensis keine Informationen über die verantwortlichen Personen, weder über Autor noch Regisseur, liefern, muss davon ausgegangen werden, dass neben dem unzweifelhaft belegten Autoren Drexel, der zu dieser Zeit in Ingolstadt lebte und studierte, erneut Rader, auch wenn er, wie noch zu sehen sein wird, nicht persönlich der Aufführung bei-
70 Nach der Ablehnung durch Drexel wurde das Drama über Theodosius und Eudoxia letztlich von Kaspar Rhey verfasst. Das Manuskript sandte dieser auch an Rader. In einem Brief an Rader vom 17.12.1608 (Schmid 1995, Nr. 218) fordert Rhey dieses Manuskript wieder zurück. Seine erneute Aufforderung dazu in einem weiteren Brief (Januar 1609, Schmid 1995, Nr. 219) zeugt davon, dass Rader das Stück nicht sofort zurücksandte. Ähnliche Versäumnisse von Raders Seite sind auch in der Korrespondenz mit Drexel feststellbar. Rheys Theodosius kam letztlich erst im September 1613 in Regensburg zur Aufführung. Vgl. Valentin 1983/4 I, Nr. 700; Perioche in der BSB München: 4° Bavar. 2197 V,26 = Szarota 1979–1983 II,2, S. 1911–1951. 71 Vgl. Schmid 1995, Nr. 228, Brief an Rader vom 12.8.1609. Vgl. Anm. 32. 72 Valentin 1983/4 I, S. 65–66. 73 16. Die Octob. [sc. 1608] habita est in aula Gymnasij Tragoedia de Juliano Apostata cum auditoris approbatione. Act. Acad. Ing. fol. 78r . [Am 16. Oktober wurde in der Aula des Gymnasiums eine Tragödie über Julian Apostata unter Beifall des Publikums dargeboten.]
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wohnen konnte, an der Inszenierung beteiligt gewesen ist und somit die bereits Ende 1606 intendierte Zusammenarbeit für den Iulianus fortgesetzt wurde. Dies lässt sich durch einen Brief von Ferdinand Crendel SJ (1557–1614) belegen. Dieser war zur selben Zeit am Ingolstädter Kolleg tätig wie Drexel. Crendel schrieb am 25. Oktober 1608, also gerade einmal eine Woche nach der Aufführung des Iulianus, an Rader u.a. folgende Zeile: De studiorum renovatione iam opinor ab aliis scriptum et perscriptum.⁷⁴ Ein Bericht über dieses Ereignis wäre bei einer persönlichen Anwesenheit Raders überflüssig gewesen. Aus der Tatsache, dass Crendel die renovatio studiorum vom 18. Oktober in seinem Brief überhaupt erwähnt, konkrete Einzelheiten aber nicht nennt, sondern explizit anmerkt, dass ein detaillierter Bericht (iam […] scriptum et perscriptum) nicht mehr notwendig sei, muss gefolgert werden, dass Rader in irgendeiner Form an der Aufführung des Iulianus beteiligt und somit auch an einem Bericht darüber interessiert war. Durch einen Analogieschluss zum früheren Vorgehen von Drexel und Rader in solchen Fällen und im Besonderen aufgrund der skizzierten Vorgeschichte des Iulianus kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Rader seinen Freund Drexel im Vorfeld der Aufführung mit Rat und Tat unterstützte, indem er beispielsweise die konkrete Inszenierung mit Drexel absprach bzw. teilweise vielleicht auch bei den Proben anwesend war. Mit ab aliis ist folglich wohl auch in erster Linie Drexel selbst gemeint. Er wird seinen Freund Rader unmittelbar nach dem 18. Oktober brieflich über die gemeinsam vorbereitete Aufführung informiert haben, sodass es Crendel nicht für notwendig erachtete, dies selbst zu übernehmen. Aufgrund dieser Überlegungen kann der handschriftliche Befund des Manuskripts, der zuvor skizziert wurde (siehe Abschnitt 2.1), noch besser und präziser erklärt werden. Zunächst sei ein Blick auf den Teil des Textes geworfen, der zweifelsfrei der ersten und zweiten Arbeitsphase durch Drexel zuzuordnen ist (D¹ und D²). Hinsichtlich der Datierung muss für beide die Uraufführung des Stücks am 18. Oktober 1608 als terminus ante quem gesehen werden, da die zu diesem Anlass gedruckte Perioche⁷⁵ die nachträglich von D² hinzugefügte Szene V,11 beinhaltet. Es ist also auszuschließen, dass es sich bei D² um eine Überarbeitung des Stücks durch Drexel nach der Premiere, beispielsweise für eine mögliche spätere Wiederaufführung, handelt.
74 Schmid 1995, Nr. 217. – Übersetzung: Ich glaube, dass du bereits von anderen einen detaillierten schriftlichen Bericht über die feierliche Eröffnung des neuen Schuljahres erhalten hast. 75 Summa der Tragoedien von Keyser Juliano dem Abtrinnigen. Zu Ingolstadt den 16. Weinmonats/ im Jar Christi 1608 gehalten. P. Hierem. Drexel. S.J. Auth. Getruckt in der Ederischen Truckerey durch Andream Angermeyer; Exemplar in der BSB München: 4° Bavar. 2197, III, 54 = Szarota 1979–1983 II,1, S. 815–829.
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Hinweise auf eine genauere Datierung liefert der Abgleich der Handschriften der beiden ersten Arbeitsphasen am Iulianus und der Briefe Drexels an Rader aus derselben Zeit.⁷⁶ Dabei ergibt sich, dass D¹ weitgehend der Handschrift aus Drexels Briefen vor, D² der nach Dezember 1606 entspricht. Somit kommt nur dieser Monat als terminus ante quem für die erste Arbeitsphase in Frage. Angesichts des überaus sauberen und gleichmäßigen Schriftbildes sowie des Inhalts des ausführlich behandelten Briefes Drexels an Rader vom 28.12.1606 (Schmid 1995, Nr. 192) kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es sich bei der ersten Arbeitsphase (D¹) um die erste Ab- bzw. Reinschrift des Iulianus handelt, dessen Fertigstellung Drexel seinem Freund Rader schon vor dem 28.12.1606 schriftlich vermeldet hatte. Eben diese wurde dann von Rader angefordert, woraufhin Drexel ihm mitteilte, dass erst noch eine (weitere) Abschrift angefertigt werden müsse. Dass es sich bei D¹ nicht um diese von Rader angeforderte Abschrift des Iulianus handelt, belegt wiederum der Abgleich mit der Handschrift Drexels in seinen Briefen. Die Handschrift der zweiten Arbeitsphase (D²) weist eindeutig die in Drexels Briefen erst seit dem Dezember 1606 auffindbaren Spezifika auf (terminus post quem). Hierzu passt, dass sich das Wasserzeichen der ersten Lage, die lediglich von D² beschrieben wurde, von denen der übrigen Lagen, die alle dieselben zwei Wasserzeichen aufweisen, unterscheidet und (zumindest bisher) erst ab 1607 belegt ist (vgl. die ausführliche Handschriftenbeschreibung in Abschnitt 2.1). Betrachtet man die bis dahin übliche Vorgehensweise bei der Zusammenarbeit zwischen Drexel und Rader, so lässt sich beobachten, dass Rader jeweils um den Jahreswechsel das Manuskript für die Aufführungen zum Schuljahresbeginn im Herbst von Drexel anforderte.⁷⁷ Daher ist es für die Chronologie am wahrscheinlichsten, dass Drexel im Laufe des Jahres 1607, vielleicht erneut von Rader dazu aufgefordert, seine erste Fassung des Iulianus (D¹) ein weiteres Mal in die Hand nahm und einige Verbesserungen und Ergänzungen vollzog (D²). Dieser überarbeitete Text diente dann als Grundlage für die Aufführung, die im darauffolgenden Jahr stattfand. Es ist gut möglich, dass Drexel das heute erhaltene Manuskript
76 Drexels ebenfalls aus dem Jahr 1606 stammendes Drama Triumphus Crucis kann für die Datierungsfrage nur bedingt herangezogen werden, da es sich hierbei um eine eher gekünstelte Abschrift durch Drexel oder, was noch wahrscheinlicher ist, durch eine unbekannte Person zu handeln scheint. Sie weist vollkommen andere handschriftliche Spezifika auf. Lediglich die kurzen Regieanweisungen und drei eingelegte Blätter, die Ergänzungen zum Dramentext beinhalten, stimmen mit Drexels üblicher Handschrift aus seinen Briefen überein. Diese wiederum sind der Hand D¹ zuzuordnen. 77 So geschehen in den geschilderten Fällen von De cruce ferenda und ursprünglich auch beim Iulianus.
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(clm 2125) zu Beginn des Jahres 1608 an Rader zur Durchsicht bzw. Vorbereitung der Inszenierung sandte. Dies könnte eine plausible, auf der früheren gut dokumentierten Kooperation der beiden fußende Erklärung für die bereits erwähnte zweite (unbekannte) Hand (d) sein, die die tertiäre Arbeitsphase bildet. Bei dieser kann es sich durchaus um Eingriffe Raders in den Text handeln, die er im Hinblick auf die szenische Umsetzung durchführte. Da es sich mehrheitlich um Kürzungen, einzelne Ergänzungen und leichte Verbesserungen und nicht um substantielle Eingriffe in den Text handelt, können diese relativ zeitnah zur Aufführung, z.B. kurz vor dem Einstudieren, entstanden sein. Der weitere Weg des Manuskripts des Iulianus nach seiner Uraufführung ist schnell erzählt. Das nächste gesicherte Datum liefert erst der Besitzervermerk auf dem Titelblatt, der angibt, dass sich das Manuskript seit spätestens 1662 im Münchener Jesuitenkolleg befand. Für die Zeit zwischen 1608 und 1662 wurde von der Forschung eine Wiederaufführung des Iulianus für das Jahr 1630 in München postuliert. Sicher belegt ist jedoch lediglich die Aufführung eines Julian-Stoffes für den 7. und 10. Oktober im dortigen Jesuitengymnasium.⁷⁸ Valentin nennt als Autor Drexel, folgt dabei jedoch der äußerst vagen Vermutung von Johannes Müller.⁷⁹ Da überzeugende Beweise für diese Behauptung nicht vorliegen und generell zahlreiche Dramen mit einem Julian-Stoff belegt sind,⁸⁰ ist davon auszugehen, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht um Drexels Drama handelte, gänzlich ausgeschlossen werden kann es allerdings nicht. Der gute Zustand des Bandes deutet allerdings ebenfalls darauf hin, dass das Manuskript des Iulianus nach der Uraufführung kaum mehr in Benutzung war. Es ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass Drexel das Manuskript des Iulianus bei seinem Umzug von Ingolstadt nach München im Jahre 1610 mit sich führte und es einen Platz im dortigen Jesuitenkolleg fand. Die ehemals vorhandenen Bänder, die den Band zusammenhielten, könnten darauf hindeuten, dass Drexel sein Manuskript zum besseren Transport (nach München) oder zur besseren Aufbewahrung (im Münchener Jesuitenkolleg) binden ließ. Dass dies zu Drexels Lebzeiten geschehen sein muss, lässt sich neben dem zeitgenössischen
78 Das Diarium Gymnasii Monachensis verzeichnet für den 7. Oktober den Eintrag Exhibita primo Comoedia de Iuliano Apostata coelo favente und für den 10. Oktober Exhibita secundo Comoedia (quae ob pluvias heri non poterat haberi) coelo parato et clemente. Diar. Gymn. Mon. fol. 105v . [Die erste Aufführung einer Komödie über Julian Apostata fand unter sehr günstigen Witterungsbedingungen statt. / Die zweite Aufführung der Komödie (die wegen des Regens gestern ausfallen musste) fand unter gnädigen und freundlichen Witterungsbedingungen statt.] 79 Valentin 1983/4 I, Nr. 1065; Müller 1930 II, S. 6. 80 Vgl. S. 10 Anm. 26
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Einband auch daran belegen, dass an zwei Stellen (III,7 und IV,3) beim Zurechtschneiden der Seiten, das im Zuge der Buchbindung stattfand, die unterste Textzeile abgeschnitten und jeweils am Rand wieder handschriftlich ergänzt wurde. Diese hinzugefügten Zeilen weisen jedoch eindeutig die Spezifika der Handschrift Drexels, um genauer zu sein, die der zweiten Arbeitsphase (D²) auf (siehe Abb. 2.1, Seite 23). Vermutlich erstellte Drexel in diesem Zuge auch das heute erhaltene Titelblatt, das neben dem Titel des Dramas auch den genauen Aufführungstermin nennt. Ob ihn das Manuskript während seiner Lehr- und Schulleitertätigkeit in Augsburg (1612–1615) begleitete, dann nach der Berufung an den bayerischen Hof wieder nach München zurückkehrte und erst nach seinem Tod den Weg ins Jesuitenkolleg fand, oder ob es seit Drexels erstem Übersiedeln nach München 1610 fest im Kolleg verblieb, muss dagegen bis auf Weiteres eine offene Frage bleiben. Im Zuge der vorübergehenden Auflösung der Societas Iesu im Jahre 1773 ging das Manuskript in den Besitz der Bayerischen Hofbibliothek und mit ihr nach 1918/9 in den der Bayerischen Staatsbibliothek München über.
3 Aufstieg und Fall Kaiser Julians: Vom (neu-)stoisch-christlichen Gelehrten zum heidnischen Tyrannen Wie bereits die gedruckte ‚Einführung zur Tragödie‘ (ad Iulianum Tragoediam Isagoge)¹ ankündigt, durchläuft die Hauptfigur des Dramas einen Transformationsprozess. Dort heißt es, dass er sich von einem frommen Christen, der bereits in den geistlichen Stand eingetreten war, zu einem ‚Götzendiener‘ (idololatra) und Christenverfolger entwickle. Aus einem rechtschaffenen jungen Mann (probus), der über eine herausragende literarische und philosophische Bildung verfügt habe und zurecht als Weiser (satis doctus; philosophos aequavit, et sapientissimos Graecorum; doctrinae […] exemplar) bezeichnet worden sei, werde ein treuloser Verräter, skrupelloser Verbrecher und Mörder (scelestissimus Apostata). Während zunächst noch seine bescheidene Zurückhaltung und Unschuld (sanctimonia) lobenswert gewesen seien, zeichne er sich später durch sein ungezügeltes, grausames und unaufhaltsames Tyrannentum aus (ierit per omnes scelerum gradus). Bevor dieser Transformationsprozess aus verschiedenen Blickwinkeln näher beleuchtet werden kann, muss zunächst etwas ausführlicher auf den philosophisch-geistesgeschichtlichen Kontext, in dem der Iulianus entstand, eingegangen werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei die zeitgenössische Rezeption der stoischen Lehre im Allgemeinen und der philosophischen Schriften Senecas im Speziellen.
3.1 Justus Lipsius, der Neustoizismus und die Societas Iesu 3.1.1 Stoa und Christentum: Ein ambivalentes Verhältnis Die christliche Rezeption der Stoa setzt sich von Beginn an aus einer Melange aus Assimilierung, Überformung und kritischer Ablehnung von Teilen der stoischen Lehre zusammen.² Auf der einen Seite übernahmen die Christen bereitwillig stoische Begriffe und Vorstellungen. Indem sie die eigene Lehre in die Nähe dieser eta1 Siehe S. 179. 2 Einen Überblick liefern: Schmidt 2008a, S. 33–65; Fuhrer 2006; Strohm 1996, S. 122–127; Colish 1985 II; Pohlenz ⁴1970 I, S. 400–465. Speziell zum Verhältnis zwischen frühchristlicher Sittenlehre und stoischer Ethik siehe Stelzenberger 1933. Einen umfassenden Überblick über die Stoa-Rezeption bis heute liefern die Sammelbände von Sellars 2016 und Neymeyr/Schmidt/Zimmermann 2008. https://doi.org/10.1515/9783110593730-003
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blierten Philosophenschule rückten und bestimmte Kontinuitätslinien zwischen beiden betonten, konnten sie u.a. mittels des sogenannten ‚Altersbeweises‘, der die Abhängigkeit der paganen Philosophie von der christlichen Lehre aufzuzeigen versuchte, das Christentum nicht nur verteidigen, sondern auch dessen Überlegenheit über andere philosophische Richtungen herausstellen.³ Die Apologeten Tertullian und Minucius Felix zogen im dritten Jahrhundert beispielsweise Parallelen zwischen dem Ideal des stoischen Weisen, der innerlich so gefestigt ist, dass er allen Schicksalsschlägen mit Gleichmut begegnet, und den christlichen Märtyrern, die in derselben Weise Qualen und Tod erduldeten.⁴ Lactanz lobt die stoische Position zur autarken Tugend als die einzig wahre.⁵ Insbesondere den stoischen Philosophen Seneca schätzt man auf christlicher Seite überaus. Tertullian macht ihn zu „einem, der oft zu uns gehört“. Der Kirchenvater Hieronymus nimmt Seneca sogar unter die Heiligen auf.⁶ Der wohl im vierten Jahrhundert entstandene apokryphe Briefwechsel Senecas mit dem Apostel Paulus kann als Beweis gelten, wie eng die Verwandtschaft zwischen beiden Lehren gesehen wurde.⁷ Auf der anderen Seite bleibt aber eine Reihe von Elementen der Stoa unvereinbar mit der christlichen Lehre. Dazu zählen die Befürwortung des Selbstmords
3 Vgl. Fuhrer 2006, S. 108–109. Zum ‚Altersbeweis‘ bei den christlichen Apologeten siehe Pilhofer 1990, S. 221–284. 4 Z.B. Tert. mart. 4,3 und Sen. dial. 1,4,11; vgl. Brugnoli 2000, S. 225–226. Ferner Min. Fel. 36,4–7 und Sen. epist. 2,6 bzw. Min. Fel. 37,1 und Sen. dial. 1,2,9; vgl. Burger 1904, bes. S. 31–36. Zum Fortleben der Schriften Senecas bei christlichen Autoren bis ins dreizehnte Jahrhundert siehe Brugnoli 2000. Eine Analyse und Sammlung der antiken, u.a. christlichen Urteile über Seneca findet sich bei Trillitzsch 1971. 5 Inst. 3,27,4. Zum Rückgriff auf die Terminologie der stoischen Materialismuslehre durch Tertullian und Augustinus siehe Fuhrer 2006, S. 115–116 und Ricken 2003, Sp. 297–299. Zum Einfluss Senecas auf die genannten Autoren siehe ferner Brugnoli 2000, S. 225–229. Minucius Felix hebt die enge Verwandtschaft zwischen der stoischen und christlichen Gottesvorstellung hervor (Min. Fel. 19,10–11). Vgl. Schmidt 2008a, S. 42. Zur Übernahme und Anwendung stoischer Argumentationsmuster in Augustinus’ Dialog De vita beata siehe Harwardt 1999. 6 Tert. anim. 20,1; Hier. vir. ill. 12. Vgl. Fuhrer 2006, S. 109; Blüher 1969, S. 276. – Selbst Teile der Apostelgeschichte und der Paulusbriefe können stoischen Einfluss nicht leugnen. Die Apostelgeschichte erzählt, dass Paulus u.a. mit Stoikern diskutierte (Act 17,18). In seiner Rede auf dem Areopag zitiert er Arat von Soloi, einen Schüler Zenons, wörtlich (Act 17,28). Im Römerbrief (Rm 1,20) verbindet er alttestamentarische Schöpfungsfrömmigkeit (vgl. Ps 8 und 19 [Vul. Ps 18]) mit der teleologischen Weltsicht, wie sie der Stoiker Kleanthes in Ciceros Schrift De natura deorum (2,81–153) vorbringt. Vgl. Engberg-Pedersen 2016; Ricken 2003, Sp. 298; Rohls 2002, S. 103–108. 7 Ediert, übersetzt und kommentiert von Fürst u.a. 2006. Weitere Editionen führt Schmidt 2008a, S. 35 Anm. 82 auf. Zum apokryphen Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus siehe auch Dodson/Briones 2017; Rohls 2002, S. 121–122 und Mara 2001. Zur Ähnlichkeit der stoischen und christlichen Ethik siehe Thorsteinsson 2010 und Engberg-Pedersen 2000.
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unter bestimmten Umständen durch die Stoiker⁸ und der gottgleiche Status, den sie einem echten Weisen zuschreiben. Die stoische Vorstellung von einem unabänderlichen und weltimmanenten fatum widerspricht nicht nur dem christlichen transzendenten Gottesbegriff, sondern auch dem Konzept der menschlichen Willensfreiheit.⁹ Eine auch für folgende Jahrhunderte bedeutsame Rolle kam in der christlichen Auseinandersetzung mit der Stoa dem Kirchenvater und Bischof von Hippo Regius, Aurelius Augustinus (354–430), zu. Er sah in der fehlenden Transzendenz der stoischen Philosophie einen Hauptwiderspruch zur christlichen Lehre. Laut ihm stehe die diesseitsbezogene Position der Stoiker, laut der der Mensch eine natürliche Veranlagung zum Guten in sich trage, sich somit auch autonom für dieses entscheiden und es aus eigener Kraft verwirklichen könne, im Widerspruch zur christlichen Erbsünden- und Gnadenlehre, woraus er eine Verbindungslinie zwischen Stoikern und Pelagianern zieht.¹⁰ Das „glückselige Leben“ (beatitudo), das „höchste Gut“ des Menschen (summum bonum), das u.a. aus der Affektfreiheit (ἀπάθεια), also dem stoischen virtus-Ideal, besteht, könne nicht im irdischen Leib oder in der Seele oder in beiden, wie es die unterschiedlichen Teloslehren der Stoa vorgeben,¹¹ verwirklicht werden, sondern allein in Form des „ewigen Lebens“ (vita aeterna) im Paradies, das durch die Gnade und Erlösungstat Gottes erworben werde.¹² Affekten wie Freude (gaudium), Furcht (metus) und Trauer (dolor;
8 Vgl. z.B. Aug. civ. 19,4, S. 360,16–24. 9 Vgl. Schmidt 2008a, S. 46–50; Fuhrer 2006, S. 112. 10 Vgl. Fuhrer 2006, S. 118–119. 11 Aug. civ. 19,3. Vgl. Leonhardt 1999, S. 188–189. 12 Si ergo quaeratur a nobis, quid civitas Dei […] de finibus bonorum malorumque [sentiat]: respondebit aeternam vitam esse summum bonum, aeternam vero mortem summum malum […]. Illi autem, qui in ista vita fines bonorum et malorum esse putaverunt, sive in corpore sive in animo sive in utroque ponentes summum bonum, […] hic beati esse et a se ipsis beatificari mira vanitate voluerunt. Inrisit hos Veritas […]. Quid autem facere volumus, cum perfici volumus fine summi boni, nisi ut caro adversus spiritum non concupiscat, nec sit in nobis hoc vitium, contra quod spiritus concupiscat? Quod in hac vita, quamvis velimus, quoniam facere non valemus id saltem in adiutorio Dei facimus, ne carni concupiscenti adversus spiritum spiritu succumbente cedamus et ad perpetrandum peccatum nostra consensione pertrahamur. Absit ergo ut, quamdiu in hoc bello intestino sumus, iam nos beatitudinem, ad quam vincendo volumus pervenire, adeptos esse credamus. Civ. 19,4, S. 356,5–24 bzw. S. 358,19–29. [Fragt man nun uns, was der Gottesstaat […] über das höchste Gut und Übel für eine Meinung habe, so gibt er zur Antwort, das ewige Leben sei das höchste Gut, der ewige Tod aber das größte Übel. […]. Jene aber, die meinen, das Endziel des Guten und Bösen sei in diesem Leben zu finden, suchen das höchste Gut entweder im Leibe oder in der Seele oder in beiden. […] In jedem Fall wollen sie in erstaunlicher Verblendung hier glückselig sein und durch sich selbst glückselig werden. Aber die Wahrheit spottet ihrer […]. Was aber wollen wir anderes erreichen, die wir nach der Vollendung im Besitz des höchsten Gutes trach-
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tristitia) misst er einen positiven Wert zu. Eine völlige Apathie von allen Affekten könne seiner Ansicht nach nur im Jenseits verwirklicht werden.¹³ Insbesondere das Mitleid (misericordia) gehört für ihn zu den urchristlichen Tugenden.¹⁴ Die philologische Aufarbeitung der antiken Quellen zur Stoa, insbesondere der philosophischen Werke Ciceros und Senecas im fünfzehnten und frühen sechzehnten Jahrhundert,¹⁵ bildet den Ausgangspunkt für eine Neubelebung der Rezeption der Stoa im Allgemeinen und der Schriften Senecas im Speziellen. Beten, als daß das Fleisch nicht mehr wider den Geist gelüste und das Gebrechen, wider das den Geist gelüstet, in uns ausgetilgt werde? Aber in diesem Erdenleben, wenn wir uns noch so sehr bemühen, erreichen wir’s nicht, bringen es höchstens mit Gottes Hilfe so weit, daß der Geist dem wider ihn gelüstenden Fleisch nicht weicht und unterliegt und wir uns nicht dazu hinreißen lassen, in die Sünde einzuwilligen. Aber fern muß es uns liegen, solange dieser innere Kampf dauert, zu glauben, wir hätten die Seligkeit, zu der wir siegend gelangen möchten, schon erlangt. Übersetzung: Thimme 2007; Hervorhebungen durch Verfasser.] Vgl. auch civ. 19,25, retract. 1,2. Siehe dazu auch: Schmidt 2008a, S. 86; Fuhrer 2006, S. 119–120; Pohlenz ⁴1970 I, S. 454–455; Brauneck 1969, S. 38–40. 13 Civ. 14,9, S. 20,13–20 bzw. S. 24,7–10: Apud nos autem iuxta scripturas sanctas sanamque doctrinam cives sanctae civitatis Dei in huius vitae peregrinatione secundum Deum viventes metuunt cupiuntque, dolent gaudentque, et quia rectus est amor eorum, istas omnes affectiones rectas habent. Metuunt poenam aeternam, cupiunt vitam aeternam; dolent in re, quia ipsi in semet ipsis adhuc ingemescunt adoptionem expectantes, redemptionem corporis sui; gaudent in spe […]. Si autem ἀπάθεια illa est, ubi nunc metus ullus exterret nec angit dolor, aversanda est in hac vita, si recte, hoc est secundum Deum, vivere volumus; in illa vero beata, quae sempiterna promittitur, plane speranda est. [Bei uns aber empfinden im Einklang mit den heiligen Schriften und der gesunden Lehre die Bürger des heiligen Gottesstaates, die auf der Pilgerreise dieses Lebens nach Gott leben, Furcht und Verlangen, Schmerz und Freude, und weil ihre Liebe recht ist, sind auch all diese ihre Seelenregungen recht. Sie fürchten die ewige Pein und begehren das ewige Leben, trauern hüben, weil sie noch bei sich selbst aufseufzen und auf die Kindschaft, ihres Leibes Erlösung warten, und freuen sich in Hoffnung auf drüben […]. Ist aber Apathie solch ein Zustand, wo weder Furcht schrecken noch Schmerz quälen kann, ist er zwar für dies Leben, wenn wir es recht, das heißt nach Gott führen wollen, abzulehnen, aber für jenes selige Leben, dessen ewige Dauer uns verheißen ist, durchaus zu erhoffen. Übersetzung: Thimme 2007; Hervorhebungen durch Verfasser.] Vgl. Fuhrer 2006, S. 116–118; Fiedrowicz 1997, S. 225–230. 14 Siehe v.a. civ. 9,5. Vgl. Newmark 2009, Sp. 150. 15 Im Jahre 1465 erschienen in Mainz mit De officiis und den Paradoxa Stoicorum erstmals philosophische Schriften Ciceros im Druck. Die Editio princeps der in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtigen Tusculanae disputationes datiert ins Jahr 1469 (Rom), diejenige von De finibus bonorum et malorum erschien ungefähr ein Jahr später (Köln). Die erste große Sammelausgabe der philosophischen Schriften (ac., fin., Tusc., nat. deor., div., Cato) besorgten Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz im Jahre 1471 (Rom). – Senecas Epistulae morales erschienen erstmals in Neapel im Jahr 1475 in gedruckter Form. Weitere Ausgaben folgten in Venedig (1490), Köln (um 1495) und Paris (um 1499). Eine der wichtigsten Editionen stammt von Erasmus von Rotterdam. Im Jahre 1515 erschien seine erste Gesamtausgabe der Werke Senecas, wobei er zwar Echtes von Unechtem trennte, zwischen den Schriften des älteren und denen des jüngeren Seneca jedoch
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reits die Werke Francesco Petrarcas (1304–1374) und dessen Zeitgenossen Geert Groote (1340–1385) weisen starke Einflüsse Senecas auf.¹⁶ Erasmus von Rotterdam, auf den eine der wichtigsten Gesamteditionen der Werke Senecas zurückgeht (1515/1529), schätzt den kaiserzeitlichen Philosophen als Weisheitslehrer, weil er als Nichtchrist den Christen etwas zu sagen habe, lehnt gleichzeitig aber und in Übereinstimmung mit Augustinus die stoische Lehre von den Affekten ab.¹⁷ Die Ethik der Stoa übt v.a. auf die Reformatoren großen Einfluss aus. Laut Günter Abel bildet die „Herausstellung der Subjektivität des Einzelnen“, der in direkten Bezug zu seiner ‚Heilsquelle‘ tritt, die Verbindung zwischen Reformation und Stoizismus.¹⁸ Luther sieht Seneca als wichtige Autorität in ethischen Fragen. Melanchthon gibt mehrfach Ciceros Schrift De officiis heraus und verfasst einen Kommentar dazu.¹⁹ Günter Frank konnte ferner aufzeigen, dass Melanchthons Rationalitätsbegriff maßgeblich auf stoisch-platonisches Gedankengut zurückgeht.²⁰ Noch größere Resonanz erfuhr die Stoa von Seiten der reformierten Konfession. Ulrich Zwinglis 1530 erschienene Schrift De providentia bedient sich ausführlich der philosophischen Schriften Senecas.²¹ Der Genfer Reformator Johannes Calvin gibt 1532 einen Kommentar zu Senecas De clementia heraus.²² Seine ‚reformierte‘ Lehre bedient sich zahlreicher Elemente der stoischen Physik, Providenz- und Prädestinationslehre und der Vorstellung eines Natur und Vernunft gemäßen Lebens, nicht ohne jedoch eine deutliche Absage an die (unchristliche) Apathie des stoischen Weisen zu formulieren.²³ Generell weist der
wie die älteren Editionen nicht unterschied. 1529 folgte eine zweite, überarbeitete Ausgabe durch Erasmus (vgl. Lanzarone 2010, Sp. 863; Newmark 2009, Sp. 150; Walter 2008, S. 503–506; Walter 2006, S. 132–135; Strohm 1996, S. 124 mit Anm. 244). Später besorgten der französische Philologe Marc-Antoine Muret (Rom 1585), der Leiter der Heidelberger Bibliotheca Palatina Jan Gruter (Heidelberg 1604) und Justus Lipsius (erstmals Antwerpen 1605) weitere Editionen. Eine detaillierte Auflistung zur Verbreitung von Quellen zur Stoa von 1300 bis 1634 liefert Palmer 2016, S. 125–130. 16 Siehe dazu ausführlicher: Schmidt 2008a, S. 55–65; Walter 2006, S. 137–139; Ricken 2003, Sp. 299–301; Rohls 2002, S. 244–245; Strohm 1996, S. 124; Abel 1978, S. 44–47 sowie Pohlenz ⁴1970 I, S. 466–467. 17 Siehe v.a. Adag. 1001 (‚Festina lente‘). Vgl. Pitkin 2016, S. 145–150; Walter 2006, S. 139; Abel 1978, S. 57–60. 18 Abel 1978, S. 54. 19 Vgl. Strohm 1996, S. 127; Pohlenz ⁴1970 I, S. 467. Zu Melanchthons „Harmonisierungsstrategie“ zwischen Stoa und Christentum siehe Abel 1978, S. 55. 20 Frank 2008. 21 Vgl. Schmidt 2008a, S. 48–49; Ricken 2003, Sp. 301; Abel 1978, S. 55. 22 Neuediert von Battles/Hugo 1969. Siehe dazu auch: Pitkin 2016, S. 147–148; Walter 2006, S. 139–140. 23 Siehe dazu: Pitkin 2016, S. 150–154; Oberman 2003, S. 180–181; Ricken 2003, Sp. 301–302; Strohm 1996, S. 127–129 und 151–159 mit zahlreichen Literaturhinweisen zu den einzelnen Punk-
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Calvinismus eine große Nähe zum ‚Neustoizismus‘ auf, in dessen Rahmen die stoische Lehre in der Frühen Neuzeit ihre größte Wirkung entfaltete.²⁴ Dieses Konzept geht maßgeblich auf den Niederländer Justus Lipsius (1547–1606) zurück, der katholisch getauft zeitweilig Anhänger des Protestantismus (1572) und des Calvinismus (1578–1591) war.²⁵
3.1.2 Justus Lipsius und der Neustoizismus Das Bemühen von Justus Lipsius²⁶ ist vor dem Hintergrund der skizzierten Tradition der christlichen Auseinandersetzung mit der Stoa zu sehen. Er verfolgt in seiner 1584 erstmals erschienenen Schrift De constantia libri duo qui alloquium praecipue continent in publicis malis (const.) das Ziel, eine praxisorientierte, auf dem System der natürlichen Vernunft basierende und überkonfessionelle Anleitung zu geben, um die Katastrophen seiner eigenen Gegenwart selbsttherapeutisch zu verarbeiten. Um dies zu erreichen, unternimmt er den Versuch, eine Synthese zwischen der stoischen Lehre Senecas (allein schon der Titel nimmt unmissverständlich Bezug auf Senecas Dialog De constantia sapientis) und dem Christentum herzustellen,²⁷ nicht ohne jedoch auch die grundlegenden Divergenzen beim Namen zu nennen. Den Ausgangspunkt von De constantia bilden biographische Erlebnisse des Autors. Lipsius floh im Herbst 1571 oder im darauffolgenden Winter aus den Niederlanden, um der Eskalation der konfessionellen Auseinandersetzungen in seiner Heimat zu entkommen.²⁸
ten; Rohls 2002, S. 281–282; Abel 1978, S. 55–57; Pohlenz ⁴1970 I, S. 467–468. Zum Einfluss der Stoa auf die Tugendlehre des Calvinschülers Lambertus Dannaeus siehe Strohm 1996, S. 131–151. 24 Vgl. Lanzarone 2010, Sp. 864; Schmid 2006, S. 265; Strohm 1996, S. 129–131; Oestreich 1989, S. 101; Abel 1978, S. 55–57. Grundlegend zum Neustoizismus siehe: Bergemann 2014, Sp. 945–950; Oestreich 2008; Ricken 2003, Sp. 303–306; Lagrée 1994; Oestreich 1989; Stolleis 1988, S. 96–97; Münkler 1985, S. 61–67; Abel 1978; D’Angers 1976; Dilthey ⁹1970, S. 439–452; Blüher 1969, bes. S. 281–309; Oestreich 1969, S. 101–156; Saunders 1955. 25 Vgl. Llanque 2008, S. 192. 26 Eine relativ aktuelle Kurzbibliographie zu Justus Lipsius liefert Schmid 2006, S. 264 Anm. 9. 27 Siehe ausführlich dazu Buzzi 2001. 28 Im April 1566 hatten sich die politischen, sozialen und konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen der habsburgischen Obrigkeit und dem ansässigen Adel in einem Aufstand gegen die spanisch-habsburgische Oberherrschaft entladen. Der Aufstand manifestierte sich v.a. in Form von Bilderstürmen und Plünderungen. Das „Blutregiment“ (vgl. Rabe 1991, S. 544) des ab 1567 amtierenden habsburgischen Statthalters Fernando Álvarez de Toledo, Herzog von Alba (1507–1582), verschärfte die Situation erheblich. Hohe Adlige wurden gefangen genommen und
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In De constantia erzählt Lipsius von einem fiktiven Gespräch, das sich zwischen ihm und Carolus Langius (eigentlich Karel de Langhe, 1521–1573), einem gebildeten Kanoniker aus Lüttich, auf besagter Flucht, die ihn u.a. an den Wiener Kaiserhof und an die Universität Jena führte,²⁹ ereignet haben soll. Darin spendet Langius seinem Begleiter Lipsius, der von den Ereignissen in seiner Heimat tief erschüttert ist,³⁰ Trost und greift zu diesem Zweck auf zahlreiche Elemente der stoischen Philosophie zurück.³¹ Bereits in der Einleitung schreibt ihm Langius vor, dass man nicht vor dem Vaterland fliehen müsse, sondern vor den Affekten.³² Denn, da der Mensch seine kranke Seele immer bei sich habe, könne er ihr nicht entkommen.³³ Heilung verspreche allein die Weisheit (sapientia) und Standhaftigkeit (constantia). Hinter letzterer verberge sich die „rechtmäßige und
öffentlich hingerichtet. Mehr als tausend Todesurteile wurden allein bis 1572 vollstreckt, wobei sowohl Reformierte als auch Katholiken betroffen waren. Nachdem die niederländischen Landstände eigenmächtig Wilhelm von Oranien als Statthalter eingesetzt hatten, kam es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen spanischen und niederländischen Truppen. Vor diesen gewaltsamen Unruhen und kriegerischen Zuständen flohen rund 60.000 Menschen außer Landes. Vor demselben historischen Hintergrund wird später auch Friedrich Schillers Drama Don Carlos (1787) spielen. Zum Aufstand der niederländischen Provinzen siehe ferner: Schorn-Schütte 2010, S. 102–108; Lutz ⁵2002, S. 77–79; Erbe 2000, S. 58–60; Rabe 1991, S. 539–554. 29 Vgl. Oestreich 2008, S. 578; Oestreich 1989, S. 51–52. 30 Vgl. const. 1,1. 31 Vgl. Oestreich 2008, S. 576–578; Walter 2006, S. 140–141; Oestreich 1989, S. 69–71. 32 Itaque non patria fugienda, Lipsi: sed adfectus sunt. Const. 1,1. 33 Const. 1,2. Vgl. die berühmte Redensart bei Horaz: Caelum, non animum mutant, qui trans mare currunt. Epist. 1,11,27. [Diejenigen, die über das Meer fahren, wechseln den Himmel über ihren Köpfen, nicht deren Inhalt.] Diesselbe findet sich schon beim Athener Redner Aischines: οὐδ’ ὅστις ἐστὶν οἴκοι φαῦλος, οὐδέποτ’ ἦν ἐν Μακεδονίᾳ καλὸς κἀγαθός⋅ οὐ γὰρ τὸν τρόπον, ἀλλὰ τὸν τόπον μετήλλαξεν. Ctes. 78. [Und ein Mann, der sich zuhause schlecht verhält, war auch in Makedonien niemals ein guter und ehrenwerter Mann, denn mit seiner Reise veränderte er seinen Aufenthaltsort, nicht sein inneres Wesen.] Später auch von Lukrez (3,1053–1059), Cicero (Quinct. 12) und ganz besonders Seneca verwendet: Non multum ad hoc locus confert nisi se sibi praestat animus, qui secretum in occupationibus mediis si volet habebit: at ille qui regiones eligit et otium captat ubique quo distringatur inveniet. Nam Socraten querenti cuidam quod nihil sibi peregrinationes profuissent respondisse ferunt, ‚non inmerito hoc tibi evenit; tecum enim peregrinaberis‘. Epist. 104,7. [Diesem Aufenthaltsort kommt wenig Bedeutung zu, es sei denn, dass die Seele inmitten ihrer Geschäftigkeiten ihre Zurückgezogenheit nach eigenem Willen bewahrt und sich so nur ihrer selbst annimmt. Derjenige aber, der sich andere Gegenden aussucht und auf Muße aus ist, der wird überall etwas finden, was ihn zerstreut. Denn Sokrates soll einem, der darüber klagte, dass ihm seine Reisen keinen Nutzen gebracht hätten, geantwortet haben: ‚Das geschah dir zurecht: denn du warst mit dir selbst in der Fremde‘.] Vgl. auch: animum debes mutare, non caelum. Epist. 28,1; sowie: Itaque scire debemus non locorum vitium esse quo laboramus, sed nostrum. Dial. 9,2,15. [Deshalb müssen wir uns bewusst sein, dass es nicht der Makel von Orten ist, an dem wir leiden, sondern unser eigener.] Vgl. Otto 1890, S. 61.
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unbewegliche Stärke des Gemüts [robur animi], die von nichts Äußerlichem oder Zufälligem hinweggehoben oder unterdrückt wird“.³⁴ Sie ist somit die entscheidende Tugend, die die menschliche Seele vor Schicksalsschlägen und Unglück, aber auch vor Verführung beschützen könne.³⁵ Der constantia stellt Langius die Borniertheit (pervicacia bzw. pertinacia) als negativen Komplementärbegriff gegenüber. Auch sie sei zwar als „Stärke eines fest entschlossenen Gemüts“ zu begreifen, resultiere jedoch aus dem „Winde des Stolzes [superbia] und der Ruhmseligkeit [gloria]“:³⁶ Deprimi enim haud facile tumidi isti et pervicaces possunt, facillime attolli: non aliter quam culleus, qui vento inflatus aegre mergitur, supereminet autem et exsilit sua sponte. Talis enim istorum ventosa haec durities est; cui origo a Superbia, ut dixi, et nimio pretio sui. Igitur ab opinione.³⁷
Constantia entwachse dagegen aus Ertragen (patientia) und der Erniedrigung des Gemüts (demissio animi), die zwang- und klaglos (voluntaria et sine querela perpessio) alle Dinge erdulden, „die einem Menschen von irgendwoher geschehen oder widerfahren“.³⁸ Grundlage der constantia seien nicht Meinungen (opiniones), d.h. nichtige und trügerische Urteile über die menschlichen und göttlichen Dinge, denn aus diesen erwachse ihr Gegenteil, die Unbeständigkeit (infirmitas animi). Meinungen führten dazu, dass zufällige und äußerliche Güter wie Reichtum (opes), Ehre (honor), Macht (potentia), Gesundheit (sanitas) und ein langes Leben (longaevitas) und deren entgegengesetzte Übel wie Armut (inopia), Schande (infamia), Schwäche (impotentia), Krankheit (morbus) und Tod (mors) fälschlicherweise für gut bzw. schlecht gehalten würden. Von diesen beiden Teilbereichen,
34 Constantiam hic appello, rectum et immotum animi robur, non elati externis aut fortuitis, non depressi. Const. 1,4. [Übersetzung: Neumann 1998.] 35 Vgl. Oestreich 2008, S. 582; Blüher 1969, S. 301. 36 Exclusam enim ante omnia volo Pervicaciam, (sive ea melius pertinacia dicitur:) quae et ipsa obstinati animi robur est, sed a superbiae aut gloriae vento. Const. 1,4. Zitate aus der Übersetzung von Neumann 1998. 37 Const. 1,4 (Hervorhebungen durch Verfasser). – Übersetzung: Diese aufgeblasenen und bornierten Menschen [tumidi isti et pervicaces] können nur schwer niedergedrückt, aber äußerst leicht emporgehoben werden. Genauso wie ein Schlauch, der vom Wind aufgeblasen nur schwer untergetaucht werden kann, sondern vielmehr von selbst wieder an die Oberfläche kommt und hervorspringt, verhält es sich mit der aufgeblasenen Borniertheit der Leute [ventosa durities], die, wie gesagt, aus Hochmut [superbia] und aus der allzu großen Meinung von sich selbst [nimio pretio sui], also aus ihrem falschen Wahn [opinio] erwächst. 38 At Constantiae vera mater, Patientia et demissio animi est. Quam definio rerum quaecumque homini aliunde accidunt aut incidunt voluntariam et sine querela perpessionem. Const. 1,4. Übersetzung: Neumann 1998.
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aus denen die menschlichen Hauptaffekte Begierde und Freude (cupiditas et gaudium) bzw. Furcht und Schmerz (metus et dolor) entstünden, gehe die größte Bedrohung für die constantia aus.³⁹ Wie die eine Gruppe ein ausgeglichenes Gemüt nach oben hebt, drückt es die andere nach unten.⁴⁰ Constantia könne dagegen ausschließlich auf einem wahrhaftigen Urteil (verum iudicium) gründen, das aus der rechtgeleiteten Vernunft (recta ratio) entstehe.⁴¹ Worauf dieses Urteil beruhe, erläutert Langius im Folgenden. Zunächst gehe es darum, die falschen Affekte simulatio (Verwechslung von privaten mit öffentlichen Übeln), pietas (zu große Vaterlandsliebe) und miseratio (aus Kleinmut resultierendes falsches Mitleid) zu überwinden.⁴² Umgekehrt müsse man sich dann die wahren Zusammenhänge, die das menschliche Leben bestimmten, vergegenwärtigen. Damit kommt Langius auf einen der größten Unterschiede zwischen christlicher und stoischer Lehre zu sprechen, nämlich auf die Rolle der providentia (‚Vorsehung‘) und die des fatum (‚Geschick, Zufall‘),⁴³ ein Thema, das er selbst als ‚Charybdis‘ bezeichnet: Verto proram, et removeo me ab hac Charybdi.⁴⁴ Er verdeutlicht Lipsius, dass Katastrophen wie die gegenwärtigen in den Niederlanden von Gott geschickt würden. Das Unglück sei notwendig, es stamme vom fatum und könne somit nicht vermieden werden. Es besitze seinen Nutzen und sei weder zu schwer noch neuartig.⁴⁵ Vom fatum müsse aber die providentia unterschieden werden.⁴⁶ Das fatum gehe zwar auch von Gott aus, beziehe sich aber auf die Dinge (ad res ipsas) und könne nur in diesen wahrgenommen werden. Die providentia dagegen sei allein in Gott (in deo) und könne ihm allein zugeschrieben werden.⁴⁷ Wenn
39 Duo sunt, quae arcem hanc in nobis Constantiae oppugnant, Falsa bona, Falsa mala. Utraque sic appello, quae non in nobis sed circa nos, quaeque interiorem hunc hominem, id est animum, proprie non iuvant aut laedunt. Itaque Bona aut Mala ea, re et ratione non dicam: fatebor opinione esse, et communi quodam vulgi sensu. In priori classe numerant, Opes, Honores, Potentiam, Sanitatem, Longaevitatem. In posteriori, Inopiam, infamiam, Impotentiam, Morbos, Mortes: et ut verbo uno complectar, quidquid aliud fortuitum aut externum. Const. 1,7, Hervorhebungen durch Verfasser. Vgl. Oestreich 1989, S. 74. 40 Depellunt eum ab hoc libramento, illi attollendo, hi deprimendo. Const. 1,7. 41 Const. 1,5. Vgl. Oestreich 1989, S. 72; Blüher 1969, S. 302. 42 Const. 1,8–12. Vgl. Oestreich 1989, S. 74–77. 43 Siehe dazu auch: Lagrée 2016, S. 165–167; Oestreich 2008, S. 582; Schmidt 2008a, S. 51–52; Buzzi 2001, S. 380–382; Oestreich 1989, S. 77–81; Blüher 1969, S. 302–303. 44 Const. 1,21. 45 Primo pugnabo, A deo immitti et circummitti haec publica mala: secundo, Necessaria ea esse et a Fato; tertio, Utilia nobis: postremo, Nec gravia nimis, nec nova. Const. 1,13. 46 Persevero aliud Providentiam esse proprie, aliud nostrum Fatum. Const. 1,19. 47 At Fatum ad res ipsas magis descendere videtur, in iisque singulis spectari. […] Itaque illa [sc. providentia] in deo est, et ei soli tribuitur: hoc [sc. fatum] in rebus et iis adscribitur. […] hoc [sc. fatum] a deo quidem, sed intellegi in rebus. Const. 1,19.
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Langius im Folgenden das fatum der providentia unterordnet,⁴⁸ gelingt es ihm, eine Synthese aus der christlichen und stoischen Prädestinationslehre herzustellen. Wenn Gott nicht mit dem fatum gleichbedeutend sei, wie es die Stoiker behaupteten,⁴⁹ sondern Gott über ihm stehe, liege auch die Gestaltung des fatum frei in seiner Hand. Er habe alles nach seinem freien Willen geschaffen und erhalte es in derselben Weise. Wann immer es ihm beliebe, könne er die „verwirrten Scharen und Windungen des fatum überschreiten und zerreißen“.⁵⁰ Das fatum stelle daher keinen „seit Ewigkeit vorhandenen lückenlosen Kausalzusammenhang“⁵¹ dar. Für den Menschen bleibe die eigene Willensfreiheit insofern erhalten,⁵² als er nicht „weiß, dass er wollen müsse, was das Schicksal [fatum] will“.⁵³ Gott habe gewollt, dass die Menschen Überlegungen anstellen und aus verschiedenen Möglichkeiten auswählen. Sie entschieden nach freiem Willen und dennoch habe Gott ihre Entscheidung schon seit Ewigkeit gekannt. Er habe alles vorhergesehen,
48 Addo amplius, Providentiam etsi reapse a Fato indivulsam, tamen praestantius quiddam et prius Fato videri. Const. 1,19. 49 Vgl. Sen. benef. 4,7,1–2. 50 Illi [sc. Stoici] deum Fato subijciunt; […] at nos Fatum deo, quem liberrimum omnium rerum auctorem et actorem esse volumus et transscendere cum libuit ac rumpere implexa illa agmina et volumina Fati. Const. 1,20. Übersetzung: Neumann 1998. 51 Blüher 1969, S. 303. Vgl.: Item illi [sc. Stoici] ab aeterno fluentem seriem caussarum naturalium constituunt. Nos nec naturalium caussarum semper, (deus enim prodigij aut miraculi caussa, saepe citra, imo contra naturam egit:) nec ab aeterno; quia secundae caussae non aeternae. Origo enim ijs certe cum mundo. Const. 1,20. [Außerdem stellen sie [sc. die Stoiker] eine von Ewigkeit her folgende Reihe natürlicher Ursachen auf. Wir aber sagen, daß die natürlichen Ursachen nicht immer aneinanderhängen (denn Gott hat bisweilen in seinen Vorzeichen und Wundern ohne, ja sogar gegen die Natur gehandelt) und daß sie auch nicht von Ewigkeit her aufeinanderfolgen, denn die zweiten Ursachen sind nicht ewig, weil es sie wahrhaftig erst seit Erschaffung der Welt gibt. Übersetzung: Neumann 1998]. 52 Voluntati vim illi [sc. Stoici] intulisse visi violentam. Abest hoc a nobis, qui et fatum ponimus, et in gratiam tamen reducimus cum arbitrij libertate. Ita enim Fortunae et Casus fallacem ventum fugimus, ut navim hanc ad Necessitatis scopulum non allidamus. Fatum est? sed prima nempe caussa. Quae adeo secundas mediasque non tollit, ut non nisi (ordinatim quidem et ὡς ἐστὶ τὸ πλεῖστον) per eas agat. At inter secundas, etiam Voluntas tua est: quam fuge credere, ut deus ille cogat aut tollat. Const. 1,20. [Schließlich scheint es, daß die Stoiker dem freien Willen Gewalt angetan haben. Das steht uns fern. Wenn wir auch das Fatum setzen, so setzen wir es doch ins Verhältnis mit der Freiheit des Willens. Denn wir fliehen und meiden den trügerischen Wind der Fortuna und des Zufalls so, daß wir doch nicht zugleich mit unserem Schiffchen auf den Fels der Notwendigkeit auflaufen. Es gibt zwar ein Fatum, aber es ist nur die erste Ursache, die die zweite und mittleren Ursachen nicht wegnimmt und die auch (und zwar ordentlich und so oft als möglich) durch sie wirkt. Aber unter den zweiten Ursachen ist auch dein freier Wille, von dem du dich hüten solltest zu glauben, daß Gott ihn zwingt oder hinwegnimmt. Übersetzung: Neumann 1998.] 53 Nemo scit aut cogitat se velle, quod vult Fatum. Const. 1,20.
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zwinge aber den Menschen zu nichts. Er habe alles gewusst, aber nicht befohlen; vorhergesagt, aber nicht vorgeschrieben. Nicht das Schicksal handle somit, sondern der Mensch nach seinem freien Willen.⁵⁴ Genau diese Beziehung beweist er auch in Bezug auf die Sünde mit Hilfe eines einfachen Syllogismus: Fateor, necessario; sed non pro tua mente: libera voluntate hic interveniente. Nempe hoc providit, ut eo modo pecces quo providit: providit autem ut libere: igitur necessario libere peccas.⁵⁵
Die Bedeutung von Lipsius’ philosophischem Werk⁵⁶ für seine Zeit und darüber hinaus ist kaum zu überschätzen. Auch wenn er sich wiederholt gegen Angriffe von Theologen aus allen konfessionellen Lagern verteidigen musste,⁵⁷ erlangte De constantia und die in ihr dargelegte Lehre des Neustoizismus in Europa eine Verbreitung, die ihresgleichen sucht.⁵⁸ Constantia, die Grundtugend, um die sich Lipsius’ gesamtes Konzept dreht, wird in ganz Europa zu einem, wie Gerhard Oestreich meint, „Kernbegriff des moralisch-weltanschaulichen Empfindens jener Zeit“.⁵⁹ Sie übte nicht nur auf die zeitgenössische Philosophie eine immense Wir-
54 [Deus vult] homines deliberare, eligere? Deliberant sine ulla vi et eligunt, per voluntatem. Et tamen hoc ipsum quod electuri fuerunt, vidit ipse ab aeterno: sed vidit, non coëgit; scivit, non sanxit; praedixit, non praescripsit. Const. 1,20. Vgl. Oestreich 1989, S. 80–81. 55 Const. 1,20 (Hervorhebungen durch Verfasser). [Ich gebe es zu: du sündigst notwendigerweise! Aber durch deinen freien Willen. Das nämlich hat Gott vorhergesehen, dass du auf die Weise sündigen würdest, wie er es vorhergesehen hat. Er hat es aber so vorhergesehen, dass du mit freiem Willen sündigst. Deshalb sündigst du mit freiem Willen notwendig. Übersetzung: Neumann 1998.] 56 Neben der ausführlich behandelten Schrift De constantia sind an dieser Stelle noch die etwas später entstandenen Manuductionis ad Stoicam philosophiam libri tres und die Physiologiae Stoicorum libri tres zu erwähnen. In ihnen hat Lipsius den Versuch unternommen, ebenfalls unter starkem Rückgriff auf Seneca die stoische Ethiklehre systematisch zu rekonstruieren. Seine kommentierte Seneca-Gesamtausgabe von 1605 komplementiert sein Bemühen, den antiken Stoizismus in einem christlichen Gewand neu zu beleben und mit dieser Synthese eine praktische und vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Gegenwart bewusst überkonfessionelle Lebenshilfe zu geben. Vgl. Walter 2006, S. 142; Ricken 2003, Sp. 303–305; Blüher 1969, S. 304–306. 57 Siehe dazu näher: Oestreich 1989, S. 90–93 und Bauer 1987, S. 457–458. 58 Allein in den 22 Jahren zwischen der Ersterscheinung und Lipsius’ Tod im Jahre 1606 erschienen 25 Auflagen in lateinischer Sprache und vierzehn in Übersetzung. Zwischen 1584 und 1705 erfolgten 41 Auflagen in lateinischer Sprache, Übersetzungen in alle wichtigen Volkssprachen gingen damit einher. Vgl. Oestreich 2008, S. 581–582 und 605–611; Schmidt 2008a, S. 51 und 75– 76; Neumann 1998, S. 445–446; Oestreich 1989, S. 93–94. 59 Oestreich 2008, S. 581.
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kung aus, sondern auch auf Literatur, Kunst, Naturrecht und Geschichtsphilosophie folgender Jahrhunderte.⁶⁰
3.1.3 Justus Lipsius und die Societas Iesu Die grundsätzliche Haltung der katholischen Kirche und damit auch die des Jesuitenordens hinsichtlich der Anwendbarkeit der (neu-)stoischen Lehre fasst der Apostolicus et Archiducalis librorum Censor von Lipsius’ Manuductio, Guilielmus Fabricius Noviomagus, in seiner Approbatio zur Drucklegung aus dem Jahr 1603 prägnant zusammen. Er gibt als Maxime vor, dass eine Beschäftigung mit der Stoa nur dann zulässig sei, wenn dabei mit unerschütterlichem Glauben an dem festgehalten werde, was Augustinus in den beiden bereits behandelten Kapiteln des neunzehnten Buchs von De civitate Dei im direkten Widerspruch zur stoischen Lehre vorgegeben habe, nämlich dass die höchste Glückseligkeit (beatitudo; summum bonum) nicht im irdischen virtus-Ideal der Stoa zu finden sei, sondern allein im ewigen Leben bei Gott (vgl. Abschnitt 3.1.1): In cujus tamen Senecae et similiter philosophantium lectione est ita versandum, ut inconcussa interim fide teneantur, quae de Beatitudine scripta reliquit B. Augustinus lib. 19 de Civit. Dei cc. 4 et 25.⁶¹
Auf entschiedene und generelle Ablehnung (zumindest nach außen hin) stieß bei den Jesuiten Lipsius’ Position hinsichtlich der Frage nach der rechten Sprachstilistik. Lipsius sprach sich für eine Orientierung am Stil der ‚silbernen Latinität‘ und ihrer Vertreter Seneca und Tacitus aus, deren Sprache zur Kürze neigt und einen großen Bild- und Pointenreichtum aufweist (‚Lipsianismus‘). Die Societas Iesu dagegen bevorzugte als Idealbild die Nüchternheit und Sachlichkeit des ‚goldenen‘ Latein gemäß dem alles überragenden Stilvorbild Ciceros (‚Ciceronianismus‘).⁶² Jakob Pontanus schätzt zwar den philologischen Scharfsinn, mit dem Lipsius sei60 Vgl. Ricken 2003, Sp. 305; Oestreich 1989, S. 99–104. Zu Lipsius’ Einfluss auf Peter Paul Rubens siehe Morford 2010 und Mönig 2008; zur Lipsius-Rezeption in der politisch-juristischen Literatur des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts siehe: Bom 2011; Soll 2011; Stolleis 1990. 61 Justus Lipsius: Opera Omnia 1675 IV, S. 821. – Übersetzung: Bei der Lektüre der Werke Senecas und der von Schriftstellern, die dieselbe philosophische Richtung vertreten, ist so zu verfahren, dass dabei mit unerschütterlichem Glauben an dem festgehalten werde, was der Hl. Augustinus im vierten und 25. Kapitel des neunzehnten Buches seiner Schrift De civitate Dei über die Glückseligkeit schriftlich hinterlassen hat. Vgl. Stroh 2005, S. 229. 62 Vgl. Leonhardt 2009, S. 191; Schmid 2006, S. 264; Stroh 2005, S. 225 mit Anm. 155; Landfester 1999; Bauer 1986, S. 273–288; Bauer 1984, S. 87–100. Bereits der kaiserzeitliche Rhetoriklehrer Quintilian, dessen Urteil über viele antike Autoren zum Teil bis heute prägend ist, kritisierte Se-
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ne Textkritik betreibt, lehnt aber gleichzeitig „dessen eigentümlichen Sprachstil“ (eius idiotismus) und „ausgedachte Irrmeinung hinsichtlich der Frage des rechten Schreibstils“ (excogitata haeresis in scribendo) ebenfalls ab.⁶³ Die Ratio studiorum lässt entsprechend ausschließlich die Sprache Ciceros als stilistisches Leitbild zu.⁶⁴ Dazu passt auch die Beobachtung, dass Senecas philosophische Schriften im Curriculum der Jesuitengymnasien zumindest offiziell keine Rolle spielten.⁶⁵ Aus denselben sprachstilistischen Überlegungen finden Senecas Werke auch im
necas Sprachstil vehement. Man finde viele glänzende Gedanken bei ihm und vieles müsse auch aufgrund der moralischen Inhalte gelesen werden, aber hinsichtlich der Ausdrucksweise sei das meiste verdorben und deshalb am allerschädlichsten, weil es übervoll an verführerischen Fehlern sei: multae in eo [sc. Seneca] claraeque sententiae, multa etiam morum gratia legenda, sed in eloquendo corrupta pleraque, atque eo perniciosissima quod abundant dulcibus vitiis. Quint. inst. 10,1,129. 63 Acre omnino, et faelix ingenium fuit Iusto Lipsio in tollendis veterum scriptorum mendis, et eluendis maculis, et neminem habet fortasse parem: sed ut hominem se nosset, aberravit interdum a scopo. Pont. Attica Bellaria III, S. 417. [Justus Lipsius verfügte in Bezug auf die Verbesserung von Fehlern und das Ausfüllen von Lücken bei den alten Schriftstellern über einen gänzlich scharfen und fruchtbaren Verstand und niemand kommt ihm darin vermutlich gleich: Aber um den Menschen in sich näher kennenzulernen, verlor er das Ziel aus den Augen.] Ab eius [sc. Lipsi] autem idiotismo, et excogitata haeresi in scribendo, pluribus, et, ut opinor, iustis de caussis refugimus, et abhorremus. Pont. Attica Bellaria II, S. 333. [Aber seinen eigentümlichen Sprachstil und seine ausgedachte Irrmeinung hinsichtlich der Frage des rechten Schreibstils meide ich und mache einen Bogen um sie, aus zahlreichen und, wie ich glaube, gerechtfertigten Gründen.] Vgl. Bauer 1984, S. 92–93. 64 Stylus (quamquam probatissimi etiam historici et poetae delibantur) ex uno fere Cicerone sumendus est, et omnes quidem ejus libri ad stylum aptissimi; orationes tamen solae perlegendae, ut artis praecepta in orationibus expressa cernantur. Ratio stud. 1599, MGP V, S. 398 bzw. 400, Reg. Prof. Rhet. [Der Sprachstil muss (auch wenn dadurch die besten Geschichtsschreiber und Dichter geschmälert werden) doch fast einzig an Cicero angelehnt werden. Für diese stilistische Ausbildung sind freilich alle seine Schriften überaus geeignet, aber dennoch sollen allein seine Reden gelesen werden, damit die Regeln seiner Sprachkunst, die in den Reden greifbar sind, erkannt werden.] Ebenso in den Regulae communes Professoribus classium inferiorum (Ratio stud. 1599, MGP V, S. 390). Vgl. Schmid 2006, S. 272 und Duhr 1913 I, S. 503–504. 65 Raders Cassianus könnte aber indirekt darauf hindeuten, dass Senecas philosophische Schriften, auch wenn sie von der Ratio studiorum nicht genannt werden, einen gewissen Platz im Unterricht gefunden haben. Denn in der dritten Szene des zweiten Aktes wird eine Unterrichtsszene aufgeführt, an deren Beginn der Lehrer Quintilius fragt, welchen Brief er in der vorangegangenen Stunde vorgelesen habe, woraufhin ein Schüler antwortet, dass es der 62. Brief des Seneca gewesen sei: Quint.: Quotam prolegi epistulam? ∣ Posth.: Senecae secundam supra sexagesimam (Rad. Cass. S. 98v ,7–8). Hierbei handelt es sich allerdings um einen Brief, der sich vor allem der Lern- und Studienmoral widmet. Seneca beklagt sich darin über Personen, die ihre anderweitigen Tätigkeiten und Beschäftigungen immer wieder als Vorwand nehmen, sich nicht den studia liberalia widmen zu können.
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protestantischen Schulwesen keinen Einzug in den Lehrplan. Stellvertretend dafür kann die erstmals 1538 erschienene Schrift De literarum ludis recte aperiendis⁶⁶ des Straßburger Pädagogen Johannes Sturm (1507–1589) gelten, die für viele weitere protestantische Schulordungen im Reich, aber auch in der Schweiz und in Frankreich, als Vorbild diente, ja von diesen zum Teil sogar wörtlich übernommen wurde. Für alle neun ordines gibt Sturm im Bereich des Prosastils Cicero als nachzuahmendes Ideal vor. Noch deutlicher bekennt sich die Kursächsische Schulordnung von 1580 zum ‚Ciceronianismus‘: Allein „die phrases und imitati[o] Ciceronis“ könne die „puritatem linguae“ sicherstellen.⁶⁷ Selbst Senecas Tragödien, die auf das frühe Jesuitentheater einen gewaltigen Einfluss ausübten,⁶⁸ werden lediglich in der vorläufigen Fassung der Ratio studiorum von 1586 als Unterrichtsstoff empfohlen.⁶⁹ Für die folgende Untersuchung ist es wichtig, an dieser Stelle ganz allgemein zu konstatieren, dass die Bejahung des ciceronianischen und die Ablehnung des senecanischen Sprachideals zur Folge hatten, dass den Schriften Senecas im zeitgenössischen Schulunterricht kein Platz zugebilligt wurde. Somit kamen in der Regel weder katholische noch protestantische Jungen im Rahmen ihrer Schulausbildung mit den Werken Senecas und der darin vertretenen stoischen Lehre in Kontakt. Die schulische Stoa-Rezeption konnte allenfalls über die entsprechenden philosophischen Werke Ciceros erfolgen; insbesondere De officiis, Cato maior de senectute und Laelius de amicitia werden sowohl in der Ratio studiorum als auch in den protestantischen Schulordnungen häufig zur Lektüre empfohlen.⁷⁰ Die Rezeption Senecas und seiner stoischen Lehre erfolgte somit in erster Linie in einem außerschulischen Kontext bzw., auf den vorliegenden Zusammenhang 66 Ediert von Vormbaum 1860, S. 653–677. 67 „[…] Die Jugend also [soll] abgerichtet werden, […] daß sie auf die phrases und imitationem Ciceronis gerichtet werden; sonst coacerviren die Knaben allein viel sententias aus andern scriptoribus ohn allen Verstand zusammen, und haben nicht acht auf die puritatem linguae.“ Vormbaum 1860, S. 246. 68 Siehe Abschnitt 4. 69 So kurz in den adiumenta studiorum (Ratio stud. 1586, MGP V, S. 173) und in der classis Humanitatis (Ratio stud. 1586, MGP V, S. 196). Vgl. Walter 2006, S. 143. Dasselbe trifft auf Tacitus zu. Lediglich in der Fassung von 1586 wird für die classis Humanitatis die Lektüre seiner Werke vorgegeben (Ratio stud. 1586, MGP V, S. 195). 70 Ratio stud. 1586, MGP V, S. 193–194 (Classis Hum.), darin auch die Empfehlung zur Lektüre der Paradoxa Stoicorum und der Tusculanae Disputationes. Sturm empfiehlt bereits für den ordo septimus die Lektüre des Laelius und Cato (Vormbaum 1860, S. 668). De officiis ordnet er dem ordo quintus zu (Vormbaum 1860, S. 666). Als weiteres Beispiel kann die Kursächsische Schulordnung von 1580 dienen, die für die tertia suprema classis die Behandlung von De officiis, des Cato, Laelius und der Tusculanae Disputationes vorsieht (Vormbaum 1860, S. 281); vgl. die Württembergische Kirchenordnung von 1559 (Vormbaum 1860, S. 115).
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gemünzt, in einem kleinen Kreis von gelehrten Jesuiten, die zwar auch im Schuldienst tätig sein konnten, sich aber mit Seneca und der Stoa fast ausschließlich in ihrem außerschulischen Schaffen auseinandersetzten. Trotz der offiziellen Bejahung des ciceronianischen Stilideals geht aus der zeitgenössischen Korrespondenz zwischen verschiedenen Jesuitenpatres dennoch hervor, dass viele unter ihnen zumindest zeitweilig Anhänger des ‚Lipsianismus‘ waren.⁷¹ Auch Drexel war in jungen Jahren dem Stilideal des niederländischen Gelehrten nicht abgeneigt, beteuert aber wiederholt im Briefverkehr mit Rader, dass er sich davon losgesagt habe und ins „Lager Ciceros“ übergelaufen sei (transfuga […] in Tullianis [castris]).⁷² Wie Pontanus in seinen Attica Bellaria bezeichnet er Lipsius’ Sprachideal als „Irrmeinung“ (haeresis).⁷³ Diese Aussagen Drexels im Briefverkehr mit Rader sind aber lediglich auf Lipsius’ Sprachstil zu beziehen. Rückschlüsse auf eine Vorliebe für den lipsianischen Neustoizismus lassen sich daraus nicht ziehen.⁷⁴ Über sein Verhältnis zu Lipsius’ Philosophie liefern erst spätere Zeugnisse näheren Aufschluss. Noch in seinem Todesjahr 1638 bekennt Drexel nicht ohne Stolz offen, dass er als junger Mann alle Schriften von Lipsius, „eines Mannes mit herausragendem Urteilsvermögen und höchster Bildung, eines Königs im überaus friedfertigen Königreich der Musen“, gelesen habe. Früher habe ihm der Niederländer unzählige Male Hilfe gebracht und auch jetzt verweile er noch häufiger im „lipsianischen Haus“.⁷⁵ In einem Nachsatz legt Drexel jedoch großen Wert darauf, dass er dies nicht des Sprachstils wegen tue
71 Siehe dazu detailliert Schmid 2006. 72 Vgl. die Briefe vom 1.1.1606 (Schmid 1995, Nr. 170), vom 1.7.1606 (Schmid 1995, Nr. 187) und vom 17.2.1608 (Schmid 1995, Nr. 206). Maßgeblichen Einfluss auf diese deutliche Absage Drexels an den ‚Lipsianismus‘ hatte sein Lehrer Matthäus Rader. Dieser nahm auch noch nach dem Inkrafttreten der Ratio studiorum 1599 im Umgang mit dem ‚Lipsianismus‘ eine lavierende Position ein und ließ seinen Schülern weitgehend freien Raum. Erst seit dem Schuljahr 1604/5 wurde die Ratio studiorum im Augsburger Jesuitenkolleg konsequent umgesetzt und somit implizit auch der ‚Ciceronianismus‘, den sie proklamierte: ratio studiorum ab St. Luca ad unguem observari coepta. Hist. Coll. Aug. S. 410. [Vom Festtag des Heiligen Lukas an [18. Oktober] begann man die Ratio studiorum penibel zu befolgen.] Von diesem Zeitpunkt an hielt sich auch Rader an die Vorgaben des Ordens und wies seine Schüler entsprechend an. Drexel war von diesen Vorgängen ebenfalls direkt betroffen, da er zu dieser Zeit in Augsburg zusammen mit Rader unterrichtete. Vgl. Schmid 2006, S. 273. 73 Brief vom 1.1.1606 (Schmid 1995, Nr. 170). 74 Ebenso formulieren es Stroh (2005, S. 225 Anm. 155) und Schmid (1995, S. 369 Anm. 5) für die brieflichen Selbstzeugnisse Bidermanns über seine Lipsius-Anhängerschaft. 75 Darauf, dass es sich dabei um mehr als nur ein reines Lippenbekenntnis handelt, deutet hin, dass Drexel an einer Stelle in seinem Iulianus Passagen aus Lipsius’ De constantia wörtlich zitiert. Siehe dazu Comm. ad 627.
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(nur eine unbesonnene Begierde könne dies wollen), sondern um der (philosophischen?) Gelehrsamkeit willen.⁷⁶
3.1.4 Die eitle Ruhmsucht des stoischen Gelehrten: Jakob Bidermanns Cenodoxus Jakob Pontanus war hinsichtlich der stoischen Philosophie besonders der Widerspruch zwischen Senecas Lehre und Lebensführung⁷⁷ sowie der selbstverliebte Hochmut der Stoiker, der aus ihrer Überzeugung entwachse, dass sie ohne Gott zu einem Weisen werden könnten, ein Dorn im Auge.⁷⁸ Ein in diesem Zusammenhang oft untersuchtes Werk stellt der im Jahre 1602 uraufgeführte Cenodoxus des Jesuitenpaters Jakob Bidermann dar. Entgegen der häufig vertretenen Meinung holt sein Autor darin aber nicht zu einer Generalabrechnung mit dem stoischen Weisen im Allgemeinen aus.⁷⁹ Vielmehr brandmarkt er die Gefahren, denen dieser aufgrund seines angestrebten Lebensideals, das zu
76 Justus Lipsius eximii vir judicii, eruditionis summae, et rex in mansuetiori maxime Musarum regno […]. Horreat lecturus Lipsium, tam copiosae scriptionis molem. Ego etiamnum juvenis […] omnes Lipsii libellos et libros perlegi ad verbum, nec syllaba dimissa, idque singulari studio et cura. Nulla scriptionum harum me praeteriit, quin eam redigerem in meam epitomen. […] Hinc ego plurimum saepissime adjutus sum, et etiamnum crebrius in hac Lipsiana domo diversor, non styli, (quem nemo imitari poterit, aut volet, nisi affectatio imprudens) sed eruditionis caussa. Opera Omnia 1645a II, S. 1106,1. Vgl. Schmid 1995, S. 344 Anm. 8; Bauer 1987, S. 454; Pörnbacher 1965a, S. 165. 77 Vgl. Pont. Philokalia 9,7, S. 335, worin er die Kritik Ciceros an der Kluft zwischen Lehre und Lebensführung der Stoiker aus den Tusculanae Disputationes (Tusc. 2,11–12) zitiert (vgl. Bauer 1984, S. 91). Der angebliche Widerspruch zwischen seiner Lehre und Lebensführung und die daraus resultierende Heuchelei stellen seit der Antike Hauptvorwürfe gegen den stoischen Philosophen Seneca dar (siehe v.a. Cass. Dio 61,10,2–4. Vgl. dazu auch: Schmidt 2008a, S. 92; Bauer 1987, S. 457). 78 Stoici virtutem, bonam mentem, rationem perfectam divinitus dari negabant, sibique eam unumquemque suis viribus comparare dicebant. Pont. Philokalia 9,16,18, S. 354. [Die Stoiker stritten ab, dass die Tugend, ein rechtschaffenes Gemüt und die vollkommene Vernunft von Gott gegeben werde, und sagen, dass ein jeder Einzelne sie für sich aus eigener Kraft heraus erwerbe.] Vgl. Bauer 1984, S. 92. Ähnliche Kritik lässt sich auch bei Martin Delrio (1551–1608), einem Freund Lipsius’, Leonhard Lessius (1554–1623), einem Leuvener Theologieprofessor und Beichtvater Lipsius’, und bei Carolus Scribanius (1561–1629), der Lipsius nach dessen Tod gegen Vorwürfe von religiösem Opportunismus verteidigte, ausmachen. Vgl. Bauer 1987, S. 457–458. 79 Siehe dazu: Meid 2009, S. 346–348; Schmidt 2008a, S. 90–97; Braungart 1989; Tarot 1963, S. XIX–XXIX; Tarot 1960, bes. S. 96–100. Eine ausführliche Bibliographie zu Bidermanns Dramen liefert Tarot 2000, S. 151–159.
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arroganter Selbstverliebtheit tendiert, ausgesetzt ist.⁸⁰ Da sich, so die hier vertretene These, Drexels Iulianus an die Gedanken aus dem Cenodoxus anschließt, diese aber ausdifferenziert, muss der Besprechung von Bidermanns erfolgreichstem Drama an dieser Stelle etwas mehr Raum zugebilligt werden. Auch wenn Drexel bei der Uraufführung des Cenodoxus am 2. Juli 1602 in Augsburg höchstwahrscheinlich nicht persönlich anwesend war, da er zu dieser Zeit im Rahmen seines Studiums in Ingolstadt verweilte, kann aufgrund seiner engen Freundschaft mit Rader, der zugleich auch der Lehrer Bidermanns war, und aufgrund des regen Austauschs an Dramenmanuskripten, wie sie aus der Korrespondenz Raders mit Bidermann und Drexel beispielhaft hervorgeht,⁸¹ davon ausgegangen werden, dass Drexel Bidermanns Cenodoxus sehr gut kannte und an die darin vorgefundenen Gedanken und Motive anknüpfen konnte. Hinzu kommt, dass zwei zeitgenössische handschriftliche Kopien des Cenodoxus aus dem Franziskanerkloster Kelheim (1611; Niederbayern) und dem Kloster Polling (1617/8; Oberbayern) als Indiz dafür gelten müssen, dass Bidermanns Stück schon vor seiner Drucklegung 1666 eine gewisse Verbreitung, zumindest in Bayern, erfahren hat,⁸² sodass auch eine unmittelbare Lektüre eines Textexemplars durch Drexel nicht auszuschließen ist. Es muss daher aber auch davon ausgegangen werden, dass sich die gedanklichen und intertextuellen Bezüge zwischen Drexels Iulianus und Bidermanns Cenodoxus, die im Folgenden vorgestellt werden, fast ausschließlich dem skizzierten, äußerst kleinen Rezipientenkreis erschließen, innerhalb dessen die jeweiligen eigenen Bühnenstücke zirkulierten, die ihrerseits nicht im Druck erschienen sind. Zusammen mit der zeitlichen Nähe der Abfassung der Stücke muss man diesen postulierten Austausch von Stücken, die auf dieselbe Thematik rekurrieren, aber auch als einen gelehrten Diskurs einer kleinen und miteinander eng vertrauten Gruppe von bayerischen Jesuiten bzw. als einen gelehrten Diskurs zwischen einem Lehrer und seinen ambitionierten ehemaligen Schülern sehen. Der Cenodoxus behandelt die Geschichte des hochgebildeten „Doctor von Pariß“ Cenodoxus, der, wie sein sprechender Name bereits ankündigt, der ‚eitlen Ruhmsucht‘ (cenodoxia) verfallen ist und durch diese zu Fall kommt. Von Beginn des Dramas an wird deutlich, dass es sich bei der stoischen Lebensführung des gelehrten Cenodoxus lediglich um eine äußere, geheuchelte Fassade handelt, hin-
80 Vgl. Stroh 2005, S. 227; Pörnbacher 2005, S. 104; Pörnbacher 2000, S. 21; Bauer 1984, S. 92; Lenhardt 1976, S. 77–81. 81 Z.B. Schmid 1995, Nr. 58, 59, 66, 172, 190–192. 82 Kelheim 22, heute: clm 8089, fol. 23v –75v ; Polling 497, heute: clm 11797, fol. 151v –191v und 227r –234r . Bereits 1635 erschien die deutsche Übersetzung von Joachim Meichel. Vgl. Tarot 1963, S. XII–XVII; Tarot 1960, S. 9–12. Im Falle des Iulianus fehlen entsprechende Hinweise über eine handschriftliche Verbreitung bisher gänzlich.
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ter der sich in Wahrheit eitle Ruhmsucht und Hochmut verbergen. Besonders hervorgehoben wird die superbia als Grundlaster im Leben des Cenodoxus in den eindringlichen Worten seines Schutzengels am Ende des Stücks, während dieser ihm sein Sündenbuch vorhält: Cen.lax : Num vides Superbiam? superbiam? superbiam? Si centies legas, superbiam leges; Si millies legas, superbiam leges; Deciesque centiesque millies leges.⁸³
Seine falsche Tugend (falsa virtus) erwächst nicht frommen Absichten, sondern seinem egoistischen und schändlichen Wunsch, sich bei seinen Mitmenschen Ruhm und Ansehen zu verschaffen.⁸⁴ Seine herausragende Stellung als hochgebildeter Mensch hat ihn umso empfänglicher dafür gemacht.⁸⁵ Die für einen Stoiker typischen Eigenschaften wie temperantia, patientia, ja sogar die mittlerweile schon ausführlich besprochene constantia werden im Laufe des Stücks
83 Bid. Cen. III,2, V. 967–971. – Übersetzung: Siehst du denn nicht, dass hier und hier und hier ‚Hochmut‘ steht, ‚Hochmut‘, ‚Hochmut‘? Und wenn du es hundertmal lesen willst, wirst du hundertmal ‚Hochmut‘ lesen. Wenn du es tausendmal lesen willst, wirst du tausendmal ‚Hochmut‘ lesen; du wirst es zehn-, hundert- und tausendfach lesen. Vgl. auch die Worte des Schutzengels des Cenodoxus an früherer Stelle, Bid. Cen. III,1, V. 930–934: Cenodoxe, satis est: ah satis superbiae ∣ Datum est; satis Cenodoxe. Nunquam tu tui ∣ Memor eris? arrogantiae nullum modum ∣ Finemve pones? nulla tandem gloriae ∣ Cupidinem dies tibi auferet? [Cenodoxus, es ist genug: Ach, dem Hochmut wurde genug Platz eingeräumt; es ist genug, Cenodoxus. Willst du denn nie an dich selbst denken? Willst du deiner Anmaßung denn gar kein Ende, keine Grenze setzen? Wird dir überhaupt einmal ein Tag die Gier nach Ruhm entwenden?] Ein besonders markantes Beispiel für seinen Hochmut findet sich in Szene I,3, dem ersten Auftritt des Cenodoxus, wo er sich selbst in wörtlich enger Anlehnung an den Pharisaer aus Lc 18,11 (Deus gratias ago tibi quia non sum sicut ceteri hominum) überschwänglich und anmaßend folgendermaßen rühmt, I,3, V. 243– 245: Aeterne Rector orbis! Unde ego gratias ∣ Tibi habebo dignas, quando me his virtutibus ∣ Ornas, ut invideant mihi omnes, nulli ego? [Ewiger Lenker der Welt! Wie kann ich dir nur würdig dafür danken, dass du mich mit solchen Tugenden ausstattest, dass mir alle neiden, ich aber keinem.] Seine Gier nach Anerkennung und Lob bei seinen Mitmenschen beweist beispielhaft der Beginn der Szene II,9, wo er sagt, V. 864–865: Volupe est mihi, audire Iuvenum haec encomia ∣ Quibus solent identidem applaudere mihi. [Es ist mir eine Wonne, diese Loblieder der Jugend zu hören, mit denen sie mir ununterbrochen Anerkennung zollen.] 84 Vgl. die Worte des Schutzengels von Cenodoxus, Bid. Cen. IV,4, V. 1427–1430: […] Illum jam salus ∣ Vix ipsa servet. ita periculosus est ∣ Morbus animi, quem procreat superbia. ∣ Virtute falsa contegit verum scelus. [Es ist kaum möglich, dass ihm noch das Heil zuteil werden kann. So große Gefahr geht von der Krankheit des Geistes aus, die der Hochmut hervorbringt. Mit falscher Tugend verhüllt er sein wahres Vergehen.] 85 So auch die Sicht Pörnbachers 2000, S. 21.
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einzeln als Scheintugenden des Cenodoxus entlarvt. Sein Streben ist lediglich auf die irdische Unsterblichkeit seines Namens ausgerichtet.⁸⁶ Diese Ausrichtung der Hauptfigur korrespondiert dabei mit der Diesseitsbezogenheit der stoischen Lehre.⁸⁷ Seine Gefährten erkennen erst unter dem Eindruck der Ereignisse, die sich während der Totenliturgie für Cenodoxus abspielen, bei welcher sich der tote Leichnam dreimal aufrichtet und nacheinander über seine Anklage, Verurteilung und Verdammnis durch Christus klagt, das wirkliche Wesen des Cenodoxus. Einer von diesen, Bruno von Köln, entschließt sich daraufhin, der Welt den Rücken zu kehren und zusammen mit seinen Gefährten in der Einsamkeit zu leben, eine Gemeinschaft, aus der später der Kartäuserorden hervorgehen sollte.⁸⁸ Bidermann stellt im Cenodoxus das Konzept des stoischen Weisen, wie es seine Hauptperson umsetzt, dem christlichen Weltbild unvereinbar gegenüber. Gleichzeitig aber, so konnte Wilfried Stroh nachweisen, ist ein anderes Drama Bidermanns, der Belisarius (1607), sowie seine Jephtias-Heroide (1638) von einer Verschmelzung von (neu-)stoischem und christlichem Gedankengut geprägt.⁸⁹ Inwieweit die Werke eines weiteren bedeutenden Dichters der Societas Iesu, Jakob Baldes (1604–1648), stoische Inhalte vermitteln, ist in der Forschung noch umstritten.⁹⁰ Wie stark die philosophischen Schriften Senecas bzw. das neustoizistische Konzept von Justus Lipsius speziell in Drexels Iulianus präsent sind, wird im Folgenden untersucht. Barbara Bauer hat bereits anhand von Drexels 1630 erschienenem Traktat Gymnasium patientiae nachgewiesen, dass seine späteren theologischen Abhandlungen unter starkem Einfluss von Lipsius’ De constantia stan86 So werfen es ihm auch die Teufel vor, III,3, V. 999–1000: Cen.: Deus eripe. Pan.: Deum cogitas? Non ille te. ∣ Aster.: Tumet tibi fueras Deus, te appellita. [Cen.: Gott, errette mich. Pan.: An Gott denkst du? Er nicht an dich. Aster.: Du bist dir selbst ein Gott gewesen, rufe dich selbst an.] Vgl. Pörnbacher 2000, S. 20. 87 Bid. Cen. I,3 V. 237–239. Siehe dazu auch Tarot 1960, S. 86–88. 88 Vgl. Schmidt 2008a, S. 96–97; Pörnbacher 2005, S. 97–99; Pörnbacher 2000, S. 17–18 und 26; Braungart 1989, S. 627–638; Brauneck 1969, S. 34–35. 89 Stroh 2005, S. 224–231. Belisarius: Edition von Burger (1966). Jephtias-Heroide: Edition und Übersetzung von Stroh 2005, S. 196–214. 90 Jochen Schmidt (2008a, S. 97) ist der Meinung, dass Balde in einer Reihe seiner Gedichte „programmatisch stoische Vorstellungen aufnahm“. In seinem Gedicht Auctor a celeberrima secta Stoicorum desciscit wirft Balde den Stoikern dagegen vor, sie seien „steife Verehrer der Tugend“ ohne Freude, Trauer und Gefühl (vgl. Pörnbacher 2000, S. 21–22). Jean-Marie Valentin (1978b, S. 47 bzw. 56) sieht vor dem Hintergrund der Tragödie Jephtias (1637; gedruckt 1654) Balde als „Fortsetzer und Vervollkommner Senecas“, indem dieser den „dramatischen Senekismus und den philosophischen Neustoizismus“ miteinander verknüpfte (vgl. Valentin 1978a II, S. 780–795), was jedoch Bauer (1987, S. 461 mit Anm. 54; vgl. Stroh 2005, S. 232 mit Anm. 192) stark in Frage stellt.
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den.⁹¹ Damit verschränkt kann auch die Frage, welchen Einfluss Senecas philosophische Schriften direkt auf Drexel ausgeübt haben, zumindest hinsichtlich des Iulianus, etwas näher beantwortet werden. Bisher ist lediglich Karl Pörnbacher darauf eingegangen, wobei er sich ausschließlich auf konkrete Aussagen Drexels über Seneca beruft.⁹² Aus diesen geht eine hohe Anerkennung für den stoischen Philosophen hervor. Laut Drexel philosophiere Seneca „gottselig / als ob es der heiligste Christenmensch redet“.⁹³ Angesichts dessen, was Seneca in seinen Briefen über die Allgegenwärtigkeit Gottes sage, könne man meinen, es stamme von Ambrosius, Augustinus oder Chrysostomos. Seine Lebensführung ließe nicht nur Christen, sondern sogar Ordensleute, die ihr Leben Gott geweiht haben, die Schamesröte ins Gesicht steigen.⁹⁴ Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Vorüberlegungen gilt es nun den beschriebenen Transformationsprozess der Hauptfigur des Iulianus näher in den Blick zu nehmen und ihn ins Verhältnis zu den skizzierten zeitgenössischen philosophischen Diskursen zu setzen.
3.2 Julians Aufstieg oder Die richtige/christliche Umsetzung des Neustoizismus 3.2.1 Julian als Stoiker christlicher Ausprägung Die Auftaktszenen I,1–2 In der ersten Szene von Drexels Drama lernt das Publikum einen Julian kennen, der in krassem Widerspruch zu dem „Ungeheuer aller Ungeheuer“ (monstrorum omnium ∣ Monstrum)⁹⁵ steht, wie die Hauptfigur in den Agnostoprologi angekündigt wird. Er erscheint vielmehr als ein gebildeter und sprachlich versierter Literat. Dies geschieht auf direktem und indirektem Wege. In seinen Aussagen wird unmittelbar deutlich, dass er sich den literarischen Studien verschrieben hat und 91 Bauer 1987, S. 454–455. 92 Pörnbacher 1965a, S. 161. 93 Romanus Sapiens [sc. Seneca] multo religiosissime, paene dixerim divine hac de re philosophatus. Opera Omnia 1645a I, S. 798,1. Übersetzung aus der deutschen Übersetzung der Opera Omnia aus dem Jahre 1662, I,2, S. 1360,2. 94 De supremi Numinis in omni loco praesentia Annaeus Seneca pluribus epistolis ea disserit, quae ab Ambrosio aliquot, aut Augustino aut Chrysostomo dicta, scriptave censeas. Hinc mores et vita Senecae tam composita et a vitiis remota, ut viros non Christianos solum, sed et religiosos Deoque sacros in ruborem dare possit. Opera Omnia 1645a II, S. 876,1. Hinsichtlich der mores stellt Drexel an anderer Stelle aber den Stoiker Epiktet noch über Seneca. Vgl. Pörnbacher 1965a, S. 161. 95 Iul. 31–32.
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allen Herausforderungen und Widrigkeiten des Lebens begegnen will, solange ihm die Musen nur ihre aufbauende Kraft verliehen. Indirekt wird seine literarische Bildung durch zahlreiche Übernahmen aus den Oden des Horaz und eine ausgefeilte ‚Wortakrobatik‘⁹⁶ verdeutlicht. Ferner lassen ihn seine Worte als Philosophen erscheinen, der sich von den minderen menschlichen Begierden frei gemacht und sich allein der Weisheit verschrieben hat. Als Richtschnur seiner Lebensführung (und darin entsprechen seine Worte genau denen des Stoikers Seneca) diene ihm die Philosophie.⁹⁷ Die freie Wiedergabe von Platons ‚Philosophenkönigssatz‘ dient primär der Illustration des Werts der Philosophie im Allgemeinen, sekundär und indirekt wiederum der seiner Bildung.⁹⁸ In I,2 erhärtet sich dieser erste Eindruck. Mardonius und Nicocles, Julians Lehrer, loben gegenüber Kaiser Constantius überschwänglich die Veranlagung, den Wissensdurst, das Verantwortungsbewusstsein, die Aufmerksamkeit, die Bescheidenheit sowie das anständige und unschuldige Verhalten ihres Schützlings.⁹⁹ Ganz ungetrübt bleibt das Bild von Julian in diesen ersten beiden Szenen indes jedoch nicht. Julians Worte in der Eröffnungsszene sind von zahlreichen Zitaten und intertextuellen Anspielungen überladen. Von den 35 Versen dieser Szene weisen gut zwei Drittel einen direkten Bezug zu den Oden des Horaz auf. In seiner Bereitschaft, alle erdenklichen Gefahren und Beschwernisse auf sich zu nehmen, solange er nur die Musen bei sich habe, übersteigert er sogar die Worte des augusteischen Dichters aus Ode 1,1 und 3,4.¹⁰⁰ Da die Lektüre der horazischen Gedichte im Lehrplan der Jesuiten einen festen Platz einnahm,¹⁰¹ konnte zumindest ein Teil des Publikums, nämlich diejenigen Schüler, die die Poetikklasse, in der Horaz u.a. im Vordergrund steht, bereits absolviert hatten, diese literarischen Anspielungen durchaus verstehen. Dabei ist jedoch nicht davon auszugehen, dass sie in jedem einzelnen Fall das genaue Zitat erkannten, sondern vielmehr, dass sie die für Horaz typische Sprache und Ausdrucksweise vernahmen und entsprechend auf einen besonders gebildeten Kontext schließen konnten. Diese intertextuelle Über-
96 Vgl. Iul. 109–112 mit Comm. ad locum. 97 Format animum ∣ Philosophia fabricatque; vitam dirigit. Iul. 118–119. Vgl. animum format et fabricat [sc. Philosophia], vitam disponit. Sen. epist. 16,3. 98 Iul. 116–118. Zur Traditionslinie des ‚Philosophenkönigssatzes‘ Platons von der Antike bis in die Frühe Neuzeit siehe Comm. ad 116–120. 99 Veranlagung: [ingenij] optimi longeque felicissimi, Iul. 145–146. Wissensdurst: [scientiarum] avidissimus, Iul. 153. Verantwortungsbewusstsein: futuri providus, Iul. 156. Aufmerksamkeit: vafer et cautus, Iul. 159. Bescheidenheit: laudi Iulianus non studet, Iul. 173. Beredsamkeit: Platonicam ∣ Sublimitatem effingit argutissime, Iul. 180–181. Gesittetes und unschuldiges Verhalten: exemplar est ∣ Morum proborum […] pudoris specimen est; castissimus ∣ Et integerrimus, Iul. 187–190. 100 Vgl. die Einleitung zu Comm. ad I,1. 101 Vgl. Ratio stud. 1586, MGP V, S. 196 (Classis Hum.); 1599, MGP V, S. 414 (Reg. Prof. Hum.).
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ladung lässt bereits an dieser Stelle einen Wesenszug der Hauptperson erkennen, der das gesamte Drama hindurch wahrnehmbar sein wird: Maßlosigkeit in allen Dingen, die sich immerzu zwischen den Extremen bewegen, sei es in der Liebe zu den Künsten und zur Philosophie als Christ, sei es in den späteren grausamen Maßnahmen als heidnischer Kaiser. Der übermäßige Gebrauch von Superlativen, mit denen Nicocles und Mardonius in der folgenden Szene Julians Fähigkeiten rühmen, trägt ebenfalls zu diesem Eindruck bei.¹⁰² Mit diesem Motiv ist ein weiterer Punkt verschränkt, der einen Schatten auf Julian wirft. Mit der geschilderten Übersteigerung des Horaz geht in Julians Worten in I,1 eine starke Tendenz einher, den Wert der Philosophie und der freien Künste bzw. der Bildung im Allgemeinen verabsolutierend zu überhöhen und ihr in diesem Zuge einen pseudoreligiösen Charakter zu verleihen. In seinen Worten kann man eine gewisse sprachliche Nähe zu den biblischen Psalmen ausfindig machen: Die Anrufung der Musen Utcunque mecum vos eritis, o Gratiae (Iul. 96) beispielsweise scheint zumindest den Anruf des ‚Guten Hirten‘ aus dem 22. (Nova Vulg.: 23.) Psalm (non timebo mala, quoniam tu mecum es) widerzuspiegeln.¹⁰³ Insbesondere der metaphorische Gebrauch von sacrare, eines Terminus technicus aus dem religiösen Bereich, untermauert diesen Eindruck.¹⁰⁴ Diese überhöhende Sakralisierung der Bildung geht so weit, dass der Christengott in der ersten Szene mit keinem Wort Erwähnung findet. Vielmehr weist die Bedeutung, die Julian den Musen, mit anderen Worten seinen eigenen literarischen und philosophischen Fähigkeiten zuschreibt, Züge einer irdischen Selbsterlösung auf.¹⁰⁵ Von einer bedingungslosen Unterordnung aller Bereiche des menschlichen Lebens, insbesondere der Bildung, unter Gott bzw. einer bedingungslosen Bereitschaft, Gott mit dieser zu dienen, ist in I,1 nichts spürbar. Man vermisst ein klares Bekenntnis Julians zur virtus Christiana, die, wie es die abschließende Moral des Dramas unmissverständlich festhält,¹⁰⁶ es allein bewirke, dass die Künste (litterae) eine richtige, d.h. christliche, Anwendung fänden. Es bleibt an dieser Stelle vollkommen offen, ob sich Julian bei seiner (stoisch-)philosophischen Betätigung in Einklang mit der eingangs skizzierten Ansicht des Kirchenvaters Augustinus, laut dem die höchste Glückseligkeit ausschließlich im durch göttliche Gnade erworbenen ewigen Leben bestehe (siehe Abschnitt 3.1.1), befindet oder nicht. Es wird nicht klar ausgesprochen, ob Julian sein Heil im stoischen oder christlichen virtus-Ideal sucht.
102 103 104 105 106
Vgl. die Einleitung zu Comm. ad I,2 und Comm. ad 171–174. Siehe Comm. ad 93–96. Dies ∣ Noctesque litteris sacravi perpetes. Iul. 86–87 Modo ∣ Vos me labore defatigatum in specu ∣ Recreetis Aonia, Deae suavissimae! Iul. 103–105. Iul. 2751–2757.
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Das folgende Dramengeschehen zeigt auf, welche Konsequenzen eine richtige und falsche Wahl zwischen diesen beiden Optionen hervorrufen kann. In den an I,1 anschließenden Szenen wird nämlich deutlich, dass Julian bei seiner philosophischen Lebensführung zunächst Augustinus’ Forderung gerecht wird und über alle stoisch-philosophischen Positionen den Christengott und das von ihm ausgehende Heil stellt. Erst nach der dämonischen Verführung lehnt er diese Komponente ab und wendet die Stoa in falscher, unchristlicher Weise an, was letztlich in seinen Untergang mündet. Diese bewusst gesetzte Leerstelle lenkt den Blick darauf, dass zu Beginn des Bühnenstücks grundsätzlich noch die Offenheit des Ausgangs der dramatischen Entwicklung gegeben ist. Julians Fall ist weder vorherbestimmt noch muss seine Tendenz zur Verabsolutierung des Wertes der Bildung, die in ihm wie eine Art natürliche Veranlagung beobachtet werden kann, zwangsläufig in den Untergang führen. Lediglich die Möglichkeit, dass es aufgrund des spezifischen Naturells des Protagonisten zu dessen Fall und Untergang kommen kann, soll zu Beginn des Stücks impliziert werden. Ob die dramatische Verwicklung zum Positiven oder Negativen verläuft, hängt allein von der Hauptfigur selbst ab. Seine eigene Standfestigkeit (constantia) gegenüber der Verführung, die aus seinen Eigenschaften erwächst, und seine damit verbundene freie Willensentscheidung bestimmt den Ausgang.¹⁰⁷ Solange es ihm gelingt, seine innere Veranlagung durch die virtus Christiana zu zügeln, befindet er sich auf dem richtigen Weg und kann seine intellektuellen Fähigkeiten für sich, seine Mitmenschen und zur Ehre Gottes gewinnbringend einsetzen. Im Laufe des Dramas wird jedoch klar, dass er diese Bedingung nicht konsequent erfüllen kann. Somit kristallisiert sich erst in der Retrospektive der Aussagegehalt dieser an den Beginn des Dramas gesetzten Leerstelle heraus. Erst der Blick von Julians Verdammnis in V,10 zurück zur Eröffnungsszene lässt die verborgene Botschaft seines Eingangsmonologs zu Tage treten.¹⁰⁸ Parallelen und Unterschiede zu Bidermanns Cenodoxus Diese Konstellation weist sowohl Parallelen als auch Unterschiede zum vorgestellten Cenodoxus auf. In seiner Tendenz zur Verabsolutierung der Bildung, die zunächst kein deutliches Bekenntnis zum Christengott enthält, sondern Merkmale einer irdischen Selbsterlösung aufweist, ist Julian unzweifelhaft in die Nähe des selbstherrlichen und hochmütigen sowie auf irdische Unsterblichkeit verses-
107 Vgl. dazu die Isagoge (S. 179–183): modo fuisset et satis constans. Zur Rolle der Willensfreiheit im Iulianus siehe auch Abschnitt 3.3.2. 108 Siehe dazu auch Iul. 2647 mit Comm. ad locum.
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senen Cenodoxus zu rücken.¹⁰⁹ Beide Protagonisten sind überaus gelehrte Personen und weisen gegenüber den Künsten eine umfassende Hingabe auf. Einfache körperliche Begierden wie Hunger und Schlaf stellen sie dafür hintan.¹¹⁰ Sowohl Cenodoxus als auch Julian werden von ihrem Umfeld über die Maßen bewundert.¹¹¹ Dennoch unterscheidet sich die Grundkonstellation von beiden Dramen in vielerlei Hinsicht. Die Betonung der besonderen Bildung und des einfachen Lebens dient im Falle des Cenodoxus seiner selbstherrlichen Eigendarstellung nach außen, wodurch er seine Ruhmsucht zu befriedigen beabsichtigt.¹¹² Er weist seine Tugenden nur dann auf oder (besser gesagt) stellt sie nur dann nach außen zur Schau, wenn er Zeugen um sich hat und sie damit für seinen Ruhm gewinn-
109 Besonders eindrücklich: Phil.: Perire non potest, quod hominum laudibus ∣ Perennat. Bid. Cen. I,3, V. 235–236. [Was sich durch den Ruhm bei den Menschen verewigt, kann nicht untergehen.] Vgl. Tarot 1960, S. 102–103. Siehe auch: Vivere ∣ Id esse demum censeo, contendere, ∣ Ut me emori facinora clara non sinant. Bid. Cen. I,3, V. 237–239. [Zu leben besteht, zumindest meiner Meinung nach, im Streben danach, dass meine ruhmreichen Taten es nicht zulassen, dass ich sterbe.] Siehe auch Tarot 1960, S. 86–88). Vgl. dazu die ‚erlösende Macht‘, die Julian den Musen zuschreibt (Iul. 103–105). 110 Ille, quem ∣ Hodie eruditorum facile primum putant? Bid. Cen. I,3, V. 221–222. [Er, den man heute mit Leichtigkeit für den ersten unter den Gelehrten hält?] In der Selbstaussage des Cenodoxus: tu nihil ∣ e litterato illo [sc. me Cenodoxo] audijsti? […] de singulari illo erudito. Bid. Cen. II,9, V. 894–897. [Hast du nichts über jenen Gelehrten gehört? […] Nichts über diesen einzigartigen Gebildeten?]. Vgl. im Iulianus: principi ∣ Vel proximus vel ipse princeps omnium [sc. sophorum] Iul. 183–184. – Prudentiam tibi singularem a Numine ∣ Esse inditam, dixere, qua plerisque alijs ∣ Excelleres. Bid. Cen. II,3, V. 553–555. [Sie sagten, dass dir von Gott eine einzigartige Weisheit verliehen worden sei, in der du die meisten anderen Menschen überragst.] Vgl. im Iulianus: divini ingenij es [sc. tu Iuliane]. Iul. 276. – Mihi etenim a vigilijs, insomnijs, ∣ Studiisque noctes ac dies paene pereunt. Bid. Cen. I,3, V. 233–234. [Tage und Nächte gingen mir an unermüdlichem Eifer, Schlaflosigkeit und Studien fast zugrunde.] Vgl. fast wörtlich im Iulianus: dies ∣ Noctesque litteris sacravi perpetes. Iul. 86–87. – Frugalis est et coena mihi. Bid. Cen. I,3, V. 254. [Ein bescheidenes Mahl ist mir recht.] Vgl. wiederum fast wörtlich im Iulianus: est coena nulli quam mihi frugalior. Iul. 89. Vgl. die Worte des Libanius an späterer Stelle: parcus cibi, soporis est ∣ Parcissimus. Iul. 519–520. 111 Gratiae ac Faventiae ∣ Videntur omnes insidere pectori ∣ Meo. Favore, honoreque premor undique. Bid. Cen. I,3, V. 213–215. [Es scheint, als liege alle Gunst und Beliebtheit in meinem Herzen, von allen Seiten werde ich mit Zuneigung und Verehrung überhäuft.] Quacunque pergo, ∣ In me sua omnes lumina ∣ Obvertit aetas. Bid. Cen. I,3, V. 217–218. [Wohin auch immer ich mich wende, Menschen jeden Alters wenden ihre Augen mir zu.] Vgl. die Worte des Eulogius gegenüber Constantius im Iulianus: Tibĭ patruelis [sc. Iulianus] est sua notissimus ∣ Virtute doctrinaque: tota praedicat ∣ Urbs Iulianum, et ad astra laude subvehit. Iul. 232–234. Siehe dazu auch Tarot 1960, S. 86. 112 Vgl. Braungart 1989, S. 587.
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bringend einsetzen kann.¹¹³ Dieses heuchlerische Verhalten wird besonders in der Episode deutlich, in der ihm die Hypocrisis, die „Gleißnerei“, persönlich einflüstert, er solle sich, bevor er dem armen Schiffsmann Navegus ein Almosen gebe, doch erst einmal umschauen. Denn da er mit Navegus allein sei und seine Mildtätigkeit somit niemand wahrnehmen könne, möge er davon absehen. Dort, wo es keinen Zeugen für die Tugend (virtus) gebe, bringe es auch keinen Nutzen mit sich, wohltätig zu sein.¹¹⁴ Entsprechend lehnt Cenodoxus eine Geste der Barmherzigkeit und des Mitleids ab und überhäuft den Bittsteller mit wüsten Beschimpfungen. Kurze Zeit später, dieses Mal im Beisein seiner Freunde Bruno und Hugo, gibt er zwei Kriegsgefangenen, die ebenfalls um Hilfe bitten, ein großzügiges Almosen. Als sich Navegus daraufhin beschwert, wird auch diesem eine Spende zuteil. In beiden Fällen macht die Hypocrisis den Protagonisten auf das größere Publikum aufmerksam.¹¹⁵ Vor den Zeugen rühmt sich Cenodoxus selbstherrlich seiner hilfsbereiten Freigebigkeit gegenüber den Armen (liberalitas), die von den Anwesenden im Gegenzug nochmals lobend hervorgehoben wird.¹¹⁶ Bei Julian handelt es sich in der bisher besprochenen Phase des Dramas dagegen um echte Tugenden, die eine authentische Manifestation seiner inneren Haltung darstellen. Er agiert nicht in der beschriebenen Weise, um sich Ruhm und Anerkennung zu verschaffen, sondern aus Überzeugung. Seine Tugenden werden nicht von ihm selbst postuliert und inszeniert, sondern von anderen Personen hervorgehoben. Entsprechend betont er, dass er sich aus eigenem Willen und Antrieb, nicht aufgrund der schmeichelnden Bitten der Bevölkerung von Konstantinopel, die ihn über alles schätzt, zum Eintritt in den Klerus entschieden habe:
113 Dieser Aspekt wird von der allegorischen Figur der Hypocrisis bereits in der zweiten Szene des Cenodoxus markant auf den Punkt gebracht: Probum ∣ Turba facit; ubi abit arbiter, virtus abit. Bid. Cen. I,2, V. 196–197. [Die Anwesenheit von Leuten macht ihn rechtschaffen; sobald mögliche Zeugen verschwinden, verschwindet auch seine Tugend.] Zu dieser Episode siehe auch Tarot (1960, S. 90–93), der in Cenodoxus’ Handeln eine typische Verhaltensweise der heidnischen stoischen Ethik sieht, die christliche Tugenden wie Barmherzigkeit und Mitleid nicht kenne. 114 Nav.: […] Te per ego salutem ipsissimam ∣ Tuamque per virtutem, ut hanc miseram, precor, ∣ Miserere vitam. Hyp. [ad Cen.]: Circumi prius oculis; nemo uspiam est. Cen.: Apage. […] Silicernium, ∣ Apage. Perire te tua improbitas iubet. […]. Hyp.: Hoc recte et ordine factum. Ubi nemo arbiter ∣ Virtutis est, ibi benefacere nil juvat. Bid. Cen. II,6, V. 680–683, 685–686 und 709–710. 115 Hyp.: Vident; nihil morare, stips largissima ∣ Largissimam tibi paritura est gloriam. […] Age quod agis: plurimi ∣ Tuentur; est dandum aliquid [sc. Navego]. Bid. Cen. II,6, V. 735–736 bzw. 753– 754. 116 Cen.: Amare pauperes, eosque primitus ∣ Curare didici. Hug.: Liberalitas mihi ∣ Non visa major. Bid. Cen. II,6, V. 762–764.
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Iul.: precibus horum do locum, At non precum caussa. voluntas huc mea Constanter inclinat, nec aliud expetit.¹¹⁷
In fast derselben Weise wiederholt dies Constantius später in derselben Szene: Const.: Quodsi voluntas ista penitus fixa sit Animi medullis. perge Iuliane, quod laudas, ama et sequere.¹¹⁸
Auch die Bewunderung, die Cenodoxus und Julian von außen entgegengebracht wird, hat unterschiedliche Auswirkungen. Cenodoxus’ Ruhm verwandelt sich bei ihm in Genugtuung und Stolz, und er sieht diesen gemäß antiker stoischer Vorstellung als selbstverständlichen Lohn für seine angebliche Tugend an:¹¹⁹ Cen.: His, tamquam honestis coepi ego studijs meam Ad gloriam grassari. Et haud mirum est, ijs Homines moveri, meque amari ob talia.¹²⁰
Im Gegensatz dazu empfindet Julian den Ruhm (laus), der ihm entgegengebracht wird, als unangenehm. So geht es beispielhaft aus Mardonius’ Worten hervor, der Julians Zurückhaltung und Bescheidenheit vor Kaiser Constantius lobt: Mard.: […] quodque in ipso dignius Est laude; laudi Iulianus non studet, Laus Iuliano plurimum.¹²¹
117 Iul. 438–440. 118 Iul. 459–461. 119 Siehe dazu v.a.: summa igitur et perfecta gloria constat ex tribus his: si diligit multitudo, si fidem habet, si cum admiratione quadam honore dignos putat. […] Vehementer autem amor multitudinis commovetur ipsa fama et opinione liberalitatis beneficentiae iustitiae fidei omniumque earum virtutum quae pertinent ad mansuetudinem morum ac facilitatem. Cic. off. 2,31–32. [Die höchste und ungeteilte Aufmerksamkeit ist nun auf diese drei Bedingungen angewiesen: wenn die Menge jemanden liebt, wenn sie Vertrauen zu ihm hat und wenn sie jemanden der Achtung, die mit einer gewissen Bewunderung verbunden ist, für würdig hält. […] Heftig erregt aber wird die Liebe der Menge durch den Ruf und die Erwartung, dass man Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und alle Tugenden besitze, die ein freundliches Wesen und Umgänglichkeit zum Ausdruck bringen. Übersetzung: Nickel 2008.] Siehe dazu auch: Brauneck 1969, S. 39–40; Tarot 1960, S. 89. 120 Bid. Cen. I,3, V. 273–275. – Übersetzung: Mit diesen, gleichsam ehrenvollen Studien habe ich den Weg zu meinem Ruhm bestritten. Und es darf daher nicht verwundern, dass die Menschen von diesen beeindruckt werden und dass ich aufgrund dieser Tatsache geliebt werde. 121 Iul. 172–174.
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Dies ist auch an zwei weiteren Stellen in beiden Dramen abzulesen, die jeweils fast denselben Wortlaut aufweisen, was als ein weiteres deutliches Indiz dafür gelten muss, dass Drexel direkt an die Gedanken aus dem Cenodoxus anknüpfte.¹²² In seiner arroganten Selbstherrlichkeit, in der er dem Pharisäer aus dem Lukasevangelium sprachlich sehr nahe steht (Deus gratias ago tibi quia non sum sicut ceteri hominum, Lc 18,11), dankt Cenodoxus Gott dafür, dass er ihn mit solchen Tugenden ausgestattet habe, dass ihm alle neiden, er selbst aber keinem: Cen.: Aeterne Rector orbis! Unde ego gratias Tibi habebo dignas, quando me his virtutibus Ornas, ut invideant mihi omnes, nulli ego?¹²³
Im Gegensatz dazu lobt Mardonius in derselben Situation wie oben Julians Weisheit in aufrichtiger Form. Alle neideten ihm, er selbst aber niemandem. Schmeichelei lässt sich als Motiv dadurch ausschließen, dass Julian zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht anwesend ist: Const.: Inter Sophos ergo numerandus? Mard.: principi Vel proximus vel ipse princeps omnium; Illi invident omnes, at ipse nemini.¹²⁴
Gegenüber seinem Vertrauten Sallustius, der an späterer Stelle als Argument gegen Julians Entschluss, Geistlicher zu werden, seine Beliebtheit und Achtung im Volk vorbringt, derentwegen er für den Kaiserthron prädestiniert sei, reagiert Julian mit tiefer Demut und Bescheidenheit. Er tut dessen Einwand mit einem Hinweis darauf ab, wie eitel und nichtig die Beliebtheit bei den Mitmenschen sei: Sall.: omnes tibĭ favent, Omnes te amant. Iul.: mortalis a mortalibus Amor.¹²⁵
In den ersten beiden Szenen besteht somit zwar eine gewisse Wesensverwandtschaft zwischen Julian und Cenodoxus. Die erwähnte Leerstelle zu Beginn des Iulianus bewirkt aber, dass im Gegensatz zum Cenodoxus sowohl eine positive als auch eine negative Entwicklung der Hauptfigur Julian möglich ist. Während im Cenodoxus der Weg des Protagonisten in den Untergang bereits weitgehend vor-
122 Allgemein zur Abhängigkeit der Texte siehe Abschnitt 3.1.4. 123 Bid. Cen. I,3, V. 243–245. – Übersetzung siehe S. 63 Anm. 83; siehe dazu auch Tarot 1963, S. XXIV–XXVI; Tarot 1960, S. 88. 124 Iul. 183–185. 125 Iul. 273–275.
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gezeichnet und unabwendbar ist, weist der Iulianus zumindest noch zu Beginn eine gewisse Offenheit des Ausgangs auf. Julian als vorbildlicher Christ und neustoischer Philosoph in I,3–4 Dass Julian zunächst den richtigen Weg einschlägt, beweisen die folgenden Szenen. In I,3 wird erstmals die Vorbildlichkeit des Christen Julian dargestellt. Der Wunsch der Bevölkerung von Konstantinopel, Julian als Ausleger der Heiligen Schrift für sich zu gewinnen (I,3), impliziert seine vorbildliche theologische Bildung, aufrichtige Frömmigkeit und moralische Integrität. Nachdem Julian zuvor als Philosoph lediglich bezeichnet wurde, tritt er in I,4 auch erstmals als ein solcher auf. Zahlreiche intertextuelle Bezüge zu den Briefen Senecas unterstreichen seine literarische Bildung und breite Belesenheit sowie seine stoisch-philosophische Expertise.¹²⁶ Im Gespräch mit seinem Vertrauten Sallustius, der ihn von seiner Entscheidung, in den geistlichen Stand einzutreten, abbringen will, vertritt er eine Ethik, wie sie weitgehend dem neustoizistischen Konzept von Justus Lipsius entspricht. Sallustius versucht ihn durch diejenigen Argumente von seiner Entscheidung abzubringen bzw. zu verführen, die Lipsius zu den größten Feinden der constantia rechnet.¹²⁷ Dazu zählen die zufälligen und äußerlichen Güter der Jugend, der noch ein langes Leben bevorstehe (longaevitas), Ehre (honor), Gesundheit (sanitas) und Macht (potentia), die aus seinen intellektuellen Fähigkeiten resultieren, bzw. die entsprechenden Übel der Armut (inopia), Schande (infamia), Schwäche (impotentia) und Furcht (metus).¹²⁸ Diesen Überredungsversuchen begegnet Julian mit entschiedener constantia, wobei er die von Sallustius aufgeführten Punkte als nur scheinbare Güter bzw. Übel (opiniones) entlarvt und auf deren irdische Vergänglichkeit hinweist. Indem er sich über weite Strecken beinahe wörtlich der Epistulae morales bedient, tritt er gewissermaßen als der Stoiker Seneca selbst auf und widerspricht den Einwänden des Sallustius in derselben Weise, wie Seneca die fiktiven Einwände seines Briefpart-
126 Als intertextuelle Anknüpfungspunkte dienen v.a. die Briefe 19, 20 und 22. Siehe auch die Einleitung zu Comm. ad I,4 sowie Comm. ad 277–283, ad 293–312, ad 293–295 und ad 315–316. 127 Siehe S. 54 mit Anm. 39. 128 Jugend: sed tuam ∣ Num sic iuventam perditum ibis, Iul. 268–269; iuvenis es, Iul. 270; Non te tui florentis aevi ver monet? Iul. 288. Ehre: es de stirpe Caesarum, Iul. 271. Gesundheit: es firmi et valentis corporis, Iul. 272. Macht/Geltung: omnes tibĭ favent, ∣ Omnes te amant. Iul. 273–274; memoriam summam habes, Iul. 275; divini ingenij es, Iul. 276. Armut/Schande: erit nudum latus, ∣ Vacuum atrium, incomitata lectica. Iul. 278–279; generis tui fuscabitur ∣ Splendor, Iul. 285–286. Schwäche: servies ∣ Ergo, Iul. 280–281. Furcht: Iul. 264–267 und 299–303.
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ners Lucilius entkräftet.¹²⁹ Aufgrund der früheren Feststellung, dass die Werke Senecas im Schulcurriculum der Jesuiten keine Rolle spielten,¹³⁰ muss davon ausgegangen werden, dass sich diese intertextuelle Bedeutungsebene, im Gegensatz zu den Horaz-Anspielungen aus I,1, für die große Mehrheit des Aufführungspublikums, d.h. die Schüler des Kollegiums, nicht erschloss. Vielmehr richtet sich diese literarische Technik an den beschriebenen Kreis hochgebildeter und weit belesener Bekannter Drexels (v.a. Rader, Bidermann), in dem auch der Iulianus höchstwahrscheinlich zirkulierte und ein Diskurs über die Anwendbarkeit der (neu-)stoischen Lehre geführt wurde.¹³¹ Drexels Beitrag zu diesem gelehrten Diskurs besteht an dieser Stelle darin, dass er direkt auf die antike Quelle Seneca zurückgreift und dessen stoische Position mit christlichen Elementen erweitert. Er lässt seinen Julian sich ausdrücklich und ganz im stoischen Sinne zur alles überragenden Rolle der virtus bekennen, die vor dem Hintergrund seiner einleitenden Worte dieser Szene nur als virtus Christiana verstanden werden kann.¹³² An dieser Stelle wird der Unterschied zwischen Bidermanns Cenodoxus und Drexels Julian vor seiner Apostasie besonders deutlich. Die stoisch-tugendhafte Lebensweise des Cenodoxus ist durch sein eigenes Ruhmstreben motiviert. Aus ihr erwächst ihm die Anerkennung, die er sich nach eigener Ansicht zu Recht verdient habe. Drexel dagegen lässt seinen Julian gegen die Verführungsversuche des Sallustius, der u.a. Julians Beliebtheit und Ruhm als Argumente vorbringt (erit nudum latus ∣ Vacuum atrium, incomitata lectica. Iul. 278–279), mit stoischen Positionen (comitem ∣ Habebo virtutem ducemque. Iul. 279–280) ankämpfen. Was im Cenodoxus das Mittel zur Erfüllung der Ruhmsucht ist, wird an dieser Stelle im Iulianus zur Waffe im Kampf gegen selbige. Drexel geht aber noch einen Schritt weiter, indem er in umfassender Weise Julians stoische Haltung mit den christlichen Tugenden der Demut, der Bescheidenheit und des Wissens um die Vergänglichkeit alles Irdischen verschränkt. In diesem Zusammenhang verdient das Ende des ersten intertextuellen Bezugs zu Seneca besondere Aufmerksamkeit. Auf die Frage des Sallustius, ob er, Julian, als Geistlicher also ein Sklavendasein (servies ∣ Ergo? Iul. 280–281) führen wolle, antwortet dieser:
129 Dabei greift Julian häufig auf die sentenzhaften Argumente Senecas zurück, wie z.B.: […] Servitus ∣ Paucos tenet, sed servitutem plurimi. Iul. 281–282; vgl. paucos servitus, plures servitutem tenent. Sen. epist. 22,11. Parari magna parvo non queunt. Iul. 298; vgl. Non potest parvo res magna constare. Sen. epist. 19,4. 130 Vgl. S. 58. 131 Vgl. S. 61. 132 Vgl. bes.: suasor mihi ∣ Deus est et auctor optimus vitae novae, Iul. 253–254; servire Numini imperare est, Iul. 283.
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Iul.: servitus Paucos tenet, sed servitutem plurimi. Servire Numini imperare est.¹³³
Indem Drexel sprachlich wie inhaltlich an den stoischen Gedanken Senecas (servitus paucos tenet, sed servitutem plurimi, vgl. Sen. epist. 22,11) anknüpft, damit aber durch das sprachliche Mittel eines Polyptotons einen christlichen Kerngedanken (servire Numini imperare est) amalgamiert, lässt er seinen Julian eine Synthese aus beiden Lehren herstellen. Darin wird Julian auch der zitierten, auf Augustinus zurückgehenden Maxime der katholischen Glaubenshüter in diesem Zusammenhang gerecht.¹³⁴ In seiner Julian-Figur, wie man sie hier noch antrifft, beweist Drexel somit, dass eine Lebensführung, die sich am Neustoizismus ausrichtet, nicht automatisch ins Verderben führen muss, wenn sie sich gleichzeitig christlichen Grundprinzipien verschreibt. Anders formuliert veranschaulicht Drexel anhand des Streitgesprächs zwischen Julian und Sallustius, in welcher Weise die stoische und christliche Lehre, auch von Klerikern, erfolgreich miteinander in Einklang gebracht werden kann. Wenn daher Constantius in I,8 Julian fragt, ob dessen Entscheidung für den geistlichen Stand gleichbedeutend mit einer Abkehr vom (stoischen) Philosophentum sei (Sic desines ∣ Sapientiae limen terere? Iul. 455–456), lässt Drexel aus ihm nicht nur den vollkommen verständnislosen Kaiser sprechen, sondern auch jeden seiner eigenen Zeitgenossen, der Stoa und Christentum für zwei miteinander unvereinbare Gegenpole betrachtet. Mit der darauffolgenden Erwiderung Primum ordiar (Iul. 456) macht Julian kurz und prägnant deutlich, dass die wahre Philosophie erst dann beginne, wenn beide Lehren miteinander verschmelzen. Hinter dieser Konstellation im ersten Teil des Dramas ist aber auch ein gewisses didaktisches Spiel zu sehen, das sich der Dramenautor Drexel mit der Erwartungshaltung des Publikums bzw. der Leser bezüglich der Charaktere des Stücks erlaubt. Denn ausgerechnet einen der Erzfeinde des Christentums, Julian Apostata, den negativen Helden seines Dramas, lässt er (zumindest im ersten Akt seines Dramas) die Vereinbarkeit von stoischer und christlicher Lehre aufzeigen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass das Vorwissen der Rezipienten über die Julian-Figur, das eine bestimmte Erwartungshaltung präfiguriert, unweigerlich bereits ein Scheitern der Hauptperson impliziert.
133 Iul. 281–283. Zu Julians Demut und Bescheidenheit siehe v.a. Iul. 172–174 und 269–270; zu seinem Bewusstsein für die Vergänglichkeit alles Irdischen siehe Iul. 274–278 sowie ganz besonders Iul. 270–275 mit der übersteigerten Formulierung am Ende: mortalis a mortalibus ∣ Amor (siehe auch Comm. ad locum). 134 Vgl. S. 57.
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Entsprechend kommt in Drexels gesamtem Drama im Hinblick auf Julians unterschiedliche religiöse Bekenntnisse das Motiv der Verstellung und Heuchelei, das christliche Schriftsteller seit Gregor von Nazianz regelmäßig in diesem Kontext topisch heranzogen,¹³⁵ entgegen der anderweitigen, aber nicht zutreffenden Behauptung der Agnostoprologi sowie des Palastpersonals,¹³⁶ nicht zum Tragen. Abschließend muss der Blick noch einmal kurz zurück gerichtet werden. Die Szenen I,5–7 illustrieren anhand des Umgangs mit seinen Palastdienern bzw. mit den persischen Jungfrauen, die ihm sein Vetter Constantius als Kriegsbeute zukommen lässt, Julians ernsthafte Hinwendung zu den monastischen Tugenden der Bescheidenheit bzw. Armut und Keuschheit. Von einer geheuchelten stoischen Lebensorientierung wie im Falle des Cenodoxus kann daher, auch wenn Julians Bedienstete das Gegenteil behaupten,¹³⁷ auch hier nicht die Rede sein.¹³⁸ Julians Entschluss, Kleriker zu werden, dient an dieser Stelle in erster Linie der Illustration seiner Bereitschaft, alles, auch seine möglichen eigenen Ambitionen und inneren Anlagen sowie Erwartungen aus seinem Umfeld dem Christengott unterzuordnen. Sein Eintritt in den Klerus ist eine Entscheidung, egoistische Ziele hintanzustellen und für das Wohl der Kirche einzutreten. Genau dies war das Anliegen, mit dem sich die geistlichen Bittsteller an Constantius wandten (vgl. Iul. 235–242).¹³⁹
135 Gregor führt in diesem Zusammenhang eine Begebenheit an, die sich in Julians Jugend im kappadokischen Macellum abgespielt haben soll. Laut Gregor machte sich Julian während dieser Zeit zusammen mit seinem Bruder im Wettstreit daran, christlichen Märtyrern prächtige Heiligtümer zu errichten. Der ältere, Gallus, habe dabei aus aufrichtiger Verehrung und echtem Glauben gehandelt, Julian dagegen habe sich nur die Maske der Frömmigkeit aufgesetzt und sich am frommen Werk beteiligt, um gottesfürchtig zu erscheinen und die Christen heimtückisch zu täuschen. Bei den Bauarbeiten zu einer Kirche (Sozomenos bringt diese Episode mit der Kirche des Hl. Mamas in der Nähe von Caesarea in Verbindung) ließ Gott daraufhin das von Gallus Erbaute schnell in die Höhe wachsen, das jedoch, was Julian am einen Tag errichtet hatte, am nächsten wieder einstürzen (Greg. Naz. or. 4,24–29; vgl. Bar. AE III,554E). Ähnlich zu finden bei Sozomenos (hist. eccl. 5,2,12–14) und Theodoret (hist. eccl. 3,2). Siehe dazu auch: Rosen 2006, S. 87–88; Bidez 1940, S. 38–39. 136 Vgl. Iul. 33–39 mit Comm. ad locum bzw. Iul. 345–346, 362–364 und 371–372 mit Comm. ad 345–346. 137 Vgl. Einleitung zu Comm. ad I,5. 138 Entsprechend kommt auch das Motiv der Übersteigerung (vgl. S. 66) in den Szenen I,4–8 nicht zum Tragen. 139 In dieser Episode ist möglicherweise nicht zuletzt eine konkrete pädagogische und lebenspraktische Botschaft an die Jesuitenschüler verborgen, die vor dem Hintergrund der ‚Katholischen Reform und Gegenreformation‘ umso stärker ins Gewicht fiele: Gerade jetzt werden Persönlichkeiten wie jener herausragend begabte und gebildete Christ Julian im Klerus gebraucht, die mit letzter Konsequenz und innerer Überzeugung handeln, auch wenn ihr familiärer Hinter-
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Bei der Hervorhebung von Julians probitas und sanctimonia, wie sie in der Isagoge vorliegt, handelt es sich somit um ein echtes Lob. Im Gegensatz dazu gehören im Falle des Cenodoxus diese Eigenschaften von Anfang an zur arroganten Selbstüberschätzung des Protagonisten.¹⁴⁰ Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass laut Drexel eine Hinwendung zur (neu-)stoischen Lehre nicht automatisch ins Unglück führen muss, sondern dass der Ausgang letztlich von der individuellen Umsetzung des Einzelnen abhängig ist. Dadurch, dass Julian die skizzierte Leerstelle aus I,1 bis zur Szene I,8 mit einem deutlichen Bekenntnis zum Christengott und mit einem Beweis seiner constantia ausfüllt und somit seine Veranlagung und seine stoisch-philosophischen Ambitionen souverän in die rechten Bahnen lenkt, erklimmt er aber auch eine enorme Fallhöhe.
3.2.2 Die Christen im Iulianus als die wahren Stoiker Die constantia der Christen Dass Drexel generell die Möglichkeit sieht, die stoische und christliche Lehre erfolgreich miteinander in Einklang zu bringen, beweist auch das Verhalten der christlichen Charaktere im Iulianus. Diese bilden hinsichtlich ihres Verhaltens eine weitgehend homogene Einheit. Primär ist ihnen allen die Opferrolle gemein, sei es dass sie durch Julians Spott angegriffen werden,¹⁴¹ sei es dass sie gemartert werden bzw. dass sie ihr Beharren an ihrem christlichen Bekenntnis mit dem Leben bezahlen.¹⁴² Im vorliegenden Zusammenhang verdient die Publia- sowie Porphyrius-Episode (IV,2 bzw. 3) eine eingehendere Behandlung. Die Art und Weise, wie sie Julians Grausamkeit und Todesdrohungen begegnen, entspricht erneut den Grundsätzen, die Lipsius in De constantia vertritt. Gegenüber der Nonne Juliana, die sich von Julians Gewaltherrschaft beeindruckt zeigt, versichert die Anführerin der Nonnen, Publia, dass ihr himmlischer Bräutigam Christus ihr innere Stärke (robur [animi]) und unverrückbare Standhaftigkeit (immobilis constantia) verleihen werde.¹⁴³ In derselben Weise bleibt der Schauspieler Porphyrius nach seiner wundersamen Konversion, grund, ihre innere Veranlagung und ihre äußere Situation möglicherweise andere Ziele für sie vorsehen. In diesen Zeiten der Krise, so die mutmaßliche implizite Botschaft, müsse das Individuelle hinter dem (katholischen) Gemeinwohl zurückstehen. 140 Vgl. Bid. Cen. I,3, V. 226–227. Siehe auch Tarot 1960, S. 86. 141 Mares (III,5), Nonnen um Publia (IV,2) sowie Albanus, Eleuterius, Eutropius und Desiderius (IV,8). 142 Persische Gesandte (III,3), Syncerastus (III,4), Artemius und Mercurius (III,6), Bassianus (IV,1 bzw. IV,7), Porphyrius (IV,3), Eusignius (IV,4) und Theodorus (IV,7). 143 Robur dabit caelestis ille virginum ∣ Sponsus, dabit et immobilem constantiam. Iul. 1534–1535.
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wie auch bereits zuvor die persischen Christen, „standhaft und unerschütterlich“ (constantissime)¹⁴⁴ bei seinem Bekenntnis zu Christus. Als ihm später von Julians Handlanger Ecebolius sogar der Tod angedroht wird, antwortet Porphyrius mit einer Formulierung, die in ihrem Wortlaut eine große Nähe zu einer Stelle in Senecas Epistulae morales aufweist, der sich wiederum sowohl Julian als auch Cenodoxus bedienen: Eceb.: Perire vis? Porph.: iuvat perire, dummodo Ita peream, ut perire cessem et vivere Exordiar.¹⁴⁵
Indem Drexel hier wiederum typisch stoische Elemente, die ferner noch in einem intertextuellen Bezug zu Seneca stehen, mit christlichen Überzeugungen verschmelzen lässt, zeigt er erneut die Vereinbarkeit von beiden Lehren auf. Im verbalen Schlagabtausch zwischen Julian und dem Märtyrer Artemius (III,6) stellt der intertextuelle Bezug zur pseudosenecanischen Octavia eine entsprechende Analogie her. Julian füllt dabei die Rolle des grausamen Tyrannen Nero, Artemius die des zur Vernunft und Milde ratenden Seneca aus.¹⁴⁶ Damit treten die Christen Publia, Porphyrius und Artemius, zumindest zeitweilig als Stoiker christlicher Ausprägung auf, wie es auch Julian selbst in I,4 noch tat. Die patientia der Christen Die Christen zeichnen sich im Iulianus aber noch durch eine weitere Tugend aus, die bei Lipsius eine zentrale Rolle einnimmt. Die patientia, das tapfere Ertragen aller äußeren Übel, ist laut Lipsius die nach außen gerichtete Manifestation der inneren constantia. Mit entschiedener Unbeugsamkeit und Bereitschaft, für ihren Glauben Marter und Tod zu erleiden, begegnen nicht nur die erwähnten Christen Publia und Porphyrius den wilden Drohungen des Kaisers, sondern auch Eusignius, Bassianus¹⁴⁷ und Theodorus. Letztgenannter verdient eine etwas ausführlichere Betrachtung. Theodorus erfährt während seiner Folter von seinem Schutzengel Theodorophylax direkte Unterstützung. Dieser mahnt ihn ausdrücklich zur constantia.¹⁴⁸ Theodorus selbst bekennt sich zu seiner inneren Stärke (robur), die ihm von Christus verliehen werde und die stärker sei, als es die Götzendiener glaub-
144 Persische Märtyrer: unumque constantissime ∣ Clamant Deum, Iul. 1130–1131. Porphyrius: Iul.: ista perseveras? Porph.: constantissime, Iul. 1661. 145 Iul. 1670–1672. Vgl. S. 100 146 Siehe S. 160 mit Anm. 134 sowie Comm. ad 1361–1362. 147 Eusignius: v.a. Iul. 1733 und 1738–1740. Bassianus: Iul. 1858–1859 und 1867–1870. 148 Theodore constanter. tyrannum ne audias. Iul. 1893.
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ten.¹⁴⁹ Julian dagegen versucht ihn durch die bereits mehrfach genannten ‚Feinde der constantia‘ in Versuchung zu führen, indem er ihn auffordert, dass er doch auf seine Jugend Rücksicht nehmen möge, und ihm Ehre und Reichtümer verspricht, falls er sich zu den heidnischen Göttern bekenne.¹⁵⁰ Theodorus bleibt indes standhaft (satis constans). Dabei handelt es sich um echte patientia in Lipsius’ Sinne und nicht, wie es Sallustius und Julian den Christen vorwerfen, um dessen Gegenteil, pertinacia bzw. pervicacia.¹⁵¹ Laut Lipsius erfolge die echte patientia von Seiten der Betroffenen zwang- und klaglos (voluntaria et sine querela perpessio),¹⁵² da alles nach Gottes Willen geschehe und daher unabänderlich sei. Während die Christen im Iulianus der Forderung nach Zwanglosigkeit noch gerecht werden, können sie die Vorgabe des „klaglosen Ertragens“ allerdings nicht in dem Maße erfüllen, wie es Lipsius’ Forderung entspricht. Denn in Szene IV,8 wenden sie sich an Julian und berichten ihm vorwurfsvoll vom Leid, das ihnen zugefügt werde.¹⁵³ Sie klagen über ihre Unterdrückung, über den Verlust ihres Besitzes und über den gewaltsamen Tod ihrer Gefährten. Ihre jeweiligen Beschwerdepunkte dienen Julian dann als Ausgangspunkt, um die Christen mit Hohn und Spott zum Besten zu halten. Dafür wendet er seine detaillierten Bibelkenntnisse an, die er sich im Rahmen seiner christlichen Ausbildung erworben hat. Mithilfe von Vorschriften aus der Heiligen Schrift, die er bewusst verkürzt oder aus dem Zusammenhang reißt, legt er den Christen dar, dass sie sich nicht beschweren dürften, weil all das, worüber sie nun Klage führten, so von ihrem eigenen Gesetz vorgeschrieben sei.¹⁵⁴ Somit stehen in dieser Szene nicht die Klage der Christen im Vordergrund, sondern Julians zynische Entgegnungen auf diese, die letztlich eine weitere Facette seiner Blasphemie darstellen. Auch wenn diese Episode verbunden mit dieser Interpretation von Gregor von Nazianz und Sozomenos überliefert ist und in derselben Weise von Drexels Vorlage Baronio übernommen wurde,¹⁵⁵ so ist dennoch nicht gänzlich auszuschließen, dass hinter dieser Szene ein Spiel mit verschiedenen Bedeutungs- und Rezeptions149 Robur a Christo meo ∣ Maius mihi est quam censeant idololatrae. Iul. 1904–1905. 150 Iuventae vel tuae ∣ Theodore parcas. Iul. 1916–1917. Theodore parco sanguine et flori tuo, ∣ Tu modo Deos agnosce, et agnitos cole. ∣ Ornabo te laetissimis honoribus, ∣ Augebo gazis. Iul. 1921– 1924. 151 Sall.: […] ipsa pertinacia ∣ Est hoc genus hominum. Iul. 1877–1878. Iul.: Theodore, mi Theodore pervicaciam ∣ Hanc mitte. Iul. 1899–1900. 152 Siehe S. 53 mit Anm. 38. 153 Vgl. die Worte des Sallustius: pridem rogarunt [sc. Christiani] Caesari ∣ Iniurias queri suas. Iul. 1943–1944. 154 Vgl. Einleitung zu Comm. ad IV,8. 155 Greg. Naz. or. 4,97; Soz. hist. eccl. 5,17; Bar. AE IV,107E–108B.
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ebenen steckt. Abgesehen von der Empörung über Julians blasphemische Äußerungen, die sicherlich beim Großteil des Publikums hervorgerufen wird, wäre es nämlich auch denkbar, hinter dem Dialog zwischen den Christen und Julian eine weitere, verborgene Verständnisebene insofern zu sehen, als Drexel dadurch manchen seiner christlichen Zeitgenossen, die sich hin und wieder vielleicht ebenfalls in jammernder Klage über ihr Schicksal ergingen, gewissermaßen einen entlarvenden Spiegel vorhalten wollte. Indem er aber diese Kritik an den Christen und die Belehrung darüber, was hinsichtlich ihrer einzelnen Klagepunkte in der Bibel zu finden ist, ausgerechnet Julian Apostata, einen der ‚Erzfeinde des Christentums‘, formulieren lässt, steckt dahinter ein, wenn auch verborgenes, aber dennoch feinsinniges und zugleich provozierendes Spiel des Autors, der in Form einer episodenhaften Erzählung mit ambivalenten Aussagen verschiedene moralisierende und didaktische Ebenen übereinanderlegt. In V,4 holen die Christen dann erneut zu einer umfassenden Klage aus, zu der sie von ihrem Anführer, Macharius, sogar explizit aufgefordert werden.¹⁵⁶ Etwas später formuliert dieser ausdrücklich, dass Gottes Zorn durch „Seufzen, Weinen, Bitten und Fasten“ abgewendet werden müsse.¹⁵⁷ Sowohl die Vorstellung vom Zorn Gottes als auch die der Abwendbarkeit des Schicksals durch Klage und Gebet widersprechen ausdrücklich Lipsius’ Position in De constantia.¹⁵⁸ Vor allem (und im vorliegenden Zusammenhang besonders wichtig) mahnt Langius in der Haltung gegenüber einem Tyrannen zu klagloser patientia und Vertrauen in die göttliche Vorsehung. Gott allein entscheide über den Zeitpunkt der Bestrafung eines Tyrannen.¹⁵⁹ Damit entkräftet er Lipsius’ fiktiven Einwand, er würde es aber ger-
156 Ite, ite iam profusiores lacrymae. Iul. 2162. 157 Mach.: Suspirijs, lacrymis, precibus, ieiunijs ∣ Flectenda est ira Numinis. Iul. 2197–2198. 158 Zorn Gottes: An tu exasperari eum [sc. Deum] censes et irasci, et haec velut noxia quaedam tela spargere in humanum genus? Erras. Ira, vindicta, ultio humani adfectus nomina sunt: et nata ex imbecillitate. Const. 2,6. [Meinst du, daß er verbittert und zornig wird, und diese Unglücksfälle als schändliche Pfeile auf das Menschengeschlecht abgeschossen hat? Du irrst! Zorn, Bestrafung und Rache sind Bezeichnungen für menschliche Affekte und entspringen aus Schwachheit. Übersetzung: Neumann 1998.] Vgl. dazu die Ankündigung des Julianophylax: orbem te duce ∣ Ad orcum rapiet ultrix ira Numinis, Iul. 2022–2013, sowie die Klage des Eutropius gegen Gott: O Numinis nimium longam indulgentiam! Iul. 2175. – Unabänderlichkeit der Vorsehung: Quod si bene imbibisti, si gubernatorem illam vim [sc. providentiam] inserere se atque insinuare, […] serio et ex animo credis: non video, quis locus ultra esse possit dolori tuo aut querelae. Const. 1,14. [Wenn du dies gut aufgenommen hast, und ernsthaft und mit ganzem Herzen glaubst, daß diese herrschende Macht [der Vorsehung] in allen Dingen wirkt […], dann sehe ich nicht, wie du noch künftig Schmerz empfinden und klagen kannst. Übersetzung: Neumann 1998.] 159 Quis enim tu ille es, qui deo non ad poenam solum praeeas, sed eius etiam tempora praescribas? Const. 2,13. [Denn wer bist du, daß du Gott nicht nur die Strafe, sondern auch die Zeit und Stunde, zu der diese erfolgen soll, vorschreiben dürftest? Übersetzung: Neumann 1998.]
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ne sehen, „daß dieser Tyrann jetzt bestraft würde, so daß mit seinem jetzigen Tod so viele arme unterdrückte Leute Genugtuung fänden“.¹⁶⁰ Genau diesen Wunsch hegen aber auch die Christen im Iulianus: O vindica Numen tuorum iniurias.¹⁶¹ Der erste Vers, den Christus im Drama überhaupt ausspricht und der direkt an Szene V,4 anschließt (Moveor meorum tot precibus, tot lacrymis, Iul. 2231), bekräftigt diesen Widerspruch zu Lipsius. „Durch die so zahlreichen Bitten und Tränen [seiner] Gläubigen ergriffen“ schreitet er ein und hält Gericht über Julian. Man muss in dieser Konstellation wohl am ehesten ein Zugeständnis von Seiten Drexels an die praktische Umsetzung des ‚kaltherzigen‘ christlich-stoischen Wertesystems, wie es Lipsius darlegt, sehen. Emotionen wie Klage und Trauer werden, sofern sie ein bestimmtes Maß nicht überschreiten und den Glauben und das Vertrauen in Gottes Walten nicht erschüttern, als urmenschliche Reflexe von Drexel zugelassen.¹⁶² Des Weiteren kommt ihnen eine wichtige drameninterne Funktion zu. Sie stellen, wie noch näher zu sehen sein wird (siehe Abschnitt 3.2.2), eine lückenlose Kausalkette zwischen Julians Unrecht, das er an den Christen verübt, und der Bestrafung durch Gott her und lassen somit das Mitwirken an der eigenen Verdammnis deutlicher hervortreten. Wirft man aber einen Blick auf die Szene V,5 als Ganze, so wird deutlich, dass eine Verbindung von stoischer und christlicher Lehre auch von gewissermaßen höchster Instanz, nämlich von Christus selbst, sanktioniert wird. Im himmlischen Partikulargericht über Julian (V,5) will Christus ihm entgegen der Empfehlungen des Himmelschors und des Julianophylax, des Schutzengels von Julian, noch Zeit zur Umkehr einräumen: Christ.: Forsan adhuc Iulianus immundo hoc luto Emersus alte vindicabit se sibi, Solvetque vincla et lacrymis culpas luet Si parcam adhuc, perferre se aequa sentient Supplicia. vitam hanc flere dum vivit, potest.¹⁶³
Mit der Formulierung vindicabit se sibi lässt Drexel seinen Christus aber auf eine ureigene Wendung Senecas zurückgreifen. Ihr kommt insofern eine herausra-
160 Sed vellem, inquies, tyrannum illum nunc puniri, et praesenti caede eius satisfieri tot oppressis. Const. 2,13. Übersetzung: Neumann 1998. 161 Iul. 1970. Bereits in III,5 warf Mares Gott vor, allzu untätig gegenüber Julians Treiben zu sein (Iul. 1250–1252). 162 Lipsius selbst lässt Langius an einer Stelle anmerken, dass Mitleid (miseratio) zwar abzulehnen, aber dennoch eine durch und durch menschliche Empfindung sei: At enim humanum est adfici [sc. miseratione], et miserari. Const. 1,12. 163 Iul. 2275–2279.
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gende Bedeutung in seinem philosophischen Werk zu, als sie ganz am Beginn des ersten Lucilius-Briefes steht und die allererste, gewissermaßen programmatische Aufforderung an den Briefpartner ist: Ita fac, mi Lucili: vindica te tibi.¹⁶⁴ Wie Christine Richardson-Hay gezeigt hat, gibt diese durch eine doppelte Reflexivität angereicherte Wendung den Nukleus des philosophischen Konzepts Senecas, der aus „Selbsterkenntnis“, „Selbstverantwortlichkeit“, „Selbstrespekt“ und „Selbstverwirklichung“ bestehe, wieder. Sie fasse markant zusammen, dass der Schlüssel, um zur höchsten Glückseligkeit zu gelangen, allein im Inneren eines Menschen liege, nicht in äußeren Gütern,¹⁶⁵ und, so ist zu ergänzen, in einem Erlösergott. Es mag zunächst verwunderlich klingen, dass ausgerechnet Christus mit diesen Worten seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, dass Julians innerer Transformationsprozess noch umgekehrt werden und dass der Kaiser wieder zum stoischen Philosophen christlicher Ausprägung in sich zurückkehren könne, der er vor seiner Apostasie war. Die Aussage Christi vindicabit se sibi ist an dieser Stelle aber nicht im senecanischen Sinne als irdische Selbsterlösung des Stoikers zu verstehen. Julian solle sich nicht selbst erlösen, sondern sich vielmehr von seinem ‚falschen Wahn‘ (opinio) befreien, wieder zum rechten Urteil (verum iudicium) zurückgelangen und dabei erkennen, dass es sich bei seinem Verhalten nicht um constantia handelt, sondern um pervicacia bzw. pertinacia, die aus seiner ‚maßlosen Gier nach Ruhm und Anerkennung‘ (immodica laudis cupido bzw. superbia bzw. cenodoxia) resultiere. Nur wenn Julian von seinem Hochmut ablasse, könne er sich wieder Gott unterordnen und sich das Heil erwerben. Das in diesem Zusammenhang nicht nur innerhalb des Iulianus immer wieder auftretende,¹⁶⁶ sondern von Fidel Rädle sogar zu „ein[em] Schlüsselwort des Jahrhunderts“¹⁶⁷ erklärte Verb ist dabei resipiscere, dessen wörtliche Übersetzung „wieder zur Vernunft kommen“ im Deutschen das gesamte kontextuelle Bedeutungsspektrum nur unzureichend abdeckt. Aber genau darin besteht in diesem Zusammenhang der Vorgang des vindicare se sibi. Aufs Engste verbunden wird dieser Gedanke mit den christlichen Kernbegriffen der Buße und Umkehr, die in den zitierten Versen unmittelbar auf den intertextuellen Bezug zu Seneca folgen. Indem der ursprünglich als Selbsterlösung gedachte Vorgang des vindicare se sibi somit in den Bereich der menschlichen Willensfreiheit eingeordnet wird, genauer gesagt als eine Form des aktiven Mitwirkens des Menschen (cooperatio) mit der gerechtmachenden Gnade Gottes verstanden wird, wird der stoische An164 165 166 167
Sen. epist. 1,1. Richardson-Hay 2006, S. 130–131. Iul. 1308–1309, 1330, 2005, 2245, 2256, 2283. Rädle 1999b, S. 503–504 mit Anm. 26; vgl. Comm. ad 1308–1309.
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satz zur ‚Erlösung‘ des Menschen nicht in Konkurrenz zum christlichen gesetzt, sondern als ein Teil davon angesehen. Eine solche Unterordnung unter bzw. Integration in die christliche Rechtfertigung ist aber nur dann möglich, wenn der Stoiker seine Lehre mit christlichen Kerninhalten verschmelzen lässt (wie Julian vor II,1) und sie nicht in seinem Hochmut als Gegenentwurf dazu stilisiert (wie Cenodoxus und Julian ab II,1).
3.3 Julians Fall oder Die falsche/unchristliche Umsetzung des Neustoizismus 3.3.1 Die Verführung des (neu-)stoisch-christlichen Gelehrten Julian Auf Julians Mitteilung gegenüber Constantius, er wolle den Bitten des Klerus von Konstantinopel nachkommen und Geistlicher werden (I,8), folgt das Eingreifen der Dämonen (I,9). Diese Szene markiert den Beginn seines inneren Transformationsprozesses. Die Dämonen sehen in Julian, der zuvor in vielerlei Hinsicht als vorbildhaft dargestellt wurde, eine besondere Herausforderung. Ihr erklärtes Ziel ist es, den Geistlichen Julian zu Fall zu bringen. Als wirksamstes Werkzeug (teli genus bzw. machina, Iul. 476), um dies zu erreichen, erörtern sie den Götzendienst, „das schlimmste aller Übel“.¹⁶⁸ Um dieses Mittel anwenden zu können, bedarf es aber noch zweier Faktoren: Zum einen führen die Dämonen Julian nicht direkt in Versuchung, sondern bedienen sich seiner Philosophenfreunde, denen er in großem Maße vertraut und hörig ist, ein weiteres Element, das ein negatives Licht auf Julian wirft. Zum anderen muss dem Götzendienst als Werkzeug, das Julians Fall bewirken soll, ein weiteres vorgeschaltet werden. Hierzu setzen die Dämonen ihren Stachel (spiculum, Iul. 484) an Julians neuralgischem Punkt an. Sie packen ihn bei seinem mehr oder weniger latenten intellektuellen Hochmut, der aus der beschriebenen Tendenz zur Verabsolutierung der Bildung zu erwachsen droht,¹⁶⁹ bis Szene II,1 aber, wie gezeigt, von Julian noch erfolgreich in Schach gehalten wird. Drexels Julian ist dabei ein weiterer Vertreter des Typus des Gelehrten auf der frühneuzeitlichen Bühne, der, wie Christel Meier herausgearbeitet hat, ein gefährdeter ist und der „bei dem angestrengten und Entbehrungen in Kauf nehmenden Streben auf höchste Ziele hin, wie Wahrheit, komplexes Wissen […], verschiedenen, zum Teil tödlichen Gefahren ausgesetzt [ist], die wesentlich in der eigenen
168 Vgl. Iul. 500–501, siehe auch Comm. ad locum. 169 Vgl. Julians Eigenaussage am Ende des Dramas: male scientijs, male litteris ∣ Quae vel lasciviam vel arrogantiam ∣ Docent. Iul. 2654–2656.
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Person, sei es der physischen oder psychischen, liegen“.¹⁷⁰ Spätestens seit Bidermanns Cenodoxus ist klar, dass von dieser Gefährdung insbesondere der neustoizistische Gelehrte betroffen ist.¹⁷¹ Die für Julians Apostasie entscheidende Szene II,1 ist entsprechend Ausdruck des inneren Ringens der (neu-)stoisch gelehrten Hauptfigur mit dieser eigenen natürlichen Veranlagung zum Hochmut, den die Dämonen zusätzlich befeuern. Neben diesem typen- bzw. figurenimmanenten Aspekt, der den Hochmut zu einem geeigneten Werkzeug macht, um den Gelehrten Julian zu Fall zu bringen, stellt die superbia aber auch noch in einer weiteren Hinsicht ein ideales Mittel für die Dämonen dar: Laut traditioneller kirchlicher Lehre kommt dem Hochmut insofern eine besondere Bedeutung zu, als er als einziges Laster nicht vor Gott fliehe, sondern sich ihm entgegenstelle und sich gegen ihn erhebe.¹⁷² Somit liegt der Kern der Apostasie, die die Dämonen als ihre eigentliche Waffe gegen Julian auserkoren haben, bereits in der superbia verborgen. Da Julian aber auch die Neigung aufweist, den Christengott bzw. die virtus Christiana in seinem philosophisch-intellektuellen Eifer in den Hintergrund zu drängen, stellt dieses Vorgehen für die Dämonen ein optimales Mittel dar, um Julian dem Götzendienst zuzuführen. Ein leichter Anstoß ihrerseits genügt, um den in Julian bereits veranlagten Grund für sein Scheitern hervorbrechen zu lassen. Aus dieser Gemengelage heraus erwecken sie in Julian zunächst die in der Isagoge genannte immodica laudis cupido, die „maßlose Gier nach Ruhm und Anerkennung“. Diese wird im Drama selbst allerdings nicht explizit genannt, ist aber aus den Worten der Ratgeber bzw. der Dämonen in II,1 herauszulesen. Hinter ihr steckt letztlich aber nichts anderes als superbia bzw. cenodoxia. In der Vulgata 170 Meier 2008b, Zitat S. 367. 171 Vgl. Meier 2008b, S. 358–362; Braungart 1989, S. 585 und 638; Wehrli 1958, S. 23–24. 172 So bei Thomas von Aquin, der dabei angeblich Boëthius, tatsächlich aber Johannes Cassianus frei zitiert: Sed ex parte aversionis, superbia habet maximam gravitatem, quia in aliis peccatis homo a Deo avertitur vel propter ignorantiam, vel propter infirmitatem, sive propter desiderium cuiuscumque alterius boni; sed superbia habet aversionem a Deo ex hoc ipso quod non vult Deo et ejus regulae subjici. Unde Boethius dicit quod ‚cum omnia vitia fugiant a Deo, sola superbia se Deo opponit‘ [= Cassian. De instit. Coenob. 12,7, PL 49,434]. STh II,2 q. 162, a. 6 co.. [Doch von der Abwendung (von Gott) her gesehen ist der Stolz das Schlimmste, denn der Mensch wendet sich bei den anderen Sünden von Gott ab, entweder aus Unwissenheit oder aus Schwäche, oder weil er irgendein anderes Gut begehrt, der Stolz hingegen wendet sich von Gott ab, weil er sich Gott und seiner Norm nicht beugen will. Daher sagt Boëthius [Cassianus]: Alle Laster fliehen vor Gott, der Stolz allein stellt sich ihm entgegen. Übersetzung: DTh 22, S. 257.] Vgl. Pörnbacher 2000, S. 20; Brauneck 1969, S. 35–36; Tarot 1963, S. XXIII; Tarot 1960, S. 85. So auch der konkrete Vorwurf des Julianophylax gegenüber Julian: o nimiam superbiam! ∣ Tu fortior Deo, te non vincat Deus? Iul. 2013–2014. Zur Rolle der cenodoxia in der ‚Lasterlehre‘ der Kirche siehe auch: Tarot 1963, S. XXI; Tarot 1960, S. 83–85.
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wird das griechische Wort κενοδοξία sogar mit inanis gloriae cupido übersetzt, was fast wörtlich der Anmerkung in der Isagoge entspricht.¹⁷³ Während Cenodoxus von Anfang des Dramas an dieser schlimmsten aller Todsünden verfallen ist, gelangt Julian erst durch die dämonische Verführung zu ihr. Szene II,1, in der Julians Apostasie erfolgt, behandelt, wie bereits erwähnt, Julians inneren Kampf gegen seine natürliche Veranlagung zum Hochmut, den er nun aber nicht mehr erfolgreich bestreiten kann und letztlich aufgrund von mangelnder constantia verliert.¹⁷⁴ Dass es sich um ein persönliches, individuelles inneres Ringen der Hauptperson handelt, wird in der rhetorischen Ausgestaltung der Szene deutlich. Denn es kommt bei der Begegnung mit den Dämonen, die in die Rolle von Julians Philosophenfreunden geschlüpft sind, keineswegs zu einem Gespräch, in dem Julian von seinem eingeschlagenen Weg abgebracht wird, wie es zuvor, wenn auch aus anderen Motiven, Sallustius (I,4) und Constantius (I,8) erfolglos versuchten. Es findet kein Dialog statt, sondern Julians Erkenntnisprozess verläuft weitgehend selbständig. Seine Überlegungen können isoliert als innerer Monolog betrachtet werden, in dessen Rahmen er eine ganze Reihe von rhetorischen, im Deliberativ oder Potentialis formulierten Fragen an sich selbst richtet. Indem er nach und nach über seine hochberühmte Abstammung (honor), Jugend (longaevitas), Stärke (sanitas), Veranlagung, intellektuellen Fähigkeiten und (philosophische) Weisheit und Größe (potentia)¹⁷⁵ und über die aus diesen eigentlich logisch resultierenden Perspektiven auf großen Ruhm und Anerkennung sowie sein enormes Potential als zukünftiger Kaiser¹⁷⁶ sinniert und diesen das armselige und unbedeutende Dasein als Geistlicher (inopia, infamia, impotentia), für das er sich entschieden hat, konstrastierend gegenüberstellt,¹⁷⁷ geht er aber genau auf
173 Gal 5,26 und Phil 2,3. Vgl. Braungart 1989, S. 587; Tarot 1963, S. XXI; Tarot 1960, S. 83; Wehrli 1958, S. 22–23. 174 Bereits zuvor unterzog Constantius Julian einer erneuten Gewissensprüfung. Er möge seine Abstammung (genus tuum sic despicis? Iul. 452) und Perspektiven auf eine ehrenvolle Zukunft (Siccine tibĭ sordet purpura? Iul. 453) bedenken und sich dabei die Frage stellen, ob er diesen wirklich entsagen wolle und könne. Auch diesen Einwänden begegnete Julian noch mit constantia und einem demütigen Bekenntnis zur alles überragenden Rolle Gottes: finiam [coepta], spero, Deo ∣ Superisque bene iuvantibus. Iul. 462–463. 175 Ehrenvolle Abstammung: Ego hanc lacernam regius sanguis geram? Iul. 558. Jugend: Procul voluptate moriar, dum vivo adhuc? Iul. 572. Stärke/Gesundheit: vires retundam? Iul. 578. Veranlagung/Weisheit: Sic pereat ingenium meum? Iul. 574; Sic langueat memoria? Iul. 576; Sic dona naturae tegam? Iul. 577; altis ita ∣ Tenebris premam prudentiam? Iul. 578–579. 176 Purpuram centonibus ∣ Mutaverim? Iul. 560–561; Omnes honores hac toga sepeliverim? Iul. 562. 177 Pannis in istis consenescam turpiter? Iul. 564; Obsordeam solus ego? iaceam, squalleam? Iul. 566; Et curia extorris, sacellis immorer? Iul. 568; Foroque pulsus, fana vilis incolam? Iul. 570.
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jene Argumente ein, die zuvor schon von Sallustius und z.T. auch von Constantius vorgebracht wurden und die, wie gezeigt, die Hauptfeinde der constantia darstellen.¹⁷⁸ In diesem entscheidenden Moment des inneren Kampfes lässt er genau die constantia vermissen, mit der er zuvor den Überredungsversuchen des Sallustius, den Bitten seiner Palastangestellten und den Verlockungen der persischen Jungfrauen trotzte, und wird damit der Klage aus der Isagoge gerecht: modo fuisset et satis constans.¹⁷⁹ Denselben Argumenten, die er gegenüber Sallustius in I,4 noch gestützt auf die (neu-)stoische Philosophie entkräftet hat, erliegt er nun. Als ein Beispiel sei angeführt, dass Julian in I,4 auf den Einwand des Sallustius, er werde mit dem Eintritt in den Klerus jeglichen öffentlichen Ansehens beraubt werden, noch geantwortet hatte, dass er die stoisch-christliche Tugend als Begleiterin und Lenkerin habe: Sall.: erit nudum latus, Vacuum atrium, incomitata lectica. Iul.: comitem Habebo virtutem ducemque.¹⁸⁰
Nun in II,1 sieht er aber genau diesen fehlenden öffentliche Glanz und diese fehlende gesellschaftliche Anerkennung und Geltung als unvereinbar mit seinen Talenten und Fähigkeiten: Iul.: Pannis in istis consenescam turpiter? […] Et curia extorris, sacellis immorer? […] Foroque pulsus, fana vilis incolam?¹⁸¹
178 Siehe S. 54 mit Anm. 39. 179 Als ‚Gegenpart‘ zu Julian kann sein Vetter mit dem bezeichnenden sprechenden Namen ‚Constantius‘ gesehen werden. Da die Gegensätzlichkeit zwischen beiden aber im Drama keine Rolle spielt, ist dahinter aber wohl eher ein kurioser Zufall zu sehen. 180 Iul. 278–280. 181 Iul. 564, 568 bzw. 570. Ferner lassen sich folgende Widersprüche bzw. Veränderungen in Julians Aussagen zwischen I,4 und II,1 diagnostizieren: Leben/Tod: Sall.: sed tuam ∣ Num sic iuventam perditum ibis? Iul.: perdere, ∣ Est saepe lucrari. Iul. 268–270; Sall.: Non te tui florentis aevi ver monet? ∣ Iul.: Ergone tunc primum ordiendum est vivere ∣ Cum desinendum? Iul. 288–289; später aber: Iul.: Procul voluptate moriar, dum vivo adhuc? Iul. 572. – Jugend/Stärke: Sall.: iuvenis es. Iul.: sed tamen ∣ Mortalis. Iul. 270–271; Sall.: es firmi et valentis corporis. ∣ Iul.: Nihilominus mortalis. Iul. 273–274; später aber: Vires retundam? Iul. 578. – Kaiserliche Abstammung: Sall.: es de stirpe Caesarum. Iul.: Tamen ∣ Mortalis. Iul. 271–272; Sall.: servies ∣ Ergo, futurus Imperator? Iul.: servitus ∣ Paucos tenet, sed servitutem plurimi. ∣ Servire Numini imperare est. Iul. 280–283; Sall.: Clericus ∣ Sit, Caesare genitus? Iul.: potentior Deus ∣ Est Caesare. Iul. 283–285; Sall.: generis tui fuscabitur ∣ Splendor. Iul.: decus vivendo benĕ nanciscimur, ∣ Sive benĕ moriendo: inclyti non nascimur. Iul.
3.3 Julians Fall oder Die falsche/unchristliche Umsetzung des Neustoizismus | 87
Der Wunsch nach Ruhm und Anerkennung, der aus seiner jetzigen Sicht logisch aus seinem philosophisch vorbildlichen Verhalten entwächst, überwuchert und erstickt dieses letztlich. Hierin tritt die Ambivalenz des philosophischen Gelehrten und gleichzeitig seine hohe Gefährdung sowie der schmale Grat zwischen aus christlicher Sicht positiver und negativer Umsetzung der (neu-)stoischen Philosophie offen zu Tage. Was den Einflüssen von außen zuvor nicht gelungen ist, kommt nun aus Julian selbst heraus zustande. Trotz dieser betonenden Fokussierung auf die individuellen Denkvorgänge in der Hauptperson nehmen die Dämonen in dieser Szene jedoch eine Reihe von wichtigen Funktionen ein. Sie sorgen durch ihre gemeinsam gesprochene und damit mit besonderem Nachdruck versehene Anrede Julians überhaupt erst für den Anstoß seines inneren Denkprozesses. In ciceronianischer Manier (Quousque …)¹⁸² bringen sie ungeduldige und protreptische Vorwürfe vor. Aus eher zurückhaltenden Hinweisen des Sallustius auf Julians Abstammung (z.B.: es de stirpe Caesarum, Iul. 271) wird ein Trikolon an vorwurfsvollen rhetorischen Fragen: Daemones: Quousque Iuliane virtutem tuam Dormire pateris otiasam? degener? Nihilne te virtus tuorum commovet, Nomenque gentis Flaviae illustrissimum?¹⁸³
Im Folgenden begleiten und vertiefen sie durch überzeichnende Kommentare und Hinweise Julians Überlegungen. Sie bekräftigen und bestärken seine zweifelnden und deliberativen Fragen. Indem nun die Mächte der Hölle miteingreifen und Julian „zublasen“, wie ihr Verhalten im deutschen Teil der Perioche zu Szene I,10 beschrieben wird, verleihen sie den aufgeführten ‚Feinden der constantia‘ eine neue Qualität. Die in Julian vorsichtig aufkeimenden Zweifel befeuern sie, indem sie direkt an diese anknüpfend immer wieder durch starke Gegensatzpaare auf
285–287); später aber: Ego hanc lacernam regius sanguis geram? Iul. 558. – Intellektuelle Begabung: Sall.: memoriam summam habes. Iul.: haec nulla erit ∣ Aliquando. Sall.: divini ingenij es. Iul.: hebescet hoc. Iul. 275–276; Sall.: ah quid Iuliane tuam indolem ∣ Necas? Iul.: parari magna parvo non queunt. Iul. 297–298; später aber: Iul.: Sic pereat ingenium meum? […] Sic langueat memoria? […] Sic dona naturae tegam? […] altis ita ∣ Tenebris premam prudentiam? Iul. 574, 576, 577 bzw. 578–579. – Zukunftsaussichten: Sall.: Ergo relinques spes tam opimas? Iul.: ne brevi ∣ Relinquar ego ab illis. Iul. 277–278; später aber: Iul.: purpuram centonibus ∣ Mutaverim? Iul. 560–561; Omnes honores hac toga sepeliverim? Iul. 562. 182 Siehe Comm. ad 553–554. 183 Iul. 553–556.
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die große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in seinem Leben hinweisen.¹⁸⁴ Gleichzeitig befriedigen und stimulieren sie durch ihre begleitenden und überzeichnenden Kommentare aber schon bereits während Julians langsam in Gang kommenden inneren Transformationsprozesses seinen nach und nach anwachsenden Wunsch nach Ruhm und Geltung. Sie lassen ihm in ihren Antworten genau die glorifizierende Anerkennung zuteil werden, die er im Verlauf seines ‚Monologs‘ immer stärker für sich einfordert. Dabei nehmen sie Julians Neigung zur Übersteigerung auf und rühmen seine großartigen Zukunftsaussichten durch eine Vielzahl von Superlativen.¹⁸⁵ Er lässt sich von ihren schmeichelnden Worten vereinnahmen und stimmt in einem Anfall von übersteigerter Hybris in ihre Worte ein: Orbis onus ab humeris levabitur meis (Iul. 584), worin er nicht zuletzt Cenodoxus entspricht, der von seinen Anhängern mit ähnlichen Worten in den Himmel gehoben wird.¹⁸⁶ Als er seine Entscheidung für den geistlichen Stand letztlich durch das Ausziehen des Klerikergewandes performativ revidiert, deuten die Dämonen dies in geschickter Weise als weitreichender, als die Handlung an sich aussagt. Denn Julians Entschluss, dem Klerus doch zu entsagen und nach ‚Höherem‘, letztlich dem Kaisertum, zu streben, stellt lediglich eine notwendige, keinesfalls aber eine hinreichende Bedingung für seine Apostasie dar. Es wäre ihm ja ebenso möglich gewesen, als Christ nach dem Kaiserthron zu trachten. Die Dämonen deuten für Julian das Ablegen des geistlichen Gewandes aber nicht primär als Entschluss gegen den Klerus an sich, sondern als generelle Abkehr vom Christentum: […] Iul.: togam cum Clerico tandem exui. 1us : Christum exuisti et industi daemonem.¹⁸⁷
184 Z.B.: Iul.: purpuram centonibus ∣ Mutaverim? 2us : futurus orbis arbiter, Iul. 560–561; Iul.: Obsordeam solus ego? iaceam, squalleam? ∣ 5us : Honoribus, luce, solio dignissimus. ∣ Iul.: Et curia extorris, sacellis immorer? ∣ 6us : Dignus reformidans quem adoret curia. Iul. 566–569. 185 Nomen gentis Flaviae illustrissimum, Iul. 556; Honoribus, luce, solio dignissimus, Iul. 567; Pridem vocandus in iubar largissimum, Iul. 571; vitae decus iuvenisque floridissimus, Iul. 573; [memoria] divinissima. […] [dona naturae] opulentissima, Iul. 576–577; [prudentia] clarissim[a], Iul. 579; Atlas ipsissimus, Iul. 585; Hoc Iuliano facinus dignissimum, Iul. 595. 186 Incumbit humeris ∣ Tuis onus, quod ferre nequeat Atlas suis. Bid. Cen. III,2, V. 949–950. [Auf deinen Schultern lastet ein Gewicht, das ein Atlas mit seinen eigenen nicht stemmen kann.] Vgl. die Selbstaussage des Cenodoxus an früherer Stelle: sublevo meis ∣ Illorum [sc. omnium] inopiam opibus. Bid. Cen. I,3, V. 249–250. [Mit meinen Mitteln lindere ich die Armut von all diesen.] 187 Iul. 596–597.
3.3 Julians Fall oder Die falsche/unchristliche Umsetzung des Neustoizismus | 89
Durch seine markante Wortstellung bildet der zweite zitierte Vers Julians innere Entwicklung ab. Christus ist sowohl Ausgangspunkt des Verses als auch der Entwicklung der Hauptfigur, das Ergebnis von beiden markiert der daemon. Die durch die Varianz des Präfixes erzeugte Antithese ex-uisti/in-duisti beschreibt den Entwicklungsprozess ‚weg vom‘ Christentum ‚hin zum‘ Götzendienst. Die ‚Spiegelachse‘ et stellt dabei genau den Moment dar, in dem Julian den falschen Weg in seinem Leben einschlägt. Indem die Dämonen für Julians bisherige ‚Verirrung‘ nicht den Entschluss, Kleriker zu werden, verantwortlich machen, sondern sie pauschalisierend auf sein Christsein zurückführen, stellen sie die für Julian letztlich überzeugende kausale Verbindung zwischen der in ihm hervorgerufenen immodica laudis cupido und der Idololatria her, die sie als ihr eigentliches Mittel ausgegeben haben.
3.3.2 Julians ‚freie Willensentscheidung‘ Wie gezeigt belehren die Dämonen ihr Opfer nicht, sondern begleiten es vielmehr in seinem Erkenntnisprozess. Die zahlreichen Fragen und Zweifel, die Julian in Szene II,1 im Deliberativ und Potentialis gewissermaßen in Monologform an sich selbst richtet, rücken ihn als freien Entscheidungsträger in den Mittelpunkt. Er zieht selbst entsprechend seiner herausragenden intellektuellen Fähigkeiten und seiner einzigartigen Bildung die für sich selbst ‚logischen‘ Schlüsse aus seiner paradoxen Situation. Er selbst gelangt zu der Erkenntnis, dass Anspruch und Wirklichkeit in seinem Leben unwürdig weit auseinanderklaffen. Entsprechend bringt dies der ‚dritte Dämon‘ auch explizit zum Ausdruck: Sic liber, in nostra incidisti retia (Iul. 600).¹⁸⁸ Julian entscheidet sich aus freiem Willen für seinen neuen Lebensweg, der ihn vom Heil entfernt. Damit drängt sich aber auch spätestens an dieser Stelle die Frage nach der konfessionellen Färbung des Iulianus auf. Denn hinsichtlich der Rolle der menschlichen Willensfreiheit bzw. der Heilsrelevanz der menschlichen ‚Werke‘ nehmen die Konfessionen bis heute bekanntlich unterschiedliche Positionen ein.¹⁸⁹ Die protestantische Lehre lehnt das aktive Mitwirken des Menschen an seiner ‚Gerechtmachung‘ ab, da die alles beherrschende Vorsehung Got188 Entsprechend betont gegen Ende des Dramas der Märtyrer Artemius im Partikulargericht über Julian vor dem Richterstuhl Christi, dass der Kaiser „aus eigener Schuld [verlassen]“ worden sei und ihm deshalb der selbstverschuldete Untergang drohe (Desertus ultro pronus ex alto imminet, Iul. 2301; siehe auch den Comm. ad locum). 189 Einen zusammenfassenden Überblick zur Willensfreiheit in der protestantischen Gnadenund Rechtfertigungslehre des Reformations- und konfessionellen Zeitalters liefern: Hauschild ⁴2010, S. 285–291; Leonhardt ⁴2009, S. 317–323; Barth ³2008, S. 528–547; Pesch 2004, S. 87–91;
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tes die menschliche Willensfreiheit ausschließe. Allein der Glaube (sola fide) und die Gnade Gottes (sola gratia) bewirkten die Erlösung des sündigen Menschen. Die menschlichen ‚Werke‘ besäßen dabei keinerlei heilsrelevante Wirkung. Das von der katholischen Kirche in Folge der reformatorischen Bewegung einberufene Konzil von Trient (1545–1563) nennt als alleinige causa formalis für die ‚Gerechtmachung‘ des Menschen die ‚Gerechtigkeit Gottes‘ (iustitia Dei).¹⁹⁰ Als Wirkursache (causa efficiens/efficax) definiert das Konzil die Barmherzigkeit Gottes, „der umsonst abwäscht und heiligt“ (misericors Deus, qui gratuito abluit et sanctificat, DH 1529), und das Verdienst Jesu Christi „durch sein heiliges Leiden am Holz des Kreuzes“ (Jesus Christus, qui […] sua sanctissima passione in ligno crucis nobis justificationem meruit, DH 1529). Auch wenn das Tridentinum somit in gewisser Übereinstimmung mit dem Protestantismus der Gnade Gottes im Heilsprozess einen bedingungslosen Vorrang gegenüber dem menschlichen Handeln zuspricht, postuliert es in Abgrenzung zum konfessionellen Gegner jedoch auch eine heilsrelevante Rolle des freien menschlichen Willens und ein aktives Mitwirken in Form seiner ‚Werke‘ mit der Gnade Gottes (cooperatio) bei der Vorbereitung zur Rechtfertigung.¹⁹¹ Entsprechend wird im Iulianus auch an späteren Stellen wiederholt betont, dass sich Julian aus freiem Willen für den falschen Lebensweg entschieden und damit Schuld auf sich geladen habe, die für seine Verdammung mitverantwortlich sei. Eine wichtige Rolle nehmen dabei die Dialoge zwischen Julian und seinem Schutzengel Julianophylax ein. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei der Figur des Julianophylax gemäß katholischer Angelologie nicht um eine abstrakte innere Stimme bzw. einen Teil von Julians Persönlichkeit handelt, sondern um ein konkretes überirdisches Wesen, dessen Aufgabe es u.a. ist, den ihm Anvertrauten
Sauter 1997, S. 317–322; Lohse 1995, bes. S. 272–274 und 281–283; Müller 1995, S. 798–800. Entsprechend zur katholischen bzw. tridentinischen Lehre: Hauschild ⁴2010, S. 500–502; Leonhardt ⁴2009, S. 324–328; Scheffcyk/Ziegenaus 1996–2003 VI, S. 166–174; Sauter 1997, S. 324–325; Hilberath 1992, S. 28–31; Kraus 1995, S. 248–253; Müller 1995, S. 800–805. – Zur Auseinandersetzung zwischen Luther und Erasmus in der Frage der Willensfreiheit siehe: Schwanke 2010; Leppin 2006, S. 246–257; Lohse ²1998, S. 33–39; Lohse 1995, S. 178–187. 190 Vgl. DH 1524; DH 1529. 191 Assentiendo et cooperando, DH 1525. [Durch freie Zustimmung und Mitwirkung]. Vgl. [iustitiam in nobis recipimus] […] secundum propriam cuiusque dispositionem et cooperationem. DH 1529. [Wir nehmen die Gerechtigkeit in uns auf […] „nach der eigenen Vorbereitung und Mitwirkung eines jeden.“] Sowie in ipsa iustitia per Christi gratiam accepta, cooperante fide bonis operibus (cf. Iac 2,22), crescunt [sc. iustificati et „amici Dei“ ac „domestici“] atque magis iustificantur. DH 1535. [In dieser durch Christi Gnade empfangenen Gerechtigkeit wachsen sie [sc. die Gerechtfertigten und zu „Freunden Gottes“ sowie „Hausgenossen“ Gewordenen] – wobei der Glaube mit den guten Werken zusammenwirkt (vgl. Iac 2,22) – und werden noch mehr gerechtfertigt.]
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unablässig zum rechten Leben zu ermahnen, indem er ihn aktiv zur Hinterfragung seiner Handlungen anspornt.¹⁹² Entsprechend fordert Julianophylax in der ersten Szene des fünften Aktes seinen Schützling in Sorge um dessen Heil eindringlich dazu auf, von seiner Blasphemie Abstand zu nehmen, seine christenfeindlichen Maßnahmen zu unterlassen und wieder zum wahren Glauben zurückzukehren. Auf Julians mehrmalige Weigerung reagiert er mit folgenden Worten: Iul.lax : Perire vis, et iam peribis, sed tuo Malo peribis atque culpa non mea. Ego ille sum qui te monebam iugiter, Tu me monentem negligebas iugiter. […] Perire vis, tuo peribis crimine. Iul.: Nil muto […]¹⁹³
Durch die doppelte Verwendung des Ablativus causae in Verbindung mit dem Possessivpronomen in der Zweiten Person Singular (tuo malo; tuo crimine), wobei das erste tuo durch die Position am Versende besonders hervorgehoben wird, betont Julianophylax, dass die alleinige Verantwortung für Julians Untergang bei diesem selbst liege. Dass dies aufgrund seiner eigenen freien Willensentscheidung geschieht, verdeutlicht er ferner durch die Wiederholung von Perire vis am jeweiligen Versbeginn. Er habe sich bewusst gegen die mahnenden Worte seines Schutzengels gestellt. Julians kurze, daran unmittelbar anschließende Erwiderung nil muto ist als erneute Bestätigung seiner freien Willensentscheidung zu sehen. In Szene V,8, also bereits nach Christi Urteilsspruch über Julian, verdeutlicht Julianophylax diesen Sachverhalt ein weiteres Mal. Kurz bevor er seinen Schützling den Dämonen übergibt, hebt er noch einmal hervor, dass Julian selbst Schuld an seiner Verdammnis trage und alle Mahnungen absichtlich in den Wind geschlagen habe: Iul.lax : Perire voluisti. Peribis perfide. Moneri noluisti, non moneberis Nunc amplius. […]¹⁹⁴
Mit Perire voluisti hebt Julianophylax, mit denselben Worten wie zuvor, erneut Julians freie Willensentscheidung hervor. Indem diese Aussage im Vergleich zur Szene V,1 (perire vis, Iul. 2036 und 2044) nun jedoch im Perfekt anstatt im Präsens
192 Siehe dazu Comm. ad 1893. 193 Iul. 2036–2039 und 2044–2045. 194 Iul. 2416–2418.
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erscheint, wird im Gegensatz zur früheren Stelle, wo für Julian noch die Möglichkeit zur Umkehr bestand, die Unwiderruflichkeit von Christi Urteilsspruch unterstrichen. Im Folgenden veranschaulicht Julianophylax die Abhängigkeit und Bedingtheit von Julians ‚Werken‘ und Verdammnis sprachlich durch zwei Polyptota bzw. eine Anapher und den Wechsel der Diathese bzw. die Vertauschung von Subjekt und Objekt, die bald Julians aktives Handeln in jüngster Vergangenheit, bald sein daraus resultierendes passives Leiden in naher Zukunft beschreiben: Iul.lax : […] atque per summum scelus Deum ipsum ludificare non reveritus es. Iam sempiternum ludificabere Ab illis, quos tot sacris coluisti Deos. Iam sempiternum ab illis concremabere Quibus tot taurorum greges cremaveras. […] Ad lubitum vobis [sc. Daemonibus], spreto Christo servijt Ad lubitum vos ipsum, torquete, perurite.¹⁹⁵
Der jubelnde Aufschrei des Christen Serenus, der nach der Nachricht von Julians Tod in Szene V,9 erschallt, fasst die Kausalität zwischen Julians Taten und seinem Fall ebenfalls prägnant zusammen: Sic, sic auctorem consilia improbra feriunt (Iul. 2514). Was bereits Rolf Tarot für die himmlischen Gerichtsszenen im Cenodoxus angemerkt hat, gilt auch für den Iulianus: Bei der Frage nach der Repräsentation der katholischen Position zur Willensfreiheit in den Dramen der Jesuiten kommt diesen eine große Bedeutung zu.¹⁹⁶ Eine für diesen Kontext zentrale Funktion neh-
195 Iul. 2435–2440 und 2452–2453. Ebenso wird dies später vom Christen Pigmenius mit denselben sprachlichen Mitteln zum Ausdruck gebracht: In orbe merito quem oppresserat, oppressus est. Iul. 2519. Ganz ähnlich, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, bringt der Christ Macharius das Zusammenspiel von menschlicher cooperatio und göttlicher Gnade gegenüber Ecebolius zum Ausdruck, der sich überwältigt von Julians jähem Untergang wieder zu Christus bekennt. Siehe dazu detailliert Comm. ad 2604–2605. 196 Tarot 1963, S. XXVII–XXVIII. Tarot hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass Bidermann mit der im Cenodoxus vermittelten Position hinsichtlich der Willensfreiheit primär in der innerkatholischen Kontroverse zwischen Dominikanern (Thomisten bzw. Bañezianer) und Jesuiten (Molinisten) über die Rolle der göttlichen Gnade und menschlichen Willensfreiheit bei der Rechtfertigung Stellung beziehen wollte. Im Rahmen dieser sogenannten ‚thomistisch-molinistischen Kontroverse‘ ging es um die Frage, ob die göttliche Gnade aus sich selbst heraus wirksam werde oder ob sie der menschlichen Zustimmung von außen her bedürfe. Auf dominikanischer Seite, v.a. in persona Domingo Bañez (1528–1604. De vera et legitima concordia liberi arbitrii cum auxiliis gratiae Dei efficaciter moventis humanam voluntatem, 1600), vertrat man dabei die Ansicht,
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men im Iulianus die beiden Märtyrer Artemius und Mercurius ein, die in der sechsten Szene des dritten Aktes von Julian für ihren Glauben hingerichtet werden. Vor Christi Richterstuhl treten neben diesen beiden Figuren die übrigen Opfer Julians im Chor und wiederum sein Schutzengel Julianophylax auf und sagen über Julians irdische ‚Werke‘ aus. Sowohl der Chor der Opfer als auch Julianophylax halten ein für Julian vernichtendes Plädoyer und setzen sich für eine unbarmherzige Bestrafung ein. In seiner schier endlosen Gnade und Güte will Christus Julian jedoch noch Zeit zur Umkehr gewähren und drückt seine Hoffnung auf eine mögliche Besserung aus. Erst den Märtyrern Artemius und Mercurius gelingt es letztlich, ihn umzustimmen. Indem Julian aufgrund der Aussagen von genau denjenigen Christen verurteilt wird, für deren Hinrichtung er persönlich im Rahmen des Dramas gesorgt hat, ja die ihm später sogar die tödliche Wunde zufügen,¹⁹⁷ betont Drexel Julians Eigenverantwortlichkeit für die Konsequenzen seiner ‚Werke‘, für die er sich aus seiner menschlichen Willensfreiheit heraus selbst und bewusst entschieden hat.
dass eine göttliche, von der menschlichen Freiheitsentscheidung unabhängige praedeterminatio physica dem menschlichen Willensakt ursächlich vorausgehe. Sie allein bewirke es, dass der menschliche Wille der göttlichen Gnade zustimme und an ihr mitwirke. Die Jesuiten hingegen, allen voran der spanische Ordensbruder Luis de Molina (1535–1600. Liberi arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione et reprobatione Concordia, 1588), leugneten die Notwendigkeit eines vorausgehenden physischen Einflusses der göttlichen Gnade auf die menschliche Willensentscheidung. Vielmehr postulierte er ein harmonisches Zusammenwirken beider Bereiche. Sekundär, so Tarot andernorts (1960, S. 116), richte sich Bidermanns Cenodoxus damit aber auch gegen die protestantische Gnadenlehre und ordne sich somit in die „gegenreformatorische Tendenz des Ordens“ ein. Vgl. Tarot 1963, S. XXVI–XXVII; Tarot 1960, S. 108–116. Zur Präsenz der Gnadenlehre auf der Bühne der Jesuiten siehe ferner Valentin 1980, S. 242–243. Zur thomistisch-molinistischen Kontroverse, die 1607 von Papst Pius V. bis zu einer päpstlichen Entscheidung, welche bis heute noch nicht gefallen ist, untersagt wurde, siehe ferner: Pesch 2004, S. 91–93; Rohls ²1999, S. 286–287; Dantine ²1998, S. 444–445; Müller 1995, S. 806–807; Hilberath 1992, S. 32–33. – Die Präsenz der eigenen Position in der Frage nach dem Verhältnis zwischen göttlicher Gnade und menschlicher Willensfreiheit bei der Rechtfertigung auf der Bühne muss aber nicht zwangsläufig als „gegenreformatorische Tendenz“ im Sinne einer Belehrung des konfessionellen Gegners oder gar als Glaubenspropaganda oder konfessionelle Polemik aufgefasst werden. Vielmehr ist dahinter zunächst einmal ganz neutral eine rituelle und performative Selbstvergewisserung des eigenen theologischen Standpunktes, eine szenische Inszenierung des eigenen Katechismus bzw. eine Fortsetzung des Katechismusunterrichts mit einem anderen, wohl auch ansprechenderem Medium zu sehen, ohne jedoch gleichzeitig automatisch einen aggressiven oder polemischen Unterton gegen den konfessionellen Gegner aufzuweisen. 197 So auch ausdrücklich von Mercurius und Artemius formuliert: Merc.: Ferrum suo recipiat corpore quod meum ∣ In corpus demersit, feratque vulnera ∣ Quae fecit, pereat morte qua alios perdidit. […] Art.: Sitivit sanguinem, bibat nunc sanguinem ∣ Suum ipse, deserat vitam qui plurimis ∣ Eripuit vitam. […] Desertus ultro pronus ex alto imminet. Iul. 2288–2290, 2297–2299 bzw. 2301.
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Um diese Kausalität zu betonen, unternimmt Drexel zwei Schritte. Erstens verlegt er das nach christlicher Vorstellung eigentlich postum stattfindende Partikulargericht kurz vor den Tod des Protagonisten bzw. macht dieses überhaupt erst zum Grund für dessen gewaltsames Ende. Im Rahmen der Verhandlungen über Julian vor Christus verweigern die Heiligen, wie auch in Bidermanns Cenodoxus,¹⁹⁸ dem Angeklagten ihre Fürsprache und Unterstützung, die darin bestünde, Christus um Gnade und Barmherzigkeit mit dem Sünder anzuflehen. Sie fordern darüber hinaus noch aktiv seine Verurteilung und die ihm gebührenden Strafen, die seinen schrecklichen Werken entsprechen. Dabei sind ihre Abkehr vom Sünder Julian als Entsprechung zu dessen Apostasie von Christus zu sehen.¹⁹⁹ Zweitens nimmt Drexel eine gewisse Glättung der hagiographischen Überlieferung vor. Spätestens seit der Kirchengeschichte des byzantinischen Historikers Nikephoros Kallistos Xanthopulos (ca. 1256–1335), der im Zusammenhang mit der Schilderung von Julians Tod die Erzählung von der ‚Apostelvision‘ aus Sozomenos und der Vita Basilii des Johannes Malalas mit der Passio Artemii zusammenführt, werden die Märtyrer Mercurius und Artemius als die himmlischen Mörder von Kaiser Julian betrachtet.²⁰⁰ Von diesen erlitt jedoch nur Artemius unter Julian das Martyrium. Mercurius dagegen soll bereits unter Kaiser Decius (ca. 190–251; reg. ab 249) für sein christliches Bekenntnis hingerichtet worden sein.²⁰¹ Indem Drexel aus Mercurius einen Zeit- und Leidensgenossen des Artemius macht, tritt die Kausalität von Julians grausamen Todesurteilen gegen die Christen und seinem Tod noch deutlicher hervor. Denn damit erleidet Julian sein jähes Ende nicht durch Artemius, den er selbst hinrichten ließ, und ‚irgendeinen anderen‘ Märty-
198 Im Cenodoxus verweigern der Erzengel Michael sowie die Apostelfürsten Petrus und Paulus der Seele des Cenodoxus, die im himmlischen Partikulargericht eben diese um Hilfe und Beistand anfleht, nacheinander ihre Unterstützung: Mich.: patrocinor superbo nemini. Abi. Bid. Cen. V,3, V. 1837–1838. [Ich leiste keinem Hochmütigen Beistand. Fort mit dir.] Pet.: Abi. […] Tolle te hinc; me non moves. Bid. Cen. V,3, V. 1839 und 1845. [Fort mit dir. […] Scher dich hier weg; du stimmst mich nicht um.] Paul.: Hic aeque parum ∣ Extundis. Absiste; actum agis: nihil impetras. Bid. Cen. V,3, V. 1847–1848. [Hier richtest du genauso wenig aus. Hör auf; Schluss, aus und vorbei: Du erreichst nichts.] Auch sein Schutzengel Cenodoxophylax versagt ihm aufgrund seiner Verfehlungen und seiner gegenüber jeglicher Ermahnung tauben Ohren die unterstützende Fürsprache bei Christus. 199 Siehe dazu auch die Einleitung zu Comm. ad V,5. 200 Zur reichen Legendenbildung rund um Julians Tod und ihre spätere Entwicklung siehe ausführlich Comm. ad 2494–2509. Eine vollständige lateinische Übersetzung der Kirchengeschichte des Nikephoros besorgte im Jahre 1553 Johannes Lange: Nicephori Callisti Xanthopuli, scriptoris vere Catholici, Ecclesiasticae historiae libri decem et octo […] opera vero ac studio doctissimi Ioannis Langi, Consiliarij Regij, e Graeco in Latinum sermonem translati. Basel 1553. 201 Näheres siehe Comm. ad 1346.
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rer, sondern gleich von zwei Blutzeugen, für deren Tod niemand anderes als er selbst verantwortlich war. Die Betonung des ‚Sünderwerdens‘ anstatt des ‚Sünderseins‘, wie sie nicht nur im Iulianus, sondern im Jesuitentheater ganz generell zu beobachten ist,²⁰² hat aber, was speziell die Tradition der Julian-Rezeption betrifft, weitreichende Folgen. Im Großteil der früheren, meist hochpolemischen christlichen Literatur²⁰³ zeichnet sich Julian durch seine angeblich angeborene Boshaftigkeit und sein natürliches Wesen als leibhaftiger Antichrist aus, Eigenschaften, die seine christenfeindlichen Maßnahmen letztlich bedingen. Um diesen Gedanken mit dem historisch belegten ‚christlichen Lebensabschnitt‘ vor seiner Apostasie in Einklang zu bringen, griff man häufig auf das Motiv der Verstellung, Täuschung und Heuchelei zurück.²⁰⁴ In Drexels Iulianus verhält sich dies jedoch anders. Julian ist nicht von Anfang an ein Sünder, sondern wird es erst im Laufe des Dramas durch seine eigene freie Entscheidung. Damit bilden Julian und seine grausame Herrschaft im Gegensatz zur bisherigen Rezeption aber auch nicht mehr nur den düsteren Hintergrund, vor dem das vorbildliche Verhalten der christlichen Märtyrer in hellsten Farben erstrahlt, sondern die Julian-Figur selbst und ihre innere Entwicklung rückt ins Zentrum der Betrachtung. Sie gewinnt damit an psychologischer Tiefe und Komplexität und wird nicht mehr länger als facettenloses Werkzeug des Teufels und Gegenspieler des Christentums gesehen. In dieser deutlichen Akzentverschiebung ist aber in einem gewissen Maße auch eine Reaktion auf die eingangs beschriebenen zeitgenössischen Rehabilitationsversuche der Julian-Figur im Zeitalter des Renaissance-Humanismus (vgl. Abschnitt 1) und ein Kampf um die Deutungshoheit über die Julian-Figur zu sehen. Entsprechend macht Drexel für die überlieferten unterschiedlichen Phasen in Julians Leben nicht das in diesem Kontext traditionell verankerte Motiv der Heuchelei aus, sondern vielmehr seine herausragende und seinen Hochmut letztlich bedingende Bildung, also genau die Charaktereigenschaft, die von Drexels eigenen Zeitgenossen bei der Julian-Figur immer stärker hervorgehoben wird. Um Anekdoten aus Julians Leben, die sich nachweislich nach seiner offenen Apostasie ereignet hatten und die von den Zeitgenossen des sechzehnten Jahrhunderts in Einklang mit Ammians 1417 wiederentdeckten Geschichtswerk gelobt werden, wie z.B. die Vertreibung seines zur Verschwendung neigenden Dienstpersonals aus dem Palast²⁰⁵ oder die Zurückweisung der ihm als Geschenk dargebotenen Jungfrauen
202 Siehe dazu Rädle 1997a, S. 57–58. 203 Vgl. Abschnitt 1. 204 Siehe S. 97 Anm. 216 bzw. die ‚Mamas-Episode‘ (S. 76 mit Anm. 135). 205 Vgl. Amm. 22,4,9–10. Diese Episode wird von Erasmus, wenn auch in Rückgriff auf Sokrates von Konstantinopel, lobend erwähnt, vgl. S. 7 mit Anm. 17.
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von Maozamalcha²⁰⁶ mit seiner Erzählung zu harmonisieren, nimmt Drexel Verstöße gegen die überlieferte Chronologie bereitwillig in Kauf und verlegt diese unstrittig positiv zu bewertenden Handlungen einfach in die christliche Lebensphase des Kaisers.²⁰⁷ Gleichzeitig, und darin kann ein gewisser ironischer Seitenhieb in Richtung Jean Bodins gesehen werden,²⁰⁸ zieht Drexel ausgerechnet die Julian-Figur als Projektionsfläche seines Anliegens heran, nämlich differenzierend aufzuzeigen, in welcher Weise die stoische Lehre in Einklang mit dem Christentum gebracht werden kann und in welcher nicht. Damit beweist er anhand von keinem Geringeren als dem heftigst umstrittenen Kaiser Julian, dass die Kirche sehr wohl in der Lage ist, zu einem differenzierten und (scheinbar) unparteilichen Urteil zu kommen.
3.3.3 Julian als alter Cenodoxus Kein Geringerer als die Hauptfigur des Iulianus selbst hatte in seinem Monolog der Eröffnungsszene des Dramas die gegenseitige Bedingtheit von Philosophie und Herrschaft herausgestellt. Frei nach Platon behauptete er dort, dass niemand, der ein schlechter Philosoph sei, ein guter Kaiser sein könne, und umgekehrt ein guter Philosoph wohl kaum ein schlechter Herrscher: Iul.: Bonus Imperator esse nequit, quisquis malus Philosophus est; malus Imperator vix erit Quicunque philosophus bonus.²⁰⁹
Entsprechend diesem Verständnis hat seine Abkehr von der positiven (christlichen) Umsetzung der Stoa aber auch unmittelbare Auswirkungen auf seine Herrschaft als Kaiser. Indem er zu einem stoischen Philosophen wird, der nicht mehr Gott als summum bonum betrachtet, muss er auch als Kaiser scheitern. Auch wenn somit die Bereiche ‚Philosoph‘ und ‚Herrscher‘ ineinander verschränkt sind, sollen sie im Folgenden um der besseren Übersichtlichkeit willen dennoch getrennt voneinander behandelt werden. Zunächst wird die weitere Entwicklung des nunmehr fehlgeleiteten Stoikers Julian und dessen nächste ‚Entwicklungsstufe‘, nämlich seine offene Apostasie vom Christentum (Abschnitt 3.3.4), näher in den Fokus genommen. Im Anschluss sollen die daraus gewonnenen Erkenntnisse durch
206 Vgl. Amm. 24,4,27. Julians Mäßigung und Zurückhaltung wird beispielsweise von Bodin hervorgehoben, vgl. S. 8 mit Anm. 22. 207 Vgl. I,5–6 bzw. 7. 208 Siehe S. 8 mit Anm. 22. 209 Iul. 116–118.
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einen Blick auf den Kaiser Julian unter Heranziehung des zeitgenössischen Herrscherdiskurses erweitert werden (Abschnitt 3.3.5). Nach der erfolgreichen Verführung durch die Dämonen in II,1 tritt Julian als fehlgeleiteter stoischer Gelehrter im Stile des Cenodoxus auf. In II,3, wo er zum ersten Mal nach seiner (noch heimlichen) Apostasie die Bühne betritt, zeigt er sich nach außen gegenüber Constantius, der ihn zum Mitkaiser ernennen will, zurückhaltend, bescheiden und demütig. Dieses Verhalten liegt darin motiviert, dass er die bisherigen Meinungen über sich nicht Lügen strafen und sein mittlerweile anvisiertes Ziel, Kaiser zu werden, nicht leichtfertig verspielen möchte. Er behauptet, dass der Purpur, auf den er eigentlich seit der Szene II,1 aus ist, eine Last sei, der seine Schultern nicht gewachsen seien.²¹⁰ Er gibt sich weiterhin als bescheidener Philosoph, der nicht über andere, sondern nur über sich selbst herrschen wolle.²¹¹ Die Last des Diadems sei für sein Haupt zu schwer.²¹² Wie im Falle des „Pharisäers“²¹³ Cenodoxus entspringt dieses (vorgespielte) tugendhafte Verhalten nun aber nicht mehr Julians innerer Überzeugung, sondern wird kühl berechnend eingesetzt.²¹⁴ Nach außen gibt er sich als ein anderer, als er in seinem Inneren ist.²¹⁵ Auch seine ebenfalls in II,1 erfolgte Abkehr vom Christentum muss er zunächst noch geheim halten, um den Argwohn des Kaisers nicht zu wecken und seine Aussichten auf den Kaiserthron und den damit einhergehenden Ruhm nicht leichtfertig zu verspielen. Julians ‚Verstellung‘ ist aber nicht nur vor der intertextuellen ‚CenodoxusFolie‘ als negativ einzustufen. Sie wird im Drama noch weitere Male sowohl explizit als auch implizit verurteilt. Die Schimpftirade der Christen Lucianus und Philaemon in IV,5 greift u.a. den seit der Spätantike gegen Julian von Seiten christlicher Polemik vorgebrachten Vorwurf der Heuchelei auf²¹⁶ und verurteilt dieses Verhalten scharf. Sie beschuldigen Julian expressis verbis, honigsüß daherzure-
210 Const.: Hoc Iuliane scande solium, purpura ∣ Sceptroque pridem insigniendus. Iul.: quid premes ∣ Invicte Caesar non pares oneri humeros? Iul. 713–715. 211 Iul.: Egone Imperator? Const.: imperium ad aequissimum. ∣ Iul.: Discam mihi imperare. Iul. 718– 719. 212 Iul.: Huic vertici diadema non quadret. Const.: brevi ∣ Quod respuit, feret. Iul.: at onus non perferet. Iul. 720–721. 213 Tarot 1963, S. XXIV–XXVI und Tarot 1960, S. 88–89 und 93–95. 214 Vgl. Schmidt 2008a, S. 92–93 für Cenodoxus. 215 Damit geht nun auch die zunächst unzutreffende Prophezeiung des Paronetemus aus Szene I,5 in Erfüllung, wo er Julian unterstellte, dass dieser nur großspurig verkünde, Geistlicher zu werden, es aber tatsächlich niemals sein werde: Se Clericum posthac futurum iactitat. ∣ Sed iactitat solum futurum; numquam erit. Iul. 371–372. Siehe dazu auch Comm. ad 345–346. 216 Vgl. Sokr. hist. eccl. 3,1,19–21 und 39 sowie 7,22,7. Siehe ferner die ‚Mamas-Episode‘ (S. 76 mit Anm. 135).
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den (in ore illi mel est), im Sinn aber „auf Asche und eisernes Schwert, auf Verwüstung und Blutvergießen“ aus zu sein.²¹⁷ Er finde Gefallen daran, freundlich dreinzublicken und gleichzeitig böswilligen Herzens zu sein.²¹⁸ Dass die ‚Verstellung‘ im Iulianus eine außerordentlich negative Charakterisierungsfunktion einnimmt, wird auch in den Worten des zu diesem Zeitpunkt noch heidnischen Schauspielers Porphyrius deutlich, der das Verhalten der Christen in überaus spottender und despektierlicher Art und Weise unter Rückgriff auf dieselben Motive beschreibt: Die Christen verstünden sich vorzüglich darauf, sich zu verstellen (simulare), zu täuschen (dissimulare), zu lügen und zu verheimlichen (tegere). Ihr Mund lasse etwas anderes nach außen dringen als das, was sie im Herzen verborgen trügen (Ore aliud et corde aliud inclusum gerunt). Als die reinsten Unschuldslämmer wollten sie erscheinen (volunt videri) und stritten im Gegenzug ab, die größten Tagediebe zu sein (esse).²¹⁹ Aus ihrem Mund strömten honigsüße Wortbonbons (Illis fluunt verborum ab ore mellei globuli), in ihrem Inneren verbargen sie aber das scheußlichste Gift.²²⁰ Hinzu kommen weitere Episoden innerhalb des Dramas, in denen implizit deutlich wird, dass Julian unaufrichtig handelt. Sein Tun (agere) weist immer wieder einen deutlichen Widerspruch zu seinem Sprechen und Denken bzw. seiner Eigendarstellung nach außen auf (simulare). Allen voran ist hierzu Szene III,5 zu rechnen. Darin kommt es zu einer ähnlichen Entlarvung des wahren Charakters der Hauptperson wie im Falle des Cenodoxus, der in unaufrichtiger Weise nur dann stoische Tugenden aufweist, wenn er sich beobachtet weiß und diese somit gewinnbringend für seinen Ruhm zur Schau stellen kann. Im Streitgespräch mit Mares, dem blinden Bischof von Chalkedon, rühmt sich Julian seiner angeblichen patientia,²²¹ laut Lipsius eine Grundtugend, die aus der constantia erwachse, und der Stärke seines inneren Gemüts (robur animi),²²² ebenfalls ein Schlüsselbegriff bei Lipsius. Mares dagegen weist darauf hin, dass Julian sein Verhalten fälschlicherweise mit diesen Begriffen bezeichne. Hinter seiner geheuchelten patientia verberge sich vielmehr stumpfsinnige Borniertheit (exsensa pertinacia),²²³ laut Lipsius die negative Ausprägung der constantia, die maßgeblich aus den Lastern Stolz und Ruhmsucht resultiere. Diese wiederum wurden in Julian zuvor durch
217 In ore illi mel est, sed est cinis ∣ Ferrumque vastitasque sanguisque in animo. Iul. 1817–1818. 218 Illi placet vultus bonus, pectus malum. Iul. 1820. 219 Iul. 1564–1568. 220 Illis fluunt verborum ab ore mellei ∣ Globuli; animo virus tegunt teterrimum. Iul. 1573–1574. 221 Patientiae mihi materiam das senex. Iul. 1238. 222 Robur animi non cadet ∣ Verbis tuis. Iul. 1241–1242. 223 At sic pati stuporis est, non roboris. ∣ Exsensa pertinacia haud patientia ∣ Est nominanda. Iul. 1239–1241.
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die Dämonen geweckt. Mares richtet etwas später sogar die vorwurfsvolle Frage an sein Gegenüber, ob er denn seiner Borniertheit (pervicacia) immer noch kein Ende setzen wolle.²²⁴ In Mares’ Worten wird deutlich, dass sich Julian zwar weiterhin stoischen Gedankenguts bedient, dieses aber, wie sein alter ego Cenodoxus, in verkehrter Weise anwendet. Entsprechend charakterisiert an späterer Stelle der Christ Philaemon Julians Verhalten mit demselben Vers, den Cenodoxophylax im Hinblick auf Cenodoxus für denselben Zweck verwendet: Virtute falsa contegit verum scelus.²²⁵ Auch in Szene IV,7 will sich Julian gegenüber den Christen Bassianus und Theodorus gnädig, milde und geduldig zeigen.²²⁶ Er verfolgt freilich das hinterhältige Ziel, sie dadurch von ihrem christlichen Bekenntnis abzubringen, nachdem seine Gewaltandrohungen keinen Erfolg hatten. Der Schutzengel des Theodorus bezeichnet Julians mildes Gebaren an dieser Stelle ausdrücklich als „List des Schmeichlers“ (blandientis astus, Iul. 1902). Seinen wahren Charakter lässt Julian dann später, nachdem ihm von Theodorus die Machtlosigkeit seiner Götter vorgeführt wurde, in einem ungehaltenen Wutanfall hervorbrechen: Iul.: Tollite, rapite, mactate sceleratissimum. Tu talia in Deos? puer? discerpite.²²⁷
Nicht nur diese Worte, sondern auch seine blutrünstigen Handlungen gegen Christen stehen in deutlicher Diskrepanz zum immer wieder von ihm postulierten Selbstbild des geduldigen und milden Herrschers. Dieses ist im Iulianus zusammen mit dem Motiv der ‚Verstellung‘ aber auch als ein Reflex des zeitgenössisch breit geführten Herrscherdiskurses zu sehen, der sich u.a. um die Fragen dreht, ob bzw. in welchem Maße Milde und Grausamkeit sowie ‚Verstellung‘ (simulatio, dissimulatio) bzw. ‚Betrug‘ (fraudes) zur (Staats-) Klugheit (prudentia) des idealen Herrschers gehörten. Die spätere Detailuntersuchung (siehe Abschnitt 3.3.5) wird zeigen, dass Julians Verhalten auch vor diesem Hintergrund als überaus negativ und moralisch verwerflich eingestuft werden muss. Dass Julians stoische Ausrichtung nun im Gegensatz zu I,4 fehlgeleitet ist, beweist auch seine Reaktion auf die Gefahren, die ihm mit der Kriegsführung in Gallien bevorstehen (II,4). Mit stoischer Todesverachtung nimmt er sein unausweich224 Nec dum facis tu pervicaciae tuae? Iul. 1299. 225 Iul. 1819; Bid. Cen. IV,4, V. 1430. 226 Iul.: Meliora, mi adulescens [sc. Bassiane]; tui me plurimum ∣ Miseret, tibi consulo, tibi faveo plurimum. Iul. 1865–1866. Ebenso Julian gegenüber Theodorus: Experiar an possit aliquid mea lenitas. ∣ Theodore, mi Theodore pervicaciam ∣ Hanc mitte, concilia meam tibi gratiam. Iul. 1898– 1900. 227 Iul. 1928–1929.
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liches Schicksal an. Eine Abkehr von der positiven Umsetzung des Ideals des stoischen Weisen wie in I,4 liegt hier insofern vor, als Julian mit seinen Worten v.a. die eigene Selbstdarstellung im Blick hat. Sein stoischer Umgang mit den Gefahren, die ihm in Gallien drohen, entspringt nicht frommen Absichten, sondern der Motivation, sich Ruhm und Anerkennung zu erwerben und sich gegenüber dem angeblich feindlich gesinnten Constantius zu beweisen. In seiner Anwendung von stoischen Idealen mit dem Ziel der eigenen Selbstdarstellung entspricht Julian eindeutig dem Cenodoxus.²²⁸ Julians Verhalten als Stoiker wird hier erneut durch intertextuelle Bezüge zu Senecas Epistulae morales illustriert.²²⁹ Nicht zufällig legt Drexel seinem Julian beinahe dieselben aus Seneca zitierten Worte in den Mund wie Bidermann seinem Cenodoxus: Cen.: Moriar? Id expectaveram. Moriar? bene est; Ita desinam aegrotare posse; ita desinam Posse alligari, posseque mori desinam.²³⁰ Iul.: At moriar? occidar? nihil agitis minae. Si moriar, aegrotare posse desinam Et alligari, posse desinam mori.²³¹ Desinam aegrotare posse, desinam alligari posse, desinam mori posse.²³²
Ein vergleichender Blick auf die jeweiligen Passagen in I,4 und II,4 zeigt, inwiefern die (heidnisch-) stoische Vorlage richtig bzw. falsch von Christen adaptiert werden kann. Im ersten Fall verbindet Julian stoische Grundsätze mit christlichen Überzeugungen, indem er Gott über alle Dinge stellt und in ihm das letzte Ziel allen menschlichen Handelns, auch das des stoischen Philosophen sieht.²³³ Sein Verhalten wird von Demut und der virtus Christiana geleitet. Während sich Julian bei seiner schwierigen Entscheidung in I,4 noch auf Gott als lenkenden Ratgeber verließ, schreibt er diese Funktionen in II,4 ausschließlich der (stoischen) Philosophie zu:
228 Vgl. v.a. die beiden ‚Krankenszenen‘ im Cenodoxus (IV,1 und 3). Siehe dazu auch: Tarot 1963, S. XXIII–XXIV und Tarot 1960, S. 93–99. 229 Siehe S. 73 mit Anm. 126. 230 Bid. Cen. IV,3, V. 1385–1387. 231 Iul. 852–854. 232 Sen. epist. 24,17. 233 Vgl. v.a.: Servire Numini imperare est. […] potentior Deus ∣ Est Caesare, Iul. 283–285. Vgl. auch Iul. 250–260 und 267–268 sowie S. 75.
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Iul: Suasor mihi Deus est et auctor optimus vitae novae.²³⁴ Iul.: Fiat via, hancque philosophia mihi viam dabit.²³⁵
In II,4 spielt der Christengott überhaupt keine Rolle mehr. Einzig der selbstherrliche (irdische) Ruhm, den ein Stoiker durch seine verachtende Haltung gegenüber dem Tod erwirbt, steht nun im Zentrum von Julians Denken und Handeln.²³⁶
3.3.4 Julian als grausamer, affektverfallener Götzendiener Die Entwicklung, die Drexels Julian durchläuft, geht aber, sicherlich stoffbedingt, über die herausgearbeitete Wesensverwandtschaft mit dem fehlgeleiteten Stoiker Cenodoxus hinaus. Der Endpunkt von Julians innerem Transformationsprozess wird erst durch seine offene Abkehr vom Christentum markiert.²³⁷ Eine wichtige Rolle spielt dabei Szene II,6, in der Julian mit Libanius das heidnische Lararium aufsucht. Dieser heimliche Besuch und die darin implizierte Zuwendung zu den alten Göttern bereitet seine offene Apostasie vor. Nach dem Tod des Constantius und nach der damit erfolgten Übernahme der Alleinherrschaft steht Julians offenem Bekenntnis zu den alten Göttern nichts mehr im Wege. Die endgültige Apostasie findet in III,1 statt und bringt Julians inneren Transformationsprozess vollends zum Abschluss. Zunächst schwört Julian Christus verbal ab und verflucht ihn aufs Schärfste (Iul. 963–986). Danach wäscht er mit Opferblut symbolisch die Taufe und somit das ‚Christsein‘ von sich ab. Sein Entschluss, der „Höllengöttin“ Hekate zu opfern (Iul. 1009–1010) und gegen die Christen grausam vorzugehen (Iul. 1011–1022), verleihen ihm explizit die Facetten des Götzenanbeters und Christenverfolgers.²³⁸
234 Iul. 253–254. 235 Iul. 861. 236 Vgl. die Worte Senecas, der demjenigen, der gegen Krankheit bzw. den Tod mit stoischer Haltung kämpft, großen Ruhm bei seinen Mitmenschen prophezeit: O quam magna erat gloriae materia, si spectaremur aegri. Epist. 78,21. [Oh welch großer Anlass zu Ruhm wäre es, wenn man uns krank vorfände.] In derselben Weise solle man sich selbst in dieser Situation bewundern und rühmen: ipse te specta, ipse te lauda! [Schau auf dich selbst, lobe dich selbst!]. Siehe dazu auch; Tarot 1963, S. XXII–XXIII und Tarot 1960, S. 98–99. 237 Vgl. die Eigenaussage des Cenodoxus, der beim christlichen Glauben bleibt und Christus im Partikulargericht, wenn auch vergeblich, um Gnade anfleht: At ego ∣ Nunquam Tonantem spreveram. Bid. Cen. III,3, V. 1002–1003. [Aber Gott hatte ich niemals verachtet.] 238 Siehe dazu auch Einleitung zu Comm. ad III,1.
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Von diesem Punkt an tritt Julian weder als Gelehrter noch als (stoischer) Philosoph auf. Ganz im Gegenteil, und darin liegt eine weitere entscheidende Wende innerhalb des Iulianus: Er verfällt gerade den Affekten, die für einen Stoiker nicht zulässig sind. Seine bereits zu Beginn der Szene II,4 formulierten böswilligen Unterstellungen gegenüber Constantius müssen hier hinzugezählt werden. Sein Argwohn und Hass stehen im Widerspruch zur stoischen Affektenlehre. Hinzu kommen seine späteren Wutanfälle und grausamen Todesurteile, die durch das unbeugsame Bekenntnis der Christen hervorgerufen werden.²³⁹ Neben der ‚Vergeltung‘ (ultio) werden ‚Zorn‘ (ira) und ‚Rache‘ (vindicta) von Lipsius ausdrücklich zu den Affekten von schwachen Menschen (imbecilli) gerechnet.²⁴⁰ Die Christen, die dem Kaiser zum Opfer fallen, erweisen sich dagegen, wie bereits skizziert,²⁴¹ als die wahren Stoiker christlicher Ausprägung. Im Anschluss an III,1 wird lediglich der Endzustand des Transformationsprozesses anhand von verschiedenen Episoden veranschaulicht. Julians idololatria und Blasphemie manifestieren sich in einer Opferzeremonie an Hekate (III,4), der Befragung von verschiedenen ApolloOrakeln (IV,6 und V,1) und der Verspottung von Christus (III,7) und dessen Anhängern (III,5; IV,3 und 8). Besonders bei letzterem Punkt wird deutlich, dass Julian seine intellektuellen Fähigkeiten nun einsetzt, um seinen Mitmenschen und Gott zu schaden. Die Hinrichtungen der persischen Gesandten (III,3), der Soldaten Mercurius und Artemius (III,6), des Porphyrius (IV,3) und des Eusignius (IV,4) sowie die an Theodorus verübten Martern (IV,7) illustrieren die ungezügelte Grausamkeit und den Christenhass des Kaisers. Versuche von Seiten der Christen, den Prozess umzukehren und Julian wieder zu Christus zurückzuführen (III,5 und V,1), scheitern. In seinem sturen Verharren in seiner Grausamkeit und in der Verehrung der alten Götter entspricht er der negativen Spielart der constantia, der pertinacia bzw. pervicacia, die laut Lipsius aus Hochmut (superbia) und Selbstverliebtheit (nimio pretio sui) entspringe. Diese ‚aufgeblasene Borniertheit‘ Julians (ventosa durities) führt letztlich zu seinem schrecklichen Ende.²⁴² Ferner gibt sich Julian nun hemmungsloser seiner natürlichen inneren Veranlagung zur Übersteigerung und Maßlosigkeit hin, deren Richtung in I,1–2 noch offen geblieben war, im Rückblick jedoch bereits einen für Julians Fall mitverantwortlichen Grund beinhaltete. Somit wird er letztlich auch der Prophezeiung der Dämonen gerecht, die angekündigt hatten, dass er in seinem Gewaltrausch kein Maß mehr kennen werde: nullumque violens novit in rebus modum (Iul. 504).
239 Bes. III,3 und 6; IV,3, 4 und 7; V,6. 240 Ira, vindicta, ultio humani adfectus nomina sunt: et nata ex imbecillitate, cadunt tantum in imbecillos. Const. 2,6. 241 Siehe Abschnitt 3.2.2. 242 Siehe S. 53.
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Seinen Eifer, das Christentum und dessen Anhänger von der gesamten Erde verschwinden zu lassen, übersteigert er zügellos mit jedem Male, bei dem er darauf zu sprechen kommt.²⁴³ In seiner stetig anwachsenden Hybris macht er weder vor den Grenzen der Erde noch denen des Himmels Halt.²⁴⁴ Dasselbe Motiv kehrt später nach seinem Tod wieder (V,10). Als seine Seele vor die Dämonen tritt, bezeichnet er sich selbst u.a. als „Elendsten aller Elenden“ (O me cunctorum miserorum miserrimum, Iul. 2629) und als „Elender, Elender, Elendster aller Sterblichen“ (O me miserum, miserum, o miserrimum omnium ∣ Mortalium, Iul. 2673–2674). Auch wenn diese Klagen aus christlicher Sicht inhaltlich durchaus zutreffend sein mögen, sind sie auf sprachlicher Ebene als maßlose Hyperbole zu sehen. Julian belässt es nicht bei einem einfachen ‚Genitiv der Steigerung‘, miserum miserorum, sondern übersteigert diesen noch zusätzlich durch einen Superlativ (miserrimum). Generell trägt die auffallende Häufung von Superlativen in dieser Szene zum Eindruck der maßlosen Übersteigerung bei.²⁴⁵ Die asyndetische Aneinanderreihung der tautologischen Verben premor, opprimor, pereo miser, intereo, occido (Iul. 2664) weist sprachlich ebenfalls einen hohen Grad an stilistischer Überladung auf.²⁴⁶ Julians Abkehr von jeglicher stoischer Verhaltensweise lässt sich auch anhand der intertextuellen Bezüge nachweisen. Der entscheidende Referenzpunkt ist erneut Seneca. Besonders deutlich wird dies in einer längeren Rhesis Julians am Ende der vierten Szene des vierten Aktes (Iul. 1750–1763). Seine Worte, die auf das Verhalten des Eusignius reagieren, der trotz aller Drohungen des Kaisers unverrückbar an seinem christlichen Bekenntnis festhält und zuletzt den toten Kaiser Konstantin den Großen um Hilfe bittet, weisen einige intertextuelle Bezüge zu Senecas Schrift De clementia auf.²⁴⁷ In dieser zwischen 55 und 56 n.Chr.
243 Vgl. bes. Iul. 1011–1022, 1335–1344, 1691–1701 und 2112–2117. In derselben Weise wird sein Verhalten von seinem Schutzengel Julianophylax gegenüber Christus charakterisiert: saevit in dies magis et magis, Iul. 2264. 244 Vgl. Julians Worte zu Beginn von V,1 (Iul. 1974–1984), mit denen er seinen universellen Herrschaftsanspruch über die gesamte Erde zum Ausdruck bringt und die er mit zahlreichen Indefinitpronomina überlädt (siehe auch die Einleitung zu Comm. ad V,1). Schon zuvor wurde Julian von Lucianus mit Hercules gleichgesetzt, der (so die Befürchtung Junos in Senecas Hercules furens) nach seinem irdischen Siegeszug letztlich nicht einmal mehr vor dem Himmel Halt machen werde (Iul. 1825–1827, siehe auch Comm. ad locum). 245 Siehe Iul. 2681–2686 mit Comm. ad locum. 246 Siehe dazu auch Comm. ad 2663–2664 und 2673–2674. 247 Eine weitgehend wörtliche Übernahme der intertextuellen Vorlage wie zuvor im Falle der Epistulae morales ist an dieser Stelle jedoch nicht festzustellen. Dennoch können mindestens drei Marker von Intertextualität ausgemacht werden. Hierzu zählt erstens die Thematik im Allgemeinen: Julian geht auf den Wert und die Folgen von Milde ein, Seneca widmet seine gesamte Schrift
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entstandenen Abhandlung, die folgenden Jahrhunderten als essentielle Vorlage der literarischen Gattung des ‚Fürstenspiegels‘ dienen sollte, hebt der stoische Philosoph gegenüber seinem Zögling und Adressaten, dem jungen Kaiser Nero, die ‚Milde‘ als die höchste Herrschertugend hervor und lehnt ihr Gegenteil, die ‚Grausamkeit‘, dagegen scharf ab.²⁴⁸ Clementia zeichne den idealen Herrscher (princeps/rex optimus) aus, den Seneca im zweiten Buch von De clementia mit dem stoischen Weisen (vir sapiens) verschmelzen lässt.²⁴⁹ Crudelitas dagegen sei das typische Charakteristikum eines Tyrannen (tyrannus).²⁵⁰ Julian steht in seiner theoretischen Erörterung über den Wert von Milde und Grausamkeit, während der Eusignius abgeführt und geköpft sowie sein Haupt zurück auf die Bühne gebracht wird, in diametralem Unterschied zur Position Senecas. Der Endpunkt der beiden gegensätzlichen Argumentationslinien ist dennoch derselbe. Er besteht aus dem Dilemma, dass ein begangenes Verbrechen immer ein anderes hervorbringen muss. Während laut Seneca zu diesem Missstand die Anwendung von Grausamkeit (crudelitas) führe, hält Julian ein allzu großes Maß an gut Zureden (suasio) und Nachsicht (lenitas) verantwortlich für diese Entwicklung:
diesem Thema. Zweitens tauchen mit placidus und bestia dieselben Vokabeln auf, wenn auch letztere in einem vollkommen unterschiedlichen Kontext. Drittens enthalten beide Textstellen das auffallende Motiv des immer weiter fortschreitenden Verbrechens. Zu Senecas De clementia siehe grundsätzlich: Malaspina 2014; Stacey 2011, S. 30–72; Maurach ⁴2005, S. 94–100; Manuwald 2002, S. 110–115; Braund 2000, bes. S. 1–87; Grimal 1978, S. 82–90; Griffin 1976, S. 133–177; Adam 1970; Büchner 1970; Fuhrmann 1963. 248 Siehe dazu v.a. Sen. clem. 2,3–4. 249 So z.B.: Sapiens autem nihil facit quod non debet, nihil praetermittit quod debet: itaque poenam quam exigere debet non donat. Sed illud quod ex venia consequi vis honestiore tibi via tribuet. Parcet enim sapiens, consulet et corriget, idem faciet quod, si ignosceret, nec ignoscet, quoniam qui ignoscit, fatetur aliquid se quod fieri debuit, omisisse. Sen. clem. 2,7,1–2. [Der Weise aber tut nichts, was er nicht tun muss, und unterlässt nichts, was er tun muss: Daher verzichtet er nicht auf eine Bestrafung, die er ausführen muss. Das aber, was du mit Nachsicht erreichen willst, wird er dir auf einem ehrenvolleren Weg bereiten. Denn der Weise schont, trägt Sorge und bringt einen auf den richtigen Weg. Er wird nämlich dasselbe tun, was er täte, wenn er verziehe, und er wird nicht verzeihen, da derjenige, der verzeiht, damit eingesteht, dass er etwas, was geschehen muss, unterlassen habe.] Siehe dazu: Stacey 2007, S. 33–34; Grimal 1978, S. 87–88; Adam 1970, S. 72–81, siehe besonders S. 73, wo es u.a. heißt: „Im 2. Teil [ist es] der Weise, dem der Herrscher sich annähert, so daß die Bezeichnungen rex und sapiens stellenweise austauschbar erscheinen.“ 250 Zur antiken Begriffsdefinition und -geschichte siehe: Meier 2014, S. 19–32, ganz bes. Anm. 31; Meier 2012a, S. 13–16. Zur Semantik des Begriffs in Spätmittelalter und Früher Neuzeit siehe: Pfeiffer 2016, S. 66 Anm. 39; Kipf 2012.
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Hoc enim inter cetera vel pessimum habet crudelitas: perseverandum est nec ad meliora patet regressus: scelera enim sceleribus tuenda sunt.²⁵¹ [Das ist nämlich u.a. das größte Übel der Grausamkeit: Sie muss fortgesetzt werden und lässt keinen Weg zurück zur Besserung zu; denn die einen Verbrechen müssen durch weitere geschützt werden.] Iul.: Ubi suasio nil proficit, nil lenitas, Severitas et rigor oportet occupent. Omnia licebunt improbis, tantum nefas Si nunc inultum hinc auferet tantus reus. Maioră scelera semper accersit minus.²⁵²
Entsprechend gegensätzlich ist auch das Mittel, das die beiden zur Lösung dieses Dilemmas heranziehen wollen. Julian plädiert für grausame Härte (Perimatur ergo ab infimis radicibus, Iul. 1763). Seneca zeigt dagegen in seinem gesamten Werk die Vorzüge der Milde auf. Julian verhält sich somit nach seiner Übernahme der Alleinherrschaft und seiner offenen Apostasie nicht nur in seinen Taten wie ein grausamer Gewaltherrscher, sondern seine theoretische Erörterung zum Verhalten eines Herrschers an dieser Stelle entspricht auch der von Seneca in De clementia skizzierten Negativfolie des guten Herrschers, nämlich der des Tyrannen. Diese Beobachtung stellt erneut die Verbindung zum zeitgenössischen Herrscherdiskurs her. Denn Senecas De clementia bildet auch, worauf bereits Quentin Skinner und Peter Stacey hingewiesen haben,²⁵³ das Negativ, mit dem der Florentiner Staatstheoretiker Niccolò Machiavelli, der Wegbereiter des frühneuzeitlichen Herrscherdiskurses, u.a. bezüglich der Frage nach dem Wert der Milde und Grausamkeit seinen ‚Fürsten‘, Il principe, entwickelte.
3.3.5 Julian als Tyrann: Der Iulianus und der zeitgenössische Herrscherdiskurs Drexels Julian-Figur erhält nicht nur vor dem Hintergrund der intertextuellen Bezüge zu Seneca bzw. Bidermanns Cenodoxus eine negative Charakterisierung, sondern auch mittels verschiedener Bezüge zum zeitgenössischen Herrscherdiskurs. Diese weisen im Iulianus zwar keine durchgängige Systematik auf, können aber dennoch zumindest reflexartig wahrgenommen werden. Reflexe des zeitgenössischen Herrscherdiskurses finden sich v.a. im Bereich der ‚Verstellung‘ (simula251 Sen. clem. 1,13,2. 252 Iul. 1754–1758. 253 Skinner 1981, S. 45–46; vgl. Stacey 2011, S. 208; Skinner 2000, S. 50–53.
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tio/dissimulatio) des Herrschers und der Frage nach dem Verhältnis von Milde und Grausamkeit bei der Herrschaftsausübung. Als Referenzpunkte dieses Diskurses sollen im Folgenden die Antipoden Machiavelli und die jesuitischen Staatstheoretiker sowie die lavierende Position von Justus Lipsius dienen. Niccolò Machiavelli (1469–1527) postuliert in seiner bereits 1513 verfassten, jedoch erst 1532 postum erschienenen Schrift Il principe,²⁵⁴ dass es die politische prudentia gebiete, in jeder Entscheidung allein nach der ‚Notwendigkeit‘ (necessità bzw. necessitas) zu handeln, die ohne Rücksicht auf die Moral alle zur Verfügung stehenden Mittel zum Erringen eines Ziels ausschöpfen müsse. Dabei spielen u.a. das ‚Verstellen‘ und die Anwendung von Grausamkeit gegenüber den Untertanen eine zentrale Rolle: Ein „kluger Fürst“ dürfe vor beiden Verhaltensweisen nicht zurückschrecken. Machiavelli und seine Lehre erregten zeitgenössisch großes Aufsehen.²⁵⁵ Mit den katholischen Glaubenshütern geriet er neben den moralisch hochbrisanten Äußerungen v.a. aufgrund seines Postulats einer Trennung von Kirche und Staat in Konflikt. Auf Drängen der Jesuiten ließ Papst Paul IV. im Jahre 1557 den Principe indizieren.²⁵⁶ Dies hinderte verschiedene Staatstheoretiker aber nicht daran, die Gedanken des Italieners weiter zu verfolgen. Unter diesen sticht erneut der Niederländer Justus Lipsius hervor. Wie sein philosophisches so ist auch sein politisches ‚Denkschema‘ „das […] der Weltanschauung des römischen Stoizismus“, wie Gerhard Oestreich festgestellt hat.²⁵⁷ Seine Fokussierung auf den einzelnen handelnden Politiker und nicht auf die Theorie des Staates und seiner Institutionen ist nur vor dem Hintergrund der Stoa zu verstehen, die ebenfalls das Individuum und sein tugendhaftes Handeln in den Mittelpunkt stellt. Vordergründig verurteilt auch Lipsius in seinen Politicorum sive civilis doctrinae libri sex qui ad
254 Zitiert wird primär nach der lateinischen Erstausgabe von 1560, da davon ausgegangen werden muss, dass die Rezeption von Machiavellis Principe im Europa des sechzehnten Jahrhunderts zu einem Großteil in lateinischer Sprache erfolgte. Das italienische Original und die deutsche Übersetzung werden gemäß der Ausgabe von Rippel 2013 zitiert. Grundlegende Literatur zum Principe: Höffe 2012a; Reinhardt 2012, S. 251–263; Stacey 2011, S. 207–311; Skinner 2000, S. 23–53; Mittermaier 1990, S. 287–301; Kersting 1988, bes. S. 86–125; Buck 1985, S. 58–78; Münkler 1985, S. 30–40; Skinner 1981, S. 21–47. 255 Eine kompakte Übersicht über die Auseinandersetzung mit dem Principe im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert liefern Höffe (2012c, bes. S. 179–186) und Münkler (1985, S. 46–59). 256 Vgl. Mittermaier 1990, S. 416; Kersting 1988, S. 156; Stolleis 1988, S. 91; Buck 1985, S. 131. 257 Oestreich 1989, S. 150. Zur Rolle des Stoizismus in Lipsius’ politischem Humanismus und Naturgesetz siehe Lindberg 2010.
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Principatum maxime spectant²⁵⁸ Machiavelli zumindest moralisch mit aller Deutlichkeit. Indem er seinen idealen Herrscher jedoch häufig anhand der beim römischen Historiker Tacitus breit behandelten Verhaltensweisen des Kaisers Tiberius und seiner Nachfolger, die sich oftmals weitgehend mit denen des principe decken, veranschaulicht, gelingt es ihm, Machiavellis Vorstellungen weiter zu verfolgen und gleichzeitig den Eindruck zu vermeiden, als ein Anhänger des Florentiners angesehen zu werden (‚Tacitismus‘).²⁵⁹ Seit 1592 führte auch die Societas Iesu selbst, namentlich insbesondere die aus der spanischen Ordensprovinz stammenden Patres Pedro de Ribadeneyra (1527– 1611) und Juan de Mariana (1536–1624), einen publizistischen Kampf gegen Machiavelli und seine Lehre.²⁶⁰ Die Kunst der ‚Verstellung‘ Machiavelli vertritt im achtzehnten Kapitel seines Principe die Ansicht, dass nur diejenigen Herrscher Großes zu leisten imstande seien, die wenig Wert auf ihr ge258 Erstmals Leiden 1589. Zitiert wird im Folgenden nach der zeitgenössischen Leidener Ausgabe von 1590. Eine moderne kritische Edition mit englischer Übersetzung besorgte Waszink 2004. Allgemein zu Lipsius’ Politica siehe v.a.: Oestreich 2008; Oestreich 1989, S. 106–212; Abel 1978, bes. S. 99–113. 259 Vgl. Buck 1985, S. 136–137. Zum ‚Tacitismus‘ siehe ferner: Gajda 2009; Llanque 2008, S.190– 197; Muhlack 2000; Tuck 1993, S. 39–119; Stolleis 1988, S. 94–96; Münkler 1985, S. 59–61; Buck 1981, S. 90–91; Schellhase 1976, bes. S. 66–149; Burke 1969; von Stackelberg 1960. 260 Pedro de Ribadeneyra: Tratado de la religion y virtudes que debe tener el principe Cristiano para gobernar y conserver sus Estados. Contra lo que Nicolás Machiavelo y los politicos de este tiempo enseñan. Madrid 1595. Zitiert wird nach der lateinischen Erstausgabe: Princeps Christianus adversus Nicolaum Machiavellum ceterosque huius temporis Politicos a P. Petro Ribadeneira. Antwerpen 1603; Ioannis Marianae Hispani, e Soc. Iesu, De Rege et Regis Institutione libri III. Toledo 1599. Vgl. Buck 1985, S. 133–134. – Bereits im Jahr 1592 veröffentlichte der erfahrene Diplomat Antonio Possevino SJ im Auftrag von Papst Innozenz IX. eine Schrift, die sich nicht nur gegen Machiavelli, sondern gleichzeitig auch gegen die entsprechenden staatstheoretischen Lehren von François de la Noue, Jean Bodin und Philippe Duplessis-Mornay richtete (Antonii Possevini e Societate Iesu Iudicium de Nuae militis Galli scriptis, quae ille Discursus Politicos, et Militares inscripsit, de Ioannis Bodini Methodo historiae: Libris de Repub. et Daemonomania, de Philippi Mornei libro de Perfectione Christiana, de Nicolao Machiavello. Rom 1592). Possevino belässt es bei den hier behandelten Fragen jedoch bei unsachlichen Beschimpfungen gegenüber Machiavelli und bei einem Verweis auf das staatsphilosophische Werk De regimine principum des Thomas von Aquin, aus dem man herauslesen könne, dass die Lehre des Italieners gegen die göttliche Ordnung der Natur verstoße (Iudicium, S. 162–165). Ferner verdient das staatsphilosophische Werk Della ragion di stato des Jesuitenschülers Giovanni Botero (ca. 1544–1617) Beachtung. Botero sprach sich offen dafür aus, dass ein Herrscher die Kunst der ‚Verstellung‘ perfekt beherrschen müsse, da sie ihm überaus großen Nutzen bringe (vgl. Della ragion II, S. 67–69 ‚della secretezza‘). Vgl. Braun 2007, S. 120.
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gebenes Wort legten und ihre Untertanen mit List hintergingen.²⁶¹ Ein Herrscher müsse sich darauf verstehen, seine „Fuchsnatur“ zu verschleiern, sich zu verstellen (simulare) und zu täuschen (dissimulare). Es sei für ihn nicht wichtig, Tugenden wie Milde (clementia), Treue (fides), Menschlichkeit (humanitas), Aufrichtigkeit (integritas) und Frömmigkeit (religio) wirklich zu besitzen, sondern allein den Anschein zu erwecken.²⁶² Tatsächlich über sie zu verfügen, sei sogar schädlich.²⁶³ An diese Gedanken schließt Lipsius in den Politica an.²⁶⁴ Im vorliegenden Zusammenhang ist besonders das vierte Buch relevant, in dem er auf die prudentia propria, d.h. die „Klugheit, von der wir wollen, dass sie einem Herrscher inne wohne“,²⁶⁵ näher eingeht. Laut ihm verhalte es sich bei der tugendhaften prudentia eines Herrschers wie mit Wein, der nicht aufhöre Wein zu sein, nur weil ein wenig Wasser untergemischt werde. Ebenso bleibe die prudentia dieselbe, auch wenn ihr ein „Tröpfchen Betrug“ (guttulae fraudis) hinzugefügt worden sei.²⁶⁶ Die übergeordnete Voraussetzung dafür gibt er bereits in seiner Definition des ‚Betrugs‘:
261 Princeps propterea qui sapientia sit praeditus, debet ea promissa vitare, quae suis commodis contraria fore videt. Mach. Princeps 1560, S. 111. [Non può, pertanto, uno signore prudente, né debbe, osservare la fede, quando tale osservianza li torni contro e che sono spente le cagioni che la feciono promettere. ∣ Ein kluger Herrscher kann und darf daher sein Wort nicht halten, wenn ihm dies zum Nachteil gereicht und wenn die Gründe fortgefallen sind, die ihn veranlaßt hatten, sein Versprechen zu geben. Übersetzung: Rippel 2013, S. 136–137.] – Allgemein zur Kunst der ‚Verstellung‘ in der Frühen Neuzeit siehe: Dotzler 2002, S. 513–514; Hoeges 2000, S. 183–198; Bauer 1994b, S. 38–40; Geitner 1992; Sommerville 1988; Kruse 1984; Buck 1981. Die jesuitische Position fasst Höpfl (2004, S. 150–155) zusammen. Zur Rolle der ‚Verstellung‘, um religiöser bzw. konfessioneller Verfolgung in der Frühen Neuzeit zu entgehen, siehe Zagorin 1990. 262 Verum hanc naturam plurimum refert, ut quis recte norit colore vestire, cum simulando, tum dissimulando […]. Proinde non est quod princeps eas omnes superius descriptas virtutes ostentet: sunt enim adversus tales dissimulandae saepenumero, callideque tegendae. Mach. Princeps 1560, S. 112–113. [Ma è necessario questa natura saperla bene colorire, ed essere gran simulatore e dissimulatore […]. A uno principe, adunque, non è necessario avere in fatto tutte le soprascritte qualità ma è bene necessario parere di averle. Rippel 2013, S. 136–139.] Zur ‚Verstellung‘ in Machiavellis Principe siehe ferner: Höffe 2012b; Reinhardt 2012, S. 256–259; Stacey 2011, S. 306–307; Geitner 1992, S. 24–27; Mittermaier 1990, S. 295–296; Buck 1985, S. 71–72; Münkler 1985, S. 37–38; Buck 1981, S. 87–88. 263 Anzi ardirò di dire questo, che, avendole e osservandole sempre, sono dannose. Rippel 2013, S. 138; in zeitgenössischen lateinischen Übersetzungen ausgelassen. 264 Zu Lipsius’ Position hinsichtlich des Betrugs durch den Herrscher siehe auch: Oestreich 1989, S. 143–147; Buck 1981, S. 91–92; Abel 1978, S. 83–85. 265 Propri[a] Prudenti[a], id est e[a] quam inesse Principi volumus. Pol. IV,1, S. 83. 266 Quis me adeo culpet, aut cur a Virtute abeam? Vinum, vinum esse non desinit si aqua leviter temperatum: nec Prudentia, Prudentia, si guttulae in ea fraudis. Semper intellego, ut modice et ad Bonum finem. Pol. IV,13, S. 166.
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Dieser sei „eine clevere Entscheidung, die zum Wohl des Herrschers und des Reiches von der Tugend oder den Gesetzen abweicht“.²⁶⁷ Lipsius analysiert im Anschluss detailliert, inwieweit es zulässig sei, der „Staatsklugheit“ die fraus beizumischen. In seiner Typologie des Betrugs unterscheidet er zwischen einer „leichten“ (levis), „mittleren“ (media) und „schweren“ (magna) Ausprägung. Der „leichte Betrug“ weiche nur wenig von der Tugend ab und bestehe aus Misstrauen (diffidentia) und Verheimlichen (dissimulatio). Der „mittlere“ entferne sich etwas weiter von der Tugend und komme dem Laster bereits nahe. Seine Manifestationen seien das Für-Sich-Gewinnen (conciliatio) und die Täuschung (deceptio). Der „schwere Betrug“ letztlich entziehe sich vollkommen der Tugend und den Gesetzen. Er bediene sich des Meineids (perfidia) und der Ungerechtigkeit (iniustitia). Zum „leichten Betrug“ rät Lipsius, den „mittleren“ lässt er zu, den „schweren“ verdammt er.²⁶⁸ Die Jesuiten Ribadeneyra und Mariana wehren sich vehement gegen die Ansicht, dass der Betrug generell ein legitimes Mittel der Politik sei. Erstgenannter macht sich daran, das entsprechende achtzehnte Kapitel des Principe ausführlich zu widerlegen.²⁶⁹ Machiavellis Argument, dass ein Herrscher für den Erhalt seiner Herrschaft häufig dazu gezwungen sei, die Regeln der Treue, Nächstenliebe, Menschlichkeit und Religion zu brechen, lässt er nicht gelten. Denn, wenn schon geheuchelte Tugenden die Fähigkeit besäßen, eine Herrschaft zu erhalten, um wieviel mehr vermöge dies dann die Wahrheit?²⁷⁰ Der heuchelnde Herrscher verhalte sich wie ein Götzenanbeter, der Gott die Schale, dem Teufel aber das Fruchtfleisch darbringe, als ob „Gott aus Stein oder Holz wäre, der nichts weiß, nichts sieht und die guten und schlechten Taten auf Erden nicht vergilt“.²⁷¹ Für den vorliegenden Kontext von besonderer Relevanz ist das historische Beispiel, mit dem er veranschaulicht, dass die „Heuchelei die Schwester der Apostasie“ sei (simulationis germana suboles est perfidia).²⁷² Er gibt nämlich nichts anderes wieder als
267 Fraus universe mihi hic est: Argutum consilium a virtute aut legibus devium, regis regnique bono. Pol. IV,14, S. 167. 268 Pol. IV,14. 269 Vgl. Braun 2007, S. 120; Buck 1981, S. 92. 270 Sed dicit Machiavelli, Principem, ut statum imperiumque suum conservet, cogi frequenter ut fidei, charitatis, humanitatis et religionis iura violet. […] Quod si species et imago earum virtutum ad imperij conservationem, bonamque Principis aestimationem tuendam, necessaria est: quanto plus eam ad rem valebit veritas quam mendacium? Prin. Christ. II,2, S. 187. 271 Talis est Princeps quem fingit et format Machiavellus, simulationis architectus, quem vult folia Deo, fructus vero daemoni offerre; et quasi Dominus noster, universitatis huius rector, et Deus Deorum, lapideus aut ligneus Deus esset, qui nec sciat, nec videat, nec remuneretur quae bene maleve geruntur in terris. Prin. Christ. II,3, S. 190. 272 Prin. Christ. II,3, S. 193.
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die auf Gregor von Nazianz zurückgehende ‚Mamas-Episode‘, anhand der dieser Julians Heuchelei während seiner christlichen Jugend aufzeigt.²⁷³ Juan de Mariana widmet der Lüge (mendacium) ein ganzes Kapitel (de rege II,10).²⁷⁴ Er vertritt darin die Ansicht, dass einem Herrscher von frühester Kindheit an Liebe zur Wahrheit und Hass gegenüber der Lüge eingebläut werden müsse.²⁷⁵ Auch das von vielen vorgebrachte Argument, dass die „Staatsraison“ (reipublicae rationes) von Zeit zu Zeit fordere, dass ein Herrscher lüge und betrüge, weist er als unzutreffend zurück. Erstens könne es sich um keinen Nutzen handeln, wenn er mit dem Makel der Schändlichkeit behaftet sei. Zweitens komme es notgedrungen dazu, dass jemand, der sich an seinen Ruf der Unglaubwürdigkeit gewöhnt habe, alle öffentlichen und privaten Verhältnisse ins Wanken bringe. Drittens stellt er die rhetorische Frage, welcher Nutzen denn von jemandem ausgehen könne, dessen Glaubwürdigkeit angezweifelt werde?²⁷⁶ Trotz dieser vehementen Absagen kommen aber auch die Vertreter der Societas Iesu nicht umhin, den Betrug als Mittel der Diplomatie unter bestimmten Voraussetzungen und in bestimmten Kontexten zuzulassen. Während Lipsius noch eine Lösung in einer Klassifizierung des Betrugs suchte, definieren Ribadeneyra und Mariana Umstände, unter denen sich auch ein christlicher Herrscher des Betrugs bedienen dürfe, wenn nicht sogar müsse.²⁷⁷ Ribadeneyra macht seine Argumentation dabei an der Definition der ‚Lüge‘ (mendacium) als primärem Mittel
273 Prin. Christ. II,3, S. 193. Zur ‚Mamas-Episode‘ siehe S. 76 mit Anm. 135. 274 Siehe hierzu Braun 2007, S. 121–128. 275 Illud contendo Principi a primis annis esse inculcandum amorem veritatis, mendacij odium: nihil ut turpius ea foeditate arbitretur, nihil regiae dignitati magis contrarium. Fast wörtlich wiederholt er am Ende des Kapitels, De rege II,10, S. 210: institutor Principis se comparet, ut mendacij odium, veritatis amorem identidem inculcet. De rege II,10, S. 205. [Der Prinzenerzieher möge sich anschicken, seinem Zögling Hass gegenüber der Lüge und gleichzeitig Liebe zur Wahrheit einzubläuen.] Vgl. Braun 2007, S. 119–123. 276 Qua in obiectione, Deus immortalis, quanta vitia insunt? primum enim nulla utilitas est, quae cum turpitudine coniungitur. […] Dein de mendacio assuetus perfidi et iniusti fama suscepta, omnes rationes publicas et privatas labefactet necesse est. […] Postremo quae commoditas esse potest, ei de cuius fide dubitatur? De rege II,10, S. 207–208. 277 De Ribadeneyra verurteilt sogar, wenn auch nicht namentlich, Lipsius’ Position. Unter den Irrmeinungen, die er zusammenfassend abhandelt, zitiert er an einer Stelle, wenn auch nicht kenntlich gemacht, Lipsius weitgehend wörtlich: Atque in hoc turbido rerum humanarum pelago tempestati obsequi, artis esse: et ius ac fas esse obliquare sinus, ac, si recta portum tenere nequeas, idipsum mutata velificatione assequi. Prin. Christ. II,4, S. 196 = Lipsius Pol. IV,13, S. 165. Auch die Übernahme von dessen Begrifflichkeit der civilis prudentia, die er als falsche Argumentationsgrundlage brandmarkt (Prin. Crist. II,4, S. 195), lassen keinen Zweifel daran, dass de Ribadeneyra zumindest nach außen hin eine andere Position als Lipsius einnahm.
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des Betrugs fest.²⁷⁸ Aufgrund der Tatsache, dass ein christlicher Herrscher von vielen Feinden umgeben sei, die sich Machiavellis Mittel bedienten (ein Resultat, für das er ausdrücklich das eigene Versäumnis der Kirche verantwortlich macht), müsse man sich auch entsprechend mit einer ‚gewissen Verstellung‘ (aliqua simulatio) ‚bewaffnen‘. Man dürfe sich dabei aber nicht an Gott versündigen oder zu Schülern Machiavellis werden.²⁷⁹ Ein Herrscher dürfe nicht lügen, da seine Worte gewissermaßen die Gottes seien, wahr, unzweifelhaft, unveränderlich und zuverlässig. Augustinus und Thomas von Aquin lehrten, dass Lügen immer der Sünde zuzurechnen sei, sei es in Worten, sei es in Taten oder äußeren Anzeichen, was er als simulatio definiert.²⁸⁰ Wenn er im Folgenden jedoch erläutert, dass „etwas mit Stillschweigen zu bedecken“ (silentio aliquid tegere) und „Entschlüsse und Handlungen im Geheimen durchzuführen“ (consiliorum ac actionum arcana occulere) keine Lüge sei,²⁸¹ lässt er den Betrug in eingeschränktem Maße zu. Es sei klug, vieles zu verheimlichen und nach außen hin zu verstecken.²⁸² Indem er die Zulässigkeit der Lüge nicht prominent im Kapitel De mendacio erörtert, sondern zu Beginn des folgenden Kapitels (De adulatoribus) einleitend vorausschickt, versucht Mariana wohl mit seiner Position möglichst wenig Anstoß zu erregen. Anhand von historischen Beispielen, darunter die Invasion Siziliens von 278 Vgl. Braun 2007, S. 120–121; Höpfl 2004, S. 152. 279 Attamen cum minime dubium sit, homines, et maxime Reges, inter inimicos vitam degere, multique sint qui Machiavelli instituto artificiosa simulatione eos fallere moliuntur; (peccatis enim nostris factum ut latius haec disciplina manaverit) idcirco videndum illis est quonam modo se gerere debeant cum aliis Principibus […]. Cum enim inter hostes versantur, necesse est armati incedant: cum vero cum fictis et simulatis agunt, opus est aliqua simulatione utantur. Sed prudenter advertant quis modus adhibendus, qui finis et termini huic cautioni constituendi sint; ne in Deum peccent, et ex discipulis Christi Machiavelli discipuli fiant. Prin. Christ. II,4, S. 197. Ebenso an etwas späterer Stelle: Ceterum in quavis simulatione vel dissimulatione, qua utitur Christianus Princeps, advigilet, et providentissime caveat, ne pestiferis Machiavelli praeceptis duci se trahique sinat, et divinarum legum ac Religionis iura perfringat. Prin. Christ. II,4, S. 200. Und erneut am Ende des Kapitels (S. 201). 280 Denique hinc consequitur, Principem mentiri non debere; tum quod Principis verba debent esse quasi Dei verba, vera, certa, constantia, et quibus tuto fidi possit. […] S. etiam Augustinus et alij sancti Doctores affirmant, mendacium semper peccatum esse, et nullius rei gratia licere mentiri; sive verbo, in quo proprie mendacium vertitur; sive factis ac signis externis, quod simulationem appellant. Prin. Christ. II,4, S. 198–199. Die grundlegenden Referenztexte aus der Spätantike zu diesem Thema sind Augustinus’ Abhandlungen De mendacio und Contra mendacium. Vgl. Braun 2007, S. 119 Anm. 71; Sommerville 1988, S. 160–161. 281 Et vero mendacium non est, silentio aliquid tegere, atque consiliorum ac actionum arcana occulere. Prin. Christ. II,4, S. 199. 282 Mendacium etiam non est, sed prudentia verius, multa dissimulare, ad multa connivere. Prin. Christ. II,4, S. 199. Vgl. dazu etwas später: Illud enim non est mentiri, sed, quod in reip. commodum cedat, prudenter facere. Prin. Christ. II,4, S. 200.
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König Peter III. von Aragón im Jahre 1282, der gegenüber Papst Martin IV. so tat, als bereite er einen Angriff auf das muslimische Nordafrika vor, möchte er aufzuzeigen, dass es einem Herrscher von Zeit zu Zeit gestattet sein müsse, zu täuschen (dissimulare) und seine wahren Pläne geheim zu halten (consilia tegere), da er ja nicht so dumm sei, alle anderen an seinen Vorhaben teilhaben zu lassen.²⁸³ Freilich nicht ohne innere Widersprüche zu den eigenen strikten Positionen, die andernorts formuliert werden, halten also auch Ribadeneyra und Mariana den Betrug in der Außenpolitik für ein legitimes Mittel.²⁸⁴ Auch wenn sich die Begründungen im Einzelnen nicht decken, sind die Positionen der beiden Jesuiten aber auch nicht so weit von der des Justus Lipsius entfernt, wie sie selbst z.T. behaupten. Hinter der Ausnahme, die die beiden Jesuiten zulassen, steckt letztlich kaum etwas anderes als der „leichte Betrug“ nach der Definition des Niederländers. Jeremias Drexel selbst äußert sich in seinem erstmals 1629 erschienenen Traktat Orbis Phaeton, in dem er „alle Laster der Zunge“ (De universis vitiis linguae) behandelt, direkt über Machiavelli und dessen staatsphilosophische Lehre. Drexel, damals in seiner Position am Münchener Hof selbst nahe den Hebeln der Macht, zählt den Machiavellismus, womit er an der betreffenden Stelle die von Machiavelli empfohlene ‚Verstellung‘ bezeichnet, zu den „vier Giften der Politikerzunge“ (Quarta linguae Politicae venenata vena est […] Machiavellismus).²⁸⁵ Bei vielen Menschen sei Machiavelli überaus beliebt und seine Schriften würden schon den Kindern in die Wiege gelegt. In Wirklichkeit stehe dabei aber der Klugheit eine innere Leidenschaft im Wege und man denke zu wenig daran, dass man Christ sei; so sehr nehme man sich des Politischen an, dass man sein Seelenheil vergesse.²⁸⁶ Er schließt sich daraufhin dem Urteil von Justus Lipsius über Machiavelli an, indem er direkt aus dem Vorwort der Politica zitiert: Machiavelli ingenium […] non contemno, qui utinam Principem suum recta duxisset ad templum illud Virtutis et Honoris! Sed nimis saepe deflexit (audite o boni Politici, mali Chris-
283 Licebit Principi dissimulare aliquando, consilia tegere, quae cum occultantur vim habent, professa debilitantur: neque stulte cum omnibus, quid agere velit, communicabit. De rege II,11, S. 211. Vgl. Braun 2007, S. 123; Höpfl 2004, S. 152–153. 284 Vgl. Braun 2007, S. 123–124. 285 Opera Omnia 1645a I, S. 1071,2. 286 Non nescio Machiavellum pluribus commendatissimum esse, imo alicubi infantes paene in cunuis scriptoris hujus documentis imbui. Sed revera hic prudentiam excludit affectus, et subinde parum meminimus nos esse Christianos; politica sic tractamus, ut obliviscamur aeterna. Opera Omnia 1645a I, S. 1072,1.
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tiani) nimis saepe deflexit, et dum commodi illas semitas intente sequitur, aberravit a regia hac via Machiavellus argutus, sed saepe pravus.²⁸⁷
Entsprechend dieser Aussage Drexels sowie im Hinblick auf die skizzierte katholisch-jesuitische Position, wie sie Ribadeneyra und Mariana hinsichtlich der ‚Verstellung‘ vertreten, muss das entsprechende Verhalten der Hauptfigur des Iulianus stark negativ bewertet werden. Er erfüllt nicht die Bedingungen, die die jesuitischen Staatstheoretiker für die Zulässigkeit des Betrugs ausgegeben haben. Er setzt die ‚Verstellung‘ ein, um an die Herrschaft zu kommen, nicht um sie zu erhalten. Von einer außenpolitischen Bedrohung, die laut den jesuitischen Staatstheoretikern ein solches Verhalten sanktionieren können, kann keineswegs die Rede sein. Auch die von Lipsius ausgegebene Bedingung des Staatswohls, dem der Betrug dienen muss, wird nicht erfüllt. Julians ‚Verstellung‘ im zweiten Akt korrespondiert dagegen vielmehr mit Machiavellis Position in diesem Bereich. Zum Erringen seines Ziels ist dem machthungrigen Julian, wie auch dem principe, jedes Mittel, auch der Betrug, recht, ein Verhalten, das Drexel, wie es aus seinen zitierten Worten hervorgeht, auch bei seinen Zeitgenossen scharf kritisierte. Von der Grausamkeit und Milde Eine ganz ähnliche Frontstellung lässt sich auch bei der Frage feststellen, ob und inwieweit ein Herrscher Milde bzw. Grausamkeit walten lassen müsse. Für Machiavelli gehört auch dieser Bereich zum Spiel von Schein und Sein, das der Fürst beherrschen müsse.²⁸⁸ Er räumt zwar der Milde den Vorzug gegenüber der Grausamkeit ein, lehrt aber gleichzeitig, dass es lediglich darauf ankomme, für milde und nicht für grausam gehalten zu werden (unicuique principi optabile foret, ut clemens, non crudelis haberetur).²⁸⁹ Vor einem falschen Gebrauch der Milde müsse man sich aber in Acht nehmen.²⁹⁰ Ein Herrscher dürfe nicht davor zurückschre-
287 Opera Omnia 1645a I, S. 1072,1 = Lipsius Pol. fol. 5v . – Übersetzung: Machiavellis geistige Begabung […] verachte ich nicht; wenn er doch nur seinen Fürsten auf direktem Wege zum Tempel der Tugend und Ehrbarkeit geführt hätte! Aber er wich zu häufig davon ab (Hört her, ihr guten Politiker und zugleich schlechten Christen), er wich zu häufig davon ab, und während er dem Pfad des Eigennutzes angestrengt folgte, kam der scharfsinnige, aber oftmals fehlgeleitete Machiavelli von jenem königlichen Weg ab. Vgl. Oestreich 1989, S. 110 und 165. 288 Zur Rolle der Grausamkeit und Milde in Machiavellis Principe siehe: Panno 2012, bes. S. 100– 105; Reinhardt 2012, S. 253–254; Stacey 2011, S. 277–282; Mittermaier 1990, S. 294–295; Kersting 1988, S. 95; Buck 1985, S. 71. 289 Mach. Princeps 1560, S. 104. [Dico che ciascuno principe debbe desiderare di essere tenuto pietoso e non crudele. Rippel 2013, S. 126.] 290 Nihilominus cautio adhibenda est, ne hac abutatur clementia. Mach. Princeps 1560, S. 104. [Nondimanco debbe avvertire di non usare male questa pietà. Rippel 2013, S. 126.]
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cken, „der Grausamkeit bezichtigt zu werden, wenn er dadurch seinen Untertanen Einigkeit und Ergebenheit aufrechterhält“.²⁹¹ Im Gegensatz zur bereits erwähnten Position Senecas in De clementia hält Machiavelli nicht ausufernde Grausamkeit für den Einzug von Missständen wie Raub und Mord in den Staat verantwortlich, sondern ihr exaktes Gegenteil, ein allzu großes Maß an Milde. Daher müsse man die Spirale aus Verbrechen, die dadurch erzeugt werde, dass immer neue Milde auch immer neue Verbrechen hervorbringe, durch einzelne grausame Exempel durchbrechen.²⁹² Justus Lipsius verknüpft die Rolle der Milde des Herrschers eng mit dessen Gerechtigkeit (iustitia). Beide stellen seiner Meinung nach politische Haupttugenden dar.²⁹³ Neben dem grellen Licht der „Sonne der Gerechtigkeit“ müsse laut ihm der sanfte und milde Schein des Mondes leuchten. Clementia sei die dem Menschen angemessenste Tugend, da sie die menschlichste von allen sei. Keine andere, und darin gibt er Senecas Ansicht aus De clementia wieder, zieme sich mehr für einen König oder Herrscher.²⁹⁴ Aus der Milde gehe die Zuneigung der Untertanen (amor) hervor, aus der wiederum Sicherheit (securitas), Stabilität (firmitas) und Ruhm (gloria) erwüchsen. Im Gegensatz dazu sei ein grausames Regiment niemals von langer Dauer.²⁹⁵ Wichtig sei jedoch, dass Milde mit Maß (cum temperie) und vernünftigem Urteilsvermögen (cum iudicio) angewandt werde. Der „Mond der Milde“ dürfe sich nur ein wenig von der „Sonne der Gerechtigkeit“ entfernen, nicht jedoch davon abkoppeln und zu Schwäche (mollities) und Nachlässigkeit (lentitudo) werden.²⁹⁶ Dennoch dürfe nicht immer streng und hart geurteilt werden, da, wie bereits Seneca in De clementia feststellt, „die Strenge durch Gewohn-
291 Parvi itaque ducat princeps saevitiae nomen, quo concordes suos in fide retineat. Mach. Princeps 1560, S. 104–105. [Debbe, pertanto, uno principe non si curare della infamia di crudele, per tenere li sudditi suoi uniti e in fede. Rippel 2013, S. 128.] 292 Paucissimis enim exemplis clementior eris, quam qui nimia lenitate permittunt, ut rerum perturbationes sequantur: unde caedes, aut rapinae nascantur. Mach. Princeps 1560, S. 105. [Perché, con pochissimi esempli, sarà più pietoso che quelli e’ quali, per troppa pietà, lasciono seguire e’ disordini, di che ne nasca occisioni o rapine. Rippel 2013, S. 128.] 293 Hae mihi duorum generum: et sunt quaedam ut minuta sidera, quaedam ut magna. Inter magna luminaria habeo, Iustitiam et Clementiam. Pol. II,10, S. 40. Zur Rolle der clementia bei Lipsius siehe auch: Soen 2011 und Abel 1978, S. 107. 294 Haec [sc. clementia] homini omnium virtutum convenientissima, quia humanissima. Sed „nullum tamen ex omnibus magis, quam Regem aut Principem decet“ [= Sen. clem. 1,3,3]. Pol. II,12, S. 44. 295 Pol. II,12, S. 45–46. 296 Sed usurpet [sc. clementia] […] cum Iudicio, quia absque illo, mollities haec et lentitudo sit, et flagitium, adeo non virtus. Secedit paullum, fateor, ab acri illo Iustitiae Sole haec Luna: sed secedit, non discedit, diversa potius quam adversa. Pol. II,13, S. 46.
3.3 Julians Fall oder Die falsche/unchristliche Umsetzung des Neustoizismus | 115
heit an Autorität verliert“.²⁹⁷ Wie der stoische Philosoph sieht auch Lipsius die Spirale des immer weiter fortschreitenden Verbrechens in einem allzu großen Maß an Härte begründet. Wie zurückgeschnittene Bäume neu und breiter austrieben, vergrößere die Grausamkeit des Herrschers durch die Beseitigung seiner Feinde die Zahl derselben.²⁹⁸ Härte führe zu Furcht und Hass in der Bevölkerung und somit zu Aufruhr.²⁹⁹ Der ideale Herrscher verhalte sich entsprechend der Maxime, mit der der Historiker Tacitus das Verhalten seines Schwiegervaters Cn. Iulius Agricola während dessen Zeit als Statthalter von Britannien charakterisiert: Omnia scire, non omnia resequi; parvis peccatis veniam, magnis severitatem commodare: nec poena semper, sed saepius poenitentia contentus esse.³⁰⁰
Fast das identische Bild ist bei den Vertretern der Societas Iesu zu finden. Auch Ribadeneyra und Mariana betrachten die clementia als wichtigste Herrschertugend.³⁰¹ Wie Lipsius betont Erstgenannter, dass Gerechtigkeit und Nachsicht ein ausgewogenes Verhältnis zueinander einnehmen müssten. Ein solches garantiere die Zuneigung der Untertanen und die Stabilität der Herrschaft. Der Herrscher müsse aber genau abwägen, gegenüber welchen Vergehen und Personen er welches Maß an Nachsicht zeige.³⁰² Aus allzu großer Grausamkeit sieht er dieselben Folgen entspringen wie Lipsius: Strenge und grausame Herrscher zögen sich den Hass der Bevölkerung zu und zerrissen das zusammenhaltende Band, während sie es immer mehr anspannten. So brächten sie ihre Herrschaft in große Gefahr 297 An rigide semper puniat? non ex publico id usu. Quia „severitas amittit adsiduitate auctoritatem“ [= Sen. clem. 1,22,2]. Pol. II,13, S. 47. 298 „Ut arbores quaedam recisae pullulant; ita regia crudelitas auget inimicorum numerum, tollendo“ [= Sen. clem. 1,8,7]. Pol. II,13, S. 47. 299 Verissime dixerim: Saevitia „plus timoris quam potentia addit“ [= Sall. Iug. 42,4]. „Metus autem et Terror infirma vincula caritatis, quae ubi removeris, qui timere desierint, odisse incipient“ [= Tac. Agr. 32,2]: „Et repertis auctoribus, tollent animos“ [= Tac. ann. 6,36,2]. Pol. II,13, S. 47. 300 Pol. II,13, S. 48 bzw. Tac. Agr. 19,3. – Übersetzung: Alles zu wissen, aber nicht alles zu verfolgen; gegenüber kleinen Vergehen Nachsicht, gegenüber großen Strenge zu zeigen: Nicht immer mit einer Strafe, sondern öfter einmal mit Reue zufrieden zu sein. 301 Nam inter alias Principis virtutes multum potest et maxime grata est clementia et animi lenitas quaedam, qua (sicut affirmat Seneca) nihil est regenti magis decorum [Sen. clem. 1,19,1]. Prin. Christ. II,18, S. 258. [Denn unter den anderen Tugenden eines Fürsten vermögen Milde und eine gewisse Nachsicht viel und sind überaus willkommen. Gemessen an ihnen gibt es, wie Seneca behauptet, nichts, was sich für einen Herrscher mehr ziemt.] 302 Nam ut misericordiam sine iustitia contractior est, ac vituperatione digna: sic iustitia absque misericordia non est iustitia, sed crudelitas. […] Verumtamen videndum est Principi diligenter, quorum delictorum veniam det, et quibus hominibus, quove modo ignoscat. […] Debet tamen Princeps […] magisque pronus ad ignoscendum criminibus quae in personam suam, quam quae in Deum aut rempublicam viderit commissa. Prin. Christ. II,18, S. 258–259.
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und verlören sie nicht selten.³⁰³ Häufig bezieht auch er sich bei seiner Erörterung auf Senecas De clementia.³⁰⁴ Etwas weniger prominent, aber dennoch differenziert behandelt Mariana die Herrschertugend der clementia. Auch er weist zunächst darauf hin, dass Milde und Gerechtigkeit im rechten Verhältnis zueinander stehen müssten.³⁰⁵ Während sich der gute Herrscher (rex) dadurch auszeichne, dass er nur gegen diejenigen mit Härte vorgehe, die sich grundlos an fremdem Eigentum und Leben vergingen, und dass seine Herrschaft keine Anzeichen von Grausamkeit (nihil crudele), sondern zahlreiche Beispiele von Milde, Sanftmut und Menschlichkeit (multa exempla clementiae, mansuetudinis, humanitatis) aufweise, tue sich der Tyrann dadurch hervor, dass er angetrieben von einer Mischung aus Willkür, Habgier, Grausamkeit und Betrug (libidine, avaritia, crudelitate compositus et fraude) seine Untertanen ausraube.³⁰⁶ Da er dieselben fürchte und ihnen misstraue, müsse er sie u.a. durch harte Umgangsformen und grausame Gerichtsurteile abschrecken.³⁰⁷ Somit muss auch vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Diskurses über die Rolle der Milde bzw. Grausamkeit in der Herrschaftsausübung sowohl Julians Auftreten als Herrscher innerhalb des Dramas insgesamt als auch seine theoretische Erörterung in Szene IV,4 der Position Machiavellis zugeordnet werden. In Übereinstimmung mit dem Florentiner Staatstheoretiker sieht Julian den einzigen Ausweg aus der Spirale des immer weiter fortschreitenden Verbrechens (maioră scelera semper accersit minus, Iul. 1758) in der Anwendung von zerstörerischer Grausamkeit. Zu große Milde habe seiner Ansicht nach diese Entwicklung überhaupt erst in Gang gebracht.³⁰⁸ Die Einbeziehung des diskursiven staatsthereotischen Hintergrunds bestätigt somit die Erkenntnisse, zu denen die Untersuchung bereits auf intertextueller, expliziter und impliziter Ebene gelangt war. Die Reflexe des zeitgenössischen Herrscherdiskurses innerhalb des Iulianus bewirken, dass, sei es gewollt oder unge-
303 E contrario videmus, Principes severos et crudeles odiosos esse omnibus, et detestabiles; et dum funem nimium trahunt, illum rumpere, in magnum discrimen imperia conijcere, eaque frequenter amittere. Prin. Christ. II,19, S. 263. 304 Vgl. Skinner 2011, S. 312–313. 305 De Rege II,12, S. 227. 306 Qui in aliorum fortunas et vitam temere grassantur, in hos severitatem exercet [sc. Rex]. […] toto denique imperio nihil acerbum est, nihil crudele: contra multa exempla clementiae, mansuetudinis, humanitatis. De rege I,5, S. 57. Vgl. dazu das Verhalten des Tyrannen: singulorum opes ut perdat rapit, ex contrarijs vitijs libidine, avaritia, crudelitate compositus et fraude, De rege I,5, S. 62. 307 Tyrannus quia civibus diffidit, quos timet, terrere consuevit […] severitate morum, iudiciorum immanitate. De rege I,5, S. 56. 308 Hocne voluit mea lenitas? ∣ An quia ego placidus, ideo tu es factus ferox? Iul. 1750–1751.
3.4 Zwischenfazit |
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wollt, eine gewisse Nähe zwischen der Hauptfigur und dem zeitgenössischen Modell des schlechten Herrschers bzw. Tyrannen, wie es für die Jesuiten maßgeblich aus der Auseinandersetzung mit Machiavellis Principe entsprang, generiert wird.
3.4 Zwischenfazit Die beiden Abschlussszenen des Dramas, in denen sich Julians Seele am Eingang zur Hölle befindet bzw. sein Leichnam auf der Bühne vor dem Chor liegt (V,10 bzw. 11), fassen das in diesem Kapitel Dargestellte noch einmal prägnant zusammen. Julian selbst macht als die beiden Triebfedern seines Falls die Zügellosigkeit (lascivia) und den anmaßenden Hochmut (arrogantia, d.h. superbia) aus, die aus seinen intellektuellen Fähigkeiten, seiner Weisheit und seiner Bildung erwuchsen.³⁰⁹ Die superbia wird dann erneut in der abschließenden Moral des Stücks als das Grundübel genannt, an dem die Gelehrten (quicunque amatis et tractatis litteras) leicht zugrunde gehen können, sollten sie aus ihrer Weisheit (scientia) entstehen.³¹⁰ Insbesondere die superbia des (stoischen) Gelehrten, die sich nicht zuletzt in einer Trennung von Gott manifestiert, ist aber auch in Bidermanns Cenodoxus das bestimmende Motiv. In beiden Dramen stehen damit nicht primär das Philosophieren, großes Wissen oder übermäßige intellektuelle Fähigkeiten an sich unter Beschuss, sondern allein ihre möglichen pervertierten Begleiterscheinungen.³¹¹ Bildung und Weisheit an sich sind, so eine Botschaft des Iulianus, nur dann positiv einzuschätzen, wenn sie im Rahmen der virtus Christiana betrieben werden. Die constantia gegenüber den Verführungen, die herausragende intellektuelle Fähigkeiten mit sich bringen, ist das entscheidende Kriterium. Dies muss auch als ein deutliches Signal an die eigenen Reihen der Societas Iesu, des frühneuzeitlichen Bildungsordens schlechthin, gesehen werden. Angesichts der Unannehmlichkeiten, die Drexel wie gezeigt während der Abfassungszeit vermutlich von Seiten mancher Kreise des Dillinger Jesuitenkollegs bereitet wurden (vgl. Abschnitt 2.3), kann der Iulianus möglicherweise auch als Mittel gesehen werden, den Unmut der Oberen in Dillingen zu besänftigen und diese durch ein demonstratives Bekenntnis zur Demut im gelehrten Schaffen wohlwollend zu stimmen. Seine Klagen über die fehlende Anerkennung in Dillingen für sein Convivium³¹² lassen zumindest ein gewisses Maß an eigenem Geltungsbestreben, mit anderen Worten an inanis gloriae cupido bzw. cenodoxia, zum Vorschein kommen. 309 Male scientijs, male litteris ∣ Quae vel lasciviam vel arrogantiam ∣ Docent. Iul. 2654–2656. 310 Iul. 2751–2757. 311 Vgl. Meid 2009, S. 347; Stroh 2005, S. 227; Braungart 1989, S. 588–589. 312 Siehe S. 40 mit Anm. 69.
