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German Pages 406 Year 2015
Christian Wenger Jenseits der Sterne
Christian Wenger (Dr. rer. pol.) lehrte und promovierte an der Univer-
sität Augsburg und arbeitet heute als Studienleiter in Heidelberg. Seine Arbeitsfelder sind Trendforschung und Innovationsmanagement, Lebensstilforschung und Methodenentwicklung.
(HRISTIAN WENGER
Jenseits der Sterne. Gemeinschaft und Identität in Fankulturen. Zur Konstitution des Star Trek-Fandoms
[transcript]
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©
2006
transcript Verlag, Bielefeld
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ff';~}.. Lektorat & Satz: Christian Wenger Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-600-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www. transcript-verlag. de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: injo@transcript-verlag. de
INHALT Vorwort 1. Einleitung
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2. Leben in der modernen Gesellschaft
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2.1 2.2 2.3 2.4
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Der gesellschaftliche Individualisierungsprozess und seine Folgen Vergemeinschaftung im Kontext gesellschaftlicher Modernisierung Identitätsbildung als interaktiver Passungsprozess Medien als Mittel und Ressource fiir Identitätskonstruktionen und Vergemeinschaftung 2.5 Populärkultur und Medienaneignung 2.6 Medienaneignung in Fankulturen- Forschungsstand und Fragestellung
3. Methodologie und Methoden einer Ethnographie populärer Kultur
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3.1 Das Programm einer ethnographischen Lebensweltanalyse 3.2 Zur Anlage der Untersuchung Der Weg ins Feld- Die Entdeckung des >Unsichtbaren< Strategien der Fallauswahl-SukzessiveAuswahl und Kontrastierung Teilnehmende Beobachtung als Methode und Basisstrategie Narrative Leitfadeninterviews-Methode und Praxis Leitfaden Auswertung- Methodisch kontrolliertes Fremdverstehen als hermeneutische Haltung und Handlung 3.3 Integration qualitativer und quantitativer Verfahren- Auf dem Weg zu einer gegenstandsangemessenen Forschungsstrategie Zur schriftlichen Befragung 3.4 Zur Darstellung der empirischen Ergebnisse Zu den statistischen Angaben
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4. Das STAR TREK-Universum
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4.1 Geschichte und Inhalte von STAR TREK RaumschiffEnterprise- The Original Series (Tos) The Next Generation (TNG) Deep Space Nine (Ds9) RaumschiffVoyager (VOY) 4.2 Die diskursive Rahmung der Serienwelt STAR TREK als technologische Utopie STAR TREK als soziale Utopie STAR TREK als Unterhaltungsformat
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5. Die soziale Welt der STAR TREK-Fans 5.1 Überblick über die Fangemeinde-Ergebnisse der schriftlichen Befragung Soziodemographische Zusammensetzung des Fandoms Rezeption-Vorlieben, Motive und para-soziale Beziehungen Fanaktivitäten Fanidentität und Lebensstil- Freizeitverhalten und Wertvorstellungen 5.2 Das Trekdinnner- »Eigentlich wie ein ganz normaler Stammtisch« Motive für die Teilnahme an Trekdinnem»Einfach der Geselligkeit wegen halt« Die soziale Struktur eines Trekdinners Gespräche über STAR TREK Medienverweise- »Stop, to Kirk around!« Austausch von Neuigkeiten und Informationen Interpretierende Gespräche über STAR TREK»Ja, wie funktioniert das eigentlich?« Klatschgespräche- »Da hat man seinen Bauch aber besonders deutlich gesehen!« 5.3 Clubs und Vereine Lokale Clubs und Vereine Die Vereinsform- »Wir werden >Wersekundäre finanzielle Ökonomie< der Darsteller»Je kleiner die Schauspieler sind, desto interessanter sind meistens die Guestpanels« Die Convention als kommerzielle Veranstaltung»Das gehört auch dazu« 5.6 Fandom Online Das Internet im Kontext der Fankultur Wandel der Kommunikationskultur Neue und alte Formen der Produktivität im Internet Gemeinschaft und Identität im Onlinefandom Einfluss auf die Beziehungen zur Produktionssphäre Fazit: Das Internet als Ort einer alternativen Fankultur
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6. Die soziale Konstruktion des Fandoms
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6.1 Der gesellschaftlich konstruierte Identitätstyp >Fan< Das öffentliche Bild >des Fans< Konstruktion durch mediale Rahmung Strategien der Identitätsbehauptung- die Reaktion der Fans 6.2 Die Konstruktion der Fankultur aus Sicht der Fans Subjektive Relevanz und Einstellungen zum Fandom im Spiegel der Befragungsergebnisse Indikatoren für die Relevanzstruktur des Fandoms Fanaktivitäten und Fanidentität Orientierungsmuster im Fandom Soziales Netzwerk und Fanidentität Zusammenfassung und Einordnung der Ergebnisse Ideologien und Mythen der Fankultur Ideologie und Mythos der Gemeinschaft Ideologie des Selbermachens Distinktion über den Diskurs um Authentizität Der Medientext als kulturelle Ressource Das ambivalente Verhältnis zur Produktionssphäre Fanmythen- Empowerment durch Ko-Orientierung Kritik an der kommerziellen Verwertung 6.3 Die Fankultur im Wandel
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7. Zusammenfassung, Resümee und Ausblick- Auf dem Weg zu einer ••Theorie der Fankultur«
7.1 Die Institutionen der Fankultur 7.2 Potentiale der Identitätsstiftung 7.3 Ideologien und Mythen als Mittel der diskursiven Konstruktion der Fankultur 7.4 Die Fankultur der STAR TREK-Fans im gesellschaftlich-historischen Kontext 7.5 Warum ist STAR Trek so erfolgreich? Versuch einer Verallgemeinerung
323 327 337 346 350 353
7.6 Methodenintegration jenseits methodologischer Voreingenommenheiten Bezugspunkte in der Methodenintegration Probleme und neue Herausforderungen in der Methodenintegration 7.7 Ausblick und Perspektiven flir die weitere Forschung
360 362
Literatur
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Fragebogen
387
357 358
VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2004 an der Wirtschaftswissenschaflichen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Wie die meisten wissenschaftlichen Arbeiten, so hätte auch diese nicht ohne die wertvolle Hilfe und eine Vielzahl von Diskussionen und Anregungen anderer entstehen können. An erster Stelle möchte ich hier meinen beiden Betreuern und Lehrern Prof. Dr. Giegler und Prof. Dr. Haubl danken, die mir bei der Wahl und der Bearbeitung des Themas freie Hand ließen, mich - nicht zuletzt durch ihr Beispiel- auch zu ungewöhnlichen Wegen ermutigten und immer ein offenes Ohr für mich hatten. Mein besonderer Dank gilt natürlich den zahlreichen Fans, die mir als Gesprächs-, Interview- und Diskussionspartner durch ihre hilfsbereite Art erst diese empirische Arbeit ermöglicht haben. Sie sahen in mir glücklicherweise nicht nur den neugierigen Forscher, sondern waren bereit sich offen über ihre Belange mit mir auszutauschen. Insbesondere danke ich dem Fanclub STCE/ ÜSTFC für die Möglichkeit, eine Mitgliederbefragung durchzuführen. Ebenso bin ich allen Kollegen und Kolleginnen zu Dank verpflichtet, die mir mit ihrer Unterstützung und Anregung halfen, so manche Durststrecke zu überwinden. Des Weiteren gilt mein Dank den Diskussionsteilnehmern der Tagungen, bei denen ich die Gelegenheit hatte, Teilergebnisse meiner Forschung zu präsentieren. Undenkbar wäre diese Arbeit ohne den Beitrag meiner Hiwis David und Dominik gewesen, denen ich für ihre geduldige Transkriptions-, Auswertungs- und Formatierungsarbeiten ebenso wie für so manch anregende inhaltliche Diskussion Dank schulde. Danken möchte ich an dieser Stelle auch Martin fürs Scannen und Micha und Jens für ein Dach überm Kopf während der heißen Phase meiner Arbeit. Schließlich bedanke ich mich ganz besonders bei Karin, die die Zumutungen vieler Monate der Fertigstellung dieser Arbeit mit liebevoller Geduld ertragen und mich in jeder nur denkbaren Art unterstützt und über den Berg gebracht hat. Last but not least widme ich dieses Buch meinen Eltern, die mir mein Studium ermöglichten, und auf deren Unterstützung ich jederzeit zählen konnte.
München, im Juli 2006
1.
EINLEITUNG
Erfolgreiche Produkte der Populärkultur sind Teil unseres kulturellen Universums. Es weiß zwar jeder über sie Bescheid, aber wo und wann wir in den Besitz dieses Wissens gekommen sind, ist uns meist nicht mehr bewusst. Ihre kulturelle Bedeutung wird daran deutlich, dass sie Anlass zu einer Vielzahl kultureller und sozialer Praktiken geben, eine Verbindung zwischen ihren Konsumenten herstellen und zu deren Identitätskonstruktionen beitragen. Diese Bedeutung erschließt sich aus einem bestimmten sozialen und historischen Kontext, den diese Produkte zugleich mitprägen. Die Fernsehserie Star Trek ist eines dieser Produkte, dessen Erfolgsgeschichte nunmehr seit annähernd 40 Jahren andauert und nach der ersten Serie aus den 1960er Jahren (>Raumschiff EnterpriseRealität< von Deep Space 9 klar, dass die Hoffnung letztlich doch Früchte trug und die Menschheit in der Zukunft zueinander findet.
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JENSEITS DER STERNE
Die Aneignung populärer Kultur wurde bislang vor allem innerhalb des Cultural Studies-Ansatzes thematisiert. Das Ergebnis dieser theoretischen und empirischen Bemühungen, der Bedeutung populärer Kultur in unserem Alltag nachzuspüren, zeigt, dass Konsum ein aktiver und produktiver Prozess ist, in dem die Konsumenten bisweilen ein großes kreatives Potential entdecken, mit dem sie kommerzielle Produkte flir ihre Zwecke nutzbar machen. Dem >Eigensinn< kultureller und sozialer Praktiken im Umgang mit populärer Kultur sind jedoch deutliche Grenzen gesetzt. Zum einen durch den sozialen Kontext, der die Konsumenten in gesellschaftlich-historische Bedingungen einbindet. Zum anderen durch das ungleiche Machtverhältnis in der Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten. Populäre Kultur zeichnet sich daher ebenso wie die Vergemeinschaftungen und Identitätspolitiken, die in ihrem Kontext stattfinden, durch eine Reihe von Widersprüchen und Ambivalenzen aus, die keine >einfachen< Lösungen mehr zulassen, wie sie traditionelle Institutionen, trotzder damit verbundenen Abhängigkeiten, noch boten. Diese Arbeit geht nun der Frage nach, welche Potentiale und Chancen sowie Grenzen und Probleme Medienfankulturen flir die Konstitution von Gemeinschaft und Identität in der späten Moderne bieten können, und welche Einflussfaktoren einer Fankultur dabei eine Rolle spielen. Dazu wird eingangs ein theoretischer Bezugsrahmen entwickelt, der ausgehend von der These der Individualisierung unserer Gesellschaft, die spezifischen Bedingungen neuer, posttraditionaler Vergemeinschaftungsformen sowie die Prozesse und Konstruktionen der Identitätsarbeit in der modernen Welt herausarbeitet. Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang der Rolle der Medien. Anschließend werden die Konzeptualisierung der Medienaneignung im Rahmen des Cultural-Studies-Ansatz diskutiert und die Ergebnisse bislang vorliegender Aneignungsstudien vorgestellt (Kap. 2). Die aus diesem Problemzusammenhang formulierten Leitfragen stecken den Bezugsrahmen flir die empirische Analyse der Fankultur der STAR TREKFans ab, die im Hauptteil dieser Arbeit referiert wird. Hierzu wird zu Beginn ein Überblick über die Inhalte und die historische Entwicklung von STAR TREK gegeben, und die zentralen Diskurse der Serienwelt nachgezeichnet (Kap. 4). Im Mittelpunkt der folgenden Analyse der kleinen sozialen Lebenswelt der Fans steht die Rekonstruktion der Sinnstrukturen dieser Fankultur. Dieses Ziel kann am besten über eine Methodenkombination erreicht werden, in deren Kern eine ethnographische Forschungsstrategie steht, die zudem mit einer schriftlichen Umfrage >trianguliert< wurde (Kap. 3). Dabei erfolgt zunächst eine deskriptiv-rekonstruktive Darstellung der verschiedenen Praktiken und Interaktionszusammenhänge der Sozialen Welt der Fans, in der gezeigt werden soll, wie und in welchen Kontexten STAR TREK-Fans welche Bedeutungen herstellen (Kap. 5). In einem zweiten Schritt werden diese Strukturen dann in ihrem gesellschaftlichen Kontext untersucht, wobei der eingangs explizierte theoretische Bezugsrahmen stärker zum Tragen kommt (Kap. 6). Es wird herausgearbeitet, welchen Einfluss der gesellschaftliche Kontext auf die Bedeutungen und Praktiken der Fans hat, welche Spannungsverhältnisse sich dabei ausmachen lassen und wie diese innerhalb der Fankultur verarbeitet werden. Eine entscheidende Rolle spielen dabei sowohl das Medienangebot als kulturelle Ressource, als auch eine Reihe von Ideologien und Mythen, die innerhalb der Fankultur diskursiv verhandelt werden.
EINLEITUNG
I9
Im Resümee dieser Studie wird deutlich, dass eine Fankultur ebenso wie die kulturelle Bedeutung populärer Texte das Ergebnis eines diskursiven und sozialen Konstruktionsprozesses sind, der im Kontext einer sozia-historischen Bedingungskonstellation aus äußeren (Beschaffenheit und Vertligbarkeit des Angebots, gesellschaftliche Wahrnehmung und Strategien der Produktionssphäre) und inneren Einflüssen (Verhältnis kultureller und sozialer Praxis) lokalisiert ist. Der Erfolg einer Fankultur lässt sich letztlich daran bemessen, inwieweit sie ein breites Spektrum an Partizipationsmöglichkeiten und unterschiedlichen Graden der Selbstverpflichtung eröffnet und eine mehr oder weniger institutionalisierte Lösung flir die individuellen und kollektiven Problemstellungen der späten Moderne liefert. Damit besitzen Fankulturen nicht nur eine Bedeutung flir den einzelnen Fan, ihnen kommt darüber hinaus auch eine gesellschaftliche Funktion zu.
2.
LEBEN IN DER MODERNEN GESELLSCHAFT
Versuche, das Leben in der heutigen modernen Gesellschaft zu beschreiben, sahen sich in den vergangeneu Jahrzehnten mit einer zunehmenden Differenzierung sozialer Strukturen und einer Vielzahl an neuen sozialen Ungleichheiten konfrontiert. Die Rede ist wahlweise von einer spät-, post- oder reflexiven Moderne, deren gemeinsamer Nenner in ganz unterschiedlichen Begriffsfindungen mündete, die von der Risiko- (Beck 1986) über die Multioptionen- (Gross 1994) bis hin zu einer Erlebnisgesellschaft (Schulze 1996) reichen. Ein wesentlicher Aspekt ist diesen Diagnosen allerdings gemein. Sie gehen mehr oder weniger explizit von einem gesellschaftlichen Wandel aus, der seit dem Ende des zweiten Weltkriegs infolge einer ganzen Reihe sozialstruktureller Veränderungen in den westlichen Industrienationen eine neue Qualität, Relevanz und Dynamik entfaltet, sich sowohl auf individueller, als auch auf kollektiver Ebene nachdrücklich bemerkbar macht, und sich in einem neuen Verhältnis von Individuum und Gesellschaft äußert. 1 Dieser Wandel wird insbesondere unter dem Begriff der »Individualisierung« diskutiert.
2.1
Der gesellschaftliche Individualisierungsprozess und seine Folgen
Die wohl bekannteste und einflussreichste neuere Konzeptualisierung findet sich bei Ulrich Beck, der den Individualisierungsprozess anhand von drei Dimensionen- Freisetzungs-, Entzauberungs- und Reintegrations- bzw. Kontroll-Dimension- beschreibt (Beck 1986). In einer Gesellschaft »jenseits von Klasse und Stand« (Beck 1983), so seine These, spielt die soziale Herkunft des Einzelnen eine immer geringere Rolle für die individuelle Lebensgestaltung (»Freisetzungsdimension« [Beck 1986: 206]). 2 Grundlage für diese Entwicklung ist ein kollektives Mehr an
2
Um einer begrifflichen Verwirrung zuvorzukommen, wird in der anschließenden Darstellung vorwiegend von einer »späten Modeme« die Rede sein. Obwohl mit der Konzentration auf die dialektische Verschränkung von Aus- und Wiedereinbettung (vgl. Giddens 1991) noch am ehesten Bezug auf die Idee einer »reflexiven Moderne« (vgl. Beck 1986; Beck/Giddens!Lash 1996) genommen wird, in der die Folgen der Modernisierung sich selbst begegnen, soll dieser Begriffnicht im Vordergrund stehen, da sein Bedeutungshorizont nur ausschnittsweise in dieser Arbeit zum Tragen kommt. Mit der »späten Moderne« sind dagegen in erster Linie die in einem bestimmten Zeithorizont für unseren Zusammenhang relevanten Dimensionen des gesellschaftlich-historischen Kontextes der Individualisierung angesprochen. Sofern andere Begriffe der Moderne Verwendung finden, entstammen sie dem Kontext der jeweils referierten Autoren. Obwohl der Individualisierungsprozess oft als >neu< bezeichnet wird, geht erbereits auf die Säkularisierung der christlichen Weltordnung im europäischen Hochmittelalter (vom Ende des II. Jhd. bis ins 17. Jhd. hinein) zurück, wo insbesondere die Reformation den Menschen metaphysisch verunsichert und vereinsamt hat. Ebenso zieht sich dieses Thema bereits durch die Werke der sozio-
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Einkommen, Bildung, (geographischer und sozialer) Mobilität, Recht (was soziale Absicherung bedeutet) und Massenkonsum. Der einzelne wird dadurch aus traditionellen Klassen- und Schichtstrukturen und den damit verbundenen Gesellungsformen und Versorgungszusammenhängen (z.B. der Familie, Kirchengemeinde, Vereinen oder der Nachbarschaft) herausgelöst. In dem Maße, in dem die herkömmlichen hierarchisch gegliederten und ldassenkulturell geprägten Sozialmilieus an lebenspraktischer Relevanz verlieren, treten zunehmend ungleiche Konsumstile auf der Basis eines vergleichsweise hohen materiellen Lebensstandards und Freizeitbudgets an ihre Stelle. Vermittelten vormals noch kleine, territorial begrenzte Gemeinschaften, das Gefühl, einen festen Platz in der Gesellschaft zu haben und sich dort auch zu Hause zu fühlen, so werden im Zuge des Individualisierungsprozesses immer mehr Lebensbereiche entscheidungsoffen, so dass soziale Bezüge und daraus folgend die eigene Identität selbst herzustellen sind. »Der oder die einzelne selbst wird zur lebensweltlichen Reproduktionseinheit des Sozialen« (Beck 1986: 119). Indikatoren für diese subjektzentrierte Lebensführung sind - um nur einige in diesem Zusammenhang interessierende zu nennen - eine abnehmende Klassen- und Schichtorientierung, die Zunahme individueller Lebensentwürfe, eine Sinnverlagerung aus der beruflichen in die Privatsphäre, eine Ästhetisierung der Lebensführung, vermehrte Bezugsgruppenorientierung bei der Lebensstilwahl und der Verlust von bzw. Verzicht auf dauerhafte normative Bindungen. Diese >Freizur Freiheit verurteiltes< Leben« (Hitzler/Honer 1994: 307; Hervorhebung im Original). 3 Die Chance, aus der Vielzahl von angebotenen Alternativen wählen zu können, bringt zugleich immer einen Zwang zur Wahl mit sich, denn viele Lebensformen werden angeboten, doch nur wenige sind im Laufe eines Lebens wählbar. 4 Dem Anspruch an ein eigenes Leben steht der Zwang zur Selbstbestimmung gegenüber.
3 4
logischen Klassiker (Beck selbst bezieht sich aufMarx und Weber [Beck 1986: 130-139]). >Neu< ist also letztlich, dass dieser Prozess in der hier beschriebenen Form ein »historisch einmaliges Ausmaß erreicht« (Hitzler/Honer 1994: 308), das sich vor allem in der Massenhaftigkeit der Freisetzung vieler Einzelner äußert (vgl. Hitzier 1998: 82). Beck und Beck-Gernsheim wählen für ein von ihnen zu diesem Thema herausgegebenes Buch bezeichnenderweise den Titel »Riskante Freiheiten« (Beck/ Beck-Gernsheim 1994). Diese Optionsvermehrung ist tendenziell zu verstehen. Auch heute gibt es noch zahlreiche (materielle und institutionelle) Schranken, die einer freien Wahl entgegenstehen. Beck spricht in diesem Zusammenhang von einem »Fahrstuhleffekt« (Beck 1986: 122). Er versucht damit der Tatsache Rechnung zu tragen, dass soziale Ungleichheiten heutzutage nicht verschwunden sind, sondern sich nur in ihrer Bedeutung gewandelt haben, weil sie angesichts eines kollektiv gewachsenen Wohlstand mehr und mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein entschwinden.
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Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Befreiung aus den alten Sozialformen und -bindungen zugleich den Verlust traditioneller Sicherheiten in Form handlungsleitender Werte und Normen mit sich bringt (»Entzauberungsdimension« [Beck 1986: 206]). D.h. man kann zwar sein Leben mehr denn je selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten. Zugleich muss aber auch zwischen den sich vermehrenden Alternativen gewählt werden, wobei die Kriterien für die >richtige< Wahl immer unklarer werden und dem Einzelnen überlassen bleiben, der sich darüber hinaus flir die Folgen seiner Entscheidungen selbst verantwmilich sieht. Die Lebensflihrung in der modernen Gesellschaft ist heutzutage also typischerweise hochgradig individualisiert. In der sozialen Struktur schlägt sich dies in einer fortschreitenden Diversifizierung und Pluralisierung von Lebenslagen und Lebensstilen nieder. Ohne eine personen- und situationsübergreifende Sinnstiftung, ohne eine alle Lebensbereiche umfassende kulturelle Dauerorientierung also, ist der moderne Mensch nicht nur Mitglied einer Kultur und einer Gemeinschaft. Er findet sich wieder in einer zersplitterten Lebenswelt, verstrickt in eine Vielzahl disparater Beziehungen und konfrontiert mit heterogenen Orientierungen und Teilkulturen mit je unterschiedlichen Relevanzstrukturen, Handlungs- und Deutungsmustern. Sinngebung wird zur Privatangelegenheit des solchermaßen sozial exkludierten Individuums, die es dem einzelnen zur Aufgabe macht, aus der Partizipation an verschiedenen >single purpose communities< eine subjektiv sinnhafte Collage zu fertigen. Es gilt, die unterschiedlichen Sinnprovinzen, die jeweils nur einen begrenzten Ausschnitt der individuellen Erfahrungswelt ausmachen und die nur über eine begrenzte und vorübergehende Gültigkeit verfügen, so zu amalgamieren, dass sie individuell als ein geordnetes SinnGanzes erscheinen. Die symptomatische Daseinsform des modernen Individuums ist die einer Bezugsgruppenorientierung, die es zu einer andauernden Suche nach einer mentalen und emotionalen Heimat zwingt (vgl. Hitzier 1998: 82). Dieser Individualisierungsprozess führt letztlich aber nicht zu einer Auf· Iösung sozialer Strukturen in eine atomisietie Masse vereinzelter Individuen, 5 er wird vielmehr von einem parallelen Prozess der Wiedereinbettung begleitet (»Reintegrationsdimension«; Beck 1986: 209f), der allerdings unter anderen Bedingungen geschieht wie in traditionellen Gemeinschaften. Die Ausdifferenzierung von Individuallagen geht mit einer hochgradigen Standardisierung einher (Beck 1986: 21 0). Generalisierte Medien - Märkte, Recht, Geld, Bildung etc. -, die den Individualisierungsprozess vorantreiben, vermitteln eine systemische Einbindung, die »durch und durch (arbeits) marktabhängig« (ebd.) ist. Sinnstiftende Angebote sind damit jedoch nicht aus der Welt verschwunden. Sie existieren fort in Form zahlreicher Sinnangebote, die von mehr oder weniger professionellen »Sinnlieferanten mit begrenzter Reichweite und Haftung« (Hitzler/Honer 1994: 309) an allen realen, virtuellen und immer häufiger auch translokalen >Ürten< und rund um die Uhr bereit gestellt werden. Diese Sinnvorgaben sind jedoch von der individuellen und kollektiven Lebenspraxis im Vergleich zu den vorgängigen, das Dasein überwölbenden und verbindlichen Dauerorientierungen weitgehend entkoppelt. Subjektiver Sinn muss also nicht erfunden oder gänzlich neu kreiert 5
Zu diesem »Missverständnis« der Individualisierungsthese vgl. Gebhardt 1999: 168.
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werden. Die Schwierigkeit für den einzelnen besteht vielmehr darin, aus der Vielzahl an standardisierten und generalisierten Angeboten diejenigen auszuwählen, mit denen es gelingt, einen Bezug zur eigenen Lebenssituation herstellen zu können. Diese institutionell standardisierten Sinnvorgaben kennzeichnen jedoch nicht nur die Sphäre Öffentlichkeit, sie reichen bis ins Private hinein. Die Individuallagen werden institutionenabhängig und dadurch einer indirekten Kontrolle unterworfen. »Die freigesetzten Individuen werden arbeitsmarktabhängig und deshalb bildungsabhä.ngig, konsumabhä.ngig, abhängig von sozialrechtlichen Regelungen und Versorgungen, von Verkehrsplanungen, Konsum angeboten« (Beck 1986: 21 0; Hervorhebung im Original). An die Stelle direkter Abhängigkeiten wie sie für traditionelle Sozialformen (z.B. Klasse, Kleinfamilie, kleine Betriebe) galten, »treten sekundäre lnstanzen und Institutionen, die den Lebenslauf des einzelnen prägen und ihn gegenläufig zu der individuellen Verfügung, die sich als Bewusstseinsform durchsetzt, zum Spielball von Moden, Verhältnissen, Konjunkturen und Markten machen« (Beck 1986: 211 ). Die neuen Steuerungsmechanismen sind also insgesamt indirekter und vielfältiger vermittelt und daher letztlich weniger einsichtig und nachvollziehbar. Auf individueller Ebene besteht das Problem vor allen Dingen in der wachsenden Komplexität der Lebensbedingungen, die in weiten Teilen der Kontingenz von Wahlentscheidungen angesichts eines unüberschaubaren Angebots an Alternativen geschuldet ist. Das individualisierte Individuum ist dabei zunehmend auf sich selbst zurück geworfen. Als Konsequenz der Pluralisierung der Weltzugange und Lebensstile, der Erosion traditionell festgefügter Werte sowie der Unübersichtlichkeit von Handlungsfolgen in komplexen Gesellschaften zeichnet sich ein » Wirklichkeitsverlust des Sozialen« (Helsper 1991: 76) ab, so dass letztlich nur noch der Selbstbezug, d.h. der Rückgriff auf die >eigenen und echten< Geilihle als verlässlicher Kompass im Dickicht multipler Optionen zu gelten scheinen. Damit rückt zunehmend die Frage »Was gefällt mir?« als Standardproblem des Lebensvollzugs in den Vordergrund. Vor dem Hintergrund vervielfachter Möglichkeiten infolge eines weit verbreiteten Wohlstands 6 ist nicht mehr die Situation, in der man sich befindet, entscheidend, sondern die individuelle Wahrnehmung der Situation. Das heißt, man beurteilt seine Umwelt vermehrt nach ihrer Erlebnisqualität und versucht, Ereignisse herbeizuführen, die für einen selbst als angenehm und sinnvoll empfunden werden (vgl. Schulze 1996). Dies hat eine zunehmende »Ästhetisierung des Alltagslebens« (Schulze 1996: 33-91) zur Folge. Die Betrachtung der eigenen Umgebung im Hinblick auf >schöne Erlebnisse< beschrankt sich nicht nur auf eine intensivere Selbstreflexion, sondern betrifft auch den Blick auf die anderen, der durch eine »Intimisierung der Wahrnehmung« (Sennet 1983) geprägt ist. Das soziale Gegenüber wird als mögliche Quelle des Genusses betrachtet und als Antwort auf die Frage »Wer gehört zu meinem Publikum?« (situationsspezifisch) ausgewählt. Der kulturelle Code, der hier wirkt, ist der »Imperativ der Selbstverwirklichung« (Heitmeyer/Olk 1990: 29).
6
Schulze spricht hier von einer »Wohlstandsgesellschaft« im Gegensatz zur früher vorherrschenden »Annutsgesellschaft« (ebd. 1996: S.55). Damit einher geht eine Verlagerung von einer >Überlebensorientierung< hin zu einer >ErlebnisorientierungOutfit< oder durch bestimmte (subkulturelle) Selbststilisierungen, läuft regelmäßig Gefahr, erst recht in den Vollzug einer >Standardexistenz< bzw. einer >Standardidentität< (z.B. >des< Skinheads, >des< Rockers etc.) zu münden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Routinisierung und Standardisierung von >Identitätszuschreibungen< durch massenhaft produzierte Konsumartikel, die der Abgrenzung gegenüber anderen und der Demonstration eines besonderen Lebensstils dienen sollen« (Heitmeyer/Olk 1990: 21 ). Diese Verunsicherung sorgt fiir einen Orientierungsbedarf und weckt das Bedürfnis nach kollektiven Vorgaben, die eine verlässliche und damit entlastende Antwort auf die Frage »Was will ich eigentlich?narzisstischen Persönlichkeit< (Lasch 1980) bis hin zum >Terror der Intimität< (Sennett 1987).
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Bewusstsein spiegeln, im Zuge einer fortschreitenden Globalisierung ebenfalls immer weniger Prägekraft auszuüben in der Lage sind (vgl. Beck/BeckGernsheim 1994: 34t). Damit rücken neue Vergemeinschaftungsformen ins Blickfeld, die in den Lücken entstehen, wo sich die herkömmlichen Sozialisationsagenturen zu weit von den lebensweltlichen Erfahrungen der Menschen entfernt haben. Welche neuen Erfahrungsräume tun sich nun vor diesem Hintergrund auf, d.h. wie - mit welchen Mitteln und auf welche Art? - und auf welcher Ebene - lokal oder translokal? - erfolgt die Reintegration? Damit untrennbar verbunden ist die Frage, welche Konsequenzen dies für die daran teilhabenden Individuen hat. Denn: »Lebenswelt, Kultur und Alltag sind in doppelter Weise mit Gesellschaft verwoben. Einerseits sind in ihnen gesellschaftliche Strukturen repräsentiert, andererseits strukturieren sie als Mikrowelten des subjektiven Erlebens von Welt über die Handlungen der Subjekte die Makrowelt Gesellschaft mit« (Mikos 1992: 540).s
Gleichzeitig muss dabei berücksichtigt werden, dass die alltägliche Lebenswelt des modernen Menschen aus einer Vielzahl kleiner sozialer (Zweck-) Welten besteht (vgl. Shibutani 1955; Luckmann 1978; Honer 1993), die alle nur eine »Teilzeitperspektive im Insgesamt subjektiver Welterfahrung« (Honer 1993: 30) darstellen. Das, was man in den einzelnen kleinen Lebenswelten an Gestaltungsfreiheit gewinnt, geht auf der anderen Seite durch deren beschränkte Reichweite wieder verloren. Das moderne Individuum steht also vor der schwierigen Aufgabe, I. unterschiedliche Bezugsgruppenorientierungen subjektiv sinnhaft zu integrieren, 2. die Grundlagen für eine dauerhafte Zugehörigkeit zu Gemeinschaften zu schaffen, die als eine Art »Heimathafen« (Honer 1993: 31) einen übergreifenden Sinn vermitteln, und sich 3. dabei kollektiv mit anderen potentiellen Gleichgesinnten so weit zu an·angieren, dass eine hinlängliche verbindliche normative Reichweite der gemeinsam geteilten Deutungsmuster entsteht. Beck vertritt hier eine eher pessimistische Perspektive und gesteht dem individualisierten Individuum nur noch ein Restpotential an Selbstbestimmung zu, wenn er feststellt, dass »Entscheidungen und damit zusammenhängende Verantwortungen vom Individuum übernommen werden müssen, während es die Verantwortung dafür eigentlich nicht tragen kann, weil es die Tragweite angesichtsder zunehmenden Verflechtungen nicht überblicken kann« (Krotz 2001: 251). Zur Hauptaufgabe des modernen Individuums wird die Lösung von Systemwidersprüchen, die es weder vertreten noch wirklich lösen, sondern bestenfalls subjektiv und zumindest zeitweise stimmig >zurecht basteln< kann (vgl. Hitzier 1994). Individualisierung begegnet dem einzelnen in dieser Perspektive daher vor allem als gesellschaftlicher Druck zur Übernahme institutioneller Vorgaben. Damit stellt sich die Frage, ob den Menschen wirk8
Diese Annahme bezüglich der Konstitution gesellschaftlicher Wirklichkeit geht auf Berger und Luckmann ( 1969) zurück: »Gesellschaft ist ein menschliches Produkt. Gesellschaft ist eine objektive Wirklichkeit. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Produkt.« (Berger!Luckmann 1969: 65)
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lieh nichts anders übrig bleibt, als sich diesem Druck zu beugen und sich auf die in Aussicht gestellten Wahlmöglichkeiten zurück zu ziehen, oder ob sie nicht doch zusätzlich eigene Strategien und Gestaltungspotentiale entwickeln können. Diese Fragen sollen im folgenden am Beispiel der Fankultur, die sich um das medial vermittelte populärkulturelle Angebot STAR TREK konstituiert hat, diskutiert werden. Fankulturen bieten sich für diesen Zweck an, weil an ihnen vor dem bisher skizzierten Hintergrund exemplarisch eine ganze Reihe von Problemen deutlich wird: • Fangemeinschaften sind selbstgestaltete kulturelle Bereiche, denen man freiwillig angehört. Dies eröffnet den Mitgliedern zahlreiche Möglichkeiten zur individuellen Selbstbestimmung jenseits traditioneller Sozialzusammenhänge. • Sie können als »kleine soziale Lebenswelten« (Luckmann 1970) ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer größeren Gemeinschaft vermitteln und damit die Funktion einer Wahlheimat erfüllen. • Die soziale und kulturelle Praxis einer Fankultur ist in der Regel auf den engen Bereich dieser Lebenswelt begrenzt. Dies verweist exemplarisch auf das existentielle Problem moderner Individuen, die dazu gezwungen sind, zwischen verschiedenen Lebensbereichen hin- und herzuwechseln, und die dabei oftmals auftretenden konfliktären Situationen subjektiv stimmig zu lösen. • Populärkulturelle Gemeinschaften sind de-territorial. Damit ist ein typisches Phänomen individualisierter Gesellschaften angesprochen: traditionelle Sozialstrukturen, die vor allem lokalen Charakter besaßen, verlieren zunehmend gegenüber translokalen Lebenszusammenhängen an lebenspraktischer Bedeutung. Dies stellt sowohl die translokalen Gemeinschaften, als auch die einzelnen Mitglieder vor das Problem, ganz unterschiedliche Niveaus und Formen der Teilhabe integrieren zu müssen. • Populärkulturelle Gemeinschaften konstituieren sich um und durch kommerzielle Produkte. Damit ist die von Beck postulierte Marktabhängigkeit diesen Kulturen existentiell eingeschrieben, weshalb die damit verbundenen Probleme auch vermehti und besonders deutlich zu Tage treten. • Schließlich erlaubt dieser Untersuchungsgegenstand eine eingehendere Reflexion der Rolle, die Medien in der heutigen Gesellschaft sowohl flir die Konstitution von Gemeinschaften, als auch flir deren einzelne Mitglieder spielen. Das Potential der Medien besteht zum einen darin, kulturelle Ressourcen für die Konstruktion von Identität in kommunikativen Beziehungen bereit zu stellen, zum anderen tragen sie als Kommunikationskanäle wesentlich zur Vermittlung sozialer Beziehungen und damit der Konstitution de-territorialer Gemeinschaften bei. In den folgenden Kapiteln soll nun ausgehend von dem gesellschaftlichen Hintergrund der Individualisierung ein theoretischer Bezugsrahmen flir die empirische Analyse entwickelt werden. Die Eckpfeiler erschließen sich entlang der folgenden Fragestellungen, die in den folgenden Kapiteln weiter ausformuliert und schließlich auf den Untersuchungsgegenstand der Medienfankultur der STAR TREK-Fans zugeschnitten wird: • In individualisierten Gesellschaften kommt der Suche nach Zugehörigkeit, nach einer emotionalen und mentalen Heimat, eine besondere Be-
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deutung zu. Wie wird unter diesen Bedingungen Gemeinschaft vermittelt und konstituiert? Wie gestaltet sich also der Modus der Wiedervergemeinschaftung, und wie (weit) kann dieser das Problem der Verlässlichkeit und Sicherheit sozialer Strukturen lösen? Wie gestaltet sich im Rahmen einer strukturell auferlegten subjektzentrietien Lebensführung Identität? Dies betrifft zum einen die Frage personaler Identität, wo es vor allem um die Möglichkeiten und Bedingungen einer kohärenten Selbsterfahrung geht. Zum anderen ist Identität kein sozial isolierter Vorgang, sondern wird in der Interaktion mit anderen erfahren. Soziale Identität wird in der dialektischen Beziehung zu Gemeinschaften, denen man sich zugehörig fühlt, entwickelt. Welchen Beitrag zur Identitätsstiftung können neue Formen der Vergemeinschaftung dazu liefern? Der Rolle der Medien in dem als Individualisierung gekennzeichneten Prozess sozialen Wandels wurde bislang noch relativ wenig Beachtung geschenkt. Krotz weist in seinem Versuch, einen gesamtgesellschaftlichen Metaprozess der »Mediatisierung kommunikativen Handelns« (Krotz 2001) zu rekonstruieren, darauf hin, dass den Medien in Zukunft eine immer größere Bedeutung zukommen wird, »denn ohne Kommunikationsmittel kann Gesellschaft, wenn sie nicht mehr Gemeinschaft ist, nicht funktionieren« (ebd.: 213). Dies gilt umso mehr für die hier zur Diskussion stehenden Fangemeinschaften. Für diese sind Medien Bezugspunkt, kulturelle Ressource, Kommunikationsanlass und -mittel. Die Grundlage populärkultureller Gemeinschaften sind kulturindustriell produzierte, standardisierte Identitätsangebote. Welche Konsequenzen lassen sich daraus für die Kultur dieser Gemeinschaften ableiten? Wie gestaltet sich das Spannungsfeld zwischen den unterschiedlichen Interessen der Sphären von Produktion und Konsumtion? Welche Aneignungspraktiken werden in Fankulturen vor dem Hintergrund dieses Verhältnisses entwickelt und wie werden sie kulturell, d.h. durch typische W ertvorstellungen, Institutionen, Ideologien abgesichert und reproduziert? W eiehe Möglichkeiten zu einem aktiven, produktiven und selbst bestimmten Umgang mit Medien und Waren eröffnen Fankulturen in einer Situation der Markt- und Institutionenabhängigkeit? Welche individuellen und kollektiven Chancen für die eigenverantwortliche Selbstgestaltung von Handlungspotentialen und die interaktive Absicherung eigener Lebensperspektiven bieten populärkulturelle Gemeinschaften?
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2. 2 Vergemei nschaftu ng im Kontext gese llsc h aft I i eher Mode rni si eru ng Im Zuge der Debatte um den gesellschaftlichen Individualisierungsschub wurden zahlreiche Versuche unternommen, sogenannte neue Vergemeinschaftungsformen begrifflich zu fassen. 9 Die verschiedenen Ansätze unterscheiden sich in ihrem Fokus und der Betonung unterschiedlicher Fragestellungen, stimmen jedoch darin überein, dass sich parallel zu einer massenhaften Ausbettung aus traditionalen sozialen Strukturen ein Prozess der Wiedereinbettungvollzieht (vgl. Giddens 1991; Beck 1986; Beck/Beck-Gemsheim 1994; Hitzier 1998). Statt einer häufig unterstellten Auflösung sozialer Strukturen, ist vielmehr eine Ablösung gemeint, die in sich bereits die Bedingungen für neue Formen der Sozialbindung und der Sozialintegration trägt. Neue Formen der Vergemeinschaftung werden demnach als Antwort auf die Fragen nach Verlässlichkeit und Sicherheit angesichts der massenhaften >Ausbettung< aus vormals geltenden Selbstverständlichkeiten gehandelt. Allerdings vollzieht sich diese soziale >Wieder-Einbettung< unter anderen Bedingungen als bei natürlich gewachsenen bzw. eingelebten Gemeinschaften. Einen der ersten Versuche, diese neuen Vergemeinschaftungen auf einen Begriff zu bringen, stammt von Maffesoli (1988/1996), der den Begriff der »Neo-Tribes« prägte. Damit beschrieb er die Entstehung von Mikro-Gruppen innerhalb moderner Massengesellschaften, die sich in Folge eines sozialen Wandels konstituieren, als dessen Resultat eine vor allem durch Konsum, technologische Entwicklungen und die Bilderwelt der Medien gekennzeichnete flüchtige Sozialität entsteht. Diese äußert sich in oberflächlichen, unverbindlichen und unbeständigen Beziehungen und ist insbesondere in den urbanen Megalopolen zu finden. Dadurch, so seine Argumentation, macht sich eine tribalistische Grundstimmung (»tribal ambiance« (Maffesoli 1988: 143) bemerkbar, aus der ein Bedürfnis nach neuen Formen der Kollektivität entspringt, die den veränderten Bedingungen des Lebens in der Postmoderne gerecht werden. Diese neuen Stämme konstituieren sich jenseits traditioneller Klassengrenzen und gewachsener Gemeinsamkeiten, wodurch sie sich auch wesentlich von frühen Formen der Stammeskultur in der Antike oder in oralen Kulturen unterscheiden. 10 9
Der Begriff der Gemeinschaft besitzt eine lange Tradition, die ihren Ausgangspunkt bei der Unterscheidung von »Gemeinschaft« und »Gesellschaft« durch Tönnies (1926) nimmt. Tönnies verwendet den BegritT der Gemeinschaft als kritisches Instrument, um den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer zweckorientierten Gesellschaft zu fassen. Der BegritT der Gemeinschaft hat bis heute eine vielfaltige Rezeption erfahren, die an dieser Stelle nicht im einzelnen nachvollzogen wird, da für den vorliegenden Zusammenhang nur ein bestimmter Vergemeinschaftungstyp, wie er sich unter den Bedingungen individualisierter Gesellschaften konstituiert, relevant ist. 10 Insofern kann man auch von einer »posttraditionalen Vergemeinschaftung« (Hitzler I 998) sprechen. Hitzier entwickelt diesen Begriff analog zu den bisherigen Überlegungen von MatTesoli und Bauman. Er bringt jedoch den Vorteil mit sich, einen gegenüber dem engeren Stammes-Begriff allgemeineren Bezugspunkt für den neuen Modus der Vergemeinschaftung zu schaffen. Aus diesem Grund wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit dieser BegritT verwendet.
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»In etiect, [... ] we are dealing less with aggregating into a group, a family, or a community, and more with zipping rrom one group to another. This is what can create the impression of an atomisation, and also wrongly gives rise to talk ofnarcissism. In fact, contrary to the stability induced by classic tribalism, neo-tribalism is characterised by fluidity, by punctuated gathering and scattering« (Maffesoli 1988: 147f).
Im Gegensatz dazu existieren in der offenen »culture area« (Shibutani 1955: 566) eines Neo-Tribes weder territoriale Grenzen noch verfiigen sie über stabile Ein- und Ausschlusskriterien oder soziale Institutionen, die über die legitimierte Autorität verfUgen, Mitgliedschaften formal zu regeln und durchzusetzen. Die Mitgliedschaft ist typischerweise vorübergehend, unverbindlich und kann daher jederzeit gekündigt werden. Die sozialen Strukturen der NeoTribes sind daher auch nicht von vorn herein auf ein langfristiges Fortbestehen hin angelegt. Neo-Tribes haben kein Zentrum und keine Peripherie. Als >fluide< Sozialformen verfUgen sie über keine Organisationsstruktur, sondern höchstens über mehr oder weniger verbindlich gewordene, veralltäglichte Routinen (Maffesoli 1988: 146). Im Gegensatz zu den mechanischen Strukturen moderner Gesellschaften, die das Individuum funktional integrieren, verfügen die Stämme der Postmoderne über eine komplexe organische Struktur, an der Personen über situative Rollen teilhaben (vgl. Maffesoli 1996: 6). An die Stelle einer rationalen Vergesellschaftung tritt eine empathische Sozialität, die sich durch die Indifferenz ihrer Mitglieder auszeichnet (Maffesoli 1988: 145). Die typischen Vergemeinschaftungsformen der späten Moderne sind fragile, translokale Gebilde, die ihr Bestehen der individuellen Wahlentscheidung und Selbstidentifikation ihrer Angehörigen verdanken (vgl. MatTesoli 1996: 86ft). Es handelt sich um imaginäre Gebilde derer, die sich auf sie beziehen. Zygmunt Bauman spricht daher auch von »vorgestellten Gemeinschaften« 11 , deren »Glaube an ihre Existenz [... ] ihr einziges Baumaterial, und die Behauptung, sie seien wichtig, die einzige Quelle ihrer Autorität« (Bauman 1995a: 19) ist. Ihr Gewalt- und Normierungspotential geht nur soweit, wie es vom je einzelnen Mitglied (situativ) zugebilligt wird und sich der einzelne selbst zur Einhaltung verpflichtet fiihlt. Sie besteht aufgrund des Bekenntnisses zur Gemeinschaft und der Anerkennung ihrer Autorität auf einem bestimmten thematisch fokussierten Gebiet. Die Freiwilligkeit der jederzeit einseitig aufl(ündbaren Mitgliedschaft macht die Gemeinschaft abhängig von der emotionalen Hingabe ihrer Mitglieder, aus der sie ihre Stärke bezieht. Ihre Macht liegt nicht in der Möglichkeit, Zwang auszuüben, sondern in der Vertlihrungskraft, die in dem intensiven Erlebnis eines Gefühls von Gemeinschaft und Intimität gründet (vgl. Mattesoli 1996: 77). Die sozialintegrative Wirkung des Vergemeinschaftungsprozesses vollzieht sich demnach auf der Basis der aftektiv-empathischen Teilhabe an einer »emotional community« (Maffesoli 1996: 9ff) als ein >Gefiihl< des Dazu-Gehörens (Maffesoli 1996: 139).
II Diesen Begriff entlehnt Bauman bei Benedict Anderson (1988) und führt ihn in Anlehnung an Maffesolis »Neo-Tribes« weiter aus.
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»Was der vorgestellten Gemeinschaft an Stabilität und institutionalisierter Kontinuität fehlt, wird mehr als aufgewogen durch die überwältigende emotionale Hingabe ihrer selbsternannten >Mitgliedertribes< we are considering may have a goal, may have finality; but this is not essential; what is important is the energy expended on constituting the group as such« (Maffesoli 1996: 96; Hervorhebungen im Original). Posttraditionale Gemeinschaften verfügen daher meist über eine starke expressive Dimension, anhand derer sich Zugehörigkeitsbestrebungen und -entscheidungen ablesen lassen. Auf diesen Aspekt bezieht sich Hitzler, der ein besonderes Merkmal posttraditionaler Gemeinschaften darin sieht, dass man sich »sozusagen ästhetisch und prinzipiell vorläufig für die Mitgliedschaft entscheidet und[ ... ] dass man auch dafür bezahlt« (Hitzler 1998: 86; Hervorhebungen im Original). Er rückt damit den Konsum als strukturelles Merkmal in den Vordergrund dieser Vergemeinschaftungsform. 13 Das Wir-Bewusstsein entsteht ent12 Als »ästhetische Gemeinschaften« (Vattimo 1992) konstituieren sich Neo-Tribes aufkultureller Ebene. Dies bedeutet eine Verschiebung des Aggregationsmodus von sozialen Strukturen hin zum kulturellen Bereich. 13 Die Betonung des kommerziellen Aspekts rührt allerdings auch daher, dass er sie aus der Untersuchung der >Techno-Szene< ableitet, die er als Prototyp dieser Vergemeinschaftungsform ansieht (vgl. Hitzler/Pfadenhauer 1997 und 1998).
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lang gleichartiger Vorstellungen bezüglich >richtiger< oder >falscher< Konsumneigungen durch die man sich zugleich von anderen Konsumorientierungen abgrenzt. Eine besondere Rolle erkennt Hitzier in den Organisationseliten dieser Gemeinschaften, die indem sie ihren Profitinteressen folgen, die Gemeinschaft zugleich stabilisieren und perpetuieren (Hitzler 1998: 86). Deren Aufgabe besteht auf der einen Seite darin, die Kollektivinszenierungen der Gemeinschaft nach außen gut >zu verkaufen< und so für eine größere öffentliche Aufmerksamkeit zu sorgen. Dies kommt dem Bedürfnis der Gemeinschaft entgegen, sich im >Spiegel< erfüllter oder nicht bestätigter Erwartungen Anderer erfahrbar zu machen. »Das Urteilsrecht einer vorgestellten Gemeinschaft etabliert sich (wenn auch nur für eine bestimmte Zeit und bloß bis auf weiteres) im Verhältnis zur Stärke und Intensität der öffentlichen Aufmerksamkeit, die gezwungen ist, sich auf ihr Dasein zu konzentrieren; die >Realität< und damit die Macht und die Autorität einer vorgestellten Gemeinschaft ist die Funktion dieser Aufmerksamkeit« (Bauman 1995a: 20). Die expressive und öffentliche Inszenierung der Rituale und Symbole der Gemeinschaft macht die eigene Identität wiedererkennbar und grenzt sie zugleich nach außen ab. Auf der anderen Seite tragen diese Organisationseliten wesentlich zur Konstitution dieser translokalen Gemeinschaften bei, indem sie Treffpunkte und Ereignisse schaffen, an denen sich die Gemeinschaft rituell ihrer selbst vergewissern kann. Sie schaffen damit die Bedingungen für die typische Organisationsform posttraditionaler Gemeinschaften: die Szene (vgl. Schulze 1996: 459-494; Hitzler/Bucher/Niederbacher 2001 ). Eine Szene setzt sich zusammen aus einem Netzwerk verschiedener Gruppen mit unterschiedlicher Kommunikationsdichte und unterschiedlicher Intensität der Teilhabe. In ihrem Kern wird sie organisiert, stabilisiert und perpetuiert von (privilegierten und vor allem sich selbst privilegierenden) Erlebnisanbietern, die sich aus langjährigen Szenegangern rekrutieren und dabei mit vorwiegend professionell interessierten Dienstleistern kooperieren. Um sie herum gruppiert sich der Szenekern, der sich aus Personen zusammensetzt, die sowohl über das Wissen als auch die Kompetenz für eine erfolgreiche und authentische Zugehörigkeitsstilisierung verfügen. Während diese Gruppen sehr eng in die Interaktions- und Kommunikationsnetzwerke eingebunden sind, bleiben die Grenzen zum sie umgebenden breiten Publikum fließend. Die Beziehung zwischen Szenekern und Publikum ist ambivalent. Die Szene ist im Kern auf die öffentliche Aufmerksamkeit des Publikums angewiesen, während das Publikum wiederum auf die Vorleistungen der Szene zurückgreift, wenn es sich im Rahmen einer erlebnisorientierten Freizeitgestaltung mehr oder weniger vorübergehend in der Szene aufhält. Die aktuelle Verfasstheil einer Szene stellt das Ergebnis eines Balance-Aktes zwischen einer (qualitativen) Erlebnis-Intensivierung und einer (quantitativen) Erlebnis-Extensivierung dar und unterliegt daher einer ständigen Dynamik (vgl. Hitzier 2000: 405). Die Intensivierung sorgt für die zum Erhalt der Gemeinschaft notwendige starke emotionale Bindung, die eine Selbstverpflichtung lohnenswert erscheinen lässt. Eine extensive Erlebnisstruktur dagegen >verflacht< das Angebot, so dass ein relativ großer (zahlenmäßig) und breiter
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(heterogener) Nutzerkreis es quasi im >Vorbei-Gehen< oder beim >DurchStreifen< ohne weitergehende Konsequenzen tlir seine Lebensweise >mitnehmen< kann. Je näher am Zentrum sich der einzelne bewegt, umso höher ist der Grad der Selbstidentifikation und umso eher kann der Stamm zu einem »Heimathafen« (Honer 1993: 31) innerhalb der Vielzahl potentiell zugänglicher Erlebnis-Welten werden. Da der einzelne nicht formal Mitglied wird bzw. werden kann, versichert er sich durch authentisches Verhalten der eigenen Zugehörigkeit, in dem er sich in besonderem Maße selbst verpflichtet, und so wiederum tlir die anderen erkennbar wird. Möglich wird Authentizität durch das (geheime [vgl. Maffesoli 1996: 90ff]) Wissen um die richtigen Symbole und deren richtige Verwendung. Mit dieser Fokussierung auf die Rolle des Konsums bei der Konstitution posttraditionaler Gemeinschaften greift Hitzier die von Beck genannte Institutionen- und Marktabhängigkeit der sozialen Reintegration auf Diese macht sich auf zweierlei Weise bemerkbar. Zum einen werden über den Konsum neue Zutrittsbarrieren aufgebaut werden, die das Prinzip einer freien Wahlentscheidung entlang bestimmter Konsumorientierungen wieder aushebeln. Dadurch, dass die Teilhabe über den Konsum geregelt ist, weil man das richtige Outfit 14 oder die richtige technische Ausstattung (z.B. beim Sport, oder bei Szenen, die sich um die Nutzung von Medien konstituieren) benötigt, oder weil man direkt für die Anwesenheit in der Szene in Form Eintrittsgeldem und Getränken bezahlen muss, kann nicht jedermann in jeder Szene und nicht jeder unbegrenzt in mehreren Szenen >Mitglied< sein. Zum anderen tlihrt diese Abhängigkeit von Institutionen, Märkten und Moden immer wieder zu >Übergriffen von außenStämme< in den eigenen symbolischen Raum handeln, was durch die öffentliche Zugänglichkeil der Treffpunkte und Symbole möglich ist, als auch um Versuche seitens der gesellschaftlichen Akteure- traditionelle Institutionen ebenso wie die Medien- und Kulturindustrie - ihre Definitionsmacht gegen die Interessen alternativer Vergemeinschaftungsformen durchzusetzen oder zumindest in das von diesen behauptete Terrain hinein zu erweitern (z.B. durch Kommerzialisierungsbestrebungen). Die Grenzen des Kollektivs formieren sich in diesem Fall im und durch den Widerstand gegen die Entfremdung des gemeinschaftsstiftenden Sinngehalts (vgl. Kap. 2.4). Gerade die Konstitution entlang von Konsumgewohnheiten und der Bedarf an expressiven Symbolen und öffentlicher Aufmerksamkeit eröffnen ein Spannungsfeld, in dem sich Konflikte überall dort entzünden, wo die Abhängigkeit von standardisierten Konsumvorgaben und der damit verbundenen Macht, Bedeutungen vorzugeben, offen zu Tage tritt. Wie sich dieses Konfliktpotential im einzelnen niederschlägt, hängt ab vom Kommerzialisierungspotential der jeweiligen »Stämme«, ihrer Haltung zu Konsum und Kommerz, den Möglichkeiten, die es für die eigenen Mitglieder gibt, selbst als Teil einer mit Glaubwürdigkeit ausgestatteten Organisationselite kom-
14 Dies betrifft nicht nur die Kleidung, sondern bisweilen das gesamte äußere Erscheinungsbild. So gilt z.B. innerhalb der Techno-Szene der fitte, schöne, junge und gut gestylte Körper als ein wesentliches Distinktionskriterium (vgl. Klein 1999: 189).
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merzielle Interessen zu verwirklichen und schließlich dem Bedarf und Potential an öffentlicher Aufmerksamkeit. Das Bewusstsein, einer posttraditionalen Gemeinschaft anzugehören, kann jedoch nicht nur durch die direkte Teilhabe an ihren lokalen Ausprägungen, die als Netzwerk von Publika eine Szene konstituieren, vermittelt werden. Die Partizipation an ästhetischen Gemeinschaften ist allein durch die Übernahme einer gemeinsamen Perspektive möglich, die durch die Teilhabe an Kommunikationskanälen 15 vermittelt wird (vgl. Shibutani 1955). Die Bezugsgruppe, mit deren Perspektive man sich identifiziert, kann dabei auch imaginär sein (ebd.: 565) oder allein durch das unterstellte gemeinsame Interesse an einem medialen Angebot, indem potentiell Gleichgesinnte anhand von Erwartungen eingeschätzt werden (ebd.: 566). Die >zufällige< gemeinsame Perspektive verschiedener Menschen kann also sowohl interaktiv als auch symbolisch vermittelt kommunikativ stabilisiert werden. Dies spielt insbesondere für diejenigen Vergemeinschaftungen eine besondere Rolle, die sich nicht an öffentlichen Orten konstituieren und/oder über ein geringes Potential für expressive Inszenierungen verfügen. Ein Beispiel dafür sind die in dieser Studie betrachteten Medienfans. Deren Fanturn konstituieti sich zuallererst in der Rezeption, die in aller Regel im häuslichen Rahmen und meist auch noch alleine stattfindet. Medienfans handeln daher nicht zwangsläufig öffentlich und sind daher auch nicht unbedingt im Alltag als solche zu erkennen. Dies unterscheidet sie deutlich von zahlreichen anderen Fankulturen, wie z.B. den meisten Jugendkulturen (vgl. z.B. Willis 1991; Vogelgesang 1994). Ihnen fehlen damit wesentliche Merkmale eines lokalen Szenepublikums wie die öffentliche Anschaulichkeit, eine hohe Kontaktintensität oder die Evidenz und Signifikanz äußerer Attribute (vgl. Schulze 1996: 462), die nur in Teilbereichen der Fankultur (z.B. lokalen Treffpunkten) in Szene gesetzt werden können. Die gemeinsame Perspektive der Mitglieder einer posttraditionalen Gemeinschaft beruht, wie wir gesehen haben, nicht auf einer gemeinsamen sozialen Lage mit gemeinsamen objektiven Interessen, sondern entsteht infolge der Entdeckung gemeinsamer subjektiver Interessen gegenüber den Interessen Anderer. Dies führt letztlich aber nur dann zur Gemeinschaftsbildung, wenn diese Interessen gewichtig genug sind, um andere Gegensätze und Sonderinteressen, die zwischen den Mitgliedern bestehen, wenigstens vorübergehend zu suspendieren (vgl. Hitzier 1998: 84). Dieser >Wertekonsens< unterscheidet sich von dem traditioneller Gemeinschaften dadurch, dass er erst entdeckt und reproduziert wird, nachdem man sich einer kollektiven Praxis entlang ästhetischer Vorlieben anschließt. Das gemeinsame Handeln in postmodernen Stämmen entspringt also nicht geteilten sozialen Interessen, sondern erzeugt diese erst, womit sich dem Handeln anzuschließen alles ist, was es zu teilen gibt (vgl. Bauman 1995b: 354). Dies lässt die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinschaften allerdings im ungewissen darüber, ob und wieweit andere ihr Wir-Bewusstsein und ihr 15 Der Begriff »Kommunikationskanal« ist dabei weit gefasst, und reicht von den Gegenständen, auf die sich ein spezielles Interesse richtet, wie z.B. ein bestimmtes Medienangebot, über öffentliche TreffPunkte, an denen man sich aber nicht unbedingt persönlich begegnen muss, die also allein durch ihre Sinnstruktur zu einer vergleichbaren Perspektive führen (z.B. Fitnessstudios [Honer 1985] oder Baumärkte für Heimwerkerbedarf [Honer 1993]), bis hin zu den spezifischen Medien einer Subkultur (wie z.B. den Fanzines [vgl. Kap. 5.4]).
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eigenes Niveau der Selbstverpflichtung teilen und damit auch, ob andere auch in Zukunft an gemeinsamen Aktionen teilhaben werden. Dies geschieht angesichts der vielfältigen zu vereinbarenden Sonderinteressen - im mehr oder weniger bewussten Wissen um die Kontingenz und Konkurrenz verschiedener Stämme mit nur begrenzter Reichweite und Verbindlichkeit. Das Wir-Bewusstsein dieser Gemeinschaften definiert sich daher zunächst in ihrem Außenverhältnis, »aus dem Wunsch nach oder zumindest aus der Akzeptanz einer gemeinsamen >Außenseite< [... ] aus einer Art erkannter >Komplizenschaft< gegenüber dem bzw. den >Dritten«< (Hitzler 1998: 83; Hervorhebungen im Original). Eine Gemeinschaft, die alle Personen mit einschließt, die sich mit einer bestimmten auf ein Medienangebot fokussierten Perspektive identifizieren, ist demnach das Ergebnis eines dialektischen Prozesses, in dem sich Abgrenzung nach außen und eine gemeinsamen Praxis im Inneren begleiten und ständig ergänzen. Indem über expressive Andersartigkeit die Besonderheit der Gemeinschaft nach außen hin für die öffentliche Aufmerksamkeit und andere Gruppen inszeniert wird, bedeutet das zugleich ihre Konstruktion nach innen als Realität. Indem Hitzier unter den >Dritten< als dem Äußeren der Gemeinschaft die Gesellschaft schlechthin bezeichnet, weist er darauf hin, dass diese Gemeinschaften ihr Bestehen letztlich der Notwendigkeit einer Suche nach einer mentalen und emotionalen Heimat verdanken, die in einer individualisierten Gesellschaft Orientierung, Verlässlichkeit und Sicherheit jenseits traditioneller sozial-räumlicher Gegebenheiten bietet (vgl. Hitzier 1998: 83f). Damit wird deutlich, dass die Mitglieder der Neo-Tribes mehr mit der Gemeinschaft verbinden (können), als das bloße Ausleben gemeinsamer Konsumneigungen. Der Anreiz zu einer selbst auferlegten Verbindlichkeit gegenüber der an sich unverbindlichen Gemeinschaft ist demzufolge in der je individuell gesuchten und auch erhaltenen (relativen) Sicherheit und Fraglosigkeit der geteilten Perspektiven sowie in der daraus resultierenden affektiven Bindung zu sehen. Ein möglicher Wertekonsens, der über gemeinsame Erlebnisse um den engen thematischen Fokus hinaus Gültigkeit für sich beanspruchen kann und der Gemeinschaft Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit geben könnte, wird durch die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft und die Konkurrenz anderer Sinnangebote immer wieder in Frage gestellt. Er kann sich letztlich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einer beschränken, Spaß zu haben und niemandem weh zu tun (vgl. Gebhardt 1999). Gebhardt interpretiert dies als eine zeitgemäße Form der »Goldenen Regel«, die in pluralistischen Gesellschaften nur noch dann Geltung tinden kann, »wenn sie auf inhaltliche Konkretisierung bewusst verzichtet und sich mit der Rolle als rein formale [... ] Minimalethik zufrieden gibt« (ebd.: 176). 16 Das schließt mit ein, dass es sich auch nicht mehr um eine universale Ethik handelt, sondern um einen Wertekonsens, der sich auf den Egoismus der Gruppe beschränkt, der im Zweifelsfall
16 Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kommt Zygmunt Bauman, wenn er annimmt, dass »the only consenus likely to stand a chance of success is the acceptance ofthe heterogeneity ofdissensions« (Bauman 1991: 251).
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das einzige ist, was untereinander verbindet (vgl. Gebhardt 1999: 175). 17 Es handelt sich um eine individualistische Interpretation von Gemeinschaft. »Es geht dem betretienden Individuum kaum (mehr) darum, mit der Gemeinschaft >identifiziert< zu sein oder gar in der Gemeinschaft >aufzugehenaufgehen< zu lassen, und zwar vorübergehend« (Willems 2000: 54; Hervorhebungen im Original).
Es fehlt typischerweise eine bewusste, das Dasein als Ganzes überwölbende Ideologie, die auch in anderen Lebensbereichen handlungsanleitend ist. An deren Stelle tritt meist eine zu den begrenzt geteilten Interessen analoge Ideologie, die eher dem expressiven Ausdruck des zeitweise erfahrenen WirGetlihls entspricht oder sich aus dem Gehalt generalisierter Sinnvorgaben speisen, die allen voran den Massenmedien entnommen werden (vgl. Gebhardt 1999: 173 ). Die >Wertemoralischen< Haltung. »Alle Lebensentwürfe erscheinen als gleichwertig, weil es anscheinend keine Wetie gibt, die zwischen ihnen zweifelsfrei zu entscheiden erlauben« (Haubl2001). Die bisherigen AustUbrungen machen deutlich, dass es sich bei posttraditionalen Gemeinschaften bzw. Neo-Tribes um Konstrukte handelt, die erst kommunikativ und interaktiv hergestellt werden müssen. Daraus ergeben sich eine Reihe von Widersprüchen und Problemen, die es für diese Gemeinschat:. ten zu lösen gilt, wenn sie dauerhaft existieren und ihren Mitgliedern eine sichere und verlässliche Heimat geben wollen: • Posttraditionale Gemeinschaften existieren nicht nur auf lokaler Ebene als unmittelbare und verbindliche Beziehung in primären Gruppen (wie z.B. der Familie) und verfügen auch nicht über die fraglose Sozialisation der auf der Basis gemeinsam geteilter sozialer Lagen beruhenden traditionellen Klassen und Schichten. Sie sind vielmehr vielfältig translokal
17 Dank der unklaren Strukturen der eigenen Gruppe, ist allerdings häufig auch unklar, auf welche Werte man sich als die moralisch besseren gegenüber anderen Gruppen beziehen soll.
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vermittelt. Damit stehen sie in einem »Spannungsverhältnis zwischen lokalen Vergemeinschaftungen einerseits und derem translokalem Sinnhorizont in einem umfassenden Netzwerk vorgestellter Gemeinschaften andererseits« (Hepp 2003: I 08). Dadurch hat diese Vergemeinschaftung typischerweise eine heterogene Struktur, die unterschiedliche Niveaus der Selbstverpflichtung und verschiedene Formen der Teilhabe auf sich vereint. Ihre Grenzen sind nach innen und außen fließend, variabel und instabil. Das Fehlen von Institutionen und die ständige Fluktuation der Mitglieder an den Rändern verhindern die Ausbildung stabiler, kohäsionssichernder Innen-Außenverhältnisse mit entsprechend institutionalisietien Sanktionsmöglichkeiten. Posttraditionale Gemeinschaften sind daher prinzipiell ausgesprochen labil und flüchtig, was ihren Sinn als Orientierung gebende kleine soziale Lebenswelten immer wieder in Frage stellt. Schließlich handelt es sich vorrangig um Agglomerationen von Individuen, die zwar nach Gemeinschaft suchen, aber andererseits vorrangig individualistischen Interessen folgen. Zudem erfolgt die Integration freiwillig und als kontingente Wahlentscheidungen. Das bedeutet, dass mit einer Mitgliedschaft genügend erwartbare Sicherheit und Fraglasigkeif gewährleistet sein muss, während gleichzeitig eine relative Unverbindlichkeit und Unabhängigkeit einen situationsopportunen Bezugsgruppenwechsel nicht behindern darf. Oder wie Zygmunt Bauman es formuliert: »Community [ ... ] is thought of as the uncanny mixture of difference and company, as uniqueness that is not paid for with loneliness, as contingency with root, as freedom with certainty« (Bauman 1991: 247).
Dies führt zu einer Reihe von Leitfragenfür die empirische Untersuchung der populärkulturellen Gemeinschaft der STAR TREK-Fans: • Worin besteht die Verführungskraft dieser posttraditionalen Gemeinschaft? • Wann ist diese Verführungskraft groß genug, um sie gegenüber anderen Sinnangeboten so attraktiv erscheinen zu lassen, dass genügend Mitglieder für eine dauerhafte gemeinsame Praxis gebunden werden? • Wie weit reicht die Idee dieser vorgestellten Gemeinschaften? Wie wird sie vermittelt (symbolisch, medial, Interaktionsmöglichkeiten) und wie viel ist davon notwendig, um der Gemeinschaft Stabilität zu geben? • Kann sich in diesen Vergemeinschaftungsformen eine symmetrische Wertschätzung entwickeln, die auf der Einsicht beruht, dass »die Fähigkeiten und Eigenschaften des jeweils anderen als bedeutsam tlir die gemeinsame Praxis erscheinen« (Honneth 1993: 269)? Kann dieser Modus der Wiedereinbettung das einzelne Mitglied also auch als Person integrieren und somit einen wirksamen Gegenpol zu den Individualisierungserfahrungen der Gesellschaft darstellen? • Welche Strategien, Rituale und Strukturen entwickeln die Fans zur Verarbeitung der typischen Widersprüche dieser Vergemeinschaftungsform?
