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German Pages [364] Year 2023
BETTINA FÖRSTER
JEDERMANN SPIELT ENTWICKLUNG DES EVANGELISCHEN LAIENSPIELS VON DER WEIMARER REPUBLIK BIS IN DIE NACHKRIEGSZEIT
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Bettina Förster
Jedermann spielt Entwicklung des evangelischen Laienspiels von der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit
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Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21795-4
Vorwort
Diesem Buch seien ‚Dachbodengedanken‘ und Dankesworte vorangestellt. Es handelt sich hier um die leicht überarbeitete Fassung meiner 2021 von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln angenommenen Dissertation. Der wichtigste Zeitzeuge ist Ulrich Kabitz (1920–2019), der als Kulturreferent in den Nachkriegsjahren das evangelische Laienspiel wesentlich prägte. Die Gespräche mit ihm halfen mir, Spieltexte zu finden und Zusammenhänge zu erkennen. Ulrich Kabitz holte in der frühen Nachkriegszeit auf einem Speicher lesend die Jugendbewegung nach; ich entdeckte auf dem Dachboden des Landesjugendpfarramts in Dresden Hunderte von Spieltexten. Der Theologe Aurel von Jüchen erklärte 1940, dass es der Kirche mit dem geistlichen Spiel so ähnlich gegangen sei wie einem Bauern, der auf einem Dachboden eine kostbare Truhe hat, deren Wert er nicht mehr kennt. Meine langjährigen Recherchen seit 2008, die stets neben meiner freiberuflichen Tätigkeit als Journalistin erfolgten, haben nun die Entwicklung des evangelischen Laienspiels vom Dachboden auf die Blätter dieses Buches gebracht. Mögen nun andere im übertragenen Sinne auf Dachböden klettern, die Schätze weiter bergen und die im Folgenden vorgetragenen Ergebnisse ergänzen. Besonders danke ich folgenden Menschen und Institutionen: Mein Doktorvater Prof. Dr. Volker Neuhaus gab mir wesentliche Impulse zur Auswertung und ermutigte mich all die Jahre immer wieder, diesen wissenschaftlichen Weg weiterzugehen und nicht aufzugeben. Ebenfalls danke ich meinem Zweitgutachter Prof. Dr. Siegfried Hermle, der mir in der Schlussphase wertvolle Hinweise aus kirchenhistorischer Perspektive gab. Christian Valentin, Sohn des Schauspielers Gerhard Valentin, stellte mir Unterlagen seines Vaters zur Verfügung. Im bereits erwähnten Landesjugendpfarramt in Dresden konnte ich wochenlang arbeiten; Stephanie Eißrich verhalf dort den in Kisten gefundenen Spieltexten zu neuer geordneter Heimat in Regalen. Sylke Kroczek vom Unternehmensarchiv der Bertelsmann SE & Co. KGaA in Gütersloh ermöglichte eine besonders unkomplizierte Bereitstellung des umfangreichen Archivmaterials. Dr. Andreas Metzing, Leiter der Zweigstelle des Archivs der Evangelischen Kirche im Rheinland in Boppard, vermittelte mir den Kontakt zu Verwandten des laienspielbegeisterten Walter Hoerder. Beim Korrigieren der Texte halfen auf wundervolle Weise Dagmar Merle Gold, Jutta Pfeifer und Stefan Klager. Großer Dank gilt meiner Familie, die mich vielfältig unterstützt hat. Und ich danke Ralph Mertens besonders für die richtigen Worte zur richtigen Zeit. Bettina Förster
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...............................................................................................
5
1. Einleitung ........................................................................................ 1.1 Erkenntnisinteresse ................................................................... 1.2 Forschungsstand ...................................................................... 1.3 Quellen und Vorgehensweise ...................................................... 1.4 Erläuterungen zu den Begriffen .................................................. 1.5 Der Christian Kaiser Verlag .......................................................
13 13 15 18 20 21
2. Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik ........................... 2.1 Jugendbewegte Anfänge ............................................................. 2.2 Organisationsstrukturen ............................................................ 2.2.1 Der Bühnenvolksbund und die Laienspieler........................ 2.2.2 Über die Laienspielberatungsstelle beim Evangelischen Volksbildungsdienst für das Rheinland ..................................................................... 2.3 Rudolf Mirbt – nicht nur evangelischer Laienspielmann ................. 2.4 Otto Bruder – eine tragende Rolle ............................................... 2.5 Die Münchener Laienspiele ......................................................... 2.5.1 Vorstellung der Reihe und Kategorien ................................ 2.5.2 Der verlorene Sohn von Burkard Waldis/Alwin Müller.......... 2.5.3 Spiele von Otto Bruder..................................................... 2.5.4 Das Spiel von Christi Höllenfahrt von Karl-Heinz Becker ...... 2.5.5 Das Feiertagsspiel von Rudolf Mirbt .................................. 2.5.6 Merkmale der christlichen Spiele ...................................... 2.6 Die Evangelischen Laienspiele von Gustav Kochheim ...................... 2.7 Spieltheoretisches ..................................................................... 2.8 Aus der Praxis: Die Evangelische Bühnengilde Koblenz ................. 2.9 Zusammenfassung ....................................................................
23 23 31 31
3. Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘ ....................................... 3.1 Fortführung in der Diktatur........................................................ 3.2 Organisationsstrukturen ............................................................ 3.2.1 Hans Maurer und die Beratungsstelle für das geistliche Spiel – ein Sonderunternehmen des Berliner Synodalausschusses ............................................
33 38 42 44 44 48 51 55 59 61 62 65 69 76 79 79 86
86
8
Inhaltsverzeichnis
3.3
3.4 3.5 3.6 3.7
3.8
3.9 3.10 3.11
3.2.2 Georg Gartenschläger und die Abteilung Geistliches Spiel beim Evangelischen Konsistorium der Mark Brandenburg .................................................... Otto Bruder – gelobt und vertrieben ............................................ 3.3.1 Das Spiel Luther der Kämpfer ........................................... 3.3.2 Erzwungener Abgang von der Laienspielbühne ................... Rudolf Mirbt – im Fokus der Reichsjugendführung ....................... Aurel von Jüchen – ein Missionar des Laienspiels .......................... Entwicklung der Münchener Laienspiele ...................................... Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase ............................... 3.7.1 Vorstellung der Reihe und Kategorien ............................... 3.7.2 Der Ruf von Erich Klapproth ........................................... 3.7.3 Spiele von Albrecht Goes ................................................. 3.7.4 Spiele von August Ebert ................................................... 3.7.5 Das Zeugnis! von Fritz Pein .............................................. 3.7.6 Spiele von Gerhard Fritzsche ............................................ 3.7.7 Die drei Männer im Feuerofen von Karl-Heinz Meyer ........... 3.7.8 Schuldner von Georg Rendl ............................................. 3.7.9 Wachet auf! von Erich Freudenstein .................................. 3.7.10 Spiele von Aurel von Jüchen ............................................. 3.7.11 Merkmale der Spiele ....................................................... Spieltheoretisches ..................................................................... 3.8.1 Der Ratgeber für das christliche Gemeindespiel von Aurel von Jüchen ............................................................ 3.8.2 Kontroverse um das Evangelienspiel und den Kirchenraum ................................................................. Lasset uns mit Jesu ziehen von Hermann Stöhr .............................. Aus der Praxis: Die Kampfschar Hutten........................................ Zusammenfassung ....................................................................
4. Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit ................................. 4.1 Anknüpfen und neu anfangen .................................................... 4.2 Organisationsstrukturen ............................................................ 4.2.1 Die erträumte Evangelische Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel .............................................. 4.2.2 Von realen Stellen und Arbeitsgemeinschaften ................... 4.3 Ulrich Kabitz – der Netzwerker .................................................. 4.4 Rudolf Mirbt – der theoretische Torwart ...................................... 4.5 Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase ............................ 4.5.1 Entwicklung und Kategorien ............................................ 4.5.2 Der Mensch Gottes von Hermann Stock .............................
90 93 93 97 99 103 109 111 111 113 118 123 129 132 134 139 141 144 147 148 148 151 155 170 172 175 175 182 182 185 190 194 197 197 198
Inhaltsverzeichnis
4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.5.6 4.5.7 4.5.8
4.6
4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13
Thomas von Heinz Schoeppe ............................................ Spiele von Otto Bruder..................................................... Die fröhliche Christtagslitanei von Albrecht Goes ................. Zur Ehre seines Namens von Jens Christian Jensen ............... Schlafwagen Pegasus von Thornton Wilder ......................... Ein Spiel vom Jedermann von Winfried Noack und Jedermann 56 von Herbert Kuhn ....................................... 4.5.9 Über Schuld und Gnade .................................................. 4.5.10 Merkmale der Spiele ....................................................... Die Spiele der Zeit ...................................................................... 4.6.1 Vorstellung der Reihe ...................................................... 4.6.2 Das Reich hat schon begonnen von Walter Meckauer ............ 4.6.3 Die verlorenen Brüder von Otto Bruder .............................. 4.6.4 Merkmale der Spiele ........................................................ Das Zeichen des Jona von Günter Rutenborn ................................ Spiele von Ernst Lange ............................................................... Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre ............................ Pluralität der Spielformen........................................................... Spieltheoretisches ..................................................................... Aus der Praxis: Über die Aufführung von Zur Ehre seines Namens von Jens Christian Jensen in Sennfeld .............................. Zusammenfassung.....................................................................
200 205 209 211 217 219 224 249 252 252 254 258 259 263 266 283 295 302 309 310
5. Schluss ........................................................................................... 315 Quellen- und Literaturverzeichnis .......................................................... 321 Abkürzungen ........................................................................................ 347 Anhang ............................................................................................... 349 Personenregister ................................................................................. 359
9
Es ist der Kirche mit dem geistlichen Spiel nur so ähnlich gegangen, wie es mitunter einem Bauern mit einer alten, kostbaren, handgeschnitzten Truhe geht, die er irgendwo auf dem Dachboden stehen hat und deren Wert er nicht mehr kennt. Aurel von Jüchen, Ratgeber für das christliche Gemeindespiel, 1940
1.
Einleitung
1.1
Erkenntnisinteresse
„Ach lêven frunde, de ji hîr stân, / Ik bidde nempt int beste an“1 lauten die ersten Worte der Hauptfigur in der Parabel vom verlorenen Sohn von Burkard Waldis2 , die 1527 in Riga aufgeführt wurde3 . In der Weimarer Republik wurde 1923 dieses reformatorisch geprägte Spiel in einer Erneuerung das erste der Reihe Münchener Laienspiele. Diese gab Rudolf Mirbt (1896–1974) heraus, der „auf evangelischer Seite als bester Sachkenner des Laienspielwesens“4 galt und geradezu als „Laienspielpapst“5 bezeichnet wurde. Die Zeit, in der Mirbt zu spielen, zu schreiben und zu lehren begann, war geprägt von der Jugendbewegung. Deren Laienspieler sahen sich besonders mit dem Mittelalter verbunden, und daraus ergaben sich Synergien mit dem Berufstheater. 1920 war Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes von Hugo von Hofmannsthal erstmals auf dem Salzburger Domplatz aufgeführt worden. Seit nunmehr 100 Jahren schlägt es die Brücke zwischen der jeweiligen Gegenwart und der Zeit, in der Theater und Kirche fest verbunden waren. Seit dem zehnten Jahrhundert tauchten an verschiedenen Stellen Europas szenische Fassungen des Ostergeschehens nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes auf, mit der Visitatio Sepulchri als Ausgangspunkt. Frauen besuchen das Grab Jesu und erfahren von den Engeln: „Non est hic, surrrexit sicut predixerat.“6 Die knappe Szenenfolge der biblischen Vorlagen wurde zur Keimzelle der über Jahrhunderte blühenden europäischen geistlichen Spiele von Christi Geburt, über seine Passion, Ostern, Höllen- und Himmelfahrt samt der Kontrafakturen in Fastnachts- und Teufelsspielen.
1 Waldis, Burkard: Parabel vom verlornen [sic!] Sohn. Ein niederdeutsches Fastnachtspiel. Hrsg. von Albert Hoefer. Greifswald 1851, S. 25 (219–220). 2 Burkard Waldis (ca. 1490 bis ca. 1556) war Franziskaner in Riga und wurde nach einer Romreise überzeugter Lutheraner. Vgl. Krug, Burkard: Waldis, Burkard. In: BBKL, Bd. XIII. Hrsg. von Traugott Bautz. Herzberg 1998, Sp. 200–201. 3 Vgl. Metz, Detlef: Das protestantische Drama. Evangelisches geistliches Theater in der Reformationszeit und im konfessionellen Zeitalter. Zugl.: Habil. Tübingen 2012. Köln u. a. 2013, S. 21. 4 Dessin, Gustav: Laienspielberatung. In: Das Evangelische Rheinland V (1928), H. 11, S. 183–184, hier: S. 183. 5 Vondung, Klaus: Magie und Manipulation. Göttingen 1971, S. 20. 6 „Er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er es vorhergesagt hat.“ Zitiert nach Schulze, Ursula: Geistliche Spiele im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Von der liturgischen Feier zum Schauspiel. Berlin 2012, S. 47.
14
Einleitung
Wie Hofmannsthals Berufstheater griff auch das Laienspiel parallel diese Tradition auf, und die Bemühungen um eine Wiedererweckung geistlicher Spiele wurden der Generation der Jugendbewegung zum prägenden Medium: „Laienspiel war uns ein wichtiger Lebensausdruck“7 , resümierte der bekannte, 1908 geborene Theologe Helmut Gollwitzer8 . Praktiziert wurde es im Kirchenraum, im Gemeindesaal oder auch im Freien. Aber während sich heute die geistlichen Spiele des Mittelalters größtmöglicher Beachtung erfreuen, ist das evangelische Spiel der 1920er bis 50er Jahre weitgehend in Vergessenheit geraten. Die vorliegende Arbeit möchte es zumindest auf die Bretter der literaturwissenschaftlichen Welt holen. Unter Berücksichtigung des zeit- und kirchengeschichtlichen Hintergrundes wird untersucht, wie sich das evangelische Laienspiel von der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit entwickelt hat und was es kennzeichnet. Dabei wird der Zeitraum bis 1959 berücksichtigt. Der zeitlich breit gesteckte Rahmen hat seinen Grund. Anfangs standen bei den Recherchen nur die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg im Fokus. In dieser Zeit war Ulrich Kabitz (1920–2019) Kulturreferent in der evangelischen Jugendarbeit. Zunächst beim Landesjugendpfarramt in Nürnberg tätig und ab 1950 von der Jugendkammer beauftragt, die Geschäftsführung der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ zu übernehmen9 , war er somit für die ganze BRD zuständig. Bereits in meinem ersten Gespräch mit Kabitz als führendem Zeitzeugen betonte er bezüglich der geplanten Beschränkung auf die Nachkriegsjahre: „Sie kappen da etwas.“10 Er berichtete, er habe 1945, aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen, in der Schreinerei der „Rummelsberger Anstalten“11 gearbeitet. Im Lehrerhaus sei der ganze Speicher „voll mit Literatur der Jugendbewegung“12 gewesen. Er habe dort nachts gelesen und die ganze Jugendbewegung nachgeholt. Überhaupt sei die erste Phase der Nachkriegsjahre im evangelischen Laienspiel zunächst die des Anknüpfens gewesen. Um also das evangelische Laienspiel der Nachkriegszeit und die damaligen Spieltexte zu verstehen, ist der Blick in die Weimarer und die vom Nationalsozialismus beherrschte Zeit notwendig. Da Kabitz bis 1959 bundesweit die evangelische Laienspielszene prägte, soll bis dahin auch der Untersuchungszeitraum 7 Gollwitzer, Helmut: Zwischen den Zeiten. In: Christian Kaiser Verlag (Hrsg.): 1845–1970. Almanach. 125 Jahre Chr. Kaiser Verlag München. München 1970, S. 42–50, hier: S. 48. 8 Helmut Gollwitzer (1908–1993) war Professor für Systematische Theologie. Vgl. Hermle, Siegfried/ Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert. Dokumente zur Geschichte der Evangelischen Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus. Stuttgart 2008, S. 793. 9 Vgl. Weisser, Elisabeth: Information über die evangelische Jugend in Deutschland. In: Dies. (Hrsg.): Freiheit und Bindung. Beiträge zur Situation der evangelischen Jugendarbeit in Deutschland. München 1963, S. 161–263, hier: S. 251. 10 Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008 in München. 11 Heute Rummelsberger Diakonie e.V. 12 Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008.
Forschungsstand
reichen.13 Folgenden Fragen wurde nachgegangen: Wie sahen die Organisationsstrukturen aus? Welche Persönlichkeiten waren prägend? Welche Spielreihen gab es? Welche Stücke waren von Bedeutung und was kennzeichnet sie? Was wurde in spieltheoretischen Texten über das evangelische Laienspiel geschrieben? Und wie sah die Arbeit von evangelischen Laienspielscharen praktisch aus? Bei Personenbezeichnungen wurde die männliche Form verwendet. Die verkürzte Sprachform hat ausschließlich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung.
1.2
Forschungsstand
Auf im ,Dritten Reich‘ verfasste Dissertationen über das Laienspiel wurde in neueren Forschungsarbeiten hingewiesen. 1937 erschien von Gertraud Brix Wesen, Gestaltung und Wert der jugendlichen Laienspielbewegung in den Jahren der Wirrnis von 1918–1933. Die politische Färbung ihrer Arbeit zeigt sich beispielsweise, wenn Brix formuliert: „Durch die Nationale Revolution ist das Laienspiel in die Pflege der staatlichen Organisationen übergegangen. Hitlerjugend, Bund deutscher Mädchen und Arbeitsdienst mühen sich heute um das Spiel und sind an die Stelle der Spielscharen getreten. Der Laienspielgedanke ist Besitz des Volkes geworden.“14 Andreas Kaufmann kritisierte 1991 in seiner Dissertation Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels und die frühe Geschichte der Laienspielbewegung, auf die an späterer Stelle noch genauer eingegangen wird, dass Brix Fakten mit mangelnder Sorgfalt begegnet sei.15 Hingegen hob Kaufmann an der Dissertation von Ellynor Eichert mit dem Titel Das geistliche Spiel der Gegenwart in Deutschland und in Frankreich aus dem Jahr 1941 hervor, dass hier auf die Bedeutung von Wanderspielscharen hingewiesen wurde.16 Eichert wies unter Bezugnahme auf Brix auch darauf hin, dass die Pflege des Laienspiels durch die Nationale Revolution von staatlichen Organisationen übernommen wurde. Sie erklärte, dass „die große Welle des geistlichen
13 Offiziell war Kabitz bis 1960 Leiter der „Mittelstelle für Werk und Feier“. Vgl. Weisser, Elisabeth: Information über die evangelische Jugend in Deutschland, S. 174. Im Interview äußerte Kabitz, dass er bis 1959 bundesweit im Einsatz war. 1959 bot Fritz Bissinger ihm eine Stelle im Christian Kaiser Verlag an, die Kabitz im Jahr 1960 antrat. Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008. 14 Brix, Gertraud: Wesen, Gestaltung und Wert der jugendlichen Laienspielbewegung in den Jahren der Wirrnis von 1918–1933. Zugl.: Dissertation. Rostock 1937, S. 28. 15 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels und die frühe Geschichte der Laienspielbewegung. Dissertation. Stuttgart 1991, S. 9. 16 Vgl. ebd., S. 11.
15
16
Einleitung
Spiels“17 zurückgetreten und das konfessionelle Spiel auf kleine Kreise beschränkt sei. 1942 verfasste Margarete Franke eine Dissertation über die Reihe Münchener Laienspiele. Sie ist bemerkenswert schlecht recherchiert, und so ist zu lesen: „Die Spiele sind jetzt, da der Christof Kaiser Verlag nicht mehr besteht, vom Albert Langen Verlag, Leipzig übernommen worden.“18 Richtig ist, dass der Christian Kaiser Verlag einen Großteil der Münchener Laienspiele an den Arwed Strauch Verlag in Leipzig verkauft hatte, die Verlagsschließung erfolgte erst 1943. Franke ordnete 174 Spiele Kategorien zu und blieb in der Vorstellung ausgewählter Stücke an der Oberfläche. Dies konstatierte auch Barbara Korte im Jahr 2017 in der Dissertation Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im ‚Dritten Reich‘ 19 , auf die ebenfalls noch einzugehen ist. Die politische Färbung in Margarete Frankes Arbeit wird beispielsweise deutlich, wenn sie erklärt, warum auch die religiösen Texte zu den Münchener Laienspielen gehörten: „Die religiösen Spiele [sind] immer volksgebunden und dienen so ihrem höchsten Ziel, die Einheit des deutschen Volkes vorzubereiten.“20 1962 veröffentlichte Peter Wolfersdorf eine Untersuchung mit dem Titel Stilformen des Laienspiels. Er unterschied zwischen zweckfreiem und zweckbestimmtem Laienspiel. Evangelisches wie katholisches Laienspiel sei zweckbestimmt, weil es die Gesinnung der Zuschauer beeinflussen wolle.21 Wolfersdorf fokussierte das christliche Spiel, das im Rahmen des Bühnenvolkbundes, also während der Weimarer Republik erfolgte. Andreas Kaufmann kritisierte diese Darstellung. Der wissenschaftliche Wert der Arbeit sei durch oberflächliches Recherchieren relativiert, und Primärquellen aus dem Bereich der Jugendbewegung würden vernachlässigt.22 Andreas Kaufmann legte 1991 mit der bereits erwähnten Dissertation Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels und die frühe Geschichte der Laienspielbewegung eine umfassende Untersuchung vor. Darin erklärte er unter anderem das Wirken und den Einfluss der Anthroposophen Maximilian Gümbel-Seiling (1879–1967) und Gottfried Haaß-Berkow (1888–1957). Auf Kaufmanns Ergebnisse wird in dieser Arbeit an verschiedenen Stellen hingewiesen, ebenso auf die der folgenden Autoren.
17 Eichert, Ellynor: Das geistliche Spiel der Gegenwart in Deutschland und Frankreich. Zugl.: Dissertation. Berlin 1941, S. 210. 18 Franke, Margarete: Die Münchener Laienspiele. Dissertation. Wien 1942, S. 6. 19 Vgl. Korte, Barbara: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im ‚Dritten Reich‘. Dissertation. Göttingen 2017, S. 31. 20 Franke, Margarete: Die Münchener Laienspiele, S. 5. 21 Vgl. Wolfersdorf, Peter: Stilformen des Laienspiels. Eine historisch-kritische Dramaturgie. Braunschweig 1962, S. 75. 22 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels, S. 11.
Forschungsstand
2015 erschien von dem Theologen Dietmar Coors die Dissertation Theater als Gottesdienst. Das geistliche Schauspiel als moderne Verkündigungsform. Rezeption eines historischen Modells.23 Sein Zeitfenster umfasst 1880 bis in die Gegenwart, er hat professionelles Theater und sowohl katholisches als auch evangelisches Laienspiel im Fokus und beschreibt schließlich das geistliche Drama als eine zeitgemäße Form des modernen Gottesdienstes. Seiner Zielsetzung gemäß und in Anbetracht des langen Untersuchungszeitraums erwähnte er Laienspielreihen von der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit nur kurz. Eine bemerkenswert detaillierte literaturwissenschaftliche Untersuchung wurde 2017 von Barbara Korte mit dem Titel Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im ‚Dritten Reich‘ veröffentlicht. Sie untersuchte die Spieltextreihen Spiele und Feste der deutschen Schule, Spiele der deutschen Jugend und die Münchener Laienspiele. Anne Keller beschrieb in der 2019 erschienenen, umfassend recherchierten Arbeit Das deutsche Volksspiel das Theater der Spielscharen der Hitlerjugend und hatte dabei theaterpädagogische Fragen im Blick. Sie konstatierte, dass religiöse Spiele, die vor 1933 und in den ersten Jahren des ,Dritten Reichs‘ regelmäßig in verschiedenen Handbüchern aufgeführt wurden, in den folgenden Jahren vollständig verschwanden24 und machte deutlich, dass eine fokussierte Untersuchung zum konfessionellen nichtprofessionellen Theater der Jahre 1933 bis 1945 noch fehlt25 . Eine Biographie über Rudolf Mirbt ist noch nicht geschrieben. Korte und Keller gaben aber über ihn biographische Auskünfte wie auch Jan Siebenbrock in seiner 2019 vorgelegten Untersuchung Vom Laienspiel zur Theaterpädagogik.26 Siebenbrock erforschte die Veränderungen von Ästhetik und Pädagogik zwischen 1949 und 1973 am Beispiel der Waldecker Laienspielwoche. Mirbts Werdegang im ,Dritten Reich‘ lag bis zur vorliegenden Arbeit noch überwiegend im Dunkeln.
23 Coors, Dietmar: Theater als Gottesdienst. Das geistliche Schauspiel als moderne Verkündigungsform. Rezeption eines historischen Modells. Zugl.: Dissertation. Heidelberg 2013. Berlin 2015. 24 Vgl. Keller, Anne: Das Deutsche Volksspiel. Theater in den Hitlerjugend-Spielscharen. Berlin u. a. 2019, S. 149. 25 Vgl. ebd., S. 150. Korte und Keller nennen Norbert Hopster, der erklärte, dass im ‚Dritten Reich‘ konfessionelle Spiele erscheinen durften. Vgl. Hopster, Norbert: Fest und Feier. In: Kinder- und Jugendliteratur 1933–1945. Ein Handbuch, Bd. 2. Hrsg. von Norbert Hopster, Petra Josting u. Joachim Neuhaus. Stuttgart, Weimar 2005, Sp. 639–700, hier: Sp. 659–660. 26 Siebenbrock, Jan: Vom Laienspiel zur Theaterpädagogik. Veränderungen von Ästhetik und Pädagogik zwischen 1949 und 1973 am Beispiel der Waldecker Laienspielwoche. Zugl.: Dissertation. ErlangenNürnberg 2019. Berlin u. a. 2019.
17
18
Einleitung
1.3
Quellen und Vorgehensweise
Um ein umfassendes Bild zu bekommen, habe ich zahlreiche Interviews mit Zeitzeugen geführt, und zwar mit Ulrich Kabitz (München), Arnim Juhre (Wuppertal) und Brigitte von Schroetter (Göttingen). Auch Angehörige wurden befragt. Einem Hinweis von Kabitz folgend fragte ich im Landesjugendpfarramt in Dresden27 nach Spieltexten. Auf eine erste Anfrage kam die Antwort, auf dem Dachboden befänden sich viele Kisten mit Texten. Was genau darin sei, wisse man nicht. Ich fand während meines wochenlangen Recherchierens auf dem besagten Dachboden mehrere Hundert Spieltexte verschiedener Reihen. Auch in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln wurde ich fündig. Dort erinnerte man sich an zwei Pakete, die das Evangelische Zentralarchiv in Berlin zugeschickt hatte. Nach Auffindung des Materials konnte ich die über hundert Spieltexte begutachten. Außerdem recherchierte ich im Unternehmensarchiv der Bertelsmann SE & Co. KGaA in Gütersloh, denn im Bestand befinden sich die Korrespondenzen des Christian Kaiser Verlags. Des Weiteren wurde im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, im Evangelischen Zentralarchiv und im Evangelischen Landeskirchlichen Archiv in Berlin geforscht sowie im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland in Düsseldorf und Boppard. Auch führten mich meine Recherchen in die Deutsche Nationalbibliothek in Frankfurt am Main und in Leipzig sowie in das Deutsche Archiv für Theaterpädagogik in Lingen. Aufgrund der Ergebnisse der Quellenrecherche und der Zeitzeugengespräche stehen in dieser Arbeit im Fokus: die Reihe Münchener Laienspiele, die seit 1923 erschien und auch christliche Spiele beinhaltet, die aus ihr 1938 hervorgegangene Reihe Christliche Gemeindespiele sowie die 1958 wiederum aus dieser Reihe entstandenen Spiele der Zeit. Das Textkorpus der Christlichen Gemeindespiele umfasst 139 Stücke. Die Reihe erschien in zwei Phasen, und zwar von 1938 bis 1941 und von 1947 bis 1958. Alle Texte lagen der Arbeit bei der Abfassung vor. Die genannten Reihen erschienen im Christian Kaiser Verlag. Vereinzelt werden auch Spiele anderer Reihen und Verlage vorgestellt sowie unveröffentlichte Stücke. Fokussiert werden Stücke, die hauptsächlich von Jugendlichen und Erwachsenen gespielt werden sollten. Im Bereich des katholischen Laienspiels zeigen sich im Untersuchungszeitraum um Ignaz Gentges (1900–1957) ähnliche Bestrebungen wie im evangelischen28 , und es gab einen kooperativen Austausch zwischen den Verantwortlichen des Laien-
27 Eine Dienststelle der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. 28 Vgl. Kaiser, Hermann: Als das Laienspiel wieder begann. In: Landesarbeitsgemeinschaft für Spiel und Amateurtheater in Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): Laienspiel und Amateurtheater. Recklinghausen 1972, S. 8–10.
Quellen und Vorgehensweise
spiels29 . Beispielsweise gab Gentges unter Mitarbeit von Ottilie Dinges und Günter Bernert 1949 den Laienspiel-Ratgeber heraus. Es war ein „erster Versuch, aus dem Gesamtbestand der alten und neuen Laienspieltexte das praktisch Brauchbare für die gegenwärtigen Spielaufgaben in Übersichten darzubieten.“30 Darin werden in einem Verzeichnis der Laienspielberatungsstellen neben den katholischen auch evangelische aufgeführt.31 Als ‚Zentrale‘ des katholischen Laienspiels ist die Jugendbildungsstätte Haus Altenberg zu nennen. Dem Thema dieser Arbeit folgend soll hier das katholische Laienspiel nicht vorgestellt werden, es wird aber wiederholt erwähnt Bezüglich der Nachkriegsjahre wird nur die Bundesrepublik Deutschland in den Blick genommen. Ein Gespräch mit der Zeitzeugin Brigitte von Schroetter gab hierfür den Ausschlag. Sie leitete in den 50er Jahren zeitweise die sogenannte Berliner „Mittelstelle Ost“ und stand in Verbindung mit Kabitz von der „Mittelstelle für Werk und Feier“ in Stuttgart. Sie berichtete von Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Laienspieltexten und gab Hinweise auf staatliche Sanktionen.32 In diesem Kontext ist auch die Magisterarbeit von Jürgen Kästner mit dem Thema Spiele und Gestalten und Laienspielarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens aus dem Jahr 1995 zu nennen, denn Kästner untersuchte zwar den Zeitraum der 60er bis 80er Jahre, betrachtete aber auch über die Entwicklungen der 50er Jahre.33 Aufgrund des schon bestehenden großen Umfangs dieser Arbeit musste auf eine Bearbeitung dieses Felds verzichtet werden. Die Vorgehensweise ist in jedem Abschnitt gleich: Zunächst werden zeit- und kirchengeschichtliche Faktoren beschrieben, die das Laienspiel prägten, anschließend werden Organisationsstrukturen vorgestellt. Die Beschreibungen dieser erheben nicht den Anspruch umfassend zu sein – das kann die Arbeit auch gar nicht leisten –, sie geben aber einen Eindruck über die Arbeitsweise und Vernetzung der Akteure. Es folgt die Vorstellung von Persönlichkeiten, die die Szene prägten. Danach werden – und hier liegt der Schwerpunkt dieser Untersuchung – ausgewählte Spieltexte analysiert und Merkmale benannt. Unter „Spieltheoretisches“ wird aufgeführt, was für Auffassungen man vom evangelischen Laienspiel hatte und welche Aufgaben ihm zugeschrieben wurden. Jeder Teil endet mit einem Bericht aus der Praxis.
29 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008. 30 Vgl. Gentges, Ignaz (Hrsg.): Laienspiel-Ratgeber. Ein Wegweiser durch altes und neues Spielgut für Gruppe und Spielschar in Jugend, Schule und Volk. Altenberg 1949, S. 7. 31 Vgl. ebd., S. 9. 32 Interview mit Brigitte von Schroetter am 16.11.2011 in Göttingen. 33 Die unveröffentlichte Magisterarbeit befindet sich im Nachlass von Ulrich Kabitz im Deutschen Archiv für Theaterpädagogik. DATP-2 (Sammlung Kabitz), Lfd. Nr. 4.
19
20
Einleitung
1.4
Erläuterungen zu den Begriffen
Einigkeit herrscht darüber, dass das Laienspiel eine der vielen Stilformen ist, die die Jugendbewegung entwickelt hat. Strittig war, wer das Wort Laienspiel zum ersten Mal gebraucht hat. Rudolf Mirbt vermutet rückblickend, das Wort Laienspiel sei damals in seinem Münchener Spielkreis entstanden.34 Er definiert es als Gemeinschaftsspiel, es sei nicht das der Nicht-Fachleute oder Nicht-Könner. Hier habe das griechische Wort „Laos“, das Volk, seine ursprüngliche Bedeutung wiederbekommen.35 Andreas Kaufmann weist in seiner Untersuchung über die Entstehung des Laienspiels darauf hin, dass Martin Luserke36 als Urheber des Begriffs genannt wurde.37 Kaufmann führt den Begriff aber auf den Schauspieler, Regisseur und Intendanten Gottfried Haaß-Berkow zurück.38 Er gibt den Hinweis, dass dieser auf den Laien im kirchlichen Sinn zurückgriff und zitiert aus dessen Notizheft (um 1910): „Die Kunst ist die irdische Schwester der Religion, die uns auch heiligt“ und „Der echte Künstler hat den gleichen Beruf wie der Priester, nur daß er noch viel höher steht, mit Hilfe seines Genies und Talents kann er eben viel unmittelbarer wirken wie der Priester.“39
Der evangelische Schriftsteller Rudolf Otto Wiemer (1905–1998)40 betonte in seinem Vortrag Erinnerungen eines alten Laienspielers, den er vermutlich 1994 oder 1995 auf einer Tagung mit dem Titel „Kirche und Theater“ hielt, dass der Name den mittelalterlichen Laien im Gegensatz zum Klerus bezeichnet.41 Diesem folgend wird in dieser Arbeit evangelisches Laienspiel verstanden als eines, das Motive des christlichen Glaubens zur Darstellung bringt, sich abgrenzt vom Vereins- und professionellen Theater und hauptsächlich nicht von Berufsschauspielern praktiziert wird. Im Gegensatz dazu meint „Dilettantentheater“ das nicht professionelle Theaterspielen von Vereinen, die sich entweder dem Schauspielern als Vereinszweck 34 Vgl. Mirbt, Rudolf: Laienspiel. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Vorträge und Aufsätze aus den Jahren 1923–1959. Kassel u. a. 1960, S. 9–18, hier: S. 10. 35 Vgl. Mirbt, Rudolf: Laienspiel und Laientheater. In: Die Laienspielgemeinde 5 (1954), H. 2, S. 31–38, hier: S. 34. 36 Martin Luserke (1880–1968) war Pädagoge und Schriftsteller. 37 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels, S. 14. 38 Vgl. ebd., S. 15. 39 Vgl, ebd., S. 153. 40 Zum Werdegang von Rudolf Otto Wiemer vgl. Kapitel 4.5.9. 41 Vgl. Wiemer, Rudolf Otto: Erinnerungen eines alten Laienspielers. Manuskript einer Rede. O. O. o. J. [1994–1995]. Eine Kopie des Redemanuskripts stellte freundlicherweise Arnim Juhre dieser Arbeit zur Verfügung.
Der Christian Kaiser Verlag
widmeten oder neben einer ganz anderen hauptsächlichen Vereinstätigkeit wie Sport oder Musik von Zeit zu Zeit Theateraufführungen zeigten, um die Kassen zu füllen.42 Auf dem Spielplan standen bekannte Erfolgswerke des Berufstheaters, die mit Kulissen und oft aufwendigen Kostümen inszeniert wurden.
1.5
Der Christian Kaiser Verlag
Zumindest kurz soll an dieser Stelle das Profil des Verlags vorgestellt werden, in dem die Reihen Münchener Laienspiele, Christliche Gemeindespiele und Spiele der Zeit erschienen. Der Verlag wurde 1845 gegründet. Der Inhaber Albert Lempp (1884–1943)43 , der von dem Pfarrer Georg Merz44 beraten wurde, verhalf der dialektischen Theologie zum Durchbruch. Ab 1920 erschienen im Verlag die Schriften von Karl Barth. Zu den Autoren der 20er Jahre gehörten neben Barth auch Paul Althaus, Karl Heim, Friedrich Gogarten oder Eduard Thurneysen. Die Zeitschrift Zwischen den Zeiten erschien unter der Schriftleitung von Georg Merz von 1923 bis 1933. Im ,Dritten Reich‘ wurde der Kirchenkampf verlegerisch mitgeführt. Das Spektrum reichte von der Schriftenreihe Theologische Existenz heute bis zur Reihe Bekennende Kirche und der Zeitschrift Evangelische Theologie. In den 30er Jahren erschienen unter anderem auch Dietrich Bonhoeffers Nachfolge und Gemeinsames Leben und 1941 Rudolf Bultmanns Programmschrift zur Entmythologisierung.45 Soweit zur bekannten Seite des Verlags. Weniger bekannt ist, dass der Verlag sich in jener Zeit auch einen Namen mit der Herausgabe der Münchener Laienspiele unter Rudolf Mirbt machte. Im Zeitraum von 1923 bis 1939 wurden 173 Hefte veröffentlicht. Zu dem Spektrum gehörten auch Spiele wie Hitlerjungens im Kampf von Werner Altendorf. Von 1933 bis 1938 bildeten der Christian Kaiser Verlag, die Hanseatische Verlagsanstalt und der Theaterverlag Albert Langen/Georg Müller
42 Vgl. Keller, Anne: Das Deutsche Volksspiel, S. 51 ff. 43 Albert Lempp hatte 1911 den wirtschaftlich angeschlagenen Christian Kaiser Verlag in München und die gleichnamige Buchhandlung im Münchner Rathaus übernommen. Vgl. https://de.evangelischerwiderstand.de/html/view.php?type=dokument&id=613, zuletzt abgerufen am 25.07.2020. 44 Georg Merz (1892–1959) war 1918 Pfarrer in München-Laim, ab 1919 theologischer Berater des Christian Kaiser Verlags, 1926 Studentenpfarrer und ab 1930 Dozent für Praktische Theologie, Kirchen- und Konfessionskunde an der Theologischen Schule Bethel; 1939 wurde er Pfarrer in Bethel und Leiter des Katechetischen Amtes der westfälischen Bekennenden Kirche. Nach dem Krieg war er u. a. Rektor des Pastoralkollegs Neuendettelsau und Professor für Praktische Theologie. Vgl. Bissinger, Fritz: Vorwort. In: Christian Kaiser Verlag (Hrsg.): 1845–1970. Almanach. 125 Jahre Chr. Kaiser Verlag München. München 1970, S. 7–13, hier: S. 10. Und: Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 809. 45 Vgl. Bissinger, Fritz: Vorwort, S. 9.
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Einleitung
eine Kooperation für die Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel mit den Herausgebern Rudolf Mirbt, Werner Pleister46 und Heinz Steguweit47 . Zunächst Schriftleiter und ab Dezember 1934 alleiniger Herausgeber war Hans Niggemann, Reichsfachleiter für Laienspiel im Reichsbund Volkstum und Heimat.48 Die Aufzählung macht deutlich, in welchem Spannungsfeld der Verlag agierte. 1939 folgte nach dem Verbot einzelner Verlagstitel der Ausschluss aus der Reichsschrifttumskammer und 1940 die Umbenennung in „Ev. Verlag A. Lempp/München früher Chr. Kaiser Verlag“.49 1943 wurde der Verlag geschlossen. Aus den Korrespondenzen Albert Lempps, unter anderem mit Rudolf Mirbt, wird in dieser Arbeit vielfach zitiert werden. Lempp, dem eine kurze Darstellung hier gar nicht gerecht werden kann, leistete während des ,Dritten Reichs‘ auch im Zusammenhang mit der Judenverfolgung Widerstand. Er half zum Beispiel Otto Salomon und seiner Frau bei der Flucht in die Schweiz und versteckte während des Krieges in seinem Haus in der Münchner Isabellastraße 20 die Buchbinderin Irmgard Meyenberg. Im Kreis um Lempp entstand 1943 der „Münchner Laienbrief “, mit dem Landesbischof Hans Meiser zu einem öffentlichen Wort der Kirche gegen die Judenverfolgungen bewegt werden sollte.50 Als Nachfolger des 1943 verstorbenen Lempp leitete ab 1946 Fritz Bissinger den wieder unter dem alten Namen firmierenden Christian Kaiser Verlag. 1993 wurde der Verlag vom Gütersloher Verlagshaus übernommen.
46 Werner Heinrich Hermann Pleister (1904–1982) leitete u. a. eine Wandervogel-Spielschar und war im Bereich des Laienspiels tätig bei der Fichte-Gesellschaft (Berlin, Johannesstift). Im ,Dritten Reich‘ war er u. a. Hauptreferent des Kulturamtes der Reichsjugendführung, Spielleiter des Deutschlandsenders und Produktionsleiter im „Institut für Unterrichtsfilm“. Im April 1952 wurde er zum Fernsehintendanten ernannt (NWDR). Vgl. Keller, Anne: Das Deutsche Volksspiel, S. 439 f. Und: Pleister, Werner/Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Leipzig 1929, S. 5. 47 Heinz Steguweit (1897–1964) war Schriftsteller zahlreicher Spiele für das nichtprofessionelle Theater, 1933 zählte er zu den 88 Unterzeichnern von dem Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler. Vgl. Keller, Anne: Das Deutsche Volksspiel, S. 449 f. 48 Vgl. dazu auch Kapitel 3.1. 49 Vgl. Graf, Friedrich Wilhelm/Waschbüsch, Andreas: Christian Kaiser Verlag. https://www. historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Christian_Kaiser_Verlag, zuletzt abgerufen am 06.11.2019. 50 Vgl. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=613, zuletzt abgerufen am 25.07.2020.
2.
Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
2.1
Jugendbewegte Anfänge
Die Ausrufung der Republik 1918 nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg sollte für die evangelischen Landeskirchen eine schwere Krise bedeuten. Der Bruch von ‚Thron und Altar‘, der vierhundertjährigen Verbindung von Landesherrn und evangelischer Kirche war vollzogen.51 Der Friedensvertrag von Versailles wurde vehement abgelehnt. Vielen evangelischen Christen fiel es schwer, ein positives Verhältnis zur Republik aufzubauen.52 In diesem Klima entwickelte sich das evangelische Laienspiel als Teil der Laienspielbewegung und somit der Jugendbewegung. Die Erschütterung des Krieges verursachte einen verstärkten Drang nach Gemeinschaft. Rudolf Mirbt formulierte 1923 – in seinem ersten Vortrag überhaupt: „Daß kein Volk ist, erfuhren junge Menschen! […] Daß kein Volk ist, und so keine Bindung, nicht zu Gott und nicht zu den Menschen!“53 Vor Augen stand eine integrierte Volksgemeinschaft, die über Bildungs-, Berufs- und Klassenschranken hinweg entstehen sollte.54 Der Gedanke der Volksgemeinschaft durchzog alle jugendbewegten Gruppen – weniger im Sinne eines definierten Programms als einer diffusen Stimmung.55 Das entstehende Laienspiel verstand Mirbt bereits 1923 als „Gemeinschaftsspiel im Sinne volklicher Gemeinschaft beider, der Spieler und der Zuschauer“56 . Der durch die Anthroposophie Rudolf Steiners inspirierte Schauspieler Gottfried Haaß-Berkow zog mit einer semiprofessionellen Theatertruppe durch die Lande und führte unter anderem seinen Totentanz und das Paradeisspiel aus Oberufer auf.57 Andreas Kaufmann erforschte, dass es einen direkten Zusammenhang von Aufführungen Haaß-Berkows mit Spielimpulsen und mit dem Entstehen von Spielgruppen gab. Als wichtigste Aufführung für die Entstehung des Spielimpulses nennt Kaufmann die beim Bundestag des Wandervogel e.V. im August 1919 in Coburg.58 Gespielt wurde in der evangelisch-lutherischen Morizkirche. Haaß-Berkow selbst
51 Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 3. 52 Vgl. ebd., S. 5. 53 Mirbt, Rudolf: Laienspiel. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Vorträge und Aufsätze aus den Jahren 1923–1959. Kassel u. a. 1960, S. 9–18, hier: S. 9. 54 Vgl. Vondung, Klaus: Magie und Manipulation, S. 19. 55 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels, S. 39. 56 Mirbt, Rudolf: Laienspiel, S. 11. 57 Vgl. ebd. und: Vondung, Klaus: Magie und Manipulation, S. 18. 58 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels, S. 51 und S. 67 f.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
schrieb, dass die Spiele gut ankamen: „Die Pfarrer hatten die Kirche mit bereitwilliger Begeisterung hergegeben. An Stimmung und Bedeutung wuchs die Darstellung für Zuschauer und Spieler ins Grandiose.“59 Diese Kirchenaufführung hatte eine starke Wirkung auf weite Kreise der Jugendbewegung, und man sprach von einem „Coburg-Erlebnis“60 . In der Folge wuchs der Wunsch, die Gruppe zu Gastspielen einzuladen, aber auch selbst zu spielen. Doch die Reaktionen auf die Aufführungen Haaß-Berkows waren nicht durchweg positiv. So berichtete beispielsweise Paul Girkon 1925 im Aufsatz Die Entwicklung des Mysterienspiels zum darstellenden Gottesdienst in der Neuzeit: Nach einer Aufführung des Totentanzes und Paradeisspieles in der Wiesenkirche in Soest durch die Haas-Berkow-Spielschar [sic!] hat die Westfälische Provinzialkirche zu Soest am 6. September 1920 folgenden Beschluß gefaßt: „Die Provinzialkirche erklärt bei aller Würdigung des künstlerischen und sittlichen Gehaltes der Haas-Berkow-Spiele, daß ihre Aufführungen in den Kirchen nicht statthaft sind, zumal sie mit Bestrebungen für die Steinersche Anthroposophie verquickt werden.“ Leider ist dieser an sich nur gegen die Haas-Berkowsche Interpretation […] als Verbot aller Mysterienspiele in der Kirche mißverstanden worden und hat der Bewegung in Westfalen große Hemmungen bereitet. Neuerdings hat der westfälische Generalsuperintendent D. Zoellner […] scharf unterschieden zwischen Krippenspielen, denen er Heimatrecht in der Kirche zugesteht, und zwischen Mysterienspielen, die für ihn in die Kirche nicht hineingehören. Trotz dieser Widerstände ist die Bewegung für darstellende Gottesdienste in den letzten Jahren außerordentlich gewachsen. Das Soester Weihnachtsspiel […] hat sich in den Jahren 1920 bis 1923 über ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitet.61
Wurde Haaß-Berkows Gruppe wegen der anthroposophischen Nähe auch nicht von allen gern in evangelischen Kirchen gesehen, findet sich aber trotzdem der Totentanz von Haaß-Berkow und Max Gümbel-Seiling in der Grundliste für evangelische Laienspieler 62 aus dem Jahr 1929. Das angesprochene Soester Weihnachtsspiel heißt Des ewgen Vaters einig Kind und soll hier aufgrund seiner Bedeutung vorgestellt werden. Verfasser ist Paul Girkon (1889–1967). Nach seiner Promotion in Erlangen 1910 und dem Kriegseinsatz 1914 bis 1916 war er von 1916 bis 1948 Pfarrer an St. Maria zur Wiese in Soest und zugleich 1924 bis 1940 Leiter der „Beratungsstelle für kirchliche Kunst“ in 59 Zitiert nach Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 68. 60 Ebd. 61 Girkon, Paul: Die Entwicklung des Mysterienspiels zum darstellenden Gottesdienst in der Neuzeit. In: Goehling, Oskar: Feiernde Gemeinde. Berlin 1925, S. 63–67, hier: S. 64 f. 62 Vgl. Pleister, Werner/Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Überblick und Auswahl. Leipzig 1929. Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.2.