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Es scheint, als wollte Drexel mit dem Iulianus u.a. auch diesen Eindruck offen bekämpfen bzw. sich selbsttherapeutisch davon lossagen. Gleichzeitig kann dem Iulianus möglicherweise noch eine weitere, freilich stark untergeordnete Intention, die ungleich versteckter ist, zugeschrieben werden. Denn wenn sein Autor Jeremias Drexel innerhalb des Dramas mehrmals durchscheinen lässt, dass Julians Philosophenfreunden, die sich an einer Stelle selbst als sapientiae rectores (‚Weisheitslehrer‘, Iul. 1048) bezeichnen und von Julian bereits zuvor antistites sapientiae (‚Lehrer der Weisheit‘, Iul. 863) genannt wurden, eine nicht unerhebliche Mitverantwortung an der Apostasie und somit auch am Untergang ihres Freundes zukommt,³¹³ ist die Frage durchaus berechtigt, ob Drexel seinen ehemaligen Lehrern bzw. Vorgesetzten, die ihren herausragend begabten Schützling in seinen intellektuellen Bestrebungen sicherlich förderten, immer wieder ermutigten und seinen „gelehrten Forscherdrang“ (eruditio) anspornten, zumindest in chiffrierter Form eine gewisse Mitschuld an seinen Verfehlungen während seiner Dillinger Zeit zuweist, die möglicherweise daraus resultierten, dass er eines Tages mit seinen Ambitionen über das Ziel hinausschoss und sich in irgendeiner Weise des Hochmuts schuldig machte, was entsprechend von höherer Stelle gerügt wurde. Zwei miteinander in Beziehung stehende Aspekte im ausführlich zitierten Brief an Rader vom 28.12.1606³¹⁴ könnten zumindest in diese Richtung deuten. Drexel beklagt, wie bereits erwähnt, die fehlende geistige Freiheit in Dillingen. Seine fatalistische Aussage, dass derjenige am wenigsten Tadel erfahre, der möglichst wenig gelehrten Forscherdrang besitze (Adeoque iam nemo minus habet reprehensionis, quam qui minus eruditionis), deutet zwar primär auf persönliche Erfahrungen und einen hohen Grad an Selbstresignation hin, steht aber gleichzeitig mit dem übernächsten Satz logisch in Verbindung, in dem Drexel anmerkt, dass es doch gerade sein (Freund und Lehrer) Rader war, der ihm einst immer wieder aufgetragen habe, dass er an eben diesem gelehrten Forscherdrang stets festhalten solle (Eruditionem, dicebas, eripi tibi non sinas). Daneben stellt die superbia aber auch einen Kernbegriff von Lipsius’ philosophischem Konzept dar, da er die falsche Anwendung der (neu-)stoischen Lehre beschreibt. Somit wird in Drexels Iulianus, der an zahlreichen Stellen eine enge Beziehung zu stoischem Gedankengut sowohl auf inhaltlicher als auch intertextueller Ebene aufweist, nicht nur der Wert der Bildung im Allgemeinen, sondern auch der des neustoizistischen Konzepts im Speziellen hinterfragt. Für den Iulianus trifft theoretisch auch das zu, was Wilfried Stroh bereits für Bider-
313 Vgl. v.a. II,6 und III,2 (jeweils mit Einleitung zum Comm.), I,9, III,2 sowie Iul. 944–950 und 2691. 314 Vgl. Abschnitt 2.3
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manns Cenodoxus festgestellt hat:³¹⁵ Die hier durchgeführte Analyse muss sich zugegebenermaßen nicht notgedrungen des lipsianischen Neustoizismus als Referenzpunkt bedienen. Die ‚stoischen‘ Abschnitte im Iulianus mögen, wie gezeigt, sprachlich wie inhaltlich häufiger an Seneca als an Lipsius erinnern, von den zahlreichen intertextuellen Bezügen zum kaiserzeitlichen Philosophen ganz zu schweigen. Angesichts der zentralen Rolle, die Lipsius’ Neustoizismus seit dem Ende des sechzehnten Jahrhunderts in der europäischen Geistesgeschichte einnimmt, und angesichts der Vernetzung von zahlreichen oberdeutschen Jesuitenpatres mit dem niederländischen Gelehrten³¹⁶ ist es jedoch nur äußerst schwer vorstellbar, dass eine kritische Hinterfragung der antiken stoischen Ethik insbesondere von Seiten oberdeutscher Jesuiten überhaupt von einer zeitgenössisch überaus bedeutenden philosophischen Hauptströmung abgekoppelt werden kann, die sich derselben philosophischen Schule widmet. Nicht nur Drexels Selbstaussage, er habe bereits in jungen Jahren die Schriften Justus Lipsius’ gelesen, sondern auch die zahlreichen aufgezeigten terminologischen Entsprechungen zu dessen Schrift De constantia sowie ein beinahe wörtliches Zitat im Iulianus daraus³¹⁷ legen es nahe, dass sich Drexels Iulianus in den skizzierten zeitgenössischen Gelehrtendiskurs über die Anwendbarkeit des lipsianischen Neustoizismus einreiht. Im Gegensatz zu Bidermanns Cenodoxus, in dem die Entwicklung des Protagonisten einseitig negativ verläuft, illustriert Drexel anhand seiner Julian-Figur, auf welche Weise die stoische Lehre mit dem Christentum erfolgreich in Einklang gebracht werden kann und auf welche Weise dies abzulehnen bzw. zum Scheitern verurteilt ist. Während Bidermann im Cenodoxus allein die Gefahren einer stoischen Lebensführung aufzeigt und in diesem Zusammenhang eine Vereinbarkeit mit der christlichen Lehre verneint, geht Drexel differenzierter vor und ordnet den Ausgang der Entwicklung letztlich der menschlichen Willensfreiheit unter. Insbesondere durch deren Rolle bei der Rechtfertigung, die im Iulianus besonders betont wird, unterstützt Drexel indirekt und wohl auch unbewusst Lipsius im Kampf gegen die Kritik, die gegen seine Prädestinationslehre vorgebracht wurde.³¹⁸ Aufgrund dieser Ausdifferenzierung von Bidermanns Konzept muss aber
315 Stroh 2005, S. 227. 316 Siehe z.B. den Briefkontakt zwischen Lipsius und Rader (Schmid 1995, Nr. 9, 12 mit Anm. 2, 74). Vgl. Schmid 2006. 317 Vgl. Iul. 627 mit Comm. ad locum. 318 Vgl. Oestreich 1989, S. 92. Auch Lipsius sieht im Vorwort zur dritten Edition von De constantia diesen Bereich als wunden Punkt seines Konzepts an und bittet für etwaige Verfehlungen um Nachsicht: Ut sicubi forte lapsus sim, praesertim cum locos illos altiores conatus scandere de Providentia, Iustitia, Fato: condonent quia nusquam certe malitia aut pertinacia est, sed humana
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auch Rolf Tarots Ansicht als überholt gelten, dass mit dem Cenodoxus „die Kette der Weltanschauungsdramen des Jesuitenordens, die mit Gretsers ‚Regnum Humanitatis‘-Dramen anheben und sich in seinem ‚Udo‘ und in Raders ‚Theophilus‘ fortsetzen, [geistesgeschichtlich endet]“.³¹⁹ Vielmehr muss dieser „Kette“ mit Drexels Iulianus ein weiteres wichtiges Glied hinzugefügt werden. Abschließend lässt sich somit feststellen, dass Drexels Iulianus durch eine bunte Vielfalt an Charakteristika aus der zeitgenössischen jesuitischen Theaterproduktion hervorsticht. Hierzu zählt erstens die stark handlungsorientierte dramatische Verwicklung und die damit untrennbar verbundene komplexe und vielschichtige psychologische Disposition seiner Hauptfigur, des gebildeten Philosophen und Kaisers Julian Apostatas. Dieser ist entgegen der über tausendjährigen christlichen Rezeptionstradition nicht von Geburt an der Antichrist schlechthin, sondern durchläuft einen komplexen, durch seine eigene freie Willensentscheidung ausgelösten inneren Transformationsprozess vom stoischen Philosophen christlicher Ausprägung hin zum Götzenanbeter und grausamen Tyrannen. Wie gezeigt reiht er sich damit in eine Gruppe von Jesuitendramen ein, die auch heute noch als überaus bedeutsam beurteilt werden. Zweitens und mit dem vorigen Punkt untrennbar verbunden liefert Drexel mit dem Iulianus ein Drama, das sich in mehreren übereinanderliegenden Verständnisebenen an die unterschiedlichen Untergruppen seines Rezipientenkreises richtet, sei es das vornehmlich aus den verschiedenen Klassenstufen des Ingolstädter Kollegs bestehende Primärpublikum, sei es der Kreis der eng miteinander vernetzten ehemaligen Lehrer und Schüler bzw. der über den Schulkanon hinaus weit belesenen und hochgelehrten Bekannten Drexels. Dabei versieht er sein Drama mit mehreren kumulativen Intentionsstufen: So mag Drexels Julian für die jüngeren Schüler mit noch sehr geringer Leseerfahrung oder auch für das externe Publikum vielleicht lediglich ein gebildeter und dem Hochmut verfallener Christ sein, der durch den Teufel mit der Aussicht auf den Kaiserthron
saltem imbecillitas et caligo. Aus der ad Lectorem Praescriptio der Druckfassung von 1586. [Sollte ich zufällig an irgendeiner Stelle eine Verfehlung begangen haben, insbesondere wenn ich die überaus hohen Stufen einer Abhandlung über die Vorsehung, Rechtfertigung und Prädestination versucht habe zu erklimmen, möge man mir vergeben, da es sich mit Sicherheit an keiner Stelle um Böswilligkeit oder Starrsinn handelt, sondern lediglich um menschliche Schwäche und Kurzsichtigkeit.] 319 Tarot 1963, S. XXVIII. Vgl. Tarot 1960, S. 116. Zur erwähnten „Kette der Weltanschauungsdramen des Jesuitenordens“ siehe auch: Meid 2009, S. 344–350; Brauneck 1993, S. 550–551; Sullivan 1986; Brauneck 1969, S. 32–33; Kindermann ²1969, S. 347–348; Tarot 1960, S. 83. Der Udo (1587) und Theophilus (1596) wurden von Rädle (1979) ediert. Dass der Theophilus aus Raders Feder stammt, ist keinesfalls so sicher, wie es Tarots Formulierung suggeriert (siehe dazu Meid 2009, S. 346; Sullivan 1986, S. 279; Rädle 1979, S. 575).
3.4 Zwischenfazit |
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verführt wird, dadurch vom christlichen Glauben abfällt und deshalb letztlich der ewigen Verdammnis anheimfällt. Den weiter fortgeschrittenen und breiter belesenen Schülern eröffnet er insofern einen tieferen Zugang, als er die Entwicklung des Protagonisten mit spezifischen Inhalten des höheren Sprachunterrichts, wie zum Beispiel der Integration der Oden des Horaz, veranschaulicht. Wenn Drexel dagegen seinen Julian als (neu-)stoischen Philosophen christlicher Ausprägung stilisiert, der aufgrund mangelnder constantia letztlich seiner natürlichen inneren Veranlagung zum Hochmut nachgibt, im Folgenden seine (neu-)stoische Position in negativer Weise anwendet, daraufhin genau den Affekten verfällt, die die Stoa bekämpft, und schließlich zur ewigen Verdammnis gelangt, so hat er mit dieser Botschaft wohl v.a. den kleinen Kreis an gebildeten Bekannten im Sinn, die sich mit dieser Thematik diskursiv auseinandersetzten und unter denen dazu entsprechende Schriften regelmäßig zirkuliert zu haben scheinen. Hierzu sind ebenso die Reflexe des zeitgenössischen Herrscherdiskurses in den Bereichen ‚Verstellung‘ und ‚Milde bzw. Grausamkeit‘ zu zählen. Drittens ist das beobachtete Spiel mit der wandelbaren Didaxe innerhalb des Iulianus als eleganter Kunstgriff seines Autoren zu werten. Damit geißelt Drexel nicht nur den Hochmut und die Apostasie seiner Hauptfigur Julian, sondern gibt derselben auch einen versteckten Spiegel in die Hand, den er Julian seinem christlichen Publikum ironisch vorhalten lässt.
4 Formale und dramentheoretische Analyse des Iulianus 4.1 Der Iulianus als ‚Comicotragoedia‘ Drexels Iulianus ist zu jener Mischform der dramatischen Gattungsdichotomie Tragödie und Komödie zu zählen, die von der Forschung schon oftmals für das frühneuzeitliche Drama insgesamt konstatiert wurde.¹ Diese Mischgattung zeichnet sich primär dadurch aus, dass sie Figuren, die für die Tragödie typisch sind (sozial hochgestellte Figuren, wie z.B. Herrscher und Götter), und typische Charaktere der Komödie (sozial niedriggestellte, wie z.B. Sklaven) gemeinsam auftreten lässt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, das traditionell die Tragödie von der Komödie unterscheidet und in der frühen Neuzeit für eine Unterklassifizierung der angesprochenen Mischform herangezogen wird, stellt der Ausgang eines Stücks (glücklich/unglücklich; exitus laetus bzw. lugubris/miserabilis) dar. Entsprechend etablierten sich in der Frühen Neuzeit eigene Bezeichnungen für die jeweiligen Unterkategorien. So wurde ein Mischspiel mit glücklichem Ausgang als Tragicomoedia bezeichnet. Diese Benennung geht auf einen Scherz des römischen Komödiendichters Titus Maccius Plautus (* ca. 250 v.Chr.) zurück. Im Prolog seines Amphitruo lässt er den Gott Merkur in einer scherzhaften Formulierung eine tragicomoedia ankündigen, da im folgenden Stück (freilich mit glücklichem Ausgang) sowohl ‚niedrige‘ Personen wie Sklaven als auch ‚hohe‘ Figuren wie Götter auftreten würden.² Entsprechend wurde dann, in zeitgenössischen Poetiken des späten sechzehnten und der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts freilich nicht unumstritten,³ dessen Umkehrung, also ein Mischspiel mit unglücklichem
1 Vgl. Bauer 1994a, S. 198; Braungart 1989, S. 585; Sprengel 1987, S. 50; Valentin 1978 I, S. 356–366; Hess 1976, S. 34–37; Guthke 1961a, S. 356; Tarot 1960, S. 54–58. 2 Vgl. Plaut. Amph. 50–63, wobei die Lesart zwischen tragicomoedia und tragicocomoedia variiert. Zu Plautus’ Scherz siehe ferner: Benz 1999, S. 87–91; Seidensticker 1982, S. 20–22; Guthke 1961a, S. 346; Abel 1955, S. 38. Zur Theorie und Praxis der Tragicomoedia in der Frühen Neuzeit siehe: Landwehr 2007; Seidensticker 1982, S. 24–27 und 261–271; Guthke 1961a; Herrick 1955. Zur Tragikomödie seit Lessing siehe Guthke 1961b. 3 Während Julius Caesar Scaliger in seinen 1561 postum erschienenen Poetices libri septem Tragödie und Komödie noch als ein sich wechselseitig ausschließendes Gegensatzpaar auffasst (Scal. poet. I,6), sind in der Folge Giovanni Viperano und Jakob Pontanus, dessen erstmals 1594 erschienene Poeticarum institutionum libri tres zu den einflussreichsten literaturtheoretischen Werken des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, nicht zuletzt in der Societas Iesu, zählten (vgl. George 1972, S. 81), zumindest dazu bereit, die Tragicomoedia als Mischform zuzulassen: Tragicocomoedia est confusum quiddam ex comoedia et tragoedia, quando nimirum contra legem https://doi.org/10.1515/9783110593730-004
4.1 Der Iulianus als ‚Comicotragoedia‘
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Ausgang, Comicotragoedia genannt. Von einer klaren Unterscheidung und einer konsequenten Anwendung der Begriffe kann jedoch keineswegs die Rede sein. Denn die klassischen Termini Tragoedia und Comoedia wurden weiterhin auch für die Mischform selbst verwendet. Der Cenodoxus kann hier als Beispiel dienen. Von der gedruckten Perioche der Münchener Aufführung von 1606 und der Ingolstädter von 1617 sowie von der Handschrift ‚p‘ wird das Stück als Comicotragoedia betitelt. Die Handschrift ‚k‘ nennt das Stück eine tragoedia. In Joachim Meichels deutscher Übersetzung von 1635 wird es dagegen als „ein sehr schoene Comaedi“ angekündigt.⁴
4.1.1 Die Protagonisten und der ‚Ausgang‘ des Iulianus Die gedruckte Perioche des Iulianus kündigt entsprechend zwar auch eine tragoedia an, tatsächlich erfüllt Drexels Bühnenstück jedoch genau die beiden Haupt-
comicam, illustres angustioresque personae admiscentur. […] Potest etiam dici, esse tragoediam cum exitu comico, hilari videlicet, pacato et tranquillo. Finis itaque tragicocomoediae semper erit laetus. Poet. Inst. 2,12, S. 87–88. [Die Tragicocomoedia ist in gewisser Weise eine Mischung aus Komödie und Tragödie, da in ihr, freilich entgegen der Vorschrift für die Komödie, hoch- mit niedergestellten Personen vermischt werden. […] Man könnte sogar sagen, dass sie eine Tragödie mit komischem Ausgang, freilich einem heiteren, versöhnlichen und ungetrübten, ist. Der Ausgang einer Tragicocomoedia wird daher immer ein glücklicher sein.] Vgl. Viperanus: De arte poetica, S. 129–130. Die Comicotragoedia lehnen Viperano und Pontanus dagegen ab. Letztgenannter betont in diesem Zusammenhang, dass der Fall eines einfachen Menschen dem Publikum nicht im Gedächtnis haften bleibe und es nicht im erforderlichen Maße erschüttern könne, und verweist außerdem auf die fehlende antike Autorität, die die Comicotragoedia sanktionieren könnte: Verum enimvero, licere vicissim facere comicotragoediam, cuius nimirum exitus sit lugubris, haud affirmem: quandoquidem personarum vulgarium humiliumque casus et calamitates, cum ad memoriam, tum ad commovendos animos non tanti sunt momenti. Adde quod huiuscemodi fabulae nullum uspiam apparat exemplum. Poet. inst. 2,12, S. 88. [Aber ich möchte dagegen nicht behaupten, dass es umgekehrt erlaubt sein dürfe, daraus eine Comicotragoedia zu kreieren, deren Ausgang freilich unglücklich ist: Denn Unglücke und Katastrophen von einfachen, niedergestellten Personen besitzen kein solch großes Gewicht, dass sie im Gedächtnis der Menschen haften bleiben und ganz besonders ihre Gemüter erregen. Ferner gibt es nirgends ein Beispiel für einen solchen Handlungsverlauf.] Vgl. Viperanus: De arte poetica, S. 130. Siehe auch Braungart 1989, S. 613. Erst Jacob Masens Palaestra Eloquentiae Ligatae (1654–1657) sorgte für eine gewissermaßen theoretische Sanktionierung der Comicotragoedia als Mischgattung für den Jesuitenorden. Vgl. Guthke 1961a, S. 356. Zu Pontanus’ Poeticae institutiones im Allgemeinen siehe Bloemendal 2013, S. 201–204. Der Abschnitt zur Tragödie wurde von George (1972, S. 75–81) ediert. Zur jesuitischen Dramentheorie insgesamt siehe auch Happ 1922. 4 Vgl. Braungart 1989, S. 612–613; Hess 1976, S. 47–52; Tarot 1960, S. 54 mit Anm. 1. Weitere markante Beispiele bei Guthke 1961a, S. 343–344.
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kriterien, die auf die zeitgenössische mehr oder weniger etablierte Definition der Mischform Comicotragoedia zutreffen. Was den Ausgang betrifft, muss jedoch eine gewisse Differenzierung vorgenommen werden. Denn das unglückliche Ende der Hauptfigur entpuppt sich gleichzeitig für dessen Gegenspieler, die Christen, und somit auch für Drexels Publikum als glücklich. Diese Konstellation unterstreicht zwar erneut den Mischcharakter des Stücks, stellt jedoch lediglich eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für eine Kategorisierung als Comicotragoedia dar. Denn bereits Aristoteles war in seiner Poetik zu einer Verschmelzung von Komödie und Tragödie insofern bereit, als er es für legitim erachtete, wenn eine Tragödie für ihre positiven Figuren glücklich, für ihre negativen hingegen unglücklich ende. An der Begrifflichkeit tragoedia änderte sich für ihn dadurch allerdings nichts.⁵ Das entscheidende Zusatzkriterium, das den Iulianus zu einer Comicotragoedia nach zeitgenössischer Definition macht, ist dagegen in den auftretenden Figuren zu sehen. Julian Apostata, die Hauptperson des Dramas, erfüllt in seiner Rolle als römischer Kaiser zweifelsohne das zeitgenössische ‚plautinische Standeskriterium‘ für einen Tragödienstoff.⁶ Dasselbe trifft auf seinen Vetter, Kaiser Constantius II., zu, der zumindest in den ersten beiden Akten ebenfalls als eine Hauptperson zu sehen ist. Zu den für die Tragödie vorgeschriebenen illustres sind auch Procopius, ein Verwandter Julians, die Gelehrten und Philosophen, die angesehenen christlichen Nonnen, vornehme Gesandte und Mares, der Bischof von Chalkedon, zu zählen. Daneben taucht aber auch eine Reihe von Charakteren auf, die in der römischen Komödie beheimatet sind,⁷ darunter ein Koch, einfache Soldaten und vorlaute, derb daherredende und listige Diener bzw. ‚Sklaven‘. Innerhalb der im Iulianus auftretenden Personen nimmt Dositheus, ein Mitglied von Julians kaiserlichem Hofstaat, eine für das Jesuitentheater nicht untypische Sonderrolle ein (V,7).⁸ Bei ihm handelt es sich um eine Analogie zu Bruno von Köln aus Bidermanns Cenodoxus. Bruno stellt darin, worauf Günter Hess
5 Aristot. poet. 13,1453a,30–35. Vgl. Guthke 1961a, S. 345. 6 Vgl. Tragoedia est poesis virorum illustrium per agentes personas exprimens calamitates. Pont. Poet. inst. 2,18 S. 108. [Die Tragödie ist eine Dichtung, die durch handelnde Personen die unglücklichen Schicksale bedeutender Männer darstellt. Übersetzung: George 1972, S. 78.] Siehe dazu auch die Ausführungen von Melanchthon (Enarratio comoediarum Terentii, CR 19, S. 693) und Scaliger (poet. I,16). 7 Vgl. Quod ad personas attinet, comicae sunt ignobiles, obscurae, civiles tantum. Pont. Poet. inst. 2,20, S. 114. [Was die auftretenden Personen angeht, sind diejenigen der Komödie von unadeliger, niederer und einfacher Herkunft.] Siehe dazu auch Melanchthon (Enarratio comoediarum Terentii, CR 19, S. 693 und 696) und Scaliger (poet. I,13). 8 Ganz ähnlich auch die Ecebolius-Figur in Szene V,9, vgl. Einleitung zu Comm. ad V,9.
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hingewiesen hat,⁹ einen idealtypischen „spectator“ auf der Bühne dar, der das Publikum durch seine Rolle, bei der er Zeuge von Cenodoxus’ Verdammung wurde und sich in deren Folge zu einem asketischen Leben entschied, gewissermaßen exemplarisch anleitete, wie es auf die inszenierten Geschehnisse reagieren solle. Nachdem Dositheus erfahren hat, dass der von Julian ausgesandte Dämon Erebophylax der Macht, die das Gebet des Einsiedlers und Mönches Publius gegen ihn ausgeübt hatte, unterlegen war, erkennt er die Überlegenheit eines einfachen, dem Christengott geweihten Lebens über die Mächte der Hölle an. Er verdammt alle irdischen Luxusgüter, die seine Position am Hof mit sich brachte, und beschließt, sich umgehend zu Publius zu begeben und in Abgeschiedenheit ein frommes Leben zu führen, kurzum er vollzieht, wie sein Pendant Bruno im Cenodoxus, eine bedingungslose Weltflucht oder, wie es Georg Braungart für letzteren formulierte, eine „theatralisch-gestisch höchst effektvoll[e] Weltabsage in barocker Manier“.¹⁰ Dositheus will sich fortan allein dem Gekreuzigten ganz und gar hingeben. In den Worten, die Drexel ihm in den Mund legt, ist erneut eine besonders enge intertextuelle Beziehung zum Cenodoxus zu sehen: Dosith.: Abi voluptas; gloriae cupidines Abite, mundi disperite gaudia. Valete delicatae vestes corporis, Valete torques, annuli, imo compedes, Valete gemmae, mensa genialis vale. […] perdere Haec malo quam perire.¹¹ Brun.: Abi voluptas; hinc abite gloriae Cupidines; jam delicatae corporis Valete vestes: annuli, imo compedes, Non annuli. Valete honores; […] […] perdere Haec malo, quam perire. […] Omnes: Valete; Mundi disperite gaudia.¹²
9 Hess 1976, S. 64–66. Vgl. ebenso: Bauer 1994a, S. 199; Braungart 1989, S. 630–638; Sprengel 1987, S. 50–51. 10 Braungart 1989, S. 631. 11 Iul. 2381–2385 bzw. 2391–2392. 12 Bid. Cen. V,8, 2208–2211, 2217–2218 und 2234. – Übersetzung: Brun.: Weg mit den Vergnügungen; weg mit der Gier nach Ruhm; lebt wohl ihr feinen Kleider für den Leib; ihr Ringe, oder besser gesagt, ihr Fesseln, nicht Ringe. Lebt wohl ihr Ehrabzeichen. […] Ich will diese Dinge lieber verlieren, als mit ihnen verloren sein. […] Alle: Lebt wohl; ihr Freuden der Welt, gehet zugrunde.
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Auch die abschließende Bitte des Dositheus gegenüber Christus, dass er ihm Kraft und Stärke für seinen neuen Lebensweg verleihen möge, weist eine gewisse Ähnlichkeit zu Brunos Worten auf: Dosith.: Te Christe voco, tu pectus infirmum tua Rege gratia, animos adde, victorem effice.¹³ Brun.: Beate Rector Orbis, animos robora Caeptumque nostrum prospera. Tibi sedet Vitam dicare, consecrare, ducere.¹⁴
So wie Dositheus und Bruno gewissermaßen als actores spectantes Zeugen des Untergangs der Hauptperson des jeweiligen Bühnenstücks werden und sich unter dem Eindruck dieser Erlebnisse zu einem frommen, den eitlen Dingen der Welt entsagenden und Gott geweihten Leben entschließen, so soll sich auch der anwesende reale bzw. der ideale intendierte Zuschauer in diesen Figuren wiederfinden und entsprechend auf das dargebotene Schicksal des Cenodoxus bzw. Julians reagieren. Die Vermischung von ‚hohen‘ und ‚niederen‘ Personen in einem Bühnenstück bringt aber zwei weitere Konsequenzen mit sich. Sie schlägt sich nämlich gleichzeitig in der sprachlichen Ausgestaltung des Dramas (Abschnitt 4.1.2) sowie der Rolle der Komik (Abschnitt 4.1.3) nieder.
4.1.2 Die Diktion des Iulianus Generell gilt auch für den Iulianus das aus der Antike stammende Prinzip des decorum im Rahmen der Dichtkunst, das im Hinblick auf das Drama besagt, dass die Sprachhöhe dem Inhalt bzw. den Personen entsprechen müsse.¹⁵ Grundsätzlich sind die personae illustres des Iulianus einem höheren Sprachniveau zuzuordnen als die für die Komödie typischen Figuren. Als Beispiel für die Erstgenannten sei auf die gewählte und zum Teil mit Sentenzen gespickte Ausdrucksweise des Kaisers Constantius und dessen Ratgeber in I,2 oder der geistlichen Bittsteller in I,3 verwiesen.¹⁶ Die beiden im Drama auftretenden Boten bedienen sich ferner eines 13 Iul. 2403–2404. 14 Bid. Cen. V,8, 2231–2233. – Übersetzung: Gütiger Lenker des Erdkreises, verleihe mir Kraft und lass mein Vorhaben gelingen. Ich bin fest dazu entschlossen, dir mein Leben zu widmen, zu weihen und für dich zu führen. 15 Vgl. Hor. ars 89–94 und 112–118. 16 Als weitere Beispiele ließen sich Julians angesehene Ratgeber und gebildete Philosophenfreunde (vgl. z.B. I,4 und 10; II,4–6) sowie die Nonnen um Publia (vgl. IV,2) anführen.
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sehr bildhaften bzw. epischen Sprachstils.¹⁷ Dem gegenüber steht u.a. das einfache Hofpersonal, das sich stark der plautinischen ‚Umgangssprache‘ bedient und häufig derbe Schimpfwörter im Mund führt,¹⁸ wobei sich auch die Vertreter dieser Gruppe einem ‚offiziellen‘ Kontext anpassen und das sprachliche Niveau entsprechend modifizieren können.¹⁹ Sowohl die Agnostoprologi als auch Einzelszenen sind im Ganzen (z.B. IV,1) oder teilweise (z.B. III,3 und IV,3) nicht nur strukturell, sondern auch sprachlich eindeutig der Komödie zuzuordnen. Diese Durchmischung von unterschiedlichen Sprachniveaus, die durch die jeweiligen Sprecher bedingt sind, lässt sich auch in anderen Dramen der Zeit feststellen, allen voran wiederum in Bidermanns Cenodoxus, der mit einer turbulenten Komödienszene rund um den „Laggey“ (d.h. servus) Dama und den „Schmarotzer“ (d.h. parasitus) Mariscus beginnt.²⁰ Im 1597 in München aufgeführten Triumphus Divi Michaelis werden dagegen Himmels- von Höllenfiguren durch verschiedene Sprachebenen unterschieden.²¹ Die frühneuzeitlichen humanistischen Gelehrten Gerhard Johannes Vossius und Daniel Heinsius rügen Buchanans Jephtes (1544) bzw. Murets Iulius Caesar (1552) ausdrücklich für ihre unangebrachte sprachliche Ausgestaltung, da sie sich zu wenig des ‚hohen‘ Sprachstils bedienten, sondern einen sermo humilior bzw. einen sermo abiectissimus aufwiesen.²² In der differenzierten Verwendung von unterschiedlichen Sprachniveaus zur besonderen Kennzeichnung von bestimmten, stereotypen Figuren unter-
17 Iul. 609–627 und 2474–2509. Ähnliches trifft auch auf die Verwünschung der Christen durch Libanius zu Beginn der Szene V,2 (Iul. 2057–2061, siehe auch den Comm. ad locum) zu. 18 Vgl. das Gespräch unter den Hofbediensteten (I,5), ferner die Schimpftirade auf Julian durch Lucianus und Philaemon (V,5) und den Monolog des (einfachen) Soldaten Dositheus (V,7). 19 So das Bittgesuch des Kammerdieners Drusillanus vor Julian (Iul. 381–385). Vgl. auch die Einleitung zu Comm. ad I,5 und 6. 20 Vgl. Bauer/Leonhardt 2000, S. 100–101 mit Anm. 309; Braungart 1989, S. 600–604; Valentin 1978 II, S. 584–585; Tarot 1960, S. 59 und 67; Wehrli 1960, S. 326–327. – Als weitere Beispiele ließen sich ferner Bidermanns Philemon (bes. I,8 und IV,7) und Macarius (bes. IV,6 und 8, sowie V,7 und 11) anführen. Für die Zulässigkeit dieser sprachlichen Mischung kann mit Horaz sogar eine antike Autorität ins Feld geführt werden: Manchmal bediene sich die Komödie auch des ‚hohen‘ Stils, z.B. wenn sich der wutentbrannte Chremes mit schwülstiger Stimme ereifre. Ebenso sei in der Tragödie der ‚niedere‘ Stil zu finden, beispielsweise wenn Telephus und Peleus von Armut und Verbannung gezeichnet ihren Schmerz zum Ausdruck brächten: Interdum tamen et vocem comoedia tollit ∣ iratusque Chremes tumido delitigat ore; ∣ et tragicus plerumque dolet sermone pedestri ∣ Telephus et Peleus cum pauper et exul uterque ∣ proicit ampullas et sesquipedalia verba, ∣ si curat cor spectantis tetigisse querella. Hor. ars 93–98. 21 Vgl. Bauer/Leonhardt 2000, S. 98–99. 22 Sane illius [sc. Mureti] Caesare, huius [sc. Buchanani] dici humilius nil potest. […] Nam et res, et verba, et dicendi genus, et metrum, plane est comicum. Illud abiectissimum est in choro. Heinsius 1611, S. 234–235. Vgl. Vossius 1647, S. 72. Siehe dazu auch Hagmaier 2006, S. 152–154.
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scheidet sich der Iulianus von zeitgenössischen Dramen also zunächst einmal nicht. Die Funktionalisierung von verschiedenen Sprachhöhen erschöpft sich in Drexels Bühnenstück damit aber noch nicht. Denn innerhalb des Iulianus besitzen sie des Weiteren eine wichtige Funktion zur Binnendifferenzierung einer einzelnen Person, eine Beobachtung, die in dieser Weise im Rahmen des Jesuitentheaters bisher noch nicht gemacht wurde. Für diesen Zusammenhang ist erneut Julian, die Hauptfigur, von entscheidender Bedeutung. Parallel zu seinem bereits ausführlich dargestellten inneren Transformationsprozess vom gebildeten Christen zum grausamen heidnischen Tyrannen vollzieht sich ein gewisser Wandel in seiner sprachlichen Ausdrucksweise. Während Julian als hochangesehener (christlicher) Gelehrter zu Beginn des Dramas hinsichtlich seiner Diktion noch die gattungsspezifischen Vorgaben der Tragödie erfüllt, indem er sich „von der Alltagssprache abgehoben, großartig, reich, erhaben und voller gewichtiger Sentenzen“ ausdrückt,²³ weisen seine Sprechanteile nach seiner Apostasie zunehmend Elemente der komischen Sprache auf. Wenn Julian beispielsweise im Streitgespräch mit Porphyrius Schimpfwörter wie praestigiatores (Iul. 1890) oder sceleratissimu[s] (Iul. 1928) sowie umgangssprachliche Drohungen wie Vin’ eculeum gustare? (Iul. 1861) oder Mittere virgarum brevi in vindemiam (Iul. 1873) über die Lippen kommen,²⁴ ist dies als deutliche Abkehr von der ‚hohen‘ dictio der Tragödie zu bewerten. Zu Beginn des dritten Aktes bedient er sich bei der Verfluchung von Christus und dessen Anhängern besonders primitiver und grobschlächtiger rhetorischer Mittel.²⁵ Ferner diente Teilen des Streitgesprächs zwischen Julian und Mares (III,5) die berühmte flagratio aus dem plautinischen Pseudolus als enge Vorlage (Pseud. I,3). Drexel lässt seinen Julian dabei in die Rolle des derben Kupplers Ballio schlüpfen und legt ihm dessen aufgeblasene und unflätige Worte in den Mund. Mit dieser Entwicklung einher geht eine ‚Abkehr‘ vom intertextuellen Referenzpunkt Horaz, der in Julians Worten nach seiner Apostasie mit zwei (bisher diagnostizierten) Ausnahmen, auf die im Anschluss noch ausführlicher eingegangen wird, überhaupt keine Rolle mehr spielt. Die unterschiedlichen Sprachniveaus, derer sich eine einzelne Hauptperson bedient,
23 In dieser Weise definiert Pontanus die ‚hohe‘ Sprache der Tragödie: Dictionem habebit tragoedia a quotidiana loquendi consuetudine remotam, magnificam, copiosam, sublimem, gravibus sententiis refertam. Tametsi interdum propter explicandum dolorem et in fortuna adversa querimoniam, quasi humi serpendum est. Poet. inst. 2,19, S. 111–112. 24 Ähnliche Beschimpfungen auch im Streitgespräch mit Mares: crepitaculum (Iul. 1282), barde vetule (Iul. 1294), silicernium (Iul. 1304). Umgangssprachliche Formulierungen: saxa loqueris (Iul. 1271), flocci facis (Iul. 1304), papae […] bombax (Iul. 1319). 25 Vgl. Einleitung zu Comm. ad III,1.
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erfahren somit eine Semantisierung, die den inneren Transformationsprozess derselben sprachlich veranschaulicht.²⁶ Hinsichtlich der erwähnten Ausnahmen ist zunächst auf eine Aussage Julians ganz am Ende des vierten Aktes einzugehen. Da es sich bei der Wendung Dente lacesabo non cachinno has viperas (Iul. 1973) jedoch um eine sehr umgangssprachliche Formulierung aus den Briefen des Horaz²⁷ handelt, widerspricht dieser Vers nicht der oben formulierten Beobachtung. Um ein Vielfaches komplexer verhält es sich beim zweiten intertextuellen Bezug zu Horaz nach Julians Apostasie: In einem Anflug entfesselter Hybris erklärt er zu Beginn von V,1, dass er die gesamte Welt unterwerfen und zum alleinigen Weltenherrscher aufsteigen wolle. Das Perserreich werde er angreifen, auch wenn (und hierin nimmt er Bezug auf Horaz) die Könige des memnonischen Ostens ihre Macht mit den entfernt lebenden Einwohnern von Gades verbündeten: Persas adibo, […] etiamsi Gadibus Iungant remotis Memnonis reges opes.²⁸
Mit diesen Worten, die Julian in den Mund gelegt werden, schlägt Drexel gleichzeitig aber auch eine intratextuelle Brücke zum Beginn des Dramas. In I,2 hatte Constantius nämlich gegenüber Julian betont, dass seine Herrschaft, wenn er seinen habgierigen Sinn zähme, weiter reichen werde, als wenn er das fruchtbare Libyen mit dem entlegenen Gades verbände: atque ita imperabis latius, Avidum domando spiritum quam fertilem Si Gadibus Libyam remotis iunxeris.²⁹
26 Eine solche Semantisierung lässt sich auch teilweise an Bidermanns Philemon nachweisen. Darin verläuft die Entwicklung in die umgekehrte Richtung, indem sich die Hauptperson von einem derben Trinker und Schlemmer in einen Märtyrer verwandelt, der seinen Tod in stoischer Ruhe erleidet. Mit dieser Transformation geht auch eine Veränderung seines Verhaltens und seiner Ausdrucksweise einher. Als Beispiele für diesen Wandel sei auf sein Verhalten zu Beginn des Stücks in einer Kneipe (mihi accumbere videbar in caupona […]. Tum plena poculentis circa esse omnia. I,5, S. 48) und seine spätere Abstinenz verwiesen (Nunquam bibi ullam, praeses, post quam dedidi me Christo. IV,7, S. 232) sowie auf seine umgangssprachliche Ausdrucksweise (Marsyam dabo illum, ni cessarit. Pugni pruriunt. I,5, S. 44) ebenfalls in der Kneipe und auf seine besonnenen, sentenzhaften Worte gegenüber Arrianus im Verhör (Libertas una est, preces, Christi servitus. IV,7, S. 236). 27 Epist. 2,1,147–151, vgl. Comm. ad 1973. 28 Iul. 1980–1982. 29 Iul. 203–205.
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Beide Textstellen nehmen, wie bereits angemerkt, Bezug auf Horaz: latius regnes avidum domando spiritum quam si Libyam remotis Gadibus iungas et uterque Poenus serviat uni.³⁰
Für den vom Christentum abgefallenen Julian spielt das von Constantius bzw. Horaz empfohlene avidum domando spiritum bei der Herrschaftsausübung jedoch überhaupt keine Rolle mehr. Er ist nur noch auf Krieg und Eroberung, am besten der gesamten Welt, aus. Wenn er dieses (negative) Anliegen nun aber mit beinahe demselben auf Horaz zurückgehenden Nebensatz näher illustriert wie Constantius zuvor seine (positive) Empfehlung, veranschaulicht dies erneut den von Julian im Laufe des Dramas durchlaufenen inneren Transformationsprozess vom selbstbeherrschten Philosophen zum eroberungswütigen und hybrisbehafteten Kriegsherren. Diese Abkehr vom inhaltlichen Referenzpunkt Horaz trat innerhalb der ersten Szene des fünften Aktes auch bereits wenige Verse zuvor überdeutlich zu Tage. Während Horaz das Bezähmen des habgierigen Sinnes auch über die alleinige Herrschaft über „beide Punier“ stellt (uterque Poenus ∣ serviat uni, carm. 2,2,11–12), ist Julian genau auf diesen Zustand aus, ja er übersteigert sogar die Formulierung seiner z.T. wörtlich zitierten intertextuellen Vorlage. Nicht nur die Karthager sollen ihm allein unterworfen sein, sondern der gesamte Erdkreis, vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne, eine Aussage, die er mit einer Aneinanderreihung von Indefinitpronomina hyperbolisch auflädt:³¹ Quicquid renascens, quicquid emoriens dies Collustrat: orbe quicquid immenso iacet Mihĭ serviat uni ut quidlibet ferias meum Sit vulnus, unique pereat quicquid perit.³²
4.1.3 Die Rolle der Komik Die zweite Konsequenz, die eine Verschmelzung der beiden dramatischen Subgattungen mit sich bringt, ist der Einzug der Komik³³ in die ‚ernste‘ Tragödie. Wie ver30 Hor. carm. 2,2,9–12. Siehe auch Comm. ad 203–205. 31 Siehe dazu auch den Comm. ad 1974–1984. 32 Iul. 1976–1979. 33 In Übereinstimmung mit Christel Meier (2008a, S. 183) wird in der folgenden Analyse der ‚Komik‘ eine sehr weitgefasste Definition zugrunde gelegt. Der Begriff umfasst nicht nur die komi-
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schiedene Einzeluntersuchungen der letzten Jahrzehnte zeigen konnten, kommt der Komik im geistlichen Spiel des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts nicht nur die Rolle einer heiteren Ablenkung zu, die inhaltlich keine Verbindungen zur Dramenhandlung aufweist.³⁴ Vielmehr steht sie in der Regel in einem direkten Verhältnis zum Inhalt des Bühnenstücks und erfüllt dabei eine ganze Reihe von unterschiedlichen Funktionen. Zeitgenössische Überlegungen zur Rolle der Komik im Jesuitentheater Die beiden Hauptfunktionen der Komik, die auch für den Iulianus maßgeblich relevant sind, wurden bereits zeitgenössisch diagnostiziert.³⁵ Eine der wichtigsten theoretischen Abhandlungen dazu liefert die aus anonymer Feder stammende Vorrede (Praemonitio ad Lectorem) zu Jakob Bidermanns postum im Druck erschie-
schen Bausteine gemäß antiker und zeitgenössischer Poetiken (Personen; Ausgang), sondern alle Formen des Lachens und der Fröhlichkeit wie Witz, Spott, Parodie, Satire und Schmunzeln. 34 Vgl. Meier 2008a; Rädle 1997b. Karl Guthke (1961a, S. 347) hielt dagegen noch fest: „Doch sind die komischen Einlagen auch hier [sc. in den Tragikomödien im Deutschland des sechzehnten Jahrhunderts] noch nicht von einem klaren Sinnprinzip aus konzipiert und eingefügt.“ Und später: „Wenn Komik und Tragik sich tatsächlich mischen [sc. in der Tragikomödie des siebzehnten Jahrhunderts], dann bleibt es, […], beim unkoordinierten Nebeneinander wie schon im Mittelalter.“ (Guthke 1961a, S. 361). Laut Guthke stelle Johann Rists Friedejauchzendes Teutschland von 1652 das erste „deutsch[e] Stück des Barockzeitalters [dar], in dem sich Tragik und Komik bereits in der Weise integrieren, daß sich der synthetische Eindruck des Zugleich und Idem herstellt“ (S. 361–362). In ähnlicher Weise sieht Bernd Seidensticker (1982, S. 262–264) in der Kombination von Ernst und Komik im Drama der Frühen Neuzeit ein Erbe des geistlichen Spiels des Mittelalters. Rolf Tarot wies hingegen bereits 1960 darauf hin, dass Bidermann in seinem Cenodoxus „diese [sc. komischen] Elemente nicht unverbunden nebeneinander bestehen [lässt], wie andere zeitgenössische Dramatiker das häufig tun“ (Tarot 1960, S. 56), wobei er neben inhaltlich-strukturellen (entsprechende Charaktere sind auch in anderen Szenen präsent; Verknüpfung durch die Nennung von Cenodoxus’ Namen) auch wirkungsästhetische Argumente (Kontrast zu Folgeszene verstärkt Wirkung auf Zuschauer; retardierendes Moment) vorbringt (vgl. S. 57–60). Mit seiner Mischung von Komik und Tragik in der Nebenhandlung stelle Bidermann laut Tarot einen „belebenden Kontrast zur Haupthandlung“ (S. 61) her. Zur Rolle der Komik in Bidermanns Dramen siehe ferner: Braungart 1989, S. 600–608; Dyer 1980/1. Eine Spezialuntersuchung zur Komik im spanischen Jesuitentheater liefert Pérez González (2011), im böhmischen Jacková (2010). 35 Neben den beiden hier behandelten Funktionen weist Christel Meier auf die Indienstnahme der satirischen Komik für die Konfessionspolemik hin und beruft sich dabei beispielhaft auf Willibald Pirckheimers Eckius dedolatus (1520), Thomas Naogeorgs Pammachius (1538) und auf den 1598 im Münchener Jesuitengymnasium aufgeführten Benno (Meier 2008a, S. 174–178). Diese Funktion kann im Hinblick auf den Iulianus jedoch ausgeklammert werden, da sich seine komischen Szenen, wie auch das Drama als Ganzes, in keiner Weise durch Angriffe auf den konfessionellen Gegner auszeichnen.
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nenen Ludi theatrales (1666), eine Sammlung von zehn seiner Dramen.³⁶ Darin verteidigt der Editor nicht nur die Drucklegung der Stücke (eine von äußerst wenigen Ausnahmen im frühen Jesuitentheater),³⁷ sondern nimmt Bidermann auch gegen Vorwürfe hinsichtlich mancher Verstöße gegen die Poetik, insbesondere bezüglich der Gattungsmischung, in Schutz. Er habe die Zusammensetzung der Zuschauer, die sowohl aus unterschiedlichen sozialen Milieus als auch aus divergierenden Bildungsschichten stammten, insofern berücksichtigt, als er etwas geschaffen habe, „das alle unterhielt, jeden förderte, allen gefiel, alle zur Liebe für das Rechte anspornte“. Dies sei dem Autoren in solchem Maße gelungen, „daß die meisten der Zuschauer aus diesen Aufführungen moralisch geläuterter (emendatiores) nach Hause gingen als aus den Predigten anderer“.³⁸ Der Herausgeber ordnet Bidermanns Vorgehen dem Primärziel seiner Dramenproduktion unter, nämlich möglichst weitreichend Affekte bei den Zuschauern zu erregen (ad affectus in animis excitandos), um sie dadurch moralisch zu läutern.³⁹ Als ein Mittel zur Affekterregung hebt die Praemonitio daraufhin die Komik in Bidermanns Dramen hervor. Aus den Scherzen der zahlreichen Possenreißer, Parasiten und Diener, die sich durch ihr freches und nichtsnutziges Verhalten auszeichneten, und dem daraus resultierenden Lachen beim Publikum habe sich der Dichter eine „Bahn zu den heilsamen Tränen verschafft“: facile deprehendent [sc. Catones Censorini] Poetam ex ipsis jocis et risibus iter sibi ad salubres lacrymas fecisse.⁴⁰
36 Jakob Bidermann: Ludi Theatrales. 2 Bde. München 1666; Neudruck hg. von Tarot 1967. Moderne Edition und Übersetzung der Praemonitio ad Lectorem von Rädle 1992. 37 Vgl. Abele 2015, S. 74–78. 38 Positos ante se vidit fabulae suae spectatores, quos quidem sciebat futuros homines non unius genij aut moris; sed aliquos ex eis fore viros, faeminasque Principes; cum permultos primi Subsellij viros doctos; plures deinde e semidoctorum grege, ac denique plurimos e faece suburrae. His omnibus parandum erat a Poeta, quod delectaret cunctos, nemini non prodesset, probaretur omnibus, ad recti amorem erigeret universos; quod quidem adeo abundanter assecutus est noster, ut spectatorum plerique ab his Comoedijs, quam a Concionibus aliorum emendatiores redierint domum. Praemonitio ad Lectorem, fol. +6v . Übersetzung: Rädle 1992, S. 1147. 39 Id quod longe aliter evenisset, si libertatem excellentis ingenij maluisset carceribus legum Criticarum includere, quam ad affectus in animis Auditorum excitandos vim omnem facultatemque multiplicis eruditionis accomodare. Praemonitio ad Lectorem, fol. +6v –+7r . [Das aber wäre völlig anders gekommen, wenn er es vorgezogen hätte, die Freiheit seines hervorragenden Geistes im Kerker der Gesetze der Poetik einzusperren, statt alle Kraft und alle Möglichkeiten seiner vielfältigen Bildung auf die Erregung der Affekte in den Zuhörern zu verwenden. Übersetzung: Rädle 1992, S. 1147.] 40 Praemonitio ad Lectorem, fol. +7r . Christel Meier (2008a, S. 178–183) hat entsprechend anhand von Bidermanns Philemon herausgearbeitet, dass insbesondere die Koinzidenz von ernster Sakralität und Komik in Schlüsselszenen zur Steigerung der Emotionen und Affekte beim Zu-
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An späterer Stelle hebt der anonyme Herausgeber der Ludi theatrales einen weiteren Aspekt hervor, der mit dem erstgenannten aufs Engste verbunden ist. Bidermann sei der Überzeugung gewesen, „daß die unschuldigen Scherze der geschwätzigen lustigen Personen und der Diener, die bei passender Gelegenheit ihr leichtsinniges Spiel gegen die strenge Handlung setzten, der christlichen Religion keineswegs schadeten. Schließlich sollte die Bühne nicht dauernd vor Schrecken starren, und es sollten nicht immer nur mißmutige Philosophen die Arena beherrschen.“⁴¹ Durch den Wechsel von Lachen und Weinen, Ernst und Komik, sei die fromme Gesinnung beim Zuschauer in einem schönen Gleichgewicht gehalten worden.⁴² Gerade diejenigen Stücke, die besonders lustig gewesen seien, hätten am meisten „geistlichen Ertrag“ erzielt,⁴³ was nicht zuletzt der Erfolg des Cenodoxus beweise, nach dessen Aufführung sich angeblich vierzehn Personen zu den Exerzitien zurückgezogen hätten und zu innerlich-sittlicher Umkehr veranlasst worden seien.⁴⁴ Dass auch Drexel der Komik die letztgenannte Funktion, die heute meist mit dem Begriff der comic relief versehen wird, zuschrieb, beweisen seine späteren Werke. Im dritten Buch seines Traktates Trismegistus Christianus, in dem er über die „Kleyder-Pracht“ schreibt, merkt er an, dass er gerne eine heitere Einleitung zu einem ernsten Stoff wähle. Denn die vorliegende Abhandlung sei in derselben Weise eine heikle wie ernste Sache: Daher, um nicht von Beginn an schon Anstoß zu erregen und zu früh schon ernst zu sein (ne in limine offendamus, et praemature serii simus), wolle er sich zunächst einer heiteren Erzählung annehmen.⁴⁵ Im Orbis
schauer führt („Emotionalisierung als Überwältigungsstrategie“) und somit die ‚reinigende‘ Wirkung des Dramas verstärkt. 41 Coegitque scenam suaviter ancillari Christianae pietati, cui adversari minimi putabat honesta gaudia Sturnorum et Vernalarum opportune illudentium severis actionibus. Scilicet ne perpetuo Scena horresceret, et tristes Philosophi in arena soli dominarentur. Praemonitio ad Lectorem, fol. +8r . Übersetzung: Rädle 1992, S. 1149 und 1151. 42 Risu scilicet ac fletu alternante, et ab eodem affectu pietatis pulchre temperato. Praemonitio ad Lectorem, fol. +8r –+8v . Übersetzung: Rädle 1992, S. 1151. 43 Nec est silentio praetereundum hoc loco, […] ex P. Bidermanni Comoedijs eas, quae maxime erant joculares, et hilaritatis quamplurimum continebant, fructu prae alijs fuisse uberrimas. Praemonitio ad Lectorem, fol. +8v . Übersetzung: Rädle 1992, S. 1151. 44 Zu diesem von der Forschung oft betonten Ereignis, das durch die Aufführung des Cenodoxus initiiert worden sein soll, wobei weniger von einer tatsächlichen, als vielmehr von einer intendierten, ideellen Wirkung ausgegangen werden muss, siehe: Meid 2013, S. 339; Bremer 2008, S. 485–486; Meier 2008a, S. 166–168; Meier 2008b, S. 359; Rädle 1997b, S. 320; Hess 1976, S. 34–37; Szarota 1975, S. 136; von Reinhardstöttner 1889, S. 53. 45 Vgl.: De cultu corporis agere, res tam delicata quam seria est: quare ne in limine offendamus, et praemature serii simus, Deo Fabulino prius hostiam feramus. Opera Omnia 1645a I, S. 1082,2. Frühneuzeitliche Übersetzung: Opera Omnia 1645b I, S. 1854,2.
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Phaeton beschreibt er die Eutrapelia, den „kurzweiligen Anstand“ (modestia in ludicris), folgendermaßen: Ea est enim quae ludis et jocis rationis modum imponit, ut decorum servetur. Arcus subinde remittendus est, et suae ingenio feriae permittendae; jocari licet quandoque sed temperanter, et moderate.⁴⁶
Die Bedeutung der comic relief bei ernsten und anstrengenden intellektuellen Beschäftigungen hob bereits einer der größten Gelehrten des christlichen Mittelalters, Thomas von Aquin (1225–1274), hervor. Laut ihm besitze sie eine heilende Wirkung auf die ermüdete menschliche Psyche (fatigatio animalis), da sie Trost (solamen) und eine gewisse geistige Erholung (quaedam animae quies) spende.⁴⁷ In Einklang mit dieser Vorstellung befindet sich auch die Studienordnung der Societas Iesu (Ratio studiorum), die in ihrer Fassung aus dem Jahr 1586 dem Rektor eines Gymnasiums deutlich die Anweisung erteilt, dass bei aller christlichen Frömmigkeit und Sittenstrenge der Heiterkeit (hilaritas) bei den Lehrern eine überragende Rolle zukomme (nihil antiquius, nihil optabilius esse), da durch sie der reibungslose Schulalltag gewährleistet werde.⁴⁸ Hinsichtlich der comic relief im Jesuitentheater ist jedoch zu beachten, dass es sich bei ihr in der Regel nicht um stoffferne Intermezzi handelt, um die Gemüter des Publikums zu entspannen und zu erheitern. Vielmehr nimmt sie eine wichtige drameninterne Funktion in der Weise ein, dass sie einen im Grunde ernsten Sachverhalt in ein komisches Gewand hüllt und somit entsprechend der vorangegangenen Überlegungen einen leichteren Zugang zu selbigem eröffnet. Mit Hilfe der Komik beleuchtet der Autor das ‚ernste‘ Tragödiengeschehen aus einer ‚komischen‘ Perspektive, mit der Folge, „daß sich beim Zuschauer bzw. Leser die beiden Sichtweiten unweigerlich synthesieren müssen zur doppelten Perspektive“.⁴⁹ Trotz der komischen Umsetzung bleibt somit in den entsprechenden Episoden der ernste, tragische Kern des Dramas dennoch präsent. 46 Opera Omnia 1645a I, S. 1086,2. – Übersetzung: Denn sie ist es, die dem Spott und Scherz seine Grenzen aufweist, damit der Anstand gewahrt bleibt. Hin und wieder muss der Bogen abgespannt werden und dem Sinn Entspannung gegönnt werden; bisweilen ist es erlaubt, Scherz zu treiben, aber mit Mäßigung und Zurückhaltung. Frühneuzeitliche Übersetzung: Opera Omnia 1645b I, S. 1854,2. 47 STh II,2 q. 168, a. 2–3. Siehe dazu auch Rädle 1997b, S. 311–312. 48 Tandem illud universim habendum est, Rectoribus nihil antiquius, nihil optabilius esse debere, quam ut salva religiosae pietatis disciplina Praeceptorum conservent hilaritatem, et in ea posita esse praesidia omnia Scholarum bene gerendarum existiment. Ratio stud. 1586, MGP V, S. 146. Vgl. Meier 2008a, S. 164–165; Rädle 1997b, S. 317. 49 So Guthke (1961a, S. 362) im Bezug auf die „Point-de-vue-Technik“ in Rists Friedejauchzendes Teutschland (1652).
4.1 Der Iulianus als ‚Comicotragoedia‘
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Die Komik in Drexels Iulianus ‚Steigerung der Affekte‘ (affectus excitare) und ‚Entspannung des Gemüts‘ (comic relief ; remissio animi) sind auch in Drexels Iulianus die beiden entscheidenden, sich oftmals überlappenden Funktionen der Komik. Die ‚komischen‘ Szenen sind dabei (im Gegensatz beispielsweise zum Cenodoxus, wo lediglich der Auftakt heitere Komik aufweist und dabei in deutlichem Kontrast zum übrigen Stück steht) über das gesamte Drama verteilt. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen durchbricht im Iulianus die Komik die ernste Verwicklung der Tragödie. Nicht nur dieses Changieren zwischen Ernst und Komik, sondern auch die Überlappung beider, wie sie in manchen Szenen zu beobachten ist, sorgen für eine bunte und abwechslungsreiche Unterhaltung des Publikums, dem der Kern der dramatischen Verwicklung auf verschiedenen Kanälen verdeutlicht wird. Die durch den Wechsel in den komischen Ton hervorgerufene remissio animi dient aber auch dazu, von Zeit zu Zeit die Aufmerksamkeit der Zuschauer, deren Gedanken möglicherweise mitunter im Laufe der ernsten Entwicklung des Stücks in die Ferne zu schweifen drohen, wieder einzufangen, ‚wohlwollend‘ für die folgenden ernsten Inhalte zu stimmen und sie für diese wieder aufnahmefähig zu machen. Die Agnostoprologi Die komische Umsetzung der Agnostoprologi, die als Einführung und Inhaltsangabe des Dramas dienen, entspricht exakt dem, was Drexel später im Trismegistus Christianus formulierte: „Um nicht schon an der Schwelle zum Stück den Unwillen des Publikums auf sich zu ziehen“ (ne in limine offendamus),⁵⁰ lässt er seinen Iulianus mit einem komisch-burlesken Prolog beginnen. In ihm ist nicht zuletzt eine direkte Entsprechung zur turbulenten Auftaktszene des Cenodoxus zu sehen.⁵¹ In einem komisch-besserwisserischen Wettstreit hinsichtlich des Inhalts des Bühnenstücks geraten die auftretenden Jungen als „Spieler-Zuschauer“ (siehe Abschnitt 4.2.2) aneinander. Sie zeichnen sich dabei einerseits durch ihre nur zum Teil zutreffende und ungenaue Inhaltsangabe eines jeweiligen Aktes und andererseits durch vorwurfsvolle Besserwisserei aus. Mit dieser Umsetzung des Prologs wird den anwesenden Schülern des Kollegiums, die das Stück als Zuschauer verfolgen, gleichzeitig aber auch satirisch der Spiegel vorgehalten. Denn das, was ihnen im Rahmen der Agnostoprologi auf der Bühne präsentiert wird, ist (wenn auch sicherlich auf die Spitze getrieben) das Schülern oftmals unterstellte typische Verhalten, wie es ihnen auch heute noch häufig stereotyp vorgehalten wird: Sie passen wieder einmal (in diesem Fall
50 Vgl. S. 133 mit Anm. 45. 51 Zur Auftaktszene des Cenodoxus siehe S. 127.
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bei der Inhaltsangabe des Iulianus, die ihnen ihr Lehrer zuvor im Schulunterricht scheinbar gegeben hat)⁵² nicht richtig auf und können den Stoff dann nur ungenau wiedergeben, verwechseln oder vergessen wichtige Elemente und verspotten ihrerseits ihre Mitschüler, sollte diesen einmal ein Fehler unterlaufen. Nachdem sich die Jungen hinsichtlich der ersten vier Akte gegenseitig verbessert und frech aufgezogen haben, gibt der prahlerische ‚sechste Junge‘ den Inhalt des letzten Aktes ausführlich wieder. Mit der rätselhaften, nicht näher aufgelösten Behauptung ter minimum errasti,⁵³ die ein weiterer Junge im Anschluss an diese Zusammenfassung aufstellt, evoziert Drexel am Ende des Prologs dann das aufmerksame Zuhören und -sehen des Publikums, das die möglichen Irrtümer des ‚sechsten Jungen‘ selbst aufdecken soll, und leitet damit zum ersten ernsten Teilabschnitt seines Dramas über. Die Klagen der Hofbediensteten (I,5) Die Schilderung der Konfliktlinien (I,1–III,4) wird dann durch die komische Szene I,5 unterbrochen. Die derben Hofbediensteten, typische Charaktere der römischen Komödie, sorgen durch ihr übertriebenes Jammern und ihre umgangssprachlichsaloppe Ausdrucksweise für eine willkommene Auflockerung der ‚ernsten‘, philosophisch und lyrisch aufgeladenen Szenen zuvor (v.a. I,1 bzw. I,4). Die Szene I,5 ist aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie stark sich im Iulianus Ernst und Witz in den komischen Episoden überlagern können. Denn gleichzeitig sind in den Klagen der Diener, die zum Großteil der Topik der zeitgenössischen Hofkritik entstammen,⁵⁴ auch Andeutungen in Bezug auf die kommende Handlung des Stücks versteckt. So unterstellen der Mundschenk Bitias und der Schneider Paronetemus ihrem Herrn die Absicht, nur zum äußeren Schein Kleriker werden zu wollen, die Kleidung zu wechseln, aber die innere Einstellung nicht zu verändern.⁵⁵ Erstgenannter äußert sogar ausdrücklich seine Gewissheit, dass Julians Vorhaben ein schlimmes Ende nehmen werde, und deutet damit auf den Schluss des Dramas voraus:
52 Dies impliziert die Aussage des ‚zweiten Jungen‘: Haec me meus magister docuit in scholis. Iul. 40. 53 Iul. 81. Siehe auch den Comm. ad locum. 54 Siehe dazu Einleitung zu Comm. ad I,5. 55 Bitias: simulare Clericum, puto, cogitat, ∣ Non induere, mutare vestes, et animum ∣ Retinere. Iul. 362–364. Paron.: Se Clericum posthac futurum iactitat. ∣ Sed iactitat solum futurum; numquam erit. Iul. 371–372.
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Bitias: O Iuliane quam faculter incipis, quam difficulter finies. […]⁵⁶
Hinter den Aussagen des Hofpersonals, in denen sich Ernst und Komik überlappen, steckt ein feinsinniges und ausgeklügeltes Spiel mit unterschiedlichen Bedeutungsebenen, zum einen auf der Mikroebene des ersten Aktes und zum anderen auf der Makroebene des gesamten Dramas. Betrachtet man Julians aufrichtiges und unbescholtenes Verhalten zuvor (I,1–4), müssen Zweifel an den Vorwürfen der Diener aufkommen. Ihre Behauptung, Julian sorge durch sein launenhaftes Verhalten für die Missstände bei Hofe, wird in der unmittelbar darauffolgenden Szene (I,6) dann ausdrücklich entkräftet, da sich dort herausstellt, dass es die Diener selbst sind, die als faule Schmarotzer und Parasiten für die beschriebenen Zustände bei Hofe verantwortlich sind. Julians Abkehr von den Annehmlichkeiten des Palastlebens (ebenfalls in I,6), und seine Weigerung, persische Jungfrauen als Geschenk von Constantius anzunehmen (I,7), lassen erneut seinen rechtschaffenen Charakter hervortreten. Somit wird in I,5 in enger Verbindung mit I,6 derselbe ‚ernste‘ Sachverhalt wie zuvor, nämlich das positive Bild, das sich das Publikum in den vorangehenden Szenen über Julian gebildet hat, aus einer ironisch-verkehrten Perspektive beleuchtet und nochmals betont. Auf der Makroebene erfüllt die Szene I,5 jedoch eine ‚tragische‘ Funktion. Denn das Publikum, das aufgrund seines Vorwissens darüber informiert ist, dass Julian im Laufe des Stücks auf den falschen Weg geraten und ein schreckliches Ende finden wird, kann die auf den ersten Blick zu Unrecht formulierten Vorahnungen der Diener auf einer übergeordneten Bedeutungsebene verstehen. Der ideale intendierte Zuschauer erkennt, dass die prophetischen Aussagen letztlich tatsächlich zutreffen werden, kann diese aber noch nicht mit der aktuellen vorbildlichen Lebensführung des Protagonisten in Einklang bringen. Diese Diskrepanz dient maßgeblich dem Spannungsaufbau. Die Frage, wie es im Laufe des Dramas zum radikalen Umsturz in Julians Leben kommen wird, drängt sich immer mehr auf, die Fallhöhe des Protagonisten wird durch die erneute positive Charakterisierung immer größer. Die Mares- (III,5) und Bassianus-Episode (IV,1) als komische Kontrastszenen Daran schließt sich ein längerer ‚ernster‘ Block an, der die Ereignisse von Julians Verführung über seine Erhebung zum Mitkaiser und seine Apostasie bis hin zum
56 Iul. 366–367.
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intendierten Opfer an Hekate erzählt.⁵⁷ Auf diese schaurig-dämonische Szene, die den Höhe- und Wendepunkt der dramatischen Handlung bildet, folgt mit III,5 eine Szene, die erneut eine Überlagerung von Ernst und Komik aufweist. Das bitterernste Anliegen des Mares, Julian wieder auf den richtigen Weg zu bringen, wird in ein heiteres äußeres Gewand gehüllt. Sprachlich weist sein Streitgespräch mit Julian eine Vielzahl von komischen Elementen auf. Die beiden Antagonisten entsprechen den für die römische Komödie typischen Figurenkonstellationen. So nimmt Mares die Rolle des mahnenden Alten (senex) ein, Julian bald die des übereifrigen jungen Mannes (adulescens), bald die des selbstherrlichen und mitleidlosen Kupplers Ballio aus dem plautinischen Pseudolus.⁵⁸ Die in formaler Hinsicht komische Umsetzung des ernsten Sachverhalts stellt erneut eine leichter zugängliche Variation dar, die den Grundkonflikt zwischen den entgegengesetzten Parteien des Dramas in einem anderen Licht veranschaulicht. Sie beleuchtet in einer heiteren Atmosphäre Julians Verblendung einerseits und das Bemühen der Christen, ihn von dieser zu befreien, andererseits. Wenn der junge Bassianus in der ersten Szene des vierten Aktes Julians Leibgardisten, Melampus und Milphio, zum Besten hält, bildet dies einen erfrischenden und witzigen Kontrast zu den vorangegangenen grausamen Hinrichtungen der Märtyrer Artemius und Mercurius (III,6) und Julians blasphemischem Spott gegen Christus (III,7). Neben dem Motiv der comic relief verfolgt Drexel mit dieser Szene, die sich sehr eng an die Eröffnungsszene des plautinischen Amphitruo anlehnt,⁵⁹ jedoch ein weiteres Ziel: In das turbulente Streitgespräch mit Melampus und Milphio, in dem die schelmischen Antworten des Bassianus beim Publikum unweigerlich ausgelassenes Lachen hervorrufen müssen, verpackt er ein überaus ernstes Grundanliegen der spätantiken christlichen Apologie im Kampf gegen den ‚alten‘ Glauben, nämlich die Kritik am Materialismus des heidnischen Götterverständnisses und das Aufzeigen der damit verbundenen Machtlosigkeit der alten Götter. Er ermöglicht dem Publikum somit einen leichteren, weil lebendig veranschaulichten Zugang zu dieser altkirchlichen theologischen Auseinandersetzung. ‚Vermeintliche Komik‘: Die Porphyrius-Szene (IV,3) An die folgenden gewichtigen Worte der Nonne Publia und ihrer Gefährtinnen, die mit erhobenem Zeigefinger die Eitelkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen
57 Die Verwendung der persischen Phantasiesprache in III,3 ist zwar strukturell ein Motiv der Komödie (vgl. Plaut. Poen. 930–960), weist aber hinsichtlich der Sprache und Figuren keine komischen Elemente auf. 58 Siehe Einleitung zu Comm. ad III,5. 59 Siehe Einleitung zu Comm. ad IV,1.
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anmahnen und zur Geringschätzung desselben auffordern (IV,2), schließt sich eine Szene an, die sich hinsichtlich ihrer Mittel zur Affekterzeugung sowohl von den bisher behandelten komischen Episoden im Iulianus als auch von den bislang für das frühneuzeitliche geistliche Spiel diagnostizierten abhebt. Denn wenn Julian gleich zu Beginn der Szene (sicherlich metapoetologisch konnotiert) den Schauspieler und Heiden Porphyrius auffordert, das Publikum mit seinen Scherzen zu erheitern und zu diesem Zwecke ausgerechnet das Verhalten der Christen überaus spotthaft nachzuahmen und zu schmähen,⁶⁰ hat dies aus Sicht des christlichen Zuschauers nichts mehr mit den „unschuldigen Scherze[n]“ (honesta gaudia), die „der christlichen Religion keineswegs schadeten“ und für die der Editor der Ludi theatrales Bidermann verteidigt,⁶¹ und auch nichts mehr mit der „Mäßigung und Zurückhaltung“ (temperanter et moderate) zu tun, die Drexel selbst als Bedingung für die Eutrapelia aufstellt,⁶² geschweige denn mit der salva religiosae pietatis disciplina, die die Ratio studiorum als Voraussetzung für die hilaritas ausgibt.⁶³ Vielmehr geben Julians Auftaktworte dieser Szene bereits vor, dass es sich beim folgenden Bühnengeschehen größtenteils lediglich um eine vermeintliche Komik handeln wird. Eine gewisse Doppelbödigkeit kann zwar nicht ausgeschlossen werden und daher mag es auch gut möglich sein, dass die spöttische Parodie auf typisch christliche Handlungen (Gebet, Taufe, Kreuzzeichen, etc.) durch Porphyrius sowie das fingierte und bis zur Lächerlichkeit verzerrte Taufgespräch zwischen diesem und Ecebolius dem einen oder anderen christlichen Zuschauer noch ein selbstironisches Schmunzeln oder sogar ein das eigene Schuldbewusstsein überspielendes Lächeln über manche scheinheiligen und doppelmoralischen Verhaltensweisen sowie über übertrieben zur Schau gestellte Frömmigkeit abgerungen haben. Die vordergründige und beim idealen Rezipienten primär intendierte Wirkung dieses ersten Abschnittes der Szene (Iul. 1560–1610) ist im Großen und Ganzen jedoch genau das Gegenteil von dem, als was er in seinem Wesen konzipiert ist, nämlich als Aufheiterung. Denn die Figuren auf der Bühne lachen über etwas, was eigentlich (freilich aus Sicht des frühneuzeitlichen, voraufklärerischen und vorsäkularisierten christlichen Autors und Publikums) nicht zum Lachen ist. Da die Christen und ihre Religion(-spraxis) zum Objekt des Spotts und Gelächters werden, ist kaum von einer aufheiternden Wirkung auszugehen. Heiteres und ausgelassenes Lachen ruft das Spiel des Porphyrius nur bei Julian und seinem Spießgesellen Ecebolius hervor, die sich rege am komischen Spiel im Spiel beteiligen. Beim Publikum wirkt es in die entgegengesetzte Richtung. Das Mitansehenmüs60 Adesto Porphyri, theatrum lusibus ∣ Hilara tuis atque Galilaeos indue ∣ Mores. Iul. 1560–1562. 61 Praemonitio ad Lectorem, fol. +7v . Siehe S. 133 mit Anm. 41. 62 Vgl. S. 134 mit Anm. 46. 63 Vgl. S. 134 mit Anm. 48.
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sen, wie sich die drameninternen Figuren über Christen, also auch über das Publikum selbst, lustig machen, führt bei Letzteren zu Entsetzen, Empörung und Wut. Somit steckt hinter der lediglich aus heidnischer Sicht als komisch einzustufenden Umsetzung dieser Szene die Absicht, Julian negativ zu charakterisieren und das Publikum zu schockieren. Ferner lässt die vermeintliche Komik, d.h. die Diskrepanz zwischen der von Julian beabsichtigten und der tatsächlichen Wirkung auf das Publikum bzw. das Ausbleiben des Lachens über etwas als komisch Konzipiertes, die verblendete Verirrung der heidnischen Götzendiener noch deutlicher hervortreten. Im weiteren Verlauf der Szene (Iul. 1611–1630) werden Julian und Ecebolius in ihrer ausgelassenen Heiterkeit isoliert. Nachdem Porphyrius auf wundersame Weise zum Christ wurde, lässt er von seinem Spiel ab und bekennt sich ernsthaft zu Christus. Julian dagegen setzt unfähig, den veränderten Gestus und die veränderte Diktion des Porphyrius zu bemerken, das spöttische Spiel fort. Mit dieser Konstellationsveränderung wandelt sich aber auch die vermeintliche zu echter Komik, über die auch das christliche Publikum lachen kann. Dabei ist aber zu beachten, dass es nicht mit Julian lacht, der sich weiterhin über die aus seiner Sicht immer noch parodierten Verhaltensweisen der Christen amüsiert, sondern über Julian und seine Unfähigkeit, Porphyrius’ Verwandlung zu erkennen. Den Höhepunkt dieser Koinzidenz von Ernst und Komik bzw. dieses Spiels mit zwei verschiedenen Wirklichkeiten bildet die folgende Aussage Julians gegenüber Porphyrius: Iul.: Ni te teipso rectius nossem, omnia Haec serio tibĭ facta, dicta dicerem.⁶⁴
Mit dem doppelten Konjunktiv Imperfekt (nossem, dicerem) weist Julian selbst, freilich wiederum unfreiwillig, auf die Irrealität seiner Überzeugung hin. Er spricht sie selbst aus, ist aber nicht in der Lage, sie als solche zu erkennen. Zusätzlich steckt in diesen Versen noch eine weitere komische Ironie: Die von Julian formulierte Ausgangsbedingung, er kenne Porphyrius besser als dieser sich selbst (te teipso rectius novi), wird durch das gleichzeitige Bühnengeschehen Lügen gestraft. Das Publikum versteht im Gegensatz zum verblendeten Julian die sich im Laufe der Szene veränderte Konstellation und verfügt somit über ein Mehrwissen, mit dem es Julians Verhalten beurteilen und spöttisch belächeln kann. Mit anderen Worten ist in Wirklichkeit der Zuschauer derjenige, der ‚Porphyrius besser kennt als dieser sich selbst‘ und nicht Julian. Diese doppelte Ironie und das da-
64 Iul. 1626–1627.
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mit verbundene Lachen über Julian ist somit auch als Überlegenheitsgestus⁶⁵ des christlichen Publikums zu sehen. Nachdem Julian schließlich erkannte, dass Porphyrius tatsächlich zum Christen geworden ist, verschwindet plötzlich jegliche Komik, und der Rest der Szene (Iul. 1631–1690) entwickelt sich zu einem Gespräch, das eine große Ähnlichkeit mit Verhören aus christlichen Passionsberichten aufweist.⁶⁶ In derselben Weise wie im ersten Teil der Porphyrius-Episode wird die vermeintliche Komik in IV,8 eingesetzt. In dieser Szene treibt Julian seinen Spott mit den klagenden Christen, indem er ihre biblischen Gesetze und Vorschriften verkürzt, aus dem Zusammenhang reißt und dadurch höhnisch ad absurdum führt. ‚Echte Komik‘ und ‚echtes Lachen‘ ruft dagegen die wüste Verspottung und schonungslose Schmähkritik der Christen Lucianus und Philaemon gegen Julian hervor (IV,5). Die bitterböse polemische Abrechnung mit Julians Äußerem, seinen Verhaltensweisen, seinem Auftreten, seiner Ausdrucksweise und seinen Handlungen als Kaiser sorgen beim Publikum für Erheiterung inmitten der grausamen Hinrichtung des Eusignius (IV,4) und der Anrufung des ‚Götzen‘ Apollo (IV,6) sowie des Verhörs des Bassianus und Theodorus (IV,7). Diese Szene dient den Zuschauern gewissermaßen als Ventil, um ihre angestaute Abneigung gegen den Götzendiener Julian in Form von herzhaftem Lachen nach außen brechen zu lassen. Zwischen Ernst und Komik: Julian am Eingang zur Hölle (V,10) Die übrige Schilderung bis zu Julians Tod (V,1–9) bleibt dem ernsten Ton vorbehalten. Umso mehr Beachtung verdient aber die erste Hälfte der vorletzten Szene (Iul. 2623–2676). Der stetig anwachsende Spannungsbogen wurde in V,9 bereits inhaltlich durch Julians Tod und atmosphärisch durch den triumphierenden Gesang der Christen (Iul. 2550–2573) gelöst. Am Beginn der Szene V,10 wird dann die Ankunft von Julians Seele an der Pforte zur Hölle von den Dämonen als kaiserlicher Triumphzug inszeniert. In einer karnevalesken Umkehrung der eigentlichen Verhältnisse, wie sie von den Dämonen in einem Spiel im Spiel (lusus, Iul. 2677) arrangiert wird, tritt der Kaiser zwar als Herrscher der Welt in vollem Ornat und als vermeintlicher Sieger im Triumphwagen fahrend auf,⁶⁷ tatsächlich sind es aber die Dämonen, die den Sieg errungen haben. Julian, der als triumphator inszeniert wird, stellt in Wirklichkeit die Siegesbeute dar. Die Dämonen treiben ein böswilliges und sarkastisches Spiel mit ihm, indem sie ihm im Vorhof zur Hölle
65 Vgl. Meier 2008a, S. 182–183. 66 Vgl. Einleitung zu Comm. ad IV,3. 67 Persarum victor Iulianus hic venit, ∣ Et imperator imperatorum. genu ∣ Flectite; salutate trabeatum Caesarem. ∣ Hoc scilicet curru triumphali vehit. Iul. 2623–2626
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einen Panegyricus auf seine Größe, Stärke und Macht halten und ihm zu seinem großartigen Sieg gratulieren. Auf die Klagen ihres Gegenübers können sie nur mit schelmischem Unverständnis und ironischen Erwiderungen reagieren. So antwortet der ‚vierte Dämon‘ beispielsweise auf Julians verzweifelten Ausruf „Ich gehe zugrunde, ich bin verloren!“ (perij, occidi, Iul. 2635) mit der verständnislosen Frage, was das denn solle (quid hoc?). Er könne doch gar nicht untergehen. Und er, Julian, wolle etwa ein so großer Philosoph sein und wisse nicht einmal das (perire non potest. ∣ Tu tantus sis philosophus et ista nescias? Iul. 2635–2636)? Tatsächlich liegt hier eine komplexe Überlagerung von echter und vermeintlicher Komik vor. Einerseits lässt der Anblick des bitterbösen Spotts, den die Dämonen mit Julian treiben, das Publikum zweifelsohne einen hohen Grad an erlösender Genugtuung und Schadenfreude empfinden. Andererseits muss der ideale intendierte christliche Rezipient, als dessen oberstes Lebensziel es gelten muss, durch ein frommes irdisches Leben den Qualen der Hölle zu entgehen, gleichzeitig aber auch mit großem Befremden darauf reagieren, dass mit dem auf ewig verdammten Julian auch noch Späße getrieben werden. Das Schicksal des Verurteilten an sich ist viel zu ernst, um ihn darüber hinaus auch noch auszulachen. Auch hier führt die Koinzidenz von Komik und Ernst zu einer Diskrepanz zwischen auf der Bühne inszeniertem Lachen und der Reaktion des Publikums. Gerade weil manche drameninternen Figuren über etwas lachen, das das Publikum als todernste Angelegenheit begreift, werden der Schauder sowie das Entsetzen und Mitleid, Affekte, die Julians Schicksal im idealen impliziten Zuschauer ohnehin schon hervorgerufen hat, noch zusätzlich verstärkt. Bliebe allein bloße Freude am Ende der Tragödie über Julians Untergang, hätte sie ihre abschreckende und selbstreinigende Wirkung beim Zuschauer verfehlt. Zwischenfazit Somit kann festgehalten werden, dass Drexel der Komik im Iulianus dieselben Funktionen zuweist, wie sie bereits zeitgenössisch für Bidermanns Dramen festgestellt (comic relief bzw. remissio animi; ad affectus excitandos) und damit übereinstimmend auch von der modernen Forschung herausgearbeitet wurden. Die Analyse der Rolle der Komik im Iulianus legt es aber nahe, das Spektrum der Komik als literarisches Mittel, um diese Wirkungen zu erzielen, noch etwas stärker zu differenzieren. Die Untersuchung hat gezeigt, dass unter Berücksichtigung der verschiedenen Kommunikationsebenen (drameninternen Figuren; Autor–Publikum) zwischen ‚echter‘ und ‚vermeintlicher‘ Komik unterschieden werden sollte. Erstgenannte evoziert im Publikum Heiterkeit und Lachen. Im Gegensatz dazu findet die vermeintliche Komik fast ausschließlich innerhalb der drameninternen Figuren statt; von den Zuschauern wird sie als unangebracht und anstößig empfunden.
4.2 Die Dramenstruktur des Iulianus |
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Am Ziel, das mit beiden Spielarten verfolgt wird, nämlich im christlichen Publikum Affekte zu wecken und es durch Emotionalisierung zu überwältigen, ändert sich dabei freilich nichts, sondern lediglich am Mittel, dies zu erreichen.
4.2 Die Dramenstruktur des Iulianus Hinsichtlich seiner äußeren Struktur steht der Iulianus wie unzählige andere zeitgenössische Dramen, protestantische wie katholische, v.a. in der Nachfolge der Tragödien Senecas.⁶⁸ Neben der Einteilung in fünf Akte (1), die von Horaz für die Tragödie vorgegeben,⁶⁹ in Senecas Bühnenstücken umgesetzt⁷⁰ und von Drexels Zeitgenossen gewissermaßen als Standard angesehen wurde,⁷¹ sind v.a. die Agnostoprologi (2) sowie die Chorlieder (3) zu den typischen Strukturmerkmalen der senecanischen Tragödien zu zählen. Ferner weist der Iulianus in seiner rhetorischen Ausgestaltung (4) Elemente auf, die ebenfalls besonders charakteristisch für Senecas Tragödien sind.
4.2.1 Das Fünf-Akt-Schema des Iulianus Im ersten Akt werden mit Julian, seinen Beratern und den Dämonen die wichtigsten Handlungsträger vorgestellt. Durch die Charakterisierung der Hauptperson,
68 Zum Einfluss von Senecas Tragödien auf das Drama der Frühen Neuzeit im Allgemeinen siehe: Schubert 2014, bes. S. 76–88; Boyle 1997, S. 141–207; Braden 1985; Lefèvre 1978; Seeck 1978, S. 378–383; Jacquot 1964; Stachel 1907. Speziell im Hinblick auf das Jesuitentheater siehe Pociña 2000. Ferner sei auf verschiedene Einzelstudien zum Thema verwiesen: Green 2014 und Walsh 1986 (Seneca und Buchanan); Gray 2016, Miola 1992 und Braden 1985, S. 153–223 (Seneca und Shakespeare); Martínez Romero 2016 bzw. Blüher 1969, S. 244–252 (Seneca und das spanische Theater des vierzehnten, fünfzehnten bzw. sechzehnten Jahrhunderts); de Caigny 2016 (Seneca und das französiches Theater des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts); Hagmaier 2006, S. 149–154 (Seneca und Muret). 69 Hor. ars 189–190. 70 Vgl. Green 2014, S. 114; Walsh 1986, S. 100; Seeck 1978, S. 391; Tarrant 1978, S. 218–221; Anliker 1960. Als Ausnahme der Regel werden heute die Phoenissae gesehen, die lediglich vier Akte aufweisen (vgl. Frank 2014, S. 450). Richard Tarrant (1978, S. 229) nahm dagegen noch eine Einteilung in fünf Akte vor. 71 Neben den Poetiken des sechzehnten Jahrhunderts (vgl. Pont. Poet. inst. 2,15–16, S. 100–104; Scal. poet. I,9) beweist dies erneut die Praemonitio ad lectorem zu Bidermanns Bühnenstücken. Darin wehrt sich der anonyme Herausgeber gegen Vorwürfe gegen Bidermann, dass sein Josaphat nur in drei anstatt fünf Akte eingeteilt sei (Praemonitio ad Lectorem fol. +4v ). Vgl. Schulz/Weimar 1997, S. 303.
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die sich in allen Bereichen als vorbildlich verhält und sich auf dem Weg befindet, Geistlicher zu werden, wird eine enorme Fallhöhe generiert. Gleichzeitig wird der grundlegende Konflikt, der letztlich zum tragischen Untergang der Hauptperson führen wird, angedeutet. Wie bereits ausführlich dargelegt, ist schon von der ersten Szene des Stücks an Julians innerer Hang zur Übersteigerung und Verabsolutierung des Wertes der Bildung bei einer gleichzeitigen Neigung, Gott dabei als das höchste Gut aller Anstrengungen aus den Augen zu verlieren, präsent.⁷² Die Diskrepanz zwischen dem positiven Julian-Bild im ersten Akt und dem Wissen des Publikums über den mehrfach angedeuteten schrecklichen Ausgang des Dramas⁷³ erzeugt ein hohes Maß an Verlaufsspannung. Die natürliche Veranlagung und spezifische psychologische Disposition der Hauptfigur führen dann im zweiten Akt, veranschaulicht durch die allegorischen Figuren der Dämonen, dazu, dass Julian der eitlen Ruhmsucht verfällt und seine Apostasie vollzieht. Als weitere folgenschwere Entwicklungsstufen sind seine Ernennung zum Mitkaiser durch Constantius (II,3) und letztlich die Übernahme der Alleinherrschaft zu sehen, die den Übergang zum dritten Akt bildet. Erst als Alleinherrscher wird Julian zum grausamen Christenverfolger. Im Laufe der ersten Hälfte des dritten Aktes erklimmt Julians Hybris immer neue Höhen. Dass er Christus aufs Schärfste verflucht, dabei die alten Götter als Zeugen anruft, seine christliche Taufe symbolisch durch Tierblut von sich abwäscht und zur Krönung letztlich ein Opfer an die Erd- bzw. „Höllengöttin“ Hekate vorbereiten lässt (III,1), dem sich die Christen Manuel, Sabel und Ismaël verweigern und aus diesem Grund hingerichtet werden (III,3), sind Ausdruck seiner verblendeten und anmaßenden Überzeugung, dass er bzw. die alten Götter über den Christengott und dessen Anhänger gesiegt hätten. Dieser scheinbare Triumph Julians und der heidnischen Götter wird genau in der Mitte des dritten Aktes (III,4) jäh unterbrochen. Diese Szene weist eine Reihe von Elementen auf, die eine besonders düstere und dämonische Atmosphäre schaffen,⁷⁴ und wird dadurch deutlich hervorgehoben. Es ist sogar möglich, innerhalb dieser Szene den Höhe- bzw. Wendepunkt des Stücks konkret zu benennen. Er wird durch das Kreuzzeichen, das der Christ Syncerastus auf seine Stirn zeichnet, markiert. Zuvor haben heidnische Priester in einer düsteren Zeremonie Hekate herbeigerufen, die letztlich persönlich als Gespenst
72 Siehe dazu S. 66–68. 73 Const.: Tragoedias at saepe magnas excitant ∣ Ingenia magna. Iul. 137–138. Sall.: ut exuas [sc. clericum], induis. Iul. 314. Sall.: […] quam vereor haec ita incipi ∣ Ut finiantur pessime. […] Sed cavĕ ruinam ipse tibĭ consilijs, struas ∣ Tuis. Labare vult, moneri qui ab alijs ∣ Non vult. Iul. 318–324. Bitias: […] simulare Clericum, puto, cogitat [sc. Iulianus] ∣ Non induere, mutare vestes, et animum ∣ Retinere. […] O Iuliane quam faculter incipis, ∣ Quam difficulter finies. Iul. 362–367. 74 Siehe dazu im Detail die Einleitung zu Comm. ad III,4.
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auf der Bühne erschienen ist. In dem Moment, in dem der Opferdiener zum Stich auf das Opfertier ansetzt und somit performativ und symbolisch den Sieg der alten Götter über das Christentum durch Julians Apostasie unwiderruflich besiegeln will (Agon. Feri, feliciter)⁷⁵ zeichnet der bekennende Christ Syncerastus das Kreuz auf seine Stirn. Er vertreibt dadurch das Hekate-Gespenst, sorgt damit für den Abbruch der Opferzeremonie und verhindert somit den sicher geglaubten Triumph des Heidentums. Dieses Ereignis deutet im Kleinen bereits auf die Lösung des dominierenden Konflikts des Dramas insofern voraus, als die grenzenlose Macht des Kreuzes bzw. Christi gegen alle Feinde aufgezeigt wird. Das unerschütterliche Festhalten der Christen an ihrem Glauben und ihre Bereitschaft, für diesen alle Widrigkeiten, ja selbst den Tod bereitwillig auf sich zu nehmen, wird im Folgenden in verschiedenen Teilerzählungen illustriert und führt bei Julian zu stetig ansteigendem Wahnsinn und Grausamkeit gegenüber ihnen. Die Versuche der Christen Mares und Eusignius (III,5 bzw. IV,4), Julian von seinem Irrweg abzubringen, enden erfolglos. Die Verhärtung der unüberwindbaren Fronten zwischen Julian und den Christen, die sich zum einen in weiteren Todesurteilen (III,6; IV,2 und 3; IV,6–8) und zum anderen in der Verspottung des Kaisers durch die Christen Lucianus und Philaemon (IV,5) manifestiert, ist als sukzessiv fortschreitende Verschnürung des dramatischen Handlungsknotens zu sehen, der es letztlich würdig ist, dass ihn, ganz in Horazens Sinne,⁷⁶ allein der Deus ex machina, hier Christus, wieder löst. Dieser wird im Zuge von Julians mehrfach gegen die Christen formulierten existentiellen Drohungen (V,1–3) aktiv und lässt den Kaiser durch die heiligen Märtyrer Artemius und Mercurius töten.
4.2.2 Die Agnostoprologi als ein weiteres „Prolog-Experiment“ und die ‚Moral von der Geschichte‘ (Epilog) Der Prolog des Iulianus dient der Inhaltsangabe des Stücks. Darin gibt die etwas ausführlichere Zusammenfassung des ersten Aktes durch den ‚zweiten Jungen‘ au-
75 Iul. 1185. Vgl. dazu die Angabe in der Perioche: „Wie gleich der Götzenpfaff den stich will thun und Höllkönigin schon albereit erschinen/ macht Syncerastus/ so ein Christ/ […] das H. ✠ für sich / alsbald verschwind das Gespenst widerumm.“ 76 Horaz hatte in seiner Ars poetica für den Einsatz des Deus ex machina die Bedingung vorgegeben, dass zuvor ein Knoten geknüpft worden sei, der es würdig sei, von einem Gott gelöst zu werden: Nec deus intersit, nisi dignus vindice nodus ∣ inciderit. Ars 191–192. Laut Pontanus sei das Eingreifen eines Gottes nur dann legitim, wenn etwas durch den menschlichen Geist oder menschliches Tun nicht erkannt bzw. nicht durchgeführt werden könne: Ac diis e machina tum concedi locum […] omnino cum quippiam cognosci, aut confici humano ingenio industriaque non potest. Poet. inst. 2,19, S. 111 (in Übereinstimmung mit Aristot. poet. 15,1454b,2–6).
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ßerdem bereits die Rezeption des Dramas vor: Beim Julian des ersten Aktes, der sich in vielerlei Hinsicht vorbildlich verhält, bleibe es nicht. Vielmehr werde er im weiteren Dramenverlauf einen inneren Wandlungsprozess vollziehen und sich in das monstrorum omnium monstrum verwandeln.⁷⁷ Eine Rechtfertigung des Autors gegenüber möglichen Vorwürfen, wie sie in zeitgenössischen Prologen nicht selten beobachtet werden kann,⁷⁸ ist zu Beginn des Iulianus nicht vorzufinden. Seine Funktion als heiterer und ‚lockerer‘ Einstieg in den ernsten Tragödienstoff wurde bereits an früherer Stelle erläutert.⁷⁹ Die ungewöhnliche Bezeichnung des Dramenprologs als Agnostoprologi spiegelt primär den bereits erwähnten Umstand wider, dass seine Protagonisten, die sechs adolescentuli, in ihrem komisch-besserwisserischen Wettstreit einen hohen Grad an Ungenauigkeit bzw. Ahnungslosigkeit aufweisen. Besonders augenscheinlich tritt dies in den Worten des ‚zweiten Jungen‘ hervor, der seine Unwissenheit über den Verbleib des Prologsprechers und des Spielleiters mit einem dreifachen nescio zum Ausdruck bringt⁸⁰ sowie später ganz offen zugibt, dass er die Handlung des Iulianus ab dem dritten Akt vergessen habe: Non teneo plura; oblitus dudum cetera (Iul. 53). Fragt man nach der Art ihrer Umsetzung, so müssen Drexels Agnostoprologi zu jenen „Prolog-Experimenten“ gerechnet werden, für die laut Peter Sprengel die Dramenautoren der Societas Iesu des späten sechzehnten und frühen siebzehnten Jahrhunderts eine besondere Vorliebe entwickelt haben. Sprengel konnte anhand einer ganzen Reihe von Beispielen herausarbeiten, dass sich die Autoren dieser Zeit ein kreatives Spiel mit den unterschiedlichen Wegen erlauben, um mit dem Publikum in Kontakt zu treten bzw. „die Grenze zwischen Bühne und Auditorium, Schauspielern und Zuschauern in beiden Richtungen“⁸¹ zu überschreiten. Diese Illusionsdurchbrechung wird häufig durch einen oder mehrere „SpielerZuschauer“ erzeugt. Indem vorgebliche Zuschauer zu Teilen des Prologs gemacht werden, wird eine besonders enge Verbindung zwischen Publikum und Bühne hergestellt. Ähnlich verhält es sich bei den Agnostoprologi im Iulianus. Die adolescentuli nobiles sex sind ebenfalls als Teil des Publikums des Iulianus zu verstehen, das sich vornehmlich aus Schülern des Jesuitenkollegs zusammensetzte. Darauf deutet v.a. die Aussage des ‚zweiten Jungen‘ hin, dass er sich hier mit seinen Schulka-
77 Iul. 31–39. 78 Vgl. Metz 2013, S. 28–31. 79 Vgl. S. 135–136. 80 1us : dic vero ubi haeret prologus? ∣ 2us : Nescio. 1us : quid hominis est? 2us : nescio. 1us : ubi choragus est? ∣ 2us : Nescio. Iul. 17–19. 81 Sprengel 1987, S. 92–101, Zitat: S. 92.
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meraden zum Besuch des (Schau-)Spiels verabredet habe (hoc loco ∣ Condiximus ad lusum, Iul. 22–23), und seine Anmerkung, dass er die Handlung des Iulianus von seinem Lehrer in der Schule gelernt habe (Haec me meus magister docuit in scholis, Iul. 40). Unter den adolescentuli nimmt der ‚erste Junge‘ jedoch eine Sonderrolle ein. Er vermittelt den Anschein, als habe er Einblick in das Geschehen hinter der Bühne, da er verkündet, dass der Prologsprecher nicht aufzufinden sei und überall nach ihm gesucht werde. Er macht jedoch unmissverständlich klar, dass er mit dem Bühnenstück nichts zu tun hat und haben will. Er sei weder der Prologsprecher noch überbrücke er die Zeit bis zum Beginn desselben. Ihm widerstrebe vielmehr sowohl die Schule (scholam ∣ Itare, libros versare, subire ferulam, ∣ Non est meum, Iul. 5–7) als auch alles Künstlerische (Musas omnes execror, Iul. 4). Sein Herz hänge dagegen allein am Kriegsdienst. Da während seines Monologs der Prologsprecher immer noch nicht auftritt, möchte er die Gelegenheit und die Aufmerksamkeit, die ihm entgegengebracht wird, für seine Zwecke nutzen und hebt zu einem „Proprolog“ an, in dem er als Militär zum Publikum sprechen möchte. Hinter dem adolescentulus primus ist jedoch noch mehr zu sehen. Denn in seiner Ablehnung gegenüber den freien Künsten und in seiner Affinität zum Kriegsdienst entspricht er dem Stratocles, der Hauptfigur des gleichnamigen Dramas aus der Feder Jakob Pontanus’, das 1588 in Augsburg und 1590 in Dillingen aufgeführt wurde und 1594 im Rahmen von Pontanus’ Poeticarum institutionum libri tres sogar im Druck erschienen ist. Das Stück erzählt vom Schüler Stratocles, der der Schule den Rücken kehrt und in den Krieg ziehen will. Schnell stellt er jedoch fest, dass die Wirklichkeit mit seiner idealisierten Vorstellung vom Kriegsdienst wenig zu tun hat. Erschüttert vom elenden und erbärmlichen Dasein der Soldaten, kehrt er geläutert zu seinen Studien zurück. Hinter dieser intertextuellen Anspielung⁸² ist v.a. eine Art Hommage Drexels an seinen ehemaligen Lehrer am Augsburger Jesuitenkolleg zu sehen. Den lärmenden Störenfried unterbricht dann der ‚zweite Junge‘. Bei ihm handelt es sich nun um einen echten „Spieler-Zuschauer“, der sich zum Schauspiel eingefunden hat, sich aber über den unerwarteten Auftritt des ‚ersten Jungen‘ wundert. Seine vier Schulkameraden, mit denen er sich zum (Schau-)Spiel verabredet hatte, treten erst später auf. Ihre Verspätung sei dadurch bedingt, dass ihnen aufgetragen wurde, nach dem verschwundenen Prologsprecher zu suchen. Wenn der ‚dritte Junge‘ dann die Zuschauer dafür lobt, dass sie so zahlreich erschienen sind und so geduldig auf den Prolog warten (egregia nimio res, hic tam diu ∣ Tot spectatores expectare prologum, Iul. 46–47), heben sich die adolescentuli aber doch wieder vom Publikum ab und ihre Rolle als Schauspieler tritt et-
82 Vgl. v.a. Pont. Strat. 1–100 und 106–109.
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was deutlicher hervor. Ihre Mittelposition zwischen Spieler, der mit dem Stück vertraut ist, und unwissendem Zuschauer wird dann wiederum durch ihr Halbwissen bezüglich der Dramenhandlung verdeutlicht. Einerseits erwecken sie den Anschein, über den Inhalt der einzelnen Akte Bescheid zu wissen, andererseits weisen ihre Aussagen aber wie erwähnt mehrere Ungenauigkeiten und Fehler auf. Mit dieser Illusionsdurchbrechung bzw. dem Verschwimmenlassen der verschiedenen Realitätsebenen erschöpft sich das Spiel des Autors im Rahmen der Agnostoprologi jedoch noch nicht. Denn mit der im Titel angekündigten ‚Ahnungslosigkeit‘ (ἄγνωστος) ist nicht nur das geschilderte Halbwissen der adolescentuli zu identifizieren. Vielmehr kommt ferner auf sekundärer Ebene der komische Umstand hinzu, dass sie zwar auf der Suche nach dem nicht auffindbaren echten Prolog sind, sich ihr Gespräch, das durch die Neugierde des unwissenden ‚ersten Jungen‘ initiiert und vorangetrieben wird, aber tatsächlich, wenn auch unwissentlich, zu nichts anderem entwickelt als zu eben diesem. Ohne es zu bemerken, werden sie selbst zum Prolog. Der Epilog des Stücks durchbricht abschließend erneut die Theaterillusion. Sein Sprecher, der Chorführer, stellt das Kernanliegen der aufgeführten Tragödie in einfachster, überaus leicht verständlicher Sprache, unterstützt durch eine Vielzahl von Requisiten und Gesten, die das Gesagte optisch ergänzen,⁸³ explizit heraus. Als Adressaten der Moral von der Geschichte spricht er das anwesende Publikum direkt an.⁸⁴ Sein abschließender Appell, der auch das Ende des Dramas bildet, stellt den Höhepunkt der Kontaktaufnahme zwischen Bühne und Publikum dar: Dux chori: Quicunque amatis et tractatis litteras, Amare illas et tractare illas sobrie Vel miseri Iuliani exemplo discite. Nil prosunt sine virtute litterae, tamen Prodest virtus sine litteris. mortalium Et fuit et erit haec pestis semper maxima; Scientia quae coniunctam habet superbiam.⁸⁵
83 Vgl. Einleitung zum Comm. ad V,11 sowie Comm. ad 2731. 84 Videtis hoc spectaculum? Iul. 2708. Videtis hanc manum? Iul. 2711. Videtis hoc etiam telum? Iul. 2729. 85 Iul. 2751–2757.
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4.2.3 Die Rolle des Chors Auffällig im Vergleich zu antiken sowie frühneuzeitlich-zeitgenössischen Dramen ist die Tatsache, dass der Iulianus lediglich über zwei echte Chorlieder verfügt.⁸⁶ Der sehr sparsame Einsatz des Chors deutet darauf hin, dass Drexel einen funktionalen Schwerpunkt auf die Betonung von ganz bestimmten Ereignissen auf der Bühne legt. Das Chorlied im Anschluss an die Ernennung Julians zum Mitkaiser (II,3) akzentuiert die Tragweite dieser Entscheidung des Constantius. Dieses Ereignis hebt den zuvor ‚harmlosen‘ Julian erst in eine Stellung, die eines Tragödienstoffes würdig ist.⁸⁷ Durch diesen folgenschweren Entschluss wird der tragischen Entwicklung erstmals Dynamik verliehen. Dass das erste Chorlied nicht, wie sonst üblich, an der Schnittstelle zwischen zwei Akten platziert ist,⁸⁸ sondern unmittelbar auf Szene II,3 folgt, hebt seine Bedeutung noch stärker hervor. Das andere der beiden Chorlieder war ursprünglich zusammenhängend vor der ehemaligen Schlussszene V,10 platziert, wurde im Rahmen der zweiten Arbeitsphase (D²) jedoch zerstückelt und auf die nun neue Abschlussszene (V,11) verteilt. Auf seine drameninterne Funktion hatte diese Umstrukturierung jedoch keine Auswirkung, sodass die verteilten Strophen trotzdem als einheitliches Chorlied betrachtet werden können. Wie zuvor der erste Chor den Beginn des tragischen Aufstiegs und Falls des abtrünnigen Kaisers markierte, steht der zweite am Ende dieses Prozesses und betont Julians Scheitern. Ferner weist er eindringlich auf die Eitelkeit der Welt (immunda mundi vanitas, Iul. 2728) und die Unbeständigkeit des menschlichen Glücks und Daseins (mortalium felicitas; mortalium sublimitas, Iul. 2737 bzw. 2739) hin.⁸⁹ Dass diese beiden Chorlieder von Drexel bewusst aufeinander abgestimmt wurden, lässt sich an drei Punkten beweisen. Erstens bilden die Tempora der Verben, die zur Beschreibung von Julians Schicksal verwendet werden, einen Rahmen um das tragische Geschehen. Im ersten Chorlied weisen futurische Verbformen auf die kommenden Übel voraus, die Julian verursachen wird.⁹⁰ Entsprechend verdeutlichen im Chorlied der letzten Szene des Stücks Verben
86 Siehe in diesem Zusammenhang das ausführliche Repertorium der Chorlieder, das Volker Janning (2005, S. 319–386) auf Grundlage von 140 neulateinischen Dramen zusammengestellt hat. Vgl. auch Körndle 2005, S. 119–120. 87 Vgl. das ‚plautinische Standeskriterium‘ für einen Tragödienstoff (S. 122). 88 Vgl. Tarrant 1978, S. 218. 89 Diese Motive werden in zeitgenössischen Chorliedern überaus häufig thematisiert. Vgl. dazu Janning 2005, S. 98–108. 90 Foedam feret [sc. Iulianus] mundo senectam. Iul. 801. Certam feret mundo ruinam. Iul. 803. Totum dabit mundum cadaver. Iul. 805.
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im Perfekt, dass Julians Wahnsinn ein Ende gefunden hat.⁹¹ Zweitens wird im ersten Chorlied Julians zukünftiges Handeln mit aktiven Verben beschrieben, wobei Julian als handelndes Subjekt erscheint. Im zweiten Chorlied dagegen tritt Julian entweder als Subjekt mit zwar immer noch aktiven, aber statischen Verben, die den Zustand seiner Unterlegenheit beschreiben,⁹² als Subjekt mit einem Prädikat im Passiv⁹³ oder als machtloses und ‚passives‘ Akkusativobjekt auf.⁹⁴ Der dritte Punkt ist im Bereich der Metrik zu finden. Für den triumphalen Jubel in V,11 wurde der reine jambische Dimeter verwendet. Auf den Zuschauer wirkt dieser im Klang rund und harmonisch und unterstreicht die Freude der Christen über Julians Untergang. Im Gegensatz dazu liegt im ersten Chorlied ein hyperkatalektischer jambischer Dimeter vor. Die Erweiterung des reinen jambischen Dimeters um eine zusätzliche Senkung stört den Wohlklang dieses Versmaßes, an das das Ohr des zeitgenössischen christlichen Zuschauers durch zahlreiche, in der kirchlichen Liturgie z.T. fest etablierte Hymnen (z.B. Veni creator Spiritus; Vexilla Regis prodeunt) gewöhnt ist. Dahinter ist am ehesten das Bemühen des Autors zu sehen, die künftigen Schrecken, die mit Julians Herrschaftsübernahme einhergehen werden, klanglich umzusetzen. Bereits in V,5 war ein weiterer Chorus aufgetreten. Im Rahmen des himmlischen Gerichts über Julian fordert er Christus mehrmals zur Bestrafung des Kaisers auf. Im Gegensatz zu den beiden zuvor behandelten Chören interagiert dieser direkt mit den Charakteren der Szene. Entsprechend ist ihm der jambische Trimeter als typischer Sprechvers zugeordnet. Ob dieser Chor jedoch mit demjenigen aus II,3 und V,11, über dessen Zusammensetzung keine konkreten Hinweise vorhanden sind, zu identifizieren ist, muss stark bezweifelt werden. Durch die Perioche wird er als „die Heiligen im Himmel“ näher spezifiziert. Betrachtet man daneben die ersten beiden Aussagen des Chors (Cruorem et nostrum iuste iudex vindica, Iul. 2233 und 2246) ist eher davon auszugehen, dass es sich bei diesem Chorus um diejenige Gruppe von Christen handelt, die im Laufe des Stücks für ihren Glauben hingerichtet wurden und daraufhin als Märtyrer ihren Platz im Himmel bei Christus gefunden haben. Artemius und Mercurius, die in dieser Szene ebenfalls auftreten, sind als Teil von diesen zu sehen, sodass der Chor in V,5 kaum als eigene dramatis persona zu verstehen ist. Artemius und Mercurius kommt dann, stellvertretend für alle Opfer Julians, die Aufgabe zu, den Kaiser zu töten.
91 Iulianus occidit. Iul. 2714 und 2717. Falx Iulianum messuit. Iul. 2715. Mors Iulianum sustulit. Iul. 2716. Obsurduit et obmutuit [sc. Iulianus]. Iul. 2720. Fulminatus est [sc. Iulianus]. Iul. 2733. 92 Iulianus occidit. Iul. 2714 und 2717. Iacet potestas Imperij ∣ Iacet facultas ingenij ∣ Obsurduit et obmutuit ∣ Deus sophorum coccinus. Iul. 2718–2121. 93 Heu Imperator maximus ∣ A morte fulminatus est. Iul. 2732–2733. 94 Falx Iulianum messuit! ∣ Mors Iulianum sustulit. Iul. 2715–2716.
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Zumindest im weiten Sinne als Chorlied ist dann allerdings die Beschwörung des Chors der Götzenanbeter in III,4 und der Jubelgesang der Christen in V,9 im Anschluss an den Botenbericht über Julians Tod einzustufen. Im Gegensatz zu den ‚echten‘ Chorliedern werden diese Verse jedoch von den auftretenden Personen selbst gesungen. In seiner Funktion entspricht zumindest der Jubelgesang der Christen den Einsätzen des Chors in II,3 und V,11. Er reflektiert über die Geschehnisse und deren Bedeutung und hebt durch seine Platzierung inmitten der Szene den vorangegangenen Botenbericht hervor. Zur Funktion des Chors in Drexels Iulianus Die Funktion des Chors in neulateinischen Dramen ins Verhältnis mit derjenigen in Senecas Tragödien zu setzen, wie es in entsprechenden Untersuchungen immer wieder in pauschalisierender Form unternommen wird,⁹⁵ muss zwangsläufig an der Unklarheit über Letztgenannte scheitern. In dieser „quaestio vexata, indeed, infinita, in the study of Seneca“⁹⁶ reicht das Spektrum der Positionen von der Ansicht, dass sie überhaupt keinen Bezug zum Dramengeschehen aufweisen, bis zu der Meinung, dass die Chorlieder eine homogene Verbindung mit dem Drama eingehen.⁹⁷ Diese auseinanderklaffenden Positionen sind nicht zuletzt darin begrün-
95 Z.B. Green 2014, S. 120–121; Janning 2005, S. 31. 96 Zitiert nach Mazzoli 2014, S. 569. Zum Chor in den Tragödien Senecas siehe: Mazzoli 2014; Janning 2005, S. 29–31; Baur 1999, S. 30–31; Davis 1993; Gil 1979; Tarrant 1978, S. 221–228; Marx 1932; Canter 1925, S. 31–55. 97 Kein Bezug: Martina 1996; Tarrant 1978, S. 222–228. Homogene Verbindung: Davis 1993; Seeck 1978, S. 392; Bishop 1964. Siehe dazu auch den Überblick über die unterschiedlichen Positionen, den Kirichenko (2013, S. 250–251) bietet. Eine nicht mehr ganz aktuelle Zusammenfassung zu den unterschiedlichen Standpunkten ist auch bei Christoph Kugelmeier (1998, S. 140–144) zu finden. Siehe auch die neueren Arbeiten von Giancarlo Mazzoli (2014) und Alexander Kirichenko (2013, S. 249–279). Erstgenannter hebt die „syntagmatische Kohärenz“ (syntagmatic coherence) zwischen Dramentext und Chor hervor und begreift Senecas Chorlieder als „Reagenz“ (reagent), das die geordnete und eindimensionale fabula unterbricht, verändert und in die unterschiedlich verflochtenen und ausgerichteten Stränge des plot wieder einordnet. Diese „Reaktion“ zwischen Chor und Dramenkontext führe zu einer semantischen Komposition beider. Kirichenko weist dem Chor bei Seneca dagegen eine wichtige Funktion zur Rezeptionssteuerung zu, indem er die sich selbst widersprechenden Stimmen des Chors, der „zwischen einer völligen Identifizierung mit der tragischen Welt und der distanzierten Außenperspektive eines philosophisch aufgeklärten Zuschauers“ oszilliert, als „diejenige Instanz [auffasst], die den disparaten, verwirrenden Sinneseindrücken, denen wir in Senecas Tragödien ausgesetzt sind, eine einheitliche Bedeutung verleihen kann“ (2013, S. 252 bzw. 278). Der Chor verdeutliche durch sein ständiges Kreuzen der Trennlinie zwischen Bühnenfiktion und der Außenwelt, dass es sich beim Bühnengeschehen um ein Trugbild handle. Dieses besitze ein lehrreiches Potential, das aus der emotionalen Erschütterung eine intellektuelle Erkenntnis erwachsen lasse.
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det, dass Senecas Chorlieder selbst kein einheitliches Bild darstellen, sondern wie Alexander Kirichenko festgestellt hat, „in zwei grobe – grundverschiedene – Kategorien auf[zu]teilen“ sind.⁹⁸ Die erste Gruppe betreffe Chorlieder, die emotional auf konkrete, auf der Bühne dargestellte Ereignisse reagierten und damit in einer Traditionslinie zur griechischen Tragödie stünden.⁹⁹ Demgegenüber wiesen aber einige Passagen von Senecas Chorliedern eine kühle Distanz zum Dramengeschehen auf und stellten für sich kleine (stoisch-)philosophische Traktate in Versen dar. In Bezug auf das Verhältnis zwischen den Chören Senecas und des neulateinischen Dramas sind daher pauschalisierende Aussagen zu vermeiden. Vielmehr muss bei diesem Unterfangen differenzierter als bisher vorgegangen werden. Im Falle des Iulianus entsprechen die Chöre lediglich der ersten von Kirichenko definierten Gruppe. Sie weisen alle, wie im neulateinischen Drama, sowohl im katholischen als auch im protestantischen, in der Regel üblich,¹⁰⁰ einen direkten Bezug zum Dramengeschehen auf. Auch die übergeordneten Erwägungen über die Unbeständigkeit des menschlichen Glücks und die Vergänglichkeit alles Irdischen sind nicht vom Dramengeschehen losgelöst, sondern entwachsen diesem. Die Chorlieder im Iulianus werfen einen reflektierenden und z.T. stark moralisierenden Blick auf das Geschehene oder weisen auf dessen Konsequenzen hin. Darin entspricht ihre Funktion derjenigen, die Horaz (ars 196–201) und in dessen Nachfolge zeitgenössische Poetiken des sechzehnten Jahrhunderts formulierten.¹⁰¹ Die Chorlieder bewirken, dass das Handlungsgeschehen für einen Moment pausiert und den Zuschauern die Tragweite der vorangegangenen Ereignisse explizit verdeutlicht wird. Indem der Chor die Geschehnisse auf der Bühne stark wertend interpretiert, trägt er aber auch zur Emotionalisierung und Rezeptionssteuerung des Publikums bei.¹⁰² Die Identität der Mitglieder der beiden echten Chorlieder im Iulianus bleibt offen.¹⁰³ Im Gegensatz zu Senecas Tragödien markieren sie nicht die Aktgrenzen, besitzen aber dennoch wie das antike Vorbild einen gewissen Intermezzocharak-
98 Kirichenko 2013, S. 251. 99 Zum Chor in der griechischen Tragödie siehe: Baur 1999, S. 15–29; Riemer 1998; Käppel 1998; Hose 1990/1; Rode 1971; Webster 1970 und Reisch 1958. Vgl. die entsprechenden Anweisungen von Aristoteles (poet. 18,1456a,25–32) und Horaz (ars 193–195). 100 Vgl. Janning 2005, S. 81–83. Speziell zur Rolle des Chors in Bidermanns Cenodoxus siehe Körndle 2005, zu der in Murets Iulius Caesar siehe Hagmaier 2006, S. 151. 101 Zusammengefasst von Janning 2005, S. 31–36. Pontanus übergeht in den Poeticae Institutiones den Chor und seine Funktion gänzlich. 102 Vgl. Janning 2005, S. 81–96. 103 Die Frage nach der Identität des Chors bei Seneca ist in der Forschung ebenso umstritten wie seine Einbindung in den Dramenkontext. Volker Janning (2005, S. 30) konstatiert einer heute sicherlich veralteten Ansicht Friedrich Leos (1897, S. 511) folgend, dass die Zusammensetzung des
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ter. Hinsichtlich der Metrik ist ebenfalls eine Abweichung von Seneca festzustellen. Der jambische bzw. hyperkatalektische jambische Dimeter, der den Großteil der vom Chor gesprochenen Verse im Iulianus ausmacht, stellt bei Seneca eine fast zu vernachlässigende Randerscheinung dar.¹⁰⁴
4.2.4 Rhetorische Elemente Domina-Nutrix-Szenen Ein wichtiges strukturelles Merkmal von Senecas Tragödien, das der Iulianus wie auch zahlreiche andere frühneuzeitliche Dramen übernommen haben, stellen die sogenannten domina-nutrix-Szenen dar.¹⁰⁵ Darin wenden sich untergebene Vertraute der Hauptperson gegen deren geplante Handlungen, indem sie auf Gefahren und Konsequenzen der anvisierten Tat hinweisen. Mit Warnungen und Mahnungen wollen sie den Protagonisten, freilich stets vergeblich, an seiner verderbenbringenden Tat hindern. Charakteristisch für solche Überredungsszenen ist die sprachlich-stilistische Form der Stichomythie, bei der der Sprecher in regelmäßigen Abständen wechselt.¹⁰⁶ Eingeleitet durch ein Rhesispaar steuert das Gespräch dabei sukzessive auf einen Höhepunkt zu. Auf dem Weg zu diesem findet ein sprachlicher Verdichtungsprozess statt, der vom regelmäßigen Wechsel von längeren Sprechpassagen (z.B. Disticha) über den versweise erfolgenden
senecanischen Chors in der Regel nicht bestimmt werde, wohingegen Roger Green (2014, S. 120) der Ansicht ist, dass die Mitglieder der Chöre in George Buchanans Dramen, wie im Falle der Stücke von Euripides und Seneca, eine eindeutige Identität besäßen. 104 Sen. Med. 849–878 (katalektischer jambischer Dimeter) und Ag. 759–774. Vgl. Mazzoli 2014, S. 565. Selbst im Repertorium der Chorlieder, das Volker Janning für 140 neulateinische Dramen erstellt hat, nimmt der jambische Dimeter eine bescheidene Nebenrolle ein. 105 Vgl. Sen. Ag. 108–225, Herc. O. 233–582, Med. 116–178, Oct. 34–272, Phaedr. 85–273, Thy. 176–244 (ähnlich in der griechischen Tragödie, vgl. Aischyl. Sept. 245–263 und 712–719). Zu den domina-nutrix-Szenen bei Seneca siehe: Averna ²2007, S. 156; Ferri 2005, S. 119–123; Martina 1988/9; Tarrant 1985, S. 116; Tarantino 1984/5; Tarrant 1976, S. 192–194; Heldmann 1974, S. 108– 164; Seidensticker 1969, S. 59–61; Wanke 1964, S. 85–86. Für domina-nutrix-Szenen im neulateinischen Drama vgl. beispielsweise Szene II,1 des Ergastus, das Gespräch zwischen Symmachus und Jephthes in Buchanans gleichnamigen Drama (Buchan. Jephtes 618–783), den dritten Akt von Murets Iulius Caesar (siehe dazu auch Hagmaier 2006, S. 109–114 und 151–152) und Szene III,1 und 2 von Mussonius’ Pompeius Magnus (vgl. Paul 2013, S. 360). Siehe ferner das Ende von Szene III,5 in William Shakespeares Romeo und Julia (1597) sowie Szene I,3 in Jean Racines Phédre (1677). 106 Vgl. Sen. Ag. 240–245, Herc. O. 330–332, Med. 159–173, Phaedr. 145–157. Vgl. Hine ²2007, S. 134–135. Zur Stichomythie in den Dramen Baptistes und Jephthes von George Buchanan siehe Green 2014, S. 119–120.
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Sprecherwechsel (Monosticha) bis hin zum mehrmaligen Wechsel innerhalb eines Verses (Antilabe) führt. Der Dialog marschiert dabei in stetig zunehmender Dynamik auf seinen Höhepunkt zu. Dieser stellt den emotionalen Kumulationspunkt der Spannung dar und nennt in äußerst kurzer und prägnanter Form den Kerninhalt bzw. -konflikt des ganzen Stücks. Die einzelnen Redepartien innerhalb der Stichomythie werden dabei durch verschiedene Techniken miteinander verknüpft: Konjunktionen und Partikel, Ellipsen und Fortsetzung von Konstruktionen, Wiederaufnahme von Stichworten durch dasselbe Wort in derselben oder in veränderter grammatischer Form, durch ein Wort aus derselben Wortfamilie, durch ein Synonym oder durch ein Antonym.¹⁰⁷ Wie genau Drexel das antike Vorbild der domina-nutrix-Szene imitiert, soll die folgende etwas ausführlichere Detailuntersuchung eines Auszugs aus dem Gespräch zwischen Julian und seinem aulae praefectus Sallustius exemplarisch verdeutlichen (Iul. 250–275):¹⁰⁸ Sall.: Scis Iuliane quam tibi fidus, quam amans Tui hactenus fuerim, nec esse desinam. Nunc vero amicis maxime fidis eges, Qui tibi quod aequum suadeant.
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Prolog/Rhesis (a) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Iul.: suasor mihi Deus est et auctor optimus vitae novae. Sall.: Humana consilia quoque audienda sunt. Iul.: Divina si desint. Sall.: Deus non negligi Humana vult consilia. Iul.: sua multo minus.
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Verdichtung (b) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Sall.: At negligit divina qui spernit hominum. Iul.: Divina non spernit, hominum qui negligit Si quod Deus suadet, homines dissuadeant. Vita nova placet. Sall.: O Iuliane sint tibi Suspecta semper nova, vetera placeant magis.
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Entspannung (c) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Iul.: Meliora si novis. Sall.: periculum novis Saepius inest. Iul.: saepissime salus. Sall.: non sine Metu mali. Iul.: bonum haud amat quisquis malum Non metuit. Sall.: et quid est timendum Caesari? Iul.: Quod non timet. Sall.: timeri oportet Caesarem. Iul.: Deum magis.
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Verdichtung zum ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Höhepunkt ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ‚Deum magis‘ (d) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
107 Vgl. Ireland 1974; Seidensticker 1971; Seidensticker 1969, bes. S. 19–62; Schwinge 1968, bes. S. 57–113. 108 Eine weitere, wenn auch nicht in demselben Maße ausgeprägte domina-nutrix-Szenen liegt auch in I,8 vor (vgl. Einleitung zu Comm. ad I,8). Auch Teile der Szenen IV,4 und V,9 weisen deren typische Elemente auf (v.a. Iul. 1643–1655 bzw. 2584–2585).
4.2 Die Dramenstruktur des Iulianus
}
Sall.: ita est Iuliane. sed tuam Num sic iuventam perditum ibis? Iul.: perdere, Est saepe lucrari. Sall.: iuvenis es. Iul.: sed tamen Mortalis. Sall.: es de stirpe Caesarum. Iul.: Tamen Mortalis. Sall.: es firmi et valentis corporis. Iul.: Nihilominus mortalis. Sall.: omnes tibi favent, Omnes te amant. Iul.: mortalis a mortalibus Amor.
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spannungslösender Ausruf (e)
} Themenwechsel (f) ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ erneute Verdichtung ⎬ ⎪ und Höhepunkt (g) ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Auch wenn der sprachliche Verdichtungsprozess im Falle des Iulianus weit weniger schematisch konstruiert ist als beim antiken Vorbild Seneca, entspricht die Grundkonstellation der, wie sie in antiken domina-nutrix-Szenen zu finden ist. Sallustius, Julians Vertrauter, will diesen von seinem Handeln abbringen, das, wie er richtig vorhersieht, in die Katastrophe führen wird. Trotz dieser Parallelen muss ein gewisser Unterschied zur Konstellation in antiken Tragödien betont werden: Die Warnungen des Sallustius beziehen sich primär allein auf Julians Entschluss, Geistlicher zu werden, nicht auf die übergeordnete Handlung des Dramas. Julian befindet sich aus Sicht des Publikums bereits auf dem ‚rechten‘ Weg. Somit wird die Konstellation domina-nutrix aus den Tragödien Senecas ins Negative verkehrt. Sallustius’ Worte ut exuas male [sc. Clericum], induis (Iul. 314) binden aber letztlich dennoch, wenn auch unbewusst, seine Bedenken in den Gesamtkontext der Tragödie ein und stellen eine vergebliche Warnung vor dem tragischen Fall dar (siehe unten). Nach einer kurzen Rhesis durch Sallustius (a) folgen eine Verdichtung (b) und daraufhin zunächst wieder eine Entspannung (c) innerhalb des Gesprächsflusses. Dieser bewegt sich daraufhin auf seinen ersten spannungsgeladenen Höhepunkt (d) zu („Gott müsse mehr als der Kaiser gefürchtet werden“). Diesen löst Sallustius’ Ausruf ita est Iuliane (Iul. 268) abrupt auf (e). Daraufhin erfolgt zusammen mit dem Themenwechsel eine weitere kurze Entspannung (f), die dann sofort in eine erneute Verdichtung und einen weiteren Höhepunkt übergeht, der die Eitelkeit der Welt brandmarkt (g). Die formale Ebene entspricht dabei der inhaltlichen: Die Verdichtung wird durch immer kürzer werdende Aussagen der einzelnen Sprecher erzeugt, die Entspannung durch längere Sprechpassagen. Der bereits genannte Ausruf ita est Iuliane (e), der durch Aphärese noch zusätzlich verkürzt wird, lässt die Spannung nach dem ersten Höhepunkt schlagartig verfliegen. Eine etwas längere Aussage des Sallustius leitet dann zum nächsten Thema über. In diesem Abschnitt (g) wird die angesprochene Verdichtung neben den ebenfalls
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vorhanden Antilabai v.a. durch Julians vierfach wiederholte Antwort auf eine Frage des Sallustius erzeugt. Im Gegensatz zur vorangegangenen Gesprächsverdichtung wächst die Länge der Einwände von Seiten des Sallustius nun stetig an: iuvenis es; es de stirpe Caesarum; es firmi et valentis corporis. Julians Widersprüche stehen dem in ihrer Vehemenz in nichts nach. Die ersten beiden Entgegnungen sind ebenfalls parallel konstruiert. Die durch ein Enjambement jeweils betonte Epipher (sed) tamen wird durch die Anapher mortalis/mortalis an den jeweils folgenden Versanfängen verstärkt. Auf die dritte Wiederholung von mortalis reagiert Sallustius, indem er konkret auf Julians bestärkendes nihilominus antithetisch mit omnes…omnes… antwortet. Ein viertes und letztes Mal, der Höhepunkt dieses Abschnitts, wiederholt Julian daraufhin prägnant und durch ein Polyptoton verschärft (mortalis a mortalibus) die Vergänglichkeit all dessen, was Sallustius vorbringt. Die Schwierigkeit, im Rahmen dieser schnell aufeinander hin- und herwechselnden Aussagen einen kontinuierlichen Gesprächs- und Gedankenfluss aufrecht zu erhalten, löst Drexel in derselben Weise wie sein antikes Vorbild Seneca: Einerseits greift er auf grammatische Ellipsen zurück und setzt die vorhergehende Konstruktion fort,¹⁰⁹ andererseits wendet er die sogenannte ‚Stichworttechnik‘ an. Er lässt dabei die Gesprächspartner dasselbe Wort grammatikalisch entweder in derselben¹¹⁰ oder veränderter¹¹¹ Form aufnehmen. Besonders markant ist dabei die zweite Verdichtung (g), in der mortalis fünf Mal wiederholt wird (Iul. 269–274). Ferner stellt er Verknüpfungen durch Worte aus derselben Wortfamilie¹¹² und durch Antonyme¹¹³ sowie Synonyme¹¹⁴ her. Konjunktionen und Partikel werden weniger häufig verwendet.¹¹⁵ Nicht selten ist eine Überlappung von mehreren der aufgezählten Vorgehensweisen festzustellen. Das starke Gewicht, das Drexel auf die Stichworttechnik legt, korrespondiert mit Senecas vorrangiger Arbeitsweise.¹¹⁶ Entsprechend dienen die in Stichomythien und Antilabai gestalteten Verspassagen neben dem Ausdruck der gesteigerten emotionalen Erregung
109 Z.B. Sall.: Humana consilia quoque audienda sunt. ∣ Iul.: Divina si desint. Iul. 255–256. 110 Sall.: At negligit divina qui spernit hominum. ∣ Iul.: Divina non spernit […]. Iul. 258–259. 111 Sall.: Sed tuam ∣ Num sic iuventam perditum ibis. Iul.: perdere ∣ Est saepe lucrari. Iul. 268–270. 112 Sall.: Nunc vero amicis maxime fides eges, ∣ Qui tibi quod aequum suadeant. Iul.: suasor mihi ∣ Deus est […]. Iul. 252–254. 113 Vgl. Iul. 255–256, siehe S. 156 Anm. 109. 114 Iul.: Bonum haud amat quisquis malum ∣ Non metuit. Sall.: et quid est timendum Caesari? Iul. 265–266. 115 quoque, Iul. 255. At, Iul. 258. Sed (tamen), Iul. 268, 270, 271. Nihilominus, Iul. 273. 116 Vgl. Seidensticker 1969, S. 45.
4.2 Die Dramenstruktur des Iulianus
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besonders der Betonung von fundamentalen und zentralen Problemfragen der Dramenhandlung.¹¹⁷ Innerhalb dieser Szene ist außerdem die bei Seneca weit verbreitete „Doppelbödigkeit“ vorhanden.¹¹⁸ Vor allem Sallustius’ Äußerungen sind auf verschiedenen Ebenen zu verstehen. Seine warnenden und vorausweisenden Worte (Iul. 299, 304, 314 und bes. 318–326) richten sich vordergründig direkt an Julian und sind in den Kontext seines Entschlusses für den Klerus eingebettet. Der Zuschauer ist aufgrund seines Mehrwissens in der Lage diese Andeutungen in gleicher Weise auf die Dramenhandlung als Ganze zu beziehen. Er kann das Gespräch daher mit einer überlegenen Distanz noch aufmerksamer verfolgen und beurteilen. Senecanische Eröffnungsszene Mit der ersten Szene des Iulianus liegt eine typische Eröffnungsszene, wie man sie in Senecas Tragödien häufig findet, vor.¹¹⁹ Wie Senecas Troades, Medea und Oedipus sowie die ihm zugeschriebenen Hercules Oetaeus und Octavia beginnt Drexels Iulianus, sieht man vom vorgeschalteten Prolog ab, mit einem umfassenden Monolog der Hauptperson des Dramas. Diese prologhaften Eröffnungsszenen führen zwar bereits medias in res, aber lediglich im Hinblick auf die psychologische Disposition ihres Sprechers. Der Einstieg in die dramatische Verwicklung erfolgt erst später.¹²⁰ Ein weiteres Element, das der Iulianus mit den einleitenden Monologen vieler der genannten senecanischen Dramen gemeinsam hat, ist, dass in ihnen die Macht einer Person, sei es die des Sprechers,¹²¹ sei es die einer anderen ‚Figur‘,¹²² durch geographische Extrema veranschaulicht wird. Dabei entspricht Julians Auftritt am stärksten dem des Hercules im pseudosenecanischen Hercules Oetaeus. Seine sprachliche Veranschaulichung mittels geographischer Extreme, bei der Drexel die inhaltliche Vorlage Horaz geschickt mit dem strukturellen Vorbild Seneca verknüpft, besitzt jedoch einen anderen Charakter als diejenige im
117 Kaisertum vs. Geistlichkeit bzw. Irdisches vs. Ewiges (Iul. 267–268); Eitelkeiten wie Macht, Ruhm und Stärke vs. Vergänglichkeit alles Irdischen (Iul. 269–270). 118 Vgl. Seidensticker 1969, S. 141–155. 119 Vgl. Anliker 1960, S. 19–23, 29–44 und 51; Canter 1925, S. 25–31. Speziell zur Eröffnungsszene von Senecas Medea: Hine ²2007, S. 111; Costa 1973, S. 61; des Oedipus: Töchterle 1994, S. 135– 139; der Troades: Fantham 1982, S. 203–205; des pseudosenecanischen Hercules Oetaeus: Averna ²2007, S. 137–138. 120 Vgl. die Eröffnungsszene in Pontanus’ Stratocles (Pont. Strat. 1–100), Murets Iulius Caesar (Muretus Julius Caesar 1–51; vgl. Hagmaier 2006, S. 65–78) sowie in Mussonius’ Pompeius Magnus (Mussonius, Pompeius Magnus 1–69). 121 Hercules: Sen. Herc. O. 38–45. 122 Claudius: Oct. 25–30; Diana: Phaedr. 54–72; Hercules: Herc. f. 30–40; Troja: Tro. 8–13.
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Hercules Oetaeus. Darin sieht Hercules seine Taten an allen Enden der Welt als Weg, um zur ruhmvollen Apotheose zu gelangen. Für Julian stellen die zu bezwingenden Widrigkeiten der Welt dagegen lediglich lästige Nebensächlichkeiten dar, die er für ein Leben mit den Musen aber bereitwillig in Kauf nehmen würde. Was für ihn zählt, ist allein die Beschäftigung mit den Künsten. In dieser ‚heroischen‘ Bereitschaft zur Selbstaufopferung zugunsten der Bildung und in seiner selbstgenügsamen Zurückhaltung übersteigert Julian letztlich den Helden Hercules.¹²³ Sentenzen, Apostrophen, ‚Schreireden‘, Adynata, Aneinanderreihungen, Personenkonstellationen Des Weiteren bedient sich Drexel einer ganzen Reihe von rhetorischen Elementen, die z.T. nicht nur für Senecas Tragödien, sondern auch für dessen philosophische Schriften charakteristisch sind. Allen voran zählt dazu die hohe Dichte an Sentenzen.¹²⁴ Wie in seinen philosophischen Werken bedient sich Seneca auch in seinen Tragödien oftmals einer pointierten und bedeutungsschweren Kürze, um einen Kerngedanken prägnant hervorzuheben.¹²⁵ Dadurch, dass sie in der Regel relativ allgemein gehalten sind, stellen sie eine Verbindung zwischen der Darstellungsund Deutungsebene insofern her, als aus konkreten Handlungskonstellationen heraus allgemein gültige Grundsätze verdeutlicht werden. Ähnlich gerne legt auch Drexel seinen Figuren Sentenzen in den Mund. Als Beispiel soll eine Aussage von Julians Vertrautem Jamblichus dienen. Zum Kontext: Julians Philosophenfreunde haben ihn davon überzeugt, im Vorfeld seines Gallienfeldzuges, mit dem er von Constantius im Zuge seiner Erhebung zum Caesar beauftragt wurde, noch den alten Göttern zu opfern. Denn, so Jamblichus, wenn die Götter einen verlie-
123 Zur Nähe zwischen Julian und Hercules siehe Comm. ad 708–709 und ad 845–861. Zur Übersteigerungstendenz bei Julian siehe S. 66–68. 124 Vgl. Einleitung zu Comm. ad I,4; Iul. 774–777 mit Comm. ad locum; Iul. 845–861 mit Comm. ad locum; Einleitung zu Comm. ad III,6; Iul. 1682–1685 mit Comm. ad locum; Iul. 1737–1739 mit Comm. ad locum. Zu den Sentenzen bei Seneca siehe: Seidensticker 1969, S. 180–199; Wanke 1964, S. 121–133; Canter 1925, S. 85–99. Eine Sammlung von Sentenzen in Senecas Tragödien liefert Kunz (1897). Zur Rolle der Sentenzen bzw. der senecanischen „epigrammatischen Stichomythien‘ im Drama des Barock siehe Schöne ³1993, S. 151–162. Zu den senecanischen Sentenzen bei George Buchanan siehe Green 2014, S. 118. 125 Julius Caesar Scaliger bezeichnet Sentenzen sogar als gewissermaßen tragende Säulen oder Pfeiler des gesamten Aufbaus einer Tragödie: Sunt enim quasi columnae aut pilae quaedam universae fabricae illius [sc. tragoediae]. Poet. III,96.
4.2 Die Dramenstruktur des Iulianus
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ßen, könne einem kein Gut mehr helfen. Wenn einen die Götter aber beschützten, könne einem kein Übel mehr Schaden zufügen:¹²⁶ deserentibus nec iuvant bona omnia. Dis protegentibus nocent mala
Zum Vergleich sei ein Beispiel aus Senecas Hercules furens herangezogen:¹²⁷ hominem scias Quemcumque miserum fortem videris miserum neges .
Drexels Sentenz ist dabei mit derselben ‚Doppelbödigkeit‘ versehen, die bereits zuvor für Senecas Tragödien festgestellt wurde. Sie bezieht sich primär auf den konkreten Kontext, in dem sich Julian befindet. Auf der Metaebene ist sie aber auch auf das Drama als Ganzes zu beziehen. Der Zuschauer ist wiederum durch sein Mehrwissen in der Lage, diese antithetische Gegenüberstellung auf Julian selbst zu übertragen: Er wird letztlich derjenige sein, der Gott verlässt und dessen Untergang somit nicht verhindert werden kann. Eine gewisse Vorliebe scheint Drexel auch für monostichische Sentenzen im Rahmen eines Streitgespräches (altercatio) gehabt zu haben, die zwar parallel konstruiert sind, an den entscheidenden Stellen jedoch eine pointierende Antithese aufweisen, wie im Wortgefecht zwischen dem Christen Porphyrius und Ecebolius, einem Handlanger Julians:¹²⁸ appetit Eceb.: Temere Porph.: Timide facit quisquis pericula aufugit .
Zu den für Senecas Tragödien typischen rhetorischen Elementen, die sich im Iulianus finden, zählen außerdem Apostrophen an Gottheiten¹²⁹ oder an das eigene Innere,¹³⁰ die sogenannten ‚Schreireden‘ von Figuren (meist des tragischen Hel-
126 Iul. 917–918. Weitere Sentenzen: Iul. 193, 255–260, 263–266, 269–270, 281–283, 286–287, 295, 298, 301–303, 311–312, 323–326, 416–417, 635–636, 651–654, 672–673, 684–686, 846–849, 855–859, 880–881, 1738–1739, 2111, 2138–2139, 2428–2429. 127 Herc. f. 463–464; vgl. Tro. 510–512, Thy. 1111–1112. 128 Iul. 1684–1685. Siehe ferner: Iul. 672–673, 1298–1299, 1702–1703, 2050–2051; ähnlich Iul. 1358–1359, 1611–1612. Zur stichomythischen altercatio bei Seneca siehe Vgl. Wanke 1964, S. 86– 94. 129 Iul. 1719–1723, 2407–2410. Vgl. Sen. Herc. f. 495–499, 592–600, 1066–1076, Med. 1–12, Oed. 248–257, Phaedr. 406–412. Vgl. Rosenmeyer 1989, S. 182–184; Canter 1925, S. 143–149. 130 Iul. 2395–2400. Vgl. Sen. Ag. 192, Herc. O. 742–744, 1528, Med. 41, 895, 937, 976, 988, Oed. 933, 952, 1024, Phaedr. 112, 592, 599, 719, Thy. 192, 324, Tro. 613. Die Frage quid terga vertis anime? (Iul. 2396) und der Vers Quid fluctuaris? nulla iam melior via est (Iul. 2397) sind sogar wörtliche Entnahmen aus Senecas Agamemnon (Ag. 109 bzw. 228). Vgl. Rosenmeyer 1989, S. 186–187; Tarrant 1976, S. 194–195; Canter 1925, S. 142–144.
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den), die erkennen, welch große Schuld sie durch ihr Verhalten auf sich geladen haben,¹³¹ Adynata aus der Natur zur Veranschaulichung des Unmöglichen¹³² sowie stakkatoartige Aneinanderreihungen, meist in Form eines asyndetischen Trikolons, dessen Elemente oftmals tautologisch sind.¹³³ Hinzu kommen einzelne Parallelen zwischen bestimmten Personenkonstellationen. So entspricht beispielsweise das Wortgefecht zwischen Julian und Artemius in Szene III,6 demjenigen zwischen Kaiser Nero und Seneca in der Octavia, wobei Julian die Rolle des grausamen Nero, Artemius die des zu stoischer Milde ratenden Senecas einnimmt.¹³⁴ Ganz ähnlich hin- und hergerissen zwischen zwei dilemmatischen Handlungsoptionen wie Andromache in den Troades ist Constantius, als er eine Entscheidung darüber fällen muss, wie er auf die prekäre Situation in Gallien reagieren solle.¹³⁵
4.3 Zur Metrik des Iulianus Die Metrik des Iulianus entspricht weitgehend der zeitgenössischen Praxis und Theorie. Wie das antike Drama unterscheidet auch das frühneuzeitliche zwischen gesprochenen und gesungenen Partien. Nach antiken Vorgaben war für die Sprechpartien der römischen Komödie der jambische Senar, für die der Tragödie der jambische Trimeter das geläufige Versmaß. Für die gesungenen Dramenabschnitte hat sich eine bunte Vielfalt aus verschiedenen z.T. lyrischen Versmaßen sowohl für die Komödie (vgl. z.B. die plautinischen Cantica) als auch für die Tragödie (v.a. hinsichtlich der Chorlieder) etabliert. Zu den gesungenen Partien im Iulianus zählen die beiden ‚echten‘ Chorlieder im (hyperkatalektischen) jambischen Dimeter (Iul. 794–811 bzw. 2714–2721, 2725–
131 Iul. 1249–1252, 2574–2579. Vgl. Herc. f. 1207–1245, Oed. 867–881, Phaedr. 671–697, 1159–1200, 1238–1243, Thy. 1006–1096, Tro. 519–523. Zur ‚Schreirede‘ bei Seneca und ihren Einfluss auf das frühneuzeitliche Drama, insbesondere in Shakespeares Macbeth (2,2,59–62) und Tristan L’Hermites La Marianne (5,2,1563–1565) siehe: Boyle 1997, S. 159 und 163–164; Töchterle 1994, S. 557–559; Rosenmeyer 1989, S. 177–182; Petrone 1984, S. 27–28. 132 Iul. 1057–1059. Vgl. Sen. Herc. f. 372–378, Herc. O. 82–86, 335–338, Med. 372–374, 401–407, Oct. 222–226, Oed. 503–508, Phaedr. 568–573, Thy. 476–482. Vgl. Rosenmeyer 1989, S. 194–203; Dutoit 1936, S. 124–134; Canter 1925, S. 60–62. 133 Iul. 965, 1035, 1707, 2114–2115, 2122, 2197, 2318, 2418, 2434, 2664. Vgl. Sen. Ag. 45 und 47, Herc. f. 32 und 1260, Med. 21 und 507, Oed. 960, Phaedr. 416, 566, 923, 939, Troad. 578 und 615. Siehe auch Pacuv. trag. 301 und 336–337; Acc. trag. 415, 550 und 595. Vgl. Green 2014, S. 117 Anm. 60; Canter 1925, S. 169–172. 134 Iul. 1345–1364, siehe auch den Comm. ad 1361–1362. Vgl. Sen. Oct. 377–592, v.a. 454–459. Vgl. Manuwald 2003 und 2002. 135 Iul. 686–691. Vgl. Sen. Tro. 642–662; vgl. Fantham 1982, S. 302.
4.3 Zur Metrik des Iulianus |
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2728, 2732–2739), die ebenfalls im jambischen Dimeter abgefasste Beschwörung der Hekate (Iul. 1166–1174), das Gebet der Christen um Hilfe gegen den Tyrannen Julian in sapphischer Strophe (Iul. 2456–2470) sowie der Jubel der Christen über Julians jähes Ende (Iul. 2550–2573), der jeweils vier wörtlich zitierte Verse aus einem Chorlied aus Murets Iulius Caesar (jambischer Dimeter) und vier ebenfalls wörtlich übernommene Verse aus den Psalmnachdichtungen Buchanans (sapphische Strophe) miteinander verbindet. Hinzu kommen die Verwünschungen der Götzenanbeter durch die Nonnen (Iul. 1543–1544 und 1548–1552). Diese stellen ebenfalls Zitate aus Buchanans Psalmnachdichtungen dar und übernehmen somit das dort vorgefundene Versmaß, nämlich eine Aufeinanderfolge von jeweils einem Vers im Hexameter und einem im jambischen Trimeter.¹³⁶ Die gesprochenen Partien, die den überwiegenden Teil des Iulianus ausmachen, sind im jambischen Trimeter verfasst. Zu den Sprechpartien im weiten Sinne zählen auch der in Prosa verfasste Botenbericht in II,2 (Iul. 627), die Anrufung Apollos in IV,6 (Iul. 1832) sowie der hexametrische Orakelspruch des Gottes (Iul. 1839–1840). Zeitgenössische Metriktraktate: Micyllus und Álvarez Neben der hohen Produktion an Dramentexten, bei deren Abfassung die Autoren bemüht waren, die Stücke eines Plautus und v.a. Terenz nachzudichten, wurden im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts große Anstrengungen unternommen, das antike Metriksystem, insbesondere die jambischen Verse, auch theoretisch zu beschreiben.¹³⁷ Neben analysierenden und erklärenden Spezialtraktaten zu den römischen Komikern, die häufig als Appendices an Editionen der jeweiligen Dramen von Plautus oder Terenz angefügt wurden, erschienen auch verschiedene Lehrbücher zur Versdichtung.¹³⁸ Das ausführlichste Metrikhandbuch des sechzehnten Jahrhunderts überhaupt stammt vom Melanchthon-Schüler Jakob Micyllus (eigentl. Moltzer; 1503–1558). Seine De re metrica libri tres erschienen erstmals 1539
136 Zur Rolle des Gesangs und der Musik auf der Bühne der Jesuiten siehe: Rädle 2002; Guillot 1991, S. 179–210; Wittwer 1937, S. 77–97 und 101–106. Auf eine zumindest teilweise instrumentale Begleitung von gesprochenen Passagen im Iulianus deuten die Agnostoprologi hin, in denen der ‚erste Junge‘ die Worte seines Gesprächspartners bzw. das von ihm gewünschte Handgemenge mit seiner Handtrommel (tympanum) zu untermalen bereit ist (vgl. Iul. 51–52 bzw. 83–84). 137 Dazu generell Leonhardt 1996. 138 Vgl. Bauer/Leonhardt 2000, S. 102; Leonhardt 1996, S. 321. Eine Auswahl von wichtigen Traktaten zur Komödienmetrik, u.a. von Erasmus, Scaliger und Camerarius liefern Bauer/Leonhardt 2000, S. 102 Anm. 313. Eine umfassende Zusammenstellung von Druckschriften zur lateinischen und griechischen Metrik bis ca. 1600 bietet Leonhardt 1989, S. 236–283.
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im Druck,¹³⁹ landeten jedoch bereits im Erscheinungsjahr auf dem Index der katholischen Kirche.¹⁴⁰ Erst nachdem Petrus Canisius SJ (1521–1597) das Werk expurgiert und approbiert hatte, durfte es auch von Katholiken wieder offiziell rezipiert werden.¹⁴¹ Im Rahmen der jesuitischen Schulausbildung wurden dagegen die Institutionum grammaticarum libri tres (erstmals Lissabon 1572) des Manuel Álvarez (1526–1582), deren drittes Buch sich gänzlich der Metrik bzw. dem Versbau widmet (De syllabarum dimensione etc.), zum Standardwerk für den Grammatikunterricht an den Kollegien der Societas Iesu und blieben es, von kleineren Bearbeitungen abgesehen, bis zum Jahr 1832.¹⁴² Der Lehrstoff der drei Bücher der Institutiones grammaticae wurde auf die drei Grammatikklassen aufgeteilt, sodass die Jesuitenschüler in der Classis grammatica suprema das dritte Buch über die Metrik behandelten und nach dessen Regeln bereits erste Verse dichteten.¹⁴³ Dennoch belegt der Bericht, den Canisius im Zuge der Visitation des Münchener Jesuitenkollegs im Jahre 1578 verfasste, dass Micyllus’ Metriklehrbuch trotz Verbots im Jesuitenorden ebenfalls verbreitet war.¹⁴⁴ Der jambische Senar Der jambische Trimeter, das Versschema, das Drexel dem Usus der antiken Tragödie folgend für die Sprechpartien seines Iulianus anstrebte, gestaltet sich folgendermaßen:
˘¯˘¯˘¯ ˘˘¯˘¯ ˘¯˘¯˘¯ ˘˘¯˘¯ ˘¯˘¯˘¯ ˘˘¯ Von der Möglichkeit den ersten, dritten und fünften jambischen Versfuß durch einen doppelten Dibrachys ( ) zu besetzen, macht weder Drexel Gebrauch, noch
˘˘˘˘
139 Leonhardt 1989, S. 266, B109.2. Zu Micyllus und seinem Metrikhandbuch siehe ferner Ludwig 2006. 140 Grund dafür waren angeblich neben Micyllus’ Widmungsbrief an den Frankfurter Ratsherrn Justinian von Holtzhausen u.a. der darin ebenfalls enthaltene Empfehlungsbrief von Melanchthon und eine rühmende Aussage des Autors über letzteren. Vgl. Ludwig 2006, S. 291–292. 141 Vgl. Ludwig 2006, S. 290–293. 142 So auch in der Ratio studiorum vorgeschrieben: Der Provinzial möge sich bemühen, dass unsere Lehrer die Grammatik von Álvarez verwenden: Dabit [sc. praepositus provincialis] operam, ut nostri magistri utantur Grammatica Emmanuelis. Ratio stud. 1599, MGP V, S. 258. Bereits die Arbeitsfassung von 1586 sprach sich für Álvarez Grammatik als Lehrbuch aus (siehe Ratio stud. 1586, MGP V, S. 155–160). Vgl. Müller 1991, S. 393; Oblinger 1991, S. 480; Schlederer 1991, S. 539– 540; Barner ²1970, S. 333–335; Duhr 1907, S. 252 Anm. 5 sowie S. 256 und 669. 143 Ratio stud. 1599, MGP V, S. 352–354, 382 und 432. Vgl. Barner ²1970, S. 333–335. 144 Vgl. Ludwig 2006, S. 293.
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erwähnt Álvarez sie, wohingegen Micyllus diese Lösung aufführt.¹⁴⁵ Für den lateinischen jambischen Trimeter ist das elementum breve im zweiten, vierten und sechsten Versfuß unvermeidlich. In der Regel hält sich Drexel auch an diese Vorgabe. Es ist jedoch zu beobachten, dass er sich hin und wieder die Freiheit nimmt, dieses elementum breve mit einer Länge, wie eigentlich nur im jambischen Senar der römischen Komödie zulässig, zu besetzen.¹⁴⁶ Was die Häufigkeit der Anwendung dieser Lizenz anbelangt, muss eine Zweiteilung des Dramas vorgenommen werden. Während der Senar in den ersten vier Akten lediglich sehr vereinzelt, meist wohl aus Nachlässigkeit, die sicherlich daraus resultiert, dass das Stück für eine konkrete mündliche Aufführung und nicht für eine Drucklegung verfasst wurde, vorkommen, schnellt seine Anzahl im fünften Akt sowie in den ebenfalls in der zweiten Arbeitsphase (D²) verfassten Argumenta und Agnostoprologi explosionsartig nach oben.¹⁴⁷ Im letzten Akt stellen jambische Senare in fast allen Szenen die Mehrheit der Verse dar. Aufgrund des Inhalts ist von einem bewussten Schwenk vom ‚ernsten‘ Metrum der Tragödie (Trimeter) zum ‚heiteren‘ der römischen Komödie (Senar) nicht auszugehen. Die plausibelste Erklärung dieses Befundes liegt wohl in Drexels schlechtem Gesundheitszustand begründet, der sich im Laufe des Abfassungsjahres 1606 wie zuvor gezeigt¹⁴⁸ rapide verschlechterte. Unter seinem Unwohlsein einerseits und dem vermutlich vorhandenen Wunsch andererseits, den Iulianus dennoch möglichst schnell zu einem Ende zu bringen, scheinen auch seine Konzentration, Genauigkeit und Akribie beim Abfassen der Verse des Schlussaktes erheblich gelitten zu haben.¹⁴⁹ Diese These lässt sich u.a. dadurch stützen, dass Verse, die der zweiten Arbeitsphase (D²), während der Drexel gesundheitlich immer noch angeschlagen war, zugeordnet werden können und nachträglich in den metrisch ‚korrekteren‘ Teil eingefügt wurden, (bes. Iul. 1764– 1767) ebenfalls Senare darstellen.
145 De re metrica I, fol. 32r –32v . 146 Vgl. Zgoll 2013, S. 114–118; Boldrini 1999, S. 102–106. Weit seltener greift Drexel mehr oder weniger unbewusst auf die Möglichkeit zurück, das elementum breve durch eine Doppelkürze zu belegen, was eigentlich nur im Trimeter der griechischen Tragödie erlaubt ist (vgl. Korzeniewski 1968, S. 53–59). Da diese Variante aber vermutlich als reiner Flüchtigkeitsfehler zu bewerten und weit weniger häufig vorzufinden ist als im Falle des Senars, wurde darauf verzichtet, im Apparat auf die entsprechenden Verse hinzuweisen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende: V. 8, 11, 101, 116, 312, 362, 665, 1806, 1932, 2000, 2009, 2020, 2067, 2074, 2093, 2098, 2178, 2186, 2193, 2210, 2252, 2323, 2335, 2387, 2409, 2497, 2507, 2527, 2531, 2543, 2637, 2664, 2703, 2707, 2709. 147 Dieselbe Beobachtung lässt sich auch im Falle der Trimetri Graeci machen (vgl. Anm. 146). 148 Siehe S. 37–39. 149 Voraussetzung für diese Annahme ist freilich eine weitgehend lineare Abfassung des Dramas, was vor dem Hintergrund des hohen Zeitdrucks, der in der Regel auf den Patres lastete, nicht unwahrscheinlich ist. Vgl. S. 174 mit Anm. 32.
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Eine weitere Besonderheit stellen die Quinarii und Septenarii dar, also jambische Verse, die einen Versfuß weniger bzw. mehr als der sechsfüßige Trimeter bzw. Senar aufweisen. Diese verteilen sich jedoch mehr oder weniger gleichmäßig über das gesamte Drama, auch wenn ebenfalls eine leichte Zunahme zum Ende des Dramas hin festgestellt werden kann.¹⁵⁰ Diese Ausnahmen sind höchstwahrscheinlich als einfache Zählfehler zu begreifen, die aus dem nicht unerheblichen zeitlichen Druck resultieren, der auf dem Dramenautor lastete.¹⁵¹ Zusammengenommen ergibt sich im Hinblick auf die Metrik des Iulianus dasselbe Bild, das bereits von Barbara Bauer und Jürgen Leonhardt am Beispiel des Triumphus Divi Michaelis¹⁵² für das frühneuzeitliche Drama insgesamt konstatiert wurde und das dessen Charakter der ‚Mischform‘ noch einmal aus einer anderen Perspektive herausstellt. Auch der Iulianus befindet sich aufgrund seiner Durchmischung von jambischem Trimeter und Senar metrisch zwischen Tragödie und Komödie. Metrische Besonderheiten: Die Jambenkürzung Ein Punkt, der weniger den Dramenautoren als vielmehr den Metriktheoretikern des sechzehnten Jahrhunderts Kopfzerbrechen bescherte, ist die Tatsache, dass für eine exakte metrische Analyse der Texte von Plautus und Terenz einige Besonderheiten des Versbaus zu dieser Zeit nicht (mehr) bekannt waren. Dazu zählt v.a. das sogenannte ‚Jambenkürzungsgesetz‘, das man erst im neunzehnten Jahrhundert begriff. Es besagt, dass in einer jambischen Silbenfolge, bei der die natürliche Betonung auf der Kürze liegt, die folgende Länge gekürzt werden kann. Dieses Phänomen tritt fast ausschließlich in der römischen Komödie auf. Lediglich in den besonders häufigen Fällen, nämlich bei zweisilbigen jambischen Wörtern wie den Personalpronomina im Dativ mih¯˘i, tib¯˘i und sib¯˘i sowie bei den Imperativen cave¯˘ und vide¯˘ ist es auch noch in der klassischen Dichtung zu finden. Die frühneuzeitlichen Dramendichter, so auch Drexel, übernahmen bei den entsprechenden Wörtern einfach die Handhabung von Plautus und Terenz sowie die angesprochenen Ausnahmen bei klassischen Dichtern und verwendeten sie bald mit kurzer, bald mit langer Endsilbe. Die zeitgenössischen Metriktheoretiker wussten sich nur damit zu helfen, dass sie für die angesprochenen Fälle eine Ausnahmeregelung formulierten. Micyllus und Álvarez zählen die zweisilbigen jambischen
150 Quinarii: Iul. 9, 888, 906, 1310, 1611, 2058, 2306, 2437, 2711. Septenarii: Iul. 12, 209, 402, 1186, 1456, 1474, 1665, 2110, 2392, 2640, 2710. 151 Vgl. Bauer/Leonhardt 2000, S. 102–104. Zur hohen Arbeitsbelastung der jesuitischen Dramenautoren siehe S. 174 mit Anm. 32. 152 Vgl. Bauer/Leonhardt 2000, S. 103.
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Wörter wie mihi, tibi, sibi, ubi, ibi und nisi sowie die Imperative cave und vide zu den Sonderfällen der natürlichen Endsilbenquantitäten.¹⁵³ Häufig wird die Jambenkürzung in römischen Komödien auch bei zweisilbigen jambischen Wörtern mit einem auslautendem -o (z.B. malo¯˘, rogo¯˘, ego¯˘, duo¯˘) angewandt.¹⁵⁴ Später, in etwa zur Zeit Senecas, wurde dieses Phänomen immer lockerer gehandhabt und auch auf nicht jambische Wörter übertragen. So konnte beispielsweise auch die Ablativendung eines Gerundiums kurz bemessen werden. Spätantike Grammatiker behaupten sogar, dass ein auslautendes -o mit Ausnahme des Dativs und Ablativs sowie in Monosyllaba immer kurz sei.¹⁵⁵ Aufgrund dieses Durcheinanders ist es kaum verwunderlich, dass Metriktheorien der frühen Neuzeit bei auslautendem -o generell von einer ‚anceps-Situation‘ ausgehen.¹⁵⁶ Entsprechend handhabt dies auch Drexel, was das folgende Beispiel, bei dem dasselbe Wort (ero) in unmittelbar aufeinanderfolgenden Versen unterschiedlich bemessen wird: Vester, Camoenae, vester ego fui cliens Paene antequam esse posse; erōque quamdiu mortalis erŏ. vestris amicum fontibus¹⁵⁷
Die Prosapartien im Iulianus Drexel verfasst den ersten Botenbericht (II,2, Iul. 627) entgegen der antiken Tradition prosaisch, steht darin aber im Einklang mit der zeitgenössischen Praxis.¹⁵⁸ Des Weiteren ist Julians Akklamation zum Kaiser durch das Heer (Iul. 748–758) prosaisch verfasst. Ob dahinter ein bewusstes Vorgehen steckt, um den derben und ungebildeten Charakter der Soldaten zum Ausdruck zu bringen, muss Spekulation bleiben, ist aber, betrachtet man vergleichbare Vorgehen in zeitgenössischen
153 Micyll. De re metrica III, fol. 569v –570r ; Álvarez Inst. gramm. III, fol. 21r –21v . Ähnlich in Melanchthons De prosodia (CR 20, Sp. 383). 154 Siehe hierzu und zum Folgenden v.a. Stephens 1986. 155 Char. gramm. I, S. 16,5–27; Diom. gramm. I, S. 435,22–436,8. Vgl. Zgoll 2013, S. 50–52; Boldrini, S. 39–46; Stephens 1986, S. 236–238; Sommer/Pfister ⁴1977, S. 104–106 und 119; Lindsay 1894, S. 207–215. 156 Bei Micyllus ist dies sogar die allererste Bemerkung im Unterkapitel ‚O in fine‘: O, in fine anceps est, De re metrica III, fol. 571r . Vgl. Álvarez Inst. gramm. III, fol. 21v . Ähnlich in Melanchthons De prosodia (CR 20, Sp. 383). 157 Iul. 91–93. 158 Vgl. Comm. ad 627.
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Dramen,¹⁵⁹ durchaus im Rahmen des Möglichen.¹⁶⁰ Auch die Anrufung Apollos (IV,6, Iul. 1832) ist in Prosa verfasst. Diese Vorgehensweise war vermutlich durch das allzu sperrige Wortmaterial bedingt, das aus den zahlreichen aufgezählten Beinamen des Gottes resultiert.
159 Im Triumphus Divi Michaelis wird beispielsweise für den Soldatenchor der anapästische Dimeter verwendet (V. 749–751), was zwar den typischen Marschrhythmus der antiken Tragödie darstellt, sich aber dennoch stark von den umliegenden Versen abhebt und somit einen eigenen klanglichen Charakter generiert. Vgl. Bauer/Leonhardt 2000, S. 336. 160 Siehe Comm. ad 748–758.
5 Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus Der anonyme Herausgeber von Jakob Bidermanns Ludi theatrales von 1666 sieht sich an einer Stelle seiner Praemonitio ad lectorem dazu genötigt, den Autor der abgedruckten Dramen gegen den möglicherweise aufkommenden Vorwurf zu verteidigen, man finde in einem von Bidermanns Dramen bestimmte Passagen wörtlich wiederholt, die man bereits in anderen Stücken von ihm gelesen habe. Ein solcher „aufgewärmter Kohl“ (crambe saepius cocta)¹ sei zwar in Bidermanns Stücken nicht zu leugnen, dürfe dem Autoren aber insofern nicht zum Vorwurf gemacht werden, als es sich schließlich um sein eigenes (geistiges) Eigentum handle. Insbesondere bei der Abfassung des Iosaphatus sei er zu solcher Eile gedrängt worden, dass er „seine Zuflucht zu seinen Schubladen nahm, alle Aufbewahrungsorte seiner Papiere durchstöberte und, falls er etwas fand, was für sein Vorhaben taugte, dies ohne zu zögern in sein geplantes Stück einbaute“.² Da er somit keinen Diebstahl begangen habe, was nur bei fremdem Eigentum der Fall wäre, habe Bidermann niemandem ein Unrecht getan.³ Schon zuvor hat der Editor betont, dass Bidermann in keiner Weise ein „Plagiat“ (plagij crimen) begangen habe, da dies nur „für den zutrifft, der Dinge, die ihm nicht gehören, als die seinen verwendet“.⁴ Ganz anders verhält sich dies jedoch im Falle von Drexels Iulianus. Denn im Gegensatz zu Bidermann machte dieser sich (nicht zuletzt gemäß dem exemplarisch angeführten zeitgenössischen Verständnis) tatsächlich des Diebstahls an fremdem geistigem Eigentum schuldig. Auf Grundlage der bisher diagnostizierten Entsprechungen, die freilich in keiner Weise einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, stellt im Iulianus statistisch etwa jeder vierzehnte bis fünfzehnte Vers, den Drexel verfasste, ein Plagiat (im weitesten Sinne) dar. Drexel ‚stahl‘ v.a. Verse aus Marc-Antoine Murets Iulius Caesar (Erstaufführung: Bordeaux 1547), Francisco Bencis Ergastus (Erstaufführung: Rom 1587) und Bernardino Stefonios Crispus (Erstaufführung: Rom 1597). Hinzu kommen noch wörtliche Übernahmen aus der
1 Praemonitio ad lectorem fol. ++2v . Das hier verwendete Sprichwort stammt ursprünglich vom römischen Satiriker Juvenal: Occidit miseros crambe repetita magistros. Iuv. 7,154. Vgl. Erasm. Adag. 438. 2 Ibi cum omnia fierent per summam festinationem, mirum non est, Choragum prementibus angustijs temporis [sc. pauculis diebus] ad sua scrinia confugisse, omnibusque forulis excussis, si quid reperisset, quod usui esset ad eam rem, quam parabat, confidenter accommodasse propositae Actioni. Praemonitio ad Lectorem fol. ++3v . Übersetzung: Rädle 1992, S. 1157. 3 Quod dum fecit, neque injurius cuiquam fuit, neque furtum ullum commisit, cum nequeat id fieri, nisi in alieno. Praemonitio ad Lectorem fol. ++3v . 4 Et multo minus plagij crimen comisissi [dici potest], quod locum non habet, nisi in eo, qui non sua usurpat pro suis. Praemonitio ad Lectorem fol. ++3v . Übersetzung: Rädle 1992, S. 1155 und 1157. https://doi.org/10.1515/9783110593730-005
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erstmals 1565/6 erschienenen Paraphrasis psalmorum Davidis poetica des schottischen Humanisten George Buchanan.⁵ Im Gegensatz zu den mehr oder weniger wörtlichen Anspielungen zum Cenodoxus, die sich im Iulianus finden und die in dieser Hinsicht schon an anderer Stelle breit behandelt wurden (vgl. v.a. Abschnitt 3.3.3), werden die Entnahmen aus Muret, Benci, Stefonio und Buchanan jedoch nicht systematisch in die dramatische Entwicklung des Iulianus integriert. Obwohl auch Plagiate eine Form der Intertextualität darstellen,⁶ kommt ihnen innerhalb des Iulianus keine durchdachte Funktionalisierung zu. Den Schlüssel zum Verständnis dieses auffallenden Befundes liefern die aufgezählten Textvorlagen selbst. Was alle vier genannten Texte, aus denen sich Drexel bediente, vereint, ist die Tatsache, dass sie zur Abfassungszeit des Iulianus bereits in gedruckter Form zugänglich waren und eine entsprechend weite Verbreitung gefunden haben. Bei Bencis Ergastus und Stefonios Crispus handelt es sich um zwei der äußerst seltenen Ausnahmen einer Drucklegung eines Jesuitendramas im sechzehnten Jahrhundert.⁷ Die Jesuitenkollegien der niederrheinischen und oberdeutschen Ordensprovinz griffen in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens z.T. recht häufig auf ‚Importe‘ von bewährten Stücken insbesondere aus Italien und den Niederlanden zurück. Die hohe Mobilität der Jesuitenpatres
5 Iulius Caesar: Iul. 687–691; 845–849; 2474–2475; 2512–2513; 2515–2520; 2541–2542; 2544–2545; 2554–2557; 2562–2565; 2574–2575. Ergastus: Iul. 159–160; 300–303; 1280–1281; 1871–1872; 2275– 2277; 2581–2583; 2592–2598; 2601–2605; 2621. Crispus: Iul. 500–504; 510; 635–638; 706–712; 911– 912; 1057–1059; 1249–1252; 1284–1303; 1376–1382; 1756–1762; 1810–1812; 1976–1983; 2099–2107; 2478–2482; 2484–2493; 2497–2503; 2538–2539; 2659–2660. Paraphrasis psalmorum Davidis poetica: Iul. 1543–1544; 1547–1552; 2560–2561; 2566–2569. – Auf Buchanans Paraphrasis psalmorum griff in umfassendem Maße auch Jakob Gretser in seinem Drama Augustinus Conversus, v.a. in Gebeten, die er seinen Protagonisten in den Mund legte, wörtlich zurück: Grets. Aug. Conv. 915–916 = Buchan. Ps 45,1–2; Aug. Conv. 1010–1015 = Buchan. Ps 3,1–6; Aug. Conv. 1016–1021 = Buchan. Ps 20,1–8; Aug. Conv. 1410–1413 = Buchan. Ps 55,13–16; Aug. Conv. 1435–1446 = Buchan. Ps 27,1– 16; Aug. Conv. 1447–1454 = Buchan. Ps 6,5–12; Aug. Conv. 1595–1602 = Buchan. Ps 103,5–12; Aug. Conv. 1612–1618 = Buchan. Ps 147,1–12. 6 Im Sinne Gerard Genettes (1993, S. 10), der zu den drei Formen der Intertextualität als „effektive Präsenz eines Textes in einem anderen Text“ das „Zitat“ (deklarierte wörtliche Übernahme), das „Plagiat“ (nicht deklarierte wörtliche Übernahme) und die „Anspielung“ (nicht deklarierte, weniger wörtliche Übernahme) zählt. 7 Dazu zählen neben den genannten v.a. drei Dramen von Jakob Pontanus (Immolatio Isaac, Stratocles, Eleazarus Machabaeus), die einzigen während der ersten hundert Jahre des Bestehens des Jesuitentheaters im Reich im Druck erschienenen Bühnenstücke (Editionen erfolgten 1594, 1597 und 1600; Nummern im VD16: S 8137–8139). Dass diese den Weg in eine gedruckte Edition gefunden haben, liegt sicherlich maßgeblich darin begründet, dass Pontanus sie seinem Poetiklehrbuch gewissermaßen als Musterbeispiele angehängt hat. Die Drucklegung von Bidermanns Bühnenstücken im Jahre 1666 ist wohl v.a. der überaus hohen Beliebtheit derselben geschuldet. Vgl. Rädle 1988, S. 137 mit Anm. 12.
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und die guten Kontakte untereinander beförderten den Austausch. Stücke wie der 1555 im Wiener Kolleg aufgeführte Euripus des Franziskaners Levin Brecht (1502/3–1560), das erste Drama, das überhaupt auf einer Jesuitenbühne dargeboten wurde, sowie die Stücke des niederländischen Humanisten Georg Macropedius (1475/1487–1558) belegen exemplarisch, dass man sich von Seiten der Jesuiten zunächst nicht daran störte, sich auch Textvorlagen zu bedienen, die nicht aus dem eigenen Orden stammten.⁸ Daneben sind aber auch mehrere Schreiben an die römische Ordenszentrale mit der Bitte um die Zusendung von (jesuitischen) Dramentexten⁹ sowie Handschriften der gelieferten Stücke erhalten, darunter u.a. Dramen von Francisco Benci (1542–1594).¹⁰ Seiner Erstaufführung in Rom 1587 folgte eine weitere Darbietung des Ergastus 1590 in Dillingen. Bereits ein Jahr zuvor und erneut 1593 wurde ein weiteres Drama Bencis, der Philotimus, ebendort aufgeführt, neun Jahre später sein Baal eversus.¹¹ Fidel Rädle hat in diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass gerade Dillingen, just der Ort, an dem wie gezeigt (siehe Abschnitt 2.3) der Iulianus entstanden ist, das „Zentrum der Benci-Rezeption in Bayern“ gewesen sei, eine Entwicklung, die maßgeblich mit der Person Jakob Pontanus’ zusammenhänge, der dort viele Jahre lang als
8 Vgl. Rädle 1985, S. 303; Valentin 1980, S. 240; Duhr 1907, S. 351. Brechts Euripus wurde außerdem 1559 in Ingolstadt sowie 1560 in München und Prag aufgeführt (vgl. Valentin 1983/4, Nr. 1, 7, 12 und 13; ediert mit der deutschen Übersetzung von Cleophas Diestelmayer von Rädle 1979, S. 1–293). Von Macropedius gelangten u.a. folgende Stücke in die oberdeutsche Ordensprovinz: Hecastus, Wien 1557 und Innsbruck 1564 (Valentin 1983/4, Nr. 3 und 32); Lazarus, Ingolstadt 1559 (Valentin 1983/4, Nr. 5); Petriscus, Wien 1568 (Valentin 1983/4, Nr. 67). 9 Beispielsweise wandte sich Paulus Hoffaeus, der Rektor des Münchener Kollegiums, in einem Schreiben vom 19. September 1574 an Rom mit der Bitte, ihm ein Stück über Konstantin den Großen zukommen zu lassen. Bereits 1556 ging eine ähnliche Anfrage vom Kölner Kollegium aus. Vgl. Duhr 1907, S. 351–353. 10 Bencis Dramen Hercules in bivio und Baal eversus sind im Gegensatz zu seinem Ergastus und Philotimus nur handschriftlich überliefert. Exemplare von Abschriften, die ins Reich gesendet worden waren, befinden sich heute in Dillingen und München (Baal: Dillingen, Studienbibliothek, cod. XV 219, S. 385–459; cod. XV 228, fol. 3r –42v ; clm 531, fol. 1r –49r ; München, Universitätsbibliothek, Cod. ms. 521, fol. 116r –152v . Hercules: clm 611, fol. 1r –59v ; clm 2202, fol. 525r –588r ). Daneben zählen noch Dramen eines weiteren wichtigen italienischen Autors aus den Reihen der Societas Iesu, Stefano Tucci (1540–1597), dazu. Sein Christus Iudex wurde 1569 in Messina erstmals aufgeführt. Abschriften wurden früh nach Portugal gesandt, wo sie auch zur Aufführung kamen. Diesen Dramentext sandte die römische Ordenszentrale auch als Antwort auf die erwähnte Anfrage von Hoffaeus (vgl. Anm. 9.). Aufführungen sind für Graz (1589; Valentin 1983/4, Nr.282) und Olmütz (1603; Valentin 1983/4, Nr. 515) belegt. Die erste Druckfassung des Christus Iudex datiert ins Jahr 1641. Vgl. Rädle 1985, S. 303–307. 11 Zu den Dillinger Aufführungen des Philotimus siehe Valentin 1983/4, Nr. 279 und 332; weitere Darbietungen in Luzern (1592, Valentin 1983/4, Nr. 322) und München (1601, Valentin 1983/4, Nr. 465). Zur Aufführung des Baal eversus in Dillingen siehe Valentin 1983/4, Nr. 407.
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Lehrer tätig war und mit Benci persönlich befreundet war.¹² Bencis Ergastus erschien erstmals 1590 angehängt an zahlreiche Gedichte, Reden und Briefe sowie zusammen mit einem weiteren Drama (Philotimus) im Druck und konnte somit eine noch weitere Verbreitung finden, als dies durch die sich bis dahin im Umlauf befindlichen handschriftlichen Kopien möglich war.¹³ Eine zweite, erweiterte Auflage folgte 1595 in Ingolstadt.¹⁴ Die Editio princeps des anderen genannten Jesuitendramas, des Crispus aus der Feder Bernardino Stefonios (1560–1620), datiert ins Jahr 1601,¹⁵ angeblich um, so zumindest die eigene Rechtfertigung des Autors, der überaus schlechten Qualität der zirkulierenden Abschriften seines Manuskripts Einhalt zu gebieten und somit seinen Ruf nicht weiter beschädigen zu lassen.¹⁶ Das Stück, eine christianisierte und auf einen historischen Kontext übertragene Version von Senecas Phaedra, erzählt vom tragischen Aufstieg und Fall des ältesten Konstantinsohnes aus erster Ehe, Crispus, dessen Verderben durch eine Intrige seiner Stiefmutter Fausta herbeigeführt wird. Für den deutschen Sprachraum ist bisher allerdings nur eine einzige Aufführung (Paderborn 1612) belegt.¹⁷ Der erstmals 1547 in Bordeaux aufgeführte Iulius Caesar von Bencis Lehrer Marc-Antoine Muret (1526–1585) behandelt die Ermordung des Diktators an den Iden des März 44 v.Chr. und wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits 1549 zum ersten Mal ediert.¹⁸ Zu einer Aufführung in einem Jesuitenkolleg, zumindest im deutschen Sprachraum, kam es nach heutigem Kenntnisstand nicht, was vermutlich v.a. daran lag, dass Murets Iulius Caesar nicht die Erfordernisse der jesuitischen Dramenpraxis nach einer ausgeprägten Moraldidaxe zu erfüllen schien.
12 Rädle 1985, S. 306. 13 Francisci Bencii e Societate Iesu carminum et Poematum libri quatuor; eiusdem Ergastus et Philotimus dramata. Rom 1590. Vgl. Rädle 1985, S. 305. 14 Nummer im VD16: ZV 22177. 15 Crispus Tragoedia Bernardini Stephonii sabini presbyteri e Societate Iesu Romae apud Carolum Vulliettum 1601. Für weitere jüngere Editionen siehe Torino (2007/8, S. 501). Moderne Edition mit italienischer Übersetzung: Torino 2007/8. Zu Stefonio, seinem Crispus und dem frühen italienischen Jesuitendrama im Allgemeinen siehe ferner: Chevalier 2013; Oldani/Yanitelli 1999. 16 So im Vorwort zur Editio princeps an die Gefährten der Marianischen Kongregation von Neapel, fol. A4v –A5r . Vgl. Torino 2007/8, S. 498. 17 Valentin 1983/4, Nr. 681. 18 Vgl. Hagmaier 2006, S. 5–7. Das älteste heute noch vorhandene Druckexemplar stammt jedoch erst aus dem Jahr 1552: M.A. Mureti Iuvenilia. Paris 1552, S. 17–40. Moderne Edition mit deutscher Übersetzung und Kommentar von Hagmaier 2006. Die einzige im deutschen Sprachraum erschienene Edition des sechzehnten Jahrhunderts wurde 1591 in Rostock gedruckt (Nummer im VD16: M 6860).
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Der schottische Humanist George Buchanan (1506–1582) verfasste seine im Jahr 1565/6 erstmals erschienene Paraphrasis psalmorum Davidis poetica während seines Arrests im Kloster von São Bento in Lissabon (1551/2).¹⁹ Nachdem er zuvor in zwei satirischen Abhandlungen heftige Kritik am Franziskanerorden und am monastischen Leben im Allgemeinen geübt hatte,²⁰ dafür später wegen Häresie verhaftet worden war, letztlich aber nach Frankreich fliehen konnte, arbeitete Buchanan in Bordeaux und Paris als Lehrer. Während dieser Zeit knüpfte er Freundschaft mit Julius Caesar Scaliger und Marc-Antoine Muret und unterrichtete u.a. Michel de Montaigne. Nachdem er einem Ruf an die Universität von Coimbra gefolgt war, wurde er dort von der Inquisition gefasst und zum Widerruf sowie zu besagtem Hausarrest für sieben Monate verurteilt. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich sympathisierte er mit dem Calvinismus. Seit 1562, mittlerweile Lehrer der katholischen und noch jungen Maria Stuart, ging er offen zum Protestantismus über.²¹ Buchanans Psalmnachdichtungen, derer sich Drexel ebenfalls wörtlich bediente, erfreuten sich zeitgenössisch in Schottland, England, den Niederlanden und Portugal großer Beliebtheit. Auch im deutschen Sprachraum waren sie weit verbreitet und hielten in dortigen Bildungseinrichtungen Einzug.²² Neben den spirituell-religiösen Inhalten wurden sie besonders für die Schulung sprachlicher, metrischer und rhetorischer Fähigkeiten geschätzt.²³ Wendet man den Blick auf den Inhalt der Plagiate im Iulianus, wird die Motivation seines Autors, auf diese zurückzugreifen, deutlich. Denn es handelt sich bei ihnen um Passagen mit weitgehend unspezifischen und allgemeinen Inhalten, die mit ein paar wenigen möglicherweise erforderlichen Modifikationen von beispielsweise Eigennamen oder Ortsbezeichnungen und kurzen Auslassungen bzw. Ergänzungen in fast jedem beliebigen stofflichen Kontext als freie Versatzstücke
19 Moderne Edition mit englischer Übersetzung und Kommentar von Green 2011. Siehe auch MacFarlane 1981, S. 247–286. 20 Franciscanus et fratres, verfasst 1535/8; Somnium, verfasst 1535. 21 Zur Biographie Buchanans siehe: Green 2011, S. 16–26; McFarlane 1981. 22 Drucke im deutschen Sprachraum im sechzehnten Jahrhundert: Straßburg 1566 (Nummer im VD16: ZV 1627), 1568 (B 3125), 1572 (B 3126), 1575 (B 3233), 1578 (B 3240) und 1582 (B 3248); Köln 1586 (ZV 30282); Herborn 1588 (B 3253), 1590 (ZV 1722), 1592 (ZV 1724), 1595 (B 3259) und 1600 (B 3266); Leipzig 1595 (B 3260) und 1597 (ZV 1730); Siegen 1597 (ZV 1733). – Ähnliche lyrische Psalmnachdichtungen verfassten Eobanus Hessus, Jakob Mycillus und Philipp Melanchthon. Siehe dazu: Psalmi omnium selectissimi adictis conscientijs, ac Deum invocantibus, non vulgariter utiles Latino carmine redditi per Doctissimos viros […] D. Hermannum Novae Aquilae comitem, Philippum Melanchthonem, Helium Eobanum Hessum, Iacobum Micyllum, Vincentium Obsopoeum, Petrum Pherntorphium. Hagenau 1532. 23 Vgl. Green 2011, S. 18 und 86–87.
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eingesetzt werden können.²⁴ Zur Illustration sollen zwei repräsentative Beispiele dienen. Zum einen sei eine Passage aus III,2 zitiert, in der Drexel seiner Figur Jamblichus vier Adynata zur Veranschaulichung seiner Ansicht in den Mund legt, die wörtlich Stefonios Crispus entnommen sind: Max.: Virum puta, qui coepta constantissime Urgeat. Iambl.: ab ortu Zephyrus afflabit prius, Nabatheus Eurus divitem invadet Tagum, Albim Canopus, Sarmatae Nilum bibent Quam Iulianus vota nostra deserat.²⁵
Zum anderen sei auf den Beginn des Botenberichts von Julians Tod bzw. den schmähenden Jubel der Christen anlässlich dieses Ereignisses in V,9 hingewiesen. Diese Abschnitte hat Drexel Murets Iulius Caesar entnommen und gibt dabei in einer leicht modifizierten und an den vorhandenen Kontext angepassten Form die Worte des Brutus nach der Ermordung Caesars wieder (Modifikationen sind hervorgehoben): Nuntius: Spirate Christiani : Iulianus est Occisus, ille ille terror orbis maximus […] Euseb.: Cecidit Dei hostis . Alban.: innocentum carnifex, Phil.: Legum ruina. Pig.: Publici iuris lues Cuius saevitiam nuper et libidines Agnovit orbis totus et perpessus est: In orbe merito quem oppresserat oppressus est .²⁶ Bru.: Spirate cives : Caesar interfectus est . Ille, ille Caesar, patriae terror suae, Hostis senatus , innocentum carnifex, Legumruina, publici iuris lues, Cuius rapinas nuper et libidines Agnovit orbis totus et perpessus est, In curia, quam oppresserat, oppressus iacet .²⁷ Die Beobachtung, dass die wörtlichen Entlehnungen aus anderen Dramen im Iulianus einen unspezifischen Inhalt aufweisen und somit überaus flexibel ein24 Dass solche scheinbar einfach zu bewerkstelligende Modifikationen z.T. größere Probleme bereiteten und den Sinn der Vorlage in schwerwiegenderem Maße verfälschten, als sich der Autor möglicherweise bewusst war, beweist Iul. 2502–2503. Siehe dazu den Comm. ad locum. 25 Iul. 1056–1060. Die kursiv gedruckten Passagen entsprechen Bern. Stef. Crispus II,457–459. 26 Iul. 2474–2475 bzw. 2515–2519. 27 Muretus Julius Caesar 438–444.
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setzbar sind, deutet zusammen mit der zuvor skizzierten weitgehend einfachen Zugänglichkeit, die gedruckte Texte mit sich bringen, darauf hin, dass hinter Drexels Plagiaten v.a. ein arbeitsökonomischer Vorgang zu sehen ist. Diese Behauptung lässt sich durch zwei weitere Aspekte untermauern. Erstens handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle nicht um einzelne Verse oder kurze Wendungen, die kopiert wurden, sondern um kleinere zusammenhängende Sinneinheiten über meist mehrere Verse, die weitgehend unverändert en bloc übernommen werden konnten und somit eine größere Zeitersparnis beim Schreiben einbrachten. Umgekehrt ist im Falle der mehr oder weniger wörtlichen Übernahmen aus den Oden des Horaz und den Epistulae morales sowie den Dramen Senecas dagegen kaum von einem arbeitsökonomischen Motiv auszugehen. Dafür wäre der zeitliche Aufwand, den eine metrische Umwandlung bzw. Umsetzung der Textvorlagen mit sich brachte, zu groß gewesen. Drexels Hauptaugenmerk lag in diesen Fällen dagegen vielmehr auf der intertextuellen Bedeutungsebene, für die er sogar einen höheren Arbeitsaufwand in Kauf nahm. Hinsichtlich der Anlehnungen an bzw. Übernahmen aus Horaz ist es aber auch gut möglich, dass die entsprechenden Verse aus einer konkreten Schulübung stammen. Denn das Curriculum der Jesuitengymnasien schrieb für die Rhetorikklasse vor, dass die Schüler lernen sollen, einen poetischen Text von einem Metrum in ein anderes umzudichten, wozu sich nicht zuletzt die Oden des Horaz eigneten.²⁸ Trifft diese Annahme zu, hätten auch die ‚Horaz-Plagiate‘ für Drexel eine gewisse Zeitersparnis bedeutet, da er bereits angefertige Schulaufgaben in das Drama integrieren konnte. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Dichte der Plagiate im Laufe des Dramas immer weiter zunimmt. Ungefähr die Hälfte aller plagiierten Verse findet sich im fünften Akt.²⁹ Dessen Höhepunkt bildet Szene V,9, in der circa zwei von fünf Versen nicht von Drexel selbst stammen. Diese Entwicklung verläuft parallel zur bereits erwähnten metrischen Ungenauigkeit, die im Laufe des Iulianus in derselben Weise zunimmt und ebenfalls im fünften Akt gipfelt. Bringt man diese beiden Entwicklungen mit den gesundheitlichen Beschwerden in Verbindung, die Drexel während der Entstehungszeit des Iulianus aufwies,³⁰ wird deutlich, dass der Autor zuletzt wohl maßgeblich durch äußere, gesundheitliche Umstände (analog zur Zeitnot, unter der Bidermann beim Verfassen des Iosaphatus litt) zu diesem Vorgehen gezwungen wurde. Im Gegensatz zu Bidermann machte sich Drexel jedoch – dies sei an dieser Stelle nochmals betont – auch nach zeitgenössischen Maßstäben des Diebstahls an fremdem geistigem Eigentum schuldig.
28 Vgl. Ratio stud. 1599, MGP V, S. 418–419. 29 Vgl. Anm. 5. 30 Siehe Abschnitt 2.3.
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Plagiatores Christi? Das Vorhandensein von einer nicht marginalen Anzahl von plagiierten Versen im Iulianus verbunden mit der Tatsache, dass dieses Vorgehen zeitgenössisch generell als Problem empfunden wurde, was aus der Praemonitio ad lectorem zu Bidermanns Ludi theatrales herausgelesen werden kann, wirft abschließend die Frage auf, ob sich hinter dieser Konstellation möglicherweise nicht ein weiteres, zumindest sekundäres Motiv verbirgt, das die Jesuiten dazu veranlasste, ihre Dramen in aller Regel nicht in gedruckter Form zu publizieren und somit nicht für eine weite Verbreitung zu sorgen. Als primäre Faktoren, die die Drucklegung von jesuitischen Dramen verhinderten, sind sicherlich erstens die demonstrativ ablehnende Haltung der patres gegenüber der Eitelkeit irdischen Ruhms, der daraus erwüchse, zweitens der von der Forschung zurecht betonte und tief im pädagogischdidaktischen Verständnis der Societas Iesu insgesamt verwurzelte Primat des sinnenhaften Erlebens einer mündlichen Inszenierung³¹ sowie drittens die oftmals gegebene lokale Situations- und Kontextgebundenheit der einzelnen Dramentexte zu sehen. Es ist gleichzeitig und dadurch bedingt aber auch davon auszugehen, dass mancher Dramenautor aus den Reihen der Societas Iesu im Bewusstsein, dass sein abzufassendes Bühnenstück sowieso nicht im Druck erscheinen werde, es beim Schreiben hin und wieder an der notwendigen Akribie fehlen ließ und bestrebt war, den überaus hohen Arbeitsaufwand in Grenzen zu halten. Angesichts des enormen Zeitdrucks, der auf den Rhetorik- und Poetiklehrern der Kollegien insofern lastete, als sie für mehrere feste Termine im Schuljahr³² einen genuinen, bald längeren, bald kürzeren Dramentext verfassen und inszenierten mussten,³³ kann
31 Siehe v.a. Rädle 1988, S. 136–142. Vgl. dazu Abele 2015, S. 74–78; Metz 2013, S. 766–769; Wolf 2000, S. 175; Wimmer 1982, S. 20; Hess 1978, S. 48. – Der italienische Jesuit Nicolaus von Avancini (1611–1686) weist im Vorwort der Druckfassung seiner Poesis Dramatica darauf hin, dass das, was auf der Bühne dargeboten werde, lebendig und beseelt sei; was man aber nur lese, sei nichts als nackte Knochen und ein Leichnam. Daher missbillige man oftmals die Schriften von denjenigen, denen man mit Bewunderung zugehört habe, in derselben Weise, wie man sich von den Leichnamen der Menschen abwende, zu denen man zuvor aufsah: Nempe quae in scena aguntur, viva sunt et animata; quae leguntur, mera ossa et cadavera. Hinc quemadmodum aversamur cadavera eorum, quos suspeximus; saepe damnamus scripta eorum, quos cum admiratione audivimus. Poesis Dramatica Nicolai Avancini e Societate Iesu, Pars I. Köln 1674, ad Lectorem. 32 Jean-Marie Valentin (1980, S. 241 und erneut 1983/4 I, S. XVI) geht davon aus, dass in der Hochphase der jesuitischen Dramenpraxis in den deutschen und österreichischen Ordensprovinzen in jedem Jesuitenkolleg durchschnittlich zwischen fünf und acht Dramen jährlich aufgeführt wurden. 33 Vgl. v.a. Rädle 1988, S. 135–136; Rädle 1985, S. 303. Siehe ferner: Metz 2013, S. 762–764; Wolf 2000, S. 176.
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dieses Vorgehen nicht verwundern. Barbara Bauer und Jürgen Leonhardt haben in Bezug auf die nicht selten zu beobachtenden metrischen Nachlässigkeiten des anonymen Autors des Triumphus Divi Michaelis bereits auf die Wechselwirkung zwischen Nichtdrucklegung und Mängeln am Dramentext hingewiesen.³⁴ Ähnliches dürfte sicherlich auch auf die wörtlichen Übernahmen aus außer- und innerjesuitischen Dramentexten zutreffen, die ihrerseits aus unterschiedlichen Gründen den Weg in den Druck gefunden haben. Hatten sich jedoch diese durch die Nichtdrucklegung der Dramen bedingten ‚Missstände‘ im Laufe der Zeit erst einmal etabliert, konnte es später aber auch kaum mehr einen Weg zurück zu einer Drucklegung geben. Gleichzeitig war der Societas Iesu sicherlich sehr daran gelegen, möglichst wenige Anhaltspunkte dafür jenseits der eigenen Kollegiumsmauern gelangen zu lassen, dass die schon nach zeitgenössischen Maßstäben fragwürdige und als illegitim empfundene Praxis des Plagiierens unter ihren patres möglicherweise gang und gäbe war. Dieses Ziel konnte sie in erster Linie dadurch erreichen, dass eine weite Verbreitung der Dramentexte, die eine überaus harsche öffentliche Kritik an der Arbeitsweise der jesuitischen Dramenautoren hervorgerufen hätte, verhindert wurde. Demütige Beteuerungen der eigenen Bescheidenheit, eine ablehnende Haltung gegenüber der Eitelkeit irdischen Ruhms und Verweise auf die Bedeutung des sinnenhaften Erlebens eines Bühnenstücks trugen argumentativ sicherlich ihr Übriges dazu bei. Treffen diese für den Iulianus exemplarisch angestellten Beobachtungen und Annahmen zu, die zugegebenermaßen erst noch durch weitere Detailuntersuchungen von weiteren zeitgenössischen Jesuitendramen hinsichtlich der Präsenz und Rolle von Plagiaten zu untermauern sind, so muss der extensive Rückgriff auf Plagiate durch die jesuitischen Dramenautoren zumindest als sekundäres Motiv dafür gesehen werden, dass die Bühnenstücke der Societas Iesu nicht im Druck erschienen. Darauf, dass die beiden Aspekte der hohen Plagiatdichte einerseits und der Nichtdrucklegung andererseits enger als bisher berücksichtigt miteinander in Zusammenhang stehen, könnte ferner hindeuten, dass der anonyme Herausgeber der Ludi theatrales in seiner Praemonitio ad lectorem auf die skizzierte Verteidigung von Bidermanns Plagiaten eine Rechtfertigung der Drucklegung selbst folgen lässt, auch wenn diese letztlich auf Überlegungen hinsichtlich der Qualität der Stücke und dem damit verbundenen Ansehen Bidermanns (auf das er freilich nicht aus gewesen sei) abzielt: Porro valere universim ad styli defensionem [sc. ad defensionem repetendi aliquid aliquando in una Actione, quod jam legerit in alia] potest, siqua tamen est necessaria, quae certe
34 Bauer/Leonhardt 2000, S. 103–104.
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non est; valere inquam potest, quod satis constet P. Jacobum, cum haec scriberet, nunquam de Typo cogitasse, eo quod satis sufficere sibi ad fructum suorum operum existimarit, si pro DEI Gloria bene laborasset, et multorum studia in praesens ad capessendum virtutis arduum iter excitasset, de posteritatis secunda aura nihil admodum solicitus, quam securius in Caelo sibi sepositam esse credebat.³⁵
35 Praemonitio ad Lectorem fol. ++4r –++4v . – Übersetzung: Ferner kann zur Verteidigung seines Stils [d.h. zur Verteidigung von Wiederholungen von irgendetwas in einem Drama, das man schon in einem anderen gelesen hat] allgemein angeführt werden – wenn es überhaupt einer Verteidigung bedarf, was sicher nicht der Fall ist – es kann also, sage ich, als Argument angeführt werden, daß Pater Jacobus, als er dies schrieb, bekanntlich niemals an eine Veröffentlichung im Druck gedacht hat, weil er nämlich der Meinung war, seine Werke hätten ihm genug Gewinn gebracht, wenn er zur Ehre GOTTES gut gearbeitet habe und wenn er zu seiner eigenen Zeit viele dazu ermuntert habe, den steilen Weg der Tugend zu beschreiten, – um seinen Ruhm bei der Nachwelt kümmerte er sich nämlich nicht besonders, da er meinte, der Ruhm im Himmel sei für ihn sicherer angelegt. Übersetzung: Rädle 1992, S. 1159.
| Teil II: Edition und Übersetzung
Die Perioche des Iulianus Die anlässlich der Aufführung gedruckte Perioche des Iulianus mit dem Titel Summa der Tragoedien von Keyser Iuliano dem Abtrinnigen. Zu Ingolstadt den 16. Weinmonats/ im Jar Christi 1608 gehalten stammt von Andreas Angermeyer aus der Ingolstädter Druckerei des Wolfgang Eder.¹ Sie beinhaltet neben den Inhaltsangaben der einzelnen Szenen, bei denen wie zeitgenössich üblich auf eine sehr kurz gehaltene lateinische Zusammenfassung eine ausführlichere deutsche folgt, eine ‚Einführung in die Tragödie Iulianus‘ (Ad Iulianum Tragoediam Isagoge). Ein Syllabus Actorum (‚Besetzung‘), wie er in vielen zeitgenössischen Periochen zu finden ist, fehlt.
Abb. 1: Titelblatt der gedruckten Perioche des Iulianus (Bayerische Staatsbibliothek München, Sign. 4° Bavar. 2197, III, 54). Der Vermerk des Dramenautors (P. Hierem. Drexel. S.J. Auth.) wurde handschriftlich hinzugefügt.
Im Folgenden wird aus der Perioche lediglich die Isagoge abgedruckt und übersetzt. Die lateinisch-deutschen Inhaltsangaben zu den einzelnen Szenen werden in der Edition des Dramentextes jeweils zum Beginn einer Szene im Apparat zitiert (vgl. die Anmerkungen zur Edition und Übersetzung, S. 184–187).
1 Exemplar in der BSB München: 4° Bavar. 2197, III, 54 = Szarota 1979–1983 II,1, S. 815–829. https://doi.org/10.1515/9783110593730-006
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Ad Iulianum Tragoediam Isagoge
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Fl. Cl. Iulianus P.F. Aug. vicenis annis Christum; duodenis idola coluit, vero nomine Apostata. Clericum etiam egit: sed primum clericus, post etiam Christianus esse desijt, perfidissimus Proteus. Annos natus fere tres et viginti Caesar a Constantio; a militibus in bello Alemannico Augustus pronunciatus est. At ille ambitionis immodicus redacta ad unum se orbis Romani cura in Persas movit. Hic in proelio conto percussus, vulneri cavam manum supposuisse fertur, et exceptum inde sanguinem in auras sparsisse cum impia hac voce: Vicisti Galilaee; saturare Nazarene. Extinctus est sexto Calend. Iulias, orbe paene toto ad illius mortem reviviscente. Imperium tenuit annos duos non totos: tyrannus fuit inter primos: inter magos non postremus: inter Idololatras superstitiosissimus; nequissimus Apostatarum, etsi iuvenis satis doctus et probus fuerit, modo fuisset et satis constans. Optime coepit, sed pessime finivit, a puero cibi omnis, libidinum, atque omnium cupidinum victor. Philosophos aequavit, et sapientissimos Graecorum. Sed hoc doctrinae et sanctimoniae non diuturnum exemplar, ita in transversum egit immodica laudis cupido, ut primo Clericum exuerit; deinde Idolis occulte litarit; tandem proruperit, et Christum palam eiurarit; demum sic praeceps ierit per omnes scelerum gradus, ut Ieroboamum defectione (ita Gregor Nazian. loquitur) Achabum caede, Pharaonem duritie, Nabuchodonosorem sacrilegio superarit novus hic orbis Phaëthon, scelestissimus Apostata. Caligulae, Nerones, Attilae, Totilae fere ferro tantum saevierunt, Iulianus etiam lingua, hoc immanior quo litteratior. O litterae, malae pestes, si vos afflet superbia!
Die Perioche des Iulianus
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Einführung zur Tragödie Iulianus Fl(avius) Cl(audius) Iulianus P(ius) F(elix) Aug(ustus) verehrte zwanzig Jahre lang Christus, zwölf Jahre lang Götzen und wird daher zurecht Apostata [‚Abtrünniger‘] genannt. Er war sogar Geistlicher; aber dann hörte er erst auf Geistlicher, später sogar überhaupt Christ zu sein, ein überaus wandelbarer Proteus. Im Alter von fast 23 Jahren wurde er von Constantius zum Caesar, von seinen Soldaten im Krieg gegen die Alamannen zum Augustus ausgerufen. Nachdem ihm allein die Sorge um das Römische Reich in die Hände gefallen war, wandte er sich aber maßlos in seinem Machthunger gegen die Perser. Dort soll er auf dem Schlachtfeld von einem Speer getroffen die hohle Hand unter seine Wunde gelegt und das daraus aufgefangene Blut mit folgenden gottlosen Worten in die Luft geschleudert haben: „Gesiegt hast du, Galiläer; sättige dich daran, Nazarener.“ Er wurde am 26. Juni unter dem erleichterten Aufatmen fast des gesamten Erdkreises dahingerafft. Die Herrschaft hatte er keine zwei ganze Jahre lang inne: Er gehörte zu den schlimmsten Tyrannen, unter den Weisen war er nicht der Unwichtigste, unter den Götzendienern war er der abergläubischste, der nichtsnutzigste aller Abtrünnigen, auch wenn er als junger Mann weithin gebildet und rechtschaffen war; wäre er doch auch nur ausreichend standhaft gewesen. Vorzüglichst begann er, aber auf schlimmste Art und Weise endete er. Seit seiner Kindheit hat er jeden Hunger, alle Gelüste und Begierden besiegt. Er kam Philosophen gleich, ja sogar den Weisesten der Griechen. Aber er war nicht lange ein Musterbeispiel an Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, maßlose Gier nach Ruhm und Anerkennung trieb ihn in solcher Weise in die entgegengesetzte Richtung, dass er zunächst das Klerikergewand ablegte, dann heimlich den Götzen opferte, dies schließlich ans Licht kommen ließ und Christus offen abschwor und letztlich so steil alle Stufen von Verbrechen erklomm, dass dieser zweite Phaëton für den Erdkreis, dieser verbrecherischste Abtrünnige Jerobeam an Treulosigkeit (so sagt es Gregor von Nazianz), Ahab an Blutvergießen, den Pharao an Verstocktheit und Nebukadnezar an Gotteslästerung übertraf. Ein Caligula, Nero, Attila und Totila hat fast ausschließlich mit dem Schwert gewütet, Julian jedoch darüber hinaus noch mit seiner Zunge, und das umso hemmungsloser, je gebildeter er war. Oh ihr Künste, ihr seid eine üble Seuche, wenn euch der Hochmut aufbläst!
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Si plura velis, Lector, de Iuliano, ipsum adi Iulianum in Misopogone et epistolis ipsius. Diserti quoque fuerunt in hunc tyrannum, praecipue D. Greg. Nazian. du25 abus orationibus. Meminit illius etiam Aurelius Victor de moribus Impp. Plura Nicephorus, Sozomenus, Theodoretus, Ammianus, alij, e quibus cuncta ordine refert Illustrissimus Caesar Baronius tomo III. et IV. Annal. Ecclesiasticorum. Tragoediae totius Partitio Actu I. Iulianus Clericum agit. 2. Caesarem, 3. Idololatram, 4. Tyranum, 5. Agit animam, singula fusius per scenas singulas.
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Wenn du, lieber Leser, mehr über Julian erfahren möchtest, wende dich Julian selbst im Misopogon und in seinen Briefen zu. Auch beredte Männer haben sich mit diesem Tyrannen auseinandergesetzt, allen voran Gregor von Nazianz in zwei Reden. Auch Aurelius Victor erwähnt ihn in seinen Charakterskizzen der Kaiser. Bei Nikephorus, Sozomenos, Theodoret, Ammian und anderen findest du noch mehr. Auf sie stützt der hochberühmte Cesare Baronio seinen chronologischen Bericht im dritten und vierten Band seiner Annales Ecclesiastici.
Aufteilung der gesamten Tragödie Im 1. Akt tritt Julian als Geistlicher auf, im 2. als Caesar, im 3. als Götzendiener, im 4. als Tyrann, im 5. seinen Geist ab. Weitere Einzelheiten findet man über die einzelnen Szenen verstreut.
Anmerkungen zur Edition und Übersetzung Der abgedruckte lateinische Text des Iulianus entspricht Drexels Manuskript aus der Bayerischen Staatsbibliothek München (clm 2125).² Sämtliche Ligaturen bzw. Abbreviaturen³ wurden aufgelöst und die z.T. abweichenden Abkürzungen zur Angabe der Sprecher vereinheitlicht.⁴ Die vorgefundene Groß- und Kleinschreibung wurde übernommen. Bezüglich Orthographie folgt der Text weitgehend dem Manuskript, die seltenen Änderungen sind jeweils im kritischen Apparat vermerkt.⁵ Der Buchstabe u, der in Drexels Handschrift sowohl für u als auch v steht, wurde in der Edition differenziert. Die Interpunktion folgt ebenfalls größtenteils dem Manuskript. Lediglich sehr vereinzelt vergessene bzw. ausgelassene Satzzeichen wurden hinzufügt. In der deutschen Übersetzung wurden diese Bereiche an heutige Konventionen angepasst. Auf eine Übernahme von Betonungsakzenten wurde aufgrund ihres sehr sporadischen Vorkommens und ihrer fehlenden Systematik bewusst verzichtet, dasselbe gilt für Akzente über Adverbendungen und Akzente zur Vermeidung von ambigen Formen (z.B. hic/hîc, deum/deûm). Eine Ausnahme bildet die Sprache der persischen Gesandten in III,3, bei der die verhältnismäßig zahlreichen Akzente eine gewisse Hilfe im metrischen Lesen bereitstellen. Konjekturen wurden dann durchgeführt, wenn ein sehr grober inhaltlichlogischer⁶ oder sprachlicher bzw. metrischer Verstoß⁷ vorlag. Den ursprünglichen Wortlaut führt in diesen Fällen der textkritische Apparat (s.u.) an. Verse, die um ein Metrum zu lang (Septenar) oder zu kurz (Quinar) sind (vgl. Abschnitt 4.3), wurden vermerkt, blieben aber unangetastet. Metrisch inkorrekte Verse (versus mendosi) sind zusammen mit einem Heilungsvorschlag des Textes im Apparat an-
2 Seit Kurzem ist das Manuskript auch online als Volldigitalisat unter folgender Adresse zugänglich: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0006/bsb00069124/images/ 3 Neben œ (statt oe) und æ (statt ae) sind die für den Beginn des siebzehnten Jahrhunderts geläufigen Ligaturen bzw. Abbreviaturen wie z.B. p für per, q für qui, -ū für -um, -ā für -am, -ē für -em,> e > für omnes, > > für Christus, > > für esse, oes für est, ee n für non, Chrus et für etiam sowie ein horizontaler Strich zur Kennzeichnung von Doppelkonsonanten (z.B. sum̄i statt summi) zu finden. 4 In I,2 ist Constantius’ Berater Nicocles beispielsweise bald mit Nicl. (z.B. V. 146), bald mit Nic. (z.B. V. 151), bald mit Nico. (z.B. V. 152) abgekürzt. Ähnlich bei der Figur des Jamblichus, der in I,10 noch mit Iam., in II,5 und III,2 dann aber mit Iambl. abgekürzt wird. 5 Beispiele für Eingriffe in die Orthographie: Sallustius statt Salustius und Sostenes statt Sosthenes im Personenverzeichnis; Libyam statt Lybiam, V. 205. 6 Siehe V. 483, 526, 736, 1803, 1975, 2146–2147, 2154, 2157, 2502. 7 Siehe V. 891, 1477, 1981, 1983, 1996, 2021, 2144, 2148, 2255, 2286, 2392. https://doi.org/10.1515/9783110593730-007
Anmerkungen zur Edition und Übersetzung | 185
gemerkt.⁸ Die seltenen Abweichungen in der Quantitätenbemessung⁹ sind direkt im lateinischen Text kenntlich gemacht. Der Apparat, der sich an den Dramentext anschließt, setzt sich aus drei Untergruppen zusammen. Die erste findet sich jeweils nur zu Beginn einer jeden Szene. Sie zitiert den jeweiligen Text der im Druck erschienenen Perioche zu den einzelnen Szenen. Die Forschung legt bei der Frage nach der Verständlichkeit der rein lateinischen Dramentexte für ein zu großen Teilen lateinunkundiges Publikum zurecht ein starkes Gewicht auf die Rolle dieser zweisprachigen Periochen.¹⁰ Um der immer wieder betonten Wechselwirkung zwischen szenischer Umsetzung einerseits und Informationen aus der Perioche andererseits in einem gewissen Maße gerecht zu werden, wird der Periochentext parallel zu einer jeweiligen Szene abgedruckt. Dieses Vorgehen soll als Versuch gelten, die Verhältnisse der Aufführung im Rahmen einer gedruckten Edition bestmöglich zu imitieren. Im direkten Anschluss daran werden die literarischen Quellen für das Geschehen der jeweiligen Szene genannt. Sowohl die Perioche als auch die z.T. von Drexel selbst gestaltete Titelseite (Abb. 2, S. 189) stellt die Rolle der Annales Ecclesiastici des Cesare Baronio besonders heraus. Die jeweiligen relevanten Kapitel daraus werden daher als erstes genannt. Im Anschluss werden in runden Klammern diejenigen Quellen aufgeführt, die Baronio selbst für die zuvor genannten Kapitel heranzog. In der folgenden Zeile finden sich in eckigen Klammern weitere Quellen, die Baronio in den jeweiligen Kontexten unberücksicht lässt, die sich aber ebenfalls auf die Vorgänge der Szene beziehen. Bei der Auswahl dieser Verweise wurde jedoch stark selektiert. Sie orientiert sich fast ausschließlich an den Angaben, die die Isagoge zur ‚weiterführenden Lektüre‘ empfiehlt (und die sich auch weitgehend mit den Hauptquellen von Baronio decken). Darin werden die antiken Autoren Gregor von Nazianz (or. 4 und 5), Aurelius Victor, Sozomenos (hist. eccl.), Theodoret (hist. eccl.), Ammianus Marcellinus sowie die Schriften von Kaiser Julian selbst (mis.; epist.) und die des mittelalterlichen byzantinischen Kirchenhistorikers Nikephoros Kallistos Xanthopulos genannt. Darüber hinaus wurde auch die Kirchengeschichte des Sokrates von Konstantinopel berücksichtigt, da sie zusam-
8 Im Einzelnen sind dies: V. 19, 35, 264, 410, 722 und 905. 9 Dies beinhaltet die Jambenkürzung (vgl. S. 164) sowie Ausnahmen im Bereich der Positionslänge (vgl. V. 19, 419, 425, 437, 531, 538, 626, 816, 1291, 1304, 1312, 1320, 1326, 1328, 1356, 1561, 1650, 1758, 1763, 1814, 1964, 2056, 2125, 2166, 2191, 2300, 2314, 2322, 2356, 2509, 2531, 2627, 2634, und ganz bes. Comm. ad 419, ad 626 und ad 2531). 10 Siehe Bauer 1998, S. 240–245; Rädle 1988, S. 142–144. Fidel Rädle (1988, S. 144–147) schreibt im Hinblick auf die Verständlichkeit der rein lateinischen Dramen den allegorischen Figuren auf der Bühne eine hohe Bedeutung zu. Vgl. Abele 2015, S. 78–79.
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men mit der des Sozomenos und des Theodoret im Rahmen der Historia Tripartita (vgl. S. 8) Verbreitung fand. Der zweite Teil des Apparats nennt wichtige Similien aus der antiken lateinischen Literatur, der Heiligen Schrift sowie zeitgenössischen Dramen. Bei der Angabe von Similien wurde bewusst eine genaue Auswahl getroffen. Unberücksichtigt blieben v.a. diejenigen Fälle, die offensichtlich nur einfache Phraseologiemodelle darstellen, bei denen letztlich kaum zu entscheiden ist, ob es sich bei ihnen um bewusste Bezugnahmen zu anderen Texten handelt oder ob sie lediglich den aktiven und weitgehend unhinterfragten Lateingebrauch der Zeit widerspiegeln.¹¹ Auf eine bloße aufzählende Nennung von Parallelen zu anderen Texten, seien sie antik, seien sie zeitgenössisch, wurde absichtlich verzichtet. Textkritische Anmerkungen sowie metrische Hinweise beinhaltet der dritte Teil des Apparats. Darin sind die drei oben beschriebenen Arbeitsphasen des Dramas berücksichtigt.¹² Die Kürzel D¹ und D² stellen die erste bzw. zweite Arbeitsphase durch Drexel dar. D bezeichnet ebenfalls Drexel, wobei die jeweiligen Elemente jedoch nicht eindeutig der ersten oder zweiten Arbeitsphase zugeordnet werden können. Mit d wird schließlich diejenige Hand beschrieben, die nach den beiden ersten Phasen erfolgte, höchstwahrscheinlich aber nicht Drexel zuzuordnen ist. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen sind in Drexels Manuskript keine Regieanweisungen überliefert.¹³ Lediglich größere horizontale Abstände innerhalb des Textes, die auch in die vorliegende lateinische Edition übernommen wurden, deuten darauf hin, dass an der jeweiligen Stelle eine markante Handlung bzw. Veränderung auf der Bühne stattgefunden haben muss.¹⁴ Somit bleiben als Hilfsmittel zur Rekonstruktion der möglichen Regieanweisungen nur der Dramentext und die Perioche. Um ausufernde Spekulationen zu vermeiden, wurden sie auf einem Mindestmaß, das ein essentielles Verständnis des Bühnengeschehens gewährleisten kann, gehalten und in die deutsche Übersetzung integriert. Die Zielsprachenorientierung der Übersetzung bemüht sich in erster Linie um eine gute und flüssige Lesbarkeit sowie um eine unmittelbare Verständlichkeit 11 So z.B. bei der Wendung pernox atque perdius (V. 2354), die sich so (mit Variante et statt atque) bei Ammian (31,2,6) und Symmachus (epist. 1,53) sowie in umgekehrter Reihenfolge bei Gellius (2,1,2) und Apuleius (met. 5,6,2) findet. 12 Siehe Abschnitt 2.1 und 2.3. 13 Eine Ausnahme bildet die zentrale Szene III,4, die den Wendepunkt des Dramas darstellt. Darin gibt Drexel genaue Anweisungen zum Wechselgebet zwischen Jupiterpriester und Volk (vgl. V. 1156–1174) und zum plötzlichen Tod des Erstgenannten sowie zur Reaktion Julians und des Syncerastus (vgl. V. 1202–1207). Weitere Regieanweisungen finden sich in Szene III,7 (V. 1403–1405; siehe Abb. 2.1 unten links, S. 23) und IV,2 (vgl. V. 1568). 14 Das markanteste Beispiel ist sicherlich das Kreuzzeichen, mit dem der Christ Syncerastus in III,4 das Opfer an Hekate unterbricht (vgl. V. 1185–1186).
Anmerkungen zur Edition und Übersetzung |
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im Deutschen. Sie versucht Unterschiede in der Stilhöhe zu berücksichtigen, d.h. eine kolloquiale bzw. gehobene Ausdrucksweise in der deutschen Übersetzung entsprechend wiederzugeben,¹⁵ und die nicht selten anzutreffenden lateinischen Wortspiele (so gut wie möglich) im Deutschen zu imitieren.¹⁶ Diese Zielsetzung führt allerdings mehr oder weniger zwangsläufig dazu, dass an einigen Stellen auf eine etwas freiere Übersetzung zurückgegriffen werden muss, bei der sich manche Anachronismen, Wechsel der Sprachbilder oder erklärende Ergänzungen nicht vermeiden lassen, insbesondere wenn man eine spezifische Komik oder einen spezifischen Gedankengang in einer Passage aufrechterhalten möchte.¹⁷ Die einzelnen Fälle sind im Kommentar behandelt und erklärt. Die daraus resultierende Unschärfe in der Übersetzung wird dort ebenfalls entsprechend klargestellt und begründet.
15 Vgl. z.B. die hochoffizielle Diktion der Vertreter des konstantinopolitanischen Klerus vor Kaiser Constantius in I,3 und im Vergleich dazu die kolloquiale Ausdrucksweise von Julians Palastdienern in I,5, die ihr Sprachregister aber bereits in der darauffolgenden Szene I,6 einem offizielleren Kontext mühelos anpassen können. 16 Vgl. z.B.: 5us : Sagum sagaci Iuliano convenit. V. 586. [5. Dämon: Das Sagum passt sagenhaft zum scharfsinnigen Julian.] Nam est facile amori, mori. V. 1509. [Denn für die Lieb’ gibt man den Leib leicht her.] 17 Anachronismus z.B.: Num quatuorvir sum? V. 1441. [Bin ich etwa vom Straßenbauamt?] Wechsel des Sprachbildes z.B.: Male pereat consultor ille pessimus ∣ Quisquis animum hunc iniecit in domini animum. V. 373–374. [Welcher Schurke von Ratgeber auch immer unserem Herrn diesen Floh ins Ohr gesetzt hat, soll elend zugrunde gehen (anstatt ‚der diese Haltung unserem Herrn eingepflanzt hat‘).] Commodum mones, V. 916. [Da rennst du bei mir offene Türen ein (anstatt ‚Du mahnst Treffendes‘).] Eceb.: Erisne patiens verberum? Porph.: si argentea ∣ Sint, maxime. V. 1600– 1601. [Eceb.: Wirst du es geduldig ertragen, wenn man dir das Maul stopft (anstatt ‚wirst du Prügel geduldig ertragen‘)? Porph.: Wenn man es mit Silber tut, am allermeisten (anstatt ‚wenn sie silbern sind, am allermeisten‘).] Erklärende Ergänzung z.B.: triplici tibi Anticyra est opus. V. 1253. [Was du brauchst, ist eine dreifache Nieswurzkur in Anticyra (anstatt ‚ein dreifaches Anticyra‘).]
Iulianus Apostata Tragoedia Das Titelblatt des Iulianus nannte ursprünglich lediglich den Titel des Dramas (Fl[avius] Cl[audius] Iulianus Apostata), die zeitgenössische literarische Grundlage, auf die sich der Autor stützte (e Caesaris Baronij sacris annalibus; ‚aus den Kirchenannalen des Cesare Baronio‘) sowie Ort (in Proscenium scriptus et productus Ingolstadij; ‚für die Bühne verfasst und inszeniert in Ingolstadt‘) und Datum der Aufführung (Anno Dominico MDCVIII. XVII. Cal[endas] Novembres; ‚am 16. Oktober 1608‘). Der Besitzervermerk des Münchener Jesuitenkollegiums ganz oben (Collegij S[ocietatis] J[esu] Monachij 1662), der Autorenvermerk in der Mitte (P[atris] Hieremiae Drexel[ij]) sowie die Anmerkungen, dass Drexel das vorliegende Manuskript mit eigener Hand verfasst (Scripsit R[everendus] P[ater] Hieremias Drexelius S.J. p[ropria] m[anu].) wurden erst später, vermutlich von ein und derselben Hand, hinzugefügt.
Abb. 2: Titelblatt des Iulianus (Bayerische Staatsbibliothek München, Sign. clm 2125).
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Personae Christus Theodorophylax } angeli Iulianophylax Artemius } milites martyres Mercurius Bassianus } adulescentuli Christiani Theodorus Eusignius miles Christianus 110 annorum martyr Iulianus Imp. Apostata Mardonius } magistri Iuliani Nicocles Sallustius¹ Iamblichus Maximus Ecebolius Priscus Libanius
aulae Praefectus ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ sophi et magi ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭ Procopius affinis Iuliani Melampus } satellites Milphio Drusillanus a cubiculis Paronetemus a vestibus Bitias a poculis Menippus a crinibus Mystillus } ab epulis Phyrnis
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ aulici Iuliani ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Porphyrius histrio Dositheus ex aula Armiger, idem qui Syncerastus
1 Salustius D¹, correxi ex I,3 et aliis
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Iuliani ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Personae | 191
Personenverzeichnis Christus Theodorophylax } Engel Julianophylax Artemius } Soldatenmärtyrer Mercurius Bassianus } Junge Christen Theodorus Eusignius Soldat, Christ und Märtyrer mit 110 Jahren Kaiser Julian Apostata Mardonius } Lehrer Julians Nicocles Sallustius Jamblichus Maximus Ecebolius Priscus Libanius
Hofmeister ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Weise und Gelehrte ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Procopius Verwandter Julians Melampus } Leibgarde Julians Milphio Drusillanus Kammerdiener Paronetemus Schneider Bitias Mundschenk Menippus Friseur Mystillus } Köche Phyrnis
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ Hofbedienstete Julians ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
Porphyrius Schauspieler Dositheus Palastwache, auch Syncerastus genannt
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬ An Julians Hof ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎭
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Constantius Imp. Aedesius } consiliarii Constantii Sirgiamnes Sardianus aulae Praefectus Eulogius clericorum orator ⎫ Publia ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eulalia ⎪ ⎪ ⎪ Euphrosina ⎬ virgines religiosae ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eutropia ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Iuliana ⎭ Nuntius Cohortes Praetorianae duae Chorus Tres virgines Persicae ⎪ Manuel ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ Ismaël ⎬ Persae nobiles ⎪ ⎪ ⎪ Sabel ⎪ ⎭ Polyglossus interpres Mares praesul Christianus caecus Sostenes² ductor illius Lucianus ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Philaemon ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Albanus ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eleuterius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eutropius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Desiderius ⎪ ⎪ ⎬ Christiani Macharius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Higinius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Serenus ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eusebius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Pigmenius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Quirinus ⎪ ⎭ Daemones octo Erebophylax daemon³ Flamines tres Praeco
2 Sosthenes D¹, correxi ex III,4 3 Addidi ex V,3 et V,6
Personae |
Kaiser Constantius [II.] Aedesius } Ratgeber des Constantius Sirgiamnes Sardianus Hofmeister Eulogius Sprecher der Geistlichen ⎫ Publia ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eulalia ⎪ ⎪ ⎪ Euphrosina ⎬ Nonnen ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eutropia ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Iuliana ⎭ Bote Zwei Prätorianerkohorten Chor Drei persische Jungfrauen ⎪ Manuel ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ Ismaël ⎬ Persische Adlige ⎪ ⎪ ⎪ Sabel ⎪ ⎭ Polyglossus Übersetzer Mares Blinder christlicher Bischof Sostenes Der Führer von diesem Lucianus ⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Philaemon ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Albanus ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eleuterius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eutropius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Desiderius ⎪ ⎪ ⎬ Christen Macharius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Higinius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Serenus ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Eusebius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Pigmenius ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ ⎪ Quirinus ⎪ ⎭ Acht Dämonen Erebophylax, ein Dämon Drei Flamines Herold
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Argumenta Argumentum 2di actus
5
Vidistis Iulianum doctum, moribus Probis, castum, innocentem, virtutum decus? Omnia mutabunt. hoc iam erit sceleratior, Quo sanctior fuit ante. exuto Clerico Est induturus Caesarem, Constantio Diadema dante et purpuram. virtutis est Bonus si sis, non fieri dissimilem tibi. Argumentum 3ii actus
10
Iam larvam ponet simulator nequissimus. Christum eiurabit; Christianos perfide Mactabit; statuis sacrificabit impie. O Iuliane male finis, coepta optime! Argumentum 4ti actus
15
Nondum quies. unum ex alio movet improbus Apostata. et licet Christi gregem dolo, Vi, occulte, aperte vexet, laceret, dissipet: A pueris tamen et a puellis vincitur, Triumphatur. monetur a suis quoque Ut resipiscat: deseritur ab amicissimis, Ob idolorum cultum execrandissimum. Hoc litterata superbia peperit malum. Argumentum 5ti actus
20
25
Mala mors vitam malam sequitur; vixit male, Male mortuus est tyrannus ter nequissimus. Victoriam ille cogitavit Persicam, Sed in feretro redijt, qui in curru voluerat Redire triumphali. sic finit cum Deo Quisquis non finit. i, nunc fide Daemoni. 1–2, 4–5, 7–11, 13–18, 23–25 ] Senarii
Argumenta add. D2 ; fortasse inter actus enarrata
Argumenta |
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Inhaltsangaben Inhalt des 2. Aktes Habt ihr gesehen, wie gebildet Julian ist, wie gesittet, wie rein, wie unschuldig, welche Zierde der Tugenden? Alles wird sich ändern. Je tugendhafter er gerade eben noch war, umso verbrecherischer wird er gleich sein. Nachdem er das geistliche Gewand abgelegt hat, [5] wird er das des Kaisers anlegen und Constantius wird ihm das Diadem und den Purpur reichen. – Es zeugt von Tugend, dass man sich selbst nicht untreu wird, wenn man ein guter Mensch ist. Inhalt des 3. Aktes Gleich wird der nichtsnutzigste Heuchler seine Maske ablegen, Christus abschwören, Christen verräterisch [10] dahinschlachten und gottlos Götzenbildern opfern. – Oh Julian, übel bringst du zu Ende, was du auf beste Art und Weise begonnen hast. Inhalt des 4. Aktes Noch immer gibt er keine Ruhe. Der gottlose Abtrünnige bedrängt einen nach dem anderen. Mag er auch Christi Herde mit List, Gewalt, versteckt oder offen quälen, zerfleischen, zerteilen: [15] Jungen und Mädchen bezwingen und besiegen ihn dennoch. Von seinem Umfeld wird er auch dazu ermahnt, wieder zur Vernunft zu kommen: Von seinen engsten Vertrauten wird er aufgrund seines Götzendienstes, der aufs Schärfste zu verfluchen ist, verlassen. – Dieses Übel beschert einem der Hochmut, der aus Bildung erwächst. Inhalt des 5. Aktes [20] Ein übler Tod folgt auf ein übles Leben; der dreimal nichtsnutzigste Tyrann
lebte übel und übel stirbt er. Er malte sich in Gedanken einen Sieg über das Perserreich aus, auf der Totenbahre kehrte er aber zurück, er, der im Triumphwagen zurückkehren wollte. Auf diese Weise geht es [25] mit einem jeden zu Ende, dessen Ende ohne Gott ist. – Geh dahin, trau dich nun noch dem Teufel an.
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Agnostoprologi 1, 2, 3, 4, 5, 6us adolescentuli nobiles
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1us : Ne quem ego fallam, qui me fors credit prologum: Nam prologus quaeritur ubique, nuspiam Reperitur. at ego nec logos nec prologos Moror. Musas omnes execror. animus mihi est Ad arma, ad bella, ad tympana, ad tubas: scholam Itare, libros versare, subire ferulam, Non est meum. sed ubi tandem prologus erit? Ubinam nebulo haeret? ego, ut video sum prologus Ipsius prologi. si nemo prodeat, Ego lingua militari vobiscum loquar: Agite mea tympana, loquimini pro prologo. 2us : Quid hoc rei est? 1us : quid hoc tua refert? 2us : refert mea. Quis hic te iussit ita tumultuarier? 1us : Quid iam? perinde ius hic est meum ac tuum. 2us : Non est. neque hic opus est talibus homunculis. 1us : Et quid tibi vis, mi magne gigantule? rogo Ne te rumpas. dic vero ubi haeret prologus? 2us : Nescio. 1us : quid hominis est? 2us : nescio. 1us : ubi choragus est? 2us : Nescio. 1us : quid ergŏ scis? 2us : te pessimum esse puerum. 1us : Quasi vero tu fores me multo sanctior! Sed dic nil chartularum aut tesserularum habes?
Agnostoprologos add. D2 1, 4–6, 9–10, 13–17, 20–21 ] Senarii 9 ] Quinarius 12 ] Septenarius 19 ] Versus mendosus; 2us : Nescio. 1us : quid ergŏ scis? 2us : te puerum pessimum emendari potest
Agnostoprologi |
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Ahnungslose Prologe Sechs vornehme Jungen Erster: (mit einer Trommel in der Hand) Damit ich niemanden in die Irre führe, der zufällig glaubt, ich sei der Prolog: Denn nach dem Prolog sucht man überall, nirgendwo aber findet man ihn. Ich aber zögere weder das Stück noch den Prolog hinaus. Die Musen verfluche ich allesamt. Mein Sinn strebt mir [5] nach Waffen, nach Kriegen, nach Kampftrommeln und nach Schlachttrompeten: In der Schule ständig ein und aus zu gehen, Bücher zu wälzen und mich der Strafrute auszusetzen, das ist nicht meine Sache. (Blickt sich suchend um) Aber wo in aller Welt treibt sich der Prolog herum? Wo steckt dieser Taugenichts denn nur? (Sieht sich nochmals um) Soweit ich das sehe, bin ich der Prolog des eigentlichen Prologs. Wenn niemand auftritt, [10] werde ich eben zu euch so sprechen, wie man es beim Militär gewohnt ist: Wohlan meine Trommeln, sprecht anstelle des Prologs. (Beginnt zu trommeln) Zweiter: Was soll das denn? Erster: Was geht dich das an? Zweiter: Und wie mich das etwas angeht. Wer hat dir befohlen, hier solch einen Lärm zu veranstalten? Erster: Was denn? Ich besitze hier genauso viele Rechte wie du. Zweiter: [15] Nein, tust du nicht. Man braucht hier solche Kerle wie dich nicht. Erster: Und was willst du hier, mein großes Gigantchen? Jetzt geh’ mal nicht gleich in die Luft. (Blickt sich erneut um) Aber sag, wo steckt der Prolog? Zweiter: Keine Ahnung. Erster: Was ist das für ein Kerl? Zweiter: Keine Ahnung. Erster: Wo ist der Spielleiter? Zweiter: Keine Ahnung. Erster: Von was hast du denn überhaupt eine Ahnung? Zweiter: Dass du ein verdammt mieser Typ bist. Erster: [20] Als ob du aber viel anständiger wärst als ich. Aber sag mir, hast du nicht irgendwelche Karten oder Würfelchen bei dir?
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2us : Ego socios meos hic operior. hoc loco Condiximus ad lusum. 1us : quodsi lusus placet, Et me socium habebis. sed dum prologus abest, Et dum tui socij veniunt, rogo te, mihi Tantisper narra hic exhibendam fabulam. 2us : Ineptule; fabulam appellas? historia Nimis certa est. 1us : obsecro, de quo? 2us : nescin’? nihil Iam notius. De Iuliano Apostata. 1us : De Iuliano Apostata? quaeso quid hoc Monstri? 2us : bene vocas monstrum: monstrorum omnium Monstrum fuit. quo doctior hoc et nequior. Simulare, dissimulare scivit optime: Fronte oviculam prae se tulit, animo draco Fuit, et ideo primo actu cernes ut agat Ficta fronte, et mentita veste Clericum. Ipsam iurares esse sanctimoniam, Virtutis et doctrinae exemplar unicum. Brevi erit alius: docebit id pars altera. Haec me meus magister docuit in scholis. 1us : Amabo te sociene, partem etiam alteram Narra sodes. 2us : nimis multum dixi. nec haec Capis. en mei sodales. commode. ubi moram Traxistis? 3us : iussi fuimus quaerere prologum Quem nusquam licuit invenire! 1us : ubi tandem erit Furcifer? 3us : egregia nimio res, hic tam diu Tot spectatores expectare prologum. 1us : Quin ego morantem accerso tympano meo? 3us : Cessa. nos hic confabulemur interim Dum ille veniat. 2us : imo colludamus interim. Hic tympanistam habemus aptum lusibus. 1us : Sed tu pertexe prius quod dicere coeperas. 2us : Non teneo plura; oblitus dudum cetera. Horum fortassis unus narrabit tibi.
22–24, 26–28, 31, 36, 40, 42, 45, 47, 49, 52, 54 ] Senarii 35 ] Versus mendosus; Fuit, et ideo primo actu cernes ut is agat emendari potest
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Zweiter: Ich warte hier auf meine Schulkameraden. Wir haben uns hier zu einem Spiel verabredet. Erster: Wenn mir euer Spiel zusagt, will auch ich mich euch anschließen. Aber solange der Prolog noch nicht da ist [25] und solange deine Schulkameraden noch auf dem Weg hierher sind, erzähl mir doch unterdessen bitte von dem Märchen, das hier aufgeführt werden soll. Zweiter: Du mieser, kleiner Taugenichts, ein Märchen nennst du das? Es handelt sich um eine nur allzu wahre Geschichte. Erster: Um Himmels willen, über wen denn? Zweiter: Das weißt du nicht? Es gibt nichts Bekannteres. Über Julian Apostata. Erster: [30] Über Julian Apostata? Was ist das bitte für ein Ungeheuer? Zweiter: Völlig zurecht nennst du ihn ein Ungeheuer: Er war das Ungeheuer aller Ungeheuer. Je gelehrter, umso nichtsnutziger war er zudem. Am besten verstand er sich darauf vorzutäuschen und zu heucheln: Nach außen trug er die Miene eines Lämmchens, tief in seinem Inneren war er aber eine Schlange, [35] und daher wirst du im Ersten Akt sehen, wie er mit aufgesetzter Miene und in trügerischer Tracht als Geistlicher auftritt. Du könntest schwören, dass es sich dabei um nichts anderes als eine gottgefällige Gesinnung handle, um ein einzigartiges Beispiel von Tugend und Gelehrsamkeit. In Kürze wird er aber ein anderes Gesicht zeigen: Davon wird der zweite Teil berichten. [40] Das hat mir mein Lehrer in der Schule beigebracht. Erster: Ich bitte dich, Kamerad, erzähl mir doch bitte auch vom zweiten Teil. Zweiter: Ich habe schon zu viel geredet. Und du kapierst noch nicht einmal das. (Die Übrigen betreten die Bühne) Siehe, da sind meine Gefährten. Sehr gut. Was hat euch aufgehalten? Dritter: Man hat uns befohlen, den Prolog zu suchen, [45] der nirgends zu finden war! Erster: Wo um Himmels willen wird dieser Galgenstrick nur sein? Dritter: (zum Publikum) Es ist wirklich großartig, dass hier so viele Zuschauer so lange auf den Prolog warten. Erster: Warum rufe ich denn den, der auf sich warten lässt, nicht mit meiner Trommel herbei? (Trommelt los) Dritter: Hör auf damit. Lasst uns in der Zwischenzeit hier einfach etwas miteinander plaudern, [50] bis er kommt. Zweiter: Lasst uns doch währenddessen lieber gemeinsam etwas spielen. Wir haben hier einen Trommler, der sich dafür passend anbietet. Erster: Bringe du aber erst deine Erzählung, die du begonnen hast, zu Ende. Zweiter: Mehr als das, was ich bereits erwähnt habe, weiß ich auch nicht; das Übrige habe ich schon längst vergessen. Vielleicht kann es dir einer von diesen erzählen.
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1us : Quis vestrum scit secundam partem dramatis? 4us : Quam curiosulus es! quodsi nostros velis Iuvare lusus tympano tuo, obsequar. 1us : Nihil dubites: tu modo narra. 4us : compendio Rem totam accipe. si bene memini, parte altera Caesar creatur Iulianus, et immolat Idolis. 5us : male narras. In parte tertia Primum sacrificat, et Christum eierat, dein Persas, duosque suorum militum iubet Interfici: spernit monentem praesulem. 1us : Quid quarta parte faciet? 5us : similis erit sibi, Hoc est, nequissimus. in pueros et feminas Ipsas saevus. neque suis parcet. 6us : Apollinem Etiam consulet. et hoc tu omissisti. 5us : ultimam Tu ergo partem narra; videamus quam bene. 6us : Hoc mihĭ facile est. te longe vinco memoria. 5us : Quasi vero? videamus. 6us : pars ultima lugubris Fatum et funus fert Iuliano, e Persia Qui se speravit victorem fore reducem. Nam quamvis pro tabellione daemonem Mittat qui cuncta exploret, non potest tamen Daemon, monachi precibus detentus progredi. Adhaec piorum lacrimis motus Deus E caelo geminos mittit martyres, suum Qui parricidam Iulianum spiculo Feriant letali, desertum prius a suo Tutelari angelo. 5us : ter minimum errasti. 6us : ego! Quid tu nasutule sciole? 5us : colaphum esuris Credo. 1us : si vultis conserere manus, ego Pulsabo tympanum. sed en prologus adest. 2us : Imo ipse Iulianus est. Omnes: cedamus hinc.
55–56, 58–59, 61–62, 65, 67–76, 78, 80–83 ] Senarii
Agnostoprologi | 201
Erster: [55] (zu den Übrigen) Wer von euch kennt den zweiten Teil des Dramas? Vierter: Wie naseweis du bist! Wenn du aber unseren Vortrag mit deiner Trommel begleiten möchtest, werde ich deiner Bitte nachkommen. Erster: Zweifle nicht daran: Erzähl du nur. Vierter: (der erste Junge begleitet ihn mit seiner Trommel) Vernimm die ganze restliche Geschichte in einer Zusammenfassung. (Überlegt kurz) Wenn ich mich recht erinnere, wird Julian im zweiten Teil [60] zum Caesar ernannt und opfert den Götzen. Fünfter: Du erzählst es falsch. Erst im dritten Teil opfert er und schwört Christus ab. Dann befiehlt er, dass Männer aus Persien und zwei seiner Soldaten ermordet werden: Einen Bischof, der ihn ermahnt, weist er schroff ab. Erster: [65] Was macht er im vierten Teil? Fünfter: Er bleibt sich treu, das heißt, er bleibt der größte Schurke überhaupt. Gegen Kinder und selbst gegen Frauen wütet er. Nicht einmal seine Leute verschont er. Sechster: Er befragt sogar das Orakel des Apollo. Und das hast du ausgelassen. Fünfter: Gib doch dann du den letzten Teil wieder; wir wollen sehen, wie gut du das kannst. Sechster: [70] Das ist mir ein Leichtes. Mit meinem Gedächtnis stecke ich dich mühelos in die Tasche. Fünfter: Als ob! Das wollen wir sehen. Sechster: Der leidvolle letzte Teil bereitet Julian, der darauf hoffte, als siegreicher Feldherr aus Persien nach Hause zurückzukehren, den Tod und Untergang. Denn obwohl er anstatt eines offiziellen Schreibers einen Dämon [75] aussendet, der alles erkunden soll, kommt der Dämon, aufgehalten durch die Gebete eines Mönches, nicht voran. Ferner sendet Gott, von den Tränen seiner frommen Gläubigen bewegt, zwei Märtyrer vom Himmel herab, die mit der todbringenden Speerspitze Julian, ihren Mörder, [80] treffen sollen. Dieser ist zuvor von seinem Schutzengel verlassen worden. Fünfter: Mindestens dreimal hast du dich geirrt. Sechster: Ich? Was glaubst du eigentlich, du kleiner spöttischer Neunmalklug? Fünfter: Ich glaube, du brauchst eine aufs Maul. Erster: Wenn ihr euch prügeln wollt, werde ich die Trommel dazu schlagen. (Julian betritt die Bühne) Aber siehe, da ist der Prolog. Zweiter: [85] Nein, es ist vielmehr Julian höchstpersönlich. Alle: Lasst uns von hier verschwinden.
202 | Iulianus Apostata Tragoedia
Actus primus Scena prima Iulianus
90
95
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Ab ungue tenero litteris arsi, dies Noctesque litteris sacravi perpetes. Et Persicos odi apparatus vel puer. Est coena nulli quam mihi frugalior; Plumis soporem perbrevem non mulceo. Vester, Camoenae, vester ego fui cliens Paene antequam esse possem; eroque quamdiu Mortalis ero. vestris amicum fontibus Chorisque non me sortis avertet furor, Non blandientum me trahent fallaciae. Utcunque mecum vos eritis o Gratiae! Insanientem Bosphorum tentavero Lubens, et arentes arenas littoris Viator Assyrij hilaris calcavero. Visam Britannos hospiti ignoto feros, Et laetum equino sanguine adibo Concanum. Inhalt der Tragedi vom Keyser Iuliano dem Abtrinnigen. Der Erste Act, Scena I. Iulianus literas sibi a puero in delitijs fuisse gloriatur. Julianus noch nicht Keyser/ redt viel von seinem Leben: wie er nemblich vonn jugendt auff sich den freyen Künsten ergeben in einem einzognem, meßigen unnd fürsichtigem Leben/ mit fürnemen sich der Philosophi und Weyßheit zugebrauchen. Bar. AE III,477D–478C (= Iul. mis. 351a–352c; Soz. hist. eccl. 5,2,9), IV,72E (= Iul. epist. 107,377d– 378a) [Amm. 16,5,6–12; Greg. Naz. or. 4,23 und 30–31; 5,23; Nic. 10,1; Sokr. hist. eccl. 3,1,3 und 18–21; Soz. hist. eccl. 5,2,10 und 15–17; Theod. hist. eccl. 3,2; Zos. hist. 3,2,1] 86 Ab ungue tenero ] Hor. carm. 3,6,24 88 Persicos … puer ] Hor. carm. 1,38,1 91–105 Vester … suavissimae ] Hor. carm. 3,4,21–40
Actus primus |
203
Erster Akt Erste Szene Julian (Julians Studierzimmer) Von zarten Kindesbeinen an loderte in mir die Liebe zu den Künsten, Tage und Nächte habe ich am Stück den Künsten geopfert. Und ganz besonders hasse ich die Prachtentfaltung der Perser, sogar schon als Kind. Niemand nimmt ein so bescheidenes Mahl zu sich wie ich; [90] meinen ohnehin schon sehr kurzen Schlaf versüße ich nicht durch ein Polster. Euer, ihr Musen, euer Schützling war ich beinahe schon, bevor ich es überhaupt sein konnte; und ich werde es sein, solange ich lebe. Von euren geliebten Quellen und Reigen reißt mich nicht das wütende Schicksal los, [95] zerren mich nicht die Intrigen meiner Schmeichler hinweg. Solange nur ihr bei mir seid, oh ihr Grazien, versuche ich mich gerne am tobenden Bosporos und durchstapfe wohlgemut wandernd den sengenden Sand der assyrischen Küste. [100] Ich suche die Briten auf, die sich einem unbekannten Fremden gegenüber grausam verhalten; ich besuche den Concaner, der sich an Pferdeblut erfreut.
204 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Atque pharetratos ad Gelonos impiger Penetrabo, et Euphraten bibam et Nilum, modo Vos me labore defatigatum in specu Recreetis Aonia, Deae suavissimae! Alius canes, volucres alius, alius equos Exerceat et exerceatur etiam ab his; Hic pulverem colligat olympicum rotis In longa arena fervidis, ille lituos Et iste lites verset, in libris ego lites atque lituos sine lituis sine litibus et ullis volvo pacatissime. Hos castra rapiant; retia illos et plagae Tensae feris; Socratica me domus sibi Rapuit; medullas Sophia penitas sorbuit. Bonus Imperator esse nequit, quisquis malus Philosophus est; malus Imperator vix erit Quicunque philosophus bonus. Format animum Philosophia fabricatque; vitam dirigit. Nemo sine hac securus est, nemo vir est.
103 Euphraten bibam et Nilum ] Hor. carm. 4,15,21 106–107 Alius canes, … etiam ab his ] Iul. epist. 107,377d–378a 108–109 Hic … fervidis ] Hor. carm. 1,1,3–5 113 Hos castra rapiant ] Hor. carm. 1,1,23 113–114 retia … feris ] Hor. carm. 1,1,25–28 114 Socratica domus ] Hor. carm. 1,29,14 116–118 Bonus Imperator … philosophus bonus ] Plat. rep. 473d 118–119 format … dirigit ] Sen. epist. 16,3 111 ] Senarius
Actus primus | 205
Und ich stoße ohne Rast bis zu den köchertragenden Gelonen vor und ich trinke vom Euphrat und vom Nil, vorausgesetzt nur dass ihr mich, der ich dann von diesen Strapazen erschöpft bin, [105] in eurer aonischen Grotte, ihr liebsten Göttinnen, erquicket. Der eine möge Hunde, Vögel der andere, wieder ein anderer Pferde abrichten und auch selbst von jenen abgerichtet werden. Dieser möge auf der langen Sandbahn mit glühenden Rädern den olympischen Staub aufsammeln, [110] jener möge mit Signalhörnern und jener mit Rechtsstreitigkeiten Umgang pflegen, ich beschäftigte mich in friedlichster Weise ohne jedes Signalhorn, ohne jede Rechtsstreitigkeit in meinen Büchern mit Streitfragen und Aufbruchsignalen. Diese soll der Militärdienst an sich reißen; jene die Fischer- und Wildnetze; mich hat das Haus des Sokrates [115] an sich gerissen; mein innerstes Mark hat die Weisheit in sich aufgesogen. Jeder, der ein schlechter Philosoph ist, kann kein guter Kaiser sein; jeder, der ein guter Philosoph ist, wird nur mit Mühe ein schlechter Kaiser sein. Die Philosophie bildet und gestaltet den Geist; sie lenkt das Leben. [120] Niemand ist ohne sie frei von Sorgen, niemand ist ohne sie ein Mensch. (Ab)
206 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena secunda Constantius, Mardonius, Nicocles, Iulianus, Sardianus, satelles
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Const.: In Iulianum patruelem alius mihi Est animus, alius vultus; aliud dicere Lubet, aliud sentire: prudentis reor Velare motus pectoris, tegere odium, Iram premere; simulare multa, plurima Ut nulla dissimulare. videor prosequi Amore Iulianum. at odi maxime. Bono tamen vultu istud odium contego. Sic simulo amicum, inimicum ago: caute reor. Occasioni vota nuncupo interim Ut tempori se prodat iracundia. Nunc Sardiane, mitte qui Mardonium Et Nicoclem huc ad me vocent. Sard.: mitto ut iubes, Auguste Caesar. Const.: Iulianum an aestiment, Perquirere lubet; ingenij est summi ut reor, Adeo fuit natura in illum benefica. Tragoedias at saepe magnas excitant Ingenia magna. quieta sunt rarissime, Nisi stricta discant fraena mature pati. Adeste vos scientiarum praestites.
Scena II. Constantius Imp. in Iuliani mores et studia inquirit. Der Keyser Constantius befilcht seinem Hofmeister Sardiano, daß er lasse holen Mardonium und Nicoclem deß Juliani Underweiser/ welche vom Keyser befragt werden wie sich Iulianus halte/ und er ob ein Keyser künte abgeben. Sie streichen ihn dermassen herfür/ daß ihn der Keyser von stundan berufft und offentlich seiner Tugent lobt. Bar. AE III,477E–478D (= Eun. vit. 7,11; Greg. Naz. or. 4,21), 641A–B (= Amm 15,2,7–8) [Sokr. hist. eccl. 3,1,1–18; Soz. hist. eccl. 5,2,19] 122–123 aliud dicere lubet, aliud sentire ] Sen. epist. 24,19
Actus primus |
207
Zweite Szene Constantius, Mardonius, Nicocles, Julian, Sardianus, Gefolge (Thronsaal; Constantius mit Sardianus und Gefolge) Const.: (zunächst für sich) Über meinen Vetter Julian denke ich in meinem Inneren anders, als meine äußere Miene verrät; ich sage gern das eine und meine das andere: Ich halte es für klug, meine inneren Regungen zu verhüllen, meinen Hass zu überdecken [125] und meinen Zorn zu unterdrücken, vieles zu heucheln und noch mehr so zu verschleiern, als sei es nichtig. Es scheint, als hegte ich Julian gegenüber Zuneigung. Aber ich hasse ihn aufs Äußerste. Dennoch überdecke ich diesen Hass mit freundlicher Miene. So heuchle ich den Freund und agiere als Feind. Ich halte das für ein vorsichtiges Handeln. [130] Inzwischen bete ich für eine günstige Gelegenheit, damit sich mein Zorn zur rechten Zeit verrät. (Zu Sardianus) Nun, Sardianus, schicke Männer, die Mardonius und Nicocles hierher zu mir rufen sollen. Sard.: Ich schicke sie, wie du es befielst, Augustus Caesar. (Sardianus ab) Const.: (erneut für sich) [135] Ich möchte herausfinden, ob sie Julian schätzen; meiner Meinung nach ist er höchstbegabt; die Natur war ihm gegenüber gar sehr großzügig. Aber oft rufen Geistesgrößen große Tragödien hervor. Höchst selten werden sie nicht auffällig, es sei denn, sie lernen rechtzeitig, sich straffe Zügel anlegen zu lassen. (Mardonius und Nicocles treten auf) [140] Kommt zu mir, ihr Hüter der Weisheit.
208 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Mard.: Salve Imperator semper invictissime. Const.: Vobis salus sit plurima; saluti quia Vos plurimis. audire iam velim meo De patruele vestra quid sententia Edicat. ingenij an boni an felicis est? Nico.: Est optimi longeque felicissimi. Scientiarum et artium est natum bono. Rimatur omnia, pervidet sagaciter Omnia, nihil docetur, illico discere Quod nequeat, et crebro docentem praevenit. Const.: Si vera, grata mihĭ refers. Nico.: verissima. Const.: Quae Iuliano memoria? Nico.: tenacissima. Const.: Scientiarumne est avidus? Nico.: avidissimus. Const.: Constanter audit? Nico.: imo constantissime. Const.: Ad purpuramne aptum putas? Nico.: aptissimum. Const.: An est futuri providus? Nico.: quam maxime. Const.: Publicane maiestas per illum firmiter Vigere, florere, poterit? Nico.: firmissime. Const.: Satisne vafer et cautus est? Nico.: Argum putes Centena cui stent lumina, et oculeum caput. Const.: Tibĭ vero Mardoni, sophorum ingens decus, De Iuliano quid videtur? an sophus Erit aliquando? Mard.: Auguste Caesar, iam fuit Dudum. prius ratiocinari, credo, quam Sermocinari didicit. etiam infans sophus. Fuisse philosophiam ei matrem haud male Quis dixerit. non factus est sed natus est Sapiens. Const.: vide nostris nihil des auribus. Mard.: Vive Imperator, et fidem vide meam; Libare coepi Iuliani encomia Nondum explicare. plura laudanda remanent Quo plura laudo; quodque in ipso dignius Est laude; laudi Iulianus non studet, Laus Iuliano plurimum. hunc ambit, fovet
159–160 Argum putes … et oculeum caput ] Benci Erg. S. 247,15–16
Actus primus | 209
Mard.: Sei gegrüßt, für immer unbesiegtester Kaiser. Const.: Auch euch möge es überaus wohl ergehen, zumal ihr den meisten Menschen zum Wohl seid. Ich möchte sogleich hören, wie eure Einschätzung über meinen Vetter ist. [145] Besitzt er wirklich eine Veranlagung, die Nutzen bringt, wirklich eine, die Glück verheißt? Nico.: Eine, die noch größeren Nutzen bringt und noch größeres Glück verheißt, kann es gar nicht geben. Er wurde zum Wohl der Weisheit und der Künste geboren. Er forscht alles aus, durchschaut alles scharfsinnig, nichts wird ihm gelehrt, was er nicht sofort erlernen kann, [150] und häufig ist er sogar seinem Lehrer voraus. Const.: Wenn das wahr ist, höre ich es gerne. Nico.: Es entspricht vollkommen der Wahrheit. Const.: Und wie sieht es mit Julians Gedächtnis aus? Nico.: Es ist unbegrenzt. Const.: Brennt er darauf, sich Wissen anzueignen? Nico.: Lichterloh. Const.: Hört er ausdauernd zu? Nico.: Ja sogar am ausdauerndsten. Const.: [155] Hältst du ihn für den Purpur geeignet? Nico.: Mehr als geeignet. Const.: Denkt er denn auch wirklich vorsorglich voraus? Nico.: So sehr er nur kann. Const.: Könnte durch ihn die Hoheit des Staates in Stärke erblühen und glänzen? Nico.: In größter Stärke. Const.: Ist er ausreichend scharfsinnig und aufmerksam? Nico.: Du könntest ihn für Argus halten, [160] auf dessen Körper hunderte Augen haften und der einen Kopf voller Augen besitzt. Const.: Wie scheint es aber dir, Mardonius, du gewaltiger Glanzpunkt unter den Weisen, um Julian bestellt zu sein? Wird etwa auch er einmal ein Weiser sein? Mard.: Augustus Caesar, das ist er schon längst. Er hat meiner Meinung nach eher gelernt, vernünftige Überlegungen anzustellen als [165] überhaupt sprechen zu können. Schon als kleines Kind war er ein Weiser. Man könnte ganz einfach sagen, dass die Philosophie ihm eine Mutter war. Er wurde nicht zu einem Weisen gemacht, sondern bereits als ein solcher geboren. Const.: Siehe zu, dass du meinen Ohren nicht schmeichelst. Mard.: Lang lebe der Kaiser und blicke auf meine Aufrichtigkeit; [170] ich habe gerade erst damit begonnen, Lobreden auf Julian zu streifen, noch nicht damit, sie zu entfalten. Je mehr ich an ihm rühme, umso mehr Rühmenswertes bleibt übrig; und wofür er noch mehr Ruhm verdient hat: Julian strebt nicht nach Ruhm, am meisten gebührt Julian Ruhm dafür.
210 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Hunc, et favet ocello ut suo et clientulo: Et iure, siquidem in Iuliano summa sunt Quaecunque sunt vel crebra sortis munera Vel rara naturae. Const.: disertim praedicas. In disputando qualis est? Mard.: subtilis est, Ornatus, impavidus, gravis. Platonicam Sublimitatem effingit argutissime Ut qui repugnantes quoque ad se pertrahat. Const.: Inter Sophos ergo numerandus? Mard.: principi Vel proximus vel ipse princeps omnium; Illi invident omnes, at ipse nemini. Const.: Quid vero Mardoni sentis de moribus: Num etiam satis moratus est? Mard.: exemplar est Morum proborum. Const.: num pudicus, integer Castus? Mard.: pudoris specimen est; castissimus Et integerrimus: faceta comitas Integritatem ornat. vitia carpit, nihil Laedendo vitiosos. Const.: facis spem plurimam. Multum potest doctrina virtute gravida. Nunc Iulianum Sardiane huc accias. Sard.: Facio Imperator. Const.: calcar addam iam antea Currenti, et audientibus vobis, faces Flagrantis animo suggeram; sic reliquum iter Suadebo decurrat, tenax captae viae. Adesto Iuliane. quaesivi tuis De moribus, deque studiis. mores tuos Probant, amorem in litteras depraedicant: Sic perge. sic tu purpuram ornaturus es Te purpura; atque ita imperabis latius, Avidum domando spiritum quam fertilem Si Gadibus Libyam remotis iunxeris.
179–182 subtilis est … pertrahat ] Plin. epist. 1,10,5 190–192 faceta comitas … vitiosus ] Plin. epist. 1,10,7 195–196 calcar addam … currenti ] Plin. epist. 1,8,1; Bar. AE III,555E; Erasm. Adag. 147 203–205 atque ita … iunxeris ] Hor. carm. 2,2,9–11 205 Libyam ] Lybiam D1 , correxi
Actus primus |
211
Der Ruhm umgibt, hegt [175] und pflegt ihn wie sein Schätzchen und seinen kleinen Schützling. Und das mit Recht, da ja alles, was einem der Zufall häufig oder die Natur selten schenkt, in Julian großartig ist. Const.: Du rühmst ihn mit beredten Worten. Wie macht er sich beim Disputieren? Mard.: Er versteht es schlicht, [180] schmuckvoll, unerschrocken und eindringlich zu sprechen. Die stilistische Erhabenheit eines Platon ahmt er äußerst scharfsinnig nach, da er sogar diejenigen auf seine Seite zieht, die ihm widersprechen. Const.: Darf er also zu den Weisen gezählt werden? Mard.: Entweder kommt er gleich nach dem Ersten oder er ist selbst schon der Erste unter ihnen allen; [185] alle neiden ihm, er selbst aber niemandem. Const.: Was aber hältst du von seinem Verhalten, Mardonius: Sag nur, dass er sich auch ausreichend anständig verhält? Mard.: Er ist ein Musterbeispiel für ein anständiges Verhalten. Const.: Ist er etwa auch keusch, unbescholten und untadelig? Mard.: Er ist das Ideal der Keuschheit; du findest keinen untadeligeren [190], keinen unbescholteneren: Seine einnehmende Freundlichkeit ziert seine Unbescholtenheit. Er übt Kritik an Verfehlungen, ohne diejenigen, die diese begehen, zu kränken. Const.: Du weckst in mir überaus große Hoffnungen. Großes vermag tugendschwangere Gelehrsamkeit. Nun, Sardianus, rufe Julian hierher. Sar.: [195] Ich kümmere mich darum, mein Kaiser. (Ab) Const.: Ich will dem, der von sich aus bereits läuft, noch die Sporen geben und in eurer Gegenwart seinem bereits lodernden Herzen noch weitere Fackeln zuführen. Ich will ihm raten, in derselben Weise den übrigen Weg unter Beibehaltung der eingeschlagenen Richtung weiter zu bestreiten. (Julian tritt auf) Julian, komm zu mir. (Dieser kommt zu ihm.) Ich habe mich [200] nach deinem Verhalten und deinen Studien erkundigt. Sie loben dein Verhalten und rühmen deine Liebe zu den Künsten. Nur weiter so. So wirst du den Purpur zieren und dich der Purpur; und so wird deine Herrschaft, wenn du deinen habgierigen Sinn zähmst, weiter reichen, [205] als wenn du das fruchtbare Libyen mit dem entlegenen Gades verbändest.
212 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Iustum et tenacem itineris incoepti virum Non civium ardor mente solida deijcit; Non fulminantis siderea Iovis manus: Si fractus illabatur orbis impavidum ardua Feriet ruina. non eget Mauri sparo Vitae integer scelerisque purus; nescia Virtus repulsae intaminatis fulgurat Honoribus; tentat negata iter via, Coetusque vulgares humumque despicit Fugiente penna: Iuliane si velis Probare te omnibus, probetur unica Virtus tibi. haec ad astra calcanda est via.
Scena tertia Constantius, Iulianus, Sardianus, Sallustius, Eulogius
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Sard.: Prae foribus, Imperator, adsunt qui rogant Rogare pauca a te sinantur. Const.: audiam; Adsint. dabo aures aequa postulantibus. Eulo.: Auguste Caesar, Caesarum invictissime Tibi tuisque salus et anni plurimi. Const.: Agnosco devotos mihi. Eulo.: moram brevem Te poscimus, si non gravere aures dare. Const.: Dabo, et secundas. libere profamini. Scena III. Iulianus in clericum postulatur. Under dem kompt Eulogius unn andere Priester von einer Ehrwirdigen Clerisey und gantzem Constantinopolitanischem Volck zum Keyser geschickt/ begerent/ Ihr Mayest. wölle ihnen Julianum für einen Doctor der H. Schrifft erfolgen lassen/ wo fern er ihn nit zukrönen bedacht sey. Constantius wirfft die Antwort auff sein unnd deß Iuliani fernere Bedenckung. 206–210 Iustum et tenacem … feriet ruina ] Hor. carm. 3,3,1–8 210–211 Non eget … purus ] Hor. carm. 1,22,1–2 212–215 nescia virtus … fugiente penna ] Hor. carm. 3,2,17–18 und 22–24 217 haec … via ] Sen. Herc. O. 1942–1943 209 ] Septenarius 210 non eget Mauri ] Mauri non eget D1 , metri causa corr. D
Actus primus |
213
Einen gerechten Mann, der seinen eingeschlagenen Weg beibehält, stößt in seinem festen Sinn weder die Leidenschaft der Bürger noch die himmlische Hand des blitzeschleudernden Jupiter um: Wenn der Erdkreis zerbrochen zusammenstürzt, wird der jähe Untergang einen Furchtlosen [210] treffen. Jemand, der ohne Fehl im Leben und frei von Frevel ist, braucht den Jagdspeer des Mauren nicht; Tugend, die keine Zurückweisung kennt, glänzt in unbefleckten Ehren; sie hält die Richtung bei, auch wo kein Weg ist, und blickt, mit Flügeln emporsteigend, verachtend auf die einfache Menschenmenge und die Erde herab. [215] Julian, wenn du dich allen empfehlen willst, möge dir allein die Tugend empfohlen sein. Das ist der Weg, den man bestreiten muss, um zu den Sternen zu gelangen. (Mardonius und Nicocles ab)
Dritte Szene Constantius, Julian, Sardianus, Sallustius, Eulogius (Sardianus tritt zusammen mit Sallustius auf) Sard.: Vor der Tür, mein Kaiser, stehen Männer, die um Erlaubnis bitten, dir ein kurzes Anliegen vorbringen zu dürfen. Const.: Diese will ich anhören; [220] sie mögen hereinkommen. (Sardianus ab) Ich will meine Ohren gegenüber denjenigen, die berechtigte Bitten vorbringen, nicht verschließen. (Eulogius tritt zusammen mit einigen Priestern auf; diese werfen sich vor Constantius zu Boden.) Eulo.: Augustus Caesar, aller Caesaren unbesiegtester, dir und den Deinen seien Gesundheit und unzählige Lebensjahre vergönnt. Const.: Ich erkenne eure Ergebenheit mir gegenüber an. Eulo.: (erhebt sich zusammen mit den übrigen Priestern) Wir bitten, dich kurz stören zu dürfen, wenn es dir nichts ausmacht, uns dein Ohr zu leihen. Const.: [225] Ich leihe es euch und es ist sogar wohlwollend gestimmt. Sprecht offen.
214 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Eulo.: Vive Imperator et serus caelum pete. Tu Christiani sidus orbis maximum, Nobis Reique publicae sacrae manum Porrige benignam, solus o patriae pater. Opem tuam Byzantium supplex rogat Ut fana stent favore conspicua tuo. Tibĭ patruelis est sua notissimus Virtute doctrinaque: tota praedicat Urbs Iulianum, et ad astra laude subvehit Hunc ergo Caesar Iulianum poscimus: Auguste hic est qui orbem labantem surrigat; Cuius humeris subsidat exhausta patria. Hic Iulianus est, sacrorum quem sibi Interpretem voluminum omnis urbs rogat. Si tamen amictus purpurae sacros velit Praeferre, Caesarique summo siderum Subesse malit, quam esse Caesar ipsemet. Const.: Res maximi rogata momenti est. mihi Vero nec annuere nec abnuere integrum: Hoc Iuliani deferendum arbitrio. Te Iuliane do arbitrium istarum precum, Tecum exputa pedumne sceptrumne placeat! Iul.: Ut imperas Auguste, promtus pareo. Const.: Mecum hoc loco, viri sacri, recedite.
Actus primus |
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Eulo.: Lang mögest du leben, Kaiser, und erst in hohem Alter den Himmel aufsuchen. Du höchster Stern des christlichen Erdkreises, reiche uns und der heiligen Kirche deine gütige Hand, oh du alleiniger Vater des Vaterlandes. [230] Byzanz bittet demütig um deine Hilfe, damit seine Kirchen durch deine Gunst prächtig erstrahlen können. Du hast einen Vetter, der für seine Tugend und Gelehrsamkeit weltberühmt ist: Die ganze Stadt preist Julian und in seinem Ruhm erhebt er sich zu den Sternen. [235] Um diesen Julian also, Kaiser, bitten wir dich: Kaiser, er ist es, der den dahinsinkenden Erdkreis wieder emporheben kann. Auf seinen Schultern kann sich das erschöpfte Vaterland niederlassen. Julian ist derjenige, den die ganze Stadt als Ausleger der Heiligen Schrift für sich verlangt. [240] Es sei denn, er möchte die heiligen Purpurgewänder bevorzugen und sich lieber dem Kaiser unterwerfen, dem höchsten der Gestirne, als selbst Kaiser sein. Const.: Eure Bitte ist von überaus großem Gewicht. Aber in diesem Fall liegt weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung in meiner Gewalt: [245] Es muss Julians Urteil überlassen werden. (Zu Julian) Dir, Julian, übertrage ich die Entscheidung über diese Bitten, überlege du bei dir selbst, ob dir der Hirtenstab oder das Herrscherszepter gefällt! Jul.: Wie du, Kaiser, es befiehlst, gehorche ich bereitwillig. Const.: Ihr geweihten Männer, verlasst mit mir diesen Ort. (Alle ab, außer Julian und Sallustius)
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Scena quarta Iulianus, Sallustius 250
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Sall.: Scis Iuliane quam tibi fidus, quam amans Tui hactenus fuerim, nec esse desinam. Nunc vero amicis maxime fidis eges, Qui tibĭ quod aequum suadeant. Iul.: suasor mihi Deus est et auctor optimus vitae novae. Sall.: Humana consilia quoque audienda sunt. Iul.: Divina si desint. Sall.: Deus non negligi Humana vult consilia. Iul.: sua multo minus. Sall.: At negligit divina qui spernit hominum. Iul.: Divina non spernit, hominum qui negligit Si quod Deus suadet, homines dissuadeant. Vita nova placet. Sall.: o Iuliane sint tibi Suspecta semper nova, vetera placeant magis. Iul.: Meliora si novis. Sall.: periculum novis Saepius inest. Iul.: saepissime salus. Sall.: non sine Metu mali. Iul.: bonum haud amat quisquis malum Non metuit. Sall.: et quid est timendum Caesari? Iul.: Quod non timet. Sall.: timeri oportet Caesarem.
Scena IV. Iulianus inter Clericos profiteri statuit, dissuadente aulae Praefecto. Iulianus entschleust sich auff den geistlichen Stand un verhindert/ daß ihn Sallustius sein Hofmeister wil abwenden mit fürwerffen/ er sol nichts newes anheben/ sein Jugend und hohe Sinn nicht dahin wenden/ sein Geschlecht nit verduncklen/ die künfftig Keyserliche Cron nicht verwerffen/ sich nicht in ein ewige Dienstbarkeit begeben etc. Hierauff repliciert Julianus. Newes Leben sey nit zuverwerffen wann es gut ist: Die Jugend und hohe Sinn werden doch einmal abnemen und sterben/ das Geschlecht werde durch den Geistlichen Stand je scheinender glantzen: Cron hin/ Cron her/ Gottes Cron sey grösser/ ihme dienen haiße herrschen etc. Salustius verleurts/ und wil ihm doch nichts recht geben. 264 ] Versus mendosus, fortasse saepissime syllaba ultima falso correpta; Sall.: Saepius inest. Iul.: saepissime salus. Sall.: haud sine emendari potest, cf. Comm. ad locum
Actus primus |
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Vierte Szene Julian, Sallustius Sall.: [250] Du weißt, Julian, wie treu ergeben, wie zugetan ich dir gegenüber bisher immer gewesen bin, und ich werde es auch weiterhin sein. Nun brauchst du wirklich besonders verlässliche Freunde, die dir zum rechten Handeln raten. Jul.: Gott ist mein Ratgeber und der großartigste Stifter meines neuen Lebens. Sall.: [255] Aber auch auf die Ratschläge der Menschen musst du hören. Jul.: Ja, wenn diejenigen von Gott fehlen sollten. Sall.: Gott will nicht, dass die Ratschläge der Menschen missachtet werden. Jul.: Dass seine, aber noch viel weniger. Sall.: Aber wer die Ratschläge der Menschen verschmäht, verschließt sich auch gegenüber den göttlichen. Jul.: Jemand, der die Ratschläge der Menschen missachtet, [260] wenn diese von dem abraten, was Gott rät, verschließt sich nicht gegenüber den göttlichen. Ich habe mich für dieses neue Leben entschieden. Sall.: Oh Julian, Neues sollte dir immer verdächtigt sein, du solltest mehr Gefallen am Alten finden. Jul.: Wenn es besser ist als das Neue. Sall.: Im Neuen steckt sehr oft Gefahr. Jul.: Noch viel, viel öfters aber Segenbringendes. Sall.: Aber nicht ohne [265] dass man etwas Übles fürchten muss. Jul.: Jeder, der das Übel nicht fürchtet, liebt das Gute nicht. Sall.: Und wovor muss sich ein Kaiser fürchten? Jul.: Vor dem, was er nicht fürchtet. Sall.: Ein Kaiser muss gefürchtet werden.
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Iul.: Deum magis. Sall.: ita est Iuliane. sed tuam Num sic iuventam perditum ibis? Iul.: perdere, Est saepe lucrari. Sall.: iuvenis es. Iul.: sed tamen Mortalis. Sall.: es de stirpe Caesarum. Iul.: Tamen Mortalis. Sall.: es firmi et valentis corporis. Iul.: Nihilominus mortalis. Sall.: omnes tibĭ favent, Omnes te amant. Iul.: mortalis a mortalibus Amor. Sall.: memoriam summam habes. Iul.: haec nulla erit Aliquando. Sall.: divini ingenij es. Iul.: hebescet hoc. Sall.: Ergo relinques spes tam opimas? Iul.: ne brevi Relinquar ego ab illis. Sall.: erit nudum latus, Vacuum atrium, incomitata lectica. Iul.: comitem Habebo virtutem ducemque. Sall.: servies Ergo, futurus Imperator? Iul.: servitus Paucos tenet, sed servitutem plurimi. Servire Numini imperare est. Sall.: Clericus Sit, Caesare genitus? Iul.: potentior Deus Est Caesare. Sall.: generis tui fuscabitur Splendor. Iul.: decus vivendo benĕ nanciscimur, Sive benĕ moriendo: inclyti non nascimur. Sall.: Non te tui florentis aevi ver monet? Iul.: Ergone tunc primum ordiendum est vivere Cum desinendum? vel prius quam inceperim Vixisse, desinam? genus vitae novum Placet. videbis Iulianum Clericum Isthac die. sic me iuvent superi. Quies Cordi mihi est; portumque malo quam mare. Si navis in portu perit, parcat fretum? Haec fluxa calcat qui sapit, vel rectius Ut sapiat. Sall.: ah quid Iuliane tuam indolem
277–282 Ergo relinques … servitutem plurimi ] Sen. epist. 22,9 und 11 294 portum malo quam mare ] Sen. epist. 19,2 295 Si navis in portu perit, parcat fretum? ] Sen. epist. 14,15
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Jul.: Mehr noch Gott. Sall.: So ist es, Julian. – Aber willst du dich etwa daranmachen, deine Jugend auf diese Weise wegzuwerfen? Jul.: Wegwerfen [270] bedeutet oft gewinnen. Sall.: Du bist doch ein junger Mann. Jul.: Aber dennoch sterblich. Sall.: Du stammst aus einem Kaisergeschlecht. Jul.: Dennoch sterblich. Sall.: Du verfügst über einen kräftigen und gesunden Körper. Jul.: Nichtsdestotrotz sterblich. Sall.: Alle sind dir gewogen, alle lieben dich. Jul.: Eine sterbliche Liebe von Sterblichen. Sall.: [275] Du verfügst über ein riesiges Gedächtnis. Jul.: Dieses wird irgendwann einmal nicht mehr sein. Sall.: Du besitzt eine göttliche Begabung. Jul.: Auch diese wird dahinschwinden. Sall.: Willst du also solch reiche Aussichten zurücklassen? Jul.: Ja, damit ich nicht eines Tages auf einmal von ihnen verlassen werde. Sall.: An deiner Seite wird sich niemand befinden, dein Atrium wird leer sein, deine Sänfte ohne Begleitung. Jul.: [280] Ich werde die Tugend als Begleiterin und Lenkerin haben. Sall.: Gerade dabei Kaiser zu werden, willst du also ein Knecht sein? Jul.: Die Knechtschaft hält nur wenige Menschen, die meisten aber halten an der Knechtschaft fest. Gottes Knecht zu sein heißt herrschen. Sall.: Soll der Spross eines Kaisers ein Geistlicher sein? Jul.: Gott ist mächtiger [285] als ein Kaiser. Sall.: Dadurch wird sich der Glanz deines Geschlechts trüben. Jul.: Wenn wir ein gutes Leben führen oder gut sterben, erlangen wir Ruhm: Wir werden nicht schon ruhmreich geboren. Sall.: Mahnt dich nicht deine blühende und gedeihende Jugend? Jul.: Soll man erst dann zu leben beginnen, [290] wenn man damit aufhören muss? Oder soll ich aufhören zu leben, bevor ich überhaupt damit angefangen habe? Ich habe mich für dieses neue Leben entschieden. Heute noch wirst du Julian als Geistlichen sehen, so wahr mir Gott helfe! Zur Ruhe zu kommen, das liegt mir am Herzen; ich ziehe den Hafen dem Meer vor. [295] Oder anders formuliert: Wenn ein Schiff schon im Hafen untergehen kann, dürfte es dann wohl die hohe See verschonen? Wer weise ist, tritt diese nichtigen Dinge mit Füßen, oder, besser gesagt, er tut es, um weise zu sein.