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2.3 Identitätsbildung als interaktiver Passu ngsprozess Der Identitätsbegriff ist in den vergangenen 20 Jahren zunehmend Gegenstand von Diskussionen geworden. Das gilt sowohl für seine Verwendung in alltäglichen Kontexten, als auch für den wissenschaftlichen Diskurs. Daran wird deutlich, dass die Frage nach dem »Wer bin ich?« und die Antwort auf das »Wer bist du?« nicht mehr so einfach und eindeutig ausfallen, wie es diese Fragen und die Selbstverständlichkeit, mit der man den Begriff» Identität« gebraucht, suggerieren. Auch in den wissenschaftlichen Fachszenen findet sich eine Vielzahl an Definitionsversuchen, die einen Beleg dafür liefern, dass ein Klärungsbedarf besteht. Offensichtlich ist die» Identitätsbildung unter den gegenwärtigen gesellschaftlich-kulturellen Bedingungen prekär geworden« (Keupp/Höfer 1997: 7). Vielfach ist die Rede von einer »Krise der Identität« (Woodward 1997: 15) oder einer »Identität im Zweifel« (Hall 1994: 180). Worin äußert sich nun diese Krise und worin besteht der Zweifel? Auf welche gesellschaftlichen Ursachen ist dies zurückzuführen? Und: Welche Konsequenzen hat dies für die Konstitution der Identität moderner Individuen und insbesondere für die soziale Identität, wenn sie durch neue posttraditionale Vergemeinschaftungen vermittelt wird? Als Pate einer Identitätstheorie, die eng mit dem Projekt der Moderne verbunden ist, gilt Erik Erikson (1966; 1970). Er beschreibt Identität als das Ergebnis eines in mehreren Stufen ablaufenden Prozesses. Eine gelungene Identitätsbildung äußert sich in einem Gefühl der Ich-Identität, das Erikson als »das subjektive Gefühl einer bekräftigenden Gleichheit und Kontinuität« (Erikson 1970: 15) beschreibt. Der Identitätsbildungsprozess als eine Folge adäquat durchlaufener Entwicklungsstufen hat einen stabilen Identitätskern zum Ziel, der als Basis für das weitere Leben eine relativ problemlose Lebensbewältigung sichert. Eriksons Konzept verortet das moderne Individuum im Kontext der Aufklärung, als ein souverän handelndes, von anderen eindeutig unterscheidbares und daher einzigartiges Subjekt, das sich als innengeleiteter Persönlichkeitstypus (vgl. Riesman 1968) im wesentlichen sein ganzes Leben lang selbst treu bleibt und als mit sich selbst identisch erfahrt. Dieser als regelhaft und linear postulierte Entwicklungsverlauf >>Unterstellt eine gesellschaftliche Kontinuität und Berechenbarkeit, in die sich die subjektive Selbsttindung verlässlich einbinden kann« (Keupp et al. 1999: 30). Es handelt sich also um ein sehr voraussetzungsreiches Konzept, das darauf beruht, dass in der frühkindlichen primären Sozialisation in der Auseinandersetzung mit den elterlichen Weti- und Normvorstellungen stabile Ich-Grenzen und eine Einheit des Selbst aufgebaut werden. Die Stabilität dieses Konstrukts zehrt allerdings davon, dass die Ich-Identität in der Folge möglichst nicht mit allzu divergierenden und wechselhaften gesellschaftlichen Anforderungen konfrontiert wird, damit »eingenommene soziale Rollen nicht durch äußere Umstände ein gar zu abruptes Ende finden, damit die Identitätsstruktur des Individuums nicht überfordert wird« (Krappmann 1988: 91). Diese Konzeption hat im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen seit der Nachkriegszeit vermehrt Kritik erfahren. Insbesondere Sampson (1985) arbeitet heraus, das Eriksons Identitätsverständnis zunehmend die lebensweltliche Grundlage verloren geht, weil es der Pluralisierung moderner Gesell-
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schaften und der Individualisierung der Lebensführung (vgl. Kap 2.1) nicht mehr ohne weiteres gerecht wird. Das Leben in spätmodernen Gesellschaften bringt Heterogenitäten, Widersprüche und Ambivalenzen mit sich, die der Lebensführung Orientierungsprobleme und Unsicherheiten als Grundprobleme einschreiben. 18 An die Stelle des Subjekts der Aufklärung tritt damit eine postmoderne Identität, die den Diskontinuitäten und der Zerstreuung moderner Gesellschaften dadurch begegnet, dass sie keine gesicherte und anhaltende Identität mehr behauptet, sondern sich als ein »bewegliches Fest« (Hall 1994: 182) konstituiert. Postmoderne Identität »wird im Verhältnis zu den verschiedenen Arten, in denen wir in den kulturellen Systemen, die uns umgeben, repräsentiert oder angerufen werden, kontinuierlich gebildet und verändert« (ebd.: 182f). Sie verarbeitet die Umbruchserfahrungen in spätmodernen Gesellschaften nicht mehr in einem hochgradig kontrollierten Integrationsprozess im Rahmen gesellschaftlich definierter Entwicklungsaufgaben, sondern zwingt zu einer reflexiven Form des Lebensvollzugs, die den permanenten Wechsel zwischen unterschiedlichen Sinnprovinzen mit ihren je unterschiedlichen Relevanzsystemen subjektiv sinnhaft integriert und die daraus sich ergebenden Konflikte bewältigt (vgl. z.B. Hitzler/Honer 1986; 1994; Schimank 1985). Der von Erikson noch als problematisch gekennzeichnete Status der Identitätsdiffusion wird zum Normalzustand. »Dort, wo die gesellschaftlichen Bedingungen Unverbindlichkeit und Indifferenz nahe legen, ist es vernünftig, sich nicht festzulegen, Chancen zwar zu ergreifen, jedoch ohne mögliche andere Optionen aus dem Blickfeld zu verlieren« (Kraus/Mitzscherlich 1997: 160). Dies kommt in Metaphern wie »Patchwork-Identität« (Keupp 1997: II ), »Bastelexistenz« (Hitzler/Honer 1994) oder dem Bild des» Vagabunden« und »Touristen« (Bauman 1995b: 357ft) zum Ausdruck, die alle von einer essentialistischen Vorstellung von Identität, als einer »Akkumulation innerer Besitzstände« (Keupp 1997: 12), Abschied nehmen. Damit ist aber nicht zwangsläufig eine im Kontext des Postmodernediskurses (vgl. u.a. Lyotard 1986; Jameson 1986; Gergen 1996) anzutreffende fragmentierte oder dezentrierte Identität gemeint, für die eine kohärente Selbsterfahrung nicht mehr möglich ist. Die vollständige Dekonstruktion in ein >schizophrenisiertes Subjekt< als Antwmi auf die Ablösung des autonomen Selbst mag zwar ein sinnvolles Instrument sein, um mögliche Deformationen im Prozess der Identitätsbildung analytisch in den Griff zu bekommen. Für eine soziologisch motivierte Analyse des Lebensvollzugs in der späten Moderne ist es allerdings notwendig, sich den Konstruktionsprozessen moderner Individuen zuzuwenden, mit denen sie ihre Ich-Identität unter den gewandelten äußeren Bedingungen zu behaupten versuchen (vgl. Helsper 1991 ). Identität setzt voraus, dass es einer Person »gelingt, ihre Repräsentanzen von sich und ihrer Mit- und Umwelt psychisch so zu integrieren, dass sie sich als >Einheit< erlebt. Gerrauer [... ]: dass sie sich der Kontinuität, Kohärenz und
18 Typische Probleme sind hier z.B. die Entgrenzung und Pluralisierung individuell-biographischer Formen der Lebensführung, die Brüchigkeit der Erwerbsarbeit als Basis von Identität, die Auflösung kollektiver Bezugspunkte (wie z.B. Nation oder Klassen), veränderte GeschlechterroHen und ein ganz aUgemein individualisiertes Verhältnis zu Gemeinschaft und Gesellschaft.
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Konsistenz ihrer Selbstempfindungen, -Vorstellungen und -beschreibungen hinreichend sicher ist« (Haubl 2000: 177). Es muss also vielmehr darum gehen, innere Vielfalt und Beweglichkeit nicht als Beliebigkeit, sondern als Antwort auf die Bedingungen von Vielfalt, Widersprüchen und Diskontinuitäten in der Gesellschaft und der individuellen Biographie zu verstehen, die eine Voraussetzung flir Handlungskompetenz als Subjekt bilden (vgl. Bilden 1997: 228). Von einem im spielerischen Umgang mit dem mehr oder weniger unverbindlichen Nebeneinander heterogener und widersprüchlicher Erfahrungen kompetenten postmodernen Subjekt auszugehen, erscheint vor diesem Hintergrund nicht mehr sinnvoll. Entscheidender ist vielmehr die Frage wie Individuen Kohärenz- hinsichtlich der Veränderungen und der Vielfalt soziokultureller Beziehungen-, Kontinuität- bezüglich der dynamisierten Veränderungen in der Zeit und damit der eigenen Biographie- und Konsistenzder angesichts wachsender äußerer Einflüsse (Informationen, Umweltreize, Erlebnisangebote) zunehmenden Veränderungen innerweltlicher Zustände herstellen, welcher Hilfsmittel sie sich dabei bedienen (hier sind insbesondere die Medien und die von ihnen angebotenen Erzählungen und Orientierungsmuster zu nennen), welche Ressourcen (materiell, sozial und kulturell) dazu notwendig sind und welche Kompetenzen und Strategien sie dabei entwickeln. Damit rückt die alltägliche >fdentitätsarbeit< eines sich aktiv um sein Selbst- und Weltverständnis kümmernden Subjekts in den Vordergrund, das in seinen Entwürfen und Konstruktionen fortwährend auf wechselseitige soziale Anerkennung angewiesen ist (vgl. Keupp et al. 1999). Diese Perspektive ist Gegenstand der bislang am weitesten ausgearbeiteten Identitätstheorie neuerer Fassung, die von Keupp und seinen Mitarbeitern in einem langjährigen empirischen Projekt entwickelt wurde (Keupp et al. 1999). Dieses Konzept folgt einigen wesentlichen Grundannahmen: 1. Wenn Identität nicht mehr essentialistisch, als ein einmal erworbenes und lebenslang wirksames Sozialisationsprodukt betrachtet werden kann, muss sie als »offener Prozess, als Werden« (Bilden 1997: 236) aufgefasst werden. Das schließt mit ein, dass Identität etwas nie abgeschlossenes, unfertiges ist. Sie kann immer nur von einem bestimmten Standpunkt aus als Ergebnis eines retrospektiv-reflexiven Prozesses in Form von Selbstthematisierungen und Identitätsperspektiven auf den Punkt gebracht werden (vgl. Keupp et al.: 192ft). Dies verleiht Identität einen ausgeprägten Projektcharakter (vgl. Straus/Höfer 1997: 283). 2. Das postmoderne Individuum ist nicht mehr eindeutig in der »zerstreuten« Gesellschaft positioniert (vgl. Laclau 1990). Die stabile Reziprozität von >Innen< und >Außen< wird in einer individualisierten Gesellschaft immer durchlässiger. Damit gewinnt die Frage an Bedeutung, wie Identität »die Kluft zwischen dem >Innen< und dem >Außen< - zwischen der persönlichen und der öffentlichen Welt« (Hall 1994: 182) überbrückt, bzw. wie sie das Subjekt mit der Struktur »verklammert« (ebd.). Identität unter den Bedingungen der individualisierten Gesellschaft gerät zu einer permanenten und aktiv zu leistenden Passungsarbeit zwischen einem inneren Identitätsgefühl und sich wandelnden äußeren Einflüssen (vgl. Keupp et al. 1999: 60). (Vorläufig) Gelungen ist der Prozess der Identitätsbildung dann, wenn es der einzelne schafft, ein subjektiv stimmiges Fassungsverhältnis zwischen inneren und äußeren Welten herzustellen.
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Dieses Problem liegt auch Krappmanns Konzept der »balancierenden Identität« (Krappmann 1988: 70-84) zugrunde. Krappmann unterscheidet zwischen persönlicher und sozialer ldentität. 19 Beide Identitäten sind keine >freien Eigenleistungen< des Individuums, sondern schälen sich erst in der Auseinandersetzung mit zugeschriebenen Identitäten heraus. Das zentrale Problem der Identitätstindung macht er darin aus, dass zugleich gefordert wird, »so zu sein wie alle und so zu sein wie niemand« (Krappmann 1988: 78). Man muss zugleich Mitglied in verschiedenen Gruppen werden und deren Erwartungen und Normvorstellungen gerecht werden, ohne sich dabei vollständig zu assimilieren, da man sonst weder flir sich selbst, noch flir andere noch wahrnehmbar wäre. Dies gilt sowohl in der vertikalen Zeitdimension, d.h. dem Lebenslauf(= persönliche Identität), als auch auf horizontaler Ebene(= soziale Identität). Diese Aufgabe, eine Balance zwischen den divergierenden Erwartungen aufrechtzuerhalten und »Autonomie gegenüber sozialen Zwängen zu bewahren« (Krappmann 1988: 12), hat durch die Pluralisierung an Bezugsgruppen im alltäglichen Lebensvollzug ebenso wie durch die Auflösung biographischer Standards in beiden Dimensionen an Bedeutung gewonnen und ist dadurch zugleich ungleich schwieriger geworden. »Es geht um die stets prekäre Balance eines hochgradig individuierten Selbst in inkonsistenten sozialen Strukturen, um das Gleichgewicht zwischen persönlicher und sozialer Identität, wie auch um das Ausbalancieren der widerspruchsvollen intrapsychischen Ansprüche und Wünsche« (Helsper 1991: 75). Identität wird damit auch zur Korifliktaushandlung. Ein subjektiv stimmiges Passungsverhältnis erweist sich als ein konfliktorientierter Spannungszustand, »bei dem es weder um Gleichgewicht und Widerspruchsfreiheit noch um Kongruenz geht, sondern um ein subjektiv definiertes Maß an Ambiguität« (Keupp et al. 1999: 197). »Die Konstante des Selbst besteht nicht darin, eine Identität aufrechtzuerhalten, sondern eine dialektische Spannung zu ertragen und immer wiederkehrende Krisen zu meistern« (Mounier, zit. nach Keupp et al. 1999: 85). Damit werden auch neue Anforderungen an das moderne Individuum gestellt. Von zentraler Bedeutung ist die »Fähigkeit zum Aushandeln« (Keupp 1997: 20), mit der man sich in einer heterogenen Alltagswelt ständig selbst seine Lebensorientierung zurecht bastelt. 20 Zudem bedarf es einer »adaptive[ n] Fähigkeit, mit vielfaltigen und neuen Situationen umzugehen« (Bilden 1997: 242), bzw. einer »Ambiguitätstoleranz« (ebd.: 244), die hilft, uneindeutige und kontingente Situationen zu ertragen. Schließlich setzt diese Form der Identitätsarbeit auch ein gewisses Maß an Kontlikttahigkeit voraus (vgl. Keupp 1997: 20). Damit wird deutlich, wie hoch die Ansprüche an die Subjekte sind, und wie krisenanfällig und schwierig dieses Unterfangen zu meistern ist. Nicht jedem gelingt es in gleichem Maße, befriedigend auf diese Anforderungen zu reagieren. Es steht immer auch die Option der Regression, eines Rückzugs in 19 Diese Begriffe entlehnt Krappmann den Untersuchungen Goffmans über die problematischen Situationen der Behauptung stigmatisierter Identitäten (vgl. Gofiman 1974) und führt sie als allgemeine Kategorien einer interalüiven Identitätsbildung fort. 20 Zur Metapher des »Sinnbastlers« vgl. Hitzler/Honer 1994.
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überschaubare, einfache und klar strukturierte Welt- und Selbstbilder im Raum (vgl. Bilden 1997: 247). Diese Form einer untlexiblen und eindimensionalen Organisation des Selbst scheint allerdings gegenüber einer lockeren und dynamischen Verbindung verschiedener Teilidentitäten in einer individualisierten Gesellschaft auf einem wackligen Grund zu stehen (vgl. ebd.: 243). 3. Mit dem wachsenden Bewusstsein, dass sich Identität in einer komplexer werdenden Gesellschaft immer weniger autonom fassen lässt, rückt mehr und mehr die soziale Konstitution von Identität in den Vordergrund. Identität ist kein sozial isoliertes Projekt. Sie konstituieti sich immer in Relation zu dem und den >bedeutenden Anderenobjektiven< Strukturen und erzeugt sie dadurch zugleich auch erst (vgl. Berger/Luckmann 1969: insb. 65). Identität ist daher immer historisch und kulturell vermittelt hat und hat deswegen nur einen vorläufigen Charakter, der zu einem ständigen Aushandlungsprozess zwingt. Mit dem Verweis auf das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft drängt sich die Frage aut~ ob man nicht auch von einer »kollektiven Identität« der Fans sprechen kann. Betrachtet man diesen häutig verwendeten Begriff genauer, so erweist er sich allerdings als äußerst problematisch (vgl. Niethammer 2000). Er täuscht darüber hinweg, dass Kollektive wie Nationen oder die hier betrachteten posttraditionalen Gemeinschaften keine homogenen Gebilde sind, die über ein feststehendes kollektives Bewusstsein verfugen und übersieht, »dass auch kollektive Eigenschaften in Kommunikationsprozessen präsentieti und zugeschrieben oder wahrgenommen werden müssen« (Krotz 2003: 43), also in Situationen, wo in erster Linie personale Identitäten ausgehandelt werden. Kollektive Identität ist daher als die soziale Identität einer Person zu verstehen, ihre symbolisch vermittelte Gruppenzugehörigkeit Kollektive Eigenschaften werden so zu einer Ressource, die individuell ganz verschieden verwendet werden kann und sich nur diskursiv oder situativ zu einem Wir21 Dieses dialektische Verhältnis kommt auch in Meads Differenzierung der Persönlichkeitsinstattzen in ein »l« und ein »Me« zum Ausdruck.
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Bewusstsein verdichtet. Der »Stamm« dient dabei zur Konstruktion der eigenen Identität, die innerhalb der Stammesgrenzen zeitweise Bestätigung findet (vgl. MatTesoli 1988: 144). Dieser Zugang wird der Offenheit und Heterogenität posttraditionaler Gemeinschaften gerecht, und macht es zudem möglich, die Widersprüche und Konflikte in den Konstruktionsprozessen kollektiver Identitätsgefüge zu fassen (vgl. Hepp 2003: 95). Die Kernidee des von Keupp et al. entwickelten Konzepts versteht Identität als Konstruktionsprozess, der sich in der Interaktion mit anderen konstituiert. Dieses Konzept soll nun im Folgenden in seinen zentralen Punkten vorgestellt werden, wobei jeweils im Anschluss die fiir die vorliegende Arbeit maßgeblichen Fragestellungen benannt werden. I. Das Insgesamt der Lebenserfahrung eines Individuums setzt sich aus einer Vielzahl an Teilidentitäten zusammen, die als Integration selbstbezogener Erfahrungen jeweils einen Ausschnitt einer Person darstellen (vgl. Keupp et al. 1999: 218ft). Die Gesellschaft und die jeweiligen sozialen Netzwerken prägen dabei bestimmte Identitätsperspektiven, die zwar nicht determiniert, so doch weitgehend vorstrukturiert sind. In diesem Repertoire inhaltlich unterschiedlicher Teilidentitäten lassen sich dominierende Teilidentitäten ausmachen, die für die Individuen eine höhere Relevanz besitzen, weil sie dort »in puncto Anerkennung, Selbstachtung, Autonomie und Originalität mehr Sicherheit« (ebd.: 224) erfahren. Mit diesem Konzept unterschiedlicher Teilidentitäten korrespondieren die »kleinen sozialen Lebenswelten« (Hitzler/Honer 1986; Honer 1993). Diese markieren die in der späten Moderne typischen »Teilzeitperspektiven im Insgesamt subjektiver Welterfahrung« (Honer 1993: 30). »Mit kleinen sozialen Lebens-Welten ist ein sozial vordefinierter intersubjektiv gültiger, zweckbezogener Ausschnitt aus der alltäglichen Lebenswelt gemeint, der subjektiv als Zeit-Raum der Teilhabe an einem besonderen Handlungs-, Wissens- und Sinnsystem erfahren und im Tages- und Lebenslauf aufgesucht, durchschritten oder auch nur gestreift wird« (Honer 1993: 30).
Auch hier lässt sich analog zu den dominierenden Teilidentitäten in der Regel ein »Heimathafen« (Honer 1993: 31) ausmachen, der von den Teilnehmern typischerweise ähnlich erfahren wird, wo die Perspektiven reziprok und damit der Andere als Mitglied ebenso verlässlich ist, wie man selber für ihn (vgl. ebd.: 29). Forschungsleitend ist hier die Frage, wie es gelingt, zwischen den verschiedenen Teilidentitäten zu vermitteln, wo sich dabei Konflikte auftun und welche Strategien und Kompetenzen die Betroffenen entwickeln. Zudem wirft dies die Frage aut: wie sich eine Teilidentität als dominierend herausschält und welche biographischen oder äußeren Einflüsse (z.B. situativer und sozialer Kontext, Angebot an sinnstiftenden Erlebnisräumen) dabei relevant sind. Da sich diese Arbeit nur einer kleinen Lebenswelt der STAR TREK-Fans widmet, werden biographische Prozesse ebenso wie das Mit-, Neben- und Zueinander verschiedener Lebenswelten nur am Rande thematisieti. Im Vordergrund stehen hier die Erfahrungen, die die Teilidentität als Fan ausmachen und das Selbstverständnis eines Fans bestimmen. Das schließt ebenso das
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Verhältnis der Fans zueinander sowie deren Beziehung zur Umwelt der Nicht-Fans mit ein. 2. Die Vielfalt situativ erfahrener Teilidentitäten wird von den einzelnen Personen auf der Basis einer zunehmenden Generalisierung der Selbstthematisierung und einer Bewertung biographischer Erfahrungen zu einem Identitätsgefühl verdichtet (ebd.: 225ft). Dies beinhaltet das Selbstgefühl, die Bewertungen über die Art und Qualität der Beziehungen zu sich selbst, sowie das Kohärenzgefühl, Bewetiungen darüber, wie eine Person die Anforderungen des Alltags bewältigen kann. Das Selbstgefühl entsteht entlang der vom Individuum gesetzten selbstevaluativen Standards. Je nachdem welche Relevanz man diesen Standards zumisst, und wie weit man ihnen entspricht, erlebt man sich in Nähe oder Distanz zu sich selbst, und entwickelt positive (z.B. Selbstakzeptanz und Selbstwertschätzung) oder negative (z.B. Selbstherabsetzung oder Unzufriedenheit) Selbsteinschätzungen. Ein Gefühl der Kohärenz erlangt ein Subjekt aufgrund der Einschätzungen über die Sinnhaf:. tigkeit seiner Projekte, und die Erfahrungen, wie es gelingt, eigene Identitätsentwürfe zu Identitätsprojekten 22 zu machen und diese realisieren zu können. Kohärenz ist dabei nicht als innere Einheit, Harmonie, oder geschlossene Erzählung zu verstehen, sie kann durchaus eine offene Struktur besitzen. Entscheidend ist vielmehr, dass die individuelle Verknüpfung zwischen einer Vielzahl möglicher und realisierter Identitätsprojekte für das Subjekt eine »authentische Gestalt« (ebd.: 245) hat. Wichtig ist weniger die Stabilität von Projekten, sondern eine »reflexive Achtsamkeit für die Erarbeitung immer wieder neuer Passungsmöglichkeiten« (ebd.). Gelegenheit dazu geben vor allem die Umsetzung von Entwürfen und Projekten mit den dabei erfahrenen Gefühlen des Sinnhaften und der Gestaltbarkeit. Daraus erwächst eine subjektive Handlungsfähigkeit, d.h. das Wissen und Gefühl darum, wie souverän man die eigenen Lebensbedingungen gestalten kann (vgl. ebd. 235ft). »In der Herrschaft über die eigene Lebensführung und in einem Leben aus der Teilnehmerperspektive« (Krotz 2001: 254) wird eine wesentliche Grundlage für die »Erfahrung des Selbst als Subjekt« (Nunner-Winkler 1985: 470) erfüllt. In individualisierten Gesellschaften ist diese Entwicklung jedoch immer mehr bedroht, weil durch die Gesellschaft vorgegebene eindeutige Orientierungsmarken verschwimmen und der einzelne durch seine Markt- und Institutionenabhängigkeit zunehmend in eine Beobachterposition gedrängt wird. Infolge der größeren Toleranz, die in einer pluralisierten Gesellschaft alternativen Lebensentwürfen entgegengebracht wird, verlagert sich das Gefühl des Scheiterns letztlich nach innen (vgl. Keupp et al. 1999: 241 ). Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass der einzelne sich auf ein Projekt verpflichten muss, um einen positiven Beitrag für sein Identitätsgefühl zu erhalten. Dies birgt aber mehr denn je die Gefahr in sich, sich für das falsche Projekt entschieden oder zu einseitig festgelegt zu haben. Im Hinblick auf die betrachtete Fankultur muss nun danach gefragt werden, welche Standards sie bereit hält, und wie viel Spielraum sie gibt, individuelle Standards selbst so zu setzen, dass sie einerseits genügend Herausforderung bieten und andererseits en·eichbar sind. Welche Möglichkeiten gibt es
22 Unter einem Identitätsprojekt verstehen Straus und Höfer »jene Elemente einer Teilidentität, in denen die Erwartungen eines Menschen im Hinblick auf seine zukünftige Identität selbst zu einem Bestandteil seiner Lebensbiographie werden« (Straus/Höfer 1997: 283).
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innerhalb der Fankultur Identitätsentwürfe und -projekte zu entwickeln und erfolgreich zu verwirklichen? Wie weit werden dazu spezifische Kompetenzen und Mitstreiter benötigt? 3. Identität als soziale Konstruktion bedeutet, dass Identität nur durch ein soziales Gegenüber erfahren werden kann. D.h. Identität konstituiert sich nur in Interaktions- und Kommunikationsprozessen. Mit dieser Perspektive gewinnt das Identitätsziel der Anerkennung eine zentrale Bedeutung. Welche soziale Relevanz man einem Identitätsentwurf beimisst, welche selbstevaluativen Standards wie hoch eingeschätzt werden, und welchen Sinn man aus der Verwirklichung von Identitätsprojekten zieht, hängt in erheblichem Maß von der Anerkennung ab, die man dafür bekommt, bzw. zu bekommen hofft oder erwartet. Anerkennung muss daher vor allem als dialogische Erfahrung in sozialen Netzwerken untersucht werden, die sich in den drei eng miteinander verwobenen Dimensionen der Anerkennung als Aufmerksamkeit von anderen, als positive Bewertung durch andere und als Selbstanerkennung erschließt (vgl. Keupp et al. 1999: 256ft). Durch die Fragmentierung der Lebenswelt und die Pluralisierung von Werten und Normen in spätmodernen Gesellschaften wird Anerkennung allerdings zu einem prekären Gut. Zum einen reduziert diese Entwicklung die Reichweite der Anerkennung. Zum anderen bleibt es mehr und mehr einem selbst überlassen, wie man die Anerkennung aus verschiedenen Quellen bewertet. Zugleich hat die Erweiterung sozialer Beziehungen in der Moderne auch die Qualität dieser Netzwerke verändeti. Die möglichen Bezugsgruppen, von denen man Anerkennung erfährt, sind oft translokal konstituiert. Damit sind sie nicht mehr für jedes Mitglied gleichermaßen (räumlich und zeitlich) verfügbar. Die Möglichkeiten eines intersubjektiven Austauschs und der Bezug zu diesen Gruppen kann individuell sehr unterschiedlich ausfallen, was die Ausbildung einer gemeinsam geteilten Anerkennungskultur erschwert. Ein Ausweg ist hier die Übernahme kulturell vorproduzierter Identitätsangebote, denn dort muss »soziale Anerkennung nicht auf dem Verhandlungsweg erzielt werden - sie ist sozusagen von Anfang an in das auf dem Markt gehandelte Produkt >eingebaut»klein< sind diese Lebenswelten deshalb, weil in ihnen die Komplexität möglicher
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Relevanzen reduziert ist auf ein bestimmtes Relevanzsystem, und >sozial< sind sie insofern, weil dieses Relevanzsystem intersubjektiv verbindlich ist für eine gelingende Partizipation« (vgl. Honer 1993: 32). In unserem Zusammenhang stellen sich nun folgende Fragen: Wofür wird innerhalb der untersuchten Fankultur Anerkennung gezollt, d.h. welche Möglichkeiten gibt es dort, Anerkennung zu erlangen? Welche Formen der Anerkennung sind relevant? Wie und in welchem Kontext wird Anerkennung vermittelt? Und geschieht dies vorwiegend über generalisierte Medien oder als Teil einer Anerkennungskultur, d.h. wie weit ist die Anwesenheit anderer dafiir notwendig? 4. Für die Herstellung der zuvor beschriebenen Identitätskonstruktionen spielt die Verfügbarkeit von Ressourcen eine wichtige Rolle (vgl. Keupp et al. 1999: 198-207). In der alltäglichen Identitätsarbeit ist dabei nicht einfach von Bedeutung, ob man tatsächlich >objektiv< bestimmte Ressourcen besitzt, sondern auch, was man an Ressourcen subjektiv wahrnimmt und vor allem wie man diese Ressourcen im Prozess der Identitätskonstitution nutzt. Keupp et al. orientieren sich dabei an den Bourdieuschen Kapitalsmien (vgl. Bourdieu 1983). Dieser unterscheidet ein ökonomisches Kapital, das all jene Ressourcen umfasst, die unmittelbar in Geld konvertierbar sind, von einem kulturellen Kapital. Dieses kann in dreierlei Form auftreten: institutionalisiert (= Bildungsabschlüsse und Titel), objektiviert (= materielle Kulturgüter wie Bücher und Kunstgegenstände), und inkorporiert, als körpergebundenes >Kapitalrelevante Andere< betrachtet). Drittens können die verschiedenen Kapitalien als Bewältigungsressource genutzt werden, als Rückhalt und Orientierung in persönlichen Krisen. Alle drei Kapitalsorten sind flir Fankulturen unmittelbar relevant. Sie konstituieren sich über den Konsum von Kulturwaren und entwickeln in der Aneignung wiederum ein eigenes kulturelles Kapital, das auf den mehr oder weniger ausgeprägten Beziehungen der Fans untereinander beruht (vgl. ausruhrlieh dazu Kap. 2.6). In der folgenden Untersuchung wird es darum gehen, die Rolle, die diese drei Formen von Kapital in der Fankultur spielen, gerrauer herauszuarbeiten und zu klären, wie man unterschiedliche Ressourcen ineinander transformiert und wie man >äußeres< in identitätsrelevantes >inneres< Kapital übersetzt. Wichtig ist dabei vor allem, welche Ressourcen das kulturelle Angebot STAR TREK bereit stellt und welche Ressourcen andererseits von den Fans selbst geschaffen werden. Sind dazu bestimmte kulturelle
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und/oder soziale Kompetenzen notwendig, und wenn ja, wie werden diese erworben?
Abb. 2.1: Kapitalsorten und Identitätsentwicklung- drei Übersetzungskategorien (Keupp 1999: 202) Materielles Kapital ---------. Optionsraum Kulturelles'--------1•~
Kapital
Subjektive Relevanzstruktur
1--..~ Identitäts-
entwicklung
Bewältigungsressource Soziales Kapital
5. Mit der Perspektive eines interaktionistischen Zugangs zu Identität rückt zugleich die Bedeutung von Sprache als dem zentralen Symbolsystem menschlicher Kommunikation für die Sinnkonstruktion der Individuen in den Vordergrund. 23 Unsere Beziehung zur Welt ist demnach kommunikativ vermittelt. Der Sprache kommt dabei die Rolle zu, zwischen den verschiedenen inneren und äußeren Welten und den daraus resultierenden Teilidentitäten im Sinne der oben angesprochenen Passungsarbeit zu vermitteln (vgl. Keupp et al. 1999: 208f). Identität kann daher auch als »narrative Identität« (ebd.: 101) verstanden werden, als ein Modus der Selbstkonstruktion, der über die Gestaltung von Erzählungen vermittelt wird. Selbsterzählungen sind ein »Versuch, sich und seinem Leben einen - anderen mitteilbaren - Sinn zu geben« (ebd.: 229). In diese Selbsterzählungen fließen nicht nur Vorstellungen von sich selbst ein, die neben Selbst- auch Wunschbilder umfassen können, sondern auch die (antizipierten) Reaktionen der relevanten Anderen. Identitätsarbeit ist daher auch »Narrationsarbeit« (ebd.: 207), in der es darum geht, in einem Aushandlungsprozess die eigenen Erzählungen erfolgreich gegenüber sich selbst und anderen aufrechtzuerhalten. Die Auffassung, dass wir gewissermaßen durch Geschichten leben (vgl. Gergen/Gergen 1988), macht den diskursiven Charakter von Identität deutlich. Jede Selbsterzählung ist das Produkt eines sozialen Austauschs und geschieht somit im Lichte sozialer Bewertungen, die auf dahinterstehende soziale Strukturen verweisen. Selbstnarrationen sind daher immer auch in gesellschaftliche Diskurse eingebunden. Sie bedienen sich sowohl bei einem sozia-historisch gängigen Formenrepertoire, als auch bei gesellschaftlich verfügbaren kulturellen Meta-Erzählungen, die als Deutungsmuster bestimmte »Identitätsfigurationen« bereit halten und Normalitätsstandards transportieren (vgl. Keupp 1996). Identität ist somit auch als eine spezifische auf eine Person bezogene »Artikulation« zu verstehen, mit der sich das Subjekt in einem gesellschaftlichen Machtgeflige positioniert (vgl. Hall 1994), wobei die Mög23 Zur Rolle der Sprache für die Konstitution der Alltagswelt vgl. Berger und Luckmann 1969: 36-48.
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lichkeiten, mit denen man sich auf dominante Werte und Subjektpositionen beziehen kann, maßgeblich durch den sozialen Kontext des einzelnen mit bestimmt werden. Eine gelingende Identität hängt letztlich entscheidend davon ab, ob man sich selbst als Erzähler seiner eigenen Geschichten erlebt, oder als Objekt von Fremdzuschreibungen bzw. Gegenstand fetiiger Erzählungen. Dies wird vor allem dann zu einem Problem, wenn die in der Gesellschaft zirkulierenden Metaerzählungen keine lebensweltliche Entsprechung mehr besitzen. Traditionelle Institutionen und Metaerzählungen (z.B. Kirche und Religion, Klassen und Klassenbewusstsein) entfernen und entfremden sich in individualisierten Gesellschaften zunehmend von den lebensweltlichen Realitäten. Dadurch können übergreifende Sinnzusammenhänge nur noch auf der Ebene des einzelnen Individuums integriert werden- man denke z.B. an die vielfältig und bruchstückhaft kombinierbaren esoterischen Lebenshilfeangebote, oder die populären Versuche östliche Glaubenssysteme auf die westliche Lebensweise zu übertragen (vgl. Keupp et al. 1999: 59). Neue Identitätsofferten erscheinen dagegen in erster Linie in Form von Konsumangeboten mitallden damit verbundenen V orteilen einer leichten, freiwilligen und individualisierten Verftigbarkeit, aber auch den sattsam diskutierten Nachteilen eines fragwürdigen ideologischen Charakters solcher Angebote (vgl. insb. Horkheimer/Adorno 1981 ). Für die folgende Untersuchung gilt es nun herauszuarbeiten, welche Diskurse für die Konstitution der Fankultur der STAR TREK-Fans relevant sind, und wie sich die Fans innerhalb dieser Diskurse selbst positionieren bzw. von außen positioniert werden. Des Weiteren ist für den Prozess der Identitätsstif· tung der Fans von Belang, welche Erzählungen der Text STAR TREK anbietet und welche Erzählungen im Fandom als Medium und Ausdruck der Selbstverständigung über die eigene Fanidentität kursieren. 6. Zusammenfassend kann man dann von einer gelungenen Identität sprechen, wenn es dem Subjekt gelingt, sich hinsichtlich seiner verschiedenen Teilidentitäten in verschiedenen kleinen sozialen Lebenswelten als kohärent zu erleben. Dies ist dann der Fall, wenn das Subjekt sich mit seinen Identitätszielen im Einklang, also authentisch erlebt, und dazu in der Lage ist, seine Identitätsentwürfe in Identitätsprojekte umzusetzen und diese erfolgreich zu verwirklichen. Die Frage nach dem Gelingen kann dabei jedoch nicht allein aus der Perspektive des Subjekts beantwortet werden, sie ist ebenso von den Antworten der Mitmenschen abhängig, auf deren Anerkennung es angewiesen ist. Für die empirische Untersuchung der STAR TREK-Fans bedeutet dies, vor dem Hintergrund der in den vorangegangenen beiden Kapitel ausgeführten Probleme und Widersprüche der reflexiven Moderne und der posttraditionalen Vergemeinschaftungsform (z.B. Instabilität, direkte Teilhabe vs. Partizipation über Kommunikationskanäle, Individualität vs. Gemeinschaft) danach zu fragen, welche Formen der Identitätsarbeit es in dieser Fankultur gibt, und wodurch diese befördert bzw. behindert werden.
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2.4 Medien als Mittel und Ressource für Identitätskonstruktionen und Vergemei nschaftu ng Krotz stellt in seiner umfangreichen Untersuchung zur Mediatisierung von Alltag, Kultur und Gesellschaft fest, dass die Medien in den zahlreichen soziologischen Ansätzen den gesellschaftlichen Wandel zu beschreiben »meistens keine oder nur eine untergeordnete Rolle« (Krotz 2001: 213) spielen. 24 Dies steht im Gegensatz zur Allgegenwärtigkeil von Medien in unserem Alltag. Das Gesamtzeitbudget der bundesdeutschen Bevölkerung fiir die Nutzung von Medien im Jahre 2000 betrug (brutto) 8 Stunden und 22 Minuten (vgl. ARD/ZDF Medienkommission 2001 25 ). 98 % der bundesdeutschen Haushalte besaßen mindestens ein Fernseh- und ein Hörfunkgerät, 49% bzw. 82 % sogar zwei oder mehr Geräte und immerhin in 54 % der Haushalte gab es bereits einen Computer. Die wachsende Bedeutung des lnternets wird allein schon daran deutlich, dass kaum noch ein Unternehmen ohne Auftritt im Netz auskommt und kaum eine Fernsehsendung existiert, die nicht auf crossmediale Inhalte und Interaktionsangebote im Internet verweist. Insbesondere das Fernsehen ist in seiner noch relativ kurzen Geschichte zu einem »kulturellen Leitmedium« (Mikos 1994a: 1) avanciert, dessen Gebrauch ein »fester Bestandteil fast aller Bevölkerungsgruppen« (ebd.) ist. Und auch der berufliche Alltag scheint heute in vielen Bereichen kaum noch ohne computervermittelte Kommunikation denkbar. Die Rolle der Medien beschränkt sich dabei nicht nur auf ihre Funktion der Informationsübermittlung, sie sind umfassend in unseren Alltag eingebunden. Im Folgenden soll diese »Kultur-Bedeutsamkeit« (Winter 1993: 68) von Medien im Alltag jenseits deterministischer Wirkungsvorstellungen entlang der eingangs dargestellten Dimensionen der Individualisierungsthese (vgl. Kap. 2.1) nachgezeichnet werden. Medien haben einen wesentlichen Anteil an der Optionsvermehrung moderner Individuen. Durch die zunehmende Verfügbarkeil von Medien steigt die Menge an Informationen, die uns bei der Gestaltung unseres Lebens zur Verfügung stehen. Medien versorgen uns mit einer Vielzahl unterschiedlicher Orientierungsangebote, verschaffen Zugang zu fremden und (räumlich wie zeitlich) entfernten Lebensbereichen und können als Kommunikationsmittel unsere persönlichen sozialen Netzwerke vergrößern. Wir sehen uns mit einer wachsenden Menge an Optionen konfrontiert, die uns Entscheidungsspielräume eröffnen, aber auch zu Entscheidungen zwingen. Medien erweitern und entgrenzen den sozialen Horizont moderner Individuen und sind damit entscheidend an der Entstandardisierung von Lebensmustern und Daseinsformen beteiligt. Diese Pluralität an Optionen befördert die Selbstreflexion des einzelnen, weckt schließlich auch neue (Informations-)Bedürfnisse und
24 Ein Beispiel dafür gibt der zuvor als prominenter Vertreter für Analyse des sozialen Wandels in der Nachkriegsgesellschaft herangezogene Ulrich Beck. Medien finden in seiner Individualisierungsthese nur als kurzes Beispiel in Form des Fernsehens Erwähnung, das er zudem nur sehr einseitig als Beleg für die Kontrollstruktur der Reintegrationsdimension anführt (Beck 1986: 213). 25 Befragt wurden 5.017 deutschsprachige Personen ab 14 Jahren.
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beschleunigt dadurch die Herauslösung aus traditionellen Strukturen (»Freisetzungdimensiom ). Gleichzeitig nimmt dabei der Anteil stellvertretender Erfahrungen gegenüber selbst gemachten Erfahrungen zu. Medialen Erfahrungen wohnt die Tendenz inne, Individuen von ihrem sozialen Nahraum zu entkoppeln und Mitgliedsgruppen zugunsten von Bezugsgruppen, die sehr viel leichter zu wechseln sind, zu schwächen. Sie verringern den Bezug zum eigenen Alltag und dem eigenen sozialen Umfeld, weil die in der face-to-face-Kommunikation übliche unmittelbare Betroffenheit fehlt. Diese kann in der Mediennutzung nur mittelbar und sekundär, über eine erhöhte Selbstreflexion der in der Rezeption erlebten Gefühle, hergestellt werden (vgl. Krotz 200 I: 210t). Medien werden damit mehr und mehr zu wichtigen Ressourcen für die ldentitätsarbeit. Die szenische Verfasstheit von Medientexten fordert den Zuschauer dazu aut~ sich in der Interaktion mit dem medialen Gegenüber und den von ihm/ihr verkörperten »Repräsentativrollen« (Teichert 1973: 378) mit sich selbst und den an sich gerichteten Rollenanforderungen auseinander zusetzen. Die Zuschauer ziehen dabei einerseits für die Beurteilung des Verhaltens der Medienpersonen die in ihrer Lebenswelt geltenden Maßstäbe heran, und orientieren sich andererseits in ihrem eigenen Verhalten an den Optionen, die ihnen die Medienfiguren in bestimmten Situationen vorführen. Diese dialektische Verschränkung vollzieht sich als ein Wechselspiel von »role-taking« und »role-making« (Teichert 1973). In der identitikatorischen Wahrnehmung von Medienfiguren kann sich der Einzelne ausprobieren, ohne dem Handlungsdruck realer Situationen und deren Konsequenzen ausgesetzt zu sein. Medien bieten einen relativ gefahrlosen Raum für die probeweise Übernahme der zahlreichen potentiellen Rollenangebote in pluralisierten Gesellschaften und tragen so zur Anpassung der Subjekte an die vielfaltigen und komplexen, in Rollen repräsentierten gesellschaftlichen Anforderungen und Zwänge bei (vgl. Mikos 1994a: 79ff). Als inhaltliche Ressource erweitern die Medien damit das individuell verfligbare Rollenrepertoire und halten ein breites Arsenal an Attributen und Symbolen flir die Konstitution von Identität bereit. Dies hängt allerdings entscheidend von den sozialen und kulturellen Ressourcen eines Individuums ab, d.h. den Möglichkeiten den Prozess des role-making auch in realen Interaktionen fortzuführen und sozial abzusichern. Es besteht die Gefahr, »dass die Kommunikation mit Medien nicht dazu beiträgt, dass die gesellschaftlichen Individuen es lernen, in interaktiven Prozessen ihre Identität erfolgreich zur Geltung [zu] bringen, weil sie diese in der Kommunikation wurzelnde Fähigkeit im Verhältnis zu den Medien nicht benötigen« (Krotz 2003: 208). Dies könnte sich z.B. darin äußern, »dass der Einzelne in seinem kommunikativen Handeln dazu tendiert, mit anderen so umzugehen, wie es mit dem Fernsehen erlernt worden ist, also gegebenenfalls wegzuhören oder umzuschalten, wenn sich der >reale< andere in zwischenmenschlichen Interaktionssituationen mit unerwünschter Deutlichkeit einbringt, etwas Unangenehmes sich kommunikativ anbahnt oder ganz allgemein die Kenntlichmachung
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des Individuums auch gegen Widerstände notwendig ist« (ebd.; Hervorhebung im Original).
Das Problem besteht also darin, dass die leichteren para-sozialen Interaktionen, den schwierigeren, weil komplexeren lebensweltlichen Beziehungen vorgezogen werden, sobald das Individuum auf Widerstände in sozialen Interaktionen stößt. Zudem öffnet die Übernahme von medial vermittelten Identitätsattributen das Selbst für die Beeinflussung von Seiten der Ökonomie und anderen Institutionen, was eine authentische Identitätsbildung ebenfalls behindert. Schließlich eröffnen Medien als Kommunikationsmittel neue Möglichkeiten, sich mit anderen in Beziehung zu setzen und selbst zu präsentieren. So kann z.B. durch die Anonymität bzw. die textbasiert vermittelte Pseudonymität im Internet neue rollenbasierte Erfahrungen gemacht werden (vgl. z.B. Bahl 1997; Turkle 1995), während beispielsweise durch Handys neue Formen der Gestaltung sozialer Beziehungen entstehen, die sich durch ein eigentümliches Verhältnis von räumlicher und zeitlicher Unabhängigkeit bei einer gleichzeitig ständigen Verfügbarkeil und damit kommunikativen Abhängigkeit26 auszeichnen. Mit der Erweiterung der eigenen Erfahrungswelt schrumpfen zugleich die Möglichkeiten, die Vielzahl neuer Erfahrungen zu überprüfen. Das moderne Individuum ist zunehmend von Ereignissen betroffen, die nicht seiner persönlichen erreichbaren Umwelt entspringen. Im selben Maße, indem es für die Konstruktion seines Bildes von der Welt auf Informationen aus zweiter Hand angewiesen ist, schrumpfen aber auch die Möglichkeiten, diese neuen Erfahrungen selbst zu überprüfen. Dies kann selbst in der Kommunikation und Interaktion mit anderen nur bedingt geschehen, da dieses strukturelle Problem für alle gilt, und nur soweit aufgehoben werden kann, wie die Schnittpunkte persönlicher Netzwerke bis zu bestimmten Ereignissen führen. Eine weitere Konsequenz des Informationszuwachses ist, dass man sich diesem kaum noch verschließen kann und letztlich dazu gezwungen wird, Bescheid wissen zu müssen, wenn man an der Gesellschaft teilhaben und seine Entscheidungen als hinlänglich selbstbestimmt erleben will. 27 Der Wandel der Erfahrungswelt betrifft vor allem die »Entzauberungsdimension« der Individualisierung. Massenmedien und insbesondere das Fernsehen haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Grenzen zwischen »Vorder- und Hinterbühne« (vgl. Goftman 1983: 99-183) bzw. zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit zunehmend verwischen und sich auflösen. Der ständige Kampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauer unter dem >Diktat der Einschaltquoten< setzt eine Inszenierungslogik in Gang, die darauf beruht, nicht zugängliche Bereiche des Privaten offen zu legen und zugleich Alltägliches medial attraktiv zu inszenieren. 28 Das Resultat dieser Dialektik einer
26 Rötlich, Gebhardt und Steuber stellten in ihrer Studie zur Handynutzung Jugendlicher fest, dass ein hohes Maß an Zwang zu einer möglichst zeitnahen Antwort besteht (vgl. Hötlich/Gebhardt/Steuber 2003: 284ft). 27 Das schließt jedoch nicht aus, dass eine mögliche Strategie darin besteht, Entscheidungen anderen zu überlassen, und diesen nur noch konformistisch zu folgen (vgl. z.B. Fromm 1993; Riesman 1968). 28 Prototypen dieser Inszenierungsform sind Talkshows und als fiktives Format die Daily Soap.
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>Veralltäglichung des Besonderen< und einer >Besonderung des Alltäglichen< ist ein verändertes Verhältnis von Öffentlichkeit und Privatsphäre, wo moderne Individuen auch in der Öffentlichkeit nach Intimität suchen, anstatt diese als eine Sphäre des gesellschaftlichen Austauschs zu sehen. Darin spiegelt sich ein grundlegender Wandel in der Beziehung zu Autoritäten und Institutionen wieder. Indem man heute durch die Medien Zugang zu Bereichen und Informationen geliefeti bekommt, die einem vormals verwehrt waren, wird die soziale Kontrolle verschiedener gesellschaftlicher Sphären durch traditionelle Institutionen und damit auch die Weitergabe der dort vorherrschenden Normen und Werte immer schwieriger. 29 Soziale Ungleichheiten und die damit verbundene soziale Kontrolle verschwinden jedoch nicht, sie verlagern sich nur in andere Bereiche und werden selbst zu einem Teil der Hinterbühne. So besteht beispielsweise immer noch ein grundlegender Unterschied zwischen einem >gewöhnlichen< Zuschauer, der in einer Fernsehshow auftritt, und einem >echten Star< hinsichtlich der Möglichkeiten das eigene Bild und damit auch die eigene Identität in der Öffentlichkeit zu kontrollieren. Auch wenn der Zugang zu Medien und vor allem dem Fernsehen heute leichter scheint denn je, ist es doch in der Regel noch ein Zugang, der nicht von denjenigen kontrolliert wird, die neuerdings scheinbar davon profitieren. Es handelt sich vielmehr um einen Versuch der Ökonomie, sich die Formen kollektiver und individueller Kommunikation und der darin verwendeten Ausdrucksformen zu Eigen zu machen (vgl. Krotz 2003: 46). Allerdings hat dieser medial induzierte Strukturwandel der Öffentlichkeit auch eine positive Seite. Er sensibilisiert »für Situationen, Personen und deren Lebenslagen, die von ganz anderen Verhältnissen bestimmt sind als die, unter denen der Nutzer lebt, und fordert dafür prinzipiell Empathie ein« (Krotz 200 I : 21 I). Damit ist bereits die »Reintegrations- bzw. Kontrolldimension« des Individualisierungsprozesses angesprochen. Die institutionenabhängige Bindung an die Medien macht sich daran bemerkbar, dass mehr Zeit mit Medien verbracht wird (vgl. Berg/Kiefer 1996), und die Bedeutung medialer Angebote flir die Strukturierung des Alltags gegenüber traditionellen Institutionen wie z.B. familiären Aktivitäten zunimmt (vgl. Neverla 1992; Beck 1994). Medien sind zudem das zentrale Medium für die Einbindung in Märkte. Angesichts der zunehmenden Angleichung von Produkten, die sich nur noch in ihrer symbolischen Anmutung unterscheiden, bei gleichzeitig wachsender Konkurrenz in segmentierten zielgruppenspezifischen Absatzmärkten, spielt die Kommunikation am Markt eine immer größere Rolle, wenn es darum geht, die Kunden und vor allem den >richtigen< Kunden zu erreichen und vom Image eines Produkts zu überzeugen. Die wichtigste Funktion hinsichtlich dieser Dimension kommt den Medien allerdings als Mittel gesellschaftlicher Integration zu? 0 Generell lassen 29 Dieses Problem wurde vor allem für die Lebenswelt Heranwachsender diskutiert, die durch die Medien einen Zugang zu Informationen bekommen, der ihrer persönlichen Entwicklung oftmals vorausläuft (vgl. z.B. Postman 1984). Die Eltern als maßgebliche Sozialisationsinstanz verlieren dadurch an Bedeutung, während die Kinder und Jugendlichen sich schwer tun, diese Informationen in ihre eigene Erfahrungswelt zu integrieren. 30 Die Entwicklung der Massenmedien ist von Beginn an mit der Frage nach ihrer Integrationsfunktion verbunden, sei es, dass sie zur Durchsetzung bestimmter
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sich dabei zwei Lesarten unterscheiden. Integration als Standardisierung erfolgt durch die Verbreitung derselben Inhalte an ein breites (Massen-) Publikum, wodurch vergleichbare Lebensbedingungen hergestellt werden. Diese Homogenisierungsthese findet sich am deutlichsten ausgearbeitet in der Kulturindustrietheorie von Horkheimer und Adorno ( 1981 ), die in der zunehmenden Standardisierung kulturindustriell gefertigter Waren einen Mechanismus erkennen, der gesellschaftliche Ungleichheitsstrukturen reproduziert, den Konsumenten konformiert und als scheinbar souverän entscheidendes Individuum in einem »Zirkel von Manipulation und rückwirkendem Bedürfnis« (Horkeimer/Adorno 1981: 142) in eine unmündige Abhängigkeit entlässt. Dem steht die Auffassung gegenüber, dass in modernen Gesellschaften nur noch die Medien in der Lage sind, zwischen den verschiedenen Teilöffentlichkeiten zu vermitteln und Zusammenhänge zu globalen Ereignissen der Weltgesellschaft herzustellen. Das Verhältnis moderner Medien zur Entwicklung der Gesellschaft wird hier als dialektisch betrachtet: einerseits haben die Medien einen entscheidenden Anteil an der Ausdifferenzierung der Gesellschaft und damit der Ausbettung der Individuen, andererseits vollzieht sich die Wiedereinbettung zunehmend über Medien, die sowohl als Kommunikationsmittel, wie auch über ihre Inhalte zur Konstitution einer Vielzahl von »Spezialkulturen« (Winter/Ecketi 1990) beitragen, zu der auch das im Folgenden untersuchte STAR TREK-Fandom zu zählen ist. Die Integration in diesen Kulturen erfolgt nicht mehr automatisch oder unter Zwang, sondern über das Interesse und die Bereitschaft zur Kommunikation (vgl. Krotz 2001: 203), als Ergebnis einer »gelingenden Kommunikation« (Shibutani 1955: 566). Als thematische Ressource sind Medieninhalte Bestandteil der Konstruktion von Identität in sozialen Beziehungen und als Kommunikationsmittel beeinflussen sie die Art der Kommunikation sowie die Anzahl und Qualität der sozialen Beziehungen. Durch moderne Medien kann man an mehr Gruppen teilhaben, jenseits räumlicher und zeitlicher Grenzen und Verbindlichkeiten, wobei die Beziehungen gleichzeitig näher und distanzierter und vor allem, dank einer größeren Anzahl verfügbarer Kanäle, auch vielfliltiger ausfallen können. Allgemein zugängliche und jederzeit verfügbare Mediensymbole und -themen bilden in ausdifferenzietien Gesellschaften eine Basis für gemeinsame Kommunikation jenseits der Grenzen unterschiedlicher kleiner sozialer Lebenswelten (vgl. Mikos 1994a: 108ff). 31 Ihnen kommt damit die Funktion eines »kulturellen Forums« (Newcombe/Hirsch 1992) bzw. eines »Barden« (Fiske/Hartley 1978: 85ft) der Gegenwartskultur zu. Diese Sichtweise auf Interessen, z.B. als politische Propaganda oder als Werbung, genutzt werden, oder dass in ihnen ein unersetzliches Mittel zur Herstellung politischer Ötientlichkeit in modernen Gesellschaften gesehen wird, wie es z.B. das Bundesverfassungsgericht für das öffentlich-rechtliche Fernsehen definiert hat. 31 Diese Funktion findet sich z.B., wenn in kleineren Gruppen Mediensymbole für die spielerische Inszenierung der Gruppenstrukturen verwendet werden und sich die Gruppe so symbolisch über sich selbst und ihre Rollen verständigen kann. Ebenso wurde wiederholt auf die Bedeutung von Medienthemen für .Jugendliche hingewiesen, die in der Folgekommunikation über Medienangebote Kontakte herstellen, für sie kritische Themen diskutieren und sich symbolisch vermittelt über die eigene Person und die subjektiven Relevanzen austauschen (vgl. z.B. Götz 2000: 59f; Gillespie 1995).
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Massenmedien und vor allem das Fernsehen geht davon aus, dass diese in der heutigen Gesellschaft in säkularisierter Form der Aufgabe einer pluralistischen Reflexion nachkommen, die in traditionalen Gesellschaften in gemeinsamen Ritualen ausgeübt wurde. Medien repräsentieren nicht nur eine in sich geschlossene Weltanschauung, sondern konfrontieren mit einer Vielzahl an Lebensauffassungen. Sie repräsentieren zugleich den gesellschaftlichen Konsens, binden einzelne Individuen ein, indem sie Deutungsmuster für das alltägliche Handeln liefern, und sie verweisen auf Widersprüche, »auf Bruchzonen in der Kruste der Gesellschaft« (Newcombe/Hirsch 1992: 102). Als kollektiv verfügbare Identitätsressourcen vermitteln sie zudem zwischen Personen, die einen gemeinsamen Lebensstil besitzen. Im Anschluss an diese kurze Skizze des Verhä.ltnisses von Medien und Gesellschaft vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Individualisierungsprozesses lassen sich folgende LeitFagen für die empirische Untersuchung der Fankultur der STAR TREK-Fans formulieren: • Wie vermittelt STAR TREK als mediale Ressource zwischen der heterogenen Masse der Zuschauer? • Welche Orientierungsangebote, Werte und Sinnstrukturen tinden diese in den Texten? Und stehen diese in Konkurrenz zu traditionellen Sinnangeboten? • Welches Angebot für die Identitätskonstruktion der Zuschauer stellt STAR TREK bereit? Inwieweit steht das auf den ersten Blick alltagsferne Genre der Science Fiction in Kontinuität zum Alltag der Zuschauer? • Liefert STAR TREK ein symbolisches Reservoire zur Vermittlung eines gemeinsamen Lebensstils? • Wie gestaltet sich das Verhä.ltnis zu Darstellern und Produzenten als den zentralen Medienakteuren und wieweit hat dieses Verhältnis Einfluss auf die Konstitution der Fankultur? Wie gehen diese Medienakteure mit dem Vertrauenskapital, das ihnen entgegengebracht wird, um? • Welche Rolle spielen welche Kommunikationsmittel für die Konstitution des Fandoms? Und welche Art von Beziehungen wird damit konstituiert?
2.5 Populärkultur und Medienaneignung Der wissenschaftliche Zugang zu Phänomenen der populären Kultur war lange Zeit ein eher randständiges Betätigungsfeld, ganz im Gegensatz zu der wachsenden Bedeutung populärer Kultur im Alltag der Menschen. Es herrschte relativ einhellig die Auffassung vor, dass die Menschen den Verwertungsinteressen der Kulturindustrie hilflos ausgeliefert seien und von diesen passiv vereinnahmt würden, weil sie über kein eigenes, kritisches Urteilsvermögen verfügten, das sie den politisch machtvollen Akteuren und deren dominanter Wirklichkeitsdefinition entgegensetzen könnten. Die Vorstellungen reichten hier von dem Bild einer atomisierten Masse von Rezipienten, die auf die einheitlichen Stimuli der Massenmedien auch gleichförmig reagieren, wie es in den frühen Modellen der Medienwirkungsforschung verbreitet wurde, bis zu der kritischen Kulturtheorie Adornos und Horkheimers. Diese gingen in ihrer Kulturindustrietheorie (Adorno/Horkheimer 1981) davon aus, dass eine weitgehend standardisierte Produktion von Kultur-Waren zu einer Verkümmerung der Spontaneität und Kreativi-
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tät und damit letztlich des eigenständigen kritischen Denkens führen würde. Unterhaltung beschreiben sie als ein Produkt der Kulturindustrie, mit der die Menschen dazu verführt werden, sich von ihrem harten Arbeitsalltag ablenken zu lassen, nur um sie dabei erneut über den Konsum kulturindustriell gefertigter Waren und den dabei geweckten >falschen< Bedürfnissen in das System einzubinden. Sie erkennen in diesem Zirkel eine Manipulation des Bewusstseins, die zu einem Verlust der Individualität führt, weil nur noch die vom System gewünschten, d.h. die bestehende ideologische Herrschaftsstruktur reproduzierenden Bedürfnisse entwickelt würden. Diese Theorie gründeten sie auf der Annahme einer einheitlichen und durchgängigen ideologischen Struktur der Gesellschaft, in der die einzelnen mit Macht ausgestatteten Institutionen lückenlos ineinander greifen und so eine umfassende Manipulation erreichen, die den Verblendungszusammenhang absolut erscheinen lässt. Winter weist in seiner Kritik an dieser Theorie darauf hin, dass sie die unterschiedlichen Medien und Medieninstitutionen sowie die dort geltenden verschiedenen Praktiken der Medienproduktion unzulässig vereinheitlicht (vgl. Winter 1995: 24). Sie verfügt zudem über kein Modell der Decodierung, und geht daher den empirisch nicht überprüfbaren Weg, allein von der Beschaffenheit der Kulturwaren und den Bedingungen ihrer Produktion auf deren ideologische Wirkung zu schließen (vgl. Winter 1995: 25; 1993: 67). Die Kulturindustrietheorie wird damit der Vielzahl von Ideologien und Subjektpositionen in der späten Moderne nicht gerecht, und blendet zudem die Möglichkeit kooperativer Deutungsleistungen und des eigensinnigen Umgangs mit Kulturwaren von vornherein aus.
Populärkultur als Widerspruch und soziale Praxis Einen anderen Zugang bieten hier die Ansätze und Konzepte der Cultural Studies, die beim Alltag der Menschen ansetzen und danach fragen, wie diese ihre (Alltags-)Kultur selbst schaffen, indem sie auf die Produkte der Massenkultur zurückgreifen und sich diese (kommunikativ) in einem bestimmten sozio-kulturellen Kontext aneignen. 32 Populäre Kultur ist demnach nicht mit den Produkten der Massenkultur gleichzusetzen. Diese sind erst das Ausgangsmaterial für eine Bedeutungsproduktion der Leute. Populärkultur wird dieser Perspektive zufolge von den Leuten gemacht und entsteht an der Schnittstelle von Kulturindustrie und Alltagsleben (vgl. Fiske 1989). Diese Feststellung trifft Fiske aufgrund der Beobachtung, dass Populärkultur in den gegenwärtigen westlichen Gesellschaften in sich höchst widersprüchlich ist (Fiske 1989). Populäre Kultur wird einerseits industriell produziert und kommerziell verbreitet und ist damit Teil einer finanziellen Ökono32 Die Cultural Studies haben bereits mit ihren frühen Jugendstudien am Birminghamer Centre for Contemporary Cultural Studies gezeigt, dass sich über den Konsum keine homogenen Gruppen konstituieren (vgl. Clarke et al. 1979). In diesen Studien wurde deutlich, dass die verschiedenen jugendlichen Sub- und Gegenkulturen, die im Nachkriegsengland entstanden sind, sich vor dem gesellschaftlich-historischen Hintergrund dieser Zeit in Abhängigkeit von anderen (dominanten) Kulturen entwickelt haben und in ihren jeweiligen Stilen eine »imaginäre Beziehung« (Clarke et al. 1979: 74/96) zu den eigenen Daseinsbedingungen zum Ausdruck brachten. Clarke und seine Mitarbeiter haben den Blick auf die Machverhältnisse gelenkt, die der Aneignung populärer Kultur eingeschrieben sind, und damit jugendkulturelle Stile als Manifestation aktiver und produktiver Verarbeitungsleistung charakterisiert.
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mie. Am Beispiel des Fernsehens 33 führt Fiske diese ökonomische Funktion aus: Produktionsstudios produzieren zunächst ein Programm, das als Ware an die Fernsehsender verkauft wird. In einem zweiten Schritt wird das Programm zu einem Produzenten, indem es von den Fernsehanstalten dazu genutzt wird, ein Publikum zu erzeugen, das nun selbst als Ware an die Werbekunden der privaten Rundfunkbelreiber verkauft wird. Erst dadurch wird der Kreislauf der finanziellen Ökonomie des Fernsehens geschlossen. Das Programm ist in diesem Kreislauf nur soweit von Interesse, als es dazu in der Lage ist, ein für die (Werbe-)Industrie attraktives Publikum zu >produziereninauthenticity< of mass culture, so bemoaning the loss of the authentic is a fruitless exercise in romantic nostalgia« (Fiske 1989: 27). In der» Kulturarbeit an der Kultur« (Willis 1991: 40) erschafft das moderne Individuum in einem aktiven Prozess der Aneignung seine eigenen Lebensbedingungen ebenso wie die Populärkultur. Populärkultur besitzt daher auch keine von Beginn an durch die Kulturindustrie vorgegebene Bedeutung, sondern wird von den Leuten in ihrem Alltag aktiv gemacht (vgl. Fiske 1989). Beide Ökonomien sind Teile eines »Kreislaufs von Kultur« (du Gay 1997: 3) und hängen somit voneinander ab. Die finanzielle Ökonomie ist auf ihre Konsumenten angewiesen, die wiederum die Angebote der finanziellen Ökonomie im Rahmen der kulturellen Ökonomie benötigen. Diese Beziehung ist allerdings in hohem Maße spannungsgeladen, da die finanzielle Ökonomie zwar Möglichkeiten des Vergnügens eröffnet, die Rezipienten bzw. Konsumenten aber nicht an der Herstellung partizipieren lässt. Beide Ökonomien sind also durch ganz unterschiedliche Interessen geprägt. In der finanziellen Ökonomie stehen vor allem die Eigentumsrechte an den Produkten im Vordergrund. Daher strebt die Kulturindustrie eine möglichst vollständige Kontrolle über die Verwertung ihrer Produkte an. Das Interesse der Produzenten besteht darin, soziale Differenzen zu strukturieren und zu minimieren, weil sie so ihre Publika besser kontrollieren kann. Je homogener eine Zielgruppe ist, umso einfacher ist es flir die Produzenten, diese gezielt anzusprechen, selbst neue Trends zu initiieren und so neue Absatzmöglichkeiten zu kreieren. Ziel ist es daher, mittels kultureller Waren Bedeutungen von oben vorzugeben, um dadurch das Publikum zu disziplinieren. »The owners of capital can maintain their social position only because the social order in which they tlourish has produced legal, political, educational and cultural systems that, in their own spheres, reproduce the social subjectivities required by the economic system« (Fiske 1989: 29).
34 Mit »symbolischer Arbeit« meint Willis »die Anwendung von menschlichen Fähigkeiten auf und durch symbolische Ressourcen und Rohmaterialien [... ], um Bedeutungen zu produzieren« (Willis 1991: 22).
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Dem »Machtblocknatürlichen< Sozialisationsprozess eines Mitgliedes durchlaufen, die typischen Symbolsysteme erlernen und an den typischen Interaktionszusammenhängen teilnehmen. Das bedeutete im vorliegenden Fall, an all jenen kulturellen Tätigkeiten zu partizipieren, die die soziale Welt der STAR TREK-Fans konstituieren: die Rezeption des umfangreichen Serienkorpus und der Kinofilme, die Lektüre einschlägiger Zeitschriften und Bücher einschließlich der von den Fans selbst hergestellten Fanzines, den Besuch von Fanatiikel-Läden, Stammtischen (sog. Trekdinnern), Fanclubs und überregionalen Fantreffen (den sog. Conventions) sowie das Surfen auf den immer zahlreicher werdenden Internetseiten von und tlir Fans. Dadurch dass der Forscher sich zeitweise den Habitus eines Fans aneignet, um sich dann im Zuge seiner wissenschaftlich-theoretischen Aufarbeitung der erhobenen Daten und eigenen Erlebnisse wieder davon zu distanzieren, kann er zu einer »existentiellen lnnensicht« (Honer 2000: 201) gelangen, die es ihm erlaubt, die Lebenswelt wenigstens annähernd so zu beschreiben, wie sie die Angehörigen dieser Welt erfahren. Als eine Ati »experimenteller marginal man« (Lindner 1990: 21 0; vgl. Park 1967: 194-206) begibt sich der Forscher im Gegensatz zu einem >echten< Mitglied von vornherein mit einer spezifischen Zwecksetzung nur vorübergehend in diese Welt hinein, und pendelt ständig zwischen seiner professionellen Welt und der zu untersuchenden kleinen sozialen Lebenswelt hin und her. Dies verschafft ihm Einsichten in die Begrenztheit des Wissens beider Bereiche, der Wissenschaft wie der Lebenswelt, und zugleich eine gewisse Objektivität in der Lebenswelt, da er sie letztlich immer nur unter der Prämisse betritt, keine weiterreichenden Konsequenzen für seinen Lebensvollzug zu erfahren. Als Wissenschaftler kann man eben nicht davon ausgehen, dass man Common-Sense-Gewissheiten miteinander teilt. Erst die Grundeinstellung des permanenten Zweifels an der Richtigkeit der eigenen Weltsicht versetzt den Forscher in die flir die Rekonstruktionsarbeit nötige Haltung. Die ethnographische Lebensweltanalyse ist somit gleichsam methodisches Verfahren und spezifische Haltung des Forschers. Obwohl sich ein gewisser Kanon gängiger Methoden herauskristallisiert hat, gibt die Ethnographie keine spezifischen Methoden vor. Grundlegend für diesen Forschungsansatz ist jedoch, dass eine lebensweltliche Ethnographie sich nicht auf einzelne Methoden stützen kann, sondern in der Datenerhebung und -analyse verschiedene Methoden gegenstandsangemessen zu kombinieren sind, um die Komplexität einer Lebenswelt zu erschließen. Zum Kern dieses Methodenspektrums gehören in der Regel die teilnehmende Beobachtung, offene Interviews und (zumindest kursorische) Inhaltsanalyse nicht-reaktiver Materialien aus dem Feld. Zum Teil werden noch Gruppendiskussionen durchgeflihrt.
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Im Rahmen dieser Studie kamen im Einzelnen folgende Methoden zum Einsatz: Die teilnehmende Beobachtung diverser Fantreffen, zahlreiche informelle Gespräche mit Fans während des Feldaufenthalts, 22 narrative Leitfadeninterviews, mehrere Kurzinterviews mit Fans und Experten der Produktionssphäre, eine kursorische Analyse verschiedener Fanzeitschriften (Fanzines und im Handel erhältliche kommerzielle Magazine), Bücher über STAR TREK und Fanseiten im Internet, sowie eine deskriptiv-diskursive Analyse des Serientextes.
3.2 Zur Anlage der Untersuchung Obwohl bereits verschiedene Studien zur Fankultur der STAR TREK-Fans vorliegen (z.B. Jenkins 1992a, Bacon-Smith 1992, Jindra 1994, Amesley 1989), erwies sich diese kleine Lebenswelt anfangs dennoch als relativ fremd. Diese Studien geben zwar einen Überblick über mögliche Fanaktivitäten, bleiben aber in der Beschreibung der konkreten Interaktionszusammenhänge nur sehr vage. Zudem widmen sie sich meistens nur einem bestimmten Ausschnitt aus der Fankultur (v.a. Fan-Fiction). Dabei ist fraglich, ob sich diese Begrenzung aus der eigenen Voreingenommenheit der Forscher ergibt- Jenkins stellt sich selbst als lange Jahre aktiven Fan dar (Jenkins 1992a: 4ff) -, oder ob sie der Wirklichkeit der US-amerikanischen Fankultur entspricht. Diese Frage ist nur schwer zu beantworten, da in diesen ethnographischen Studien eine methodische Reflexion und Explikation der Feldarbeit weitestgehend nicht stattfindet und die Grenzen zwischen produktivem Fan und bloßem Zuschauer ebenso wie die historische Dimension der Fankultur kaum thematisiert werden. Es ist allerdings anzunehmen, dass die Konzentration auf bestimmte Aktivitäten und die dadurch konstituierten sozialen Beziehungen bei der Beschreibung des Phänomens der Fankultur zu kurz greift, weil das damit konstruierte Bild der Fankultur als ein sehr homogenes Gebilde der großen Popularität von STAR TREK nicht gerecht wird. Sowohl meine Besuche bei Trekdinnern, als auch die ersten Fanzines, die ich in Händen hielt, zeigten mir jedenfalls ein wesentlich helerogeneres Bild dieser Fankultur. Im Feld wurde bald deutlich, dass eine Fankultur breiter gefasst werden muss, weil dort ganz unterschiedliche Formen der Teilhabe und Grade der Selbstverpflichtung an dieser Fankultur anzutreffen sind. 5 Zudem stellten sich als eine der ersten Anlaufstellen für den Kontakt zu STAR TREKFans die regionalen Trekdinner heraus, die in dieser Form in den vorliegenden Studien bislang unerwähnt geblieben sind. Der theoretische Fokus, der sich vor allem auf die Widerständigkeil der Aneignung richtete, erschien nach den ersten Erfahrungen im Feld ebenfalls als zu eng. Die zitierten Studien zielten zum Teil noch darauf ab, die Produktivität des >Unbekannten Wesens Fan< in Abgrenzung zu vorherrschenden 5
So sprachen mich z.B. immer wieder Studenten, die in meinem Büro in den liegenden Büchern und Datenmaterialien Hinweise auf STAR TREK entdeckten, aufmein Interesse an STAR TREK an und bezeichneten sich selbst als Fan, ohne jedoch selbst in der Fankultur aktiv zu sein, oder gar von der Existenz einer aktiven Fangemeinde zu wissen.