Jugendbewegte Anfänge
Essen. 1946 bis 1948 leitete er das „Amt für Kirchbau und kirchliche Kunst“ der Evangelischen Kirche von Westfalen. Als Lehrbeauftragter für kirchliche Kunst war er 1947 bis 1965 an der Universität Münster tätig.63 Das Spiel Des ewgen Vaters einig Kind entstand 1919, war jahrelang die feste Weihnachtsfeier seiner Gemeinde und wurde in der Mitternachtsstunde der Heiligen Nacht sowie am Abend des ersten Feiertags in St. Maria zur Wiese aufgeführt.64 In dem Krippenspiel singt die Gemeinde am Anfang Stille Nacht, heilige Nacht 65 . Ein Sternsinger und zwei „Singerlein“ sprechen einleitende Worte. Dann holen sie die Spieler und ziehen singend mit ihnen ein. Die Spieler stellen sich in zwei Halbkreisen an den Seiten auf. Singend verkündet der Erzengel, Maria sei von Gott auserwählt worden; Joseph und Maria sprechen über die anstehende Reise, dann erfahren sie die Abweisung des Wirts, doch die Wirtstochter bietet ihnen den Stall als Unterkunft an. Die Engel verkünden den Hirten Stoffel, Veitl und Michel die frohe Botschaft. Diese huldigen dem Kind, dann folgt die Anbetung von Kaspar, Melchior und Balthasar. Zwischendurch erklingen Weihnachtslieder. Am Schluss singt die Gemeinde mit den Spielern gemeinsam Lobt Gott, ihr Christen alle gleich66 , dabei ziehen die Spieler ab. Die Figuren sprechen in freien Knittelversen. Besonders ist, dass auch eine „Kumpanei“ auftritt. In „Zur Darstellung des Spieles“ im Anhang des Stücks erklärt Girkon: Die „Kumpanei“ besteht aus allen unbeschäftigten Spielern, dazu aus sechs Mädchen und sechs Jungen. Sie hat den Zweck, als lebendiger Vorhang den Szenenwechsel zu verdecken und als Kulisse die Bilder zu rahmen. Neu auftretende Spieler treten aus ihr heraus, fortgehende Spieler gesellen sich zu ihr.67
63 Vgl. Gaffron, Hans-Georg: Girkon, Paul. In: BBKL, Bd. XXXIII. Hrsg. von Traugott Bautz. Nordhausen 2012, Sp. 526–536. 64 Vgl. Vorwort des Christian Kaiser Verlags. In: Girkon, Paul: Des ewgen Vaters einig Kind. Ein weihnachtliches Singspiel nach alten Spielen, Liedern und Chorälen. 13. und 14. Tausend. CG Nr. 7. München 1948, o. S. Das Stück erschien 1922 bei E. Diederichs (Jena). 1935 wurde es ein Münchener Laienspiel (H. 142), und später wurde es in die Reihe Christliche Gemeindespiele aufgenommen (Nr. 7). 65 Angaben zu Liedern (Text und Melodie) erfolgen in den Laienspieltexten nur sehr selten und werden in dieser Arbeit bei erstmaliger Nennung des jeweiligen Liedes in den Fußnoten angegeben. Text: Joseph Mohr, 1818 und 1838. Melodie: Franz Xaver Gruber, 1818 und 1838. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 101 (Lied 46). Die Ausgaben von 1930 (E. Diederichs) und von 1948 (Christian Kaiser Verlag) lagen dieser Arbeit vor und haben eine Musikbeilage, Sätze von Hermann Braun. Die Fassung von 1948 nennt ein anderes Anfangslied, nämlich Gelobet seist du, Jesu Christ. 66 Text: Nikolaus Herman, 1560. Melodie: Ders., 1554. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 71 (Lied 27). 67 Girkon, Paul: Des ewgen Vaters einig Kind. Jena 1930. 7. und 8. Tausend, S. 28.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
Im Weihnachtsspiel Des ewgen Vaters einig Kind zeigt sich sowohl in inhaltlicher Gestaltung als auch durch das Auftreten einer Kumpanei die Prägung des Christgeburtsspiels.68 Dieses gehört wie das Paradeisspiel, das Dreikönigsspiel und ein Fastnachtspiel zu den Oberuferer Spielen, zu deren Merkmalen das Agieren einer Kumpanei gehört. Sie „können als geistiges Fluchtgepäck für die Menschen evangelischen Glaubens verstanden werden, die in der Gegenreformation vor allem aus Österreich […] vertrieben wurden und sich […] im Dorf Oberufer eine neue Heimat schufen“69 . Teilweise wurden in den Spielen auch Texte von dem Dichter Hans Sachs (1494–1576), der für die Reformation eintrat, übernommen. Karl Julius Schröer (1825–1900) hatte die Spiele entdeckt und 1858 veröffentlicht. Sein Schüler, der Anthroposoph Rudolf Steiner (1861–1925), führte die Spiele auf und bearbeitete diese.70 Hans Klein veröffentlichte 1928 Das Oberuferer Paradeisspiel in ursprünglicher Gestalt. Andreas Kaufmann führt in seiner Arbeit Vorgeschichte und Entstehung des Laienspieles und die frühe Geschichte der Laienspielbewegung nicht nur den Einfluss von Haaß-Berkow auf die frühe Laienspielbewegung an, sondern nennt auch den Wanderprediger Muck-Lamberty, der mit seiner „Neuen Schar“ 1920 bis 1921 prägend wirkte. Der evangelische Autor Rudolf Otto Wiemer berichtet von ihm in seinem Vortrag Erinnerungen eines alten Laienspielers.71 Friedrich Muck-Lamberty (1891–1984), eigentlich Friedrich Lamberty, war Mystiker und Wanderprediger.72 1913 schon an der berühmten Wandervogel-Tagung auf dem Hohen Meißner beteiligt, hielt er seine Ansprachen meist im Freien, aber auch in Schulen und Kirchen über „Solidarität, Naturnähe [und] Einfachheit als Leitlinie über alle Standesunterschiede hinweg“73 . Die Mittel, um auf die Bevölkerung einzuwirken, waren neben den anfeuernden Reden verteilte Flugblätter und Reigentänze sowie das Singen von Volksliedern.74 Wiemer beschreibt die Szenerie so:
68 Vgl. Christgeburtsspiel aus Oberufer bei Preßburg. Mitgeteilt von K. J. Schröer. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 3. Leipzig 1918. 69 Klein, Ferdinand: Erinnerung an die Oberuferer Spiele. https://spiegelungen.net/oberuferer-spiele, zuletzt abgerufen am 14.01.2021. Oberufer trägt seit 1946 den Namen Prievoz und ist heute ein Stadtteil von Bratislava. 70 Vgl. ebd. 71 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 48–51. Und: Wiemer, Rudolf Otto: Erinnerungen eines alten Laienspielers. Manuskript einer Rede. O. O. O. J. [1994–1995]. 72 Vgl. https://www.deutsche-biographie.de/sfz131379.html, zuletzt abgerufen am 21.07.2020. 73 Wiemer, Rudolf Otto: Erinnerungen eines alten Laienspielers. 74 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 48.
Jugendbewegte Anfänge
Heute kommt es mir manchmal vor, als wäre der Tanz auf dem Domplatz in Erfurt, wo ich, ein Schüler […], mittanzte, unser erstes Laienspiel gewesen. Die Szenerie war bezaubernd: Die sieben oder zehn sich drehenden Kreise, Schüler, Schülerinnen, Studienräte, Direktoren, alle dem Tanz und dem Singen hingegeben.75
In Gotha war Wiemer Teil einer Ortsgruppe der „Neuen Schar“, die sich nach dem „dubiosen Ende“76 des Lamberty-Kreises in eine Gruppe des Alt-Wandervogels verwandelte. Zum Beispiel führten sie ein Krippenspiel in der Gothaer Schlosskirche auf, und sie spielten u. a. von Hans Sachs Der Roßdieb oder auch Das Kälberbrüten und zogen damit über die Dörfer.77 Anfang der 20er Jahre wurde das Laienspiel, das sich von der Berufsbühne und vom Dilettantentheater abgrenzte, eine „enthusiastische Bewegung“78 . Deren Protagonisten kamen aus ganz verschiedenen konfessionellen oder politischen Lagern. Besonders bekannt wurden mit ihren Gruppen Martin Luserke, Rudolf Mirbt, Reinhard Leibrandt, Walter Blachetta und Ignaz Gentges.79 Auf dem Spielplan standen die Spiele von Hans Sachs, spätmittelalterliche Totentänze und Mysterienspiele. Die zum Teil chorischen mittelalterlichen Mysterienspiele gaben den Bestrebungen nach Gemeinschaft Ausdruck.80 Das Lebensgefühl verband die Laienspielbewegung mit dem Expressionismus, gab es doch auch in expressionistischen Dichtungen chorische Elemente wie beim jungen Brecht.81 Einigend für die Gruppierungen der Jugendbewegung war nicht nur die Idee der Volksgemeinschaft, es verband sie auch das Interesse am Mittelalter. Kaufmann betont, dass man die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg eng verwandt sah mit der Zeit des Mittelalters, man glaubte, ähnlich zu fühlen wie der Mensch jener Zeit. Mittelalterliche Spiele wurden begeistert aufgenommen.82 Zwischen Wanderspielscharen, Laienspiel und dem herkömmlichen Theater existierte ein enges Beziehungsgeflecht83 , zum Beispiel fand die Hans-Sachs-Renaissance sowohl im Laienspiel als auch auf der Theaterbühne statt oder es wurden auf den Bühnen gespielte Stücke nachträglich für das Laienspiel bearbeitet. Der Schauspieler und
75 Wiemer, Rudolf Otto: Erinnerungen eines alten Laienspielers. 76 Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 50. Kaufmann erklärt, es wurde bekannt, dass in MuckLambertys Schar „freie geschlechtliche Liebe“ praktiziert wurde, die Öffentlichkeit distanzierte sich von ihm, und das war auch das Ende der Ortsgruppen der „Neuen Schar“. 77 Vgl. Wiemer, Rudolf Otto: Erinnerungen eines alten Laienspielers. 78 Mirbt, Rudolf: Spielleiterseminar in Kiel. In: Die Laienspielgemeinde 6 (1955), H. 4, S. 93. 79 Vgl. Vondung, Klaus: Magie und Manipulation, S. 18. 80 Vgl. ebd., S. 18 f. 81 Vgl. ebd., S. 19. 82 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 42. 83 Vgl. ebd., S. 57.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
Regisseur Maximilian Gümbel-Seiling bearbeitete schon 1916 Schauspiele wie das Redentiner Osterspiel aus dem 15. Jahrhundert. Im Vorwort zur Bühnenausgabe schreibt Gümbel-Seiling: „Das […] Spiel entspricht dem seelischen Empfinden unserer ernsten Zeit, und so hat es mich gedrängt, eine bühnengemäße Übertragung zu versuchen und die Wiederaufführung zu wagen, die um Ostern 1916 im Münchener Künstlerhause allseitigen Erfolg zeitigte.“84 Der Pfarrer Karl-Heinz Becker nahm diese Bühnenausgabe als Vorlage für Das Spiel von Christi Höllenfahrt 85 , welches 1931 in der Reihe Münchener Laienspiele erschien.86 Die bedeutendste und bekannteste Aneignung des geistlichen Spiels des Mittelalters war der Jedermann von Hugo von Hofmannsthal, 1911 unter der Regie von Max Reinhardt in Berlin an unkonventioneller Stätte im „Zirkus Schumann“ uraufgeführt.87 Es wurde eines der erfolgreichsten Stücke der Bühnensaison 1912/13.88 1920 wurde es zum ersten Mal vor dem Salzburger Dom aufgeführt, und dort stirbt der reiche Mann seither regelmäßig – mit der Ausnahme weniger Jahre. Heute ist das Stück nach wie vor zentraler Bestandteil der Salzburger Festspiele. Hofmannsthal hat es zwischen 1903 und 1911 als Erneuerung eines alten Spiels verfasst, des anonymen englischen Everyman aus dem 15. Jahrhundert, unter Verwendung von weiteren Quellen wie der Comedi vom sterbend reichen Menschen von Hans Sachs, einem Gedicht Albrecht Dürers und Minnesangtexten des 13. Jahrhunderts.89 Die Handlung ist schnell erzählt: Ein reicher „Jedermann“ führt ein nicht gottgefälliges Leben, in seiner Todesstunde erkennt er die Vergänglichkeit aller materiellen Güter. Er bereut und wird in den Himmel aufgenommen. Das Stück steht in der Tradition der Moralitäten. Als dramatis personae treten Menschentypen und Allegorien, so „Werke“ und „Glaube“, in einer immer aktualisierbaren Gegenwart auf, die sprachliche Form ist der Knittelvers. Hofmannsthals Jedermann wurde in das Repertoire von Laienspielgruppen integriert, wie zum Beispiel in das vom Münchener Spielkreis um Mirbt.90 Rückblickend erklärte Mirbt die damalige Beziehung zum Berufstheater so:
84 Das Niederdeutsche Osterspiel aus Redentin vom Jahre 1464. Übertragung von Max Gümbel-Seiling. 8. bis 12. Tausend. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 7. Leipzig 1923, S. 3. 85 Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Nach dem Redentiner Osterspiel. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker. ML H. 61. München 1931. 86 Vgl. dazu Kapitel 2.5.4. 87 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 24. Die Uraufführung war am 01.12.1911. 88 Angenommen an den Bühnen: Bern, Coburg, Aachen, Freiburg/Br., Weimar, Würzburg, Eisenach, Darmstadt, Dresden. Vgl. Dt. Bühne, Jg. 4, 1912. Hier aufgeführt nach Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 163. 89 Vgl. Schulze, Ursula: Geistliche Spiele im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Berlin 2012, S. 230. 90 Vgl. Müller, Alwin: Als München leuchtete. Der Jugendring und der Spielkreis Mirbt. 1920–1925. Weinheim 1974, S. 78. Die Fassung von Hugo von Hofmannsthal wurde vom Spielkreis gekürzt. Vgl. ebd.
Jugendbewegte Anfänge
Es ist ein immer wiederholtes Mißverständnis, zu meinen, das Laienspiel sei ursprünglich eine Art Revolte gegen das Berufstheater gewesen. So merkwürdig das auch klingen mag: Das Ziel der Laienspielbemühungen war und blieb der Mensch und die menschliche Gemeinschaft. [...] Fast möchte ich es so sehen: Das Kunstwerk, um das sich das Laienspiel bemühte, war der Mensch selber.91
Laienspielgruppen führten aber eher selten ein Stück der Berufsbühne auf, denn man wollte sich vom Dilettantentheater abgrenzen, das sich in Vereinen organisierte und bekannte Erfolgswerke des Berufstheaters mit Kulissen und oft aufwendigen Kostümen inszenierte. Deswegen entstanden auch Texte, die extra für das Laienspiel geschrieben wurden, wie die Münchener Laienspiele, die ab 1923 erschienen. Der Geist, der die christlichen Laienspieler bewegte, kommt im Buch Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung, 1924 herausgegeben vom Verlag des Bühnenvolksbundes, vielfältig zum Ausdruck. Robert Grosche92 , ein katholischer Theologe, formuliert: „Das Spiel ist Ausdruck der lebendigen Bewegtheit einer Gemeinschaft […], alles Einzelhafte schwindet vor dem Allgemeinen, das als ‚Gleichnis‘ empfunden wird. […] So tritt das Typis che hervor.“93 Der ebenfalls katholische Schriftsteller Heinrich Bachmann betont: „So baut die Jugend aus der Gemeinschaft ihre Bühne, nicht aus ihrer Bühne die Gemeinschaft.“94 Und die folgenden Zeilen von dem katholischen Theologen Wilhelm Wiesebach lesen sich wie eine kompakte Programmatik des christlichen Laienspiels in der Weimarer Republik: Wir treffen uns alle, ob reich oder arm, gebildet oder ungebildet, Arbeiter oder Brotherr, Deutschnationaler oder Kommunist, Katholik oder Protestant, in einer höheren geistigen Welt […]. Die Kanzel könnte uns wohl zu diesem Gemeinschaftsleben emporführen, wenn alle christlichen Bekenntnisse sich unter e ine Kanzel scharen würden […]. Da dies
91 Mirbt, Rudolf: Laienspiel und große Bühnendichtung. In: Die Laienspielgemeinde 7 (1956), H. 2/3, S. 35–44, hier: S. 39. 92 Robert Grosche (1888–1967) ist in der Literaturgeschichte kein Unbekannter: Bis 1930 wirkte er als katholischer Studentenpfarrer an der neu gegründeten Universität zu Köln, war dann bis 1941 Gemeindepfarrer in Brühl-Vochem und wurde 1943 Stadtdechant von Köln. Vor allem durch einen im akademisch-katholischen Milieu populären Gesprächskreis in Vochem wurde er zum geistigen wie geistlichen Mentor Heinrich Bölls auf dessen Weg zu seinem das spätere Gesamtwerk wie das politische Verhalten und das Verhältnis zu „seiner“ Kirche prägenden Glauben. Vgl. dazu: Neuhaus, Volker: Bildnis des Dichters als junger Soldat. Die Kriegsbriefe Heinrich Bölls als tragende Säulen seines Gesamtwerks. In: Ders./Øhrgaard, Per/Thomsa, Jörg-Philipp (Hrsg.): Freipass. Forum für Literatur, Bildende Kunst und Politik. Bd. 2. Berlin 2016, S. 27–52. 93 Grosche, Robert: Gemeinschaftserlebnis und Spiel. In: Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung. 10. bis 20. Tausend. Frankfurt am Main 1924, S. 10–14, hier: S. 12. 94 Bachmann, Heinrich: Aus der Gemeinschaft zur Bühne. In: Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne, S. 14–17, hier: S. 17.
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nun aber einmal nicht so ist, so muß die Schwester der Kanzel, die Bühne, ihre gemeinschaftsbildende Kraft einsetzen. Wir meinen hier nicht die Vereins- und Liebhaberbühne, die im Stil der letzten Jahrzehnte religiös geschminkte und frisierte Rührszenen […] aufführte, sondern das Laienspiel, das zu seinen Stücken, die aus dem Brunnen gottverbundenen christlich-religiösen Menschheitsempfindens schöpfen, Zuschauer aller Stände und Klassen und Lebensanschauungen […] herbeiruft. […] Wer einmal eine solche zur vollkommenen seelischen Einheit gewordene Menschenschar gesehen und sich mit ihr eins gefühlt hat, der wird diese Stunde zu den schönsten seines Lebens zählen.95
Im Buch Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung veröffentlichte Karl Bernhard Ritter96 Auszüge aus dem Brandenburger Domspiel vom Menschensohn97 , und er berichtet auch über die Neuschöpfung des Spiels vom großen Abendmahl, basierend auf dem Spiel von den zehn Jungfrauen aus dem 14. Jahrhundert98 . Der Theologe Wilhelm Stählin (1883–1975)99 urteilte über Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung, er wüsste kaum ein Buch, „an dem so beglückend zu spüren wäre, wie aus dem Gemeinschaftserlebnis der Jugendbewegung die Ansätze einer neuen Kultur erwachsen“100 .
95 Wiesebach, Wilhelm: Die gemeinschaftsbildende Kraft des religiösen Laienfestspiels. In: Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne, S. 130–133, hier: S. 131. 96 Karl Bernhard Ritter (1890–1968) war 1925–1945 Studentenpfarrer in Marburg, gehörte zur Berneuchener Bewegung, die eine liturgische Erneuerung anstrebte, und war 1931 Stifter der Evangelischen Michaelsbruderschaft. Vgl. u. a. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 816. 97 Vgl. Ritter, Karl Bernhard: Das Brandenburger Domspiel vom Menschensohn. Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne, S. 183–187. 98 Vgl. Ritter, Karl Bernhard: Die Neuschöpfung des „Spiels vom großen Abendmahl“ in Berlin. In: Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne, S. 213–215. 99 Wilhelm Stählin hatte auch an dem Jugendtreffen auf dem Hohen Meißner 1913 teilgenommen. Er war u. a. 1916 Pfarrer in Nürnberg, 1926–1945 Professor für Praktische Theologie in Münster und 1945–1952 oldenburgischer Landesbischof. Stählin gehörte zu den führenden Vertretern der Reformbewegungen des Berneuchener Kreises und der Evangelischen Michaelsbruderschaft. Vgl. Jürgensen, Johannes: Vom Jünglingsverein zur Aktionsgruppe. Gütersloh 1980, S. 39. Und: Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 821. Und: https://www.ulb.uni-muenster.de/ sammlungen/nachlaesse/nachlass-staehlin.html, zuletzt abgerufen am 26.02.2021. 100 Zitiert nach Beitl, Richard (Hrsg.): Taschenbuch für Laienspieler. Zweite Ausgabe. Berlin 1929, S. 263. Stählin bezieht sich auf: Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung. 10. bis 20. Tausend. Frankfurt am Main 1924.
Organisationsstrukturen
2.2
Organisationsstrukturen
2.2.1
Der Bühnenvolksbund und die Laienspieler
Der Bühnenvolksbund wurde im April 1919 in Frankfurt am Main gegründet und im April 1933 durch die nationalsozialistische Organisation „Kampfbund für deutsche Kultur“ aufgelöst.101 Er war eine Theaterbesucherorganisation, deren Aktivitäten den Sinn hatten, „das wankende, aus inneren und äußeren Gründen dem Zusammenbrechen nahe deutsche Theater zu stützen und ihm Besucher aus dem christlichen Volke zuzuführen“102 . Daneben knüpfte er an die Laienspielbewegung an.103 1922 nimmt der unter der Leitung von Wilhelm Carl Gerst (1887–1968)104 stehende, zunächst katholisch orientierte Bühnenvolksbund die Betreuung von Jugendspielscharen aus allen Lagern in sein Programm auf.105 In der Satzung heißt es in §2: Der Bühnenvolksbund ist eine Vereinigung zur Pflege der seelischen Bindungen zwischen Bühnenspiel und Volk. Er ist gegründet auf dem Glauben und der Hingabe an die kulturbildenden Kräfte deutschen Volkstums und christlicher Lebensgestaltung. Dabei umfaßt sein Wirkungskreis alle Formen des Spiels, sowohl des Berufstheaters wie des Laienspiels, und die künstlerische Volksbildungsarbeit auf allen das Spiel berührenden Grenzgebieten.106
In Unsere Leitsätze wird der Laienspielgedanke folgendermaßen definiert: Man wolle die Nachäffung der Berufsbühne und öde Geschmacklosigkeiten der Vereinsbühne überwinden und durch eine neue Spielform, die aus dem Gemeinschaftswillen der Jugend emporsteigt, ersetzen. Deshalb würden alle Werke, die deutsche Frömmigkeit und Heimatliebe widerspiegeln, mit deutschem Volkslied umrahmt,
101 Vgl. Schenk, Britta-Marie: Das Theater der Zukunft? Theaterkritik und Reformvorstellungen des christlich-nationalen Bühnenvolksbundes in der Weimarer Republik. Berlin 2011, S. 8. 102 Gerst, Wilhelm Carl: Warum wir der Jugend vertrauen. In: Ders. (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung. 10. bis 20. Tausend. Frankfurt am Main 1924, S. 5–10, hier: S. 5. 103 Vgl. Schenk, Britta-Marie: Das Theater der Zukunft, S. 82 ff. 104 Wilhelm Carl Gerst war bis 1928 Generaldirektor des Bühnenvolksbundes. Von 1933–1935 war er u. a. geschäftsführender Vorsitzender des „Reichsbundes der deutschen Freilicht- und Volksschauspiele“ und Geschäftsführer der „Spielgemeinschaften für nationale Festgestaltung“. 1934 wurde Gerst oberster Bauleiter der Thingplätze. Vgl. Keller, Anne: Das Deutsche Volksspiel, S. 427 f. 105 Vgl. Kindt, Werner (Hrsg.): Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bündische Zeit. Quellenschriften. Düsseldorf 1974, S. 1675. 106 Beitl, Richard (Hrsg.): Taschenbuch für Laienspieler. Berlin 1929, S. 274.
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und es würde auf alle überflüssige Ausstattung verzichtet.107 Der Bühnenvolksbund organisierte Laienspielaufführungen, verlegte Stücke und führte Schulungen durch.108 Auch der katholische Ignaz Gentges war als Laienspielpfleger für den Bühnenvolksbund aktiv.109 In Berlin hatte die Jugendspielpflegeabteilung eine ständige Spielberatungsstelle: „Von hier aus spinnen sich die Fäden zu rund zweihundert Stellen in den größeren Städten des Reichs, die durch ihre ehrenamtlichen Leiter allen Freunden und Suchenden in Fragen des Spiels sachkundigen und gewissenhaften Rat erteilen.“110 Zur Aufführung wurden den mit dem Bühnenvolksbund verbundenen Gruppen Stücke empfohlen,111 und zwar Spiele verschiedener Reihen (u. a. Spiele deutscher Jugend, Deutsche Volksspiele des Mittelalters112 , Deutsche Märchenspiele, Hans-Sachs-Spiele113 , Münchener Laienspiele114 ) sowie u. a. „Größere Spiele aus dem Verlag des Bühnenvolksbundes“115 . Neben der Beratung wurde auch Laienspielliteratur herausgegeben wie Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung, das Taschenbuch für Laienspieler 116 oder auch Das Laienspielbuch117 . Die Tätigkeiten des Bühnenvolksbundes und sein Bemühen um die Laienspielgruppen dürfen nicht als eine alle einende Organisation verstanden werden. Zu beachten ist, dass die christliche Laienspielszene heterogen war und blieb. Der Bühnenvolksbund bemühte sich übrigens auch ganz praktisch um die Laienspieler, beispielsweise bekamen Spielscharen, die sich dem Bühnenvolksbund ange-
107 Vgl. Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung. 10. bis 20. Tausend. Frankfurt am Main 1924, S. 79. 108 Vgl. Schenk, Britta-Marie: Das Theater der Zukunft, S. 83. 109 Vgl. Mirbt, Rudolf: Der Laienspielberater. Rundbriefe einer Laienspielberatungsstelle Nr. 3. Breslau 1930, S. 46. 110 Vgl. Beitl, Richard (Hrsg.): Taschenbuch für Laienspieler. Berlin 1928, S. 235. 111 Vgl. Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung, S. 83–93. 112 U. a. Spiel vom Sündenfall. Paradeisspiel aus Oberufer bei Preßburg von Schröer; Christgeburtsspiel aus Oberufer bei Preßburg von Schröer; Totentanz von Haaß-Berkow und Gümbel-Seiling. 113 U. a. Das Kälberbrüten und Der Roßdieb zu Fünsing. 114 U. a. Der verlorene Sohn und Weihnachtsspiel aus dem baierischen Wald. 115 U. a. Das alte Kölner Spiel von Jedermann von Jaspar von Gennep, bearbeitet von Carl Niessen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass Carl Niessen (1890–1969) das Spiel des gegenreformatorischen Druckers 1922 in einer Bearbeitung veröffentlicht hatte. Es wurde einem breiteren Publikum durch Haaß-Berkow bekannt, der das Stück mit seiner semiprofessionellen Schauspieltruppe inszenierte. Vgl. Marx, Peter W.: Vom Verfertigen der Gedanken beim Sammeln. In: Ders. (Hrsg.): 100 Jahre Theaterwissenschaftliche Sammlung Köln. Dokumente, Pläne, Traumreste. Berlin 2020, S. 8–41, hier: S. 14 f. Der Bühnenvolksbund gab die Empfehlung: „Durch Streichungen, die unbedingt erforderlich sind, wird auch die Personenzahl verringert.“ Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne, S. 92. 116 Beitl, Richard (Hrsg.): Taschenbuch für Laienspieler. Berlin 1928. Es erschien in zweiter Ausgabe 1929. 117 Gentges, Ignaz/Mirbt, Rudolf u. a. (Hrsg.): Das Laienspielbuch. Berlin 1929.
Organisationsstrukturen
schlossen hatten und gemeinsam unterwegs waren, bei der Reichsbahn sogar 50 % Fahrpreisermäßigung.118 2.2.2
Über die Laienspielberatungsstelle beim Evangelischen Volksbildungsdienst für das Rheinland
In Essen gab es beim Evangelischen Volksbildungsdienst für das Rheinland eine Laienspielberatungsstelle. Über sie wird 1926 in der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland berichtet.119 Abteilungsleiter war Gustav Dessin (1902–1985).120 Im ,Dritten Reich‘ wurde Dessin 1935 Hauptlektor beim C. Bertelsmann Verlag121 in Gütersloh und wurde dort – als Mitglied der NSDAP – wegen seiner Kontakte zu Behörden unentbehrlich für den Verlag.122 Dessins Tätigkeiten in der Laienspielberatungsstelle beim Evangelischen Volksbildungsdienst wurden ergänzt durch das Engagement von Paul Girkon. Dieser hatte mit Förderung durch den Direktor des „Evangelischen Preßverbandes für Rheinland“, Ludwig Seiler, die „Beratungsstelle für kirchliche Kunst“ in Essen aufgebaut, die Girkon von 1924 bis 1940 neben seiner pfarramtlichen Tätigkeit in Soest leitete. Zu dieser Beratungsstelle gehörten neben Kirchenbau, Malerei, religiöser Gebrauchskunst, Ausdruckskultur und Fragen der Liturgik auch das Laienspiel.123 Wie die Zusammenarbeit von Girkon und Dessin aussah, ist nicht ganz klar, denn entsprechende Unterlagen wurden vermutlich bei einem Brand 1943 vernichtet.124 Beide schrieben über das Laienspiel in der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland, und daraus lassen sich Erkenntnisse über ihre Arbeit gewinnen.125 Die Beratungsstelle half Gemeinden und Vereinen bei der Vorbereitung von Laienspielaufführungen. Der Arbeit lag die Überzeugung zugrunde, dass im Laien-
118 Vgl. Gerst, Wilhelm Carl (Hrsg.): Gemeinschaftsbühne, S. 81. 119 Vgl. N. N.: Laienspielberatung. In: Das Evangelische Rheinland III (1926), H. 11, S. 160. Bei der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland handelte es sich um Eine monatliche Umschau über Arbeiten und Aufgaben der Rheinischen Provinzialkirche. Sie erschien von 1924–1933 als Beilage zu der vom Kirchenbund herausgegebenen Monatsschrift Das Evangelische Deutschland. Herausgeber war Ludwig Seiler. 120 Vgl. N. N.: Evangelische Öffentlichkeitsarbeit. In: Das Evangelische Rheinland VIII (1931), H. 6/7, S. 136. 121 Vgl. Friedländer, Saul u. a.: Bertelsmann im Dritten Reich. München 2002, S. 137. 122 Vgl. ebd., S. 378. 123 Vgl. N. N.: Evangelische Öffentlichkeitsarbeit. In: Das Evangelische Rheinland VIII (1931), H. 6/7, S. 136. 124 Vgl. Weitenhagen, Holger: Ein Dienst in den Vorhöfen. Liz. Ludwig Seiler und der Evangelische Preßverband für Rheinland. Bonn 2015, S. 86 und 88. 125 Die meisten Artikel über das Laienspiel im Zeitraum 1926–1933 verfasste Dessin. Manchmal ist auch kein Name angegeben, die Artikel stammen aber vermutlich auch von Dessin.
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spiel „so große Werte“ liegen, und es „Volksbildungsarbeit“ und „Kulturbringer“ sei.126 1926 war zu lesen, dass die Bibliothek schon 600 „Bändchen“ umfasste und „schon viele Fragen“127 beantwortet wurden. Der Bestand wurde weiter ausgebaut, denn 1928 wurde berichtet, dass die Stelle ständig alle Vorgänge auf dem Gebiet des Laienspielwesens beobachte und die Stücke, die für die Zwecke evangelischer Spielscharen in Betracht kommen, in ihr Laienspielarchiv einreihen würde.128 Bemerkenswert ist auch der folgende Hinweis: „Unsere Beratungsstelle ist übrigens auch vom Bühnenvolksbund ausdrücklich als solche anerkannt. Sie sei deshalb unseren Gemeinden und Vereinen herzlich empfohlen!“129 In dieser Formulierung wirkt der Hinweis auf die Anerkennung durch den Bühnenvolksbund wie ein Gütesiegel für Qualität. Girkon agierte in der Anbindung an den Bühnenvolksbund, und so berichtet er 1932 über die Bundesversammlung in Weimar, auf der betont wurde: „Die Zeit der Fremdheit und Beziehungslosigkeit zwischen Kultur, Glaube und Nation ist vorüber.“130 Immer wieder wurden in der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland Spieltexte empfohlen. Auffällig ist dabei die Bandbreite, und so finden sich neben Kategorien wie „Advent und Weihnacht“ und „Passion, Ostern, Leben und Tod“ auch die Kategorien „Märchenspiele“ und „Humor in Lustspiel und Schwank“.131 Man bemühte sich auch um Aktualität: Unter „Neue Stücke für die Laienspielbühne“ wurde zum Beispiel Lilofee von Manfred Hausmann erwähnt.132
126 N. N.: Laienspielberatung. In: Das Evangelische Rheinland III (1926), H. 11, S. 160. 127 Ebd. 128 Vgl. N. N.: Laienspielberatungsstelle. In: Das Evangelische Rheinland V (1928), H. 6, S. 87–88, hier: S. 87. 129 Ebd. 130 Girkon, Paul: Die Bundesversammlung des Bühnenvolksbundes in Weimar. In: Das Evangelische Rheinland IX (1932), H. 11, S. 319–320, hier: S. 319. 131 1928 wurden zum Beispiel zehn Kategorien mit Spieltexten aufgeführt (hier nur eine Auswahl der Texte): „1. Advent und Weihnacht“ (u. a. Die zehn Jungfrauen von Bruder, Ismael der Hirt von Kochheim); „2. Passion, Ostern, Leben und Tod“ (u. a. Totentanz von Haaß-Berkow, Gevatter Tod von Mirbt und Das Spiel vom großen Abendmahl von Ritter); „3. Christliche Urschau (Mythos)“ (u. a. Christophorus von Bruder, Apostelspiel von Mell, Paradeisspiel von Schröer); „4. Christliche Helden“ (u. a. Pestalozzi von Bolt, Gustav Adolf von Weber); „5. Aus Sage und Geschichte“ (u. a. Beowulf von Bruder, Das Urner Spiel vom Tell von Mirbt); „6. Das Ich und das Volk“ (Volk ohne Heimat von Kaergel, Die Bürger von Calais von Mirbt); „7. Das Ich und das Du“ (u. a. Der arme Heinrich von Heiß und Mutterliebe von Neudek); „8. Märchenspiele“ (u. a. Pechvogel und Glückskind von Blachetta und Das Tanzlegendchen von Cordes); „9. Humor in Lustspiel und Schwank“ (u. a. Blut und Liebe von Luserke, Schwänke von Hans Sachs); „10. Puppen- und Schattenspiele“ (u. a. Der eingebildete Kranke von Bodisco, Vaterländische Spiele von Weismantel). Vgl. N. N.: Laienspielberatungsstelle. In: Das Evangelische Rheinland V (1928), H. 6, S. 87–88. 132 Vgl. Dessin, Gustav: Laienspielberatungsstelle. In: Das Evangelische Rheinland VII (1930), H. 1, S. 17.
Organisationsstrukturen
Auch über neue, das Laienspiel betreffende Literatur berichtete Gustav Dessin, und zwar nicht nur über die, die im Verlag des Bühnenvolksbundes erschien. So nannte er Gemeinschaftsbühne und Jugendbewegung, aber auch Zur Technik des religiösen Laienspiels von René Heinrich Wallau.133 Dessin machte 1930 selbstbewusst auf die Grundliste für evangelische Laienspieler aufmerksam, die er 1929 zusammen mit Werner Pleister und Konrad Braasch herausgegeben hatte. Diese böte einen „geschickten Überblick über die für evangelische Spielerkreise infrage kommenden Laienspiele“134 . Pleister gibt in dem einführenden Text an, man könne sich für weitere Literatur oder auch Lehrgänge an die Beratungsstelle der Fichte-Gesellschaft wenden (Berlin-Spandau, Johannesstift).135 Die Grundliste für evangelische Laienspieler zeigt ein breites Spektrum; 74 Titel wurden folgenden Kategorien zugeordnet: „Allgemeine religiöse Spiele“ (6 Titel), „Advent“ (6 Titel), „Weihnachtsspiele“ (11 Titel), „Passion und Ostern. Tod und Leben“ (7 Titel), „Evangelische Helden“ (6 Titel), „Vaterländische Spiele“ (7 Titel), „Jahreslauf “ (4 Titel), „Volksstücke“ (8 Titel), „Märchen“ (7 Titel), „Schwänke und lustige Spiele“ (12 Titel). Neben den „Weihnachtsspielen“ ist die größte Gruppe die der „Schwänke und lustigen Spiele“.136 In letztgenannter befinden sich Titel von Hans Sachs137 . Das Spektrum der Spiele auf der Grundliste ist ähnlich dem, was Dessin über Jahre hinweg in der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland beschreibt. 1929 berichtete Dessin, dass der Evangelische Volksbildungsdienst einen Sprechchor ins Leben gerufen habe und erklärte die Nähe des Laienspiels zum Sprechchor: Wo Chor ist, da sollte niemals eine Summierung von Einzel-Ichs sein, sondern: Gemeinschaft! Gemeinschaft […] schafft also erst Voraussetzung zum Sprechchor. Sprechchorarbeit kann daher nur in geistig-seelisch einheitlich gestimmten Kreisen getrieben werden. Hier aber liegt schon die eine Verwandtschaft mit dem echten Laienspiel, das […] nur der Gemeinschaft der Spieler, ja der Spieler m it der Hör- und Schaugemeinde erwachsen kann.138
133 Vgl. N. N.: Laienspielberatungsstelle. In: Das Evangelische Rheinland V (1928), H. 6, S. 87–88, hier: S. 87. 134 Dessin, Gustav: Laienspielberatungsstelle. In: Das Evangelische Rheinland VII (1930), H. 1, S. 17. 135 Vgl. Pleister, Werner: Laienspiel und Laientheater. In: Ders./Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Leipzig 1929, S. 2–4, hier: S. 4. 136 Vgl. Pleister, Werner/Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Leipzig 1929, S. 6–16. 137 U. a. Das Kälberbrüten, Der Roßdieb zu Fünsing und Frau Wahrheit will niemand beherbergen. 138 Dessin, Gustav: Sprechchor des Evangelischen Volksbildungsdienstes für Rheinland. In: Das Evangelische Rheinland VI (1929), H. 8, S. 139–140, hier: S. 139.
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Dessin empfahl die vom Burckhardthaus herausgebrachten „Sprechchor-Oratorien“ von Otto Riethmüller.139 Auch gab er Tipps zum Laienspiel und erklärte, dass das Laienspiel im Allgemeinen ein Typenspiel sei. Von der Darstellung von Charakteren solle bewusst abgesehen werden, denn deren überzeugende Verkörperung erfordere eine über das Maß des Laienhaften weit hinausgehende Einfühlungskunst. Wo derart schwierige Spielaufgaben angefasst würden, sinke das Laienspiel in den Dilettantismus ab.140 In der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland berichtete Girkon 1930 über sein Weihnachtsspiel Des ewgen Vaters einig Kind 141 . In Soest, in St. Maria zur Wiese, sei es fester Bestandteil der Feierlichkeiten. Weihnachtschoräle und alte weihnachtliche Volksweisen verbinden sich mit den Worten des Weihnachtsevangeliums und einer anspruchslosen Darstellung der Weihnachtsgeschichte, die getragen wird von der Innigkeit und Hingabe junger Menschen, denen ihr Spiel Gottesdienst ist. Im magischen Flimmern des Kerzenglanzes versinkt alles Unzulängliche des Laienspiels.142
Girkon beschreibt weiter, dass eine tausendköpfige Gemeinde anwesend sei: Evangelische und viele Katholiken, ja selbst Israeliten feiern hier miteinander Weihnacht, entrückt über Fremdheit und Andersgläubigkeit und geeint im schauend erlebten Geheimnis. […] Sehr oft wird das Echo dieser Feier zur Bekundung: jetzt erst weiß ich, was Weihnachten ist. Von den verschiedenartigsten Menschen liegen solche und ähnliche Aussagen vor: vom kirchenfremden Arzt und vom sozialdemokratischen Arbeiter, von jungen Menschen und von Menschen im Greisenalter. Der Zudrang zu dieser Weihnachtsfeier ist gegenüber der Anfangszeit eher größer als geringer geworden.143
139 Otto Riethmüller (1889–1938) war Direktor des Burckhardthauses in Berlin-Dahlem, 1932 veröffentlichte er sein Jugendliederbuch Ein neues Lied, das unter dem Titel Der helle Ton inhaltsgleich auch vom Jungmännerwerk übernommen wurde. 1935 wählte die Bekennende Kirche Riethmüller zum Vorsitzenden ihrer Jugendkammer. Vgl. Block, Detlev: Riethmüller, Otto. In: Herbst, Wolfgang (Hrsg.): Komponisten und Liederdichter des Evangelischen Gesangbuchs. 2. Aufl. Göttingen 2001, S. 253–255. Dessin nannte Sein Reich kommt, Lukaspassion und Wach auf, wach auf du deutsches Land. Vgl. Dessin, Gustav: Neue Stoffe für die Sprechchorarbeit. In: Das Evangelische Rheinland IX (1932), H. 3, S. 79–80. 140 Vgl. Dessin, Gustav: Laienspielberatungsstelle. Spiele für das Gustav-Adolf-Gedenkjahr – Heldische Spiele. In: Das Evangelische Rheinland VIII (1931), H. 12, S. 271–272, hier: S. 271. 141 Vgl. auch Kapitel 2.1. 142 Girkon, Paul: Weihnachtswelt. In: Das Evangelische Rheinland VII (1930), H. 12, S. 273–275, hier: S. 273. 143 Ebd., S. 273 f.
Organisationsstrukturen
Er wies darauf hin, dass die Laienspielberatungsstelle gerne dazu bereit sei, für Aufführungen dieser Art beratend den Weg zu bereiten.144 Paul Girkon erhielt wichtige Anregungen überhaupt für sein Wirken auch durch die Berneuchener Bewegung, mit deren Initiatoren Karl Bernhard Ritter und Wilhelm Stählin er jahrelang in regem Kontakt stand.145 Die drei verband also auch die Begeisterung für das Laienspiel.146 Dass das Laienspiel im evangelischen Leben implementiert war, zeigt sich darin, dass nicht nur die Beratungsstelle darüber berichtete. Es findet sich zum Beispiel vom „Sonderausschuss für Volksmission beim Rheinischen Provinzialkirchenrat“ ein Vorschlag für die Gestaltung eines Gemeindeabends am Totensonntag, in dessen Ablauf neben Liedern und Lesungen auch das Laienspiel seinen Platz hat.147 Interessant ist, wie in der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland über Mirbt geschrieben wurde, der bei der Schlesischen Laienspielberatungsstelle (Breslau) arbeitete. Es wurden die Rundbriefe148 „unseres führenden evangelischen Laienspielmannes“149 gelobt. Dessin urteilte, Mirbt bringe in den Rundbriefen „ausführliche, sachliche Inhaltsangaben und Beurteilungen der Stücke von streng evangelischer und volksbildnerischer Einstellung“150 .