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Necas? Iul.: parari magna parvo non queunt. Sall.: Non metuis animi saepe mutantis vices? Iul.: Nil audeat qui metuit. Sall.: at ne erret quidem. Timor est pater prudentiae. Iul.: est idem comes Inertiae et langoris. et par est malum Nihil timere et omnia. Sall.: sit hoc. incipe: Quis exitus erit? Iul.: principia post bona, bonus. Sall.: Subduc iugo cervicem, et animum libera. Iul.: Liber ero, si quietus et Musis vacans. Sall.: Velis quiescere. tua fortuna abnuit. Iul.: Caeca Dea de me proferat sententiam? Sall.: Permitte fortunam tuam succrescere. Iul.: Sortis fidem moresque novi callide. Fortuna non crescit nisi ut decrescere Queat. altitudo vel ipsa quod altum est attonat. Stat firma pectori meo sententia Induere Clericum. Sall.: ut exuas male, induis. Iul.: Vitam meam exaequabo ad illam quam ego semel Legem mihi ipse tulĭ. recedo. tu brevi Me sequere. leges in domo cernes novas. Sall.: Si modo probas. quam vereor haec ita incipi Ut finiantur pessime. novi magis Ego Iulianum quam seipsum noverit. Fidis tuo ingenio nimis mutabili, Sed cavĕ ruinam ipse tibĭ consilijs, struas Tuis. Labare vult, moneri qui ab alijs Non vult. Ruinae saepe proximus est, procul A se ruinam qui putat, sibĭ credulus Soli. cavendum est maxime cum non caves. Leges eo visurus in domo novas.
298–312 parari magna … decrescere queat ] Sen. epist. 19,3–9 300–303 Nil audeat … nihil timere et omnia ] Benci Erg. S. 266,13–16 312 altitudo … attonat ] Sen. epist. 19,9 = Maecen. carm. frg. 10 Lunderstedt 315–316 vitam meam … ipse tuli ] Sen. epist. 20,3
Actus primus |
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Sall.: Ach Julian, was vernichtest du deine Begabung? Jul.: Großes kann nicht aus Kleinem bereitet werden. Sall.: Fürchtest du nicht das stete Hin und Her eines schwankenden Gemüts? Jul.: [300] Wer sich fürchtet, sollte auch nichts wagen. Sall.: Aber zumindest doch, dass man einen Fehler begeht. Die Furcht ist die Mutter der Weisheit. Jul.: Sie ist aber auch die Gefährtin von Trägheit und Schläfrigkeit. Und nichts zu fürchten ist dasselbe Übel wie alles zu fürchten. Sall.: So sei es. – Aber sag: Welches Ende wird das nehmen? Jul.: Nach guten Anfängen ein gutes. Sall.: [305] Nimm deinen Nacken aus dem Joch und befreie deinen Sinn. Jul.: Ich werde frei sein, wenn ich in Zurückgezogenheit leben und Zeit für die Musen haben werde. Sall.: Magst du dich auch zurückziehen wollen, dein Schicksal verweigert es. Jul.: Soll die blinde Göttin über mich entscheiden? Sall.: Lass zu, dass dein Glück heranwachsen kann. Jul.: [310] Die Zuverlässigkeit und das Verhalten des Schicksals kenne ich ganz genau. Das Glück wächst nicht an, ohne dass es auch vergehen kann. Ja sogar die Höhe selbst setzt das, was hoch ist, Donnerschlägen aus. Meine Entscheidung, das Klerikergewand anzulegen, steht fest in meinem Herzen. Sall.: Um es zu deinem Unglück wieder abzulegen, dazu legst du es dir an. Jul.: [315] Mein Leben werde ich jener Regel anpassen, die ich mir ein für alle Mal erwählt habe. Ich ziehe mich zurück. Folge mir in Kürze. Du wirst neue Verhältnisse in meinem Haus vorfinden. Sall.: Solange es gute sind. Wie sehr fürchte ich, dass all dies einen solchen Anfang nimmt, dass sein Ende das allerschlimmste sein wird. [320] Ich kenne Julian besser als er sich selbst. (Julian ab) Du vertraust deiner allzu launischen Veranlagung. Hüte dich aber bei deinem Vorhaben, dir und den Deinen den Untergang zu bereiten. Derjenige, der sich von anderen nichts sagen lassen möchte, will den Untergang finden. Derjenige, der glaubt, [325] dass der Untergang von ihm selbst weit entfernt sei, und der gegenüber sich allein arglos ist, ist dem Untergang oft nahe. Am meisten muss man auf der Hut sein, wenn man nicht auf der Hut ist. Ich gehe nun, um mir die neuen Verhältnisse in seinem Haus anzusehen. (Sallustius ab)
222 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena quinta Mystillus, Phyrnis, Drusillanus, Bitias, Paronetemus
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Drusil.: O vita non beata, vita haec aulica! Quam multa iniqua ferenda? neque diu hoc licet. Ridendum, herus si rideat; flendum, si herus Fleat; herum agit servumque servus, sic heri Necesse mores induat. quod praemium Tandem laboris? maximus labor; fames, Et saeva pauperies. Pedem cum non moves Numero. foras occinitur illico, foras Foras. ita quoties heri mutat animus, Toties familia. Euripi in aula plurimi, Quia oceanus est aula, et inconstantia Duntaxat est constans, mari simillima; Hos eijcit ut admittat hos, pellit alios Recipiat ut alios. fidem vovet omnibus. At pauculis praestat. Sed en comites meae Sortis. Mystil.: Susurro nescio quis incendium Conflarit in domo. foco vetus cocus Eviluit. turbae intus immanes. aget Nunc Iulianus Clericum, si Dis placet. Quid iam coquam? boum, puto, conviva ero. Ah! quam mihi et tibi fui non providus. Sic clepere atque rapere sic oportuit, Ut commeatus iam esset esurientibus.
Scena V. Iuliani aulici domo se pelli queruntur. Julianus auff das Geistlich bedacht jagt das Hofgesind alles auß dem Hauß/ die sich hefftig beklagen. Bar. AE IV,6C (= Amm. 22,4,9–10) [Greg. Naz. or. 4,64; Sokr. hist. eccl. 3,1,50] 329 Quam … ferenda ] Plaut. Amph. 174–175 347 boum … conviva ero ] Plaut. Pseud. 812
Actus primus |
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Fünfte Szene Mystillus, Phyrnis, Drusillanus, Bitias, Paronetemus (Vor dem Kaiserpalast) Drusil.: (zunächst allein) Oh welch unglückliches Leben, dieses Leben hier im Palast! Wie viele Widrigkeiten muss man hier ertragen? Aber dies zu beklagen, dazu hat man nicht viel Zeit. [330] Denn man muss lachen, wenn der Herr lacht; weinen, wenn der Herr weint; der Diener schlüpft in die Rolle des Herren und in die des Dieners: So muss man das Verhalten des Herrn annehmen. Was für ein Lohn winkt einem schließlich für diese Strapaze? Die allergrößte Strapaze: Hunger und schreckliche Armut. Wenn du nicht sofort den Fuß bewegst, [335] wird sogleich „Raus aus meinem Haus!“ gerufen, „Raus aus meinem Haus! Raus aus meinem Haus!“ So oft sich der Sinn meines Herrn wandelt, so oft verändert sich auch die Hausgemeinschaft. Der Palast verfügt, ein Ozean wie er ist, über eine große Zahl an unberechenbaren Meerengen und in seiner Unbeständigkeit ist er, versteht sich, beständig, ein vollkommenes Abbild des Meeres eben; [340] die einen wirft er hinaus, um andere einzustellen; er jagt die einen davon, um wieder andere aufzunehmen. Seine Treue gelobt er allen. Gegenüber den wenigstens jedoch hält er sie. (Phyrnis und Mystillus treten auf) Aber sieh da, meine Leidensgenossen. Mystil.: (zunächst nur zu Phyrnis sprechend) Irgend so ein Einflüsterer hat im Haus einen Brand entfacht. Der alte Koch ist am Herd [345] überflüssig geworden. Drinnen ist ein riesiges Durcheinander. Julian spielt nun (ist das zu glauben?) den Geistlichen. Was soll ich bald noch kochen? Ich werde, so glaube ich, der Tischgenosse von Rindviechern sein. Ach! Wie wenig habe ich für mich und dich vorgesorgt. Man hätte in dem Ausmaß stehlen und rauben sollen, [350] dass es für den Fall, dass wir hungerten, noch Vorrat gäbe.
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Phyr.: Crucem tulissemus. Mystil.: famem aegrius fero. Quam difficile cocus esurit, qui saepius Famem vocare solitus est, quam pellere. Iam prata patinae, herbasque nobis oggerent. Phyr.: Heu saepe convivas boves habebimus. Drusil.: Audite vos. herusne inexorabilis? Mystil.: Videtur. at tentare precibus quid oberit? Drusil.: Vestris meas iungam preces; lubet aggredi. Sed hic quid adportat novi? Bitias: turbas novas, Chaos novum. miscentur omnia in aedibus: Domo modo istum Iulianus eijcit Modo hunc. simulare Clericum, puto, cogitat, Non induere, mutare vestes, et animum Retinere. me qui a poculis illi fui Superfluum sibi ministrum dictitat. O Iuliane quam faculter incipis, Quam difficulter finies! Paron.: salvete vos. Mystil.: Ah! non sumus salvi. Paron.: nec ego. spes, res, procul Atque favor a me segregant. pellor domo A Iuliano, nec, ut ego puto, sum ultimus: Se Clericum posthac futurum iactitat. Sed iactitat solum futurum; numquam erit. Drusil.: Male pereat consultor ille pessimus Quisquis animum hunc iniecit in domini animum. Mystil.: Nunc quid agimus? Paron.: agamus animam, nisi precibus Detur locus. Drusil.: miserrimi mortalium Sumus, esse servis quando non licet; nihil Nobis magis quam longa libertas nocet: Mystil.: Desinimus homines esse, cum servi. Sed en Huc ipse prodit Iulianus. Drusil.: Ad illius Simul accidamus genua
354–355 iam prata … habebimus ] Plaut. Pseud. 810–813. 380 ] personae indicationem add. D
Actus primus |
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Phyr.: Wir hätten den Kreuzestod erlitten. Mystil.: Den Hunger erleide ich noch weniger. Wie hart ist es für einen Koch zu hungern, der es gewohnt ist, öfters den Hunger herbeizurufen als ihn zu vertreiben! Bald werden uns unsere Schüsseln Wiesengras und Kräuter vorsetzen. Phyr.: [355] Ach, oft werden wir Rindviecher als Tischgenossen haben. Drusil.: (zu den anderen beiden) Hört her. Ist unser Herr durch Bitten wirklich nicht umzustimmen? Mystil.: Es scheint so. Aber was schadet es, es nochmals mit Bitten zu versuchen? Drusil.: Ich will meine Bitten den euren anschließen; ich will es versuchen. (Bitias tritt auf) Aber was bringt der da Neues? Bitias: Neue Unruhen, [360] neues Durcheinander. Alles im Haus gerät in Unordnung: Bald wirft Julian diesen aus seinem Haus, bald jenen. Ich glaube, er denkt darüber nach, sich als Geistlicher auszugeben, es aber nicht zu werden; die Kleidung zu wechseln, den alten Sinn aber zu behalten. Er sagt immer wieder, ich, sein Mundschenk, [365] sei für ihn ein überflüssiger Diener. Oh Julian, wie leichtfertig beginnt dein Handeln, wie folgenschwer wird es enden. (Paronetemus tritt auf) Paron.: Guten Tag. Mystil.: Ach! Ein guter ist es für uns nicht. Paron.: Für mich auch nicht. Meine Zuversicht, mein Hab und Gut und meine Gunst verlassen mich. Ich werde [370] von Julian aus dem Haus geworfen und ich bin, so glaube ich, nicht der letzte. Er verkündet großspurig, dass er künftig ein Geistlicher sein werde. Aber er verkündet es eben nur großspurig; tatsächlich sein wird er es jedoch niemals. Drusil.: Welcher Schurke von Ratgeber auch immer unserem Herrn diesen Floh ins Ohr gesetzt hat, soll elend zugrunde gehen! Mystil.: [375] Nun, was tun wir? Paron.: Wir tun wohl den letzten Schnaufer, wenn unseren Bitten kein Gehör geschenkt wird. Drusil.: Wir sind die elendsten aller Sterblichen, da wir keine Diener sein dürfen. Nichts schadet uns mehr als eine lange Beschäftigungslosigkeit. Mystil.: Wir hören auf Menschen zu sein, wenn wir keine Diener mehr sind. (Julian betritt mit Sallustius die Bühne) Aber siehe, [380] von dort kommt Julian selbst herangeschritten. Drusil.: Wir wollen uns ihm sogleich zu Füßen werfen…
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Scena sexta Iulianus, Aulici, Menippus, Sallustius
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Drusil.: sanguis regius, Futurus orbis Imperator maximus, Ne tam repentinos velis esse exules Domesticos tuos. recipe nos denuo In gratiam: annue precibus. Iul.: frustra preces. Nunquam expulissem ex aedibus, vester mihi Nisi comitatus iam foret superfluus. Virtute stipari decet, hominem Deo Sacrum, palatinos greges excludere. Bonis avibus abite: nihil agitis prece. Omnes: O sortem iniquam! Iul.: aufugite mox, aequissima est. Infesta turba! Mille curas moveras; Dimota tandem es. multa bella domestica, Discordiae multae; multi servi. domus Tot perfluit rimis, quot aures, quot oculi Servorum. abite viperarum sibili Ventres capaces. ite guttura lubrica. Aulae procellas et penu voragines Domi hactenus alui. vacat tandem domus Hac peste. tonsorem voca. nec hunc lubet Laboris ignarum saginare: nec ego Illis volo accenseri, qui singulos pilos Ad iudicem trahunt, secarique imperant Quod nocte forsan proxima succreverit.
Scena VI. Aulici rogant in gratiam recipi, nullus impetrat. All mit einander thun Juliano ein Fußfall mit flehendem bitten/ er wölle ihnen noch Platz geben. Nicht durchauß: darvon mit ihnen. Endlich muß der Balbierer auch herfür unnd auß dem Hauß geschutzt werden/ mit scharpffer Verweisung seiner stattlichen Kleydung. Bar. AE IV,6C (=Amm. 22,4,9–10) 394 ] Senarius 402 ] Septenarius; volo accenseri hiatu metiendum
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Sechste Szene Julian, Palastdiener, Menippus, Sallustius (Die Palastdiener werfen sich Julian zu Füßen) Drusil.: … Kaisersproß, zukünftiger allergrößter Herrscher über den Erdkreis, mögest du nicht willens sein, dass deine Hausdiener so unverhofft zu Verbannten werden. Nimm uns wieder [385] in deine Gunst auf: Nicke unseren Bitten zustimmend zu. Jul.: Eure Bitten sind vergeblich. Ich hätte euch niemals aus meinem Haus geworfen, wäre mir eure Gefolgschaft nicht bereits überflüssig. Ein Mann, der sein Leben Gott weiht, muss voll von Tugend sein und die Palasthorde von sich fern halten. [390] Geht mit den besten Wünschen dahin: Ihr erreicht nichts durch eure Bitten. Alle: Oh welch ungerechtes Los! Jul.: Haut jetzt endlich ab, es ist nur gerecht. (Palastdiener ziehen sich zurück, verweilen aber noch im Hintergrund.) Lästiger Haufen! Tausend Sorgen hattest du mir bereitet; endlich bin ich dich los. Viele Diener bedeuten viel Streit und viel Zwietracht im Haus. Mein Haus [395] ist von so vielen Rissen durchzogen, wie meine Diener Augen und Ohren besitzen. (Bemerkt, dass die Palastdiener noch da sind; diesen zurufend) Haut ab, ihr zischenden Vipern, ihr vielverschlingenden Mägen. Fort mit euch, ihr nimmersatten Kehlen. Ab jetzt versorge ich die Stürme am Hof und die Strudel in meinem Haus nicht mehr mit Nahrung. (Palastbedienstete gehen ab.) Endlich ist mein Haus frei [400] von dieser Seuche. (Zu Sallustius) Rufe den Barbier. (Sallustius ab) Ich möchte diesen nicht mästen, ohne dass er etwas von Arbeit weiß: Aber ich will auch nicht zu denjenigen gezählt werden, die die Entscheidung über ein jedes zu stutzendes Haar auf die Goldwaage legen und die veranlassen, dass das abgeschnitten werde, was zufällig in der vergangenen Nacht nachgewachsen ist. (Menippus tritt prunkvoll bekleidet auf)
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Eho tu vocatus? tonsorem vocaveram Non vero rationarium. purga domum Fuga. [capillos sic docebo dein meos Indoctam ut etiam perferant manum.] Men.: preces Admitte. Iul.: non admitto: consilia proba Decet esse firma. Men.: vel loquar verbum? Iul.: non hoc. Men.: O dira sors! cum nec loqui quidem licet. Iul.: Alium tibi inquire dominum. nihil nisi Quod vel sopor venterque suaserit agitis. Servitia pollicemini vos, dominium Invaditis; opibus alienis prodigi. Quem multa servorum tegit cohors, miser Hoc fecit ut egeret multis custodibus.
Scena septima Melampus, Milphio, Iulianus, captivae virgines
420
Mel.: Constantio mittente patrueli suo, Adducimus tibĭ vivă spolia e Perside. Iul.: Abducite illico. nihil negotij Mihĭ cum puellis. me pudicas non modo Manus, sed et oculos habere convenit.
Scena VII. Iulianus Persicas virgines dono missas vel intueri etiam recusat. Es werden Juliano drey Persische Jungkfrawen vom Constantio für ein fremmde Gab geschickt. Dise wil Julianus auch so gar nit ansehen. Verlobt sich darauff der Keuschheit. [Amm. 24,4,27] 406 purga domum ] Cic. Catil. 1,10 421–422 me pudicas … habere convenit ] Mt 18,8–9; Mc 9,42 und 46 405 ] Senarius 407–408 ] capillos sic … perferant manum oblitt. D, cf. Comm. ad locum 410 ] Versus mendosus; Iul.: Decet esse firma. Men.: loquar verbum? Iul.: ne unum quidem. emendari potest 417 ] Senarius
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229
[405] Hey, habe ich dich rufen lassen? Ich hatte nach meinem Barbier rufen lassen,
nicht nach meinem Schatzmeister. Hau ab und säubere dadurch mein Haus. [Ich werde mir dann eben meine Haare so schulen, dass sie sogar meine ungeschulte Hand ertragen.] Men.: Eine Bitte erlaube. Jul.: Nein, ich erlaube keine Bitte: Gute Entschlüsse [410] müssen fest stehen. Men.: Dürfte ich auch nur ein Wort sagen? Jul.: Nicht einmal das. Men.: Oh welch hartes Los! Noch nicht einmal sprechen darf man. Jul.: Suche dir einen anderen Herrn. Ihr tut nichts außer das, wozu euch eure Trägheit und euer Magen zuvor geraten haben. Ihr gelobt mir euren Dienst, [415] fallt aber über meinen Besitz her; mit fremdem Reichtum geht ihr verschwenderisch um. Derjenige, den eine große Schar von Dienern beschützt, hat darin falsch gehandelt, dass er überhaupt viele Beschützer benötigte. (Alle ab, außer Julian)
Siebte Szene Melampus, Milphio, Julian, gefangene persische Jungfrauen (Melampus und Milphio treten mit angeketteten Jungfrauen auf. Diese tragen orientalische Tracht und einen Gesichtsschleier.) Mel.: Wir bringen dir eine lebendige Siegesbeute aus Persien, die Constantius dir, seinem Vetter, schickt. Jul.: (wendet seine Augen von diesen ab) [420] Führt sie sofort weg. Ich will mit den Mädchen nichts zu tun haben. Ich will nicht nur reine Hände, sondern auch reine Augen besitzen.
230 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Non nescio Cypridis duces. recte arguunt Parum pudicum animum impudica lumina. Adhucnĕ statis? illico hinc abducite; In compedes aut illico rapiemini. Mel.: Ut imperas, abducimus. Iul.: suas sibi Constantius captas retineat virgines. Libare nec oculis volo, manu quae nefas. Aliena sunt, tangenda non sunt. in statu Animus suo durare nequit, ubi virium Aliquid in illo vendicat sibi Venus. Tuum, o Pudicitia, colo Numen, tua Fultus ope Musarum subeo penetralia. Sed en adest Constantius. constans ero.
Scena octava Constantius cum clericis, Iulianus
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Const.: Num Iuliane pectoris rimatus es Latebras tui; num certă stat sententia? Iul.: Certissima. Const.: ede. Iul.: precibus horum do locum, At non precum caussa. voluntas huc mea Constanter inclinat, nec aliud expetit. Nam iudico cum Clericis bonum mori, Cum Clericis non abnuam ergo vivere.
Scena VIII. Iulianus praesente Constantio Clericum deinceps se fore pronunciat. Constantius befragt Julianum, ob er endlich gantz und gar deß Geistlichen Stands besunnen sey: Iulianus bleibt auff seinem fürnemmen/ und spricht: weil es gut sey mit den Geistlichen sterben/ wölle er sich nit wegern mit den Geistlichen Leben/ darauff legt man ihm Geistliche Kleydung an. Bar. AE III,554B–C (= Greg. Naz. or. 4,23) [Nic. 10,1; Sokr. hist. eccl. 3,1,20–21; Soz. hist. eccl. 5,2,7, 11 und 17] 428 captas ] captat D1 , corr. D
Actus primus |
231
Ich kenne die Verlockungen der Liebesgöttin ganz genau. Mit Recht machen meine unzüchtigen Augen meinem wenig züchtigen Sinn Vorwürfe. (Blickt kurz zu den Übrigen und wendet sich sofort wieder ab.) [425] Steht ihr immer noch hier herum? Führt sie umgehend weg von hier; oder ihr werdet sofort in Fesseln gelegt. Mel.: Wir führen sie ab, wie du befiehlst. (Alle ab, außer Julian) Jul.: Constantius soll seine gefangenen Jungfrauen für sich selbst behalten. Ich will nicht einmal mit den Augen von dem kosten, was mit der Hand zu berühren ein Frevel ist. [430] Dies gehört hier nicht her, ich darf so etwas nicht anrühren. Mein Sinn kann nicht derselbe bleiben, wenn Venus in ihm irgendwelche Kräfte für sich in Anspruch nimmt. (Constantius tritt mit Geistlichen auf.) Oh Keuschheit, deine göttliche Kraft verehre ich, auf deine Hilfe gestützt betrete ich das Heiligtum der Musen. [435] Aber siehe da, Constantius ist da. (Für sich) Ich will konstant bei meiner Haltung bleiben.
Achte Szene Constantius mit Geistlichen, Julian Const.: Nun Julian, hast du mittlerweile die verborgenen Winkel deines Herzens durchforstet; steht deine Entscheidung fest? Jul.: Felsenfest. Const.: So sprich. Jul.: Ich gebe ihren Bitten nach, aber nicht aufgrund ihrer Bitten. Mein eigener Wille [440] ist fest darauf ausgerichtet, er trachtet nach nichts anderem. Denn ich halte es für gut, als Geistlicher unter Geistlichen zu sterben, und so lehne ich es auch nicht ab, als Geistlicher unter Geistlichen zu leben.
232 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Const.: Quid Iuliane? ne ruat temeraria, In praecipitia, mens vide. tarde incipe, Finire quod vitae ante finem non licet: Si finiendum non putes; non incipe. Iul.: Non finiam, nisi cepero. perstat animus. Const.: Sic temet auctorabis ad munus novum? Iul.: Auctore Numine. Const.: Iuliane tardius. Iul.: Audire Numen tarditatem respuit. Const.: Non respuit prudentiam. Iul.: at nec expetit Prudentiam! Const.: genus tuum sic despicis? Iul.: Suspicio. Const.: Siccine tibĭ sordet purpura? Iul.: Ignosce Caesar, purpurae sunt pondera Non sustinenda humeris meis. Const.: sic desines Sapientiae limen terere? Iul.: primum ordiar. Const.: Consilia reprime; vivis aevum lubricum. Iul.: Tanto magis certo indiget firmamine. Const.: Quodsi voluntas ista penitus fixa sit Animi medullis. perge Iuliane, quod Laudas, ama et sequere. sed, aut non incipe Aut coepta fini. Iul.: finiam, spero, Deo Superisque bene iuvantibus. Const.: vestem sacram Pullamque ferte. sacram ad aedem dein simul Nos conferamus, auspicem votis Deum Vocemus, ut, quae coepta, Numen prosperet.
Actus primus |
233
Const.: Was Julian? Dass sich dein Sinn nicht unüberlegt in den Abgrund stürzt, das siehe zu. Beginne wohlüberlegt, [445] was du vor dem Ende deines Lebens nicht mehr beenden kannst: Wenn du aber das Gefühl hast, dass du es nicht bis zu deinem Ende durchhalten kannst, beginne erst gar nicht damit. Jul.: Ich kann es nur bis zum Ende durchhalten, wenn ich es zuvor überhaupt begonnen habe. Meine Entscheidung steht fest. Const.: So willst du dich dieser neuen Aufgabe verpflichten? Jul.: Es verpflichtet mich Gott. Const.: Warte doch noch ein wenig ab, Julian. Jul.: [450] Gott missbilligt es, wenn man auf abwartende Trägheit hört. Const.: Klugheit missbilligt er jedoch nicht. Jul.: Aber er verlangt sie auch nicht! Const.: Verachtest du so dein Geschlecht? Jul.: Ich achte es hoch. Const.: Also widert dich der Purpur so sehr an? Jul.: Verzeihe, mein Kaiser, der Purpur ist eine Last, [455] die von meinen Schultern nicht getragen werden kann. Const.: So hörst du auf, im Haus der Weisheit ein und aus zu gehen? Jul.: Nein, ich beginne erst damit. Const.: Halte deine Pläne zurück; du bist in einem Alter, das leicht ins Wanken gerät. Jul.: Umso mehr benötigt man eine zuverlässige Stütze. Const.: Wenn aber dieser Wille tief [460] im Innersten deines Herzens verankert ist, setze das fort, Julian, was du da rühmend hervorhebst, finde Gefallen daran und verfolge es. Setze aber das Angefangene bis zum Ende fort oder beginne es erst gar nicht. Jul.: Ich werde bis zum Ende daran festhalten, so hoffe ich, wenn Gott und die Himmlischen mir wohlwollend beistehen. Const.: Bringt das heilige, graue Gewand. (Man legt Julian das Gewand des Geistlichen an.) Wir wollen uns dann sogleich zur Kirche [465] begeben und mit unserem Gebet Gottes Gunst erbitten, damit seine göttliche Macht diesem Vorhaben gewogen sei.
234 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena nona Daemones octo
470
475
480
485
1us : Adeste, adeste magna Lethes Numina Vestraque lacu infero venenate iacula; Magnum caput stygio petendum fulmine: Vincendus est mihĭ Iulianus Clericus, Praecepsque vitium in omne deturbandus est. Ego continentem, ego abstinentem, ego sobrium Feram? ciebo potius in caput unius Omnem inferorum exercitum, vincam modo. Sed agite, consilijs opus. quo subruam Teli genere, qua machina pessundabo? 2us : Superbia. 1us : leve vulnus est pro Caesare. 3us : Auri fame. 1us : contemnit aurum, haud esurit. 4us : Amoribus. 1us : nec intuetur virgines. 5us : Livore vinces. 1us : forte; sed solus cadet. 6us : Furore. 1us : Nimium fraenat iracundiam. 7us : Gulae manus dabit. 1us : cibi est paucissimi. 8us : Socordiae. 1us : laboris est patiens nimis. Hoc Iulianus spiculo figendus est Quo si cadat, non ille solus occidat, Sed pertrahat secum cadentum maximam Ruinam ad orcum. absque comitatu dedecet In Tartarum venire natos Caesarum. Quare quid opis adfertis aut quid consili?
Scena IX. Daemonum Comitia in Iuliani caput celebrantur. Die Teufel künden nit gedulden daß ihnen Julianus entwichen/ berahtschlagen hin und her auff ein newes verführen. Endlich entschliessen sie sich ihn auff die Heydnisch Abgötterey/ als einen Brunnen aller Boßheit zu bringen. Nemen inen für/ wie sie durch ihn die Welt zu einer Mezgt der Menschen machen wöllen. 483 8us ] 2us D¹, personae indicationem correxi, cf. Comm. ad locum
Actus primus |
235
Neunte Szene Acht Dämonen 1. Däm.: Kommt herbei, kommt herbei ihr gewaltigen Mächte des Lethestroms und vergiftet eure Speerspitzen im See der Unterwelt; der stygische Blitzstrahl muss eine große Persönlichkeit treffen: [470] Julian, den Geistlichen, muss ich besiegen, er muss jäh zu Fall gebracht und zu einer jeden Untat verführt werden. Soll ich es ertragen, dass er ein bescheidener, dass er ein zurückhaltender, dass er ein enthaltsamer Mensch ist? Ich werde vielmehr das ganze Heer der Höllenbewohner auf den Kopf eines einen ansetzen, solange ich nur siege. [475] Aber auf geht’s, euer Rat ist gefragt. Durch welches Geschütz werde ich ihn zu Fall bringen, durch welche Waffe werde ich ihn zugrunde richten? 2. Däm.: Mit Hochmut. 1. Däm.: Das ist eine harmlose Wunde für jemanden, dem der Weg zum Kaiserthron offen steht. 3. Däm.: Mit der Gier nach Gold. 1. Däm.: Er verachtet Gold, er giert nicht danach. 4. Däm.: Mit Wollust. 1. Däm.: Er schaut Jungfrauen nicht einmal an. 5. Däm.: [480] Mit Neid könntest du ihn überwältigen. 1. Däm.: Vielleicht; aber dadurch wird nur er allein zu Fall kommen. 6. Däm.: Mit Zorn. 1. Däm.: Er zügelt seinen Zorn in besonderem Maße. 7. Däm.: Er wird sich der Völlerei hingeben. 1. Däm.: Beim Essen ist er am sparsamsten. 8. Däm.: Mit Trägheit. 1. Däm.: Er hält Strapazen nur zu gut aus. In Julian muss ein solcher Stachel gerammt werden, [485] dass nicht nur er allein zugrunde geht, wenn er zu Fall kommt, sondern dass er eine gewaltige Zahl von Mitmenschen, die zusammen mit ihm zu Fall kommen, mit sich in die Hölle reißt. Es schickt sich doch nicht, dass Nachfahren von Kaisern ohne Begleitung in die Hölle kommen. Welches Mittel oder welchen Rat bietet ihr mir also an?
236 | Iulianus Apostata Tragoedia
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2us : Quid si Deorum cultus in pestem trahat? 1us : Pro vicimus, si feriat illum haec machina. Sed faxo feriat et perimat et deprimat Imos in Orci carceres. o commode! O prospere! o victoriam certissimam! Magos sophosque Iulianus unice Colit, amat, audit. plura Numina quilibet Horum colenda illi facile persuaserit. 3us : Bellissime. suadendo cultus Numinum Truculenta quaevis scelera persuadebimus. Nullum inferorum maius hoc monstro malum Idololatria. quisquis huic pesti dedit Animum obsequentem pluraque colit Numina: Ad recta flecti devius nunquam potest. Nullumque violens novit in rebus modum. 1us : Iam victus est; iam noster est, hic Palladis Ocellus. insontes faciet is daemonas. Praeceps feretur Iulianus in nefas, Caelo vel ipsi contremiscendum nefas; Facinus vel ipsis extimescendum inferis. Agitante me, me praeside atque interprete Miscebit orbem, evertet orbem funditus: Invita quantum sanguinis tellus bibes? Nunc omne punctum stat sophorum suasibus; Hos ambiamus, hi dabunt rem effectui. Adeste; tempus nos vocat percommodum: Iam ventilandae sunt faces Phlegetonicae.
500–504 Nullum inferorum … in rebus modum ] Bern. Stef. Crispus I,94–101 510 Agitante … interprete ] Bern. Stef. Crispus I,132
Actus primus |
237
2. Däm.: [490] Was, wenn ihn der Götzendienst ins Verderben stürzen würde? 1. Däm.: Oh, wir haben gesiegt, wenn ihn diese Waffe treffen sollte. Aber ich werde zusehen, dass sie ihn trifft, dass sie ihn vernichtet und dass sie ihn in die tiefsten Kerker der Hölle hinab wirft. Oh, wie passend! Oh, wie günstig! Oh, welch todsicherer Sieg! [495] Julian verehrt, liebt und hört auf die Gelehrten und Weisen in einzigartiger Weise. Irgendeiner von diesen wird ihn leicht davon überzeugen, dass man mehrere Götter verehren muss. 3. Däm.: Wunderbar! Indem wir ihm zum Götzendienst raten, werden wir ihn zu einem jeden furchtbaren Verbrechen verführen. [500] Es gibt kein schlimmeres Übel der Unterwelt als dieses Ungeheuer, den Götzendienst. Jeder, der hörig seinen Sinn dieser Seuche zugewandt hat und mehrere Götter verehrt, der kann, einmal auf Abwegen irrend, nie mehr auf die rechte Bahn zurückgeführt werden. Unbändig hält er in seinem Handeln kein Maß mehr. 1. Däm.: [505] Schon haben wir ihn; schon ist er unser, dieser Liebling der Pallas. Er wird die Dämonen schuldlos erscheinen lassen. Julian wird jäh in diesen Frevel stürzen, ein Frevel, vor dem sogar der Himmel selbst bis ins Mark erzittern muss; ein Verbrechen, vor dem sogar die Unterwelt selbst heftig erschaudern muss. [510] Indem ich ihn antreibe, leite und manipuliere, wird er den Erdkreis aufwühlen und von Grund auf umstürzen: Wieviel Blut wirst du, Erde, dann widerwillig trinken? Nun kommt es ganz entscheidend auf die Ratschläge der Weisen an; wir wollen uns ihnen zuwenden, sie werden die Sache umsetzen. (Weise und Gelehrte betreten die Bühne.) [515] Auf geht’s; ein sehr günstiger Moment ruft uns: Jetzt müssen die Fackeln des Phlegeton geschwenkt werden.
238 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena decima Iamblichus, Maximus, Priscus, Libanius, Ecebolius, Iulianus, Daemones
520
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Iambl.: Faventiorem Iulianum nec quidem Optare liceat. Max.: noster est. Eceb.: Sophiae iubar Clarissimum est. Lib.: parcus cibi, soporis est Parcissimus. virtutis integerrimus Cultor, comes. Iambl.: sol litteratorum omnium est. Prisc.: Sed cui suae nubeculae et caligines. Christum colit; Christum eieret. sic denique Innubis erit hic sol. Iambl.: mora dabit quem voles. Dis facere Iulianum adhuc spectabimus. Prisc.: Faxint Dij Deaeque. Max.: verum lentius Tanta ingenia novo imbuuntur dogmate: At polliceor obtemperaturum omnibus Quaecunque lenta suasio instillaverit. Lib.: Novi virum: dabit manus suadentibus. E pectore evellemus Hebrǣum in cruce Functum, negotio, reor, facillimo. En ipsus! Iul.: o mea lumina, mea maxima Decora, meae salvete delitiae, sophi Clarissimi. Iambl.: sit Iuliano plurima Salus. Iul.: quid in bilance? Iambl.: summi ponderis Certamen. Iul.: audiam obsecro. Iambl.: quaesivimus Num Hebrǣus ille qui trabi suffixus est Deus esse potuerit, ut rudis plebs asserit.
Scena X. Conciliabulum philosophorum coit ob Iulianum a Christo avertendum. Deß Teufels Werckzeug waren Jamblichus, Maximus, Priscus, Libanius, und Ecebolius, 5 Philosophen unn Zauberer/ die underreden sich/ wie Julianus möcht auff ihr Seyten und Aberglauben kommen. Stellen sich zweiflent/ ob der gecreutziget Hebreer könde ein Gott seyn. Juliano gehet der Zweifel ein: tritt mit ihnen ab/ weiter hievon zureden. Die Teufel blasen zu/ daß er verführt werde. 526 Max.: verum lentius ] Iambl.: verum lentius D1 , personae indicationem correxi, cf. Iul. 943– 945
Actus primus |
239
Zehnte Szene Jamblichus, Maximus, Priscus, Libanius, Ecebolius, Julian, Dämonen (Dämonen im Hintergrund; Philosophen zunächst noch ohne Julian) Jambl.: Einen Julian, der uns noch geneigter ist, können wir uns nicht einmal wünschen. Max.: Er ist unser. Eceb.: Er ist der hellste Glanz der Weisheit. Lib.: Beim Essen ist er sparsam, beim Schlaf [520] am sparsamsten. Ein anständiger und unbescholtener Verehrer und Gefährte der Tugend. Jambl.: Er ist die Sonne am Gelehrtenhimmel. Prisc.: Aber diese wird getrübt von Wölkchen und Nebelschwaden. Er verehrt Christus; Christus aber soll er abschwören. Nur so wird diese Sonne letztlich erst wolkenlos erstrahlen. Jambl.: Die Zeit wird dafür sorgen, dass er so wird, wie du ihn dir wünschst. [525] Wir werden es noch mit eigenen Augen sehen, wie Julian den Göttern opfert. Prisc.: Die Götter und Göttinnen mögen dafür sorgen. Jambl.: Solch hochveranlagte Menschen werden jedoch nur sehr langsam mit einer neuen Lehre vertraut gemacht: Aber ich verspreche, dass er allem folgen wird, was geduldige Ratschläge ihm einträufeln. Lib.: [530] Ich kenne ihn: Er wird seinen Ratgebern die Hand reichen. Wir werden ihm den Hebräer, der am Kreuz starb, aus seinem Herzen reißen und das, so denke ich, unter nur sehr geringem Aufwand. (Julian tritt auf) Siehe, da ist er selbst! Jul.: Oh meine strahlenden Vorbilder, oh meine höchsten Zierden, seid gegrüßt, es ist mir eine außerordentliche Freude euch zu treffen, ihr [535] hochberühmten Weisen. Jambl.: Sei auch du herzlich gegrüßt, Julian. Jul.: Was gilt es abzuwägen? Jambl.: Eine Streitfrage von höchstem Gewicht. Jul.: Bitte, ich möchte sie mir anhören. Jambl.: Wir haben uns gefragt, ob jener Hebräer, der an einen Holzbalken geschlagen wurde, ein Gott gewesen sein kann, wie es das einfache Volk behauptet.
240 | Iulianus Apostata Tragoedia
540
545
550
Cum ratio, cum voces sophorum, cum libri, Cum saxa, cum statuae reclament, cum neget Istud vetustas omnis, actum scilicet In stipitem Numen. Iul.: mihi lis sat liquet, Nondum liquet de fine litis. num lubet Plura super hoc disserere? Iambl.: quippini? lubet. Promtissimos tuique studiosissimos Nos Iuliane habes. voca, iube, impera; Paremus omnes. Iul.: gratulor tales mihi E rariori sorte amicos, qui suum Docto suo ore Iulianum prosperent. Adeste disseramus. Iambl.: ad nutum adsumus. 1us Daemon: Nec desumus nos. ite; erimus interpretes.
Actus primus |
241
[540] Wo doch die Vernunft, wo doch die Ansichten der Weisen, wo doch Bü-
cher, wo doch Marmor- und Bronzestandbilder dagegen sprechen und wo doch unser ganzes Altertum es verneint, dass überhaupt je eine Gottheit an den Kreuzesstamm geschlagen worden ist. Jul.: Die Streitfrage ist mir völlig klar, ihr Ausgang allerdings noch nicht. Wollt ihr denn [545] noch intensiver darüber diskutieren ? Jambl.: Warum nicht? Gerne. Wir sind dir gegenüber, Julian, vollkommen bereitwillig und bemüht. Fordere auf, veranlasse, befehle; wir alle gehorchen dir. Jul.: Ich bin sehr froh darüber, dass ich solche selten zu findende Freunde habe, die [550] mit gelehrtem Mund ihren Julian glücklich machen. Wohlan, lasst uns diskutieren. Jambl.: Wir warten nur auf einen Wink von dir. 1. Dämon: (zu den übrigen Dämonen) Auch wir wollen da nicht fehlen. Kommt; wir werden nachhelfen, dass alles in die rechten Bahnen gelenkt wird.
242 | Iulianus Apostata Tragoedia
Actus secundus Scena prima Iulianus, Daemones octo
555
560
565
570
575
Daemones: Quousque Iuliane virtutem tuam Dormire pateris otiosam? degener? Nihilne te virtus tuorum commovet, Nomenque gentis Flaviae illustrissimum? 1us : Tune has feras sordes, situs hos vestium? Iul.: Ego hanc lacernam regius sanguis geram? 1us : Adhuc moraris? abijce togam iam diu Tibi molestam. Iul.: purpuram centonibus Mutaverim? 2us : futurus orbis arbiter. Iul.: Omnes honores hac toga sepeliverim? 3us : Sepultus ipse maximis maeroribus. Iul.: Pannis in istis consenescam turpiter? 4us : Et consenescendo macescas turpius? Iul.: Obsordeam solus ego? iaceam, squalleam? 5us : Honoribus, luce, solio dignissimus. Iul.: Et curia extorris, sacellis immorer? 6us : Dignus reformidans quem adoret curia. Iul.: Foroque pulsus, fana vilis incolam? 7us : Pridem vocandus in iubar largissimum. Iul.: Procul voluptate moriar, dum vivo adhuc? 8us : Vitae decus iuvenisque floridissimus. Iul.: Sic pereat ingenium meum? 1us : quod omnia Post se relinquit ingenia, decus omnium.
Der ander Act, Scena I. Iulianus inter cacodaemonum applausus Clericum exuit. Julianus auß einspeyen der Teufel unnd von den Philosophen uberwunden/ wirfft die Geistliche Kleydung von sich trits mit Füssen/ unnd wirdt vom Geistlichen Stand und Glauben Abtrinnig. [Greg. Naz. or. 4,47, 56, 74 und 85; Theod. hist. eccl. 3,20,1] 553–554 Quousque Iuliane … pateris otiosam ] Cic. Catil. 1,1
Actus secundus | 243
Zweiter Akt Erste Szene Julian, acht Dämonen Dämonen: Wie lange, Julian, willst du eigentlich noch tatenlos mitansehen, wie deine Tugend faul vor sich hin schlummert? Entsprichst du so wenig deiner Familie? [555] Treibt dich die Tugend deiner Vorfahren und der hochberühmte Namen des Flavischen Geschlechts denn zu nichts an? 1. Dämon: Ist diese niederträchtige, diese schmutzige Kleidung für dich denn wirklich tragbar? Jul.: Soll ich, wo doch kaiserliches Blut in meinen Adern fließt, diese Lacerna wirklich tragen? 1. Dämon: Da zögerst du noch? Wirf die Toga weg von dir! Lange [560] ist sie dir doch schon lästig. Jul.: Soll ich den Purpur mit diesen Lumpen tauschen? 2. Dämon: Als zukünftiger Gebieter über den Erdkreis. Jul.: Soll ich mit dieser Toga alle Würden begraben? 3. Dämon: Selbst begraben von unsagbarem Gram. Jul.: Soll ich in diesen Lumpen auf schändliche Weise altern? 4. Dämon: [565] Und beim Altern auf noch schändlichere Weise dahinwelken? Jul.: Soll ich einsam im Dreck dahinvegetieren? Machtlos darniederliegen? In armseligem Aufzug? 5. Dämon: Du, der wie kein anderer Würden, Glanz und den Thron verdient hat. Jul.: Und soll ich mich vom Kaiserhof gejagt in kleinen Kapellen aufhalten? 6. Dämon: Du, den der Kaiserhof eigentlich ehrfurchtsvoll verehren müsste. Jul.: [570] Und soll ich vom Forum getrieben nichtsnutzig Kirchen bewohnen? 7. Dämon: Du, der schon längst in eine alles überstrahlende Position hätte berufen werden müssen. Jul.: Soll ich fern von jedem Vergnügen den Tod erleiden, während ich doch eigentlich noch am Leben bin? 8. Dämon: Du Jüngling, dessen herrlich ruhmvolles Leben in vollster Blüte steht. Jul.: Soll meine Begabung auf diese Weise zugrunde gehen? 1. Dämon: Die alle [575] begabten Menschen hinter sich lässt, eine Zierde aller.
244 | Iulianus Apostata Tragoedia
580
585
590
595
600
Iul.: Sic langueat memoria? 2us : divinissima. Iul.: Sic dona naturae tegam? 3us : opulentissima. Iul.: Vires retundam? 4us : maximas. Iul.: altis ita Tenebris premam prudentiam? 5us : clarissimam. Iul.: O alia vivenda est mihi vita. 6us : melior, Laetior. 7us : honoratior. 8us : amoenior. Iul.: mihi Sol largior quaerendus est. 1us : es ipse sol. Iul.: Maius decus. 2us : Deus aliquis es inter homines. Iul.: Orbis onus ab humeris levabitur meis. 3us : Portabis ipsum caelum Atlas ipsissimus. Iul.: Quid hanc moror togam? sagum et chlamys placet. 5us : Sagum sagaci Iuliano convenit. Iul.: Regum nepos et Clericus male congruunt. 6us : Satis parentatum patri, luctum exue. Iul.: Mecum ergo semper carcerem hunc circumferam? Abito vestis pulla, pestis maxima. 7us : Calca, pedibus obtere. Iul.: genus tu regium Calcaveris? calcanda es atque mortuis Servanda, vivis induenda es neutiquam. 8us : Hoc Iuliano facinus est dignissimum. Omnes: Vicit. Iul.: togam cum Clerico tandem exui. 1us : Christum exuisti et induisti daemonem. Iul.: Tandem iugum cervice proieci mea Iugum asperum, nunquam ferendum Caesari. 3us : Sic liber, in nostra incidisti retia. Iul.: Vale toga, vale luctuosum pallium.
578–579 altis ita ∣ Tenebris ] altis premam ∣ Siccine tenebris D1 , corr. D
Actus secundus |
245
Jul.: Soll mein Gedächtnis auf diese Weise erschlaffen? 2. Dämon: Das dem der Götter vollkommen gleichkommt. Jul.: Soll ich die Gaben der Natur so verstecken? 5. Dämon: Die üppigsten noch dazu. Jul.: Soll ich meine Kräfte in Zaum halten? 4. Dämon: Zumal sie gewaltig sind. Jul.: Soll ich meine Weisheit in tiefer Dunkelheit verbergen? 5. Dämon: Sie, die am hellsten erstrahlt. Jul.: [580] Oh, ich muss ein anderes Leben führen. 6. Dämon: Ein besseres, ein glücklicheres. 7. Dämon: Ein ehrbareres. 8. Dämon: Ein angenehmeres. Jul.: Ich muss mir eine höher stehende Sonne suchen,… 1. Dämon: Du selbst bist die Sonne. Jul.: … einen heller strahlenden Ruhm. 2. Dämon: Du bist wie ein Gott unter den Menschen. Jul.: Meine Schultern werden die Last des Erdkreises stützen. 3. Dämon: [585] Du selbst wirst als Atlas höchstpersönlich den Himmel tragen. Jul.: Warum soll ich diese Toga noch anbehalten? Ich möchte das Sagum und die Chlamys. 5. Dämon: Das Sagum passt sagenhaft zum scharfsinnigen Julian. Jul.: Ein Kaiserspross und ein Geistlicher passen schlecht zusammen. 6. Dämon: Genug der Totenopfer für den Vater, lege deine Trauer ab. Jul.: [590] Soll ich also dieses Gefängnis immer mit mir herumtragen? Verschwinde du Trauerkleid, mein größtes Unheil. (Zieht sein Gewand aus und wirft es zu Boden) 7. Dämon: Tritt es, zermalme es mit Füßen. Jul.: (zu seinem Gewand, das auf dem Boden liegt) Du willst dieses kaiserliche Geschlecht mit Füßen treten? Dich muss man vielmehr zertreten und für die Toten aufsparen, den Lebenden darfst du in keinem Fall angelegt werden. (Tritt sein Gewand mit Füßen) 8. Dämon: [595] Diese Tat ist eines Julian am würdigsten. Alle: Er hat gesiegt. Jul.: Endlich habe ich die Toga zusammen mit dem Geistlichen abgelegt. 1. Dämon: Christus hast du abgelegt und angelegt den Teufel. Jul.: Endlich habe ich von meinem Nacken dieses Joch abgeworfen, dieses missliche Joch, das ein Kaiser niemals tragen darf. 3. Dämon: [600] Damit bist du uns aus freiem Willen ins Netz gegangen. Jul.: Lebe wohl meine Toga, lebe wohl mein Trauergewand.
246 | Iulianus Apostata Tragoedia
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1us : Valete caelites, vale caelum, vale Numen. Iul.: decus me pristinum ambit; obsequor. 4us : Et pristino praestantius. Iul.: ducem sequor Qua me vocat fortuna. templum iam vale. 1us : Salve profundus Iuliano tartarus. Iul.: Priscos amictus abeo sumpturus. 1us : cave Cavĕ orbis. excrescit nova tibi vipera.
Scena secunda Constantius, Aedesius, Sirgiamnes, Sardianus, Nuntius
610
615
620
Nun.: Turbabitur maesto Imperator nuntio, Ob Galliam furore turbatam novo. Iamque segetes miles vagus flamma metit, Iam classe numerosa teguntur aequora: Ubique iam ferale mugiunt tubae. Solantur aedes, arva vastantur, viae Strage varia sternuntur, horrent omnia Mavorte, ni Caesar animosum incendium Restinctum eat, cineres in altos nobile Potensque regnum abibit; omnibus gravis Ruina iam minatur; olim plurimos Pessum datura, ni Imperator fulciat.
Scena II. Constantius nunciato motu Gallico, Iulianum auxilio submittendum decernit. Ein post auß Franckreich vermeld den Ubelstand deß Reichs inn denselben Landen mit Ablesung eines Briefs an ihr Kays. Mayest. Constantius gehet zu Raht mit Aedesio und Sirgiamne seinen Hofräthen/ ob er einen andern erfahrner Mann mit Kriegsmacht in Franckreich schicken/ oder sich mit eigner Person in das Feld geben solle: Entschleust Iulianum zu krönen/ unnd mit einem Heer wider den Feind abzuschicken. Bar. AE III,665D–666D (= Amm. 15,8,1–18) [Greg. Naz. or. 4,34–42]
Actus secundus | 247
1. Dämon: Lebt wohl ihr Himmlischen, lebe wohl Himmel, lebe wohl Gott. Jul.: Mein alter Glanz nimmt mich wieder für sich ein; ich ergebe mich ihm. 4. Dämon: Und er ist noch strahlender als zuvor. Jul.: Ich folge der Führung [605] meines Schicksals, wohin es mich auch ruft. Lebe nunmehr wohl, Kirche. 1. Dämon: Sei dem Julian gegrüßt, tiefe Hölle. Jul.: Ich gehe hinfort, um meine alten Gewänder wieder anzulegen. 1. Dämon: Hüte dich, Erdkreis, hüte dich. Dir erwächst eine neue Schlange. (Alle ab)
Zweite Szene Constantius, Aedesius, Sirgiamnes, Sardianus, Bote (Thronsaal) Bote: (zunächst allein) Die bestürzende Nachricht, die ich bringe, [610] dass Gallien von einem erneuten Kriegswüten erschüttert wurde, wird den Kaiser tief erschüttern. Schon mähen umherziehende Soldaten mit Feuer die Saat nieder, schon werden die Grenzflüsse von unzähligen Schiffen bedeckt: Schon dröhnen Trompeten allerorten zu Leichenzügen. Siedlungen vereinsamen, Felder werden verwüstet, Straßen [615] mit mannigfachem Mord gepflastert, alles erzittert vor Mars; wenn unser Kaiser nicht aufbricht, um den wild lodernden Brand zu ersticken, werden vom edlen und mächtigen Reich nur noch Aschenberge übrig sein; augenblicklich droht allem ein furchtbarer Untergang; dieser wird unzählige [620] zugrunde richten, wenn der Kaiser seine Unterstützung nicht gewähren sollte. (Constantius betritt die Bühne.)
248 | Iulianus Apostata Tragoedia
625
Sed eccum adest Augustus ipse. Nuntio Lamenta Galliae. Imperator maxime Auguste, Felix, vive. nuntium fero Ex Gallia. Const.: laetumne fers? Nun.: maestissimum. Const.: Quo res loco sunt? Nun.: pessimo. Const.: serva Deus. Da pellegendas Grammatēo litteras. Imperatori, Caesari Flavio Constantio, Pio, Felici, Invicto, Augusto, Germanico, Francico, Sarmatico, Gothico, Persico, Armeniaco, Aegyptiaco, Africano, patri patriae salutem. Turbat et aestuat Gallia insultu assultuque barbarae cohortis. Ex agris miles et sicarius in urbes compellit; et, ut in undoso mari, non uno vento agitamur turbarum seditionumque: neque diutius ferendis his malis nos sumus. Passim inermes per viam greges, ut seges a falce, sternuntur: mira miseraque Galliae facies. Vincimur, ni succurras Imp. Invictissime: audaci flamma grassatur bellicum istud incendium, quod nisi praesens ipse compresseris, ustulatum cadaver erit formosissimum antea regnum. Anima Galliae in primis labris haeret, si bellicos paratus tardaveris, non magna vi distrahetur. Quare si hic orbis oculus, tibi in oculis Imp. Ipse veni et vide et vince. Vale. Anno Christiano LV supra CCC. Nonis Octobribus.
630
Const.: Angor animi nimis. maneo? eo perditum Galliam. eo? me perdo. ingravescens avocat Aevum. vocat iactura summa Galliae Verenda. succumbo malorum ponderi. Et orientis et occidentis ingruunt Motus, caputque unum petunt haec fulmina. Crebra nimis imperium procella meum attonat.
627 Turbat et aestuat … turbarum seditionumque ] Lipsius const. 1,1 627 veni et vide et vince ] Suet. Iul. 37,2 627 Anno Christiano … Nonis Octobribus ] add. D2
Actus secundus | 249
Aber siehe, der Kaiser selbst kommt daher. Ich berichte ihm Galliens Klagen. (Geht auf Constantius zu und kniet vor ihm nieder.) Lang lebe der größte Imperator, Augustus, Felix. Ich bringe dir Nachricht aus Gallien. Const.: Eine gute? Bote: Eine überaus bestürzende. Const.: [625] Wie ist die Lage? Bote: Äußerst schlecht. Const.: Gott bewahre! Gib deinen Brief meinem Sekretär, damit er ihn vorliest. (Constantius nimmt auf dem Kaiserthron Platz; der Sekretär bekommt den Brief überreicht und liest ihn laut vor) Der Imperator, Caesar Flavius Constantius, Pius, Felix, Invictus, Augustus, Germanicus, Francicus, Sarmaticus, Gothicus, Persicus, Armeniacus, Aegyptiacus, Africanus, der Vater des Vaterlandes, sei gegrüßt. Gallien wird tief gebeutelt und durch den Angriff und Ansturm barbarischer Truppen in Aufruhr versetzt. Soldaten und Banditen drängen vom Land in die Städte; und wie auf dem tobenden Meer werden wir nicht von einem einzigen Sturm aus Unruhen und Aufruhr getroffen: Wir sind nicht in der Lage, dieser katastrophalen Entwicklung weiter standzuhalten. Überall werden Wehrlose scharenweise auf der Straße, wie die Saat von der Sichel, niedergemäht: Gallien liefert einen erschütternden und elenden Anblick. Wir unterliegen, wenn du uns nicht zur Hilfe kommst, unbesiegtester Kaiser: Mit zügelloser Flamme wütet dieser Kriegsbrand. Wenn du diesen nicht persönlich vor Ort erstickst, wird deine zuvor prächtigste Herrschaft hier zu einem verbrannten Leichnam verkommen. Die Existenz Galliens hängt am seidenen Faden; wenn du die Kriegsanstrengungen weiter verzögerst, wird dieser Faden ohne größere Anstrengung reißen. Daher, wenn dir dieses Herzstück des Erdkreises am Herzen liegt, Kaiser, komm selbst und sieh und siege. Lebe wohl. Im 355. Jahr nach Christi Geburt, am 7. Oktober. Const.: Das bereitet mir überaus große Sorge. Bleibe ich hier? – Dann werde ich Gallien den Untergang bereiten. Breche ich dorthin auf? – Dann richte ich mich selbst zugrunde. Mein zunehmend beschwerliches Alter spricht dagegen. [630] Der endgültige Verlust Galliens, der offen zu befürchten ist, fordert mich dazu auf. Ich erliege der Last der Probleme. Sowohl im Osten als auch im Westen brechen Aufstände los und diese Unglücksschläge zielen alle auf ein und dasselbe Haupt. Diese zahlreichen Stürme erschüttern mein Reich allzu sehr.
250 | Iulianus Apostata Tragoedia
635
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Aedes.: Omnia vereri provide, timidi est nimis; Nihil vereri provide, stupidi est nimis. Illum beatum iudico, si quis pedem Utrimque referens sede se media tenet. Sirg.: Nihil Imperator tam asperum est, nil tam arduum, Quod praepotens non edomet virtus tua, Quod non cluat fortuna caelo proxima. Non sustinebit hostis aspectum tuum. Const.: Proficiscar ergo in Galliam? aetas abnuit. Aedes.: Propinquiora etiam abnuunt pericula. Anni morantur, prohibit urbs, ratio vetat. Const.: Ergo hostibus dabo lacerandam Galliam? Sirg.: En Imperator ad pedes supplex iacet Gallia, inhortatur ipsa te victoria. Const.: Victoria et fortuna fallacissimos Vultus gerunt fidemque spondent perfidam. Aedes.: Remota postponenda sunt periculis Vicinioribus; domestica exteris. Const.: Remota quisquis negligit pericula Propinqua tandem sentient. Sirg.: labat acies Absente duce, praesente perstat fortiter. Const.: Potior tamen ducis est salus quam militum. Quantum heu meus fluctuat in hoc aequore animus? Nec Galliam deserere, nec succurrere Queo Galliae. si desero, praedonibus Obijcio. succurro? domestica negligo. Aedes.: Est deserenda. Sirg.: sublevandam censeo Tua Imperator ipsĭus praesentia. Const.: Angustias nectitis inextricabiles. Aedes.: Quasi vero iam penuria tanta sit ducum? An ut manus valeat capiti pereundum erit? Sirg.: An ut manus valeat, caput non adiuvet? Vires ducum sua Imperator incitat Virtute. Aedes.: non uno latet virtus loco, Hanc ampla multis fama didit gentibus. 635–638 Omnia vereri … se media tenet ] Bern. Stef. Crispus II,258–261 644 Aedes.: ] Sirg.: D1 , corr. D 648 ] Senarius
Actus secundus |
251
Aedes.: [635] Es ist charakteristisch für einen allzu ängstlichen Menschen, alles vorausschauend zu fürchten; und für einen dummen Menschen ist es typisch, wiederum nichts vorausschauend zu fürchten. Ich halte denjenigen für glückselig, der sich von beiden Extremen entfernt und den Platz in der Mitte einnimmt. Sirg.: Mein Kaiser, es gibt nichts, was so widrig ist, nichts, was so schwierig ist, [640] dass es deine übermächtige Tugend nicht überwinden könnte, dass es nicht als dein glückliches Schicksal bezeichnet werden könnte, das dem Himmel am nächsten ist. Der Feind wird deinem Anblick nicht standhalten. Const.: Soll ich also nach Gallien aufbrechen? – Mein Alter rät davon ab. Aedes.: Auch Gefahren aus deiner unmittelbaren Umgebung raten davon ab. [645] Deine Lebensjahre halten dich zurück, die Stadt verhindert es, die Vernunft verbietet es. Const.: Soll ich also Gallien den Feinden zum Fraß vorwerfen? Sirg.: Siehe, mein Kaiser, Gallien liegt dir demütig bittend zu Füßen, deine eigene Sieghaftigkeit treibt dich an. Const.: Victoria und Fortuna tragen oft die verlogensten [650] Mienen und geloben treulose Treue. Aedes.: Gefahren, die einem in seiner näheren Umgebung drohen, sind den entfernten voranzustellen; die inneren den äußeren. Const.: Jeder, der entfernte Gefahren vernachlässigt, wird sie letztlich vor seiner Haustüre wiederfinden. Sirg.: [655] Ist der Feldherr abwesend, wankt die Schlachtreihe; ist er anwesend, steht sie tapfer und fest. Const.: Dennoch ist das Wohl des Feldherrn wichtiger als das der Soldaten. Ach, wie sehr schwankt mein Sinn in dieser stürmischen See? Ich kann Gallien weder im Stich lassen noch ihm zu Hilfe kommen. (Denkt kurz nach) Wenn ich es im Stich lasse, [660] liefere ich es diesen Banditen aus. Eile ich zu Hilfe? Dann vernachlässige ich die Angelegenheiten am Kaiserhof. Aedes.: Du musst es im Stich lassen. Sirg.: Ich bin der Meinung, dass du, Kaiser, Gallien durch deine persönliche Anwesenheit Unterstützung zukommen lassen musst. Const.: Ihr bringt mich in ein unlösbares Dilemma. Aedes.: Als ob aber der Mangel an Feldherren denn schon so groß wäre! [665] Oder muss der Kopf erst sterben, damit der Hand Stärke zuteil wird? Sirg.: Kann etwa der Kopf nicht dazu beitragen, dass die Hand über Stärke verfügt? Ein Kaiser stachelt die Kräfte seiner Feldherren durch seine eigene Tugend an. Aedes.: Tugend ist aber nicht an einem einzigen Ort verborgen; ausgedehnter Ruhm verteilt sie auf viele Familien.
252 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Const.: Sunt mihĭ duces, sunt milites. Aedes.: nil expetit A te Imperator amplius Mars Gallicus. Sirg.: Praesentiam tuam Imperator expetit. Aedes.: Praesentiam tuam Imperator denegant Tua civitas, cani tui, coniux tua Augusta faeminarum prudentissima. Const.: An faeminae parebo? Aedes.: si aequa suadeat. Const.: Canos morer? Aedes.: te illi morabuntur, nisi Tu illos. Const.: precibus ergo negem aures benevolas? Aedes.: Auguste te negabis, at dabis duces Cum laude qui tuas queant fungi vices. Const.: Desertor ergo vociter Imperij mei? Prodigere vitam praestat, istam quam mihi Conflare famam. Sirg.: magnanima vox Caesaris. Aedes.: Prius tueri se suosque convenit, Tum reliqua; se suisque neglectis, nihil Defenditur recte. Const.: quod hoc tandem mare? Incertus animi et huc et illuc distrahor, Qualis per aequor concitum bacchantibus Deprensa ventis fertur incerto ratis Agitata cursu: pellit illinc Africus Creber procellis, Eurus hinc, isthinc Notus. Nec in his procellis reperio, tandem sequi Quid optimum, quid fugere; uterque mihi placet Sententia dicunda, uterque displicet Nec tamen utrumque fas sequi. Cogor, animus Quod suadet anceps, aggredi. legendus est Consors in imperium. unius quod respuunt Vires, duorum perferent. fixum, ratum est.
687–691 Incertus animi … isthinc Notus ] Muretus Julius Caesar 379–383 675 ] Senarius
Actus secundus |
253
Const.: [670] Ich verfüge über Feldherren, ich verfüge über Soldaten. Aedes.: Nichts darüber hinaus verlangt der Krieg in Gallien von dir, mein Kaiser. Sirg.: Deine Anwesenheit vor Ort, Kaiser, verlangt er. Aedes.: Deine Anwesenheit vor Ort, Kaiser, lehnen deine Bürger, dein fortschreitendes Alter und deine Ehefrau, [675] die Augusta, die weiseste aller Frauen, strikt ab. Const.: Soll ich etwa auf eine Frau hören? Aedes.: Wenn sie rechtes rät. Const.: Soll ich meine grauen Haare aufhalten? Aedes.: Wenn du sie nicht aufhältst, werden sie eben dich aufhalten. Const.: Soll ich also meine Ohren, die sonst immer wohlwollend gestimmt sind, gegenüber diesen Bitten verschließen? Aedes.: Mein Kaiser, du wirst sie einerseits verschließen, andererseits aber Feldherren aussenden, [680] die deine Aufgaben stellvertretend übernehmen und ruhmreich verrichten können. Const.: Soll man mir also nachsagen, dass ich mein Reich im Stich lasse? Es ist besser, meine Lebensjahre zu vertun, als mir einen solchen Ruf zu verschaffen. Sirg.: Ein Wort des Kaisers, das von Mut zeugt. Aedes.: Es schickt sich, zunächst für sich selbst und die Seinen Sorge zu tragen, [685] dann für das Übrige; wenn man sich selbst und die Seinen vernachlässigt, schützt man nichts in rechter Weise. Const.: Was ist das doch für ein Meer? In meiner inneren Unsicherheit werde ich hin- und hergerissen, wie wenn ein Floß, erfasst von wütenden Winden, über das aufgewiegelte Meer auf unsicherem Kurs [690] getrieben dahinstürzt: Von dort vertreibt es der Südwestwind, der häufig stürmisch weht, der Südostwind von hier, von dort der Südwind. Inmitten dieser Stürme kann ich aber nicht herausfinden, was man letztlich am besten befolgt und was man am besten lässt; euren Argumenten Pro und Contra stimme ich jeweils zu und gleichzeitig lehne ich sie jeweils ab, [695] aber dennoch kann ich nicht euch beiden zugleich folgen. (Überlegt schweigend) Ich bin gezwungen, das in Angriff zu nehmen, was mein schwankender Sinn mir rät. (Nach einer erneuten Bedenkzeit) Ich muss einen Mitherrscher ernennen. Das, was die Kräfte eines einzigen nicht stemmen können, werden die von zweien schaffen. (Kurzes Schweigen) Es steht fest, es ist beschlossen.
254 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Sic pergo. Iulianus adsit, milite Stipatus aulico. feratur purpura. In Galliam a me purpuratum Caesarem, Fungatur ut vicibus meis, mittam. an mea Vobis placent consilia? Sirg.: prudentissima. Aedes.: Divina sunt; nec displicere ulli queunt. Const.: Sic Gallica tuebor, nec alia deseram.
Scena tertia Constantius, Iulianus, militum duae cohortes
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Const.: Videone cari capitis et magnae iubar Regale mentis, frontis augustae indolem? [Specimenne cerno Caesaris? cerno toros Humerosque magnos nobilem et ferro manum.] Accede; complexus pios iunge. et quid hoc? Exurge, remove pedibus invictas manus, Potius meum praecinge brachijs caput. Hoc Iuliane scande solium, purpura Sceptroque pridem insigniendus. Iul.: quid premes Invicte Caesar non pares oneri humeros? Const.: Ascende Iuliane quo magis fugis Eo minus effugies honorem debitum.
Scena III. Constantius Iulianum diademate ac purpura convelat et Caesarem pronunciat. Laßt ihn derhalben sampt der Hofguardi holen auch Keiserliche Geschmuck bringen/ krönet Julianum zu einem Mitkeiser vor dem Kriegsvolck/ welches mit frölichem Geschrey viel Glücks beyden Keysern winscht. Auch thut Constantius ein Mahnung und Underweisung an Iulianum. Der Chorus beklagt sich deß künfftigen Ubels auß Iuliani Keyserthumb. Bar. AE III,666C (= Amm. 15,8,18) [Greg. Naz. or. 4,22; Nic. 10,1; Sokr. hist. eccl. 3,1,25–35; Soz. hist. eccl. 5,2,20; Zos. hist. 3,2,2–3] 706–712 ] Bern. Stef. Crispus II,417–424 708–709 ] Sen. Herc. f. 624–625 708–709 ] Versus oblitt. D, cf. Comm. ad locum
Actus secundus |
255
So mache ich es. (Zu Sardianus) Julian soll hierher kommen, umringt von Palasttruppen. (Sardianus ab; ihm hinterherrufend) [700] Der Purpur soll hergebracht werden. Nach Gallien will ich ihn als Caesar, der von mir mit dem Purpur bekleidet wurde, entsenden, damit er dort stellvertretend meine Aufgaben ausübt. (An seine Ratgeber gewandt) Ihr heißt meine Entscheidung doch gut? Sirg.: Sie ist der allerweiseste. Aedes.: Sie ist göttlich; sie kann niemandem nicht gefallen. Const.: [705] So werde ich Gallien retten und meine anderen Aufgaben nicht liegen lassen. (Alle ab außer Constantius)
Dritte Szene Constantius, Julian, zwei Kohorten (Julian betritt mit zwei Kohorten die Bühne. Constantius, weiterhin auf dem Thron sitzend) Const.: Sehe ich da den kaisergleichen Glanz eines geliebten Menschen und eines großen Verstandes, einen Gesichtsausdruck von natürlicher Erhabenheit? [Sehe ich da das Musterbeispiel eines Kaisers? Ich sehe kräftige Arme und Schultern und eine Hand, ruhmvoll durch das Schwert, das sie führt.] [710] Komm hierher; (erhebt sich von seinem Thron) Schenke mir eine liebevolle Umarmung. (Julian fällt ihm zu Füßen) Aber was soll das? Erhebe dich, nimm deine Hände, die sich niemandem unterordnen müssen, von meinen Füßen, umarme lieber mein Haupt. Julian, besteige diesen Thron, schon längst hättest du mit dem Purpur und Szepter ausgezeichnet werden müssen. Jul.: Warum bürdest du, [715] unbesiegter Kaiser, meinen Schultern eine Last auf, der sie nicht gewachsen sind? Const.: Steig hinauf, Julian, je mehr du vor dieser verdienten Ehre fliehst, umso weniger entkommst du ihr.
256 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Iul.: Egone Imperator? Const.: imperium ad aequissimum. Iul.: Discam mihi imperare. Const.: didicisti probe. Iul.: Huic vertici diadema non quadret. Const.: brevi Quod respuit, feret. Iul.: at onus non perferet. Const.: Tecum labores et honores partiar. Iul.: Parce potius, precor. Const.: preces primum incitant Me, tam modeste deprecantem ne audiam. Iul.: Egone paludatus revisam ad Gallias? Const.: Nisi Iuliane proficiam alia via, Imperio ad imperium evehendus es. latus Stipa meum, asserturus imperium meum. Adsistimus vobis cohors praetoria Tutela Caesarum, reique publicae Martia salus, commilitones optimi, Caussam brevem aequis accipite vos auribus. Rebellium pulso tyrannorum agmine Rabieque compressa, necatisque hostibus Manibus eorum quasi parentans (heu scelus!) Cruore Romano, ferocit barbari Exercitus stimulatus in praedam furor; Armis, dolis, vi Galliam omnem lancinat. Vastantur, uruntur, trahuntur omnia. Huic Gallicae cladi medelam fecero, Et barbarorum insaniam compressero, Si Iulianum hunc patruelem, industriae, Virtutis, animi roboris, scientiae Iuvenem mihi vobisque spectatissimae: Si Iulianum hunc, inquio, diademate Et purpura decoraro Caesarem novum, Firmate vestra voce, coepta si placent.
729–747 Adsistimus … coepta si placent. ] Amm. 15,8,5–8 722 ] Versus mendosus, fortasse et falso productum; Tecum labores atque honores partiar emendari potest 736 Cruore Romano ] Cruore Gallico D1 , correxi, cf. Amm. 15,8,6 et Comm. ad locum
Actus secundus |
257
Jul.: Ich soll Kaiser…? Const.: Um die gerechteste Herrschaft überhaupt auszuüben. Jul.: Ich will lernen über mich selbst zu herrschen. Const.: Das hast du bereits wunderbar gelernt. Jul.: [720] Das Diadem passt nicht zu diesem Haupt. Const.: Was es jetzt noch verschmäht, wird es in Kürze tragen. Jul.: Aber die Last wird es nicht ertragen. Const.: Ich werde zusammen mit dir Mühen und Würden teilen. Jul.: Verschone mich besser, ich bitte dich. Const.: Zum ersten Mal bringen mich Bitten nicht dazu, jemanden, der so bescheiden sein Anliegen vorbringt, anzuhören. Jul.: [725] Ich soll im Feldherrnmantel nach den gallischen Provinzen sehen? Const.: Da ich auf keinem anderen Wege etwas ausrichten kann, musst du, Julian, durch ein militärisches Kommando zur Herrschaft emporgehoben werden. Stell dich mir eng zur Seite, um meine Herrschaft zu sichern. (Stellen sich Seite an Seite; den beiden Kohorten gegenüber) Wir stehen hier vor euch, Prätorianer, [730] ihr Beschützer der Kaiser und Erfolgsgaranten des Staates im Krieg, meine alles überragenden Kampfgefährten. Hört mich mit günstig gestimmten Ohren kurz in einer Sache an: Nachdem die Truppen der aufrührerischen Tyrannen vertrieben wurden, ihrem Wüten Einhalt geboten wurde und die Hochverräter getötet worden sind, [735] tobt zum Plündern angestachelt die Wut eines barbarischen Heeres, als ob es mit römischem Blut den Geistern jener Toten ein Opfer darbringen wollte. (Ach, welch ein Verbrechen!) Mit Waffen, hinterhältigen Aktionen und Gewalt zerfleischt es ganz Gallien. Alles wird verwüstet, niedergebrannt, geplündert. [740] Ich werde dieser Katastrophe in Gallien umgehend Abhilfe schaffen und dem Wahnsinn der Barbaren Einhalt gebieten, wenn ich meinen Vetter Julian hier, diesen jungen Mann von Fleiß, Tugend, Geistesstärke und einer Weisheit, die vor meinen und euren Augen offen zutage liegt, [745] wenn ich diesen Julian hier, ich wiederhole es, mit dem Diadem und dem Purpur zum neuen Caesar erhoben habe; gebt laut eure Zustimmung, wenn ihr mein Ansinnen billigt.
258 | Iulianus Apostata Tragoedia
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1ma : Constanti Imperator Di te servent. 2da : Iuliane Caesar Di te servent. 1ma : Iulianum Caesarem omnes rogamus. 2da : Iupiter Optimus Maximus Constantio et Iuliano vitam. 1ma : Tu scis Iupiter, Constantius vinci non potest. 2da : Tu scis Iupiter, Iulianus vinci non potest. 1ma : Iulianum habemus, omnia habemus. 2da : Iulianus dignus Imperio. 1ma : Iulianus vincat. 2da : vigeat. 1ma : Multis annis imperet. 2da : Feliciter. 1ma : Feliciter. Const.: Hilaror sono hoc commilitones optimi Manumque coeptis laetus impono ultimam; Et Iulianum Flaviae gentis decus Sidusque lucidissimum, decore novo Orno, chlamydeque advelo, diademate premo. Quod sit bonum, faustum, salutare omnibus. 1ma : In Iuliano summa virtus enitet. 2da : In Iuliano fortitudo maxima. 1ma : Nos Iuliano gratulamur principi. 2da : Nos Iuliano gratulamur Caesari. 1ma : Paremus, imperet ille felicissime. 2da : Vivat. 1ma : vigeat. 2da : omine bono. 1ma : feliciter. Const.: Iuvenem hunc decent insignia haec, virtutibus Qui maximis insignis est. te purpura Pridem ambijt. tandem sibi, quod quaesijt Reperit decus. nunc auctior gloria mea Quia imminutior; nec auxissem, prius Nisi minuissem. sed nec imminui meam Sic partiendo gloriam. mihi dedi Quicquid tibi, o sol magne stirpis Flaviae.
748 Constanti Imperator … Iulianus dignus Imperio ] Hist. Aug. Diad. 1,6–8 771–793 Iuvenem hunc … prosperemus ordium ] Amm. 15,8,12–14 748–757 ] Metro neglecto 758 ] Dimeter iambicus
Actus secundus |
259
Erste Kohorte: Constantius Imperator, die Götter mögen dich schützen. Zweite Kohorte: Julian Caesar, die Götter mögen dich schützen. Erste Kohorte: [750] Julian fordern wir alle als Caesar. Zweite Kohorte: Jupiter Optimus Maximus verleihe Constantius und Julian ein langes Leben. Erste Kohorte: Du weißt, Jupiter, dass Constantius nicht besiegt werden kann. Zweite Kohorte: Du weißt, Jupiter, dass Julian nicht besiegt werden kann. Erste Kohorte: Haben wir Julian, haben wir alles. Zweite Kohorte: [755] Julian ist der Herrschaft würdig. Erste Kohorte: Julian möge siegreich sein. Zweite Kohorte: Er möge mächtig sein. Erste Kohorte: Er möge über viele Jahre herrschen. Zweite Kohorte: Vom Glück begünstigt. Erste Kohore: Und Glück bringend. Const.: Beste Kameraden, eure Worte machen mich glücklich [760] und ich lege freudig letzte Hand an dieses Vorhaben; ich ziere Julian, ohnehin schon der Glanz und der leuchtendste Stern des Flavischen Geschlechts, mit neuem Glanz, ich hülle ihn in den Purpur und kröne ihn mit dem Diadem. (Legt Julian den Purpur an und setzt ihm das Diadem aufs Haupt.) Diese Handlung bringe allen Nutzen, Glück und Rettung. Erste Kohorte: [765] In Julian erstrahlt die höchste Tugend. Zweite Kohorte: In Julian erstrahlt die größte Tapferkeit. Erste Kohorte: Wir beglückwünschen unseren Princeps Julian. Zweite Kohorte: Wir beglückwünschen unseren Caesar Julian. Erste Kohorte: Wir gehorchen, er befehle vom Glück aufs Höchste begünstigt. Zweite Kohorte: [770] Lang lebe er. Erste Kohorte: Er möge mächtig sein. Zweite Kohorte: Mit guten Vorzeichen. Erste Kohorte: Glück bringend. Const.: Diese Herrschaftszeichen stehen diesem jungen Mann gut, ihm, der sich selbst durch die größten Tugenden auszeichnet. Schon lange warb der Purpur um dich. Endlich hat er für sich die Zierde gefunden, die er suchte. Nun ist mein Ruhm noch größer, [775] weil er gemindert wurde; ich hätte ihn nicht mehren können, ohne ihn vorher geschmälert zu haben. Indem ich die Herrschaft auf diese Weise aufgeteilt habe, habe ich meinen Ruhm nicht gemindert. Womit auch immer ich dich, oh du weithin strahlende Sonne des Flavischen Geschlechts, beschenkt habe, damit habe ich mich beschenkt.
260 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Sic ergo perge periculorum particeps Ferro tuere Galliarum limites; Sanguinis avara Barbari flagres siti; Servire discat insolentia barbara. Tu voce flammabis phalangum pectora, Volabis ante signa primus, impiger Alacremque amorem vulnerum accendes, ferox Horrendus armis, luce ahena fulgurans. Sic ille sitiens sanguinis nostri tumor Studijsque caedis asper opprimendus est. Nos militabimus simul, et orbem simul Virtute pacatum tua moderabimur. Ita perge Iuliane fortis fortium Dux, omniumque, ad summa, votis pervola. Nunc sacrifica prece prosperemus ordium. Chorus
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O Iuliane, Iuliane! O caelitum iustum dolorem! O daemonum saevum furorem! O Caesaris falsos honores! O stemmatis certum pudorem! O debitum mundi maerorem! Cavete; purpuratus anguis, Foedam feret mundo senectam. Cavete; coccinata tigris, Certam feret mundo ruinam. Cavete; clandestina lerna Totum dabit mundum cadaver. O Iuliane, Iuliane! O irritos coeli labores! O anxios terrae tremores! O lugubrem Ponti tumorem! O providum mundi timorem! O turbidum Fati tenorem! 781 Sanguinis avara Barbari ] Barbari avara sanguinis D1 , corr. metri causa D 794–811 ] Dimetri iambici hypercatalectici
Actus secundus | 261
Ziehe also dahin, teile die Gefahren mit mir, [780] schütze die Gebiete der gallischen Provinzen mit deinem Schwert; mögest du in unersättlichem Durst nach barbarischem Blut lodern. Mögen die überheblichen Barbaren lernen Untertan zu sein. Mögest du die Herzen der Schlachtreihen mit deiner Stimme entflammen, mögest du vor den Feldzeichen als Erster losstürmen, unermüdlich [785] mögest du das nimmer müde Verlangen nach Wunden entzünden, wild und schreckenerregend in deinen Waffen, schillernd in ehernem Lichte. Auf diese Weise muss dieses Geschwür, das nach unserem Blut dürstet und in seiner Mordlust nicht zu bändigen ist, ausgequetscht werden. Wir werden gemeinsam kämpfen und den Erdkreis, [790] wenn er durch deine Tugend befriedet sein wird, gemeinsam lenken. So mache dich daran, Julian, tapferer Anführer von tapferen Männern, und eile mit den besten Wünschen aller nach ganz oben empor. Lasst uns ihm nun durch ein Opfergebet einen guten Anfang verschaffen. (Alle ab) Chor (gesungen) Oh Julian, Julian! [795] Oh gerechter Schmerz der Himmlischen! Oh wildes Wüten der Dämonen. Oh falsche Kaiserwürden. Oh unzweifelhafte Schande für deinen Stammbaum! Oh unvermeidliche Trauer der Welt! [800] Hütet euch; eine Schlange wurde in den Purpur gekleidet, sie wird der Welt ein scheußliches Greisenalter verschaffen. Hütet euch; ein Tiger wurde in das Scharlachgewand gekleidet, er wird der Welt den sicheren Untergang bescheren. Hütet euch; die Lerna wird im Verborgenen [805] die gesamte Welt zu einer Leiche machen. Oh Julian, Julian! Oh vergebliche Mühen des Himmels! Oh ängstliches Zittern der Erde! Oh unheilvolles Aufbrausen des Meeres! [810] Oh besorgte Furcht der Welt! Oh stürmischer Lauf des Schicksals!
262 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena quarta Iulianus, Sallustius
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Iul.: O purpurae fallax honor! quam sepiunt Curae, dolor, mors ipsa. vepretum tegit Crudele, vellus inquinatum murice. Mihĭ coccinam Constantius laenam dedit; O Iuliane, sub hoc cinerĕ flamma latitat. Vulnera, necem quam tibĭ vovet Constantius Tyria lacerna contegit. tibĭ Gallias Committit ut peregrino humatus cespite Pereas, tuique fama pereat nominis. Sall.: Meliora, quaeso, Caesar, invictissime. Vere tui est Constantius amantissimus. Iul.: Videtur. inimicissimum esse mihĭ scio. Sall.: Te coccinatum sponte fecit. Iul.: an igitur Fecit beatum? Sall.: voluit. Iul.: hosti tradere. Sall.: Honoribus decorare. Iul.: mors isto latet Honore tecta. Sall.: sors latet laetissima. Iul.: Agnosco letalissimam. me barbaris Obiectat agminibus necandum turpiter. Sall.: Certos tibi spondet triumphos. Iul.: funera. Purpurea mors iam coepit et Parca effera Obitum minari lugubrem. Sall.: victoriam Spera. Iul.: irritam sperabo? Sall.: certam, inquio.
Scena IV. Iulianus Constantij fraudes in delata sibi purpura apud aulae Praefectum aperit. Julianus stellt sich vor seinem Hofmeister Sallustio als verschmahet es ihme/ daß er sey Keyser erwehlt/ unnd vom Constantio in Franckreich gleichsam als auff die Schlachtbanck geschickt werde. Der Hofmeister begunt in abzuwenden von disen Gedancken/ und Julianus nimbt ihm für sich/ der Philosophi in der Regierung zugebrauchen. Bar. AE IV,4E (= Iul. epist. 33) [Amm. 15,8,17; Sokr. hist. eccl. 3,1,30–31; Soz. hist. eccl. 5,2,22–23] 833 ] certam, inquio hiatu metiendum
Actus secundus | 263
Vierte Szene Julian, Sallustius Jul.: Oh trügerische Würde des Purpurs! Ihn umringen Sorgen, Schmerz und sogar der Tod selbst. Fürchterliche Dornen verdeckt die purpurgefärbte Wolle. [815] Constantius hat mir also die scharlachfarbene Laena überreicht: Oh Julian, verborgen unter Asche glimmt ein Feuer. Die Wunden und den Tod, dem dich Constantius geweiht hat, verdeckt er mit der purpurnen Lacerna. Er überträgt dir die gallischen Provinzen, damit du in fremder Erde begraben [820] zugrunde gehst, damit der Ruhm deines Namens vergeht. Sall.: Denke positiver darüber, ich bitte dich, unbesiegtester Kaiser. Du liegst Constantius wirklich überaus am Herzen. Jul.: Es scheint so. Aber ich weiß, dass er mein Todfeind ist. Sall.: Er hat dich aus eigenem Antrieb mit dem Purpur bekleidet. Jul.: Hat er mich dadurch etwa [825] auch glücklich gemacht? Sall.: Er wollte … Jul.: Mich dem Feind ausliefern. Sall.: … dich mit Ehren versehen. Jul.: Unter dem Deckmantel dieser Ehrenwürde lauert der Tod. Sall.: Nein, das freudbringendste Glück lauert darunter. Jul.: Ich nehme es als das leidbringendste wahr. Er setzt mich den barbarischen Horden aus, damit ich schändlich ermordet werde. Sall.: [830] Er garantiert dir sichere Triumphfeiern. Jul.: Wohl eher Begräbnisfeiern. Der purpurne Tod und die ungezähmte Parze haben bereits damit begonnen, mir einen unheilvollen Untergang anzudrohen. Sall.: Hoffe auf einen Sieg! Jul.: Soll ich auf einen aussichtlosen Erfolg hoffen? Sall.: Ich meine auf einen unzweifelhaften.
264 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Iul.: Pestem necemque. cum feris ut proelium Geram velut venator in silvam exigor Hercyniam. nec ista vestis murice Olida mihi aliud commodum parit nisi Ut occupatior perire nunc queam. Sall.: Quid magne Caesar pectus hoc aestu gravas? Constantius te Iulianum diligit Constantium tu Iuliane diligas. Iul.: Dilectus a Constantio ad necem fui. Sed pergo, Gallos adeo, barbaros peto. Mihĭ multa dira Gallia minatur quidem; At enim timere Caesaris nunquam fuit: Ignava mens rebusque non exercita Vereatur atrae mortis incertum diem. Generosus animus quique se nullo videt Scelere impiatum semper est liber metu. Assuefaciam tolerare nimbos ferreos, Discam sub aeratis resistere nubilis. At moriar? occidar? nihil agitis minae. Si moriar, aegrotare posse desinam Et alligari, posse desinam mori. Parcae manus timere philosophum haud decet. Nec deficere fortem decet cum deficit. Quo vita mage crescit eo decrescit magis. Ipsum hunc quem ago cum morte divido diem. Qui non mori vult, ille vivere noluit. Sed iam paratus proelijs curandus est. Fiat via, hancque philosophia mihĭ viam dabit.
845–849 At enim timere … liber metu ] Muretus Julius Caesar 48–51 853–854 Si moriar … desinam mori ] Sen. epist. 24,17 857–858 Quo vita mage … divido diem ] Sen. epist. 24,20 859 Qui non … vivere noluit ] Sen. epist. 30,10 861 Fiat via … viam dabit ] Sen. epist. 37,3 858 Ipsum hunc ] Hunc ipsum D1 , metri causa corr. D
Actus secundus | 265
Jul.: … Tod und Verderben. Um gegen wilde Tiere [835] zu kämpfen, werde ich wie ein Jäger in den Hercynischen Wald gejagt. Dieses nach Purpur stinkende Gewand bereitet mir keinen anderen Vorteil, als dass ich nun beschäftigter zugrunde gehen kann. Sall.: Warum, großer Kaiser, beschwerst du dein Herz mit solch wallender Sorge? [840] Constantius hat dich ins Herz geschlossen, Julian, und auch du, Julian, solltest Constantius in dein Herz schließen. Jul.: Zu Tode geherzt wurde ich von Constantius. Aber ich setze diesen Weg fort, ich gehe in die gallischen Provinzen, ich nehme es mit den Barbaren auf. Gallien droht mir freilich viel Widriges an. [845] Aber ein Kaiser darf niemals Furcht zeigen: Ein Sinn, der träge und im Vollbringen von Taten ungeübt ist, möge den unbekannten Tag des finsteren Todes fürchten. Ein edler Geist, der sieht, dass er von keinem Verbrechen befleckt ist, ist stets frei von Furcht. [850] Ich will mich daran gewöhnen, eiserne Stürme zu ertragen, ich will lernen unter dem ehernen Gewölk Widerstand zu leisten. Aber vielleicht werde ich sterben? – Vielleicht umgebracht? Ihr Drohungen bewirkt nichts. Wenn ich sterbe, dann werde ich auch nicht länger dahinsiechen oder in Ketten gelegt werden können, dann werde ich nicht länger sterben können. [855] Ein Philosoph darf die Hände der Parze nicht fürchten. Ein tapferer Mann darf den Mut nicht verlieren, wenn er geschwächt ist. Je weiter das Leben heranwächst, desto mehr von ihm stirbt. Ich teile eben diesen Tag, den ich gerade lebe, mit dem Tod. Derjenige, der nicht sterben will, wollte zuvor auch nicht leben. [860] Nun aber muss ich mich um die Kriegsvorbereitungen kümmern. Es möge sich mir ein Weg auftun, und diesen Weg wird die Philosophie mir weisen.
266 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena quinta Iulianus, Iamblichus, Maximus, Priscus, Ecebolius, Sallustius, miles
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Iul.: O nostra salvete decora, salus unica Vos Iuliani; antistites sapientiae. Iambl.: Novos honores Iuliano Caesari Gratamur. Prisc.: annos Iupiter tibĭ plurimos Elargiatur Iuliane. Eceb.: Nestorem Vivendo vince Caesar invictissime. Max.: Di Iulianum Caesarem servent diu Orbis labantis columen optatissimum. Iul.: Talia loqui vos convenit, non convenit Audire me. Martem tubasque iam meis In auribus mugire dudum sentio. Iambl.: Martem artibus coles relictis? Iul.: Iambliche Mortalium nosti vices. sors ista me Premit, alium alia. Chlamyde me Constantius Sagoque amictum Gallias petere iubet; Invitus hos, fateor, honores detulit, Invitus accepi, Deos testor; iugum Et vincla liberis dedit cervicibus. Iambl.: Nullo potest sapiens iugo premi. Iul.: opprimi Nullo potest, premi tamen. Iambl.: sed nec premi Nisi velit ipse. Iul.: nolui; premor tamen. Max.: De purpura meliora Caesar sentias, Oneri illa inertibus est; honori fortibus.
Scena V. Iulianus apud Philosophos, Deorum occultum cultorem se prodit. Iamblichus/ Priscus/ Maximus und Ecebolius deß Juliani beste Gesellen/ winschen ihm vil Glücks ins Keyserthumb unn vermahnen in den Göttern zu opferen zu glücklichem Anfang. Julianus gebeut von stundan Sallustio die Guardi wegk zu führen/ damit er allein sey/ und der Constantius die Abgötterey nit innen werd. Laßt auch Libanium den Zauberer ruffen. Bar. AE III,556B, 613E, 666D–E, 728D–E (= Eun. vit. 7,34), 770B–C (= Amm. 21,2,4–5) [Greg. Naz. or. 4,24 und 30; Nic. 10,1; Sokr. hist. eccl. 3,1,15; Soz. hist. eccl. 5,1,2 und 7; 5,2,15; Theod. hist. eccl. 3,3,1–5]
Actus secundus | 267
Fünfte Szene Julian, Jamblichus, Maximus, Priscus, Ecebolius, Sallustius, Soldaten (Jamblichus, Maximus, Priscus und Ecebolius treten auf; Soldaten im Hintergrund) Jul.: Oh meine Zierden, seid gegrüßt, ihr einzigartigen Glücksfälle für Julian, ihr Lehrer der Weisheit. Jambl.: Wir beglückwünschen Kaiser Julian zu seiner neuen Herrscherwürde. Prisc.: [865] Jupiter möge dir, Julian, unzählige Lebensjahre schenken. Eceb.: Den Nestor, unbesiegtester Kaiser, mögest du an Lebensjahren übertreffen. Max.: Die Götter mögen uns Julian als Kaiser lange erhalten, die sehnlichst erwünschte Stütze für den wankenden Erdkreis. Jul.: [870] Solches zu verkünden, gehört sich für euch; für mich gehört es sich aber nicht, solches anzuhören. Schon lange höre ich Mars und seine Kriegstrompeten in meinen Ohren dröhnen. Jambl.: Wirst du deine intellektuellen Ambitionen nun aufgeben und Mars dienen? Jul.: Jamblichus, du kennst das Los der Menschen. Dieses Schicksal [875] nötigt mich, ein anderes einen anderen. Constantius befiehlt, dass ich mit der Chlamys und dem Sagum bekleidet die gallischen Provinzen aufsuche. Widerwillig, ich gestehe es, hat er mir diese Würden verliehen, widerwillig habe ich sie angenommen, dafür rufe ich die Götter als Zeugen an. Er hat meinen freien Nacken mit einem Joch und Fesseln versehen. Jambl.: [880] Einem Weisen kann kein Joch aufgedrückt werden. Jul.: Er kann durch keines niedergedrückt werden, aufgedrückt werden kann es ihm aber trotzdem. Jambl.: Aber es kann ihm nicht aufgedrückt werden, wenn er es nicht will. Jul.: Ich wollte es nicht, aufgedrückt wird es mir aber dennoch. Max.: Denke besser über den Purpur, mein Kaiser, eine Last ist er den Trägen, eine Ehre aber den Tapferen.
268 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Iul.: Certe labori. Eceb.: quo tener adhuc arseras. Iul.: Sed Musico non bellico. Max.: cognata sunt Mars et Minerva Numina. Iul.: sed operosa sunt, Si iuncta sint. Iambl.: bellum ergo cogitas? Iul.: Me cogitare cogit imperium novum. Martem tamen tractabo ne inimicem mihi Numen Minervai: libros atque lituos Simul audiam vobis ducibus et comitibus. Marti diem, noctem Minervae impertiar. Phoebe videbit quos nequit Phoebus libros. Iambl.: Et castra scit habitare grex novensilis, Nec infici Mavortis horret pulvere Minervium tribunal, nec mortem pavet. Iul.: Morti litandum scio. nec inter ferreas Formido segetes demeti. Max.: victoriam Di Iuliane pollicentur Celticam. Iambl.: Nil ambigas spolijs redibis ditior. Numina Deorum sunt tibĭ faventissima; Terrarum habenas manibus ingerent tuis Arcemque mundi pro domo statuent tua. Iul.: Quo vade tanta polliceris? Iambl.: Numinum Favore, vadatum tibĭ, quem iam tenes. Nihil metue, tu paene fortunam regis. Prisc.: Tibĭ pareatur, te sequimur omnes ducem. Te duce, hilari, toleramus Arctoas nives. Max.: Sequimur, praei. te Iuliane decet uti Dominum, parentem, Caesarem, Regem, Ducem, Timere, amare, colere, venerari, sequi. Iambl.: Sed nostra si consilia Caesar audias, Prius studebis rite conceptis Deos Placare votis, thuraque aris Mercuri Adolebis ipse. Iul.: commodum mones. sequor. 911–912 Dominum, …, sequi ] Bern. Stef. Crispus II,473–474 888 ] Quinarius 891 Minervai ] Minervae D1 , metri causa correxi 897 ] Senarius 905 ] Versus mendosus; Iul.: Quo vade ea tanta polliceris? Iambl.: Numinum emendari potest, cf. Comm. ad locum 906 ] Quinarius; cf. Comm. ad locum 915 Placare ] Rogare D1 , corr. D
Actus secundus | 269
Jul.: [885] Zweifellos aber mit Anstrengungen verbunden. Eceb.: Dafür branntest du doch schon in jungen Jahren. Jul.: Aber um mich für die Musen und nicht für den Krieg anzustrengen. Max.: Mars und Minerva sind blutsverwandte Gottheiten. Jul.: Aber wenn sie miteinander verbunden werden sollen, sind sie eine Last. Jambl.: Drehen sich deine Gedanken also um den Krieg? Jul.: Meine neue Herrscherposition zwingt mich dazu, dass sie sich darum drehen. [890] Dennoch werde ich mit Mars einen solchen Umgang pflegen, dass ich mir die Göttin Minerva nicht zur Feindin mache: Mit euch als Wegweisern und Gefährten werde ich gleichermaßen auf Bücher und Signalhörner hören. Den Tag will ich Mars, die Nacht Minerva zuteilen. Phoebe wird diejenigen Bücher sehen, die Phoebus nicht sehen kann. Jambl.: [895] Auch die Schar der Musen weiß das Feldlager zu bewohnen und die Sitzreihen der Minerva scheuen sich nicht, mit dem Sand des Mars bedeckt zu werden, und sie erschrecken sich auch nicht am Tod. Jul.: Ich weiß, dass auch dem Tod seine Opfer dargebracht werden müssen. Aber ich fürchte mich nicht davor, inmitten der Massen an eisernen Schwertern niedergemäht zu werden. Max.: [900] Die Götter versprechen dir, Julian, einen Sieg über die Kelten. Jambl.: Zweifle nicht daran, du wirst überreich an Beute nach Hause zurückkehren. Die waltende Macht der Götter ist keinem so gewogen wie dir; sie werden die Zügel der Welt in deine Hände legen und die Zitadelle der Welt zu deinem Heim machen. Jul.: [905] Wer bürgt mir für solch großartige Dinge, die du mir da versprichst? Jambl.: Die Gunst der Götter, die dir bereits zuteil geworden ist, bürgt dir dafür. Fürchte nichts, du selbst lenkst schon beinahe dein Schicksal. Prisc.: Dir wollen wir gehorchen, dir als Anführer folgen wir alle. Unter deiner Führung erdulden wir wohlgemut den Schnee des Nordens. Max.: [910] Wir folgen dir, schreite voran. Dich, Julian, ziemt es sich wie einen Herrn, Vater, Kaiser, König und Feldherrn zu fürchten, zu lieben, zu verehren, zu huldigen und zu begleiten. Jambl.: Aber wenn du, mein Kaiser, auf unsere Ratschläge hören möchtest, mögest du dir zunächst die Mühe machen, die Götter nach rechtem Religionsbrauch [915] durch Gebete zu besänftigen und persönlich auf Merkurs Altären Weihrauch zu entzünden. Jul.: Da rennst du bei mir offene Türen ein, ich befolge deinen Rat.
270 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Iambl.: Dis deserentibus nec iuvant bona omnia. Dis protegentibus nec nocent mala omnia. Iul.: Hoc militem loco abesse Sallusti iube, Libaniumque accerse. vereor arbitrum Constantium Constantiique militem Mei in Deos amoris. alto pectore Latet repostum, tuta quae cernet dies. Constantio sum Chrestianus et oculis Plebeculae. Constantij post funera Defensor apparebo magnus Numinum.
Scena sexta Iulianus, philosophi, Libanius
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Iul.: O pectus, o oculus meus, Libanius Meus! meo Libanio plurima salus. Lib.: Meae saluti Iuliano Caesari Faveant Dij omnes. Iul.: arbitris procul habitis Lararium tecum petemus, ut mihi Sortis futurae lubricas semper vices Perspicere liceat exitusque bellicos. Lib.: Cernenda dabo clarissime quae postulas Parere Caesar si lubet. Iul.: pareo. para Gressum. appara lararium. Lib.: prius tamen Ut ne quis occursura formidamina Expaveat, admoneo. Iul.: viri sequimur. praei. Quae monstra? Di servate. Lib.: quis typo crucis Frontem notat? Iul.: siccine crucem horrent inferi?
Scena VI. Iulianus lararium ingressus discit a daemone Futura. Libanius führt Julianum in die Götzencapel unnd hebt an zuzaubern. In dem erscheinen die Gespenst/ darab sich Julianus entsetzt/ und auß altem Catholischem und von ihme vor dem Abfal geübtem Brauch macht er das Heylig Cre✠utz für sich: darab dann die Teuffel sich in die Flucht geben. Und Julianus verwundert sich der Krafft deß Hailwürdigen Zeichens. Bar. AE III,612D–E (= Theod. hist. eccl. 3,3,1–5), IV,106B (= Greg. Naz. or. 4,76) [Nic. 10,3; Soz. hist. eccl. 5,2,5–6]
Actus secundus |
271
Jambl.: Wenn einen die Götter verlassen, hilft einem kein Gut mehr. Wenn einen die Götter aber beschützen, fügt einem kein Übel mehr Schaden zu. Jul.: Sallustius, befiehl, dass die Soldaten diesen Ort verlassen, [920] und rufe Libanius herbei. Ich möchte nicht, dass Constantius und seine Soldaten von meiner Zuneigung zu den Göttern erfahren. Dies halte ich noch tief in meinem Herzen verborgen; das, was dagegen offen zu Tage liegt, wird gefahrlos für mich sein. Für Constantius und für die Augen des Pöbels bin ich so ein Chrestianer. [925] Nach dem Tod des Constantius will ich als entschiedener Verteidiger der Götter auftreten. (Soldaten ab)
Sechste Szene Julian, Philosophen, Libanius (Lararium im Hintergrund) Jul.: Oh mein Freund, mein Liebling, mein Libanius! Mein Libanius sei herzlichst gegrüßt. Lib.: Dir, meinem Herz, Kaiser Julian, [930] mögen alle Götter gewogen sein. Jul.: Da nun keine unerwünschten Zeugen mehr anwesend sind, will ich mit dir dieses Lararium aufsuchen, um die stets schwankenden Wechselfälle des zukünftigen Schicksals und den Ausgang des Krieges vorhersehen zu können. Lib.: Ich werde dir das, was du zu sehen wünschst, klar und deutlich zu erkennen geben, [935] wenn du dich nach dem richtest, was ich dir sage. Jul.: Jaja, ich richte mich schon danach. Richte du nur deinen Schritt auf das Lararium zu und richte es endlich her. Lib.: Zunächst muss ich aber noch die Mahnung aussprechen, dass sich niemand an den heranfliegenden Gespenstern erschrecke. Jul.: Wir folgen dir als echte Männer. Geh voran. (Begeben sich ins Lararium; Gespenster erscheinen) Was sind das für Ungeheuer? (Flüchtet ins Freie und macht das Kreuzzeichen) Gott bewahre! Lib.: Wer zeichnet da ein Kreuz [940] auf seine Stirn? Jul.: Erschaudern die Unterweltsbewohner so vor dem Kreuz?
272 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Lib.: Non horror est Caesar sed execratio. Redeamus, at ferale signum hoc sit procul. Iul.: Quid hoc? Libani. Lib.: nil metue, nil hosticum Cernis. Max.: futuri praescius praedixeram Nostris trahendum Iulianum suasibus. Nil abnuit nostrum quod annuit aliquis. Genios vel ipsos Tartari consultum adit Libanio ducente. Eceb.: Di talem beent Orbique servent Caesarem longissime. Iambl.: Nostro bono Hercle Iulianus natus est. Iul.: Redeo futuri gnarus. at quae tanta vis Inest crucis typo? quid horroris parit? Lib.: Non horruere crucem; execrati sunt tuum Factum Imperator. nec negarim manibus Ferale signum hoc non quidem formidini, Esse tamen odio. Tu ergo quam primum tuum Totus tremiscet orbis imperium, cruces E turribus, templis, domibus, e curijs Foroque disturbabis, eriges Iovis Nostratiumque signa Numinum. Iul.: brevi Videbis haec. nunc serviendum tempori. In parte vos iuvabitis. Omnes: pro viribus.
Actus secundus |
273
Lib.: Das ist kein Erschaudern, mein Kaiser, sondern ein Fluch. Lasst uns zurückgehen, dieses todbringende Zeichen aber hat hier nichts zu suchen. (Betreten wiederum den Eingang; weitere Gespenster erscheinen) Jul.: Was ist das? Libanius! Lib.: Keine Angst, nichts von dem, was du siehst, will dir etwas Böses. (Beide betreten das Lararium.) Max.: Da ich genau wusste, was geschehen würde, hatte ich erklärt, [945] dass Julian durch unsere Ratschläge manipuliert werden müsse. Er lehnt nichts ab, was einer von uns gutheißt. Unter Libanius’ Führung macht er sich daran, ja selbst die Bewohner der Unterwelt um Rat zu fragen. Eceb.: Die Götter mögen einen solchen Menschen glücklich machen und ihn als Kaiser dem Erdkreis äußerst lange erhalten. Jambl.: [950] Zu unserem Wohl, beim Hercules, ist Julian geboren. (Julian kehrt mit Libanius zurück auf die Bühne.) Jul.: Im Wissen um meine Zukunft kehre ich zurück. (Zu Libanius) Aber welch große Macht steckt im Kreuzzeichen? Was für einen Schrecken jagt es ihnen ein? Lib.: Sie schreckten nicht vor dem Kreuz zurück; mein Kaiser, sie haben deine Tat verflucht. Ich kann nicht leugnen, [955] dass dieses Todessymbol den Höllengeistern zwar keinen Schrecken einjagt, aber dennoch von ihnen gehasst wird. Daher mögest du, sobald der ganze Erdkreis vor deiner Herrschaft erzittert, die Kreuze von den Türmen, Kirchen, Häusern, den öffentlichen Gebäuden und dem Forum entfernen und dafür die Bildnisse Jupiters [960] und die unserer heimischen Götter wieder errichten. Jul.: In Kürze wirst du dies sehen. Nun muss man sich aber noch nach den äußeren Gegebenheiten richten. Ihr möget mir, so gut ihr könnt, helfen. Alle: Nach Kräften!
274 | Iulianus Apostata Tragoedia
Actus tertius Scena prima Iulianus, aulici, philosophi
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Iul.: Galilaee, Galilaee, mihĭ iam tandem vale Vale Deus novitius, in cruce mortuus; Detestor, execror, eiero Isacidum Deum. Furcam tulit, pependit in furca, necem Est passus in furca, Deus, si Dis placet, Aeternus ille. hunc ego colam, huic ego litem? Non colo Deum cui furca morienti fuit Torus. Te Apollo, te Iupiter, te Mercuri Te Iuno, te Diana, te Mars, te Venus, Te Pluto, te Neptune, te Victoria, Et vos Deosque Deasque cunctas sacrifica Adoro prece, veneror, colo, vos ego Deos Deasque veras libere, laete, palam Pronuntio, proclamo, testor, deprecor. Valete quicquid caelitum novo subest Deo, valete caerimoniae impiae, Valete Christiana dogmata omnia. Sacra Christiana valete nunc simul omnia. Deus ille, Christus ille fuerit? stipite Quem fixit in ferali Abramidum genus.
Der dritt Act, Scena I. Christum Iulianus palam eiurat, et Hecatae sacrificium parari imperat. Nach ableiben Constantij, hat ietzt Julianus das Keyserthumm allein in/ last sich offentlich für einen Abgötterer erkennen/ und droet die Zersterung deß Christenthumms. Waschet den Tauff von der Stirnen mit Opferblut ab/ unnd gibt befelch auff morgen der Höllkönigin Hecatae zuopfern. Bar. AE III,771B (= Iul. epist. 26,415b–c), IV,2C–4B (= Amm. 22,5,1–2; Greg. Naz. or. 4,52; Prud. perist. 10,1011–1050; Sokr. hist. eccl. 3,1,39), IV,8B–C (= Soz. hist. eccl. 5,3,1–2), IV,106A–B (= Greg. Naz. or. 4,74 und 76; Joh. Chrys. Paneg. Bab. 2,120) [Lib. or. 18,126–129; Nic. 10,3–4; Soz. hist. eccl. 5,2,2 und 5,3,1–5; Theod. hist. eccl. 3,8] 965 Isacidum ] Christiadum D; Isacidum metri causa praeferendum
Actus tertius |
275
Dritter Akt Erste Szene Julian, Palastbedienstete, Philosophen Jul.: Du Galiläer, ja du Galiläer, geh mir nun endlich aus den Augen, fort mit dir, du neumodischer Gott, am Kreuz gestorben; [965] ich verfluche und verwünsche den Gott der Nachkommen Isaacs und schwöre ihm ab. Sein Galgenholz hat er getragen, er hing am Galgenholz, den Tod hat er am Galgenholz erlitten, dieser, so die Götter wollen, ‚ewige Gott‘! So einen soll ich verehren, so einem soll ich opfern? Ich verehre keinen Gott, für den das Galgenholz das Sterbebett war. [970] Dich Apollo, dich Jupiter, dich Merkur, dich Juno, dich Diana, dich Mars, dich Venus, dich Pluto, dich Neptun, dich Victoria und euch, ihr sämtlichen Götter und Göttinnen, rufe ich mit meinem Opfergebet an, euch bete ich an, euch verehre ich; dass ihr die wahren Götter [975] und Göttinnen seid, das verkünde ich, das schreie ich hinaus, das bezeuge ich und das erflehe ich aus freien Stücken, freudig und offen. Fort mit allem, was an Himmelsbewohnern diesem dahergelaufenen Gott untergeben ist, fort mit den gottlosen Kultfeiern, fort mit allen christlichen Lehren. [980] Jetzt sogleich fort mit allem, was den Christen heilig ist. Kann dieser, dieser Christus ein Gott sein? Er, den das Volk der Kinder Abrahams an den todbringenden Kreuzesstamm geschlagen hat?
276 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Ille architectus fascini et scelerum sator Insignis eminuit, Deum se iactitans Abduxit a Dijs, novasque condidit Leges, Deorum legibus contrarias. Iam pectus angit unicum hoc quod tamdiu Annisque vicenis preces litaverim Furcifero alicui. doleo quod Galilaea gens Piaculari tinxerit me flamine. Afferte sanguinem; eluam fontem impium. Sall.: Uti imperas; adfertur. Iul.: altis hactenus Erroribus demersus haerebam miser, Quamquam nec haerebam, at tegebam quod dies Haec cernit et commilitones vos mei. Suppone pelluvium, cruorem desuper Infunde; diluam fluentum lustricum. Nunc elui fontem impiatum, noxium. Nunc fana Numinum reclusa pandite Arisque largas admovete victimas, Caedantur agni, proferantur fercula, Fument acervi thuris iniecti foco, Bovesque opimi sacra ducant, compita Lustrentur, inspiciantur exta, ianuas Verbena convelet, mero solum natet. Reddatur ereptus diu Dijs honor. Sic, sic colantur magna nostra Numina, Sic negligatur Numen illud impotens. Accerse Flamines dieque crastina Hecate Deae litaturum me nuncia. Sall.: Invicte Caesar nuntio. Iul.: nunc maxime Oportet accurem orbe toto pellere Christi asseclas gentem execrandam gentibus. Prius quietem non capessam, donicum Tenebriones hos et hanc teterrimam Serpentium propaginem vexavero Fugavero, derisero, suppressero, Extinxero, necavero. sanguine suo Tuam imbuent aram ter optime Iupiter.
Actus tertius |
277
Er zeichnete sich als Hexenmeister und Anstifter zu Verbrechen hervorragend aus. Indem er immer wieder behauptete, er sei Gott, [985] verleitete er die Menschen dazu, von den Göttern abzufallen, und gab neue Gesetze, Gesetze, die denen der Götter widersprechen. Nun bedrückt mein Herz einzig noch die Tatsache, dass ich so lange, zwanzig Jahre, meine Gebete an irgendeinen Galgenvogel gerichtet habe. Es betrübt mich, dass mich das Volk der Galiläer [990] mit ihrem sündentilgenden Lüftchen getauft hat. Bringt mir Opferblut; ich will diese gottlose Taufe von mir abwaschen. Sall.: Wie du befiehlst; es wird dir gebracht. (Sallustius ab) Jul.: Elend steckte ich bis jetzt tief versunken in diesen Irrlehren; wobei, ich steckte ja eigentlich gar nicht in ihnen fest, sondern das, was der heutige Tag [995] und ihr, meine Gefährten, nun offen zu Gesicht bekommt, hielt ich tief in mir verborgen. (Sallustius kehrt mit Opferblut und einer Wanne zurück.) Stell die Wanne da hin und gieße das Blut über mich; ich will das Taufwasser von mir abwaschen, (Lässt seine Stirn mit Blut übergießen) Nun habe ich diese gottlose und schädliche Taufe von mir abgewaschen. Nun sperrt die einst geschlossenen Heiligtümer der Götter wieder auf [1000] und bringt fette Opfertiere zu den Altären, Lämmer sollen geschlachtet und die Götterbilder wieder hervorgeholt werden, Weihrauch soll auf Brandaltäre gehäuft seinen Duft verbreiten, wohlgenährte Rinder sollen heilige Kultgegenstände durch die Stadt ziehen, Wegkreuzungen wieder geweiht und Eingeweide beschaut werden, [1005] heilige Zweige sollen die Hauseingänge umkränzen und der Erdboden soll in unvermischtem Wein schwimmen. Die Ehrfurcht, die den Göttern lange entrissen war, soll ihnen wieder entgegengebracht werden. So und nicht anders sollen unsere großen Götter verehrt werden, so soll jener machtlose Gott verachtet werden. (Zu Sallustius) Rufe die Flamines herbei und verkünde, dass ich morgen [1010] der Göttin Hekate ein Opfer darbringen will. Sall.: Unbesiegter Kaiser, ich melde es ihnen. (Sallustius ab) Jul.: Nun muss ich am allermeisten Sorge dafür tragen, dass die Anhänger Christi, ein Volk, das alle Völker verfluchen müssen, vom ganzen Erdkreis verjagt werden. Ich werde nicht eher Ruhe finden, [1015] ehe ich diese Lügenbolde, diese schändlichste Schlangenbrut nicht misshandelt, vertrieben, verspottet, unterdrückt, ausgelöscht und getötet habe. Sie werden mit ihrem eigenen Blut deinen Altar, dreifach bester Jupiter, übergießen.
278 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Sed lentiori Marte sumam exordia; In Christianos esse crudelis volo, Nolo videri. quo premam crudelius.
Scena secunda Iamblichus, Libanius, Priscus, Maximus, Ecebolius, Flamines
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Iambl.: Iam vindicabunt se colenda Numina Contemta toties impijs mysterijs. Prisc.: Iam vicimus. Max.: vel imo iam reviximus. Eceb.: Iam Iulianus apertus est cultor Deum. Lib.: Iam funditus Galilaea gens delebitur. Prisc.: Nostratium haec virtus Deorum est maxima. Iambl.: Di Iulianum sospitent. Max.: felicitent. Lib.: Orbi diu servent suum Di vindicem. Eceb.: Ornent perenni laude nostrum Caesarem. Max.: Recutiti Apellae fugite et alium, terminos Extra orbis, orbem quaerite, nimium iam erit Ipse orbis angustus gregi isti segregi. Lib.: Uremini, caedemini, occidemini. Spectaculum Circo eritis et ludibrium; Vobis erunt truces sepulchra belluae. Prisc.: Faciem novam orbis induet. sacraria Galilaei aperta praestruentur, Numinum Causa aperientur fana. Iambl.: tantam gratulor Vobis mihĭque felicitatem. Eceb.: gratiae Omnesque nos faventiae nunc ambiunt.
Scena II. Philosophi et sacrificuli de Iuliano idololatra sibi gratulantur. Die obbenante Philosophi, und Zauberer seynd aller frölich der widerbrachten Abgötterey/ lassen ihren Grollen wider die Christen mercken. Alsbald kommen die Götzenpfaffen mit ihrer Ristung unn Zubereit zum Schlatopffer.
Actus tertius | 279
[1020] Aber ich will meinen Kampf langsam beginnen; ich will gegen die Chris-
ten zwar grausam sein, aber nicht so erscheinen. Umso grausamer werde ich sie dadurch unterdrücken. (Julian und Palastbedienstete ab)
Zweite Szene Jamblichus, Libanius, Priscus, Maximus, Ecebolius, Flamines Jambl.: Bald schon werden sich die ehrwürdigen Götter dafür rächen, dass sie so häufig durch frevelhafte Geheimkulte verachtet wurden. Prisc.: [1025] Schon haben wir gesiegt. Max.: Ja wir sind sogar wieder zu neuem Leben erwacht. Eceb.: Schon verehrt Julian offen die Götter. Lib.: Bald schon wird das Volk der Galiläer von Grund auf vernichtet. Prisc.: Die Macht unserer heimischen Götter bleibt unerreicht. Jambl.: Die Götter mögen Julian behüten. Max.: Ihm Glück schenken. Lib.: [1030] Die Götter mögen ihn der Welt lange als Vollstrecker ihres Willens erhalten. Eceb.: Sie mögen unseren Kaiser mit ewigem Ruhm beschenken. Max.: Ihr beschnittenen Juden, flieht und sucht euch eine andere Bleibe außerhalb der Grenzen der Welt, der Erdkreis selbst wird bald schon zu eng sein für diese herdenlose Herde. Lib.: [1035] Ihr werdet brennen, verprügelt und niedergeschlagen. Ihr werdet für das Circuspublikum ein Schauspiel und Gespött sein. In den Mägen von wilden Tieren werdet ihr eure letzte Ruhestätte finden. Prisc.: Ein neues Antlitz wird der Erdkreis annehmen. Die jetzt noch offenen Kirchen des Galiläers sollen verriegelt, die Tempel [1040] zur Verehrung der Götter geöffnet werden. Jambl.: Ich beglückwünsche euch und mich selbst zu diesem großartigen Glücksmoment. Eceb.: Gunst und Einfluss umringen uns nun alle.
280 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Max.: Fortuna fortunatior nobis nequit Obtingere, velit ipsa licet esse melior. Obtemperabit Iulianus nutibus Nostris et orbis Iuliani nutibus Parebit; ita se rector orbis vult regi Vult corrigi a sapientiae rectoribus. Sed Flamines adsunt, paraturi sacra. Dialis flamen: Vobis salutem plurimam Di conferant Orbis salus et praestites sapientiae. Lib.: Salvi este. Dial.: res nostrae satin’ salvae? Lib.: ut magis Nunquam. Dial.: Deorum maximorum munus est Rerum status tam prosper: at constantiam Videte Iulianus in coeptis amet. Max.: Virum puta, qui coepta constantissime Urgeat. Iambl.: ab ortu Zephyrus afflabit prius, Nabatheus Eurus divitem invadet Tagum, Albim Canopus, Sarmatae Nilum bibent Quam Iulianus vota nostra deserat. Eceb.: Magni vir ingenij est, vel ipsis quem putes Sapuisse in incunabilis. Prisc.: Deus aliquis Inter homines videtur esse, non homo. Dial.: Sed quid moror? Caesar aderit. num cuncta sunt Composita celebrandis sacris. Palatualis: sunt maxime. Dial.: En Imperator! acclememus prospera. Omnes: Vive Imperator, vive felicissime.
1057–1059 Ab ortu … Nilum bibent ] Bern. Stef. Crispus II,457–459 1065 Palatualis: ] Dialis D1 , personae indicationem corr. D1
Actus tertius |
281
Max.: Ein größeres Glück hätte uns nicht zuteil werden können, auch wenn es selbst immer noch größer sein will. [1045] Gehorchen wird Julian unseren Befehlen und der Erdkreis wiederum Julians Befehlen; auf diese Weise will der Lenker des Erdkreises gelenkt werden, auf die rechte Bahn gelenkt werden will er von denjenigen, die ihn zur Weisheit lenken. (Flamines betreten die Bühne.) Aber seht, da sind die Flamines und machen sich daran, das Opfer vorzubereiten. Priester des Jupiter: (im Hintergrund bereiten die übrigen Flamines das Opfer vor und stellen dabei u.a. einen Altar auf) [1050] Euch, die ihr das Wohl der Welt und die Lehrer der Weisheit seid, mögen die Götter das höchste Wohl zuteil werden lassen. Lib.: Auch euch soll es wohl ergehen. Priester des Jupiter: Ist es denn um unsere Sache auch hinreichend wohl bestellt? Lib.: Niemals könnte es darum wohler bestellt sein. Priester des Jupiter: Diese so günstige Lage der Dinge ist das Geschenk der allergrößten Götter: [1055] Aber seht zu, dass Julian bei seinem Vorhaben auch seine Standhaftigkeit behält. Max.: Sehe in ihm jemanden, der das, was er begonnen hat, überaus standhaft verfolgt. Jambl.: Eher wird der Zephyrus von Osten heranwehen, eher wird der nabatäische Eurus bis zum reichen Tajo dringen, eher wird der Canoper aus der Elbe und die Sarmaten aus dem Nil trinken, [1060] bevor Julian von unseren Wünschen Abstand nimmt. Eceb.: Er ist ein Mann von hoher Begabung, von dem man sogar meinen könnte, dass er schon in der Wiege ein Weiser war. Prisc.: Es scheint, als sei er eine Art Gott unter den Menschen, kein Mensch. Priester der Jupiter: Aber warum lasse ich mich aufhalten? Der Kaiser wird bald schon hier sein. (Zu den übrigen Flamines) Ist denn schon alles [1065] für die Durchführung des Opfers hergerichtet? Palatinpriester: Voll und ganz. (Julian betritt die Bühne) Priester des Jupiter: Seht, der Kaiser! Lasst uns ihm Glück wünschen! Alle: Es lebe der Kaiser, er lebe als glücklichster von allen Menschen.
282 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena tertia Iulianus cum aula, Manuel, Sabel, Ismaël, Polyglossus
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Iul.: Omniane faciundis sacris parata sunt? Dialis: Parata sunt, Caesar, ter invictissime. Iul.: Omniane pura, lecta sunt? Dialis: lectissima. Iul.: An auspicia sacrificij felicia Fuere? Dialis: felicissima. Iul.: an nulla remora est Ab instituto? Dialis: nulla Caesar maxime. Iul.: Ergo ordiamur iusta Dis persolvere. Sall.: Invicte Caesar Di secundent ordia. E Perside adsunt, pauca qui tecum rogent Hic colloqui moramque maxima prece Sunt deprecati. Iul.: accersias huc illico Una colent mecum verenda Numina. Man.: Tráppo Iuliàn Caméloi Pérsax Sogdiàn dorne Mágster babílster cálduam caìr. Poly.: Tibĭ Iuliano Caesari tres nobiles Persae salutem impertiuntur plurimam. Iul.: Redhostiant maxima salutem Numina. Man.: Iphièt eritan glomiàr abróphiax ába. Poly.: Et pauca tecum colloqui admodum rogant. Iul.: Promte audiam. verum prius quod coeperam Est finiendum. Dis facere coepi et Hecate Magnae Deae; iam nec moras haec sacra ferunt Ullas. sed adsint atque Dis mecum litent. Poly.: Suáltico binhóres gaúdix coymbèl pága Lípho hyth býthlym bodyalỳt cuth buthúme.
Scena III. Iulianus tres Persas Dis facere recusantes duci iubet et necari. Julianus wirdt opfern. Doch inn dem man anheben will/ kommen drey Legaten auß Persien und werden fürgelassen. Reden Persisch/ durch einen Dolmetsch. Julianus ladet sie zum Opfer unnd als sie Christen wurden erkennt/ zeucht mans gefenglich ein/ unnd Marterts. Bar. AE IV,25B–C (= Nic. 10,11)
Actus tertius | 283
Dritte Szene Julian mit Hofstaat, Manuel, Sabel, Ismaël, Polyglossus Jul.: Ist alles bereit, um das Opfer zu vollziehen? Priester des Jupiter: Alles ist bereit, dreimal unbesiegtester Kaiser. Jul.: [1070] Ist alles rein und makellos? Priester des Jupiter: Ohne jeden Fehl und Tadel. Jul.: Waren die Vorzeichen für das Opfer auch glückverheißend? Priester des Jupiter: Äußerst glückverheißend. Jul.: Dann gibt es kein Hindernis mehr für mein Vorhaben? Priester des Jupiter: Keines, größter Kaiser. Jul.: So lasst uns also damit beginnen, den Göttern die Ehre zu erweisen, die ihnen gebührt. (Sallustius betritt die Bühne) Sall.: [1075] Unbesiegter Kaiser, die Götter mögen dein Vorhaben begünstigen. Aber aus Persien sind Männer eingetroffen, die darum bitten, mit dir hier ein paar Dinge besprechen zu dürfen, und sie ersuchen mit eindringlicher Bitte, dich kurz stören zu dürfen. Jul.: Bring sie gleich hierher. Sie sollen zusammen mit mir den ehrwürdigen Göttern huldigen. (Manuel, Sabel, Ismaël und Polyglossus betreten die Bühne) Man.: [1080] Tráppo Iuliàn Caméloi Pérsax Sogdiàn dorne mágster babílster cálduam caìr. Poly.: Dir, Kaiser Julian, lassen die drei adligen Perser beste Grüße zukommen. Jul.: Die höchsten Götter mögen ihnen den Gruß erwidern. Man.: [1085] Iphièt eritan glomiàr abróphiax ába. Poly.: Und Sie bitten inständig, ein paar Dinge mit dir besprechen zu dürfen. Jul.: Ich werde mir ihr Anliegen gleich anhören. Zunächst aber muss ich noch zu Ende bringen, was ich begonnen habe. Ich habe mich nämlich gerade daran gemacht, den Göttern und der großen Göttin Hekate zu opfern; nun duldet dieses Opfer jedoch keine Verzögerungen mehr. [1090] Aber auch sie mögen daran teilnehmen und zusammen mit mir den Göttern opfern. Poly.: Suáltico binhóres gaúdix coymbèl pága lípho hyth býthlym bodyalỳt cuth buthúme.
284 | Iulianus Apostata Tragoedia
1095
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Man.: Gas lóbster hon rot, un deúco, un trámbo. Poly.: Duntaxat unum a se coli Deum asserunt. Iul.: Unum colam ter Maximum optimum Iovem. Poly.: Imiphiòn húsbi phánar un Iópter. Sabel: Profà Iópter son Christianès spreterbor. Poly.: Quis Iupiter sit Christiani nesciunt. Iul.: A me docebuntur; Deorum est maximus. Adsint et Hecaten nube placent thurea. Poly.: Hurbàs pyláther matórdi, Deucò Iopter Maiómo thaloním valòn Hecatésen corathísima. Man.: Chymlákor chunỳth múmys thalmyctíbari Imiséhi nasoctelià anéche bodès. Poly.: Nulli Deorum facere se posse asserunt Unum verentur Christianorum Deum. Iul.: Me quoque volo Deosque vereantur meos. Poly.: Pométo cubliliàk cambstìr oraschgérrni. Sabel: Abasuátti rundephòn hámga perfiàx aíster. Poly.: Te Caesarem fatentur et honorant, Deos Negant. Iul.: negent: in gratiam saltem meam Hecate Deae thus offerant, sed sine mora. Poly.: Blorvià coscábien gablíco mumbelfáget Baptigès gaveràl ij drot bóhas. Omnes tres: Byrnaròb sýllo. Ismaël: parliàm rómgach probàx. Poly.: Idem animus est in his tribus: nullus Hecate Faciet: abhorrent foeda sacra Numinum. Iul.: Humanitas cruciatibus mutabitur, Ni pareant. tormenta iam iam sentient Nisi illico iussis meis obtemperent. Poly.: Hagóniar arbèc Iuliàn nébluc findibùl Grisate sóbba matlàs mysirthóbo. Omnes tres: Of Ióna, of Ióna. Man.: duclána Kipliàc homalóni. Poly.: Tormenta spernunt, unicum exclamant Deum. Iul.: Moriantur, aut litent. utrum velint roga. Poly.: Cardùph boóni bluc minàl brim lýphul stárlins pypkýduti. Omnes tres: Orgàr soptum, orgàr soptum. Man.: O hiblechdas máchon Isdibùr velechánti thýnno moncòth gúbylim.
1108 ] oraschgérroni D1 , metri causa corr. D
Actus tertius | 285
Man.: Gas lóbster hon rot, un deúco, un trámbo. Poly.: Sie erklären, dass von ihnen ausschließlich ein einziger Gott verehrt wird. Jul.: [1095] Dann will ich einzig den dreimal größten und besten Jupiter verehren. Poly.: Imiphiòn húsbi phánar un Iópter. Sabel: Profà Iópter son Christianès spreterbor. Poly.: Wer Jupiter sei, wissen sie als Christen nicht. Jul.: Sie werden es von mir erfahren: Er ist der mächtigste der Götter. [1100] Sie mögen mitmachen und Hekate mit einer Wolke aus Weihrauch besänftigten. Poly.: Hurbàs pyláther matórdi, Deucò Iopter Maiómo thaloním valòn Hecatésen corathísima. Man.: Chymlákor chunỳth múmys thalmyctíbari imiséhi nasoctelià anéche bodès. Poly.: [1105] Sie behaupten, dass sie keinem der Götter opfern können. Sie verehren einzig den Gott der Christen. Jul.: Ich will, dass sie auch mich und meine Götter verehren. Poly.: Pométo cubliliàk cambstìr oraschgérrni. Sabel: Abasuátti rundephòn hámga perfiàx aíster. Poly.: [1110] Sie erkennen dich als Kaiser an und sie ehren dich als solchen, Götter lehnen sie aber ab. Jul.: Mögen sie sie ablehnen: Sie sollen aber mir zuliebe wenigstens der Göttin Hekate Weihrauch darbringen, aber unverzüglich. Poly.: Blorvià coscábien gablíco mumbelfáget baptigès gaveràl ij drot bóhas. Alle drei: [1115] Byrnaròb sýllo. Ismaël: Parliàm rómgach probàx. Poly.: Alle drei vertreten dieselbe Position: Keiner wird der Hekate opfern. Sie erschaudern vor diesem scheußlichen Götzenopfer. Jul.: Meine Höflichkeit wird sich in Marter verwandeln, wenn sie nicht gehorchen. (Marterwerkzeuge werden herbeigebracht.) Augenblicklich werden sie die Folterwerkzeuge spüren, [1120] wenn sie nicht sofort meinen Befehlen Folge leisten. Poly.: Hagóniar arbèc Iuliàn nébluc findibùl grisate sóbba matlàs mysirthóbo. Alle drei: Of Ióna, of Ióna. Man.: Duclána Kipliàc homalóni. Poly.: Sie spotten deiner Folgerwerkzeuge, sie rufen den einen Gott laut an. Jul.: [1125] Sie sollen sterben oder opfern. Frage sie, was von beidem sie wollen. Poly.: Cardùph boóni bluc minàl brim lýphul stárlins pypkýduti. Alle drei: Orgàr soptum, Orgàr soptum. Man.: O hiblechdas máchon isdibùr velechánti thýnno moncòth gúbylim.
286 | Iulianus Apostata Tragoedia
1130
Poly.: Vel centies vel millies malunt mori Quam Dis litare, unumque constantissime Clamant Deum. Iul.: litare nolunt. faxo ego Litentur ipsi. sanguinem fundent Iovi. Irruite, ligate barbaros, abducite: Frangam hanc acerba morte contumaciam.
Scena quarta Iulianus, Flamines, Praeco, Syncerastus, Grex 1135
1140
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Iul.: Pergamus, ut coeptum est, ad aras supplices. Tu praeco cives evoca: silentium Pronuntia, linguaeque face faventiam. Praeco: Adeste cives Iuliano Caesari Simulque thura ferte magnae Deae Hecate. Adeste nunc festi, modesti, candidi, Adeste cernui, pudici, frondei; Exeste vesani, profani, tabidi, Exeste linguosi, dolosi, noxij. Abeste Galilaei ac Hebraei perfidi, Abeste quotquot estis illuti, impij. Iul.: Rex ordinem compone, ferque victimam.
Scena IV. Iulianus cum suis sacrificat, collabente ad aram Flamine. Nach zusamenruffung deß Volcks/ griff man zum Opffer mit heydnischen Ceremonien. Wie gleich der Götzenpfaff den stich will thun und die Höllkönigin schon albereit erschinen/ macht Syncerastus/ so ein Christ/ und deß Keysers Spießiung das H. ✠ für sich/ alsbald verschwind das Gespenst widerumm/ der öberst Flamen oder Pfaff aber hebt an zu wieten/ unn felt endlich für todt gen boden/ wird also das Opffer abgebrochen. Bar. AE III,613B (= Eun. vit. 7,21–24), IV,15E–16C (= Prud. apoth. 469–502), IV,117B (= Amm. 23,1,6) 1144 ] Galilaei ac hiatu metiendum
Actus tertius |
287
Poly.: Sie wollen lieber hundert oder tausend Male sterben [1130] als den Göttern opfern, vollkommen unerschütterlich und standhaft rufen sie den einen Gott an. Jul.: Sie wollen nicht opfern. Ich will dafür sorgen, dass sie selbst geopfert werden. Sie werden ihr Blut für Jupiter vergießen. Stürzt euch auf sie, fesselt sie, diese Barbaren, führt sie ab. Ich werde diesen Trotz mit einem grausamen Tod brechen.
Vierte Szene Julian, Flamines, Herold, Syncerastus, Menschenmenge Jul.: [1135] Lasst uns nun, wie begonnen, unseren Bittgang zu den Altären fortsetzen. Herold, rufe du die Bürger aus ihren Häusern: Ordne Schweigen an und sorge dafür, dass keinem ein unbedachtes Wort über die Lippen kommt. Herold: Ihr Bürger, versammelt euch um Kaiser Julian und bringt zusammen mit ihm der großen Göttin Hekate ein Weihrauchopfer dar. (Menschen strömen nach und nach herbei.) [1140] Kommt nun herbei, festlich gestimmt, demütig, weiß gekleidet, kommt herbei, tief gebeugt, voll Ehrfurcht, mit Laub bekränzt; bleibt fern, ihr Wahnsinnigen, ihr Ungläubigen, ihr Dahinsiechenden, bleibt fern, ihr Geschwätzigen, ihr Betrüger, ihr Verbrecher. Bleibt weg, ihr falschgläubigen Galiläer und Hebräer, [1145] bleibt weg, all ihr, die ihr unrein und gottlos seid. Jul.: Opferkönig, lege die Reihenfolge unseres Zuges fest und bringe das Opfertier.
288 | Iulianus Apostata Tragoedia
1150
1155
1160
1165
1170
Dialis: Thura pueri molamque cum vino ferant. Praeco praei, dein victimarius hostiam Regat; sequantur Flamines; illos premat Caesar; satelles subsequatur Caesarem, Civis satellitem. ite et aram accedite. Clangat lituus et imperet silentium. Praeco: Favete linguis, supplicesque Hecaten Deam Cum Flamine salutate, palmas tollite Ad astra, votis publicis vestra addite. Dialis: (Grex idem clamat) Salve Dea potens, pulchra noctis filia. Salve Stygi tremenda Dea Proserpina. Salve nitenti veste Luna candicans. Salve Diana Numen almum saltuum. Salve Trivia munere verenda triplici. Salve soror Apollinis honora Cynthia. Salve gravis Hecate canum sacer pavor. Salve tonante Iove et Cerere sata nobilis. Salve atriorum Dea praevia regalium. Salve maris terraeque Numen praepotens. Circum aram, Chorus (A dextra laevorsum): Audi preces Proserpina Urbis tuere limina Sonti remitte crimina. (A laeva dextrorsum): Donaberis spectaculis Si solveris piaculis Maestis et occursaculis. (A dextra laevorsum): Fac Iuliano Caesari Olim Deorum compari Victoriam circumdari.
1164 ] Senarius 1166–1174 ] Dimetri iambici
Actus tertius |
289
Priester des Jupiter: Die Knaben mögen den Weihrauch und das Opferschrot samt dem Wein tragen. Herold, geh voran, dann möge der Opferdiener das Opfertier leiten; die Flamines sollen folgen; hinter ihnen [1150] soll der Kaiser gehen; diesem möge dann seine Leibgarde unmittelbar folgen, diesen wiederum die Bürger. Geht und tretet an den Altar heran. Die Trompete soll erschallen und Ruhe anordnen. (Trompete erschallt; der Zug bewegt sich auf den Altar zu) Herold: Schweigt und grüßt zusammen mit dem Flamen demütig die Göttin Hekate; reckt eure Handflächen [1155] zum Himmel, schließt an die öffentlichen Gebete eure persönlichen an. Priester des Jupiter: (Die Menschenmenge wiederholt seine Worte; Syncerastus bleibt stumm und wird im Laufe der Zeremonie innerlich immer aufgebrachter und unruhiger.) Gegrüßet seist du, mächtige Göttin, anmutige Tochter der Nacht. Gegrüßet seist du, Proserpina, furchterregende Göttin der Styx. Gegrüßet seist du, Luna, die im weißen Gewand erstrahlt. Gegrüßet seist du, Diana, wohltätige Göttin der Wälder. [1160] Gegrüßet seist du, Trivia, mit dreifacher Gabe verehrenswerte. Gegrüßet seist du, Cynthia, ehrenvolle Schwester Apollos. Gegrüßet seist du, mächtige Hekate, ehrfurchtgebietender Schrecken der Hunde. Gegrüßet seist du, edle Tochter von Jupiter und Ceres. Gegrüßet seist du, Göttin der Eingänge zu den kaiserlichen Hallen. [1165] Gegrüßet seist du, übermächtige Göttin des Meeres und der Erde. Um den Altar, Chor (Gesungen) (von rechts nach links) Erhöre unsere Bitten, Proserpina, schütze die Häuser der Stadt, erlasse dem Schuldbeladenen seine Verbrechen. (von links nach rechts) Man wird dich mit Spielen beschenken, [1170] wenn du uns Erlösung von leidvollen Strafen und Schreckensbildern gewährst. (von rechts nach links) Gib, dass Kaiser Julian, der einst unter die Götter aufgenommen wird, siegreich sein möge.
290 | Iulianus Apostata Tragoedia
1175
1180
1185
1190
1195
1200
Dialis: Arae admovete victimam. farre et sale Laticeque vitis imbuite Gazetico. Nunc rite septies vocabo Deam Hecaten. Hecate potens Numen tuis ades sacris; Hecate tibi dicata sistitur hostia; Hecate tuam irrorabit aram sanguine; Hecate veni precesque suscipe supplicum; Hecate tuere Iulianum Caesarem; Hecate resiste barbaris insultibus; Hecate sacra tibĭ placere praesens nuntia; Agon. feri, feliciter. manum abstine, Reconde cultrum. Maius, Imperator, maius est Hic Numen ingeritque terrificas minas. Iul.: Aude: Deae venientis iste terror est. Dialis: Abeuntis est. O maius hic Numen premit. Umbras vocatas dissipari contuor. Territa retro vertit Hecate vestigia, Nil murmur arcanum movet; nec Thessala Manes abactos carmina revocaverint. Iul.: Trepidare cessa: coepta fidens perfice. Dialis: Non cernis ut pigrescat ignis languidus Prunaeque canis ut favillis marceant? Ignoro quis Galilaeus huc subrepserit: Christicola sacrum hoc turbat; exturbetur hinc, Hoc pestilens et noxium hominum genus Mitrae tremunt, Divumque pulvinaria: Hinc lotus unctusque procul o procul emigret. Sacris reformatis redi Proserpina. (Labitur exanimis)
1186–1187 maius, … minas ] Prud. apoth. 470–471 1190–1193 Umbras … revocaverint ] Prud. apoth. 474–478 1195–1202 Non cernis … redi Proserpina ] Prud. apoth. 479–480 1186 ] Septenarius 1199 ] noxium hominum hiatu metiendum, cf. Comm. ad locum 1202–1207 ] admonitiones scaenicas in margine add. D2
Actus tertius |
291
Priester des Jupiter: [1175] Bringt das Opfertier zum Altar. (Sein Befehl wird ausgeführt.) Übergießt es mit Mehl, Salz und Wein aus Gaza. (Sie führen seinen Befehl aus.) Nun werde ich gemäß dem Brauch siebenmal die Göttin Hekate anrufen. Hekate, mächtige Göttin, wohne dem Opfer bei, das dir zu Ehren vollzogen wird; Hekate, das Opfertier, das dir geweiht ist, steht hier; [1180] Hekate, es wird deinen Altar mit seinem Blut überströmen; Hekate, komm herbei und erhöre die Bitten der Flehenden; Hekate, schütze Kaiser Julian; Hekate, biete dem Spotten der Barbaren die Stirn; Hekate, tue in unserer Mitte kund, dass dir unser Opfer wohlgefällt. (Hekate erscheint als Gespenst) [1185] Opferdiener! Stich zu, möge es gut gelingen! (Der Opferdiener setzt den Dolch am Opfertier an und will zustechen; Syncerastus bekreuzigt sich. Sofort verschwindet Hekate. Der Jupiterpriester erkennt dies und stürzt auf den Opferdiener zu.) Halte deine Hand zurück, stecke den Dolch wieder ein. (Geht auf Julian zu) Eine mächtigere, mein Kaiser, ja eine mächtigere Gottheit ist hier zugegen und stößt schreckenerregende Drohungen aus. Jul.: Fahre fort: Es handelt sich dabei nur um den Schrecken, den die Ankunft der Göttin hervorruft. Priester des Jupiter: Nein, es ist der ihres Verschwindens. Oh, eine mächtigere Gottheit setzt uns zu. [1190] Die Schatten, die wir heraufbeschworen haben, sehe ich verfliegen. Erschrockenen Schrittes kehrt Hekate um; da hilft auch kein heimlich gemurmeltes Mysteriengebet; auch thessalische Zaubersprüche können die vertriebenen Geister nicht mehr zurückrufen. Jul.: Hör auf, dich zu fürchten: Bringe das, was du begonnen hast, zuverlässig zu Ende. Priester des Jupiter: [1195] Siehst du denn nicht, wie das Feuer schwach erlischt und die Glut zu weißer Asche vergeht? Irgendein Galiläer muss sich hier eingeschlichen haben: Ein Christusverehrer stört dieses Opfer; er soll von hier verjagt werden, [1200] die Kopfbinden und Kissen der Götter erzittern vor diesem verderbenbringenden, vor diesem schädlichen Menschenschlag: Jeder, der getauft und gesalbt ist, soll ganz weit, weit weg von hier verschwinden. Komm zurück, Proserpina, wenn wir das Opfer erneuert haben. (Bricht tot zusammen)
292 | Iulianus Apostata Tragoedia
1205
1210
Grex: Miserere Iesu, parce Iesu sontibus. Iul.: Pro Iupiter! quid hoc? tuere Iupiter, (Abijcit ornamenta) Hecate tuere. quis crucem fronti imprimit? Grex: Miserere Iesu, parce Iesu sontibus. Syncer.: (Abijcit arma) Abite scelerata arma falsi Numinis. Sum Christianus; arma Christi me decet Non execranda ferre tela Numinum. Ego Christianus, Christianus sum, unicum Agnosco Christum. Iul.: tune Christum inclamites? Mox sentias: auferte cum ara victimam.
Scena quinta Iulianus, Mares, Sostenes
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Mar.: Ad Iulianum Caesarem me ducito. Sost.: Hic ipsus est. fecisse Dis illum puto. Mar.: Ergo peropportunus adsum. celera iter, Utinam salutem Iuliano Caesari Huc adferam! Iul.: Pestem igitur adportas mihi? Mar.: Allata iam fuit, adferenda non fuit. Venio ut tibi erranti optimam monstrem viam. Iul.: Caecus oculato? Mar.: caecitas, Caesar, animi Caecum efficit, non corporis. tu tibĭ novus Videris Argus; talpa es et diem negas. An caecitas non istud est foedissima?
Scena V. Iulianus a Chalcedonensi praesule de idolorum cultu accerime reprehenditur. Mares ein Bischoff von Chalcedon vor hohem Alter blind last sich zum Keyser führen/ unnd verweißt ihm hitzig sein abgötterey. Aber Julianus spötlet nur darüber. Mares lobt Gott seiner Blindheit/ umb das er deß Juliani grewel nit sehe. Bar. IV,22E–23A (= Soz. hist. eccl. 5,4,8–9) [Nic. 10,20; Sokr. hist. eccl. 3,12] 1216 ] Utinam salutem Iuliano Caesari huc adferam D1 ; huc adferam metri causa del. D1 et in versum 1217 transtulit
Actus tertius | 293
Menge: Erbarme dich, oh Jesu, verschone uns Sünder, oh Jesu. Jul.: Beim Jupiter! Was soll das? Jupiter schütze uns. (Lässt leichenblass sein Herrscherdiadem zu Boden gleiten) [1205] Hekate, schütze uns. (Zu den Umstehenden) Wer von euch hat das Kreuz auf seine Stirn gezeichnet? Menge: Erbarme dich, oh Jesu, verschone uns Sünder, oh Jesu. Syncer.: (wirft seine Waffen von sich) Weg mit euch, ihr verbrecherischen Waffen einer falschen Gottheit. Ich bin ein Christ; die Waffen Christi muss ich tragen und nicht die verfluchten der Götzen. [1210] Ich bin ein Christ, hört ihr, ein Christ bin ich, ich erkenne einzig Christus an. Jul.: Du rufst Christus an? Schon bald sollst du das spüren, was er erlitten hat: Schafft das Opfertier zusammen mit dem Altar weg. (Alle ab außer Julian)
Fünfte Szene Julian, Mares, Sostenes Mar.: (zu Sostenes) Führe mich zu Kaiser Julian. Sost.: Hier ist er schon. Ich glaube, er hat gerade den Göttern geopfert. Mar.: [1215] Dann komme ich ja gerade richtig. Schneller! (Sie gehen auf Julian zu.) Wie gern möchte ich dir Heil wünschen, Kaiser Julian! Jul.: Dann wünschst du mir also die Pest an den Hals? Mar.: Die muss man dir gar nicht mehr wünschen, du hast sie bereits am Hals. Ich komme, um dir, der du in die Irre gehst, wieder den besten Weg aufzuzeigen. Jul.: [1220] Ein Blinder einem Sehenden? Mar.: Geistige Blindheit, Kaiser, macht einen blind, nicht körperliche. Es scheint dir, als seist du ein zweiter Argus; in Wirklichkeit aber bist du ein Maulwurf und leugnest das Tageslicht. Oder besteht etwa nicht darin die schlimmste Blindheit?
294 | Iulianus Apostata Tragoedia
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Ad fictilis pedes Minervae, verticem Diademate gravem turpiter prosternere, Iunonis effigiata lambere marmora, Et ante plantas Herculis procumbere; Tremulos Dianae poplites inflectere, Frontemque gypso Apollinis submittere, Pollucis ad equum thura flammis spargere; Et hoc sit oculatum esse, luceque perfrui? Caecatus es caecutientibus a sophis. Iul.: Non te tuus Galilaeus iterum lumine Donabit? Mar.: at ego gratias Deo meo Ago maximas, me quod oculis privaverit, Ne cogerer, Caesar, tuam, tuam inquio Oculis tueri caecitatem perfidam. Iul.: Patientiae mihi materiem das senex. Mar.: At sic pati stuporis est, non roboris. Exsensa pertinacia haud patientia Est nominanda. Iul.: robur animi non cadet Verbis tuis. Mar.: deflendus es tanto magis Quanto minus fleri cupis lacrymabilem Vesaniam tuam. recipe, Caesar, animum; Perpende quem colueris et deserueris Deum unicum, verum Deum, solum Deum. Nunc ante saxa proijceris elinguia: O furor et o insania insanissima! O rem nefandam! summe regnator poli Haec scelera lentus sustines, lentus vides? Et quando trifida fulmen exiliet face Si nunc sereno nubilo cingis diem? Iul.: O mi senex, triplici tibi Anticyra est opus. Mar.: Non erubescas Iuliane colloqui Cum rupe trunca, destituta sensibus? 1232 Caecatus es caecutientibus a sophis ] Mt 15,14; Lc 6,39 1233–1237 Non te tuus … caecitatem perfidam ] Bar. AE IV,22E 1249–1252 summe regnator poli … nubilo cingis diem ] Sen. Phaedr. 671–675 = Bern. Stef. Crispus III,23–26 1238 ] Senarius 1248 ] o insania hiatu metiendum 1253 ] Antycyra D1 , corr. D
Actus tertius | 295
[1225] Nämlich das diadembeschwerte Haupt in schändlicher Weise vor die töner-
nen Füße einer Minerva zu werfen, Marmorstatuen, die das Abbild der Juno tragen, abzulecken, sich vor den Fußsohlen eines Hercules niederzuwerfen, die Knie zitternd vor einer Diana zu beugen, das Haupt vor dem Gipsbild eines Apollo zu verneigen [1230] und das Pferd eines Pollux mit aus Flammen qualmendem Weihrauch einzunebeln; darin soll es bestehen, sehen zu können und über das Augenlicht zu verfügen? Geblendet wurdest du von deinen blindmachenden Weisen. Jul.: Kann dir dein Galiläer denn kein zweites Mal das Augenlicht schenken? Mar.: Ganz im Gegenteil, ich danke meinem Gott aus tiefstem Herzen, [1235] dass er mich meiner Augen beraubt hat, damit ich nicht gezwungen bin, deine, Kaiser, ja deine gottlose Blindheit mit eigenen Augen zu sehen. Jul.: Du alter Mann gibst mir Gelegenheit, meine Geduld zu üben. Mar.: Aber in dieser Weise etwas geduldig hinzunehmen, zeugt von Dummheit, nicht von Stärke. [1240] ‚Stumpfsinnige Borniertheit‘ darf man nicht ‚geduldiges Hinnehmen‘ nennen. Jul.: Meine innere Stärke wird durch deine Worte nicht gebrochen. Mar.: Je weniger du willst, dass man über deinen Tränen erregenden Wahnsinn weint, umso mehr muss man dich beweinen. (Kniet vor Julian nieder) Kaiser, komm wieder zur Besinnung; [1245] denk daran, dass der, den du verehrt und verraten hast, der einzige, wahre und alleinige Gott ist. Nun wirfst du dich aber vor stummen Steinen nieder: Ach, was für ein Wahn! Ach, was für ein irrsinnig wahnsinniger Wahnsinn! Ach, was für ein Frevel! (Zum Himmel gewandt) Höchster Lenker des Himmels, [1250] nimmst du diese Verbrechen tatenlos hin, siehst du sie tatenlos mit an? Wann wird denn dein Blitz nun endlich mit dreigespaltenem Feuer aufzucken, wenn du den Himmel jetzt noch mit heiteren Wolken umgibst? Jul.: Oh mein Alter, was du brauchst, ist eine dreifache Nieswurzkur in Anticyra. Mar.: Schämst du dich nicht, Julian, [1255] mit einem verstümmelten, gefühllosen Felsbrocken zu sprechen?
296 | Iulianus Apostata Tragoedia
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A mortuis vitam roges, a caudice Opem expetas? prosperum iter ab eo postules Gradum facere qui nequit? ab impurissimis Inpuritatis labem, ab infirmissimis Infirmitatis depreceris sarcinam? Quae philosophia foedam hanc docet vesaniam? Suspicere crebrisque osculis lacessere Ex sordibus caenove ficta Numina Deus unus est et unus orbis conditor, Di ceteri sunt daemones atque lemures Acheruntici, caelo exules, stygis incolae. Iul.: Marpesiam cautem latratu hoc verberas: Non moveor. Mar.: ita plane est, ut ipse fassus es; Marpesiam cautem ipse te recte vocas Aut durius si caute quid Marpesia. Iul.: Saxa loqueris. Mar.: saxo loquor. non te pudet Ad tam pios monitus ita obrigescere? Iul.: Non te pudet senex ita insolescere? Mar.: Nil Iuliane annos meos iam demoror, Mori prius monere quam te desinam: Iactura vitae facilis est, gravissima est Animi. amat ille maxime vitam suam Qui maxime odit, servat is, qui negligit; Odisse se qui nescit, hic non bene se amat. Haec vita momentum breve est sed pendet hinc Aeternitas; e tantulo tantum venit. Iul.: Non ista tandem desines? crepitaculum. Mar.: Crepitaculum ego sum: at vero tu mundi probrum es, Telluris odium, sceleris exemplum novi, Hostis tuorum, carnifex regum, impiae Ductor cohortis, iuris exitium sacri, Legum sepulchrum, et quod nefandius, facis Nocens nocentes; lege nunc peccat tua
1276–1281 Iactura vitae … e tantulo tantum venit. ] Io 12,25 1280–1281 Haec vita … tantum venit ] Benci, Erg. S. 250,17–19 1284–1303 Telluris odium … quis vero id neget? ] Bern. Stef. Crispus V,659–668 1280 breve est ] est breve D1 , metri causa corr. D
Actus tertius | 297
Willst du etwa Tote um Leben bitten, Hilfe von einem Holzklotz erbeten? Willst du etwa von jemandem, der keinen Schritt tun kann, eine glückliche Reise erflehen? Willst du etwa die Unreinsten darum bitten, einen unreinen Schandfleck zu tilgen, die Schwächsten, [1260] die Last der Schwäche zu beseitigen? Welche Philosophie lehrt einen solch scheußlichen Wahnsinn? Nämlich zu Götzen, die aus Dreck oder Müll gebildet sind, flehend aufzuschauen und sie pausenlos mit Küssen zu reizen. Es gibt nur einen einzigen Gott und einen einzigen Erschaffer des Erdkreises, [1265] die übrigen ‚Götter‘ sind Dämonen und Höllengeister, Verbannte aus dem Himmel, Bewohner der Styx. Jul.: Mit deinem Gekläffe triffst du auf parischen Marmor. Das juckt mich nicht. Mar.: Ja, es ist ganz genau so, wie du es selbst gesagt hast; zurecht bezeichnest du dich selbst als parischen Marmorblock [1270] oder sei es, dass es noch irgendetwas Härteres als den parischen gibt. Jul.: Wie ein Felsblock prallen deine Worte gegen meinen Kopf. Mar.: Nein, auf einen Felsblock prallen meine Worte. Schämst du dich nicht, gegenüber solch gut gemeinten Mahnungen so unnachgiebig zu sein? Jul.: Schämst du dich nicht, alter Mann, dich so zu erdreisten? Mar.: Nichts, Julian, hält mein Leben noch auf, [1275] ich werde eher aufhören sterblich zu sein, als dich zu ermahnen: Der Verlust des Lebens wiegt wenig, am schlimmsten ist der der Seele. Derjenige liebt sein Leben am meisten, der es am meisten hasst, derjenige bewahrt es sich, der es gering schätzt. Derjenige, der sich nicht selbst zu hassen versteht, liebt sich selbst auch nicht gebührend. [1280] Dieses Leben ist nur ein kurzer Augenblick, aber von ihm hängt die Ewigkeit ab; aus etwas so Kleinem entspringt solch Großes. Jul.: Hörst du jetzt nicht endlich mal auf damit? Du Klapperrassel! Mar.: Ja, ich bin eine Klapperrassel: Du dagegen bist eine Schande für die Welt, das Hassobjekt der Erde, das Musterbeispiel für ein unerhörtes Verbrechen, [1285] der Feind der Deinen, der Henker der Herrscher, der Anführer einer gottlosen Horde, der Untergang des geheiligten Rechts, das Grab für die Gesetze, und, was noch skandalöser ist, in deinem schuldhaften Handeln bringst du auch andere dazu, Schuld auf sich zu laden.
298 | Iulianus Apostata Tragoedia
1290
1295
1300
1305
1310
1315
Ubique quicquid peccat humanum genus, Quia tu (neque tua mihĭ metum infert purpura Nequĕ sceptra formido, neque diademata) Tu, inquio, tuam vitam, tuum et verum Deum Turpissimus Apostata negasti perfide. Iul.: Insaniendi fac modum, barde vetule. Mar.: O Magne Constantine vitam denuo Resume, scelerisque argue nepotem tuum, Et hanc fidem quam deseruit, illi exprobra. Iul.: Nec dum facis finem senex logis tuis? Mar.: Nec dum facis tu pervicaciae tuae? Tu Caesar ille iustus? en factum docet. Tu nempe sanctus ille qui iustas preces Admittis? execrandus, immitis, ferox. Tu nempe castus ille? quis vero id neget? Iul.: Poenas adeŏ flocci facis silicernium? Mar.: Poenae graves, ferme breves, longae leves. O Iuliane, genibus advolvor tuis, Quaeso aequus aequa me precantem sustine; Resipisce Iuliane, dum licet, precor. Resipisce Iuliane, dum Numen vocat. Iul.: Vulpem induis cum leo non territas. Sed mihĭ, senex, crede, actum agis. Iovem colo Deosque reliquos non Hebrǣum mortuum. Mar.: Haec Christe inaudis et pateris? horreo equidem. O saeculi monstrum tui! Iul.: vera loqueris. Mar.: O labem. Iul.: ita est. Mar.: O luem. Iul.: age, perge tu. Mar.: impie Sacrilege. Iul.: fateor. Mar.: turbo. Iul.: certe. Mar.: perfide. Iul.: Factum optume. Mar.: procella. Iul.: vetera praedicas. Mar.: Legirupa. Iul.: valide. Mar.: vastitas. Iul.: acerrume.
1314–1322 O saeculi montrum … probum cantorem ] Plaut. Pseud. 359–366 1297 Et hanc fidem quam ] Fidemque quam … D1 , metri causa corr. D1 1310 ] Quinarius
Actus tertius |
299
Überall, wo das Menschengeschlecht sich in irgendeiner Sache schuldig macht, macht es sich auf deine Anordnung hin schuldig, [1290] weil du (weder dein Purpur jagt mir Angst ein noch erschrecke ich vor deinem Szepter, genausowenig wie vor deinem Diadem), weil du, ich sage es erneut, deinem Leben und deinem, dem wahren Gott auf schändlichste Weise abgeschworen hast, du verräterischer Abtrünniger! Jul.: Hör auf mit dem Unsinn, du dummer alter Mann. Mar.: [1295] (den Blick zum Himmel gewandt) Oh Konstantin der Große, erwache wieder zum Leben, klage deinen Neffen seines Verbrechens an und bringe ihn rügend zu dem Glauben zurück, den er aufgegeben hat. Jul.: Hörst du alter Mann denn immer noch nicht mit deinem Geschwätz auf? Mar.: Und du immer noch nicht mit deiner Borniertheit? [1300] Und du willst jener gerechte Kaiser sein? Siehe, dein Handeln klärt uns doch darüber auf. Willst du wirklich jener gottgefällige Herrscher sein, der gerechte Bitten zulässt? Verfluchen muss man dich, grausam bist du, unbeherrscht. Willst du wirklich jener anständige Mensch sein, als den du dich ausgibst? Zumindest das aber kann niemand leugnen. Jul.: Gibst du denn keinen Pfifferling auf die Strafen, die dir blühen, du scheintoter alter Knacker? Mar.: [1305] Harte Strafen dauern in der Regel nur kurz, lang dagegen leichte. (Umklammert Julians Beine) Ach Julian, ich werfe mich dir zu Füßen und bitte dich: Schlage mir wohlwollend meine wohlwollende Bitte nicht aus. Komm wieder zur Besinnung, Julian, solange es noch möglich ist, ich bitte dich, komm wieder zur Besinnung, Julian, solange Gott dich noch ruft. Jul.: [1310] (stößt Mares von sich) Da du mich im Löwenpelz nicht erschreckst, legst du dir den des Fuchses an. Aber glaube mir, alter Mann, du bemühst dich um etwas, was schon längst entschieden ist. Ich verehre Jupiter und die übrigen Götter, nicht den toten Hebräer. Mar.: (den Blick wiederum zum Himmel gerichtet) Christus, wie kannst du dir das mitanhören und nichts unternehmen? Ich für meinen Teil bin entsetzt. (Zu Julian) Oh Scheusal deines Zeitalters. Jul.: Da hast du recht. Mar.: [1315] Oh du Verderben. Jul.: So ist es. Mar.: Oh du Seuche. Jul.: Auf, fahre nur fort. Mar.: Verfluchter Gotteslästerer. Jul.: Das gebe ich offen zu. Mar.: Sturmgleicher Verwüster. Jul.: Ja gewiss. Mar.: Verräter. Jul.: Ganz toll. Mar.: Unwettergleiches Verderben. Jul.: Das ist ein alter Hut. Mar.: Gesetzesbrecher. Jul.: Sehr schön. Mar.: Zerstörer. Jul.: Ganz genau.
300 | Iulianus Apostata Tragoedia
1320
1325
1330
Mar.: Draco. Iul.: papae. Mar.: ruina. Iul.: bombax. Mar.: dedecus. Iul.: Planissume. Mar.: scelestĕ. Iul.: scelus. Mar.: o ferream Frontem! Iul.: imo aheneam. Mar.: pudoris nescium. Iul.: O te probum cantorem! Mar.: ah obsecro velis Vel sapere momento. Iul.: sapere quaeso doce. Mar.: Ioves tuos, tuas Dianas impias Vero Deo, unico Deo tu praeferas? Te Iuliane Hebrǣus ille mortuus A morte liberavit, alto in stipite Mortem ferendo; Hebrǣus iste mortuus Te Iulianum ad inferos missurus est Nisi resipiscas. Iul.: nec tuas nec illius Timeo minas. Mar.: olim timebis, sed nimis Sero, aut nimis fortasse cito. cedo. Iul.: sapis. Mar.: Sed caelites testes voco. monuisse me At monita neglexisse te. Iul.: cavĕ ne cadas.
Scena sexta Iulianus, Artemius, Mercurius, miles Palatinus 1335
1340
Iul.: Flammam senex coniecit in me frigidus, Iramque proritavit ore garrulo, Verum luet loquacitatem hanc sanguine Galilaea gens suo. ite vos, inquirite Gentem malignam, noxiamque sistite; Spoliate templa, diripite vasa aurea.
Scena VI. Iulianus duos Christianos milites impium imperium detrectantes occidi praecipit. Artemius und Mercurius zwen Trabanten/ werden vom Keyser geheissen die Christen fangen/ unnd Kirchen blindern/ aber sie erklären sich selbs Christen zusein/ werden als bald zu der Marter hinein gefürt. Bar. AE III,728A (= Amm. 17,11,5), IV,12C–D; 16D (= Aug. civ. 18,52, S. 339,12–23), 16E–17C (= Joh. Chrys. Paneg. Juv. 1; IV,42B–C [Greg. Naz. or. 4,57–58 und 61–63; Nic. 10,4 und 11; Soz. hist. eccl. 5,4,6–7; Theod. hist. eccl. 3,18]
Actus tertius |
301
Mar.: Schlange. Jul.: Ei, jetzt aber! Mar.: Vernichter. Jul.: Da schau hin! Mar.: Schandfleck. Jul.: [1320] Vollkommen richtig. Mar.: Verbrecher. Jul.: Schurke. Mar.: Oh welch eiserne Miene! Jul.: Du wolltest wohl vielmehr „Welch eherne…!“ sagen. Mar.: Du weißt nicht, was Scham ist. Jul.: Oh du tüchtiger Sänger! Mar.: Ach, ich flehe dich an, zeige wenigstens für einen Moment den Willen, deinen Verstand zu gebrauchen. Jul.: Lehre du mich bitte, wie ich meinen Verstand gebrauchen soll. Mar.: Willst du deine frevelhaften Götter wie Jupiter und Göttinnen wie Diana [1325] dem wahren Gott, dem einzigen Gott vorziehen? Jener „tote Hebräer“ hat dich, Julian, vom Tode erlöst, indem er hoch am Kreuzesstamm den Tod erlitt; jener „tote Hebräer“ wird dich, Julian, in die Hölle schicken, [1330] wenn du nicht zur Vernunft kommst. Jul.: Ich fürchte weder deine noch seine Drohungen. Mar.: Einst wirst du sie fürchten, aber dann wird es zu spät sein; oder vielleicht auch allzu bald. Ich gehe. Jul.: Jetzt gebrauchst du deinen Verstand. Mar.: Aber ich rufe die Himmlischen als Zeugen an, dass ich dich gewarnt habe, dass du meine Warnungen aber in den Wind geschlagen hast. (Mares geht mit Sostenes ab.) Jul.: (ruft ihm schelmisch hinterher) Siehe zu, dass du nicht fällst.
Sechste Szene Julian, Artemius, Mercurius, Palastwache Jul.: (zunächst für sich) [1335] Eine lodernde Flamme hat dieser kurz vor der Leichenstarre stehende Greis in mir entfacht und meinen Groll mit seinem geschwätzigen Maul erregt; doch das Volk der Galiläer wird für dessen Geschwätzigkeit mit seinem eigenen Blut büßen. (Zu den Soldaten, darunter Mercurius und Artemius) Ihr, brecht auf, spürt dieses bösartige und schädliche Volk auf und stellt es; [1340] plündert seine Kirchen, raubt seine goldenen Gefäße.
302 | Iulianus Apostata Tragoedia
1345
1350
1355
1360
1365
Galilaeus ille fabrique filius bibat E fictili, vasa lutea fabrum haud dedecent. Utatur ille ligneis sive Samiis. Ex aureis, e murrhinis reges bibant. Haeretis? ite exuite templa censibus. Art.: Non pareo. Merc.: non pareo. Iul.: resistere Vos Caesari, vos imperata spernere? Occumbite, aut parete. Art. et Merc.: primum malumus. Iul.: Primum obtinebitis. Art.: a metu liberrimi Sumus, didicimus saeva fata milites Non expavescere; templa non vastabimus. Iul.: Ergo Iovemque et Herculem et me principem Ludum facis? Art.: nec Hercules nec Iupiter Nec tu Imperator me abstrahes meo a Deo Et unico et vero. Iul.: ista ni mutaveris: Catasta certa est, certă flagra, certa crux. Adhuc fateris illum, adhuc hos despuis? Art.: Utrumque. Iul.: at amens, qui mala imminentia Non curat. Art.: amens qui bona imminentia Non pensat. Iul.: apage hoc dictionis stibium; Fac quod licet. Art.: non quod licet, sed quod decet. Iul.: Fac iussa. Art.: faciam iussa, si iuste imperes. Iul.: Iniusta? Art.: qui contra Deum aliquid imperat, Iniustus est. Iul.: hoc iam tuo disces malo. Nec tu etiam es isto sanior? Merc.: sanissimus, Insana sed iussa improbo: Herculem et Iovem Et quicquid est monstrorum in orco, protero. Prae uno Deo orbis universi principe Nullos Deos agnosco. Iul.: cogam agnoscere.
1361–1362 Fac quod licet … si iuste imperes ] Sen. Oct. 454–459
Actus tertius | 303
Dieser Galiläer, dieser Sohn eines Zimmermanns, soll aus einem Tongefäß trinken, Tongeschirr ist nicht unpassend für einen Zimmermann. Er soll welches aus Holz oder solches aus Samos verwenden. Aus goldenen und gläsernen Gefäßen sollen Herrscher trinken. (Bemerkt, dass Artemius und Mercurius stehen bleiben) [1345] Was bleibt ihr stehen? Geht, raubt den Kirchen ihr Vermögen. Art.: Ich gehorche nicht. Merc.: Ich gehorche auch nicht. Jul.: Was fällt euch ein, euch eurem Kaiser zu widersetzen? Seine Befehle zu missachten? Sterbt oder gehorcht. Art. und Merc.: Ersteres wollen wir lieber. Jul.: Ersteres werdet ihr erhalten. Art.: Wir sind vollkommen frei von Furcht, [1350] wir haben als Soldaten gelernt vor den wütenden Schlägen des Schicksal nicht zu erzittern; wir werden die Kirchen nicht verwüsten. Jul.: Du hältst also Jupiter, Hercules und mich, deinen Kaiser, zum Narren? Art.: Weder Hercules noch Jupiter noch du, Kaiser, werden mich von meinem Gott, [1355] dem einzigen und wahren, trennen. Jul.: Wenn du an dieser Ansicht nichts änderst, ist dir der Marterrost sicher, sicher sind dir dann Geißelhiebe, sicher ist dir dann das Kreuz. Bekennst du dich jetzt immer noch zu ihm, verachtest du jene jetzt immer noch? Art: Beides tue ich. Jul.: Von Sinnen ist doch derjenige, der sich nicht um Übel sorgt, die ihm drohen. Art.: Nein, von Sinnen ist derjenige, der die guten Dinge, die daraus folgen werden, [1360] nicht dagegen abwägt. Jul.: Schluss mit diesem schönfärbenden Gelaber. Verhalte dich so, wie es erlaubt ist. Art.: Nicht wie es erlaubt ist, sondern wie es sich gehört. Jul.: Führe meine Befehle aus. Art.: Ich werde deine Befehle ausführen, wenn sie gerecht sind. Jul.: Ungerecht nennst du sie? Art.: Wer irgendetwas gegen Gott befiehlt, tut Unrecht. Jul.: Das wirst du selbst bald zu deinem Leidwesen erfahren. (Zu Mercurius gewandt) [1365] Und du, bist auch du nicht vernünftiger als dieser? Merc.: Ich bin vollkommen bei Vernunft, aber ich missbilige deine unvernünftigen Befehle: Hercules, Jupiter und was auch immer an Ungeheuern da in der Hölle ist, trete ich mit Füßen. Außer dem einen Gott, dem obersten Herrscher über den gesamten Erdkreis, erkenne ich keine Götter an.
304 | Iulianus Apostata Tragoedia
1370
1375
1380
1385
1390
Et eculeis et laminis lacerabere Compago donec ossiumque et artuum Divulsa membratim hinc et inde diffluant; Non tu expavescas tot truces leti vias? Merc.: Haec Christianus nescit expavescere Mortem quid ultra sunt. necesse est omnibus Perire. vitae summa mors, summum haud malum est, Hac abitus hac et reditus in caelum est piis. Ego cur verebor ante condictum diem Migrare? vitae quicquid in terris fuit Anceps, pavendum, lubricum semper fuit; Nunc liber animus, omnis exemto metu Discriminis, quo tendit in patriam evolat. Iul.: Auferte ab oculis pestilentes dypsadas. Venena diffundunt et impiam luem. Abripite in atros carceres et ferreis Distenta purpurate virgis viscera. Eliminate spiritum execrabilem. Art.: Nunc tempus est nos esse veros milites, Erigere virtus; arma cum vita cadant. Moriamur. hoc est fortium. Merc.: Christe adiuva. Iul.: Nulla mora faveat. occidant; non sunt mei.
1371–1372 Compago donec … inde diffluant ] Prud. perist. 5,111–113 1376–1382 vitae summa mors … in patriam evolat ] Bern. Stef. Crispus V,313, 322 und 325–329 1388 ] versum add. D2 1389 Erigere virtus ] Succumbe virtus D1 , corr. D2 1389 cum vita cadant ] cum vita abdica D1 , del. et cum vita cedite complevit D2 ; iterum metri causa del. D2 et cum vita cadant complevit, cf. Comm. ad locum
Actus tertius |
305
Jul.: Ich werde dich dazu zwingen, sie anzuerkennen. [1370] Du wirst auf dem Folterpferd mit glühenden Platten solange verstümmelt werden, bis sich deine Knochen und Gliedmaßen zerstückelt in alle Richtungen verteilen. Schaudert dir nicht vor solch einer großen Anzahl an grausamen Hinrichtungsmethoden? Merc.: Ein Christ kann nicht erschaudern vor dem, [1375] was nach dem Tod ist. Alles muss vergehen. Der Tod ist der Höhepunkt des Lebens, nicht das höchste Übel; für die, die glauben, ist er ein Weggang von hier, eine Rückkehr von hier in den Himmel. Warum soll ich Angst davor haben, vor dem mir bestimmten Tag dahinzuscheiden? Was auch immer an Leben jemals auf der Erde war, [1380] steckte immer in Ungewissheit, Furcht und Unsicherheit; da mir die Angst vor jeder Gefahr genommen wurde, fliegt mein Geist nun frei dorthin, wohin er zu gelangen sucht, nach Hause. Jul.: Schafft mir diese verderbenbringenden Giftschlangen aus den Augen. Sie verteilen ihr Gift und ihre verfluchte Pest. [1385] Schleift sie in finstere Kerker und streckt und prügelt ihr Fleisch mit eisernen Stöcken, bis ihr Blut zum Vorschein kommt. Treibt ihnen ihren verfluchten Geist aus. Art.: Nun ist es Zeit, dass wir uns als wahre Soldaten erweisen, erhebe dich, Tapferkeit; unsere Waffen sollen uns erst mit unserem Tod entschwinden. [1390] Wir wollen sterben. Darin besteht Tapferkeit. Merc.: Christus, stehe uns bei. Jul.: Kein Aufschub soll euch zugute kommen. (Zur Palastwache) Sie sollen sterben; sie gehören nicht mehr zu mir.
306 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena septima Iulianus cum suis, Sallustius
1395
1400
1405
Iul.: Et, hic triumphet Galilaeus sine vulnere? Altumque sustollat caput me Caesare. Quin capite plecto? i, miles et disijce caput. Curato Sallusti meum illi suffice Caput. Sall.: puta factum. Iul.: viden’ sine capite Galilaeus! ubi caput tuum Galilaee, ubi? An capitis oblitus tui, an in proxima Aede latitat? quin nunc abis caput tuum huc Allatum? an es natus sine capite? quid ais? Defende te, vim iace corusci fulminis: Ut mutus, ut truncus silet. cedamus hinc. Sall.: (redit cum capite Iuliani) Quod facere iussus sum facio, substituoque Caput imperatoris novo spectaculo (Cadit ignis) Quis hic ignis? unde fulmen? o facinus ferum! Servate Numina Iulianum Caesarem I, miles iconemque truncam subrue. Eo et renuntio parum feliciae.
Scena VII. Iulianus Christi statuam capite truncari, et suum illi imponi iubet. Julianus ersicht ein Salvator bildnuß/ ergrümt darüber/ laßt das haupt herunder schlagen unn seines an stat setzen. Bald kompt Donner und Blitz/ schlägt deß Keysers Kopff vom Stock/ darauff muste der Hoffmeister die gantze Bildnuß stirmen. Bar. AE IV,67C (= Nic. 10,30; Soz. hist. eccl. 5,21,1–4) 1393 ] versum add. D2 1408 ] versum in folio secando amissum in margine rescripsit D2
Actus tertius | 307
Siebte Szene Julian mit den Seinen, Sallustius (Julian vor einer Christusstatue) Jul.: Und hier soll der Galiläer noch ohne eine Wunde triumphierend herumstehen? Soll er unter mir als Kaiser noch sein Haupt in die Höhe recken? Warum schlage ich ihm nicht den Kopf ab? (Zu einem Soldaten) Soldat, gehe und schlage ihm den Kopf ab. (Soldat führt den Auftrag aus) [1395] Sallustius, sorge du dafür, dass mein Haupt an dessen Stelle platziert wird. Sall.: Betrachte es als erledigt. (Sallustius ab) Jul.: (zur geköpften Statue) Siehst du ohne Kopf denn überhaupt etwas, Galiläer? Wo ist dein Haupt, Galiläer, wo? Oder hast du etwa deinen Kopf vergessen oder ist er in der nächsten Kirche versteckt? Warum gehst du nicht, um deinen Kopf hierher [1400] zu holen? Oder wurdest du ohne Kopf geboren? Was sagst du? Verteidige dich, schleudere deine gewaltig zuckenden Blitze vom Himmel herab! Wie stumm, wie verstümmelt du schweigst! (Zu den Übrigen) Lasst uns von hier weggehen. (Alle ab außer Soldat) Sall.: (kommt mit einem Kopfbildnis Julians zurück) Was mir befohlen wurde zu tun, tue ich nun und setzte das Haupt des Kaisers darauf, damit daraus ein neuer Blickfang entsteht. (Feuer fällt vom Himmel) [1405] Was ist das für ein Feuer? Woher der Blitz? Oh wie schrecklich! (Zum Himmel gewandt) Ihr Götter, rettet Kaiser Julian. Gehe Soldat, stürze das verstümmelte Standbild um. Ich mache mich auf und erstatte von diesem Unglück Bericht. (Soldat zerstört die Statue vollständig)
308 | Iulianus Apostata Tragoedia
Actus quartus Scena prima Bassianus, Melampus, Milphio
1410
1415
1420
1425
Bass.: Tu magna sis mater Deorum? daemonum es, Atque furiarum maxima furia. quin ego Tibĭ poplitem flecto, caput aperio, manum Exosculor, preces lito, thus offero? Monstrum! pedibus es conterendum, calcibus Es basiandum, molliendum fustibus, Pugnis salutandum. hic honos tibĭ convenit. Poenas mihi dabis parens alastorum. Exdorsuabere, pedibus calcabere, In pulveres redigere quae tot ad impiam Redegeras insaniam. Peri scelus, Praestigias lue atque sycophantias. Hic cultus est tali Dea dignissimus: Ita colere meus debuisset te parens, Sed quos honores tibĭ parens non detulit, Hos filius defert; tuere te scelus; Defende te, resiste Numen praepotens. En ut iaces truncata membris omnibus! En ut taces magna domina, Deorum Dea! Quin accio chirurgum ut obliget tibi Inflicta vulnera, quin voco Aesculapium?
Der viert Act, Scena I. Christianus puer Cybeles statuam irridet, frangit, calcat: in vincula ducitur. Bassianus ein frommer Knab verspot unnd zerschmettert ein Erden Götzin Cybele/ die da soll der Götter Mutter gewesen seyn. Zwen Schergen ersehen ihn/ und fahren mit ihm dem Kercker zu. Bar. AE IV,36C (= Amm. 22,9,8; Greg. Naz. or. 5,40)
Actus quartus | 309
Vierter Akt Erste Szene Bassianus, Melampus, Milphio Bass.: (zunächst allein; vor einem Bildnis der Kybele) Du sollst die Große Göttermutter sein? Die Mutter von Dämonen bist du [1410] und von allen Furien die größte Furie. Warum wohl beuge ich vor dir nicht mein Knie, entblöße ich nicht mein Haupt, küsse ich nicht deine Hand, bete ich nicht zu dir und bringe ich dir keinen Weihrauch dar? Weil du ein Scheusal bist! Mit Füßen muss man dich abreiben, mit Fersen küssen, mit Stockhieben erweichen [1415] und mit Faustschlägen grüßen. Diese Ehrbezeugung passt zu dir. Du, Mutter der Dämonen, sollst mir büßen, entgräten und mit Füßen treten soll man dich, in Staub verwandelt sollst du wieder werden, du, die so viele Menschen in gottlose Wahnsinnige verwandelt hat. Verrecke, du Miststück, [1420] büße für deinen Lug und Trug. Eine solche Verehrung ist einer solchen Göttin am würdigsten: Auf solche Weise hätte mein Vater dich schon verehren müssen, aber die Ehrungen, die dir mein Vater nicht zukommen ließ, bringt dir nun sein Sohn entgegen. (Zerstört das Bildnis der Kybele und tritt die Bruchstücke mit Füßen) Schütze dich, du Miststück; [1425] verteidige dich, leiste Widerstand, du ach so übermächtige Gottheit. Siehe, wie du daliegst, verstümmelt an allen Gliedern! Siehe, wie du schweigst, du ach so große Herrin, du Göttin der Götter! Soll ich dir vielleicht einen Arzt kommen lassen, damit er dir die Wunden verbindet, die ich dir zugefügt habe, soll ich dir vielleicht den Aesculap rufen?
310 | Iulianus Apostata Tragoedia
1430
1435
1440
1445
1450
I, nunc, superbe gloriare; iactita Te maximorum Numinum matrem, tibi Iniuriam illatam potenter vindica Meque ad tribunal Numinum reum voca Damnaque. Christe vive, Christe Numina Impura, vana, profana disperde omnia. Mil.: Quid hoc video Melampe? quid calcat puer? Mel.: Adeamus. Mil.: ecquid hic puer calcas? Bass.: viam. Mil.: Quid in via? Bass.: quod subiacet pedibus. Mel.: quid est? Bass.: Caenum lutumque. Mil.: ludis etiam? Bass.: serius Hoc aio non ludo. Mel.: quid est hic fragminum? Bass.: Num quatuorvir sum? quid hoc mea interest? Mil.: Invisa cur pedibus teris? Bass.: ideo quia Invisa sunt. Mil.: vidisse prius oportuit. Bass.: An vos habetis in pedibus oculos? mihi Tantum in capite sunt. sed nec isti sat boni. Mil.: Bona verba puer, aut pro merenda pugnum edes. Bass.: Non esurio. retinete vobis hanc dapem. Mil.: Quidnam parentes sunt tui? Bass.: homines. Mil.: furcifer! Non istud interrogo. Bass.: quid ergo? Mil.: quidnam habent Negotii? Bass.: nunc otiantur ut arbitror. Mil.: Pergin’ iocari furcifer? dic serio Quinam vocaris? Bass.: ego? quasi id tu nescias?
1444–1445 An vos habetis in pedibus oculos? mihi tantum in capite sunt ] Ecl 2,14
Actus quartus |
311
[1430] Nun komm, feiere dich doch in deinem Hochmut; rühme dich doch dafür,
dass du die Mutter der höchsten Götter bist, bringe doch entschieden Klage vor, dass dir ein Unrecht zugefügt wurde, lade mich doch als Angeklagten vor den Richterstuhl der Götter und verurteile mich doch. (Melampus und Milphio betreten die Bühne und beobachten Bassianus; dieser trampelt weiterhin auf den Bruchstücken herum) Es lebe Christus, Christus, [1435] richte all jene unreinen, eitlen und schändlichen Götzen zugrunde. Mil.: Was sehe ich da, Melampus? Auf was trampelt der Junge da herum? Mel.: Lass uns da mal hingehen. Mil.: Junge, auf was trampelst du da herum? Bass.: Auf der Straße. Mil.: Was ist auf der Straße? Bass.: Das, was unter meinen Füßen liegt. Mel.: Und was liegt da? Bass.: Na, Schmutz und Dreck. Mil.: Scherzt du etwa? Bass.: Mit vollem Ernst [1440] sage ich das, ich scherze nicht. Mel.: Was sind das für Bruchstücke? Bass.: Bin ich etwa vom Straßenbauamt? Was geht mich das an? Mil.: Warum trampelst du ohne hinzusehen auf ihnen herum? Bass.: Ja genau deswegen, weil ich sie nicht sehen will. Mil.: Aber man müsste sie sich doch erst einmal ansehen. Bass.: Habt ihr etwa Augen an euren Füßen? Also ich habe [1445] nur welche im Gesicht. Aber auch die sind nicht gerade gut. Mil.: Am besten du hältst jetzt mal die Klappe, Bursche, sonst wird dir anstatt des Abendbrots eine Faust ins Maul gestopft. Bass.: Ich habe keinen Hunger. Behaltet diese Mahlzeit für euch. Mil.: Was sind deine Eltern? Bass.: Menschen. Mil.: Du Galgenstrick! Danach frage ich doch nicht. Bass.: Wonach dann? Mil.: Was [1450] arbeiten sie? Bass.: Momentan haben sie frei, glaube ich. Mil.: Veräppelst du uns immer noch, du Galgenstrick? Jetzt im Ernst, wie heißt du? Bass.: Ich? Wie wenn du das nicht wüsstest?
312 | Iulianus Apostata Tragoedia
1455
1460
1465
1470
1475
Mil.: Imo hercle nescio. Bass.: an tibi est tam labilis Memoria? furcifer vocor. sic antea A te vocabar. Mil.: nebulo. Bass.: sunt ergo mihi Duo nomina, nebulo atque furcifer. Mil.: scelus! ego te: Sed serio, quae membra sunt haec? Mel.: Numinis Alicuius autumo. Bass.: autumas. non Numen est. Mil.: Cybele videtur esse. Bass.: non est. Mil.: sed fuit. Bass.: Deam putas? Mil.: Deam puto. Bass.: si Dea fuit Et nunc erit. Mil.: ni fracta foret. Bass.: ergo Dea nec Fuit quidem; Deos enim crurifragio Quis enecet? Mel.: sceleste fors tu Numen hoc Ita sauciasti. Bass.: non fuit Numen. Mil.: fuit. Bass.: Non fuit. Mil.: an hic non cernis artus Numinis? Bass.: Misereor. o triste facinus frangere Deum! Mel.: Non fecit hōc impune quisquis fecerit Scelus impium hoc. Mil.: non dubito quin tu fregeris. Bass.: Ego fregi, ego. Mil.: Deam hanc? Bass.: lutum est merissimum Non Dea. Mil.: facinus hoc sacrilegum tun’ ausus es? Melampe funes: vinciamus hoc scelus Pueri. doceberis Deos contemnere; In te seges hodie frangetur ulmea. Bass.: Disperde Numina Christe, vive Christe, et me iuva. Mil.: Videbimus quam sit tuus Christus potens.
1456 ] Septenarius 1463 fors ] forte D1 , metri causa corr. D 1473 ] Senarius 1474 ] Septenarius
Actus quartus |
313
Mil.: Beim Hercules, ganz im Gegenteil, ich weiß es nicht. Bass.: Besitzt du etwa ein solch löchriges Gedächtnis? Galgenstrick heiße ich. So wurde ich vorhin [1455] von dir genannt. Mil.: Du Taugenichts. Bass.: Ich besitze also zwei Namen, Taugenichts und Galgenstrick. Mil.: Du Schurke! Ich werde dich …, aber im Ernst: (zeigt auf die Bruchstücke) Was sind das für Gliedmaßen? Mel.: (sieht sich die Bruchstücke näher an) Ich glaub’, die stammen von irgendeiner Gottheit. Bass.: Glaubst du. Das ist aber keine Gottheit. Mil.: Es scheint Kybele zu sein. Bass.: Sie ist es nicht. Mil.: Aber war es. Bass.: [1460] Hältst du sie für eine Göttin? Mil.: Ja, ich halte sie für eine Göttin. Bass.: Wenn sie eine Göttin war, müsste sie es jetzt doch auch noch sein. Mil.: Wenn sie nicht zerbrochen wäre. Bass.: Also dann war sie freilich auch keine Göttin; denn wer könnte Götter töten, indem er ihnen die Beine zertrümmert? Mel.: Du Schurke, vielleicht hast ja du die Göttin so zugerichtet. Bass.: Sie war keine Göttin. Mil.: Doch, war sie. Bass.: [1465] Nein, war sie nicht! Mil.: Siehst du hier etwa nicht die Gliedmaßen einer Göttin? Bass.: (stark ironisch) Ich habe ja solches Mitleid. Oh welch jammervolles Verbrechen, einen Gott zu zerstören! Mel.: Wer auch immer diese gottlose Tat begangen hat, wird nicht ungeschoren davonkommen. Mil.: Ich zweifle nicht daran, dass du sie zerstört hast. Bass.: Ja, ich habe sie zerstört, ich war es. Mil.: Diese Göttin? Bass.: Sie ist der reinste Dreck [1470] und keine Göttin. Mil.: Solch einer gottlosen Tat hast du dich erdreistet? Melampus, die Stricke: Lass uns diesen Bengel in Fesseln legen. (Bassianus wird gefesselt.) Dir wird schon noch beigebracht, was es heißt, die Götter zu verachten; an dir wird heute noch ein ganzes Bündel Ulmenstöcke zerbrochen werden. Bass.: (beim Abführen) Christus, richte die Götzen zugrunde, es lebe Christus und stehe mir bei. Mil.: [1475] Wir werden schon sehen, wie mächtig dein Christus ist. (Alle ab)
314 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena secunda Publia, Eulalia, Euphrosina, Iuliana, Eutropia, Iulianus cum suis
1480
1485
1490
1495
Publ.: Pretiosius nil est pudoris integri Pretio; meae comites, mei oculi, oculis meis Mihĭ chariores; virginum pudor integer Nullis est comparandus unionibus, Nec ullis est reparandus unionibus, Ubi semel est amissus. hinc labore opus. Labore si nequeas, cruore protege Tuum pudorem. satius est foedam necem Subire quam hunc animi nitorem perdere. Minis quidem nos Iulianus territat Fidemque cum pudore nobis turpiter Conatur extorquere. sed vel centies Vel millies malo mori quam vel semel Christo meo sponso meo esse perfida. Euphro.: Non abnuo mori si pudorem non queam Aliter tueri. Eulal.: haec vita sordet prae altera Illa, beata vita et immortalibus Praestante delitijs. Publ.: mori, est lex omnium, Paucissimorum autem mori pro Numine. Eutrop.: O sponse Christe ne tuam me deseras Sponsam; mori pro te recuso neutiquam. Iuliana: Sed heu mori durum est nimis. Publ.: durum? mori? Mori necessum est sit licet durissimum.
Scena II. Sacrae virgines transeuntem Iulianum idololatriae cantando arguunt. Eulalia, Euphrosina, Eutropia heilige Jungkfrawen werden von der Gottseligen Matron Publia behertzt in der Jungkfrawschafft unnd Glauben zubleiben/ singen darauff ein Psalmen: werden vom Juliano nach erhörtem Gesang weck getriben. Bar. AE IV 57B–D (= Theod. hist. eccl. 3,19) [Nic. 10,11] 1476 ] omitte totam [sc. scaenam] in margine notavit d 1477 mei oculi, oculis meis ] mei oculi et oculis D1 , metri causa correxi 1479–1480 ] Senarii
Actus quartus |
315
Zweite Szene Publia, Eulalia, Euphrosina, Juliana, Eutropia, Julian mit den Seinen Publ.: Nichts ist wertvoller als der Lohn, den man sich durch unversehrte Keuschheit erwirbt; meine Gefährtinnen, meine Augensterne und mir noch teurer als mein Augenlicht; die unversehrte Keuschheit von Jungfrauen ist weder durch Perlen zu kaufen [1480] noch durch Perlen wiederzuerwerben, wenn sie einmal verloren ist. Darum muss man sich für sie mühen. Wenn du deine Keuschheit aber trotz allen Mühens nicht schützen kannst, dann verteidige sie mit deinem Blute. Es ist besser, einen schrecklichen Tod auf sich zu nehmen als diesen Seelenglanz zu verlieren. [1485] Freilich, Julian versetzt uns mit seinen Drohungen in Angst und Schrecken und versucht auf schändliche Weise uns zusammen mit unserer Keuschheit auch unseren Glauben auszutreiben. Aber ich will hundert- oder tausendmal lieber sterben, als auch nur ein einziges Mal meinem Christus, meinem Bräutigam, untreu zu sein. Euphro.: [1490] Auch ich weigere mich nicht zu sterben, wenn ich meine Keuschheit auf keine andere Weise schützen kann. Eulal.: Im Vergleich zu jenem anderen, dem seligen Leben, das sich durch unsterbliche Freuden auszeichnet, ekelt einen dieses hier an. Publ.: Zu sterben schreibt das Gesetz allen vor, nur sehr wenigen jedoch, für Gott zu sterben. Eutrop.: [1495] Ach Christus, mein Bräutigam, verlass mich, deine Braut, nicht. Ich bin voll und ganz dazu bereit, für dich den Tod auf mich zu nehmen. Juliana: Ach, aber zu sterben fällt einem allzu schwer. Publ.: Schwer fallen? Zu sterben? Man muss sterben, mag es auch am schwersten sein.
316 | Iulianus Apostata Tragoedia
1500
1505
1510
1515
1520
1525
1530
1535
Iuliana: Difficile sanguis funditur. Publ.: pro Numine Facillimum et suavissimum est, amantibus Numen. Iuliana: reclamat corpus. Publ.: animus imperat. Ah cura mea, mea Iuliana, cur mori Trepidas? viden’ promtissimas has ad necem? Vitam beatam terminum ista mors habet Tolerata pro Christo. Iuliana: ah iuventus impedit. Publ.: Sed Christus invitat, daturus praemium Pro se necem quisquis subierit fortiter. Iuliana: Ah dura sunt nimis ista. Publ.: facilia sunt nimis Numinis amanti. nam est facile amori, mori. Iuliana: O mortem amaram aevo virenti et lugubrem! Publ.: Ecquid tyrannum Iulianum sic times? Corpus potest solum, nequit tollere animum. Deus potest; hunc metue solum et unicum. Semel mori est necesse quid mora tibi Longam creas mortem; pati quod cogeris Semel, cito pati satius est, quam sua sibi Tormenta producere. dabit vires Deus Mori volenti pro Deo. Iuliana: aequa me mones, Sed dura. Publ.: non levi labore praemium Mortalis immortale consequi valet. Iuliana: Ergo moriendum? Publ.: si Deus velit, fidem Te sic tueri. Iulianus forsitan Minabitur tormenta; num negabitis Castissimo sponso semel sponsam fidem? Servare vitam, perdere fidem, quid lucri? Nam quae sine Deo vita nobis vivitur Mors viva recte aut vita mortua dicitur. Tres virgines: Mori, mori vel centies non metuimus. Publ.: En Iuliana, sola mortem refugias? Vanas tyranni sic reformides minas? Iuliana: Quod iusseris, non abnuam facere. Publ.: mei Vos ergo amores, cura mea, solatium Meum; impias minas tyranni spernite; Robur dabit caelestis ille virginum Sponsus, dabit et immobilem constantiam.
1512–1513 Corpus potest solum … metue solum et unicum ] Mt 10,28
Actus quartus |
317
Juliana: Sein Blut lässt man nur schwerlich vergießen. Publ.: Es für Gott auf sich zu nehmen, [1500] ist für diejenigen, die ihn lieben, das Leichteste und Angenehmste. Juliana: Dem widerspricht mein Körper. Publ.: Die Seele aber ruft dazu auf. Ach meine Liebste, meine Juliana, warum fürchtest du dich davor zu sterben? (Auf die Übrigen hinweisend) Siehst du denn nicht, wie vollkommen vorbereitet auf den Tod diese sind? Derjenige Tod, [1505] den man für Christus erleidet, hat an seinem Ende das selige Leben. Juliana: Ach, meine Jugend hält mich aber davon ab. Publ.: Aber Christus lädt dich dazu ein, weil er jeden belohnen wird, der für ihn tapfer den Tod erleidet. Juliana: Ach, diese Dinge fallen einem so schwer. Publ.: Jemandem, der Gott liebt, fallen sie nur allzu leicht. Denn für die Lieb’ gibt man den Leib leicht her. Juliana: [1510] Oh wie leidvoll und bitter für mein blühendes Alter ist doch der Tod! Publ.: Warum fürchtest du den Tyrannen Julian denn so? Er kann dir nur deinen Leib, nicht deine Seele nehmen. Gott dagegen kann es; diesen fürchte einzig und allein. Einmal muss man sterben, was bereitest du dir [1515] ein langes Sterben, indem du es hinauszögern willst? Es ist besser, das schnell über sich ergehen zu lassen, was man nur ein einziges Mal erleiden muss, als sich seine Marter in die Länge zu ziehen. Kraft wird Gott dem schenken, der sterben will für Gott. Juliana: Wahr ist, zu was du mich da mahnst, aber es fällt einem trotzdem schwer. Publ.: Es ist nicht möglich, dass durch leichte Mühen [1520] ein Sterblicher unsterblichen Lohn erringt. Juliana: Also muss ich sterben? Publ.: Wenn Gott will, dass du deine Glaubenstreue auf diese Weise schützt. Gut möglich, dass Julian euch Folter androhen wird; werdet ihr etwa eurem reinsten Verlobten die einmal gelobte Treue verweigern? [1525] Sein Leben zu retten, seinen Glauben aber aufzugeben, welchen Lohn gibt es dafür? Denn ein Leben, das wir ohne Gott leben, wird mit Recht als lebendiger Tod oder totes Leben bezeichnet. Drei Nonnen: Zu sterben, ja hundertmal zu sterben, davor fürchten wir uns nicht. Publ.: Siehe Juliana, willst du als einzige von uns vor dem Tod fliehen? [1530] Schreckst du etwa so sehr vor den leeren Drohungen des Tyrannen zurück? Juliana: Nein, ich will mich nicht mehr weigern, das zu tun, zu was du mich aufforderst. Publ.: Daher, meine Lieben, meine teuren Schützlinge, mein Trost, verachtet die gottlosen Drohungen des Tyrannen; Kraft schenken wird uns jener himmlische Bräutigam der Jungfrauen. [1535] Schenken wird er uns unverrückbare Standhaftigkeit.
318 | Iulianus Apostata Tragoedia
1540
Durate sedibusque vos caelestibus Servate, masculoque mortem pectore Excipite, si vitam tyrannus impetat. Adeste, Iulianus hac forsan via Est transiturus. regij nos carmina Vatis canamus in impios Idololatras Progreditur; eccum! voce iam me sequiminor. Illis ora pudor turpis confundat, inanes Quicunque mentis stipites, pro Dis colunt.
1545
1550
1555
Iul.: Quis iste cantus? siste miles. audiam. I, miles atque ut conticescant impera. Publ.: Sacris dumque placant picti ludibria trunci Se gloriantur impio facto pios. Quicquid ubique Dei sub nomine credulus error Honorat, unum quaerat, unum diligat. Nam procul astriferi trans ignea moenia mundi, Tu fraena rerum iustus arbiter tenes. Iul.: In me canuntur ista. sed num sic fero? In Caesarem tun’ haec canere voce improba Non erubescas? Publ.: Caesar es, sed impius. Iul.: Pol faucibus convulsa lingua lueret hoc Linguae scelus. sed parco sexui; neque Faeminea in poena nomen est memorabile: Abite colubrae. Publ.: Christe, regna, vindica.
1543–1544 Illis ora … pro Dis colunt ] Buchan. Ps 97,19–20 1547–1550 Sacris dumque … unum diligat ] Buchan. Ps 97,21–24 1551–1552 Nam procul … iustus arbiter tenes ] Buchan. Ps 97,29–30 1543–1544 ] Trimetrum iambicum Hexameter sequitur 1547–1552 ] Trimetrum iambicum Hexameter sequitur 1547 Sacris dumque placant ] Dumque sacris placant Buchan. Ps 97,21 1548 impio facto pios ] impio in scelere pios Buchan. Ps 97,22 1550 unum quaerat ] unum adoret Buchan. Ps 97,24 1558 ] Senarius
Actus quartus |
319
Haltet durch und rettet euch für die himmlischen Wohnsitze, nehmt den Tod mit männlichem Herzen an, wenn der Tyrann es auf euer Leben abgesehen hat. Kommt, vielleicht begegnet uns Julian gleich auf diesem Weg. [1540] Wir wollen die Lieder des königlichen Dichters gegen die gottlosen Götzendiener anstimmen. (Julian betritt die Bühne) Er kommt; seht ihn euch an! Singt mir umgehend nach. (Jeweils gesungen) „Jenen steige schändliche Schamesröte ins Gesicht, die leblose Holzbildnisse als Götter verehren…“ Jul.: (während die Nonnen singen) [1545] Was ist das für ein Gesang? Soldaten, halt! Das will ich mir anhören. (Hört aufmerksam zu und ist nach kurzer Zeit entsetzt) Los, Soldaten, ordnet an, dass sie den Mund halten sollen. Publ.: „…und die in heiligen Riten das Blendwerk eines bemalten Baumstammes besänftigen und sich dabei in ihrer gottlosen Tat rühmen, fromm zu sein. Was auch immer arglose Unwissenheit allerorten unter dem Namen Gottes [1550] verehrt, möge sie ihn allein suchen, ihn allein lieben. Denn fern, jenseits der feurigen Mauern der sternentragenden Welt, hältst du als gerechter Richter die Zügel der irdischen Dinge in Händen.“ Jul.: Gegen mich richtet sich ihr Gesang. Ja soll ich dies etwa einfach so hinnehmen? (Geht auf Publia zu) [1555] Schämst du dich denn nicht, solches mit dreister Stimme gegen deinen Kaiser zu singen? Publ.: Du bist zwar Kaiser, aber ein gottloser. Jul.: Beim Pollux, deine Zunge sollte dir herausgerissen werden und für das Verbrechen deines Mundes büßen. Aber ich verschone das weibliche Geschlecht; sich einen Namen dadurch zu machen, dass man Frauen bestraft, ist nicht ruhmvoll. Verschwindet, ihr Schlangen! Publ.: Christus, herrsche und bestrafe ihn! (Nonnen ab)
320 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena tertia Iulianus, Ecebolius, Porphyrius, miles 1560
1565
1570
1575
1580
Iul.: Adesto Porphyri, theatrum lusibus Hilara tuis atque Galilǣos indue Mores. Porph.: lubenter, Caesarum invictissime: Novi probe gregis improbi simulamina. Simulare, dissimulare, fingere, tegere Bellissime norunt bifrontes simij. Ore aliud et corde aliud inclusum gerunt; Sanctissimi volunt videri, esse renuunt Nequissimi; (gestu exprimit) crucis typo frontem terunt Creberrime; caput ferunt in alterum Latus reclinatum; dolosa lumina Figunt humi, vel ad astra cum gemitu erigunt. Crucis figura ad pectus arctant brachia. Illis fluunt verborum ab ore mellei Globuli; animo virus tegunt teterrimum. Iungunt manus cum vota Galilaeo ferunt Suo, recurvant poplitem, os streperum movent Tali modo. Caesar vide quam sim pius! Iul.: Pulcherrime. melius nequiret exprimi Gentis nefandae cultus execrabilis. Sic perge Porphyri; nimiopere gaudeo. Porph.: Mystas habent hi sacrilegi nequissimos. Clamore complent templa contentissimo Boant ad aras Stentori parissimi. Scena III. Iuliani histrio ioco baptizatus, serio fit Christianus, et ad necem trahitur. Porphyrius ein Gauckler muß vor dem Keyser der Christen Geberden lächerlich erweisen: laßt sich auch zu einem possen tauffen. Wunder! auß dem Schertz ist ein ernst geworden: Porphyrius verendert sich bekent sich warhafftig ein Christen/ man glaubt ihms kaum/ wirdt doch endlich zu der Marter geführt. Bar. AE IV,58C 1573–1574 verborum … globuli ] Petron. 1,3 1567 renuunt ] cupiunt D1 , corr. D 1568 ] admonitiones scaenicas in margine add. D2
Actus quartus |
321
Dritte Szene Julian, Ecebolius, Porphyrius, Soldaten (Ecebolius tritt zusammen mit Porphyrius und Soldaten auf) Jul.: [1560] Komm her, Porphyrius, erheitere das Publikum mit deinen Scherzen und parodiere die Galiläer. Porph.: Gerne, unbesiegtester aller Kaiser: Ich kann diese ungute Bande ganz gut nachmachen. Auf das Täuschen, Heucheln, Lügen und Verheimlichen [1565] verstehen sich diese zweigesichtigen Affen am allerbesten; ihr Mund lässt etwas anderes nach außen dringen, als das, was sie im Herzen verborgen tragen; als die reinsten Unschuldslämmer wollen sie gelten und streiten ab, dass sie die größten Tagediebe sind. (Setzt das Gesagte in seiner Gestik um) Sie polieren ihre Stirn, indem sie unzählige Male das Kreuzzeichen machen; ihren Kopf werfen sie [1570] nach hinten in den Nacken; betrübt blicken sie zu Boden oder seufzend hoch zu den Sternen. Beim Anblick des Kreuzes drücken sie ihre Arme eng an die Brust. Aus ihrem Mund strömen honigsüße Wortbonbons; in ihren Herzen verbergen sie aber das scheußlichste Gift. [1575] Sie falten die Hände, wenn sie ihrem Galiläer Gebete entgegenbringen, sie beugen das Knie und bewegen ihr gellendes Mundwerk auf diese Art und Weise. (Macht die Mundbewegung nach) Kaiser, siehe doch, wie fromm ich bin! Jul.: (ausgelassen lachend) Wunderbar! Besser kann das verfluchte fromme Gehabe dieses schändlichen Volkes nicht ausgedrückt werden. [1580] Weiter so, Porphyrius; ich amüsiere mich prächtig. Porph.: Diese Religionsschänder haben die größten Taugenichtse als Priester in ihren geheimen Kulten. Mit überanstrengtem Geschrei erfüllen sie ihre Kirchen und brüllen zu ihren Altären, einem Stentor in überhaupt nichts nachstehend.
322 | Iulianus Apostata Tragoedia
1585
1590
1595
1600
Pater, Pater precamur, exaudi preces Pater tui te deprecantur filij. Sed Christianus esse volo, quaeso domine Me fontibus lustra sacris et sordidi Absterge labes pectoris; totus laver: Ne lustricum fontem mihi cupido neges. Eceb.: Fiet satis precibus: aquam huc ferte propere Ut sordidatum pectus undis eluam. Sed num tuis de sceleribus, mi homo, doles? Porph.: Quam maxime. Eceb.: patrare vin’ haec denuo? Porph.: O minime. Eceb.: eris Christicola deinceps? Porph.: optimus. Eceb.: Agnoscis unum Numen? Porph.: imo etiam decem. Eceb.: Erisne defensor crucis verus? Porph.: ferus. Eceb.: Erisne temperans? Porph.: aquae praesertim. Eceb.: eris Iniurijs oblitterandis promtior? Porph.: Promtissimus. Eceb.: amans pacis? Porph.: et amantissimus. Eceb.: Erisne patiens verberum? Porph.: si argentea Sint, maxime. Eceb.: parcus cibi? Porph.: potissimum Cum non sapuerit. Eceb.: erisne vigil? Porph.: ut plurimum.
1600–1601 Erisne patiens … maxime ] Plaut. Most. 618–621
Actus quartus |
323
(Ahmt das Gebet in lächerlich übertriebener Weise nach; mit überaus lauter und nachäffend hoher Stimme zum Himmel schreiend) Vater, Vater, wir bitten dich, erhöre unsere Bitten, [1585] Vater, deine Kinder flehen dich an. (Zu Ecebolius) Doch, ich will ein Christ sein, ich bitte dich, Herr, reinige mich durch das heilige Wasser und wasche den Schmutz von meinem befleckten Herzen ab; ich will vollkommen geläutert sein. Verweigere mir nicht das erlösende Wasser, das ich zu empfangen wünsche. Eceb.: [1590] Deiner Bitte wird entsprochen. (Zu den Soldaten) Bringt schnell Wasser herbei, damit ich mit diesem sein beflecktes Herz reinigen kann. Doch bedauerst du, mein Lieber, denn auch deine Verbrechen? Porph.: (antwortet bald übertrieben pathetisch, bald schelmisch grinsend, bald sarkastisch; Julian begleitet das Gespräch mit ausgelassenem Lachen) Nichts mehr als das. Eceb.: Willst du diese erneut begehen? Porph.: Oh, am allerwenigsten. Eceb.: Wirst du fortan ein Verehrer von Christus sein? Porph.: Der allerbeste. Eceb.: [1595] Bekennst du dich zum einen Gott? Porph.: Mach’ gleich zehn draus. Eceb.: Wirst du ein unbestreitbarer Verteidiger des Kreuzes sein? Porph.: Ein streitbarer. Eceb.: Wirst du maßvoll sein? Porph.: Besonders beim Wasser. Eceb.: Wirst du noch bereitwilliger Unrecht vergessen? Porph.: Am bereitwilligsten von allen. Eceb.: Friedliebend? Porph.: Der größte Liebhaber. Eceb.: [1600] Wirst du Prügel geduldig ertragen? Porph.: Wenn sie aus Silber sind, am allermeisten. Eceb.: Sparsam beim Essen? Porph.: Ganz besonders, wenn es nicht schmeckt. Eceb.: Wirst du wachsam sein? Porph.: Vollkommen.
324 | Iulianus Apostata Tragoedia
1605
1610
1615
1620
1625
1630
1635
Eceb.: Nosti precari? Porph.: etiam imprecari. Eceb.: num dies Festos coles? Porph.: ut nemo superet me otio. Eceb.: Legemne servaturus es decemplicem? Porph.: Quid ambigis? Eceb.: quod nomen induam vis tibi? Porph.: Lostotropus. Eceb.: teneo. ergo mi Lostotrope Inflecte poplites, manus iunge et caput Demitte, sacris amnibus te perluam. Attende nunc: irroro lustrales aquas. Porph.: Iam Christianus sum. Iul.: mihĭ perplacent Hae fabulae. Porph.: mihĭ displacent haec fabulae; Iam Christianus sum. Iul.: iocari quo minus Videris, hoc magis iocaris Porphyri. Porph.: Iam Christianus sum; iocari desij. Iul.: Es maxime: quia fonte sacro tinctus es. Porph.: Atque meliore Numinis vi concitus. Iul.: Vix Numen illud pectore capis; sic tumet. Porph.: Iam Christianus sum; omnis hinc abest iocus. Iul.: Bellissimus Porphyri homo es et lepidissimus. Porph.: Sum Christianus, pereat omnis Iupiter. Iul.: Es Christianus, quis neget, lectissimus. Porph.: Tu Christe vive, perde falsa Numina. Tu Numen es, verus Deus es et unicus, Tu me gregi aggrega tuo licet impium. Iul.: Ni te teipso rectius nossem, omnia Haec serio tibĭ facta, dicta dicerem. Porph.: Et diceres rectissime. sum serius, Sum Christianus, Christianus sum; tua Contemno Caesar iussa, Christi iam sequor. Iul.: Lusum sat est Porphyri. age nunc, et pristinum Assume Porphyrium; teipsum indue iterum. Porph.: Non induam quod exuisse gaudeo. Nec perpetrabo denuo quae saepius A me fuere perpetrata turpiter.
1611 ] Quinarius
Actus quartus |
325
Eceb.: Weißt du, wie man Wünsche im Gebet ausdrückt? Porph.: Ja, sogar Verwünschungen. Eceb.: Begehst du dann auch die Feiertage? Porph.: Ja, und zwar so, dass mich niemand in meinem Müßiggang übertrifft. Eceb.: [1605] Wirst du die Zehn Gebote einhalten? Porph.: Wie kannst du daran zweifeln? Eceb.: Welchen Namen willst du von mir verliehen bekommen? Porph.: Lostotropus. Eceb.: Ah, ich verstehe. Also, mein Lostotropus, beuge die Knie, falte die Hände und senke das Haupt, ich werde dich mit Weihwasser übergießen. [1610] Jetzt pass auf: Ich übergieße dich mit dem Taufwasser. (Gießt Wasser über ihn) Porph.: (in ernstem Ton) Jetzt bin ich ein Christ. Jul.: (mit Tränen vor Lachen in den Augen) Dieses Schauspiel gefällt mir überaus gut. Porph.: Mir missfällt dieses Schauspiel; ich bin jetzt ein Christ. Jul.: Je weniger du zu scherzen scheinst, desto mehr scherzt du, Porphyrius. Porph.: [1615] Ich bin nun ein Christ; ich habe aufgehört, Scherze zu machen. Jul.: (erneut in Lachen ausbrechend) Und wie du das bist: Du wurdest ja auch mit Weihwasser benetzt. Porph.: Und von der noch höheren Macht des Heiligen Geistes erwählt. Jul.: Kaum bist du in der Lage, diesen Gott in deinem Herzen zu fassen, so aufgeblasen ist er. Porph.: Ich bin nun ein Christ; ich scherze hier überhaupt nicht mehr. Jul.: [1620] Porphyrius, du bist ein überaus komischer und witziger Kerl. Porph.: Ich bin ein Christ, gänzlich zugrunde gehen soll Jupiter. Jul.: Du bist ein ganz auserlesener Christ, wer könnte das leugnen. Porph.: Du, Christus, mögest leben, vernichte die falschen Götter. Du bist Gott, du bist der wahre und einzige Gott, [1625] nimm mich, mag ich auch gottlos gewesen sein, in deine Herde auf. Jul.: Wenn ich dich nicht besser kennen würde, als du dich selbst, würde ich behaupten, dass du all das im Ernst getan und gesagt hast. Porph.: Und vollkommen zurecht würdest du das behaupten. Ich meine es im Ernst, ich bin ein Christ, ein Christ bin ich; deine [1630] Befehle, Kaiser, missachte ich, die, die Christus mir gibt, befolge ich nun. Jul.: Genug mit dem Spiel, Pophyrius. Komm schon, werde wieder zum alten Porphyrius; werde wieder du selbst. Porph.: Ich werde nicht wieder zu dem Menschen, den ich mit Freude von mir abgelegt habe. Und ich werde die Schandtaten nicht erneut begehen, [1635] die ich zuvor allzu häufig begangen haben.
326 | Iulianus Apostata Tragoedia
1640
1645
1650
1655
1660
Iul.: Te serio loqui putabunt plurimi. Porph.: Et imo vero, serio Caesar loquor. Eceb.: Tu Christianus Porphyri, tu haec serio? Porph.: Et centies et millies ista repetam: Sum Christianus, falsa sperno Numina. Eceb.: Aut ludit aut insanit hic homo mobilis. Porph.: Nec ludo nec insanio, Christum colo. Iul.: Deos negas? Porph.: et pernego. Eceb.: Iovem eieras? Porph.: Et execror. Eceb.: renuntias Apollini? Porph.: Apollini totique plebi Acherunticae. Eceb.: Quis hic novus furor? Porph.: furere iam desij. Eceb.: Quo fascino caeceris? Porph.: oculos aperuit Bonus Deus quos hactenus clausi impie. Eceb.: Galilaeo honorem tribuis? Porph.: huic ipsissimo; Iste Galilǣus omnium iudex erit. Eceb.: Quae saga pectus implicata viperis Convertit animum, et ora quae maenas movet? Porph.: Aethereus est qui verba format spiritus. Iul.: Redi, et redibit Numinum et meus favor. Porph.: Iste favor est odium; alijs ita faveas. Iul.: Quousque abuteris mea clementia? Futilia tandem verba tempore desine. Porph.: Mihĭ crede Iuliane frustra perfuris. Deum colo, Christum colo, Deos eiero. Id millies audire gestis? millies Dicam. Iul.: ista perseveras? Porph.: constantissime. Iul.: Impie sacrifica, vel peristi funditus. Porph.: Deo sacrifico, Deos abominor, execror.
1653 Aethereus est qui verba format spiritus ] Lc 11,13 1656 Quousque … clementia ] Cic. Catil. 1,1 1641–1642, 1644–1657 ] del. d 1660–1677 ] del. d 1661 ] Senarius
Actus quartus |
327
Jul.: Die meisten werden jetzt glauben, dass du das ernst meinst. Porph.: Allerdings, Kaiser, ich spreche tatsächlich im Ernst. Eceb.: Du ein Christ, Porphyrius, im Ernst? Porph.: Und hundertmal und tausendmal werde ich es wiederholen: [1640] Ich bin ein Christ, ich verabscheue die falschen Götter. Eceb.: Entweder treibt dieser flatterhafte Kerl ein Spiel oder er ist wahnsinnig. Porph.: Weder treibe ich ein Spiel noch bin ich wahnsinnig, Christus verehre ich. Jul.: Die Götter leugnest du? Porph.: Und streite sie ab. Eceb.: Jupiter schwörst du ab? Porph.: Und verfluche ihn. Eceb.: Sagst du dich von Apollo los? Porph.: [1645] Von Apollo und dem gesamten Höllenpöbel. Eceb.: Was ist das für ein ungekannter Wahnsinn? Porph.: Ich bin nicht mehr wahnsinnig. Eceb.: Durch welchen Zauber hat man dich geblendet? Porph.: Der liebe Gott hat mir die Augen geöffnet, die ich bisher gottlos verschlossen hatte. Eceb.: Den Galiläer verehrst du? Porph.: Ja, eben genau diesen; [1650] dieser Galiläer wird der Richter von uns allen sein. Eceb.: Welche Schlangen an ihrer Brust tragende Furie hat deinen Sinn verändert und welche wahnsinnige Mänade bewegt deinen Mund? Porph.: Es ist der himmlische Geist, der meine Worte formt. Jul.: Komm wieder zu dir, und sowohl meine als auch die Gunst der Götter werden ebenfalls wieder zu dir zurückkehren. Porph.: [1655] Ich hasse diese Gunst; erweise sie anderen. Jul.: Wie lange willst du meine Milde noch missbrauchen? Hör endlich und noch rechtzeitig auf, solche Hirngespinste von dir zu geben. Porph.: Glaube mir, Julian, du tobst vergeblich. Gott verehre ich, Christus verehre ich, den Götzen schwöre ich ab. [1660] Verlangst du dies tausendmal zu hören? Tausendmal werde ich es aussprechen. Jul.: Bleibst du dabei? Porph.: Standhaft und unumstößlich. Jul.: Du gottloser Kerl, opfere! Oder du wirst gänzlich zugrunde gehen. Porph.: Dem einen Gott opfere ich, die vielen Götzen verabscheue und verfluche ich.
328 | Iulianus Apostata Tragoedia
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1670
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1685
1690
Eceb.: Saltem verere supplicia quae iam dabis, Iovem nisi optimum atque maximum colis. Porph.: optimus Et maximus mihĭ Christus est, hunc ego colo. Eceb.: Christum eierato. Porph.: citius eieravero Vitam meam, meam et salutem quam meum Christum, salute qui mihĭ mea charior. Eceb.: Perire vis? Porph.: iuvat perire, dummodo Ita peream, ut perire cessem et vivere Exordiar. Eceb.: vesane furor hic est, Dijs Magnis facito. Porph.: non facio; pro Dijs nihil A me impetras. pereant lutosa Numina Tua. pereant quae foeda, quae fallacia Quae vana, quaeque nulla sunt: pereant male; Christum colo. Visne repetam? Christum colo. Iul.: Pol facinus hōc ulciscar atroci malo, Laxabo supplicijs viam dirissimis. Porph.: Deprome quod cruentus abscondit furor, Non flectis. Iul.: itane bulliens olla sapiat? Porph.: Surdo haec canis. Eceb.: supplicia vicina haud times? Porph.: Stultum est timere quod beatos efficit. Eceb.: Temere facit quisquis pericula appetit. Porph.: Timide facit quisquis pericula aufugit. Iul.: Nimium moror. frangenda contumacia est, Per mille vulnera impium evomet animum. Abripite carcerique mancipate; cras Poenas dabit contemtor excors Numinum. Ita ferietur ut mori se sentiat.
1670–1672 iuvat perire … et vivere exordiar ] Sen. epist. 24,17 1665 ] Septenarius 1690 ] versum in folio secando amissum in margine rescripsit D2
Actus quartus |
329
Eceb.: Zeige wenigstens Furcht vor den Strafen, die du bald erleiden wirst, [1665] wenn du Jupiter Optimus Maximus nicht verehrst. Porph.: Der beste und höchste ist für mich Christus, diesen verehre ich. Eceb.: Schwöre Christus ab. Porph.: Eher werde ich meinem Leben und meiner Unversehrtheit entsagen als meinem Christus, den ich mehr liebe als mein eigenes Wohl. Eceb.: [1670] Du willst sterben? Porph.: Gerne sterbe ich, solange ich nur so sterbe, dass ich aufhöre zu sterben und beginne zu leben. Eceb.: Du Spinner, das ist Wahnsinn, opfere den großen Göttern! Porph.: Nein, das tue ich nicht; für deine Götzen erreichst du von mir nichts. Deine dreckigen Götzen sollen zugrunde gehen. [1675] Sie, scheußlich, betrügerisch, eitel, wertlos, sollen zugrunde gehen: Elend sollen sie verrecken! Christus verehre ich. Willst du, dass ich es wiederhole? Christus verehre ich. Jul.: Beim Pollux, ich werde deinen Frevel mit schrecklichen Qualen rächen, ich werde den Weg für die schlimmsten Strafen freimachen. Porph.: [1680] Hol ruhig das hervor, was dein blutrünstiger Wahn noch versteckt hält, du stimmst mich nicht um. Jul.: So dürfte dir dann auch der siedende Kessel schmecken? Porph.: Du trägst dies einem Tauben vor. Eceb.: Fürchtest du dich nicht vor den Strafen, die dir unmittelbar bevorstehen? Porph.: Es ist dumm, das zu fürchten, was die Menschen selig macht. Eceb.: Wer auch immer Gefahren heraufbeschwört, handelt fahrlässig. Porph.: [1685] Wer auch immer vor Gefahren flieht, handelt feige. Jul.: Ich lasse mich schon viel zu lange aufhalten. Diese Borniertheit muss gebrochen werden, durch tausend Wunden soll er seine gottlose Seele ausspeien. (Zu den Soldaten) Schafft ihn fort und werft ihn in den Kerker; morgen wird dieser wahnsinnige Verächter der Götter bestraft. [1690] Er soll so misshandelt werden, dass er den Tod langsam kommen spürt. (Soldaten führen Porphyrius ab)
330 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena quarta Iulianus cum suis, Eusignius
1695
1700
1705
1710
Iul.: Di superi et inferi! itane passim irrideant Divorum honores, iura ter sanctissima? Prodite caedes, saeviat ferrum, rogi Grassentur, et luem nefandam exterminent. Latibula vestigate et excutite feras. Extrahite captas supplicijs condam hunc diem, Cruore Christiadum Deos placavero. Duc agmen Eusigni, et omnes quos domi Forisque Galilaeos repereris ad meum Tribunal adducas. luent amentiam Haec sordida illuvies, capitaque Acherontia. Eusig.: Haec Imperator imperes? non pareo. Iul.: Tun’ Imperatori resistas? non fero. Eusig.: Te Caesarem ut miles ducem colo meum, Sed daemonas ego Christianus non colo. Iul.: Hoc age quod impero tibi. Eusig.: quod imperas Atrox, iniquum, triste, crudele, impium est. Non pareo. Iul.: parere te fiducilis Docebo. Eusig.: canos Imperator num meos Vides? solo vixi satis, Christo mori Poloque iam minime recuso; vivere Mihĭ Christus et mori lucrum. sub avo tuo
Scena IV. Miles Christianus, annos CX. natus Iuliano resistit, et ad gladium rapitur. Eusignius ein 110.järiger Soldat/ da er beheissen war die Christen fangen/ unn fürbringen/ unn sich solches als selbs ein Christ cund gewidert/ wird er ebenmeßig zum köpffen gefürt. Julianus speyt den abgehauenen kopff zorniglich an. Bar. AE IV,55A, 58C 1711–1712 vivere … mori lucrum ] Phil 1,21 1698 ] Eusigni, et hiatu metiendum 1698–1701 ] del. d
Actus quartus |
331
Vierte Szene Julian mit den Seinen, Eusignius Jul.: Ihr Götter des Himmels und der Unterwelt! Dürfen die Menschen die Würde und die dreimal heiligsten Gesetze der Götter allerorts so verlachen? Mord und Totschlag sollen umhergehen, das eiserne Schwert soll wüten, die Scheiterhaufen sollen toben und sie sollen die verruchte Seuche ausrotten. [1695] Macht ihre Schlupfwinkel ausfindig und scheucht diese wilden Tiere auf. Schleppt sie in Ketten hinaus, ich will, dass sie gleich heute noch hingerichtet werden, ich will die Götter mit dem Blut der Christen besänftigen. Führe du, Eusignius, die Truppen an und bringe alle Galiläer, die du drinnen wie draußen aufgespürt hast, [1700] vor meinen Richterstuhl. Dieses dreckige Lumpenpack, diese Ausgeburten der Hölle sollen für ihren Wahnsinn büßen. Eusig.: Das, Kaiser, willst du mir befehlen? Dem gehorche ich nicht. Jul.: Du willst dich deinem Kaiser widersetzen? Das dulde ich nicht. Eusig.: So sehr ich als Soldat dir, Kaiser, meinem Befehlshaber, diene, [1705] so wenig diene ich als Christ den Dämonen. Jul.: Führe aus, was ich dir befehle. Eusig.: Was du befiehlst, ist scheußlich, ungerecht, leidbringend, grausam und gottlos. Dem gehorche ich nicht. Jul.: Dann will ich dich lehren, den Folterstricken zu gehorchen. Eusig.: Kaiser, siehst du denn nicht mein weißes Haar? [1710] Für die irdische Welt habe ich lange genug gelebt, daher lehne ich es jetzt auch in keiner Weise ab, für Christus und das Himmelreich zu sterben. Christus ist für mich das Leben, der Tod ein Gewinn.
332 | Iulianus Apostata Tragoedia
1715
1720
1725
1730
1735
1740
1745
Stipendium merui, optima fama. fidem Ducique et Deo fidam tot annis praestiti, Iam plenus aevi turpiter primum hanc negem? Iul.: Persistis Eusigni? furere non desines? Eusig.: Non occupat sanum furor; te ille abstulit Tibi, et in profundos merget orci carceres. O Magne Constantine quam tuus nepos Degenerat a te? nam tibi pio impius, Placido tibi crudelis est haeres. fidem Tuam negat, mores tuos calcat, decus Tuum suis it obrutum dedecoribus. Iul.: Impune talia te putas effundere? Venerabiles canos tuos atque senium Maturrimum revereor, et benefacere Cupio tibĭ; per istum Iovem qui perspicit Mentem meam atque sensuum abditissima, Aevi tui me miseret. Eusig.: haud utor tua Tyranne misericordia. Iul.: patientia Haud decet abuti sic mea et clementia. Dimitte fastum et tempori expergiscere. Eusig.: Velli prius me frustilatim sivero. Iul.: Tam nihil apud te mea valere monita? Eusig.: Vox Numinis apud me valet quam plurimum. Tyranne non obedio; frustra mones. Iul.: Calumniam me Hercule lues: malum male Perdam. Eusig.: bonus nunquam potest perdi male, Nec perditur, quacunque morte perditur. Hoc pulveri debetur, animus aetheri. Iul.: Lingae hanc proterviam mala morte redimes. Eusig.: Non timeo Iuliane mortem, libero Haec ore pronuntio, nec audio minas. Tu Iuliane patriae, fidei, Dei Ipsius es desertor hostisque impius. Consurge Constantine redivivus, tui et Nepotis impios furores vindica: Totius orbis regiam, praedam sui Ducit furoris, tu furorem comprime. 1714 ] Senarius 1719–1723, 1725–1731, 1748–1749 ] del. d
Actus quartus |
333
Unter deinem Großvater habe ich gedient und mir großartigen Ruhm erworben. Meine Treue habe ich sowohl gegenüber meinem Feldherrn als auch gegenüber meinem Gott so viele Jahre lang treu gehalten. [1715] Soll ich letztere nun, im hohen Alter, erstmals schändlich verweigern? Jul.: Bleibst du dabei, Eusignius? Willst du mit diesem Wahnsinn nicht aufhören? Eusig.: Wahnsinn befällt keinen, der bei Verstand ist; vielmehr hat er dich von dir selbst entfernt und wird dich in die tiefen Kerker der Hölle versenken. (Nach oben zum Himmel gewandt) Oh Großer Konstantin, wie sehr schlägt dein Neffe [1720] aus deiner Art? Denn auf dich, einen gottesfürchtigen Mann, ist ein gottloser Erbe gefolgt, auf dich, einen sanftmütigen, ein grausamer. Deinen Glauben leugnet er, deine Gesetze tritt er mit Füßen, er macht sich daran, deine ruhmvolle Tat mit seinen Schandtaten vergessen zu machen. Jul.: Glaubst du eigentlich, dass du so etwas ungestraft von dir geben kannst? [1725] Deine ehrwürdigen grauen Haare und dein überaus hohes Alter ringen mir Respekt ab und ich will dir nichts Böses; durch Jupiter höchstpersönlich, der meine Seele und die verborgensten Winkel meines Inneren durchschaut, erbarme ich mich deines Alters. Eusig.: Ich will dein, [1730] du Tyrann, Erbarmen nicht in Anspruch nehmen. Jul.: Meine Nachsicht so zu missbrauchen, ist nicht anständig, genauso wenig wie meine Milde. Lass ab von deinem Hochmut und komm noch rechtzeitig wieder zur Besinnung. Eusig.: Eher will ich zulassen, dass ich in einzelne Stücke gerissen werde. Jul.: Vermögen denn meine mahnenden Worte bei dir so gar nichts? Eusig.: [1735] Die Stimme Gottes vermag bei mir am meisten. Tyrann, ich gehorche dir nicht; du mahnst vergeblich. Jul.: Für dieses lasterhafte Gerede wirst du büßen, beim Hercules: Ich werde diesen üblen Kerl übel zugrunde richten. Eusig.: Ein guter Mensch kann niemals übel zugrunde gerichtet werden, ganz abgesehen davon, dass er überhaupt nicht zugrunde gerichtet werden kann, gleichgültig durch welche Todesart er zugrunde gerichtet wird. [1740] (Auf seine Brust zeigend) Diesen schuldet man dem Staub, die Seele dem Himmel. Jul.: Du wirst die Unverschämtheit deiner Zunge mit einem fürchterlichen Tod büßen. Eusig.: Ich fürchte den Tod nicht, Julian, mit freier Stimme verkünde ich dies und auf deine Drohungen höre ich nicht. Du, Julian, [1745] bist ein Verräter und ein gottloser Feind deines Vaterlandes, deines Glaubens und sogar deines Gottes. (Erneut nach oben zum Himmel gewandt) Konstantin, erwache wieder zum Leben und erhebe dich, bestrafe den gottlosen Wahn deines Neffen: Die Herrschaft über den ganzen Erdkreis betrachtet er als Lohn für seinen Wahnsinn, bändige du sein Wüten.
334 | Iulianus Apostata Tragoedia
1750
1755
1760
1765
Iul.: Bestia quid ais? hocne voluit mea lenitas? An quia ego placidus, ideo tu es factus ferox? Non differo sententiam. caput impium Revellat a cervice ferro carnifex. Ubi suasio nil proficit, nil lenitas, Severitas et rigor oportet occupent. Omnia licebunt improbis, tantum nefas Si nunc multum hinc auferat tantus reus. Maioră scelera semper accersit minus. Punita crescit noxa ramosa lue, Quid faciet impunita? vix unquam scelus Solet essĕ sterile. culpa, maiorem minor Procreat: et illam parturit, dum istam parit. Perimatur ergo ab infimis radicibus. Satel.: En, Imperator, dictum, factum. Iul.: hoc illud est Galilaei nebulonis caput? pfui! i, nunc impie Et disce tuo Imperatori non obloqui. Augustos quisquis contemserit, ita pereat.
1756–1762 Omnia licebunt … dum istam parit ] Bern. Stef. Crispus IV,212–220; Sen. clem. 1,13,2 1756–1767 ] del. d. 1757 ] Senarius; multum hinc hiatu metiendum 1762 istam ] illam Bern. Stef. 1764–1767 ] add. D2 ; Senarii 1765 ] pfui! extra metrum
Actus quartus |
335
Jul.: [1750] Du Hund, was sagst du da? Habe ich das mit meiner Nachsicht beabsichtigt? Oder wurdest du erst deshalb so ungehalten, weil ich sanftmütig war? Ich schiebe meinen Urteilsspruch nicht auf. Der Henker soll dir dein gottloses Haupt mit dem Schwert vom Hals schlagen. (Eusignius wird abgeführt; Julian allein) Wo gut Zureden und Nachsicht nichts bewirken, [1755] müssen Strenge und Härte auf den Plan treten. Den Verbrechern wird alles erlaubt sein, auch ein solch schweres Unrecht, wenn jemand, der eines solch schweren Verbrechens angeklagt ist, so gut davonkommen sollte. Das jeweils leichtere Verbrechen bringt immer ein größeres hervor. Wenn sich ein geahndetes Verbrechen schon zu einer vielverzweigten Seuche entwickelt, [1760] was wird dann erst ein ungeahndetes tun? Kaum ein Verbrechen ist für gewöhnlich jemals unfruchtbar. Kleinere Schuld bringt jeweils eine größere hervor: Und mit der einen ist sie schwanger, während sie die andere gebärt. Daher soll sie bis zur tiefsten Wurzel ausgerottet werden. Leibgardisten: (bringen das Haupt des Eusignius) Siehe, Kaiser, gesagt getan. Jul.: Ist das das [1765] Haupt des galiläischen Taugenichts? (Spuckt auf Eusignius’ Haupt) Pfui! Auf jetzt, weg mit dir, du gottloser Kerl, und lerne deinem Kaiser nicht zu widersprechen. Jeder, der einen Kaiser verachtet, wird auf diese Weise den Tod finden.
336 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena quinta Lucianus, Philaemon
1770
1775
1780
1785
1790
1795
Luc.: De Iuliano omnia loquuntur compita, A voce vix muti abstinent, nemo omnium Prae Iuliano est adeo famigerabilis. Salve Philaemon. Phil.: tibĭ salus sit plurima. Luc.: Quid fers novi? Phil.: unum hoc, quod nihil novi. Luc.: nihil? Quid Imperator? num quiescit? Phil.: neutiquam. Sed nil novi hōc est. militem primum decem Centumque natum annos rapi vidi ad necem. Luc.: Hominem tot annorum ad necem? Phil.: ad necem et ut puto Innoxium. Luc.: o si Iuliane o si tuis Nequissimus Apostata perires iussibus. Sed cavĕ ne ubi alte ascenderis et alte ruas. Phil.: Cavĕ ne quis arbitretur hic os liberum. Luc.: Soli sumus; nec musca nos hic impedit. Ah! quot sepulta saepe premo suspiria: Tandem dolori fraena laxabo meo. Idoliane, Iuliane, Apostata, Perge modo perge Christi oves discerpere, Fatalis orbi draco, lues spurcissima, Perge modo, discerperis et tu quoque stygis A flammeis draconibus. Phil.: vix nutrijt Orbis luem funestiorem hoc Caesare. Luc.: Forma ipsa latitantem arguit tyrannidem. Quid prona cervix, turpe menti gausape Hirquina barba, subsilientes quid humeri, Quid oculus errans atque furiose intuens Pes instabilis et risus effraenatior Oris etiam ridicula conformatio? Scena V. Duo Christiani, quae de Iuliano fama sit, exponunt. Zween Christen Lucianus und Philaemon erzehlen das ubel leben Juliani/ und die reden so von ihm außgesagt werden. Bar. AE III,641C–D (= Greg. Naz. or. 5,23), IV,39A–D (= Amm. 17,11,1, 22,14,2–3; Greg. Naz. or. 4,77; Sokr. hist. eccl. 3,17,4–5) [Greg. Naz. or. 4,112, 5,5; Nic. 10,27 und 37; Soz. hist. eccl. 5,19,2]
Actus quartus |
337
Fünfte Szene Lucianus, Philaemon Luc.: (zunächst allein) Von Julian sprechen alle Gassen, vom Sprechen können sich Stumme kaum zurückhalten, kein Mensch [1770] ist so sehr in aller Munde wie Julian. (Philaemon tritt auf) Philaemon, sei gegrüßt. Phil.: Sei auch du herzlichst gegrüßt. Luc.: Was gibt’s Neues? Phil.: Nur das, dass es nichts Neues gibt. Luc.: Nichts? Was ist mit dem Kaiser? Gibt er etwa Ruhe? Phil.: Überhaupt nicht. Aber das ist nichts Neues. [1775] Ich habe mitangesehen, wie ein 110 Jahre alter ranghoher Soldat zur Hinrichtung fortgeschafft wurde. Luc.: Ein Mann in diesem hohen Alter zur Hinrichtung? Phil.: Ja, zur Hinrichtung, und das, so meine Ansicht, schuldlos. Luc.: Oh, wenn du, Julian, oh, wenn du, nichtsnutzigster Abtrünniger, nur an deinen eigenen Befehlen zugrunde gehen würdest. Aber hüte dich davor, dass du nicht ebenso tief stürzt, wie du emporgestiegen bist. Phil.: [1780] Und hüte du dich davor, dass dein freizügiges Mundwerk hier niemand vernimmt. Luc.: (sieht sich um) Wir sind allein; keine Fliege stört uns hier. Ach! Wie viele Seufzer habe ich so oft schon tief in mir sitzend unterdrückt: Endlich will ich meinem Schmerz freie Bahn gewähren. Götzenhallodrian, Julian, Apostata, [1785] mach’ nur weiter so, reiß weiter die Schafe Christi, du Schlange, die dem Erdkreis den Tod bringt, du widerwärtigste Seuche, mach’ nur weiter so, und auch du wirst einst von den flammenden Schlangen der Hölle zerrissen. Phil.: Der Erdkreis nährte kaum jemals eine verderblichere Seuche als diesen Kaiser. Luc.: [1790] Allein schon sein Aussehen verrät sein tyrannisches Wesen, das in ihm verborgen schlummert: Was sonst soll dieser nach vorne gekrümmte Hals, was dieses hässliche Gestrüpp am Kinn, dieser Bocksbart, was diese hervorspringenden Schultern, was dieses umherirrende und wahnsinnig dreinblickende Auge, was dieser unruhige Fuß, was dieses allzu zügellose Lachen [1795] und was zuletzt diese lächerliche Form der Mundpartie?
338 | Iulianus Apostata Tragoedia
1800
1805
1810
1815
1820
1825
Ecquid caput nutans, manus iactans, gradus Saepe varians, sermo haesitans quid sibĭ volunt? In pectore latentem exhibent tyrannidem. Phil.: Non latitat amplius tyrannis, prodijt Pridem, macellum totus orbis improbo Huic victimario est. Luc.: quibus non carpitur Nominibus? huic chimaera multiformis, huic Pisaeus, Adonaeus, hircus huic, Cercops brevis, Huic purpuratus simius, talpa huic loquax, Huic nominatur litterio Graecanicus, Tauricremus illi; mille sortitur notas Infamiae, turpissimus hic Apostata. Phil.: Et iure; nec vox ulla tecta sufficit Sat explicare Iuliani facinora. Crudelis, audax, contumax, primi appetens Iuris, secundi nescius, superi boni! Quam saepe magna ingenia proiecit furor? Luc.: Quis iuvenis illo sanctior fuit? quis est Iam illŏ scelestior? o vices evanidas! Non ille saturatur rubenti civium Torrente, non iam subruto tot virginum Pudore; in ore illi mel est, sed est cinis Ferrumque vastitasque sanguisque in animo. Phil.: Virtute falsa contegit verum scelus: Illi placet vultus bonus, pectus malum; Os mite, mens immanis; explicata frons, Sanguine natans animus. ruinam lugubrem Orbis trahet ni diribitrix Dei manus Orbi ferat opem, Caesari necem inferat. Luc.: Caelicolae olympum moenibus circumdate. Nam regna postquam cuncta sub regnum suum Subegerit, caelo admovebit machinas. Phil.: Iam conticesce: en arbitros a Caesare! 1810–1811 contumax … nescius ] Bern. Stef. Crispus I,312–313 1812 Quam saepe … proiecit furor ] Bern. Stef. Crispus I,319 1819 Virtute … scelus ] Bid. Cen. IV,4, V. 1430 1801–1812 ] del. d 1803 Pisaeus, Adonaeus, hircus huic, Cercops brevis ] Pisaeus, Adonaeus, huic hircus, Cecrops D¹, correxi, cf. Comm. ad locum et Amm. 22,14,3 1808 ] add. D
Actus quartus |
339
Und was sonst soll sein wackelnder Kopf, seine zitternde Hand, sein unsteter Schritt und seine stotternde Sprache? Sie bringen sein tyrannisches Wesen ans Licht, das in seinem Herzen verborgen ist. Phil.: Dass es sich hierbei um eine Tyrannenherrschaft handelt, bleibt nicht länger verborgen, [1800] schon längst ist es offen zu Tage getreten, eine Schlachtbank ist der gesamte Erdkreis für diesen schändlichen Opferschlächter. Luc.: Mit welchen schimpflichen Bezeichnungen wird er denn nicht verspottet? Von diesem wird er vielgestaltige Chimäre genannt, von jenem Pisäer und Adonislüstling, von jenem Ziegenbock und zu kurz geratener Cercops, von diesem wird er als ein in Purpur gekleideter Affe bezeichnet, von jenem als geschwätziger Maulwurf, [1805] von diesem als griechischer Möchtegerngelehrter und von jenem als Stierbrater. Dieser schändlichste Abtrünnige hat sich tausend Bezeichnungen für sein niederträchtiges Verhalten verschafft. Phil.: Und das zu Recht; kein einzelner Begriff vermag es, Julians verborgene Verbrechen auf einmal zur Genüge zu beschreiben. [1810] Grausam, unverschämt, aufgeblasen ist er, auf sein übergeordnetes Recht als Herrscher ist er aus, die nachgeordneten Rechte seiner Untergebenen kümmern ihn nicht, guter Gott! Wie oft stürzte der Wahn schon große Männer? Luc.: Welcher Jüngling war je frommer als dieser? Welcher ist nun krimineller als dieser? Oh wie schnell sich das Schicksal wandelt! [1815] Es schafft ihm keine Befriedigung, dass ein roter Strom an Bürgerblut vergossen wird, auch nicht dass so vielen Jungfrauen die Keuschheit schon geraubt wurde; er redet honigsüß daher, auf Asche und eisernes Schwert, auf Verwüstung und Blutvergießen ist sein Sinn aber aus. Phil.: Mit fehlgeleiteter Tugend kaschiert er sein wahres Verbrechen: [1820] Ihm gefällt es, freundlich dreinzublicken und gleichzeitig böswilligen Herzens zu sein; sanftmütig zu sprechen und gleichzeitig im Inneren brutal zu sein; eine aufrichtige Miene zu präsentieren und gleichzeitig sein Herz in vergossenem Blut schwimmen zu lassen. Der Erdkreis wird leidvoll zusammenstürzen, wenn die Hand Gottes, die jedem das Seine zuteilt, der Erde keine Hilfe und dem Kaiser nicht den Tod bringt. Luc.: [1825] Ihr Himmelsbewohner, umgebt den Olymp mit Mauern. Denn hat er einmal alle irdischen Reiche seiner Herrschaft unterworfen, wird er seine Belagerungsmaschinen gegen den Himmel in Stellung bringen. (Flamines, Sallustius und Soldaten treten auf) Phil.: Sei sofort still: Siehe, da sind die Ohren des Kaisers! (Beide ab)
340 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena sexta Flamines, Sallustius, miles
1830
Dialis: Me voce praeeuntem pie vos sequiminor: Apollo pater, Apollo Numen inclytum. Salve, tuas sternimur ad aras supplices. Flamen solus: Apollini patri, magno Deo, Sandaliario, Caelispici, Granno, medico, Palatino, Sosiano, Tortori, propugnatori, conservatori, conservatori Augustorum, Monetali, Praestanti, Sancto, Pacifico, Tutelari Iulianus Augustus Imperator haec supplex mittit munera rogatque quo fato sit concessurus fatis.
1835
1840
Pro nulla vox. Apollo Pater, audi preces. Audite responsum Dei. Necdum ulla vox! Apollo, Apollo Numen audi supplices. Obmutuit. nefas! simul precemini. Omnes: Apollo, magnum Numen audi supplices. Dignare responsis Apollo supplices. Apollo: Me putri temerant vicina cadavera tabe, Exosos procul hoc cineres dispergite fano. Dialis: Dij Deaeque quod cadaver inquinat Locum? Sall.: renuntiemus isthaec Caesari. Dialis: En ipsus in tempore venit. Scena VI. Flamen, Apollinis oraculum consulit. Der Götzenpfaff sampt dem Hofmeister und einer Guardi kombt zum Abgott Apollo im Wald vor der Stadt zulosen was End Julianus wurd nemmen. Apollo gibt lang kein Antwort/ endlich nach nachdem sie läuter geschryen laßt der Teuffelsgötz diese antwort ergehen Ein todter Leib verunreint mich/ Den thut hinweg/so rede ich. Das war das Heylthumb S. Babylae/ so da begraben lag/ und dem Teufel die Zungen bande. Bar. AE IV,40E–41C (= Iul. mis. 361b–362c), IV,44E–45B (= Chrysos. Paneg. Bab. 2,80–86) [Zos. hist. 3,12,1] 1829 ] tota [sc. scaena] omittatur in margine notavit d 1839–1840 ] Hexametri 1843–1851 ] del. d
Actus quartus | 341
Sechste Szene Flamines, Sallustius, Soldaten Priester des Jupiter: Ich spreche vor, ihr sprecht mir andächtig nach. (Dialis spricht vor, die Übrigen sprechen nach) [1830] Vater Apollo, Apollo, ruhmreicher Gott. Sei gegrüßt, vor deine Altäre werfen wir uns demütig flehend. Priester des Jupiter: (spricht allein) Dem Vater Apollo, dem großen Gott, dem Sandaliarius, dem Himmelsüberblicker, dem Grannus, dem Arzt, dem Palatinus, dem Sosianus, dem Schinder, dem Streiter, dem Erretter, dem Erretter der Augusti, dem Münzherrn, dem herausragenden, heiligen, friedbringenden und schützenden, bringt Julian Augustus Imperator demütig diese Gaben dar und fragt, welchen Tod der göttliche Wille für ihn vorgesehen habe. (Sie warten auf Antwort.) Ach, keine Antwort. Vater Apollo, höre unsere Gebete. (An die anderen gerichtet) Hört die Antwort des Gottes. (Erneutes Warten) Immer noch kein Ton. [1835] (Lauter rufend) Apollo, Apollo, unser Gott, erhöre unser demütiges Flehen. (Stille) Er ist verstummt. Wie entsetzlich! Lasst uns zugleich bitten. Alle: (noch lauter) Apollo, großer Gott, erhöre unser demütiges Flehen. Halte uns, die wir dich bitten, einer Antwort für würdig. Apollo: (aus dem Hintergrund) Mich entweihen Leichname, die in meiner Nähe bestattet sind, mit ihrer verwesenden Fäulnis, [1840] diese verhasste Asche verstreut fern von diesem Heiligtum. Priester des Jupiter: Ihr Götter und Göttinnen, was für ein Leichnam beschmutzt diesen Ort? Sall.: Lasst uns dies dem Kaiser berichten. (Julian betritt mit Sallustius die Bühne.) Priester des Jupiter: Siehe da, er kommt gerade richtig.
342 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena septima Iulianus, Flamen Dialis, Sallustius, Bassianus, Theodorus, Theodorophylax
1845
1850
1855
1860
1865
Iul.: Quid nuntij Adfertis ex Daphnide. cupido me tenet Diuturnus huius audiendi oraculi. Dialis: Vive Imperator; nuntium ingratum fero, Sedem suam temeratam Apollo questus est Vicinioris sordibus cadaveris. Iul.: Suboleo quod Apollo cadaver horreat. Babylam e lue Galilaea abarceri cupit. Arcebitur. Galilaea gens id auferet Iussu meo. vos ad tribunal sistite huc Pueros. dabitur actio. adolescens Caesari Insultet? hoc Caesar ferat? iam sentient. Sall.: Adsunt vocati Caesar. Iul.: et vos, Numina Quae deprecatur orbis, aspernemini? Bass.: Unum Imperator Numen est. Iul.: ni plura mox Colas, peristi. Bass.: pro Deo peream modo, Nunquam tamen peribo. Iul.: novi argutias Quas occinunt stulti parentes liberis. Vin’ eculeum gustare? sacrifica puer. Et quod patrasti in Numinum matrem nefas Non puniam. Bass.: frustra es. Deo uni sacrifico. Iul.: Tu gratiam contemtum eas, spernas opes? Meliora, mi adolescens; tui me plurimum Miseret, tibi consulo, tibĭ faveo plurimum. Scena VII. Duo Christiani adolescentes ad Iuliani tribunal sistuntur, et in fide persistunt. Man führt den Knaben Bassianum der den Götzen zerbrochen/ und Theodorum einen andern frommen Knaben/ welcher graußamglich ist an seinem leib zerschlagen unnd zerrissen worden. Theodorophylax deß Theodori Engel trücknet unnd lindert ihm seine wunden und Schleg/ und stercket in. Der Keyser und Hofmeister greifft dise Jugend an mit troungen unn verheissen: aber umbsonst. Alsdann werden sie auß Bitt deß Hofmeisters freygelassen/ welcher Iuliano den Rhat gibt/ er könde die Christen vil besser tribulieren mit spotten unnd verachten als mit peinigen. Bar. AE IV,45E–46E (= Aug. civ. 18,52; Greg. Naz. or. 5,40; Sokr. hist. eccl. 3,19; Soz. hist. eccl. 5,19,18–20,4) [Nic. 10,28; Theod. hist. eccl. 3,10–11]
Actus quartus | 343
Siebte Szene Julian, Priester des Jupiter, Sallustius, Bassianus, Theodorus, Theodorophylax Jul.: Was könnt ihr aus Daphne berichten? Schon lange hege ich den Wunsch, [1845] eine Weissagung des Orakels zu vernehmen. Priester des Jupiter: Lang lebe der Kaiser; ich bringe schlechte Nachricht. Apollo hat sich beklagt, dass sein Heiligtum durch einen faulenden Leichnam, der sich in seiner Nähe befinde, entweiht sei. Jul.: Ich ahne, vor welchem Leichnam Apollo erschaudert. [1850] Er wünscht, dass Babylas, einer von dieser galiläischen Seuche, weggeschafft werde. Man soll ihn fortschaffen. Das Volk der Galiläer soll ihn auf meinen Befehl hin fortbringen. (Zu Sallustius und den Soldaten) Bringt die Jungen hierher vor meinen Richterstuhl. Ihnen wird der Prozess gemacht. (Sallustius und Soldaten ab) Darf so ein junger Kerl einen Kaiser verspotten? Darf ein Kaiser dies dulden? Sie werden es bald merken. (Sallustius und Soldaten kommen mit Bassianus und Theodorus zurück; letzterer ist von Marterqualen gezeichnet) Sall.: [1855] Die, nach denen du gerufen hast, sind da, mein Kaiser. Jul.: Werdet auch ihr weiterhin die Götter, an die der Erdkreis seine Bitten richtet, verachten? Bass.: Es gibt nur einen einzigen Gott, Kaiser. Jul.: Wenn du nicht bald mehr als einen verehrst, bist du verloren. Bass.: Sofern ich nur für meinen Gott sterbe, werde ich gleichwohl niemals sterben. Jul.: Ich kenne die Spitzfindigkeiten, [1860] die dumme Eltern ihren Kindern vorkrächzen. Willst du die Folterbank ausprobieren? Opfere, Junge! Und dann werde ich das Unrecht, das du gegen die Göttermutter begangen hast, nicht ahnden. Bass.: Deine Mühe ist vergeblich. Nur dem einen Gott opfere ich. Jul.: Willst du dich wirklich daran machen, diesen Gnadenakt auszuschlagen, willst du dieses Angebot wirklich verschmähen? (Nimmt schmeichelnd seine Hand) [1865] Denke besser, mein Junge; ich empfinde wirklich großes Mitleid mit dir, ich sorge für dich, ich will nur dein Bestes.
344 | Iulianus Apostata Tragoedia
1870
1875
1880
1885
1890
1895
1900
Bass.: Nec hac nec illa vincor arte; tam minas Contemno quam palpum. manus non do. Iul.: Dijs? Iam iam faces videbis et ferrum et rotas. Bass.: Nihil timeo; cruciatuum horreo nihil. Iul.: Nihil timere aetatis est vitium tuae. Bass.: Tuae, minas iactare cum frigent preces. Iul.: Mittere virgarum brevi in vindemiam. Alterne Sallusti luit poenas suae In me proterviae? canere num desijt. Sall.: Actum agimus Imperator; omnia irrito Molimine cadunt, ipsa pertinacia Est hoc genus hominum; nihil eculeum, nihil Rotas, nihil tunicas molestas, nil feras Nil pectines, nil forcipes, nil stipites Nil carceres, nihilque torcularia Ducunt, canendo perferunt dirissima. Videtur illis esse ludus ipsa mors. Puerum hunc vides, distractus est, concisus est, Laceratus est, sunt fricta testis vulnera, Sed nec doloris ullius signum dedit, Nec supplicem se praebuit, nec desijt Te Caesarem cantu suo proscindere; Quo tortus est magis, eo magis ipse cecinit. Iul.: Praestigiatores, lues Acherontica In capita regum impune vobis ludere Liceat? vereri, faxo, discas Caesarem. Theod.lax : Theodore constanter. tyrannum ne audias. Theod.: Idola pereant, ora pudor illis notet Quicunque glabros stipites pro Dis colunt. Sall.: Has usque et usque iactitat voces, neque Silentium persuaserint vel ungulae. Iul.: Experiar an possit aliquid mea lenitas. Theodore, mi Theodore pervicaciam Hanc mitte, concilia meam tibĭ gratiam. Sall.: Vide quis hoc roget; Imperator te rogat. 1871–1872 Nihil timere … cum frigent preces ] Benci Erg. S. 241,17–18 1883 esse ludus ipsa mors ] Prud. perist. 5,64 1894–1895 ] Ps 96,7 1880–1881, 1883–1889 ] del. d
Actus quartus |
345
Bass.: (seine Hand zurückziehend) Weder durch diese noch durch jene Kunst stimmst du mich um. Deine Drohungen verachte ich genauso wie dein schmeichelndes Tätscheln. Ich reiche meine Hand nicht. Jul.: Nicht den Göttern? Du wirst augenblicklich brennende Fackeln, Eisen und Folterräder zu sehen bekommen. Bass.: [1870] Nichts fürchte ich; vor keiner Marter schrecke ich zurück. Jul.: Nichts zu fürchten ist der Makel deines Alters. Bass.: Und der deines, dass du mit Drohungen um dich wirfst, wenn Bitten nichts ausrichten. Jul.: Du wirst gleich zur Rutenernte geschickt. (Zu Sallustius gewandt) Sallustius, hat der andere die Strafe für seine [1875] Frechheit gegenüber mir gebüßt? Hat er mittlerweile aufgehört zu singen? Sall.: Wir geben uns vergebliche Mühe, mein Kaiser; unsere Anstrengungen bleiben ohne Erfolg, sind wertlos, dieser Menschenschlag ist die Borniertheit in Person; sie verachten die Folterbank, verachten Räder, verachten Brennwesten, verachten wilde Tiere, [1880] verachten Folterkämme, verachten Folterzangen, verachten Kreuzesstämme, verachten Verliese und verachten Folterpressen. Singend ertragen sie die grausamsten Dinge. Der Tod selbst scheint für sie ein vergnügliches Spiel zu sein. Du siehst ja diesen Jungen hier (auf Theodorus hindeutend), er wurde gestreckt, zusammengeschlagen [1885] und zerfleischt, seine Wunden wurden ihm mit Scherben eingeritzt, aber er gab dennoch weder irgendein Anzeichen von Schmerz von sich noch winselte er um Gnade noch hörte er auf, dich, mein Kaiser, mit seinem Gesang zu verunglimpfen; je mehr er gemartert wurde, desto kraftvoller sang er. Jul.: [1890] Scharlatane, ihr Seuche des Acheron, darf man es zulassen, dass ihr euch ungestraft über eure Herrscher lustig macht? Ich werde dafür sorgen, dass du lernst, einen Kaiser zu fürchten. (Theodorophylax erscheint und flüstert Theodorus jeweils ins Ohr.) Theod.lax : Theodorus, sei standhaft. Höre nicht auf den Tyrannen. Theo.: Die Götzenbilder sollen zugrunde gehen, [1895] jedem, der glattgeriebene Holzklötze als Götter anbetet, soll die Schamesröte ins Gesicht schießen. Sall.: Diese Worte geben sie immer und immer wieder von sich und nicht einmal Krallen könnten sie zum Schweigen bringen. Jul.: Ich will herausfinden, ob meine Nachsicht etwas bewirken kann. Theodorus, mein Theodorus, lass ab von dieser Borniertheit, [1900] erwerbe dir meine Gunst. Sall.: Siehe, wer dich um diese Sache bittet; der Kaiser bittet dich darum.
346 | Iulianus Apostata Tragoedia
1905
1910
1915
1920
1925
1930
1935
Theod.lax : Audisne blandientis astus? despue. Theod.: Te saevientem non metuo, iamque metuam Te blandientem? robur a Christo meo Maius mihi est quam censeant idololatrae. Iul.: Nullosne sensisti dolores cum flagris Conciderere? Theod.: mitigavit hos mihi Iuvenis, meum qui sepsit et sepit latus, Vulneraque siccat linteo blandissimo. Iul.: Figmenta sunt, puer, et aniles fabulae, Aut est Deorum in te favor clarissimus. Theod.lax : Excipe cachinnis Numinum faventiam. Theod.: Itane? favore stipitum ego nil senserim? Apage Imperator cum favore hoc Numinum. Idola pereant, falsa pereant Numina. Iul.: Audaciam in puero! iuventae vel tuae Theodore parcas, teque servando tuos Serva puer miselle. Theod.lax : persta fortiter Miserum esse te nega. Theod.: beatum me assero, Miserum hunc, Dijs quicunque falsis supplicat. Iul.: Theodore parco sanguini et flori tuo, Tu modo Deos agnosce, et agnitos cole. Ornabo te laetissimis honoribus, Augebo gazis; insuper magnos Deos Polliceor in te leniori Numine. Theod.: Velim mihi isthaec ore promittant suo. Iul.: Sine voce sunt. Theod.: cur ergo trunco sacrificem? Iul.: Tollite, rapite, mactate sceleratissimum. Tu talia in Deos? puer? discerpite. Sall.: Actum agimus Imperator, hic vis nihil aget; Galilaea gens cervicis est durissimae, Non vincitur et sed efferatur supplicijs, nos vincimur et exponimur ludibrio: Plus laudis inde Christiani colligunt; Infantibus ab ipsis triumphamur, aliud Ni moliamur, liberos hosce pueros Patiare Caesar esse. Iul.: gratiam in tuam Iam cedo Sallusti. Sall.: ite nunc, gravissima Tormenta passuri, si rei redibitis. 1939 ] Senarius
Actus quartus | 347
Theod.lax : Hörst du die List des Schmeichlers? Spuck darauf. Theo.: (spuckt aus) Deine Grausamkeit fürchte ich nicht. Soll ich dann jetzt Furcht vor deiner Schmeichelei zeigen? Die innere Stärke, die mir von meinem Christus verliehen wird, [1905] ist größer als die Götzendiener glauben mögen. Jul.: Hast du keine Schmerzen gespürt, als man dich geißelte? Theo.: Die Hiebe hat mir ein junger Mann, der mir zur Seite stand und noch immer steht, gelindert und meine Wunden hat er mit wohltuendstem Leinen getrocknet. Jul.: [1910] Hirngespinste sind das, Junge, und Ammenmärchen, es sei denn, dass sich in dir die Göttergunst überaus offenbar zeigt. Theod.lax : Reagiere auf diese Götzengunst mit schallendem Gelächter. Theo.: (laut lachend) Ist das so? Aufgrund der Gunst von Holzklötzen soll ich nichts davon gespürt haben? Bleib mir doch weg, Kaiser, mit deiner Götzengunst. [1915] Die Götzenbilder sollen zugrunde gehen, zugrunde gehen sollen diese falschen Götter. Jul.: Zu was erdreistet sich dieser Junge! Theodorus, schone doch dein Alter und rette, du gar elender Junge, die deinen, indem du dich selbst rettest. Theod.lax : Leiste tapfer Widerstand, sag, dass es dir nicht elend ergeht. Theo.: Ich versichere dir, dass ich glückselig bin [1920] und dass dagegen jeder, der falschen Göttern opfert, elend dran ist. Jul.: Theodorus, ich verschone dein Blut und deine blühende Jugend, bekenne dich nur zu den Göttern und verehre sie auch nach deinem Bekenntnis. Ich werde dich mit den erfreulichsten Ehren auszeichnen und reich beschenken; darüber hinaus verspreche ich, dass die großen Götter [1925] überaus milde ihre Macht über dir walten lassen werden. Theo.: Ich möchte, dass sie mir dies mit eigenem Munde versprechen. Jul.: Sie besitzen keine Stimme. Theo.: Warum soll ich also einem verstümmelten Holzklotz opfern? Jul.: Nehmt diesen Oberhalunken mit, schafft ihn weg, mordet ihn dahin. So etwas gegen die Götter? Ein Bengel? Zerstückelt ihn. Sall.: [1930] Wir geben uns vergeblich Mühe, mein Kaiser. Gewalt wird hier nichts ausrichten. Das Volk der Galiläer besitzt die größten Sturköpfe. Mit Todesstrafen kommt man ihnen nicht bei, sondern man macht sie damit nur noch wilder. Vielmehr gewinnen sie gegenüber uns die Oberhand und geben uns dem Spott preis: Und damit erringen die Christen noch mehr Ruhm; [1935] (deutet auf Bassianus und Theodorus) wir unterliegen diesen Kindern, wenn wir nicht anders vorgehen und wenn du als Kaiser diese Jungen nicht frei lässt. Jul.: Ich gebe dir ja schon nach, Sallustius. Sall.: (zu den Jungen) Verschwindet jetzt. Ihr werdet die schlimmste Folter erleiden, wenn ihr noch einmal als Angeklagte hierher zurückkehrt.
348 | Iulianus Apostata Tragoedia
1940
1945
Pueri ambo: Nos Christe serva; Christe vive; vicimus. Sall.: Irrisionibus, Imperator, acerbius Multaveris Galilaea monstra quam flagris. Et commode. pridem rogarunt Caesari Iniurias queri suas. Iul.: voca illico. Illi fleant, ridebimus nos affatim.
Scena octava Iulianus, Albanus, Eleuterius, Eutropius, Desiderius
1950
Omnes: Salve Imperator. Iul.: quid, salus? piaculum: Lex vestra neminem salutandum imperat. Alban.: Infanda perpessi sumus. Iul.: vestrum est pati. Eleu.: Iniurijs afficimur heu creberrimis. Iul.: Iniurias non vindicare iubemini. Eutrop.: Succurre Caesar et opprimentes deprime. Iul.: Vestra vetor lege, alteri ius dicere.
Scena VIII. Iulianus Christianos de iniuriis querentes impie irridet. Das übt von stundan Julianus: dann 5. Christen sein da die beklagen sich/ umb daß inen das irig genomen/ daß sie geschlagen werden/ etc. Iulianus antwortet dickisch: ewer Gsatz bringts mit sich Armut und Unbild leiden. Darumb liebe Leuth/ wil ich euch an ewrem frommen nit hinderen. O wehe/ das waren den Christen scharpffe stich. Bar. AE IV,107E–108B (= Greg. Naz. or. 4,97; Soz. hist. eccl. 5,18,1) 1946–1947 ] II Io 10–11 1948 ] Mt 5,10; Lc 6,22; I Pt 3,14 1949–1950 ] Mt 5,39; I Cor 6,7 1951–1952 ] Mt 7,1; Lc 6,37; Rm 2,1; I Cor 4,5 und 6,1–7
Actus quartus | 349
Beide Jungen: [1940] Christus, rette uns; es lebe Christus; wir haben gesiegt. (Beide ab) Sall.: Mit Hohn und Spott bestrafst du, Kaiser, diese galiläischen Scheusale schlimmer als mit der Geißel. Und das passt gerade ganz gut. Schon lange verlangen sie, ihrem Kaiser das Unrecht zu klagen, das sie erlitten haben. Jul.: Rufe sie sofort herbei. [1945] Sie sollen unter Tränen ihr Leid klagen, zum Besten halten wollen wir sie durch und durch.
Achte Szene Julian, Albanus, Eleuterius, Eutropius, Desiderius Alle: Sei gegrüßt Kaiser. Jul.: Was, ein Gruß? Das ist eine Sünde: Euer Gesetz schreibt euch vor, niemanden zu grüßen. Alban.: Wir haben Unsagbares erlitten. Jul.: Es liegt in eurem Wesen zu leiden. Eleu.: Ach, uns wird endlos Unrecht zugefügt. Jul.: [1950] Unrecht nicht zu bestrafen ist euch vorgeschrieben. Eutrop.: Hilf uns, Kaiser, und unterdrücke die Unterdrücker. Jul.: Durch euer Gesetz wird es mir untersagt, über einen anderen Recht zu sprechen.
350 | Iulianus Apostata Tragoedia
1955
1960
1965
1970
Alban.: At cuncta nobis auferuntur a tuis. Iul.: Rectissime. nil possidere vestra lex Vos iubet. Alban.: at alere nos vetamur hoc modo. Iul.: Novi probe; contemnitis praesentia. Alban.: Vel vivere liceat. Iul.: alibi vos vivitis. Alban.: Resiste quaeso Auguste nos lacerantibus. Iul.: Scio malum vos pro malo non redditis. Eleu.: At innocentes caedimur. Iul.: genam alteram Praebere cum percussus es, sacra lex docet. Alban.: Vestem quoque impune rapiunt plagiarij. Iul.: Tunicam quoque dare convenit, si pallium Quis diripiat; ita Galilǣus vos docet Vester. Alban.: tuere Caesar a tot hostibus. Iul.: Hostes amare vestra lex iubet et prece Crebra iuvare vel inimicos imperat. Ite o boni, vestrasque leges discite, Leges ineptas, somniorum somnia. Omnes: O vindica Numen tuorum iniurias. Iul.: Exasciata est fabula haec. redeant modo, Sententiam quam non volent hinc auferent. Dente lacesabo non cachinno has viperas.
1953–1955 ] Mt 6,19–20 und 19,21; Mc 10,21–25; Lc 6,24 und 18,22–25 1955–1957 ] Mt 6,19–20 und 25–33; Lc 12,22–31; Phil 3,20–21 1958–1959 ] Rm 12,17; I Th 5,15; I Pt 3,9 1960–1965 ] Mt 5,38–40; Lc 6,29–30; I Pt 3,9 1965–1967 ] Mt 5,43–44; Lc 6,27–28 und 35–36 1973 ] Hor. epist. 2,1,147–151
Actus quartus |
351
Alban.: Aber uns wird von deinen Leuten alles weggenommen. Jul.: Vollkommen recht so. Besitzlosigkeit [1955] schreibt euch euer Gesetz vor. Alban.: Aber auf diese Weise wird uns verboten, uns am Leben zu erhalten. Jul.: Darüber bin ich mir vollkommen im Klaren; aber ihr verachtet doch das Diesseits. Alban.: Aber zu leben sollte doch dennoch erlaubt sein. Jul.: Ihr lebt doch anderswo. Alban.: Gehe bitte, Kaiser, gegen die vor, die uns zerfleischen. Jul.: Meines Wissens vergeltet ihr Unrecht nicht mit Unrecht. Eleu.: [1960] Aber wir werden unschuldig getötet. Jul.: Auch die andere Wange hinzuhalten, wenn man auf die eine geschlagen wurde, lehrt euer heiliges Gesetz. Alban.: Diebe rauben uns straflos sogar die Kleider vom Leib. Jul.: Wenn euch jemand den Mantel stiehlt, sollt ihr ihm auch eure Tunika reichen; so lehrt es [1965] euer Galiläer. Alban.: Schütze uns, Kaiser, vor so zahlreichen Feinden. Jul.: Euer Gesetz schreibt vor, dass ihr eure Feinde lieben sollt, und es befiehlt, sogar für eure Feinde immerfort zu beten. Fort mit euch, oh ihr guten Leute, und lernt eure eigenen Gesetze, untaugliche Gesetze, Träume von Träumen. Alle: [1970] Oh Gott, strafe das Unrecht, das an den Deinen verübt wird. (Ab) Jul.: Diese Geschichte ist wohl ausgeklügelt. Sie sollen nur erneut hierher kommen und sie werden einen Urteilsspruch von hier mit sich nehmen, den sie sich nicht erhofft haben. Dann werde ich diese Vipern mit bissigem Zahn und nicht mehr mit lächerlichem Spott anfallen.
352 | Iulianus Apostata Tragoedia
Actus quintus Scena prima Iulianus cum suis, Sallustius, Iulianophylax
1975
1980
Iul.: In Persidem transferre bellum cogito, Et ferro subiugare orientis barbaros. Quicquid renascens, quicquid emoriens dies Collustrat: orbe quicquid immenso iacet Mihĭ serviat uni. ut quidlibet ferias meum Sit vulnus, unique pereat quicquid perit. Persas adibo, cuncta coniurent licet Trepido tumultu regna, etiamsi Gadibus Iungant remotis Memnonis reges opes Etsi Cheruscos alteros Memphis trahat. Favete Di superi, inferi, medioxumi.