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wissenschaftlichen Auffassungen zu beweisen. Die Unterschiede zwischen der deutschen und der US-amerikanischen Fan-Fiction-Szene scheinen letztlich weniger auf nationale Unterschiede zurückzufUhren zu sein, sondern vielmehr der häutiger zu beobachtenden inhärenten Tendenz von im Umfeld des Cultural Studies-Ansatzes entstandenen Studien zu entspringen, den Fokus von vornherein auf Gruppen (z.B. Frauen) zu legen, die ein Verhalten zeigen, das als widerständig interpretiert werden kann. 6 Auf dem Fundament mittlerweile gesicherter Befunde zahlreicher Aneignungsstudien, die die aktive und produktive Leistung der Zuschauer belegen, kann heute jedoch ein breitere Perspektive auf das Fandom eingenommen und die Fankultur als Ganzes in ihrer sozialen und diskursiven Konstruktion untersucht werden. Aus den genannten Gründen liegt es also nahe, eine Fankultur weiter zu fassen, und auch den Kreis derer mit einzubeziehen, die sich die primären Texte aneignen, ohne direkt an den Institutionen der Fankultur teilzuhaben. 7 »STAR TREK fandom is much !arger than its central group of convention goers, or even fanzine writers. To understand STAR TREK culture, then, it's first necessary to understand the periphery: those who would not call themselves >hardcore< fans (because I asked them ifthey would) but who include STAR TREK as an important text in the construction and maintenance oftheir social world« (Amesley 1989: 324).
Am Beginn der Feldarbeit stand daher eine längere explorative Phase, in der der theoretische Bezugsrahmen weitgehend zurückgestellt wurde, um zu gewährleisten, dass nicht von vom herein bestimmte Aspekte des Untersuchungszusammenhangs ausgeblendet werden. Erst auf der Basis einer genügend großen Kenntnis des Feldes und der ersten offenen Auswertungsschritte wurden die anfangs noch sehr allgemein gehaltenen Fragestellungen und theoretischen Konzepte in der Arbeit am erhobenen Material und der parallel fortlaufenden Feldarbeit weiterentwickelt und die Fragestellungen in der Weise konkretisiert, wie sie eingangs in der ausfUhrliehen >Endfassung< expliziert wurden. 8 Diese V orgehensweise entspricht in weiten Zügen der F orschungsstrategie der »Grounded Theory« (Glaser/Strauss 1967/1979), einem Verfahren, das auf die Entdeckung und Entwicklung gegenstandsbezogener, d.h. in der Empirie veranketier Theorien abzielt. Auch wenn diese Studie nicht, wie bei 6
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Darauf weist auch Hepp hin, der in seiner Kritik an der Studie von Brown (1994) festhält, dass die subversive Kraft der nicht-dominanten Klasse eher beschworen wird, und sich das widerständige Potential nur »in spezifischen und klar umgrenzten Settings der Medienaneignung« (Hepp 1999: 218) entwickelt. Medienaneignung muss demzufolge nicht widerständig sein, sondern kann auch im Rahmen dominanter Diskurse erfolgen (ebd.: 224ft). Diese unterschiedlichen Grade der Teilhabe an einer Fankultur berücksichtigt auch Winter, der in seinem Karrieremodell ausdrücklich den »Touristen« mit einschließt, der sich zumindest vorübergehend in den Randbezirken einer Fankultur aufhält (Winter 1995: 167-174). In der Darstellung der Studie wird der eigentliche Erkenntnisgang bis zum einem gewissen Grad sozusagen auf den Kopf gestellt, indem Thesen oder Annahmen als vorgängige theoretische Überlegungen formuliert werden, die zu einem großen Teil eigentlich das Ergebnis einer schrittweisen Präzisierung und Einengung der Fragestellung sind. Auf dieses typische >Problem< qualitativer Forschungsberichte weist auch Christel Hopfhin (vgl. Hopf 1993: 27).
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Glaser und Strauss angedacht, auf die Formulierung von allgemein gültigen Gesetzmäßigkeilen und Hypothesen ausgerichtet ist, sondern vielmehr auf die Rekonstruktion der Sinnstrukturen des Untersuchungsfeldes, so tinden dennoch einige ihrer zentralen Elemente in der Datenerhebung (theoretisches Sampling) und -auswertung (theoretisches Codieren) Verwendung. Grundsätzlich waren in der Feldarbeit folgende Fragen zu lösen: 1. Wie komme ich ins Feld? (Feldzugang) 2. Wie orientiere ich mich im Feld? (Fallauswahl) 3. Wie beobachte ich im Feld? (Teilnahme vs. Beobachtung, Grad der Strukturierung, verdeckt vs. offen, wie gestalte ich meine Rolle im Feld?) 4. Welche weiteren Methoden werden wie zur Erschließung des Feldes eingesetzt?
Der Weg ins Feld - Die Entdeckung des •Unsichtbaren• Bei dem Vorhaben, einen Überblick über das Fandom und seine Struktur in Form der darin existierenden Gruppen, Treffpunkte, Veranstaltungen und Medien zu bekommen, steht man vor dem Problem, dass die sozialen Zusammenhänge und die meisten Praktiken der Fans für Außenstehende weitgehend unsichtbar sind. Das Fanleben findet mit Ausnahme einiger medienwirksam begleiteter öffentlicher Auftritte und Events wie z.B. den großen Conventions mit mehreren tausend Besuchern nicht in der Öffentlichkeit statt, sondern zu Hause in den eigenen vier Wänden oder in spezifischen Interaktionszusammenhängen innerhalb der Fankultur. Sichtbar wird diese Fankultur in der Regel nur dann, wenn man zufallig auf sie stößt (z.B. bei einem Trekdinner, das in einer öffentlichen Gaststätte stattfindet) oder wenn die Fans selbst als solche an die Öffentlichkeit treten. Das Fandom verfügt zudem über keine Institutionen, die sich eine Archivierung oder gar historische Aufarbeitung ihrer eigenen Kultur zur Aufgabe gemacht haben. 9 Eine Rekonstruktion der Geschichte einzelner Veranstaltungen, Fangruppen oder gar des gesamten Fandoms gestaltete sich daher als äußerst schwierig, denn das Wissen der Fans über die Fanlandschaft reicht meist nur so weit wie ihre eigenen Kontakte. Dies stellt den Fan wie auch den Forscher gleichermaßen vor das Problem, Zugang zu dieser Sozialwelt zu erlangen. Gleichzeitig ist damit aber auch ein Vorteil verbunden, denn der Forscher kann seinen eigenen Weg bis zu einem gewissen Grad als exemplarisch betrachten und als kontrastierenden Fall gegenüber anderen Fanbiographien reflektieren. Zudem lässt sich eine reflektierte Einschätzung der eigenen Fankarriere und der damit verbundenen Schlüsselereignisse nur bei dem Teil der Fans feststellen, die in irgendeiner Weise eine Schlüsselfunktion im Fandom einnehmen, z.B. bei Leitern von Fanclubs. Aus diesem Grund wurden einige dieser Fans auch für Interviews ausgewählt, in denen sie sowohl als Experten ihrer eigenen Fanidentität wie auch des gesamten Fandoms befragt wurden. 9
Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt Henry Jenkins bei seinem Versuch, sich einen Überblick über die in den USA publizierten Fanzines zu machen. »As a result, no one has been able to produce a reasonable estimate of the full scope of media fandom's writing and publishing activity or its readership« (Jenkins 1992: 157).
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Als eine weitere wichtige Informationsquelle für die Exploration erwies sich vor allem zu Beginn das Internet, wo sich zahlreiche Fanaktivitäten und damit auch Fantreffen dokumentiert finden, in Datenbanken alle möglichen Informationen zur Serienwelt erhältlich sind und die Kommunikation der Fans in Foren und Newsgroups einen ersten Einblick in diese Fankultur vermitteln.10 Für die Entwicklung einer existentiellen Innensicht als unabdingbar erwies sich des Weiteren die Rezeption des Serientextes, weil dies den Forscher zum einen mit dem nötigen Wissen für die Rekonstruktion des subjektiven Sinns versorgt, den die Fans aus der Aneignung des Medienangebots ziehen. Zum anderen ermöglicht dieses Wissen die Teilhabe an Gesprächen und verleiht dem Forscher im Kontakt mit den Fans den Status eines kompetenten Gesprächspartners, dem, weil er sich selbst auf das Thema STAR TREK einlässt, auch Vertrauen entgegengebracht wird. Zudem bildete das sukzessive erweiterte Wissen im weiteren Verlauf der Feldarbeit eine wichtige Quelle für die Strukturierung und Selektion der Datenerhebung und fand in Form von Fragen Eingang in Gespräche und Interviews.
Strategien der Fallauswahl- Sukzessive Auswahl und Kontrastieru ng Die Datenerhebung folgte der Strategie des »theoretischen Samplings« (Glaser/Strauss 1967). Diese Strategie bietet sich vor allem für eine explorative Untersuchungsanlage an, weil die Datenerhebung in einem noch unbekannten Feld nicht anhand vorab vom Forscher festgelegter Kriterien erfolgen kann, sondern sich sukzessive aus den Ergebnissen der empirischen Erforschung entwickeln muss. »Theoretical sampling is the process of data collection for generating theory whereby the analyst jointly collects, codes, and analyzes his data and decides what data to collect next and where to find them« (Glaser/Strauss 1967: 45). Diese Kontrolle über den Prozess der Datenerhebung erfolgt im Wesentlichen durch eine fortwährende Kontrastierung geeigneter Vergleichsgruppen Dadurch wird es erstens möglich, Lücken aufzudecken, die eine weitere Datensammlung induzieren. Zweitens sichert sich der Forscher durch die methodisch und theoretisch kontrollierte Auswahl weiterer Untersuchungseinheiten und -personen dagegen ab, dass er nicht der Illusion verfallt, die Nähe zum Feld oder die Abwesenheit standarisierter Methoden mit einer >Natürlichkeit< der Daten gleichzusetzen (vgl. Soeffner/Hitzler 1994: 40f). Drittens erlaubt es diese Vorgehensweise, die Bedingungen der Anwendbarkeit einer Theorie anzugeben und somit die Glaubwürdigkeit abzusichern. Viertens kann so eine Entscheidung darüber getroffen werden, wann die Datenbasis als »gesättigt« gilt. Neue Erhebungen sind dann nicht mehr notwendig, wenn sie keine neuen Erkenntnisse mehr für die Entwicklung von Kategorien erbringen, d.h. konkret, wenn sich die Beispiele in neuen Vergleichsgruppen wiederholen.
10 Die zunelunende Verfiigbarkeit von Datenquellen durch das Internet wird aber gleichzeitig durch die Flüchtigkeit dieses Mediums wieder eingeschränkt, da die meisten Webseiten nur eine begrenzte Zeit aktualisiert werden bzw. überhaupt nur existieren.
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Diese Angaben zur Sättigungsgrenze des Forschungsprozesses wurden vielfach als zu ungenau und relativ willkürlich kritisiert. Letztendlich lässt sich dieses Problem immer nur dadurch beantworten, dass die Grenzziehung an einem bestimmten Kontext festgemacht wird, den es auf der Basis der gegenstandsbegründeten Theorie zu begründen gilt. Als Abschlusskriterium kann allerdings gelten, »wenn ein hoch aggregiertes Konzept, eine Sinnfigur, gefunden bzw. konstruiert wurde, in das alle untersuchten Elemente zu einem sinnvollen Ganzen integriert werden können und dieses Ganze im Rahmen einer bestimmten Interaktionsgemeinschaft verständlich (sinnvoll) macht« (Reichertz 2000: 523). 11 Dabei müssen auch Leitlinien für eine mögliche Verallgemeinerbarkeit über den konkreten Einzelfall einer qualitativ-empirischen Studie hinaus entwickelt werden. Forschungspragmatisch bedeutet dies jedoch, dass die Sättigungsgrenze für neue Erhebungen aufgrundhinreichend empirisch und theoretisch begründeter Annahmen über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag weiterer Daten gezogen wird. Die Fallauswahl und Kontrastierung fand in dieser Arbeit auf zwei Ebenen statt. Erstens auf der Ebene der Einrichtungen und Institutionen der Fankultur, und auf einer zweiten Ebene bei den Fans selbst. Die Rekonstruktion aufEbene der Fankultur erfolgte größtenteils anhand von Interviews mit prototypischen Mitgliedern, die in einer Leitungsfunktion maßgeblich an einer Institution beteiligt sind. Des Weiteren wurden zur Kontrastierung nichtreaktive Materialien herangezogen (z.B. Fanzines der Clubs). Die Kriterien für die Auswahl der interviewten Fans ergaben sich sowohl aus der Feldarbeit, als auch auf der Grundlage theoretischen Vorwissens. Da sich der Fokus dieser Arbeit allerdings auf den Kontext der Fankultur und nicht auf den sozialen Kontext einzelner Fans richtet, wurden bestimmte als relevant erscheinende Merkmale wie z.B. Alter und Geschlecht nicht explizit im Sinne einer Hypothesen- oder Theoriebildung analysiert, sondern nur dort thematisiert, wo sie im Fankontext eine bedeutende Rolle spielen. 12
II Glaser und Strauss sprechen im Zusammenhang der Grounded Theory auch von einer »Schlüsselkategorie«, der die Funktion zukommt, »die Theorie zu integrieren, zu verdichten und zu sättigen« (Strauss 1994: 66), indem sie einen Großteil der Variationen im Datenmaterial dadurch erklärt, dass sie in Beziehung zu anderen (untergeordneten) Kategorien steht und die verschiedenen Erscheinungsweisen eines Musters unter verschiedenen Bedingungen aufzeigt. In der Anforderung, dass alle Daten miteinander in Beziehung stehen bzw. sich als Teil eines >Ganzen< erweisen müssen, sehen Kleining und Witt sowohl eine »innere Validität« (Kleining/Witt 2001: 35) gewährleistet, als auch infolge der maximalen Perspektivenvariation im Rekonstruktionsprozess das Kriterium der Reliabilität erfüllt (ebd.: 36). 12 Da eine explizite Kontrastierung anband einzelner Merkmale im Verhältnis zum Ziel der Arbeit zu aufwändig gewesen wäre (v.a. bei den soziodemographischen Merkmalen), wurde bei einigen Merkmalen nur auf eine gewisse Streuung geachtet, ohne sie systematisch zu variieren. Zudem vereinten die befragten Fans immer mehrere Auswahlkategorien auf sich, so dass in der Auswahl eher auf die Kontrastierung der Einzelfälle Wert gelegt wurde, anstatt einzelne Variablen in den Vordergrund zu rücken, wie es die Methode des konstanten Vergleichs bei Glaser und Strauss vorsieht.
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Tab. 3.1: Kontrastierung in der Fallauswahl 13 Kontrastierung,
Ausprägung
Methode Clubs Interviews mit Leitung oder Mitgliedern
Fanzines kursorische Inhaltsanalyse Internetseiten kursorische Inhaltsanalyse, teilnehmende Beobachtung Trekdinner teilnehmende Beobachtung, Interviews Conventions teilnehmende Beobachtung
Größe, Region, thematischer Bezugspunkt (STAR TREK allgemein, bestimmter Darsteller/Star, bestimmte Kultur aus dem STAR TRek-Universum), bevorzugte Aktivitäten • »Final FrontierBetrieb< nicht gestört wurde, trug wesentlich dazu bei, dass meine Beobachterrolle kaum thematisiert wurde. Daran Anteil hatte mit Sicherheit auch, dass ich selbst durch mein in der Rezeption erworbenes Wissen glaubwürdig einen Bezug zu STAR TREK vertreten konnte und mich nicht allein als >distanzierter Forscher< zu den Fans begab. 19
17 Man kann insofern auch von einer kommunikativen oder ökologischen Validierung sprechen (vgl. Lanmek 1988: 151ft). 18 Bei der Beobachtung von Kommunikationsereignissen im Internet ist die klassische Frage nach ethischen Vorbehalten einer verdeckten Beobachtung überhaupt neu zu stellen, da es sich im Prinzip um eine öffentlich zugängliche Kommunikation mit einem nicht klar definierten Benutzerkreis handelt. Daher ist es nicht möglich, jede Beobachtung anzukündigen, da dies immer wieder von Neuern eine Aufklärung aller Anwesenden erforderlich machen würde, wodurch eine Beobachtung natürlicher Kommunikate unmöglich würde. 19 Der Vertrauensvorschuss, der mir entgegengebracht wurde, zeigte sich beispielsweise bei meiner ersten Convention, zu der mit zwei Besucherinnen eines Trekdinners, die ich erst kurz zuvor kennen gelernt hatte. Diese waren ohne zu Zögern bereit, die gemeinsamen Zugtickets zu organisieren und den dafür erforderlichen Betrag auszulegen.
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Narrative Leitfaden-Interviews - Methode und Praxis Im Zentrum dieser Studie steht trotz der essentiellen Bedeutung der teilnehmenden Beobachtung die Methode des qualitativen Interviews. »Durch die Möglichkeit, Situationsdeutungen oder Handlungsmotive in offener Form zu ertragen, Alltagstheorien und Selbstinterpretationen differenziert und offen zu erheben, und durch die Möglichkeit der diskursiven Verständigung über Interpretationen« (Hopf 2000: 350) bietet diese Form der Erhebung im allgemeinen die besten Chancen, Zugang zu subjektiven Sinnsetzungen und Reflexionsprozessen zu bekommen. Die Methode des qualitativen Interviews weist eine große Bandbreite an möglichen Konzeptionen auf. Für unseren Zusammenhang erwiesen sich im wesentlichen zwei Interviewtypen als relevant: das nan·ative Interview und das Leitfadeninterview. Die Idee des qualitativen Interviews besteht darin, den Befragten als >Experten< seines Alltags ernst zu nehmen, und dies in der Befragungssituation dadurch umzusetzen, dass ihm die Initiative für die Gesprächsführung sowie die inhaltliche Ausgestaltung des Interviews weitgehend überlassen bleibt. Dieses Prinzip, den Relevanzsystemen der Befragten Geltung zu verschaffen, wird am umfassendsten in »narrativen Interviews« (Schütze 1977) eingelöst. Das narrative Interview folgt der Annahme, dass Erzählungen eigenerlebter Erfahrungen den Orientierungsmustern des faktischen Handeins am nächsten stehen und eine retrospektive Interpretation anregen, die zu einer den tatsächlichen Erfahrungen entsprechenden Rekonstruktion fiihrt (vgl. Schütze 1977: 1). Im Zusammenhang dieser Untersuchung ist das narrative Interview deswegen geeignet, weil es den Zugang zu den Erfahrungen und Sinnstrukturen der Fans eröffnet, die diese in den verschiedenen sozialen Interaktionszusammenhängen gemacht, und in Form ihrer Fanidentität in eine sinnvolles Ganzes integriert haben. In der Erzählform dieses Interviewtyps kommt dabei insbesondere der Prozesscharakter der Identitätsarbeit sowie die damit verbundenen Reflexionsprozesse zum Vorschein. Die mit dem narrativen Interview verbundene Annahme einer weitgehenden Voraussetzungslosigkeit des Forschers ist jedoch nur selten gegeben. In der Regel verfügt der Forscher, wie auch im vorliegenden Fall, nicht nur über ein bestimmtes Erkenntnisinteresse, sondern auch bereits über einen theoretischen Bezugsrahmen, sei es durch sein Vorwissen als einschlägig befasster Wissenschaftler, bereits vorliegende Studien zu einem Thema oder auch nur durch sein Alltagswissen zu einem bestimmten Gegenstandsbereich. Dieser mehr oder weniger expliziten Vorstrukturierung entspricht das qualitative Leitfadeninterview, das einen Katalog an offenen Fragen bereit hält, der das Interview in unterschiedlich starker Weise strukturiert und bis zu einem gewissen Grad für alle Befragten vergleichbar macht. In dieser Studie fiel die Entscheidung schließlich auf eine Kombination dieser Interviewtypen, die den Befragten sowohl genügend Raum fiir eigene Erzählungen lässt, als auch ein theoretisch entwickeltes Vorverständnis mit einbezieht, ohne dabei die Möglichkeit, Neues zu entdecken, zu weit einzuschränken. Diese Form eines nan·ativen Leitfadeninterviews entspricht in groben Zügen dem von Witze! als Teil einer problemzentrierten Forschungstechnik
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beschriebenen »problemzentrierten Interview« (Witze! 1985). Mit Problemzentrierung meint Witze! zweierlei. Zum einen eine »relevante gesellschaftliche Problemstellung und ihre theoretische Ausformulierung als elastisch zu handhabendes Vorwissen des Forschers« (ebd.: 231 t) und zum anderen eine Strategie, die in der Lage ist, »die Explikationsmöglichkeiten der Befragten so zu optimieren, daß sie ihre Problemsicht auch gegen die Forscherinterpretation und in den Fragen implizit enthaltenen Unterstellungen zur Geltung bringen können« (ebd.: 232). Die konkrete Durchführung der Interviews erfolgte im wesentlichen in drei Schritten, die eine Synopse der zuvor genannten Interviewtypen darstellen. 1. Zu Beginn der Interviews stand ein erzählgenerierender Stimulus, in dem die Fans gebeten wurden, darüber Auskunft zu geben, wie sie zu Fans geworden sind, und was für sie dabei relevant war. Bei diesem Einstieg wurde zudem Wert darauf gelegt, den Befragten zu vermitteln, dass sie keinen Fragekatalog abzuarbeiten hatten, sondern sich frei ausdrücken können. Der selbstgestaltete erzählende Einstieg bietet die beste Möglichkeit, die für die Fans relevanten Ereignisse, Strukturen und inhaltlichen Elemente in ihrem Bezug zum Alltag der Befragten zur Sprache zu bringen. In der Folge wurden die biographischen Aspekte allerdings nicht weiter vetiieft und stattdessen die thematischen Bezugspunkte in den Vordergrund gestellt. 2. Dies wurde in Form von immanenten Anschlussfragen umgesetzt, die sich auf die bisherigen Erzählungen der Befragten bezogen. Damit wurden die Befragten zur Explikation von Punkten veranlasst, die zunächst unklar, vage oder widersprüchlich erschienen. Zudem regte dies die Selbstreflexion an, da sich sie durch das Nachfragen in den Zugzwang zur Detaillierung versetzt wurden. 20 Hier geht es insbesondere auch darum, den persönlichen und sozialen Bezugsrahmen der Fans zu klären, um ein Höchstmaß an selbstenthüllenden Kommentaren zu erhalten. 21 Diese Abfolge von erzählgenerierenden Fragen und weiteren immanenten Anschlussfragen wurde im Interview zu bestimmten Themen mehrfach wiederholt. 3. Im Verlauf des Interviews wurde schließlich immer mehr dazu übergegangen, verständnisgenerierende exmanente Fragen zu stellen, die sich von der erzählenden Rekapitulation lösten. Hier konnten subjektive Theorien und abstrakte Zusammenhänge erfragt oder Bilanzierungen erbeten werden. Ebenso wurde des öfteren auf Widersprüche in der Darstellung verwiesen oder die Fans mit alternativen Lesarten konfrontiert. Schließlich konnte hier auch eine erste Rekapitulation des Verständnisses zurückgespiegelt und kontrolliert werden. 20 Damit zielt diese Interviewtechnik »auf eine Art Selbstverständigung der Subjekte, die häufig zum ersten Mal in ihrem Leben in dieser systematischen Weise über bestimmte Aspekte ihres eigenen Lebensprozesses (Selbstretlexion) und dessen Zusammenhang mit anderen, in bezug auf das Thema zentralen Personen und gesellschaftlichen Institutionen (Verhältnisretlexion) nachdenken und diese entsprechend formulieren« (Witze! 1985: 232). 21 Dies entspricht dem Kriterium der »Tiefgründigkeit« (Merton/Kendall 1993: 197tl), das Merton und Kendall in dem von ihnen entwickelten »fokussierten Interview« durch die wiederholte Bezugnahme auf konkrete Erlebnisse und die dabei erlebten Geilihle einlösen.
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Eine besondere Schwierigkeit dieser Interviewform besteht in den Übergängen zwischen narrativen und trageorientierten Teilen. Flick kritisiert an Witzeis Konzept des problemzentrierten Interviews, dass dieser die Kombination von Erzählung und Fragen nur pragmatische begründe (vgl. Flick 1995: I 08). Dem versucht Flick dadurch zu begegnen, dass er unterschiedliche Wissensformen als Bezugspunkt für diese beiden Interviewformen benennt. Er unterscheidet zwischen einem narrativ-episodischem Wissen, das an bestimmten situativ gebundenen Erfahrungen festgemacht ist und sich über Erzählungen rekonstruieren lässt, und einem semantischen Wissen, unter das er verallgemeinerte Annahmen und Zusammenhänge fasst (vgl. Flick 1995: 124ff: »episodisches Interview«). Der V mieil dieser Systematisierung liegt darin, dass in den auf bestimmte Episoden bezogenen Erzählungen einerseits auch Alltägliches und Routinisierungen zugänglich sind, und andererseits nicht der Zwang besteht, diese Episoden als Teil einer umfassenden Geschichte darstellen zu müssen. Dies erscheint besonders dann sinnvoll, wenn, wie in unserem Untersuchungszusammenhang, nicht die Rekonstruktion biographischer Muster im Zentrum des Interesses steht, sondern vielmehr die mit typischen Situationen verbundenen Sinnstrukturen. Die narrativen Elemente wurden daher immer wieder auf konkrete Ereignisse und soziale Situationen der Fankultur (z.B. Trekdinner oder Conventions) bezogen. Dadurch wurde eine »retrospektive Introspektion« (Merton/Kendall 1993: 187ft) der Befragten angestoßen, so dass die Handlungssituationen nicht nur berichtet, sondern zugleich die spezifischen Verarbeitungsweisen der Befragten in den jeweiligen Situationen zugänglich wurden. Die zielgerichteten exmanenten Fragen richten sich auf der anderen Seite auf das subjektive, semantische Wissen der Befragten um abstrakte Zusammenhänge ihrer Lebenswelt, in denen sich die diskursive Konstruktion der Fankultur artikuliert.
Leitfäden Um der Strategie des »theoretischen Samplings« auch in der konkreten Durchführung der Interviews gerecht zu werden, wurden keine festen Leitfaden verwendet, sondern die Leitfäden vielmehr permanent weiterentwickelt und auf die spezifischen Interviewpatiner zugeschnitten. Damit wurde dem Kontext der Vorzug vor der Vergleichbarkeit gegeben, so dass sich nur ein Kanon von Kernfragen bzw. -themen benennen lässt. Von diesen Fragen kam allerdings in der konkreten Durchflihrung der Interviews jeweils nur ein Teil zum Einsatz. Der Fragenkatalog hatte vielmehr die Funktion einer Gedächtnisstütze und Orientierungshilfe für den Interviewer.
1. Rezeption • Wie sieht man sich die Serien üblicherweise an? Situation, Häufigkeit, mit wem? Woraufwird geachtet? • Interessiert man sich auch für die Hintergründe von Star Trek? (z.B. Produktion, Geschichte, Technik, Special Effects) 2. Aneignung des Medienangebots • Was macht flir einen persönlich STAR TREK aus? Was fasziniert an STAR
TREK?
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Worum geht es in Star Trek? Was gefällt besonders? Warum diese Serie (im Vergleich zu anderen)? (Lieblingsserie/-tilm/-folge, bestimmte Szenen, die besonders im Gedächtnis geblieben sind) Welche Figuren mag man besonders gern bzw. gar nicht? Wer ist die Lieblingstigur? Was mag man an der Lieblingstigur? Welche Bedeutung hat diese Figur für einen? Wie äußert sich das? Erkennt man Parallelen zu Dingen aus dem eigenen Leben? Inwieweit hat sie auch Vorbildcharakter? Wann kann man sich besonders gut in diese Figur hineinversetzen? (bestimmte Eigenschaft, Verhalten in bestimmten Situationen) Welche Bedeutung haben die Schauspieler? (Autogramme, persönlicher Kontakt) Inwieweit gibt es Parallelen zwischen den Schauspielern wie sie im wirklichen Leben sind (z.B. bei öffentlichen Auftritten) und ihren Rollen? Gibt es Unterschiede zwischen den Schauspielern hinsichtlich ihres Umgangs mit Fans? Inwieweit sind die Handlungen in der Serie bzw. die Figuren aus dem Leben gegriffen? Könnte es das auch im wirklichen Leben geben? Gibt es einen Bezug zwischen den Dingen, die in der Serie passieren, und dem eigenen Leben? Vergleicht man öfters mal Dinge aus den Serien mit dem eigenen Leben? Für welche Werte steht STAR TREK? Sind die auch einen persönlich wichtig? Kann man sich mit der Art, wie in der Serie Probleme gelöst werden und wie sich die Charaktere verhalten, identifizieren? Was ist an dem Leben, wie es in der Serie gezeigt wird, erstrebenswert? Von STAR TREK wird oft gesagt, dass in der Serie auch gesellschaftlich relevante Themen behandelt werden. Wie empfindest man das? Ist das ein relevantes Thema unter den Fans?
3. Kulturelle und soziale Praxis im Fandom • Welche Bedeutung hat STAR TREK und die Beschäftigung damit im eigenen Leben? Wie wichtig ist STAR TREK tlir jemanden persönlich? • Wo und wie ist man in Kontakt mit anderen Fans gekommen? Wie ist man zum Fan geworden? Welche Ereignisse waren dabei ausschlaggebend? • Was macht man sonst noch im Zusammenhang mit STAR TREK, außer sich die Serien und Filme anzusehen? (weitere Aktivitäten) Für die einzelnen Interaktionszusammenhänge: Ablauf (beschreiben, wie Trekdinner, Convention, Clubtreffen ablaufen und was man doti macht, Wie ist man dazu gekommen? Erlebnis beim ersten Mal, Motivation der Teilnahme, Veränderung/Entwicklung im Laufe der Zeit, besondere Erlebnisse, Beziehung zu anderen Fans innerhalb dieses Rahmens, was gefällt besonders und was nicht? Trekdinner: Über was wird geredet? Wie wird ein Trekdinner organisiert? Was macht man dort alles? Convention: Wie ist das Verhältnis zu den Stars und Produzenten während einer Convention? Kostüme: Warum trägt/macht man Kostüme? Was ist das für ein Gefühl, wenn man ein Kostüm trägt? Wie werden sie gemacht? Was hält man von den Kostümen der anderen Fans? Club: Warum ist man Mitglied in einem Club? Warum in diesem Club?
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Gibt es im eigenen Freundes-/Bekanntenkreis auch noch andere Star Trek-Fans? Über welche Themen unterhält man sich regelmäßig mot diesen Freunden/Bekannten? Hat man auch >privaten< Kontakt zu Star TrekFans außerhalb eines Dinners/einer Con?
4. Subjektive Einschätzung/Theorien über die Fankultur und -identität (Selbstbild) • Wie würde man das STAR TREK-Fandom charakterisieren? EntwicklungNeränderung der Fangemeinde? (Beschreibung, Einschätzung, Einflüsse) • Was gehöti zum Fansein dazu? Was macht einen echten/typischen Fan aus? • Gibt es Unterschiede unter den Fans? (z.B. besondere Stellung (Expertentum), Fankarrieren, Gibt es verschiedene Arten von Fans? Wie würde man seine eigene Stellung in der Fangemeinde beschreiben?) • Welche Rolle spielt es, dass Fans aktiv sind? Welche Rolle spielen Trekdinner, Conventions, Fanzines tlir das Fandom? Wie wichtig ist es, dass Fans aktiv sind? Wie äußert sich das? 5. Außenbezug der Fankultur 5.1 Verhältnis zur Produktionssphäre • Was macht den Erfolg von STAR TREK aus? • Inwieweit haben Fans einen Anteil an der Entwicklung von STAR TREK? Inwieweit können Fans Einfluss auf die Ausstrahlung oder sogar die Inhalte der Serie nehmen? (z.B. indem die Produzenten irgendwelche Ideen von den Fans aufnehmen) Wie wichtig ist es tlir einen persönlich, einen Einfluss zu nehmen? Wäre STAR TREK heute das, was es ist, ohne seine Fans? • Wie beurteilt man die Sendepolitik von SAT.I? 5.2 Erfahrungen mit Fansein gegenüber Nicht-Fans (Fremdbild) • Wie reagieren andere Leute (Familie, Freundeskreis, Öffentlichkeit) darauf, wenn sie erfahren, dass man ein Fan von STAR TREK bist? Wie geht man damit um? • Wie werden STAR TREK und seine Fangemeinde in der Öffentlichkeit dargestellt? Zudem wurden verschiedene Experten-Interviews mit Fans und Vertretern der Produktionssphäre getlihrt. • Die Fans als Experten wurden zu folgenden Themen befragt: Organisation der jeweiligen Institution (z.B. Trekdinner, Club, Convention, Onlineangebot), Wie sieht die Mitarbeit aus? (Aufgabenteilung, Motivation, know-how, was geschieht hinter den Kulissen?) Wie kommt man dazu? Welche >Philosophie< steht hinter einem Angebot? Wie gestaltet sich die Beziehung zu den Nutzern? In welchem Verhältnis steht eine Institution zu anderen Einrichtungen der Fankultur? Wie hat sich ein Angebot entwickelt? (äußere/innere Einflüsse). Zusätzlich wurden jeweils Fragen des allgemeinen Fan-Leitfadens übernommen, soweit sich dies in der Interviewsituation anbot. Die Fanexperten wurden somit in ihrer Doppelrolle als Fans und Experten interviewt. • Bei den Experten der finanziellen Ökonomie wurden folgende Fragebereiche angesprochen:
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In welchem Aufgabenbereich ist der Experte tätig? (Einordnung in Kontext)? Wer gilt als Zielgruppe? Wie gestaltet sich das Verhältnis zu den Fans (Kontakt, eigene Erfahrungen)? Charakterisierung der STAR TREKFans und der Fankultur aus persönlicher Perspektive, Welche Maßnahmen der Kundenbindung werden durchgeführt? Welchen Einfluss haben die Fans auf Entscheidungsprozesse?
Auswertung - Methodisch kontrolliertes Fremdverstehen als hermeneutische Haltung und Handlung Da Fremdverstehen prinzipiell von der Auffassungsperspektive des Interpreten abhängt, ist dieser auf einen rekonstruktiv-hermeneutischen Zugang verwiesen. Einer sozialwissenschaftliehen Hermeneutik geht es dabei nicht nur um die Deskription des subjektiv gemeinten Sinns, sondern sie zielt auf die Rekonstruktion der intersubjektiven Bedeutung von Handlungen. »>Intersubjektiv< heißt nun in keinem Fall >wahr< oder >wirklichegologischen Perspektive< dem Protagonisten mit gutem Gründen zugeschrieben werden können« (Reichertz 2000: 520; Hervorhebung im Original). An diesen Rekonstruktionsprozess »egologischer Perspektiventypen« (ebd.) sind eine Reihe von methodischen Forderungen geknüpft (vgl. Soeffner 2000: 171 f). Erstens ist der Forscher dazu angehalten, seine eigenen VorUrteile und seine eigene Subjektivität zu reflektieren. Das heißt hier meine eigene Einstellung zu STAR TREK als regelmäßiger, aber nicht weiter ins Fandom involvierter Rezipient und meine eigene Haltung gegenüber der fremden Sozialwelt der Fans, die zu Beginn zu einem guten Teil von den in unserer Gesellschaft gängigen Vorurteilen und stereotypen Bildern von Fans im allgemeinen und STAR TREK-Fans im Besonderen (vgl. Kap. 6.1) geprägt war. Eine Grundlage für diese Selbstreflexion ist, dass der Interpret vom aktuellen Handlungsdruck entlastet ist, und sich darauf einlässt, »die >alten< Überzeugungen auf die Probe zu stellen und gegebenenfalls meueobjektiveklassischen< Fandom sehr wenig über Fans, die bevorzugt im Internet aktiv sind. Nur ein Teil der Fans ist aktiv in die Fankultur integriert und viele Aktivitäten sind nur in einem lokalen Rahmen zugänglich. Deshalb besteht die Gefahr tlir den Ethnographen, sich bevorzugt den öffentlichen, expressiven und produktiven Aktivitäten zuzuwenden und diese mit der gesamten Fankultur gleichzusetzen. Aus diesen Überlegungen heraus wurde die Entscheidung getroffen, die eingangs rein qualitative Untersuchungsanlage durch eine quantitative BeFagung zu ergänzen. Während die ethnographische Forschung ihren Blick vor allem auf die Mikrostrukturen von Lebenswelten richtet, bietet ein quantitative Befragung die Möglichkeit, Einzeltalle mit den Makrostrukturen der Fankultur zu kontrastieren. Durch die Kontrastierung qualitativer und quantitativer Befunde wurde versucht, diese besondere Dynamik in der Beziehung zwischen Strukturen und Prozessen innerhalb posttraditionaler Gemeinschaf:. ten besser tlir die Analyse zugänglich zu machen. Generell sollte die schriftliche Befragung also zu einer Kontextualisierung und Generalisierung der ethnographischen Untersuchungsergebnisse beitragen. Im Einzelnen wurden dabei folgende Ziele verfolgt: • Beschreibung der Fans als demographische Gruppe • Ermittlung der Häufigkeitsvetieilungen für die Aktivitäten und Einstellungen der Fans • Deskription des Lebensstils der Fans (Werte, Freizeitverhalten, Mediennutzung) • wurde eine integrative Verwendung der qualitativen und quantitativen Methoden angestrebt, die im Folgenden vorgestellt werden soll. Die Verbindung qualitativer und quantitativer Verfahren gilt jedoch nicht als unproblematisch. Das Verhältnis beider Methoden ist Gegenstand einer weit zurück reichenden Debatte, in der beide Methoden und die dahinter stehenden erkenntnistheoretischen Auffassungen lange Zeit als miteinander unvereinbare Paradigmen gehandelt wurden. Die Forschungsstrategien beider Methoden erscheinen auf den ersten Blick inkompatibel. Der zirkulären Logik der qualitativen Forschung bei der ausgehend von einem nur geringen Vorverständnis und offenen Leittragen die nächsten Untersuchungsschritte von den Ergebnissen des jeweils vorheri-
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gen Schrittes abhängen, steht die lineare Strategie quantitativer Forschung gegenüber, bei der nach einem vorab entwickelten Untersuchungsplan ausgehend von zu prüfenden Hypothesen ein strikt festgelegter Prozess durchlaufen wird. Dennoch ist eine solche Kombination nicht ausgeschlossen, wie ein Blick auf die soziologische Forschungstradition zeigt (Jahoda/Lazarsfeld/Zeisel 1933; Barton/Lazarsfeld 1955/1984; Denzin 1978). Seit Mitte der 1980er Jahre erlebt diese Tradition in einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen zu diesem Thema einen Aufschwung und scheint gegenwätiig zunehmend an Bedeutung zu gewinnen (vgl. z.B. Brannen 1992, Bryman 1988, Fielding/Fielding 1986, Flick 1992, Forum Qualitative Sozialforschung 2001, Tashakkori/Teddle 2003). Allerdings wird bei einer Durchsicht der Literatur zu diesem Thema schnell deutlich, dass unter dem Begriff des »Methodenmix« eine Vielzahl möglicher Methodenkombinationen subsummiert wird. Eine Einordnung kann anhand der Kriterien I. Priorität (welche Methode ist dominant?), 2. Abfolge (sequentieller oder simultaner Einsatz?) und 3. Integrationsebene (in welcher Phase des Forschungsprozesses?) vorgenommen werden (vgl. Creswell/Clark/Gutmann/Hanson 2003: 218; Brannen 1992).
Tab. 3.3: Formen der Methodenkombination Priorität
Abfolge
quantitativ dominant
zuerst qualitativ
qualitativ dominant
zuerst quantitativ
gleichberechtigt
»Phasenmodell« 23
simultan
Integrationsebene
Erhebung (z.B. offene Fragen in einem standardisierten Fragebogen) Analyse (z.B. quantitative Auswertung qualitativer Daten) Interpretation
In dieser Studie wurde eine Methodenintegration auf der Ebene der Interpretation gewählt, die (nach einem explorativen Vorlaut) weitgehend simultan erfolgte. Obwohl in der gesamten Untersuchungsanlage die qualitative Orientierung und die damit verbundene (erkenntnis-)theoretische Ausrichtung das Forschungsprogramm dominieren, wurde dennoch versucht, in den Bereichen, in denen eine integrative Verbindung möglich ist, beide Methoden gleichberechtigt zu verwenden. Ein wesentliches Problem dieser Form der Methodenintegration besteht nun darin, dass das Postulat der Offenheit in der qualitativen Forschung prinzipiell immer auch die Möglichkeit in sich birgt, dass sich der Forschungsprozess sehr weit von der ursprünglichen Fragestellung wegbewegt Umgekehrt können standardisierte Instrumente, wenn sie einmal im Feld sind, nicht mehr zurückgeholt und verändert werden. Zudem besitzen beide Methoden unterschiedliche Voraussetzungen hinsichtlich des Vorwissens über den Untersuchungsgegenstand. Während die Stärke qualitativer Methoden vor allem in der Exploration unbekannter Felder liegt, erfordert die Durchführung quantitativer Studien ein ausgeprägtes Vorwissen. Eine simultane Methoden23 V gl. Kelle/Erzherger 1999: 511fT
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kombinationist daher nur in Feldern möglich, die wie im vorliegenden Fall nicht gänzlich unbekannt sind. Des Weiteren muss eine Entscheidung getrof· fen werden, wie lange die qualitative Exploration vorausläuft, bevor der Fragebogen ins Feld geht, um Fragen und Kategorien soweit exploriert zu haben, dass ein Bezug zwischen den Ergebnissen beider Methoden hergestellt werden kann. Da sich diese Entscheidung nicht theoretisch begründen lässt, wurde hier zwangsläufig pragmatisch entschieden, die schriftliche Befragung zu einem Zeitpunkt durchzufiihren, zu dem einerseits schon eine Reihe von Interviews ausgewertet waren, andererseits aber erste Ergebnisse der quantitativen Analyse noch Hinweise flir die Auswahl weiterer Interviews geben konnten. Als methodologisches und forschungspraktisches Gerüst flir die Integration beider Methoden wurde auf die Forschungsstrategie der »Grounded Theory« (Glaser/Strauss 1979) zurückgegriffen. Das heißt, dass im Rahmen einer explorativen Strategie die Ergebnisse der einen Methode in einem iterativen Prozess immer wieder als Material für die jeweils andere dienten. Die Auswertung erfolgte demzufolge sukzessive und wurde von den im Verlauf der Studie gewonnenen Ergebnissen angeleitet. Das Wissen um das Verhältnis der beiden Datensorten zueinander und deren Interpretation entwickelte sich aus dem fortlaufenden Vergleich der Ergebnisse innerhalb und zwischen den Methoden. Zwar erfordern die mit dem Gang ins Feld bereits zwangsläufig fixierten quantitativen Instrumente bereits zu Beginn eine stärkere Strukturierung der Auswertungslogik, dennoch besteht auch hier die Möglichkeit, von bereits vorhandenen Ergebnissen ausgehend Strukturen und Beziehungen zwischen Kategorien zu entdecken, die weitere Auswertungen anleiten. Variablen sind dabei nicht automatisch relevant (wie z.B. die klassischen Variablen Alter, Geschlecht und Bildung), sondern »müssen ihren Weg in die Grounded Theory erst verdienen« (Strauss 1994: 62). Bei der Auswertung standardisierter Befragungen muss also eine gewisse Offenheit und Flexibilität bewahrt werden, indem die jeweiligen Verfahren und die Variablen, die in der Analyse berücksichtigt werden, nicht bereits vorab festgelegt werden, sondern sich an den aus den Ergebnissen entwickelnden Erfordernissen orientieren. Die Methodenintegration beginnt dabei schon bei der Datenerhebung nach dem Prinzip des theoretischen Samplings. Die quantitativ erhobenen Merkmalsverteilungen können wertvolle Hinweise (was ist typisch? wo sind Kontraste?) fiir die Auswahl geeigneter Personen flir die qualitativen Interviews liefern. Verzerrungen, die durch den Rückgriff auf das Schneeballprinzip oder die Vermittlung von Interviewpartnern durch Schlüsselpersonen entstehen (z.B. zu homogene oder einseitige Auswahl), 24 können so zum Teil vermieden werden.
24 Informanten aus dem Feld haben bisweilen persönliche Interessen (z.B. der Außenseiter, der eine Chance sieht, sich als Experte zu inszenieren, oder der Frustrierte, der nur negatives sieht (Zu möglichen Informantenrollen und ihren Interessen vgl. Lanmek 1993: 284-292), versuchen Gruppeninteressen durchzusetzen (z.B. bestimmte Bereiche geheim zu halten) oder informieren den Forscher aufgrundihrer subjektiven Annalunen darüber, was der Forscher sucht oder für ihn wichtig sein sollte. Beim Schneeballprinzip werden tendenziell eher sozial ähnlich wahrgenommene Personen aus dem Feld vermittelt. Eine zu homogene Auswahl beeinträchtigt aber die Güte qualitativer Forschung, die wesentlich von
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Umgekehrt kann aus denselben Gründen, die zuvor fiir eine Entscheidung zugunsten einer standardisierten Befragung angeführt wurden, keine exakte Grundgesamtheit für die gesamte Fangemeinde angegeben werden. Für unsere Fragestellung muss daher eine Stichprobe definiert werden, die zum einen zugänglich ist und zum anderen der Zielsetzung entspricht, ein breites Spektrum an Fanaktivitäten einzufangen. Eine Stichprobe unter allen Zusehern erscheint in dieser Hinsicht zu weit gefasst, da der Anteil aktiver Fans mit Sicherheit zu klein wäre, um über diese Gruppe noch sinnvolle Aussagen treffen zu können. Die meisten Interaktionszusammenhänge innerhalb der Fankultur sind dagegen wieder zu spezifisch flir den vorgegebenen Zweck. Als Kompromiss diente der Fanclub »STAR TREK CENIRAL EUROPE« (STCE). Dieser Club nimmt im Fandom eine Sonderstellung ein. Erstens ist er der größte STAR TREK-Fanclub Europas mit zum Erhebungszeitpunkt ca. 7.500 Mitgliedern, zweitens veranstaltet der Leiter dieses Clubs zugleich das größte deutsche Fantreffen, und drittens erlangte er kurz vor der Erhebungsphase den Status des offiziellen von Paramount lizenzierten deutschen STAR TREK-Fanclubs (OSTFC). Dieser Club beheimatet aufgrund dieser besonderen Konstellation, seiner großen Bekanntheit und seinem langen Bestehen sowohl aktive Fans, als auch eher passive Fans und kommt einem >repräsentativen< Querschnitt dieser Fankultur daher wohl am nächsten. Das in der qualitativen Feldforschung gewonnene Wissen trägt hier wesentlich zur Einschätzung der Güte dieser Stichprobe und der Reichweite ihrer Verallgemeinerbarkeit bei. Prinzipiell stellt diese Lösung einen >Glücksfall< dar, da sie der verfolgten Zielsetzung an eine Stichprobe nahezu ideal entspricht. Der Versand über den Club brachte zudem den Vorteil mit sich, dass der Einfluss sozialer Erwünschtheit gegenüber einer >externen< Befragung relativ gering ausfallt. Auf der Ebene der Auswertung und Interpretation geht es bei der integrativen Verwendung qualitativer und quantitativer Methoden vor allem um die Frage, wie und zu welchem Zweck die Integration erfolgt, d.h. in welchem Verhältnis die Ergebnisse beider Methoden zueinander stehen. Insbesondere Kelle und Erzherger weisen darauf hin, dass das Verhältnis beider Methoden grundsätzlich nicht aufgrund eines einzelnen methodologischen Modells, also auch nicht vorab, festgelegt werden kann (Kelle/Erzberger 1999). Sie beschreiben drei verschiedene Ausgänge eines parallelen Einsatzes qualitativer und quantitativer Methoden: 1. können die Ergebnisse konvergieren: in diesem Fall beziehen sich die Ergebnisse auf denselben Gegenstand und fUhren zu demselben Schluss. 2. kann es sich um komplementäre Ergebnisse handeln, d.h. verschiedene Methoden beleuchten unterschiedliche Aspekte eines Phänomens und ergänzen sich somit. 3. kann es zu divergenten Ergebnisse kommen, die sich widersprechen. Divergente Ergebnisse geben Anlass, neue theoretische Konzepte (gegebenenfalls verbunden mit neuen Erhebungen) zu entwickeln, in denen die vorliegenden Widersprüche aufgehoben werden. Für eine Theoriebildung erscheint dieser also besonders aufschlussreich (vgl. Flick 2000: 318). Die in dieser Studie referietien Ergebnisse stellen vielfach das Ergebnis eines hermeneutischen Interpretationsprozesses aufgetretener Widersprüche, d.h. deren Synthese dar. der Heterogenität der Daten lebt, aus der dann das Verbindende herausgearbeitet wird.
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Grundsätzlich eignet sich keines der drei Modelle als generelles methodologisches Modell zur Integration qualitativer und quantitativer Methoden. Es handelt sich vielmehr um theoretisch entwickelte Modelle, die nur begrenzt in der Forschungspraxis umsetzbar sind, weil sie sich meist nur aufTeile des Datenmaterials, aber nicht auf die gesamte Untersuchungsanlage anwenden lassen. Das heißt, dass das Verhältnis beider Methoden bei einem gleichberechtigten und simultanen Einsatz nicht von vornherein und durchgängig bestimmt ist, sondern immer wieder von Neuern bestimmt werden muss.
Zur schriftlichen Befragung Die Fragebogenentwicklung erfolgte parallel zur ethnographischen Feldarbeit. Neben ersten Ergebnissen aus der Exploration wurden bereits vorliegende Itembatterien zu einigen Themen (z.B. Motive der Mediennutzung) sowie eigens entwickelte Fragen, die auf theoretischen Überlegungen beruhen, verwendet. Bei der Konstruktion des Fragebogens wurde darauf geachtet, eingangs Fragen zu stellen, die sich auf den für alle relevanten Medientext und dessen Nutzung beziehen. Erst später wurde zu Fragen übergegangen, die sich stärker auf die Fankultur beziehen. So wurde zunächst eine Selbstreflexion über das eigene Verhältnis zu STAR TREK angeregt, das dann zunehmend auch in Fragen zu eher abstrakten Zusammenhängen (z.B. Bewertung der Fangemeinde) und Einschätzungen der subjektiven Relevanz (z.B. Wie wichtig ist Dir STAR TREK in Deinem Leben?) überführt werden konnte.
Zum Inhalt des Fragebogens •
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Soziodemographie (Fragen 1.1-1.8): Fragen zu Alter, Geschlecht, Bildung/Beruf~ Lebenssituation und der Größe des Wohnorts. Diese Daten wurden vorrangig zur deskriptiven Beschreibung der Fangemeinde verwendet. Darüber hinaus fanden sie bei der Konstruktion des theoretischen Samplings Verwendung. Fernsehverhalten (Fragen 2.1-2.3): Die Häufigkeit der Fernsehnutzung und die Fernsehvorlieben stehen zum einen im Zusammenhang mit dem Lebensstil der Befragten. Zum anderen lässt sich anhand der bevorzugten Genres das intertextuelle Bezugssystem der Fans rekonstruieren. Freizeit (Frage 2.4), Wertvorstellungen (Frage 8.3) und Fragen zur Person (Frage 8.1 ): Das Freizeitverhalten gibt zusammen mit den Wertvorstellungen Auf· schlussüber den Lebensstil der Befragten. Einige Items zu den Wertvorstellungen stellten eine bewusste Wiederholung der zuvor abgefragten typischen Aspekte von STAR TREK dar (Frage 3.11), um so einen Zusammenhang zwischen den Wertstrukturen der Fans und den von ihnen im Medientext erkannten Wertorientierungen herstellen zu können. Die Fragen zur Person sind zum einen auf gängige Thesen abgestellt (z.B. Fans sind sozial isoliert). Dazu wurde auf Kurzfassungen gängiger Skalen zurückgegriffen (vgl. Fischer/Kohr 1999). Zum anderen wurden hier einige Fragen zur normativen Relevanz von STAR TREK angeführt (z.B. STAR TREK zeigt die Welt so wie sie sein sollte).
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STAR TREK-Rezeption (Fragen 3.1-3.13, 4.2, 4.3): Bewertung der Inhalte, Serien/Film-Vorlieben, Motive der Nutzung, para-soziale Interaktion mit Lieblingstigur, Nutzungshäutigkeit, Nutzungssituation. Mit diesen Fragen wurde ein breiter Kontext der Medienaneignung von STAR TREK erhoben, der sich vornehmlich auf die Rezeptionssituation konzentriert. Die Fragen zu den Nutzungsmotiven (Uses&Gratitications-Skala: vgl. McQuail et al. 1972) und zur parasozialen Interaktion (vgl. Vorderer 1996) greifen auf vorhandene Fragebatterien zurück, die an den Kontext des Untersuchungsgegenstandes angepasst wurden. STAR TREK-Fandom: Aktivitäten (Fragen 4.8-4.17), Einstellungen (Fragen 4.1, 4.4, 4.5, 4.6, 4.7) Den Kern des Fragebogens bilden die Fragen nach den Aktivitäten und Einstellungen der Fans. Neben einem Überblick über die Verteilung der verschiedenen Fanaktivitäten sollten diese Fragen auch Aufschluss geben über die Motive tlir die Teilnahme an den beiden bis zum Erhebungszeitpunkt schon eingehender untersuchten lnteraktionszusammenhängen, dem Trekdinner und der Convention. Die Einstellungstragen bezogen sich zum einen auf die Fangemeinde, (Wahrnehmung der Gemeinschaft unter den Fans, Stellenwert von Wissen, Empfinden einer Stigmatisierung durch Außenstehende, Verhältnis zur Produktionssphäre ), und zum anderen auf die subjektive Einschätzung des Fanseins (Relevanz von STAR TREK, aktiver Beteiligung und Selbsteinschätzung als echter Fan). Soziales Netzwerk (Fragen 5.1-5.5): Dieser Fragenkatalog diente der Deskription von Reichweite und Qualität des sozialen Beziehungsnetzes im Fandom. Ziel war es zudem, den Zusammenhang zwischen dem Anteil der Fanfreunde am gesamten sozialen Netzwerk der Fans und der Orientierung und Integration im Fandom zu untersuchen. Fragen zum Fanzine (Fragen 6.1-6.4): Diese Fragen über die inhaltlichen Kategorien des Club-Magazins, die größtenteils auch flir andere Fanzines gelten, geben Aufschluss über die thematischen Interessen der Fans. Konsumausgaben für STAR TREK (Fragen 7.1-7.3): Diese Fragen hatten zum Ziel, das Verhältnis der kommerziellen Fankultur zu den Eigenaktivitäten der Fans zu analysieren.
Der Pretest wurde mit einem breiten Spektrum an Fans durchgeführt, das sich aus Mitgliedern dreier Trekdinner, Fans bei einer Convention, Redakteuren einer Fanseite im Internet und regelmäßigen Rezipienten rekrutierte. Insgesamt wurden 28 Fragebögen ausgewertet. Der Versand der Fragebögen erfolgte mit der vierteljährlichen Clubzeitschrift des STCE/OSTFC, wobei jedem vierten Mitglied ein Fragebogen nebst frankiertem Rückkuvert beigelegt wurde. Insgesamt wurden auf diesem Weg 1860 Fragebögen verschickt. Der Rücklauf betrug sehr gute 44,3 % (824 Fragebögen). In die Analyse fanden schließlich 817 bereinigte Fragebögen Eingang. Wie schon im vorangegangenen Kapitel ausgeflihrt, wird mit dieser Befragung nicht nur der Versuch unternommen, Aussagen flir diesen Club zu treffen. Es besteht vielmehr die Annahme, dass die Besonderheit dieses Clubs es erlaubt, auch Aussagen über die gesamte Fangemeinde zu machen. Eine Abgrenzung erfolgt demnach nur gegenüber denjenigen Fans, die ausschließ-
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lieh Rezipienten von STAR TREK sind und sich allenfalls sporadisch im privaten Kreis über STAR TREK unterhalten. Als Vergleichsmaßstab und zur Kontrolle dieser Abgrenzung dienen zum einen Daten der GtK-Fernsehforschung und vor allem die Ergebnisse der qualitativen Methoden. Prinzipiell ist diese Grenzziehung also immer mitzudenken, wenn die Befragungsergebnisse auf die gesamte Fangemeinde bezogen werden, auch wenn dies nicht mehr im Einzelnen angeführt wird. Effekte der sozialen Erwünschtheit sind daher in erster Linie vor dem Hintergrund der sozialen Normen der Fangemeinde zu interpretieren.
3.4 Zur Darstellung der empirischen Ergebnisse Die Darstellung der Lebenswelt der STAR TREK-Fans und ihrer typischen Sinnstrukturen erfolgt nicht den »in der Deutungspraxis selber immer zirkulär sich bewegenden, vielfach ineinander verwickelten und damit höchst langwierigen und prinzipiell nicht standardisierbaren lnterpretationsprozessen« (Honer 1993: 119). Diese sind zum einen grundsätzlich nie vollständig darstellbar und zum anderen würde der Versuch, sich dem tatsächlichen Hergang einer hermeneutischen Analyse in der Darstellung anzunähern, die Lesbarkeit erheblich mindern und bald kaum noch im Verhältnis zum wissenschaftlichen Ertrag stehen (vgl. Reichertz/Schröer 1994: 78f). Die Darstellung folgt daher einem Kompromiss aus einer der Intersubjektivität geschuldeten Nähe zum Material und einer pragmatisch-plausiblen Wiedergabe der rekonstruierten Sinnstrukturen. Ein besonderes Problem stellt dabei die Verbindung der Ergebnisse der qualitativen und der quantitativen Methoden dar. Ebenso wie sich die Forschungsstrategien beider Methoden stark voneinander unterscheiden, fallt auch die Logik und Sprache in der Darstellung der Ergebnisse sehr verschieden aus. Auf der einen Seite stehen statistische Daten in Form von Zahlen und Tabellen, auf der anderen Seite selbstreflexive Texte, die, um dem Leser einen möglichst wirklichkeitsgetreuen Einblick ins Feld zu geben und die eigene Argumentation zu belegen, mit zitierten Einzelflillen arbeiten. In quantitativen Projekten entspricht die lineare Forschungslogik einer linearen Darstellung. Ziel ist eine objektive Darstellung des Endproduktes eins klar definietien und sequentiell arrangierten Forschungsprozesses. Bei qualitativen Projekten geht es dagegen darum, Wirklichkeit reflexiv zu konstruieren. Schreiben dient dabei als Mittel zur Selbstverständigung und bezieht dabei auch den Leser mit ein, wenn es den rekursiven, iterativen und sich sukzessive entwickelnden Forschungsprozess offen legt. In der folgenden Darstellung der empirischen Ergebnisse wurde versucht, der integrativen Verwendung beider Methoden dadurch zu entsprechen, dass auch in der Präsentation die heuristische Logik der hermeneutischen Sinnrekonstruktion so weit wie möglich eingehalten wurde. Obwohl einzelne Teile aufnur einer Methode basieren, werden daher immer wieder Ergebnisse beider Methoden zusammen in einem Kapitel angeführt.
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Zu den statistischen Angaben •
Soweit nicht anders angegeben, wurde der Korrelationskoeffizient von Bravais-Pearson (r) verwendet. Zur Interpretation der Ergebnisse wurde folgende sprachliche Regelung getroffen: Wert
0 0.14 0.2 0.3 0.4 •
Beurteilung
bis unter 0.14 bis unter 0.2 bis unter 0.3 bis unter 0.4 und mehr
nicht interpretiert schwache Korrelation deutliche Korrelation starke Korrelation sehr starke Korrelation
Die Signifikanzniveaus werden wie folgt dargestellt: Irrtumswahrscheinlichkeit Bedeutung
p> pFachbüchern< (z.B. Biografien der Darsteller [z.B. Sander 1995; Nimoy 1995] oder Produzenten [Aiexander 1997]), Büchern über die Entstehungsgeschichte der Serien (z.B. Whitfield/Roddenberry 1968), Lexika (z.B. Edelman 1997; Okuda/Okuda/Mirek 1995; Stembach/ Okuda 1994), Deutungsversuchen von Akademikern (z.B. Richards 1998; .lenkins 1992), die neben einem bloßen Faktenwissen auch Deutungsangebote für den Medientext liefern, die bis hin zu Verhaltensmaximen und mehr oder weniger ironischen Anleitungen zur Daseinsbewältigung in allen Lebenslagen reichen (»Alles, was ich im Leben wirklich brauche, habe ich von STAR TREK gelernt« [Marinaccio 1995]). Einen guten Überblick über die Vielfalt an Merchandisingartikeln gibt Augustin (1997).
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Wört rbuch "lingoni ch / fkut. eh Dcur~ch /
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111 11
Abb. 4.3: Wörterbücher
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Abb. 4.4: Sachbücher zur fiktiven Technik des STAll T!ih'K-Universums
Im Folgenden soll nun ein Überblick über die verschiedenen Serien und Filme gegeben werden. Aufgrund des enormen Umfangs an Serienfolgen können dabei nur die wesentlichen Grundzüge der einzelnen Serien herausgearbeitet werden. Die Darstellung geht nur soweit, wie dies zum weiteren Verständnis der Arbeit notwendig ist. Dafür ist es unabdingbar, einen >Redaktionsschluss< zu setzen, da die Serie erstens inzwischen ohne größere Unterbrechungen fortlaufend produziert wird, und zweitens in der empirischen Feldarbeit nur Bezüge zu den Serien bis zur sechsten Staffel von RAUMSCHIFF VOYAGER vorhanden sind. Die zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Arbeit gerade in Deutschland angelaufene sechste STAR TREK-Serie »ENTERPRISE« wird daher nicht mehr berücksichtigt. Des weiteren gilt das Hauptaugenmerk den ersten beiden Serien 1HE ORIGINAL SERIES und THE NEXT GENERATION, in denen das STAR TREKUniversum weitestgehend definiert und der Grundstein für die modernen Mythen um STAR TREK gelegt wurde. Bevor wir uns in späteren Kapiteln der Frage zuwenden, wie die Fans im Kontext gesellschaftlicher Diskurse um die Aneignung populärer Kultur und den spezifischen Bedingungen ihrer sozialen Welt Bedeutungen konstruieren, soll es hier zunächst um die Rekonstruktion der »semantischen Netzwerke« (du Gay et al. 1997: 15) gehen, mit denen der Text STAR TREK verknüpft ist. Die kulturelle Bedeutung von STAR TREK ist dabei ebenso von gesellschaftlichen Diskursen geprägt, wie umgekehrt die gesellschaftliche Wahrnehmung von kulturellen Bereichen, die in Verbindung mit STAR TREK stehen, von der enormen Resonanz dieses Kultphänomens beeinflusst wurde. Begriffe aus der Serienwelt wie das »Beamen« oder der» Warp-Antrieb« haben als Mediensymbole längst den Weg in unsere Alltagskultur gefunden, wo sie gängige Metaphern für technische Zusammenhänge sind, die sich dem direkten Zugang der meisten Menschen entziehen. 3
3
Sehröder weist in diesem Zusammenhang darauf hin, »daß die meisten Menschen ihre Anregungen und ihr >Wissen< über die Zukunft nicht aus wissenschaftlichen Abhandlungen beziehe, sondern aus der Unterhaltungsindustrie« (Schröder 1998: 36).
DAS STAR TREK-UNIVERSUM
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Demzufolge ist grundsätzlich keine >objektive< Geschichtsschreibung der Serienrezeption möglich. Da sich die Bedeutung letztlich erst aus den bedeutungsstiftenden Praktiken mehr oder minder sozial mächtiger Akteure ergibt, kann diese Geschichte nur zum Ziel haben, die Bedeutungspotentiale herauszuarbeiten, die dem Text eingeschrieben sind, und diese vor dem Hintergrund der Rezeptionsgeschichte, als der »mehrperspektivische[ n] Erfahrungsgeschichte eines Werkes darzustellen, die zu einer steten Erweiterung und Steigerung seines Sinnpotentials fUhrt« (Mandelkow 1981: 169). Dabei gilt es zu beachten, dass es sich bei Medienprodukten wie STAR TREK um polyseme Texte handelt, die eine Vielzahl von Diskursen beinhalten, was allein schon ein Blick auf die umfangreiche wissenschaftliche Literatur zeigt, die sich mit den Inhalten von STAR TREK beschäftigt (z.B. Richards 1998; Blair 1977; Harrison/Projansky/Ono 1996; Weber 1997; Hörnlein/Heinecke 2000). Die Bedeutungen sind also nicht vorgegeben, sie sind aber dennoch durch »bedeutungsgenerierende Mechanismen« (Morley 1996: 282) vorstrukturiert. Mediale Texte zeichnen sich durch spezifische Strukturen aus, rhetorische Strategien, die die Aufmerksamkeit der Zuschauer wecken und sie dauerhaft an ein Angebot binden sollen. Dazu zählen »soziale Codes« (Fiske 1987: 5) wie die Dramaturgie (Figurenzeichnung und -Konstellation), oder Elemente, die die materielle Fiktion betreffen (Kostüme, Bauten usw.), »technische Codes« (Fiske 1987: 5) wie die formale Gestaltung (insbesondere das Prinzip der Serie (vgl. dazu Hickethier 1991) sowie ästhetische Merkmale der Inszenierung (Kamera, Licht, Schnitt etc.) und »ideologische Codes« (Fiske 1987: 5), die in Beziehung zur sozialen Struktur unserer Gesellschaft stehen. Diese Strategien legen bestimmte Lesarten nahe, die dann mehr oder weniger konform in Korrespondenz mit der sozialen Situation der Konsumenten angeeignet werden (vgl. Fiske 1987: 19). Die formalen und inhaltlichen Qualitäten eines Textes bleiben daher immer an die sozialen Strukturen der Gesellschaft zurück gebunden, wodurch dem polysemen Bedeutungspotential durch die gesellschaftlichen Verhältnisse Grenzen gesetzt sind (vgl. dazu auch Kap. 2.5). »Polysemy is always bounded and structured, for polysemy ist he textual equivalent of social difference and diversity« (Fiske 1987: 16). Eine Analyse der kulturellen Bedeutung eines Medienprodukts darf sich daher nicht in der bloßen Wiedergabe der Inhalte erschöpfen. Folgt man der Forderung der Cultural Studies nach einer umfassenden Kontextualisierung sowohl der Medienprodukte, als auch der Aneignungsprozesse, so müssen auch die Produktionsbedingungen, die dramaturgischen und ästhetischen Elemente, sowie die kulturellen und historischen Hintergründe Berücksichtigung tinden und die Texte in Bezug zu gesellschaftlichen Diskursen gesetzt werden. Um dieses Unterfangen in einer vom Umfang tlir diese Arbeit vertretbaren Rahmen zu halten, wird im Anschluss der Schwerpunkt auf diejenigen Diskurse, Ereignisse und formalen Elemente gelegt, die flir die Fragestellung der Arbeit unmittelbar relevant sind.
...
Serie
Kürzel
Folgen 5
Crew
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.Iugendphänomen< gesprochen werden. Grundsätzlich gilt es zu beachten, dass Fangemeinschaften einer doppelten Transformation unterliegen. Zum einen durchwandern die Fans selbst eine Fankarriere, in deren Verlauf sich ihre Perspektiven und Relevanzen verschieben (vgl. Winter 1995). Zum anderen kommen ständig neue Fans dazu, die die älteren nach und nach aus der aktiven Szene ausscheidenden Fans ersetzen. Etwa zwei Drittel der Befragten (66 %) sind Männer. Dieses geschlechtsspezifische Gefalle spiegelt die Einordnung in das Genre der Science Fiction wieder, dessen Fandom fast ausschließlich durch männliche Fans geprägt ist. Im STAR TREK-Fandom, das sich aus der Infrastruktur des älteren Science Fiction-Fandoms entwickelte, kam es allerdings zu einer Verschiebung im Geschlechterverhältnis. Anders als im literarisch geprägten Science FictionFandom war STAR TREK als Fernsehserie von Beginn an für ein breites Publikum zugänglich. Dies kam vor allem den Frauen zu Gute, die das identitätsund gemeinschaftsstiftende Potential einer Fankultur gerade erst für sich entdeckten (vgl. Bacon-Smith 1992: 17t).
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Aufgrund der im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt recht jungen Stichprobe fallt das Bildungsniveau insgesamt recht hoch aus. 14,3 % der Befragten sind noch Schüler und 15,7 % befinden sich gerade im Studium. Dagegen machen nur I 0% eine berufliche Ausbildung in Form einer Lehre.
Abb. 5.3: »Was ist momentan Dein letzter erreichter Schulabschluss?« (Frage 1.5) k.A
~0,5% I
Fachhochschule/Universität
112,7%
Fachhochschule/Abitur
140,3%
Mittlere Reife/Realschule
131,2%
Volks-/Hauptschule
IJ1,9%
(noch) kein Abschluss I:J3.4% 0%
1
10%
20%
30%
40%
50%
Die Variablen »Familienstand« (Frage 1.3) und »Haushaltszusammensetzung« (Frage 1.4) wurden für weitere Analysen in eine neue Variable zusammengeführt, die den sozialen Kontext der Lebenssituation besser abbildet als die beiden Einzelvariablen. 6 Demnach lebt die größte Gruppe noch bei den Eltern (38,4 %), gefolgt von 25,6% die mit ihrem Partner und zum Teil auch schon mit eigenen Kindern einen eigenen Haushalt bilden. Die drittgrößte Gruppe sind die >echten< Singles, die allein wohnen und auch allein leben. Immerhin noch I 0,2 % haben einen festen Partner, mit dem sie jedoch (noch) nicht zusammen leben.