144 Vgl. ebd., S. 274. 145 Vgl. Gaffron, Hans-Georg: Girkon, Paul. In: BBKL, Bd. XXXIII, Sp. 526–536. Die Berneuchener Bewegung trug die Reformbestrebungen nach liturgischer Erneuerung. Im Mai 1930 tagte die liturgische Konferenz Niedersachsens in Soest. Stählin sprach dort über die Bedeutung der Liturgie für das Amt und die Persönlichkeit des Pfarrers. Vgl. Girkon, Paul: Die liturgische Konferenz in Soest und ihre Beziehung zur gegenwärtigen Lage der Liturgiereformbewegung. In: Das Evangelische Rheinland VII (1930), H. 8/9, S. 195–197. 146 Vgl. auch Kapitel 2.1. Und: Ausführungen Stählins zum Laienspiel, vgl. Kapitel 2.7. 147 Der Ablauf für den Gemeindeabend am Totensonntag sah aus wie folgt: Gemeinsames Lied (Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen), Gedicht (von Anna Schieber), Singschar (Es ist ein Schnitter, heißt der Tod), Gedicht (von Anna Schieber), Laienspiel (Gevatter Tod, z. B. von Mirbt oder Gümbel-Seiling ), Singschar (Ich hab die Nacht geträumet), Gedicht (von Anna Schieber), gemeinsames Lied (Ich bin ein Gast auf Erden), Lesung (aus Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer), Singschar (Ich wollt, daß ich daheime wär), Lesung (aus Jürnjakob Swehn), Singschar (Mit Fried und Freud ich fahr dahin), gemeinsames Lied (Wenn mein Stündlein vorhanden ist). Vgl. N. N.: Für die feiernde Gemeinde. Bearbeitet durch den Sonderausschuss für Volksmission beim Rheinischen Provinzialkirchenrat. In: Das Evangelische Rheinland V (1928), H. 11, S. 177–178, hier: S. 177. 148 Nr. 1 erschien im Oktober 1929. 149 N. N.: Laienspiel. In: Das Evangelische Rheinland VIII (1931), H. 4/5, S. 99. 150 Dessin, Gustav: Laienspielberatungsstelle. In: Das Evangelische Rheinland VII (1930), H. 1, S. 17.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
2.3
Rudolf Mirbt – nicht nur evangelischer Laienspielmann
Der Name Rudolf Mirbt ist untrennbar mit dem Laienspiel verbunden, und es wurde bereits viel über sein Wirken geschrieben151 , allerdings liegt noch keine umfassende Arbeit über sein Leben vor. Im Folgenden werden sein Wirken und Werdegang in der Weimarer Republik beschrieben. Neben biographischen Informationen wird auch seine christliche bzw. evangelische Haltung in den Blick genommen. Er wurde 1896 in Marburg geboren, sein Vater war der Kirchenhistoriker Carl Mirbt. Rudolf Mirbt nahm 1913 am „Ersten Freideutschen Jugendtag“ auf dem Hohen Meißner teil. Nach dem ‚Kriegsabitur‘ wurde Mirbt als „Kriegsfreiwilliger“152 im Ersten Weltkrieg verwundet. Die schweren kriegsbedingten Schädigungen seiner Gesundheit (60 %) führten 1917 zu seiner Entlassung.153 Er studierte 1915 bis 1918 in Göttingen und Gießen – was genau, ist nicht bekannt. Er begann 1916 außerdem als Buchhändler zu arbeiten, entschied sich dann ganz für diesen beruflichen Weg und war u. a. in Göttingen und Stuttgart tätig. Von 1919 bis 1920 war er Gaugraf des Alt-Wandervogels und des Wandervogel e. V. in Schwaben. Andreas Kaufmann beschreibt, dass eines der charakteristischen Phänomene der Jugendbewegung nach 1918 die Entstehung von Jugendringen war.154 Als Mirbt 1920 nach München kam, hatte er sich von den Bünden getrennt, weil sie ihm in ihrer Abgeschlossenheit und mit ihrem elitären Bewusstsein introvertiert erschienen. Er strebte eine offenere Form der Gemeinschaft an.155 Diese erlebte er dann im „Jugendring München“, der sich um Mirbt – er muss eine charismatische Ausstrahlung gehabt haben – entwickelte. Von 1921 bis 1925 leitete Mirbt diesen Jugendring,156 der auch „Jurimü“ genannt wurde.157 Dieser war kein Dachverband der existierenden Bünde und hatte auch keine Satzung oder eingeschriebenen Mitglieder. Es gehörte ihm an, wer sich dazuzählte, und das waren schließlich sechsbis achthundert Menschen. Der Jugendring München verstand sich als Bildungsund Erziehungskreis mit Vorträgen und Diskussionsabenden.
151 U. a. in Siebenbrock, Jan: Vom Laienspiel zur Theaterpädagogik. Veränderungen von Ästhetik und Pädagogik zwischen 1949 und 1973 am Beispiel der Waldecker Laienspielwoche. Berlin u. a. 2019. Lebensdaten von Mirbt auch in Kaiser, Hermann (Hrsg.): Begegnungen und Wirkungen. Kassel u. a. 1956, S. 167. 152 Akte der Reichskulturkammer. Schlesische Funkstunde G.M.B.H.: Rudolf Mirbt, 14.09.1933. BArch R/9361/V 29060. 153 Vgl. ebd. 154 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte und Entstehung des Laienspiels, S. 42. 155 Vgl. Vondung, Klaus: Der Münchner Jugendring. In: Kindt, Werner (Hrsg.): Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bündische Zeit. Quellenschriften. Düsseldorf 1974, S. 31–33, hier: S. 31. 156 Vgl. Kaiser, Hermann (Hrsg.): Begegnungen und Wirkungen, S. 167. 157 Vgl. Vondung, Klaus: Der Münchner Jugendring, S. 31 f.
Rudolf Mirbt – nicht nur evangelischer Laienspielmann
Zusammen mit der Buchhandlung Christian Kaiser wurde eine Buchausstellung ausgerichtet. Alwin Müller158 erwähnt in seinen Erinnerungen die Offenheit des Jugendrings: „Er hätte sich damals weder christlich noch atheistisch nennen mögen, und er umschloß Menschen, die sich über Religion viele Gedanken machten, anderen, denen sie völlig gleichgültig war, und wieder andere, denen sie hassenswert […] erschien.“159 Der Jugendring war also sehr heterogen, was die Gesinnungen betraf. Es einte die Kameradschaft der wandernden, singenden und tanzenden Gefährten.160 Müller berichtet, dass Pfarrer Georg Merz dem Jugendring verbunden war und man zu dessen Abendgottesdiensten ging.161 Rückblickend schreibt Georg Merz, dass er in manchen Jahren mit Mirbt auch „menschlich enger verbunden“162 war. Merz beschreibt ihn und seine Freunde als einen Kreis, der „mehr oder minder von der völkischen Bewegung erfaßt“163 war. Weihnachten 1920 regte Mirbt an, ein Krippenspiel aufzuführen, und zwar das Weihnachtsspiel aus dem baierischen Wald 164 . Es bildete sich eine Gruppe, die sich dem Laienspiel widmete, und der „Kremi“, der Kreis Mirbt, war geboren,165 den er von 1921 bis 1925 leitete166 . Der „Kremi“ war mit seinen 30 bis 40 Teilnehmern der Kern des Jugendrings München und in der Konsequenz ebenfalls heterogen.167 Es zählten etwa Studenten aller Fakultäten dazu sowie Büroangestellte, Handarbeiter, Handwerker, Buchhändler, Maler, Lehrer und Jugendpflegerinnen. Ebenso verschieden waren die religiösen Heimaten und politischen Lager: Heiden und Christen, Lutheraner und Katholiken, Anthroposophen und Freidenker. Und nicht minder widerspruchsvoll unsere politischen Standorte: Individualisten und
158 Alwin Müller (1901–?) absolvierte das phil. Staatsexamen und promovierte in München, war Lehrer und Leiter an verschiedenen Schulen, u. a. in Rosenheim. Vgl. Müller, Alwin: Als München leuchtete, S. 27, und Kindt, Werner (Hrsg.): Die Bündische Zeit, S. 1783 f. 159 Müller, Alwin: Als München leuchtete, S. 44 f. 160 Vgl. ebd., S. 45. 161 Vgl. ebd., S. 42. 162 Merz, Georg: Freundschaft mit Albert Lempp. In: Christian Kaiser Verlag (Hrsg.): 1845–1970. Almanach, S. 30–41, hier: S. 37. Mirbt besuchte Merz mit seinen Freunden. Auch waren Lempp und Merz bei Mirbts Hochzeit eingeladen. 163 Ebd. 164 Dieses Spiel wurde Teil der Reihe Münchener Laienspiele. Weihnachtsspiel aus dem baierischen Wald. Erneuert von Wilhelm Dörfler und Hans Weinberg. ML H. 3. München 1925. 165 Vgl. Vondung, Klaus: Der Münchner Jugendring, S. 32. 166 Vgl. Kaiser, Hermann (Hrsg.): Begegnungen und Wirkungen, S. 167. 167 Vgl. Vondung, Klaus: Der Münchner Jugendring, S. 32.
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Sozialisten, Aktivisten und von Grund auf Unpolitische. […] Unsere Rechtsleute sahen auch in dem Sozialisten den Kameraden.168
Das Gemeinschaftsgefühl war besonders stark ausgeprägt, und man traf sich fast täglich, um zu diskutieren und zu spielen. Gespielt wurde z. B. im Jungbayernhaus oder im Englischen Garten, in erster Linie für den Jugendring selbst, aber auch in öffentlichen Speisehallen, in Waisenhäusern oder beim Weihnachtsfest der Münchner Buchhändler im Bayerischen Hof.169 Mirbt zählt als besondere Aufführungen u. a. folgende auf: Propheten von Hanns Johst, Jedermann von Hugo von Hofmannsthal, Der verlorene Sohn erneuert von Alwin Müller, Das Weihnachtsspiel aus dem baierischen Wald („weit über hundertmal von uns im Lauf der Jahre in Waisenhäusern, Volksküchen, Offiziersvereinen, Krankenhäusern, Fürsorgeanstalten gespielt“170 ), erneuert von Wilhelm Dörfler und Hans Weinberg, sowie Blut und Liebe von Martin Luserke.171 Wie oft sie auf Spielfahrt gingen, ist nicht bekannt. Mirbt berichtet: „Den ‚Verlorenen Sohn‘ nahmen wir 1922 auf Spielfahrt mit nach Nürnberg, wo wir bei Wilhelm Stählin zu Gast waren, und nach Schlüchtern, wo wir vor dem Neuwerkkreis spielten.“172 Dort traf Mirbt vermutlich auch Otto Salomon.173 Der „Jurimü“ und der „Kremi“ lösten sich auf, als ihr Leiter München verließ. 1927 bis 1932 arbeitete Mirbt als Geschäftsführer des Schlesischen Evangelischen Volksbildungsausschusses in Breslau, in seinen Rundbriefen als Laienspielberatungsstelle benannt, und führte evangelische, aber auch „neutrale“ Laienspielwochen durch.174 Die erste Laienspielwoche hielt er 1927 zusammen mit Wilhelm Treblin175 in Hassitz in Schlesien ab176 , und es folgten zahlreiche derartiger Wochen. Neben seiner Lai-
168 Mirbt, Rudolf: Zehn Jahre Münchener Laienspiel. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Kassel 1960, S. 40–49, hier: S. 41. 169 Vgl. Vondung, Klaus: Der Münchner Jugendring, S. 32. 170 Mirbt, Rudolf: Zehn Jahre Münchener Laienspiel, S. 43. 171 Vgl. ebd. 172 Mirbt, Rudolf: Laienspiel. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater, S. 9–18, hier: S. 15. Zum Neuwerkkreis vgl. Kapitel 2.4 dieser Arbeit. 173 Mirbt äußert sich hier nicht ganz eindeutig. Vgl. Mirbt, Rudolf: Laienspiel. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater, S. 9–18, hier: S. 15. 174 Mirbt berichtet, der Schlesische Evangelische Presseverband habe ihn geholt und früh die Bedeutung des Laienspiels erfasst. Vgl. Mirbt, Rudolf: Zehn Jahre Münchener Laienspiel, S. 41. 175 Treblin schrieb Stücke und Literatur über das Laienspiel. Vgl. Treblin, Wilhelm: Das Laienspiel in kirchlichen Vereinen. In: Feiernde Gemeinde. Hrsg. von Oskar Goehling. Berlin 1925, S. 93–97. Und: Treblin, Wilhelm: Was sollen wir spielen? Ratgeber für das Laienspiel. 2. erweit. und umgearb. Aufl. Berlin/Breslau 1924. 176 Vgl. Kaiser, Hermann (Hrsg.): Begegnungen und Wirkungen, S. 167.
Rudolf Mirbt – nicht nur evangelischer Laienspielmann
enspielberatertätigkeit war er Mitherausgeber von Zeitschriften177 und ab 1923 Herausgeber der Münchener Laienspiele. Für seine Laienspielwochen war die Vielfalt der Teilnehmer kennzeichnend. Von einer mit etwa 40 Spielern berichtet er (Orts- und Zeitangaben macht er nicht): Dem Beruf nach kamen sie aus Jugendpflege, Schuldienst und Pfarramt, dem Alter nach standen sie zwischen 18 und 60 und natürlich waren beide Geschlechter gemischt. Es waren Katholiken und Protestanten, politisch rechtsstehende und linksstehende Menschen. Sie wollten belehrt und gefördert sein in den Dingen des Laienspiels, von dem sie sich Förderung ihrer verschiedenartigen Bildungsarbeit erwarteten und erhofften.178
Mirbt glaubte, „daß aus dem Gemeinschaftsspiel der kleinen Gruppen jenes Bühnenspiel eines Volkes wachsen wird, das wir [...] ‚Das deutsche Volksspiel‘ nennen“179 . Ganz im Sinne dieser Überzeugung schreibt er in dem Artikel Konfessionalisierung der Laienspielwochen? in der Zeitschrift Das Volksspiel, dass es sich bewährt habe, jenseits aller konfessionellen oder politischen Bindung kreis-, bezirks- oder provinzweise Laienspielwochen zu veranstalten. Diese „überbündischen“ Veranstaltungen hätten auch die Billigung der Teilnehmer gefunden. Die jeweils andere Herkunft des Mitspielers verstärke die Spannung von Spiel und Gegenspiel. Von organisierten Jugendbünden sei aber eine Änderung dieser Praxis gewünscht, es würden durch solch neutrale Laienspielwochen Grenzüberschreitungen begangen.180 Mirbt ist jedoch dieser Überzeugung: Der evangelische Christ gehört nicht nur der Kirche, der Sozialist gehört nicht nur seiner Partei. Sondern er hat zugleich den Auftrag, seinen Beitrag zur Volksbildung, zur Volksgemeinschaft, zum Staat zu geben. […] Das Laienspiel braucht den ganzen Menschen.181
Die Spieler würden dadurch die Erfahrung des Andersseins und die Erfahrung der Gemeinsamkeit mitnehmen. Kämpferisch erklärt Mirbt, es müsse gegen die
177 1928–1929 Die Blätter für Laienspieler (mit Ignaz Gentges), 1929–1932 Das Volksspiel. Blätter für Laienspiel und Brauchtum (mit Ignaz Gentges), 1931–1933 Volkstümliche Feste und Feiern. Ein praktischer Ratgeber für die Pflege unseres gemeinschaftlichen Lebens (mit Otto Bruder), ab 1933 Das deutsche Volksspiel. Blätter für Jugendspiel, Brauchtum, Sprechchor, Volkstanz, Fest- und Feiergestaltung. Vgl. Kaiser, Hermann (Hrsg.): Begegnungen und Wirkungen, S. 168. 178 Mirbt, Rudolf: Volk. In: Gentges, Ignaz/Mirbt, Rudolf u. a. (Hrsg.): Das Laienspielbuch. Berlin 1929, S. 80–93, hier: S. 86. 179 Ebd., S. 93. 180 Vgl. Mirbt, Rudolf: Konfessionalisierung der Laienspielwochen? In: Das Volksspiel VI (1929/30), H. 1, S. 34–36. 181 Ebd., S. 35.
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Gefahr der Konfessionalisierung der Laienspielwochen Front gemacht werden.182 Der Spieler solle vor die Mannigfaltigkeit möglicher Haltungen gestellt werden, hierdurch fände er am ehesten seine Haltung. „Jedes wahrhaft gedichtete Schauspiel, gerade wenn es sich zu einer dieser Haltungen bekennt, braucht zur Position die Opposition, braucht das Gegenspiel. Und dieses Gegenspiel muß erlebt sein, um das Spiel […] bekennend zu machen.“183 Für diese Meinung wurde Mirbt kritisiert, und er berichtet im Artikel Tempelreinigung darüber. Die Zeitschrift Die katholische Vereinsbühne habe geschrieben: „Echte Katholiken und echte Protestanten werden sich dagegen verwahren, mit den Sozialisten in einen Topf geworfen zu werden.“184 Mirbt macht deutlich, dass er nie behauptet habe, dass die drei Anschauungen gleich seien, und erklärt: Ich bin freilich der Überzeugung, daß wir als Christen zugleich in die deutsche Welt gestellt sind, um sie mit christlicher Haltung zu tragen. Und also sind wir vor eine „christlichnationale“ Aufgabe gestellt. Nehmen wir dieses deutsche Schicksal „als ein Spiel“, so können wir wohl als „echte Katholiken und echte Protestanten“ und echte [sic!] Sozialisten „aus ein und demselben Spiel“ für unsere Wahrheit Gewinn ziehen. Und wie heilsam wäre es uns, wenn die Stücke, die wir spielen, tatsächlich immer ein Stück dieses großen Spieles wären.185
Rudolf Mirbt war also ein Verfechter der großen Volksgemeinschaft, die alle Gegensätze überwindet. Seine evangelische Herkunft hat er nie betont, seinen christlichen Glauben hingegen brachte er immer wieder zum Ausdruck und schrieb zum Beispiel zur Weihnachtszeit: „Das weihnachtliche Spiel sittet sich bei uns immer mehr ein. Und wir haben die Hoffnung, daß auch mit seiner Hilfe die christliche Botschaft wieder stärker in den Mittelpunkt der weihnachtlichen Zeit gerückt wird.“186
2.4
Otto Bruder – eine tragende Rolle
Otto Bruder ist ‚nur‘ ein schriftstellerisches Pseudonym, Otto Bruder ist Otto Salomon (1889–1971). Der Autor und Lektor war ein Christ jüdischer Herkunft, gehörte zu den engsten Mitarbeitern Albert Lempps und war – so Mirbt – einer
182 Vgl. ebd. 183 Ebd., S. 36. 184 Zitiert nach Mirbt, Rudolf: Tempelreinigung. In: Das Volksspiel VI (1929/30), H. 3, S. 167–169, hier: S. 168. 185 Mirbt, Rudolf: Tempelreinigung. In: Das Volksspiel VI (1929/30), H. 3, S. 167–169, hier: S. 168. 186 Mirbt, Rudolf: Der Laienspielberater. Rundbriefe einer Laienspielberatungsstelle Nr. 1. Breslau 1929, S. 8.
Otto Bruder – eine tragende Rolle
der wichtigsten Laienspielmänner187 . Im Folgenden wird Salomons Werdegang in der Weimarer Republik in den Blick genommen. Geboren in Frankfurt am Main, absolvierte er nach einer kaufmännischen Lehre den Militärdienst 1911 bis 1912. Im Juli 1911 ließ er sich in der evangelischen Kirche Nieder-Beerbach im Odenwald taufen.188 Später wird er schreiben, dass es zu Anfang die Auslegung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn war, die ihn zog.189 In Frankfurt studierte er 1913 Schauspiel, bereits ein Jahr später arbeitete er als Dramaturg am Bonner Stadttheater. Im Ersten Weltkrieg war er Frontsoldat. Nach dem Krieg studierte er in München einige Semester Deutsche Literatur, Theater- und Kunstgeschichte.190 Von 1920 bis 1922 lebte er bei Schlüchtern in Hessen in der Bruderhofsiedlung Sannerz und der Siedlung Habertshof und war Teil der Neuwerkbewegung191 , von der es heißt: „Christentum, Sozialismus und Jugendbewegung verschmelzen miteinander.“192 Leitfigur war dort Schulmeister Georg Flemmig.193 Salomon wurde von ihm geprägt, indem dieser „uns in aller Nüchternheit und Kindlichkeit die Bibel zeigte als einen väterlichen Brief des treuen Gottes an seine Kinder, in welchem er ihnen seine Liebe kundgab“194 . Auch war Salomon inspiriert vom Gedankengut Christoph Friedrich Blumhardts195 , dessen Enkelin er später heiratete. Seine Aufgaben hatte er dort u. a. in dem der Siedlung angegliederten Verlag. Von dort ging er 1922 zum Christian Kaiser Verlag nach München, nach seinem eigenen Empfinden nicht wie ein alttestamentlicher Prophet, obwohl er schreibt, er wurde „von der Kuhweide weg zu einem Amt berufen, […] in ein verantwortungsvolles Wirken“196 . In München führte ihn Pfarrer Georg Merz, theologischer Berater des Verlags, an den Münchener Jugendring heran, wo sich Salomon der Weg zum Laienspiel er-
187 Vgl. Mayser, Eugen: Einführung in Otto Bruders Leben und Werk. In: Hönig, Ludwig und Margrit (Hrsg.): Otto Bruder. Aus seinem Leben und Wirken. Stuttgart 1975, S. 9–17, hier: S. 16. 188 Vgl. Hönig, Ludwig und Margrit (Hrsg.): Otto Bruder. Aus seinem Leben und Wirken. Stuttgart 1975, S. 221. 189 Vgl. Bruder, Otto: Aus meinem Leben. In: Hönig, Ludwig und Margrit (Hrsg.): Otto Bruder, S. 18–54, hier: S. 34. 190 Vgl. ebd., S. 47. 191 Vgl. Vollmer, Antje: Die Neuwerkbewegung. Zwischen Jugendbewegung und religiösem Sozialismus. Freiburg 2016, S. 95. 192 Jürgensen, Johannes: Vom Jünglingsverein zur Aktionsgruppe. Gütersloh 1980, S. 64. 193 Vgl. ebd. 194 Bruder, Otto: Aus meinem Leben, S. 18–54, hier: S. 50. 195 Christoph Friedrich Blumhardt (1842–1919) stand für die religiös-soziale Bewegung. Vgl. Vollmer, Antje: Die Neuwerkbewegung, S. 26 f. 196 Bruder, Otto: Aus meinem Leben, S. 51.
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öffnete.197 Helmut Gollwitzer freundete sich mit ihm an.198 Rückblickend schreibt Gollwitzer über „Ottos Judenchristentum“199 : „Für manche, die sonst vielleicht anfällig gewesen wären, wurde er durch seine Existenz ein Antidoton gegen jede Versuchung zum Antisemitismus. Er liebte das Germanische, mancher aber lernte an ihm das Jüdische zu lieben.“200 Gollwitzer bemerkte auch, dass Salomon Sympathien für die nationale Welle der jungen Generation hatte.201 Salomon selbst formulierte es so: Die furchtbaren Jahre mit den Folgen des Krieges, der Inflation und der Arbeitslosigkeit drückten auf alle Gemüter. […] Ich stieß dabei auf eine Jugend, welche […] mit den ursprünglichen Kräften von Erde und Volk Dämme aufzurichten trachtete gegen die Mächte der Zerstörung. […] so suchte diese Jugend eine Verbindung von Mensch zu Mensch, eine brüderliche Einigung, eine neue Liebe zur Heimat.202
Beim Christian Kaiser Verlag war er unter anderem für die Reihe Münchener Laienspiele zuständig und schrieb unter dem Pseudonym Otto Bruder auch selbst Laienspiele. Rudolf Mirbt machte deutlich, dass Albert Lempp die Seele seines Verlags war, die Richtung der Laienspiellinie habe aber Otto Salmon bestimmt, und er sei für Mirbt ein helfender, ratender und mahnender Partner gewesen.203
2.5
Die Münchener Laienspiele
2.5.1
Vorstellung der Reihe und Kategorien
1925 fehlten aus evangelischer Sicht anscheinend passende Stücke, denn in der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland ist von einem Preisausschreiben zu lesen:
197 Vgl. Bruder, Otto: Auswahl aus Briefen. In: Hönig, Ludwig und Margrit (Hrsg.): Otto Bruder, S. 151–181, hier: S. 162. 198 Vgl. Rusterholz, Heinrich: „… als ob unseres Nachbars Haus nicht in Flammen stünde“. Paul Vogt, Karl Barth und das Schweizerische Evangelische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland 1937–1947. Zürich 2015, S. 236. 199 Gollwitzer, Helmut: Zwischen den Zeiten. In: Christian Kaiser Verlag. 1845–1970. Almanach, S. 42–50, hier: S. 47. 200 Ebd. 201 Vgl. ebd. 202 Bruder, Otto: Aus meinem Leben, S. 52. 203 Vgl. Mirbt, Rudolf: Lieber Otto Bruder. In: Die Laienspielgemeinde 5 (1954), H. 2, S. 44–45, hier: S. 44.
Die Münchener Laienspiele
Wir beginnen heute wieder etwas zu verstehen von der tiefen sozialen und kultischen Bedeutung des Spiels. Treten wir aber an den Bestand der vorhandenen Stücke für die Jugend- und Laienbühne heran, so müssen wir feststellen: die Mehrzahl der Stücke, zumal der mit ausgesprochen evangelischem Charakter, entspricht nicht den künstlerischen Anforderungen, die wir an eine solche Dichtung stellen sollten. Sie sind – bei oft bester Absicht – kraft- und saftlose Sentimentalitäten, wenn nicht Schlimmeres. So wenden wir uns an die deutschen Dichter und bitten sie, würdige Stücke für eine deutsche evangelische Laienbühne zu schaffen. Was wir brauchen, sind Stücke, die sich die alten Volksschauspiele zum Vorbild nehmen (z. B. das Spiel vom verlorenen Sohne, Verl. Chr. Kaiser, München). Die Sprache sei kräftig, doch nicht absichtlich altertümelnd, die Handlung eine einzige große Linie innehaltend, anpackend und mit sich reißend. […] Die Spieldauer darf nicht 1 ½ Stunden überschreiten. Besonders erwünscht wären Spiele mit nur weiblichen Rollen, da hier der Mangel besonders drückend empfunden wird; doch soll hier völlige Freiheit bestehen. Das Stück braucht nicht ernsten Charakter zu tragen, auch ein fröhliches Spiel, Sage oder Legende, ist willkommen, soweit sie vom Geiste Luthers durchdrungen sind. […] Die Neuformung eines alten Volksspiels ist zulässig. Nähere Auskunft erteilt der Evangelische Volksbildungsdienst für Rheinland, Essen.204
Woraus der Preis bestehen sollte, wurde nicht berichtet – und auch nicht, wer gewann –, aber die Anzeige machte deutlich, was gewünscht war. In den folgenden Jahren wurden in der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland sehr oft Stücke der Münchener Laienspiele vorgestellt, die augenscheinlich diesem Bedürfnis entsprachen. Rudolf Mirbt begann 1923, die Münchener Laienspiele herauszugeben. 1932 waren bereits 89 Hefte erschienen,205 bis 1939 blieb die Reihe im Christian Kaiser Verlag.206 Nach zehn Jahren gehörte sie zu den „anerkannten Sammlungen“207 . Die ersten Spiele wurden im Bewusstsein herausgegeben, dass im Laienspiel Gemeinschaftskräfte ruhen würden, die „um des Volkes willen freigemacht“208 werden müssten. „Diese Grunderfahrung von der gemeinschaftsbildenden Kraft des Laienspiels ist dann die Grundlage geblieben, auf der sich alle Münchener Laienspielarbeit aufgebaut hat.”209 Mirbt erklärte: Wer glaube, dass das Laienspiel nur ernste Stoffe
204 N. N.: Preisausschreiben für ein evangelisches Laienspiel. In: Das Evangelische Rheinland I (1925), H. 12, S. 14. 205 Vgl. Mirbt, Rudolf: Münchener Laienspielführer. Zweite Ausgabe. München 1934, S. 272. 206 Vgl. zur Entwicklung der Münchener Laienspiele im ,Dritten Reich‘ Kapitel 3.6. 207 Mirbt, Rudolf: Zehn Jahre Münchener Laienspiel. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Vorträge und Aufsätze aus den Jahren 1923–1959. Kassel 1960, S. 40–49, hier: S. 47. 208 Mirbt, Rudolf: Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiele. 1923–1938. München 1938, S. 1. 209 Ebd.
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spielen darf, sollte erkennen, „wie lösend das heitere Spiel“210 sein könne. Wer nur im Raum einer evangelischen Gemeinde lebe und arbeite, solle nicht vergessen, dass unter den Dichtern auch Katholiken seien. Es sei Ehrgeiz der Reihe, „die Fülle deutschen Lebens“211 zu zeigen. 1959 betont Mirbt rückblickend die Liberalität der Reihe: In keinem der Münchener Laienspiele, die wahrlich aus protestantischem Geist herausgegeben wurden, steht meiner Erinnerung nach ein Satz, der einen Katholiken hätte verletzen können. Das schloß nicht aus, daß die Münchener Laienspiele die Sammlung waren, an denen sich damals das Spiel der evangelischen Jugend und der evangelischen Gemeinde entzündete und entwickelte. Münchener Laienspiel und Evangelisches Laienspiel gleichzusetzen wäre freilich falsch.212
In zahlreichen Bänden befinden sich am Ende Übersichten mit allen Spielen, unterteilt in Kategorien. Das Gesamtverzeichnis im Anhang des Feiertagsspiels (ML Heft 86) aus dem Jahr 1932 enthält die folgende Übersicht213 : „Spiele deutscher Volkheit“ (16 Hefte), „Legenden- und biblische Spiele“ (17 Hefte), „Advents-/ Weihnachtsund Passionsspiele“ (13 Hefte), „Heitere und groteske Spiele“ (29 Hefte), „Sagenund Märchenspiele“ (13 Hefte).214 Die Gruppe der christlichen Spiele – bestehend aus den beiden Kategorien „Legenden- und biblische Spiele“ und „Advents-/ Weihnachts- und Passionsspiele“ – soll im Folgenden genauer betrachtet werden. Das mittelalterliche Spiel Der verlorene Sohn von Burkard Waldis wurde von Alwin Müller erneuert und ist das erste Spiel der Reihe. Mirbt schreibt 1934, es gehöre zu den „meist gespieltesten [sic!]“215 Laienspielen überhaupt. Der Rückgriff auf das Mittelalter, welcher die Jugendbewegung prägte216 , zeigt sich u. a. auch im Alsfelder Passionsspiel, in Passion und im Titel Das Spiel von Christi Höllenfahrt.
210 Mirbt, Rudolf: Zehn Jahre Münchener Laienspiel, S. 48. 211 Ebd. 212 Mirbt, Rudolf: Vom Wandel des Spielplans. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Vorträge und Aufsätze aus den Jahren 1923–1959. Kassel 1960, S. 149–156, hier: S. 149 f. 213 Vgl. Anhang in: Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel. Ein chorisches Gegenwartsspiel. ML H. 86. München 1932, o. S. 214 Vgl. dazu auch Korte, die eine Übersicht angibt, die sich am Ende von Propheten von Hanns Johst aus dem Jahr 1932 (ML H. 87) befindet. Es zeigen sich hier die gleichen Kategorien. Korte konstatierte, dass im Laufe der Jahre die Kategorien aber auch manchmal wechselten sowie die zugeordneten Stücke. Vgl. Korte, Barbara: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen, S. 273. 215 Mirbt, Rudolf: Münchener Laienspielführer. Zweite Ausgabe. München 1934, S. 109. 216 Vgl. Kaufmann, Andreas: Vorgeschichte, S. 42.
Die Münchener Laienspiele
Sechs Titel sind von Otto Bruder: Die zehn Jungfrauen, Der Herold, Himmelsschlüssel, Christofferus, Ein Spiel vom heiligen Franz und Von Pontius zu Pilatus. Kein anderer Autorenname ist in der Gruppe der christlichen Spiele so oft zu lesen wie der Bruders. Von Mirbt sind drei aufgeführt, nämlich Die Reportage des Todes, Passion und das Feiertagsspiel. Das letztgenannte ist bemerkenswert, weil hier mit dem Thema der Arbeitslosigkeit auf ein aktuelles Thema der Zeit eingegangen wird. Bevor im Anschluss einzelne Spiele genauer vorgestellt werden, sei noch der Blick auf das Spiel eines im ,Dritten Reich‘ besonders prominenten Autors gerichtet, welches 1932 in der Reihe erschien. Unter der oben zuerst aufgeführten Kategorie „Spiele deutscher Volkheit“ befindet sich der Titel Propheten217 . Hierbei handelt es sich um ein Spiel über Luther von Hanns Johst, bearbeitet von Rudolf Mirbt. Der bedingungslos völkisch-nationale Dramatiker Johst (1890–1978) war im ,Dritten Reich‘ unter anderem Präsident der Reichsschrifttumskammer und SS-Gruppenführer.218 In Propheten interessiert er sich nicht für religiöse Probleme seines Protagonisten, sondern stellt ihn als politischen Helden dar, als einen nationalen Rächer.219 Die letzten Worte Luthers lauten in der Vorlage „Deutschland stürmt sich seinen Himmel!! Schlag zu … brecht ein … euch schlägt ein Herz, ein Herz schlägt euch entgegen.“220 Mit den gleichen Worten endet auch die Bearbeitung von Mirbt.221 Bei ihm bleibt das von Johst transportierte Lutherbild unverändert. Antwort auf die Frage, worin sich denn dann die Bearbeitung zeigt, gibt der Blick auf die personae dramatis. Mirbt hat die Juden Baruch, Isaak und Rahel und damit ihre Szenen eliminiert. Wie diese Gruppe der Juden in der Vorlage von Johst dargestellt werden, zeigt pars pro toto folgende Szene: Ein Ritter fordert Geld von Baruch, dieser lügt und sagt, er habe es nicht dabei. „Der Jagdmeister (unterbricht): ,Wo der Christ das Herz hat, trägt der Jud das Geld.‘“222 Dann reißt er Baruch den Beutel aus dem Halsausschnitt. Über den Grund dieser Kürzung hat Mirbt nichts geschrieben. Die historische Figur Pfefferkorns, der vom Judentum zum Christentum konvertierte, blieb. Um einen Einblick zu bekommen, wie die Erneuerung der mittelalterlichen Vorlagen aussah, werden in den nächsten Kapiteln Der Verlorene Sohn von Müller und Das Spiel von Christi Höllenfahrt von Becker näher betrachtet. Und von Otto
217 Johst, Hanns: Propheten. Für das Laienspiel bearbeitet von Rudolf Mirbt. ML H. 87. München 1932. 218 Vgl. Klee: Kulturlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2009, S. 258. 219 Vgl. Mecklenburg, Norbert: Der Prophet der Deutschen. Martin Luther im Spiegel der Literatur. Stuttgart 2016, S. 158 f. Mecklenburg erklärt die dramatische ‚Lutherrenaissance‘ ebd., S. 158–160. 220 Johst, Hanns: Propheten. München 1923, S. 71. 221 Vgl. Johst, Hanns: Propheten. Für das Laienspiel bearbeitet von Rudolf Mirbt. ML H. 87. München 1932, S. 70. 222 Johst, Hanns: Propheten. München 1923, S. 37.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
Bruder – dem meistgenannten Autor in der Gruppe der christlichen Spiele – werden Die zehn Jungfrauen und Der Herold vorgestellt sowie von Mirbt Das Feiertagsspiel, da es den Gegenwartsbezug evident zeigt. 2.5.2
Der verlorene Sohn von Burkard Waldis/Alwin Müller
„Ihr lieben Freunde, die hier stahn, / ich bitt euch, hört mich freundlich an“223 , so lauten die ersten Worte des verlorenen Sohns im ersten Münchener Laienspiel. Alwin Müller erneuerte das reformatorisch geprägte Spiel von Burkard Waldis, welches 1527 in Riga aufgeführt wurde224 . Waldis verstand das Spiel als ein Mittel, die Schrift allen Menschen nahezubringen.225 Die ersten Worte des verlorenen Sohns zeigen schon die Nähe zur Gleichnisgestaltung von Waldis, die das ganze Spiel bestimmt. Genaue Angaben zu seiner textlichen Vorlage machte Müller nicht. Wie bei Waldis haben die Figuren keine Namen, sondern es spielen „der Vater“, „der älteste Sohn“, „der verlorene Sohn“, „der Knecht“ und so weiter, Ausnahmen bilden Else und Grete, die bereits Waldis aufführte. Zu Beginn löst sich der Zug der Spieler, angeführt vom Sprecher, aus der „Schaugemeinde“ zum Schauplatz hin. Von der Aufstellung der Spieler und vom Schauplatz hat Müller eine genaue Vorstellung. Fünf Spieler stehen links in einer Diagonalen, fünf rechts, und „zwischen diesen lebendigen Mauern wogt das Spiel hin und her“226 . Ein kleiner Chor singt die erste Strophe eines Pfingstliedes, die Spieler wiederholen sie. Nun bitten wir den heiligen Geist um den rechten Glauben allermeist, daß er uns behüte an unserm Ende,
223 Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller. ML H. 1. 3. und 4. Tausend. München 1924, S. 7. Im Text von Waldis lauten die Zeilen: „Ach lêven frunde, de ji hîr stân, / Ik bidde nempt int beste an.“ Waldis, Burkard: Parabel vom verlornen Sohn. Ein niederdeutsches Fastnachtspiel. Hrsg. von Albert Hoefer. Greifswald 1851, S. 25 (219–220). 224 Vgl. Metz, Detlef: Das protestantische Drama, S. 21. 225 Vgl. ebd., S. 156. 226 Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller, S. 3. Im Münchener Laienspielführer von 1934 sind Fotos von Aufführungen des Spiels enthalten. Wann diese gemacht wurden, wird nicht erwähnt. Mirbt erklärt zu den Abbildungen 19 und 20, dass die Anwesenheit aller Spieler während des Spiels sinnvoll sei: „Sie treten, wenn ihr Wort beginnt, auf den mittleren Spielraum und bleiben doch auch beteiligt, wenn sie wieder zurückgetreten sind.“ Mirbt, Rudolf: Münchener Laienspielführer. Zweite Ausgabe. München 1934, o. S.
Die Münchener Laienspiele
wann wir heimfahren aus diesem Elende. Kyrieleis!227
Dann liest der Sprecher das Gleichnis vom verlorenen Sohn vor (Lukas 15,11–32). Die Handlung des folgenden Spiels wird also bereits in der Lesung enthüllt. Anschließend singt die „Spielgemeinde“ die zweite Strophe des Pfingstliedes, und das Spiel beginnt.228 Der Sohn erklärt seine Situation: Meinem Vater muß ich gehorsam sein; fürwahr, das dünket mich nit [sic!] fein! […] Ich bin ein stolzer, junger Mann, der sich wohl selber lenken kann!229
Er fordert vom Vater sein Erbe und verlässt ihn. Ein Spitzbub führt ihn zum Wirt, denn „der hat den allerbesten Wein / und hübsche Fräulein, die sind sein“230 . Das Feiern beginnt und Else flirtet mit dem verlorenen Sohn: Junker, kommt an meine Seiten, wahrlich, ich mag euch wohl leiden; und rückt an meinen stolzen Leib. Ihr seid mein rechter Zeitvertreib! Nie sah ich einen stolzern Mann, auch keinen lieber ich gewann, als den ich hab an meiner Brust. In ihm ist all meines Herzens Lust. Bei dem will ich auch schlafen gehen.231
Der verlorene Sohn verliert beim Würfelspiel sein Erbe, Else will nichts mehr von ihm wissen, und der Wirt wirft ihn hinaus. Der verlorene Sohn muss schließlich
227 Text: Strophe eins 13. Jh.; Strophen zwei bis vier Martin Luther, 1524. Melodie: 13. Jh., Jistebniz um 1420, Wittenberg 1524. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 248 (Lied 124). 228 In der Fassung von 1924 ist der Text unterteilt in „Der Aufzug“ (S. 4–6), „Das Spiel“ (S. 7–34) und „Beschluss“ (S. 35–40). In der Fassung von 1933 ist der Text nur noch unterteilt in „Der Aufzug“ (S. 5–8) und „Das Spiel“ (S. 9–47). Nur unauffällig wird aufgeführt: „Es naht zum Beschluß.“ Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller. ML H. 1. 11. und 12. Tausend. München 1933, S. 40. 229 Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller. ML H. 1. München 1924, S. 7. 230 Ebd., S. 16. 231 Ebd., S. 18.
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Schweine hüten, bekommt aber nichts zu essen. In seiner Not beschließt er, zu seinem Vater zu gehen, und will ihm vorschlagen, als Tagelöhner bei ihm zu dienen. Sein Vater sieht ihn, das Elend jammert ihn, und er geht ihm entgegen. Der Sohn bekennt seine Sünden, und der Vater vergibt ihm. Die Regieanweisung lautet hier: „Der Sohn kniet vorm [sic!] Vater, der Vater umschließt den Sohn.“232 Diese Begrüßung erinnert an Rembrandts Darstellung. Der Chor singt die ersten beiden Strophen des Kirchenliedes Großer Gott, wir loben dich233 . Als der Bruder erfährt, was passiert ist, wird er wütend, aber der Vater spricht von Gnade. Der Sprecher betont Gottes Barmherzigkeit und wird vom Wirt nach Gottes Gnade gefragt: „Könnt er mir wohl die Sünd vergeben, / und noch mich führn zum ew‘gen Leben?“234 Der Sprecher antwortet: „Gott schenkt die Seligkeit aus Gnade.“235 Der Bruder rühmt sich, ein strenges Leben geführt zu haben, der Wirt aber spricht von seinen Sünden. Der Sprecher erklärt, dass, wer sich erhöht, von Gott erniedrigt werden wird und spricht einen Segen: „Euch segn [sic!] der Vater vom Himmelreich, / und Jesus Christus, der Sohn ihm gleich.“236 Die Spieler ziehen durch die „Schaugemeinde“ zurück, dabei singen sie die ersten drei Strophen von Aus tiefer Not schrei ich zu Dir 237 . Das biblische Gleichnis wurde von Waldis um die Figuren Meier, Else, Grete, Wirt und Spitzbub ergänzt. Durch das Verhalten des Wirts am Schluss in bewusster Gegenüberstellung zum älteren Bruder und die Reaktion des Sprechers darauf wird die evangelische Rechtfertigungslehre gegen die katholische Werkgerechtigkeit verteidigt. Müller rahmte mit den von Waldis gewählten Liedern sein Spiel, hielt sich in seiner Erneuerung eng an Waldis und übernahm auch den Knittelvers. Er kürzte die Vorlage allerdings stark. Bei Waldis erfolgt die Schriftlesung am Anfang von einem Kind, bei Müller von einem Sprecher. Neu ist die Einbindung von Musik zum Beispiel zu Beginn, als beim Einzug das Erbarme Dich aus der Matthäuspassion, von einer Geige gespielt, erklingt.
232 Ebd., S. 30. 233 Text: Ignaz Franz 1768 nach dem Te Deum laudamus, 4. Jh. Melodie: Lüneburg 1668, Wien um 1776, Leipzig 1819. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 617 (Lied 331). Bei Waldis steht hier Te Deum laudamus „up duetsch“ und Jesus Christus unser heilant. Waldis, Burkard: Parabel vom verlornen Sohn. Ein niederdeutsches Fastnachtspiel. Hrsg. von Albert Hoefer. Greifswald 1851, S. 92 (1373 f.). 234 Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller, S. 36. 235 Ebd. 236 Ebd., S. 39. 237 Text und Melodie: Martin Luther, 1524. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 557 (Lied 299).
Die Münchener Laienspiele
Die derb anmutenden Zeilen von Else, die auf Waldis zurückgehen und die Müller nur übersetzt hat, blieben nicht ohne Wirkung.238 Mirbt berichtete 1927 in seinem Vortrag Möglichkeiten und Grenzen des Laienspiels: In wieviel Kritiken dieses Stückes mußte man lesen, daß es für die Laienbühne ungeeignet sei, weil zwei Dirnen in dem Stücke vorkommen […]. Es ist mir schlechterdings unverständlich, wie man das Gleichnis des verlorenen Sohnes lebendig machen und zur Geltung bringen will, wenn man Angst hat, zu zeigen, wie er verloren ging. Die Sünde, die der verlorene Sohn dort oben auf der Bühne tut, ist doch unsere eigene Sünde. Er ging nicht verloren, weil er einen Apfel stibitzte oder Schulden machte, sondern er mußte in alle Tiefen hinabsteigen, um die Kraft zur Heimkehr zu gewinnen.239
In der Grundliste für evangelische Laienspieler war zu lesen: „Eine „reformatorische […] lebensnahe, bald herbe, bald innig zarte Gestaltung des biblischen Gleichnisses, dessen Botschaft reife Spieler jedem Kreis bringen werden.“240 2.5.3
Spiele von Otto Bruder
Bis einschließlich 1932 erschienen von Otto Bruder in der Reihe Münchener Laienspiele zahlreiche Stücke241 , zwei davon werden im Folgenden genauer vorgestellt. Die zehn Jungfrauen nach Jesu Gleichnis (Matthäus 25,1–13) war das erste Spiel, mit dem Otto Bruder Mitte der 20er Jahre die Bühne der Münchener Laienspiele betrat, und es war auch sein erstes Spiel, mit dem er 1947 auf die Bühne der Christlichen Gemeindespiele zurückkehrte.
238 Bei Waldis lauten die Zeilen: „Komet her, junker, an mîne sîden, / Ik mach ju wêrlîk gans wol lîden, / Unde rucket an mîn stolte lîf, / Ji sint mîn rechte tît vordrîf. / Ik sach nue sô ên stolten man / Ok kênen lêvern nue gewan / On den ik hebbe an mîner brust: / In om is al mîns herten lust, / Bî dem ik will ôk slâpen gân.“ Waldis, Burkard: Parabel vom verlornen Sohn. Ein niederdeutsches Fastnachtspiel. Hrsg. von Albert Hoefer. Greifswald, S. 50 f. (652 f.). 239 Mirbt, Rudolf: Möglichkeiten und Grenzen des Laienspiels. Ein Vortrag. München 1928, S. 16. 240 Pleister, Werner/Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Leipzig 1929, S. 6. 241 1926 [Ausg. 1925]: Die zehn Jungfrauen (ML H. 13); 1927: Der Herold (ML H. 27), Himmelsschlüssel (ML H. 28), Christofferus (ML H. 29), Ein Spiel vom heiligen Franz (ML H. 30), Beowulf (ML H. 37); 1928: Drei lustige Schnurren. Von Hans Sachs. Bearbeitet von Otto Bruder (ML H. 46); 1930: Grenzmark (ML H. 55); 1931: Von Pontius zu Pilatus (ML H. 70); 1932: Das Erbe (ML H. 79). Im Jahr 1933 wurden noch zwei Spiele von Bruder in der Reihe veröffentlicht: Luther der Kämpfer (ML H. 92) und Um den Glauben (ML H. 95). Vgl. Münchener Laienspielführer von 1934, S. 268–272.