Der fünfft Act, Scena I. Iulianum in Persas moturum tutelaris angelus imminentis exitij monet. Julianus droet nach dem Persischen Krieg die Kirchen Gottes zuverfolgen. Empfindt die heimbliche Einsprechungen seines Schutzengels der ihm steht in den Ohren ligt. Doch ist es alles bey dem Hartneckigen umbsonst. Bar. AE IV,123C–D (= Greg. Naz. or. 5,8; Theod. hist. eccl. 3,21,1–5; Zos. hist. 3,13,1), IV,124B (= Joh. Chrys. Paneg. Bab. 2,119; Greg. Naz. or. 5,9) 1976–1979 Quicquid renascens … quicquid perit ] Bern. Stef. Crispus IV,127–130 1978 Mihĭ serviat uni ] Hor. carm. 2,2,11–12 1980–1983 ] Bern. Stef. Crispus II,479–482 1981–1982 etsi Gadibus … reges opes ] Hor. carm. 2,2,10–11 1984 Favete Di superi, inferi, medioxumi ] Plaut. Cist. 512 1975 Et ferro subiugare orientis ] Et occidentis subiugare D¹, correxi, cf. Comm. ad locum 1975–1984 ] del. d 1976/1979 quicquid ] quidquid Bern. Stef. 1979 Sit vulnus ] est vulnus Bern. Stef. 1981/1983 etiamsi Gadibus … etsi Cheruscos ] non si Gadibus … non si Cheruscos D1 , correxi, cf. Comm. ad locum
Actus quintus |
353
Fünfter Akt Erste Szene Julian mit den Seinen, Sallustius, Julianophylax Jul.: Das Perserreich mit Krieg zu überziehen, das habe ich mir fest vorgenommen, [1975] sowie die Barbaren des Ostens gewaltsam zu unterwerfen. Was auch immer die aufgehende, was auch immer die untergehende Sonne erleuchtet, was auch immer auf dem unermesslichen Erdkreis liegt, soll mir allein dienen; sodass alles, was man noch angreift, zu meiner Wunde wird, und alles, was zerstört wird, für mich allein zerstört wird. [1980] Die Perser werde ich angreifen, mögen sich auch alle Königreiche in angsterfülltem Getöse gegen mich verbünden, mögen auch die Könige des memnonischen Ostens ihre Macht mit den entfernt lebenden Einwohnern von Gades verbünden, mag auch Memphis ein zweites Cheruskerheer mit sich führen. Ihr oberen, unteren und mittleren Götter, erweist mir eure Gunst.
354 | Iulianus Apostata Tragoedia
1985
1990
1995
2000
2005
2010
2015
Sallusti adesto, vos adeste caeteri. Certos quam primum nuntios dimittite Qui Numinum responsa bello postulant, Oraculisque docti mihĭ renuntient Num sit perseverandum bellum in Persidem. Delphos, Delum ac Dodonem, et si quae caetera Oraculorum notae sunt sedes, petant. Sall.: Ibunt quam primum Caesar invictissime. Iul.: Hoc primum. miles deinde colligendus est Ut sexaginta numerus aequet millia Et quina. Sall.: aequabit Caesar Augustissime. Iul.: Hoc alterum. Priscum deinde ac Maximum Accersiri cura, mihi in castra comites. Sall.: Accersientur, Imperator, ut iubes. Iul.: Vae tibĭ Galilaee, vae tibi si rediero E Persia victor (rediturum me favor Sperare Numinum iubet) tibi inferam Alijs debellatis bellum et vincam Dijs Iuvantibus. Iul.lax : tun’ haec ore impio in Deum? Parce Deus. et tu spondeas tibĭ reditum? Resipisce Iuliane dum vivo licet. Iul.: Quam paenitet fuisse Galilaei asseclam. Adhuc meus pro Galilaeo oggannit animus. Sed cede pietas impia, nihil hic loci est. Iul.lax : Non hos animi stimulos, nugas puta, ultimum Monent. Iul.: recedite paullisper, vacet arbitro Locus, mecum ipse bellum solus exputem. Quis iste Galilaeus qui mihĭ resistere Aut velit aut possit? Iul.lax : o nimiam superbiam! Tu fortior Deo, te non vincat Deus? Iul.: Quis iste Deus, in furca quondam pendulus. Iul.lax : Sceleste! sic ex orco liberatus es.
1986, 1988–1995 ] Senarii 1990 Delphos, Delum ac Dodonem ] Delphos del. D, cf. Comm. ad locum 1996 deinde ] dein D1 , metri causa correxi 2002, 2010–2015 ] Senarii
Actus quintus |
355
[1985] (Zu den Übrigen) Sallustius, komm her, ihr Übrigen kommt auch ihr her. Sen-
det so bald wie möglich zuverlässige Boten aus, die die göttlichen Orakelsprüche für den Krieg einholen und nach der Befragung mir berichten sollen, ob ich am Krieg gegen das Perserreich festhalten soll. [1990] Delphi, Delos und Dodona und alles, was da noch an Orakelstätten bekannt ist, sollen sie aufsuchen. Sall.: Sie werden sie so bald wie möglich aufsuchen, unbesiegtester Kaiser. Jul.: Das wäre das eine. Ferner soll ein Heer der Stärke [1995] von fünfundsechzigtausend Soldaten versammelt werden. Sall.: Es wird diese Stärke erreichen, erhabenster Kaiser. Jul.: Das wäre der zweite Punkt. Sorge außerdem dafür, dass Priscus und Maximus herbeigerufen werden, sie sollen meine Gefährten auf dem Feldzug sein. Sall.: Sie werden herbeigerufen, mein Kaiser, wie du es befiehlst. Jul.: Wehe dir, Galiläer, wehe dir, wenn ich [2000] siegreich aus dem Perserreich zurückkehre (die Gunst der Götter gebietet mir darauf zu bauen, dass ich zurückkehren werde). Nachdem ich meine anderen Gegner niedergerungen habe, werde ich dir den Krieg erklären und dich mit Hilfe der Götter besiegen. Jul.lax : (versteckt zu Julian) Solches sprichst du mit lästerndem Mund gegen Gott? Gott erbarme sich. Und dazu willst du dir auch noch selbst deine Rückkehr verheißen? [2005] Komm wieder zur Vernunft, Julian, solange du es noch als Lebender kannst. Jul.: Und wie sehr reut es mich, dass ich diesem Galiläer nachgelaufen bin. Auch jetzt noch schwatzt mir mein Sinn etwas zugunsten des Galiläers vor. Aber diese ehrlose Ehrfurcht soll von mir weichen, für sie ist hier kein Platz. Jul.lax : Glaube nicht, dass meine Worte, die deinen Sinn anstacheln, Flausen sind; sie [2010] mahnen dich zum letzten Mal. Jul.: (zu seinen Gefährten) Zieht euch ein Weilchen zurück, ich will hier ungestört sein; ich selbst will bei mir allein über den Feldzug nachdenken. (Alle ab außer Julian und Julianophylax) Wer ist dieser Galiläer, der mir Widerstand leisten will oder gar kann? Jul.lax : Oh welch maßloser Hochmut! Du sollst mächtiger sein als Gott, dich nicht bezwingen können soll Gott? Jul.: [2015] Was soll das für ein Gott sein, der einst am Galgenholz hing. Jul.lax : Du Schuft! Auf diese Weise hat er dich aus der Hölle befreit.
356 | Iulianus Apostata Tragoedia
2020
2025
2030
2035
2040
2045
2050
Iul.: Diu satis aniles has fabulas mihi Persuasi veras. Iul.lax : amens! esse veritas Desierit vera? Deus coeperit esse impotens? Iul.: Potentia colo Numina. Iul.lax : caenum sunt tua Nefanda Numina sunt lutumque merissimum. Iul.: Haec orbis me duce colit. Iul.lax : orbem te duce Ad orcum rapiet ultrix ira Numinis. Iul.: Astris transcribar post fata. Iul.lax : inferis; nisi Deum colas unum. Iul.: plures colo Deos. Iul.lax : Stultissime, impijssime. tandem tuae Da finem Iuliane contumaciae; Deum reliquisti, redi ad Deum; unus hic Non deseret, quem caeteri omnes deserent. Vicinum exitium certo certius scias. Iul.: Impendere exitium Persis nil ambigo. Iul.lax : Tibi impendet superbe, te feriet nisi Caveas. Iul.: hostes periculum caveant mei. Persisto, Persis victis Galilaeos novis Adoriar machinis, tollam luem improbam. Iul.lax : Perire vis, et iam peribis, sed tuo Malo peribis atque culpa non mea. Ego ille sum qui te monebam iugiter, Tu me monentem negligebas iugiter. Et nunc etiam monere te non desino, ut Numen eiuratum adores denuo. Nec desinam monere te, iuvare te Licet in vicem non desinas fugare me. Perire vis, tuo peribis crimine. Iul.: Nil muto: vae Galilaeis omnibus meum Post reditum e Persia, vae Galilaeo, illius Fana profanabo omnia; vix illi locus erit In orbe. Iul.lax : haec linguae tela mittas in Deum? Cavĕ, scelus, cavĕ telum quod sanguis imbuet Tuus. tamen necdum monere desinam. Iul.: Tamen necdum tibĭ refragari desinam. 2017–2019, 2023–2025, 2027, 2030–2035, 2045–2049, 2051 ] Senarii 2020 Iul.lax : ] Angelus: D1 2021 Nefanda Numina sunt lutumque merissimum ] Nefanda Numina lutumque sunt merissimum D1 , metri causa correxi
Actus quintus |
357
Jul.: Lange genug war ich selbst davon überzeugt, dass diese Ammenmärchen wahr sind. Jul.lax : Du Wahnsinniger! Könnte wohl die Wahrheit aufhören, wahr zu sein? Könnte wohl Gott anfangen, seine Macht zu verlieren? Jul.: [2020] Ich verehre mächtige Götter. Jul.lax : Deine schändlichen Götter sind der reinste Scheißdreck. Jul.: Unter meiner Führung verehrt sie der Erdkreis. Jul.lax : Der rächende Zorn Gottes wird den Erdkreis unter deiner Führung in die Hölle hinabstürzen. Jul.: Nach meinem irdischen Schicksal werde ich unter die Gestirne aufgenommen. Jul.lax : In die Hölle, wenn [2025] du den einen Gott nicht verehrst. Jul.: Ich verehre viele Götter. Jul.lax : Dabei handelst du unfassbar dumm, unfassbar gottlos. Setze deiner Aufgeblasenheit nun endlich ein Ende, Julian; Gott hast du verlassen, kehre zurück zu Gott; er allein wird denjenigen, den alle anderen verlassen, nicht im Stich lassen. [2030] Du musst wissen, dass dein naher Untergang absolut sicher ist. Jul.: Ich bin mir sicher, dass dem Perserreich der Untergang bevorsteht. Jul.lax : Dir, Hochmütiger, steht er bevor, dich wird er treffen, wenn du dich nicht in Acht nimmst. Jul.: Meine Feinde mögen sich vor der Gefahr, die ihnen droht, hüten. Ich bleibe dabei: Nach meinem Sieg über die Perser werde ich die Galiläer [2035] mit neuen Geschützen angreifen, ich werde diese verruchte Seuche beseitigen. Jul.lax : Zugrunde gehen willst du und du wirst bald zugrunde gehen; aber du wirst durch dein eigenes Verbrechen und nicht aufgrund meiner Schuld zugrunde gehen. Ich bin derjenige, der dich in einem fort ermahnte, du bist derjenige, der meine Mahnungen in einem fort in den Wind schlug. [2040] Und auch jetzt höre ich nicht auf, dich zu ermahnen, dass du Gott, dem du abgeschworen hast, erneut anbetest. Ich werde nicht aufhören, dich zu ermahnen, dir zu helfen, magst du im Gegenzug auch nicht aufhören, mich loswerden zu wollen. Zugrunde gehen willst du, du wirst durch deine eigene Schuld zugrunde gehen. Jul.: [2045] Ich ändere meine Meinung nicht: Wehe allen Galiläern nach meiner Rückkehr aus dem Perserreich, wehe dem Galiläer, ich werde all seine Heiligtümer entweihen; für ihn wird es nur noch schwerlich überhaupt einen Platz auf dem Erdkreis geben. Jul.lax : Schleuderst du solche Wortgeschosse gegen Gott? Hüte dich, du Schuft, hüte dich vor dem Geschoss, das von deinem Blut benetzt werden wird. [2050] Aber trotzdem will ich noch immer nicht aufhören, dich zu ermahnen. Jul.: Und immer noch nicht will ich damit aufhören, dir Widerstand zu leisten. (Alle ab)
358 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena secunda Libanius, Quirinus
2055
2060
2065
Lib.: Quousque tandem sordidissima natio Habere despicatui et proscribere Deos sinetur arbitratu pro suo? Di Iulianum sospitent, fortissimum Heroa, Di fortunent in Persas iter. Cavete Christiani indē si redierit, vos ad Acherontem abibitis; mare ferrum, flammae vos haurient; condemini vivis in tumulis; belluarum vos famem saturabitis, illarum sorbendi rictibus. Sed quis gradum illinc fert contra? Galilǣus est, Nisi me fallo. Galilaeus est certo, mihi De facie notus. incessu quoque proditur. Eo, alloquor. salve, mi homo. Quir.: salus tibi. Lib.: Dic obsecro quid fabricat nunc filius Fabri? Quir.: Loculum pro Iuliano Apostata. Lib.: Tun’ argutari mastigia? cavĕ rem malam.
Scena II. Christianus quispiam ioco Iuliani mortem vaticinatur. Libanius der heidnisch Philosophus trifft einen Christen Quirinum an fragt schmählich/ was der Galileer zimmere. Quirinus gar artlich und zu der sach/ sagt: etwann einen Sarch für den Keyser. Da war für war Libanius bezalt mit barer Müntz. Ja die Red deß Christen ist war worden: ob sie schon dem Philosopho in die Nasen roch. Bar. AE IV,127C–D (= Theod. hist. eccl. 3,23) [Nic. 10,35; Soz. hist. eccl. 6,2,9] 2052 Quousque tandem ] Cic. Catil. 1,1 2068 cave rem malam ] Plaut. Asin. 43 2056–2057, 2059–2061, 2063–2064 ] Senarii 2058 ] Quinarius
Actus quintus |
359
Zweite Szene Libanius, Quirinus Lib.: (zunächst allein) Wie lange noch wird man es dulden, dass dieses von Grund auf verdorbene Volk nach seinem Gutdünken die Götter verabscheut und verdammt? [2055] Die Götter mögen Julian behüten, den tapfersten Heros, die Götter mögen ihm auf seinem Zug ins Perserreich gewogen sein. Hütet euch, ihr Christen, denn von dem Zeitpunkt an, da er zurückgekehrt sein wird, werdet ihr zur Hölle fahren; Wasser, Schwert und Feuer werden euch dahinraffen; ihr werdet [2060] lebendig begraben; ihr werdet den Hunger von wilden Tieren stillen, verschlungen werden sollt ihr von ihren weit aufgerissenen Mäulern. (Quirinus tritt auf; mit traurig gesenktem Blick) Aber wer schreitet mir von da drüben entgegen? Es ist ein Galiläer, wenn ich mich nicht täusche. Ganz sicher ist das ein Galiläer, ich kenne ihn vom Sehen her. Sein Gang verrät ihn außerdem. [2065] Ich gehe mal zu ihm und spreche ihn an. Sei gegrüßt, guter Mann. Quir.: Sei auch du gegrüßt. Lib.: Sag mir bitte, was zimmert euer Zimmermannssohn denn jetzt gerade zusammen? Quir.: Einen Sarg für Julian Apostata. Lib.: Was schwatzt du da daher, du Taugenichts? Beschwör kein Unglück herauf!
360 | Iulianus Apostata Tragoedia
2070
2075
2080
2085
2090
Quir.: Tantum nefas, si, quod quaeris, respondeam? Interrogando tu iocatus es, et ego Respondendo. et fortassis abfuit iocus Responso. Lib.: Iulianus in pugna cadat? Quir.: Hominem esse censeo qui mori possit. Lib.: mori Vos ille docebit si redierit. Quir.: si redierit. Lib.: Ain’ periturum? Quir.: forsan ille solus est Invulnerabilis et immortalis? Lib.: mori Disces. Quir.: mori didici, cum coepi vivere. Lib.: Mori cogeris. Quir.: hic nulla vi opust. volo. Lib.: Loculum implebis quem Iuliano dictitas Tuo a fabro fabricari. Quir.: non ago quo loco Cadaver putreat, sed ago, quo vivat animus. Lib.: Di te in crucem pessume agant; apage. Quir.: nec crucem Recuso. at caveat Iulianus ne in suum Caput casura tentet. Lib.: apage verbero. Quir.: Cedo cum ita me valere iubeas. Lib.: par pari Hic homo retulit, iocum argute solvit ioco. Argutijs parco non parsurus homini. Ingenio est hercle non illepido. at despuo, Ne vox omen habeat. eo ut ipsi nuntiem Haec Iuliano, indubie sub pectus facem Subdam, in Galilaeos ut furat crudelius.
2069, 2071, 2076–2082, 2086–2090 ] Senarii
Actus quintus | 361
Quir.: Ist es denn ein solch großes Unrecht, wenn ich auf das antworte, was du mich fragst? [2070] Du hast bei der Frage gescherzt, ich bei der Antwort. Aber vielleicht lag in meiner Antwort ja auch gar kein Scherz. Lib.: Könnte Julian in der Schlacht möglicherweise fallen? Quir.: Ich glaube, dass er ein Mensch ist, der sterben kann. Lib.: Zu sterben wird er euch lehren, wenn er zurückkehrt. Quir.: Wenn er zurückkehrt. Lib.: [2075] Willst du damit sagen, dass er ums Leben kommen wird? Quir.: Ist er zufällig der einzige Mensch, der unverwundbar und unsterblich ist? Lib.: Zu sterben wird man dich lehren. Quir.: Zu sterben habe ich damals schon gelernt, als ich begonne habe zu leben. Lib.: Man wird dich gewaltsam sterben lassen. Quir.: Da ist keine Gewalt von Nöten. Ich will es. Lib.: Du wirst den Sarg ausfüllen, der, wie du behauptest, [2080] von deinem Zimmermann zusammengezimmert wird. Quir.: Ich kümmere mich nicht darum, an welchem Ort mein Leichnam verwest, vielmehr kümmert es mich, wo meine Seele lebt. Lib.: Die Götter sollen dich ans Kreuz schlagen, du niederträchtiger Schuft; fort mit dir. Quir.: Auch das Kreuz nehme ich bereitwillig auf mich. Aber Julian soll sich davor hüten, sich an Dingen zu versuchen, die auf sein Haupt stürzen werden. Lib.: Fort mit dir, du Galgenstrick. Quir.: [2085] Wenn du mich auf diese Weise zu gehen heißt, mache ich mich davon. (Quirinus ab) Lib.: Dieser Kerl hat mir Gleiches mit Gleichem vergolten; einen Scherz konterte er scharfsinnig mit einem Scherz seinerseits. Auch wenn ich den Menschen verurteile, seinen Feingeist verurteile ich nicht. Er besitzt, beim Hercules, einen natürlichen Witz, der nicht unfein ist. (Spuckt auf den Boden) Aber ich spucke aus, damit das, was er gesagt hat, kein schlechtes Omen bedeute. Ich gehe, [2090] um Julian selbst hiervon zu berichten; zweifelsohne werde ich ihm damit sein Herz dazu entflammen, dass er noch grausamer gegen die Galiläer wütet.
362 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena tertia Flamines, Iulianus cum suis, Procopius, Priscus, Erebophylax
2095
2100
2105
2110
Dialis: Mox Imperator aderit. huc aram illico. Dis vota nuncupabit ut annuentibus Illis in Persidem contendat prospere. Suum dabit feralem reditum plurimis. Multum cruenta Christianis imminet Tempestas, omnis in eorum desaeviet Procella caput. sed eccum, iam Caesar venit. Iul.: O me beatum, o Caesarem, o Agamemnonem! Ducum o tyrannum, o consulem, o Regem, o Deum! Vix bene quod intra pectus exundat, capit Gaudium animus, responsis arrectus novis. Oracula reditum promittunt omnia Felicem: ob hunc Deum favorem, ego Caesarum Nepos et orbis rector, Hectoreum genus, Augustus Imperator et terror ducum. Per stemma iuro hoc capitis, hoc sceptrum Imperi, Deosque testor, ubi rediero ex Perside Galilaea monstra perdam usque ab radicibus: Una ruina eliminabo devotum gregem.
Scena III. Iulianus Christianorum iugulis minatur, et daemonem exploratorem in Persiam mittit. Der Götzenpfaff hötzt den Keiser an die Christen/ dieser scheubt das wüten auff sein Widerkunfft auß Persia/ Priscus muß ihm ein Teufel herfür bannen der hurtig in Persiam lauff und erkündige deß Landes Stand. Bar. AE IV,124C (= Oros. hist. 7,30,5); AE IV,125C–D (= Amm. 23,2,1–2), IV,129D (= Amm. 23,3); IV,130B–C [Nic. 10,29; Theod. hist. eccl. 3,21] 2099–2106 ] Bern. Stef. Crispus III,390–398 2107 ] Bern. Stef. Crispus V,62 2092–2098 ] del. d 2094–2095, 2097, 2102–2103, 2109 ] Senarii 2110 ] Septenarius
Actus quintus | 363
Dritte Szene Flamines, Julian mit den Seinen, Procopius, Priscus, Erebophylax Priester des Jupiter: (zunächst allein mit seinen Priesterkollegen) Bald wird der Kaiser da sein. Den Altar sofort hierher. Er möchte gegenüber den Göttern ein Gelübde aussprechen, damit er von ihnen begünstigt erfolgreich ins Perserreich ziehen kann. [2095] Seine Rückkehr wird für unzählige Menschen den Tod bedeuten. Den Christen steht ein überaus blutrünstiger Sturm bevor, jedwedes Unwetter wird gegen sie toben. (Julian tritt mit den Übrigen auf) Aber seht da, der Kaiser kommt schon. Jul.: Oh ich Glücklicher, ich Kaiser, ich Agamemnon! [2100] Oh ich unumschränkter Herrscher der Herrscher, Konsul, König, Gott! Von neuen Orakelsprüchen beflügelt kann mein Herz die in mir überströmende Freude kaum recht fassen. Alle Orakel versichern mir eine glückliche Rückkehr: Aufgrund dieser Göttergunst bin ich der Enkel von Kaisern [2105] und der Lenker des Erdkreises, der Abkömmling Hektors, Augustus Imperator und der Schrecken der Herrscher. Bei diesem Diadem auf meinem Haupt und bei diesem Reichsszepter schwöre und rufe ich die Götter als Zeugen an, dass ich, sobald ich aus dem Perserreich zurückgekehrt sein werde, diese galiläischen Scheusale bis zur Wurzel ausrotten werde: [2110] In einem einzigen Sturm der Verwüstung werde ich diese verflucht fromme Herde auslöschen.
364 | Iulianus Apostata Tragoedia
2115
2120
2125
2130
2135
2140
Prisc.: Virtutis est si saevias in impios. Iul.: Ego Iulianus, ego stirpem execrabilem Omnemque hanc anguium propaginem, aequore, Ferro, igne, bestijs, cruce, modis omnibus Perdam, secabo, uram, necabo, dividam Trecentas in noxia corpora formas necis, Camposque sepeliam insepultis ossibus. Prisc.: Ut orsus es sic perge. cavĕ te emolliant Quales ubique trahuntur alto pectore Gemitus. nega aurem fata deprecantibus, Suspiria refuta: repelle lacrymas, Insta, coge, crucia, neca. Iul.: memorem mones. Hierosolymis theatrum caedi construam Ut ibi plectatur unde proserpsit lues Infanda, pro Năzareno illo Venerem Deam In fanis collocabo, Galilaeo exule. Nunc huc adsis, Procopi. Procop.: Auguste pareo. Iul.: Efferte purpuram. te Procopi novo Decorabo vellere. Procop.: me, Imperator praepotens, Me purpura? Iul.: te. neque reluctari licet. Procop.: Ego tantam in me molem? Iul.: quae forti convenit. Procop.: Ego audiam regni praedo? Iul.: mentem meam Audi; ideo te nunc purpura convestiam, Ut si Mars Parthicus funus videat meum, Tu post me purpuratus princeps imperes. Huc purpuram. vide Procopi purpura Te tantum decorabit quantum tu purpuram; Vir esto. virtus delectatur arduis Cadit in plano, resurgit in praecipitio. Procop.: Vellem Caesar ut huic, cui dedisti purpuram Dedisses virtutem decorandi purpuram.
2111 Priscus: ] Dialis: D1 , corr. d 2112–2113, 2116, 2123–2128, 2131–2132, 2134–2141 ] Senarii 2113 –2117 ] del. d 2118 Priscus: ] Dialis: D1 , corr. d 2125–2145 ] del. d; etiam personae indicationem Procopi del. d
Actus quintus | 365
Priscus: Wenn du gegen die Gottlosen wütest, beweist du deine Tugend. Jul.: Ich Julian, ich werde dieses verdammte Geschlecht und diese Schlangenbrut mit Wasser, Eisen, Feuer, wilden Tieren, dem Kreuz und allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln gänzlich [2115] vernichten, zerteilen, verbrennen, ermorden und unzählige Todesarten auf ihre schuldbeladenen Körper verteilen. Ich werde Felder unter unbegrabenen Gebeinen begraben. Priscus: Fahre in der Weise fort, wie du begonnen hast. Hüte dich davor, dass dich ihre Klagen, wie sie allerorten aus tiefer Brust herausbrechen, nicht erweichen. [2120] Verweigere ihnen dein Ohr, wenn sie ihr Schicksal durch Bitten erleichtern wollen, weise ihr Ächzen zurück: Weise ihre Tränen ab, verfolge, nötige, kreuzige, töte sie. Jul.: Du ermahnst mich zu etwas, was ich schon von selbst im Sinn habe. In Jerusalem werde ich ein Theater für ihre Hinrichtungen errichten, sodass die ruchlose Seuche dort niedergeknüppelt wird, von wo sie hervorgekrochen ist. [2125] Anstatt jenes Nazareners werde ich die Göttin Venus in ihren Heiligtümern aufstellen und den Galiläer hinauswerfen. Nun, Procopius, komm hierher. Procop.: Mein Kaiser, ich gehorche. Jul.: Bringt den Purpur herbei. (Diener bringen den Purpur) Dich, Procopius, werde ich mit einem neuen Ehrengewand ausstatten. Procop.: Mich, übermächtiger Kaiser, [2130] mich mit dem Purpur? Jul.: Ja, dich. Und Widerstand dagegen lasse ich nicht zu. Procop.: Ich soll auf mich eine solch große Last …? Jul.: Die einem Tapferen gebührt. Procop.: Soll man mir nachsagen, dass ich mir die Herrschaft erschlichen habe? Jul.: Höre meine Überlegung an; ich werde dich nun deshalb mit dem Purpur bekleiden, damit du, sollte der Perserkrieg mein Begräbnis sehen, [2135] nach meinem Tod als ein Kaiser herrschen kannst, der den Purpur bereits erhalten hat. – Den Purpur hierher. (Diener bringen den Purpur zu Julian; dieser legt ihn Procopius an) Siehe Procopius, der Purpur möge dich in gleichem Maße zieren, wie du den Purpur. Sei ein tugendhafter Mann. Denn die Tugend erfreut sich an widrigen Umständen, in harmlosen sinkt sie darnieder, in gefährlichen richtet sie sich wieder auf. Procop.: [2140] Ich wünschte, mein Kaiser, du hättest demjenigen, dem du den Purpur verliehen hast, auch die Tugend gegeben, ihn zu zieren.
366 | Iulianus Apostata Tragoedia
2145
2150
2155
2160
Iul.: Procopi dura. virtutem novi tuam: Illam pridem haec ambiverunt insignia. Exercitum nunc tu revise; subsequar Procop.: Factum puta magne Imperator, quod iubes. Iul.: Quid in oriente barbari gerant, volo Discere, quo Prisce nuntio istud resciam? Prisc.: Pare⟨o⟩ Imperator; nuntium dabo prosperum, Genium evocabo Lethaeis ex sedibus Qui cursu ventorum vincat talaria. Iul.: Placet consilium; quem dicebas, evoca. Prisc.: Erebophylax, Erebophylax, Erebophylax, Huc ocius. moraris? celera. nondum ades? Ereb.: Adsum quid me vis? Prisc.: illico orientis plagas Propero volatu adi et explora penitissime Quid rerum agatur illic, dein ad nos redi. Cave moras. Ereb.: pareo et orientes mox peto. Prisc.: Huic Iuliane Pegaso, omnis Persia Lustrabitur, reducem videbimus brevi. Iul.: Interibi in aliorum caput comitia Celebranda sunt, mi Prisce, meo te consule.
2142–2143, 2146, 2150–2151, 2154, 2156 ] Senarii 2144 Exercitum nunc tu revise; subsequar ] Nunc ad exercitum revise; subsequar D1 , metri causa correxi 2146–2147 Quid in oriente barbari gerant, volo ∣ Discere ] Aveo nosse quid in occidente barbari ∣ Gerant D¹, correxi, cf. Comm. ad locum 2148 Pare⟨o⟩ Imperator ] Pare Imperator D1 , correxi, cf. V. 2127 et 2157 2150 vincat ] antevortat D1 , corr. D 2154 illico orientis plagas ] occiduas plagas D¹, correxi, cf. Comm. ad locum 2157 orientes ] occidentes D¹, correxi, cf. Comm. ad locum
Actus quintus | 367
Jul.: Procopius, sei standhaft. Ich kenne deine Tugend: Schon lange werben diese Insignien der Macht um sie. Siehe nun nach dem Heer; ich werde dir umgehend folgen. Procop.: [2145] Betrachte deinen Befehl als erledigt, großer Kaiser. (Procopius ab) Jul.: Ich möchte in Erfahrung bringen, was die Barbaren im Osten treiben. Durch welchen Boten, Priscus, könnte ich das herausfinden? Prisc.: Ich gehorche, mein Kaiser; ich werde dir einen geeigneten Boten beschaffen, ich werde einen Geist aus den lethäischen Gefilden entsteigen lassen, [2150] der schnell wie der Wind sogar Flügelschuhe übertrifft. Jul.: Der Plan gefällt mir; rufe den herbei, von dem du gesprochen hast. Prisc.: Erebophylax, Erebophylax, Erebophylax, sogleich hierher! Du zögerst? Beeile dich. Bist du immer noch nicht da? (Erebophylax erscheint in Militärtracht) Ereb.: Hier bin ich, was willst du von mir? Prisc.: Suche sofort in eilendem Flug den Osten auf, [2155] erkunde bis ins kleinste Detail, was dort vor sich geht, und kehre dann zu uns zurück. Hüte dich vor Verzögerungen. Ereb.: Ich gehorche und suche umgehend den Osten auf. Prisc.: Von diesem Pegasusgleichen, Julian, wird das ganze Perserreich ausgeforscht werden; wir werden in Kürze seine Rückkehr erleben. Jul.: [2160] In der Zwischenzeit muss noch über Leben und Tod von weiteren Angeklagten gerichtet werden, mit dir, mein lieber Priscus, als meinem vorsitzenden Richter. (Alle ab)
368 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena quarta Macharius, Higinius, Lucianus, Serenus, Eusebius, Albanus, Philaemon, Pigmenius, Quirinus, Eleuterius, Eutropius, Desiderius
2165
2170
2175
2180
Mach.: Ite, ite iam profusiores lacrymae, Dudum repressae prosilite largius. O tempora, o mutationes temporum! Higin.: O Iuliani perfidam tyrannidem! Luc.: O Iuliani sacră sceleratissima! Seren.: O Iuliani vota crudelissima! Euseb.: O Caesaris tristes nimium minacias! Phil.: O ferrum nostris mergendum cervicibus! Pig.: O flammas nostro nutriendas sanguine! Quir.: O et cruces nostro gravandas corpore! Eleu.: O et feras nostris pascendas carnibus! Alban.: O nostris saevitura tormenta artubus! Desid.: O improborum nimiam pervicaciam! Eutrop.: O Numinis nimium longam indulgentiam! Mach.: Eheu quibus mersamur usque fluctibus? Dies amara, noctis umbra amarior. Nec flere permissum, neque colloquijs frui Impune; illic caedes, inerrat hic metus. Sepulta vix licet eruere suspiria. Terrae negantur et negantur aequora. Nusquam licet tot in locis esse in loco: Tantum incubat premitque virtutem scelus.
Scena IV. Christiani deprecantur numen contra Iuliani cruentas minas. Die Christen bewainen das grausam Fürnemmen Juliani/ und rüffen Gott umb Hilff an. Bar. AE IV,124C (= Greg. Naz. or. 5,27)
2164 O tempora, o mutationes temporum! ] Cic. Catil. 1,2 2169–2170, 2172–2175, 2179 ] Senarii 2172–2173 ] ordinem versuum permutavit D
Actus quintus | 369
Vierte Szene Macharius, Higinius, Lucianus, Serenus, Eusebius, Albanus, Philaemon, Pigmenius, Quirinus, Eleuterius, Eutropius, Desiderius (Im Inneren einer Kirche) Mach.: Brecht hervor, brecht noch ungehemmter hervor, ihr Tränen, quillt noch reichlicher heraus, lange genug wurdet ihr zurückgehalten. Oh in was für einer Welt leben wir eigentlich! Oh wie hat sich die Welt, in der wir leben, verändert! Higin.: [2165] Oh wie verräterisch ist Julians Tyrannenherrschaft! Luc.: Oh wie unfassbar verbrecherisch sind Julians Kultfeiern! Seren.: Oh wie unfassbar grausam sind Julians Gelübde! Euseb.: Oh wie grenzenlos leidbringend sind die Drohungen des Kaisers! Phil.: Oh Schwert, das sich in unsere Nacken bohren soll! Pig.: [2170] Oh Flammen, die durch unser Blut genährt werden sollen! Quir.: Oh Kreuze, die mit unseren Körpern beschwert werden sollen! Eleu.: Oh wilde Tiere, die sich an unserem Fleisch weiden sollen! Alban.: Oh Folterinstrumente, die in unseren Gliedern wüten sollen! Desid.: Oh wie grenzenlos übertrieben ist die Borniertheit dieser Schurken! Eutrop.: [2175] Oh wie grenzenlos ist die Nachsicht unseres Gottes! Mach.: Ach, welche Fluten brechen in einem fort über uns herein? Der Tag bringt viele Widrigkeit, die Dunkelheit der Nacht noch mehr. Man darf weder weinen noch sich ungestraft unterhalten; dort geht der Tod um, hier die Furcht. [2180] Es ist kaum erlaubt, tief sitzende Klagen auszustoßen. Die Erde wird einem versagt und versagt wird einem das Meer. Man darf sich bei so vielen Orten auf der Welt an keinem einzigen aufzuhalten. Ein solch großes Unheil liegt auf der Tugend und unterdrückt sie.
370 | Iulianus Apostata Tragoedia
2185
2190
2195
2200
2205
2210
2215
2220
Phil.: Ubi quies nobis quaerenda est, ubi patria? In patria exules, domi haud domi sumus. Desid.: At sic inopem aemulamur in terris Deum: Sub capite cruento delicata sit manus? Non convenit. Christum sequamur nos ducem. Higin.: Sed horum quis finis, quis irae terminus? Cruore prolutus leo stragem novam Caedemquĕ frendens edet imbelle in pecus. Quir.: Iam totus ira fervet et morsus parat; Resuscitabit carnificinae incendia Ubi victis Persis sospes redierit. Luc.: simul Omnes, macello destinavit impius Draco, quod Hierosolymis iam iussit extrui. Mach.: Suspirijs, lacrymis, precibus, ieiunijs Flectenda est ira Numinis, ne reliquias Vel tenues istas Christiani sanguinis A Iuliano Idololatra immanissimo Patiatur conculcari tam crudeliter. Vocate mecum in vota propitium Deum. Benigne rector, orbis clemens arbiter Tutela praesens fluctuantis raticulae. Sonant procellae, fervet iratum mare, Et mole vasta funditus fluctus ciet, Nec solitus horror incubat fessae rati. Tuere vindex hasce reliquias tuas Tuaque dextera, tuoque Numine Validosque firmatosque fac in pericula. Audi gementum lacrymas, audi preces. Omnes simul: Miserere, miserere gregis o pastor tui. Mach.: Et tu salutis ara mater Numinis, Tuum serena vultum et propius aspice Ut puppis omni decore populato natet, Instabilis aestus inter et caeli minas Convulsa, destituta subducto die; Exitium nostrum Iuliano ludus est. Audi gementum lacrymas, audi preces. Omnes: Miserere, miserere gregis o pastor tui. 2190–2191 Cruore prolutus leo … edet imbelle in pecus ] Ps 73,1–2; Mt 10,16; Lc 10,3 2184, 2189, 2194, 2198–2199, 2201, 2214, 2218 ] Senarii
Actus quintus |
371
Phil.: Wo sollen wir nach Ruhe suchen, wo nach Heimat? [2185] In der Heimat sind wir Verbannte, zu Hause finden wir kein zu Hause. Desid.: Aber auf diese Weise eifern wir auf Erden unserem mittellosen Gott nach: Soll einem blutigen Haupt eine makellose Hand untergeordnet sein? Das passt nicht zusammen. Lasst uns Christus nacheifern. Higin.: Aber wo liegt das Ende all dessen, wo die Grenze dieses Tobens? [2190] Der blutverschmierte Löwe wird der wehrlosen Schafsherde mit knirschenden Zähnen neues Morden und Gemetzel bereiten. Quir.: Schon wütet er mit Leib und Seele in seinem Zorn und macht sich zum Biss bereit; er wird die Marterfeuer neu entfachen, sobald er nach seinem Sieg über die Perser unversehrt zurückgekehrt ist. Luc.: Die gottlose Schlange hat uns [2195] alle zugleich für die Schlachtbank bestimmt, die er in Jerusalem jüngst errichten ließ. Mach.: Mit Seufzen, Weinen, Bitten und Fasten muss der Zorn Gottes abgewendet werden, damit er nicht zulässt, dass auch noch die zarten Überreste christlichen Blutes [2200] vom gnadenlos brutalen Götzendiener Julian so grausam zermalmt werden. Ruft zusammen mit mir im Gebet den gütigen Gott an. Gütiger Lenker, gnädiger Richter des Erdkreises, gegenwärtiger Schutz für unser umhertreibendes Flößchen. [2205] Stürme brausen, das zornerfüllte Meer wütet und ruft Fluten von gewaltigem Ausmaß aus seiner Tiefe empor, ein bisher ungekannter Schrecken liegt über dem müden Floß. Du, unser Beschützer, rette das, was von den Deinen noch übrig ist, und bringe mit deiner Rechten und deiner göttlichen Kraft [2210] die Mächtigen und Starken ins Wanken. Erhöre die Tränen der Seufzenden, erhöre unsere Bitten. Alle zugleich: Erbarme dich, erbarme dich deiner Herde, oh Hirte. Mach.: Und auch du, rettende Zuflucht, Mutter Gottes, sei uns gnädig gestimmt und sieh dir aus unmittelbarer Nähe an, [2215] wie dein Schiff aller Zierde beraubt dahinschwankt, unstet umhergeworfen inmitten der Fluten und Drohgebärden des Himmels, verlassen, ohne Tageslicht; unser Untergang ist für Julian ein spaßiger Zeitvertreib. Erhöre die Tränen der Seufzenden, erhöre unsere Bitten. Alle: [2220] Erbarme dich, erbarme dich deiner Herde, oh Hirte.
372 | Iulianus Apostata Tragoedia
2225
2230
Mach.: Furibundas Iuliani voces comprime, Truculentas Iuliani vires obtere, Metuendas Iuliani sicas destine, Succurre Numen, succurre labascentibus. Iam nostris incumbit iugulis acinaces, Sitit tyrannus Christianum sanguinem: Defende quos tuo lavisti sanguine. Audi gementum lacrymas, audi preces. Omnes: Miserere, miserere gregis o pastor tui. Mach.: Nunc alio in templo sternamus Deo preces.
Scena quinta Christus, Iulianophylax, Artemius, Mercurius, Chorus
2235
Christ.: Moveor meorum tot precibus, tot lacrymis. Effusus ad me clamat insontum cruor. Chorus: Cruorem et nostrum iuste iudex vindica: Tollatur Iulianus Apostata impius. Christ.: Perituri multa me tangit miseratio. Noxis quidem me Iulianus plurimis Et funestissimis, ad iram saepius, Et irritavit et irritare haud desinit.
Scena V. Christus, duobus martyribus potestatem facit interficiendi interfectorem suum Iulianum. Die Heiligen im Himmel, sonderlich Artemius und Mercurius schreyen umb Rach von ihrem Blut uber Julianum. Derhalben gebent Christus dem Schutzengel Iuliani, ihne zuverlassen. Auch gibt er Mercurio und Artemio einen Pfeil/ mit deme sie vom Himmel Iulianum sollen in Todt geben. Bar. AE IV,51B [Greg. Naz. or. 4,78 und 96, 5,27] 2221–2225, 2230, 2233, 2235, 2237 ] Senarii 2225 acinaces ] acinazes D1 , corr. d
Actus quintus |
373
Mach.: Julians wütende Drohungen unterdrücke, Julians fürchterliche Kräfte zermalme, Julians angstverbreitende Dolche halte von uns fern, komm uns zu Hilfe, Gott, komm den Wankenden zu Hilfe. [2225] Schon legt sich der persische Krummsäbel an unsere Nacken, der Tyrann dürstet nach christlichem Blut: Verteidige die, die du durch dein Blut reingewaschen hast. Erhöre die Tränen der Seufzenden, erhöre unsere Bitten. Alle: Erbarme dich, erbarme dich deiner Herde, oh Hirte. Mach.: [2230] Lasst uns nun in einer anderen Kirche weiter zu Gott beten. (Alle ab)
Fünfte Szene Christus, Julianophylax, Artemius, Mercurius, Chor (Christus auf seinem himmlischen Thron sitzend; die Übrigen umringen ihn) Christ.: Zutiefst ergreifen mich solch zahlreiche Bitten, solch zahlreiche Tränen der Meinen. Es schreit zu mir auf der Unschuldigen vergossenes Blut. Chor: Auch unser Blut, gerechter Richter, räche! Vernichtet werden soll der gottlose Julian Apostata. Christ.: [2235] Mit ihm, der sich auf dem Weg in seinen Untergang befindet, ergreift mich tiefes Erbarmen. Natürlich hat mich Julian mit unzähligen, Tod und Verderben bringenden Sünden schon zu oft zum Zorn gereizt und er hört auch nicht auf damit.
374 | Iulianus Apostata Tragoedia
2240
2245
2250
2255
2260
2265
2270
Sed scelera cumulat sceleribus, mei impius Contemptor, auro fit supplex et marmori; Spargitque rivos Christiani sanguinis, Meosque amicos caedibus diffulminat, Iamque it totum orbem eversum. sed parco tamen Gladiumque vindicem in vagina reprimo. Spatiumque resipiscendi do largissimum. Chorus: Cruorem nostrum iuste iudex vindica: Tollatur Iulianus Apostata impius. Christ.: Dum spirat non recusabo illi parcere. Chorus: O Christe, parsum est satis, et indultum est satis: Vindicta, Christe, vindicta. Christ.: hoc agit quidem Ut illico decretoria sententia Iugulatus a me, praecipitetur in rogos Aeternis nunquam finiendos ignibus. Perituri tamen, ut genitor nati, misereor. Chorus: Satis misertum est; idololatra induruit, Non tangitur, non resipiscit, non flectitur. O Christe Christianum ulciscere sanguinem. Christ.: Quid pro tuo cliente, custos pervigil, Pro Iuliano quid rogas? edissere. Iul.lax : O iuste iudex non meus amplius est cliens, Se daemonum clientem fecit perfidus; Iam pridem monitus ad meos obsurduit; Spes nulla restat paenitudinis. furit, Repugnat, saevit in dies magis et magis. A me nec verbulum iam admittit amplius. Hostes tuos audit, honorat, colit ut Deos. Te spernit, irridet, conculcat, conspuit. Ferocit in tuos ut impastus leo; Si vita sit, maria fusurus sanguinis Tuamque gentem extirpaturus stirpitus. Omnia agendo nihil egi; suadendo optima Heu nil persuasi; multis summo erit malo Nisi opprimatur illico existens malum, Ne longiore robur accipiat mora. 2240, 2243–2246, 2248, 2251, 2254, 2256–2257, 2261–2262, 2264–2265, 2267, 2270–2272 ] Senarii 2250 ] vindicta hoc hiatu metiendum 2255 Satis misertum est; idololatra induruit ] Misertum est satis; induruit idololatra D1 , metri causa correxi
Actus quintus |
375
Vielmehr häuft er Verbrechen auf Verbrechen, ein gottloser [2240] Verächter meiner Person, gegenüber Gold und Marmor aber demütig; ja, er vergießt Ströme von christlichem Blut, meine Anhänger zerschmettert er gleich einem Blitzschlag mit Tod und Verderben und schon macht er sich daran, den ganzen Erdkreis umzustürzen. Aber dennoch verschone ich ihn noch und halte das rächende Schwert noch in der Scheide zurück. [2245] Ich gebe ihm überreichlich Zeit, um wieder zur Vernunft zu kommen. Chor: Unser Blut, gerechter Richter, räche! Vernichtet werden soll der gottlose Julian Apostata. Christ.: Solange er atmet, werde ich mich nicht weigern, ihn zu verschonen. Chor: Oh Christus, genug der Gnade und genug der Nachsicht: [2250] Rache, Christus, Rache! Christ.: Dann ergeht es ihm allerdings so, dass er, einmal durch meinen unumstößlichen Urteilsspruch dem Untergang geweiht, sofort in jene Scheiterhaufen gestürzt wird, deren ewige Feuer niemals erlöschen. Dennoch habe ich Erbarmen mit ihm, der sich auf dem Weg in seinen Untergang befindet, wie ein Vater mit seinem Sohn. Chor: [2255] Es gab genug Erbarmen; er ist zu einem unerschütterlichen Götzendiener geworden, er lässt sich nicht beeinflussen, er kommt nicht wieder zur Vernunft, er lässt sich nicht umstimmen. Oh Christus, räche das Blut der Christen! Christ.: Was bringst du für deinen Klienten vor, immer wachsamer Beschützer, was erbittest du für Julian? Trage deine Meinung vor. Jul.lax : [2260] Oh gerechter Richter, er ist nicht länger mein Klient, er hat sich zu einem Klienten der Dämonen gemacht, der Verräter; schon lange ist er gegenüber meinen Mahnungen taub; es besteht bei ihm keine Hoffnung mehr auf Reue. Er ist dem Wahn verfallen, er widersetzt sich mir und wütet von Tag zu Tag mehr und mehr. [2265] Von meiner Seite lässt er nicht einmal mehr ein Sterbenswörtchen zu. Auf deine Feinde hört er, sie verherrlicht und verehrt er, als seien sie Götter. Dich verachtet, verlacht, tritt er mit Füßen, bespuckt er. Er wütet gegen die Deinen wie ein hungriger Löwe, der, sollte er am Leben bleiben, Meere an Blut vergießen [2270] und dein Volk mit Stumpf und Stiel ausrotten wird. Obwohl ich alles unternommen habe, habe ich nichts erreicht; obwohl ich ihm nur die besten Ratschläge gegeben habe, habe ich ihn (ach!) in keiner Weise überzeugt; über viele wird er noch gewaltige künftige Übel bringen, wenn er, das gegenwärtige Übel, nicht sofort ausgemerzt werden sollte, damit es durch allzu längeres untätiges Zusehen nicht noch mehr an Kraft gewinnt.
376 | Iulianus Apostata Tragoedia
2275
2280
2285
2290
2295
2300
Christ.: Forsan adhuc Iulianus immundo hoc luto Emersus alte vindicabit se sibi, Solvetque vincla et lacrymis culpas luet Si parcam adhuc, perferre se aequa sentiet Supplicia. vitam hanc flere dum vivit, potest. Iul.lax : Ah est mortalium desperatissimus; Nihil illi nisi mors lacrimas excusserit. Chorus: Vindicta iuste iudex, vindicta impio. Christ.: Quid si annum resipiscendi spatium indulgeam? Art. et Merc.: Severe, magne, iuste iudex vindica Cruorem nostrum, vindica nostram necem. Merc.: Nefarius me ille trucidavit impie, Et inter lenta tormenta coëgit mori. Ferrum suo recipiat corpore quod meum In corpus demersit, feratque vulnera Quae fecit, pereat morte qua alios perdidit. Tuum hostem Christe et perduellem perditum Ultrici frange dextera, comprime nefas. Art.: Meum quoque hausit sanguinem immanissima Haec bellua, meum quoque diripuit spiritum. Non una defunctus sum plaga, plurimis Iit et purpureis emissus animus vijs. Sitivit sanguinem, bibat nunc sanguinem Suum ipse, deserat vitam qui plurimis Eripuit vitam, moriatur mundi lues, Vindicta magnis magnă statuatur reis. Desertus ultro pronus ex alto imminet, Prematur, incitetur, impulsus ruat. Chorus: Cruorem nostrum Christe iudex vindica. Luat poenas Apostata, coluber occidat.
2275–2277 immundo hoc luto … lacrymis culpas luet ] Benci Erg. S. 229,4–6 2276 vindicabit se sibi ] Sen. epist. 1,1 2280–2283, 2285–2288, 2290–2292, 2294–2299, 2303–2304 ] Senarii 2286 Nefarius me ille ] Me nefarius ille D1 , metri causa correxi
Actus quintus |
377
Christ.: [2275] Vielleicht wird sich Julian, der jetzt noch tief in diesem dreckigen Unrat versunken ist, noch für sich selbst erretten, die Fesseln lösen und die Schuld mit Tränen abbüßen, vielleicht wird er, wenn ich ihn noch verschone, von allein merken, dass er gerechte Strafen erleiden wird. Solange er lebt, kann er dieses Leben noch unter Tränen bereuen. Jul.lax : [2280] Ach, kein Mensch ist verlorener als er; nichts als der Tod dürfte ihm die Tränen hervorquellen lassen. Chor: Rache, gerechter Richter, Rache an dem Gottlosen! Christ.: Wie wäre es, wenn ich ihm noch ein Jahr Zeit gewähre, um wieder zur Vernunft zu kommen? Art. und Merc.: Strenger, großer und gerechter Richter, räche [2285] unser Blut, räche unseren Tod! Merc.: Gottlos hat mich dieser Schurke niedergemetzelt und unter langsamen Qualen sterben lassen. Dasselbe Schwert, das er in meinen Körper gerammt hat, soll nun in seinen eigenen gestoßen werden. Er soll dieselben Wunden empfangen, [2290] die er mir bereitet hat. Er soll durch denselben Tod zugrunde gehen, mit dem er andere zugrunde gerichtet hat. Deinen Feind, Christus, und deinen grundverdorbenen Gegner vernichte mit deiner rächenden Rechten, beende diesen Gräuel! Art.: Auch mein Blut hat dieses fürchterlichste Ungeheuer vergossen, auch mein Leben hat es geraubt. [2295] Nicht durch einen einzigen Hieb bin ich umgekommen, meine Seele strömte auf unzähligen blutroten Bahnen aus meinem Körper. Er dürstete nach Blut, trinken soll er nun sein eigenes Blut. Aufgeben soll er das Leben, das er unzähligen entrissen hat. Sterben soll die Seuche der Welt, [2300] eine schwere Strafe soll gegen Schwerverbrecher verhängt werden. Verlassen aus eigener Schuld droht ihm der Fall aus der Höhe, man soll ihn bedrängen, ihm zusetzen, angestoßen soll er in den Abgrund stürzen. Chor: Unser Blut, richtender Christus, räche! Seine Strafe soll der Abtrünnige verbüßen, die Schlange soll zugrunde gehen.
378 | Iulianus Apostata Tragoedia
2305
2310
2315
Christ.: Tot testibus convictus Iulianus est. Ius dicam. caussa cadet Apostata Et innocentum sanguis vindicabitur. Sic edico. nec differo sententiam. Occumbat Iulianus, orbis occidat Exitium, praeda fiat infestus draco Tremendis imi tartari draconibus. Ardeat aeternum, sempiternum lugeat. Tu Iuliani fide custos desere Nunc Iulianum, tradĕ stygio principi. Tu Mercuri, tuque Artemi, descendite Et caede vestrum vindicate sanguinem. Hic spiculum. figatur sub praecordijs Apostatae. tollatur, pereat, occidat. Art. et Merc.: Imus; perimimus, ut aeque iudex imperas.
Scena sexta Iulianus, Priscus, Erebophylax, Dositheus 2320
Iul.: Olympum decumus iam Phoebus cursu ambijt Undecima lux effulsit, necdum nuntius In Persidem missus redijt. Prisc.: herclĕ stupeo. Di, quae remeligo, quae echeneis detinet?
Scena VI. Daemon redux, monachi precibus impeditum se narrat quo minus in Persiam penetraret. Es waren schon 10. Tag verloffen/ da erst der Hölbott wider kam/ sagent er hab Persiam nie gesehen/ von wegen daß im ein Münch Publius den Paß mit seinem Gebett verlegt: dem droet Julianus. Bar. AE IV,130B–D (= Vitae Patr. 6,2,12, PL 73,1003) 2306 ] Quinarius 2308, 2310–2312, 2317, 2320–2321 ] Senarii 2323 ] quae echeneis hiatu metiendum
Actus quintus |
379
Christ.: [2305] Durch so viele Zeugen ist Julian überführt. Ich werde Recht sprechen. Der Abtrünnige verliert den Prozess, und das Blut der Unschuldigen wird gerächt. So verkünde ich es. Und ich verschiebe den Urteilsspruch nicht. Zu Fall kommen soll Julian, [2310] der Untergang des Erdkreises soll umkommen, die feindselige Schlange soll den schreckenerregenden Schlangen der tiefsten Hölle zur Beute werden. Brennen soll er in Ewigkeit, für ewig soll er klagen. (Zu Julianophylax) Du, Julians treuer Schutzengel, verlasse nun deinen Julian, übergib ihn dem Fürsten der Hölle. [2315] Du, Mercurius, und du, Artemius, steigt hinab und rächt euer Blut durch seinen Tod. Hier ist der Speer. Er soll in die Brust des Abtrünnigen geheftet werden. Er soll vernichtet, dahingerafft und getötet werden. Art. und Merc.: Wir brechen auf; wir vernichten ihn, wie du, gerechter Richter, es befiehlst.
Sechste Szene Julian, Priscus, Erebophylax, Dositheus Jul.: [2320] Den Olymp hat bereits zum zehnten Mal Phoebus in seinem Lauf durchzogen, zum elften Mal ist die Sonne aufgegangen und der Bote, den ich nach Persien gesandt habe, ist noch immer nicht zurückgekehrt. Prisc.: Beim Hercules, ich muss mich wundern. Ihr Götter, welches Hindernis, welche Verzögerung hält ihn auf?
380 | Iulianus Apostata Tragoedia
2325
2330
2335
2340
2345
Vel Pegaso celeriorem? quis Mulciber Acherusijs ducibus inijciat vincula? Moremur, Imperator, vicinum aestimo. Signum novi; venit. quid hoc? quae te mora Adeo morata est? ideo missus ut alio Egeres qui reduceret te? Ereb.: sine mea Culpa tardavi reditum: volui celerius Reverti; nec potui. Prisc.: quid obstitit? Ereb.: pudet Dicere. Prisc.: fatere; quid interclusit tibĭ viam? Ereb.: Monstrum. Prisc.: a monstro monstrum formidetur aliud? Quodnam illud? Ereb.: horrendum. Prisc.: Quanam forma fuit? Ereb.: Humana. Iul.: pro te timidum! hominem tune metuas? Ereb.: Talem cogor. Prisc.: tun’ expavere homunculum Cogaris? Ereb.: homo est, non vivit ut homo. Prisc.: quomodo Ergo? Ereb.: ut superni spiritus sine corporis Onere. Prisc.: quis hic tandem homo est caelitum aemulus? Ereb.: Quid sic urges? vel nomen invisum est mihi. Prisc.: Quid tergiversaris? nomen prode. Ereb.: monachus. Iul.: Et tu cucullatum Galilaeum expaveris? Ereb.: Tu si apud illum sis, aliter sentias. Iul.: luet Deos Deasque iuro luet impostor hanc Sycophantiam. vitam dabit certissimo Pro technis his. sed fare quodnam nomen est Tenebrioni isti profligatissimo?
2324, 2329–2334, 2339, 2343, 2346–2347 ] Senarii 2335 hominem tune metuas? ] tu tale metuas? D1 , corr. D 2339 ] homo est hiatu metiendum
Actus quintus |
381
Ihn, der sogar schneller als Pegasus ist? Welcher göttliche Schmied [2325] kann den Heerführern des Acheron Fesseln anlegen? Lass uns noch kurz abwarten, mein Kaiser, ich glaube, dass er ganz in der Nähe ist. (Blickt erwartungsvoll in die Ferne; Erebophylax betritt die Bühne) Ich kenne dieses Banner; er kommt. Was soll das? Welche Verzögerung hat dich so lange aufgehalten? Hat man dich deshalb ausgesandt, weil du allein nicht mehr den Weg zurück findest? Ereb.: Ich bin nicht [2330] schuld an meiner verspäteten Rückkehr: Ich wollte ja schneller zurückkommen, war aber nicht in der Lage dazu. Prisc.: Was hat dich daran gehindert? Ereb.: Ich schäme mich, es zu sagen. Prisc.: Raus damit; was hat dir den Weg abgeschnitten? Ereb.: Ein Ungeheuer. Prisc.: Kann ein Ungeheuer ein Ungeheuer in Furcht versetzen? Was war das denn für eines? Ereb.: Eines, das einem den Schrecken in die Glieder fahren lässt. Prisc.: Wie sah es aus? Ereb.: [2335] Wie ein Mensch. Jul.: Ach komm, du Angsthase! Vor einem Menschen willst du dich fürchten? Ereb.: Man hat keine andere Wahl, als sich vor einem solchen zu fürchten. Prisc.: Du hattest keine andere Wahl, als vor einem kleinen Menschenkind zu erzittern? Ereb.: Ein Mensch ist er zwar, lebt aber nicht wie ein Mensch. Prisc.: Wie denn dann? Ereb.: Als besäße er einen Geist, der in der Höhe schwebt, ohne von der Last seines Leibes beschwert zu werden. Prisc.: Wer in aller Welt ist dieser Kerl, der die Himmlischen herausfordert? Ereb.: [2340] Was nötigst du mich, das zu sagen? Vor allem sein Name ist mir zuwider. Prisc.: Was windest du dich? Sag mir den Namen. Ereb.: Es war ein Mönch. Jul.: (spotthaft lachend) Und du bist von einem galiläischen Kapuzenkopf in Schrecken versetzt worden? Ereb.: Wenn du vor ihm stündest, würdest du anders denken. Jul.: (mit Blick in die Ferne) Er wird dafür büßen, ich schwöre es bei den Göttern und Göttinnen, dieser Betrüger wird für diese [2345] Gaunerei büßen. Er wird ohne den geringsten Zweifel sein Leben für diese durchtriebenen Streiche lassen. (Erneut zu Erebophylax) Aber verrate mir, wie heißt dieser liederlichste Gauner?
382 | Iulianus Apostata Tragoedia
2350
2355
2360
2365
2370
Ereb.: Publius apud suos audit. Prisc.: qua machina Vero te tamdiu moratus est? Ereb.: precum Heu intolerabili prolixitudine, Dies denos noctesque denas integras Precatus est. ego finem expectans precum Ultra nec vel passum valebam progredi. Sed haerescebam pernox atque perdius Immobilis. Iul.: Di te nebulo vaferrime Male perduint. ego te cucullatĕ flagrio: Sed perge quid renuntias ex Perside? Ereb.: In Persidem nunquam veni. dixi modo, transire non potui. Prisc.: ergo re infecta redis? Ereb.: Infecta. factam maluissem. sed precum Finis nullus fuit; nec somnus nec cibus Precantem potuit a precibus avellere. Iul.: Hoc monachus impune faciat? ultor, me hercle, ero Aut Imperator non ero; hunc mastigiam Non antra non iuga alta montium tegent, Ferarum lustra excutiam et latibula omnia. Praestigiator comprehensus in crucem Trahetur unco. Cum Caesare non luditur. Prisc.: Redi dum te vocem. Iul.: Prisce, in castra sequere. Dosith.: Vos ite; non sequor.
2348–2354, 2358, 2360–2362, 2366, 2368–2370 ] Senarii 2350 ] Heu intolerabili hiatu metiendum 2364–2368 hunc mastigiam … trahetur unco ] del. d
Actus quintus |
383
Ereb.: Bei Seinesgleichen hört er auf den Namen Publius. Prisc.: Aber mit welcher Masche hat er dich so lange aufgehalten? Ereb.: Ach, durch eine [2350] unerträglich lange Abfolge an Gebeten, zehn ganze Tage und Nächte hindurch hat er gebetet. Ich wartete auf das Ende seines Gebets und vermochte dabei nicht, mich auch nur einen Schritt von dort zu entfernen, sondern ich verharrte Tag und Nacht [2355] ohne mich bewegen zu können. Jul.: (wiederum in die Ferne blickend) Die Götter sollen dich, du verschlagenster aller Taugenichtse, übel zugrunde richten. Ich werde dich, du kapuzentragendes Geißelopfer … (Wieder Erebophylax zugewandt) Aber fahre fort mit dem, was du aus Persien berichten kannst? Ereb.: Ich bin überhaupt nicht nach Persien gelangt. Ich habe es doch gerade gesagt, ich konnte nicht an ihm vorbei. Prisc.: Du kehrst also unverrichteter Dinge zurück? Ereb.: [2360] Ja, so ist es. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn ich etwas verrichtet hätte. Aber seine Gebete fanden kein Ende; weder Schlaf noch Hunger konnten den Betenden seinen Gebeten entreißen. Jul.: Darf ein Mönch dies ungestraft tun? Rächen, beim Hercules, werde ich mich an ihm, oder ich werde nicht mehr länger Kaiser sein. Diesen Schuft [2365] werden weder Höhlen noch hohe Gebirgskämme verbergen können, ich werde alle von wilden Tieren bewohnten Nester und Schlupfwinkel aufscheuchen und durchforsten. Wenn der Betrüger gefasst ist, wird er mit einem Haken zum Kreuz geschleift. Einen Kaiser hält man nicht zum Narren. Prisc.: (zu Erebophylax) Kehre nach Hause zurück, bis ich dich wieder rufe. (Erebophylax ab) Jul.: Priscus, folge mir ins Feldlager. Dosith.: [2370] Geht ihr; (alle ab außer Dositheus) ich folge nicht, …
384 | Iulianus Apostata Tragoedia
Scena septima Dositheus
2375
2380
2385
2390
Si sic se res habet; Vale Caesar, vale aula, saeculum vale. Tandem prorumpo diu conclusum pectore. Sacer homo tantum imperij habeat in daemones? A monacho vinciantur tartari duces? Miselli nos qui ludibria cacodaemonum Sumus: nos tumidos, ipsi quasi pilas habent. At illi qui videntur postremissimi Stygios duces coërcent, vincunt, edomant. Pro hactenus quam servitutem servij? Tandem libertas oculis se pandit meis. Abi voluptas; gloriae cupidines Abite, mundi disperite gaudia. Valete delicatae vestes corporis, Valete torques, annuli, imo compedes, Valete gemmae, mensa genialis vale. Herbis vivam, saccum induam; hinc ad Publium Me conferam rectissima. amicos, sanguine Iunctos aeternum iubeo valere, res sibi Suas habeant. haec ego pauperibus obvijs Elargiar. cedat caro; sic pie iuvat Esse impium in sua et seipsum. perdere Haec malo quam perire. lusus ego sim daemonum?
Scena VII. Aulicorum unus intellect hac irrita daemonis legatione aulae valedicit. Da solches Dositheus ein edler Knab beym Kayser höret/ verlaßt er die Welt unn das Hofleben/ wirfft alle Kleinod von sich/ und begibt sich in deß Publii leben. 2381–2385 Abi voluptas … mensa genialis vale ] Bid. Cen. V,8,2208–2211 2391–2392 Haec malo quam perire ] Bid. Cen. V,8,2217–2218 und 2234 2371–2372, 2374–2378, 2380, 2383, 2386, 2388–2389 ] Senarii 2379 ] Pro hactenus hiatu metiendum 2392 lusus ego sim daemonum? ] sim ego lusus D1 , metri causa correxi, Septenarius
Actus quintus | 385
Siebte Szene Dositheus …wenn sich die Sache so verhält. Lebe wohl Kaiser, lebe wohl Kaiserhof, alles Irdische lebe wohl. Endlich lasse ich das hervorbrechen, was lange in meinem Herzen eingeschlossen war. Kann ein heiliger Mann so viel Macht über Dämonen besitzen? Können die Heerführer der Hölle von einem Mönch gefesselt werden? [2375] Wir Elenden, die wir von bösen Dämonen zum Narren gehalten werden: Sie sehen uns, aufgeblasen wie wir sind, als ihre Spielbälle an. Jene aber, die als die Elendsten der Elendsten erscheinen, bändigen, besiegen und bezwingen die stygischen Heerführer. Ach, in welch einer Knechtschaft habe ich bis zum heutigen Tag gelebt? [2380] Endlich entfaltet sich die Freiheit vor meinen Augen. Weg mit dem Vergnügen; weg mit der Gier nach Ruhm; vergeht, ihr Freuden der Welt. (Legt nach und nach Kleider und Schmuck ab) Lebt wohl, ihr feinen Kleider für den Leib, lebt wohl, ihr Halsketten und Ringe, als Fesseln sollte man euch besser bezeichnen, [2385] lebt wohl, ihr Edelsteine, du festliche Tafel, lebe wohl. Ich werde mich von Kräutern ernähren und mir einen Sack anziehen; ich werde mich von hier auf direktestem Wege zu Publius begeben. Meinen Freunden und Blutsverwandten sage ich auf ewig Lebewohl. Sie sollen ihre Sachen für sich behalten. Dies hier (deutet auf seine mittlerweile ablegten Kleider und Schmuck) werde ich den Armen schenken, die mir begegnen werden. [2390] Das Fleischliche weiche; jemand, der ein frommes Leben führt, erfreut sich daran, sich gegenüber seinem Hab und Gut und gegenüber sich selbst unfromm zu verhalten. Ich will diese Dinge lieber verlieren, als mit ihnen verloren sein. Ich soll ein Spielzeug der Dämonen sein?
386 | Iulianus Apostata Tragoedia
2395
2400
Non sic. fui. non ero. posthac victoriam Cum Publio, de tartari spero ducibus. At quid referre se pedes retro volunt? Quid terga vertis anime? quid coepto ruis? Quid fluctuaris? nulla iam melior via est. Non, non eo quo mollis affectus rapit. Quid sic recedis? sequere quo Christus vocat. I, curre atque vel invitus in vitam rue. Te, te cruento stipiti affixum crucis Quem propter istas subeo fortunae vices Te Christe voco, tu pectus infirmum tua Rege gratia, animos adde, victorem effice.
Scena octava Iulianophylax, Iulianus, Daemones omnes 2405
2410
Iul.lax : Desero; pridem desertus. aeternum peri, Aeternum lamentare perfidissime. Iul.: O summe Iupiter o metuenda Numina, hoc omen fortunate quod oculis meis Sese obijcit. Mavors pater ostentum mihi Visum secunda, Persidem mihĭ subijce. Accingor ad pugnam. fave Victoria.
Scena VIII. Tutelaris custos Iulianum deserit, illumque daemonibus emancipat. Der Schutzengel verlaßt Julianum/ an dem keine Gwissenstich bißher etwas mögen außrichten: verkündet im auch Namenlich den Todt;/ so er bald außstehen werd. Rufft die Höllischen Geister herfür/ und ubergibt ihnen Julianum in alle Ewigkeit. 2396 Quid terga vertis anime? ] Sen. Ag. 228 2397 Quid … via est ] Sen. Ag. 109 2393, 2400, 2405–2406, 2408 ] Senarii
Actus quintus |
387
Nein. Ich war es, werde es aber nicht mehr sein. Von nun an trage ich die Hoffnung in mir, gemeinsam mit Publius den Sieg über die Heerführer der Hölle davonzutragen. [2395] Aber warum wollen meine Füße kehrtmachen? Warum wendest du dich ab, mein Herz? Warum willst du dich von diesem Vorhaben entfernen? Was schwankst du? Es gibt keinen besseren Weg mehr als diesen. Nein, ich gehe nicht dorthin, wohin einen die vergnügliche Leidenschaft reißt. Was weichst du auf diese Weise zurück? Folge dorthin, wohin Christus dich ruft. [2400] Geh, eile und stürze dich, wenn auch sträubend, ins wahre Leben. Dich, ja dich, der du an den blutigen Kreuzesstamm geschlagen wurdest und dessentwegen ich diese Schicksalswendung auf mich nehme, dich, Christus, rufe ich an: Lenke du mein schwaches Herz mit deiner Gnade, schenke ihm Mut und lass es triumphieren.
Achte Szene Julianophylax, Julian, alle Dämonen Jul.lax : [2405] Ich, von dir schon längst verlassen, verlasse nun auch dich. Auf ewig geh zugrunde, auf ewig sollst du klagen, du treuloser Verräter. Jul.: Oh höchster Jupiter, oh furchtgebietende Götter, lasst dieses Vorzeichen, das sich meinen Augen zeigte, mir Glück verheißen. Vater Mars, begünstige dieses Wunderzeichen, [2410] das ich gesehen haben, unterwerfe mir das Perserreich. Ich rüste mich zur Schlacht. Sei mir gewogen, Victoria.
388 | Iulianus Apostata Tragoedia
2415
2420
2425
2430
2435
2440
2445
Iul.lax : Victoriam scelus anheles? Artemij Et Mercuri, quos obtruncasti immaniter In pugna telum senties, undam vomes Sanguinis et impurum animum sic tandem evomes. Perire voluisti. peribis perfide. Moneri noluisti, non moneberis Nunc amplius. recedo, abeo, te desero. Volate tela libere, non iam manum Amplius apponam; iam cliens est daemonum Meus esse Iulianus desijt. nihil Opis illi post hoc fero, contemtori Dei Et perduelli longe perfidissimo. Sat hactenus, sat defendi istam belluam Nec hactenus profeci quidque in bellua, Nunc iure deseri volentem desero. Verum quidem agnosces Deum at tuo malo, Qui te trecentis semper ornavit bonis, Quem tu trecentis semper onerasti malis. Totum referri debuit acceptum Deo Quod a Deo profectum erat, tu nequiter Abusus es donis missis divinitus; Ingenio, doctrina, gazis, potentia Pro in contemtum, in irrisum, in ludibrium Numinis es usus, atque per summum scelus Deum ipsum ludificare non reveritus es. Iam sempiternum ludificabere Ab illis, quos tot sacris coluisti Deos. Iam sempiternum ab illis concremabere Quibus tot taurorum greges cremaveras. Agnosce tandem, agnosce Deum malo tuo Et ut fuisti semper adversus Deo, Adversus ille sic erit semper tibi. Iam tempus est, exue nefastum spiritum. Adeste vos Acherontis saevi principes, Adeste, obtemperate dicto iudicis. 2412–2415, 2417, 2420, 2422–2425, 2432–2434, 2436, 2438–2440, 2446 ] Senarii 2424–2426 ] del. d 2434 ] Pro in hiatu metiendum 2437 ] Quinarius
Actus quintus |
389
Jul.lax : Du Schuft schnaubst etwas vom Sieg daher? In der Schlacht wirst du das Geschoss des Artemius und Mercurius, die du brutal ermordet hast, in dir spüren, du wirst einen Schwall [2415] von Blut ausspeien und somit endlich deine verdorbene Seele auskotzen. Du wolltest zugrunde gehen, zugrunde gehen wirst du, Verräter. Ermahnen lassen wolltest du dich nicht, nun wird man dich nicht weiter ermahnen. Ich ziehe mich von dir zurück, ich weiche von dir, ich verlasse dich. Ihr Geschosse, fliegt nun ungehindert dahin, ich werde nicht [2420] länger meine Hand über ihn halten; jetzt ist er der Schützling der Dämonen, mein ist Julian nicht mehr länger. Ich bringe ihm, dem Verächter und bei weitem hinterhältigsten Widersacher Gottes, fortan keine Hilfe mehr. Lange genug habe ich bis heute, ja lange genug habe ich dieses Ungeheuer verteidigt, [2425] bis heute habe ich aber nichts bei diesem Scheusal erreicht. Nun verlasse ich mit Recht denjenigen, der verlassen werden möchte. Aber zweifelsohne wirst du an deinem Unheil den wahren Gott erkennen, der dich stets beschenkt hat mit zahllosen Gaben, den du aber stets überhäuft hast mit zahllosen Übeln. [2430] Alles, was man von Gott empfangen hat, muss man Gott auch zurückgeben, da es von Gott seinen Ausgang nahm; du aber hast die von Gott gesandten Güter fahrlässig missbraucht. Deine Veranlagung, Bildung, Reichtümer und Macht hast du dafür missbraucht, oh weh, um Gott zu verachten, zu verlachen und zu verhöhnen. [2435] Du hast auch nicht davor zurückgeschreckt, Gott selbst durch das schlimmste Verbrechen überhaupt zum Narren zu halten. Bald schon wirst du auf ewig von denjenigen zum Narren gehalten, die du in so vielen Opferhandlungen als Götter verehrt hast. Bald schon wirst du auf ewig von denjenigen verbrannt, [2440] für die du so viele Stierherden verbrannt hast. Erkenne endlich, erkenne an deinem Unheil Gott und so, wie du dich gegenüber Gott immerfort gezeigt hast, so wird er sich dir gegenüber immerfort zeigen. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, gib deinen verbrecherischen Geist auf. [2445] Kommt herbei, ihr furchterregenden Fürsten der Hölle, kommt herbei, gehorcht dem Wort des Richters. (Dämonen treten auf.)
390 | Iulianus Apostata Tragoedia
2450
2455
Omnes daemones: Iube, adsumus. Iul.lax : Supremus iudex sic iubet. Mancipium vestrum Iulianus Apostata A geminis caelitibus iam iam obtruncabitur In proelio. vos irruite, nec parcite Rapite impium, premite impium aeternis malis. Ad lubitum vobis, spreto Christo, servijt Ad lubitum vos ipsum, torquete, perurite. Properate; vester Iulianus est. Daemones: habet; Peractum est; fulminatus est; io victoria.
Scena nona Christiani duodecim, nuntius, Ecebolius
2460
Omnes Christiani: Miserere Christe, parce Christe, extinguimur. Mach.: Fulminum iactus vibrat Imperator, Detonat caedes metuendus ore Et ruit toto rapidus tumultu: Christe tuere.
Scena IX. Morte Iuliani nunciata Christiani triumphant. Die Christen weil die Verfolgung bald anheben wurd/ klagen und weinen wider einmal/ unverhofft kompt die Post/ Julianus sey Todt. Auff was weiß: Ein Pfeil ist ihm in die Seiten geflogen als er der erst in der Schlacht war: er hebt an zusincken/ faßt ein Hand vol Blut/ geußts uber sich in den Lufft mit disen Worten: Galileer du hasts gewunnen/ nun trinck das Blut/ umb daß dich gedürstet. Frewd uber frewd entstehet bey den Christen ab diser Botschafft. Ecebolius der Philosophus bekert sich nach deß Iuliani verstandnem Todt/ falt den Christen zu Füß/ trägt Leyd/ und begert Buß zuthun. Bar. AE IV,134C–142D (= Amm. 25,2,8–3,9 und 3,15–23; Greg. Naz. or. 4,1, 5,13, 5,31–33; Nic. 10,34– 36; Sokr. hist. eccl. 3,21; Soz. hist. eccl. 6,1,13–6,2,6; Theod. hist. eccl. 3,25 und 28) [Ps.Aur. Vict. epit. 43; Greg. Naz. or. 4,91 und 110; Zos. hist. 3,29] 2454–2455 habet. ∣ peractum est ] Sen. Ag. 901, Herc. O. 1457 2448–2449, 2452–2453, 2455 ] Senarii 2455 ] io extra metrum 2456–2470 ] Trimetrum Iambicum sequitur Stropha Sapphica 2457, 2462, 2467 ] personae indicationem Macharii add. d
Actus quintus |
391
Alle Dämonen: Deine Befehle, wir sind bereit. Jul.lax : Der höchste Richter ordnet Folgendes an: Jeden Augenblick wird euer Schützling, Julian Apostata, von zwei Himmelsbewohnern [2450] in der Schlacht niedergemetzelt. Ihr sollt auf ihn losstürzen, schont ihn nicht, schleppt den Gottlosen hinfort, setzt dem Gottlosen mit ewiger Pein zu! Nach Belieben hat er euch gedient und Christus verachtet, nach Belieben sollt ihr ihn quälen und verbrennen. Eile ist geboten. Julian gehört euch. (Julianophylax ab) Dämonen: Ihn hat’s erwischt; [2455] es ist vollbracht; er ist niedergeschmettert. Juchhe, wir haben gesiegt!
Neunte Szene Zwölf Christen, Bote, Ecebolius Alle Christen: Erbarme dich, Christus, verschone uns, Christus, wir werden vernichtet. (Jeweils gesungen) Mach.: Mit zuckenden Blitzen schleudert der Kaiser um sich, niederdonnern lässt er Mord und Totschlag mit seinem furchterregenden Mund und wütet ungebremst im vollkommenen Chaos: [2460] Christus, schütze uns.
392 | Iulianus Apostata Tragoedia
2465
Omnes Christiani: Miserere Christe, parce Christe, extinguimur. Mach.: Sanguinis torrens madidabit orbem Aequor amittet veterem colorem Purpuratum Christiadum cruore: Christe tuere.
2470
Omnes Christiani: Miserere Christe, parce Christe, extinguimur. Mach.: Subleva pressos, recrea dolentes Distine sicam iugulum petentem Distine saevi rabiem tyranni: Christe tuere.
2475
2480
2485
Bibere nostrum tumuli et arae sanguinem Bibentque nostrum tumuli et arae sanguinem. Tuis ni Christe subvenias cultoribus. Nuntius: Spirate Christiani: Iulianus est Occisus, ille ille terror orbis maximus. Spirate Christiani et luctum solvite. Mach.: An certa sunt quae nuntias? Nuntius: certissima. Mach.: Quo genere poenae spiritum impurum exuit Foedus mirmyllo? Nuntius: ut decuit funestissimo. Postquam phalanges dissitae et iussae vices Placuere pugnae, classico postquam tubae Monuere belli, Iulianus agminis Ad frontem provectus, capiendi vulneris Securus, hasta missili exorsum dedit Omenque pugnae, fulmen intortum ducis Nimbus secutus ferreus solem eripit.
2474–2475 Spirate Christiani … terror orbis maximus ] Muretus Julius Caesar 438–439 2478–2479 Quo genere … mirmyllo ] Bern. Stef. Crispus III,412–413 2480–2481 Postquam phalanges … placuere pugnae ] Bern. Stef. Crispus I,586–587 2481–2482 classico postquam tubae monuere belli ] Bern. Stef. Crispus I,564–565 2484–2493 hasta missili … caede ardescit fera ] Bern. Stef. Crispus I,595–604 2473–2474, 2476, 2483 ] Senarii
Actus quintus |
393
Alle Christen: Erbarme dich, Christus, verschone uns, Christus, wir werden vernichtet. Mach.: Ein Sturzbach aus Blut wird den Erdkreis benetzen, das Meer wird seine einstige Farbe verlieren, purpurgefärbt vom Blut der Christen: [2465] Christus, schütze uns. Alle Christen: Erbarme dich, Christus, verschone uns, Christus, wir werden vernichtet. Mach.: Richte uns Unterdrückte auf, gib uns in unserem Leiden neuen Mut, halte den Dolch von uns, der auf unsere Kehlen gerichtet ist, halte das Wüten des grausamen Tyrannen von uns fern: [2470] Christus, schütze uns. Getrunken haben Gräber und Altäre unser Blut und trinken werden Gräber und Altäre auch künftig unser Blut, wenn du, Christus, deinen Gläubigen nicht zu Hilfe kommst. (Ein Bote kommt völlig außer Atem angerannt) Bote: Atmet auf, ihr Christen: Julian ist … (ringt nach Luft) [2475] … tot, dieser … dieser gewaltigste Schrecken des Erdkreises. Ihr Christen, atmet auf und lasst die Trübsal verfliegen! Mach.: Ist das, was du da berichtest, auch sicher? Bote: So sicher wie das Amen in der Kirche. Mach.: Durch welche Strafe hat dieser schändliche Murmillo seinen verdorbenen Geist ausgehaucht? Bote: Wie es sich für einen gehörte, der unsagbares Leid verursacht hat: [2480] Nachdem die Schlachtreihen verteilt und die Befehle vergeben waren und die Schlacht damit beginnen konnte und nachdem die Trompeten durch ihr Signal das Kommando zum Kampf gegeben hatten, rückte Julian an die Frontlinie vor, ohne Rücksicht, verwundet zu werden, und sorgte durch einen Speerwurf für den Beginn der Schlacht und zugleich [2485] für ein gutes Vorzeichen für dieselbe. Dem Blitzstrahl, den der Feldherr geschleudert hat, folgt eine eiserne Wolke und verdunkelt die Sonne.
394 | Iulianus Apostata Tragoedia
2490
2495
2500
2505
2510
Sub nube surgit pugna telorum aspera, Exoritur ingens clamor et caelum ferit. Fit gradus et omne sternitur telis solum, Virum vir urget, instat et ferro premit. Impulsa scutis scuta dant sonitum et gravi Galeae gemunt flictu. undique effusus cruor Excurrit, ardorcaede ardescit fera, Haec inter Iulianus hastam pectore Perfosso recipit. Mach.: dirigente Numine Quis factum addubitet? divorum et certa manu? Nuntius: Sic hasta per auras vulnus haud dubium tulit Per et coruscis asperam gemmis, per et Auro trilicem missa loricam bibit Altum cruorem vita qua thalamum suum Animae recentis folle vitali fovet. Exclamat acies illius: Persicae fremunt Plausu cohortes: consonat late locus. Fugiente vita Caesar infelix equo Labitur, et sanguine cavam implet manum, et iacit In auras, impieque haec verba proruit: Galilaee vicisti; saturare sanguine Năzarene; istis Deum lacessens vocibus Undam cruoris et animam evomuit simul. Mach.: Sic, sic o Numen hostes sternuntur tui. Luc.: Sic, sic o Numen amici servantur tui. Higin.: Sic, sic tyranni debitas poenas luunt. Sic nunquam sicca finiunt vitam nece. Seren.: Sic, sic auctorem consilia improba feriunt.
2497–2503 vulnus haud dubium … consonat late locus ] Bern. Stef. Crispus I,678–684 2512–2513 Sic, sic … vitam nece ] Muretus Julius Caesar 474–475 2490–2493 ] del. d 2493 ] caede ardescit hiatu metiendum; caede crudescit Bern. Stef. Crispus 2496, 2502, 2505–2506, 2508, 2510–2511, 2513–2514 ] Senarii 2502 acies illius ] acies hostium D1 , correxi, cf. Comm. ad locum
Actus quintus |
395
Unter dieser Wolkendecke bricht ein unbändiger Kampf mit Fernwaffen los, gewaltiges Gebrüll erhebt sich und schlägt gegen den Himmel. Man rückt voran und der ganze Erdboden wird mit Speeren übersät; [2490] Soldat bedrängt Soldat, setzt ihm zu und geht mit dem Schwert auf ihn los. Schilde, die auf Schilde krachen, dröhnen, und die Helme ächzen bei ihrem heftigen Zusammenstoß. Von überall quillt Blut in Strömen hervor, man berauscht und begeistert sich am zügellosen Morden und mitten darin trifft ein Speer Julian und [2495] durchbohrt seine Brust. Mach.: Dass dies durch die lenkende Hand Gottes geschah, wer könnte daran nur zweifeln? Wer nur daran, dass es durch die treffsichere Hand der Heiligen geschah? Bote: So brachte ihm der durch die Luft geschleuderte Speer eine tödliche Wunde bei, durchbohrte seinen mit schillernden Edelsteinen besetzten und mit dreifachem Goldfaden durchwirkten Panzer und trank [2500] vom tiefgelegenen Blut, dort, wo das Leben das Heim seines immer jungen Atems mit Leben spendendem Blasebalg hegt. Seine eigene Schlachtreihe schreit entsetzt auf: Die persischen Kohorten lärmen im Beifall: Weit hallt der Kampfplatz wider. Als das Leben gerade im Begriff ist ihn zu verlassen, [2505] gleitet der elende Kaiser vom Pferd, füllt die gewölbte Hand mit seinem Blut, wirft es in die Luft und lässt gottlos folgende Worte hervorbrechen: „Galiläer, du hast gesiegt; sättige dich an meinem Blut, Nazarener.“ Mit solchen Worten erregte er den Zorn Gottes und spie zugleich eine Woge an Blut und sein Leben aus. Mach.: [2510] So und nicht anders, oh unser Gott, werden deine Feinde niedergestreckt. Luc.: So und nicht anders, oh unser Gott, werden deine Freunde errettet. Higin.: So und nicht anders, verbüßen Tyrannen ihre verdienten Strafen. So beenden sie ihr Leben niemals mit einem unblutigen Tod. Seren.: So und nicht anders, holen frevelhafte Beschlüsse ihren eigenen Urheber ein.
396 | Iulianus Apostata Tragoedia
2515
2520
2525
2530
2535
2540
Euseb.: Cecidit Dei hostis. Alban.: innocentum carnifex. Phil.: Legum ruina. Pig.: Publici iuris lues Cuius saevitiam nuper et libidines Agnovit orbis totus et perpessus est: In orbe merito quem oppresserat oppressus est. Quir.: Anima probris plena omnibus spoliatus est. Eleu.: Mars armis, Iupiter est exutus fulmine Telis Diana. Eutrop.: extorta clava est Herculi. Desid.: Sua Mercurio subtracta sunt talaria. Mach.: Isis matrix eget, est transfuga Victoria. Seren.: Ignes Vulcani frigent. Luc.: fracta est Numinum Detestandorum vanissima potentia. Higin.: Ubi tua o Maxime o stolide vaticinia? Omnes: Vicit Deus, vicit Christus; laus Numini, Laus Christo. Euseb.: ubi victimae nunc, ubi sacrificia? Mach.: Iacet tandem iacet prostratus proditor Patriae, părricida Christiani exercitus. Seren.: Iacet draco ille minacijs plenissimus. Higin.: Iacet ille Assyrius et truculentus Apostata. Eutrop.: Iacet discipulus atque assessor daemonum. Desid.: Iacet Acherontis Iulianus pabulum. Luc.: Iacet ille Busyris, Phalaris tandem iacet. Pig.: Sic Iulianus victor e Perside redit. Alban.: Tandem lanistae cessit immanis furor, Tandem resedit, dexteram tandem dedit. Phil.: Totius orbis est extinctum incendium.
2515–2519 Cecidit Dei hostis … oppressus est ] Muretus Julius Caesar 440–444 2520 Anima … spoliatus est ] Muretus Julius Caesar 456 2538–2539 Tandem lanistae … tandem dedit ] Bern. Stef. Crispus III,408–409 2517, 2519, 2521, 2524–2526, 2528, 2530, 2533–2534, 2540 ] Senarii 2521–2527, 2532–2537 ] del. d 2527 o Maxime o stolide ] o bis extra metrum 2536 Iacet ille Busyris ] ille metri causa supplevi
Actus quintus |
397
Euseb.: [2515] Gefallen ist Gottes Widersacher. Alban.: Der Unschuldigen Henker. Phil.: Der Gesetze Untergang. Pig.: Das Verderben des öffentlichen Rechts, dessen Grausamkeit und Willkür der ganze Erdkreis bis gerade eben noch miterlebte und durchlitt: Er selbst wurde in dem Reich, das er niedergeworfen hatte, niedergeworfen, wie er es verdiente. Quir.: [2520] Er wurde seines Lebens, das voll von allen Schandtaten war, beraubt. Eleu.: Mars wurde seiner Waffen, Jupiter seines Blitzes, Diana ihrer Geschosse entledigt. Eutrop.: Hercules wurde die Keule aus der Hand geschlagen. Desid.: Merkur wurden die Flügelschuhe ausgezogen. Mach.: Mutter Isis leidet Not, Victoria ist eine Überläuferin. Seren.: [2525] Die Feuer Vulcans sind erkaltet. Luc.: Gebrochen ist die eitelste Macht dieser verachtungswürdigen Götzen. Higin.: Oh Maximus, oh du Dummkopf, wo sind deine Prophezeiungen? Alle: Gott hat gesiegt, Christus hat gesiegt; Lob sei Gott, Lob sei Christus! Euseb.: Wo sind nun deine Opfertiere, wo deine Opferfeiern? Mach.: [2530] Darnieder liegt nun endlich, ja niedergestreckt liegt der Verräter des Vaterlandes, der Mörder des christlichen Heeres. Seren.: Darnieder liegt die von Drohungen zum Bersten aufgedunsene Schlange. Higin.: Darnieder liegt dieser Assyrer und dieser grausame Apostata. Eutrop.: Darnieder liegt der Schüler und Handlanger der Dämonen. Desid.: [2535] Darnieder liegt der Teufelsbraten Julian. Luc.: Darnieder liegt dieser Busyris, dieser Phalaris, darnieder liegt er endlich. Pig.: So also kehrt Julian siegreich aus dem Perserreich zurück. Alban.: Endlich ist der unfassbare Wahn dieses Schlächters verschwunden, endlich gibt er Ruhe, endlich lässt er uns in Frieden. Phil.: [2540] Der Brand des gesamten Erdkreises ist gelöscht.
398 | Iulianus Apostata Tragoedia
2545
2550
2555
2560
2565
Mach.: Gaudete Christiani, in uno corpore Sexcenta nobis monstra debellata sunt. Cecidit, cecidit tyrannus immanissimus; Cecidit suoque caeteros casu monet Virtute demta ne quid aeternum putent. Omnes: Vicit Deus, vicit Christus; laus Numini, Laus Christo. Mach.: fugiat luctus, cessent lacrymae, Procul hinc maeror, ferales hinc togae procul Cantemus aequam Numinis victoriam. Prostratus est, occisus est Nunc Iulianus, caelitum Contemtor, hostis Numinis Tyrannus impijssimus. Pertinax quisquis sibi credit uni Caeteros spernens melius monentes Ille si coeptis pereat sub ipsis Iure peribit. Prostratus est, calcatus est Calcans Apostatae furor Ut norit orbis ultimus Deum bonorum vindicem. Saepe securos inimica lusus Horrido turbat Nemesis flagello: Summa ploratu gemituque tristi Gaudia vertit.
2541–2542 in uno … debellata sunt ] Muretus Julius Caesar 462–463 2544–2545 Cecidit … ne quid aeternum putent ] Muretus Julius Caesar 472–473 2554–2557 Pertinax quisquis … iure peribit ] Muretus Julius Caesar 434–437 2560–2561 Ut norit … bonorum vindicem ] Buchan. Ps 59,55–56 2562–2565 Saepe securos … gaudia vertit ] Muretus Julius Caesar 322–325 2546, 2548 ] Senarii 2547–2573 ] del. d 2550–2573 ] Dimetros Iambicos sequitur Stropha Sapphica
Actus quintus |
399
Mach.: Freut euch, ihr Christen, in einem einzigen Leib sind für uns unzählige Ungeheuer niedergerungen worden. Der fürchterlichste Tyrann ist gefallen, ja gefallen ist er. Er ist gefallen und durch seinen Fall mahnt er die Übrigen, nichts für ewig zu halten, [2545] wenn die Tugend darin keinen Platz hat. Alle: Gott hat gesiegt, Christus hat gesiegt; Lob sei Gott, Lob sei Christus! Mach.: Die Trauer vergehe, die Tränen sollen trocknen, fern von hier soll der Kummer sein, fern von hier soll das Trauerkleid sein, lasst uns den gerechten Sieg Gottes besingen: (Gesungen) [2550] Niedergestreckt und getötet ist
nun Julian, der Himmlischen Verächter, der Feind Gottes, der gottloseste Tyrann. Jeder, der voller Verbissenheit einzig nur sich selbst vertraut [2555] und die Übrigen verachtet, die zu Besserem mahnen, wird, wenn er in eben diesen Vorhaben untergeht, zurecht zugrunde gehen. Niedergestreckt und niedergetreten ist der niederdrückende Wahn des Apostata, [2560] sodass die Welt bis zu ihren Grenzen weiß, dass Gott der Rächer der Rechtschaffenen ist. Oftmals bringt sorglose Spielereien die feindselige Nemesis mit schrecklicher Geißel auf die falsche Bahn: sie tauscht durch traurige Klage und Seufzen [2565] die höchsten Freuden aus.
400 | Iulianus Apostata Tragoedia
2570
2575
2580
2585
2590
Vicit Deus qui robore Nos fulcit, auget viribus, Benignitate sublevat Ut arx tuetur aenea. Sceptra confregit rutilans, tyranni, Dextra quae tristes relevant ruinas Dextra quae summos iugulat tremendo Fulmine montes. Eceb.: O quae dolori verba sufficant meo? Dehisce terra meque miserandum abripe. Quod flumen aut quis oceanus tot crimina Et tot mearum labes sordium abluat? Ad vestros Christiani provolvor pedes. Calcate, conculcate terrae foedum onus. Mach.: Ne diffidas; suus est adhuc veniae locus. Eceb.: Ah! visu caeli et lucis indignus frui. Perire non recuso qui me perdidi: Calca sceleratum, calca commeritum mori. Mach.: Deo confide. Eceb.: contempsi Deum. Mach.: Deus Contemtus etiam novit parcere. Eceb.: nimio Noxarum succumbo depressus pondere. Mach.: Est qui levare possit et onus demere. Consurge et animum recipe. Eceb.: ah! indignus sum ego Qui vel iaceam ante vos. nec mihĭ licet oculos Tam scelerosos ad astra tollere. nam supra est Supra est cuius lacessivi iracundiam.
2566–2569 qui robore … aenea ] Buchan. Ps 59,69–72 2574–2575 O quae … miserandum abripe ] Muretus Julius Caesar 483–484 2575 Dehisce terra … abripe ] Sen. Oed. 868–870; Phaedr. 1238–1239; Tro. 519–521 2576 Quod flumen … tot crimina ] Sen. Herc. f. 1323–1326 2581–2583 visu caeli et lucis … calca commeritum mori ] Benci Erg. S. 256,13–17 2569 arx tuetur aenea ] Tuetur ut arx D1 , metri causa corr. D, cf. Comm. ad locum 2577–2578, 2580–2581, 2583–2586, 2589–2591 ] Senarii 2588 ] ah! extra metrum recipe … indignus hiatu metiendum
Actus quintus |
401
Gesiegt hat Gott, der mit seiner Macht uns stützt, mit seiner Kraft stärkt, mit seiner Güte hilft und wie eine eherne Burg schützt. [2570] In blutrotem Schimmer hat des Tyrannen Szepter zerbrochen die Rechte, die die trauerbeladenen Trümmer wieder aufrichtet, die Rechte, die mit zuckendem Blitz die höchsten Berge vernichtet. Eceb.: Oh, in welche Worte kann ich meinen Schmerz fassen? [2575] Tu dich auf, Erde, und reiße mich Erbärmlichen hinfort! Welcher Fluss oder gar welcher Ozean kann meine so zahlreichen Verbrechen und meine so zahlreichen niederträchtigen Schandflecke von mir abwaschen? (Fällt auf die Knie und umklammert die Beine des Macharius) Euch zu Füßen werfe ich mich, ihr Christen. Tretet mich, zertretet mich, die schändliche Last der Erde! Mach.: [2580] Verzweifle nicht; noch besteht die Möglichkeit, dass dir Gnade zuteil wird. Eceb.: Ach! Ich bin es nicht würdig, mich des Anblicks des Himmels und des Tageslichts zu erfreuen. Ich, der ich mich selbst zugrunde gerichtet habe, sträube mich nicht, zugrunde zu gehen: Tritt den Verbrecher mit Füßen, tritt ihn, er hat es verdient zu sterben. Mach.: Auf Gott vertraue. Eceb.: Verachtet habe ich Gott. Mach.: Gott [2585] weiß, auch wenn er verachtet wurde, zu vergeben. Eceb.: Von meiner allzu großen Schuldenlast niedergedrückt stürze ich zu Boden. (Legt sich flach auf den Boden; vergräbt sein Gesicht in den Handflächen) Mach.: Es gibt einen, der dich aufrichten und von deiner Last befreien kann. Steh auf und schöpfe Mut. Eceb.: Ach! Ich bin es nicht einmal würdig, dass ich vor euch liege. Und es steht mir auch nicht zu, meine so [2590] frevelhaften Augen zu den Gestirnen zu erheben. Denn darüber ist einer, ja darüber ist einer, dessen Zorn ich heraufbeschworen habe.
402 | Iulianus Apostata Tragoedia
2595
2600
2605
2610
2615
Mach.: Spes magna veniae et grande solamen mali Culpam fateri. est innocenti proximus, Quem paenitet peccasse. nec mortem Deus Cupit nocentum. sceleris admissi dolor Vitam impetrat. tum portus erranti optimus Est consilij mutatio. poenae est satis, Si te facinoris ante commissi pudet. Eceb.: Et pudet, et piget, et paenitet, quod Numine Contemto falsa veneratus sum Numina O Iuliane, o Iuliane! Mach.: si fuit Mutanda mens in melius ob unam noxiam, tanti fuit peccasse. placatur Deus precibus nocentum. facta condemnas tua? Condonat ille. agnoscis? ignoscit reo. Eceb.: O Iuliane, o Iuliane, quod incolis Nunc regnum? ego tuum tu meum auxisti scelus. Alterius alter perijt suasionibus. Calcate me fatuum salem, calcate me. Mach.: Nondum perijsti; revocare hinc gradum licet. Eceb.: O summe genitor solus et verus Deus, O liceat ad te impuram linguam solvere. Fateor, Deus, fateor, ausu indigno nimis Fuisse laesam a me maiestatem tuam. Sed paenitet, sed luget atque lacrymat Nunc luctu sauciata conscientia.
2592–2598 Spes magna veniae … facinoris ante comissi pudet ] Benci Erg. S. 256,20–27 2593–2594 est innocenti … peccasse ] Sen. Ag. 243 2596–2597 tum portus … consilij mutatio ] Cic. Phil. 12,7 2601–2605 si fuit mutanda mens … ignoscit reo ] Benci Erg. S. 257,8–12 2594–2598 ] del. d 2599–2600, 2608, 2610, 2612–2614, 2616 ] Senarii 2605 Condonat ille … ignoscit reo ] componat ille. Agnoscis? Ignoscit malo Benci Erg.
Actus quintus |
403
Mach.: Derjenige, der seine Schuld bekennt, darf mit großer Zuversicht auf Vergebung hoffen und erfährt eine große Linderung seines Schuldgefühls. Derjenige, der Reue über begangene Sünde empfindet, kommt einem Unschuldigen am nächsten. Gott aber will nicht einfach den Tod [2595] der Sünder. Der Schmerz darüber, dass man eine Sünde begangen hat, verschafft einem das Leben. Daher ist eine innere Umkehr für einen, der auf Abwegen umherirrt, der sicherste Hafen. Man ist genug gestraft, wenn man sich einer begangenen Sünde schämt. Eceb.: Ich schäme mich, es tut mir leid und es reut mich, dass ich Gott [2600] verachtet und falsche Götzen verehrt habe. Oh Julian, oh Julian! Mach.: Wenn die Notwendigkeit bestand, dass sich dein Sinn erst aufgrund eines Vergehens zum Besseren wandte, dann war es das wert gesündigt zu haben. Gott wird durch Gebete von Sündern besänftigt. Verurteilst du deine Taten? [2605] Dann lässt er dich ungestraft gehen. Bekennst du dich zu deiner Schuld? Dann verzeiht er dir, dem Angeklagten. Eceb.: Oh Julian, oh Julian, welches Reich bewohnst du nun? Ich habe deine Schuld vergrößert, du die meine. Der eine ist durch die Ratschläge des anderen zugrunde gegangen. Zertretet mich, ich bin wertlos wie fades Salz, zertretet mich! Mach.: [2610] Noch bist du nicht verloren; es steht dir noch frei umzukehren. Eceb.: (blickt vorsichtig und ängstlich zum Himmel) Oh höchster Vater, einziger und wahrer Gott, oh erlaube, dass ich mit unreiner Zunge zu dir spreche. Ich bekenne, Gott, ja ich bekenne, dass ich durch mein schändliches Unterfangen deine Größe verletzt habe. [2615] Aber es reut mich, es macht mich traurig und mein geschundenes Gewissen weint nun schmerzvoll darüber.
404 | Iulianus Apostata Tragoedia
2620
O te mei miserescat heu miserrimi; Parce gementi, parce precanti, parce pereunti. Mach.: Aderit votis Deus: iam surge et viam Insiste quam praeeo. Eceb.: nulla est in me mora. Mach.: Est auctor operis, et erit adiutor Deus. Eceb.: Clemens Deus, miserere, parce perdito.
Scena penultima Anima Iuliani, Daemones octo
2625
2630
1us : Persarum victor Iulianus hic venit, Et imperator imperatorum. genu Flectite; salutate trabeatum Caesarem. Hoc scilicet curru triumphali vehit. Adfertĕ sceptrum et diadema novo principi. Omnes: Auguste salve, Caesar salve maxime. Iul.: O me cunctorum miserorum miserrimum! 2us : O fortunatorum fortunatissimum, Viden’ ministros hic tuos? procumbite. En ut salutent Imperatorem suum!
Scena X. Iuliani anima a daemonibus ad orcum deducitur. Die Teufel bringen deß Juliani arme Seel/ spotten sie schmertzlich auß/ und fahren mit ihr der Höllen zu. Bar. AE IV,108C–111A (= Amm. 22,10,7; 25,4,20; Aug. civ. 18,52; Greg. Naz. or. 4,4–5 und 101; Iul. epist. 61; Rufin. hist. 10,33; Sokr. hist. eccl. 3,12,7; Soz. hist. eccl. 5,18; Theod. hist. eccl. 3,8), 123D– E (= Sokr. hist. eccl. 3,21), 145D (= Greg. Naz. or. 5,30) [Greg. Naz. or. 5,38; Nic. 10,25–26] 2621 Est auctor … adiutor Deus ] Benci Erg. S. 258,29 2618–2620, 2623, 2627–2630 ] Senarii 2618–2619 ] pereunti ∣ Aderit Hypermetrum synaloepha metiendum, cf. Comm. ad locum 2619 ] surge et hiatu metiendum 2627 ] versum add. D2 2629 ] personae indicationem in capite positam ex Iulianus in anima Iuliani commutavit d
Actus quintus |
405
Oh, gewähre mir, ach mir Elendstem, dein Erbarmen; verschone den, der zu dir fleht, verschone den, der zu dir betet, verschone den, der verloren ist. Mach.: Gott wird sich deiner Bitten annehmen: Erhebe dich nun und folge dem Weg, [2620] den ich voranschreite. (Ecebolius erhebt sich) Eceb.: Von meiner Seite gibt es keine Verzögerung. Mach.: Gott ist der Urheber deines Werkes und er wird dir auch ein Helfer sein. Eceb.: Gnädiger Gott, erbarme dich, verschone den, der verloren ist.
Vorletzte Szene Julians Seele, acht Dämonen (Julian fährt auf einem Triumphwagen auf die Bühne) 1. Däm.: Der Perser Bezwinger, Julian, hier kommt er, der Herrscher der Herrscher. Beugt [2625] euer Knie vor ihm; grüßet den Kaiser, der die Trabea trägt. Natürlich fährt er auf einem Triumphwagen daher. Bringt dem neuen Kaiser sein Szepter und Diadem. Alle: Kaiser, sei gegrüßt, Kaiser, sei aufs Herzlichste gegrüßt. Jul.: Oh, ich Elendster aller Elenden. 2. Däm.: [2630] Oh, du Glücklichster aller Glücklichen, (weist auf die anderen Dämonen hin) siehst du hier deine Diener? (Zu diesen) Werft euch zu Boden. (Dämonen werfen sich zu Boden) Siehe, wie sie dich, ihren Kaiser, grüßen.
406 | Iulianus Apostata Tragoedia
2635
2640
2645
2650
2655
2660
Iul.: O spes inanes lubrico sitas loco! 3us : Augustĕ spera, aulam tuam cernes brevi. Iul.: Perij, occidi. 4us : quid hoc? perire non potes. Tu tantus sis philosophus et ista nescias? Aeternus es, nullis periturus saeculis. 5us : Age Caesar Christicolas caedendos impera Quos caedi destinaras. Iul.: o me prodigum Innoxij cruoris! 6us : sic decebat Caesarem Vel totos despumare oceanos sanguinis. 7us : Age Iuliane Galilaeos per litteras A ludo litterario et bello arceas. 8us : Age Iuliane syllogismis utere Age enthymemata prome, vince argutijs. O sidus orbis, columen urbis maximum. Iul.: Heu quid scisse omnia, nescisse Deum profuit? 2us : Audi Imperator syllogismum proferam: Qui Numen et qui caelites contemnit, est Indignus quem Numen quem et caelites iuvent; Contemsit Iulianus, ergo indignus est Quem Numen et quem caelites iuvent. probus An syllogismus est. qui placet? ain’? negan’? Num vici? Iul.: male scientijs, male litteris Quae vel lasciviam vel arrogantiam Docent. 3us : sophus sophorum Iulianus est. 4us : Sol ipsus est inter Mercuriales viros. 5us : Mundi oculus et sidus collaudatissimum. 2us : Mundi trophǣum. mundus his nixus modo Humeris sedebat. hic ille terror gentium. 6us : Novus Atlas orbi ruituro humeros subdidit. 7us : Alter Alexander, heros invictissimus. 8us : Deus Deorum, quos placavit victimis. Iul.: Premor, opprimor, pereo miser, intereo, occido.
2659–2660 mundus his nixus … ille terror gentium ] Bern. Stef. Crispus V,734–735 und 738 2638–2639, 2641, 2647, 2650, 2654–2655, 2657–2658, 2661–2662 ] Senarii 2640 ] Septenarius
Actus quintus |
407
Jul.: Oh, auf welch wankendem Grund stehen eitle Hoffnungen! 3. Däm.: Kaiser, schöpfe Hoffnung, in Kürze wirst du deinen Kaiserhof sehen. Jul.: [2635] Es ist aus mit mir, ich bin verloren. 4. Däm.: Was soll das? Mit dir kann es gar nicht aus sein. Und du willst ein solch großer Philosoph sein und weißt nicht einmal das? Ewig bist du, bis in alle Ewigkeiten wird es mit dir nicht aus sein. 5. Däm.: Wohlan, Kaiser, befiehl, dass die Christusverehrer getötet werden, die du dem Tod geweiht hast. Jul.: Oh, dass ich so viel [2640] unschuldiges Blut vergossen habe! 6. Däm.: Es ziemte sich für einen Kaiser, nichts Geringeres als ganze Meere an Blut aufschäumen zu lassen. 7. Däm.: Wohlan, Julian, halte die Galiläer durch schriftliche Erlasse vom Schulunterricht und Kriegsdienst fern. 8. Däm.: Wohlan, Julian, wende deine Syllogismen an, [2645] wohlan, trage deine Enthymeme vor, widerlege uns mit deinen Spitzfindigkeiten. Oh du Glanz und unerschütterlichste Stütze des Erdkreises und der Stadt. Jul.: Ach, was brachte es, alles gekannt zu haben, Gott aber nicht? 2. Däm.: Höre, Kaiser, ich will dir einen Syllogismus vortragen: Wer Gott und die Himmlischen verachtet, ist [2650] der Hilfe Gottes und der Himmlischen nicht würdig. Julian hat diese verachtet. Somit ist er der Hilfe Gottes und der Himmlischen nicht würdig. Ist das nicht ein korrekter Syllogismus? Wie gefällt er dir? Was sagst du? Streitest du es ab? Habe ich dich nicht überzeugt? Jul.: Verflucht sei die Weisheit, verflucht seien die Künste, [2655] die Zügellosigkeit und Hochmut lehren. 3. Däm.: Julian ist der Weise unter den Weisen. 4. Däm.: Er selbst ist die Sonne unter Merkurs Lieblingen. 5. Däm.: Er ist das ruhmüberhäufte Auge und Gestirn der Welt. 2. Däm.: Der leibhaftige Sieg über die Welt. Die Welt ruhte allein [2660] auf seinen Schultern gestützt. Er hier ist der Schrecken der Völker. 6. Däm.: Als neuer Atlas stützt er mit seinen Schultern den wankenden Erdkreis. 7. Däm.: Ein zweiter Alexander, der unbesiegteste Heros. 8.Däm.: Gott der Götter, die er mit Opfertieren besänftigt hat. Jul.: Ich werde bedrängt, erdrückt, ich gehe zugrunde, sterbe, komme um.
408 | Iulianus Apostata Tragoedia
2665
2670
2675
2680
2685
2690
2695
3us : Quid horres Iuliane? es nunc inter tuos. En adsumus ad nutum parati, quid tuos Sic metuis aulicos? 4us : tui vernae sumus. Te nullis unquam deseremus saeculis Comites fidissimi, asseclae bellissimi. Te byssinum, te purpureum, teque aureum Ad aulam deducemus ornatissimam, Quid sic adeo recusas fortunam tuam? Iul.: O me miserum, miserum, o miserrimum omnium Mortalium quos tellus usquam continet. 5us : Hodie simul caenabimus apud inferos, O quas dapes, quae fercula ponemus tibi? 2us : Sat est lusum: ludum sequentur seria; Magnum dolorem iam sequetur maximus: Infame monstrum, generis humani lues, Audi scelus. caelum et terram implesti tuis Sceleribus immanissimis, foedissimis. Deum agnitum negasti perfidissime. Christicolas abtruncasti crudelissime; In noxis perseverasti nequissime. Res caeteras quis persequatur ordine? En codicem plenissimum; vide, vide. An hic notata cuncta sunt fideliter? Iul.: Ah! 2us : hi gemitus nimis sunt seri; desine. Styx est decreta. num placet sententia? Morieris aeternum, sed nec poteris mori. Iul.: Male litteris, magistris male, male purpurae, Male susurronibus, male honoribus, male Parentibus, male Numini, male omnibus Rebus. 2us : cantabis sempiternum haec cantica; Finis dolorum principium dolorum erit. Verum sub orcum iam migrandi tempus est, In tenebricosum in foedricissimum specum, Et sub Acherontis infimas trudite plagas.
2665, 2668–2669, 2671–2672, 2677, 2680, 2683–2684, 2688, 2690–2692, 2694 ] Senarii 2673–2676 ] Versus a Iuliano dictos cum versis a quinto daemone dictis permutavit d
Actus quintus |
409
3. Däm.: [2665] Was erschauderst du, Julian? Nun bist du unter Deinesgleichen. Siehe, wir warten auf einen Wink von dir, was fürchtest du dich so sehr vor deinen Hofdienern? 4. Däm.: Wir sind deine Diener. Als dein treuestes Gefolge, deine allerliebsten Gefährten, werden wir dich bis in alle Ewigkeiten nicht mehr verlassen. Wir werden [2670] dich in weißes Leinen, in Purpur, in Gold kleiden und zum prächtig geschmückten Palast hinabführen. (Dämonen umdrängen Julian und legen ihm Leinen-, Purpur- und Goldstoffe an. Julian versucht sich von der Umklammerung der Dämonen zu lösen) Warum sträubst du dich denn so gegen dein Schicksal? Jul.: Oh, ich Elender, ich Elender, oh, ich Elendster von allen Sterblichen, die die Erde irgendwo beheimatet. 5. Däm.: [2675] Heute noch werden wir gemeinsam in der Hölle speisen, oh welches Mahl, welche Gerichte sollen wir dir vorsetzen? 2. Däm.: Genug gescherzt: Dem schelmischen Spiel folgt bitterer Ernst; großem Schmerz wird bald schon der allergrößte folgen: Du schändliches Ungeheuer, du Seuche des Menschengeschlechts, [2680] höre deinen Frevel: Himmel und Erde hast du mit deinen entsetzlichsten und scheußlichsten Verbrechen erfüllt. Gott, zu dem du dich einst bekannt hattest, hast du höchst verräterisch geleugnet. Christen hast du auf grausamste Art und Weise abgeschlachtet; an deinen Verbrechen hast du überaus niederträchtig festgehalten. [2685] Wer könnte deine übrigen Taten der Reihe nach vortragen? Sieh dir dein Sündenbuch an, es ist zum Überlaufen voll. (Zeigt ihm ein sehr dickes Buch und weist ihn wahllos auf einige Stelle darin hin) Siehe, siehe. – Oder ist darin etwa nicht alles verlässlich verzeichnet? Jul.: Ach! 2. Däm.: Diese seufzende Klage kommt zu spät, hör auf damit! Zur Hölle sollst du fahren, so lautete dein Urteil. Na, gefällt dir der Urteilsspruch? [2690] Du wirst ewig sterben, ohne sterben zu können. Jul.: Verflucht seien die Künste, verflucht seien meine Lehrer, verflucht sei der Purpur, verflucht seien meine Einflüsterer, verflucht seien meine Amtswürden, verflucht seien meine Eltern, verflucht sei Gott, verflucht seien alle Dinge. 2. Däm.: Du wirst solche Lieder auf ewig singen. [2695] Das Ende des einen Leids wird der Anfang von neuem sein. Aber schon ist die Zeit gekommen, um in die Hölle hinabzusteigen, werft ihn in eine dunkle Höhle, in die abscheulichste überhaupt, und in die tiefsten Gegenden des Acheron hinab.
410 | Iulianus Apostata Tragoedia
2700
2705
Iul.: O nulla longi temporis felicitas, O quanta parvo decora momento ruunt! Documenta mortales capite quam stet loco Superba turba lubrico, cecidi miser Cecidi, cecidi loco ex supremo in infimum. 2us : I nuncia in altos ignis aeterni rogos. Praeco venturum Iulianum Apostatam I nuncia, patescant portae flammeae. Diripite et in imum tartarum devolvite.
Initium Scenae ultimae Chorus
2710
Dux chori: Videtis hoc spectaculum? tandem iacet, Qui iustitia iacente nimis diu stetit. Hic ille Iulianus est, imo iam amplius Non est. iam luror, foetor, horror est. En, quam quietus, quam modestus hic cubat, Qui sceleribus mundum totum turbaverat!
Scena XI. Iuliani cadaver a funebri choro ad bustum effertur. Ein trawiger Chorus bewainet den Cörper deß Todten Keysers/ und der Welt Eytelkeit. Julianus war gelert und kunstreich: So sihe aber O Mensch/ was die Kunst ohne die Tugend für ein Endtschafft neme. Omnia ad maiorem Dei gloriam. [Greg. Naz. or. 4,3 und 100] 2705–2706, 2713 ] Senarii 2708–2757 ] scenam totam add. D2 . Etiam strophas quinque antea coniunctas hac in scaena distribuit 2710 ] Septenarius; iam amplius hiatu metiendum 2711 ] Quinarius
Actus quintus | 411
Jul.: Oh, kein Glück kann über längere Zeit bestehen, [2700] oh, welch großer Ruhm stürzt in einem kleinen Augenblick in sich zusammen! Ihr Sterblichen, nehmt dies als Zeugnis dafür, auf welch unsicherem Grund die Schar der Hochmütigen steht! Ich bin elend zu Fall gekommen, ich bin zu Fall gekommen, ja ich bin von der höchsten Warte ins tiefste Loch gestürzt. 2. Däm.: Geh nun dahin zu den hohen Scheiterhaufen des ewigen Feuers. [2705] Herold, geh und verkünde, dass Julian Apostata kommen wird, die flammenden Höllentore sollen sich ihm auftun. Schafft ihn fort und stürzt ihn in die tiefste Hölle hinab.
Beginn der letzten Szene Chor Chorführer: (vor ihm liegt der tote Julian, in dem der tödliche Speer noch steckt) Seht ihr, welcher Anblick sich euch hier bietet? Endlich liegt er darnieder, er, der, als die Gerechtigkeit ihrerseits am Boden lag, allzu lange aufrecht stand. [2710] Dieser hier ist Julian – wobei, er ist mittlerweile gar nicht mehr er selbst. Schon besteht er nur noch aus Leichenblässe, -gestank und -starre. Seht doch, wie ruhig, wie friedlich er nun hier daliegt, er, der mit seinen Verbrechen die ganze Welt in Aufruhr versetzt hatte.
412 | Iulianus Apostata Tragoedia
2715
2720
Grex: Heu Iulianus occidit! Falx Iulianum messuit! Mors Iulianum sustulit! Heu Iulianus occidit! Iacet potestas Imperij Iacet facultas ingenij Obsurduit et obmutuit Deus sophorum coccinus. Dux chori: Videtis hanc manum? haec illa manus est, suum Quae in auras sparsit sanguinem, contra Deum Ipsum, quem victorem fassa est iactu impio.
2725
2730
2735
Grex: Facem, cruorem, toxica, Vermes, venena, viperas Suis amicis praebibit Immunda mundi vanitas. Dux chori: Videtis hoc etiam telum? hoc telum illud est, quod mersum latere, cruorem noxium bibit. Sic transit vana, stulta mundi gloria. Grex: Heu Imperator maximus A morte fulminatus est, morti propinquus emori hinc mortualis discito. Eheu momento vertitur, Mortalium felicitas. Eheu momento sternitur Mortalium sublimitas.
2714 ] Stropha prima et secunda ante duo folia hic notavit D2 2714–2721, 2725–2728 ] Dimetri iambici 2715–2716 ] versus commutavit D 2722–2724, 2730–2731 ] Senarii 2725 ] Stropha tertia hic notavit D2 2732–2739 ] Dimetri iambici 2732 ] Post chorum strophae quartae et quintae hic notavit D2
Actus quintus | 413
(Jeweils gesungen) Chor: Oh weh, Julian ist tot! [2715] Die Sichel hat Julian niedergemäht! Der Tod hat Julian dahingerafft! Oh weh, Julian ist tot! Darnieder liegt die Macht seiner Herrschaft. Darnieder liegt die Kraft seines Intellekts. [2720] Taub und stumm wurde der scharlachrote Gott der Weisen. Chorführer: (greift nach der leblosen Hand Julians) Seht ihr diese Hand? Das ist die Hand, die ihr eigenes Blut in die Luft gegen Gott selbst spritzte, der den Sieg davontrug. So bekannte es Julian selbst während seines frevelhaften Wurfes. Chor: [2725] Feuer, Blut und Todessaft, Würmer, Gift und Schlangen gibt ihren Freunden zu trinken die unreine Eitelkeit der Welt. Chorführer: (deutet auf den Speer) Seht ihr auch diesen Speer? Das ist der Speer, [2730] der in seiner Seite versenkt vom schuldbeladenen Blut trank.
(Zündet ein Stück Werg an) So vergeht der eitle, törichte Welten Ruhm. Chor: Oh weh, der größte Kaiser wurde vom Blitzstrahl des Todes getroffen, eng vertraut mit dem Tod aus dem Leben zu scheiden, [2735] soll der Sterbliche daraus lernen. Oh weh, in einem Augenblick wandelt sich der Sterblichen Glück. Oh weh, in einem Augenblick wird niedergestreckt der Sterblichen Größe.
414 | Iulianus Apostata Tragoedia
2740
2745
2750
2755
Dux chori: Agite; sua res terrae non est neganda, nec Suo sunt defraudandi vermes pabulo. Melius, ah! melius Iuliano nunc foret Natum fuisse nunquam, quam sic turpiter Fuisse denatum. quid illi sine Deo Diadema et purpura contulit? eheu, sine Deo Quid contulere litterae, et magnum sophi Nomen, totumque per orbem fama didita? O vanitatum vanitas vanissima! Salve nunc Iuliane et aeternum vale. Grex: Salve nunc Iuliane et aeternum vale. Dux chori: Quicunque amatis et tractatis litteras, Amare illas et tractare illas sobrie Vel miseri Iuliani exemplo discite. Nil prosunt sine virtute litterae, tamen Prodest virtus sine litteris. mortalium Et fuit et erit haec pestis semper maxima; Scientia quae coniunctam habet superbiam.
2742–2744 Melius, ah! … Fuiss denatum ] Mt 26,24; Mc 14,21; Lc 22,22 2740–2741, 2743, 2745, 2747, 2749–2755 ] Senarii
Actus quintus | 415
Chorführer: [2740] Auf nun; der Erde darf ihr Eigentum nicht verwehrt und die Würmer nicht um ihr Futter betrogen werden. Besser, ach, besser wäre es nun für Julian gewesen, niemals in die Welt gekommen zu sein, als auf solch schändliche Art und Weise umzukommen. Ohne Gott, was [2745] brachten ihm da das Diadem und der Purpur? Ach, ohne Gott, was brachten ihm da seine Künste, sein großartiger Titel eines Weisen und sein Ruhm, der sich über den ganzen Erdkreis ausbreitete? Oh eitelste Eitelkeit der Eitelkeiten! Sei nun gegrüßt, Julian, und auf ewig verflucht. Chor: [2750] Sei nun gegrüßt, Julian, und auf ewig verflucht. Chorführer: (an alle Anwesenden gerichtet) Ihr alle, die ihr die Künste liebt und betreibt, lernt doch gerade am Beispiel des elenden Julian, diese mit Bedacht zu lieben und zu betreiben. Die Künste nutzen nichts ohne die Tugend, wohingegen [2755] die Tugend auch ohne die Künste einen Nutzen bringt. Dies war und wird immer die größte Seuche der Menschheit sein, nämlich Weisheit, die gepaart ist mit Hochmut.
| Teil III: Kommentar
Vorbemerkungen Der nachfolgende Kommentar, der erste zu Drexels Iulianus überhaupt, versteht sich in allererster Linie als ein philologischer sowie, wenn auch untergeordnet, als ein historischer. Großes Gewicht liegt ferner auf der Erklärung von Realien. Der Kommentar zu einer jeweiligen Szene unterteilt sich in eine allgemein gehaltene Einleitung und die darauffolgenden Einzellemmata. Die Einleitung nimmt Aspekte in den Blick, die die Szene als Ganze betreffen (z.B. Umgang mit Quellen und Vorlagen, Einordnung in die dramatische Verwicklung, Charakterisierung und innere Entwicklung von Figuren), wobei eine unterschiedliche, an die jeweilige Szene angepasste Gewichtung des Hauptaugenmerks vorgenommen wurde. Der Kommentar versucht Drexels Iulianus allerdings nicht nur aus heutiger Sicht bzw. auf Grundlage des heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes zu kommentieren, sondern er bemüht sich auch, den Text gewissermaßen durch die ‚Brille des frühen siebzehnten Jahrhunderts‘ zu sehen und zu erklären. Mit anderen Worten: Er bemüht sich, den Fokus insbesondere auf das zeitgenössische antiquarische Wissen zu lenken, das im Iulianus präsent ist und z.T. beachtlich hervorsticht. Als markantes Beispiel sei darauf verwiesen, dass die Bezeichnung der Göttin Hekate in III,4 als pulchra noctis filia lediglich in einem Fragment des Bakchylides (vgl. Comm. ad 1156–1165) und das dem Gott Apollo in IV,6 verliehene überaus ungewöhnliche Epitheton monetalis allein auf entsprechenden Münzen aus der Zeit des Commodus zu finden ist (vgl. Comm. ad 1832). Angesichts der Tiefe und Breite sowie des Detailreichtums des im Iulianus präsenten antiquarischen Wissens kommt man nicht umhin, von einer Verwendung zeitgenössischer Hilfsmittel durch Drexel auszugehen. Der Kommentar versucht daher, zumindest in besonders markanten Fällen, die konkret auf eine Benutzung von solchen hindeuten, kurz (z.T. in Form von Hinweisen auf die zeitgenössische Literatur) der Frage nachzugehen, welche Handbücher, Lexika, Enzyklopädien o.ä. Drexel als Quelle gedient haben bzw., präziser formuliert, theoretisch als Quellen gedient haben könnten, da es im Einzelfall freilich kaum zu beweisen ist, dass ein konkretes Werk herangezogen wurde. Diese Frage kann und will der Kommentar auch gar nicht im Einzelnen beantworten. Er möchte vielmehr eine mögliche, wenn auch zugegebenermaßen unwahrscheinliche Zusammenstellung desjenigen Bücherstapels vorstellen, der sich theoretisch auf Drexels Schreibtisch während der Abfassung seines Iulianus befunden haben könnte. Als Referenzpunkte wurden entsprechende Werke herangezogen, die zeitgenössisch nachweislich eine hohe Verbreitung besaßen. Die alles überragende Vorlage in einer Vielzahl von Fragen, nicht nur der ereignisgeschichtlichen, waren sicherlich die im Titelblatt des Iulianus erwähnten Annales Ecclesiastici des Cesahttps://doi.org/10.1515/9783110593730-009
420 | Vorbemerkungen
re Baronio. Als Anlaufstellen für das frühneuzeitliche Wissen über den heidnischen Götterhimmel und dessen Mythologie dienten dem Kommentar die enzyklopädischen Werke von Giglio Gregorio Giraldi (De Deis Gentium varia et multiplex Historia, 1560) und Natale Conti (Mythologiae, sive Explicationis Fabularum libri decem, 1584). Im Bereich der Lexika wurde auf den überaus umfangreichen Thesaurus Eruditionis Scholasticae (erstmals 1571) von Basilius Faber zurückgegriffen. Bei den Wörterbüchern wurden für die Kommentierung die Arbeiten von Charles du Fresne, sieur du Cange (Glossarium ad Scriptores Mediae et Infimae Latinitatis, erstmals 1678) und Adam Friedrich Kirsch (Abundantissimum Cornu Copiae Linguae Latinae et Germanicae selectum, erstmals 1714) benutzt. Auch wenn diese beiden jünger sind als der Iulianus, repräsentieren sie dennoch zu weiten Teilen den Wissensstand zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts. Im Bereich der Metrik sind als Hilfsmittel die bereits an früherer Stelle (siehe Abschnitt 4.3) vorgestellten Arbeiten von Jakob Micyllus (De Re Metrica libri tres, 1539) und des Jesuiten Manuel Álvarez (Institutionum Grammaticarum libri tres, 1572) zu nennen. Biblische Zitate entstammen der lateinischen Vulgata, der für Drexel selbstverständlichen Ausgabe der Heiligen Schrift.
Zu den historischen Figuren im Iulianus Zu den Philosophen, Gelehrten und weiteren historischen Personen aus Julians Umfeld, die im Iulianus erscheinen, werden im Folgenden einige wichtige Informationen angeführt (zu Julians philosophischer Erziehung und intellektuellem Umfeld siehe: Teitler 2017, S. 7–15; Demandt ²2007, S. 120–121; Rosen 2006, S. 94– 121; Bringmann 2004, S. 29–36). Aedesius] *280/90, gest. vor 355 n.Chr.; Neuplatoniker aus Kappadokien; Schüler des Jamblichos; für kurze Zeit Lehrer Julians. Eunapios von Sardes stellt die alleinige Quelle für Aedesius dar (vit. 6,1–5, 32–38, 80–81; 7,9–14), siehe auch Bar. AE III,612E. Vgl. Becker 2013, S. 244 und 269–270; Hadot 1996; Goulet 1989; PLRE 1, S. 14–15 s.v. Aedesius 2. Ecebolius] ca. Mitte des 4. Jhdt.; Rhetor in Konstantinopel; Lehrer Julians; Christ unter Constantius II., Konversion zum ‚alten‘ Glauben unter Julian, später erneute Konversion. Vgl. Rosen 2006, S. 79–80; PLRE 1, S. 409 s.v. Hecebolius 1. Jamblichos] ca. 240–325 n.Chr.; Neuplatoniker aus Syrien; Schüler des Porphyrios; Lehrer des Aedesius; Autor von umfangreichen philosophischen Schriften, darunter eine Biographie des Pythagoras (Περὶ τοῦ Πυθαγορικοῦ βίου), ein Aufruf zum Philosophieren (Λόγος προτρεπτικὸς ἐπὶ φιλοσοφίαν) sowie eine Antwort auf einen Brief des Porphyrios an Anebon in zehn Büchern. Des Weiteren sind noch zahlreiche, heute zumeist verlorene Kommentare zu Werken von Platon und Aristoteles zu nennen. Siehe auch Bar. AE III,555E und 613C. Vgl. Becker 2013, S. 207– 208; Demandt ²2007, S. 504–505; Bringmann 2004, S. 31–35; Dillon 2000; Brisson 1998; Dillon 1987; Blumenthal/Clark 1993; PLRE 1, S. 450–451 s.v. Iamblichus 1. Libanios] 314–393/5 n.Chr.; bedeutendster paganer Rhetor der Spätantike; aus antiochenischem Amtsadel; seit seiner Lehrtätigkeit in Nikomedia mit Julian freundschaftlich verbunden; Verfasser von zahlreichen Reden, Deklamationen, Progymnasmata und über 1.500 Briefen. Siehe auch Bar. AE IV,14B. Vgl. Van Hoof 2014; Becker 2013, S. 498–499; Cribiore 2013; Nesselrath 2012; Goulet/Maraval 2005; Weißenberger 1999; Wöhrle 1995; Wiemer 1995. Mardonius] ‚skythischer‘ Eunuch; ab 338 n.Chr. Lehrer Julians. Siehe auch Bar. AE III,477E. Vgl. Demandt ²2007, S. 120; Rosen 2006, S. 70–77; Bouffartigue 2005; Bringmann 2004, S. 22–24; PLRE 1, S. 558 s.v. Mardonius 1. Mares] Bischof von Chalkedon; zunächst Unterstützer des Arianismus, unterschreibt aber letztlich das Glaubensbekenntnis von Nizäa; Teilnehmer an weihttps://doi.org/10.1515/9783110593730-010
422 | Zu den historischen Figuren im Iulianus
teren Konzilien, so z.B. Tyrus (335), Konstantinopel (336), Antiochia (341) und Serdica (342). Von seiner angeblichen Blindheit berichten lediglich Sokrates und Sozomenos. Vgl. Enßlin 1930. Maximus] ca. 310–372 n.Chr.; Neuplatoniker aus Ephesos; Schüler des Aedesius; Lehrer Julians in Ephesos, von diesem 362 nach Konstantinopel berufen; Teilnehmer am Perserfeldzug als enger Berater; von Julians Nachfolgern verurteilt, verhaftet und misshandelt. Siehe auch Bar. AE III,555C und 613A sowie IV,9B–C, 14B und 124A. Vgl. Becker 2013, S. 353; Demandt ²2007, S. 120–121; Delfim Santos 2005; PLRE 1, S. 583–584 s.v. Maximus 21. Nicocles] ca. 310–388 n.Chr.; paganer Philosoph; und Lehrer Julians. Vgl. Rosen 2006, S. 77–78; Matthaios 2000; PLRE 1, S. 630 s.v. Nicocles. Priscus] ca. 305–396 n.Chr.; Neuplatoniker, laut Luc Brisson (2001a) „militant altgläubig orientiert“; Schüler des Aedesius in Pergamon; Julian lässt ihn während seines Gallienfeldzuges zu sich rufen (vgl. Iul. epist. 11–13); nach Julians Übernahme der Alleinherrschaft am Hof von Konstantinopel tätig; Teilnehmer am Perserfeldzug, auf dem er Julian berät; nach dem Tod des Kaisers inhaftiert, später erneute Lehrtätigkeit in Griechenland. Siehe auch Bar. AE III,612E sowie IV,4D und 124A. Vgl. Becker 2013, S. 406–407; Goulet 2012; Rosen 2006, S. 119–120; Brisson 2001a; PLRE 1, S. 730 s.v. Priscus 5. Procopius] 326–366 n.Chr.; Verwandter Julians; comes während seines Perserfeldzuges; von Julian zum Nachfolger auserkoren (vgl. Amm. 23,3,2 und 26,6,2– 3); nach dessen Tod zum Augustus erhoben unterliegt er Kaiser Valens und wird am 26.5.366 n.Chr. hingerichtet. Siehe auch Bar. AE IV,129C. Vgl. Demandt ²2007, S. 145; Rosen 2006, S. 339; Bringmann 2004, S. 177–178 und 180–181; Portmann 2001; Grattarola 1986; PLRE 1, S. 742–743 s.v. Procopius 4. Sallustius] hoher Beamter unter Constantius II. und Julian; vielleicht aus Spanien stammend; laut Ammian (23,5,4) Heide; praefectus praetorio in Gallien von 361 bis 363; Konsul unter Julian im Jahr 363; möglicherweise der Verfasser der neuplatonischen Schrift Περὶ θεῶν καὶ κόσμου. Siehe auch Bar. AE IV,117A. Vgl. Brisson 2001b; PLRE 1, S. 797–798 s.v. Flavius Sallustius 5. Sardianus] Chrysanthios von Sardes, ca. 316/320–396/400 n.Chr.; neuplatonischer Philosoph; Schüler des Aedesius; Lehrer Julians und von Eunapios von Sardes. Siehe auch Bar. III,612E. Vgl. Becker 2013, S. 535–536; Rosen 2006, S. 95–96 und 256–257; Hadot 1997; PLRE 1, S. 202–203 s.v. Chrysanthius of Sardis.
Zu den Heiligen im Iulianus Zu den im Drama auftretenden Heiligen und Märtyrern werden im Folgenden nur einige Basisinformationen gegeben. Ausführlichere Anmerkungen sind an den jeweiligen Stellen im Kommentar zu finden. Artemius] Arianischer Christ, von Constantius II. als dux Aegypti eingesetzt; hingerichtet unter Julian im Jahr 362 (Gedenktag: 20. Oktober). Siehe auch Comm. ad 1346. Zur Rolle von Artemius im Zusammenhang mit Julians Tod siehe Comm. ad 2494–2509. Eusignius von Antiochia] *252 n.Chr.; christlicher Soldat aus Antiochia; kämpfte sowohl im Heer von Constantius I. Chlorus als auch Konstantins des Großen; hingerichtet unter Julian im Jahr 362 (Gedenktag: 5. August). Siehe auch Comm. 1709–1710 und 1712–1713. Manuel, Ismaël, Sabel] Adlige Christen aus dem Perserreich; im Zuge einer offiziellen Gesandtschaft an den römischen Kaiserhof von Julian hingerichtet (Gedenktag: 17. Juni). Siehe auch Comm. ad 1076. Mercurius] Christlicher Soldat aus Caesarea in Kappadokien; vermutlich im Jahr 251 unter Kaiser Decius enthauptet (Gedenktag: 25. November). Siehe auch Comm. ad 1346. Zur Rolle von Mercurius im Zusammenhang mit Julians Tod siehe Comm. ad 2494–2509.
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Zu den ‚sprechenden Namen‘ im Iulianus Eulogius] Entsprechend seiner Funktion als Wortführer des Klerus von Konstantinopel bedeutet sein Name ‚der Schönsprechende‘ (aus εὖ und λόγιος). Polyglossus] Der Name des Dolmetschers der persischen Gesandten setzt sich aus griechisch πολύς (‚viel, mehrere‘) und γλῶσσα (‚Zunge, Sprache‘) zusammen: ‚der Mehrsprachige‘. Sostenes] Der Name des stützenden Führers des blinden Bischofs Mares wurde aus dem griechischen Adjektiv σῶς (‚gesund‘) und dem Substantiv τὸ σθένος (‚Stärke, Kraft, Macht‘) gebildet. Theodorophylax/Iulianophylax/Erebophylax] Wie in zeitgenössischen Jesuitendramen üblich setzen sich in Drexels Iulianus die Namen der auftretenden Schutzengel Theodorophylax und Iulianophylax aus dem Namen des Beschützten im Dativ und dem angehängten griechischen Substantiv φύλαξ (‚Beschützer, Wächter‘) zusammen. Entsprechend dient die Figur des Dämons Erebophylax (‚Beschützer der Unterwelt‘, siehe V,3) als höllischer Gegenpol zu den himmlischen Beschützern der Christen.
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Isagoge 1–2 Fl. Cl. Iulianus P.F. Aug. … vero nomine Apostata] Zur Kaisertitulatur Julians vgl. die Anmerkungen zu Kaiser Constantius (Comm. ad 627a), zu Julians Beinamen Apostata siehe Comm. ad 1293. 2 Clericum egit] Zur ambivalenten Bedeutung des Verbs agere siehe Comm. ad 35–36. 3 perfidissimus Proteus] Die Verwandlungskunst des auf der Insel Pharos lebenden Meeresgottes Proteus, der sich in Homers Odyssee beispielsweise nacheinander in einen Löwen, eine Schlange, einen Panther, einen Eber, in Wasser und einen Baum verwandelt (vgl. Hom. Od. 4,456–458; in Ovids Metamorphosen ähnlich: Jüngling, Löwe, Eber, Schlange, Stier, Stein, Baum, Wasser, Feuer, vgl. Ov. met. 8,732–737) war bereits in der Antike sprichwörtlich (z.B. Hor. epist. 1,1,90; Ov. ars 1,761; vgl. Erasm. Adag. 1174 Proteo mutabilior). Von Baronio wird Julian mehrmals als Proteus bezeichnet (Bar. AE IV,17E = Greg. Naz. or. 4,62 und 82, IV,119B sowie 143C). Libanios vergleicht Julian ebenfalls mit Proteus, aber in dessen positiver Konnotation als schlauer Greis (vgl. or. 18,176). Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 466–467; Icard-Gianolio 1994; Otto 1890, S. 289. 7–8 Vicisti Galilaee; saturare Nazarene] Zu Julians berühmten letzten Worten siehe Comm. ad 2507–2508. 17–19 demum sic praeceps ierit per omnes scelerum gradus, ut Ieroboamum defectione … superarit] Die Isagoge bedient sich hier des Wortlauts von Gregor von Nazianz, der am Beginn seiner zweiten Rede gegen Julian anmerkt, dass dieser in seiner Person die schlechten Eigenschaften von berühmten alttestamentarischen Negativfiguren vereint habe, darunter die Treulosigkeit des Jerobeam, den Blutdurst des Ahab, die Verstocktheit des Pharao und die Gotteslästerung des Nebukadnezar, sowie die Gottlosigkeit von allen (τᾶς πάντων κακίας εἰς ἑαυτὸν συλλεξάμενος φαίνεται, Ἱεροβοὰμ τὴν ἀποστασίαν, Ἀχαὰβ τὴν μιαιφονίαν, Φαραὼ τὴν σκληρότητα, Ναβουχοδονόσορ τὴν ἱεροσυλίαν, πάντων ὁμοῦ τὴν ἀσέβειαν. Greg. Naz. or. 5,3). Die einzelnen Figuren und ihre schlechten Eigenschaften, die sie verkörpern, seien hier gesammelt kurz erklärt: Ieroboamum defectione: Die Treulosigkeit des Jerobeam besteht laut III Rg 12,20–14,20 darin, dass er durch das Eingreifen Gottes zum König von Israel erhoben wurde, dann aber verräterisch von diesem abfällt und in Bethel und Dan Götzenkulte und -feste einrichten lässt.
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Achabum caede: Nachdem sich der Jesreeliter Nabot geweigert hat, Ahab, dem König von Israel, seinen Weinberg zu verkaufen, gelingt es Ahabs Frau Isebel mittels einer Intrige die Einwohner von Nabots Heimatstadt gegen diesen aufzubringen und ihn zu steinigen. Als Ahab den Weinberg dann in Besitz nehmen will, verkündet ihm der Tischbiter Elia im Auftrag Gottes, dass er, seine Frau und all seine Nachkommen verflucht seien. Ahab zerreißt daraufhin seine Kleider, legt sich einen Sack an und fastet, wodurch er den Zorn Gottes vorerst besänftigen kann (III Rg 21,1–29). Sein ‚Blutdurst‘ (caedes) spiegelt sich auch in seinen Kriegen gegen Ben-Hadad, den König von Aram, wider (III Rg 20,1–43 und 22,1–40). Pharaonem duritie: Das Motiv der Verstocktheit bzw. der Verhärtung des Herzens des Pharaos taucht mehrere Male im alttestamentarischen Buch Exodus auf, so z.B. als Moses seinen Stab zu Boden wirft und dieser sich in eine Schlange verwandelt (Ex 7,13), dann bei den ersten neun der zehn Plagen über Ägypten (Ex 7,22, 8,11, 8,15, 8,28, 9,7, 9,12, 9,35, 10,20, 10,27; zusammengefasst in Ex 11,10; vgl. die Ankündigung Gottes in Ex 4,21). Zuletzt kommt dieses Motiv im Zusammenhang mit dem Zug durchs Rote Meer vor: Gott verstockt zunächst das Herz des Pharaos und lässt ihn die ausziehenden Israeliten verfolgen (Ex 14,4 und 8), später die Herzen der Ägypter und bringt sie dadurch dazu, dass sie den Israeliten durchs Rote Meer folgen (Ex 14,17), wo die Wassermassen letztlich über sie hereinbrechen (Ex 14,27–28). Nabuchodonosorem sacrilegio: Die Gotteslästerung des babylonischen Königs Nebukadnezars II. bezieht sich hier konkret auf die in IV Rg 25,9 erzählte Begebenheit, dass der Oberste seiner Leibwache, ein gewisser Nebusaradan, nach der Eroberung Jerusalems den Tempel und die gesamte Stadt niederbrennen lässt. 19–20 novus hic orbis Phaëton] Laut antikem Mythos gewährt der Sonnengott Helios/Sol seinem Sohn Phaëton als Beweis für seine Vaterschaft einen beliebigen Wunsch. Dieser möchte für einen Tag den Sonnenwagen lenken. Durch einen Eid gebunden muss Sol, wenn auch widerwillig, zustimmen. Seine Befürchtungen bewahrheiten sich schnell. Als die Pferde, die den Sonnenwagen ziehen, bemerken, dass die Zügel nicht mit gewohnter Kraft und Stärke gelenkt werden, gehen sie durch. Phaëton verliert die Kontrolle über den Wagen, setzt Himmel und Erde in Brand und sorgt für große Verwüstung. Letztlich stoppt Zeus die verderbenbringende Fahrt, indem er Phaëton mit einem Blitz niederschmettert und tötet. Dieser stürzt in den Fluss Eridanos (möglicherweise der Po). Seine Schwestern, die Heliaden, betrauern sein Schicksal, woraufhin sich ihre Tränen in Bernstein, sie selbst in Schwarzpappeln verwandeln (prominent behandelt von Ovid: met. 1,750–2,400). Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 424–427; Hillgruber 1995; Baratte 1994; Roscher 1897–1909; Conti 1584, S. 552–557.
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20–21 Caligulae, Nerones, Attilae, Totilae fere ferro tantum saevierunt] Da Kaiser Julian nicht nur „mit dem Schwert gewütet“, sondern auch einen publizistischen Kampf gegen seine Gegner (v.a. die Christen) geführt habe, sei er, so die Isagoge, sogar noch eine Stufe über die angeblichen Gewaltherrscher und Tyrannen Caligula, Nero, Attila und Totila zu stellen. Diese Aneinanderreihung erscheint auf den ersten Blick etwas merkwürdig. Denn eine mehr oder weniger traditionelle und etablierte Tyrannentrias wird eigentlich von den Kaisern Caligula, Nero und Domitian gebildet. Was das genannte Quartett laut Perioche eint, ist das wahnsinnige und grausame Wüten gegen ihre Mitmenschen (saevitia, vgl. Z. 21), das ihnen in antiken Quellen unterstellt wird. Hierbei ist zu beachten, dass das Substantiv saevitia ein typisches Signalwort in der römischen Tyrannentopik darstellt (siehe hierzu: Meier 2012b, S. 427 mit Anm. 8 sowie Dunkle 1971). Eine exemplarische Auswahl ihrer angeblichen Raserei, die sich ganz besonders bei Nero, teilweise aber auch bei Attila und Totila gegen Christen richtet, soll an dieser Stelle genügen: Caligula: Insbesondere die zweite Hälfte von Caligulas (12–41 n.Chr.) Herrschaft zeichnete sich laut antiken Quellen durch Willkür, Wahnsinn und Gewalt aus. Opfer von Caligulas saevitia war v.a. der Senat, den er permanent zu demütigen versuchte (vgl. Cal. 26,2–3 und 48,2–49,3; Cass. Dio 59,16,1–6), zuletzt indem er sein Pferd Incitatus angeblich zum Konsul bestimmen lassen wollte (Suet. Cal. 55,3). Ferner soll er laut Sueton aus Kostengründen Gefangene den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen (Suet. Cal. 27,1) und Eltern gezwungen haben, an der Hinrichtung ihrer Kinder teilzunehmen (Suet. Cal. 27,4). Einen Atellanendichter soll er aufgrund eines ambigen Verses mitten im Amphitheater verbrannt haben (Suet. Cal. 27,4). Nero: Kaiser Neros (37–68 n.Chr.) saevitia lässt sich besonders an der Grausamkeit gegenüber seiner eigenen Familie feststellen. Er ließ seine erste Ehefrau Octavia enthaupten (vgl. Tac. ann. 14,64,2; Suet. Nero 35,1–2), seine zweite, Poppaea Sabina, die zu diesem Zeitpunkt schwanger war, tötete er durch einen Fußtritt (vgl. Tac. ann. 16,6,1; Suet. Nero 35,3; entsprechend Bar. AE I,643C). Seinen Stiefbruder Britannicus ließ er ebenso hinrichten wie seine Mutter Agrippina (vgl. Tac. ann. 13,15,33 und Suet. Nero 33,2–3, entsprechend Bar. AE I,521A, bzw. Nero 14,1–8; Suet. Nero 34,1–4; Cass. Dio 61,12–13, entsprechend Bar. AE I,624E–625A). Ausdruck seiner saevitia sind außerdem die von ihm angeblich betriebenen Christenverfolgungen, denen laut christlicher Überlieferung auch die Apostel Petrus und Paulus zum Opfer fallen (vgl. Tac. ann. 15,44,2–5; Lact. mort. pers. 2,5–9; Oros. hist. 7,7,10; entsprechend Bar. AE I,639A–641A und 642E–643A), sowie der Brand Roms, der ihm u.a. von Sueton (Nero 38) und Tacitus (Tac. ann. 15,38–43) zur Last gelegt wurde (vgl. Bar. AE I,638B–639A und 640B–C).
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Attila: Das Bild der Nachwelt vom Hunnenkönig Attila (†453 n.Chr.) ist v.a. geprägt durch seine Feldzüge, die insbesondere für Oberitalien und Gallien große Verwüstung, Zerstörung und Plünderung bedeuteten (vgl. Bar. AE VI,134A–E, 136B–137B und 177B–D). Der Mord an seinem Bruder (vgl. Iord. Get. 181; Prosp. chron. I p. 480,1353, entsprechend Bar. AE VI,25D) trägt ebenfalls zum Bild des grausamen Tyrannen bei. In mittelalterlichen Legenden bildet Attilas Einfall nach Gallien den Hintergrund für einige Erzählungen (vgl. Rosen 2016, S. 250–251; Däumer 2013, Sp. 131). In der Legenda Aurea des Jacobus de Voragine taucht Attila als grausamer Eroberer auf, der in Köln die Hl. Ursula und mit ihr 11.000 Jungfrauen abgeschlachtet haben soll (LA 158). Attilas Wüten wurde nicht zuletzt als Strafe Gottes für die angebliche spätrömische Dekadenz gedeutet. Entsprechend brachte es ihm bereits in der mittelalterlichen Hagiographie (vgl. die Vita Sancti Geminiani aus dem Sanctuarium seu Vitae Sanctorum des Boninus Mombritius, erstmals erschienen 1474, worin Attila von sich selbst sagt, dass er die Geißel Gottes sei: ego sum Attila flagellum dei. servi autem inobedientes et sui domini iussa contemnentes merito verberantur et flagellantur. Boninus Mombritius: Sanctuarium seu Vitae Sanctorum I. Paris ⁹1910, S. 601,35–36) sowie Historiographie (vgl. das Liber de Obsidione Anconae des Florentiner Historikers Boncompagni aus dem 12. Jhdt.: Verum postquam Attila flagellum Dei destruxit muros. Aus: Muratori, Ludovico A. (Hg.): Rerum Italicarum Scriptores 6. Mailand 1725, Sp. 928E–929A) den letztlich durch Dante Alighieri berühmt gewordenen Beinamen flagellum Dei ein (‚Geißel Gottes‘; La divina giustizia di qua punge quell’Attila che fu flagello in terra, Inferno 12,133–134; vgl. Bar. AE VI,125B und 134A), wobei Dante, der Attila in den siebten Kreis der Hölle versetzt, fälschlicherweise der Ansicht war, dass der Hunnenkönig auch seine Heimatstadt Florenz zerstörte (Inferno 13,149; vgl. Rosen 2016, S. 253–254). Totila: Baronio (s.u.) bezeichnet den ostgotischen König Totila (†552, reg. ab 542) in ganz ähnlicher Weise als flagellum dominantium in Occidente Graecorum, Bar. AE VII,322C [Geißel für die griechische Herrschaft im Westen]. Sein Feldzug durch ganz Italien, der von zahlreichen Belagerungen und Stadtzerstörungen geprägt war, bildet den Hintergrund für verschiedene Darstellungen seiner Grausamkeit. Der Historiker Prokop überliefert, dass Totila nach der Eroberung von Tibur sämtliche Einwohner der Stadt mitsamt ihrem Bischof hinrichten (Prok. BG 7,10,19–22, entsprechend Bar. AE VII,331E) und nach der Eroberung von Ruscianum dessen Stadtpräfekten auf grausamste Art und Weise töten ließ (Prok. BG 7,30,21). Ferner habe er dem Bischof Valentinus beide Hände abschlagen lassen (Prok. BG 7,15,15). Laut Gregor dem Großen habe Totila, „vom Wahnsinn seiner unbändigen Grausamkeit entflammt“ (crudelitatis immanissimae vaesania succensus) den Bischof von Populonium (Piombino) in einem öffentlichen Schauspiel einem wilden Bären zum Fraß vorgeworfen, der den Christen allerdings auf wunder-
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same Weise verschont habe (Greg. M. dial. 3,11, entsprechend Bar. AE VII,336A–B). Nach der Eroberung Roms sei sein Plan, die Stadt am Tiber dem Erdboden gleichzumachen und wieder in eine Schafweide zu verwandeln (Prok. BG 7,22,7), nur durch das Eingreifen des oströmischen Generals Belisar verhindert worden. Rom sollte aber nicht weiter bewohnt werden, alle Senatoren habe er nach Kampanien verbannt (Prok. BG 7,22; vgl. Bar. AE VII,356A–D). Die Chronik des Marcellinus Comes berichtet gar, dass Rom mindestens vierzig Tage lang unbewohnt gewesen sein soll (Marc. Com. 547). 27 refert Illustrissimus Caesar Baronius tomo III. et IV. Annal. Ecclesiasticorum] Wie beim Großteil von zeitgenössischen Jesuitendramen mit vornehmlich historischem Stoff üblich bilden die Annales Ecclesiastici des Kardinals und Oratorianers Cesare Baronio (1538–1607) auch für Drexels Iulianus die primäre stoffliche Grundlage. Baronios Kirchengeschichte, die zwischen 1588 und 1607 in zwölf Foliobänden erschienen ist, reicht, streng nach dem annalistischen Prinzip angeordnet, von Christi Geburt bis ins Jahr 1198. Zu Baronio und seiner Kirchengeschichtsschreibung siehe: Guazzelli 2012 und Jedin 1978; zu Baronio und seinen Quellen siehe Gulia 2009.
Agnostoprologi Die lebhaften und heiteren Agnostoprologi weisen sowohl auf inhaltlicher als auch auf sprachlicher Ebene typisch plautinische Elemente auf. Dazu zählen die Figur des hochmütigen Militärs (primus adulescentulus), umgangssprachliches Vokabular (homunculis, V. 15; magne gigantule, V. 16; nil chartularum aut tesserularum habes? V. 21; ineptule, V. 27; Amabo te […] ∣ Narra sodes, V. 41–42; colaphum esuris, V. 82) und derbere Schimpfworte (nebulo, V. 8; furcifer, V. 46; nasutule sciole, V. 82) sowie die sich am Ende anbahnende, aber letztlich unterbundene Prügelszene (V. 82–85). Ausführlich zu den Agnostoprologi siehe Abschnitt 4.2.2. 1–7 Ne quem ego fallem … ∣ Non est meum.] Der ‚erste Junge‘ bringt zu Beginn des Prologs sein Missfallen über jegliche Bildungsanstrengung zum Ausdruck und hebt seine Affinität zum Kriegsdienst hervor. In seiner Einstellung entspricht er der Figur des Stratocles im gleichnamigen Drama von Jakob Pontanus (vgl. Pont. Strat. 1–100 und 106–109). Dieses Stück erzählt vom Schüler Stratocles, der der Schule den Rücken kehrt und sich dem Militärdienst verschreibt. Schnell stellt er jedoch fest, dass die Wirklichkeit nichts mit seiner idealisierten Vorstellung vom Militärdienst zu tun hat. Erschüttert vom Elend, in dem Soldaten ihr Dasein fristen, kehrt er geläutert zu seinen Studien zurück. In diesem Zusammenhang ist zum einen auf die stoffliche Nähe der beiden Dramen hinzuweisen. Pontanus stellt neben der Problematik rund um die Frage nach dem gerechten Krieg den Wert der (friedlichen) Bildung in Kontrast zum trostlosen Kriegsalltag heraus. Drexel stellt nicht die fundamentale Frage nach dem Entweder-Oder zwischen Studien und Kriegshandwerk ins Zentrum, sondern die Frage nach der richtigen Anwendung der erworbenen Bildung. Zum anderen verbirgt sich hinter der intertextuellen Anspielung noch mehr als diese rein thematische Akzentverschiebung. Sie ist auch als eine Art Hommage Drexels an seinen ehemaligen Schulleiter zu sehen. Während seiner Schulzeit am Augsburger Jesuitenkolleg von ca. 1592 bis 1598 lag die Leitung der Einrichtung bei Pontanus. Ferner erschien der Stratocles während dieser Zeit im Rahmen der Poeticarum Institutionum libri tres (1594) im Druck. Aufführungen gingen der Drucklegung voraus (Augsburg 1588 und Dillingen 1590). 1 Ne quem ego fallam, qui me fors credit prologum] Der Auftaktvers der Agnostoprologi ähnelt sehr stark den bei Plautus und Terenz verbreiteten formelhaften Wendungen in Anreden an das Publikum, insbesondere am Beginn des Prologs: Ne quis miretur qui sim, paucis eloquar (Plaut. Aul. 1); Nequoi sit vostrum mirum quor […] (Ter. Haut. 1). Vgl. Stockert 1983, S. 38.
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2–3 prologus quaeritur ubique, nuspiam ∣ Reperitur.] Die Diskrepanz zwischen dem Suchen und Nichtfinden des Prologs wird sprachlich durch eine doppelte chiastische Antithese veranschaulicht. 4 Musas omnes execror. animus mihi est] Das Verfluchen der Musen durch den ‚ersten Jungen‘ wird an dieser Stelle lautlich insofern veranschaulicht, als jedes Wort ein separates jambisches Metrum bildet und entsprechend durch Dihärese voneinander getrennt ist. Dadurch wird ein geschmeidiger Redefluss verhindert. Der Vers wirkt abgehackt und erhält einen kakophonen Charakter. Vgl. hierzu Comm. ad 1016–1018. 13 tumultuarier] Die archaische Form des Infinitivs Präsens Passiv auf -rier ist in den Komödien des Plautus häufig zu finden, insbesondere am Versende. Vgl. Willms 2013, S. 229; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 690; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 581–582. 16 mi magne gigantule] Anreden im Diminuitiv sind typische Elemente der lateinischen Umgangssprache (vgl. Willms 2013, S. 245). Die Komik resultiert in der vorliegenden Anrede aus der Diskrepanz zwischen dem mit dem Adjektiv magnus verbundenen Ursprungswort gigas und dem angehängten Diminuitivmorphem -ulus. 19 ergŏ scis] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 21–24 Sed dic nil chartularum aut tesserularum habes? … Et me socium habebis] In diesem Abschnitt des Dialogs zwischen dem ‚ersten‘ und ‚zweiten Jungen‘ spielt Drexel mit der Doppeldeutigkeit des lateinischen Substantivs lusus. Der ‚zweite Junge‘ verwendet lusus in der Bedeutung ‚Schauspiel/Theaterstück‘. Zu diesem habe er sich mit seinen Freunden verabredet (hoc loco ∣ Condiximus ad lusum, V. 22–23). Der ‚erste Junge‘ fasst das vom ‚zweiten Jungen‘ verwendete lusus jedoch im Sinne von ‚(Karten-/Würfel-)Spiel‘ auf und sieht darin eine Antwort auf seine vorangegangene Frage, ob sein Gegenüber nicht irgendwelche Karten oder Würfelchen zum Spielen dabei habe. Entsprechend erwidert er, dass er sich ihrem (Karten- oder Würfel-)Spiel anschließen werde, wenn es ihm gefallen sollte (quodsi lusus placet ∣ Et me socium habebis, V. 23–24). Fasst man lusus an dieser Stelle allerdings in der Bedeutung ‚Schauspiel‘ auf, widerspricht der ‚erste Junge‘, der sich der Doppeldeutigkeit seiner Bemerkung freilich nicht bewusst ist, hier ironischerweise seiner zu Beginn der Szene formulierten Aussage, dass er mit dem aufzuführenden Schauspiel nichts zu tun habe und haben wolle und dass er alle Musen verfluche (vgl. V. 1–7). Die ambige Verwendung des Substantivs lusus führt dazu, dass die beiden Jungen in diesem Abschnitt unwissend vollkommen
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aneinander vorbeireden, was letztlich zum komischen Ton der gesamten Szene beiträgt. 27 Ineptule] Siehe Comm. ad 16. 33–39 Simulare, dissimulare, scivit optime: … brevi erit alius] Diese Ankündigung bzw. Charakterisierung Julians durch den ‚zweiten Jungen‘ trifft nicht ganz auf das folgende Stück zu. Das Dramengeschehen des ersten Aktes lässt an Julians Aufrichtigkeit bei seiner Hinwendung zum geistlichen Stand keinen Zweifel zu. Seine Entscheidung resultiert aus fester Überzeugung. Ein Unterschied zwischen innerer Haltung und äußerem Auftreten, wie sie im Rahmen des frühneuzeitlichen Herrscherdiskurses breit thematisiert wird (vgl. Abschnitt 3.3.5), ist im ersten Akt noch nicht festzustellen. Was der ‚zweite Junge‘ wiedergibt, ist der seit der Antike in der julianfeindlichen Literatur zu beobachtende stereotype Vorwurf der Heuchelei (vgl. S. 97 mit Anm. 216). Die Ungenauigkeit, die der ‚zweite Junge‘ hier offenbart, korrespondiert mit dem unsicheren Halbwissen, das die übrigen Jungen im weiteren Verlauf der Agnostoprologi aufweisen (vgl. S. 147). 35–36 cernes ut agat ∣ … Clericum] Dem Verb agere liegt hier und an späterer Stelle (s.u.) die frühneuzeitliche Vorstellung vom menschlichen Leben als Bühnenstück bzw. Schauspiel zugrunde, bei dem Gott einem jeden Menschen eine bestimmte Rolle im irdischen Leben zuweist, die dieser wiederum gut oder schlecht ausfüllen bzw. ‚spielen‘ kann. Agere trägt daher eine ambivalente Bedeutung: Einerseits kann es im eigentlichen Sinne für ein tatsächliches (aufrichtiges) Handeln und Tun stehen (vgl. Sic simulo amicum, inimicum ago, V. 129). Zum anderen kann es aber auch als Terminus technicus des Theaters angesehen werden und entsprechend im Sinne von ‚in eine Rolle schlüpfen‘ und (einen Schritt weitergehend) im Sinne von ‚etwas vorspielen‘, ‚so tun als ob‘ bzw. ‚etwas heucheln‘ aufgefasst werden (so ausdrücklich in I,5: herum agit servumque servus, V. 331; aget ∣ Nunc Iulianus Clericum, V. 345–346). Seine doppelte Verwendung in der Isagoge (siehe S. 179) ist dagegen jeweils bewusst ambig. Zur Theater-Metapher für das menschliche Leben siehe Matzat 2007, bes. S. 133–139, weitere Literatur ebenda, S. 133 Anm. 1. 44 iussi fuimus quaerere prologum] Die ungewöhnliche Perfektbildung iussi fuimus (Coniugatio Periphrastica Passiva) ersetzt hier das regelmäßige iussi sumus. Häufig dient diese Form der Verdeutlichung, dass eine begonnene Handlung oder ein Zustand, der in der Vergangenheit einmal erreicht worden war, in der Vergangenheit auch seinen Abschluss gefunden hat (vgl. Comm. ad 840–842). Vgl. Kühner/Stegmann 1997/1914 I, S. 164–165; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 322.
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Inwiefern es sich bei einem deratigen Einsatz der Coniugatio Periphrastica Passiva um ein bewusstes Konnotieren einer Aussage oder ‚lediglich‘ um eine Wiedergabe des zeitgenössischen, mehr oder weniger unhinterfragten aktiven Lateingebrauchs handelt, ist im Einzelfall wohl kaum zu entscheiden. Dennoch ist dem Philologen Drexel ein entsprechendes Bewusstsein für solche nuancierte Grammatik- bzw. Sprachphänomene durchaus zuzutrauen. Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s (fuimus quaerere) siehe Comm. ad 383. 45–46 ubi tandem erit ∣ Furcifer?] Das Futur I nimmt bisweilen eine potentiale Färbung an (‚potentiales Futur‘). Vgl. z.B. haec erit bono genere nata: nil scit nisi verum loqui, Plaut. Persa 645. [Sie wird aus gutem Hause stammen: Sie versteht sich darauf, nichts als die Wahrheit zu sagen.] In Verbindung mit fortasse bei Cicero: fortasse dicet aliquis, Verr. 2,4,56. [Vielleicht wird einer sagen …]; hoc videbitur fortasse cuipiam durius, off. 1,23. [Vielleicht wird dies irgendjemandem zu schwer erscheinen.] Vgl. Kühner/Stegmann 1997/1914 I, S. 142; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 311. 46–47 egregia nimio res, hic tam diu ∣ Tot spectatores expectare prologum.] Die illusionsdurchbrechenden Worte des ‚dritten Jungen‘ weisen einen hohen Grad an komischer Übertreibung auf. Hierzu zählen das mit nimio übersteigerte Adjektiv egregia und die Aneinanderreihung der quali- bzw. quantifizierenden Adverbien tam [diu] und tot [spectatores]. Gekrönt wird diese hyperbolische Klimax durch die polyptotonische Verbindung spectatores expectare. 50 imo colludamus interim] Siehe Comm. ad 21–24. 53 oblitus dudum] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 54 Horum fortassis unus narrabit tibi.] Zur Verwendung des Futur I anstatt eines potentialen Konjunktiv Präsens siehe Comm. ad 45–46. 81 ter minimum errasti.] Worin die angeblichen Irrtümer des ‚sechsten Jungen‘ bestehen, wird an dieser Stelle nicht aufgelöst. Auf den ersten Blick hat dieser den Inhalt des fünften Aktes auch korrekt wiedergegeben. Analysiert man seine Aussage jedoch allzu ‚haarspalterisch‘ (vgl. den Vorwurf des ‚sechsten Jungen‘: Quid tu nasutule sciole? V. 82), wie der ‚fünfte Junge‘ es zuvor (V. 71–81) tat, kann man tatsächlich mindestens drei Ungenauigkeiten ausfindig machen: Fasst man geminos […] martyres (V. 78) in seiner ursprünglichen Bedeutung (‚Zwillingsmärtyrer‘) auf, ergibt sich eine erste Unstimmigkeit. Ferner tötet Julian die beiden Märtyrer nicht
434 | Agnostoprologi selbst, sondern lässt sie töten (V. 1383–1387; vgl. parricidam Iulianum spiculo ∣ Feriant letali, V. 79–80). Bezieht man das Adverb prius (V. 80) nicht auf Julians Tod, den die beiden von Christus ausgesandten Märtyrer verursachen, sondern auf das Aussenden der beiden (mittit), ist eine dritte Ungenauigkeit ausfindig zu machen, denn Julianophylax verlässt seinen Schützling Julian erst (V,8), nachdem die Märtyrer mit der Tötung des Kaisers beauftragt wurden (V,5). 82 Quid tu nasutule sciole?] Vgl. Comm. ad 16.
Erster Akt I,1 Die Eröffnungsszene des Dramas stellt dem Zuschauer einen Julian vor, der im krassen Widerspruch zu dem in den Agnostoprologi angekündigten monstrorum omnium monstrum steht. Vielmehr wird er vordergründig als eine bescheidene Person dargestellt, die von Jugend an nichts für Prunk übrig hatte, sondern sich der Wissenschaft und den Künsten verschrieb. Er erscheint literarisch und philosophisch hochgebildet, überaus belesen und weise (σοφός/sapiens). Um dies sprachlich zu unterstreichen, legt Drexel ihm zahlreiche und zum Teil sehr lange Zitate aus den Oden des Horaz in den Mund. In dieser Szene verschmelzen v.a. Ode 1,1 und 3,4 miteinander. In Anlehnung an die Eröffnungsode des Horaz zeigt Julian hier eine noch umfassendere Bereitschaft als die des Horaz, alle erdenklichen Herausforderungen, Gefahren und Beschwernisse auf sich zu nehmen, solange er nur die Musen bei sich habe. Weder überirdische Kräfte (sortis […] furor, V. 94) noch menschliche Einflüsse aus seinem direkten Umfeld (blandientum […] fallaciae, V. 95) könnten ihn davon abhalten; ebenso wenig alle (hier in Pars pro toto ausgedrückte) extremen Gefahren zu Wasser (insaniens Bosphorus, V. 97) und zu Lande (arentes arenae littoris ∣ […] Assyrij, V. 98–99) sowie wilde Völkerschaften (Britanni; Concanus; Geloni, V. 100–102). Die Erwähnung von geographischen Distanzen, die er ebenfalls bereit ist, zu überwinden (Euphraten bibam et Nilum, V. 103), komplementiert die indirekte Aufzählung der Grenzen des Römischen Reiches in allen Himmelsrichtungen. Zur Übersteigerungstendenz in Julians Worten der Eröffnungsszene siehe S. 66. Eingeleitet durch ein Zitat aus Julians Briefen (epist. 107,377d–378a; lateinische Übersetzung nach Bar. AE IV,72E) beginnt der zweite große Abschnitt (V. 106–115). Er imitiert in verkürzter Form die Priamel von Horaz, das erste Gedicht seiner Odensammlung (carm. 1,1; vgl. Race 1982, S. 122–129), eine bewusste Parallele, tragen diese Ode und die erste Szene des Dramas doch den Charakter einer Eröffnung. Aufgezählt werden verschiedene Betätigungsfelder des Menschen (Tierzucht, Wagenrennen, öffentliche Tätigkeit, Militär, Jagd), denen Julian nicht zugetan ist. Erst am Ende verkündet er, dass die Weisheit (Sophia, V. 115) von ihm Besitz ergriffen habe. Die erste Szene des Dramas muss strukturell aber auch als eine typisch ‚senecanische‘ Eröffnungsszene eingestuft werden. Siehe dazu ausführlicher S. 157. Zur Eröffnungsszene und der damit eng in Verbindung stehenden Szene I,2 sowie dem darin vermittelten Julian-Bild siehe v.a. Abschnitt 3.2.1.
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Die Eröffnungsszene als Ganze erzeugt Spannung und Neugier beim Zuschauer. Dies resultiert maßgeblich aus dem Widerspruch zwischen der aus dem Vorwissen des Publikums bzw. aus der durch die Agnostoprologi generierten Erwartungshaltung und dem hier skizzierten Bild Julians. Die Frage „Warum und wie kam es zu diesem radikalen Wandel?“ lässt den Zuschauer von Beginn des Stücks an nicht mehr los. 86–87 Ab ungue tenero … perpetes.] Der noch minderjährige Julian wurde nach Herrschaftsantritt von Constantius II. (337 n.Chr.) unter die Vormundschaft des Arianers Eusebios von Nikomedia gestellt. Dieser wiederum vertraute die Erziehung des Jungen dem Eunuchen Mardonius an. Julians Begabung und sein daraus resultierendes öffentliches Aufsehen in Konstantinopel weckten das Misstrauen des Kaisers. Nach dem Tod des Eusebios (342) wurde Julian zusammen mit seinem Halbbruder Gallus nach Macellum, ein kaiserliches Landgut in Kappadokien, gebracht. Dort erhielten beide Brüder Unterweisungen in der Heiligen Schrift, wurden Lektoren im niederen Klerus und traten vereinzelt als kirchliche Bauherren auf. Während dieser Zeit der Isolation entwickelte Julian eine besondere Bindung zur Philosophie. Maßgeblichen Anteil daran dürfte der Zugang zur Bibliothek des Georgios, des späteren Bischofs von Alexandria, mit seinen zahlreichen neuplatonischen Werken gehabt haben. Nach seiner Rückkehr nach Konstantinopel verkehrte Julian dort sowie in Nikomedia, Pergamon und Athen mit bedeutenden Rhetoriklehrern, Grammatikern und Philosophen (u.a. Nicocles, Ecebolius, Aedesius, Maximus, Libanios, Priscus). Vgl. Rosen 2006, S. 70–121; Bringmann 2004, S. 22–52; Smith 1995, S. 23–48. 89–90 Est coena nulli quam mihi frugalior; ∣ Plumis soporem perbrevem non mulceo.] Von Julians Genügsamkeit beim Essen und Schlafen berichtet u.a. Ammian (16,5,1–3, 25,2,2 und 4,4 bzw. 15,5,4, 25,2,3 und 4,4–5) und Julian selbst im Misopogon (mis. 340b). 91–105 Vester, Camoena, … Deae suavissimae!] Neben einzelnen Wendungen und Versen zitiert Drexel hier beinahe wörtlich einen längeren Abschnitt aus Ode 3,4 des Horaz. In dieser sogenannten ‚vierten Römerode‘ verschreibt sich Horaz, ebenso wie Drexels Julian, ganz und gar den Musen (Vester, Camenae, vester in arduos ∣ Tollor Sabinos, carm. 3,4,21–22). Er schildert Gefahren, denen er angeblich in seinem bisherigen Leben ausgesetzt war und aus denen er durch Göttergunst, insbesondere der der Musen, errettet worden sei (wundersamer Schutz vor Schlangen und Bären in seiner Kindheit: carm. 3,4,9–20; gefährlicher Aufenthalt in den Sabiner Bergen: carm. 3,4,21–24; Kampf in Philippi für die Caesarmörder und Seesturm bei Sizilien: carm. 3,4,26–28) und zeigt damit die Macht und die Be-
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deutung der Dichtung auf. Mit ihr vereint werde er auch alle erdenklichen künftigen Gefahren (Bosporos, Wüste Syriens, Briten, Gelonen, Skythen; vgl. carm. 3,4,29–36) meistern können. Die Musen sorgten auch dafür, dass Caesar (sc. Augustus) vom Kriegsdienst erschöpft Erholung finden könne (carm. 3,4,36–40). Für eine detaillierte Analyse siehe die entsprechenden Kommentare von Nisbet/Rudd (2010, bes. S. 53–69), West (2002, S. 49–53), Syndikus (³2001 II, S. 48–68) und Kiessling/Heinze (¹⁰1960, bes. S. 271–275). Einen poetischen Text von einem Metrum in ein anderes umzudichten, gehörte bei den Jesuiten zu den grundlegenden Unterrichtsinhalten der Poetikklasse, die die Ratio studiorum ausdrücklich vorschreibt (vgl. Ratio stud. 1599, MGP V, S. 418–419). Auch in der Rhetorikklasse wird diese Übung genannt (Ratio stud. 1599, MGP V, S. 404–405). Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass Teile dieser Szene das Ergebnis einer solchen unterrichtlichen Übung darstellen. 91–93 Vester, Camoenae, vester ego fui cliens ∣ Paene antequam esse possem; eroque quamdiu ∣ Mortalis ero.] Die Abfolge fui–esse–ero betont Julians lebenslange Hingabe für die Musen. Mit paene antequam esse possem verdeutlicht er außerdem, dass er sich in seinem Leben schon viel früher den Künsten verschrieben hätte, wenn es ihm die Natur gestattet hätte. Esse posse ist hier so zu verstehen, dass er zunächst die Voraussetzung des Lesen- und Schreibenkönnens erfüllen musste. Die Wiederholung von ero zu Beginn und am Ende dieses kurzen Satzes betont zusammen mit dem Enjambement erneut Julians feste Überzeugung. 93–96 vestris amicum fontibus ∣ … Utcunque mecum vos eritis o Gratiae!] Sowohl hier als auch an späterer Stelle (V. 103–105) können Julians Worte trotz der Tatsache, dass Horaz die primäre Vorlage war, eine gewisse Nähe zu den biblischen Psalmen nicht leugnen: vestris amicum fontibus Chorisque non me sortis avertet furor, Non blandientum me trahent fallaciae. Utcunque mecum vos eritis, o Gratiae! (Iul. 93–96)
modo Vos me labore defatigatum in specu Recreetis Aonia, Deae suavissimae! (Iul. 103–105)
Nam et si ambulavero in medio umbrae mortis, non timebo mala quoniam tu mecum es. (Ps 22,4 = Vulg. Nova Ps 23,4; in valle mortis, Ps iuxta Hebr.)
in loco pascuae ÷ ibi: me conlocavit super aquam refectionis educavit me, animam meam convertit. (Ps 22,2–3 = Vulg. Nova 23,2–3; refecit, Ps iuxta Hebr.)
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Die biographischen Erlebnisse aus der Vergangenheit, die man bei Horaz an betreffender Stelle findet (siehe Comm. ad 91–105), werden durch mögliche zukünftige Einflüsse von außen (sortis furor; blandientum fallaciae) ersetzt, von denen Julian hier noch behauptet, dass er gegen sie immun sei. Letztlich wirken sie jedoch an seiner Apostasie mit. 95 blandientum] Zur Form siehe Comm. ad 486. 97–103 Insanientem Bosphorum tentavero ∣ … et Euphraten bibam et Nilum] Bereits in der frühen griechischen Literatur werden die Ränder der bekannten Welt (οἰκουμένη) von exotischen Völkern bewohnt, die sich durch Topoi und Stereotypen der Wildheit und des Verkehrten auszeichnen und somit eine Gegenwelt zum zivilisierten Griechenland bilden (siehe ganz besonders Herodots Skythenexkurs bzw. -logos, Hdt. 4,1–82; vgl. Männlein-Robert 2012, S. 117–118). Die geo- und ethnographischen Extreme, die Julian hier zur Veranschaulichung seiner Bereitschaft, im Verbund mit den Musen alle Strapazen der Erde auf sich zu nehmen, verwendet, seien an dieser Stelle in alphabetischer Reihenfolge kurz erklärt (außer der hinlänglich bekannten Flüsse Euphrat und Nil, Synonyme für die östliche und südliche Grenze des Imperium Romanum): Bosphorus insaniens: Die Meerenge zwischen dem Marmara- und Schwarzen Meer gilt auch heute noch aufgrund ihrer hohen Strömungsgeschwindigkeiten (insaniens) als sehr gefährliche Wasserstraße. Siehe auch die antiken Beschreibungen von Polybios (4,43–44) und Apollonios Rhodios (2,317–344 und 549–606). Vgl. Nisbet/Rudd 2010, S. 66; Olshausen 1997; Marasco 1996. Arenae arentes littoris Assyrij: Die von Drexel aus seiner Vorlage Horaz übernommene geographische Bezeichnung Assyrius ist bei Kommentatoren der Oden umstritten. Eine Identifikation mit der Mittelmeerküste Syriens schließt deren verhältnismäßig hohe Fruchtbarkeit aus (vgl. arenae arentes). Verschiedentlich wurde daher die These vertreten, dass der Begriff auf die Küste des Persischen Golfes zu beziehen und im Prädikativum viator eine Reminiszenz an Alexander den Großen zu sehen sei, der die Gedrosische Wüste, die sich östlich vom Persischen Golf erstreckt, durchzog. Vgl. Nisbet/Rudd 2010, S. 66–67; Fedeli/Carena 2009, S. 752; Mastrocinque 1996. Britanni hospiti ignoto feri: Aufgrund der Abgeschiedenheit der Britischen Inseln werden ihre Bewohner von Horaz und anderen stereotyp als unkultivierte Barbaren ohne Gastfreundschaft gegenüber Fremden dargestellt. Laut antiken Quellen (vgl. Strab. geogr. 4,5,2; Tac. ann. 14,30) seien sie noch barbarischer als die Kelten. Vgl. Nisbet/Rudd 2010, S. 67. Concanus equino sanguine laetus: Bei den Concani handelt es sich um einen cantabrischen Stamm im Norden Spaniens, der erst unter Augustus unter-
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worfen werden konnte. Die Gewohnheit, Pferdeblut zu trinken, wird normalerweise den skythischen Völkern nachgesagt (vgl. Verg. georg. 3,461; Plin. nat. 18,100; Mart. 1,3,4; Sen. Oed. 470; Stat. Ach. 1,307–308). Silius Italicus (3,361) schreibt diese Praxis, vermutlich auf Horaz rekurierend, ebenfalls den Concanern zu. Vgl. Nisbet/Rudd 2010, S. 67. Geloni pharetrati: Das nordöstlich des Schwarzen Meeres beheimatete Volk der Skythen, zu denen auch der Stamm der Gelonen zählt, war bekannt für seinen meisterhaften Umgang mit dem Bogen (vgl. Verg. Aen. 8,725; Ov. Pont. 3,8,19; Sen. Herc. f. 1126–1128). Laut einer Erzählung Herodots (Hdt. 4,9–10) soll Herakles der Ahnmutter der Skythen seinen Bogen geschenkt haben. Vgl. Nisbet/Rudd 2010, S. 67–68 und 131. Eine Quellensammlung zu den Skythen in der Lateinischen Literatur wurde jüngst von Andreas Gerstacker u.a. (2014) herausgegeben. 97/99 tentavero; calcavero] Von römischen Komödienautoren wird in Hauptsätzen immer wieder anstelle eines regulären Futur I das Futur II (Futur exactum) verwendet. Zum Teil dient das Futur II dabei der Betonung, dass der Erfolg einer künftigen Handlung für überaus sicher gehalten wird. In klassischer Prosa tritt dies nur selten auf (vgl. die Beispiele bei Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 147– 150). Siehe auch Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 323. Hier unterstreicht das Tempus möglicherweise Julians unbedingte Bereitschaft, alles im Bund mit den Musen ohne Zögern zu ertragen. Im Vergleich zum Futur I bei Horaz gewinnt diese Unbedingtheit durch die Worte Julians im Futur II einen hyperbolischen Charakter. 103–105 modo ∣ Vos me labore defatigatum in specu ∣ Recreetis Aonia, Deae suavissimae!] Siehe Comm. ad 93–96. 104–105 in specu ∣ Recreetis Aonia] Das Substantiv specus tritt in allen drei Genera auf (vgl. V. 2697), im Femininum jedoch nur sehr selten (z.B. Enn. ann. 429; Gell. 5,14,18). Die Bezeichnung Böotiens als Aonien stammt vom Volk der Aones und ihrem Eponym Aon, dem Sohn des Poseidon. Von Vergil (georg. 3,11) wird das Adjektiv direkt mit dem Musenberg Helikon, der ebenfalls in Böotien liegt, verbunden, von Ovid (met. 5,333) mit den Musen selbst. Vgl. Graf 1996a; Gargiulo 1984. Siehe auch Comm. ad 2697. 106–107 Alius canes, volucres alius, alius equos ∣ Exerceat et exerceatur] Die Inkonzinnität des asyndetisch aufzählenden Trikolons veranschaulicht sprachlich-stilistisch die Verschiedenartigkeit der jeweiligen Betätigungsfelder des Menschen. Mit der Wendung Exerceat et exerceatur verwendet Drexel ein bei Seneca beliebtes Polyptoton aus der Dritten Person Singular Aktiv und Passiv, um die un-
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bewusste Wechselseitigkeit von menschlichen Handlungen herauszustellen (vgl. z.B. Sen. epist. 15,8 und 94,61). Menschen, die sich selbst als aktiv in ihrem Treiben sehen, entlarvt der Philosoph dadurch als passiv und selbst getrieben. 108–115 Hic pulverem … Socratica me domus sibi ∣ Rapuit] Horaz verteidigt in Ode 1,1, der Priamel seiner carmina, seine Arbeit als lyrischer Dichter als gleichwertig gegenüber den vielfältigen Tätigkeiten anderer (Wagenlenker, Politiker, Landwirt, Seefahrer, Kaufmann, Müßiggänger, Soldat, Jäger). Die Worte von Drexels Julian betonen ebenfalls diese Gleichwertigkeit und die Bescheidenheit der Hauptfigur. Sprachlich wird dies von Drexel insofern unterstrichen, als sich das vorangehende Hos castra rapiant und das folgende Socratica me domus sibi rapuit in der Wortstellung weitgehend entsprechen. Letzteres wird lediglich durch eine abbildende Wortstellung noch erweitert: Das Akkusativobjekt me ‚sitzt‘ gewissermaßen ‚im Haus‘, das vom Hyperbaton Socratica … domus gebildet wird. Die Wortstellung nimmt proleptisch das Ergebnis des Vorgangs des Raubens vorweg. Siehe auch die Kommentare zu Ode 1,1 von Syndikus (³2001 I, S. 24–37), West (1995, S. 4–7), Nisbet/Hubbard (1989, S. 1–16) und Kiessling/Heinze ¹⁰1960, S. 1–10). 109–112 ille lituos ∣ Et iste lites verset … volvo pacatissime.] Julian stellt seine sprachlichen Fähigkeiten durch ein im Deutschen unmöglich wiederzugebendes, paronomastisches Wortspiel aus verschiedenen Bedeutungen der Substantive lis und lituus dar. Ersteres bezeichnet einerseits einen Rechtsstreit vor Gericht, andererseits aber auch philosophische Streitfragen. Lituus steht im militärischen Kontext, wie es hier und an anderer Stelle (V. 891 und 1152) Verwendung findet, für ein Signalhorn. Im übertragenen Sinne wird es aber auch als Trope für die Veranlassung einer Handlung verwendet (vgl. Cic. Att. 11,12,1). Im vorliegenden Zusammenhang wären Anstöße aus der Literatur und Philosophie für Julians Lebensweise denkbar. Julian bringt seine sprachlichen Fähigkeiten aber nicht nur durch dieses ausgeklügelte Wortspiel zum Ausdruck, sondern durch das Aussprechen dieses sich über viereinhalb Verse erstreckenden Zungenbrechers überhaupt, der angefüllt ist mit Stilfiguren wie Alliterationen, Assonanzen, Polyptota, Enjambements und Polysyndeta. Zur Rolle des Wortwitzes und -spiels im frühneuzeitlichen Drama siehe Rädle 1997b, S. 315–316. Siehe auch Comm. ad 141–143. 116–120 Bonus Imperator … nemo vir est.] Der hier in freier Form wiedergegebene ‚Philosophenkönigssatz‘ aus Platons Politeia, laut dem Staaten erst dann Glück zuteil werde, wenn die Philosophen die Herrschaft übernähmen oder die Herrscher zu Philosophen würden (Plat. rep. 473c–d, vgl. epist. 7,326a7–b4), steht
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genauso wie der folgende intertextuelle Bezug zum sechzehnten Brief Senecas an Lucilius (epist. 16,3) weitgehend zusammenhanglos zum Vorangegangenen. In gewisser Weise mögen hier bereits latent Julians spätere Ambitionen auf den Kaiserthron mitschwingen, ein logischer Zusammenhang zu seiner Aussage, dass er sich gänzlich der Sophia verschrieben habe, ist jedoch nicht erkennbar. An dieser Stelle leitet er aus seinen Fähigkeiten noch keinen Anspruch auf die Herrschaft ab. Zu diesen Überlegungen gelangt er erst in I,10 und II,1 durch das Wirken seiner Ratgeber und der Dämonen. Die Bezüge zu Platon und Seneca dienen hier allein der Verdeutlichung von Julians philosophischen Kenntnissen und Belesenheit, nachdem seine literarischen Talente bereits breit angeklungen waren. Eine direkte Platon-Rezeption durch Drexel wäre zwar denkbar (nicht zuletzt da bereits 1484/5 die lateinische Übersetzung des gesamten Corpus Platonicum durch Marsilio Ficino erschienen ist und der Text damit im Westen wieder weitere Verbreitung fand), ist aber nicht unabdingbar. Auch wenn der Text der Politeia im lateinischen Mittelalter wohl nicht bekannt war, wurde insbesondere Platons Konzept von der Philosophenherrschaft im Westen diskutiert. Eine Vermittlerfunktion nahmen u.a. die Schriften des Aristoteles, Boëthius, Macrobius und Martianus Capella ein. Eine Rezeption speziell des ‚Philosophenkönigssatzes‘, der meist vereinfacht und verkürzt sowie aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben wird, findet sich bei Hieronymus (in Ion. 3,6/9,171–172), Boëthius (cons. 1 pr. 4,5–7), Alcuin (epist. 229, S. 373,2–4) und Hrabanus Maurus (In librum Sapientiae 2,1). Weitere Beispiele listet John Marenbon (2002, S. 70–71, Anm. 9) auf. Zur Platon-Rezeption im lateinischen Mittelalter und der Frühen Neuzeit allgemein und speziell für die Politeia siehe: Radke-Uhlmann 2010, Sp. 685–688; Gersh/Hoenen 2002; Hankins ²1991; Klibansky 1981. Zu Julian als ‚Philosophenkönig‘ siehe Desmond 2011, S. 117–144. 116 Imperator] Die Begriffe Imperator, Augustus, Caesar und Princeps werden im Drama, sofern sie nicht als offizielle Herrscher- und Amtstitel gebraucht sind (vgl. V. 60, 134, 163, 221, 622–623, 627, 701, 746, 748–750, 767–768, 1832 und 2106), nicht unterschieden und synonym zur Bezeichnung des römischen Kaisers verwendet.
I,2 Die zweite Szene des ersten Aktes behandelt die innere Entwicklung von Kaiser Constantius II. von einem Feind Julians zu dessen Förderer. Der erste Teil (V. 121– 131), in dem er in Monologform seine innere Gemütslage schildert, lässt ausgesprochen negative Charakterzüge an ihm erkennen (vgl. Comm. ad locum). Die Gründe für diese Haltung verschweigt das Drama. Sie liegen historisch darin begrün-
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det, dass Constantius und seine Brüder nach dem Tod ihres Vaters, Konstantins des Großen, alle Oppositionellen, darunter auch Julians Vater, hinrichten ließen. Der damals erst sechsjährige Julian und sein Halbbruder Gallus wurden verschont. Mit einem Hinweis auf die politischen Umstände während der ersten Regierungsjahre des Constantius nimmt Baronio (AE III,478C–D) in Anlehnung an Gregor von Nazianz (or. 4,21) die milde Behandlung und Förderung Julians durch den Kaiser in Schutz. Er sei durch die Furcht vor einem Aufstand im Heer zu Konzessionen gezwungen worden. Innerhalb dieser Rahmenbedingungen ist auch hier im Drama das zwiespältige Verhalten des Constantius zu sehen. Constantius deutet bereits vor dem Gespräch mit Nicocles und Mardonius an, dass er viel über Julians herausragende Begabung gehört habe (V. 135–136). Gleichzeitig weist er aber auch auf die Möglichkeit hin, dass dieses Talent unter Umständen eine große Tragödie hervorrufen könne. Um sein Interesse an Julians Ausbildung zu heucheln und somit die gegenüber diesem freundliche Fassade nach außen zu wahren, befragt er seine Lehrer über ihren Schützling (V. 145– 192). Diese erzählen mit größter Begeisterung von seinen herausragenden Talenten. Das im ersten Teil der Szene von Constantius selbst geschilderte Misstrauen kommt in seinen rhetorischen und negativ suggestiven Fragen zum Ausdruck. Einerseits verraten sie sein doppeltes Spiel, andererseits stehen sie für sein Bemühen, irgendeinen negativen Punkt bei Julian zu finden. Je öfter Mardonius und Nicocles seine Fragen überschwänglich zugunsten Julians beantworten, umso ungeduldiger und aufgebrachter wirkt Constantius: an est futuri providus (V. 156); an sophus ∣ Erit aliquando? (V. 162–163); Num etiam satis moratus est? (V. 187); num pudicus, integer ∣ Castus? (V. 188–189). Letztlich gelingt es seinen Ratgebern jedoch, ihn von Julians guten Eigenschaften zu überzeugen und seinen Hass verschwinden zu lassen. Constantius erscheint von dieser Szene an als besonnener Herrscher, der sich dem Anliegen des Klerus von Konstantinopel mit aller Sorgfalt annimmt (I,3), Julians Entscheidung für den geistlichen Stand gewissenhaft und kritisch hinterfragt (I,8) und ihn letztlich nach vernünftigen Überlegungen, die der ‚Staatsraison‘ entsprechen (II,2), zum Caesar ernennt. Entsprechend tritt er im letzten Teil der Szene (V. 192–217) als Julians wohlwollender Unterstützer und Förderer auf. Er spornt ihn ausdrücklich dazu an, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, und macht ihm sogar ausdrücklich Hoffnungen auf den Kaiserthron. In Verbindung mit der Vorausdeutung auf eine mögliche Tragoedia magna hält das Gespräch zwischen Constantius und den beiden scientiarum praestites die in der vorausgegangenen Eröffnungsszene generierte Spannung aufrecht. Die Worte des Mardonius und Nicocles untermauern und verstärken einerseits das überaus positive Bild von Julian, wie es in der ersten Szene präsentiert wurde, andererseits tragen sie aber auch durch den übermäßigen Gebrauch von Superla-
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tiven zum geschilderten Eindruck der übersteigerten Unmäßigkeit bei Julian bei (vgl. S. 66 und Einleitung zu Comm. ad I,1). 121–131 In Iulianum … ∣ Ut tempori se prodat iracundia.] Constantius’ Beschreibung seines eigenen Handelns umfasst diejenigen Schlüsselbegriffe des frühneuzeitlichen Herrscherdiskurses, die in Abschnitt 3.3.5 bereits herausgearbeitet wurden (velare, tegere, simulare, dissimulare). Angesichts der Ablehnung solcher machiavellistischen Verhaltensweisen durch die Jesuiten, muss Constantius’ Haltung an dieser Stelle negativ eingeschätzt werden. Vor dem Hintergrund einer weiteren intertextuellen Referenz wird dies noch deutlicher: Das Verhalten des Constantius deckt sich zu einem großen Teil mit demjenigen Domitians in Tacitus’ Biographie über seinen Schwiegervater Agricola. Darin nimmt Kaiser Domitian die Erfolge, die Agricola auf seinen Feldzügen in Britannien erringt, nach außen hin mit Freude, nach innen jedoch mit Verdruss auf (Hunc rerum cursum […], ut erat Domitiano moris, fronte laetus, pectore anxius excepit. Agr. 39,1). Mit dissimulare fällt dort u.a. einer der erwähnten Schlüsselbegriffe (cetera utcumque facilius dissimulari, ducis boni imperatoriam virtutem esse, Agr. 39,2). Ferner will Domitian (wie Constantius im Iulianus) angesichts der Beliebtheit Agricolas seinen Hass auf einen günstigeren Zeitpunkt aufschieben (optimum in praesentia statuit reponere odium, donec impetus famae et favor exercitus languesceret; nam etiam tum Agricola Britanniam obtinebat. Agr. 39,3). Bei diesen Verhaltensweisen bleibt es im Laufe der Szene jedoch nicht. Mardonius und Nicocles, Julians Lehrern, die der Kaiser als Ratgeber zu sich ruft, gelingt es durch eine aufrichtige und ehrliche Einschätzung von Julians Talenten, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, aus Constantius einen Freund und Förderer seines Vetters zu machen. Noch deutlicher als der Dramentext bringt dies die Perioche zum Ausdruck: „Sie [sc. Mardonius und Nicocles] streichen ihn [sc. Julian] dermassen herfür/ daß ihn der Keyser von stundan berufft [d.h. rühmt] und offentlich seiner Tugent lobt.“ Auch im späteren Handeln des Constantius innerhalb des Dramas ist von Verstellung und Heuchelei nichts mehr spürbar. 121 In Iulianum patruelem] Julian und Constantius stammen von Constantius I. Chlorus ab, der beider Großvater war. Constantius I. zeugte mit Helena Konstantin den Großen. Diesem schenkte dessen zweite Frau Fausta u.a. den Sohn Constantius II. Aus der Ehe mit Theodora ging für Constantius I. ein weiterer Sohn, Iulius Constantius, hervor. Dieser und Basilina waren wiederum die Eltern von Julian. Zur Abstammung Julians siehe ferner: Rosen 2006, S. 552–553; Bringmann 2004, S. 17–20. Julian beschreibt diese Verwandtschaftsverhältnisse selbst in seinem Brief an die Athener (vgl. ad Ath. 270d–271a).
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129 Simulo amicum, inimicum ago] Diese pointierte Aussage bildet eine chiastisch gestellte Doppelantithese, in der das konkrete Gegensatzpaar amicum und inimicum in Juxtaposition steht und vom zweiten Paar, simulo und ago, gerahmt wird. Die Synaloephe zwischen beiden Begriffen sorgt zusätzlich dafür, dass das ambivalente Verhalten des Constantius ineinander zu verschwimmen scheint. 131 Ut tempori se prodat iracundia.] Die archaische Ablativform tempori (teilweise auch temperi) taucht bei Plautus (Persa 229, Rud. 921, Stich. 442, Trin. 911), aber auch noch bei Cicero (off. 3,58) auf. 134–135 Iulianum an aestiment ∣ Perquirere lubet] In klassischer und nachklassischer Dichtersprache sowie in der Prosa seit Livius kann an in derselben Weise als Einleitung einer einfachen indirekten Satzfrage verwendet werden wie num. Im Laufe der Kaiserzeit ist die Konstruktion mit an sogar häufiger zu finden. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 523–524; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 542–543. Das ursprünglich neutrale aestimare steht im klassischen und nachklassischen Latein noch sehr selten, seit der Spätantike häufig elliptisch für magni aestimare. Im Deutschen trägt das Verb ‚schätzen‘ dieselbe Doppelbedeutung. Vgl. Stotz 2002–2004 II, S. 143 § 73.2; Prinz, Karl 1902: Art. ‚aestimo‘. In: ThLL I,1104,12–30. 137–138 Tragoedias at saepe magnas excitant ∣ Ingenia magna.] Diese metapoetische Anspielung nimmt Bezug auf das ‚plautinische Standeskriterium‘ (vgl. S. 122), laut dem eine Tragödie von ‚hohen‘ Persönlichkeiten handelt. Vgl. Abschnitt 4.1. 141–143 Mard.: Salve Imperator … ∣ Const.: Vobis salus sit plurima; saluti quia ∣ Vos plurimis.] Repliken auf eine Begrüßung in Form eines Wortspiels sind ein typisches Element in den Komödien des Plautus (z.B. Asin. 593). Auch im neulateinischen Drama wird diese Technik gerne verwendet (vgl. z.B. Grets. Udo 161; Bid. Cen. V,7, V. 2103), um von einer Begrüßung einen direkten Übergang zur Thematik einer Szene herzustellen. Auch Drexel wendet diese Technik an verschiedenen Stellen an (vgl. V. 282–283, 367–368, 435–436 und 929–930). Geradezu als ‚Meister‘ des semantischen Wortspiels ist Ovid zu bezeichnen (vgl. z.B. met. 13,40, 133–134 und 268–269, epist. 7,3–6 und 13,37–38). Vgl. Schawaller 1987. Zu Wortspielen bei Vergil siehe O’Hara 1996. 141 invictissime] Der ungewöhnliche Superlativ von invictus taucht bereits bei Plautus auf (Mil. 57), wo er als ironisch-übertreibendes Attribut für den prahlerischen Soldaten Pyrgopolynices verwendet wird. Seit der Spätantike ist er neben
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dem Positivum invictus (vgl. z.B. Paneg. Lat. 6,8,4 und 12,1 sowie 8,14,3) typischer Bestandteil kaiserlicher Herrschertitulatur (z.B. Paneg. Lat. 6,1,4, 8,3,2 und 11,9,4). Vgl. Clauss 1999, S. 260–262; Rösch 1978, S. 45–46; Kneissl 1969, S. 174. 145 ingenij an boni an felicis est?] In einfachen direkten Fragen wird an u.a. dafür benutzt, um im Rahmen eines lebhaften Wechselgesprächs die Ansicht des Gegenübers in Frage zu stellen. Der Partikel leitet in diesem Zusammenhang eine Frage mit negativ suggestivem Charakter ein. An der vorliegenden Stelle bleibt die Aussage, der mit einer negativen Suggestionsfrage widersprochen werden soll, jedoch elliptisch: Die vorausgehende Behauptung wird von dem gebildet, was Constantius weiter oben, freilich nur zu sich selbst, gesagt hat: ingenij est summi ut reor, ∣ Adeo fuit natura in illum benefica (V. 135–136). In der durch ein doppeltes an eingeleiteten Frage will er dies in Zweifel ziehen. Die Wiederholung von an betont dabei die Vehemenz, mit der Constantius seine Nachfragen beginnt. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 517–519; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 465–467. Gegen die Auffassung von an … an … als korrespondierende Disjunktion, die sich in Hauptsätzen bei Plautus (vgl. Epid. 223) und in indirekten Fragen bei Vergil (vgl. Aen. 10,681) findet (vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 527; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 466), spricht, dass die Adjektive bonus und felix oftmals in ganz enger Verbindung mit fast identischer Bedeutung gebraucht werden (vgl. z.B. Plaut. Trin. 41; Liv. 1,28,7; Verg. ecl. 5,65). Vgl. Ammann, Hermann 1915: Art. ‚felix‘. In: ThLL VI,1,434,77–455,2; Sinko, Thaddäus 1906: Art. ‚bonus‘. In: ThLL II,2079,21–2127,11. 151–160 Si vera … oculeum caput.] Auf die Frage nach der natürlichen Begabung Julians (V. 145) folgt ein lebhaftes Frage-Antwort-Spiel zwischen Constantius und Nicocles. Es behandelt verschiedene Tugenden, die Julian in außerordentlichem Maße aufweist. Die Gestaltung der einzelnen Verse in Form von Antilabai verleiht dieser Passage hohe Dynamik. Julian wird mit jeder Frage des Constantius und mit jeder anschließenden Antwort des Nicocles noch umfassender gerühmt. Die übertriebene Häufung von Superlativen zur Charakterisierung seiner Fähigkeiten bestätigen aber gleichzeitig auch den Eindruck der Maßlosigkeit in der Person Julian aus der ersten Szene (vgl. S. 66 und Einleitung zu Comm. ad I,1). 156 an] Vgl. Comm. ad 145. 159–160 Argum putes ∣ Centena cui stent lumina, et oculeum caput.] Die Aussage des Nicocles wurde von Drexel aus Bencis Ergastus übernommen (vgl. Similienapparat). Mit diesen Worten charakterisiert die Hauptperson den strengen Aufpasser an seiner Schule. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5.
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Argus ist in der klassischen Mythologie der Wächter über die argolische Königstocher Io, die von Juno in eine Kuh verwandelt wird. Die Angabe über die Anzahl seiner Augen variiert. Bald werden hundert (Ov. am. 3,4,19, met. 1,625 und 721; Hier. epist. 54,9,4), bald tausend (Stat. silv. 5,4,11) genannt. Beides steht hyperbolisch für eine unbestimmte große Anzahl. Aufgrund dieser Eigenschaft wird Argus auch häufig das Epitheton oculeus (Fest. S. 26,1–2) verliehen. Seine Wachsamkeit ist in der lateinischen Literatur sprichwörtlich (vgl. Plaut. Aul. 555). 161–193 Tibĭ vero Mardoni … doctrina virtute gravida.] Im Folgenden wendet sich Constantius dem zweiten Gelehrten, Mardonius, zu. Dieses Gespräch trägt einen anderen Charakter als das vorhergehende, das von einem schnellen FrageAntwort-Wechsel geprägt war. Constantius lässt sein Gegenüber über weitere Tugenden Julians referieren. Mardonius lobt Julians sophia/sapientia (V. 163–168 und 183–185), modestia (V. 172–174), eloquentia (V. 179–182), probitas (V. 187–188), pudicitia, integritas, castitas (V. 189–190) und comitas (V. 190–192). 162–163 an sophus ∣ Erit aliquando?] Der Partikel an wird hier in einer etwas anderen Weise verwendet als oben (Comm. ad 145). Er kann auch dazu dienen, in einer fortlaufenden Rede eines einzigen Sprechers eine eigene Aussage durch die Infragestellung des Gegenteils zu bekräftigen. Dies geschieht meist in Form einer rhetorischen Frage, die mit an eingeleitet wird. Auch sie trägt in der Regel eine negativ suggestive Färbung. Constantius lobt zunächst Mardonius als einen herausragenden Weisen. Im vergleichenden Gegensatz dazu stellt er die rhetorische Frage, ob Julian vor diesem Hintergrund wirklich auch ein Weiser (σοφός/sapiens) sein könne. Hier liegt die bekräftigende Wirkung aber nicht nur auf dem Lob des Mardonius (Tibĭ vero Mardoni, sophorum ingens decus, V. 161), sondern besonderes Gewicht liegt auch auf der Infragestellung von Julians Status. 163–165 iam fuit ∣ … etiam infans sophus] Diese Einschätzung des Mardonius korrespondiert mit Julians eigenen Worten aus der Eröffnungsszene (vgl. V. 91–92). Das auf Julian bezogene Prädikativum infans (aus in + fari, ‚noch nicht sprechen können‘, d.h. ein kleines Kind) und das dazugehörige Prädikatsnomen sophus wiederholt die vorausgehende Gegenüberstellung von prius ratiocinari und quam sermocinari. 171–174 plura laudanda … laudo … laude; laudi … laus] Die Verse des Mardonius sind durch Polyptota von laudare bzw. laus stark überladen. Dieser übertriebene Überschwang trägt zur maßlosen Überzeichnung des Julian-Charakters bei (vgl. S. 66 sowie Comm. ad 151–160). Eine Analogie zur Beschreibung von Julians Verhalten an dieser Stelle findet sich in Sallusts Monographie De Coniuratione Catilinae. Darin charakterisiert der
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Autor in der berühmten Synkresis zwischen Caesar und Cato den Letztgenannten mit ganz ähnlichen Worten: Je weniger Cato nach Ruhm strebte, umso mehr verfolge ihn dieser (ita, quo minus petebat gloriam, eo magis illum sequebatur, Catil. 54,6. Vgl. dazu Agricola bei Tacitus: ne laureatis quidem gesta prosecutus est, sed ipsa dissimulatione famae famam auxit, Agr. 18,6: Seine Taten ließ er nicht einmal durch eine mit Lorbeer umwundene Siegesmeldung feiern, sondern vergrößerte seinen Ruhm, indem er ihn verschwieg). 179–182/190–192 subtilis est ∣ … ad se pertrahat / faceta comitas ∣ … nihil ∣ Laedendo vitiosos.] Für diese lobenden Worte des Mardonius zog Drexel einen Brief des jüngeren Plinius als Vorlage heran (epist. 1,10,5 und 7). Darin äußert sich dieser gegenüber Attius Clemens positiv über den Philosophen Euphrates, den er selbst in Syrien erlebt habe. Die drei üblichen genera dicendi der Rhetorik (subtile, ornatum, grave), die auch im rhetorischen Standardlehrwerk der Societas Iesu von Cipriano Suárez (De arte rhetorica libri tres. Frankfurt 1589, S. 109–111) erklärt sind, werden hier durch ein viertes, impavidum, ergänzt. Die sublimitas wird schon von Plinius als das spezifische Charakteristikum Platons wahrgenommen. Quintilian lobt Ciceros sublimitas (z.B. inst. 8,3,3). Vgl. Philips 1986, S. 33–34 und 37. 187 num] Der Partikel num leitet hier in gleicher Weise wie an (vgl. Comm. ad 145/156/162–163) eine negative Suggestionsfrage ein. 193 doctrina virtute gravida] Die Sperrung von doctrina … gravida durch virtute bildet den Inhalt dieser etwas schwülstig anmutenden sentenzhaften Formulierung sprachlich ab. Das Bild der ‚mit Tugend schwangeren Bildung‘ deutet bereits auf das Ende des Dramas und seine Moral hin (vgl. V. 2751–2757): Wissen muss mit (christlicher) Tugend verbunden sein, sonst nützt es nicht nur nichts, sondern schadet sogar. 195–198 calcar addam … tenax captae viae.] Constantius unterstützt nun Julian, bestärkt ihn in seinen Bemühungen und treibt ihn auf dem eingeschlagenen Weg weiter voran. Dies setzt Constantius auf inhaltlicher und sprachlicher Ebene um. Er macht gegenüber Julian deutlich, dass er ein idealer Herrscher sein werde, wenn er es verstehe, als Weiser seine Leidenschaften zu bändigen und sich nicht von der aufrührerischen Masse leiten zu lassen. So könnten ihm weder Jupiter noch der Untergang der Welt etwas anhaben. Auf sprachlicher Ebene setzt Constantius sein Vorhaben des calcar addam iam antea currenti (eine auf Plinius den Jüngeren zurückgehende Metapher [vgl. epist. 1,8,1], die diesen Abschnitt entsprechend intellektuell einleitet) insofern um, als er sich auf das sprachliche und intellektuelle Niveau begibt, auf welchem sich Julian selbst in der ersten Szene
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bewegt. Er greift dabei auf Zitate aus den Oden des Horaz zurück (siehe Similienapparat), um sich gewissermaßen auf einer ‚Ebene‘ mit Julian zu unterhalten und ihn so besser zu erreichen. 201 depraedicant] Das in der Antike nur vereinzelt von christlichen Autoren verwendete Verbum depraedicare wird in der neulateinischen Literatur seit Erasmus häufiger gebraucht. Vgl. Souter 1949, S. 96 s.v. depraedico; Gudemann, Alfred 1911: Art. ‚depraedico‘. In: ThLL V,1,593,79–82; Krebs ⁷1905–1907 I, S. 426. 203–215 atque ita … ∣ Fugiente penna] Drexel hat hier Verse aus verschiedenen Oden des Horaz zusammengetragen (carm. 1,22, 2,2, 3,2, 3,3). Wer ein reines und unbescholtenes Gewissen besitze (integer vitae scelerisque purus, carm. 1,22,1) könne sich laut Horaz unbewaffnet in gefährliche (non eget Mauris iaculis, carm. 1,22,2) und widrige Gegenden der Welt begeben. In carm. 2,2 wird die Freigebigkeit des Dichtermäzens C. Sallustius Crispus, dem Großneffen und Adoptivsohn des berühmten Historikers, gepriesen. Mit Freigebigkeit und Bändigung der Habgier könne man, so Horaz, mehr erreichen als ein mächtiger Herrscher (latius regnes avidum domando ∣ spiritum quam si Libyam remotis ∣ Gadibus iungas, carm. 2,2,9–11). In der zweiten Ode des dritten Buches seiner carmina rühmt Horaz diejenige virtus, die sich von der Gunst des einfachen Volkes befreit. Ihrem Träger eröffnet sich nach seinem Tod der Weg zum Himmel, der anderen versperrt sei: virtus repulsae nescia sordidae intaminatis fulget honoribus nec sumit aut ponit securis arbitrio popularis aurae: virtus recludens inmeritis mori caelum negata temptat iter via coetusque volgaris et udam spernit humum fugiente pinna. (carm. 3,2,17–24)
Die zuletzt zitierten Verse aus Horaz’ Ode 3,2 werden in Raders Cassianus ebenfalls wörtlich zitiert und vom Lehrer Quintilius sogar als die ausgefeiltesten Verse von Horaz bezeichnet (cultissimos Horatij versiculos, Rad. Cass. S. 97v ). In der ‚dritten Römerode‘ (carm. 3,3) betont Horaz, dass sich der gerechte und in seinem Vorhaben beharrliche Mann (iustum et tenacem propositi virum, carm. 3,3,1) weder vor der Wut der Bürger noch vor Tyrannen noch vor Stürmen auf der Adria noch vor dem blitzeschleudernden Jupiter noch vor dem Untergang der Welt fürchten müsse:
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[…] non civium ardor prava iubentium, non voltus instantis tyranni mente quatit solida neque Auster, dux inquieti turbidus Hadriae, nec fulminantis magna manus Iovis: si fractus inlabatur orbis, inpavidum ferient ruinae. (carm. 3,3,2–8)
Siehe auch die entsprechenden Kommentare von Nisbet/Rudd (2010, S. 21–53), West (2002, S. 24–39), Syndikus (³2001 I, S. 219–227 bzw. 344–350 sowie II, S. 24– 47), West (1998, 14–21), West (1995, S. 104–107), Nisbet/Hubbard (1989, S. 261–273), Nisbet/Hubbard (1978, S.32–51) und Kiessling/Heinze (¹⁰1960, S. 100–103, 168–172 und 256–270). 203–205 atque ita … iunxeris] Auch Augustinus (civ. 5,13) greift in seiner Argumentation für die Überwindung der Gier nach immer größerer Herrschaft auf dieses Horazzitat zurück. 208 Iovis] Hinter der Nennung des höchsten römischen Gottes Jupiter verbirgt sich an dieser Stelle keinerlei religiöse Bedeutung. Der alles dominierende Aspekt liegt in der möglichst genauen Wiedergabe des Horaztextes. 216–217 probetur unica ∣ Virtus tibi. haec ad astra calcanda est via.] Abgesehen von der Nähe zum horazischen Gedankengang wird hier auf die Rolle der Tugend (virtus) im stoischen Kontext angespielt, konkret auf das Ende von Senecas Tragödie Hercules Oetaeus. Dort verkündet der vergöttlichte Hercules nach seinem Tod auf dem Scheiterhaufen, dass er sich durch seine Tugend den Weg in den Himmel gebahnt habe: iam virtus mihi ∣ in astra et ipsos fecit ad superos iter (Herc. O. 1942–1943). Zur Rolle der Tugend in der Stoa siehe Comm. ad 277–283. Zu den Parallelen zwischen Hercules und Julian siehe Comm. ad 708–709 und ad 845–861.
I,3 Die Bitte des Eulogius ist strukturell an einen spätantiken Herrscherpanegyricus angelehnt und folgt grob dessen typischem Aufbau. Auf die feierliche Anrede und die captatio benevolentiae des Kaisers (V. 218–229) schließt sich eine sehr kurze ar-
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gumentatio (V. 230–235) an. Das kaiserliche Eingreifen sei erforderlich, damit die Kirche ihren Glanz behalten könne. Es gebe einen überaus begabten jungen Mann, Julian, der in aller Munde sei und für die Zukunft nur Gutes verheiße. Den Abschluss bildet die peroratio, die eigentliche Bitte (V. 236–242): Constantius möge Julian in ein kirchliches Amt berufen. Constantius’ Beschluss, die Entscheidung über diese Bitte Julian zu überlassen, ist nach den Geschehnissen in I,2 nicht als Heimtücke des Kaisers zu sehen, sondern als Ausdruck seines Vertrauens gegenüber seinem Vetter. 221–229 Auguste Caesar, … o patriae pater.] Bevor Eulogius die eigentliche Bitte vorbringt, drückt er seine Ergebenheit gegenüber dem Kaiser aus. Diese captatio benevolentiae erzeugt eine formelle, offizielle Atmosphäre und steht damit in Kontrast zu den vertraulichen Gesprächen am Hof der vorausgehenden Szene. Die Anrede des Eulogius ist dabei voll von topischen Elementen der Herrscherpanegyrik. Dazu gehören der Wunsch nach möglichst ewiger Herrschaft (V. 222 und 226; vgl. z.B. Paneg. Lat. 5,8,1 und 10,2,7), eine überaus demütige Bitte um die Aufmerksamkeit des Constantius (V. 223–224; vgl. Cic. inv. 1,22) und der Vergleich mit Gestirnen (V. 227; vgl. zur Licht- und Glanzmetaphorik z.B. Paneg. Lat. 11,10,4–5 und 11,14,2). Zum Lobpreis gehört auch der Ruhm der Familie, worunter Julian besonders hervorsticht (V. 232–234). Vgl. Wallraff 2010, Sp. 120–122; Dingel 2000; Rohr 1995, S. 40–51; Payr 1962. 228 Reique publicae sacrae] Hinter dieser Formulierung steht die bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil gültige frühneuzeitliche Selbstdefinition der katholischen Kirche als Gemeinwesen, das einem Staat vergleichbar und ähnlich sei (res publica). Die Kirche bilde ein von der zivilen Staatsgewalt getrenntes, auf Gott ausgerichtetes und somit ‚heiliges‘ Staatswesen (vgl. Augustinus’ Trennung zwischen civitas terrena und civitas Dei). Vgl. Laplanche 1992, S. 347–349; Listl 1978, S. 82–89; Schwarz 1974, S. 41–62. Siehe auch die frühneuzeitlichen staatstheoretischen Abhandlungen von Robert Bellarmin SJ zum Primat des Papstes über weltliche Herrscher (1587 V, Kap. 7) und von Johannes Nepomuk Endres. Letzterer definiert die Res publica sacra folgendermaßen (1761, S. 76): Non possum non ab eo, quod Catholicos atque Protestantes inter se maxime dividit, principio rursus exordium ducere: Ecclesiam nimirum a Christo institutam esse tamquam perfectam quandam Rempublicam sacram a Civili distinctam, suis uti Legibus, ita et Magistratibus quoque ac subditis, Imperantibus nimirum atque parentibus instructam, quae propterea Reipublicae cujusdam Catholicae et universalis, sed Sacrae speciem praeseferat. [Ich komme nicht umhin, erneut an dem Punkt, der Katholiken und Protestanten am allermeisten voneinander trennt, anzusetzen, nämlich dass die Kirche ohne Zweifel von Chris-
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tus gleichsam als vollkommener heiliger Staat, der vom weltlichen getrennt ist, eingerichtet und mit eigenen Gesetzen ebenso wie Beamten und Untertanen und freilich Herrschern sowie Vorfahren ausgestattet wurde. Deshalb rühmt er sich nicht nur einer katholischen und allgemeingültigen, sondern auch einer heiligen Gestalt.]
229 solus o patriae pater.] Die Bezeichnung pater patriae diente seit Augustus nicht mehr nur als Ehrentitel für Verdienste um das Gemeinwesen, sondern auch als Verpflichtungsverhältnis zwischen dem Kaiser und seinen Untertanen. Der Kaiser sorgt nach diesem Verständnis für sein Volk wie ein Vater für seine Kinder. Ebenso wendet sich Eulogius hier bittend an die väterliche Fürsorge des Kaisers. Vgl. Strothmann 2000, S. 73–108; Galinsky 1996, S. 371; Kienast ²1996, S. 27–28; Rösch 1978, S. 47–48; Alföldi ³1980. Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s (solus [o] patriae) siehe Comm. ad 383. 230 Byzantium] Byzantium war der Name Konstantinopels vor seiner Umbennung durch Konstantin im Jahre 330. Der Name Constantinopolis ist metrisch in einem jambischen Trimeter nur schwer umzusetzen. Daher greift Drexel hier auf die metrisch einfachere, ältere Bezeichnung der Stadt zurück. In der Benennung kann ferner aber auch eine Anspielung auf Julians angeblichen Hass auf Konstantinopel gesehen werden. Baronio (AE IV,25A) berichtet, dass Julian aus Abneigung gegenüber Konstantin die neue Hauptstadt des Reiches lieber mit ihrem alten Namen bezeichnete (vgl. Iul. epist. 54 mit dem Adressaten Βυζακίοις). 232–233 Tibĭ patruelis est sua notissimus ∣ Virtute doctrinaque] An dieser Stelle wird ausdrücklich betont, dass die aus christlicher Sicht für einen Gelehrten entscheidenden Charaktereigenschaften, virtute doctrinaque (hervorgehoben durch ihre Juxtaposition), anfangs noch beim Hauptprotagonisten Julian vorhanden waren (vgl. Moral am Ende des Stücks, V. 2751–2757). 235–242 Hunc ergo … Caesar ipsemet.] In der eigentlichen Bitte werden weitere panegyrische Elemente (hier bezogen auf Julian) gebraucht. Die erfolgreiche Sicherung des Reiches, das vor dem Herrschaftsantritt des jeweiligen Kaisers in Schieflage geraten sei (orbem labantem […] exhausta patria, V. 236–237), ist topisch (vgl. Paneg. Lat. 5,11,5 und 7,12,7). Vgl. Dingel 2000; Rohr 1995, S. 41–51. 238–239 sacrorum quem sibi ∣ Interpretem voluminum omnis urbs rogat.] Gregor von Nazianz (or. 4,23, 52 und 97) und Sokrates (hist. eccl. 3,1,19–20) berichten, dass Julian und sein Halbbruder Gallus als Lektoren tätig gewesen seien. Vgl. Comm. ad 86–87.
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240 amictus purpurae sacros] Die seit Diocletian zunehmende Sakralisierung des Kaisertums führte dazu, dass der Herrscher selbst und seine Umgebung das Attribut ‚heilig‘ (sacer/sanctus; divus/divinus) verliehen bekam. Vgl. Demandt ²2007, S. 261 und 264–265; Kolb 2001, S. 35–37. Zur Sakralisierung des oströmischen Kaisers seit Justinian siehe Meier 2003, S. 608–638. 247 pedumne sceptrumne] Das pedum bezeichnet ursprünglich einen armlangen Stock, der ein gebogenes Ende besitzt. Durch seine Funktion als Hirtenstab (vgl. Verg. ecl. 5,88) wurde er in der frühchristlichen Ikonographie zum Attribut des ‚Guten Hirten‘. Daraus entwickelte er sich zum Bischofs- bzw. Abtstab. Vgl. Hurschmann 2000a; Engemann 1991. Julian steht somit konkret vor der Wahl der jeweiligen Insignien, dem kaiserlichen Szepter einerseits oder dem Hirtenstab des Geistlichen andererseits.
I,4 Sallustius, ein enger Vertrauter Julians, will seinen Freund bei dessen Überlegungen für und wider das Eintreten in den geistlichen Stand von seiner Sicht der Dinge überzeugen bzw. ihn auf den ‚rechten‘ Weg bringen. Diesen letztlich erfolglosen Versuch gestaltet Drexel in Anlehnung an die für die Dramen Senecas typischen Domina-nutrix-Szenen. Siehe dazu ausführlich S. 153–157. Sallustius versucht wiederholt Julian mit denjenigen Argumenten von seiner Entscheidung abzubringen, die Lipsius in De constantia zu den größten Feinden der constantia rechnet. Julian widersteht diesen ‚Verführungen‘ an dieser Stelle aber noch mit Bravour. Siehe dazu ausführlich S. 73–75. Entsprechend der Präsentation Julians in den ersten beiden Szenen als überaus begabten Philosophen liegt in dieser Szene ein philosophisches Streitgespräch vor. Diesen Charakter erhält sie durch die zahlreichen, zum Teil sehr engen Anlehnungen an die Epistulae morales Senecas an Lucilius und die hohe Anzahl an Sentenzen, die für die Schriften Senecas ebenfalls charakteristisch sind. Julian tritt in dieser Szene gewissermaßen als der stoische Philosoph Seneca auf. Siehe dazu Comm. ad 277–283, 293–312 und 315–316. Die Szene I,4 ist aber auch durchzogen von mehreren Andeutungen bzw. bösen Vorahnungen bezüglich des kommenden Schicksals, das Julian ereilen wird. Besonders die animi saepe mutantis vices (V. 299) deuten konkret auf die Wende des Stücks zum Ende des ersten Aktes hin. Diese Vorahnungen erscheinen umso plausibler, als Sallustius von sich selbst behauptet, Julian besser zu kennen, als dieser sich selbst (V. 319–320). Am Ende bringt er, allein auf der Bühne, nochmals seine Befürchtungen zum Ausdruck (V. 321–326). Hierbei wird der Zuschauer ein
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weiteres Mal auf das Kommende eingestimmt (analog zu den Worten des Constantius in I,2: Tragoedias at saepe magnas excitant ∣ Ingenia magna, V. 137–138). 250 Scis Iuliane quam tibi fidus] Sallustius tritt im Drama (vgl. II,4) allgemein als Mahner gegenüber Julian auf und nimmt gewissermaßen die Rolle der Amme aus den Tragödien Senecas ein. Auch Baronio (AE IV,117A) charakterisiert ihn als Mahner. 261–264 O Iuliane sint tibi ∣ Suspecta semper nova, vetera placeant magis. … periculum novis ∣ Saepius inest.] Sallustius spricht hier einen typischen Gedanken des römischen Konservatismus aus. Dieser zeichnet sich durch eine stets positive Haltung gegenüber allem Alten und einer ablehnenden gegenüber allem Neuen aus. Gewissermaßen als Locus classicus ist eine von Cicero in seiner Rede für den Oberbefehl des Pompeius wiedergegebene Sentenz zu sehen: ne quid novi fiat contra exempla atque instituta maiorum (Cic. Manil. 60: Damit nichts Neues, das im Widerspruch zu den vorbildlichen Taten und Einrichtungen der Vorfahren steht, geschehe. Vgl. Enn. ann. 156: moribus antiquis res stat Romana virisque: Der römische Staat gründet auf uralten Sitten und Gebräuchen sowie auf großartigen Männern). Cicero betont dies an anderen Stellen häufig im Hinblick auf die römische Religion (vgl. leg. 2,19, 25 und 27, div. 1,11). Dieses traditionelle Denkschema war gleichzeitig die Voraussetzung für die Anwendung des sogenannten ‚Altersbeweises‘, dessen sich christliche Apologeten in ihren Auseinandersetzungen mit der heidnischen Gegenseite bedienten. Vgl. Pilhofer 1990, S. 138–141. Siehe auch Comm. ad 537–543. 264 Sall.: Saepius inest. Iul.: saepissime salus. Sall.: non sine] Trotz aller beschriebener Freiheiten, die der jambische Trimeter und Senar erlauben (vgl. Abschnitt 4.3.), muss dieser Vers als falsch gelten. Bereits antike Dichter achteten streng darauf, dass der letzte Versfuß eines Metrums stets dem zugrundeliegenden Versmaß entspricht. So muss im jambischen Trimeter und Senar der letzte Versfuß zwar nicht durch einen echten Jambus gebildet werden (letzte Silbe ist anceps), die Arsis muss aber immer kurz sein (hier sogar fälschlicherweise ein Daktylus; der fehlerhafte Vers resultiert vermutlich aus der falschen Bemessung der Adverbendung von saepissime). Da sich auch die frühneuzeitlichen Dramatiker in der Regel daran halten, muss dieser Vers als fehlerhaft bezeichnet werden. Auch die Metriktheorien von Álvarez (Inst. gramm. III, fol. 32v ) und Micyllus (De re metrica I, fol. 32r ) lassen dieses Vorgehen nicht zu. Die im Apparat vorgeschlagene Emendation bedient sich der Möglichkeit eines prosodischen Ausfalls eines auslautenden -s (siehe dazu Comm. ad 383), sodass salus und haud durch Synaloephe zusammengezogen werden. Ferner führt
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dieses Vorgehen dazu, dass der Widerspruch des Sallustius noch entschiedener erscheint, indem er Julian mit haud sine gewissermaßen ins Wort fällt. 268 ita est Iuliane] Die scheinbare Zustimmung des Sallustius, der erkennt, dass er Julian auf diesem Wege nicht umstimmen kann, beendet den ersten Teil seiner Einwände und leitet zum nächsten Versuch über. Darin kommt er auf die Jugend, Abstammung, körperlichen Anlagen, Beliebtheit, Begabung und Zukunftshoffnungen zu sprechen, die Julian nicht aufgeben solle. Dieser Mittelteil orientiert sich weniger an den typischen Überredungsszenen des antiken Dramas (siehe S. 153–157), sondern stellt vielmehr eine Verarbeitung des 19. und 22. Briefes Senecas an Lucilius dar. Eine entsprechend geringe Rolle spielen hier die stilistischen Mittel der Stichomythie und Antilabe, obwohl man sich immer noch innerhalb der Überredungsszene befindet. Daher sind längere Rhesispartien festzustellen, ohne dass sich der Anteil an Sentenzen verringert (V. 281–283, 286–287, 289–291, 294–303). Lediglich zum Ende dieses Abschnittes hin findet eine gewisse Verdichtung durch häufigeren Sprecherwechsel statt (V. 297–303). Mit sit hoc. incipe (V. 303) schließt Sallustius ganz ähnlich wie zuvor seine Einwände ab und wendet den Blick auf Julians Zukunft als Geistlicher. 277–283 Ergo relinques … imperare est.] Diese Passage ist beinahe wörtlich an den 22. Brief Senecas an Lucilius angelehnt. Darin rät Seneca seinem Briefpartner, auf eine öffentliche Karriere zu verzichten, da das Leben im Staatsdienst, das Lucilius momentan führe, aufgrund all seiner Verpflichtungen nicht mehr lebenswert sei (epist. 22,3). Auf den fiktiven Einwand des ‚Lucilius‘, dass dann jegliche gesellschaftliche Achtung verloren gehen und eine große Begabung verschwendet werden würde, geht Seneca insofern ein, als er zur Verachtung des Lohns für all diese öffentlichen Mühen aufruft. Darauf möchten die meisten aber nicht verzichten, sodass sie doch an dem hängen, über was sie sich eigentlich beklagten. Sie hingen an ihren Verpflichtungen wie an einer Geliebten: Wie Paare hassten sie sich nicht, sondern zankten sich lediglich (epist. 22,10). Die Menschen hielten also aus freien Stücken an den Dingen fest, die sie als lästig empfänden. So halte nur wenige die Knechtschaft fest, die Mehrheit aber an der Knechtschaft (epist. 22,10). Eine direkte Übernahme der Argumentation Senecas ist hier jedoch nicht festzustellen. Der bei Seneca fiktive Einwand des ‚Lucilius‘ hinsichtlich des Verlusts des gesellschaftlichen Ansehens (tam magnas spes relinquam? […] nudum erit latus, incomitata lectica, atrium vacuum? epist. 22,9) bleibt bestehen und wird Sallustius in den Mund gelegt (Ergo relinques spes tam opimas? […] erit nudum latus, ∣ Vacuum atrium, incomitata lectica, V. 277–279). Darauf reagiert Julian aber ganz allgemein mit einem Hinweis auf die führende und begleitende Rolle der vir-
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tus (comitem ∣ Habebo virtutem ducemque, V. 279–280). Diese ersetze die Gruppe an Freunden, die ihn in der Öffentlichkeit begleite, zur morgendlichen salutatio sein Haus bevölkere und somit sein gesellschaftliches Ansehen repräsentiere. Der zweite Einwand des Sallustius, ob Julian also in Knechtschaft leben wolle, findet in Senecas Brief keine Entsprechung, sondern ist im Kontext der Entscheidung Julians für oder wider den geistlichen Stand zu sehen. Als Antwort darauf zitiert Julian jedoch beinahe wörtlich die zusammenfassenden Worte Senecas (paucos servitus, plures servitutem tenent, epist. 22,11; servitus ∣ Paucos tenet, sed servitutem plurimi, V. 281–282). Der gesamte Textabschnitt gibt den Kern der stoischen Ethiklehre Senecas wieder: Das höchste Ziel (τὸ ἀγαθόν/summum bonum/honestum) der stoischen Philosophie besteht im Erreichen der vollkommenen Glückseligkeit (εὐδαιμονία/ beatitudo) durch eine sittliche Vollkommenheit/Tugend (ἀρετή/virtus). Derjenige, der diesen Zustand erreicht, gilt als Weiser. Die Tugend aber bestehe darin, „naturgemäß zu leben“ (ὁ κατὰ φύσιν βίος/ὁμολογουμένος τῇ φύσει ζῆν/secundum naturam vivere), was für die Stoa gleichbedeutend ist mit ‚vernunftgemäß leben‘, da die menschliche Vernunft aus einem kleinsten Teilchen gebildet werde, das von der göttlichen/kosmischen Weltvernunft, dem Logos, ausgehe und jedem Menschen zuteil werde. Der entscheidende Punkt für die stoische Ethiklehre liegt aber darin, dass diese Tugend autark sei und dass der Mensch in diesem ‚Sichselbst-Genügen‘ (αὐτάρκεια) zur Erringung der vollkommenen Glückseligkeit nicht auf äußere Güter angewiesen sei: virtutem ad beate vivendum se ipsa esse contentam (vgl. Cic. Tusc. 5,1). Der stoische Weise zeigt eine seelische Ausgeglichenheit (εὐθυμία/tranquilitas animi) und eine vernunftbasierte Gleichgültigkeit (ἀπάθεια/impatientia) gegenüber äußeren (Ruhm, Herkunft oder Reichtum) und inneren Gütern (Leben, Gesundheit, Kraft) sowie gegenüber Affekten wie Freude oder Trauer. Vgl. Guckes 2004b; Halbig 2004; Vogt 2004; Hossenfelder ²1995, bes. S. 44–68; Steinmetz 1994; Nussbaum 1994, S. 316–401; Forschner 1998, bes. Sp. 181–184; Sandbach ²1989, bes. S. 23–68; Colish 1985, bes. I, S. 31–50; Forschner 1981; Pohlenz ⁴1970, bes. S. 111–158. Zur ambivalenten christlichen Rezeption der Stoa seit der Antike siehe Abschnitt 3.1.1. 279–280 comitem ∣ Habebo virtutem ducemque.] In dieser Aussage Julians liegt eine Adaption einer Wendung Ciceros vor: [Omnia summa consecutus es] virtute duce, comite fortuna (fam. 10,3,2). Julian schreibt der virtus allerdings sowohl die Aufgabe des Lenkens (duce) als auch die des Begleitens (comite) zu. Den Einfluss der fortuna auf sein Glück streitet er später explizit ab (vgl. V. 308 und 310–312).
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284 Caesare genitus] Julians hier angedeutete kaiserliche Abstammung ist in erster Linie auf seinen Großvater Constantius I. Chlorus zu beziehen, der von 293 bis 305 zunächst Caesar innerhalb der diocletianischen Tetrarchie, von 305 bis 306 sogar Augustus war. Dessen leiblicher Sohn, Iulius Constantius, Julians Vater, bekleidete zwar im Jahre 335 (vgl. Athan. apol. c. Arian. 76) den Konsulat, erhielt aber vermutlich nie die Caesaren-Würde. Zosimos überliefert (hist. 2,39,2) lediglich, dass Iulius Constantius und dessen Bruder Hanniballianus zusammen mit dem dritten Bruder Dalmatius, der von Konstantin zum Caesar erhoben worden sei, im Osten regierten. Die Passio S. Artemii (Pass. Art. 7; siehe Comm. ad 1261) berichtet zwar von der Verleihung der Caesaren-Würde an Iulius Constantius durch Konstantin, weist aber eine Missdeutung der Worte des Zosimos auf. Alle drei genannten Söhne des Constantius Chlorus aus seiner zweiten Ehe mit Theodora fielen den Nachfolgekämpfen nach Konstantins Tod zum Opfer, nachdem auch sie einen Herrschaftsanspruch formulierten, den sie vom gemeinsamen Großvater Constantius Chlorus ableiteten. Sallustius will hier denselben Anspruch Julian als dem Nachfolger dieser ausgelöschten Generation schmackhaft machen. Vgl. Demandt ²2007, S. 104; Rosen 2006, S. 49–50; Barceló 2004, S.46–49; PLRE 1, S. 226 s.v. Iulius Constantius 7; Seeck 1900; Mommsen ³1887–1888 II,2, S. 770–771 mit Anm. 2. 291 vixisse] Dichterisch, nachklassisch und in der Prosa bei Livius steht der Infinitiv Perfekt häufig anstelle eines Infinitiv Präsens. Vgl. Maurach ²2006, S. 59; Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 133–135; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 351– 353. 293–312 quies ∣ … attonat.] Für diese Passage diente über weite Strecken der 19. Brief Senecas an Lucilius als Vorlage. Auch hier setzt sich Seneca wie in Brief 22 für den Verzicht auf eine öffentliche Karriere ein (subduc te istis occupationibus, epist. 19,1). Dieser Brief ist weniger von fiktiven Einwänden gekennzeichnet, die Seneca ausspricht und widerlegt. Drexel setzt die Argumentation Senecas vielmehr in einen Dialog um. Senecas Argumentationsfolge sei zum besseren Verständnis kurz umrissen: U.a. sei Lucilius durch seine intellektuellen Fähigkeiten für eine öffentliche Karriere begünstigt worden (te protulit ingenii vigor, epist. 19,3). Diese Tätigkeiten seien aber mit vielen Beschwernissen und Entbehrungen verbunden, was eben der Preis dafür sei (non potest parvo res magna constare, epist. 19,4). Aus den einen Pflichten entwachsen immer wieder neue. Abschließend stellt Seneca die Frage, wohin all dies denn führen solle (quis exitus erit? epist. 19,6), und ruft sein Gegenüber dazu auf, all diese Beschwernisse hinter sich zu lassen und sich von ihnen frei zu machen (subduc cervicem iugo tritam, epist. 19,6).
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Die einzelnen Aussagen Senecas wurden von Drexel auf die beiden Dialogpartner Julian und Sallustius verteilt und den gegensätzlichen Standpunkten angepasst: Den Aspekt des besonderen Talents benutzt Sallustius, um Julian zu überreden: Er möge dieses nicht einfach so vergeuden (ah quid Iuliane tuam indolem ∣ Necas? V. 297–298). Julian dagegen erwidert, dass dies eben der Preis sei, den er für seine Entscheidung zahlen müsse (parari magna parvo non queunt, V. 298). An dieser Stelle folgt im Drama eine kurze Passage (V. 299–303), die so bei Seneca nicht zu finden, sondern der spezifischen Thematik von Julians späterem Sinneswandel geschuldet ist und hier eine vorausdeutende Funktion besitzt. Eine klare Zuordnung der Sprecher (Seneca–Julian, ‚Lucilius‘–Sallustius) ist auch im Folgenden nicht gegeben. Die rhetorische Frage Senecas, wohin all die öffentlichen Tätigkeiten führen sollen (quis exitus erit?), stellt Sallustius in Bezug auf Julians Vorhaben, Geistlicher zu werden (V. 304). Die Aufforderung Senecas subduc cervicem iugo tritam wird für das Bemühen des Sallustius herangezogen, Julian von seinem Entschluss abzubringen (subduc iugo cervicem, V. 305). Seneca weist ferner darauf hin, dass der Wunsch des Lucilius, in Ruhe leben zu können, durch sein Schicksal verhindert werde (epist. 19,8). Dasselbe spricht Sallustius gegenüber Julian aus, der zuvor diesen Wunsch geäußert hat (V. 306– 307). Der fiktive Einwand des Lucilius, dass er sein Schicksal weiter gedeihen lassen möchte, den Seneca aber sogleich abtut (quid si illi etiam nunc permiseris crescere, epist. 19,8), wird zur Aufforderung des Sallustius an Julian (permitte fortunam tuam succrescere, V. 309). Zuletzt nimmt Julian wieder die Rolle Senecas ein, indem er in derselben Weise wie im Brief ein Zitat des Maecenas (epist. 19,9 = Maecen. carm. frg. 10 Lunderstedt bzw. Drex. Iul. 312) anführt, das die Gefahr eines zu hohen Aufstiegs veranschaulicht. 293–295 quies ∣ Cordi mihi est; portumque malo quam mare. ∣ Si navis in portu perit, parcat fretum?] Schiffs- bzw. Meer-Hafen-Metaphorik dient in der antiken Literatur häufig zur Gegenüberstellung von sicheren und gefahrvollen Umständen (vgl. z.B. Sen. epist. 19,2; Cic. Cato 71). Entsprechend taucht sie auch in der frühneuzeitlichen Emblematik auf: So folgt z.B. in Andrea Alciatis Emblem mit dem Motto Spes proxima auf die Abbildung eines von Wind und Wellen gepeitschten Schiffes ein Epigramm, das den Staat explizit mit einem Schiff vergleicht. Wie das Sternbild der Dioskuren (Zwillinge) den Seefahrern in ihrer Not Hilfe brächten, so sorgten gute Herrscher dafür, dass der Staat Gefahren entkomme (Andr. Alc. Embl. 68). Julian bedient sich hier derselben Metaphorik und überträgt sie auf seine Situation: Ein weltliches Leben entspricht laut ihm den Stürmen auf See, als Geistlicher könne er sich dagegen in einen sicheren Hafen begeben. Die Hafen-Metapher für ein Leben in Sicherheit ist für sich selbst ebenfalls weit verbreitet (vgl. Ter. An-
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dr. 480; Verg. Aen. 7,598; Erasm. Adag. 46). Der zweite angesprochene Aspekt, si navis in portu perit, parcat fretum? (V. 295), stammt aus einem anderen LuciliusBrief Senecas (epist. 14,15) und somit auch aus einem anderen Kontext, wodurch die hier vorliegende etwas unlogische Abfolge der beiden Argumente zu erklären ist (Hafen als Metapher für Sicherheit, aber auch im Hafen gehen Schiffe unter). Mit dem Bild des Schiffes, das selbst in einem Hafen untergehen kann, möchte Seneca gegenüber Lucilius veranschaulichen, dass der Ausgang von gewissen Entscheidungen nicht immer vorhersehbar sei. Der Weise kümmere sich daher um die Anfänge von Entscheidungen, das Schicksal um deren Ausgang (Denique consilium rerum omnium sapiens, non exitum spectat; initia in potestate nostra sunt, de eventu fortuna iudicat. Epist. 14,15). Zur Schifffahrt als Metapher für das menschliche Leben in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit siehe Heydenreich 1970, bes. S. 55–57, 85–86 und 172–179. Zur Meeres-Metaphorik in carmen 17 des Paulinus von Nola siehe Kirstein 2000, S. 174– 182. 296–297 Haec fluxa calcat qui sapit, vel rectius ∣ Ut sapiat.] Erneut wird hier auf die stoische Autarkielehre Bezug genommen. Siehe Comm. ad 277–283. 300–303 Nil audeat … ∣ Nihil timere et omnia.] Diese Verse wurden Bencis Ergastus entnommen (siehe Similienapparat), wo sie vom personifizierten Honor gegen Ergastus vorgebracht werden, der der Furcht eine positive Wirkung zuschreibt. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5. 303–310 sit hoc. incipe; ∣ … novi callide.] Zur Überleitung zum Schlussteil der Szene siehe Comm. ad 268. Die V. 305–310 stellen erstmals eine echte Stichomythie innerhalb dieser Überredungsszene dar. Entsprechend weisen sie auch deren typische Elemente auf. Besonders die ‚Stichworttechnik‘ (siehe S. 156) findet hier breite Umsetzung: libera–liber; quietus–quiescere; fortuna–Caeca Dea–fortuna– sortis. 308 Caeca Dea] Die Göttin des Zufalls, Fortuna bzw. Tyche, wird in der antiken Literatur u.a. von Pacuvius (trag. 368–370), Cicero (Lael. 54, Phil. 13,10), Galen (protrep. 2) und Boëthius (cons. 2 pr. 1,11) mit der Blindheit in Verbindung gebracht (vgl. die Beschreibung des Kairos, einer Statue des Lysipp, durch Poseidippos: Anth. Graec. 16,275; siehe auch Erasm. Adag. 670). In der Frühen Neuzeit wird die blinde Fortuna bzw. Occasio auf einer Kugel oder einem Rad (vgl. Tib. 1,5,70; Ov. trist. 5,8,7; Amm. 26,8,13 und 31,1,1) zu einer weit verbreiteten ikonographischen Darstellung und ist u.a. in den Signets von Buchdruckern präsent (vgl. Wolkenhauer 2002, S. 58 und bes. S. 216–225). Außerdem führen Giraldi (1560, S. 438–450, bes. S. 443) und Conti (1584, S. 338–344, bes. S. 343–344) das Wesen der Fortuna in
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ihren zeitgenössischen mythographischen Werken breit aus. Die Blindheit steht für die Gleichwertigkeit aller Menschen vor dem Schicksal. Ohne festen Plan wütet es gegen alles Irdische. Dieses ‚Verhalten‘ führte auch dazu, dass die Schicksalgöttin in der neulateinischen Literatur des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts entsprechend ihres ambivalenten Epithetons caeca (‚blind‘, aber auch ‚dunkel/finster‘) überwiegend als eine Fortuna mala wahrgenommen wurde. Nach christlicher Überzeugung waren allein diejenigen gegen die Launen der Fortuna gefeit, die sich für eine Vita contemplativa, wie Julian im vorliegenden Fall, entscheiden. Vgl. Knapp/Tüskés 2003, S. 115–124; Rausa 1997; Simon 1990, S. 59–71; Kirchner 1970, bes. S. 17–24; Doren 1924; Otto 1890, S. 141–145. 311–312 Fortuna non crescit nisi ut decrescere ∣ Queat.] Die leichte Wandelbarkeit des Schicksals wird hier besonders anschaulich durch die Verknüpfung eines Simplex und Kompositums von ein und demselben Verb dargestellt. Dies stellt ursprünglich eine Wendung Senecas dar, die auf das Leben an sich bezogen ist. Im 24. Brief an Lucilius merkt er an, dass täglich ein Teil des menschlichen Lebens vergehe. So wie der Mensch mit dem Eintritt in das Jugendalter seine Kindheit verliere, sterbe mit dem Heranwachsen auch ein Teil seines früheren Lebens. Den Abschluss dieser Argumentation bildet die Sentenz et tunc quoque cum crescimus vita decrescit (Sen. epist. 24,20). Hinter der Formulierung bei Drexel steht aber auch die auf Boëthius zurückgehende Vorstellung vom Rad der Fortuna, das den Menschen bald in die Höhe emporhebt, bald in den Abgrund stürzt (cons. 2,1– 2). Ganz ähnlich ist dieser Vers auch in den Carmina Burana, die zeitgenössisch freilich noch nicht rezipiert wurden, zu finden: O Fortuna, […] semper crescis aut decrescis (CB 17,1,4–5). Vgl. Stroh 2005, S. 212 Anm. 97. Zu Fortuna in der Dichtung und Emblematik des Barock siehe Kirchner 1970. Die behandelte Passage aus Senecas 24. Brief an Lucilius gibt Drexel später ebenfalls in seiner erstmals 1629 erschienenen Schrift Aeternitatis Prodromus (‚Der Vorläufer der Ewigkeit‘) fast wörtlich wieder (Opera Omnia 1645a I, S. 49,1). 314 Iul.: induere Clericum. Sall.: ut exuas male, induis.] Die Komposita induere und exuere bezeichnen primär das An- und Ablegen von Kleidung. Im übertragenen Sinn können sie ferner auch mit einer Gesinnung, einem Denken oder einem Amt verbunden werden. Induere Clericum kann somit auch als Terminus technicus für eine Profess oder Ähnliches verstanden werden. Vgl. Hofmann, Johann B. 1943: Art. ‚induo‘. In: ThLL VII,1,1262,17–1270,67; vgl. Comm. ad 345–346 und 597. 315–316 Vitam meam exaequabo ad illam quam ego semel ∣ Legem mihi ipse tulĭ.] Lucilius wird im 20. Brief von Seneca darauf hingewiesen, dass die Philosophie nicht aus Reden bestehe, sondern dass vielmehr die Taten den Worten ent-
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sprechen müssen (epist. 20,2). Somit müssten u.a. seine Kleidung und Wohnung mit seinen philosophischen Überzeugungen übereinstimmen (observa te itaque, numquid vestis tua domusque dissentiant, epist. 20,3). Senecas Aufforderung unam semel ad quam vivas regulam prende et ad hanc omnem vitam tuam exaequa (epist. 20,3) wird Julian gleich in doppelter Weise gerecht: Einerseits indem er sie aus voller Überzeugung fast wörtlich zitiert, andererseits da auch er, wie konkret vorgeschrieben, seine bisherige Kleidung mit der geistlichen Tracht tauscht und sich in sein Haus begibt, um neue Verhältnisse zu schaffen. 319 pessime] Der Superlativ pessime steigert die kurz zuvor ebenfalls von Sallustius ausgesprochene Befürchtung ut exuas male (V. 314). 323–324 Labare vult, moneri qui ab alijs ∣ Non vult.] Diese Sentenz ist nicht nur konkret darauf zu beziehen, dass Julian die mahnenden Worte des Sallustius ignoriert, sondern ist auch als Vorausdeutung auf Julians späteres Verhalten gegenüber seinem Schutzengel Julianophylax, der ihn mehrmals vergeblich ermahnt, zu sehen (vgl. V,1).
I,5 Diese Szene zeigt auf, wohin die von Julian eingeführten leges novae (vgl. V. 317) führen. Nach und nach klagen seine Palastdiener über das unstete Verhalten ihres Herrn. Auf den ersten Blick scheint es so, als behandle Julian seine Bediensteten ungerecht, sodass der Zuschauer deutlicher als bisher mit Julians ‚anderer‘ Seite konfrontiert zu werden scheint. Auf den zweiten Blick bleibt aber kein negativer Eindruck von ihm zurück, da die komische Umsetzung der Szene dazu führt, dass man die Ernsthaftigkeit und Zuverlässigkeit der Sprechenden anzweifeln muss. Die folgende Szene (I,6) bestätigt dann auch, dass Julian aufrichtig handelt. Dennoch sind in den Vorwürfen der Bediensteten gegenüber Julian (inconstantia constans; simulare clericum, numquam erit) indirekte Andeutungen in Bezug auf die kommende Handlung des Stücks versteckt. Zur Beziehung zwischen Szene I,5 und I,6 siehe auch S. 136–137. Der Übergang von I,4, zu I,5 markiert einen Wechsel der dramatischen Subgattung. Während die vorausgegangene Überredungsszene klar der Tragödie zugeordnet werden muss, sind in dieser Szene zahlreiche Elemente der römischen Komödie zu finden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zum einen die auftretenden Personen an sich (Koch, Kammerdiener, Mundschenk) und ihr Klagen über ihr hartes Schicksal (vgl. z.B. Plaut. Amph. I,1, Pseud. III,2) und zum anderen die Veränderung des sprachlichen Niveaus, das hier als umgangssprachlich ein-
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zustufen ist. Hierzu sind auch die derberen Schimpfwörter und Wortspiele im Zusammenhang mit Begrüßungsszenen zu sehen (vgl. Comm. ad 375 und 376–379). Eine weitere direkte Verbindung zur Komödie stellen die fast wörtlichen Übernahmen aus Plautus dar (V. 329, 347 und 354–355 bzw. Plaut. Amph. 174–175, Pseud. 810–813). Auch die ‚Koch-Episode‘ (vgl. Comm. ad 343–355) ist in diesem Kontext zu sehen. Vgl. Opelt 1965, S. 109–111. Die Szene reiht sich außerdem in die reiche, zeitgenössische Hofkritik ein, zu deren Vertretern u.a. Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., (De miserijs curialium, 1444. Hg. und übers. von Schreiner/Wenzel 2012), Sebastian Brant (Das NarrenSchyff, 1494. Hg. von Lemmer ⁴2004, v.a. Kap. 100–101, S. 265– 268), Ulrich von Hutten (Dialogus de Vita Aulica, 1518. Hg. und übers. von Schreiner/Wenzel 2012) und Erasmus von Rotterdam (Übersetzung von Lukians De iis, qui mercede conducti in divitum familiis vivunt, 1512: Erasm. Opera omnia I,1, S. 552–571; Institutio principis Christiani, 1515/6: Erasm. Opera omnia IV,1, S. 95–219, bes. Kap. 2 De adulatione vitanda Principi) gehören. Vita aulica, die Auftaktworte des Drusillanus, ist gar der Titel einer Sammlung von diesen Hofkritikern, die Heinrich Petreus zusammenstellte: Aulica vita et opposita huic vita privata (Frankfurt am Main ²1578). In der Emblemsammlung des Andrea Alciati findet sich das Emblem In aulicos, dessen Epigramm das Leben am Hof ebenfalls als das elendste von allen bezeichnet (Aulica vita omnium est longe miserrima, Andr. Alc. Embl. 160). Als topische Elemente kommen in den einzelnen Schriften immer wieder Bereiche vor, die auch in der vorliegenden Szene behandelt werden, wie schmeichlerische Heuchelei, Widrigkeiten wie Armut, Hunger und Durst sowie Launenhaftigkeit des Herrschers. Auch die ‚Einflüsterer‘ am Hof (siehe Comm. ad 343) werden abschätzig genannt. Erwähnenswert ist dabei v.a., dass man sich im Rückgriff auf Lukian immer wieder der Meeressturm-Metaphorik zur Beschreibung der Zustände bei Hof bedient (vgl. V. 293–295). Vgl. Buck 1981, S. 94–95; Kiesel 1979, S. 31–61, 65–77 und 106–108; Uhlig 1973, S. 4, 175–209 und 218–220; Heydenreich 1970, S. 58–59, 88–91 und 181–188. 335 Numero] Ein seltenes, mehrheitlich bei Dramatikern verwendetes Adverb, das u.a. bei Caecilius (com. 2), Varro (rust. 3,16,7, Men. 410) und Afranius (com. 320) in der Bedeutung ‚schnell/zeitig‘ zu finden ist. Bei Plautus kommt es ebenfalls häufig vor, aber eher in der Bedeutung ‚zu schnell/zu früh‘ (vgl. Cas. 647, Men. 287, Mil. 1400, Poen. 1272). 337 Euripi in aula plurimi] Euripus ist der Name der Meerenge zwischen der Insel Euböa und dem böotischen Festland. Aufgrund ihrer mehrmals am Tag wechselnden Strömungsrichtung ist sie zur Metapher für außerordentliche Unbeständigkeit und Wechselhaftigkeit geworden (vgl. Cic. Mur. 35, nat. deor. 3,24; Plin. nat.
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2,219; Sen. Herc. f. 377–378, Herc. O. 779–780; Boeth. cons. 2 m. 1,2). In der Literatur hält außerdem der Euripus homo als Redensart Einzug (vgl. Erasm. Adag. 862). An Letzteres ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch weniger zu denken, da hier nicht im Vordergrund steht, dass sich viele unbeständige Personen in Julians Haus befinden, sondern dass allein Julian durch sein Verhalten angeblich für Wechselhaftigkeit sorge. Der Bezug zum oceanus und die erwähnte Ähnlichkeit zwischen dem Hofleben und dem Meer legen diese Interpretation ebenfalls nahe. Außerdem entspricht diese Metaphorik Julians Wunsch, sich von den Stürmen seines bisherigen Lebens in den sicheren Hafen eines Gott geweihten Lebens zurückzuziehen (vgl. V. 294–295). Die Figur des Euripus homo besitzt für das Jesuitentheater eine herausragende Bedeutung. Das erste Drama, das überhaupt auf einer Bühne der Societas Iesu gespielt wurde, trägt den Titel Euripus, sive de inanitate rerum omnium und stammt aus der Feder des niederländischen Franziskaners Levin Brecht (Valentin 1983/4, Nr. 1; ediert von Rädle 1979, S. 1–293; Manuskript: clm 2202). Es wurde 1555 am Wiener Kolleg aufgeführt. Brechts Euripus erlangte schnell außerordentliche Berühmtheit. Auf die Wiener Darbietung folgten allein im deutschen Sprachraum in den kommenden dreißig Jahren mindestens neun Wiederaufführungen (Ingolstadt 1559, Valentin 1983/4, Nr. 7; München 1560, Nr. 12; Prag 1560, Nr. 13; Innsbruck 1563, Nr. 26; Trier 1565, Nr. 41; Dillingen 1566, Nr. 45; Wien 1566, Nr. 56; Prag 1569, Nr. 77; Dillingen 1577, Nr. 130). Vgl. Philippson 1907. Zu Brechts Euripus siehe: Meid 2009, S. 341–343; Valentin 1972; Kindermann ²1969, S. 342–344; Duhr 1907, S. 331–332. 338–339 inconstantia … constans] Dieses Oxymoron, das hier mit einem Polyptoton verschränkt ist, geht auf Ovid zurück (constans in levitate, trist. 5,8,18), wird später von Boëthius in Bezug auf die Fortuna übernommen (servavit […] in ipsa sui mutabilitate constantiam, cons. 2 pr. 1,10) und ist in der Literatur der Frühen Neuzeit verbreitet. Im vorliegenden Zusammenhang wird es auf das Verhalten des Meeres übertragen. Vgl. Kirchner 1970, S. 18–19; Doren 1924, S. 100–144. 340–341 Hos eijcit ut admittat hos, pellit alios ∣ Recipiat ut alios. fidem vovet omnibus.] Die beiden Verse drücken sprachlich durch ihre zahlreichen kurzen Verselemente die immer weiter anwachsende Leidenschaft des Drusillanus aus: ˘dmı¯tta ˘t ho ˘lı˘¯ ¯s ¯ ¯s, pe ¯llı˘t a ˘t a Ho eiȷ˘cı˘t u os ˘t u ˘lı˘¯ ˘cı˘pı˘a ¯m vo ˘ve ˘t ¯ ˘t a ˘s. Re os. fı˘de omnı˘bu
343–355 Susurro nescio … boves habebimus] Sogenannte ‚Kochszenen‘ bilden ein typisches Element antiker Komödien (vgl. Plaut. Aul. 280–459, Cas. 719–779, Men. 219–225 und Pseud. 790–904; Kochszenen aus der griechischen Mittleren
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und Neuen Komödie sind aufgelistet bei Dohm 1964, S. 88–92). Mehrheitlich wird die Figur des Koches dabei als Angeber und Dieb charakterisiert. Vor allem letzteres Motiv hat Drexel übernommen (V. 349–350). In Plautus’ Pseudolus wirft ein teurer Koch seiner Billigkonkurrenz vor, ihre Gäste zu Rindern zu machen, indem sie ihnen nichts als gewürztes Grünzeug vorsetze und das eine Kraut mit einem anderen würze (non ego item cenam condio ut alii coqui, ∣ qui mihi condita prata in patinis proferunt, ∣ boves qui convivas faciunt herbasque oggerunt, ∣ eas herbas herbis aliis porro condiunt. Pseud. 810–813). Vgl. Lefèvre 1997, S. 69–76; Nesselrath 1990, bes. S. 257–262 und 297–309; Lowe 1985; Dohm 1964, bes. S. 139–153. 343 susurro] Ursprünglich bezeichnet susurro wertneutral jemanden, der flüstert. Von der Vorstellung eines Einflüsterers, der im Geheimen andere Menschen gemäß seinen Zielen beeinflusst, wird die Bezeichnung in der Spätantike v.a. in christlichen Texten als Schimpfwort verwendet (z.B.: Aug. serm. 47,12; Sir 5,16, 21,31 und 28,15; Cypr. testim. 3,110 mit Verweis auf Sir). Sebastian Brant widmet im NarrenSchyff den „Ohrenbläsern“ gar ein ganzes Kapitel (Kap. 101) und brandmarkt darin die Verleumdung und Leichtgläubigkeit seiner eigenen Zeit. Vgl. Kiesel 1979, S. 45. 345–346 aget ∣ Nunc Iulianus Clericum] Für den Koch Mystillus gehört Julians Entschluss, Geistlicher zu werden, zu den vielen Hirngespinsten, die sein Herr verfolge (inconstantia constans, V. 338–339). Er ist davon überzeugt, dass es Julian damit nicht ernst sei, sondern dass er für eine gewisse Zeit nur so tue, als wolle er ein Geistlicher sein (agere Clericum). Der hier geäußerte Vorwurf der Heuchelei wird im Folgenden noch deutlicher hervorgehoben. Der Mundschenk Bitias unterstellt Julian ausdrücklich, dass dieser nur so tue, als wolle er ein Geistlicher sein (simulare Clericum, V. 362). Laut ihm geht es Julian nicht darum, beiderlei Aspekte des induere Clericum zu erfüllen (siehe Comm. ad 314), nämlich einerseits äußerlich die Kleidung eines Geistlichen anzulegen (mutare vestes, V. 363) und andererseits gleichzeitig innerlich zu einem solchen zu werden. Er vollziehe lediglich Ersteres. Er tausche nur die Kleidung, bleibe im Inneren aber derselbe (animum retinere). Mit Nachdruck wird diese Einschätzung durch Paronetemus bestätigt. Dabei ist eine Klimax festzustellen: Die durch das angehängte si Dis placet noch eher ironische Beurteilung (vgl. OLD, s.v. placeo 4d; Reineke, Ilse 2005: Art. ‚placeo‘. In: ThLL X,1,2260,66–75) des agere Clericum (aget ∣ Nunc Iulianus Clericum, si Dis placet) steigert sich zu einem konkreten Vorwurf, der durch die Parenthese puto jedoch in gewissem Maße relativiert bzw. abgeschwächt wird (simulare Clericum, puto, cogitat, ∣ Non induere, mutare vestes, et animum ∣ Retinere, V. 362–364). Am Ende steht dann aber eine unmissverständliche Aussage: Se clericum posthac futurum iactitat. ∣ Sed iactitat solum futurum; numquam erit (V. 371–372). Julians groß-
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spuriger Ankündigung, Geistlicher zu werden, wird insofern entschieden widersprochen, als eingeleitet durch ein antithetisches sed die chiastische Wiederholung dieser Ankündigung durch ein entlarvendes solum erweitert wird. Kurz und prägnant bewertet der Versschluss das Verhalten Julians: numquam erit. Die enge Zusammengehörigkeit der beiden Verse wird dadurch unterstrichen, dass sie dieselbe metrische Struktur aufweisen. Diese dezidierte und ohne Einschränkungen formulierte Aussage bildet den Höhepunkt der Vorwürfe gegenüber Julian im Hinblick auf sein angeblich unaufrichtiges Verhalten. 351 Phyr.: crucem tulissemus. Mystil.: famem aegrius fero.] Die mehrfachen Wortspiele in Form von Polyptota (tulissemus/fero, V. 351; quid novi/novas, Chaos novum, V. 359–360; salvete/non sumus salvi, V. 367–368; quid agimus/agamus, V. 375) erzeugen zusammen mit den Charakteren an sich sowie den wörtlichen Entlehnungen aus Plautus den komischen Ton dieser Szene. Zur Rolle des Wortwitzes und Wortspiels im frühneuzeitlichen Drama siehe auch Comm. ad 109–112. 352 difficile] Die Adverbien der Adjektive facilis und difficilis werden in der Regeln von der neutralen Akkusativform gebildet. Die regelmäßige Bildung auf faciliter und difficiliter ist äußerst selten. Etwas häufiger dagegen wird auf die Nebenformen faculter und difficulter (vgl. V. 366–367) zurückgegriffen. Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 1010–1011. 359–360 Drus.: Sed hic quid adportat novi? Bitias: turbas novas, ∣ Chaos novum.] Siehe Comm. ad 351. 362–364 simulare Clericum, puto, cogitat, ∣ Non induere, mutare vestes, et animum ∣ Retinere] Siehe Comm. ad 345–346. 366–367 O Iuliane quam faculter incipis, ∣ Quam difficulter finies.] Hier wird die in der Szene zuvor durch Sallustius formulierte Warnung an Julian (ut exuas [sc. Clericum], induis, V. 314) noch einmal mit anderen Worten wiederholt. Zu den Formen faculter und difficulter siehe Comm. ad 352. 367–368 Paron.: salvete vos. ∣ Mystil.: Ah! non sumus salvi.] Siehe Comm. ad 141–142 und 351. 371–372 Se clericum posthac futurum iactitat. ∣ Sed iactitat solum futurum; numquam erit.] Siehe Comm. ad 345–346. 375 Mystil.: Nunc quid agimus? Paron.: agamus animam] Die Frage des Mystillus und die Replik des Paronetemus bilden ein elegantes Wortspiel, das mit un-
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terschiedlichen Bedeutungen des Verbs agere operiert. Besondere Dynamik wird diesem Vers durch die vermehrte Anzahl von kurzen Versfüßen und die durch das Polyptoton bedingte unmittelbare Assonanz bzw. durch das Homoioteleuton bei gleichzeitigem Sprecherwechsel innerhalb des Verses (Antilabe) verliehen. Zur Rolle des Wortwitzes und Wortspiels im frühneuzeitlichen Drama siehe Rädle 1997b, S. 315–316. Siehe auch Comm. ad 351. 376–379 Drusil.: misserimi mortalium ∣ Sumus, esse servis quando non licet; … Mystil.: Desinimus homines esse, cum servi.] Das antike Herr-SklavenVerhältnis wird an dieser Stelle auf die Gegebenheiten des frühen siebzehnten Jahrhunderts übertragen (Sklaven=Diener). Entsprechend ist der Begriff libertas hier nicht in seiner eigentlichen Bedeutung zu verstehen, sondern im Sinne von ‚Beschäftigungslosigkeit/Arbeitslosigkeit‘. Diese führt laut Aussage der Diener dazu, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen können und sich in ihrer Existenz bedroht sehen (Desinimus homines esse, cum servi, V. 379).
I,6 Julians Verhalten in dieser Szene relativiert die Klagen seiner Haussklaven aus der vorangegangenen. Der Vorwurf der Sklaven, Julian sorge durch sein launenhaftes Verhalten für ein Durcheinander im Palast, wird dadurch entkräftet, dass sich die Diener als faule Schmarotzer und Parasiten entpuppen. Diese Antithese wird sprachlich parallel zur vorangehenden Meeresmetapher (V. 337–339) ausgedrückt (vgl. V. 398–399). Julian handelt somit nicht ungerecht gegenüber seinen Palastdienern. Nicht er beschwört die Stürme im ‚Palastmeer‘ herauf, sondern er selbst empfindet die Verhältnisse am Hof als lästig und verhält sich so, wie es seiner Ankündigung in I,4 entspricht (Vitam meam exaequabo ad illam […] Legem […]. leges in domo cernes novas, V. 315–317). Diese neuen Umstände bestehen einerseits aus der hier behandelten Bescheidenheit bzw. Armut, andererseits aus der in der folgenden Szene (I,7) vorgestellten Keuschheit. Zur Beziehung zwischen Szene I,5 und I,6 siehe auch S. 136–137. 381–385 sanguis regius … annue precibus] Zusammen mit dem Szenenwechsel verändert sich erneut das sprachliche Stilniveau (vgl. Einleitung zu Comm. ad I,5). Auf die eher derbe Umgangssprache, in der sich die Palastdiener in der vorangegangenen Szene unterhielten, folgt nun eine hochoffizielle Diktion. Julian wird durch topische Elemente der Herrscherpanegyrik angesprochen (sanguis regius; futurus orbis Imperator maximus). Ebenso formuliert Drusillanus das Anliegen der Palastdiener in doppelt gesperrter und verklausulierter Form (Ne tam repentinos
466 | Erster Akt velis esse exules ∣ Domesticos tuos). Seine Worte sind voll von Schmeichelei, Demut und Höflichkeit. Mit annuere wird die typische, zunickende Geste des Herrschers (vgl. Verg. georg. 1,40), insbesondere Jupiters (vgl. Verg. Aen. 9,106), bezeichnet. 383 Ne tam repentinos velis esse exules] Metrisch ist in diesem Vers zu beachten, dass in der älteren lateinischen Dichtung bis Catull ein auslautendes -s nach kurzem Vokal prosodisch ausfallen kann, sodass im vorliegenden Fall velis und esse durch Synalophe zusammengezogen werden. Álvarez zählt als Beispiele für diese Lizenz (Prisci Poetae S, literam passim elidebant) Verse von Ennius auf (Inst. gramm. III, fol. 36v –37r ; vgl. Micyllus: De re metrica I, fol. 140v –141r ; vgl. Zgoll 2012, S. 69). Im Einzelfall ist jedoch kaum zu entscheiden, ob Drexel bei der Komposition von denjenigen Versen, in denen ein prosodischer Ausfall eines auslautenden -s angenommen werden kann, sodass ein korrekter jambischer Trimeter entsteht, den erwähnten antiken Vorlagen bzw. zeitgenössischen Metriktraktaten folgte oder einen Senar in Kauf nahm. 390 Bonis avibus abite] Diese Redewendung entstammt der römischen Auspizienpraxis. Im Vorfeld von zahlreichen öffentlichen Handlungen wurde mit Hilfe der Beobachtung des Vogelflugs der Wille der Götter ergründet. Die Angabe der Vorzeichen durch den modalen Ablativ ist in der Literatur sehr verbreitet. Die etablierte Redewendung bonis avibus findet sich konkret in Ovids Metamorphosen (met. 15,640). Für weitere Textbeispiele siehe Bömer 1969–1986 III, S. 126. 392–394 Mille curas … multa bella … multi servi] Die dreifache Wiederholung von unbestimmten Zahlangaben jeweils fast genau in der Versmitte betont Julians Überdruß über die Zustände an seinem Hof. 395 perfluit rimis] Diese auf Terenz zurückgehende Redewendung (quae vera audivi taceo et contineo optime; ∣ sin […] finctumst, continuo palamst: ∣ plenus rimarum sum, Eun. 103–105) ist in Verbindung mit einem Haus auch bei Hieronymus zu finden (mulier maledica […] quotidiana garrulitate facit perfluere domum, adv. Iovin. 1,28). Hinter dieser Metapher steht die Vorstellung eines löchrigen Behälters, dessen Inhalt ausläuft. Ebenso dringt alles, was im Palast bzw. innerhalb Julians Privatsphäre geschieht, nach außen. 398–399 Aulae procellas et penu voragines ∣ Domi hactenus alui.] Mit dieser Aussage lässt Drexel Julian an die in I,5 bereits verwendete Metaphorik anknüpfen. Die Gefahren im Palast, die dem Meer gleichen, werden geschildert, nun freilich aus der entgegengesetzten Sicht Julians. Für die chaotischen Zustände im Palast
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seien die Bediensteten und deren Umtriebe verantwortlich, nicht (so zu ergänzen) die angebliche inconstantia constans Julians (V. 338–339). 405–406 tonsorem vocaveram ∣ Non vero rationarium.] Diese Anekdote findet sich bei Ammian. Dort lautet der Ausruf Julians fast identisch: Ego, inquit, non rationalem iussi, sed tonsorem acciri (Amm. 22,4,9). Siehe auch den Kommentar ad locum von Boeft u.a. (1995, S. 48). 406–407 purga domum ∣ Fuga.] Diese Formulierung ist in einem vergleichbaren Zusammenhang auch bei Cicero (Catil. 1,10) und Seneca (Herc. f. 1279, Med. 269) zu finden. Dabei wird sie stets mit einer Aufforderung, einen Ort zu verlassen, verbunden. Das Verb purgare wird dabei metaphorisch gebraucht: Durch die noch bestehende Anwesenheit einer bestimmten Person wird der Ort, an dem sie sich befindet, gleichsam beschmutzt. Nur durch Verlassen desselben könne er wieder gereinigt werden. Diese Wendung, die v.a. durch Ciceros erste Catilinaria überaus bekannt wurde, steht an dieser Stelle nicht zufällig. Die gesamte Szene, insbesondere Julians Aufforderungen, tragen einen ähnlichen Charakter wie die erste Rede Ciceros gegen Catilina. Die ciceronianischen Imperative egredere aliquando ex urbe; […] proficiscere. […] educ tecum (Catil. 1,10), die der Aufforderung purga urbem direkt vorangehen, entsprechen den über die Szene verteilten Aufforderungen durch Julian: abite (V. 390 und 396), aufugite (V. 391) und ite (V. 397). 407–408 capillos sic docebo dein meos ∣ Indoctam ut etiam perferant manum.] Ausstreichungen bzw. Verbesserungen sind in Drexels Manuskript immer wieder festzustellen. Der vorliegende Fall nimmt jedoch eine Sonderrolle ein, da hier auf eine Verbesserung der getilgten Passage verzichtet wurde (vgl. II,3, III,1 und bes. III,6). Somit bedingt die Tilgung einen schwerwiegenden Bruch der Metrik. Möglicherweise wurde dieses Problem durch eine Erweiterung der V. 406 und 409 zu Septenaren gelöst. Die Gründe für das Streichen dieser Verse sind unklar. Vielleicht widersprach das Bild eines sich selbst rasierenden Julians der gängigen Vorstellung des Philosophenbartes bei ihm. Möglicherweise kam Drexel bei der Überarbeitung auch der spätere Spott über Julians äußeres Erscheinungsbild (IV,5) in den Sinn und er wollte dann eine frühere Erwähnung von Julian, der sich rasieren will, vermeiden. 410 Iul.: Decet esse firma. Men.: vel loquar verbum? Iul.: non hoc.] Vgl. Comm. ad 264. 414–415 dominium ∣ Invaditis] Auch diese Aussage scheint direkt der entsprechenden Episode bei Ammian entnommen worden zu sein: aliena invadere semper adsuefacti (Amm. 22,4,3).