Abb. 5.4: »Lebenssituation: Familienstand und Haushalts/arm« (Frage 1.3/1.4) 119,3%
Single bei Eltern lebend
I
mit festem Partner und bei Eltern lebend ::::J6,1% fester Partner/in, nicht zusannnenlebend ::J3.8%
37.6%
1
113,8%
mit Partner zusanunenlebend (alme Kind)
111,3%
mit Partner zusammenlebend (mit Kind) Alleinerziehende (alme Partner) J1,7% Wohngemeinschaft :J4,2% k.A./nicht zuzuordnen :J2,2% 0%
10%
20%
30%
40%
Die Häufigkeitsve1ieilung für den Wohnort zeigt, dass Fankulturen sich nicht ausschließlich in einem städtischen Raum entwickeln. Dies war angesichts 6
Dabei ließen sich 18 Fälle keiner dieser Kategorien zuordnen.
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DIE SOZIALE WELT DER STAR TREK-FANS
der >Vollversorgung< mit dem Medium Fernsehen auch nicht anders zu erwarten.
Abb. 5.5: »Wie würdest Du Deinen derzeitigen Wohnort beschreiben?fachsimpeln
1) erklären zusammen 68 % der Varianz. Der Kaiser-Meyer-Olkin-Wert erreicht einen guten Wert von 0.7. Die Kommunalitäten reichen von 0.5 bis 0.8, liegen aber mehrheitlich über 0.7. Auf-
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5.14: Faktorenanalyse »Wie wichtig sind Dir diefolgenden Gründefür den Besuch eines Trekdinnners?Ach weißt noch in der Folge so und so ... Oh ja natürlich!< Und wenn ich einen Folgentitel sag das jeder sofort weiß was damit gemeint ist. Und das man mit anderen über Folgen diskutieren kann« (Martin: 14f). Dadurch wird auch eine Kommunikation über Themen möglich, die weit über den eigentlichen Fokus STAR TREK hinausgeht. Gleichzeitig ist damit relativ sicher gestellt, dass der andere einen >richtig< versteht und die ge-
grund einer Korrelation zwischen beiden Faktoren in Höhe von 0.22 wurde eine schiefwinklige Rotation gewählt.
DIE SOZIALE WELT DER STAR TREK-FANS
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machten Erfahrungen reziprok sind. Die gemeinsame Basis des allen bekannten Textes erlaubt es den Beteiligten einen gemeinsamen Kontext herzustellen, trotz ihrer sehr unterschiedlichen Lebenssituationen. Dieser Zusammenhang spiegelt sich auch in der Korrelation zwischen den beiden MotivFaktoren wieder (Faktorkorrelation 0.22). Die an tangliehe Motivation, Gleichgesinnte für einen Austausch über den Serientext zu finden, löst sich mit der Zeit zunehmend vom Serientext, ohne dass dabei zwangsläufig die soziale Interaktionsform des Trekdinners verlassen wird. Insbesondere flir Fans, die schon längere Zeit ein Trekdinner besuchen, besteht das Interesse vor allem darin, alte Bekannte wieder zu treffen und weniger in Gesprächen über STAR TREK. Man besucht das Dinner »einfach der Geselligkeit wegen halt. Also des is mein Hauptgrund eigentlich, dass ich halt hauptsächlich wegen die Leut halt hin geh, dass ich die wieder seh« (Tom B.: 63). Trekdinner ermöglichen unverbindliche Bekanntschaften und bieten zugleich einen Rahmen für verschiedene Aktivitäten, die im Umfeld des Trekdinners eine Ausweitung und Entgrenzung des reinen STAR TREKZusammenhangs erlauben, ohne gleich ins rein private übergehen zu müssen. Während solche gemeinsamen Unternehmungen zunächst noch eng mit STAR TREK verbunden bleiben (z.B. bei dem Besuch einer Convention) erstrecken sie sich nach und nach auch auf entferntere Aktivitäten. »Da geht's natürlich um gemeinsame Interessen, wie Filme an sich. Überhaupt ins Kino gehen« (Beate: 6). Vielfach ist sogar zu beobachten, dass aus dem anfänglichen Interesse an STAR TREK schließlich private Freundschaften entstehen, die sich auch außerhalb des Dinners auf die verschiedensten Freizeitaktivitäten erstrecken. »Und jetzt mittlerweile haben sich daraus sehr viele private Freundschaften entwickelt. Wo man sich also auch mit anderen Fans, aber so auf privater Ebene, da muss man auch nicht unbedingt über STAR TREK reden, man geht halt auch mal zusammen ins Kino oder macht irgendwas.« (Martin: 33) Dies kann als ein Hinweis daflir gedeutet werden, dass es sich hier nicht nur um eine Teilzeit-Bezugsgruppenorientierung handelt, sondern regelmäßig von einem gemeinsamen Lebensstil bei den aktiven Fans auszugehen ist. Das häutige Auftreten einer solchen Entwicklung lässt auf eine weitreichende Übereinstimmung auch in anderen Lebensbereichen schließen, die nicht nur auf ein gemeinsames Hobby beschränkt bleiben. Die Auseinandersetzung mit einem Medientext bietet allerdings nur ein begrenztes Potential flir die Aushandlung sozialer Beziehungen bevor sich eine Gewöhnung und Veralltäglichung einstellt. »Es sind auch viele Leute da die zwar auch noch Fans sind, die auch noch zum engen Kreis gehören, aber die einfach die Lust verloren haben [... ] vor allem weil man sich jetzt auch untereinander vermehrt trifft. Weil man sich eben besser kennt. [... ]Und dadurch istjetzt auch nicht mehr dieses Bedürfuis da, man muss aufs Trekdinner gehen um andere Fans kennen zu lernen.« (Martin: 33) Für die schon länger beteiligten Mitglieder ist daher oft »ein bisschen die Luft raus« (Beate: 5) aus dem Thema STAR TREK, da der Kommunikationsan-
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lass dank der bereits vorhandenen sozialen Beziehungen nicht mehr notwendig ist. Der Besuch eines Trekdinners ist nur noch dann von Interesse, wenn eine Gratitikationsverschiebung stattfindet. Die para-soziale Identitätsarbeit mit dem Medientext wird dabei z.T. überführt in eine tatsächliche soziale Identität unter den Beteiligten, wenn es ihnen gelingt eine weitgehend übereinstimmende Perspektive zu entwickeln. Der Text verliert dadurch zwar an Bedeutung, dennoch treffen sich diese Personen weiterhin im Rahmen des Trekdinners, das die gemeinsame Tradition symbolisiert. So konnte im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung unter den regelmäßigen Besuchern eine starke emotionale Verbundenheit festgestellt werden, wenngleich diese häutig auf den Rahmen des Dinners begrenzt bleibt. Diese Beobachtungen können anhand des quantitativen Datenmaterials bestätigt werden. Der »sozial motivierte Trekdinnerbesuch« fallt umso ausgeprägter aus, je häutiger jemand zu einem Trekdinner geht (Abb. 5.14). 44 Abb. 5.14: Regressionsanalyse-Erklärung der Motivfaktoren durch die Häufigkeit des Trekdinnerbesuchs (Anzahl der Besuche pro Jah1) (Frage 4.9)
sozial motivierter TD-Besuch
inhaltsbezogener TD-Besuch
Ein häufigerer Besuch führt jedoch nicht zu einem verstärkten Bedürfnis nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit STAR TREK. Gespräche über STAR TREK sind zwar ein unverzichtbarer Bestandteil eines Dinners, sie stehen bei der Konstitution dieser Sozialform aber nicht im Vordergrund. Der Gruppenstil, der Besuchern bei einem Trekdinner vermittelt wird, scheint also vor allem in Richtung einer Gemeinschaftsbildung sozialisierend zu wirken. Betrachtet man nun den umgekehrten Fall und fragt danach, welche Orientierung einen häufigeren Besuch begünstigt, so zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang des Trekdinners mit einer sozialen Orientierung (Abb. 5.15). Abb. 5.15: Multiple Regressionsanalyse-Erklärung der Häufigkeit des Trekdinnerbesuchs (Frage 4.9) aus den Motivfaktoren~5
Häufigkeit TD-Besuch
44 Korrigiertes R2= 0.11 *** 45 Korrigiertes R2= 0.15 ***
DIE SOZIALE WELT DER STAR TREK-FANS
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Eine multiple Regressionsanalyse, die die Häufigkeit des Dinnerbesuchs aus den beiden Motivfaktoren erklärt, führt zu einem signifikant negativen Zusammenhang für die inhaltsbezogenen Motive und auf der anderen Seite zu einem signifikant positiven Zusammenhang bezüglich des sozial motivierten Trekdinnerbesuchs. Für eine Auseinandersetzung mit den Inhalten des Serientextes ist also die direkte Interaktion und Kommunikation mit anderen Fans in einem sozialen Rahmen, wie ihn das Trekdinner beschreibt, nicht unbedingt notwendig. Es ist anzunehmen, dass die Fans hierfür vor allem auf andere medial vermittelte Möglichkeiten (Fanzines und Internet) zurückgreifen. Für die Herstellung sozialer Kontakte und die Befriedigung sozialer Bedürfnisse scheint das Trekdinner jedoch eine zentrale Rolle zu spielen.
Die soziale Struktur eines Trekdinners Hinsichtlich der sozialen Struktur eines Trekdinners lassen sich verschiedene Grade der Teilhabe und Identifikation unterscheiden. Die soziale Struktur eines Trekdinners lässt sich in Form konzentrischer Kreise beschreiben, die ein unterschiedliches Maß an Identifikation mit dem Dinner aufweisen.
Abb. 5.16: Die soziale Struktur eines Trekdinners
Trekdinner sind keine homogenen Veranstaltungen, sondern stellen einen Konsens individueller Interessen und der damit einhergehenden unterschiedlichen Niveaus der Selbstverpflichtung dar. Zum Zentrum hin sind die Teilnehmer stärker mit dem Trekdinner verbunden und fühlen sich ihm mehr verpflichtet als an den Rändern. Die Struktur erklärt sich vor allem über die Intensität der Teilhabe an gemeinsamen Aktivitäten sowie an dem daraus entstehenden Gemeinschaftsgefühl. 46 Als ein für die anderen Teilnehmer erkennbarer Maßstab für die Selbstverpflichtung des einzelnen dient die Teilhabe an gemeinsamen Aktionen. Gemeinsame Erlebnisse bilden als geteilte Erfahrungen die Geschichte des Dinners, die einen emotional geprägten Bezugspunkt für die Beteiligten
46 Dagegen kann nicht gesagt werden, dass sich Besucher, die dem Zentrum zuzuordnen sind, grundsätzlich durch einen besonders hohen Wissensstand bezüglich des Medientextes auszeichnen würden und die Rolle von Meinungsführern einnehmen, auch wenn dies natürlich nicht grundsätzlich auszuschließen ist (vgl. Ganz-Blättler 2000: 204).
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abgibt. 47 Inwieweit ein Trekdinner eine kollektive Identität entwickelt, hängt letztlich davon ab, wie hoch das Maß der Selbstverpflichtung gegenüber dem dominanten Gruppenstil ist. Sichtbare Indikatoren für eine Identifikation mit der Gruppe und das Vorhandensein einer gemeinschaftlichen Orientierung stellen z.B. I-Shirts mit einem eigenen Trekdinner-Logo dar. Weitere Merkmale sind die Produktion eines eigenen Fanzines oder die Symbolisierung der Gruppe durch einen Schiffsnamen der Sternentlotte. Damit wird nach außen ein gemeinsamer Gruppenstil und nach innen, flir die Beteiligten selbst, Gemeinschaft demonstriert und zudem der Selbstverpflichtung gegenüber dem Fandom Ausdruck gegeben. Eine Sonderrolle nehmen die Leiter der Trekdinner ein. Ihre vordergründige Aufgabe besteht in der Organisation des Dinners. Sie dienen als Kontaktperson, kümmern sich um die Reservierung des Treffpunktes und eventuell um die Einladung der Besucher. Der geringe organisatorische Aufwand sowie die nicht besonders auftallige Rolle während des Dinners stehen jedoch im Widerspruch zu der Bedeutung des Leiters, die er in der Praxis zugewiesen bekommt. Die meisten Dinner und ihre Geschichte werden mit der Person der Leiterin assoziiert, was an häufig verwendeten Formulierungen wie »Das Dinner von ... « oder »Als XY das Dinner leitete ... « ersichtlich wird. Die Leiter treten so zwar nicht zwangsläufig besonders deutlich in Erscheinung, sie stellen aber Integrationsfiguren dar, die den Gruppenstil in hohem Maße beeinflussen. Für die Leiter selbst vermittelt die Rolle des Leiters ein gewisses Maß an Anerkennung und Prestige, das sich nicht nur auf den Kreis der Teilnehmer beschränkt, sondern auch darüber hinausreicht. Ein auffalliges Merkmal des Trekdinnerleiters ist, dass er weniger die Rolle eines Experten einnimmt, sondern sich vor allem durch sein besonderes soziales Engagement im Fandom auszeichnet. Sie fungieren sozusagen als der signifikante Andere (Shibutani 1955: 568) hinsichtlich der in der Gruppe existierenden sozialen Normen, als ein Aushängeschild und damit als prototypische Vertreter des Gruppenstils. 48
Gespräche über
STAR TREK
Die Hauptbeschäftigung während eines Dinners besteht in Gesprächen. Allerdings handelt es sich bei Trekdinnern nicht um monothematische Diskussionsrunden unter populärkulturellen Experten, sondern vielmehr um Treffpunkte, die sich durch normale Formen der Alltagskommunikation auszeichnen. Das Dinner wird als ein kommunikativer Rahmen aufgefasst, innerhalb dessen sich Gespräche spontan nach den aktuellen Interessen und 47 Diese Erfahrung konnte ich überdies selbst machen als ich mit zwei regelmäßigen Besuchern eines von mir besuchten Dinners mit der Bahn zur Fedcon fuhr. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt erst zweimal bei diesem Dinner zu Gast war, wurde ich danach als dem engeren Kreis des Dinners zugehörig behandelt. 48 Trekdinnerleiter weisen damit einige Übereinstimmungen mit den von Camille Bacon-Smith beschriebenen »Kemmitgliedem« (Bacon-Smith 1992: 27) literarischer Zirkel auf, die sie wie folgt charakterisiert: »Editors seem to share a high degree of skill in social as weil as literary organization. [... ]In general, however, core members of fan circles are warm and generous individuals who obtain gratification from the pleasure ofthose with whom they surround themselves.«
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Bedürfnissen der jeweils Anwesenden entwickeln. Der Rahmen eines Trekdinners zeichnet sich durch einen »open state oftalk« (Goffman 1981) aus, der es gestattet, jederzeit mit jedem ein Gespräch beginnen, ohne zuvor miteinander bekannt gemacht worden zu sein. Im Folgenden sollen nun die verschiedenen kommunikativen Gesprächsformen, die auf einem Trekdinner vorwiegend zu beobachten sind, näher betrachtet werden. 49 Diese verschiedenen Gesprächsformen tinden sich in der Regel auch in anderen Zusammenhängen wieder und sind daher als typisch flir die relevanten Interaktionszusammenhänge dieser Fankultur anzusehen. Aus diesem Grund sollen sie an dieser Stelle stellvertretend ausflihrlicher vorgestellt werden.
Medienverweise- ••Stop, to Kirk around!« 50 Obwohl bei einem Trekdinner nicht ständig über STAR TREK gesprochen wird, ist der Medientext durch zahlreiche Medienverweise, die in den laufenden Gesprächskontext einfließen, permanent präsent. Der Sinn dieser Praxis liegt zunächst im unmittelbaren Vergnügen, das aus der kompetenten Anwendung der entsprechenden Symbolik resultiert. Zweitens drückt sich dadurch ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den Akteuren aus. Der gemeinsame, kompetente Gebrauch der zahlreichen Verweise und Symbole aus dem STAR TREK-Universum 51 dient als verbindendes Element unter Gleichgesinnten. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um Verweise handelt, die nur innerhalb der Gruppe als Rückgriff auf frühere gemeinsame Gespräche oder Erlebnisse verstanden werden können. Schließlich handelt es sich dabei um eine Form >verdichteter KommunikationHey, stop to Kirk around!draufgängerischer Weiberheld< findet hier als Mediensymbol in der Alltagskommunikation Verwendung, ohne den eigentlich gemeinten Sinn explizit ausdrücken zu müssen.
49 Diese kommunikativen Gattungen bzw. kommunikativen Genres (Bergmann 1987; Ulmer/Bergmann1993) implizieren eine Regelhaftigkeit im Ablauf der jeweiligen Kommunikationsausschnitte, die den Akteuren Orientierung bietet, indem sie sich auf ihre durch bestimmte Kommunikationssignale geweckten Erwartungen bis zu einem gewissen Grad verlassen können. 50 Monika: 24. 51 z.B. der häufige Gebrauch von Grußformeln bestimmter Völker aus dem STAR TREK-Universum wie das von den Vulkaniem verwendete »live long and prosper«.
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Austausch von Neuigkeiten und Informationen Die sonst in alltäglichen Gesprächen über Medienereignisse üblichen »iriformierenden Gespräche« (vgl. Ulmer/Bergmann 1993: 90ft), in denen bestimmte Episoden nacherzählt werden, sind aufgrund des relativ ähnlichen Wissensstands der Teilnehmer eher selten. Ein wichtiges Thema sind dagegen Berichte von diversen Veranstaltungen (z.B. Conventions, STAR TREK-Ausstellungen, Filmpremieren), die meist verbunden mit den dort gemachten Fotos dargeboten werden. Diesen kommt eine sozialisatorische Funktion zu, wenn die Erzählungen an diejenigen Fans gerichtet werden, die noch keine Möglichkeit hatten, an diesen Veranstaltungen teilzunehmen. Die Erzählungen anderer Fans bieten oft den ersten authentischen Eindruck von solchen Veranstaltungen. Zugleich ein Aushandlungsprozess für die ganze Gruppe statt, indem die Erzählungen während des Dinners durch Kommentare der anderen Anwesenden angereichert werden. Dadurch wird ein Bild des Fanrahmens übermittelt, der solche Veranstaltungen kennzeichnet. Darüber hinaus werden Erwatiungen produziert, die verhaltensregulierend wirken. Dies geschieht sowohl im Hinblick auf die eigentlich thematisierten Veranstaltungen, als auch in Bezug auf das Verständnis der Gruppe selbst, die damit ihre internen Relevanzen ebenso thematisiert wie die Beziehung zum übergeordneten Fandom. Trekdinner spielen demnach eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des relevanten Wissens um bestimmte Veranstaltungen. Ein weiteres typisches Merkmal der Gesprächsformen während eines Dinners lässt sich anhand der von den Besuchern mitgebrachten Materialien (Zeitschriften, Bücher, Videos, Fotos, Trading Cards oder sonstige Dinge mit, die einen Bezug zum STAR TREK-Universum aufweisen) beobachten, die auf den Tischen frei zugänglich für jedermann ausliegen. Diese Materialien dienen zunächst dem Informationsaustausch der Fans untereinander. Zudem spielen diese Materialien eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Anbahnung von Gesprächen und Kontakten. Die teilnehmende Beobachtung zeigte, dass sich die Fans in längeren Gesprächspausen häufig den mitgebrachten Materialien zuwenden um Situation zu überbrücken, in denen sie zeitweise von den am Tisch stattfindenden Gesprächen abgeschnitten sind. Gleichzeitig bietet sich dadurch die Gelegenheit, einen Anknüpfungspunkt für Gespräche zu finden, in dem auf das soeben Gelesene Bezug genommen wird. 52 Über diese unmittelbare praktische Bedeutung hinaus, zeigt der einzelne anderen auf diesem Weg an, über welches Wissen er verfügt und wo seine besonderen Interessen liegen. Diese »Interaktionsrituale« (Goffman 1971) 52 Auf die praktische Bedeutung dieser Beobachtung konnte ich als teilnehmender Beobachter auch sehr häufig selbst zurückgreifen. Erstens bot sich so die Gelegenheit als Neuling erste Kontakte zu den Besuchern zu knüpfen. Zweitens war es durch die Beschäftigung mit den Materialien möglich, sich zeitweise aus dem Geschehen auf eine eher beobachtende Rolle zurückzuziehen oder das Gesehene ftir einen Moment ungestört zu reflektieren, ohne unnatürlich zu wirken, oder den Tisch verlassen zu müssen. Drittens ließen sich aus den mitgebrachten Materialien Informationen über die Besucher des Dinners gewinnen, die sehr hilfreich bei der Einschätzung der Personen z.B. im Hinblick auf die Auswahl für ein persönliches Interview, waren. Und viertens ergab sich auf diese Weise ein Zugang zu den im Fandom kursierenden Medien.
DIESOZIALEWELTDERSTARTREK-FANS 1161 erlauben es den Besuchern, sich in die bestehende soziale Struktur eines Dinners zu integrieren und Anschluss an die verschiedenen Interessengruppen eines Dinners zu finden.
Interpretierende Gespräche über STAR TREK»Ja, wie funktioniert das eigentlich?« 53 Einen breiten Raum der Gespräche unter Fans nehmen interpretierende Gespräche ein. In der Interaktion mit den anderen Besuchern eines Trekdinners stellen die Fans einen Bezug zu ihrem eigenen Alltag her und handeln dabei zugleich gemeinsam geteilte Bedeutungen aus. Die Gespräche kreisen dabei häutig um die persönlichen Vorlieben bezüglich bestimmter Figuren, einzelner oder ganzer Serien und beschäftigen sich mit der Frage, warum jemandem ein bestimmter Charakter oder eine Serie besser als andere gefallt. Dabei handelt es sich nicht um einen objektiven Diskurs, sondern vielmehr um eine indirekte und symbolisch vermittelte Kommunikation der Akteure über sich selbst und ihre Beziehung zueinander. Über die Artikulation ihrer Interessen und Meinungen suchen die Fans die Bestätigung der eigenen Perspektive unter anderen Fans und positionieren sich so in einem Aushandlungsprozess bezüglich gemeinsamer Wertvorstellungen in den vorgefundenen sozialen Kontexten eines Trekdinners. Indem die Mitglieder der Gruppe sich gegenseitig beim Verstehen und Interpretieren von Fernsehtexten unterstützen, schließt das gemeinsame Spekulieren und Fabulieren die Interaktionsgemeinschaft der Sprecher enger zusammen und erzeugt eine übereinstimmende Perspektive. Das heißt nicht, dass die Fans in allen Punkten übereinstimmender Meinung sind. Gerade das Diskutieren über bestimmte Aspekte macht einen wesentlichen Anteil des dabei empfundenen Vergnügens aus. Die gemeinsame Perspektive besteht letztlich vor allem darin, den Diskurs selbst und das dazu notwendige Wissen als relevant für die gemeinsame Praxis zu erachten. Die in der Kommunikation erkannten Übereinstimmungen verweisen dabei nicht nur auf reziproke Relevanzen bezüglich des Textes, sondern stellen auch soziale Nähe zwischen den Beteiligten her. Dabei findet ein Rückschluss von den individuellen Vorlieben auf die Person statt, die diese jeweils äußert. Bestimmte Interessen und Neigungen werden als evidentes und verlässliches Zeichen für bestimmte über STAR TREK hinausgehende Orientierungen und Einstellungen angesehen. Dies setzt einen »process of >mutual self-disclosureWeißt du noch die Episode ... < und dann kommt's manchmal einfach aus dem Anlass, zu solchen tollen Gesprächen, dass du sagst >Hättest du eigentlich mitschneiden sollenFan-Rahmens< kann der Fan unter Seinesgleichen Fan sein und muss nicht damit rechnen, fortwährend missverstanden zu werden, weil allen Beteiligten die Bedingungen ihres Handeins wechselseitig bewusst sind, ihre Relevanzsysteme mithin also kongruent und ihre Perspektiven reziprok sind. Der einzelne Fan kann davon ausgehen, dass er verstanden wird und zwar sowohl hinsichtlich der von ihm verwendeten Medienverweise, als auch bezüglich des Sinns des gemeinsamen Engagements. Der Fan-Rahmen ermöglicht es einzelnen Personen tlir ihr Sonderwissen über STAR TREK eine Expertenrolle zu erlangen. Diese Experten sind im Fandom bis zu einem gewissen Grad unverzichtbar, da sie tlir die Zirkulation des Wissens sorgen. Den Experten kommt damit gewissermaßen die Rolle von Sozialisationsagenturen zu, indem sie die von ihnen inkorporierten, für das Fandom relevanten Wissensbestände weitergeben. Diese Expertenrollen werden jedoch durchaus ambivalent bewertet. Einerseits erfährt man für die kompetente Demonstration des Fachwissens Bewunderung und Anerkennung. »Ja und die Leute diskutieren da drüber und wirklich auf einem hohen Level« (Christian: 3). Dies zeigt, dass die Fankultur Wege eröffnet, unerfüllte kulturelle Bedürfnisse zu befriedigen und ein gesellschaftliches Ansehen zu erlangen, das üblicherweise nur durch den Erwerb offiziellen kulturellen Kapitals erreichbar ist (Fiske 1997: 57). Einen Beleg für diese These liefert auch die negative Korrelation zwischen der Variable »SchulbildungRuhm< des Klatschobjekts, als dessen >Vertrauter< er sich mit seinen Klatschinformation zu erkennen gibt, auf ihn abfärbt« (Bergmann 1987: 207f). Dabei ist es weniger wichtig, worin das Vertrautsein mit einem Prominenten besteht, als dass eine Beziehung vorhanden ist. Meist genügt dies, um vom >Ruhm< der Stars zu profitieren. Drittens bedeutet der Klatsch der Fans eine symbolisch vermittelte Kommunikation über das Verhältnis der Fans zum Text bzw. den Produzenten des Textes. Die beliebtesten Klatschobjekte der Fans sind im allgemeinen die Serienfiguren und deren Darsteller. 6 Klatsch findet z.B. dann statt, wenn dar-
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60 Klatschobjekte können zwar auch andere Personen aus dem Produktionsbereich ebenso wie (prominente) Personen aus dem Fandom sein. Beide sind jedoch bei
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über diskutiert wird, »wie der eine Charakter in der Folge reagiert oder wie sie die Szene dargestellt haben. [... ] Es wurde damals schon über Kirks Toupet gelästert oder >Oh da hat man seinen Bauch aber besonders deutlich gesehenErbsenzählerei< zu begreifen, sondern vielmehr als eine Aktivität, die die Fans ermächtigt, Kontrolle über ihre Texte auszuüben. Dabei ist zu beachten, dass das eigentliche Klatschobjekt nicht der Text ist, sondern die Produzenten, die auf ihre >Fehler< aufmerksam gemacht werden. Nicht der Text an sich, sondern dessen Produktion werden kritisiert, wenn Vorder- und Hinterbühne der Medientexte nicht übereinstimmen, d.h. wenn die Kohärenz zwischen der Illusion einer in sich stimmigen Serienwelt und ihrer Gemachtheit nicht gegeben ist. Diese Kritik in Form des Klatsches verbleibt jedoch in der Regel innerhalb des Fandoms. Hieran wird die Machtlosigkeit der Fans deutlich, deren kulturelle Definitionsmacht meist nur auf das Fandom beschränkt bleibt (vgl. Jenkins 1992a: 118). Da den Fans die Möglichkeit der Teilhabe am offiziellen Diskurs fehlt, bleibt ihnen häufig nichts anderes übrig als durch ihr intimes Wissen in der Form des Klatsches Wissen und Bedeutungen >von unten< zu produzieren. Wichtiger als das faktische Verhältnis zur Produktionsseite ist daher die Wirkung nach innen.
64 Dies wird besonders deutlich, wenn man beachtet, dass die Schauspieler aus den STAR TREK-Serien und -filmen sonst meist keine größeren Rollen spielen und daher außerhalb des Fandoms nur selten bekannt sind. Die Stars trotz des Wissens um gewisse Unzulänglichkeiten als solche zu behandeln ist als eine Form der Taktes gegenüber bzw. als Schutzmaßnahme im Sinne der Darsteller zu verstehen (vgl. Gaffinan 1983: 212ft). 65 Vgl. beispielsweise Farrand (1995/1998):
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5.3 Clubs und Vereine Fanclubs lassen sich zunächst unterscheiden in lokale Clubs, für die die Abgrenzung zu einem Trekdinner fließend ist auf der einen Seite, und überregionale Clubs mit bis zu mehreren tausend Mitgliedern auf der anderen Seite. Diese beiden Fälle sollen nun im Folgenden ausfiihrlicher dargestellt und in ihrer Funktion für das Fandom diskutiert werden. Quer zu dieser Differenzierung lassen sich die Clubs hinsichtlich ihrer jeweiligen Clubkultur unterscheiden, über die das Selbstverständnis der Clubs und die jeweils dominanten Praktiken Aufschluss geben. Einen vollständigen Überblick über Clubs und Vereine zu bekommen, ist kaum möglich, da von den jeweiligen Gruppen keine einheitlichen Benennungen verwendet werden. Manche Trekdinner bezeichnen sich z.B. auch als Club, ohne dass ein Mitgliedschaftsprinzip bestehen würde und die Begriffe Club und Verein werden ebenfalls häutig synonym gebraucht. Zudem existieren gerade kleinere lokale Clubs oft nur für relativ kurze Zeit. Neben den drei zum Zeitpunkt der Feldarbeit existierenden größeren Clubs mit 200 bis 1.000 Mitgliedern (das Berliner »Star Trek Forum«, der in Würzburg ansässige »Final Frontier« und die »United Federation of Star Trek Fans« (UFSTF) aus Hamburg) gibt es noch eine unbestimmte Zahl kleinerer Clubs, die sich in einer Größenordnung zwischen 20 und 60 Mitgliedern bewegen und zum Teil recht unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte habenaußer den reinen STAR TREK-Fanclubs, gibt es noch Clubs mit einem breiteren thematischen Spektrum, das z.B. Science Fiction allgemein umfasst, sowie Clubs, die sich einem bestimmten Charakter bzw. Schauspieler aus dem STAR TREK-Universum widmen. In der schriftlichen Befragung wurden bei der Frage nach der Clubmitgliedschaft (Frage 6.3) insgesamt 29 verschiedene Clubs genannt. Diese Nennungen umfassen kleinere regionale Clubs und Vereine (z.B. »Far Beyond e.V.«), Fanclubs bestimmter Darsteller (z.B. Leonard Nimoy Fanclub, »Fifth House« [Fanclub von Majel Barrett und Marina Sitiis]), Clubs, die sich um bestimmte Kulturen aus dem STAR TREK-Universum herum gebildet haben (z.B. »Khemorex Klinzhai« [Klingonen-Fanclub]), Rollenspielergruppen (z.B. »Deutsche Sternentlotte«) sowie größere üben·egionale Clubs (z.B. »Star Trek Forum«, »Final Frontier«, »United Federation of Star Trek Fans«, »Star Trek Central Europe«), die die unterschiedlichsten Interessen unter einem Dach vereinen. Der einzige ausschließlich im Internet angesiedelte Club, der hier genannt wurde, ist die »Deutsche Sternentlotte« (www.desfde). An der Vielfalt dieser kleinen Clubs wird deutlich, dass das Fandom ein Netzwerk nur relative lose miteinander verbundener Fangruppen darstellt, über das niemand einen vollständigen Überblick hat, da das Wissen der Fans über die Fanlandschaft immer nur so weit reicht wie die eigenen Kontakte. Zur Darstellung der Institution der Clubs und Vereine wurden jeweils typische Vertreter ausgewählt, um einen möglichst kontrastiven Vergleich zu erhalten. Darüber hinaus wurde bei der Auswahl berücksichtigt, dass die untersuchten Clubs und Vereine schon über längere Zeit existieren und einen festen Platz im Fandom einnehmen, also über eine gewachsene Clubkultur verfügen.
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Lokale Clubs und Vereine Trekdinner werden von ihren Besuchern häutig synonym als Clubs oder Vereine bezeichnet. Der wesentliche Unterschied zwischen diesen Formen ist letztlich in der Art der Teilhabe der Fans zu sehen. Dem Konzept der freiwilligen und unverbindlichen Teilnahme an einem Trekdinner steht das Prinzip der Mitgliedschaft gegenüber. Die Selbstdefinition als Club oder Verein flir ein Trekdinner verweist auf eine engere Bindung der Mitglieder wie auch auf eine klarer fixierte kollektive Identität, die in einem teilinstitutionalisierten Rahmen dauerhaft stabilisiert wird. Die institutionalisierte Organisationsform des Clubs ist hier zunächst als ein symbolischer Ausdruck des in der direkten Interaktion mit anderen Fans gewachsenen Gemeinschaftsgefühls zu verstehen. Dies ändert sich erst mit der Konstitution in der Rechtsform eines Vereins.
Die Vereinsform- >>Wir werden >Werreinen< Trekdinners wird durch den Rückgriff auf eine traditionelle soziale Struktur überformt So übertitelt beispielsweise die »Star Trek Fan Connection Lüneburg« ihre erste Mitgliederversammlung in der Vereinschronik mit den Worten: »Die Mitgliederversammlung - wir werden >Werd« 66 Der unklare Umfang der Reziprozität der Perspektiven sowie die prinzipiell unklare Dauerhaftigkeit bzw. Wiederholbarkeil gemeinsamer Aktionen, die ein Trekdinner kennzeichnen, bekommen durch die Vereinsgründung eine verlässliche Basis. Der relativen Unverbindlichkeit eines Trekdinners als der weiterhin geltenden Interaktionsform werden in der VereinsSatzung67 fest-geschriebene Verhaltensregeln als Orientierungsmaßstab zur Seite gestellt, zu deren Einhaltung sich die Teilnehmer nun durch ihre Mitgliedschaft verpflichten. Die Selbstbindung durch emotionale Hingabe wird durch ein Vertragsverhältnis ergänzt. Die Vereinsgründung verändert demzufolge auch die Beziehungen der Mitglieder zueinander. • Durch die Vereinsform wird der bis dahin zumeist unausgesprochen als gemeinsam vorausgesetzte Sinn eines Dinners nicht nur für alle Beteiligten objektivieti, sondern zudem nach außen legitimiert. • An die Stelle einer zweckfreien Zusammenkunft von Gleichgesinnten, bei dem unterschiedliche Bezugsgruppen mehr oder minder intensiv miteinander interagieren, treten vermehti gemeinsam durchgeflihrte Aktionen, die prinzipiell alle Mitglieder einbinden. Der in der Satzung festgehaltene Vereinszweck umfasst daher in der Regel die obligatorische Veranstaltung gemeinsamer Treffen sowie die Planung verschiedener Ver-
66 http://members.aol.com/IK Voyager/chronik/html; 14.05.2002 67 Wesentlicher Bestandteil einer solchen Satzung sind die Festlegung eines Vereinszweckes, die Definition der Rechten und Pflichten der Mitglieder, die Organisation der Vereinsstruktur (Bestimmung verschiedener Organe (Vorstand und Mitgliederversammlung), deren Aufgaben und ihres Verhältnisses zueinander) sowie die Regelung der beitragspflichtigen Mitgliedschaft.
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einsaktivitäten. Die gemeinsamen Aktionen werden damit zur >Pflicht< jedes Mitglieds erhoben, wodurch eine >offizielle< Sanktionsgewalt entsteht.69 Der ehemals unverbindliche Charakter eines Trekdinners weicht also einer zweckgebundenen Interaktionsform, die in der formalen Mitgliedschaft und zu entrichtenden Beiträgen ihren objektiven Ausdruck findet. Die Zwecksetzung umfasst in der Regel nicht nur gemeinsame Aktionen, sondern stellt den Interaktionszusammenhang in einen direkten Bezug zu den Werten und Idealen von STAR TREK. In den Statuten und Selbstdarstellungen der Vereine findet sich immer wieder der Hinweis darauf, »die Ideale von STAR TREK (u.a. Toleranz, kultureller Respekt) mit Leben erfüllen« 70 zu wollen. Das kulturell angeliefetie Sinnsystem des STAR TREK-Universums wird hier also direkt zur Regulierung des zwischenmenschlichen Zusammenlebens der Mitglieder herangezogen. Die Verpflichtung auf den in der Serienwelt vorgelebten Wertekanon dient nicht zuletzt zur Standortbestimmung innerhalb des Fandoms, das man durch eine solchermaßen explizite Verpflichtung in besonderem Maße zu repräsentieren beansprucht. Schließlich wird die Verantwortung tlir gemeinsame Aktionen vom einzelnen Mitglied zu einem großen Teil auf die Organe des Vereins übertragen. »Deshalb hab ich die e.V.-Gründung forcieti und ja seinerzeit hat sich dieser Club einfach nur selbstverwaltet so zu sagen. Es wurde sich um des Kaisers Bati gestritten und diskutiert« (Oliver: 7). 68
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Das Konzept der Selbstverwaltung unter Beteiligung aller Mitglieder, wie es bei einem Trekdinner gilt, wird durch die Aufgaben der Vereinsorgane des Vorstands und der Mitgliederversammlung ersetzt. Die Rolle des Leiters wie auch die des inneren Kreises eines Trekdinners, aus denen sich die Kandidaten tlir die verschiedenen Vereinsfunktionen üblicherweise rekrutieren, erhalten dadurch eine institutionelle Absicherung und Bestätigung. Das Problem, soziale Anerkennung tlir ihre informelle Arbeit für die Gemeinschaft zu erfahren, wird damit auf institutioneller Ebene durch Wahl und die offizielle Ausübung verschiedener Funktionen gelöst. Zusammenfassend zeigt sich, dass die Vereinsform eine wesentlich verbindlichere Sozialform darstellt als andere Formen der Fanvergemeinschaftung. Die Unsicherheiten, die mit der Teilhabe an einer posttraditionalen Vergemeinschaftung verbunden sind, werden hier durch eine formal abgesicherte Institutionalisierung zum Teil gelöst. Fanpraktiken werden durch den Rückgriff auf bekannte Strukturen wie dem Verein oft erst tlir die Beteiligten transparent und ausreichend definiert. Diese Strategie der Unsicherheitsreduktion, sowohl was die Zugehörigkeit (Mitgliedschaft), die individuelle Rolle in der Gruppe (soziale Anerkennung in Form offizieller Ämter) als auch die Stellung in der Öffentlichkeit (Legitimierung durch die traditionelle Vereinsform) angeht, können als ein Hinweis auf einen höheren gesellschaft68 Es konnte beobachtet werden, dass z.B. der Wunsch nach der Herausgabe eines Fattzines und die datnit verbundene Notwendigkeit, dessen Finattzierung zu klären, häufig einen Anlass bilden, die Vereinsform anzustreben. 69 Der STAR TREK-Fattclub »Stemenbasis Wilhelmshaven e.V.« lmüpft z.B. in seiner rollenspielartig orgattisierten Struktur die Beförderung an die Teilnahme an Vereinstreffen (http://www.sternenbasis-wilhelmshaven.de/; 06.06.2006). 70 www.far-beyond-ev .de/Far-Beyond-e. V./faq.html; 14.05.2002.
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Iichen Orientierungsbedarf bei denjenigen Fans, die sich Vereinen anschließen, interpretiert werden. Allerdings kann dieser Zusammenhang nicht pauschal auf alle Vereinsmitglieder verallgemeinert werden, da einem Fan häutig nichts anderes übrig bleibt als sich einem Verein anzuschließen, wenn auf lokaler Ebene keine alternativen Möglichkeiten existieren sich mit anderen Fans zu treffen. Dennoch kann dieses Erklärungsangebot zumindest flir diejenigen Fans in Betracht gezogen werden, die sich subjektiv am stärksten mit der Vereinsform identifizieren.
Club vs. Vereinsform- »Wir machen viellieber Clubarbeit für die Fansanstatt diesen Formalkram« 71 Die Vereinsform stellt nicht für alle regionalen Fanvereinigungen ein erstrebenswertes Ziel dar. Viele Fans lehnen sie sogar ausdrücklich ab. »Ich hab's also manchmal mitgekriegt, das es so Trekdinner oder Zusammenkunft von Leuten gibt, die sind so eutergeiL Die verteilen Heftehen und nennen sich Vorstand und haben Wahlen und die ergehen sich in diesen ganzen Formalitäten. Des ist bei uns nicht. Wir ham gesacht, wenn wir ne Satzung ausarbeiten müssen und einmal im Jahr ne Mitgliederversammlung und wählen lassen, dann schmeißen wir das hin. Dafür haben wir keine Zeit. Wir machen viel lieber Clubarbeit für die Fans anstatt diesen Formalkram.« (Uschi: 7) Hier zeigt sich eine deutliche Konfliktlinie innerhalb des Fandoms. Die Gruppe derer, die eine Konstitution als Verein ablehnt, steht vor allem den Formalismen des Vereinslebens skeptisch gegenüber. Ein Club ist ihrer Ansicht nach nur das Medium zur Herstellung einer sozialen Gemeinschaft. Er soll kein Selbstzweck sein. Die institutionell festgeschriebenen Rollen bei den Vereinen widerspricht ihrer Auffassung einer für alle offenen, hierarchiefreien Gemeinschaft von Fans tlir Fans, in der diese ihre persönlichen Interessen individuell und relativ unverbindlich befriedigen können. Diese Kritik bezieht sich also vor allem auf einen Zugang zu STAR TREK, der die >Idee der Gemeinschaft< verletzt. Zudem grenzen sich die Kritiker von Vereinen ab, weil sie die Anerkennung flir ihre geleistete Arbeit aus dem Kontakt zu anderen Fans beziehen und nicht aus >Ämtern< wie die »Vereinsmeier«, die ihre Zeit vor allem mit Streitigkeiten um unwichtige Details verbringen. 72 Schließlich berühti diese Kritik den Diskurs um den externen Bezug der Fangemeinde, denn die Kritik an der ideologischen Befangenheit der in den Vereinen organisietien Fans beinhaltet auch den Vorwurf, einen zu engen Bezug zur Serienwelt zu haben. Dem liegt die Betlirchtung zugrunde, sich durch eine Mitgliedschaft zu sehr der >Sache STAR TREK< zu verpflichten. Die Kritiker distanzieren sich durch die Teilhabe an einer offeneren lnteraktionsform, die einen »breiteren Horizont« (Beate: 17) zulässt und legitimieren
71 Uschi: 7. 72 Der STAR TREK-fanclub Sternenbasis Wilhehnshaven e.V. berichtet in seiner Vereinschronik beispielsweise, mehr als ein Jahr in die Entwicklungsarbeit für die Vereinsgründung investiert zu haben (http://www.sternenbasis-wilhelms haven.de/; 06.06.2006).
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sich damit selbst als die >normaleren< Fans. Gleichzeitig behaupten sie eine exklusive Position, wenn sie traditionelle Vergemeinschaftungsformen wie die Vereine ablehnen, weil »das Ganze so fürchterlich in der deutschen Vereinsmeierei ausartet« (Beate: 17). Diese ambivalente Haltung verdeutlicht stellvertretend die Situation der Fankultur. Als posttraditionale Vergemeinschaftungsform wendet sie sich zum einen explizit gegen traditionelle Interaktionsstrukturen. Zum anderen besteht das Problem dann gerade darin, den Balanceakt zwischen der gesuchten Freiheit fiir die individuellen Bedürfnisse und einer Zugehörigkeit vermittelnden Verlässlichkeit zu finden.
Symbolische Übernahme sozialer Strukturen der Serienwelt für die Organisation lokaler Fantreffen 73 Eine Sonderrolle kommt jenen Gruppen zu, die sich in ihrer symbolischen Ordnung an der in der Serienwelt geltenden Organisationsstruktur orientieren. Diese Gruppen verwenden zur Bezeichnung von Rollen und Aufgaben in der Gemeinschaft Medienverweise. Damit wird ein Fanrahmen geschaffen, der ein regionales Treffen als ein Fantreffen definiert und der Gemeinschaft einen sichtbaren Ausdruck verleiht. Dieser Rahmen kann in der Folge auch für weitergehende rollenspielhafte Aufführungen genutzt werden, wobei für die Beteiligten klar festgelegt und abgegrenzt ist, wann der Rahmen in diesen Sinne genutzt wird. »Und dann bei Starfleet [Ableger eines US-amerikanischen Clubs; CW] hab ich kennen gelernt eben, dass ich einfach so ne Persona aussuch, also so rollenspielmäßig ein bisscheuneganz bestimmte Persönlichkeit darstell. Nicht unbedingt Rollenspiel im klassischen Sinn, dass man einen Spielleiter hat und bestimmte Dinge vorgibt, sondern, dass man sich schlicht und ergreifend in diesem Rahmen Trekdinner oder wenn man am Wochenende etwas zusammen gemacht hat, sich erlaubt hat in dieser Persona, die sie vielleicht gern gewesen wären« (Monika: 6) zu agieren.
Ein Übergang zum echten Rollenspiel findet allerdings nicht immer statt, wenn sich diese Gruppen treffen. »Aber so, dass mer sagen, wir machen Schiffstreffen und müssen uns unbedingt in Montur schmeißen und es ist in Anfiihrungszeichen nix los, wo wir uns als Gruppe darstellen können in Anfiihrungszeichen, des nicht unbedingt. [ ... ] Es muss ein gewisser Anlass dafiir sein. Also >nur< in Anfiihrungszeichen, nur sich zu treffen, reicht nicht.« (Monika: 29)
Umgekehrt wird die Praxis, Rollenbezeichnungen in Anlehnung an die Serienwelt zu verwenden, auch zum Teil bei >normalen< Treffen beibehalten. Die Organisation in >Schiffen< und >Abteilungen< (z.B. medizinische oder technische Abteilung) spiegelt dabei zum einen die unterschiedlichen persönlichen Neigungen und Interessen der Beteiligten wieder. Sie können durch 73 Diese Organisationsform ist sowohl als Verein, wie auch als Club möglich. In der Regel handelt es sich allerdings um Vereine, die als Organisationsform weitgehend kompatibel zu den festen Strukturen sind, die hier aus der Serienwelt übernommen werden.
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das Engagement in einer bestimmten Abteilung oder auf einem bestimmten Schiff symbolisch ihre Interessen kommunizieren. Dies erleichtert die Orientierung innerhalb einer größeren (überregionalen) Fangruppe und die Suche nach Gleichgesinnten. So kann man z.B. davon ausgehen, dass jemand, der in der >technischen Abteilung< anheuert, ein besonderes Interesse und auch besondere Fähigkeiten (z.B. Webseitenprogrammierung) auf diesem Gebiet hat. Zudem dienen die im Rollenspiel aus der Serie übernommenen Rangordnungen der Anerkennung des Engagements der einzelnen Mitglieder -je mehr man sich aktiv in das Spiel einbringt, umso höher steigt man in der Rangordnung. Der Umweg über solche Symbole erleichtert es, Vorstellungen des sozialen Zusammenlebens zu thematisieren, indem eine Sozialstruktur aufgebaut wird, die einen stabilen Orientierungsrahmen für die soziale Interaktion der Mitglieder bietet und die soziale Anerkennung individueller Beiträge regelt. Die bisweilen rigide Orientierung an der Serienwelt und das daran ausgerichtete Beharren auf bestimmten Details wie z.B. der »richtigen Uniform« ist damit nicht als bloße Pedanterie oder gar Ideologie zu verstehen, sondern als Wiederherstellung auf Dauer stabiler und verlässlicher Lebensbedingungen in der modernen Welt sonst immer weniger gefunden werden. Eine Übernahme von Serienstrukturen in diesem Sinne bedeutet also kein eskapistisches Verwischen der Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion. Es hat vielmehr eine funktionelle Bedeutung für die Gemeinschaft. Zum einen wird damit die notwendige Arbeitsteilung bei der Organisation überregionaler Vereinsaktivitäten und lokaler Fantreffen auf spielerische Weise vorgenommen. Zum anderen gestattet sie dem einzelnen Fan, sich in verschiedensten Aufgaben auszuprobieren und bei Bedarf die in der Serie >vorgeschlagenen< Lösungsansätze fiir verschiedene Situationen im Rahmen einer Rolle ohne den Ernst des Alltags und mit dem Wissen um eine hohe Fehlertoleranz der Mitstreiter durchzuspielen. Dies wird im nachfolgenden Zitat nochmals deutlich. »M: Bei nem Schiff mitzumachen heißt nicht unbedingt irgendeine Aufgabe übernehmen zu müssen, sondern wer die Zeit hat, wer die Fähigkeit hat, kann und dart: wer's nicht will, muss nicht [... ]. 1: Was macht ihr dann da so, wenn du sagst nach Fähigkeit so auch die Zuordnung? M: Ja, also bei mir ist es jetzt so, ich bin so ein bisschen so bei unserem Schiff in der Zwischenzeit, wie soll ich sagen, die Datenbank. Bei mir laufen so die Infos zusammen: Wer hat was, wer hat einen Wasserkocher, den man mitnehmen kann[ ... ] wer hat welche Allergie, worauf muss man achten beim Essen [.. .]. I: Was für eine Abteilung bist du dann auf eurem Schiff? M: Gehört zu Science, also Wissenschaft. Und bei unseren Qet'lops [Fantreffen der Klingonen-Fans; CW] selber bin ich medical background, also ich bin Krankenschwester von Beruf und hab mir dann so nach und nach einen [... ] Medi-Kit zusammengestellt, wo so die wichtigsten Zwischenfälle behandelt werden können.« (Monika: l2f) Mit der eben beschriebenen Rollenverteilung wird indirekt das in der Serienwelt geltende Prinzip eingelöst, nach dem jeder, seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend, der Gemeinschaft dienen soll. Dabei ist es möglich, aktive Identitätsarbeit zu leisten, indem dort erworbene und spielerisch er-
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probte Fähigkeiten in den Alltag integriert werden. Umgekehrt können beruflich erworbene Kompetenzen in Formen der Fanproduktivität einfließen. Insofern handelt es sichtrotz des außeralltäglichen Charakters von Rollenspielen um keinen gänzlich vom Alltag abgekoppelten Erfahrungsraum. Es bestehen vielmehr zahlreiche Möglichkeiten eine subjektiv sinnvolle Kohärenz zwischen diesen Bereichen herstellen zu können.
Ausprägungen lokaler Fantreffen Regionale Zusammenkünfte von Fans können ganz unterschiedlich ausgestaltet sein, wobei jede dieser Interaktionsformen- Trekdinner, Club oder Verein -über ein anderes Verständnis der eigenen Fanpraxis und des Fandoms verfUgen. Die drei auf lokaler Ebene zu beobachtenden Interaktionsformen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Intensität ihrer jeweiligen kollektiven Identität und des Grades ihrer Institutionalisierung. • Bei einem Trekdinner handelt es sich um eine weitgehend zweckfreie und unverbindliche Form des Zusammenkommens, bei der unterschiedliche Bezugsgruppen innerhalb des sozialen Rahmens beheimatet sind. Eine Gruppenidentität entsteht vor allem qua Selbstverpflichtung und daher in erster Linie bei dem inneren Kreis der aktiven Fans. Das Trekdinner stellt die offenste und daher auch die grundlegendste Form eines Fantreffens dar. • Ein Selbstverständnis als Club bei einem lokal angesiedelten Fantreffen verweist auf eine symbolische Verdichtung des Gemeinschaftsgeflihls. Die Gruppenidentität wird hier sowohl nach außen als auch nach innen durch das Prinzip der Mitgliedschaft gestärkt. • Eine weitaus höhere Verbindlichkeit weist der Verein auf. Die Mitgliedschaft erhält im Verhältnis zum Club durch die Bezugnahme auf eine traditionelle und gesellschaftlich anerkannte Organisationsform ein größeres Gewicht. Die Objektivierung informeller Strukturen und die sanktionierbare Verpflichtung auf Gruppennormen bedeuten für die Mitglieder ein höheres Maß an Verbindlichkeit und einen verlässlicheren sozialen Rahmen. Die kollektive Identität ist bei dieser Art von Interaktionsform am weitesten ausgeprägt. Dies spiegelt sich auch in der vermehrten Durchflihrung von Gruppenaktivitäten wieder. Der unverbindliche Charakter eines Trekdinners geht in dieser Zweckorientierung verloren, wobei gleichzeitig ein intensiverer Bezug zu STAR TREK zu verzeichnen ist, der bis zu einer Übernahme sozialer Strukturen der Serienwelt zur Symbolisierung der Beziehungen der Fans untereinander reicht.
Überregionale Clubs Überregionalen Clubs kommt innerhalb des Fandoms die Aufgabe zu, zwischen den zahlreichen einzelnen Fans und lokalen Fantreffen zu vermitteln. Sie veröffentlichen Veranstaltungskalender (z.B. mit Terminen von Conventions und anderen Events, die flir STAR TREK-Fans von Interesse sind) und Adresslisten von regionalen Treffpunkten (Trekdinner, Vereine, Fanläden), die eine Kontaktaufnahme zu anderen Fans ermöglichen. Im Unterschied zu regionalen Clubs oder Vereinen, die vor allem auf den regelmäßigen Treffen ihrer Mitglieder basieren, ist es jedoch nicht die primäre Funktion überregionaler Clubs, selbst Treffen und Aktivitäten für ihre Mitglieder zu
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organisieren. Ihre Funktion besteht vielmehr darin, allen interessierten Fans ein Forum für einen Informationsaustausch, Fandiskurse, soziale Kontakte zu Gleichgesinnten sowie die kreative Selbstverwirklichung in Form von Fanproduktionen unterschiedlichster Art (z.B. Fanstories, Fanart) zu bieten. Dadurch, dass ein Club je nach Interesse und Intensität der Selbstverpflichtung sehr unterschiedliche Formen der Teilhabe zulässt und eine Vielzahl an Interessen bündelt, bildet er eine zentrale Vermittlungsinstanz zwischen den einzelnen Fans und dem Fandom als Kollektiv. Überregionale Clubs repräsentieren demnach in ihrer Clubkultur zugleich die Kultur(en) des Fandoms. Die überregionalen Clubs manifestieren sich vor allem in ihren Medienin der Regel selbst produzierten Fanzines -, über die als Kommunikationskanal die Teilhabe erfolgt. Diese Clubs müssen daher aus zwei unterschiedlichen Perspektiven untersucht werden. Einerseits handelt es sich um eine soziale Organisationsform. Andererseits kann ein Club in seiner manifesten Erscheinungsform, dem Fanzine, untersucht werden. Ersteres soll nun im Folgenden geschehen, Fanzines dagegen werden Gegenstand des anschließenden Kapitels sein. Clubs sind durch ihren üben·egionalen Charakter mehr noch als lokale Fantreffen Institutionen des Fandoms. Sie repräsentieren eine gemeinsame Vorstellung der Fankultur. Sie sind daher Sozialisationsinstanzen, die ein fanspezifisches Relevanzsystem vermitteln, sowie ein Forum, auf dem die im Fandom kursierenden Interessen und Vorstellungen diskursiv verhandelt werden können. Die Sozialisationsfunktion der Clubs zeigt sich vor allem bei den vielen Fans, die hier zum ersten Mal überhaupt in den Kontakt mit anderen Fans treten. Der Beitritt in einen Club markiert für einen Großteil der Fans den Übergang von einem individualisierten Fandasein zu einem aktiven Mitmachen in einem Kollektiv Gleichgesinnter. »Viele fragen sich höchstwahrscheinlich, warum soll ich eigentlich Mitglied in einem Fanclub werden? Videos kucken, Modelle basteln usw. kann ich schließlich auch so, und Magazine zum Thema STAR TREK gibt es zuHauf am Kiosk[ ... ]. Das ist allerdings auch nicht der Sinn eines Fanclubs. Wir wollen euch helfen Gleichgesinnte zu treffen [... ] und mehr Spaß an eurem (und unserem) Hobby zu haben.« (Werbeflyer des UFSTF)
Im Gegensatz zu lokalen Fantreffen wie Vereinen oder Trekdinnern sind überregionale Clubs das Produkt der Arbeit weniger Fans. Da die Mitglieder eines überregionalen Clubs nicht alle direkt miteinander interagieren können, sind sie auf die Arbeit der Clubleitung angewiesen. Dieser obliegt damit eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Clubmitgliedern, da der erfolgreiche Bestand des sozialen und kulturellen Lebens im Club maßgeblich von ihnen abhängt. Die Clubkultur wird daher maßgeblich von einer kleinen Gruppe von Fans (je nach Größe des Clubs zwischen 2 und 7) bestimmt, die den Club zusammen leiten und sich die verschiedenen Verwaltungsaufgaben (Mitgliederverwaltung, Clubbeiträge, Layout, Kon·espondenz, Betreuung der Autoren, Druck und Versand) teilen. Einen großen Anteil haben des weiteren diejenigen Fans, die in besonders aktiver Weise- vor allem mit redaktionellen Beiträgen zu den Fanzines- am Clubgeschehen mitwirken. Diese beiden Gruppen fungieren daher als Prototypen der Clubkultur (vergleichbar mit der Rolle des Trekdinnerleiters), indem sie diese in idealer Weise vorleben. Der
DIE SOZIALE WELT DER STAR TREK-FANS I 175 Beitrag der Mitglieder ist dagegen vollkommen unverbindlich, und in seinem Umfang von Club zu Club verschieden. Anders als bei den zuvor betrachteten lokalen Fantreffen bleiben die meisten Mitglieder passive Abnehmer des von wenigen Fans vorproduzierten Angebots. Dennoch findet eine Interaktion zwischen der Clubleitung und den Mitgliedern statt, da letztere das Angebot annehmen müssen, damit es dauerhaft bestehen kann. Der Erfolg oder Misserfolg eines Clubs hängt davon ab, inwieweit es der Clubleitung gelingt, einen Stil zu finden, der sowohl aktive wie auch passive Fans in ausreichendem Maße zufrieden stellt. Das Verhältnis zwischen Mitgliedern und Clubleitung stellt daher ein wichtiges Bestimmungsmerkmal einer Clubkultur dar. Die Frage, ob und wie es einem Club gelingt, ein Gemeinschaftsgetlihl herzustellen, das genügend Vertlihrungskraft für die Mitglieder besitzt, ist vor allem davon abhängig, welches Selbstverständnis ein Club vermittelt. Entscheidend ist dabei nicht nur die administrative Leistung der Clubleitung, die hauptsächlich die Produktion eines regelmäßig erscheinenden Fanzines umfasst. Wichtig ist vor allem auch die immaterielle (Dienst-)Leistung, den Mitgliedern die Teilhabe und das Erleben einer bestimmten Fankultur zu ermöglichen. Die Aufgabe der Clubleitung besteht daher nicht nur in der organisatorisch-technischen Verwaltung, sie sind vor allem Verwalter der spezifischen Clubkultur. Im Folgenden werden nun zwei Idealtypen von Clubs gegenüber gestellt und hinsichtlich ihrer Funktion flir das Fandom betrachtet. Den Ausgangspunkt bilden die !traditionellen< Fanclubs, die sich als Forum des Fandoms und ihre Fanzines als Produkte von Fans flir Fans begreifen. An diesem Typus können beispielhaft die verschiedenen Problemfelder, die sich bei überregionalen Fanclubs zeigen, dargestellt werden. Dieser idealtypischen Repräsentation der Fankultur wird im Anschluss mit dem OFFIZIELLEN STAR TREK FANCLUB Deutschland eine marktorientierte Variante des Fandoms gegenübergestellt. Anhand dieser Kontrastierung können abschließend zwei Modelle herausgearbeitet werden, die unterschiedliche Fankulturen repräsentieren, und einen tieferen Einblick in die Strukturen des Fandoms ermöglichen.
Der Club als Forum des Fandoms••Wir sind ein Club zum mitmachen« 74 Dieser Clubtyp steht flir eine egalitäre Gemeinschaft von gleichberechtigten Fans. Dies spiegelt sich in der Selbsttypisierung »Grundsatz des Clubs ist >Von Fans flir Fansdie Seele< des Clubs!« (Werbeflyer des ST-Forums) Da dieser Clubtyp auf der Produktivität seiner Mitglieder basiert, ist er als nicht-kommerziell definiert. Eine kommerzielle Verwertung und Distribution würde zum einen das Urheberrecht verletzen. Dadurch müssten die Fans ständig mit rechtlichen Konsequenzen seitens der Produzenten rechnen, was eine auf Dauer ausgerichtete Vergemeinschaftung unmöglich machen würde. Zum anderen würde eine kommerzielle Ausrichtung dem Wertebewusstsein dieser Clubs zuwider laufen, das sich als eine kulturelle Ökonomie »von Fans flir Fans« und somit als ein Gegenmodell zum ökonomischen Prinzip einer gewinnorientierten, massenhaften Produktion austauschbarer bzw. jederzeit reproduzierbarer Waren versteht. Die Produktion der Fanzines und andere Leistungen der Clubs erfolgen daher zum Selbstkostenpreis. Neben den manifesten Organisationsaufgaben besteht daher die wesentliche latente Aufgabe der Clubleitung in der permanenten Arbeit an einer Wertgemeinschaft, welche die kulturellen Leistungen, die vor allem in Form der Produktion von Fanzines erbracht werden, für die kollektive Identität der gesamten Gruppe wie auch für den Selbstwert der aktiven Mitglieder und natürlich nicht zuletzt für sich selbst nutzbar macht. Damit sind die zwei zentralen Problemfelder dieses Clubtyps angesprochen. Erstens stellt sich die Frage, worin der subjektive Anreiz fiir die unentgeltliche Clubarbeit liegt. Zweitens steht ein Club vor dem Problem, eine Struktur und eine Kultur finden zu müssen, die positive und dauerhafte Anreize fiir eine ausreichende Anzahl von produktiven Fans bietet.
Motive für die aktive Mitarbeit im Club - »Dann wär ich einer von diesen Konsumenten, und das will ich nichtJ 5 Ein wichtiges Motiv flir die aktive Mitarbeit im Club - sei es direkt in der Leitung und Organisation oder indirekt durch aktive Beiträge fiir die Fanzines- ist die Möglichkeit zur Selbstanerkennung der eigenen Leistung. »1: Warum tut man des ganze dann eigentlich? Was hat man davon? P: Also jeden Monat sag ich mal, wenn die FORUM-NEWS [Newsletter des STAR TREK-Forums; CW] jetzt fertig ist oder alle halbe Jahr, wenn der STARBASE [Storybände des STAR TREK-Forums; CW] fertig ist[... ], dann ist das irgendwie innerlich toll. Du hast das zusammengestellt, es irgendwie verwirklicht und du weißt jetzt lesen das 500 Leute oder so. Des ist irgendwie ein tolles Gefühl« (Patrick: 13). Das »gute Gefühl«, etwas »verwirklicht« zu haben, verweist auf ein erfolgreich realisiertes Identitätsprojekt Die Selbstanerkennung gewinnt dabei ein umso größeres Gewicht, je bedeutender die Herausforderung subjektiv bewertet wird. Die Produktion eines Fanzines für ein breiteres Publikum wie
75 Patrick: 14. Aufgrund ihrer Position sind die Clubleitung und mit Abstrichen auch der Kreis der aktivsten Mitglieder geradezu auf die Ausübung und Einhaltung der Rolle des prototypischen Mitglieds verpflichtet. Da sie in ihrer Funktion die idealtypische Abstraktion der Gruppenmerkmale darstellen, kann die Clubkultur exemplarisch an den Aussagen der Mitglieder dieses >mneren Kreises< nachvollzogen werden.
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auch die Veröffentlichung in einem Fanzine, das von vielen Fans gelesen wird, - sei es in Form einer eigenen Geschichte, eines Artikels oder von Zeichnungen- werden von den Fans als eine außergewöhnliche und intensive emotionale Erfahrung interpretiert. »Ja und dann fand ich's halt einfach klasse weil a) ich konnte was kreatives machen, was halt einen Bezug hatte und die Leute haben's gemocht. Des war das nächste tolle. lch hab meine erste Veröffentlichung gehabt und dann kamen so viele positive Kommentare und ich saß nur noch da >Woah eh es funktioniert!< und des ist ein Adrenalinschuss wenn du denkst >Ja die Leute wollen dich leseneigene Produzieren< erfahren die Fans, dass sie das, was die >Profis< der Produktionssphäre machen, auch und zum Teil sogar besser können. Als Messlatte dienen dazu die eigenen subjektiven Maßstäbe aber auch die in der Gemeinschaft interaktiv ausgehandelten Standards. »Und da haben sie [der STCE; CW] einfach angefangen dieses Kompendium zu übersetzten [... ].Und da hab ich halt ein Leserbriefhin geschrieben >Also liebe Leute, warum müsst ihr denn aus den englischen Büchern abschreiben, des kann man doch eigentlich auch selber.< Und hab halt auch gedacht >Mein Gott, des kannst du wirklich besser auch.< Und hab dann angefangen zu schreiben, und seitdem hab ich des Teil dann übernommen gehabt und hab's dann zu Ende geführt.« (Martin: 30) Die unentgeltliche Arbeit tlir den Club bringt allerdings nicht nur positive Erfahrungen, sondern auch einige Nachteile mit sich. »1: Jetzt noch mal ne kritische Frage. Wie sieht denn euer Leben ohne STAR TREK aus? Was würdet ihr machen wenn's den Club jetzt nicht mehr gäb? U: lst gefährlich, die Frage ist gefährlich.[... ] Wenn wir ernsthaft darüber nachdenken würden. Wir sind Menschen von einem gesunden Menschenverstand. Theoretisch. Dann würden wir's sofort hinschmeißen müssen. Weil was wir machen ist in vielerlei Hinsicht nicht so. Ich vernachlässige meine Familie. Deine Frau muss ab und zu auf dich warten. P: Ja. [... ] U: Ich habe meinen Beruf seit sechs Jahren nicht ausgeübt. Ich bin Lehrerin, würde ne Menge Kohle verdienen. Aber es macht mir nicht mal nen Bruchteil von dem Spaß von dem was ich jetzt mache. Das heißt wenn man darüber ... die Frage ist
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wirklich gefährlich ... wenn man darüber nachdenken würde, dürften wir das nicht. Müssten sofort hinschmeißen.« (Uschi/Patrick: 14) Der Aufwand für die Clubarbeit lässt sich nicht nach denselben Maßstäben der Rationalität bemessen wie sie in der Alltagswelt üblich sind. Der subjektive Nutzen entspringt vielmehr einer inneren Befriedigung. Die Clubarbeit macht deutlich mehr Spaß als andere Tätigkeiten und wird daher als bedeutender für die subjektive Identitätsstiftung erlebt. Ihre immaterielle Vergütung zeigt sich in der »Freude, die Genugtuung, toll die Zeitung ist wieder super geworden. Sieht sehr gut aus und wir haben, du hast dich wieder gesteigert« (Uschi: 14) und übersteigt bei weitem die Entbehrungen (wie z.B. finanzielle Einbußen), die man dafür in Kaufnehmen muss. »U: [... ]also manchmal verfluchst du's. P: Wenn ich ehrlich sein soll sogar ziemlich oft. Ja kommt vor. Wenn du dann genau weißt, dieses Wochenende ist Kinopremiere aber dieses Wochenende ist das FORUM des Wochenende. Dann gehen alle ins Kino außer ich. Weil ich weiß des schaff ich sonst nicht. Aber ich sag mal du richtest dein Leben danach. Du richtest zum Beispiel auch deinen Urlaub danach. Aber trotzdem macht's Spaß. lrgendwie.« (Uschi/ Patrick: 15) Dies zeigt sich z.B. auch darin, dass Arbeit und Freizeit hier nicht als voneinander getrennte Bereiche erfahren werden. Deshalb muss man auch nicht »nicht ernsthaft darüber nachdenken« ob es sich lohnt, was man tut, und es ist letztlich egal ob man »ne Menge Kohle verdient«, da der Spaß, den man dabei hat, viel wichtiger ist. Produzierende Fans gehen in ihrer >Arbeit< auf und sind oftmals weitaus mehr mit ihrer Tätigkeit verbunden als der normale Berufstätige mit seinem >Job< (vgl. Pfadenhauer 2000: 107). Auf der anderen Seite kann die subjektive Befriedigung nicht ohne ihre Spiegelung in Form der sozialen Anerkennung anderer Fans betrachtet werden. »Theoretisch« und nach dem »gesunden Menschenverstand« wäre die Arbeit für den Club sehr viel geringer einzuschätzen als andere dem gesellschaftlichen Konsens nach >sinnvollere< Tätigkeiten. Für den Kreis der Clubleiter und der aktiven Fans stellt sich diese >Rechnung< jedoch anders dar. Als wesentlicher Anreiz für die Clubarbeit wird von den Befragten immer wieder die soziale Anerkennung durch andere Fans genannt. »Und durch diese Arbeit. die man da investiert. erntet man auf der anderen Seite auch wieder. Es ist natürlich ein tolles Gefühl, wenn Fanclubs von überallher sagen >Mensch wir wollen eure STARPOST [Fanzine des »SICH«; CW] jetzt auch haben, schickt uns mal10 Stück.< und so, das ist alles schon toll.« (Oliver: 5) Um ein positives Selbstwertgefühl zu erlangen, das die unentgeltliche Arbeit aufwiegt, sind die Clubleiter auf die soziale Anerkennung ihrer Mitglieder verwiesen, was sie dazu verpflichtet, die Clubkultur in herausragender Weise zu verkörpern, um diese Anerkennung auch zu bekommen. Verpflichtung und Anerkennung bedingen sich gegenseitig. Die Position des Leiters vermittelt ein identitätsstiftendes Gefühl der Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit. Umgekehrt verpflichtet sie zur prototypischen Ausübung dieser Rolle.
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»Es ist ne Menge Pflichtbewusstsein. Weißt du noch die Tugenden? Pflichtbewusstsein, wir ziehen das durch, wir stehen das durch, wir engagieren uns.« (Uschi: 4)
Als Folge dieses wechselseitigen Prozesses wird das Netzwerk, innerhalb dessen man diese Funktion einnimmt, zunehmend als eine echte Gemeinschaft erlebt, auf die man sich dauerhaft verlassen kann. Damit entsteht eine Art immaterieller Sanktionsgewalt, da ein Verlassen dieser Gemeinschaft aufgrund des hohen persönlichen Nutzens erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Dies gilt vor allem für diejenigen Mitglieder, die den höchsten Gewinn aus einer solchen Kultur ziehen. Umgekehrt wird dem Club aufgrund der hohen Verbindlichkeit ein institutioneller Status zugeschrieben.