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Es spielen zehn Jungfrauen, ein Bote242 und eine Sprecherin, die das Spiel auch eröffnet. Der Bote kommt und erklärt seinen Auftrag: „Die Wartenden zu rufen.“243 Jede der zehn Jungfrauen bekommt das Öl von ihm: Seht, was mir aufgetragen: In den Mangel, Da karg die Zeit und an Entbehrung reich, Und eurer Lampen Docht vertrocknet ist, Gieß ich das Öl, das heilige, der Bereitschaft, Damit ihr, hegend dieses Köstliche, und es bewahrend bis die Stunde kommt, Gerüstet seid, des Künftigen gewärtig.244
Alle Jungfrauen sprechen zusammen: Vor allen den Gefahren Mög uns die Huld bewahren, Daß wir geduldig, still In Nächten und in Tagen Unsre Bereitschaft tragen Zum Blitz, der sie entzünden will!245
Die Sprecherin tritt erneut hervor und beendet ihre Rede mit den ermahnenden Worten: „Und meine Lippen, schließ ich, achtet ihr, / Achtsam bisher, des weiteren Geschehens!“246 Während die klugen Jungfrauen ihr Öl sparen, zünden die törichten ihre Lampen an. Als sie am Ende kein Öl haben und es brauchen, jammern sie. Der Bote aber erklärt: „Bereitschaft wird gekrönt, das Göttliche / Ist keinem andern offen – wer die Stunde / Lässig versäumt, der darf das Licht nicht sehn.“247 Die Klugen werden belohnt, und die Regieanweisung lautet: „Sie gehen in den Glanz ein, das Tor schließt sich.“248 Die anderen bleiben in Trauer zurück und klagen, erst einzeln und am Ende zusammen: „Weh – weh!“249 Am Schluss tritt wieder die Sprecherin hervor und schließt mit diesen Worten das Spiel:
242 Im Spielerverzeichnis der Ausgabe von 1947 stehen Sprecherin und Sprecher. Vermutlich war mit letzterem der Bote gemeint, der dort nicht aufgeführt wird. 243 Bruder, Otto: Die zehn Jungfrauen. Ein Spiel von der Bereitschaft. ML H. 13. München 1926, S. 10. 244 Ebd., S. 16. 245 Ebd., S. 17. 246 Ebd., S. 18. 247 Ebd., S. 29. 248 Ebd., S. 30. 249 Ebd., S. 31.
Die Münchener Laienspiele
Ein Ring umschließt die Wartenden, ein Stern Strahlt den Geduldigen! Denn die Bereitschaft hüten, sind verwandt, Umhüllt von einer Wolke und umlodert Von einem Glanz – ein Einziges – ein Volk.250
Die Jungfrauen handeln klug oder töricht. Eine solche typisierende Figurenanlage zielt auf die Darstellung des Allgemeinen ab. Das Stück ist in Versform gesetzt, aber nur an einigen Stellen im Reim gestaltet. Die Sprache aller Figuren tönt feierlich, bisweilen wird chorisch gesprochen. Die biblische Vorlage (Matthäus 25,1–13) wird nicht thematisiert, auch nicht, inwiefern Bruder auf eine mittelalterliche Vorlage zurückgriff. Vermutlich kannte Bruder die Bearbeitung des thüringischen Zehnjungfrauenspiels von Gümbel-Seiling251 . Anders als im biblischen Gleichnis und ähnlich wie im thüringischen Spiel nach Gümbel-Seiling erheben in Bruders Gestaltung die fünf verbliebenen Jungfrauen am Ende ihre Klage, die im Chor kulminiert. Ansonsten ist Bruders Gestaltung doch wesentlich anders, denn in der Fassung von Gümbel-Seiling agieren auch Christus, Engel, Teufel und Maria. Auch verwendet Bruder nicht das Bild der Hochzeit, und ein Bote fordert die Bereitschaft, in Demut auf das Göttliche zu warten. Dass Bruder der Sprecherin als letzte Worte „ein Volk“252 in den Mund legte, war sicherlich ganz im Sinne der jugendbewegten Laienspieler, die das Bild einer neuen Volksgemeinschaft feierten. Der Herold. Ein Feuerspiel erschien 1927 als Münchener Laienspiel253 . Folgende Beschreibung wurde vorangestellt: „Mit der Dämmerung beginnt das Spiel. Bei anbrechender Nacht lodern die Scheiterflammen auf, zum Zeichen, daß keine Macht, die finsterste selbst, uns ganz überwältigen kann, denn wir wissen vom ewigen Licht, das zu uns hereingebrochen ist.“254 Nach dem Aufritt einer singenden „Kumpanei“ eröffnet der Sprecher das Spiel: Nun schweiget still und horcht mir fein alle, groß und klein, alle, arm und reich, nun schweiget alle gleich und merket auf, was ich euch sage: Wir wollen an diesem Tage
250 Ebd. 251 Vgl. Das Spiel von den zehn Jungfrauen. Eisenach 1322. Übertragen von Max Gümbel-Seiling. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 8. 5. bis 7. Tausend. Leipzig 1918. 252 Bruder, Otto: Die zehn Jungfrauen. Ein Spiel von der Bereitschaft. ML H. 13. München 1926, S. 31. 253 1926 war Der Herold bereits im Neuwerk-Verlag erschienen. 254 Bruder, Otto: Der Herold. Ein Feuerspiel. ML H. 27. 2. Aufl. München 1931, o. S.
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spielen von dem, der gewesen ist der Herold unsres Herrn Jesu Christ.255
Die Handlung beginnt mit einer Auseinandersetzung zwischen dem Engel Gabriel und dem Versucher, der erklärt, noch sei die Erde sein. Aber Gabriel erwidert, die Kraft des Versuchers sei zu Ende. Als der Engel Zacharias verkündet, dass Elisabeth schwanger wird, redet der Versucher ihm ein, dass er dies nicht glauben solle. Weil der werdende Vater zweifelt, macht ihn Gabriel stumm. Erst nach der Geburt des Sohnes kann Zacharias wieder sprechen und ruft plötzlich: „Dich will ich loben / Du Herr und Gott und Vater droben.“256 Elisabeth wirft sich ihm in die Arme: „Wie bin ich glücklich, lieber Mann.“257 Die Kumpanei erscheint immer wieder singend im Spiel258 , so auch nach diesem Wunder. Der erwachsene Johannes tritt auf, und in der Wüste gibt Gabriel ihm den Auftrag zu predigen, was er nach anfänglichem Zweifel auch macht. Der Versucher will ihn überzeugen, dass Johannes selbst der Gesalbte sei und möchte ihm dienen. Der dramatische Höhepunkt ist, als Johannes, der Herold, den Versucher vertreibt und anschließend die Kumpanei fragt: Euch frag ich nun, seid ihr gewillt der Treue Helm, des Glaubens Schild lauter zu tragen, wahr und echt? Alsdann ein lautes „Ja“ mir sprecht! Die ganze Kumpanei (laut und vernehmlich): Ja!259
Nach einer Abschlussrede von Johannes beendet die Kumpanei singend das Spiel: Du verbindest uns zu Brüdern, bist der Morgen, der uns tagt,
255 256 257 258
Ebd., S. 6. Ebd., S. 20. Ebd. Zu den Melodien: In der Neuwerk-Ausgabe von 1926 wird unter „Gesang der Kumpanei“ vorgeschlagen, die Lieder mit zwei Ausnahmen nach der Melodie Herz und Herz vereint zusammen zu singen. Nur das erste Lied Es weht der Wind ein Rausch her solle auf eine Melodie gesungen werden, die im Anhang beigefügt und „einem Bach’schen Choral entnommen“ wurde. Das Lied Über allen Kümmernissen könne gesungen werden nach Jesus Christus herrscht als König. Bruder, Otto: Der Herold. Ein Feuerspiel. Schlüchtern 1926, o. S. 259 Bruder, Otto: Der Herold. Ein Feuerspiel. ML H. 27. 2. Aufl. München 1931, S. 33.
Die Münchener Laienspiele
bist so wach in unsern Liedern, daß die Finsternis verzagt. Nichts begehren wir auf Erden, als von Dir geliebt zu sein, laß uns immer treuer werden, wir bekennen’s wir sind Dein!260
Die Sprache des Spiels ist im Knittelvers verfasst. Dass die Kumpanei am Ende im Chor gemeinsam nur das „Ja“ spricht, unterbricht das metrische Sprechen und unterstreicht damit den dramaturgischen Höhepunkt. Das Auftreten einer Kumpanei war bereits aus den Oberuferer Spielen261 bekannt. Die Schlussrede von Johannes sticht mit 54 Zeilen hervor, ansonsten sprechen die Figuren wesentlich kürzer, und so war der Text für Laienspieler sicherlich entsprechend einfach zu lernen. Als Johannes das erste Mal Gabriel trifft, sagt er: „Wes Stimm, was ist’s für ein Gesell, / der in der Wüste zu mir tritt?“262 Mit der Nennung des Geländes erstellt Bruder also eine Wortkulisse. Der Sprecher spricht zwischendurch mit den Figuren und dem Publikum. Als Zacharias plötzlich verstummt, sagt er: „Sprich, tu dein [sic!] Mund auf, sag ein Wort!“263 Aber dieser kann nur Zeichen geben. Der Sprecher kommentiert: Er nickt und winkt – mir scheint, ihr Leut, ’s ist besser, ihn nicht fragen heut, weil er so sonderlich sich stellt als versunken ihm die Welt.264
Das Spiel Der Herold erlangte unerwarteterweise im ,Dritten Reich‘ eine bemerkenswerte Bekanntheit.265 2.5.4
Das Spiel von Christi Höllenfahrt von Karl-Heinz Becker
Das Spiel von Christi Höllenfahrt reiht sich in die Laienspiele ein, die eine mittelalterliche Vorlage haben. Der Pfarrer Karl-Heinz Becker gestaltete jenen Teil des Redentiner Osterspiels um, welcher von den Ereignissen zwischen Karfreitag und Ostersonntag erzählt. Die mittelniederdeutsche Vorlage gilt wegen der künstlerischen 260 261 262 263 264 265
Ebd., S. 36. Vgl. Kapitel 2.1. Bruder, Otto: Der Herold, S. 22 f. Ebd., S. 15. Ebd., S. 16. Vgl. Kapitel 3.10.
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Qualität als bedeutendster Vertreter der deutschsprachigen Osterspiele des Mittelalters und stammt aus dem Jahr 1464.266 Zunächst zum Autor des erneuerten Spiels: Karl-Heinz Becker (1900–1968) studierte erst Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und danach Theologie in Erlangen, Berlin und Marburg.267 1921 gehörte er zu den Mitbegründern des Bundes Deutscher Neupfadfinder, bei dem es sich um eine Reformbewegung innerhalb der deutschen Pfadfinder handelte. Paramilitärische Formen wurden abgelehnt und man suchte Anschluss an die Jugendbewegung. Vermutlich kam er hier auch in Berührung mit dem Laienspiel. 1925 wurde er in Traunstein Hilfsgeistlicher, wo 1928 auch die erste Aufführung seines Spiels stattfand, wie er im Nachwort berichtet.268 1930 trat er die Pfarrstelle in Ezelheim bei Neustadt an der Aisch an und befand sich damit in einer Region Frankens, in der die NSDAP und Hitler bei Wahlen enorme Erfolge verbuchten. 1931 und 1932 erhob Becker mehrfach seine Stimme gegen den Nationalsozialismus, wandte sich an Repräsentanten und Organe seiner Kirchenleitung und versuchte, diese zu einer Stellungnahme zu bewegen. Becker forderte auch von der Kirchenleitung, gegen Geistliche disziplinarisch vorzugehen, die ihren Verkündigungsauftrag mit einem politischen Engagement für die NSDAP vermischten.269 Im Nachwort von Das Spiel von Christi Höllenfahrt nennt Becker zwei Vorlagen: Neben dem Redentiner Osterspiel, kommentiert von Schröder, führt er die Bühnenausgabe von Gümbel-Seiling auf.270 Dieser verdanke Becker die Anregung zur Bearbeitung. Das Spiel war bei seiner ersten Aufführung ein Adventsspiel, Becker erklärt, dass man es aber auch zu allen anderen Zeiten des Kirchenjahres spielen könne. Im Unterschied zur Bühnenausgabe von Gümbel-Seiling sind unter „Die Spieler“ nicht fünf, sondern drei Teufel und nicht vier, sondern zwei Engel aufgeführt. Auch sind es bei Becker nur sieben Seelen und nicht acht. Und statt „Jesus“ findet man „Die Stimme des Herrn“271 .
266 Vgl. Schulze, Ursula: Geistliche Spiele im Mittelalter, S. 65. 267 Im Folgenden stütze ich mich auf: https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type= kurzbiografie&id=55&l=de, zuletzt abgerufen am 26.07.2020. Und: Huber, Wolfgang: Becker, Karl-Heinz. In: BBKL, Bd. XXX. Hrsg. von Traugott Bautz. Nordhausen 2009, Sp. 90–95. 268 Vgl. Nachwort von Becker. In: Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Nach dem Redentiner Osterspiel. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker. ML H. 61. München 1931 [Ausg. 1930], o. S. 269 Vgl. Hermle, Siegfried/Lepp, Claudia/Oelke, Harry: Christlicher Widerstand!? Evangelische Kirche und Nationalsozialismus. Leipzig 2019, S. 49 f. 270 Redentiner Osterspiel. Nebst Einleitung und Anmerkungen von Carl Schröder. Leipzig 1893. Und: Das Niederdeutsche Osterspiel aus Redentin vom Jahre 1464. Übertragung von Max GümbelSeiling. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 7. Vgl. Nachwort von Becker. In: Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker, o. S. 271 Diese Darstellungsweise ist allerdings in den Münchener Laienspielen nicht die Regel, so zeigt beispielsweise das Spiel Passion (ML H. 88) auch eine Jesus-Figur.
Die Münchener Laienspiele
Becker unterteilt die Geschehnisse in zwei Bilder. Im ersten äußern die Seelen ihre Hoffnungen, dann erfahren sie von Johannes, dass der Erlöser bald kommt, und mit Freude erwarten sie diesen. Die Teufel sind entsetzt. Sie stellen ein Gitter vor ein Tor und halten es fest. Aber Jesus, in ,Form‘ der „Stimme des Herrn“, kommt und befreit die Seelen: „Ihr sollt nun keine Pein mehr leiden. / In Meines Vaters Reich euch führe Ich.“272 Luzifer muss erkennen: „Welch ein Gewaltiger ist dieser Herr! / Er nimmt uns, was wir manches Jahr hindurch zu Hauf gezogen; / ward schon jemand also betrogen?“273 Im zweiten Bild beauftragt „Die Stimme des Herrn“ den Engel Michael, die Schar ins Paradies zu bringen, und es reihen sich noch drei weitere Gestalten in die Schar, nämlich Henoch, Elias und der Schächer. Dann ziehen die Engel mit der Schar singend durch das Tor. Der Sprecher erklärt: Wir wollen uns freuen in Gott und erfüllen Sein göttlich Gebot und leben alle in Gottes Gnaden, so mag uns der böse Geist nicht schaden.274
Interessant ist hier, dass es bei Gümbel-Seiling heißt: „Und streben stets nach Gottes Gnaden“.275 Das kann dem evangelischen Pfarrer Becker nicht gefallen haben, und so hält er sich mit „leben alle in Gottes Gnaden“276 lieber an die Vorlage von 1893277 . Becker schreibt, er habe die Versform und auch die Unregelmäßigkeiten absichtlich übernommen, da er glaube, dies habe in der Absicht des Dichters gelegen.278 Bedeutsam sind drei Lieder in Beckers Spiel, die in der Vorlage von GümbelSeiling an den Stellen nicht vorkommen. Becker lässt am Anfang die Seelen Adam, Eva, Abel, David, Jesaias und Simeon singen: Du willst nicht, daß der Sünder sterb und in Verdammnis fahre, sondern daß er mehr Gnad erwerb und sich darin bewahre.
272 273 274 275
Ebd., S. 22. Ebd., S. 26. Ebd., S. 33. Das Niederdeutsche Osterspiel aus Redentin vom Jahre 1464. Übertragung von Max GümbelSeiling. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 7., 8. bis 12. Tausend. Leipzig 1923, S. 94. 276 Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker, S. 33. 277 „Unde leven al an gades gnade“, heißt es in dieser Ausgabe: Redentiner Osterspiel. Nebst Einleitung und Anmerkungen von Carl Schröder. Leipzig 1893, S. 80 (2002). 278 Vgl. Nachwort von Becker. In: Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker, o. S.
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So hilf uns nun, o Herre Gott, auf daß uns nicht der ewge Tod in Sünden widerfahre.279
Hierbei handelt es sich um die vierte Strophe von Aus tiefer Not laßt uns zu Gott 280 , und es erklingen zur Melodie von Luthers Psalmlied die Worte von Michael Weiße (1531).281 Nachdem Luzifer verkündet hat „Wir wollen mit unserm ganzen Chore / wohl bewahren unsre Tore!“282 , kommen die Seelen wieder singend auf die Bühne: Gott sei Dank durch alle Welt, der Sein Wort beständig hält und der Sünder Trost und Rat zu uns hergewendet hat.283
Es soll auf die Melodie von Nun komm der Heiden Heiland gesungen werden. Auch hier handelt es sich um ein Lied von Luther, der Melodie und Text nach älterer Vorlage gestaltete.284 Die Zeilen, die die Seelen hier singen, verfasste 1658 Heinrich Held285 . Am Ende des Spiels gibt Becker in einer Regieanweisung den Hinweis, dass der Sprecher mit allen Zuschauern und Spielern Lobt Gott ihr Christen alle gleich singen könne, wenn Weihnachtszeit sei, sonst „ein anderes passendes“286 Lied. Text und Melodie des vorgeschlagenen Schlusslieds stammen von Nikolaus Herman.287 Bemerkenswert ist, dass Becker ein vorreformatorisches geistliches Spiel mit einer Melodie Luthers und Worten von Weiße eröffnet und mit Melodie und Text von Hermann beschließt. Schon Gümbel-Seiling hatte die höllischen Szenen um Liedgut erweitert und zum Beispiel Kommt und laßt uns Christum ehren von
279 Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker, S. 5. 280 Melodie: Aus tiefer Not schrei ich zu dir (Martin Luther 1524). Becker gibt immer nur an, nach welcher Melodie gesungen werden soll, aber nicht, woher die Melodie und die Textzeilen stammen. 281 Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 287 (Lied 144). 282 Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker, S. 15. 283 Ebd., S. 16. 284 Text: Martin Luther 1524 nach dem Hymnus „Veni redemptor gentium“ des Ambrosius von Mailand um 386. Melodie: Einsiedeln 12. Jh., Martin Luther 1524. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 35 (Lied 4). 285 Vgl. ebd., S. 46 (Lied 12). 286 Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Bearbeitet von Karl-Heinz Becker, S. 34. 287 Text 1560, Melodie 1554. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 71 (Lied 27).
Die Münchener Laienspiele
Paul Gerhardt288 eingefügt, und zwar kurz nachdem sich Luzifer geschlagen gibt: „Diese Schar war mit Unrecht gewonnen / Also ist sie uns wieder entronnen.“289 Hier folgte Becker Gümbel-Seiling und führte an gleicher Stelle dieses Lied auf. Becker hat die Idee der Liederweiterung also von Gümbel-Seiling übernommen und fortgeführt. Karl-Heinz Becker schrieb nicht nur das Stück Das Spiel von Christi Höllenfahrt, er war auch selbst als Spielleiter aktiv. So berichtete er im Artikel Laienspiel aus dem Jahr 1931, dass er beispielweise das Stück Der Herold mit Jugendlichen einstudierte. Das Laienspiel überhaupt erklärte er als „ein gemeinsames Feiern von Spielenden und Hörenden, die zu einer wirklichen Gemeinde sich zusammengehörend fühlen“290 . 2.5.5
Das Feiertagsspiel von Rudolf Mirbt
In der Reihe Münchener Laienspiele veröffentlichte Mirbt auch eigene Stücke.291 Das Feiertagsspiel ist im Gesamtverzeichnis der Kategorie „Legenden- und biblische Spiele“ zugeordnet.292 Mirbt schrieb es für den Mecklenburgischen Kirchentag, es wurde in Güstrow am 19. Juni 1932 aufgeführt.293 Besonders ist, dass er auf keine Vorlage zurückgreift und das Problem der Arbeitslosigkeit, ein bedeutendes Thema der Zeit294 , auf die evangelische Laienspielbühne bringt. Das Verzeichnis
288 Gümbel-Seiling macht hier keine Angaben zur Herkunft des Liedes. Text: Paul Gerhardt, 1666. Vgl. ebd., S. 91 (Lied 39). 289 Das Niederdeutsche Osterspiel aus Redentin vom Jahre 1464. Übertragung von Max GümbelSeiling. 8. bis 12. Tausend. Leipzig 1923, S. 40. 290 Becker, Karl-Heinz: Laienspiel. In: Korrespondenzblatt für die evangelisch-lutherischen Geistlichen in Bayern 55 (1931), S. 441–444, hier: S. 442. 291 1923: Das Urner Spiel vom Wilhelm Tell. Erneuert von Rudolf Mirbt (ML H. 2), Gevatter Tod (ML H. 4); 1924: Die Bürger von Calais (ML H. 8); 1931: Die Reportage des Todes (ML H. 69); 1932: Das Feiertagsspiel. Ein chorisches Gegenwartsspiel (ML H. 86), Propheten. Ein Spiel vom jungen Luther. Von Hanns Johst. Bearbeitet von Rudolf Mirbt (ML H. 87), Passion. Eine Spielfolge für die Karwoche. Nach altem Passionsspielgut frei gestaltet von Rudolf Mirbt (ML H. 88). An der Bearbeitung des Alsfelder Passionsspiels (ML H. 38) hat Mirbt vermutlich mitgewirkt. Im Münchener Laienspielführer von 1934 gibt Mirbt als Bearbeiter den Namen P. Wall-Neumann an (S. 170). 292 Gesamtverzeichnis im Anhang: Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel. Ein chorisches Gegenwartsspiel. ML H. 86. München 1932, o. S. 293 Vgl. Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel, o. S. 294 In der Zeitschrift Das Evangelische Rheinland war zum Beispiel zu lesen: „Das Schicksal von Millionen zur Arbeit berufener Menschen ist hier in furchtbarer Weise in Frage gestellt, der Riesenschatten unermesslicher physischer und noch mehr seelischer Not breitet sich über das Leben dieser Menschen.“ Schönfeld, Vorname unbekannt: Die Kirche und die Arbeitslosen. In: Das Evangelische Rheinland VII (1930), H. 12, S. 271.
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der Spieler ist überschaubar: Die Feiertagsgäste, die Arbeitslosen „und wir alle“295 . Zu Beginn kommen die Spieler zum Spielraum und singen dabei zwei Strophen des Lutherliedes Aus tiefer Not schrei ich zu Dir. Eine Anmerkung, um welches Lied es sich handelt, steht nicht im Text. Mit der Anrede „Deutsche Christenleute!“296 eröffnet ein Sprecher und erklärt: „Wir spielen euch nichts vor. Wir spielen, was ihr seid und was wir sind. Wir sind ein Stück von euch und ihr seid wir. Und unsere Not ist eure. […] Nun schweigt und schaut.“297 Die Arbeitslosen klagen ihr Leid über ihr erzwungenes Nichtstun und fragen, warum angesichts dieser Situation gefeiert wird. Chorisches Sprechen der Gruppen und Sprechen Einzelner wechseln sich häufig ab. Die Spieler wenden sich auch direkt ans Publikum: Einzelner Arbeitsloser in die Zuschauer hinein: Ihr alle, was ihr immer werkt, seid ehrlich: Sind wir euch nicht ein Ekel, wenn wir eure Straßen ziehn mit müden Gliedern! Wir, deren Mund verschlossen bleibt, wenn ihr Almosen gebt?298
Ein Sprecher wendet sich an die Feiertagsgäste: „Wo ist nun dein Bekenntnis, Volk? Wo ist dein Recht nun, deiner Kirche Tag zu feiern?“299 Sie senken beschämt das Haupt. Der Sprecher erinnert beide Gruppen daran, dass die Kirche nur in Gemeinschaft Bestand hat. Es folgen Diskussionen, aber schließlich erfolgt durch einen Chor der Kinder eine Wende, denn sie erinnern daran, dass sie heute ein Fest feiern wollen. Am Ende singen alle Spieler die vierte Strophe des Liedes Aus tiefer Not schrei ich zu dir und ziehen, die fünfte Strophe singend, in den Dom. Wie im Laienspiel üblich, zielt die überschaubare Figurenanlage auf die Darstellung des Allgemeinen ab. Die Figurensprache ist Prosa. Bemerkenswert ist neben der mehrmaligen Ansprache der Zuschauer durch die Spieler, dass ein Thema der Zeit dramatische Realisierung erfuhr. Damit ging Mirbt auf ein Bedürfnis ein, denn neben der Begeisterung für mittelalterliche Spiele entwickelte sich auch der Ruf nach zeitbezogenen Spielen, wie er bereits 1930 in einem Rundbrief erklärte: Es wird häufig ausgesprochen, daß dem Laienspiel Stücke fehlen, die zeitgemäß sind […] und die darum den modernen Menschen wirklich ansprechen. Die Forderung der Gegenwärtigkeit des Laienspiels ist berechtigt gegenüber einer sentimentalen Überschätzung der „besseren“ alten Zeit.300
295 296 297 298 299 300
Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel, o. S. Ebd., S. 6. Ebd., S. 7. Ebd., S. 13. Ebd., S. 19. Mirbt, Rudolf: Der Laienspielberater. Rundbriefe einer Laienspielberatungsstelle Nr. 3. Breslau 1930, S. 50.
Die Münchener Laienspiele
Das Feiertagsspiel wurde aufwendig inszeniert. Im Nachwort berichtet Mirbt, dass sich an den Aufführungen in Güstrow etwa 120 Erwachsene und etwa 50 Kinder beteiligten. Gespielt wurde auf einem Podium, und es gab vier Aufführungen. Insgesamt sahen 20.000 Besucher das Spiel.301 Vor sein Nachwort stellte Mirbt einen Bericht302 von Heinrich Rendtorff, dem Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche303 . Rendtorff schreibt, das Spiel sei umstritten gewesen, und Dank wie Ablehnung sei ihm zuteil geworden. Und er fragt: „Was hätte das gewaltige Bild kirchlicher Gemeinschaft an diesem Tage bedeutet, wenn man geschwiegen hätte von der furchtbaren Kluft, die durch unser Volk sich zieht?“304 2.5.6
Merkmale der christlichen Spiele
Die Gruppe der christlichen Spiele umfasst 31 Spiele, die im Gesamtverzeichnis 1932 in den Kategorien „Legenden- und biblische Spiele“ und „Advents-/ Weihnachts- und Passionsspiele“ aufgeführt sind305 . Von den fünf vorgestellten Stücken ist nur Das Feiertagsspiel in Prosa, die anderen sind in Versform verfasst. Das häufig vorkommende chorische Sprechen entsprach dem Zeitgeist, der nach Volksgemeinschaft strebte, und die sprachliche Gestaltung erhob das Spiel aus der profanen Alltagssprache. Die Dialoge sind durch einen häufigen Wechsel der Figuren gekennzeichnet; dies kam dem Laienspieler sicherlich beim Auswendiglernen entgegen. Das Publikum, auch „Schaugemeinde“306 genannt, wird eingebunden durch die Ansprache von Spielern oder Sprechern oder auch durch gemeinsamen Gesang wie in Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Am auffälligsten ist der Gleichnischarakter der Stoffe, der mit einer typisierenden Figurenanlage verschmilzt. Die Laienspieler dieser Texte zeigen so das Allgemeingültige, fernab von Charakterdarstellung und Illusionstheater. Das Einziehen der Spieler durch den Zuschauerraum am Anfang und der Auszug am Ende – beispielsweise beim Verlorenen Sohn – wird sich in zahlreichen Regieanweisungen der nächsten Jahrzehnte wiederfinden, ebenso das Verweilen der Spieler im Halbkreis
301 Vgl. Nachwort des Verfassers. In: Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel, S. 36. 302 Der Bericht erschien in der Mecklenburgischen Zeitung am 25. Juni 1932. Vgl. Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel, S. 33. 303 Heinrich Rendtorff (1888–1960) war u. a. Professor für Praktische Theologie und Neues Testament in Kiel und war 1930–1933 Landesbischof von Mecklenburg-Schwerin. Vgl. Hermle, Siegfried/ Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 815. 304 Hier zitiert nach Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel, S. 33. 305 Es sind 30 Hefte, in ML H. 49 sind zwei Spiele enthalten. Vgl. Anhang in: Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel. ML H. 86. München 1932, o. S. 306 U. a. Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller, S. 4.
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während der ganzen Spielzeit auf dem „Schauplatz“307 , wodurch sie – auch wenn sie nicht äußerlich agieren – Beteiligte des Geschehens bleiben308 .
2.6
Die Evangelischen Laienspiele von Gustav Kochheim
„So haben wir nun endlich auch ‚Evangelische Laienspiele‘! Als Parallele zur Evangelischen Bank, zur Evangelischen Schallplatte, zur Evangelischen Partei, zum Evangelischen Film, zum Evangelischen Buchhandel!“309 Mit diesen ironischen Worten äußerte sich Rudolf Mirbt zum Erscheinen von Gustav Kochheims Reihe Evangelische Laienspiele. Dass er wenig begeistert war, überrascht nicht, denn er setzte sich auch gegen eine Konfessionalisierung von Laienspielwochen ein.310 Ab 1930 erschien die Reihe im Verlag Agentur des Rauhen Hauses. Sie wurde von Gustav Kochheim herausgegeben und umfasste bis 1932 acht Spiele. Das 14. und letzte Stück erschien 1934. Der Verlag kennzeichnete seine Reihe mit diesen Zeilen: „Wo alle drei, der Stoff, der Dichter und die Spieler, wahrhaft evangelisch sind, da erst dürfte dem Suchen der evangelischen Gemeinde nach geeigneten Laienspielen voll Genüge geschehen. Und das ist es, was unsere ‚Evangelischen Laienspiele‘ erstreben.“311 Weil Kochheims Name auch im ,Dritten Reich‘ und in der Nachkriegszeit eine Rolle spielen wird, soll hier zunächst kurz sein Werdegang skizziert werden.312 Gustav Cornelius Friedrich Kochheim (1890–1977) war in der Jugendbewegung aktiv313 und studierte in Tübingen und Münster Germanistik und Philosophie. Der Kriegsausbruch 1914 verhinderte den Abschluss, er wurde einberufen. Von 1926 bis 1927 leitete er die Hamburger Fichte-Hochschule314 (Holstenwall). 1927 trat er
307 Ebd. 308 Vgl. Mirbts Kommentierung der Fotos von einer Aufführung von Der verlorene Sohn, Abbildung 19 und 20 in: Mirbt, Rudolf: Münchener Laienspielführer. Zweite Ausgabe. München 1934, o. S. 309 Mirbt, Rudolf: Der Laienspielberater. Rundbriefe einer Laienspielberatungsstelle Nr. 6. Breslau 1930, S. 108. 310 Vgl. Mirbt, Rudolf: Konfessionalisierung der Laienspielwochen? In: Das Volksspiel VI (1929/30), H. 1, S. 34–36. 311 Zitiert nach Mirbt, Rudolf: Der Laienspielberater. Rundbriefe einer Laienspielberatungsstelle Nr. 6. Breslau 1930, S. 108. 312 Im Folgenden stütze ich mich auf Stüben, Joachim: Gustav Kochheim – ein Laientheologe im Dienst der Hamburgischen Landeskirche von 1927 bis 1956. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 84 (1998), S. 129–162. 313 Informationen, wie und wo Kochheim in der Jugendbewegung aktiv war, nennt Stüben nicht. 314 Fichte-Hochschulen waren Mitte der zwanziger Jahre Teil der protestantischen Erwachsenenbildung mit deutlich national-protestantischer bis konservativ-revolutionärer Ausrichtung. Vgl. Ulbricht, Justus H.: Völkische Erwachsenenbildung. Intentionen, Programme und Institutionen
Die Evangelischen Laienspiele von Gustav Kochheim
als Sozialpädagoge in den Dienst der Hamburgischen Landeskirche und begann u. a. mit dem Ausbau der kirchlichen Laienspielarbeit315 . Im ,Dritten Reich‘ trat er 1937 der NSDAP bei, wurde 1940 aber entlassen.316 Er bezeichnete sich selbst als „christgläubigen Nationalsozialisten“317 . 1934 wurde Kochheim Leiter der Landeskirchlichen Bücherei, aber engagierte sich weiter für das Laienspiel318 . 1949 bis zu seiner Pensionierung im April 1956 arbeitete Kochheim als Leiter der Gemeindespielarbeit, dem Landeskirchlichen Amt für Gemeindedienst zugeordnet.319 Er veröffentlichte Spiele320 und erarbeitete 1954 einen Plan, wie man Laienspielleiter ausbilden könnte321 . Neben Laienspielen verfasste Kochheim eine Reihe von Schriften wie 1930 Faust im Zeichen des Kreuzes. Eine neue Darstellung der Faustgestalt als Einführung in die Lebensphilosophie322 . Von den insgesamt 14 Evangelischen Laienspielen schrieb er neun selbst. Es gibt in den Verzeichnissen keine Einteilung in Kategorien. Zwei seiner Spiele sollen hier in den Blick genommen werden, denn sie zeigen eine neue Form des Laienspiels. Kochheim beginnt die Reihe mit Ismael der Hirt 323 . Im ersten Bild wartet der junge Hirte Ismael erwartungsvoll auf die anderen Hirten, die nach Bethlehem geeilt sind. Amasa, der Teufel in der Gestalt eines Jünglings, tritt an ihn heran und versucht, ihn vom Gang zur Krippe zurückzuhalten. „Es gibt kein Heil, wenn du es nicht erschaffst. Was läufst du deinen Narren nach! […] Der König ist nichts.“324 Als die anderen Hirten erfüllt aus Bethlehem zurückkommen, wundern sie sich, dass Ismael dort nicht mehr hingehen möchte. Aber schließlich geht er doch. Im zweiten Bild ist Ismael unterwegs nach Bethlehem. Amasa versucht erneut, ihn von seinen Plänen abzuhalten, und erinnert ihn daran, dass er gar kein
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zwischen Jahrhundertwende und Weimarer Republik. In: Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871–1918. Hrsg. von Justus H. Ulbricht, Uwe Puschner, Walter Schmitz. München u. a. 1996, S. 152–276, hier: S. 271. Wie der Ausbau der Laienspielarbeit konkret aussah, beschreibt Stüben nicht. Vgl. Oberstes Parteigericht der NSDAP: Entlassung und Begründung, München 1940. BArch R/9361/II 544263. Vgl. dazu auch Kapitel 3.8.2. Vgl. Kochheim an das Gaugericht der NSDAP, Hamburg, 21.02.1939. BArch R/ 9361/ I 21189. Beispielsweise verfasste Kochheim 1936 Das Horner Passionsspiel. Es wurde 1937 bis 1940 in neun Kirchengemeinden in Hamburg aufgeführt. Vgl. Nachwort an die Spieler von Rudolf Mirbt. In: Kochheim, Gustav: Das Horner Passionsspiel. BL Nr. 81. Kassel 1949, S. 43. Vgl. Stüben, Joachim: Gustav Kochheim, S. 162. Unter anderem veröffentlichte Kochheim 1948 Ihr lieben Hirten, kommt schlagt ein in der Reihe Oncken-Laienspiele und 1953 Der Hinterhalt. Ein Spiel zur Passion in der Reihe Christliche Gemeindespiele. Vgl. N. N.: Berichte. Ausbildungsplan für Laienspielleiter. In: Die Laienspielgemeinde 5 (1954), H. 1, S. 24. Vgl. Stüben, Joachim: Gustav Kochheim, S. 136. Dieses Stück erschien bereits 1927 und wurde in die Reihe Evangelische Laienspiele eingefügt. Kochheim, Gustav: Ismael der Hirt. Hamburg 1927, S. 9.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
Geschenk hat. Als sie Kaspar, Balthasar und Melchior treffen und Ismael deren Geschenke sieht, ist er verzweifelt, beschließt aber, dennoch zur Krippe zu eilen, um vor den Königen mit den reichen Gaben immerhin seinen Schwur und sein Gelübde schenken zu können. Das dritte Bild zeigt die Begegnung mit einer Magd vor dem Stall. Ismael zögert wieder, weil er mit leeren Händen kommt, und Amasa bestärkt ihn darin. Die Magd erklärt aber: „Nur leere Hände sind dem Herrn willkommen.“325 Daraufhin traut sich Ismael endlich, das Kind im Stall anzubeten, und Amasa verschwindet. In dem in Prosa verfassten Spiel gibt es keinen Sprecher und keine Ansprache an das Publikum, und viel Text ist auf wenige Figuren verteilt. Die Formulierungen hören sich oft sehr pathetisch an, wie dieses Beispiel zeigt: Ismael (das Antlitz erhebend, ohne Amasa zu gewahren): Wo blieb mein Reichtum nur? War meine Seele nicht herrlich wie ein Frühlingsgarten? Muß ich verzweifelt sterben hier? Der Könige Pracht war allzu groß, als daß mein scheues Herz es stark ertragen möchte.326
In der Grundliste für evangelische Laienspieler ist über Ismael der Hirt zu lesen: „Die psychologisch fein durcharbeiteten, nie plumpen aufdringlichen Gespräche stellen nicht ganz geringe Anforderungen an die Spieler.“327 Das vierte Stück der Reihe heißt Abenteurer und trägt den Untertitel Ein Gesprächspiel vom Glauben. Im Vorwort schreibt Kochheim, dass er sich zu der stark gedanklichen neuen Form des Gesprächspiels bekenne. Im Stück reden Tharah und Nahor über Abrahams Fähigkeiten, während dieser jenseits der Hügel Gott verkündigt. Als er zurückkehrt, berichtet er von dem Ruf, in ein Land zu ziehen, das Gott ihm zeigen will. Der gehorsame Abraham entscheidet sich für den ungewissen Weg. Auch hier ist der Text auf wenige Figuren verteilt. Es gibt keinen Sprecher und keine Ansprache an die Zuschauer. Auch hier – und noch stärker als im ersten Spiel – klingt die Sprache pathetisch: Abraham: Das Unbegreifliche hat mich übermannt. Und wehe mir, wenn ich es versuchte! Denn es ist Gottes Wort, was über mir ist. Meinst du, es habe nicht auch mich erschreckt? Gott, Gott – nun erst weiß ich des dunklen Namens schaurigen Sinn.328
Mirbt bedauerte, dass Kochheim erst im vierten Heft die Gedanken über das Gesprächspiel aussprach, denn seiner Meinung nach seien auch Ismael und das zweite
325 Ebd., S. 35. 326 Ebd., S. 24. 327 Pleister, Werner/Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Leipzig 1929, S. 7. 328 Kochheim, Gustav: Abenteurer. Ein Gesprächspiel. EL Nr. 4. Hamburg 1930, S. 16.
Spieltheoretisches
Spiel der Reihe Malwina solche. Diese weitere Form des Laienspiels bejahte Mirbt und begrüßte Kochheims Mut „zu dieser ‚dialektischen‘ Wortbildung“329 , denn Gespräch sei etwas anderes als Spiel, und Spiel etwas anderes als Gespräch. Kritik äußerte Mirbt aber auch: Gerade in diesem Zusammenhang bedaure ich den Titel „Evangelische Laienspiele“. Denn da drei dieser vier Hefte solch betonte Gedanken-Spiele sind, liegt der Fehlschluß nahe, der Beitrag evangelischer Christen zum Spiel sei vor allem im ‚Gedanklichen‘ zu sehen. Der evangelische Christ ist aber doch gerade der freieste und in diesem Zusammenhang sinnenhafteste Mensch, den man nicht auf den einen Sinn, den des Denkens, festlegen kann. Denn die ganze Welt steht ihm offen.330
2.7
Spieltheoretisches
Im Folgenden soll dargestellt werden, was für Vorstellungen evangelische Theologen vom Laienspiel hatten. Was kennzeichnet aus deren Sicht das Spiel, das in Gemeindesälen und im Freien gespielt wurde? Und an welches Spielverständnis war das Auftreten im kirchlichen Raum und Gottesdienst gebunden? Pastor Wilhelm Treblin (1880–?)331 schreibt bereits 1925 im Aufsatz Das Laienspiel in kirchlichen Vereinen: „Wenn wir im kirchlichen Verein – also von Kirche wegen – spielen, dann darf und soll das nicht Nachäffung der Berufsbühne sein. Unser Spiel hat nur dann eine Berechtigung, wenn es Dienst an der Gemeinde ist.“332 Der Feind heiße „Theaterei“333 , und aller Schauspieleitelkeit gehöre der Kampf bis aufs Messer. Er selbst spreche deswegen auch nie von Theaterspielen, sondern von Spiel oder Feier. Wichtig sei das starke, innere Ergriffensein von der Sache selbst. Er spricht sich für ein breites Spektrum des Spielplans aus: Wenn nun auch das religiöse Spiel unser höchstes Ziel darstellt, so ist damit noch nicht gesagt, daß wir nur dies zu bieten hätten. Ist unser Spiel Dienst an der Gemeinde, so
329 Mirbt, Rudolf: Der Laienspielberater. Rundbriefe einer Laienspielberatungsstelle Nr. 6. Breslau 1930, S. 112. 330 Ebd., S. 113. 331 Wilhelm Treblin war Pastor in Schmolz bei Breslau (heute Smolec, Polen). Mirbt gestaltete seine erste Laienspielwoche mit ihm zusammen. Bereits 1924 erschien dessen Ratgeber in zweiter Auflage: Treblin, Wilhelm: Was sollen wir spielen? Ratgeber für das Laienspiel. 2. erweit. und umgearb. Aufl. Berlin/Breslau 1924. 332 Treblin, Wilhelm: Das Laienspiel in kirchlichen Vereinen. In: Goehling, Oskar (Hrsg.): Feiernde Gemeinde. Berlin 1925, S. 93–97, hier: S. 93. 333 Ebd., 95.
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versteht es sich von selbst, daß wir auch mit geschichtlichen Stücken, Heimatspielen, Märchen, Legenden und fröhlichen Spielen „dienen“ dürfen.334
Treblin ergänzt an anderer Stelle: „Unser Haus- und Hofdichter ist Hans Sachs.“335 Um herauszufinden unter welchen Voraussetzungen das Spiel im Kirchenraum stattfinden konnte, werden die Meinungen von René Heinrich Wallau (1891–1955), Paul Girkon und Wilhelm Stählin wiedergegeben. Wallau formuliert in Zur Technik des religiösen Laienspiels (vermutlich zwischen 1926 und 1928 erschienen), dass das religiöse Laienspiel in vielen Kreisen mit Misstrauen zu kämpfen habe.336 Wallau bezeichnet als liturgisch lediglich ein Spiel, „das in strengem Sinn liturgischen Charakter im Aufbau und in der Formgebung trägt, das sich unserer gottesdienstlichen Wortverkündigung einreihen läßt.“337 Spiele, die dies nicht erfüllen, sollten zur Bereicherung der Gemeindeabende Verwendung finden. Wer grundsätzlich das strengliturgische Spiel aus dem Kirchenraum verbannt und ihm nur den Saal gestattet, wo es auf einer regelrechten Bühne und zumeist mit bühnentechnischen Mitteln „aufgeführt“ werden muß, wird es niemals von dem eingangs ausgesprochenen Mißtrauen befreien können. Denn es ist selbstverständlich, daß man ein Spiel auf einer Bühne auch bühnenmäßig zur Darstellung bringt.338
Es gehe darum, bei den Spielen zu unterscheiden, welche „ihrem Charakter nach bühnenmäßig und welche liturgisch“339 seien. An dieser grundsätzlichen Unklarheit in der allgemeinen Auffassung kranke vielfach die ganze Spielbewegung. Überhaupt habe man in der Liturgik die Möglichkeiten des Laienspiels noch gar nicht annähernd durchdacht und stehe in der Erkenntnis des evangelischen Charakters liturgischer Spiele und ihrer gottesdienstlichen Verwendung noch in den Anfängen.340 Als liturgische Spiele („Darbietung in der Kirche möglich.“341 ) empfiehlt Wallau u. a. Die zehn Jungfrauen von Otto Bruder oder auch Das Spiel vom großen Abendmahl von Ritter. Als religiöse Spiele („Darbietung in der Kirche zumeist frag-
334 Ebd. 335 Ebd., S. 96. 336 Vgl. Wallau, René Heinrich: Zur Technik des religiösen Laienspiels. Grundsätzliche und praktische Winke. Barmen [1926–1928], S. 13. 337 Ebd. 338 Ebd., S. 14. 339 Ebd. 340 Vgl. ebd. 341 Ebd., S. 46.
Spieltheoretisches
lich, besser im Saal.“342 ) nennt er u. a. Der verlorene Sohn von Waldis und Gevatter Tod von Mirbt. Bezüglich der Verkündigung erklärt Wallau: So wie der Liturg nicht Gottes Wort selbst ist, nicht Gott spielt, sondern nur Träger und Künder des Wortes, so ist auch der Laienspieler nur Verkündiger geistiger Wahrheit. Die Verkündigung kann geschehen durch das gesprochene, durch das gemalte, durch das vertonte – oder endlich durch das gehandelte Wort. Immer aber muß der gesuchte und der gefundene Ausdruck durch seelisches Empfinden entscheidend bestimmt und gestaltet sein.343
Das protestantisch empfundene religiöse Spiel müsse den reinen Symbolcharakter des Spiels streng herausarbeiten.344 Es komme nicht darauf an, das charakteristisch Individuelle einer Gestalt zu suchen, sondern es gehe darum, das Typische der handelnden Personen zu erkennen.345 Im Aufsatz Die Entwicklung des Mysterienspiels zum darstellenden Gottesdienst in der Neuzeit argumentiert Paul Girkon 1925: Wenn religiöse Kunst in der Kirche heimatberechtigt sei und gottesdienstliche Wirkung ausüben könne, dann gehöre das Drama mit dem gleichen Recht in die Kirche wie das Oratorium oder irgendeine andere Form des Kirchenkonzerts. Allerdings müsse das geistliche Spiel gewissen Anforderungen genügen, und es solle religiös-christlich aufbauend wirken.346 Wilhelm Stählin vertritt 1929 im Aufsatz Das kirchliche Spiel die Ansicht, dass sich der Kirchenraum nur einem Spiel öffnen könne, das Gottesdienst sein wolle. Die Frage nach den Möglichkeiten des Spiels im evangelischen Gottesdienst könne nur von einem Verständnis des evangelischen Gottesdienstes selbst aus geklärt werden. Dieser empfange seine Gesetze daraus, dass er Zeugnis von dem Evangelium – also von der Gnade Gottes, wie sie in Christus Gestalt gewonnen hat – sein will. Zeugnis sei da möglich, wo sich Menschen in vollkommener Hingabe als Boten zur Verfügung stellen. Es sei unmöglich, das gottesdienstliche Zeugnis auf das gesprochene Wort zu beschränken.347
342 343 344 345 346
Ebd. Ebd., S. 17. Vgl. ebd., S. 23. Vgl. ebd., S. 19. Vgl. Girkon, Paul: Die Entwicklung des Mysterienspiels zum darstellenden Gottesdienst in der Neuzeit. In: Goehling, Oskar (Hrsg.): Feiernde Gemeinde. Berlin 1925, S. 63–67, hier: S. 65. 347 Vgl. Stählin, Wilhelm: Kirche: Das kirchliche Spiel. In: Gentges, Ignaz/Mirbt, Rudolf u. a. (Hrsg.): Das Laienspielbuch. Berlin 1929, S. 93–104, hier: S. 94 ff.