468 | Erster Akt 416–417 Quem multa servorum tegit cohors, miser ∣ Hoc fecit ut egeret multis custodibus.] Aus der Erfahrung resultierende Beobachtungen und allgemeine Urteile werden in der Dichtersprache oftmals mit einem urteilenden (gnomischen) Perfekt zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz zum Deutschen wird dabei auf das Perfekt zurückgegriffen, um zu betonen, dass diese Erkenntnis aus einzelnen, konkreten Fällen in der Vergangenheit resultiert und in der Gegenwart als allgemein gültig angenommen werden kann. Vgl. Maurach ²2006, S. 59–60; Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 132–133; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 318– 319.
I,7 Mit der in dieser Szene behandelten monastischen Tugend der Keuschheit tritt ein weiterer Aspekt hinzu, den Julian im Rahmen seines neuen, Gott gefälligen Lebens umsetzen will. Neben der Bescheidenheit bzw. Armut, die er in der vorangegangenen Szene umsetzte, stellt die Keuschheit das zweite der drei Elemente des christlichen Ordensgelübdes dar. Am Ende dieser Szene wird deutlich, dass Julian seinen eingeschlagenen Lebensweg konsequent fortsetzt. Aus den vorangehenden Szenen hat der Zuschauer erfahren, dass dieses Leben für Julian aus der Pflege der Künste, Literatur und Philosophie besteht. An dieser Stelle ersetzt das Leben als Geistlicher diese Ausrichtung jedoch nicht, sondern hievt sie gewissermaßen auf ein neues, höheres Niveau. Gestützt auf die christliche pudicitia will Julian fortan seine intellektuellen Studien betreiben. Der Vorschlag, dass die persischen Jungfrauen in orientalischer Tracht auftreten, knüpft an zeitgenössische Vorstellungen von Pracht und Exotik des ‚Orients‘ bzw. der ‚Türken‘ an. Entsprechende Reiseberichte des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, die sicherlich zu ausschweifender Überzeichnung neigen (z.B.: Nicolas de Nicolay: Von der Schiffart und Raysz in die Türkey unnd gegen Oriennt: Mit schönen Figuren wie beede Mann unnd Weib irer Landtsart nach bekleydet seyen. Nürnberg 1572), prägten in West- und Mitteleuropa ein gewisses Bild bzw. Vorurteil über den ‚Orient‘. Zur selben Zeit finden Trachtenbücher mit zahlreichen Abbildungen von Männern und Frauen in orientalischer Tracht große Verbreitung (z.B.: Jost Amman: Kunstbüchlin. Darinnen neben Fürbildung vieler Geistlicher unnd Weltlicher Hohes und Niderstands Personen so dann auch der Türckischen Käyser unnd derselben Obersten. Frankfurt am Main 1599). Trotz aller militärischer Bedrohung übte der ‚Orient‘ mit seiner Pracht, Exotik und Sinnlichkeit eine starke Faszination auf das Europa des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts aus (vgl. Schilling 1992, bes. S. 232–233 und Kleinlogel 1989).
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Entsprechend würden im Rahmen von Drexels Drama die prachtvoll bekleideten persischen Jungfrauen einen starken Gegensatz zum zur Askese entschlossenen Julian bilden. Ferner könnte darin ein Bezug auf den dritten Vers, den Julian im Drama ausspricht, gesehen werden: Et Persicos odi apparatus vel puer (V. 88). Das Accessoire des Schleiers würde die Tatsache etwas in den Hintergrund treten lassen, dass auch die weiblichen Rollen, wie im Jesuitentheater üblich, von männlichen Darstellern übernommen wurden. Die Ratio studiorum der Societas Iesu von 1599 verbot gänzlich und unmissverständlich weibliche Rollen in den Schuldramen (nec persona ulla muliebris vel habitus introducatur, Ratio stud. 1599, MGP V, S. 272). Nicht nur Drexels Drama beweist aber, dass diese Vorgabe in der Praxis eher locker gehandhabt wurde. 419 vivă spolia] Für die lateinische Metrik stellt das Aufeinandertreffen eines Wortes, das auf kurzen Vokal endet, und einem nachfolgenden, das mit s+Konsonant („s impure“) beginnt, ein „unlösbares Dilemma“ („an intractable dilemma“, Hoenigswald 1985, S. 377) dar. Dieses resultiert aus den Einflüssen der griechischen Metrik auf lateinische Dichter. Das Griechische schreibt in solchen Fällen die Bemessung als (Positions-)Länge vor. Demgegenüber steht oftmals die natürliche Silbenquantität des Lateinischen. Die frühen römischen Dramatiker Plautus und Terenz hielten in diesen Fällen noch ganz unbekümmert entgegen der Regel der Positionslänge an der Kürze fest (z.B. erilĕ scelus, Plaut. Rud. 198; vgl. Hoenigswald 1949, S. 273 mit Anm. 12). Die lateinischen Dichter der Folgezeit sahen sich im Spannungsfeld zwischen sprachlichem Traditionalismus und zunehmender Hellenisierung der Dichtung. In der lateinischen Literatur lässt sich nach Plautus und Terenz beobachten, dass aufgrund dieses Dilemmas die beschriebene Kombination bewusst vermieden wurde. Unter den sehr seltenen Ausnahmen tritt die Bemessung als Kürze aber häufiger auf (z.B.: undĕ sciat, Lucr. 4,475; saepĕ stilum, Hor. sat. 1,10,72; ponitĕ spes, Verg. Aen. 11,309; vgl. dagegen: hiemsque gelido frigidā spatio refert, Sen. Herc. f. 950; weitere Belege bei Hoenigswald 1949, S. 276–279). Beide Fälle kommen bei demselben Autoren jedoch niemals vor. Bei der Handhabung eines ähnlichen Phänomens, nämlich wenn ein Wort auf kurzen Vokal endet und das nachfolgende auf muta cum liquida bzw. f +Liquid beginnt, sah man sich aufgrund des Fehlens einer vergleichbaren metrischen Regel aus dem Griechischen einem weniger relevanten Problem ausgesetzt. Dennoch wurde auch diese Kombination später nach Möglichkeit gemieden. Vgl. Zgoll 2012, S. 48; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 228–229; Hoenigswald 1990; Crusius/Rubenbauer ⁸1989, S. 6–7; Hoenigswald 1985; Allen 1973, S. 137–141; Hoenigswald 1949; Lexicon Plautinum, s.v. spero; Lindsay 1922, S. 257.
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In seinen Ausführungen zur Positionslänge behauptet Álvarez mit merklicher Unsicherheit, dass ein Doppelkonsonant am Wortbeginn auf die Bemessung des kurzen Vokals, auf den ein vorangehendes Wort endet, kaum Auswirkungen habe (Si […] duplex fuerit in principio sequentis dictionis, fere nihil praecedentem vocalem brevem iuvabit. Inst. gramm. III, fol. 4v ; ähnlich bei Micyllus, der speziell für die Kombination auslautender kurzer Vokal und s + c/p/t anmerkt, dass dabei der s-Laut sich verflüchtigt und die Eigenschaft eines Konsonanten verliert: Nam hic quoties praecedens vocalis corripitur, volunt ipsum s, liquescere, et vim consonantis amittere, De re metrica III, fol. 592v ; siehe auch II, S. 150r –150v ). Der andere Fall (kurzer Vokal am Wortende mit f +Liquid am Beginn des folgenden Wortes) stellt für Álvarez insofern kein Problem dar, als er an früherer Stelle vermerkt, dass der ‚Halbvokal‘ f als Muta zu behandeln sei, wenn auf ihn ein Liquid folge (F praeposita liquidis L, et R vim habet mutae, Inst. gramm. III, fol. 1v ; ebenso bei Micyllus: De re metrica II, fol. 145r ). 419 spolia e Perside] Hierbei liegt ein grober Anachronismus vor. Constantius führte zwar selbst immer wieder Kämpfe gegen den Perserkönig Shapur II., der während der Wirren nach dem Tod Konstantins des Großen sowohl den von Diocletian okkupierten Teil Mesopotamiens zurückerobert als auch den römischen Klientelkönig von Armenien vertrieben hatte. Dieser kriegerische Konflikt, der seit 337 bereits über mehrere Jahrzehnte andauerte und für die Römer sehr verlustreich war, führte letztlich auch zu Julians Erhebung, nachdem Constantius von ihm Truppen für den Krieg im Osten gefordert hatte. Ammians Erzählung (24,4,27) über die Zurückweisung der persischen Jungfrauen als Kriegsbeute durch Julian gehört dagegen in den Kontext seines eigenen Perserfeldzuges, genauer gesagt in die Geschehnisse rund um die Eroberung von Maozamalcha im Jahre 363. Vgl. Demandt ²2007, S. 110–111; Rosen 2006, S. 178–188 und 356–358; Bringmann 2004, S. 67–72. 419–420 Mel.: Adducimus … ∣ Iul.: Abducite …] Durch das Polyptoton am Versbeginn, das mit einem Wechsel des Suffixes einerseits und der Person andererseits einhergeht, wird Julians ablehnender Widerspruch betont. 421–422 me pudicas non modo ∣ Manus, sed et oculos habere convenit.] Die Verführung des Menschen durch seine eigenen Hände und Augen wird auch in den Evangelien nach Matthäus (Mt 18,8–9) und Marcus (Mc 9,42 und 46) gemeinsam thematisiert. Dass sich Julian hier auf konkrete Worte Jesu bezieht, unterstreicht sein frommes Wesen als angehender Kleriker. 423 Cypridis duces] Der seit den homerischen Schriften (Hom. h. 5,2, Il. 5,330, 458, 760 und 883) geläufige Beiname ‚Zypriotin‘ der Liebesgöttin Venus/Aphrodite
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rührt von einer bei Hesiod überlieferten (theog. 188–206) mythologischen Erzählung her. Laut dieser sei Venus an der Küste Zyperns aus dem Schaum des Meeres geboren worden. Dort befand sich auch ihr Hauptkultort Paphos (analoge Benennung z.B. im Falle von Apollo: Apollo Delius). Die in Cypridis duces zum Ausdruck gebrachte Verbindung von Liebe und Kriegswesen findet sich zwar schon in der griechischen Literatur (Soph. Ant. 781; Eur. Hipp. 525–527; Plat. symp. 196d), entspricht aber besonders stark dem Liebesverständnis der römischen Liebeselegie. Dass Venus mit dem Kriegsgott Mars laut dem Mythos ein Verhältnis gehabt haben soll (Hom. Od. 8,266–366; Ov. met. 4,171–189), ist dabei zweitrangig. Vielmehr ist an die militia amoris innerhalb der römischen Liebeselegie zu denken, dem aufopferungsvollen Kampf eines verliebten jungen Mannes für eine nichterfüllbare Verbindung zu seiner geliebten puella. Konkret ist mit der Bezeichnung dux, die in diesem Zusammenhang meist im Singular erscheint, aber der Sohn und ‚Gehilfe‘ der Venus, Amor, gemeint, der im Auftrag seiner Mutter die Menschen zur Liebe entflammt. Auch seine Attribute wie Pfeil und Bogen unterstreichen sein ‚kriegerisches‘ Wesen. Entsprechend findet man bei Catull im Gedicht an Hymenaeus die Bezeichnung dux bonae Veneris, boni ∣ coniugator amoris (Catull. 61,44–45). Julians Formulierung hat sich von dieser konkreten Zuweisung gelöst und meint in den Plural versetzt kollektiv die Verlockungen der Liebe(sgöttin) bzw. die pluralische Auffassung von Eros als Eroten. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 54–61; Simon 1990, S. 213–228; Schmidt 1997; Delivorrias 1984; Conti 1584, S. 381–402, bes. S. 383; Giraldi 1560, S. 372–391, bes. S. 388. 423–424 recte arguunt ∣ Parum pudicum animum impudica lumina.] Diese Passage erhält eine besondere Vehemenz durch die zahlreichen Assonanzen (-u-, -a-, -i-), die mit dem gleichen Konsonanten in Verbindung (v.a. -m-) stehen, und durch die parallele Gegenüberstellung von parum pudicum animum und impudica lumina, der durch die doppelte Synaloephe noch zusätzlich Dynamik verliehen wird. 425 Adhucnĕ statis?] Siehe Comm. ad 419. 433–434 Tuum, o Pudicitia colo Numen, tua ∣ Fultus ope Musarum subeo penetralia.] Diese abschließende Metapher nimmt einen Aspekt vorweg, der in der folgenden Szene (V. 455–456) weiter ausgeführt wird. Bei der Entscheidung für den geistlichen Stand handelt es sich für Julian nicht um eine Absage an seine mit höchstem Eifer betriebenen wissenschaftlichen, philosophischen und literarischen Studien. Constantius, der in der folgenden Szene genau diesen Aspekt anspricht (sic desines ∣ Sapientiae limen terere? V. 455–456), erntet von Julian mit primum ordiar (V. 456) eine ebenso kurze wie prägnante Antwort. Darin wird deut-
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lich, dass erst durch die Verbindung von intellektuellen Studien mit der pietas Christiana (tua [sc. o Numen] fultus ope) die menschliche sapientia zu ihrer ganzheitlichen Entfaltung und Vervollkommnung gelangen kann. 435 Sed en adest Constantius. constans ero.] Auch hier liegt wiederum ein Wortspiel, gebildet aus dem Polyptoton Constantius–constans, vor. Siehe dazu auch S. 86 Anm. 179. Zur Rolle des Wortwitzes und Wortspiels im frühneuzeitlichen Drama siehe Rädle 1997b, S. 315–316. Vgl. auch Comm. ad 109–112 und 351.
I,8 Diese Szene stellt nach dem Gespräch mit Sallustius (I,4) und dem Auftritt der persischen Jungfrauen (I,7) die letzte der drei ‚Verführungen‘ dar, denen Julian im ersten Akt noch erfolgreich widersteht. Nachdem Constantius in I,2 von einem Gegner Julians zu dessen Förderer geworden ist, tritt er auch hier als besorgter Mahner auf. Dabei treiben ihn einerseits die Hoffnung auf einen würdigen Nachfolger und andererseits dieselben Bedenken hinsichtlich der constantia Julians, die zuvor bereits Sallustius verlauten ließ (I,4), an. In aufrichtiger Sorge will er Julian vor einer folgenschweren, überstürzten Entscheidung bewahren (tarde incipe, V. 444; tardius, V. 449; aut non incipe, ∣ Aut coepta fini, V. 461–462). Constantius bedient sich bei dieser kritischen Hinterfragung der Ernsthaftigkeit, die hinter Julians Entscheidung für den geistlichen Stand steht, derselben Argumente, die Sallustius in I,4 vorbrachte. Im Gegensatz zur späteren Szene II,1 kann Julian diesen hier noch Widerstand leisten. Die Grundkonstellation dieser Szene entspricht grob wiederum der einer ‚Domina-Nutrix-Szene‘ (vgl. S. 153–157). 436–437 Num … num …] Trotz der späteren dominanten Verwendungsweise als negativer Suggestionspartikel wird num im vorklassischen Latein noch in direkten, suggestiv neutralen Fragen verwendet (vgl. z.B. Plaut. Amph. 620 und Aul. 242). Bei Plautus erscheint es im Zusammenhang mit einfachen Auskunftsfragen (Quid esse illi morbi dixeras? Narra senex. ∣ Num larvatust aut cerritus? Fac sciam. ∣ Num eum veternus aut aqua intercus tenet? Men. 889–891: Was hattest du gesagt, woran ist er erkrankt? Sprich, alter Mann. Ist er besessen oder verrückt? Mach schon, ich will es wissen. Hat ihn die Schläfrigkeit oder Wassereinlagerungen befallen?). In dieser Weise wird num auch an der vorliegenden Stelle verwendet. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 511–513; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 462–463.
Achte Szene |
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437 certă stat] Siehe Comm. ad 419. 439 At non precum caussa.] Die semantische Funktion der Postposition causa schwankt in der lateinischen Literatur zwischen der finalen und kausalen Bedeutung. Letzterer Fall liegt hier vor (vgl. Caes. civ. 1,33,1: timoris causa pro se quisque id munus legationis recusabat; vgl. Prisc. gramm. III, S. 28,18). Eine Variation der Schreibweise ist bereits zur Zeit Ciceros festzustellen. Quintilian berichtet (inst. 1,7,10), dass ein -s- zwischen zwei langen Vokalen häufig verdoppelt wurde, so in caussae, cassus und divissiones (vgl. Cassiod. gramm. VII, S. 149,42; Mar. Victorin. gramm. VI, S. 8,5; Scaur. gramm. VII, S. 21,14–20). Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 422–423; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 210; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 181 und II, S. 133; Meister, Richard 1908: Art. ‚caus(s)a‘. In: ThLL III, bes. 659,74–660,28. 441–442 Nam iudico cum Clericum bonum mori, ∣ Cum Clericis non abnuam ergo vivere.] Die antithetische Komplementierung von mori cum Clericis und vivere cum Clericis sowie die Gleichwertigkeit, die ihnen von Julian zugesprochen wird, wird einerseits durch die betonte Stellung der beiden Verben am jeweiligen Versende und andererseits durch ein identisches metrisches Schema der beiden Verse unterstrichen. 444–445 tarde incipe, ∣ Finire quod vitae ante finem non licet] Nach jesuitischem Verständnis ist ein Ordensgelübde für immer bzw. bis zum Tod bindend. 455–456 sic desines ∣ Sapientiae limen terere?] Limen alicuius terere ist eine metaphorische Redewendung (‚die Schwelle von jemandem durch ständiges Ein- und Ausgehen abreiben bzw. blank polieren‘) aus den Epigrammen Martials (8,44,4, 10,10,2, 12,29,1), die in der neulateinischen Literatur (z.B. Orlandini 1615, S. 57 und 69 sowie S. 159) ebenfalls gern Verwendung findet. 458 firmamine] Das Substantiv firmamen ist als Ersatz für firmamentum lediglich bei Ovid (met. 10,491) und Seneca (Herc. f. 1251) belegt. Auch in der neulateinischen Literatur ist eine verstärkte Verwendung dieser Nebenform nicht zu beobachten. Vgl. Bacherler, Michael 1918: Art. ‚firmamen‘. In: ThLL VI,1,804,25–30. 459–460 Quodsi voluntas ista penitus fixa sit ∣ Animi medullis.] Die doppelte tautologische Ergänzung zu animus durch penitus und medullae betont das Bemühen des Constantius, Julian darauf hinzuweisen, dass seine Entscheidung wirklich, ohne auch nur den geringsten Zweifel bestehen zu lassen, wohlüberlegt sein müsse.
474 | Erster Akt 463–464 vestem sacram ∣ Pullamque ferte.] Bei christlichen Orden (u.a. Zisterzienser, Franziskaner) war graue Kleidung als Ordensgewand sehr verbreitet. Manche kleinere Orden benannten sich sogar nach ihrer Kleidung, so die ‚Grauen Brüder‘ von Vallombrosa.
I,9 Mit dieser Szene verlagert sich das Bühnengeschehen erstmals in die Parallelwelt der Hölle. Sie initiiert Julians inneren Transformationsprozess. Die acht Dämonen sehen den in den vorangegangenen Szenen vorgestellten Julian als eine besondere Herausforderung für ihre Verführungskünste an. Dabei markiert ihr Auftreten einen ersten dramatischen Höhepunkt des Stücks: Nachdem zuvor Julians Verhaltensweisen, intellektuelle Fähigkeiten und Charaktereigenschaften in vielerlei Hinsicht als vorbildlich und perfekt dargestellt, überprüft und gebilligt wurden, nachdem er sich gegen alle Einsprüche aus seinem Umfeld zu einem Leben als Geistlicher entschlossen hat, ja sogar bereits das entsprechende Gewand angelegt hat, treten die Dämonen auf den Plan und nehmen sich vor, Julian von seinem eingeschlagenen Weg wieder abzubringen. Bei ihren Beratschlagungen, in denen die Wirkmacht der sieben Todsünden einzeln analysiert wird, taucht gleich zu Beginn die superbia als mögliches Angriffsmittel auf, wird aber für sich allein als eine zu wirkungsschwache Waffe gegen einen Caesarenenkel und möglichen zukünftigen Kaiser angesehen. Erst in Kombination mit dem Götzendienst (Deorum cultus, V. 490) kann sie Julian zu Fall bringen. Zu Julians Verführung durch die Dämonen und die besondere Eignung des Götzendienstes dazu siehe Abschnitt 3.3.1. Versammlungen und Beratschlagungen von Mächten der Hölle, die das Bühnengeschehen auf einer Metaebene begleiten bzw. beeinflussen, sind in den Dramen der Jesuiten häufig vorzufinden (vgl. z.B. Theophilus I,2; Bid. Cen. I,2 und 6). Bei Drexel finden sich aber auch verschiedene Anklänge an antike literarische Vorbilder. So entspricht die Metaphorik zur Beschreibung der Wirkungsweise der Dämonen bei den Menschen derjenigen, die Vergil für Allecto und Ovid für Invidia gebrauchen (siehe Comm. ad 468). Mit Julians Abkehr vom ‚rechten‘ Weg geht in dieser Szene auch das Wiedererstarken des Motivs der Maßlosigkeit und Übersteigerung in Julian einher (vgl. S. 66 und die Einleitungen ad Comm. I,1 und I,2). Um Julian zu Fall zu bringen, ist keine der sieben Todsünden ausreichend. Die Dämonen suchen ein Vergehen, das all diese Sünden übertrifft, und werden bei der Idololatria fündig. Im Falle des Caesarenenkels Julian sei es sogar notwendig, dass er eine möglichst große Menge an anderen Menschen mit ins Verderben reiße (siehe dazu Comm. ad 487–488). Die
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Dämonen künden letztlich ausdrücklich an, dass Julian in seinem zukünftigen Handeln kein Maß mehr kennen werde: Nullumque violens novit in rebus modum (V. 504). 467 magna Lethes Numina] Nicht nur mittelalterliche, sondern auch neulateinische christliche Texte weisen eine weitgehend bedenkenlose Verwendung von heidnisch-religiösen bzw. heidnisch-mythologischen Begriffen zur Bezeichnung von christlichen Sachverhalten auf. Dies stellt jedoch lediglich das Ergebnis eines längeren Prozesses dar, der im zweiten Jahrhundert seinen Ausgang nahm. Von der frühen christlichen Apologetik wurde aus Gründen der Abgrenzung auf heidnisch-religiöse Begriffe wie z.B. templum, ara oder vates/fatidicus verzichtet und dafür vielmehr auf neue, häufig aus dem Griechischen entlehnte Alternativen zurückgegriffen (ecclesia, altare, propheta). Im Zuge der Verfestigung des Christentums seit dem vierten Jahrhundert zog man die heidnischen Begriffe jedoch wieder häufiger heran. Im Mittelalter setzte sich diese Verwendung unreflektiert fort. In gleicher Weise hielten weitere Bezeichnungen aus der heidnischen Mythologie Einzug in die Sprache christlicher Autoren. Ein Beispiel für diese Entwicklung stellt die auch im Drama vorkommende Bezeichnung für den bald heidnischen, bald christlichen Himmel, Olympus (V. 1825), dar. Die Vorstellung vom Götterberg im Norden Griechenlands und die daraus resultierende metaphorische Verwendung werden während der Spätantike christianisiert und fortan von christlichen Autoren, besonders von Dichtern, angewandt. So wurde der von Ovid (met. 2,60 und 9,499) und Lucan (5,620) verwendete Hexameterschluss rector Olympi zur Bezeichnung Jupiters auf den Christengott übertragen. In diesem Sinne wird er von Arator (act. 1,37 und 2,1117; 6. Jhdt.), Aldhelm (virg. 429; 7. Jhdt.) und Hrabanus Maurus (carm. 34,35; 8./9. Jhdt.) gebraucht. Olympus wird somit für den Sitz Gottes, der Engel und der Heiligen benutzt. Bei Venantius Fortunatus ist Olympus bereits synonym zu coelum zu sehen: hostili occurrens gladio se misit Olympo (carm. 1,11,19). Die häufige und bedenkenlose Verwendung des Begriffs Olympus für ‚Himmel‘ lässt darauf schließen, dass keinerlei heidnisch-pagane Konnotation mehr vorhanden ist und der heidnische Kontext dem Begriff nur noch äußerlich anhaftet. Dasselbe Phänomen ist auch bei den Bezeichnungen aus dem Bereich der heidnischen Unterwelt festzustellen. Sämtliche im Drama genannten Teilbereiche der heidnischen Unterwelt, v.a. die verschiedenen Unterweltsflüsse, Lethe (V. 467 und 2149), Styx (V. 469, 1157, 1266, 1787, 2314, 2378, 2689), Phlegethon (V. 516) und Acheron (1701, 1890, 2058, 2445, 2535, 2698), sind bereits in der heidnischen Literatur (Acheron: Aischyl. Ag. 1160; Pind. P. 11,21; Cic. p. red. in sen. 25; Verg. Aen. 5,99; Lethe: Sen. Herc. O. 1162; Lucan. 6,769; Stat. Theb. 8,97; Styx: Ov. trist. 5,2,74; Sen. Phaedr. 148) und ganz besonders im christlichen Kontext (Prud. cath. 5,125–
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128) als eine Pars pro toto für die Unterwelt bzw. Hölle zu verstehen. Die vorliegende Übersetzung übernimmt zwar die sprachliche Unterscheidung, möchte jedoch keine differenzierte Nuancierung nahelegen. Ferner tauchen im Text auch heidnische Oberbegriffe für die Unterwelt bzw. Hölle wie Tartarus (V. 488, 606, 947, 2311, 2374, 2394, 2707; siehe dazu auch Comm. ad 2698) und Orcus (V. 487, 493, 1367, 1718, 2016, 2023, 2696) auf. Vgl. Stotz 2002–2004 I, S. 48 § 15.3 und 62 § 20.4; II, S. 51–52 § 22.2. Aufgrund dieser Funktion der einzelnen Unterweltsflüsse als Pars pro toto für die Hölle im Allgemeinen seien die entsprechenden Begriffe hier nur kurz in alphabetischer Reihenfolge erläutert: Acheron: Erstmals bei Homer in Ergänzung zur Styx als Unterweltsfluss bezeichnet. Er bildet die Grenze zum Hades. Der Fährmann Charon setzt die Toten über ihn. Bei Homer (Od. 10,513) sammelt der Acheron die Wasser von zwei weiteren Unterweltsflüssen, Pyriphlegethon und Kokytos, bei Vergil (Aen. 6,295) verhält es sich umgekehrt. Laut Platon fließt er innerhalb und gegenläufig zum Okeanos und mündet in den Acherusischen See, in dem die verstorbenen Seelen ankommen (Phaid. 107c–114b). Die platonische Vorstellung, dass die toten Seelen dort gereinigt werden, indem sie für ihre Sünden büßen, antizipiert bereits in Teilen die spätere christliche Auffassung der Hölle. Lethe: Quelle und Fluss des Vergessens in der Unterwelt. Um ihr irdisches Leben zu vergessen, trinken die Verstorbenen bei ihrer Ankunft in der Unterwelt aus ihm, eine Vorstellung, die sich v.a. im Anschluss an Platon (rep. 621a) verbreitete. Phlegethon: Auch Pyriphlegethon genannt; ein weiterer Fluss in der Unterwelt, der in der Vorstellung antiker Schriftsteller mit Feuer in Verbindung gebracht wird. Bei Platon (Phaid. 113a–b) durchfließt er zunächst einen brennenden Ort, bis er letztlich in die Tiefe des Tartaros stürzt. In Vergils Aeneis (6,548–551; vgl. Stat. Theb. 4,523) besteht er aus Feuer und umgibt die Burg Plutos. Styx: Ebenfalls erstmals von Homer genannter Unterweltfluss (Il. 2,755 und 24,271), der von Zeus zur Schwurgottheit erhoben wurde (vgl. z.B. Hes. theog. 383– 401; Hom. Od. 10,508–530). Ihr Wasser soll aufgrund ihrer Kälte für Menschen und Tiere tödlich gewesen sein. Auch die Styx bildet die Grenze zur irdischen Welt, die die Verstorbenen überschreiten müssen. Außerdem sorgt sie dafür, dass die in der Unterwelt gefangenen Seelen nicht entkommen können (Hom. Il. 23,71–74). Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 550–553; Johnston/Käppel/Jastrzȩbowska 2002; Antoni 2001; Colpe u.a. 1996, bes. Sp. 258–378; Sourvinou-Inwood 1995, bes. S. 61–65 und 307–308; Giudice 1994; Thome 1993, S. 188–200; Johnston 1957, S. 7–35; Waser 1909–1915; Stoll 1884–1890a; Stoll 1894–1897. 468 Vestraque lacu infero venenate iacula; ∣ Magnum caput stygio petendum fulmine] Es ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden, ob mit lacus inferus
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ein konkreter Unterweltsee gemeint ist oder allgemein auf Gewässer in der Unterwelt Bezug genommen wird. Im ersten Fall wäre am ehesten an den lacus Avernus zu denken, ein See in der Nähe von Baiae am Golf von Neapel, dem in der Antike aufgrund seiner schwefelhaltigen Ausdünstungen und der daraus resultierenden Lebensfeindlichkeit (vgl. Lucr. 6,744–745; Verg. Aen. 6,442; Plin. nat. 31,21; Serv. Aen. 3,442) eine Verbindung zur Unterwelt nachgesagt und der als Eingang zum Hades gesehen wurde (Val. Fla. 2,601–603; Sil. 15,76; Stat. Theb. 11,588; Mart. 7,47,7; Claud. rapt. Pros. 1,20). Durch ihn gelangen Odysseus (Strab. geogr. 5,4,5– 6) und Aeneas (Verg. Aen. 3,442 und 6,126; Ov. met. 14,101–106) ins Totenreich. Dagegen bezeichnet lacus in Verbindung mit einem Adjektiv, das den Unterweltskontext näher markiert, bei Vergil (Aen. 6,393), Tibull (2,6,40 und 3,5,24), Properz (2,28,40) und Lucan (6,662) ganz allgemein die Gewässer der Unterwelt. Vgl. Marx 1896. Ferner stellt der Blitz (stygium fulmen) kein geläufiges Element der antiken Unterweltsvorstellung dar. Vielmehr ist er das typische Attribut des obersten Himmelsgottes Jupiter. In der Aussage des Dämons muss der „stygische Blitz“ im übertragenen Sinne als Ausdruck einer zerstörerischen Kraft (gemäß der Definition von Publilius Syrus: fulmen est, ubi cum potestate habitat iracundia, F 19; vgl. Ov. am. 1,6,16, trist. 1,1,72; Plin. Paneg. 90,5) oder eines großen Unglücksschlags (z.B. Cic. Tusc. 2,66, Att. 4,6,2; Liv. 45,41,1; Amm. 15,5,18) im Allgemeinen verstanden werden. Vgl. Rubenbauer, Hans 1923: Art. ‚fulmen‘. In: ThLL VI,1,1525,26–1530,77. Diese beiden Verse sind nicht zuletzt aufgrund der vorangegangenen Schilderungen metaphorisch zu lesen, zumal auch das Benetzen der Speerspitze im giftigen Unterweltsee keine Entsprechung in der antiken Literatur aufweist. Vielmehr sollen diese geschilderten Details die böse Absicht der Dämonen verdeutlichen. Ihr Vorhaben, Julian Schaden zuzufügen, wird durch eine direkt in der Hölle vergiftete Pfeilspitze einerseits und einen zerstörerischen Blitz aus der Unterwelt andererseits dramatisch illustriert. Als mögliche Parallelen zu dieser Schilderung kann sowohl die vergilianische Allecto (Aen. 7,323–571) als auch die ovidische Invidia (met. 2,760–832) herangezogen werden. Das Wirken beider allegorischer Gestalten wird ebenfalls mit Hilfe von Metaphern verdeutlicht. Allecto treibt Amata durch einen Schlangenbiss zur Raserei (Aen. 7,346–356 und 374–377, vgl. auch 7,445–450) und heftet brennende Fackeln in die Brust des Turnus (atro ∣ lumine fumantis fixit sub pectore taedas, Aen. 7,456–457; vgl. dazu iam ventilandae sunt faces Phlegetonicae, V. 516). Ovids Invidia berührt Aglauros mit ihrer Hand, die in Neid getaucht wurde (vgl. lacu infera venenate iacula, V. 468), füllt das Herz des Opfers mit spitzen Dornen an und haucht ihr schädliches Gift ein (met. 2,798– 801).
478 | Erster Akt 473–474 ciebo potius in caput unius ∣ Omnem inferorum exercitum, vincam modo] Der anakoluthe Satzbau (eigentlich wäre ein zu potius korrespondierendes Vergleichswort wie quam zu erwarten) verdeutlicht die Aufregung und Aufgebrachtheit des Dämons. 477–483 Superbia … ∣ Auri fame … ∣ Amoribus … ∣ Livore … ∣ Furore … ∣ Gulae … ∣ Socordiae] Die frühesten Formen der Kanonisierung von sogenannten ‚Todsünden‘ finden sich im vierten und fünften Jahrhundert bei Evagrius von Pontus (Περὶ τῶν ὀκτὼ λογισμῶν, PG 40,1271–1278) und Nilus (Περὶ τῶν ὀκτὼ πνευμάτων τῆς πονηρίας, PG 79,1145–1164), bei denen die Anzahl jedoch noch acht betrug: Völlerei (γαστριμαργία; gula), Unzucht (πορνεία; libido/luxuria), Geiz (φιλαργυρία; avaritia), Traurigkeit (λύπη; tristitia), Zorn (ὀργή; ira/iracundia), Trägheit (ἀκηδία; desidia/acedia), Eitelkeit (κενοδοξία; inanis/vana gloria) und Stolz (ὑπερηφανία; superbia). Mit Gregor dem Großen findet der Todsündenkatalog im sechsten und siebten Jahrhundert im Westen Einzug (mor. 31,45, PL 76,620–623). Bei ihm verschmelzen jedoch ‚Traurigkeit‘ und ‚Trägheit‘ sowie ‚Eitelkeit/Ruhmsucht‘ und ‚Stolz‘ zu jeweils einem Punkt, wobei er gleichzeitig den ‚Neid‘ (invidia) neu einführt, wodurch letztlich die bekannte Siebenzahl entsteht. Auch wenn Gregor noch von der tristitia spricht, etablierte sich bald die Bezeichnung acedia. Im Laufe des Mittelalters setzte sich diese Zusammenstellung gegen konkurrierende Listen (z.B. Johannes Cassianus: De institutis coenobiorum, v.a. Buch 5–12; Collationes, Buch 5) durch und ist so noch im heutigen Katechismus zu finden (KKK 1866). Entsprechend lauten die sieben Todsünden nach dem großen Katechismus des Petrus Canisius: Quot sunt peccata capitalia? Septem: Superbia, Avaritia, Luxuria, Invidia, Gula, Ira, Acedia (Canisius 1579, fol. 22v ). Der superbia kommt dabei eine herausragende Rolle zu, da sie als gemeinsamer Urgrund für die übrigen Todsünden gilt (vgl. auch S. 83–84). Im Spätmittelalter hielten die Todsünden im Zusammenhang mit den sogenannten ‚Moralitäten‘ breiten Einzug auf der Bühne. Dabei wurde szenisch der Kampf zwischen den Allegorien der guten und bösen Seelenkräfte des Menschen, wie er bereits in Prudentius’ Psychomachia zu finden ist (siehe unten), ausgetragen. In Drexels Drama steht jeder Dämon für eine der sieben Todsünden. Der ‚erste Dämon‘ tritt lediglich als Anführer auf. Auch wenn Drexel den einzelnen Dämonen keine Namen verleiht, folgt er der seit dem sechzehnten Jahrhundert verbreiteten Tendenz, die sieben Todsünden mit konkreten höllischen Dämonen in Verbindung zu bringen. Der Jesuit und Weihbischof von Trier, Peter Binsfeld, klassifiziert in der 1596 erschienenen Erweiterung seines Traktats De confessionibus maleficorum et Sagarum, an et quanta fides ijs adhibenda sit von 1589 die Hier-
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archie innerhalb der Hölle. Jeder der sieben Todsünden teilt er einen Dämon als Patron zu (S. 59; vgl. auch: Marlowe, Doctor Faustus, II,2, V. 105–172). Tab. 1: Mögliche Typologie der Dämonen im Iulianus Dämon
Todsünde
Zuordnung bei Drexel
Denkbares Attribut
Lucifer
superbia
2us (Superbia)
Mammon
avaritia
3us (Auri fame)
Asmodaeus
luxuria
4us (Amoribus)
Sathan
ira et discordiae
6us (Furore)
Beelzebub
gula
7us (Gulae)
Leviathan
invidia
5us (Livore)
Beelphegor
desidia/acedia
8us (Socordiae)
Spiegel (vgl. Bruegel cat. 48 und 55, Sellink 2007, S. 98 und 105) Geldsack (vgl. Prud. psych. 457–462; Bruegel cat. 49 und 56, Sellink 2007, S. 99 und 106) Brennende Fackel (vgl. Prud. psych. 42–43) Speer/Schwert/Messer (vgl. Prud. psych. 116, 121 und 137; Bruegel cat. 46 und 53, Sellink 2007, S. 96 und 103) Weinkrug (vgl. Prud. psych. 318–320; Bruegel cat. 50 und 57, Sellink 2007, S. 100 und 107) Hund (Bruegel cat. 51 und 58, Sellink 2007, S. 101 und 108. Vgl. das Sprichwort Una domus non alit duos canes. Erasm. Adag. 1124. [Ein Heim nährt keine zwei Hunde.]) Kissen (vgl. Bruegel cat. 57 und 54, Sellink 2007, S. 97–104)
Drexel erstellt eine eigene Reihenfolge, die weder dem Katechismus des Canisius noch der Hierarchie bei Binsfeld entspricht (siehe Tabelle 1). Dennoch ordnet auch er jedem seiner Dämonen eine Todsünde zu. Die Emendation hinsichtlich der Sprecherbezeichnung in V. 483 von 2us zu 8us ist einerseits bedingt durch die geschilderte Praxis innerhalb der zeitgenössischen Dämonologie, die jeder Todsünde genau einen Dämon zuweist, andererseits wurde eine Analogie zu den Szenen II,1 und V,10 hergestellt, in denen jeder einzelne der Dämonen der Reihe nach einmal zur Sprache kommt. Der ‚achte Dämon‘ wäre in dieser Szene andernfalls ohne Sprechbeteiligung auf der Bühne. Häufig wurden in der Kunst des Mittelalters und der Frühen Neuzeit die einzelnen Todsünden ikonographisch mit bestimmten Attributen, Erscheinungsformen oder Tieren versehen. Eine einheitliche Zuordnung kann jedoch nicht festgestellt werden (Auflistung bei Bloomfield 1952, S. 245–249). Die in der obigen Tabel-
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le angegebenen Attribute sind als ein möglicher Vorschlag zu sehen. Die Zusammenstellung beruft sich teils auf den spätantiken christlichen Dichter Prudentius und sein allegorisches Epos Psychomachia, das sowohl die allegorische Literatur als auch bildende Kunst folgender Jahrhunderte stark beeinflusste und in zahlreichen Handschriften Verbreitung fand (vgl. Pollmann 2001, Sp. 489; Tschäpe 2007, S. 515; Gnilka 1963). Darin schildert er den Kampf um die menschliche Seele zwischen Tugenden und deren entsprechenden Lastern, von denen einige auch hier vorkommen. Dabei benennt er die Attribute der jeweiligen Protagonisten. Teils wurden für die Auflistung aber auch zeitgenössische bildliche Darstellungen des sechzehnten Jahrhunderts herangezogen, v.a. die Kupferstiche von Pieter Bruegel dem Älteren (1526/1530–1569; vgl. Sellink 2007, S. 92–109). Die ausgewählten Attribute haben den Vorteil, dass sie einfach zu erkennen und voneinander zu unterscheiden sind sowie leicht in Bezug zur jeweiligen Sünde gesetzt werden können. So könnte Drexel beim Zuschauer nicht nur durch das gesprochene Wort die Assoziation zwischen den einzelnen Dämonen und der jeweiligen Todsünde hergestellt haben, sondern auch durch die Art und Weise ihres Auftretens an sich. Vgl. Newhauser/Ridyard 2012; Bucher 2012, S. 1–9; Tilby 2009; Bloomfield 1952; Gothein 1907. 477 pro Caesare] Die hier vorliegende Bezeichnung Julians als Caesar ist proleptisch oder potential aufzufassen. Denn seit den Antoninen war dieser Titel ausschließlich auf die Thronerben beschränkt. Im tetrarchischen System war er dann der offizielle Titel der beiden Unterkaiser, die den beiden Augusti nach deren Rücktritt nachrücken sollten. Julians Erhebung zum Mitkaiser und die damit verbundene Verleihung des Caesarentitels finden im Drama aber erst nach der Verführung durch die Dämonen statt. Vgl. Kienast ²1996, S. 24–25 bzw. 323; Pabst 1986, S. 46– 56; siehe auch Comm. ad 284. 478 Auri fame.] Die Ablativendung -e wird bei antiken Dichtern häufig lang bemessen (vgl. z.B. Lucr. 3,732; Tib. 1,5,53; Ov. met. 5,165; Iuv. 15,102). Als Ausnahme von der Regel (e in fine corripitur) wird fame sowohl bei Álvarez (Inst. gramm. III, fol. 20r ) als auch bei Micyllus genannt (De re metrica III, fol. 566v ). 484–488 Hoc Iulianus … natos Caesarum.] Dem Anführer der Dämonen scheinen die genannten sieben Todsünden nicht auszureichen, um den vorbildlichen Christen Julian zu Fall zu bringen. Außerdem geht es den bösen Mächten darum, nicht nur Julian, sondern mit ihm zusammen eine ganze Schar von Menschen in die Tiefen der Hölle zu stürzen. Darin unterscheidet sich Drexels Iulianus von Bidermanns Cenodoxus. In Letzterem beraten sich die Höllengeister zwar ebenfalls
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(I,2) und beschließen, Cenodoxus zu Fall zu bringen. Überlegungen für einen möglichst großen Kollateralschaden stellen sie jedoch nicht an. Auch wenn die Formulierung hoc spiculo […], quo als ein Germanismus im Lateinischen anmutet (‚mit demjenigen Stachel, mit welchem‘), findet sich diese Ausdrucksweise dennoch vereinzelt auch in klassischer Prosa (vgl. Cic. nat. deor. 2,54: nec vero eae stellae quae inerrantes vocantur). Diese Beifügung eines Demonstrativpronomens an ein Substantiv, auf das sich wiederum ein Relativpronomen bezieht, ist äußerst selten, dient aber dazu, den starken Bezug zwischen Substantiv und Relativsatz zu verdeutlichen. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 279–282; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 555. 486 cadentum] Die Form cadentum im Genitiv Plural statt cadentium findet sich beispielsweise auch bei Vergil (Aen. 10,674 und 12,410). Diese Abweichung von der Regel wird meist aus metrischen Gründen vollzogen. Vgl. Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 340–341; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 438. 487–488 absque comitatu dedecet ∣ In Tartarum venire natos Caesarum.] Dieselbe sarkastische Aussage macht die Parze Clotho in Senecas Apocolocyntosis, einer satirischen Abrechnung mit der Himmelfahrt des Kaisers Claudius. Der Kaiser dürfe, da er ja zu Lebzeiten von so vielen tausend Menschen umgeben war, im Tode nicht allein gelassen werden, sodass ein gewisser Augurinus und Baba zusammen mit ihm sterben (apocol. 3,4). Parallelen zwischen dem angeblich stumpfsinnigen Claudius und Julian finden sich auch an weiteren Stellen des Dramas (siehe Comm. ad 1790–1798). Zu Tartarum siehe Comm. ad 467 und 2698. 491 Pro vicimus] Der Siegesaufschrei von Dämonen, die einen todsicheren Plan zum Sturz eines Menschen gefasst haben bzw. diesen bereits zu Fall gebracht haben, findet sich neben dem ebenfalls im Iulianus vorkommenden Vers Iam victus est; iam noster est (V. 505) häufig in Dramen zur Zeit Drexels. Vgl. z.B. Theophilus 123; Bid. Cen. IV,7, V. 1601. 500–504 Nullum inferorum … in rebus modum.] Diese Verse sind dem Prolog des Crispus aus der Feder Bernardino Stefonios entnommen (siehe Similienapparat). Auch darin werden sie von einem Dämon gesprochen. Dieser rät dem Schatten der Phaedra, Verbrechen in der Familie Konstantins des Großen anzustiften, die ihr eigenes in den Schatten stellen würden. Wie einst Phaedra in Liebe zu ihrem Stiefsohn Hippolytus entbrannte und dadurch diesem und sich selbst den Untergang bereitete, soll sich nun Fausta, die Ehefrau Konstantins, in ihren Stiefsohn Crispus verlieben und ihn zugrunde richten. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5.
482 | Erster Akt 500–501 Nullum inferorum maius hoc monstro malum ∣ Idololatria] Die Idololatria, der Götzendienst (hier durch ein Enjambement besonders hervorgehoben), wird von den Dämonen in der Schwere der Schuld noch über die sieben Todsünden gestellt. Denn sie vermöge es, dass Julian weitere Menschen mit ins Unheil stürze, nämlich diejenigen, die sich zu den heidnischen Göttern bekennen. Schon Tertullian sah in der Idololatria, freilich in der direkten Auseinandersetzung mit der alten römischen Religion, das größte Übel seiner Zeit: Principale crimen generis humani, summus saeculi reatus, tota causa iudicii idololatria. Idol. 1,1. Als besonders schwere Sünde taucht die Verehrung von εἴδολα (idola/simulacra) auch in Lasterkatalogen des Neuen Testaments auf (vgl. I Cor 5,10–11, 6,9, 10,7 und 14, Gal 5,20, Eph 5,5, Col 3,5, Apc. 21,8 und 22,15). Vgl. Fredouille 1981, Sp. 866–895; ThWNT 2, S. 373–377, s.v. εἴδολον/εἴδωλολάτρης. Zur besonderen ‚Eignung‘ des Götzendienstes, um Julian zu verführen, siehe S. 83–84. 505 Iam victus est; iam noster est] Siehe Comm. ad 491. Durch die doppelte Dihärese, die jeweils das Ende eines kurzen Hauptsatzes betont, erhält der Siegesausruf der Dämonen einen ‚abgehackten‘ und stoßweisen Rhythmus. Sein unschöner Klang hebt die böse Absicht der Dämonen hervor. 505–506 Palladis ∣ Ocellus] Pallas Athene wird bei den Griechen und Römern unter anderem als Göttin der Weisheit, des Verstandes, der Künste und der Wissenschaften verehrt. Die Anrede Julians als Palladis ocellus, ‚Liebling der Pallas‘, durch den Dämon ist ironisch-abschätzig zu verstehen. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 92–97; Furtwängler 1884–1890a, bes. Sp. 682–683; Conti 1584, S. 299– 313, bes. 309–311; Giraldi 1560, S. 326–344, bes. 326–328. Zur Bezeichnung Julians als ocellus siehe auch Comm. ad 1477–1478. 506 insontes faciet is daemonas] Diese Aussage kann in zweierlei Richtungen verstanden werden. Zum einen bringt sie zum Ausdruck, dass Julian durch seine künftigen Verbrechen so viel Schuld auf sich laden werde, dass im Vergleich dazu sogar die Dämonen als Unschuldige dastehen würden. Zum anderen fädeln die Dämonen Julians Verführung überaus geschickt ein. Die gesamte Schuld wird allein bei Julian selbst liegen. Sie liefern im folgenden Gespräch lediglich die Denkanstöße, die Julian zum Zweifeln an seinem eingeschlagenen Lebensweg veranlassen. Gestützt auf den aus seinen intellektuellen Fähigkeiten mehr und mehr entwachsenden Hochmut zieht er selbst die Konsequenzen und entfernt sich vom Christentum. Die Entscheidung für oder wider ein christlich tugendhaftes Leben liegt somit in Julians persönlicher Willensfreiheit und kann nicht allein dem Wirken der Dämonen zugeschrieben werden. Zur katholischen Position zur Willensfreiheit und ihre Präsenz im Iulianus siehe Abschnitt 3.3.2.
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507–509 Praeceps … in nefas; ∣ Caelo vel ipsi contremiscendum nefas; ∣ Facinus vel ipsis extimescendum inferis.] Den Frevel, nefas (hervorgehoben durch eine Epipher), in den sich Julian stürzen wird, illustrieren die beiden folgenden appositiven Verse näher. Die Ränder von V. 508 und 509 sind dabei chiastisch angeordnet. Die antithetischen, komplementären Begriffe caelo und inferis bilden die äußere Rahmung. Diese abbildende Wortstellung verdeutlicht, dass sich Julians Handeln zwar noch zwischen Himmel und Hölle, also in der irdischen Welt, abspielt, aber Auswirkungen auf beide Bereiche hat. In welcher Weise sich sein Handeln auf Himmel und Hölle auswirkt, steht wiederum in paralleler Wortstellung in der Mitte der Verse: vel ipsi contremiscendum/vel ipsis extimescendum. Die Vehemenz dieser Worte wird neben dem Parallelismus ferner durch die Variation des Kompositums des inkohativen Verbs timescere unterstrichen. Zum anderen steht die entscheidende Charakterisierung von Julians zukünftigem Handeln, nämlich nefas und facinus, zwar durch ein Enjambement getrennt, aber in Juxtaposition genau in der Mitte der beiden Verse. 510–511 Agitante me, me praeside atque interprete ∣ Miscebit orbem, evertet orbem funditus] Die nominalen Ablativi Absoluti, die wiederum aus Stefonios Crispus stammen (siehe Similienapparat), verdeutlichen auf sprachlicher Ebene, dass Julian selbst aktiv für sein Handeln verantwortlich ist, auch wenn er von den Dämonen dazu verführt wurde. Nicht diese, sondern Julian selbst ist das Subjekt dieses Satzes. Er wird für das Verderben auf der ganzen Erde sorgen (vgl. Einleitung zu dieser Szene). 514 hi dabunt rem effectui] Die in der neulateinischen Literatur weit verbreitete Redewendung aliquid effectui dare (‚einer Sache Wirkung verleihen‘) taucht erstmals (entgegen mancher Einträge in frühneuzeitlichen Lexika, die sie als ciceronianisch ausgeben; vgl. Kirsch 1774 s.v. effectus) in den Werken des spätantiken Autoren Sulpicius Severus auf (dial. 3,9,1; mit tradere statt dare: Sulp. Sev. chron. 2,41,1; vgl. Symm. epist. 7,110,2; Cod. Theod. 15,1,8; Leo M. epist. 125). Die Wendung ist in den Prozess der sich ausweitenden Anwendungsmöglichkeit des zuvor auf bestimmte Fälle beschränkten Dativus finalis im nachklassischen Latein zu sehen. Besonders Dativformen auf -ui sind hiervon betroffen. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 343–345; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 98–99; Hey, Oskar 1931: Art. ‚effectus ‘. In: ThLL V,2,133,52–59. 516 faces Phlegetonicae] Das Bild vom Schwenken der Fackeln des Phlegeton (siehe Comm. ad 467) entspricht der metaphorischen Beschreibung Vergils über das Wirken der Allecto (vgl. Verg. Aen. 7,456–457 und Comm. ad 468). In gleicher
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Weise wollen die Dämonen Julians Wüten in dessen Herzen mit lichterloh brennenden Fackeln (ventilandae sunt) entzünden.
I,10 Im Gespräch zwischen Julians heidnischen Philosophenfreunden wird der Grund für seine spätere Apostasie gelegt. Sie können es nicht ertragen, dass ihr Schützling Julian, der ihnen doch in allen Dingen so hörig ist, dem aus ihrer Sicht falschen Glauben anhängt. Um ihn von der alten Religion zu überzeugen, bringen sie Argumente vor, derer sich heidnische Philosophen, insbesondere Mittel- und Neuplatoniker des zweiten bis vierten Jahrhunderts häufig bedienten (siehe dazu Comm. ad 537–543). Ihre kritische Frage nach der Göttlichkeit eines Gekreuzigten, über die zu diskutieren Julian bereit ist, wird zur Steilvorlage für die Dämonen, die nur darauf gewartet haben, auf Julian negativen Einfluss ausüben zu können. 518–521 Max.: noster est … Iambl.: sol litteratorum omnium est.] Zu Beginn der Szene fassen Jamblichus, Maximus, Ecebolius und Libanius das bisherige positive Bild von Julian, das in den ersten neun Szenen präsentiert wurde, in rühmenden Worten zusammen. Baronio schreibt die Schuld für Julians Apostasie bald Mardonius (AE III, 478A), der in dieser Szene jedoch noch nicht auftaucht, bald Maximus (AE III,555D nach Soz. hist. eccl. 5,2,16), bald Jamblichos (AE III,555E nach Eun. vit. 7,5–9) zu. In Anlehnung an Gregor von Nazianz (or. 4,31, 43–45 und 52) schildert Baronio an anderer Stelle Julians enge Verbindung zu Magiern und Philosophen (AE IV,14C). Über den schlechten Einfluss, den Julians Umfeld auf diesen ausübte, sind sich auch Sokrates und Sozomenos einig (Sokr. hist. eccl. 3,1,9–17; Soz. hist. eccl. 5,2,15–18). Ihres Einflusses auf Julian bewusst manipulieren sie auch im Drama ihren Schützling (novi virum: dabit manus suadentibus, V. 530). 521–524 Iambl.: sol litteratorum omnium est. ∣ Prisc.: Sed cui suae nubeculae et caligines. ∣ Christum colit; Christum eieret. sic denique ∣ Innubis erit hic sol.] Das Substantiv sol kann in übertragener Bedeutung für herausragende Persönlichkeiten verwendet werden (vgl. Cic. nat. deor. 2,14 und Hor. sat. 1,7,24). Die folgenden Verse behalten diesen metaphorischen Charakter bei. Der Übergang zwischen dem Lob des Jamblichus und dem Einwand des Priscus stellt eine Parallele zu den angesprochenen Wortspielen innerhalb von Begrüßungsszenen (vgl. Comm. ad 141–142) dar, die nach einem einleitenden Szenenbeginn zum eigentlichen Inhalt derselben überleiten. Die lobende Aussage und das in ihr verwendete
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Bild wird zum Anlass genommen, zum Anliegen der Philosophenfreunde Julians überzugehen. 525–526 Iambl.: Dis facere Iulianus adhuc spectabimus. ∣ Prisc.: Faxint Dij Deaeque.] Das Verb facere ist u.a. der Terminus technicus für eine Opferhandlung. Die Gottheit, der geopfert wird, steht regelmäßig im Dativ (vgl. Plaut. Rud. 709; Varro ling. 6,24), das Opferobjekt im Akkusativ, kann aber auch elliptisch ausgelassen werden. Bei Dis facere und Faxint Dej Deaeque ist wiederum ein Wortspiel zu sehen, bei dem mit verschiedenen Bedeutungen ein und desselben Verbums gespielt wird. Vgl. Hey, Oskar 1912: Art. ‚facio‘. In: ThLL VI,1,87,19–28. Die Verbform faxint stellt eine der wenigen bis in die Klassik überdauerten Optativformen im Lateinischen dar. Sie tritt v.a. im Altlatein häufig (z.B. Plaut. Amph. 632, Aul. 149, 257 und 788; Ter. Haut. 161, Hec. 102 und 354), seit Cicero (Cic. Verr. 2,3,81, Mur. 84, fam. 14,3,3, Att. 15,29,1) fast ausschließlich in Gebetsformeln in Verbindung mit dem Substantiv di/deae im Nominativ auf. Vgl. Willms 2013, S. 229; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 682–686; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 621–624; Hey, Oskar 1912: Art. ‚facio‘. In: ThLL VI,1,83,70–76. 526–527 verum lentius ∣ Tanta ingenia novo imbuuntur dogmate] Diese Aussage gibt die weitere Vorgehensweise vor: Julians heidnische Ratgeber und Philosophenfreunde wollen ihrem gebildeten Schützling intellektuell auf Augenhöhe begegnen und ihn so Schritt für Schritt vom christlichen Glauben abbringen. Sie wollen ihm nicht belehrend gegenüber stehen, sondern ihn allmählich zur Selbsterkenntnis leiten. Den Auftakt dazu bildet die theologisch-philosophische Streitfrage nach der Göttlichkeit eines Gekreuzigten (V. 537–543). Julian ist sich des Problems zwar sofort bewusst (mihi lis sat liquet, V. 543), wohin diese Frage abzielt bzw. wie sie ausgeht (nondum liquet de fine litis, V. 544), soll erst in der darauffolgenden Szene diskutiert werden. Darin spielt diese aber keine Rolle mehr. Vielmehr nutzen die Dämonen lediglich die günstige Konstellation aus und sprechen bereits zu Beginn von II,1 mit der unwürdigen Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Julians Dasein eine ganz andere Thematik an, mit deren Hilfe sie ihn letztlich erfolgreich verführen. Vgl. Einleitung zu Comm. ad II,1. 530 Novi virum: dabit manus suadentibus.] Siehe Comm. ad 518–521. 531 Hebrǣum] Drexel bedient sich hier der metrischen Freiheit bei Lehnwörtern aus dem Griechischen, bei denen die betonte Silbe (Ἑβραῖος) zwar nach der Regel vocalis ante vocalem brevis zu kürzen wäre, teilweise aber auch nach „Art der Griechen“ (more Graecorum, vgl. Álv. Inst. gramm. III, fol. 3v ) lang bemessen wird. Siehe auch Comm. ad 626.
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533 En ipsus] Das nach der o-Deklination flektierte Pronominaladjektiv ipsus (statt ipse) ist bei altlateinischen Dramatikern noch relativ stark verbreitet. Vgl. Willms 2013, S. 229; Stotz 2002–2004 IV, S. 119 § 53; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 598; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 471. 537–543 quaesivimus ∣ Num … actum scilicet ∣ In stipitem Numen.] Jamblichus’ Frage nach der Göttlichkeit eines Gekreuzigten stellt einen seit der Antike weit verbreiteten Einwand gegen die Christen dar. Nicht nur Kelsos (Orig. c. Cels. 1,31 und 54, 2,31, 44 und 68–69, 8,43) und Porphyrios (adv. Christ. frg. 83D), sondern auch Julian selbst (c. Gal. frg. 43 = Cyr. c. Iul. 6,194A) brachten diesen Punkt in ihren Schriften gegen die Christen vor (vgl. Iust. Mart. apol. 1,13,4; Clem. Al. strom. 1,88,5; Arnob. nat. 1,40 und 62; Lact. inst. 4,22,3–6 und 26,24–30; Athan. incarn. 24; Ambr. in Luc. 6,108; Aug. in psalm. 93,15, in evang. Ioh. 96,3). Der Nebensatz ut rudis plebs asserit (V. 539) gibt einen weiteren Aspekt wieder, der u.a. von Kelsos gegen die Christen ins Feld geführt wurde. Dieser merkt kritisch an, dass Christus zu seinen Lebzeiten nur zehn oder elf nichtsnutzige Zöllner und Fischer für sich gewonnen habe (Orig. c. Cels. 1,62; vgl. 1,27, 2,46 und 6,1–2; Min. Fel. 8,4). Der Verleumdung, dass sich das Christentum aus den ungebildetsten und einfachsten Bevölkerungsschichten zusammensetze, begegneten christliche Autoren wiederum mit einer Kritik am Elitarismus der antiken Philosophie und betonten im Gegensatz dazu den Anspruch eines jeden Menschen auf die Wahrheit (vgl. Tat. orat. 32,2; Clem. Al. strom. 4,58,3; Lact. inst. 3,25,1–18; Aug. vera rel. 3,3–4,6). Die folgenden Argumente, die Jamblichus vorbringt (ratio; vox sophorum; libri; saxa; statuae; vetustas omnis, V. 540–542), entsprechen der antiken Tradition, als Wahrheitsbeleg für einen Sachverhalt das hohe Alter desselben anzuführen (Min. Fel. 6,1; Ambrosiast. quaest. 114,24 und 29–30; Eus. pr. ev. 2,6,19 und 4,1,3; zum ‚Alterbeweis‘ in der jüdischen und christlichen Tradition sowie seine Vorgeschichte siehe Pilhofer 1990). Der Abfall von den Traditionen ihrer Vorfahren wird den Christen häufig vorgeworfen (vgl. Tert. nat. 1,10,3–8; Orig. c. Cels. 1,14; 3,5–6, 8 und 16; 5,33; Porph. adv. Christ. frg. 88D = Eus. pr. ev. 1,2,3–4; Iul. c. Gal. frg. 58 = Cyr. c. Iul. 7,238A). Das letztgenannte Element, vetustas omnis, gibt einen weiteren Kritikpunkt an der christlichen Religion wieder: Von heidnischer Seite wurde die universale Heilsbedeutung des Wirkens Jesu insofern in Frage gestellt, als auf dessen allzu spätes Auftreten in der Geschichte verwiesen wurde (Iul. c. Gal. frg. 20 = Cyr. c. Iul. 3,106A; c. Gal. frg. 50 = Cyr. c. Iul. 6,212E). Zu diesen Aspekten siehe: Thomas 2011, S. 19, 40–42, 153–154; Fiedrowicz 2004, S. 333–338 Nr. 246–253, S. 469–470 Nr. 373, S. 482 Nr. 379, S. 492–505 Nr. 389–403 bzw. 592–599 Nr. 480–486 (mit Übersetzungen der genannten Quellen);
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Fiedrowicz ²2001, S. 212 und 261–265; Heid 2001; Simmons 2000; Vos 2000; Hargis 1999; Guyot/Klein 1993/4 II, S. 168–189 und 202–215; Padovese 1988; Stockmeier 1983; Benko 1980, S. 1102–1107; Schäfke 1979, S. 579–604 und 630–639; Gigon 1966, S. 104–126; weitere Literatur zu den hier behandelten Vorwürfen bei Guyot/Klein 1993/4 II, S. 397–400. 538 Hebrǣus] Zur Metrik siehe Comm. ad 531. 543 stipitem] Der Begriff stipes bezeichnet eigentlich nur den vertikalen Kreuzesstamm, an den ein Querbalken (patibulum) geheftet wurde. Auch wenn bei Tertullian eine gewisse Differenzierung festgestellt werden kann (vgl. z.B. apol. 12,3 und 16,6), wird stipes von christlichen Autoren weitgehend synonym zu crux verwendet. Entsprechend erscheint der Begriff auch bei Drexel (vgl. V. 981, 1327 und 1880). Vgl. Cook 2014, S. 16–37; Gatti, Paolo 1990: Art. ‚patibulum‘. In: ThLL X,1,706,48–708,30; Hey, Oskar 1909: Art. ‚crux‘. In: ThLL IV, bes. 1260,21–23. 543–544 mihi lis sat liquet, ∣ Nondum liquet de fine litis] Diese Aussage Julians markiert den Beginn seiner Apostasie innerhalb des Dramas. Sein im ersten Akt noch weitgehend latenter und erfolgreich in Schach gehaltener Hochmut, der aus seinem herausragenden Intellekt und seiner einzigartigen Bildung entspringt, verleitet ihn an dieser Stelle, angeregt und herausgefordert durch seine heidnischen Philosophenfreunde, nun allerdings dazu, das kirchliche Dogma von Nizäa (325 n.Chr.) von der Wesensgleichheit von Gott-Vater und Gott-Sohn (Homousie) rational zu hinterfragen. Hierzu passt, dass Julians unmittelbar anschließende Frage, ob seine Freunde mit ihm über diese Streitfrage weiter diskutieren möchten (num lubet ∣ Plura super hoc disserere? V. 544–545), den Übergang zum zweiten Akt bildet, in dessen erster Szene Julian seinen Abfall vom Christentum dann tatsächlich vollzieht. 549 E rariori] Der Ablativ Singular von Komparativen endet im klassischen Latein nur sehr selten auf -ī (vgl. Cic. part. 70, fam. 3,3,1; Liv. 9,34,23; Ov. met. 8,442; wobei die jeweiligen Stellen bei Editoren z.T. sehr umstritten sind). Seit Seneca ist diese Form dann häufiger zu finden (dial. 1,1,6 und 4,4 sowie 12,9,2; epist. 81,20). Vgl. Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 438; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 361– 362; vgl. Stotz 2002–2004 IV, S. 83 § 35.8.
Zweiter Akt II,1 Dass Julian unter dem Einfluss von dämonischen Kräften stand, behaupten bereits antike christliche Autoren. Gregor von Nazianz streitet im Zusammenhang mit Julians Usurpation jedoch ab, dass Dämonen die Schuld an dieser Handlung zu geben sei, und betont damit Julians genuine böse Absicht (or. 4,47). Dass Julian von Dämonen besessen gewesen sei, behauptet er jedoch an anderen Stellen (or. 4,56, 74 und 85). Dieselbe Ansicht wird von Theodoret vertreten (hist. eccl. 3,20,1). In der vorliegenden Szene spielt die zuvor formulierte Streitfrage nach der Göttlichkeit des Gekreuzigten, über die sich Julian und seine Gefährten am Ende der vorangegangenen Szene vorgenommen haben zu diskutieren (V. 537–545), keine Rolle mehr. Vielmehr ergreifen die Dämonen, die mittlerweile in die Rolle der Philosophenfreunde Julians geschlüpft sind, die Gunst der Stunde, wechseln abrupt das Gesprächs- bzw. Diskussionsthema und machen sich daran, in Julian den Wunsch nach Ruhm und Anerkennung zu wecken, der ihn zum Götzendienst verleiten soll. Ein kurzer, aber energisch vorgebrachter Denkanstoß ihrerseits reicht dabei aus (V. 553–556), um Julian zum Nachdenken über seine Situation zu bringen. Gewissermaßen in Monologform (siehe dazu S. 85–89) geht er auf dieselben Argumente ein, der sich zuvor bereits Sallustius (I,4) und Constantius (I,8) bedient haben und die laut Lipsius die größten Feinde der constantia darstellen (Abstammung, Jugend, Begabung, intellektuelle Fähigkeiten und Weisheit; vgl. S. 54 mit Anm. 39 bzw. S. 73–75). Gegenüber der von den Dämonen initiierten und von ihm selbst vertieften Verführung kann Julian seine einstige constantia nicht mehr aufrecht erhalten. Von dieser Szene an hat er es unweigerlich auf den Kaiserthron abgesehen. Ferner tritt er im weiteren Verlauf des Dramas zwar immer noch als Stoiker, aber in einer fehlgeleiteten Form auf. Siehe dazu besonders Abschnitt 3.3.3. Die besondere Atmosphäre dieser Szene wird durch ein ‚Entweder-OderSzenario‘ erzeugt, das die Dämonen gemeinsam mit Julian entwerfen. Verschiedene Elemente einer vita activa werden denjenigen einer vita contemplativa entgegengestellt. Großes Gewicht wird dabei auf den anschaulichen Bereich der Kleidung geworfen: lacerna, toga, cento, panni und pallium werden als Symbole für ein friedliches, ärmliches und zurückgezogenes Leben als Geistlicher genannt. Demgegenüber stehen purpura, sagum und chlamys, Zeichen eines Wirkens in öffentlichen Ämtern, ja sogar als Kaiser. Ergänzt wird dies durch die Gegenüberstellung von curia und sacella, forum und fana. Ferner wird das Dasein als Geistlicher mit Tod und Trauer (Iul.: Omnes honores hac toga sepeliverim? ∣ 3us : Sepultus ipse https://doi.org/10.1515/9783110593730-016
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maximis maeroribus. V. 562–563; Procul voluptate moriar, dum vivo adhuc? V. 572; luctum exue, V. 589; Abito vestis pulla, V. 591; Vale toga, vale luctuosum pallium, V. 601), Dunkelheit (altis ita ∣ Tenebris premam prudentiam? V. 578–579) sowie Dreck und Schmutz (Tune has feras sordes? V. 557; Obsordeam solus ego? iaceam, squalleam? V. 566) in Verbindung gebracht, das Kaisertum dagegen mit Metaphern des Lebens (Vitae decus iuvenisque floridissimus, V. 573) und des strahlenden Glanzes (Nomenque gentis Flaviae illustrissimum, V. 556; Honoribus, luce, solio dignissimus, V. 567; vocandus in iubar largissimum, V. 571; clarissimam [prudentiam], V. 579) veranschaulicht. Verdeutlicht durch Julians Zweifel und Fragen, die er abwechselnd im Deliberativ und Potentialis an sich selbst richtet, wird hier die fundamentale Grundthematik des Jesuitendramas überhaupt theatralisch umgesetzt, nämlich die aktive Rolle der menschlichen Willensfreiheit, die jede einzelne Entscheidung heilsrelevant macht. Der Zuschauer erlebt bei Julians Schicksal nicht nur die Folgen seiner falschen Entscheidung, sondern er wird auch mit den einzelnen Überlegungen und den psychologischen Denkvorgängen des Protagonisten konfrontiert, die ihn Schritt für Schritt zu dieser bringen. Julian wird von den Dämonen zur Selbsterkenntnis begleitet. Aus freiem Willen, so betont es gegen Ende der Szene der ‚dritte Dämon‘ ausdrücklich, habe sich Julian der höllischen Verführung ergeben: Sic liber, in nostra incidisti retia (V. 600). Zur Rolle der menschlichen Willensfreiheit im Iulianus siehe Abschnitt 3.3.2. Seine Überlegungen enden mit dem Ablegen des Klerikergewands als performativen Akt der Apostasie. Im Folgenden (V. 591–607) wechselt der Modus in Julians Worten. Reale Aussagen und Imperative machen deutlich, dass seine Entscheidung gefallen ist. Auf die persönlichen Konsequenzen, die Julian durch diese eminent heilsrelevante Entscheidung letztlich zu tragen hat, weisen die Dämonen selbst hin: Salve profundus Iuliano tartarus (V. 606). 553–554 Quousque Iuliane virtutem tuam ∣ Dormire pateris otiosam?] Der Auftakt zu Julians Verführung durch die Dämonen entspricht dem Beginn der ersten Catilinarischen Rede Ciceros (Quo usque tandem abutere, Catilina, patientia nostra? Catil. 1,1). Darin macht der Konsul Cicero seinem Gegenüber Catilina klar, dass alles, was dieser für seinen Staatsstreich geplant habe, aufgedeckt worden und für jedermann offenkundig sei. Catilina solle daher Rom verlassen, seinem Treiben endlich ein Ende setzen und die Geduld Ciceros und des römischen Volkes nicht weiter strapazieren. 556 Nomenque gentis Flaviae illustrissimum?] Um sich für seine Herrschaft größere Legitimation zu beschaffen, propagierte Konstantin der Großen u.a. eine genealogische Verbindung zur gens Flavia. Er proklamierte die Fortsetzung
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der ‚Ersten Flavischen Dynastie‘, namentlich der Herrschaft von Vespasian, Titus und Domitian, von denen besonders Erstgenannter als Retter Roms nach den chaotischen Jahren unter Neros Herrschaft und des folgenden Vierkaiserjahres gefeiert wurde (vgl. Suet. Vesp. 1,1). Somit stilisierte sich Konstantin selbst als neuer Heilsbringer für das Römische Reich. Ferner diente dieses Vorgehen dazu, sich von seinem Widersacher Maxentius abzugrenzen, der hinsichtlich der Namensgebung (Marcus Aurelius Valerius Maxentius) an die tetrarchische Tradition anknüpfte (vgl. Marcus Aurelius Gaius Valerius Diocletianus). Außerdem generierte Konstantin dadurch eine dynastische Folge, die angeblich von Claudius II. Gothicus (Marcus Aurelius Flavius Claudius Gothicus; vgl. Hist. Aug. Claud. 7,8, Aur. 17,2) zu ihm reiche und in derselben Weise von seinen Kindern bzw. Nachfolgern fortgesetzt werde. Entsprechend war Flavius fester Bestandteil der Kaisertitulatur für Konstantins Nachfolger. In der Forschung wird die Zeit von Konstantin dem Großen bis zu Julian teilweise als ‚Zweite Flavische Dynastie‘ bezeichnet, eine Eingrenzung, die v.a. durch das relativ enge verwandtschaftliche Verhältnis der betroffenen Herrscher bedingt ist. Die Nachfolge Konstantins in Form der Namensgebung setzte sich aber auch in der Folgezeit fort. So bezeichnen sich u.a. Jovian, Valentinian I., Valens und Theodosius, ja selbst noch Justinian (Flavius Petrus Sabbatius Iustinianus) als Flavii. Vgl. Van Dam 2007, S. 88–129; Demandt ²2007, S. 257–258; Corcoran 2006, S. 46; Salway 1994, bes. S. 137–139; Rösch 1978, S. 49–50; Mócsy 1964. 557 Tune has feras sordes, situs hos vestium?] Das Verb ferre trägt an dieser Stelle insofern eine Doppeldeutigkeit, als es zum einen das bloße ‚Tragen‘ der Kleidung, zum anderen aber auch das ‚Ertragen/Dulden‘ bezeichnen kann. Um die ersten, vorsichtig aufkeimenden Zweifel in Julian zu befeuern, sprechen ihn die Dämonen auf seine armselige und ehrlose Kleidung an. Julians folgende Erwägungen beziehen sich zu einem großen Teil direkt auf unterschiedliche Kleidungsstücke, die einen bestimmten sozialen Status repräsentieren. Auf symbolischer Ebene steht dabei dem einfachen Leben als Geistlicher (lacerna, toga, cento) das glanzvolle Dasein als römischer Kaiser (sagum, chlamys) gegenüber. Um die jeweiligen Gegensätze deutlich zu machen, seien die einzelnen Kleidungsstücke kurz in alphabetischer Reihenfolge charakterisiert: cento: Ein einfaches, aus Lumpen zusammengestelltes Flickwerk (vgl. pannis in istis, V. 564). Es stellt neben der typischen Bauernkleidung (vgl. Cato agr. 2,3; Colum. 1,8,9) u.a. die Tracht der christlichen Asketen und Mönche als äußerliches Zeichen der Armut und Demut dar. chlamys (lat.: paludamentum): Griechischer Mantel, häufig von Militärs, insbesondere Feldherren (Sulla und L. Cornelius Scipio Asiaticus, cos. 83 v.Chr.; vgl.
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Cic. Rab. Post. 27), getragen. In der Spätantike diente die purpurfarbene chlamys dem Kaiser als Mantel (Hdn. 7,5,3). lacerna: Ein offener Mantel bzw. ein teilweise mit Fransen besetzter Umhang, der über der Schulter mit einem Knopf, einer Brosche oder einer Spange zusammengeheftet wurde. Häufig diente er als Überwurf über die Toga. Trotz großer Beliebtheit im ersten Jahrhundert n.Chr. wurde er nie als vollwertiges Gewand römischer Bürger anerkannt. Dass es sich für Führungspersonen in der römischen Öffentlichkeit nicht schickte, kann aus einem Angriff Ciceros auf Antonius abgelesen werden, der seinem Gegner vorwirft, dass dieser als magister equitum und kandidierender Konsul mit der lacerna durch Gallien gereist sei (Cic. Phil. 2,76). pallium: Ursprünglich griechischer Mantel aus einem rechteckigen Stoff, der seit dem dritten Jahrhundert v.Chr. in Rom besonders bei Anhängern griechischer Philosophie und Bildung beliebt war (vgl. Tert. pall. 5). Später wird es zu einem typischen Gewand der Christen (vgl. Tert. pall. 1 und 5; Mt 5,40). Der thronende und lehrende Christus wird ikonographisch bis ins Mittelalter häufig mit dem pallium bekleidet dargestellt. Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Gewand zu einem schmalen Ornatstreifen und wird in dieser Form noch heute vom Papst und Erzbischöfen als kirchliches Würdenzeichen getragen. Die Wendung Tertullians de toga ad pallium (pall. 5,1) etablierte sich als Redewendung, die den Übergang von einem eitlen zu einem demütigen bzw. von einem weltlichen zu einem geistlichen Leben beschreibt (vgl. Erasm. Adag. 3445). Vgl. Bar. AE III,666B: accidit opportuna occasio Iuliano, ut ex pallio philosophi […] ad Imperium assumeretur. purpura: Der Purpurmantel wurde in republikanischer Zeit vom siegreichen Feldherrn während des Triumphzugs getragen. Im Prinzipat besaß allein der Kaiser das Recht, mit ihm bekleidet zu werden. Das Anlegen des Purpurs wurde in der Folgezeit zum performativen Akt der Herrschaftsübernahme bzw. der Usurpation. sagum: Ein Militärmantel, wohl keltischen Ursprungs. Davon ausgehend etablierte sich sagum in übertragener Bedeutung als Symbol für den Krieg (Cic. Phil. 5,31, 8,6 und 14,1; Vell. 2,16,4; vgl. Erasm. Adag. 3710). toga: Das typische, offizielle Gewand des männlichen römischen Bürgers. Im vorliegenden Zusammenhang ist aber allein ihre übertragene Bedeutung als Symbol des Friedens wichtig (vgl. cedant arma togae, Cic. off. 1,77; siehe auch Cic. de orat. 3,167; Tac. hist. 1,38; Vell. 1,12,3, 2,29,3 und 125,5; Plin. Paneg. 4,5). Ihr wird später die typische Kriegsbekleidung, sagum und chlamys, gegenüber gestellt (vgl. Erasm. Adag. 1428). Vgl. Demandt ²2007, S. 262; Maier 2006; Ristow 2004; Kolb 2001, S. 49–52; Potthoff 1992; Kolb 1973, bes. S. 116–135; Reinhold 1970, S. 48–70; Schneider 1959, Sp. 2011–2018; Widengren 1953; Kreis-von Schaewen 1949; Goethert 1937; Lange 1925; Schulten 1920; Amelung 1899; Kubitschek 1899.
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Von Drexels Expertise in vielen verschiedenen Sachbereichen, u.a. der der Kleidung, zeugt auch die Vita Drexelii. Dort heißt es, dass Drexel auf jede beliebige Frage, die von seinen Schülern zu einem beliebigen Thema gestellt wurde, spontan antworten und relevante Autoren nennen konnte, wobei offen bleibt, ob sich diese Aussage auf antike und/oder zeitgenössische bezieht: Fecit […] quondam Rhetoricae studiosis compluribus potestatem ponendi qualecunque vellent thema, vel rem quamcunque aliam nominandi, quae in dissertationem venire posset […]. Diversissima ab illis quaesita: […] quis de purpura, mercatura, de Musica, pictura, de re vestia- ria, nummaria, cibaria […] ageret. […] Hic non ausim e vero dicere, ad omnes postas quaestiones, et alias tales innumeras e notis, et excerptis meis, inquit ipse, facile ac prompte responderi, et ad singulos titulos, seu themata, non unum duntaxat, sed plures nominari posse auctores, qui rem illam quamcunque propositam scripto explicarent. (Vit. Drex. fol. 7r ) [Er gab […] einst einer ganzen Zahl von Rhetorikschülern die Möglichkeit, Fragen zu jedem beliebigen Thema zu stellen oder irgendein beliebiges anderes Sachgebiet zu nennen, über das man diskutieren könne […]. Die unterschiedlichsten Dinge wurden von ihnen gefragt: […] Wer habe sich mit Purpur, Handel, Musik, Malerei, Kleidung, dem Münzwesen, Ernährung […] beschäftigt. […] Er sagte: „Ich möchte es an dieser Stelle nicht wagen, die Wahrheit zu sagen, nämlich dass ich auf alle Fragen, die gestellt wurden, und alle weiteren unzähligen von dieser Art aus meinen Notizen und Exzerpten mit Leichtigkeit und ohne groß zu überlegen antworten kann, und zu jedem einzelnen Bereich oder Thema, nicht nur einen, sondern mehrere Autoren nennen kann, die das jeweilige Sachthema, welches auch immer zur Sprache kam, in ihren Schriften erklärend behandelt haben.]
566 Obsordeam] Das Verb obsordere ist nicht nur in der Antike kaum bekannt (einziger Beleg im ThLL: Gloss.L I Ansil. ob 525), sondern wird auch im Mittel- und Neulatein nur sehr selten verwendet. Sein Inkohativum findet sich dagegen besonders in der Spätantike (z.B. Cassiod. gramm. VII, S. 204,21; Prud. apoth. 146). Vgl. Johann, Horst-Theodor 1971: Art. ‚obsordet‘. In: ThLL IX,2,2238,10–11; Johann, Horst-Theodor 1971: Art. ‚obsordesco‘. In: ThLL IX,2,237,81–238,9; Du Cange 1883– 1887 VI, Sp. 22b s.v. obsordeo. 572 Procul voluptate moriar, dum vivo adhuc?] Im Gegensatz zu seiner in I,4 formulierten Behauptung, dass für ihn das Leben daraus bestehe, in den Dienst für Gott zu treten (V. 289–291), äußert Julian hier Zweifel an dieser Überzeugung. Er gelangt zu der Einsicht, dass ein Leben fern von Vergnügen für ihn gleichbedeutend mit dem Tod sei. Das Paradoxon ‚sterben, während man doch eigentlich noch am Leben ist‘ (moriar, dum vivo) verdeutlicht, dass diese Vorstellung für Julian keinen Sinn ergibt.
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580 O alia vivenda est mihi vita] Diese Aussage markiert den ersten Schritt zu Julians Entscheidung, dem geistlichen Leben zu entsagen, das Kaisertum anzustreben und das Christentum abzulegen. Siehe auch Comm. ad 581–583 und ad 591. Auch wenn wie im Falle des Jambenkürzungsgesetzes der prosodische bzw. logische/einfache Hiat (von Zgoll „metrischer“ genannt) der frühneuzeitlichen Metriktheorie nicht bekannt war, wird er von Drexel an bestimmten Stellen dennoch angewandt (hier bei O alia). Im Falle der Beibehaltung des Hiats vor und nach Interjektionen zur Steigerung des Pathos konnten jedoch Vorlagen aus antiken Texten (Verg. Aen. 10,18, ecl. 2,65; Ov. met. 14,832) als konkrete Beispiele zur Nachahmung dienen. Im Metrikteil von Álvarez De institutione grammatica wird dieser Sachverhalt mit Verweis auf die genannte Aeneis-Stelle sogar ausdrücklich als Ausnahme der Synaloephe genannt (O, et Heu, sequente vocali, aut diphthongo, integra manent, Inst. gramm. III, fol. 36r ). Vgl. Micyllus: De re metrica I, fol. 136v –137r ; Zgoll 2012, S. 67; Boldrini 1999, S. 57–59. 581–583 Iul.: mihi ∣ Sol largior quaerendus est. 1us : es ipse sol. ∣ Iul.: Maius decus.] Die hier verwendete Metapher knüpft an die Aussage von Julians Freunden aus I,10 an: sol litteratorum omnium est (V. 521). Julian kann und will sich nicht mehr mit einem Leben zufrieden geben, das ihm der Dienst an Gott bereiten wird. Er will nicht eingeengt werden, sondern einen breiteren Horizont vor sich haben, den ihm nur eine höher stehende Sonne eröffnen kann (sol largior; vgl. OLD s.v. sol 1b). Die Dämonen schmeicheln ihm daraufhin erneut, indem sie feststellen, dass er keine Sonne als Orientierungspunkt benötige, da er selbst bereits ein Glanzpunkt am Gelehrtenhimmel sei. Vielmehr würden andere Menschen zu ihm aufschauen und sich an ihm orientieren. Mit dieser Aussage vollzieht Julian einen weiteren Schritt weg von seinem geplanten Weg (vgl. Comm. ad 580). Der Endpunkt dieser Entwicklung wird durch den performativen Akt des Ablegens der geistlichen Kleidung (V. 591) markiert. 583–585 Deus aliquis es … Atlas ipsissimus] Diese Passage bildet den Höhepunkt von Julians Anmaßung einerseits und der Schmeichelei der Dämonen andererseits. Die Dämonen übersteigern das Bild von der Sonne am Gelehrtenhimmel, die Julian angeblich sei, indem sie Julian als ‚Beinahe-Gott‘ bezeichnen (deus aliquis). Diese Vorlage nimmt er auf und behauptet in einem Anflug von gewaltiger Selbstüberschätzung, dass die Last der Erde auf seinen Schultern ruhen werde (Orbis onus ab humeris levabitur meis, V. 584). Die Dämonen präzisieren ihre zuvor getätigte Aussage insofern, als sie Julian von einer sol und einem deus aliquis zu Atlas höchstpersönlich erklären (Portabis ipsum caelum Atlas ipsissimus, V. 585). Für gewöhnlich erscheint Atlas in der antiken Mythologie als Träger des
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Himmels. Es finden sich jedoch auch einzelne Belege dafür, dass sowohl Himmel als auch Erde auf seinen Schultern ruhen (vgl. Paus. 5,11,5 und 18,4; ferner Ov. met. 2,297 und 6,175, wo Atlas die Weltachse trägt). Daher können im vorliegenden Zusammenhang die V. 584 und 585 auch zusammengezogen werden. Julian selbst sieht die Erde auf seinen Schultern ruhen, die Dämonen den Himmel: Zusammengenommen ergibt sich, dass Julian das Fundament für die gesamte Welt sei, den Himmel und die Erde. Diese Verse sind jedoch für sich negativer konnotiert, als es der erste Blick vermuten lässt. Laut Hesiod (theog. 507–520) und Pindar (P. 4,288–291) stellt das Tragen des Himmels eine Strafe dar, die Atlas auferlegt wurde. Nicht ohne Grund wird er daher von Aischylos (Prom. 347–350 und 427) und Apollodor (bibl. 1,8 und 2,120–121) mit Prometheus in Verbindung gebracht, dessen Bruder er sogar gewesen sein soll. Als Grund für seine Bestrafung wird seine Beteiligung am Titanenaufstand genannt. Das ‚Atlas-Motiv‘ wird von den Dämonen in der vorletzten Szene des Dramas (V. 2661) erneut aufgegriffen und stellt somit eine Verbindung zwischen Aufstieg und Fall der Hauptperson dar. Vgl. Scheer 1997; Griño u.a. 1986; Roscher 1884–1890a; Conti 1584, S. 329–336. 585 ipsissimus] Der eher ungewöhnliche Superlativ ipsissimus ist in den Komödien des Plautus (z.B. Plaut. Trin. 988) geläufig, wird aber von spätantiken Grammatikern als unpassend eingestuft (Pomp. gramm. V, S. 153,15–17; Prisc. gramm. II, S. 84,10). 586 sagum et chlamys] Siehe Comm. ad 557. 587 Sagum sagaci Iuliano convenit.] Wie sehr das sagum zum „scharfsinnigen“ Julian (sagax Iulianus) passt (convenit), wird sprachlich durch die im Deutschen nicht zu imitierende Paronomasie aus sagum und sagax, die aus nur scheinbar miteinander verwandten Wörtern gebildet wird, hervorgehoben. 589 Satis parentatum patri, luctum exue.] Baronio nennt als möglichen Grund für Julians Eintritt in den geistlichen Stand dessen Furcht vor etwaigen Verdächtigungen aus Constantius’ Umfeld, dass Julian auf den Kaiserthron aus sei (AE III,554B). Dieses zurückhaltende Verhalten resultiere aus den Erfahrungen, die Julians Vater nach der Thronbesteigung von Constantius machen musste (vgl. Einleitung zu Comm. ad I,2). In Drexels Drama legen die Dämonen Julians bisheriges Handeln als Reaktion auf den gewaltsamen Tod seines Vater aus. Er habe sich nun ausreichend um seine Sohnespflicht gegenüber seinem Vater bemüht, d.h. sich aus Angst ausreichend lange zurückgehalten und Bescheidenheit gezeigt. Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, sich von diesem Kindheitstrauma frei zu machen, die Trauer zu vergessen und die Passivität abzulegen.
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591 Abito vestis pulla, pestis maxima.] Dieser Vers markiert den konkreten Moment von Julians Apostasie im Drama, wobei der performative Akt des Ablegens der Kleidung diese Stelle szenisch besonders hervorhebt. In den Geschichtswissenschaften ist der Zeitpunkt von Julians Apostasie heftig umstritten. Während Klaus Rosen (1997; erneut 2006, bes. S. 226–234) davon ausgeht, dass trotz schon zuvor vorhandener Sympathien gegenüber dem Neuplatonismus erst der Tod des Constantius im November 362 und die Übernahme der Alleinherrschaft seinen Abfall vom Christentum bewirkt habe, ist Klaus Bringmann (2004, bes. S. 75–82; erneut 2009, S. 239; vgl. Bouffartigue 2009, S. 240; Börm 2006) der Ansicht, dass Julian bereits zuvor heimlich die alten Götter verehrte und erst später nach Erhalt der Nachricht vom plötzlichen Tod seines Widersachers dazu überging, dies öffentlich zu tun. Bringmann folgt dabei der communis opinio der reichen und langen Rezeptionsgeschichte Kaiser Julians, die das Motiv der Heuchelei sehr stark hervorhebt (vgl. S. 76 mit Anm. 135 und S. 97 mit Anm. 216). 597 Christum exuisti et induisti daemonem.] Dieser Vers bildet nicht nur die ‚Entweder-Oder-Frage‘, vor der Julian stand, markant ab, sondern gleichzeitig auch den von ihm durchlaufenen Entscheidungsprozess sowie dessen Ergebnis. Zu Beginn der Szene stand er noch auf Seiten Christi, am Ende auf der des Teufels. Beide Begriffe rahmen antithetisch Julians inneren Entwicklungsprozess: exuisti et induisti. Wie die Handlung des Ablegens die des Anlegens bedingt, wird durch die Variation der Präfixe ex- und in- verdeutlicht. Die Konjunktion et genau in der Versmitte betont den engen Zusammenhang zwischen der Aufgabe des geistlichen Standes und der Annahme des Teufels. Mit der Aussage des Sallustius, der dieselben Verben verwendete, im Bewusstsein (ut exuas male, induis, V. 314) ist für den Zuschauer klar, welche Konsequenzen Julians Entscheidung zwangsläufig haben muss. Die Vorstellung, Christus wie ein Gewand anzulegen und sich somit zu ihm zu bekennen, stammt aus den Paulusbriefen (z.B.: sed induite Dominum Iesum Christum et carnis curam ne feceretis in desideriis, Rm 13,14; ebenso in Gal 3,27, Eph 4,24, Col 3,10). 601 pallium] Siehe Comm. ad 557. 604–605 ducem sequor ∣ Qua me vocat fortuna.] Diese Aussage Julians steht im krassen Widerspruch zu dem, was er Sallustius in I,4 entgegnete, als er von diesem aufgefordert wurde, so zu handeln, wie es sein Schicksal für ihn vorsehe. In diesem Zusammenhang wollte sich Julian nicht auf die Dea caeca verlassen, da sie in demselben Maße nehme wie gebe (V. 308–314).
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608 Cavĕ orbis. excrescit nova tibi vipera.] Die Metapher der Schlange für das Böse ist in der antiken Kultur weit verbreitet. Bei Hesiod ist die Schlange das Erscheinungsbild von Ungeheuern (theog. 299, 313, 333–334 und 825). Nicht nur in der Bibel (vgl. z.B. Gn 3, Nm 21,6–9, Apc 20,2) wird sie in der Literatur als böses Tier wahrgenommen (Aischyl. Choeph. 994 und 1047; Aisop. 51). Eine der berühmtesten Schlangen- bzw. Drachenerzählungen der antiken Dichtung ist in Ovids Metamorphosen (1,438–447) zu finden. Python, der in der Nähe von Delphi nach dem diluvium sein Unwesen treibt, wird vom Gott Apollo getötet. Um seinen Triumph zu feiern, stiftet der Gott die Pythischen Spiele. Vgl. Hünemörder/Bremmer 2001; Sancassano 1996/7.
II,2 Das lange Hin und Her in den Überlegungen des Constantius, der sich angesichts der katastrophalen Lage in Gallien, wie sie der Bote in einer überaus bildhaften und plastischen Weise schildert, gezwungen sieht, eine weitreichende Entscheidung zu treffen, verdeutlicht einerseits dramenintern, dass seine Entscheidung, Julian zum Mitkaiser zu erheben, wohlüberlegt ist. Es sind plausible Gründe, die ihn zu diesem Handeln bewegen. Somit kann ihm kein Vorwurf gemacht werden, dass er mit Julians Ernennung die Grundlage für dessen spätere tyrannische Herrschaft legte. Andererseits kann das Gespräch zwischen Constantius und seinen Ratgebern auch als eine Art Schulübung gesehen werden, die an die antike und besonders von Cicero gepflegte Tradition der Disputatio in utramque partem nach akademisch-skeptischem Vorbild anknüpft. Dabei sollen die Jesuitenschüler als spätere, potentielle Ratgeber an Herrscherhöfen das Argumentieren pro und contra einer Sache erlernen. Nicht nur konkrete Argumente werden hier exemplarisch eingeübt, sondern auch der Argumentationsprozess an sich, der im vorliegenden Beispiel daraus besteht, zunächst panegyrisch gefärbten Optimismus zu verbreiten (V. 635–642) und dann die einzelnen Argumente auszutauschen und einzeln kritisch zu hinterfragen. Am Ende steht die Frage nach dem Plausibleren (verisimile). Auffällig ist bei den Überlegungen, die Constantius zusammen mit seinen Ratgebern anstellt, dass Julians zum Ende des ersten Aktes gefasster Entschluss, Geistlicher zu werden und einem weltlichen Amt zu entsagen, der mittlerweile (was jedoch Constantius nicht weiß) durch die dämonische Verführung und Julians Selbsterkenntnis revidiert wurde, überhaupt nicht mehr thematisiert wird. 610–627 Ob Galliam furore turbatam novo ∣ … Nonis Octobribus] Einfälle von Barbaren in die gallischen Provinzen und die Passivität des Constantius beding-
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ten im August 355 n.Chr. die Usurpation des fränkischen Heermeisters Silvanus (PLRE 1, S. 840–841 s.v. Silvanus 2) in Köln, die jedoch bereits nach 28 Tagen ein Ende fand, indem der Usurpator einem Anschlag auf seine Person zum Opfer fiel (Amm. 15,5,31–35). Nachdem Köln kurz danach von den Franken geplündert worden war, habe Constantius laut Ammian (15,8,1–18) Julian zum Caesar erhoben, um ähnlichen Katastrophen vorzubeugen. Baronio und Drexel übergehen diese Episode stillschweigend. Baronio war es wichtiger, in den Kontext der sporadisch erwähnten Unruhen in Gallien die Auseinandersetzung zwischen Constantius und Hilarius von Poitiers um den Arianismus (AE III,665D–666A) einzuordnen. Aus Rücksicht auf die schwierigen Verhältnisse in Gallien habe sich Constantius zu einem Zugeständnis an Hilarius bewegen lassen. In einer Anordnung an einen gewissen Severus, über den nichts Weiteres bekannt ist (PLRE 1, S. 832 s.v. Severus 7), gibt er die Order, dass Bischöfe nicht vor weltliche Gerichte zitiert werden dürfen, sondern dass dies in den Zuständigkeitsbereich einer Bischofssynode gehöre (vgl. Cod. Theod. 16,2,12). Diese Anordnung ist auf den 23. September 355 datiert und von Severus am 7. Oktober (Nonis Octobribus) desselben Jahres in Empfang genommen worden. In Baronios Erzählung erfolgt Julians Erhebung im direkten Anschluss an diese Anordnung durch Constantius. Auch wenn Drexel die Auseinandersetzung zwischen Constantius und Hilarius unerwähnt lässt, so ordnet er dennoch seinen fiktiven Botenbericht in die von Baronio vorgegebene Chronologie ein, ein Vorgehen, das heute regelmäßig in historischen Romanen beobachtet werden kann. Denn der Brief des Boten ist auf den erwähnten 7. Oktober 355 datiert. Dahinter steht der imaginierte Geschehensverlauf, dass Severus, der Statthalter in Gallien, am 7. Oktober den angesprochenen Brief des Constantius zur Besänftigung der religiösen Konflikte erhält. Noch am selben Tag, so vermutlich Drexels rekonstruierende Vorstellung, macht er sich daran, den Kaiser über neue Unruhen und Probleme in Gallien zu informieren. Demselben Boten wie zuvor übergibt er daraufhin den Brief, der im Iulianus vorgelesen wird. Der Bote macht sich sofort wieder auf den Weg zurück zum Kaiser. Nur auf diese Weise ist die nachträglich ergänzte und somit im Empfinden Drexels wichtige Datierung des Briefes auf den 7. Oktober logisch zu erklären. In Drexels Text trifft die Nachricht, wenn auch nicht ausdrücklich genannt, am 6. November 355 bei Constantius ein, eben am Tag von Julians Erhebung zum Caesar, die durch diesen Bericht bedingt wird. Drexel stellt dadurch einen möglichen, narrativen ‚missing link‘ zwischen dem Brief des Constantius an Severus und Julians Erhebung her. Eine genauere Schilderung der Zustände in Gallien, wie sie der Monolog des Boten und der Brief enthalten, fehlt bei Baronio. Gleichwohl sind sie sehr breit dokumentiert. Nicht nur Libanius (or. 18,34–35), Claudius Mamertinus (Paneg. Lat.
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3,4,1–2) und Julian selbst (ad Ath. 279a–b) beschreiben sie, sondern auch Ammian. Letzterer diente Drexel sicherlich am ehesten als Anknüpfungspunkt (Amm. 15,5,1–2). Bei den erwähnten barbarischen Einfällen handelte es sich um Überfälle von Alamannen und Franken unter der Führung Chnodomars. Dieser hatte bereits im Jahr 352/353 Decentius besiegt, der von seinem Bruder, dem Usurpator Magnentius, im Sommer 350 zum Caesar ernannt worden war. Fortan wollten sich Chnodomars germanische Verbände dauerhaft auf linksrheinischem Gebiet niederlassen. Im Frühjahr 354 unternahm Constantius selbst einen siegreichen Feldzug gegen die Alamannen. Ein Jahr später musste er aber gegen die Lentienser am Bodensee eine Niederlage einstecken. Nach diesen Erfahrungen und da er sich im Sommer 355 verstärkt der Donaugrenze und Persien widmen wollte, erhob Constantius Julian zum Caesar mit Gallien als Zuständigkeitsbereich, zumal dort nach der Niederschlagung des Silvanus-Aufstandes ein fähiger Statthalter fehlte. Siehe auch Comm. ad 733. Vgl. Demandt ²2007, S. 108–109; Rosen 2006, S. 122–131; Barceló 2004, S. 113– 122 und 130–137; Bringmann 2004, S. 43–52. 611–613 iamque … iam … iam] Die dreifache Wiederholung von iam erzeugt verbunden mit der qualitativen (segetes […] flamma metit; teguntur aequora; ferale mugiunt tubae) und quantitativen (vagus, numerosa, ubique) Beschreibung des Schreckens, den die Barbaren in Gallien verursachen, große Dramatik. 612 iam classe numerosa teguntur aequora] Auch wenn zahlreiche Schilderungen der chaotischen Zustände in Gallien in den 350er Jahren überliefert sind, berichten sie dennoch in keinem Fall von Invasionen zur See. Umso plausibler ist die Annahme, dass hier auf die zahlreichen Rheinüberquerungen der Barbaren in römisches Gebiet Bezug genommen wird, ein Faktum, das häufig in den genannten Berichten erwähnt wird (Amm. 16,11,8; Iul. ad Ath. 279a; Paneg. Lat. 3,4,1–2). Diese Mutmaßung erfährt insofern Unterstützung, als das Substantiv aequor in bestimmten Fällen auch zur Bezeichnung von Flüssen verwendet wird. Dies erfolgt bei Dichtern meist bei größeren, wasserreichen Strömen, zu denen der hier implizierte Rhein gezählt wird (vgl. Tiber: Verg. Aen. 8,89 und 96; Mosel: Auson. Mos. 36; Nil: Avien. orb. terr. 335 und 342; Po: Avien. orb. terr. 424). Vgl. Vollmer, Friedrich 1902: Art. ‚aequor‘. In: ThLL I,1027,32–47. 616 Mavorte] Die Bezeichnung Mavors (= Mars) wird hier metonymisch für ‚Krieg‘ verwendet. 622 Imperator maxime] Der Superlativ maximus ist bereits im frühen Prinzipat fester Bestandteil der Kaisertitulatur. In panegyrischen Texten ist die Anrede des
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Kaisers als maxime topisch (vgl. Plin. paneg 85,5; Paneg. Lat. 3,2,6, 17,1, 21,4 und 23,4 sowie 4,6,4 und 16,1). Vgl. Rösch 1978, S. 47. 626 Grammatēo] Der Grammateus ist ein Schreiber bzw. Sekretär hohen Ranges. Dieses Amt ist in fast allen griechischen Poleis bis in die späte Kaiserzeit belegt. Siehe dazu ausführlich Schulthess 1912. In der Szene selbst hat die Aufgabe des grammateus möglicherweise ein Schüler der untersten Klassen übernommen. Denn diese Prosapassage, deren szenische Umsetzung es außerdem gestattet, dass der Text direkt vom Requisit des Briefes abgelesen werden kann, eignet sich gut für Schüler mit keinen oder noch sehr rudimentären Kenntnissen der lateinischen Metrik. Die Metriktheorie des Álvarez sieht für die Regel ‚vocalis ante vocalem corripitur‘ verschiedene Ausnahmen vor. V.a. bei Lehnwörtern aus dem Griechischen wie z.B. aer, chorea und platea werden große Freiheiten gewährt (Inst. gramm. III, fol. 3v ; vgl. Micyllus: De re metrica II, fol. 157v –158r und 159v –160r ). Dieser Möglichkeit scheint sich Drexel auch bei grammateus bedient zu haben, auch wenn der Begriff im Griechischen ein kurzes ε aufweist (γραμματεὺς). Lediglich bei Homer und im ionischen Dialekt (insbesondere bei Herodot) findet sich ein langes η. Vgl. Bornemann/Risch ²1978, S. 11–12 und 48; Faber 1735 I, Sp. 1149 s.v. Grammateus. 627 Imperatori … Nonis Octobribus] Botenberichte und Nachrichten von Herolden erscheinen im neulateinischen Drama entgegen der antiken Tradition häufig in Prosa. Vgl. die Botenberichte im Triumphus Divi Michaelis (IV,4 und V,3). Siehe auch Bauer/Leonhardt 2000, S. 101. Der Beginn des Berichts weist einige Parallelen, insbesondere hinsichtlich der Meeresmetaphorik, zum Eröffnungskapitel von Lipsius’ De constantia auf, in der die chaotischen Zustände in den Niederlanden, vor denen Lipsius flieht, beschrieben werden (vgl. S. 51 Anm. 28): Turbat et aestuat Gallia insultu assultuque barbarae cohortis. Ex agris miles et sicarius in urbes compellit; et, ut in undoso mari, non uno vento agitamur turbarum seditionumque: neque diutius ferendis his malis nos sumus. (Drex. Iul. 627) Quis enim Langi, inquam, tam firmo et tam ferreo pectore, qui diutius ferendis ijs malis sit? Iactamur iam tot annos, ut vides, bellorum civilium aestu: et, ut in undoso mari, non uno vento agitamur turbarum seditionumque. Otium mihi cordi et quies? turbae interpellant, et strepitus armorum. Horti et rura? miles et sicarius compellit in urbem. (Lipsius Const. 1,1)
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[„Denn wer, Langius,“, sagte ich, „besitzt ein solch starkes und ein solch eisernes Herz, dass er diese Übel noch länger ertragen könnte? Schon so viele Jahre lang werden wir, wie du siehst, von diesem Bürgerkriegssturm umhergeworfen: Und wie auf dem tobenden Meer schleudert uns nicht nur ein einziger Sturm aus Unruhen und Aufruhr umher. Muße und Ruhe sollen mir am Herzen liegen? Öffentlicher Aufruhr und das Klirren der Waffen halten mich davon ab. Der Garten- und Feldarbeit soll ich mich widmen? Soldaten und Banditen drängen mich in die Stadt.“]
Um beim Empfänger eine möglichst hohe emotionale Wirkung zu erzielen und ihn dadurch zum Eingreifen zu bringen, bedient sich der Brief verschiedener stilistischer Elemente. Dazu zählt erstens die hyperbolisch-schmeichelnde Aufzählung von Siegerbeinamen des Constantius in der Briefanrede (siehe Comm. ad 627a). Sie suggeriert, dass Constantius nach seinen unzähligen Erfolgen auch in Gallien leicht siegreich sein werde und dieser langen Reihe auch noch den Ehrentitel Gallicus hinzufügen könne. Zweitens greift der Brief auf eine sehr bildhafte Ausdrucksweise zurück, die Vergleiche aus der Natur (ut in undoso mari, non uno vento agitamur turbarum seditionumque) und Landwirtschaft (inermes per viam greges, ut seges a falce, sternuntur) heranzieht, um die katastrophale Lage in Gallien vor dem geistigen Auge des Kaisers auf verschiedenen Ebenen zu illustrieren. Drittens trägt Gallien im Botenbericht stark anthropomorphe Züge. Ihm wird eine facies mira miseraque verliehen. Sollte der Kaiser nicht eingreifen, bliebe nur noch sein verbrannter Leichnam (ustulatum cadaver) übrig. Das Substantiv anima ist als Synonym für das menschliche Leben (vita) zu sehen, oculus taucht oft in erotischen Kontexten zur Bezeichnung der Geliebten auf (siehe Comm. ad 1477–1478). 627a Imperatori … patri patriae salutem] Die Aufzählung der Beinamen des Constantius entsprang Drexels Phantasie. Nach seiner Erhebung zum Augustus am 9. September 337 trug Constantius den offiziellen Titel Flavius Iulius Constantius Pius Felix Augustus Pontifex Maximus, Pater patriae, Proconsul. Zum Caesar war er bereits dreizehn Jahre zuvor ernannt worden. Die Ergänzungen Pius, Felix, Pontifex Maximus und Pater patriae zum Gentil- (Flavius), Prae- (Iulius) und Cognomen (Constantius) stellen typische Elemente der römischen Kaisertitulatur dar (Näheres zu den einzelnen Elementen bei Rösch 1978, S. 30–44). Imperator galt im Frühen Prinzipat noch als Praenomen des Kaisers, entwickelte sich allmählich aber zu einer offiziellen Anrede. Seit Vespasian steht hinter Imperator in der Regel das Cognomen Caesar, ein während der julisch-claudischen Dynastie reiner Namenstitel, der nach ihrem Aussterben zunächst zum Appellativ des Kaisers und später der Thronfolger bzw. Mitherrscher (ausgenommen im Falle der Verwendung in der vollen Kaisertitulatur wie hier) gebraucht wurde. Invictus stellt einen Anachronismus dar. In der späten Republik von siegreichen Feldherren, darunter Julius Caesar, gebraucht wurde er erst von Commodus in die offizielle Kai-
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sertitulatur aufgenommen. Nach dem Sieg über Licinius ersetzte Konstantin der Große ihn durch victor. Für Constantius II. ist er ebenfalls nicht mehr belegt. Von den aufgelisteten Siegerbeinamen trug Constantius lediglich Germanicus [Maximus] (‚Sieger über die Germanen‘; seit 323/332, vgl. CIL III 3705 = ILS 732), Sarmaticus (‚Sieger über die Sarmaten‘; 334/337; ILS 724), Gothicus [Maximus] (‚Sieger über die Gothen‘; 332; vgl. CIL III 3705 = ILS 732) und Persicus (‚Sieger über die Perser‘; 335/338; ILS 724). Allein bis 339 sind dreizehn Akklamationen zum Imperator belegt. Der Siegername Armeniacus (‚Sieger über die Armenier‘) ist nur für die Kaiser Lucius Verus, Marc Aurel und mit dem Zusatz Maximus für Diocletian, Maximianus Herculius, Constantius Chlorus, Galerius und Konstantin belegt, Africanus bzw. Africus (‚Sieger über Africa‘) für Justinian I. und Mauricius, Francicus [Maximus] (‚Sieger über die Franken‘) erst seit Julian. Aegyptiacus (‚Sieger über die Ägypter‘) wird von römischen Kaisern überhaupt nicht als Beiname angenommen. Vgl. Kienast ²1996, bes. S. 314–317 und 323–325; Arce 1984; Barnes 1983; Festy 1982, bes. S. 216–217; Rösch 1978, bes. S. 29–83; Herz 1978, S. 868–870 (erweiterte Bibliographie zur römischen Kaisertitulatur); Kneissel 1969, S. 242–248; Syme 1958; zu pater patriae siehe auch Comm. ad 229. 627b Turbat et aestuat … Nonis Octobribus] Zur Schilderung der Lage in Gallien und der Datierung des Briefes siehe Comm. ad 610–627. Der absolute Gebrauch des Verbs turbare im Aktiv ist eher ungewöhnlich. Sein Vorkommen beschränkt sich fast ausschließlich auf das Epos, wo es jedoch nicht selten mit Stürmen auf dem Meer verbunden wird: sinit haec violentis omnia verti ∣ turbinibus, sinit incertis turbare procellis (Lucr. 5,503–504). Derigit huc puppem miseri quoque dextra Telonis, ∣ qua nullam melius pelago turbante carinae ∣ audivere manum (Lucan. 3,592–594). Von Varro ganz ähnlich gebraucht: cum mare turbaret (rust. 3,17,7). 627c ipse veni et vide et vince] Das berühmte, Julius Caesar zugeschriebene, asyndetische Trikolon veni, vidi, vici ist bei Sueton belegt (Iul. 37,2). Beim Triumphzug nach dem Sieg über Pharnakes II. von Pontos soll ein Tragegestell mitgeführt worden sein, auf dem diese drei Worte geschrieben standen. Sie sollten laut Sueton nicht so sehr die Kriegstaten Caesars, als vielmehr sein blitzschnelles Handeln zum Ausdruck bringen. Von Drexel wird es in eine Aufforderung an Constantius umgewandelt, die in derselben Weise nicht nur zum militärischen Handeln aufruft, sondern auch zur Eile mahnt. 628–695 Angor animi nimis … nec tamen utrumque fas sequi.] Die hier breit behandelten Überlegungen des Constantius werden auch von Ammian ausführlich erzählt (15,8,1–3).
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628 Angor animi] Animi ist hier, wie bei römischen Komikern nicht selten festzustellen ist (vgl. z.B. Plaut. Merc. 128 und 166, Mil. 1068 und 1280, Rud. 388 und 399; Ter. Haut. 727, Phorm. 187), als Genitivus respectus nach griechischem Vorbild verwendet. In der Wendung animi excruciare bzw. animi angere ist es bei Plautus (Epid. 390) und selbst bei Cicero (Verr. 2,2,84) zu finden. Vgl. Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 75; Duckworth 1940, S. 187–188; Bennet 1910– 1914 II, S. 99–100; Blomquist 1892, S. 98. Kühner/Stegmann (1914/1997 I, S. 446– 447 und 486–487) dagegen klassifizieren die Form fälschlich als Lokativ. 628–629 maneo? eo perditum ∣ Galliam. eo? me perdo.] Die Begriffspaare maneo–eo perditum Galliam und eo–me perdo stehen sich antithetisch gegenüber. Besondere rhetorische Rafinesse erhält dieser Gegensatz durch das Wortspiel rund um das doppelte eo. Auch wenn ersteres in Verbindung mit dem Supin perditum seine ursprüngliche Bedeutung ‚gehen‘ beinahe verloren und somit mit letzterem eo lediglich die Form gemeinsam hat, betont seine Wiederholung zusammen mit dem Polyptoton perditum/perdo dennoch, wie stark Constantius zwischen den beiden Handlungsoptionen hin- und hergerissen ist. Nicht zuletzt die dreifache Synaloephe innerhalb der beiden Verse verdeutlicht die Unfähigkeit des Constantius, zu einer klaren Entscheidung zu kommen. Sie führen ferner dazu, dass seine Worte nur undeutlich vernehmbar sind. Vor Entsetzen über die neuen Hiobsbotschaften aus Gallien ist er somit zunächst nicht in der Lage, deutlich und verständlich zu sprechen, geschweige denn eine besonnene Entscheidung zu fällen. 629–630 ingravescens … aevum] Das Alter des Constantius (*7. August 317) liegt zu diesem Zeitpunkt bei (gerade einmal) 38 Jahren. 632 Et orientis et occidentis] Der Historiker Ammian (15,13,4) berichtet, dass zeitgleich zu Julians Erhebung in Mailand durch Constantius die Perser in Armenien und Mesopotamien einfielen. Laut Zosimos (hist. 3,1,1) zogen außerdem Quaden und Sarmaten plündernd durch Mysien und Pannonien. Vgl. Demandt ²2007, S. 110–111; Rosen 2006, S. 130; Barceló 2004, S. 150–167. Zu den Schwierigkeiten im Westen des Reiches siehe Comm. ad 610–627. 634 crebra … procella] Drexel macht von der Sturmmetaphorik zur Beschreibung von schwierigen bzw. bedrohlichen Situationen sehr häufig Gebrauch. Vgl. V. 295– 297, 337–339, 398–399, 627, 686–692, 2096–2098, 2176, 2205–2206 und 2216. Siehe dazu auch Comm. ad 293–295. 635–638 Omnia vereri … se media tenet.] Die Mahnung des Aedesius entspricht dem, was Julian zuvor gegenüber Sallustius zum Ausdruck gebracht hat: et par
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est malum ∣ Nihil timere et omnia (V. 302–303). Verdeutlicht wird die Deckungsgleichheit beider Verhaltensweisen durch die parallele Wortstellung in V. 635–636. Allein die entscheidenden antithetischen Begriffe omnia/timidi und nihil/stupidi werden miteinander vertauscht. Das richtige Verhalten müsse aus dem Einnehmen der ‚Goldenen Mitte‘ bestehen (V. 637–638). Das Idealverhalten des nil nimis wurde in der Antike häufig zitiert: Plat. Hipparch. 228e; Ter. Andr. 61, Haut. 519; Cato dict. II,6; Cic. off. 2,59; Sen. epist. 94,43; Plin. nat. 7,119; Amm. 30,8,2; Hier. epist. 60,7,3 und 130,11,2. Die gesamte Aussage des Aedesius ist aus Bernardino Stephonios Crispus entnommen (siehe Similienapparat). Dort richtet der Chor diese Worte an Kaiser Konstantin, der sich um die möglichen Intrigen seiner Ehefrau Fausta gegen Crispus, seinen Sohn aus früherer Ehe, sorgt. 641 cluat] Das auf der zweiten Silbe kurz bemessene Verb cluĕre stellt eine sehr seltene, v.a. im Altlatein vorkommende Nebenform zum geläufigeren cluēre dar. Vgl. Bannier, Wilhelm 1909: Art. ‚clueo‘. In: ThLL III,1360,77–83. 646 dabo] Zur Verwendung des Futur I anstatt eines potentialen Konjunktiv Präsens siehe Comm. ad 45–46. 649–650 Victoria et fortuna fallacissimos ∣ Vultus gerunt fidemque spondent perfidam.] Das polyptotonische Oxymoron fidem perfidam betont das täuschende und verlogene Verhalten von Victoria und Fortuna. Es muss jedoch festgestellt werden, dass sich das Bild der Fortuna als Dea caeca (vgl. Comm. ad 308 und 311–312) nicht problemlos auf die Göttin Victoria übertragen lässt. Als Personifikation des Sieges repräsentiert sie an sich schon den erfolgreichen Ausgang eines Kampfes. Per definitionem kann bei ihr somit nicht von einer launischen und unzuverlässigen Wechselhaftigkeit die Rede sein. Dennoch kann in einer freieren Interpretation hier Victoria als die ‚Überzeugung, einen Sieg zu erringen‘ aufgefasst werden. Für Drexel schien die starke Konnotation der Fortuna in diesem Vers ausreichend stark auf Victoria abzufärben. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 352–353; Vollkommer 1997; Fears 1981; Hölscher 1967, S. 173–179; Latte 1924–1937. 657 Quantum heu meus fluctuat in hoc aequore animus?] Bisweilen wird aequor, das sonst eine ebene Wasseroberfläche bezeichnet (vgl. Comm. ad 612), auch für die stürmische See verwendet (vgl. z.B. Hor. carm. 1,9,10; Ov. met. 6,399; Verg. Aen. 4,524). Vgl. V. 688; Vollmer, Friedrich 1902: Art. ‚aequor‘. In: ThLL I,1023,71– 1026,28. 665–666 Aedes.: An ut manus valeat capiti pereundum erit? ∣ Sirg.: An ut manus valeat, caput non adiuvet?] Die bekanntesten literarischen Vorbilder, die
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Drexel zu dieser Metaphorik heranziehen konnte, sind der erste Brief des Apostels Paulus an die Korinther (I Cor 12,12–27) und die von Livius dem Agrippa Menenius Lanatus in den Mund gelegte Rede an die Plebejer, die aus Ärger über die Vorrechte der Patrizier im Jahre 494 v.Chr. auf den Mons Sacer in Rom ausgezogen sein sollen (Liv. 2,32). Mit Xenophon (mem. 2,3,18), Äsop (132) und Cicero (off. 3,22) sind noch weitere antike Beispiele, die sich dieser Metaphorik bedienen, vorhanden. Während bei Paulus und Livius eine wechselseitige Dependenz der einzelnen hierarchisch angeordneten Körperteile versinnbildlicht wird, geht es Aedesius hier vielmehr darum, zunächst eine klare Hierarchie zwischen Kopf (sc. Constantius) und Gliedern (sc. Feldherren bzw. Soldaten) festzustellen. Aedesius und Sirgiamnes ziehen daraus aber unterschiedliche Konsequenzen. Für Erstgenannten ergibt sich aus dieser Hierarchie, dass die Untertanen für ihren Herrscher kämpfen und notfalls auch sterben müssen. Sirgiamnes merkt dagegen an, dass auch der Herrscher in der Pflicht stehe und seinen Untertanen beistehen müsse. Die Fabel über die sich streitenden Körperteile ist das gesamte Mittelalter und die Frühe Neuzeit hindurch ein häufig behandelter Stoff. Vgl. Peil 1985; Ogilvie 1965, S. 312–313; Nestle 1927. In V. 665 weist Drexels Text eine kleine metrische Unstimmigkeit auf (vierter Versfuß müsste ein Jambus oder ein Tribrachys anstelle eines Anapästes sein). Diese hat er vermutlich deshalb in Kauf genommen, um die antithetische Parallele zur direkt folgenden Aussage des Sirgiamnes zu unterstreichen. 671 Mars Gallicus] Hier ebenso metonymisch gebraucht wie in V. 616. 672–673 Praesentiam tuam Imperator expetit/denegant] Wie in einem Brennglas sind in diesen beiden parallel-antithetisch angeordneten Versen die unterschiedlichen Ansichten der beiden Ratgeber des Constantius zusammengefasst. 674–675 coniux tua ∣ Augusta] Zur aktiven Rolle Eusebias (PLRE 1, S. 300–301 s.v. Eusebia), der zweiten Frau von Constantius II., bei Julians Erhebung zum Caesar siehe: Wieber 2010; Rosen 2006, S. 130; Bringmann 2004, S. 44–45. Ammian (15,2,7–8 und 8,1–3) lässt Eusebia an einigen Stellen als Julians Fürsprecherin gegenüber ihrem Ehemann auftreten. Julian selbst verfasste eine Lobrede auf die Kaiserin (or. 2[3]) und richtete konkrete Bittschriften an sie (ad. Ath. 275c), sodass von einem Patronageverhältnis ausgegangen werden kann (vgl. Wieber-Scariot 1998). 676 An faeminae parebo?] Zur Verwendung von an siehe Comm. ad 145. 686–691 quod hoc tandem mare? ∣ … isthinc Notus.] Ähnlich hin- und hergerissen tritt Andromache in Senecas Troades auf (Tro. 642–662). Der Monolog des
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Constantius bedient sich aber auch eines Gleichnisses, ein Stilmittel, das wiederum typisch für das Epos ist. Wie im Epos lässt es den Zuschauer des Dramas an einem Punkt verweilen, indem es eine bestimmte Situation näher veranschaulicht, illustriert und damit breiter wirken lässt. Siehe auch Comm. ad 634 und 657. Die V. 687–691 hat Drexel wortwörtlich aus Murets Iulius Caesar abgeschrieben (V. 379–383). Er legte dabei Caesars Worte, der sich im Unsicheren ist, ob er den Rat seiner Frau befolgen und an den Iden des März nicht in den Senat gehen oder ob er an der Sitzung teilnehmen soll, wie Brutus es ihm rät, Constantius in den Mund, der in derselben Weise zwischen zwei Alternativen schwankt. 691 Eurus hinc, isthinc Notus.] Die gemeinsame Nennung der beiden Winde Eurus und Notus erfolgt oftmals bei Beschreibungen von heftigen Stürmen im Mittelmeer (vgl. Hor. epod. 10,5; Verg. Aen. 1,110; Stat. Theb. 6,310). Die chiastische Wortstellung veranschaulicht außerdem ihre geographisch entgegengesetzten Positionen und somit auch ihren gegeneinander ankämpfenden Charakter. 699–700 Iulianus adsit, milite ∣ Stipatus aulico.] Die Palasttruppen werden herbeigerufen, um den performativen Akt von Julians Akklamation zum Caesar durchzuführen. Zum Ablauf der Kaisererhebung in der Spätantike siehe auch Comm. ad 713 und 729–747.
II,3 Die Einwände, die Julian hier gegen Constantius’ Entschluss, ihn zum Caesaren zu erheben, vorbringt, sind Ausdruck seiner geheuchelten Bescheidenheit und Demut. Seit II,1 ist unzweifelhaft klar, dass er sich zu Höherem berufen sieht und letztlich den Kaiserthron anstrebt. Jegliche Verhaltensform, die dem widerspricht, ist Ausdruck von Heuchelei, so bringt es auch die Perioche zur nachfolgenden Szene explizit zum Ausdruck: „Iulianus stellt sich vor seinem Hofmeister Sallustio als verschmahet es ihme/ daß er sey Keyser erwehlt“. Zunächst muss Julian aber vor Constantius noch die Fassade des Geistlichen ohne Ambitionen aufrecht erhalten, um kein Misstrauen beim Kaiser zu wecken. Wenige sentenzhafte Bescheidenheitstopoi reichen aber bereits aus, um Constantius keinen Verdacht schöpfen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Julian tritt im weiteren Verlauf dieser Szene (ab V. 726), die seine Erhebung zum Mitkaiser behandelt, entsprechend nur noch passiv in Erscheinung. 706–712 Videone … caput.] Diese Verse sind erneut aus Bernardino Stefonios Crispus entnommen (siehe Similienapparat). Auch hier werden sie im Zusammen-
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hang einer Erkennungsszene formuliert. Kaiser Konstantin spricht sie, während sich sein Sohn Crispus, der siegreich von einem Feldzug gegen die Germanen zurückkehrt, langsam auf ihn zu bewegt. 708–709 Specimenne cerno Caesaris? cerno toros ∣ Humerosque magnos nobilem et ferro manum.] In Senecas Hercules furens spricht Amphitryon, der Ziehvater des Herkules, fast dieselben Worte aus, als er seinen Sohn auf sich zukommen sieht, ihn aber erst allmählich erkennt: tune es? agnosco toros ∣ umerosque et alto nobilem trunco caput (Herc. f. 624–625). Der Szenenbeginn bei Seneca entspricht dem bei Drexel auch hinsichtlich der vorausgehenden Verse. Amphitryon nennt seinen Sohn zuvor den domitor orbis (Herc. f. 619), das Graium decus (Herc. f. 619) und die certa at sera Thebarum salus (Herc. f. 622). Drexel legt Constantius mit cari capitis et magnae iubar ∣ Regale mentis, frontis augustae indolem (V. 706–707) ähnliche rühmende Worte in den Mund. Der genaue Wortlaut von Herc. f. 625 ist heute umstritten. Otto Zwierlein (1986) entschied sich für die Version et alto nobile in trunco caput. Die zu Drexel zeitgenössischen Drucke der Tragödien Senecas enthalten jedoch die oben genannte Variante, für die sich auch die neueren Editionen von Margarethe Billerbeck und Sophie Guex (2002) sowie diejenige von John G. Fitch (1987) entschieden haben. Die Gleichsetzung von Hercules und Julian geschieht an dieser Stelle nicht ganz ohne Grund. Maßgeblich durch die Fabelerzählung Hercules in bivio (‚Hercules am Scheideweg‘) des Sophisten Prodikos von Keos (vgl. Xen. mem. 2,1,21– 34; Cic. off. 1,118) beinflusst, in der sich der Held am Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenalter für die Tugend und gegen die Lust als bestimmendes Element seines künftigen Lebens entscheidet, gilt Hercules seit der Antike u.a. als Verkörperung des Ideals stoischer virtus. Diese zeichnet sich durch Weisheit (prudentia), Tapferkeit (fortitudo), Mäßigung (temperantia) und Gerechtigkeit (iustitia) aus und ist in ihrer Autarkie unempfindlich gegenüber Affekten, besonders gegenüber dem Tod (vgl. Comm. ad 845–861). Diese Vorbildfunktion erfüllt Hercules auch im Zeitalter des Renaissance-Humanismus und der Aufklärung. Dabei wurde seine Entscheidung zwischen Tugend und Lust im christlichen Kontext mit der zwischen Gut und Böse gleichgesetzt. Der italienische Humanist Coluccio Salutati (1331–1406) beispielsweise deutet in seinem Werk De laboribus Herculis (moderne Edition: Ullman 1951) die berühmten zwölf Taten des Hercules allegorisch: Jede von ihnen stehe für einen bestimmten Affekt, den Hercules in seiner stoischen virtus überwand. Im Rahmen der frühneuzeitlichen Pädagogik diente die Prodikos-Fabel u.a. als modellhafter Fürstenspiegel für die Erziehung künftiger Herrscher. In zahlreichen szenischen Aufführungen wurde der Stoff ebenfalls behandelt (z.B. Sebastian Brant: Hercules in bivio 1512; Francisco Benci: Hercules
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in bivio). Vgl. Berger 2010; Schmidt 2008b; Bloemendal 2001; Vollkommer 1987; Galinsky 1972, S. 101–104 und 167–230. Constantius, vor dem Julian seine Kehrtwende noch geheim hält, sieht in seinem Vetter somit immer noch das Ideal stoischer virtus verkörpert, was an dieser Stelle durch die Parallelsetzung mit Hercules indirekt zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig birgt die genannte intertextuelle Referenz zu Senecas Hercules furens jedoch insofern eine bemerkenswerte Ambiguität, als sie implizit bereits auf Julians kommendes Schicksal vorausdeutet, da er ähnlich wie Hercules in der angesprochenen Tragödie scheitern wird. Die Tilgung der beiden Verse im Rahmen der ersten oder zweiten Arbeitsphase durch Drexel (D) liegt vermutlich darin begründet, dass das Bild eines kräftigen Julian (cerno toros ∣ Humerosque magnos), der im Kampf mit dem Schwert bereits großen Ruhm erreicht hat (nobilem et ferro manum) und darin dem Hercules nacheifert (die Similie muss diesen Gedanken nahelegen), kaum mit seinem zuvor geschilderten eleganten, friedliebenden und gebildeten Charakter in Einklang zu bringen ist. Vgl. Comm. ad 407–408. 713 scande solium] Um ein möglichst großes Maß an Legitimität als Kaiser zu erwerben, musste die Kaisererhebung in der Spätantike verschiedene Elemente erfüllen. Dazu gehört u.a., dass der Kandidat ein höher gelegenes Tribunal (hier: Thron) besteigt und von den anwesenden Truppen zum Kaiser ausgerufen wird. Vgl. Kolb 2001, S. 93 und 98–99. 714 Sceptroque] Das Szepter ist spätestens seit der Tetrarchie eines von vielen offiziellen Kaiserinsignien. Vgl. Kolb 2001, S. 51 und 115–116. 718–724 Egone Imperator? … ne audiam.] Auch in dieser Passage liegt eine typische Überredungsszene der antiken Tragödie (wenn auch nur im Kleinen) vor. Constantius will Julian davon überzeugen, dass dieser ein geeigneter Mitkaiser sei. Julian aber muss nach den Geschehnissen in Szene II,1 gar nicht mehr davon überzeugt werden. Der Widerstand gegen die eigentlich unnötigen Überredungsversuche des Constantius ist reine Heuchelei. Auch wenn daher die Grundkonstellation einer typischen Überredungsszene nicht gegeben ist, weisen diese Verse dennoch typische Elemente derselben auf. Die einzelnen Antilabai sind durch die ‚Stichworttechnik‘ miteinander verknüpft und erzeugen so einen geschlossenen Rede- bzw. Gedankenfluss: Egone Imperator? ∣ imperium … ∣ discam mihi imperare. ∣ didicisti … brevi … feret. ∣ … perferet. ∣ … precor. ∣ preces. Vgl. S. 153–157. 718 Egone Imperator?] Die Ellipse des Prädikats unterstreicht Julians gespielte Überraschung und Bescheidenheit.
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720 diadema] Die von Alexander dem Großen von den Perserkönigen übernommene Kopfbinde als Herrschaftsornat wurde in der römischen Republik noch als Symbol der Königswürde abgelehnt (vgl. Sigmund 2014, S. 31–34). Berühmt geworden sind in diesem Zusammenhang die Ereignisse am Luperkalienfest des Jahres 44 v.Chr., als Marcus Antonius seinem Mitkonsul, keinem Geringeren als dem Diktator Julius Caesar, vor der Volksmenge das Diadem anbot, dieser die Stimmung im Volk auslotete und davon ausgehend das Angebot ablehnte (vgl. Cic. Phil. 2,84– 87; Vell. 2,56,4; Plut. Ant. 12,1–6, Caes. 61,1–7; Suet. Iul. 79,2; siehe ferner: Meier 2014, S. 46–48; Sigmund 2014, S. 182; Meier 2012a, S. 21–22; Welwei 1967). Erst im vierten Jahrhundert n.Chr. hielt sie Einzug am Kaiserhof und wurde zur gängigen Insignie des römischen Kaisers. Die Krönung mit einem Diadem stellte sodann den performativen Akt einer Kaisererhebung dar. Vgl. Demandt ²2007, S. 262–263; Kolb 2001, S. 76–79, 95 und 106–109; Hurschmann 1997. 723–724 preces primum incitant ∣ Me, tam modeste deprecantem ne audiam.] Vgl. die Reaktion des Constantius auf das Bittgesuch des Klerus von Konstantinopel (V. 218–225). 726 Nisi] Die konditionale Konjunktion si kann auch eine kausale Färbung annehmen. Diese wird hier durch den Konjunktiv proficiam unterstützt und auf die verneinte Form nisi übertragen. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 427; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 659. 727 Imperio ad imperium evehendus es] Diese polyptotonische Formulierung spielt mit den verschiedenen Bedeutungen von imperium, was einerseits einen militärischen Oberbefehl und anderseits ‚Herrschaft‘ bzw. ‚Reich‘ bedeuten kann. 729–747 Adsistimus … coepta si placent.] Auch diese Umwandlung des zugrundeliegenden Prosatextes von Ammian in den jambischen Trimeter kann, auch wenn der spätantike Geschichtsschreiber nicht zum Curriculum der Jesuitenkollegs gehörte, als konkrete Schulübung angesehen werden. Dasselbe gilt für die V. 771–793. Vgl. ad Comm. 91–105. Zu diesem Abschnitt siehe den Kommentar zu Ammian von de Jonge (1963, S. 31–33). In der Spätantike gehörte es zur feierlichen Investitur des neuen Kaisers, dass dieser in Purpur gekleidet und mit dem Diadem gekrönt vor dem Heer erschien und von diesem zum Caesar bzw. Augustus ausgerufen wurde. Vgl. Demandt ²2007, S. 263; Kolb 2001, S. 91–102. 731 commilitones optimi] Die Anrede der Soldaten als commilitones durch ihren Feldherrn findet sich bei Caesar (Gall. 3,71,4 und 4,25,3; vgl. Suet. Iul. 67,3) und Ammian (aus Constantius’ Munde: 14,10,13 und 21,5,3; aus Julians Munde: 16,12,9
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und 31). Auch der Feldherr Agricola spricht seine Soldaten in Tacitus’ gleichnamiger Monographie über seinen Schwiegervater mit dieser Bezeichnung an (Agr. 33,2). Sie dient dazu, das besondere Zusammengehörig- und Abhängigkeitsgefühl zwischen Feldherr und Soldaten hervorzuheben. Vgl. Stoll 2001b, S. 27 mit Anm. 112. 733 Rebellium pulso tyrannorum agmine] Gemeint ist die Usurpation des Magnentius (PLRE 1, S. 532 s.v. Magnentius), der am 18. Januar 350 von seinen Truppen zum Kaiser ausgerufen wurde und der noch im selben Jahr seinen Bruder Decentius (PLRE 1, S. 244–245 s.v. Magnus Decentius 3) zum Caesar erhob. Nach dreijähriger Herrschaft beging Magnentius in einer aussichtslosen militärischen Lage Selbstmord. Sein Bruder wurde zwischen 352 und 353 von einfallenden Germanen unter Chnodomar besiegt (barbari ∣ Exercitus […] furor, V. 736–737). Desweiteren ist zu den tyranni rebelles auch Silvanus zu zählen, dessen Usurpation ebenfalls vor Julians Erhebung niedergeschlagen wurde. Auf all diese Ereignisse wird jedoch im Drama nicht explizit eingegangen. Siehe auch Comm. ad 610–627; vgl. Demandt ²2007, S. 106; Rosen 2006, S. 89–92 und 122; Barceló 2004, S. 113–120; Bringmann 2004, S. 43–44. 736 Cruore Romano] Die zugrundeliegende Textstelle bei Ammian legt die Emendation von Gallico zu Romano nahe. Weder moderne Texteditionen noch zeitgenössische Drucke des ammianischen Geschichtswerkes nennen diese Variante. Auch wenn man cruor Gallicus hier großzügig als ‚Blut von Bewohnern des römischen Galliens‘ auslegen könnte, ist die Übereinstimmung mit dem Ammian-Text dennoch zu bevorzugen, zumal keine metrischen Gründe dagegen sprechen. 740–741 fecero/compressero] Zur Verwendung des Futur II in Hauptsätzen statt Futur I siehe Comm. ad 97/99. 745 inquio] Die Verwendung von inquio anstelle von inquam ist neulateinisch. Für die Antike ist kein einziger Beleg nachzuweisen. Der spätantike Grammatiker Priscian (gramm. II, S. 495,14–17) weist zwar auf eine Stelle bei Cicero hin, an der dieser angeblich die Form inquio verwendete (de orat. 2,256), obliegt dabei aber einem Irrtum, da er eine falsche Lesart (inquio statt in quo) heranzieht. Neulateinische Wörterbücher und Lexika (Kirsch 1774 s.v. inquio; Faber 1735 I, Sp. 1285 s.v. inquio) beziehen sich aber dennoch auf Priscian und lassen die Form inquio zu. Vgl. Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 531; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 823; Ramminger s.v. inquio. 748–758 Constanti Imperator … feliciter.] Für Julians Akklamation durch das Heer zog Drexel den Beginn der Vita Diadumeni aus der Historia Augusta (Hist.
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Aug. Diad. 1,6–8) unverändert (mit Ausnahme der Eigennamen) heran. In seinem 1638 erschienenen Traktat Aurifodina erwähnt Drexel selbst, dass er die Historia Augusta gelesen und exzerpiert habe (Opera Omnia II, S. 1106,1). In der Vita Diadumeni ist der angeblich originale Wortlaut der Soldaten in direkter Rede überliefert. Die wörtliche Übernahme brachte aber zwei Probleme mit sich, die Drexel an dieser Stelle einfach überging. Erstens machte er sich nicht die Mühe, den Prosatext der Historia Augusta in einen jambischen Trimeter zu verwandeln. Lediglich der wiederum von Drexel verfasste V. 758 bildet durch seinen jambischen Dimeter gewissermaßen die Brücke vom unmetrischen Teil zum wiedereinsetzenden jambischen Trimeter (ab V. 759). Dennoch könnte hinter der Auslassung einer metrischen Umsetzung eine konkrete Absicht stecken. Drexel wollte damit möglicherweise den groben und ‚ungebildeten‘ Charakter der Soldaten zum Ausdruck bringen. Ein ähnliches Vorgehen ist im Triumphus Divi Michaelis zu finden (vgl. S. 166 mit Anm. 159). Die Tatsache, dass der zweite Redeteil der Soldaten (V. 765–770) im jambischen Trimeter verfasst ist, lässt an dieser These jedoch zweifeln. Zweitens übernahm Drexel die Anrufung Jupiters und die damit verbundenen Glückwünsche ebenfalls unreflektiert. Eine solche Anrufung des höchsten heidnischen Gottes ist an dieser Stelle des Dramas aber nicht logisch, da sowohl Constantius als auch, wovon implizit auszugehen ist, seine Kohorten sowie Julian, wenn auch zu diesem Zeitpunkt nur noch geheuchelt, Christen sind. Um im Wortlaut möglichst authentisch zu sein, griff Drexel auf eine antike Quelle zurück, die nicht nur eine Kaisererhebung an sich erzählt (vgl. Amm. 15,8,12–14), sondern sogar den scheinbar genauen Wortlaut der Akklamation durch die Soldaten überliefert. Die mehrfach festzustellende Parallelität der Ausrufe bei gleichzeitigem Austausch der Subjekte (Constanti/Iuliane, V. 748–749; Constantius/Iulianus vinci non potest, V. 751–753), wobei Constantius stets als erster genannt wird, unterstreicht einerseits die Aufteilung der Herrschaft, andererseits aber auch die Rangordnung zwischen Constantius und Julian. 757 Multis annis] Obwohl für die Angabe einer Zeitdauer im Lateinischen in der Regel der präpositionslose Akkusativ benutzt wird, finden sich v.a. im vor- und nachklassischen Latein Belege für eine entsprechende Verwendung des Ablativs (vgl. Plaut. Bacch. 22: viginti annis errans), ja vereinzelt sogar in klassischer Prosa: [Hannibal] tot annis de imperio cum populo Romano certavit, Cic. de orat. 3,76; cuius imperatoris ductu novem annis rem publicam felicissime gesserint, Caes. civ. 1,7,7. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 360; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 41.
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758 2da : Feliciter. ∣ 1ma : Feliciter.] Im lateinischen Adjektiv felix steckt eine Doppeldeutigkeit, die im deutschen ‚glücklich‘ nicht vorhanden ist. Julians Herrschaft soll nicht nur für ihn selbst vom Glück begünstigt sein, sondern auch den Untertanen glückliche Zeiten bescheren. 759 commilitones optimi] Siehe Comm. ad 731. 760 Manumque coeptis laetus impono ultimam] Die im Deutschen geläufige Redewendung ‚letzte Hand an etwas anlegen‘ ist auch im klassischen und nachklassischen Latein in der Form ultimam/extremam/summam manum imponere nicht selten vorzufinden (vgl. Cic. Brut. 33,126; Verg. Aen. 7,572–573; Petron. 118,6; Sen. epist. 12,4; vgl. Erasm. Adag. 134). Vgl. Otto 1890, S. 212. 763 chlamydeque advelo, diademate premo.] Zu chlamys siehe Comm. ad 557, zu diadema Comm. ad 720. 771–793 Iuvenem hunc … prosperemus ordium.] Siehe Comm. ad 729–747. Siehe auch den Kommentar zur betreffenden Stelle bei Ammian von de Jonge (1963, S. 36–38). 774–777 nunc auctior gloria … sic partiendo gloriam.] Aus der verklausulierten ammianischen Formulierung aucta gloria mea confiteor, qui iustus in deferenda suppari potestate nobilitati mihi propinquae, quam ipsa potestate videor esse sublimis (15,8,12) gestaltet Drexel eine stark sentenzenhafte Passage. Sie ist geprägt von mehreren antithetischen Paradoxa (auctior, quia imminutior; auxissem, nisi minuissem; nec imminui partiendo). 781–788 Sanguinis avara … opprimendus est.] Die Wiedergabe der wörtlichen Rede des Constantius bei Ammian wird von Drexel mit typischen Elementen von Heldenbeschreibungen aus dem antiken Epos angereichert, dazu gehören v.a. die sehr bildhaften Verben wie flagrare (vgl. Verg. Aen. 12,167; Sil. 5,590 und 9,357), flammare (vgl. Verg. Aen. 1,50; Sil. 10,426 und 14,120), volare (vgl. Verg. Aen. 8,111; Sil. 2,263) und accendere (vgl. Verg. Aen. 7,482 und 550, 12,426). Ebenso sind Attribute wie impiger (vgl. Ov. met. 8,311; Lucan. 4,8), ferox (vgl. Lucan. 4,822; Sil. 16,464), horrendus in armis (vgl. Verg. Aen. 3,658, 4,181, 9,521) und fulgurans (vgl. für das eng verwandte fulgere: Lucan. 6,393; Sil. 13,556) typische Epitheta ornantia der Gattung Epos. Lux ahena ist gar eine wörtliche Übernahme aus Vergils Aeneis (2,470), wo die Wendung für Pyrrhus, den Sohn des Helden schlechthin, Achilles, verwendet wird.
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783–785 flammabis … volabis … accendes] Das Futur I kann insbesondere in der Zweiten und Dritten Person auch die Funktionen eines jussiven bzw. optativen Konjunktivs übernehmen (vgl. Plaut. Asin. 373: tu cavebis, ne me attingas, si sapis. [Wenn du schlau bist, mögest du dich davor hüten, mich anzufassen]; aber auch sehr oft in der Klassik zu finden: quod vitium effugere qui volet, adhibebit ad considerandas res diligentiam. Cic. off. 1,18 [Derjenige, der einen Fehler vermeiden will, wende bei seinen Überlegungen Sorgfalt an]; siehe auch: Cic. Att. 10,2,2 und 12,28,1, fam. 7,20,2, Tusc. 1,26; Liv. 23,3,6). Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 144; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 311. 784 Volabis ante signa primus] In Constantius’ Aufforderung liegt eine gewisse ‚Doppelbödigkeit‘ vor (vgl. S. 157). Denn sie deutet bereits auf das blutige Ende Julians in der in Szene V,9 berichteten Schlacht bei Maranga am Tigris voraus, in der der Kaiser laut Botenbericht ebenfalls als erster vor den Schlachtreihen losstürmt (Iulianus agminis ∣ Ad frontem provectus V. 2482–2483). 794–811 O Iuliane, Iuliane! … O turbidum Fati tenorem!] Der erste Chorgesang dient als retardierendes Moment. Er betont nach Julians Erhebung zum Caesar die Bedeutung dieses Ereignisses für die kommende Handlung. Außerdem veranschaulicht er die Folgen und ordnet sie durch eine ‚kosmische Auxesis‘ (coeli labores, terrae tremores, Ponti tumorem, mundi timorem, V. 807–810) in einen ‚globalen‘ Zusammenhang ein. Ausführlich zu den Chören, ihrer Identität und ihrer Beziehung zur Handlung im Iulianus siehe Abschnitt 4.2.3. 798 stemmatis certum pudorem] Zur Bedeutung und Verwendung des Substantivs stemma siehe Comm. ad 2107. 801 Foedam feret mundo senectam.] Die Metapher der alternden Welt bzw. des alternden Römischen Reiches ist seit Florus in der lateinischen Literatur verbreitet (epit. 1,4–8). Auch Ammian verwendet zu Beginn des 14. Buches dieses Motiv (14,6,3–6). Bei beiden wird die Entwicklung des Imperium Romanum mit der eines Menschen gleichgesetzt. Die Königszeit entspricht dabei der Kindheit (infantia), die Eroberung Italiens dem jugendlichen (adulescentia) und die Unterwerfung des Erdkreises dem besten Alter (iuventus). Das darauffolgende ‚Alter‘ (senectus), das für das Kaisertum steht, wird von beiden nicht näher beleuchtet. Florus behandelt es nur insofern, als er feststellt, dass das Römische Reich zwar durch die inertia Caesarum gealtert und in seinen Kräften gemindert worden sei, dass diese Entwicklung aber von Kaiser Trajan aufgehalten worden sei und das Reich in neuer Jugend erstrahle. Bei Ammian hat das Römische Reich ebenfalls ein ‚Greisenalter‘ erreicht, in dem es ruhig und gelassen über die gesamte Welt herrscht. Dieses ‚Greisenalter‘ sieht er jedoch als einen ewig andauernden, glücklichen Zustand.
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Der Tod, als logische Verbindung zum Alter, spielt in dieser Metapher keine Rolle. Detaillierte Auflistung von weiteren Zeugnissen bei Eyben 1973. Das Motiv des mundus senescens spielt auch in der apologetischen Literatur eine wichtige Rolle. Cyprian von Karthago weist den Vorwurf, die Christen seien Schuld an der Niederlage des Kaisers Decius bei Abrittus im Jahr 251 n.Chr. gegen die Goten, insofern zurück, als er sich auf die Theorie des alternden Kosmos von Lukrez (Lucr. 2,1150–1174) bezieht: Bei der gegenwärtigen Notlage handle es sich um die natürlichen Symptome einer alternden Welt, der der Untergang bald bevorstehe, wobei auch Sallust zitiert wird: omniaque orta occidunt et aucta senescunt (Cypr. Demetr. 3 = Iug. 2,3). Ein ähnlich negativ konnotiertes Bild vom ‚Greisenalter‘ der Welt dient auch bei Augustinus apologetischen Zwecken. Die Übel seiner Gegenwart, darunter die Eroberung Roms durch Alarich im Jahr 410, seien deutliche Anzeichen einer gealterten Welt (serm. 81,8). Entgegen der Auffassung von Florus und Ammian spielt bei den Christen der Tod, der am Ende des Alterns steht, eine wichtige Rolle. Der Tod des Imperium Romanum wird dabei in traditioneller Weise (vgl. Dn 2,1–49 bzw. 7,1–28) mit dem Anbrechen der Endzeit in Verbindung gebracht. Vgl. Demandt 1978, S. 37–45; Eyben 1973. Für die vorliegende Stelle im Drama ist ein Aspekt in diesem Zusammenhang besonders wichtig: In panegyrischen Reden stellt der Hinweis, dass mit der Regierungsübernahme des angesprochenen Kaisers eine Verjüngung der Welt einherging bzw. -gehe (vgl. Florus über Trajan; Paneg. Lat. 3,9,4, 4,3,3, 8,1,3 und 9,18,5) ein topisches Element dar. Im direkten Anschluss an Julians Erhebung zum Caesar wird hier dagegen vom Chor das Gegenteil behauptet. Er bringe nicht jugendliche Blüte und Glanz für die Welt mit sich (vgl. V. 236–237 und 584–585), sondern Leid, Zerstörung und Tod. 802 coccinata tigris] Der Tiger steht metonymisch für Julians furchterregende Grausamkeit (vgl. Mart. 1,21,1–3 und 104,2). In der antiken Literatur wurde das Raubtier u.a. als menschenfressendes Ungeheuer beschrieben (Aristot. hist. an. 2,501a). Besonders die Schnelligkeit des Tigers beim Angriff auf Beutetiere wird hervorgehoben (Plin. nat. 8,66; Mela 3,43; Isiod. orig. 12,2,7). Coccinum bzw. coccineus/coccinatus (Scharlach) wird hier als Synonym für Purpur verwendet. Vgl. Hünemörder 2002; Toynbee 1973, S. 69–82; Steier 1936. 804 clandestina lerna] Lerne bezeichnet ursprünglich eine Gegend südlich von Argos. Die Flüsse Pontinos und Amymone und mehrere Quellen machten die Ebene zu einem Sumpf. In der klassischen Mythologie wurde dieses Gebiet als lernäische Hydra personifiziert, ein Ungeheuer mit mehreren nachwachsenden Köpfen (bald neun, bald fünfzig, vgl. Verg. Aen. 6,576; bald hundert, vgl. Eur. Herc. 1190), das Tiere und Menschen dahinrafft. Erst Hercules gelingt es, sie zu töten
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(Hes. theog. 313–318; Diod. 4,11,5–6; Apollod. bibl. 2,77–80; Hyg. fab. 30,3). Lerne bzw. Hydra erhielt das Adjektiv clandestina, da die Schlange angeblich unterirdisch in zahlreichen verborgenen Gewässern der Ebene wohnte. Ferner befand sich im Westen der Ebene ein See, der als unergründlich galt und als ein Eingang zur Unterwelt betrachtet wurde. Vgl. Lafond 1999b; Graf 1998; Kokkorou-Alewras 1990. In der Literatur etablierte sich außerdem die Redewendung von der Lerna malorum, um eine Ansammlung von Übeln zu beschreiben (vgl. Erasm. Adag. 227). Des Weiteren konnte die Bezeichnung auch auf einen Menschen, der sich durch alle erdenklichen Schandtaten auszeichnet, übertragen werden (vgl. Faber 1735 I, Sp. 1396 s.v. Lerna). 807 O irritos coeli labores!] Diese Klage beschreibt lediglich einen vorübergehenden Zustand, da es letztlich ja ‚der Himmel‘, Christus persönlich, ist, der Julian zu Fall bringt.
II,4 Trotz seiner ersehnten Erhebung zum Mitkaiser ist Julian unzufrieden. Er sieht die Ernennung als Falle des Constantius. Er unterstellt ihm böswillig, ihn auf diese Weise beseitigen zu wollen. Neben der Heuchelei in der Szene zuvor tritt somit ein zweiter negativer Charakterzug hervor. In seiner Unterstellung treten die Ressentiments gegen die alten Widersacher im Kampf um die Nachfolge Konstantins des Großen erneut zu Tage (vgl. Comm. ad 284). Dass diese unbegründet sind, wurde dem Zuschauer durch die lange Beratungsszene II,2 verdeutlicht. Darin wurde unzweifelhaft herausgestellt, dass Constantius vernünftig, ohne böse Hintergedanken und im Interesse des Staates handelte. Auch die zutreffenden Einwände des Sallustius können Julian nicht von seinem Misstrauen gegenüber seinem Vetter abbringen. Julian macht hier einen weiteren Schritt weg vom stoischen Ideal, indem er dem Affekt des Hasses verfällt. Den lebensgefährlichen Herausforderungen, die ihm in Gallien bevorstehen, begegnet er mit stoischen Grundsätzen, die an dieser Stelle aus christlicher Sicht jedoch fehlgeleitet sind, und bedient sich dabei erneut der Argumentation Senecas (vgl. Comm. ad 845–861). Zur fehlgeleiteten stoischen Ausrichtung Julians, wie sie in dieser Szene besonders deutlich wird, siehe S. 99–101. Die Szene zeichnet sich durch eine subtile Doppeldeutigkeit aus. Auf der Mikroebene der Szene selbst handelt es sich bei Julians Aussagen um die angesprochenen böswilligen Unterstellungen gegenüber Constantius. Hinsichtlich der Makroebene des Gesamtdramas aber behält Julian tatsächlich Recht. Denn letztlich
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bereitet ihm das Kaisertum, auf das er in seiner superbia aus ist, einen fürchterlichen Untergang (vgl. dazu die Moral am Ende des Stücks, V. 2751–2757, die als allerletztes Wort des Dramas superbia nennt). Um Julians Missfallen zum Ausdruck zu bringen, nimmt Drexel eine kurze, bei Ammian überlieferte Anekdote (15,8,17) als Aufhänger, die jedoch von Baronio nicht erwähnt wird. Nach seiner Erhebung zum Caesar soll Julian bei der Fahrt auf dem kaiserlichen Wagen in den Palast folgenden Homervers leise zitiert haben: ἔλλαβε πορφύρεος θάνατος καὶ μοῖρα κραταιή (Il. 5,83: Purpurner Tod umfasst ihn sodann und das mächtige Schicksal). Julian selbst zeichnet in seinen Schriften bisweilen ebenfalls ein negatives Charakterbild von Constantius. Im Brief an die Athener beispielsweise betont er, dass Constantius seine gesamte Familie ohne Prozess töten ließ (vgl. ad Ath. 270d– 271a). Weitere Belege aus Schriften, die Baronio (AE IV,4E) für Julians Abneigung gegenüber Constantius anführt, sind dagegen aus dem Zusammenhang gerissen und entsprechend falsch interpretiert. Im Misopogon kritisiert Julian entgegen der Ansicht Baronios weniger seinen toten Vetter als vielmehr dessen Umfeld, das einen schlechten Einfluss ausgeübt habe (mis. 357b–c). In seinem Brief an Hermogenes, den Präfekten von Ägypten, spricht Julian außerdem mit auffallender Hochachtung und Pietät über Constantius (epist. 33). Sokrates (hist. eccl. 3,1,30– 31) und Sozomenos (hist. eccl. 5,2,22–23) berichten dagegen von Gerüchten über hinterhältige Absichten des Constantius bei Julians Ernennung zum Caesar. 812 O purpurae fallax honor!] Mit diesem jambischen Dimeter knüpft Julian unmittelbar an die Verse des Chors an (O turbidum Fati tenorem! V. 811). Seine Auftaktworte zur Szene II,4 bilden somit den Übergang von der kommentierenden Metaebene des Chorgesangs zurück in das eigentliche Dramengeschehen. Ebenso erinnert der etwas später von Julian an sich selbst gerichtete Ausruf O Iuliane (V. 816) erneut an den vorangegangenen Chorgesang. 815 coccinam … laenam] Die laena ist ein mantelähnlicher Umhang aus dicker Wolle. In Rom wurde sie u.a. von den Augures und Flamines während des Vollzugs von Opferzeremonien getragen. Sie diente aber auch häufig als wärmender Überwurf. Die Bezeichnung ist im vorliegenden Zusammenhang ohne jede Spezifizierung gebraucht. Coccina laena ist hier als Synonym zu purpura und vellus inquinatum murice zu sehen. Vgl. Hurschmann 1999. Zum Adjektiv coccinus siehe Comm. ad 802. 816 sub hoc cinerĕ flamma latitat] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 818 Tyria lacerna] Die Hafenstadt Tyros an der Levante war in der Antike berühmt für ihre Purpurherstellung. Zu lacerna siehe Comm. ad 557.
516 | Zweiter Akt 819–820 ut peregrino humatus cespite ∣ Pereas] Das Hysteron-Proteron, bei dem der logisch-zeitliche Zusammenhang der Aussage umgekehrt wird (erst Begräbnis, dann Ermordung), trägt dazu bei, Julians gespielte und übertreibende Aufgebrachtheit zu verdeutlichen. 827–828 Sall.: sors latet laetissima. ∣ Iul.: Agnosco letalissimam.] In der vorliegenden Szene ist an drei Stellen ein scharfsinniges Wortspiel von Seiten Julians festzustellen: Auf die Aussage des Sallustius, in der Ernennung zum Caesar stecke ein überaus glückliches Schicksal (sors laetissima), entgegnet Julian paronomastisch pointiert, dass es für ihn ein todsicheres sei (agnosco letalissimam). Die doppelte Assonanz lae-/le- bzw. -issima/-issimam bewirkt, dass beide Wörter fast identisch klingen, sich in ihrer Aussage aber grundlegend widersprechen. Ein Wortspiel durch ein Polyptoton bilden die V. 840–842, in denen sich Drexel die Doppeldeutigkeit des Verb diligere zunutze macht: Sallustius fordert Julian dazu auf, Constantius entsprechend seiner Gunst gegenüber ihm (te diligit) ebenfalls hoch zu schätzen (diligas). In seiner Replik Dilectus a Constantio ad necem fui benutzt Julian zwar dasselbe Wort, allerdings in seiner Grundbedeutung ‚auswählen, bestimmen‘. Gegen Ende der Szene taucht erneut ein Spiel mit verschiedenen Bedeutungen ein und desselben Wortes auf: nec deficere fortem decet cum deficit (V. 856). Es spielt mit den verschiedenen Bedeutung von deficere, wobei beim ersten Element animo elliptisch ausgelassen wurde (‚den Mut verlieren‘). Cum deficit dagegen ist allgemein auf die körperliche Kraft zu beziehen. Die sprachlich-stilistische Raffinesse unterstreicht ein weiteres Mal die Bildung und Redegewandtheit der Hauptperson Julian. Vgl. Gudemann, Alfred 1913: Art. ‚diligo‘. In: ThLL V,1,1176,31– 1185,46; Leißner, Andreas 1910: Art. ‚deficio‘. In: ThLL V,1,323,58–339,28. 833 Iul.: irritam sperabo? Sall.: certam, inquio] Zur Verwendung des Futurs als Potentialis bzw. Deliberativ siehe Comm. ad 45–46. Zur Form inquio siehe Comm. ad 745. 834–836 cum feris … in silvam exigor ∣ Hercyniam] Der ‚Hercynische Wald‘ ist ein antiker Sammelbegriff für die zentraleuropäischen Mittelgebirge nördlich der Donau. Laut antiken Beschreibungen teilt er das Gebiet der Germanen in zwei Teile (Caes. Gall. 6,24–25; Mela 3,29; Tac. Germ. 28). Cum feris spielt auf die dort angeblich lebenden fabelhaften Waldbewohner an. Caesar erzählt beispielsweise von rinderähnlichen Tieren mit nur einem Horn (wohl Rentiere), von alces (Elche oder Elentiere?) und von uri (Auerochsen?), die ungefähr die Größe eines Elefanten besäßen und eine gewisse Ähnlichkeit mit Stieren hätten. Sie seien stark, schnell und verschonten weder andere Tiere noch Menschen (Gall. 6,26–28). Über
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die Vögel im Hercynischen Wald siehe Plin. nat. 10,132 und Isid. orig. 12,7,31; vgl. Nenninger 2001, S. 88–94; Schönberger 1990, S. 580–581; Hyde 1918. Die Verdrehung der eigentlichen Verhältnisse in der Formulierung venator exigor (‚als Jäger werde ich fortgejagt‘) steht exemplarisch für die Verdrehung der Tatsachen durch Julian, der im Handeln des Constantius nur böse Absicht sehen will. 840–842 Constantius … ad necem fui] Zum Wortspiel diligit–diligas–dilectus siehe Comm. ad 827–828. Zur Perfektform dilectus fui siehe Comm. ad 44. 845–861 At enim timere … mihĭ viam dabit.] Die ersten Verse (V. 845–849) sind ein Zitat aus Murets Iulius Caesar (48–51). Die Verse V. 853–861 setzen den darin enthaltenen Kerngedanken in Form einer Ansammlung von Sentenzen aus verschiedenen Briefen Senecas an Lucilius fort. Beide Teile dieses Abschnittes drehen sich um die stoische Position zum Tod: Zu den Bereichen, gegenüber denen der stoische Weise in seiner Autarkie unempfindlich ist (siehe Comm. ad 277–283), gehören auch sein Leben bzw. Tod. Beide sind nach stoischer Lehre zu den ‚gleichgültigen Dingen‘ (ἀδιάφορα) zu zählen, die keine Auswirkung auf das menschliche Glück besitzen. Murets Caesar wie auch Drexels Julian verkörpern in ihrer Todesverachtung dieses Ideal des stoischen Weisen (vgl. Bloemendal 2001, S. 313–314.). Im ersten Teil dieses Abschnittes weist der Text terminologisch klare Entsprechungen zu Seneca auf. Das gegensätzliche Begriffspaar ignava mens/generosus animus (V. 846 bzw. 848) beinhaltet Schlüsselbegriffe, die in den Luciliusbriefen im Zusammenhang mit der stoischen Position zum Tod auftauchen. Eine besondere Rolle nimmt in diesem Zusammenhang der 24. Brief ein, der im Falle des zweiten Teils dieses Abschnitts (V. 853–854 und 857–858) sicher, hinsichtlich des ersten höchstwahrscheinlich als direkte Vorlage für Drexel bzw. Muret gedient hat. Darin heißt es unter anderem: Alligabor: quid enim? nunc solutus sum? ad hoc me natura grave corporis mei pondus adstrinxit. Moriar: hoc dicis, desinam aegrotare posse, desinam alligari posse, desinam mori posse. […] Cotidie morimur; cotidie enim demitur aliqua pars vitae, et tunc quoque cum crescimus vita decrescit. Infantiam amisimus, deinde pueritiam, deinde adulescentiam. Usque ad hesternum quidquid transiit temporis perit; hunc ipsum quem agimus diem cum morte dividimus. (epist. 24,17 bzw. 20) [Und wenn man mich in Ketten legen wird: Was dann? Bin ich denn im Moment von diesen befreit? Die Natur hat mich doch an dieses schwere Gewicht meines Körpers gebunden. Und wenn ich sterben werde: Du meinst damit, dass ich aufhören werde dahinzusiechen, dass
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ich aufhören werde in Fessel gelegt zu werden, dass ich aufhören werde sterben zu können. […] Wir sterben täglich; denn täglich wird uns ein gewisser Teil unseres Lebens weggenommen, und auch dann, wenn wir wachsen, schwindet unser Leben dahin. Zuerst haben wir die Kindheit verloren, dann das Knabenalter, dann die Jugend. Welche Zeitspanne auch immer seit dem gestrigen Tag vergangen ist, ist dahin; eben den Tag, den wir im Moment leben, teilen wir mit dem Tod.]
Andreas Hagmaier (2006, S. 73–74) stellt in seinem Kommentar zu den angegebenen Versen aus Murets Iulius Caesar heraus, dass sich Caesars Haltung mit der verschiedener Protagonisten aus den Tragödien Senecas deckt (z.B.: Ag. 604–610, Med. 159, Oed. 87–88, Tr. 869). Besonders häufig ist dies wiederum bei der Figur des Hercules, v.a. im Hercules Oetaeus festzustellen (Herc. O. 111, 117–118, 230– 232, 443 und 1740–1746; vgl. auch Herc. f. 870–872). Auf die Nähe zwischen Hercules und dem Julian des Dramas wurde an anderer Stelle bereits hingewiesen (vgl. Comm. ad 708–709). Wichtig, aber von Hagmaier nicht beachtet, ist dabei die Tatsache, dass in den zitierten Versen aus den Tragödien Senecas ebenfalls das in den Luciliusbriefen festgestellte gegensätzliche Begriffspaar generosus animus (d.h. virtus) bzw. ignava mens präsent ist: Abest pavoris crimen ac probum procul, ∣ virtusque nostra nescit ignavos metus (Oed. 87–88); Fortuna fortes metuit, ignavos premit (Med. 159). Zur fehlgeleiteten stoischen Ausrichtung Julians in diesem Abschnitt und dieser Szene siehe S. 99–101. 845 At enim timere Caesaris nunquam fuit] Diese Worte aus Julians Mund widersprechen seiner Aussage aus dem ersten Akt, wo er noch behauptete, es sei dasselbe Übel, nichts und alles zu fürchten (V. 302–303). Hier wird exemplarisch die Kehrtwende in Julians Denken, die in Szene II,1 erfolgte, deutlich. 855 Parcae manus timere philosophum haud decet.] Dem antiken Mythos zufolge liegt der menschliche Schicksalsfaden in den Händen der drei Parzen bzw. Moiren. Clotho spinnt ihn, Lachesis teilt das Lebenslos zu und bewahrt den Faden auf. Atropos durchtrennt ihn letztlich. Da Julian im vorliegenden Kontext konkret auf seinen möglichen Tod eingeht, ist Parcae manus hier am ehesten mit der Hand der Letztgenannten zu identifizieren. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 335–337; Angelis 1992. 856 Nec deficere fortem decet cum deficit.] Siehe Comm. ad 827–828. 857 Quo vita mage crescit eo decrescit magis.] Siehe Comm. ad 311–312.
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II,5 Während er im Rahmen seiner Apostasie in II,1 noch selbstbewusst behauptete, dass ihm nicht die (Friedens-)Toga, sondern das Sagum und die Chlamys des Feldherrn zustünden (Quid hanc moror togam? sagum et chlamys placet. V. 586), hält Julian seine militärischen Aufgaben als Mitkaiser nun, da es um das konkrete Handeln geht, vor dem Hintergrund seiner philosophischen und literarischen Interessen für lästig (V. 875–879). Seine Philosophenfreunde helfen ihm allerdings, dieser Situation Abhilfe zu schaffen, und sprechen ihm Mut zu. Dabei nutzen sie jedoch die Unsicherheit ihres Freundes geschickt aus, um zu ihrem eigentlichen Anliegen überzuleiten. Dabei lenken sie gemäß der vom Philosophen Maximus zuvor ausgegebenen Maxime verum lentius ∣ Tanta ingenia novo imbuuntur dogmate (V. 526–527) das Gespräch nur allmählich in Richtung ihres bereits in I,10 formulierten Vorhabens, nämlich aus Julian einen Verehrer der alten Götter zu machen (V. 525). Bereits in der ersten Hälfte der Szene streuen sie immer wieder versteckte Hinweise ein. Gleich zu Beginn steht der Wunsch des Priscus, Jupiter möge Julian lange leben lassen (V. 865–866). Ein ähnlicher Wunsch des Maximus um die Gnade der Götter im Allgemeinen (Di Iulianum Caesarem servent diu, V. 868) schließt sich an. Auch wenn die Erwähnungen von weiteren Göttern in der folgenden Diskussion (Mars, Minerva, Phoebe, Phoebus) primär metonymisch zu verstehen sind bzw. als einfache Redewendungen dienen (deos testor, V. 878), beinhalten sie dennoch eine unterschwellige Doppeldeutigkeit, die eine ‚pagane‘ Atmosphäre schafft. Den Anlass, konkret auf die Hinwendung zu den alten Götter hinzuwirken, gibt Julian selbst, da er von einem möglichen Tod in der Schlachtreihe spricht (V. 898–899). Jamblichus weist ihn jedoch darauf hin, dass er schon immer in der Gunst der Götter stand. Auch jetzt würden sie ihm einen sicheren Sieg verheißen. Da Julians Gefährten wissen, wie sehr er auf ihr Wort hört, empfehlen sie ihm konkret, den alten Göttern zu opfern und auf diesem Wege um eine sichere und siegreiche Heimkehr zu bitten. Gleichzeitig soll damit Julians Abkehr vom Christengott, die zuvor nur verbal erfolgte, auch durch eine handfeste aktive Handlung untermauert werden. Somit kommt aber auch Julians Freunden und Ratgebern eine gewisse Bedeutung im Hinblick auf seine Entwicklung vom vorbildlichen christlich geprägten Stoiker zum grausamen Tyrannen und Götzendiener zu. Julian hat aber bereits, was seine Freunde freilich noch nicht wissen können, seine innere Kehrtwende vollzogen, worauf er sie mit dem Hinweis commodum mones (V. 916) aufmerksam macht. 864–869 Novos honores … columen optatissimum.] Die Anrede bzw. die Wünsche für den neuerhobenen Caesar Julian beinhalten wiederum Topoi der Herrscherpanegyrik, darunter der Wunsch nach möglichst langer Herrschaft und
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das Bild vom schwankenden Erdkreis, der durch diese Herrschaft wieder neu gefestigt wird. Siehe Comm. ad 221–229 und ad 235–242. 866 Nestorem] Nestor ist in der Literatur seit Homer (Il. 1,252 und Od. 3,245) zu einem Sinnbild für ein hohes Alter geworden (z.B. Tib. 4,1,112; Prop. 2,13,46–47; Ov. Pont. 2,8,41–42 und trist. 5,5,62; Sen. epist. 77,20). In Ovids Metamorphosen (12,186–188; vgl. Iuv. 10,248–250) beziffert Nestor selbst, vielleicht in ironischer Weise, sein Alter auf zweihundert Jahre. Das ‚nestorische Alter‘ wird sprichtwörtlich (vgl. Erasm. Adag. 566). In gleicher Weise wie das Alter des Nestors wurde seine Beredsamkeit sprichwörtlich (Cic. Cato 31; Erasm. Adag. 156). Ebenfalls bei Homer (vgl. Il. 1,247–249) sticht er zusammen mit Odysseus durch seine rhetorischen Fähigkeiten hervor. Somit ist der Wunsch, Julian möge wie Nestor sein, einerseits und primär auf dessen Alter zu beziehen, andererseits aber auch schmeichlerisch auf seine Beredsamkeit. Vgl. Visser 2000; Lygouri-Tolia 1994; Bömer 1969–1986 II, S. 68–69; Otto 1890, S. 242; Faber 1735 I, Sp. 1730 s.v. Nestor. 871–872 Martem tubasque iam meis ∣ In auribus mugire dudum sentio.] An dieser Stelle wird die Metonymie Mars zeugmatisch an die Infinitivkonstruktion tubas in auribus mugire sentio angeschlossen. 877–878 Invitus hos, fateor, honores detulit, ∣ Invitus accepi, Deos testor] Im Drama wollte Julian sehr wohl zum (Mit-)Kaiser ernannt werden, daran lässt Szene II,1 keinen Zweifel zu. Er ist so sehr in seinen heuchlerischen Verstrickungen verfangen, dass er, mittlerweile Anhänger der alten Götter, mit der Beteuerung Deos testor sogar einen religiösen Meineid schwört. Verdruß empfindet er dagegen v.a. darüber, dass er als Feldherr nach Gallien gesandt wurde und er somit seiner Vorliebe für die Künste nicht mehr uneingeschränkt nachgehen kann (vgl. Einleitung zu Comm. ad II,5). Das Motiv des Widerwillens im Zusammenhang mit Julians Erhebung kann an dieser Stelle als eine Dublette der von Ammian erzählten Ereignisse rund um die spätere Ausrufung zum Augustus durch Julians Truppen in Gallien gesehen werden (Amm. 20,8). Ammian bemerkte bereits an früherer Stelle, dass Julian gewaltsam von seinen Truppen zum Augustus ausgerufen worden sei (20,4,14–22). Nach seiner Erhebung war er selbst sehr darum bemüht, die Ereignisse gegenüber Constantius in ein günstiges Licht zu rücken. Er betont in einem Brief an den Kaiser, dass er gegen seinen Willen erhoben worden sei und es sich um keine Usurpation gegen ihn handle (20,8,4–19). Dieselbe Rechtfertigung führt Julian in seinem Brief an die Athener (ad Ath. 284b–d) an. Vgl. Rosen 2006, S. 188–194.
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Julians Behauptung, Constantius habe ihn ebenfalls widerwillig zum Caesar erhoben, ist erneut zu seinen böswilligen Unterstellungen zu zählen. Die Beratungsszene mit Aedesius und Sirgiamnes (II,2) machte bereits deutlich, dass Constantius aus Sorge um das Wohl und die Integrität des Reiches handelt und nicht aus böser Absicht, was Julian bereits in II,4 gegenüber Sallustius behauptete. 878–881 iugum ∣ … premi tamen.] Julians Klage, Constantius habe ihm ein Joch auferlegt, und die widersprechenden Entgegnungen seiner Freunde, die darauf hinweisen, dass diese Situation einem stoischen Weisen nichts anhaben könne, spiegelt die Erörterungen zwischen Julian und Sallustius in I,4 wider. Wenn hier erneut das Bild des Jochs (iugum) verwendet wird, spielt dies auf den konkreten philosophischen Kontext aus dem 19. Brief an Lucilius (subduc cervicem iugo tritam, Sen. epist. 19,6) an. Vgl. Comm. ad 293–312. 885 quo tener adhuc arseras.] Eine Anspielung auf den ersten Vers von I,1: Ab ungue tenero litteris arsi (V. 81). Ecebolius bezieht diesen Ausspruch Julians jedoch ganz allgemein auf den labor. Julian präzisiert im Gegenzug, dass sich seine Aussage allein auf die Beschäftigung mit den Musen, nicht auf die Strapazen des Krieges bezogen habe: Sed Musico non bellico (V. 886). 886–897 Sed Musico non bellico … nec mortem pavet.] Julian sieht sich zunächst nicht in der Lage, seine ‚musischen‘ (d.h. intellektuellen) Ambitionen mit seinen Aufgaben als Feldherr zu vereinen. Er stellt den Gott Mars als Metonym für den Krieg der Schützgöttin der Künste, Minerva (griech.: Athene), gegenüber. Maximus bemüht sich als erster, die Vereinbarkeit beider Betätigungsfelder aufzuzeigen. Beide Götter seien Geschwister (cognata sunt ∣ Mars et Minerva Numina, V. 886–887). Diese Aussage ist sowohl auf der Ebene der Genealogie als auch auf der des Zuständigkeitsbereiches zu sehen. Beider Vater ist Jupiter. Mars ging aus dessen Hauptfrau Juno hervor (vgl. Ov. fast. 5,229–260). Minerva dagegen wurde aus dem Kopf des höchsten Gottes selbst geboren. Die Verbindungen hinsichtlich des jeweiligen Zuständigkeitsbereiches sind komplexer und werden entsprechend von Jamblichus auch näher ausgeführt (V. 895–897). Minerva fungierte in der römischen Religion nicht nur als Schutzgottheit der Handwerker (vgl. Ov. fast. 3,819–848), sondern auch der Schreiber, Lehrer, Dichter und Schauspieler, kurzum der ‚Künstler‘ (in dieser Weise auch in frühneuzeitlichen Druckerzeichen präsent, vgl. dazu Wolkenhauer 2002, S. 124 und 338–340 mit Abb. auf S. 338). Dieser ‚musischen‘ Seite stand jedoch ihr Wesen als Kriegerin entgegen. Minerva wird häufig mit den Attributen Helm, Lanze und Aegis dargestellt. Außerdem wurde sie in erstgenannter Funktion auch von Handwerkern und Musikern in der Armee (z.B. von den tibicines, vgl. Varro ling. 6,17) verehrt, sodass Jamblichus hier mit
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Recht behaupten kann, dass auch die Musen die Feldlager bewohnten (Et castra scit habitare grex novensilis, V. 895). Die Verbindung vom Kriegsgott Mars zum musischen Bereich wird über den beiden gemeinsamen Wirkungsort, nämlich das römische (Amphi-)Theater (hier ausgedrückt durch Minervium tribunal), hergestellt. Als Ort sowohl von musischen Aufführungen und Agonen als auch von blutigen Gladiatorenkämpfen und Tierhetzen verbindet es beide Götter. Diese Verschränkung der beiden Zuständigkeitsbereiche ist auch in der gemeinsamen kultischen Verehrung greifbar. Neben Inschriften und Münzen, die zugleich Minerva und Mars geweiht sind (z.B. CIL III 1043; Mars und Minerva auf einem Aureus Trajans RIC II,313, Nr. 834), kamen Statuetten von beiden bei ein und demselben Fund zu Tage (siehe dazu: Simon 1990, S. 169). Ovid erzählt gar von einer Liebesgeschichte der beiden (fast. 3,675–696). Jamblichus will Julian hiermit deutlich machen, dass eine Verbindung von Kunst und Krieg, Minerva und Mars, möglich sei, da beider Wesen von Natur aus schon ineinander verschränkt seien. Julian dagegen hält eine gleichzeitige Beschäftigung mit beiden Bereichen weiterhin für nur sehr schwer durchführbar (operosa sunt, V. 887). Er löst das Problem letztlich dadurch, dass er sich vornimmt, die Stunden des Tages Mars zu widmen, die der Nacht Minerva. Er untermalt diese Unterscheidung durch ein weiteres metonymisches Paar, PhoebePhoebus (siehe Comm. ad 894), das durch das Polyptoton einerseits die Gleichwertigkeit, durch das unterschiedliche Genus andererseits die Gegensätzlichkeit zum Ausdruck bringt. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 306–307 bzw. 329–330; Simon 1990, S. 135–145 (Mars) bzw. 168–181 (Minerva); Simon/Bauchhenss 1984b, bes. S. 543; Simon/Bauchhenss 1984c; Latte 1960, S. 163–166; Conti 1584, S. 160– 165 (Mars) bzw. S. 299–313 (Athene/Minerva); Giraldi 1560, S. 306–312 (Mars) bzw. 326–344 (Minerva). 891 Minervai] Der Genitiv Minervai ist hier explikativ verwendet und definiert das Substantiv Numen näher. Der Genitiv Singular der Ersten Deklination endet v.a. im Altlatein häufig auf -āī. An dieser Stelle muss aus metrischen Gründen emendierend auf diese Möglichkeit zurückgegriffen werden. Vgl. Willms 2013, S. 229; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 412–413; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 418–419. 891–892 libros atque lituos ∣ Simul audiam] Eine weitere Reminiszenz an I,1 (V. 109–112). Eine Doppeldeutigkeit der Begriffe ist hier jedoch nicht gegeben. Mit litui sind hier die Signalhörner im Felde zu verstehen. Das Verb audire ist zeugmatisch auf lituos und libros zu beziehen.
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894 Phoebe videbit quos nequit Phoebus libros.] Der römischen Göttin Diana wird von Dichtern in Anlehnung an ihren Zwillingsbruder Phoebus Apollo (‚der Strahlende‘) häufig der Beiname Phoebe verliehen, besonders von Ovid (am. 3,2,51, epist. 20,231, fast. 6,235–236, met. 1,11). Die Identifikation von Diana/Artemis mit der Mondgöttin ist erstmals bei Aischylos zu beobachten (frg. 170). In der römischen Literatur ist diese Zuordnung sehr geläufig (Catull. 34,15– 16; Cic. nat. deor. 2,69). Phoebus ist der bereits bei Homer geläufige Beinamen für den Gott Apollo. Dieselbe Zuteilung von Tag und Nacht an Apollo bzw. Diana ist ausdrücklich bei Cicero zu finden: Illa autem Balbe, quae tu a caelo astrisque ducebas, quam longe serpant non vides: solem deum esse lunamque, quorum alterum Apollinem Graeci alteram Dianam putant. (nat. deor. 3,51) [Du siehst gar nicht, mein Balbus, welch weitreichende Folgen das hat, was du vom Himmel und von den Sternen herzuleiten versucht hast: Sonne und Mond seien Gottheiten, erstere halten die Griechen für Apollo, letztere für Diana.]
Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 61–66; Antoni 2000; Simon 1990, S. 27–34 (Apollo) bzw. 51–58 (Diana); Lambrinudakis u.a. 1984, bes. S. 183–185; Conti 1584, S. 264 (Diana) bzw. 366 (Apollo); Giraldi 1560, S. 217 (Apollo) bzw. 344–347 (Diana). 895 grex novensilis] Dei Novensiles oder auch Dei Novensides ist die Bezeichnung einer Göttergruppe, die inschriftlich (z.B. CIL XI 6297, drittes oder zweites Jhdt. v.Chr.) und literarisch belegt ist (s.u.). Livius legt ihre Anrufung zusammen mit der anderer Götter P. Decius Mus im Kontext einer Devotionsformel aus dem Jahre 340 v.Chr. in den Mund, wobei der Wortlaut sicher historisierende Konstruktion ist: Iane, Iuppiter, Mars pater, Quirine, Bellona, Lares, Divi Novensiles, Di Indigetes, Divi, quorum est potestas nostrorum hostiumque […] (Liv. 8,9,6). Bereits im zweiten Jahrhundert v.Chr. war man sich über die genaue Definition und Zusammensetzung dieser Göttergruppe nicht mehr sicher. Die verschiedenen antiken Erklärungen sind beim christlichen Apologeten Arnobius (drittes oder viertes Jhdt. n.Chr.) zusammengefasst (Arnob. nat. 3,38–39), der anhand der Uneinigkeit über ihr Wesen die Wertlosigkeit der heidnischen Götter aufzeigen will. Laut L. Cincius (frg. 22 GRF) sei die Bezeichnung von lateinisch novus abzuleiten. Demnach seien die Dei Novensiles einstmals neu in das römische Pantheon aufgenommen worden. Denselben etymologischen Ursprung behaupte Cornificius Longus (frg. 8 GRF), deute die Bezeichnung aber als „Götter der Erneuerung“. Von lateinisch novem leite Calpurnius Piso (hist. 45; vgl. Varro ant. rer. div. frg. 213 Cardauns; Mar. Victorin. gramm. VI, S. 26,5–6) ab, dass es sich um neun Götter handeln müsse.
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Sie seien mit den neun etruskischen Blitzgöttern aus den libri fulgurales zu identifizieren (vgl. Manilius frg. 2 GRF). Aelius Stilo (frg. 22 GRF) und Granius Flaccius (frg. 3 GRF) dagegen bezögen die Neunzahl auf die neun Musen. Entsprechende antiquarische Abhandlungen der Frühen Neuzeit geben ebenfalls nur diese von Arnobius gesammelten Erklärungen wieder. Vgl. Faber 1735 I, Sp. 1765–1766 s.v. Novensides; Giraldi 1560, S. 20–21. Auch die moderne Forschung tut sich mit dieser Göttergruppe schwer. Die von Georg Wissowa (²1912) durchgeführte Einteilung des römischen Götterhimmels in die Gruppe der „neuansässigen“ und autochthonen Götter (Di Novensiles und Di Indigetes; vgl. Liv. oben) wurde sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene widerlegt. Man geht heute im Rückgriff auf Calpurnius Piso (vgl. auch Varro ling. 5,73) u.a. davon aus, dass es sich bei den Dei Novensiles um eine in Mittelitalien verehrte Gruppe von neun Göttern handelte, die sabinischen Ursprungs waren. Eine weitere Position geht dahin, sie als eine Göttergruppe unbekannter Zahl und Funktion etruskischen Ursprungs zu sehen. Vgl. Bendlin 2000; Oakley 1997/8 II, S. 484–486; Vetter 1956; Weinstock 1936; Wissowa ²1912, S. 18–19; Wissowa 1904, S. 175–191. Drexel verwendet den Begriff im Sinne von Granius Flaccus und Aelius Stilo für die neun Musen. Die Bezeichnung grex für diese ist in antiken Texten belegt (z.B. Mart. 6,47,4). 897 Minervium tribunal] Das Substantiv tribunal bezeichnet ursprünglich eine erhöhte Tribüne, auf der Amtsträger ihre öffentlichen Aufgaben wie die Abhaltung der comitia oder die Rechtssprechung vollzogen. Nicht zuletzt das Attribut Minervium gibt jedoch an dieser Stelle vor, die Bezeichnung in dem Sinne zu sehen, wie sie bei Vitruv (5,6,7) und Sueton (Aug. 44,3) zu finden ist (vgl. CIL I 2506, X 833). Bei diesen Autoren ist der Begriff für bestimmte Plätze im Theater verwendet. Das (Amphi-)Theater wiederum stellt aber nicht nur den Schauplatz von musischen Aufführungen und Agonen dar, sondern auch von Gladiatorenkämpfen. Siehe auch Comm. ad 886–897. 898–899 nec inter ferreas ∣ Formido segetes demeti.] Die Verwendung von seges im Kontext eines bewaffneten Kampfes ist ein epischen Element, das bei Vergil (Aen. 3,46, 7,526, 12,663) und Claudian (Rufin. 2,391) in dieser Weise vorkommt. 899–900 victoriam ∣ … Celticam] In der Antike war das Gebiet von der iberischen Halbinsel über Mitteleuropa mitsamt Norditalien bis hin zum Karpatenbogen, ja sogar Zentralanatolien, von keltischen Stämmen besiedelt. Für das KeltenBild der Frühen Neuzeit war v.a. Caesar verantwortlich. In seiner ethnographischen Erörterung zu Beginn seiner Commentarii Belli Gallici nennt er neben den
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Aquitanern und Belgern die Celtici als dritte Volksgruppe, die Gallien bewohne. Die Römer hätten Letztgenannten jedoch die Bezeichnung Galli verliehen (Gall. 1,1). Ferner war sich die Frühe Neuzeit aber aufgrund von weiteren antiken Quellen (z.B. Hdt. 4,49,3; Strab. geogr. 1,2,27) sehr wohl bewusst, dass die Bezeichnung Celtae viel weiter zu fassen ist. Philippus Clüver (1616 I, Kap. 2) fasst Germanen, Gallier, Hispanier und Britannier als Kelten auf. Basilius Faber (1735 I, Sp. 505 s.v. Celtae) zählt alle Völker, die Germanien und Gallien bewohnten, zu den Kelten. Vgl. Lafond 1999a; Birkhan 1997, bes. S. 1–51; Cunliffe 1997, S. 1–11; Rankin 1987, bes. S. 1–33 und 103–152. Im vorliegenden Zusammenhang ist Celticus gemäß Caesars Ethnographie als Synonym zu Gallicus zu lesen, da Julian konkret zu einem Feldzug in die gallischen Provinzen aufbricht. 904 Arcemque mundi] Das Substantiv arx bezeichnet u.a. die nördliche Anhöhe des kapitolinischen Hügels in Rom (heute S. Maria in Aracoeli), wird später aber auch zur Bezeichnung für das Kapitol als Ganzes verwendet (vgl. Liv. 1,55,6). In diesem Kontext nimmt der Begriff die Eigenschaften des Kapitols als caput mundi (‚Haupt der Welt‘) und uneinnehmbare Festung im Zentrum des Reiches an. Cicero (Catil. 4,11; vgl. Sull. 33, Verr. 2,5,184) und Prudentius (c. Symm. 1,4; vgl. Symm. rel. 21,1) benutzen arx als Synonym für die Stadt Rom (vgl. Paneg. Lat. 4,35,2). Arx mundi wird somit aber auch zum Symbol für die weltbeherrschende Position der Stadt Rom im Besonderen und des Römischen Reiches und dessen niemals endender Herrschaft im Allgemeinen. Vgl. Kempf, Johann G. 1902: Art. ‚arx‘. In: ThLL II,734,65–743,66. Wenn Jamblichus sagt, dass die Götter die arx mundi zu Julians Heim machen werden, bringt er metaphorisch zum Ausdruck, dass Julian diese Weltherrschaft übernehmen werde. 905–906 quo vade … vadatum] Bei den beiden Wörtern vade und vadatum liegt jeweils ein Fehler in der Bemessung der Silbenquantität vor. Die Stammsilbe vădist eine Naturkürze. Auch der entsprechende Abschnitt bei Álvarez führt das Wort vas in diesem Zusammenhang auf (Inst. gramm. III, fol. 13r ). Bei Drexel könnte es hier zu einer Verwechslung mit dem im Nominativ Singular gleichlautendem vās (‚Gefäß‘) gekommen sein, dessen Stamm wiederum durch eine Naturlänge gebildet wird. Die metrische Bemessung des Verbums vădari könnte außerdem fälschlicherweise von vādere (‚gehen‘) beeinflusst worden sein. 905–906 Numinum ∣ Favore] In der julianfreundlichen Literatur der Spätantike muss die häufig erwähnte besondere Gunst der Götter gegenüber Julian als topisch gelten (Amm. 20,5,4 und 10, 21,2,1–3 und 5,3, 25,4,14; Lib. or. 13,33–34). Auch
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Julian selbst postulierte diese immer wieder in seinen Briefen (ad Ath. 271d–272a, epist. 14). So seien z.B. Anschläge auf seine Person durch die Gunst der Götter vereitelt worden (epist. 26). Baronio hält es ebenfalls für notwendig, auf diesen Themenbereich einzugehen (AE III,770D–771D, IV,2D). Er will daran aber aufzeigen, wie hinterhältig und berechnend Julian das Kaisertum erworben habe. In seiner anfänglichen Heuchelei habe er immer wieder behauptet, ihm sei die Herrschaft widerwillig durch das Wirken einer Gottheit zuteil geworden (velut impellente numine subire Imperium cogeretur, AE III,770D). Als weitere Belege führt Baronio Auszüge aus Ammian (20,5,10 und 21,2,1–3) und den genannten Briefen an. 909 Te duce, hilari, toleramus Arctoas nives.] Die Worte des Priscus, insbesondere das Prädikativum hilari, stellen innerhalb dieser Szene die dritte und letzte Reminiszenz an die Eröffnungsszene des Dramas dar. In dieser drückte Julian seine Bereitschaft aus, als viator hilaris (V. 99) die unwegsamsten Gebiete der Erde mit all ihren Widrigkeiten aufzusuchen, solange nur die Musen bei ihm seien. Auch wenn die Ausmalung durch die Nennung von geographischen Extremen hier auf ein Element verkürzt wurde (Arctoae nives), behält Priscus diesen Gedanken dennoch bei, nennt als Voraussetzung jedoch, dass nun Julian (anstatt der Musen in I,1) als ihr Anführer auftreten müsse. Arctos minor/maior ist die latinisierte Form der griechischen Bezeichnung für die Sternbilder des kleinen und großen Bären (ἄρκτος μικρὰ/μεγάλη). Da diese den geographischen Norden markieren, wurden sie zur Metonymie der nördlichen Himmelsrichtung und der in ihr gelegenen Gebiete, eine Verwendungsweise, die bei Dichtern sehr geläufig ist (Hor. carm. 2,15,16; Verg. Aen. 6,16; Ov. met. 2,132 und 4,625). In der Verbindung mit nives taucht die Bezeichnung bei Seneca auf (Herc. O. 1286). Vgl. Hübner 2001. 911–912 Dominum, parentem, Caesarem, Regem, Ducem, ∣ Timere, amare, colere, venerari, sequi.] Die beiden asyndetisch aufzählenden Verse, die wiederum aus Stefonios Crispus entnommen sind (siehe Similienapparat), worin sie die gleichnamige Hauptperson Crispus untertänig gegenüber seinem Vater ausspricht (zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5), bringen die übertrieben schmeichlerische Absicht von Julians Freunden zum Ausdruck. Gemäß der von Maximus ausgegebenen Maxime bei der Einflussnahme auf Julian, lentius ∣ Tanta ingenia novo imbuuntur dogmate (V. 526–527), gehen sie auch an dieser Stelle vor. Um ihr Ziel zu erreichen, nämlich dass Julian wieder die alten Götter verehrt, drücken sie zunächst ihre grenzenlose Untergebenheit ihm gegenüber aus und schmeicheln ihm dadurch. Ihre Verbundenheit illustrieren sie durch verschiedene Abhängigkeitsverhältnisse, nämlich durch das zwischen Herrn und Sklaven (dominus–[servus]), Vater und Kindern (parens–[liberi]), Herrscher und Unter-
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tanen (Caesar/Rex–[subiectus/civis]) und Feldherrn und Soldaten (dux–[miles]). Dieses Verhältnis wird wiederum durch die Aufzählung von fünf Infinitiven, von denen jeder einerseits mit dem im Vers zuvor an derselben Position befindlichen Objekt korrespondiert (uti Dominum timere, uti partentem amare, uti Caesarem colere, uti Regem venerari, uti Ducem sequi), andererseits aber auch ‚apo koinou‘ auf jedes andere Einzelelement bezogen werden kann. Dabei wird dem zweiten Vers durch eine auffallende Häufung an kurzen Verselemente besondere Eindringlichkeit verliehen. 914 prius studebis] Zur Verwendung des Futur I anstatt eines jussiven bzw. optativen Konjunktivs siehe Comm. ad 783–785. 915–916 thuraque aris Mercuri ∣ Adolebis ipse.] Der Götterbote Merkur/Hermes galt in der heidnischen Religion u.a. als Beschützer des Handels und Verkehrs. Als Schutzgott der Reisenden war er nicht nur für die sichere Ankunft von Lebenden zuständig, sondern auch für die von Verstorbenen, denen er auf ihrem Weg in die Unterwelt als Geleiter zur Seite stand (ψυχοπομπός, ‚Seelengeleiter‘). Jamblichus empfiehlt Julian vor seinem Aufbruch nach Gallien zunächst den Göttern in gebührender Weise zu opfern und dies ganz besonders für Merkur, der ihm eine sichere Reise und Rückkehr gewähren solle. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 225– 229 und 324; Baudy 1998; Simon/Bauchhenss 1992; Siebert 1990; Latte 1960, S. 162–163; Conti 1584, S. 440–451; Giraldi 1560, S. 288–302. Entsprechend der Formulierung bei Ovid pater huius erat, qui […] nullos aris adoleret odores (met. 8,739–740) ist aris in dieser Wendung als Lokativ aufzufassen. Vgl. Bömer 1969–1986 IV, S. 240–241. 917–918 Dis deserentibus … nocent mala omnia.] Zu dieser Sentenz siehe S. 159. Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s (deserentibus nec und protegentibus nec) siehe Comm. ad 383. 924 Chrestianus] Die Bezeichnung der Christen als Chrestiani ist in antiken Zeugnissen mehrfach belegt. Der christliche Apologet Tertullian setzt sich im Zusammenhang mit dem Straftatbestand des nomen Christianum damit auseinander und geht dabei auf die falsche Benutzung der Bezeichnung durch die Heiden ein: Igitur, si nominis odium est, quis nominum reatus? Quae accusatio vocabularum, nisi si aut barbarum sonat aliqua vox nominis, aut infaustum aut maledicum aut impudicum? Christianus vero, quantum interpretatio est, de unctione deducitur. Sed et cum perperam „Chrestianus“ pronuntiatur a vobis (nam nec nominis certa est notitia penes vos) de suavitate vel benignitate compositum est. Oditur itaque in hominibus innocuis etiam nomen innocuum. (apol. 3,5; vgl. außerdem Tert. nat. 1,3; Lact. inst. 4,7,5)
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[Wenn sich also der Hass auf den Namen bezieht – welche Schuld haben Namen? Welche Anklage richtet sich auf Worte, es sei denn, dass ein Name beim Aussprechen entweder barbarisch oder unheilvoll oder beleidigend oder schamlos klingt? Der Name „Christ“ wird aber, was seine Herkunft anbelangt, von „Salben“ abgeleitet. Aber auch, wenn er von euch fälschlich „Chrestianus“ ausgesprochen wird (denn auch über den Namen herrscht bei euch keine genaue Kenntnis), ist er aus „Lieblichkeit“ oder „Güte“ gebildet. An unschuldigen Menschen wird also auch ein unschuldiger Name gehasst.] (Übersetzung: Georges 2015)
Ein weiterer prominenter Text, in dem die Christen als Chrestiani bezeichnet werden, ist das berühmte ‚Christenkapitel‘ in Tacitus’ Annalen (Nero subdidit reos […], quos per flagitium invisos vulgus Chrestianos appellabat, ann. 15,44,1–5; vgl. hierzu v.a. Meier 2012b und Schmitt 2011). Dieses kommt allerdings, auch wenn Drexels Formulierung oculis plebeculae sehr stark das taciteische quos […] vulgus Chrestianos appellabat zu reflektieren scheint, als konkrete Quelle wohl kaum in Frage. Denn alle Editionen, die seit dem Erstdruck (ca. 1470) bis 1608 erschienen sind, liefern die Lesart Christianos (wenngleich Lipsius in seinem Annalen-Kommentar die Lesart Chrestianos ebenfalls angibt, vgl. Lipsius 1600, S. 230). Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Stelle unter (Wieder-)Heranziehung des Codex Laurentianus Mediceus 68 II scheint erst wieder um 1900 der Fall gewesen zu sein. Zu den unterschiedlichen Lesarten und ihrer Bewertung siehe: Lund 2008; Renehan 1968; Koestermann 1968, S. 253–254 und 1967; Michelfeit 1966, S. 517; Fuchs 1963, bes. S. 221–228 und 1950; Hirschfeld 1913, S. 408–409. Somit kommen als Vorlage für Drexel lediglich die christlichen Apologeten in Frage. Er legt dabei Julian die ausdrücklich bei Tertullian und Laktanz überlieferte Bezeichnung, die die Heiden, sei es aus Unwissenheit, sei es aus böser Absicht, für die Christen verwendeten, in den Mund, um dessen Ablehnung des Christentums nicht nur durch sein geplantes Opfer in Taten, sondern auch in Worten Ausdruck zu verleihen. Dabei entspricht er der beschuldigenden Einschätzung aus der Isagoge: Caligulae, Nerones, Attilae, Totilae fere ferro tantum saevierunt, Iulianus etiam lingua, hoc immanior quo litteratior. 925 Constantij post funera] Mit Constantij post funera nennt Julian konkret den Zeitpunkt, an dem er offen zum ‚alten‘ Glauben übergehen möchte. Tatsächlich wird der Tod des Constantius innerhalb des Dramas aber überhaupt nicht behandelt, ja nicht einmal erwähnt. Ab dem dritten Akt erscheint Julian als Alleinherrscher. Weder seine Ausrufung zum Augustus durch seine Truppen in Gallien noch die damit verbundene Usurpation gegen Constantius werden angesprochen. Lediglich die Perioche erwähnt den Tod des Constantius. Zur Frage nach dem konkreten Zeitpunkt von Julians Apostasie siehe Comm. ad 591.
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II,6 Bei der hier behandelten Anekdote lehnt sich Drexel enger als an anderen Stellen an seine Vorlage Baronio (AE III,612D–E) an, bei dem wiederum Theodoret (hist. eccl. 3,3) ausführlich zitiert wird. Dieselben Geschehnisse schildert auch Gregor von Nazianz (or. 4,55–56). Diese Episode soll sich noch zu Lebzeiten von Julians Halbbruder Gallus abgespielt haben und stellt somit innerhalb des Dramas einen starken Anachronismus dar. Nachdem Gallus zum Caesar ernannt worden war, sei Julian von Neid ergriffen worden und in ihm sei immer mehr der Wunsch herangereift, sich selbst einmal der Herrschaft zu bemächtigen. Diese Sehnsucht habe er stetig durch dunkle Prophezeiungen genährt. In Griechenland soll er zahlreiche Wahrsager aufgesucht haben. Dabei habe er u.a. ein Götzenheiligtum betreten, das ihn in seinen Zukunftshoffnungen bestärken sollte. In diesem soll die hier behandelte Episode stattgefunden haben. Im Iulianus platzierte Drexel diese Erzählung jedoch in den Kontext von Julians Gallienfeldzug. Dieselbe Anekdote hatte Drexel bereits zuvor in seinem Drama Loquens Triumphus Crucis aus dem Jahr 1606 behandelt. Anhand zahlreicher, lose aneinandergereihter Einzelerzählungen beschreibt Drexel darin die siegreiche Wirkmacht des Kreuzes. In der zweiten Szene des fünftes Aktes (fol. 222v –224r ) betritt Julian zusammen mit dem Wahrsager Zoroaster eine Dämonenhöhle, um mehr über seine Zukunft zu erfahren. Das Kreuzzeichen vertreibt auch hier die Mächte der Hölle. Die Szene dient im Drama einerseits derselben Absicht, nämlich die Sieghaftigkeit des Kreuzes zu illustrieren. Andererseits bildet sie mit den Anweisungen des Libanius am Ende, nach der Übernahme der Alleinherrschaft sofort gegen das Christentum vorzugehen, den Übergang zum dritten Akt, in dem sich Julian, mittlerweile zum Alleinherrscher aufgestiegen, offen vom Christentum entfernt und aktiv gegen dasselbe vorgeht. Trotz des Untergangsszenarios, das Libanius am Ende des zweiten Aktes für die Christen zumindest andeutet, entlässt Drexel den (christlichen) Zuschauer aber nicht mit blanker Furcht vor den folgenden antichristlichen Maßnahmen in die Aktpause. Vielmehr lässt diese Anekdote über die Wirkmacht des Kreuzes die Lösung der dramatischen Verwicklung bereits hervorblitzen und ruft zum Glauben an seine rettende und erlösende Kraft auf. Selbst ein Julian kann diese Hoffnung nicht ersticken, ja er selbst wundert sich über die Macht des Kreuzes. Bei seiner Rückkehr aus dem Lararium verkündet er in nur drei Worten, dass er nun über sein kommendes Schicksal unterrichtet sei (Redeo futuri gnarus, V. 951). Über den Inhalt der Prophezeiung wird das Publikum im Unklaren gelassen. Viel größeres Gewicht wird dagegen auf die Wirkmacht des Kreuzzeichens gelegt und auf den Eindruck, den dieses auf Julian ausgeübt hat. Dies zeigt sich darin, dass er dazu sofort Nachfragen an Libanius stellt. Seine Frage At quae tanta vis ∣ Inest crucis
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typo? (V. 951–952) ist somit Auftakt zu Julians Kampf gegen das Christentum sowie zur Gegenhandlung, an deren Ende Julians Tod und der Triumph des Kreuzes steht. Es sind Julians Ratgeber, die ihn von seinen berechtigten Zweifeln abbringen. Er gehorcht trotz der bereits erfolgten heimlichen Apostasie seinem ‚christlichen Instinkt‘ und schlägt in Gefahr und Furcht das Kreuz, dessen Macht er daraufhin bewundert. Wie bei Theodoret und Gregor von Nazianz ist es aber sein Begleiter, hier Libanius, der die Geschehnisse im Lararium gemäß seiner Absichten deutet. Bei Theodoret weist der Begleiter darauf hin, dass das Verschwinden der Dämonen nicht auf Julians Zukunftshoffnungen zu beziehen sei, sondern ihr Verhalten ein Zeichen ihres Hasses auf das Kreuzzeichen sei. Laut Gregor jage das Kreuz den Dämonen keine Angst ein, sondern rufe ihre Abscheu hervor. Libanius hält sich bei Drexel sehr stark an die Deutung Gregors. Damit soll Julian getäuscht und in seinem Vorhaben bestärkt werden. 927 O pectus, o oculus meus, Libanius] In der Bedeutung ‚Freund‘, im Sinne von ‚ein Herz und eine Seele‘, wird pectus beispielsweise von Seneca (dial. 12,19,1) und Valerius Maximus (2,2,1 und 6,2,11) sowie in der Anthologia Latina (Anth. Lat. 443,6) gebraucht. Vgl. Gatti, Paolo 1991: Art. ‚pectus‘. In: ThLL X,1,908,12–917,22, bes. 917,3–12. Zur Verwendung von oculus zur Bezeichnung von geliebten Menschen siehe Comm. ad 1477–1478. 928–929 Iul.: meo Libanio plurima salus. ∣ Lib.: Meae saluti] Zu Wortspielen bei Begrüßungen siehe Comm. ad 141–142. 931 Lararium] Bei einem Lararium handelt es sich um ein kleineres begehbares Privatheiligtum, in dem die Schutzgötter eines Hauses oder einer Familie verehrt wurden (vgl. Hist. Aug. Alex. 29,2). Baronio spricht im Rahmen der hier behandelten Episode in Anlehnung an Theodoret von einem fanum simulacrorum (‚Götzenheiligtum‘, AE III,612E). Gregor von Nazianz (or. 4,76) lässt diese Ereignisse in einem schwer zugänglichen und schauerlichen Heiligtum stattfinden. Die Perioche spricht von einer „Götzencapel“. Frühneuzeitliche Lexika geben lararium als ‚Hausgötzencapelle‘ wieder (vgl. Kirsch 1774 s.v. lararium). Siehe auch Hübner, Wolfgang 1973: Art. ‚lararium‘. In: ThLL VII,2, 967,67–77; vgl. Faber 1735 I, Sp. 1363 s.v. lararium. Zur möglichen Lokalisierung der Ereignisse siehe Kurmann 1988, S. 186–187. 935–936 Lib.: Parere Caesar si lubet. Iul.: pareo. para ∣ Gressum. appara lararium.] Die Assonanz innerhalb des Wortspiels aus den beiden Polyptota von parere bzw. parare dient dazu, Julians Ungeduld zu verdeutlichen. Er will sich
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nicht länger von Libanius über mögliche Gefahren belehren lassen, sondern nun endlich zur Tat schreiten. Die beiden Aufforderungen para [gressum] und appara [lararium] gehören in den sakralen Kontext, der hier durch die Örtlichkeit gegeben ist. Erstere scheint auch in der christlichen Liturgie einen gewissen Platz gefunden zu haben (vgl. z.B. AH XXXVII,98,2b,3). Das Verb apparare wird bereits in der (heidnischen) Antike im sakralen Kontext verwendet (vgl. z.B. Plaut. Capt. 860–861; Liv. 5,13,6; Sen. Med. 577) und bezeichnet das Herrichten des Ortes (z.B. Altar, Nische, Schrein, etc.), an dem eine Kulthandlung vollzogen wird. Vgl. Klotz, Alfred 1901: Art. ‚apparo‘. In: ThLL II, bes. 270,1–5. 939 typo crucis] Laktanz betont ausdrücklich die abschreckende Wirkung, die das Kreuzzeichen auf Dämonen ausübt (inst. 6,27). In derselben Weise wird es in III,4 vom Christen Syncerastus eingesetzt, als Julian der Hekate ein Opfer darbringen will (V. 1185). Das Kreuzzeichen zur Abwehr von Schreckensbildern während einer Teufelsbeschwörung finden sich auch im Theophilus (V. 390). Eine ganze Sammlung von Beispielen, die die vorliegende Erzählung ebenfalls enthält, liefert Jakob Gretser in seiner Schrift De cruce Christi (Iacobi Gretseri Societatis Iesu sacrae Theologiae in Academia Ingolstadiensi Professoris De cruce Christi, Tomus Primus, accurate recognitus, auctus, et in quinque libros distributus. Ingolstadt 1600, S. 641–656). 944–950 Futuri praescius … Iulianus natus est.] Mit der kurzen Dialogpassage zwischen Jamblichus, Ecebolius und Maximus verfolgt Drexel zweierlei Motive. Zum einen überbrückt sie szenenintern die Zeit, in der sich Julian und Libanius innerhalb des Larariums befinden und somit die Bühne verlassen haben. Zum anderen besitzt sie einen reflektierenden Charakter. Sie hebt noch einmal explizit einen zentralen Punkt hervor, der mitverantwortlich dafür war, dass Julian vom Christentum abgefallen ist: Maximus erinnert daran, dass er es war, der darauf hingewiesen habe, dass Julian seinen Philosophenfreunden so hörig sei, dass er alles tun werde, was sie ihm rieten (vgl. V. 526–529). Dies habe dazu geführt, dass er sich zu den alten Göttern bekenne. Ecebolius und Jamblichus geben ihm insofern recht, als sie sich selbst zu solch einem Herrscher beglückwünschen. 956 quam primum] Die Verwendung von quam primum als Konjunktion anstelle des üblichen cum/ut/ubi primum ist neulateinisch. Vgl. Krebs ⁷1905–1907 II, S. 442. 957 tremiscet] Seit der Spätantike ist ein Lautwandel von -ē- zu -i- u.a. bei den Verben mit Präsensstamm auf -sc- festzustellen. Vgl. Stotz 2002–2004 III, S. 18 § 13.9.
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959 disturbabis] Zur Verwendung des Futur I anstatt eines jussiven bzw. optativen Konjunktivs siehe Comm. ad 783–785. 960 Nostratiumque signa Numinum] Libanius’ Bezeichnung der ‚alten‘, einheimischen Götter als numina nostratia korrespondiert antithetisch mit der späteren Bezeichnung des Christengottes durch Julian als neumodischen, dahergelaufenen Gott (Deus novitius, V. 964, siehe auch Comm. ad locum; bzw. novus Deus, V. 977–978). 961 nunc serviendum tempori.] Die Redewendung tempori serviendum est findet sich häufig bei Cicero (vgl. Att. 10,7,1, fam. 9,7,1 und 10,3,3, ähnlich Att. 12,51,2, fin. 3,73; vgl. Sen. Med. 175). Vgl. Otto 1890, S. 342–343.
Dritter Akt III,1 Die erste Szene des dritten Aktes behandelt in doppelter Weise Julians öffentliche Abkehr vom Christentum. Diese erfolgt zunächst verbal (V. 963–986). Im Folgenden vollzieht er mit der rituellen Taufabwaschung seine Apostasie in einem performativen Akt (V. 987–997). Sein durch eine Geminatio betonter Ausruf Galilaee, Galilaee leitet seinen Monolog ein, in dem er Christus und dessen Religion aufs Schärfste verflucht. Dieser ist von einer ganzen Reihe von aufzählenden Trikola durchzogen. Schritt für Schritt erhöhen diese beim Rezipienten die gewünschte Wirkung des Entsetzens: Der asyndetischen Aneinanderreihung der weitgehend bedeutungsgleichen Verben Detestor, execror, eiero (V. 965) folgt eine dreifache Aufzählung mit wachsenden Gliedern. Diese fasst drei Stationen des Leidens Christi (Furcam tulit, pependit in furca, necem ∣ Est passus in furca, V. 966– 967) abwertend zusammen. Die despektierliche Bezeichnung des Kreuzes als furca statt des geläufigen Wortes crux (vgl. Comm. ad 966) wird durch seine dreimalige Wiederholung besonders hervorgehoben. Die anschließende Aufzählung von zehn Göttern des römischen Pantheons soll durch ihre bloße Anzahl die Überlegenheit über den einen Christengott zum Ausdruck bringen. Zwei weitere Trikola, mit denen sich Julian laut und deutlich (libere, laete, palam, V. 975) zur Verehrung der Götter bekennt (sacrifica ∣ Adoro prece, veneror, colo, V. 973–974), markieren die nächste Stufe seines Frevels. Die leidenschaftliche Inbrust in seinen Worten erreicht im vierfachen Asyndeton Pronuntio, proclamo, testor, deprecor (V. 976), das einen ganzen Vers für sich allein einnimmt, ihren Höhepunkt. Julian sagt sich verbal nicht nur von Christus selbst (in seinen Augen ein Zauberer und Anstifter zu Verbrechen: Ille architectus fascini et scelerum sator, V. 983) los, sondern auch von der gesamten christlichen Religionspraxis (caelites; caerimoniae; dogmata, V. 977–980). Nach einer erneuten Verfluchung Christi und dessen Religion (V. 981–986) sieht Julian nur noch ein Hindernis: Es reue ihn, je Christ gewesen zu sein und die Taufe empfangen zu haben. Diese will er in einem dämonischen Ritual mit Opferblut wieder von sich abwaschen. Im dritten und letzten Teil der Szene (V. 998–1022) geht Julian dazu über, Anordnungen zur Wiederherstellung der alten Religion zu geben, und folgt dabei der Anweisung des Libanius aus Szene II,5 (vgl. V. 956–960). Julian befiehlt zum einen, die Tempel der heidnischen Götter wieder zu öffnen und zugänglich zu machen, zum anderen ruft er die typischen Kulthandlungen der heidnischen Religi-
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onspraxis wieder ins Leben (Tieropfer, Prozessionen, Weihrauchopfer, Eingeweideschau, rituelle Reinigungen und Trankopfer). Die gesamte Szene gehört nicht zuletzt durch ihre prägnante Stellung zu Beginn des dritten Aktes, der sowohl den Höhepunkt von Julians Hybris bildet als auch die Gegenhandlung immer stärker in Gang bringt, zu den wichtigsten des Dramas überhaupt. Sie zielt durch ihre markanten rhetorischen Mittel im ersten und dem performativen Akt der Taufabwaschung im zweiten Teil besonders stark auf die emotionale und sinnliche Wahrnehmung des Zuschauers ab. Entsetzen soll das Publikum ergreifen, wenn es mit den Ohren Julians gotteslästerliche Worte einerseits und mit den Augen sein dämonisch-barbarisches Reinigungsritual andererseits miterlebt. Dabei erscheint Julian jedoch im Gegensatz zum Großteil der vorangegangenen Szenen nicht mehr länger als gebildeter und feinsinniger Philosoph und Literat, der sich in seinen Aussagen häufig an Horaz oder Seneca anlehnt. Sein ausführlicher Monolog zum Beginn des dritten Aktes zeichnet sich v.a. durch eine weitgehend unausgefeilte und grobschlächtige Rhetorik und Pathetik aus. Seine Worte weisen einen inflationären Gebrauch von einfachsten rhetorischen Silmitteln auf, allen voran die zahlreichen z.T. in ein Trikolon gegossenen Synonymreihen (z.B.: Detestor, execror, eiero, V. 965; Pronuntio, proclamo, testor, deprecor, V. 976), Geminationen bzw. Anadiplose (Galilaee, Galilaee, … tandem vale ∣ Vale…, V. 963–964; Sic, sic, … ∣ Sic …, V. 1007–1008), Wortwiederholungen (z.B.: Furcam tulit, pependit in furca, necem ∣ Est passus in furca, V. 965– 966) und asyndetischen Aufzählungen ohne Varianz (z.B.: Te Apollo, te Iupiter, …, te Victoria, V. 970–972). Ein fast durchgängig parataktischer Satzbau verstärkt diesen Eindruck. Intertextuelle Anspielungen bleiben aus. Seine Transformation vom vorbildlichen Christen hin zum heidnischen Christenverfolger ist somit auch auf sprachlich-stilistischer Ebene zum Abschluss gekommen. 963–964 Galilaee, Galilaee, mihi iam tandem vale ∣ Vale Deus novitius] Unmittelbare bzw. versübergreifende Geminationen bzw. Epanalepsen, wie sie hier und weiter unten (vgl. Sic, sic colantur magna nostra Numina, ∣ Sic …, V. 1007–1008, ferner V. 1186, 1777, 1785–1787, 2475, 2510–2514, 2543–2544) zu finden sind, stellen ein häufig verwendetes Stilmittel bei lateinischen Dichtern (Hor. carm. 2,14,1 und 4,6,17, epist. 1,1,53; Verg. ecl. 6,20–21; Ov. trist. 1,2,20 und 22, met. 12,172–173), allen voran in Senecas Tragödien (Ag. 656; Herc. f. 50, Herc. O. 207, Oed. 642–643, Tro. 170), dar, das eine besondere emotionale Aufgebrachtheit und innere Erregung zum Ausdruck bringt. Vgl. Maurach ²2006, S. 28–30; Canter 1925, S. 157. 963 Galilaee, Galilaee] ‚Galiläer‘ (Γαλιλαῖοι) ist durchgängig die spöttische Bezeichnung für die Christen in Julians Schriften. Sie hebt die einfache und ländliche Herkunft Jesu und seiner Anhänger abwertend hervor. Laut christlicher Po-
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lemik habe Julian als Alleinherrscher sogar per Edikt verfügt, dass die Christen mit diesem Namen bezeichnet werden müssen (vgl. Greg. Naz. or. 4,76; Joh. Chrys. Paneg. Bab. 2,120). Baronio (AE IV,106B) macht für dieses Verhalten Julians Erlebnisse im Dämonenheiligtum, die in der vorangehenden Szene behandelt wurden, mitverantwortlich und folgt dabei der Schilderung bei Gregor von Nazianz (or. 4,74 und 76): Da die Dämonen vor der Bezeichnung ‚Christ‘ zurückschreckten, habe der Kaiser diese Maßnahmen getroffen. Ferner behauptet Johannes Chrysostomos (Paneg. Bab. 2,120), dass Julian damit das Ziel verfolgt habe, auch den christlichen Namen von der Erde zu tilgen, nachdem er bereits Kirchen und Heiligtümer der Christen zerstört hatte (vgl. V. 956–960). Vgl. Kurmann 1988, S. 258– 259; Bertram/Klauser: 1972, Sp. 802–803. Betrachtet man diese Bezeichnung im Kontext des Dramas, so ist ein weiterer wichtiger Aspekt festzuhalten: Der geminierte Ausruf Galilaee, Galilaee bildet den Auftakt zum dritten Akt, der in vielerlei Hinsicht den dämonischen Höhepunkt von Julians Hybris darstellt. Der Ausruf zu Beginn leitet damit aber auch die grausamen Handlungen gegen die Christen ein, die Julian nach seinem Aufstieg zum Alleinherrscher ausführen lässt. Den beiden Anfangsworten wohnt nicht nur Verachtung und Spott, sondern auch das scheinbare Hochgefühl des Triumphes über Christus inne. Damit wird hier ein Bogen zum Ende des Dramas gespannt, wo ein Bote Julians berühmte letzte Worte, Galilaee vicisti; saturare sanguine ∣ Nazaraene (V. 2507–2508), in einer wörtlichen Rede wiedergeben wird. Innerhalb dieses Bogens kehren sich die Verhältnisse allerdings um. Aus Julians scheinbarem Sieg wird der unzweifelhafte Triumph Christi. Der Rezipient kennt entweder aus seinem Vorwissen heraus oder durch die Zusammenfassung des Stücks in der Perioche bereits Julians letzte Worte. Der geminierte Vokativ Galilaee, Galilaee zum Beginn des dritten Aktes muss den Rezipienten unweigerlich an das Ende des Dramas denken lassen, wodurch dieser Ausruf eine übergeordnete Bedeutungsebene eröffnet. 964 Deus novitius] Das Attribut novitius ist zunächst einmal wertneutral als ‚neu‘ zu verstehen. Entsprechend wird es z.B. zur Bezeichnung von neu erworbenen Sklaven und später von Neulingen im Ordensstand (Novizen) verwendet. An dieser Stelle ist novitius jedoch stark despektierlich, im Sinne von ‚Emporkömmling‘ verwendet. „Dieser neumodische Gott der Galiläer“, wie ihn Julian selbst in einem in lateinischer Sprache überlieferten Brief nennt (illum novum […] deum Galilaeum, epist. 90), könne es nicht mit den alten römischen Göttern aufnehmen, die seit Urzeiten für das Wohl und die Stärke des Staates sorgten. Die frühen Christen vertraten entschieden den Neuheitsanspruch ihrer Religion (vgl. Clem. Al. strom. 6,41,4–6) und trennten sich somit strikt von der heidnischen sowie jüdischen Re-
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ligion. Zum Vorwurf des Traditionsbruchs gegen die Christen siehe auch Comm. ad 537–543. 965 Detestor, execror, eiero] Verwünschungen und Flüche werden in den Tragödien Senecas ebenfalls in asyndetischer Form zum Ausdruck gebracht (vgl. Med. 507, Phaedr. 566). Vgl. Canter 1925, S. 170. Siehe auch S. 160 mit Anm. 133. 966–967 Furcam tulit, pependit in furca, necem ∣ Est passus in furca] Das Substantiv furca bezeichnet im Gegensatz zum zuvor verwendeten Begriff crux ursprünglich eine gabelartige Holzkonstruktion, die in Form eines umgekehrten Λ oder eines Y zusammengefügt wurde. An ihr wurden vornehmlich Sklaven ausgepeitscht. Das Auspeitschen an der furca konnte aber auch eine Vorbereitung der Todesstrafe sein, die z.B. durch eine Kreuzigung vollzogen wurde (vgl. Plaut. Cas. 389; Cic. div. 1,55; Liv. 2,36,1; Lact. inst. 2,7,20). Der Ausdruck furcifer (vgl. Comm. ad 989) wurde entsprechend zu einem Spottnamen für einen Sklaven. In der Spätantike wurde die Kreuzesstrafe aus Ehrfurcht vor dem Tode Christi abgeschafft und durch den Tod an der furca ersetzt. Indem Drexel Julian den Begriff furca anstatt crux benutzen lässt, stellt er den Frevel seiner Hauptperson noch deutlicher heraus (siehe auch Comm. ad 990). Anstatt die ehrwürdige Bezeichnung crux zu verwenden, die seit Konstantin für den Tod Christi reserviert ist, wiederholt er in nur eineinhalb Versen dreimal den Begriff furca. Nicht das für die Welt Heil bringende Leiden am Kreuz soll hier assoziiert werden, sondern allein die schändliche Marter und Hinrichtung eines Sklaven. Vgl. Cook 2014, S. 37–45; Schmitz 2013, S. 321; Cook 2012; Heid 2006a; Schiemann 1997a; Garnsey 1970, S. 128–129; Hitzig 1910; Hitzig 1901a. Zur Schande des Kreuzestodes in den Augen der Heiden siehe auch Comm. ad 537–543. 967 Deus, si Dis placet] Der konditionale Nebensatz stellt eigentlich eine unreflektierte Beteuerungsformel dar. Diese nimmt hier aber eine weitreichendere Funktion an: Den (heidnischen) Göttern soll es laut Julian obliegen, die Entscheidung über den göttlichen und ewigen Status des am Kreuz gestorbenen Christus zu fällen. Da es nach antik-heidnischer Sicht aber unvorstellbar ist (vgl. Comm. ad 537–543), dass ein Mensch, der wie ein Sklave hingerichtet worden ist, ein Gott sein oder werden könne, muss diese sonst so unreflektierte Aussage als überaus verachtend und spöttisch angesehen werden. Dies wird sprachlich dadurch verstärkt, dass deus und seine Attribute aeternus ille durch die Formel si Dis placet, die in Antithese zum einen deus steht, gesperrt werden. Vgl. Iul. epist. 90: deum Galilaeum, quem aeternum fabulose praedicat [sc. Diodorus].
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970–974 Te Apollo … Deosque Deasque cunctas sacrifica ∣ Adoro prece, veneror, colo] Die aufzählende Anrufung der wichtigsten Götter des heidnischen Pantheons wird durch die allgemeine Anrede von allen Göttinnen und Göttern (vos Deosque Deasque) abgeschlossen. Diese Formel ist in der römischen Religion (wie auch in der christlichen liturgischen Praxis, vgl. die Allerheiligenlitanei: […] omnes sancti et sanctae Dei) der typische Abschluss einer aufzählenden Anrufung von Göttern (vgl. Liv. 1,32,9 und 6,16,2; Verg. georg 1,21 und Aen. 6,64). Er soll gewährleisten, dass vor dem Hintergrund der peinlich genauen Beachtung von religiösen Vorschriften bei den Römern formal kein Gott, der für das Anliegen ebenfalls zuständig sein könnte, aus Versehen ausgelassen wird. Servius fasst diese Praxis in seinem Kommentar zur genannten Stelle in Vergils Georgica folgendermaßen zusammen: Post specialem invocationem transit ad generalitatem, ne quod numen praetereat, more pontificum, per quos ritu veteri in omnibus sacris post speciales deos, quos ad ipsum sacrum, quod fiebat, necesse erat invocari, generaliter omnia numina invocabantur. (Serv. georg. 1,21) [Nach der Anrufung von einzelnen, konkreten Gottheiten geht er zu einer allgemeinen über, damit er keinen Gott übergehe. Er geht dabei wie die Priester vor, die nach altem Religionsbrauch in allen heiligen Handlungen nach den konkreten Göttern, die zu eben derjenigen heiligen Handlung, die gerade durchgeführt wird, anzurufen sind, auch noch alle Götter ganz allgemein anrufen.]
Auch die folgenden Verben in der Ersten Person Singular (sacrifica adoro prece, veneror, colo) gehören zum typischen Vokabular von Götteranrufungen. Eine ganz ähnliche asyndetische Aufzählung der wichtigsten Götter der römischen Religion findet sich auch in den Bacchides des Plautus (Bacch. 892–895). Vgl. Oakley 1997/8 I, S. 533–534; Hickson 1993, S. 34–35; Latte 1960, S. 62; Wissowa ²1912, S. 37–38 und S. 396–398; Appel 1909, S. 83–86. 981 stipite] Siehe Comm. ad 543. 983 Ille architectus fascini et scelerum sator] Die Begriffe fascinum und scelera summieren weitere Vorwürfe, mit denen sich Christen in den ersten Jahrhunderten immer wieder konfrontiert sahen (vgl. Comm. ad 537–543). In seinem zwischen 197 und 246 n.Chr. verfassten Dialog Octavius lässt der christliche Apologet Minucius Felix einen Vertreter der alten Religion, Marcus Cornelius Fronto, von moralisch-sittlicher Verkommenheit berichten, die bei den Christen zu beobachten sei (Min. 9). Die Christen stünden in Verbindung mit Hexerei und begingen furchtbare Verbrechen. Dazu gehöre, dass sie angeblich auf geheime Erkennungs-
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zeichen zurückgreifen und Inzest treiben (vgl. auch Athenag. suppl. 3; Theoph. ad Autol. 3,4). Ferner sollen sie nicht nur das Kreuz und einen Esel kultisch verehrt haben (vgl. auch Tert. apol. 16,1–5, nat. 1,14,1–4; siehe auch das Spottkruzifix vom Palatin, abgebildet bei Guyot/Klein 1993/4 II, S. 232. Dasselbe unterstellte bereits Tacitus den Juden, vgl. hist. 5,3), sondern sogar die Genitalien eines Priesters. Ebenfalls seien ritueller Kindsmord, Kannibalismus und sexuell ausschweifende Gastmähler bei ihnen verbreitet (vgl. auch Tert. apol. 7,1; Orig. c. Cels. 6,27 und 40; Iust. Mart. apol. 10,1). Kelsos diffamiert Christus ferner als einen Scharlatan und Magier (Orig. c. Cels. 1,6, 28 und 71, 6,40; vgl. auch Arnob. nat. 1,43–44; Iust. Mart. apol. 1,30). Vgl. Thomas 2011, S. 44–46 und 101; Fiedrowicz 2004, S. 250, S. 257–263 Nr. 185–187, S. 471–482 Nr. 374–378 (mit Übersetzungen der genannten Quellen); Fiedrowicz ²2001, S. 182–185 und 256–260; Vos 2000; Guyot/Klein 1993/4 II, S. 154–167 und 212–232; Fédou 1988, S. 397–402; Wilken 1986, S. 106–112; Gallagher 1982; Benko 1980, S. 1081–1083 und 1101–1102; Schäfke 1979, S. 596–602; Speyer 1963; Gigon 1966, S. 111; weitere Literatur zu den hier behandelten Vorwürfen bei Guyot/Klein 1993/4 II, S. 396 und 400–401. 985–986 Abduxit a Dijs, … legibus contrarias.] Zum Vorwurf des Traditionsbruchs gegen die Christen siehe Comm. ad 537–543 und ad 964. An dieser Stelle wirft Julian mit seiner Formulierung [Christus] novasque condidit ∣ Leges Christus und seinen Anhängern nicht nur den Bruch mit den uralten religiösen Traditionen der Römer (deorum legibus contrariae) vor. Mit den leges novae nimmt er gleichzeitig Bezug auf das Neue Testament als lex nova (vgl. Hübner, Wolfgang 1974: Art. ‚lex‘. In: ThLL VII,2,1245,50–67), das Christus, so der Vorwurf, in Abgrenzung zum Alten Testament begründet habe. Somit stellt Julian auf sekundärer Ebene auch den Bruch der Christen mit den eigenen religiösen Wurzeln, d.h. mit dem Alten Testament bzw. Judentum, besonders heraus. Ähnliche Vorwürfe werden schon in der Apostelgeschichte gegenüber Stephanus, dem laut Überlieferung ersten Märtyrer der Kirche, vom Hohen Rat der Juden formuliert: audivimus enim eum dicentem quoniam Iesus Nazarenus hic destruet locum istum et mutabit traditiones quas tradidit nobis Moses (Act 6,14: Denn wir haben gehört, wie er sagte, dass dieser Jesus von Nazareth diese Stätte zerstören und die von Moses überlieferten Gesetze ändern werde.). Eben diesen doppelten Abfall wirft Julian auch in seiner Schrift Contra Galilaeos den Christen vor (c. Gal. frg. 58). Den ‚ersten christlichen‘ Kaiser Konstantin, seinen Onkel, bezeichnete er laut Ammian ausdrücklich als „Neuerer und Zerstörer der alten Gesetze und von Alters her überlieferten Tradition“ (Tunc et memoriam Constantini, ut novatoris turbatorisque priscarum legum et moris antiquitus recepti vexavit, Amm. 21,10,8). Vgl. Schöllgen 2013, Sp. 1075–1076; Lippold 2001, Sp. 478; Schäfke 1979, S. 630–639.
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988 Annisque vicenis] Siehe Comm. ad 757. 989 Furcifero] Furcifer ist ein typisches Schimpfwort aus der römischen Komödie, das meist auf Sklaven (Plaut. Amph. 285, Most. 1172; Ter. Andr. 618, Eun. 989; Hor. sat. 2,7,22), Verbrecher (Cic. Vatin. 15, Pis. 14) oder Personen niederer Herkuft wie Kuppler (Plaut. Asin. 677), Krämer (Plaut. Asin. 485), Fischer (Plaut. Rud. 996), Soldaten (Ter. Eun. 798), Witzemacher (Apul. met. 10,16,7) und Parasiten (Plaut. Aul. 326) angewandt wird. Vgl. Cook 2014, S. 44–45; Opelt 1965, S. 59–89, 92, 98–99 und 154; Rubenbauer, Hans 1924: Art. ‚furcifer‘. In: ThLL VI,1,1610,84–1611,36. 990 Piaculari tinxerit me flamine.] Drexel legt hier seinem Julian vermutlich bewusst das Wort flamen anstatt des zu erwartenden spiritus in den Mund. Eine metrische Notwendigkeit zu einer Veränderung bestand nicht. Julian setzt damit seinen ablehnenden Spott über die Christen wie bereits zuvor bei den Wortpaaren crux/furca (vgl. Comm. ad 966–967) und Christiani/gens Galilaea (V. 989) auf begrifflicher Ebene fort. Dabei nimmt er die Beschreibung des Pfingsterlebnisses aus der Apostelgeschichte (Act 2,1–3) als Aufhänger. Dort heißt es, dass, als alle am gleichen Ort versammelt waren, vom Himmel her ein Brausen kam, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt (Erant omnes pariter in eodem loco. Et factus est repente de caelo sonus tamquam advenientis spiritus vehementis). Dieses Bild des kraftvollen Sturms zieht Julian ins Lächerliche, indem er von einem „Blasen“ bzw. „Hauch“ spricht. Freilich sind flamen und spiritus im Allgemeinen als synonym zueinander zu behandeln. Die Tatsache jedoch, dass Julian nicht auf das im christlichen Kontext etablierte spiritus zur Bezeichnung des dritten Teils der Dreifaltigkeit zurückgreift, sondern das in diesem Zusammenhang völlig ungebräuchliche flamen heranzieht, muss als deutliche Schmähung interpretiert werden. Nach christlicher Lehre ist die Taufe das Symbol für den sündentilgenden (piacularis) Kreuzestod Christi (Act 2,38 und 22,16, I Pt 3,18–22, I Io 1,7). Der Täufling wird dadurch in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen und erhält Anteil an der Sündenvergebung durch den Tod Christi. Vgl. Kühn 2001; Scheffczyk/Ziegenaus 1996–2003 VII, S. 192–226; Koch 1995, S. 381–403; Nocke ²1995, bes. S. 226–259. 991 Afferte sanguinem; eluam fontem impium.] Hier wird dem Weihwasser der Taufe (fons) mit dem Begriff ‚Opferblut‘ (sanguis) wiederum ein typisches Element der heidnischen Religion gegenübergestellt. Fons wird an dieser Stelle, wie bei christlichen Autoren seit der Antike üblich (vgl. z.B. Firm. err. 28,1; Prud. cath. 6,126), als Bezeichnung für die Taufe bzw. als Synonym für baptisma verwendet. Vgl. Vollmer, Friedrich 1920: Art. ‚fons‘. In: ThLL VI,1,1024,53–60.
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Baronio zieht für seine Erzählung dieser Ereignisse (AE IV,2E) den Bericht Gregors von Nazianz (or. 4,52) heran. Die Schilderung der Taufabwaschung gehört zu den typischen Elementen der negativen Julian-Rezeption in der Frühen Neuzeit. Sie wird ebenfalls im Triumphus Divi Michaelis behandelt (V. 1135–1183). Auch hier bildet die Reue über sein früheres Christsein und die damit verbundenen Schmähungen gegen den Zimmermannssohn Jesus den Ausgang für das Ritual. In seinem Lobpreis auf den Märtyrer Romanus schildert der spätantike christliche Dichter Prudentius (348/9–nach 405) ebenfalls eine solche rituelle Taufabwaschung durch Opferblut (perist. 10,1011–1050), die wörtlich zitiert Eingang in Baronios Kirchengeschichte gefunden hat (AE IV,3B–4A). Im Gegensatz zur Bearbeitung im Triumphus war diese Schilderung jedoch nicht die konkrete Vorlage für Drexel, da grundlegende Details nicht übereinstimmen. Drexel hielt sich dagegen stärker an die erwähnte, von Baronio verarbeitete Passage bei Gregor von Nazianz. Julians Aufforderung Afferte sanguinem ist des Weiteren neben dem konkreten Kontext der Szene gleichzeitig auch auf einer Makroebene zu verstehen. Denn sein Befehl birgt eine (typisch senecanische) Doppeldeutigkeit. Der Wunsch nach Blut, um gewissermaßen seinen Blutdurst zu stillen, deutet proleptisch auf sein blutiges Wüten gegen die Christen voraus, das im weiteren Verlauf des Dramas breit thematisiert und veranschaulicht wird. 994–995 Quamquam nec haerebam, at tegebam quod dies ∣ Haec cernit et commilitones vos mei.] Vor dem Hintergrund von Julians aufrichtiger Hinwendung zu Gott und seiner Entscheidung, Geistlicher zu werden, die, wie besonders I,4 zeigt, aus voller innerer Überzeugung resultiert, muss seine Aussage an dieser Stelle als selbsttrügerische Rechtfertigung eingestuft werden. Um seine frühere Haltung vor seinen anwesenden Gefährten (commilitones vos mei) im Nachhinein zu verteidigen, greift er auf das Argument der dissimulatio zurück: Er habe in Wirklichkeit nach außen nur so getan, als sei er Christ. Im Inneren sei er schon immer ein Anhänger der alten Götter gewesen. Dafür spricht u.a., dass das Verb tegere sehr häufig im Kontext der Verstellungskunst Verwendung findet (siehe dazu S. 98 und 111). 998–1005 Nunc elui fontem impiatum, noxium. ∣ Nunc fana Numinum reclusa pandite … mero solum natet.] Die Anapher Nunc … ∣ Nunc … betont den engen Zusammenhang von Julians symbolischer Abkehr vom Christentum durch seine rituelle Taufabwaschung und seinen konkreten Maßnahmen zur Wiederherstellung der alten heidnischen Religionspraxis. Dabei stellt er im Folgenden der einen, aus seiner Sicht armseligen christlichen Taufe (fluentum lustricum, V. 997; fons impiatus, noxius, V. 998) einen ganzen Katalog an typisch heidnischen
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Kultelementen gegenüber (Tier-, Weihrauch- und Trankopfer, Prozessionen, Reinigungsrituale, Eingeweidenschau, V. 1000–1005). 999 fana Numinum reclusa] Unter der Herrschaft von Constantius II. fanden antiheidnische Maßnahmen wie das Verbot von entsprechenden Kulthandlungen, Festen und Versammlungen bei Todesstrafe sowie die Schließung und Zerstörung von Tempeln und Kultobjekten im größeren Umfang sowie Konfiskationen statt (vgl. Cod. Theod. 16,10,4–6; Lib. or. 13,13, 17,7, 18,23; Iul. or. 7,228b–c; Soz. hist. eccl. 5,5,5). Vgl. Demandt ²2007, S. 496; Barceló 2004, S. 125–126, 142–145, 175–176 und 194–196; Leppin 1999; Barnes 1987; Noethlichs 1971, S. 62–70. 1001 proferantur fercula] Bei Triumphzügen und feierlichen Prozessionen wurden die Kriegsbeute bzw. Bildnisse von Göttern oder andere heilige Objekte auf speziellen Gestellen (fercula) durch die Stadt getragen (vgl. Liv. 1,10,5 bzw. Suet. Iul. 76,1; Cic. off. 1,131; Hier. epist. 125,16,2). Vgl. Mau 1909. 1003 Bovesque opimi sacra ducant] Diese Worte nehmen ebenfalls Bezug auf feierliche Prozessionen in Rom, in deren Rahmen Ochsenkarren heilige Kultgegenstände durch die Stadt zogen. 1003–1004 compita ∣ Lustrentur] Als compita wurden Wegknotenpunkte bezeichnet, an denen drei oder mehr Straßen zusammenliefen. An ihnen befanden sich Altäre, Schreine o.ä. zur Verehrung der Hekate, der Göttin dieser Wegkreuzungen. Ihre Kultorte suchten v.a. Menschen auf, die sich göttlichen Beistand für anstehende Entscheidungen oder Unternehmungen erbitten wollten. Die Erwähnung der compita und ihrer rituellen Reinigung dient hier drei Zielen: Erstens soll durch die rituelle Reinigung und erneute Weihung der heidnische Brauch wieder ins Leben gerufen werden. Zweitens erbittet sich Julian für seine Vorhaben den Schutz der Hekate und drittens, und damit in Zusammenhang stehend, soll durch die Wiederbelebung des Kultes das in Szene III,4 stattfindende Opfer und Gebet an Hekate vorbereitet werden. Vgl. Johnston 1991. Ausführlich zur Göttin Hekate, ihren Erscheinungsformen und Zuständigkeiten sowie ihrer Verbindung zur Zauberei siehe Comm. ad 1010 und 1156–1165. 1004–1005 ianuas ∣ Verbena convelet] Verbena fungiert hier als Sammelbegriff für alle Zweige und Kräuter, denen Übel abwehrende Wirkungen zugesprochen und die bei kultischen Handlungen in Rom zur Reinigung von Gegenständen oder Gebäuden verwendet wurden. Bei staatlichen Opfern wurden Opfertieren in feierlichen Prozessionen mit verbenae bekränzt (vgl. Suet. Cal. 27,2), eine weitere Vorausdeutung auf das folgende Opfer für Hekate (III,4). Vgl. Siebert 2002; Latte 1960, S. 385; Schuster 1955.
542 | Dritter Akt
1005 mero solum natet] Die hier angedeutete χοή spielt im antik-heidnischen Totenkult eine wichtige Rolle (so auch in den homerischen Epen: Hom. Od. 10,518). Bei diesem Trankopfer wurde für die Totengeister der Verstorbenen (manes) ungemischter Wein auf den Boden gegossen. Man glaubte, dass diese Spenden für die Toten ein Bedürfnis zum Überleben in der Unterwelt darstellen. Teilweise wurden an Altären, Urnen oder Sarkophagen sogar Rohre angebracht, die die Flüssigkeit direkt ins Innere leiten sollten (profusio). Die χοή mit ihrer symbolischen Herstellung einer Verbindung zwischen Erde und Unterwelt fand auch bei der Verehrung von chthonischen Gottheiten ihre Anwendung. Zu dieser Göttergruppe zählte auch Hekate, die bei Julians zeremoniellen Hinwendung zum heidnischen Glauben eine wichtige Rolle spielen wird (siehe Comm. ad 1010). Vgl. Haase 2002; Toynbee 1971, S. 51. 1007–1008 Sic, sic colantur magna nostra Numina, ∣ Sic negligatur Numen illud impotens.] Eine besondere Betonung erfährt der erste der beiden Verse durch die Geminatio Sic, sic. Die Parallelität von Julians Handeln zugunsten der alten Religion einerseits und zuungunsten des Christentums andererseits wird durch die Anapher Sic im darauffolgenden Vers unterstrichen. Zusätzlich verstärkt wird diese Parallelität durch die (abgesehen von der letzten Silbe) vollkommen identische metrische Struktur der beiden Verse. Die Antithese von magna nostra Numina und dem christlichen Numen illud impotens ist chiastisch angeordnet und betont dadurch den Widerspruch. Die Größe und Macht der heidnischen Götter (magna) wird der angeblichen Ohnmacht des christlichen Gottes (impotens) entgegengestellt, die Verehrung der einen (colantur) der Verachtung des anderen (negligatur), das identitätsstiftende Possessivpronomen nostra einem despektierlichem illud und zuletzt der Poly- (numina) dem Monotheismus (numen). Mit diesen Worten fasst Julian den Sinn und Zweck seiner religionspolitischen Maßnahmen zusammen: Die Macht der alten Götter soll wieder erstrahlen, die Ohnmacht des christlichen Gottes aufgezeigt werden. Zur Geminatio bzw. Anapher Sic, sic… ∣ Sic… siehe auch Comm. ad 963–964. 1009 Flamines] Ein Flamen war in der römischen Kultpraxis ein Priester, der nur einem einzelnen Gott zugewiesen war (vgl. Cic. leg. 2,20). In Rom gab es neben den drei Flamines maiores (Fl. Dialis: Jupiter, Fl. Martialis: Mars, Fl. Quirinalis: Quirinus) noch zwölf weitere Flamines minores, darunter auch der in III,2 auftretende Flamen Palatualis (Schutzgott des Palatin; vgl. Varro ling. 7,45; CIL VIII 10500). Sie bilden neben dem Pontifex Maximus, dem Rex sacrorum (siehe Comm. ad 1146) und den Vestales die wichtigsten Priesterämter in Rom. Vgl. Beard/North/Price 1998 I, S. 15, 19, 28–29 und 130–132; Prescendi 1998a; Scheid 1997, S. 473–475; Gordon 1990; Beard 1990; Vanggaard 1988; Latte 1960, S. 36–37; Giraldi 1560, S. 458.
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1010 Hecate] Hecate gehört zu den Eigennamen, die im Lateinischen zwischen der griechischen und lateinischen Deklination schwanken. Drexel verwendet ihn gemäß den Regeln der griechischen Deklination im Lateinischen: -ē (-η), -ēs (-ης), -ae (-ῃ), -ēn (-ην) und -ē. Der Dativ Singular kann in seltenen Fällen aber auch auf -ē (= -η) enden, wobei das Iota subscriptum aus dem Griechischen ausgefallen ist. Dieser Fall tritt v.a. bei Weihinschriften an weibliche Gottheiten auf, wobei aber immer ein griechischer Name zugrunde liegt: Aemiliae Irene (CIL XI 433), Aemiliae Callityche (CIL VI 7617). Ähnliches ist auch vereinzelt, in den verschiedenen Lesarten freilich variierend, in der Literatur zu finden: z.B. Danae (Aug. civ. 2,7, S. 61,20, conf. 1,16,26). Diese Kasusendung ist aber fast ausschließlich in religiösen Zusammenhängen festzustellen, was auch bei der vorliegenden Szene gegeben ist. Wohl um der Aussage eine gewichtigere und würdevollere Wirkung zu verleihen, greift Julian auf diese archaisierende Kasusendung zurück. Vgl. Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 415, 421, 424 und 432; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 419. Eine Ligatur, bei der der Diphthong -ae zu einem einfachen -e wird, kann an dieser Stelle insofern ausgeschlossen werden, als Drexel den Diphthong im Normalfall ausschreibt. Teilweise erfolgt dies zwar etwas schlampig, das vorangehende -a- oder -o- bleibt jedoch immer klar erkennbar. Eine Umwandlung des Diphthongs zu einem bloßen -e findet an nur einer Stelle statt (V. 1139). Dass dort aber deutlich ein Diphthong gemeint ist, wird im Manuskript durch eine Cedille deutlich gemacht (deȩ). Eine der wichtigsten Erscheinungsformen der Hekate, die an anderer Stelle noch ausführlich behandelt werden (siehe Comm. ad 1156–1165), ist, dass sie als eine Göttin gesehen wurde, die die Menschen bei Übergängen jeder Art begleitete und führte. Dadurch spielte sie v.a. im Bereich der genannten compita (siehe Comm. ad 1003–1004) eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang wurde sie mit Geistern und Dämonen in Verbindung gebracht, die nach dem Volksglauben besonders an Straßenkreuzungen beheimatet waren. Hekate hatte die Macht, diese sowohl abzuwehren als auch auf Menschen zu hetzen und dadurch Schrecken zu verbreiten. Bis in die Neuzeit hinein wurde Hekate in diesem negativen Kontext verstanden. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Eigenschaft als chthonische Gottheit galt sie als Mittlerin zwischen der Unterwelt und der Erde sowie als Herrin über Dämonen. Sie wurde häufig mit Magie in Verbindung gebracht, bei der die Totengeister eine wichtige Rolle einnahmen (einzelne Belegstellen in Comm. ad 1156–1165 aufgeführt). In der Frühen Neuzeit schildert Pierre de Ronsard in seinem Epos La françiade (1572) ebenfalls ein Opfer an Hekate (V. 637–718). In William Shakespeares Macbeth (1606) ist sie die Königin der Hexen (II,1,51; III,2,40–43 und 3,5). Als Gespensterherrin tritt sie auch in der Tragikomödie The Witch (1610–1616) von Thomas Middleton auf. Weitere Rezeptionsbeispiele bei Reid 1993 I, S. 492–493.
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Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 191–192; Johnston 1998; Scholz 1997; Sarian 1992; Johnston 1957, S. 218; Conti 1584, S. 240–247; Giraldi 1560, S. 347–350. 1014 donicum] In der älteren lateinischen Literatur taucht vereinzelt die Konjunktion donicum anstatt des gebräuchlichen donec auf (vgl. Liv. Andr. carm. frg. 15; Plaut. Capt. 339, Pseud. 1168). Zum in dieser Szene wiederholten Mal (neben der ungewöhnlichen Dativform Hecate, vgl. Comm. ad 1010) schafft Julian mit einem besonders altertümlichen Wort eine ehrwürdige, sakrale Atmosphäre. Vgl. Hey, Oskar 1930: Art. ‚donec‘. In: ThLL V,1,1992,33–37; Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 373; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 628–629. 1015–1016 hanc teterrimam ∣ Serpentium propaginem] Zur negativen Konnotation der Schlange siehe Comm. ad 608. Die Schimpfbezeichnung propago viperarum legt der Evangelist Matthäus Jesus gegen die Pharisäer und Sadduzäer (Mt 3,7 und 12,34, ähnlich 23,33; vgl. auch Lc 3,7) in den Mund. 1016–1018 vexavero ∣ Fugavero, derisero, suppressero, ∣ Extinxero, necavero.] Zum Ende dieser Szene hin bringt sich Julian noch einmal in Rage. Die homoioteleutisch auf -ero endende asyndetische Aufzählung von Verben erscheint dadurch besonders eindringlich, dass die einzelnen Verben jeweils ein separates jambisches Metrum ( ¯ ´¯ ¯´¯ ) bilden:
¯˘˘˘ ˘˘˘
´, ´ve ¯ ¯xa ˘ro ¯ ve ´, ´, su ´, de ´sse ´ve ´se ¯ ¯ ¯ ˘ro ¯rı¯ ˘ro ¯ ˘ro ¯ ¯ppre ˘ga fu ´, ne ´. ´ve ´nxe ¯ ¯ ¯ ˘ro ˘ca ˘ro ¯ extı¯
Die Metra sind jeweils durch Dihärese voneinander abgetrennt und werden somit einzeln für sich betont. Diese Anordnung verhindert einen geschmeidigen Redefluss und ist als kakophon einzustufen. All dies verstärkt die Wirkung, die die von Julian ausgesprochenen Drohungen beim Zuschauer hinterlassen. 1020 lentiori] Siehe Comm. ad 549.
III,2 Diese Szene stellt erneut die Mitverantwortung der Philosophen für Julians Handeln und die kommende Katastrophe heraus (vgl. Comm. ad 944–950 sowie die Einleitung zu Comm. ad II,5). Julians Freunde preisen sich selbst für ihre bisherigen Erfolge. Sie haben mittlerweile ihr in I,10 gesetztes Ziel, Julian zum Abfall vom Christengott zu bewegen (E pectore evellemus Hebraeum, V. 531), erreicht. Für
Zweite Szene |
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sie stellt dies den Beweis dar, dass er, wie in I,10 angekündigt (At polliceor obtemperaturum omnibus ∣ Quaecunque lenta suasio instillaverit, V. 528–529; vgl. V. 1045–1048), seinen Ratgebern hörig ist und dass sie als ‚Beherrscher‘ Julians die eigentlichen Herrscher über die Welt sind. Somit markiert diese Szene nach Julians scheinbarem Triumph in III,1 das ebenso scheinbare Triumphgefühl seiner Philosophenfreunde. Eine weitere Parallele zwischen den ersten beiden Szenen des dritten Aktes wird durch die Ähnlichkeit der Drohungen gebildet, die Julian bzw. die Philosophen gegen die Christen aussprechen. 1023–1027 iam … ∣ iam … iam … ∣ iam … ∣ iam …] Die mehrfache Anapher von iam, ergänzt durch die direkte Wiederholung in V. 1025, unterstreicht die zeitliche Nähe der geschilderten Ereignisse zueinander und somit die blitzschnelle Veränderung im Römischen Reich. Dabei werden die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten des Adverbs iam gekonnt ausgeschöpft. In Verbindung mit dem Vergangenheitstempus vicimus bzw. reviximus bringt es das Resultat der Bemühungen der Philosophen zum Ausdruck (‚schon/soeben‘). Iam mit dem resultativen Perfekt apertus est betont die gegenwärtige Lage, die aus dem verkündeten Sieg entsprungen ist (‚jetzt‘). Gerahmt werden diese Aussagen von einer Ankündigung bzw. Drohung für die Zukunft: iam vindicabunt, iam delebitur (‚bald/in Kürze‘). Die durch die dreifache Verwendungsweise von iam gezogene Kontinuitätslinie zwischen unmittelbarer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bringt zum Ausdruck, dass die zukünftigen Geschehnisse in unvermindertem Tempo, wie Julians Apostasie überhaupt, folgen werden. 1024 impijs mysterijs] Mit dem Begriff mysteriae spielt Jamblichus auf den angeblich klandestinen Charakter des frühen Christentums an, der den Römern ein Dorn im Auge war. Ein häufiger Vorwurf, mit dem sich christliche Apologeten auseinandersetzen mussten, war der, dass sich die Anhänger Christi wie eine gemeine Verschwörerbande nachts an geheimen Orten träfen. Zu diesem Bild eines Geheimkultes passen auch die angeblich scheußlichen Initiationsriten (Min. Fel. 8,4–9,5; Orig. c. Cels. 1,1 und 6,27; vgl. dazu Comm. ad 983). Eine aus christlicher Sicht besondere Ironie liegt in Jamblichus’ Formulierung darin, dass es ja gerade Kaiser Julian selbst ist, der sich von der ‚öffentlichen‘ christlichen Religionspraxis lossagt und das ‚dunkle‘ Lararium besuchte, vom anstehenden Opfer an die ‚Höllengöttin‘ Hekate ganz zu schweigen. Vgl. Thomas 2011, S. 44–46; Fiedrowicz 2004, S. 260–263 Nr. 186–187; Guyot/Klein 1993/4 II, S. 154–155 und 162–165. 1028 Nostratium haec virtus Deorum est maxima.] Zum Adjektiv nostras in diesem Zusammenhang siehe Comm. ad 960.
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1032 Recutiti Apellae] Apella ist u.a. ein Begriff, der die Juden in der Stadt Rom bezeichnet. An dieser Stelle ist er im Sinne von Horaz zu verstehen, der damit auf den angeblichen Aberglauben der Juden Bezug nimmt: credat Iudaeus Apella (Hor. sat. 1,5,100; vgl. Ov. ars 1,76; Pers. 5,179–188; Iuv. 14,96–106; Rut. Nam. 1,381–396). Der Vorwurf des Aberglaubens mag im Drama selbst mitschwingen, besitzt jedoch eine untergeordnete Rolle. Der eigentliche Angriff in den Worten des Maximus auf die Christen liegt vielmehr darin, dass er sie als beschnittene Juden bezeichnet. Vgl. Gowers 2012, S. 211–212; Tartari Chersoni 1996. 1034 gregi isti segregi] Die Bildung von Julians Philosophenfreunden wird auch in dieser Szene sprachlich durch gekonnte Wortspiele herausgestellt. Dazu zählen erstens das scheinbare Oxymoron gregi segregi, das die angeblich homogene Abgeschlossenheit der Christen einerseits und ihre Absonderung von der Gesellschaft andererseits scharfsinnig auf den Punkt bringen soll, zweitens das mehrfache Polyptoton rector–regi–corrigi–rectoribus (V. 1047–1048), das die Überlegenheit der Philosophen über den Weltenherrscher Julian unterstreicht, sowie drittens ein weiteres an eine Begrüßungsformel anschließendes Wortspiel mit salutem–salus–salvi–salvae (V. 1050–1052), das wiederum den Übergang von der formalen Begrüßung zum eigentlichen Inhalt des folgenden Gesprächs bildet (siehe auch Comm. ad 141–142). 1035 uremini, caedemini, occidemini.] Das homoioteleutische Trikolon, das Libanius in den Mund gelegt wird, stimmt in Julians wilde Drohungen aus der vorangehenden Szene ein (bes. V. 1016–1018). 1037 vobis erunt truces sepulchra belluae.] Zur damnatio ad bestias siehe Comm. ad 1878–1882. 1044 velit ipsa [sc. Fortuna] licet esse maior.] Diesem Nebensatz liegt ein Sprichwort zugrunde, das bei Martial zu finden ist (vgl. Craca 2011, S. 102–104; Wander 1867–1880 I, Sp. 1733 s.v. Glück Nr. 53): Habet Africanus miliens, tamen captat. Fortuna multis dat nimis, satis nulli. (Mart. 12,10) [Africanus besitzt zehn Millionen Sesterzen, aber dennoch betreibt er noch Erbschleicherei. Das Glück schenkt vielen zu viel, aber niemandem genug.]
1047–1048/1050–1052 rector … regi … corrigi … rectoribus/salutem … salus … salvi … salvae] Siehe Comm. ad 1034.
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1056–1057 Virum puta, qui coepta constantissime ∣ Urgeat.] Im Superlativ constantissime liegt aus christlicher Sicht eine ganz herausragende Ironie, da Julian es ja, wie in Abschnitt 3.3.1 breit ausgeführt, im Moment der Verführung genau an der Tugend der constantia vermissen ließ und eben nicht mit unerschütterlicher Standhaftigkeit an seinem Entschluss, Kleriker zu werden, bzw. an einer (aus christlicher Sicht) positiven Umsetzung der (neu-)stoischen Philosophie festhielt. 1057–1059 Ab ortu … Nilum bibent] Diese Passage, die durch verschiedene Adynata, die markante geographisch-meteorologische Gegensatzpaare aufführen (Westen–Osten: ab ortu–Zephyrus, Eurus–Tagus; Norden–Süden: Albis–Canopus, Sarmatae–Nilus), ist wörtlich aus Bernardino Stefonios Crispus entnommen (siehe Similienapparat, wobei sich in der modernen Textedition von Torino [2007/8] mit ob ortu ein Transkriptionsfehler eingeschlichen hat). Darin verdeutlicht Crispus gegenüber seinem Vater Konstantin, dass er dessen Befehle auch dann ausführen würde, wenn diese undenkbaren Ereignisse geschehen würden. Adynata, insbesondere aus dem Bereich der Geographie, zur Veranschaulichung des Unmöglichen kommen u.a. in den Tragödien Senecas (vgl. S. 160 mit Anm. 132) häufig vor. Die antike Vorlage für diese Verse, an die sich Drexel hinsichtlich der Konstruktion prius … quam (V. 1057/1060) noch enger als Stefonio hält, bildet ein Abschnitt aus der ersten Ekloge Vergils (ecl. 1,59–63), wo der Hirte Tityrus gegenüber seinem Gesprächspartner Meliboeus einen gottgleichen Jüngling (deus, ecl. 1,6; iuvenem, ecl. 1,42) dafür rühmt, dass dieser es ihm ermöglicht habe, in den Wirren des Bürgerkriegs und den damit verbundenen Enteignungen seinen Besitz zu wahren (ganz ähnlich bei Claud. Get. 54–60): Ante pererratis amborum finibus exsul aut Ararim Parthus bibet aut Germania Tigrim, quam nostro illius labatur pectore vultus. (Verg. ecl. 1,61–63)
[Eher wird der heimatlose Parther beide Grenzen der Erde durchirren und aus der Saône oder Germanien aus dem Tigris trinken, bevor der Anblick von diesem mir aus dem Herzen gleitet.]
Die Identifikation von Völkern durch die Flüsse, an deren Ufer sie wohnen bzw. (Pars pro toto) aus denen sie trinken (bibere), ist in der antiken Literatur weit verbreitet (vgl. z.B. Hom. Il. 2,825–826; Pind. O. 6,85; Sen. Med. 372–374, Oed. 427– 428). Vgl. Costa 1973, S. 107.
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Die geographischen und meteorologischen Elemente (außer den hinlänglich bekannten Flüssen Elbe und Nil, Synonyme für den äußersten Norden und Süden) seien hier in alphabetischer Reihenfolge kurz erklärt: Canopus: Eine Stadt in Unterägypten, die in der Antike am westlichsten Nilarm lag. Ihr Name soll auf den verunglückten Steuermann des Menelaos zurückgehen. Vgl. Felber 1999. Nabatheus: Die Nabatäer waren ein Volk im Nordwesten der arabischen Halbinsel mit der Hauptstadt Petra. Sie gelangten durch das Fernhandelsmonopol zwischen Südarabien und dem Mittelmeer zu großem Reichtum. Ihre höchste Blüte datiert in das erste vorchristliche Jahrhundert. Mit der Einrichtung der Provinz Arabia durch Kaiser Trajan und der Verlegung des Zentrums nach Bostra begann der Niedergang der nabatäischen Kultur. Vgl. Toral-Niehoff 2000. Sarmatae: Sammelbegriff für verschiedene iranische Nomadenvölker, die in der Antike östlich des Dons in den Steppen nördlich des Kaukasus lebten. Vgl. Bredow 2001. Tagus dives: Dem auf der iberischen Halbinsel gelegenen Fluss Tajo/Tejo wurde das Adjektiv divus als Epitheton ornans aufgrund seines Reichtums an Goldsand zuteil (vgl. u.a. Mela 3,8; Liv. 21,5,8; Ov. am. 1,15,34, met. 2,251; zahlreiche weitere literarische Belege für den Reichtum des Tagus sind aufgelistet bei Schulten ²1974, S. 344 Anm. 120). Vgl. Stepper 2001; Schulten ²1974, S. 341–345. Zephyrus/Eurus: Zephyrus ist die Personifikation des Westwindes, Eurus die des (Süd-) Ostwindes. Vgl. Rausch 2002; Hünemorder/Bloch 1998; Simon 1997b. 1061–1063 Magni vir … non homo.] Die Worte des Ecebolius und Priscus wiederholen einerseits die Einschätzung des Mardonius, der zu Beginn des Dramas gegenüber Constantius versichert, dass Julian bereits als Kind ein Weiser gewesen sei (etiam infans sophus. […] non factus est sed natus est ∣ Sapiens, V. 165–168). Andererseits nehmen sie eine Formulierung der Dämonen aus II,1 erneut auf, wo Julian von ihnen als ein Deus aliquis […] inter homines (V. 583) gerühmt wird. Diese doppelte Wiederholung stellt zum einen heraus, dass sich die Meinung der Philosophen gegenüber Julian nie verändert hat und dass sie von Anfang an Großes mit ihm vorhatten. Zum anderen wird die Deckungsgleichheit zwischen ihrem Wirken und den Plänen der Dämonen verdeutlicht: Julians Philosophenfreunde handeln als Werkzeuge des Teufels. 1065 Palatualis:] Siehe Comm. ad 1009. 1066 acclememus] Bereits in der Spätantike und dann besonders im Frühmittelalter ist eine Lautverschiebung von ā zu ē im Wortstamm zu beobachten. Im Bereich der Verben taucht diese phonetische Veränderung besonders häufig bei
Dritte Szene |
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iactare/iactere auf. Bei (ac-)clamare ist dies nur selten zu beobachten. Vgl. Stotz 2002–2004 III, S. 8–9 § 4.2.
III,3 Nachdem in den ersten beiden Szenen des dritten Aktes Julians Apostasie offen vollzogen (III,1), die Frage nach der Mitverantwortung seiner Freunde näher beleuchtet (III,2) und schwerwiegende Drohungen gegen die Christen ausgesprochen wurden, fallen dem Kaiser in III,3 mit Manuel, Sabel und Ismaël die ersten Christen zum Opfer. Gleichzeitig stellt diese Szene aber auch eine der zwei Verzögerungen bzw. Störungen des von Julian geplanten Opfers an Hekate dar. Auf sprachlich-stilistischer Ebene ist innerhalb dieser Szene ein markanter Wandel auszumachen. Nach Julians vierfacher Nachfrage nach dem Stand der Vorbereitungen für das Hekateopfer und den Antworten des Flamen Dialis, in denen ein Superlativ dem nächsten folgt (invictissime; lectissima; felicissima; maxime), tritt Sallustius auf und weist Julian auf die Ankunft persischer Gesandter hin. Der folgende Dialog zwischen Sallustius, Julian und Manuel bzw. Polyglossus besitzt zunächst einen sehr formalen und hochoffiziellen Charakter: Sallustius wendet sich in einer stark verklausulierten Aussage an Julian (siehe Comm. ad 1076–1078). Hierzu tragen auch die eher ungewöhnlichen Verben impertiri und redhostiare (vgl. Comm. ad 1083–1084) bei. Im weiteren Gespräch wahrt Julian zunächst seine Höflichkeit. Nachdem die Perser seine Aufforderung, den Göttern zu opfern, mit dem Hinweis, dass sie nur einen einzigen Gott verehrten, abgelehnt haben, kommt er ihnen noch wohlwollend entgegen und erklärt sich bereit, dann eben allein Jupiter zu opfern (V. 1090–1095). Ebenso gern ist er bereit, sie über dessen Wesen aufzuklären (V. 1099–1100). Als sie ihre ablehnende Haltung weiter bekräftigen, beginnt Julians Stimmung zu kippen. Aus freundlichen Aufforderungen im Konjunktiv (colent, V. 1079; redhostiant, V. 1084; adsint … litent, V. 1090) wird ein (aufgrund seiner elliptischen Formulierung) umgangssprachliches volo [ut] Deosque vereantur meos (V. 1107). Die folgenden Aufforderungen an die Gesandten stehen zwar erneut im Konjunktiv, werden aber mit mehr Nachdruck vorgebracht: thus offerant wird in seiner Vehemenz durch das angehängte sed sine mora (V. 1112) verstärkt. Der Ton wird dadurch zunehmend unfreundlicher. Die offene Androhung von Folter und Gewalt (tormenta iam iam sentient ∣ Nisi […], V. 1119–1120) ist ein Motiv aus der römischen Komödie und wird dort meist gegen widerspenstige Sklaven ausgesprochen. Dass sich Julian immer mehr in Rage bringt, wird nicht zuletzt durch adverbiale Bestimmungen deutlich, die seine Ungeduld zum Ausdruck bringen: Das bereits angesprochene sed sine mora wird durch iam iam und illico (V. 1119–1120) noch weiter gesteigert. Auf das wiederum
550 | Dritter Akt umgangssprachliche faxo ego ∣ [ut] Litentur (V. 1131–1132) folgen drei unmissverständliche Imperative an sein Gefolge (Irruite, ligate barbaros, abducite, V. 1133). Die Entwicklung vom freundlichen und offiziellen Ton gegenüber einer Gesandtschaft zu wilden Drohungen (vgl. Iul.: Humanitas cruciatibus mutabitur, V. 1118), wie sie sonst nur gegen Sklaven ausgesprochen werden, wird gekrönt von der verachtenden Bezeichnung der Gesandten des Perserkönigs als barbari. Seine das Trikolon sperrende Stellung hebt es besonders hervor. Zum Wandel von Julians Diktion im Iulianus insgesamt siehe Abschnitt 4.1.2. 1069 ter invictissime] Die Bedeutung des beteuernden Zahlenadverbs ter fasst Erasmus in seinen Adagien zusammen (Adag. 1805): Die antiken Schriftsteller hielten angeblich das, was sie dreimal sagten oder taten, für beschlossen und wirksam. So habe es v.a. in geheimen Zauberkulten und Begräbnisfeiern seinen Platz gefunden. In seiner eigenen Zeit sei es ebenfalls geläufig, den Partikel zu verwenden, wenn eine Aussage mit besonderer Vehemenz versehen werden soll: ‚Ter‘ Ne illud quidem figura proverbiali vacat, quod Graeci numeri additione rem amplificant, maxime ternionis, fortassis quod is apud priscos et absolutissimus et sacer habebatur, ut quicquid ter dictum aut factum esset, id ratum et efficax haberetur; unde in magorum mysteriis adhiberi solitus. […] Est illud etiam nunc vulgo familiare, ut si quid asseverent vehementius, id ter repetant […].
1070 Omniane pura, lecta sunt?] Die Adjektive pura und lecta geben an dieser Stelle die horazische Formulierung virgines lectas puerosque castos vom Beginn seines Carmen saeculare (carm. saec. 6) wieder. Die Adjektive sind vor dem Hintergrund der strengen Reinheitsvorschriften der Römer bei Kultfeiern und Opferhandlungen zu sehen. So wurden u.a. Opfernde, Teilnehmer und der konkrete Opferort im Vorfeld überprüft. Das größte Augenmerk lag auf dem Opfertier selbst. Es musste bestimmte Vorschriften bezüglich des Geschlechts, des Alters und des Äußeren erfüllen (vgl. Plin. nat. 8,183). Vgl. Thomas 2011, S. 63; Beard/North/Price 1998 I, S. 36; Latte 1960, S. 209–211 und 381; Kiessling/Heinze ¹⁰1960, S. 473. Siehe auch die Einleitung zu Comm. ad III,4 und Comm. ad 1137, 1138–1145 und 1140. 1071–1072 an … an] Siehe Comm. ad 145. 1075 ordia] Vermutlich ausgehend von Lukrez (quove modo distracta rediret in ordia prima, Lucr. 6,28, wo allerdings noch eine Tmesis vorliegt) entwickelte sich ordium aus primordium zu einem eigenständigen Substantiv. Als solches führen es frühneuzeitliche Lexika auf (vgl. Kirsch 1774 s.v. ordium; Faber 1735 II, Sp. 48 s.v. ordium). Vgl. Bohnenkamp, Klaus E. 1978: Art. ‚ordium‘. In: ThLL IX,2,950,82– 951,2.
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1076–1078 E Perside adsunt, pauca qui … rogent ∣ Hic colloqui moramque maxima prece ∣ Sunt deprecati] Nicht nur die eigenwillige Wortstellung (die abhängige Infinitivkonstruktion pauca … hic colloqui rahmt das übergeordnete qui tecum rogent), sondern auch die tautologische Wendung maxima prece ∣ Sunt deprecati erzeugen einen sehr offiziellen Ton. 1076 E Perside adsunt] Den Grund für das Eintreffens der persischen Gesandtschaft, der in der vorliegenden Szene aufgrund von Julians eiligem Drängen zum Opfer untergeht, wird sowohl von Baronio (AE IV,25B–C) als auch dessen Quelle (Nic. 10,11) verschwiegen. Bei den drei persischen Gesandten, Manuel, Sabel und Ismaël, handelte es sich um Märtyrer der Kirche. Im Martyrologium Romanum, dem katholischen Heiligenverzeichnis, das u.a. von Baronio zusammengestellt und im Jahre 1583 erstmals ediert wurde (überarbeitete Edition u.a. 1597), heißt es über die drei Märtyrer: Chalcedone, [natalis] SS. martyrum Manuelis, Sabelis et Ismaelis, qui pacis causa apud Iulianum Apostatam pro rege Persarum legatione fungentes, cum Imperatoris iussu idola venerari compellerentur, idque constanti animo recusarent, gladio feriuntur. (Mart. Rom. 1597, S. 269) [In Chalkedon entstand der Gedenktag der heiligen Märtyrer Manuel, Sabel und Ismaël, die im Auftrag des Perserkönigs bei Julian Apostata als Friedensgesandtschaft auftraten, und, als sie auf Befehl des Kaisers dazu gedrängt wurden, Götzen anzubeten und dies mit unerschütterlichem Herzen verweigerten, mit dem Schwert hingerichtet wurden.]