Der Club als Wertgemeinschaft- "Da ist auch noch ne große Portion Idealismus mit drinJ6 Aus dem anfänglich unwillkürlichen Erlebnis der Selbstaufwertung durch die Mitarbeit an einem Club kann mit der Zeit für aktive Fans eine generalisierte, verdichtete Erfahrung der Selbstthematisierung erwachsen, die zu einer wichtigen Quelle persönlicher Identität wird. Dies bezieht sich zunächst auf die Teilidentität des Fanseins, indem Fans sich durch ihre Produktionen im Fandom einen >Namen< machen. Diese Erfahrung kann aber auch über das Fansein hinaus zu einem wesentlichen Bestandteil eines positiven Identitätsgeflihls werden, das im gelungenen Fall irgendwann von seinem ursprünglichen Kontext losgelöst und als allgemeine Handlungstahigkeit erlebt wird. Die im Fandom erlebten Selbstthematisierungen werden dann verstetigt und eine erfolgreiche psychosoziale Integration der Fanidentität in das Gesamt der Teilidentitäten möglich. Eine Clubkultur, die die Produktivität von Fans für Fans in den Vordergrund stellt, bietet dafür die idealen Voraussetzungen. »Wir freuen uns über deinen Beitrag und möchten dich mit besten Kräften dabei unterstützen, mit deinem Talent an die Öffentlichkeit zu treten. Wir legen Wert auf individuelle Mitarbeiterbetreuung und möchten deine Anregungen und Wünsche soweit wie möglich verwirklichen.« (Werbetlyer des ST-Forums) 77
76 Martin: 36. 77 Dieses Prinzip gilt insbesondere fur das Netzwerk der Media-Fanzine-Communities (vgl. Camille Bacon-Smith 1992: 81 ff). Da hier die Produktivität noch mehr als bei Clubs, die sowohl Nachrichtenagentur, Forum ftir Fandiskurse als auch Herausgeberplattform für Fanstories sind, im Vordergrund steht, nimmt diese kulturelle Praxis des gegenseitigen Förderns und Anerkennens im Bereich der Fan-Art einen entsprechend hohen Stellenwert ein. Einen nicht unwesentlichen Anteil an der Relevanz dieser Praxis innerhalb dieser >Subkultur< haben aber auch die oftmals auftauchenden Copyright-Probleme im Zusanunenhang mit Fanstories (Bacon-Smith 1992: 3ft). Der informelle Kontakt zwischen den Angehörigen gewinnt dabei im selben Maß an Bedeutung, wie ein öffentliches Auftreten wegen der zu befürchtenden negativen Konsequenzen seitens der Produzenten unmöglich wird. Aus dieser Situation erklärt sich auch die von BaconSmithals Schlüsselkategorie ausgemachte Suche nach Vertrauen, Gemeinschaft und Sicherheit in der von ihr beschriebenen Media-Fanzine-Community (BaconSmith 1992: 6).
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Die eigenen positiven Erfahrungen mit der Clubarbeit motivieren dazu, diese Erfahrung auch anderen zu ermöglichen, weil dadurch gleichzeitig ein dauerhafter Erfahrungsraum geschaffen wird, der die dafür notwenigen Bedingungen in Form einer bestimmten Clubkultur ständig reproduziert. Die aktiven Fans entwickeln daher ein Verantwortungsbewusstsein und eine paternalistische Haltung gegenüber anderen aktiven Fans, das sich im Prinzip einer Mentorenschaft ausdrückt. Die Basis hierfür liegt in der Doppelrolle, die aktive Fans ausüben: Sie sind zugleich Fans und Produzenten ihrer eigenen Fankultur. Wie sich diese Praxis in der Sicht der aktiven Fans ausnimmt, zeigt das anschließende Zitat, in dem eines dieser geförderten Talente seine Erfahrung mit einem Mentor schildert. »Der war unheimlich nett und der hat mich halt gefördert sozusagen. Der hat dann gesehen, dass ich das eigentlich kann [... ] und da hat er mir ne Story gegeben und hat gemeint ob ich ihm was helfen möchte. [... ] Und der hat sich einfach sehr ehrlich gegeben und hat dann weiter gemacht. Aber er hat so immer wieder geschubst, immer wieder geschoben >Des könntest du machen, mach doch mal.< Und ich glaub dem hab ich so ziemlich alles zu verdanken. Und des fand ich einfach so toll. Deswegen bin ich auch vor allem bei dem Club geblieben, auch beim Nachfolger. Weil des ist einfach der Club, die haben mich aufgenommen, die haben gesagt >Du kannst es, du machst esDas ist nicht mehr unsere Linie. Das ist nicht mehr Fanimaginär< einer Gemeinschaft zugehörig zu fühlen, sondern diese auch in der Interaktion mit anderen Fans >leibhaftig< zu erfahren. Bei einer großen Convention sind alle für das Fandom relevanten Bezugsgruppen vertreten: Zahlreiche Händler bieten alle nur erdenklichen Fanartikel an. Sponsoren (TV-Sender, Computerspielhersteller und andere Lizenzunternehmen) haben
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ihre eigenen Stände, an denen sie ihre Produkte bewerben und das anwesende Publikum über neueste Entwicklungen informieren. Hinzu kommen zahlreiche Pressevertreter, die hier ein Ereignis von großem Nachrichtenwert vorfinden. Die beiden wichtigsten Gründe eine Con zu besuchen, sind aber die anderen Fans und diverse Fangruppierungen, die sich hier einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren (Clubs, Dinner, Online-Magazine, Rollenspielergruppen), und vor allem die Schauspieler, die hier in sogenannten >Guestpanels< auftreten, sich den Fragen der Fans stellen und Autogramme geben.
Abb. 5.20: Fans mit ihrem Darsteller Abb. 5.22: Die Convention als (DATA alias Brent Spiner) >Bühne< Abb. 5.21: Händlerräume 97
Abb. 5.23/24: Die Stars auf der Bühne Zum vielfliltigen Rahmenprogramm gehören laufende Videovorflihrungen, Kostümwettbewerbe, Präsentationen von Fanprodukten (z.B. Artshows), Auktionen von Memorabilia sowie Diskussionsrunden, Quizveranstaltungen
97 Die Bilder entstanden alle auf einer FEDCON.
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und Vorträge von Experten, die Informationen und Berichte von >behind the scenes< liefern. Conventions sind Multimediaevents, die ein umfassendes Erlebnisangebot für eine ganzheitliche Erfahrung als Fan zur Verfügung stellen. Der Besuch einer Con ist daher »das Ereignis« schlechthin im Fanleben. Der erste Besuch einer Convention ist daher oft ein »Schlüsselerlebnis für ne ganz neue Welt« (Martin: 14). Zugleich sind diese Veranstaltungen eine Bühne für die Produktivität der Fans: die Clubs stellen ihre Fanzines vor, Bilder und Modelle der Fans werden ausgestellt, vor allem aber sind Conventions die wichtigste Bühne für die zahlreichen kostümierten Auftritte der Fans. Cons sind daher außeralltägliche Ereignisse und prototypische Inszenierungen der »weekend-only world« (Jenkins 1992a: 280) der Fans. Den STAR TREK-Conventions geht eine lange Tradition voraus, die bis zur ersten Science Fiction-Convention im Jahre 1936 zurück reicht. Aus dieser Veranstaltungsform entwickelte sich im Laufe der Zeit das Modell für die heutigen Conventions. So wie Science Fiction-Conventions zum Prototyp für Conventions an sich wurden, etablierte die erste STAR TREK-Convention, die im Jahre 1972 stattfand, erfolgreich das Modell der >Media-Convention< (vgl. Bacon-Smith 1992: 9ft). In Deutschland trafen sich Mediafans in den 80er Jahren zu den ersten kleineren Conventions. Die wohllängste Tradition hat die TREWA-Con98 , die 2001 ihr 20jähriges Jubiläum feietie. Diese Mini-Cons sind jedoch kaum mit den eingangs beschriebenen Großereignissen mit ihrem Staraufgebot zu vergleichen, obwohl sie mit diesen die meisten Elemente gemein haben (z.B. Kostümwettbewerbe, Quiz, Videos ansehen, fliegende Händler, deren Stände dann allerdings eher den Charakter eines Bauchladens haben). Bei dieser Veranstaltungsform handelt es sich eher um eine intensivierte Variante eines Trekdinners, zu denen sich bis zu 50 Fans meist in einem Jugendheim oder einer ähnlichen Räumlichkeit für einige Tage zusammenfinden, um voll und ganz ihrer »Fan-Sache« (Thomas, Ba. 5) zu frönen. Der enge Kontakt durch das Zusammenleben in einem Haus ist dabei ideal für Fans, die an sozialen Beziehungen zu anderen Fans interessiert sind. Kurz gesagt ist es »im Prinzip halt Urlaub mit Freunden« (Thomas: 18). Aufgrund dieser Analogie zur Institution des Trekdinners, werden diese Conventions im Folgenden nicht eigens betrachtet, sondern ausschließlich die größeren Conventions, bei denen auch einige Stars auftreten. Die ersten Cons, auf denen auch Schauspieler anwesend waren, fanden Anfang der 90er Jahre in Deutschland statt. 1992 begann schließlich die Geschichte der mittlerweile größten europäischen Mediaconvention, der FEDCON, mit nur einem Stargast und ca. 250 Teilnehmern. 99 Neben der FEDCON hat sich nur noch eine regelmäßig stattfindende MediaConvention in der deutschen ScienceFiction-Fanlandschaft etablietien können (http://www.galileo7.de/; 06.06.2006). Zu dieser gesellen sich bisweilen einzelne Projekte von Fans, die sich als Veranstalter einen »Lebenstraum« (Thomas B.: 7) erfüllen wollen (z.B. StardreamConvention 1994 in
98 http://www.trewacon.de/ (06.06.2006). 99 Die Tradition der FEDCON zeigt sich nicht zuletzt darin, dass 70 % derer, die eine Con jährlich besuchen, bei der FEDCON waren und auch ftir die Fans, die gleich bei mehreren Conventions in einem Jahr mitmachen, diese Veranstaltung meistens dazu gehört (83,7 %).
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Mannheim), oder von Clubs, die die Organisation solcher Veranstaltungen nutzen, um einmal ein größeres gemeinsames Projekt zu verwirklichen (z.B. der TrekDay des »STCH«).
Sozialstatistische Ergebnisse: Wer geht warum auf eine Convention? Von den befragten Clubmitgliedern haben bereits 3 8, 9 % eine Convention besucht (Frage 4.11 ). Ein Blick auf die Häufigkeit, mit der sie bisher Conventions besucht haben, zeigt, dass ein knappes Drittel (29,9 %) erst auf einer Con war (Frage 4.11 ). Der Durchschnitt liegt zwischen drei und vier Cons = 3.7; s= 3.2). Mit der Dauer des Fanseins (Frage 4.4) steigt die Wahrscheinlichkeit, öfters auf eine Con zu gehen (r= 0.17), wenngleich der Anteil derer, die nicht mehr auf Cons gehen ( II % der Conbesucher [Frage 4.12]) darauf schließen lässt, dass dies bei einigen Fans auch nur ein vorübergehendes Interesse darstellt. Damit sind die Conventions für einen breiteren Kreis von Fans interessant als Trekdinner, die nur von 21 ,4 % der Befragten besucht werden. Dies erklärt sich aus der größeren Anziehungskraft durch die dort auftretenden Stars, die unverbindlichere Form der Teilnahme im Gegensatz zu einem regelmäßiger stattfindenden und damit zwangsläufig engeren face-to-faceKontakt bei einem Dinner, sowie dem ausgesprochenen Eventcharakter der Conventions. Conventions sind flir viele Fans geradezu ein >MussAhhhh! 1) wurden vier Faktoren extrahiert, die bei einem KMO-Wert von 0.7 insgesamt 54,9 %der Varianz erklären. Die Kommunalitäten mit einer Bandbreite von 0.4-0.7 können noch als zufriedenstellend eingeschätzt werden. Der einzige Ausreißer (»weil ich an einem Wettbewerb teilnehme«) dürfte auf den sehr niedrigen Mittelwert zurückzuführen sein. Zudem lassen sich für die inhaltliche Interpretation der vier-faktoriellen Lösung die besten Übereinstimmungen mit der in den offenen Interviews genannten Sichtweise der Fans feststellen.
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Tab. 5.18: Faktorenanalyse »Wie wichtig sind Dir diefolgenden Gründefür den Besuch einer Convention?süchtig< macht offenbar die Erfahrung, seine Stars einmal live erleben zu können. Das entscheidende Element ist hier nicht unbedingt der Auftritt der Stars selbst, die mit der Zeit auch an Reiz verlieren können, sondern, dass bei diesen Panels eine emotionell stark aufgeladene Stimmung vorherrscht, durch die man die Fangemeinschaft besonders intensiv erlebt. Umgekehrt verliert eine Convention nach mehrmaligen Besuchen den Reiz des Neuen (»Con als MesseUmgestülpte Welt« schließlich in der Interaktion mit den Stars.
Die Convention als Forum für Gemeinschaft und Individualität Conventions sind einerseits ein ideales Forum für die Erfahrung der FanGemeinschaft. Nirgendwo sonst kommen so viele Fans und unterschiedliche Fangruppen (Clubs, Dinner, Onlinegemeinschaften) zusammen und nirgendwo sonst wird deshalb der Fanrahmen so deutlich und interaktiv durch andere Fans bestätigt. Andererseits sind Conventions auch ein hervorragendes Terrain tlir die Selbstinszenierungen der Fans, die den Fanrahmen als eine Bühne zur Befriedigung ihrer individuellen kulturellen Bedürfnisse nutzen. Gemeinschaft und Individualität stehen sich dabei jedoch nicht unvereinbar gegenüber, sondern bedingen sich gegenseitig. Erst die gemeinsame Perspektive der Fans schafft die Grundlage für subjektiv erfolgreiche Identitätsprojekte und umgekehrt entsteht ein gemeinsamer Rahmen erst dadurch, dass eine ausreichende Zahl an Fans expressiv persönliche Projekte verfolgt.
I 07 Außerdem sind bei näherem Hinsehen weitaus mehr Fans verkleidet als man zunächst denkt. Ein größerer Teil trägt zwar keine Kostüme, Uniformen oder Masken, dafür verweisen kleine Accessoires (z.B. Ohr- oder Schlüsselanhänger, die nach Motiven aus den Serien gestaltet sind) auf einen individuellen Beitrag zum Fanrahrnen. Manche Verweise können überhaupt nur Insider erkennen (z.B. BasebaH-T-Shirts die eine Anspielung aufdie Baseba11-Leidenschaft Captain Siskos sind).
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Die Convention als gemeinschaftsstiftender Erlebnisraum »Also das ist wie eine Familie, ich hab das noch nie anders erlebtMein Gott du bist ja wirklich nicht der einzige auf dieser Welt der sich dafür interessiert. Und die anderen sind noch verrückter als du!< I: Inwiefern jetzt noch verrückter? M: Ja wie gesagt, dass die da im Kostüm anmarschiert sind in voller Montur, was die alles auf die Beine gestellt haben. Also wie gesagt hier bist immer noch müde belächelt worden [... ] Und dass man da auch mal mit Leuten reden kann.« (Martin: 14)
Erstens erfahti sich der vereinzelte Fan bei einer Convention als Teil einer Gemeinschaft, die über eine gemeinsame Außenseite verfUgt. Das bloße Bewusstsein »nicht der einzige auf dieser Welt zu sein« öffnet den Zugang zu einer interaktiv erfahrenen sozialen Welt. Dabei wiegt der persönliche Kontakt im Gegensatz zu anderen Kommunikationskanälen des Fandoms ungleich mehr. Das konkret-sinnliche Erleben prägt sich besonders tief ein und wird als ein Schlüsselerlebnis in der persönlichen Geschichte des Fanlebens verarbeitet. »Und da hab ich das erste Mal dann andere Fans auch wirklich live kennen gelernt. Und des war auch ne ganz neue Erfahrung weil aller Austausch lief immer nur über Briefe erst. Des ist ein Unterschied ob man sich jetzt nen Brief schreibt oder ob man einfach mal mitjemand anderem quatscht.« (Martin: 4)
Zweitens wird diese äußere Grenze nicht nur passiv erfahren. Die kostümierten Fans sind ein eindrucksvolles Symbol tlir die kulturelle Ökonomie des Fandoms (»was die alles auf die Beine gestellt haben«) und eine damit verbundene Selbstermächtigung. »Des war mein erstes großes Aha-Erlebnis. Erstens viele, viele Trekkies, b) die Hälfte war kostümiert. Die traun sich so was.« (Monika: 4; Hervorhebung CW)
Gerade dass so viele Fans durch ihre Kostüme ihrem Fansein öffentlich und selbstbewusst Ausdruck verleihen, wirkt motivierend. Drittens erfährt sich die Fangemeinschaft nicht nur in ihrem Außenverhältnis, sondern auch im Inneren als zusammengehörig. Die Besonderheit einer Convention besteht darin, dass die Interaktion mit den anderen Fans mit einem emotionalen Mehrwert versehen wird.
108 Tom B.: I.
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»Es war ein Riesen Spaß sich mit Anderen eine Folge zusammen anzukucken. [... ] es ist eine ganz andere Atmosphäre, dort fangen sie wirklich alle im gleichen Moment das Lachen an oder es kommt auch mal ein Szenenapplaus durch die Begeisterung raus, es war schon ein anderes Erlebnis.« (Martin: 16) Das Bewusstsein, sich mit Gleichgesinnten in einer gemeinsamen Rezeptionssituation zu befinden (z.B. wie hier bei einer Videovorflihrung, und vor allem bei den Panels der Darsteller), wird in einem expressiven Aneignungsprozess in ein gemeinsames Erlebnis transformiert. In den Momenten, in denen spontane Äußerungen »durch die Begeisterung raus« gehäuft und synchron von einer Vielzahl der Anwesenden kommen, demonstrieren sich die Fans gegenseitig ihre intensive Anteilnahme am Geschehen auf der Leinwand bzw. der Bühne. Durch die ritualisierten »Response cries« (Goffman 1981: 78-122) während der gemeinsamen Rezeption wird ein Erlebnis, das direkt nur der Selbstbeobachtung zugänglich ist, auch für die Mitanwesenden in seiner persönlichen Bedeutung intersubjektiv erfahrbar. Die Beteiligten versichern sich so gegenseitig der spezifischen Erlebnisqualität der Aufflihrung und rahmen dadurch ihr Beisammensein emotional. Die ritualisierten Geflihlsäußerungen schaffen eine Gleichrichtung der affektiven Befindlichkeit der Teilnehmer, die diese als eine Mehrung ihrer emotionalen Energien erfahren. Der Text, auf den sich diese ritualisierten Handlungen beziehen, wird dabei in hohem Grade emotional besetzt, wodurch er umgekehrt zum Repräsentanten des Gemeinschaftsgefühls und seine Inhalte symbolisch zum gemeinsamen Orientierungsmaßstab wird. Das rituelle Lachen und Applaudieren ist der hör- und fühlbare Ausdruck der gemeinsamen emotionalen Hingabe an das, was in der Gruppe als wertvoll erachtet wird. Das gemeinsame Handeln synchronisiert die verschiedenen Reflexionsvorgänge der einzelnen Fans und verknüpft sie so interaktiv mit der sozialen Relevanzstruktur der Fankultur. Die Einbindung der jeweiligen Situation in den Gesamtkontext der Convention verortet diese Gruppenerfahrungen in dem übergreifenden Fanrahmen. Die Gleich-Stimmung der Anwesenden wird von den Fans auch auf ihre Beziehung außerhalb der spezifischen Situation übertragen. Diese emotional geprägte Gruppenerfahrung auf der Basis eines reziproken Erlebens erlangt so einen paradigmatischen Status flir das Verhältnis der Fans untereinander. Während die gesellschaftliche Individualisierung in der Regel dazu führt, dass es immer schwieriger wird, Erlebnisse mit anderen zu teilen und sich dadurch emotional beheimatet zu fühlen (vgl. Hartmann/Haubl 1996: 13), schafft die thematische Fokussierung einer Convention die Bedingungen für eine anhaltende Gleich-Stimmung der Teilnehmer. Das gleichgestimmte Erleben interpretieren die Fans als Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, wie sie sonst nur in traditionellen Kleingruppen gefunden wird, die durch einen intensiven Kontakt zueinander geprägt sind. »Und hab da dann sehr viele Fans auf einmal neu kennen gelernt und >AH< des war dann so richtig schön, da war da kam schon dieses Familiengefühl dann auch immer mehr auf.« (Martin: 19) »Also des is wie eine Familie, also ich hab des noch nie anders erlebt. Des is eigentlich ein Grund so was zu machen.« (Tom B.: 31t)
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Die Erlebniswelt einer Convention bietet demnach einen lebensweltlichen Rahmen, der dem oftmals als anonym und entfremdend empfundenen Umgang mit den vornehmlich sachlich, zweckhaft und rational organisierten Institutionen unserer Gesellschaft ein Gemeinschaftsideal entgegen setzt. Eine Convention wird so im Rahmen der individuellen Selbstverpflichtung zur sinnstiftenden Enklave in der fragmentierten Welt der späten Moderne, zu einem verlässlichen Heimathafen, in dem zumindest einmaljährlich ein Ausschnitt der eigenen Lebenswelt von den Teilnehmern typischerweise ähnlich erlebt wird. Auf einer Con ist die Fangemeinde sozusagen bei sich und ein Fan kann unhinterfragt Fan sein und als Gleicher unter Gleichgesinnten sein Hobby >voll auslebenMitspielerin Klammern gesetztOk ich brauch mich dafür nicht zu entschuldigenStandardrolle< eines Föderationsmitglieds bietet dagegen kaum Potential für eine interalüive Identitätsarbeit, da unklar ist ob die Reaktionen einem selbst oder der Rolle gelten. Die Uniform lässt zu wenig charakteristische Eigenheiten durchscheinen, als dass darauf in besonderer Weise reagiert werden könnte.
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lieh ist. Zudem verkörpern die Klingonen ein großes Selbstbewusstsein, an dem man in der Rolle teilhaben kann. ».Ia, also man strahlt auch nen andere Selbstbewusstsein aus in der Hinsicht, dass man als KLINGONE nen ganz bestimmten Typus darstellt« (Monika: 33). Im Schutz der Maske kann man also nicht nur spielerisch Regeln verletzen, sondern auch innere Grenzen überschreiten. Außerdem kann man sich in der Maske etwas trauen. D.h. man kann bewusst und kontrolliert Risiken eingehen, deren erfolgreiche Bewältigung in der Folge als Kompetenzgewinn erlebt wird. 112 Diese Erfahrungen sind in der Regel sehr positiv besetzt, da die Befreiung von Zwängen Emotionen freisetzt. Diese Eigenschaften machen sie auch in besonderer Weise flir viele Frauen interessant, die in dieser Rolle typisch weibliche Verhaltensmuster ablegen und mngestraft< ein dominant männliches Verhalten übernehmen können. »M: Bis zu nem gewissen Punkt ist des, für mich zumindest sicher auch so ne Möglichkeit auszuprobieren, was, wie soll ichjetzt sagen, was ich vielleicht im normalen Leben auch mal machen würde, aber ne Hemmschwelle hätte drüber zu gehen und dann mal auszuprobieren, was passiert, wenn ich's tatsächlich mach, was passiert tatsächlich, wenn ich auf nen wildfremden Kerl zu geh, ihn pack, grabsch und abknutsch oder sonst irgendwas. Also diese Grenzbereiche, die man sich im normalen Leben nicht traut, die aber bis zum gewissen Punkt in die Rolle reinpassen, zu einer bestimmten Gelegenheit. Das doch tatsächlich mal auszuprobieren. Das traut man sich eher mit Maske.« (Monika: 31t) Frauen können über das Ausprobieren eines bis ins Stereotyp gesteigerten aggressiv-männlichen Verhaltens ihr »weibliches Schema« aufbrechen. Innerhalb der Grenzen der Rolle bedeutet dieses Verhalten ein symbolisches Regelbrechen mit der untergeordneten Stellung der Frau (vgl. Brown 1994). Der unüberhörbare Stolz und das Selbstbewusstsein mit dem die Befragte verschiedene Gelegenheiten schildert, die sie im Schutz der Persona gemeistert hat, lassen jedoch darauf schließen, dass die Selbstermächtigungserfahrung in der Rolle als KLINGONE durchaus zu einem Lernprozess geflihrt hat, der sich auch in einem konkreten Verhalten außerhalb des Fankontextes oder der Rolle niederschlägt. »Ja, also grade mein kurzes KLINGONEN-Kostümchen hat ich in Berlin mal an, auf ner Con. Es war schon relativ spät, ich wollt heim und hab die eine S-Bahn verpasst. Musste dann eben in Berlin mit einem Stadtbus bis zu einem bestimmten Platz fahren und dann quer über den Platz in voller Montur, nachts um halb eins, rüberlatschen, ja. Und des war keine der besseren Wohngegenden, ums mal höflich auszudrücken, ja. Also ich hatte an meine KLINGONEN-Maske, lange schwarze Haare und ein Kleid, das diesen Namen nicht verdient, hohe schwarze Schnürstiefel und nen Plastikmesser in den Schnürstiefeln, so ne Metallkette vorne hing und nen Disruptor dabei, also voll aufgepretzelt als KLINGONIN. [... ] Und die einzigen Kommentare, 112 Zur Kontrolle dieser Situationen trägt auch bei, dass die Rollenspiele meist in Gruppen statt finden. Diese bieten zum einen Schutz (die anderen wissen wie es gemeint ist) und sorgen für eine zusätzliche Erlebnisintensivierung durch Gleichstimmung in der Gruppe.
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die ich in dieser Gegend gekriegt habe, war: >Bow, starkes Kostüm, wo gibts das? Habt ihr irgendwo nen Treffen'~normalen< Uniformen der Sternenflottenoffiziere, die den größten Teil der Verkleidungen ausmachen, sind dazu kein geeignetes Mittel. Entscheidend für die Erfahrung von Aufmerksamkeit und Anerkennung ist, dass man den Kostümen ansieht, welche Leistung des Trägers damit verbunden ist. Wichtig ist daher,»des Ganze selber zu machen, also Kaufuniformen des kann jeder sich holen, es ist des Handwerkliche, das man dafür braucht und dann natürlich etwas Außergewöhnliches zu haben, also etwas, was man wirklich nur selber hat und die anderen, die haben des nicht so zu sagen. Des macht eigentlich den Hauptreiz aus« (Gabi B.: 1).
113 Gabi B.: 7.
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Die Aufmerksamkeit gilt so zwar der Rolle bzw. dem Kostüm, sie beinhaltet aber immer einen Bezug zur Person. Indem den selbstgemachten Kostümen Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, bestätigen die Fans das Prinzip einer »Kultur des Selbermachens«.
2. Positive Bewertung durch andere Die wichtigste Quelle der Anerkennung sind die anderen Fans. Auf einer Convention werden Fans regelrecht »bewundeti, des Kostüm wird anerkannt, oder besser gesagt, man bekommt Lob« (Gabi B.: 1). Aus subjektiver Sicht werden die Kommentare anderer Fans als Anerkennung der individuellen Leistung angesehen. Außer dem Interesse anderer Fans kann das Interesse der Medienvertreter und insbesondere der Stars als Anerkennung empfunden werden. »Dann war glaub vom >Münchner Merkur< einer, der wollt so ein Foto machen mit dem George Takei [SULU (Tos); CW]. Und der hat uns dann gebeten halt mit ihm zusammen ein Foto zu machen. Und das war natürlich super.« (Tom 8.: 5)
Am deutlichsten ist die Anerkennungskultur jedoch beim Kostümwettbewerb (fancy dress competition) nachzuvollziehen. Nach einem Auftritt beim Kostümwettbewerb »wird man dann also wirklich angesprochen, >.Ia, tolle Show. Super gesungen und super Kostüm.Wow, des war lustig und SOErhöhung< verleiht auch das Publikum tatkräftigen Ausdruck, wenn sie den Auftritten der Fans ebenso große Beifallsbekundungen wie den >echten< Stars zollen. »Wie ichdarmauf die Bühne kommen bin und dann echt diesen tobenden Beifall kriegt hab, dann war des Lampenfieber wirklich wie weggeblasen, des kann mer sich echt net vorstellen, aber des war weg. [... ] Des war überwältigend echt.« (Tom 8.: 30)
Der »tobende Beifall« des Publikums stellt für die auftretenden Fans ein überwältigendes Erlebnis dar, das enorm selbstwertsteigernd empfunden wird, zumal die verliehenen Preise nur symbolischen Wert besitzen. »Des ist dann im Grunde genommen der Lohn dann für die Arbeit und des ist dann im Grunde genommen Balsam für die Seele« (Gabi B.: 7). Die Grundlage für das Zustandekommen dieser selbstwertsteigernden Erlebnisse ist die typische Anerkennungskultur des Fandoms, in der die Fähigkeiten und Eigenschaften der Teilnehmer voraussetzungslos anerkannt werden. Die Darbietungen werden nicht nach ihrer Kunstfertigkeit bewertet. Dies eröffnet den Freiraum für die Teilnehmer, allein ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden zu müssen, der zudem den Vorteil bietet, sich sein Betätigungsfeld selbst aussuchen zu dürfen. Damit bietet der Kostümwettbewerb
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die ideale Voraussetzung für die Entwicklung eines positiven Identitätsgefühls.
3. Selbstanerkennung Die befragten Fans betonen immer wieder die besondere Herausforderung, die es für sie bedeutet, ein Kostüm selbst herzustellen. Auch wenn am Ende dieser aufwendigen Vorbereitungen die Anerkennung der anderen Fans wartet, besteht ein wesentlicher Teil des Vergnügens bereits darin, verwertbares Material zu entdecken und sich als »textueller Wilderer« (de Certeau 1988) zu betätigen. »Des meiste is einfach Arbeitszeit und Überlegen, wie mach i was und wo krieg ich's her. Aber des meiste is wirklich relativ günstig. Wir haben ja des Messer gemacht, die ham vielleicht vom Material fünf Mark gekostet oder so. Die Klingen sind aus Plastik, ausschneiden aus so Plastikplatten und die Messergriffe hinten ham wir aus Fahrradgriffen gemacht, weisch diese Moosgummigriffe, die schiebste drüber, machst hinten einen Abschluss dran, schauen genau so aus wie die echten also, lackiersch vorne silber und hinten des Teil is eh schwarz vom Fahrradgritl kostet dich wenig und schaut relativ gut aus.« (Hans: 12) Eine weitere Herausforderung stellt die Darbietung vor einem großen Publikum dar, da die Kostüme selten nur einfach vorgeführt, sondern meist noch mit einer unterhaltsamen Choreografie dargeboten werden. »Ich hab im Vorfeld auch noch Gesangsunterricht genommen. [... ] Extra für die Con, weil ich wollte wissen, ob[ ... ] ich wirklich fahig bin aufner Bühne zu singen.« (Gabi B.: 3) Der Wert der Anerkennung hängt von der individuellen Selbstverpflichtung und der investierten Anstrengung ab. Obwohl in der Fangemeinde mit einer hohen Fehlertoleranz gerechnet werden kann, nehmen sich Fans, die bei einem Kostümwettbewerb teilnehmen daher selbst in die Pflicht. »Es is ja net so, dass wir des todernst nehmen, aber, wenn man was macht, find ich, dann sollt man's gescheit machen« (Tom B.: 18), denn nur so garantiert das eigene Projekt am Ende ein »richtiges Hochgefühl: >Ja, ich hab's doch noch geschafftKostümwettbewerb< deutlich wird, stellt das Fandom dabei einen Schonraum dar, von dem man relativ sicher annehmen kann, dass er kontrollierbar ist. Entscheidend bei diesen Identitätsprojekten ist jedoch, dass man sich seine Standards selbst setzen kann und somit das Enttäuschungsrisiko relativ gering ist. Dies geschieht durch eine Mischung aus »Gaudi« (Tom 8.: 18) und Ernst. Der Ernst, mit dem man einen solchen Auftritt betreibt, sichert die subjektive Bedeutsamkeit, während die Rahmung als »Gaudi« zugleich immer eine Rückzugsmöglichkeit offen lässt, indem man das eigene Identitätsprojekt umwertet in ein bloßes Spiel, dem man sich ohne Zwänge und äußere Erwartungen zuwendet, weswegen man auch keine weiteren Konsequenzen zu befürchten hat.
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Fans und Stars - eine symbiotische Beziehung Für die Begegnung mit einem Star gibt es auf einer Convention verschiedene Gelegenheiten. Bei den zufälligen Begegnungen schwanken die Fans zwischen Bewunderung und dem Bedürfnis, auf den Star zu zugehen. Meist nehmen sich die Fans jedoch bei öffentlichen Begegnungen zurück und halten einen respektvollen Abstand, da ihnen bewusst ist, dass die Stars den Gang durch die Menge spätestens dann scheuen, wenn sie jeder Fan in Beschlag nehmen würde. Ganz nah kommt man den Darstellern bei den Autogrammstunden. Diese Situation ist zwar zeitlich stark begrenzt, dafür bietet sie den Rahmen für einen legitimen Kontakt. »Da ist halt auch mal so ein Moment, man hat so ein Stückehen Erinnerung auch. [... ] Es ist mir ganz klar, wenn der Star in seinem Flieger nach Hause sitzt, der weiß nicht mehr wer ich war, das ich vor ihm gestanden bin, aber halt für einen selber ist es doch so ein bisschen so eine >Da war man ihm doch so ganz nah!Üh ich hab ihn berührt!< oder so.« (Martin: 27) Autogramme dienen als sichtbarer Beweis für die erlebte Nähe zu einem Star. 114 Sie symbolisieren diesen Moment sowohl gegenüber anderen Fans wie auch als emotionale Erinnerungsstütze dieses besonderen Moments für einen selbst. Dies stellt meist die einzige Gelegenheit in einem Fanleben dar, bei der man einen Darsteller wirklich »mal live erleben, diese Ausstrahlung spüren« (Martin: 28) kann. Für den Wunsch, »ein Feedback zu geben, warum man's toll findet« (ebd.), ist es letztlich weniger wichtig, ob der Star tatsächlich zuhört oder sich sogar später noch an einen erinnert. Entscheidend ist, dass man eine Zeit lang in die Aura des Darstellers tritt, der die Serienwelt verkörpert und damit auch für die gebündelten emotionalen Aneignungserfahrungen der Fans steht. Die emotionale Erfahrung mit dem Medientext, die sich in einer über die Jahre ausgebildeten para-sozialen Beziehung bündelt, wird hier für einen kurzen Moment in eine reale soziale Erfahrung transformiert. In dem Moment, in dem man die Ausstrahlung der Stars selbst spürt, gelingt es, die unüberwindbare Grenze zum Serientext zu überschreiten. Dass man sich dabei einer »Illusion« hingibt (Martin: 27), ist den Fans durchaus bewusst. Das Vergnügen an einer Convention bestehtjedoch gerade darin, dieses Bewusstsein vorübergehend auszuschalten. Anders als bei diesen beiden vor allem für den einzelnen Fan bedeutsamen Situationen steht bei den Panels die Interaktion zwischen den Stars und dem Fandom im Vordergrund.
114 Eine Steigerung erfährt dieses Erlebnis noch durch eine persönliche Widmung, die einen Authentizitätsnachweis gegenüber vorsignierten oder bestellten Autogrammen bedeutet.
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Das Guestpanel als gemeinschaftsstiftender Rahmen »Also da braucht man schon einander« 115 Die Auftritte der Darsteller bei den Panels sind keine reinen Aufführungen, denen das Publikum passiv beiwohnt. Diese Auftritte gewinnen ihre Bedeutung erst aus der Interaktion mit den anwesenden Fans. Die Panels stellen einen ritualisierten Tabubruch dar, indem die Fans sich in einem dafür legitimierten Rahmen direkt an die Stars wenden können. In dieser Interaktion werden gleichermaßen die Darsteller als Stars und die Fans als Gemeinschaft konstituieti. Die Stars symbolisieren die Beziehung der Fans zu STAR TREK und dienen als gemeinsamer Bezugspunkt des Kollektivs. Die Darsteller bilden dabei eine Klammer für die Bezugspunkte der Selbstverständigung der Fans: sie verkörpern den Serientext, sie sind Vertreter des Produktionssystems und sie treten als (öffentliche) Personen auf Aus der Interaktion auf diesen drei Ebenen konstituiert sich letztlich die Gemeinschaft der Fans.
Abb. 5.27: Die Beziehung der Fans zu den Stars in ihren verschiedenen Rollen
Als Merkmal einer guten Convention werden daher, neben der Möglichkeit andere Fans zu treffen, immer wieder zwei Punkte genannt: Zum einen »die ganzen Stars hautnah mal zu erleben« (Sebastian: 22), »dieses >Üh mein Gott du atmest jetzt die selbe Luft wie er, du siehst ihn nicht über die Leinwand, du siehst ihn wirklich live da vorne stehenFüllprogramm< auftreten und nicht über die >natürliche< Aura der Hauptdarsteller verfUgen, die ihr Charisma allein schon aus dem massenhaften Interesse an ihrer Rolle beziehen. Indem die Fans diesen ungelernten Schauspielern eine großartige Leistung bestätigen, gewinnen sie Macht über diese, da die Anerkennung nur innerhalb der Urteilskraft des Fandoms von Bedeutung ist. Interessant ist daher auch» wie se halt auch dazu gekommen sind. Da merkt man halt auch wieder, dass ziemlich wenige professionelle Schauspieler sind, die wirklich des halt studiert haben, also beispielsweise Theater oder Drama oder was weiß ich« (Sebastian: II ). Zugleich werten sich die Fans damit selbst aut: wenn sie die Leistung der Darsteller als kulturell wertvoll einschätzen. Mit ihrem Beifall feiern die Fans letztlich also auch sich selbst. Zudem vermitteln die Stars mit ihren Auftritten ein Geflihl der Teilhabe am Medientext Die Darsteller sind das Bindeglied zwischen der realen Welt und der Serienwelt Sie sind Symbole, die flir alle Fans eine große Bedeutung besitzen und stellvertretend flir ihre Serienfaszination stehen. Über die Darsteller als realweltliche Verkörperungen des Textes können die Fans die Symbole der Serienwelt in die Wirklichkeit holen, und so >live< dabei sein. »Wenn Leonard Nimoy auf die Bühne steigt und den macht [zeigt den Gruß der Vulkanier; CW], dann gehen sofort tausend Blitzlichter an. Des, diesen legendären Moment will jeder, des ist zur Legende geworden. [... ] so das was man aus der Serie, was da so ne Ikone geworden ist, wenn man des dann live auf der Bühne erlebt. Ich glaub des ist des was da die Fans in die Richtung da treibt.« (Martin: 29)
Die Medienzitate gewinnen durch ihre Verwendung in diesem Kontext eine neue Bedeutung, die die primäre Bedeutung innerhalb der virtuellen Sinnwelt des Medientextes erweitert. Durch die symbolische Interaktion der Darsteller mit den Fans entsteht ein »legendärer Moment«, der Stars und Fans als eine Einheit zusammenschließt. Bekannte Medienzitate werden so zu »Mythen« (Barthes 1970: 92ft) transformiert, die eine Art Kurzschluss zwischen der fiktionalen Serienwelt und der realen Alltagswelt markieren. Die Mehrung der emotionalen Energie in diesen Momenten verleiht den Symbolen und der dadurch bezeichneten Gemeinschaft Bedeutung, die auch über den Augenblick hinaus andauert.
116 Zu dieser Analogie sah sich Alexander Siddig [JULIAN BASHIR (Tos)] angesichts der Beifallsbekundungen bei seinem Panel auf der FEDCON IX veranlasst.
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Interaktionsrituale- >>Er verkörpert da vorne auf der Bühne auch wieder irgend eine andere Person, die er in Wirklichkeit gar nicht ist« 117 Als Mittel, um die zuvor beschriebene Symbiose herzustellen, dienen vor allem die Fragen der Fans an die Darsteller. Die Stars sind letztlich nicht als Menschen interessant, sondern nur in ihrer Funktion als Vermittler zur Serienwelt und dem Produktionssystem. Das Ziel der Interaktionsrituale ist vor allem die Selbstreflexion der Fans. Der >Star als Mensch< ist dabei nur ein Konstrukt, das als Mittel zum Zweck dient. Die Vermenschlichung der Stars geschieht in einem Wechselspiel aus Fragen und Antworten, das darauf abzielt, Selbstenthüllungen der Stars hervorzulocken, die ein Gefiihl der Nähe erzeugen. Dies geschieht häufig über spielerische Verweise auf das intetiextuelle Bedeutungsgeflecht zwischen Person und Rolle, mit dem der Menschen hinter der Rolle von der Hinterbühne auf die Vorderbühne geholt werden soll. Die britische Schauspielerin Marina Sirtis [DEANNA TROI (TNG); CW] wurde beispielsweise auf der FEDCON VIII griechisch auf ihre Herkunft angesprochen. Weitere Anspielungen bezogen sich auf ihre bekannte Vorliebe für englischen Fußball, die Liebesbeziehungen, die ihre Figur zu WORF und RIKER unterhält, sowie auf die Vorlieben ihrer Medienfigur flir Schokolade und Western. Der Sinn dieser kenntnisreichen Anspielungen liegt darin, dass in allen Antworten Persönliches enthalten ist, das auf die Privatperson verweist. Zugleich bereitet es den Fans Vergnügen, wenn sie diese Anspielungen, die ein gewisses V m-wissen voraussetzen, erkennen. Direkte Fragen nach dem Privatleben sind demgegenüber äußerst selten, und wenn, dann beziehen sie sich auf Dinge, die den meisten Fans bereits bekannt sind. Die Darsteller sind als Personen für die Fans zudem insofern interessant, als sie durch ihre prominente Position als Teil der Serienwelt den Fans eine Möglichkeit bieten, die >Richtigkeit< der eigenen Perspektiven zu überprüfen. Mit Fragen zur Rollengestaltung thematisieren die Fans beispielsweise die Differenz zwischen Rolle und Person und reflektieren so die eigene parasoziale Beziehung zu einer Medienfigur. Die zusätzlichen Informationen über die Ausgestaltung und Interpretation einer Rolle durch einen Darsteller benutzen die Fans, um ein tieferes Verständnis einer Figur, und damit letztlich auch der eigenen Beziehung zu dieser Figur zu bekommen. Noch deutlicher wird diese Funktion bei Fragen nach persönlichen Präferenzen und Einschätzungen Bisweilen werden die Stars auch direkt zu ihrer Haltung zum Fandom befragt. Entscheidend ist dabei allerdings nicht, ob ein Star selbst ein Fan von STAR TREK ist. Wichtig ist für die Fans, dass ein Darsteller seinen Job so macht, als ob er ein Fan wäre, was bedeutet, dass er den gleichen Respekt vor dem Produkt zeigt wie die Fans. Als Beweis dafür ziehen die Fans vor allem die Art heran wie ein Darsteller sich gegenüber dem Publikum verhält. D.h. vor allem, dass er keine Starallüren zeigen darf und sich nicht über sein Publikum stellt. Ein Star bekommt sein Charisma nur solange von den Fans verliehen, wie er in seiner Rolle als Interaktionspartner für das Wohlergehen seiner Fans
117 Martin: 23.
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sorgt (vgl. Weber 1972: 140). Dazu müssen sie »normal geblieben« (Monika: 42) sein und das Bewusstsein demonstrieren, »dass sie zwar der Schauspieler sind, aber die Fans, die dann kommen, diejenigen sind, warum sie noch Schauspieler sind und nicht etwa Straßenkehrer oder Flaschenputzer« (Monika: 42). Diese verschiedenen Formen des Wechselspiels, die eine gleichwertige Beziehung zwischen Stars und Fans herstellen, funktionieren jedoch nur solange wie der Unterschied zwischen der öffentlichen Rolle und der privaten Personen der Darsteller nicht bewusst wird, d.h. solange Hinter- und V orderbühne getrennt sind. Tritt das Bewusstsein um die Hinterbühne in den Vordergrund, zerstört dies die Illusion der Teilhabe und Egalität. »Wie ich se dann auf der Generations-Con da des zweite mal erlebt hab also >Oh hoppla die spult ja genau das gleiche Programm ab.< und es sind viele Schauspieler die haben eigentlich so ihr festes Programm, die machen aufjeder Con die gleichen Witze. [... ] Beim ersten mal ist es wahnsinnig lustig, beim zweiten mal hockst du drin >ÖhSkript< immer wieder auf die gleiche Weise auffUhren.
Die >sekundäre finanzielle Ökonomie< der Darsteller »Je kleiner die Schauspieler sind, desto interessanter sind meistens die Guestpanels« 118 Seriendarsteller stehen zwischen den Produzenten und dem Fandom. Als Verkörperung des Serientextes sind sie diesem von allen Beteiligten am nächsten (mit Ausnahme des >Schöpfers< Gene Roddenberry). Allerdings sind sie als >angestellte< Schauspieler ähnlich den Fans abhängig von den Produzenten und besitzen nur wenig Einfluss auf das Produkt. Damit spiegeln sie gewissermaßen die Situation der Fans und stehen diesen dadurch von allen am Produktionsprozess Beteiligten am nächsten. Für die Darsteller eröffnet dies wiederum die Chance, ihr auf die Anhängerschaft einer Serie begrenztes soziales Kapital, dauerhaft, d.h. auch nachdem diese Serie nicht mehr weiter produziert wird, in ökonomisches Kapital zu transformieren. Dies ist vor allem für Seriendarsteller wichtig, die oft nur flir ihre langjährige Rolle in einer bestimmten Serie bekannt sind. 119
118 Martin: 24. 119 Mit dem Verzicht auf große Namen verfolgen die Produzenten eine bewusste Strategie. Erstens sind unbekannte Darsteller billiger und zudem, mangels anderweitiger Rollenangebote, langfristig verfügbar. Zweitens steht kein fertiges Image zwischen einer Rolle und der Person des Darstellers, so dass beide Be-
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Die Conventions-Szene stellt dafür die geeignete Bühne dar. Der Marktwert eines Darstellers hängt zunächst davon ab wie viele Zuschauer er produziert. Der in der finanziellen Ökonomie maßgebliche Marktwert drückt sich in den Gagen der Darsteller aus. Der Marktwert hängt jedoch auch von der kulturellen Bedeutung einer Figur bzw. ihres Darstellers bei den Fans ab. Die Beliebtheit bei den Fans richtet sich aber nicht nur nach der Serienfigur, sondern zudem nach der Beliebtheit der Darsteller bei den Conventions. Die Darsteller können so ihre Beliebtheit bei den Fans nutzen, um ihren - finanziellen und kulturellen - Marktwert auf den Conventions zu steigern, und damit in der Hierarchie der Stars nach oben zu klettern. »Man muss natürlich eins sehen, die Serien sind im Prinzip alle so aufgebaut, dass je höher der Rang von den Charakteren ist, desto mehr Szenen haben die eigentlich. Und daraus haben die natürlich nen höheren Marktwert, ist klar. Gibt natürlich auf den Conventions in der Zwischenzeit auch nen Beliebtheitsbonus bei manchen Charakteren, dass halt Leute wie die 70F9 [VoY; CW], die ja nur nen geringen Rang auf dem Schiti hat, aber die ist einer der teuersten, weil die halt sehr gefragt ist bei den Fans.« (Michael: II) Während die >großen Starskleineren< Nebendarsteller den »Beliebtheitsbonus« gewinnbringend für sich nutzen. Man kann hier sozusagen von einer »sekundären finanziellen Ökonomie« sprechen, die zwischen der kulturellen Ökonomie der Fans und der >primären< finanziellen Ökonomie des Produktionssystems angesiedelt ist. Die Hauptdarsteller repräsentieren in herausragender Weise die Serienwelt von STAR TREK. Sie sind idealtypische Gruppensymbole, die ihre Aura aus dem massenhaften Interesse an ihrer Rolle beziehen. Daher garantiert schon die bloße Bühnenpräsenz dieser Stars ein intensives Gemeinschaftserleben. Andererseits sind die Fans hier nicht mehr uneingeschränkt Herr über die eigenen kulturellen Ressourcen, weil die Aura zu einem großen Teil bereits durch das Produktionssystem vorproduziert wird. Dies wird vor allem in den Momenten der Entzauberung sichtbar, wenn die Inszenierung der öffentlichen Rolle ins Bewusstsein tritt. Die kleineren Darsteller dagegen schließen die eigentlich unüberwindbare Kluft zwischen Fans und Darstellern durch den Mythos des >Stars zum Anfassenkorrigiert< die kulturelle Ökonomie der Fans, den Marktwert der Schauspieler, indem sie sich auch flir Nebendarsteller interessieren. Entscheidend flir die kulturelle Bedeutung der Darsteller innerhalb des Fandoms ist eben nicht nur ihre Medientigur, sondern auch das Verhältnis zu den Fans, bzw. das Ausmaß in dem sie in der Interaktion mit den Fans zum Selbstbezug des Fandoms beitragen. Einschränkend muss hier allerdings darauf hingewiesen werden, dass dies nichts daran ändert, dass sich die Fans vor allem für die Hauptdarsteller interessieren. Die Lieblingsfigur der Befragten (Frage 3.12) hat einen deutlichen Einfluss auf das Interesse an den Auftritten bestimmter Darsteller bei der FedCon (Frage 4.16) (Lambda symm.: 0.32). 3. profitieren auch die Darsteller selbst von diesem Ritual. Den größten Gewinn verbuchen dabei diejenigen, deren soziales Kapital auf eine nur innerhalb des Fandoms geschätzten Rolle beschränkt ist. D.h. die kleineren Nebendarsteller, die durch das Produktionssystem am meisten diszipliniert werden. Die Darsteller der Hauptrollen sind dagegen oft auch über das Fandom hinaus bekannt, wodurch sich ihnen auch weitere Erwerbsquellen (in anderen Filmen oder als Regisseure) erschließen.
Die Convention als kommerzielle Veranstaltung ••Das gehört auch dazu« 121 Die widersprüchliche Situation der kulturellen Ökonomie des Fandoms spiegelt sich auch in der Haltung gegenüber den kommerziellen Elementen einer Convention wieder. Die Informationsstände von Fernsehsendern und anderen Sponsoren, die unmittelbar mit STAR TREK zu tun haben (z.B. Hersteller von Computerfirmen), gehören unvermeidlich dazu und stören deswe120 Die Nähe zu den Fans, die manche Darsteller auf den Conventions bewusst suchen, kann daher durchaus einen strategischen Charakter haben um ihren Marktwert auf den Conventions zu steigern. 121 Tanja: 11
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gen auch nicht weiter. Im Gegenteil, die Fans nutzen die Chance ihre Kritik loszuwerden, neueste Informationen zu bekommen, oder kostenlose Werbegeschenke zu ergattern. Zum Teil agieren die Fans auch schlichtweg an diesem kommerziellen Rahmenprogramm vorbei. Die Stände der verschiedenen Sponsoren wurden bei den von mir beobachteten Conventions jedenfalls nur sporadisch besucht und waren über längere Zeiträume hinweg regelrecht verwaist. Innerhalb dieses kommerziellen Rahmens treffen die Fans jedoch feine Unterscheidungen. Dabei geht es um die Fragen, wer in welchem Umfang und zu welchem Zweck Geld verdienen darf, sowie darum, ob der kommerzielle Bereich ihnen noch genügend Spielraum flir ihre Kultur lässt. Als störend werden kommerzielle Unternehmungen erst dann empfunden, wenn offensichtlich ist, dass mit dem Phänomen STAR TREK nur Geld verdient werden soll. Von Anbietern, die »genauso gut Wein verkaufen können« (Hans: 18) unterscheiden sich die anwesenden Händler durch ihr Fachwissen und den persönlichen Bezug zu den Waren, die sie verkaufen, auch wenn diese nicht gerade billig sind. Ablehnung findet also nicht der Kommerz an sich, sondern eine rein zweckorientierte Orientierung. Kritisiert werden nicht selten auch die Veranstalter der Conventions. Diese müssen mit der paradoxen Situation leben, einerseits mit der Organisation solcher Veranstaltungen entscheidend zu einer Fankultur beizutragen, andererseits aber als zwangsläufig kommerziell Handelnde gegen die Ideologie des Fandoms zu verstoßen. Tatsächlich agieren diese Veranstalter in einem Bereich zwischen finanzieller und kultureller Ökonomie. Dies zeigt sich vor allem darin, dass sie selbst aus dem Fandom stammen und das zur Durchführung solcher Großveranstaltungen notwendige Wissen durch jahrelanges learning-by-doing erworben haben.
5.6 Fandom Online Während Fanclubs kaum öffentlich bekannt sind, bietet das Internet durch seine einfachen Recherchemöglichkeiten einem wesentlich breiteren Kreis von Fans einen Zugang zu relevanten Informationen und zu Kontakten mit anderen Fans. Viele Trekdinner und Clubs besitzen daher mittlerweile eine eigene Webseite durch die ein größeres Publikum auf die eigenen Angebote aufmerksam gemacht werden soll. 122 Darüber hinaus werden diese Webseiten als praktisches Mittel zur Organisation der Gruppenaktivitäten genutzt, z.B. um Termine für Treffen bekannt zu geben, um Fotos gemeinsamer Treffen zu veröffentlichen oder um Kontaktadressen von Mitgliedern zugänglich zu machen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Online-Newsletter, deren Schwerpunkt auf der Bereitstellung von aktuellen Nachrichten rund um STAR TREK und das Fandom liegt, sowie Datenbanken, die als eine Ati Online-Lexika Informationen zu allen nur denkbaren Aspekten rund um STAR TREK zur Ver-
122 Beispiele: www.st-forum.de, www.trekdinner-muenchen.de/home.htm
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fügung stellen (z.B. Episodenguides, Charakterprofile sowie technische Daten zu Raumschiffen und der Technik des STAR TREK-Universums). 123 Mit seinen vielfaltigen Diensten- Webseiten, Chats, Foren, E-Mail- ist das Internet in der Lage zahlreiche Funktionen zu übernehmen, die sonst den klassischen Institutionen des Fandoms zukommen. Auf diese Weise hat das Internet maßgeblich zu einem Wandel der Fankultur beigetragen. »Des hat des Fandom auch total aufgebrochen in der Beziehung. Und ich denk also schon, dass das Internet halt alles wahnsinnig verändert dann« (Claudia: 2). Nachwachsende Fangenerationen stoßen immer häufiger über das Internet zum Fandom und werden nicht mehr zwangsläufig durch die klassischen Sozialisationsinstanzen (Club, Trekdinner und Fanzine) erreicht. Damit stellt sich die Frage, ob mit der Etablierung des lnternets im Fandom eine alternative Fankultur entstanden ist, die sich in wesentlichen Zügen von der bisher skizzierten Fankultur, die in den Clubs als Foren ihren idealtypischen Ausdruck findet, unterscheidet.
Das Internet im Kontext der Fankultur Wandel der Kommunikationskultur Computervermittelte Kommunikation zeichnet sich im Gegensatz zu anderen Kommunikationsformen in hohem Maße durch eine räumliche und zeitliche Unabhängigkeit aus (Höflich 1996: 284; Stegbauer 2001: 39ff; Dollhausen/Wehner 2000: 79). Als Kommunikationsteilnehmer muss man nicht mehr physisch präsent sein, um mit anderen in Kontakt zu treten. Das Internet vergrößert die Reichweite und den Umfang des potentiell verfügbaren persönlichen Beziehungsnetzes und verdichtet dieses an neuen imaginären Orten. 124 Diese Eigenschaften kommen den Bedürfnissen der Fans eines globalen und weitmaschig strukturierten Fandoms sehr entgegen. Während Clubs vor allem eine Rolle als Vermittler und schwarzes Brett für Formen der von den Mitgliedern auf regionaler Ebene organisierten Sozialkontakte einnehmen, bieten Onlineangebote auch Interaktionsmöglichkeiten auf überregionaler Ebene. Die Art der bereit gestellten Dienste ist vielfliltig. Sie reicht von Gästebüchern über Chatbereiche bis hin zu Diskussionsforen. Die Möglichkeiten zur Interaktion mit anderen Fans werden dabei gegenüber den Fanzines, die nur einen recht begrenzten Rahmen für Leserbriefe und Kleinanzeigen zur Verfügung haben, und zudem nur in größeren Abständen erscheinen, stark erweitert. Davon profitieren beispielsweise Fangruppen, deren thematischer Fokus sie nur für einen bestimmten Nutzerkreis interessant macht. 125 Special123 Beispiele: www.stdimension.de, www.startrekarchiv.com 124 Neben einer Vergrößerung sozialer Beziehungsnetzwerke ist auch die Ergänzung realweltlicher Beziehungen möglich. Von Gruppen, deren Beziehungen rein virtuell sind, sind daher gruppenförmige Sozialzusammenhänge zu unterscheiden, »die das Netz nutzen, um Bindungen zu Mitgliedern auch dann aufrecht zu halten, wenn diese aufgrund räumlicher Trennung nur selten anwesend sind« (Dollhausen/Wehner 2000: 81 ). 125 Darunter fallen z.B. Rollenspiele, Fangruppen mit einem eingeschränkten thematischen Interesse (z.B. bestimmte Rassen bzw. Kulturen aus dem STAR TREK-Universum; Bsp: www.khemorex-klinzhai.de; http://www.borg-drohne. de/index.php?page=home), Seiten, die sich speziell mit Kostümbau (Bsp.: www.unimatrixOOI.de/) oder Computerspielen (Bsp: www.treknews.de/ trekgames) beschäftigen.
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Irrterest-Seiten sind oft das einzige verfligbare Angebot, wenn auf lokaler Ebene nicht genügend Mitstreiter gefunden werden. Das Internet ermöglicht es dem einzelnen Fan, den Kontakt mit anderen Fans unabhängig von zeitlichen und räumlichen Barrieren seinen individuellen Bedürfnissen gemäß zu gestalten. Über das Internet können Verbindungen zu Bekannten aufrecht erhalten werden, wenn ein direkter Kontakt z.B. aufgrund räumlicher Distanzen nicht möglich ist. Das Internet und seine verschiedenen Dienste ermöglichen zudem schnellere und dadurch auch häufigere Kontakte zu anderen Fans. Gerade die Möglichkeit, spontan zu antworten, bringt die Fans einander näher. »Früher lief halt sehr, sehr viel über Post. [... ] also früher Briefe schreiben, des war so was wie heute halt die E-Mail. Du hast das wirklich mit großer Freude getan, aber es war frustrierend, weil die Antwortzeit so lang ist. [... ] du konntest halt nicht spontan antworten. Heute durch E-Mails und Chatten und so weiter hast du keine Grenzen.« (C1audia: 2)
Zudem können hier auch neue Kontakte geknüpft werden. Das gilt insbesondere für Interessierte, die keinen weiterführenden Kontakt zu anderen Fans suchen, oder für jüngere Fans, die aufgrund ihres Alters vom Besuch eines Trekdinners oder aufgrund ihrer begrenzten finanziellen Mittel vom Besuch einer Convention ausgeschlossen sind. 126 Eine wichtige Rolle spielen sie auch flir diejenigen Fans, die in ihrer näheren geographischen Umgebung keine anderen Fans kennen bzw. dort keine Fantreffpunkte haben. Neben diesen sozialen Funktionen schlägt sich diese raum-zeitliche Unabhängigkeit auch in der Möglichkeit nieder, die vielen unterschiedlichen Angebote so zusammenzustellen, dass sie den individuellen Bedürfnissen entsprechen, ohne ein komplettes Fanzine abonnieren zu müssen. Im Internet ist es den Fans frei gestellt, ob, wann und wie viele Informationen sie konsumieren. »Wenn ich jetzt wirklich mal Bedürfuis hab, mich da einzumischen geh ich ins Usenet, klink mich ins Voyager-Forum ein und dann kann ich dann meine Meinung rein schreiben, wenn ich dazu Lust hab.« (Tom P.: 12)
Der Ausweitung der sozialen Kontakte sind durch die strukturellen Bedingungen der Online-Kommunikation allerdings auch einige Grenzen gesetzt. Während in der face-to-face-Kommunikation eine Vielfalt an verbalen und nonverbalen Informationsquellen Aufschluss über das soziale Gegenüber geben, müssen diese in der Online-Kommunikation imaginativ ergänzt werden, damit eine gemeinsame Gesprächssituation entsteht (vgl. Höflich 1995: 528). Die »Pseudonymität« (Bahl 1997: 86) in textbasierten Computerwelten befreit von den sonst in der Interaktion wirksamen askriptiven Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Ethnie, oder dem physischem Aussehen (vgl. Höflich 1995: 527f; Kiesler/Kiesler 1986). Diese Anonymität schützt vor Unsicherheiten, die in direkten sozialen Kontakten bezüglich der eigenen Person und des zugewiesenen Status oftmals bestehen (vgl. Bahl 1997: 81ft). Der
126 Gegenüber dem Durchschnittsalter von 28,6 .Jahren bei Trekdinnerbesuchern sind die Online-User des SF -Radios nur 24,17 Jahre alt (vgl. Krannner 2003).
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anonyme Kontakt erleichtert es daher auch, sonst im Alltag erfahrene Stigmatisierungserfahrungen zu umgehen. Die Anonymität der sozialen Kontakte im Netz bringt zudem eine größere Unverbindlichkeit zwischen den Kommunikationspartnern mit sich (vgl. Kiesler/Sproull 1986: 1498), was eine relativ gefahrlose Selbstverpflichtung in elektronisch konstituierten Gemeinschaften gestattet. 127 Fiktional konstituierte Medienidentitäten erlauben zwar eine wechselseitige Zuschreibbarkeit, wodurch die nötige Verbindlichkeit für dauerhafte Kontakte geschaffen werden kann, wie weit mediale Identitäten zur persönlichen Identität hin geöffnet werden, bleibt aber immer dem einzelnen selbst überlassen und ist nicht von vornherein durch die Unausweichlichkeit der persönlichen Anwesenheit anderer Kommunikationsteilnehmer bedingt. Im Netz geknüpfte soziale Beziehungen können durchaus in realweltliche interpersonale Kontakte überführt werden, wie die mittlerweile zahlreichen Beispiele zeigen, in denen trotz des anonymen Zugangs ein Gemeinschaftsgefühl im Netz gesucht und auch gefunden wird (z.B. Baym 1993; Turkle 1995; Reid 1996). Viele Fans empfinden dieses Medium jedoch als zu unpersönlich. »Was natürlich jetzt in den letzten .Jahren dazu gekommen ist, sind sozusagen die Fans, die im Internet aktiv sind. Die siehst du aber meistens nicht und das find ich halt schade, weil ich bin jemand der auf Veranstaltungen geht, der sich mit Leuten zusammensetzen und quatschen will. Ich will mich nicht am Bildschirm vorne Tastatur setzen. Ich mein des ist natürlich, die Nachrichtenübermittlung ist toll, [... ] aber ich seh da nicht die Person. Da tu ich lieber telefonieren [betont; CW] als mich da stundenlang in so einen Chat reinzusetzen, das ist mir zu unpersönlich.« (Robert: 4) Dazu trägt mit Sicherheit der immaterielle Charakter des Internets bei, der sich auch in einem anderen Zugang zu Informationen bemerkbar macht. Man bekommt durch das Internet zwar mehr Informationen, aber gerade in dem »Wulst an Zeugs auf deiner Festplatte« (Michael: 41) verliert sich der persönliche Bezug zu diesen Informationen. 128 Demgegenüber steht ein wesentlicher höherer Gebrauchswert von Fanzines, deren hand-werklicher Charakter letztlich auch darin zum Tragen kommt, dass man etwas >in der Hand halten< kann. »Ich find's auch schön wirklich was in der Hand zu halten. Ein Heft da kann ich mich auf die Couch lümmeln, des kann ich einfach mal durchblättern. Das geht im Internet nicht.« (Martin: 38f) Diese Einstellung kann nicht auf eine generelle Abneigung gegenüber dem Internet zurückgeführt werden. Fans, die diese Position vertreten, nutzen die 127 Eine weniger positive Folge der Unverbindlichkeit computervermittelter Kommunikation sind relativ ungehemmte Verhaltensäußerungen, die nur schwer zu kontrollieren sind, und bisweilen in regelrechten >Flame-Wars< ausarten. 128 Auf diese veränderte Bedeutung des Wissens in der Postmoderne weist insbesondere Lyotard hin, wenn er schreibt »Das Wissen ist und wird für seinen Verkauf geschaffen. Es wird für seine Verwertung in einer neuen Produktion konsumiert und konsumiert werden. [... ] Es verliert seinen Gebrauchswert.« (Lyotard 1986: 24)
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CMC allerdings nicht flir die Herstellung neuer, virtueller Sozialkontakte, sondern nur zur Ergänzung bereits bestehender Beziehungen und vor allem als ein Informationsmedium. In der Anonymität, die die computervermittelte Kommunikation ermöglicht, sehen sie eine Gefahr für eine Fankultur, die davon lebt, dass man sich auch persönlich trifft. Paradoxerweise machen diese Fans gerade die Leichtigkeit der durch die computervermittelte Kommunikation ermöglichten sozialen Kontakte dafür verantwmilich, dass das Bedürfnis nach realweltlicher face-to-face-Kommunikation nachlässt und damit der flir ein Gemeinschaftsgeflihl nötige intensive persönliche Kontakt abgeschwächt wird, was letztlich die Erosion traditioneller Strukturen der Fankultur zur Folge hat. »Dadurch, dass die Leute ständig in Kontakt zueinander stehen, fehlt der Grund für Treffen wie diese hier [bezieht sich auf ein Redaktionstreffen von SF -Radio und des Corona-Newletters; CW] eigentlich weg.« (Claudia: 2)
Diese Einstellung gegenüber dem Internet gibt im Wesentlichen die Meinung det:jenigen Fans wieder, die dem Fandom schon längere Zeit angehören. Für diese Fans stellt der indirekte Kontakt in Netzwerkbeziehungen eine Bedrohung ihrer Fankultur dar. Der Hauptgrund flir die Ablehnung dürfte daher nicht im Medium selbst und dessen Eigenschaften liegen, sondern in der Befürchtung, dass der Nutzerkreis des Internets nicht im selben Maße durch die traditionellen Institutionen des Fandoms sozialisiert wird wie man selbst, was den Verlust der traditionellen Werte und Praxisformen bedeuten würde, auf denen die eigenen positiven Erfahrungen im Fandom beruhen. Ebenso wie die Kommunikationsoptionen haben durch das Internet auch der Informationsfluss und das verfligbare Wissen im Fandom erheblich zugenommen. Das Internet stellt ein ideales Medium flir das Informations- und Wissensmanagement im Fandom dar: Neuigkeiten und Gerüchte verbreiten sich aufgrund der Netzwerkstruktur sehr schnell; sie sind dezentral und allgemein verfligbar; die Hypertextstruktur des Internets kommt einer lexikalischen Aufbereitung des Fanwissens in Form von Datenbanken und Episodenguides entgegen; das Usenet, Diskussionsforen sowie Chats bilden aufgrund ihres hybriden Charakters zwischen Individual- und Massenkommunikationsmittel zusammen mit ihrer öffentlichen Zugänglichkeil das ideale Medium für einen Fandiskurs; und multimediale Möglichkeiten schaffen die nötige Konvergenz zum Ursprungstext Fanseiten im Internet sind in der Lage, ein aktuelleres und breiteres Angebot bereit zustellen als die gedruckten Fanzines. Es »sieht einfach so aus, dass Fanmagazine auf Papier nicht aktuell genug sein können und nicht, nicht unbedingt so erschöpfend sein können. Mein Gott, wenn, wenn ich jetzt höre, Paramount hat das Konzept für Voyager angenommen [... ] dann schick ich ganz schnell einen Corona [Online-Newsletter; CW] raus. Das geht mit nem Fanzine nicht. Da muss ich je nach dem, ob es nur vier mal im Jaltr erscheint, weil nicht genug Werbeträger dafür da sind oder weil die Leute nicht genug Zeit haben, die Corona-Redaktion ist inzwischen, ich schätze mal 15, 16 Mann groß, da kann ich schneller reagieren. Beim Fanzine geht das nicht, auf Papier. Das ist, glaub ich, der wesentlichste Unterschied.« (Dennis: 5)
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Dadurch haben Konkurrenz für Verbreitung des Teil überflüssig wertet.
sich Onlineangebote zu einer Alternative und ernsthaften etablierte Clubs und deren Fanzines entwickelt. Mit der lnternets wurden die klassischen Fanzines zu einem guten und ihr kulturelles und damit auch ihr soziales Kapital ent-
Neue und alte Formen der Produktivität im Internet Im Vergleich zu Fanzines dient das Internet zwar vor allem als Informationsmedium, es wird allerdings auch zur Verbreitung von Fanart und FanFiction genutzt. 129 Zudem vergrößert der Computer als Medium die Palette der zur Verfügung stehenden Betätigungsfelder für die Produktivität der Fans, die dadurch sowohl eine Erweiterung als auch einen Wandel erfahren hat.J3o Die Erstellung von Webangeboten ist für sich genommen eine neue Form der Fanproduktivität Im Gegensatz zu Fanzines ist es ohne weiteres möglich, als einzelner Fan selbständig eigene Webseiten zu kreieren. Der dafür ausreichende Wehspace ist bis zu einem gewissen Umfang kostengünstig verfügbar und die einfachen Recherchemöglichkeiten im Internet erlauben es auch Einzelpersonen einen aktuellen und attraktiven >Content< bereit zu stellen. »Du musst halt die News auswerten. Du gibst nen Suchbegriff ein und hast da tausend Seiten zur Verfügung. Jetzt suchst du dir da des Interessante raus. Des hat sich natürlich verändert, indem du dich als Redakteur leichter tust, früher musstest du halt warten, bis du genügend Material an Heften dazu gehabt hast.« (Michael: 41)
Die Möglichkeit, auf diesem Weg individuelle Identitätsprojekte zu verwirklichen, deren Ergebnisse einer potentiell unbeschränkten Öffentlichkeit zugänglich sind und zudem noch die Möglichkeit bieten, Feedbackkanäle einzubauen, eröffnet ein neues Feld für die Identitätsarbeit von Fans. Vor allem bei den persönlichen Homepages 131 handelt es sich um persönliche Projekte einzelner Fans. 132 STAR TREK-spezifische Inhalte machen häufig nur einen Teil dieser Seiten aus. Daneben finden sich auch noch persönliche Informationen. Diese Seiten sind dementsprechend weniger auf das Fandom ausgerichtet. Es sind vielmehr Formen öffentlich betriebener Selbstverständigung und Selbstdarstellung. Diese Seiten existieren meistens nur so lange, bis das persönliche Projekt, eine eigene Webseite zu verwirklichen, erreicht ist. Insofern erfüllen sie keine nennenswerte Funktion für das Fandom, spiegeln aber einen Teil des kollektiven Selbstverständigungsprozesses wieder. 129 Z.B. http://www.st-forum.de; http://www.warp-online.de (06.06.2006) 130 Dabei trägt die Unverbindlichkeit des Internets ebenso wie die Kurzlebigkeit der dort verfügbaren Angebote entscheidend dazu bei, dass die Hürden für eine Beteiligung am Fandom herunter gesetzt wurden. »Der Vorteil is halt, dass manche Leute halt erst aktiv werden durch den Computer. Das sie erstjetzt sich mal trauen, nen Artikel zu veröffentlichen, weil sie sagen, >Okay, im Internet. [... ] es is ja net ewig danatürlich< gibt, kann nicht sicher sein, daß ihm dies als >wirkliche< Tatsache ausgelegt wird« (Hettlage 1991 : 146). Hinzu kommt, dass in diesen Situationen das Wissen der Beteiligten um die Bedingungen der Situation (Deutungskompetenz) und die Möglichkeiten ihrer Beeinflussung (Handlungskompetenz) ungleich verteilt ist. In der ungewohnten Situation vor der Kamera oder dem Mikro potenzieren sich die Unsicherheiten der Fans bezüglich ihrer Selbstdarstellung und Selbstwirksamkeit Die Fans schwanken in dieser Situation zwischen einer Darstellung als möglichst medienkompetenter Fan und normaler Mensch auf der einen Seite und sehen sich andererseits zu einem Rollenverhalten gezwungen, durch das sie die ihnen zukommende Aufmerksamkeit rechtfertigen. Durch diese bei medienunerfahrenen Personen oft deutlich sichtbaren Unsicherheiten und die Kluft zwischen dem äußerem Erscheinungsbild und den Kommentaren der Fans findet wiederum das Bild des weltfremden und in seinen sozialen und kommunikativen Kompetenzen defizitären Fans seine Bestätigung.