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Das Spiel hat im evangelischen Gottesdienst Recht und Raum nur, sofern es gestaltetes Zeugnis der Wahrheit, strenger gesagt: des Evangeliums von Christus sein will. Alles, was bloß der Unterhaltung, dem künstlerischen Genuß dienen wollte, müßte aus dem Zusammenhang des Kultus verbannt werden. Das Spiel kann, sofern es im Gottesdienst gespielt werden soll, nur im Glauben gespielt werden, das heißt, in der persönlichen Hingabe an Gott. Es ist Bekenntnisspiel, das heißt, es wird weder im Hinblick auf die zu erwartende Wirkung, noch zur eigenen Befriedigung der Spielenden, sondern allein zu Gottes Ehre und zur Verherrlichung seiner Offenbarung gespielt. Aber indem dieses Spiel nun als gestaltetes Zeugnis vor Menschen tritt, ist es zugleich Verkündigung.348
Märchen und Legendenspiel gehören seiner Meinung nach nicht in diesen Rahmen, „wohl aber […] jedes Spiel, in dem die erbarmende Hinwendung Gottes zu der Not der Welt und des Menschen einen sinnbildlichen Ausdruck findet“349 . Es sei kein Zufall gewesen, dass der Franziskanermönch Burkard Waldis seine Hinwendung zur Reformation vor den Bürgern Rigas durch sein Spiel vom Verlorenen Sohn beglaubigte, in dem das fassungslose Staunen über die Begnadigung des Sünders seinen ersten dramatischen Ausdruck gefunden hat.350 Der geistige Gehalt eines wahrhaft evangelischen Spiels trete auseinander in die Gestalten der Spieler und Gegenspieler, in denen die polare Gegensätzlichkeit des menschlichen Wesens sinnbildlich gegenwärtig werde. So würden dem Sohn die Dirnen und der Wirt gegenüberstehen und den klugen die törichten Jungfrauen. Für Stählin ist klar: „Wir alle sind immer auch ,die andern‘ [sic!].“351 Und solch ein Spiel sei nur möglich in der vollkommenen Ernsthaftigkeit und Hingabe, die auch das Böse ganz wahrhaftig gestaltet, weil sie selbst von der Gnade lebt.352 Stählin will keinen Vorhang und keine Bühne353 , aber dafür die Einbindung der Gemeinde. Die versammelte Gemeinde müsse zu dem Bewusstsein geführt werden, dass ihr nicht etwas von außen dargeboten werde, sondern dass sie selbst zu der Kumpanei des Spiels gehöre.354 Auch weist Stählin darauf hin, dass eine äußere Form das richtige Verhältnis zwischen Spielenden und Gemeinde erleichtern würde: Der Spielraum möge an die Gemeinde heranrücken und „soweit möglich, lösen sich die Spieler im Spiel selber aus dem Kreis der Versammelten und schreiten zwischen den Versammelten hindurch zum Spielraum“355 . Die Gemeinde solle
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Stählin, Wilhelm: Das kirchliche Spiel, S. 96. Ebd., S. 103. Vgl. ebd. Ebd., S. 104. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 101. Vgl. ebd., S. 99. Ebd., S. 100.
Aus der Praxis: Die Evangelische Bühnengilde Koblenz
durch gemeinsames Singen am Spiel beteiligt und „zum Bewußtsein ihres Beteiligtseins“356 gebracht werden. Für Gemeindegesang spricht sich auch Girkon aus, der außerdem darlegt, dass durch den Sprecher, der sich am Anfang und am Schluss an die Gemeinde wende, eine besondere Beziehung hergestellt werde.357 Wenn sich das evangelische Laienspiel zur „Nachäffung der Berufsbühne“358 abgrenzt, geht es konform mit jugendbewegten Spielgruppen unterschiedlichster Herkunft. Die Eigentümlichkeit des evangelischen Laienspiels zeigt sich besonders im Verständnis vom Spiel in der Kirche. Die jugendbewegte Gemeinschaftssymbolik bekommt im Gottesdienst eine spirituelle Bedeutung. Das Spiel ist nicht Bekenntnis zu einer irdischen Volksgemeinschaft, sondern zu Gott und damit Verkündigung. Und das gemeinsame Ziehen durch den Kirchenraum zu Beginn und am Ende sowie die Ansprache der Gemeinde durch den Sprecher verdeutlichen die Gemeinschaft von Gläubigen, die sich geeint weiß durch die göttliche Vergebung.
2.8
Aus der Praxis: Die Evangelische Bühnengilde Koblenz
„Nicht äußerlich blenden, innerlich anpacken, weil wir selbst innerlich ergriffen sind! Das sei und bleibe unser Streben! Darin unterstütze uns weiter die immer zu Hunderten erscheinende treue Zuhörergemeinde in Koblenz.“359 Dies schrieb Walter Hoerder 1929 in der Zeitung Das Evangelische Rheinland. Bei der Evangelischen Bühnengilde Koblenz, im Folgenden mit EBK abgekürzt, agierten nur Laienspieler. Künstlerischer Leiter war Hoerder, der über die Gründung 1923 berichtete: Der Ausgang des Krieges brachte mit seinen umwälzenden Erschütterungen überall eine vermehrte Sehnsucht nach Zusammenschluß und wahrer Gemeinschaft hervor. In Erkenntnis der gemeinschaftsbildenden Kraft von Festen und Feiern bildete sich in Koblenz ein Ausschuß für Gemeindeveranstaltungen, dem die Evangelische Bühnengilde nebengeordnet wurde. Schnell war ein Kreis von Personen gefunden, der sich mit Lust und Liebe in den Dienst der Sache stellte.360
356 Ebd. 357 Vgl. Girkon, Paul: Die Entwicklung des Mysterienspiels, S. 65. 358 Treblin, Wilhelm: Das Laienspiel in kirchlichen Vereinen. In: Goehling, Oskar (Hrsg.): Feiernde Gemeinde. Berlin 1925, S. 93–97, hier: S. 93. 359 Hoerder, Walter: Evangelische Bühnengilde Koblenz. In: Das Evangelische Rheinland VI (1929), H. 8, S. 140. 360 Ebd.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
Walter Hoerder sammelte selbst zahlreiche Artikel, Berichte und Fotos über die Arbeit, und diese lassen erahnen, mit welcher Hingabe die Beteiligten spielten.361 Die meisten Aufführungen fanden im großen evangelischen Gemeindesaal Altlöhrtor statt. Bis 1929 erfolgten 35 – wie er selbstbewusst schrieb – „vollreife, abgerundete Darbietungen“362 . In den ersten Zeilen der Satzung der EBK von 1929 heißt es: Die Evangelische Bühnengilde Koblenz (E.B.K.) ist dem Ausschuss für Innere Mission (A.f.I.M) der Evangelischen Gemeinde Koblenz angegliedert und hat die Aufgabe, zur Förderung des Gemeindelebens gute Kunst jeder Art, besonders aber dramatische Kunst innerhalb der Gemeinde, deren Körperschaften und Vereinen in uneigennütziger Weise und bei größtmöglicher Vollendung zu pflegen.363
Hoerder (1904–1999), ein gelernter Bankkaufmann, organisierte die Gilde ehrenamtlich.364 Die anderen Spieler waren von Beruf unter anderem Hutmacherin, Friseurin, Stenotypistin und Grafiker.365 Hoerder führte auch Regie und spielte selbst, wie zum Beispiel 1930 den Claudio in Der Tor und der Tod von Hugo von Hofmannsthal oder 1933 die Hauptrolle in Luther, der Lebendige von Waldemar Müller-Eberhardt. Schon als Jugendlicher war er Spielleiter im kirchlichen Kontext, dies zeigt ein Dokument von 1920, in dem „Richtlinien für Theaterspielen“366 unter der Überschrift „B.K. Coblenz“ aufgeführt sind. Der Bibelkreis spielte zum
361 Der Nachlass von Walter Hoerder befindet sich im Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland, Standort Boppard. Dem Archivleiter Andreas Metzing ist es zu verdanken, dass sich der Nachlass dort befindet. Er machte das Material Jochen Rath zugänglich, der den ersten umfassenden Artikel über die EBK verfasste. Vgl. Rath, Jochen: „Es geht um höhere Dinge als nur blosses Theaterspielen!“ Die Evangelische Bühnengilde Koblenz. In: Dröge, Markus u. a. (Hrsg.): Pragmatisch, preußisch, protestantisch. Die evangelische Gemeinde Koblenz im Spannungsfeld von rheinischem Katholizismus und preußischer Kirchenpolitik. Bonn 2003 S. 197–216. Seit Mai 2020 gibt es eine virtuelle Ausstellung über die Evangelische Bühnengilde Koblenz, die zahlreiche Fotos veröffentlichte. Vgl. https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/buehnengilde-koblenz/#s0, zuletzt abgerufen am 30.07.2020. 362 Hoerder, Walter: Evangelische Bühnengilde Koblenz. In: Das Evangelische Rheinland VI (1929), H. 8., S. 140. 363 Satzung 1929. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 364 Vgl. Brief von Inge Nicolai, Koblenz, 08.04. 2019. Inge Nicolai ist die Nichte von Walter Hoerder und gab mir brieflich Auskunft. Hoerder bildete sich über Theaterhandbücher weiter, und es finden sich u. a. zum Beispiel im Nachlass: Lépel, Vollrath von: Die Technik der Sprache. Höflings Theaterhandbücher Nr. 22. München [1914]. Und: Ders.: Wie bewege ich mich auf der Bühne? Höflings Theaterhandbücher Nr. 13. München [1921]. Vgl. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 9. 365 Vgl. Brief von Inge Nicolai. 366 Richtlinien 1920. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18.
Aus der Praxis: Die Evangelische Bühnengilde Koblenz
Beispiel 1921 ein Stück mit dem Titel Treue um Treue im evangelischen Gemeindesaal (Altlöhrtor). Die Kostüme, wie Rüstungen und Mäntel, waren bereits in dieser frühen Spielgruppe aufwendig gestaltet, und dies wird auch ein Merkmal der Aufführungen der EBK, denn die Fotos zeigen Perücken, wallende Gewänder und auch wechselnde Kulissen.367 Der Spielplan von 1923 bis 1934 beinhaltete ein großes Spektrum von ganz unterschiedlichen Stücken.368 Hier sei deshalb nur eine Auswahl genannt: Glaube und Heimat von Karl Schönherr, Der Tor und der Tod sowie Jedermann von Hugo von Hofmannsthal oder auch Im weißen Röß’l von Oskar Blumenthal sowie Raub der Sabinerinnen von Franz und Paul von Schönthan. Aber auf dem Spielplan standen auch Zeitenwende von Paul Figge, Kälberbrüten von Hans Sachs und Der verlorene Sohn erneuert von Alwin Müller. Die EBK spielte also offensichtlich Stücke des Berufstheaters und das zuhauf. Aufführungen von Werken des Deutschen Bühnenvereins oder der ihm angeschlossenen Verlage mussten allerdings vorher vom Stadttheater genehmigt werden.369
367 Vgl. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 16. 368 Der Spielplan von 1923 bis 1934 beinhaltete folgende Stücke: 1923: Die Judasglocke von Hans Knobloch, Glaube und Heimat von Karl Schönherr.1924: Der Tor und der Tod von Hugo von Hofmannsthal, Börsenfieber von Max Reimann und Otto Schwartz, Franz von Sickingen von Ferdinand Lassalle. 1925: Der blaue Heinrich von Otto Schwartz und Georg Lengbach, Wenn man bummelt von Franz Rothhardt, Blau von N. N., Stille Nacht, heilige Nacht von Franciscus Nagler. 1926: Jedermann von Hugo von Hofmannsthal, Junggesellendämmerung von Toni Impekoven und Carl Mathern. 1927: Ein neuer Hausarzt von N. N., Kälberbrüten von Hans Sachs, Junggesellendämmerung, Durch den Rundfunk von Max Reimann und Otto Schwartz, Der verlorene Sohn von Burkard Waldis, erneuert von Alwin Müller. 1928: Meister Andrea von Emanuel Geibel, Herrn Eberhards Fahndung von Jakob Lauth, Der verlorene Sohn, Komtess Guckerl von Franz von Schönthan und Franz Koppel-Ellfeld. 1929: Komtess Guckerl, Glaube und Heimat, Zeitenwende von Paul Figge, Menschenfreunde von N. N. 1930: Die 3 Zwillinge von Toni Impekoven und Carl Mathern, Glaube und Heimat, Das Haus aller Häuser von Alfred Graf, Der Tor und der Tod, Das Apostelspiel von Max Mell. 1931: Im weißen Röß’l von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg, Pilatus von D. Klingemann, Der Reisläufer von Wildhaus von Ludwig Horn, Die gold’ne Eva von Franz von Schönthan und Franz Koppel-Ellfeld. 1932: Maria Magdalene von Friedrich Hebbel, Der blaue Heinrich, Wilhelm Raabe-Abend, Abendfeier in der Florinskirche, Grotesken-Abend: Ein Heiratsantrag und Der Bär von Anton Tschechow, Zwölftausend von Bruno Frank. 1933: Marguerite von Fritz Schwiefert, Der Raub der Sabinerinnen von Franz und Paul von Schönthan, Luther, der Lebendige von Waldemar Müller-Eberhardt. 1934: Ostmark von Berthold H. Withalm. Der Spielplan wurde hier nach den Angaben der Festzeitung zum 10-jährigen Bestehen aufgeschrieben und aus Hoerders Berichten 1932/1933 und 1933/1934 ergänzt. Vgl. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 369 Vgl. Rath, Jochen: „Es geht um höhere Dinge als nur blosses Theaterspielen!“ Die Evangelische Bühnengilde, S. 197–216, hier: S. 202. Rath fand heraus, dass einige Stücke sowohl von der Bühnengilde als auch vom Stadttheater gespielt worden waren, wenn auch nicht zeitgleich. Beispiel: Zwölftausend (Saison 1927/28).
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Ein grundsätzlicher Erwerb von Aufführungsrechten war nicht möglich, denn Intendant Richard Jost schrieb 1928, dass sich die Berufsorganisationen der Theater gegen jede Veranstaltung von „Laien- und Delitantenaufführungen [sic!]“370 ausgesprochen hätten, sodass sie grundsätzlich die Erwerbung von Aufführungsrechten für die Gemeindeveranstaltungen allgemein nicht genehmigen dürften. „Gegen eine vereinzelte Theateraufführung haben wir selbstverständlich keine Bedenken.“371 Die EBK fällt also – grob betrachtet – in die Gruppe des Dilettantentheaters, denn sie praktizierte genau das, was zum Beispiel Wilhelm Treblin strikt ablehnte: „Wenn wir im kirchlichen Verein – also von Kirche wegen – spielen, dann darf und soll das nicht Nachäffung der Berufsbühne sein. Unser Spiel hat nur dann eine Berechtigung, wenn es Dienst an der Gemeinde ist.“372 Hoerder und seine Gruppe verstanden ihre Aufführungen allerdings auch als Dienst an der Gemeinde: Die Arbeit wurde – wie eingangs erwähnt – in der Erkenntnis der gemeinschaftsbildenden Kraft von Festen begründet. Und es war Tradition, die Einnahmen nach Abzug der Unkosten zu spenden, wie zum Beispiel an die Armenhilfe.373 Nachdem bei einer Aufführung von Die gold’ne Eva 1931 der Saal „beängstigend“374 überfüllt war, bemerkte Hoerder, es zeige sich, dass gute Lustspiele beste Helfer seien, die leeren Armenkassen zu füllen. Wenn man jetzt in Betracht zieht, dass die Gilde auch die ‚Klassiker‘ der Laienspielszene – nämlich Kälberbrüten und den Verlorenen Sohn – im Spielrepertoire hatte oder auch das Laienspiel Zeitenwende von Paul Figge sehr aufwendig inszenierte, dann ergibt sich die Schlussfolgerung, dass es sich bei der EBK um einen Mischtyp handelt und diese Form ‚laienspielbewegtes Dilettantentheater‘ genannt werden soll. Kälberbrüten von Hans Sachs spielte die EBK u. a. im Februar 1927 in der städtischen Festhalle bei einem „Laienspiel-Abend“375 , veranstaltet vom Stadtausschuss für Jugendpflege. Der Aufwand für diese Aufführung war viel kleiner als der für Figges Stück Zeitenwende. Diese fand im Rahmen der Generalversammlung des Evangelischen Bundes am 5. Oktober 1929 in der Koblenzer Rheinhalle statt. Das 370 Richard Jost an den Ausschuss für Gemeindeveranstaltungen, Koblenz, 03.11.1928. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 371 Ebd. 372 Treblin, Wilhelm: Das Laienspiel in kirchlichen Vereinen. In: Feiernde Gemeinde. Hrsg. von Oskar Goehling. Leipzig 1925, S. 93–97, hier: S. 93. 373 In Hoerders Bericht vom 15. April 1933 über die Tätigkeit im Winter 1932/1933 hieß es zum Beispiel, dass „425,- als Reinertrag der Armenpflege“ zugeführt werden konnten. „Damit erhöht sich die Summe, die wir in den Jahren unseres Spielens abgeführt haben auf 5,500.“ AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 374 Jahresbericht Hoerder 1931. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 375 Flyer Stadtausschuss für Jugendpflege. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 17.
Aus der Praxis: Die Evangelische Bühnengilde Koblenz
Festspiel war dem Andenken des rheinischen Märtyrers Adolf Clarenbach, dessen 400.Todestag man in diesen Tagen gedachte, gewidmet. Über 100 Spieler wirkten mit. „Fürwahr hatte die Koblenzer Gemeinde eine derartig grosse und fascinierende Darbietung noch nie gesehen“376 , die nur möglich war, weil man für die Massenszenen von dem Mädchen-, Jünglings- und Arbeiterverein sowie von dem Bibelkreis Unterstützung bekommen hatte. Fast 3.000 Besucher waren dabei, und die Aufführung fand „beste Anerkennung“377 . Der bei der Aufführung anwesende Autor Paul Figge378 sprach von einem „tiefen Erlebnis“379 . Am 6. November 1927 führte die Bühnengilde das Stück Der verlorene Sohn380 im Gemeindesaal auf. Hoerder beschrieb die Aufführung als wunderbar, wert- und stimmungsvoll. Leider seien nur die vom Kirchenchor übernommenen Gesänge in letzter Stunde abgesagt worden. „Bei dieser Gelegenheit wurde zum ersten Mal die Erstellung eines Bühnenbildes nach modernen Gesichtspunkten durch FarbenBeleuchtung [sic!] & Maleffekte versucht. Der Versuch gelang bestens und diente zur Anregung weiterer Arbeit auf diesem Gebiet.“381 Mirbt, Treblin und Stählin hätten eine solche Inszenierung wohl empört verlassen. Auch auf einem Gemeindeabend am 31. Oktober 1928 anlässlich des Reformationsfestes, veranstaltet vom Evangelischen Bund Koblenz, wurde Der Verlorene Sohn gespielt. Die „Folge“382 auf dem Programmzettel sah so aus: 1. Gemeinsames Lied: Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort 383 2. Begrüßung: Superintendent Keller 3. Fantasie c-Moll von Mozart 4. Vortrag: Pfarrer von der Heydt
376 Bericht Hoerder 1929/1930. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 377 Ebd. 378 Paul Figge (1885–1959) hatte mit Georg Schirmer aus Lennep in Lüttringhausen eine Laienspielgruppe ins Leben gerufen, die auf einer Bühne an der alten Stadtkirche ab 1928 Volksstücke zur Aufführung brachte. Autor war in den Anfangsjahren Paul Figge. Für die Aufführung 1929 schrieb er Zeitenwende. Vgl. Lorenz, Walter: Heimatfreund und Heimatdichter. Zum 100. Geburtstag von Paul Figge. In: Die Heimat spricht zu dir. Monatsbeilage des Remscheider General-Anzeigers 52 (1985), H. 7, o. S. 379 Bericht Hoerder 1929/1930. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 380 Hoerder verwendete die Ausgabe: Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller. ML H. 1. 3. und 4. Tausend. München 1924. 381 Bericht Hoerder 1927. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 382 Fotoalbum mit Programmzettel. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 16. 383 Text und Melodie: Martin Luther, 1543. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 385 (Lied 193).
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5. Gemeinsames Lied: Mit unserer Macht ist nichts getan384 6. Rondo brillant von Weber Pause 7. Der verlorene Sohn von Burkard Waldis (erneuert von Alwin Müller), Inszenierung Walter Hoerder 8. Gemeinsames Lied am Schluss der Aufführung: Aus tiefer Not schrei ich zu dir 9. Schlusswort 10. Gemeinsames Lied: Das Wort sie sollen lassen stahn385 Der verlorene Sohn wurde in Koblenz in einem Klima gespielt, das von der Erschütterung über den Versailler Vertrag und von Republikfeindlichkeit geprägt war. Superintendent Otto Keller und Pfarrer Friedrich von der Heydt386 – wie die gesamte Kreissynode – werden 1933 die sogenannte Machtergreifung der Nationalsozialisten enthusiastisch begrüßen387 , und auch der überwiegende Teil der Gemeindemitglieder wird dieser positiv gegenüberstehen.388 Der Veranstalter, der Evangelische Bund, war ebenfalls bekannt dafür, Demokratie und Republik abzulehnen.389 Es passt dazu, dass die EBK 1933 eine Aufführung von Schlageter von Hanns Johst plante, aber sie bekamen die Aufführungsrechte nicht.390 Hoerder schrieb 1934 über die politischen Entwicklungen: „Wir erlebten mit aufgeschlossenem Herzen, das, woran wir glauben, worum wir rangen, die Wiedergeburt des Deutschen Vaterlandes.“391 „Zum grossen Deutschen Luthertag“392 1933 wurde Luther, der Lebendige von Waldemar Müller-Eberhardt aufgeführt. Hoerder konstatierte, „gerade das gute
384 Zweite Strophe von Ein feste Burg ist unser Gott. Text und Melodie: Martin Luther, 1529. Vgl. ebd., S. 665 (Lied 362). 385 Vierte Strophe von Ein feste Burg ist unser Gott. 386 Im Oktober 1933 war Friedrich von der Heydt offenbar auch maßgeblich an der Abfassung der „Rengsdorfer Thesen“ der Deutschen Christen beteiligt, die den Gleichklang von Nationalsozialismus und evangelischem Glauben theologisch begründen sollten. Vgl. Schneider, Thomas Martin: „Unsere Gemeinde bedarf heute eines Pfarrers, der durch seine Bewährung in der NSDAP Zugang hat zu den Herzen der SA … [sic!].“ Die Evangelische Gemeinde Koblenz im ‚Dritten Reich‘. In: Dröge, Markus u. a. (Hrsg.): Pragmatisch, preußisch, protestantisch, S. 95–122, hier: S. 98. 387 Vgl. ebd., S. 100. 388 Vgl. ebd., S. 101. 389 Fleischmann-Bisten, Walter: Der Evangelische Bund von 1918 bis 1947. https://evangelischerbund.de/der-evangelische-bund/geschichte/der-evangelische-bund-von-1918-bis-1950/, zuletzt abgerufen am 30.07.2020. 390 Vgl. Hoerder, Bericht 1932/1933. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 391 Hoerder, Bericht 1933/34. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 392 Ebd.
Aus der Praxis: Die Evangelische Bühnengilde Koblenz
dramatische Spiel kann vielleicht besser als alles andere Luther als den Deutschen, Luther als den Christen vor Augen führen“393 . Und er machte deutlich, dass die EBK dieser Einstudierung ihre letzte Kraft und ihr ganzes Können mit restloser Begeisterung sowie aus dem „Bewusstsein als neu gewordene Deutsche und aufrichtige Protestanten“394 zur Verfügung stellte. Im Januar 1934 stand Ostmark von Berthold H. Withalm auf dem Programm. Das Spiel gebe ein Bild „von dem unerhörten Leiden und Ringen unserer Brüder all überall an den Grenzen. Unsere Aufführung sollte Bekenntnis sein zu diesem Volkstum, um dessen willen wir leiden wollen, wenn es sein muss, aber für das wir auch kämpfen wollen bis zum Sieg“395 . Am 14. Januar 1934 spielte die Evangelische Bühnengilde Ostmark „nachmittags für die Hitler-Jugend und abends für die Gemeinde“396 . Hoerder erklärte im Mai 1934: „Wir freuen uns, dass im ersten Jahr der nationalsozialistischen Erhebung auch wir mit unserer Arbeit, wie seit langen Jahren, […] dem großen Gedanken der Volksgemeinschaft haben dienen können.“397 Nach zwölfjähriger Arbeit wurde der EBK jedoch ein Ende gesetzt. Das Theatergesetz 1934 beinhaltete, dass Komödien und Dramen nichtreligiöser Tendenz in jedem Fall den Berufsbühnen vorbehalten werden müssen. Pfarrer Wolfrum schrieb an den Präsidenten der Reichstheaterkammer und fragte, ob die Kirchengemeinde für die Gemeindemitglieder im eigenen Haus die Aufführungsabende weiter veranstalten dürfe, und berichtete von der Arbeitsweise der EBK.398 Die verantwortliche Stelle antwortete am 20. Dezember 1934: Gegen die Aufführung eines ernsten Werkes religiöser Natur, die nur für die Gemeindemitglieder bestimmt ist, will ich besondere Bedenken nicht erheben, sofern tatsächlich ein Bedürfnis für derartige Aufführungen durch Dilettanten besteht […]. Dagegen kann ich mich mit der öffentlichen Aufführung von Werken wie „Im weissen Rössel“, „Raub der Sabinerinnen“ und ähnlichem nicht einverstanden erklären, da zur Aufführung derartiger Stücke unbedingt das Berufstheater in allererster Linie berufen ist. […] Heil Hitler! Im Auftrage gez. Dr. Assmann.399
393 394 395 396 397 398
Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. Wolfrum an den Präsidenten der Reichstheaterkammer, Koblenz, 27.11.1934. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. Koblenz. Vgl. auch Wolfrum an Reichstheaterkammer, Koblenz, 12.11.1934. Wolfrum gehörte zu den Deutschen Christen. 399 Der Präsident der Reichstheaterkammer, 20.12.1934. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18.
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Evangelisches Laienspiel in der Weimarer Republik
Im März 1935 verkündete Hoerder im Evangelischen Sonntagsblatt, dass sich mit dem Erscheinen des Reichstheatergesetzes die Lage grundsätzlich geändert habe. Nichts sei unversucht geblieben, darüber Klarheit zu schaffen, ob eine Kirchengemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechtes nicht doch zu den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen zu rechnen sei. Es hätte Verhandlungen und Korrespondenz mit dem Stadttheater, der Landesstelle des Propagandaministeriums und der Reichstheaterkammer gegeben. Aber: „Werke der Berufsbühne und abendfüllende Stücke sind uns grundsätzlich nicht erlaubt.“400 Den Bericht über die Auflösung der Bühnengilde vom 9. Oktober 1935 beendete Walter Hoerder mit den Worten: „Arbeit und Bestehen sind nun beendet!! Wir beschließen Beides […] mit einem, im Lauf der Jahre so ungezählte Male ausgebrachten und nun allerletzten, dreimaligen: Gilden-Heil!!“401 Walter Hoerder trat 1935 in die Partei ein402 und wurde später zur Wehrmacht einberufen. Bis 1947 war er in französischer Gefangenschaft. Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg keine Wiederbelebung der EBK, aber es verband die ehemaligen Mitglieder weiterhin Freundschaft.403 Ganz das Interesse am Spiel verlor Hoerder aber offenbar nicht. In seinem Nachlass befindet sich in dem Heft Der verlorene Sohn ein Verzeichnis der verfügbaren Christlichen Gemeindespiele aus dem Jahr 1947.404
2.9
Zusammenfassung
Das evangelische Laienspiel in der Weimarer Republik war Teil der Laienspielbewegung und somit der Jugendbewegung. In dieser wuchs – von den Erschütterungen des Ersten Weltkrieges geprägt – der Drang nach einer Volksgemeinschaft, die über Bildungs-, Berufs-, und Klassenschranken hinweg entstehen sollte. Das Laienspiel verstand Rudolf Mirbt bereits 1923 als „Gemeinschaftsspiel im Sinne volklicher Gemeinschaft beider, der Spieler und der Zuschauer“405 . Prägend waren Aufführungen wie der Totentanz und das Paradeisspiel von Gottfried Haaß-Berkows Truppe oder auch die Reden und Tänze der „Neuen Schar“ von Muck-Lamberty. Anfang der
400 Hoerder, Walter: Unsere Bühnengilde. Ein Wort zur Beendigung ihrer Arbeit. In: Evangelisches Sonntagsblatt für Koblenz und Umgebung 81 (1935), H. 11, S. 85–86, hier S. 85. 401 Bericht Hoerders über die Auflösung der Bühnengilde 1925. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 18. 402 Hoerder trat am 01.08.1935 in die NSDAP ein. Vgl. NSDAP Gaukartei. BArch R9361/IX Kartei 16141582. 403 Vgl. Brief von Inge Nicolai. 404 Vgl. AEKR Boppard Best. 7NL 133B (Nachlass Walter Hoerder), Nr. 9. 405 Mirbt, Rudolf: Laienspiel, S. 11.
Zusammenfassung
20er-Jahre wuchs das Laienspiel, das sich zum Dilettantentheater abgrenzte, zu einer breiten Bewegung, deren Protagonisten aus ganz verschiedenen konfessionellen oder politischen Lagern kamen. Zwischen Laienspiel, Wanderspielscharen und dem herkömmlichen Theater existierte ein enges Beziehungsgeflecht, zum Beispiel fand die Hans-Sachs-Renaissance sowohl im Laienspiel als auch auf der Theaterbühne statt, oder es wurden auf den Bühnen gespielte Stücke nachträglich für das Laienspiel bearbeitet. Mirbt betonte, dass sich das Laienspiel nicht als Revolte gegen das Berufstheater verstand, man hatte einfach andere Ziele, und das Kunstwerk, um das sich das Laienspiel bemühte, war der Mensch selbst. Der christliche Bühnenvolksbund, eine Theaterbesucherorganisation, bemühte sich um die Laienspielszene und organisierte ein Netzwerk von Beratungsstellen. Vom Bühnenvolksbund anerkannt war auch die Laienspielberatungsstelle beim Evangelischen Volksbildungsdienst für das Rheinland in Essen. Wie genau die Verbindung zwischen dem Bühnenvolksbund und dieser Stelle aussah, lässt sich nicht mehr feststellen, denn 1943 vernichtete ein Brand die Unterlagen. Die Arbeit der Laienspielberatungsstelle bestand darin, über neue Spiele zu informieren und Gruppen in der Auswahl und Durchführung zu beraten. Der Leiter Gustav Dessin bezeichnete Mirbt auf evangelischer Seite als besten Sachkenner des Laienspielwesens. Rudolf Mirbt war u. a. durch die Herausgabe der Münchener Laienspiele seit 1923 bekannt geworden. Von 1927 bis 1932 arbeitete er als Geschäftsführer des Schlesischen Evangelischen Volksbildungsausschusses in Breslau und führte zahlreiche Laienspielwochen durch. Er schrieb auch Laienspiele und verfasste eine Laienspielversion des Stücks Propheten von Hanns Johst. Als Verfechter der großen Volksgemeinschaft, die alle Gegensätze überwindet, hat Mirbt selbst seine evangelische Herkunft nie betont und war auch gegen eine Konfessionalisierung von Laienspielwochen. Seinen christlichen Glauben hingegen brachte Mirbt immer wieder zum Ausdruck. Otto Salomon, der unter dem Pseudonym Otto Bruder zahlreiche Stücke veröffentlichte, arbeitete beim Christian Kaiser Verlag und bestimmte mit Mirbt die Linie der Münchener Laienspiele. Das erste Stück der Reihe, Der verlorene Sohn in der Bearbeitung von Alwin Müller, gehörte nach Mirbt zu den „meist gespieltesten [sic!]“406 Laienspielen überhaupt. 1932 waren bereits 89 Hefte erschienen. Die Vielfalt der Themen war groß, 31 Stücke bilden die Gruppe der christlichen Texte. Es findet sich der Rückgriff auf mittelalterliche Spiele, aber auch die Formulierung eigener Texte. Das vorkommende chorische Sprechen entsprach dem Zeitgeist, der nach Volksgemeinschaft strebte.
406 Mirbt, Rudolf: Münchener Laienspielführer, S. 109.
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Gustav Kochheim war von 1930 bis 1934 Herausgeber der Reihe Evangelische Laienspiele. Die Sprache seiner in Prosa verfassten Spiele ist durch Pathos gekennzeichnet. Er selbst nannte einige seiner Spiele „Gesprächspiele“. Die Eigentümlichkeit des evangelischen Laienspiels zeigt sich im Verständnis vom Spiel in der Kirche. Die jugendbewegte Gemeinschaftssymbolik bekommt im Gottesdienst spirituelle Bedeutung und der gemeinsame Zug durch den Kirchenraum sowie die Einbindung der Gemeinde durch Sprecher und Gesang verdeutlichen die Gemeinschaft der Gläubigen. Das Beispiel der Evangelischen Bühnengilde Koblenz am Schluss dieses Teils zeigte, wie heterogen die Szene war. So wurden hier seit 1923 leidenschaftlich hauptsächlich Stücke der Berufsbühne nachgespielt. Da sie aber auch Stücke der Laienspielszene aufführte und ihre Aufgabe als Dienst an der Gemeinde verstand, handelt es sich um einen Mischtyp, der hier mit ‚laienspielbewegtem Dilettantentheater‘ beschrieben wird. Während diesem im ,Dritten Reich‘ die Grundlage entzogen wurde, blieben Aufführungen ernster Werke und religiöser Natur, die für die Gemeindemitglieder bestimmt waren, erlaubt. Somit konnte sich das evangelische Laienspiel auch im ,Dritten Reich‘ weiterentwickeln.
3.
Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
3.1
Fortführung in der Diktatur
Im Folgenden soll zunächst zumindest in groben Zügen die kirchenpolitische Bühne beschrieben werden, auf der sich das evangelische Laienspiel weiterentwickelte. Bis 1933 wurde im Protestantismus ein breites Spektrum unterschiedlichster Standpunkte zum Nationalsozialismus vertreten. Die Religiösen Sozialisten machten deutlich, dass Christentum und Nationalsozialismus unvereinbar seien. Theologen der Dialektischen Theologie um Karl Barth und der linke Flügel des kirchlichen Liberalismus standen kritisch zum Nationalsozialismus. Es gab aber auch die Deutschen Christen und in vielen Landeskirchen schon lange vor 1933 Gruppen völkischer Pfarrer, die für Hitlers Ziele in der Kirche kämpften.407 Am 21. März 1933 gelang es Hitler am „Tag von Potsdam“ – unter anderem durch die spektakulär inszenierte Eröffnung des Reichstags in der Potsdamer Garnisonskirche, wie sie für das bürgerliche Deutschland vertrauenserweckender kaum denkbar war408 – die Zustimmung zu seiner Person und der von ihm geleiteten „nationalen Regierung“ auch auf die Kreise in den beiden großen Kirchen auszudehnen, die ihm bislang zurückhaltend gegenübergestanden waren. Diese Inszenierung und die in der Regierungserklärung abgegebene Garantie für den Einfluss der Kirchen – gerade auch in Erziehung und Schule – beruhigte Skeptiker und wirkte auf Sympathisanten und Anhänger des Nationalsozialismus in der Evangelischen Kirche beflügelnd. Immer mehr Gruppen in den Landeskirchen schlossen sich der 1932 geschaffenen „Glaubensbewegung Deutsche Christen“ unter Joachim Hossenfelder an.409 Der Antisemitismus stand im Zentrum der nationalsozialistischen Ideologie. Die von den Nationalsozialisten propagierte Volksgemeinschaft war zentrales Element staatlich-politischen Handelns, und die Ausgrenzung der als „Feinde Deutschlands“ diffamierten Juden war ein entscheidender Faktor der erstrebten völkischen Einheit. Die Übergriffe auf Juden nahmen zu.410 Am 30. März 1933 formulierte die Reichsvertretung der deutschen Juden in einem Schreiben, dass sich die deutschen Juden gegenüber den gegen sie gerichteten Bedrohungen ein baldiges Wort, das im 407 408 409 410
Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 8. Vgl. Scholder, Klaus: Vorgeschichte und Zeit der Illusion. 1918–1934. München 2000, S. 324. Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 71. Vgl. dazu: Hermle, Siegfried: Christen und Juden. In: Ders./Oelke, Harry (Hrsg.): Kirchliche Zeitgeschichte_evangelisch. Bd. 2: Protestantismus und Nationalsozialismus (1933–1945). Leipzig 2020, S. 200–219.
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Namen der Religion von der evangelischen Kirche gesprochen wird, erhofften.411 Dieses Wort blieb jedoch aus.412 Die nächsten Jahre werden vom sogenannten Kirchenkampf geprägt sein. Die Jungreformatorische Bewegung war gegen die Deutschen Christen und forderte – allerdings nicht in Ablehnung des neuen Staates – ein freies kirchliches Handeln ohne jede politische Beeinflussung.413 Die Kirchenwahlen am 23. Juli 1933 führten aber zu einem Sieg der Deutschen Christen und zu einer grundlegenden Umgestaltung der evangelischen Landeskirchen. Reichsbischof wurde Ludwig Müller. Im Pfarrernotbund protestierten Pfarrer gegen den Arierparagraphen, der die Versetzung aller Pfarrer und Kirchenbeamten mit einem jüdischen Eltern- oder Großelternteil in den Ruhestand bedeutete.414 Unter der Führung Martin Niemöllers wurde der Pfarrernotbund zur Keimzelle der Bekennenden Kirche. Mit der ersten großen Bekenntnissynode in Wuppertal-Barmen kann eine Konsolidierung dieser Opposition gegen eine Kirchenpolitik im Sinne des Nationalsozialismus im Mai 1934 als abgeschlossen gelten.415 Die Barmer Theologische Erklärung – im Wesentlichen von Karl Barth entworfen – bot die theologische Auseinandersetzung mit den Irrlehren der Gegenwart; dabei wurden politische Fragen aber nicht angesprochen.416 Es sei noch darauf hingewiesen, dass es sich weder bei der Bekennenden Kirche noch bei den Deutschen Christen um homogene Gruppen handelte.417 Schon vor Kriegsbeginn gewannen die Vertreter einer konsequenten Zurückdrängung jeglichen christlichen Einflusses im nationalsozialistischen Staat weiter an Boden.418 In den letzten Jahren des ,Dritten Reiches‘ hatte die Kirche mit Verfolgungen zu kämpfen, der Einfluss der evangelischen Kirche auf die Gesellschaft wurde zurückgedrängt. Hitler suchte allerdings eine Eskalation der Konflikte während des Krieges zu vermeiden.419 Im Dezember 1933 gliederte Reichsbischof Müller als ‚Weihnachtsgeschenk‘ für den ‚Führer‘ die evangelische Jugendarbeit in die Hitlerjugend ein.420 Klaus Vondung konstatierte, dass die Laienspielbewegung auf mancherlei Weise dem 411 Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 151. 412 Vgl. ebd., S. 76. 413 Vgl. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=44, zuletzt abgerufen am 31.07.2020 414 Vgl. Strohm, Christoph: Die Kirchen im Dritten Reich. 2. Aufl. 2017. München 2017, S. 35 ff. 415 Vgl. Biermann, Matthias: „Das Wort sie sollen lassen stahn …“. Das Kirchenlied im „Kirchenkampf “ der evangelischen Kirche 1933–1945. Zugl.: Dissertation. Jena 2009. Göttingen 2011, S. 36 f. 416 Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 81. 417 Vgl. Biermann, Matthias: Das Kirchenlied, S. 15. 418 Vgl. Strohm, Christoph: Die Kirchen im Dritten Reich, S. 81. 419 Vgl. ebd., S. 85. 420 Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 76.
Fortführung in der Diktatur
nationalsozialistischen Kult den Boden bereitet hatte.421 Nach 1933 schrieben nationalsozialistische Autoren zahlreiche chorische Spiele. „Sie zehrten von den Vorbildern der Laienspielbewegung, die das feierliche Chorspiel entwickelt hatte als eine Form, die in besonderer Weise geeignet war, ihrem Gemeinschaftsgefühl Ausdruck zu verleihen.“422 In der Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel hieß es: „Die Hitlerjugend hat das Erbe der Jugendbewegung angetreten. Auch sie drängt naturgemäß zum Spiel. Sie ist so erfüllt von vaterländischer Begeisterung und Freude am völkischen Brauchtum, daß ihr Überschwang nach Entladung drängt.“423 Der Staat organisierte nichtprofessionelles Spiel, und das Kulturamt der Reichsjugendführung gab u. a. die Spielreihen Spiele der deutschen Jugend und Das Kurzspiel heraus (Arwed Strauch Verlag).424 Von 1936 bis 1944 erschien die Zeitschrift Die Spielschar, herausgegeben vom Kulturamt der Reichsjugendführung, dem Reichsnährstand und der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“. Als Leserschaft waren an der nationalsozialistischen Feiergestaltung beteiligte Personen und die Akteure der HJ-Spielscharen vorgesehen.425 Wie ging es mit dem Laienspiel weiter, dass nicht vom Staat organisiert wurde? Auskunft gibt darüber die Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel, die von 1933 bis 1938 erschien. Zunächst soll im Folgenden die Zeitschrift vorgestellt werden, dann wird auf verschiedene Artikel eingegangen. Herausgeber waren Rudolf Mirbt, Werner Pleister und Heinz Steguweit, und es kooperierten dafür der Christian Kaiser Verlag, die Hanseatische Verlagsanstalt und der Theaterverlag Albert Langen/Georg Müller. Hans Niggemann, Reichsfachleiter für Laienspiel im Reichsbund Volkstum und Heimat, war Schriftleiter. Ab Ende 1934 war Niggemann alleiniger Herausgeber. Nur noch als „ständige Mitarbeiter“426 werden Mirbt, Pleister und Steguweit genannt. Sie wurden ergänzt durch Herbert Böhme und Thilo Scheller; beide nahmen höhere Positionen in Gliederungen der NSDAP ein427 . Im „Geleitwort“ der ersten Ausgabe formulierte Hans Niggemann das Anliegen der Zeitschrift: „Sie soll Euch, die Ihr das Jugendspiel, das Laienspiel gepflegt habt, helfen, den Weg zu dem neuen Spiel zu finden, zu dem Spiel, das im Sinne unserer Zeit ein Spiel der Gemeinschaft sein muß. […] Heil Hitler!“428
421 Vgl. Vondung, Klaus: Magie und Manipulation, S. 18. 422 Ebd., S. 70. 423 Jacobs, Karl: Jugend im völkischen Spiel. In: Das Deutsche Volksspiel. Monatsschrift für Spiel, Brauchtum und Volkstanz, Feier- und Freizeitgestaltung 1 (1934), H. 3, S. 111–114, hier: S. 114. 424 Vgl. Keller, Anne: Das deutsche Volksspiel, S. 455. 425 Vgl. ebd., S. 14. 426 Das Deutsche Volksspiel 2 (1935), H. 3, o. S. 427 Vgl. Vondung, Klaus: Magie und Manipulation, S. 23. 428 Niggemann, Hans: Auf den Weg! In: Das Deutsche Volksspiel 1 (1933), H. 1, S. 3.