Das Martyrologium Romanum stützt sich dabei auf den byzantinischen Hagiographen Symeon Metaphrastes, der im zehnten Jahrhundert selbst ein Menologium zusammengestellt hatte (BHG II, Nr. 1024; ediert von Latyšev 1914). Die einzige antike Quelle, die Informationen über ihr Martyrium liefert, ist eine griechische, mit viel Phantasie ausgeschmückte Passionsakte (BHG II, Nr. 1023), die jedoch keine Gemeinsamkeiten mit dem Bericht von Symeon Metaphrastes aufweist. Sie wurde erstmals in den zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts erschienenen Acta Sanctorum ediert. Die Acta Sanctorum (Vita Sanctorum Manuelis, Sabelis et Ismaelis, AA SS 17. Juni, Bd. 3, S. 289–296) geben als Grund für die Gesandtschaft Friedensverhandlungen an, die der persische König mit Julian führen wollte. Nachdem sich die Herrscher bereits brieflich geeinigt hatten, sandte der persische König die drei christlichen Brüder, um die Vereinbarung schriftlich zu fixieren. Julian nahm die Gesandten freundlich auf, befahl dann aber, dass sie an einer Götzenfeier teilnehmen sollen. Die Perser weigerten sich, den Tempel zu betreten. Als sie sahen, wie die heidnischen Götter verehrt wurden, begannen
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sie zu weinen und zu klagen. Da sie sich vehement weigerten, den Göttern zu opfern, ließ Julian sie verhaften. Später wurden sie nach Konstantinopel gebracht, wo sie ihr Martyrium erlitten und bestattet wurden. Ihre Verehrung verbreitete sich schnell in Konstantinopel. Theodosius der Große weihte ihnen im Jahr 395 eine Kirche. Gegen die Authentizität der genannten griechischen Passionsgeschichte spricht zum einen die Erwähnung des Perserkönigs Baltanus (abweichend auch Alamundarus genannt), der historisch vor dem sechsten Jahrhundert nicht belegt ist. Zur Zeit Julians herrschte in Persien außerdem Shapur II. Zum anderen ist es nur schwer vorstellbar, dass Julian die Unverletztlichkeit einer Gesandtschaft missachtete. Außerdem wird von Alexei Muraviev (1997, S. 95) darauf hingewiesen, dass die Namen der drei Perser einen zu semitischen Charakter besäßen, als dass sie persisch sein könnten. Vermutlich aufgrund dieser Gemengelage wurden die drei Brüder im Zuge einer unter Papst Paul VI. durchgeführten Revision des Martyrologium Romanum im Jahre 1969 aus der Sammlung entfernt (vgl. Mart. Rom. 2004). Vgl. Muraviev 1997; Sauget 1966; Gaiffier 1956, S. 21; Stadler 1858– 1882 IV, S. 79; siehe auch Sur. Laur. Prob. Sanct. Hist. III, S. 676–682. 1080 Tráppo Iuliàn Caméloi …] Die Sprache der persischen Gesandten ist ein Produkt von Drexels Phantasie. Dennoch versuchte er sich dabei möglichst an den Rhythmus des jambischen Trimeters zu halten. Wendet man grob die Regeln der lateinischen Metrik an, so können die ‚persischen‘ Verse größtenteils in sechs jambische Versfüße eingeteilt werden. Dass Drexel tatsächlich um die Beibehaltung des Versmaßes bemüht war, kann an V. 1108 bewiesen werden: Hier wurde von ihm das Wort oraschgérroni zu oraschgérrni verbessert. Im Rahmen seiner Phantasiesprache konnte er damit allein den Zweck verfolgen, eine überflüssige Silbe zu tilgen, um einen mehr oder weniger korrekten jambischen Trimeter zu erzielen. Die Verwendung von fremdländischen Phantasiesprachen ist im Jesuitentheater durchaus verbreitet. Im Triumphus Divi Michaelis beispielsweise treten Gesandte aus Japan auf, deren Sprache ebenfalls nichts mit dem Japanischen zu tun hat (V,3; vgl. Bauer/Leonhardt 2000, S. 389). Solche Passagen bringen nicht nur durch die unbekannte Sprache, sondern auch durch prachtvolle Kostüme, von deren Verwendung man in diesem Zusammenhang sicherlich ausgehen kann, eine gewisse Exotik in das Dramengeschehen ein. Das antike Vorbild solcher Szenen ist der plautinische Poenulus. Darin spricht zu Beginn des fünften Aktes der Punier Hanno ein Gebet (Poen. 930–960). Dieses besteht aus drei Teilen, von denen zwei in punischer, einer in lateinischer Sprache verfasst sind. Alle drei Teile weisen denselben Inhalt auf. Die Forschung geht davon aus, dass der dritte, lateinische Teil (V. 950–960) von Plautus selbst stammt. Die zweite der beiden punischen Versionen (V. 940–949) wurde vermutlich nicht
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von Plautus selbst, aber zumindest in seinem zeitlichen Umfeld verfasst. Nicht nur die älteste Handschrift aus dem dritten und vierten Jahrhundert n.Chr. (Ambrosianus palimpsestus G82 sup.), sondern auch die nächstälteren aus dem zehnten oder elften Jahrhundert (Palatinus Vaticanus 1612; Palatinus Heidelbergensis 1613; Vaticanus 3870) weisen einen hohen Entstellungsgrad dieses ursprünglich punischen Textes auf. Bei den palatinischen Handschriften ist sogar das Bemühen zu beobachten, den überlieferten unverständlichen Text in eine Lautkombination zu bringen, die lateinkundigen Lesern zumindest bekannt vorkommt (z.B. volanus, acum esse, concubitum, beat, at enim, iussum, colus). Die erste ‚punische Version‘ (V. 930–939; nur in den palatinischen Handschriften neben dem zweiten Teil überliefert) stellt mit aller Wahrscheinlichkeit eine Rekonstruktion des im Laufe der Zeit unverständlich gewordenen zweiten ‚punischen Teils‘ dar. Sie erfolgte im dritten oder vierten Jahrhundert n.Chr. auf Grundlage der überlieferten Textversionen und den noch vorhandenen spätpunischen Sprachkenntnissen und stellt tatsächlich einen Text in punischer Sprache dar. Alle drei Teile fanden Einzug in moderne Editionen seit dem fünfzehnten Jahrhundert. Für Drexel diente der Poenulus des Plautus aber nicht nur als strukturelle Vorlage. Vielmehr kopierte er eine Vielzahl an Lauten bzw. Wörtern aus Hannos Monolog. Die direkten Übereinstimmungen sind in der folgenden Gegenüberstellung unterstrichen. Ferner hat Drexel diese Verse mit zahlreichen Anklängen an die lateinische Sprache versehen, um den Anschein einer tatsächlichen Übersetzung zu wahren (im Text kursiv). Dies wird v.a. bei Persax/Persae, Iopter/Iupiter, Christianes/Christiani, un Deuco/unus deus und maiomo/maximus sowie bei Stammsilben (z.B. sua-), Präfixen (z.B. pro-, per-) und Endungen (z.B. -o/-or, -ter, -am/-ar, -es, -um), die für das Lateinische charakteristisch sind, deutlich. Dieses Vorgehen korrespondiert unfreiwillig mit dem zweiten Teil von Hannos Monolog bei Plautus (Poen. 940–949). Der dritte, lateinische Teil von Hannos Monolog, der das Gesagte für den Zuschauer erst verständlich macht, wurde von Drexel durch den Dolmetscher abgedeckt (zur erwähnten Passage bei Plautus siehe: Faller 2004; Rollig 1980, bes. S. 288 und 296–297; Gratwick 1971, bes. S. 35–37): Man.: Tráppo Iuliàn Caméloi Pérsax Sogdiàn dorne Mágster babílster cálduam caìr. Man.: Iphièt eritan glomiàr abróphiax ába. Poly.: Suáltico binhóres gaúdix coymbèl pága Lípho hyth býthlym bodyalỳt cuth buthúme. Man.: Gas lóbster hon rot, un deúco, un trámbo. Poly.: Imiphiòn húsbi phánar un Iópter. Sabel: Profà Iópter son Christianès spreterbor. Poly.: Hurbàs pyláther matórdi, Deucò Iopter Maiómo thaloním valòn Hecatésen corathísima.
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Man.: Chymlákor chunỳth múmys thalmyctíbari Imiséhi nasoctelià anéche bodès. Poly.: Pométo cubliliàk cambstìr oraschgérrni. Sabel: Abasuátti rundephòn hámga perfiàx aíster. Poly.: Blorvià coscábien gablíco mumbelfáget Baptigès gaveràl ij drot bóhas. Omnes tres: Byrnaròb sýllo. Ismaël: parliàm rómgach probàx. Poly.: Hagóniar arbèc Iuliàn nébluc findibùl Grisate sóbba matlàs mysirthóbo. Omnes tres: Of Ióna, of Ióna. Man.: duclána Kipliàc homalóni. Poly.: Cardùph boóni bluc minàl brim lýphul stárlins pypkýduti. Omnes tres: Orgàr soptum, orgàr soptum. Man.: O hiblechdas máchon Isdibùr velechánti thýnno moncòth gúbylim.
Plaut. Poen. 930–949 (aus zeitgenössicher Edition: Macci Plauti Comoediae viginti. Lyon 1587): Ny thalonini valon uth si corathisima consith. Chym lachchunyth mumys tyalmyctibari imisehi Lipho canet hyth bynithij ad aedin bynuthij. Byrnarob syllo homalonin uby misyrthoho Bythlym mothyn noctothij velechanti dasmachon Yssidele brim tyfel yth chylys chon, tem lyphul Uth bynim ysdibur thinno cuth nu Agorastocles Ythe manet ihy chyrsae lycoeh sith naso Bynni id chil luhili gubylim lasibit thym Bodyalyt herayn nyn nuys lym moncoth lusim Ex anolim volanus succuratim misti Atticum esse Comcubitum a bello cutim beant lalacant´ chona enus es Huiec silec panesse athidamascon alem induberte felono buthume Celtum comucro lueni, at enim auosouber hent hyach Aristoclem Et te se aneche nasoctelia elicos alemus duberter mi comps uespiti Adodeanec lictor bodes iussum limnimcolus.
1083/1084 impertiuntur/Redhostiant] Laut dem spätantiken Grammatiker Priscian können die Komposita von partire sowohl als reguläre Verben als auch als Deponentien behandelt werden (gramm. II, S. 399,21–400,9). In der Literatur ist es jedoch nur äußerst selten als Deponens zu finden (Ter. Ad. 320). Genauso ungebräuchlich ist das Verb rehostiare, das lediglich in Fragmenten römischer Dramatiker überliefert ist (Acc. trag. 92; vgl. Fest. S. 335,6–7). 1087–1088 quod coeperam ∣ Est finiendum] V.a. bei römischen Komikern kann anstatt eines zu erwartenden Perfekts auch das absolute Plusquamperfekt stehen, um die Beziehung auf eine frühere Zeit im Zusammenhang einer Rede noch deutli-
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cher herauszustellen. Häufig tritt dieser Fall bei dixeram ein. Belege mit coeperam lassen sich aber ebenfalls ausfindig machen (Plaut. Asin. 125; vgl. Cic. nat. deor. 1,17). Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 139–140; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 320–322. 1088/1105 Dis facere coepi/Nulli Deorum facere] Siehe Comm. ad 525–526. 1095 ter Maximum] Siehe Comm. ad 1069. 1112/1116 Hecate] Zur Dativform Hecate siehe Comm. ad 1010. 1134 Frangam hanc acerba morte contumaciam.] Laut den Acta Sanctorum wurden die drei Brüder nach ihrer Verhaftung verprügelt, gefoltert und daraufhin in Konstantinopel enthauptet. Ihre Leichen sollten verbrannt werden. Der Legende zufolge soll sich aber zuvor die Erde unter ihnen aufgetan und ihre Leichname aufgenommen haben. Diese seien angeblich zwei Tage später in unversehrtem Zustand wieder ans Tageslicht gekommen und anschließend bestattet worden. Vgl. Vita Sanctorum Manuelis, Sabelis et Ismaelis, AA SS 17. Juni, Bd. 3, S. 295; vgl. Sur. Laur. Prob. Sanct. Hist. III, S. 682.
III,4 Das Opfer an Hekate, das letztlich durch den bekennenden Christen Syncerastus verhindert wird, gehört atmosphärisch zu den schauerlichsten und düstersten Teilen des Dramas. Die Szene generiert durch verschiedene Elemente eine diabolischdämonische Grundstimmung: Zunächst schafft der Herold durch seine Worte, die die zum Opfer zugelassenen Personen genau benennen, eine klandestine Aura, wie man sie von Mysterienkulten kennt. Die von einem Opfertier, und dazu noch von einem sehr ungewöhnlichem, nämlich (so die Vermutung) von einem Hund (vgl. Comm. ad 1146), angeführte Prozession zum Altar muss sehr fremdartig auf die (christlichen) Zuschauer gewirkt haben. Der Gruß und das Gebet an Hekate und ihre wiederholte Anrufung sind mit allen Mitteln der zeitgenössischen Inszenierungskunst ausgestattet, um ein möglichst großes Schaudern beim Publikum hervorzurufen: Der zehnfache monotone Gruß an Hekate durch den Flamen Dialis wird durch die wörtliche Wiederholung durch den Chor zusätzlich mit düsterer Atmosphäre aufgeladen. Dasselbe Ziel verfolgt das vom Chor vorgetragene Wechselgebet mit Endreim. Die siebenfache Anrufung der Hekate folgt zwar demselben Schema wie der Gruß zuvor, erhält aber insofern eine neue Qualität, als die Göttin selbst während der Anrufung als Gespenst auf der Bühne erscheint. Nicht nur die Ohren der Zuschauer werden somit angesprochen, sondern auch ihre Augen, die
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fremd anmutende Priester, Opfertiere und Prozessionen wahrnehmen. Ja, es wäre sogar denkbar, dass die Inszenierung darauf abzielte, einen weiteren menschlichen Sinn zu treffen: Möglicherweise führten Schwefeldämpfe bzw. dessen Gestank dazu, dass das Geschehen auf der Bühne noch näher an die zeitgenössische Vorstellungswelt von der Hölle gerückt wurde. Dieser erste Teil der Szene (V. 1135–1185) erinnert in seiner schauderhaften Atmosphäre stark an die Erictho-Episode aus Lucans Epos De bello civili (6,438–830). Darin sucht der Sohn des Pompeius am Vorabend der Schlacht von Pharsalos die übermächtige und schreckenerregend hässliche Hexe Erictho in Thessalien auf, um den Ausgang der Schlacht und die weitere Zukunft seiner Familie zu erfahren. Ihre Prophezeiung gibt Erictho in Form einer Nekromantie: Dabei lässt sie in tiefer Nacht mit Hilfe eines Zaubertranks, den sie in einem finsteren Ritual aus seltsamen Zutaten gebraut hatte, einen Toten wiederauferstehen. Parallelen zur im Drama beschriebenen Hekate-Beschwörung liegen u.a. auch darin, dass Erictho Hundegebell von sich gibt (Lucan. 6,688) und auch selbst die Göttin Hekate anruft (Lucan. 6,699–701 sowie 736–749). Gerade in dem Moment (V. 1185), als die durch die beschriebenen Effekte erzeugte Spannung gewissermaßen mit Händen zu greifen ist und ihren Höhepunkt erreicht hat, als Hekate als Gespenst erschienen ist, der Opferdiener zum tödlichen Stich ansetzt, da tritt die überlegene Macht der Kreuzes in Erscheinung. Somit ist diese Szene ein weiterer Höhepunkt von Julians dämonischem Handeln, gleichzeitig aber auch ein unzweifelhafter Verweis auf die Heil bringende Macht des Kreuzes. Der Zuschauer wird erneut nicht mit einem scheinbaren Triumph für den Götzendiener Julian zurückgelassen, sondern die Szene erzählt u.a. vom Scheitern seines Vorhabens an der Macht Gottes (vgl. Einleitung zu Comm. ad III,1). Die Szene bildet zugleich Höhe- und Wendepunkt des Dramas. Dieser Punkt kann sogar noch genauer benannt werden: In V. 1185 prallt zum einen der Gipfel von Julians Religionsfrevel in Form des Opfers an Hekate (Agon. feri, feliciter.) und zum anderen die Gegenhandlung, der unerschütterliche Glaube der Christen, aufeinander. Die Wende wird durch das Schlagen des Kreuzes einerseits und die dadurch verursachte Flucht Hekates andererseits visuell dargestellt. Bei der Schilderung der Vorbereitung des tatsächlichen Opfers hält sich Drexel an den aus der Antike überlieferten Ablauf: Nachdem das Opfertier in einer feierlichen Prozession zum Tempel gebracht worden war und der Herold für Ruhe gesorgt hatte (favete linguis), wird mit dem Ausruf hoc age zur Konzentration auf den Sakralakt gemahnt. Der Opferkönig spricht die Darbietungsformel, die den Gott und das Opfertier näher benennt. Daraufhin reinigte man sich die Hände und weiht das Opfertier, indem man die mola salsa und Wein über den Kopf des Tieres gießt. Nach einem Gebet fragte der Opferdiener Agone? [Soll ich es tun?] und
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nach einer positiven Antwort folgt die Tötung des Tieres nach ebenfalls fest vorgeschriebenem Vorgehen. Vgl. Scheid 1997, S. 483–484; Latte 1960, S. 386–387; zeitgenössisch beschrieben von Giraldi (1560, S. 482–509) und ebenfalls literarisch verarbeitet durch Bidermann im Philemon (II,4). 1137 linguaeque face faventiam.] Die Wendung favete linguis stellt den typischen Ruf des Herolds bei offiziellen Opfern dar. Er sorgt damit für aufmerksame Ruhe für das anstehende Gebet und die Opferzeremonie. Der peinlich genau vorgegebene Opfervorgang soll durch kein unbedachtes Wort gestört und somit kein schlechtes Omen hervorgerufen werden. Dieser Ruf hat auch Einzug in die Literatur gefunden: favete linguis: carmina non prius ∣ audita Musarum sacerdos ∣ virginibus puerisque canto (Hor. carm. 3,1,2–4; vgl. Verg. Aen. 5,71; Prop. 4,6,1; Tib. 2,2,2; Ov. fast. 2,654, met. 15,676–678). Vgl. West 2002, S. 15; Nisbet/Rudd 2010, S. 7; Scheid 1997, S. 480–482; Kiessling/Heinze ¹⁰1960, S. 250–251; Latte 1960, S. 386–387; Giraldi 1560, S. 498. Face, der Imperativ ohne Apokope von facere, steht im Altlateinischen nicht selten (vgl. z.B. Plaut. Pseud. 18 und 157; Ter. Andr. 680 und 821). Vgl. Hey, Oskar 1912: Art. ‚facio‘. In: ThLL VI,1,82,38–133,48, hier 82,45–55. 1139 Hecate] Zur Dativform Hecate siehe Comm. ad 1010. 1138–1145 Adeste … ∣ Adeste … ∣ Exeste … ∣ Exeste … ∣ Abeste … ∣ Abeste …] Die dreifach parallele Anordnung von jeweils zwei Versen, von denen die ersten beiden diejenige Personengruppe anspricht, welche an der rituellen Handlung teilnehmen soll, und die übrigen die Ausschlusskriterien nennen, entfalten ihren sakralen Charakter durch eine Reihe von rhetorischen Elementen: Jeweils zwei aufeinanderfolgende Verse beginnen mit demselben Wort. Die homoioteleutisch auf -i endenden Trikola, die auf diese Imperative folgen und die zugehörigen Subjekte nennen, erzeugen durch ihren Gleichklang einen litaneihaften Charakter. Exesto bzw. exeste bildet eine typische Aufforderung eines Liktoren, der ausdrücklich die Personengruppe benennt, die zu einer Kulthandlung nicht zugelassen ist (vgl. Fest. S. 72,10–12: Exesto: extra esto. Sic enim lictor in quibusdam sacris clamitabat: hostis, vinctus, mulier, virgo exesto; scilicet interesse prohibebatur). In derselben Weise ist diese Aufforderung bei Vergil verwendet: procul, o procul este, profani (Aen. 6,258). Das griechische Pendant findet sich bei Kallimachos (ἑκὰς ἑκὰς ὅστις ἀλιτρός, h. 2.2). Vgl. Giraldi 1560, S. 498–499. Drexel hat diese Verwendung von exeste im sakralen Kontext auf das Synonym abeste übertragen und dazu antithetische adeste gebildet. Die Opfervorbereitungen in Bidermanns Philemon verlaufen ganz ähnlich (vgl. II,2).
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1140 candidi] Das Adjektiv candidus (hier kurz für candida veste indutus) steht sowohl in der heidnischen als auch in der christlichen Religion symbolisch für Reinheit und Heiligkeit (vgl. Hier. epist. 64,19,3: induemur veste linea nihil in se mortis habente, sed tota candida). So durften an heidnischen Opferriten nur ‚reine‘ Personen teilnehmen, die diesen Zustand durch das Tragen von weißer Kleidung zum Ausdruck brachten. Personen, die beispielsweise in irgendeiner Form mit dem Tod in Berührung gekommen sind, waren von Opferhandlungen ausgeschlossen. Neben dem Reinheitsaspekt war die weiße Farbe bei religiösen Zeremonien aufgrund ihrer Segen spendenden Wirkung wichtig. So wurden in die Ährenkränze der Arvalen weiße Binden eingeflochten (Plin. nat. 18,6) und der Flamen Dialis trug einen sogenannten Albogalerus auf dem Kopf, der aus dem Fell eines weißen Opfertiers hergestellt wurde (Gell. 10,15,32). Außerdem versuchte man komplementär dazu durch die weiße Farbe Übel und schlechte Omina abzuhalten. So sollte die heilige Handlung wie z.B. ein Opfer oder eine Hochzeit vor schlechten und störenden Einflüssen geschützt werden (vgl. Ov. fast. 3,363). Opfertiere für die Gottheiten des Himmels waren daher meist weiß oder mit Kreide geweißt (vgl. Verg. Aen. 3,20–21 und 9,628; Ov. fast. 1,56). Ferner galt weiße Kleidung im profanen Kontext als Zeichen für Festtagsstimmung und Freude (Ov. fast. 2,653– 654, vgl. am. 2,13,23). Vgl. Latte 1960, S. 38; Radke 1936, bes. S. 23–27, 35–47 und 57–69; Giraldi 1560, S. 496. 1141 cernui] Das Adjektiv cernuus ist zwar bereits bei Lucilius (Lucil. 130), Vergil (Aen. 10,894) und Silius Italicus (16,412) belegt, erfährt eine breite Verwendung jedoch erst bei spätantiken, insbesondere christlichen Autoren (z.B. Prud. cath. 3,149, 7,43; Sidon. carm. 2,88 und 5,54). In der Bedeutung ‚demütig/tief gebeugt‘ kommt es in mittelalterlichen Hymnen häufig vor, so u.a. im pseudoambrosianischen Aurora-Hymnus (Ut mane illud ultimum, ∣ quod praestolamur cernui, Hymn. Ambros. II 28,8–9), der in das Stundenbuch (Brevarium; Liturgia Horarum) aufgenommen und zur Laudes am Samstag gesungen wurde. Auch im Hymnus Pange lingua, der Thomas von Aquin zugeschrieben und seit 1264 zum Fronleichnamsfest gesungen wird, tritt es in dieser Bedeutung auf: Tantum ergo Sacramentum veneremur cernui (Brev. Rom. 1597, S. 144–145). Die letzten beiden Strophen dieses Hymnus werden bis heute in der katholischen Liturgie als separater Hymnus (Tantum ergo) auf das allerheiligste Altarsakrament verwendet. 1141 frondei] Es war bei den Römern verbreitet, bei Gebeten und Opfern einen Kranz aus Laub zu tragen (vgl. Verg. Aen. 7,135; Liv. 27,37,13, 34,55,4; Ov. fast. 3,254). Dieser konnte der jeweiligen Gottheit angepasst werden (Eiche: Jupiter; Lorbeer: Apollo; Olivenzweig: Minerva; Efeu/Weinlaub: Bacchus). Vgl. Appel 1909, S. 191; Giraldi 1560, S. 456.
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1142 profani] Mit profani werden in der Regel Personen bezeichnet, die an einem Kult nicht teilnehmen dürfen, weil sie dazu nicht befugt oder nicht eingeweiht sind (vgl. Verg. Aen. 6,258: procul, o procul este, profani; siehe auch Catull. 64,260 und Calp. ecl. 2,55). Hier bezieht sich die Bezeichnung auf alle Personen, die nicht der heidnischen Religion angehören. 1144 perfidi] Ursprünglich ist das Adjektiv perfidus nicht im religiösen Kontext verankert, sondern wurde im Zusammenhang mit wortbrüchigen Menschen, betrügerischen Verliebten, heimtückischen Feinden und Verrätern angewandt. Erst später, namentlich seit Cyprian von Karthago, zogen es christliche Apologeten zur Bezeichnung von Personen heran, die sich nicht zu Christus bekennen oder von ihm abgefallen sind. Cyprian bringt dieses Verständnis folgendermaßen auf den Punkt: est et culpa gravissima perfidorum non credere ei, qui se opem suam daturum confitentibus pollicetur (epist. 76,5: Es ist die schwerste Schuld der Ungläubigen, dass sie an denjenigen nicht glauben, der den Bekennenden seine Hilfe verspricht). Daneben ist perfidus aber auch ganz konkret zur Bezeichnung der Juden (so ebenfalls wieder Cyprian: Iudaicus populus […] circa deum perfidus, Fort. 7) und von Häretikern (wieder Cyprian: quasi haereticus semper et perfidus omnium sacerdotum voce damnatus [sc. Novatus], epist. 52,2) zu finden. Zahlreiche weitere Belege bei Oshiba, Yoshihiro 1995: Art. ‚perfidus‘. In: ThLL X,1,1391,46–1392,26. An dieser Stelle wird das Adjektiv jedoch in umgekehrter Weise verwendet, nämlich zur Bezeichnung aller, die nicht dem heidnischen Glauben angehören. 1146 Rex ordinem compone, ferque victimam.] Der Rex sacrorum oder Rex sacrificulus ist ein uraltes Priesteramt in Rom (Varro ling. 6,12–13). Es wurde vermutlich im Zuge der Vertreibung der Könige geschaffen, wobei ihre sakralen Aufgaben auf den Rex sacrorum übergingen. Zu den kultischen Pflichten seines Amtes, das er auf Lebenszeit ausführte, gehörte das Widderopfer in der Regia anlässlich der Dies Agonales am 9. Januar, in deren Rahmen wohl dem Gott Janus ein Piacularopfer dargebracht wurde. Auch bei kalendarischen Ritualen kamen ihm wichtige Funktionen zu. Vgl. Sigmund 2014, S. 9; Loicq 2004; Bendlin 2001; Rosenberg 1914. Drexel setzt den Rex sacrorum allerdings mit dem Flamen Dialis gleich bzw. lässt den Flamen Dialis in der Funktion des Rex sacrorum auftreten. Die Begriffe victima und hostia bezeichnen allgemein ein Opfertier. Hekate, der das Opfer dargebracht werden soll, stellte man sich in der Antike häufig in Begleitung von Hunden vor (siehe Comm. ad 1156–1165). Deren Heulen künde das Kommen der Göttin an. Daneben wird berichtet, dass ihr Hunde als Opfer dargebracht wurden (Ov. fast. 4,908; Eur. frg. 62h; Paus. 3,14,9; Plut. qu. R. 52; Iul. or. 7[5],176d). Daher ist es gut vorstellbar, dass bei der Aufführung ein Hund als Opfer-
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tier fungierte (siehe dazu auch Comm. ad 1156–1165). Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 191–192; Giraldi 1560, S. 524. 1147 Thura pueri molamque cum vino ferant.] Weihrauch, mola und Wein gehörten zu den wichtigsten Elementen einer Opferfeier. Mit ihnen wurde das Opfertier geweiht. Die mola salsa war eine Mischung aus Speltschrot und einer Salzlake, die von den Vestalinnen zubereitet wurde. Vgl. Beard/North/Price 1998 I, S. 51–52; Scheid 1997, S. 483–484; Latte 1960, S. 108–109; Giraldi 1560, S. 492, 494–496 und 498. 1148 hostiam] Siehe Comm. ad 1146. 1152 lituus] Musikinstrumente wurden bei Opfern eingesetzt, um den Anwesenden ein akustisches Signal zu geben, wann das Opfer vollzogen wird. Dadurch sollten diese zur Ruhe gemahnt werden, damit kein falscher Laut die Zeremonie stört. Vgl. Giraldi 1560, S. 499. 1153 Favete linguis] Siehe Comm. ad 1137. 1156–1165 Salve Dea potens … Numen praepotens.] Die Anrufung der Hekate weist nicht nur durch die Zehnzahl, sondern auch durch den zu Beginn eines jeden Verses wiederholten Gruß Salve … eine gewisse Ähnlichkeit mit dem katholischen Rosenkranzgebet auf (Ave Maria …). Die erwähnten Erscheinungsformen der Hekate seien hier gesammelt erläutert: Pulchra noctis filia: Als Herrin über alles Schreckliche, Dunkle, Unheimliche, Dämonische und Magische sowie aufgrund ihrer Nähe zu Artemis/Diana bzw. Selene/Luna (s.u.) wurde Hekate die Nacht als Wirkzeit zugesprochen. In einem Bakchylides-Fragment wird sie ausdrücklich ‚Tochter der Nacht‘ genannt (Ἑκάτα δαϊδοφόρε […] νυκτὸς μεγαλοκόλπου θύγατερ, frg. 1B). Es gehört zu ihrem ambivalenten Wesen, dass ihr manche Autoren auch die Attribute ‚sanft/gelinde‘ (Εὐκολίνη, Kall. frg. 225) und ‚lieblich/anmutig‘ (ἐραννή, Orph. h. 1,1) verleihen. Drexel gibt diesen Aspekt mit dem Adjektiv pulchra wieder. Stygi tremenda Dea Proserpina: Hekate wurde auch mit der Herrin über die Toten, Persephone/Proserpina, der Frau des Unterweltgottes Hades/Pluto, gleichgesetzt (z.B. Soph. Ant. 1199). Im homerischen Demeter-Hymnus erscheint sie als Begleiterin der Demeter/Ceres, die ihre von Hades geraubte Tochter Persephone sucht (Hom. h. 2,24–25, 52–59 und 438–440; vgl. Kall. frg. 466). Entsprechend hat sie mit Persephone auch die Fackel als typisches Attribut gemein (siehe Abbildungen in LIMC VI,2 [1992], S. 654–673). Vergil beschreibt sie als Göttin, die sowohl im Himmel als auch unter der Erde Macht besitzt (Hecaten caeloque Ereboque potentem, Aen. 6,247; vgl. auch: Serv. Aen. 6,118 und 247; Lucan. 6,699–700).
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Nitenti veste Luna candicans: Die große Nähe zwischen Hekate und Artemis/Diana (s.u.) führte dazu, dass Erstgenannte auch mit der Mondgöttin Selene/Luna gleichgesetzt wurde: Ἑκάτην⋅ οἱ μὲν τὴν Ἄρτεμιν, οἱ δὲ τὴν σελήνην, ἐν φάσμασιν ἐκτόποις φαινομένην τοῖς καταρωμένοις. Suda, s.v. Ἑκάτην. [Hekate: Die einen sagen, dass sie in der Gestalt der Artemis, andere in der der Selene mit wundersamen Gespenstern denjenigen erscheine, die einen Fluch aussprechen.] Diana numen almum saltuum: Hekate wurde aufgrund ihrer Eigenschaft als Beschützerin der Ehe, der Geburt und des Nachwuchses (Hes. theog. 444–452; Aischyl. Supp. 676–677) nicht selten mit Artemis/Diana gleichgesetzt, die dieselben Funktionen erfüllte. Außerdem wird Hekate in der Genealogie des Hesiod als die Cousine der Diana dargestellt (theog. 409–411). Andere Zeugnisse halten Hekate für die Tochter der Leto, wonach Diana und Hekate Geschwister wären (Eur. Phoen. 110). Entsprechend wird ihr Wirken auch in Wälder verlegt (Ov. met. 7,74– 75). Diese enge Verflechtung führte dazu, dass die beiden Gottheiten stark miteinander verschmolzen. Frühneuzeitliche mythologische Lexika (z.B. Giraldi 1560, S. 347) behaupten gar, dass es sich bei Hekate, Diana und Luna um dieselbe Göttin handeln könnte. Bereits Servius merkte an, dass Hekate die Macht der Göttinnen Luna, Diana und Proserpina in sich vereine: Hecate trium potestatum numen est: ipsa enim est Luna, Diana, Proserpina. Aen. 6,118. Trivia munere verenda triplici: Den Beinamen Trivia erhielt Hekate durch ihre besondere Verbindung zu Wegkreuzungen (siehe Comm. ad 1003–1004). Entsprechend wurde sie als dreigestaltige Göttin dargestellt, sei es mit drei Köpfen, sei es als drei Göttinnen. Dieser Sachverhalt findet sich bei Ovid zusammengefasst: ora vides Hecates in tres vertentia partes, ∣ servet ut in ternas compita secta vias (fast. 1,141–142). Aufgrund ihrer Dreigestaltigkeit erhielt sie u.a. die Epitheta tergemina (Verg. Aen. 4,511), triceps (Ov. met. 7,194) und triformis (Ov. met. 7,94 und 177; Sen. Med. 7). Soror Apollinis honora Cynthia: Apollo und seine Zwillingsschwester Diana wurden auf dem Cynthus, der zentralen Erhebung der Insel Delos, geboren. Canum sacer pavor: Der Hund war das heilige Tier der Hekate (Aristoph. frg. 594a; Eur. frg. 62h; Paus. 3,14,9), was sich in ihrem Epitheta σκυλακῖτις (‚Hundebeschützerin‘, Orph. h. 1,5) und κυνοσφαγῆς (‚die hundefressende/der Hundeopfer dargebracht werden‘, Lykoph. Alex. 77) widerspiegelt. Ursprünglich wurde ihr der Hund in ihrer Rolle als Geburtsgöttin (wie bei Eileithyia, Genetyllis und Genita Mana, vgl. Plut. qu. R. 52) zugeschrieben, später wurden die Hunde, die Hekate begleiteten und ihr Kommen durch Geheul ankündigten, mit Totengeistern und Dämonen identifiziert (Theokr. eid. 2,12–13 und 35–36; Apoll. Rhod. 3,1216–1217; Verg. Aen. 6,257–258; Ov. met. 14,409–410; Sen. Oed. 569). Die Verbindung zwischen Hekate und den Hunden kam auf verschiedenen Wegen zustande: Hunde heulen auch schon nach antiker Vorstellung den Mond/Luna an. Ferner stellt der
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dreiköpfige Höllenhund Cerberos die Verbindung zu Hekate als Persephone her. Theokrit (eid. 2,12–13) erzählt, dass Hunde vor Hekate in Furcht geraten (vgl. pavor sacer canum). Tonante Iove et Cerere sata nobilis: Dass Hekate die Tochter des Zeus und der Demeter/Ceres gewesen sein soll, wird vereinzelt behauptet (Orph. frg. 400). Fast die identische Formulierung wie bei Drexel findet sich in der lateinischen Zusammenfassung des erwähnten orphischen Fragments bei Natale Conti (1584, S. 241): De Cerere est Hecate sata nobilis atque tonante de Iove. Atriorum Dea praevia regalium: Ganz allgemein besaß Hekate eine Schutzfunktion für Übergänge jeglicher Art. So wachte sie nicht nur über den Beginn des Lebens, sondern auch über dessen Ende bzw. den Übergang vom Reich der Lebenden in das der Toten. Im selben Zusammenhang ist ihre Schutzfunktion über die Eingänge von Häusern oder Städten zu sehen. Ihr werden daher Epitheta wie προθύραια (‚vor der Tür befindlich‘, Procl. h. 6,2) und ἐπιπυργιδία (‚auf dem Turm befindlich‘, Paus. 2,30,2) verliehen. Drexel gibt diesen Aspekt wiederum beinahe im selben Wortlaut wie Conti (1586, S. 243) wieder: Regalium atriorum praevia Hecate (Übersetzung des Aeschylus-Fragments δέσποιν’ Ἑκάτη, τῶν βασιλείων πρόδομος μεγάθρων, frg. 388 TGF III.). Maris terraeque Numen praepotens: Bei Hesiod erstreckt sich Hekates Macht über Erde, Himmel und Meer (theog. 413–414 und 426). Im orphischen Hekate-Hymnus wird sie ebenfalls mit οὐρανία, χθονία τε καὶ εἰλαλία (‚Himmels-, Erden- und Meeresgöttin‘, h. 1,2) angesprochen. Vgl. auch Eus. pr. ev. 4,23,7 = Porph. frg. 328F. Aus der reichen Literatur zu Hekate sei folgende Auswahl genannt: Lautwein 2009; Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 191–192; Phillips 2002; Zografou 1999; Johnston 1998; Sarian 1992; Johnston 1991; Johnston 1990, bes. S. 203–249; Kehl: 1987; Kraus 1960; Johnston 1957, bes. S. 21–48; Scholz 1937, S. 28–29 und 40–43; Heckenbach 1912; Roscher 1886–1890b. Siehe ferner Comm. ad 1010. Zum frühneuzeitlichen Wissen über Hekate siehe Conti (1584, S. 240–273) und Giraldi (1560, S. 344–369). Viele der genannten Erscheinungsformen Hekates sind auch in einem spätantiken, griechischen Zauberpapyrus an die Göttin (PGM² IV,2785–2870) zusammengefasst. 1170–1171 Si solveris piaculis ∣ Maestis et occursaculis.] Hekate soll zusammen mit ihrem Hundegefolge bei den Menschen Wahnsinn und nächtliche Schrecken verursacht haben (vgl. Suda s.v. Ἑκάτην, siehe Comm. ad 1156–1165). Sie war aber nicht nur eine Gottheit, die diese Dinge hervorrief, sondern man glaubte auch, dass sie die Menschen vor diesen beschützen und erlösen könne.
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1175–1176 farre et sale ∣ Laticeque vitis imbuite Gazetico.] Zur Funktion von gesalzenem Speltschrot und Wein bei römischen Opfern siehe Comm. ad 1147. In der Spätantike bzw. im beginnenden Mittelalter gewinnen Weine aus Palästina große Beachtung, da sie für die stärksten und edelsten gehalten wurden (vgl. Greg. Tur. Franc. 7,29; Sidon. carm. 17,15; Cassiod. var. 12,12,3). Auch am byzantinischen Hof war dieser Wein sehr beliebt (Coripp. Iust. 3,87–88). Vgl. Hehn ¹⁰1902, S. 84. Die etwas umständlich anmutende Formulierung latex vitis ist auch schon bei augusteischen Dichtern belegt (Ov. met. 13,653). Das Adjektiv Gazeticus ist durch Enallage eigentlich auf vitis zu beziehen. Vgl. Heine, Rolf 1973: Art. ‚latex‘. In: ThLL VII,2,1004,23–30. 1177–1184 Nunc rite septies vocabo Hecaten. … tibi placere praesens nuntia.] Das Gebet an Hekate stellt eine freiere Imitation des Vaterunsers dar. Dies lässt sich erstens durch die Siebenzahl (septies, V. 1177) der Bitten belegen. Diese Zählung hat sich seit Augustinus (enchir. 30,115) etabliert und ist in dieser Weise sowohl im zeitgenössischen (Canisius 1579, fol. 7r –9r ) als auch im heutigen Katechismus zu finden (KKK 2803–2865). Zweitens erscheint die angerufene Gottheit in derselben Weise markant zu Beginn des Gebets (Hecate potens …/Pater noster …). Somit werden die anwesenden Christen nicht nur durch die konkreten heidnischen Opferhandlungen beleidigt, sondern auch durch die aus ihrer Sicht blasphemische Imitation ihrer eigenen Riten. Nach den Anklängen an das Rosenkranzgebet (V. 1156–1165) und das Wechselgebet im Stile eines christlichen Hymnus mit Endreim (V. 1166–1174) sind diese Verse, die einen höhnischen Angriff auf das christliche Gebet schlechthin darstellen, eine weitere der vielen Provokationen, die Syncerastus letztlich nicht mehr tatenlos mitansehen kann und will. Vgl. Luz 2002; Jeremias ⁴1988, S. 190. 1183 barbaris insultibus] Das Adjektiv barbarus ist hier wie in V. 1133 zu verstehen: Es bezeichnet diejenigen, die nicht der heidnischen Religion angehören. Das Substantiv insultus findet sich antik nur im Carmen de Passione Domini (Carm. pass. Dom. 33), das zeitweise Laktanz zugeschrieben wurde. Umso häufiger erscheint es aber in neulateinischen Texten. Vgl. Walde, Alois 1962: Art. ‚insultus‘. In: ThLL VII,1,2045,55–61; Krebs ⁷1905–1907 I, S. 760; DuCange 1883–1887 s.v. insultus; Kirsch 1774 s.v. insultus. 1185 Agon] Das Substantiv agon ist eine von mehreren Bezeichnungen, die für den Opferdiener verwendet wurden. Sie ist wohl eine Übertragung aus dem Griechischen (ἀγῶν, ‚derjenige, der die Opferhandlung ausführt‘). Die einzige antike Erklärung für die Bezeichnung findet sich im Thebais-Kommentar des Lactantius Placidus aus dem vierten oder fünften Jahrhundert n.Chr. Dieser schildert, dass es
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bei den Priestern Brauch war, dass sie entweder selbst das Opfertier schlachteten und dann agones genannt wurden, oder dass andere Personen dafür sorgten, die victimatores hießen: sacerdotum consuetudo talis est, ut aut ipsi percutiant victimas – et agones appellantur – aut victimis cultrum alter impingat – qui victimatores dicuntur. (Lact. Plac. 4,463)
Drexel verwendet die beiden Bezeichnung victimarius (V. 1148) und agon allerdings synonym. Vgl. Dahlmann 1989; Latte 1960, S. 388; Giraldi 1560, S. 504. 1185 feri, feliciter.] Der Opferleiter wünscht dem Agon deshalb Glück, weil es bei Tieropfern immer wieder geschah, dass sich das Tier losriss und zu fliehen versuchte (effugia hostia). Wenn es nicht gelang, das Tier wieder einzufangen, galt dies als böses Omen. Vgl. Latte 1960, S. 388. 1186–1212 maius, Imperator, maius … auferte cum ara victimam.] Die Vorlage für die Beschreibung, wie Julians Opfer an Hekate verhindert wird, liefert Prudentius in seinem hexametrischen Gedicht Apotheosis. Darin zeigt Prudentius das Wesen Christi als wahren Gott und wahren Menschen auf und verortet ihn entsprechend in der Trinität. Dabei widerlegt er des Weiteren sechs Irrlehren der zeitgenössischen ‚häretischen‘ Christologie. Das missglückte Opfer unter Julian Apostata führt Prudentius an, um den Juden, die als einziges Volk auf der Welt vom christlichen Glauben nicht überzeugt seien, zu illustrieren, dass mit Christi Menschwerdung die Macht der Götzen endgültig gebrochen sei. Aufgrund der großen Übereinstimmung mit Drexels Text sei die entsprechende Passage aus Prudentius’ Apotheosis (apoth. 469–502) in voller Länge aufgeführt (Baronio zitiert sie ebenfalls wörtlich: AE IV,15E–16C). Die jeweiligen Entsprechungen zum Iulianus sind kursiv markiert: Cum subito exclamat media inter sacra sacerdos pallidus: „En, quid ago? Maius, rex optime, maius numen nescio quod nostris intervenit aris quam sufferre queant spumantia cymbia lacte caesarum sanguis pecudum, verbena, coronae. Accitas video longe dispergier umbras, territa Persefone vertit vestigia retro extinctis facibus tracto fugitive flagello. Nil agit arcanum murmur, nil Thessala prosunt carmina, turbatos revocat nulla hostia manes. Nonne vides ut turibulis frigentibus ignis marceat, ut canis pigrescat pruna favillis?
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Ecce Palatinus pateram retinere minister non valet, elisa destillant balsama dextra, flamen et ipse suas miratur vertice laurus cedere, et incertum frustratur victima ferrum. Nescio quis certe subrepsit christicolarum hic iuvenum; genus hoc hominum tremit infula et omne Pulvinar divum. Lotus procul absit et unctus Pulchra reformatis redeat Proserpina sacris!“ Dixit et exsanguis conlabitur ac velut ipsum cerneret exerto minitantem fulmine Christum, Ipse quoque exanimis posito diademate princeps pallet, et adstantes circum inspicit ecquis alumnus chrismatis inscripto signaret tempora ligno, Qui Zoroastreos turbasset fronte susurros. Armiger e cuneo puerorum flavicomantum, pupurei custos lateris, deprenditur unus nec negat, et gemino gemmata hastilia ferro proicit ac signum Christi se ferre fatetur. Prosiluit pavidus deiecto antistite princeps marmoreum fugiens nullo comitante sacellum, dum tremefacta cohors dominique oblita supinas erigit ad caelum facies, atque invocat Hisum. [Plötzlich schrie inmitten der heiligen Handlungen ein Priester, bleich geworden, auf: „Was mache ich hier denn? Hier ist irgendeine mächtigere, bester Kaiser, ja eine mächtigere Gottheit, die zwischen uns und unsere Altäre tritt, zugegen, als die von Milch schäumenden Schalen, das Blut der kaiserlichen Opfertiere, Laubkränze und Opferbinden aushalten können. Ich sehe, wie die herbeigerufenen Schatten in weite Ferne verschwinden, Persephone macht, in Schrecken versetzt, kehrt, mit ausgelöschter Fackel flüchtend und die Peitsche schwingend. Nichts bewirkt mehr ein leise gemurmeltes Mysteriengebet, nichts nutzen mehr thessalische Zaubersprüche, kein Opfertier ruft die in Panik versetzten Totengeister mehr zurück. Siehst du nicht, wie das Feuer in den erkaltenden Weihrauchpfannen erlischt, wie die Glut langsam zu weißer Asche vergeht? Und siehe, der Palastdiener vermag es nicht mehr, die Schale zu halten, seiner rechten Hand entglitten träufelt der Balsam zu Boden, und auch der Priester selbst wundert sich, dass sein Lorbeer von seinem Haupt gleitet, und das Opfertier entkommt dem unsicher angelegten Dolch. Mit Sicherheit hat sich hier irgend so ein junger Christusverehrer eingeschlichen; vor diesem Menschenschlag erzittert eine jede Binde und ein jedes Kissen der Götter. Fort mit diesem Getauften und Gesalbten, kehre zurück, schöne Proserpina, wenn das Opfer erneuert wurde!“ So sprach er und brach tot zusammen. Und als habe er den mit zuckendem Blitz drohenden Christus gesehen, legte der Kaiser selbst sein Diadem ab, bleich und blass, und inspizierte die Umstehenden, ob sich darunter nicht ein Chrisamjünger befand, der das Kreuzzeichen auf seinen Schläfen trug und der dadurch das Gemurmel des Zoroaster störte. Ein Soldat aus der Gruppe der goldgelockten Jungen, ein Leibwächter des Kaisers, wurde entdeckt, und er leugnete nicht. Seine Perlen besetzte Lanze mit doppelter Klinge warf er von sich und bekannte offen, dass er das Zeichen Christi trage. Der Kaiser stürzte verängstigt davon, warf dabei einen Priester um und floh aus dem marmornen Heiligtum, ohne dass ihn
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jemand begleitete, während die in Furcht geratene Kohorte gleichzeitig ihren Herrn vergaß, den Blick nach oben zum Himmel richtete und Jesus anrief.]
1186 maius, Imperator, maius] Zur Epanalepse maius … maius siehe Comm. ad 963–964. 1192 Nil murmur arcanum movet] Das Adjektiv arcanus wird in der Literatur nicht selten als Synonym für den Begriff mysteria gebraucht (z.B. monet arcanis oculos removere profanos, Ov. met. 7,256; vgl. auch Sen. Oed. 214–215, nat. 7,30,6; Quint. inst. 1,12,15; Lucan. 6,430). Vgl. Klotz, Alfred 1901: Art. ‚arcanus‘. In: ThLL II,437,74–438,24. 1192–1193 Thessala ∣ … carmina] Die im Nordosten Griechenlands gelegene Landschaft Thessalien wurde in der griechischen (vgl. z.B. Aristoph. Nub. 749– 756; Plat. Gorg. 513a) und noch vielmehr in der römischen Literatur mit Magie und dämonischen Frauen in Verbindung gebracht. Bei den römischen Autoren verliert Thessalus teilweise vollkommen seinen geographischen Aspekt und wird als Synonym für magicus verwendet. Bei Horaz taucht die Zauberin Folia auf, die (ganz nach griechischem Vorbild, vgl. Hill 1973) den Mond und die Sterne durch ihre Stimme vom Himmel herabführen kann (epod. 5,41–46; vgl. Kiessling/Heinze ¹⁰1960, S. 508–509), bei Properz ist von einer Thessala saga die Rede (3,24,10) und bei Tibull findet sich die Formulierung quidquid et herbarum Thessala terra gerit (2,4,56). Eine der berühmtesten thessalischen Hexen erscheint im sechsten Buch von Lucans Epos De bello civili (Pharsalia; vgl. Einleitung zu Comm. ad III,4). Dort sucht der Sohn des Pompeius, Sextus, am Vorabend der Schlacht von Pharsalos die Hexe Erictho auf, die ihm durch eine Nekromantie die Zukunft vorhersagt. Ältere Horaz-Kommentatoren (vgl. Kiessling/Heinze ¹⁰1960, S. 119) erklären sich den Zusammenhang von Magie und Thessalien in Anlehnung an Scholien zu Aristophanes (Schol. vetera in Aristoph. Nub. 749). Demnach waren die Gebirge Thessaliens reich an heilenden Kräutern, die Medea bei ihrem Flug über Griechenland verstreut haben soll. Oliver Phillips (2002) macht dagegen in jüngerer Zeit einen anderen Vorschlag: Zwar sieht auch er den Ursprung der Vorstellung im Medea-Mythos, macht aber eine andere Geschichte zur Grundlage. Nicht die mythologische Erzählung von ihrem Flug führte laut ihm zu dieser Assoziation, sondern die Tatsache, dass Medea zusammen mit Jason nach Jolcos in Thessalien kam, wo sie durch ihre Zauberkraft Aeson, den Vater Jasons, heilte. Davon ausgehend wurde Thessalien in der Vorstellung der Menschen zur Landschaft der Magie, Hexen und Zauberer. Siehe auch Bowersock 1965, S. 278.
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1199 hoc pestilens et noxium hominum genus] Die absichtliche Beibehaltung des Hiats zwischen noxium und hominum in diesem Vers trägt zum rüden Ton bei, in dem der Flamen Dialis die Christen verflucht. 1200 Mitrae tremunt, Divumque pulvinaria] Mit mitra wird eine lydische und phrygische Kopfbedeckung bezeichnet (wohl ein Filzhut, vgl. Serv. Aen. 4,216). Sie wird hier als Synonym für die von Prudentius angeführte infula gebraucht (vgl. apoth. 486). Bei der infula handelte es sich um eine Wollbinde, die in zahlreichen Zusammenhängen zum Einsatz kam (Girlanden; Schmuck für Opfertiere, Gebäude und Altäre). Priester trugen eine diademartige Kopfbinde, die auf beiden Seiten mit Quasten versehen war. Vgl. Hurschmann 2000b; Siebert 1998; Schuppe 1932; Latte 1916; Faber 1735 I, Sp. 1282–1283 s.v. infula und Sp. 1618 s.v. mitra. Das pulvinar war ein Kissen, auf dem bei der Gründung eines Heiligtums und später bei dessen Jahrestag das Götterbildnis platziert wurde. Im Rahmen des sogenannten lectisternium, einer Speisung der Götter bzw. ihrer Bildnisse, spielte es ebenfalls eine wichtige Rolle. Vgl. Siebert 2001; Hug 1959; Faber 1735 II, Sp. 377 s.v. pulvinar. Beide Begriffe, mitrae und pulvinaria, sind hier als typische Elemente der heidnischen Kultpraxis zu sehen. Durch das anthropomorphe Verb tremere werden sie personifiziert und drücken Pars pro toto die Unterlegenheit der heidnischen Religion gegenüber der Macht des Christengottes aus. 1201 Hinc lotus unctusque procul o procul emigret.] Drexel verknüpft hier den Halbvers des Prudentius (Lotus procul absit et unctus, apoth. 487) mit dem Ausruf der Sibylle im sechsten Buch der Aeneis zu Beginn ihres Gebetes (procul, o procul este, profani, Aen. 6,258), der bereits zuvor in Hekates Anrufung anklang (siehe Comm. ad 1138–1145). 1202–1212 (Labitur exsanguis) … auferte cum ara victima.] In der Schilderung bei Prudentius erbleicht Julian nach dem Tod des Priesters atemlos vor Schrecken und legt sein Diadem ab. Daraufhin mustert er die umstehende Menge und sucht nach demjenigen, der das Kreuzzeichen auf seine Stirn gezeichnet hat. Nachdem sich ein Soldat dazu bekannt hatte, verlässt der Kaiser augenblicklich das Heiligtum. Von einer Hinrichtung ist nicht die Rede. Ammian (23,1,6) erzählt ebenfalls vom Tod eines älteren Priesters. Dieser sei am 1. Januar 363, als Sallustius von Julian zum Mitkonsul ernannt wurde, auf den Stufen des Tempels des Genius ohne fremde Einwirkung tot zusammengebrochen. Dieses Ereignis sei in der Weise gedeutet worden, dass die Götter damit zu verstehen gaben, dass nicht dem älteren Konsul, also Sallustius, der Tod drohe, sondern demjenigen, der die größere Macht besaß, also Julian.
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1205 quis crucem fronti imprimit?] Genau diese Situation, nämlich dass ein Christ durch das Kreuzzeichen (crucem imprimit; hier im historischen Präsens zur Betonung von Julians Aufgebrachtheit) ein Opfer an die heidnischen Götter stören kann, beschreibt Laktanz (siehe auch Comm. ad 939): Nam cum diis suis immolant, si adsistat aliquis signatam frontem gerens, sacra nullo modo litant ‚nec responsa potest consultus reddere vates‘ [= Verg. georg. 3,491]. (inst. 4,27,3) [Denn wenn sie ihren Göttern opfern und einer dabei ist, der das Kreuzzeichen auf seiner Stirn trägt, vollziehen sie das Opfer nicht und „der um Rat gefragte Seher kann keine Antwort von sich geben“.]
1208/1210 Sum Christianus/Ego Christianus, Christianus sum] Das Bekenntnis Christianus sum ist eine topische Aussage eines Märtyrers während der Befragung vor seinem Richter, durch die er sich offen zum christlichen Glauben bekennt. Bereits Plinius der Jüngere beschreibt in einem Brief an Kaiser Trajan, in dem er in seiner Funktion als Statthalter von Bithynien sein Vorgehen bei Christenprozessen erläutert und um das Einverständnis des Kaisers bittet, dass er in entsprechenden Verhören die Frage zu stellen pflege, ob die Beschuldigten Christen seien (interrogavi ipsos an essent Christiani, epist. 10,96,3). Nach einer dreimaligen bekennenden Antwort der Christen, auf deren Wortlaut (Christanus sum) durch Plinius’ Formulierung (an essent Christiani) indirekt geschlossen werden kann, habe er sie verurteilt. Dieselbe Antwort überliefert auch Eusebios in seiner Kirchengeschichte im Zusammenhang mit dem Martyrium der Blandina (Χριστιανή εἰμι καὶ παρ’ ἡμῖν οὐδὲν φαῦλον γίνεται, Eus. hist. eccl. 5,1,19 [Ich bin Christin und bei uns geschieht nichts Böses] und des Sanctus, der auf alle Fragen während der Folter mit den lateinischen Worten Christianus sum anwortet (ἀλλὰ πρὸς πάντα τὰ ἐπερωτώμενα ἀπεκρίνατο τῇ Ῥομαϊκῇ φωνῇ Χριστιανός εἰμί, Eus. hist. eccl. 5,1). Ebenso in der Passio Scillitanorum (9–10 und 13) und der Passio Perpetuae et Felicitatis (6,4). Vgl. auch Tert. coron. 1,2; ebenso topisch in der Passio Polycarpis (10,1). 1208–1209 arma Christi me decet ∣ Non execrenda ferre tela Numinum.] Die Aussage des Syncerastus lehnt sich frei an die Aufforderung des Apostels Paulus aus dem Römerbrief an: Nox praecessit. Dies autem adpropiavit. Abiciamus ergo opera tenebrarum et induamur arma lucis. (Rm 13,12)
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[Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.]
Gleichzeitig stehen die arma Christi jedoch auch für die Leidens- bzw. Folterwerkzeuge, die bei der Passion Christi Anwendung fanden (v.a. Geißel, Dornenkrone, Kreuz, in Essig getränkter Schwamm, Lanze). Daher drückt Syncerastus’ Aussage arma Christi me decet auch seine Bereitschaft aus, das Martyrium auf sich zu nehmen. Im vorliegenden Kontext bildet die Formulierung einen Kontrast zu den im vorangehenden Vers erwähnten arma falsi Numinis. Während bei diesen das ‚Leid Zufügen‘ im Vordergrund steht, betont das Bild der arma Christi das ‚Leid Ertragen‘. Zu den arma Christi siehe Cooper/Denny-Brown 2014 sowie Schiller 1972.
III,5 Innerhalb dieser Szene kommt es zu einer doppelten Entlarvung Julians. Zum einen wird seine verkehrte stoische Lebensführung von Mares aufgedeckt. Hinter Julians selbstproklamierter stoischer patientia (V. 1238) stecke in Wahrheit nichts anderes als stumpfsinnige Borniertheit, exsensa pertinacia (V. 1239–1240; vgl. S. 52–54 sowie S. 98). Wenn Julian seinem Gegenüber ferner vorwirft, „sich nun das Fell eines Fuchses anzulegen, nachdem er ihn in dem des Löwen nicht erschreckt habe“, bzw. von Drohungen zu heuchlerischen und schmeichelnden Worten übergehe, ist darin eine weitere Entlarvung Julians zu sehen. Denn er selbst ist es, wie aus dem Beginn des dritten Aktes hervorging (V. 1021–1022), der die negative Verhaltensweise der ‚Verstellung‘ an den Tag legt (vgl. Comm. ad 1310). Das eigentlich todernste Anliegen des Mares, Julian wieder auf den rechten Weg zurückzubringen, wird von Drexel nach den zurückliegenden sehr düsteren und dämonischen Szenen (bes. III,1–4) in ein komisches Gewand gehüllt. Die vorliegende Szene weist im Gegensatz zu den vorangegangenen sehr starke Züge der römischen Komödie auf. Dies wird an einer ganzen Reihe von Charakteristika deutlich: Auf sprachlicher Ebene beinhaltet die Szene zahlreiche Wortspiele (Iul.: saxa loqueris. Mar.: saxo loquor, V. 1271; obrigescere/insolescere, V. 1272/1273), tautologische Übertreibungen (V. 1242–1244 und 1248), umgangssprachliche Redewendungen (V. 1253, 1267, 1269 und 1304), idiomatische Metaphern aus der Tierwelt (V. 1222 sowie 1310) und typische Ausrufe des Erstaunens aus der Komödie (1319 sowie 1322) sowie hämische Ironie (V. 1220, 1233–1234 und 1317). Zudem verleihen zahlreiche derbere Schimpfworte, wie sie in der römischen Komödie zu Hauf zu finden sind (crepitaculum, V. 1282; barde vetule, V. 1294; silicernium, V. 1304; sacrilege, turbo, perfide, procella, legirupa, vastitas, draco, ruina, dedecus, scelestus, scelus, V. 1315–1320), der Szene ihren besonderen Charakter und rü-
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cken sie (nicht zuletzt aufgrund des wörtlichen Zitierens von einigen Elementen) sehr eng in die Nähe der „hervorragendste[n] Schimpfszene im Plautus“ (Fraenkel 1992, S. 401 Anm. 3), der flagratio aus dem Pseudolus (Pseud. 354–380). Ferner entspricht die Figuren- bzw. Typenkonstellation im Iulianus der in der römischen Komödie. Hier wie dort steht dem übereifrigen, draufgängerischen jungen Mann (adulescens/Julian) ein besorgter und mahnender alter Mann (senex/Mares) entgegen. Gleichzeitig weist Mares aber auch, v.a. im äußeren Auftreten, gewisse Gemeinsamkeiten mit der antiken Seherfigur Teiresias auf. Hierzu zählen beider Blindheit (vgl. Eur. Phoen. 834; Soph. Ant. 988–990, Oid. T. 302 und 412; Ov. met. 3,335 und 515; Sen. Oed. 290) und hohes Alter (vgl. Eur. Phoen. 837; Soph. Ant. 991; Ov. met. 3,515–516; Sen. Oed. 297–298), aufgrund deren sie auf eine Stütze bzw. einen Führer angewiesen sind (vgl. Eur. Phoen. 834–836; Soph. Ant. 989–990 und 1087, Oid. T. 297–299; Sen. Oed. 290). Hinzu kommt, dass dem blinden Mares in seiner Stellung als Bischof von Chalkedon auch vereinzelt biblische Zitate bzw. Anspielungen in den Mund gelegt werden (vgl. V. 1232, 1276–1281). 1214 Hic ipsus. fecisse Dis illum puto.] Zur Form ipsus siehe Comm. ad 533. In Baronios Erzählung (AE IV,22E–23A), der in lateinischer Übersetzung Sozomenos (hist. eccl. 5,4,8–9) wiedergibt, finden die Ereignisse um Mares, den Bischof von Chalkedon, im Anschluss an ein Opfer Julians an Fortuna statt. Durch diese Übernahme entstand eine leichte logische Unschärfe, da im Drama das Opfer an Hekate nicht umgesetzt werden konnte (vgl. fecisse Dis illum puto). 1216–1217 Mar.: Utinam salutem Iuliano Caesari ∣ Huc adferam! Iul.: Pestem igitur adportas mihi?] Wiederum wird eine Begrüßungsformel zum Anlass genommen, in die Grundproblematik der Szene medias in res zu gehen (vgl. Comm. ad 141–143). Auf den verklausulierten und devoten Gruß des Mares reagiert Julian umgehend mit einer abwertenden Erwiderung, die sich die Doppeldeutigkeit von salus (Gruß bzw. christliches Heil) zu Nutze macht. Die Konfliktlinie, die die gesamte Szene beherrscht, wird hier bereits deutlich gezogen. 1218 Allata iam fuit] Zur ungewöhnlichen Perfektbildung siehe Comm. ad 844. 1219 Venio ut tibi erranti optimam monstrem viam.] In der Bedeutung ‚falschen Göttern anhängen‘ bzw. ‚Heide sein‘ wird das Verb errare fast schon standardmäßig von christlichen Autoren der Spätantike, insbesondere in der Vulgata (vgl. z.B.: I Tim 6,10 und II Tim 3,13), verwendet. Die Metapher ‚einem Umherirrenden den Weg zeigen‘ findet sich bereits bei Ennius (scaen. 366), aber auch bei Cicero (off. 3,54), Seneca (benef. 4,29,1) und Petron (79,4). Vgl. Hey, Oskar 1935: Art. ‚erro‘. In: ThLL V,2,806,65–813,62, bes. 811,61–812,26.
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1222 videris Argus; talpa es] Dem vielaugigen Argus, dem Synonym für Wachsamkeit (siehe Comm. ad 159–160), wird in Juxtaposition der Maulwurf (talpa) entgegengestellt. Schon in der Antike wurde das Tier mit der Blindheit in Verbindung gebracht. Dies sei die Strafe für den Schaden, den es als unterirdischer Pflanzenfresser verursache (vgl. Verg. georg. 1,183; Isid. orig. 12,3,5). Die Redewendung talpa caecior (‚blinder als ein Maulwurf‘) ist seit der Antike verbreitet (vgl. Diogenian. 8,25; Erasm. Adag. 255). Vgl. Hünemörder 1999; Otto 1890, S. 340. 1223–1232 An caecitas … a sophis.] Mares greift Julians heidnische Religion zunächst hinsichtlich des materiellen Wesens ihrer Götter an. Die Position der frühen Christen gegenüber den heidnischen ‚Götzenbildern‘ ist exemplarisch bei Minucius Felix (23,9–13) zusammengefasst: Die Götterbilder würden bei ihrer Herstellung mit Marterinstrumenten bearbeitet und erlitten grausame Qualen: So werde das Stück Holz, aus dem ein Götterbild werden soll, aufgehängt, geschlagen, gehauen und abgehobelt. Bilder aus Metall würden geschmolzen, solche aus Stein behauen und eingeritzt. Der Zeitpunkt, an dem aus dem Material ein Gott werde, könne nicht festgestellt werden. Erst wenn die Menschen es wollten und erklärten, dass der Gegenstand ein Gott sei, sei er auch ein solcher. Arnobius macht ferner deutlich, dass die Bilder der Götter nichts anderes seien als Knochen, Steine, Erz, Silber, Holz oder Gips (nat. 6,8–26, bes. 6,14). Von christlicher Seite wird es abgelehnt, dass der unsichtbare Gott in einem irdischen Bild gefasst werden könne (Iust. Mart. apol. 1,9; Orig. c. Cels. 1,5 und 7,66; Aug. civ. 4,31), wobei auch auf das dämonenhafte Wesen der heidnischen Bildnisse verwiesen wird (Firm. err. 13,4–5; Lact. inst. 2,17,6–12; Athenag. suppl. 18,1, 23, 26–27; Min. Fel. 26,8–27,8). Vgl. Fiedrowicz 2004, S. 81 Nr. 60 und S. 411–420 Nr. 329–336 mit Übersetzungen der angegebenen Quellen; Fiedrowicz ²2001, S. 236–238; Guyot/Klein 1997 II, S. 144–147; Funke 1981, Sp. 782–791; Benko 1980, S. 1105–1106. Ferner werden die heidnischen Götter an sich, ihre Charaktereigenschaften und ihre Taten von christlichen Apologeten heftig angegriffen. Sehr ausführlich und scharf rechnet Laktanz mit ihnen ab: Hercules habe die Welt mit Vergewaltigung, Ausschweifung und Ehebruch überzogen. Er sei Sklave seiner eigenen Laster gewesen und habe Frauen und Männern gegen jedes Gesetz Schaden zugefügt. Seine berühmten Taten zeugten zwar von Mut und Tapferkeit, seien letztlich aber immer noch die eines Menschen, nicht eines Gottes. Außerdem habe er seine Kinder und seine Frau im Wahn erschlagen. Nicht einmal sein Erbe Philoctetes, der seinen Leichnam verbrannte, habe ihn für einen Gott gehalten (inst. 1,9,1–7; vgl. Min. Fel. 22,5). Apollo sei von Jupiter aus dem Himmel verbannt worden und habe sich in den Dienst von Laomedon stellen und dessen Schafe hüten müssen. Zusammen mit Poseidon/Neptun habe er die Mauern Trojas errichten müssen. Rachsüchtig seien sie, da sie, nachdem Laomedon sie um ihren Lohn betrogen
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habe, die Pest nach Troja sandten. Ein weiteres Verbrechen Apollos ist der Mord an Hyacinthus, den er beim Diskusspiel versehentlich tötete (inst. 1,10,3; vgl. Tert. apol. 14,4; Min. Fel. 23,5). Pollux habe zusammen mit seinem Zwillingsbruder Castor die beiden Frauen Phoebe und Hilaïra geraubt. Idas, der Verlobte von Letztgenannter, tötete aus Eifersucht einen der beiden Götter. Von da an lebten und starben die beiden Zwillinge im Wechsel. Sie seien laut Laktanz daher nicht nur die elendsten unter den Göttern, sondern auch unter den Menschen, weil sie niemals zugleich leben und sterben dürften (inst. 1,10,5–6). Für Laktanz spricht außerdem die Tatsache, dass die heidnischen Götter über Vater und Mutter verfügen, dafür, dass sie nicht göttlich seien (inst. 1,8,4–6). Minucius Felix sieht ferner allein schon in ihrem Aussehen und Erscheinen ihr lächerliches Wesen belegt (22,5–6): U.a. sei Apollo trotz seiner unzähligen Jahre bartlos, während sich sein Sohn Aesculap durch einen gewaltigen Bartwuchs auszeichne; Diana sei die hochgeschürzte Jägerin, die in ihrem Standbild in Ephesos zahlreiche Brüste und Zitzen aufweise, und in ihrer Eigenschaft als Trivia mit ihren drei Köpfen und zahlreichen Händen scheußlich anzusehen. Vgl. Fiedrowicz ²2001, S. 233–236; Fredouille 1981, Sp. 870–879; Hanson 1980, S. 920–924; Contreras 1980; Lieberg 1963. 1232 Caecatus es caecutientibus a sophis.] Denselben polyptotonisch pointierten Vorwurf bringt Jesus im Matthäusevangelium gegen die Pharisäer vor: Sinite illos [sc. Pharisaeos]. caeci sunt duces caecorum. Caecus autem si caeco ducatum praestat ambo in foveam cadunt (Mt 15,15: Lasst sie. Sie sind blinde Führer von blinden Menschen. Wenn aber ein Blinder von einem Blinden geführt wird, fallen sie beide in eine Grube; vgl. Lc 39). 1236 tuam, tuam inquio] Zur Geminatio als Ausdruck besonderer innerer Erregung siehe Comm. ad 963–964; zur Form inquio siehe Comm. ad 745. 1238 Patientiae mihi materiam das senex.] Laut Sozomenos (hist. eccl. 5,4,6– 9) hat Julian zu Beginn seiner Herrschaft die Christen milde behandelt. Dahinter habe Julians Einsicht gestanden, dass die gewaltsamen Christenverfolgungen unter seinen Vorgängern erfolglos gewesen seien, ja vielmehr das Christentum v.a. aufgrund des vorbildlichen Verhaltens seiner Märtyrer sogar noch gestärkt hätten. Daher wollte Julian auf vernunftbasierte Überzeugungsarbeit setzen, um die Christen wieder für den ‚alten‘ Glauben zu gewinnen. Da sein Gewaltverzicht vollkommen gegen jede Erwartung geschehe, glaubte er umso leichteres Spiel zu haben. Daraufhin führt Sozomenos die hier behandelte Begegnung zwischen Mares und Julian an, die nicht nur die geschilderte Strategie Julians exemplarisch illustriert, sondern auch deren Scheitern an der christlichen Glaubenstreue.
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Drexel bedient sich eines ganz ähnlichen Vokabulars wie die lateinische Übersetzung bei Baronio: [Iulianum] putasse enim eo pacto religionem Gentium multo magis roboraturum (AE IV,23A = Cassiod. hist. 6,6). Vergleiche dazu: At sic pati stuporis est, non roboris (V. 1239). Tatsächlich steckt dahinter aber mehr als eine bloße Übernahme von Baronios Text. Vor dem Hintergrund des lipsianischen Neustoizismus entlarvt Mares hier Julians falsches Selbstbild. Hinter seiner selbst propagierten patientia – bei Lipsius eine positive, aus constantia entwachsende Eigenschaft – verbirgt sich, so Mares, nichts anderes als Julians stumpfsinnige Borniertheit (exsensa pertinacia, V. 1239–1240), die laut Lipsius den negativen Komplementärbegriff zu constantia bildet (vgl. S. 52–54). 1249–1252 summe regnator poli ∣ … cingis diem?] Der Ausruf des Mares ist Ausdruck seines innerlichen Schocks über das Verhalten des Kaisers. Seine Worte stammen aus Stefonios Crispus, wo sich die Hauptfigur ihrer Schuld bewusst wird (siehe Similienapparat). Sie entsprechen dabei beinahe denen, die Hippolytus in Senecas Phaedra schockiert ausspricht, nachdem ihm seine Stiefmutter ihre Liebe gestanden hat (Phaedr. 671–675; vgl. Oct. 245–251). Dieser Aufschrei des Hippolytus diente im Drama der Renaissance häufig als Vorlage für Szenen, in denen großes Entsetzen ausgedrückt und Gott für seine Untätigkeit angeklagt wurde (vgl. Shakespeare: Titus Andronicus V,1, 81–82 und Othello V,2, 235–236; Marston: The Malcontent III,3, 119–123). Vgl. Boyle 1997, S. 145 und 163 mit Anm. 55. 1251 trifida fulmen exiliet face] Das Bild des Blitzes, der mit dreigespaltener Flamme aufzuckt, stammt aus Ovids Metamorphosen. Darin erzählt der Dichter, dass Jupiter mit dreigespaltenem Feuer in seiner Rechten bewaffnet sei (ille pater rectorque deum, cui dextra trisulcis ∣ ignibus armata est, met. 2,848–849). Dasselbe Motiv findet sich bei Ovid auch schon in der Phaëton-Erzählung. Nachdem dieser mit dem Sonnenwagen seines Vaters Sol auf der Erde für Zerstörung und Chaos gesorgt hat, wird er durch einen Blitz Jupiters getroffen, woraufhin er vom Himmel stürzt und stirbt. Seine Schwestern, die Heliaden, bestatten den Körper, der noch, getroffen von der dreigespaltenen Flamme, kohlt (trifida fumantia flamma ∣ corpora dant tumulo, met. 2,325–326). Sowohl in den Metamorphosen als auch an dieser Stelle im Drama ist der Blitz die Waffe eines Gottes, der eine frevelhafte Tat bestraft. 1252 Si nunc sereno nubilo cingis diem?] Das Substantiv dies wird von lateinischen Dichtern, insbesondere von Seneca, nicht selten als Synonym zu caelum verwendet (so z.B.: Ov. met. 1,603, Pont. 2,1,28; Sen. Herc. O. 326; in Verbindung mit dem Adjektiv serenus: Sen. Phaedr. 673–674, Thy. 263). Vgl. Pflugbeil, Karl 1912: Art. ‚dies‘. In: ThLL V,1,1028,51–67.
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1253 Anticyra] Der Name Anticyra ist für drei verschiedene antike Städte in Griechenland bezeugt. Zunächst findet sich eine Stadt (1) mit diesem Namen im südlichen Phokis am Golf von Korinth. Das zweite Antikyra (2) befand sich am Ufer des Sperchios in Thessalien. Eine weiterer Ort mit diesem Namen lag an der Südküste des westlichen Lokris (3). Die beiden erstgenannten Städte waren für ihren vor Ort üppig wachsenden Nieswurz (Helleborus) bekannt (vgl. Paus. 10,36,5–8; Strab. geogr. 9,418). Der Nieswurz stellt die logische und inhaltliche Verbindung von diesen Orten zum genannten Vers her. Denn es handelt sich bei ihm um eine Arzneipflanze, die in der Antike häufig angewendet wurde. So berichten verschiedene Autoren, wie Menschen, die an Wahnsinn oder Alterskrankheiten wie Gicht oder anderen Gelenkbeschwerden litten, nach Anticyra (1) reisten, um sich behandeln zu lassen (Ov. Pont. 4,3,54; Plin. nat. 25,52). Hier ließ sich dem Mythos zufolge auch Hercules vom Wahnsinn heilen. Ähnliche Kurreisen nach Anticyra in Thessalien (2) werden ebenfalls berichtet (Hor. sat. 2,3,83; Gell. 17,15). In der Funktion als Metonym für die Heilung von Wahnsinn wird der Name der Stadt sprichwörtlich verwendet: nescio an Anticyram ratio illis destinet omnem (Hor. sat. 2,3,83; vgl. sat. 2,3,165–166; Erasm. Adag. 751–752; Otto 1890, S. 27). Siehe auch Hünemörder 1998a; Maggiulli 1996; Rudd 1989, S. 201; Brink 1971, S. 332; Hirschfeld 1894. Julians hohnvolle Aussage ist vor diesem therapeutischen Hintergrund zu sehen. Mares soll nicht nur seinen angeblichen Wahnsinn (vgl. Insaniendi fac modum, V. 1294), sondern auch seine Altersleiden (vgl. die Bezeichnung des Mares durch Julian: senex, barde vetule, silicernium) mit Nieswurz behandeln lassen. Der vorliegende Vers lehnt sich direkt an eine Stelle aus der Ars Poetica des Horaz an: Nanciscetur enim pretium nomenque poetae, si tribus Anticyris caput insanabile numquam tonsori Licino conmiserit (Ars 299–301)
[Erlangt man doch den Preis und Ruf eines Dichters, wenn man sein Haupt, nicht heilbar durch drei Antikyras, niemals Licinus, dem Friseur, überantwortet hat.] (Übersetzung: Kytzler 2006)
1254–1260 Non erubescas … depreceris sarcinam?] Das absurde Handeln, das Mares Julian unterstellt, wird durch verschiedene Paradoxa in stark ironischsarkastischer Form auf die Spitze getrieben: Sich mit verstümmelten, gefühllosen Felsbrocken unterhalten (colloqui ∣ Cum rupe trunca, destituta sensibus, V. 1254– 1255), eine glückliche Reise von einem Lahmen erbitten (iter ab eo postules ∣
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Gradum facere qui nequit, V. 1257–1258). Diese paradoxen Verbindungen werden teils durch direkte Juxtapositionen (a mortuis vitam; a caudice opem), teils durch die Hinzunahme eines Polyptotons und Enjambements verstärkt (ab impurissimis ∣ Inpuritatis labem, V. 1258–1259; ab infirmissimis ∣ Infirmitatis […] sarcinam, V. 1259–1260). 1255 cum rupe trunca] Diese Aussage gibt erneut die Kritik an den heidnischen Götterbildern wieder, wie man sie bei Minucius Felix findet: Bei ihrer Herstellung würden diese auf unterschiedliche Weise misshandelt und verstümmelt werden. Siehe Comm. ad 1223–1232. 1265–1266 lemures ∣ Acheruntici, caelo exules, stygis incolae.] Zu den Unterweltsflüssen Acheron und Styx siehe Comm. ad 467. Dämonen gelten nach christlichem Verständnis als eine Gruppe von Engeln, die sich aus freiem Willen gegen Gott erhoben hatten. Nachdem sie zu Fall gekommen waren, wurden sie aus dem Himmel verbannt (vgl. caelo exules). Während die spätantiken Kirchenväter noch die „niedere Luft nahe der Erde“ als Aufenthaltsort der Dämonen sahen (Eus. pr. ev. 5,2,1; vgl. z.B. Tat. orat. 9,1; Tert. spect. 8,9; Lact. inst. 2,14,3–4), hielten sie sich laut Thomas von Aquin in der Hölle auf (vgl. lemures Acheruntici; stygis incolae). Um die Menschen jedoch zu verführen, würden sie sich auf die Erde begeben (STh I q.64, a.4). Vgl. Tavard 1981; Nat 1976; Kelly 1974, bes. S. 25–38. 1267–1273 Iul.: Marpesiam cautem latratu hoc verberas: ∣ Non moveor. Mar.: ita plane est … ita insolescere?] In diesem Abschnitt verdichtet sich das Streitgespräch zwischen Mares und Julian. Julians Metapher bezüglich des parischen Marmors greift Mares auf, verleiht ihr aber eine andere Stoßrichtung (Marpesiam cautem ipse te recte vocas ∣ Aut durius si caute quid Marpesia, V. 1269–1270). Julian knüpft erneut an dieses Bild an und wirft Mares vor, er schleudere ihm Steine an den Kopf (caute–saxa loqueris, V. 1270–1271). Die Antilabe (Iul.: saxa loqueris. Mar.: saxo loquor, V. 1271) bringt wiederum durch das Polyptoton saxa–saxo den Scharfsinn des Mares zum Ausdruck. Die beiden folgenden Aussagen der Kontrahenten sind parallel konstruiert (V. 1271–1273). Die positiv suggestive Frageeinleitung non te pudet wird jeweils von einem homoioteleutischen Inkohativum im Infinitiv (obrigescere–insolescere) abgeschlossen. Die Parallelität bildet die Frontstellung zwischen Mares und Julian ab. Sie wollen mit derselben Vehemenz und denselben rhetorischen Mitteln dem jeweils anderen die Stirn bieten sowie ihren Standpunkt behaupten und durchsetzen.
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1267 Marpesiam cautem] Marmor vom Berg Marpessos auf Paros galt in der Antike als besonders hart und wurde sprichwörtlich (Verg. Aen. 6,470–471; vgl. Erasm. Adag. 2029 und 2264). 1271 Saxa loqueris] Die Redewendung lapides loqui findet sich in der Aulularia des Plautus (Aul. 152; vgl. Erasm. Adag. 1542) und ist vor dessen entsprechendem Hintergrund zu verstehen. Dort bringt Megadorus zum Ausdruck, dass die Worte seiner Schwester Eunomia, die ihn zu einer Eheschließung drängt, bei ihm Kopfschmerzen verursachten, weil sie wie Steine an seinen Kopf träfen: Eun.: […] volo te uxorem domum ducere. Meg.: ei occidi. Eun.: quid ita? Meg.: Quia mi misero cerebrum excutiunt tua dicta, soror: lapides loqueris. (Plaut. Aul. 149–152)
1275–1281 Mori prius … e tantulo tantum venit.] Das Adynaton mori prius monere quam te desinam (V. 1275) leitet einen Abschnitt ein, der sich frei an einen Aufruf Jesu anlehnt, der in allen Evangelien zu finden ist. Exemplarisch sei Johannes zitiert: Qui amat animam suam perdet eam. Et qui odit animam suam in hoc mundo in vitam aeternam custodiet eam. (Io 12,25; vgl. Mt 10,39 und 16,25, Mc 8,35, Lc 9,24 und 17,33) [Wer sein Leben liebt, wird es verlieren; wer aber sein Leben in dieser Welt verachtet, wird es bis ins ewige Leben bewahren.]
Die in sich paradox erscheinenden kurzen Sentenzen (amat maxime = maxime odit; servat = negligit) gipfeln bei Drexel in der aus Bencis Ergastus zitierten Gegenüberstellung (Benci Erg. S. 250,17–19) von der Nichtigkeit des vor dem Hintergrund des ewigen Lebens in Gott nach dem Tod (pendet hinc aeternitas) verschwindend kurzen irdischen Dasein (haec vita momentum breve est). Das Spiel aus tantum und seinem Diminuitiv tantulum fasst diesen Sachverhalt pointiert zusammen. 1282 crepitaculum] Laut dem kaiserzeitlichen Agrarschriftsteller Columella wird das crepitaculum, eine Art Klapper, eingesetzt, um durch seinen Lärm Bienen aufzuscheuchen und zu vertreiben (Colum. 9,12,2; vgl. auch Apul. met. 11,4,2). Die Bezeichnung wird auch als Schimpfwort für Menschen verwendet, die zu jeder Zeit, zu jeder Sache und gegenüber jedem lauthals ihren Kommentar abgeben.
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Erasmus nennt als lateinische Synonyme die Wörter garrulus, locutuleius, rabula, blatero und linguax (Adag. 1644). Das Rasseln der Klapper ist insofern onomatopoetisch umgesetzt, als der dentale d- bzw. t-Laut in V. 1280 und besonders im darauffolgenden Vers gehäuft vorkommt: Haec vita momentum breve est sed pendet hinc. Aeternitas e tantulo tantum venit.
1283–1303 Crepitaculum ego sum … quis vero id neget?] Dieser Abschnitt des Streitgesprächs gibt in weiten Redeteilen des Mares die Worte Konstantins aus dem Crispus wieder (V,659–668). Darin richtet der Kaiser diese Vorwürfe aber an sich selbst, nachdem er seinen Sohn Crispus aufgrund von falschen Anschuldigungen in den Tod geschickt hatte. 1283–1293 Crepitaculum ego sum … Apostata negasti perfide.] Die Entgegnung des Mares auf die Beschimpfung durch Julian als crepitaculum wird durch eine dreifache Verschleifung besonders dynamisch und leidenschaftlich eingeleitet: Crepitacul(um) ego s(um ∶) at vero tu mundi probrum (e)s. Als schlimmstes ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ Vergehen des Kaisers nennt Mares dessen Anweisung an seine Anhänger, sich an den Christen zu vergehen (quod nefandius, facis ∣ Nocens nocentes, V. 1287–1288). Dabei nimmt er indirekt Bezug auf ein weiteres Wort Jesu: Qui autem scandalizaverit unum de pusillis istis qui in me credunt expedit ei ut suspendatur mola asinaria in collo eius et demergatur in profundum maris. Vae mundo ab scandalis. Necesse est enim ut veniant scandala. verumtamen vae homini, per quem scandalum venit. (Mt 18,6–7, vgl. Mc 9,41, Lc 17,1–2) [Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, dem würde es mehr nützen, sich mit einem Mühlstein um den Hals in die Tiefe des Meeres zu stürzen. Wehe der Welt voller Verführung! Es muss zwar Verführung geben. Aber wehe dem Menschen, der für die Verführung sorgt.]
Mit dieser Aussage macht Mares aber auch deutlich, dass der Großteil der Schuld bei Julian selbst liegt. Dies wird durch die dichte Ansammlung von Pronomina in der Zweiten Person Singular unterstrichen, die Julian direkt ansprechen: Auf den modalen Ablativ lege […] tua, der noch von einem anderen Subjekt dominiert wird, folgt die Epanalepse quia tu […] tu, inquio, wobei Julian auf syntaktischer Ebene nun zum aktiv handelnden Subjekt (negasti) wird. Verstärkt wird dies ferner dadurch, dass zum dazugehörigen Objekt auch noch das Possessivpronomen
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in Wiederholung (tuam vitam, tuum […] Deum) hinzutritt. Den Abschluss dieser Anschuldigung bildet die direkte Anrede im Vokativ Apostata […] perfide. 1288–1289 lege nunc peccat tua ∣ Ubique quicquid peccat humanum genus] Durch die Verbindung des Indefinitadverbs ubique und des Indefinitvpronomens quicquid in Juxtaposition betont Mares die ungeheure Größe von Julians Verbrechen und Schuld, die sich in jedem einzelnen Verbrechen, das sich auf dem Erdkreis abspielt, widerspiegeln. 1291 Nequĕ sceptra] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 1292 inquio] Siehe Comm. ad 745. 1293 Apostata] Keiner der zahlreichen Beinamen, die Julian nach seinem Tod verliehen wurden (aufgelistet bei Rosen 2006, S. 396–397 mit Anm. 3), wirkte so stark nach wie die schimpfliche Bezeichnung Apostata/ Ἀποστάτης, die sich bereits bei Gregor von Nazianz findet (or. 4,1 und 5,17). Im politischen Kontext wird die Bezeichnung gewöhnlich für Aufrührer und Rebellen verwendet (Pol. 5,57,4; Plut. Cim. 10,8). In der Septuaginta bezeichnet es jemanden, der von Gott abfällt (Jos 22,22). Tertullian verwendet den Begriff bald für die Juden (apostatae filii, pudic. 8,6), bald für Häretiker (praescr. 4,5 und 41,6, adv. Val. 1,1). Seit Cyprian von Karthago werden damit vornehmlich Christen bezeichnet, die zum Heidentum übergetreten sind (epist. 57,3). Augustinus bezeichnet Julian ebenfalls als Apostata (civ. 5,22, S. 233,15–16, epist. 105,2,10). Vgl. Andrei 2015; Rosen 2006, S. 396–397; Kurmann 1988, S. 38–39; Labriolle 1950. 1294 barde vetule] Beide Wörter sind typische Vokabeln der römischen Komödie (Plaut. Bacch. 1088, Persa 169; Caecil. com. 250 bzw. Plaut. Epid. 666 und Most. 275). Bardus findet später vermehrt Einzug in die christliche Apologetik (Tert. adv. Hermog. 36,2; Arnob. nat. 2,19 und 3,20). Als Schimpfwort gegen Julian findet es sich bei Augustinus: quod si totum tu per imperitatem incurris, bardissimus (c. Iulian. op. imperf. 3,145, vgl. 2,55 und 6,9). Vgl. Ihm, Maximilian 1905: Art. ‚bardus 1‘. In: ThLL II,1751,29–61. 1295–1297 O Magne Constantine … illi exprobra.] Konstantin der Große wird im Drama dreimal von Christen um Hilfe angefleht (vgl. V. 1719–1723 und 1746– 1749). Er wird dabei als Gegenfigur zu Julian stilisiert, da er den umgekehrten Weg, vom Heiden- zum Christentum, eingeschlagen hatte. Zur Bedeutung des ‚Heiligen‘ Konstantin für die Christen siehe Comm. ad 1719–1723. 1296 nepotem tuum] Zu den Verwandtschaftsverhältnissen siehe Comm. ad 121.
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1298–1299 Iul.: Nec dum facis finem senex logis tuis? ∣ Mar.: Nec dum facis tu pervicaciae tuae?] Auch hier spiegelt sich in der Parallelität der Worte Julians und des Mares die Frontstellung zwischen beiden wider. Vgl. Comm. ad 1267–1273. 1300–1303 Tu Caesar ille iustus? … sanctus … castus … quis vero id neget?] Mares stellt an dieser Stelle entlarvend fest, dass die topischen spätantiken Herrscherattribute iustus und sanctus auf Julian nicht (mehr) zutreffen. Gegen seine Gerechtigkeit spreche seine Apostasie, gegen seine gottgefällige, anständige Haltung, dass er sich gegenüber angemessenen Bitten verschließe (vgl. dazu das Verhalten des Constantius, V. 220). Den genannten positiven Eigenschaften, die Kaiser Julian nach außen propagiert und die von Mares entlarvt werden, wird das Trikolon execrandus, immitis, ferox (V. 1302) gegenübergestellt. Allein seine castitas habe Julian bewahrt. Diese nütze ihm – so ist Mares’ ironische Bemerkung quis vero id neget? wohl am ehesten zu verstehen – bei all seinen übrigen Vergehen aber auch nichts mehr. 1304 adeŏ flocci facis] Da eine einzelne Wollfaser (floccus) zum Spinnen unbrauchbar ist, wird sie zum Synonym für einen wertlosen Gegenstand. Verbunden mit den Verben facere, existimare und pendere wird es in der Komödie sprichwörtlich gebraucht (z.B. Plaut. Cas. 332, Most. 808, Stich. 285, Truc. 606 und 767; Ter. Eun. 411; vgl. Erasm. Adag. 706). Bauer, Hans 1919: Art. ‚floccus‘. In: ThLL VI,1,915,61–916,25. Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 1304 silicernium] Das Substantiv silicernium bezeichnet ursprünglich ein Leichenmahl. Bei Terenz wird es als Schimpfwort für einen Greis verwendet, für den man bereits das Leichenmahl einnehmen könne, da er möglichst bald sterben möge: exercebo te, ut dignus es, silicernium (Ad. 587; vgl. Erasm. Adag. 1052). 1308–1309 Resipisce Iuliane, dum licet, precor. ∣ Resipisce Iuliane, dum Numen vocat.] Die anaphorische Wiederholung von Resipisce Iuliane, dum verdeutlicht die Vehemenz und die Leidenschaft, mit der Mares sein Anliegen vorbringt. Fidel Rädle (1999b, S. 503–504 mit Anm. 26) hält das Verbum resipiscere für „ein Schlüsselwort des Jahrhunderts“. Es ziele ab auf „die Korrektur einer (vermeintlich) verfehlten Haltung, sei es im moralischen Leben eines einzelnen, sei es […] im konfessionspolitischen Ringen“. Das doppelte dum, jeweils in zentraler Stelle im Vers, deutet auf Julians Ende hin, das dadurch zustande kommt, dass Christus selbst sein gnädiges Zusehen beendet, nachdem jede Einflussnahme auf Julian gescheitert war (vgl. V,5). 1310 Vulpem induis cum leo non territas.] Löwe und Fuchs haben aufgrund ihrer gegensätzlichen Eigenschaften Einzug in verschiedene Redewendungen ge-
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funden, z.B.: Quid congregare cum leonibus vulpes? (Mart. 10,100,3; vgl. Cic. off. 1,41; Hor. sat. 2,3,186; Petron. 44,14). Die boshafte Listigkeit des Fuchses war schon in der griechischen Komödie seit dem fünften Jahrhundert v.Chr. sprichwörtlich (Aristoph. Pax 1067 und 1189; vgl. Plat. rep. 365c). Antike Autoren stellen außerdem eine natürliche Feindschaft des Fuchses zum Löwen fest (vgl. Aristot. hist. an. 8(9),609b; Plin. nat. 10,205). In der Fabel spielt der Fuchs insofern eine Rolle, als er entweder andere Tiere überlistet oder von ihnen hereingelegt und entlarvt wird. Im Gegensatz dazu steht der Löwe in der Literatur als Sinnbild für Kraft, Tapferkeit und Mut (z.B. Lucr. 3,296 und 5,862; Cic. fin. 5,38, off. 1,50; Hor. carm. 1,16,14–15). Löwe und Fuchs tauchen häufig gemeinsam in den Fabeln des Äsop auf (10, 147, 154, 203, 269). Vgl. Fischer/Hünemörder 1999; Hünemörder 1998b; Steier 1926, bes. Sp. 984–988; Wellmann 1910; Otto 1890, S. 189–190 bzw. 379. Das Verhalten des Löwen und des Fuchses nachzuahmen, ist außerdem eine Empfehlung Machiavellis in seinem Principe. Ein Herrscher müsse von der Natur der Tiere den rechten Gebrauch machen. Da der Löwe wehrlos gegen die Schlinge sei und der Fuchs gegen die Wölfe, müsse der ideale principe als Fuchs die Schlinge erkennen und als Löwe die Wölfe vertreiben: Cum itaque principem magni referat belluinum ingenium scite induere, ei tum vulpis, tum leonis mores assumendi erunt. Nam leo sibi a laqueis non cavet, lupos vero, vulpecula reformidat. Quo itaque laquei sentiantur, vulpeculam agere oportet: lupi vero quo deterreantur, leoninum ingenium est subeundum. (Mach. Princeps 1560, S. 111) [Sendo, dunque, uno principe necessitato sapere bene usare la bestia, debbe di quelle pigliare la golpe e il leone; perché il lione non si defende da’ lacci, la golpe non si defende da’ lupi. Bisogna, adunque, essere golpe a conoscere e’ lacci, e lione a sbigottire e’ lupi.] (Il principe Kap. XVIII, Rippel 2013, S. 136)
Julian wirft Mares mit dieser Redewendung vor, ihn nun mit listigen Bitten überzeugen zu wollen, nachdem er es mit rohen Drohungen nicht geschafft habe. Diese Aussage gehört zu Julians unausgesprochener Selbstentlarvung in dieser Szene. Denn er selbst ist es, der die negative Verhaltensweise der ‚Verstellung‘ an den Tag legt, wie aus III,1 hervorgeht: In Christianos esse crudelis volo, ∣ Nolo videri (V. 1021–1022). 1312 Hebrǣum] Zur Metrik siehe Comm. ad 531. 1315–1323 O labem … sapere quaeso doce.] In diesem intensiven und lebhaften Streitgespräch folgt Julian zunächst seinem Vorhaben, dem alten Mares gegen-
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über nachsichtig zu sein (vgl. V. 1238), ja macht sich sogar einen Spaß daraus, ihn immer wieder zu neuen Beschimpfungen anzustacheln. Als sehr enge Vorlage diente eine Passage aus dem plautinischen Pseudolus (Pseud. 359–366), in der sich der Jüngling Calidorus, der Sklave Pseudolus und der Kuppler Ballio ein Streitgespräch liefern. Die Rollen des Calidorus und des Pseudolus, die Ballio beschimpfen, da er die Geliebte des Calidorus, Phoenicium, an einen makedonischen Soldaten verkauft hat, vereinen sich in Mares. Julian übernimmt Ballios Rolle, der wie ein „Veranstalter und Dirigent der Skandal-Szene“ (Lefèvre 1997, S. 54) sich einen Spaß aus dem Gespräch macht und das Geschehen kommentiert und befördert. Um der besseren Vergleichbarkeit willen seien die entsprechenden Verse des Plautus zitiert. Die jeweiligen Übernahmen durch Drexel sind kursiv markiert: Cal.: ingere mala multa. Pseud.: eam ego te differam dictis meis. impudice. Bal.: itast. Cal.: sceleste. Bal.: dicis vera. Pseud.: verbero. Bal.: quippini. Cal.: bustirape. Bal.: certo. Pseud.: furcifer. Bal.: factum optume. Cal.: sociofraude. Bal.: sunt mea istaec. Pseud.: parricida. Bal.: perge tu. Cal.: sacrilege. Bal.: fateor. Pseud.: periiure. Bal.: vetera vaticinamini. Cal.: legirupa. Bal.: valide. Pseud.: permities adulescentulum. Bal.: acerrume. Cal.: fur. Bal.: babae! Pseud.: fugitive. Bal.: bombax! Cal.: fraus populi. Bal.: planissume. Pseud.: fraudulente. Cal.: impure. Pseud.: leno. Cal.: caenum. Bal.: cantores probos.
1316–1317 Mar.: turbo. … procella. Iul.: vetera praedicas.] Die Substantive turbo und procella werden bisweilen auf Personen übertragen, die für ähnliche Zerstörung sorgen wie diese Naturgewalten. Orosius nennt Alexander den Großen einen turbo totius Orientis (hist. 3,7,5). Cicero benutzt beide Bezeichnungen für Clodius (dom. 137). Cyprian von Karthago bezeichnet damit Häretiker (epist. 52,2,2). Marchionni, Roberta 1998: Art. ‚procella‘. In: ThLL X,2,1512,30–40. 1319 papae … bombax] Die Ausrufe papae/babae und bombax sind griechischen Ursprungs (παπαῖ/βαβαὶ; βομβὰξ) und bringen in der Komödie häufig spöttische Verwunderung zum Ausdruck. Vgl. Dindorf, Wilhelm 1833: Art. ‚βαβαὶ‘. In: ThLG II, Sp. 5C–6B. Dindorf, Wilhelm 1833: Art. ‚βομβὰξ‘. In: ThLG II, Sp. 320B; Dindorf, Wilhelm 1847: Art. ‚παπαῖ‘. In: ThLG VI, Sp. 185A–C; Ihm, Maximilian 1906: Art. ‚bombax‘. In: ThLL II,2068,62–2068,66; Ihm, Maximilian 1906: Art. ‚babae‘. In: ThLL II,1650,30–1650,43; Kröner, Dietfried 1984: Art. ‚papae‘. In: ThLL X,1,248,29– 249,27. 1320 Mar.: scelestĕ. Iul.: scelus.] Die Erwiderung scelus auf die Beschimpfung des Mares (sceleste) spielt mit den unterschiedlichen Bedeutungen dieser beiden stammverwandten Substantive. Sceleste bezeichnet dabei einen Verbrecher. Scelus wird besonders in der Komödie u.a. als spöttische Bezeichnung für einen schel-
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mischen Schurken (z.B. Plaut. Bacch. 1176, Mil. 841; Ter. Andr. 317 und 607, Eun. 645; so unterschieden auch in frühneuzeitlichen Lexika: siehe Kirsch 1774 s.v. scelestus und scelus sowie Faber 1735 II, Sp. 573 s.v. scelus und scelestus) verwendet. Julian greift zwar den Vorwurf des Mares auf sprachlicher Ebene auf, gibt seiner Erwiderung aber eine spöttische Färbung. Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 1320–1321 Mar.: o ferream ∣ Frontem. Iul.: imo aheneam.] Die Pointe hinter dieser Erwiderung Julians steckt in der teilweise gegebenen synonymen Verwendung von ferreus und aheneus (vgl. Serv. Aen. 1,295). Umgekehrt zum Begriffspaar sceleste–scelus bleibt bei diesem Wortspiel die Semantik gleich, die Lexik ändert sich jedoch. Julian widerspricht und verbessert Mares scheinbar, indem er seine Miene nicht als „eisern“, sondern ironisch-überzeichnend sowie epischhochtrabend als „ehern“ beschreibt. Letztlich steckt dahinter aber dieselbe Aussage, nämlich dass er mitleidlos gegenüber den Bitten des Christen ist. Vgl. Bickel, Ernst 1904: Art. ‚ahenus/aheneus/aenus/aeneus‘. In: ThLL I,1444,50–1446,14. 1326/1328 Hebrǣus] Zur Metrik siehe Comm. ad 531.
III,6 Mares’ Auftreten beeindruckte Julian mehr, als es in der Szene zuvor den Anschein erweckte. Wutentbrannt gibt der Kaiser zu Beginn dieser Szene (V. 1335–1344) Befehle zur Verfolgung der Christen. Der restliche Teil der Szene ist teilweise Stefonios Crispus entnommen (siehe Similienapparat), wo die gleichnamige Hauptfigur ebenfalls, wie hier Artemius und Mercurius, ihre Bereitschaft zum Sterben zum Ausdruck bringt. Im Ganzen weist III,6 aber auch starke Parallelen zur Erzählung des spätantiken christlichen Dichters Prudentius vom Martyrium des Heiligen Vinzenz von Valencia (perist. 5) auf. Vinzenz fiel der christlichen Hagiographie zufolge der diocletianischen Verfolgung zum Opfer (AA SS 22. Januar, Bd. 2, S. 393–414; Mart. Rom. 1597, S. 42–44; Mart. Rom 2004, S. 111; vgl. Aug. serm. 274–277). Artemius und Mercurius werden zur Verfolgung der Christen genötigt, Vinzenz dagegen zum Opfer an die heidnischen Götter. Die jeweilige Argumentation der christlichen Protagonisten, die Drohungen von staatlicher Seite und der Befehl zur Hinrichtung folgen einem ähnlichen Schema. Inhaltlich weisen Artemius und Mercurius sowie Vinzenz auf die Nichtigkeit und Vergänglichkeit alles Irdischen sowie die Unverletztbarkeit der Seele hin:
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Iul.: Et eculeis et laminis lacerabere […] Merc.: Haec Christianus nescit expavescere Mortem quid ultra sunt? necesse est omnibus Perire. vitae summa mors, summum haud malum est.
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tormenta, carcer, ungulae stridensque flammis lammina, atque ipsa poenarum ultima, mors, Christianis ludus est. O vestra inanis vanitas. (perist. 5,61–65)
(Iul. 1370–1376; vgl. Iul. 1379–1380) Nunc liber animus, omnis exemto metu Discriminis, quo tendit in patriam evolat. (Iul. 1381–1382)
est alter, est intrinsecus, violare quem nullus potest, liber, quietus, integer, exsors dolorum tristium. (perist. 5,157–160)
Die Drohungen des Richters bei Prudentius entsprechen sogar wörtlich sehr stark denen Julians: Compage donec ossiumque et artuum Divulsa membratim hinc et inde diffluant
conpago donec ossum divulsa membratim crepet.
(Iul. 1371–1372)
(perist. 5,111–112)
Non tu expavescas tot truces leti vias?
nec te iuventae fervidae instans periclum permovet?
(Iul. 1373) (perist. 5,47–48)
Eine weitere gewisse Ähnlichkeit ist auch in der Verurteilung zu finden: Abripite in atros carceres et ferreis Distenta purpurate virgis viscera.
posthinc hiulcis ictibus nudate costarum abdita iecur retectum palpitet.
(Iul. 1385–1386) (perist. 5,113–115)
Die Szene ist außerdem geprägt von zahlreichen Sentenzen aus dem Bereich der irdischen Eitelkeit und Vergänglichkeit (bes. V. 1358–1360 und 1375–1376; an einer Stelle sogar verstärkt durch gnomisches Perfekt, V. 1379–1380). Damit taucht bereits hier ein Leitmotiv des vierten Aktes auf, in dem weitere Opfer Julians immer wieder auf die irdische vanitas hinweisen (bes. das Gespräch zwischen Publia und Juliana in IV,2 sowie die Aussagen des Eusignius in IV,4).
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Zur Rolle von Artemius und Mercurius hinsichtlich der ‚Willensfreiheit‘ im Iulianus siehe Abschnitt 3.3.2. 1335 Flammam senex coniecit in me frigidus] Vereinzelt wird das Adjektiv frigidus als Attribut für Menschen hohen Alters verwendet (vgl. Iuv. 6,325; Arnob. nat. 4,26; Tert. castit. 12,6). Vgl. Rubenbauer, Hans 1921: Art. ‚frig(i)dus‘. In: ThLL VI,1,1323,75–83. Die den Vers rahmende Antithese zwischen der lodernden Flamme der Wut (flamma) und dem Subjekt senex […] frigidus veranschaulicht die Aufgebrachtheit des Kaisers. 1343 Samiis] Ausgehend vom Komiker Plautus galten Tonwaren von der Insel Samos in der antiken Literatur als besonders billig (vgl. Plaut. Men. 178) und ihre Benutzung wurde als Zeichen von Armut und Elend gesehen (vgl. Plaut. Capt. 289– 292; Tib. 2,3,47–48). Somit wurde Geschirr aus Samos zur Redensart (vgl. Plaut. Bacch. 201–202; Otto 1890, S. 307). Aufgrund der Tatsache, dass weder in der griechischen Literatur Töpferwaren aus Samos erwähnt werden noch dass sie von archäologischen Untersuchungen nachgewiesen werden konnten, ist davon auszugehen, dass es sich bei dieser Formulierung um einen typischen plautinischen Witz handelt. Vgl. Barsby ³1991, S. 115. 1346–1347 Art.: Non pareo. Merc.: non pareo. Iul.: resistere ∣ Vos Caesari, vos imperata spernere?] Der Wechsel von finiten Verbformen zum Akkusativ des Ausrufs unterstreicht Julians Fassungslosigkeit und Aufgebrachtheit, die aus der Gehorsamsverweigerung des Artemius und Mercurius resultieren. 1346 Artemius] Der arianische Christ Artemius (PLRE 1, S. 112 s.v. Artemius 2) wurde von Constantius II. im Jahr 360 als dux Aegypti eingesetzt, wo er gegen die heidnische Religion vorging. Diese Maßnahmen wurden ihm unter Julians Herrschaft zum Verhängnis. Er wurde im Juli oder August 362 hingerichtet (Amm. 22,11,2–3; Theod. hist. eccl. 3,18; vgl. Bar. AE IV,41E–42A). Um Artemius entwickelte sich im Folgenden eine reiche christlich-hagiographische Literatur (BHG I, Nr. 169y–174e). Die älteste hagiographische Schilderung über Artemius datiert ins siebte Jahrhundert n.Chr. (BHG I, Nr. 169y–z). Eine ausführlichere passio, die auf die heute verlorene Schilderung des Arianers Philostorgios zurückgreift und bald einem gewissen „Johannes dem Mönch“, bald Johannes von Rhodos, bald Johannes von Damaskus zugeschrieben wird, stammt aus dem achten oder neunten Jahrhundert (BHG I, Nr. 170–171c; CPG 8082; englische Übersetzung von Vermes in Lieu/Montserrat 1996 S. 224–262). Dieser und weitere Passionsberichte wurden von Lipomannus (Sanct. Prisc. Patr. Vit. VI, S. 350v –359v ) und Baronio (Mart. Rom. 1597, S. 473–474) zusammengefasst. Siehe außerdem: AA SS 20. Oktober, Bd. 8, S. 847–885; Sur. Laur. Prob. Sanct. Hist. V,
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S. 873–887). Vgl. Teitler 2017, S. 41–48; Marasco 1997; Lieu/Montserrat 1996, S. 210–223; Dummer 1971; Brandi 1962; Gaiffier 1956, S. 15–16. Zahlreiche legendenhafte Elemente sind auch in Baronios Kirchengeschichte (AE III,728A, IV,42B–C) gesammelt. Darin erscheint Artemius plötzlich als christlicher Soldat der ‚entscheidenden Stunde‘, da er im Heer Konstantins des Großen gedient und an der Schlacht an der Milvischen Brücke gegen Maxentius teilgenommen haben soll. Er habe mit eigenen Augen das Christogramm am Himmel erblickt, was er später selbst gegenüber Julian versichert haben soll. Von Konstantin sei er außerdem beauftragt worden, die Reliquien des Apostels Andreas und des Evangelisten Lukas nach Konstantinopel zu bringen. Nach dem Tod Konstantins sei er von Constantius II. als altgedienter Militär nach Ägypten gesandt worden, um dort gegen das Heidentum vorzugehen. Das oben beschriebene Ende des Artemius wird von der Hagiographie ebenfalls stark verfälscht: Unter dem Vorwand, einen Perserfeldzug zu unternehmen, soll Julian Artemius nach Antiochia zitiert haben. Dort erfuhr Artemius von der Misshandlung der Priester Eugenius und Macharius durch Julian und fuhr diesen daraufhin energisch an, indem er dessen Götzendienst scharf kritisierte und sich frei zum Christentum bekannte. Seine Worte seien so harsch gewesen, dass Julian ihn foltern und enthaupten ließ. Trotz seines Bekenntnisses zum Arianismus wurde Artemius zu einem Heiligen der Orthodoxie. So spielt dieser Aspekt auch in den Annales Ecclesiastici keinerlei Rolle. Im nachkonziliaren Martyrologium Romanum taucht er jedoch nicht mehr auf (vgl. Mart. Rom. 2004). 1346 Mercurius] Die Figur des christlichen Soldaten Mercurius stellt in Drexels Drama eine anachronistische Doublette zu Artemius dar. Außerhalb hagiographischer Zeugnisse ist kaum etwas über ihn bekannt. Umso phantastischere Auswüchse nimmt jedoch seine Legende an (BHG II, Nr. 1274–1277a; Mart. Rom. 1597, S. 532 bzw. 2004, S. 641; vgl. Sur. Laur. Prob. Sanct. Hist. VI, S. 569–572; Lip. Sanct. Prisc. Patr. Vit. VI, S. 181v –182r ). Im Alter von siebzehn Jahren soll er unter Kaiser Decius in den Militärdienst getreten sein. Im Kampf gegen die Perser sei ihm Christus am Himmel erschienen und habe ihm den Sieg verkündet. Dadurch ermutigt zeichnete er sich in der Schlacht hervorragend aus, woraufhin sein Ruhm sogar bis zum Kaiser gedrungen sein soll. Im Anschluss an Ehrungen und Auszeichnungen durch Decius sei Mercurius gezwungen worden, der Göttin Artemis zu opfern. Zunächst habe er sich diesem Opfer noch heimlich entziehen können, sei aber dann von einem gewissen Catellus verraten worden. Nach seiner Verhaftung und Folter sei er von Decius wohl im Jahre 251 zum Tode verurteilt und enthauptet worden. Viel größere Bedeutung kam Mercurius jedoch aufgrund seines angeblichen Wirkens im Zusammenhang mit Julians Tod zu (siehe Comm. ad 2494–2509). Vgl. Muraviev 1997, bes. S. 98; Delahaye 1975, S. 91–101; Sauget 1967; Binon 1937.
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1356 Catasta] Die catasta ist ein eisernes Gestell, unter dem ein Feuer entfacht werden konnte. Darauf wurden Gefangene, v.a. Christen, gefoltert (vgl. Prud. perist. 1,56 und 2,399; Greg. Tur. glor. Mart. 105) und/oder getötet (vgl. Prud. perist. 1,56, 6,33 und 10,467; Pass. Perp. 5,6; Pass. Mar. Iac. 6,7). Der berühmteste Märtyrer der Kirche, der den Tod auf der catasta erlitt, ist der Hl. Laurentius, der regelmäßig mit dem Gitterrost als Attribut dargestellt wird. Ebenso berühmt ist die spätantike bildliche Darstellung seines Märtyrertods und somit auch die der catasta im Mausoleum der Galla Placidia in Ravenna. Auch der Hl. Vinzenz, an dessen Martyriumsbeschreibung bei Prudentius (perist. 5) die vorliegende Szene grob angelehnt ist (vgl. Einleitung zum Comm. ad III,6), wurde auf einem glühenden Rost gefoltert. Vgl. Moral 1962; Mart. Rom. 1597, S. 42–44. 1356 certă flagra] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 1360 dictionis stibium] Das u.a. bei Plinius dem Älteren erwähnte Metall stibium (auch stibi oder stimmi, nat. 33,101; vgl. Cels. 5,19,28 und 20,5; Hier. epist. 54,7,1 und 108,15,4) wird heute mit dem Spießglas, einer Schwefel-Antimon-Verbindung, gleichgesetzt. In der Antike wurde das Pulver als Kosmetikum verwendet. Es konnte wie eine Art Lidschatten benutzt werden. Vgl. Hünemörder 1996a; Nies 1894. In diesem Vers ist stibium metaphorisch zu verstehen: Wie man versucht Mängel im Aussehen durch Kosmetik zu überdecken bzw. schön zu färben, so rede sich, so Julians Meinung, Artemius den schmachvollen Hinrichtungstod schön. 1361–1362 Iul.: Fac quod licet. Art.: non quod licet, sed quod decet. ∣ Iul.: Fac iussa. Art.: faciam iussa, si iuste imperes.] Das lebhafte Streitgespräch zwischen Julian und Artemius entspricht an dieser Stelle dem Wortgefecht zwischen Kaiser Nero und Seneca in der pseudosenecanischen Octavia (377–592, v.a. 454– 459), wobei Julian die Rolle des grausamen Nero und Artemius die des zu stoischer Milde ratenden Seneca einnimmt. Der grundlegende Gegensatz zwischen dem Tyrannen und dem Philosophen liegt in beiden Fällen darin, dass der Gesprächspartner des Herrschers auf moralische Werte hinweist (vgl. auch Oct. 846–876 und Thy. 204–335). Der Tyrann dagegen stellt eine invertierte Form des guten Herrschers dar, wie ihn Seneca in De clementia beschreibt. Vgl. Manuwald 2003; Manuwald 2002. 1370 Et eculeis et laminis] Eculeus und laminae stellen typische Folterinstrumente der Römer dar. Das sogenannte ‚Pferdchen‘ (eculeus) ist eine Konstruktion aus Balken, Winden und Seilen, auf dem die Glieder eines Delinquenten gedehnt und Gelenke ausgerenkt wurden (Abbildung bei Vergote 1972, Sp. 121; Gallonio 1668, S. 171). Die Folter auf dem eculeus konnte durch das Hinzuziehen von glühenden Platten (laminae) oder Fackeln noch intensiviert werden (in eben dieser Verbin-
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dung bei Quint. decl. 18,11 und 19,15; ähnlich bei Cic. Verr. 2,5,163 und Sen. benef. 4,21,6). Vgl. Vergote 1972; Gallonio 1668, S. 94–120 und 272–281. Näheres zu den übrigen im Iulianus erwähnten Folter- und Hinrichtungsmethoden siehe Comm. ad 1876–1889/1930–1937. 1371–1372 Compago ossiumque et artuum ∣ Divulsa membratim hinc et inde diffluant] In dieser Formulierung liegt eine constructio ad sensum vor. Dabei wird das eigentlich singularische compago ossiumque et artuum dem Sinn nach als Plural verstanden. 1378 verebor] Zur Verwendung des Futurs als Potentialis bzw. Deliberativ siehe Comm. ad 45–46. 1379–1380 fuit ∣ … fuit] Zur gnomischen Verwendung des Perfekts siehe Comm. ad 416–417. 1383 pestilentes dypsadas] Diese Schlangenart ist nicht zweifelsfrei zu identifizieren. Eine häufig in der Forschung genannte Art, die auf die Beschreibungen der dipsades in antiken Texten (v.a. Plin. nat. 23,152; Lucan. 9,610; Sil. 3,313; Mart. 3,44,7) zutreffen könnte, ist die giftige Avicenna-Viper (‚Cerastes vipera‘). Was den antiken Beschreibungen gemein ist, ist die Tatsache, dass der Biss der genannten Schlange beim Menschen einen heftigen Durst auslöst. Vgl. Raschle 2001, S. 172– 173; Hünemörder/Bremmer 2001, Sp. 179. 1385–1386 ferreis ∣ Distenta purpurate virgis viscera.] Die Wendung ferreis distenta … virgis viscera gibt die oben erwähnte Foltermethode, bei der eine Verbindung aus eculeus (distendere) und laminae ([verberare] ferreis virgis) zum Einsatz kommen, wieder (vgl. Comm. ad 1370). Der letztgenannte Vers bildet durch seine Wortstellung den Vorgang der Folter bildlich ab, indem die zusammengehörigen Wörter distenta und viscera den Rahmen bilden und somit möglichst weit ‚auseinander gerissen‘ sind. Das Verb purpurare wird in der christlichen Literatur häufiger im Zusammenhang mit dem Tod Christi oder von Märtyrern verwendet (z.B. Aug. in psalm. 118,30,5 und 116,7). Vgl. De Seta, Maria L. 2009: Art. ‚purpuro‘. In: ThLL X,2,2714,48– 58. 1389 Erigere virtus; arma cum vita cadant.] Der auf virtus gerichtete Imperativ Passiv erigere ist hier medial gebraucht. Im Gegensatz zu Drexels erster Fassung (Succumbe virtus; arma cum vita abdica) lässt seine zweite Artemius und Mercurius kämpferischer und entschlossener erscheinen. Erstere Version vermittelt dagegen einen eher mutlosen Charakter der Märtyrer, die sich ihrem Schicksal aus-
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liefern. Die Überarbeitung verwandelt das eher passive und negative Bild in ein tapferes Auftreten. Dafür spricht auch der darüber von D² eingefügte Vers: Nunc tempus est nos esse veros milites (V. 1388). Dass dieser Vers Drexel bei seiner Überarbeitung zumindest leichte Schwierigkeiten bereitete, kann an seinem letzten Wort abgelesen werden. Zunächst wurde abdica durch cedite verbessert, wodurch die Soldaten ihre Waffen im Imperativ ´ ce¯dı˘ ´te˘), wur¯ ansprechen würden. Da dies aber grob gegen die Metrik verstieß (vı¯ta de dieses Verb wiederum durch cadant ersetzt. Vgl. Abb. 2.1, S. 23.
III,7 Die in dieser Szene behandelte Anekdote gibt Baronio ausführlich wieder (AE IV,67C) und zitiert dabei v.a. Sozomenos (hist. eccl. 5,21,1–4). Die Ereignisse, die sich in Caesarea Philippi abgespielt haben sollen, seien einerseits ein Beweis für Julians temeritas (‚Verwegenheit‘) und audacia (‚Frechheit‘), andererseits aber auch für ‚den rächenden Zorn Christi‘ (divina in vindicando potentia). Die sehr kurze Szene erfüllt eine ganze Reihe von Funktionen: Erstens stellt sie (ähnlich wie III,4) nach den beiden vorangegangenen Szenen (III,5–6), die eher dialoglastig waren, mit der Verstümmelung einer Christusstatue und dann besonders durch ‚pyrotechnische Spezialeffekte‘ in Form von Feuer, das vom Himmel fällt (vgl. die überlieferte Regieanweisung), eine handlungsreiche Szene dar. Zweitens bildet sie insofern einen abschließenden Rahmen für den gesamten dritten Akt, als sie wie III,1 eine Beschimpfung Christi durch Julian zum Inhalt hat. Anhand einer Gegenüberstellung dieser beiden Szenen kann aber auch die Entwicklung nachvollzogen werden, die das Drama im Laufe dieses Aktes vollzogen hat: Während in III,1 die Verfluchung Christi durch Julian noch ohne Folgen blieb, reagiert ‚der Himmel‘ in III,7 direkt auf die Schmähungen des Kaisers. Hierin wird deutlich, dass mittlerweile die Gegenhandlung, die letztlich zu Julians Tod führen wird, eingesetzt und sich entfaltet hat. Dass diese Anordnung nicht beliebig erfolgte, kann auch aus der Tatsache abgelesen werden, dass die entsprechenden Erzählungen bei Baronio bzw. Sozomenos die Verspottung Christi durch Julian, die sich bei Drexel an die Verstümmelung der Statue anschließt, nicht beinhaltete. Drittens und letztens bildet die Erzählung rund um die Christusstatue von Caesarea Philippi aber auch die direkte Überleitung zum vierten Akt, der mit der Verhöhnung und Zerstörung der Kybele-/Magna-Mater-Statue in Pessinus durch den jungen Christen Bassianus beginnt. Somit bildet eine fast identische Handlung (freilich mit verkehrten Vorzeichen) die benachbarten Ränder des dritten und vierten Aktes.
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1392 hic triumphet Galilaeus] In den Auftaktworten der Szene steckt mehr als nur eine einfache Beschimpfung Christi durch Julian. Seine Worte müssen auch im Rahmen der Gesamthandlung des Dramas gesehen werden. Sowohl auf der Mikroebene dieser Szene als auch auf der Makroebene der dramatischen Verwicklung steht am Beginn Julians Freveltat, an deren Ende die siegreiche Rache Christi. Entsprechend deuten die Worte hic triumphet Galilaeus bereits auf Julians berühmte letzte Worte voraus, die im Drama noch ausdrücklich zitiert werden: Galilaee vicisti (V. 2507). 1394 Quin capite plecto?] Wenn Julian hier einer Christusstatue den Kopf abschlagen und den Torso durch sein Haupt ergänzen lässt, kommt er einem der angeblich größten Tyrannen auf dem römischen Kaiserthron gleich: Sueton berichtet, dass Kaiser Caligula Götterstatuen aus Griechenland nach Rom schaffen ließ, deren Köpfe er durch seine eigenen ersetzen ließ (Suet. Cal. 22,2; vgl. Cass. Dio 59,28,3). Die Hybris, die in dieser Handlung zum Ausdruck kommt, ist im vorliegenden Zusammenhang aber nicht nur im zerstörerischen Angriff auf das Götterbild zu sehen. Denn in der Antike war es gängige Praxis, in Folge eines (meist gewaltsam herbeigeführten) Herrschaftswechsels Bildnisse des früheren Herrschers nicht nur gezielt in einem symbolisch-performativen Akt zu zerstören, sondern z.T. auch die Köpfe von Statuen früherer Kaiser durch die des aktuellen zu ersetzen bzw. umzuarbeiten (‚politischer Ikonoklasmus‘, vgl. Speitkamp 1997). Besonders Bildnisse von Kaisern, die der damnatio memoriae verfallen sind, waren davon betroffen. So wurden beispielsweise Bildnisse des Caligula zu solchen des Claudius, die des Nero zu denen flavischer Kaiser, die Domitians zu denen Nervas. Dieses Vorgehen beschreibt Hieronymus ganz grundsätzlich: Si quando tyrannus obtruncatur, imagines quoque eius deponuntur, et statuae, et vultu tantummodo commutato, ablatoque capite, eius qui vicerit, facies superponitur, ut manente corpore, capitibusque praecisis, caput aliud commutetur. (in Abacuc 2,3,14–16,984–988) [Wenn ein Tyrann ermordet wird, entledigt man sich auch seiner Standbilder und Statuen; und dabei verändert man bloß sein Gesicht und trägt seine Miene ab und ersetzt sie mit den Gesichtszügen des Siegers, sodass die Körper bleiben, die Köpfe vorne abgehauen werden und das Gesicht durch ein anderes ersetzt wird.]
Entsprechend soll durch Julians Handeln in der vorliegenden Szene nicht nur zum Ausdruck gebracht werden, dass er die Herrschaft Christi abgelöst und durch seine eigene bzw. die der heidnischen Götter ersetzt habe, sondern auch dass er Christus aus der Erinnerung der Menschen tilgen wolle. Vgl. Clauss 1999, S.
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382–386; Price 1984, S. 193–194; Jucker 1982; Jucker 1981; Bergmann/Zanker 1981; Blanck 1963. 1396–1402 viden’ sine capite ∣ … vim iace corusci fulminis: ∣ Ut mutus, ut truncus silet.] Verbunden mit Julians Spott, der nicht zuletzt durch die Polyptota von caput und die zahlreichen rhetorisch-hämischen Fragen betont wird, ist erneut ein deutlicher Ausdruck seiner Hybris: Er fordert Christus offen heraus. Er will damit die Machtlosigkeit des Christengottes und seine eigene Überlegenheit hervorheben. Wenn er Christus am Ende jedoch hämisch als stummen und verstümmelten ‚Gott‘ verlacht, stellt dies eine unbewusste Selbstentlarvung dar. Denn damit unterstellt Julian dem Christengott genau das, was den heidnischen Göttern zuvor vom Christen Mares vorgeworfen wurde (nämlich, dass sie nur leblose und ohnmächtige Objekte seien; vgl. V. 1220–1232 mit Comm. ad locum, bzw. V. 1254– 1263) und was Julian damals selbst noch spöttisch als „Gekläffe“ (latratus, V. 1267) abgetan hat. Letztlich ist das Bildnis Christi aber nicht so verstümmelt (truncus) und stumm (mutus), wie es Julian behauptet und wie es Mares zuvor den heidnischen Götzenbildern unterstellte (saxa […] elinguia, V. 1247). Vielmehr tritt genau dessen Gegenteil ein: Christus schleudert tatsächlich Blitze vom Himmel und reagiert damit auch auf den gegen ihn von Mares in der vorangegangenen Szene artikulierten Vorwurf der Untätigkeit (V. 1251–1252). Christus gibt seine Passivität immer mehr auf und trägt somit zur Entwicklung der Gegenhandlung bei. 1405 Quis hic ignis? unde fulmen? o facinus ferum!] Die entsetzte Reaktion des Sallustius auf den göttlichen Blitzstrahl betont Drexel, indem er die Aufregung des Sallustius jeweils durch die Ellipse des Prädikats sprachlich verdichtet und dramatisiert. Zudem bringt die Alliteration fulmen, facinus, ferum durch ihren labiodentalen Anfangslaut seine zitternde Angst klanglich zum Ausdruck.
Vierter Akt IV,1 Das Ende des dritten und der Beginn des vierten Aktes korrespondieren eng miteinander. Auf die Verspottung einer Christusstatue durch Julian folgt die einer Kybele-/Magna-Mater-Statue durch den Christen Bassianus. Die unmittelbare Juxtaposition der Szenen verdeutlicht die unterschiedliche Intention der beiden Erzählungen: Im Gegensatz zu Christus, der die Verspottung seines Standbildes eindrucksvoll rächt und seine Macht unter Beweis stellt, bleibt eine Reaktion der Kybele aus. Die Kritik des Bassianus an der Göttlichkeit von materiellen Standbildern schließt ferner an die des Mares in III,5 an (siehe Comm. ad 1223–1232). Drexel geht mit der bei Baronio überlieferten Anekdote (AE IV,36C–D = Greg. Naz. or. 5,40) relativ frei um: Während der Verfasser der Annales Ecclesiastici in Anlehnung an Gregor von Nazianz lediglich vom Umstürzen eines Altars der Magna Mater und der Verspottung derselben durch einen nicht näher benannten jungen Christen (ex quibus [sc. iuvenibus] alter) berichtet und im Anschluss dessen Martyrium in den Fokus rückt, malt Drexel die Szene zu einer turbulenten und schelmischen Streitszene im Stile des Plautus aus (s.u.). Drexel verleiht dem nicht näher genannten jungen Mann den Namen Bassianus. Baronio gibt zwar an, dass es die Meinung gebe, dass es sich um Theodorus (eine Figur, die im Drama noch separat auftreten wird, vgl. IV,7) handle, zweifelt die Plausibilität dieser Behauptung jedoch stark an. Ihren komödienhaften Charakter erhält die Szene durch eine Reihe von typisch plautinischen Elementen. Nicht nur strukturell, sondern auch weitgehend inhaltlich sowie sprachlich lehnt sie sich eng an die Eröffnungsszene des Amphitruo an. Im Hinblick auf die Makrostruktur schließt sich in beiden Fällen an einen etwas längeren Monolog (V. 1409–1435 bzw. Amph. 153–247a) ein lebhafter Dialog an, der durch zahlreiche Stichomythien bzw. Antilabai eine rasante Dynamik erfährt. Dabei ist der Sklave Sosia mit Bassianus, der Gott Merkur mit Julians Leibgardisten, Melampus und Milphio, gleichzusetzen. Auf inhaltlicher sowie sprachlich-stilistischer Ebene sind zahlreiche Parallelen feststellbar: Umgangssprachliche Schimpfwörter (scelus, V. 1419, 1424 sowie 1456; die durch Enjambement betonte Wendung scelus ∣ Pueri [V. 1471–1472] entstammt direkt Plautus, vgl. Curc. 614, Mil. 1434, Truc. 621; furcifer, V. 1448 und 1451; nebulo, V. 1455), durch Polyptota erzeugte Wortspiele (redigere–redegeras, V. 1418–1419), beißender Sarkasmus (bes. V. 1425–1434), umgangssprachliches Vokabular (exdorsuabere, V. 1417, eine ähnliche Redewendung aus der Anglersprache findet sich im Amphitruo: hic me quasi murenam exossare cogitat, Amph. 319; https://doi.org/10.1515/9783110593730-018
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autumo–autumas, V. 1458, vgl. Amph. 306, 332 und 416; sycophantias, V. 1420, vgl. Plaut. Amph. 506, Bacch. 764 und 806, Mil. 767), typisch komische Idiomatik (bona verba, V. 1446, vgl. Ter. Andr. 204; pro merenda pugnum edes. – Non esurio, V. 1446–1447, was erneut eine direkte Übernahme aus dem Amphitruo darstellt: pugnos edet. ∣ […] cenavi modo; – proin tu istam cenam largire, si sapis, essurientibus, Amph. 309–311), emotionale Beteuerungsformeln (imo hercle, V. 1453; vgl. Amph. 371), insgesamt kurze, parataktische und somit einfache Sätze und die Androhung von Schlägen (V. 1473; vgl. z.B. Plaut. Amph. 308–328, 348, 358 und 360). Auch Sosias schelmisches, unverschämt-trotziges Auftreten entspricht dem des Bassianus, wobei Erstgenannter mit diesem Verhalten seine Angst überspielen will (vgl. Amph. 335–340), Letztgenannter seine wahre Furchtlosigkeit, die aus seinem christlichen Glauben heraus resultiert, unter Beweis stellt. Bassianus verspottet dabei nicht nur Kybele, sondern bringt durch seine spitzfindigen und unkonstruktiven Antworten auf die z.T. umgangssprachlichen und somit unpräzise gestellten Fragen der Leibgardisten (z.B. quid in via? V. 1438; quidnam parentes sunt tui? V. 1448) ebendiese in Rage. Diese Gemengelage führt dazu, dass man mit der Eröffnungsszene des vierten Aktes ein urkomisches Bühnengeschehen vorfindet. Zur Funktion der Komik dieser Szene siehe auch Abschnitt 4.1.3. 1409 Tu magna sis mater Deorum?] Der Kult der Großen Göttermutter Kybele, dessen Wurzeln ursprünglich in der Region um den Euphrat liegen, hatte sein Zentrum im kleinasiatischen Pessinus, wo ein Stein (wohl ein Meteorit, vgl. Arnob. nat. 7,49; Prud. perist. 10,156–160) als Verkörperung der Göttin verehrt wurde. Ihr Kult in Rom hat seinen Ursprung im Zweiten Punischen Krieg (vgl. Liv. 29,11 und 14 sowie 36,36,3–4). Nach zahlreichen Niederlagen der Römer gegen Hannibal und einer Befragung der Sibyllinischen Bücher wurde der heilige Stein von Pessinus im Jahre 205/4 v.Chr. nach Rom importiert, nachdem er zwischenzeitlich in Pergamon beheimatet gewesen war. Er hielt am 4. April des genannten Jahres feierlich Einzug in der Stadt am Tiber und wurde letztlich in einem eigenen Heiligtum auf dem Palatin aufgestellt. Mythologisch und kultisch eng in Verbindung mit Kybele steht der von ihr geliebte Jüngling Attis (vgl. Arnob. nat. 5,5–7; Paus. 7,17,9–12). Die Göttermutter hat laut Mythos diesen zur Keuschheit verpflichtet. Attis aber betrog Kybele und wurde zur Strafe in den Wahnsinn getrieben, woraufhin er sich selbst entmannte und starb. Voller Reue und Mitleid habe Kybele sich seiner erbarmt und ihn wieder zum Leben erweckt. Entsprechend sollen auch die Priester des Kybele-Attis-Kults eine rituelle Selbstentmannung vollzogen haben. In Verbindung damit standen Mysterienkulte, bei denen z.T. der Myste im Rahmen eines taurobolium mit dem Blut eines geopferten Stiers übergossen und somit symbolisch neu geboren wur-
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de. Außerdem sind in der Verbindung Kybele-Attis monotheistische Tendenzen zu beobachten. Daher ist es kaum verwunderlich, dass die frühen Christen dem Kybele-Kult aufgrund dessen Kultpraxis und der religiösen Konkurrenz mit größter Ablehnung begegneten (bes. Aug. civ. 6,8, S. 261,18–19: […] ista sacra [sc. Magnae Matris et Attidis], quae scaenicis turpitudinibus convincuntur esse foediora; vgl. civ. 7,26; Firm. err. 18,1; Tert. apol. 15,2). Julian besaß eine enge Bindung zur Großen Göttermutter. Baronio berichtet, dass sich Julian persönlich um die Wiedererrichtung ihres Heiligtums in Pessinus gekümmert haben soll (Bar. AE IV,36C = Amm. 22,9,7–8; vgl. Lib. or. 12,87 und 18,157). Nach seiner Abreise aus Pessinus haben angeblich Christen die Machtlosigkeit der Kybele durch die Zerstörung ihres Altars aufgezeigt. Der Anführer wurde verurteilt. Julian brachte danach seinen Unmut über die Vorgänge in einem, heute allerdings als unecht gesehenen Brief an den galatischen Oberpriester Arsakios zum Ausdruck (epist. 84 = Soz. hist. eccl. 5,16,5). Außerdem verfasste er eine ‚Rede auf die Mutter der Götter‘ (εἰς τῆν μητέρα τῶν θεῶν, or. 8[5]), die nicht zuletzt eine Verteidigung gegen christliche Polemik war. Vgl. Borgeaud 2013; Erbelding 2013; Spinola 2013; Rosen 2006, S. 265–270 und 277; Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 101–102 (Attis) und S. 287–289 (Kybele); Bringmann 2004, S. 107, 116–117 und 120–121; Borgeaud 2004; Takacs 1999a; Takacs 1999b; Simon 1997a; Beard 1996; Fear 1996; Vermaseren/Boer 1986; Thomas 1984; Sanders 1981; Vermaseren 1977; Conti 1584, S. 97; Giraldi 1560, S. 134–147. 1413–1415 pedibus es conterendum, … pugnis salutandum.] Die einzelnen Verben beschreiben typische Handlungen der Verehrung von Götterbildern: Durch häufiges Berühren abreiben (conterere), küssen (basiare), gütig stimmen (mollire) und grüßen (salutare). Der Sarkasmus des Bassianus besteht darin, dass diese Verben mit einem im jeweiligen Kontext untypischen Körperteil verbunden werden. 1416–1418 dabis … exdorsuabere … calcabere … redigere] Zur Verwendung des Futur I anstatt eines jussiven bzw. optativen Konjunktivs siehe Comm. ad 783–785. 1416 parens alastorum] Alastor ist in der griechisch-römischen Mythologie ein Rachegeist, der die Menschen dazu zwingt, eine Blutschuld zu sühnen. In der griechischen Tragödie ist er der personifizierte Fluch, der auf einem Haus lastet und dessen Bewohner zu immer neuen Rachetaten verleitet, worauf sich der Fluch erneuert (vgl. Soph. Oid. K. 788; Aischyl. Ag. 1501–1504, Eum. 236, Pers. 354). Im christlichen Kontext wird Alastor mit dem Teufel gleichgesetzt. Vgl. Graf 1996b; Bernhard 1884–1890; Faber 1735 I, Sp. 87 s.v. Alastor. Zu Alastor bei Aischylos siehe Geisser 2002, S. 132–196.
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1417 Exdorsuabere] Das Verb exdorsuare ist sehr selten und stammt aus der Umgangs- bzw. Anglersprache. Es bezeichnet bei Plautus (Aul. 399) und Apuleius (apol. 42) das Entfernen des Rückgrats und der Gräten eines Fisches. Jacob Masen SJ (1606–1681) nennt als Synonym dorsum confringere (Palaestra Styli Romani quae Artem et Praesidia Latine Ornateque quovis Styli Genere Scribendi Complectitur. Köln 1659, S. 127). Vgl. Kapp, Ida/Meyer, Gustav 1939: Art. ‚exdorsuo‘. In: ThLL V,2,1314,42–56; Du Cange 1883–1887 III, Sp. 355a s.v. exdorsuare. 1419 Redegeras] Zur Verwendung des Plusquamperfekts anstatt eines zu erwartenden Perfekts siehe Comm. ad 1087–1088. 1422–1424 Ita colere meus debuisset te parens, ∣ … Hos filius defert] In diesen Worten ist wohl weniger eine biographische Notiz zu lesen, sondern vielmehr eine generelle Anklage des Bassianus gegenüber seiner Elterngeneration, die das Bildnis noch nicht entfernt hatte. 1429 quin voco Aesculapium?] In der heidnischen Mythologie ist Aesculap der Gott der Medizin und Heilkunst, der nicht selten anderen Göttern zu Hilfe kommt. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 87–88; Gočeva 1984; Conti 1584, S. 370–377; Giraldi 1560, S. 245–251. 1441 Num quatuorvir sum?] Die quattuorviri waren in Rom ein Kollegium aus vier Männern, die für die Beaufsichtigung der Straßen zuständig waren (Pompon. dig. 1,2,2,30; CIL V 1874). Vgl. Faber 1735 II, Sp. 1205 s.v. Quatuorviri. 1442–1447 Invisa cur pedibus teris? … retinete vobis hanc dapem.] Die mehrfache Aneinanderreihung von Stichwörtern aus dem Wortfeld ‚Sehen‘ und ‚Essen‘ verleiht dem ohnehin durch den häufigen Sprecherwechsel lebhaften Wortgefecht zwischen Milphio und Bassianus besonderen Schwung. Das von Milphio verwendete, in seiner Bedeutung ambige (‚auf etwas schauen‘; ‚verabscheuen, hassen‘) Kompositum invisa (V. 1442) greift Bassianus anaphorisch auf (V. 1443), woraufhin erstgenannter fast unmittelbar dessen Simplex (vidisse, V. 1443) folgen lässt. Bassianus knüpft daran wiederum insofern an, als er auf die Organe des Sehens, die Augen, zu sprechen kommt (An vos habetis in capite oculos? V. 1444). Den Übergang vom Ende der frechen Aussage des Bassianus (siehe Comm. ad 1444–1445) zur empörten Erwiderung des Milphio (siehe Comm. ad 1446) bildet ein durch Enjambement getrenntes Polyptoton aus boni und bona. Am Ende schließt Bassianus an die umgangssprachliche Wendung pugnum edere (vgl. Plaut. Amph. 309– 310: pugnum edere. […] cenavi modo) im selben sprachlichen Bild bleibend an und erwidert, dass er keinen Hunger habe und seine Gegenüber dieses Mahl für sich selbst behalten können (Non esurio. retinete vobis hanc dapem, V. 1447).
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1444–1445 An vos habetis in pedibus oculos? mihi ∣ Tantum in capite sunt.] Der Scherz des Bassianus geht auf eine Stelle im alttestamentarischen Buch Kohelet zurück, wo es heißt: Sapientis oculi in capite eius, stultus in tenebris ambulat. (Ecl 2,14; ganz ähnlich: Prv 17,24) [Die Augen des Weisen befinden sich in seinem Kopf, der Dumme wandelt in der Finsternis.]
Die patristische Literatur liefert nicht nur eine Deutung dieses Spruches, sondern indirekt auch die des Scherzes des Bassianus. In der pseudobasileischen Homilie De Hominis Primigenia Constitutione (oder auch De Hominis Structura), die in der Frühen Neuzeit vereinzelt als zehnte bzw. elfte Homilie des Basilius des Großen zum Hexaemeron galt (vgl. Amand de Mendieta/Rudberg 1997, S. IX mit Anm. 2; zur Überlieferung siehe Amand de Mendieta/Rudberg 1980), wird darauf hingewiesen (PG 44,57C–D), dass sich der Mensch u.a. dadurch vom Tier unterscheide, dass sein Haupt weder auf seinen Magen noch auf die Erde gerichtet sei, sondern seine Augen (von Natur aus) nach oben zum Himmlischen blickten. Der Mensch sei daher dazu geschaffen, zu Gott aufzuschauen. Die Art und Weise seiner Schöpfung trägt somit die Ausrichtung zum Himmlischen bereits in sich (ganz ähnlich bei Cicero: nat. deor. 2,140). Genau darauf ziele der Ecclesiast mit seinem Spruch ab: Man müsse sein Leben zum Himmlischen ausrichten, denn die Augen welches Menschen befänden sich nicht in dessen Gesicht? Gregor von Nyssa, der jüngere Bruder des Basilius, geht ebenfalls der Frage nach, was der Ecclesiast damit meine (‚Τοῦ σοφοῦ, φησίν, οἱ ὀφθαλμοὶ ἐν κεφαλῇ αὐτοῦ‘· Τί ταῦτα λέγει. Greg. Nyss. hom. in eccl. 5,3). Laut Gregor würde das Wesen der menschlichen Augen auf die Ferse übergehen, wenn man nicht der Seele des Menschen, sondern seinen Sinnen die betrachtende und erkennende Kraft zuspreche. Sie würden dann ihren Blick allein auf das richten, was sich unter ihnen befände. Das, was über ihnen sei, könnten sie nicht schauen: Ὅταν τοίνυν ἡ διορατική τε καὶ θεωρητικὴ τῆς ψυχῆς δύναμις πρὸς τὰ αἰσθητὰ τὴν ἀσχολίαν ἔχῃ, εἰς τὰς πτέρνας αὐτῆς ἡ τῶν ὀφθαλμῶν φύσις ἀντιμεθίσταται, δι’ ὧν τὰ κάτω βλέπει, τῶν ὑψηλῶν θεαμάτων ἀθέατος μένουσα. (hom. in eccl. 5,3)
Ambrosius von Mailand bringt diesen Gegensatz noch prägnanter auf den Punkt und bedient sich dabei ebenfalls der erwähnten Stelle aus dem Buch Kohelet. In Bezug auf die vom Apostel Paulus gebrauchte Haupt-Glieder-Metapher (vgl. I Cor 12,12–23; siehe auch Comm. ad 665–666) weist Ambrosius darauf hin, dass, auch
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wenn einige Glieder einen privilegierten Status besäßen, dennoch alle für das Funktionieren des Organismus notwendig seien. Die Weisheit habe ihren Platz im Kopf, das Handeln in den Händen; denn die Augen des Weisen säßen deshalb im Kopf, weil derjenige weise sei, dessen Geist in Christus sei und dessen inneres Auge nach oben blicke. Und deshalb sitze das Auge des Weisen im Kopf, das des Dummen aber (und hierin liegt die ‚Erweiterung‘ des Bildes durch Ambrosius) in der Ferse: ‚Non potest dicere oculus manui: operam tuam non desidero aut iterum caput pedibus‘ [= I Cor 12,21] et auricula se negare esse de corpore; nam etsi alia principalia, tamen alia necessaria. Sapientia in capite, actus in manibus; oculi enim sapientis in capite eius, quia ille vere sapit cuius animus in Christo est et cuius interior oculus erigitur ad superna. Et ideo ‚sapientis oculi eius in capite ipsius‘ [= Ecl 2,14], stulti autem in calcaneo. (in Luc. 7,86)
Mit anderen Worten bezeichnet Bassianus seine beiden Gegenüber hier somit in Form einer zeitgenössisch vielleicht gängigen, aus der Bibel bzw. dem LukasKommentar des Ambrosius stammenden Redewendung (z.B. ‚Er hat die Augen in den Fersen‘, vgl. Wander 1867–1888 I, Sp. 182 s.v. Auge, Nr. 364) als Dummköpfe. Vor dem spezifischen inhaltlichen Hintergrund der Szene steckt hinter den Worten des Bassianus jedoch mehr als eine bloße Redewendung. Indem der Christ Bassianus auf den Bruchstücken der Kybele-Statuette herumtrampelt, setzt er die ursprüngliche Kernaussage des Bibelspruchs, wie ihn die Kirchenväter interpretierten, szenisch um: Melampus und Milphio, Julians heidnische Leibgardisten, richten ihren Blick nicht wie die Christen nach oben zu Christus und auf das Himmlische (d.h. haben ihre Augen nicht im Kopf), sondern nach unten (d.h. haben ihre Augen an den Füßen) auf das Irdische, Vergängliche und Materielle, wofür die Bruckstücke des Götzenbildes stehen. 1446 Mil.: Bona verba, puer] Die Wendung stammt aus der Andria des Terenz, wo es in einem Gespräch zwischen dem alten Simo und dem Sklaven Davos heißt: Simo: Ubivis faciliu’ passu’ sim quam in hac re me deludier. ∣ Davos: bona verba, quaeso (Andr. 203–204). Sie gibt das griechische εὐφήμει wieder. Im eigentlichen Sinne zielt diese Auffordung darauf ab, dass nur glückverheißende Worte ausgesprochen werden sollen, um z.B. in einem sakralen Kontext kein schlechtes Omen hervorzurufen (vgl. Tib. 2,2,1; Ov. fast. 1,72, trist. 3,13,24; Sen. benef. 2,3,1). Beim spätantiken lateinischen Autoren Macrobius wird die Wendung bona verba für ein ehrfürchtiges und respektvolles Sprechen über Sokrates und die römische antiquitas gebraucht (Macr. Sat. 1,5,4 bzw. 2,1,4). Etwas strikter gefasst kann diese Aufforderung aber auch im Sinne eines Befehls zu Schweigen angewendet werden.
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Entsprechend wird sie beispielsweise von Platon, freilich in ihrer griechischen Spielart εὐφήμει (vgl. z.B. rep. 329c), sowie in der angegebenen Stelle bei Terenz gebraucht. Vgl. Ashmore ⁷1965, S. 24 ad Andr. 204; Sinko, Thaddäus 1906: Art. ‚bonus‘. In: ThLL II,2079,21–2127,11, bes. 2093,4–2094,2. 1461 Et nunc erit] Zur Verwendung des Futurs als Potentialis bzw. Deliberativ siehe Comm. ad 45–46. 1462 crurifragio] Das crurifragium war bei einer Kreuzigung ein Mittel, um den Tod des Verurteilten schneller herbeizuführen. Dem Gekreuzigten wurden dabei die Beine zerschlagen, sodass sein Gewicht ausschließlich an seinen Armen hing. Die berühmteste Belegstelle aus der Antike ist sicherlich die Schilderung des Evangelisten Johannes von der Passion Christi, wo es heißt, dass Jesus am Kreuz die Beine nicht zerschlagen wurden, da er bereits tot war, sondern ihm mit einer Lanze in die Seite gestochen wurde (Io 19,33–35). 1467 Non fecit hōc] Bei Dichtern kann der Nominativ und Akkusativ Singular Neutrum hoc auch lang bemessen werden (vgl. z.B. Lucr. 1,439 und 729; Verg. Aen. 2,104). Vgl. Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 598–599; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 468. 1469 Bass.: Ego fregi, ego. Mil.: Deam hanc? Bass.: lutum est merissimum] Dieser Vers markiert den Höhepunkt des Streitgesprächs zwischen Bassianus und Julians Leibgardisten. Erst hier gibt sich Bassianus offen als Christ zu erkennen und bekennt sich zu seiner Tat. Betont wird dieser Vers nicht nur durch die Epanalepse ego … ego, die das Verb fregi einrahmt, sondern auch durch seine innere Dynamik, die durch zahlreiche kurze Silben, einen doppelten Sprecherwechsel innerhalb einer Zeile und drei Verschleifungen erzeugt wird. 1473 In te seges hodie frangetur ulmea.] Sklaven werden in der römischen Komödie meist mit einem Ulmenstock verprügelt, da er sich durch sein besonders hartes Holz auszeichnet und somit größere Schmerzen verursacht (vgl. Plaut. Amph. 1029, Asin. 363, Pseud. 333, Rud. 636).
IV,2 Die Ereignisse rund um Publia verortet Baronio (AE IV,57B–D) nach Antiochia. Bei ihm kommt es jedoch erst nach den von Drexel in den folgenden Szenen behandelten Episoden (Spott der Antiochener, IV,5; Babylas-Episode, IV,6 und 7) zum Treffen zwischen der christlichen Jungfrau und dem Kaiser. Publia wird von Ba-
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ronio als veneranda matrona bezeichnet. Theodoret behauptet, dass es sich um die Mutter eines Johannes gehandelt habe, der in Antiochia Priester war und zeitweise das Bischofsamt inne hatte (hist. eccl. 3,19,1; vielleicht mit Johannes von Apamea zu identifizieren; vgl. Canivet/Martin 2009, S. 154–155 Anm. 1; Parmentier ³1998, S. XCVII–XCVIII). Sie soll stets eine Schar von christlichen Jungfrauen (Nonnen) bei sich gehabt und zusammen mit ihnen immerzu Lobeshymnen auf Gott gesungen haben. In Baronios bzw. Theodorets Erzählung singen die Nonnen aus Psalm 115 (Vulg.: Ps 113), als sie Julian zufällig auf ihrem Weg begegnen. Auch dieser setzt sich wie der von Drexel nach Buchanan zitierte Psalm 97 (Vulg.: Ps 96) mit dem Götzendienst auseinander. Nachdem ihnen Julian zu schweigen befohlen hat, erheben sie erneut ihre Stimme und singen aus Psalm 68 (Vulg.: Ps 67), der den Sieg Gottes über seine Widersacher feiert. Von körperlicher Gewalt gegen Publia, wie sie Baronio berichtet, erzählt Drexel nichts. Vielmehr unterscheidet sich an dieser Stelle Drexels Julian von dem Baronios bzw. Theodorets. Letztere (Bar. AE IV,57D bzw. Theod. hist. eccl. 3,19,5) behaupten ausdrücklich, dass Julian weder vom hohen Alter Publias (canicie corporis; οὔτε τοῦ σώματος τὴν πολιὰν ᾤκτειρεν) noch von ihrer Tugend (animi virtute; οὔτε τὴν τῆς ψυχῆς τετίμηκεν ἀρετήν) bewegt wurde. Drexels Julian verschont die Nonnen dagegen aufgrund ihres Geschlechts (parco sexui, V. 1557). Die Szene behandelt in ihrem ersten Teil (V. 1476–1538) das Motiv der irdischen vanitas, wobei der zweifelnden Juliana die ‚Anführerin‘ der Nonnen, Publia, entgegengestellt wird. Juliana bringt ‚eitle‘ Argumente wie ihre Jugend (V. 1505 und 1510) als Einwand gegen eine bereitwillige Annahme des Todes vor. Publia widerspricht ihr mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit des Vergehens alles Irdischen (V. 1498) und auf den überaus großen Lohn für denjenigen, der für Christus sterbe (V. 1506–1507). Gleich zweifach bringt Publia den entscheidenden Punkt aus christlicher Sicht in diesem Zusammenhang, den Leib-Seele-Antagonismus (corpus/animus), zur Sprache (vgl. Comm. ad 1501 und 1512–1513). Dieser erste Teil der Szene, in dem sich die Nonnen untereinander austauschen, ist von einer warmherzigen und liebevollen Sprache geprägt. Dieser Charakter wird ihr v.a. durch die zum Teil aus der römischen Liebesdichtung stammenden metonymischen Anreden (oculi, V. 1477; cura, V. 1502 und 1532; solatium, V. 1532) verliehen. Der zweite, kürzere Teil (ab V. 1539) behandelt die Auseinandersetzung zwischen den Nonnen und Julian. Der Gesang der Erstgenannten hat nichts mehr vom unbeschwerten Umgangston unter den Frauen, sondern hebt sich durch seinen bedeutungsschweren Inhalt ab. Außerdem steht Julians sarkastisches Wortspiel lingua lueret hoc ∣ Linguae scelus (V. 1556–1557) am Ende der Szene dem liebevollen Ton des Beginns deutlich entgegen. Die Randnotiz (omitte totam [sc. scaenam]) durch die Hand d zu Beginn der Szene deutet darauf hin, dass diese Szene nicht zur Aufführung kam. Über die
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Motive kann man lediglich spekulieren. Zwei Aspekte können jedoch als wahrscheinlich angesehen werden, ein formaler und ein inhaltlicher: Erstens ist in der Aufteilung des Dramas ein gewisses Ungleichgewicht festzustellen, da die ersten drei Akte ungefähr so lang sind wie der vierte und fünfte Akt zusammen. Um eine gleichmäßigere Aufteilung zu erzielen, ist es denkbar, dass diese Szene gestrichen wurde. Auslassungen sind in den letzten beiden Akten gehäuft zu beobachten, die im Allgemeinen auch auf den Wunsch hindeuten können, die Dramenaufführung zeitlich etwas zu kürzen. Eine Streichung dieser Szene hatte zweitens weder Auswirkungen auf die dramatische Entwicklung des Stücks noch wird eine neue Thematik angesprochen. Publia und die christlichen Jungfrauen spielen im weiteren Verlauf keine Rolle (im Gegensatz z.B. zu Bassianus aus IV,1). Sie fallen auch dem Kaiser nicht zum Opfer, was laut Perioche die eigentliche Thematik des vierten Aktes ist (Iulianus tyrannum egit, vgl. die Isagoge, S. 179), sondern werden begnadigt. Eine deutliche Antithese zur Behandlung der persischen Jungfrauen aus I,7 liegt somit auch nicht vor. Zum Verbot von Auftritten von weiblichen Charakteren in der Ratio studiorum siehe Einleitung zu Comm. ad I,7. 1477–1478 meae comites, mei oculi, oculis meis ∣ Mihĭ chariores] Metonymisch für geliebte Menschen wird oculus besonders von Plautus (z.B. Cist. 53, Curc. 203, Mil. 1330, Pseud. 179) benutzt. Bei Catull taucht die Formulierung aliquem plus oculis suis amare (Catull. 3,5, vgl. 14,1, 82 und 104,2; ganz ähnlich: pater, qui te amat plus quam hosce oculos, Ter. Ad. 905) auf, dem die deutsche Wendung ‚wichtiger/teurer als mein Augenlicht‘ entspricht. Vgl. Kuhlmann, Gerhard 1973: Art. ‚oculus‘. In: ThLL IX,2,451,37–41; Otto 1890, S. 249. Zusammen mit der überproportional hohen Anzahl an hellen i-Lauten (besonders in den ersten drei Versen) erzeugt das zur Bezeichnung für geliebte Menschen verwendete Polyptoton oculi/oculis einen sehr persönlichen, vertraulichen, warmherzigen und liebevollen Ton zu Beginn dieser Szene. Die ebenfalls polyptotonische Wiederholung von meae, mei und meis betont, wie eng verbunden mit ihren Gefährtinnen sich Publia sieht. Gleiches gilt für die V. 1531–1533, wo Publia die übrigen Jungfrauen mit mei amores, mea cura und meum solatium anspricht und wiederum jeweils das Personalpronomen wiederholt. 1479/1480 unionibus] Bei den uniones handelt es sich um eine wertvolle Perlenart, die Plinius in seiner Historia naturalis näher beschreibt (nat. 9,112 und 123; vgl. auch Suet. Nero 31,2). 1489 Christo meo sponso meo] Die christliche Brautmystik gründet sich auf das alttestamentarische Hohelied. In allegorischer Deutung fasst das Neue Testament
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Christus als den sponsus ecclesiae auf (vgl. Mt 9,14–17; Mc 2,19–20; Lc 5,34–35; II Cor 11,2; Eph 5,22–32). Auch in der Apokalypse spielt die Brautsymbolik eine wichtige Rolle, wonach in der neuen Schöpfung eine Hochzeit zwischen der himmlischen und irdischen Welt, die sich dem Antichristen nicht gebeugt hat, stattfindet (Apc 19,7–9). Im Bereich der mystischen Deutung des Hoheliedes entwickelte Origenes (185/6–254 n.Chr.) die Vorstellung, dass die Kirche als Braut Christi zu sehen sei und dass diese Vereinigung im Hohelied beschrieben werde (vgl. hom. in cant. cantic.). Diese Vorstellung wird von Methodius von Olympus (drittes oder viertes Jhdt.) dahingehend weiterentwickelt, dass er die Braut des Hohelieds mit Jungfrauen (wie im vorliegenden Fall) in Verbindung bringt, die Gott geweiht sind. Im Mittelalter wird auf diese Deutung der Kirche als jungfräuliche Braut Christi ebenfalls zurückgegriffen. Viele Heilige besaßen als besondere Eigenschaft die Jungfräulichkeit, darunter die Hl. Agnes (vgl. LA 24,5: Agnes virgo prudentissima; vgl. Ambr. virg. 1,5–9). Daneben werden auch Agatha von Catania, Cäcilia von Rom und Katharina von Siena als Jungfrauen verehrt. Vgl. Langer 2004, bes. S. 86–91; Bechmann 1994; Heimbach-Steins 1994; Vincent 1986; Schmid 1954, Sp. 546–564. 1497 Iuliana:] Dramenintern ist der Name Juliana in gewisser Weise ebenfalls als ein ‚sprechender‘ aufzufassen (vgl. S. 424). Denn ausgerechnet diejenige unter den Nonnen, die an der vanitas des irdischen Daseins, einem Kernpunkt der christlichen Theologie, zweifelt, ist eine enge Namensverwandte Julians. Ihre Einwände, die sie von ihrer blühenden Jugend ableitet (iuventus impedit, V. 1505; aevo virenti, V. 1510), entsprechen außerdem denen, die Julian in der Szene, in der es zu seiner Apostasie kommt (II,1), gegenüber sich selbst kritisch anmerkt. Im Gegensatz zur Entwicklung bei Julian zeigt diese Szene aber auf, wie auf positivem Wege mit den erwähnten Einwänden umzugehen ist. Publia überzeugt ihre Mitschwester Juliana durch den Hinweis auf die Vergänglichkeit der irdischen Güter (wie Julian in I,4 noch gegenüber Sallustius) und die ewige Glückseligkeit im Reich Gottes. 1501 Iuliana: reclamat corpus. Publ.: animus imperat.] Auf Julianas Einwand, dass ihr irdischer Leib gegen den Tod Widerstand leiste (reclamat corpus), reagiert Publia in chiastischer Wortstellung und direkter Juxtaposition mit der Antithese animus imperat. Diese Aussage wird insofern hervorgehoben, als es sich um den einzigen Vers der Szene handelt, in dem der Sprecher im Rahmen einer Antilabe zweimalig wechselt. Zum Leib-Seele-Antagonismus siehe auch Comm. ad 1512– 1513 und 2390.
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1502 cura mea] Das Substantiv cura taucht als metonymische Bezeichnung von geliebten Menschen häufig in der römischen Liebesdichtung auf (Tib. 2,3,31; Prop. 2,25,1 und 2,34,9; Ov. am. 1,3,16 und 3,9,32, ars 2,350, epist. 15,96). Vgl. Gudemann, Alfred 1909: Art. ‚cura‘. In: ThLL IV,1475,42–60. Siehe dazu auch Comm. ad 1477– 1478. 1509 nam est facile amori, mori.] Die nur scheinbare etymologische Verwandschaft zwischen amori und mori (Paronomasie) am Versende verstärkt den sentenzhaften Inhalt der Aussage. In ihr liegt ferner eine Abwandlung des Motivs der bis zum Tod dauernden Liebe aus der römischen Liebeselegie vor, wie es bei Properz (2,1,47) und Ovid (am. 2,7,10) zu finden ist (ähnlich: Prop. 1,6,27; Tib. 1,1,59– 60). 1511 tyrannum Iulianum] Im ersten Buch seiner staatsphilosophischen Schrift De rege et regis institutione libri tres (1599) zieht der Jesuit Juan de Mariana (1536– 1624) einen scharfen Trennstrich zwischen einer wohltätigen Königs- (Regis benevolenti[a]) und einer wahnhaften Tyrannenherrschaft (tyranni vaecordi[a]; vgl. Kap. VI,5). Seine Definition des Tyrannen soll hier stellvertretend für die jesuitsche Position stehen. Anknüpfend an die antike Verfassungstheorie (vgl. Plat. rep. 543a–576b; Aristot. pol. 3,1281a,11–1284a,3; Pol. 6,4–9; Cic. rep. 1,42–71) stellt Mariana der Königsherrschaft (regnum), der Aristokratie (aristocratia) und der res publica mit der Tyrannei (tyrannis), der Oligarchie (oligarchia) und der Demokratie (democratia) deren jeweilige negative Gegenentwürfe gegenüber. In den meisten Fällen komme ein Tyrann, der schlechteste aller Herrscher, durch Gewalt (per vim) oder Bestechung (divitiis ambitu et armis) an die Macht, niemals aufgrund seiner eigenen Verdienste (nullis meritis). Nach einer möglicherweise ruhigen Anfangsphase würden sich seine Haupteigenschaften, Habgier (avaritia), Zügellosigkeit (libido) und Grausamkeit (crudelitas), durchsetzen. Demgegenüber stünden die Herrschertugenden eines Königs: Mäßigung (modestia), väterliche Fürsorge (paterna caritas), Milde (clementia), Umgänglichkeit (mansuetudo) und Menschenfreundlichkeit (humanitas). Da ein Tyrann seinen Untertanen misstraue, lebe er in steter Angst vor denselben, was wiederum dazu führe, dass er diese durch unmäßig harte Verurteilungen in Furcht und Schrecken versetze (Tyrannus quia civibus diffidit, quos timet, terrere consuevit). Sein persönliches Interesse stehe über dem des Staates. Unter dem Deckmantel der Nachsicht und Milde gebe er sich heuchlerisch (specie lenitatis et clementia fallit), um seine üblen Absichten zu verbergen. Darin entspricht der Tyrann dem von den Jesuiten abgelehnten Konzept vom machiavellistischen Fürsten (vgl. Abschnitt 3.3.5). Eine weitere Parallele zum Drama liegt darin, dass Mariana den Tyrannen u.a. mit
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der lernäischen Hydra und der lykischen Chimäre gleichsetzt, was im Drama auf Julian ebenfalls zutrifft (vgl. V. 804 bzw. 1802). 1512–1513 Corpus potest solum, nequit tollere animum ∣ Deus potest] Erneut weist Publia auf den Antagonismus zwischen irdischem Leib und unsterblicher Seele hin und orientiert sich in ihrer Formulierung frei am Evangelium nach Matthäus: Et nolite timere eos qui occidunt corpus, animam autem non possunt occidere. sed potius eum timete qui potest et animam et corpus perdere in gehennam. Mt 10,28. [Und fürchtet euch nicht vor denjenigen, die euren Leib töten, eure Seele aber nicht töten können. Sondern fürchtet vielmehr denjenigen, der sowohl eure Seele als auch euren Leib in der Hölle verderben kann.] Die Antithese wird nicht wie zuvor durch eine direkte Juxtaposition (vgl. Comm. ad 1501) hervorgehoben, sondern durch das umgekehrte Phänomen, indem die beiden gegensätzlichen Begriffe die Ränder des V. 1512 bilden. Die alleinige Macht Gottes über die menschliche Seele wird schließlich durch ein Enjambement (Deus potest) hervorgehoben. Zum Leib-Seele-Antagonismus siehe auch Comm. ad 2390. 1516 satius est] Die Verbindung satius est ist hier sowohl mit Synizese als auch > mit Aphärese zu lesen (satiust). Vgl. Zgoll 2012, S. 69 und Comm. ad 383. 1527 Mors viva recte aut vita mortua dicitur.] Das doppelte, in chiastischer Wortstellung formulierte Paradoxon (mors viva, vita mortua) betont die Absurdität eines Lebens ohne Gott. 1531–1533 mei ∣ Vos ergo amores, cura mea, solatium ∣ Meum] Zur Bezeichnung eines geliebten Menschen als cura siehe Comm. ad 1477–1478 und 1502. 1537–1538 masculoque mortem pectore ∣ Excipite] In spätantiken Passionsberichten erscheinen Christinnen, die das Märtyrium erleiden, häufig nicht nur in einer männlich dominierten Umgebung (z.B. im Circus/Amphitheater), sondern bekommen auch ‚männliche‘ Attribute verliehen. So wird z.B. überliefert, dass die Hl. Blandina, nachdem sie unmenschliche Qualen erlitten hatte, dennoch erneut lautstark ihren Glauben bekannte und dadurch wie ein ‚edler Athlet‘ (ὡς γενναῖος ἀθλητὴς, Eus. hist. eccl. 5,1,19) wieder zu Kräften gekommen sei. Die Passio Perpetuae geht noch einen Schritt weiter: In ihrer vierten Vision wird die Hl. Perpetua ins Amphitheater geführt, wo sie gegen einen Ägypter kämpfen soll. Als ihre ‚Assistenten‘ ihr die Kleidung abnehmen, merkt sie, dass sie zum Mann geworden ist (et expolitata sum et facta sum masculus, Pass. Perp. 10,7), und bereitet sich tapfer zum Kampf vor. Vgl. Cobb 2008, bes. S. 92–123; Habermehl ²2004, S. 122–133. Hinter diesen Aussagen steht die antike Unterscheidung zwischen ‚maskulin‘ und ‚feminin‘, die sich keineswegs allein auf die Anatomie beschränkt. Vielmehr
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stellt sie auch eine Kategorisierung von vom tatsächlichen Geschlecht der jeweiligen Person unabhängigen Eigenschaften dar, wobei das ‚Männliche‘ für Stärke, Tapferkeit, Ehrlichkeit und Loyalität (vgl. Cic. Tusc. 2,43: Appellata est enim ex viro virtus; viri autem propria maxime est fortitudo, cuius munera duo sunt maxima, mortis dolorisque contemptio), das ‚Weibliche‘ für deren Gegenteile steht (direkt gegenübergestellt z.B. bei Hor. epod. 16,39 und Sall. Catil. 11,3). Vgl. Cobb 2008, bes. S. 24–32. 1540–1541 regij nos carmina ∣ Vatis canamus] Gemeint ist Psalm 97 (Vulg.: Ps 96), der im Folgenden in der lateinischen, lyrischen Bearbeitung von Buchanan in Auszügen wiedergegeben wird (siehe Similienapparat). In diesem besingt König David (regius vates) die Größe und Allmacht Gottes und verflucht allen Götzendienst und Aberglauben. 1541 Idololatras] Der Gräzismus idōlon wird in der lateinisch-christlichen Dichtung häufig idŏlon bemessen (vgl. Prud. c. Symm. 2,48; Sedul. 5,146). 1542 sequiminor] Die Endung -minor für den Imperativ Plural Passiv als Nebenform zur Endung -mini wird von spätantiken Grammatikern in Analogie zum Imperativ Singular Passiv auf -tor (ausgehend von -to) zugelassen (vgl. Diom. gramm. I, S. 355–357). Auch mittelalterliche Grammatiker wie Bonifatius lehren zum Imperativ Passiv folgende Formen: audiaris vel auditor, audiatur, audiamur, audimini vel audiminor, audiantur (Bon. Ars gramm. S. 54,619–623). Álvarez führt diese Passivform ebenfalls auf (z.B. Inst. gramm. I, fol. 32r : amamini vel amaminor). Als Belegstellen dienten lange Plautus (Pseud. 859, Epid. 695) und Apuleius (met. 1,22,4). Diese Formen wurden aber zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts als falsche Lesarten identifiziert. In der neulateinischen Literatur taucht diese Endung aber häufiger auf. Vgl. Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 679; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 573. 1543–1544 Illis ora … pro Dis colunt.] Zur wörtlichen Übernahme der Psalmennachdichtungen des schottischen Philosophen und Humanisten George Buchanan (1506–1582) siehe Abschnitt 5. 1551 astriferi trans ignea moenia mundi] Die ‚Mauern der Welt‘ (moenia mundi) tauchen bei Lukrez in Verbindung mit Feuer auf (1,73 und 1102; vgl. auch 3,16, 5,371 und 454). Hier wird die Reminiszenz dafür benutzt, um einen bedeutungsschweren epischen Stil zu erzeugen.
604 | Vierter Akt 1556–1557 convulsa lingua lueret hoc ∣ Linguae scelus] Die Formulierung spielt mit verschiedenen Bedeutungen von lingua (‚Zunge/Sprache‘) und verleiht Julians Worten einen spöttischen Sarkasmus.
IV,3 Die Szene entwickelt sich von einer vermeintlich komisch-burlesken Episode (V. 1560–1610) zu einem Bühnenstück, das einige Parallelen zu geläufigen passioSchilderungen aufweist (V. 1631–1690). Der Mittelteil der Szene (V. 1611–1630), der eine Art Übergang zwischen diesen beiden Gegenpolen bildet, ist entsprechend von einem Nebeneinander von ernstem Passionsbericht im Falle des Porphyrius und von einem weiter komischen Spiel im Spiel im Falle Julians geprägt. Zur Überlagerung von Ernst und Komik und die Rolle der ‚vermeintlichen‘ Komik in dieser Szene siehe Abschnitt 4.1.3. Der erste Teil erhält seinen Charakter durch mehrere umgangssprachliche und besonders für die Komödie bzw. Satire typische Vokabeln und Wendungen (bellissime, V. 1565; illis fluunt verborum ab ore mellei ∣ Globuli, V. 1573–1574; fiet satis precibus, V. 1590; immo etiam, V. 1595). Auf sprachlicher Ebene wird der Spott des Porphyrius auch in der übertriebenen Häufung von Antworten im Superlativ und in frechen Laut- und Wortspielen bzw. Entgegnungen, die das Gefragte schelmisch auf den Kopf stellen, deutlich (probe–improbi, V. 1563; verus–ferus, V. 1596; Eceb.: Erisne patiens verberum? Porph.: si argentea ∣ Sint, maxime, V. 1600–1601; precari–imprecari, V. 1603). Das fingierte und parodierte Taufgespräch zwischen Ecebolius und Porphyrius (V. 1592–1607) weist einige Parallelen zur vierten Szene des zweiten Aktes des plautinischen Pseudolus auf. Darin preist Charinus gegenüber Pseudolus seinen cleveren Sklaven Simia, den Pseudolus zur Durchführung seiner Intrige gegen den Kuppler Ballio benötigt (vgl. v.a. Pseud. 737–750). Dabei entsprechen die ernsten Fragen des Pseudolus denen des Ecebolius im Iulianus, Charinus’ Antworten voller „Doppeldeutigkeiten, Bildern und grotesk übertreibenden Wendungen, die für Plautus charakteristisch sind“ (vgl. Fraenkel 1922, S. 129), denen des Porphyrius, wobei die Entgegnungen des Letztgenannten noch weit schelmischer sind als die des Charinus. Auf sprachlich-stilistischer Ebene stehen im Mittelteil den mehrmaligen ernsten Bekenntnisausrufen des Porphyrius Christianus sum (V. 1611, 1613, 1615, 1619, 1621 und 1629) in Julians Redeanteilen weiterhin komische und umgangssprachliche Elemente entgegen (es maxime: quia …, V. 1616; bellissimus […] homo, V. 1620). Der dritte Teil beinhaltet letztlich viele typische Elemente einer passio, zu der das ausdrückliche Bekenntnis des Christen (sum Christianus, V. 1640; vgl. V. 1659–
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1677) und die vergeblichen Versuche der Gegenseite, diesen durch wilde Drohungen von seinem Bekenntnis abzubringen (V. 1656–1679), gehören. Die überaus legendenhafte Erzählung vom Schauspieler Porphyrius ist in zwei Versionen überliefert. Sie wird von Baronio im Martyrologium Romanum von 1597 (S. 417) und in den Annales Ecclesiastici (IV,58B) erwähnt. Im aktuellsten Martyrologium von 2004 taucht sie jedoch nicht mehr auf. Vgl. AA SS 15. September, 5. Band, S. 37; Sauget 1968; Gaiffier 1956, S. 25. Laut einer anderen Überlieferung habe der Schauspieler Porphyrius unter Kaiser Aurelian in Kappadokien das Martyrium erlitten (vgl. BHG II, Nr. 1568z–1569). Eine ähnliche Szene sowohl bezüglich der Figurenkonstellation als auch im Hinblick auf die Überlagerung von Ernst und Komik beinhaltet der etwas jüngere, 1618 in Konstanz aufgeführte Philemon von Jakob Bidermann. In diesem Stück, das zur Zeit der diocletianischen Christenverfolgung spielt, lässt sich der heidnische Schauspieler Philemon von Apollonius, dem ängstlichen Anführer der Christen von Antinoë in Ägypten, engagieren, um als dieser verkleidet den alten Göttern, wie von staatlicher Seite vorgeschrieben, ein Opfer darzubringen. Nachdem sich Philemon als Apollonius verkleidet hat, wird er aber auf wundersame Weise zum Christen. In einem ersten Verhör vor dem Statthalter Arrianus (IV,3) weigert sich der vekleidete Philemon, der Arrianus eigentlich sehr vertraut ist, nun aber von diesem nicht erkannt wird, den Göttern zu opfern. Am Ende der sich daraufhin entwickelnden Kette von komischen Missverständnissen ist Arrianus so verwirrt, dass er zur Erheiterung nach Philemon, eben dem Schauspieler, den er die ganze Zeit über vor sich hatte, aber nicht erkennen konnte, rufen lässt (Bid. Phil. S. 216,16–20). Im zweiten Verhör (IV,7) wird der immer noch verkleidete Philemon von seinem nun ebenfalls anwesenden Bruder erkannt. Arrianus glaubt nun aber, dass es sich bei dieser Verkleidung um eine Posse des Schauspielers Philemon handelt, den er ja zuvor rufen ließ. Das folgende Gespräch zwischen Arrianus und Philemon ist ganz ähnlich gestaltet wie das zwischen Ecebolius bzw. Julian und Porphyrius. Philemon bekennt sich wie Porphyrius ernsthaft als Christ, wobei beide dasselbe, freilich topische Bekenntnis formulieren (sum Christianus, Bid. Phil. S. 232,4; vgl. Iul. 1611, 1613, 1615, 1619, 1621, 1629 und 1640) und die alten Götter verfluchen (Bid. Phil. S. 240,12–15; vgl. Iul. 1643–1645). Die Aussage des Fabullus, eines Beraters des Arrianus, Credas serio ∣ Haec dici, nisi scias esse hunc Philemonem (Bid. Phil. S. 240,1–2: Wenn man nicht wüsste, dass dieser hier Philemon ist, könnte man glauben, dass er im Ernst spricht.) entspricht der Julians: Ni te teipso rectius nossem, omnia ∣ Haec serio tibi facta, dicta dicerem (V. 1626–1627). Auch die Aufforderung des Fabullus, Philemon möge mit dem Spiel aufhören (Iam satis est lusum, Bid. Phil. S. 240,17) findet sich ganz ähnlich im Iulianus (Iul.: Lusum sat est Porphyri, V. 1631). Wie Julian ist Arrianus über weite Strecken des Gesprächs nicht in der Lage, die wahren Verhältnisse zu erkennen, und setzt das Spiel im
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Spiel fort, während Philemon bzw. Porphyrius in vollem Ernst agieren. In beiden Szenen liegt dieselbe Überlagerung von Ernst und Komik vor. Am jeweiligen Ende steht die grausame Verurteilung des Schauspielers. Zur Überlagerung von Ernst und Komik in Bidermanns Philemon siehe Meier 2008a, S. 178–183. 1560–1561 theatrum lusibus ∣ Hilara tuis] Mit Julians Aufforderung, die Zuschauer mit einer lustigen Einlage zu erheitern, wird die Illusion des Schauspiels durchbrochen. Die Wirkung des Folgenden muss aber genau gegensätzlich zu dem gesehen werden, was Julian erreichen möchte. Für ihn als Christenfeind mag es eine Aufheiterung sein, bei den christlichen Zuschauern verstärkt es jedoch die Abneigung gegenüber seiner Person. Zur ‚vermeintlichen Komik‘ in dieser Szene siehe Abschnitt 4.1.3. 1561 Galilǣos] Zur Metrik siehe Comm. ad 531. 1564 Simulare, dissimulare, fingere, tegere] Diese Verben entsprechen fast genau denjenigen, mit denen Constantius in I,2 sein eigenes Verhalten gegenüber Julian charakterisiert: Velare motus pectoris, tegere odium, ∣ Iram premere; simulare multa, plurima ∣ Ut nulla dissimulare (V. 124–126). Derselbe Vers taucht in Bidermanns Cenodoxus auf, wo die Hypocrisis das Verhalten des Cenodoxus beschreibt (I,2). Der spätrepublikanische Historiker Sallust bezeichnet den Verschwörer Catilina als simulator ac dissimulator (Catil. 5,4). Siehe auch Comm. ad 121–131. 1565 bifrontes simij] Affen waren schon in der Antike bekannt für ihre Lernund Nachahmungsfähigkeiten. Aelian berichtet beispielsweise, dass er Affen gesehen habe, die tanzten, Flöte spielten, einen Wagen lenkten oder die Peitsche schwangen (NA 5,26, ähnlich 6,10; Aisop. 14, 75 und 219). Außerdem war ihre angebliche Hässlichkeit, Unverschämtheit und Bösartigkeit sprichwörtlich (Aristoph. Ach. 906; Plaut. Mil. 179–180; vgl. Erasm. Adag. 441, 610, 1454, 2479 und 3442). Aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten wurde die Bezeichnung ‚Affe‘ auf Menschen übertragen, die als allzu eifrige Nachahmer, Heuchler oder Lügner auftraten (vgl. Plin. epist. 1,5,2). So wird simius/simia auch als Schimpfwort von Plautus (Most. 887) und Horaz (sat. 1,10,18–19) verwendet. Das Attribut bifrons erhält der Affe aufgrund der erwähnten Eigenschaften als unaufrichtiger Heuchler und hinterlistiger Täuscher, wie es auch im Folgenden von Porphyrius erläutert wird: Ore aliud et corde aliud inclusum gerunt (V. 1566). In den theologischen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Heiden in der Spätantike ist der Begriff ‚Affe‘ eine typische Beschimpfung der Gegenseite. Laut den Christen seien die Auferstehung des Dionysos, die Himmelfahrt des Hercules und die Totenerweckungen des Asklepios lediglich ‚Nachäffungen‘ des Christentums (vgl. Iust. Mart. dial. 69,1–3).
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Gregor von Nazianz bezeichnet die von Julian wiederbelebten heidnischen Institutionen ausdrücklich als ‚Nachäfferei‘ (τίνα δὲ πιθήκων μιμήματα, or. 4,112). Vgl. Hünemörder 1996b; Toynbee 1973, S. 55–60; Grün/Stemplinger 1950. Zur Aitiologie des Wesens der Affen siehe Comm. ad 1801–1807. 1567–1568 Sanctissimi volunt videri, esse renuunt ∣ Nequissimi] Der Widerspruch zwischen ‚Schein und Sein‘, den Porphyrius den Christen vorwirft, wird sprachlich durch die chiastische Anordnung der Aussage hervorgehoben. Die rahmende Antithese sanctissimi–nequissimi wird zusätzlich durch ein Homoioteleuton und Enjambement akzentuiert. 1568–1577 crucis typo frontem terunt … os streperum movent ∣ Tali modo.] Porphyrius zählt typische, schon seit der Spätantike bzw. dem Mittelalter praktizierte christliche Verhaltensweisen beim Gebet auf. Mit caput ferunt in alterum ∣ Latus reclinatum (V. 1569–1570) sowie [lumina] ad astra cum gemitu erigunt (V. 1571) ist vermutlich die sogenannte Orantenstellung (oder auch Orantenhaltung) gemeint, bei der der Betende aufrecht steht, seine Hände mit den Flächen nach oben ausstreckt und seine Augen gen Himmel richtet (vgl. Heid 2009; Heid 2006b, bes. S. 350–358 und 366–377; Oury 1998, S. 113–121; Schmitt 1992, S. 60 und 274– 275; Ohm 1948, S. 163–168 und 252–265), eine Gebetshaltung, die nicht selten in der Bibel beschrieben ist (Ps 62,5, 122,1 und 142,6; Mt 14,19; Mc 6,41 und 7,34; Io 11,41 und 17,1; für weitere Belegstellen siehe Ohm 1948, S. 256. Reiches Quellenmaterial für die Orantenstellung in spätantiken Märtyrerakten bietet Heid 2006b, S. 356–357 Anm. 39–41. Im Evangelium nach Lukas wird zur Beschreibung des Gebets, das Jesus während der wundersamen Brotvermehrung spricht, ebenfalls auf ein Kompositum mit dem Präfix re- zurückgegriffen, was im Iulianus dem Partizip re-clinatum entsprechen könnte: respexit in caelum, Lc 9,16) und von Origines bevorzugt wird (de or. 31,2). In der heutigen katholischen Messfeier nur noch zu den offiziellen Gebeten (Tages- und Gabengebet, Kanon, Schlussgebet) vom Priester eingenommen stellte diese Geste bis ins Mittelalter die geläufige Gebetsform von allen Christen dar (Heid 2009, S. 611; Heid 2006b, S. 349). Dabei betont die Haltung die Hinwendung zu Gott im Himmel. Der betrübte Blick zu Boden (dolosa limina ∣ Figunt humi, V. 1570–1571) ist als Zeichen der Trauer, Bußfertigkeit und Demut ebenfalls biblisch belegt (I Esr 9,5–6; Lc 18,13; vgl. Schmitt 1992, S. 275; Ohm 1948, S. 176–180). Das Kreuzen der Arme über der Brust beim Anblick des Kreuzes (Crucis figura ad pectus arctant brachia, V. 1572) symbolisiert Unterwürfigkeit, Hingebung und Demut gegenüber dem Kreuzestod Christi (vgl. Ohm 1948, S. 277–279). Porphyrius nennt außerdem die dem Christentum eigentümlichste Geste, das Kreuzzeichen auf der Stirn (crucis typo frontem terunt ∣ Creberrime, V. 1568–1569;
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vgl. Oury 1998, S. 77–84; Ohm 1948, S. 292–303), das Falten der Hände zum Gebet (Iungunt manus cum vota Galilaeo ferunt ∣ Suo, V. 1575–1576; vgl. Schmitt 1992, S. 284–285; Ohm 1948, S. 267–276) sowie das Gebet selbst (os streperum movent, V. 1576) und die Kniebeuge bzw. das Niederknien (recurvant poplitem, V. 1576; vgl. Heid 2006b, S. 399–403; Oury 1998, S. 95–103; Schmitt 1992, S. 280–283). Zur Entwicklung von verschiedenen Gebetshaltungen und entsprechenden theoretischen Überlegungen von der Spätantike bis in die mittelalterliche Mystik siehe Schmitt 1992, S. 274–303. 1573–1574 Illis fluunt verborum ab ore mellei ∣ Globuli] Die Redewendung geht auf den kaiserzeitlichen Satiriker Petron zurück. Zu Beginn von dessen Satyrica wettert der Schüler Enclopius gegen den Schulunterricht, der sich nur mit theoretischen Deklamationen abgebe und nicht mit dem, was die Schüler vor ihren eigenen Augen vorfänden. Dieses Übergewicht der realitätsfremden Theorie bezeichnet er u.a. als melliti verborum globuli (Petron. 1,3). 1576 os streperum] Das Simplex streperus, das von den in der antiken Literatur belegten Komposita wie obstreperus abgeleitet wurde, ist eine neulateinische Schöpfung. Seine Zulässigkeit wird aber durchaus kritisch reflektiert. Auf ein von Nicolas Mallarius verfasstes Distichon auf Erasmus (A streperis tutus rabulis servetur Erasmus, ∣ ut longos ducat laeta senecta dies. Erasm. epist. 2424) antwortet Letztgenannter: Iam an ‚streperus‘ pro ‚obstreperus‘ inveniatur addubito (epist. 2466). Vgl. Ramminger s.v. streperus. 1581 Mystas] Als mystae werden Eingeweihte bzw. Priester eines Mysterienkultes bezeichnet. Indem Porphyrius die christlichen Priester mystae nennt, knüpft er an jene Kritik an, die von heidnischer Seite gegenüber dem angeblich klandestinen Charakter des Christentums vorgebracht wurde. Siehe Comm. ad 1025. 1583 Stentori parissimi] Stentor, der ‚Brüller‘, war ein Grieche vor Troja, dessen Stimme fünfzig Männern gleichgekommen sein soll. Hera ermahnt in seiner Gestalt die Griechen (Hom. Il. 5,784–792). Die ‚Stentor-Stimme‘ ist schon in der Antike sprichwörtlich (z.B. Aristot. pol. 7,1326b,6–7; Iuv. 13,112; vgl. Erasm. Adag. 1237). Vgl. Nünlist 2001; Wander 1867–1880 IV, Sp. 829. 1592–1607 Sed num tuis … Lostotropus.] Dieser Abschnitt stellt ein Spiel im Spiel dar, das ein Gespräch zwischen einem Katechumenen und einem Priester nachahmt. Der ‚Geistliche‘ Ecebolius stellt verschiedene Fragen an den ‚Täufling‘ Porphyrius und handelt dabei nach und nach einzelne christliche Tugenden wie Reue, Gewaltverzicht, Glauben an Christus bzw. den einen Gott, Mäßigung, Barmherzigkeit, Friedfertigkeit und Wachsamkeit sowie die Inhalte des Katechis-
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musunterrichts (nosti precari? V. 1603; dies ∣ Festos coles?, V. 1603–1604; Dekalog, V. 1605) ab. Am Ende steht die Namenswahl des Täuflings. Das so gespielte vorbereitende Taufgespräch zieht Porphyrius durch seine Antworten permanent ins Lächerliche. Dies bewirkt er durch die häufige Verwendung von hyperbolischen Superlativen (maxime, minime, optimus, promtissimus, amantissimus, potissimum, plurimum, Lostotropus) sowie durch stark ironische Antworten, die teils durch Wortspiele zur vorangehenden Frage ihren lächerlichen Charakter erhalten (Eceb.: Agnoscis unum Numen. Porph.: imo etiam decem, V. 1595; verus–ferus, V. 1596; precari–imprecari, V. 1603), teils die ursprüngliche Intention der Frage des Ecebolius schelmisch ins Gegenteil verkehren (Eceb.: Erisne temperans? Porph.: aquae praesertim, V. 1597; Eceb.: Erisne patiens verberum? Porph.: si argentea sint,∣ Maxime, V. 1600–1601; Eceb.: parcus cibi? Porph.: potissimum ∣ Cum non sapuerit, V. 1601–1602; Eceb.: num dies ∣ Festos coles? Porph.: ut nemo superet me otio, V. 1603–1604). 1595 imo etiam decem.] Die betonte korrektive Entgegnung auf eine Frage durch imo etiam ist der Umgangssprache zuzuordnen und findet sich häufig bei Plautus und Terenz sowie in den Briefen Ciceros. Vgl. Friedrich, Wolf-Hartmut 1936: Art. ‚etiam‘. In: ThLL V,2,953,34–58. Der Scherz in der schelmischen Entgegnung des Porphyrius resultiert aus der Doppeldeutigkeit des lateinischen Adjektivs unus, das sowohl als bloßes Zahlwort bzw. als Ersatz des nicht vorhandenen unbestimmten Artikels dient als auch im übertragenen Sinne synonym zu unicus (‚der einzige‘) verwendet wird. Im Gegensatz zum Deutschen kann das Lateinische durch einen bestimmten Artikel dabei nicht für Klarheit sorgen. Porphyrius fasst in seinem komischen Spiel die Frage des Ecebolius nach dem einen Gott so auf, als fragte dieser, ob er er auch [irgend-] einen Gott anerkenne. Porphyrius setzt seine anfängliche überschwängliche Euphorie (quam maxime; O minime; optimus) in dieser Entgegnung insofern fort, als er aus einem bzw. dem einen Gott gleich zehn davon bzw., metonymisch gelesen, unzählige macht, zu denen er sich bekennen will, wodurch er die Christen ein weiteres Mal verhöhnt. 1596 Eceb.: Erisne defensor crucis verus? Porph.: ferus.] Das durch die leicht unterschiedliche Aussprache der lautverwandten Konsonaten v- und f- generierte paronomastische Wortspiel geht auf Ovid zurück: verus ∣ et ferus et captus nullius amore iuvencae [sc. Iupiter] (met. 8,123–124). Während es sich bei Ovid jedoch eher um eine ironische Nebenbemerkung handelt, ist bei Drexel eine deutliche Umkehrung der Semantik in einen ironischen Widerspruch zu beobachten. Zur Rolle des Wortwitzes und Wortspiels im frühneuzeitlichen Drama siehe Comm. ad 141–143.
610 | Vierter Akt 1600–1601 Eceb.: Erisne patiens verberum? Porph.: si argentea ∣ Sint, maxime.] Dieses Frage-Antwort-Spiel ist vor dem Hintergrund der plautinischen Mostellaria zu sehen (v.a. III,1). Dort fordert der Sklave Tranio seinen Herrn Theopropides auf, den wuchernden Geldverleiher Misargyrides aufgrund seiner Geldversessenheit zu verprügeln (Tr.: iube ∣ obi⟨cere⟩ argentum ob os impurae beluae. ∣ Th.: Iubeam –? Tr.: iuben homini argento os verbarier? Most. 618–620). Daraufhin antwortet der Geldverleiher schelmisch, dass er es gern sehen würde, wenn er mit Silber verprügelt werden würde (Perfacile ego ictus perpetior argenteos. Most. 621). 1607 Lostotropus] Der selbstgewählte christliche Name des Porphyrius Lostotropus setzt sich aus dem Superlativ λῷστος von λωΐων (‚edel/vornehm‘) und dem Substantiv τρόπος (‚Verhalten/Charakter‘) zusammen. Mit dem Namen ‚edelster Charakter‘ macht sich Porphyrius über die christliche Praxis der Namensgebung lustig, die sich häufig sprechender Namen bedient. Innerhalb des Dramas sind beispielsweise Eulalia (‚die Redegewandte‘), Euphrosyna (‚der Frohsinn‘), Eleuterius (‚der Freie‘), Eusebius (‚der Fromme‘) oder Serenus (‚der Heitere/Glückliche‘) zu nennen. Lostotropus kann durchaus als direkte Anknüpfung an den ebenfalls im Drama vorkommenden christlichen Namen Eutropius/Eutropia (‚der/die Gutgesinnte‘) gesehen werden. Es gehört zur überzeichnenden Verhaltensweise des Porphyrius, einen christlichen, sprechenden Namen aus dem Drama durch eine Transformation eines Namensbestandteils in den Superlativ (εὖ [= λωΐων] → λῷστος) hyperbolisch ins Lächerliche zu ziehen. 1607–1610 ergo mi Lostotrope ∣ … irroro lustrales aquas.] Die wundersame Konversion des Porphyrius, der Höhepunkt des bis dahin hohnvollen Spiels im Spiel, wird durch das Bühnengeschehen besonders betont: Zunächst gibt Ecebolius Porphyrius durch Imperative konkrete, kleinschrittige Handlungsanweisungen, die dieser dann vollzieht (inflecte; iunge; demitte, V. 1608–1609). Daraufhin kündigt er durch ein Verb im Futur (perluam, V. 1609) an, dass er jetzt zur Tat schreiten werde. Im Folgenden weist er mit dem eindringlichen Hinweis attende nunc (V. 1610) Porphyrius und das Publikum darauf hin, dass die Taufe nun vollzogen wird. Den performativen Akt des Übergießens mit Wasser begleitet er schließlich mit den Worten irroro lustrales aquas (V. 1610). 1616–1617 Iul.: quia fonte sacro tinctus es. ∣ Porph.: Atque meliore Numinis vi concitus.] Julians spottende Aussage und die ernste Ergänzung des Porphyrius ergeben zusammengenommen das, was Johannes der Täufer laut den Evangelien über Jesus verkündete. Er selbst, Johannes, taufe nur mit Wasser, derjenige, der nach ihm komme, aber mit dem Heiligen Geist und Feuer:
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Ego quidem vos baptizo in aqua in paenitentiam. Qui autem post me venturus est, fortior me est […]. Ipse vos baptizabit in Spiritu Sancto et igni. (Mt 3,11; vgl. Mc 1,8; Lc 3,16; Io 1,26–33; Act 1,5 und 11,16)
Der Komparativ meliore, den Porphyrius gebraucht, entspricht dabei dem Adjektiv fortior bei den Synoptikern. Die Wendung Numinis vi steht für die Kraft des Heiligen Geistes. 1625 gregi aggrega] Ein ähnliches Wortspiel aus einem durch grex generierten Polyptoton findet sich bereits in V. 1034. Während dort gregi segregi die angebliche Selbstisolation der Juden bzw. Christen anprangern soll, wird hier mit gregi aggrega genau dieses Gemeinschaftsgefüge positiv beschrieben. 1631 Lusum sat es Porphyri.] Mit diesen Worten wird die vermeintlich komischburleske Atmosphäre der Szene schlagartig und vollständig durchbrochen. Das Spiel im Spiel, dem sich Porphyrius bereits mit seiner wundersamen Bekehrung und den Worten Iam Christianus sum (V. 1611) entzogen hat, endet nun auch für Julian. Damit tritt aber auch die grundlegende Konfliktkonstellation zwischen den bekennenden Christen und Julians ungerechten und grausamen Bestrafungen, die den vierten Akt prägt, wieder offen zu Tage. 1633 Non induam quod exuisse gaudeo.] Siehe Comm. ad 597. 1635 fuere perpetrata] Zur ungewöhnlichen Perfektbildung siehe Comm. ad 840–842. 1636 putabunt] Zur Verwendung des Futur I anstelle eines Potentialis siehe Comm. ad 45–46. 1637 imo vero, serio] Das dreifache Homoioteleuton unterstreicht die Deutlichkeit, mit der Porphyrius seine Ernsthaftigkeit beteuert. 1638 Tu Christianus Porphyri, tu haec serio?] Ecebolius’ elliptische Frage verdeutlicht seine Verwunderung und Bestürzung über das, was sich vor seinen Augen abspielte. 1643–1655 Deos negas? … alijs ita faveas.] Diese Passage bildet das Gegenstück zur scherzhaften Befragung des Porphyrius durch Ecebolius im Vorfeld der Taufe aus dem ersten Teil der Szene (V. 1592–1607). In Analogie zu dieser gespielten Glaubens- und Gewissenserforschung stellt Ecebolius Porphyrius hier Fragen nach seinem Bekenntnis zu den heidnischen Göttern, die Letztgenannter
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jedoch entschieden ablehnt und verflucht. Das zuvor (wenn auch scheinbar nur im Scherz) formulierte Bekenntnis zum Christengott wird an dieser Stelle durch eine deutliche Absage an die heidnischen Götter komplementiert. Diese Befragung ist als Stichomythie bzw. Antilabai aufgebaut und weist die typischen Verbindungselemente auf, um einen kontinuierlichen Gesprächsfluss aufrechtzuhalten (vgl. S. 153–157): Iul.: Deos negas? Porph.: et pernego (V. 1643), Eceb.: Iovem eieras? ∣ Porph.: Et execror (V. 1643–1644), Eceb.: renuntias Apollini? ∣ Porph.: Apollini totique […] (V. 1644–1645), furor–furere (V. 1646), caecaeris–oculos aperuit (V. 1647), Galilaeo–Galilaeus (V. 1650–1651), favor–favor/faveas (V. 1654– 1655). 1650 Galilǣus] Zur Metrik siehe Comm. ad 531. 1651 Quae saga pectus implicata viperis] Das wichtigste Attribut der Erinyen bzw. Furien, auf die hier indirekt Bezug genommen wird, ist die Schlange. Sie versinnbildlicht den bösartigen Charakter der Rachegöttinnen und symbolisiert ihr chthonisches Wesen. In der Literatur befinden sich die Schlangen meist in den Haaren der Furien bzw. ersetzen diese (z.B. Catull. 64,193–194; Verg. Aen. 7,329; Hor. carm. 2,13,35–36; Ov. met. 4,454 und 475). Zum Teil schlängeln sie sich aber auch um ihre Arme (z.B. Verg. Aen. 6,571–572; Ov. met. 4,491) oder, wie hier im Drama, um ihre Brust (z.B. Verg. Aen. 12,847–848; Ov. met. 4,493–494; Stat. Theb. 1,110). In der Literatur rufen die Furien in den Menschen häufig Wahnsinn hervor. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 162; Sarian 1986; Wüst 1956; Waser 1910; Conti 1584, S. 217–227; Giraldi 1560, S. 204–211. 1652 quae maenas] Die Bezeichnung maenas wird in dreierlei Weisen verwendet: Erstens sind Mänaden nymphenähnliche, dämonische Wesen, die im Gefolge des Dionysos auftreten. Zweitens werden damit menschliche Frauen der mythischen Zeit bezeichnet, die ebenfalls mit Dionysos in Verbindung stehen. Diese tauchen in den Bacchae des Euripides als Lyderinnen vom Tmolus-Gebirge auf. Drittens werden als Mänaden historische Verehrerinnen des Weingottes bezeichnet, die sich in dessen Kultfeiern durch Bewegung und Musik in Ekstase bringen. Auch für die Mänade ist die Schlange ein wichtiges Attribut. Alle drei Unterkategorien der Mänaden sind eng mit dem Motiv des Wahnsinns verbunden. Sowohl die mythischen als auch die historischen Mänaden verursachen durch ihr Verhalten eine Form des Wahnsinns bei anderen Menschen bzw. bei sich selbst. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 142; Krauskopf/Simon/Simon 1997; Bremmer 1984, bes. S. 275–282; Henrichs 1978. 1653 Aethereus est qui verba format spiritus.] Porphyrius’ Worte entsprechen hier der Ankündigung Jesu aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 10,17–20) und
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Lukas. Bei Letztgenanntem prophezeit Jesus seinen Jüngern, dass sie um seinetwillen vor Gerichte gezerrt würden und ihren Glauben bekennen müssten. Sie müssten sich aber nicht im Voraus darum sorgen, was sie antworten sollen. Was ihnen die Stunde eingebe, sollen sie sagen. Nicht sie, sondern der Heilige Geist werde aus ihnen sprechen: Et cum duxerint vos tradentes, nolite praecogitare quid loquamini, sed, quod datum vobis fuerit in illa hora, id loquimini: non enim estis vos loquentes sed Spiritus Sanctus. (Lc 11,13)
1656 Quousque abuteris mea clementia?] Die Anlehnung an den Beginn von Ciceros erster Catilinarischen Rede wird zum Ausdruck einer großen Ungeduld erneut topisch gebraucht. Vgl. Comm. ad 553–554. 1662 Impie] Im Gegensatz zu beispielsweise den Eigennamen auf -ius enden Adjektive mit derselben Endung im Vokativ stets auf -ie. Vgl. Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 446–447; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 424. 1665–1666 Eceb.: Iovem nisi optimum atque maximum colis. Porph.: optimus ∣ Et maximus mihĭ Christus est] Entsprechend seiner Position als höchster und mächtigster Gott im römischen Pantheon erhielt Jupiter regelmäßig den Zusatz Optimus Maximus (‚der beste und mächtigste‘). Sein Tempel, der sich auf dem Kapitol in Rom befand, war ausdrücklich dem Iupiter Optimus Maximus geweiht. In Inschriften erscheint ebenso regelmäßig die Abkürzung I.O.M. Drexel spielt an dieser Stelle sprachlich mit dieser erweiterten offiziellen Bezeichnung Jupiters durch Julian, indem er Porphyrius diese beiden im Kontext von Jupiter fest etablierten und tendenziell unreflektierten Titulaturbestandteile wieder zu ihrer eigentlichen Wortbedeutung zurückführt und die Eigenschaften ‚der beste und mächtigste‘ auf Christus überträgt. 1667–1672 citius eieravero ∣ … vesane furor hic est] Die Erwiderung des Porphyrius auf die Befehle bzw. Fragen des Ecebolius entsprechen der stoischen Todesverachtung, wie sie Julian selbst an früherer Stelle im Drama (V. 852–854) zum Ausdruck gebracht hat (siehe dazu auch S. 99–101). Was Ecebolius an dieser Stelle mit einer Beschimpfung des Porphyrius als Wahnsinnigen (vesane, V. 1672) abtut, diente zu einem früheren Zeitpunkt im Drama der Selbststilisierung des zu diesem Zeitpunkt allerdings schon fehlgeleiteten stoischen Philosophen Julian. 1678 hōc] Siehe Comm. ad 1467.
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1681 itane bulliens olla sapiat?] Das Werfen in einen Kessel oder Tiegel mit siedendem Blei, Fett oder Pech war eine verbreitete Hinrichtungsmethode von christlichen Märtyrern, der u.a. der Hl. Vitus zum Opfer fiel. Vgl. Gallonio 1668, S. 305– 333. 1682 Surdo haec canis.] Diese Aussage ist eine beliebte, umgangssprachliche Redewendung (z.B. Ter. Haut. 222; Prop. 4,8,47; Verg. ecl. 10,8; Liv. 3,70,7 und 40,8,10; vgl. Erasm. Adag. 387). Vgl. Poeschel, Hans 1907: Art. ‚cano‘. In: ThLL III,264,42–44; Otto 1890, S. 335. 1682–1685 supplicia vicina haud times? ∣ … quisquis pericula aufugit.] Die Stichomythie zwischen Porphyrius und Ecebolius ist stark von Sentenzen geprägt. Auf die Frage des Ecebolius, ob Porphyrius keine Furcht vor den nahenden Strafen empfinde, entgegnet dieser mit der Sentenz, es sei dumm, das zu fürchten, was selig mache (stultum est timere quod beatos efficit). Sowohl der folgende Widerspruch des Ecebolius (Temere facit quisquis pericula appetit) als auch der WiderWiderspruch des Porphyrius (Timide facit quisquis pericula aufugit) sind ebenfalls als Sentenzen formuliert. Sie werden durch ihre parallele Wortstellung hervorgehoben. Ihre beiden Ränder (temere–timide, appetit–aufugit) werden dabei ausgetauscht, die Alliteration erzeugt einen Gleichklang. Zusammen mit diesem verdeutlicht die identische metrische Struktur der beiden Verse die Gleichheit der Vehemenz, mit der Ecebolius und Porphyrius ihre unterschiedlichen Standpunkte vertreten. Zu den pointierten monostichischen Sentenzen im Iulianus siehe S. 159.
IV,4 Die Episode über den 110jährigen Märtyrer Eusignius entspricht dem typischen Muster von Passionsberichten christlicher Soldaten: Über lange Zeit verrichtete er pflichtgemäß seinen Dienst, bis sein christlicher Glaube von staatlicher Seite herausgefordert wird. Dabei bekennt er sich offen zu Christus und trotzt dabei allen Androhungen des Kaisers (vgl. Pass. Marini; Pass. Marcell.; Pass. Iuli Veterani; Pass. Dasii). Siehe auch Comm. ad 1716–1717. Vgl. Teitler 2017, S. 107–117; Clauss 1998; Sauget 1964; BHG I, Nr. 638–640e; Gaiffier 1956, S. 22–23; AA SS 5. August, 3. Band, S. 70–72. 1692 ter sanctissima] Siehe Comm. ad 1069. 1693–1695 Prodite caedes, … excutite feras.] In diesen drei Versen vereinen sich zwei komplementäre Aspekte: Einerseits werden die abstrakten Subjekte caedes,
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ferrum und rogi durch die mit ihnen verbundenen, vornehmlich anthropomorphen Verben prodire, saevire, grassari und exterminare personifiziert und damit lebendig veranschaulicht. Gleichzeitig entmenschlicht Julian im darauffolgenden Vers die Opfer seines Wütens, nämlich die Christen, insofern, als er sie ferae nennt und ihre Aufenthaltsorte als latibula bezeichnet, ein Begriff, der primär für Verstecke von wilden Tieren verwendet wird (vgl. Buchwald, Wolfgang 1973: Art. ‚latibulum‘. In: ThLL VII,2,1004,56–1005,36, bes. 1004,60–75). 1697 placavero] Siehe Comm. ad 97/99. 1702–1703 Eusig.: Haec Imperator imperes? non pareo. ∣ Iul.: Tun’ Imperatori resistas? non fero.] Die antithetische Parallelität dieser beiden Verse verdeutlicht zu Beginn des Streitgespräches programmatisch die unterschiedlichen Standpunkte der beiden Protagonisten. 1704–1705 Te Caesarem ut miles ducem colo meum, ∣ Sed daemonas ego Christianus non colo.] Das grundlegende Problem, vor dem Christen im römischen Heer standen, resultierte primär nicht aus ethischen Überlegungen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Gewalt und Töten, sondern bestand in der Unverträglichkeit zwischen ihrem Glauben und dem im Heer praktizierten Kaiserkult. Die Haltung des frühen Christentums gegenüber dem Heeresdienst war aber durchaus gespalten. Tertullian lehnte jede Form des Götzendienstes und somit auch im Besonderen den Kaiserkult im römischen Heer rigoros ab (prägnant formuliert in seiner Schrift De idololatria, v.a. idol. 19,1–2; vgl. auch coron.). Cyprian von Karthago dagegen hält es für die Pflicht eines Soldaten, auch die eines christlichen, seine Kameraden und den Kaiser im Kampf zu verteidigen (epist. 73,10). Gemäß den Worten Jesu aus dem Matthäusevangelium, dem Kaiser das zu geben, was des Kaisers ist, und Gott das, was Gott gehört (Reddite ergo quae Caesaris Caesari et quae sunt Dei Deo, Mt 22,21; vgl. I Pt 2,17. Zu diesem Jesuswort und seiner Bedeutung im Drama der Neuzeit siehe Leutzsch 2011), sahen sich die meisten Christen im Heer solange mit keinen Schwierigkeiten konfrontiert, wie ein persönliches Opfer im Rahmen des Kaiserkultes nicht gefordert war. Entsprechend fand eine der größten ‚Christenverfolgungen‘ auch auf Grundlage des Opferedikts des Decius statt. Die Worte des Eusignius spiegeln die erwähnte Aufforderung Jesu wider. Aus apologetischen Schriften und Märtyrerakten können weitere individuelle Lösungen der Christen herausgefiltert werden: So ließen manche Soldaten beim Fahneneid einfach die Beteuerungsformel weg oder machten während einer Opferzeremonie heimlich das Kreuzzeichen (Tert. coron. 12,3; Lact. mort. pers. 10,2). Andere scheinen für sich den offiziellen Herrscherkult und die private Glaubenspraxis sehr gut voneinander getrennt haben zu können.
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Vgl. Stoll 2001a, S. 77–81; Clauss 1999, S. 420–465, bes. S. 431–437; Clauss 1998; Clauss 1986, Sp. 1094–1098; Helgeland 1979, S. 733–765; Harnack 1905. Zur Rolle der Christen im Heer von der Zeit Marc Aurels bis Konstantin siehe Helgeland 1979, bes. S. 765–834. 1707 Atrox, iniquum, triste, crudele, impium est.] Zur Dramatisierung durch asyndetische Aufzählungen siehe S. 160 mit Anm. 133. 1708–1709 Eusig.: Non pareo. Iul.: parere te fiducilis ∣ Docebo.] Das in Juxtaposition angeordnete Polyptoton (pareo–parere) bei gleichzeitigem Sprecherwechsel verdeutlicht Julians entschiedenen Widerspruch gegen und Entrüstung über das, was Eusignius vorbringt. Isidor von Sevilla nennt diejenigen Stricke, die bei der Folter auf dem eculeus (siehe Comm. ad 1370) verwendet werden, fidiculae (orig. 5,27,20). In Verbindung mit dem eculeus tauchen diese auch bei Seneca (dial. 5,3,6) und Ammian (29,1,23) auf. 1709–1710 canos Imperator num meos ∣ Vides?] Das angebliche Alter des Märtyrers Eusignius von 110 Jahren muss vor dem Hintergrund der alttestamentarischen Josefsgeschichte gesehen werden. Das Buch Genesis erwähnt gleich doppelt, dass Josef dieses ‚biblische‘ Alter erreichte (Gn 50,22 und 26). Bereits im ägyptischen Alten Reich galt es als Idealalter, das Grabinschriften regelmäßig für den Toten angeben, auch wenn er dieses nicht erreichte. Bis in die hellenistische Epoche taucht es in diesem Kontext auf. Vgl. Fieger/Hodel-Hoenes 2007, S. 352; Janssen/Janssen 1996, S. 60–69; Janssen 1950; Jacoby 1912. Der Partikel num leitet auch hier eine negativ suggestive Frage ein. Siehe Comm. ad 187. 1710–1711 solo vixi satis, Christo mori ∣ Poloque iam minime recuso] Polus bezeichnet in der christlichen Dichtung seit der Spätantike häufig das Himmelreich, von dem aus Gott nicht nur herrscht (so z.B. im Hymnus des Ambrosius von Mailand Deus creator omnium: Deus creator omnium, ∣ Polique rector, Hymn. Ambros. I 2,2; ähnlich: Prud. cath. 7,202; Paul. Nol. carm. 31,81), sondern wo auch die von ihm Erlösten nach ihrer irdischen Zeit ihre ewige Heimstätte finden (vgl. z.B. Paul. Nol. carm. 33,123–124). Eine ähnliche Gegenüberstellung von irdischer, vergänglicher Welt und dem ewigen Himmelreich finden sich auch bei Paulinus von Nola (felix Apra, cui licuit terraque poloque ∣ coniugis unicubae iuge tenere bonum, carm. 33,129). Durch den weitgehenden Gleichklang solo–polo pointiert Drexel diese Gegenüberstellung noch stärker. Vgl. Fiedler, Martin 2007: Art. ‚polus‘. In: ThLL X,1,2571,12–2577,61, hier Sp. 2572,66–2573,22.
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Die Aussage satis (diu) vixi wird in antiken Texten mehrmals Personen in den Mund gelegt, die mit ihrem baldigen Ableben rechnen. So soll laut Sueton Caesar gegen Ende seines Lebens den Eindruck vermittelt haben, dass er nicht mehr länger leben wolle (Suspicionem Caesar quibusdam suorum reliquit neque voluisse diutius vivere, Iul. 86,1). Schon während des Triumvirats scheint Caesar einen ähnlichen Ausspruch getätigt zu haben. Denn Cicero bemüht sich in seiner Rede Pro Marcello, die er im Jahre 46 v.Chr. gehalten hat und die an Caesar adressiert war, Caesars entsprechende Behauptung zu widerlegen: Itaque illam tuam praeclarissimam et sapientissimam vocem invitus audivi: ‚Satis diu vel naturae vixi vel gloriae.‘ Marc. 25. 1712–1713 sub avo tuo ∣ Stipendium merui] Laut Märtyrerakten (vgl. AA SS 5. August, Bd. 2, S. 70–72) soll Eusignius bereits unter dem Großvater Julians, Constantius I. Chlorus, gedient haben. 1714 tot annis] Zur Angabe einer Zeitdauer durch den Ablativ anstatt des Akkusativs siehe Comm. ad 757. 1716–1717 Iul.: furere non desines? ∣ Eusig.: Non occupat sanum furor] Die Unterstellung des furor ist ein typisches Motiv in spätantiken Märtyrerakten. Als Beispiel sei hier die Passio Marcelli angeführt, der ebenfalls ein Soldatenmärtyrer wie Eusignius war: Marcellus soll als Centurio (ex centurionibus, Pass. Marcell. A 1,1) bereits mehr als fünf Jahre im Heer gedient haben, bis er sich öffentlich zum Christentum bekannte. Aufgrund dieser etwas längeren Dienstzeit, in der es scheinbar zu keinen Konflikten zwischen dem christlichen Glauben des Marcellus und staatlich-heidnischer Seite kam, kommt das Bekenntis für den Richter sehr unerwartet. Entsprechend fragt er den Angeklagten, welcher Wahnsinn ihn ergriffen habe (Quo furore accensus es? Pass. Marcell. A 4,2). Der für Julian plötzliche Sinneswandel des Eusignius, der bereits viele Jahrzehnte im Heer gedient hatte, kommt für den Kaiser noch umso überraschender. Auch er kann sich diesen Sinneswandel nur durch einen furor erklären. Die Antwort des Marcellus furor nullus in eis est qui Deum timent (Pass. Marcell. A 4,2) entspricht zwar nicht wörtlich, aber inhaltlich dem, was Eusignius Julian entgegnet: non occupat sanum furor. Vgl. Clauss 1998, S. 96–99. Siehe auch Comm. ad 1746–1749. 1717–1718 te ille [sc. furor] abstulit ∣ Tibi] Vgl. dazu die Hoffnung Christi in V,5, dass Julian sich doch noch für sich selbst erretten werde: Forsan adhuc Iulianus immundo hoc luto ∣ Emersus alte vindicat se sibi (V. 2275–2276). 1719–1723 O Magne Constantine … it obrutum dedecoribus.] Drexel gestaltete die bei Baronio vorgefundene Anrufung Kaiser Konstantins durch Eusignius (Con-
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stantinum Magnum contra mirifice ex religione commendans, AE IV,58C) in zwei Teilen aus. Im ersten klagt Eusignius darüber, wie entartet Julian von seinem Onkel sei und wie er dessen Erbe auf schändlichste Weise beschmutze. Bei der zweiten Anrufung (V. 1746–1749) fleht er um konkrete Hilfe gegen Julian und dessen Taten. Der sich als ἰσόχριστος (‚christusgleich‘) selbststilisierende Kaiser Konstantin wurde schon bald nach seinem Tod kultisch verehrt. Soldaten sollen ihn als einen Gott angebetet haben. An einer Statue auf einer Porphyrsäule in Konstantinopel seien Gebete gesprochen worden (Philostorg. hist. eccl. 2,17). Literarisch wurde der tote Kaiser bereits kurze Zeit nach seinem Ableben von Eusebios als vorbildlicher Christ gefeiert (vita Const.). Nach ersten Ansätzen im sechsten Jahrundert entwickelte sich die Hagiographie über Konstantin während des achten bis zehnten Jahrhunderts zur vollen Blüte. Besonders die Erzählung von der Auffindung des Heiligen Kreuzes durch seine Mutter Helena und seine wundersame Bekehrung an der Milvischen Brücke bildeten die Hauptelemente. Während der Kaiser von der orthodoxen Kirche bis heute als Heiliger verehrt wird, taucht er unter den Heiligen der katholischen Kirche zwar noch namentlich auf, erfährt aber nur von den östlichen, mit Rom unierten Kirchen Verehrung. Im durchaus ambivalenten Konstantin-Bild der Frühen Neuzeit, wobei er bald zum Muster eines christlichen Monarchen, bald aufgrund seiner Religionspolitik zum Verantwortlichen des Untergangs des Römischen Reiches, bald zum Vermittler zwischen den Religionen gemacht wurde (vgl. Schlange-Schöningen 2006), wurde Konstantin von katholischer Seite u.a. als vorbildlicher Beschützer des Glaubens in Anspruch genommen, an dem sich der entsprechende Landesherr orientieren sollte. Dazu passt, dass zahlreiche Dramen der Jesuiten von der Sieghaftigkeit Konstantins handeln, allen voran der Münchener Constantinus Magnus von 1574/5 (clm 573), bei dessen bombastischer Aufführung mehr als tausend Darsteller mitgewirkt haben sollen (Valentin 1983/4, Nr. 118; weitere belegte Aufführungen eines Konstantin-Stoffes im deutschen Sprachraum: Prag 1617, Burghausen 1655, Wien 1659, Landsberg 1668, Feldkirch 1671, Paderborn 1679). Vgl. Berger 2008, S. 6–9; Rebenich 2007, bes. S. 227–230; Odahl 2004, S. 268–179. Zur Apostrophe von Gottheiten in der antiken Tragödie siehe S. 159 mit Anm. 129. 1720–1721 nam tibi pio impius, ∣ Placido tibi crudelis est haeres.] Der Gegensatz zwischen dem frommen christlichen Kaiser Konstantin und seinem abtrünnigen Enkel Julian wird hier sprachlich besonders durch die Antithese in Juxtaposition pio impius verdeutlicht. Ähnliches trifft, wenn auch in etwas abgeschwächter Form, auf Placido tibi crudelis zu.
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Wenn Eusignius hier Konstantin den Großen mit den Attributen pius und placidus beschreibt, folgt er der christlichen Idealisierung des ‚ersten christlichen Kaisers‘. Ereignisse in Konstantins Vita, die diesem Bild widersprechen, wie z.B. grausame Morde, u.a. an seinem Sohn Crispus und seiner zweiten Ehefrau Fausta, wurden bereits von Eusebius in seiner Vita Constantini bewusst verschwiegen. Zu den grausamen Verwandtenmorden Konstantins siehe: Barnes 2011, S. 144–150; Brandt 2006, S. 118–123; Barnes 1981, S. 220–221. 1722 mores tuos calcat] Das hier als Synonym zu leges (vgl. Verg. Aen. 6,852, worüber Servius ganz kurz nur pacis morem: leges pacis anmerkt) gebrauchte Substantiv mores bezieht sich v.a. auf die christenfreundliche Gesetzgebung Konstantins, besonders auf die sogenannte Mailänder Vereinbarung aus dem Jahre 313 n.Chr., in der u.a. die Gleichstellung des Christentums mit der ‚alten‘ Religion geregelt wurde. Julians Religionspolitik, wie sie im Iulianus geschildert wird, hebt den Status einer gleichberechtigten religio licita des Christentums jedoch auf, was in der Wendung mores calcare gebündelt zum Ausdruck kommt. 1729–1730 haud utor tua ∣ Tyranne misericordia.] Die Aussage des Eusignius zeichnet sich durch ihren inneren Widerspruch aus. Tyrannen verfügen per definitionem (vgl. Comm. ad 1511) nicht über Mitleid und Erbarmen. Die Juxtaposition der antithetischen Begriffe tyrannus und misericordia hebt dieses Oxymoron noch stärker hervor. Die Sperrung des zusammengehörigen Wortpaars tua und misericordia durch Tyranne betont zusammen mit dem Enjambement nach tua den Bruch und die innere Widersprüchlichkeit des Gesagten. Alles zusammen trägt dazu bei, Julians unechte und geheuchelte Nachsicht und Milde, die er selbst im Anschluss zweifach und jeweils betont am Versende für sich behauptet (patientia ∣ […] et clementia, V. 1730–1731) zu entlarven. 1732 tempori] Siehe Comm. ad 131. 1733 sivero] Zur Verwendung eines Futur II anstatt eines Futur I siehe Comm. ad 97/99. Die durch das Futur II hier ausgedrückte überaus große zeitliche Nähe zur Gegenwart wird durch das Temporaladverb prius verstärkt. An der Bereitschaft des Eusignius, für Christus den Tod zu erleiden, soll kein Zweifel bleiben. 1737–1739 Iul.: malum male ∣ Perdam. Eusig.: bonus nunquam potest perdi male, ∣ Nec perditur, quacunque morte perditur.] Auf das scheinbar raffinierte, an Mt 21,41 angelehnte Wortspiel Julians malum male perdam reagiert Eusignius ebenfalls mit reicher Wortgewandtheit. Das Ansinnen des Kaisers, einen üblen Menschen übel zugrunde zu richten, macht er dadurch zunichte, dass er daraus eine Sentenz mit antithetischer Aussage formt (Iul.: malum male ∣ Perdam. Eusig.:
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bonus numquam potest perdi male, V. 1737–1738), wobei das Adverb male jeweils betont am Ende des Verses steht. Seine Überlegenheit demonstriert er dann im Folgenden dadurch, dass er das Wortspiel mit den Polyptota von perdere übernimmt und dreimalig in Haupt- und Nebensatz anwendet (bonus nunquam potest perdi male, ∣ Nec perditur, quacunque morte perditur, V. 1738–1739). 1746–1749 Consurge Constantinus redivivus … tu furorem comprime] Zur wiederholten Anrufung Kaiser Konstantins des Großen siehe Comm. ad 1719– 1723. Erneut wird das Motiv des furor aufgenommen. Nachdem Julian dem Soldaten Eusignius zuvor Wahnsinn attestiert und der Christ diesen entschieden zurückgewiesen bzw. ihn Julian selbst zum Vorwurf gemacht hat (V. 1716–1718), geht er in der zweiten Anrufung Kaiser Konstantins ein weiteres Mal darauf ein. Die dreimalige polyptotonische Wiederholung von furor ist zugleich ein Angriff auf Julian und eine Aufforderung an Konstantin zum Handeln. Der Vorwurf gegen Julian, er sei vom Wahnsinn befallen, bleibt im Gegensatz zur vorherigen Stelle, in der Julian dasselbe gegen Eusignius vorbringt, ohne abstreitende Entgegnung. Vielmehr folgt auf die Beschimpfung und den echauffierten Ausruf Julians Bestia quid ais? (V. 1750) ein kürzerer Monolog desselben, in dem er deutlich macht, dass Milde und Nachsicht keine Wirkung gezeigt hätten und er mit unerbittlicher Härte fortfahren müsse. Durch seine Reaktion bestätigt er indirekt den Vorwurf des furor nicht zuletzt dadurch, dass er den hochbetagten Christen Eusignius auf grausame Art und Weise hinrichten lässt. Das Motiv einer wieder zum Leben erwachenden großen Persönlichkeit der Antike behandelt u.a. Nicodemus Frischlin in seinem Drama Iulius Redivivus (1584), in dem Caesar und Cicero von den Toten auferstehen, das Deutschland des sechzehnten Jahrhunderts bereisen und die zeitgenössischen Errungenschaften auf dem Gebiet der Kriegsführung und Literatur bewundern. Im 1596 in München aufgeführten Godefridus Bullonius (clm 549; vgl. Valentin 1983/4, Nr. 375; moderne Edition: Reinhardtstöttner 1897/8) findet sich der Teilnehmer des ersten Kreuzzuges, Gottfried von Bouillon, zusammen mit dem Kreuzzugsprediger Peter dem Einsiedler im Europa des ausgehenden sechzehnten Jahrhunderts wieder und ruft die sich in erbitterten konfessionellen Streitigkeiten befindlichen europäischen Völker zur Einigkeit im Kampf gegen die ‚Türken‘ auf. 1748 regiam] Der Begriff regia, eigentlich der Königs- bzw. Herrscherhof, wird hier metonymisch zur Bezeichnung einer Herrschaft im Allgemeinen verwendet.
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1750–1763 Bestia quid ais? … ab infimis radicibus.] Zu Julians Überlegungen zum Verhältnis von Milde und Grausamkeit im Rahmen seiner Herrschaft siehe Abschnitt 3.3.5. 1758/1761 maioră stat/essĕ sterile] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 1764–1767 En, Imperator, … ita pereat.] Die letzten vier Verse dieser Szene ergänzte Drexel erst während der zweiten Arbeitsphase (D²). Sie verleihen dem Geschehen durch die Präsenz des abgeschlagenen Hauptes des Eusignius auf der Bühne und der verächtlichen Behandlungen desselben durch Julian einen noch schauderhafteren und stärkere Emotionen hervorrufenden Charakter.
IV,5 Glaubt man dem Historiker Zosimos, soll Julian bei seinem Einzug in Antiochia im Jahre 362 von der Bevölkerung zunächst sehr wohlwollend empfangen worden sein (hist. 3,11,4). Während der Kaiser dort die Vorbereitungen für seinen Perserfeldzug vorantrieb und die heidnische Religion wieder mit neuem Leben erfüllen wollte, kippte die Stimmung jedoch allmählich. Nicht nur seine Religionspolitik, sondern auch eine Versorgungskrise der Stadt, die durch die Anwesenheit des kaiserlichen Heeres noch verschärft wurde, trugen maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Julian, der nicht Herr der Lage zu sein schien und dessen Auftreten als Philosoph zunehmend Unverständnis hervorrief, wurde schnell zur Zielscheibe von Hohn und Spott von Seiten der antiochenischen Bevölkerung. Vgl. Rosen 2006, S. 280–290; Bringmann 2004, S. 152–153. In diesen Kontext ist das vorliegende Gespräch zwischen den Christen Lucianus und Philaemon einzuordnen. Als Vorlage dienten mehrere Stellen aus Baronios Kirchengeschichte, der sich lang und breit mit den Vorfällen in Antiochia auseinandersetzt (AE IV,38–47). Für die einzelnen Abschnitte, in denen Julian von den Christen verhöhnt, verspottet und beschimpft wird, zog Drexel die beiden bei Baronio zitierten Berichte von Gregor von Nazianz heran. In der zweiten Rede gegen Julian (or. 5,23) berichtet Gregor, wie er selbst den Kaiser einst in Athen während eines Studienaufenthalts gesehen habe. Bereits damals habe sein abstoßendes Äußeres über seinen wahren Charakter Aufschluss gegeben. Der zweite Bericht (or. 4,39–40) erzählt konkret von den Beschimpfungen der antiochenischen Bevölkerung, die mit weiteren Details aus dem Geschichtswerk Ammians (17,11,1 und 22,14) und Julians Schrift Misopogon (mis. 338c–339b sowie 360d) angereichert sind.
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Die Szene als Ganze trägt einen hybriden Charakter. Hinsichtlich der sprachlich-stilistischen Gestaltung ist sie dem frechen und heiteren Ton der Komödie zuzuordnen. Die typische Begrüßungspassage (V. 1771–1774), vereinzelte Wortspiele (alte ascenderis et alte ruas, V. 1779) und umgangssprachliche Redewendungen (nec musca nos hic impedit, V. 1781) und nicht zuletzt die große Ansammlung an Flüchen und Schimpfwörtern erzeugen eine komische Atmosphäre. Andererseits wird diese Ausgelassenheit von bitterbösem Ernst überlagert. Denn Julian stellt für die beiden Christen eine existentielle Bedrohung dar. Ihrem Hass auf ihn machen sie mit einer komisch anmutenden Schimpftirade Luft. Diese besteht in ihren Hauptpunkten erstens aus dem Spott über Julians Äußeres (V. 1791–1798), zweitens aus der Aufzählung von auf ihn angewendeten Schimpfbezeichnungen (V. 1801–1807) und drittens aus der Entlarvung seines heuchlerischen Wesens (V. 1817–1822). Am Ende stehen Flüche gegen den Kaiser und Bitten gegenüber Gott, dem Christenfeind Julian ein jähes Ende zu bereiten. 1768–1769 De Iuliano omnia loquuntur compita, ∣ A Voce vix muti abstinent] Die eher ungewöhnliche, metaphorische Verwendung von compita als agierendes Subjekt und das Adynaton A voce vix muti abstinent verdeutlichen die verkehrten, widernatürlichen Verhältnisse, für die Julian sorgt. 1770 famigerabilis] Das in der antiken lateinischen Literatur sehr seltene Adjektiv famigerabilis (vgl. Varro ling. 6,55; Apul. met. 1,7,5, 2,21,3, 9,5,1 und 10,17,6) erfährt in der neulateinischen Literatur eine breitere Anwendung. Vgl. Vetter, Emil 1913: Art. ‚famigerabilis‘. In: ThLL VI,1,234,59–66; Ramminger s.v. famigerabilis. 1774 hōc] Zur Metrik siehe Comm. ad 1467. 1774–1775 militem decem ∣ Centumque natum annos.] Zum Idealalter von 110 Jahren siehe Einleitung zu Comm. ad 1709–1710. 1776–1779 Hominem tot annorum ad necem? … et alte ruas.] Das lähmende Entsetzen der Christen Philaemon und Lucianus, das hier zum Ausdruck kommt, wird durch verschiedene sprachlich-stilistische Mittel hervorgehoben. Erstens spiegelt die elliptische Ausdrucksweise des Lucianus (Hominem tot annorum ad necem? V. 1776) dessen Betroffenheit markant wider. Zweitens hebt die wörtliche Wiederholung von ad necem, das Philaemon zuvor bereits erwähnte und dann im Anschluss in Juxtaposition erneut wiederholen wird, die Grausamkeit von Julians Befehl dreimalig hervor. Das durch ein Enjambement vom übrigen Satz ad necem et ut puto getrennte und dadurch betonte Adjektiv innoxium akzentuiert entsprechend Eusignius’ Unschuld. Drittens zeugt die Epanalepse o si Iuliane o si … von Lucianus’ besonderer emotionaler Aufgebrachtheit (vgl. Comm.
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ad 963–964). Viertens führen insbesondere die überdurchschnittlich zahlreichen Verschleifungen in den beiden diesen Abschnitt rahmenden Versen dazu, dass ihr ursprünglicher Wortlaut beinahe bis ins Unkenntliche verkommt, was wiederum den jammervollen Schmerz der Christen verdeutlicht: Hominem tot annor(um) ad nec(em) et ut puto (V. 1776) ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ Sed cave n(e) ub(i) alt(e) ascenderis (V. 1779). ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ 1780 os liberum] Das Substantiv os findet sich zur Bezeichnung einer unverschämten Rede v.a. in (wie hier) eher kolloquialen Kontexten (vgl. Plaut. Mil. 189; Ter. Eun. 597; vgl. aber auch Cic. Phil. 5,16, Rab. Post. 34, S. Rosc. 95, Verr. 2,2,48). Vgl. Teßmer, Renate 1980: Art. ‚os‘. In: ThLL IX,2,1073,7–1092,79, hier Sp. 1086,21–46. 1781 nec musca nos hic impedit.] Das aufdringliche und omnipräsente Wesen der Fliege führte dazu, dass der Ausdruck ne musca quidem redensartlich für vollkommene Einsamkeit verwendet wurde (vgl. Suet. Dom. 3; Erasm. Adag. 1084). In dieser Weise taucht es in Plautus’ Truculentus auf: Quas tu mulieres ∣ mihi narras, ubi musca nulla femina est in aedibus? Plaut. Truc. 283–284 [Von welchen Frauen erzählst du mir, wo doch nicht einmal eine einzige weibliche Fliege im Haus ist?] Ferner wird musca auch zur Bezeichnung von besonders neugierigen und aufdringlichen Menschen benutzt (vgl. Plaut. Merc. 361; Cic. de orat. 2,247). Vgl. Otto 1890, S. 235–236. 1782–1783 Ah! quot sepulta saepe premo suspiria: ∣ Tandem dolori fraena laxabo meo.] Diese Formulierung, mit der Lucianus verdeutlicht, dass er seinem Ärger über Julian bisher keine Luft machen konnte und nun endlich die Möglichkeit dazu besitze, bildet durch den anfänglichen Aufschrei und ihre metaphorische Aufgeladenheit und Verklausulierung eine pompöse Einleitung für die folgende Schimpftirade. 1784 Idoliane, Iuliane, Apostata] Der Spottname Idolianus (Εἰδολιανός) entstand durch die Verschmelzung der griechischen Begriffe für ‚Götzenbild‘ (εἴδολον) und dem Namen des Kaisers (Ἰουλιανός). Durch den homoioteleutischen Klang der beiden Vokative Idoliane und Iuliane und die durch das asyndetische Trikolon bewirkte Nähe zum geläufigen Beinamen Apostata erscheint Idolianus an dieser Stelle beinahe schon wie ein weiterer fester Bestandteil der Kaisertitulatur Julians.
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1785–1787 Perge modo perge … Perge modo …] Zur Epanalepse als Ausdruck besonderer innerer Aufgebrachtheit siehe Comm. ad 963–964. 1785 Christi oves] Christus als guter Hirte, der sich um die Menschen, seine Schafe, kümmert, ist ursprünglich ein biblisches Bild (z.B. Ez 34,5–22; Mt 9,36; Mc 6,34; bes. Io 10,1–18). Im vorliegenden Zusammenhang soll durch die metaphorische Ausdrucksweise der starke Gegensatz zwischen den harmlosen und friedlichen oves und der bösartigen Schlange (draco, V. 1786), wie Julian hier bezeichnet wird, betont werden. 1790–1798 Forma ipsa latitantem arguit tyrannidem. ∣ … exhibent tyrannidem.] Aus der Spätantike sind mit Gregor von Nazianz (or. 5,23) und Ammian (25,4,22) zwei Hauptquellen überliefert, die sich mit Julians Äußerem auseinandersetzen. Entsprechend ihrer Haltung gegenüber dem Kaiser könnten diese beiden Darstellungen nicht unterschiedlicher sein. Drexel stützte sich größtenteils auf die Schilderung Gregors von Nazianz. Nach antiker Vorstellung kommt der innere Charakter eines Menschen durch sichtbare Zeichen in seinem äußeren Erscheinungsbild zum Vorschein. Die verschiedenen körperlichen Merkmale repräsentieren bestimmte Charakterzüge. Mit den Gesetzen dieser Beziehung beschäftigt sich die Physiognomik. Sie stellt eine Verbindung von äußeren Körpermerkmalen und dem dazugehörigen inneren Charakter eines Menschen her. Die beiden rahmenden Verse dieses Abschnitts, Forma ipsa latitantem arguit tyrannidem und In pectore latentem exhibent tyrannidem verweisen auf diese Gesetzmäßigkeiten. Vgl. Boys-Stones 2007; Borrmann 1994, S. 9–40. Aus der Antike sind u.a. folgende theoretische Abhandlungen zur menschlichen Physiognomik überliefert: Pseudo-Aristoteles: Physiognomonika (Neuedition und englische Übersetzung durch Swain 2007c; Deutsche Übersetzung und Kommentar durch Vogt 1999); Polemon: De physiognomonia liber (= Polem.; Swain 2007b; Neuedition des arabischen Textes mit einer englischen Übersetzung durch Hoyland 2007 bzw. Ghersetti 2007); Anonymi de Physiognomonia liber (= Physiog. Anon. Lat.; Neuedition und englische Übersetzung durch Repath 2007). Auf dieser Grundlage kann zu einem jeden der hier aufgeführten körperlichen Merkmale Julians die entsprechende Charaktereigenschaft benannt werden (die Quellenangaben beziehen sich jeweils auf die Ausgabe der Scriptores Physiognomonici Graeci et Latini [SPGL] von Foerster 1893; siehe hierzu allgemein auch: Vogt 1999, S. 35–166; Evans 1969; Megow 1963; Evans 1935; Asmus 1906. Allgemein zur Physiognomik in der Frühen Neuzeit: Borrmann 1994, S. 41–87):
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Tab. 2: Physiognomische Analyse von ‚Drexels‘ Julian
Körperliches Merkmal
Charaktereigenschaft gemäß den Gesetzen der Physiognomik
prona cervix (V. 1791)
Bösartigkeit, Hinterhältigkeit, Schwäche (Physiog. Anon. Lat. S. 73,1–3; Polem. S. 258,15) Dummheit, Verweichlichung (Physiog. Anon. Lat. S. 76,7–9)
menti gausape hirquina barba (V. 1791–1792)
Dummheit (Physiog. Anon. Lat. S. 129,8 und S. 130,3; Polem. S. 254,5–6) Affengleich (Physiog. Anon. Lat. S. 139,14–16) Vgl. den Spott der Antiochener bei Ammian: ridebatur [sc. Iulianus] […] barbam prae se ferens hircinam (22,14,3)
subsilientes humeri (V. 1792)
Innere Unruhe, Unverschämtheit, Unempfänglichkeit gegenüber Ratschlägen von anderen (Polem. S. 262,13–18) Hochmut, Unverschämtheit (Physiog. Anon. Lat. S. 100,2–5) Vgl. den Spott der Antiochener bei Ammian: ridebatur [sc. Iulianus] enim ut Cercops, ut homo brevis umeros extentans angustos (22,14,3)
oculus errans et furiose intuens (V. 1793)
Besessenheit von Dämonen (Polem. S. 108,17–109,4) Bösartigkeit, Schuldbewusstsein (Polem. S. 260,17–21) Ängstlichkeit (Polem. S. 114,9–11) Lüsternheit (Polem. S. 116,12–14) Verschlagenheit, Listigkeit, falsche Begierden (Polem. S. 144,17– 18) Wahnsinn (Polem. S. 156,17–19)
pes instabilis (V. 1794)
Verbitterung (Polem. 280,16–282,4)
risus effraenatior (V. 1794)
Mit vielen Übeln beladen (Polem. 128,8–10)
Die weiteren erwähnten körperlichen Merkmale Julians müssen gesondert betrachtet werden, da sie nicht ausdrücklich in den überlieferten physiognomischen Abhandlungen aufgeführt werden: Mit oris etiam ridicula conformatio (V. 1795) gibt Drexel die Formulierung Baronios bzw. Gregors von Nazianz wieder: vultus lineamenta ridicula idem [sc. contumeliam et contemptum] significantia (Bar. AE III,641C–D). Damit soll die positive Deutung der Mundpartie, wie sie beispielsweise Ammian überliefert (labro inferiore demisso, Amm. 25,4,22), ins Lächerliche gezogen werden. Denn laut Physiognomik (Polem. S. 224 und 226) deutet ein großer Mund mit einer etwas herabhängenden Unterlippe, wie sie der Löwe besitzt, auf Erhabenheit und Größe hin.
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Die weiteren bei Drexel genannten Eigenschaften (caput nutans, manus iactans, gradus saepe varians, sermo haerens) sind weder in Gregors negativer noch in Ammians positiver Beschreibung zu finden. Drexel fügte vielmehr weitere Merkmale von negativ konnotierten Persönlichkeiten, die in der antiken Literatur etabliert waren, dem überlieferten Julian-Bild hinzu. Am auffallendsten sind die Parallelen zum als stumpf- und wahnsinnig geltenden Kaiser Claudius. Diese Assoziation ist auch insofern naheliegend, als das von Gregor genannte unmäßige Lachen und die lächerliche Mundpartie, wie sie bei Julian vorhanden gewesen sein sollen, auch für Claudius überliefert ist (risus indecens, ira turpior spumante rictu, Suet. Claud. 30). Die weiteren körperlichen Gebrechen werden für Claudius bei verschiedenen Autoren genannt. Sowohl Sueton (caputque cum semper tum in quantulocumque actu vel maxime tremulum, Claud. 30) als auch Seneca (apocol. 5,2 und 7,2) erwähnen das Schwanken des Kopfes. Cassius Dio (60,2,1) berichtet vom Zittern der Hände, ebenfalls ein Zeichen von Wankelmut und Unbeständigkeit. Die beiden Erstgenannten erzählen außerdem vom undeutlichen Stammeln des Kaisers (linguae titubantia, Suet. Claud. 30; vgl. Vit. 6; Sen. apocol. 5,2–3, 6,2 und 7,2). Seneca (apocol. 1,2 und 5,2) stellt den Kaiser ferner so dar, als ziehe er sein rechtes Bein nach (pedem dextrum trahere), was mit gradus saepe varians bei Drexel gleichgesetzt werden kann. Ein ständiger Wechsel des Ganges kann natürlich auch ganz allgemein auf einen wankelmütigen Charakter hindeuten. Dieselben negativen Verhaltensmuster weisen in der zu Drexel mehr oder weniger zeitgenössischen Literatur u.a. auch Papst Pammachius im gleichnamigen Drama von Thomas Naogeorg (Sed obstinatio haec vix cuiquam cesserit et corrugata frons, et quassatum caput, oculi ardentes trovique, vultus pallidus, effrenis et praeceps lingua, labia tremula, V. 922–925) und der Anführer der Verschwörung gegen die Medici, Jacobo Pazzi, bei Angelo Poliziano auf (ipse pallidus atque exanguis caput iactare semper et, quod levitatis maximum foret argumentum, nunquam ore, nunquam oculis, nunquam manibus consistere, Coni. Comm. S. 7,4–6). Der Bart als Angriffspunkt auf Julians Äußeres nimmt eine besondere Rolle ein. Der struppige Philosophenbart, den Julian u.a. während seines Aufenthalts in Antiochia trug, war das Ziel des Spotts der dortigen Bevölkerung (Amm. 17,11,1 und 22,14,3; vgl. Bar. AE III,469D, IV,39B–40B = Greg. Naz. or. 5,41; Iul. mis. 338c– 339b und 360d; Sokr. hist. eccl. 3,17; Zos. hist. 3,11,4–5). Diesen Schmähungen begegnete Julian in seiner satirischen Schrift ‚Der Barthasser‘ (mis.), in der er sich selbstironisch mit seinem Bartwuchs auseinandersetzt und im Gegenzug die moralische Verkommenheit der Antiochener brandmarkt. 1790/1798/1799 tyrannidem/tyrannis] Zum Tyrannen-Begriff bei den Jesuiten siehe Comm. ad 1511.
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1801 victimario] Ammian berichtet (22,14,3), dass Julian u.a. dadurch verspottet wurde, dass man ihm anstatt des ehrenvollen Titels sacricola (‚Opferpriester‘) die Bezeichnung victimarius verlieh, ein Begriff der für diejenige Person verwendet wird, die den blutigen Akt des Opferschlachtens durchführt. Diese Unterscheidung ist jedoch lediglich bei Ammian festzustellen und nur im Kontext der Verspottung des Kaisers zu verstehen, der durch seine zahlreichen Stieropfer berühmt-berüchtigt gewesen sei und sich dadurch sogar den Beinamen Tauricremus (vgl. V. 1806 mit Comm. ad loc.) erworben haben soll (vgl. Amm. 22,12,6). Vgl. Boeft u.a. 1995, S. 244; Latte 1960, S. 383–384. 1801–1807 quibus non carpitur ∣ … turpissimus hic Apostata.] Der Auflistung der einzelnen Schimpfbezeichnungen für Julian gibt Baronio besonders großen Raum und fasst dabei die Informationen, die er bei Gregor von Nazianz (or. 4,77) und Ammian (17,11,1 und 22,14) vorfand, an einer Stelle (AE IV,39A–C) zusammen. Die einzelnen Bezeichnungen seien auch hier gesammelt erläutert: Chimaera multiformis (V. 1802): Bei der Chimäre handelt es sich um ein bereits bei Homer erwähntes Ungeheuer, dessen Leib vorne ein Löwe, hinten eine Schlange und in der Mitte eine Ziege gewesen sei, wovon das Epitheton multiformis herrührt (vgl. Hom. Il. 6,179–182 und Lucr. 5,905–906). Das Ungeheuer wurde vom Helden Bellerophon im Auftrag des Königs von Lykien getötet. Vergil versetzt die Chimäre in die Unterwelt (Aen. 6,288). Durch diese Assoziation und ihr Verhalten als feuerspeiendes Ungeheuer steht sie metonymisch für Tod und Zerstörung. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 103–105; Graf 1997; Jacquemin 1986; Conti 1584, S. 958–965. Gregor von Nazianz zieht noch eine weitere Verbindungslinie zwischen der Chimäre und Julian: Als Argument gegen die Behauptung von Julians Anhängern, der Kaiser habe die Verfolgung von Christen nicht befohlen und sich somit an den Verbrechen, die ihm vorgeworfen werden, nicht schuldig gemacht, bringt Gregor vor, dass weder die Hydra noch die Chimäre je als sanftmütige Wesen bezeichnet werden können (or. 4,94). Die Bösartigkeit einer Chimäre stecke in derselben Weise auch von Natur aus in Julian. Geht man davon aus, was in der Forschung freilich umstritten ist (Toynbee 1964 bejahend; Brandenburg 1968 ablehnend; einen detaillierte Forschungsbericht liefert Raeck 1992, S. 99–104), dass von christlicher Seite der Kampf zwischen dem Helden Bellerophon und der Chimäre allegorisch als Kampf zwischen Gut und Böse bzw. zwischen Christus und dem Teufel gedeutet wurde, so wird Julian durch die Bezeichnung als chimaera das Wesen des Antichristen attestiert. Pisaeus, Adonaeus (V. 1803): Obwohl Baronio versucht, die Herkunft dieser beiden Schimpfnamen zu erklären, verschweigt er den konkreten Vorwurf, der diesen Bezeichnungen immanent ist, ein Versäumnis, dem auch moderne Kom-
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mentatoren nicht nachkommen (vgl. Kurmann 1988, S. 264). Durch die Benennung als Pisaeus wird Julian mit dem in Olympia (die Landschaft bzw. Stadt Pisa wird als Synonym verwendet) verehrten Iupiter Pisaeus in Verbindung gebracht. Wenn Julian mit dem Beinamen des höchsten heidnischen Gottes bezeichnet wird, unterstreicht dies die besondere Nähe zu den heidnischen Göttern im Allgemeinen und zum Gott Jupiter im Besonderen. Letzteres empfanden die Christen jedoch als besonders lasterhaft, da Jupiter bekannt war für sein frivoles, unmoralisches und ehebrecherisches Verhalten (so die Kritik von christlicher Seite: Tert. apol. 15,2; Min. Fel. 23,7; Lact. inst. 1,10–11; Aug. epist. 91,4). Vgl. Meyer 1950, bes. Sp. 1754–1755; Giraldi 1560, S. 97. Die Bezeichnung Adonaeus spielt, wie Baronio richtig bemerkt, auf das Adonisfest im Hochsommer an. Die Erklärung von Alois Kurmann (1988, S. 264), Julian habe den Beinamen deshalb erhalten, weil er zum Adonisfest des Jahres 362 n.Chr. in Antiochia eingezogen sei und dies als böses Omen gedeutet wurde (vgl. Amm. 22,9,15), greift aber zu kurz. Der konkrete Vorwurf in dieser Benennung ist im Wesen des Aphrodite-Adonis-Kultes zu suchen. Ausgehend von seiner Eigenschaft als pränuptialer Initiationsritus, der die am Fest anwesenden Frauen auf die Ehe vorbereiten sollte, sammelten sich verschiedene Klischees und Gerüchte um das Adonisfest: Es stand im Verruf, Raum und Anlass für nicht zuletzt sexuell ausschweifende Orgien zu bieten. Die außereheliche Zeugung von Kindern im Rahmen der Adonien wurde gar zum Komödienmotiv (vgl. Men. Sam. 39–57). Der christlichen Polemik zufolge mussten sich Mädchen aus Zypern, der Heimat der Adonisgeliebten Venus, vor ihrer Heirat im Rahmen des Kultes des Gottes prostituieren (Iust. 18,5,4; vgl. Clem. Alex. protr. 14,2). Der konkrete Vorwurf in der Bezeichnung Adonaeus liegt somit im selben Bereich wie im Falle von Pisaeus, nämlich in seinem frivolen und sexuell ausschweifenden Charakter. Vgl. Baudy 1992, S. 38–40; Conti 1584, S. 530–533; Giraldi 1560, S. 396–398. Einen weiteren Interpretationsansatz der Bezeichnung als Adonaeus liefert Julian in seinen eigenen Schriften: Im Symposion, in dem er einen Rangstreit unter den Kaisern im Himmel beschreibt, wird Konstantin dem Großen nicht ohne sexuelle Konnotation vorgeworfen, dass seine Taten lediglich einem ‚Adonisgärtchen‘ gleichkämen: Mit ihnen verhalte es sich so wie mit Pflanzen, die im Garten des Adonis in kleine Tontöpfe mit nur wenig Erde eingepflanzt werden: Sie ergrünen und wachsen zwar sehr schnell, vergehen aber genauso geschwind wieder und bereiten nur ein sehr kurzes Vergnügen (Iul. Caes. 329c–d; so auch sprichwörtlich: Plat. Phaidr. 276b; Erasm. Adag. 4). Folgt man dieser Interpretation, kommt in der Beschimpfung Julians als Adonaeus möglicherweise auch zum Ausdruck, dass seine Herrschaft von ebenso kurzer Dauer sein werde bzw. möge. Hircus (V. 1803): Mit hircus gibt Drexel das bei Ammian überlieferte capella wieder. Dieser Spottname rekurriert erneut auf Julians struppigen Bart. Ein weite-
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rer wichtiger Punkt, den Kommentatoren sowohl von Ammian als auch von Gregor von Nazianz bisher stets vernachlässigt haben, ist, dass der in der antiken Literatur als wahnsinnig dargestellte Kaiser Caligula stark behaart gewesen sein soll. Aufgrund dieses Merkmals sei auch ihm die Schimpfbezeichnung capra, ein Synonym zu capella, entgegengeworfen worden, was letztlich zur Folge hatte, dass man dieses Wort in seiner Anwesenheit überhaupt nicht mehr benutzen durfte (Suet. Cal. 50,1). Drexel stellt somit Julian hier nicht nur in eine Reihe mit dem stumpfsinnigen Kaiser Claudius (vgl. Comm. ad 1790–1798), sondern auch mit dem wahnsinnigen Caligula. Cercops (V. 1803): Nicht der von Drexel ursprünglich und in derselben Weise von seiner Vorlage Baronio genannte mythische König Athens Cecrops dient hier als Beschimpfung, sondern die Cercopen, mythischen Fabelwesen. Dieser Spottname ist in zweifacher Weise zu deuten: Einerseits galten sie als missgestaltete Dämonen, die eine besondere Vorliebe dafür besaßen, Menschen zu betrügen. Andererseits wird die Bezeichnung seit Aischines (leg. 40) auch metonymisch für ein unehrliches und verräterisches Verhalten verwendet, das er seinem Gegner Demosthenes vorwirft. So wird auch die engste Stelle des Weges, auf dem der Verräter Ephialtes die Perser an den Thermopylen im Jahr 490 v.Chr. führte, κερκώπων ἕδραι (‚Sitze der Cercopen‘) genannt (Hdt. 7,216). Jan den Boeft u.a. (1995, S. 243) beziehen diesen Spott der Antiochener allein auf die erstgenannte Variante, bei der auf das äußere Erscheinungsbild abgezielt wird. Da sich die Christen Antiochias von der kaiserlichen Religionspolitik betrogen fühlten, ist davon auszugehen, dass sie das Motiv des Cercops bewusst in ambiger Weise verwendeten. Sie machen Julian sowohl sein angeblich koboldhaftes Erscheinen als auch seinen Verrat und seinen Mangel an Ehrlichkeit zum Vorwurf. Eine wichtige Verbindung zu einem anderen Spottnamen, der Julian entgegengebracht wird, liefert die Tatsache, dass griechische Textfragmente von einer Verwandlung der Cercopen in Affen durch den Göttervater Zeus, den sie ebenfalls zu betrügen versuchten, berichten (Xenagoras frg. 28 FGrH 240). Dies ist insofern wichtig, als Julian in der folgenden Zeile als simius bezeichnet wird. Aitiologien stellen dabei eine Verbindung zwischen dieser Verwandlungssage und der Insel Pithekusa (Ischia) her, auf der laut Legende Affen gelebt haben sollen (vgl. Ov. met. 14,85–100). Vgl. Walde 1999; Woodford 1992; Bömer 1969–1986 VIII, S. 387– 388; Conti 1584, S. 87. Purpuratus simius, talpa loquax (V. 1804): Beide Wendungen sind redensartlich. Ein ‚in Purpur gekleideter Affe‘ dient als sprichwörtliche Bezeichnung für Personen, die sich zwar prachtvoll kleiden, deren inneres Wesen dazu aber im Missverhältnis steht, sowie für Menschen, denen eine unwürdig hohe Stellung zukommt (vgl. Erasm. Adag. 610). Von den Antiochenern wird Julian als purpuratus simius bezeichnet, da er sich in ihren Augen nicht wie ein wahrer Kaiser verhalte.
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Eine weitere Konnotation kommt der Bezeichnung als Affe durch den oben genannten aitiologischen Kontext zu: Die dämonenhaften und missgestalteten Cercopen sollen als Strafe in Affen verwandelt worden sein und behielten ihre bösartigen Eigenschaften bei. Ausgehend von der Grundeigenschaft der Blindheit (vgl. Comm. ad 1222) wurde auch die Wendung talpa loquax zum Sprichwort (Erasm. Adag. 3571). Es wird für Personen verwendet, die verbal vieles, aber wenig Wahres von sich geben. Ferner wurde dem Maulwurf grundsätzlich aber auch Stummheit zugeschrieben. Erasmus setzt die Intention beider Sprichwörter miteinander gleich. Eine besondere Bedeutung erhalten die beiden Bezeichnungen simius und talpa im vorliegenden Kontext dadurch, dass Julian und seine Anhänger zuvor genau diese Verunglimpfungen für die Christen verwendeten. Den blinden Mares verspottet der Kaiser mit den Worten talpa es et diem negas (V. 1222). Der Schauspieler Porphyrius nennt die Christen biformes simij (V. 1565), die sich unehrlich und unaufrichtig verhalten. Somit dienen die im Drama an früherer Stelle gebrauchten spöttischen Bezeichnungen für die Christen aus der Retrospektive nun aber der Selbstentlarvung Julians. Litterio Graecanicus (V. 1805): Die bei Ammian (17,11,1) überlieferte Schimpfbezeichnung litterio Graecus wurde von Drexel aus metrischen Gründen zu litterio Graecanicus erweitert. Der Vorwurf in dieser Bezeichnung liegt im Substantiv litterio. Diese despektierliche Bezeichnung für einen Lehrer des Griechischen verwendet auch Augustinus in polemischer Weise (c. adv. leg. 1,24,52, epist. 118,26). Vgl. Buchwald, Wolfgang 1976: Art. ‚litterio‘. In: ThLL VII,2,1533,73–79. Tauricremus (V. 1806): Selbst Ammian, sonst weitgehend ein glühender Verehrer Julians, kritisiert den Kaiser für seine Maßlosigkeit hinsichtlich seiner unzähligen Stieropfer. Er berichtet, dass Julian teilweise einhundert Stiere auf einmal töten ließ, was letztlich angeblich zur Folge hatte, dass die Diziplin der Soldaten aufgrund des hohen Fleischkonsums, der mit Trunksucht einherging, erheblich gelitten habe (22,12,6). Es soll sogar befürchtet worden sein, dass nicht genügend Stiere für die Opferfeierlichkeiten nach dem siegreichen Perserfeldzug zur Verfügung stehen würden (25,4,17). Diese übermäßigen Tieropfer sorgten besonders bei den Einwohnern von Antiochia für großen Unmut. Vgl. Rosen 2006, S. 287–288; Bringmann 2004, S. 162–163. Apostata: Siehe Comm. ad 1293. 1803 Pisaeus, Adonaeus, hircus huic, Cercops brevis] Beim ursprünglich von Drexel verfassten Vers Pisaeus, Adonaeus, huic hircus Cecrops handelt es sich um einen Quinarius, der durch die inhaltlich notwendige Emendation von Cecrops zu Cercops (vgl. Comm. ad 1801–1807) zu einem metrisch falschen Vers würde, da der ¯ps). Die in der Edition vorgeschlagefünfte Versfuß einen Spondeus bildete (Ce¯rco
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ne erweiternde Emendation bedient sich der antiken Vorlage Ammian, der berichtet, dass Julian spotthaft als Cercops, homo brevis umeros extentans angustos et barbam prae se ferens hircinam (22,14,3: [man verlachte ihn] als Cercopen, einen zu kurz geratenen Menschen, der seine schmalen Schultern ausstreckt und einen Ziegenbart vor sich her trägt) bezeichnet wurde. 1810–1812 Crudelis, audax, contumax, … proiecit furor?] Bei diesen Versen handelt es sich um ein etwas freieres Zitat aus Stefonios Crispus (siehe Similienapparat). Mit diesen Worten verleiht Konstantin II., der Sohn Konstantins des Großen, seinem Ärger über die Erfolge seines Halbbruders Crispus Ausdruck. Er befürchtet, dass Crispus, der Sohn Konstantins und Minervinas, einer angeblichen Sklavin, als Nachfolger eingesetzt werden könnte und unterstellt ihm entsprechend, dass er nur auf den Herrscherthron (primi appetens ∣ Iuris, V. 1810–1811) aus sei und ihn die untergeordneten Ansprüche (secundum ius) nicht kümmerten. Die wörtliche Übernahme der Verse aus dem Crispus bewirkte aber insofern eine gewisse Unschärfe, als Julian zum vorliegenden Zeitpunkt schon Kaiser ist und sich nicht gegen Ansprüche weiterer Thronprätendenten durchsetzen muss. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5. 1812–1814 Phil.: Quam saepe magna ingenia proiecit furor? ∣ Luc.: Quis iuvenis illo sanctior fuit? quis est ∣ Iam illŏ scelestior? o vices evanidas!] Die bewusst unbeantwortet gelassene bzw. rhetorische Frage des Philaemon schlägt den Bogen zum Beginn des Dramas, wo Constantius noch ganz allgemein anmerkt, dass Geistesgrößen häufig große Tragödien hervorrufen (vgl. V. 137–138). Die folgenden Worte des Lucianus konstatieren daraufhin mit einem Hinweis auf die irdische Eitelkeit Julians bisherige drameninterne Entwicklung vom vorbildlichen Christen und Philosophen hin zum blutrünstigen Tyrannen. Zur Metrik (illŏ sceleratior) siehe Comm. ad 419. 1815–1817 Non ille saturatur … tot virginum ∣ Pudore] Das Vergießen von Bürgerblut und die Schändung von Jungfrauen bildet nicht nur ein grundlegendes Motiv im Zusammenhang von Bürgerkriegen, sondern im Besonderen im Rahmen der Catilinarischen Verschwörung. Sowohl Cicero (Catil. 4,11–12) als auch Sallust (Catil. 15 und 51,9) bedienen sich dieser Elemente zur Charakterisierung von Catilinas Verhalten. Die epische Ausdrucksweise rubenti civium torrente (vgl. Lucan. 7,636–637) verleiht der Aussage zudem besonderes Gewicht. 1817–1822 in ore illi mel est, … Sanguine natans animus.] Hier wird erneut das unaufrichtige, heuchlerische Verhalten eines Herrschers machiavellistischer Ausprägung scharf kritisiert. Siehe Comm. ad 121–131 und 1564.
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1819 Virtute falsa contegit verum scelus] Mit demselben Vers lässt Bidermann den Schutzengel des Cenodoxus das Verhalten seines Schützlings charakterisieren (siehe Similienapparat). Siehe dazu auch S. 99 mit Anm. 225. 1823 diribitrix Dei manus] Das (feminine) Adjektiv diribitrix ist eine neulateinische Bildung ausgehend vom (maskulinen) Substantiv diribitor. Vgl. Leumann, Manu 1913: Art. ‚diribeo‘. In: ThLL V,1,1231,84–1232,6. 1825–1827 Caelicolae olympum … caelo admovebit machinas.] Lucianus’ Worte spiegeln Befürchtungen wider, die Juno in Senecas Hercules furens in ähnlichem Wortlaut artikuliert: Nachdem Hercules alle irdischen Reiche besiegt hat, müsse man nun um den Himmel selbst fürchten (caelo timendum est, regna ne summa occupet ∣ Qui vicit ima, Herc. f. 64–65; vgl. nam regna postquam cuncta sub regnum suum ∣ Subegerit, caelo ad movebit machinas). Die Zerstörung und kriegerische Gewalt, die er dabei anwendet, wird in beiden Texten betont: admovebit machinas bzw. nec in astra lenta veniet ut Bacchus via: ∣ Iter ruina quaeret et vacuo volet ∣ Regnare mundo (Herc. f. 66–68). 1825 olympum] Siehe Comm. ad 467. 1828 en arbitros a Caesare] Zur Bezeichnung der Trennung, des Ursprungs und der Herkunft in Verbindung mit Städtenamen oder Personen kann das rahmende Attribut (häufig missus, -a, -um) in dichterischer und nachklassischer Sprache auch ausgelassen werden (vgl. Verg. georg. 3,2; vereinzelt bei Cicero: a Pyrrho perfuga, off. 1,40). Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 214–216; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 255.