Strategien der Identitätsbehauptung die Reaktion der Fans Die zuvor beschriebenen gesellschaftlichen Diskurse sind im Sinne de Certeaus (1988) als ein Ort zu verstehen, von dem aus sozial Mächtige ihre Vorstellungen von Kunst, Kultur und legitimen Aneignungsweisen ideologisch durchsetzen und damit ihre privilegierte soziale Stellung reproduzieren können. Fans wird innerhalb dieser Diskurse von der dominanten offiziellen Kultur eine Position der Schwäche zugewiesen, indem sie als Stereotyp konstruiert werden. Fanidentitäten verfügen über keinen positiv besetzten Bezugspunkt außerhalb ihrer Fankultur, sondern sehen sich meist mit einer negativen bzw. einer Nicht-Identität konfrontiert, sobald sie als Fan in die Öffentlichkeit treten. Die Betroffenen sind überwiegend der Ansicht, dass man »als STAR TREK-Fan von Außenstehenden nicht richtig ernst genommen« wird (Frage 4.5: .X= 3.6; s= 1.1). Dies bestätigte sich auch in den Interviews, wo sich zahlreiche Belege dafür finden, dass Fans bewusst unter Stigmatisierungserfahrungen leiden. 10 10 Da Fans keine homogene Gruppe darstellen, werden jedoch nicht alle Fans in
gleicher Weise durch diesen Diskurs positioniert. Bei den Fans gilt es zu unterscheiden zwischen den eher randständigen Fans, die nicht explizit an der Fankultur teilhaben, und den aktiven Fans, die sich intensiv mit ihrer Fankultur identifizieren. Fans, die nicht die Perspektive der Fankultur einnehmen, bleiben von Stigmatisierungserfahrungen weitgehend verschont oder können diese zumindest leicht umgehen. Gerade dadurch, dass sie nicht die Fankultur als Bezugsgruppe für die Einordnung ihrer Interessen und Aktivitäten wählen, schaffen sie sich einen legitimen Raum. Sei es, indem sie ihr Interesse als bloße Unterhaltung definieren, wodurch es als >normales< Fernsehverhalten gilt, oder indem sie Fanaktivitäten vorwiegend innerhalb gesellschaftlich legitimierter Rahmen ausüben, z.B. Kostüme im Karnevals tragen, oder während bestimmter
252 I JENSEITS DER STERNE »Und so bei mir so die ganze Umgebung Familie, Freundeskreis die Schulkameraden alle die haben des immer alle so milde belächelt >Ach Gott der Spinner mit STAR TREK!lernen< sie, ihre Vorliebe zu verheimlichen und tlihlen sich bisweilen sogar schuldig, indem sie den strafenden Blick anderer übemehmen. 11 »Und wenn ich heimlich in meinem Keller sitze und ne Episode kuck dann fang ich richtig an zu heulen. Dann denk ich >Wie alt bist denn du überhaupt? Du flennst hier rum, gut dass dich keiner sieht.«< (Uschi: 10) Im Folgenden soll nun dieses diskursiv geschaffene Feld von Eingrenzung und Ermächtigung aus der Sicht der Betroffenen umrissen werden. Es stellt sich die Frage, inwieweit die Fans von den gesellschaftlich dominanten Wirklichkeitsdetinitionen abhängig sind und wie sie mit dieser objektiv erscheinenden Wirklichkeitsvorstellung subjektiv umgehen. Vor diesem Hintergrund soll geklärt werden, welche Strategien zur Herstellung einer >positiv< besetzten Identität innerhalb der Fankultur bereit gestellt werden und inwieweit Fans durch die Teilhabe an ihrer Fankultur einen Rückhalt erfahren können, der sie in der Folge auch zu einem selbstbewussteren und reflektierteren Umgang mit diesen Fremdzuschreibungen ermächtigt.
Normalisierung der eigenen Praxis Eine mögliche Strategie der Fans ist es, den vermeintlichen Abstand zwischen sich und den Nicht-Fans zu verkürzen. Dazu rekonstruieren sie STAR TREK als ein normales Massenphänomen, an dem sie >wie jeder andere auch< teilhaben. »Also >Mister Spack< war jedem ein Begriffund allein des Wort >beamen< ist mittlerweile ein fester Bestandteil der deutschen Sprache« (Martin: 8f). »Also es kennt, kennen tut STAR TREK sowieso jeder. So einigermaßen Bescheid wissen eigentlich auch alle.« (Sebastian: 22) Eine Bestätigung flir diese These liefert der häufige Gebrauch des Mediensymbols STAR TREK in Zeitungs- und Fernsehberichten als ein gebräuchliches Chiffre flir alle möglichen technischen Neuerungen und Ereignisse im Zusammenhang mit der W eltraumfahrt. Der Verweis auf das in der Gesellschaft vorhandene >Allgemeinwissen< um STAR TREK versetzt die Fans in eine Lage, in der sie sich den Nicht-Fans letztlich sogar moralisch überlegen tlihlen können. Denn angesichts des enormen Bekanntheitsgrades der Serien bleibt nur die Schlussfolgerung: »Es Events wie z.B. Kinopremieren, wo das Setting eine Verkleidung nicht nur zulässt, sondern sogar positiv besetzt. II Diese Schuldgeftihle zeigten sich auch in anderen Studien zur Aneignung von populärer Kultur. Radway beobachtet beispielsweise bei den von ihr untersuchten Liebesromanleserinnen ein Schuldbewusstsein wegen der auf die Lektüre >verschwendeten< zeitlichen und finanziellen Ressourcen (Radway 1984: 65; vgl. dazu auch Borchers 1993 ).
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haben garantieti auch viel mehr Leute gesehen als zugegeben haben.« (Martin: 9). Während die >Anderen< es also ebenso ansehen, aber nicht zugeben, sind die Fans schon immer zu ihrer Vorliebe gestanden, trotzaller negativen Konsequenzen. Der Status einer stigmatisierten Minderheit wird hier letztlich geradezu auf den Kopf gestellt, denn »in Deutschland wer unter 35 is und von STAR TREK noch nie gehört hat, der ist blind, taub und stumm« (Monika: 35). Die Normalität des eigenen Tuns wird auch in den Schilderungen der Praxis bei Fantreffen immer wieder betont: »Wir reden über alles, bloß net über STAR TREK« (Tom B.: 62).
Übernahme der Kriterien der ästhetischen Urteilskraft Zum Teil beziehen sich die Fans auch direkt auf die Ideologie der Massenkultur. Indem sie die Kriterien der ästhetischen Utieilskraft übernehmen und auf ihre Texte anwenden, stellen sie deren besondere Qualität heraus und werten diese und damit letztlich auch sich selbst auf Dies geschieht häutig durch intertextuelle Bezüge zu hochkulturell er Literatur, »sei es jetzt moderne Gedichte, sei es ein Shakespeare, der da gerne und oft zitiert wird« (Monika: 10). Einerseits stärken die Fans damit selbst ihre ideologische Position, wenn sie die verschiedenen hochkulturellen Zitate erkennen. Andererseits verbleiben die Fans mit dieser >Strategie< innerhalb des diskursiven Rahmens, den die Ideologie der Massenkultur absteckt. Subjektiv ist diese >Strategie< jedoch durchaus wirksam. »Wenn man hier und da ein bisschen tiefer bohrt, kriegt man tatsächlich noch was zurück[ ... ] dass da tatsächlich noch mal was dahinter ist. Des ist auch ne kleine Herausforderung« (Monika: 23). Diese »Herausforderung« anzunehmen, kann den Ausgangspunkt eines >Bildungsprojekts< darstellen, dessen subjektiv befriedigende Lösung zu einem positiven Selbstgefühl beiträgt. 12 Mit einer solchen Orientierung wetien die Fans den eigenen Umgang mit der Serie auf und rücken ihn in die Nähe von Rezeptionsweisen des legitimen Geschmacks. »Ich hab seit Jahren keine deutsche Folge mehr gesehen [... ]Ist fur mich uninteressant geworden« (Martin: 19). »Und kann dann natürlich auch in der Zwischenzeit die Qualität der Übersetzer ein bisscheu würdigen oder auch nicht würdigen, je nachdem.« (Monika: 10) Neben das populäre Interesse an den Inhalten und Personen tritt hier eine distanzierte Wahrnehmung wie sie für die »ästhetische Einstellung« (Bourdieu 1982: 57-60) typisch ist. Die Fans übernehmen also zum Teil die Argumentation des offiziellen Diskurses um die Bedeutung der Massenkultur. Letztlich bleiben sie jedoch ihrem Selbstverständnis als Fans verhaftet, das immer in der persönlichen Relevanz begründet ist. Während die Experten meist versuchen, anhand weniger 12 So gehen beispielsweise viele Fans im Laufe ihrer Fankarriere zu einer fast ausschließlichen Rezeption der Serien und Bücher im englischsprachigen Original über. Immerhin 19,6 % der Befragten an, >oft< oder >sehr oft< Serienfolgen im englischen Original (Frage 3.6) anzusehen.
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Folgen wiederkehrende Muster und die in diesen repräsentierten Ideologien der ganzen Serie herauszuarbeiten, >verstehen< Fans einzelne Episoden immer in Relation zum gesamten Serientext und der damit verbundenen Rezeptionsgeschichte und Programmtradition (vgl. Tulloch 1995b: 140ft). Ihr Interesse gilt der Entwicklung und Heterogenität des Textes (vgl. lenkins 1995: 178) und den Episoden, die ihnen ermöglichen, einen persönlichen Bezug herzustellen. Allerdings treten die Fans mit ihrer Kritik an akademischen Diskursen letztlich nicht aus dem diskursiven Zusammenhang der Kulturkritik heraus. Indem sie selbst STAR TREK als >gut gemachte Unterhaltung< beurteilen, übernehmen sie die Maßstäbe der Ideologie der Massenkultur, wonach legitime Texte nicht nur Unterhaltung sein dürfen, sondern bestenfalls auch Unterhaltung. Fans befinden sich damit in einer paradoxen Situation. Einerseits stehen sie dem akademischen Diskurs distanziert gegenüber. Andererseits suchen sie zugleich dessen Nähe, weil das Interesse der Akademiker ihr eigenes Interesse an STAR TREK legitimiert. »Wenn man dann eben erfahrt, dass es in der Zwischenzeit Doktorarbeiten [ ... ]nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland gerade zu dem Thema gibt, [... ]dann merkt man eigentlich erst, wie, wie sehr STAR TREK unser ganz normales Leben beeinflusst.« (Monika: 23f)
Wirklichkeitsvergleiche Neben dem Herausstellen von hochkultureBen Verweisen besteht eine weitere Möglichkeit, einen legitimen Bezugsrahmen tlir eine ernsthafte Auseinandersetzung mit STAR TREK zu schaffen, darin, die Serien als realistisch und glaubwürdig zu (re)konstruieren. Für einen Wirklichkeitsvergleich bieten sich zwei Anknüpfungspunkte: 1.) die Machbarkeif der in der Serienwelt vorgeführten Technik und 2.) Bezüge zu gesellschaftlich-historischen Situati-
onen.13 1. Hinsichtlich des Realismus der technischen Dimension in STAR TREK wird immer wieder aufParallelen zu heute verfligbaren Technologien verwiesen. »Der COMMUNICATOR zum Beispiel, also früher so bei CLASSIC wenn man so an des Teil denkt, das so aufgeklappt ist, des hat heutzutage jeder, ein Handy« (Hans: 21). »Die CD-ROM als rein theoretischer Datenträger wurde damals schon [... ] in STAR TREK [... ]gezeigt.« (Monika: 19) Fans erkennen in den visionären technologischen Neuerungen, die vor allem in der Anfangszeit von STAR TREK bei der CLASSIC-Serie zu bewundern waren, tatsächliche Vorläufer oder zumindest die Inspirationsquelle flir letztlich gelungene Umsetzungen in der Realität. 13 Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Konstruktion des Serientextes als eine in sich stimmige Realität, die hinsichtlich ihrer materiellen Bedingungen, der narrativen Abfolge der einzelnen Episoden und Filme sowie der ästhetischen Machart als kohärent erlebt wird. Erst durch diese Konstruktion wird der Text zu einem Wirklichkeitsmodell, das überhaupt in Kategorien der realen Alltagswelt, sei es hinsichtlich technischer, sozial-historischer oder persönlicher Bezüge, beurteilt werden kann.
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2. Ebenso häufig werden Bezüge zu aktuellen gesellschaftlichen Situationen hergestellt. Wie für das Genre der Science Fiction typisch werden auch bei STAR TREK Probleme der Gegenwart in einem futuristischen Gewand aufgegriffen und bearbeitet. Den Fans bieten sich so zahlreiche Anknüpfungspunkte zur Weltgeschichte, zu politischem Tagesgeschehen, gesellschaftlichen Befindlichkeiten bis hin zu real existierenden Kulturen. »Also grad so politische Sachen, wie bei DEEP SPACE 9. Da kann man ja jeden Tag so Machtspielchen erleben, das was im Nahen Osten abgeht oder wie auch immer. Oder im Balkan, ganz ähnlich. [... ]der Kalte Krieg ist ja ganz stark im Hintergrund grad bei den Anfängen von STAR TREK. [... ]Ist ja ganz klar die Parallele, das sind die Amis und die Russen. Das ist ganz klar. Und so was fmd ich auch ganz schön spaßig, so was festzustellen. Oder auch die BORG. Wenn man die BORG so als diffuse Angst vor dem Verlust der Individualität irgendwie auffasst. [... ] Und, also des find ich auch sehr gut. Aber eben dass eben solche Konflikte irgendwo extrapoliert werden, einfach dann in dieses Universum reingesetzt werden.« (Tom P., S.22)
Als »ein Spiegelbild von der Gesellschaft« (Cengiz: 22) artikuliert der Text verschiedenste kulturelle Bezüge, die von den Fans für eine kulturelle und gesellschaftliche Selbstverständigung genutzt werden. Die zentralen Themen der Serienwelt werden dabei nicht nur als >Lackmustest< für die Entwicklung der Menschheit an sich herangezogen, sondern auch für die Lebenswelt der Fans im >kleinenandere Fannormal< erscheinen (vgl. Amesley 1989: 338). Durch solche »projektiven Identifizierungen« (vgl. König 1992) können nicht integrierte Persönlichkeitsanteile auf Andere übertragen werden. Als diskursive Strategie hat dies eine Neutralisierung zur Folge: man ist nicht selbst als Person von der Stigmatisierung betroffen, sondern der Fan an sich, von dem man sich, dank des eigenen Bewusstseins als Individuum, unterscheidet. Diese Strategie des sozialen Vergleichs, bei der das Unerwünschte auf andere Gruppen projizieti wird, die einem sehr ähnlich sind, fiihrt häufig dazu, dass man sich selbst durch ein besonders exemplarisches Verhalten des eigenen Andersseins versichern will. Die Ansprüche an einen »Edelfan« (Martin: 45), der dem eigenen stereotypen Bild des >echten< Fans entspricht, hängen dementsprechend sehr hoch, so dass nur wenige diesen Identitätstypus wirklich prototypisch gerecht werden können, was immer wieder zu Konflikten über die >richtige< handlungspraktische Umsetzung der eigenen Ideale unter den Fans führt.
Umdeutung durch Reframing Eine weitere Möglichkeit im Falle stigmattsterter Gruppen eine postttve soziale Identität zu stützen, stellen Reji·amingprozesse dar (vgl. Ashforth/Kreiner 1998). 14 Diese Umdeutungsleistungen erfolgen in Form von Ideologien, die der internen Legitimation dienen, indem sie die eigene Position aufwerten und so einen Gegenpol zu dem von außen zugewiesenen negativen Identitätstyp schaffen. Eigene Ideologien bieten ein System von Werten, Überzeugungen und Normen an, durch das die subjektiv erlebten Widersprüche zwischen der eigenen Erfahrung als Fan und der gesellschaftlich zugeschriebenen Position aufgehoben werden können. Ein Mittel zur Lösung dieser alltagspraktischen Widersprüche sind populäre Mythen. Zum einen geschieht dies in Form von Geschichten, in denen positiv sozial geschätzte Ereignisse aus dem Fandom herausgestellt werden, zum anderen tragen eine Reihe von weit verbreitete Interpretationen der >Philosophie< des Medientextes dazu bei. Beide Quellen liefern Deutungsmuster, die von den Fans dazu genutzt werden, das eigene Interesse und die eigene Praxis positiv zu rahmen, indem sie gesellschaftlich hochgeschätzte Werte thematisieren. Das Reframing der Fans konstruiert ein Wirklichkeitsmodell, das Werte repräsentiert, mit denen zu identifizieren sich subjektiv lohnt, weil sie zum einen gesellschaftliche Anerkennung versprechen oder zumindest eine Basis bilden, auf der diese eingeklagt werden kann.
14 Diesen Ansatz haben Ashforth und Kreiner ( 1998) ursprünglich ftir sogenannte >dirty workers< entwickelt, deren Berufsgruppen in der Gesellschaft unter sozialer Verachtung leiden.
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Als realen Gegenbeweis zum Bild eines affirmativen und kulturindustriell >auf Linie gebrachten< Fans verweisen die Fans gerne auf den historischen Stellenwert der (CLASSIC-)Serie. Im Vergleich zum Fernsehmarkt der 60er Jahre, der als Spiegel der Publikumsbedürfnisse auch den gesellschaftlichen Konsens der damaligen US-amerikanischen Gesellschaft repräsentierte, erscheint STAR TREK als »was ungeheuer Progressives« (Monika: 22) und geradezu »revolutionär« (Monika: 20). »Des sind Sachen, die sind heute, wie soll ich sagen, Fußnoten der Geschichte. [... ] Als farbige Frau war es zur damaligen Zeit unmöglich irgendwo in ne leitende Stellung reinzukommen, schon gar nicht im Militär und schon gar nichtinnen Offiziersrang. [... ] Und zu solchen Zeiten ne Frau als Kommunikationsoffizier, dann auch noch eine Farbige auf der Brücke eines Schiffes der US-Marine in Anführungszeichen der Zukunft zu stellen, des war nicht nur gewagt[... ]. Wenn man sich die damalige politische Lage anguckt und sich dann die Brückenbesetzung anguckt, [... ] nen Russen zum Zeitpunkt, wo der Kalte Krieg war, zum Sicherheitsoffizier zu machen, einen Asiaten zu einem Zeitpunkt, wo halt Amerika an lndochina lmabbert, zum Steuermann zu machen [... ]des war eine einzige Provokation. [... ]Und des war für die damalige Zeit, war's,ja, was ungeheuer Progressives.« (Monika: 20)
Gern wird in diesem Zusammenhang auch der berühmte erste >schwarzweiße< Kuss der Fernsehgeschichte zwischenKIRKund UHURA angeftihrt, 15 oder die Anekdote, wonach NieHELLE NICHOLS, die Darstellerin der UHURA, »ursprünglich nach einem Jahr aussteigen [wollte; CW] und wurde, ob man's glaubt oder nicht, von Martin Luther King überredet weiter zu machen« (Monika: 21 ). Folgt man dieser Argumentation, dann sind die Vorwürfe gegenüber den Fans selbst Ausdruck einer rückständigen und überkommenen Werthaltung, die ihr Recht nur daraus bezieht, dass sie sich auf die sichere Seite traditioneller Institutionen wie z.B. der Kirche stellt- »Die Kirche ist auf die Barrikaden gegangen weil der SPOCK schaut aus wie der Teufel persönlich« (Christian: 7). Der Text und die Einordnung in einen zeitgeschichtlichen Kontext gibt den Fans ein diskursives Mittel an die Hand, das sie als eine gesellschaftlich progressive Gruppe konstruiert, der die Geschichte im Nachhinein Recht gibt. Indem sich die Fans mit den Werten von STAR TREK identifizieren, die dem heutigen Entwicklungsstand der Menschheit weit voraus sind, konstruieren sie für ihre Interaktionszusammenhänge einen Kontext, der der normalen Alltagswelt überlegen ist und ihnen ein positives Selbstgefühl vermitteln. Im Verhältnis zu anderen Medienangeboten sehen die Fans STAR TREK daher auch als überlegen an, weil es sich nicht nur um »hirnlose Ballertilme« (Christian: 8) handelt, sondern auch eine Philosophie dahinter steckt. STAR TREK wird als niveauvollere und realistischere Form der Unterhaltung gegenüber anderen trivialen Science Fiction-Filmen und -Serien abgegrenzt. Dazu trägt auch die Beteiligung namhafter Science Fiction-Autoren an Tos (z.B. Norman Spinrad, Theodore Sturgeon) sowie das Wissen um Roddenberrys Kontakte zur NASA und den Einbezug wissenschaftlicher Berater
15 »Plato's Stepchildren« (Platos Stiefkinder) Tos lll/66)
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(vgl. Jenkins 1995: 189) bei, die der Serienwelt in den Augen der Fans eine besondere Glaubwürdigkeit verleihen. Da sich dieser weitergehende Sinn aber nicht jedem erschließt, sondern nur denjenigen, die »sich tatsächlich die Mühe gemacht haben, Hintergründe, die darin erläutert wurden und die ja tatsächlich wissenschaftlichen Hintergrund hatten, nachzuvollziehen« (Monika: 20), verschaffen sich die Fans mit dieser Argumentation zusätzlich eine Position, die sie selbst als aktive gegenüber den passiven und daher nur oberflächlich konsumierenden NormalZuschauern auszeichnet. Die Betonung der eigenen Aktivität stellt das Stereotyp des passiven und sozial isolierten Fans geradezu auf den Kopf. »Dieses Produktive [ist; CW] das, was so den Hardcore-Trekkie von so nem Konsumenten unterscheidet. Das er eigentlich selber etwas macht« (Patrick: 4).
Fazit: Diskursive Konstruktion als >imaginäre Beziehung< In den betrachteten Strategien zeigt sich analog zur »Dallas«-Studie Angs, dass die Fans sich weitgehend in einer Verteidigungshaltung gegenüber der »Ideologie der Massenkultur« befinden (Ang 1986: 130). Ihr akademischer Ursprung verschafft der »Ideologie der Massenkultur« einen Legitimitätsvorsprung, durch den sie als Chiffre einer grundlegenden Kulturkritik Verwendung findet, selbst dort, wo sie in stark verkürzten Formen auftritt. In den Verweisen auf diese Ideologie schwingt immer ein theoretisch ausgearbeitetes Deutungsmuster mit, demgegenüber die in der Regel spontanen und unbewussten Alltagsdiskurse, die sich >nur< auf den gesunden Menschenverstand berufen, kaum etwas entgegenzusetzen haben. »Sie können leicht zum Schweigen gebracht werden, weil sie buchstäblich keine Worte finden, um sich zu verteidigen« (Ang 1986: 131 ). Dies gilt, wie wir gesehen haben, auch dann, wenn es sich nicht um einzelne Zuschauer handelt, sondern um Fans, die an einer Fankultur partizipieren. Allerdings erfahren die Fans durch ihre Zugehörigkeit zu einer größeren Gruppe einen Rückhalt, der es ihnen gestattet, eine eigene Identität als Fan gegenüber dem negativen Identitäts(stereo )typ zu behaupten, sei es durch den Bezug auf gemeinsame Aktionen, geteilte Wertvorstellungen und Ideologien, oder das Bewusstsein, als Gruppe besser oder zumindest nicht schlechter zu sein, als andere in der gesellschaftlich anerkannte Gruppen. Die äußere Grenze des Fandoms ist daher doppelt artikuliert. Der öffentliche Diskurs um die Bedeutung der Populärkultur zwingt die Fans dazu, den Widerspruch zwischen der großen Bedeutung, die STAR TREK in ihrem Leben besitzt, auf der einen und der damit immer wieder erfahrenen Stigmatisierung auf der anderen Seite diskursiv zu verarbeiten. Ein positives Selbstgefühl im Umgang mit STAR TREK erschließt sich den Fans daher nicht von alleine. »Für mich heißt des auf der einen Seite, dass ich mich mit der damaligen Lage auf der Welt beschäftigen muss, um diese Kleinigkeiten verstehen zu können und auch genießen zu können, ja genießen fast< ... > und auf der anderen Seite ist es so, wenn ich die Episoden guck, auch mit diesem ganzen Hintergrund, amüsiere ich mich trotzdem. Also es istjetzt ja nicht so, dass ich die guck nach dem Motto, >Wo könnt ich da was finden, irgendwelchen Hintergrund.objektiven< Außenseite bezieht. 16 16 Eine rein äußerliche Konstitution der Fanidentität bringt zudem die Gefahr mit sich, eine natürlich erscheinende Homogenität zu konstruieren, die über die innere Vielfalt und Dynamik solcher Vergemeinschaftungen hinweg sieht. Das betrifft nicht nur die wissenschaftliche Rekonstruktion solcher Kollektive. sondern
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Daher sollen im Folgenden vor allem die internen Diskurse und die soziale Konstruktion der Fankultur aus der Binnenperspektive der Fans in den Vordergrund gerückt werden. Dies geschieht entlang folgender Fragen: • In welchem Zusammenhang stehen Fanaktivitäten und soziale Beziehungen zu anderen Fans mit der subjektiven Relevanz, der Selbsteinschätzung und den Einstellungen zum Fandom? • Inwieweit gibt es überhaupt eine Idee der Gemeinschaft, und wie lässt sich diese handlungspraktisch einlösen bzw. herstellen? Wie gehen die Fans dabei mit den Problemen einer posttraditionalen Gemeinschaft um? Können die Fans ihrer im gesellschaftlichen Diskurs aufoktroyierten negativen Identität, eine eigene Version entgegensetzen? Welche Ideologien und welche Praktiken zu ihrer Bestätigung finden sich in einer Fankultur? • Inwieweit greifen die Fans dazu auf den Medientext STAR TREK als Metaerzählung ihrer Fankultur zurück? • Welche Rolle spielt das Verhältnis zur Produktionssphäre für die Konstitution einer Gemeinschaft? • Welche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflussen die Entwicklung einer Fankultur und wie verändert sich dadurch das Verhältnis von Selbst- und Fremdbild?
Subjektive Relevanz und Einstellungen zum Fandom im Spiegel der Befragungsergebnisse Die hier betrachtete Stichprobe ist aufgrund der Größe des untersuchten Clubs relativ heterogen und umfasst nicht nur produktive Fans, die sich im Zentrum der Fankultur bewegen, sondern auch eher randständige Fans. Als minimale Grundlage für eine gemeinsame Perspektive, der hier befragten Fans, dient das clubeigene Fanzine, das alle durch ihre Mitgliedschaft automatisch erwerben. Insofern verfügen alle Befragten zumindest über einen medial vermittelten Einblick in die Soziale Welt der STAR TREK-Fans. In einer Faktorenanalyse konnten die 19 Aussagen, mit denen die Einstellung der Fans zum Fandom erhoben wurde (Frage 4.5), aufvier Faktoren reduzieti werden. 17
ebenso die Betroffenen selbst. So kann die Behauptung kollektiver Identitäten schnell auch wieder in neue Stereotypen und interne Zwänge zu (über-) konformem Verhalten umschlagen, das der im Fandom gesuchten Vielfalt und Offenheit zuwider läuft und innere Konflikte befördert, die die mühsam konstruierte Idee der Gemeinschaft aushebeln. 17 In der Ausgangslösung (Eigenwerte >I, Varimax-Rotation) wurden insgesamt sechs Faktoren extrahiert. Faktor 6, der die Variablen »ln der Fangemeinde gibt es eine einhellige Meinung darüber, was gute und schlechte Folgen sind« (negative Ladung) und »Als STAR TREK -Fan wird man von Außenstehenden nicht richtig ernst genommen« (lädt in keiner Lösung eindeutig auf einem Faktor) zusammenfasst, ließ sich jedoch inhaltlich nicht sinnvoll interpretieren. Erst die Herausnahme beider Variablen führt zu einer inhaltlich interpretierbaren und formal-statistisch befriedigenden Lösung Aufgrund der hohen Zahl an Doppelladungen in Faktor 4 wurde eine weitere Variable (»STAR TREK-Fans sind eher passive Menschen.«) aus dem Modell herausgenommen. In der Folge wurden entsprechend dem Kaiser-Guttmann-Kriterium vier Faktoren extrahiert, die einen Varianzanteil von 51,7 % erklären. Der KMO-Wert
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Tab. 6.2: Faktorenanalyse »Inwieweit stimmst Du persönlich denfolgenden Aussagen über die Star Trek-Fangemeinde zu?ihr< Produkt nehmen kann. Damit ist keine Interessengemeinschaft gemeint, die sich aus strategischen Gründen zusammenschließt. Das Fandom wird vielmehr als eine emotional begründete familiäre Gemeinschaft erlebt, die durch Toleranz im gegenseitigen Umgang geprägt ist. Faktor »Kritik an Kommerzialisierung« Dieser Faktor fasst die Kritik an einem Verhalten der Produzenten zusammen, das nicht an den Bedürfnissen der Fans ausgerichtet ist, sondern sich rein profitorientiert am Massenmarkt orientiert. Dieser Faktor korreliert negativ (-0. 19) mit der Vorstellung des Fandoms als einer aktiven Gemeinschaft (Faktor I). Je weniger die Befragten die Fangemeinde als eine Gemeinschaft betrachten, umso deutlicher äußern sie Kritik an den Produzenten und der allgemeinen Entwicklung von STAR TREK. Offenbar sieht sich die Fangemeinschaft nicht unbedingt als Gegner der Produktionssphäre. 18 Faktor» Vorurteile gegenüber Fans« Die hier versammelten Aussagen entsprechen dem öffentlichen NegativImage der Fans. Dementsprechend kon·eliert dieser Faktor auch negativ mit Faktor 1 (-0. 19). Wer das Fandom als Gemeinschaft sieht, lehnt die
18 Dies steht im Widerspruch zu der in der Literatur häufig zu fmdenden Annahme, dass sich Fans in einer grundsätzlichen Opposition zu den Produzenten befänden (vgl. lenkins 1992a: 28ff). Das Verhältnis von Fans und Produzenten nimmt sich letztlich differenzierter aus, als es in diesem einfachen Zusanunenhang formuliert wird. Eine eingehendere Betrachtung dieses Aspekts wird in Kap. 6.2 -Das ambivalente Verhältnis zur Produktionssphäre erfolgen.
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gängigen Vorurteile eher ab. Zudem besteht ein positiver Zusammenhang mit Faktor 2 (0.17). Wer also ein negatives Bild von den Fans hat, neigt auch eher dazu, den Produzenten Absichten zu unterstellen, die dem Bild der >klassischen< Kulturkritik entsprechen. Hier reproduziert sich die Kulturkritik also bis zu einem gewissen Grad selbst. Faktor »Kulturelles Kapital als Quelle sozialer Anerkennung« In diesem Faktor wird der Stellenwert des kulturellen Kapitals in Form von Wissen und Engagement als Quelle sozialer Anerkennung in der Fangemeinde thematisieti. Die positive Korrelation mit Faktor 1 (0.19) bestätigt die These, nach der die Gemeinschaft der Fans einen wichtigen Rahmen für den Erwerb sozialer Anerkennung und die Verbindung von sozialem und kulturellem Kapital darstellt (vgl. Fiske 1997).
Im Folgenden sollen nun die verschiedenen Variablen, mit denen die persönliche Einstellung zu STAR TREK erhoben wurde, vorgestellt und ihr wechselseitiger Einfluss aufeinander geklärt werden. Anschließend wird untersucht, in welchem Zusammenhang diese Variablen zu den Einstellungen zum Fandom sowie zu verschiedenen Kontextvariablen (z.B. Aktivitäten, Inhalte, Soziodemographie, soziales Netzwerk) stehen. Diese Ergebnisse geben Aufschluss darüber, welche Bedingungen ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen.
Indikatoren für die Relevanzstruktur des Fandoms Als Indikatoren für die Relevanz, die STAR TREK im Leben der Fans hat, sowie die Identifikation und Integration in die Fangemeinde wurden folgende Fragen formuliert: 19 • »Wie wichtig ist dir SI All Tii!:K in deinem Leben?objektiver< Indikator für die persönliche Relevanz; dieser Indikator besitzt jedoch den Mangel, dass er die Qualität der Beschäftigung nicht mit erfasst (z.B. passives Fernsehen vs. aktives Verfassen eigener Stories) und wird daher in den weiteren Analysen nur eingeschränkt berücksichtigt. • »Würdest du dich als echten STAR TREK-Fan bezeichnen?« (Frage 4.6): diese Frage zielt auf das subjektive Selbstbild der Fans ab; im Gegensatz zu Frage 4.1 geht es hier eher um eine Selbstverortung im Fandom, die einen impliziten Vergleich mit anderen Fans einschließt. • »Wie wichtig ist es dir, aktiv in der Fangemeinde mitzumachen?Du< anreden.« (Tom B.: 31 f) Der offene und persönliche Ausdruck unter sich eigentlich weitgehend Fremden produziert einen emotionalen W ahrnehmungsüberschuss, der die Beziehungen zueinander tiefer und lebendiger erscheinen lässt. Dadurch entsteht eine Atmosphäre des Vertrauens, die es dem einzelnen erlaubt, sich gegenüber anderen zu öffnen. Die Erfahrung, »sofort dabei« (Uschi: 9) zu sein, wenn man auf andere Fans zugeht, interpretieren die Beteiligten als Anerkennung ihrer Person. Der einzelne tlihlt sich als Subjekt wahrgenommen. »Wo ich auf meine zweite Con gekommen bin, bin ich schon von den ersten mit Namen begrüßt worden« (Martin: 19). Im Vordergrund steht das Individuum und nicht das, was jemand auf gesellschaftlicher Ebene repräsentiert. Die Indifferenz und Nicht-Exklusivität im gegenseitigen Umgang erzeugt ein Gefühl der Gemeinschaft, das einen Resonanzraum für individuelle Bedürfnisse und die damit verbundenen Gefühle bildet, in dem das eigene Tun als sinnvoll erfahren und die eigenen Relevanzstrukturen interaktiv bestätigt werden. Die Fankultur wird als ein Ort konstruiert, der sowohl den individuellen Bedürfnissen gerecht wird, als auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe vermittelt. Die gemeinsame Vorliebe für STAR TREK wird dabei als signifikantes und evidentes Symbol tlir eine tiefer gehende »Wahlverwandschaft« (Bourdieu 1982: 374) interpretiert, die subjektiv als gegenseitige Sympathie empfunden und objektiv als Teilhabe an einer gemeinsamen Praxis erkannt wird.
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Das so empfundene Gemeinschaftsgefühl wird auf ein dahinter stehendes gemeinsames Lebensgefühl und einen damit verbundenen intersubjektiv geteilten Werthorizont zurückgeführt. »Ich sage mir auch, Leute die die so mit dem Herzen dabei sind, die ham auch so ein bisschen die STAR TREKPhilosophie verstanden« (Uschi: 7). Gefühle dienen dabei als >Steuerungsmedium< der Gemeinschaft (vgl. Thiedeke 2000: 44). Sie sind sowohl das maßgebliche Mittel zur Vergewisserung über die Erfüllung der persönlichen Bedürfnisse, als auch das zentrale Medium für das Erleben der Gemeinschaft in Interaktionszusammenhängen. Rituale, wie z.B. eine Convention, vermitteln durch das Erlebnis übereinstimmender Emotionen ein Gefühl der Authentizität und der generalisierten Empathie. Die Gemeinsamkeit mit anderen Fans wird also nicht über äußere Merkmale vermittelt, sondern vielmehr über den Rekurs auf innere Werte und ein gemeinsames Lebensgefühl. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine bloße Konstruktion gemeinsamer Perspektiven. Die wahrgenommenen Gemeinsamkeiten haben durchaus bis zu einem gewissen Grad eine reale Entsprechung in der Lebenswelt der Fans. Dies wird an den relativ homogenen Ergebnissen der >Lebensstilvariablen< deutlich (vgl. Kap. 5.1 - Fanidentität und Lebensstil). Die befragten Fans verbringen übereinstimmend einen großen Teil ihrer Freizeit mit Medien (Frage 2.4). Noch deutlicher weisen die Lebensziele und Werteinstellungen (Frage 8.3) auf eine relativ homogene Gruppe hin. Knapp die Hälfte der Items hat einen Mittelwert von über 4.0 bei einer 5-er-Skala, mit geringen Standardabweichungen in einem Bereich von 0.7 bis 0.9. Die reziproken Perspektiven der Fans finden ihren Ausdruck in einer »Ideologie der Gemeinschaft«. Indem die Annahme der typischerweise reziproken Perspektiven verallgemeinert wird, ist letztlich als soziale Kategorie nur noch das Fansein entscheidend. Mangels objektiver Zuschreibungsmerkmale wird jeder als Teil der Gemeinschaft akzeptiert, der sich in irgendeiner Form aktiv beteiligt und mit seiner damit demonstrierten Selbstverpflichtung ein Indiz für eine gemeinsame Perspektive liefert. 38 Der nötige Vetirauensvorschuss und die Anerkennung zwischen sich prinzipiell fremden Interaktionspartnern erfordern eine egalitäre Beziehungsstruktur. Die »Ideologie der Gemeinschaft« besteht demzufolge darin, außerhalb des Fandoms geltende soziale Hierarchien und Statusgefalle in einer solidarischen Gemeinschaft aufzuheben, und ein dominantes Orientierungsmuster vorzugeben, das die soziale Wertschätzung individueller Leistungen und die Fähigkeiten und Eigenschaften einer Person in den Vordergrund stellt. Ihren Ausdruck im Diskurs der Fans findet die »Ideologie der Gemeinschaft« vor allem in dem in STAR TREK repräsentierten Toleranzgedanken, der gemeinhin als konstitutiv für die Fangemeinde angenommen wird. Dem liegt die Idee einer >symmetrischen< Wertschätzung zugrunde, durch die »jedes Subjekt ohne kollektive Abstufungen die Chance erhält, sich in seinen eigenen Leistungen und Fähigkeiten als wetivoll zu erfahren« (Honneth 1993: 269). Eine so verstandene Solidarität setzt aber voraus, dass die anderen Interaktionsteilnehmer als Individuen betrachtet werden, »deren Eigenschaften
38 Als >Aktivität< in diesem Sinne werden, wie wir in den vorangegangenen Kapiteln gesehen haben, bereits die intensive Rezeption der Serien und andere eher individuelle Tätigkeiten angesehen (vgl. Kap. 6.2 - Subjektive Relevan::. und Einstellungen ::.um Fandom).
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von Wert für die gemeinsame Lebenspraxis sind« (Honneth 1993: 263 ), was bedeutet, dass der Andere für den Fortbestand der gemeinsamen Praxis als unverwechselbare Person notwendig ist. Das Toleranzgebot als gemeinsam geteilter Orientierungsmaßstab bildet eine wichtige Ressource für die Konstruktion der Gemeinschaft: 1. lassen sich aus dem Toleranzgebot wechselseitig verbindliche Verhaltensvorschriften ableiten. Dadurch wird die Abgrenzung nach außen ergänzt und zum Teil auch ersetzt durch eine ideelle Eingrenzung im Inneren, die sich in der Folge auch als soziale Wirklichkeit beobachten lässt. »Wenn du rein kommst in diese Serie, dann wird dir das von allen Seiten gesagt. Also ich zum Beispiel konnte darüber gar nicht nachdenken.« (Patrick: 7)
2. wird das Toleranzgebot zur praktischen Regulierung der sozialen Beziehungen genutzt. Es wird immer dann ins Feld geführt, wenn die Probleme und Widersprüche der Fangemeinschaft so weit zu Tage treten, dass sie die Idee der Gemeinschaft bedrohen. 3. verweist das Toleranzgebot auf den Serientext, der mangels verlässlicher äußerlicher Indikatoren für die geteilten inneren Werte als gemeinsame Bezugsebene aller Fans dient. Dies gilt vor allem für diejenigen Fans, die kaum mit anderen Fans interagieren und daher gezwungen sind, den signifikanten anderen Fan aus den eigenen in der Aneignung entwickelten Werthaltungen zu konstruieren. Die im Text symbolisch repräsentierten Werte werden als Erklärungsmuster der (virtuellen) sozialen Beziehung der Beteiligten herangezogen und dienen als kulturelle Ressource für eine kollektive Attribution. Die Einhaltung dieses Toleranzgebots ist in einer posttraditionalen Gemeinschaft wie dem STAR TREK-Fandom allerdings nur bedingt möglich. Hier steht zunächst die soziale Integration im Vordergrund, die auf der wechselseitigen Anerkennung von Eigenschaften beruht, die alle Mitglieder als Gesinnungsgenossen unabhängig von ihrer Person miteinander teilen. Diese Form der Integration um einen geteilten medialen Bezugspunkt schafft zwar eine gemeinsame Außenseite, die Beziehung zwischen den Mitgliedern ist dabei allerdings nur durch eine passive Toleranz gekennzeichnet, die prinzipiell nur soweit wie die eigenen ästhetischen Maßstäbe reicht. Fangemeinschaften sind demnach vor allem kategoriale Konstrukte, die symbolischen Rückhalt in einer Welt bieten, die aufgrund zunehmender indirekter Beziehungen als anonym empfunden wird. Ihre Semantik und Symbolik ist die »einer alle Differenzen überbrückenden Gemeinsamkeit die faktische soziale und räumliche Distanz vergessen lässt« (Heintz 2000: 196 t). Die Bedingungen für eine echte Gemeinschaft sind dagegen nur selten gegeben. Dies würde eine ortsgebundene Binnenstruktur voraussetzen, die über klare Grenzen verfügt, dauerhaft und verbindlich auf der Gegenseitigkeit und Gemeinschaftlichkeit der Mitglieder beruht und so ein empathisches Zusammengehörigkeitsgefühl schafft, das alle beteiligten Personen als Ganzes betrifft. Eine Fankultur setzt sich jedoch als ein loses Netzwerk verschiedener Faninstitutionen an unterschiedlichen Orten und mit unterschiedlichen
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Graden der Teilhabe zusammen, in dem nur ein Teil aller Mitglieder überhaupt in einem wechselseitigen Kontakt steht. Wahrend es so immer wieder zur lokalen Verdichtung reziproker Perspektiven kommen kann, wird dieser Prozess auf der Makroebene der Fankultur von einem »Mythos der empathischen Zusammengehörigkeit« (Hitzler/Pfadenhauer 1997: II) begleitet. Die Erklärung für die Kongruenz der gemeinsamen Interessen und Erlebnisse erfolgt über einen Rekurs auf gemeinsame innere Werte. Diese Erfahrung der prinzipiellen Offenheit und Indifferenz wird als eine reziproke Empathie verallgemeinert und im Gebot der Toleranz symbolisch abstrahiert. 39 Der Kontext des Fanrahmens übernimmt die Funktion eines signifikanten und verlassliehen Zeichens für eine bestimmte Gesinnung, die in einer über den eigentlichen Text hinausgehenden und weithin übereinstimmenden (Lebens-)Perspektive besteht. Die Ideologie der Gemeinschaft garantiert sozusagen, dass der weitgehend verlassliehe Erlebnisraum, den das Medienangebot bietet, auch seine Fortsetzung in der Fangemeinschaft findet. Dazu bedarf es eines Orientierungsmaßstabs, der allen gleichermaßen zuganglich ist und eine Zutrittskontrolle über äußere Merkmale verbietet. STAR TREK wird als Teil eines Lebensstils betrachtet, der seine symbolische Entsprechung im Serientext besitzt. »Ich bin so, und darum fühl ich mich vielleicht bei STAR TREK so wohl. [... ] Ich glaub einfach, dass ich mich in STAR TREK selber wieder finde und die Einstellungen teilweise wieder finde, die die Leute haben, die ich auch habe und des find ich toll.« (Beate: 32) Diese Entsprechung bestätigt sich auch im quantitativen Datenmaterial (vgl. Tab. 6.18). Die Wertvorstellungen der Befragten (Frage 8.3) korrelieren deutlich mit den korrespondierenden Werten, die für STAR TREK als typisch erachtet werden (Frage 3.11), oder zumindest mit >verwandten< Wetien (z.B. »Toleranz« und »offen für Neues sein«). Die »Ideologie der Gemeinschaft« entspricht also der Vorstellung einer idealen Gemeinschaft, die durch egalitäre Beziehungen zueinander gekennzeichnet ist, in denen jeder als Person Anerkennung findet. Diese hohen Ansprüche an eine unbedingte Anerkennung der eigenen Person bergen aber auch die Möglichkeit des Scheitems in sich, weil individualistische Ansprüche über die kollektive Solidarität gestellt und persönliche Freiheitsrechte zugunsten des Gruppeninteresses eingefordert werden. In dieser individualistischen Perspektive liegt eine wesentliche Ursache der Streitigkeiten unter Fans. Die unterschiedlichen Bezugspunkte zu STAR TREK stehen in Verbindung mit dem Bewusstsein, seine individuellen Bedürfnisse verwirklichen zu können, und zugleich mit einer Identifikation mit der Fangemeinde entlang innerer Werte. Dies führt dazu, dass Kritik an der Sache sehr häufig persönlich genommen wird. Die Ablehnung persönlicher Vorlieben in Bezug auf Star Trek wird mit einer Ablehnung der eigenen Person gleich gesetzt. 39 Dass es sich hierbei nur um einen »Mythos der Toleranz« handelt zeigen auch die quantitativen Daten, wo die Vorstellung von »STAR TREK als einer idealen Utopie« in keinem nennenswerten Zusannnenhang mit der Relevanz einer aktiven Beteiligung am Fandom steht, sondern nur mit der >Idee der Gemeinschaft< (vgl. Kap. 6.2 -Subjektive Relevan= und Einstellungen =um Fandom ).
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Tab. 6.18: Pearsonsche Korrelationskoeffizienten von »im Folgenden siehst Du eine Reihe von Punkten, diefür SIAII T!ihK mehr oder weniger zutreffend sind. Wie typisch sind sie Deiner Meinung nachfür STAR TREK?« (Frage 3.11) mit »Wie wichtig sind Dirfolgende Punkte im Leben?Fans flir Fans< ein unbedingter Eigenwert zugeschrieben. Die »Ideologie des Selbermachens« prägt schließlich auch entscheidend das Selbstverständnis der Fans. Sie stellt den Gegenpol zur Rolle der Fans als eine machtlose Elite dar, die keinen wirklichen Einfluss auf die kulturellen Ressourcen ihrer Kultur haben. Zudem eignet sich die Produktivität hervorragend als Gegenbeweis für das öffentliche Bild des passiven und vereinsamten Fans und infolge dessen auch als Distinktionsmittel gegenüber den Anhängern anderer populärer Medienangebote. »Es sind verhältnismäßig viele aktiv. Nehmen wir das Beispiel Schwarzwald Klinik. Wie des gelaufen ist, da sind die Leute ins Lottertal gepilgert. Aber ich hab nie was mitgekriegt, das mal ein Schwarzwald Klinik-Fan selber mal wirklich was auf die Beine gestellt hat. Die haben alle nur konsumiert. Und des ist schon des besondere an STAR TREK, ich hab nirgendwo sonst, so viele aktive Fans erlebt.« (Martin: 51) Das Bild des >produktiven Fans< besitzt allerdings auch eine mythische Funktion, durch die es auch für passive Fans Bedeutung hat. Dieses Selbstbild ermöglicht ihnen, sich mit einer produktiven und auf sozialen Kontakten beruhenden Fangemeinde zu identifizieren, ohne selbst wirklich aktiv werden zu müssen. Hier wird deutlich, dass allein die passive Teilhabe an einem Kommunikationskanal, wie z.B. einem Fanzine, dazu ausreicht, Zugang zu einer positiv besetzte Fanidentität zu erlangen. In dem Versprechen auf individuelle Selbstverwirklichung liegt jedoch auch eine ständige Bedrohung flir die Prinzipien der Egalität und Gegenseitigkeit. Das Bewusstsein, unerflillte Bedürfnisse nach Anerkennung und Selbstachtung erflillen zu können, kann leicht in ein Anspruchsdenken und egoistisches Verhalten kippen. Dies spiegelt sich in den nicht seltenen Streitigkeiten innerhalb des Fandoms wieder, die sich meist um die >richtige< Lesart und damit die Definitionsmacht drehen.
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Distinktion über den Diskurs um Authentizität Wie wir gesehen haben, ist das Konstrukt der Gemeinschaft in sich höchst widersprüchlich und wird durch spezifische Ideologien und Mythen zusammengehalten, die sowohl den unterschiedlichen individuellen Bedürfnissen genügend Spielraum lassen, als auch eine die verschiedenen Grade der Teilhabe überwölbende Vorstellung von einer Gemeinschaft konstruieren. Die Voraussetzung fiir eine authentische Erfahrung als Fan sind reziproke Perspektiven. Dafiir finden sich aber eine Vielzahl möglicher Entsprechungen auf unterschiedlichen Niveaus der Selbstverpflichtung. Das Gefühl, ein >echter Fan< zu sein, bleibt daher nicht exklusiv dem Zentrum einer Fankultur vorbehalten (vgl. Kap. 6.2- Subjektive Relevanz und Einstellungen zum Fandom). Dieser innere Widerspruch schlägt sich in typischen symbolischen Auseinandersetzungen im Inneren der Fankultur nieder. Die produktiven Fans im Kern einer Fankultur, die maßgeblich die Strukturen der Fankultur schaffen, sehen sich mit dem Problem konfrontiert, dass sie ein öffentliches Gut produzieren, das zu seinem Erhalt auf die Selbstverpflichtung und aktive Beteiligung der Fans angewiesen ist, von dem aber zahlreiche Fans profitieren, ohne selbst dazu beitragen. Daher grenzen sich die produktiven Fans von den aus ihrer Sicht mnechten Fans< ab, indem sie diese als »Trittbrettfahrer« (Martin: 5) bezeichnen, die als »Gelegenheitsfans« (Monika: 34) nur »grad Fans sind, weil es in ist« (Monika: 59). Prinzipiell ist zwar jeder, aber nicht alle willkommen. Der >unechte< Fan wird als jemand beschrieben, der nur ein vorübergehendes und oberflächliches Interesse an STAR TREK zeigt, indem er ein fertiges Produkt unkritisch konsumiert und sich in seinen Interessen außengelenkt von Moden beeinflussen lässt und daher auch nur eine geringe Bindung an den Gegenstand aufweist. Im Gegensatz dazu sind >echte< Fans kommunikativ und an der Gemeinschaft mit anderen Fans orientiert. »Also für mich macht Fan-Sein aus, nicht nur zu konsumieren, sondern auch Kontakt mit anderen Fans.« (Martin: 40) >»Wir gründenjetzt nen Fan-Club.< Weil einfach dieses Hobby zu zweit, zu dritt, zu viert viel viel mehr Spaß macht.« (Uschi: 1) Ihr Interesse entspringt einer inneren Überzeugung, die nicht zweckbestimmt auf ein kurzfristiges Vergnügen an einem Konsumgegenstand ausgerichtet ist, sondern auf einer wertrationalen Einstellung beruht. Er fühlt sich eng mit STAR TREK und den anderen Fans verbunden und steht auch in schweren Zeiten zu seiner Leidenschaft. Die eigene >Opferbereitschaft< und >Treue< wird gegenüber den auf ihren eigenen V mieil bedachten unechten Fans idealisiert. »Hab auch schon zu viele saure Gurkenzeiten mitgemacht. Wo's eben keine Serie grad gab, und war trotzdem begeistert davon.« (Martin: 40) »Die Eigenschaft eines Fans ist halt auch, dass er viel schluckt.« (Tom P.: 30) Gegenüber den unechten Fans wird der Anspruch erhoben, das >wahre< Fandom zu verkörpern. Diese Wahrnehmung stützt sich in erster Linie auf das Bewusstsein selbst Produzent der eigenen Fankultur zu sein, während andere
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nur konsumieren. »Ich würd sagen, so dieses Produktive ist das, was so den Hardcore-Trekkie von so nem Konsumenten unterscheidet. Dass er eigentlich selber etwas macht« (Patrick: 4). Diese Konstruktion stellt die Verhältnisse, die die »Ideologie der Massenkultur« zeichnet auf den Kopf Der echte Fan erscheint als Individuum gegenüber den kulturindustriell eingepassten Konsumenten. 43
Tab. 6.19: Unterscheidung !echter< von !unechten< Fans >unechter< Fan
echter Fan
unkritisch, vom Angebot beeinflusst
kritisch gegenüber Angebot
Orientierung
Konsum eines fertigen Produkts, kurzfristiges Vergnügen
Aneignung und Produktivität, langfristiger Aneignungsprozess
Anlass/Motiv
Mode- und Gelegenheitsfans, außengelenkt
innere Überzeugung, innengelenkt, wertrational
Bezugsgruppe
individuelles Interesse, nur an Gegenstand interessiert
kommunikativ an Gemeinschaft orientiert, an Personen interessiert
vorübergehendes Interesse
langfristige Bindung
kaum Bindung
große Bindung/hohe Selbstverpflichtung
Verhältnis zum Produkt
Dauer Bindung/Selbstverpflichtung
Vergleicht man nun diese Aussagen mit den Ergebnissen der quantitativen Befragung, so zeigen sich zwei relativ unterschiedliche Definitionen davon, was einen echten Fan ausmacht. Die hier durchgeflihtie Rekonstruktion des echten Fans erfolgte aus der Sicht der produktiven Fans, bei denen es sich zum Teil um prototypische Vertreter einer idealen Fankultur handelt. Die statistischen Daten geben stattdessen den Durchschnitt der Befragten Zielgruppe wieder, die insgesamt eine wesentlich breitere Perspektive umfasst. Den quantitativen Daten zufolge definiert sich das Selbstverständnis eines echten Fans in erster Linie nach der subjektiven Relevanz von STAR TREK und steht in einem engen Zusammenhang mit der Rezeption und materiellen Aneignung des Textes. Soziale Aktivitäten spielen dagegen nur bedingt eine Rolle. Generell bestimmt sich das Selbstverständnis eines echten Fans durch bestimmte Aktivitäten und Ereignisse, diefür alle Fans einen Bezugspunkt darstellen und nicht nur im Inneren einer Fankultur zugänglich sind (vgl. Kap. 6.2- Subjektive Relevanz und Einstellungen zum Fandom ). Aus Sicht der aktiven Fans besteht die ideologische Funktion der Distinktion gegenüber den mnechten Fans< darin, die Strukturen der eigenen Fankultur zu erhalten. Die Distinktion erfolgt demnach zum einen gegenüber
43 Diese Distinktion spiegelt sich z.B. in der Auseinandersetzung über die Selbstbezeichnung der Fans wieder. Einige Fans distanzieren sich von dem Begriff >Trekkieseriöser< wirkenden Begriff >Trekkerihr< Produkt hat. Zum anderen erfolgt die Abgrenzung gegenüber nachrückenden Fangenerationen. >Neue Fans< haben in erster Linie ein Interesse an der Rezeption des Medienangebots und am Erwerb kulturellen Kapitals, in Form von (Hintergrund-)Wissen über den Medientext, um ihn besser flir die individuelle Aneignung nutzbar zu machen und das eigene Vergnügen am Text zu steigern. Erst mit einer längeren Verweildauer und aktiven Beteiligung am Fandom verschiebt sich die Relevanz der Fans in Richtung der sozialen Beziehungen zu anderen. Andere Fans werden zusehends als Menschen, unabhängig vom Medienangebot interessant und weniger als Diskussionspartner für individuelle Interessen am Medienangebot »Du wirst dich nicht nur über STAR TREK unterhalten, des ist ganz klar dann. [... ] Des ist mir zu langweilig. lch will ja nicht nur mit denen über STAR TREK reden. lch will den Menschen ja kennen lernen.« (Beate: 5)
Da sowohl soziales als auch kulturelles Kapital Zeit flir ihren Aufbau bzw. ihre Verinnerlichung beanspruchen, stellen nachrückende Fangenerationen eine Bedrohung des eigenen Selbstverständnisses dar. Denn wenn diese eine andere Praxis pflegen entwerten sie damit die Investitionen der >alt gedienten< Fans und stellen deren Verdienst und Mühen für das Fandom und damit auch deren Institutionen und Identitäten in Frage. Der Schlüssel zur Reproduktion der eigenen Fankultur liegt letztlich immer darin, die eigene Perspektive durch Beziehungsarbeit und eigene Produktivität an neue Mitglieder weiter zu geben. Diese Strategie spiegelt sich in der »Ideologie des Selbermachens« und ihren Leitlinien der Gegenseitigkeit, der Kommunikativität und Produktivität sowie der wertrationalen Anerkennungskultur wieder.
Der Medientext als kulturelle Ressource Der einzige objektive und >Offizielle< Bezugspunkt für alle Fans besteht in der Serie selbst. Als letztgültige Referenz und verbindendes Element greifen die Fans immer wieder auf die ideelle Struktur des gemeinsam geteilten Medientextes zurück. Der Text vermittelt eine ganze Reihe zentraler Funktionen flir eine Medienfankultur: l. bietet er Anknüpfungspunkte flir die persönlichen Relevanzen der Fans, 2. ermöglicht er soziale Kommunikation über die Inhalte des Textes und die in ihm repräsentierten Rollen und W etivorstellungen, 3. objektiviert und symbolisiert er damit gemeinsame Erfahrungen, 4. schafft er Bezugspunktefür gemeinsame Aktivitäten, und 5. korrespondiert er als Ausdruck von Wertvorstellungen mit dem Lebensstil der Fans. Der populärkulturelle Gegenstand STAR TREK und die Strukturen und Ideologien der Fankultur stehen in einer homologen Beziehung. Die vielfältigen Aneignungspraktiken und Fandiskurse fUhren dazu, dass »besondere Gegenstände in ihrer Struktur und ihrem Gehalt der Struktur, dem Stil, den typischen
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Anliegen, Einstellungen und Gefühlen der sozialen Gruppe entsprechen und diese reflektieren« (Willis 1981: 238). Die Korrespondenz zwischen den Inhalten und der sozialen Praxis wird innerhalb einer Fankultur in einem Prozess kollektiver Attribuierung hergestellt, wobei die Fans die wahrgenommenen Gemeinsamkeiten auf das gemeinsame Interesse an dem geteilten Gegenstand STAR TREK zurückfUhren: Weil man STAR TREK ahnlieh erlebt, empfindet man sich einander auch als ähnlich. Die Mitglieder der Gruppe erkennen »sich selbst in den mehr oder minder verdrängten potentiellen Bedeutungen bestimmter symbolischer Objekte wieder« (Clarke 1979: 139). In posttraditionalen Vergemeinschaftungen spielt diese symbolische Ebene des Medientextes eine entscheidende Rolle, indem sie eine emotionale Bindung an das >Lebensgefühl STAR TREK< vermittelt und das Verführungspotential der Gemeinschaft definiert. Neben der idealen Version des Medientextes, dem inhaltlichen »MetaText« (Jenkins 1992a: 98), konstruieren die Fans auch einen >sozialen MetaTextrichtige< Verhalten der Fans beinhaltet. Die ideelle Struktur der Serienwelt bietet dazu eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten. Die Serienwelt des STAR TREK-Universums umfasst einen überschaubaren Kanon von Werten, die im Alltag zunehmend an Bedeutung verlieren, oder nur noch schwer zu verwirklichen sind. Die Identifikation mit diesen Werten gibt etwas von dieser verlorenen Welt zurück und sei es auch nur die Hoffnung, dass diese Wertvorstellungen überhaupt noch existieren und von anderen geteilt werden. »Ich seh also diesen >positiven Zukunft< Gedanken. denen ich mich identifizieren kann, die unheimlich mehr wichtig erscheinen fur junge Leute, die diese keit, Höflichkeit nennen wir mal ein paar Tugenden. petenz.« (Uschi: 8)
Und ich seh [... ] Personen mit Tugenden, die heute gar nicht einfach verkörpern. Pünktlich[... ]Zuverlässigkeit, Fachkom-
STAR TREK kann in diesem Sinne als eine Metaerzählung gelesen werden, die auf die voranschreitende Entzauberung von Werten und verbindlichen Orientierungsmaßstäben im Zuge des Individualisierungsprozesses reagiert. In der Regel sind es die menschlichen Werte, die als positiv herausgestellt werden. Andere Völker und Spezies dienen dagegen als Projektionsfläche für die negativen Eigenschaften des Menschen, der diese in der Utopie der Serienwelt bereits überwunden hat, und so auf seine früheren Entwicklungsstadien im Spiegel des anderen zurückblicken kann. Die Welt der Menschen erweist sich letztlich immer als die beste aller Welten (vgl. Hickethier 1997: 131 ), wodurch sie ihre »moralische Lufthoheit« (Tom P.: 24) behaupten können. >»Wow, sind wir toll.< [... ]Da fühl ich mich als Mensch angesprochen. Und allein der Gedanke der dahintersteht, wo du dich einfach halt auch damit identifizieren kannst.« (Kay: 12) »Das ist ne verschworene Gemeinschaft, [... ] >Wir bleiben zusammen. [... ]Wir sind die besten und wir bleiben zusammenrich-
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tigen< Werten zu folgen, mit denen zu identifizieren sich lohnt. »ich denk, wenn man sich an ner, an ner Zukunftsvision orientieren sollte, dann wärs doch am ehesten STAR TREK.Ihr habt das Potential!< Da geh ich einfach auch zufriedener wieder aus dem Ganzen raus.« (Kay: 26)
Dabei sind es vor allem die Figuren, die die Ideale von STAR TREK verkörpern und als Identifikationsobjekte dienen. Diese sind in der Regel so angelegt, dass sie einerseits zwar als nahezu perfekte Menschen der Zukunft dargestellt werden, andererseits aber genügend menschliche Schwächen und Fehler bei der Bewältigung von Konflikten zeigen, um flir den Alltag der Fans interessant zu bleiben. »Also sie waren halt irgendwie auch menschlicher, obwohl sie so, ja, herausragende Fähigkeiten hatten alle, hatten sie ja dann auch irgendwo richtige Schwächen.« (Cengiz: 9)
Die Captains der jeweiligen Serien verkörpern als Vorbild-Figuren sowohl innerhalb der Serie als auch flir die Fans prototypisch die Philosophie von STAR TREK. Als Entscheidungsträger sind es letztlich in der Regel sie, die einen Konflikt lösen müssen und damit als moralische Instanz agieren. Sie haben gewissermaßen die Lösung flir die Frage nach dem Menschsein bereits gefunden. Ihr Problem liegt vielmehr darin, diese Lösung immer wieder aufs Neue verteidigen zu müssen, indem sie in all ihren Entscheidungen einem unveräußerlichen Wertmaßstab folgen. »Er [PICARD; CW] ist der Captain. Der bewegt sich nach seinen Prinzipien, bleibt denen treu. Der ist immer so das Paradestück des Menschen irgendwie. Forscherdrang und trotzdem stark.« (Kay: 28)
Die hybriden Charaktere in STAR TREK (SPOCK, DATA, WORF, ÜDO, 70F9, HOLO-Doc; vgl. Kap. 5.1 -STAll Tl/hK-Rezeption und -Wahrnehmung) sind für die Fans dagegen vor allem aufgrund ihrer »Dualität« (Monika: 45) interessant. Sie ringen noch mit den unvereinbaren Seiten ihres Daseins, die ihnen entweder von Natur aus mitgegeben wurden (z.B. DATA, der als Maschine
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seine menschlichen Seiten entwickeln möchte) oder von außen an sie herangetragen werden (z.B. WORF, der als Klingone bei den ursprünglich verfeindeten Menschen mit deren zum Teil unvereinbaren Wertvorstellungen aufwuchs). »Um ihn [SPOCK; CW] die Menschheit kommentieren zu lassen, musste er menschliche Eigenschaften besitzen, die die Zuschauer verstehen konnten. [... ]Ich fand dass dieser Konflikt etwas sehr menschliches hatte, nämlich den Kampf zwischen Gefühl und Logik. Das geht hin bis zu der ständigen Frage, wie man sein Leben leben soll« (Leonard Nimoy [SPOCK, Tos] im STAR TREK Communicator, 76, 1/02). Die Anlage dieser Figuren ist vor allem deshalb interessant, weil sie »uns dadurch eigentlich unsere Verhaltensweisen wie einen Spiegel« (Martin: 42) vorhalten. Sie stehen tlir die Suche nach Authentizität im Sinne eines subjektiv stimmigen Passungsverhältnisses zwischen karrtligierenden inneren und äußeren Erfahrungen, die tendenziell allen Subjekten in der reflexiven Moderne gemein ist (vgl. Keupp 1999: 265). »Des ist son Brückending da, was mich da an dem wieder fasziniert. Also er [WORF; CW] lebt in zwei Welten. Weiß net richtig wo er dazu gehört. Aber identifiziert sich immer wieder mal mit der Seite und dann mit der anderen Seite und kann eigentlich in beiden Leben.« (Kay: 28) In STAR TREK werden diese Akteure mit ihren Problemen nicht allein gelassen, sondern wissen um die unterstützende Gemeinschaft ihrer Kollegen und Freunde, die ihnen immer wieder neue Chancen geben. Damit zeigen sie einen Weg aut: wie man individualistische Selbstverwirklichung mit dem Aufgehobensein in einer Gemeinschaft erfolgreich miteinander verbinden kann. Dementsprechend stellt auch das Vertrauen in andere Menschen ein zentrales Thema für die Fans dar, das in verschiedenen Facetten - Familie, Gemeinschaft, Kameradschaft, Zusammenhalt - immer wieder in den Interviews zur Sprache kam »Diese Verbindung zwischen KIRK und SPOCK. Die Verbindung zwischen diesen ganzen sieben Brückenoftizieren. Die derartig ftir einander einstehen. Dieses Musketierprinzip. Einer fur alle und alle fur einen. Und wenn wir dabei drauf gehen, aber wir halten zam. Das ist so toll. Und des ist einfach was, was mich ziemlich fasziniert [... ]Und des kommt eben bei STAR TREK so rüber, dass die Leute einfach füreinander da sind. Und des hast du halt doch sehr selten in der Wirklichkeit.« (Beate: 25) »Diese tiefe Kameradschaft, dieses empfinden füreinander, dieses auf-sich-verlassen-können wirklich bis in den Tod hinein ja, das kommt ja doch in einigen Episoden durch.« (Uschi: 10) Das Meistern von kollektiven wie auch persönlichen Herausforderungen bildet einen wichtigen Subtext der Serienhandlungen. Die Serienideologie besteht darin, jedem die Möglichkeit zu zugestehen, sich gemäß seinen individuellen Fähigkeiten zu entwickeln und durch die Unterstützung seines sozialen Umfelds Vertrauen in das Potential seiner Fähigkeiten zu gewinnen.
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Indem diese Figuren stellvertretend Probleme kultureller Identität vorführen, sind sie wichtige Rollenmodelle für eine Identitätsarbeit der Fans, weil sie zeigen, dass man mit den divergierenden Anforderungen in postmodernen Gesellschaften nicht allein zurecht kommen muss und Vorbilder dafür abgeben, wie man diese erfolgreich bewältigt. »Also des war in der Hinsicht durchaus auch nen Rollenmodell, wie man sich verhalten könnte. Weil er [SPOCK; CW] war ja in seiner Andersartigkeit akzeptiert, ja. Und da hat keiner gesagt: >Verhalte dich doch mal anders!«< (Monika: 44) Diese hybriden Figuren zeigen einen Weg aut~ wie man neuen Anforderungen gerecht werden kann, ohne sich selbst verleugnen zu müssen. »Die Entwicklung der Persönlichkeit ist toll bei ihr [MAJOR KIRA, Ds9; CW] zu sehn. [... ] Wie sie von dieser Freischärlerin zur verantwortungsbewussten Offizierin wird. Ist eigentlich toll. Ohne, dass sie sich selber untreu wird.« (Beate: 30) Oftmals sind es gerade die >fremden< Eigenschaften, wie z.B. die unbestechliche Logik von SPOCK, die zur Lösung eines Problems beiträgt. Sie liefern sozusagen Muster für gelungene Identitäten unter erschwerten Bedingungen, die die Fans handlungsentlastet im Rahmen einer para-sozialen Interaktion für sich >ausprobieren< können. Die besondere Qualität der hybriden Figuren besteht darin, quasi als Außenseiter, oder »Fremde« (vgl. Simmel 1908) bestimmte Situationen von außen zu kommentieren, sei es direkt, wie z.B. durch SPOCKS >objektiveMaschine< zu verstehen versucht, was Emotionen sind. Die humoristische Rahmung dieser Situationen- z.B. DATAs vergebliche Bemühungen, Witze zu erzählen - lässt das dahinter stehende Grundthema der Brüchigkeit moderner Identitäten, die jederzeit zum Vorschein kommen kann, zudem weniger bedrohlich erscheinen. »Am meisten mag ich den DATA. [... ]des ist ne Maschine, die zum Mensch wird. Und der kriegt immer wieder neue Chancen. Oder er stellt die Menschheit oft in Frage. Aber er hinterfragt das immer alles.« (Kay: 28) Den zentralen Fokus der >Dualität< dieser Figuren bildet der Widerspruch zwischen Vernunft und Affekt, der sich im Projekt der Moderne zunehmend auf die Seite der Vernunft und Selbstkontrolle verschoben hat (vgl. Elias 1983; Foucault 1976). Das »Paradox der Domestizierung« (van der Loo/van Rejen 1992: 39) besteht darin, dass die Menschheit im Zuge des technologischen Fortschritts, sich immer mehr den biologischen und natürlichen Begrenzungen des Daseins entziehen konnte, mit zunehmender Beherrschung der inneren und äußeren Umwelt aber auch wieder die Abhängigkeit von den Mitteln, durch die beherrscht wird, gewachsen ist. STAR TREK zeigt mit dem Rollentyp der hybriden Figuren, wie man den gesellschaftlichen Anforderungen nach Selbstkontrolle gerecht werden kann. Der >vulkanischen Lösung
Yes, I understand, T've had the same problern all my live< « (Roddenberry in Whitfield/Roddenberry 1968: 125). Als eines seiner zentralen Motive in der Konzeption von STAR TREK benennt er das Problem der Individualisierung, das er mit dem Kunstgriff einer hybriden Figur wie dem Außerirdischen SrocK thematisiert. 45 Damit hat Roddenberry bereits in den späten 60er Jahren ein wesentliches Problem der späten Moderne symbolisch repräsentieti: die spannungsgeladene und lebenslängliche Aufgabe der Identitätstindung bzw. -arbeit, die er in der existentiellen Frage »Was macht den Menschen aus?« (Kay: 27) als Grundfigur den inneren und äußeren Konflikten der Serienwelt unterlegt. In diesem Sinne vermittelt das Medienangebot STAR TREK Orientierung, Sicherheit und Vertrauen, die es zugleich als zentrale Werte eines gelungenen und, wie in der utopischen Dimension der Serie deutlich wird, auch besseren Lebens definiert.