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Die Zeitschrift versuchte, durch ein den Ausgaben beigelegtes Gutachten der „Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums“ ihren Erfolg zu steigern.429 Im Gutachten heißt es: „‚Das Deutsche Volksspiel‘ erfüllt […] eine ganz wichtige Aufgabe für die Gestaltung einer artgemäßen, volksnahen Kultur und ist zu empfehlen.“430 1938 wurde das Erscheinen der Zeitschrift, die finanzielle Verluste brachte431 , eingestellt. Im „Abschiedswort“ erklärte Ferdinand Junghans, Leiter des Theaterverlags Albert Lang und Georg Müller in Berlin: Wir wußten sehr wohl, daß seit der Gründung des „Deutschen Volksspiels“ genügend andere Blätter entstanden waren, denen es als den offiziellen Organen bestimmter Formationen weit mehr als uns zukam, die unmittelbar praktische, beratende und vorschlagende Behandlung des Spiel- und Feier-Stoffs zu üben. Es konnte nicht unser Recht sein, uns in diesen tatsächlichen Vollzug heineinzumischen, wenn es offizielle Blätter gab, die hier als Organ der Reichsführungen und Reichsleitungen selber sprechen.432
Im ersten Heft 1933 freute sich Werner Pleister in Kontrolle der Laienspiele darüber, dass die Laienspielbewegung durch die Gaukulturwarte der NSDAP jetzt einer eingehenden Kontrolle unterzogen werde. „So verwirrend die Überschrift zunächst für den alten Laienspieler sein mag, so sehr müssen gerade wir alten Laienspielführer uns freuen, daß hier endlich unsere dauernde Forderung nach prüfender Beobachtung der wilden Dilettantenversuche erfolgt.“433 Auch das Thingspiel wurde in der Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel thematisiert. Über dieses ist bereits ausführlich geforscht wurden434 , deshalb soll es hier nur kurz erklärt werden. Forciert wurde die Thingbewegung zwischen 1933 und 1935 durch das Propagandaministerium und den Reichsbund der deutschen Freilichtund Volksschauspiele, und es spielte in dieser Zeit eine bedeutende Rolle in der Kulturpolitik. Ziel war, auf neu errichteten Plätzen, den „Thingstätten“, kultische Sprechchordramen aufzuführen.435 Der Name für das NS-Massenschauspiel wurde 1933 gefunden. Der Kölner Theaterwissenschaftler Carl Niessen hatte auf die 429 Vgl. Schriftleitung an Lempp, Berlin, 13.04.1938. BU 0005/133. 430 Gutachten Dr. Bökenkamp von der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums, Berlin, 09.04.1938. BU 0005/133. 431 Vgl. Junghans an Lempp, Berlin, 22.11.1938. BU 0005/133. 432 Junghans, Ferdinand: Abschiedswort an unsere Leser. In: Das Deutsche Volksspiel 5 (1938), H. 12, S. 251–252, hier: S. 251. 433 Pleister, Werner: Kontrolle der Laienspiele? In: Das Deutsche Volksspiel 1 (1933), H. 1, S. 6–11, hier: S. 7. 434 Vgl. Stommer, Rainer: Die inszenierte Volksgemeinschaft. Marburg 1985. Außerdem: Rischbieter, Henning: NS-Theaterpolitik. In: Ders. (Hrsg.): Theater im „Dritten Reich“. Theaterpolitik, Spielplanstruktur, NS-Dramatik. Seelze-Velber 2000, S. 9–277, hier: S. 34–41. 435 Vgl. Stommer, Rainer: Die inszenierte Volksgemeinschaft, S. 12.
Fortführung in der Diktatur
Thingplätze der Germanen hingewiesen, wo Recht gesprochen und über Krieg und Frieden entschieden worden sei und vielleicht auch Spiele stattgefunden hätten. Die Rollen sollten Berufsschauspieler übernehmen, Laien sollten allenfalls als Chöre fungieren.436 Ferdinand Junghans beschrieb das Thingspiel in Das Deutsche Volksspiel so: Der Idee vom Thingspiel liegt die Sehnsucht zugrunde, eine neue Form des Theaters zu finden, in der Volk und Kunst sich zu einem festlichen Erlebnis von höchster Einheitlichkeit und Stärke verbinden. Der alte deutsche Traum vom Arenatheater, vom völkischen Festspiel der Nation, findet hier seine Wiedererweckung. Jede Stadt soll einen Thingplatz einrichten.437
Werner Pleister betonte, dass das Thingspiel auf die Verbindung mit dem gewachsenen Formen des völkischen Laienspiels nicht verzichten könne, und man solle für die großen Darstellungen bei den Zusammenkünften des Volkes „die stilbildende Kraft der guten Laienspielgruppe verwerten“438 . Goebbels distanzierte sich aber 1935 von der Thingspielbewegung und sprach beim Reichsparteitag von falschem Übereifer, mit dem kultische Handlungen konstruiert worden seien. Ende 1935 gab es Anweisungen an die Presse, Begriffe wie „Thing“ oder „Thingstätte“ nicht in Verbindung mit Partei oder Staat zu verwenden.439 In der Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel machte Mirbt Werbung für Münchener Laienspiele wie beispielsweise Hitlerjungens im Kampf von Werner Altendorf und bezeichnete dieses als einen Glücksfall, denn der Autor sei „Gebietsführer der schlesischen H.J.“440 . In den Beiträgen begegnet Mirbts bekannte Haltung: „Von Laienspiel kann nur dort gesprochen werden, wo es um Gemeinschaft der Spieler und Zuschauer geht.“441 Aber es ist auch zu lesen: Unser Laienspiel steht in seinen Anfängen. Sorgen wir dafür, daß diese Anfänge, wo sie auch immer unternommen werden, von vornherein als das Wesen des Laienspiels das Bekenntnis aus der Gemeinschaft für die Gemeinschaft spürbar macht. Bekenntnis zum
436 Vgl. Rischbieter, Henning: NS-Theaterpolitik, S. 35. 437 Junghans, Ferdinand: Organisation des Volksspiels. In: Das Deutsche Volksspiel 1 (1934), H. 2, S. 51–54, hier: S. 51. 438 Pleister, Werner: Auswertung des Laienspiels. In: Das Deutsche Volksspiel 1 (1934), H. 3, S. 99–101, hier: S. 100. 439 Vgl. Rischbieter, Henning: NS-Theaterpolitik, S. 40. 440 Mirbt, Rudolf: Werner Altendorf: Hitlerjungens im Kampf. In: Das Deutsche Volksspiel 1 (1934), H. 2, S. 92–93, hier: S. 93. 441 Mirbt, Rudolf: Propaganda tut not. In: Das Deutsche Volksspiel 1 (1934), H. 4, S. 159–162, hier: S. 160.
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Führer, Bekenntnis zum Staat, Bekenntnis zum Volk, Bekenntnis zum Reich ist nur voll Sinn und Kraft, wenn es in Gemeinschaft geschieht.442
Betonte Mirbt noch 1935 in einem Artikel, dass das Krippenspiel einer der bedeutsamsten Wegbereiter des deutschen Laienspiels sei443 , ist 1938 das Bild ein anderes. Im Artikel Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiel berichtet er über die Veränderung der Reihe. Er habe alle christlichen Spiele herausgenommen, da „eine Sammlung von Laienspielen nicht dazu da sein kann, in die Auseinandersetzungen, die heute in diesem Bereich bestehen, einzugreifen“444 . Nachdem die Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel in den Blick genommen wurde, soll nun das Handbuch Volksspiel und Feier im Fokus stehen. Die erste Ausgabe erschien 1936. Es handelt sich dabei um ein Alphabetisches Suchbuch nebst Stoffsammlung für Brauch, Freizeit und Spiel. Der Christian Kaiser Verlag gab dieses Buch zusammen mit der Hanseatischen Verlagsanstalt und dem Theaterverlag Albert Langen/Georg Müller heraus. Es werden Begriffe des Laienspiels erklärt, außerdem beinhaltet das Buch eine ausführliche Stoffsammlung. In der ersten Fassung sind unter der Hauptkategorie „Das christliche Jahr“ sieben Stoffgruppen aufgeführt: „Totenfeier“, „Vorweihnachten“, „Die Weihnachtsfeier“, „An der Krippe“, „Passion und Ostern“, „Legenden und Mysterien“ sowie „Gemeindefeier“.445 Entsprechende Spiele aus verschiedenen Verlagen werden aufgeführt und kurz beschrieben. Erwähnt wird, dass die Texte unter „Gemeindefeier“ vor allem den evangelischen Spielkreisen Anregung geben würden. Spiele, die sich vorwiegend für katholische Gemeinden eignen würden, enthalte die Abteilung „Legenden und Mysterien“.446 Titel von Otto Bruder sind nicht zu finden. Auffällig sind die Unterschiede zwischen der ersten (1936) und der zweiten (1938) Ausgabe. Vergleicht man „Gliederung und Aufbau der Stoffsammlung“ von 1936 mit der von 1938, wird schnell klar: Die Hauptkategorie „Das christliche Jahr“ ist komplett eliminiert worden.447 Christliche Begriffe im vorangestellten Alphabetischen Suchbuch waren ebenfalls aussortiert oder umgeschrieben worden. Besonders auffällig ist der Wan-
442 Ebd., S. 161. 443 Vgl. Mirbt, Rudolf: Vom Passionsspiel in dieser Zeit. In: Das Deutsche Volksspiel 2 (1935), H. 3, S. 120–122, hier: S. 120. 444 Mirbt, Rudolf: Fünfzehn Jahre „Münchener Laienspiel“. In: Das Deutsche Volksspiel 5 (1938), H. 6, S. 123–127, hier: S. 126. Diese Begründung findet sich auch in: Mirbt, Rudolf: Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiele. 1923–1938. München 1938, S. 2. 445 Vgl. Volksspiel und Feier. Alphabetisches Suchbuch nebst Stoffsammlung für Brauch, Freizeit und Spiel. München u. a. 1936, S. 320. 446 Vgl. Ebd., S. 271. 447 Zur Eliminierung christlicher Titel aus Handbüchern vgl. auch: Keller, Anne: Das deutsche Volksspiel, S. 149.
Fortführung in der Diktatur
del der Beschreibung des Stichwortes ,Weihnachten‘ schon in den jeweils ersten Sätzen. 1936 wurde es so erklärt: Weihnachten ist als christliches Fest von der Geburt des Herrn mit alten Weihnachtsliedern und Weihnachtsspielen im Volke fest verwurzelt. Auf die vorchristlich-germanische Feier der Weihenächte und des Julfestes verweist nur noch der Weihnachtsbaum, ohne daß ein Bewußtsein seiner Überlieferung lebendig wäre.448
Und 1938 hieß es: Weihnachten ist der deutsche Name für die heiligen Nächte […] um die Wintersonnenwende. Bei kaum einem anderen Fest ist der seelische Zusammenhang mit dem germanischen Glauben unter der christlichen Form so lebendig geblieben wie bei diesem höchsten germanischen Fest der Sippe und des Lichtes […]. Das gesamte Brauchtum von Weihnachten ist germanischen Ursprungs, bis auf die Krippe, aber auch diese hat stark germanische Züge angenommen.449
Die Änderungen fanden anscheinend Zustimmung von den Nationalsozialisten. In der Tornisterschrift des Oberkommandos der Wehrmacht Abt. Inland aus dem Jahre 1942 mit dem Titel Das Laienspiel in der Wehrmacht wurde das Buch Volksspiel und Feier empfohlen.450 Aus dem Gesamtverzeichnis der Münchener Laienspiele wie aus dem Handbuch Volksspiel und Feier verschwanden also die christlichen Spiele. In welcher Form konnte das evangelische Laienspiel weiterexistieren?
448 Volksspiel und Feier. Alphabetisches Suchbuch nebst Stoffsammlung für Brauch, Freizeit und Spiel. München u. a. 1936, S. 130. 449 Volksspiel und Feier. Alphabetisches Suchbuch nebst Stoffsammlung für Brauch, Freizeit und Spiel. 2. überarb. Ausgabe. München u. a. 1938, S. 148. 450 Vgl. Das Laienspiel in der Wehrmacht. Tornisterschrift des Oberkommandos der Wehrmacht Abt. Inland (1942), H. 56, S. 13. Im Heft wird erklärt, dass Laienspiel die Kameradschaft stärke und einen guten Geist in der Truppe erhalte. Frauenrollen könnten leicht von Kameraden übernommen werden. Vgl. S. 1 und 11.
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3.2
Organisationsstrukturen
3.2.1
Hans Maurer und die Beratungsstelle für das geistliche Spiel – ein Sonderunternehmen des Berliner Synodalausschusses
Das evangelische Laienspiel lebte im ,Dritten Reich‘ weiter, und zwar ganz offiziell, wie das folgende Beispiel einer Beratungsstelle zeigt. Am 28. März 1938 informierte der Berliner Stadtsynodalausschuss das Evangelische Konsistorium Mark Brandenburg, dass Hans Maurer mit der versuchsweisen Führung einer Beratungsstelle auf dem Gebiet der kirchlichen Laien- und Evangelienspielarbeit beauftragt wurde. Seine Aufgabe sei deren Förderung mit dem Ziel, die Gemeinden selbst zur Durchführung einer eigenen kirchlichen Laien- und Evangelienspielarbeit zu ermutigen. Maurer würde sich verpflichten, selbst oder durch einen seiner Mitarbeiter bei der Errichtung einer Spielschar oder eines Evangelienchores zu helfen. Wenn eine Gemeinde aus besonderen Gründen nicht in der Lage sei, ein kirchliches Laienoder Evangelienspiel selbst durchzuführen, so verpflichte sich Hans Maurer, diesen Dienst mit seinem Evangelienchor auszuüben. Auch sei er bereit, Ansichtssendungen von Spielen zur Verfügung zu stellen. Maurer stelle seine Beratungsstelle in den Dienst der Gemeinden und Pfarrer im Bereich der Berliner Stadtsynode. Die Versuchszeit dieser Arbeit werde zunächst vom 1. Dezember 1937 bis 1. Dezember 1938 bemessen.451 Wer war Hans Maurer? Biographische Unterlagen zu seiner Person befinden sich weder im Evangelischen Zentralarchiv noch im Landeskirchlichen Archiv in Berlin und auch nicht im Archiv des Evangelischen Werkes für Diakonie und Entwicklung. Es liegen aber zahlreiche Veröffentlichungen von ihm vor, und Pfarrer Aurel von Jüchen, von dem später noch ausführlich die Rede sein wird, hat dem Verleger Albert Lempp von Hans Maurer berichtet. In einem Artikel im Hannoverschen Kurier 1938 über Maurer im Zusammenhang mit einer Aufführung heißt es, dass er von der Hitlerjugend herkomme.452 In der Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel erschien 1933 ein Artikel von Maurer mit dem Titel Vom Sinn des Krippenspiels. Hier gab er Hinweise zur Gestaltung von Krippenspielen. Die Gemeinde soll durch Gesang miteinbezogen werden. „Das Erlebnis des Spieles soll für jeden einzelnen Gläubigen zu einem persönlichen werden. So erst wird das Krippenspiel in den Dienst seiner ursprünglichen, einzigen Bestimmung gestellt: der Verkündung des Evangeliums. Eine andere Aufgabe hat
451 Vgl. Schreiben des Berliner Stadtsynodalausschusses an das Evangelische Konsistorium Mark Brandenburg, Berlin, 28.03.1938. ELAB 14/663. 452 Vgl. von Maurer gesammelte Pressestimmen über die Reise seines Evangelienchores; Geistliche Spiele unserer Zeit, Hannoverscher Kurier, 17.04.1938. EZA 7/20342.
Organisationsstrukturen
es nicht.“453 Vermutlich zwischen 1937 und 1939 erschien sein Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel. Handreichungen für Gemeinde- und Jugendarbeit.454 In der Einführung schreibt er, dass die Mappe eine Hilfe für die Pfarrer, Organisten, Kantore, Diakone und Spielleiter sein soll.455 Es gilt in der Kirche und vor der Gemeinde das Evangelium recht und unverkürzt zu verkündigen. Im Dienst dieser Verkündigung steht nicht nur die Predigt des Pfarrers, sondern die ganze Liturgie. […] Die Liturgie ist Verkündigung […]. Von dieser Sicht her wird der Auftrag des Evangelienspieles für die Verkündigung ganz deutlich. Das kirchliche Laienspiel hat seine besondere Bedeutung für den volksmissionarischen Dienst und die Ausgestaltung von Gemeindeabenden. Das Evangelienspiel jedoch ist ein Stück der Liturgie und gehört vor allem und in erster Linie der Gemeinde, die sich in der Kirche versammelt, um Gottes Wort und seine Auslegung zu hören.456
Im Kapitel „Kontroverse um das Evangelienspiel und den Kirchenraum“ wird Maurers Verständnis vom Evangelienspiel ausführlicher vorgestellt werden. An dieser Stelle sei bereits darauf hingewiesen, dass er darunter nur seine eigene Konzeption verstand.457 In den Kirchenraum gehören seiner Meinung nach diese Evangelienspiele sowie die liturgischen Feierstunden von Otto Riethmüller458 . Auch das Krippenspiel ordnete er dem Kirchenraum zu. Aber Maurer betont, „dass die kirchlichen Laienspiele (auch Gemeindelaienspiele usw. genannt) weiterhin ihre wichtige Aufgabe in Sälen und Gemeindehäusern haben, für den kirchlichen Raum aber abzulehnen sind.“459 Im Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel empfiehlt Maurer Spiele und unterscheidet sieben Kategorien. Er gibt keine Reihen an, sondern nur Titel, Autoren und Verlage: „Advent und Weihnachten“ (61 Titel); „Passion und
453 Maurer, Hans: Vom Sinn des Krippenspiels. In: Das Deutsche Volksspiel. Monatsschrift für Spiel, Brauchtum und Volkstanz, Feier- und Freizeitgestaltung 1 (1933), H. 1, S. 26–27, hier: S. 27. 454 Maurer, Hans: Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel. Handreichungen für Gemeinde- und Jugendarbeit. Evangelischer Jugenddienst Nr. 40. Düsseldorf [1937–1939]. 455 Vgl. ebd., o. S. 456 Ebd., S. 3 f. 457 Titel von Maurers Evangelienspielen: Gelobet seist du Jesus Christ (o. J.); Erstanden ist der heilige Christ (o. J.); Der den Tod überwand (1937); Komm, heiliger Geist (1938); Halt dich an mich (1939). 458 Maurer nennt von Otto Riethmüller: Der Sohn; Geh aus, mein Herz und suche Freud; Gott loben, das ist unser Amt; Lukaspassion; Nun freut euch, lieben Christen g’mein; Sein Reich kommt; Wach auf, wach auf, du deutsches Land; Wir sahen seine Herrlichkeit. Vgl. Maurer, Hans: Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel, S. 38 f. 459 Reisebericht von Maurer: Über die Reise meines Evangelienchores vom 14.04. bis 01.05.1938. EZA 7/20342.
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Ostern“ (14 Titel); „Pfingsten“ (zwei Titel); „Gleichnis-, Biblische - und Legendenspiele“ (23 Titel); „Erntedank“ (fünf Titel); „Reformation“ (acht Titel); „Buß- und Totensonntag“ (sechs Titel).460 Bemerkenswert ist die Vielzahl der Advents- und Weihnachtsspiele. Seine Evangelienspiele führte Hans Maurer vielfach in Kirchen auf, und zwar mit seinem Evangelienchor, mit dem er 1938 sogar eine Tournee machte. Dafür beantragte er im Januar 1938 beim Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats461 600,– RM und beschrieb seine Arbeit: In 20 Kirchen des Reiches wolle er Erstanden ist der heilige Christ oder Der den Tod überwand aufführen. Übernachtet würde in Privatquartieren. Er habe im Verlauf der letzten beiden Jahre in 43 Kirchen in Berlin seine Evangelienspiele zur Darstellung gebracht. Die Reise habe die Aufgabe, den Dienst der Verkündigung zu leisten und für das Evangelienspiel zu werben. Im Mittelpunkt stehe das unveränderte Wort der Bibel nach der „Luther’schen“ Übersetzung.462 Maurer erklärte: Selbstverständlich ist die Reise, wie überhaupt meine Arbeit, völlig frei von jeder kirchenpolitischen Absicht und Betätigung. Wir sind eingeladen von Pfarrern aller kirchenpolitischen Richtungen, bei unserem Dienst geht es uns lediglich um die Verkündigung des Evangeliums.463
Er erhielt eine finanzielle Zuwendung von 500,– RM464 und war vom 14. bis zum 30. April 1938 mit dem Evangelienchor (7 Männer und 8 Mädchen) unterwegs465 ; es erfolgten 19 Aufführungen466 . Die Evangelienspiele wurden immer im Rahmen 460 Vgl. Maurer, Hans: Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel, S. 40–60. 461 Präsident des Evangelischen Oberkirchenrats (Berlin) war Friedrich Werner. Vgl. Boberach, Heinz/ Nicolaisen, Carsten/Papst, Ruth (Hrsg.): Handbuch der deutschen evangelischen Kirchen 1918 bis 1949. Organe – Ämter – Verbände – Personen. Bd. 1: Überregionale Einrichtungen. Göttingen 2010, S. 73. 462 Vgl. Maurer an den Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats, Berlin, 12.01.1938. EZA 7/20342. 463 Ebd. 464 Vgl. Dokument über Überweisung 23.02.1938. EZA 7/20342. Finanzielle Unterstützung bekam Maurer auch noch von anderen kirchlichen Organisationen, wie er in seinem Reisebericht erwähnte. 465 Vgl. Reiseplan des Evangelienchores unter Leitung von Hans Maurer. EZA 7 /20342. 466 Aufführungsorte: Parchim (St. Georgen, 100 Besucher), Lübeck (Dom, 30 Besucher; St.-GertrudKirche, 200 Besucher), Bremen (Nikolaikirche, Gröpelingen, 220 Besucher; Wilhadi-Kirche, 240 Besucher; St. Pauli-Kirche, 220 Besucher), Hermannsburg (St.-Peter-Paul-Kirche, 400 Besucher), Hannover (Dreifaltigkeitskirche, 320 Besucher; Aegidienkirche, 600 Besucher), Bielefeld (Johanniskirche, 450 Besucher; Altstädter Nicolaikirche, 400 Besucher), Alsdorf (Martin-Luther-Kirche, 300 Besucher), Aachen (Christuskirche, 920 Besucher), Stolberg (Finkenbergkirche, 150 Besucher), Hann. Münden (St. Blasius, 350 Besucher), Göttingen (St. Jacobi, 540 Besucher), Eschwege (Neustädter Kirche, 380 Besucher), Hoheneiche (St. Martinskirche, 100 Besucher), Wichmannshausen
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eines Gottesdienstes dargestellt. Eva Aleith schrieb 1938 in der Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst unter dem Titel Ein neuer Weg evangelischer Verkündigung, Maurer habe eine längere Reise unternommen und „scharte Tausende von deutschen Menschen um die neutestamentliche Botschaft vom Heiland und Auferstandenen“467 . Insgesamt gesehen hat man den Eindruck, dass Maurer nur seine Form des Evangelienspiels praktisch vorantrieb, das kirchliche Laienspiel aber eher außer Acht ließ, obwohl es doch im eingangs erwähnten Vertrag hieß, Ziel sei, die Gemeinden selbst zur Durchführung von beidem zu ermutigen. Maurer war es wichtig, nicht in kirchenpolitische Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden, wie die folgende Begebenheit zeigt. Der Pfarrer und Schriftsteller Aurel von Jüchen, von dem noch die Rede sein wird, wurde auf Maurers Aktivitäten aufmerksam. Er besuchte Maurer, um Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu erkunden. Von dieser Begegnung berichtete von Jüchen 1940 dem Verleger Albert Lempp.468 Aurel von Jüchen schlug Maurer bei dem Treffen eine Arbeitsgemeinschaft vor, in der von einem größeren Kreis festgestellt würde, ob ein Spiel sich für die Kirche oder für einen Saal eigne. Maurer lehnte aber grundsätzlich eine Zusammenarbeit ab.469 Von Jüchen erklärte Lempp, dass Maurer lediglich mit einem persönlichen Freundeskreis zusammenarbeite, um mit seiner Arbeit nicht in die Kirchenpolitik hineingezogen zu werden. Über die Beratungsstelle fasst von Jüchen schließlich zusammen: 1) Die Beratungsstelle für geistliches Spiel ist durch die DEK von der Inneren Mission, die sie nicht mehr halten konnte, übernommen worden. Sie befindet sich in einem Gebäude der DEK. 2) Trotzdem arbeitet die Beratungsstelle offenbar ganz nach eigenen Grundsätzen. Sie arbeitet offenbar nicht mit den Behörden zusammen. Sondern Maurer wendet sich direkt an einen Kreis von Mitarbeitern, zu denen in erster Linie die Diakone der Inneren Mission gehören.470
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(St. Martinskirche, 150 Besucher). Siebenmal Der den Tod überwand, zwölfmal Erstanden ist der heilige Christ. Vgl. Über die Reise vom 14.04. bis 01.05.1938. EZA 7/20342. Aleith, Eva: Ein neuer Weg evangelischer Verkündigung. In: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 43 (1938), S. 161–165, hier: S. 161. Vgl. Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow, 25.02.1940. BU 0005/58. Vgl. dazu auch Kapitel 3.5 und 3.8.2. Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow, 25.02.1940. BU 0005/58.
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3.2.2
Georg Gartenschläger und die Abteilung Geistliches Spiel beim Evangelischen Konsistorium der Mark Brandenburg
Nicht nur Aurel von Jüchen war auf Maurer aufmerksam geworden, sondern auch Georg Gartenschläger. Gartenschläger (1904–1994)471 studierte in Berlin Theologie und war ab 1930 Landesjugendpfarrer für Berlin und Mark Brandenburg472 , 1942 promovierte er an der Universität Jena. Er gehörte zu den Mitarbeitern des Eisenacher „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“.473 Diese Institution war die Zentrale nationalkirchlicher Theologie, bei der das deutsch-christliche Ideenkonglomerat unter dem Primat der angeblich unbedingt notwendigen „Entjudung von Theologie und Kirche“ gebündelt wurde. Man hoffte, damit ein Integrationsmittel gefunden zu haben, unter dem sich deutsch-christliche Kräfte zusammenfassen ließen und das zugleich auch Brücken zu anderen kirchenpolitischen Gruppen schlagen würde, da eine überwiegende Mehrheit im deutschen Protestantismus zu dieser Zeit die antisemitische Einstellung mit den Deutschen Christen teilte.474 Gartenschläger muss vom Laienspiel in der Kirche begeistert gewesen sein und verfasste unter dem Briefkopf „Abteilung Geistliches Spiel“ Rundschreiben. Im November 1939 gab das Evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg folgenden Rundbrief an alle Pfarrer von Berlin und Mark Brandenburg heraus: Wie uns unser Landesjugendpfarrer auf Grund vieler an ihn gerichteten Anfragen mitteilt, entspricht eine Beratung für das geistliche Spiel allgemein einem Bedürfnis des Pfarramtes. Darum geben wir nachstehende Bekanntmachung des Landesjugendpfarrers an Sie weiter und ordnen an: In den Akten jedes Pfarramtes ist sofort unter der Abteilung „Jugendarbeit“ für „geistliches Spiel“ ein Aktenstück anzulegen, indem solche den Pfarrämtern fortlaufend zugesandten Beratungen zu sammeln sind.475
Darunter steht eine Bekanntmachung von Gartenschläger, in der er auf den angehängten Wegweiser für Advent, Weihnachten und Epiphanias hinweist. Er erklärt dazu:
471 Vgl. Sterbeurkunde ELAB 15/1865. 472 Vgl. Hermle, Siegfried/Oelke, Harry (Hrsg.): Handbuch der deutschen evangelischen Kirchen 1918 bis 1949. Organe – Ämter – Personen. Bd. 2: Landes- und Provinzialkirchen. Göttingen 2017, S. 94. 473 Vgl. Arnhold, Oliver: „Entjudung“ – Kirche im Abgrund. Das „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ 1939–1945. Berlin: Inst. Kirche und Judentum 2010 (= Studien zu Kirche und Israel, 25/2), S. 799. 474 Vgl. ebd., S. 456 f. 475 Evangelisches Konsistorium der Mark Brandenburg an alle Pfarrer von Berlin und Mark Brandenburg, Berlin, 15.11.1939. ELAB 14/663.
Organisationsstrukturen
Da verschiedene geistliche Spiele, die im Ganzen zur Darstellung geeignet sind, in Einzelheiten der Namen, Wortbilder und Gleichnisse sich an jüdische Traditionen anlehnen und heute das erwachte und geschulte deutsche Artgefühl verletzen, ist es jeder Darstellung zur Aufgabe gemacht, durch Streichungen, Änderungen und Verbesserungen des Textes, eine einwandfreie Verkündigung der Christusbotschaft zu bieten. Heil Hitler! gez. Georg Gartenschläger.476
Der Wegweiser, der dem Schreiben angehängt war, war von Hans Maurer verfasst worden. Von 20 Spielen, die er darin kurz vorstellt, sind 13 aus dem Christian Kaiser Verlag. Eines der aufgeführten Spiele ist Des ewgen Vaters einig Kind von Paul Girkon. Maurer beendet seine Empfehlungen mit den Worten: „Der vorliegende Wegweiser wurde unter besonderer Berücksichtigung der durch den Krieg beschränkten Möglichkeiten in unseren Gemeinden zusammengestellt. Möge er manchem Anregung und vielen Hilfe bringen.“477 Dass Gartenschläger Maurers Wegweiser für Advent, Weihnachten und Epiphanias an so prominenter Stelle weitergegeben hatte, sollte ein Nachspiel haben. Pfarrer Karl Grüneisen von der Gemeinde Berlin-Lichterfelde schrieb Ende November 1939 an das Evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg (mit einer gleichzeitigen Abschrift an Gartenschläger), sie seien sehr dankbar für die Zusammenstellung aus der Beratungsstelle. Tief bedaure ich aber, daß uns auch das Rundschreiben des Herrn Landesjugendpfarrers Gartenschläger […] in dieser Form weitergegeben werden konnte. Herr Gartenschläger muß es mit seinem Ordinationsgelübde und seiner theologischen Haltung abmachen, wie er es verantworten kann, alttestamentliche Namen und Anspielungen, wie sie auch das Neue Testament auf jeder Seite in reicher Fülle bringt, einfach als jüdische Tradition zu bezeichnen, die das deutsche Artgefühl verletzen. […] Er stehe oder falle seinem Herrn. […] Das Konsistorium wolle zur Kenntnis nehmen, daß nach meiner und vieler Amtsbrüder Erfahrung junge Menschen, die der Heiligen Schrift gegenüber auf dem Standpunkt des Herrn Gartenschläger stehen, für geistliche Spiele nicht zu haben sind. Die evangelische Jugend, die sich gern an geistlichen Spielen beteiligt, lehnt die Ausscheidung biblischen Stoffes nach den Grundsätzen des Herrn Gartenschläger samt seiner Art von kirchlicher Jugendführung überhaupt als mit christlicher Haltung nicht mehr vereinbar rundweg ab.478
476 Ebd. 477 Maurers Wegweiser für Advent, Weihnachten und Epiphanias. ELAB 14/663. 478 Grüneisen an das Evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg durch den Herrn Superintendenten des Kirchenkreises Kölln Land I, Berlin-Lichterfelde, 24.11.1939. ELAB 14/663.
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Karl Grüneisen war Mitglied im Berliner Bruderrat und gehörte somit zur Bekennenden Kirche.479 Maurer fühlte sich genötigt, Stellung zu beziehen, und es befindet sich eine Mitteilung von ihm dazu in den Akten seiner Beratungsstelle.480 Darin erklärt er, dass er nicht von Gartenschläger dazu aufgefordert worden sei, diese Hinweise zusammenzustellen, sondern sie aus eigenem Antrieb verfasst habe, um sie der kirchlichen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.481 An diesem Beispiel um die Wirrungen des Wegweisers für Advent, Weihnachten und Epiphanias werden die extremen Diskrepanzen unter den Beteiligten offenbar, und es zeigt sich, dass sich mit dem Laienspiel ganz verschiedene Lager – von bemühter Neutralität über die Deutschen Christen bis hin zur Bekennenden Kirche – beschäftigten. Das Evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg gab noch mindestens zwei weitere Spielempfehlungen vom Landesjugendpfarrer Gartenschläger an alle Pfarrer in Berlin und Mark Brandenburg weiter. In der Spielempfehlung, die im August 1940 verschickt wurde, steht als Sachbearbeiter der Name Nerger.482 Hierbei handelt es sich um Pfarrer Lothar Nerger; dieser gehörte zu den Deutschen Christen.483 Unter den empfohlenen Spielen findet sich auch Luther der Kämpfer, als dessen Autor Otto Bruder genannt wird. Dass damit das Stück eines Autors beworben wurde, der ein Christ jüdischer Herkunft war, war sicherlich weder Nerger noch Gartenschläger klar.
479 Vgl. Hermle, Siegfried/Oelke, Harry (Hrsg.): Handbuch der deutschen evangelischen Kirchen 1918 bis 1949. Organe – Ämter – Personen. Band 2: Landes- und Provinzialkirchen. Göttingen 2017, S. 106. 480 Vgl. Mitteilung von Hans Maurer, Beratungsstelle, Berlin, 05.12.1939. ELAB 14/663. 481 Aurel von Jüchen schrieb über diese Stellungnahme dem Verleger Albert Lempp, Maurer habe der BK erklärt (05.12.1939), dass er nicht das Geringste mit Gartenschläger zu tun habe. Pfarrer von Jüchen zitierte dazu ausführlich Maurers Mitteilung. Sie ist wortgleich mit der im Evangelischen Zentralarchiv. Vgl. Pfarrer von Jüchen an Lempp, Rossow, 28.12.1939. BU 0005/58. 482 Vgl. Evangelisches Konsistorium der Mark Brandenburg an die Herren Pfarrer von Berlin und Mark Brandenburg, Berlin, 30.08.1940. ELAB 14/663. 483 Lothar Heinrich Nerger war Pfarrer in Berlin-Friedenau. Am Rande sei erwähnt, dass er mit Walter Benjamin zusammen Abitur gemacht hatte. Vgl. Brodersen, Momme: Klassenbild mit Walter Benjamin. Eine Spurensuche. München 2012, S. 14.
Otto Bruder – gelobt und vertrieben
3.3
Otto Bruder – gelobt und vertrieben
3.3.1
Das Spiel Luther der Kämpfer
1933 war auch das Jahr, in dem sich der Geburtstag Martin Luthers zum 450. Male jährte, und Luther-Stücke hatten auf der Berufsbühne Konjunktur484 . Aber nicht nur in diesem Jahr wurde Luther geehrt. 1936 formulierte Martin Niemöller, Mitbegründer des Pfarrernotbundes, in seiner am Reformationstag in der Jesus-ChristusKirche in Berlin-Dahlem gehaltenen Predigt: Luther sei heute „ein Vorbild […], dieser Gottesmann von Wittenberg, ein echter deutscher Mann“485 . Kirchliche und staatliche Institutionen nahmen Luthers Erbe für sich und ihre Zielsetzungen in Anspruch, Protagonisten der Bekennenden Kirche wie der Deutschen Christen. Theologen und nationalsozialistische Politiker verschränkten Luthers judenfeindliche Aussagen mit der NS-Rassenideologie und der antisemitischen Politik des Regimes.486 Die Deutung Luthers als ‚Urtypus des Deutschen‘ zog sich durch alle kirchenpolitischen Lager, eine Rolle, die Luther wohl nicht einmal verstanden hätte. Volker Neuhaus konstatierte 2017: „Man kann Luther nicht a posteriori für den Turnvater Jahn verantwortlich machen, der ihn zum ‚Erzvater eines dereinstigen deutschen Großvolkes durch das aufgefundene Vermächtnis einer Gemeinsprache‘ machen wollte.“487 1933 erschien von Otto Bruder das Spiel Luther der Kämpfer. Ein chorisches Feierspiel in den Münchener Laienspielen. Bereits 1933 veröffentlichte der Verlag die dritte Auflage. Im Vorwort kritisiert Mirbt, dass das gängige Lutherbild verfälscht sei und man ihn idealisiert und romantisiert habe. Man mache aus Reformationsfestspielen Geschäfte für Kostümverleiher und habe die innere Beziehung zur Reformation verloren. Und oft möchte man wünschen, irgendein kirchliches Amt entschlösse sich endlich einmal zu scharfen Maßnahmen gegenüber der Verkitschung des Symbols, das uns Martin Luther
484 Vgl. dazu auch Mecklenburgs Ausführungen über die dramatische ‚Lutherrenaissance‘. Mecklenburg, Norbert: Der Prophet der Deutschen. Martin Luther im Spiegel der Literatur. Stuttgart 2016, S. 158–160. 485 Zitiert nach Prehn, Ulrich: „Ein feste Burg“? Inanspruchnahmen Martin Luthers im nationalsozialistischen Deutschland 2019. https://www.evangelisch.de/inhalte/159552/26-08-2019/martinluther-im-nationalsozialismus, zuletzt abgerufen am 16.07.2020. 486 Vgl. ebd. und vgl. zu Luthers Antisemitismus die grundlegende Darstellung: Kaufmann, Thomas: Luthers Juden. Stuttgart 2014. 487 Neuhaus, Volker: Gipfelgespräche mit Martin Luther, Johann Wolfgang von Goethe, Thomas Mann und Günter Grass. Wiesbaden 2017, S. 74.
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ist, ähnlich wie das Propagandaministerium willens ist, das Geschäft der Radiergummiund Bleistiftindustrie mit Adolf Hitler und dem Hackenkreuz [sic!] zu unterbinden.488
Otto Bruder gehe es im Feierspiel darum, den Weg zum rechten Lutherbild wieder freizulegen, und zwar in chorischer Form. Denn erst das gemeinschaftliche Bekenntnis macht uns zur evangelischen Gemeinde. Die Rechenschaft, die wir vor der deutschen Revolution abzulegen haben, ist die: daß wir uns zum Volk bekennen. Und die Rechenschaft, die wir vor der Reformation abzulegen habe, ist die: daß wir uns zur evangelischen Gemeinde bekennen.489
Bruder widmete das Spiel dem „Bund Christdeutscher Jugend“490 . Im Spiel sprechen Männer und Frauen getrennt sowie gemeinsam im Chor. Auch treten ein Sprecher, eine Sprecherin und „Martin Luther“ auf. Zwischendurch erklingen einstimmig Choräle Luthers.491 Keine Handlung, nur feierliche Proklamation der Ereignisse ist Gegenstand des Spiels. Die ersten Worte Luthers lauten: Weg mit dem Ablaß, Teufelsfrucht! Wer Gottes rechte Gnade sucht, der braucht nicht gute Werke, nein, aus Glauben soll er selig sin! Wenn unser Meister Christus spricht: tut Buße, sagt Er damit nicht, daß man mit Gold austilgen kann, was einer Übles hat getan! Tut Buße, damit meint Er frei:
488 Vorwort von Rudolf Mirbt. In: Bruder, Otto: Luther der Kämpfer. Ein chorisches Feierspiel. ML H. 92. 2. Aufl. München 1933, S. 5. 489 Ebd. 490 Der „Bund Christdeutscher Jugend“ war 1933 aus dem Zusammenschluss der „Christdeutschen Jugend“ (Abspaltung des „Neuland“) und dem „Bund deutscher Jugendvereine“ entstanden, die Mitgliederzahl betrug 1933 ca. 1.500. Vgl. Boberach, Heinz/Nicolaisen, Carsten/Papst, Ruth (Hrsg.): Handbuch der deutschen evangelischen Kirchen 1918 bis 1949. Organe – Ämter – Verbände – Personen. Bd. 1: Überregionale Einrichtungen. Göttingen 2010, S. 379. 491 Zweite Strophe von Komm, heiliger Geist, Herre Gott. Text: Martin Luther, 1524. Melodie: Ebersberg um 1480, Erfurt 1524. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 249 (Lied 125). Auch werden Strophen des Liedes Nun freut euch, lieben Christen g’mein gesungen. Text und Melodie: Martin Luther, 1523. Vgl. ebd., S. 628 (Lied 341).
Otto Bruder – gelobt und vertrieben
Weg mit dem Ablaß! Kommt zu Hauf: das Evangelium richtet auf!492
Hier finden sich direkt die Kernpunkte seiner reformatorischen Lehre (sola gratia, sola fide, solus christus, sola scriptura). Etwas später sagt er zwar: „Für meine lieben Deutschen ward ich geboren, / ihnen zu dienen bin ich erkoren“493 , aber dennoch stehen in diesem Spiel die theologischen Errungenschaften im besonderen Fokus und nicht nur ‚Luther, der Deutsche‘. Er wird gepriesen, denn drei Gaben habe er beschert, sie seien: „Hausbacken Brot, das stärkt und nährt“494 . Genannt wird die Ehe, das deutsche Lied und: „Daß wir nun Gottes Wort verstehn, / Sprechen und hören im deutschen Laut / Der Muttersprache lieb und traut. / Für dein Volk hast du das getan, / Drum sei dir Dank du deutscher Mann.“495 Luther erzählt, wie er von seiner seelischen Pein erlöst wurde. Dann wird vom anschließenden Kampf Luthers berichtet, und schließlich sprechen Männer und Frauen gemeinsam: „Die frommen Werke machens nicht, / Gott selbst mich Sünder heilig spricht.“496 Die letzten Worte, die Otto Bruder den Reformator proklamieren lässt, sind von Pathos durchtränkt: Oh, ihr Feuerfunken im deutschen Geblüt! Ich will euch zur Flamme anfachen, daß ihr loh glüht. Hoch auf die Fackel gericht! Ich zeig euch den rechten Herrn! Der Glaube, das ist euer Licht, der Glaube euer Stern! Kleiner Brand? Großer Brand? Brennen allein! Daß der ganze Erdball lodert, so voll Glauben müßt ihr sein!497
492 493 494 495 496 497
Bruder, Otto: Luther der Kämpfer, S. 7. Ebd., S. 9. Ebd. Ebd., S. 10. Ebd., S. 18. Ebd., S. 21 f.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
Am Ende singen alle Männer und Frauen zur Melodie von Wach auf, wach auf, du deutsches Land 498 : „Von Luther hast dus wohl gelernt: / behalts, das laß dir raten! / Was nicht aus Glauben kommt, entfernt / von Gott und Seinen Taten. / Der Glauben spottet eigner Kraft / und traut auf Gott, der Großes schafft: / behalts, das laß dir raten!“499 Die bereits aus der Weimarer Republik dem evangelischen Laienspiel bekannte immanente typenhafte Darstellung im Zusammenklang mit dem chorischen Sprechen assoziiert die allgemeingültige Erhabenheit des Gesagten. Die Sprechchöre in Verbindung mit der Thematik „Brand“ und der Formulierung „deutsches Geblüt“ werden vermutlich dazu geführt haben, dass im Jahr 1933 bereits die dritte Auflage erschien, aber auch, dass es in der Nachkriegszeit nicht in die Reihe der Christlichen Gemeindespiele aufgenommen werden wird, wie sonst so viele Laienspiele Bruders500 . Das Spiel Luther der Kämpfer war nicht das letzte Spiel, das Otto Bruder in den Münchener Laienspielen veröffentlichte. Es erschien 1933 noch Um den Glauben. Ein evangelisches Frauenspiel501 . Darin geht es um die Situation der evangelischen Christen 1731 im Salzburger Land. Sieben junge Frauen scharen sich um eine Ahne und fragen sie um Rat, ob sie ihren Glauben aufgeben und dafür im Land bleiben sollen. Die Ahne setzt sich leidenschaftlich dafür ein, die Heimat zu verlassen, denn: „Wo Gottes Wort wohnt, da ist Heimat!“502 Auch erwähnt sie lobend Luthers Werk der Bibelübersetzung. Als sie losgehen will, stirbt sie. Interessant ist, dass die Frauen auch in dem in Prosa verfassten Spiel immer wieder im Chor sprechen wie: „Wir gehen nicht ins Elend!“503 Oder: „Heimat!“504 Eingerahmt ist das Spiel durch Gemeindegesang. Zu Beginn singt die Gemeinde Nun bitten wir den heiligen Geist und am Schluss vier Strophen aus dem Lied Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ 505 . Der Rahmen mit Lutherlied zu Beginn und dem Schlusslied mit Zeilen
498 Melodie: Johann Walter, 1561. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die EvangelischLutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 289 (Lied 145). 499 Bruder, Otto: Luther der Kämpfer, S. 23. 500 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953. 501 Erschien 1933 als ML H. 95. Es liegt der Arbeit in der Fassung von 1935 vor, außerhalb der Reihe Münchener Laienspiele im Christian Kaiser Verlag veröffentlicht: Bruder, Otto: Um den Glauben. Ein evangelisches Frauenspiel. München 1935. 502 Ebd., S. 7. 503 Ebd., S. 25. 504 Ebd., S. 27. 505 Text: Nürnberg 1611; Strophe eins (1579) nach „Vespera iam venit“ von Philipp Melanchthon (1551); Strophen zwei bis sieben Nikolaus Selnecker, vor 1572 und 1578. Melodie: Martin Luther, 1543. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 385 (Lied 193) und S. 463 (Lied 246).