IV,6 Während seines Aufenthalts in Antiochia soll sich Julian auch an das Orakel des Apollo in Daphne, einem Vorort der Metropole am Orontes, gewandt haben. Der umliegende, von Lorbeerbäumen dominierte Hain wurde für den Ort der mythologischen Verwandlungserzählung der Daphne gehalten (vgl. Ov. met. 1,452–565). Durch die dort gelegene Kastalia-Quelle soll Apollo Orakelsprüche verkündet haben (vgl. Todt 2010; Benzinger 1901). Laut Johannes Chrysostomos (Paneg. Bab. 2,80–86 = Bar. AE IV,45B–D; vgl. Iul. mis. 346b) habe Julian persönlich das Heiligtum besucht. Mit zahlreichen Weihgeschenken (vgl. V. 1832: haec supplex mittit munera) habe er sich ans Orakel gewandt, um über seine persönliche Zukunft Auskünfte zu erhalten. Das Orakel sei in dieser Hinsicht aber stumm geblieben und habe allein zu verstehen gegeben, dass es durch den Leichnam des Heiligen Baby-
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las, den Gallus, Julians Halbbruder, einst dort bestatten ließ, beschmutzt werde. Laut Chrysostomos sei dies ein Beweis dafür, dass der heidnische Gott Apollo den Heiligen Gottes unterlegen sei (vgl. Bar. AE IV,45C–D). Weiteres zum Hl. Babylas siehe Einleitung zu Comm. ad IV,7. Die gesamte Szene IV,6 und der Beginn der darauffolgenden, der eng mit dieser verflochten ist, wurde im Rahmen der dritten Arbeitsphase des Dramas (d) gestrichen. Damit wurde zwar diese Episode rund um den Heiligen Babylas und dessen Translation getilgt, für den Gesamtverlauf der Handlung im Drama hatte dies aber insofern keine Auswirkungen, als das Geschehen in der darauffolgenden Szene in V. 1852 umschwenkt und sich dem bereits früher im Drama verhafteten Bassianus zuwendet. 1829 sequiminor] Siehe Comm. ad 1542. 1832 Apollini patri … tutelari] Für diese überaus reiche und vielfältige Aufzählung von Beinamen Apollos griff Drexel mit großer Sicherheit auf zeitgenössische Handbücher über die heidnische Götterwelt zurück. Andernfalls wäre die große Bandbreite an Beinamen, die teilweise nicht einmal literarisch, sondern lediglich inschriftlich oder sogar nur auf Münzen überliefert sind, wohl kaum möglich gewesen. Als Hilfsmittel kommen die weit verbreiteten Arbeiten von Giraldi (1560, hier S. 212–245) und Conti (1584, hier S. 344–370) in Frage, die ein sehr starkes Gewicht auf die Nennung und Erklärung der einzelnen Beinamen der Götter legen. Eine ähnliche Sammlung stammt von Hubertus Goltzius, der in seinem Thesaurus rei antiquariae huberrimus (Antwerpen 1579) im ersten Kapitel sämtliche, nicht literarisch überlieferte nomina und epitheta antiker Götter auflistet (S. 1–12; zu Apollo: S. 1). Dass Drexel möglicherweise dieses Werk benutzt hat, könnte ein beiden gemeinsamer Fehler beweisen. Der von Drexel und Goltzius verwendete Beinamen Apollos monetalis ist zwar auf Münzen des Kaisers Commodus zu finden, aber lediglich in der Form moneta (RIC III,389 Nr. 205 und 430, Nr. 559). Voraussetzung für diese Annahme ist freilich, dass eine Variation von Drexels Seite an dieser Stelle ausblieb. Aufgrund der Tatsache, dass die gesamte Anrufung Apollos in Prosa verfasst wurde, bestand zumindest kein metrischer Zwang zu einer Veränderung. Zu Apollo im Allgemeinen siehe Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 61–66; Simon 1990, S. 27–34; Simon 1980, S. 118–146; Lambrinudakis u.a. 1984; Simon/Bauchhenss 1984a; Furtwängler 1884–1890b; spezielle Literatur zu den einzelnen Beinamen wird an betreffender Stelle der folgenden Zusammenstellung genannt: Pater: In seiner Eigenschaft als Beschützer (propugnator, conservator, tutelaris; s.u.) tritt Apollo auch als schützender Vater (pater, πατρῷς bzw. ἀρχηγέτης) auf. So wurde er als mythischer Ahnherr ganzer Stämme und Städte verehrt. Auch
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für die heranwachsende Jugend fungierte er in seiner Vaterrolle als Schutzgott. In lateinischen Inschriften ist jedoch lediglich das Adjektiv patrius in diesem Zusammenhang überliefert (CIL VIII 619 und 25511). Der Beiname pater ist aber im Falle von männlichen Göttern in der Literatur sehr verbreitet, neben Apollo (Verg. Aen. 3,89) auch für Jupiter (Hor. sat. 2,1,42–43), Bacchus (Verg. georg. 2,4), Janus (Cato agr. 134,2) und Mars (Cato agr. 141,2). Magnus Deus: Wie im Falle von pater handelt es sich auch bei magnus Deus um eine Anrufungsformel, die universell für Götter angewandt wird, an die eine entsprechende Weihung adressiert ist (z.B. Merkur: CIL III 79, XIII 11535; Bacchus: CIL VI 467). Am häufigsten tritt die Formel im Zusammenhang mit einem nicht näher genannten, unbestimmten Gott auf, von dem man sich Hilfe erbittet oder dem man Dank abstattet (Magno Deo, vgl. z.B. CIL III 79). Sandaliarius: Kaiser Augustus ließ im Vicus Sandaliarius, dem Schusterviertel in Rom in der Nähe des Tempels der Tellus, eine Statue des Apollo aufstellen (Suet. Aug. 57), der man den lokalen Beinamen verlieh. Caelispex: Im antiken Regionenverzeichnis der Stadt Rom wird für die Regio XI eine Statue des Apollo Caelispex aufgeführt (Reg. urb. p. 91,12). Hinter diesem Beinamen steht die Vorstellung von Apollo als Lenker des Sonnenwagens, der im Laufe eines Tages den gesamten Himmel durchschreitet und von hoher Warte aus das Geschehen auf Erden überblickt. Grannus: Der Beiname Grannus für Apollo taucht ausschließlich in Weihinschriften an den Gott auf (vgl. CIL III 5588, VI 36, VII 1082, XIII 5315, 6462 und 7975; weitere Fundobjekte teilweise mit Abbildungen bei Eingartner u.a. 1993, S. 126–129). Laut Cassius Dio (70,15,6) handelt es sich bei Grannus ursprünglich um einen keltischen Heilgott. Die Parallele zum heilenden Apollo führte zu einem Synkretismus der beiden Götter im Zuge der Romanisierung der nördlichen Provinzen des Reiches. Besondere Bedeutung kommt im vorliegenden Fall mehreren Weihinschriften an Apollo Grannus zu, die in Lauingen an der Donau und Umgebung gefunden wurden (CIL III 5861, 5870, 5871, 5873, 5874, 5876 und 5881). Neben den archäologischen Funden (Apollo-Grannus-Tempel, siehe Eingartner u.a. 1993, bes. S. 80–83 und S. 122–136) beweist die große Dichte der Funde, die auf Apollo Grannus Bezug nehmen, dass sich in römischer Zeit im Lauinger Teilort Faimingen (lat.: Phoebiana, vgl. Eingartner u.a. 1993, S. 130–135) ein Zentrum des Apollo-Grannus-Kultes befunden hat. Schon zu Drexels Lebzeiten kursierten in Europa gedruckte Sammlungen von römischen Inschriften. Für die Inschriften aus Augsburg, wo Drexel geboren wurde und das örtliche Jesuitenkolleg besuchte, und dessen Umgebung erschienen ebendort bereits im Jahr 1505 die Romanae vetustatis fragmenta in Augusta Vindelicorum et eius diocesi von Konrad Peutinger, in denen drei der erwähnten Inschriften aus Lauingen/Faimingen abgedruckt wurden. 1590 erscheinen dann in Vene-
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dig die Inscriptiones antiquae Augustae Vindelicorum von Marcus Welser, die ebenfalls die angesprochenen Exemplare umfassten (S. 19–20). Ein weiteres Beispiel für eine zeitgenössische Sammlung, die sich mit den Inschriften Augsburgs, seiner Umgebung und von weiteren inschriftlichen Zeugnissen, die einen Bezug zu dieser Stadt besitzen, sind die Antiqua Monumenta: Das ist/ Alte Bilder/Gemählde/ unnd Schrifften/ so wol deren so zu Augspurg in Vindelicten/ als ausserhalb auff derselben Gränze unnd Bodem/ wie auch anderer Orthen gefunden/ und doch auff Augspurg gedeutet werden mögen: sampt derselben bedeutnussen/ außführlichen Außlegungen und Erklärungen. Frankfurt am Main 1595. Von einer engen Vertrautheit Drexels mit Apollo Grannus kann aber nicht nur aufgrund der ihm theoretisch zugänglichen Literatur ausgegangen werden. Hinzu kommt noch, dass Drexel zwischen 1605 und 1607 als Lehrer am Jesuitenkolleg in Dillingen beschäftigt war, einer Stadt, die nicht einmal zehn Kilometer von Lauingen/Faimingen entfernt war. Die von dort stammenden Weihinschriften wurden in nachrömischer Zeit als (sichtbare) Spolien für den Bau von verschiedenen Gebäuden in den Orten Faimingen, Lauingen, Brenz und Unterfinningen verwendet und waren daher leicht zugänglich (CIL III 5870 an der Kirche St. Gallus in Brenz an der Brenz; CIL III 5871 gefunden in der Schlossruine Faimingen, heute verschollen; CIL III 5876 ehemals am Zehntstadel von Lauingen, heute im dortigen Heimathaus; CIL III 5881 ehemals am Turm der Kirche St. Martin in Unterfinningen, seit 1822 im Römischen Museum Augsburg. Vgl. Eingartner u.a. 1993, S. 125–127 mit Abbildungen). Somit kann davon ausgegangen werden, dass Drexel in dieser Aufzählung von Beinamen Apollos nicht nur Handbuchwissen präsentiert, sondern dass auch seine eigenen Beobachtungen darin Einzug gefunden haben. Medicus/Sosianus: Bereits in den homerischen Epen taucht Apollo in seiner Funktion als Heiler auf (Il. 5,401, Od. 4,232). Entsprechend gilt Asklepios/Aesculap (siehe Comm. ad 1429), Gott der Medizin und Heilkunst, als Sohn des Apollo. Laut Livius (40,51,6) wurde bereits im Jahr 431 v.Chr. in Rom außerhalb des Pomeriums ein Tempel für Apollo Medicus errichtet, der während einer Pestepidemie in Rom gelobt worden war. Derselbe Tempel, von dem Reste heute noch am westlichen Fuße des Palatins in unmittelbarer Nähe zum Marcellus-Theater sichtbar sind, wurde im Jahr 43 v.Chr. maßgeblich durch die Finanzierung des ehemaligen Antonius-Anhängers C. Sosius (cos. 32 v.Chr.) vollkommen erneuert, sodass dem Heiligtum die Bezeichnung templum Apollinis Sosiani verliehen wurde (vgl. Plin. nat. 36,28). Vgl. Kolb ²2002, S. 343–345; La Rocca 1988. Palatinus/pacificus: Um vieles wichtiger als das von Sosius erneuerte Heiligtum war der Tempel des Apollo auf dem Palatin (Apollo Palatinus; vgl. Hor. epist. 1,3,17), den Augustus errichten und im Jahre 28 v.Chr. weihen ließ. Angeblich an der Stelle, die vom Gott selbst durch einen Blitzschlag auserkoren worden war (vgl. Cass. Dio 49,15,5; Suet. Aug. 29,3), sorgte der Princeps für einen Sakralbau,
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der seine besondere Nähe zu Apollo, den er im Kampf gegen Sextus Pompeius und Marcus Antonius um Hilfe angerufen und zu seinem Schutzgott ausgewählt hatte, verdeutlichen sollte. Außerdem diente die Verehrung Apollos an einem zentralen Ort der Macht, nämlich direkt neben dem Haus des Princeps, als Garant der neuen Ordnung und des neuen Geistes nach den Schrecken der Bürgerkriege des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Demnach war das Bildprogramm nur teilweise darauf ausgerichtet, den Sieg über Antonius zu symbolisieren. Im Zentrum der künstlerischen Ausstattung und literarischen Preisung stand die Verkündigung einer Friedenszeit und eines Neuanfangs. In diesem Zusammenhang ist in Rom inschriftlich der Beiname paciferus (CIL VI 37) belegt, der die Grundlage für den im Text verwendeten Begriff pacificus gebildet haben dürfte. Vgl. Kolb ²2002, S. 334–336; Lefèvre 1989; Zanker 1987, S. 90–96. Tortor: Marsyas, bald ein phrygischer Fluss- und Quellgott, bald ein Satyr, forderte Apollo in einem musikalischen Wettstreit heraus. Diese Hybris bestrafte der Gott dadurch, dass er nach seinem Sieg den Marsyas an einem Baum aufhängte und ihm die Haut bei lebendigem Leib abzog (vgl. Ov. met. 6,382–400). In seiner Eigenschaft als Schinder des Marsyas wird Apollo auch tortor genannt. In dieser Erscheinungsform wurde dem Gott eine Statue in Rom geweiht (Suet. Aug. 70,2). Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 307–311. Propugnator: Apollo wird in seiner Eigenschaft als Helfer im Kampf auch als propugnator bezeichnet. Seine Kämpfe gegen Python, Tityos und die Aloaden sowie seine Rolle in der Gigantomachie unterstreichen dies. Entsprechend rufen ihn Feldherren um Beistand in der Schlacht an. Das berühmteste historische Beispiel ist Augustus, der sowohl vor der entscheidenden Schlacht gegen Sextus Pompeius als auch vor dem Kampf gegen Marcus Antonius Apollo um Kampfhilfe anflehte (vgl. Prop. 4,6). Von Servius wird die Kampfhilfe Apollos für Troja herausgehoben (Serv. Aen. 6,56). Als Beiname ist propugnator allerdings nur auf Münzen der Spätantike belegt: Apollini propug[natori] (RIC V,1,45, Nr. 74–75; 50, Nr. 153 und 90, Nr. 128). Vgl. Kolb ²2002, S. 335; Wick, Claudia 1994: Art. ‚propugnator‘. In: ThLL X,2,2138,71–2139,16. Conservator (Augustorum): Conservator ist ein geläufiger Beiname von römischen Göttern auf Münzen und Weihinschriften (häufig bei z.B. Jupiter: CIL III 1301, vgl. auch: Plin. Paneg. 1; Hercules: CIL VIII 14808; Apollo: CIL III 875 und 3631, VI,413, VIII,9014; RIC V,1,243, Nr. 44 und 268, Nr. 22 sowie 283, Nr. 160). Dieser Beiname Apollos ist maßgeblich auf seine Eigenschaften als Heilgott und als Gefährte im Kampf zurückzuführen. Die Spezialisierung der schützenden Funktion auf die Augusti (conservator Augustorum) ist auf Münzen des Gallienus belegt (RIC V,1,88, Nr. 261). Monetalis: Der Beiname moneta taucht auf Münzen des Commodus auf (RIC II,389, Nr. 205 und 430, Nr. 559). Die Herkunft dieses Attributs konnte bisher von
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der Forschung nicht eindeutig geklärt werden. Wolfgang Szaivert (1986, S. 66) vermutet, dass es sich um eine Analogie zur Iuno Moneta handle, die in Rom als die ‚Mahnerin‘ verehrt wurde, da sie angeblich während des Galliersturms im Jahr 387 v.Chr. dafür gesorgt hatte, dass das Kapitol nicht erobert wurde. Commodus veranstaltete während einer Pest, die im Jahre 190/1 in Rom wütete, Spiele zu Ehren Apollos, von dem er sich Schutz vor der Seuche und Hilfe im Kampf gegen sie erhoffte. Die magisch-heilende Wirkung des Gottes sollte möglicherweise mittels Münzen im Volk verteilt werden und somit ähnlich rettende Funktion haben wie Iuno Moneta im Züge des Galliersturms. Vgl. Marbach 1933, bes. Sp. 118. Praestans: Die Adjektive praestans und v.a. sein Superlativ praestantissimus werden in Inschriften (so für Apollo: deo Apollini praestantissimo, CIL III 991; im Positiv: CIL VI 38 und 413) häufig mit Göttern verbunden (Sol: CIL VI 412; Mars: CIL XIII 7756). Sie finden auch in der römischen Kaisertitulatur (z.B. praestantissimum principem, Paneg. Lat. 4,4,1) Anwendung. Sanctus: Das Adjektiv sanctus ist als einfaches Attribut in Weihinschriften für unzählige Götter zu finden: z.B. Iovi Sancto (CIL II 944), Sancto Saturno (CIL VIII 8434), Dianae Sanctae (CIL III 1418, V 5011 und 5090, VI 234), für Apollo: z.B. CIL VI 40, 41 und 45. Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle eine Münze, die auf der Vorderseite dem Genio Antiocheni und auf der Rückseite dem Apollini Sancto geweiht ist. Sie wurde sogar in Baronios Kirchengeschichte (AE IV,52E) abgebildet. Die Verbindung Deo Sancto Apollini Pacifero findet sich auf einer Inschrift in Rom (CIL VI 37), die sich einst im Haus des Humanisten Iulius Pomponius Laetus (eigentlich Giulio Pomponio Leto, 1428–1498) befand. Pacificus: Siehe unter Palatinus. Während die Form pacifer zwar häufig auf Münzen zu finden ist und im nachklassischen Latein und noch vereinzelt bei Autoren christlicher Zeit (Tert. adv. Marc. 3,21,2; Prud. psych. 805) auftritt, wird sein Gebrauch im Laufe des ersten Jahrhunderts n.Chr. immer seltener, wobei gleichzeitig immer stärker auf das Synonym pacificus zurückgegriffen wird, das bei christlichen Autoren reichlich Verwendung findet. Die Vulgata des Hieronymus kennt das Wort pacifer überhaupt nicht, wohingegen pacificus häufig (119mal) zu finden ist. Nicht zuletzt die Bergpredigt Jesu beinhaltet die Worte beati pacifici quoniam filii Dei vocabuntur (Mt 5,9). Tutelaris: Auch wenn dieser Beiname für Apollo nicht konkret belegt ist, kann Drexels Motivation, ihn in den Katalog aufzunehmen, rekonstruiert werden: Apollo tritt in der antiken Mythologie, wie bereits gezeigt, in vielen Bereichen des menschlichen Lebens als Schutzgottheit auf. Er erscheint u.a. als Beschützer des Ackerbaus, der Viehzucht, der Jagd, der Jugend, des Sports und der vertraglichen Vereinbarungen. Ebenfalls werden damit erneut die Funktionen als pater, propugnator und conservator zusammengefasst.
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1832a haec supplex mittit munera] Siehe Einleitung zu Comm. ad IV,6. 1832b rogatque quo fato sit concessurus fatis.] Eigentlich holte Julian den Orakelspruch mit Blick auf seinen geplanten Perserfeldzug ein. Vgl. Todt 2010, S. 28. 1839–1840 Me putri temerant vicina cadavera tabe, ∣ Exosus procul hoc cineres dispergite fano.] Orakelsprüche sind oftmals in Hexametern überliefert. Diese fielen aber, im Gegensatz zum vorliegenden Fall, meist bewusst zweideutig aus. Zu den berühmtesten Sprüchen gehören diejenigen für Croesus („Wenn du den Halis überschreitest, wirst du ein großes Reich vernichten.“, Parke/Wormell 1956 II, S. 24 Nr. 53) und König Pyrrhus von Epirus (Aio te Aeacida Romanos vincere posse. Cic. div. 2,116. [Ich sage dir, Aeacide, das du die Römer besiegen kannst/dass die Römer dich besiegen können.] Vgl. Parke/Wormell 1956 II, S. 180 Nr. 441). Der letzte Spruch des Delphischen Orakels überhaupt soll laut christlicher Überlieferung unter Julian im Jahr 362 erfolgt sein. Er soll gelautet haben (vgl. Fontenrose 1978, S. 353 Q263; Parke/Wormell 1956 II, S. 194–195 Nr. 476): Εἴπατε τῷ βασιλεῖ· χαμαὶ πέσε δαίδαλος αὐλά. Οὐκέτι Φοῖβος ἔχει καλύβαν, οὐ μάντιδα δάφνην, Οὐ παγὰν λαλέουσαν, ἀπέσβετο καὶ λάλον ὕδωρ. (Philostorgios hist. eccl. 7,1c = Pass. Art. 35) [Sagt dem Kaiser, es liegt die kunstvolle Halle am Boden, Phoibos verlor sein Haus und seinen weissagenden Lorbeer, Längst verstummt ist der Quell und versiegt das kündende Wasser.] (Übersetzung: Rosen 2006, S. 333)
IV,7 Die Vorgänge in Antiochia, die sich nach dem Orakelspruch Apollos ereignet haben sollen, werden hier stark verkürzt dargestellt. Babylas, der Bischof von Antiochia, soll sein Martyrium im Jahre 250 n.Chr. im Rahmen der decischen Christenverfolgung erlitten haben. Laut Eusebios (hist. eccl. 6,39,4) starb er im Gefängnis von Antiochia, laut Johannes Chrysostomos (Paneg. Bab. 2,60–66) wurde er enthauptet. Nach seinem Tod wurde er außerhalb der Stadtmauern, an der Straße, die nach Daphne führt, bestattet. Um den heidnischen Apollokult in Daphne symbolisch zu ersetzen, ließ Julians Halbbruder Gallus zwischen 351 und 354 die Gebeine des Babylas in eine Kirche transferieren, die er zuvor auf dem Gelände des Daphneheiligtums errichten hatte lassen. Um den Ort in derselben symboli-
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schen Weise erneut zu reinigen, veranlasste Julian im Jahr 362, dass sämtliche christliche Leichname in der Nähe des Heiligtums an andere Orte überführt werden sollen. Die Christen von Antiochia, denen er dies auftrug, inszenierten die Überführung zu einer feierlichen Prozession und nutzten diese Gelegenheit zu einem scharfen Angriff auf Julian, indem sie während der Translation immerfort einen Abschnitt aus Psalm 96 (Vulg. Nova: Ps 97) gesungen haben sollen, wo es heißt: „Alle, die Bildern dienen, werden zuschanden, alle, die sich der Götzen rühmen“ (Ps 96,7: confundantur omnes qui adorant sculptilia et qui gloriantur in simulacris suis; vgl. Bar. AE IV,46C; Joh. Chrys. Paneg. Bab. 2,87–91). Dies habe laut Sozomenos (hist. eccl. 5,20 = Bar. AE IV,46C–D) Kaiser Julian derart erzürnt, dass er im Folgenden zahlreiche Christen verurteilt habe. Bei einem von diesen soll es sich um den jungen Theodorus gehandelt haben, der ebenfalls an der Prozession teilgenommen habe. Vgl. Todt 2010; Rosen 2006, S. 293–296; Bringmann 2004, S. 163; Caraffa/Raggi 1962; BHG I, Nr. 205–208; BHL, Nr. 890–892; AA SS 24. Januar, Bd. 2, S. 569–581; Mart. Rom. 2004, S. 114; Martyr. Rom. 1597, S. 48–49. Vor die bei Sozomenos überlieferte Befragung des Theodorus platzierte Drexel noch den Prozess des Bassianus, der bereits in IV,1 festgenommen worden war. Im Anschluss wird Theodorus vor den kaiserlichen Richterstuhl geführt, ohne die konkrete Vorgeschichte rund um die Translation des Babylas zu behandeln bzw. den Grund für die Anklage des Theodorus überhaupt näher auszuführen. Auch der Befehl zur Überführung des Babylas, der erst zum Verhör des Theodorus führt, wird erst im unmittelbar vorangehenden Vers gegeben. Entsprechend zusammenhanglos und unlogisch erscheint somit Julians Frage, ob Theodorus mit seinem Gesang aufgehört habe (canere num desijt, V. 1875). Die Konstellation des Verhörs des Theodorus, dem dessen Schutzengel Theodorophylax zur Seite steht und die passenden Antworten zuflüstert, entspricht ebenfalls (wie das Bekenntnis des Porphyrius an früherer Stelle, siehe V. 1653) der Ankündigung Jesu an seine Jünger aus dem Evangelium nach Matthäus und Lukas, dass der Heilige Geist bei der Befragung vor Gerichten aus ihnen sprechen werde (siehe dazu Comm. ad 1653). Die Szene stellt eine Kombination aus einer typischen ‚Scheltszene‘, wie man sie aus den Komödien des Plautus und Terenz kennt, und einer christlichen passio dar. Die Trennlinie bildet Julians Abwendung von Bassianus und seine Hinwendung zu Theodorus. Im ersten Teil (V. 1852–1873) entspricht die Konstellation Julian–Bassianus der aus der Komödie. Julian kann mit dem strengen Alten (senex) identifiziert werden, der seinen Sklaven für ein bestimmtes Verhalten tadelt und ihm harte Konsequenzen androht, falls er ihn erneut zum Narren halte (vgl. z.B. Plaut. Bacch. 770–798, Rud. 615–663; Ter. Andr. 172–205; vgl. Opelt 1965, S. 60–69). Bassianus entspricht dabei angesichts seiner widerspenstigen Antworten dem verschmitzten Sklaven. Die Nähe zu den entsprechenden Szenen aus der römischen Komödie wird auch durch die sprachlich-stilistische Gestaltung er-
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zeugt: Julians Aussagen wie peristi (V. 1858) und Vin’ eculeum gustare? (V. 1861) sowie das teilweise umgangssprachliche Vokabular (occinunt, V. 1861; contemtum eas, V. 1864; palpum, V. 1868; mittere […] in vindemiam, V. 1873) sind charakteristisch für die jeweiligen Szenen bei Plautus, letztere Wendung muss gar als typisch plautinische Wortbildung angesehen werden (vgl. Comm. ad 1873). Der zweite Teil der Szene (V. 1873–1939) entspricht mit seiner Gegenüberstellung vom grausamen Richter Julian und dem bekennenden und unbeugsamen Christen Theodorus und deren Argumente der typischen Konstellation in Passionsberichten. 1843–1851 Quid nuntij ∣ Adfertis … Galilaea gens id auferet] Im Rahmen der dritten Arbeitssphase d wurden diese Verse, die inhaltlich noch zur vorangegangenen und von d gestrichenen Szene gehören, ebenfalls getilgt. Das Enjambement iusso meo (V. 1582), das dabei übrig blieb, wurde in den nachfolgenden Satz eingefügt. Daraus resultiert die inhaltlich tautologische Verbindung des Imperativs sistite mit der adverbialen Bestimmung ‚auf meinen Befehl‘. Siehe auch Einleitung zu Comm. ad IV,6. 1844 cupido] Das Substantiv cupido erscheint nur in sehr wenigen Ausnahmefällen, besonders in der Dichtung (vgl. Plaut. Amph. 840; Hor. epist. 1,1,33) im Maskulinum anstatt im Femininum. Vgl. Hoppe, Karl 1909: Art. ‚cupido‘. In: ThLL IV,1421,38–41. 1850–1852 Babylam … Aufert ∣ Iusso meo.] Kurze Zeit nach der Überführung des Heiligen Babylas, genauer in der Nacht vom 21. auf den 22. Oktober, ging der Apollotempel in Daphne in Flammen auf. Im Folgenden entbrannte eine heftige Auseinandersetzung zwischen Christen und Heiden, die die Schuldfrage an dem Unglück jeweils für ihre Zwecke instrumentalisierten. Neutral äußert sich noch Ammian (22,13,3), der die Verantwortung dem unvorsichtigen Philosophen Asklepiades zuschrieb. Der Kaiser selbst verdächtigte umgehend die Christen von Antiochia, den Brand gelegt zu haben (mis. 346b; vgl. Amm. 22,13,2–3). Der heidnische Rhetor Libanios verlieh seinem Schmerz über die Zerstörung des Tempels in einer Monodie Ausdruck (or. 60; Entgegnung: Joh. Chryst. Paneg. Bab. 2,98–113). Auf christlicher Seite deutete man den Brand, der angeblich durch einen vom Himmel herabgefahrenen Blitz verursacht worden sein soll, als göttliches Strafgericht über die heidnische Religion. Laut Chrysostomos soll der Heilige Babylas nach seiner Überführung bei Gott um die Zerstörung des Tempels gebeten haben (Paneg. Bab. 2,93; vgl. Pass. Art. 56; Theod. hist. eccl. 3,11). Noch Baronio verwendet sehr große Mühe darauf, die Glaubwürdigkeit dieser Version zu versichern (AE IV,43E–44B).
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Zur Verwendung eines Futur I anstelle eines jussiven Konjunktivs (arcebitur; auferet) siehe Comm. ad 783–785. 1861 eculeum] Siehe Comm. ad 1370. 1864–1866 Tu gratiam … tibĭ faveo plurimum] Nachdem es Julian durch Drohungen (V. 1861–1863) nicht gelungen ist, Bassianus umzustimmen, startet er einen neuen Versuch, indem er ihm seine guten Absichten versichert. Die besondere Zuwendung, die Julian an dieser Stelle gegenüber Bassianus aufbringen möchte, wird durch die hohe Dichte an direkten Anreden des Gegenübers (Tu […] mi adolescens; tui […] tibi […] tibi) und die Epipher der Superlative plurimum hervorgehoben. 1867 Nec hac nec illa vincor arte] Mit illa arte, der geheuchelten Sorge Julians, wird erneut auf die ars simulandi ac dissimulandi Bezug genommen (vgl. Comm. ad 121–131). 1868 palpum] Das Substantiv palpus ist eine typisch ‚plautinische Vokabel‘ (Amph. 526, Merc. 153, Pseud. 945) und steht metonymisch für Schmeichelei. Mit palpare wird ursprünglich das sanfte, schmeichelnde Streicheln mit der Handfläche bezeichnet. Die folgende Aussage manus non do knüpft daraufhin primär an diese ursprüngliche Bedeutung an. Vgl. Adkin, Neil 1984: Art. ‚palpus‘. In: ThLL X,1,168,29–40. 1870–1872 Bass.: Nihil timeo; cruciatuum horreo nihil. ∣ Iul.: Nihil timere aetatis est vitium tuae. ∣ Bass.: Tuae, minas iactare cum frigent preces.] Es scheint zunächst, als habe Julian die strikt ablehnende Haltung des Bassianus, die er durch die rahmende Stellung von nihil unterstreicht, geschickt gekontert, indem er anaphorisch mit nihil timere auf das nihil timeo bzw. auf das Versende horreo nihil des Bassianus reagiert. Die angebliche Leichtfertigkeit eines jugendlichen Alters ist in Passionsberichten topisch (vgl. z.B. Prud. perist. 5,47–48). Julians kurz anhaltender, scheinbarer Triumph, der sich durch die gekonnte Entgegnung auf rhetorischer Ebene abzeichnet, wird jäh durch die wiederum von Bassianus geschickt formulierte Entgegnung zunichte gemacht. Denn auch der angeklagte Christ knüpft mit der Wiederholung von tuae in Juxtaposition an das Ende des vorangehenden Verses an und kontert Julians Vorwurf, indem er die grammatikalische Konstruktion fortsetzt und in einen Gegenvorwurf umwandelt. Durch den prägnanten elliptischen Anschluss an die Satzkonstruktion von Julians Aussage kann er somit auch auf rhetorischer Ebene dem Kaiser die Stirn bieten. Die letzten beiden Verse sind Bencis Ergastus entnommen (siehe Similienapparat). Die Rolle des Bassianus nimmt darin Aristus, der standhafte Bruder der
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Hauptperson, und die Julians der Teufel Panurgus, der sein Gegenüber in Versuchung führen will, ein. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5. 1873 virgarum … vindemia] Bei Plautus (Rud. 636) verschmilzt der Ausdruck vindemia virgarum zu einer seiner typisch komischen Wortneuschöpfungen (virgidemia). Diese ‚Rutenernte‘ ist in der Weise zu deuten, dass ein Übeltäter mit Ruten verprügelt wird und somit den verdienten Lohn (‚Ernte‘) für seine Taten erhält. 1875 canere num desijt] Siehe Einleitung zu Comm. ad IV,7. 1876–1889/1930–1937 Actum agimus Imperator … eo magis ipse cecinit./ Actum agimus Imperator … ∣ Patiare Caesar esse.] Der hier in zwei Teile getrennte Überzeugungsversuch des Sallustius, der jeweils mit denselben Worten (actum agimus Imperator) eingeleitet wird und an dessen Ende die Freilassung des Theodorus steht, ist in verschiedenen antiken Quellen überliefert (u.a. Soz. hist. eccl. 5,20; Theod. hist. eccl. 3,11,3; vgl. Bar. AE IV,46D). 1878–1882 Nihil eculeum … ∣ Ducunt.] Die Eindringlichkeit, mit der Sallustius an Julian appelliert, wird durch die Metrik hervorgehoben. Besonders im Mittelteil seiner asyndetischen Aufzählung ist beinahe jedes Element (nihil/nil + Substantiv) durch eine Dihärese von seinen Nachbarn getrennt, sodass jedes für sich betont wird. Sallustius zählt in diesem Abschnitt zahlreiche Marterwerkzeuge bzw. -methoden auf, die häufig in den Christenprozessen und zum Teil auch noch zu Drexels Lebzeiten ihre Anwendung fanden. Einen enzyklopädischen Überblick zu diesem Thema lieferte zeitgenössisch Antonio Gallonio mit seiner Schrift De sanctorum martyrum cruciatibus […] liber (erstmals 1594 in Rom erschienen). Gallonio erstellte einen systematischen Überblick über die Hinrichtungsarten, denen christliche Märtyrer zum Opfer gefallen sind. Dabei geht er bei einer jeden Methode detailliert auf den konkreten Vorgang ein und zählt anschließend verschiedene passiones als Belege auf. Außerdem führt er Quellennachweise für das Vorhandensein in vorchristlicher Zeit auf und lässt auch die heidnische Literatur in christlicher Zeit genauso wenig außer Acht wie Ereignisse aus seiner eigenen Gegenwart und unmittelbaren Vergangenheit. Am Ende eines jeden Kapitels befinden sich Abbildungen, die die Hinrichtungsmethoden illustrieren. Eine kurze Erklärung der Instrumente und ihrer Anwendung soll folgende Übersicht liefern, wobei in Ergänzung zu der ausführlichen Beschreibung von Gallonio die moderne Forschungsliteratur genannt wird: Eculeus: Siehe Comm. ad 1370. Rotae: Beim Tod durch das Rädern wurde der Verurteilte entweder auf die Lauffläche eines Wagenrades gebunden, das einen Bergabhang hinab gestürzt
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bzw. über eiserne Haken gerollt bzw. immer wieder über Feuer gedreht wurde. Er konnte auch auf die Speichen eines Rades geflochten werden, nachdem ihm die Glieder zerbrochen worden waren. Vgl. Schild 1980, S. 202–203; Gallonio 1668, S. 58–74, Abbildungen S. 84–89. Tunicae molestae: Die Strafe durch die tunica molesta stellt eine besondere Form der crematio (bei Tert. anim. 33,6 vivicomburium genannt), der Todesstrafe durch Verbrennen bei lebendigem Leib, dar, die schon in der Römischen Republik vollzogen wurde. In der Kaiserzeit wurde die crematio bei schweren Verbrechen angewandt. In den ‚Christenprozessen‘ ist sie ein häufig verhängtes Urteil (vgl. Tac. ann. 15,44,4; Euseb. hist. eccl. 4,15,10; Ambros. epist. 74,8; weitere Quellen aufgelistet bei Garnsey 1970, S. 126 Anm. 2). Bei der tunica molesta handelt es sich um eine euphemistische Bezeichnung für ein Kleidungsstück aus einer Art Papier, das in Pech getaucht wurde. Dem Verurteilten wurde sie angelegt und daraufhin angezündet (Mart. 4,86,8 und 10,25,5; Iuv. 8,235 und Scholien dazu: vestis ex charta facta, pice inlata, in qua ignibus in poenam addicti ardere solent; vgl. Lumpe, Adolf 1960: Art. ‚molestus‘. In: ThLL VIII,1354,54–58). Aus einer Stelle bei Tertullian (apol. 15,4–5) geht hervor, dass solche Bestrafungen auch in die Darstellung von heidnisch-mythologischen Sagen eingebettet werden konnten. So habe er angeblich mitangesehen, wie ein Mann, der Hercules darstellen sollte, bei lebendigem Leibe verbrannte (vgl. Coleman 1990, S. 60–62, die diese Vorgänge als „fatal charades“ bezeichnet). Der Feuertod war auch im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit eine häufig angewandte Todesstrafe für Zauberei, Ketzerei, schwere Unzucht, Sodomie und Brandstiftung. Dabei stand v.a. der von den Zeitgenossen angenommene reinigende Charakter der Strafe im Vordergrund. Besondere, wenn auch traurige Berühmtheit erlangte die crematio im Zusammenhang mit den Hexenprozessen. Vgl. Gallonio 1668, S. 399–404. Siehe ferner: Schmitz 2013, S. 325– 326; Schiemann 1997c; Bauman 1996, S. 67; Vismara 1991; Schild 1980, S. 204; Garnsey 1970, S. 125–126; Mayer-Maly 1961; Hitzig 1901b. Ferae: Dieser verkürzte Ausdruck steht für die damnatio ad bestias [feras] (beispielhafte Belege für die frühe Kaiserzeit: Suet. Cal. 27,3, Nero 29,1; Sen. clem. 1,25,1). Die Hinrichtung von Gefangenen durch wilde Tiere (z.B. Löwe, Bär, Leopard, Elefanten, etc.) fand während der Mittagspause in der Arena statt. Vollzogen wurde diese Strafe meist an Sklaven (humiliores), die sich des Mordes oder der Brandstiftung schuldig gemacht hatten. Neben der crematio war die damnatio ad bestias eine Strafe, die häufig gegen Christen verhängt wurde. Über die Martyria des Ignatius von Antiochia (vgl. LA 36) und des Polykarp von Smyrna ist reiches Quellenmaterial überliefert (Eus. hist. eccl. 3,36 bzw. 4,15), ebenso für die Passio Perpetuae et Felicitatis, die in der Arena von Karthago ihr Ende fanden. Tacitus berichtet, dass Nero Christen als Tiere verkleidet und anschließend den wilden Tieren vorgeworfen haben soll (Tac. ann. 15,44,4). Ähnlich wie bei der crematio
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wurde die damnatio ad bestias teilweise in Inszenierungen von mythologischen Erzählungen integriert (vgl. Mart. 1,6, 10 und 24). Vgl. Gallonio 1668, S. 437–457, Abb. S. 609–610). Siehe ferner: Schmitz 2013, S. 326–328; Paschke 2006, bes. S. 492–494; Wiedemann 2001, S. 84–92; Bauman 1996, S. 66–67; Vismara 1991, S. 44–54; Coleman 1990, S. 62–65; Garnsey 1970, S. 129–131. Pectines/ungulae/forcipes: Die Verurteilten wurden z.T. durch eiserne Kämme, Krallen und Zangen misshandelt. Vgl. Schild 1980, S. 206–207; Gallonio 1668, S. S. 248–253, 255–257, 262–264, 437–457; Abb. S. 268–271 sowie 609–610. Stipites: Siehe Comm. ad 543. Carceres: Angeklagte Christen wurden teilweise in Privathäusern, nach einem etwaigen Geständnis aber auch in staatlichen Gefängnissen festgehalten. Das berühmteste Beispiel von unzähligen ist die Gefangenschaft der Apostel Petrus und Paulus, die angeblich im Carcer Mamertinus, zusammen mit dem daran angeschlossenen Carcer Tullianus, dem am Fuße des Kapitols gelegenen Staatsgefängnis der Stadt Rom in der Antike, festgehalten worden sein sollen. Teilweise war der carcer aber auch der Ort der Vollstreckung der Todesstrafe (vgl. Liv. 29,19,5). Vgl. Schiemann 1997b; Schild 1980, S. 208–212, Garnsey 1970, S. 147–148. Torcularia: Verurteilte wurden teilweise in Oliven- bzw. Weinpressen gequält. Vgl. Hörle 1937; Gallonio 1668, S. 80–83, Abb. S. 90–91. Testae: Um den Opfern besondere Qualen zu verschaffen, wurden ihre Körper u.a. auch mit Tonscherben zerschnitten (so bei Eus. hist. eccl. 8,9,1, über die Märtyrer in der Thebais). Vgl. Gallonio 1668, S. 264–265. 1883 Videtur illis esse ludus ipsa mors] Eine wichtige Parallele zum hier von Sallustius beschriebenen Verhalten der Christen, trotz aller Gräuel, die an ihnen vollzogen werden, standhaft zu sein, stellt erneut der Lobpreis des Heiligen Vinzenz durch Prudentius dar (vgl. Einleitung zu Comm. ad III,6). Vinzenz gibt in seinem Verhör schon zu Beginn, als der Richter Drohungen ausspricht, zu verstehen, dass weder Haken (ungulae) noch glühende Platten (stridensque flammis lammina, perist. 5,61–62) an seiner Standhaftigkeit etwas ändern könnten. Der Tod sei für Christen ein spielerisches Vergnügen: mors Christianis ludus est (perist. 5,64). 1890 Praestigiatores] Als Beschimpfung von Sklaven wird die Bezeichnung praest(r)igiator besonders in den Komödien des Plautus (vgl. Amph. 830, Aul. 630, Cist. 297, Poen. 1125) verwendet. Vgl. De Luca, Giuseppe 1991: Art. ‚praest(r)igiator‘. In: ThLL X,2,938,67–939,49; Opelt 1965, S. 69 und 71. 1893 Theodorophylax:] Nach seiner Freilassung soll Theodorus gefragt worden sein, wie er die unmenschlichen Qualen der Folter, die ihn eigentlich hätten um-
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bringen müssen, ertragen und überleben konnte. Er habe berichtet, dass während der Misshandlung neben ihm ein junger Mann (adolescens) gestanden habe, der ihm mit einem Tuch die Qualen erleichterte und mit kaltem Wasser das Feuer des Peinigers milderte (Bar. AE IV,46C–E = Aug. civ. 18,52; vgl. Greg. Naz. or. 5,40; Sokr. hist. eccl. 3,19; Soz. hist. eccl. 5,20,4). Drexel lässt diesen adulescens als den persönlichen Schutzengel des Theodorus mit dem sprechenden Namen Theodorophylax (‚Beschützer des Theodorus‘) auftreten. Zu dieser Konstellation und dem entsprechenden Wort Jesu siehe Comm. ad 1653. Zu den wichtigsten katholischen Theologen, die sich zeitgenössisch mit Wesen und Wirken der Engel beschäftigt haben, zählt der aus Granada stammende Jesuit Francisco Suárez (1548–1617). In seinem erstmals 1620 erschienenen Traktat De angelis fasst er Engel als real existierende Wesen auf, die zwar über eine menschenähnliche, letztlich aber rein geistige Natur verfügen (vgl. bes. De angelis 1,5–6 und 8). Das sechste Buch seiner Abhandlung widmet er gänzlich den Schutzengeln und ihren Verpflichtungen gegenüber den Menschen. Dazu zählen erstens Gefahren von ihrem jeweiligen Schützling abzuwehren (pericula avertere), zweitens seine Seele zu einem tugendhaften Leben anzuspornen (animam excitare; vgl. Comm. ad 2003–2051), drittens Dämonen, die es auf ihn abgesehen haben, in Schach zu halten (daemones coercere), viertens Bitten an Gott zu übermitteln (orationes Deo praesentare), fünftens bei Gott für die Menschen zu bitten (pro nobis orare) und sechstens ihren Schützling gegebenenfalls zu bestrafen (custoditum punire; vgl. Comm. zu Einleitung zu V,5) (vgl. De angelis 6,19). Gegenüber Theodorus erfüllt Theodorophylax erstgenannte Aufgabe, die laut Suárez nicht nur darin besteht, tatsächliche körperliche Gefahren abzuwehren, sondern auch geistige Hindernisse für ein tugendhaftes christliches Leben (wozu im vorliegenden Fall die Herausforderung des christlichen Bekenntnisses des Theodorus durch die Folter zu zählen ist) aus dem Weg zu räumen: Atque ad eundem effectum [sc. ad pericula avertenda] spectat tollere impedimenta spiritualis profectus, quia non proficere in virtute, non parvum nocumentum est, hoc autem eisdem modis praecavent [sc. angeli tutelares]. De angelis 6,19,1. Drexel selbst zählt in seinem erstmals 1622 erschienenen Traktat Horologium Auxiliaris Tutelaris Angeli ebenfalls verschiedene Aufgaben der Schutzengel auf (vgl. Opera Omnia 1645a I, S. 463,1–466,1). Dazu gehöre u.a., dass sie ihren Schützlingen in allen Situationen des Lebens ihre Treue und ihren Schutz gewähren, selbst (wie in Theodorus’ Fall) unter der Folter: Suam nobis tutelam et fidem obligat. […] hoc ipsi curae et cordi ut nunquam non gaudeamus, etiam cum lacrymae fluunt oculis, cum luror et maeror in ore sedet, etiam inter tormenta. Opera Omnia 1645a I, S. 463,2. Vgl. Pierce 2017; Johnson 2006. 1893 tyrannum] Zum Tyrannen-Begriff bei den Jesuiten siehe Comm. ad 1511.
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1894–1895 Idola pereant … pro Dis colunt.] Diese freie Nachdichtung des Psalmverses 96,7 (Vulg. Nova: 97,7) entspricht inhaltlich dem, was die Nonnen um Publia in ihrem Gesang Kaiser Julian vorgeworfen haben (vgl. V. 1547–1552). 1897 ungulae] Siehe Comm. ad 1878–1882. 1898 Experiar an] Siehe Comm. ad 134. 1905 idololatrae] Siehe Comm. ad 1541. 1926–1929 Velim mihi … discerpite!] Mit den Worten Velim mihi istaec ore promittant suo geht Theodorus scheinbar bereitwillig auf Julians großzügiges Angebot ein. Dahinter steckt aber der Plan, Julian auszutricksen und ihn dazu zu bringen, selbst zuzugeben, dass es sich bei seinen Göttern nur um stumme Gegenstände handelt. Julian erkennt die Falle zunächst nicht und antwortet ehrlich und bedacht, dass seine Götter über keine Stimme verfügten (sine voce sunt, V. 1927). Aus diesem kurzen Frage-Antwort-Wechsel zieht Theodorus in einer Antilabe die logische Schlussfolgerung, dass es sich dann um keine Götter handeln könne (cur ergo trunco sacrificem? V. 1927). Julians plötzlicher Wutausbruch, der auf diese Entlarvung folgt, ist dadurch zu erklären, dass er für einen kurzen Moment selbst über das Ergebnis dieser Schlussfolgerung entsetzt ist. Daher gibt er seine zuvor selbst verkündete lenitas (V. 1898) und seine verbale Umstimmungsstrategie auf. Er reagiert umso zorniger und wilder. Diese enorme Aufgebrachtheit kommt in seinen Worten deutlich zum Ausdruck. V. 1928 erhält seine Ausdrucksstärke durch das asyndetische, homoioteleutische Trikolon tollite, rapite, mactate, an das der Superlativ sceleratissimum angeschlossen wird. Besondere Emphase wird durch die relativ hohe Zahl von kurzen Verselementen erzielt. Der folgende Vers lässt Julians Aufgebrachtheit noch weiter steigen, sogar so weit, dass er nicht mehr in der Lage ist, einen vollständigen Satz zu formulieren. Die anakoluthe Aussage tu talia in Deos? wird zusätzlich unterstrichen durch die Vehemenz der Alliteration, die die Dynamik im Vers unterstützt. Passend dazu gibt Julian nur noch zwei einzelne Worte von sich, von denen das eine die Ungeheuerlichkeit feststellt, dass dies von einem Jungen ausgeht (puer?), und das andere den Befehl gibt, dass Theodorus hingerichtet werden soll (discerpite). Zu trunco siehe Comm. ad 1223–1232. 1930–1937 Actum agimus Imperator … Patiare Caesar esse] Siehe Comm. ad 1876–1889. 1931 Galilaea gens cervicis est durissimae] Laut dem Anonymi de Physiognomonia liber (siehe Comm. ad 1790–1798) steht ein ‚steifer Nacken‘ für die Unbelehr-
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barkeit einer Person: cervix dura indocilem hominem ostendit (Physiog. Anon. Lat. S. 74,6). 1941–1945 Irrisionibus, Imperator … ridebimus nos affatim.] Sallustius’ Vorschlag, von der grausamen Härte gegenüber den Christen abzulassen, da dies allein dazu führe, dass sie sich Ruhm erwürben, und dazu überzugehen, sie mit Hohn und Spott bloßzustellen, ist ein Kunstgriff Drexels, um zur folgenden Szene überzuleiten. Dabei knüpft er geschickt an die in den Quellen überlieferte Haltung des Sallustius als Mahner an (Vgl. Comm. ad 1876–1889/1930–1937). 1942 multaveris] Zur Verwendung des Futur II anstelle eines Futur I siehe Comm. ad 97/99. 1943–1944 pridem rogarunt Caesari ∣ Iniurias queri suas.] Eine Verbindung von rogare mit Infinitiv ist im klassischen Latein nicht belegt. Nach Verben des Bittens und Forderns ist in der Vor- und Nachklassik, v.a. bei Dichtern, diese Kombination aber durchaus vorzufinden. Vgl. Maurach ²2006, S. 63; Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 681–682; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 256. 1945 Illi fleant, ridebibus nos affatim.] Die Antithese zwischen den klagenden Christen und dem spottenden Julian wird sprachlich durch die chiastische Satzstellung sowie durch die Juxtaposition der antithetischen Verben flere und ridere hervorgehoben.
IV,8 Julian ist in dieser Szene, die sich einer von Gregor von Nazianz (or. 4,97) und Sozomenos (hist. eccl. 5,17; vgl. Bar. AE IV,107E–108B) überlieferten Episode bedient, sehr darum bemüht, herauszustellen, dass die Christen selbst an ihrem Unglück Schuld seien. Indem sie sich nämlich zu Christus bekennen, müssten sie auch seine Gesetze achten. Die einzelnen Vorschriften, die Julian den Klagen der Christen gegenüberstellt, verkürzt er aber bewusst bzw. reißt sie aus dem Zusammenhang, um sie für seine Absicht, die Christen zu verlachen, zu gebrauchen. Die spottende Ablehnung einer jeden Verantwortung durch Julian wird dadurch besonders verdeutlicht, dass er in beinahe jeder Aussage Personal- und Possessivpronomina in der Zweiten Person Plural verwendet: Lex vestra (V. 1947, 1952, 1954, 1966), vestrum est (V. 1948), vos (V. 1957, 1959, 1964), vestras leges (V. 1968). Der Höhepunkt dieser Argumentation bildet seine Aussage ita Galilaeus vos docet ∣ Vester (V. 1964–1965), dessen Bedeutung nicht nur die Wiederholung vos–vester, son-
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dern auch das Enjambement, durch das vester nochmals explizit hervorgehoben wird, erzeugt. Zur hybriden Form der Didaxe in dieser Szene siehe S. 79–80. 1946–1947 Omnes: Salve Imperator. Iul.: quid, salus? piaculum: ∣ Lex vestra neminem salutandum imperat.] Das Gebot des Johannes (II Io 7–11), Christen dürften weder Irrlehrer in ihrem Haus aufnehmen noch diese grüßen (Si quis venit ad vos et hanc doctrinam non adfert, nolite recipere eum in domum nec have ei dixeritis. Qui enim dicit illi have communicat operibus illius malignis), wird von Julian bewusst verkürzt wiedergegeben und aus dem Zusammenhang gerissen, um dieses Gesetz als vollkommen absurd darzustellen. 1964 Galilǣus] Zur Metrik siehe Comm. ad 531. 1967 iuvare vel inimicos imperat] Der AcI in Abhängigkeit von imperare, in Anlehnung an die entsprechende Konstruktion bei iubere, ist vorwiegend im vorund nachklassischen Latein (vgl. Cato agr. 141,1), vereinzelt auch bei Cicero (z.B. Verr. 2,5,88) und Caesar (vgl. civ. 3,42,2, Gall. 7,60,3 und 8,27,4) verbreitet, noch häufiger bei Dichtern (vgl. Verg. Aen. 3,465, 7,168–169 und 11,59–60; Ov. fast. 6,686, met. 8,460–461 und 14,829–831). Vgl. Stotz 2002–2004 IV, S. 396 § 104.7; Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 715–716; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 356; Prinz, Otto 1937: Art. ‚impero‘. In: ThLL VII,1,582,68–590,17, hier Sp. 585,54–76. 1969 somniorum somnia] Der ‚Genitiv der Steigerung‘ ist besonders in christlichen Texten häufig zu finden. Die Formulierung in saecula saeculorum ist ein fester Teil der lateinischen Liturgie. Christus erscheint in der Offenbarung des Johannes als König der Könige und Herr der Herren (rex regum et Dominus dominantium, Apc 19,16), servus servorum Dei wurde zu einem der offiziellen Titel des Papstes. Vgl. Stotz 2002–2004 IV, S. 270–272 § 26.1. 1973 Dente lacessabo non cachinno has viperas.] Julian knüpft hier an einen Gedankengang des Horaz an (epist. 2,1,147–151). In einem Brief an Augustus beschreibt der Dichter, wie sich die szenischen Darbietungen der Fescenniae, die zwar schon immer voll von groben Vorwürfen von Bauern unter sich, aber dennoch immer heiter und fröhlich waren, im Laufe der Zeit zu einem rohen und wilden Ereignis entwickelten. Grund dafür sei die Freizügigkeit gewesen, die die Beteiligten Jahr für Jahr mehr ausnützten. Letztlich habe sich der saevos/-us iocus zu offener Raserei entwickelt und suche ungestraft auch ehrenhafte Familien heim. Die Opfer würden „durch einen blutigen Zahn“ (dente cruento) gereizt und litten darunter. Drexel verwendet ähnliches Vokabular für Julian: Auch hier verwandelt sich der anfängliche Scherz (cachinnus), den Julian mit den Christen treibt, in rasende Wut, die ihre Opfer mit „ihrem Zahn“ (dente) verletzt.
Fünfter Akt V,1 Die erste Szene des fünften Aktes ist in drei große Teile zu untergliedern. Der erste (V. 1974–1984) weist auf den ersten Blick große Parallelen zur Eröffnungsszene des Dramas auf. Hier wie dort (vgl. V. 97–104) zieht Julian zur Veranschaulichung geographische Extreme heran. Die Aussageabsichten der beiden Abschnitte stehen sich jedoch diametral gegenüber. Während Julian zu Beginn des Dramas mit dieser Illustration noch zum Ausdruck bringt, dass er alle Mühen der Erde in Kauf nehmen würde, solange er sich nur der (friedlichen) Muße widmen könne, entlarven zu Beginn des fünften Aktes dieselben sprachlichen Mittel seinen Größenwahn. An einem Krieg gegen das Perserreich könne ihn nicht einmal ein Bündnis aller Völker der Erde hindern. In diesen beiden Brennpunkten wird gebündelt deutlich, wie sich Julian im Laufe des Dramas vom vorbildlichen Philosophen zum hybrisbehafteten und kriegslüsternen Tyrannen entwickelt hat. Der zweite Teil der Szene (V. 1985–1998) behandelt Julians Kriegsvorbereitungen für den anstehenden Perserfeldzug. Siehe hierzu: Mosig-Walburg 2009, S. 283–304; Demandt ²2007, S. 131–133; Rosen 2006, S. 345–366; Bringmann 2004, S. 169–186; Bowersock 1978, S. 106–119; Wirth 1978. Im letzten und längsten Teil (V. 1999–2051) liefern sich Julian und sein Schutzengel Julianophylax ein Streitgespräch, das grob dem Schema einer Dominanutrix-Szene (vgl. S. 153–157) entspricht. Zur Bedeutung dieses Gesprächs im Hinblick auf die Rolle der menschlichen Willensfreiheit im Iulianus siehe S. 90. 1974–1984 In Persidem … superi, inferi, medioxumi.] Die inhaltliche Aussage in Julians Worten, dass er sich als einzelner gegen die gesamte Welt durchsetzen werde, veranschaulicht auch die sprachlich-stilistische Ausgestaltung. Das fünffach wiederholte Indefinitpronomen quicquid (davon einmal in der Variante quidlibet) steht zusammen mit dem Kollektivum cuncta dem singularischen, auf Julian bezogenen und wiederholten (mihi) uni sowie dem Possessivpronomen meum [sit vulnus] antithetisch gegenüber. Die verschiedenen Adynata illustrieren sprachlich ebenfalls den Größenwahn des Kaisers (siehe dazu detailliert Comm. ad 1981–1983). Der Übereifer in der Anrede der Götter, wie er in den Worten Favete Di superi, inferi, medioxumi zum Ausdruck kommt (siehe dazu Comm. ad 1984), bildet den krönenden Abschluss dieser grenzenlosen, sich immer weiter auftürmenden Selbstüberschätzung. Etwas später taucht dieses Motiv erneut auf, wenn Julian den Auftrag erteilt, alle möglichen Orakel der römischen Welt aufsuchen zu lassen. Die in einer Alliteration aneinandergereihten Orakelstätten Delphi, Dehttps://doi.org/10.1515/9783110593730-019
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los und Dodona (Delphos, Delum ac Dodonem, V. 1990) werden mit einer emphatischen Abschlussformel verbunden (et si quae caetera ∣ Oraculorum notae sunt sedes, V. 1990–1991), wie man sie sonst bei Götteranrufungen findet, um vor dem Hintergrund der penibel zu beachtenden religiösen Vorschriften im römischen Kult sicherzugehen, dass kein möglicherweise zuständiger Gott aus Versehen in der Anrufung ausgelassen wurde (siehe dazu Comm. ad 970–974). 1975 Et ferro subiugare orientis barbaros] Hier und an drei weiteren Stellen im Drama (V. 2146–2147, 2154 und 2157) lokalisierte Drexel das Perserreich fälschlicherweise ‚im Westen‘. Diese geographische Unstimmigkeit ist auf eine unhinterfragte Übernahme seiner Quelle Baronio zurückzuführen. Dieser griff im Abschnitt über den Mönch Publius (AE IV,130B) auf die Vitae patrum (6,2,12 PL 73,1003) zurück. Bei Baronio heißt es: Cum ascenderet Iulianus in Perside, ab eo missus est daemon, ut velocius vadens in Occidentem, inde responsum aliquod de rebus, quae illis agerentur in locis, afferret. [Als Julian nach Persien zog, wurde von ihm ein Dämon ausgesandt, damit dieser eilig in den Westen reise und von dort einen Bericht über die Vorgänge übermittle [sc. in den Osten zu Julian], die sich dort [sc. im Westen] abspielten.]
Drexel beachtete nicht, dass die in seiner Vorlage vorgefundene geographische Angabe für seinen Kontext nicht zutreffend war, da sich ‚sein‘ Julian zu diesem Zeitpunkt im Drama noch nicht in Persien befindet. In den Vitae patrum bzw. bei Baronio fungiert der Dämon als Bote, der Julian über Dinge in seinem Rücken, im Römischen Reich, informieren soll, bei Drexel als Späher im Vorfeld des Feldzuges. An späterer Stelle wird außerdem unmissverständlich deutlich, dass der Dämon eindeutig (vom Westen in den Osten) ins Perserreich gesandt wird (vgl. necdum nuntius ∣ In Persidem missus redijt, V. 2321–2322; quid renuntias ex Perside? V. 2357). 1976–1979 Quicquid renascens … quicquid perit.] Mit diesen Worten klagt Kaiser Konstantin in Stefonios Crispus das Schicksal an (siehe Similienapparat): Um ihm zu schaden, hätte es doch auch jeden beliebig anderen Teil der Erde treffen können, nur nicht seinen geliebten Sohn Crispus. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5. Zur übertriebenen Häufung der Indefinitpronomina quicquid bzw. quidlibet siehe Einleitung zu Comm. ad V,1. 1980–1983 licet ∣ … etiamsi … etsi …] Im Manuskript ist statt etiamsi und etsi an dieser Stelle zweimal non si zu lesen. Vereinzelt kann das lateinische si ähnlich wie das griechische εἰ durchaus eine konzessive Bedeutung annehmen. Bei den sehr wenigen lateinischen Beispielen für die Verwendung des konzessiven si zusammen mit einer Verneinung, lässt sich jedoch beobachten, dass diese Kom-
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bination nur dann möglich ist, wenn der übergeordnete Satz ebenfalls eine Negation aufweist, z.B.: Iniusso tuo, […] imperator, extra ordinem numquam pugnaverim, non si certam victoriam videam. Liv. 7,10,2. [Ohne deinen Befehl […], mein Feldherr, könnte ich niemals außerhalb der Schlachtreihe kämpfen, auch dann nicht, wenn ich den sicheren Sieg erblicken möge.] Vgl. Lucr. 6,1075; Catull. 48,5, 69,3, 70,2 und 88,8; Hor. carm. 2,14,5; Verg. georg. 2,43; Liv. 5,51,1; Tac. ann. 13,57,3. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang eine Stelle bei Properz, der wie im vorliegenden Fall licet mit doppeltem non si verbindet: nulla est fuga: tu licet usque ∣ ad Tanain fugias, […]. ∣ non si Pegaseo vecteris in aere dorso, ∣ nec tibi si Persei moverit ala pedes. Prop. 2,30,1–4. [Es gibt kein Entrinnen: Wolltest du auch bis zum Tanais fliehen, […]. Selbst wenn du auf dem Rücken des Pegasus durch die Lüfte reitest oder die Flügel des Perseus dir die Füße anheben. Übersetzung: Mojsisch u.a. 2010.] Auch hier geht der konzessiven Aufzählung allerdings eine Verneinung voran. Dieser Befund legt es nahe, dass ein durch si non eingeleiteter konzessiver Nebensatz im Lateinischen nicht mit einem Hauptsatz mit nicht negiertem Verb verbunden werden kann. Eine mögliche Heilung dieser sprachlichen Inkorrektheit wäre durch die Verwendung der Konjunktionen etiamsi bzw. etsi möglich. Der Fehler in Drexels Manuskript ist auf die Übernahme dieser Passage aus Stefonios Crispus zurückzuführen (siehe Similienapparat). Dort verkündet Konstantin mit den identischen Worten, dass er bei einem solch vorbildlichen und ergebenen Feldherren, wie es sein Sohn Crispus sei, vor keinem Feind der Welt in Furcht gerate, auch wenn sich alle Enden der Welt gegen ihn verbündeten. Aber auch dort geht dem doppelten non si mit nunquam verebor (II,479) ein negierter Hauptsatz voran. Im Iulianus legen die Nähe zum vorangehenden licet und Julians Hybris, die hier im Kontrast zur Eröffnungsszene des Dramas zum Ausdruck gebracht werden soll, ebenfalls eine durchgehend konzessive Verwendung nahe. Die Formulierung einer Einschränkung (‚Ich werde die Perser angreifen, aber nicht im Falle, dass sie …‘) würde dem Kontext massiv widersprechen. Somit ist die beschriebene Emendation zu etiamsi und etsi nicht nur aus grammatikalischen, sondern auch aus inhaltlich-logischen Gründen vorzunehmen. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 II, S. 426–427; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 671–672. 1981–1983 etiamsi Gadibus ∣ Iungant remotis Memnonis reges opes ∣ Etsi Cheruscos alteros Memphis trahat.] Julians unermessliche Hybris wird hier mit verschiedenen sprachlich-stilistischen Mitteln illustriert. Sie wird anhand von Völkern, Städten und mythischen Herrschern, die die jeweiligen Grenzen der antiken Welt symbolisieren und deren Zusammenschluss ihn nicht von seinem Sieg im Perserkrieg abbringen könnten, verdeutlicht. Drexel erweitert das kurze Ady-
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naton von Horaz si Lybiam remotis Gadibus iungas (carm. 2,2,10–11), das bereits in V. 205 Verwendung fand (siehe dazu ausführlich S. 129–130), indem er die geographischen Extreme einzeln benennt und gegenüberstellt. Gades, das heutig Cádiz, steht metonymisch für das westliche Ende der Welt, die „Könige Memnons“ für das östliche. Zu Letzterem sind einige Bemerkungen notwendig: Laut dem heute weitgehend verlorenen antiken Epos Aithiopis tritt der mythische König der Aithiopier Memnon nach dem Tod der Penthesilea dem trojanischen Krieg auf Seiten seines Onkels Priamos bei. Nachdem er Antilochos, den Sohn Nestors und Gefährten des Achilleus, getötet hat, fällt er im Zweikampf mit Letztgenanntem. Seine Mutter Eos, die Göttin der Morgenröte, entrückt den Toten vom Schlachtfeld und erreicht bei Zeus Unsterblichkeit für ihren Sohn. Die Lokalisierung der Herkunft des mythischen Aithiopenkönigs Memnon ist jedoch nicht eindeutig. Bereits in der Antike lagen unterschiedliche Versionen vor. Bei Homer bewohnen die Aithiopier das äußerste Ende der Welt, nahe des Okeanos (Il. 1,423–424, Od. 1,22–24). Herodot bezeichnet die Aithiopier im Heer des Xerxes als die Nachbarn der Inder (7,70). Laut Aischylos (frg. 405; vgl. Strab. geogr. 15,3,2) stamme Memnon aus Susa, der Hauptstadt des Perserreiches, die sogar sein Vater Tithonos gegründet haben soll. Auch Herodot nennt die Stadt mehrmals ‚Memnonstadt‘ (5,53 und 54,2 sowie 7,151). Die Abstammung von Eos spricht ebenfalls für die Assoziation Memnons mit dem Osten, womit er auch von lateinischen Autoren nicht selten in Verbindung gebracht wird (vgl. Verg. Aen. 1,489; Prop. 1,6,4). Besonders erwähnenswert ist die Nähe zwischen der vorliegenden Beschreibung und einer Stelle bei Lucan, wo auch von den Königreichen Memnons die Rede ist, was metonymisch für die Reiche des Ostens aufzufassen ist (Non, cum Memnoniis deducens agmina regnis …, Lucan. 3,284–288). Von anderen Autoren (Vgl. Diod. 2,22; Strab. geogr. 17,1,42 und 46; Plin. nat. 6,182; Paus. 10,31,5–7) wird die Herrschaft Memnons nach Afrika lokalisiert, nicht zuletzt weil man versuchte, eine aitiologische Erklärung für das dortige Gebiet (Aitiopien) zu finden. Vgl. Janda 2006; Griffith 1998; Kossatz-Deissmann 1992; Snowden Jr. 1981; Pley 1931; Holland 1894–1897; Conti 1584, S. 560–564; Giraldi 1560, S. 252. Auch wenn die Suche nach der Herkunft Memnons umstritten ist, sollte hinsichtlich der Verwendung an dieser Stelle des Dramas der erstgenannten Auffassung gefolgt werden. Nur auf diese Weise werden die übrigen drei Himmelsrichtungen komplementiert. Die Konstrastierung von Norden und Süden erfolgt in derselben Weise, wobei Drexel dem germanischen Volk der Cherusker die ägyptische Stadt Memphis entgegengestellt. Um Julians Aussage, gegen alle Gegner und Widerstände sein Ziel erreichen zu wollen, zu intensivieren, nennt er von den zahlreichen germanischen Völkern Nordeuropas nicht ein beliebiges, sondern wohl bewusst das der Cherusker, um auf die berühmte ‚Varusniederlage‘ des Jahres 9 n.Chr. anzuspie-
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len. Die Niederlage des Statthalters von Germanien, P. Quinctillius Varus, in der Schlacht gegen den Cheruskerfürsten Arminius gehört neben der Schlacht an der Allia (390 v.Chr.) und der Schlacht von Cannae (216 v.Chr.) zu den militärischen Katastrophen, die sich traumatisch in das kollektive Gedächtnis der Römer eingebrannt haben. Der sogenannten ‚Schlacht im Teutoburger Wald‘ fielen drei römische Legionen samt Hilfstruppen zum Opfer. Somit wird durch den Begriff Cherusci alteri nicht nur der geographische Aspekt abgedeckt, sondern es wird außerdem zum Ausdruck gebracht, dass auch nicht einmal ein Bündnis mit einem zweiten Heer der Cherusker, demjenigen Volksstamm, der selbst dem großen und vergöttlichten Augustus eine schmerzliche Niederlage beigebracht hat (vgl. Suet. Aug. 23), den Erfolg seines Perserfeldzuges in Frage stellen werde. Als südliche Begrenzung dieser Darstellung wählt Drexel Memphis, eine ägyptische Stadt am Westufer des Nils, die zwar weder den südlichsten Punkt Ägyptens noch der antiken Welt markiert, aber Pars pro toto für ganz Ägypten steht. 1984 Di superi, inferi, medioxumi] Eine fast wörtliche Entsprechung findet Julians Ausspruch in der Cistellaria des Plautus. Hier ruft der jugendliche Alcesimarchus in einem Gebet die Götter nicht nur wie gewöhnlich als superi atque inferi an, sondern erweitert diese Anrede in seinem unbeholfenen Übereifer zu einem Trikolon: superi atque inferi et medioxumi (Cist. 512; vgl. Liv. 1,32,9). Mit den di medioxumi sind diejenigen Götter angesprochen, die zwischen dem Himmel und der Unterwelt leben und wirken. Walter Stockert (2012, S. 205) mutmaßt sogar, dass auf diesem „plautinische[n] Scherz“ die später von Apuleius geschilderte Götterhierarchie beruhe. Laut Apuleius (Plat. 1,11) sind nämlich die di medioxumi Götter, deren Macht zwischen den himmlischen Göttern und den Menschen liege. Servius definiert sie als Meeresgottheiten (Serv. Aen. 3,134), Martianus Capella als Dämonen (Mart. Kap. 2,154). Vgl. Moore 2004, bes. S. 57–62; siehe auch Comm. ad 970–974. 1986–1989 Certos quam primum … bellum in Persidem] Zu den Orakeln im Vorfeld von Julians Perserfeldzug und deren Beurteilung in den Quellen siehe Comm. ad 2104. 1990–1991 Delphos, Delum ac Dodonem … notae sunt sedes, petant.] Zur Stilistik dieser Verse siehe Comm. ad 1974–1984. Warum die Hand D die Ortsangabe Delphos tilgte, ist nicht ganz klar. Inhaltlich spricht an dieser Stelle nichts gegen eine Nennung des Apollo-Orakels von Delpi. Möglicherweise spielten metrische Überlegungen eine Rolle. Der ursprüngliche Vers stellte einen Senar dar, den D vielleicht vermeiden wollte. Durch die Tilgung von Delphos wurde aus ihm jedoch lediglich ein Quinarius. In Anlehnung an die
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große Zahl an Senaren in dieser und den folgenden Szenen hat sich die Edition für die von D¹ ursprünglich verfasste Version entschieden. Bei den drei genannten Orten handelt es sich um bekannte Orakelstätten in der Antike. Das wichtigste überhaupt befand sich in Delphi, das älteste angeblich in Dodona. Für das im Vergleich unwichtigere Delos, den mythischen Geburtsort des Gottes Apollo, sind Orakelsprüche besonders für die archaische Zeit belegt. Bei Delphi und Delos handelte es sich um Heiligtümer des Gottes Apollo, sodass hier eine Verbindung zur ‚Orakel-Szene‘ IV,7 hergestellt wird. 1999–2003 Vae tibĭ Galilaee … in Deum?] In der julianfeindlichen Literatur bilden die angeblichen Drohungen, die er im Vorfeld seines Perserfeldzuges gegen die Christen für die Zeit nach seiner Rückkehr ausgesprochen haben soll, eine wichtige Rolle. Hieronymus (chron. a. Abr. 2379), Johannes Chrysostomos (Bab. 2,119–121) und Gregor von Nazianz (or. 5,9) behaupten, dass Julian den Plan gehabt habe, sämtliche Christen auszurotten. Laut Orosius (hist. 7,30,5) habe Julian nur zu diesem Zweck den Bau des Amphitheaters in Jerusalem veranlasst (vgl. Bar. AE IV,124B–C). Julians massive Drohgebärden, deren Höhepunkt das Enjambement Dijs ∣ Iuvantibus bildet, werden durch die mitten im Vers einsetzende Rede seines Schutzengels unterbrochen (V. 2003). Die Aufgebrachtheit und Fassungslosigkeit des Julianophylax schlägt sich auch in der Metrik nieder: Seine Worte erhalten durch vier reine jambische Versfüße und dreifache Verschleifung (tun’ haec mitgezählt) eine hohe Dynamik und Dramatik. Zur emphatischen Wirkung der Epanalepse Vae tibi, Galilaee, vae tibi siehe Comm. ad 963–964. 2000–2001 favor ∣ Sperare Numinum iubet] Siehe Comm. ad 905–906. 2003–2051 Iul.lax : tun’ haec ore impio in Deum? … Iul.: Tamen necdum tibĭ refragari desinam.] In seinem Traktat De angelis (vgl. Comm. ad 1893) nennt Francisco Suárez in seiner Aufzählung der Pflichten eines Schutzengels gegenüber seinem Schützling an ersten Stelle die Abwehr von körperlichen sowie seelischen Gefahren. Dies vollziehe er entweder direkt, ohne dass sein Schützling etwas davon bemerke, oder indem er ihn dazu veranlasst, über sein Verhalten und Handeln nachzudenken, um ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, selbst einem drohenden Übel zu entgehen: primum beneficium est, avertere pericula, tam corporis, quam animae, quod Angeli faciunt, interdum avertendo ipsa obiecta, vel agentia extrinseca nobis omnino ignorantibus,nihilque
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operantibus, aliquando vero id praestant immittendo cogitationem, per quam ita moveamur, ut imminentis mali occasionem evitemus. (De angelis 6,19,1)
Auf dieselbe Weise erfülle der Schutzengel seine zweite Aufgabe, die Seele des Schützlings dazu anzuspornen, Gutes zu tun und Böses zu meiden (Secundum munus angelicae custodiae est animam excitare, et movere tum ad operandum bonum, tum ad cavendum malum […]. Quod faciunt illuminando, et persuadendo modo supra tradito. De angelis 6,19,1). Diese beiden Aufgaben erfüllt Julianophylax an dieser Stelle gegenüber seinem Schützling Julian: Durch eindringliche Hinweise, Warnungen und Denkanstöße versucht er ihn vor seinem drohenden ewigen Verderben zu bewahren und zur Umkehr zu bewegen. In seinem Horologium (vgl. Comm. ad 1893), in dem Drexel u.a. ebenfalls die Pflichten der Schutzengel behandelt, führt er die vorliegende Begegnung zwischen Julian und seinem Schutzengel als Beispiel für die unerschöpfliche Geduld der Engel an, wobei er betont, dass sogar den verzweifeltsten Seelen überhaupt, ja sogar leibhaftigen Antichristen wie Julian ein geduldiger Mahner zur Seite stehe. Während der Mensch zwei oder drei Mahnungen für ausreichend halte, bevor er die Geduld verliere, spreche der Schutzengel hunderte, ja tausende Warnungen aus: Ejus tamen tolerantiae sunt Angeli, vel etiam in desperatissimos. Ipse quoque Antichristus suum habebit monitorem Angelum. Vidit quidem Iulianus Apostata suum a se Genium abire; sed hoc monendo illi factum, uti mater fugam simulat, ut infantis contumaciam frangat. Iulianus tamen ita monitus non resipuit; una et sanguinem, et blasphemiam, et execrandam animam ejecit. Nos, si quem officii bis terve moneamus, abunde monitum censemus, et cessamus: Angelorum ingenium longe a nostro divertit; Angeli et centies et millies monent. (Drex. Opera Omnia 1645a I, S. 473,2. Ganz ähnlich: I, S. 464,1)
Mit resipiscere und contumacia fallen in diesem Textauszug dieselben entscheidenden Stichworte wie in Julianophylax’ Warnungen: resipisce Iuliane dum vivo licet (V. 2005); Da finem Iuliane contumaciae (V. 2027). 2004 Parce Deus] Das Wort deus ist hier als Vokativ aufzufassen. Auch wenn es für die Substantive auf -us im Lateinischen eine gesonderte Vokativendung -e gibt, erscheint der Vokativ bei diesen teilweise trotzdem in der Nominativform. Regelmäßig ist dies bei deus der Fall. So findet sich der Vokativ deus auch in der Vulgata (Deus meus Deus meus ut quid dereliquisti me? Mt 27,46; vgl. Mc 15,34). Lediglich Tertullian (adv. Marc. 1,29,8; vgl. aber adv. Marc. 4,13,2, adv. Prax. 25,2) und Prudentius (ham. 931) benutzen die Form dee. Deus als Vokativ in Verbindung mit
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parce ist außerdem eine geläufige Wendung in der katholischen Liturgie. Vgl. Kühner/Stegmann 1914/1997 I, S. 255 und 447–448; Leumann/Hofmann/Szantyr 1965, S. 24. 2009 mecum ipse bellum solus exputem] Vor dem Hintergrund der katholischen Vorstellung von Engeln als real existierende Wesen (vgl. Comm. ad 1893) ist die Aussage mecum ipse weniger als ein Hinweis darauf zu sehen, dass Julian im Folgenden ein Gespräch mit seiner inneren Stimme führt. Die Formulierung bezieht sich vielmehr auf die spezifische Situation der Szene. Die erste Aussage des Julianophylax hält er noch für eine Sinnestäuschung (Adhuc meus pro Galilaeo oggannit animus, V. 2007). Julianophylax’ Erwiderung veranlasst ihn dann, der Sache näher auf den Grund zu gehen. Dazu möchte er jedoch ungestört sein. Seine Anmerkung, bei sich selbst (mecum ipse) über den anstehenden Feldzug nachdenken zu wollen, dient dabei als Vorwand, um den wahren Grund dafür, warum er allein sein möchte, zu verbergen. Mit Julians Aufforderung, er möge allein gelassen werden, verfolgt Drexel auch inszenatorische Gründe: Denn dadurch wird die gesamte Aufmerksamkeit der Zuschauer allein auf Julian und seinen Schutzengel und deren Auseinandersetzung gerichtet. 2015–2016 Iul.: Quis iste Deus, in furca quondam pendulus. ∣ Iul.lax : Sceleste! sic ex orco liberatus es.] Julian gibt hier den Zweifel an der Göttlichkeit eines Gekreuzigten wieder, den seine Philosophenfreunde ihm in I,10 (bes. V. 536–543) eingepflanzt haben. Im Gegensatz zu diesem früheren Zeitpunkt ergreift nun aber ein Befürworter Christi das Wort und widerlegt diese Ansicht, indem er darauf verweist, dass der Kreuzestod die Erlösung für die Menschheit bedeute. Zur Bezeichnung des Kreuzes als furca anstatt des gebräuchlichen crux oder stipes siehe Comm. ad 966. 2022–2023 Iul.: Haec orbis me duce colit. Iul.lax : orbem te duce ∣ Ad orcum rapiet ultrix ira Numinis.] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s (orbis me) siehe Comm. ad 383. Julianophylax’ Drohung erhält seine besondere Pointierung durch die Paronomasie orbem […] ∣ Ad orcum. 2024–2025 Iul.: Astris transcribar post fata. Iul.lax : inferis; nisi ∣ Deum colas unum. Iul.: plures colo Deos.] Seit Augustus wurde ein verstorbener (hier ausgedrückt durch post fata) Kaiser in der Regel nach einem formalen Senatsbeschluss durch seinen jeweiligen Nachfolger im Rahmen einer consecratio zum divus erklärt. Bereits Julius Caesar wurde nach seiner Ermordung und der feierlichen Verbrennung seines Leichnams auf dem Forum mit einem Kometen identifiziert, der zu den Ludi Victoriae Caesaris im Juli 44 v.Chr. erschien (vgl. astris tran-
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scribar im Drama), woraufhin seine consecratio erfolgte (vgl. Ov. met. 15,745–851; Suet. Iul. 88). Augustus bezeichnete sich seit 27 v.Chr. als Divi Filius. Für Christen bewies die postume Vergöttlichung von sterblichen Menschen die Absurdität der heidnischen Gottesvorstellung (vgl. Comm. ad 1223–1231). Letztlich brach Konstantin mit dieser Tradition, jedoch in seiner ganz eigenen Art und Weise, indem er sich selbst als ἰσόχριστος, ‚christusgleich‘, stilisierte (vgl. Rebenich 2007; siehe auch Comm. ad 1719–1723). Vgl. Bendlin 2002; Clauss 1999, S. 356–368; Frateantonio 1997; Kierdorf 1986. Somit greift Julian in seiner maßlosen Selbstüberschätzung erneut auf ein typisch heidnisches Element zurück, um seine Distanz zum Christentum auszudrücken (vgl. Comm. ad 966 und 990). Julianophylax jedoch hindert den Kaiser daran, dass dieser seinen ‚heidnischen‘ Gedanken ganz ausspricht. Durch Einsatz einer Synaloephe über den Sprecherwechsel hinweg (post fat[a] − In feris) ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ unterbricht er Julians Aussage abrupt. Ebenso plötzlich verkehrt er den Gedanken seines Schützlings mit nur einem einzigen Wort ins Gegenteil, indem er das Dativobjekt inferis an die vorangehende Syntax elliptisch anschließt und dem Substantiv astris antithetisch gegenüberstellt. Julianophylax spricht am Ende dieses Verses mit nisi und dem durch Enjambement davon getrennten und somit betonten Deum colas unum aber auch die einzige Möglichkeit an, durch die sich Julian noch retten könne, nämlich indem er sich wieder zum einen Gott bekenne. Julians Erwiderung auf diese Möglichkeit könnte in ihrer Ablehnung nicht deutlicher sein: Die chiastisch gestellte Entgegnung beinhaltet nicht nur den Gegensatz deum–deos, sondern auch die Antithese unum [deum]–plures [deos]. Sowohl die Aufforderung des Julianophylax als auch Julians Widerspruch werden metrisch hervorgehoben. Jedes einzelne Wort bildet für sich einen abgeschlossenen jambischen Versfuß und wird somit auch für sich betont (vgl. Comm. ad 1016–1018). Außerdem weisen die sich entsprechenden einzelnen Gegensatzpaare dieselbe ¯s u ˘la ˘lo ¯ De˘o ¯s. ¯m co ¯nu ¯m. Iul.: plu ¯re¯s co metrische Struktur auf: Iul.lax : De˘u 2028 Deum reliquisti, redi ad Deum] An dieser Stelle liegt eine ganz ähnlich abbildende Wortstellung wie in V. 597 (Christum exuisti et induisti daemonem) vor. Vgl. Comm. ad 597 und S. 89. 2034–2035 Persisto, Persis victis Galilaeos novis ∣ Adoriar machinis] Erneut erfährt eine Drohung eine markante Pointierung durch eine Verbindung von etymologisch nicht verwandten, aber klanglich ähnlichen Wörtern: Persisto–Persis (vgl. Comm. ad 2022–2023). Besondere Vehemenz erhält diese Paronomasie dadurch, dass nicht nur eine lautliche Ähnlichkeit, sondern sogar eine weitgehende Deckungsgleichheit (Persis-to / Persis) vorliegt.
658 | Fünfter Akt 2038–2039 Ego ille sum qui te monebam iugiter, ∣ Tu me monentem negligebas iugiter. ∣ Et nunc etiam monere te non desino, ∣ … Nec desinam monere te] Die unablässige Sorge des Julianophylax sowie Julians gleichzeitiger, ebenso nicht zu brechender Widerstand werden durch die relative Parallelität der ersten beiden Verse, das durative Imperfekt (monebam–negligebas), die Epipher iugiter sowie die Tempora der Verben, die vom Imperfekt (monebam/negligebas) über das Präsens (non desino) bis zum Futur (nec desinam) reichen, unterstrichen. Gleichzeitig wird die Frontstellung zwischen beiden durch die Antithesen ego–tu und monebam–negligebas veranschaulicht. Schon in den beiden Versen zuvor wurde diese durch die Possessivpronomina sed tuo und non mea am jeweiligen Versende betont. Die Wendung ego ille sum qui ist ein emphatisches Selbstbekenntnis, das sich in der augusteischen Dichtung häufig findet. Insbesondere Ovid bedient sich dessen einige Male in seinen Epistulae ex Ponto (Pont. 1,2,33–34, 129, 131, 136; besonders gehäuft in Pont. 4,3,11–17; vgl. auch Prop. 4,9,38, Tib. 1,6,31 und Stat. silv. 5,5,38–40). Glaubt man Servius, hat Vergils Aeneis ursprünglich (d.h. vor der angeblichen Überarbeitung durch Tucca und Varius) sogar mit dem Selbstbekenntnis seines Autors Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena ∣ carmen, et egressus silvis vicina coegi ∣ ut quamvis avido parerent arva colono, ∣ gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis ∣ arma [virumque cano] begonnen (Serv. Aen. 1,1, ähnlich in der Vita Vergilii Suetons bzw. des Aelius Donatus: Don. Vita Verg. l. 160–169; vgl. die Edition von F.A. Hirtzel 1956: P. Vergili Maronis Opera, Oxford). Zur Echtheit dieser mit Ille ego qui quondam … eingeleiteten vier Verse siehe: Maleuvre 2003; Austin 1971, S. 25–27. 2050–2051 Iul.lax : tamen necdum monere desinam. ∣ Iul.: Tamen necdum tibĭ refragari desinam.] Ähnlich wie in den V. 2038–2039 bilden diese beiden parallel konstruierten Verse die festgefahrene Situation zwischen Julian und seinem Schutzengel anschaulich ab. Dadurch wird erneut akzentuiert, dass sich Julian von seinem eingeschlagenen Weg nicht abbringen lassen will. Nicht einmal sein persönlicher Schutzengel kann durch seine vorgebrachten Argumente etwas daran ändern, auch wenn er von seinem Auftrag, stets seine schützende Hand über seinen Schützling zu halten, (noch) nicht Abstand nehmen will.
V,2 Die Szene beginnt zunächst mit einer pathetischen Verfluchung der Christen durch Libanius (vgl. Comm. ad 2057–2061). Als er zufällig auf den Christen Quirinus trifft, will er mit diesem genauso verfahren wie Julian mit der Gruppe Christen
Zweite Szene
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zuvor (IV,8). Er will sie zum besten haben und spricht Quirinus deshalb auf die niedere Herkunft seines Gottes an. Das folgende Gespräch zwischen beiden besitzt aufgrund vereinzelter Wortspiele (vgl. quid fabricat nunc filius ∣ Fabri, V. 2066–2067, vgl. Comm. ad locum; Lib.: mori ∣ Vos ille docebit si redierit. Quir.: si redierit V. 2073–2074, vgl. Comm. ad locum) und typisch plautinischen Beschimpfungen (mastigia, V. 2068; Di te in crucem pessume agant, V. 2082; apage verbero, V. 2084) einen komischen Charakter. Auch diese Szene dient wie die vorangehende dazu, Julians Ende immer näher erscheinen zu lassen. Julianophylax versuchte bereits Julian klar zu machen, dass er bald umkommen werde, wenn er nicht wieder zu Gott zurückkehre. Der Scherz des Quirinus, der auf einer bei Theodoret zu findenden (hist. eccl. 3,23) und von Baronio übernommenen (Bar. AE IV,127C–D) Anekdote basiert, hinterlässt bei Libanius einen bleibenden Eindruck, auch wenn er die Ankündigung des Christen dadurch abtut, dass er ihn wild beschimpft und ihm droht. Sein abergläubisches Spucken auf den Boden am Ende verrät jedoch seine latente Angst und Unsicherheit. 2052 Quousque tandem] Die berühmten Anfangsworte der ersten Catilinaria Ciceros zu Beginn der Szene geben die Programmatik des folgenden Monologs des Libanius vor. Die intertextuelle Anspielung bewirkt, dass die Christen mit dem römischen Staatsfeind Catilina gleichgesetzt werden. Somit werden sie (aus der Sicht des Heiden Libanius) als eine Gruppe von verzweifelten Hasardeuren charakterisiert, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Staat dem Untergang zu weihen. Vgl. Comm. ad 553–554. 2056 Heroa] Bei heroa handelt es sich um die lateinische Umschrift des griechischen Akkusativs ἡρῶα. Daher ist das -ō- entgegen der Regel Vocalis ante vocalem brevis lang zu bemessen. Vgl. Comm. ad 531. 2057–2061 Cavete Christiani … sorbendi rictibus] Die Worte des Libanius, die in Julians Drohungen aus der vorangehenden Szene einstimmen, erhalten durch mehrere epische Elemente eine ernste Gewichtigkeit. Die mythologisch aufgeladene Wendung ad Acherontem abibitis gehört ebenso in diesen Bereich wie die zeugmatische Verbindung der personifizierten Substantive mare, ferrum (vgl. Verg. Aen. 2,600; Ov. met. 9,412) und flammae mit dem Verb haurire. Die an dieser Stelle etwas ungewöhnlich anmutende Kombination der oftmals gemeinsam genannten Elemente ferrum und flamma (vgl. Cic. Catil. 3,1, Sest. 90; Liv. 1,29,2 und 35,11,11; Verg. Aen. 2,600; Ov. met. 12,551) mit mare entstammt der ersten Satire von Horaz (ignis mare ferrum, ∣ nil obstet tibi, sat. 1,1,39–40). Bei Horaz stehen diese drei Elemente ganz allgemein für Hindernisse, die auf Reichtum versessene
660 | Fünfter Akt Menschen nicht aufhalten können. Zuletzt trägt auch die Enallage condemini ∣ Vivis in tumulis (anstatt condemini vivi in tumulis) zum epischen Ton dieser Passage bei. 2057 indē] In den Komödien des Plautus und Terenz kann inde vereinzelt mit zwei Längen bemessen werden. Vgl. Rehm, Bernhard 1941: Art. ‚inde‘. In: ThLL VII,1,1107,68–73. 2066–2067 quid fabricat nunc filius ∣ Fabri] Drexel übernimmt hier das von Baronio (AE IV,127D = Theod. hist. eccl. 3,23) verwendete etymologische Wortspiel aus fabricare und faber: Nam huius, inquit [sc. vir quidam ad Libanium], universitatis opifex Deus, quem tu per risum fabri filium nominas, Iuliano loculum fabricatur. [Denn Gott, der Schöpfer von allem,“ sagte dieser [sc. ein unbekannter Mann zu Libanius], „den du abfällig als Zimmermannssohn bezeichnest, zimmert für Julian einen Sarg.“] Vgl. V. 2080: a fabro fabricari. 2067 Loculum] Drexel übernimmt hier den von Baronio verwendeten Begriff loculus. Bei Theodoret, Baronios Vorlage für diese Episode, findet sich an dieser Stelle das griechische γλωσσόκομον. Dieses bezeichnet ursprünglich ein Kästchen zur Aufbewahrung eines Flötenmundstücks. Es kann aber auch für größere Behälter und Kisten, worunter u.a. Särge bzw. Sarkophage zu zählen sind, stehen. 2068 Tun’ argutari mastigia?] Die Verwendung des Infinitivs anstelle einer finiten Verbform unterstreicht sprachlich das Entsetzen, das die Aussage des Quirinus bei Libanius hervorruft. Zum Schimpfwort mastigia und dem Zitat cave rem malam aus Plautus (Asin. 43) siehe Comm. ad 2082–2084. 2073–2074 Lib.: mori ∣ Vos ille docebit si redierit. Quir.: si redierit.] Drexel spielt an dieser Stelle mit der Ambiguität der Verbform redierit. Die rein zeitliche (reale) Aussage des Libanius im Futur II stellt Quirinus dadurch in Frage, dass er durch die wörtliche Wiederholung die Bedingung an sich betont. Eine weitere Färbung erhält die Entgegnung insofern, als redierit von Quirinus auch als Konjunktiv Perfekt verwendet sein kann. Somit bringt er zum Ausdruck, dass Julians Rückkehr nicht unbedingt als reales zukünftiges Ereignis feststeht, sondern genauso gut nur möglicherweise, potential, stattfinden könnte. Entsprechend reagiert Libanius daraufhin mit der elliptischen Nachfrage, ob er damit sagen wolle, dass Julian in der Schlacht den Tod finden könnte (Ain’ periturum? V. 2075). 2082–2084 Di te in crucem pessume agant; … apage verbero] Die Verfluchung Di te in crucem agant sowie die beiden Beschimpfungen pessume und verbero sind typische Elemente der plautinischen Komödie (vgl. z.B. Poen. 347, Rud. 885 bzw.
Dritte Szene |
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Men. 488, Most. 897, Pseud. 1285 bzw. Amph. 284, Capt. 551). Dasselbe gilt für das zuvor verwendete Zitat aus der Asinaria (cave rem malam, Asin. 43) und das Schimpfwort mastigia (vgl. Amph. 1034a, Poen. 381). Vgl. Opelt 1965, S. 60–69.
V,3 Der erste Teil der Szene (V. 2092–2126) lässt Julian ein letztes Mal in seiner übersteigerten Hybris erscheinen. Seine frevelhafte Selbstüberschätzung besteht dabei aus mehreren klimaktisch angeordneten Aufzählungen. Ein erster Höhepunkt wird in einer sich doppelt aufbauenden Klimax erreicht (V. 2099–2106): Sein Selbstbild steigert sich zunächst von einem allgemein gehaltenen Attribut beatus über seine kaiserliche Position (Caesar) hin zu Agamemnon, dem mythischen König von Mykene, der die griechischen Truppen vor Troja anführte. Die zweite Klimax schildert ihn zunächst als Herrscher über andere (fremde) Herrscher (dux tyrannus), dann als (römischen) Konsul (consul), König (rex) und letztlich sogar als Gott (deus). Aber auch bei dieser doppelt gesteigerten Hybris belässt er es nicht: Er fügt eine weitere hochmütige Aufzählung hinzu: Er sei der Günstling der Götter (ob hunc deum favorem), der Enkel von Caesaren, der Lenker des Erdkreises, eine Bezeichnung, die sonst im Drama für den Christengott Verwendung findet (V. 2203; vgl. V. 1264 und 1368), ein Nachkomme des mythischen Helden Hektors, Augustus Imperator und der Schrecken aller Feldherren. Im Folgenden (V. 2107–2126) wird innerhalb des fünften Aktes zum vierten Mal (nach V. 1999–2003, 2045–2048 sowie 2052–2061) mit pathetischen Worten angekündigt, dass die Christen nach dem siegreichen Perserfeldzug Tod und Vernichtung ereilen werden. An dieser Stelle befindet sich der Gipfel von Julians Bösartigkeit gegenüber den Christen und seiner übersteigerten Hybris. Bereits in der folgenden Szene gewinnt die Gegenhandlung innerhalb des Dramas die Überhand. Unaufhaltsam stürzt Julian von hier an seinem Ende entgegen. Der zweite Teil der Szene (V. 2127–2145) behandelt die Erhebung des Procopius, eines Verwandten Julians, zum Mitkaiser. Tatsächlich fungierte er während des Perserfeldzuges lediglich als comes (zum Usurpator Procopius siehe S. 422). Aufgrund der Tatsache, dass diese Episode keine Relevanz für das weitere Geschehen des Dramas aufweist (vgl. Comm. ad 2127–2145), wurde sie von der Hand d aus der Aufführung gestrichen. Der dritte und letzte Abschnitt der Szene (V. 2146–2161) bereitet mit der Aussendung des Erebophylax Szene V,6 vor, in der die wundersame Begegnung zwischen dem dämonischen Späher und dem Einsiedler Publius behandelt wird (vgl. Bar. AE IV,130B–D).
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2092–2098 Mox Imperator aderit. … procella caput.] Zu den Drohungen, die Julian für die Zeit nach seiner Rückkehr vom Perserfeldzug gegenüber den Christen ausspricht, siehe Comm. ad 1999–2003. 2099–2106 O me beatum … terror ducum] Eine weitere direkte Übernahme aus Stefonios Crispus (III,390–398): Nachdem der Sohn Konstantins, Konstantin II., mit Hilfe seiner Mutter Flavia die Intrige gegen seinen Halbbruder Crispus gesponnen hat, ist er sich sicher, dass ihm die Herrschaftsnachfolge zufallen werde, und kostet seinen Triumph mit überschwänglichen Worten aus. Ein Eunuch stimmt darin ein und fügt den Worten Konstantins noch weitere Lobeshymnen hinzu. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5. Nicht nur die Eigenbezeichnung als Agamemnon stellt eine Verbindung zum mythischen König von Mykene, der ebenso wie Julian der Hybris verfallen ist, dar. Im Prolog von Senecas gleichnamigen Drama wird Agamemnon mit ganz ähnlichen Substantiven bezeichnet (rex (regum) bzw. ductor (ductorum), Ag. 39). Weitere Parallelen finden sich im senecanischen Thyestes, wo sich Atreus mit ganz ähnlichen Worten rühmt (o me caelitum excelsissimum, ∣ regumque regem! Thy. 911–912) und in den Troades, wo Pyrrhus, der Sohn des Achilles, Agamemnon als aufgeblasenen regum tyranne bezeichnet (Tro. 303). 2104 ob hunc Deum favorem] Baronio verwendet viel Mühe darauf (AE IV,127E– 128A), mit Hilfe von Ammian und dem Kirchenvater Ambrosius zu beweisen, dass Julian im Vorfeld seines Perserfeldzuges von falschen Vorzeichen getäuscht worden sei bzw. diese falsch gedeutet habe. Denn in Wirklichkeit hätten sie seinen Tod angekündigt. Die hier nicht näher genannten Vorzeichen behandelt Baronio im Einzelnen: Auf seinem Marsch ins Perserreich soll Julian ein Pferd mit dem Namen Babylonius gebracht worden sein. Dieses wurde plötzlich von einer Kolik befallen und habe sich vor Schmerz am Boden gewälzt und dabei den kaiserlichen Ornat beschmutzt. Julian deutete dieses Ereignis in der Weise, dass Babylon all seines Schmuckes beraubt vor ihm zu Boden gesunken sei (Amm. 23,3,6). Ebenso soll er, als ihm seine Soldaten einen erlegten Löwen brachten, dies als Zeichen für seinen bevorstehenden Sieg gedeutet haben. Aber selbst Ammian weist darauf hin, dass solche Vorzeichen immer zweideutig seien: Es bedeute lediglich, dass sich der Tod eines Königs andeute, von welchem, sei ungewiss (Amm. 23,5,8–9). Zur angeblichen Göttergunst Julians siehe Comm. ad 905–906. 2104–2105 ego Caesarum ∣ Nepos] Siehe Comm. ad 284. 2105 Hectoreum genus] In Vergils Aeneis ist das Adjektiv Hectoreus gleichbedeutend mit Troianus (vgl. 1,273, 5,190 und 634). Der spätantike Vergilkommentator Servius (Aen. 1,273) weist in diesem Zusammenhang auf eine gewisse Unschärfe
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hin: Er betont, dass an der betreffenden Stelle zwar die gens Troiana gemeint sei, aber genaugenommen eigentlich von der gens Aeneia die Rede sein sollte. Hektor und Aeneas hätten in Tros zwar einen gemeinsamen Ururgroßvater und der Sohn des Aeneas, Ascanius/Iulus, sei ein Neffe Hektors (vgl. Verg. Aen. 12,440), eine direkte Abstammungslinie der Nachkommen des Aeneas über Hektor sei aber nicht gegeben. Dennoch ist es für Vergil wichtig, diese Verbindung zwischen Hektor und Aeneas und somit auch zwischen Hektor und den Nachfahren des Aeneas herauszustellen. Schon Servius erwähnt, dass man die Bezeichnung Hectoreus metonymisch für fortis (‚tapfer‘) lesen könne. Hektor verkörpert den Höhepunkt von Trojas Größe und Glanz. Nicht nur der Ruhm des Aeneas, der zwar auf seinen Irrfahrten und im anschließenden Kampf in Italien großartige und heldenhafte Taten vollbringt, aber letztlich dennoch ein ‚Flüchtling‘ ist, soll auf seine Nachkommen übertragen werden, sondern auch die Eigenschaften und die Aura des großen Hektors. Bei Silius Italicus ist dieser Gedankengang um einen Schritt weiterentwickelt: Hectoreus wird nicht mehr nur mit ‚trojanisch‘ bzw. ‚aeneisch‘ gleichsetzt, sondern es wird sogar anstatt der Bezeichnung Romanus gebraucht. Silius spricht von Regulus als der Hoffnung und Zuversicht des Geschlechtes Hektors (spes et fiducia gentis ∣ Regulus Hectoreae, Sil. 2,342–343). Vgl. Austin 1971, S. 105. Die Tatsache, dass Julian hier dezidiert darauf hinweist, dass er ein Nachkomme Hektors, des größten Kämpfers auf Seiten der Trojaner, sei, passt zur übrigen selbstherrlichen Eigendarstellung des Kaisers im fünften Akt. 2106 terror ducum] Siehe Comm. ad 2659–2660. 2107 Per stemma iuro hoc capitis, hoc sceptrum Imperi] Diesselbe Schwurformel verwendet Kaiser Konstantin in Bernardino Stefonios Crispus (siehe Similienapparat). In der Antike wird das Substantiv stemma zur Bezeichnung insbesondere von Kränzen verwendet, mit denen Ahnenbilder in römischen Häusern geschmückt wurden. Ausgehend davon steht stemma dann auch für den Stammbaum bzw. die Genealogie einer bestimmten Person (vgl. Sen. benef. 3,28,2; Plin. nat. 35,6–7), die als solche ebenfalls in römischen Häusern dargestellt sein konnten (vgl. Suet. Galba 2). Der christliche Dichter Prudentius benutzt das Substantiv synonym zu corona ‚(Märtyrer-)Krone‘ (vgl. perist. 1,4). Entsprechend wird stemma dann in folgenden Jahrhunderten zur Bezeichnung einer Herrscherkrone bzw. eines Herrscherdiadems verwendet. Vgl. Du Cange 1883–1887 VII, Sp. 594c s.v. stemma; Faber 1735 II, Sp. 801 s.v. stemma. Dass Drexel mit stemma im vorliegenden Zusammenhang Julians kaiserliches Herrscherdiadem meint, darauf deuten drei Aspekte hin: Erstens wurde im Drama bereits an mehreren früheren Stellen, insbesondere in der ‚Krönungsszene‘
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II,3, explizit verdeutlicht, dass Julian mit dem Diadem gekrönt wurde (vgl. V. 720, 745, 763). Zweitens erscheinen das kaiserliche Szepter (sceptrum) und Diadem an gleich zwei weiteren Stellen im Iulianus wie hier als Paar (vgl. V. 1291 und 2627). Drittens trug der (spätantike) römische Kaiser als Herrschaftsinsignien zwar verschiedene Kränze, das Diadem oder juwelengeschmückte Helme, niemals jedoch eine Krone (und dies dürfte Drexel und seinen Zeitgenossen ebenfalls bewusst gewesen sein, vgl. Faber 1735 I, Sp. 661 s.v. corona und Sp. 761 s.v. diadema). Die oftmals auf Münzen abgebildete Strahlenkrone wurde von den Kaisern nicht getragen. Die Herrscherkrone stammt dagegen ursprünglich aus dem Sassanidenreich und gelangte über das Byzantinische Reich zu den germanischen Königen (vgl. Demandt ²2007, S. 262–263; Kolb 2001, S. 78–79, 101 und 105). Drexel griff vermutlich aus metrischen Gründen auf das Substantiv stemma anstatt des von ihm sonst benutzten diadema zurück. Beim in V. 798 verwendeten stemmatis certum pudorem kann dagegen durchaus auch Julians Stammbaum gemeint sein, auf dem sich u.a. Konstantin der Große befindet, der sich um das Römische Reich und das Christentum überaus verdient gemacht hat. 2109 Galilaea monstra perdam usque ab radicibus] Diese konkrete Drohung durch Julian entspricht seiner theoretischen Erörterung zur Rolle von Milde und Grausamkeit in einer Herrschaft, wie sie am Ende von IV,4 zu finden ist. Speziell mit der adverbialen Bestimmung ab radicibus stellt er einen intratextuellen Bezug zu dieser Passage her. Denn dort war ebenfalls davon die Rede, dass ein Verbrechen immer bis zur tiefsten Wurzel ausgerottet werden müsse (perimatur ergo ab infimis radicibus, V. 1763). Erneut zeigt sich Julian hier somit als grausamer Gewaltherrscher im machiavellistischen Stil (siehe dazu Abschnitt 3.3.5). 2110 eliminabo devotum gregem] Das von Julian an dieser Stelle gebrauchte Adjektiv devotus besitzt eine ambivalente Bedeutung. Das ihm zugrundeliegende Verb devovere tritt v.a. in religiösen Zusammenhängen (‚geloben, weihen‘) und dabei häufig bei Flüchen und Verwünschungen (‚verfluchen, verdammen‘) auf. Insbesondere im christlichen Kontext erhält es allerdings insofern eine positive Konnotation, als devotus dann für ‚gottesfürchtig, fromm, demütig, gehorsam‘ steht. Vgl. Souter 1949, S. 100 s.v. devotus; Tafel, Sigmund 1912: Art. ‚devoveo‘. In: ThLL V,1,881,9–885,6. 2112–2117 Ego Iulianus, ego … sepeliam insepultis ossibus] Rhetorisch ähnlich grobschlächtig und übertrieben pathetisch wie zu Beginn des dritten Aktes (siehe Einleitung zu Comm. ad III,1) tritt Julian auch hier auf und bedient sich entsprechend wiederum in inflationärem Maße einer ganzen Reihe von einfachen
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Stilmitteln. Emphatisch mit einer sich selbst ins Zentrum stellenden Epanalepse beginnend, Ego Iulianus, ego (V. 2112; siehe dazu auch Comm. ad 963–964), nennt er unmittelbar das Objekt seines Hasses, nämlich die Christen, die durch die Bezeichnungen stirps execrabilis (V. 2112) und omnis haec anguium propago (V. 2113) verächtlich umschrieben werden. Mit letzterer entmenschlicht er erneut seine Feinde (vgl. Comm. ad 1693–1695). Illustriert wird seine maßlose Übertreibung dann im Folgenden durch eine asyndetische Aufzählung von Strafen für die Christen (aequore, ∣ Ferro, igne, bestijs, cruce, modis omnibus, V. 2113–2114; zur Verbindung aequor, ferrum und ignis siehe auch Comm. ad 2057–2061), an die sich wiederum eine ebenfalls asyndetische und hyperbolische Aufzählung von Verben anschließt, auf die sich die vorangegangenen instrumentalen Ablative beziehen (Perdam, secabo, uram, necabo, V. 2115; zum dramatisierenden Effekt von asyndetischen Aufzählungen siehe Comm. ad 2118–2122). Diese Aussage wird im folgenden Vers verallgemeinernd erneut aufgegriffen. Das auf formas necis bezogene Zahladjektiv trecentas, das hier wie an anderer Stelle sexcenti (V. 2542) für eine unbestimmte hohe Anzahl steht, übersteigert die vorangegangene Aufzählung von konkreten Todesarten um einen weiteren Grad. Den gewissermaßen krönenden Abschluss bildet die auf Sidonius Apollinaris zurückgehende Formulierung Camposque sepeliam insepultis ossibus (V. 2117; vgl. Sidon. epist. 3,2,1; ähnlich: Plin. nat. 2,159), die eine Reihe von rhetorischen Stilfiguren in sich vereint: Einerseits handelt es sich dabei um ein paradox scheinendes Wortspiel aus dem antithetischen Polyptoton sepeliam/insepultis. Andererseits wird der gewöhnliche Vorgang einer Bestattung verdreht und ad absurdum geführt. Nicht die Erde (campi) soll die Gebeine der Toten bedecken, sondern die menschlichen Überreste sollen umgekehrt die Erde überdecken bzw. diese bestatten. Diese hyperbolische Absurdität verdeutlicht Julians immer weiter fortschreitenden Wahnsinn. 2118–2122 Ut orsus es … insta, coge, crucia, neca] Priscus’ mahnende und aufstachelnde Worte gegenüber Julian sind nach dem Prinzip der ‚schwindenden Glieder‘ angeordnet. Auf die allgemeine Aufforderung Ut orsus es sic perge folgen zwei parallele Imperativkonstruktionen. Bereits hier ist eine Verkürzung festzustellen: Aus einem von cave abhängigen Finalsatz, der durch einen Relativsatz erweitert wird, vereinfacht sich die Konstruktion zu einem Imperativ mit einem direkten und indirekten Objekt (nega aurem fata deprecantibus). Ein weiterer ‚syntaktischer Schwund‘ liegt in den chiastisch aneinandergereihten Aufforderungen suspiria refuta: repelle lacrymas vor. Zuletzt stehen die vier Imperative insta, coge, crucia und neca isoliert und absolut. Solche stakkatoartigen Aufzählungen, wie sie Drexel auch andernorts anführt, sind ein nicht seltenes Element in der römischen Tragödie (siehe dazu S. 160 mit Anm. 133). Die beschriebenen rhetorischen
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Mittel bringen die klimaktische Übersteigerung des Engagements des Priscus für seinen Kaiser zum Ausdruck. 2123–2125 Hierosolymis theatrum caedi construam ∣ Ut ibi plectatur unde proserpsit lues ∣ Infanda] Dieses angebliche Vorhaben Julians entstammt der Polemik des spätantiken Historikers Orosius (hist. 7,30,5; vgl. Bar. AE IV,124B–C). Zu Julians Haltung gegenüber den Juden siehe: Rosen 2006, S. 328–331; Bringmann 2004, S. 150–152; Hahn 2002; Penella 1999; Aziza 1978. Das Verb proserpere, das ursprünglich und im eigentlichen Sinne für die Fortbewegung von Schlangen verwendet wird (vgl. Plaut. Asin. 695, Persa 299, Poen. 1034; Apul. apol. 85, met. 6,14,4), stellt eine intratextuelle Verbindung zu den vorangegangenen Beschimpfungen der Christen durch Julian und seinen Gefährten her (hanc teterrimam ∣ Serpentium propaginem, V. 1015–1016; auferte ab oculis pestilentes dypsadas, V. 1383; abite colubrae, V. 1559; omnemque hanc anguium propaginem, V. 2113). Vgl. Galdi, Giovanbattista 2004: Art. ‚proserpo‘. In: ThLL X,2,2194,27–2195,15. 2125–2126 pro Năzareno illo Venerem deam ∣ In fanis collocabo, Galilaeo exule.] Für die Christen besteht die Ungeheuerlichkeit dieser Drohung neben der generellen Verachtung gegenüber Christus (Galilaeo exule) v.a. darin, dass sie Venus als frivole und unkeusche ‚Göttin‘ verachteten. Mit Mars habe sie Ehebruch begangen (vgl. Min. 23,7). Ferner gelte sie als Prostituierte unter den ‚Göttern‘ (Lact. inst. 5,10,15). Zur Metrik dieses Verses siehe Comm. ad 2531. 2127–2145 Nunc huc adsis … Imperator, quod iubes.] Die Erhebung des Procopius steht isoliert vom restlichen Dramengeschehen. Einzig der Eindruck, dass seine Erhebung durch Julian nicht dem rechtmäßigen Ablauf, wie sie zuvor bei Julians Ernennung zum Mitkaiser vollzogen wurde (vgl. II,3, bes. Comm. ad 729– 747), entspricht, kann insofern als funktional für das Drama angesehen werden, als dieses illegitime Vorgehen (keine Ausrufung durch das Heer) nochmals Julians ungebührendes Verhalten als Kaiser aus einer weiteren Perspektive beleuchtet. 2129–2131 Procop.: me, Imperator praepotens, ∣ Me purpura? Iul.: te. neque reluctari licet. ∣ Procop.: Ego tantam in me molem?] Zusammen mit der durch eine Apostrophe und Enjambement gesperrte Epanalepse me … me unterstreicht der anakoluthe Satzbau Procopius’ Überraschung angesichts seiner unerwarteten Ernennung zum Caesar. 2132–2139 mentem meam ∣ Audi … resurgit in praecipitio.] Julians Erklärung, warum er Procopius zum Mitkaiser erheben möchte, ist dem Anlass entsprechend in ‚hoher‘ Sprache formuliert. Neben dem epischen Metonym Mars Parthicus er-
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zeugt die hypotaktische Verschachtelung zweier Nebensätze (ut […] tu post me purpuratus princeps imperes und darin eingefügt si Mars Parthicus funus videat meum) eine hochoffizielle Diktion. Außerdem entspricht die Aufforderung vide Procopi purpura ∣ Te tantum decorabit quantum tu purpuram den feierlichen Worten des Constantius, als dieser Julian Hoffnungen auf den Kaiserthron machte: Sic tu purpuram ornaturus es ∣ Te purpura (V. 202–203). Auch die folgenden sentenzhaften Aussagen zum Wesen der virtus tragen zu diesem Ton bei. Die Erhebung des Procopius zum Mitkaiser ist, so wie es Julian hier darstellt, eine Vorsichtsmaßnahme. Julian will damit verhindern, dass es nach seinem etwaigen Tod in Persien zu Nachfolgestreitigkeiten bzw. -konflikten um den Kaiserthron kommt. Indem er Procopius noch zu seinen Lebzeiten zum Kaiser erhebt, verleiht er ihm ein höheres Maß an Legitimität gegenüber möglichen Usurpatoren, da er „als bereits in Purpur gekleideter Kaiser“ (purpuratus princeps, V. 2135) auftreten kann. 2137 decorabit] Zur Verwendung eines Futur I anstelle eines jussiven bzw. optativen Konjunktivs siehe Comm. ad 783–785. 2134 Mars Parthicus] Drexel übernimmt hier den Wortlaut Baronios (AE IV,129D). Dieser zitiert wiederum Ammian (23,3,2), der in seinem Geschichtswerk terminologisch keinen Unterschied zwischen Parthi und Persae macht, obwohl im Jahre 227 n.Chr. die seit 240 v.Chr. etablierte Dynastie der Partherkönige von den Sassaniden (gewöhnlich als Persae bezeichnet) abgelöst wurde und im Westen durchaus Kenntnis über diesen Wechsel des Herrscherhauses im Osten vorhanden war (vgl. Hdn. 6,2). Vgl. Heather ³2011, S. 82–85; Näheres dazu mit weiteren Literaturhinweisen in den Kommentaren von Boeft (1998, S. 38; 1987, S. 60) und Jonge (1948, S. 7) zu Ammian. 2146–2147 Quid in oriente barbari gerant, volo ∣ Discere] Siehe Comm. ad 1975. 2149 Lethaeis ex sedibus] Siehe Comm. ad 467. 2150 vincat talaria] Flügelschuhe bzw. Flügel an den Knöcheln sind Attribute des Götterboten Hermes/Merkur. Auch der Göttin Minerva schreibt Cicero diese zu (nat. deor. 3,59). Der Held Perseus verfügt ebenfalls über sie. Metaphorisch werden die talaria gebraucht, um eine besonders schnelle Bewegung auszudrücken. 2152 Erebophylax] In Drexels Vorlage Baronio (AE IV,130B bzw. Vitae patr. 6,2,12) wird der ausgesandte Dämon nicht näher bestimmt. Drexel verlieh ihm den sprechenden Namen Erebophylax, ‚Beschützer aus der Unterwelt‘. Dieser soll als Ge-
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genpol zu den ‚himmlischen‘ Beschützern der Christen, Theodorophylax und Julianophylax, dienen. 2153 Huc ocius. moraris?] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 2154–2157 illico orientis plagas … orientes mox peto.] Siehe Comm. ad 1975. 2158 Pegaso] Auch Pegasos, das mythische Pferd des Bellerophon, verfügte über Flügel (vgl. Comm. ad 2150). Aufgrund dieser Eigenschaft wird hier die Bezeichnung metaphorisch für Erebophylax verwendet, der angeblich in gleicher Eile und Schnelligkeit die ihm aufgetragenen Dinge erledigt. 2160–2161 Interibi in aliorum caput comitia ∣ Celebranda sunt, mi Prisce, meo te consule.] Vor allem zur Zeit der mittleren Republik lagen wichtige politische und juristische Entscheidungen in der Gewalt der comitia centuriata, einer nach Vermögensklassen abgestuften Volksversammlung. In dieser wurde nicht nur über Krieg und Frieden entschieden, Gesetzesbeschlüsse bestätigt bzw. abgelehnt sowie die höchsten Magistrate (Zensoren, Konsuln und Prätoren) gewählt, sondern auch Gerichtsprozesse bei Kapitalverbrechen wie Hochverrat (perduellio) durchgeführt. Die Einberufung und Leitung oblag u.a. dem Konsul. Im vorliegenden Zusammenhang weist Julian seinem Vertrauten Priscus die Rolle dieses vorsitzenden Konsuls zu, der dieses Amt jedoch nachweislich nie bekleidete. Vgl. Bleicken ⁷2008, S. 120–133; Taylor 1966, S. 85–106 (als Beispiel für das breite frühneuzeitliche Wissen über die römischen Volksversammlungen sei an dieser Stelle auf die De Comitiis Romanorum libri tres des französischen Humanisten Nicolas de Grouchy aus dem Jahre 1555 verwiesen). Drexel verwendet mit in aliorum caput comitia celebranda sunt eine plautinische Wendung. Eine Parallele zum römischen Komödiendichter besteht ferner darin, dass die Wendung auch bei diesem den Abschluss einer Szene bildet (Aul. 700; vgl. Truc. 819). Die umgangssprachliche Entlehnung aus der römischen Komödie, mit der Julian weitere Grausamkeiten gegen die Christen ankündigt, korrespondiert mit dem späteren Vorwurf des Macharius, der sich in seinem Gebet in der folgenden Szene darüber beklagt, dass die Vernichtung der Christen für Julian ein spaßiger Zeitvertreib sei (exitium nostrum Iuliano ludus est, V. 2218).
V,4 Nachdem in V,3 Julians Hybris und seine Drohgebärden gegen die Christen ihren Höhepunkt erreicht haben, wenden sich die Christen in tiefster Not an Chris-
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tus und bitten ihn um Hilfe. Die Szene ist stark von christlicher Symbolik, biblischen Metaphern und christlich-liturgischem Ritual aufgeladen. Zwölf (!) Christen, darunter bereits bekannte Figuren wie Lucianus und Philaemon (vgl. IV,5), Albanus, Eleuterius, Eutropius und Desiderius (vgl. IV,8), bringen zu Beginn der Szene zwölf (!) stichisch angeordnete Klagen über Julian vor, die jeweils durch den Partikel O angestimmt und mit einem Akkusativ des Ausrufs verknüpft werden. In der zweiten Hälfte der Szene übernimmt Macharius die Rolle des Vorbeters und die übrigen Christen bekräftigen seinen dreimaligen Ruf nach Hilfe jeweils mit den Worten Miserere, miserere gregis o pastor tui. Hierin ist aufgrund der Dreizahl und der lateinischen Wiedergabe des griechischen [Κύριε] ἐλέησον durch miserere eine bewusste Anlehnung an die christlich-liturgische Praxis des Kyrie-Gebets zu sehen. Seine Schilderung der bedrohlichen Zustände findet eine biblische Parallele in der Erzählung vom Sturm auf dem See Genezareth (siehe Comm. ad 2203–2207). Bereits zuvor bedient sich Higinius des biblischen Bildes von den unter Wölfen ausgesetzten Schafen, um die Notlage der Christen zu veranschaulichen (vgl. Comm. ad 2190–2191). Zur Klage der Christen siehe auch S. 80–81. 2162 Mach.: Ite, ite] In der Rolle des Macharius (‚der Selige/der Gesegnete‘), der im Iulianus als eine Art Anführer der Christen, sei es als Wortführer (V. 2162–2164, 2176–2183, 2197–2202, 2477–2510 und 2540–2621), sei es als Vorbeter (V. 2203–2211, 2213–2219, 2221–2228, 2457–2460, 2462–2465 und 2667–2473), auftritt, könnte möglicherweise eine lose (anachronistische) Bezugnahme zum gleichnamigen Heiligen und Märtyrer vorliegen, den Julian zusammen mit einem gewissen Eugenius in die Wüste Mauretaniens verbannt haben soll, wo sie bis zu ihrem Tod missioniert haben sollen. Nach einer anderen Version wurden die beiden in die Arabische Wüste verbannt und dort auf Anweisung des Kaisers enthauptet (vgl. Bar. AE IV,42C; Mart. Rom. 1597, S. 565; Pass. Art. 25–39). Vgl. Gaiffier 1956, S. 17–18. Zur emphatischen Wirkung der Geminatio ite, ite siehe Comm. ad 963–964. 2164–2175 Mach.: O tempora, o mutationes temporum! … Eutrop.: O Numinis nimium longam indulgentiam!] Die zwölffache, stichisch angeordnete Klage der Christen über Julian ist klimaktisch angeordnet. Der einleitende Aufschrei des Macharius gibt in etwas abgeänderter Form Ciceros berühmten Ausruf O tempora, o mores wieder. Mit diesen Worten prangert Cicero nicht nur am prominenten Anfang der ersten Catilinaria (Catil. 1,2), sondern auch in weiteren Reden (Deiot. 31; dom. 137; Verr. 2,4,55) empört die verkommenen Sitten seiner Zeit an. In den Worten des Macharius folgt auf diese einfache Verbindung aus Ausrufpartikel O und Substantiv (O tempora) im zweiten Teil des Verses ein um ein Genitivattribut erweiterter Aufschrei (o mutationes temporum!). Diese Kombination wird dann im
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nächsten, von Higinius gesprochenen Vers um ein weiteres Attribut erweitert (O Iuliani perfidam tyrannidem!). Diese Konstruktion wiederum wird in den folgenden beiden von Lucianus bzw. Serenus gesprochenen Versen dadurch gesteigert, dass das Attribut nun zweimal im Superlativ erscheint und betont am Ende des jeweiligen Verses steht (Luc.: O Iuliani sacră sceleratissima! V. 2166; zur Metrik siehe Comm. ad 419. Seren.: O Iuliani vota crudelissima! V. 2167). Die folgenden acht Verse halten diese aufgebaute Emotionalität gleichbleibend auf ihrem Höhepunkt. Eingerahmt von einer bzw. zwei Verbindungen von nimius und Adjektiv bzw. Substantiv, wodurch Julians Unmäßigkeit betont wird, befinden sich u.a. vier (mit Ausnahme von zwei aus Gründen der Metrik eingeschobenen et) vollkommen parallel konstruierte Verse (V. 2169–2173): Phil.: Pig.: Quir.: Eleu.:
O O O et O et
ferrum flammas cruces feras
nostris nostro nostro nostris
mergendum nutriendas gravandas pascendas
cervicibus! sanguine! corpore! carnibus!
[Alban.:
O
nostris
saevitura
tormenta
artubus!]
Dabei sperrt sich das Substantiv mit dazugehörigem Adjektiv im Akkusativ des Ausrufs und die aus Substantiv und Possessivpronomen der Ersten Person Plural bestehende adverbiale Bestimmung im Ablativ jeweils gegenseitig. Nicht nur dieser Parallelismus, sondern auch der (wenn auch durch cruces leicht gestörte) ähnliche Anlaut der Substantive im Akkusativ (ferrum–flammas–feras), das chiastisch angeordnete Polyptoton nostris–nostro–nostro–nostris mit seinen zugehörigen Substantiven (cervicibus–sanguine–corpore–carnibus) sowie der von den Endungen der Gerundiva gebildete homoioteleutische Gleichklang (nutriendas– gravandas–pascendas) verleihen den Versen einen weitgehend harmonischen und litaneihaften Charakter. Vermutlich v.a. um diesen zu erzeugen bzw. aufrecht zu erhalten, tauschte Drexel die ursprünglich umgekehrt angeordneten Verse 2172 und 2173, von denen letzterer die skizzierte Harmonie erheblich störte. Ferner schien in der ersten Version die logische Reihenfolge der Aufzählung mehr oder weniger gestört gewesen zu sein. Es schien Drexel wohl angebrachter, zu der Aufzählung von konkreten Hinrichtungsmethoden (ferrum, flammae, cruces) auch noch die wilden Tiere (ferae) hinzuzunehmen, bevor dann all diese allgemein durch saevitura tormenta in V. 2173 zusammengefasst werden. 2176–2185 Eheu quibus mersamur usque fluctibus? ∣ … domi haud domi sumus.] Nach einem erneuten Rückgriff auf die Meeressturm-Metaphorik, die die Bedrohung der Christen durch Julian allgemein beschreibt (vgl. Comm. ad 293–
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295 und 634), geht Macharius auf die Universalität derselben ein. Tag und Nacht lebten die Christen in Angst (Dies amara, noctis umbra amarior). Dabei illustriert die polyptotonische Steigerung amara–amarior ebenso wie die pleonastische Verbindung von nox und umbra die Totalität der Verfolgung der Christen. Natürliche Verhaltensweisen in dieser Situation wie Trauer oder Klage seien verboten (nec flere permissum, neque colloquijs frui ∣ Impune. V. 2178–2179). Die Omnipräsenz von Vokabeln, die typischerweise mit Tod und Trauer in Verbindung gebracht werden (noctis umbra, flere, caedes, metus, sepulta suspiria) erzeugen eine durchgehend dunkle, düstere und bedrückende Stimmung. Der an seiner Mittelposition et gespiegelte Vers terrae negantur et negantur aequora (V. 2181), der von den beiden irdischen Aufenthaltsbereichen terrae und aequora gerahmt wird, betont durch die Wiederholung von negantur die Isolation der Christen. Die Extremsituation, in der sie sich befinden, wird im Folgenden von Macharius und Philaemon durch verschiedene Paradoxa illustriert. Trotz der Tatsache, dass es auf der Welt unzählige mögliche Aufenthaltsorte gebe, dürften sich die Christen an keinem von diesen aufhalten (nusquam licet tot in locis esse in loco). In ihrer Heimat lebten sie als Verbannte (in patria exules), in ihren Häuser seien sie nicht mehr zu Hause (domi haud domi sumus). Die antithetische Anordnung, bald parallel, polyptotonisch und verstärkt durch den Gegensatz Plural–Singular (tot in locis/in loco), bald in direkter Juxtaposition (in patria exules), bald in direkter Wortwiederholung (domi haud domi), veranschaulicht durch seine Paradoxie die Ausweglosigkeit der Christen auf sprachlicher Ebene. 2183 Tantum incubat premitque virtutem scelus.] Das den gesamten Vers rahmende Hyperbaton Tantum […] scelus bildet hinsichtlich der Wortstellung das Niederdrücken und Bedrängen (incubat premitque) der virtus sprachlich ab. 2190–2191 Cruore prolutus leo stragem novam ∣ Caedemquĕ frendens edet imbelle in pecus.] Auch Gregor von Nazianz (or. 5,27) zieht das biblische Bild (Ps 73,1–2 [Vulg. Nova: Ps 74]; vgl. das Bild der ‚Lämmer unter Wölfen‘ bei Matthäus und Lukas, Mt 10,16 bzw. Lc 10,3) der ausgesetzten Schafe in diesem Zusammenhang heran. Zur Metrik (caedemquĕ frendens) siehe Comm. ad 419. 2196 quod Hierosolymis iam iussit extrui] Siehe Comm. ad 2123–2125. 2197–2202 Suspirijs, lacrymis, precibus, ieiunijs ∣ Flectenda est ira Numinis, … in vota propitium Deum] Eine ähnliche Aufzählung findet sich beim alttestamentarischen Propheten Joel in seinem Aufruf zur inneren Umkehr und Buße: Nunc ergo dicit Dominus convertimini ad me in toto corde vestro in ieiunio et in fletu et in planctu (Ioel 2,12). Zur Dramatisierung durch asyndetische Aufzählungen siehe S. 160 mit Anm. 133.
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2200 Idololatra] Siehe Comm. ad 1541. 2203–2207 Benigne rector … fluctuantis raticulae … fessae rati.] Das ‚Schiff‘ wird bereits in vorchristlicher Zeit als Metapher für den Staat verwendet. In dieser Weise ist sie in einer berühmten Ode von Horaz zu finden (carm. 1,14; vgl. Quint. inst. 8,6,44: totusque ille Horati locus, quo navem pro re publica […] dicit; vgl. das griechische Vorbild: Alk. 326). Für die Kirche wird die Schiffsmetapher im frühen Christentum ausgehend von der patristischen Literatur ebenfalls angewandt (Anregungen bereits in den Texten des Neuen Testaments: Seepredigt Jesu, Mt 13,1–9, Mc 4; Sturmfahrt des Paulus, Act 27–28). Erstmals benutzt Tertullian dieses Bild (navicula illa figuram Ecclesiae praeferebat, bapt. 12,7). Das im Drama eingefügte Adjektiv fluctuans und die im folgenden Vers beschriebenen Umstände (sonant procellae, fervet iratum mare) spiegeln die Beschreibungen der navis Ecclesiae bei Hippolyt von Rom (θάλασσα δὲ ἐστιν ὁ κόσμος, ἐν ᾧ ἡ Ἐκκλησία, ὡς ναῦς ἐν πελάγει χειμάζεται μὲν, ἀλλ’ οὐκ ἀππόλλυται. Antichr. 59. [Das Meer ist die Welt, in welcher die Kirche wie ein Schiff auf dem Meere umhergeworfen, aber nicht vernichtet wird. Übersetzung: Gröne 1872.]) und Augustinus (navis portans discipulos, id est Ecclesia, fluctuat et quatitur tempestatibus tentationum. Serm. 75,4. [Das Schiff, welches die Jünger trägt, die Kirche, wird umhergeworfen und von Stürmen der Versuchung gebeutelt.]) wider. Um die Situation der Christen im Drama noch armseliger und verlorener darzustellen, spricht Macharius aber nicht vom ‚Schiff der Kirche‘. Vielmehr wendet sich Drexel vom in diesem Zusammenhang geläufigeren Substantiv navis ab und setzt das Ersatzwort ratis darüber hinaus noch in den Diminuitiv, wodurch die Schilderung der Gefahr der Christen um einen weiteren Grad zugespitzt wird. Vgl. Hamann ³2000; Peil 1983, S. 700– 870; Blumenberg 1979, S. 12–27; Schäfer 1972; Goldammer 1941, S. 77–80; Gerlach 1937. Zur Schifffahrt als Metapher für den Staat in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit siehe auch Heydenreich 1970, S. 57–58, 86–87 und 179–180. Das Gebet des Macharius weist inhaltlich außerdem große Parallelen zur Erzählung in den Evangelien vom Sturm auf dem See Genezareth auf (Mt 8,23–27; Mc 4,37–41; Lc 8,22–25). Die Jünger Jesu werden auf dem See von einem Sturm bedroht, wie auch die Christen im Drama, wobei der Sturm hierin metaphorisch für Julians Wüten gegen die Anhänger Christi steht. Die Bedrohten wenden sich in beiden Fällen hilferufend an Christus, der untätig zu sein scheint. Letztlich schreitet er aber ein und gebietet dem Sturm Einhalt. Im Drama folgt dies in der unmittelbar folgenden Szene, in der Christus die Märtyrer Artemius und Mercurius auffordert, Julian zu töten. Dadurch bringt er den ‚Sturm der Christenverfolgung‘ unter Julian zur Ruhe. Die Botschaft der beiden Erzählungen entsprechen sich ebenfalls: In jeglicher Notlage dürfe man niemals am Glauben an die Hilfe und Errettung durch
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Christus zweifeln, selbst wenn man zunächst den Eindruck hat, dass dieser untätig die Not seiner Gläubigen mitansehe. 2203 orbis clemens] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 2205–2207 Sonant procellae, fervet iratum mare, ∣ Et mole vasta funditus fluctus ciet, ∣ Nec solitus horror incubat fessae rati.] Bei seiner metaphorischen Schilderung der Bedrohung, der die Christen im Römischen Reich ausgesetzt sind, greift Macharius auf das Stilmittel der ‚wachsenden Glieder‘ zurück. Aus zwei Elementen im ersten Hauptsatz (sonant procellae) werden drei im zweiten (fervet iratum mare). Die anderen beiden Hauptsätze bestehen aus jeweils sechs Elementen. Das Anwachsen der Zahl an Gliedern pro Hauptsatz bildet dabei auf sprachlicher Ebene das immer stärker werdende Aufbrausen des Sturmes, der die Christen ereilt, bildlich ab. Außerdem imitieren die relativ zahlreichen f - bzw. v-Laute (fluctantis; fervet; fessae; und ganz besonders vasta funditus fluctus) das stürmische Dröhnen und Rauschen des Meeres onomatopoetisch. 2221–2224 Furibundas Iuliani voces comprime, ∣ Truculentas Iuliani vires obtere, ∣ Metuendas Iuliani sicas destine, ∣ Succurre Numen, succurre labascentibus.] Macharius leitet seine dritte und abschließende Bitte durch ein Trikolon von vollkommen parallel konstruierten Aufforderungen gegenüber Gott fulminant ein. Daran schließt sich abrupt, in ihrer Vehemenz jedoch in nichts nachstehend, die von einer Epanalepse eingerahmte Anrede Gottes an. 2225 acinaces] Bei einem acinaces handelt es sich um einen Krummsäbel, der als typische Bewaffnung der Perser galt (vgl. Pomp. gramm. V, S. 284,23–24: acinaces dicimus lingua Medorum gladium). Die Formulierung des Macharius iam nostris incumbit iugulis acinaces ist proleptisch zu verstehen. Sie deutet auf die Zeit nach Julians Rückkehr vom Perserfeldzug voraus. Dann werde er, so Julians Ankündigung und die Befürchtung des Macharius, mit dem persischen Dolch als Siegesbeute bewaffnet grausam und unerbittlich gegen Christus und seine Anhänger vorgehen. Vgl. Droysen 1893. 2230 alio in templo] Zur Verwendung des ursprünglich heidnischen Begriffs templum in christlichen Texten siehe Comm. ad 467.
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V,5 Diese Szene nimmt die zentrale Rolle im Drama hinsichtlich der katholischen Position zur Gnaden- und Rechtfertigungslehre ein. Nicht zuletzt ihre prominente Stellung genau in der Mitte des letzten Aktes verleiht ihr hohe Bedeutung. Zur Rolle der menschlichen Willensfreiheit im Iulianus und die Bedeutung, die in diesem Zusammenhang den Märtyrern Artemius und Mercurius zukommt, siehe Abschnitt 3.3.2. sowie Comm. ad 2494–2509. Die Grundkonstellation der Szene stellt eine Gerichtsverhandlung dar, bei der vor dem vorsitzenden Richter Christus über den nichtanwesenden Angeklagten, Kaiser Julian, geurteilt wird. Als Zeugen treten der Chor der Opfer Julians, sein Schutzengel Julianophylax und die Märtyrer Artemius und Mercurius auf. Am Ende steht die decretoria sententia, die Urteilsverkündung (V. 2306–2318). Die Szene knüpft an die christliche Vorstellung vom Partikulargericht über einen jeden Menschen kurz nach dem Tod an, bei dem seine guten und schlechten Taten gegeneinander abgewogen werden, die Heiligen bzw. Märtyrer als Fürsprecher auftreten und Christus das Urteil über Erlösung oder Verdammung spricht. Aus konzeptionellen Überlegungen wurde im Drama dieses Urteil in Julians Lebzeiten vorverlegt. Seine aktive Mitwirkung an seinem Untergang wird somit stärker betont. Nicht nach einem ‚natürlichen‘ Tod wird somit über ihn gerichtet, sondern schon zuvor. Der Tod wird zusammen mit der ewigen Verdammnis zum Inhalt des Urteilsspruchs. Dieselbe Konstellation lässt sich auch in anderen Jesuitendramen beobachten (vgl. Grets. Udo 395–476). Vgl. Dinzelbacher 2007, S. 68. Zum ‚besonderen Gericht‘ (iudicium particulare) siehe auch Tarot 1960, S. 77 Anm. 62. Zu den Aufgaben, die ein Schutzengel gegenüber seinem Schützling zu erfüllen hat, gehört laut Francisco Suárez (vgl. Comm. ad 1893) auch die Fürsprache bei Gott (Deum pro suo alumno assidue deprecari. De angelis 6,19,4). Aus einem Gebet in seiner Schrift Horologium Auxiliaris Tutelaris Angeli geht hervor, dass Drexel die Vorstellung besaß, dass Engel im Partikulargericht Fürsprache halten: Iudicii dies mihi jam est indictus; eheu, comparendum est coram summo Deo, et reddenda ratio de cogitatis, dictis, factisque omnibus. […] Ah, ne me deserite [o beatissimae mentes] in his summis angustiis meis, in hac ultima necessitate, a qua mihi tota pendet aeternitas. Momentum illud jam imminet, in quo salus mea omnis, aut perenne stat exitium. Ah! juvate, et ante regem regum pro me supplices procumbite, et meum mihi obsecro conciliate judicem. Sententiam ergo nunc expecto supremam; vos impetrate, ut ea mitis sit et ad vitam. Mortem, quam ego meritus fuissem, aeternam, per vestras preces meritaque licet deprecari. Subvenite Sancti Angeli Dei, subvenite, succurrite, jam jam aderit judex Christus Iesus, Miserere, o Iesu, miserere per omnes Sanctos angelos tuos te rogo, Iesu miserere. (Drex. Opera Omnia 1645a I, S. 449,1)
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Ferner merken sowohl Suárez (De angelis 6,19,5–6) als auch Drexel (Opera Omnia 1645a, S. 453,2–454,1) an, dass Engel bisweilen die Menschen im Auftrag Gottes strafen bzw. sich über Strafen, die Gott während ihrer irdischen Lebzeiten über sie verhängt, freuen. Dass ein persönlicher Schutzengel allerdings im Rahmen des Partikulargerichts ausdrücklich Position gegen diesen bezieht und dessen Verurteilung fordert, ist dagegen eher ungewöhnlich. In Bidermanns Cenodoxus (vgl. V,3) betont der Schutzengel der Hauptperson im Partikulargericht zwar auch die Eigenverantwortlichkeit des Sünders und lehnt seine Hilfe und Fürsprache entschieden ab, ein expliziter Aufruf zur Verdammung wie im Iulianus liegt hierin jedoch nicht vor, sondern vielmehr eine Bestätigung des anvisierten Urteilsspruches. Möglicherweise wollte Drexel damit die Eigenverantwortung des Verdammten Julian noch drastischer herausstellen. 2231–2232 Moveor meorum tot precibus, tot lacrymis. ∣ Effusus ad me clamat insontum cruor.] Die ersten beiden Verse, die Christus im Drama ausspricht, erhalten durch eine ganze Reihe von sprachlich-stilistischen Mitteln ein herausragendes Gewicht und leiten seinen Auftritt effektvoll ein. Die verhältnismäßig ungewöhnliche und damit betonte Stellung des Verbs moveor ganz zu Beginn des ersten Satzes gibt Christi Haltung für das Folgende programmatisch vor. Er empfindet tiefes Mitleid mit seinen Gläubigen. Die besondere Bindung zwischen Christus und den Seinen kommt durch die Verbindung von moveor und meorum zum Ausdruck. Nicht nur die Alliteration, sondern auch die Assonanz zwischen dem Auslaut -eor einerseits und dem Anlaut meor- andererseits lässt die Bindung zwischen den beiden ersten Worten ganz eng erscheinen. Letzteres wird außerdem durch die bedeutungsschwere Endung des Genitiv Plural -orum hervorgehoben. Die asyndetisch-anaphorische Aneinanderreihung tot precibus, tot lacrymis knüpft direkt an den dreimaligen Bittruf des Christen Macharius aus der Szene zuvor, Audi gementum lacrymas, audi preces (V. 2211, 2219 und 2228), an und hebt somit die direkte Kausalität zwischen Bitte und Erhörtwerden anschaulich hervor. Das Hyperbaton Effusus … cruor bildet den allumfassenden Charakter von Julians Wüten gegen die Christen ab. Indem cruor durch das anthropomorphe Verb clamare personifiziert wird, wirkt die Aussage besonders lebendig und dramatisiert. Insbesondere die Metrik des zweiten zitierten Verses, der lediglich die für den Jambus obligatorischen Kürzen und ansonsten nur Längen aufweist, erzeugt einen bedrückenden und bedrohlichen, zugleich aber auch einen auf die Entscheidung des Dramas atmosphärisch hinführenden Ton. Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s (precibus tot) siehe Comm. ad 383; zur Form des Genitiv Plurals von insontum siehe Comm. ad 486.
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2234 Iulianus Apostata] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s, der an dieser Stelle des Weiteren eine Synaloephe bedingt, siehe Comm. ad 383. 2238–2239 Et irritavit et irritare haud desinit, ∣ Sed scelera cumulat sceleribus] Die nicht abreißende Abfolge von Verbrechen, die Julian begeht, wird hier sprachlich einerseits durch die beiden Polyptota irritavit et irritare haud desinit bzw. scelera cumulat sceleribus, von denen das Erstgenannte sogar zwei Zeitstufen umfasst und somit die Dauerhaftigkeit der Handlung betont, sowie durch die polysyndetische Folge et … et … in seiner Vehemenz verstärkt. 2240 auro fit supplex et marmori] Gold und Marmor stehen hier stellvertretend für die Götzenbilder, die aus diesen Materialien gefertigt wurden. Des Weiteren wird auf Julians Fixiertheit auf den eitlen Materialismus seines heidnischen Glaubens verwiesen. Zur christlichen Kritik an heidnischen ‚Götzenbildnissen‘ siehe Comm. ad 1223–1232. 2242 diffulminat] Das Verb diffulminare findet sich in der antiken lateinischen Literatur lediglich an einer Stelle bei Silius Italicus (5,276) und in den tironischen Noten (Not. Tir. 72,22). In der neulateinischen Literatur ist es dagegen verbreitet. Vgl. Gudeman, Alfred 1912: Art. ‚diffulmino‘. In: ThLL V,1,1107. Das Verb (dif-)fulminare, mit dem Christus hier Julians Handeln beschreibt, stellt als typische Handlung des Göttervaters Jupiter (vgl. Comm. ad 1251 und 2457– 2459) eine Assoziation und Nähe zwischen Julian und dem obersten heidnischen Gott her. 2247 Iulianus Apostata] Siehe Comm. ad 2234. 2251 decretoria sententia] Die Formulierung stellt eine Entlehnung aus der frühneuzeitlichen Rechtssprache dar. Sie beschreibt den Vorgang der endgültigen Urteilsverkündung und klärt die Schuldfrage in einem Prozess. Vgl. dazu die Practicae criminalis illustratae P. Ludovici M. de Ameno pars prima. Rom 1691, S. 771. 2252–2253 in rogos ∣ Aeternis nunquam finiendos ignibus.] Der chiastisch ineinander verschränkte Pleonasmus (in rogos aeternis finiendos ignibus) bildet sprachlich gewissermaßen die Flammen ab, die kreuz und quer durch den Scheiterhaufen züngeln. 2256 Non tangitur, non resipiscit, non flectitur.] Dieses Trikolon bildet den Endpunkt der Klagen des Chors über Julians Unbeirrbarkeit. Die dreimalige Wie-
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derholung des verneinenden Partikels non verdeutlicht emphatisch die Erfolglosigkeit aller Bemühungen und Versuche. Die Verben werden jeweils durch eine markante Dihärese für sich betont. 2263–2264/2266–2267 furit, ∣ Repugnat, saevit … audit, honorat, colit … Te spernit, irridet, conculcat, conspuit.] Zur Dramatisierung durch asyndetische Aufzählungen siehe S. 160 mit Anm. 133. 2270–2273 extirpaturus stirpitus. ∣ Omnia agendo, nihil egi; suadendo optima ∣ Heu nil persuasi; multis summo erit malo ∣ Nisi opprimatur illico existens malum] Um sein Anliegen überzeugend vorzubringen, greift Julianophylax auf eine Reihe von Wortspielen und rhetorischen Mitteln zurück. Das etymologisch nah verwandte Adverb stirpitus übersteigert tautologisch das dazugehörige Verb extirpaturus. Der Aussage omnia agendo wird durch ein Polyptoton die parallele Antithese nil egi entgegengestellt. Das folgende Kolon steht sich chiastisch gegenüber: Das logische Ergebnis von suadendo ist nicht sein Kompositum per-suasi, sondern die jeweils dazugehörigen Begriffe optima und nil stehen sich, gespiegelt am Ausrufpartikel heu, antithetisch entgegen. Das ans Versende platzierte Polyptoton malo/malum betont die Ursächlichkeit des einen Übels, Julians, für weitere Übel, die die Menschen erleiden müssen, wenn dem Treiben des Kaisers nicht Einhalt geboten wird. Der Vergleich mit einem Löwen, um Julians Blutrünstigkeit zu illustrieren, wurde bereits an früherer Stelle herangezogen (vgl. V. 2190–2191; in der Variante Tiger: V. 802–803). Die Wendung extirpaturus stirpitus nimmt indirekt Bezug auf Julians theoretische Erörterungen zum Verhältnis zwischen Milde und Grausamkeit am Ende von IV,4: Ein Vergehen solle, damit es nicht weitere Verbrechen nach sich ziehe, bis zur tiefsten Wurzel ausgerottet werden (perimatur ergo ab infimis radicibus, V. 1763). Nimmt man diese beiden Aspekte zusammen, erscheint Julian in den Worten des Julianophylax hier erneut als grausamer Tyrann im machiavellistischen Stil. Denn nicht nur der Löwe-Fuchs-Vergleich findet sich bei Machiavelli (siehe Comm. ad 1310), sondern auch die Überlegungen zum Verhältnis von Milde und Grausamkeit sind, wie an früherer Stelle ausführlich geschildert (siehe Abschnitt 3.3.5), dieselben wie im Principe. 2275–2277 immundo hoc luto ∣ Emersus alte vindicabit se sibi, ∣ … lacrymis culpas luet] Das Verb vindicare (hier im Sinne von ‚gerecht machen‘) bildet an dieser Stelle eine indirekte Erwiderung Christi auf die Aufforderungen seiner Gesprächspartner, sich für das von Julian verübte Unrecht zu rächen (vindica, V. 2233, 2246; vindicta, V. 2250). Beide Seiten greifen auf dasselbe Verb zurück, seine Semantik unterscheidet sich jedoch entsprechend der gegensätz-
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lichen Standpunkte (Mitwirkung an der Rechtfertigung/strafende Rache). Vgl. die Ausführungen zur menschlichen Willensfreiheit im Zusammenhang mit der katholischen Position in der Rechtfertigungsfrage im Abschnitt 3.3.2. 2289 corpus demersit] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 2300 Vindicta magnis magnă statuatur reis.] Die chiastische Verschränkung von Subjekt und indirektem Objekt, die durch das Polyptoton noch verstärkt wird, verdeutlicht die gegenseitige Bedingtheit der beiden Elemente. Zur Metrik dieses Verses siehe Comm. ad 419. 2301 Desertus ultro] Das Adverb ultro verweist ausdrücklich auf den freien Willen des Menschen Julian, der ihn zum Abfall von Gott veranlasste. Vgl. S. 89 mit Anm. 188. 2312 Ardeat aeternum, sempiternum lugeat.] Die Juxtaposition der beiden Synonyme aeternum und sempiternum betont die Unwiderrufbarkeit des Urteilsspruches Christi. 2314 tradĕ stygio] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 2315–1316 Tu Mercuri, tuque Artemi, descendite ∣ Et caede vestrum vindicate sanguinem.] Zur Rolle der Märtyrer Artemius und Mercurius beim Tode Julians siehe Comm. ad 2494–2509. 2318–2319 Christ.: tollatur, pereat, occidat. ∣ Art. et Merc.: Imus; perimimus, ut aeque iudex imperas.] Die von Christus bzw. Artemius und Mercurius am Ende der Szene gesprochenen Worte bringen ihre unverrückbare Entschlossenheit deutlich zum Ausdruck. Den Worten Christi verleiht das asyndetische Trikolon (zur Dramatisierung durch asyndetische Aufzählungen siehe S. 160 mit Anm. 133) hohe Eindringlichkeit. In der Antwort der beiden Märtyrer unterstreicht das Homoioteleuton zusammen mit der prägnanten Kürze ihren unbedingten Willen, Christi Befehl umgehend auszuführen.
V,6 Diese und die beiden nachfolgenden Szenen dienen innerhalb des fünften Aktes als retardierendes Moment. Der Befehl Christi aus V,5, Julian zu töten, wird erst in V,9 umgesetzt. Sowohl im Zusammenhang mit dem Einschreiten Christi (V,4–5)
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als auch im Exkurs um den Mönch Publius sowie in Szene V,9, in der man von Julians Tod erfährt, spielt das Gebet der Christen eine entscheidende Rolle. Es bringt Christus erst dazu, sich der Angelegenheit anzunehmen und einen Richterspruch zu fällen. Während dieser in V,9 umgesetzt wird, sprechen die Christen rund um Macharius weitere Gebete, bis der Bote mit der glücklichen Nachricht eintrifft. Zwischen diesen beiden in Verbindung stehenden Erzählungen (Befehl–Umsetzung) befindet sich mit dem Publius-Exkurs, der zwar schon in V,3 mit der Entsendung des Erebophylax angelegt war, aber für das Handlungsgeschehen an sich ohne größere Bedeutung ist, ein weiteres Zeugnis für die Wirkmacht des Gebets. Eng damit in Verbindung steht das Bekehrungserlebnis des Dositheus (V,7), das erst durch das Wirken des Publius verursacht wird. Was der Mönch Publius im Kleinen durch sein Gebet gegen einen Höllengeist vermochte, gelingt letztlich kurz darauf auch den Christen im Großen gegen eine weitere ‚Ausgeburt der Hölle‘, nämlich Julian. So wie in der Kleinerzählung Dositheus ein Bekehrungserlebnis erfährt, wird am Ende des Dramas Ecebolius, ein enger Vertrauter Julians, ebenfalls zum Christ. Somit ist innerhalb der Großerzählung (V,4, V,5, V,8) eine Kleinepisode platziert, die die Gesamtaussage im Rahmen einer untergeordneten Erzählstruktur veranschaulicht. Die Figurenkonstellation innerhalb der Szene entspricht derjenigen, wie sie in der römischen Komödie häufig zu finden ist. Der Mönch Publius wird von Julian wie ein umtriebiger und listiger Sklave in den Komödien des Plautus und Terenz beschrieben. Er behandelt ihn gewissermaßen wie einen Nichtsnutz, der durch seine intriganten Machenschaften den Plänen seines Herrn einen Strich durch die Rechnung macht und dessen Zorn hervorruft. Nicht nur die für eine Komödie typische Wortwahl (sycophantia, V. 2345; techna, V. 2346; machina, V. 2348; di te […] male perduint, V. 2355–2356), sondern auch Drohungen (luet ∣ Deos Deasque iuro luet impostor hanc ∣ Sycophantiam, V. 2343–2345; vitam dabit, V. 2345; flagrio, V. 2356; in crucem ∣ Trahetur unco, V. 2367–2368) und Schimpfwörter (impostor, V. 2344; tenebrio iste proflagitissimus, V. 2347; nebulo vaferrime, V. 2355; cucullate flagrio, V. 2356) legen diese Analogie nahe. 2320–2325 Olympum decumus … inijciat vincula?] Der hochepische Auftakt (beachte auch den archaisierenden Klang von decumus statt decimus) steht in einem gewissen Widerspruch zum eher rüden, umgangssprachlichen Ton der restlichen Szene. 2322 herclĕ stupeo] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 2323 quae remeligo, quae echeneis detinet?] Die Substantive remeligo und echeneis sind verbreitete metaphorische Redewendungen für ein Hindernis oder
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eine Verzögerung (vgl. Erasm. Adag. 1382). Der sogenannte ‚Schiffshalter‘ (echeneis; griech. ἐχενηΐς; lat. auch remora, vgl. Lucan. 6,675; Serv. Aen. 8,699; Isid. orig. 12,6,34) gehört zur Familie der barschartigen Fische. Seine erste Rückenflosse hat sich im Laufe der Evolution zu einer Saugplatte entwickelt, mit deren Hilfe er sich an größere Tiere oder Schiffe heften kann (vgl. Ov. hal. 99; Plut. qu. conv. 2,7,1). Dieses Verhalten ließ die Menschen glauben, dass Schiffe dadurch in ihrer Fahrt gebremst oder aufgehalten würden. Einen regelrechten Lobpreis auf den Schiffshalter verfasste Plinius der Ältere im Rahmen seiner Erörterung über die Macht der Natur. Nichts könnte die riesigen Naturgewalten wie das Meer, die Winde und Stürme übertreffen (nat. 32,1,1). Lediglich ein einzelnes, äußerst kleines Lebewesen, der echeneis, verfüge über noch größere Macht. Auch wenn Stürme wüteten oder hunderte von Matrosen sich in die Riemen legten, könne ein einziges Exemplar dieser Fischart bewirken, dass ein Schiff nicht von der Stelle komme. In ironischer Weise fügt Plinius nicht ohne einen Hinweis auf die menschliche Eitelkeit hinzu, dass sogar riesige Kriegsflotten, die mit schweren Waffen und Gerät ausgerüstet sind, gegen dieses Tierchen von einem halben Fuß Länge machtlos seien. Das erstaunlichste daran sei, dass eben dieses Tier das Wüten der Welt und der Gezeiten ohne eigene Anstrengung bezwinge, indem es sich einfach an die Schiffe hefte (nat. 32,1,2). Als Beispiele für das Wirken des Schiffshalters bzw. für die versteckte Macht der Natur, die angeblich dem Menschen seine Grenzen aufzeige und auf die Weltgeschichte erheblichen Einfluss nehme, führt er die Schlacht von Actium im Jahre 31 v.Chr. an, in der das Schiff des Antonius durch einen echeneis in seiner Fahrt gehindert worden sei. Dies habe letztlich dazu geführt, dass die Flotte des Augustus dem Feind beim Angriff zuvorkam. Christliche Autoren übernehmen die Ausführungen des Plinius, sehen in den unglaublichen Fähigkeiten des Schiffshalters aber das Wirken Gottes in der Welt (vgl. z.B. Bas. hex. 7,6). Vgl. dazu die Beschreibungen des Schiffshalters bei Aelian (NA 1,36 und 2,17) und Aristoteles (hist. an. 2,505b). Diese Vorstellung vom Schiffshalter lebte auch im Mittelalter (z.B. Bartholomaeus Anglicus: De Proprietatibus Rerum, ca. 1250) und in der Renaissance fort, wobei die 1776 erschienenen Travels in Dalmatia von Abbé Alberto Fortis belegen, dass dieser Glaube an die Kräfte des Schiffshalters bis in die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts vorhanden war. Während des Humanismus tauchen in Emblemen und Symbolen (vgl. z.B. Alciatis Emblem In facile a virtute desciscentes, Andr. Alc. Embl. 172) aber auch in Enzyklopädien und Naturgeschichten häufig Darstellungen von Schiffen auf, die vom Schiffshalter befallen sind. Vgl. Nelson ²1984, S. 293; Thompson 1947, S. 67–70; Gudger 1930, S. 340–349 mit Abbildungen; Gudger 1918, S. 277–278.
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Der Begriff remeligo wird lediglich von Plautus (Cas. 804) und Afranius (com. 277) verwendet. Die adnotationes super Lucanum (ad 6,675; ed. Endt. Leipzig 1909) deuten darauf hin, dass der griechische Begriff echeneis im Lateinischen neben dem bereits erwähnten remora auch noch durch remeligo übersetzt wurde. Beide Substantive scheinen von Drexel synonym verwendet worden zu sein. Vgl. Faber 1735 I, Sp. 842 und II, Sp. 460. 2324 Vel Pegaso celeriorem?] Die anakoluthe bzw. elliptische Frage des Priscus unterstreicht sprachlich sein Erstaunen, das er zuvor schon mit den Worten hercle stupeo (V. 2322) zum Ausdruck gebracht hat. Die Wendung Pegaso celerior wird redensartlich verwendet, um eine besonders hohe Geschwindigkeit zu beschreiben (vgl. Erasm. Adag. 3146). Inhaltlich nimmt Priscus hier auf seine eigenen Worte aus V,3 Bezug, wo er Julian versichert, dass Erebophylax ganz Persien schnell wie Pegasus durchziehen werde: Huic Iuliane Pegaso, omnis Persa ∣ Lustrabitur, reducem videbimus brevi (V. 2158–2159). 2324–2325 quis Mulciber ∣ Acherusijs ducibus inijciat vincula?] Priscus’ Frage nimmt Bezug auf den Mythos von Hephaistos/Vulcan, dem u.a. der Beiname Mulciber (‚der Schmelzer‘) verliehen wurde (vgl. z.B. Plaut. Epid. 34; Ov. met. 2,5; Sil. 4,668). Laut der berühmten Erzählung des Demodokos aus dem achten Gesang der Odyssee (Od. 8,266–366; ähnlich Ov. met. 4,167–189) soll der Sonnengott Helios beobachtet haben, wie Aphrodite/Venus, Hephaistos’ Gattin, Ehebruch mit dem Kriegsgott Ares/Mars begangen habe. Nachdem Hephaistos dies erfahren hatte, schmiedete er unsichtbare Fesseln, die weder von Menschen- noch von Götterhand gelöst und zerstört werden konnten. Diese brachte er so am Bett der Ehebrecher an, dass sie sich ihnen bei ihrem nächsten Schäferstündchen selbst anlegten. Darin gefangen setzte er seine Ehefrau und Ares dem Gelächter der olympischen Götter aus. Nach einer Erzählung von Alkaios (Alk. 349) fesselte Hephaistos auf ähnliche Weise seine Mutter Hera an ihren Thronsessel. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 200–202; Simon/Bauchhenss 1997; Hermary/Jacquemin 1988; Rapp 1886–1890, bes. Sp. 2065. 2328–2329 ideo missus ut alio ∣ Egeres qui reduceret te?] Die eigentlich finale Verknüpfung von ideo […] ut nimmt hier eine stark kausale Färbung an, wie sie ideo ansonsten nur in Verbindung mit quod, quia, quoniam oder cum generiert. Vgl. Prinz, Otto 1934: Art. ‚ideo‘. In: ThLL VII,1,212,12–220,32. 2333 Ereb.: Monstrum. Prisc.: a monstro monstrum formidetur aliud?] Die verständnislose Verwunderung des Priscus wird hier zum einen dadurch veranschaulicht, dass seine erwidernde Frage mit der vorausgehenden Antwort des Ere-
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bophylax verschliffen wird: Monstr(um.) a monstro. Zum anderen wird Priscus’ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ Verblüffung durch die Juxtaposition des Polyptotons a monstro monstrum hervorgehoben. In abbildender Wortstellung bringt er sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass bei einem direkten ‚Treffen von zwei Ungeheuern‘ das eine vor dem anderen in Furcht geraten könne. 2337 Prisc.: Cogaris? Ereb.: homo] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s, der an dieser Stelle des Weiteren eine Synaloephe bedingt, siehe Comm. ad 383. 2345 certissimo] Anstatt des regelmäßig gebildeten Adverbs certe kann v.a. in der älteren lateinischen Literatur auch die Form certo stehen (Plaut. Men. 312, Mil. 353; aber auch bei Cic. Tusc. 5,81). Hier wurde diese unregelmäßige Adverbbildung analog auf seinen Superlativ übertragen. 2355–2357 Di te nebulo vaferrime ∣ Male perduint. ego te cucullatĕ flagrio: ∣ Sed perge quid renuntias ex Perside?] Der anakoluthe Satzbau unterstreicht Julians Aufgebrachtheit und Wut, die bereits in der hohen Dichte an Schimpfwörtern (nebulo vaferrime; cucullate flagrio) und dem damit verschränkten umgangssprachlichen Ton (bes. male perduint) zum Ausdruck kommt. Zur Verbform perduint siehe Comm. ad 525–526. Zur Metrik (cucullatĕ flagrio) siehe Comm. ad 419. 2364–2366 hunc mastigiam ∣ Non antra … et latibula omnia.] Erneut (vgl. V. 1693–1695 mit Comm. ad locum) entmenschlicht Julian seine Gegner, indem er sie indirekt mit wilden Tieren gleichsetzt (hier durch ihre typischen Lebensräume umschrieben: non antra non iuga alta montium […] Ferarum lustra […] et latibula omnia), auf die eine Treibjagd gemacht wird (excutiam). 2370 non sequor] Dositheus’ Aussage non sequor ist eine Variation der für die römische Komödie typischen und ebendort weit verbreiteten Szenenüberleitungsformulierung sequor (vereinzelt auch sequar), wobei entweder alle auf der Bühne befindlichen Schauspieler oder zumindest ein Teil von ihnen abtritt (vgl. Asin. 809 und 941, Bacch. 499, Capt. 953, Curc. 370, Persa 752, Pseud. 1016, Rud. 184; Ter. Ad. 280, Andr. 171, Eun. 908).
V,7 Die Bekehrung des Dositheus gehört zum retardierenden Moment innerhalb des fünften Aktes (vgl. Einleitung zu Comm. ad V,6). Sie betont, welch großen Einfluss
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ein einzelner gottesfürchtiger Christ auf seine Mitmenschen ausüben kann. Zur Rolle des Dositheus als idealtypischer spectator auf der Bühne siehe S. 124–126. Weder das Drama noch das Personenverzeichnis (ex aula Iuliani) noch die Perioche (aulicorum unus bzw. „ein edler Knab“) liefern nähere Informationen über Dositheus. Es wird lediglich erwähnt, dass er zu den Palastbediensteten gehört. Diese Zugehörigkeit ist auch an seiner Sprache abzulesen. Er bedient sich zahlreicher Elemente, die als typisch plautinisch zu betrachten sind. Dazu zählen eher umgangssprachliche Ausdrücke wie pilas habere (V. 2376; vgl. Plaut. Capt. 22), figurae etymologicae wie servitutem servij (V. 2379; vgl. den Comm. ad locum) und für die Komödie typische Wendungen im Rahmen von Begrüßungs- bzw. Verabschiedungsszenen wie iubeo salvere/valere (V. 2388; vgl. Plaut. Asin. 296, 410, 593, Cas. 548). Das teilweise zu beobachtende militärische Sprachjargon (quid referre se pedes retro volunt? V. 2395; quid terga vertis anime? V. 2396) legt ferner nahe, dass er zur Palastwache gehört. Auch der Kontext aus der vorangehenden Szene, in dem Dositheus auftritt, deutet darauf hin, da er am Ende von V,6 sagt, dass er Julian und Priscus nicht mit ins Feldlager (in castra, V. 2369) begleiten werde. Die vornehme Kleidung, Halsketten und Ringe, die Dositheus hinter sich lassen will, sind entsprechend als prächtige Uniform bzw. Auszeichnungen für militärische Verdienste zu sehen. 2370 non sequor. – Si sic se res habet] Die szenenübergreifende vierfache Alliteration leitet die Ausführung des Dositheus eindringlich ein. Gerade die Tatsache, dass diese über die Szenengrenze hinweg konstruiert ist, verdeutlicht die kausale Beziehung zwischen dem Wirken des Mönches Publius, das in V,6 geschildert wurde, und der Neuausrichtung des Dositheus in V,7. 2371/2382 saeculum/mundi disperite gaudia] Die Begriffe saeculum und mundus erlebten im Zuge des Aufstiegs des Christentums eine weitreichende Transformation ihres Aussagegehalts. Ursprünglich war saeculum mit den Bedeutungen ‚Geschlecht/Geschlechterfolge/Generation/Menschenalter‘ und daraus folgend ‚Zeitalter‘ (in der Bedeutung ‚Jahrhundert‘ erst im Neulatein) versehen, wobei dem Wort oftmals eine abfällige Nuance innewohnt (vgl. Orbán 1970, S. 167–171). In der christlich-lateinischen Literatur wird saeculum anfänglich noch sowohl neutral als auch pejorativ verwendet: Proinde aurum, aes, argentum, ebur, lignum et quaecumque fabricandis idolis materia capiatur, quis in saeculo posuit nisi saeculi auctor deus. Tert. spect. 2,9. [Ferner Gold, Erz, Silber, Elfenbein, Holz und welches Material sie auch immer für die Herstellung ihrer Götzenbilder verwenden, wer hat sie denn in die [irdische] Welt gebracht, außer Gott, der Urheber der [irdischen] Welt?] Vgl. auch: coron. 7,7. Später wird es zunehmend zu einem Pauschalbegriff für das Heidentum im Allgemeinen bzw. für die im Bösen verhaf-
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tete, irdische Welt, der die Christen innerlich nicht angehören: Luceat in bonis operibus nostrum lumen et fulgeat, ut ipsum nos ad lucem claritatis aeternae de hac saeculi nocte perducat. Cypr. unit. eccl. 27. [In guten Werken erstrahle und glänze unser Licht, damit es selbst uns aus der Dunkelheit dieser [irdischen] Welt zum Glanz der ewigen Herrlichkeit führt.] Ähnliches trifft auf das Substantiv mundus zu. Mit ihm wird in der Vulgata das neutrale griechische κόσμος wiedergegeben, wobei aber auch hierbei die Welt mit all ihren Eitelkeiten und Sünden gemeint sein kann: Haec locutus sum vobis ut in me pacem habeatis. In mundo autem pressuram habebitis sed confidite ego vici mundum. Io 16,33. [Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir euren Frieden habt. In der [irdischen] Welt erleidet ihr Bedrängnis; aber verzagt nicht: Denn ich habe die Welt besiegt.] Von frühen christlichen Autoren wird mundus ebenso ambivalent verwendet, wie es bei saeculum der Fall ist. Neutral erscheint es beispielsweise bei Tertullian (deus, universitatis conditor, mundi totius gubernator, adv. Iud. 2,1. [Gott, der Schöpfer von allem, der Lenker der ganzen [irdischen] Welt]) und Cyprian (Demetr. 5). Negativ wird es von Letztgenanntem in Bezug auf die genannte Johannesstelle verwendet: Si autem qui diabolo et mundo renuntiavimus, pressuras et infestationes diaboli et mundi crebrius ac violentius patimur, quanto magis patientiam tenere debemus, qua adiutrice et comite omnia infesta toleremus. (patient. 12) [Wenn aber wir, die wir dem Teufel und der [irdischen] Welt entsagt haben, die Bedrängnisse und Anfechtungen des Teufels und der [irdischen] Welt besonders häufig und heftig zu erdulden haben, wieviel mehr müssen wir da an der Geduld festhalten, um mit ihrer Hilfe und ihrem Beistand alle Widerwärtigkeiten zu ertragen?] (Übersetzung: Baer 1918)
Im Mittelalter werden beide Begriffe enger gefasst. Sie bezeichnen zwar durchaus noch die irdische, christliche Welt, aber nur diejenige außerhalb der Klostermauern bzw. diejenige, die sich nicht einer vita contemplativa verschreibt und die sich durch Sorgen, Gefahren und ‚weltliche‘ Freuden auszeichne. Den Gegenbegriff bildet religio. Schon Benedikt von Nursia zählte es zu den sogenannten instrumenta bonorum operum eines Mönches, sich von der ‚säkularen‘ Welt freizumachen: saeculi actibus se facere alienum, Bened. Reg. 4,20. Der Unterschied zwischen beiden Begriffen liegt laut Peter Stotz (2002–2004 II, S. 31 § 12.3) darin, dass saeculum im Vergleich zu mundus, bei dem der Siedlungsaspekt noch eine Rolle gespielt haben könnte, theologisch-eschatologisch noch weiter aufgeladen ist: Die Mönche neh-
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men für sich, obwohl sie noch im Diesseits leben, bereits während ihrer irdischen Zeit den kommenden Zustand nach dem Ende ihres Lebens vorweg und entheben sich somit des eigenen saeculum. Vgl. Stotz 2002–2004 II, S. 9 § 3.3–4 und S. 31 § 12.3; Orbán 1970, S. 165–203 und 232–236; Stadtmüller 1951. 2377 postremissimi] Schon in der Antike entstanden sogenannte doppelte oder hybride Steigerungsformen. Dabei werden unregelmäßig gebildete Superlative als Positivformen verstanden, die wiederum gesteigert werden. Dieses separate Morphem wird wohl dem Wunsch gerecht, bei unregelmäßigen Steigerungsformen den Komparationscharakter auch äußerlich erscheinen zu lassen bzw. die Wirkung des verblassten Superlativs wiederherzustellen. Die Form postremissimus begegnet bereits bei Gaius Sempronius Gracchus (frg. 26 ORF = Gell. 15,12,3). Auch in der Kaiserzeit finden sich Belege (Apul. apol. 98; Tert. cult. fem. 2,1,1). Während diese Formen im Mittelalter eher unüblich waren, tauchen sie im Humanismus vermehrt auf. Vgl. Stotz 2002–2004 IV, S. 161–162 § 83.2. 2379 quam servitutem servij?] Die Wendung servitutem servire ist eine schon in der Antike weit verbreitete figura etymologica, vgl. z.B.: Plaut. Aul. 592, Mil. 482 und Trin. 302–304; Cic. Mur. 61; Liv. 40,18,7. 2381–2385/2391–2393 Abi voluptas; … perdere ∣ Haec malo quam perire.] Zu diesen aus Bidermanns Cenodoxus entnommenen Versen siehe S. 124–126. Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5. 2382 mundi disperite gaudia.] Siehe Comm. ad 2371/2382. 2383–2385 Valete delicatae vestes corporis … Valete gemmae] Nicht zuletzt die Perioche zu dieser Szene legt es nahe, davon auszugehen, dass Dositheus an dieser Stelle parallel zu seinen Worten seine prunkvolle Kleidung und seinen Schmuck ablegt (vgl. die Perioche: „wirfft alle Kleinod von sich“). Die mit abgelegten Requisiten übersäte Theaterbühne ist im frühneuzeitlichen Drama ein Sinnbild der Sterblichkeit und des Irdisch-Nichtigen. Ähnliche emblemhafte Bühnenszenerien sind u.a. für den Prolog von Andreas Gryphius’ Catharina von Georgien bezeugt. Vgl. Schöne ³1993, S. 217. 2387–2388 amicos, sanguine ∣ Iunctos aeternum iubeo valere] Mit diesen Worten nimmt Dositheus Abschied von seinem profanen Leben (hier mundus bzw. saeculum). Die Formulierung (in) aeternum vale wird häufig als Gruß an Verstorbene verwendet. Der bekannteste Beleg aus der Antike ist das Ende von Catulls Epigramm am Grabe seines Bruders: atque in perpetuum, frater, ave atque vale (Catull. 101,10). Dositheus’ Aussage steht sprachlich den Worten des Aeneas ge-
686 | Fünfter Akt genüber dem toten Pallas aber noch näher: salve aeternum mihi, maxime Palla, ∣ aeternumque vale (Aen. 11,97–98). Auch in Grabinschriften taucht diese Wendung nicht selten auf (z.B. CIL II 3506, 3512 und 3519). Bei all diesen Parallelen ist jedoch ein wesentlicher Unterschied festzuhalten: Die Grundkonstellation, wie man sie in den erwähnten Abschiedsszenen findet, wird in der vorliegenden Szene in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht die Welt nimmt vom toten Dositheus Abschied, sondern Dositheus von der für ihn ‚toten Welt‘. Seine Abkehr vom profanen Leben und sein Übergang in ein neues als einsamer Mönch, der sich vollkommen dem Gebet, der Armut und der Askese widmet, kommt somit seinem Tod gleich. Für seine Angehörigen und Freunde hat der ‚weltliche‘ Dositheus aufgehört zu existieren. 2388–2389 res sibi ∣ Suas habeant.] Die wahrscheinlich schon auf das sogenannte ‚Zwölf-Tafel-Gesetz‘ zurückgehende Formel res tuas tibi habeto bildet den konkreten, traditionell etablierten Vorgang einer Ehescheidung in Rom, genauer gesagt der Auflösung einer Ehe sine manu. Bei einer Ehe sine manu wird die Ehefrau nicht offiziell ein Teil der Familie ihres Bräutigams, sondern die oberste Entscheidungsgewalt über sie verbleibt bei ihrem Vater. Eine solche Ehe konnte ursprünglich von Seiten des Ehemannes ohne größere Verwaltungsakte durch den performativen Akt des Aussprechens der genannten Formel aufgelöst werden. Im zweiten Jahrhundert n.Chr. listet der Jurist Gaius diese unter den offiziellen Formeln für eine Ehescheidung auf: in repudiis autem, id est renuntiatione comprobata sunt haec verba: ‚tuas res tibi habeto‘, item haec ‚tuas res tibi agito‘. Dig. 24,2,2,1. [Bei Scheidungen, d.h. bei der Aufkündigung der Ehe, sind die folgenden Worte rechtskräftig: ‚Behalte deine Sachen für dich‘ und ebenso ‚Kümmere dich selbst um deine Angelegenheiten‘.] In der Literatur findet diese Formel besonders in den Komödien des Plautus Verwendung (z.B. Plaut. Amph. 928, Trin. 266; vgl. Cic. Phil. 2,69; Sen. contr. 2,5,9, suas. 1,6; Quint. decl. 262,6; Mart. 10,41,2; Apul. met. 5,26,6). Auf welchen Bereich sich dabei res tuas genau bezieht, ist in der Forschung umstritten. Es ist aber wohl nicht davon auszugehen, dass eine solch vage Aufforderung des Mannes auf die Rückerstattung der Mitgift seiner Ehefrau abzielt. Vielmehr ist res in einem nichttechnischen, allgemeinen Sinn zu verstehen. Am ehesten dürften in der Praxis noch persönliche Gegenstände der Frau wie Kleidung und Ähnliches gemeint sein. Vgl. Kunst 2000, S. 32–35; Rosenmeyer 1995, S. 202–209; Treggiari 1991, S. 442–458; Watson 1965; Yaron 1960. Ursprünglich wurde diese Scheidungsformel von Ehemännern gegenüber ihren Frauen ausgesprochen. Im Laufe der Zeit ist aber eine Abstraktion zu beobachten, wobei sie als allgemeiner Ausdruck für eine Scheidung verwendet wird. So ist es bei Plautus und Martial auch möglich, dass eine Frau diese Worte ausspricht (vgl. Yaron 1960, S. 6). Etwas abstrakter erscheint ihre Verwendung im plautini-
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schen Trinummus. Hier muss sich ein junger Mann namens Lysiteles zwischen beruflicher Karriere und der Liebe entscheiden. Nach einer gründlichen Abwägung entscheidet er sich für Erstgenanntes. Die metaphorische Scheidung von der Liebe bringt er durch eine Aufkündigung der Ehe mit Amor zum Ausdruck: apage te, Amor, tuas res tibi habeto (Trin. 266; vgl. Rosenmeyer 1995, S. 207). Auf dieser abstrakten Ebene ist auch die Aussage des Dositheus anzusiedeln. Er beendet mit den Worten res sibi suas habeant die metaphorische ‚Ehe‘ zwischen sich und seinen Freunden bzw. Verwandten und will damit einen neuen Lebensabschnitt ohne Bindung an sein früheres Dasein beginnen. 2390 cedat caro] Das christlich-theologische Verständnis des Fleisches (σάρξ bzw. caro) geht maßgeblich auf den Gebrauch des Wortes in den Schriften des Apostels Paulus zurück. Während im Alten und Neuen Testament das Fleisch einerseits für die Weichteile des lebendigen Körpers eines Menschen oder Tieres steht, andererseits aber auch für den Körper als Ganzes bzw. den Menschen an sich, ist für Paulus beim Begriff σάρξ der Aspekt der Schwäche (vgl. Rm 6,19; Gal 4,13–14) und der Vergänglichkeit (vgl. Rm 5,12–21 und 8,6) besonders wichtig. Ausgehend von der bereits vom Philosophen Platon vorgenommenen Trennung von Körper und Seele/Geist wird das Fleischliche bei ihm in Abgrenzung zum Göttlichen und Unvergänglichen häufig für das rein Menschliche und Irdische verwendet (z.B.: Rm 15,27; I Cor 1,29 und 15,50; II Cor 1,12; Gal 1,16; Phil 3,3). Aufgrund der Erbsünde ist für ihn das Fleischsein des Menschen gleichbedeutend mit dem ‚Sündersein‘. Daher könne der Mensch nicht aus eigener Kraft der Sünde entkommen, sondern ist auf die Heilstat Gottes angewiesen. Ein auf Christus getaufter Gläubiger kann dieser Gleichsetzung zwischen ‚Fleischsein‘ und ‚Sündersein‘ entkommen, da er durch den empfangenen Geist Gottes ein „neues Geschöpf“ (nova creatura, II Cor 5,17) werde und es ihm somit möglich sei, den „Werken des Fleisches“ zu entsagen und „dem Geist zuzustimmen“ (Gal 5,13–24 und 6,8; vgl. Rm 8,9). Demnach ist der Ausdruck „nach dem Fleische leben“ (ergo fratres debitores sumus non carni ut secundum carnem vivamus. Si enim secundum carnem vivamus moriemini. Si autem Spiritu facta carnis mortificatis vivetis, Rm 8,12–13) gleichbedeutend mit „in Sünde und Laster leben“. Zu den Werken des Fleisches (opera carnis) gehört laut Paulus u.a. der im Kontext des Iulianus besonders relevante Götzendienst: Manifesta autem sunt opera carnis quae sunt: fornicatio, inmunditia, luxuria, idolorum servitus, veneficia, inimicitiae, contentiones, aemulationes, irae, rixae, dissensiones, sectae, invidiae, homicidia, ebrietates, comesationes et his similia. (Gal 5,19–21)
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[Offenkundig sind aber die Werke des Fleisches: Unzucht, schändliche und ausschweifende Lebensführung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Streitereien, Entzweiung, Parteiungen, Neid, Mord, Trunksucht, Festgelage und Ähnliches.]
Der Begriff caro ist in diesem Zusammenhang auch deshalb interessant, da er von den frühen christlichen Autoren häufig in einem Atemzug mit den Begriffen saeculum und mundus genannt wird, so z.B. von Cyprian von Karthago: Vince vestem, quae virgo es: vince aurum, quae carnem vincis et saeculum […]. Ut apud martyras non est carnis et saeculi cogitatio, […] sic et in vobis, quarum ad gratiam merces secunda est, sit et virtus ad tolerantiam proxima. […] Deum spectet et caelum, neque oculos ad sublime porrectos ad carnis et mundi concupiscentiam deprimat, ad terrena deponat. (hab. virg. 21–22; vgl. Domin. orat. 16) [Besiege deine Vorliebe für schöne Kleider, da du eine Jungfrau bist; besiege deine Schwäche für das Gold, da du das Fleisch und die Welt bezwingst […]. Wie die Märtyrer weder an das Fleisch noch an die Welt denken, […] so möget ihr, deren Gnadenlohn an zweiter Stelle folgt, ihnen auch an Kraft und Ausdauer am nächsten stehen! […] Zu Gott und zum Himmel blicke sie empor, ohne die in die Höhe gerichteten Augen zur Begehrlichkeit des Fleisches und der Welt herabzusenken, ohne sie hernieder auf das Irdische zu richten.] (Übersetzung: Baer 1918)
Vgl. Stotz 2002–2004 II, S. 75 § 34.5; Sand 1995; Sand ²1992; Orbán 1970, S. 190, 199 und 233; van Imschoot 1968. Das Substantiv caro steht gleichermaßen wie mundus und saeculum für die irdische, im Laster verhaftete, nichtchristliche Welt, der Dositheus den Rücken kehrt. Er will sich einem christlichen Leben verschreiben und somit Abstand vom Fleischlichen, d.h. von seinem Körper als Sitz und Werkzeug der Sünde (Rm 7,18 und 25, Eph 2,3) nehmen und sich dem Geiste, d.h. einem religiös-christlichen und gottgefälligen Leben als Mönch, widmen. Der Ausruf zum Abschied cedat caro kann literarisch als typischer Bekenntnisausruf eines conversus zum wahren, d.h. (im vorliegenden Kontext) zum katholischen Glauben gesehen werden. Jakob Gretser lässt beispielsweise seinen bekehrten Augustinus ganz ähnliche Worte ausrufen: Valet caro, ∣ Valeat voluptas, valeat omnis haeresis! Grets. Aug. Conv. 1455–1456. Vgl. Bremer 2008, S. 490. 2390–2391 sic pie iuvat ∣ Esse impium in sua et seipsum.] Durch das antithetische Paradoxon, laut dem sich die wahre (geistige) Frömmigkeit des Menschen an seiner Unfrömmigkeit gegenüber allem Irdischen erfreue, verdeutlicht Dositheus den wahren Kern seines neuen Lebens, das sich von allen irdischen Gütern lossagt und allein auf Gott aufgerichtet ist.
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2392–2393 lusus ego sim daemonum? ∣ Non sic. fui. non ero.] Mit demselben Motiv hatte Dositheus seine Abschiedsbekundung von der säkularen Welt eingeleitet (V. 2375–2376). Das Wirken des Mönches Publius habe ihn zunächst zu der allgemeinen Einsicht gebracht, dass der Mensch den Mächten der Hölle, von denen er nach Belieben zum Narren gehalten wird, nur durch wahrhafte Frömmigkeit entkommen könne (V. 2373–2378). Mit der rhetorisch-deliberativen Frage lusus ego sim daemonum? überträgt er diese allgemeine Feststellung vom Beginn der Szene auf sich selbst. Angeregt durch das Vorbild Publius hinterfragt er sein eigenes Leben. Auch er entschließt sich dazu, in derselben Weise wie Publius den bösen Mächten zu entfliehen. Dieser Nachahmungswille spiegelt sich in der ähnlichen Formulierung wider: Stygios duces coërcent, vincunt, edomant (V. 2378) bzw. victoriam ∣ Cum Publio, de tartari spero ducibus (V. 2393–2394), wobei die Bedeutung der Nachahmung des Vorbilds durch das eingeschobene und durch Enjambement betonte cum Publio hervorgehoben wird. 2395–2404 At quid referre … victorem effice.] Der letzte Abschnitt von Dositheus’ Monolog stellt ein inneres Ringen seines Sprechers szenisch dar. Er ist zu einem gewissen Teil innerlich noch hin- und hergerissen zwischen seinem zuvor getroffenen Entschluss, fortan ein asketisches, Gott geweihtes Leben zu führen, und der Versuchung, diese Entscheidung doch wieder rückgängig zu machen und zu den ‚irdischen Freuden‘ (vgl. mundi gaudia, V. 2382) zurückzukehren. Am Ende behält sein Entschluss für ein Gott geweihtes Leben die Oberhand. Dieser ist aber noch so fragil, dass er am Ende Christus um seine Hilfe und Unterstützung anfleht, um gegen weitere Versuchungen gefeit zu sein. Dositheus’ inneres Ringen erfährt durch eine Reihe von markanten sprachlichstilitischen Mitteln eine hohe Emotionalität. Apostrophen an das eigene Innere, wie hier zu finden, sind typische Elemente in den Tragödien Senecas, die in Phasen großer innerer Erregung Anwendung finden (siehe dazu S. 159). Die fünffache Wiederholung des Fragewortes quid jeweils am Beginn des Satzes intensiviert Dositheus’ rhetorische Fragen an das eigene Innere. Die Geminatio non, non (V. 2398) drückt ebenfalls die hohe Emotionalität des Sprechers aus. Das tautologische Trikolon I, curre atque vel invitus in vitam rue (V. 2400) verdeutlicht die Entschlossenheit des Dositheus, sein Leben zu wandeln. Das Ziel seiner Neuausrichtung, Christus, wird am Ende durch die dreifache und durch eine Geminatio bzw. Anapher intensivierte Anrede Te, te […] Te (V. 2401/2403) sowie die Apostrophe tu […] tua ∣ Rege gratia (V. 2403–2404) besonders akzentuiert, nachdem zuvor lediglich das eigene Innere angesprochen wurde. Den abschließenden Höhepunkt dieser Anrufung Christi bildet das asyndetische, um Hilfe und Beistand flehende Trikolon pectus imfirmum tua ∣ Rege gratia, animos redde, victorem effice (V. 2403–2404).
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V,8 Julian, der sich innerhalb dieser Szene zu derjenigen Schlacht vorbereitet, in der er sein Ende finden wird, betritt hier zum letzten Mal als Lebender die Bühne. Dass er als einzige irdische Figur auftritt, lenkt den Fokus voll und ganz auf ihn und sein Schicksal. Seine Rolle ist vollkommen passiv. Nur zu Beginn richtet er eine letzte Bitte an die heidnischen Götter Jupiter, Mars und Victoria und bereitet sich zur Schlacht vor. Von nun an ist ihm das Heft des Handelns entglitten und er steuert unaufhaltsam auf seinen Untergang zu. Der Rest der Szene spielt sich auf einer Metaebene ab. Julianophylax wendet erneut viel Mühe auf, um deutlich zu machen, dass Julian selbst für seinen Untergang verantwortlich ist (siehe dazu auch S. 91–92). Neben dem Aspekt der gerechten Strafe für Julian wird besonders die ewige Dauer seiner Bestrafung und seines Untergangs betont. Nach all den Ermahnungen und Möglichkeiten zur Umkehr, gibt es für Julian nun (iam tempus est, V. 2444) endgültig keine Chance mehr zur Rettung. Wie bereits von Christus in V,5 zum Ausdruck gebracht (vgl. V. 2251–2253 und 2312) ist der Urteilsspruch über Julian unwiderruflich. Auch Julianophylax wiederholt mehrere Male den ewigen (aeternum peri, ∣ Aeternum lamentare, V. 2405–2406; aeternis malis, V. 2451) und nichtendenden (sempiternum, V. 2437/2439; semper, V. 2442–2443) Charakter von Julians Strafe. 2405 Desero; pridem desertus.] So auch in Bidermanns Cenodoxus vom Schutzengel Cenodoxophylax gegenüber dem Spiritus Cenodoxi vorgebracht: Spir.: Deseresne alumnum in ultimo Discrimine capitis? Cen.lax : Prior me tu iveras Desertum. (Bid. Cen. V,3, V. 1900–1901) [Spir.: Verlässt du deinen Schützling nun in allerhöchster Todesgefahr? Cen.lax : Du warst es doch, der sich als erster daran gemacht hat, mich zu verlassen.]
2407–2410 O summe Iupiter … Persidem mihĭ subijce.] Zur senecanischen Anrufung von überirdischen Mächten siehe S. 159 mit Anm. 129. 2411 fave Victoria.] Zur Rolle der Göttin Victoria und besonders der ihres Altars im Senat während der heidnisch-christlichen Auseinandersetzung der Spätantike siehe Comm. ad 2524. 2415 impurum animum sic tandem evomes.] Diese Wendung, die für die Beschreibung eines kaiserlichen Todes äußerst unwürdig erscheint, erinnert an Se-
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necas sarkastische Schilderung vom Tod des Kaisers Claudius. In seiner Apocolocyntosis schreibt Seneca, dass Claudius seine Seele ‚ausgeblubbert‘ (animam ebulliit) und daraufhin aufgehört habe, den Anschein zu erwecken, dass er am Leben sei (et ex eo desiit vivero videri, apocol. 4,2). Das unschöne Verb evomere (vgl. z.B. die ‚erhabene‘ Wortwahl in den Evangelien: emittere spiritum, Mt 27,50; exspirare, Mc 15,37 und Lc 23,47; tradere spiritum, Io 19,30), das Drexel an dieser Stelle mit dem Akkusativobjekt animum verbindet und zum Ausdruck des Sterbens verwendet, hebt die Wertlosigkeit und das Verlorensein von Julians Seele hervor. Zur Nähe zwischen Julian und Kaiser Claudius siehe auch Comm. ad 487–488 sowie 1790–1798. 2418 recedo, abeo, te desero.] Ein weiteres asyndetisches Trikolon im Stile Senecas. Siehe dazu S. 160 mit Anm. 133. 2421 Iulianus desijt] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 2424–2425 Sat hactenus, sat defendi istam belluam ∣ Nec hactenus profeci quidque in bellua] Die Parallelität dieser beiden Verse sticht hervor: Die in ein Polyptoton gefasste Wiederholung von belluam und in bellua jeweils am Versende, die Epanalepse sat […] sat (vgl. Comm. ad 963–964) und die Aneinanderreihung von sat hactenus, sat defendi […] nec hactenus unterstreichen die hoffnungslose Haltung von Julians Schutzengel. Trotz all der Mühen, die er bis zuletzt auf sich genommen hat, blieb ihm der Erfolg aus. 2428–2429 [Deum] Qui te trecentis semper ornavit bonis, ∣ Quem tu trecentis semper onerasti malis.] Um Julians treuloses und verräterisches Verhalten unmissverständlich herauszustellen, legt Drexel dem Schutzengel des Kaisers diese beiden prägnanten Verse in den Mund: Die jeweils miteinander korrespondierenden Wörter befinden sich an derselben Stelle im Vers und werden zum Teil lediglich in ihrer grammatikalischen bzw. syntaktischen Form angepasst: qui te trecentis semper ornavit bonis . [Deus] quem tu onerasti malis
Diese Parallelität und der durch sie entstehende Gleichklang wird dann aber im letzten Wortpaar jäh durchbrochen, um Julians Schuld hervorzuheben: Antithetisch zu bonis im ersten der beiden Verse endet der folgende mit malis. Das Zahlwort trecenti kann neben dem konkreten Zahlwert ‚dreihundert‘, insbesondere in der Komödie (vgl. z.B. Plaut. Mil. 250, Persa 410), auch metonymisch für eine unbestimmte große Menge stehen.
692 | Fünfter Akt 2430–2431 Totum referri debuit acceptum Deo ∣ Quod a Deo profectum erat] Die Allgemeingültigkeit dieser christlichen Vorstellung wird sprachlich durch die Verwendung des gnomischen Perfekts untermalt. Zum gnomischen Perfekt siehe Comm. ad 416–417. 2434 in contemptum, in irrisum, in ludibrium] Ein weiteres asyndetisches Trikolon im Stile Senecas. Siehe dazu S. 160 mit Anm. 133. 2435 per summum scelus] Zum Götzendienst als schlimmstes aller Übel siehe Comm. ad 500–501 und S. 83–84. 2440 cremaveras] Zur Verwendung des Plusquamperfekts anstatt eines zu erwartenden Perfekts siehe Comm. ad 1087–1088. 2441 Agnosce tandem, agnosce Deum] Zur dramatisierenden Wirkung der Epanalepse siehe Comm. ad 963–964. 2445 Acherontis saevi] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 2451 Rapite impium, premite impium aeternis malis.] Dieser Vers erfährt durch seine zahlreichen kurzen Verselemente und die dreifache Verschleifung ˘pı˘t(e) impı˘um, pre˘mı˘t(e) impı˘(um) aeternis ma ˘lis. eine hohe Dynamik: Ra ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¶ ´¹¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹ ¹¶ Zusammen mit der Wiederholung von impium, dem entscheidenden Objekt in diesem Zusammenhang, veranschaulicht dies die Aufgewühltheit und den Zorn des Julianophylax. 2454 vester Iulianus est.] Diese Worte des Julianophylax, mit denen er seinen ehemaligen Schützling Julian den Dämonen überantwortet, korrespondieren intratextuell mit dem proleptischen Aufschrei der Dämonen in I,9, als sie sich selbst u.a. mit den Worten iam noster est (V. 505) dafür feierten, dass sie mit dem Götzendienst das geeignete Mittel gefunden haben, um Julian zu Fall zu bringen. 2454 habet] Der umgangssprachliche Ausdruck habet bzw. hoc habet stammt ursprünglich aus dem Kontext der Gladiatorenkämpfe. Er wird verwendet, um auszudrücken, dass der unterlegene Kämpfer den Todestoß erhalten hat. In der Komödie taucht dieser Ausspruch in metaphorischer Verwendung auf (vgl. Plaut. Most. 715, Rud. 1143; Ter. Andr. 82–83), im eigentlichen Sinn im Rahmen einer Kampfhandlung in Vergils Aeneis (12,296). Laut Servius ist hoc habet eine etwas ältere Wendung, die in seiner Zeit mit den Worten peractum est ausgedrückt werde (vgl. Serv. Aen. 12,296). Eine Kopplung beider Wendungen, wie hier im Iulianus, findet
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sich in Senecas Dramen (Ag. 901 und Herc. O. 1457). Vgl. Averna ²2007, S. 235–236 ad 1457; Tarrant 1976, S. 343 ad 901; Bulhart, Vinzenz 1936: Art. ‚habeo‘. In: ThLL VI,3,2431,18–30 und 2433,10–25.
V,9 Der erste Abschnitt dieser langen Szene wird von einem Gebet der Christen gebildet (V. 2456–2470). Dabei sprechen der Vorbeter Macharius, der die Bitte bzw. die abschließende Anrufung Christe tuere vorbringt, und die übrigen Christen gewissermaßen im Gemeindekehrvers im Wechsel. Die ersten beiden Teile des Gebets beziehen sich dabei erneut auf die Existenzgefährdung der Christen im Falle einer siegreichen Rückkehr Julians aus Persien. Im dritten und abschließenden Teil wird Christus um Hilfe angefleht. Nach einem weiteren Untergangsszenario, das Macharius im Anschluss skizziert (V. 2471–2473), tritt plötzlich ein Bote auf, der die frohe Nachricht von Julians Tod überbringt. Somit steht der Beginn der Szene in enger Beziehung zur Szene V,4, in der dieselben Christen in ihrer tiefen Not Christus bereits um Hilfe angefleht haben. Hier wie dort verweisen sie auf die kommenden Übel, die ihnen für den Fall, dass Julian siegreich aus dem Perserreich zurückkehren wird, drohen. Das Gebet der Christen aus V,4 leitete das aktive Einschreiten Christi gegen den Kaiser ein. Nicht zufällig beginnt V,9, die Szene, in der von Julians Tod berichtet wird und in der die Christen in Jubelstürme ausbrechen, erneut mit einem Gebet. In diesem Brückenschlag zwischen V,4 und V,9 wird nicht zuletzt deutlich, dass diese Gebete nicht ungehört bzw. unerhört bleiben, sondern dass sich Christus der Not seiner Gläubigen annimmt und für ihre Rettung sorgt. Daraufhin folgt mit dem Bericht über Julians gewaltsamen Tod der zweite größere Teil der Szene (V. 2474–2573). Nach dem eigentlichen Bericht, der in hochepischem Stil verfasst ist, brechen die Christen in Jubel aus, feiern das siegreiche Eingreifen Gottes, verhöhnen die Unterlegenheit und Machtlosigkeit der heidnischen Götter und lassen eine weitere Schimpftirade über den toten Kaiser hereinbrechen (V. 2510–2573). Neben der Identifikation als Teufel in Menschengestalt (V. 2532 und 2534) wird Julian dabei einerseits direkt auf eine Stufe mit bekannten Tyrannen aus dem Mythos und der Geschichte (ille Assyrius; Busyris, Phalaris, V. 2533 bzw. 2536) gestellt. Andererseits wird sein Schicksal aber auch mit dem des Diktators Julius Caesar gleichgesetzt. Diese Analogie erzielt Drexel auf indirektem Wege, indem er mehrere Zitate aus Murets Drama Iulius Caesar heranzieht. Dabei legt er den Christen dieselben Worte in den Mund, mit denen der Caesarmörder Cassius bzw. der Chor die Befreiungstat bejubeln. Außerdem begann bereits der Botenbericht mit den Worten, die Brutus nach Caesars Ermordung an seine Mit-
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verschwörer richtete. Der von Macharius angestimmte Jubelgesang auf Julians Tod (V. 2550–2573) stellt die Bedeutung des Ereignisses nochmals heraus. Der letzte Teil der Szene (V. 2574–2622) behandelt die Bekehrung des Ecebolius. Während Drexels Vorlage Baronio diese Episode als Beweis für die Unbeständigkeit und den Opportunismus des Menschen heranzieht (AE IV,13C–D), wird sie hier benutzt, um die Gnade Gottes gegenüber allen Sündern, die aufrichtig Reue zeigen und zur Buße und Umkehr bereit sind, zu preisen. Ihre Funktion entspricht einer Szene aus Bencis Ergastus, aus dem Drexel mehrmals wörtlich zitiert. Dort gibt der auf Abwege geratene Ergastus sein fehlerhaftes Verhalten zu und bittet bei Gott um Vergebung. Sein Lehrer Trophimus heißt ihn frohen Mutes zu sein und auf die Gnade Gottes zu vertrauen. Ergastus bzw. Ecebolius ist das Gegenmodell zu Julian. Ecebolius gelangt, beeindruckt von den Geschehnissen auf der Bühne, noch rechtzeitig auf den ‚rechten‘ Weg zurück und kann somit im Gegensatz zum Kaiser der ewigen Verdammnis entkommen. Ecebolius kann dabei wie zuvor Dositheus als ein weiterer idealtypischer spectator auf der Bühne aufgefasst werden, der das Publikum durch sein Verhalten exemplarisch anleitet, wie es auf das Bühnengeschehen reagieren solle (vgl. S. 124–126). 2457–2459 Fulminum iactus … rapidus tumultu] Zum Wortführer und Vorbeter der Christen Macharius siehe Comm. ad 2162. Wenn Macharius Julian hier metaphorisch als blitzeschleudernden und Donner verursachenden Kaiser darstellt, betont er auf indirektem Wege die enge Verbindung zwischen Julian und dem höchsten heidnischen Gott Jupiter (vgl. V. 2485). Denn Wendungen wie fulminum iactus und detonare tauchen in der Literatur häufig im Zusammenhang mit Jupiters Wirken auf (z.B. Ov. trist. 2,35: ubi detonuit strepituque exterruit [sc. Iuppiter] orbem). Ferner wird die Metapher von Blitz und Donner zur Beschreibung einer ausdrucksstarken und Eindruck machenden Rhetorik (hier: Julians wilde Drohungen) verwendet (vgl. Cic. orat. 21 und 234; Quint. inst. 8,6,7 und 12,10,65). Hieronymus stellt den rhetorischen fulmina die verba simplicia et quasi innocentis hominis ac rusticani et qui nec facere nec declinare norit insidias (epist. 49,13,5: Einfache Worte eines unschuldigen und ehrlichen Menschen, der sich nicht darauf versteht, Intrigen zu spinnen oder abzuändern) entgegen. Eine ganz ähnliche, in derselben Weise metaphorisch verwendete Verbindung von Blitz und Donner findet sich bei Petron, wo sich der Sprecher Encolpius von der vorausgegangenen Aussage seines Gegenübers beeindruckt zeigt: Intremui post hoc fulmen attonitus (Petron. 101,1, vgl. 80,7). Vgl. Rubenbauer, Hans 1923: Art. ‚fulmen‘. In: ThLL VI,1,1527,65–78; Leumann, Manu 1911: Art. ‚detono‘. In: ThLL V,1,819,7–819,29.
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2462–2464 Sanguinis torrens … Christiadum cruore] Die zweite Bitte behandelt erneut den drohenden Untergang der Christen. Dabei greift Macharius auf hyperbolische Sprachbilder des Epos zurück. Von einem Strom aus Blut (sanguine […] torrente), den die Opfer des Bürgerkrieges verursachen und der das Tyrrhennische Meer entzweit, ist beispielsweise auch bei Lucan (2,219–220, vgl. auch 2,713) die Rede. 2474–2509 Spirate Christiani … animam evomuit simul.] Die Funktion des Botenberichts entspricht der im antiken Drama. Er schafft einerseits Gewissheit, die auf eine langsam aufgebaute Erwartung folgt, andererseits schildert er kurz vor Schluss einer Tragödie die abseits der Bühne stattgefundene Katastrophe. In derselben Weise wird sie von Seneca in der Phaedra (Phaedr. 991–1122) und im Thyestes (Thy. 623–788) verwendet. 2474–2476 Spirate Christiani … luctum solvite.] Bereits spirate, das allererste Wort des Boten, durchbricht mit einem Schlag die bis aufs Äußerste gespannte und tief bedrückte Atmosphäre, die nicht nur den Beginn dieser Szene beherrscht, sondern das gesamte Drama seit dem Unheil verkündenden Chorlied im Anschluss an II,3. Die darauffolgende Erklärung (Iulianus est ∣ Occisus) wird durch ein Enjambement auseinandergerissen. Diese spannungsfördernde Kunstpause könnte insofern szenisch umgesetzt worden sein, als der Bote vollkommen außer Atem bei den betenden Christen ankam und nach dem ersten Vers, den er formuliert hat, erst einmal eine Verschnaufpause einlegen musste. Während der Bote nach Atem ringt, warten sowohl die Christen auf der Bühne als auch alle Zuschauer auf die entscheidende Botschaft, die da kurz und prägnant lautet: occisus. Die mit der daran anschließenden Geminatio verschränkte doppelte Verschleifung occis(u[s]) ill(e) ille trägt einerseits dem Mitteilungsdrang des Boten Rechnung, der vor lauter Aufregung und Atemlosigkeit kaum ein verständliches Wort hervorbringt, andererseits will sie unmissverständlich darauf hinweisen, dass es sich ohne Zweifel um Julian handelt (ille ille). Der folgende Vers (Spirate Christiani et luctum solvite) wiederholt anaphorisch den Beginn des Botenberichts und fordert die Christen erneut dazu auf, sich zu freuen und die Betrübnis zur Seite zu schieben. 2478–2479/2538–2539 Quo genere … Foedus mirmyllo. / Tandem lanista … tandem dedit.] Mit diesen Worten erkundigt sich der Eunuch in Stefonios Crispus beim jüngeren Konstantin, wie es zum Untergang des Crispus gekommen ist (siehe Similienapparat). Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5. 2479 mirmyllo] Der Murmillo stellt einen bestimmten Typus eines Gladiators dar. Dieser kämpfte mit einem großen rechteckigen Schild, einer Schiene am linken
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Bein und einem kurzen Schwert. Die Bezeichnung leitet sich wohl von einem Fischzeichen ab, das der Kämpfer auf seinem Helm trug und das den gleichnamigen Meeresfisch (μορμύρος bzw. μορμύλος) darstellte. Eine andere Verbindung könnte darin bestehen, dass diese Fische normalerweise mit einem Netz gefangen wurden. Dies ist insofern von Bedeutung, als der Murmillo häufig gegen einen retiarius kämpfte, ein Gladiator, der mit Netz und Dreizack bewaffnet war. Vgl. Mann 2013, S. 23–26; Junkelmann 2000, S. 110–111; Schneider 1933. Neben dem Aspekt des grausamen Dahinschlächters, für den ein Murmillo im Allgemeinen stehen kann, ist für das Verständnis des vorliegenden Zusammenhangs eine Stelle in Ciceros Philippischen Reden aufschlussreich: Ille autem [sc. L. Antonius] ex myrmillone dux, ex gladiatore imperator, quas effecit strages, ubicumque posuit vestigium! (Phil. 3,31; vgl. Phil. 13,20) [Jener aber [sc. Lucius Antonius], befördert vom Murmillo zum Feldherrn, vom Gladiator zum Heerführer, für welche Vernichtung sorgte er, wo auch immer er seinen Fuß hinsetzte!]
Cicero benutzt den Begriff murmillo hier und andernorts (vgl. Phil. 5,20, 6,10 und 13, 7,17 sowie 12,20), um den Bruder des Antonius zu diffamieren (ähnliche Funktion bei Plin. nat. 7,55). Indem er den Werdegang des Lucius als Karriere vom Murmillo zum Feldherrn und vom Gladiator zum Heerführer anspricht, greift er seine Stellung und Autorität massiv an. Bei Cicero sind die Bezeichnung gladiator und ähnliche Begrifflichkeiten generell stark negativ konnotiert (vgl. Martin 2010, S. 133). In derselben verachtungsvollen Weise soll Julian hier in Analogie zu einem Gladiator in der Arena als derber, hemmungsloser und brutaler Kämpfer und nicht als angesehener und edler Feldherr im Perserkrieg dargestellt werden. Eine weitere negative Konnotation der Bezeichnung ergibt sich auch vor dem Hintergrund der strikten Ablehnung und Verachtung, die den Gladiatorenspielen von christlicher Seite, auch wenn dabei mehr der Zuschauer als der Kämpfer an sich im Zentrum der Kritik stand (vgl. Prud. c. Symm. 2,1095–1129; Aug. conf. 6,8,13), seit der Spätantike entgegengebracht wurden. Laktanz spricht ganz offen von einem publicum homicidium (inst. 6,20,15; vgl. Tert. spect. 23,8). Vom Apologeten Tertullian werden die Spiele sogar als eine Form des Götzendienstes gebrandtmarkt (bes. spect. 4,1–4). Vgl. Mann 2013, S. 107–110; Martin 2010; Wiedemann 2001, 149–162; Weismann 1972, S. 79–80, 85–88 und 98–105; Opelt 1965, S. 133 und 136. 2479–2495 ut decuit funestissimo. ∣ … hastam pectore ∣ Perfosso recipit.] Wie typischerweise in der griechischen Tragödie erfüllt der Botenbericht im Iulianus beim Zuschauer plötzlich dessen angestaute und sukzessiv angestiegene Erwar-
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tungshaltung. Der zuvor mehrmals formulierte Wunsch der Christen, Julian möge den Tod finden, geht nun in Erfüllung. Die Schilderung des Boten wirkt in besonderem Maße gedrängt und gerafft. Eingeleitet wird diese durch einen doppelten polysyndetisch verbundenen Temporalsatz postquam … postquam … (V. 2480– 2482). Dieser wiederum enthält zwei kurze Partizipialkonstruktionen (phalanges dissitae et iussae vices, V. 2480), die selbst wiederum eine noch weiter zurückliegende Handlung beschreiben und somit das nacheinander erfolgte Geschehen im Vorfeld der Schlacht aufs Kürzeste zusammenraffen. Die stakkatoartige Aufzählung von Julians folgenden Taten ist durch die Partizipialkonstruktion (Iulianus agminis ∣ Ad frontem provectus, V. 2482–2483) bzw. durch die attributive Beiordnung (capiendi vulneris ∣ Securus, V. 2483–2484) in derselben Kürze gehalten. Die hektische und sprunghafte Schilderung des Boten verdeutlicht der Subjektswechsel innerhalb des Hauptsatzes (Iulianus dedit; nimbus eripit, V. 2484–2485) sowie der Wechsel vom Perfekt ins historische Präsens (placuere, monuere, dedit; eripit). Dynamik wird dem Bericht des Boten, der fortlaufend ohne Unterbrechung erzählt, durch dreifaches Enjambement innerhalb der ersten vier Verse verliehen. Der mittlere Teil des Botenberichts (V. 2487–2493) beschreibt den eigentlichen Schlachtvorgang und skizziert damit das Szenario, an dessen Ende das entscheidende Ereignis, Julians Tod, in einer prägnanten Schilderung erzählt wird: Haec inter Iulianus hastam pectore ∣ Perfosso recipit. (V. 2494–2495). Diese erste Rhesis des Boten ist stark von Elementen geprägt, die typisch sind für das antike Epos. Den Speerwurf als symbolischen und ein gutes Omen verheißenden Auftakt der Schlacht vollziehen auch Turnus und Aeneas in Vergils Aeneis (9,53–54, 10,310–311, vgl. 12,266). Das aus dem meteorologischen Bereich stammende Vokabular zur metaphorischen Beschreibung eines Kampfgeschehens wie fulmen intortum ducis, nimbus ferreus solem eripit und sub nube telorum und die damit verbundenen Hyperbolen sind ebenfalls in diesen Zusammenhang einzuordnen (vgl. z.B. ferrum alii torquent et obumbrant aethera telis, Verg. Aen. 12,578; siehe auch Verg. Aen. 7,793, 9,706 und 733 sowie 10,809; Lucan. 6,205). Dasselbe gilt für die ‚kosmische Auxesis‘ Exoritur ingens clamor et caelum ferit (V. 2488), die häufig in epischen Kampfschilderungen zu finden ist (fast identisch: ferit aurea sidera clamor, Verg. Aen. 2,488; vgl. auch Verg. Aen. 4,668, 5,140–141 und 227–228; Ov. met. 3,706 und 9,584). Trotz aller Parallelen zum antiken Epos und der antiken Tragödie als Vorbild weist die Beschreibung der Vorbereitungen und des eigentlichen Kampfgeschehens jedoch eine noch größere Ähnlichkeit mit der ersten Szene des plautinischen Amphitruo auf (Amph. 203–261), eine Passage, die neben der, wie im Similienapparat vermerkt, Schlachtbeschreibung im Crispus auch für diejenige in Buchanans Jephthes als Vorbild diente (vgl. Sharratt/Walsh 1983, S. 251; Lebègue 1929, S. 242). Im Amphitruo berichtet der Sklave Sosia von einer Schlacht, aus der sein Herr
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Amphitruo, der Feldherr der Thebaner, siegreich zurückgekehrt sei. Die Beschreibung der Vorbereitungen zur Schlacht beginnt in beiden Fällen mit einem temporalen postquam-Satz (postquam utrimque exitum est, Amph. 219). Der Vers dispertiti viri, dispertiti ordines (Amph. 220) entspricht den phalanges dissitae et iussae vices im Iulianus. Ein Trompetensignal und wildes Kampfgeschrei bilden jeweils den Auftakt zum Kampf (tubae contra utrimque occanunt, ∣ […] clamorem utrimque efferunt, Amph. 227–228). Der Himmel hallt in beiden Fällen vom Geschrei wider (boat ∣ caelum fremitu virum, Amph. 232–233). Zum Schlachtbericht des Sosia im plautinischen Amphitruo siehe auch Faller 1999 und Hofmann 1959. 2484–2485 hasta missili exorsum dedit ∣ Omenque pugnae] Julian führt hier zu Beginn der Schlacht eine Handlung aus, die bei den Römern laut antiker Quellen ursprünglich den Fetiales, einem römischen Priesterkollegium mit zwanzig Mitgliedern, zukam. Bei einer formalen Kriegserklärung sollen diese als Symbol für den Beginn des Krieges eine gehärtete und in Blut getauchte Lanze ins feindliche Gebiet geworfen haben (vgl. Liv. 1,32,12). Mit der zunehmenden Expansion des Römischen Reiches sei bei Kriegen gegen weiter entfernte Feinde diese Zeremonie symbolisch in Rom vollzogen worden, wobei ein Stück Land beim Tempel der Bellona vorübergehend zum Feindesland deklariert und mit einer Lanze getroffen worden sei (vgl. Serv. Aen. 9,52; Cass. Dio 50,4,4–5; Fest. S. 30,14–16). Servius merkt in einem Zitat aus dem verlorenen Calenus des Varro an, dass diese Zeremonie durchgeführt worden sei, um ein gutes Vorzeichen zu erhalten (ominis causa). Die Forschung (bes. Rüpke 1990, S. 105–107 und Wiedemann 1986) geht heute jedoch davon aus, dass Augustus das Werfen des Speeres beim Tempel der Bellona in Rom im Zusammenhang mit seiner Kriegserklärung gegen Kleopatra bzw. Antonius im Jahre 32 v.Chr. neu eingeführt hat, um seine Politik propagandistisch abzusichern. Davon ausgehend wurde dieses Vorgehen von augusteischen Schriftstellern (bes. Livius) in die Vergangenheit rückprojiziert, um durch das angeblich hohe Alter dieser Handlung eben diese noch stärker zu legitimieren. Hinter Julians Handlung steht freilich auch das v.a. in hellenistischer Zeit verbreitete Prinzip des ‚speergewonnenen Landes‘ (αἰχμάλωτος bzw. χώρα δορίκτητος; zur Begrifflichkeit siehe Mehl 1980/1, S. 177–181), um Besitzansprüche auf ein Gebiet zu formulieren, eine Handlung, die u.a. Alexander der Große zu Beginn seines Perserfeldzuges nach dem Übersetzen über den Bosporos vollzogen haben soll (Diod. 17,17,2; weitere Quellenbelege gesammelt bei Mehl 1980/1, S. 181–183). Vgl. Worthington 2014, bes. S. 140–142; Beard/North/Price 1998, II, S. 26–27 und S. 132– 134; Prescendi 1998b; Rüpke 1990, S. 97–108; Wiedemann 1986, S. 478–483; Mehl 1980/1; Latte 1960, S. 121–124.
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2485 fulmen intortum ducis] Diese Formulierung passt zur Darstellung Julians im Gebet des Macharius zu Beginn dieser Szene. Erneut wird der Kaiser in Analogie zum blitzeschleudernden Jupiter beschrieben. Siehe Comm. ad 2457–2459. 2489–2493 Fit gradus … ardor caede ardescit fera] Der Bericht über das eigentliche Kampfgeschehen wird durch eine Hyperbole (omne sternitur telis solum) eingeleitet. Die auffallende Wortstellung bildet den Nahkampf plastisch ab: Die Juxtaposition der beiden Polyptota virum vir und scutis scuta gibt dabei die Kampfhandlungen wieder, bei der ein Soldat dem anderen unmittelbar zusetzt und Schild auf Schild kracht. Die Helme der Soldaten (galeae) werden durch das Verb gemunt personifiziert, die Schlachtbeschreibung dadurch verlebendigt. Das Polyptoton aus dem Substantiv ardor und seinem inkohativen Verbum ardescere (V. 2493) unterstreicht die Heftigkeit des Mordrausches, dem sich die Soldaten beider Seiten hingeben. 2494–2509 Haec inter Iulianus … animam evomuit simul.] Julians Tod hat sowohl aufgrund seines plötzlichen und unerwarteten Eintretens als auch ganz besonders durch die Umstrittenheit seiner Person zu einer reichen Legendenbildung geführt. Baronio widmet sich auffällig ausführlich den verschiedenen Berichten: Auf der julianfreundlich gesinnten Seite tat sich Libanius hervor, der als erster, wenn auch unausgesprochen, die Christen für den Tod des Kaisers verantwortlich machte (or. 18,274–275; Bar. AE IV,135D–136A; vgl. Lib. or. 24,6). Auch Ammian, der an anderer Stelle noch neutral berichtete, dass die Herkunft des tödlichen Speers ungewiss gewesen sei (incertum unde, Amm. 25,3,6), berichtet von Stimmen, die behaupteten, dass Julian von römischer Hand getötet worden sei, tut diese aber als unzuverlässiges Gerücht ab (rumor incertus, vgl. Amm. 25,6,6). Gregor von Nazianz listet mehrere Versionen auf (or. 5,12; Bar. AE IV,136B–D): Es gebe Gerüchte, Julian sei von einem persischen Speer bei einem ungestümen Ausfall getötet worden. Andere behaupteten, dass der Kaiser, nachdem er während des Perserfeldzuges gesehen hatte, wie viele seiner Soldaten noch am Leben gewesen seien, darüber überaus entrüstet gewesen sei. Einer seiner Männer, der dies miterlebt hatte, soll darüber so aufgebracht gewesen sein, dass er dem Kaiser sein Schwert in den Leib stieß. Es werde außerdem berichtet, so Gregor, dass ein Barbar, der im Heer als Spaßmacher diente, Julian umgebracht habe; wieder andere schrieben diese Tat einem Sarazenen zu. Die Historiker Eutrop (10,16,2; vgl. Aug. civ. 4,29, S. 183,3–4) und Rufus Festus (brev. 28; vgl. Ps.Aur. Vict. epit. 43,3; Oros. hist 7,30,6; Iord. Rom. 305) bleiben bei der Version, nach der Julian von einem Feind getötet wurde. Der Historiker Sokrates zitiert Kallistos, in dessen Gedicht Julian durch einen Dämon ermordet wird (hist. eccl. 3,21,14). Magnos von Carrhae, der bei Johannes Malalas zitiert wird (Ioh. Mal. 13,23), und Rufinus (hist. 10,37)
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stimmen mit Ammians Urteil überein und können über die Herkunft des Geschosses keine genaue Auskunft geben. Vgl. Bringmann 2004, S. 182–185; Straub 1962; Hahn 1960. Gregor von Nazianz gab mit seiner allgemeinen und vagen Behauptung, Julian sei durch göttliches Wirken zu Tode gekommen ([καλῶ] πᾶσα δύναμις τῶν οὐρανῶν, πάντες ἄγγελοι, οἷς ἔργον ἡ τοῦ τυράννου κατάλυσις, or. 4,1: [Ich rufe] euch alle, ihr Engel, die ihr den Sturz des Tyrannen bewirkt habt, [an]; τὰ δίκαια τοῦ Θεοῦ σταθμία, or. 5,1: die gerechte Vergeltung Gottes. Übersetzung jeweils Haeuser 1928; Bar. AE IV,135D), gewissermaßen den Impuls für eine reiche christliche Legendenbildung. Die einzelnen Stationen und abweichenden Versionen haben Robert von Nostitz-Rieneck (1907) und Theodor Büttner-Wobst (1892) zusammengestellt. An dieser Stelle soll lediglich dem Erzählstrang nachgegangen werden, an den Drexels Schilderung anknüpft: Den Ausgangspunkt bildet Sozomenos, der ebenfalls von einem Gerücht gehört habe, dass Julian durch göttliches Wirken umgebracht worden sei (hist. eccl. 6,2,2). Er äußert dabei als erster die Vermutung, dass dem sterbenden Julian Christus erschienen sei. Damit verbindet er die Erzählung von verschiedenen Visionen, die mit dem Tod des Kaisers in Zusammenhang stünden. Die im vorliegenden Zusammenhang wichtigste von ihnen ist die sogenannte ‚Apostelvision‘ (hist. eccl. 6,2,3–5). Sie berichtet von einem kaiserlichen Diener, der auf dem Weg zu Julian ins Perserreich war und auf dieser Reise in einer Kirche übernachtete. In einem Traum sah er eine Versammlung von Aposteln und Propheten, die sich über Julians Verbrechen gegen die Kirche echauffierten. Sie beratschlagten über Auswege aus der bedrohlichen Situation. Nachdem sie lange ohne Ergebnis hin und her überlegt hatten, erhoben sich zwei namentlich nicht genannte Personen, hießen den Übrigen frohen Mutes zu sein und eilten aus der Versammlung. Durch diesen Traum in Furcht und zugleich in Neugierde versetzt verharrte der Diener eine weitere Nacht in der Kirche, um in einem erneuten Traum den Ausgang der Geschichte zu erfahren. Tatsächlich sah er in einem Traum in der folgenden Nacht erneut die Versammlung vom Vortag. Plötzlich kehrten die beiden tags zuvor aufgebrochenen Personen zurück und berichteten den Übrigen, dass Julian getötet sei, wobei jedoch im Unklaren blieb, ob sie nur die Boten oder die Mörder waren. Im Laufe des sechsten Jahrhunderts gewinnen diese beiden Personen eine präzisere Identität, wobei die Vita Basilii eine wichtige Rolle spielte. Basilius war während Julians Regierungszeit Bischof von Caesarea in Kappadokien. Laut Johannes Malalas (13,25) soll er in Julians Todesnacht im Traum zum Himmel aufgesehen und Christus erblickt haben, der den Märtyrer Mercurius zu sich rief und ihm den Auftrag erteilte, Julian zu töten. Nach kurzer Abwesenheit sei Mercurius mit der Nachricht vom Tod des Kaisers zurückgekehrt. Auch bei Johannes von Damaskus nimmt Basilius eine zentrale Rolle ein. In seinem Plädoyer für die Bilderverehrung
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(PG 94,1277B) verdeutlicht er, dass diese schon alt sei, und gibt hierfür eine Passage aus der Vita Basilii wieder. Demnach soll Basilius einst vor einem Bildnis der Gottesmutter gestanden haben, auf dem auch der Heilige Mercurius abgebildet war. Er flehte Maria an, sie möge dafür sorgen, dass Julians Schreckensherrschaft ein Ende finde. Basilius bemerkte daraufhin, wie Mercurius für kurze Zeit vom Bild verschwand und wieder zurückkehrte, wobei seine Lanzenspitze mittlerweile mit Blut befleckt worden war. Der byzantinische Kirchenhistoriker Nikephoros Kallistos Xanthopulos (ca. 1256–1335) bemühte sich, diese verschiedenen Überlieferungsstränge in eine harmonische Erzählung zusammenzuführen (Nic. 10,35; zu Nikephoros siehe auch S. 94 mit Anm. 200). Auch er gibt die ‚Apostelvision‘ wieder, fügt zu den anwesenden Aposteln und Propheten aber noch verschiedene Märtyrer hinzu. Unter den Letztgenannten sollen sich auch Mercurius und Artemius befunden haben, die letztlich den Kaiser ermorden. Somit nimmt er in die ‚Apostelvision‘ nicht nur die Mercurius-Legende auf, sondern identifiziert auch die zweite bisher anonyme Person als den unter Julian umgekommenen Christen Artemius, auch wenn die Passio Artemii von einer Beteiligung desselben an Julians Tod nichts berichtet (vgl. Pass. Art. 69). Robert von Nostitz-Rieneck (1907, S. 21–22) sieht den Grund für die Identifikation der zweiten Person mit Artemius darin, dass es sich bei ihm um „ein[en] berühmte[n] Märtyrer der Julianischen Verfolgung“ handle (ebenso bei Baronio AE IV,137D). Dieser Erklärungsansatz sollte aber noch um mindestens zwei Aspekte erweitert werden. Ein in diesem Zusammenhang weiterer wichtiger Punkt liegt erstens darin, dass Julians Tod im Passionsbericht des Märtyrers Artemius überhaupt behandelt wird, wo er doch angeblich nichts damit zu tun gehabt habe. Somit können zwischen Artemius und Mercurius drei parallele Linien gezogen werden: Denn der jeweilige Ausgangs-, Mittel- und Endpunkt sowohl der Mercurius-Legende als auch der Passio Artemii entsprechen sich: Beide Hauptfiguren sind verdiente christliche Soldaten, die den Märtyrertod (wenn auch unter unterschiedlichen zeitlichen Umständen) finden und in deren Passionserzählungen Julians Tod behandelt wird, sei es unter aktiver Beteiligung des Protagonisten, sei es als ‚bloße Information‘. Zweitens ergänzen sich die Legenden der beiden Märtyrer komplementär zu einem geschlosseneren Bild. Denn die Mercurius-Legende besaß den, wenn man so will, ‚logischen Makel‘, dass seine Hauptperson zwar an Julians Tod beteiligt war, sie ihr Martyrium aber nicht unter diesem erlitt. Umgekehrt wurde Artemius zwar von Julian zum Tode verurteilt, war aber laut den bis dahin verbreiteten Legenden nicht in dessen Ermordung involviert. Dabei wäre Artemius doch die geeignetere Figur gewesen, um den logischen Zusammenhang zwischen Julians Verbrechen und Untergang herauszustellen. Indem Nikephoros dem Märtyrer Artemius eine Beteiligung an Julians Tod andichtete, konnte er
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somit nicht nur die ‚Apostelvision‘ und die Mercurius-Legende besser harmonisieren, sondern auch Julians Schuld und Verantwortung am eigenen Untergang deutlicher illustrieren. Vgl. auch Baynes 1937. Drexel scheint eine ganz ähnliche Motivation verfolgt zu haben, ja er geht bei der Parallelisierung der beiden Blutzeugen sogar noch einen Schritt weiter. Unter Missachtung der überlieferten Märtyrerakten (auch der des Nikephoros bzw. Baronio) macht er Mercurius zu einem Zeit- und Leidensgenossen des Artemius und lässt beide gemeinsam das Martyrium unter Julian erleiden. Diese Glitterung der überlieferten hagiographischen Berichte dürfte v.a. darin begründet sein, die innere Kohärenz des Dramengeschehens zu stärken. Das Auftreten des Mercurius, der nicht innerhalb des Dramas den Märtyrertod erlitten hätte, sondern lediglich als Begleiter des Artemius erschienen wäre, um Julian zu töten, hätte die Stringenz des Dramas in Bezug auf die Frage nach der gerechten Strafe für Julian gestört (zur zentralen Funktion der Märtyrer Artemius und Mercurius innerhalb des Iulianus zur Herausstellung der Rolle der menschlichen ‚Werke‘ für die Rechtfertigung siehe Abschnitt 3.3.2). Ebenfalls bedingt durch die spezifische Konzeption des Dramas, in dem Christus als Weltenrichter im Zentrum steht, der die Bitten seiner Gläubigen erhört und über das menschliche Leben gemäß seiner guten und bösen Taten richtet, ist eine Transformation des Grundgerüsts der ‚Apostelvision‘ und ein Rückgriff auf bzw. eine Verschmelzung mit älteren Erzählungen notwendig geworden. Die Versammlung aus Aposteln, Propheten und Märtyrern, wie sie bei Nikephoros zu finden ist (ἀποστόλων […] καὶ προφητῶν χοροὶ καὶ μαρτύρων) wurde zu einer Versammlung vor Christus (V,4). Dieser tritt als thronender Richter auf, um den sich Julianophylax, der Schutzengel des Angeklagten, und der Chor versammelt haben. Letztgenannter symbolisiert die Schar der Himmlischen, darunter Apostel, Propheten, Heilige, Märtyrer, aber v.a. auch Julians Opfer im Drama, wobei Artemius und Mercurius besonders hervorstechen. 2494 hastam] Auch wenn Julians Tod zu einer reichen Legendenbildung führte, war es doch immer ein Speer, der den Kaiser tötete, und nicht, wie die Perioche zu dieser Szene fälschlicherweise behauptet, ein „Pfeil“. 2498–2500 Per et coruscis asperam gemmis, per et ∣ Auro trilicem missa loricam bibit ∣ Altum cruorem] Julians Panzer wird hier insbesondere im Hinblick auf den dreifachen Goldfaden, mit dem er durchwirkt ist, in typisch epischer Weise geschildert. In derselben Weise beschreibt Vergil in seiner Aeneis die Waffen des Neoptolemus (3,367; vgl. 5,259–260, 7,639–640; Sil. 2,401).
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2502–2503 Exclamat acies illius: Persicae fremunt ∣ Plausu cohortes] Im Manuskript steht an dieser Stelle Exclamat acies hostium. Hieraus ergibt sich jedoch eine redundante Dopplung, die aus der Übernahme der Passage aus Stefonios Crispus entstanden ist. Dort heißt es: Exclamat acies hostium, Latiae fremunt plausu cohortes (I,683–684). Im Crispus, wo der gleichnamige Feldherr der Römer einen Speer in Richtung der Feinde wirft, diese mit Kriegsgeschrei antworten und die Römer ihrerseits daraufhin ihrem Feldherrn für den geglückten Wurf Beifall zollen, ist von zwei verschiedenen Subjekten (acies hostium; Latiae cohortes) die Rede. Drexel dagegen ersetzte, gezwungen durch die unterschiedliche Rahmenkonstellation, lediglich das Adjektiv Latiae mit Persicae. Hieraus ergab sich jedoch die angesprochene Dopplung, da eine Subjektsgleichheit hergestellt wurde. Um diese Redundanz zu beseitigen und die Gegenüberstellung, wie sie im Crispus vorhanden ist, wiederherzustellen, wurde zu acies illius [sc. Iuliani] emendiert. Somit kann der entsetzte Aufschrei des römischen Heeres, der durch den Tod ihres Kaisers und Feldherrn hervorgerufen wird, dem jubelnden Beifall des feindlichen Heeres anlässlich desselben Ereignisses kontrastierend entgegengestellt werden. 2504–2506 Fugiente vita … haec verba proruit:] Erneut (vgl. V. 2474–2476) zeichnet sich der Bote durch eine hektische und aufgeregte Sprechweise aus. Enjambements, die den Sprechfluss beschleunigen, kennzeichnen auch diesen Abschnitt. Die einzelnen Geschehnisse, die sich zugetragen haben, nachdem Julian getroffen worden war, sind zwar polysyndetisch durch et … et … aneinandergereiht, weisen aber dennoch insgesamt einen starken ‚Telegrammstil‘ auf. Die immer ungeduldiger werdenden Zuhörer auf und vor der Bühne warten auf die entscheidende Information über den tatsächlichen Tod des Kaisers. Zuvor schließt der Bote durch das Enklitikon -que markant an das erwähnte Polysyndeton an und leitet damit zu den berühmten letzten Worten des Kaisers über. 2507–2508 Galilaee vicisti; saturare sanguine ∣ Nazarene] Die Entwicklung zu dieser Version von Julians angeblich letzten Worten nimmt bei Philostorgios im fünften Jahrhundert n.Chr. seinen Ausgang. Dieser berichtet, dass der Kaiser von einem Sarazenen in persischen Diensten mit einem Speer getroffen worden sei. Verwundet habe Julian mit seiner Hand Blut aus seiner Wunde geschöpft und sie mit dem Ausruf κορέσθητι (‚sättige dich daran‘) der Sonne entgegengeworfen. Damit habe er zum Ausdruck bringen wollen, dass er eigentlich der Macht der Sonne unterlegen sei. Beschimpfungen von weiteren Gottheiten folgen (hist. eccl. 7,15). Beim Historiker Sozomenos erhält diese Anekdote eine explizit antichristliche Note (hist. eccl. 6,2,10; vgl. Bar. AE IV,137E–138B). In Einklang mit Philostorgios schildert er zunächst, dass der Kaiser Blut aus seiner Wunde geschöpft habe, die-
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se dann aber nicht gegen die Sonne geschleudert, sondern lediglich in die Luft geworfen habe. Auch wenn kein konkreter Ausruf überliefert wird, deutet Sozomenos dieses Ereignis so, als sei Julians Handeln eine Reaktion auf eine ChristusErscheinung gewesen. Diesem habe Julian die Schuld an seinem Untergang zugesprochen. Sozomenos weist aber auch darauf hin, dass dieser Gestus des Kaisers von anderen in der Weise gedeutet werde, dass sein Handeln gegen die Sonne gerichtet gewesen sei, die den Persern und nicht ihm günstig gesinnt gewesen sei. Der für die folgende Entwicklung wichtigste Bericht stammt von Theodoret (hist. eccl. 3,25). Dieser sieht im Tod des Kaisers ein Gottesgericht. Auch wenn er ebenfalls nicht klar den Täter benennen kann, lässt er dennoch keinen Zweifel daran, dass Julians Tod auf göttliches Wirken zurückzuführen ist (τοῦ θείου νεύματος γενόμενος ὑπουργός). Die folgende Handlung, die Julian vollzieht, entspricht den Schilderungen bei Philostorgios und Sozomenos. Theodoret überliefert im Anschluss aber νενίκηκας Γαλιλαῖε (= vicisti Galilaee: du hast gesiegt, Galiläer; vgl. Bar. AE IV,137E) als die letzten Worte des Kaisers. In der Passio Artemii (Pass. Art. 69) sind die angesprochenen Berichte des Philostorgios, Sozomenos und Theodoret zu einer Version verschmolzen: Nachdem Julian getroffen worden sei, habe er Christus vor sich gesehen, der ihn verhöhnte. Von Wut getrieben habe er sein Blut in die Luft gegen Christus geworfen und soll dabei νενίκηκας Χριστέ, χορτάσθητι, Γαλιλαῖε (= vicisti Christe, saturare Galilaee) laut ausgerufen haben. Diese Version hat sich dann trotz einiger leicht abweichender Formulierungen (aufgelistet bei Büttner-Wobst 1892, S. 46–47 Anm. 41) in der Überlieferung gefestigt. Vgl. v. Nostitz-Rieneck 1907, S. 12–15; Büttner-Wobst 1892, bes. S. 32–37. 2508 Năzarenus] Zur Metrik siehe Comm. ad 2531. 2509 Undam cruoris et animam evomuit simul.] Am Ende der aufgebrachten Schilderung des Boten, an dem Julians Tod steht, wechselt das Erzähltempus wieder ins Perfekt und bildet somit strukturell den abschließenden Rahmen für den Bericht des Boten. Des Weiteren benutzte die Wendung animum evomere auch Julianophylax, als er seinem ehemaligen Schützling den gewaltsamen Tod durch Artemius und Mercurius ankündigte (undam vomes ∣ Sanguinis et impurum animum sic tandem evomes, V. 2414–2415; vgl. Comm ad locum). 2510–2514 Sic, sic o Numen … improba feriunt.] Die unmittelbar auf die Nachricht von Julians Tod hervorbrechende Freude der Christen wird durch die vierfache Geminatio sic, sic hervorgehoben. Diesen Ausdruck der triumphierenden Freude verwendet Drexel auch im Triumphus Crucis, nachdem David den Riesen Goliath getötet hat (Sic sic cadis columna carnis turgida, fol. 173v ). Insbesondere
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die ersten beiden Verse, die von Macharius und Lucianus gesprochen werden, fassen eine zentrale Botschaft zusammen, die aus Julians Schicksal erwächst: Seine Feinde zerschmettert Gott, seine Anhänger errettet er. Das Gegensatzpaar hostes sternuntur/amici servantur wird in diesen parallel konstruierten Sätzen von denselben Worten sic, sic o Numen […] tui eingerahmt. Die Parallelität, in deren Kern eine antithetische Aussage steckt, verdeutlicht die Folgen, die mit einer Entscheidung für oder wider Christus einhergehen. Zur emotionalisierenden Geminatio Sic, sic … siehe auch Comm. ad 963–964. 2514 Sic, sic auctorem consilia improbra feriunt.] Diese zusammenfassende Bewertung wird innerhalb des Jubels der Christen zweifach in einer besonderen sprachlich-stilistischen Ausgestaltung veranschaulicht. Julian, der die ganze Welt niedergeworfen hat, ist aus diesem Grund nun selbst niedergeworfen (in orbe […], quem oppresserat, oppressus est, V. 2519). Er, der die Welt mit Füßen getreten hat, wird nun selbst mit Füßen getreten (calcatus est, ∣ Calcans Apostatae furor, V. 2558–2559). An diesen beiden Stellen im Text veranschaulicht ein Polyptoton die Bedingtheit von Julians eigenem Fehlverhalten und seinem gewaltvollen Tod. 2521–2526 Mars armis … vanissima potentia.] Julians Untergang wird hier mit dem Untergang der heidnischen Götter gleichgesetzt. Die verspottende Aufzählung von heidnischen Göttern, die ihrer typischen Waffen bzw. Attribute und somit ihrer Macht beraubt wurden, hat Drexel fast wörtlich aus Baronios Kirchengeschichte entnommen, wo es heißt: Sed et clarissime tunc perspexerunt, esse illos [sc. Deos gentium] penitus impotentes, nimirum privatum fulminibus Iovem, Martem armis, Mercurium talaribus et caduceo, Herculem clava; Vulcani friguisse ignes, Victoriam factam improbe transfugam; […] Isidemque nutricem, egentem. (AE IV,140C) [Damals aber haben die Menschen klar und deutlich erkannt, dass jene Götter vollkommen machtlos waren, dass Jupiter unzweifelhaft seiner Blitze, Mars seiner Waffen, Merkur seiner Flügelschuhe und seines Heroldstabes, Hercules seiner Keule beraubt wurde; dass die Feuer Vulcans erloschen sind und dass Victoria schandhaft zu einer Überläuferin wurde; […] dass die nährende Isis Hunger litt.]
2524 Isis matrix eget, est transfuga Victoria.] Die aus Ägypten stammende, aber auch während der Kaiserzeit im Römischen Reich verehrte Göttin Isis gilt bald als die Gattin des Totengottes Osiris, bald als die des Gottes Serapis. Ikonographisch wird sie häufig als Isis lactans dargestellt, d.h. als Muttergottheit, die ihren Sohn Horus/Harpokrates, der auf ihrem Schoß sitzt, stillt. Das Verb egere bildet damit
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eine Antithese zur Vorstellung der nährenden Gottesmutter und beschreibt in diesem Zusammenhang ihre Machtlosigkeit. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 253–256; Tran Tam Tinh 1990; Roeder 1916; Meyer/Drexler 1890–1894; Giraldi 1560, S. 370– 372. Die Bezeichnung der Göttin Victoria als transfuga ist an dieser Stelle in doppelter Hinsicht zu verstehen. Einerseits wird auf metaphorischer Ebene zum Ausdruck gebracht, dass der Sieg nicht auf Julians Seite, sondern auf der seiner Gegner, d.h. der Perser bzw. der Christen, stand. Zum anderen wird der militärische Fachterminus transfuga, der ein äußerst schändliches Verhalten im Felde beschreibt, dafür benutzt, um die Göttin als solche zu verunglimpfen, da sie sich entgegen ihres natürlichen Wesens als Fahnenflüchtige präsentiert. Die Nennung der Göttin Victoria, die Julian in seiner Aufzählung als letzte konkrete Gottheit anspricht und dadurch besonders hervorhebt, spielt auf einen in der heidnisch-christlichen Auseinandersetzung des vierten Jahrhunderts n.Chr. zentralen und berühmt gewordenen Streit an. Im Jahre 357 n.Chr. ließ Kaiser Constantius II. den Altar der Victoria, den Augustus nach der siegreichen Seeschlacht von Actium im Jahre 31 v.Chr. im Senatsgebäude hatte aufstellen lassen und an dem von diesem Zeitpunkt an die versammelten Senatoren vor jeder Sitzung ein Rauchopfer dargebracht hatten, entfernen. Nachdem Julian ihn vorübergehend wieder an seinem alten Platz aufstellen ließ, veranlasste Kaiser Gratian im Jahre 382 n.Chr. seine erneute Entfernung. Im Folgenden entzündete sich ein vehementer Streit um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung, wobei sich der Mailänder Bischof Ambrosius und der altgläubige Stadtpräfekt von Rom und Redner Symmachus als maßgebliche Protagonisten entgegenstanden. Im Jahr 384 richtete sich Symmachus in seiner sogenannten ‚Dritten Relatio‘ (or. 3) direkt an Kaiser Valentinian II. Dabei bediente er sich u.a. der traditionellen Romidee, um aufzuzeigen, dass das Überleben und die Weltherrschaft des Römischen Reiches eng an den alt überlieferten Götterkult gebunden sei (or. 3,8–9). Außerdem warb er für philosophischen Pluralismus und religiöse Toleranz (uno itinere non potest perveniri ad tam grande secretum, or. 3,10; vgl. auch 3,8: suus enim cuique mos, suus cuique ritus est). Dem widersprach Ambrosius von Mailand erfolgreich in zwei Briefen (epist. 17 und 18), die ebenfalls an Valentinian adressiert waren. Darin betont er u.a., dass auch in der fernen Vergangenheit die alten Götter das Römische Reich nicht vor Katastrophen geschützt hätten, was die verheerenden Niederlagen gegen die Gallier 387 v.Chr. und Hannibals Einfall in Italien bewiesen (bes. epist. 18,3–6). Gewissermaßen den Epilog dieses Streits bilden die zwei in Hexametern verfassten Bücher Contra Symmachum des christlichen Dichters Prudentius, in denen dieser zu einer überaus polemischen Abrechnung mit Symmachus ansetzt. Zum Streit um den Victoriaaltar siehe: Cameron 2011, S. 33–57 und 337–349; Evene-
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poel 1998/9; Rosen 1994; Wytzes 1977; Klein 1972; Klein 1971, bes. S. 76–107 und 122–160. 2527/2529 Ubi tua o Maxime o stolide vaticinia? / ubi victima nunc, ubi sacrifica?] Drexel zitiert hier mehrere Stellen aus Baronios Zusammenstellung über den Spott, der sich nach Julians Tod von christlicher Seite über dessen Religion entlud (Bar. AE IV,142A–B = Theod. hist. eccl. 3,28, IV,144D = Greg. Naz. or. 5,25). Die beiden rhetorischen Fragen spielen einerseits auf die von Julian im Vorfeld seines Perserfeldzuges eingeholten Orakelsprüche an, die ihm eine siegreiche Wiederkehr prophezeiten (vgl. V. 2104 mit Comm. ad locum). Zum anderen nehmen sie Bezug auf die zahlreichen Tieropfer, die der Kaiser durchführen ließ, um für seinen Feldzug einen erfolgreichen Ausgang zu erbitten (vgl. V. 1801–1807 mit Comm. ad locum, v.a. s.v. Tauricremus). In beiden Fällen wird durch die hämische bzw. ironische Frage die Machtlosigkeit der Götter aufgezeigt und verlacht. Der Vokativ Maxime bezieht sich auf Julians Vertrauten. Dieser soll laut Theodoret deshalb Ziel des christlichen Spotts gewesen sein, weil er sich zwar nach außen als Philosoph gab, tatsächlich aber ein Magier gewesen sei, der sich damit brüstete, die Zukunft vorhersagen zu können. Im Drama tritt Maximus jedoch nie ausdrücklich als Wahrsager auf. Die Herkunft der Prophezeiungen und Orakelsprüche, die Julian einen erfolgreichen Ausgang des Perserfeldzuges ankündigen, wird nicht genannt (vgl. V. 2099–2106 und 2407–2410). Somit wirkt dieses Zitat aus Baronio etwas deplatziert, da es mit keiner Begebenheit im Drama korrespondiert. Allein das Vorwissen und zu einem geringeren Teil die Angabe im Personenverzeichnis (sophus et magus) können diesen Ausruf des Christen Higinius erklären. 2531 Patriae, părricida Christiani exercitus.] In der christlichen Literatur wird der Begriff exercitus auf die Gesamtheit der Gläubigen bzw. die Kirche übertragen (vgl. Cypr. mortal. 15). Dahinter steht die Vorstellung, dass die Christen auf Erden ihren ‚Kriegsdienst‘ für Gott im Kampf gegen das Heidentum und den Götzendienst im Allgemeinen tun: exercitus domini ad certamen militiae caelestis armetur (Cypr. epist. 57,2,1; vgl. Hier. epist. 58,1,3). Eine ganz ähnliche Formulierung, wie sie hier vorliegt, verwendet Hieronymus, der Julian ebenfalls einen perditor animae suae et Christiani iugulator exercitus (epist. 60,15,2) nennt. Vgl. Hey, Oskar/Meyer, Gustav 1939: Art. ‚exercitus‘. In: ThLL V,2,1399,26–51. Bei lateinischen Dramendichtern ist vielfach eine Vernachlässigung der Positionslänge, besonders bei Vokalen vor Doppelkonsonanten zu beobachten (z.B. Achĭllem, Plaut. Poen. 1; per ănnonam, Plaut. Stich. 179; vicĭssatim, Plaut. Stich. 532). Auch wenn beispielsweise Álvarez (Inst. gramm. III, fol. 4r –4v ) und Micyllus (De re metrica II, fol. 148v –151v ) diese Lizenz in ihren Ausführungen zur
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Positionslänge nicht erwähnen, greift Drexel vereinzelt, wohl mehr oder weniger unbewusst, darauf zurück (vgl. V. 2508). Vgl. Questa 2007, S. 120–121; Kühner/Holzweissig 1912/1994, S. 229–231; Leumann/Hofmann/Szantyr 1977, S. 183. 2532–2533 Seren.: Iacet draco ille minacijs plenissimus. ∣ Higin.: Iacet ille Assyrius et truculentus Apostata.] Diese beiden Verse geben diejenige Beschimpfung wieder, mit der Gregor von Nazianz seine erste Rede gegen Kaiser Julian beginnen lässt (or. 4,1; Bar. AE IV,136D). Dabei bedient er sich zum einen des apokalyptischen Bildes des teuflischen Drachen, der von den himmlischen Mächten, insbesondere vom Erzengel Michael, im Kampf zu Fall gebracht wird (Apc 12,3, 13,2, 16,13, 20,2). Zum anderen spielt die Bezeichnung als Assyrius auf das Buch Jesaja an. Darin verkündet der Prophet allen Völker den Untergang, die Israel feindlich gesinnt sind. Dabei verweilt er längere Zeit beim unermesslichen Hochmut und dem zerstörerischen Werk des assyrischen Königs, der (wie letztlich auch Julian) durch die strafende Hand Gottes zu Fall kommt (Is 10,7–34). Julian wird somit mit großen Gegnern der biblischen Heilsgeschichte gleichgesetzt, die durch die Macht Gottes ihren Untergang finden. 2534 Iacet discipulus atque assessor daemonum.] Diese Aussage des Eutropius gibt eine Passage aus der Leichenrede des Libanios auf Julian wieder, an deren Ende er den verstorbenen Kaiser als Zögling, Schüler und Gefährten der ‚Dämonen‘/Götter anspricht: ὦ δαιμόνων μὲν τρόφιμε, δαιμόνων δὲ μαθητά, δαιμόνων δὲ πάρεδρε (or. 18,308). Auch Sokrates zitiert diesen Teil der Rede (hist. eccl. 3,23,42; vgl. Bar. AE IV,142D). Er gibt zwar zu, dass Libanios dies in anderer Weise gemeint habe, die vorhandene Doppeldeutigkeit aber dennoch auf Julians Bestrafung in der Hölle hindeute. 2535 Iacet Acherontis Iulianus pabulum.] Der Ausdruck Acherontis pabulum wird schon bei Plautus in übertragener Bedeutung scherzhaft als schimpfliche Bezeichnung verwendet (Cas. 159). Die ‚Speise für den Acheron‘, d.h. für die Unterwelt, wird hier als Nahrung für die Toten aufgefasst. Im christlichen Kontext nimmt diese Formulierung einen anderen Charakter an. Cassiodor nennt in seiner Psalmerklärung den Menschen, den Gott von sich weist und dem Teufel überlässt, das diaboli pabulum (in psalm. 103,27). Hierbei wird mit pabulum nicht mehr die Nahrung für die Toten in der Unterwelt beschrieben, sondern dahinter steht die christliche Vorstellung, dass der Teufel die Seelen der Verdammten in der Hölle brät. Damit eng verbunden ist die mittelalterliche und frühneuzeitliche Auffassung von der Teufels- bzw. Höllenküche. In der deutschen Sprache hat sich in diesem Zusammenhang der Begriff ‚Teufelsbraten‘ oder ‚Höllenbraten‘ etabliert.
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Vgl. Röhrich 1991–1992, S. 1613–1614 s.v. Teufel; Kruse, Klaus-Heinrich 1982: Art. ‚pabulum‘. In: ThLL X,1,8,67–72; Wander 1867–1880 IV, Sp. 1130 s.v. Teufelsbraten. 2536 Busyris, Phalaris] Die beiden Tyrannen Busyris und Phalaris werden in der antiken lateinischen Literatur häufig in einem Atemzug genannt und behandelt. Busyris, der Sohn des Poseidon und der Lysianassa war ein mythischer, äußerst grausamer König Ägyptens. Während einer langen Hungersnot in seinem Reich riet ihm der Wahrsager Phrasios (bei Ovid: Thrasius; vgl. unten), dem Zeus jährlich einen Fremden zu opfern, wodurch die Notlage bald beendet werden könne. Der König machte beim Wahrsager den Anfang und opferte in der Folge alle Fremden, die nach Ägypten kamen. Erst Hercules, der auf dem Weg zu den Hesperiden Ägypten durchquerte, machte den grausamen Machenschaften des Busyris ein Ende (vgl. Diod. 4,18,1; Apollod. bibl. 2,116–117). Die Grausamkeit des Busyris ist in der lateinischen Literatur ein verbreitetes Motiv (vgl. Ov. ars 1,646–652, met. 9,182– 183; Verg. georg. 3,5). Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 107–108; Grieshammer 1997; Laurens 1986; Hiller von Gaertringen 1897; Stoll 1884–1890b. Phalaris von Akragas (ca. sechstes Jhdt. v.Chr.), im Vergleich zu Busyris eine historische Figur, zählt in der Antike zu den berühmtesten Gewaltherrschern. Bekannt wurde er v.a. durch seinen schon von Pindar (P. 1,95) erwähnten ehernen Stier, in dem er Menschen auf grausamste Weise hinrichten ließ. Dazu ließ er den Bauch des Tieres, in den die Verurteilten gesteckt wurden, zum Glühen bringen. Die Schreie der Gemarterten sollen wie das Brüllen des Tieres geklungen haben. Eine wohl erstmals bei Kallimachos (frg. 44–47) belegte Weiterführung der Legende erzählt ferner (und darin liegt einer der Berührpunkte von Busyris und Phalaris), dass der Tyrann den gerade erst fertiggestellten und in Empfang genommenen Stier gleich an seinem Erbauer Perillus erprobt haben soll. Vgl. Patzek 2000; Luraghi 1994, S. 21–49; Berve 1967 I, S. 128–132; Lenschau 1938. Bei Ovid tauchen die beiden Gewaltherrscher an zwei Stellen als Paar auf (vgl. auch Claud. Eutrop. 1,161–166). In der Ars amatoria (1,646–658) empfiehlt der Dichter im Umgang mit Frauen nicht mit falschen Versprechungen, Schwüren und Täuschungen zu geizen (Nec timide promitte, 1,631). Denn da diese selbst betrügen, dürften auch sie betrogen werden. Wer anderen eine Grupe gräbt, fällt selbst hinein (in laqueos, quos posuere, cadant, 1,646). Zur Veranschaulichung zieht er dann in nicht ganz unironischer Weise die Erzählungen von Phalaris und Busyris heran, die jeweils den Urheber des ‚Betrugs‘ gleich als erste opfern. In der elften Elegie des dritten Tristienbuches bezeichnet Ovid ferner denjenigen, der vom Schicksal des Verbannten nicht betrübt und zu Mitleid gebracht würde, als einen schrecklicheren Menschen als Busyris und Phalaris (trist. 3,11,39–54). Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s (Phalaris tandem) siehe Comm. ad 383.
710 | Fünfter Akt 2538–2539 Alban.: Tandem lanistae cessit immanis furor, ∣ Tandem resedit, dexteram tandem dedit.] Die dreifache Nennung des Adverbs tandem betont die Erleichterung, die der Christ Albanus nach der Nachricht von Julians Tod verspürt. Lanistae waren im Römischen Reich professionelle Besitzer und Betreiber von Gladiatorenschulen. Sie überwachten und leiteten die Ausbildung der Kämpfer für die Spiele. Oftmals waren sie selbst Besitzer von Gladiatoren, die sie für Veranstaltungen vermieteten oder verkauften. Gehörte der Beruf des lanista schon in heidnischer Zeit zu den wenig angesehenen, was sich darin äußerte, dass er von Gemeindeämtern ausgeschlossen war und teilweise in einem Atemzug mit Mädchenhändlern genannt wurde (vgl. Cic. Att. 1,16,3; Mart. 11,66; Iuv. 3,155–156 und 6,216; Hist. Aug. Hadr. 18,8; Tert. pall. 4,8), so wurde er im Christentum noch weniger geachtet, sodass er sogar aus der Kirche ausgeschlossen war (Tert. idol. 11,5). Isidor von Sevilla leitet die Bezeichnung von laniare (‚zerfleischen‘, orig. 10,159) ab. Nicht zuletzt diese etymologische Erklärung beweist, wie sehr dieser Beruf im Bewusstsein der Menschen und besonders der Christen mit Gewalt und Brutalität in Verbindung gebracht wurde. Ähnlich wie zuvor die Bezeichnung mirmyllo (V. 2479) soll hier lanista den Kaiser verunglimpfen. Auch der diffamierende Gegensatz zwischen brutalem Kämpfer bzw. Aufhetzer in der Arena und einem edlen Feldherrn, den der Kaiser auf einem Feldzug eigentlich abgeben sollte, wird erneut herausgestellt. Vgl. Martin 2010; Onken 1999; Weismann 1972, S. 77–79 und 158; Opelt 1965, S. 136; Schneider 1925. Das Reichen der rechten Hand (dexteram tandem dedit), das der besänftigte immanis furor (V. 2538) hier metaphorisch vollzieht, ist als symbolischer Akt des Friedensschlusses bzw. als Unterwerfungsgeste zu interpretieren. Vgl. Rubenbauer, Hans 1912: Art. ‚dexter‘. In: ThLL V,1,927,64–928,50. 2542 sexcenta] Siehe Comm. ad 2112–2117. 2543–2545 Cecidit, cecidit tyrannus immanissimus; ∣ Cecidit suoque caeteros casu monet ∣ Virtute demta ne quid aeternum putent.] Die stark emotionalisierende Geminatio cecidit, cecidit (vgl. Comm. ad 963–964), auf die anaphorisch in der folgenden Zeile eine weitere Wiederholung folgt, bringt noch einmal den Jubel des Christen über Julians Tod markant zum Ausdruck. Macharius nimmt hier bereits die moralisierenden Schlussworte des Dramas (vgl. V. 2751–2757) vorweg: Julians Schicksal lehre, dass ohne die (christliche) Tugend nichts ewig währen könne. Der dreifache Aufschrei cecidit und diese Zusammenfassung leiten außerdem zum triumphierenden Chorlied über. 2547 luctus, cesset] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383.
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2550–2573 Prostratus est, occisus est ∣ … Dextra quae summos iugulat tremendo ∣ Fulmine montes.] Der triumphale Gesang der Christen setzt sich aus drei Strophen zusammen, die jeweils von einem Teil im jambischen Dimeter und einem in sapphischer Strophe gebildet werden. Die beiden den gesamten Gesang rahmenden Abschnitte (V. 2550–2553 und 2570–2573) entstammen Drexels Feder und feiern den Untergang des Tyrannen Julian durch die strafende Hand Gottes. Der erste und zweite Abschnitt in sapphischer Strophe sind aus Murets Iulius Caesar entnommen (siehe Similienapparat). Die V. 2554–2557 werden darin unmittelbar vor der Nachricht vom erfolgreichen Attentat auf Caesar gesungen. Der andere Abschnitt ist im Anschluss an eine domina-nutrix-Szene zu finden, in der Calpurnia von ihrer Amme bezüglich eines Traums beruhigt wird, in dem sie den Tod ihres Mannes voraussah. Die beiden mittleren Abschnitte im jambischen Dimeter (V. 2558–2561 und 2566–2569) sind größtenteils Zitate aus Buchanans Nachdichtungen des Psalms 59 (Vulg.: 58). Darin betet der Psalmist inmitten seiner Feinde zu Gott. Er bittet um Hilfe im Kampf gegen die Heiden und um ihren Untergang, damit sie die Macht Gottes erkennen. Abschließend preist er die Güte Gottes, die ihm Schutz und Zuflucht in seiner Not gewährt (Ps 59[58],17–18). Der Gesang der Christen ordnet Julians Untergang somit einerseits in einen historisch-epochalen, andererseits in einen biblisch-heilsgeschichtlichen Kontext ein. Durch die Zitate aus Murets Iulius Caesar wird eine Parallele zwischen der weltgeschichtlichen Zäsur, die aus Caesars Ermordung resultiert, aus der letztlich wiederum die Etablierung des Kaisertums durch seinen Adoptivsohn Octavius bzw. Augustus folgt, und dem Untergang des letzten heidnischen Kaisers Julian hergestellt, nach dessen Tod sich das Christentum eine unanfechtbare Vormachtstellung verschafft und erhält. Hiermit verschränkt ist das Zitat des Psalms 59 zu sehen, in dem die aktive Beteiligung Gottes am Untergang des Kaisers betont wird. Julians Tod wird dadurch als Teil des göttlichen Heilsplans dargestellt, an dessen Ende der gottgewollte Sieg des Christentums steht. 2558–2559 calcatus est, ∣ Calcans Apostatae furor] Siehe Comm. ad 2514. 2569 Ut arx tuetur] Drexel griff zunächst auf eine metrisch fehlerhafte Edition der Paraphrasis Psalmorum Buchanans zurück (vgl. Green 2011, S. 276 ad 72.), verbesserte diese dann jedoch zu einem späteren Zeitpunkt. Der moderne Herausgeber von Buchanans Paraphrasis, Roger Green, hat sich mit der Anordnung Tuetur arx ut für eine weitere Möglichkeit entschieden. 2574–2579 O quae dolori verba … conculcate terrae foedum onus.] Die schmerzlichen Ausrufe des Ecebolius über sein Fehlverhalten sind Zitate aus
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Murets Iulius Caesar, wo sie Caesars Frau Calpurnia in den Mund gelegt werden (Muretus Julius Caeasar 483–484). Diese Passage stellt eine sogenannte ‚Schreirede‘ dar, ein typisches Element in den Tragödien Senecas. Eine bloße Auflistung von Parallelen in Senecas Tragödien (vgl. Hagmaier 2006, S. 143 ad 484) wird der Funktion dieser intertextuellen Bezugnahme in neulateinischen Dramen jedoch nicht gerecht. ‚Schreireden‘ werden bevorzugt dann eingesetzt, wenn der tragische Held erkennt, welch große Schuld er durch sein eigenes Verhalten auf sich geladen hat. Die ersten beiden Verse drücken den Wunsch des Ecebolius aus, dass sich die Erde auftun und ihn verschlingen möge. Denselben Wunsch äußern Andromache in den Troades, Theseus in der Phaedra und Oedipus im gleichnamigen Drama (Oed. 867–881, Phaedr. 1238–1243, Tro. 519–523; weitere ‚Schreireden‘ bei Seneca: siehe S. 160 mit Anm. 131). Die folgende Hyperbole, alle Flüsse und Ozeane der Welt zusammen könnten die Schuld des Sprechenden nicht mehr rein waschen (V. 2576–2577), findet sich auch am Ende des Hercules furens (Herc. f. 1323–1329). Auch wenn Ecebolius lediglich ein Nebendarsteller innerhalb des Dramas ist und nicht als primär tragische Figur angesehen werden kann, ordnen seine Worte das Bühnengeschehen in den Kontext senecanischer Tragödien ein. Es kommt dadurch zu einem Brückenschlag zwischen Julians Schicksal und den großen Gestalten der antiken Tragödie, die unfassbar grausame und unmenschliche Geschehnisse erleben bzw. verursachen und daran elend zugrunde gehen. 2584–2586 Mach.: Deo confide. Eceb.: contempsi Deum. Mach.: Deus ∣ Contemtus etiam novit parcere.] Diese Antilabe führt das Gespräch zwischen Ecebolius und Macharius zu einem ersten Höhepunkt. Die entgegengesetzten Standpunkte der beiden (Deo confide/contempsi Deum/Deus contemtus) werden durch die chiastische Wortstellung abgebildet. Die kurzen Redeanteile innerhalb der Antilabe werden durch die senecanische ‚Stichworttechnik‘ (Deo–Deum–Deus) miteinander verbunden (siehe S. 156). Des Weiteren sorgt das dreifach wiederholte Präfix con- für eine enge Verbindung der einzelnen Aspekte miteinander. 2588 Mach.: Consurge et animum recipe. Eceb.: ah! indignus sum ego] Die metrische Struktur dieses Verses betont den Widerspruch, den Ecebolius gegen die Ermunterung des Macharius einlegt. Auch wenn der Ausruf ah metrisch nicht berücksichtigt wird, führt die Wortfolge recipe ∣ ah! indignus dennoch zu einem doppelten Hiat. Diese klanglich ‚unschöne‘ Vokalfolge verdeutlicht onomatopoetisch die innere Aufgewühltheit des Ecebolius. 2592–2598 Spes magna veniae … facinoris ante commissi pudet.] Die aufmunternden Worte des Macharius sind ein beinahe wörtliches Zitat aus Bencis Ergastus (S. 256,20–27). Benci wiederum griff bei seiner Abfassung teilweise auf Sen-
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tenzen aus Senecas Agamemnon (Ag. 243) und Ciceros zwölfter Philippischer Rede (Phil. 12,7) zurück. 2596 erranti] Siehe Comm. ad 1219. 2599 Et pudet, et piget, et paenitet] Dieses polysyndetische Trikolon von unpersönlichen Ausdrücken bringt die aufrichtige Reue des Ecebolius markant zum Ausdruck. Nicht nur die Alliteration und der homoioteleutische Gleichklang, sondern auch die zwei Dihäresen, die genau zwischen den einzelnen aufgezählten Verben eine Kunstpause erzeugen, betonen jedes einzelne Element des Trikolons für sich. Der Aspekt der Reue (et paenitet), den Macharius unmittelbar davor und danach als den entscheidenden Beitrag des sündigen Menschen zum Erwerb der göttlichen Gnade herausgestellt (V. 2592–2598 bwz. 2604–2605), wird am Ende insofern ausdrücklich hervorgehoben, als diesem Element als einzigem zwei gan´ nı˘te¯ ´t. ´de˘t, ¯et pı˘ ´ge˘t, ¯et pæ ¯ ˘ ze jambische Versfüße zukommen: ¯et pu 2604-2605 facta condemnas tua? ∣ Condonat ille. agnoscis? ignoscit reo.] Drexel bringt hier die gegenseitige Bedingtheit von aktiver menschlicher Reue und göttlicher Barmherzigkeit zur Erlangung des Heils durch mehrere sprachlichstilistische Mittel zum Ausdruck. Die nur scheinbare, durch den mehr oder weniger gegebenen Gleichklang suggerierte Verwandtschaft der beiden Verben condemnare und condonare (Paronomasie) und das folgende Polyptoton agnoscis/ignoscit verdeutlichen den Zusammenhang von menschlichem und göttlichem Handeln im Hinblick auf die Rechtfertigung nach katholischem Verständnis. Die Handlung des facta con-demnare durch den Menschen ist Vorbedingung für die des [facta] con-donare durch Gott, das menschliche ag-noscere für das göttliche ig-noscere. Zur katholischen Position in der Rechtfertigungslehre und ihre Präsenz im Iulianus siehe Abschnitt 3.3.2. 2609 Calcate me fatuum salem, calcate me.] Der Ausdruck fatuus sal (‚fades Salz‘) stellt eine von den Worten Jesu aus den Evangelien ausgehende Redensart für eine wertlose Sache dar. Laut Jesus seien die Menschen das ‚Salz der Welt‘ (Vos estis sal terrae, Mt 5,13). Salz aber, das nicht mehr salzt, sei wertlos und könne zertreten werden (quod si sal evanuerit in quo sallietur ad nihilum valet ultra nisi ut mittatur foras et conculcetur ab hominibus, Mt 5,13; vgl. Mc 9,49, Lc 14,34–35). Bei Matthäus ist in diesem Zusammenhang mit conculcetur dasselbe Verb, wenn auch als intensivierendes Kompositum, gebraucht wie im Iulianus (calcate me […] calcate me; vgl. aber auch V. 2579: Calcate, concalcate terrae foedum onus). 2611 O summe genitor solus et verus Deus] Drexel verwendet den Vokativ in dieser Anrede nicht konsequent. Lediglich die geläufige Vokativform von summus
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benutzt er. Bei solus und verus greift er ersatzweise auf den Nominativ zurück. Zum Vokativ im Falle von deus siehe Comm. ad 2004. 2613–2618 Fateor, Deus, fateor … ∣ Parce gementi, parce precanti, parce pereunti.] Das Schuldbekenntnis des Ecebolius erinnert stark an das offizielle allgemeine Schuldbekenntnis (Confiteor) der katholischen Liturgie. Das durch eine Epanalepse betonte fateor entspricht dabei dem ebenfalls an erster Stelle stehenden confiteor der Liturgie, die Anrede Deus dem Dativobjekt Deo [omnipotenti]. Die Wendung [fateor] ausu indigno nimis ∣ Fuisse laesam a me maiestatem tuam (V. 2613–2614) im Iulianus ist als Synonym zu [confiteor] quia peccavi nimis im Confiteor zu sehen. Das Benennen der Schuld erfolgt in beiden Fällen in Verbindung mit dem Adverb nimis. Der Imperativ parce precanti (V. 2318) spiegelt die Bitte Ideo precor beatam Mariam semper Virginem […] orare pro me ad Dominum Deum nostrum wider, der bereits vorausgegangene jussive Wunsch te mei miserescat (V. 2617) die Antwort des Priesters auf das Schuldbekenntnis (misereatur tui/vestri omnipotens Deus …). Zur Verbform fuisse laesam siehe Comm. ad 44. 2618–2619 Eceb.: Parce gementi, parce precanti, parce pereunti. ∣ Mach.: Aderit votis Deus] Der vokalische Ausgang des metrisch eigentlich zu langen V. 2618 wird durch Synalophe mit dem vokalischen Beginn des folgenden Verses verbunden (Hypermeter). Diesen Sonderfall berücksichtigen auch Micyllus und Álvarez (De re metrica I, fol. 139r bzw. Inst. gramm. III, fol. 36r ).
V,10 Nach christlich-mittelalterlicher Vorstellung wird die Seele eines Verstorbenen von Engeln oder Dämonen ins Jenseits begleitet bzw. dort von diesen empfangen, um sie vor den Richterstuhl Christi zu führen (vgl. Dinzelbacher 2007, S. 89–90; siehe auch: Honorius von Augustodunum über Larazus und seine Gegenfigur: PL 172,864; sowie die Visio Sancti Pauli, bes. 14–17). Eine solche Ankunftszene der Seele eines Verstorbenen wird in Jesuitendramen häufiger behandelt (vgl. Grets. Udo 477–523; Bid. Cen. V,7, V. 2097–2137). Hatte Jakob Gretser die Ankunft seines Protagonisten, Udos von Magdeburg, bereits als ‚feierliches‘, aber zugleich von Seiten der Dämonen als höhnisches Ereignis geschildert (Praedam non modicam caepimus: Archiepiscopi adducimus animam, V. 485–486) und Bernardino Stefonio die Totenbahre des Crispus zum triumphi currus (V,721) deklariert, lässt Drexel in seinem Drama die Dämonen die Ankunft von Julians Seele in der Hölle in ironisch-sarkastischer Weise als einen kaiserlichen Triumphzug und Panegyricus auf den Herrscher inszenieren. Hierbei werden aber die Verhältnisse eines tatsäch-
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lichen triumphus auf den Kopf gestellt. Der Kaiser tritt zwar als Protagonist in vollem Ornat und auf dem Triumphwagen (vgl. V. 2624–2627 und 2630–2632) fahrend als scheinbarer Sieger auf, tatsächlich sind es aber die Dämonen, die einen Sieg errungen haben, indem sie Julian zu Fall gebracht haben. In einer karnevalesken Umkehrung der eigentlichen Verhältnisse stellt Julian als triumphator im Rahmen des Triumphzugs in Wirklichkeit die Siegesbeute dar. Entsprechend ist der erste Teil der Szene (V. 2623–2676) von einer Überlappung von beißendem Sarkasmus auf Seiten der Dämonen und tiefer Verzweiflung im Falle Julians geprägt. Zur Rolle der ‚vermeintlichen Komik‘ in diesem Abschnitt siehe S. 141–142. Im zweiten Teil der Szene (V. 2677–2707) wird die Verschränkung von Spaß und Ernst dadurch aufgebrochen, dass einer der Dämonen dem höhnischen Spiel ein abruptes Ende setzt: Sat est lusum (V. 2677). Im Folgenden wird Julian in bitterem Ernst mit seinen Vergehen konfrontiert und das über ihn verhängte Urteil wird verkündet. Wie Udo von Magdeburg in Gretsers Drama (V. 486–487, 508–509, 511, 513–517 und 520–521) verflucht auch er sein Umfeld und seine gesamte Existenz (vgl. Comm. ad 2691–2694). Nach einem abschließenden Verweis auf die Eitelkeit der Welt wird er am Höllentor den Mächten der Unterwelt übergeben. Die Szene weist einige Parallelen zur entsprechenden ‚Höllenfahrt‘ im Cenodoxus auf. Auf die identische Klage der beiden Protagonisten perij antworten die Dämonen jeweils mit einem schelmischen Hinweis darauf, dass die menschliche Seele, die sich nun in der Hölle befinde, niemals sterben könne (V. 2635–2637 bzw. Bid. Cen. V,7, V. 2104–2105). Die Verwünschungen beider Protagonisten entsprechen sich beinahe wörtlich (siehe dazu besonders Comm. ad 2691–2694): Male litteris, magistris male, male purpurae, Male susurronibus, male honoribus, male Parentibus, male Numini, male omnibus Rebus. (Iul. 2691–2694) Male tibi, Hypocrisis; Philautiae male. Parentibus male sit meis; rebus male sit omnibus […] […] Male litteris; et artibus male universis […] Male sit honori. […] […] Solum caelumque, quicquid uspiam est, pereat male (Bid. Cen. V,7, V. 2113–2115, 2122–2123 und 2133–2135)
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2623 Persarum victor Iulianus hic venit] Der ironisch-sarkastische Ton des Anfangsteils dieser Szene wird bereits in den ersten beiden Worten des Dämons deutlich. Der Kaiser errang eben gerade keinen Sieg über die Perser, sondern hat vielmehr bei diesem Unterfangen den Tod gefunden. 2625 trabeatum Caesarem] Bei der trabea handelt es sich um ein römisches Ehrengewand. Sie entspricht in ihrer Form weitgehend der Toga. Unterschiede sind v.a. farblicher Natur. Die trabea war purpurrot gefärbt und besaß einen scharlachroten Streifen. Ursprünglich war sie die Kleidung der römischen Könige, wurde später aber von den Konsuln zu besonderen Anlässen übernommen. Daneben wurde sie auch von bestimmten Priestergruppen (Auguren, Salier) getragen. Götterbilder wurden ebenfalls mit diesem Attribut versehen (vgl. Serv. Aen. 7,612). In der späten Republik und in der frühen Kaiserzeit wurde sie zum Standessymbol der equites. Besondere Bedeutung kam ihr bei der ritterlichen transvectio equitum zu, ein Festzug zum kapitolinischen Jupitertempel, der jeweils am 15. Juli stattfand. In seiner Durchführung ähnelte er sehr einem kleinen Triumphzug, der ovatio. Diese Nähe rührt nicht zuletzt daher, dass auch der siegreiche Feldherr im Purpurmantel einen Triumphzug durchführte, dessen Ziel ebenfalls der Jupitertempel war. In der Spätantike wurde die trabea des Weiteren von Konsuln getragen, v.a. anlässlich der feierlichen Eröffnung des Jahres (vgl. Claud. 3 cons. Hon. 5, Prob. Olybr. 178, Stil. 3,198). Da der Kaiser oftmals selbst das Amt des Konsuls bekleidete, kann die trabea auch als besonderer kaiserlicher Ornat angesehen werden. Vgl. Hurschmann 2002; Cleland u.a. 2007, S. 197 s.v. trabea; Demandt ²2007, S. 336; Potthoff 1992, S. 201–206; Wrede 1988, bes. S. 381–388; Schuppe 1937. Drexel nennt Julian an dieser Stelle trabeatus, um auf den feierlichen Charakter des kaiserlichen ‚Siegeszuges‘ in die Hölle hinzuweisen, ein Zug, der dem der transvectio equitum und der ovatio entsprechend dargestellt wird. Im folgenden Vers wird der Triumphwagen, auf dem Julian in die Hölle einzieht, explizit genannt, worin ein weiteres sarkastisches Element zu sehen ist. Ein anderer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang liegt in der erwähnten Tatsache, dass die trabea auch als Ehrenattribut für Götter verwendet wurde. Julian wird später von den Dämonen als deus deorum (V. 2663) bezeichnet. Im Chorgesang der darauffolgenden Abschlussszene wird er in ähnlicher Weise deus sophorum coccinus (V. 2721) genannt. Deshalb wird hier nicht nur sein eitles Kaisertum dem Spott Preis gegeben, sondern auch seine anmaßende Position als gottgleicher Weiser der Weisen (vgl. V. 2656). 2627 Adfertĕ sceptrum et diadema novo principi] In einem ironisch inszenierten triumphalen adventus erreicht Julian seinen ‚neuen‘ Aufenthaltsort. Als habe es eine separate Erhebung zum Kaiser in der Unterwelt gegeben, wird er hier als
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novus princeps empfangen. Dieses ‚neue‘ Kaisertum zeichnet sich im hämischen Spiel der Dämonen aber dadurch aus, dass Julian eben diese als Untertanen habe und ein Dasein unter diesen fristen müsse. Julian wird damit vor Augen geführt, zu was sein aus seiner superbia entwachsenes Streben nach dem Kaisertum geführt habe. Seine (irdische) Erhebung zum Kaiser resultiert in der Erhebung zum Kaiser der Dämonen. Zur Metrik (adfertĕ sceptrum) siehe Comm. ad 419. 2629 Iul.: O me cunctorum miserorum miserrimum! ∣ 2us : O fortunatorum fortunatissimum] Durch die Aneinanderreihung der als ‚schwer‘ empfundenen Genitiv Plural Endungen -orum und die Häufung dunkler Vokale wie o und u wirkt Julians Aussage besonders betrübt und jammervoll. Dieser Effekt wird metrisch dadurch verstärkt, dass der Vers viele Längen aufweist. Ein fast identischer Vers findet sich zu Beginn des Stratocles von Pontanus, wo es heißt: illi omnium miserorum sunt miserrimi (V. 94). Der darauffolgende Vers des Dämons weist aufgrund des antithetischen Anschlusses an Julians jammervolle Aussage einen besonders beißenden Sarkasmus auf. Dennoch bleibt die düstere Stimmung aus dem vorangegangenen Vers dadurch erhalten, dass Letzterer metrisch noch mehr Längen aufweist. 2634 Augustĕ spera] Zur Metrik siehe Comm. ad 419. 2635 Iul.: Perij, occidi. 6us : quid hoc? perire non potes.] Auf den für die Komödie typischen Ausruf Julians perij, occidi folgt unvermittelt eine ironische Entgegnung des Dämons, der in Antwort auf diese scheinbar floskelhafte Wendung dem Kaiser zu verstehen gibt, dass das Leid in der Hölle für ihn kein Ende nehmen werde. 2636 tantus sis] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 2639 destinaras] Zur Verwendung des Plusquamperfekt anstelle eines zu erwartenden Perfekts siehe Comm. ad 1087–1089. 2638–2654 Age Caesar … Age Iuliane … Age Iuliane … Num vici?] Der dreifache jeweils durch age eingeleitete Hohn und Spott der Dämonen zeigt Julian in ironischer Weise seine Machtlosigkeit in der Hölle auf. Er kann weder seine Feinde zum Tode verurteilen noch durch Erlasse gegen sie vorgehen noch ist es ihm möglich, seine intellektuelle Überlegenheit durch rhetorische Kunstgriffe und durch die Gesetze der Logik auszuspielen. Vielmehr wird er mit seinen eigenen Waffen geschlagen, indem ihm durch einen Syllogismus aufgezeigt wird, dass für ihn keine Hoffnung auf Rettung mehr besteht.
718 | Fünfter Akt 2642–2643 Age Iuliane Galilaeos per litteras ∣ A ludo litterario et bello arceas.] Dieser Vers nimmt Bezug auf zwei Gesetze mit antichristlicher Tendenz, die Julian erließ (per litteras). Beim ersten (a ludo litterario) handelt es sich um das berühmte und viel diskutierte ‚Rhetorenedikt‘ vom 17. Juni 362. Auch wenn nicht im originalen Wortlaut, so ist dieses dennoch in einer redigierten Version im Codex Theodosianus (Cod. Theod. 13,3,5) und daraus fast vollständig übernommen im Codex Iustinianus (Cod. Iust. 10,53,7) überliefert. Darin wird für Lehrer und Professoren der höheren Bildungsstufen der Vorrang moralischer Eigenschaften vor ihrem fachlich-rhetorischen Können festgeschrieben (excellere oportet moribus primum, deinde facundia). Erst nach einer Überprüfung der moralischen Integrität durch staatliche Behörden dürfe es zu einer Anstellung kommen. Ein Brief Julians (epist. 61c), der wohl an die christlichen Lehrer im ganzen Reich gerichtet war und meist mit dem Edikt in Verbindung gebracht wird, gibt weiteren Aufschluss über die Hintergründe und Stoßrichtung des Edikts. Darin erläutert er, dass er moralische Integrität (mores) in der Weise verstehe, dass sich Lehrer voll und ganz mit ihrem Unterrichtsstoff, den klassischen, heidnischen Autoren und der bei ihnen präsenten heidnischen Götterwelt identifizieren müssen. Nur wenn sie sich zu denselben Göttern bekannten, die Homer, Hesiod, Demosthenes und weitere berühmte Autoren als ihre leitenden Vorbilder angesehen haben, würden sie ihrem Unterrichtsstoff gerecht werden. Wenn sie dagegen etwas lehrten, von dem sie nicht überzeugt seien, handelten sie unaufrichtig und somit unmoralisch. Während das ‚Rhetorenedikt‘ von der modernen Forschung hinsichtlich seiner Stoßrichtung umstritten ist (dezidiert antichristlich: Rosen 2006, S. 270– 273; Bringmann 2004, S. 123–128; Pack 1986, S. 261–300; Bidez 1940, S. 276– 278; vorsichtiger Teitler 2017, S. 64–70. Allgemeine sittlich-moralische Erneuerungsbewegung: Klein 1999; Pricoco 1980; Hardy 1978; Downey 1957. Einen kurzen Forschungsüberblick zum Thema bietet auch Cecconi 2015), nimmt es innerhalb der christlichen Rezeptionsgeschichte eine bedeutende Rolle ein, um die Bandbreite der antichristlichen Maßnahmen des Kaisers zu vergrößern und sein blasphemisches Handeln zu verdeutlichen. Schon von seinen Zeitgenossen (Greg. Naz. or. 4,4–5 und 101; vgl. Aug. conf. 8,5,10), insbesondere von Ammian (22,10,7 und 25,4,20) wurde er hinsichtlich dieser Maßnahme scharf kritisiert. Spätere Kirchenhistoriker wie Rufinus (hist. 10,33), Sokrates (hist. eccl. 3,12,7), Sozomenos (hist. eccl. 5,18,1) und Theodoret (hist. eccl. 3,8) malen die tatsächlichen Inhalte des Edikts übertrieben dramatisierend aus, indem sie behaupten, dass Christen nicht nur als Lehrer vom Bildungsbetrieb ausgeschlossen wurden, sondern sogar als Schüler. Die zweite antichristliche Verfügung, die hier angesprochen wird, ist weniger gut dokumentiert. Laut manchen christlichen Quellen (Greg. Naz. or. 4,96–97; Joh. Chrys. Paneg. Juv. 90; Rufin. hist. 10,33; Sokr. hist. eccl. 3,13,1–2; Soz. hist. eccl.