44 Die Halbklingonen in STAR TREK (Worf und Torres) bilden dagegen eher ein Aneignungspotential ftir minoritäre Identitätspolitiken aus, da ihre andere, klinganisehe Identität gerade die in unserer Gesellschaft unerwünschten Seiten, z.B. emotionale Unbeherrschtheit und Gewalttätigkeit, repräsentiert. 45 Die Thematisierung kontingenter Identitätserfahrungen bleibt allerdings nicht auf die hybriden Figuren beschränkt. Das populärste Beispiel stellt wohl Captain PICARDs vorübergehende Assimilation in das Kollektiv der Borg dar (»Best of both Worlds« (TNG TTT/74, IV/75), das in mehreren Interviews als besonders eindringliche Sequenz erinnert wurde. Dieses Erlebnis PICAROs, der zeitweilig seine eigene Identität verliert und zu »Locutus von Borg« >gemacht< wird, repräsentiert zeichenhart überhöht die Erfahrung der Deindividuierung in modernen Gesellschaften. in denen sich der einzelne Mensch nur noch als Teil einer anonymen Masse wahrnimmt. An der >Spezies< der Borg kommt diese Thematik besonders eindringlich zum Vorschein, da hier eine Verbindung hergestellt wird zwischen den beiden Diskursen »Natur-Technik« und »Individualität-Kollektivität«, worauf nicht zuletzt das große Interesse der Fans an Borg-Folgen zurückzuführen sein dürfte.
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Die >Vertlihrungskraft< der Ideale von STAR TREK spiegelt sich auch in den Ergebnissen der schriftlichen Befragung wieder (Tab.6.20). Das Interesse der Fans an STAR TREK wird wesentlich dadurch bestimmt, dass dort das »Bild einer möglichen ZukuriftJaja, du hast mir geschrieben, danke schön.< und wir machen weiter wie gehabt.« (Monika: 21) »Da merkst du, >Wow, die geben sich halt wirklich MüheRessource< für ihn war, sowohl, was die Unterstützung tlir seine Projekte anging, als auch als lukrative Zielgruppe tlir sein expandierendes Merchandisingunternehmen »Lincoln Enterprises«. »Memos belegen, daß schon in der Frühzeit der Serie der Hintergedanke >Vermarktung< mitschwang. So dachte Gene z.B. schon beim Entwurf des Tricorders darüber nach, wie dieser als Spielzeug vermarktet werden könne« (http://www.warponline.de/; 06.06.2006). Dies ist auch den Fans nicht entgangen, die die anti-kommerzielle Haltung Roddenberrys bisweilen als »fromme Trekker-Legende« entlarven (ebd.). Aus Sicht der Fans dominiert jedoch die kulturelle Dimension der Beziehung zu Roddenberry über diese Aspekte der finanziellen Ökonomie, weil sie sich von ihm ernst genommen tlihlten und das Verhältnis zu ihm von einer weitgehenden Reziprozität der Perspektiven geprägt sehen. »Gene war zwar ein hartgesottener Geschäftsmann, aber eben doch kein >skrupelloser GeschäftemacherGeist von STAR TREK< treu blieben. Zusammenfassend ertlillt der >Mythos Roddenberry< folgende Funktionen für das Fandom: erstens symbolisiert er den ideellen Kern des MetaTextes von STAR TREK, zweitens legitimiert er die Interessen und Aktivitäten der Fans und drittens überbrückt er die eingangs diskutierten Widersprüche zwischen den Logiken der finanziellen und der kulturellen Ökonomie eines populärkulturellen Gegenstands. Viertens dient seine Person als erklärender und vereinfachender Bezugspunkt tlir die komplexe und tlir den Laien kaum zu überblickende Produktionssphäre. Die Bedeutung dieser Mythen hält auch heute noch an, obwohl mittlerweile kaum noch Protestaktionen stattfinden, STAR TREK in Dauerwiederholung läuft und seit 2002 die mittlerweile vierte spin-off-Serie produziert wird, von denen drei gänzlich ohne die Mitwirkung Roddenberrys entstanden sind. Dies verdeutlicht nochmals, dass diese Mythen mit zentralen Bedürfnissen der Fankultur in Verbindung stehen.
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Kritik an der kommerziellen Verwertung Generell ist die Einstellung der Fans hinsichtlich der kommerziellen Verwertung ambivalent. Die Fans sind sich der Notwendigkeit des kommerziellen Rahmens, der die Ressourcen ihrer Kultur bereitstellt, durchaus bewusst. »Sicher, die wollen ja Kohle machen die Leute, des muss man auch mal sehen, des ist ein Geschäft, des ist ein knallhartes Geschäft.« (Beate: 42) »Bei all dem, was STAR TREK irgendwie ist, es ist vor allem noch Unterhaltung und es ist Business, es müssen Leute angucken. Und wenn es keinen gäbe, der STAR TREK-Unterwäsche, STAR TREK-Bettücher, Getränkepuppen, Bücher, Spiele, weiß der Geier was, alles kaufen würde, dann gäbe es das nicht.« (Monika: 48) Allerdings treffen die Fans feine Unterscheidungen innerhalb dieses kommerziellen Rahmens. Zum einen lehnen sie eine Selbstkommerzialisierung im Fandom ab. Als Fan mit seinem Hobby Geld zu verdienen, widerspricht der Idee einer wertrationalen Gemeinschaft, die auf der wechselseitigen Anerkennung ihrer Mitglieder beruht und nicht auf dem Prinzip einer materiellen Entlolmung. Dies wurde besonders am Beispiel der Entwicklung des »Offiziellen STAR TREK Fan Clubs« deutlich. Wie das Beispiel der FEDCON zeigt, bei der es sich um eine kommerzielle Massenveranstaltung handelt, die dennoch ein >Muss< für viele Fans darstellt, wird die Kommerzialisierung aus den eigenen Reihen allerdings nicht grundsätzlich kritisieti, sondern immer erst dann, wenn die Wetie der Fankultur bedroht sind (vgl. Kap. 5.5- Die Convention als kom-
merzielle Veranstaltung). Zum anderen gilt die Kritik der deutschen Fans den verschiedenen Parteien der Produktionssphäre. Dem Produktionsstudio und dem TV-Sender, die ihnen als abstrakte Institutionen gegenüber treten, werden rein ökonomische Eigeninteressen unterstellt. Die Beziehung der Fans zu den verschiedenen Parteien der Produktionssphäre fallt allerdings recht unterschiedlich aus. Kritik wird vor allem gegenüber dem Fernsehsender laut, der die STAR TREK-Serien und Filme ausstrahlt. In der Programmpolitik erfahren die Fans ihre Machtlosigkeit am unmittelbarsten, wenn man einmal von der Einstellung der Produktion einer Serie absieht. Hier wird den Fans regelmäßig ins Bewusstsein gerufen, dass nicht sie die Zielgruppe der Sender sind, sondern andere werbetechnisch relevantere Zielgruppen. 5 1 »Also eigentlich sehen wir aus dem Verhalten von zum Beispiel SAT.l, das sie nicht auf die Fans hören und auch nicht hören wollen. [... ] Weil immer wieder
51 Ihr Protest richtet sich zum einen gegen sinnentstellende Veränderungen am Original durch Kürzungen, die Ausstrahlung der Episoden in der falschen Reihenfolge oder die Synchronisation. Zum anderen steht häufig der Progranunplatz in der Kritik, sei es, weil es sich z.B. um die Zeitschiene eines Regionalfensters handelt, wodurch bestimmte Bundesländer ausgeschlossen werden, sei es, weil die Programmplätze kurzfristig gewechselt werden oder weil ein Programmplatz der Serie ein Image aufdrängt, das in den Augen der Fans unpassend ist. In Deutschland hat z.B. die jahrelange Ausstrahlung im Vorabendprogramm oder am Nachmittag nicht unwesentlich zu dem Ruf einer »Kinderserie« (Beate:: 2) beigetragen (vgl. Sander 1994 Bd. 2: 424).
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Pannen passieren, wo man sagt >Ja die enttäuschen uns so. Eigentlich ist das doch unser Sender.< und du wirst dauernd durch irgendwelche Sachen enttäuscht. Und dann packen sie so ein albernes »Girlscamp« rein. Wie können die den Trekkies das antun? [... ] Das sind lauter Ohrfeigen. Und dann sagen wir >Des können die doch nicht machen. Wir sind deren KonsumentenSynchro-Bugs< ablesen, die sich insbesondere auf die Original-Serie beziehen. Die betont auf ein jugendliches Publikum ausgerichtete und auf Unterhaltung getrimmte Synchronisation (ein anderes bekanntes Beispiel dieser Praxis ist die Agenten-Serie »Die Zwei« [The Persuaders]) hatte nicht selten eine weitgehende Umdeutung der Originaldialoge zur Folge. Die unzureichende Synchronisation beginnt in der Regel allerdings schon bei den Folgentiteln. Die gerade in der Originalserie oft anspruchsvollen und anspielungsreichen Titel wurden häufig durch simple und plakative Titel ersetzt. So wurde z.B. aus dem ShakespeareZitat »By any other name« (Romeo und Julia: »A rose by any other name would
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Serie folgte, betroffen waren. Der >Kampf( gegen solche Eingriffe sensibilisierte diese Fans für weitere Übergriffe. Wahrend die älteren Fans, die nur eine Serie hatten, noch unmittelbar von Entscheidungen der Produzentenseite betroffen waren, werden die jüngeren Fans dank des größeren Angebots heute nur noch selten mit Einschränkungen auf der Angebotsseite konfrontiert. Dementsprechend hat sich auch das Konfliktpotential unter den Fans entschärft und verteilt sich, soweit noch vorhanden, auf verschiedene Fangruppen.
6.3 Die Fankultur im Wandel Da es sich bei einer Fankultur um eine soziale Konstruktion handelt, unterliegt sie ständigen Veränderungen. Dies hat spezifische gesellschaftlichhistorische Artikulationen zur Folge, die sich in Form von Entwicklungsstufen beschreiben lassen. Diese historisch spezifischen Artikulationen einer Fankultur ist abhängig von drei externen Einflussfaktoren (vgl. Tulloch 1995b: 140): 1. der soziale und historische Kontext, und die damit verbundenen Ideologien, die spezifische Modelle für den Sinn und die Legitimität von Aneignungsprozessen diskursiv vermitteln, 2. die institutionelle Macht der Produzenten, die den Text mit bestimmten Bedeutungen versehen und an der effektiven Kommunikation dieser Bedeutungen arbeiten (z.B. durch Zeitschriften, Pressekommentare, Merchandisingartikel, Events) und 3. die Texte selbst, deren Inhalte und Form spezifische Formen der Aneignung und Interpretation nahe legen und von den Fans entsprechend ihrer unterschiedlichen sozialen Kontexte, den historischen Traditionen einer Fankultur und eines diskursiv erarbeiteten Meta-Textes bewertet werden. Das Mit-, Gegen- und Ineinander dieser drei Ebenen, formiert die >Objektiven< Bedingungen der Aneignungsformation des Fandoms, d.h. die spezifischen Deutungsmuster und Praktiken der Nutzung des Medienangebots sowie die Ideologien außerhalb und innerhalb einer Fankultur. Dabei lassen sich folgende historische Phasen unterscheiden.
1. Zeit bis zum ersten Film (1966-ca. 1979) - Die Ursprünge des Fandoms in den USA Als Ursprung des organisierten Fandoms gilt gemeinhin die von Bjo Trimble organisierte Brietkampagne zum Erhalt der Originalserie (vgl. Alexander 1997: 381 f; Kap. 4). Die heute bekannten Strukturen des Fandoms entwickelten sich in den darauf folgenden Jahren zunächst im amerikanischen Raum. Im Fahrwasser des großen Erfolges von STAR TREK, der mit der großflächigen Ausstrahlung der Originalserie bei einer Vielzahl lokaler Sender in den USA einsetzte, erlebte auch das Fandom in der ersten Hä.lfte der 70er Jahre seinen ersten Höhepunkt, als Conventions mit mehreren Tausend Besuchern
smell as sweet.«) schlicht »Stein und Staub« oder aus »For the world is hollow and 1 have touched the sky« »Der verirrte Planet«.
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an der Tagesordnung waren (vgl. Bacon-Smith 1992: 11 f; Jenkins/Tulloch 1995: 10t). 55 In STAR TREK fanden die Fans einen populären Medientext, der dank seiner Ausstrahlung im Fernsehen nicht nur ein breites Publikum begeistern konnte, sondern damit erstmals auch die Exklusivität der literarischen Zirkel der Science Fiction-Community überwand. »ScienceFiction-Fans selber lesen viel, für die sind die Autoren wichtig. Wenn du auf Science Fiction-Cons gehst, wirst du immer Autoren finden und ftir die ist das natürlich eine tolle Gelegenheit mal ihr Publikum direkt zu finden. Bei STAR TREK ist es so, also sagen wir mal der überwiegendere Teil, ist nicht unbedingt Science Fiction-Fan, sondern die Fans von Schauspielern. Deshalb sind auch im MediaFandom im allgemeinen sehr viele Frauen dabei. Tm Science Fiction-Fandom wirst du 80 bis 90 Prozent Männer finden.« (Robert: 2tY" Mit dem neuen Verbreitungsmedium Fernsehen, das eine breite Öffentlichkeit erreichte, konnten die angestammten männlichen Strukturen des SFFandoms aufgebrochen werden. Die Fankultur, die sich um STAR TREK konstituiert hat, verdankt sich zu einem großen Teil den Aktivitäten weiblicher Fans wie die Studien von Jenkins (1992a) und Bacon-Smith (1992) anschaulich belegen. Diese Entwicklung wiederholte sich in Deutschland erst mit großer Verzögerung und insgesamt sehr viel langsamer im Verlauf der 80er Jahre. Die Ereignisse wie auch der Kontext dieser Zeit, d.h. insbesondere der enge Kontakt zu dem Produzenten Roddenberry, dessen Selbstdarstellung (vgl. Kap. 6.2- Das ambivalente Verhältnis zur Produktionssphäre) zusammen mit den erfolgreichen Fanprotesten zentrale Muster fiir die »Selbstnarrationen« (vgl. Keupp et al. 1999: 207ft) der noch jungen Fangemeinde darstellten, haben das Selbstverständnis der STAR TREK-Fans bis heute wesentlich geprägt.
2. Zeit bis zur zweiten Serie (ca. 1980-1990)- Entstehung der Fankultur in Deutschland In Deutschland begann das organisierte Fandom 1980 mit der Gründung des Berliner Clubs »STAR FLEET COMMAND« (SFC). Wichtige Einflussfaktoren waren dabei die erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit für STAR TREK im Zuge des ersten Kinotilms 1979 (»STAR TREK- The Motion Picture«) sowie ein in den Jahren zuvor mit erfolgreichen Filmen wie »Star Wars« (1977) oder »Die unheimliche Begegnung der dritten Art« (1977) gewachsenes Publikum für das Genre der ScienceFiction (vgl. Jenkins/Tulloch 1995: 13). Das erste Trekdinner wurde ebenfalls von Angehörigen dieses Clubs 1985 in Berlin veranstaltet. Conventions fanden in Deutschland erst mit Beginn der 90er Jahre regelmäßig statt.
55 In diese Zeit fallt auch die Gründung des »STAR TREK Welcomittee«, das sich als zentrale Informations- und Anlaufstelle ftir Fans verstand (vgl. Bacon-Smith 1992: 82ft), sowie die erfolgreiche Kampagne zur Benennung des ersten NASASpaceShuttles mit dem Namen »Enterprise«. 56 Diese Unterscheidung trifft auch Bacon-Smith. Sie stellt fest: »Before STAR TREK, the only women who attended meetings and conventions were the girlfriends offans or women looking formen« (Bacon-Smith 1992: 17).
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Diese Phase des Fandoms lässt sich vor allem als eine Zeit des Mangels beschrieben. Mitte der 80er Jahre steckten die Strukturen des deutschen Fandoms noch in den Kinderschuhen, weshalb es nur wenige Gelegenheiten andere Fans zu treffen gab. Die einzigen Möglichkeiten zu einem Kontakt unter Fans boten bis dahin Clubs und ihre Fanzines. Die damals existierenden Clubs waren jedoch nicht sehr bekannt und daher für interessierte Fans nicht ohne weiteres zugänglich. Dadurch waren die Möglichkeiten für die Erfahrung einer Gemeinschaft unter den Fans noch sehr begrenzt. Ebenso gab es nur eine sehr rudimentäre Versorgung mit Informationsmaterial: deutschsprachige Zeitschriften zum Thema SF und STAR TREK gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, und englischsprachige SF-Zeitschriften waren nur selten erhältlich. »Früher hast du dir eirunal irgendwie am Bahnhof ein >Starlog< [ein amerikanisches SF-Magazin; CW] ergattert. Ja, und dann hat der beim nächsten Treffen, hat er die neuesten Neuigkeiten, die warn übern halbes Jahr alt, aber egal. Es waren die neusten Neuigkeiten. [... ]du hast die >Starlog< gehabt und warst der Held.« (Claudia: 3) Hinzu kommt, dass zu dieser Zeit die Original-Serie kaum im Fernsehen zu sehen war. 57 Außerdem verfügten die Fans noch nicht über Videorekorder, die alternative Bezugskanäle aus Amerika eröffnet hätten. Die Bedürfnisse nach einer Aneignung von STAR TREK wurden noch nicht seitens der Kulturindustrie befriedigt, sondern konnten nur durch eigene Aktivitäten gestillt werden. Die ersten Fanclubs eröffneten zu dieser Zeit den Zutritt in eine andere Welt. Sie zeigten den Fans nicht nur, dass es auch noch andere Gleichgesinnte gab, sondern boten auch zahlreiche Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden und Mitstreiter bzw. ein Publikum für eigene Projekte zu finden. »Und ich zum Beispiel bin Fan geworden zu einem Zeitpunkt da gab's die Serie nur in Wiederholungen. Da war im Prinzip absolut tote Hose. Die Fanklubs hatten eigentlich nichts, wo sie was Neues berichten konnten, sozusagen >Was machen die Schauspieler?< oder so was. [... ] Da gab's auch noch keine Videorekorder, die wenigsten Fans hatten Folgen auf Video daheim. Drum war's n Highlight wenn man auf einer Con ne Folge kucken konnte und sogar noch im Original. Ja und weil es eben auch nichts gab, sind die Fans zwangsläufig selber aktiv geworden.« (Martin: 12)
Aufgrund der noch recht begrenzten Strukturen der Fankultur machten die Fans weitgehend ähnliche Erfahrungen. Die Regeln, nach denen die Fankultur funktionierte, galten dementsprechend meistens implizit. Diese Situation wirkte insofern prägend, weil die Fans »zwangsläufig selber aktiv« werden mussten, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Die Erfahrung, »saure Gurkenzeiten« (Martin: 41) mitzumachen, »wo's eben keine Seriegrad gab« (ebd.) und »trotzdem begeistert« (ebd.) gewesen zu sein, schuf eine enge Verbin-
57 Bis zu diesem Zeitpunkt waren in Deutschland überhaupt erst knapp die Hälfte aller Folgen im Fernsehen ausgestrahlt worden. Nur 1982 wiederholte das ZDF die 39 bis dahin schon einmal gezeigten Tos-Folgen.
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dung, sowohl unter den Fans, als auch zu dem einzigen verfiigbaren Medientext, der CLASSIC-Serie. Die ersten Kontakte mit anderen Fans waren so in der Regel automatisch mit einem Gemeinschaftsgefühl sowie einer produktiven Fankultur verbunden. Aus diesen Erfahrungen entsprangen die zuvor in Kap. 6.2 - Ideologien und Mythen der Fankultur rekonstruierten typischen Ideologien der Fankultur. Diese sind also eng mit der Entstehung der Fankultur und ihren Institutionen verbunden, wodurch ein homologe Struktur entstehen konnte, die weitgehend unabhängig war von dem kommerziell bereit gestellten Warenangebot, obwohl sie zugleich auch immer untrennbar auf dieses verwiesen ist. Zudem hatten die Fans zu dieser Zeit noch sehr stark mit der gesellschaftlichen Stigmatisierung zu kämpfen. Der Ruf einer >Kinderserie
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7.
ZUSAMMENFASSUNG, RESÜMEE UND AUSBLICK - AUF DEM WEG ZU EINER »THEORIE DER FANKULTUR«
Mit der vorliegenden Studie wurde der Versuch unternommen, an einem prominenten Beispiel, der Fankultur der STAR TREK-Fans, exemplarisch die typischen Sinnstrukturen einer Medienfankultur als Antwort auf typische Probleme in einer spätmodernen Gesellschaft herauszuarbeiten. Die sozialen Strukturen und kulturellen Praktiken stellen demnach Muster der Daseinsbewältigung und -gestaltung in einem spezifischen gesellschaftlich-historischen Kontext dar. Insofern stellt diese Studie nicht nur einen ersten Schritt in Richtung einer »Theorie der Fankultur« dar. Sie liefert darüber hinaus grundlegende Bausteine für eine »Theorie posttraditionaler Vergemeinschaftung«, die für eine Analyse gegenwärtiger Formen der Lebensführung basalen Charakter besitzt. Bisherige Fanstudien beziehen sich in der Mehrzahl auf die Fankultur im engeren Sinne, die produktiven und sozial dicht vernetzten Mitglieder im Kern einer Fankultur. Dementsprechend dominiert in diesen Darstellungen auch die Betonung weitgehend reziproker Perspektiven, die als hohes Maß flir »trust and community and security« (Bacon-Smith 1992: 6) erfahren werden oder auch als utopische Gemeinschaft, die es den Fans gestattet, »to maintain [ ... ] sanity in the face of the indignity and alienation of everyday life« (.Jenkins 1992a: 281). Dies führt zu der These, dass Fans für Fans meist die ideale Gesellschaft sind, weil sie zusammen eine intersubjektive Welt konstituieren, in der wechselseitig derselbe Sinn- und Werthorizont unterstellt werden kann (vgl. Brüdigam 2001: II 0). Diese vereinfachte Annahme einer Reziprozität verstellt jedoch den Blick auf die Heterogenität posttraditionaler Gemeinschaften und damit den Konstruktionsprozess gemeinsamer Perspektiven und deren unterschiedliche Reichweite. Das Problem offener kultureller Bereiche ist ihre Heterogenität, die die Ausbildung einheitlicher Relevanzstrukturen hemmt, da nur ein kleinerer Teil der Mitglieder auch wirklich (oder gar regelmäßig) miteinander interagiert. Die Reichweite der Verbindlichkeiten hängt prinzipiell von den unterschiedlichen Teilhabeformen ab, die verschiedene Grade der Selbstidentifikation aufweisen können. Entscheidend flir einen intersubjektiv geteilten Bezugsrahmen ist, dass Handlungen von der Erwatiung getragen werden, dass sie von anderen entsprechend ihrem subjektiv gemeinten Sinn interpretiert werden und auch diesbezügliche Reaktionen nach sich ziehen. Diese »Idealisierung der Reziprozität der Perspektiven« (Schütz 1971: 12ft) lässt sich jedoch in der Praxis vielfach nicht einlösen. Auf der Ebene des Alltagshandeins werden Realitätsunterstellungen so lange für wahr gehalten, bis sie sich auf Erfahrungsebene als unzutreffend erweisen. Das subjektiv zuhandene Wissen ermöglicht es einem Akteur, »mit unterschiedlichem Grad an Gewissheit davon auszugehen, dass das, was er tut, auch tatsächlich das ist, was er zu tun glaubt« (Hirseland 1999: 107). Da Medienfankulturen in der Regel weitgehend un-
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sichtbar für den nonnalen Konsumenten sind, sind Fans zunächst darauf angewiesen, für ihre Situationsdefinitionen im Umgang mit anderen Fans die eigenen Erfahrungen in der individuellen Aneignung der Medientexte als intersubjektiv gültig anzusehen. Spätestens in der handlungspraktischen Umsetzung werden die das individuelle Handeln rahmenden sozialen Konstruktionen mit materiellen Problemen und Legitimitätsfragen konfrontiert, was Konflikte über angemessene Wirklichkeits- und Regelauffassungen nach sich zieht und spezifische Lösungsstrategien erfordert. Subjektiv wird das Fansein erlebt als Selbstreflexion über die individuelle Relevanz des Medienangebots flir das eigene Leben und die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Je größer die Relevanzen des in der Fankultur vorgefundenen Sinnsystems und die damit gemachten Erfahrungen subjektiv sind, umso eher werden Mit-Fans als für die gemeinsame Praxis relevante Andere betrachtet, mit denen man eine weitgehend reziproke, verlässliche und dementsprechend unproblematische Perspektive teilen kann. Übereinstimmende Perspektiven verweisen auf eine vergleichbare Relevanz und Funktion und werden in der gemeinsamen Praxis als ein kongruentes Maß an Selbstidentifikation mit dem Gegenstand und der Fangemeinde interpretiert und erlebt, was umgekehrt eine Subjektposition definiert, die der Gemeinschaft eine vergleichbare Autorität und Sanktionskraft über die eigenen Handlungen als Fan zuweist. Das Wir-Bewusstsein der Gemeinschaft ist das Ergebnis der Selbstreflexion einzelner Fans, deren Erwartungen an eine wie auch immer geartete Gemeinschaft sich dauerhaft erfüllt haben. Durch eine dauerhafte Partizipation an Kommunikationskanälen gelingt es, Vertrauen in den >Erfolg< eines Erlebnisangebots aufzubauen, indem von früheren Erlebnissen auf deren Wiederholbarkeit geschlossen wird. Dies kann sowohl durch die Teilhabe an der Fankultur geschehen, infolge der sich die Beteiligten wechselseitig als typischen relevanten Anderen wahrzunehmen lernen (vgl. Berger/Luckmann 1969: 58; Schulze 1996: 459-469), als auch durch einen Prozess, der ausgehend vom Wissen um ein gemeinsames Interesse die Anderen als ähnlich »konstruiert«. Als Beweis für den Erfolg einer Erlebnisstrategie dient zum einen die Attraktivität für eine größere Anzahl an Personen - gemessen an den jeweiligen Einschaltquoten - zum anderen der offen-sichtliche Erlebniserfolg bei den Mitkonsumenten (vgl. ebd.: 465), wie er v.a. bei den erlebnisintensiven Conventions besonders gut beobachtet werden kann. Eine weitgehend gemeinsame Perspektive entsteht nur dort, wo die gemeinsamen Interessen vorübergehend alle anderen Antagonismen überdecken, z.B. bei Großereignissen wie einer Convention, oder eben über die Projektion der eigenen Erfahrungen in der individuellen Aneignung auf andere potentielle Mitfans. Das bedeutet, dass auch Personen, die sich selbst kaum an einer Fankultur beteiligen und keine sozialen Kontakte zu anderen Fans aufbauen, weil sie beispielsweise lediglich passive Mitglieder in einem Club sind oder nur gelegentlich eine Convention besuchen, eine hohe Selbstidentifikation mit dem Fandom besitzen können. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie sich intensiv mit dem Medientext beschäftigen. Grundsätzlich gibt es flir die Mitglieder einer Fangemeinschaft verschiedene Möglichkeiten sich selbst als Teil einer größeren Gemeinschaft zu erfahren:
ZUSAMMENFASSUNG, RESÜMEE UND AUSBLICK
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Durch das gemeinsame Interesse an einem Gegenstand - in diesem Fall die Rezeption der Serien und Filme sowie der damit verbundenen weiteren Produkte des Medienverbundes STAR TREK- und die Verallgemeinerung der individuellen Erfahrungen auf die Perspektive einer Bezugsgruppe, mit der man aber nicht direkt interagiert. Über die öffentliche Beschreibung der Bezugsgruppe, die im vorliegenden Fall eine in der Regel negative Konnotation besitzt (vgl. Kap. 6.1 Das öffentliche Bild des Fans). Durch mediale Selbstdarstellungen bzw. veröffentlichte Diskurse in den eigenen Medien der Fankultur. Über gemeinsame Erlebnisse an typischen Treffpunkten (z.B. Conventions, Kinovorführungen). In symbolischen Beziehungen zu und Konflikten mit anderen Gruppen wie z.B. anderen Fans (vgl. Kap. 6.1 -Strategien der Identitätsbehauptung) oder der Produktionssphäre und deren Vertretern (Autoren, Darsteller, Fernsehsender etc.) (vgl. Kap. 6.2- Das ambivalente Verhältnis zur Produktionssphäre ).
Eine Fankultur stellt also das Ergebnis direkter wie auch medial vermittelter Interaktionen dar. Es handelt sich um einen spezifischen »ZeichenBedeutungskomplex« (Schulze 1996: 432), auf den sich viele Fans verständigen können, der aber durchaus eine Vielzahl an unterschiedlichen Perspektiven beheimaten kann. Entscheidend ist es daher, einen gemeinsamen Nenner zu finden, der als überwölbender Rahmen sowohl die Erfüllung individueller Erlebnisstrategien gestattet, als auch genügend gemeinsame Befassungsanlässe bietet, damit sich eine Fankultur interaktiv stabilisiert und reproduziert. Eine dauerhafte und verlässliche Fankultur, muss daher über Institutionen und situative Bedingungen verfügen, die sich zum einen laufend selbst reproduzieren. Erst die spezifischen Ideologien und Rituale einer Fankultur überführen die vielfliltigen partikulären Sonderinteressen in gemeinsame kollektive Interessen jenseits des thematischen Bezugspunkts STAR TREK, indem sie die für posttraditionale Gemeinschaften typischen Widersprüche und Probleme für alle sichtbar machen und (zumindest auf ideologischer Ebene) lösen. Typische Widersprüche und Probleme sind, ohne sie im Einzelnen nochmals auszuführen (vgl. dazu Kap. 2): • die fließenden Grenzen der freiwilligen Wahlgemeinschaft, die (auch gewollt!) über keine objektiven Ein- und Ausschlusskriterien verfügt • die fehlenden Möglichkeiten, das eigene Bild in der Öffentlichkeit zu kontrollieren, mit der Konsequenz der weitgehenden Unsichtbarkeit des eigentlichen Fanlebens und einer häutigen Stigmatisierung • die Heterogenität einer Kultur, deren Mitglieder sich allein durch eine Selbstverortung rekrutieren, mit der Konsequenz einer Vielzahl unterschiedlicher Interessen und kultureller Bedürfnisse, die die Herausbildung einer einheitlichen und verbindlichen Relevanzstruktur erschweren • das Fehlen eines einheitlichen Ortes und einer durchgängigen hierarchischen Ordnung von denen aus die kollektive Identität und die diversen Rollen definiert werden • die Instabilität und Ungewissheit, mit der der Umfang und die Konnotation des Wir-Bewusstsein tatsächlich von anderen aktuell und zukünftig geteilt wird
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der Anspruch auf prinzipielle Gleichheit aller Mitglieder parallel zu dem Wunsch, in der Fankultur Anerkennung für die individuelle Einzigartigkeit und Besonderheit zu erhalten der Ausschluss von der Verfügungsmacht über die kulturellen Ressourcen der eigenen Kultur, was per se eine antagonistische Haltung gegenüber den Produzenten dieser Kulturwaren impliziert die begrenzte Reichweite der Kultur, d.h. das Problem der Einbindung in den Alltag anderer Lebensbereiche
Eine Fankultur stellt letztlich die mehr oder weniger institutionalisierte Lösung für diese Probleme dar. Sie schafft einen organisatorischen Rahmen für die vielfaltigen Aktivitäten der Fans, stellt Deutungs- und Orientierungsmuster bereit, die deren Praxis legitimiert, und bietet einen Möglichkeits- und Schutzraum für die Identitätsarbeit der an ihr teilhabenden Fans. Sie steckt einen Rahmen ab, der es den Fans gestattet, die für sie relevanten Situationen selbst zu definieren, und bietet Rollen an, durch die man sich selbst im lnteraktionsgeflecht der Fankultur sowie als Fan in der Gesellschaft verorten kann. Die Fankultur ist somit als ein angeeigneter Raum zu verstehen, der die Selbstwahrnehmung der Mitglieder organisiert. Von diesem Raum aus ist es möglich, als Fan zu agieren, ohne sich vollständig gesellschaftlichen Vorstellungen anpassen zu müssen. Sie funktionieti als Sinnlieferant, der die >zufällige< gemeinsame Perspektive verschiedener Menschen interaktiv und kommunikativ stabilisiert. Ihre Institutionen gewährleisten einen gewissen Objektivitätsgrad, der für die Mitglieder der Gruppe nachvollziehbar ist, im Handlungsvollzug die Selbstauffassung und Selbstverpflichtung der Akteure bestimmt und dafür sorgt, dass eine für den Fortbestand notwendige Tradierung und (Selbst-)Kontrolle möglich ist. Dies gelingt jedoch nur, wenn eine Verbindung zwischen den vielfältigen kulturellen Sonderinteressen und den sozialen Orientierungen hergestellt werden kann, wenn also das Selbstbild der Fans, die semantische Struktur der Serienwelt und der Erlebnisraum Fankultur in einer »homologen Beziehung« (vgl. Clarke 1979: 179) zueinander stehen. Im Folgenden sollen nun die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie noch einmal zusammengefasst und kritisch im Hinblick auf die zentralen Forschungsfragen nach dem Potential der Vergemeinschaftung und Identitätsbildung im Rahmen des Versuches einer eigenständigen kulturellen Produktivität beleuchtet werden. Dies schließt auch ein Resümee der methodischen Praxis dieses Forschungsvorhabens mit ein. Abschließend werden einige Linien für die Verallgemeinerung dieser Fallstudie aufgezeigt, die zugleich Ansatzpunkte und Perspektiven für die weitere Forschung zu Fankulturen und Formen posttraditionaler Vergemeinschaftung bilden.
ZUSAMMENFASSUNG, RESÜMEE UND AUSBLICK
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Die Institutionen der Fankultur
Das Fandom verfügt, wie wir gesehen haben, über eine ganze Reihe von Kommunikationskanälen, Treffpunkten und Ritualen (Trekdinner, Clubs, Fanzines, Conventions, Rollenspiele etc.). Die verschiedenen Einrichtungen der Fankultur markieren Ausschnitte aus der sozialen Wirklichkeit des Fandoms und sind als solche Orte fiir die Ausbildung reziproker Perspektiven und der sozialen Identität der Fans. Im Gegensatz zu einer symbolisch über die Rezeption des medialen Angebots vermittelten Selbstidentifikation mit einer virtuellen Interpretationsgemeinschaft handelt es sich hier um intersubjektiv konstituietie Wirklichkeitsbereiche, in denen sowohl individuelle als auch kollektive Bedürfnisse befriedigt werden. Im Folgenden soll nun noch einmal ein Überblick über die in Kapitel 5 rekonstruierten Sinnstrukturen der Treffpunkte und Medien der kleinen Lebenswelt der STAR TREK-Fans erfolgen und eine zusammenfassende Diskussion der Funktion für die Vergemeinschaftung und Identitätsbildung unternommen werden.
Trekdinner Trekdinner sind regionale Institutionen, die einen sozialen Fan-Rahmen konstituieren, der sowohl offen für verschiedene Faninteressen ist, als auch eine zwanglose Teilhabe auf unterschiedlichen Niveaus ermöglicht. Der gruppenspezifische Aneignungsstil steht daher in einem permanenten Aushandlungsprozess, in dem vor allem diejenigen einen prägenden Einfluss haben, die sich am aktivsten einbringen und die größte Bindung aufweisen. Der Leiter eines Trekdinners verkörpert den jeweiligen Aneignungsstil prototypisch und nimmt deshalb die Rolle einer Integrationsfigur ein. Die Bedeutung dieser Stammtische besteht vor allem darin, direkte soziale Beziehungen zwischen den Fans herzustellen, die bei häufigeren Besuchen regelmäßig in einer großen emotionalen Verbundenheit der Teilnehmer münden. Trekdinner entfernen sich daher oftmals recht weit vom gemeinsamen Anlass STAR TREK und nehmen die Form eines Zusammentreffens von Freunden an, die sich über >Gott und die Welt< unterhalten. Obwohl das eigentliche Thema STAR TREK im Laufe der Zeit für viele Fans gar nicht mehr im Vordergrund steht, bildet >ihr< Trekdinner aufgrund der doti entstandenen intensiven sozialen Beziehungen den zentralen Bezugspunkt für das Dasein als Fan. Für persönliche Identitätsprojekte bieten Trekdinner eingangs nur wenig Potential. Vielmehr steht dort die gleichberechtigte Interaktion aller Teilnehmer im Vordergrund, die ein hohes Maß an Intersubjektivität garantiert. Trekdinner zeichnen sich daher auch durch einen eher alltäglichen Charakter aus. Nichtsdestotrotz spielen Trekdinner eine wichtige Rolle für die Sozialisation der Fans, da sie nahezu die einzige Möglichkeiten eines regelmäßigen und direkten Kontakts unter Fans bieten, der über das soziale Netzwerk des persönlichen Freundeskreises hinausreicht und damit einen Bezug zur Fankultur vermittelt. Die Form dieser Veranstaltung begünstigt bestimmte Arten des Kontaktes und der Fanpraxis, wie z.B. das Reden über STAR TREK (z.B. Klatsch und interpretierende Gespräche), während andere Aktivitäten (z.B. Modellbau,
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Computerspiele) in diesem Rahmen weniger gut aufgehoben und daher nur von sekundärer Bedeutung sind. Die Gespräche während eines Dinners sind zwar Teil eines Fandiskurses, indem Wissen und Interpretationen eingebracht, weitergegeben und ausgehandelt werden, vorrangig haben sie aber eine phatische Funktion und dienen der Kommunikation über geteilte Normen, Werte und Rollenvorstellungen. In ihren Gesprächen entwickeln die Besucher eines Dinners einen eigenen Aneignungsstil und eine misgebundene kulturelle Ökonomie (z.B. über die thematische Abgrenzung), wodurch sie sich im übergeordneten sozialen Kontext der Fankultur lokalisieren. Trekdinner stellen damit ein Bindeglied dar, zwischen dem Alltag der Fans und ihrer spezifischen Fanidentität Der Besuch eines Trekdinners allein verweist allerdings noch nicht zwangsläufig auf eine ausgeprägte Bindung an die Fangemeinschaft, da der Bezug zur übergeordneten Fankultur in der Regel nicht allzu ausgeprägt ist und eher ein breiteres Spektrum des Lebensstils der Fans (z.B. Kinofilme und andere Fernsehsendungen) zum Tragen kommt. In einigen Fällen lässt sich daher beobachten, dass die Teilnehmer den Verbindlichkeitsgrad durch die Gründung eines Clubs oder Vereins steigern. Mit diesem Schritt zu einer Institutionalisierung werden die Rollen der Mitglieder definiert, die Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft abgesicheti, ein gemeinsamer Wertekonsens geregelt und die Interaktionsform als solche nach innen und außen legitimiert. Damit wird sowohl eine höheres Maß an Stabilität und Sicherheit erreicht, als auch ein stärkerer Bezug zur übergeordneten Fangemeinschaft vermittelt als bei einem Trekdinner.
Überregionale Clubs Überregionale Fanclubs sind zentrale Institutionen der Fankultur. Sie vermitteln zwischen der Mikroebene verschiedener lokaler Szenen und einzelner Fans und der Makroebene des Fandoms. Insofern markieren sie Knotenpunkte im sozialen Netzwerk der Fankultur und fungieren als Foren für die verschiedensten Aktivitäten und Diskurse. Das Medium, mit dem Clubs ihre verschiedenen Funktionen erflillen, sind die Fanzines. Fanzines vermitteln Kontakte zu anderen Fans und gewähren Neulingen einen Einblick in die soziale Welt des Fandoms. Des Weiteren sind Fanzines, neben dem Internet die wichtigste Institution für die Verbreitung von Neuigkeiten und relevantem Wissen. Sie kommen damit dem großen Informationsbedürfnis der Anhänger einer Fankultur entgegen, die von kommerziellen Zeitschriften nur zum Teil befriedigt werden kann. Zudem findet in den Fanzines ein großer Teil des Diskurses statt, in denen ein MetaText als gemeinsamer Bezugspunkt für die Interpretation der Primärtexte konstruieti wird. Damit tragen Fanzines entscheidend zur Reproduktion des Fandoms sowie zu dessen Selbstreflexion bei. Neu hinzu kommende Fans werden durch die Lektüre sozialisieti, während >eingefleischte< Fans in der gemeinsamen Perspektive eines Fanzines eine Bestätigung ihrer Fanpraxis und -identität erfahren. Insbesondere Fanzines mit einer großen Reichweite kommt daher ein institutioneller Status zu. Sie repräsentieren verdinglicht in ihrer symbolischen Praxis eine spezifische Club- und Fankultur. Dies zeigt sich sowohl in den Inhalten, der Aufmachung wie auch im Verhältnis von aktiven und passiven Mitgliedern eines Clubs. Die Mitgliedschaft in einem Club ist demzufolge nicht beliebig, sondern häutig auch Ausdruck eines bestimmten Selbstbildes als Fan.
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Dies wird insbesondere am Typ des »Clubs als Forum« deutlich. Dieser stellt nicht nur eine bestimmte Variante des Fandoms dar, er verkörpert in seiner sozialen und kulturellen Praxis vielmehr die Kultur des Fandoms idealtypisch. Diese Art des Fanclubs versteht sich als Fanclub von Fans für Fans. Dieses Prinzip eines Forums für die Produktivität und die sozialen Kontakte der Fans repräsentieti in idealer Weise die kulturelle Ökonomie des Fandoms. Hier können und sollen die Fans selbst zu Produzenten ihrer eigenen Kultur werden. Dadurch werden die Clubs zur Keimzelle einer »kulturellen Schattenwirtschaft« (Fiske 1997: 54), die sie allerdings in besonderem Maße von der Duldung durch die Produzenten abhängig macht, weil sie sich mit ihren Produkten ständig in einer Grauzone bewegen, die ihnen als Urheberrechtsverletzung ausgelegt werden kann. Die ausdrücklich nicht- bis antikommerzielle Haltung in diesen Clubs speist sich zum Teil aus dieser Erfahrung. Sie beruht allerdings auch auf dem Bewusstsein, selbst vom Konsumenten zum Produzenten zu werden und es den Profis gleich tun zu können. Ein wesentlicher Reiz der aktiven Mitarbeit in einem Club besteht darin, Selbstbestätigung durch die Verwirklichung eigener Fanprodukte zu erhalten. Dies wird durch eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung begünstigt. Damit bestätigt man sich nicht nur selbst, indem man sich beweist, den selbst gesetzten Herausforderungen und Standards gerecht werden zu können, sondern man erhält zudem ein positives Feedback sozial relevanter Anderer. Die Wetigemeinschaft des Clubs entlohnt die symbolische Arbeit der produktiven Fans immateriell in Form eines positiven Selbstwerts. Soziale Anerkennung gilt zwar zunächst der Leistung des einzelnen. Sie bezieht sich aber zugleich auf die Gemeinschaft, die den einzelnen erst zu dieser Leistung betahigt. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist daher eng mit der Sozialform des Fandoms, an der man sich orientiert, verbunden. Diese Kultur der gegenseitigen Anerkennung und Förderung begünstigt in hohem Maße die Ausbildung eines Gemeinschaftsgefühls. Die in der gemeinsamen Praxis erfahrene Selbstwertsteigerung übt dabei eine Verführungskraft aus, die in hohem Maße gegenüber der Gemeinschaft verpflichtet. Der daraus resultierende Wunsch nach einer Reproduktion dieser Strukturen fühti zu einer fortwährenden interaktiven Bestätigung der gemeinsamen Kultur und stellt die Gemeinschaft auf Dauer. Was man von der Gemeinschaft bekommt, gibt man so auch wieder zurück.»Der Austausch macht die ausgetauschten Dinge zu Zeichen der Anerkennung. Mit der gegenseitigen Anerkennung und der damit implizierten Anerkennung der Gruppenzugehörigkeit wird so die Gruppe reproduziert; gleichzeitig werden ihre Grenzen bestätigt« (Bourdieu 1983: 192). Die regelmäßige Produktion der Fanzines als Leistung der Clubs für ihre Mitglieder ist der wesentliche Bestandteil einer notwendigen Institutionalisierungsarbeit, die das Beziehungsnetz initiiert und am Leben erhält. Die Ressource, die in diesen Netzwerken zirkuliert ist ein symbolisches Kapital. 1 Dieses gewinnt überall dort an Bedeutung, wo formale Strukturen der sozialen Situation der Akteure nicht ausreichend gerecht werden (vgl.
Unter diesem Begriff fasst Bourdieu sowohl soziales Kapital als auch inkorporiertes kulturelles Kapital zusammen. Im Gegensatz zum ökonomischen Kapital und zum kulturellen Kapital in seiner ojektivierten Form funktioniert das soziale Kapital rein symbolisch und immateriell.
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Bourdieu 1983). Es entwickelt sich anstelle von oder innerhalb von formalen Strukturen. Daher ist es ein wesentlicher Bestandteil posttraditionaler Gemeinschaften, die über keine formalen Ein- und Ausschlusskriterien und als Folge auch über keine formal durchzusetzenden Sanktionsinstanzen verfugen. Das Mentorenprinzip überträgt die Verpflichtung und Verantwortung fiir den Erhalt der Gruppe schließlich auf alle Mitglieder, die so zu Verwaltern der spezifischen Fankultur des Clubs werden. Clubkultur und damit auch Fankultur ist demnach inkorporierte Praxis, und >lebt< im Habitus seiner Mitglieder. Das gilt natürlich insbesondere für die Clubleitung und den engen Kreis der aktivsten Mitglieder. Aber als Selbstverständnis, dem man sich verpflichtet tlihlen kann, ist dieses Prinzip, wenn auch in geringerem Ausmaß, ebenso ein Orientierungsmaßstab tlir das Selbstbild der weniger aktiven Fans. Entscheidendes Merkmal dieser Clubkultur ist letztlich immer die enge Verknüpfung von kultureller und sozialer Praxis, von verinnerlichtem kulturellen Kapital, als einer durch Sozialisation und praktische Teilhabe an der Produktionskultur erworbenen Disposition, und sozialem Kapital, als Resultat einer institutionalisierten Beziehungsarbeit, die eine Verpflichtung der Gruppe gegenüber nach sich zieht.
Conventions Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Conventions unterscheiden. Kleine sogenannte Haus-Cons sind im Prinzip auf mehrere Tage ausgedehnte Trekdinner, die dadurch einen noch intensiveren sozialen Kontakt ermöglichen. Eine gänzlich andere Rolle im Fandom spielen dagegen die großen Conventions, denn hier sind alle tlir das Fandom relevanten Bezugsgruppen anwesend: Conventions sind der einzige Treffpunkt fiir die gesamte Fangemeinde. Die Fankultur präsentiert sich selbst auf diesem Forum mit all ihren Institutionen, angefangen von Clubs und ihren Autoren, über die Setreiber diverser Webseiten und Modellbauer, bis hin zu zahlreichen Fans, die ihre aufWändigen selbst gemachten Kostüme vorführen. Die finanzielle Ökonomie ist durch Produktionsstudios, Sender und Lizenzunternehmen sowie durch Fanartikel-Händler vertreten. Das Medienangebot ist durch Videovortlihrungen präsent. Im Zentrum des Interesses stehen aber die anwesenden Darsteller, die sowohl als Vertreter der Produktionssphäre erscheinen, wie auch als symbolische Verkörperung des Medientextes. Schließlich tinden sich auch noch einige Vertreter der Presse ein, die dazu beitragen, ein öffentliches Bild der sonst kaum öffentlich zugänglichen Fankultur zu konstruieren und zu verbreiten. Der Fan-Rahmen ist bei dieser Veranstaltungsform am weitesten ausgeprägt. Durch die synkretistische BündeJung und Vermengung aller Wirklichkeitshereiche dieser Sozialwelt gestattet eine Convention in ihren gelungenen Momenten ein ganzheitliches Erleben, das sich den Fans als Schlüsselereignis einprägt und einen wesentlichen Beitrag zur Sinnstiftung der Fans und der Konstitution ihrer Gemeinschaft liefert. Conventions sind daher eine regelrechte Pflichtveranstaltung im Leben eines Fans. Die gemeinschaftsstiftende Wirkung beruht vor allem auf der Erfahrung reziproker Perspektiven, die über eine emotionale Gleichstimmung vermittelt wird. Dazu trägt zum einen die Außeralltäglichkeit und Seltenheit dieser Veranstaltungen bei, die das Erlebnis besondert und dadurch intensiviert. Zum
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anderen erfahren sich die Fans doti wie nirgendwo anders im Spiegel relevanter Anderer. Die Möglichkeit, andere Fans zu treffen, besitzt bei den Besuchern einen hohen Stellenwert, der mit häufigeren Besuchen zunehmend in den Vordergrund rückt. Produktive Fans tinden hier zudem eine ideale Bühne tlir ihre Selbstdarstellung, da ihnen eine große Aufmerksamkeit und Bewunderung in Form eigener Programmpunkte (Kostümwettbewerb, eigene Präsentationsräume für Clubs, Modelle und Fanart) gewiss ist. Eine zentrale Rolle für die Konstitution der Fangemeinschaft kommt den Auftritten der Darsteller bei Conventions zu. In einem karnevalistischen Spiel wechselseitiger Erhöhung und Erniedrigung konstituiert sich ein Mythos der symbiotischen Beziehung zwischen Fans und Stars, demzufolge die Stars von der Zuneigung der Fans abhängen und umgekehrt die Fans ihre Stars benötigen. In diesem Wechselspiel findet eine Selbstreflexion der Fangemeinschaft statt, die sich kollektiv selbst erhöht und die dabei auftretenden Widersprüche vorübergehend in dem >Kurzschluss< zwischen den Sphären der finanziellen und der kulturellen Ökonomie sowie der Serienwelt, symbolisch vermittelt über die Darsteller und die während einer Convention konstruierten Beziehung zu ihnen, aufhebt. Der Wunsch nach Beteiligung findet hier seinen unmittelbaren Ausdruck, indem die Fans >ihre< Darsteller zu Stars erhöhen, sich ganz nach ihren Bedürfnissen in der Erlebniswelt STAR TREK bewegen und die Relevanzendes Angebots selbst bestimmen (durch ihre produktiven Beiträge oder durch die Fragen, die sie in den Panels stellen).
Onlinefandom Am Beispiel der Fanzines wurde deutlich, dass die Medien der Fankultur maßgeblich an deren Konstitution beteiligt sind. Dies gilt sowohl für die Funktionen, die ein Medium erfüllt, als auch für die dahinterstehende Produktionskultur, die einen entscheidenden Bezugspunkt tlir die Identität der Fans liefert. Mit dem Internet hat sich seit den frühen 1990er Jahren ein Medium in der Fankultur der STAR TREK-Fans etabliert, dessen Eigenschaften und Nutzungsbedingungen es zu einer Konkurrenz für Fanzines und die herausgebenden Clubs werden ließen. Das Internet hat die kulturelle und soziale Praxis des Fandoms sowohl erweitert, als auch verändert. Die Aktualität und der Umfang der online verfügbaren Informationen ließen die >traditionellenkonsumierten< Informationen, als auch für die Diskurse, an denen man sich ohne größeren Aufwand in zahlreichen Chats und Foren beteiligen kann. Von der potentiell einfacheren, direkteren und häufigeren Kommunikation über die Kommunikationskanäle von Onlineangeboten kann allerdings nicht auf eine intensivere Selbstverpflichtung oder gar ein größeres Gemeinschaftsgetlihl geschlossen werden. Gerade die populärsten Angebote erscheinen eher als fertige Angebote, die zwar von Fans produziert werden, aber
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nicht wie bei den Clubs auf die zumindest potentielle Beteiligung aller Nutzer ausgelegt sind. Damit artikulieren sie ein anderes Verhältnis zwischen Produktion und Konsumtion, das nicht den Prinzipien der klassischen Fankultur entspricht, und damit auch ein anderes, grundsätzlich unverbindlicheres symbolisches Angebot darstellt, wodurch die Nutzung dieser Angebote auch weniger auf eine Gemeinschaft verpflichtet. Zahlreiche Möglichkeiten flir eine produktive Nutzung durch die Fans hat die multimediale Qualität des Internets eröffnet. Traditionelle Formen sind zum Teil ins Internet gewandert (Newsletter), oder haben dort zumindest Ableger installiert (Fan-Fiction). Darüber hinaus sind neue Formen der Produktivität entstanden (Web-Programmierung und -design, Online-Recherche), die anders als das in bisherigen Fanaktivitäten erworbene populärkulturelle Kapital bisweilen eine größere Nähe zu offiziellen Formen des kulturellen Kapitals aufweisen und damit neue Chancen für Identitätsprojekte eröff. nen. Dies spiegelt sich zum einen in der professionelleren Produktionskultur vieler Angebote wieder, die häufig kaum noch von kommerziellen Angeboten zu unterscheiden sind. Zum anderen wird dies in den Professionalisierungskarrieren einiger Fans deutlich. Obwohl viele Bezüge zwischen der Fankultur online und offline bestehen, haben sich entlang der zentralen Kommunikationskanäle Fanzine und Internet zwei relativ unverbundene Kulturen entwickelt, die sich in ihrer sozialen und kulturellen Praxis, weniger in ihren Inhalten, deutlich unterscheiden. Damit hat das Internet zu einer Ausdifferenzierung der Fankultur beigetragen, die der traditionellen Fankultur vor allem nachwachsende Mitglieder entzieht.
Fazit Die Fankultur eröffnet ein breites Spektrum an Partizipationsmöglichkeiten, die in einer vielfaltigen Beziehung zueinander stehen und unterschiedliche Grade der Selbstverpflichtung und damit auch der subjektiv erfahrenen Vergemeinschaftung und Identitätsstiftung vermitteln. Der Grad der Selbstbindung an die Gemeinschaft reicht dabei vom Kern der Fankultur, wo das Wissen um die Zugehörigkeit zu einer posttraditionalen Gemeinschaft aus der gemeinsamen sozialen Praxis abgeleitet und durch die Selbstidentifikation mit den Praxisformen, Wertstrukturen und Prototypen der Fankultur fortwährend bestätigt werden kann, bis hin zu den >ausgefransten< Rändern, wo die Teilnahme typischerweise nur vorübergehend ist. Die für diese unverbindliche und fragile Vergemeinschaftungsform typischen Probleme (vgl. Kap. 2.2) werden in den verschiedenen Interaktionszusammenhängen unterschiedlich gelöst und von den Mitgliedern entsprechend dem Niveau ihrer Teilhabe unterschiedlich wahrgenommen und erlebt. Innerhalb des translokalen sozialen Netzwerks, das die soziale Welt der Fans umspannt, existieren daher eine Vielzahl von lokalen Gruppenstilen und Nutzerkulturen. Die verschiedenen Interaktionszusammenhänge des Fandoms bilden einen Rahmen, in dem soziale Erfahrungen aus den jeweils anderen Bereichen der Fankultur wiederholt und auf ihre soziale Anschlusstahigkeit hin überprüft werden können. Die zu Beginn nur zutallig übereinstimmenden Perspektiven können so interaktiv stabilisiert und sozial typisiert werden. Dem liegt ein Prozess zu Grunde, in dem die Beteiligten eine Zuordnung von Zeichen und Bedeutungen vornehmen, die sowohl persönliche Attribute, als auch soziale Typisierungen und Gruppenvorstellungen umfassen (vgl.
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Schulze 1996: 417-494). Die Wahrnehmung des Gegenübers wird in den verschiedenen Interaktionszusammenhängen des Fandoms bis zu einem gewissen Grad verlässlich, weil der thematische Bezugspunkt STAR TREK aufweitere dahinterstehende Interessen und Lebenseinstellungen verweist, für welche die sozialen Veranstaltungen innerhalb des Fandoms ein Sammelbecken darstellen. Als Fan kann man davon ausgehen, dass das Publikum, das man im Fandom trifft, mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnliche Interessen hat wie man selbst. Dies zeigte sich auch in den weitreichenden Übereinstimmungen hinsichtlich der Freizeitinteressen und den W etivorstellungen in der schriftlichen Befragung. STAR TREK-Fans bevorzugen Freizeitbeschäftigungen im häuslichen und privaten Rahmen (Freunde treffen), wobei naturgemäß der Fernsehnutzung eine relativ große Bedeutung zukommt. Sie sind eher introvertiert und zurückhaltend, aber keineswegs sozial isoliert. Ihre eher skeptische Einstellung gegenüber dem gesellschaftlichen Wandel geht mit ihrem Bedürfnis nach Sicherheit (glückliches Familienleben, sicherer Job, finanzielle Sicherheit auf den vorderen Rängen) einher. Dadurch dass sich Menschen, die einander ähnlich sind, miteinander vermischen und vernetzen, entstehen in der Folge »Üpportunitätsstrukturen, die geradezu dazu herausfordern, Beziehungswahl zu praktizieren« (Schulze 1996: 468). Fans haben hier also die Möglichkeit für sie selbst >interessante< Leute kennen zu lernen, die sie ihrer Erfahrung nach sonst, d. h. an anderen Orten und zu anderen Gelegenheiten, nicht kennen lernen würden. Dem kommt bei medialen Fangemeinschaften, deren Interessen sich nicht an allgemein zugänglichen öffentlichen Treffpunkten manifestieren, 2 und denen man dieses Interesse zudem nicht äußerlich, z.B. an einem bestimmten Kleidungsstil, ansieht/ eine besondere Bedeutung zu. STAR TREK kommt dabei die Funktion eines symbolischen Vermittlers des Lebensstils zu, was insbesondere an der Korrespondenz der Wertvorstellungen mit den in der Serienwelt ausgemachten Wertorientierungen deutlich wurde. Ein besonderes Wissen ist für die Teilhabe an der Fankultur im allgemeinen nicht notwendig. In der Regel reicht das beiläufig durch die Rezeption und in Gesprächen mit anderen Fans angeeignete Wissen dafür aus. Echte Experten sind, gleichwohl sie eine für den Fandiskurs unabdingbare Rolle einnehmen, auf das gesamte Fandom bezogen eher selten und werden auch nicht vorbehaltlos akzeptiert. Die unverbindlichste Form der Teilhabe ist beim Konsum von OnlineAngeboten möglich, der bisweilen vergleichbar mit dem Kauf einer Zeitschrift am Kiosk ist. Ebenfalls relativ unverbindlich kann der Besuch einer Convention sein, wenn diese Teilnahme subjektiv als Event gerahmt wird. Allerdings zwingen der explizite Fanrahmen dieser Veranstaltungen und die emotionale Intensität, die vor allem bei den Auftritten der Darsteller entsteht, zu einer Reflexion der eigenen Fanidentität
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Der einzige typische öffentliche Treffpunkt ist das Kino, das allerdings keine >günstigen< Strukturen ftir das Kennen lernen anderer Besucher bietet. Expressiv ist diese Lebenswelt nur auf den Fantreffen und in den eigenen vier Wänden, in denen z.B. Plakate, Videosammlungen oder Raumschiffmodelle den persönlichen Stil belegen.
Trekdinner
überregionale Clnbs/Fanzines
Conventions
Online
;;; ihre< Bedeutungen des Medientextes entwickeln und die Produzenten tlir ihre Unzulänglichkeiten kritisieren. Trekdinner zeichnen sich dagegen vorrangig durch ein lokales und eher flüchtiges Vergnügen aus, das vor allem im Klatsch zum Tragen kommt, gleichzeitig aber nach den Conventions die am direkteste und damit auch intensivste Form des Vergnügens vermittelt. Die verschiedenen Einrichtungen besitzen also unterschiedliche Funktionen flir die Fangemeinschaft und lokalisieren die Fans auf unterschiedliche Weise in der translokalen Fankultur. Entscheidend flir den Bezug zum Fandom ist letztlich zum einen die lokale Verfligbarkeit dieser Ressourcen und zum anderen das individuelle Bedürfnis nach Gemeinschaft und Identität innerhalb der Fankultur.
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7. 2 Potentiale der Identitätsstiftung Wie im vorangegangenen Kapitel bereits deutlich wurde, halten die verschiedenen Einrichtungen mit ihren unterschiedlichen sozialen Strukturen und den dort entwickelten spezifischen Teilkulturen ganz unterschiedliche Potentiale flir die Identitätsarbeit der Fans bereit. Eine spezifische Teilidentität als Fan konstituiert sich aus der Interpretation einer Vielzahl an sozialen Selbstthematisierungen in unterschiedlichen Situationen, die jemand im Kontext des Medienangebots STAR TREK erlebt. Eine Integration dieser Erfahrungen im Sinne einer Teilidentität bedarf der Wiederholung sozialer Erfahrungen, die erst eine Verdichtung und Typisierung erlaubt. In einer Medienfankultur lassen sich vier Bezugsfelder flir die Konstruktion eines subjektiv stimmigen Passungsverhältnisses des Selbst- und Weltverständnisses der Fans ausmachen: 1.) die anderen Fans, 2.) das Medienangebot als kulturelle Ressource, 3.) dessen Produzenten und 4.) der in einem gesellschaftlichen Diskurs konstruierte Identitätstyp >Fanwie man selber< verlässlich, und >man selber< ist es ebenso ftir ihn« (Honer 1993: 29).
Damit die Teilidentität als Fan dominant wird, bedarf es der aktiven Beteiligung am Fandom, weil nur so eine interaktive Absicherung und Verstetigung identitätsrelevanter Erfahrungen möglich ist. Mit der Teilnahme an sozialen Veranstaltungen wachsen die Anzahl und der Anteil an STAR TREK-Freunden im eigenen sozialen Netzwerk, zudem werden die Kontakte intensiver und laufen über eine größere Zahl an Kommunikationskanälen, was dazu beiträgt, ein umfassenderes Identitätsgefühl zu entwickeln (vgl. Kap. 6.2 - Subjektive Relevanz und Einstellungen zum Fandom). Sind die identitätsstiftenden Potentiale des Medienangebots erst einmal entdeckt und in der Aneignung individuell fruchtbar gemacht, setzt eine
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ein. 4
spezifische Dynamik Reicht der Zirkel aus Rezeption, erweitetiem Wissen und vertieftem (Selbst-)Verständnis allein irgendwann nicht mehr aus, gehen die Fans dazu über, ihren Betätigungskreis durch den Kontakt zu anderen Fans zu erweitern. Damit eröffnen sich wiederum neue Möglichkeiten der Selbsterfahrung, die den Fan sowohl an das Medienangebot binden, das diese Beziehungen vermittelt, als auch dazu motivieren, sich diese Quelle weiterhin zu erschließen und gegebenenfalls durch die eigene Produktivität noch zu vetiiefen. Das Selbermachen wird sozusagen zum Schlüssel der Subjektivitätserfahrung. Identitätskonstruktionen im Rahmen einer Fankultur sind jedoch nicht unproblematisch. Zunächst einmal erschwert die Teilhabe an verschiedenen Institutionen der Fankultur die Konstruktion von Kohärenz, weil die Relevanzstrukturen unterschiedlicher Ausschnitte dieser Lebenswelt prinzipiell nicht immer deckungsgleich sein müssen und vor allem in heterogenen Vergemeinschaftungen abhängig von den jeweils anzutreffenden lokalen Subkulturen sind, die zwar den gemeinsamen Bezugspunkt STAR TREK teilen, aber zum Teil recht unterschiedliche Aneignungs- und Gruppenstile entwickeln. Leichter erscheint deswegen oft die Beschränkung auf den Text als zentrale Identitätsquelle, aufdie »Idee einer Gemeinschaft«. Das >dogmatische< Beharren auf dem Text als letztgültiger Instanz für die Bewertung sozialen Handelns 5 stößt in der sozialen Interaktion allerdings häufig an Grenzen. Zum einen existieren dafür zu viele verschiedene Lesarten, und zum anderen sind die idealistischen Lösungsmodelle der Serienwelt oft mit sehr hohen Ansprüchen verbunden, die im Alltag nicht ohne weiteres einzulösen sind. Schließlich bringt dies eine große Abhängigkeit von den Medienangeboten mit sich, die im Zweifelsfall nur dadurch beantwortet werden kann, dass man sich (auf ein vorübergehend leichter verfügbares) Angebot zurückzieht und die Identitätspotentiale und eventuell schon erworbenen Entwicklungsgewinne abschreibt. Weitere Gefahren, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind, bestehen in dem Risiko der Enttäuschung einer hohen Selbstverptlichtung. Dazu kann es kommen, wenn andere Fans die eigene Perspektive nicht im selben Maß teilen, oder wenn sich die eingegangene Bindung angesichts alternativer Optionen irgendwann als falsche Festlegung erweist, z.B. irrfolge der Entwertung des Besonderen der eigenen Identität in einem Zusammenhang, der als Massenphänomen erlebt wird. Als Lösung dieser Probleme entwickelt die Fankultur eine »Ideologie des Selbermachens«, in der die kulturelle und die soziale Praxis aneinander gekoppelt sind, wodurch eine Selbstverpflichtung organisch in dem Maße wächst, wie sich die erworbene Handlungstahigkeit entwickelt und die Integration in die Gemeinschaft durch positive Selbstwert steigernde Erfahrungen zunimmt. 2. Eine wichtige Rolle für die alltägliche Identitätsarbeit spielen die verfügbaren Ressourcen. Dem ökonomischen Kapital kommt in Medienfankulturen nur eine relativ geringe Bedeutung zu, denn die über das Fernsehen verbreiteten Texte sind ohne besonderen finanziellen Aufwand prinzipiell für jeden verfügbar. Innerhalb der Fankultur gibt es zwar durchaus einige kost-
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Honer spricht in Zusammenhang ihrer Heimwerkerstudie von einer »Sogwirkung« (Honer 1994: 93), die aus einer intensivierten Praxis herrührt. Brüdigam bezeichnet diese Orientierung als eine »monozentrische Strukturierung« der Identität (vgl. Brüdigam 1999: 404ft).
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spielige Aktivitäten (z.B. der Besuch einer Convention), dennoch entscheidet das ökonomische Kapital letztlich nicht über die Partizipationsmöglichkeiten. Kulturelles und soziales Kapital sind dagegen zentrale Ressourcen für die ldentitätsentwicklung, wenn es gelingt, sie entlang der drei Übersetzungskategorien des Optionsraums, der subjektiven Relevanzstruktur oder als Bewältigungsressource identitätsrelevant nutzbar zu machen. Tab. 7.2: Dimensionen identitätsrelevanter Ressourcen
Optionsraum Soziales
.
Kapital
Wertgerne inschaft, Anerkennungskultur, Ideologie der Gemeinschaft
Kulturelles Kapital
Ideologie des Selbermachens, Prinzip der Gegenseitigkeit
.
. .
Treffpunkte, Institutionen, Rituale
subjektive Relevanzstruktur
.
Räume ftir Selbstdarstellung und erfahrung, Produktivität und Anerkennung
Wissen bringt größeres Vergnügen in der Rezeption Quelle ftir Fanproduktivität (bis hin zur Professionalisierung)
. .
Sammeln als Vorratsbildung Lexika als Interpretationsstützen
. .
. .
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inkorporiert
objektiviert
Erfahrung und Stabilisierung gemeinsamer, reziproker Perspektiven
. .
Text als kulturelJe Metaerzählung zur Regelung sozialer Beziehungen Entsprechung von Wertstruktur der Serienwelt und Wertstruktur des Fandoms stiftet Orientierung
Sammlerwert Veröffentlichung eigener Artikel und Geschichten
. .
. .