Otto Bruder – gelobt und vertrieben
von Nikolaus Selnecker passt zur Aussage des Stücks, in dem die Ahne sich sicher ist, dass sie in der „römischen Finsternis“506 nicht selig werden kann. 3.3.2
Erzwungener Abgang von der Laienspielbühne
Während im Münchener Laienspielführer aus dem Jahr 1934 noch alle Spiele von Otto Bruder aufgeführt wurden507 , waren 1937 in dem Gesamtverzeichnis der Münchener Laienspiele alle eliminiert508 . Die diskriminierenden Maßnahmen des nationalsozialistischen Staates gegen die Juden nahmen zu. Zu der drastischen Verschlechterung der Lebensverhältnisse gehörten auch zunehmend Berufsverbote.509 Der Verleger Albert Lempp schrieb im März 1938 an Willi Theile und erhoffte sich von ihm Unterstützung bei der Geheimen Staatspolizei bezüglich des Verbots der Zeitschrift Evangelische Theologie.510 Theile war nach eigener Aussage „Lektor der Vereinigung Evangelischer Buchhändler“ und in „freier Eigenschaft als Lektor der Reichsschrifttumsstelle tätig“511 . Im Rahmen dieser Korrespondenz fragte Theile: „Bei dieser Gelegenheit bitte ich um Auskunft wegen einer anderen Angelegenheit, die gegen den Verlag schwebt. Ist Otto Salomon (Otto Bruder) noch bei Ihnen tätig, in welcher Eigenschaft?“512 Lempp antwortete ihm, dass Otto Salomon nicht mehr bei ihm tätig sei: Nachdem er Anfang Februar mir gekündigt hat, was ich ihm im Interesse des Verlages nahe legen musste, ist er am 8. 2. 1938 ausgeschieden. Ich habe mich deshalb schwer zu diesem Schritt entschließen können, da er 15 Jahre lang bei mir zu meiner vollen Zufriedenheit gearbeitet hat und er natürlich anderswo keine Stelle gefunden hätte, also von mir ins Elend hätte geschickt werden müssen, und das tun zu müssen bei einem Menschen, der als ernster und bewusster Christ […] so viele Jahre seiner Arbeitskraft meinem Verlag zur Verfügung gestellt hat, ist mir schwer gefallen. Herr Salomon ist nicht in der Reichsschrifttumskammer, das dürfte auch nicht nötig gewesen sein, denn ich habe ihn nach dem Umsturz von seinem leitenden Posten enthoben und seine Prokura gelöscht und ihm als Buchhalter die technischen Arbeiten im Verkehr mit der Buchdruckerei, Buchbinderei und der Papierfabrik übertragen. Herr Salomon ist Nichtarier; ich habe dies auch nie verschwiegen, […] und ich weiß von ihm, dass die Reichsschrifttumskammer
506 507 508 509
Bruder, Otto: Um den Glauben, S. 26. Vgl. Mirbt, Rudolf: Münchener Laienspielführer. Zweite Ausgabe. München 1934. Vgl. Anhang in: Mirbt, Rudolf: Die Judasspieler. ML H. 156. München 1937. Vgl. Hermle, Siegfried: Evangelische Kirche und Judentum – Stationen nach 1945. Göttingen 1990, S. 17. 510 Vgl. Lempp an Theile, München, 33.03.1938. BU 0005/6. 511 Theile an Lempp, Berlin, 01.06.1939. BU 0005/6. 512 Theile an Lempp, Berlin, 27.03.1938. BU 0005/6.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
schon seit 1935 wusste, dass er Nichtarier ist, denn im März 1935 wurde ihm daraufhin die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer verweigert.513
Theile bemerkte dazu nur: „Im Prinzipienkampf kann es keine menschliche Rücksichtnahme geben.“514 Albert Lempp half im Sommer 1938 Otto Salomon und seiner Frau dank Beziehungen zu einem österreichischen Grenzbeamten bei der Flucht in die Schweiz.515 Salomon schrieb rückblickend: „Und dann wurde mir […] die Heimat genommen, wurde ich aus dem Kreis der Deutschen ausgestoßen. Es war ein großer Schmerz, der nie zu verwinden ist“.516 Wegen einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz verfasste Karl Barth im Oktober 1938 ein Empfehlungsschreiben: Der Unterzeichnete befürwortet die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für Herrn Otto Salomon aus folgenden Gründen: Herr Salomon hat […] mit meinem Verleger, Christian Kaiser in München, 20 Jahre lang zusammen gearbeitet. Er hat sich dort in einer hervorgehobenen Vertrauensstellung mit größter Treue des Vertriebs meiner zahlreichen Schriften […] angenommen.517
Barth erwähnte auch die Laienspiele: Er hat unter dem Pseudonym Otto Bruder eine Anzahl wertvoller christlicher Laienspiele geschrieben […]. Vor allem aber sind es der Ernst und die Treue, mit der er in all den Jahren zur protestantischen Kirche gestanden hat, ganz besonders auch in den letzten schweren Jahren des Kirchenkampfes in Deutschland, um derentwillen ich mich verpflichtet fühle, dieses Wort für ihn einzulegen.518
Salomon und seine Frau fanden unter anderem aufgrund der Bemühungen von Barth Asyl in der Schweiz.519 Er wurde Lektor im Evangelischen Verlag (Zollikon) und war von 1939 bis 1948 von Zollikon aus Mitarbeiter beim Ökumenischen Rat
513 Lempp an Theile, München, 01.04.1938. BU 0005/6. 514 Theile an Lempp, Berlin, 05.04.1938. BU 0005/6. 515 Vgl. Rusterholz, Heinrich: „… als ob unseres Nachbars Haus nicht in Flammen stünde“. Paul Vogt, Karl Barth und das Schweizerische Evangelische Hilfswerk für die Bekennende Kirche in Deutschland 1937–1947. Zürich 2015, S. 236. 516 Bruder, Otto: Aus meinem Leben. In: Hönig, Ludwig und Margrit (Hrsg.): Otto Bruder. Aus seinem Leben und Wirken. Stuttgart 1975, S. 18–54, hier: S. 53. 517 Zitiert nach Rusterholz, Heinrich: „… als ob unseres Nachbars Haus nicht in Flammen stünde“, S. 237. 518 Ebd. 519 Vgl. ebd., S. 238.
Rudolf Mirbt – im Fokus der Reichsjugendführung
der Kirchen in Genf.520 Im September 1941 besuchte ihn auch Dietrich Bonhoeffer521 , dessen Lektor Salomon beim Christian Kaiser Verlag gewesen war. Salomon ist nie nach Deutschland zurückgezogen, aber er kehrte auf die deutsche Laienspielbühne zurück. 1947 schrieb Fritz Bissinger, der neue Leiter des Christian Kaiser Verlags und Nachfolger des 1943 verstorbenen Albert Lempp, an Otto Salomon „Ich freue mich sehr, dass wir nun in so gute Arbeitsverbindung gekommen sind und hoffe, dass sie immer lebendiger und intensiver wird.“522
3.4
Rudolf Mirbt – im Fokus der Reichsjugendführung
„… ich habe mich in der Zwischenzeit um Handgranaten und Gewehre und Bekleidung usw. kümmern müssen, worunter die Muse immer etwas leidet.“523 Dies schrieb Rudolf Mirbt im Oktober 1938 an Albert Lempp. In welchem Zusammenhang Mirbt dies berichtete, soll später genauer erklärt werden. Es geht im Folgenden darum, zumindest etwas Licht in Mirbts Aktivitäten während des ,Dritten Reichs‘ zu bringen.524 Bis 1932 war er Geschäftsführer des Schlesischen Evangelischen Volksbildungsausschusses in Breslau und 1932 bis 1934 – ebenfalls in Breslau – Leiter der Literarischen Abteilung der Schlesischen Funkstunde (ab 1934 umbenannt in Reichssender Breslau). 1934 arbeitete er als Journalist in Berlin, und von 1934 bis 1945 war er Leiter der Mittelstelle für deutsches Auslandsbüchereiwesen in Verbindung mit der Hauptabteilung für Büchereiwesen im Volksbund für das Deutschtum im Ausland. Während dieser Zeit machte er auch wegen „Büchereifragen“525 Reisen in das europäische Ausland. Mirbt selbst wird rückblickend berichten, dass die zweite Ausgabe des Münchener Laienspielführers von 1934 beschlagnahmt wurde, ebenso sein Buch Sowjetrussische Reise526 , das 1932 im Christian Kaiser Verlag erschienen war. Soweit sind die Informationen bekannt.
520 Vgl. Hönig, Ludwig und Margrit (Hrsg.): Otto Bruder. Aus seinem Leben und Wirken. Stuttgart 1975, S. 221. 521 Vgl. Brakelmann, Günter: Dietrich Bonhoeffers Tätigkeit in der Konspiration 1939–1949. In: Ders./ Jähnichen, Traugott: Dietrich Bonhoeffer – Stationen und Motive auf dem Weg in den Widerstand. Münster 2005, S. 111–158, hier: S. 123. 522 Bissinger an Bruder, Nürnberg, 06.11.1947. BU 0005/4. 523 Mirbt an Lempp, Berlin-Zehlendorf, 27.10.1938. BU 005/78. 524 Auch Anne Keller konstatierte, dass zu Mirbts Rolle 1933–1945 eine umfassende Untersuchung noch aussteht. Vgl. Keller, Anne: Das Deutsche Volksspiel, S. 49. 525 Kaiser, Hermann (Hrsg.): Begegnungen und Wirkungen, S. 167. 526 Das Buch wurde von der Reichsschrifttumskammer in die „Liste schändlichen und unerwünschten Schrifttums“ eingereiht. Geh. Staatspolizei, Berlin, 14.05.1937. BArch R/55/234.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
Im Berliner Bundesarchiv befindet sich in den Akten der Reichskulturkammer ein kurzer Lebenslauf Mirbts, datiert vom 14. September 1933 von der „Schlesischen Funkstunde G.M.B.H.“527 . Dort ist aufgeführt, dass Mirbt „SA Mann beim Herbert-Welkisch-Sturm“528 war. Weitere Informationen über Aktivitäten Mirbts in der SA liegen im Bundesarchiv in Berlin nicht vor. Herbert Welkisch war ein SA-Mann, der starb, als er mit anderen SA-Männern Anfang März 1933 das Gewerkschaftshaus in Breslau stürmte.529 Am Jahrestag seines Todes fand 1934 eine „ergreifende Gedenkfeier“530 mit Tausenden von Zuschauern an der Stelle statt, wo Welkisch tödlich getroffen wurde. Es rückte dazu der „Sturm Herbert-Welkisch“ an sowie „ein Ehrensturm SS“. Den Reichssender Breslau verließ Mirbt nicht freiwillig. In einem Schreiben vom 17. April 1934 an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda wurde darum gebeten – die Unterschriften unter dem Schreiben sind nicht lesbar –, sich der Stellungnahme anzuschließen, Mirbt aus dem Reichssender Breslau zu entlassen.531 Beigefügt war ein Brief, den Mirbt an den Autor Wolfram Brockmeier am 24. November 1933 geschrieben hatte: Sie werden sicher höchst erstaunt sein, mit gleicher Post einen Brief von der Schlesischen Funkstunde zu erhalten, daß wir Ihnen in den nächsten Tagen das Honorar für die JeanPaul-Hörfolge in Höhe von RM 150,- überweisen. Die Dinge liegen so, daß wir auf Grund einer besonderen günstigen Situation RM 150,– für diese Sendung frei machen können. Daß Ihr Manuskript noch nicht vorliegt, darf natürlich niemand wissen, denn ich habe mich auf den Standpunkt gestellt, daß Ihr Manuskript zwar schon vorliegt, aber zur Bearbeitung nochmals an Sie zurückgeschickt worden ist. Man muß klug sein wie eine Schlange und schlau wie ein Fuchs. Sollten Sie meinen heutigen Brief nicht verstehen, dann schreiben Sie nicht an die Schlesische Funkstunde, dann bitte nur an meine private Adresse. Schicken Sie mir bald die Hörfolge, über die wir schon im Mai sprachen. Diesen Brief […] vertraulich halten.532
527 Vgl. Schlesische Funkstunde G.M.B.H.: Rudolf Mirbt, 14.09.1933. BArch R/9361/V 29060. 528 Ebd. 529 Vgl. Fuchs-Frotscher, Daniela: Zwischen antifaschistischem Widerstand und Heimatverlust – die Breslauer Familie Löwenberg. In: Domaschke, Cornelia/Fuchs-Frotscher, Daniela/Wehner, Günter (Hrsg.): Widerstand und Heimatverlust. Deutsche Antifaschisten in Schlesien. Berlin 2012, S. 10–38, hier: S. 14. Die Margaretenstraße in Breslau wurde deshalb in die Herbert-Welkisch-Straße umbenannt. 530 N. N.: Aus Breslau. Gedächtnisfeiern für Herbert Welkisch. In: Namslauer Stadtblatt 62 (1934), Nr. 59, o. S. Zum Herbert-Welkisch-Sturm finden sich im Bundesarchiv in Berlin keine Angaben. Der Bestand NS 23 (Sturmabteilungen der NSDAP) wurde geprüft. 531 Vgl. Reichssender Breslau an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 17.04.1934. BArch R/55/234. 532 Mirbt an Brockmeier (Abschrift), 24.11.1933. BArch R/55/234.
Rudolf Mirbt – im Fokus der Reichsjugendführung
Warum Mirbt Brockmeier das Honorar überweisen ließ und klug sein wollte wie eine Schlange, bleibt im Dunkeln. Vielleicht erhoffte er sich bei ihm einen guten Stand und Vorteile für seine Laienspielaktivitäten. Der dichterisch tätige Brockmeier war ab 1934 in der Reichsjugendführung und hatte sicherlich auch schon 1933 ‚gute‘ Kontakte.533 Die Angelegenheit war also entdeckt worden, und am 25. April 1934 erreichte den Sender die Antwort, dass Dr. Flügel vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda der fristlosen Entlassung Mirbts zustimme.534 Fraglich ist, ob Mirbt, der in der Weimarer Republik eine so charismatische Wirkung auf sein Umfeld gehabt haben muss, seine Laienspielarbeit auch in den Dienst der Reichsjugendführung stellte oder ob er dies überhaupt wollte. Folgender Brief von Rudolf Mirbt an Albert Lempp vom 25. Juni 1938 gibt dazu Antworten: Anlässlich meines Laienspiellehrgangs zu Weihnachten im sudetendeutschen Gebiete hatte es gewisse Schwierigkeiten mit der Reichsjugendführung gegeben. Mit Einzelheiten will ich Dich gar nicht behelligen. Als ich nun neuerdings wieder zu Arbeiten im Sudetendeutschtum aufgefordert wurde, habe ich Konrad Henlein gegenüber hingewiesen, dass ich zu einer Mitarbeit in seinem Bereich so lange nicht in der Lage sei, als nicht die Missverständnisse zwischen der Reichsjugendführung und mir bereinigt seien. Daraufhin hat er seinen Kulturbeauftragten Höller beauftragt, in der Reichsjugendführung festzustellen, welche Vorwürfe gegen mich vorlägen. Auch hierüber will ich abgekürzt berichten. Die christlichen Spiele nahm man mir nicht übel, doch man erklärte, ich sei ein Klerikaler. Ferner machte man aus der Angelegenheit Otto Bruder nochmals eine Affäre. Ich habe in all diese Verhandlungen gar nicht eingegriffen, und das war richtig, denn jetzt war Höller anlässlich der Weimarer Festtage mit Schirach selber zusammen, und es wurde verabredet, dass wohl Mitte nächster Woche endlich eine Aussprache mit den massgebenden Leuten stattfindet mit dem Ziel, meine Arbeit in die Arbeit der Reichsjugendführung einzubauen. Denn es hat sich herausgestellt, dass die Hitlerjugend zwar auf anderen Gebieten wirklich Wesentliches leistet, im Rahmen des Laienspiels aber im Schattenspiel und Stegreifspiel sich festgefahren hat. Die hierfür verantwortlichen Fachbearbeiter haben offen zugegeben, dass meine Mithilfe wohl unentbehrlich sei. Ich bin nun recht gespannt, was die nächste Woche bringt. Selbstverständlich habe ich mich zu jeder Mitarbeit bereit erklärt.535
Konrad Henlein (1898–1945), mit dem Mirbt direkten Kontakt hatte, war Führer der Sudetendeutschen Partei. Im Oktober 1938 wurde Henlein Gauleiter im Sude-
533 Wolfram Brockmeier (1903–1945) war ab 1935 Leiter der Fachschaft Lyrik der Reichsschrifttumskammer. Vgl. Klee, Ernst: Kulturlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2009, S. 73. 534 Vgl. Dr. Flügel, Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, an Reichssender Breslau, 25.04.1934. BArch R/55/234. 535 Mirbt an Lempp, Berlin, 25.06.1938. BU 005/78.
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tengau, 1943 SS-Obergruppenführer.536 Mirbts Eigenschaft als „Klerikaler“ und die Verbindung zu Otto Bruder scheinen ihm „geschadet“ zu haben. Trotzdem wurde eine mögliche Mitarbeit von ihm von sehr ranghohen Stellen diskutiert, und Mirbt war gewillt, in der Laienspielarbeit in der Reichsjugendführung mitzuarbeiten. Dazu ist es vermutlich nicht gekommen, denn in einem Brief von Mirbt an Lempp im Februar 1939 erwähnt Mirbt, dass er keine direkten Beziehungen zur Reichsjugendführung habe.537 Im Brief vom 25. Juni 1938 schlug Mirbt Lempp vor, einen „Verlag der Münchener Laienspiele“ zu gründen. „An der Sache selber würde sich gar nichts ändern. Es hätte nur den Vorteil, dass die MLS nicht mehr mit dem christlichen Verlag Kaiser in dauernde Beziehung gesetzt werden könnten.“538 Albert Lempp antwortete daraufhin am 30. Juni 1938: Zu Deinem Brief vom 25. 6. 38: Auf die Aussprache mit den maßgebenden Leuten der Hitlerjugend bin ich sehr gespannt. Hoffentlich sehen sie die Wichtigkeit […] deiner Laienspiele ein und kommen wir so doch noch einfach durch das Gewicht des Wertes unserer Spiele in die Mitarbeit bei der H.J. hinein. […] Deine Anregung für die Münchner Laienspiele einen eigenen Verlag zu machen, habe ich mir natürlich auch schon einmal durch den Kopf gehen lassen. Aber ich bin eindeutig zu dem Resultat gekommen, dass ich das nicht machen will. Ich möchte durch die Vereinigung meines theologischen Verlages und des Verlages Deiner Laienspiele zeigen, dass es herkommensmäßig eine Selbstverständlichkeit ist, dass diese Dinge einander nicht stören, und ebenso will ich durch die Güte Deiner Laienspiele zeigen, dass ein christlicher Verlag heute Spiele auch für das Dritte Reich herausbringen kann. Wenn Du daran denkst, dass diese Verlage wie Vandenhoeck & Ruprecht und Bertelsmann usw. mit zu den deutschesten Verlagen gehören, so möchte ich auch in meinem Verlag ausdrücklich betonen, dass die Dinge nebeneinander gewachsen sind, und zwar im besten Sinne, und dass man sie auch weiter nebeneinander bestehen lassen soll.539
Im Oktober 1938 bekommt Lempp von Mirbt diese Zeilen: „Ich bin nun endlich wieder in Berlin und kann nun anfangen, die verschiedenen liegen gebliebenen Dinge zu erledigen. Ich habe eine ebenso interessante wie anstrengende Zeit beim Sudetendeutschen Freikorps in Wien hinter mir.“540 Wenige Tage später fragt Mirbt, ob die Neuauflage des Katalogs „15 Jahre MLS“541 erschienen sei oder 536 537 538 539 540 541
Vgl. Klee, Ernst: Personenlexikon zum Dritten Reich. Hamburg 2016, S. 245. Vgl. Mirbt an Lempp, Berlin-Zehlendorf, 11.02.1939. BU 005/78. Mirbt an Lempp, Berlin, 25.06.1938. BU 005/78. Lempp an Mirbt, 30.06.1938. BU 005/78. Mirbt an Lempp, Berlin-Zehlendorf, 21.10.1938. BU 005/78. Mirbt meinte vermutlich die Neuauflage von Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiele.
Aurel von Jüchen – ein Missionar des Laienspiels
ob er noch eine Korrektur schicken müsse. „Ich glaube mich aber zu entsinnen, dass ich noch alles erledigt hatte. Nimm mir diese Frage nicht übel, aber ich habe mich in der Zwischenzeit um Handgranaten und Gewehre und Bekleidung usw. kümmern müssen, worunter die Muse immer etwas leidet.“542 Auf jeden Fall war Mirbt also an dem Prozess der Sudentenkrise beteiligt. Hitler hatte sich nach dem Anschluss Österreichs der Annexion der Tschechoslowakei zugewandt und mit Konrad Henlein einen internationalen Konflikt um das Sudentenland initiiert. Anfang 1939 schrieb Mirbt an Lempp, dass er überlegt, die Herausgeberschaft der Münchener Laienspiele niederzulegen, denn er würde die Beziehung zum Laienspiel verlieren.543 Albert Lempp fragte ihn im Antwortschreiben, ob er zumindest in beratender Funktion weiter zur Verfügung stehen könne. Er selbst stehe gar nicht so intensiv in der Laienspielarbeit drin, um dies „richtig“544 zu machen. Mirbt erklärte Lempp daraufhin seine erneute Sinneswandlung: „Im Grunde genommen hat mich Dein letzter Brief vor allem erfreut, weil Du nicht, genau so wie ich, die Flinte ins Korn werfen willst. Unter diesen Umständen will ich nun auch – um im Bilde zu bleiben – weiterschiessen und Herausgeber bleiben.“545 Mirbt beendete den Brief mit den Worten: „In großer Eile am denkwürdigen Tag der Liquidierung des Versailler Vertrags durch die Erledigung der Tschechei und sehr herzlichen Grüßen.“546
3.5
Aurel von Jüchen – ein Missionar des Laienspiels
Aurel von Jüchen (1902–1991) war ein evangelischer Theologe und Schriftsteller, der sich während der nationalsozialistischen Herrschaft besonders intensiv für die Verbreitung des Laienspiels einsetzte. Er wuchs in Gelsenkirchen auf und studierte in Münster, Tübingen und Jena Theologie. Um das Studium finanzieren zu können, arbeitete er unter anderem in einem Bergwerk und in einer Gelsenkirchener Gießerei.547 Während des Vikariats in Meuselwitz schloss er sich dem Bund der religiösen Sozialisten (BRSD) an. Nach dem zweiten theologischen Examen 1929 wurde er Pfarrer der Gemeinde Möhrenbach bei Arnstadt. 1928 war von Jüchen SPD-Mitglied geworden und sprach für diese und den BRSD in vielen öffentlichen
542 543 544 545 546 547
Mirbt an Lempp, Berlin-Zehlendorf, 27.10.1938. BU 005/78. Vgl. Mirbt an Lempp, 11.02.1939. BU 005/78. Lempp an Mirbt, 03.03.1939. BU 005/78. Mirbt an Lempp, Berlin, 15.03.1939. BU 005/78. Ebd. Vgl. Peter, Ulrich: Jüchen, Aurel von. In: BBKL, Bd. XXX. Hrsg. von Traugott Bautz. Nordhausen 2009, Sp. 692–706.
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Veranstaltungen.548 Mit der Thüringer evangelischen Kirche geriet er in Konflikte, weil diese ihren Pfarrern Parteitätigkeiten in der Öffentlichkeit untersagte. Als eine von NSDAP-Innenminister Frick veröffentlichte Sammlung von Gebeten in den Schulen verwendet werden sollte, in denen massiv zu Rassenhass und Militarismus aufgefordert wurde, kritisierte von Jüchen in der sozialdemokratischen Presse die Untätigkeit der Landeskirche.549 Von Jüchen hatte Gegner, die ihn als ‚roten Pfarrer‘ loswerden wollten. Dazu boten die Umstände der Scheidung von Aurel von Jüchen die Grundlage, und 1932 folgte die Amtsenthebung.550 Erst 1935 konnte er wieder als Pfarrer tätig werden, und zwar in Gehren bei Strasburg (Uckermark), und er heiratete erneut seine geschiedene Frau.551 In den Verzeichnissen der „Mitglieder des Bundes der nationalsozialistischen Pastoren Mecklenburgs“ ist sein Name zu finden.552 1937 wurde er Pfarrer in Rossow.553 Im NS-Pastorenbund blieb er bis zum Winter 1937/38. Er weigerte sich, den Übergang auf die ‚harte Linie‘ der Thüringischen Deutschen Christen mitzuvollziehen, fand Anschluss an die Bekennende Kirche554 und wurde „einer der profiliertesten BK-Pfarrer Mecklenburgs“555 . Als sich 1939 die Rechtslage für die Juden in der Evangelischen Kirche weiter zuspitzte, verfasste von Jüchen zusammen mit Pfarrer Karl Kleinschmidt eine Flugschrift. Darin forderten sie den Rücktritt von Bischof Schultz.556 1940 bestand die Gefahr, dass ihn die Gestapo in ein Konzentrationslager warf, und ein befreundeter Landrat rettete ihn durch Einberufung in die Wehrmacht. Eingezogen wurde er im November 1940, und er kam an die „Westfront“ (Belgien und Frankreich).557 Unter dem Titel Über den Zaun veröffentlichte er Hefte für die Gemeindearbeit der Bekennenden Kirche.558 Diese beinhalten Gespräche zweier Bauern über Fragen, die das ,Dritte Reich‘ aufwarf, wie Eidesleistung, Taufe oder Geltung des Alten Testaments.559 1939 bis 1940 erschienen von ihm fünf Laienspiele in der Reihe
548 Vgl. ebd. 549 Vgl. ebd. 550 Vgl. Peter, Ulrich: Möhrenbach – Schwerin – Workuta – Berlin. Aurel von Jüchen (1902–1991). Schwerin 2006, S. 127 ff. 551 Vgl. ebd., S. 174. 552 Vgl. Peter, Ulrich: Jüchen, Aurel von. In: BBKL XXX. 553 Vgl. Peter, Ulrich: Möhrenbach – Schwerin – Workuta – Berlin, S. 176. 554 Vgl. Peter, Ulrich: Jüchen, Aurel von. In: BBKL XXX. 555 Peter, Ulrich: Möhrenbach – Schwerin – Workuta – Berlin, S. 193. 556 Vgl. ebd., S. 215. 557 Vgl. ebd., S. 222 f. 558 Vgl. ebd., S. 441. 559 Vgl. ebd., S. 221.
Aurel von Jüchen – ein Missionar des Laienspiels
Christliche Gemeindespiele560 , und in der Schriftenreihe Theologische Existenz heute wurde 1941 von ihm Jesus und Pilatus561 veröffentlicht. In der Gemeinde Rossow legte er als Pfarrer viel Wert auf die Feierkultur. So schrieb er für die wichtigsten Feste des Kirchenjahres Stücke und brachte sie zur Aufführung.562 1939 begann ein reger Briefwechsel zwischen Aurel von Jüchen und Albert Lempp über die Entwicklung des Laienspiels. Er schrieb dem Verleger, dass das christliche Jahresspiel ganz besondere Aufmerksamkeit und Pflege verdiene und prophezeite: „Ich bin gewiss, dass das geistliche Spiel für die Gemeindearbeit der Kirche noch eine große Zukunft hat.“563 Lempp freute sich, einen Unterstützer gefunden zu haben, mit dem er in dieser Arbeit gemeinsam vorwärts gehen könne.564 Bereits ein dreiviertel Jahr später formulierte von Jüchen: „Ich kann Ihnen versichern, dass mir die Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrem Verlag große Freude macht. Ich tue sie in dem Bewusstsein, dass es ein und dieselbe große Aufgabe ist, in der jeder an seinem Platze steht.“565 Im April 1939 berichtete von Jüchen: Als wir hier in Mecklenburg gelegentlich Schwierigkeiten bei Aufführungen hatten, riet mir ein Bekannter, mich doch unmittelbar mit meinen Spielen an den Herrn Reichsdramaturgen zu wenden. Ich habe das damals getan, und der Herr Reichsdramaturg hat über meine Spiele ein Gutachten abgegeben, dessen Verwertung oder Nichtverwertung bei der Werbung für die Spiele ich Ihrer Entscheidung anheimgebe: Sein Gutachten lautet: „Mit Geschick und Geschmack ist von Ihnen der traditionelle Stil dieser Art Bühnenwerke gewahrt, ohne gesucht archaisch zu sein. Die Sprache ist flüssig und angenehm schlicht, ohne steife Feierlichkeit. Gedanklich ist in eindringlicher Weise die Grundidee des jeweiligen christlichen Feiertages dargestellt.“566
Vermutlich hat Lempp dieses Gutachten nicht zur Werbung verwendet, denn in einem etwas späteren Brief sprach er sich gegen solch eine Unterstützung aus. Am 28. September 1939 informierte von Jüchen Lempp darüber, dass er dem Reichsdramaturgen Rainer Schlösser erneut geschrieben habe. „Es ist von mir nur
560 Vor der Tür des Paradieses (CG Nr. 67, 1939), Der undankbare Bauer (CG Nr. 68, 1939), Die frohe Botschaft (CG Nr. 71, 1939), Erschienen ist der herrlich Tag (CG Nr. 74, 1940) und Als der Tag der Pfingsten erfüllet war (CG Nr. 75, 1940). 561 Vollständiger Titel: Jesus und Pilatus: Eine Untersuchung über das Verhältnis von Gottesreich und Weltreich im Anschluß an Johannes 18, V. 28–29. Reihe Theologische Existenz heute, Heft 76. 562 Vgl. Peter, Ulrich: Möhrenbach – Schwerin – Workuta – Berlin, S. 176 f. 563 Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 25.03.1939. BU 0005/58. 564 Vgl. Lempp an v. Jüchen, München, 01.04.1939. BU 0005/58. 565 Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 28.12.1939. BU 0005/58. 566 Pfarrer v. Jüchen an Lempp, 05.04.1939. BU 0005/58.
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als ein Versuch gedacht, von dem ich genau weiss, dass er fehl gehen kann.“567 Einen Tag vorher hatte der Pfarrer an Schlösser folgendes Schreiben verfasst, welches er auch dem Brief an Lempp beifügte: Sehr geehrter Herr Doktor! Sie hatten vor mehr als Jahresfrist einmal die Freundlichkeit, mir für einige Kirchenjahresspiele ein zustimmendes Gutachten zur Verfügung zu stellen. Heute komme ich mit einer Bitte zu Ihnen, die Sie mir bitte nicht als Unbescheidenheit auslegen wollen, die ich vielmehr im Interesse der Sache des Geistlichen Spiels an Sie richte, da ich um Ihr Interesse für diese besondere Gattung des Schauspiels weiss. Ich habe eine kleine Arbeit fertiggestellt, die zu Weihnachten im Christian Kaiser Verlag, München, herauskommen soll: „Das christliche Gemeindespiel, sein Recht und seine Verheissung.“ Ich hätte nun den großen Wunsch, dass Sie der Arbeit ein kurzes Geleitwort schreiben möchten. Sie werden es verstehen, dass die Freunde des christlichen Gemeindespieles es wünschen, wenn Sie in Ihrer Eigenschaft als Reichsdramaturg auch das geistliche Spiel unter Ihren Schutz nehmen und es durch Ihr Votum vor manchen überflüssigen Schwierigkeiten bewahren würden. Ich glaube, dass Sie dem christlichen Gemeindespiel einen grossen Dienst erweisen und darüber hinaus eine der grossen Bindungen stärken würden, in denen Christentum und deutsches Volkstum seit eh und je fest miteinander zusammenhängen. Ich weiss nicht, ob Sie meinen Wunsch erfüllen können. Doch hoffe ich, dass Sie ihn so verstehen werden, wie er gemeint ist. Darf ich Ihnen ein Manuskript der Arbeit zuschicken? Mit gleicher Post lasse ich Ihnen eins meiner Kirchenjahresspiele, die im Christian Kaiser Verlag erschienen sind, zugehen. Heil Hitler! In aufrichtiger Ergebenheit.568
Dieses Vorgehen kommentierte Lempp am 2. Oktober 1939: Sie haben an den Herrn Reichsdramaturgen Dr. Rainer Schlösser wegen unserer Christlichen Gemeindespiele geschrieben, und wenn ich recht verstehe, um ihn um seine Meinung bezw. womöglich um seine Anerkennung zu bitten. Ich bin mir nicht recht klar, was Sie damit wollen. Halten Sie es wirklich für in Frage kommend, daß wir von dieser Seite eine Anerkennung bekommen? Eine Empfehlung kann doch sicher nicht erfolgen, und was hätte auch eine Empfehlung in den Kreisen zu bedeuten, die für unsere Christlichen Gemeindespiele in Frage kommen? Ich sehe also den Zweck nicht ganz ein.569
567 Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 28.09.1939. BU 0005/58. 568 Pfarrer v. Jüchen an Reichsdramaturgen Dr. Rainer Schlösser, Rossow b. Fretzdorf, 27.09.1939. BU 0005/58. 569 Lempp an v. Jüchen, München, 02.10.1939. BU 0005/58.
Aurel von Jüchen – ein Missionar des Laienspiels
Es folgten keine weiteren schriftlichen Auseinandersetzungen zu dem Thema. Gemeinsam feilten Lempp und von Jüchen an den Inhalten einer Schrift, die 1940 unter dem Titel Ratgeber für das christliche Gemeindespiel erschien. Aurel von Jüchen riet, auch bestehende Einwände einzubauen und darauf zu antworten. „Ich habe auf Pfarrerkonferenzen verschiedentlich über das Geistliche Spiel gesprochen, und es waren immer wieder die auf das Grundsätzliche gehenden Einwände […], die mir begegnet sind.“570 Hier zeigt sich, dass der Verleger in München durch den engagierten Pfarrer wichtige Informationen aus der kirchlichen Szene bekam. Auch im folgenden Fall: Im Dezember 1939 berichtete von Jüchen Lempp ausführlich über die Aktion Gartenschlägers, der Spielempfehlungen Maurers an alle Pfarrer von Berlin und Mark Brandenburg hatte schicken lassen. Gartenschläger sei „deutschchristlich im peinlichsten Sinne des Wortes“571 , und von Jüchen betont, dass der Jugendpfarrer „keinerlei Ansehen weder bei der BK noch bei den Neutralen geniesst“572 . Aurel von Jüchen weist darauf hin, dass Pfarrer Buisman der Name des Jugendpfarrers der Bekennenden Kirche sei und dieser sich für die Sache des geistlichen Spiels einsetze.573 Aber auch von Jüchen bemühte sich weiter: Er besuchte Hans Maurer in der Hoffnung auf eine Zusammenarbeit, die dieser aber ablehnte.574 Der Verlag schickte 1940 den fertigen Ratgeber für das christliche Gemeindespiel an verschiedene Gemeindeblätter, an volksmissionarische Ämter, Kirchenleitungen und Leiter der Bruderräte.575 Aber der Krieg zeigte seine Wirkung, und der Ratgeber fand kaum Interessenten, wahrscheinlich infolge der Abwesenheit der jungen Leute, konstatierte Lempp.576 Aber diesbezüglich hatte von Jüchen eine Idee: Natürlich tut der Krieg dem Gedanken des geistlichen Spiels starken Abbruch. In Mecklenburg sind zum Beispiel 50 % aller Pfarrer eingezogen. Vielleicht kann man dem Abbruch dadurch etwas begegnen, dass man den Gedanken des Spieles in Lazaretten und Krankenhäusern für die Soldaten fördert. […] Ich weiss aus dem Weltkrieg, wo ich selbst zu einer Spielgruppe gehörte, wie große Freude unser Spielen den Soldaten gemacht hat.577
570 571 572 573
574 575 576 577
Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 07.10.1939. BU 0005/58. Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 28.12.1939. BU 0005/58. Ebd. Vgl. ebd.; Pfarrer Wolfram Buisman schrieb auch über das evangelische Laienspiel. Vgl. ders.: Geistliches Spiel und evangelische Jugendarbeit. In: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 45 (1940), S. 6–9. Vgl. dazu auch Kapitel 3.2.1 und 3.8.2 Vgl. Lempp an v. Jüchen, München, 16.01.1940. BU 0005/58. Vgl. Lempp an v. Jüchen, München, 22.02.1940. BU 0005/58. Pfarrer v. Jüchen an Lempp, 25.02.1940. BU 0005/58.
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Lempp kommentierte: Sie deuten mit Recht an, daß man unsere Spiele jetzt in die Lazarette und Krankenhäuser für die Soldaten bringen müßte. Das dürfte aber ganz große Schwierigkeiten haben, da wir selbst mit Hilfe der Lazarettpfarrer wohl kaum dort zugelassen werden, aber die Versuche müßten natürlich unternommen werden.578
Am 3. Oktober 1940 berichtete von Jüchen von seinen Werbemaßnahmen. Er habe mehrfach die Gelegenheit gehabt, auf Pfarrerkonventen über das Gemeindespiel zu sprechen. „Der bedeutsamste Konvent war wohl der Konvent der Berliner BKPfarrer, der die Frage des geistlichen Spiels mit großer Bereitwilligkeit aufnahm.“579 Er habe Pfarrer Asmussen noch nach jemandem gefragt, der eine Spielberatung für Berliner Pfarrer übernehmen könnte, diese würde wahrscheinlich ein Vikar aus Berlin-Lichterfelde übernehmen.580 Ob etwas daraus wurde, ist dem Briefwechsel nicht zu entnehmen. Allerdings wird auch hier das Interesse der Bekennenden Kirche am Laienspiel deutlich. Am stärksten zeigt wohl der folgende Brief, wie sehr von Jüchen das Laienspiel interessierte. Am 4. Dezember 1940 schrieb er Lempp aus „Nordfrankreich“ und gab als Absender „Soldat von Jüchen“ an. Es freue ihn, dass sein Manuskript Jesus und Pilatus für die Reihe Theologische Existenz heute angenommen worden sei. Und selbst in dieser Situation beschäftigte ihn die Verbreitung des Laienspiels, und so berichtete er unter anderem, dass das Evangelische Deutschland auf seine Veranlassung einen Hinweis auf Erntedankfestspiele gebracht habe, und fragt, ob die Vorweihnachtszeit eine stärkere Nachfrage nach seinen Spielen und dem Ratgeber gebracht habe.581 Lempp antwortete, dass die Nachfrage nach seinen Spielen eine recht gute war, dagegen der Ratgeber nach wie vor sehr schlecht gehe.582 Im April 1945 lag seine Einheit bei Magdeburg, von Jüchen desertierte und schlug sich nach Rossow durch. 1946 wurde er nach Schwerin berufen, u. a. leitete er dort die landeskirchliche Laienspielberatungsstelle für Mecklenburg.583 In einem Artikel formulierte er: „So, wie die Christengemeinde mit einem unerschöpflichen Liedgut beschenkt ist, so ist sie mit einer grossen Fülle ausgezeichneter christlicher
578 579 580 581 582 583
Lempp an v. Jüchen, München, 19.03.1940. BU 0005/58. Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 03.10.1940. BU 0005/58. Vgl. ebd. Vgl. Soldat von Jüchen an Lempp, Nordfrankreich, 04.12.1940. BU 0005/58. Vgl. Lempp an den Soldaten von Jüchen, München, 10.12.1940. BU 0005/58. Vgl. Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 1, Kassel, 10.11.1946. BU 0005/153.
Entwicklung der Münchener Laienspiele
Gemeindespiele beschenkt. Wir brauchen nur hineinzugreifen in diesen Schatz.“584 Und er erklärte: „Es gibt ein altes lateinisches Sprichwort, dass das Leitwort aller Laienspielscharen sein müsste. Es lautet: Agor ut ago! Zu Deutsch: Ich werde bewegt, damit ich bewege. Lasst es das Leitwort Eures Spielens werden: Lasst Euch bewegen, damit ihr bewegt.“585 Der Pfarrer wurde aus seinen vielfältigen Aktivitäten herausgerissen: Der sowjetische Geheimdienst versuchte, ihn als Agenten zu werben mit dem Auftrag, die Landeskirche zu bespitzeln.586 Er weigerte sich jedoch und wurde 1950 in das Arbeitslager Workuta (Sowjetunion) verschleppt. Erst 1955 durfte von Jüchen zurück nach Deutschland. Weil er an den Stimmbändern irreparable Schäden erlitten hatte, wurde er Strafanstaltspfarrer in Berlin-Plötzensee und im Berliner Frauengefängnis, wo er bis 1972 wirkte.587 Er schrieb unter anderem christliche Puppenspiele, für die er 1963 den Gebrüder-Grimm-Preis erhielt.588 Aurel von Jüchen starb 1991 in Berlin. Das von ihm für das Laienspiel postulierte „Agor ut ago“-Prinzip hatte er selbst gelebt.
3.6
Entwicklung der Münchener Laienspiele
Im Anhang von Die Judasspieler aus dem Jahr 1937 befindet sich ein Gesamtverzeichnis der Münchener Laienspiele. Es enthält die folgenden Kategorien: „Spiele der Volkheit“ (15 Hefte), „Spiele der jungen Mannschaft“ (14 Hefte), „Spiele der Bauernschaft“ (11 Hefte), „Spiele vom Tod“ (8 Hefte), „Sagenspiele“ (10 Hefte), „Märchenspiele“ (5 Hefte), „Spiele von Martin Luserke“ (8 Hefte), „Kinder- und Jugendspiele“ (15 Hefte), „Lustspiele“ (14 Hefte), „Kasper-, Schatten- und Marionettenspiele“ (6 Hefte), „Spiele für Mädchen und Frauen“ (11 Hefte), „Advent, Weihnacht, Passion, Ostern“ (24 Hefte) und „Christliche Gemeindespiele“ (13 Hefte).589 Die Bezeichnungen der Kategorien weisen auf die inhaltliche Bandbreite der Reihe hin, die sich bereits 1932 (fünf Kategorien) zeigte und erweitert wurde. 1937 ist kein Text mehr von Otto Bruder aufgeführt. Fünf Titel haben die Bezeichnung „Evangelienspiel“ erhalten, und zwar neben dem Verlorenen Sohn diese vier: Schuldner, Vor der Ernte und Der Säemann von Georg Rendl sowie Die Roggenfuhre von Albrecht Goes. Es sei an dieser Stelle betont, dass diese in ihrer Gestaltung den Evangelienspielen von Hans Maurer nicht ähnlich sind.
584 Jüchen, Aurel von: Welche Laienspiele können wir einüben? In: Mecklenburgische Kirchenzeitung: evang.-luther. Sonntagsblatt Schwerin (1947), H. 17/18, o. S. 585 Ebd. 586 Vgl. Ulrich Peter: Jüchen, Aurel von. In: BBKL XXX. 587 Vgl. ebd. 588 Vgl. ebd. 589 Vgl. Anhang in: Mirbt, Rudolf: Die Judasspieler. ML H. 156. München 1937.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
Im Vorwort zum 100. Heft (Vor der Ernte von Georg Rendl, 1934) brachte Mirbt seine christliche Haltung noch sehr deutlich zum Ausdruck: Wehe darum denen, die das Christentum im deutschen Volksglauben ausrotten wollen. Sie nehmen damit dem Volk den ganzen Glauben. Denn das Christentum ist ja längst in sein Wesen eingegangen. […] Wehe denen, die eine neue Heilslehre verkünden, die getarntes Antichristentum ist!590
Das Gesamtverzeichnis Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiele aus dem Jahr 1938 zeigte aber, dass Mirbt alle christlichen Spiele eliminiert hatte, worauf bereits hingewiesen wurde.591 Neben diesen waren auch jene aussortiert, die, so Mirbt, „im Laufe der Jahre ihre Aufgabe erfüllt haben“592 . Damit meinte er vermutlich alle von Otto Bruder und jene, die politisch nicht erwünscht waren.593 Das bleibende Spektrum beinhaltete – wie bereits erwähnt – auch Titel wie Hitlerjungens im Kampf.594 Die Anordnung 133 der Reichsschrifttumskammer 1939595 führte dazu, dass Albert Lempp die Reihe Münchener Laienspiele verkaufte. Am 23. Mai 1939 schrieb Lempp an Mirbt, dieser habe sicherlich von der neuen Anordnung gehört, die verlange, dass, wenn in einem Verlag konfessionelle Schriften erscheinen würden, dieser seinen Namen so ändern müsse, dass eindeutig die konfessionelle Richtung
590 Vorwort von Rudolf Mirbt. In: Rendl, Georg: Vor der Ernte. Ein Evangelienspiel. ML H. 100. München 1934, o. S. 591 Vgl. Kapitel 3.1 sowie: Mirbt, Rudolf: Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiele. München 1938. Und: Ders.: Fünfzehn Jahre „Münchener Laienspiel“. In: Das Deutsche Volksspiel. Monatsschrift für Spiel, Brauchtum und Volkstanz, Feier- und Freizeitgestaltung 5 (1938), H. 6, S. 123–127, hier: S. 126. 592 Mirbt, Rudolf: Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiele. München 1938, S. 2. 593 Ein Beispiel für den Umgang mit eliminierten Stücken zeigt folgender Briefwechsel: Im Juni 1938 schrieb Mirbt per Einschreiben an Lempp, dass dieser die beiden Hefte Deutsches Blut und Das Südtiroler Spiel (1937 beide der Kategorie „Spiele der Volkheit“ zugeordnet) unter Verschluss nehmen solle mit der Begründung: „Die Behandlung oder Erwähnung Südtirols gefährdet das staatspolitische Interesse“. Er rät ihm, die Bestände zu versiegeln, „damit Du jederzeit die Möglichkeit hast, auf die Tatsache der sorgsamen Behandlung dieser Frage hinweisen zu können“. Lempp solle dies nur bestätigen, ohne Stellung zu nehmen. Dieser bestätigte und berichtete, alle seien aus dem Lager genommen und würden an einem besonderen Ort verwahrt. Mirbt an Lempp, Berlin, 10.06.1938. BU 005/78. Und: Lempp an Mirbt, 15.06.1938. BU 0005/78. 594 Vgl. dazu Korte, Barbara: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen, S. 273 ff. 595 In der Anordnung 133 der RSK vom 31.03.1939 heißt es: „Unternehmungen, die sich in der Hauptsache in den Dienst einer bestimmten, nicht Gedankengut der Gesamtheit des deutschen Volkes bildenden Weltanschauung, eines religiösen Bekenntnisses oder einer ihren Zwecken dienenden Einrichtung stellen, müssen diese Zielsetzung in ihrer Firma eindeutig und für jeden klar erkennbar zum Ausdruck bringen.“ Bühler, Hans-Eugen und Edelgard: Der Frontbuchhandel 1939–1945. Berlin 2013, S. 72.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
des Verlags aus seinem Namen hervorgehe. Lempp überlegte, wie sich dies auf die Reihe Münchener Laienspiele auswirke, denn der Absatz dieser sei ja vor allem in der Hitlerjugend und bei der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ zu suchen, „diese aber bestimmt Anstoss nehmen, aus einem evangelischen Verlag zu kaufen“.596 Lempp will die Reihe verkaufen: „Ich glaube nicht recht, dass wir darum herumkommen.“597 Mirbt gab Lempp den Hinweis, dass dieser doch die Reihe an die Hanseatische Verlagsanstalt verkaufen könnte.598 Diese galt als nationalsozialistisches Unternehmen.599 Im September 1939 informierte Lempp Mirbt aber darüber, dass er die Reihe an den Arwed Strauch Verlag verkauft, denn dieser habe „als HJ-Begünstigter weitaus die meisten Möglichkeiten für den Absatz“600 . Die christlichen Spiele blieben beim Christian Kaiser Verlag. Wenig später nach dem Verlagswechsel beendete Mirbt auf eigenen Wunsch die Herausgeberschaft der Münchener Laienspiele.601 Bis 1941 erschien die Reihe im Arwed Strauch Verlag unter dem gleichen Namen. Sie wurde spätestens ab 1949 fortgeführt, bis 1968 unter der Herausgeberschaft von Erich Colberg und Margarethe Cordes. Der Arwed Strauch Verlag nannte sich ab 1945 Deutscher Laienspielverlag.602
3.7
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
3.7.1
Vorstellung der Reihe und Kategorien
Über die Entstehung der Reihe Christliche Gemeindespiele schrieb der Christian Kaiser Verlag 1958 rückblickend, dass sie unter Zwang entstand. Der Name hätte zunächst Einengung bedeutet, aber wäre schon bald Bekenntnis geworden.603 Schon vor der Gründung der Reihe Christliche Gemeindespiele 1938 hatte es die
596 597 598 599 600 601 602 603
Lempp an Mirbt, München, 23.05.1939. BU 005/78. Ebd. Vgl. Mirbt an Lempp, Berlin, 15.07.1939. BU 005/78. Vgl. Lokatis, Siegfried: Hanseatische Verlagsanstalt. Politisches Buchmarketing im „Dritten Reich“. Frankfurt a. M. 1992, S. 4. Lempp an Mirbt, München, 15.09.1939. BU 005/78. Vgl. Mirbt, Rudolf: Neuer Anfang 1946. In: Ders.: Laienspiel und Laientheater. Kassel u. a. 1960, S. 50–56, hier: S. 51. Vgl. Korte, Barbara: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen, S. 264 f. Der Deutsche Laienspielverlag benannte sich 1969 in Deutscher Theaterverlag um, dieser besteht bis heute. Vgl. Erklärung des Verlags in: Thöldtau, Hans-Jürgen: Zur Schätzung gerufen. SdZ Nr. 136. München 1958, S. 3.