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5,17,12; Theod. hist. eccl. 3,8,2; vgl. Bar. AE IV,108C) und Anspielungen bei Libanios (or. 12,90 und 18,167–168) soll Julian per Gesetz Christen von der öffentlichen Verwaltung und vom Heeresdienst ausgeschlossen haben. Vgl. Bringmann 2004, S. 98. 2644–2645 Age Iuliane syllogismis utere ∣ Age enthymemata prome] Dieselbe spöttische Aufforderung richtet Gregor von Nazianz in seiner zweiten Rede gegen Julian an den Kaiser: Δός μοι τοὺς λόγους σου τοὺς βασιλικούς τε καὶ σοφιστικούς, τοὺς ἀφύκτους συλλογισμούς σου καὶ τὰ ἐνθυμήματα. Greg. Naz. or. 5,30. [Los, gib mir nun deine kaiserlichen, sophistischen Reden, deine zwingenden Syllogismen, deine Enthymeme!] In der lateinischen Übersetzung bei Baronio lautet der Satz: Age, Imperatorias et sophisticas orationes, atque inevitabiles tuos syllogismos, et enthymemata deprome. Bar. AE IV,145D. Ein Syllogismus, wie man ihn hier findet (‚Syllogismus im engeren Sinn‘), ist im Bereich der Dialektik ein formal logischer Schluss aus drei Sätzen, bei denen aus zwei Prämissen (Ober- und Untersatz) eine Schlussfolgerung gezogen wird. Diese drei Sätze sind so formuliert, dass in ihnen drei Begriffe (Ober-, Mittel- und Unterbegriff) vorkommen, wobei der Mittelbegriff als einziger in beiden Prämissen auftaucht. Über diesen Mittelbegriff werden wiederum in der Schlussfolgerung der Ober- und Unterbegriff miteinander logisch in Verbindung gesetzt. Zur Veranschaulichung sei ein in diesem Zusammenhang weitverbreitetes Beispiel angeführt: Obersatz: Alle Menschen (Mittelbegriff) sind sterblich (Oberbegriff). Untersatz: Sokrates (Unterbegriff) ist ein Mensch (Mittelbegriff). Conclusio: Sokrates (Unterbegriff) ist sterblich (Oberbegriff).
Dieses in der sogenannten ‚Ersten Analytik‘ des Aristoteles systematisch erarbeitete Argumentationsverfahren (zur Definition: Aristot. top. 1,1,100a25–27 und an pr. 1,1,24b18–20) erfreute sich die gesamte Antike hindurch großer Beliebtheit bei Philosophen und Rhetorikern. Für das Mittelalter waren besonders die logischen Schriften des spätantiken Philosophen und Theologen Boëthius und dessen Übersetzung von einigen Teilen des aristotelischen Werkes von großer Bedeutung. Diese im Begriff Logica vetus zusammengefasste philosophische Strömung dominierte bis ins zwölfte Jahrhundert das Verständnis des Syllogismus. Ab dem zwölften Jahrhundert setzte sich mit der Logica nova jedoch diejenige Syllogistik durch, die sich direkt auf Aristoteles berief, und wurde zur beherrschenden Disziplin der mittelalterlichen Philosophie. Im Humanismus und Frühbarock wurde vermehrt Kritik am aristotelischen Syllogismus und an der scholastischen Dialektik überhaupt laut, wobei besonders die mangelnde praktische Anwendbarkeit und die Falschannahme, dass ein Syllogismus automatisch zum Garanten von richtigen
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Argumentationen werde, herausgestellt wird. Diese Kritik setzt sich während des Zeitalters des Barock fort. Der Hauptvorwurf lag darin, dass durch das syllogistische System keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden können. Vgl. Kraus 2009. Die Studienordnung der Societas Iesu (Ratio studiorum) von 1599 empfiehlt (Ratio stud. 1599, MGP V, S. 332, Reg. Prof. Philos.) als Standardlehrwerke für den Logikunterricht, der am Beginn des Philosophiestudiums stand, die Introductio in Dialecticam Aristotelis (erstmals Rom 1561) des spanischen Jesuiten Francisco de Toledo (1532–1596) sowie die erstmals im Jahr 1564 erschienenen Institutionum Dialecticarum libri octo des portugiesischen Jesuiten Pedro da Fonseca (1528– 1599). Auf letztgenanntes Unterrichtswerk geht die frühere Fassung der Ratio studiorum von 1586 noch näher ein: Es sei gegenüber entsprechenden Schriften des Aristoteles vorzuziehen, da es umfassender, klarer und geeigneter sei als Aristoteles und keine verwirrenden Spielereien beinhalte, die unnütz seien und die Schüler nur ablenkten (Logicae Summula praemittatur, et Summula quidem P. Fonsecae esset fore magis ad rem: quia latior, clarior, accommodatior Aristoteli, et sine tricis, quae et inutiles sunt, et deterrent tirones. Ratio stud. 1586, MGP V, S. 131, Studium philos.). Fonseca behandelt den Syllogismus ausführlich im sechsten Buch seiner Institutiones (Fons. Inst. 6,8–32, S. 251–308; vgl. Tolet. intro. 4,3–17, S. 135– 177) und führt für den im vorliegenden Kontext relevanten Syllogismus der ersten Figur folgendes Beispiel an: Omnis virtus est qualitas, omnis iustitia est virtus, igitur omnis iustitia est qualitas. Fons. Inst. 6,13, S. 260. Ein Enthymem ist wie der Syllogismus ein elementares Überzeugungsmittel im Bereich der Rhetorik. Man versteht darunter ein Argument, das die Plausibilität eines Sachverhalts mittels Deduktion aus einem anderen, allgemein anerkannten Bereich herstellt. Diese Deduktion kann entweder aus dem Gegenteil („Mäßigung ist gut, denn Unmäßigkeit ist schädlich“), aus der Bezogenheit von miteinander in Beziehung stehenden Komplementärbegriffen („Wenn es gut ist, Rhetorik zu lernen, dann ist es auch gut, Rhetorik zu lehren“), aus der Übertragung vom Großen zum Kleinen („Wenn sogar die Götter nicht alles wissen, um wieviel weniger die Menschen?“) oder aus dem Urteil von höheren Autoritäten („Die Seele ist unsterblich, denn die größten Philosophen sind dieser Meinung.“) erfolgen (Beispiele aus Kraus 1994). Dabei gewinnt das Enthymem seine Plausibilität meist durch die zugrundeliegenden Topoi. Während sich die großen Rhetoriker der gesamten Antike in Theorie und Praxis ausführlich mit dem Phänomen des Enthymem beschäftigten, kommt die theoretische Behandlung dieses Bereichs während des Frühen Mittelalters abgesehen von der Beschäftigung mit Ciceros De inventione und der jeweiligen Werke des Boëthius fast vollständig zum Erliegen. Erst seit der Herausbildung der Logica nova im Zuge der Wiederentdeckung der logischen Werke des Aristoteles im zwölften Jahrhundert gewinnt das Enthymem wieder an Bedeutung
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und bleibt auch noch in folgenden Jahrhunderten ein wichtiges Gebiet der Rhetorik. Vgl. Kraus 2011; Kraus 1994. Das Enthymem behandelt Fonseca ebenfalls in seinen Institutiones Dialecticae (inst. 6,33–37, S. 308–317) und führt das folgende illustrierende Beispiel an: Virtus est, qua nemo male uti potest. Igitur virtus est simpliciter bona. Inst. 6,33, S. 308. [Die Tugend ist etwas, das niemand böse gebrauchen kann. Die Tugend ist daher schlechthin gut.] 2645 vince argutijs] Mit dieser Aufforderung spielt der Dämon konkret auf die Szene IV,8 an. In dieser trieb Julian mit den Christen, die sich über ihr Schicksal verschiedentlich beschwerten, ein sarkastisches Spiel. Dabei versuchte er mittels Spitzfindigkeiten (argutiae) zu beweisen, dass ihre eigenen Gesetze all das vorschrieben, worüber sie sich damals beklagten. 2646 O sidus orbis, columen urbis maximum.] Die Bezeichnungen sidus orbis und columen urbis für Julian werden hier im übertragenen Sinne verwendet. In der Bedeutung ‚Glanz/Zier‘ wird sidus u.a. auf bedeutende Persönlichkeiten angewandt (vgl. Ov. Pont. 3,3,2 für den Briefempfänger Paullus Fabius Maximus, einen engen Vertrauten des Augustus). Gleiches ist für columen urbis nachweisbar (vgl. Val. Max. 9,12,1 für Tullus Hostilius). Eine auffallende Parallele zum vorliegenden Vers bietet eine Formulierung bei Curtius Rufus, der von Alexander dem Großen Folgendes schreibt: Sed quis deorum hoc Macedoniae columen ac sidus [sc. Alexandrum] diuturnum fore polliceri potest […]? Curt. 9,6,8. [Aber welcher Gott könnte versprechen, dass diese Säule und dieser Stern Makedoniens ewig währen könne …?] Ganz ähnlich wird Britannicus in der pseudosenecanischen Octavia als infelix puer, ∣ modo sidus orbis, columen augustae domus (Oct. 167–168: Unglücklicher Knabe, gerade noch der glänzende Stern des Erdkreises, die Säule des kaiserlichen Hauses) genannt. Nicht nur die Tatsache, dass genau diese beiden auf Julian angewandten Begriffe hier Seite an Seite vorkommen, spricht dafür, dass die zitierten Stellen wohl als Vorlage gedient haben, sondern auch, insbesondere im Hinblick auf erstgenannte Stelle, dass Julian später ausdrücklich als alter Alexander angesprochen wird. Mit den Begriffen sidus und columen, die für großartige und bedeutende Persönlichkeiten verwendet werden, soll auch Julian charakterisiert werden, freilich erneut mit einem stark ironischen Unterton. Er, der glaubt, in seiner Größe und Bedeutung einem Alexander gleichzukommen, ist wehrlos der Hölle ausgesetzt. Das Substantiv urbs bezeichnet im vorliegenden Vers weniger konkret die Stadt Rom, sondern muss in enger Verbindung mit dem vorangehenden Begriff orbis gesehen werden. Die aufgrund der Paronomasie prägnante Verbindung von orbis und urbis erinnert an den im kirchlichen Kontext häufig verwendeten Aus-
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druck urbs et orbis. Der v.a. zu Weihnachten und Ostern gespendete Segen des Papstes Urbi et Orbi, der seine Ursprünge im dreizehnten Jahrhundert unter Papst Gregor X. hat, symbolisiert zweierlei Aspekte: Zum einen wird an das alte römische Reichsbewusstsein angeknüpft, laut dem der Stadt Rom, der Hauptstadt der antiken Welt, eine herausragende Stellung zukommt. Der orbis, der übrige Erdkreis, ist komplementär dazu aufzufassen. Durch die Verbindung urbs et orbis wird somit die ganze Welt bezeichnet. Andererseits macht sich das Papsttum diese Vorstellung für seine Selbstdefinition zu eigen. Beim Erteilen des apostolischen Segens spendet der Papst diesen als Bischof von Rom der Stadt an sich (urbi) und als Oberhaupt der katholischen Weltkirche dem restlichen Erdkreis (orbi). Die Vorstellung, dass die Grenzen der Welt gleichbedeutend mit dem Einflussund Machtbereich der Stadt Rom sind, bringt bereits Ovid in den Fasti zum Ausdruck: gentibus est aliis tellus data limine certo, Romanae spatium est Urbis et orbis idem (fast. 2,684–685) [Anderen Völkern ist ein Gebiet mit festgesetzten Grenzen gegeben, für das römische Volk sind die Grenzen der Stadt mit denen des Erdkreises eins.]
Aufgrund dieser Ausführungen ist beim Vers o sidus orbis, columen urbis maximum von einer doppelten Apokoinou-Stellung auszugehen. Die beiden Genitive orbis und urbis müssen sich jeweils auf beide Substantive (sidus und columen) beziehen. Einen weiteren Beleg dafür, dass die beiden Teile des Verses als eine bildliche Einheit zu verstehen sind, liefert der zeugmatische Charakter in columen urbis. Von der ‚Stütze der Stadt‘ (Rom) ist zwar in besagter Stelle bei Valerius Maximus die Rede, häufiger wird columen aber in Verbindung mit dem vorangehenden Genitiv orbis gebraucht (vgl. Val. Max. 2,8 pr. und 8,14,1), eine Metapher, die sich nicht zuletzt in der Vorstellung widerspiegelt, dass Hercules den Himmel bzw. die Welt auf seinen Schultern trägt (vgl. Comm. ad 583–585). Die bereits angesprochene, ironische Überhöhung Julians erfährt durch diesen Aspekt eine weitere Steigerung. Nicht nur die Attribute, die für große Persönlichkeiten der Antike charakteristisch sind und die nun in derselben Weise Julian verliehen werden, sondern auch die übertriebene Betonung seiner weltweiten Herrschaft hebt den Widerspruch zwischen ehemaligem Anspruch als Kaiser und tatsächlicher Wirklichkeit in der Hölle hervor. 2647 Heu quid scisse omnia, nescisse Deum profuit?] Mit dieser rhetorischen Frage schließt Julian gewissermaßen den Kreis zum Beginn des Dramas. Er bringt
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nun expressis verbis das zum Ausdruck, was in I,1 noch durch eine Leerstelle offen gelassen wurde, nämlich die Beantwortung der Frage, ob über seinen intellektuellen Studien und seiner Überhöhung der Bildung der Christengott stehe oder nicht. Mit quid scisse omnia, nescisse Deum profuit? beantwortet er selbst aus der Retrospektive diese Frage mit einem klaren ‚Nein‘. Daran ändert letztlich auch die kurze Zwischenepisode innerhalb des Dramas, in der er sich und seine philosophischen Studien noch ganz dem Christengott unterwarf (v.a. I,4–8), wenig, da es ihm an der für Drexels Zeitgenossen entscheidenden menschlichen Eigenschaft, constantia, fehlte. Siehe dazu auch S. 67–68. 2649–2652 Qui Numen et … quem caelites iuvent.] Der vom Dämon vorgetragene Syllogismus sei an dieser Stelle entsprechend des zuvor skizzierten Schemas (vgl. Comm. ad 2644–2645) vereinfacht dargestellt: Obersatz: Wer Gott verachtet (Mittelbegriff ), ist dessen Hilfe nicht würdig (Oberbegriff ). Untersatz: Julian (Unterbegriff ) verachtet Gott (Mittelbegriff ). Conclusio: Julian (Unterbegriff ) ist der Hilfe Gottes nicht würdig (Oberbegriff ).
Besonders der Untersatz gewinnt durch seine Kürze und Prägnanz (contemsit Iulianus) seinen überzeugenden Charakter. Zwei Wörter reichen aus, um den Rezipienten zu veranlassen, die logische Schlussfolgerung, die in der conclusio offen ausgesprochen wird (ergo …), nachzuvollziehen. 2654–2656 Iul.: male scientijs male litteris ∣ Quae vel lasciviam vel arrogantiam ∣ Docent. 3us : sophus sophorum Iulianus est.] Julians Aussage, die die Moral von der Geschichte bereits vorwegnimmt (vgl. V. 2751–2757), wird hier durch die, wenn auch ironische, Entgegnung des Dämons in ihrer Richtigkeit bestätigt. 2657 Sol ipsus est inter Mercuriales viros.] Die Bezeichnung als sol ipsus (vgl. Comm. ad 521–524 und 533) nimmt Bezug auf einen früheren Lobpreis der Dämonen, als sie Julian auf seinem Weg zur Selbsterkenntnis bzw. Apostasie begleiteten (vgl.: mihi ∣ Sol largior querendus est, V. 581–582). Horaz bezeichnet in seinem zweiten Odenbuch Dichter als viri Mercuriales, die unter dem Schutz des Merkursohnes Faunus stehen (Faunus […] Mercurialium custos virorum, carm. 2,17,28–30). Diese Bezeichnung sorgt in der Forschung bis heute für Diskussionen, verfügte doch das antike Pantheon z.B. mit Apollo und den Musen über Götter, die explizit der Dichtkunst zugeordnet sind. Adolf Kiessling bzw. Richard Heinze (¹⁰1960, S. 233; ebenso bei Nisbet/Hubbard 1978, S. 286) weisen den Vorschlag von Franz Boll (1910, S. 164–165) zurück, der eine Erklärung für diese Bezeichnung im Bereich der Astrologie gefunden zu haben glaubte. Für Boll ist ein vir Mercurialis ein Mann, der unter dem Stern Merkur geboren sei, und
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sah eine Entsprechung im griechischen Ἑρμαϊκός. In der Antike sei solchen Personen nachgesagt worden, dass sie eine besondere Affinität zur Rhetorik, Literatur und Musik besäßen. Im Folgenden betont Kiessling/Heinze die Bedeutung Merkurs für die Dicht- und Sangeskunst als facund[us] nepos Atlantis (vgl. Hor. carm. 1,10,1) und als lyrae repertor (vgl. Hor. carm. 3,11,1–8). Die Tatsache, dass die Mercuriales in Rom ein collegium bildeten (vgl. Cic. ad Q. fr. 2,6,2), das den Gott Merkur als ihren Schutzpatron verehrte und dessen Kult auf dem Aventin nach einer Vermutung von August Oxé (1930, S. 52–56) der Vater von Horaz als coactor besonders verbunden gewesen sei, wurde von Robin Nisbet und Margarete Hubbard (1978, S. 286) zwar als möglich eingeschätzt, für die Interpretation der Textstelle jedoch als unbrauchbar bezeichnet (zu den unterschiedlichen Interpretation siehe auch Cremona 1997). Eine ausführliche und plausible Erklärung zur Beziehung zwischen Horaz und Merkur liefert Christoff Neumeister (1976), die jüngere Kommentare jedoch weitgehend unbeachtet ließen. Neumeister stellt zunächst pauschal das enge Verhältnis zwischen Merkur und Horaz fest und zieht dafür die teilweise schon genannten Stellen aus den Oden, aber auch Verse aus den Satiren heran. Horaz widmet dem Gott nicht nur einen eigenen Hymnus, in dem er ihn als redegewandten Enkel des Atlas anspricht (facunde nepos Atlantis, carm. 1,10,1), sondern schreibt ihm auch seine Errettung aus der Schlacht von Philippi (me per hostis Mercurius celer ∣ denso paventem sustulit aere, carm. 2,7,13–14) zu. Außerdem habe er es Faunus, dem Sohn des Merkur, zu verdanken, dass er nicht von einem umstürzenden Baum erschlagen wurde. In diesem Zusammenhang taucht der zitierte Versteil Faunus […] Mercurialium custos virorum auf. In einer Satire bezeichnet er den Gott ausdrücklich als custos maximus (sat. 2,6,15). Neumeister führt im Folgenden sechs Gesichtspunkte an, die Parallelen zwischen Merkur und Horaz bzw. Merkur und einem Dichter im Allgemeinen darstellen: Erstens die Überredenskraft (facunde), die im Dienst der Liebe (carm. 1,30) und Erziehung (epist. 2,1,126–129) eingesetzt wird, zweitens die Vermittlungsinstanz zwischen Göttern und Menschen (epist. 2,1,133), drittens die scherzhafte, schelmische Charakterfacette („merkurianische Dichtung“, Neumeister 1976, S. 190; vgl. z.B. carm. 3,3,69–72), viertens die gutmütige, erzieherische Hinterhältigkeit (vgl. die horazischen Satiren), fünftens Hilfsbereitschaft und Menschenfreundlichkeit (carm. 3,29,29–34) und sechstens die enge Beziehung zum Tod (vgl. carm. 2,13,21–40), dessen Schrecken sowohl Merkur (carm. 1,24,15–18) als auch die Dichtung mildern könne (carm. 3,11,13–20). Julian gehört als gebildeter Philosoph demnach ebenfalls den viri Mercuriales an. Dass von den Dämonen ausdrücklich eine horazische Begrifflichkeit verwendet wird, ist insofern kein Zufall, als sie auch hier ihren Spott mit dem Kaiser treiben. Die Bezeichnung als sol inter viros Mercuriales ist dabei in zweierlei Hinsicht
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zu deuten. Einerseits soll direkt auf Julians literarische und philosophische Bildung und Weisheit hingewiesen werden. Andererseits besteht indirekt in der aus Horaz entlehnten Bezeichnung aber auch eine Anspielung auf die im ganzen Drama zu beobachtende sprachliche Nähe zwischen Julian und dem augusteischen Dichter. An zahlreichen Stellen wurde bereits darauf hingewiesen, dass die herausragende Bildung Julians dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass er in horazischen Bildern, Versen, Vokabeln und Wendungen spricht. So verwundert es nicht, wenn die Dämonen ebenfalls auf eine nur bei Horaz verwendete Bezeichnung, wenn auch angefüllt mit jeder Menge Sarkasmus, zurückgreifen, um die Bildung des Kaisers herauszustellen. Julian, der ja selbst schon in den V. 2654–2656 die Weisheit und Künste verteufelte, wird von den Dämonen vor Augen gestellt, dass er als „Weiser der Weisen“ (V. 2656) und als „Sonne der Männer Merkurs“ durch den zuvor vorgetragenen Syllogismus entlarvt wurde und gegen sein kommendes Schicksal in der Hölle machtlos ist. 2658–2677 Mundi oculus et sidus … ∣ Sat est lusum] Nach der dreifachen Wiederholung von mundi bzw. mundus zum hyperbolischen Lobpreis von Julians angeblicher Weltherrschaft neigt sich der sarkastische Panegyrikus der Dämonen langsam seinem Ende zu, das letztlich explizit von den Worten sat est lusum markiert wird. Diese Wende wird sprachlich u.a. durch den Übergang vom Präsens (est, V. 2656–2657) ins Präteritum (sedebat, V. 2660; subdidit, V. 2661; placavit, V. 2663) deutlich. Mit den Worten es nunc inter tuos (V. 2665) wird vom Dämon auf die neue, reale Gegenwart, in der sich Julian befindet, verwiesen. Nun werden dem Kaiser nicht mehr die irdischen Ehrungen zuteil, sondern die der Hölle. Wie ein Kaiser der Unterwelt wird er mit dem typischen Hofstaat und den typischen Machtinsignien geehrt (V. 2670–2671). Die Substantive oculus und sidus (V. 2658) sind als Hendiadyoin aufzufassen. Das Erstgenannte kann metaphorisch sowohl für die Sonne (vgl. Ov. met. 4,227– 228) als auch für die Sterne im Allgemeinen (vgl. Manil. 1,133; Plin. nat, 2,10) stehen. Hinter beiden Metaphern steckt die Vorstellung, dass Sonne und Sterne das irdische Geschehen wie Augen, die am Himmel angebracht sind, beobachten. Die damit verbundene Metapher von glänzenden Punkten am Himmel, zu denen die Menschen aufschauen und von denen sie sich leiten lassen, wird metonymisch auch auf bedeutende Persönlichkeiten bzw. Götter übertragen (z.B. auf Augustus und Tiberius: Val. Max. 4,3,3; auf den Christengott: Aug. epist. 148,14). So wird auch der Apostel Paulus in den Akten des Konzils von Ephesos als ocellus mundi (Rustic. Conc.S I,4, S. 148,22) bezeichnet. Vgl. Kuhlmann, Gerhard 1973: Art. ‚oculus‘. In: ThLL IX,2,448,66–78. Zur Verwendung von sidus für bedeutende Personen siehe Comm. ad 2646.
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2659 Mundi trophǣum] Zur Metrik siehe Comm. ad 626 sowie Zgoll 2012, S. 50 mit Anm. 111; Stotz 2002–2004 III, S. 84 § 67.7, bes. Anm. 34. Der Gräzismus trop(h)aeum erfährt im Lateinischen nicht nur einen Laut-, sondern auch insbesondere in der christlichen Literatur einen Bedeutungswandel. Ursprünglich bezeichnete es ein Siegesmonument, das von einem Baumstamm gebildet wurde, an dem die erbeuteten Waffen der Feinde angebracht wurden. Man errichtete es in der Regel an der Stelle, wo der Gegner in die Flucht geschlagen wurde. Später wurde es auch für dauerhafte Siegesmonumente verwendet, die an einen bedeutenden Triumph erinnern sollten. Parallel dazu wird trophaeum auch metonymisch gebraucht und kann dabei als Synonym zu victoria fungieren. Bei den christlichen Schriftstellern erhält es jedoch einen sehr spezifischen Charakter, indem es für den Kreuzestod Christi steht, der den Sieg über den Teufel und den Tod bedeutet (z.B. Tert. adv. Marc. 4,20,5: per tropaeum crucis triumphavit [sc. Christus]; vgl. Tert. apol. 16,6–8; Min. 29,7; Prud. cath. 9,83). In derselben Weise taucht trophaeum auch im Hymnus Pange Lingua des Venantius Fortunatus auf, der in der Karfreitagsliturgie bis ins zwanzigste Jahrhundert lateinisch rezipiert wurde (Pange, lingua, gloriosi proelium certaminis ∣ et super crucis tropaeo dic triumphum nobilem, carm. 2,2,1–2). Der Begriff wird ferner, wenn auch seltener, für den Sieg der Märtyrer, den sie durch ihren Tod errungen haben, bzw. in manchen Kontexten auch für ihre Gräber oder Reliquien verwendet (z.B. Ambr. virg. 1,7; Prud. perist. 5,397–400 und 12,7–8). Vgl. Stotz 2002–2004 II, S. 19 § 4.14; Mohrmann 1965, S. 331–344. Auch wenn trophaeum somit in der christlichen lateinischen Literatur und Theologie eine gängige Vokabel war, nimmt es hier dennoch eine ungewöhnliche Funktion ein. In metonymischer bzw. metaphorischer Bedeutung taucht das Wort freilich häufig auf, in direktem Bezug auf eine Person wie im vorliegenden Fall jedoch nie. In Bezug auf den Kreuzestod Christi, dessen Leichnam, den Tod von Märtyrern, deren Grabstätten und Gebeinen wird zwar vom trophaeum gesprochen, aber nicht hinsichtlich der Person selbst (ähnlich bei victoria und triumphus). Das Substantiv trophaeum wird hier metonymisch für die Sieghaftigkeit des Kaisers verwendet, eine hervorstechende Ironie, da Julian zwar einen Sieg über die Alamannen gefeiert hat, gegen die Perser jedoch unterliegt und im Kampf gegen sie sogar den Tod findet. Julian wird hier somit mit immer stärker gesteigertem Sarkasmus als Bezwinger des gesamten Erdkreises dargestellt und gerühmt. 2659–2660 mundus his nixus modo ∣ Humeris sedebeat. Hic ille terror gentium.] Dieselben Worte spricht Konstantin am Ende von Stefonios Crispus aus, wo er seinem Schmerz über den Tod seines Sohnes Ausdruck verleiht und seine Schuld an diesem jammervoll bekennt (Bern. Stef. Crispus V,734–735 und 738). Zu den ‚Plagiaten‘ im Iulianus siehe Abschnitt 5.
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Das Substantiv terror wird häufig metonymisch für bedeutende Herrscher bzw. ihre schreckenerregende Wirkung auf andere Völker verwendet. Im Allgemeinen besitzt diese Metonymie eine negative Konnotation, da sie mehrheitlich für bedrohliche Feinde verwendet wird (in Iust. 3,1,1 für Xerxes; in Cic. Verr. 2,5,118 für Sextius; in Cic. Mur. 58 für die Städte Karthago und Numantia; in Curt. 5,7,8 für das Perserreich). 2661 Novus Atlas orbi ruituro humeros subdidit.] Atlas, dem Sohn des Titanen Iapetos und der Okeanostochter Klymene, wurde dem Mythos zufolge als Strafe für seine Teilnahme am Titanenaufstand gegen die olympischen Götter aufgetragen, den Himmel auf seinem Kopf und Händen (Hes. theog. 519) bzw. seinen Schultern (Aischyl. Prom. 347–350) bzw. seinem Nacken (Eur. Ion. 1–4) zu tragen. Lokalisiert wurde er im westlichen Nordafrika, wo das gleichnamige Gebirge in den Himmel ragt. Vgl. Harrauer/Hunger ⁹2006, S. 97–99; Scheer 1997; Griño u.a. 1986; Stoll/Furtwängler 1884–1890; Conti 1584, S. 329–336. Die Dämonen greifen hier auf den verbreiteten panegyrischen Topos zurück, dass der Herrscher dem wankenden Erdkreis neue Stabilität verleihen werde (vgl. Comm. ad 235–242). Diese Aussage ist insofern ironisch zu verstehen, als Julians Herrschaft aus christlicher Sicht genau die gegenteilige Wirkung hatte. Die Bezeichnung als novus Atlas rückt den Kaiser abermals ins heidnische Pantheon. Des Weiteren nimmt der Dämon hier Bezug auf eine frühere Aussage seines Spießgesellen. In II,1 wurde Julian prophezeit, dass er wie Atlas selbst den Himmel auf seinen Schultern tragen werde, um ihn von seinem Vorhaben, Geistlicher zu werden, abzuhalten (V. 585). 2662 Alter Alexander, heros invictissimus.] Unter den Vorzeichen, die sich in Bezug auf Julians Perserfeldzug ereignet haben sollen, listet Sokrates (hist. eccl. 3,21 = Bar. AE IV,123D–E) auch die Prophezeiung des Philosophen Maximus auf. Dieser verkündete, dass der Kaiser dem Kriegsruhm Alexanders des Großen gleichkommen werde. Entsprechend der pythagoreischen Lehre sei Alexanders Seele in seinen Körper gewandert und er sei tatsächlich dazu auserwählt, das Achämenidenreich zurückzuerobern. Die ironische Diskrepanz zwischen formuliertem Lobpreis und den tatsächlichen Gegebenheiten besteht hier aus dem Gegensatz zwischen Alexander als dem tatsächlichen Bezwinger des Perserreiches und Julian, dessen Unternehmen schon früh scheiterte, weshalb auch von invictissimus keine Rede sein kann. Auch wenn die moderne Forschung häufig eine Alexanderimitatio durch Julian postulierte (vgl. Lippold 2001, S. 463; Bowersock 1978, S. 106; Wirth 1978; Bidez 1940, S. 7), besaß Julian ein eher ins Negative tendierendes Bild von Alexander dem Großen. Er sah ihn als Opfer seiner Affekte und schreibt seine Erfolge den
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Zeitumständen und der Tapferkeit seiner Soldaten zu (vgl. Iul. Caes. 330b–331c; ad Them. 253a und 257a–c; vgl. Bringmann 2004, S. 169 mit Anm. 360). 2663–2664 8us : Deus deorum, quos placavit victimis. ∣ Iul.: Premor, opprimor, pereo miser, intereo, occido.] Der sarkastische Panegyrikus findet in der Formulierung Deus deorum seinen Höhepunkt. Schritt für Schritt wurde Julian zuvor in böswilliger Form höher in den Himmel gehoben, eine weitere ironische Anspielung auf ein hochmütiges Diktum des Kaisers im Drama: Astris transcribar post fata (V. 2024). Von der zunächst ‚irdischen‘ Bezeichnung als sophus sophorum (V. 2656) steigt der Lobpreis eine Ebene nach oben. Die Betitelung als sol […] inter Mercuriales viros (V. 2657) stellt eine ‚kosmische Auxesis‘ des zuvor Genannten dar. Zusammen mit mundi oculus et sidus (V. 2658) sowie der Gleichsetzung mit Atlas (V. 2661) und dem göttlichen Heros Alexander (V. 2662) ist Julian zwar bereits in eine überirdische Sphäre erhoben, steht aber noch stark in Verbindung mit dem Irdischen. Als Sonne bzw. Stern am Firmament leuchtet er über die Welt, die gleichzeitig aber auch auf seinen Schultern ruht. Aufgrund seiner irdischen Taten erringt er göttlichen Ruhm wie Alexander. Am Ende dieser Klimax befindet er sich losgelöst von allem Irdischen als Gott unter Göttern (deus deorum). Die ‚kosmische Auxesis‘ von Julians Lobpreisung durch die Dämonen hat damit ihren Höhepunkt erreicht. Julians ‚verbale Himmelfahrt‘ ist zum Abschluss gekommen. Die Klimax wird zuletzt jäh durch Julians Klage abgebrochen. Gleichzeitig beendet sie den ironisch-sarkastischen Panegyricus auf seine Person. Durch die Antithese zwischen der Lobpreisung und der asyndetischen Aneinanderreihung premor, opprimor, pereo miser, intereo, occido wird letztlich explizit deutlich, dass es sich bei den Worten der Dämonen um puren Sarkasmus handelt. Die Verben perire, interire und occidere werden von Plautus in verzweifelten Ausrufen nicht selten miteinander verbunden (vgl. Aul. 713, Cas. 665, Most. 1031). 2666 adsumus ad] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383. 2670 byssinum] Beim byssinum handelt es sich um einen weißen Leinenstoff (vgl. Isid. orig. 19,27,4). Die Aussage der Dämonen, Julian in byssinum kleiden zu wollen, erfüllt hier mehrere Funktionen. Zunächst handelt es sich um einen besonders edlen und wertvollen Stoff. Im Trikolon te byssinum, te purpureum, teque aureum [deducemus] ist daher eine Klimax zu sehen. Die Dämonen zählen einzelne Kleidungsstoffe auf, die sich für einen Kaiser gehören, und treiben somit ihren Spott mit Julian, der als toter Geist vor ihnen steht und seine irdische Macht längst verloren hat.
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Vor dem Hintergrund seiner Verwendung im Kontext der biblischen Offenbarung des Johannes erhält der Stoff byssinum hier weitere Konnotationen. Erstens gehört Byssus in Apc 18,12 und 16 zu den eitlen Reichtümern Babylons. Im vorliegenden Zusammenhang ist dabei zu beachten, dass der Begriff in der Offenbarung des Johannes sowohl mit purpura als auch mit aurum verbunden auftritt. Zweitens steht das byssinum ebendort für die Unschuld und Reinheit. Diejenigen, die zur ‚Hochzeit des Lammes‘ geladen sind, mögen sich in feine, weiße Leinen kleiden: et datum est illi ut cooperiat se byssinum splendens candidum. byssinum enim iustificationes sunt sanctorum. Apc 19,8. Auch die himmlischen Heerscharen reiten auf weißen Pferden und sind mit „weißem und reinem Leinen bekleidet“ (et exercitus […] sequebantur eum in equis albis vestiti byssinum album mundum, Apc 19,14). In diesem Zusammenhang wird erneut ironisch auf Julians Schicksal hingewiesen. Gerade er, der so viele Verbrechen gegen Gott und die Christen begangen hat, soll im byssinum, dem Zeichen für Unschuld, gekleidet werden. 2673–2676 O me miserum … quae fercula ponemus tibi?] Die Verse, die Julian hier spricht, wurden von Drexel mit denen des ‚fünften Dämons‘ getauscht. Dies geschah vermutlich in der Absicht, die darauffolgenden Worte des ‚zweiten Dämons‘ Sat est lusum (V. 2677), die dem Spott der Dämonen über Julian ein Ende setzen, logischer erscheinen zu lassen. Nachdem Julian hinsichtlich mehrerer Aspekte bereits ironisch aufgezogen wurde, will der ‚fünfte Dämon‘ ihn ein weiteres Mal verspotten, indem er ihn ironisch nach dem gewünschten Mahl, das ihm in der Hölle bereitet werden solle, fragt (V. 2675–2676). Diesem Spiel macht der ‚zweite Dämon‘ ein abruptes Ende und die weitere Szene geht in ihren ernsten Teil über. Mit der ursprünglichen Anordnung, bei der dieser Einspruch unmittelbar auf Julians Klage folgte, fiel diese plötzliche Verschiebung des Blickes weniger deutlich aus und der Aspekt des ‚Ernstes, der auf den Spaß folgt‘ (ludum sequentur seria) wäre weniger stark betont worden. 2673–2674 O me miserum, miserum, o miserrimum omnium ∣ Mortalium quos tellus usquam continet.] Julians jammervolle Worte weisen im Vergleich zur ersten Klage (V. 2664) aufgrund der fehlenden Varianz im Ausdruck einen noch höheren Grad an Verzweiflung auf. Die asyndetische Aufzählung von mehr oder weniger synonymen Verben (premor/opprimor; pereo/intereo/occido) wurde zu einer eintönigen Wiederholung (miserum, miserum) bzw. zu einem eintönigen polyptotonischen Superlativ (miserum miserrimum omnium) vereinfacht. Aus variierten Verben in der Ersten Person Singular wurden identische Adjektive. Die Häufung der dunklen Vokale o und u erzeugt eine düstere Stimmung. Die Kombination mit dem ebenso häufigen bilabialen An- und Auslaut m und einer doppelten Verschleifung führen dazu, dass dieser Vers von Julian in kaum ver-
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ständlicher Weise ausgesprochen wird. Ohne Kontur wird er vom toten Kaiser jammervoll regelrecht ‚dahergenuschelt‘. 2675–2676 Hodie simul caenabimus apud inferos, ∣ O quas dapes, quae fercula ponemus tibi?] Diese letzte schelmische Frage an Julian, bevor der ‚zweite Dämon‘ zum ernsten Teil der Szene überleitet, kann nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Passionserzählung nach Lukas gelesen werden. Die Ankündigung Jesu gegenüber dem mit ihm zusammen gekreuzigten Schächer amen dico tibi: Hodie mecum eris in paradiso (Lc 23,43: Amen ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein) wird vom ‚fünften Dämon‘ spotthaft ins Gegenteil verkehrt: „Heute noch werden wir gemeinsam in der Hölle speisen.“ 2680–2681 caelum et terram implevisti tuis ∣ Sceleribus immanissimis, foedissimis.] Das Substantiv caelum steht hier kollektiv für Julians Verbrechen, die er gegen den Christengott und das Christentum verübt hat, terra entsprechend für das, was er den Christen auf Erden angetan hat. 2681–2686 Sceleribus immanissimis / foedissimis / perfidissime / crudelissime / nequissime / plenissimum] Die auffallende Überladung der Verse durch Superlative unterstreicht die Einzigartigkeit und Unvergleichbarkeit von Julians Verbrechen und nimmt das Motiv der Übersteigerung aus dem Ersten Akt wieder auf (siehe dazu S. 66). 2686 codicem plenissimum] Diesem Vers liegt die bereits im frühen Christentum verbreitete Vorstellung von einer himmlischen Buchführung zugrunde, die die irdischen Taten der Menschen, gute wie schlechte, auflistet (so z.B. bei Origines: Et propterea puto in divinis voluminibus scripta esse bonorum gesta, et malorum. Hom. in Num. 14,2. Vgl. Aug. civ. 20,14, S. 439,26–440,21; so auch im liturgischen Hymnus Dies irae: Liber scriptus proferetur, ∣ in quo totum continetur, ∣ unde mundus iudicetur, Missale Rom. 1577 II, S. 85 bzw. Missale Rom. 1962, S. [117]). Diesen Büchern kommt nach katholischem Verständnis sowohl im Partikular- als auch im Jüngsten Gericht eine wichtige Rolle zu, da die enthaltenen Taten als Beoder Entlastungsmaterial herangezogen werden. In der Offenbarung des Johannes ist ebenfalls von Büchern die Rede, in denen die Taten der Toten verzeichnet sind. Entsprechend dieser werde über jeden Verstorbenen Gericht gehalten (vgl. Koep 1952, S. 27–19 und bes. S. 46–48): Et vidi mortuos magnos et pusillos stantes in conspectu throni. Et libri aperti sunt. Et alius liber apertus est qui est vitae. Et iudicati sunt mortui ex his quae scripta erant in libris secundum opera ipsorum. (Apc 20,12; vgl. Dn 7,10; Ps 68,29 [Vulg. Nova: Ps 69,29]; siehe auch Visio Sancti Pauli 17)
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[Und ich sah, wie die Toten, Große wie Kleine, vor dem Thron standen und zu ihm hinaufblickten. Und Bücher wurden aufgeschlagen; auch das eine Buch, das des Lebens wurde aufgeschlagen. Die Toten wurden nach den Werken gerichtet, die in den Büchern aufgeschrieben waren.]
Im Drama wurde über Julian das Urteil bereits zu Lebzeiten gefällt (vgl. V,5). Das Buch seiner Taten, das hyperbolisch als plenissimu[s] bezeichnet wird, dient lediglich noch der Veranschaulichung. Es ist nicht mehr nötig, dass die darin verzeichneten Taten als Beweismittel angeführt werden. Dementsprechend fällt die Entgegnung des Dämons auf Julians emotionalen und verzweifelten Ausruf aus: hi gemitus nimis sunt seri (V. 2688). Ebenso ist vom Urteilsspruch Christi im resultativen Perfekt die Rede: Styx decreta est (V. 2689). 2690 Morieris aeternum, sed nec poteris mori.] Das doppelte Paradoxon verdeutlicht die ausweglose und verzweifelte Situation, in der sich Julian nun befindet. Zum einen widerspricht das Verb mori als die punktuelle Handlung schlechthin seinem dazugehörigen Adverb aeternum. Zum anderen stehen sich die Prädikate der beiden adversativen Teile des Hauptsatzes in paradoxer Weise entgegen (morieris; nec poteris mori). 2691–2694 Male litteris … male omnibus ∣ Rebus.] Diese Verwünschungen wiederholen teilweise die Punkte, die Julian bereits in V. 2654–2656 verdammte. An der vorliegenden Stelle werden allerdings noch weitere Aspekte hinzugefügt. Zuvor hat er lediglich die Weisheit und die Künste verflucht. Nun bezieht Julian sein gesamtes irdisches Dasein mit ein. Erneut beginnend mit den Künsten und seinen Lehrern, die ihn darin unterrichtet haben, verflucht er seine ehemalige Kaiserwürde (male purpurae), seine Ratgeber (male susurronibus) und seine Amtswürden (male honoribus). Den abschließenden Höhepunkt dieser Aneinanderreihung bilden die Verwünschung seines Lebens als solches, indem er seine Eltern (male parentibus), und die allen Überirdischens, indem er Gott (male Numini) verflucht. In der zusammenfassenden Schlussformel male omnibus rebus will er ähnlich wie im früheren Gebet an die Götter (vgl. V. 970–974 mit Comm. ad locum) sicher gehen, dass er keinen Bereich seines menschlichen Lebens übergeht. Vor dem Hintergrund einiger biblischer Vorschriften ergeben sich insbesondere aus den Flüchen male parentibus und male Numini noch weitreichendere Konsequenzen. Ganz generell solle ein Christ, so Paulus (Benedicite persequentibus. Benedicite et nolite maledicere, Rm 12,14) und Jakobus (ex ipso ore procedit benedictio et maledictio. Non oportet fratres mei haec ita fieri, Iac 3,10), keine Flüche aussprechen. Mose gibt darüber hinaus vor, dass das Verfluchen der Eltern mit dem Tode bestraft werden solle (Qui maledixerit patri suo vel matri, morte moriatur, Ex 21,17; vgl. Lv 20,9; Prv 20,20; Mt 15,4; Mc 7,10). Auch auf einen Fluch ge-
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gen Gott stehe die Todesstrafe (Homo qui maledixerit Deo suo portabit peccatum suum. Et qui blasphemaverit nomen Domini morte moriatur, Lv 24,15–16). Somit vergrößert der abgefallene Christ Julian am Ende seines Lebens durch seine Verwünschungen (insbesondere gegenüber seinen Eltern und Gott) nicht nur seine Schuld, sondern auch sein Untergang erscheint als noch gerechtfertigter. Die Vehemenz dieser Flüche wird durch verschiedene sprachlich-stilistische Aspekte betont: Neben der in jedem Element wiederholten Fluchformel male verdeutlicht die asyndetisch-parallele Konstruktion der Flüche (mit Ausnahme der ersten beiden, die chiastisch gestellt sind) dem Rezipienten die Verzweiflung Julians über sein Schicksal. Unterstützt wird dies von den homoioteleutisch auslautenden Objekten der Verwünschung (litteris, magistris bzw. susurronibus, honoribus, parentibus). Zuletzt sorgen das doppelte Enjambement (male ∣ parentibus; male omnibus ∣ rebus) für einen kontinuierlichen und die relativ zahlreichen Kürzen in V. 2691 für einen beschleunigten Fortlauf der Fluchserie. 2692 susurronibus] An dieser Stelle meint Julian explizit seine Philosophenfreunde, die ihn im Verbund mit den Dämonen zum Abfall vom Christentum verleitet haben (vgl. I,10 und II,1). Zum Begriff susurro siehe Comm. ad 343. 2695 Finis dolorum principium dolorum erit] Erneut verdeutlichen die Dämonen, die Ausweglosigkeit, in der sich Julian befindet, durch eine paradoxe Formulierung: Das Ende des Schmerzes ist der Anfang von neuem Schmerz. Die parallele Wortstellung bildet diese Gleichheit von Ende und Anfang ab. 2697 In tenebricosum in foedricissimum specum] Beim Adjektiv foedricus scheint es sich um eine Neubildung Drexels in enger Anlehnung an das vorhergehende tenebricosus zu handeln. Aus der Aonia specus aus der Eröffnungsszene des Dramas, wo Julian betont, dass er alle Mühen der Erde auf sich nehmen wolle, solange er nur in der Höhle der Musen Erholung finde (V. 104–105), ist am Ende des Stücks die dunkelste und abscheulichste Höhle überhaupt geworden, in der er nun ein auf ewig verdammtes Dasein fristen muss. 2698 Et sub Acherontis infimas trudite plagas.] Bereits bei Homer und Hesiod bildet der ‚unterste Teil‘ der Unterwelt (explizit als Tartarus/-os bezeichnet) einen besonderen Bereich. Dort soll sich das modrige Gefängnis der Titanen befinden, in das sie nach ihrer Unterwerfung durch Zeus gesteckt wurden (vgl. auch Hes. theog. 729–730). Laut Homer befinde sich der Tartarus so weit unter dem Hades wie der Himmel über der Erde (Il. 8,16; vgl. Hes. theog. 720). An anderer Stelle beschreibt er, wie dort ungehorsame Götter bestraft würden (Il. 8,13). Auch Platon (Gorg. 523b) und Vergil (Aen. 6,542–543) schildern, dass im Tartarus Verbrecher bestraft würden, deren Vergehen nicht zu sühnen seien, so z.B. im Falle von Tan-
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talos, Tityos und Sisyphos (vgl. Phaid. 113e). Diese Anspielung auf die heidnische Vorstellung vom Tartarus (sub Acherontis infimas trudite plagas) benutzt Drexel, um Julian in die Reihe der größten Verbrecher innerhalb der heidnischen Mythologie einzureihen. Mit diesen wird der Kaiser fortan sein Quartier teilen. Auch in der christlichen Vorstellung stellt der unterste bzw. innerste Teil der Hölle einen Ort dar, in den die größten Sünder der (Heils-)Geschichte gefangen gehalten werden. In Dantes Comedia Divina befinden sich dort beispielsweise die (Erz-)Verräter Brutus und Cassius sowie Judas Iskariot (Inferno 34,61–68; Ausgabe von Köhler 2010–2012), eine weitere Parallele die zum Verräter Julian gezogen werden kann (vgl. Comm. ad 2741–2744). 2702–2706 cecidi miser ∣ Cecidi, cecidi loco ex supremo in infimum.] Das in V. 2702 ausgesprochene cecidi miser wird, durch eine mit einer Geminatio verschränkte Anadiplose betont, erneut aufgegriffen. Die asyndetische, parallel gebaute Antithese ex supremo, in infimum stellt in seiner unmittelbaren Gegenüberstellung anschaulich dar, wie schnell (vgl. parvo […] momento, V. 2700) sich das menschliche Schicksal wandeln kann. 2706 patescant portae flammeae.] Ikonographisch wird der Eingang zur Unterwelt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit teilweise als brennendes Haus dargestellt. Sein weit geöffnetes Tor ist dabei von züngelnden Flammen, dem Attribut der Hölle, umgeben. Siehe dazu die textbegleitenden Druckgraphiken zur Bible des poëtes, einer Prosafassung des Ovide moralisé, und ihre Nachdrucke und Bearbeitungen (Huber-Rebenich/Lütkemeyer/Walter 2014 I), so z.B. die Erzählung von Orpheus und Eurydike (abgebildet bei Huber-Rebenich/Lütkemeyer/Walter 2014 II, S. 123).
V,11 Obwohl die Moral des Stücks bereits in V,10 kurz angesprochen wurde (V. 2699– 2702), fügte Drexel, vermutlich um die Intention des Dramas noch prägnanter und deutlicher dem Publikum zu präsentieren, im Rahmen der zweiten Arbeitsphase (D²) diese letzte Szene zu seinem ursprünglichen Text hinzu. Für diese Motivation einer möglichst klaren Didaxe spricht auch die auffallende stilistische Ausgestaltung der Szene. Zum einen legt er dem Chorführer, dessen Redeanteil den Großteil der Szene ausmacht, syntaktisch relativ einfache Sätze in den Mund. Er verzichtet dabei möglichst auf Sperrungen und greift stark auf parallel konstruierte, parataktische Satzstrukturen zurück. Zum anderen werden seine Worte durch markante szenische Handlungen verdeutlicht, die sich direkt auf das Gesagte beziehen. Er
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lenkt den Blick des Zuschauers konkret auf Julians Hand, die so viel Unheil über die Welt brachte, und auf den Speer, der seinen Tod verursachte. Die parallele Formulierung dieser Hinweise ist dabei besonders auffallend: Videtis hanc manum? haec illa manus est […]. V. 2722 Videtis hoc etiam telum? hoc telum illud est […]. V. 2729.
Außerdem ist es gut denkbar, dass das Abstraktum der irdischen Vergänglichkeit anhand des Verbrennens eines Stücks Werg ganz plastisch verdeutlicht wurde (vgl. Comm. ad 2731). Des Weiteren bewirken die zahlreichen Ausrufe (Heu! V. 2714, 2717 und 2732; Eheu! V. 2736, 2738 sowie 2745; Ah! V. 2742; O! V. 2748) und (damit z.T. in Verbindung stehend) ganz besonders das ebenfalls im Zuge der zweiten Arbeitsphase (D²) in die Szene integrierte Chorlied eine starke Emotionalisierung des Publikums. Die Abschlussszene des Iulianus trägt insgesamt einen sehr starken Emblemcharakter. Als Marker von Emblemhaftigkeit lassen sich die Präsenz von Julians erstarrter Leiche auf der Bühne (vgl. Benjamin 1963, S. 247: „Für das Trauerspiel des siebzehnten Jahrhunderts wird die Leiche oberstes emblematisches Requisit schlechthin.“. Vgl. Schöne ³1993, S. 218) sowie die bereits erwähnten zahlreichen deiktischen Partikel und die wiederholten Apostrophen des Publikums (Videtis […]? V. 2708, 2722, 2729; En, V. 2712; Quicunque amatis et tractatis […] discite, V. 2751–2753) anführen. Sie durchbrechen die Theaterillusion und lassen die Zuschauer zu einem Teil des Stücks bzw. des Sinnbildes werden. Damit wird aber auch das persönliche Schicksal der Hauptfigur Julian entindividualisiert und auf eine überzeitliche Ebene gehoben (vgl. Schöne ³1993, S. 219–220). Die erstarrte Leiche kann zusammen mit dem auf sie weisenden Chorführer gewissermaßen als Icon (imago/symbolon) des Emblems, die emphatisch vorgetragene Sentenz Sic transit vana, stulta mundi gloria (V. 2731) entsprechend als Lemma (Motto, inscriptio) und die Moral ganz am Ende des Stücks (V. 2751–2757) als erklärendes Epigramm (subscriptio) aufgefasst werden. 2712–2713 En, quam quietus, quam modestus hic cubat, ∣ Qui sceleribus mundum totum turbaverat!] Der Gegensatz zwischen unmittelbarer Vergangenheit und aktueller Gegenwart, zwischen dem lebenden und toten Julian, wird sprachlich durch ein dreifaches Gegensatzpaar hervorgehoben. Die Adjektive quietus und modestus stehen antithetisch zum instrumentalen Ablativ sceleribus, das Ortsadverb hic zum Akkusativobjekt mundum totum. Ferner bildet das dynamische Verb turbare (zur Verwendung des Plusquamperfekts (turbaverat) anstatt eines zu erwartenden Perfekts siehe Comm. ad 1087–1088) das Gegenteil zum
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statischen cubare. Die jeweiligen gegensätzlichen Elemente sind parallel in den beiden Versen aneinandergereiht:
quam quietus, quam modestus sceleribus
hic mundum totum
cubat turbaverat
2714–2721 Heu Iulianus occidit! … Deus sophorum coccinus.] Die erste Strophe, die vom wörtlich wiederholten Vers Heu Iulianus occidit! gerahmt wird, bildet die Einleitung für die folgenden Chorpartien, die die Vergänglichkeit der Welt und des menschlichen Daseins thematisieren. Die zweite Strophe dreht sich um konkrete Eitelkeiten (potestas imperij; facultas ingenij), denen Julian verfallen war und die ihn in den Untergang gestürzt haben. Durch die Anapher von iacet und die Personifizierung dieser Eitelkeiten wird hervorgehoben, dass diese Dinge für sich allein genommen letztlich in derselben Weise nichtig sind wie für die Person, die sich ihnen verschrieben hat. Julians Benennung als deus sophorum coccinus spielt ironisch auf seine blasphemische Selbstbezeichnung als Gott (vgl. V. 2100) an. 2725–2728 Facem, cruorem, toxica, … Immunda mundi vanitas.] In der dritten Strophe zählt der Chor konkrete Übel auf, die denjenigen als Strafe drohen, die den eitlen Dingen der Welt nacheifern. Nicht nur die asyndetische Aneinanderreihung in Form eines doppelten Trikolons, sondern auch die dreifache Alliteration im zweiten Vers (vermes, venena, viperas) nennen die aufgezählten Übel gegenüber dem Publikum in eindringlicher Weise beim Namen. Der dritte Vers, der das indirekte Objekt suis amicis und am Ende ‚endlich‘ das Verb des Hauptsatzes, praebibit, nennt, sperrt die zuvor aufgezählten direkten Objekte und den vierten Vers, der letztlich erst das Subjekt beinhaltet. Erst jetzt wird das eigentliche Vergehen (immunda mundi vanitas) genannt, das zu den zuvor aufgezählten Übeln führt. Das indirekte Objekt amicis ist hier äußerst ironisch zu verstehen: Die Eitelkeit behandelt ihre Freunde so ‚liebevoll und freundschaftlich‘, dass sie ihnen u.a. Gift zu trinken gibt. Im Subjekt immunda mundi vanitas verbirgt sich insofern eine besondere Pointe, als es mit mundus immundus ein auf Augustinus zurückgehendes etymologisches Wortspiel beinhaltet (Quid strepis, o munde immunde? serm. 105,8; vgl. civ. 7,26, S. 308,18–28). Die Wendung spielt mit der Bedeutung des Adjektivs mundus (‚sauber/reinlich/geordnet‘) und des gleichlautenden, etymologisch eng verwandten Substantivs. Als solches entspricht es dem griechischen κόσμος und bezeichnet die Welt als geordneten Raum. Das antithetische Kompositum
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im-mundus bezieht sich jedoch allein auf die adjektivische Grundbedeutung. Das gemäß seiner Etymologie paradoxe Wortspiel mundus immundus (‚unreine Reinheit‘; ‚ungeordnete Ordnung‘; ‚unreine Welt‘) resultiert aus dem christlichen Weltbild, laut dem es anstößig und widersprüchlich sei, dass die Welt, die nach dem eigenen Verständnis unvollkommen, sündhaft und böse ist, im Lateinischen ausgerechnet mit dem Wort mundus bezeichnet werde (so auch bei Gaufredus Babion/Ps.-Hildebert: mundus appellatur, et indigne dicitur mundus, quia mundos non facit, sed immundos, sermo 27, PL 171,467D). Um diese Paradoxie auszudrücken bzw. um ein Bewusstsein für die beschriebene Widersprüchlichkeit zu schaffen, wurde in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literatur häufig auf die besagte Redewendung zurückgegriffen. Um auf die Wertlosigkeit des irdischen Lebens und die Verkommenheit des caput mundi Rom hinzuweisen, tauchen z.B. folgende Verse in den Carmina Burana auf (vgl. des Weiteren: Hugo von St. Viktor: De vanitate mundi 1, PL 176,703–740; Isaak von Stella: sermo 33,15, SChr 207, S. 230; Petrus Damiani: De Sancto Benedicto 1,3–4; weitere Beispiele aufgelistet bei Meyers/Hilka/Schumann ²1961, S. 82 ad CB 42,4): Roma caput mundi est, sed nil capit mundum, quod pendet a capite, totum est immundum; trahit enim vitium primum in secundum, et de fundo redolet, quod est iuxta fundum. (CB 42,13–16) [Rom ist das Haupt der Welt, doch es hat nichts Reines in sich; was immer mit diesem Haupte zusammenhängt, ist gänzlich unrein. Zieht doch das erste Laster ein zweites nach sich, und alles, was mit dem Bodensatz in Berührung kommt, riecht nach Bodensatz.] (Übersetzung: Vollmann 1987)
Auch Luther macht von diesem Wortspiel Gebrauch: Etsi enim servire mundo est reprobum opus, quia mundus est immundus. (WA 39,1 vgl. 101,9–14) [Denn auch wenn man der Welt dient, ist es ein schlechtes Werk, da die Welt unrein ist.]
In der Frühen Neuzeit nimmt die Vorstellung des mundus immundus v.a. vor dem Hintergrund der vanitas-Vorstellungen eine zentrale Rolle im Verständnis der Zeitgenossen ein und prägt somit in besonderem Maße die Vorstellung vom Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen. Die eitle und verachtenswerte (immundus)
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Welt (mundus) muss vom Menschen überwunden werden, um in wirklicher Reinheit zum Heil zu gelangen. Zu Beginn des siebzehnten Jahrhunderts widmen sich Traktate speziell dem mundus immundus und seiner Überwindung, so z.B. Otto Casmann: Mundus immundus ut eius vanitas cognoscatur, malitia devitetur, contemtus contemnatur. Frankfurt 1606; Paul Egard: Mundus immundus, das ist: Das falsche Christenthumb der Welt zu diesem ende beschrieben/ daß das ware Christenthumb desto besser erkant werde/ und ein jeglicher in ihm selbst könne sehen/ was er für ein Christenthumb führe. Lüneburg 1623. Vgl. Bähr 2011, S. 119–120; Kern 2009, S. 177–182; TPMA XIII, S. 44 Nr. 82–89; Schumacher 1996, S. 347–349. 2731 Sic transit vana, stulta mundi gloria.] Dieser Hinweis auf die Vergänglichkeit des Weltenruhms spielte bis zur Wahl Pauls VI. (1963) eine wichtige Rolle in der Krönungszeremonie eines neugewählten Papstes. Beim feierlichen Einzug in die Petersbasilika wurde von einem Zelebranten direkt vor dem Papst in der Regel dreimal ein Stück Werg (ein schon biblisches Symbol für die Vergänglichkeit, vgl. Sir 21,10; Is 1,31) angezündet (Caeremonia combustionis stipulae) und die Worte Pater Sancte, sic transit gloria mundi ausgesprochen (vgl. z.B. Grimaldi 1972, S. 160). Der neugewählte Pontifex wurde dadurch sowohl an seine menschliche Vergänglichkeit als auch, erfolgte die Verbrennung in der Nähe der Gräber seiner Vorgänger auf dem Stuhle Petri, an seine Rolle in der apostolischen Sukzession erinnert. Im Rahmen einer Papstkrönung ist das Ritual erstmals für Gregor XII. (19. Dezember 1406) bezeugt. Seine Ursprünge liegen aber noch weiter zurück. Die um 1143 verfasste päpstliche Zeremonienordnung Ordo Romanus XI (PL 78,937–1406) erwähnt für Weihnachten (§ 17, Sp. 1032) und Ostern (§ 47, Sp. 1044) eine Wergverbrennung durch den Papst, was darauf hindeutet, dass dieses Ritual ursprünglich generell zu einer feierlichen Papstmesse gehörte. Vermutlich im Zuge einer Umdeutung der Wergverbrennung zwischen 1150 und 1250 von einem Hinweis auf das Ende der Welt hin zur Vergänglichkeit der päpstlichen Macht engte sich seine Anwendung letztlich ausschließlich auf den Krönungstag des Papstes ein. Damit war aber auch eine Änderung im Zeremoniell insofern notwendig, als fortan nicht der Papst selbst, sondern ein anderer Kleriker das Entzünden übernahm. Vgl. Richardson 2009, S. 393–394; Paravicini Bagliani 1997, S. 42–51: Schimmelpfennig 1990, S. 187–188; Elze 1978; Schimmelpfennig 1974, S. 207–208; Schimmelpfennig 1973, S. 376–377 (Anh. II,1.). Der religiöse, auf das Papstamt bezogene Kontext spielt hier in der Aussage des Chorführers jedoch keine Rolle. Im Zentrum der Sentenz steht vielmehr die Vergänglichkeitssymbolik im Allgemeinen. Der Chorführer macht nochmals deutlich, dass die eitlen Dinge der Welt wie Macht, Reichtum und Wissen blitzschnell (vgl. V. 2736–2739) bzw. so schnell wie das Verbrennen eines Stücks Werg vergehen.
738 | Fünfter Akt
Im Manuskript des Autors wird bereits durch das Schriftbild deutlich, dass eine besondere Gewichtung auf diesem Vers liegt. Daher wäre es durchaus vorstellbar, dass die Worte des Chorführers von der symbolischen Handlung des Wergverbrennens, ein Ritual wie aus dem päpstlichen Krönungsritus zumindest vom Hörensagen oder aus Zeremonienbüchern bekannt war, begleitet wurden. Des Weiteren wird diese Aussage dadurch untermalt, dass die vierte und fünfte Strophe des Chorgesangs, die ebenfalls explizit die Vergänglichkeit des irdischen Daseins behandeln, direkt im Anschluss an diesen Vers platziert und somit während des Verbrennungsvorgangs gesungen wurden. 2732–2739 Heu Imperator maximus … Mortalium sublimitas] Die vorletzte Strophe des Chorliedes beinhaltet einen weiteren Aspekt, der sich in das vanitasMotiv der vorangehenden und der nachfolgenden einreiht. Auch der mächtigste Kaiser wird vom Tode dahingerafft, was das Beispiel Julian auf sehr drastische Weise aufzeigt. Sprachlich ist diese Botschaft durch die Metapher Imperator maximus ∣ A morte fulminatus est ausgedrückt. Das metaphorische Prädikat fulminatus est zeigt, wie unverhofft (nämlich wie ein Blitzschlag vom Himmel) der Tod Julian ereilt hat. Des Weiteren wird durch dieses Bild deutlich gemacht, dass nicht Julian der gottgleiche Blitzeschleuderer ist, wie er im Drama stilisiert wird (vgl. V. 2457 und 2485–2486), sondern dass auch er als Mensch dem Christengott unterworfen sei. Das zweite Verspaar spricht direkt den Zuschauer an, dass er anhand Julians Beispiel erkennen solle, dass der Tod einen Menschen nicht unverhofft treffen dürfe. Vielmehr soll er sich sein Leben lang bewusst sein, dass er sterben werde und dass er auf sein irdisches Ende vorbereitet sein müsse. Dass der Mensch jeden Tag seines Lebens vom Tod umgeben ist, wird in diesen beiden Versen bildlich veranschaulicht: Wie ein Netz umgeben drei Wörter aus dem Wortfeld ‚Tod‘, nämlich morti, emori und mortualis, einmal am Beginn und Ende eines Verses und dann in der Mitte, die übrigen Verselemente. Die fünfte Strophe des Chorliedes ist vollkommen parallel nach einem ‚ABABReimschema‘ konstruiert. Allein die jeweils entscheidenden Begriffe sind ausgetauscht. Dennoch muss vertitur als Synonym für sternitur gelten. Dasselbe trifft für felicitas und sublimitas zu. Besonders betont in der Versmitte, eingerahmt vom Ausruf eheu und den jeweiligen Verben, steht momento. Dadurch wird verdeutlicht, dass das menschliche Schicksal augenblicklich eine Wendung erfahren kann. Mit der gleichen Vehemenz versehen ist jeweils zum Versbeginn der Genitiv Plural mortalium, wodurch die menschliche Sterblichkeit an sich akzentuiert wird. Das entscheidende Moment bei dieser Strophe liegt aber in besonderem Maße in den Passivformen vertitur und sternitur. Der Mensch kann über sein Glück und Unglück bzw. über sein Schicksal nicht selbst entscheiden, sondern ist immer einer höheren Macht ausgeliefert.
Elfte Szene |
739
2742–2744 Melius, ah! melius Iuliano nunc foret ∣ Natum fuisse nunquam, quam sic turpiter ∣ Fuisse denatum.] Das Verb denasci stellt ein äußerst seltenes Kompositum von nasci dar, dessen Verwendung an dieser Stelle durch die Hervorhebung der Antithese natum–denatum begründet ist. Für die Veranschaulichung dieses Gegensatzes sorgt außerdem die chiastische Wortstellung. ‚Geburt‘ und ‚Tod‘ rahmen den übrigen Inhalt des Satzteils ein. Der Gleichklang (nun)quam, quam bildet die Verbindung zwischen den beiden Vergleichspunkten. Neben der bereits erwähnten Parallele zwischen den Verrätern Julian und Judas hinsichtlich ihrer Verbannung in die unterste Hölle (vgl. Comm. ad 2698) ist hier ein weiterer Berührungspunkt zu sehen. Die Worte des Chorführers entsprechen nicht zuletzt aufgrund des in den beiden Stellen vorkommenden emotionalen Ausrufs den Worten Jesu über den Verräter Judas: Vae autem homini illi per quem Filius hominis traditur! Bonum erat ei si natus non fuisset homo ille. (Mt 26,24; vgl. Mc 14,21; Lc 22,22; siehe auch Visio Sancti Pauli 15) [Aber wehe jenem Menschen, durch den der Menschensohn ausgeliefert wird! Für ihn wäre es gut, niemals geboren worden zu sein.]
Zur ungebräuchlichen Perfektform natum fuisse bzw. fuisse denatum siehe Comm. ad 44. 2748 O vanitatum vanitas vanissima!] Dieser Vers stellt den Höhepunkt der zahlreichen vanitas-Mahnungen dar, die im Laufe des Dramas und ganz besonders in der Schlussszene immer wieder auftauchen. In bewusst übertriebener Anhäufung von Polyptota aus der Wortfamilie vanitas/vanus wird am Ende des Stück noch einmal in aller Vehemenz die irdische Eitelkeit hervorgehoben. 2749 Salve nunc Iuliane et aeternum vale.] Die Verbindung der Gruß- bzw. Abschiedsverben salvere und valere wird an dieser Stelle in anderer Weise gebraucht als zuvor (vgl. V. 2387–2388 mit Comm. ad locum). Im Imperativ bzw. jussiven Konjunktiv kann das Verb valere eine weitere Bedeutungsnuance annehmen und als (eher umgangssprachlicher) Ausdruck der Abweisung, Verschmähung oder Verfluchung dienen (vgl. Plaut. Amph. 928; Ter. Andr. 696–697; Cic. nat. deor. 1,124, Att. 4,5,1; Ov. fast. 6,701). Vgl. OLD, s.v. valeo 3d. 2756 pestis semper] Zum möglichen prosodischen Ausfall eines auslautenden -s siehe Comm. ad 383.
| Teil IV: Verzeichnisse
Antike und mittelalterliche Quellen Acc. (Accius) Ael. (Aelian) Afran. (Afranius) [AH] Aischin. (Aischines) Aischyl. (Aischylos)
Aisop. Alcuin Aldhelm [Alk.] Ambr. (Ambrosius von Mailand)
Ambrosiast. (PseudoAmbrosius) Amm. (Ammianus Marcellinus) [Anth. Graec.] [Anth. Lat.] Apoll. Rhod. (Apollonius Rhodius) Apollod. (Apollodor) Apul. (Apuleius)
Arator Aristoph. (Aristophanes) Aristot. (Aristoteles)
Arnob. (Arnobius) Athan. (Athanasius)
Trag. (Tragoediarum fragmenta). In: TRF³, S. 157–262. NA (De natura animalium). Ed. Hercher. Leipzig 1864/1866. Com. (Comoediarum fragmenta). In: CRF³, S. 193–263. Analecta Hymnica Medii Aevi. Ed. Dreves/Schindel. Leipzig 1886– 1927. Orationes: Ctes. (In Ctesiphontum); leg. (De falsa legatione). Ed. Blass/Schindel. Stuttgart 1978. Tragoediae: Ag. (Agamemnon); Choeph. (Choephori); Pers. (Persae); Prom. (Prometheus vinctus); Supp. (Supplices). Ed. West. Stuttgart ²1998. Frg. (Fragmenta). In: TRGF III. Corpus Fabularum Aisopicarum. Ed. Hausrath/Hunger. Leipzig 1959/1970. Epist. (Epistulae). Ed. Dümmler. Berlin 1895 (MGH Epp. Karolini Aevi 2,1–481). Virg. (De virginitate). Ed. Ehwald. Berlin 1919 (MGH Auct. ant. 15). Carminum Alcaicorum Fragmenta. In: PLF², S. 111–291. Epist. (Epistulae). Ed. Faller/Zelzer. Wien 1968–1996 (CSEL 82). In Luc. (Expositio Evangelii secundum Lucam). Ed. Adriaen. Turnhout 1957 (CCSL 14). Virg. (De virginibus). In: PL 19,187–232. Quaest. (Quaestiones). Ed. Souter. Wien 1963 (CSEL 50). Res gestae. Ed. Clark. Berlin 1910/1915. Anthologia Graeca. Ed. Beckby. München ²1965. Anthologia Latina. Ed. Shackleton Bailey. Stuttgart 1982. Argonautica. Ed. Fraenkel. Oxford 1961. Bibl. (Bibliotheca). Ed. Wagner. Stuttgart ²1965. Apol. (Apologia). Ed. Helm. Leipzig ²1959. Met. (Metamorphoses). Ed. Zimmermann. Oxford 2012. Plat. (De Platone et eius dogmate). Ed. Moreschini. Stuttgart 1991. Act. (De actibus apostolorum). Ed. McKinlay. Wien 1951 (CSEL 72). Comoediae: Ach. (Acharnenses); frg. (fragmenta); Nub. (Nubes); Pax. Ed. Hall/Geldard. Oxford 1952/1956. An pr. (Analytica priora). Ed. Ross. Oxford 1964. Hist. an. (Historia animalium). Ed. Balme. Cambridge 2002. Poet. (De arte poetica). Ed. Kassel. Oxford 1965. Pol. (Politica). Ed. Ross. Oxford 1957. Top. (Topica). Ed. Ross. Oxford 1958. Nat. (Adversus nationes). Ed. Marchesi. Turin ²1953. Apol. c. Arian. (Apologia contra Arianos). In: PG 25,247–410.
https://doi.org/10.1515/9783110593730-020
744 | Antike und mittelalterliche Quellen
Athenag. (Athenagoras) Aug. (Augustinus)
Ps. Aur. Vict. (PseudoAurelius Victor) Auson. (Ausonius) Avien. (Avienus) Bakchyl. (Bakchylides) Bas. (Basilius der Große) Bened. (Benedikt von Nursia) Boeth. (Boethius) Bon. (Bonifatius) Caecil. (Caecilius) Caes. (Caesar) Calp. (Calpurnius Siculus) Calp. (Calpurnius Piso) [Carm. pass. Dom.] Cass. Dio (Cassius Dio) Cassiod. (Cassiodor)
Incarn. (De incarnatione). Ed. Kannengiesser. Paris 2000 (SChr 199). Suppl. (Legatio sive supplicatio pro Christianis). Ed. Schoedel. Oxford 1972. C. adv. leg. (Contra adversarium legis et prophetarum). Ed. Daur. Turnhout 1985 (CCSL 49, S. 53–131). C. Iulian. op. imperf. (Contra Iulianum opus imperfectum). Ed. Kalinka/Zelzer. Wien 1974/2004 (CSEL 85). Civ. (De civitate Dei). Ed. Dombart/Kalb. Stuttgart ⁵1981. Conf. (Confessiones). Ed. Sutella/Jürgens/Schaub. Stuttgart ²1996. Enchir. (Enchiridion). Ed. Evans. Turnhout 1969 (CCSL 46, S. 20– 114). Epist. (Epistulae). Ed. Goldbacher. Prag/Wien 1898/1904 (CSEL 34/44) bzw. Daur. Turnhout 2009 (CCSL 31). In evang. Ioh. (In Joannis Evangelium tractatus). In: PL 35,1379– 1976. In psalm. (Enarrationes in psalmos). Ed. Gori u.a. Wien 2001–2011 (CSEL 93–95). Retract. (Retractationes). Ed. Mutzenbecher. Turnhout 1984 (CCSL 57). Serm. (Sermones). In: PL 38–39. Vera rel. (De vera religione). Ed. Daur. Turnhout 1962 (CCSL 32, S. 169–260). Epit. (Epitome de Caesaribus). Ed. Pichlmayer. Stuttgart ²1993. Mos. (Mosella). Ed. Prete. Leipzig 1978. Orb. terr. (Descriptio orbis terrae). Ed. Raschieri. Acireale 2010. Fragmenta. Ed. Snell/Maehler. Leipzig ¹⁰1970. Hex. (Homiliae in Hexaemeron). Ed. De Mendieta/Rudberg. Berlin 1997 (GCS N.F. 2). Reg. (Regula Monachorum). Ed. Hanslik. Wien 1960 (CSEL 75). Cons. (De consolatione philosophiae). Ed. Moreschini. München ²2012. Ars gramm. (Ars grammatica). Ed. Gebauer/Löfstedt. Turnhout 1980 (CCSL 113B). Com. (Comoediaerum fragmenta). In: CRF³, S. 4–94. Civ. (Commentarii belli civilis). Ed. Klotz. Leipzig 1969. Gall. (Commentarii belli Gallici). Ed. Hering. Leipzig 1987. Ecl. (Eclogae/Bucolica). Ed. Giarratano. Turin ³1951. Hist. (Annalium fragmenta). In: HRR², S. 120–138. Carmen de Passione Domini. In: PL 7,283–286. Historia Romana. Ed. Boissevain. Berlin 1895–1931. Gramm. (De orthographia). In: GL 7, S. 143–210.
Antike und mittelalterliche Quellen | 745
Cato (Cato Maior) Catull. (Catull) [CB] Cels. (Celsus) Char. (Charisius) Cic. (Cicero)
[CIL] Claud. (Claudian)
Clem. Al. (Clemens von Alexandria) [CML] [Cod. Iust.] [Cod. Theod.]
Hist. (Historia ecclesiastica tripartita). Ed. Jacob/Hanslik. Wien 1952 (CSEL 71). In psalm. (Expositio psalmorum I–CL). Ed. Adriaen. Turnhout 1958 (CCSL 97–98). Var. (Variae). Ed. Fridh. Turnhout 1973 (CCSL 96, S. 1–499). Agr. (De agricultura). Ed. Mazzarino. Leipzig ²1982. Dict. (Dicta Catonis). Ed. Boas/Botschuyver. Amsterdam 1952. Carmina. Ed. Mynors. Oxford 1958. Carmina Burana. Ed. Meyers/Hilka/Schumann. Heidelberg ²1978. Artes. Ed. Marx. Leipzig 1915. Gramm. (Ars grammatica). In: GL 1, S. 1–296. Att. (Epistulae ad Atticum). Ed. Shackleton Bailey. Stuttgart 1987. Orationes: Catil. (In Catilinam); Deiot. (Pro rege Deiotaro); dom. (De domo sua); Manil. (Pro lege Manilia); Mur. (Pro Murena); p. red. in sen. (oratio post reditum in senatu); Phil. (Orationes Philippicae); Pis. (In Pisonem); Quinct. (Pro Quinctio); Rab. Post. (Pro Rabirio Postumo); Sest. (Pro Sestio); Sull. (Pro Sulla); Vatin. (In Vatinium); Verr. (In Verrem). Ed. Clark/Peterson. Oxford 1901ff. Philosophica: Cato (Cato maior de senectute); Lael. (Laelius de amicitia); leg. (De legibus); rep. (De re publica). Ed. Powell. Oxford 2006. Rhetorica: de orat. (De oratore); orat. (Orator); part. (Partitiones oratoriae). Ed. Wilkins. Oxford 1955/1977. Div. (De divinatione). Ed. Ax. Stuttgart ²1977. Fam. (Ad familiares). Ed. Shackleton Bailey. Stuttgart 1988. Fin. (De finibus bonorum et malorum). Ed. Schiche. Stuttgart ²1993. Inv. (De inventione). Ed. Stroebel. Stuttgart ²1965. Nat. deor. (De natura deorum). Ed. Ax. Stuttgart ²1980. Off. (De officiis). Ed. Winterbottom. Oxford 1994. Ad Q. fr. (Epistulae ad Quintum fratrem). Ed. Shackleton Bailey. Stuttgart 1988. Tusc. (Tusculanae disputationes). Ed. Pohlenz. Stuttgart ²1976. Corpus Inscriptionum Latinarum. Berlin 1862–1936. Carmina: 3 cons. Hon. (Panegyricus dictus Honorio Augusto tertium consuli); Get. (Bellum Geticum); Eutrop. (In Eutropium); Rufin. (In Rufinum); Prob. Olbr. (Panegyricus dictus Olybrio et Probino consulibus); rapt. Pros. (De raptu Proserpinae); Stil. (De consulatu Stilichonis). Ed. Hall. Leipzig 1985. Protr. (Protrepticus). Ed. Marcovich. Leiden 1995. Strom. (Stromata). Ed. Stählin/Früchtel/Treu. Berlin ⁴1985 (GCS 15). Corpus Medicorum Latinorum. Ed. Marx u.a. Leipzig/Berlin 1915– 1993. Codex Iustinianus. Ed. Krüger. Berlin ¹¹2008. Codex Theodosianus. Ed. Krüger. Berlin ⁴1971.
746 | Antike und mittelalterliche Quellen
Colum. (Columella) Coripp. (Corippus) [CParG] [CPG] [CRF³]
Curt. (Curtius Rufus) Cypr. (Cyprian von Karthago)
Diod. (Diodor) Diogenian. (Diogenian) Diom. (Diomedes) Don. (Donat) Enn. (Ennius) Eun. (Eunapios von Sardes) Eur. (Euripides)
Eus. (Eusebius von Caesarea)
Eutr. (Eutrop) Fest. (Festus) [FGrH] Firm. (Firmicus Maternus) Flor. (Florus) [FPL³] Gaius Gal. (Galen) Gell. (Aulus Gellius) [GL] Greg. M. (Gregor der Große) Greg. Naz. (Gregor von Nazianz)
Res rustica. Ed. Lundström. Upsala 1927. Iust. (In laudem Iustini Augusti). Ed. Cameron. London 1976. Corpus Paroemiographorum Graecorum. Ed. Leutsch/Schneidewin. Göttingen 1839. Clavis Patrum Graecorum. Turnhout 1974–2003. Scaenicae Romanorum Poesis Fragmenta, vol. II: Comicorum Romanorum praeter Plautum et Syri quae feruntur Sententias Fragmenta. Ed. Ribbeck. Leipzig ³1898. Historiae Alexandri Magni. Ed. Hedicke. Leipzig 1919. Opera: Demetr. (Ad Demetrianum); Domin. orat. (De dominica oratione); epist. (epistulae); Fort. (Ad Fortunatum de exhortatione martyrii); mortal. (De mortalitate); testim. (Ad Quirinum testimonium); unit. eccl. (De catholicae ecclesiae unitate). Ed. Weber u.a. Turnhout 1972–2004 (CCSL 3). Hab. virg. (De habitu virginum). In: PL 4,439–464. Bibliotheca historica. Ed. Vogel/Fischer. Stuttgart ³1964. In: CParG 1, S. 177–320. Gramm. (Ars grammatica). In: GL I, S. 299–529. Vita Verg. (Vita Vergilii). Ed. Hardie. Oxford ²1966. Ann. (Annalium fragmenta). Ed. Skutsch. Oxford 1985. Scaen. (Praetextarum fragmenta). In: TRF³, S. 17–85. Vit. (Vitae Sophistarum). Ed. Goulet. Paris 2014. Tragoediae. Herc. (Hercules); Hipp. (Hippolytus); Ion; Phoen. (Phoenissae). Ed. Murray. Oxford 1955/1957. Frg. (Fragmenta). In: TrGF V. Hist. eccl. (Historiae ecclesiastica). Ed. Schwartz. Leipzig 1903/1908 (GCS 14–15). Pr. ev. (Praeparatio evangelica). Ed. Mras. Berlin ²1982 (GCS 24– 25). Breviarium. Ed. Santini. Stuttgart ²1992. De verborum significatu. Ed. Lindsay. Leipzig 1913. Die Fragmente der Griechischen Historiker. Ed. Jacoby u.a. Berlin 1923ff. Err. (De errore profanarum religionum). Ed. Pastorino. Florenz ²1969. Epit. (Epitoma). Ed. Malcovati. Rom ²1972. Fragmenta Poetarum Latinorum Epicorum et Lyricorum praeter Ennium et Lucilium. Ed. Blänsdorf. Stuttgart ³1995. Dig. (Digesta). Ed. Krüger/Mommsen. Berlin 1905. Protrep. (Protreptikos). Ed. Kaibel. Berlin 1963. Noctes Atticae. Ed. Marshall. Oxford 1968. Grammatici Latini. Ed. Keil. Leipzig 1856–1880. Dial. (Dialogi). In: PL 77,149–430. Or. (Orationes). Ed. Bernardi. Paris 1983 (SChr 309).
Antike und mittelalterliche Quellen | 747
Greg. Nyss. (Gregor von Nyssa) Greg. Tur. (Gregor von Tours)
[GRF] Hdn. (Herodian) Hdt. (Herodot) Hes. (Hesiod) Hier. (Hieronymus)
Hippol. (Hippolytos von Rom) [Hist. Aug.]
Hom. (Homer)
Hor. (Horaz)
Hrab. Maur. (Hrabanus Maurus) [HRR²] Hyg. (Hyginus) [Hymn. Ambros. I/II] [ILS] Ioh. Mal. (Johannes Malalas) Iord. (Iordanes) Isid. (Isidor von Sevilla) Iul. (Kaiser Julian)
Iust. (Justinus)
Hom. in eccl. (Homiliae in Ecclesiastem). Ed. Alexander/Vinel. Paris 1996 (SChr 416). Franc. (Historia Francorum). Ed. Krusch/Levison. Hannover ²1951 (MGH SS rer. Merov. 1,1). Glor. Mart. (In gloriam martyrum). Ed. Krusch. Hannover ²1969 (MGH SS rer. Merov. 1,2). Grammaticae Romanae Fragmenta. Ed. Funaioli. Leipzig 1907. Regnum post Marcum. Ed. Stavenhagen. Stuttgart 1966. Historiae. Ed. Rosén. Leipzig 1987/1997. Theog. (Theogonia). Ed. West. Oxford 1966, Adv. Iovin. (Adversus Iovinianum). In: PL 23,211–338 Chron. a. Abr. (Chronica ad annum post natum Abraham 2394). Ed. Helm. Berlin ²1956 (GCS 47). In Abacuc. Ed. Adriaen. Turnhout 1970 (CCSL 76A,579–654). Epist. (Epistulae). Ed. Hilberg. Wien 1910–1918 (CSEL 54–56). In Ion. (In Ionam prophetam). Ed. Adriaen. Turnhout 1969 (CCSL 76,377–419). Vir. ill. (De illustribus viris). Ed. Ceresa-Gastaldo. Florenz 1988. Antichr. (De Christo et Antichristo). In: PG 10,725–788. Scriptores Historiae Augustae: Alex. (Alexander Severus); Aur. (Marcus Aurelius); Claud. (Claudius Gothicus); Diad. (Diadumenus); Hadr. (Hadrian). Ed. Hohl. Leipzig 1965. H. (Hymni Homeri). Ed. Allen. Oxford 1983. Il. (Ilias). Ed. West. Stuttgart 1998/2000. Od. (Odyssee). Ed. Allen. Oxford 1962/1966. Opera: ars (ars poetica); carm. (carmina); carm. saec. (carmen saeculare); epist. (epistulae); epod. (epodi); sat. (saturae). Ed. Klingner. Leipzig ⁶1982. Carm. (Carmina). Ed. Dümmler. Berlin 1884 (MGH Poetae 2,154– 258). In Librum Sapientiae. In: PL 109,671–762. Historicorum Romanorum Reliquiae. Ed. Peter. Stuttgart ²1967. Fab. (Fabulae). Ed. Marshall. Stuttgart 1993. Hymnus Ambrosianus. In: PL 16,1409–1412 bzw. 17,1171–1222. Inscriptiones Latinae Selectae. Ed. Dessau. Berlin 1892–1916. Chronographiae. Ed. Thurn. Berlin 2000 (CFHB 35). Get. (Getica); Rom. (Romana). Ed. Mommsen. Berlin 1882 (MGH Auct. ant. 5,1). Orig. (Origines). Ed. Lindsay. Oxford 1911. Ad Ath. (Ad Athenienses); Ad Them. (Ad Themistium); epist. (epistulae); frg. (fragmenta); or. (orationes). Ed. Bidez. Paris 1924– 1964. C. Gal. (Contra Galilaeos). Ed. Masaracchia. Rom 1990. Caes. (Caesares); mis (Misopogon). Ed. Müller 1998. Epitoma. Ed. Bühl/Seel. Leipzig 1935.
748 | Antike und mittelalterliche Quellen
Iust. Mart. (Justin der Märtyrer) Iuv. (Iuvenal) Joh. Chrys. (Johannes Chrysostomos) Kall. (Kallimachos) [LA] Lact. (Lactanz)
Lact. Plac. (Lactantius Placidius) Leo M. (Leo der Große) Lib. (Libanios) Liv. (Livius)
Liv. Andr. (Livius Andronicus) Lucan. (Lukan) Lucil. (Lucilius) Lucr. (Lukrez) Lykoph. (Lykophron von Chalkis) Macr. (Macrobius) Maecen. (Maecenas) Manil. (Manilius) Mar. Victorin. (Marius Victorinus) Marc. Com. (Marcellinus Comes) Mart. (Martial) Mart. Cap. (Martianus Capella) Mela (Pomponius Mela) Men. (Menander) Min. Fel. (Minucius Felix) [Musurillo] Nic. (Nicephoros) [Not. Tir.]
Apol. (Apologia). Ed. Marcovich. Berlin 1994. Dial. (Dialogus). Ed. Marcovich. Berlin 1997. Saturae. Ed. Willis. Stuttgart 1997. Paneg. Bab. 1/2 (Panegyricus in Babylam). Ed. Grillet/Guinot. Paris 1990 (SChr 362,294–313 bzw. 90–275). Paneg. Juv. (Panegyricus in Iuventinum). In: PL 50,571–578. Frg. (Fragmenta). Ed. Pfeiffer. Oxford 1949/1985. H. (Hymni). Ed. Pfeiffer. Oxford 1949/1985. Legenda Aurea. Ed. Häuptli. Freiburg im Breisgau 2014. Inst. (Divinae institutiones). Ed. Heck/Wlosok. München 2005– 2011. Mort. pers. (De mortibus persecutorum). Ed. Brandt. Wien 1897 (CSEL 27,2). In Statii Thebaida commentum. Ed Sweeney. Stuttgart 1997. Epist. (Epistulae). In: PL 54. Or. (Orationes). Ed. Foerster. Leipzig 1903–1923. Ab urbe condita 1–5 Ed. Ogilvie. Oxford 1979. Ab urbe condita 6–10. Ed. Walters/Conway. Oxford 1993. Ab urbe condita 21–25. Ed. Walters/Conway. Oxford 1993. Ab urbe condita 26–30. Ed. Conway/Johnson. Oxford 1994. Ab urbe condita 31–35. Ed. McDonald. Oxford 1992. Ab urbe condita 36–40. Ed. Briscoe. Stuttgart 1991. Ab urbe condita 41–45. Ed. Briscoe. Stuttgart 1986. Carm. frg. (Carminum fragmenta). In: FPL³, S. 17–37. De bello civili. Ed. Shackleton Bailey. Berlin 2009. Saturarum fragmenta. Ed. Krenkel. Berlin 1970. De rerum natura. Ed. Bailey. Oxford ²1921. Alex. (Alexandra). Ed. Mascialino. Leipzig 1964. Sat. (Saturnalia). Ed. Willis. Stuttgart ²1994. Carm. frg. (Carminum fragmenta). Ed. Lunderstedt. Leipzig 1911. Astronomica. Ed. Goold. Leipzig 1985. Gramm. (Ars grammatica). In: GL VI, S. 3–173. Chronica. Ed. Mommsen. Berlin 1894 (MGH Ant. Auct. 11 chron. min. II, S. 37–109). Epigrammata. Ed. Shackleton Bailey. Stuttgart 1990. De nuptiis Philologiae et Mercurii. Ed. Willis. Leipzig 1983. De Chorographia. Ed. Frick. Stuttgart 1968. Sam. (Samia). Ed. Sandbach. Oxford ²1990. Octavius. Ed. Kytzler. Stuttgart 1992. The Acts of the Christian Martyrs. Ed. Musurillo. Oxford 1979. Ecclesiastica Historia. In: PG 145–147. Notae Tironianae. Ed. Schmitz. Leipzig 1893.
Antike und mittelalterliche Quellen | 749
[ORF] Orig. (Origines)
Oros. (Orosius) Orph. (Orpheus) Ov. (Ovid)
Pacuv. (Pacuvius) [Paneg. Lat.] [Pass. Art.] [Pass. Dasii] [Pass. Iuli Veterani] [Pass. Mar. Iac.] [Pass. Marcell.] [Pass. Marini] [Pass. Perp.] [Pass. Polycarp.] [Pass. Scill.] Paul. Nol. (Paulinus von Nola) Paus. (Pausanias) [PEG] Pers. (Persius) Petron. (Petron) [PG] [PGM²] Philostorg. (Philostorgios) Phot. (Photius) [Physiog. Anon. Lat.] Pind. (Pindar) [PL] Plat. (Platon)
Oratorum Romanorum Fragmenta. Ed. Malcovati. Turin 1930. C. Cels. (Contra Celsum); de or. (De oratione). Ed. Koetschau. Leipzig 1899 (GCS 52–53). Hom. in Num. (Homiliae in Numeros). In: PL 12,583–806. Hist. (Historiae adversus paganos). Ed. Zangemeister. Wien 1882/ 1967 (CSEL 5). Frg. (Fragmenta). In: PEG II. H. (Hymni). Ed. Quandt. Berlin 1941. Am. (Amores); ars (ars amatoria). Ed. De Verger. München 2003. Epist. (Epistulae Heroidum). Ed. Dörrie. Berlin 1971. Fast. (Fasti). Ed. Alton/Wormell/Courtney. Leipzig ³1988. Met. (Metamorphoses). Ed. Tarrant. Oxford 2004. Hal. (Halieutica); Pont. (epistulae ex Ponto); trist. (Tristia). Ed. Owen. Oxford 1915. Trag. (Tragoediarum fragmenta). In: TRF³, S. 86–157. Panegyrici Latini. Ed. Mynors. Oxford 1964. Passio Artemii. In: PG 96,1251–1320. Passio Dasii. In: Musurillo 21. Passio Iuli Veterani. In: Musurillo 19. Passio Mariani et Iacobi. In: Musurillo 14. Passio Marcelli. In: Musurillo 18. Passio Marini. In: Musurillo 16. Passio Perpetuae et Felicitatis. In: Musurillo 8. Passio Polycarpi. In: Musurillo 1. Passio Scillitanorum. In: Musurillo 6. Carm. (Carmina). Ed. de Hartel. Wien 1894 (CSEL 30). Graeciae descriptio. Ed. Rocha-Pereira. Leipzig 1973–1981. Poetae Epici Graeci: Testimonia et Fragmenta. Ed. Bernabé. Berlin/München 1988–2007. Saturae. Ed. Clausen. Oxford 1959. Satyrica. Ed. Müller. Stuttgart ⁴1995. Patrologiae Cursus Completus. Series Graeca. Ed. Migne. Papyri Graecae Magicae. Ed. Preisendanz. Stuttgart ²1973/1974. Hist. eccl. (Historica ecclesiastica): Ed. Bidez/Winkelmann. Berlin ²1972 (GCS 21). Bibliotheca. Ed. Henry. Paris 1959–1991. Anonymi De Physiognomonia Liber Latinus. In: SPGL II, S. 1–145. Carmina: O. (Olympia); P. (Pythia). Ed. Snell/Maehler. Leipzig ⁸1987. Patrologiae Cursus Completus. Series Latina. Ed. Migne. Opera: epist. (epistulae); Gorg. (Gorgias); Hipparch. (Hipparchos); Phaid. (Phaidon); Phaidr. (Phaidros); rep. (Politeia); symp. (symposion). Ed. Burnet. Oxford 1899ff.
750 | Antike und mittelalterliche Quellen
Plaut. (Plautus)
[PLF²] Plin. (Plinius Maior) Plin. (Plinius Minor) Plut. (Plutarch)
Pol. (Polybios) Polem. (Polemon) Pomp. (Pompeius) Pompon. (Sextus Pomponius) Porph. (Porphyrios)
Prisc. (Priscian) Procl. (Proklos) Prok. (Prokop) Prop. (Properz) Prosp. (Prosper Tiro von Aquitanien) Prud. (Prudentius)
Publil. (Publilius Syrus) Quint. (Quintilian)
Ps. Quint. (PseudoQuintilian) [Reg. urb.] [RIC II] [RIC III] [RIC V,1]
Comoediae: Amph. (Amphitruo); Asin. (Asinaria); Aul. (Aulularia); Bacch. (Bacchides); Capt. (Captivi); Cas. (Casina); Cist. (Cistellaria); Curc. (Curculio); Epid. (Epidicus); Men. (Menaechmi); Merc. (Mercator); Mil. (Miles gloriosus); Most. (Mostellaria); Persa; Poen. (Poenulus); Pseud. (Pseudolus); Rud. (Rudens); Stich. (Stichus); Trin. (Trinummus); Truc. (Truculentus). Ed. Lindsay. Oxford 2002. Poetarum Lesbiorum Fragmenta. Ed. Lobel/Page. Oxford ²1963. Nat. (Naturalis historia). Ed. Ian/Mayhoff. Stuttgart 1967. Epist. (Epistulae). Ed. Mynors. Oxford 1963. Paneg. (Panegyricus) = Paneg. Lat. 1. Vitae Parallelae: Ant. (Antonius); Caes. (Caesar); Cim. (Cimon). Ed. Lindskog/Ziegler. Leipzig 1957–1971. Qu. conv. (Quaestiones convivales); qu. R. (quaestiones Romanae). Ed. Bernardakis/Bernardakis/Ingenkamp. Athen 2008– 2013. Historiae. Ed. Büttner-Wobst. Stuttgart 1889–1905. De Physiognomonia. In: SPGL I, S. 98–294. Gramm. (Ars grammatica). In: GL V, S. 95–312. Dig. (Digesta). Ed. Krüger/Mommsen. Berlin 1905. Adv. Christ. frg. (Adversus Christianos fragmenta). Ed. Becker. Berlin 2016. Frg. (Fragmenta). Ed. Smith. Stuttgart 1993. Gramm. (Ars grammatica). In: GL II, S. 1–III, S. 377. H. (Hymni). Ed. Vogt. Wiesbaden 1957. BG (Bellum Gothicum). Ed. Wirth. Leipzig 1963. Carmina. Ed. Fedeli. München 2006. Chron. (Epitoma chronicorum). Ed. Mommsen. Berlin 1892 (MGH Auct. ant. 9 chron. min. I, S. 385–485). Carmina: apoth. (Apotheosis); c. Symm. (Contra Symmachum); cath. (Cathemerinon); ham. (Hamartigenia); perist. (Peristephanon); psych. (Psychomachia). Ed. Cunningham. Turnhout 1966. Sententiae. Ed. Friedrich. Hildesheim 1964. Decl. (Declamationes minores). Ed. Shackleton Bailey. Stuttgart 1989. Inst. (Institutio oratoria). Ed. Winterbottom. Oxford 1970. Decl. (Declamationes Maiores). Ed. Håkanson. Stuttgart 1982. Libellus de regionibus urbis Romae. Ed. Nordh. Göteborg 1949. The Roman Imperial Coinage, vol. II: Vespasian to Hadrian. Ed. Mattingly/Sydenham. London 1962. The Roman Imperial Coinage, vol. III: Antoninus Pius to Commodus. Ed. Mattingly/Sydenham. London 1962. The Roman Imperial Coinage, vol. V,1: Valerian I. to the Interregnum after Florian. Ed. Webb. London 1962.
Antike und mittelalterliche Quellen | 751
Ruf. Fest. (Rufius Festus) Rufin. (Rufinus von Aquileia) Rustic. Conc.S
Rut. Nam. (Rutilius Namatianus) Sall. (Sallust) Scaur. (Terentius Scaurus) [Schol. in Iuv.] [Schol. vetera in Aristoph. Nub.] Sedul. (Sedulius) Sen. (Seneca Maior) Sen. (Seneca Minor)
Serv. (Servius) Sidon. (Sidonius Apollinaris) Sil. (Silius Italicus) Sokr. (Sokrates von Konstantinopel) Soph. (Sophokles) Soz. (Sozomenos) [SPGL] Stat. (Statius) Strab. (Strabon) [Suda]
Brev. (Breviarium). Ed. Eadie. London 1967. Hist. (Historia ecclesiastica). Ed. Schwartz/Mommsen. Leipzig 1903–1909 (GCS 2). Concilium Universale Ephesenum, vol. IV: Collectionis Casinensis Sive Synodici a Rustico Diacono compositi Pars altera. Ed. Schwartz. Berlin 1922/1923. De reditu suo. Ed. Doblhofer. Heidelberg 1972. Catil. (De coniuratione Catilinae); Iug. (De bello Iugurthino). Ed. Reynolds. Oxford 1991. Gramm. (De orthographia). In: GL VII, S.11–33. Scholia in Iuvenalem vetustiora. Ed. Wessner. Leipzig 1931. Scholia in Aristophanem). Bd. I,3,1: Scholia vetera in Nubes. Ed. Holwerda. Groningen 1977. Opera. Ed. Hümer. Wien ²2007 (CSEL 10). Contr. (controversiae); suas. (suasoriae). Ed. Håkanson. Leipzig 1989. Tragoediae: Ag. (Agamemnon); Herc. f. (Hercules furens); Herc. O. (Hercules Oetaeus); Med. (Medea); Oct. (Octavia); Oed. (Oedipus); Phaedr. (Phaedra); Thy. (Thyestes); Tro. (Troades). Ed. Zwierlein. Oxford 1986. Apocol. (Apocolocyntosis). Ed. Roncali. Leipzig 1990. Benef. (De beneficiis). Ed. Hosius. Leipzig 1900. Clem. (De clementia). Ed. Malaspina. Alessandria ²2005. Dial. (Dialogi). Ed. Reynolds. Oxford 1977. Epist. (Epistulae morales). Ed. Reynolds. Oxford 1965. Nat. (Naturales quaestiones). Ed. Hine. Stuttgart 1996. Aen. (Commentarius in Aeneia); georg. (Commentarius in Georgica). Ed. Thilo/Hagen. Leipzig 1881–1887. Carm. (Carmina); epist. (epistulae). Ed. Mohr. Leipzig 1895. Punica. Ed. Delz, Stuttgart 1987. Hist. eccl. (Historia ecclesiastica). Ed. Hansen. Berlin 1995 (GCS N.F. 1). Tragoediae: Ant. (Antigone); Oid. K. (Oedipus Coloneus); Oid. T. (Oedipus Rex). Ed. Lloyd-Jones/Wilson. Oxford 1990. Hist. eccl. (Historia ecclesiastica). Ed. Bidez/Hansen. Berlin 1995 (GCS N.F. 4). Scriptores Physiognomonici Graeci et Latini. Ed. Foerster. Leipzig 1893. Silv. (Silvae). Ed. Marastoni, Leipzig ²1970. Ach. (Achilleis); Theb. (Thebais). Ed. Garrod. Oxford ²1954. Geogr. (Geographica). Ed. Radt. Göttingen 2002–2011. Suidae Lexikon/Suidas. Ed. Adler. Stuttgart 1967/1971.
752 | Antike und mittelalterliche Quellen
Suet. (Sueton)
Sulp. Sev. (Sulpicius Severus) Symm. (Symmachus) Tac. (Tacitus)
Tat. (Tatian) Ter. (Terenz)
Tert. (Tertullian)
Theod. (Theodoret) Theokr. (Theokrit) Theoph. (Theophilus von Antiochia) Thomas v. Aquin
Tib. (Tibull) [TRF³] [TrGF] Val. Fl. (Valerius Flaccus) Val. Max. (Valerius Maximus) Varro
Vitae Caesarum: Aug. (Augustus); Cal. (Caligula); Claud. (Claudius); Dom. (Domitian) Iul. (Iulius Caesar); Nero; Vesp. (Vespasian); Vit. (Vitellius). Ed. Ihm. Stuttgart ²1993. Chron. (Chronica); dial. (dialogi). Ed. Halm. Wien 1866 (CSEL 1). Epist. (Epistulae); rel. (relationes). Ed. Seeck. Berlin 1883 (MGH Auct. ant. 6,1). Ann. (Annales). Ed. Heubner. Stuttgart 1994. Opera Minora: Agr. (Agricola); Germ. (Germania). Ed. Koestermann. Leipzig 1970. Orat. (Oratio ad Graecos). Ed. Marcovich. Berlin 1995. Comoediae: Ad. (Adelphoe); Andr. (Andria); Eun. (Eunuchus); Haut. (Heautontimorumenos); Hec. (Hecyra); Phorm. (Phormio). Ed. Kauer/Lindsay. Oxford 1958. Opera: adv. Hermog. (Adversus Hermogenem); adv. Iud. (Adversus Iudaeos); adv. Marc. (Adversus Marcionem); adv. Prax. (Adversus Praxean); adv. Val. (Adversus Valentinianos); anim. (De anima); apol. (Apologeticum); bapt. (De baptismo); castit. (De exhortatione castitatis); coron. (De corona); cult. fem. (De cultu feminarum); mart. (Ad martyras); nat. (Ad nationes); idol. (De idololatria); pall. (De pallio); praescr. (De praescripione haereticorum); pudic. (De pudicitia); spect. (De spectaculis). Ed. Gerlo. Turnhout 1954 (CCSL 1). Hist. eccl. (Historia ecclesiastica). Ed. Parmentier. Berlin 1998 (GCS N.F. 5). Eid. (Eidyllia). Ed. Cholmeley. London 1930. Ad Autol. (Ad Autolycum). Ed. Marcovich. Berlin 1995. STh/DTh (Summa Theologica. Die deutsche Thomas-Ausgabe übersetzt von Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs, vollständige ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe). Graz 1933ff. Carmina. Ed. Luck. Stuttgart ²1998. Scaenicae Romanorum Poesis Fragmenta, vol. I: Tragicorum Romanorum Fragmenta. Ed. Ribbeck. Leipzig ³1897. Tragicorum Graecorum Fragmenta. Ed. Snell/Kannicht/Radt. Göttingen 1981–2004. Argonautica. Ed. Ehlers. Stuttgart 1980. Facta et dicta memorabilia. Ed. Kempf. Stuttgart ²1966. Ant. rer. div. (Antiquitates rerum divinarum). Ed. Cardauns. Wiesbaden 1976. Rust. (De re rustica). Ed. Keil/Goetz. Leipzig 1912. Ling. (De lingua Latina). Ed. G. Goetz/Schoell. Leipzig 1910. Men. (Saturarum Menippearum Fragmenta). Ed. Astbury. Leipzig 1985.
Antike und mittelalterliche Quellen | 753
Vell. (Velleius Paterculus) Ven. Fort. (Venantius Fortunatus) Verg. (Vergil) [Visio Sancti Pauli] [Vitae Patr.] Vitr. (Vitruv) [Vulg.] [Vulg. Nova]
Xen. (Xenophon) Zos. (Zosimos)
Historiae. Ed. Watt. Leipzig 1988. Carm. (Carmina). Ed. Leo. Berlin 1881 (MGH Auct. ant. 4,1). Opera: Aen. (Aeneis); ecl. (Eclogae/Bucolica); georg. (Georgica). Ed. Mynors. Oxford 1969. Ed. Silverstein/Hilhorst. Genf 1997. Vitae Patrum. In: PL 73. De architectura. Ed. Krohn Leipzig 1912. Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem. Ed. Weber/Gryson. Stuttgart ⁵2007. Nova Vulgata Bibliorum Sacrorum Editio Sacrosancti Oecumenici Concilii Vaticani II Ratione Habita Iussu Pauli PP. VI Recognita Auctoritate Ioannis Pauli PP. II Promulgata. Rom/Città del Vaticano ²2005. Mem. (Memorabilia). Ed. Marchant. Oxford ²1949. Hist. (Historia nova). Ed. Paschoud. Paris 1971–1989.
Frühneuzeitliche Handschriften und Drucke (mit modernen Editionen) Die mit einem Stern (*) gekennzeichneten Titel wurden im Index auctorum berücksichtigt. [AA SS] Acta Sanctorum quotquot toto orbe coluntur, vel a Catholicis Scriptoribus celebrantur […]. 67 Bde. Antwerpen u.a 1643–1940 (Nachdruck 1966–1971). Acta Academiae Ingolstadiensis (1567–1689). München, Universitätsarchiv, O I 4 [zit. als: Acta Acad. Ing.]. Agricola, Ignatius SJ/Flott, Adam SJ/Kropf, Franz Xaver SJ 1727–1754: Historia Provinciae Societatis Iesu Germaniae Superioris. 5 Bde. Augsburg. Alciati, Andrea 1583: Emblemata Andreae Alciati postrema ab autore recognita, vivisque imaginibus artificiosissime illustrata, adiuncta sunt Epimythia, quibus, quae obscuriora videbantur, sunt declarata. Frankfurt am Main [zit. als: Andr. Alc. Embl.]. *Álvarez, Manuel 1603: De Institutione Grammatica libri III. Ingolstadt [zit. als: Inst. gramm.]. Balde, Jakob SJ: Carmina Lyrica. Hg. von Benno Müller. Regensburg 1977 (Nachdruck der Ausgabe von 1884) [zit. als: Lyr.]. *Baronio, Cesare 1596: Annales Ecclesiastici […]. Tomus Sextus. Antwerpen [zit. als: AE VI]. *Baronio, Cesare 1597: Annales Ecclesiastici […]. Tomus Primus, Editio novissima. Antwerpen [zit. als: AE I]. *Baronio, Cesare 1598: Annales Ecclesiastici […]. Tomus Tertius, Editio novissima. Antwerpen [zit. als: AE III]. *Baronio, Cesare 1598: Annales Ecclesiastici […]. Tomus Septimus. Antwerpen [zit. als: AE VII]. *Baronio, Cesare 1601: Annales Ecclesiastici […]. Tomus Quartus, Editio novissima. Antwerpen [zit. als: AE IV]. Bellarmin, Robert SJ 1587: Primi Tomi Tertia Controversia generalis, De summo Pontifice, quinque libris explicata. Ingolstadt. *Benci, Francesco SJ 1590: Ergastus. In: Carminum et Poematum libri quatuor; eiusdem Ergastus et Philotimus Dramata. Rom [zit. als: Erg.]. *Bidermann, Jakob SJ: Cenodoxus. Abdruck der «Ludi theatrales» (1666) mit den Lesarten der Kelheimer und Pollinger Handschrift. Hg. von Rolf Tarot. Tübingen 1963 [zit. als: Bid. Cen.]. *Bidermann, Jakob SJ: Philemon Martyr. Lateinisch und Deutsch. Hg. und übersetzt von Max Wehrli. Köln 1960 [zit. als: Bid. Phil.]. Bidermann, Jakob SJ: Belisarius. Edition und Versuch einer Deutung von Harald Burger. Berlin 1966. Bodin, Jean 1566: Methodus ad Facilem Historiarum Cognitionem. Paris. Breviarium Romanum ex Decreto Sacrosancti Concilij Tridentini restitutum Pii V. Pont. Max. Iussu editum, Pars Aestivalis. Antwerpen 1597 [zit. als: Brev. Rom.]. Buchanan, George: Jephthes. In: George Buchanan: Tragedies. Hg. von Peter Sharratt, Peter G. Walsh. Edinburgh 1983 [zit. als: Buchan. Jephtes]. *Buchanan, George: Poetic Paraphrase of The Psalms of David (Psalmorum Davidis paraphrasis poetica). Edited, translated, and provided with introduction and commentary by Roger P.H. Green. Genf 2011 [zit. als: Buchan. Ps]. [Calvin, Johannes] Battles, Ford L./Hugo, André M. 1969 (Hg.): Calvin’s Commentary on Seneca’s De Clementia. Leiden (The Renaissance Society of America. Renaissance Text Series 3).
https://doi.org/10.1515/9783110593730-021
756 | Frühneuzeitliche Handschriften und Drucke (mit modernen Editionen)
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Sekundärliteratur |
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Index auctorum Der nachfolgende Index auctorum listet alle antiken und mittelalterlichen sowie frühneuzeitlichen (in Auswahl) Quellenstellen auf, auf die innerhalb der vorliegenden Arbeit Bezug genommen wird. Die verwendeten Abkürzungen sind im vorausgehenden Quellenverzeichnis aufgelöst. Die Referenzen zur Heiligen Schrift werden separat im darauffolgenden Index biblicus aufgeführt.
Acc. trag. – 92 554 – 415 160 – 550 160 – 595 160 Ael. NA – 1,36 680 – 2,17 680 – 5,26 606 – 6,10 606 Afran. com. – 277 681 – 320 461 Aischin. – Ctes. 78 52 – leg. 40 629 Aischyl. – Ag. – 1160 475 – 1501–1504 593 – Choeph. – 994 496 – 1047 496 – Eum. 236 593 – frg. – 170 523 – 405 652 – Pers. 354 593 – Prom. – 347–350 494, 727 – 427 494 – Sept. – 245–263 153 – 712–719 153 – Supp. 676–677 561 Aisop. – 14 606 – 51 496 https://doi.org/10.1515/9783110593730-023
– 75 606 – 219 606 Alcuin epist. 229 441 Aldhelm virg. 429 475 Alk. – 326 672 – 349 681 Álvarez Inst. gramm. – I fol. 32r 603 – III – fol. 1v 470 – fol. 3v 485, 499 – fol. 4r –4v 707 – fol. 4v 470 – fol. 13r 525 – fol. 20r 480 – fol. 21r –21v 165 – fol. 32v 453 – fol. 36r 493, 714 – fol. 36v –37r 466 Ambr. – epist. – 18,3–6 706 – 74,8 643 – in Luc. – 6,108 486 – 7,86 596 – virg. – 1,5–9 600 – 1,7 726 Ambrosiast. quaest. – 114,24 486 – 114,29–30 486 Amm. – 14 – 6,3–6 512 – 10,13 508
802 | Index auctorum
– 15 – 2,7–8 504 – 5,1–25 498 – 5,4 436 – 5,18 477 – 5,31–35 497 – 8,1–18 497 – 8,1–3 501, 504 – 8,5–8 256 – 8,12 511 – 8,12–14 258, 510 – 8,17 262, 515 – 8,18 254 – 13,4 502 – 16 – 5,1–3 436 – 5,6–12 202 – 11,8 498 – 17 – 11,1 336, 621, 626, 627, 630 – 11,5 300 – 22,14 621, 627 – 20 – 4,14–22 520 – 5,4 525 – 5,10 525, 526 – 8 520 – 21 – 2,1–3 525, 526 – 2,4–5 266 – 5,3 508, 525 – 10,8 538 – 16,18 9 – 22 – 4,3 467 – 4,9 467 – 4,9–10 95, 222, 226 – 5,1–2 274 – 9,7–8 593 – 9,8 308 – 9,15 628 – 9,16–17 8 – 10,7 404, 718 – 11,2–3 584 – 12,6 627 – 13,2–3 640 – 14,2–3 336
– 14,3 338, 625–627, 631 – 23 – 1,6 286, 567 – 2,1–2 362 – 3 362 – 3,2 422, 667 – 3,6 662 – 5,4 422 – 5,8–9 662 – 24 – 4,27 96, 228, 470 – 25 – 2,2 436 – 2,3 436 – 2,8–3,9 390 – 3,15–23 390 – 3,6 699 –4 8 – 4,4–5 436 – 4,14 525 – 4,20 404, 718 – 4,22 624, 625 – 6,6 699 – 26 – 6,2–3 422 – 8,13 458 – 29 – 1,23 616 – 30 – 8,2 503 – 31 – 1,1 458 – 2,6 186 Andr. Alc. Embl. – 68 457 – 160 461 – 172 680 Anth. Graec. 16,275 458 Anth. Lat. 443,6 530 Apoll. Rhod. – 2,317–344 438 – 2,549–606 438 – 3,1216–1217 561 Apollod. bibl. – 1,8 494 – 2,77–80 514 – 2,116–117 709
Index auctorum | 803
– 2,120–121 494 Apul. – apol. – 42 594 – 85 666 – 98 685 – met. – 1,7,5 622 – 1,22,4 603 – 2,21,3 622 – 5,6,2 186 – 5,26,6 686 – 6,14,4 666 – 9,5,1 622 – 10,16,7 539 – 10,17,6 622 – 11,4,2 576 – Plat. 1,11 653 Arator act. – 1,37 475 – 2,1117 475 Aristoph. – Ach. 906 606 – frg. 594a 561 – Nub. 749–756 566 – Pax – 1067 580 – 1189 580 Aristot. – an pr. 1,1,24b 719 – hist. an. – 2,501a 513 – 2,505b 680 – 8(9),609b 580 – poet. – 13,1453a 124 – 15,1454b 145 – 18,1456a 152 – pol. – 3,1281a–1284a 601 – 7,1326b 608 – top. 1,1,100a 719 Arnob. nat. – 1,40 486 – 1,43–44 538 – 1,62 486 – 2,19 578
– 3,20 578 – 3,38–39 523 – 4,26 584 – 5,5–7 592 – 6,8–26 571 – 7,49 592 Athan. – apol. c. Arian. 76 456 – incarn. 24 486 Athenag. suppl. – 3 538 – 18,1 571 – 23 571 – 26–27 571 Aug. – c. adv. leg. 1,24,52 630 – c. Iulian. op. imperf. – 2,55 578 – 3,145 578 – 6,9 578 – civ. – 2,7 543 – 4,29 699 – 4,31 571 – 5,13 449 – 5,22 578 – 6,8 593 – 7,26 593, 735 – 9,5 49 – 14,9 49 – 18,52 300, 342, 404, 645 – 19,3 48 – 19,4 48 – 19,25 49 – 20,14 730 – conf. – 6,8,13 696 – 8,5,10 718 – enchir. 30,115 563 – epist. – 91,4 628 – 105,2,10 578 – 105,8 735 – 118,26 630 – 148,14 725 – in evang. Ioh. 96,3 486
804 | Index auctorum
– in psalm. – 93,15 486 – 116,7 587 – 118,30,5 587 – retract.1,2 49 – serm. – 47,12 463 – 75,4 672 – vera rel. 3,3–4,6 486 Auson. Mos. 36 498 Avien. orb. terr. – 335 498 – 342 498 – 424 498 Bakchyl. frg. 1B 560 Bar. – AE I – 521A 427 – 624E–625A 427 – 638B–639A 427 – 639A–641A 427 – 642E–643A 427 – 643C 427 – AE III – 469D 626 – 477D–478C 202 – 477E 421 – 477E–478D 206 – 478A 484 – 478C–D 442 – 554B 494 – 554B–C 230 – 554E 76 – 555C 422 – 555D 484 – 555E 210, 421, 484 – 556B 266 – 612D–E 270, 529 – 612E 422, 530 – 613A 422 – 613B 286 – 613C 421 – 613E 266 – 641A–B 206 – 641C–D 336, 625 – 665D–666A 497
– 665D–666D 246 – 666B 491 – 666C 254 – 666D–E 266 – 728A 300, 585 – 728D–E 266 – 770B–C 266 – 770D–771D 526 – 771B 274 – AE IV – 2C–4B 274 – 2D 526 – 2E 540 – 3B–4A 540 – 4D 422 – 4E 262, 515 – 6C 222, 226 – 8B–C 274 – 9B–C 422 – 12C–D 300 – 13C–D 694 – 14B 421, 422 – 14C 484 – 15E–16C 286, 564 – 16D 300 – 16E–17C 300 – 17E 425 – 22E 294 – 22E–23A 570 – 23A 573 – 25A 451 – 25B–C 282, 551 – 36C 308, 593 – 36C–D 591 – 39A–C 627 – 39A–D 336 – 39B–40B 626 – 40E–41C 340 – 41E–42A 584 – 42B–C 300, 585 – 42C 669 – 43E–44B 640 – 44E–45B 340 – 45B 632 – 45C–D 633 – 45E–46E 342 – 46C 639
Index auctorum | 805
– 46C–E 645 – 46C–D 639 – 46D 642 – 51B 372 – 52E 637 – 55A 330 – 57B–D 314, 597 – 57D 598 – 58C 320, 330, 618 – 67C 306, 588 – 72E 202, 435 – 106A–B 274 – 106B 270, 535 – 107E–108B 79, 348, 647 – 108C 719 – 108C–111A 404 – 117A 422, 453 – 117B 286 – 123C–D 352 – 123D–E 404, 727 – 124A 422 – 124B 352 – 124B–C 654, 666 – 124C 362, 368 – 125C–D 362 – 127C–D 358, 659 – 127E–128A 662 – 129C 422 – 129D 362, 667 – 130B 650, 667 – 130B–C 362 – 130B–D 378, 661 – 134C–142D 390 – 135D 700 – 135D–136A 699 – 136B–D 699 – 136D 708 – 137D 701 – 137E–138B 703 – 140C 705 – 142A–B 707 – 142D 708 – 143C 425 – 145D 719 – 199B 425 – 612E 421
– AE VI – 25D 428 – 125B 428 – 134A 428 – 134A–E 428 – 136B–137B 428 – 177B–D 428 – AE VII – 322C 428 – 331E 428 – 336A–B 429 – 356A–D 429 Bas. hex. 7,6 680 Benci Erg. – 229 376 – 241 344 – 247 208 – 250 296, 576 – 256 400, 402, 712 – 257 402 – 258 404 – 266 220 Bened. Reg. 4,20 684 Bern. Stef. Crispus – I,94–101 236 – I,132 236 – I,312–313 338 – I,319 338 – I,564–565 392 – I,568–587 392 – I,595–604 392 – I,678–684 394 – II,258–261 250 – II,417–424 254 – II,457–459 172, 280 – II,473–474 268 – II,479–482 352 – III,23–26 294 – III,390–398 362 – III,408–409 396 – III,412–413 392 – IV,127–130 352 – V,62 362 – V,313 304 – V,322 304 – V,325–329 304 – V,659–668 296
806 | Index auctorum
– V,734–735 406 – V,738 406 – VI,212–220 334 Bid. – Cen. – 196–197 70 – 221–222 69 – 213–215 69 – 217–218 69 – 226–227 77 – 233–234 69 – 235–236 69 – 237–239 64, 69 – 243–245 63, 72 – 249–250 88 – 254 69 – 273–275 71 – 553–555 69 – 680–683 70 – 685–686 70 – 709–710 70 – 735–736 70 – 753–754 70 – 762–764 70 – 864–865 63 – 894–897 69 – 930–934 63 – 949–950 88 – 967–971 63 – 999–1000 64 – 1002–1003 101 – 1385–1387 100 – 1427–1430 63 – 1430 99, 338 – 1601 481 – 1837–1838 94 – 1839 94 – 1845 94 – 1847–1848 94 – 1900–1901 690 – 2080–2211 384 – 2097–2137 714 – 2103 444 – 2104–2105 715 – 2113–2115 715 – 2122–2123 715 – 2133–2135 715
– 2208–2211 125 – 2217–2218 125, 384 – 2231–2233 126 – 2234 125, 384 – Phil. – S. 232,4 605 – 240,1–2 605 – S. 240,12–15 605 – S. 240,17 605 – S. S. 216,16–20 605 Boeth. cons. – 1 pr. 4,5–7 441 – 2 m. 1,2 462 – 2 pr. 1,10 462 – 2 pr. 1,11 458 – 2,1–2 459 Buchan. Ps – 3,1–6 168 – 6,5–12 168 – 20,1–8 168 – 27,1–16 168 – 45,1–2 168 – 55,13–16 168 – 59,55–56 398 – 59,69–72 400 – 97,19–20 318 – 97,21–24 318 – 97,29–30 318 – 103,5–12 168 – 147,1–12 168 Caecil. com. – 2 461 – 250 578 Caes. – civ. – 1,7,7 510 – 1,33,1 473 – 3,42,2 648 – Gall. – 1,1 525 – 3,71,4 508 – 4,25,3 508 – 6,24–25 516 – 6,26–28 516 – 7,60,3 648 – 8,27,4 648
Index auctorum | 807
Calp. ecl. 2,55 559 Calp. hist. 45 523 Carm. pass. Dom. 33 563 Cass. Dio – 49,15,5 635 – 50,4,4–5 698 – 59,16,1–6 427 – 59,28,3 589 – 60,2,1 626 – 61,10,2–4 61 – 61,12–13 427 – 70,15,6 634 Cassiod. – hist. 6,6 573 – in psalm. 103,27 708 – var. 12,12,3 563 Cato – agr. – 134,2 634 – 141,1 648 – 141,2 634 – dict. II,6 503 Cato agr. 2,3 490 Catull. – 3,5 599 – 14,1 599 – 34,15–16 523 – 48,5 651 – 61,44–45 471 – 64,193–194 612 – 64,260 559 – 69,3 651 – 70,2 651 – 82 599 – 88,8 651 – 101,10 685 – 104,2 599 CB – 17,1,4–5 459 – 42,13–16 736 Cels. 5,19,28 586 Cic. – ad Q. fr. 2,6,2 724 – Att. – 1,16,3 710 – 4,5,1 739 – 4,6,2 477
– 10,2,2 512 – 10,7,1 532 – 11,12,1 440 – 12,28,1 512 – 12,51,2 532 – 15,29,1 485 – Brut. 33,126 511 – Catil. – 1,1 242, 326, 358, 489 – 1,2 368, 669 – 1,10 228, 467 – 3,1 659 – 4,11 525 – 4,11–12 631 – Cato – 31 520 – 71 457 – de orat. – 2,247 623 – 2,256 509 – 3,76 510 – 3,167 491 – Deiot. 31 669 – div. – 1,11 453 – 1,55 536 – 2,116 638 – dom. 137 581, 669 – fam. – 3,3,1 487 – 7,20,2 512 – 9,7,1 532 – 10,3,2 455 – 10,3,3 532 – 14,3,3 485 – fin. – 3,73 532 – 5,38 580 – inv. 1,22 450 – Lael. 54 458 – leg. – 2,19 453 – 2,20 542 – 2,25 453 – 2,27 453 – Manil. 60 453 – Marc. 25 617
808 | Index auctorum
– Mur. – 35 461 – 58 727 – 61 685 – 84 485 – nat. deor. – 1,17 555 – 1,124 739 – 2,14 484 – 2,54 481 – 2,69 523 – 2,140 595 – 3,24 461 – 3,51 523 – 3,59 667 – off. – 1,18 512 – 1,23 433 – 1,40 632 – 1,41 580 – 1,50 580 – 1,77 491 – 1,118 506 – 1,131 541 – 2,31–32 71 – 2,59 503 – 3,22 504 – 3,54 570 – 3,58 444 – orat. – 21 694 – 234 694 – p. red. in sen. 25 475 – part. 70 487 – Phil. – 2,69 686 – 2,76 491 – 2,84–87 508 – 3,31 696 – 5,16 623 – 5,20 696 – 5,31 491 – 6,10 696 – 6,13 696 – 7,17 696 – 8,6 491 – 12,7 402, 713
– 12,20 696 – 13,10 458 – 13,20 696 – 14,1 491 – Pis. 14 539 – Quinct. 12 52 – Rab. Post. – 27 491 – 34 623 – rep. 1,42–71 601 – Rosc. 95 623 – Sest. 90 659 – Sull. 33 525 – Tusc. – 1,26 512 – 2,11–12 61 – 2,43 603 – 2,66 477 – 5,1 455 – 5,81 682 – Vatin. 15 539 – Verr. – 2,2,48 623 – 2,2,84 502 – 2,3,81 485 – 2,4,55 669 – 2,4,56 433 – 2,5,88 648 – 2,5,118 727 – 2,5,163 587 – 2,5,184 525 CIL – I 2506 524 – II – 944 637 – 3506 686 – 3512 686 – 3519 686 – III – 79 634 – 875 636 – 991 637 – 1043 522 – 1301 636 – 1418 637 – 3631 636 – 3705 501
Index auctorum | 809
– 5588 634 – 5861 634 – 5870 634, 635 – 5871 634, 635 – 5873 634 – 5874 634 – 5876 634, 635 – 5881 634, 635 –V – 1874 594 – 5011 637 – 5090 637 – VI – 36 634 – 37 636, 637 – 38 637 – 40 637 – 41 637 – 45 637 – 234 637 – 412 637 – 413 636, 637 – 467 634 – 7617 543 – VII 1082 634 – VIII – 619 634 – 8434 637 – 9014 636 – 10500 542 – 14808 636 – 25511 634 –X – 833 524 – XI – 433 543 – 6297 523 – XIII – 5315 634 – 7756 637 – 7975 634 – 11535 634 Claud. – 3 cons. Hon. 5 716 – Eutrop. 1,161–166 709 – Get. 54–60 547 – Prob. Olybr. 178 716
– rapt. Pros. 1,20 477 – Rufin. 2,391 524 – Stil. 3,198 716 Clem. Al. – protr. 14,2 628 – strom. – 1,88,5 486 – 4,58,3 486 – 6,41,4–6 535 Cod. Iust. 10,53,7 718 Cod. Theod. – 13,3,5 718 – 15,1,8 483 – 16,2,12 497 – 16,10,4–6 541 Colum. – 1,8,9 490 – 9,12,2 576 Coripp. Iust. 3,87–88 563 Curt. – 5,7,8 727 – 9,6,8 721 Cypr. – Demetr. – 3 513 – 5 684 – Domin. orat. 16 688 – epist. – 52,2 559 – 52,2,2 581 – 57,2,1 707 – 57,3 578 – 73,10 615 – 76,5 559 – Fort. 7 559 – hab. virg. 21–22 688 – mortal. 15 707 – patient. 12 684 – testim. 3,110 463 – unit. eccl. 27 684 Diod. – 2,22 652 – 4,11,5–6 514 – 4,18,1 709 – 17,17,2 698 Diogenian. 8,25 571
810 | Index auctorum
Don. Vita Verg. 160–169 658 Enn. – ann. – 156 453 – 429 439 – scaen. 366 570 Eras. – LB – IV,362E 7 – IV,366E 8 – V,485D–E 8 Erasm. – Adag. – 4 628 – 46 458 – 134 511 – 147 210 – 156 520 – 227 514 – 255 571 – 387 614 – 438 167 – 441 606 – 566 520 – 610 606, 629 – 670 458 – 706 579 – 751–752 574 – 862 462 – 1001 50 – 1052 579 – 1084 623 – 1124 479 – 1174 425 – 1237 608 – 1382 680 – 1428 491 – 1454 606 – 1542 576 – 1644 577 – 1805 550 – 2029 576 – 2264 576 – 2479 606 – 3146 681 – 3442 606
– 3445 491 – 3571 630 – 3710 491 – epist. – 586 7 – 2424 608 – 2466 608 Eun. vit. – 6,1–5 421 – 6,32–38 421 – 7,5–9 484 – 7,11 206 – 7,21–24 286 – 7,34 266 – 7,9–14 421 Eur. – frg. 62h 559, 561 – Herc. 1190 513 – Hipp. 525–527 471 – Ion. 1–4 727 – Phoen. – 110 561 – 834–836 570 – 837 570 Eus. – hist. eccl. – 3,36 643 – 4,15 643 – 5,1 568 – 5,1,19 568, 602 – 8,9,1 644 – pr. ev. – 1,2,3–4 486 – 2,6,19 486 – 4,1,3 486 – 4,23,7 562 – 5,2,1 575 Eutr. 10,16,2 699 Fest. – 26,1–2 446 – 30,14–16 698 – 72,10–12 557 – 335,6–7 554 Firm. – err. – 13,4–5 571
Index auctorum |
– 18,1 593 – 28,1 539 Flor. epit. 1,4–8 512 Gaius dig. 24,2,2,1 686 Gal. protrep. 2 458 Gell. – 2,1,2 186 – 5,15,18 439 – 10,15,32 558 – 15,12,3 685 – 17,15 574 GL – I,16,5–27 165 – I,355–357 603 – I,435,22–436,8 165 – II,84,10 494 – II,399,21–400,9 554 – II,495,14–17 509 – III,28,18 473 – V,153,15–17 494 – V,284,23–24 673 – VI,8,5 473 – VI,26,5–6 523 – VII,21,14–20 473 – VII,149,42 473 – VII,204,21 492 Greg. M. dial. 3,11 429 Greg. Nyss. hom. in eccl. 5,3 595 Greg. Tur. – Franc. 7,29 563 – glor. Mart. 105 586 Grets. – Aug. Conv. – 915–916 168 – 1010–1015 168 – 1016–1021 168 – 1410–1413 168 – 1435–1446 168 – 1447–1454 168 – 1455–1456 688 – 1595–1602 168 – 1612–1618 168 – Udo – 161 444 – 395–476 674 – 477–523 714
– 486–487 – 508–509 – 511 715 – 513–517 – 520–521
715 715 715 715
Hdn. – 6,2 667 – 7,5,3 491 Hdt. – 4,1–82 438 – 4,9–10 439 – 4,49,3 525 – 5,53 652 – 5,54,2 652 – 7,151 652 – 7,216 629 Hes. theog. – 188–206 471 – 299 496 – 313 496 – 313–318 514 – 333–334 496 – 383–401 476 – 409–411 561 – 413–414 562 – 426 562 – 444–452 561 – 507–520 494 – 519 727 – 720 732 – 729–730 732 – 825 496 Hier. – adv. Iovin. 1,28 466 – chron. a. Abr. 2379 654 – epist. – 49,13,5 694 – 54,7,1 586 – 54,9,4 446 – 58,1,3 707 – 60,7,3 503 – 60,15,2 707 – 64,19,3 558 – 108,15,4 586 – 125,16,2 541 – 130,11,2 503
811
812 | Index auctorum
– in Abacuc 2,3,14–16 589 – in Ion. 3,6/9 441 – vir. ill. 12 47 Hippol. Antichr. 59 672 Hist. Aug. – Alex. 29,2 530 – Aur. 17,2 490 – Claud. 7,8 490 – Diad. 1,6–8 258, 510 – Hadr. 18,8 710 Hom. – h. – 2,24–25 560 – 2,52–59 560 – 2,438–440 560 – 5,2 470 – Il. – 1,247–249 520 – 1,252 520 – 1,423–424 652 – 2,755 476 – 2,825–826 547 – 5,83 515 – 5,330 470 – 5,401 635 – 5,458 470 – 5,760 470 – 5,784–792 608 – 5,883 470 – 6,179–182 627 – 8,13 732 – 8,16 732 – 24,271 476 – 23,71–74 476 – Od. – 1,22–24 652 – 3,245 520 – 4,232 635 – 4,456–458 425 – 8,266–366 471, 681 – 10,513 476 – 10,518 542 Hor. – ars – 89–94 126 – 93–98 127 – 112–118 126
– 189–190 143 – 191–192 145 – 193–195 152 – 196–201 152 – 299–301 574 – carm. – 1,1 66, 435, 440 – 1,1,3–5 204 – 1,1,23 204 – 1,1,25–28 204 – 1,9,10 503 – 1,10,1 724 – 1,14 672 – 1,16,14–16 580 – 1,22 448 – 1,22,1 212, 448 – 1,24,15–18 724 – 1,29,14 204 – 1,30 724 – 1,38,1 202 – 2,2 448 – 2,2,9–11 210, 448 – 2,2,9–12 130 – 2,2,10–11 352, 652 – 2,2,11–12 130, 352 – 2,7,13–14 724 – 2,13,21–40 724 – 2,13,35–36 612 – 2,14,1 534 – 2,14,5 651 – 2,15,16 526 – 2,17,28–30 723 – 3,1,2–4 557 – 3,2 448 – 3,2,17–18 212 – 3,2,17–24 448 – 3,2,22–24 212 – 3,3 448 – 3,3,1 448 – 3,3,1–8 212 – 3,3,2–8 449 – 3,3,69–72 724 – 3,4 66, 435 – 3,4,21–24 436 – 3,4,21–40 202 – 3,4,26–28 436 – 3,4,29–36 437
Index auctorum |
– 3,4,36–40 437 – 3,6,14 202 – 3,11,1–8 724 – 3,11,13–20 724 – 3,29,29–34 724 – 4,15,21 204 – 4,6,17 534 – carm. saec. 6 550 – epist. – 1,1,33 640 – 1,1,53 534 – 1,1,90 425 – 1,3,17 635 – 1,11,27 52 – 2,1,126–129 724 – 2,1,133 724 – 2,1,147–151 129, 350, 648 – epod. – 5,41–46 566 – 10,5 505 – 16,39 603 – sat. – 1,1,39–40 659 – 1,5,100 546 – 1,7,24 484 – 1,10,18–19 606 – 1,10,72 469 – 2,1,42–43 634 – 2,3,83 574 – 2,3,186 580 – 2,6,15 724 – 2,7,22 539 Hrab. Maur. – carm. 34,35 475 – In Librum Sapientiae 2,1 441 Hyg. fab. 30,3 514 Hymn. Ambros. – I 2,2 616 – II 28,8–9 558 Ioh. Mal. – 13,23 699 – 13,25 700 Iord. – Get. 181 428 – Rom. 305 699
Isid. orig. – 5,27,20 616 – 10,159 710 – 12,3,5 571 – 12,6,34 680 – 12,7,31 517 – 19,27,4 728 Iul. – ad Ath. – 270d–271a 443, 515 – 271d–272a 526 – 279a–b 498 – 284b–d 520 – ad Them. – 253a 728 – 257a–c 728 – c. Gal. frg. – 20 486 – 43 486 – 50 486 – 58 486, 538 – Caes. – 329c–d 628 – 330b–331c 728 – epist. – 14 526 – 26 274, 526 – 33 262, 515 – 54 451 – 61 404 – 61c 718 – 84 593 – 90 535, 536 – 107 202, 204, 435 – mis. – 338c–339b 621, 626 – 340b 436 – 346b 632, 640 – 351a–352c 202 – 357b–c 515 – 360d 621, 626 – 361b–362c 340 – or. – 7,176d 559 – 7,228b–c 541 Iust. – 3,1,1 727
813
814 | Index auctorum
– 18,5,4 628 Iust. Mart. – apol. – 1,9 571 – 1,13,4 486 – 1,30 538 – dial. – 10,1 538 – 69,1–3 606 Iuv. – 3,155–156 710 – 6,216 710 – 6,325 584 – 7,154 167 – 8,235 643 – 10,248–250 520 – 13,112 608 – 14,96–106 546 – 15,102 480 Joh. Chrys. – Paneg. Bab. – 2,60–66 638 – 2,80–86 340, 632 – 2,87–91 639 – 2,93 640 – 2,98–113 640 – 2,119 352 – 2,120 274, 535 – Paneg. Iuv. – 1 300 – 90 718 Kall. – frg. – 44–47 709 – 225 560 – 466 560 – h. 2,2 557 LA – 24,5 600 – 30 6 – 36 643 – 125 6 – 158 428
Lact. – inst. – 1,8,4–6 572 – 1,10,5–6 572 – 1,10–11 628 – 2,7,20 536 – 2,14,3–4 575 – 2,17,6–12 571 – 3,25,1–18 486 – 3,26,24–30 486 – 3,27,4 47 – 4,7,5 527 – 4,22,3–6 486 – 5,10,15 666 – mort. pers. – 2,5–9 427 – 10,2 615 Lact. Plac. 4,463 564 Leo M. epist. 125 483 Lib. – or. – 12,87 593 – 12,90 719 – 13,13 541 – 13,33–34 525 – 17,7 541 – 17,176 425 – 18,23 541 – 18,34–35 497 – 18,126–129 274 – 18,157 593 – 18,167–168 719 – 18,274–275 699 – 18,308 708 – 24,6 699 – 60 640 Lipsius – const. – 1,1 52, 248 – 1,4 53 – 1,7 54 – 1,12 81 – 1,13 54 – 1,14 80 – 1,19 54, 55 – 1,20 55, 56 – 1,21 54
Index auctorum |
– 2,6 80, 102 – 2,13 80, 81 – Pol. – II,10 114 – II,12 114 – II,13 114, 115 – IV,1 108 – IV,13 108, 110 – IV,14 109 Liv. – 1,10,5 541 – 1,28,7 445 – 1,29,2 659 – 1,32,9 537, 653 – 1,32,12 698 – 1,55,6 525 – 2,32 504 – 2,36,1 536 – 3,70,7 614 – 5,13,6 531 – 5,51,1 651 – 6,16,2 537 – 7,10,2 651 – 8,9,6 523 – 9,34,23 487 – 21,5,8 548 – 23,3,6 512 – 27,37,13 558 – 29,11 592 – 29,14 592 – 29,19,5 644 – 34,55,4 558 – 35,11,11 659 – 36,36,3–4 592 – 40,18,7 685 – 40,51,6 635 – 40,8,10 614 – 45,41,1 477 Liv. Andr. carm. frg. 15 544 Lucan. – 2,219–220 695 – 2,713 695 – 3,284–288 652 – 3,592–594 501 – 4,8 511 – 4,822 511 – 5,620 475
– 6,205 697 – 6,393 511 – 6,430 566 – 6,438–830 556 – 6,662 477 – 6,675 680 – 6,688 556 – 6,699–700 560 – 6,699–701 556 – 6,736–749 556 – 6,769 475 – 7,636–637 631 – 9,610 587 Lucil. 130 558 Lucr. – 1,73 603 – 1,439 597 – 1,729 597 – 1,1102 603 – 2,1150–1174 513 – 3,16 603 – 3,296 580 – 3,732 480 – 4,475 469 – 5,371 603 – 5,454 603 – 5,503–504 501 – 5,862 580 – 5,905–906 627 – 6,28 550 – 6,744–745 477 – 6,1075 651 Lykoph. Alex. 77 561 Mach. Princeps 1560 – S.104 113 – S.104–105 114 – S.111 108, 580 – S. 112–113 108 Macr. Sat. – 1,5,4 596 – 2,1,4 596 Maecen. carm. frg. 10 220, 457 Manil. 1,133 725 Marc. Com. 547 429 Mariana De Rege 601 – I,5 116
815
816 | Index auctorum
– II,10 110 – II,11 112 Mart. – 1,3,4 439 – 1,6 644 – 1,10 644 – 1,21,1–3 513 – 1,24 644 – 1,104,2 513 – 3,44,7 587 – 4,86,8 643 – 6,47,4 524 – 7,47,7 477 – 8,44,4 473 – 10,10,2 473 – 10,25,5 643 – 10,41,2 686 – 10,100,3 580 – 11,66 710 – 12,10 546 – 12,29,1 473 Mart. Kap. 2,154 653 Mela – 3,8 548 – 3,29 516 – 3,43 513 Men. Sam. 39–57 628 Micyllus De re metrica – 32r –32v 163 – 32r 453 – 136v –137r 493 – 139r 714 – 140v –141r 466 – 145r 470 – 148v –151v 707 – 150r –150v 470 – 157v –158r 499 – 159v –160r 499 – 566v 480 – 569v –570r 165 – 571r 165 – 592v 470 Min. Fel. – 6,1 486 – 8,4 486 – 8,4–9,5 545 – 19,10–11 47
– 22,5 571 – 22,5–6 572 – 23,5 572 – 23,7 628, 666 – 23,9–13 571 – 26,8–27,8 571 – 29,7 726 – 36,4–7 47 – 37,1 47 – 9 537 Muretus Julius Caesar – 1–52 157 – 48–51 264 – 322–325 398 – 379–383 252 – 434–437 398 – 438–439 392 – 438–444 172 – 440–444 396 – 456 396 – 462–463 398 – 472–473 398 – 474–475 394 – 483–484 400, 712 Nic. – 10,1 202, 230, 254, 266 – 10,3 270 – 10,3–4 274 – 10,4 300 – 10,11 282, 300, 314, 551 – 10,20 292 – 10,25–26 404 – 10,27 336 – 10,28 342 – 10,29 362 – 10,30 306 – 10,34–36 390 – 10,35 358, 701 – 10,37 336 Not. Tir. 27,22 676 Orig. – c. Cels. – 1,1 545 – 1,5 571 – 1,6 538
Index auctorum |
– 1,14 486 – 1,27 486 – 1,28 538 – 1,31 486 – 1,44 486 – 1,54 486 – 1,62 486 – 1,68–69 486 – 1,71 538 – 2,31 486 – 2,46 486 – 3,5–6 486 – 3,8 486 – 3,16 486 – 5,33 486 – 6,1–2 486 – 6,27 538, 545 – 6,40 538 – 7,66 571 – 8,43 486 – de or. 31,2 607 – hom. in Num. 14,2 730 Oros. hist. – 3,7,5 581 – 7,30,5 362, 654, 666 – 7,30,6 699 – 7,7,10 427 Orph. – frg. 400 562 – h. – 1,1 560 – 1,5 561 Ov. – am. – 1,3,16 601 – 1,6,16 477 – 1,15,34 548 – 2,7,10 601 – 2,13,23 558 – 3,2,51 523 – 3,4,19 446 – 3,9,32 601 – ars – 1,76 546 – 1,646–652 709 – 1,761 425 – 2,350 601
– epist. – 7,3–6 444 – 13,37–38 444 – 15,96 601 – 20,231 523 – fast. – 1,56 558 – 1,72 596 – 1,141–142 561 – 2,653–654 558 – 2,654 557 – 2,684–685 722 – 3,254 558 – 3,363 558 – 3,675–696 522 – 3,819–848 521 – 4,908 559 – 5,229–260 521 – 6,235–236 523 – 6,686 648 – 6,701 739 – hal. 99 680 – met. – 1,11 523 – 1,452–565 632 – 1,603 573 – 1,625 446 – 1,721 446 – 1,750–2,400 426 – 2,5 681 – 2,60 475 – 2,132 526 – 2,251 548 – 2,297 494 – 2,325–326 573 – 2,760–832 477 – 2,798–801 477 – 2,848–849 573 – 3,335 570 – 3,515 570 – 3,515–516 570 – 3,706 697 – 4,167–189 681 – 4,171–189 471 – 4,227–228 725 – 4,454 612 – 4,475 612
817
818 | Index auctorum
– 4,491 612 – 4,493–494 612 – 4,625 526 – 5,33 439 – 5,165 480 – 6,175 494 – 6,382–400 636 – 6,399 503 – 7,74–75 561 – 7,94 561 – 7,177 561 – 7,194 561 – 7,256 566 – 8,123–124 609 – 8,311 511 – 8,442 487 – 8,460–461 648 – 8,732–737 425 – 8,739–740 527 – 9,182–183 709 – 9,412 659 – 9,499 475 – 9,584 697 – 10,491 473 – 12,172–173 534 – 12,551 659 – 13,40 444 – 13,133–134 444 – 13,268–269 444 – 13,653 563 – 14,85–100 629 – 14,101–106 477 – 14,409–410 561 – 14,829–831 648 – 14,832 493 – 15,640 466 – 15,676–678 557 – 15,745–851 657 – Pont. – 1,2,129 658 – 1,2,131 658 – 1,2,136 658 – 1,2,33–34 658 – 2,1,28 573 – 2,8,41–42 520 – 3,3,2 721 – 3,8,19 439
– 4,3,11–17 658 – 4,3,54 574 – trist. – 1,1,72 477 – 1,2,20 534 – 1,2,22 534 – 2,35 694 – 3,11,39–54 709 – 3,13,24 596 – 5,2,74 475 – 5,5,62 520 – 5,8,18 462 – 5,8,7 458 Pacuv. trag. – 301 160 – 336–337 160 – 368–370 458 Paneg. Lat. – 3,2,6 499 – 3,4,1–2 498 – 3,9,4 513 – 3,17,1 499 – 3,21,4 499 – 3,23,4 499 – 4,3,3 513 – 4,4,1 637 – 4,6,4 499 – 4,16,1 499 – 4,35,2 525 – 5,8,1 450 – 5,11,5 451 – 6,1,4 445 – 6,8,4 445 – 6,12,1 445 – 7,12,7 451 – 8,1,3 513 – 8,3,2 445 – 8,14,3 445 – 9,18,5 513 – 10,2,7 450 – 11,9,4 445 – 11,10,4–5 450 – 11,14,2 450 Pass. – Art. – 7 456
Index auctorum |
– 25–39 669 – 35 638 – 56 640 – 69 701, 704 – Dasii 614 – Iuli Veterani 614 – Mar. Tac. 6,7 586 – Marcell. 614 – A 4,2 617 – A1,1 617 – Marini 614 – Perp. – 5,6 586 – 10,7 602 – Polycarp. 10,1 568 – Scill. – 9–10 568 – 13 568 Paul. Nol. carm. – 31,81 616 – 33,123–124 616 – 33,129 616 Paus. – 2,30,2 562 – 3,14,9 559, 561 – 5,11,5 494 – 5,18,4 494 – 7,17,9–12 592 – 10,31,5–7 652 – 10,36,5–8 574 Pers. 5,179–188 546 Petron. – 1,3 320 – 1,3 608 – 4,3 38 – 19,3 37 – 44,14 580 – 79,4 570 – 80,7 694 – 101,1 694 – 118,6 38, 511 Philostorg. hist. eccl. – 2,17 618 – 7,1c 638 Phot. – 40 5 – 77 5
Physiog. Anon. Lat. – 73,1–3 625 – 74,6 647 – 76,7–9 625 – 100,2–5 625 – 129,8 625 – 130,3 625 – 139,14–16 625 Pind. – O. 6,85 547 – P. – 1,95 709 – 4,288–291 494 – 11,21 475 Plat. – epist. 7,326a–b 440 – Gorg. – 513a 566 – 523b 732 – Hipparch. 228e 503 – Phaid. – 107c–114b 476 – 113a–b 476 – 113e 733 – Phaidr. 276b 628 – rep. – 329c 597 – 365c 580 – 473c–d 440 – 473d 204 – 543a–576b 601 – 621a 476 – symp. 196d 471 Plaut. – Amph. – 50–63 122 – 174–175 222, 461 – 203–261 697 – 284 661 – 285 539 – 308–328 592 – 309–310 594 – 335–340 592 – 348 592 – 358 592 – 360 592 – 506 592
819
820 | Index auctorum
– 526 641 – 620 472 – 632 485 – 830 644 – 840 640 – 928 686, 739 – 1029 597 – 1034a 661 – Asin. – 43 358, 660, 661 – 125 555 – 296 683 – 363 597 – 373 512 – 410 683 – 485 539 – 593 444, 683 – 677 539 – 695 666 – Aul. – 1 430 – 149 485 – 149–152 576 – 152 576 – 242 472 – 257 485 – 280–459 462 – 326 539 – 399 594 – 555 446 – 592 685 – 630 644 – 700 668 – 713 728 – 788 485 – Bacch. – 22 510 – 201–202 584 – 764 592 – 770–798 639 – 806 592 – 892–895 537 – 1088 578 – 1176 582 – Capt. – 22 683 – 289–292 584
– 339 544 – 551 661 – 860–861 531 – Cas. – 159 708 – 332 579 – 389 536 – 548 683 – 647 461 – 665 728 – 719–779 462 – 804 681 – Cist. – 53 599 – 297 644 – 512 352, 653 – Curc. – 203 599 – 615 591 – Epid. – 34 681 – 223 445 – 390 502 – 666 578 – 695 603 – Men. – 178 584 – 219–225 462 – 287 461 – 312 682 – 488 661 – 889–891 472 – Merc. – 128 502 – 153 641 – 166 502 – 361 623 – Mil. – 57 444 – 179–180 606 – 189 623 – 250 691 – 353 682 – 482 685 – 767 592 – 841 582 – 1068 502
Index auctorum |
– 1280 502 – 1330 599 – 1400 461 – 1434 591 – Most. – 275 578 – 618–620 610 – 618–621 322 – 621 610 – 715 692 – 808 579 – 887 606 – 897 661 – 1031 728 – 1172 539 – Persa – 169 578 – 229 444 – 299 666 – 410 691 – 645 433 – Poen. – 1 707 – 347 660 – 381 661 – 930–960 138, 552 – 1034 666 – 1125 644 – 1272 461 – Pseud. – 18 557 – 157 557 – 179 599 – 333 597 – 354–380 570 – 359–366 298, 581 – 790–904 462 – 810–813 224, 461, 463 – 812 222 – 859 603 – 945 641 – 1168 544 – 1285 661 – Rud. – 198 469 – 388 502 – 399 502
– 615–663 639 – 636 597, 642 – 709 485 – 885 660 – 921 444 – 996 539 – 1143 692 – Stich. – 179 707 – 285 579 – 442 444 – 532 707 – Trin. – 41 445 – 266 686, 687 – 302–304 685 – 911 444 – 988 494 – Truc. – 283–284 623 – 606 579 – 621 591 – 767 579 – 819 668 Plin. – epist. – 1,5,2 606 – 1,8,1 210, 447 – 1,10,5 210, 447 – 1,10,7 210, 447 – 10,96,3 568 – Paneg. – 1 636 – 4,5 491 – 85,5 499 – 90,5 477 Plin. nat. – 2,10 725 – 2,159 665 – 2,219 462 – 6,182 652 – 7,55 696 – 7,119 503 – 8,66 513 – 8,183 550 – 9,112 599 – 9,123 599
821
822 | Index auctorum
– 10,132 517 – 10,205 580 – 18,6 558 – 18,100 439 – 23,152 587 – 25,52 574 – 31,21 477 – 32,1,1 680 – 32,1,2 680 – 33,101 586 – 35,6–7 663 – 36,28 635 Plut. – Ant. 12,1–6 508 – Caes. 61,1–7 508 – Cim. 10,8 578 – qu. conv. 2,7,1 680 – qu. R. 52 559, 561 Pol. – 4,43–44 438 – 5,57,4 578 – 6,4–9 601 Polem. – S. 108,10–109,4 625 – S. 114,9–11 625 – S. 116,12–14 625 – S. 128,8–10 625 – S. 144,17–18 625 – S. 156,17–19 625 – S. 208,16–282,4 625 – S. 224 625 – S. 226 625 – S. 254,14–16 625 – S. 258,15 625 – S. 260,17–21 625 – S. 262,13–18 625 Pompon. dig. 1,2,2,30 594 Pont. – Poet. inst. – 2,12 123 – 2,15–16 143 – 2,18 124 – 2,19 128, 145 – 2,20 124 – Strat. – 1–100 147, 157, 430 – 106–109 147, 430
Porph. – adv. Christ. frg. 88D 486 – frg. 328F 562 Procl. h. 6,2 562 Prok. BG – 7,10,19–22 428 – 7,15,15 428 – 7,22 429 – 7,30,21 428 Prop. – 1,6,4 652 – 1,6,27 601 – 2,1,47 601 – 2,13,46–47 520 – 2,25,1 601 – 2,28,40 477 – 2,30,1–4 651 – 2,34,9 601 – 4,6 636 – 4,6,1 557 – 4,8,47 614 – 4,9,38 658 Prosp. chron. I,480,1353 428 Prud. – apoth. – 146 492 – 469–502 564 – 470–471 290 – 474–478 290 – 479–480 290 – 486 567 – 487 567 – c. Symm. – 1,4 525 – 2,48 603 – 2,1095–1129 696 – cath. – 3,149 558 – 5,125–128 476 – 6,126 539 – 7,43 558 – 7,202 616 – 9,83 726 – ham. 931 655 – perist. – 1,4 663 – 1,56 586
Index auctorum |
– 2,399 586 – 5,47–48 641 – 5,61–62 644 – 5,64 344, 644 – 5,111–112 304, 583 – 5,397–400 726 – 6,33 586 – 10,156–160 592 – 10,467 586 – 10,1011–1050 274, 540 – 12,7–8 726 – psych. – 42–43 479 – 116 479 – 121 479 – 137 479 – 318–320 479 – 457–462 479 – 805 637 Ps.Aur. Vict. epit. 43 390, 699 Publil. F19 477 Quint. – decl. – 18,11 587 – 19,15 587 – 262,6 686 – inst. – 1,7,10 473 – 1,12,15 566 – 8,3,3 447 – 8,6,7 694 – 8,6,44 672 – 10,1,129 58 – 12,10,65 694 Ratio stud. – 1586 – S. 146 134 – S. 155–160 162 – S. 173 59 – S. 193–194 59 – S. 195 59 – S. 196 59, 66 – 1599 – S. 258 162 – S. 272 469
– S. 352–354 162 – S. 382 162 – S. 390 58 – S. 398 58 – S. 404–405 437 – S. 414 66 – S. 418–419 437 – S. 418–419 173 – S. 432 162 Reg. urb. 91,12 634 Ribadeneyra Princ. Christ. – II,2 109 – II,3 109, 110 – II,4 110, 111 – II,18 115 – II,19 116 Ruf. Fest. brev. 28 699 Rufin. hist. – 10,33 404, 718 – 10,33–40 5 – 10,37 699 Rustic. Conc.S I,4,148,22 725 Rut. Nam. 1,381–396 546 Sall. – Catil. – 5,4 606 – 11,3 603 – 15 631 – 51,9 631 – 54,6 447 – Iug. – 2,3 513 – 42,4 115 Scal. poet. – I,6 122 – I,9 143 Sedul. 5,146 603 Sen. – Ag. – 39 662 – 45 160 – 47 160 – 108–225 153 – 109 159, 386 – 192 159 – 228 159, 386
823
824 | Index auctorum
– 240–245 153 – 243 402, 713 – 604–610 518 – 656 534 – 759–774 153 – 901 390, 693 – apocol. – 1,2 626 – 3,4 481 – 4,2 691 – 5,2–3 626 – 6,2 626 – 7,2 626 – benef. – 2,3,1 596 – 3,28,2 663 – 4,7,1–2 55 – 4,21,6 587 – 4,29,1 570 – clem. – 1,3,3 114 – 1,8,7 115 – 1,13,2 105, 334 – 1,19,1 115 – 1,22,2 115 – 1,25,1 643 – 2,3–4 104 – 2,7,1–2 104 – dial. – 1,1,6 487 – 1,2,9 47 – 1,4,4 487 – 1,4,11 47 – 5,3,6 616 – 9,2,15 52 – 12,9,2 487 – 12,19,1 530 – epist. – 1,1 82, 376 – 2,6 47 – 12,4 511 – 14,15 218, 458 – 15,8 440 – 16,3 66, 204, 441 – 19,3 456 – 14,15 458 – 19,1 456
– 19,2 218, 457 – 19,3–9 220 – 19,4 74, 456 – 19,6 456, 521 – 19,8 457 – 19,9 220, 457 – 20,2 460 – 20,3 220, 460 – 22,3 454 – 22,9 218, 454 – 22,10 454 – 22,11 74, 75, 218, 455 – 24,17 100, 264, 328, 517 – 24,19 206 – 24,20 264, 459, 517 – 28,1 52 – 30,10 264 – 37,3 264 – 77,20 520 – 78,21 101 – 81,20 487 – 94,43 503 – 94,61 440 – 104,7 52 – Herc. f. – 30–40 157 – 64–65 632 – 66–68 632 – 463–464 159 – 619 506 – 622 506 – 624–625 506 – 950 469 – 1251 473 – 1323–1326 400 – Herc. O. – 38–45 157 – 233–582 153 – 330–332 153 – 1162 475 – 1286 526 – 1457 390, 693 – 1942–1943 212, 449 – Med. – 1–12 159 – 7 561 – 21 160
Index auctorum |
– 41 159 – 116–178 153 – 159 518 – 159–173 153 – 175 532 – 269 467 – 372–374 160, 547 – 401–407 160 – 507 160, 536 – 577 531 – 849–878 153 – 895 159 – 937 159 – 976 159 – 988 159 – nat. 7,30,6 566 – Oct. – 25–30 157 – 34–272 153 – 167–168 721 – 222–226 160 – 245–251 573 – 454–459 160, 302 – 846–876 586 – Oed. – 87–88 518 – 214–215 566 – 248–257 159 – 290 570 – 297–298 570 – 427–428 547 – 470 439 – 503–508 160 – 569 561 – 642–643 534 – 867–881 160 – 867–887 712 – 868–870 400 – 933 159 – 952 159 – 960 160 – 1024 159 – Phaedr. – 54–72 157 – 85–273 153 – 112 159 – 145–157 153
– 148 475 – 406–412 159 – 416 160 – 566 160, 536 – 568–573 160 – 592 159 – 599 159 – 671–675 294, 573 – 671–697 160 – 673–674 573 – 719 159 – 923 160 – 939 160 – 991–1122 695 – 1159–1200 160 – 1238–1239 400 – 1238–1243 160, 712 – Thy. – 176–244 153 – 192 159 – 204–335 586 – 263 573 – 324 159 – 476–482 160 – 623–788 695 – 911–912 662 – 1006–1096 160 – 1111–1112 159 – Tro. – 8–13 157 – 170 534 – 303 662 – 510–512 159 – 519–521 400 – 519–523 160, 712 – 613 159 – 642–662 160, 504 Sen. [Maior] – contr. 2,5,9 686 – suas. 1,6 686 Serv. – Aen. – 1,1 658 – 1,295 582 – 3,134 653 – 3,442 477 – 4,216 567
825
826 | Index auctorum
– 6,56 636 – 6,118 560 – 6,247 560 – 7,612 716 – 8,699 680 – 9,52 698 – 12,296 692 – georg. 1,21 537 Sidon. – carm. – 2,88 558 – 5,54 558 – 17,15 563 – epist. 3,2,1 665 Sil. – 2,263 511 – 2,342–343 663 – 2,401 702 – 3,313 587 – 3,361 439 – 4,668 681 – 5,276 676 – 5,590 511 – 9,357 511 – 10,426 511 – 13,556 511 – 14,120 511 – 15,76 477 – 16,412 558 – 16,464 511 Sokr. hist. eccl. – 3,1,1–18 206 – 3,1,3 202 – 3,1,9–17 484 – 3,1,15 266 – 3,1,18–21 202 – 3,1,19–21 97 – 3,1,20–21 230 – 3,1,25–35 254 – 3,1,30–31 262 – 3,1,39 97, 274 – 3,1,50 7, 222 – 3,12 292 – 3,12,7 404, 718 – 3,13,1–2 718 – 3,17 626 – 3,17,4–5 336
– 3,19 342, 645 – 3,21 390, 404, 727 – 3,21,14 699 – 3,23,42 708 – 7,27 5 – 7,27,7 97 Soph. – Ant. – 781 471 – 991 570 – 988–990 570 – 1087 570 – 1199 560 – Oid. K. 788 593 – Oid. T. – 297–299 570 – 302 570 – 412 570 Soz. hist. eccl. – 4,21–6,2 5 – 5,1,2 266 – 5,1,7 266 – 5,2,2 274 – 5,2,5–6 270 – 5,2,7 230 – 5,2,9 202 – 5,2,10 202 – 5,2,11 230 – 5,2,12–14 76 – 5,2,15 266 – 5,2,15–18 484 – 5,2,15–17 202 – 5,2,16 484 – 5,2,17 230 – 5,2,19 206 – 5,2,20 254 – 5,2,22–23 262, 515 – 5,3,1–5 274 – 5,4,6–7 300 – 5,4,6–9 572 – 5,4,8–9 292, 570 – 5,5,5 541 – 5,16,5 593 – 5,17 79, 647 – 5,17,12 719 – 5,18 404 – 5,18,1 348, 718
Index auctorum |
– 5,19,2 336 – 5,19,18–20,4 342 – 5,20 639, 642 – 5,20,4 645 – 5,21,1–4 306, 588 – 6,1,13–6,2,6 390 – 6,2,2 700 – 6,2,9 358 – 6,2,10 703 Stat. – Ach. 1,307–308 439 – silv. – 5,4,11 446 – 5,5,38–40 658 – Theb. – 1,110 612 – 4,523 476 – 6,310 505 – 8,97 475 – 11,588 477 Strab. geogr. – 1,2,27 525 – 4,5,2 438 – 5,4,5–6 477 – 9,418 574 – 15,3,2 652 – 17,1,42 652 – 17,1,46 652 Suet. – Aug. – 23 653 – 29,3 635 – 44,3 524 – 57 634 – 70,2 636 – Cal. – 22,2 589 – 26,2–3 427 – 27,1 427 – 27,2 541 – 27,3 643 – 27,4 427 – 48,2–49,3 427 – 50,1 629 – 55,3 427 – Claud. – 30 626
– Claud. 30 626 – Dom. 3 623 – Galba 2 663 – Iul. – 37,2 248, 501 – 67,3 508 – 76,1 541 – 79,2 508 – 86,1 617 – 88 657 – Nero – 14,1–8 427 – 29,1 643 – 31,2 599 – 33,2–3 427 – 34,1–4 427 – 35,1–2 427 – 35,3 427 – 38 427 – Vesp. 1,1 490 – Vit. 6 626 Sulp. Sev. – chron. 3,9,1 483 – dial. 3,9,1 483 Symm. – epist. – 1,53 186 – 7,110,2 483 – rel. 21,1 525 Tac. – Agr. – 18,6 447 – 19,3 115 – 32,2 115 – 33,2 509 – 39,1 443 – 39,2 443 – 39,3 443 – ann. – 6,36,2 115 – 13,15,33 427 – 13,57,3 651 – 14,30 438 – 14,64,2 427 – 15,38–43 427 – 15,44,1–5 528
827
828 | Index auctorum
– 15,44,2–5 427 – 15,44,4 643 – 16,6,1 427 – Germ. 28 516 Tat. orat. – 9,1 575 – 32,2 486 Ter. – Ad. – 280 682 – 320 554 – 587 579 – 905 599 – Andr. – 61 503 – 82–83 692 – 171 682 – 172–205 639 – 203–204 596 – 204 592 – 317 582 – 480 458 – 607 582 – 618 539 – 680 557 – 696–697 739 – 821 557 – Eun. – 103–105 466 – 411 579 – 597 623 – 645 582 – 798 539 – 908 682 – 989 539 – Haut. – 1 430 – 161 485 – 222 614 – 519 503 – 727 502 – Hec. – 102 485 – 354 485 – Phorm. 187 502 Tert. – adv. Hermog. 36,2 578
– adv. Iud. 2,1 684 – adv. Marc. – 1,29,8 655 – 3,21,2 637 – 4,13,2 655 – 4,20,5 726 – adv. Prax. 25,2 655 – adv. Val. 1,1 578 – anim. – 20,1 47 – 33,6 643 – apol. – 3,5 527 – 7,1 538 – 12,3 487 – 14,4 572 – 15,2 593, 628 – 15,4–5 643 – 16,1–5 538 – 16,6 487 – 16,6–8 726 – bapt. 12,7 672 – castit. 12,6 584 – coron. – 1,2 568 – 7,7 683 – 12,3 615 – cult. fem. 2,1,1 685 – idol. – 1,1 482 – 11,5 710 – 19,1–2 615 – mart. 4,3 47 – nat. – 1,3 527 – 1,10,3–8 486 – 1,14,1–4 538 – pall. – 1 491 – 4,8 710 – 5 491 – praescr. – 4,5 578 – 41,6 578 – pudic. 8,6 578 – spect. – 2,9 683
Index auctorum |
– 4,1–4 696 – 8,9 575 – 23,8 696 Theod. hist. eccl. – 3,2 76, 202 – 3,3 529 – 3,3,1–5 266, 270 – 3,8 274, 404, 718 – 3,8,2 719 – 3,10–11 342 – 3,11 640 – 3,11,3 642 – 3,18 300, 584 – 3,19 314 – 3,19,5 598 – 3,20,1 242, 488 – 3,21 362 – 3,21,1–5 352 – 3,23 358, 659, 660 – 3,25 390, 704 – 3,28 390, 707 Theokr. eid. – 2,12–13 561 – 2,35–36 561 Theoph. ad Autol.3,4 538 Theophilus – 123 481 – 390 531 Thomas von Aquin – STh I q. 64, a. 4 575 – STh II,2 – q. 162, a. 6 co. 84 – q. 168, a. 2–3 134 Tib. – 1,1,59–60 601 – 1,6,31 658 – 2,2,1 596 – 2,3,31 601 – 2,3,47–48 584 – 2,6,40 477 – 3,5,24 477 Triumphus Divi Michaelis – 749-751 166 – 765–770 510 – 1135–1183 540 Val. Fla. 2,601–603 477
Val. Max. – 2,8 pr. 722 – 4,3,3 725 – 8,14,1 722 – 9,12,1 721 Varro – ant. rer. div. frg. 213 523 – ling. – 5,73 524 – 6,12–13 559 – 6,17 521 – 6,24 485 – 6,55 622 – 7,45 542 – Men. 410 461 – rust. – 3,16,7 461 – 3,17,7 501 Vell. – 1,12,3 491 – 2,16,4 491 – 2,29,3 491 – 2,56,4 508 – 2,125,5 491 Ven. Fort. carm. 1,11,19 475 Verg. – Aen. – 1,50 511 – 1,110 505 – 1,273 662 – 1,489 652 – 2,104 597 – 2,470 511 – 2,488 697 – 2,600 659 – 3,20–21 558 – 3,46 524 – 3,89 634 – 3,367 702 – 3,442 477 – 3,465 648 – 3,658 511 – 4,181 511 – 4,511 561 – 4,524 503 – 4,668 697 – 5,71 557
829
830 | Index auctorum
– 5,99 475 – 5,140–141 697 – 5,190 662 – 5,227–228 697 – 5,259–260 702 – 5,634 662 – 6,16 526 – 6,64 537 – 6,118 561 – 6,126 477 – 6,247 560 – 6,257–258 561 – 6,258 557, 559, 567 – 6,288 627 – 6,295 476 – 6,393 477 – 6,442 477 – 6,470–471 576 – 6,542–543 732 – 6,548–551 476 – 6,571–572 612 – 6,576 513 – 6,852 619 – 7,135 558 – 7,168–169 648 – 7,329 612 – 7,346–356 477 – 7,374–377 477 – 7,445–450 477 – 7,456–457 477, 483 – 7,482 511 – 7,526 524 – 7,550 511 – 7,572–573 511 – 7,598 458 – 7,639–640 702 – 7,793 697 – 8,89 498 – 8,96 498 – 8,111 511 – 8,725 439 – 9,53–54 697 – 9,106 466 – 9,521 511 – 9,628 558 – 9,706 697 – 9,733 697
– 7,323–571 477 – 10,18 493 – 10,310–311 697 – 10,674 481 – 10,681 445 – 10,809 697 – 10,894 558 – 11,59–60 648 – 11,97–98 686 – 11,309 469 – 12,167 511 – 12,266 697 – 12,296 692 – 12,410 481 – 12,426 511 – 12,440 663 – 12,578 697 – 12,663 524 – 12,847–848 612 – ecl. – 1,6 547 – 1,42 547 – 1,59–63 547 – 2,65 493 – 5,65 445 – 5,88 452 – 6,20–21 534 – 10,8 614 – georg. – 1,40 466 – 1,183 571 – 2,4 634 – 2,43 651 – 3,2 632 – 3,5 709 – 3,11 439 – 3,461 439 – 3,491 568 Visio Sancti Pauli – 15 739 – 17 730 Vitae Patr. 6,2,12 378, 650, 667 Vitr. 5,6,7 524
Xen. mem. 2,1,21–34 506
Index auctorum |
Zos. hist. – 3,1,1 502 – 3,2,1 202 – 3,2,2–3 254 – 3,11,4 621
– 3,11,4–5 626 – 3,12,1 340 – 3,13,1 352 – 3,29 390 – 3,39,2 456
831
Index biblicus Die Abkürzungen des folgenden Index biblicus entsprechen denen der kritischen Ausgabe der Biblia Sacra Vulgata von Weber/Gryson ⁵2007. In Klammer nachgestellt wird die im Deutschen gebräuchliche Abkürzung genannt.
Gn (1.Mose) – 3 496 – 50,22 616 – 50,26 616 Ex (2.Mose) – 4,21 426 – 7,13 426 – 7,22 426 – 8,11 426 – 8,15 426 – 8,28 426 – 9,7 426 – 9,12 426 – 9,35 426 – 10,20 426 – 10,27 426 – 11,10 426 – 14,4 426 – 14,8 426 – 14,17 426 – 14,27–28 426 – 21,17 731 Lv (3.Mose) – 20,9 731 – 24,15–16 732 Nm (4.Mose) – 21,6–9 496 III Rg (1.Kön) – 12,20–14,20 425 – 20,1–43 426 – 21,1–29 426 – 22,1–40 426 IV Rg (2.Kön) – 25,9 426 I Esr (Esra) 9,5–6 607 Ps – 8 47 – 19 47 – 22,2–3 437 https://doi.org/10.1515/9783110593730-024
– 22,4 437 – 59,17–18 711 – 62,5 607 – 67 598 – 68,29 730 – 73,1–2 370, 671 – 96 598, 603 – 96,7 344, 639 – 97 639 – 113 598 – 122,1 607 – 142,6 607 Prv (Spr) – 17,24 595 – 20,20 731 Ecl (Pred) 2,14 310, 595, 596 Sir 21,10 737 Is (Jes) – 1,31 737 – 10,7–34 708 Ez (Hes) 34,5–22 624 Dn (Dan) – 2,1–49 513 – 7,1–28 513 – 7,10 730 Ioel (Joel) 2,12 671 Mt – 3,7 544 – 3,11 611 – 5,9 637 – 5,10 348 – 5,13 713 – 5,38–40 350 – 5,39 348 – 5,40 491 – 5,43–44 350 – 6,19–20 350 – 6,25–33 350 – 7,1 348
834 | Index biblicus
– 8,2 6 – 8,23–27 672 – 9,14–17 600 – 9,36 624 – 10,16 370, 671 – 10,17–20 612 – 10,28 316, 602 – 10,39 576 – 12,34 544 – 13,1–9 672 – 14,19 607 – 15,4 731 – 15,14 294 – 15,15 572 – 16,25 576 – 18,6–7 577 – 18,8–9 228, 470 – 19,21 350 – 21,41 619 – 22,21 615 – 23,33 544 – 26,24 414, 739 – 27,46 655 – 27,50 691 Mc (Mk) – 1,8 611 – 1,40 6 – 2,19–20 600 – 4 672 – 4,37–41 672 – 6,34 624 – 6,41 607 – 7,10 731 – 7,34 607 – 8,35 576 – 9,41 577 – 9,42 228, 470 – 9,46 228, 470 – 9,49 713 – 10,21–25 350 – 14,21 414, 739 – 15,34 655 – 15,37 691 Lc (Lk) – 3,7 544 – 3,16 611 – 5,12 6
– 5,34–35 600 – 6,22 348 – 6,24 350 – 6,27–28 350 – 6,29–30 350 – 6,35–36 350 – 6,37 348 – 6,39 294 – 7,36 6 – 8,22–25 672 – 9,16 607 – 9,24 576 – 10,3 370, 671 – 11,13 326 – 12,22–31 350 – 14,34–35 713 – 17,1–2 577 – 17,33 576 – 18,11 63, 72 – 18,13 607 – 18,22–25 350 – 22,22 414, 739 – 23,43 730 – 23,47 691 – 39 572 Io (Joh) – 1,26–33 611 – 10,1–18 624 – 11,41 607 – 12,25 296, 576 – 16,33 684 – 17,1 607 – 19,30 691 – 19,33–35 597 Act (Apg) – 1,5 611 – 2,1–3 539 – 2,38 539 – 6,14 538 – 11,16 611 – 17,18 47 – 17,28 47 – 22,16 539 – 27–28 672 Rm (Röm) – 1,20 47 – 2,1 348
Index biblicus |
– 5,12–21 687 – 6,19 687 – 7,18 688 – 7,25 688 – 8,6 687 – 8,9 687 – 8,12–13 687 – 12,14 731 – 12,17 350 – 13,12 568 – 13,14 495 – 15,27 687 I Cor (1.Kor) – 1,29 687 – 4,5 348 – 5,10–11 482 – 6,1–7 348 – 6,9 482 – 10,7 482 – 10,14 482 – 12,12–23 595 – 12,12–27 504 – 12,21 596 – 15,50 687 II Cor (2.Kor) – 1,12 687 – 5,17 687 – 11,2 600 Gal – 1,16 687 – 3,27 495 – 4,13–14 687 – 5,13–24 687 – 5,19–21 687 – 5,20 482 – 5,26 85 Eph – 2,3 688
– 4,24 495 – 5,5 482 – 5,22–32 600 Phil – 1,21 330 – 2,3 85 – 3,3 687 – 3,20–21 350 Col (Kol) – 3,5 482 – 3,10 495 I Th (1.Thess) 5,15 350 I Tim (1.Tim) 6,10 570 II Tim (2.Tim) 3,13 570 Tit 2,12 33 Iac (Jak) – 2,22 90 – 3,10 731 I Pt (1.Petr) – 2,17 615 – 3,9 350 – 3,14 348 – 3,18–22 539 I Io (1.Joh) – 1,7 539 – 10–11 348 II Io (2.Joh) 7–11 648 Apc (Off) – 12,3 708 – 13,2 708 – 16,13 708 – 18,12 729 – 18,16 729 – 19,8 729 – 19,14 729 – 20,2 496, 708 – 20,12 730
835
Index verborum figurarumque praecipue neolatinarum Dieser Index listet Wörter, Wendungen und Verbformen auf, die im antiken Latein nicht vorkommen bzw. eher ungewöhnlich sind, im Neulatein aber häufiger auftreten.
depraedicare 210 diffulminare 374 diribitrix 338 famigerabilis 336 firmamen pro firmamentum 232 inquio pro inquam 256, 262, 294, 298, 509 insultus 290
https://doi.org/10.1515/9783110593730-025
postremissimus 384 quam primum pro cum/ut/ubi primum 272 rem effectui dare 236 sequiminor pro sequimini 318, 340 streperus pro obstreperus 320
Index nominum Aufgrund der Omnipräsenz der Namen ‚Julian‘ und ‚Jeremias Drexel‘ wurde auf deren Aufnahme in den Index nominum verzichtet. Bei den mit einem Stern (*) gekennzeichneten Einträgen handelt es sich um fiktive Figuren im Iulianus.
Abbé La Bléterie 12 Abraham 275 Achilles 511, 652, 662 Adonis 339, 628 Aedesius (Neuplatoniker) 247, 421, 422, 436, 502–504, 521 Aelian (Claudius Aelianus) 606, 680 Aeneas 477, 663, 685, 697 Aesculap/Asklepios 309, 572 Aeson 566 L. Afranius 461, 681 Agamemnon 363, 661, 662 Agatha von Catania (Heilige) 600 Agnes (Heilige) 600 Agricola (Cn. Iulius Agricola) 115 Agrippina minor (Mutter Neros) 427 Ahab 181, 425, 426 Aischines 52, 629 Alarich (got. König) 513 Alastor 593 *Albanus 77, 349, 369, 669, 710 Alciati, Andrea 457, 461, 680 Aldhelm von Sherborne 475 Alexander der Große 16, 407, 438, 508, 581, 698, 721, 727, 728 Alkaios 681 Alkuin 441 Allecto 474, 477, 483 Aloaden 636 Aloysius, Petrus (Apostolischer Nuntius) 32 Álvarez, Fernando (de Toledo) 51 Álvarez, Manuel 162–164, 420, 453, 466, 470, 480, 493, 499, 525, 603, 707, 714 Ambrosius von Mailand (Kirchenvater) 65, 595, 596, 616, 662, 706 Amman, Jost 468 https://doi.org/10.1515/9783110593730-026
Ammian (Ammianus Marcellinus) 5–9, 12, 95, 183, 185, 186, 422, 436, 467, 470, 497, 498, 501, 502, 504, 508, 509, 511–513, 515, 520, 526, 538, 567, 616, 621, 624–631, 640, 662, 667, 699, 700, 718 Amor/Eros 471, 687 Amphitryon (Ziehvater des Hercules) 506 Andreas (Apostel) 585 Andromache 160, 504, 712 Antilochos (Sohn Nestors) 652 Aphrodite siehe Venus/Aphrodite Apollo 102, 141, 161, 166, 201, 269, 275, 289, 295, 327, 340, 341, 343, 379, 419, 471, 496, 519, 523, 558, 561, 571, 572, 632–638, 653, 654, 723 – Grannus 341, 634, 635 – Palatinus 341, 635 – Sandaliarius 341, 634 – Sosianus 341, 635 Apollodor 494 Apollonios Rhodios 438 Apuleius 186, 594, 603, 653 Arat von Soloi 47 Arator 475 Ares siehe Mars/Ares Argus 209, 293, 446, 571 Aristoteles 26, 124, 152, 421, 441, 624, 680, 719, 720 Arnobius von Sicca 523, 524, 571 Artemis siehe Diana/Artemis Artemius (Heiliger) 77, 78, 89, 93, 94, 102, 138, 145, 150, 160, 300, 301, 372, 379, 389, 423, 582, 584–587, 672, 674, 678, 701, 702, 704 Ascanius/Iulus 663 Atlas 88, 245, 407, 493, 494, 724, 727, 728 Attila (hunnischer König) 181, 427, 428
840 | Index nominum
Attis 592, 593 Augustinus von Hippo (Kirchenvater) 3, 47, 50, 57, 65, 67, 68, 111, 449, 450, 578, 630, 672, 688, 735 Augustus (röm. Kaiser) 437, 438, 451, 634–636, 648, 653, 656, 657, 680, 698, 706, 711, 721, 725 Aurelius Victor 183, 185 Avancini, Nicolaus von 174
Babylas (Heiliger) 343, 597, 633, 638–640 Bacchus/Dionysos 558, 606, 612, 634 Bakchylides 560 Balde, Jakob 32, 64 Baronio, Cesare 79, 183, 185, 189, 420, 425, 428, 429, 442, 451, 453, 484, 494, 497, 515, 526, 529, 530, 535, 540, 551, 564, 570, 573, 584, 585, 588, 591, 593, 597, 598, 605, 617, 621, 625, 627–629, 637, 640, 650, 659, 660, 662, 667, 694, 699, 701, 702, 705, 707, 719 Basilina (Julians Mutter) 443 Basilius der Große 595 *Bassianus 77, 78, 99, 138, 141, 308, 309, 311, 313, 342, 343, 347, 588, 591–597, 599, 633, 639, 641 Bañez, Domingo 92 Belisar (oström. General) 429 Bellarmin, Robert 450 Bellerophon 627, 668 Benci, Francisco 167–170, 445, 458, 506, 576, 641, 694, 712 Benedikt von Nursia 684 Bidermann, Jakob 18, 20, 26, 30, 60–62, 64, 74, 84, 92–94, 100, 105, 117, 119, 124, 127, 129, 131–133, 139, 142, 143, 152, 167, 168, 173–175, 480, 557, 605, 606, 632, 675, 685, 690 Binsfeld, Peter 478 *Bitias 136, 223, 225, 463 Blandina (Heilige) 568, 602 Bodin, Jean 8, 9, 11, 96, 107
Boëthius (Anicius Manlius Severinus Boethius) 84, 458, 459, 462, 719, 720 Botero, Giovanni 107 Brant, Sebastian 461, 463, 506 Brecht, Levin 169, 462 Britannicus (Stiefbruder Neros) 427, 721 Bruegel, Pieter (der Ältere) 480 Bruno von Köln (Heiliger) 64, 70, 124–126 Brutus (M. Iunius Brutus; Caesarmörder) 733 Buchanan, George 127, 143, 153, 158, 161, 168, 171, 598, 603, 697, 711 Busyris 397, 693, 709 Caecilius Statius 461 Caesar (C. Iulius Caesar) 447, 500, 501, 508, 516, 524, 617, 620, 648, 656, 693, 711 Caligula (röm. Kaiser) 7, 181, 427, 589, 629 Calpurnia (dritte Ehefrau Caesars) 711, 712 Calpurnius Piso 523, 524 Calvin, Johannes 50, 51 Camerarius, Joachim 161 Candid, Peter 30 Canisius, Petrus 25, 162, 478, 479 Carolus, Andreas (Abt von St. Georgen im Schwarzwald) 33 Cassianus, Johannes 478 Cassiodor (Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus) 5, 708 Cassius (C. Cassius Longinus) (Caesarmörder) 733 Cassius (C. Cassius Longinus), Caesarmörder 693 Cassius Dio (L. Claudius Cassius Dio Cocceianus) 626, 634 Castor 572 Catilina (L. Sergius Catilina) 467, 489, 606, 631, 659 Cato (M. Porcius Cato Uticensis) 447 Catull (C. Valerius Catullus) 466, 471, 599 Cecrops 629 Cerberos 562
Index nominum | 841
Ceres/Demeter 289, 560, 562 Charon 476 Chnodomar (alamannischer König) 12, 13, 498, 509 Christus siehe Jesus Christus Chrysanthios von Sardes (Sardianus) 207, 211, 213, 247, 255, 422 Cicero (M. Tullius Cicero) 26, 47, 49, 50, 52, 57–61, 87, 433, 444, 453, 455, 458, 467, 473, 483, 485, 489, 491, 496, 502, 504, 509, 523, 525, 532, 570, 581, 595, 609, 613, 617, 620, 631, 632, 648, 659, 667, 669, 696, 713, 720 Claudian (Claudius Claudianus) 524 Claudius (röm. Kaiser) 481, 589, 626, 629, 691 Claudius II. Gothicus (röm. Kaiser) 490 Clodius (C. Clodius Pulcher) 581 Commodus (röm. Kaiser) 7, 419, 500, 633, 636, 637 Constantius I. Chlorus (röm. Kaiser) 423, 443, 456, 501, 617 Constantius II. (röm. Kaiser) 8, 9, 66, 69, 71, 75, 76, 83, 85, 86, 97, 100–102, 124, 126, 129, 130, 137, 144, 149, 158, 160, 181, 184, 187, 195, 206, 212, 213, 229–231, 246, 247, 249, 254, 255, 259, 263, 265–267, 271, 421–423, 436, 441–447, 450, 453, 470–473, 488, 494–498, 500–502, 504–508, 510, 511, 514–517, 520, 521, 528, 541, 548, 579, 584, 585, 606, 631, 667, 706 Conti, Natale 420 Crendel, Ferdinand 42 Crispus (Sohn Konstantins des Großen) 170, 503, 506, 526, 547, 577, 619, 631, 651, 662, 695, 714 Croesus 638 Curtius Rufus 26, 721 Cyprian von Karthago 513, 559, 578, 581, 615, 688 Cäcilia von Rom (Heilige) 600 Dahn, Felix 12 Dalmatius (Onkel Julians) 456
Dante Alighieri 428, 733 David (bibl. König) 603, 704 Decentius (Usurpator) 498, 509 Decius (röm. Kaiser) 94 Delrio, Martin 61 Demeter siehe Ceres/Demeter Demosthenes 629, 718 *Desiderius 77, 349, 369, 669 Diana/Artemis 157, 269, 275, 289, 295, 301, 397, 519, 523, 560, 561, 572, 585 Diocletian (röm. Kaiser) 452, 470, 501 Dionysos siehe Bacchus/Dionysos Domitian (röm. Kaiser) 7, 427, 443, 490, 589 Donat (Aelius Donatus) 658 *Dositheus 124–127, 379, 383–385, 679, 682, 683, 685–689, 694 *Drusillanus 127, 223, 461, 462, 465 Ecebolius 78, 92, 124, 139, 140, 159, 238, 239, 266, 267, 279, 321, 323, 390, 391, 405, 421, 436, 484, 521, 531, 548, 604, 605, 608–611, 613, 614, 679, 694, 711–714 Eggers, Kurt 15 Elagabal (röm. Kaiser) 7 *Eleuterius 77, 349, 369, 610, 669 Endres, Johannes Nepomuk 450 Enea Silvio Piccolomini siehe Pius II. (Papst) Q. Ennius 466, 570 Eos 652 Ephraem der Syrer 5 Epiktet 65 Epiphanius Scholasticus 5 Erasmus von Rotterdam 7, 8, 49, 50, 90, 95, 161, 448, 461, 550, 577, 608, 630 *Erebophylax 125, 363, 367, 379, 381, 383, 424, 661, 667, 668, 679, 681, 682 Erictho 556, 566 *Eulalia 314, 315, 610 *Eulogius 69, 212, 213, 449–451 Eunapios von Sardes 5, 421, 422 *Euphrosina 314, 315
842 | Index nominum
Euripides 153, 612 Eusebia (zweite Ehefrau Constantius’ II.) 504 Eusebios von Caesarea 568, 618, 638 Eusebios von Nikomedia 436 *Eusebius 369, 610, 619 Eusignius (Heiliger) 77, 78, 102–104, 141, 145, 330, 331, 333, 335, 583, 614–622 Eutrop 699 *Eutropia 314, 315, 610 *Eutropius 77, 80, 349, 369, 610, 669, 708 Evagrius von Pontus 478 Faber, Basilius 420 Faunus 723, 724 Fausta (zweite Ehefrau Konstantins des Großen) 170, 443, 481, 503, 619 Ficino,Marsilio 441 Florus (P. Annius Florus) 512, 513 Forer, Laurenz 24 Fortuna/Tyche 251, 458, 459, 462, 503, 570 Francisco de Toledo 720 Fresne, Charles du 420 Frischlin, Nicodemus 620 Gaius (Jurist) 686 Galen 458 Galerius (röm. Kaiser) 501 Galla Placidia 586 Gallicanus (Heiliger) 6 Gallonio, Antonio 642 Gallus (Halbbruder Julians) 76, 436, 442, 451, 529, 633, 638 Gellius (Aulus Gellius) 186 Georgios (Bischof von Alexandria) 436 Giraldi, Giglio Gregorio 420 Goltzius, Hubertus 633 Gottesmutter Maria 371, 701 Gottfried von Bouillon (Kreuzfahrer) 620 Gracchus (C. Sempronius Gracchus) 685 Gratian (röm. Kaiser) 706 ‚Graue Brüder‘ von Vallombrosa 474 Gregor der Große (Kirchenvater) 428, 478
Gregor von Nazianz 3–5, 11, 20, 76, 79, 110, 181, 183, 185, 425, 442, 451, 484, 488, 529, 530, 535, 540, 578, 591, 607, 621, 624–627, 629, 647, 654, 671, 699, 700, 708, 719 Gregor von Nyssa 595 Gregor X. (Papst) 722 Gregor XII. (Papst) 737 Gretser, Jakob 19, 120, 168, 531, 688, 714, 715 Groote, Geert 50 Gruter, Jan 50 Gryphius, Andreas 685 Guilielmus Fabricius Noviomagus 57 Gustav Adolf (König von Schweden) 32 Hades siehe Pluto/Hades Hannibal (karth. Feldherr) 592, 706 Hanniballianus (Onkel Julians) 456 Hasenclever, Adolf 12 Heinsius, Daniel 127 Hekate 101, 102, 138, 144, 145, 161, 186, 277, 283, 285, 287, 289, 291, 293, 419, 531, 541–543, 545, 549, 555, 556, 559–564, 567, 570 Hektor 363, 661, 663 Helena (Mutter Konstantins des Großen) 443, 618 Heliaden 426, 573 Hephaistos siehe Vulcan/Hephaistos Hera siehe Juno/Hera Hercules/Herakles 103, 157, 158, 273, 295, 303, 313, 333, 361, 379, 383, 397, 449, 506, 507, 513, 518, 571, 574, 606, 632, 636, 643, 705, 709, 722 Herodot 438, 439, 499, 652 Hesiod 471, 494, 496, 561, 562, 718, 732 Hesperiden 709 Hessus, Eobanus 171 Hieronymus (Kirchenvater) 47, 441, 466, 589, 637, 654, 694, 707 *Higinius 369, 669, 670, 707 Hilaïra (Schwester der Phoebe) 572 Hilarius von Poitiers 497 Himmler, Heinrich 14
Index nominum | 843
Hippolyt von Rom 672 Hippolytus (Stiefsohn der Phaedra) 481, 573 Hitler, Adolf 14 Hoffaeus, Paulus 169 Holtzhausen, Justinian von 162 Homer 425, 470, 476, 499, 515, 520, 523, 542, 560, 627, 635, 652, 718, 732 Horaz (Q. Horatius Flaccus) 52, 66, 67, 74, 121, 127–130, 143, 145, 152, 157, 173, 435–440, 448, 449, 534, 546, 550, 566, 574, 606, 648, 652, 659, 672, 723–725 Horus/Harpokrates 705 Hrabanus Maurus 441, 475 Hrotsvit von Gandersheim 6 Hutten, Ulrich von 461 Hyacinthus 572 Hydra siehe Lerne/Hydra Hymenaeus 471 Höslin, Jodok (Abt von Pfäfers/Kanton St. Gallen) 24 Iapetos (Titan und Vater des Atlas) 727 Ibsen, Henrik 13 Idas (Verlobter der Hilaïra) 572 Ignatius von Antiochia (Heiliger) 643 Innozenz IX. (Papst) 107 Invidia 474, 477 Isaac 275 Isidor von Sevilla 616, 710 Isis 397, 705 Iulius Constantius (Julians Vater) 442, 443, 456, 494 Jamblichos (Neuplatoniker) 158, 172, 238, 239, 267, 279, 421, 484, 486, 519, 521, 522, 525, 527, 531, 545 Jason 566 Jerobeam 181, 425 Jesus Christus 6, 8, 12, 32, 36, 64, 77, 78, 81, 82, 89–94, 101–103, 126, 128, 138, 140, 144, 145, 150, 181, 195, 201, 239, 245, 249, 275, 277, 291, 293, 299, 305, 307, 311, 313, 315, 317, 319, 323, 325, 327, 329, 331,
337, 347, 349, 371–373, 375, 377, 387, 391, 393, 397, 399, 407, 434, 451, 470, 486, 491, 495, 514, 533–536, 538–540, 544, 545, 559, 564–566, 572, 576, 577, 579, 585, 587–591, 596–598, 600, 607, 608, 610, 612–615, 617, 619, 624, 627, 637, 639, 645, 647, 648, 656, 666, 669, 672–679, 687, 689, 690, 693, 700, 702, 704, 705, 713, 714, 726, 730, 731, 739 Jesus von Nazareth siehe Jesus Christus Johannes (Evangelist) 576, 597 Johannes Cassianus 84 Johannes Chrysostomos 4, 5, 65, 535, 632, 633, 638, 640, 654 Johannes der Täufer 6, 610 Johannes Malalas 94, 699, 700 Johannes und Paulus (Heilige) 6 Johannes von Damaskus 700 Jovian (röm. Kaiser) 490 Judas Iskariot 733, 739 *Juliana 77, 315, 317, 583, 598, 600 *Julianophylax 80, 81, 84, 90–93, 103, 353, 355, 373, 379, 387, 391, 434, 460, 649, 654–659, 668, 674, 677, 690, 692, 702, 704 Julianus (Bischof von Le Mans) 6 Julianus (Diakon) 6 Julianus Hospitator 6 Julianus von Brioude 6 Juno/Hera 103, 275, 295, 446, 521, 608, 632, 681 Jupiter/Zeus 186, 213, 259, 267, 273, 275, 277, 285, 287, 289, 291, 293, 299, 301, 303, 325, 327, 329, 333, 387, 397, 426, 447–449, 466, 475–477, 510, 519, 521, 542, 549, 558, 562, 571, 573, 613, 628, 634, 636, 652, 676, 690, 694, 699, 705, 709, 716, 732 Justinian (oström. Kaiser) 452, 490, 501 Juvenal (D. Iunius Iuvenalis) 26, 167 Kairos 458 Kallimachos 557, 709 Katharina von Siena (Heilige) 600
844 | Index nominum
Kelsos (Mittelplatoniker) 486, 538 Kirsch, Adam Friedrich 420 Kleanthes 47 Kleopatra 698 Klymene (Mutter des Atlas) 727 Konrad III. (dt. Kaiser) 6 Konstantin der Große (röm. Kaiser) 3, 15, 103, 169, 170, 299, 333, 423, 442, 443, 451, 456, 470, 481, 489, 490, 501, 503, 506, 514, 536, 538, 547, 577, 578, 585, 616–620, 628, 631, 650, 651, 657, 662–664, 726 Konstantin II. (röm. Kaiser) 631, 662, 695 Kybele/Magna Mater 309, 588, 591–593, 596 Kyrillos von Alexandria 5, 12 L’Hermites, Tristan 160 Lactantius Placidius 563 Laktanz (L. Caelius Firmianus) 528, 531, 563, 568, 571, 572, 696 Lange, Johannes 94 Langhe, Karel de (Carolus Langius) 52–55, 80, 81, 500 Laomedon (König von Troja) 571 Lasso, Orlandi di 30 Laurentius (Heiliger) 586 Lenin, Wladimir Iljitsch 17 Lerne/Hydra 261, 513, 514 Lessius, Leonhard 61 Leto 561 Leyser, Kornelius (Münchener Drucker) 33 Libanios 4, 69, 101, 127, 238, 239, 270, 271, 273, 279, 358, 359, 421, 425, 436, 484, 497, 529–533, 546, 640, 658–660, 699, 708, 719 Licinius (röm. Kaiser) 501 Lipsius, Justus 20, 26, 50–52, 54, 56, 57, 60, 61, 64, 73, 77–81, 98, 102, 106–110, 112–115, 118, 119, 452, 488, 499, 573 T. Livius 444, 456, 504, 523, 635, 698 Lucan (M. Annaeus Lucanus) 475, 477, 556, 566, 652, 695 *Lucianus 97, 103, 127, 141, 145, 336, 337, 369, 621–623, 631, 632, 669, 670
Lucius Antonius (Bruder des M. Antonius) 696 Lucius Verus (röm. Kaiser) 501 Lukas (Evangelist) 60, 585, 596, 613, 730 Lukian 461 Lukrez (T. Lucretius Carus) 52, 513, 550, 603 Luna/Semele 289, 560, 561 Luther, Martin 50, 90, 736 Lysianassa (Mutter des Busyris) 709 Lysipp 458 *Macharius 80, 92, 369, 401, 668, 669, 671–673, 675, 679, 693–695, 699, 705, 710, 712, 713 Machiavelli, Niccolò 105–109, 111–114, 116, 117, 580, 677 Macrobius (Macrobius Ambrosius Theodosius) 441, 596 Macropedius, Georg 169 Magnentius (Usurpator) 498, 509 Mallarius, Nicolas 608 Manuel, Sabel, Ismaël (Heilige) 144, 283, 423, 549, 551 Mao Tse-tung 17 Marc Aurel (röm. Kaiser) 11, 501, 616 Marcellinus Comes 429 Marcellus (Heiliger) 617 Marcus Antonius 508, 635, 636, 680, 698 Mardonius (Lehrer Julians) 66, 67, 71, 72, 207, 209, 211, 213, 421, 436, 442, 443, 446, 447, 484, 548 Mares (Bischof von Chalkedon) 77, 81, 98, 99, 124, 128, 138, 145, 292, 299, 301, 421, 569–575, 577–582, 590, 591, 630 Maria siehe Gottesmutter Maria Maria Stuart (Königin von Schottland) 171 Mariana, Juan de 107, 109–113, 115, 116, 601 Mars/Ares 267, 269, 275, 387, 397, 471, 498, 519–522, 542, 634, 637, 666, 681, 690, 705 Marsyas 636 Martial (M. Valerius Martialis) 26, 473, 546, 686 Martianus Capella 441, 653
Index nominum |
Martin IV. (Papst) 112 Masen, Jacob 123, 594 Mauricius (oström. Kaiser) 501 Maxentius (röm. Kaiser) 490 Maximianus Herculis (röm. Kaiser) 501 Maximilian I. von Bayern 30, 31, 33 Maximus (Neuplatoniker) 14, 238, 239, 266, 267, 279, 355, 397, 422, 436, 484, 519, 521, 526, 531, 546, 707, 727 Medea 566 Medici, Lorenzo de’ 7 Meichel, Joachim 62, 123 *Melampus 138, 229, 309, 311, 313, 591, 596 Melanchthon, Philipp 50, 124, 161, 162, 165, 171 Memnon (myth. König der Aithioper) 129, 353, 652 Menelaos 548 *Menippus 227 Mercurius (Heiliger) 77, 93, 94, 102, 138, 145, 150, 300, 301, 372, 389, 423, 582, 584, 585, 587, 672, 674, 678, 700–702, 704 Merkur/Hermes 122, 269, 275, 397, 407, 527, 591, 634, 667, 705, 723–725 Methodius von Olympus 600 Michael (Erzengel) 94, 708 Micyllus, Jakob 161–165, 171, 420, 453, 470, 480, 707, 714 Middleton, Thomas 543 *Milphio 138, 229, 309, 311, 591, 594, 596 Minerva/Athene 237, 269, 295, 482, 519, 521, 522, 558, 667 Minervina (Mutter des Crispus) 631 Minucius Felix 47, 537, 571, 572, 575 Molina, Luis de 93 Montaigne, Michel de 8, 9, 11, 171 Montesquieu 11 Moses 426, 538 Motte Fouqué, François de la 13 Muret, Marc-Antoine 50, 127, 143, 152, 153, 157, 168, 170, 171, 517 Mussolini, Benito 14 Mussonius, Petrus 19, 153, 157
845
*Mystillus 223, 463, 464 Naogeorg, Thomas 131, 626 Nebukadnezar (babyl. König) 181, 425, 426 Nemesis 399 Neptun/Poseidon 275, 439, 571, 709 Nero (röm. Kaiser) 7, 78, 104, 160, 181, 427, 490, 586, 589, 643 Nerva (röm. Kaiser) 589 Nestor 267, 520, 652 Nicocles (Lehrer Julians) 66, 67, 184, 207, 213, 422, 436, 442, 443, 445 Nicolay, Nicolas de 468 Nikephoros Kallistos Xanthopulos 94, 183, 185, 701, 702 Nilus 478 Octavia (erste Ehefrau Neros) 427 Odysseus 477, 520, 663 Oedipus 712 Origines 607, 730 Orosius 581, 654, 666 Orpheus 733 Osiris 705 Ovid (P. Ovidius Naso) 425, 426, 439, 444, 462, 466, 473–475, 477, 496, 520, 522, 523, 527, 561, 573, 601, 609, 658, 709, 722 Pacuvius 458 Pallas (Athene) siehe Minerva/Athene Pallas (Kampfgefährte des Aeneas) 686 *Paronetemus 97, 136, 223, 225, 463, 464 Parzen/Moiren 31, 263, 265, 481, 518 Paul IV. (Papst) 106 Paul VI. (Papst) 552, 737 Paulinus von Nola 458, 616 Paulus von Tarsos 33, 47, 94, 427, 495, 504, 568, 595, 644, 672, 687, 725, 731 Pazmany, Peter (Kardinal und Erzbischof von Exztergom) 32 Pazzi, Jacobo 626 Pechel, Rudolf 15 Pedro da Fonseca 720
846 | Index nominum
Pegasus 367, 381, 651, 681 Pentesilea 652 Perpetua (Heilige) 602 Persephone siehe Proserpina/Persephone Perseus 651, 667 Peter der Einsiedler (Kreuzzugsprediger) 620 Peter III. (König von Aragón) 112 Petrarca, Francesco 50 Petreus, Heinrich 461 Petron (T. Petronius Arbiter) 38, 570, 608, 694 Petrus (Apostel) 6, 94, 427, 644 Peutinger, Konrad 634 Phaëton 181, 426, 573 Phalaris von Akragas 397, 693, 709 Pharnakes II. (König von Pontos) 501 *Philaemon 97, 99, 127, 141, 145, 336, 337, 369, 621, 622, 631, 669, 671 Philippus von Side 5 Philostorgios 5, 584, 703, 704 Phoebe siehe Diana/Artemis Phoebe (Schwester der Hilaïra) 572 Photios 5 *Phyrnis 223 *Pigmenius 92, 369 Pindar 494, 709 Pirckheimer, Willibald 131 Pius II. (Papst) 461 Pius V. (Papst) 93 Platon 50, 66, 96, 211, 421, 440, 441, 447, 476, 597, 687, 732 Plautus (T. Maccius Plautus) 122, 124, 127, 128, 138, 149, 160, 161, 164, 430, 431, 444, 445, 461, 463, 464, 469, 472, 494, 502, 537, 552, 553, 570, 576, 581, 584, 591, 594, 599, 603, 604, 606, 609, 610, 623, 639–642, 644, 653, 659, 660, 668, 679, 681, 683, 686, 687, 697, 698, 708, 728 Plinius der Jüngere (C. Plinius Secundus) 447, 568, 680 Plinius der Ältere (C. Plinius Secundus) 586, 599, 680 Pluto/Hades 275, 560, 732
Poggio Bracciolini, Gianfrancesco 6 Poliziano, Angelo 626 Pollux 295, 319, 329, 572 Polybios 438 *Polyglossus 283, 424, 549 Polykarp von Smyrna (Heiliger) 643 Pomponio Leto, Giulio 637 Pontanus, Jakob 20, 26, 27, 57, 60, 122, 123, 128, 145, 147, 152, 157, 168, 169, 430, 717 Poppaea Sabina (zweite Ehefrau Neros) 427 Porphyrios (Neuplatoniker) 421, 486 Porphyrius (Heiliger) 77, 78, 98, 102, 128, 139–141, 159, 320, 321, 325, 327, 329, 604–614, 630, 639 Poseidippos von Pella 458 Poseidon siehe Neptun/Poseidon Possevino, Antonio 107 Priamos (König von Troja) 652 Priscus (Neuplatoniker) 238, 239, 266, 267, 279, 355, 362, 363, 367, 379, 383, 422, 436, 484, 519, 526, 548, 665, 666, 668, 681–683 Procopius (Usurpator) 124, 363, 365, 367, 422, 661 Prodikos 506 Prokop 428 Properz (Sextus Propertius) 477, 566, 601, 651 Proserpina/Persephone 289, 291, 560–562, 565 Proteus 181, 425 Prudentius (Aurelius Prudentius Clemens) 478, 480, 525, 540, 564, 567, 582, 583, 586, 644, 655, 663, 706 Publia 583, 597–600, 602, 646 Publilius Syrus 477 Pyrrhus (Sohn des Achilles) 511, 662 Pyrrhus von Epirus 638 Python 496, 636 Quintilian (M. Fabius Quintilianus) 57, 447, 473 *Quirinus 358, 359, 361, 369, 658–660 Racine, Jean 153
Index nominum | 847
Rader, Matthäus 20, 26–28, 30–32, 34–44, 58, 60, 62, 74, 118–120, 448 Rassler, Maximilian 32 Rhey, Kaspar 36, 41 Ribadeneyra, Pedro de 107, 109, 110, 112, 113, 115 Rode, Friedrich 12 Romanus (Heiliger) 540 Ronsard, Pierre de 543 Roseffius, Gregor 27 Rubens, Peter Paul 57 Rufinus von Aquileia 5, 699, 718 Rufus Festus 699 Sallust (C. Sallustius Crispus) 446, 513, 606, 631 Sallustius (cos. 363) 72–75, 79, 85–87, 154–157, 184, 213, 215–217, 221, 225, 227, 263, 267, 271, 277, 283, 307, 339–341, 343, 345, 347, 353, 355, 422, 452–457, 460, 464, 472, 488, 495, 502, 514, 516, 521, 549, 567, 590, 600, 642, 647 Salutati, Coluccio 506 Scaliger, Julius Caesar 26, 122, 124, 158, 161, 171 Schiffer, Adam 32 Schiller, Friedrich 52 Scribanius, Carolus 61 Seneca (L. Annaeus Seneca) 26, 46, 47, 49–52, 56–61, 64–66, 73–75, 78, 81, 82, 100, 101, 103–105, 114–116, 119, 143, 151–153, 155–160, 165, 170, 173, 435, 439, 441, 449, 452–460, 467, 473, 481, 487, 504, 506, 507, 514, 517, 518, 526, 530, 534, 536, 540, 547, 570, 573, 586, 616, 626, 632, 662, 689–693, 695, 712, 713, 721 Seneca Maior 49 Serapis 705 *Serenus 92, 369, 610, 670 Servius (Vergilkommentator) 537, 561, 619, 636, 653, 658, 662, 663, 692, 698 Severus (Statthalter in Gallien) 497 Sextus Pompeius 566, 636
Shakespeare, William 143, 153, 160, 543 Shapur II. (pers. König) 470, 552 Sibylle 567 C. Sidonius Apollinaris 665 Silius Italicus 439, 558, 663, 676 Silvanus (Usurpator) 497, 498, 509 Simon der Pharisäer 6 *Sirgiamnes 247, 504, 521 Sisyphos 733 Sokrates 8, 52, 205, 596, 719 Sokrates von Konstantinopel 5, 7, 95, 185, 422, 484, 699, 708, 718, 727 Sol/Helios 426, 573, 637 C. Sosius 635 *Sostenes 184, 293, 301, 424 Sozomenos 5, 76, 79, 94, 183, 185, 186, 422, 484, 515, 570, 572, 588, 639, 647, 700, 703, 704, 718 Stefonio, Bernardino 167, 168, 170, 172, 481, 483, 505, 526, 547, 573, 582, 631, 650, 651, 662, 663, 695, 703, 714, 726 Stengel, Georg 26 Stentor 321, 608 Stephanus (Heiliger) 538 Sturm, Johannes 59 Sueton (C. Suetonius Tranquillus) 427, 501, 524, 589, 617, 626, 658 Sulla (L. Cornelius Sulla) 490 Sulpicius Severus 483 Suárez, Cipriano 447 Suárez, Francisco 645, 654, 674, 675 Symeon Metaphrastes 551 Symmachus (Q. Aurelius Symmachus) 186, 706 *Syncerastus 77, 144, 145, 186, 286, 287, 289, 291, 531, 555, 563, 568, 569 Tacitus (Cornelius Tacitus) 57, 59, 107, 115, 427, 443, 447, 509, 528, 538, 643 Tantalos 733 Terenz (P. Terentius Afer) 161, 164, 430, 466, 469, 579, 596, 597, 609, 639, 660, 679
848 | Index nominum
Tertullian 47, 482, 487, 491, 527, 528, 578, 615, 643, 655, 672, 684, 696 Theodora (Ehefrau Constantius’ I. Chlorus) 443, 456 Theodoret von Kyrrhos 5, 76, 183, 185, 186, 488, 529, 530, 598, 659, 660, 704, 707, 718 *Theodorophylax 78, 342, 343, 345, 424, 639, 644, 645, 668 Theodoros von Mopsuestia 5 *Theodorus 77–79, 99, 102, 141, 342, 343, 345, 347, 591, 639, 640, 642, 644–646 Theodosius I. (röm. Kaiser) 6, 490, 552 Theokrit 562 Theseus 712 Thomas (Apostel) 30 Thomas von Aquin 26, 84, 107, 111, 134, 558, 575 Tiberius (röm. Kaiser) 107, 725 Tibull (Albius Tibullus) 477, 566 Tithonos (Vater des Memnon) 652 Titus (röm. Kaiser) 490 Tityos 636, 733 Totila (ostgotischer König) 181, 427, 428 Trajan (röm. Kaiser) 512, 513, 522, 548, 568 Tros (König von Troja) 663 Turnus 477, 697 Tyche siehe Fortuna/Tyche Tyros 515
Valentinian II. (röm. Kaiser) 706 Valerius Maximus 530, 722 Varro (M. Terentius Varro) 461, 501, 698 Varus (P. Quinctillius Varus) 653 Venantius Fortunatus 475, 726 Venus/Aphrodite 231, 275, 365, 470, 471, 628, 666, 681 Vergil (P. Vergilius Maro) 26, 439, 444, 445, 474, 476, 477, 481, 483, 511, 524, 537, 547, 557, 558, 560, 627, 658, 662, 663, 692, 697, 702, 732 Vespasian (röm. Kaiser) 490, 500 Victoria/Nike 251, 275, 387, 397, 503, 690, 705, 706 Vinzenz von Valencia (Heiliger) 582, 586, 644 Viperano, Giovanni 122, 123 Vitruv (M. Vitruvius Pollio) 524 Vitus (Heiliger) 614 Voltaire 11, 12 Voragine, Jacobus de 6, 428 Vossius, Gerhard Johannes 127 Vulcan/Hephaistos 397, 681, 705 Welser, Marcus 26 Wilhelm von Oranien 52 Wowern, Johann von 38 Xenokrates 8 Xenophon 504 Xerxes (pers. König) 652, 727
Ursula (Heilige) 428 Valens (röm. Kaiser) 422 Valens (röm. Kaiser) 490 Valentinian I. (röm. Kaiser) 490
Zenon 8 Zeus siehe Jupiter/Zeus Zosimos 5, 456, 502, 621 Zwingli, Ulrich 50
Index locorum Abrittus 513 Adria 448 Afrika 112, 652, 727 Ägypten 426, 515, 548, 585, 605, 653, 705, 709 Alexandria 12, 436 Amymone (Fluss bei Argos) 513 Anatolien 524 Anticyra 187, 295, 574 Antinoë 605 Antiochia am Orontes 4, 12, 423, 585, 597, 598, 621, 626, 628–630, 632, 638–640 Arabische Halbinsel 548 Arabische Wüste 669 Argos 513 Armenien 502 Athen 436, 621, 629 Augsburg 24–29, 31, 34, 35, 37, 41, 45, 60, 62, 147, 634, 635 Aventin 724 Avernersee 477 Baiae 477 Bayern 30–33, 62, 169 Bethlehem 36 Bithynien 568 Bordeaux 170, 171 Bosporos 203, 437, 698 Bostra 548 Brenz an der Brenz 635 Britannien 115, 438, 443 Brüx (Böhmen) 26 Byzanz siehe Konstantinopel Böotien 439, 461 Caesarea in Kappadokien 423, 700 Caesarea Philippi 588 Coimbra 171 Daphne 343, 632, 638, 640 Delos 355, 561, 650, 654 Delphi 355, 496, 638, 649, 653, 654 https://doi.org/10.1515/9783110593730-027
Dillingen an der Donau 22, 29, 34–37, 39–41, 117, 118, 147, 169, 635 Dodona 355, 650, 654 Don 548 Donau 498, 516 Ebersberg 31 Eichstätt 29 Elbe 281, 548 England 171 Ephesos 422, 572 Euböa 461 Euphrat 205, 438, 592 Euripus (Meerenge) 461 Europa 56, 106, 119, 468, 516, 524, 620, 634, 652 Faimingen 634, 635 Florenz 105, 107, 116, 428 Frankreich 59, 171 Gades (Cádiz) 129, 211, 353, 652 Gallien 99, 100, 158, 160, 247, 249, 251, 253, 255, 257, 265, 422, 428, 491, 496–498, 500–502, 509, 514, 520, 525, 527–529 Ganges 16 Gard (Fluss in der Provence) 6 Gedrosische Wüste 438 Germanien 525, 547, 653 Golf – Persischer 438 – von Korinth 574 – von Neapel 477 Granada 645 Griechenland 422, 438, 475, 529, 566, 574, 589 Helikon 439 Hercynischer Wald 265, 516, 517 Iberische Halbinsel 524, 548 Indien 16, 30
850 | Index locorum
Ingolstadt 22, 28, 29, 34, 37, 41, 42, 44, 62, 169, 170, 179, 189, 462 Innichen (Südtirol) 26 Innsbruck 36 Ischia (Pithekusa) 629 Israel 425, 426, 708 Italien 14, 168, 428, 512, 524, 663, 706
Mittelmeer 438, 505, 548 Mons Sacer 504 Mosel 498 Mykene 661, 662 Mysien 502 München 18, 22, 30–32, 37, 44, 45, 123, 127, 169, 184, 620
Japan 552 Jena 52 Jerusalem 365, 371, 426, 654 Jolcos 566
Neapel 49, 170 Niederlande 51, 54, 168, 171, 499 Nikomedia 421, 436 Nil 205, 281, 438, 498, 548, 653 Nizäa 12, 487 Numantia 727
Kampanien 429 Kapitol 525, 613, 637, 644, 716 Kappadokien 76, 421, 436, 605 Karpaten 524 Karthago 643, 727 Kaukasus 548 Kelheim 62 Konstantinopel/Byzanz 4, 12, 187, 215, 422, 451 Konstanz 605 Köln 49, 169, 428, 497 Landsberg am Lech 28 Landshut 11 Lauingen an der Donau 634, 635 Le Mans 6 Libyen 129, 211 Lissabon 171 Lokris 574 Lykien 627 Lüttich 52 Macellum 76, 436 Mailand 502 Mainz 49 Makedonien 52, 721 Maozamalcha 96, 470 Maranga am Tigris 3, 512 Marmarameer 438 Marpessos (Berg auf Paros) 576 Mauretanische Wüste 669 Memphis (Ägypten) 353, 652, 653 Mesopotamien 502 Messina 169
Olympia 205, 628 Palatin 592, 635 Palästina 563 Pannonien 502 Paphos 471 Paris 171 Paros 297, 575, 576 Pergamon 422, 436, 592 Pessinus 588, 592, 593 Petra 548 Pharos 425 Phokis 574 Piemont 6 Pisa (Landschaft und Stadt auf der Peloponnes) 628 Po 426, 498 Polling 62 Pontinos (Fluss bei Argos) 513 Populonium (Piombino) 428 Portugal 169, 171 Potenza 6 Prag 34, 169 Ravenna 586 Regensburg 41 Rhein 498 Rom 6, 12, 17, 49, 169, 427, 429, 489, 490, 504, 513, 525, 546, 589, 592, 613, 618, 634–637, 642, 644, 698, 706, 721, 722, 724, 736 Rotes Meer 426
Index locorum | 851
Salzburg 32 Samos 303, 584 Saône 547 Schottland 171 Schwarzes Meer 438, 439 Schweiz 59 See Genezareth 669, 672 Sizilien 111, 436 Spanien 422, 438 Sperchios (Fluss in Thessalien) 574 St. Georgen im Schwarzwald 33 Susa 652 Syrien 421, 437, 438, 447 Tajo/Tejo (Tagus) 281, 547, 548
Teutoburger Wald 653 Thermopylen 629 Thessalien 556, 566, 574 Tiber 429, 498, 592 Tibur 428 Tigris 547 Troja 157, 571, 572, 608, 636, 661, 663 Tyrrhennisches Meer 695 Unterfinningen 635 Wien 52, 169, 462 Zypern 471, 628
Index rerum Aufgrund der Omnipräsenz der Begriffe ‚Iulianus‘ und ‚Kaiser‘ wurde auf deren Aufnahme in den Index rerum verzichtet.
Abbildende Wortstellung 440, 483, 657, 676, 682 Aberglaube 8, 9, 181, 546, 603, 659 Acheron (Unterweltsfluss) 345, 381, 409, 475, 476, 708 Acherusischer See 476 Adynaton 160, 172, 547, 576, 622, 649, 652 Affe 321, 339, 606, 625, 629, 630 Affekt 48–50, 52, 54, 80, 102, 121, 132, 139, 142, 143, 455, 506, 514, 727 Agnostoprologi 27, 65, 76, 127, 135, 143, 146, 148, 161, 163, 430, 432, 435, 436 Ägypter/ägyptisch 426, 501, 602, 652, 653 Aitiologie/aitiologisch 629, 630, 652 Alamannen/alamannisch 12, 181, 498, 726 Allegorie/allegorisch 70, 144, 185, 477, 478, 480, 599, 627 Alliteration 440, 590, 614, 646, 649, 675, 683, 713, 735 Altar 269, 277, 281, 287, 289, 291, 293, 321, 341, 363, 393, 531, 541, 542, 555, 558, 565, 567, 591, 593, 690, 706 Alter Glauben/altgläubig 138, 421, 422, 528, 706 Altersbeweis 47, 453 Ambivalenz/ambivalent siehe Doppeldeutigkeit/doppeldeutig Anachronismus/anachronistisch 187, 470, 500, 529, 585, 669 Anadiplose 534, 733 Anakoluth 478, 646, 666, 681, 682 Anapher/anaphorisch 92, 156, 540, 542, 545, 579, 594, 641, 675, 689, 695, 710, 735 Angelologie 90 https://doi.org/10.1515/9783110593730-028
Antichrist 6, 95, 120, 600, 627, 655 Antiklimax/antiklimaktisch 7 Antilabe 154, 156, 445, 454, 465, 507, 575, 591, 600, 612, 646, 712 Antithese/antithetisch 89, 159, 431, 444, 464, 465, 473, 483, 495, 502–504, 511, 532, 536, 542, 557, 584, 599, 600, 602, 607, 615, 618, 619, 647, 649, 657, 658, 665, 671, 677, 691, 705, 706, 717, 728, 733–735, 739 Apologet/Apologetik/Apologie/apologetisch 13, 47, 138, 453, 475, 513, 523, 527, 528, 537, 545, 559, 571, 578, 615, 696 Apophthegmata 7 Apostasie/Abfall bzw. Abkehr vom Christentum 5, 10, 11, 74, 82, 84, 85, 88, 94–97, 101, 105, 109, 118, 121, 128, 129, 137, 144, 145, 438, 484, 487, 495, 519, 528, 530, 533, 540, 544, 545, 549, 579, 600, 678, 723, 732 Apostelgeschichte 47, 538, 539 ‚Apostelvision‘ 94, 701, 702 Apostrophe 159, 618, 666, 689, 734 Arianismus/Arianer/arianisch 421, 423, 497, 584, 585 Arvalbrüder 558 Arzt 309, 341 Asche 98, 247, 263, 291, 339, 341, 565 Assonanz/Gleichklang 440, 465, 471, 516, 530, 675, 691, 713, 739 Assyrier/assyrisch 203, 397, 438, 708 Asyndeton/asyndetisch 103, 160, 439, 501, 526, 533, 534, 536, 537, 544, 616, 623, 642, 646, 665, 671, 675, 677, 678, 689, 691, 692, 728, 729, 732, 733, 735 Aufklärung 11, 139, 506
854 | Index rerum
Auge 38, 39, 209, 227, 229, 231, 239, 295, 337, 401, 407, 446, 470, 594–596, 607, 688, 725 Augsburger Religionsfrieden 25 Autograph 20, 22
Bañezianer 92 Bär 428, 436, 526, 643 Barbaren/barbarisch 11, 13, 249, 257, 261, 263, 265, 287, 291, 353, 367, 438, 496, 498, 528, 534, 699 Barmherzigkeit 70, 90, 94, 608 Barock 125, 131, 158, 459, 719, 720 Bart 572, 626, 628 Begrüßungsszene 444, 461, 484, 546, 570, 622, 683 Beichtvater 33, 61 Bibel/Heilige Schrift 67, 73, 79, 80, 141, 186, 215, 420, 436, 437, 496, 570, 596, 607, 616, 624, 669, 671, 708, 711, 729, 731 Bildung 7, 9, 12, 16, 46, 60, 66–69, 73, 83, 89, 95, 117, 118, 132, 144, 158, 195, 389, 430, 447, 487, 491, 516, 546, 723, 725 Blasphemie/Gotteslästerung 79, 80, 91, 102, 138, 181, 299, 426, 534, 563, 718, 735 Blindheit/blind 98, 221, 292, 293, 295, 422, 424, 458, 459, 570–572, 630 Blitz 213, 235, 295, 306, 307, 375, 391, 393, 397, 401, 413, 426, 448, 477, 501, 524, 565, 573, 590, 635, 640, 694, 699, 705, 738 Blut 51, 98, 99, 144, 181, 203, 237, 243, 257, 261, 269, 277, 287, 291, 301, 305, 315, 317, 329, 331, 339, 347, 357, 363, 369, 371–373, 375, 377, 379, 385, 387, 389, 390, 393, 395, 401, 407, 413, 425, 426, 439, 509, 522, 540, 565, 592, 593, 627, 631, 648, 695, 698, 701–704 Borniertheit/pervicacia/pertinacia 53, 79, 82, 98, 99, 102, 295, 299, 329, 345, 369, 569, 573
Bote 126, 355, 367, 379, 393, 496, 497, 535, 650, 679, 693, 695, 697, 700, 703, 704 – nbericht 151, 161, 165, 172, 497, 499, 500, 512, 693, 695–697 Briten/britisch 203, 437, 525 Buße 6, 82, 476, 671, 694 Byzantinisch 94, 185, 551, 563, 664, 701 Calvinismus 51, 171 Carcer Mamertinus 644 Carcer Tullianus 644 Cenodoxia siehe Ruhmsucht/Cenodoxia Cenodoxus (Bidermann) 61, 62, 64, 68, 72, 74, 77, 84, 92, 94, 105, 117, 119, 120, 123–125, 127, 133, 135, 168, 480, 606, 675, 685, 690, 715 Cercops 629 Cherusker 353, 652, 653 Chiasmus/chiastisch 431, 444, 464, 483, 505, 542, 600, 602, 607, 647, 657, 665, 670, 676–678, 712, 732, 739 Chimäre 339, 602, 627 Chlamys 245, 247, 267, 490, 491, 519 Chor 93, 117, 149–153, 373, 375, 377, 411, 413, 415, 503, 513, 515, 555, 674, 693, 702, 735 – führer 18, 148, 733, 734, 737–739 – lied 18, 143, 149–153, 160, 161, 695, 710, 734, 738 Chrestiani 528 Christentum 3, 8, 14, 15, 47, 50, 51, 75, 80, 89, 95, 96, 103, 119, 130, 145, 475, 482, 486, 528–531, 542, 545, 572, 578, 585, 606–608, 615, 617, 619, 657, 664, 672, 683, 710, 711, 730 Christenverfolgung – ‚decische‘ 6, 638 – ‚diocletianische‘ 6, 582, 605 – ‚julianische‘ 5, 6, 9 – ‚neronische‘ 427 Ciceronianismus 57, 59, 60 Circus 279, 602 Classis – Grammatica (Grammatikklasse) 27, 162 – Humanitatis (Poetikklasse) 66, 437
Index rerum |
– Rhetorica (Rhetorikklasse) 173, 437 clementia/clemens 114–116, 326, 332, 370, 404 Comicotragoedia 123, 124 comic relief 133–135, 138, 142 Concaner 203, 438, 439 De constantia (Lipsius) 51, 52, 56, 64, 77, 80, 119, 452, 499 Contra Galilaeos (Julian) 12, 14, 538 Convivium (Drexel) 40, 117 crudelitas/crudelis 104, 105, 116, 262, 278, 330, 332, 338, 360, 368, 370, 408 Damnatio ad bestias 643, 644 Dämon/dämonisch 68, 83–85, 87–89, 91, 97, 99, 102, 103, 125, 138, 141–144, 187, 201, 237, 239, 243, 297, 309, 331, 375, 385, 387, 389, 405, 409, 424, 441, 474, 475, 477–485, 488–490, 493, 494, 496, 529–531, 533–535, 543, 548, 555, 556, 560, 561, 566, 569, 571, 575, 612, 625, 629, 630, 645, 650, 653, 661, 667, 692, 699, 714–717, 721, 723–725, 727–732 De clementia (Seneca) 50, 103–105, 114, 116, 586 Demut/demütig 40, 72, 74, 75, 85, 97, 100, 117, 175, 215, 251, 287, 289, 341, 375, 427, 450, 466, 490, 491, 505, 558, 607, 664 Deus ex machina 145 Deutsch 9, 12, 15, 24, 33, 62, 82, 87, 106, 119, 123, 131, 170, 171, 174, 179, 184, 186, 187, 440, 444, 462, 468, 494, 511, 599, 609, 618, 708 Diadem 97, 195, 257, 259, 293, 295, 299, 363, 405, 415, 508, 565, 567, 663, 664 Dibrachys 162 Didaxe/didaktisch 18, 75, 80, 121, 170, 174, 648, 733 Dihärese 431, 482, 544, 642, 677, 713 Diktator 16, 170, 508, 693 Dimeter 150, 153, 160, 161, 166, 510, 515, 711
855
Dioskuren (Sternbild der Zwillinge) 457 Diplomatie/diplomatisch 107, 110 domina-nutrix-Szene 153–155, 472, 649, 711 Dominikaner 92 Doppeldeutigkeit/doppeldeutig 7, 20, 39, 80, 87, 431, 432, 444, 455, 459, 490, 511, 514, 516, 519, 522, 540, 560, 570, 604, 609, 618, 660, 664, 684, 708 Dornenkrone 569 Dreifaltigkeit/Trinität 539, 564 Druck(-legung) 10, 18–20, 27, 30, 33, 42, 46, 49, 57, 62, 64, 120, 123, 131, 132, 147, 161–164, 168–171, 173–176, 179, 185, 430, 506, 509, 521, 634, 733 Ehescheidung 686 Elefant 516, 643 Emblem/emblematisch 37, 40, 457, 459, 461, 680, 685, 734 Emotion 81, 132, 133, 143, 151, 152, 154, 156, 500, 534, 592, 621, 622, 670, 689, 705, 710, 731, 734, 739 Engel 342, 475, 575, 645, 655, 656, 674, 675, 700, 714 – Schutz- 63, 78, 81, 90, 93, 94, 99, 103, 201, 352, 372, 379, 386, 424, 460, 632, 639, 645, 649, 654–656, 658, 674, 675, 690, 691, 702 Englisch 33 Enjambement 156, 437, 440, 482, 483, 575, 591, 594, 602, 607, 619, 622, 640, 648, 654, 657, 666, 689, 695, 697, 703, 732 Enthymem 407, 719–721 Epanalepse 534, 577, 597, 622, 665, 666, 673, 691, 714 Epipher 156, 483, 641, 658 Epistulae morales (Seneca) 73, 78, 100, 173, 452 Epitheton (ornans) 419, 446, 459, 511, 548, 561, 562, 627, 633 Erde 103, 109, 213, 237, 261, 263, 289, 297, 305, 308, 339, 369, 371, 401, 409, 415, 426, 438, 483, 493, 494,
856 | Index rerum
526, 535, 542, 543, 547, 555, 560, 562, 573, 575, 595, 628, 634, 649, 650, 665, 707, 712, 730, 732 Erinye siehe Furie/Erinye Ernst 18, 131, 133, 135–138, 140, 142, 604–606, 622, 715 Ertragen/patientia 53, 63, 78–80, 98, 234, 294, 332, 569, 573, 619 Etymologie/etymologisch 523, 601, 657, 660, 677, 710, 735, 736 Eunuch 7, 421, 436, 662, 695 Evangelium 12, 576, 610, 672, 691, 713 – nach Lukas 72, 607, 639 – nach Matthäus 470, 572, 602, 612, 615, 639 Faschismus/faschistisch 14 fatum 48, 54, 55, 200 Feldherr 16, 201, 251, 253, 269, 333, 393, 490, 491, 500, 504, 508, 509, 519–521, 527, 636, 651, 661, 696, 698, 703, 710, 716 Feuer 247, 263, 291, 295, 307, 359, 365, 371, 375, 397, 411, 413, 425, 476, 565, 573, 586, 588, 603, 610, 627, 643, 645, 705 Figura etymologica 683, 685 Flamen 277, 281, 286, 289, 339, 515, 542, 549, 555, 558, 559, 567 Flavier/flavisch 243, 259, 489, 490, 589 Floß 253, 371 Flämisch 33 Folter 78, 317, 347, 549, 568, 585–587, 616, 644, 645 – bank 343, 345 – kamm 345 – pferd 305 – presse 345 – rad 345 – strick 331 – werkzeug 39, 285, 369, 569, 586 – zange 345 Forum 243, 273, 656 Franken 497, 498, 501 Franziskaner 62, 169, 171, 462, 474 Französisch 11, 33, 50, 143, 668
Freie Künste 38, 67, 69, 147, 158, 181, 202, 203, 209, 211, 407, 409, 415, 435, 437, 468, 482, 520, 725, 731 Friseur 7, 574 Fronleichnamsfest 37, 558 Fuchs 108, 299, 569, 579, 580, 677 Furie/Erinye 309, 327, 612 Fürstenspiegel 104, 506 Galiläer/galiläisch 181, 275, 277, 279, 287, 291, 295, 301, 303, 307, 321, 327, 331, 335, 343, 347, 349, 351, 355, 357, 359, 361, 363, 365, 381, 395, 407, 534, 704 Gallier/gallisch 37, 257, 261, 263, 265, 267, 496, 525, 637, 706 Gebet 80, 125, 139, 161, 168, 201, 233, 269, 277, 289, 321, 323, 325, 341, 351, 371, 373, 378, 383, 403, 485, 541, 552, 555–558, 563, 567, 607, 608, 618, 653, 668, 669, 672, 674, 679, 686, 693, 695, 699, 731 – shaltung 607, 608 Gefängnis/Kerker/Verlies 132, 237, 245, 305, 329, 333, 345, 638, 644, 732 Gegenreformation 76 Geheimkult siehe Mysterien Geister 291, 386, 543 Geistlicher Stand/Klerus 46, 70, 73, 75, 76, 83, 86, 88, 187, 216, 230, 242, 424, 432, 436, 442, 452, 455, 471, 472, 494, 495, 508 Geistlicher/Kleriker 12, 72, 74–76, 83, 85, 88, 89, 97, 136, 144, 155, 157, 181, 199, 219, 221–223, 225, 230, 231, 233, 235, 245, 452, 454, 457, 463, 464, 468, 470, 474, 488–490, 496, 505, 540, 547, 727, 737 Geißel 303, 349, 383, 399, 428, 569 – Gottes 428 Gelonen 205, 437, 439 Geminatio/geminiert 40, 533–535, 542, 689, 695, 704, 710, 733 Gemütsstärke/robur animi 53, 77, 78, 98 Gericht 81, 92, 116, 150, 367, 440, 497, 613, 639, 640, 668, 674, 704, 730 – Jüngstes 730
Index rerum |
– Partikular- 81, 89, 94, 101, 674, 675 Germanen/germanisch 12, 13, 498, 501, 506, 509, 516, 525, 652, 664 Gesetz 79, 106, 109, 141, 277, 297, 299, 315, 331, 333, 349, 351, 397, 538, 571, 619, 647, 648, 668, 718, 719, 721 Gespenst 144, 145, 270, 271, 273, 286, 291, 543, 555, 556, 561 Gewaltherrschaft/Gewaltherrscher 77, 105, 664, 709 Gift 98, 112, 305, 321, 413, 477, 735 Gladiator(enspiele) 522, 524, 692, 695, 696, 710 Gold 235, 375, 395, 409, 548, 676, 683, 688, 702 Goten 513 Götzendiener/-verehrer/idololatra 5, 46, 78, 140, 141, 181, 183, 319, 347, 371, 375, 519, 556 Grab 6, 30–32, 38, 39, 297, 393, 616, 685, 686, 726, 737 Grausamkeit/grausam 7–9, 11, 46, 67, 77, 78, 94, 95, 99, 101, 102, 104–106, 113–116, 121, 128, 138, 141, 144, 145, 160, 203, 279, 287, 299, 305, 331, 333, 345, 347, 361, 368, 369, 371, 393, 397, 409, 427, 428, 519, 535, 571, 586, 601, 606, 611, 619–622, 640, 647, 664, 673, 677, 696, 709, 712 Griechen/griechisch 85, 152, 153, 161, 163, 181, 339, 424, 428, 438, 462, 469, 471, 475, 482, 485, 490, 491, 499, 502, 523, 526, 543, 551, 552, 557, 562, 563, 566, 580, 581, 584, 593, 596, 597, 608, 623, 629, 630, 650, 659–661, 669, 672, 681, 684, 696, 724, 735 Gymnasium patientia (Drexel) 64 Gymnasium St. Anna (Augsburg) 25 Habsburg/habsburgisch 51 Hafen 219, 403, 457, 458, 462, 515 Hand 32, 181, 197, 213, 215, 229, 231, 239, 251, 255, 265, 269, 291, 309, 319, 321, 325, 339, 343, 345, 371,
857
390, 395, 397, 413, 428, 470, 477, 518, 556, 565, 572, 596, 607, 608, 626, 658, 703, 708, 710, 711, 727, 734 Häresie/Häretiker/häretisch 27, 171, 559, 564, 578, 581 Haupt siehe Kopf/Haupt Hebräer 239, 287, 299, 301 Heer 16, 32, 165, 235, 246, 257, 355, 367, 381, 385, 387, 397, 423, 442, 497, 508, 509, 585, 615–617, 621, 652, 653, 666, 696, 699, 703, 719, 729 Heiden/heidnisch 4, 5, 7, 13, 139, 527, 528, 536, 542, 606, 640, 659, 711 Heidentum 14, 16, 145, 578, 585, 683, 707 Heil 34, 63, 67, 68, 82, 89, 91, 293, 536, 556, 570, 709, 713, 733, 737 Heilige Schrift siehe Bibel/Heilige Schrift Heiliger Geist 325, 539, 610, 611, 613, 639 Hellenismus/hellenistisch 16, 616, 698 Hendiadyoin 725 Heuchelei/Heuchler 3, 61, 70, 76, 95, 97, 109, 110, 195, 199, 207, 321, 432, 442, 443, 461, 463, 495, 505, 507, 514, 520, 526, 569, 601, 606, 622, 631 Hexameter 161, 475, 564, 638, 706 Himmel 52, 88, 103, 127, 150, 176, 199, 201, 215, 237, 245, 247, 251, 261, 275, 289, 295, 297, 299, 305, 307, 323, 331, 333, 339, 341, 371, 372, 391, 395, 401, 403, 409, 426, 448, 449, 475, 481, 483, 494, 514, 523, 526, 539, 558, 560, 562, 566, 571, 573, 575, 585, 588, 590, 606, 607, 616, 628, 632, 634, 640, 652, 653, 688, 698, 700, 722, 725, 727, 728, 732, 738 Hirte 67, 215, 371, 373, 452, 547, 624 Historia Augusta 509 Historia Tripartita 5, 6, 186 Hochverrat/Hochverräter siehe Verrat/Verräter Hofprediger 31, 32
858 | Index rerum
Hölle 87, 101, 117, 125, 127, 141, 142, 144, 145, 235, 237, 247, 273, 274, 286, 297, 301, 303, 327, 331, 333, 337, 355, 357, 359, 379, 385–387, 389, 404, 409, 411, 424, 428, 474, 476–480, 483, 489, 529, 545, 556, 562, 575, 602, 679, 689, 708, 714–717, 721, 722, 725, 729, 730, 733, 739 Homoioteleuton/homoioteleutisch 465, 544, 546, 557, 575, 607, 611, 623, 646, 670, 678, 713, 732 Homousie 487 Humanismus/Humanisten/humanistisch 6, 12, 20, 106, 127, 168, 169, 171, 506, 603, 637, 668, 680, 685, 719 Hund 205, 289, 335, 479, 555, 556, 559, 561, 562 – eopfer 561 Hunger 69, 181, 223, 225, 359, 383, 461, 594, 705 Hybris 88, 103, 129, 130, 144, 534, 535, 589, 590, 636, 649, 651, 661, 662, 668 Hyperbaton/Sperrung 440, 447, 619, 666, 671, 675, 733 Hyperbole/hyperbolisch/Übertreibung/ übertrieben 31, 103, 130, 136, 139, 323, 369, 433, 439, 444–446, 500, 516, 526, 569, 604, 609, 610, 650, 664, 665, 695, 697, 699, 712, 718, 722, 725, 731, 739 Hypotaxe/hypotaktisch 667 Hysteron-Proteron 516 Illusionsdurchbrechung 146, 148, 433, 606, 734 Il principe (Machiavelli) 105–107, 109, 113, 117, 580, 677 Imperium Romanum siehe Römisches Reich/Imperium Romanum Inquisition 171 Invektive 3, 4 Iranisch 548 Ironie/ironisch 36, 96, 121, 137, 139, 140, 142, 313, 431, 444, 463, 482, 520, 545, 547, 569, 574, 579, 582,
609, 626, 680, 707, 709, 714, 716, 717, 721–723, 726–729, 735 Isagoge 77, 86, 179, 185, 425, 427, 432, 528 Italiener/italienisch 6, 33, 106, 107, 169, 170, 174, 506 Jambenkürzung 164, 165, 185, 493 Jephtias-Heroide (Bidermann) 64 Jesuitendrama/-theater 19, 59, 95, 124, 128, 131, 132, 134, 143, 168, 170, 462, 469, 489, 552 Jesuitengymnasium 26, 134 – Augsburger 25–28, 31 – Münchener 30, 31, 44, 131 Jesuitenkolleg(ium) 26, 41, 162, 168, 170, 174, 508 – Augsburger 24–28, 34, 40, 60, 147, 430, 634 – Dillinger 36, 40, 117, 635 – Ingolstädter 24, 28, 35, 41, 42, 120, 135, 146 – Kölner 169 – Münchener 22, 32, 44, 45, 162, 169, 189 – Wiener 169, 462 Juden/jüdisch 14, 15, 279, 486, 535, 538, 546, 559, 564, 578, 611, 666 Jungfrauen 76, 86, 95, 137, 229, 231, 235, 315, 317, 339, 428, 468–470, 472, 597–600, 631, 688 Juxtaposition 444, 451, 483, 571, 575, 578, 591, 600, 602, 616, 618, 619, 622, 641, 647, 671, 678, 682, 699 Kakophonie 431, 482, 544 Katechismus 25, 93, 478, 479, 563, 609 Katholisch/Katholizismus/Katholiken 14, 15, 25, 27, 30, 51, 52, 59, 75, 77, 90, 92, 106, 113, 143, 152, 162, 171, 450, 451, 482, 551, 560, 607, 618, 645, 656, 674, 678, 688, 713, 722, 730 Katholische – Kirche (Institution) 11, 12, 14, 57, 76, 84, 90, 96, 106, 111, 162, 215, 247,
Index rerum |
352, 450, 538, 551, 586, 600, 618, 672, 700, 707, 710 – Liga 30 – Liturgie 558, 656, 714 – Reform 76 Kelten/keltisch 269, 438, 491, 524, 525, 634 Kerker siehe Gefängnis/Kerker/Verlies Keuschheit/keusch 76, 211, 228, 231, 315, 339, 465, 468, 592 Kirche (Gebäude) 6, 24, 76, 233, 243, 273, 279, 300, 301, 303, 307, 321, 373, 393, 535, 552, 638, 700 – St. Gallus (Brenz an der Brenz) 635 – St. Mamas (bei Caesarea) 76 – St. Martin (Unterfinningen) 635 – St. Michael (München) 30, 32 – St. Salvator (Augsburg) 28 Kleriker siehe Geistlicher/Kleriker Klerus siehe Geistlicher Stand/Klerus Klimax/klimaktisch 433, 463, 661, 666, 669, 728 Koch 7, 124, 223, 225, 460–463 Kokytos (Unterweltsfluss) 476 Komik/komisch 18, 126, 130–135, 137, 138, 140–142, 187, 431, 592, 604–606, 622 – vermeintliche 139–142, 604, 606, 611, 715 Komödie 3, 21, 38, 44, 122–124, 126, 127, 136, 138, 160, 163–165, 431, 439, 444, 460–463, 494, 539, 549, 569, 570, 578–581, 591, 597, 604, 622, 628, 639, 644, 660, 668, 679, 682, 683, 686, 691, 717 Konsulat/Konsul 363, 422, 427, 456, 489, 491, 508, 567, 661, 668, 716 Konzil – von Antiochia 422 – von Ephesos 725 – von Konstantinopel 422 – von Nizäa 421 – von Serdica 422 – von Trient (Tridentinum) 90 – von Tyrus 422 – Zweites Vatikanisches (Vaticanum) 450
859
Kopf/Haupt 97, 104, 209, 235, 249, 251, 255, 257, 259, 295, 297, 307, 309, 321, 325, 335, 339, 361, 363, 371, 504, 521, 556, 558, 565, 574–576, 589, 595, 596, 626, 727 – binden 291, 508, 567 – Glieder-Metapher 595 Krankheit 29, 30, 32, 39, 52, 53, 63, 100, 101, 472, 574 Kranz 277, 558, 565, 663, 664 Kreuz 22, 34, 90, 145, 239, 241, 271, 273, 275, 301, 303, 321, 323, 345, 361, 365, 369, 383, 387, 487, 529, 530, 533, 536, 538, 539, 556, 569, 597, 607, 618, 656, 726 – zeichen 139, 144, 186, 271, 273, 293, 321, 529–531, 565, 567, 568, 607, 615 – zug 620 Krieg 130, 147, 181, 197, 247, 249, 253, 257, 265, 267, 269, 271, 353, 355, 407, 426, 430, 470, 491, 498, 501, 521, 522, 620, 649, 668, 698, 703, 707, 727 – Böhmisch-pfälzischer 32 – Dreißigjähriger 30, 32 – Perser- 352, 355, 649 – Trojanischer 652 – Zweiter Punischer 592 Krone 663, 664 – Strahlen- 664 Kulturkampf 12 Kyrie 669 Lacerna 243, 263, 491, 515 Laelius de amicitia (Cicero) 59 Laena 263, 515 Lamm 98, 277, 321, 671, 729 Lanze siehe Speer Lararium 101, 271, 529–531, 545 Latein/lateinisch 5, 24, 26, 27, 56, 57, 94, 106–108, 161, 163, 179, 184–187, 420, 431, 435, 439, 441, 444, 446, 466, 469, 472, 473, 481, 483, 485, 487, 499, 510–512, 523, 534, 535, 543, 552, 553, 562, 568, 570, 573, 577, 596, 603, 609, 622,
860 | Index rerum
634, 637, 647, 648, 650, 652, 655, 659, 669, 676, 681, 683, 707, 709, 719, 726, 736 – Altlatein 485, 486, 503, 522, 544, 557, 648, 682 – Neulatein/neolatinistisch 149, 151–153, 444, 448, 459, 473, 475, 483, 492, 499, 509, 531, 563, 603, 608, 622, 632, 676, 683, 712 Lateranverträge 14 Leben-Jesu-Forschung 12 Legenda Aurea 6, 428 Leib/Körper 48, 49, 125, 187, 209, 219, 317, 340, 351, 365, 369, 371, 377, 381, 385, 399, 517, 573, 589, 598, 600, 602, 624, 627, 636, 643, 644, 687, 688, 699, 727 – garde 138, 289, 335, 591, 592, 596, 597 Leichnam/Leiche 64, 117, 174, 247, 249, 261, 301, 341, 343, 361, 411, 500, 555, 571, 579, 632, 639, 656, 708, 726, 734 Leopard 643 Lerne/Hydra 627 Lethe (Unterweltsfluss) 235, 367, 476 Liebeselegie, röm. 471, 601 Lipsianismus 57, 60 Liturgie 64, 150, 531, 537, 558, 648, 669, 714, 726, 730 Löwe 299, 371, 375, 425, 569, 579, 580, 625, 627, 643, 662, 677 Luperkalien 508 Lydisch 567, 612 Lykisch 602 Machiavellismus 112 Magen 29, 227, 229, 279, 595 Makedonisch 581 Mänade 327, 612 Manuductio (Lipsius) 57 Manuskript/Handschrift 10, 18, 19, 22–24, 35, 37, 39, 41–45, 62, 123, 169, 170, 179, 184, 186, 189, 467, 480, 543, 553, 650, 651, 738 Marianische Kongregation 27, 28, 31, 37, 170
Marmor 241, 295, 297, 375, 575, 576, 676 Märtyrer 6, 10, 47, 76, 78, 89, 93–95, 129, 138, 145, 150, 201, 423, 433, 434, 538, 540, 551, 568, 572, 586, 587, 614, 616, 642, 644, 669, 672, 674, 678, 688, 700–702, 726 Märtyrerakten siehe Passio Martyrium 94, 551, 552, 568, 569, 582, 586, 591, 605, 638, 643, 701, 702 Martyrologium Romanum 551, 552, 585, 605 Materialismus 47, 138, 676 Maulwurf 293, 339, 571, 630 Meer 52, 219, 223, 249, 253, 261, 289, 369, 371, 375, 393, 401, 407, 457, 462, 466, 471, 500, 501, 562, 577, 672, 673, 680, 712 – enge 223, 438, 461 Messe 25, 30–32 Messias 12 Metapher/metaphorisch 3, 11, 15, 20, 39, 67, 432, 447, 457, 458, 461, 465–467, 471, 473, 475, 477, 483, 484, 489, 493, 496, 512, 513, 525, 569, 570, 575, 586, 595, 622–624, 667–669, 672, 673, 679, 687, 692, 694, 697, 706, 710, 722, 725, 726, 738 Metonym/metonymisch 498, 504, 513, 519–522, 526, 574, 598, 599, 601, 609, 620, 627, 629, 641, 652, 666, 691, 725–727 Milde 11, 78, 99, 103–106, 108, 113–116, 121, 160, 327, 333, 347, 442, 572, 586, 601, 619–621, 664, 677 Mitleid 49, 54, 70, 81, 142, 313, 343, 592, 619, 675, 709 Mittelalter/mittelalterlich 4, 5, 9, 10, 13, 20, 131, 134, 185, 428, 441, 458, 475, 478, 479, 491, 504, 548, 558, 563, 600, 603, 607, 608, 643, 672, 680, 684, 685, 708, 714, 719, 720, 733, 736 Molinisten 92
Index rerum |
Mönch 125, 201, 378, 381, 383, 385, 490, 650, 679, 683, 684, 686, 688, 689 Mond 114, 523, 561, 566 Mund 98, 319, 321, 327, 337, 391, 625, 626 Murmillo 393, 695, 696 Muse 31, 60, 66, 67, 69, 158, 197, 203, 221, 231, 269, 431, 435–439, 521, 522, 524, 526, 723, 732 Musik 161, 492, 521, 560, 612, 636, 724 Mysterien 279, 291, 545, 555, 565, 592, 608
861
Nabatäer/nabatäisch 281, 548 Nationalismus 12 Nationalsozialismus/nationalsozialistisch 11, 15 Nazarener 181, 365, 395 Nekromantie 556, 566 Neuplatonismus/Neuplatoniker/neuplatonisch 421, 422, 436, 484, 495 Neustoizismus/neustoisch 20, 51, 56, 60, 64, 73–75, 77, 84, 86, 87, 118, 119, 121, 547, 573 Niederländer/niederländisch 20, 51, 52, 60, 106, 112, 119, 169, 462 Nieswurz (Helleborus) 187, 295, 574 Nonne 77, 124, 126, 138, 161, 317, 319, 598, 600, 646 Noviziat 28
563–565, 568, 570, 585, 605, 615, 630, 706, 709 – blut 101, 274, 277, 533, 539, 540 – diener 145, 289, 291, 556, 563 – edikt des Decius 615 – gebet 261, 275 – Hunde- 559 – könig 287, 556 – schrot (mola) 289, 560, 563 – Stier- 592, 627, 630 – tier 145, 277, 287, 289, 291, 293, 397, 407, 534, 541, 550, 555, 556, 558–560, 564, 565, 567, 707 – Trank- 534, 541, 542 – Weihrauch- 269 Orakel 102, 161, 201, 343, 355, 363, 632, 638, 649, 653, 654, 707 Orantenstellung/-haltung 607 Orbis Phaeton (Drexel) 112, 134 Ordensprovinz – niederrheinische 168 – oberdeutsche 20, 25, 26, 168, 169 – österreichische 174 – spanische 107 Orient/Osten 16, 129, 229, 249, 281, 353, 367, 456, 468, 470, 547, 650, 652, 667 Orthodoxe Kirche (Institution) 618 Osterfest 31, 722, 737 Oxymoron 462, 503, 546, 619 Ozean siehe Meer
Ohr 209, 213, 227, 253, 257, 267, 339, 365 Okeanos 476, 652, 727 Okzident/Westen 16, 249, 428, 441, 478, 502, 514, 547, 650, 667 Olymp 339, 379, 475, 681, 727 Onomatopoesie/onomatopoetisch 577, 590, 673, 712, 729 Opfer 101, 102, 138, 144, 145, 158, 181, 186, 195, 201, 239, 245, 257, 266, 269, 275, 277, 281–283, 285, 287, 291, 293, 327, 329, 339, 343, 347, 389, 485, 515, 519, 527, 528, 531, 541, 543, 545, 549–552, 555–560,
Palast 7, 76, 86, 95, 137, 187, 223, 227, 255, 279, 305, 409, 460, 465, 466, 505, 515, 565, 683 Panegyricus/panegyrisch 142, 449–451, 465, 496, 498, 513, 519, 714, 725, 727, 728 Papst 450, 491, 648, 722, 737, 738 Paradoxon/paradox 492, 511, 574–576, 602, 665, 671, 688, 731, 732, 736 Parallelismus 156, 159, 465, 471, 483, 503, 504, 510, 542, 557, 575, 579, 614, 615, 658, 665, 670, 671, 673, 677, 685, 691, 705, 732–735, 738 Parataxe/parataktisch 534, 592, 733
862 | Index rerum
Paronomasie/paronomastisch 440, 494, 516, 601, 656, 657, 713, 721 Pars pro toto 435, 476, 547, 567, 653 Parther 547, 667 Passio 141, 551, 552, 584, 602, 604, 607, 614, 615, 617, 639–642, 701, 702 – Artemii 94, 456, 701, 704 – Christi 90, 533, 536, 569, 597, 730 – Marcelli 617 – Perpetuae et Felicitatis 568, 602, 643 – Polycarpis 568 – Scillitanorum 568 Pelagianer 48 Perioche 10, 11, 18, 35, 42, 87, 123, 145, 150, 179, 185, 186, 427, 443, 505, 528, 530, 535, 599, 683, 685, 702 Perserfeldzug 5, 16, 17, 365, 422, 470, 585, 621, 630, 638, 649, 651, 653, 654, 661, 662, 673, 696, 698, 699, 707, 727 Perserreich/Persien/Perser/persisch 3, 16, 76–78, 86, 102, 129, 137, 138, 181, 184, 195, 201, 203, 228, 229, 282, 283, 352, 353, 355, 357, 359, 363, 367, 371, 373, 379, 383, 387, 395, 397, 405, 423, 424, 468–470, 472, 498, 501, 502, 508, 549–552, 585, 599, 629, 649–652, 662, 667, 673, 681, 693, 699, 700, 703, 704, 706, 716, 726, 727 Petersbasilika 737 Pfingsten 539 Pharao 181, 425, 426 Pharisäer 97, 544, 572 Philosophenkönigssatz 66, 440, 441 Philosophie/philosophisch/Philosoph 15, 20, 28, 46–50, 52, 56–61, 64–68, 73, 75, 77, 82–87, 96, 97, 100, 102, 104, 106, 107, 115, 118–121, 124, 126, 130, 133, 136, 142, 151, 152, 158, 181, 202, 205, 209, 238, 242, 265, 297, 358, 407, 421, 422, 435, 436, 440, 441, 447, 452, 455, 459, 460, 467, 468, 471, 484–488, 491, 519, 521, 531, 534, 544–548, 586, 601, 603, 613, 621, 626, 631, 640,
649, 656, 687, 706, 707, 719, 720, 723–725, 727, 732 Phlegeton (Unterweltsfluss) 237, 476, 483 Phrygisch 567, 636 Physiognomik 624, 625 Plagiat 167, 168, 171, 173–175 Pleonasmus/pleonastisch 671, 676 Polemik/polemisch 14, 93, 95, 97, 131, 141, 535, 593, 628, 630, 666, 706 Politica (Lipsius) 106, 108, 112 Polnisch 33 Polyptoton/polyptotonisch 75, 92, 156, 433, 439, 440, 446, 462, 464, 465, 470, 472, 503, 508, 516, 522, 530, 546, 572, 575, 590, 591, 594, 599, 611, 616, 620, 665, 670, 671, 676–678, 682, 691, 699, 705, 713, 729, 739 Polysyndeton/polysyndetisch 440, 676, 697, 703, 713 Portugiesisch 720 Prädestination 50, 55, 119, 120 Predigt 24, 27, 31, 132, 620 – Berg- 637 – See- 672 Priamel 435, 440 Priester 6, 29, 144, 186, 212, 213, 291, 321, 363, 537, 538, 542, 556, 559, 564, 565, 567, 585, 592, 593, 598, 607, 608, 627, 698, 714, 716 Primiz 30 Profess 459 Progymnasmata latinitatis (Pontanus) 27 Prolepse/proleptisch 440, 480, 540, 673, 692 Prophezeiung 97, 101, 102, 397, 529, 556, 613, 707, 727 Protestantisch/Protestantismus/ Protestanten 15, 25, 30, 33, 51, 59, 89, 90, 93, 143, 152, 171, 450 providentia 50, 54, 55 Prätor 668 Prätorianer 257 Psalmen 67, 314, 437, 598, 603, 639, 646, 708, 711
Index rerum |
Psychologie/psychologisch 10, 17, 19, 20, 95, 120, 144, 157, 489 Punier/punisch 130, 552, 553 Purpur 97, 195, 209, 211, 215, 233, 243, 255, 257, 259, 261, 263, 265, 267, 299, 339, 365, 393, 409, 415, 491, 492, 508, 513, 515, 629, 667, 716, 729 Pythische Spiele 496 Quaden 502 Quinarius 164, 184, 630, 653 Ratgeber 84, 100, 126, 217, 225, 239, 255, 441–443, 485, 496, 504, 519, 530, 545, 731 Ratio studiorum 26, 58, 59, 134, 139, 437, 469, 599, 720 Redensart/Redewendung 52, 462, 466, 473, 483, 491, 511, 514, 519, 532, 569, 571, 576, 579, 580, 591, 596, 608, 614, 622, 623, 629, 679, 681, 713, 736 Reformierte Konfession 50, 52 Regensburger Kaiserchronik 6 Regie 36 – anweisungen 43, 186, 588 Renaissance 6 Reue 115, 375, 403, 540, 592, 608, 694, 713 Rhetorenedikt 8, 12, 718 Römer/römisch 3, 7, 12, 13, 16, 26, 106, 107, 122, 124, 136, 138, 160, 161, 163–165, 167, 169, 257, 423, 427–429, 439, 441, 449, 452, 453, 460, 466, 469–471, 482, 489–491, 498, 500–502, 508, 509, 521–525, 533, 535, 537–539, 542, 545, 549, 550, 554, 558, 563, 566, 569, 570, 578, 586, 589, 592, 593, 596–598, 601, 613, 615, 634–639, 649, 650, 653, 659, 661, 665, 668, 679, 682, 698, 699, 703, 716, 722 Römerbrief 47, 568 Romidee 706 Hl. Römisches Reich Deutscher Nation 27, 30, 32, 59, 168, 169
863
Römisches Reich/Imperium Romanum 3, 13, 15, 16, 181, 435, 438, 490, 491, 512, 513, 515, 525, 541, 542, 545, 559, 594, 618, 650, 664, 673, 686, 698, 705, 706, 710 Rosenkranzgebet 560, 563 Ruhmsucht/Cenodoxia 7, 62, 63, 74, 82, 84, 98, 117, 478 Sadduzäer 544 Sagum 245, 267, 488, 491, 494, 519 Säkularisierung 11, 139 Sapphische Strophe 161, 711 Sarazene 699, 703 Sarg 31, 359, 361, 660 Sarmaten 281, 501, 502, 548 Sassaniden 664, 667 Satire/satirisch 131, 604, 659, 724 Satyr 636 Schaf 337, 371, 429, 571, 624, 669, 671 Schauspieler 11, 36, 77, 98, 139, 146, 147, 521, 605, 606, 630, 682 Schiff 55, 70, 219, 247, 371, 457, 458, 672, 680 – shalter 680 – smetapher 672 Schimpfwort 127, 128, 430, 461, 463, 539, 569, 576, 578, 579, 591, 606, 622, 660, 661, 679, 682 Schlacht 361, 387, 389–391, 393, 636 – am Weißen Berg 32 – an der Allia 653 – an der Milvischen Brücke 585 – im Teutoburger Wald 653 – von Actium 680, 706 – von Cannae 653 – von Pharsalos 556, 566 – von Philippi 436, 724 Schlaf 69, 203, 239, 383, 436 Schlange 199, 227, 247, 261, 277, 301, 305, 319, 327, 337, 351, 365, 371, 377, 379, 397, 413, 425, 426, 436, 477, 496, 514, 587, 612, 624, 627, 666 Schottisch 603 ‚Schreirede‘ 159, 160, 712 Schulcurriculum 58, 74, 173, 508
864 | Index rerum
Schuld 89–91, 118, 139, 160, 167, 173, 289, 297, 299, 333, 335, 357, 365, 377, 381, 401, 403, 413, 482, 484, 488, 513, 528, 559, 573, 577, 578, 593, 625, 640, 643, 676, 691, 702, 704, 712, 714, 726, 732 – bekenntnis (Confiteor) 714 Schule 25–28, 59, 134, 147, 173, 197, 199, 430, 445, 469, 496, 508 Schulleiter 30, 31, 45, 430 Schulordnung – Kursächsische 59 – Protestantische 59 Seele 19, 48, 49, 52, 53, 94, 103, 117, 141, 297, 315, 317, 329, 333, 361, 371, 377, 389, 476, 478, 480, 530, 582, 595, 598, 602, 645, 655, 687, 691, 708, 714, 715, 720, 727 Selbsterlösung (irdische) 67, 68, 82 Selbstmord 17, 47, 509 Senar 160, 163, 164, 453, 466, 653, 654 Senat/Senatoren 427, 429, 505, 656, 690, 706 Sentenz/sentenzhaft 74, 126, 129, 158, 159, 447, 452–454, 459, 460, 505, 511, 517, 527, 576, 583, 601, 614, 619, 667, 713, 734, 737 Septenarius 164, 184, 467 Septuaginta 578 Sibyllinische Bücher 592 Siglo de Oro 7 Silber 187, 323, 571, 610, 683 Simulatio/Dissimulatio 98, 108, 111, 112, 198, 206, 224, 320, 443, 460, 540 Skythen/skythisch 421, 437–439 Societas Iesu 11, 22, 27, 31, 45, 57, 64, 107, 110, 115, 117, 134, 146, 162, 174, 175, 447, 462, 469, 720 Soldat 5, 15, 102, 124, 127, 147, 165, 166, 181, 201, 247, 249, 251, 253, 267, 271, 301, 303, 305, 307, 319, 321, 323, 329–331, 337, 339, 343, 355, 395, 423, 430, 440, 444, 500, 504, 508–510, 527, 539, 565, 567, 581, 585, 588, 614, 615, 617, 618, 620, 630, 662, 699, 701, 728
Sonne 114, 130, 239, 245, 259, 353, 379, 393, 407, 426, 493, 523, 573, 634, 681, 703, 704, 725, 728 Spanisch 7, 33, 51, 52, 93, 131, 143, 720 Speer 181, 201, 213, 235, 379, 393, 395, 411, 413, 477, 479, 521, 565, 569, 597, 697–699, 701–703, 734 – ‚gewonnenes Land‘ 698 Sprichwort/sprichwörtlich 37, 167, 425, 520, 546, 574, 576, 579, 580, 606, 608, 628–630 Spätantike/spätantik 4, 5, 16, 97, 111, 138, 165, 421, 444, 449, 463, 475, 480, 483, 491, 492, 494, 505, 507–509, 525, 531, 536, 540, 548, 554, 558, 562, 563, 570, 575, 579, 582, 586, 596, 602, 603, 606–608, 616, 617, 624, 636, 662, 666, 690, 696, 716, 719 Staatsraison/prudentia 99, 106, 108, 110, 442 Statue/Standbild 241, 295, 307, 458, 522, 572, 588, 589, 591, 596, 618, 634, 636 Stichomythie 153, 154, 156, 158, 159, 454, 458, 591, 612, 614 Stier 339, 389, 425, 516, 630, 709 Stoa/stoisch 46–52, 54–57, 59–62, 64, 65, 67, 68, 70, 71, 73–78, 81, 82, 86, 96–104, 106, 115, 117–121, 129, 152, 160, 449, 452, 455, 458, 506, 507, 514, 517, 518, 521, 569, 586, 613 Stoiker 47, 48, 55, 61, 63–66, 73, 78, 82, 83, 96, 100–102, 488, 519 Styx (Unterweltsfluss) 235, 289, 297, 385, 476, 477 Sünde 49, 56, 84, 94, 95, 111, 293, 349, 373, 403, 474, 476, 480, 482, 539, 675, 684, 687, 688, 694, 733 – nbuch 63, 409 Syllogismus 56, 406, 407, 717, 719, 720, 723, 725 Syrer/syrisch 5 Szepter 255, 299, 401, 405, 452, 507, 664
Index rerum |
Tacitismus 107 Taufe 101, 139, 144, 277, 533, 539, 540, 610, 611 Tautologie/tautologisch 103, 160, 473, 551, 569, 640, 677, 689 Tempel 113, 279, 533, 541, 551, 556 – der Bellona 698 – der Tellus 634 – des Apollo auf dem Palatin 635 – des Apollo in Daphne 640 – des Apollo Medicus 635 – des Apollo-Grannus 634 – des Genius 567 – des Iupiter Optimus Maximus 613, 716 – von Jerusalem 426 Terminus technicus 67, 432, 459 Tertiat 31 Testament – Altes 12, 47, 425, 426, 538, 595, 599, 616, 671, 687 – Neues 12, 482, 538, 672, 687 Tetrarchie 456 Teufel 19, 95, 109, 120, 195, 238, 245, 340, 397, 495, 531, 548, 593, 627, 684, 693, 708, 726 Theater (Gebäude) 365, 522, 524 – Marcellus- 635 Theologie/theologisch/Theologe 3, 12, 19, 24, 28, 29, 33, 34, 56, 61, 73, 93, 138, 485, 600, 606, 645, 684, 687, 719, 726 Thessalisch 291, 565, 566 Thomisten 92 Thron 243, 255, 373, 494, 507, 681, 731 Tiger 261, 513, 677 Titanen 494, 727, 732 Tmesis 550 Todsünde 85, 474, 478–480, 482 Toga 243, 245, 491, 519, 716 Trabea 716 Tragicomoedia/Tragikomödie 122, 131, 543 Tragik/tragisch 131, 134, 137, 144, 149, 151, 155, 159, 170, 712 Tragödie 3, 21, 29, 38, 41, 46, 59, 64, 122–124, 127, 128, 130, 134, 135, 142, 143, 146, 148, 149, 151–153,
865
155, 157–160, 162–164, 166, 179, 183, 207, 442, 444, 449, 453, 460, 506, 507, 518, 534, 536, 547, 593, 618, 631, 665, 689, 695–697, 712 Trikolon 87, 160, 439, 501, 534, 546, 550, 579, 623, 646, 653, 673, 676, 678, 689, 691, 692, 713, 728, 735 Trimeter 150, 160–164, 451, 453, 466, 508, 510, 552 Trismegistus Christianus (Drexel) 133, 135 Triumphus Crucis (Drexel) 29, 529, 704 Triumphzug 141, 263, 491, 501, 541, 714–716 Tschechisch 33 Tyrann/tyrannisch 7, 46, 78, 80, 81, 104, 105, 116, 117, 120, 128, 161, 181, 183, 195, 257, 317, 319, 333, 337, 339, 345, 369, 373, 393, 395, 399, 401, 427, 428, 448, 496, 519, 586, 589, 601, 619, 626, 631, 645, 649, 677, 693, 700, 709, 711 Übersetzung 5, 32, 38, 39, 56, 62, 82, 94, 184, 186, 187, 441, 476, 570, 573, 719 Umgangssprache/umgangssprachlich 127–129, 136, 430, 431, 460, 465, 549, 550, 569, 591, 592, 594, 604, 609, 614, 622, 640, 668, 679, 682, 683, 692, 739 Unierte Kirchen 618 Unterricht 24, 25, 27, 28, 31, 59, 60, 93, 136, 162, 437, 608, 718, 720, 731 Unterwelt 235, 237, 271, 273, 331, 424, 475–477, 514, 527, 542, 543, 560, 575, 627, 653, 667, 708, 715, 716, 725, 732, 733 vanitas/Vergänglichkeit/Eitelkeit 72–74, 138, 149, 152, 155, 156, 174, 175, 329, 397, 412, 414, 415, 478, 582, 583, 598, 600, 631, 680, 684, 687, 715, 734–739 ‚Varusniederlage‘ 652 Vaterland 52, 54, 215, 249, 333 Vaterunser 563
866 | Index rerum
Verführung 53, 58, 68, 73, 74, 85, 97, 117, 121, 137, 234, 235, 237, 238, 452, 470, 472, 474, 480, 482, 483, 485, 488, 489, 496, 547, 575, 577 Verlies siehe Gefängnis/Kerker/Verlies Verrat/Verräter 6, 15, 46, 299, 333, 375, 387, 389, 397, 559, 629, 733, 739 Verstellung 76, 95, 97–99, 105, 107, 108, 111–113, 121, 540, 569, 580 Victoriaaltar 706 Vita Drexelii 24, 25, 32, 492 Vita Basilii 94, 700, 701 Vitae patrum 650 Vulgata 84, 420, 570, 637, 655, 684 Wahrsager 529, 707, 709 Wald 340 Wasser 108, 323, 325, 359, 365, 425, 426, 435, 438, 472, 476, 503, 610, 638, 645 – zeichen 43 Weihnachten 36, 722, 737 Weihrauch 269, 277, 285, 289, 295, 309, 560, 565 – opfer 287, 534, 541 Wein 42, 108, 179, 277, 289, 291, 426, 479, 542, 556, 558, 560, 563, 612, 644
Weiser/weise/sapiens 46, 104, 209, 219, 266, 281, 435, 446, 447, 455, 548, 716, 725 Weisheit/sapientia 8, 52, 66, 72, 85, 117, 118, 205, 207, 209, 221, 233, 239, 245, 257, 267, 281, 407, 415, 435, 482, 488, 506, 596, 725 Werg 413, 734, 737, 738 Willensfreiheit 48, 55, 56, 68, 82, 89–93, 95, 119, 120, 245, 482, 489, 575, 584, 649, 674, 678 Wolf 580, 669, 671 Wortspiel 187, 440, 444, 461, 464, 472, 484, 485, 502, 516, 530, 546, 569, 582, 591, 598, 604, 609, 611, 619, 620, 622, 659, 660, 665, 677, 735, 736 Wüste 437 Zauberei/Zauberer 3, 238, 266, 270, 278, 291, 327, 533, 541, 550, 556, 562, 565, 566, 643, 688 Zehn Gebote 325 Zensor 668 Zeugma/zeugmatisch 520, 522, 659, 722 Ziege 339, 627, 631 Zimmermann 303, 359, 361, 540, 660 Zisterzienser 474