Bewältigungsressource Sicherheit und Vertrauen Empowerment durch emotionalen Mehrwert bei größeren Veranstaltungen soziales Netzwerk von Freunden, die man im Fandom kennen lernt Gruppe als Rückhalt ftir Identitätsbehauptung gegenüber Stigmatisierungserfahrungen und Machtlosigkeit Wissen um hochkulturelle Bezüge der Texte als Mittel zur Tdentitätsbehauptung Texte als Vermittler von Problemlösungs vorschlägen und Deutungsmustern Wissen um Tnszenierungsfehler als Mittel der Selbstbehauptung im Kampf um die Bedeutungder Texte Gruppenstil als Selbstversicherung bei gemeinsamen Treffen
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Innerhalb eines sozialen Netzwerks sind sehr viele unterschiedliche Identitätsentwürfe und -projekte versammelt. Diese können dem einzelnen Fan als Anschauungsmaterial für verschiedene Arten der Aneignung, der Fanidentität und der Passungsmöglichkeiten mit anderen Lebensbereichen dienen. Zudem tinden sich hier die Mitstreiter, die als Interaktionspartner und Publikum für die soziale Anerkennung der eigenen Projekte notwendig sind. Die Auswahl aus diesem Möglichkeitsraum geschieht stets in einem- oft impliziten - Aushandlungsprozess im sozialen Netzwerk. Was normal ist, und was sanktionsbedürftig, was soziale Anerkennung verdient, und wovon man sich abgrenzt, entscheiden die Fans nicht allein, sondern in Bezug auf die im Fandom als relevant erachteten Bezugsgruppen. Generell sind die Strukturen in posttraditionalen Gemeinschaften auf Vertrauensbildung angelegt. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann daher einen emotionalen Rückhalt bei persönlichen (Orientierungs-)Krisen in einem als sicher und vertrauensvoll erlebten sozialen Raum vermitteln. Die Gruppe kann aber auch in Form ganz konkreter Hilfeleistungen genutzt werden, als symbolischer Bezugpunkt in öffentlichen Diskursen dienen, oder bei gemeinsamen Veranstaltungen einen emotionalen Mehrwert produzieren (v.a. bei Conventions), der aufmikropolitischer Ebene im Alltag Kraft gibt, die eigene Position zu vertreten. Die Teilhabe an einem Netzwerk definiert zudem die Verfügbarkeit von Selbstwertressourcen. So ist für bestimmte Formen der Produktivität wie z.B. Fanart und Fanstories ein Zugang zu Medien mit einem größeren Verbreitungsgrad notwendig, um als Selbstwertressource genutzt werden zu können. Allerdings ist das soziale Netzwerk des Fandoms nicht ohne weiteres für jeden verfügbar. Die meisten Einrichtungen der Fankultur sind kaum öffentlich bekannt und zum Teil, wie bei den Trekdinnem, nur lokal zugänglich. Dies wurde insbesondere in der schriftlichen Befragung deutlich. Nur ein Teil der Befragten, die immerhin Mitglied in einem Club sind, nimmt an sozialen Veranstaltungen im Fandom teil. Etwa ein Fünftel besucht ein Trekdinner (21,4 %), immerhin fast doppelt so viele (38,9 %) waren schon einmal bei einer Convention, aber nur 15,6 % haben schon an beiden Veranstaltungsformen teilgenommen. Für den Großteil der Fans ist daher vor allem das Medienangebot, bzw. dessen Rezeption (inkl. sekundärer Texte, wie Zeitschriften und Romane) und materielle Aneignung (Sammeln, Fachbücher lesen, Modellbau) die entscheidende Bezugsgröße für das eigene Fansein. Deswegen wird auch STAR TREK an sich eine deutlich größere Relevanz im eigenen Leben beigemessen, als einer aktiven Mitarbeit am Fandom. Und es schätzen sich auch weitaus mehr Befragte als echte Fans ein, als selbst aktiv sind. Das Bewusstsein, ein echter Fan zu sein, wird bei den meisten Fans durch die subjektive Relevanz vermittelt und umgekehrt (vgl. Kap. 6.2 - Subjektive Relevanz und Einstellungen zum Fandom). Dies verdeutlicht, dass von Fans nicht nur mit Bezug auf die in einem engeren Sinne produktiven Fans die Rede sein kann, sondern auch diejenigen Fans miteinbezogen werden müssen, die zumindest intensiver an einem Kommunikationskanal der Fankultur partizipieren. Dafür spricht auch, dass sich bei den meisten Fans das soziale Netzwerk an Bekannten und Freunden, die ebenfalls STAR TREK-Fans sind, auf die nähere soziale und geographische Umgebung beschränkt. Freunde und Bekannte, die man vorrangig innerhalb der Einrichtungen der Fankultur trifft, haben vor allem diejenigen, die auch tiefer ins Fandom integriert sind.
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Der Medientext und das Wissen darüber haben demnach für alle Fans eine wichtige Bedeutung. Das spezifische populärkulturelle Kapital, das man im Laufe seiner Fankarriere erwirbt, ist zunächst eine wichtige Ressource für das Vergnügen in der Rezeption, weil es eine größere Kontrolle über den Text und eine breitere Palette an Lesarten eröffnet, wodurch die Texte eine größere Relevanz im Leben der Fans erreichen können. Für eigene Produktionen ist ebenfalls ein spezifisches Wissen notwendig, das sowohl in der Aneignung der primären Texte, aber auch durch die Teilhabe in sozialen Netzwerken erworben wird. Als kulturelle Ressource vermitteln die Texte auf individueller Ebene Problemlösungsvorschläge und Deutungsmuster, die in ihrer allgemein gehaltenen Form offen für die Aneignung in unterschiedlichen sozialen und biographischen Kontexten sind. Einen großen Teil seiner Verführungskraft definiert das Medienangebot durch seine Bezüge zu den gesellschaftlich-historischen Rahmenbedingungen der Lebenswelt der Rezipienten. Wenn ein Medienangebot dazu genutzt werden kann, zwischen den Konflikten, Widersprüchen und Ambivalenzen, die das Leben in der späten Modeme mit sich bringt, zu vermitteln und Orientierung zu geben, erlangt es ein Vetirauenskapital gegenüber seinen Rezipienten. Das spezifische Kapital von STAR TREK liegt hier zum einen in seiner positiven Zukunftsvision. STAR TREK liefert das Programm flir eine Identitätspolitik gleich mit, wenn es das Entwicklungspotential der Menschheit auf· zeigt. Diese Rahmung beinhaltet bereits als symbolische Ressource ein Moment der Selbstaufwertung und wird von den Fans als Handlungsaufforderung für die eigene Lebensführung gelesen. STAR TREK hat in dieser Hinsicht die Funktion einer sozialen Utopie, die sowohl eine mögliche, als auch ideale Zukunft beschreibt, wenngleich diese Annahme nicht unkritisch-naiv vertreten wird. Zum anderen finden die Fans in dem Typus der »hybriden Figur« (z.B. SPOCK, DATA, WoRF, 7oF9) ein Modell vor, das die typischen Probleme der Identitätstindung in der späten Moderne anspricht. Die hybriden Figuren in STAR TREK repräsentieren in prototypischer Weise das Problem zwischen den divergierenden Rollenerwartungen verschiedener Bezugsgruppen sowie zwischen den Anforderungen moderner Gesellschaften an eine Entfaltung des Selbst bei einer gleichzeitig abverlangten Disziplinierung des Subjekts vermitteln zu müssen. In der Bearbeitung der zentralen Themen der Serienhandlung-Verantwortung zu übernehmen, sich auszuprobieren und den eigenen Möglichkeiten gerecht zu werden - wird in der Serienwelt ein Modell gezeichnet, das gelingende Identitätskonstruktionen mit dem Aufgehobensein in einer Gemeinschaft verknüpft (vgl. Kap. 6.2 -Der Medientext als kulturelle Ressource). Auf kollektiver Ebene bildet der Text den zentralen Bezugspunkt flir alle Fans und die kulturellen Einrichtungen, an denen sie partizipieren. Als kulturelle Metaerzählung vermittelt er symbolisch zwischen der Serienwelt und der Lebenswelt der Zuschauer, die sich mit ihren W etivorstellungen im Medienangebot wiedererkennen und sich deswegen dort zu Hause fühlen, ebenso wie sie die Gemeinschaft Gleichgesinnter anderer Fans aufgrund eines vergleichbaren Lebensstils schätzen. Zudem entdecken die Fans im Toleranzgebot von STAR TREK ein Leitbild für ihr Handeln, ihren Selbstwert als Fan und zugleich eine Regelungsinstanz tlir die sozialen Beziehungen im
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Fandom. Ein weiteres Erklärungs- und Orientierungsmuster für die eigene Praxis tinden sie in dem in den Serien vorgeführten Ideal einer Gemeinschaft. In diesem Wechselspiel zwischen der sozialen Welt der Fans und der fiktiven Wirklichkeit der Serie objektiviert der Text gemeinsame Erfahrungen und gibt gleichermaßen ein Modell für die Identitätsarbeit der Fans und ein Modellfür die Gemeinschaft innerhalb der Fangemeinde vor. Einige der zentralen Themen von STAR TREK ermöglichen den Fans eine Reflexion ihrer eigenen Situation als Angehörige einer posttraditionalen Gemeinschaft und als Individuen in der späten Moderne. STAR TREK offeriert dazu Lösungsvorschläge in Form anschlussfahiger Erzählungen und gesellschaftlich positiv besetzter Wertvorstellungen für die Narrationsarbeit der Fans, mit der sie die Aushandlung der eigenen Identität erfolgreich gegenüber sich selbst und anderen vertreten und die eigene kulturelle Identität subjektiv befriedigend konstruieren können. Neben diesen symbolischen Qualitäten bildet das Medienangebot aber auch den Anlass und die wichtigste Ressource für die Aneignungspraktiken der Fans, mit denen sie sowohl ihre eigene Kultur formen, als auch ihr Verhältnis zur Produktionssphäre aushandeln. 3. Das Verhältnis der Fans zur Produktionssphäre ist durch den fundamentalen Interessengegensatz zwischen der finanziellen und der kulturellen Ökonomie gekennzeichnet. Auf der einen Seite befinden sich die Fans in einer objektiv machtlosen Situation, da sie ihre kulturellen Ressourcen nicht selbst herstellen können. Andererseits erleben sie sich in ihrer alltäglichen Fanpraxis als die wahren Experten und legitimen Eigentümer der kulturellen Ressource STAR TREK. Die befragten Fans vertreten in hohem Maße die Ansicht, an der kulturellen Bedeutung von STAR TREK maßgeblich beteiligt zu sein, während sie sich ihrer nur marginalen Einflussmöglichkeiten gleichzeitig durchaus bewusst sind. Die Fans lehnen kommerzielle Interessen allerdings nicht grundsätzlich ab, sondern nur dann, wenn dadurch die Befriedigung ihrer kulturellen und sozialen Bedürfnisse eingeschränkt wird. Diese Widersprüche führen zum einen zu einer ambivalenten und differenzierteren Haltung gegenüber der Produktionssphäre und deren verschiedenen Instanzen, zum anderen ziehen sie eine Reihe von Mythen nach sich, mit denen die Fans ihre widersprüchliche Situation verarbeiten (vgl. Kap. 6.2- Das ambivalente Verhältnis zur Produktionssphäre ). Da das Vergnügen der Fans entscheidend von der Verfügbarkeit der kulturellen Ressourcen und den doti gefundenen Aneignungspotentialen abhängt, ist für die Fans nicht nur die Beziehung zu diesen Ressourcen von Bedeutung, sondern immer auch die Beziehung zu den verschiedenen Institutionen der Produktionssphäre, die sowohl die Macht über die Sinnstrukturen des Angebots, als auch über die Verbreitung dieser Angebote haben. Diese Beziehung zu den Vetiretern der Produktionssphäre hängt dementsprechend vor allem davon ab, wer aufwelche Weise das Gefühl der Abhängigkeit bzw. der Beteiligung vermittelt. Als >natürliche< Gegenparts erweisen sich dabei die Produktionsstudios und die Fernsehsender, die am unmittelbarsten den Zugang zu den Ressourcen regulieren. In den Produzenten und Darstellern erkennen die Fans dagegen zeitweise Verbündete, die sich gegenüber den Studios ebenfalls in einer abhängigen Situation befinden. Anders als zu den weitgehend anonymen Institutionen der Studios und Sender bauen sie zu diesen para-soziale Beziehungen aut~ die zum Teil auch in direkten Interaktionen insbesondere während der großen Conventions evaluiert werden können.
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Die dennoch immer wieder erfahrenen Widersprüche können letztlich nur durch Mythen aufgelöst werden, in denen sich die Fans als machtvolle Lobby (Mythos der »Save STAR TREK Campaign«), als Alliierte der Produzenten (Mythos Roddenberry), oder als eigentliche Urheber eines besonderen Status der Darsteller (Mythos der symbiotischen Beziehung zu den Stars) konstruieren. Die Fankultur als eine Interessengemeinschaft vermittelt insofern ein kritisches und widerständiges Potential als sie die engen Grenzen des lokalen Widerstands in der Rezeption oder in Gesprächen im unmittelbaren persönlichen Umfeld zumindest symbolisch überwindet. Die Mythen der Fankultur tragen damit entscheidend zu einem Bewusstsein der Gruppe >fiir sich< bei, jenseits der >an sich< objektiven Situation abhängiger Konsumenten. Das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, kann daher eine Bewältigungsressource für die Erfahrungen der Ohnmacht gegenüber der Standardisierung und institutionellen Vereinnahmung des Angebots sein. Die »Ideologie des Selbermachens« stellt insofern die Kehrseite der Abhängigkeitserfahrung der Fans dar. Eine kritische Haltung gegenüber der Kommerzialisierung von STAR TREK und den Strategien der Produzenten findet sich vor allem bei denjenigen Fans, die an sozialen Aktivitäten teilnehmen, wohingegen Fans, deren Identität als Fan vorrangig durch die Rezeption vermittelt ist, weniger kritisch mieilen. 4. Die Konstruktion der Fanidentität geschieht nicht nur in der Interaktion der Fans innerhalb der Fankultur, sie ist darüber hinaus in einen gesellschaftlichen Diskurs um die Bedeutung und Aneignung populärer Kultur eingebettet (vgl. Kap. 6.1 ). Im Prozess dieser diskursiven Konstruktion sehen sich die Fans mit einer stigmatisierenden Identitätszuschreibung konfrontiert, die der »Ideologie der Massenkultur« entspringt, und einen Identitätstyp Fan konstruiert, der als negatives Gegenbild des bürgerlichen Individuums die nicht verwirklichten Ansprüche in der späten Moderne spiegelt und zugleich Ausdruck einer gesellschaftlich-ästhetischen Distinktion ist. Fans zwingt die matürliche< Legitimität dieser öffentlichen Bilder eine Verteidigungshaltung auf, der sie dank ihrer strukturell schwächeren Position nicht entfliehen können, da sie sich, selbst wenn sie Zugang zu öffentlichen Medien erlangen, in einer Identitätsfalle befinden. Dem begegnen die Fans mit einer ganzen Reihe von Strategien der Identitätsbehauptung (vgl. Kap. 6.1 ), die in den meisten Fällen den Kategorien der dominanten Ideologie verhaftet bleiben (Normalisierung, Übernahme der Kriterien der ästhetischen Urteilskraft, Wirklichkeitsvergleich). Die Zugehörigkeit zu einer Fankultur bietet hier nur teilweise einen Ausweg, indem sie als Bezugspunkt eine Kontrolle potentiell stigmatisierender Situationen oder den sozialen Vergleich mit anderen Gruppen erlaubt. Beide Strategien versprechen jedoch nur bedingt Erfolg. Die Kontrolle gelingt nur in bestimmten Situationen (z.B. beim Auftritt in einer größeren Gruppe), und soziale Vergleiche können neue Probleme mit sich bringen, weil eine Differenz stiftende Selbsterhöhung die Gefahr einer Selbststigmatisierung ebenso wie das Scheitern überzogener Ansprüche an die eigene Gruppe als der >Besseren< in sich birgt. Eine Umdeutung durch Reframing mag zwar subjektiv wirksam sein und der Fangemeinschaft einen wichtigen Bezugspunkt tlir ihr Selbstverständnis liefern, es bestehen allerdings kaum Chancen die gesellschaftlich wertvollen Aspekte des Medienangebotes sowie der daraus folgenden Aneignungskultur effektiv nach außen zu kommunizieren. Im Gegensatz zu den strategischen
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Möglichkeiten der Mächtigen, den öffentlichen Diskurs zu prägen, haben die Fans kaum Chancen für eine Einflussnahme. Ihre Version hat bestenfalls innerhalb des Fandoms Gültigkeit. Und selbst dort ist sie nicht ohne weiteres verlässlich, da die Vielzahl unterschiedlicher Interessen und die Heterogenität sozialer Bezugspunkte nur bedingt und vorübergehend zur Formation einer Gruppe von »Leuten« führt, die einem »Machtblock« gegenüber steht. Die Stigmatisierung der Fanpraxis verweist zudem auf die Begrenztheit der Fanidentität gegenüber anderen Lebensbereichen. Ein subjektiv stimmiges Passungsverhältnis lässt sich hier nicht immer herstellen, weil die innerhalb der Fankultur verfolgten Identitätsprojekte und die dabei erworbenen Handlungsfähigkeiten außerhalb meist als nutzlos gelten und negativ bewertet werden. Das erworbene Spezial- Wissen, die Kompetenzen und das Ansehen, über das man innerhalb dieser Grenzen verfügt, sind größtenteils nicht in die gewöhnliche Alltagswelt transportierbar und werden mit dem Übertritt entwertet. Am leichtesten gelingt dies noch denjenigen Fans, für die das Fandom vor allem in seiner sozialen Dimension relevant ist und der Text weitgehend ein Unterhaltungsprodukt darstellt, mit dem man sich nicht eingehender beschäftigt. Die eigene Beteiligung wird so als eine Freizeitbeschäftigung unter vielen interpretiert und der Abstand zur Fanwelt verringert. Eine häufiger anzutreffende Möglichkeit der Kohärenzstiftung bietet sich den Fans, denen es gelingt, Kompetenzen aus anderen gesellschaftlich anerkannten Lebensbereichen, d.h. vornehmlich berufliche Kompetenzen, in das Fandom einzubringen (z.B. handwerkliche Fähigkeiten, die beim Bau von Kostümen Verwendung finden) oder umgekehrt über die Produktivität in der Fankultur Kompetenzen zu erwerben, die sich in ökonomisches Kapital transformieren lassen wie es sich im Idealfall an den Professionalisierungskarrieren einiger Fans beobachten lässt. Für Fans, die über keine Anknüpfungspunkte dieser Art verfügen, bleibt oft nur der Ausweg, ihre Beteiligung im Fandom auszudehnen und sich selbst Bedingungen in einer »alternativen sozialen Gemeinschaft« (Jenkins 1992a: 280ft) zu schaffen, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. Doch erst wenn es diesen gelingt, den eigenen Raum, den sie sich in ihrer Kultur geschaffen haben, vom gemeinsamen Bezugspunkt STAR TREK zu lösen und zu verselbständigen, können die Entwicklungsgewinne und sozialen Beziehungen aus der Fankultur dauerhaft konservieti werden. Wie weit dies dem einzelnen gelingt, hängt wiederum von den Ressourcen ab, zu denen er Zugang erhält, und natürlich von dem jeweiligen biographischen und sozialen Kontext, der in dieser Arbeit allerdings nicht weiter verfolgt wurde. 6
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Erste Ansätze in diese Richtung finden sich in den Arbeiten, von Winter (1995), der ein Modell für die Karriere der Fans aufzeigt, von Schmiedte-Rindt ( 1998), die sich ebenfalls auf dieses Modell bezieht und darüber hinaus den Einfluss kritischer Lebensereignisse ftir die Fanbiographie untersucht, sowie in der Studie von Brüdigam (200 I), der die Zusammenhänge von biographischer Entwicklung und Fankarriere im Hinblick aufstrukturale Bildungsprozesse beschreibt.
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7.3 Ideologien und Mythen als Mittel der diskursiven Konstruktion der Fankultur Clifford Geertz weist im Zusammenhang mit der Analyse >fremder< Kulturen darauf hin, dass die beiden Bereiche Kultur und soziale Struktur nicht von vornherein deckungsgleich sind (vgl. Geertz 1975). Kultur ist ein System von Bedeutungen, das die Wahrnehmung, Bewetiung und Definition von Handlungen, Gefühlen und Situationen steuert. Soziale Strukturen basieren dagegen auf sozialen Interaktionen. In beiden Fällen handelt es sich um fortlaufende Prozesse, so dass ihre Verflechtung stets von neuem hergestellt werden muss. Diese Dynamik sowie die Mehrdeutigkeit symbolisch vermittelter kultureller Muster führen regelmäßig dazu, dass Brüche in der Kontinuität von Kultur und sozialer Struktur auftreten, die auf Handlungsebene als Konflikte ausgetragen werden. In posttraditionalen Gemeinschaften potenzieren sich diese möglichen >Soll-Bruchstellen< allein schon aufgrund der natürlichen Heterogenität und des permanenten Kommens und Gehens ihrer Mitglieder. Die Vagheit und Ambivalenz dieser Form der Gemeinschaft eröffnet zwar die notwendigen kontingenten Freiräume für individualisierte Individuen auf der Suche nach neuen Wahlheimaten. Allerdings begeben sie sich auf diesem Weg in ein spannungsgeladenes Verhältnis von Unabhängigkeit und Sicherheit, die nur selten beide zu haben sind: wer unabhängig ist, hat auch nichts zu erwarten, und wer sich verpflichtet, erwartet dafür auch Sicherheit. Zudem kann die Identifikation mit der Gruppe sowohl auf kultureller Ebene, in der Selbstverpflichtung auf das medial vermittelte Wertgefüge der Bezugsgruppe - als Idee einer Gemeinschaft- wie auch auf sozialer Ebene, in der tatsächlichen Interaktion mit anderen Fans erfolgen- als erlebtes Gemeinschaftsgefühl.
Tab. 7.3: Ideologien und Mythen der Fankultur Ideologie der Gemeinschaft
Ideologie des Seiherrnachens
Distinktion durch Authentizitätsverweise
Problem
Vermittlung zwischen Individualität und Gemeinschaft
mangelnde Kontrolle über kulturelle Ressourcen und Dezentralität der Fankultur
unterschiedliche Grade der Selbstverpflichtung
Dirnensionen
Idee der Gemeinschaft und Gemeinschaftsgeftihl
kulturelles und soziales Kapital
wertrationale Orientierung und Sozialisation
Bewertungsmaßstab
soziale Beziehungen, Lebensstil
Produktivität, aktive Beteiligung, Gegenseitigkeit
Soziale Beziehungen, aktive Beteiligung
Mittel zur Lösung
Offenheit (Toleranzgebot), Betonung innerer Werte
(Fehler-)Toleranz, wertrationale Anerkennungskultur
Distinktion und Mentorenprinzip
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Posttraditionale Vergemeinschaftungen sind daher auf Ideologien und Mythen angewiesen, die eine Koppelung von Praxisformen und Wertvorstellungen herstellen, zugleich aber so offen und flexibel sein müssen, dass sowohl unterschiedliche individuelle Interessen zum Zug kommen, als auch ein zum Erhalt der Gruppe ausreichend großes Wir-Gefühl. Der »Mythos der Gemeinschaft« hebt den Widerspruch auf zwischen der Mikroebene der sozialen Beziehungen, dem in der direkten Interaktion erfahrenen empathischen »Gemeinschaftsgefühl«, und der durch den Medientext und dessen Rezeption vermittelten »Idee der Gemeinschaft« auf der Makroebene einer Fankultur, die das Bewusstsein einer kategorialen Zugehörigkeit zu einer Gruppe vermittelt, die eine gemeinsame Eigenschaft verbindet. Dieser Mythos vermittelt zum einen ein Wir-Bewusstsein, auf das sichjeder einzelne Fan in Kontakten gegenüber der Umwelt beziehen kann, indem er sein Handeln als Handlung im Sinne eines Kollektivs definiert. Zum anderen löst er das Problem der Heterogenität vielfaltiger kultureller und sozialer Bedürfnisse in einer posttraditionalen Gemeinschaft. Er bildet ein Deutungsmuster für alle Fans ganz unabhängig vom jeweiligen Grad der Selbstverpflichtung. Die Funktion des Textes besteht hier in erster Linie darin, die emotionale Gratifikation zu vermitteln, die mit dem Getlihl einer Gemeinschaft im allgemeinen verbunden ist. Das Paradox von individualistischer Selbstverwirklichung und Gemeinschaftsbildung löst der Mythos der Gemeinschaft dadurch, das sich nicht mehr jeder vollständig und verbindlich mit der Gemeinschaft identifizieren muss, sondern die Gemeinschaft in einem selbst »nach Maßgabe seiner selbst >aufgehen< [... ]lassen« (Willems 2000: 54) kann. Eine Grundlage des Erfolgs von STAR TREK besteht demzufolge darin, dass die Idee der Gemeinschaft im Fandom mit dem in der Serie vorgelebten Ideal der Gemeinschaft korrespondiert, das dort sozusagen schon vorformuliert bereit liegt. Für die aktiven Fans bedeutet dies, dass auftretende Konflikte nicht allein entlang sozialer Differenzen ausgetragen werden müssen, sondern immer die Chance beinhalten, durch den Verweis auf die Sinnstruktur des gemeinsamen Bezugspunkts geschlichtet zu werden. Wer durch den Text STAR TREK sozialisiert zu dieser Gruppe stößt, bringt so bereits die richtige Grundeinstellung mit. Der »Ideologie der Gemeinschaft« kommt dabei die Aufgabe zu, den verlässlichen Orientierungsmaßstab der Serienwelt auch in der sozialen Welt der Fans fortzusetzen. Diese Ideologie formuliert eine Offenheit gegenüber individuellen Bedürfnissen, die von äußeren Zuschreibungsmerkmalen absieht. Damit befördert sie ein Gemeinschaftsgetlihl und vermittelt ein Bewusstsein der Gleichwertigkeit, durch das sich die Fans als Person wahrgenommen und akzeptiert tlihlen. Die Vertlihrungskraft dieser Ideologie besteht darin, eine Gemeinschaft jenseits sozialer Differenzen zu definieren, in der nur innere Wetie zählen. Damit wird Indifferenz zu einer >moralischen< Haltung, die typisch für posttraditionale Gemeinschaften ist, weil sie deren Mitglieder vom Druck befreit, ihren Lebensentwurf rechtfertigen zu müssen (vgl. Haubl 2001). Die in diesem Zusammenhang häufig angeführte Toleranz unter den Fans erweist sich so letztlich als unabhängig von STAR TREK. Es handelt sich
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vielmehr um einen symbolischen Ausdruck der »Ideologie der Gemeinschaft«, die als strukturierendes Prinzip einer Fankultur zugrunde liegt. 7 Das Toleranzgebot fungiert in diesem Zusammenhang als eine Leerformel, die in dem Widerspruch zwischen dem Bedürfnis, different zu sein, und dennoch in Beziehung zu leben, vermittelt. Toleranz meint hier keine symmetrische Wertschätzung, in der die anderen Fans als Personen für die eigene Lebenspraxis bedeutsam sind, sondern ein Geltenlassen anderer, die in den meisten Fällen nur in ihrer Rolle als Teilnehmer an derselben Praxis von Relevanz sind. Als Ideologie funktioniert die >Haltung der Indifferenz gegenüber anderen< daher nur so lange, wie der eigene Lebensentwurt: den man durch die Selbstbindung an eine Gruppe zu verwirklichen sucht, nicht beeinträchtigt wird. Während sich Fans mit einer hohen Selbstverpflichtung in solchen Fällen durch Distinktion wehren, fallt Fans mit einer geringen Bindung im allgemeinen ein Verzicht bzw. Wechsel zu anderen Angeboten nicht allzu schwer. Die Gemeinschaft wird indes nicht, wie Willeros dies für die Veranstaltungsform des Events konstatiert, »zum bloßen Vehikel individueller Bedürfnisbefriedigung« (Willems 2000: 54), denn die »Ideologie des Selbermachens« stellt eine Verbindung her zwischen den kulturellen Standards und den sozialen Strukturen der Fankultur und verleiht ihr damit ein gewisses Maß an Dauerhaftigkeit, Stabilität und Verlässlichkeit. Diese Ideologie vermittelt zum einen den Bezug nach außen, indem sie einen Gegenentwurf zum Bild des passiven Fans entwirft, und den Fans das Gefühl gibt, am Zustandekommen >ihres< Produkts beteiligt zu sein und das Verhältnis zur Produktionssphäre mit zu bestimmen. Zum anderen entstehen die sozialen Strukturen der Fankultur und ihre Institutionen überhaupt erst durch die Produktivität einer ausreichend großen Zahl aktiver Fans. Die Anerkennungskultur, die durch die »Ideologie des Selbermachens« als Grundwert definiert wird, hat wesentlichen Anteil an der Verführungskraft der Fankultur, da sie eine Selbstverpflichtung und aktive Beteiligung lohnenswert macht. Eine wichtige Funktion der »Ideologie des Selbermachens« ist es, in dem Widerspruch zu vermitteln zwischen der Selbstve1pjlichtung gegenüber Medienangebot und Fankultur und der gleichzeitig immer vorhandenen Unverbindlichkeit in posttraditionalen Gemeinschaften. Die Koppelung von Kultur und sozialer Struktur stellt so lange kein Problem dar, wie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen aktiven und passiven Fans besteht. Diese Balance versuchen die aktiven Fans dadurch aufrechtzuerhalten, dass sie 1.) den inneren Zusammenhang durch »soziale Vergleiche« (vgl. Tajfel 1982) mit der >Fremdgruppe< der >unechten< Fans stärken, zu denen sie nach innen homogenisierend wirkende Differenzen und Stereotypisierungen aufbauen und 2.) bewusst versuchen, den Wert sozialer Beziehungen und der Produktivität zu fördern (z.B. durch das Mentorenprinzip in Clubs), indem sie die eigenen Ideologien praktisch umsetzen und die Mythen der Fankultur wach halten. Fankulturen sind heterogene Netzwerke von Gesinnungsgenossen, die nur durch ideologische Konstrukte zusammengehalten werden. Die Ideologien und Mythen der Fankultur sind ein wesentlicher Baustein dieser Wahl7
Die Idee der Toleranz lässt sich daher auch bei anderen nicht-medialen Fankulturen wie z.B. der Techno-Szene feststellen (vgl. Wenger 2002: 180ff; Corsten 2001: 117).
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heimat, die dazu beitragen, die Widersprüche und Inkonsistenzen, die dieser Gesellungsform eingeschrieben sind, aufzuheben. Sie verweisen damit aber auch auf Konflikte, die sich in einem offenen kulturellen Bereich zwangsläufig in Form von Distinktionsbemühungen und symbolischen Auseinandersetzungen einstellen, und artikulieren die zu einem bestimmten Zeitpunkt dominante Position innerhalb einer Fankultur. Bei den Ideologien und Mythen der Fankultur handelt sich um zu Geschichten transformierte Deutungsmuster (vgl. Keupp 1996: 41 ), die den individuellen Bezug zu objektiven Handlungsproblemen symbolisieren. Während die Ideologien ein Mittel sind, Selbsttheorien aufzubauen und aufrecht zu erhalten, und die Relevanzstrukturen aller Fans, die in irgendeiner Form an der Fankultur teilhaben, anzugleichen, erzählen die Mythen von der gelungenen Durchsetzung dieses Vorhabens. Als »symbolische Systeme, die für Rechtfertigung, Kritik und/oder die Produktion von Kohärenz [in der Identitätsbildung; CW] verwendet werden« (Keupp 1999: 208), stehen sie in Beziehung zu gesellschaftlich-historisch verfügbaren Meta-Erzählungen. Die beiden zuvor herausgearbeiteten >Kernerzählungen< der Fangemeinde lassen sich dabei dem von Keupp beschriebenen Nan·ationstypus der »Erzählungen vom >Retlexiv-kommunitären SelbstErzählungen< ihren normativen Anspruch wie auch ihre Identifikationspotentiale gewinnen (vgl. Keupp 1999). Die Tatsache aber, dass die Fans dies nur über die Orientierung an einem Konsumprodukt erreichen können, zeigt, dass diese Erzählungen des »reflexiv-kommunitären Selbst« als »ldentitätsbausätze« (ebd.: 42) immer wieder an ihre Grenzen stoßen und nicht allein für sich umgesetzt werden können, sondern ebenso auf eine Auseinandersetzung mit den Normalitätsanforderungen des »Proteischen Selbst« verwiesen bleiben.
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7.4 Die Fankultur der STAR TREK-Fans im gese llschaft I ich-historisehen Kontext STAR TREK hat seit der ersten Serie in den späten 1960er Jahren ebenso wie seine Fankultur einen weiten Weg zurückgelegt, auf dem sie größeren Veränderungen unterworfen waren. Das ursprüngliche Fandom in Deutschland bestand aus einem relativ kleinen Kreis von Leuten, denen sich nur wenige Gelegenheiten zu einem persönlichen Austausch boten. Die klassische Fankultur wurde vor allem über die Clubs und die von diesen herausgegebenen Fanzines vermittelt. Erst später kamen die heutzutage gängigen Institutionen des Trekdinners und der Conventions sowie das Medium Internet hinzu. Der Mythos der Gemeinschaft gründet im Wesentlichen auf den frühen Kampagnen amerikanischer Fans zum Erhalt der Serie. Die Ideologie des Seiherrnachens entwickelte sich in den 1980er Jahren aus der Not heraus, das Interesse an STAR TREK und die identitätsstiftenden Potentiale der Serie durch eigene Aktivitäten aufrecht zu erhalten, als keine entsprechenden Medienangebote vorhanden waren. Vergemeinschaftung und Produktivität standen lange Jahre in einer homologen Beziehung zu einem Fanleben im Mangel. Die Erfolge einiger ScienceFiction-Kinofilme in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, die zur Wiederaufnahme der Produktion von STAR TREK flihrten, waren Vorboten einer weitreichenden Kommerzialisierung. Mit dem Erfolg der zweiten STAR TREK-Serie gewann diese Kommerzialisierung eine Dynamik, die sich auch nachhaltig auf die Fankultur auswirkte. Diese konnte sich bis dahin weitgehend aus sich selbst heraus entwickeln und wies dank des einzigen Bezugspunktes der Originalserie und der mit denselben Protagonisten fortgetlihrten Kinofilme eine relativ homogene Struktur auf Im Zuge des STAR TREK-Booms der frühen 1990er Jahre, der durch die Vermarktungsbestrebungen der Produzenten wie auch der TV-Sender entscheidend vorangetrieben wurde und zu einer großen öffentlichen Aufmerksamkeit flihtie, nahm der Einfluss äußerer Faktoren auf die Entwicklung der Fankultur zu. Während die Fans bis dahin vor allem mit >Mittelkrisen< zu kämpfen hatten, wie z.B. der Verfligbarkeit der Serien und weiterfUhrender Informationen, sahen sich die Fans angesichts des Angebotsüberflusses nun vermehrt mit >Sinnkrisen< konfrontiert. Mit der umfassenden Vertligbarkeit und der Diversifizierung des Medienangebots, zusätzlicher Merchandisingprodukte und dem Auftauchen genreverwandter Konkurrenzprodukte sowie dem großen Zustrom neuer Fans wurde die selbstverständliche Gültigkeit der Normen und Werte des Fandoms wiederholt in Frage gestellt. Dies flihrte im Inneren der Fankultur zu vermehrten Distinktionsprozessen und der Differenzierungen entlang spezialisierter Interessen. Die ohnehin schon bestehende Heterogenität einer posttraditionalen Vergemeinschaftung trat so stärker ins Bewusstsein, wodurch der Mythos der Gemeinschaft brüchig und die bestehenden Differenzen immer weniger überdeckt wurden. Die Gültigkeit reziproker Perspektiven und das Vertrauen auf eine zukünftige gemeinsame Praxis verlieren damit an Verlässlichkeit. Die Ideologie der Gemeinschaft, mit ihrer wertrationalen Auffassung der Fanpraxis, die ihren Wiederhall in einem gemeinsamen Lebensstil findet, der auch über das geteilte Interesse an STAR TREK hinausgeht, trifft im Zuge dieser Entwicklung vermehrt auf die zweckrationale Erlebnisorientierung vieler Fans, die STAR
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TREK und die dazugehörige Fankultur als ein Freizeitangebot unter vielen betrachten, dem sie auch nur eine dementsprechend geringe Selbstverpflichtung entgegen bringen. Die Pluralisierung der Gesellschaft, in der jedermann jedweder (Sub-)Kultur angehören kann, die sich entlang gleichartiger Konsumorientierungen konstituiert, spiegelt sich so auch in der Fankultur wieder. Die Zunahme des Anteils passiver Fans erschüttert die Anerkennungskultur in ihren Grundfesten und entkoppelt die Teilhabe an der Fankultur zunehmend von der Notwendigkeit sozialer Beziehungen. Zudem betrifft dies das Selbstverständnis der Fans als einer Gruppe, die durch ihre Produktivität und den gemeinschaftlichen Zusammenhalt Einfluss auf ihre Produkte hat. Damit drohen letztlich auch die mit der Fankultur verbundenen Potentiale der Selbstermächtigung und Selbstwertsteigerung verloren zu gehen. Als Konsequenz ziehen sich zahlreiche der ehemals aktiven Fans verstärkt in Enklaven zurück, die nur noch einen bedingten Bezug zu STAR TREK aufweisen, während andererseits zunehmend eine Konsumorientierung im Fandom Einzug hält, die unter anderem in der Entwicklung des Offiziellen STAR TREK Fanclubs, an der zunehmenden Eventisierung großer Conventions und einem umfassenden Angebot von STAR TREK im Fernsehen sichtbar wird. Zugleich veränderte sich der äußere Bezugsrahmen der Fankultur. In dem Moment, in dem der Druck von außen in Form von Erfahrungen der Stigmatisierung und der Abhängigkeit von der Produktionssphäre nachließ, ging auch ein Teil des inneren Zusammenhangs verloren, da die Fankultur heterogener wurde und immer weniger Bezugspunkte für das Bewusstsein findet, sich in einer gemeinsamen sozialen Lage zu befinden. Die Ausdehnung, Vervielfältigung und Diversifizierung des Angebots 8 bietet nur noch sporadische und situativ auf Teile des Fandoms begrenzte Gemeinschaftserlebnisse, so dass es nur noch gelegentlich zu einer emotionalen Verdichtung kommt, z.B. bei großen Conventions, wo die gemeinsame emotional geprägte Interaktion mit den Stars intensive Gemeinschaftserlebnisse produziert. Das relativ einheitliche System kultureller Repräsentationen wird brüchig, weil die Selbstnarrationen und die Realität der eigenen Erfahrungen auseinander driften. Und die für die Fankultur charakteristische Idee einer Gemeinschaft wird zunehmend mit den Realitäten und Zwängen der finanziellen Ökonomie konfrontiert, die den Fans durch ihr Vollangebot Anlass und Motivation selbst aktiv zu werden entzieht bzw. vorenthält. STAR TREK scheint eine wählbare Freizeitbeschäftigung unter vielen geworden zu sein, die ein relativ verlässliches Erlebnisangebot zur Verfügung stellt. Nichtsdestotrotz lebt das Gemeinschaftsgefühl sowohl in kleineren lokalen Zusammenhängen, als auch bei großen Conventions fort. Allerdings han8
Die Serien selbst repräsentieren mittlerweile kein so geschlossenes Weltbild mehr wie zu der Zeit der ersten beiden Serien. In den neueren Serien wird häutiger von dem früheren Anthropozentrismus (vgl. Kap. 4) abgewichen und tatsächlich fremde Perspektiven anderer Völker wie auch lnkonsistenzen innerhalb der Föderation aufgezeigt. Ein wiederkehrendes Thema in Tos ist z.B. die Bedrohung von innen, die u.a. in dem Volk der Gestaltwandler und der Figur des Odo thematisiert wird, oder auch diejenigen Episoden, die sich mit der Problematik des Krieges mit dem Dominion beschäftigen. An der heftigen Kritik vieler Fans an diesen Folgen wird deutlich, dass hier zentrale Werte der Fankultur bedroht werden. Die Differenzierung des Angebots reicht also bis in die einzelnen Serien hinein.
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delt es sich, wie die zuvor beschriebene Entwicklung zeigt, mehr und mehr um den Mythos einer imaginären Gemeinschaft, die jeder in sich selbst aufgehen lassen kann, ganz gleich, ob er tatsächlich mit anderen Fans interagiert, oder ob jemand mur< am >Symbol STAR TREK< partizipiert. Dieser Wandel bedeutet nicht, dass Fans nicht mehr produktiv wären und stattdessen gänzlich in den Bannkreis der Marketingstrategien kommerzieller Anbieter geraten. Er bedeutet allerdings, dass zum einen die Einflussmöglichkeiten der Fans durch ein stetig wachsendes Angebot eingeschränkt werden, weil es umso schwieriger wird, einen gemeinsamen Bezugspunkt zu finden, je mehr STAR TREK-Serien über die Jahre produziert werden. Zum anderen wird die Notwendigkeit, selbst aktiv zu werden, um so geringer, je leichter und umfangreicher das Angebot verfügbar ist. Eine Fankultur lebt nachgerade vom Mangel, denn erst dann kann sich die »Ideologie des Selbermachens« entfalten und erst dann treten nach innen gemeinschaftsstiftend wirkende Konflikte mit den Produzenten auf~ weil eine Einschränkung des ohnehin schon knappen Angebots an die Toleranzgrenzen der Fans stößt. Dementsprechend flackern Proteste der Fans heute nur noch situationsspezifisch auf (wenn z.B. eine bestimmte Serie in einem Bundesland dem Regionalfenster zum Opfer fallt) und betreffen meist nicht mehr die gesamte Fangemeinde, weshalb weder ein ausreichendes Gemeinschaftsgeflihl durch Protestaktionen, noch ein Erfolg versprechender Druck auf die >Gegner< ausgeübt werden kann. 9 Die Möglichkeiten, trotz der strukturellen Bedingungen einer posttraditionalen Vergemeinschaftungsform solidaritätsstiftende gemeinsame Wertsetzungen zu entwickeln, gerät zunehmend gegenüber einer durch Konsumorientierungen geregelten »Kollektiv-Inszenierung« (Hitzler 1998: 86) ins Hintertreffen, die »vorzugsweise von einer Organisationselite im Zusammenhang mit [ ... ] Profitinteressen stabilisiert und perpetuiert wird« (ebd.). Dies wird besonders deutlich an der Entwicklung, die der zuvor schon eingehender betrachtete Club STCE/OSTFC sowie die von denselben Personen veranstaltete FEDCON genommen haben (vgl. Kap. 5.3). In ähnlicher Weise gilt dies flir die von Fans produzierten Online-Magazine (vgl. Kap. 5.6). Diese Fanproduktionen entwickelten sich von erlebnisintensiven Angeboten flir einen kleinen, homogenen Kreis zu erlebnisextensiven Produkten, die mit einem vielfältigen Angebot (z.B. Informationen zu anderen Serien oder Sponsorenstände auf der Convention) ein breites Publikum ansprachen. Allerdings muss man Hitzier hier einschränkend entgegenhalten, dass die Entwicklung dieser Faninstitutionen nicht durch zweckrationale Profitinteressen der Produzenten vorangetrieben wurde, sondern diese vielmehr durch diesen Wandel selbst in die nicht unproblematische Situation einer Doppelrolle zwischen den Anforderungen und Bedürfnissen der finanziellen und der kulturellen Ökonomie geraten sind. Während der Antrieb zu Beginn der Fankultur darin bestand, sich von den Abhängigkeiten zur Produktionssphäre zu emanzipieren, geht es nun vielmehr darum, innerhalb der nicht zu verleugnenden Abhängigkeiten zu
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Mitverantwortlich daran ist nicht zuletzt die zunehmende Verbreitung des Internets als KommunikationskanaL Denn dies befördert zum einen Einzelinteressen. und täuscht durch die Leichtigkeit mit der dort Fanproteste organisiert werden können, darüber hinweg, dass nur ein kleiner Teil der Fans hinter einer Aktion steht (vgl. Kap. 5.6- Einfluss auf die Be=iehungen zur Produktionssphäre ).
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differenzieren und das Beste daraus zu machen. Die Utopie einer alternativen Gemeinschaft ist damit allerdings mehr denn je ein - wenn auch bisweilen sehr lebendiger- Mythos.
7.5 Warum ist STAR TREK so erfolgreich? Versuch einer Verallgemeinerung Die Frage nach dem Erfolg eines so weitreichenden und komplexen Phänomens, das sich über nunmehr 40 Jahre entwickelt hat, ist nicht einfach und abschließend zu beantwmien. Dennoch lassen sich im Anschluss an die vorliegende Studie einige Merkmale, Einflussfaktoren und Bedingungen benennen, die zur Entstehung des Kultes um STAR TREK maßgeblich beigetragen haben. Gleichzeitig verweisen diese Bedingungen auf die Linien, entlang derer eine Verallgemeinerung dieses prominenten Einzelfalles auf andere (Medien-)Fankulturen geschehen kann. I. Eine wichtige Bedingung für die Anschlusstahigkeit bei einer großen Zahl an Personen ist die polyseme Struktur des Medientextes, die den Text für die Aneignung der Leser öffnet. Die fiktionale Serienwelt von STAR TREK bietet hier ein enormes Potential für die eigene Produktivität der Zuschauer. Die Konstruktion einer fiktiven Welt, die nicht in der Jetzt-Zeit spielt, eröffnet Vielzahl von Unbestimmtheiten und Lücken, die der Text allein nicht zu füllen in der Lage ist. Durch die Verlagerung der Handlung in die Zukunft, sind der Darstellung viele Freiheiten gegeben, auch wenn die Handlungen und Motive der Akteure mehr oder weniger denen unseres Alltags gleichen, den sie letztlich immer nur extrapolieren. Der Versuch der Zuschauer, aus den dargebotenen Ausschnitten dieser >fremden< Welt eine in sich gültige und stimmige Serienwelt zu konstruieren, macht eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Medienangebot geradezu notwendig, um über ein ausreichendes Repertoire an serienimmanenten Erklärungen, z.B. für die Technik oder das Verhalten der (außerirdischen) Akteure, zu verfügen. Eine weitere Dimension der Fiktionalisierung, die bei anderen Serien wie z.B. Daily Soaps kaum zum Tragen kommt, aber bei STAR TREK ebenso wie bei den von Winter untersuchten Horrorfilmfans eine große Rolle spielt, ist die Machart des Angebots und insbesondere die dabei eingesetzten SpezialEffekte. Eine besondere Qualität von STAR TREK liegt zudem in seinem intertextuellen Potential. STAR TREK beinhaltete von Beginn an eine Fülle von Verweisen auf andere Texte und gesellschaftliche Ereignisse, die vom Produzenten Roddenberry durch die Beteiligung von Naturwissenschaftlern und bekannten ScienceFiction-Autoren bewusst installiert wurden. Eine wesentliche Grundbedingung für die Entwicklung dieses großen polysemen Potentials ist das Serienformat, das mit seiner langen Laufzeit entscheidend zu einem großen Alleignungspotential beigetragen hat, das sich mit jedem neu hinzukommenden Detail über die Charaktere oder den Handlungsrahmen noch erweitert. 2. Der Erfolg eines »produzierbaren Textes« (Fiske 1999a: 68) hängt zudem in hohem Maße davon ab, inwieweit er anschlusstahig im Alltag der Zuschauer ist (vgl. Kap. 2.5). Dies geschieht zum einen dadurch, dass der Text
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Bezüge zur gesellschaftlich-historischen Rahmensituation und den dort jeweils vorherrschenden Mentalitäten seiner Zuschauer aufweist. Im vorliegenden Fall richtete sich diese Verweisstruktur des Textes vor allem auf Phänomene, die sich im Kontext der gesellschaftlichen Individualisierung erklären lassen. STAR TREK zeigt Beispiele flir die erfolgreiche Lösung des Problems kultureller Identitäten auf, die zwischen verschiedenen Bezugsgruppen zu vermitteln gezwungen sind, und zeichnet eine Selbstwert steigemde und positiv besetzte Wertestruktur als Zukunftsoption, die in der Abstraktion der gesellschaftlichen Bezüge und der Handlungssituationen offen flir eine Vielzahl von sozialen Situationen ist. Bei STAR TREK ließ sich zudem beobachten, dass der Medientext ein Sinnangebot für die Vergemeinschaftung der Fans liefert, indem er zum einen in der Beziehung der Serienfiguren zueinander auch ein Modell für die Beziehungen der Fans zeichnet, und zum anderen einen Wertekanon formuliert, der als gemeinsam geteilter Orientierungsmaßstab für die Regelung der Beziehungen in der Fangemeinschaft herangezogen werden kann. Dieser Wertekanon verweist darüber hinaus auf symbolischer Ebene auf den Lebensstil der Fans, wodurch der Text als relativ verlässlicher Bezugspunkt fiir eine allgemeine Lebensorientierung genutzt werden kann. 3. In den Fanstudien von Jenkins (1992a) und Bacon-Smith ( 1992) wurden insbesondere die Frauen als Träger dieser Fankultur beschrieben. »Media fandom [... ] is largely female, largely white, largely middle class« (.Jenkins 1992a: I). Dies fUhrt Jenkins in seiner Analyse der Entwicklung von Medienfankulturen auf einen historischen Schnitt zurück, zwischen dem bis dahin männlich dominierten literarischen ScienceFiction-Fandom und dem neueren, femininen Stil des Media-Fandoms (vgl. Jenkins 1992a: 48). In der typischen Form kritisch-interpretativer Praktiken in Fankulturen erkennt er die Institutionalisierung weiblicher Lesepraktiken, im Gegensatz zu den männlichen Leseund Interpretationsgewohnheiten des akademischen Diskurses (vgl. Jenkins 1992a: 116). Diese Ergebnisse unterscheiden sich deutlich von denen der vorliegenden Studie, wo der Anteil an männlichen Fans bei weitem überwiegt. Dieser Unterschied lässt sich vor allem darauf zurückfUhren, dass sich die genannten Studien insbesondere mit der Media-Fanzine-Community beschäftigen, da sie die textuelle Produktivität der Fans, d.h. das Verfassen von Fan-Fiction, als zentrale Fanaktivität erachten. Während diese Aktivitäten auch in der vorliegenden Arbeit deutlich den weiblichen Fans zuzuordnen sind, scheint das Fandom insgesamt allerdings dennoch flir Männer attraktiver zu sein. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang letztlich, dass mit den Frauen eine sehr große Zuschauergruppe STAR TREK als Bezugspunkt für den Einstieg in eine Fankultur für sich entdeckte. Sie konnten dazu auf die bereits vorhandenen Strukturen der Science Fiction-Szene zurückgreifen, und eine Fankultur schaffen, die offener für Frauen ist. Das geeignete Betätigungsfeld fanden sie in der Fan-Fiction, die es ihnen erlaubte, den mit STAR TREK neu zum Genre der ScienceFiction hinzugekommenen »emotionalen Realismus« für sich zu nutzen und so dieses ursprünglich männliche Genre für ihre Bedürfnisse umzuarbeiten. Vor allem die Bedeutung, die in den Serien den Beziehungen der Crewmitglieder eingeräumt wurde, adressierte einen genderspezitischen Zugang. Eine wichtige Rolle spielten dabei mit Sicherheit die
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hybriden Charaktere, die in ihrer Hin- und Hergerissenheit zwischen Emotionalität und Selbstdisziplin auch den feministischen >Kampf( um die Relevanz weiblicher Eigenschaften in einer männlich dominierten Welt wiederspiegeln. Der gemeinsame Bezugspunkt STAR TREK ermöglichte es den Frauen, gleichzeitig individuelle Themen zu bearbeiten und diese in der Fankultur als Thema von öffentlichem Interesse zu erfahren. Die weiblichen Fans konnten damit aus dem engen Rahmen des Widerstands heraustreten wie er beispielsweise für die weibliche Alleignung von Soap Operas im flüchtigen Klatsch unter Freundinnen typisch ist (vgl. Brown 1994). 4. Großen Einfluss auf die Konstitution des Fandoms hatte auch das Verhältnis zu Gene Roddenberry, dem Produzenten und Schöpfer von STAR TREK. Roddenberry verstand es, in seiner Konzeption und öffentlichen Darstellung von STAR TREK die unterschiedlichsten Interessengruppen zu bedienen: Die Studios, die ein breites Publikum erreichen wollten, die klassische SF-Szene, indem er etablierte Autoren verpflichtete, und vor allem die Fans, denen er das Gefühl vermittelte, eine wichtige, wenn nicht die eigentlich relevante Zuschauergruppe zu sein. Zwischen Roddenberry und dem frühen Fandom entwickelte sich eine intensive Beziehung mit dem Ziel, die Serie am Leben zu halten. Während Roddenben-y das Potential der Fans als eine pressure group für seine Interessen nutzte, erhielten die Fans umgekehrt die Unterstützung von Roddenben-y bei ihren Kampagnen. Dabei profitierte Roddenberry auch finanziell z.B. beim Yetirieb von Merchandising-Produkten von der Glaubwürdigkeit, die er seinem engen Kontakt zur Fanszene und dem kompromisslosen Einsatz für die Integrität seines Werks verdankte. Die Fans wiederum bekamen durch diesen Kontakt das Gefühl vermittelt, am Zustandekommen von STAR TREK beteiligt zu sein. Mit der Etablierung einer eigenen Conventionszene setzte sich dieses Verhältnis auch in der Beziehung zu den dort auftretenden Darstellern fort, das bis heute von der Ambivalenz zwischen der Nähe zum Fandom und den kommerziellen Interessen der Stars geprägt ist. 5. Betrachtet man die historische Entwicklung dieser Fankultur, so wird deutlich, dass sie entscheidend von der Ve1jügbarkeit des Angebots mit beeinflusst wurde. Ihr Ursprung liegt in den Brieflmmpagnen zum Erhalt der ersten Serie, die ein erfolgreiches Modell für weitere Aktionen und andere Medienfankulturen abgaben und als ein bis heute lebendiger Mythos zur Selbstermächtigung und Zusammenhalt der Fangemeinde beitragen. Auch in Deutschland fiel die Entwicklung der Fankultur im Wesentlichen in die 1980er Jahre, als die erste Serie kaum zu sehen war und es auch sonst kaum etwas Neues zu vermelden gab. Die Konstitution dieser Fankultur und ihrer zentralen Strukturen, die auf einer engen Verzahnung von wertrationaler kultureller und sozialer Praxis im Rahmen einer Anerkennungskultur beruht, war durch eine Zeit des Mangels geprägt, in der die Fans zwangsläufig dazu angehalten waren, selbst produktiv zu werden, wenn sie die identitätsstiftenden Potentiale der Serie für sich nutzen wollten. Den Anstoß zu einem Breitenphänomen erhielt die Fangemeinde allerdings wiederholt von außen, als die Serie oder Kinofilme von der Produktionssphäre auf breiter Basis zur Verfügung gestellt und von Vermarktungsmaßnahmen begleitet wurden (Syndication-Vertreib in den frühen 1970ern in den USA; Übernahme der Senderechte durch SAT.l Mitte der 1990er Jahre in Deutschland). Die große öffentliche Aufmerksamkeit, die dadurch generiert
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wurde, rekrutierte eine Vielzahl neuer Fans, die in den schon vorhandenen Strukturen der Fankultur ein Auffangbecken fanden. Anders als in den 1970ern wird dieses Potential allerdings von der Produktionsseite heutzutage deutlich besser genutzt. Die Strategie des »Kultmarketings« (vgl. Göttlich/Nieland 1998) verfolgt das Ziel, eine enge Beziehung zwischen der Serienwelt, der Lebenswelt der Zuschauer und der Welt der Merchandisingprodukte aufzubauen, wobei der Sender und die Produkte vom positiven Image der Serie profitieren sollen. Dies geschieht vor allem durch den gezielten Aufbau von Präsentations- und Absatzmärkten in der Zielgruppe, sowie durch die Mitinszenierung und (idealerweise) Schaffung von Moden und Trends. Die Umwandlung des STCE in den »Offiziellen Star Trek Fan Club« sowie die zunehmende Präsenz von Merchandisingproduzenten und Paramount selbst auf der FEDCON zeigen, wie hier versucht wird, die Szene der STAR TREK-Fans mit zu inszenieren, um damit vom authentischen Image gewachsener Faninstitutionen zu profitieren, einen direkten Zugang zu den Kunden zu gewinnen und so auch eine bessere Kontrolle über den Markt zu erlangen. Ein Teil dieser Strategie ist es, keine Opposition zu den Fans aufzubauen, sondern sie dadurch zu vereinnahmen, dass man sie (zumindest scheinbar) interaktiv beteiligt. Dies geschieht z.B. durch Chats auf der offiziellen Hornepage von Paramount (www.startrek.com), die Einrichtung eines eigenen Zuschauerservices bei SAT.1 (vgl. Interview mit Herrn Seelhof), oder die Veranstaltung von Drehbuch- Workshops. In eine vergleichbare Richtung geht auch die Beteiligung von Autoren aus dem Fandom in kommerziellen Zeitschriften, wovon man sich durch deren ausgeprägtes populärkulturelles Kapital und ihre glaubwürdige >Herkunftreal< interpretation« (Tulloch 1995b: 142). Dementsprechend lässt sich auch die Popularität eines kulturellen Phänomens nicht auf das bloße Vorhandensein bestimmter Einflussfaktoren reduzieren. Es handelt sich vielmehr um das Ineinandergreifen typischer Rahmenbedingungen und Entwicklungsverläufe in einer historisch einmaligen Artikulation. Deren Rekonstruktion muss sowohl gesellschaftliche Konstruktionsprozesse berücksichtigen, als auch die sich im Inneren einer Fankultur entwickelnden Bedeutungspotentiale, Identitätsofferten und Vergemeinschaftungsprozesse einschließlich der dazu notwendigen Ideologien und Mythen und deren Verwendung im Diskurs der Fans.
7.6 Methodenintegration jenseits methodelogischer Voreingenommenheiten Die Erweiterung des üblichen Methodenspektrums der ethnographischen Forschung um einen quantitativen Untersuchungsteil geht dem ersten Anschein nach einen ungewöhnlichen Weg. Dies gilt jedoch nur, wenn man die Entscheidung für ein Forschungsdesign ausschließlich von einer vorgängigen methodologischen Reflexion abhängig macht, die Verfahrensregeln ohne Bezug zu theoretischen Überlegungen zur Natur des Forschungsgegenstandes formuliert. Zweckmäßig sind multimethodische Studien aber nur, wenn sich qualitative und quantitative Methoden wechselseitig ergänzen. Wie dieser wechselseitige Beitrag im Einzelnen aussieht, kann dabei nicht vorab und durchgängig bestimmt werden, sondern muss gegenstandsangemessen im Verlauf des Forschungsprozesses immer wieder von neuem geprüft werden. >Dogmatische< Voreingenommenheiten, die im Diskurs um das Verhältnis von quantitativer und qualitativer Forschungslogik immer wieder anzutreffen sind, z.B. dass Deutungsmuster und Handlungsorientierungeil nur mit qualitativen Verfahren erhoben und soziale Strukturen ausschließlich die Domäne quantitativer Methoden seien, müssen dabei verabschiedet werden (vgl. Kelle/Erzberger 1999: 525t). Beispielsweise können in homogenen Untersuchungsfeldern, über die man bereits sehr viel weiß, Deutungsmuster durchaus auch mit standardisierten Verfahren erhoben werden. Ethnographische Feldforschung um standardisierte Verfahren zu ergänzen, ist daher sinnvoll, wenn ein Untersuchungsfeld zwar noch der Exploration bedarf, aber nicht gänzlich unbekannt ist. In diesem Fall können mit quantitativen Methoden sozialstruktureHe Kontextfaktoren ermittelt werden, deren subjektive Bedeutung sich über interpretative Verfahren erschließt. Aus diesem Grund war diese Vorgehensweise auch für die vorliegende Untersuchung interessant. Bei einer Fankultur handelt es sich um einen offenen kulturellen Bereich, dessen Grenzen nicht durch objektive Merkmale
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bestimmt sind, sondern diskursiv konstruiert werden. Dies hat eine ganze Reihe von Widersprüchen und Ambivalenzen zur Folge, die an der Reibungsfläche zwischen objektiv gegebenen Strukturen - z.B. der Abhängigkeit von vorgefertigten Produkten, auf die man keinen Einfluss hat, oder der Instabilität posttraditionaler Gemeinschaften - und der subjektiven Verarbeitung z.B. dem Wunsch nach Gemeinschaft oder dem Bedürfnis nach einer eigenständigen kulturellen Produktivität - entstehen. Eine sozialwissenschaftliche Hermeneutik, die einen verstehenden Zugang zu einer Lebenswelt vermittelt, kann daher aus einer »systematischen Perspektiven-Triangulation« (Flick 2000: 315) wichtige Impulse beziehen. Des Weiteren war die Verbindung einer schriftlichen Befragung mit den ethnographisch erhobenen Daten ein Weg, der Unübersichtlichkeit und Unsichtbarkeit weiter Teile dieses sozialen Netzwerks beizukommen, indem der >Durchschnitt< einer breit definierten Fangemeinde als weiteres Kontrastierungselement den gesamten Kontext erhellte. Schließlich bringt die integrative Methodenkombination einige Vorteilen auf methodisch-praktischer Ebene mit sich, z.B. fiir die Kontrolle der Datenerhebung oder indem sie fortwährend dazu anhält, die jeweils eigene oft implizit angewandte Forschungslogiken qualitativer oder quantitativer Methoden zu reflektieren.
Bezugspunkte in der Methodenintegration Die konkrete Durchführung der Methodenintegration im Sinne eines iterativ angelegten Forschungsprogramms fand in dieser Studie an einer Reihe von Schnittstellen statt. • Durch diese Form der Methodenintegration können inhärente Schwächen beider Methoden besser reflektiert und zum Teil vermieden werden. Die häutiger anzutreffende Pseudoquantifizierung qualitativer Daten ist z.B. nicht mehr nötig, weil eine echte Quantifizierung erfolgt. Auf der anderen Seite können qualitative Daten dazu beitragen, die Validität quantitativer Instrumente zu verbessern, weil sie eine begründete Einschätzung erlauben, ob die verwendeten Items in der Weise verstanden werden wie sie bei ihrer Konstruktion intendiert waren. Einige der theoretisch entwickelten Operationalisierungen in der schriftlichen Befragung konnten durch das Wissen aus der qualitativen Auswertung nachträglich in ihrer von den Befragten verstandenen Dimension genauer expliziert werden. So war es durch diese Herangehensweise beispielsweise besser möglich, die Antworten hinsichtlich der innerhalb der Fankultur ablaufenden Diskussionsprozesse als Teil einer perspektivenabhängigen Distinktion zu rekonstruieren. • Quantitative Daten können zu einer Generalisierung qualitativer Ergebnisse beitragen, indem, wie hier geschehen, die qualitative Mikroebene durch strukturelle Makrodaten ergänzt wird, die den untersuchten Personen selbst, aufgrund ihrer Verstrickungen im Alltag oftmals nicht einsichtig ist (vgl. Kelle 2001: 30). Dies betraf z.B. die Frage, inwieweit die Fans objektiv einen gemeinsamen Lebensstil teilen und wie sie diese Gemeinsamkeit diskursiv konstruieren. Mittels qualitativer Daten können auf der anderen Seite quantitative Ergebnisse kontextualisiert werden, z.B. indem sie helfen Ideologien und Machtverhältnisse aufzudecken, die hinter bestimmten Handlungen und Einstellungen stehen. Quantitative
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Ergebnisse müssen so nicht für sich stehen, sondern können durch ihre Einbettung in einen qualitativen Kontext als Teil eines Diskurses interpretiert werden. Die integrative Verbindung beider Methoden ermöglicht es zudem bis zu einem gewissen Grad, d.h. soweit entsprechende Variablen im Fragebogen vorhanden sind, Hypothesen und Sinnstrukturen, die aus dem qualitativen Material gewonnen werden, fortlaufend zu überprüfen. Umgekehti können quantitativ ermittelte Metastrukturen, wie z.B. die Ergebnisse von Faktorenanalysen, durch qualitatives Wissen besser interpretiert werden, weil es Aufschluss gibt über die Bedeutung der Beziehungen zwischen den einzelnen Items der latenten Hintergrundvariablen, die in der Faktorenanalyse ermittelt wurden. Auf der Ebene der Interpretation geben quantitative Daten schließlich Hinweise auf mögliche Verteilungen und Vergleichsgruppen im theoretischen Sampling, während qualitative Methoden allgemein zu einer tiefergehenden Interpretation beitragen oder Hinweise aufgeeignete Variablen für statistische Analysen geben.
Tab. 7.4: Schnittstellenfür die Integration qualitativer und quantitativer Methoden Beitrag quantitativ für qualitativ
Beitrag qualitativ für quantitativ
inhärente Schwächen vermeiden
Pseudoquantitizierung bei Quali vermeiden
Verzerrungen im Fragebogen nicht vermeiden (z.B. soziale Erwünschtheit), sondern thematisieren; implizite Operationalisierungen reflektieren
Kontextbedingungen entwickeln
Deskriptive Daten liefern Kontextbedingungen, indem qualitative Mikroebene durch strukturelle Makrodaten ergänzt werden (Generalisierung, Geltungsbereich)
Theoretischer Bezugspunkt im Rahmen der Cultural Studies: Aufdecken von Ideologien und Machtverhältnissen hinter bestimmten Einstellungen und Handlungen (Kontextualisierung)
Theorien entwickeln und testen
Testen von Hypothesen und Bestätigung von Sinnstrukturen
Entwickeln von Hypothesen und Rekonstruktion von Sinntiguren; Tllustration abstrakter quantitativer Ergebnisse
Interpretation
Verteilung von Handlungen, Einstellungen etc.
Vertiefende Interpretation; Erklärung von unerwarteten Ergebnissen
(theoretisches) Mögliche Vergleichsgruppen Sampling ermitteln; Hinweise für theoretisches Sampling
Einschätzung der Güte der Stichprobe und möglicher Verzerrungen
Die Triangulation erfolgte somit als komplementäre Ergänzung, als Validierungsstrategie und als Mittel zur Generalisierung und Kontextualisierung von Ergebnissen. Schließlich darf nicht übersehen werden, dass eine Untersuchungsanlage, die im Kern auf eine verstehende Rekonstruktion innerhalb
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einer sukzessiven Forschungsstrategie im Sinne der »Grounded Theory« ausgerichtet ist, eine Vielzahl an wechselseitigen Einflüssen aller verwendeten Methoden aufweist. Dies lässt es oftmals gar nicht mehr zu, den genauen Ausgangspunkt interpretativer Schlüsse festzumachen. Insofern handelt es sich bei einer parallelen Verwendung unterschiedlicher Methoden auch immer um ein eigenständiges Ve1jahren, das zu neuen Erkenntnissen führt, die mit einzelnen Methoden so nicht hätten gewonnen werden können. Dies gilt für das Verhältnis qualitativer und quantitativer Methoden ebenso wie für die in der ethnographischen Forschung kaum diskutierte Beziehung qualitativer Verfahren untereinander. Methodenintegration bedeutet letztlich nicht nur, dass beide Methoden nebeneinander verwendet werden, sondern dass sie voneinander >lernenWiderständigkeit harter Zahlen< im hermeneutischen Konstruktionsprozess erschweti es beispielsweise, nur das aus dem qualitativen Datenmaterial >herauszuholenins Leere greifenwahren< Bedeutung der kulturellen Ausgangstexte).
Unterschiede zwischen verschiedenen auch nicht medialen Fankulturen sind demnach 1.) im Gegenstand selbst, 2.) in den Medien seiner gesellschaftlichen Verbreitung vor dem 3.) Hintergrund des jeweiligen gesellschaftlichhistorischen Kontexts zu suchen. Darüber erschließen sich das identitätsstiftende Potential, die Möglichkeiten der Aneignung sowie die gesellschaftliche Wahrnehmung und damit auch die gesellschaftliche Bedeutung. STAR TREK unterscheidet sich beispielsweise von der Fankultur der Horrorfans hinsichtlich der gesellschaftlichen Legitimität des Genres und damit auch in der Verfügbarkeit der Angebote (vgl. Winter 1995). Ein Fußballfan zu sein, hat nochmals eine ganz andere gesellschaftliche Bedeutung, als Fan einer Fernsehserie zu sein. Heutige Daily Soaps besitzen ein anderes Vermarktungspotential als Serien, die vor zwanzig oder mehr Jahren produziert wurden. Der Konsum der Medienfans ist weitgehend häuslich und ihre Veranstaltungen haben keine angestammten Räumlichkeiten, während die meisten Jugendkulturen, die sich um bestimmte Musikstile oder Sportarten bilden, einen ausgesprochen expressiven und öffentlichen Charakter haben, und auch in dafür vorgesehenen Räumen (z.B. Clubs und Discotheken) anzutreffen sind. Dies sollen nur einige Beispiele sein, die einen Weg aufzeigen, wie anhand der zuvor genannten Dimensionen ein Vergleich vorgenommen werden könnte. Ein zweites Feld, in dem sich noch viele ungelöste Forschungsfragen stellen, ist die Rolle, die populären Produkte im Prozess der Identitätsbildung zukommt. Hier wäre vor allem interessant, wann im Verlauf der biographischen Entwicklung ein Medienangebot welche Funktion für den Einzelnen besitzt. Ein Ansatzpunkt hierfür wäre die Frage nach dem Verhältnis, das die kleine soziale Lebenswelt des Fanseins zu anderen Lebensbereichen im Verlauf des Lebens einnimmt. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat beispielsweise Brüdigam ( 199b: 2001) unternommen, der die Rolle von Medienangeboten bei jugendlichen STAR TREK-Fans im Hinblick auf strukturale Bildungsprozesse untersucht, indem er problemzentrierte Interviews zur Medienaneignung mit biographisch-narrativen Interviews verbindet. SchmiedkeRindt (1998) widmet sich in ihrer Studie zu Fans der Popikone Madonna zum Teil ebenfalls diesen Fragen, wobei sie einerseits das von Winter ( 1995) entwickelte Modell der Entwicklung einer Fankarriere weiter ausführt und dabei auch die Lebenssituation der Fans mit einbezieht, und andererseits der Frage nachgeht, inwieweit es sich bei den Aneignungspraktiken der Fans um Coping-Strategien zum Umgang mit kritischen Lebensereignissen handelt.
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Ein dritter Bereich, der noch weiterer Forschung bedürfte, sind die Prozesse und Strukturen der Produktionssphäre und das wechselseitige Verhältnis der verschiedenen Institutionen der Produktionssphäre zu den Konsumenten. In der vorliegenden Studie wurde deutlich, dass dieses Verhältnis sehr ambivalent und widersprüchlich ausfallt, bisweilen symbiotische Züge annehmen, oder sich gar zu handlungspraktischen Allianzen verdichten kann. Insbesondere der Vergleich zwischen eigenständig gewachsenen Fankulturen und den gegenwärtig zahlreich zu beobachtenden von vornherein gesteuerten und künstlich generierten Kundenbeziehungen im Rahmen eines »KultMarketing« oder »Customer Relationship Marketing« ließe eine tiefergehende Betrachtung lohnenswert erscheinen. Diese Entwicklungen stellen insbesondere eine Herausforderung an die Cultural Studies dar, da das Verhältnis von Produktions- und Konsumtionssphäre vor dem Hintergrund aktueller Marketingansätze eine wesentliche Neubewertung erfahrt. Schließlich konnte in dieser Arbeit ein fruchtbarer Weg der Integration qualitativer und quantitativer Methoden gegangen werden. Die methodologische und forschungspraktische Reflexion zu diesem Thema steht allerdings erst am Anfang. Um Leitlinien für die Anwendung solcher Untersuchungsanlagen zu gewinnen, sowohl was die konkrete Durchführung, als auch mögliche Anwendungsfelder anbelangt, bedarf es noch weiterer Studien, in denen jenseits methodologischer Voreingenommenheiten gegenstandsadäquate Modelle Verwendung finden.
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