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gleichnamige Kategorie gegeben.604 Auch waren im Verlag neben den Münchener Laienspielen bereits christliche Spiele erschienen, die nun teilweise in die neue Reihe eingegliedert wurden. Zum Beispiel Das Zeugnis! von Fritz Pein wurde schon 1936 im Christian Kaiser Verlag veröffentlicht und in die neue Reihe aufgenommen. Bis 1941 erschienen 82 Spiele605 , davon waren 39 vorher Münchener Laienspiele606 . Rudolf Mirbt war mit der neuen Reihe nicht mehr befasst.607 Ein Gesamtverzeichnis der Christlichen Gemeindespiele fügte der Verlag 1939 dem dritten Spiel (Der Ruf von Erich Klapproth) im Anhang bei. Folgende Kategorien wurden aufgeführt: „Weihnachts- und Advents-Spiele“ (26 Stücke), „Osterund Passionsspiele“ (9 Stücke), „Pfingst-Spiele“ (6 Stücke), „Konfirmations-Spiele“ (6 Stücke), „Reformations-Spiele“ (3 Stücke), „Erntedankfest-Spiele“ (4 Stücke), „Totengedächtnis-Spiele“ (2 Stücke), „Gemeindeabend-Spiele“ (19 Stücke), und „Frauen-Spiele“ (4 Stücke). Einige Titel wurden mehrfach zugeordnet. Die Kategorie der „Weihnachts- und Advents-Spiele“ ist mit 26 Stücken die größte, die Kategorie „Frauen-Spiele“ war im Verzeichnis der Münchener Laienspiele aus dem Jahr 1937 noch nicht enthalten. Die Autoren der Christlichen Gemeindespiele können hier nicht alle vorgestellt werden, es sollen aber Auffälligkeiten genannt werden. Es sind Namen von Autoren darunter, die offenkundig dem Nationalsozialismus huldigten. Johannes Linke (1900–1945) äußerte seine Bekenntnisse zum Nationalsozialismus in Form von Erzählungen und Lyrik und diese waren geprägt von einem pathetischen Blutund Bodenethos.608 Er verfasste das Krippenspiel für Kinder. Werner Dittschlag (1910–?) war im Gau Pommern Schulungsredner.609 Von ihm stammt das Chorische Weihnachtsspiel. Und Bernt von Heiseler (1907–1969) war Schriftsteller und seit 1933 Mitglied in der NSDAP. Von ihm ist das Spiel Die Schwefelhölzer. Die drei genannten Stücke waren vorher Münchener Laienspiele. Es fällt auf, dass es sich bei allen Texten von den genannten Autoren um Weihnachtsspiele handelt.
604 Vgl. Gesamtverzeichnis der Münchener Laienspiele im Anhang: Mirbt, Rudolf: Die Judasspieler. ML H. 156. München 1937. Dass die Reihe Christliche Gemeindespiele 1938 begann, belegt z. B. das Spiel Der Zaungast von Albrecht Goes aus diesem Jahr. Vgl. dazu auch Abbildung 4 im Anhang. 605 82 Spiele wurden in 81 Heften veröffentlicht, CG Nr. 20 enthält zwei Spiele. 1941 erschien CG Nr. 81, 1943 wurde der Verlag geschlossen. 606 Titel und Inhalte der christlichen Münchener Laienspiele wurden übernommen, aber nicht die Nummerierung. Aus Der verlorene Sohn ML H. 1 wurde beispielsweise CG Nr. 30. 607 Vgl. Mirbt, Rudolf: Neuer Anfang 1946. In: Ders. (Hrsg.) Laienspiel und Laientheater, S. 50–56, hier: S. 51. 608 U. a. verfasste Linke die Gedichtsammlung Das Reich. Vgl. Hillesheim, Jürgen/Michael, Elisabeth: Lexikon nationalsozialistischer Dichter. Würzburg 1993, S. 319–325. 609 Vgl. Hees, Anke: Dittschlag, Werner. In: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert, Bd. 6. Hrsg. von Konrad Feilchenfeldt: Berlin 2004, Sp. 304.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Auch der Pfarrer und Autor August Ebert war Mitglied in der NSDAP.610 Er veröffentlichte fünf Stücke in der Reihe Christliche Gemeindespiele und gehört damit zu den Autoren, von denen bis 1941 am meisten Stücke erschienen. Mit drei Texten vertreten ist der damals schon bekannte katholische Dichter Georg Rendl. Vor der Ernte, Der Säemann und Schuldner werden als Evangelienspiele bezeichnet und waren ebenfalls vorher Münchener Laienspiele. Auch katholisch war beispielsweise die Schriftstellerin Maria Luise Mumelter, die Das Spiel vom Herbergen und Die Blindenlegende schrieb. Albrecht Goes, August Ebert, Gerhard Fritzsche und Aurel von Jüchen veröffentlichten jeweils fünf Spiele in der ersten Phase der Reihe und prägten sie dadurch. Ausgewählte Spieltexte von ihnen sollen deshalb im Folgenden näher vorgestellt werden. Außerdem werden Spiele, die auffällig sind, in den Blick genommen: Der Ruf von Erich Klapproth (CG Nr. 3) wurde von Aurel von Jüchen als eines der meistgespielten Stücke der Zeit benannt.611 Das Zeugnis! von Fritz Pein (CG Nr. 28) war einer Schar gewidmet, die sich zu den Deutschen Christen zählte. Die drei Männer im Feuerofen von Karl-Heinz Meyer (CG Nr. 45) gehörte nach von Jüchen ebenfalls zu den meistgespielten Stücken.612 Schuldner von Georg Rendl (CG Nr. 51) zeigt die Form eines Evangelienspiels (die anders, aber ähnlich auch Goes nutzte). In Wachet auf! von Erich Freudenstein (CG Nr. 59) bekommt der Antijudaismus eine Bühne. Die Reihenfolge der folgenden Spielbetrachtungen richtet sich nach den Heftnummern bzw. bei Autoren mit fünf Spielen nach deren Auftreten in der Reihe. 3.7.2
Der Ruf von Erich Klapproth
Der Ruf. Ein Spiel der Bereitschaft von Erich Klapproth erschien 1938 als erstes Heft der Reihe Biblische Laienspiele im Jungenwacht-Verlag, der sich für die Ziele der Bekennenden Kirche einsetzte613 ; 1939 wurde Der Ruf in der Reihe Christliche Gemeindespiele (CG Nr. 3) veröffentlicht. Aurel von Jüchen nennt es als eines der meistgespielten Stücke.614 Dieses und auch Die Drei Männer im Feuerofen von KarlHeinz Meyer seien Entscheidungsspiele für die Zeit.615 Erich Max Rudolf Klapproth
610 Vgl. Stadtpfarrer Ebert an das Ev. Dekanatamt Blaubeuren, Gerhausen, 21.11.1946. LKA Stuttgart, A327, Nr. 242. 611 Vgl. Jüchen, Aurel von: Das geistliche Spiel in der Gegenwart. In: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 45 (1940), S. 189–193, hier: S. 193. 612 Vgl. ebd. 613 Das Spiel erschien auch 1936 im Februarheft der Jungenwacht. 614 Vgl. Jüchen, Aurel von: Das geistliche Spiel in der Gegenwart, S. 193. 615 Vgl. ebd.
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(1912–1943) war ab 1930 Student der Theologie in Berlin.616 1934 ließ er sich in die Liste der Bekenntnisgemeinde Berlin-Steglitz eintragen.617 Er gehörte zu den ersten Nachwuchstheologen, die ihr Examen bei einem eigenen Prüfungsverfahren der Bekennenden Kirche absolvierten. Sein Vikariat machte er 1935 bis 1936 im Bezirk Wilmersdorf-Nord und war dort mit der Bekennenden Kirche verbunden. 1936 war er Prädikant in Alt- und Neuruppin. Er besuchte das Predigerseminar Finkenwalde und stand dort im vertrauten Kontakt mit Bonhoeffer618 , der ihm später das Zeugnis ausstellte, dass er Klapproth an jeder Stelle der Bekennenden Kirche für einsatzfähig halte.619 Klapproth wurde mehrfach inhaftiert, 1937 wegen seines Protestes gegen das Kollektenverbot, das der Bekennenden Kirche auferlegt worden war.620 1938 absolvierte er sein zweites Examen und war bis Januar 1943 Vertrauensmann der Bekennenden Kirche von Berlin und der Mark Brandenburg. 1940 begann sein Kriegsdienst, 1943 fiel Erich Klapproth an der Ostfront in der Sowjetunion621 . Klapproth hat nicht nur Laienspiele, sondern auch Gedichte sowie Texte für christliche Jugendschriften verfasst.622 Von Albrecht Beutel erschien 2019 eine umfassende Biographie über Erich Klapproth, in der er auch über die Aufführungen von Der Ruf berichtet. Im April 1936 führte Klapproth das Spiel mit der in Berlin-Lichterfeld bestehenden Jugendgruppe an seinem künftigen Dienstort Altruppin auf. Um nicht in Konflikte mit der Hitlerjugend zu kommen, hatte man Polizeischutz erbeten und erhalten.623 Das Stück wurde nach der Veröffentlichung an vielen Orten aufgeführt, und Spielleiter schickten ihm dankbare Grüße.624 Auch eine von der Berliner Bekennenden Kirche während der Olympischen Spiele im Sommer 1936 organisierte Vortragsreihe schloss mit einer Aufführung dieses Spiels. Pfarrer Adolf Kurtz hatte es mit seiner Gemeindejugend der Berlin-Schöneberger Zwölf-Apostel-Kirche einstudiert.625 Klapproths Spiel Der Gott Jakobs wurde nach einigen Briefwechseln mit dem Christian Kaiser Verlag nicht veröffentlicht. Es hatte seine Uraufführung im März 1938 im Paulusgemeindehaus in Berlin-Lichterfelde.
616 Vgl. Beutel, Albrecht: Erich Klapproth – Kämpfer an den Fronten. Das kurze Leben eines Hoffnungsträgers der Bekennenden Kirche. Tübingen 2019, S. 7. 617 Vgl. ebd., S. 17. 618 Vgl. ebd., S. 53. 619 Vgl. ebd., S. 57. 620 Vgl. ebd., S. 88. 621 Vgl. ebd., Zeittafel, o. S. 622 Vgl. ebd., S. 38 f., u. a. veröffentlichte Klapproth Texte in der Zeitschrift Jungenwacht. Vgl. zur Zeitschrift auch Kapitel 3.7.7. 623 Zuvor hatte eine Laienspielgruppe Auseinandersetzungen und Tumulte mit der Hitlerjugend in Neustadt gehabt. Vgl. Beutel, Albrecht: Erich Klapproth, S. 41. 624 Vgl. ebd., S. 135. 625 Vgl. ebd., S. 136 f.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Eine von der örtlichen Hitlerjugend geplante Störaktion konnte durch Deeskalationsmaßnahmen vermieden werden.626 Im Nachlass Klapproths befindet sich noch ein weiteres Skript mit dem Titel Die verschlossenen Ohren. Ein Spiel vom Hören. Es ist nicht bekannt, ob es aufgeführt wurde.627 Im Gesamtverzeichnis der Christliche Gemeindespiele aus dem Jahr 1939 wird Der Ruf in den Kategorien „Pfingst-Spiele“ und „Gemeindeabendspiele“ aufgeführt, und es wird eine Spieldauer von 30 Minuten angegeben.628 Klapproth stellt Hinweise voran und erklärt, dass die Spieler, vom Sprecher geführt, von der Rückseite des Raumes her durch die „Hörgemeinde“ in den Spielraum ziehen und sich in einem weiten Halbkreis aufstellen.629 Nach der Schriftlesung begeben sich die Spieler auf bestimmte Plätze, die eine vorangestellte Zeichnung zeigt. Das Spiel ist in vier Abschnitte unterteilt: Die Aussendung (Vorspiel), Berufung und Ausbleiben der Geladenen, Berufung und Ankunft der Armen und Elenden sowie Verwerfung der Erwählten (Nachspiel). Diese Unterteilung führte Klapproth in seinen Hinweisen auf.630 Sie zeigt sich im dramatischen Text nur inhaltlich, aber nicht optisch durch Kennzeichnung von Bildern oder Szenen. Die Figuren – Klapproth hat das Personal der biblischen Vorlage deutlich erweitert – tragen keine Namen, sondern sind „der Hausherr“, „der Knecht“, „der Leidtragende“, „der Reiche“, „der Arme“, „der Lahme“ und so weiter. Die im Laienspielkontext gewohnten Typen weisen auf das Allgemeingültige hin. Zu Beginn liest der Sprecher das Gleichnis vom großen Abendmahl (Lukas 14, 16–24) vor. Dadurch enthüllt er bereits die komplette Handlung, die danach szenisch dargestellt wird. Der Hausherr verkündet dem Knecht, dass alles bereitet sei für das Fest. „Die Tür ist offen, es wartet der Saal. / Nun hole die Gäste zum
626 Vgl. ebd., S. 137 ff. Über ähnliche Ereignisse berichtete auch der 1927 geborene Hans-Christian Brandenburg, der in den 30er Jahren den Jungenwacht-Kreis Berlin-Lichtenrade besuchte: „Ich entsinne mich an das erste Laienspiel, das ich miterlebte. In Lichterfelde wollte der Jungenwachtkreis ein Spiel von Erich Klapproth aufführen, das den für die damalige Zeit besonders aufreizenden Titel ‚Der Gott Jakobs‘ führte. Nun hatte man erfahren, daß die HJ erscheinen wollte, um zu stören. Daraufhin hatten die Lichterfelder uns und andere benachbarte Kreise eingeladen. […] Der Abend wurde ein voller Erfolg: Vom Eingang des Gemeindehauses standen auf beiden Seiten der Treppe Junge neben Junge in weißen Hemden bis hinauf zur Tür des Saales, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte. Als dann die HJ-Einheit kam, wurde sie freundlich begrüßt und auf vorbereitete Plätze geführt. Da saßen sie in einer langen Reihe, vor ihnen und hinter ihnen wir Jungen im weißen Hemd.“ Brandenburg, Hans-Christian: Berliner Jungenwacht-Kreise im Dritten Reich. Berliner b.k. nachrichten 34 (1991), Nr. 4, S. 7. 627 Vgl. Beutel, Albrecht: Erich Klapproth, S. 141. 628 Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf. CG Nr. 3. München 1939, S. 16. 629 Vgl. Klapproth, Erich: Der Ruf. CG Nr. 3. München 1939, S. 3. 630 Vgl. ebd.
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Abbildung 1 Zeichnung in: Klapproth, Erich: Der Ruf. Ein Spiel von der Bereitschaft. CG Nr. 3. München 1939, S. 4. 1. Der Hausherr | 2. Der Knecht | 3. Der Bauer | 4. Der Händler | 5. Der Bräutigam | 6. Der Leidtragende | 7. Der Reiche | 8. Der König | 9. Der Priester | 10. Der Alte | 11. Der Junge | 12. Der Arme | 13. Der Lahme | 14. Der Blinde | 15. Sprecher
Abendmahl.“631 Der Knecht äußert Zweifel, dass man ihm folgen wird, aber der Hausherr schickt ihn dennoch los: „So tritt vor die Gäste ohn’ allen Verdruß / und rufe sie an mit dem Friedensgruß. / Hört einer dich an, so hört er mein Wort. / Stößt einer Dich weg, so stößt er mich fort.“632 Der Hausherr verfolgt mit Blicken das Handeln seines Knechts. Dieser begibt sich auf die Straße des Lebens und spricht Einladungen beispielsweise an den Bauern, den Leidtragenden, den Reichen, den König und den Priester aus. Alle lehnen ab. Der Priester, weil er sie nicht nötig hat: „Sieh, ich verwalte himmlisches Heil – / Sollt’ ich bedürfen, was ich verteil’?“633 Der Knecht berichtet dem Hausherrn von den zahlreichen Absagen. Dieser ist zornig und beauftragt schließlich den Knecht, alle einzuladen, die ihm begegnen. Dies macht er und spricht dann in die Hörgemeinde hinein: „Wer elend ist und wer verzagt, / der höre, was mein Herr ihm sagt: / Kommet her zu
631 Ebd., S. 7. 632 Ebd., S. 8 f. 633 Ebd., S. 16.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
mir alle, die Ihr mühselig und beladen seid: ICH WILL EUCH ERQUICKEN.“634 Hier zitiert er Matthäus 11,28 (die Bibelstelle wird im Text nicht angegeben). „Die Mühseligen und Beladenen“ kommen von links und rechts „aus der Hörgemeinde stellvertretend in den Spielraum“635 und sprechen abwechselnd im Chor von ihrer Schuld und des Herrn Treue, und es ertönt zum Beispiel: I: Wir sind voll Sünd’, Mann, Weib und Kind, und tragen Ketten. Du hast Geduld Mit uns’rer Schuld und willst uns retten! II: Wir waren fern von unserm Herrn, der Welt ergeben. Doch er ist treu Und macht uns frei zu neuem Leben.636
Sie gehen in den Festsaal, der Knecht schließt von innen die Tür. Es erklingt von drinnen die Melodie oder der Gesang von Nun danket alle Gott 637 . Nun erscheinen die, die zu Anfang die Einladung abgelehnt haben. Sie haben alles verloren und wollen jetzt doch in den Festsaal. Aber sie kommen nicht hinein und der Hausherr beendet das Spiel mit den Worten: „Weicht alle hinweg! Mir aus dem Gesicht! / Ich kannte Euch nie. Ich kenne Euch nicht!“638 Mit Ausnahme der zitierten Bibelverse ist das Spiel in gebundener Sprache verfasst. Es gibt keinen Gemeindegesang. Vermutlich hatte das Spiel unter anderem eine so große Wirkung, weil der Knecht die Einladung des Herrn direkt an die Hörgemeinde richtete und die Mühseligen und Beladenen aus dieser nach vorne kommen und von ihrer Not und Schuld sprechen.
634 635 636 637
Ebd., S. 21. Ebd., S. 22. Ebd. Text und Melodie: Martin Rinckart (um 1630) 1636. Melodiefassung nach Johann Crüger 1647. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 598 (Lied 321). 638 Ebd., S. 24.
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Klapproth machte im Artikel Erwägungen zum biblischen Laienspiel639 deutlich, dass im Spiel das Zeugnis von einer Gemeinschaft vorgetragen werde. „Damit wird die Wahrheit ans Licht gestellt, daß Träger der Verkündigung nie der Einzelne, sondern immer die Gemeinde ist.“640 Er berichtet von einer Aufführung mit überraschender Beteiligung von Besuchern: So kam es denn vor, daß bei dem „Spiel vom großen Abendmahl“ in einem märkischen Dorf gegen Ende, als die Mühseligen und Beladenen von der Landstraße zum Festsaal drängten, Glieder der Gemeinde nichtsahnend (gerade das Richtige ahnend!) aufstanden und mitgingen.641
3.7.3
Spiele von Albrecht Goes
Albrecht Goes (1908–2000) ist einer der bekanntesten Autoren der Reihe Christliche Gemeindespiele. Er veröffentlichte zahlreiche Lyrikbände, Erzählungen und Essays. Der Dialog mit dem Judentum prägte sein Leben. Er studierte 1926 in Tübingen kurz Germanistik und Geschichte, dann Theologie, ab 1928 in Berlin. Sein Abschlussexamen machte er 1930 und war zunächst in Echterdingen und Stuttgart als Vikar tätig. In Unterbalzheim bei Illertissen war er von 1933 bis 1938 Pfarrer642 , in Gebersheim von 1938 bis 1953. Dann ließ er sich vom täglichen Gemeindedienst freistellen, um sich stärker auf die schriftstellerische Arbeit konzentrieren zu können. Der doppelte Dienst am Wort als Prediger und als Dichter bildete für Goes das Fundament seines poetischen Selbstverständnisses.643 Er verachtete den Antisemitismus, und es bewegte ihn die Frage, wie er als Mensch, als Christ und als Seelsorger bestehen könne. Er trat in Kontakt mit Martin Buber, und dieser sollte einer der einflussreichsten Menschen für ihn werden. 1940 wurde Goes Soldat, später Lazarett- und Gefängnispfarrer644 und erlebte in Ungarn die Deportation der dort lebenden Juden.645 1945 geriet er in amerikanische Gefangenschaft, konnte
639 Klapproth, Erich: Erwägungen zum biblischen Laienspiel. In: Haus und Gemeinde. Monatsblätter für evangelische Unterweisung 34 (1938), H. 10, S. 283–286. 640 Ebd., S. 286. 641 Ebd. 642 Vgl. Kleßmann, Eckart/Hepfer, Harald (Hrsg.): Albrecht Goes zu Ehren. Ansprache zur Feier des 100. Geburtstages von Albrecht Goes. Warmbronn 2008, S. 4. 643 Vgl. Essen, Gesa von: „Du sollst dich nicht vorenthalten!“ Albrecht Goes in Gebersheim. Marbach am Neckar 2008, S. 1. 644 Vgl. Kleßmann, Eckart/Hepfer, Harald (Hrsg.): Albrecht Goes zu Ehren, S. 5. 645 Vgl. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=276&l=de, zuletzt abgerufen am 31.07.2020.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
aber bereits im Sommer des gleichen Jahres seine Tätigkeit als Pfarrer in Gebersheim wieder aufnehmen.646 Auch in der Nachkriegszeit veröffentlichte Albrecht Goes unter anderem Laienspiele.647 In der Reihe Christliche Gemeindespiele erschienen von ihm in der ersten Phase Die Hirtin (CG Nr. 11), Vergebung (CG Nr. 37), Die Roggenfuhre (CG Nr. 38), Der Zaungast (CG Nr. 63) und Der Weg zum Stall (CG Nr. 76). Im Folgenden soll das Stück Die Hirtin in den Blick genommen werden, weil es sein erstes im Christian Kaiser Verlag veröffentlichtes Laienspiel ist, sowie seine Evangelienspiele Die Roggenfuhre und Der Zaungast. Das Stück Die Hirtin erschien 1934 als Münchener Laienspiel (H. 107) im Christian Kaiser Verlag, die dritte Auflage648 als Christliches Gemeindespiel bereits 1940. Im Gesamtverzeichnis aus dem Jahr 1939 wurde das Stück Die Hirtin unter „Weihnachts- und Adventsspiele“ und „Frauenspiele“ aufgeführt. Es hat eine Spieldauer von etwa einer Stunde.649 Zum Aufbau und Inhalt: Eine Sprecherin eröffnet das Spiel und beschließt es. Dazwischen erfolgt die Handlung in drei Bildern. Im ersten Bild sorgen sich eine Mutter und ihre zwei Töchter um deren Schwester Ruth, weil diese eine Träumerin sei. Im zweiten Bild spricht Ruth mit sich selbst über ihre Sehnsucht: „Wer ist, der alles Verlorene liebt? / Wer ist, der aller Reue vergibt? / Sehnsucht, die wartet, und Frage, die wacht, / Tag, o wann kommst du? Wann endest du, Nacht?“650 Ihr Vater fragt sie etwas später: Und was ist die Hoffnung, die dich seltsam verwandelt? Ruth (sehr stark): Der Vater des Lebens, der Gott des Vergebens – und daß Er uns heile zu heiliger Stund. Vater: Aber was bedeutet dies? Ruth: Wir hier vor den Toren
646 Vgl. Kleßmann, Eckart/Hepfer, Harald (Hrsg.): Albrecht Goes zu Ehren, S. 7. 647 Zum schriftstellerischen Wirken von Goes in der Nachkriegszeit vgl. Kapitel 4.5.5 und 4.6.4. 648 Die 3. Auflage von Die Hirtin 1940 zeigt die Verlagsumbenennung in „Evangelischer Verlag in München Albert Lempp, früher Chr. Kaiser Verlag“. Das Stück war auch in der Nachkriegszeit beliebt, und es erfolgte 1950 bereits die 6. Auflage und 1958 die 9. Auflage. 649 Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 4. 650 Goes, Albrecht: Die Hirtin. Ein weihnachtliches Spiel. CG Nr. 11. 3. Aufl. München 1940, S. 9.
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sind alle verloren, wenn Er nicht begegnet uns selber als Hirt.651
Im dritten Bild sitzen alle drei Schwestern (Hirtinnen) mit der Mutter beisammen, als die vierte Schwester Martha eintrifft und von ihrer Reise berichtet, die sie wegen der Schätzung des römischen Kaisers machen musste. Unterwegs traf sie ein Ehepaar, er Zimmermann, sie hochschwanger. Sie übernachteten in derselben Herberge wie sie. Die Schwägerin Rebekka kommt dazu und erzählt, dass ihr Mann Jakob ergriffen nach Hause gekommen sei. Er habe mit den anderen Hirten Licht gesehen und eine Stimme gehört, sie hätten das Kind gefunden und seien in die Knie gesunken. „Ich hab ihn gefragt: ‚Hast dich nicht geschämt zu knien, wos doch ein Kindlein ist?‘ ‚Ist ja der Heiland‘, hat er drauf gesagt.“652 Dina, eine der Schwestern, fragt, wie denn Gott in ein Kind verwandelt sein soll, das nicht reden und nicht regieren kann. Ruth aber erkennt, dass sich ihre Ahnung erfüllt hat. Sie nimmt den Vater bei der Hand: O Vater, komm, die Nacht ist hin. Zur Heimat laß uns heimwärts ziehn – Du bringst, was dein in Glück und Leid, ich nur mein Herz, doch Ihm bereit. Und traue, daß der Hirten Hirt mich ärmste Hirtin segnen wird.653
Ruth geht mit dem Vater ab, die Zurückbleibenden schweigen und schließlich fragt Dina: „Und wir?“654 Die Sprecherin beschließt das Spiel mit den Worten: Ist unser Herz zur Herberg bereit, dem, der sich uns naht in der Armut Kleid, dem Hirten der Liebe, dem Herren des Lebens, dem König der Wahrheit, dem Quell des Vergebens? Es endet das Spiel und endet doch nicht, und weiterstrahle dies ewige Licht in die Häuser hinein, daher wir kamen: Christus, der Herr. In Ewigkeit. Amen.655
651 652 653 654 655
Ebd., S. 14 f. Ebd., S. 24. Ebd., S. 26 f. Ebd., S. 27. Ebd.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Die Figuren sprechen fast alle in Prosa, Ruth allein artikuliert in Reimen ihre Sehnsucht zu Beginn und ihre Erkenntnis am Ende. Ihr Vater spricht anfangs in Prosa und nach seiner Erkenntnis auch in Reimen. Durch die sprachliche Gestaltung wird also das Hoffen auf Gott und das Erkennen seiner Ankunft von der irdischen Welt abgesetzt. Auch die Sprecherin spricht in gebundener Sprache. Das Stück Die Roggenfuhre wurde 1936 als Münchener Laienspiel veröffentlicht, 1937 erschien bereits die zweite Auflage, und es wurde 1938 in die Reihe Christliche Gemeindespiele (CG Nr. 38) aufgenommen. Es ist ein Evangelienspiel und basiert auf dem Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lukas 12,16–21). Im Gesamtverzeichnis von 1939 ist es in den Kategorien „Pfingst-Spiele“ und „Erntedankfest-Spiele“ zu finden, die Spieldauer wird mit 45 Minuten angegeben.656 Der Bibeltext wird nicht vorgelesen, sondern ist dem dramatischen Text im Heft vorangestellt. Das Stück ist in vier Bilder unterteilt. Der reiche Bauer ist trotz guter Ernte unzufrieden und will dieses Jahr kein Dankfest mit den Arbeitern feiern, an dem gebetet, getanzt und die letzte Fuhre an Bedürftige im Dorf verteilt wird. Der Verwalter versucht ihn umzustimmen, aber der Bauer bleibt dabei: „Wir haben keine Zeit dies Jahr für derlei Possen.“657 Er will die alte Scheune abreißen und eine größere bauen. Der Verwalter mahnt: „Wer aber mehr als viel hat, der hat den Teufel im Haus.“658 Der Bauer gerät mit seiner Frau Lene in Streit, die ihm erklärt, dass eine volle Scheune nicht die Welt sei. Er wird wütend und sagt, sie dürfe ja den ganzen Tag „daheimhocken“659 . Sie antwortet: Hannes! Jetzt hör! Und das Kind, der Michel da drinnen, ist das gar keine Arbeit? Und das Haus? Und das Essen? Und der Stall? – Was ist denn nur in dich gefahren? Aber – (sie steht auf … nun abgewandt sprechend) ich weiß schon, was in dich gefahren ist. Bauer (trunken, rot, zornig): Was soll das heißen?660
Als die Bäuerin ihm berichtet, dass jemand auf dem Hof gesungen hätte, der Teufel habe den Bauern geholt, ist er ungehalten. Bauer (auf und ab gehend, in höchster Erregung die Worte herauspressend): So, so, so. Da sieht es ja herrlich aus! Herrlich! Wunderbar. Und die eigene Frau. So, so,
656 657 658 659 660
Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 11. Goes, Albrecht: Die Roggenfuhre. ML H. 153. 2. Aufl. München 1937, S. 12. Ebd., S. 14. Ebd., S. 22. Ebd., S. 23.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
fein. Herrlich! Gut. Ganz gut. Nun werden wir ja sehen, wen der Teufel holt. Das werden wir ja dann gleich sehen.661
Er geht ab, die Bäuerin folgt ihm und ruft hinter der Szene: „Mann!“662 Etwas später ahnt sie, dass etwas Schlimmes passiert sei und berichtet Els, der Frau des Verwalters, von ihrem Traum, in dem der Bauer vor dem Jüngsten Gericht stand und befragt wurde. Bäuerin: Und auf einmal höre ich eine Stimme […]: Und wieviel Freude hast du in der Welt gemacht? Und wieviel Liebe hast du gehabt? Und dann … Els: Und dann? Bäuerin: Und dann auf einmal fiel die Waage hinab […] und die Stimme sagte, nein, alle Stimmen sagten: nicht genug geliebt … (Leidenschaftlich erschüttert.) Nur dies, nur dies: nicht genug geliebt. (Sie verbirgt ihr Gesicht im Weinen, beide sitzen schweigend da.)663
Die Ahnung bestätigt sich, denn der Verwalter kommt und berichtet vom Tod des Mannes, der unglücklich gestürzt sei. Die Figuren sprechen in Prosa. Besonders ist hier, dass die Sprache umgangssprachlich ist, was sich im Streit der Eheleute zeigt. Goes hat mit der Bäuerin eine selbstbewusste Figur auf die Bühne gebracht, die ihrem Mann deutlich die Meinung sagt. Nur der Sprecher eröffnet und beendet das Spiel in gebundener Sprache und macht zu Beginn deutlich, wer der reiche Mann ist: „Bin ich und bist du.“664 Am Ende des Spiels sind seine letzten Worte: „Und wes wird sein, das du bereitet hast?“665 Mit einer Frage beendete Goes auch die Handlung in Die Hirtin, indem er Dina fragen lässt: „Und wir?“666 , bevor am Ende die Sprecherin auftritt. Eine etwas andere Struktur zeigt das Evangelienspiel Der Zaungast. Es erschien 1938 im Christian Kaiser Verlag (CG Nr. 63). Im Gesamtverzeichnis aus dem Jahr 1939 ist es in den Kategorien „Pfingst-Spiele“ und „Gemeindeabendspiele“ aufgeführt, und es wird eine Spieldauer von etwa einer Stunde angegeben.667 Das Spiel 661 662 663 664 665 666 667
Ebd., S. 24. Ebd. Ebd., S. 31 f. Ebd., S. 8. Ebd., S. 34. Goes, Albrecht: Die Hirtin. Ein weihnachtliches Spiel. CG Nr. 11. 3. Aufl. München 1940, S. 27. Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 9.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
zeigt fünf Bilder. Vor dem ersten liest „hinter der Szene“668 eine Stimme das Gleichnis vom großen Abendmahl (Lukas 14,16–23), am Ende des Spiels liest ein Sprecher (es wird nicht gesagt von welchem Ort aus) dessen Schluss (Lukas 14,21–24). Einen Sprecher, der das Publikum in Vers und Reim anspricht, gibt es nicht. Zu Anfang tritt also gleich die Hauptperson, der Zaungast, auf: „Zaungastglück heißt: vorübergehn; / und solang um die schöne Welt noch ein Zaun paßt, / soll leben der Zaun und sein Bruder Zaungast!“669 Er lädt Schuld auf sich, weil er einem Alten den falschen Weg zum Fest wies und der starb. Am Ende folgt auch der Zaungast der Einladung zum Fest und beendet damit sein vom Vorübergehen geprägtes Leben. Die Figuren sprechen in gebundener Sprache, und zwar im Paarreim. Auch in diesem Stück setzte Goes fast an den Schluss eine Frage und der Knecht fragt den Zaungast „sehr eindringlich“670 : „Kommst Du?“671 In allen drei vorgestellten Stücken von Goes kommt kein Gemeindegesang vor. 3.7.4
Spiele von August Ebert
Auch August Ebert (1902–1963) war ein Pfarrer, der Laienspiele schrieb. Er wurde in Hongkong geboren, sein Vater war Wilhelm Ebert, Prediger der Baseler Mission.672 Von 1917 bis 1921 war August Ebert Seminarist in Maulbronn und Blaubeuren und studierte 1921 bis 1925 evangelische Theologie in Tübingen. Anschließend machte er sein Vikariat in Eberdingen, Pfalzgrafenweiler, Heilbronn und Blaubeuren.673 In die NSDAP trat Ebert im Mai 1933 ein.674 1929 bis 1936 war er Pfarrer in Mittelfischach und 1936 bis 1943 Jugendpfarrer in Ulm (IV. Stadtpfarrstelle am Münster). Er übernahm auch Kriegsstellvertretungen im Ulmer Bezirk. 1943 wurde er Soldat und war von April bis Juli 1945 in amerikanischer Gefangenschaft.675 Anschließend wirkte er als Pfarrer von 1945 bis 1948 in Blaubeuren-Gerhausen und ab 1948 in Ulm an der Dreifaltigkeitskirche, später an der Pauluskirche.676
668 669 670 671 672 673
Goes, Albrecht: Der Zaungast. Ein Evangelienspiel. CG Nr. 63. München 1938, S. 5. Ebd., S. 6. Ebd., S. 51. Ebd. Vgl. Meldung zu der II. theologischen Dienstprüfung, 20.01.1929. LKA Stuttgart, A 327, Nr. 242. Vgl. Personalien von August Ebert an das Ev. Dekanatamt. Blaubeuren, 20.10.1927. LKA Stuttgart, A 327, Nr. 242. 674 Vgl. Stadtpfarrer Ebert an das Ev. Dekanatamt Blaubeuren. Gerhausen, 21.11.1946. LKA Stuttgart, A327, Nr. 242. 675 Vgl. Bewerbung von Ebert an den Ev. Oberkirchenrat Stuttgart. Gerhausen, 28.10.1948. LKA Stuttgart, A327, Nr. 242. 676 Vgl. In Memoriam August Ebert. Ulm 1963. Vorhanden in Württembergischer Landesbibliothek Stuttgart, Sign. 37C/81306.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
Ebert verfasste außer den Laienspielen auch andere Texte, wie zum Beispiel Von der Fahrt 677 (Gedichte) oder Vom Sehen zum Schauen, Bilderandachten vom Ulmer Münster 678 . Zu seinen Spielen: Er schrieb Onesimus (CG Nr. 27), Marcus (CG Nr. 65), Nikodemus (CG Nr. 70), Der Ostermorgen (CG Nr. 80) und Suchet den Herrn, so werdet ihr leben! (CG Nr. 81). Im Folgenden wird Der Ostermorgen genauer vorgestellt, weil es ein Frauenspiel ist, und Suchet den Herrn, so werdet ihr leben, weil es überhaupt das letzte Spiel der Reihe ist, das im ,Dritten Reich‘ noch erschienen ist. Das Spiel Der Ostermorgen wurde 1940 in der Reihe Christliche Gemeindespiele veröffentlicht. Im Vorwort schreibt Ebert, dass er mit diesem Spiel dem immer dringlicher werdenden Ruf nach biblischen Frauenspielen entsprechen möchte. Er erklärt, dass die Gemeinde auf die Aufführung des Spiels von langer Hand vorbereitet werden solle, durch die Erarbeitung des biblischen Stoffes in Gottesdiensten, Bibelstunden, Männer-, Frauen- und Jugendabenden. „Zugleich sollen dabei die zu singenden Lieder […] eingeübt werden […]. Dann wird der Fernstehende auch viel stärker in die singende, betende und bekennende Gemeinde einbezogen, auch wenn er etwa nur aus Schaulust zum Spiele gekommen ist.“679 In der Regieanweisung steht, dass vor dem Spiel die Bekanntmachungen verlesen werden sollen. Die Reihenfolge sieht am Anfang noch vor Beginn des ersten Bildes so aus: • Die Gemeinde erhebt sich und singt Christ lag in Todesbanden680 (Verse 1–3). • Liturg: Ostergruß. Gebet. Verlesung des Osterevangeliums nach Lukas 24,1–11 und Johannes 20,11–18. • Der Chor singt Gelobt sei Gott im höchsten Thron681 . • Liturg: „Nun höret wie aus bangem Leid / erwuchs die selige Osterfreud!“682 In drei Bildern werden die Erlebnisse von Maria von Magdala und weiteren Frauen erzählt. Im ersten Bild bringen sie ihre Enttäuschung und Angst zum Ausdruck, sie beschließen aber trotzdem zum Grab zu gehen. Die Gemeinde erhebt sich und singt
677 Erscheinungsjahr unklar. Die Deutsche Nationalbibliothek gibt 1946 an. 678 Erscheinungsjahr unklar. Die Deutsche Nationalbibliothek gibt 1954 an. 679 Ebert, August: Der Ostermorgen. Ein biblisches Frauenspiel von der Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi. CG Nr. 80. München 1940, S. 3 f. 680 Text: Martin Luther, 1524, teilweise nach der Sequenz „Victimae paschali laudes“ des Wipo von Burgund. Melodie: Martin Luther, 1524. Anlehnung an das Lied Christ ist erstanden. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 207 (Lied 101). 681 Text: Michael Weiße, 1531. Melodie: Melchior Vulpius, 1609. Vgl. ebd., S. 211 (Lied 103). 682 Ebert, August: Der Ostermorgen, S. 8.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
im Wechselgesang mit dem Chor Frühmorgens, da die Sonn aufgeht 683 (Verse 1–4). Im zweiten Bild verkündigen ihnen zwei Boten, dass Jesus auferstanden sei. Am Schluss erhebt sich wieder die Gemeinde und es erklingt im Wechsel mit dem Chor Christ ist erstanden684 . Das dritte Bild erzählt, wie sich alle über die Auferstehung freuen. Sie singen mit dem Chor im Wechsel und schließlich singen die Darsteller, der Chor und die Gemeinde, die sich wieder erhoben hat, gemeinsam nochmals zwei Strophen aus dem Lied Christ lag in Todesbanden. Der Liturg fordert dazu auf, das Glaubensbekenntnis zu sprechen, und danach spricht er den Segen. Die Gemeinde beendet die Liturgie mit Amen, Amen, Amen. Die Figurensprache ist Prosa, nur an einer besonderen Stelle nicht. Die Boten unter sich sprechen in umarmenden Reimen, bis sie sehen, dass die Frauen kommen. Die Verkündigung der Auferstehung ist in Prosa verfasst. Es gibt keinen Sprecher. Suchet den Herrn, so werdet ihr leben! aus dem Jahr 1941 trägt den Untertitel Ein Prophetenspiel und ist das letzte Stück der Reihe im ,Dritten Reich‘. Im Vorwort schreibt Ebert: „Ein Gerichtsbote Gottes wider all das, was wir heute als ‚Jüdisches Wesen‘ bezeichnen, war Amos, der Prophet, der etwa im Jahre 760 v. Christi Geburt dem Nordreich Israel (Zehnstämmereich) unter seinem erfolgreichen König Jerobeam II. den Untergang anzeigte.“685 Diese Sätze möchte Ebert auch vor dem Spiel inhaltlich präsentiert wissen, denn er schreibt am Ende des Vorwortes, dass nach dem Gemeindegesang der Leiter des Abends zur Einführung Worte im Sinne des ersten Abschnitts seines Vorwortes voranstellen und dann zum Spiel überleiten solle.686 Im Vorwort erklärt er auch: Warum graben wir dies alte Geschehen aus und stellen es lebendig vor die Gemeinde? Weil das, was Amos sprach, Gottes Wort ist, d. h. ein Wort, das eben nicht „aus dem Geiste eines versunkenen, uns artfremden Volkes hervorgegangen“, sondern aus der Einigkeit Gottes erklungen ist und darum auch für alle Zeiten gilt in seiner richtenden Macht.687
Hier hebt Ebert also die Gültigkeit des Alten Testaments hervor, erklärt aber zugleich, dass Israel untergegangen sei. Auch viele Alttestamentler versuchten eine
683 Text: Johann Heermann, 1630. Melodie: Erschienen ist der herrlich Tag von Nikolaus Herman, 1560. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 216 (Lied 106) und S. 223 (Lied 111). 684 Text: Bayern/Österreich 12.–15. Jh. Melodie: Salzburg 1160/1433, Tegernsee 15. Jh., Wittenberg 1529. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 204 (Lied 99). 685 Ebert, August: Suchet den Herrn, so werdet ihr leben! Ein Prophetenspiel. CG Nr. 81. München 1941, S. 3. 686 Vgl. ebd., S. 4. 687 Ebd., S. 3.
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bleibende Bedeutung der alttestamentlichen Schriften zu begründen, und zwar anhand der in ihnen zum Ausdruck kommenden besonderen Beziehung zwischen Gott und Volk. Somit wurde den Schriften eine bleibende Gegenwartsbedeutung zugesprochen. Gleichzeitig betonte man jedoch das vermeintliche Versagen Israels.688 Das Stück ist in fünf Bilder unterteilt, jedem sind Bibelstellen vorangestellt. Es gibt keinen Sprecher. Im ersten Bild689 hadert Amos mit Gottes Auftrag, in die Stadt zu gehen und dort zu predigen, im zweiten Bild690 wird er Zeuge eines ungerechten Gerichtsverfahrens gegen eine Witwe. Anschließend verkündet der Prophet den Anwesenden die Gedanken Gottes: Und ich war es doch, der für euch überwältigt Wehrhafte Feinde, stark wie die Eichen, Stolz wie die Zedern! Vom Wipfel zur Wurzel Warf ich sie nieder! Befreit aus Ägypten Führt’ ich euch her und verlieh euch ihr Land. Seher berief ich aus euren Söhnen, Heilige Helden aus mannhafter Jugend. Ihr aber zwanget mit Wein die Geweihten, Und den Propheten verwehrt ihr mein Wort! Nun aber will ich dies Land zertreten, Wie man mit Wagen die Garben zerbricht. Dann soll der Flinke das Fliehen vergessen, Starke sollen sich kraftlos krümmen, […] – so kündet der Herr!691
Die Zuhörer sind erschrocken. Der erste Richter ruft Amos nach: „Wir sind doch Gottes auserwähltes Volk!“692 Im dritten Bild693 hält Amos einen langen Monolog. Mich würgt der Ekel, wenn die vom Segen Gottes sprechen! Dabei trägt ein jeder das Kainszeichen der Unrast an seiner Stirn. Immer noch mehr! Immer noch mehr! So lechzen
688 Vgl. Weber, Cornelia: Altes Testament und völkische Frage. Der biblische Volksbegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft der nationalsozialistischen Zeit, dargestellt am Beispiel von Johannes Hempel. Tübingen 2020, S. 2. 689 Folgende Bibelstellen sind vorangestellt: Amos 7,15; 7,1–9; 3,3–8. 690 Folgende Bibelstellen sind vorangestellt: Amos 5,13; 1,3–5; 1,13–15; 2,1–3; 2,6–16; 3,1–2. 691 Ebert, August: Suchet den Herrn, S. 32 f. 692 Ebd., S. 33. 693 Folgende Bibelstellen sind vorangestellt: Amos 6; 4,1–3; 5,21–24; 4,4–12; 3,12; 9,7.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
sie alle mit gierigen Blicken. – Da sieht man ihre Weiber faul und üppig herumliegen. […] Wahrhaftig, ich sehe vor mir ein Bild: Da liegen sie auch herum in den Dachgärten, aber hilflos und leblos, von Hunger und Seuche zerfressen. Und die ihre Sklaven waren, kommen nun herbei, zerren sie mit Stangen und Misthaken auf den Pestkarren und kippen sie zur Lücke der Stadtmauer hinaus, auf den Abraum hinunter. So hat es der Herr geschworen bei seiner Heiligkeit!694
Der Dorfpriester fragt den Propheten in einem Gespräch: „Amos, Amos! Kann Gott so wüten gegen sein eigenes Volk?“695 Dieser antwortet mit einer Gegenfrage: „Welches Volks darf sich rühmen, sein Volk zu sein, wenn es Gottes Gebote mißachtet?“696 Der Dorfpriester fragt, was bleiben werde, wenn das Unheil kommt. Amos erklärt, dass Gott auch neue Völker schaffen kann, und er verfahre mit ihnen, wie er wolle. Im vierten Bild697 verkündet Amos dem Volk: So spricht der Herr zu den Ungehorsamen, die sein Gebot Verlassen in Handel und Wandel: Ich hasse und verachte eure Feste, eure Feiertage mag ich nicht riechen! Eure Gaben sind mir zu Ekel und Eure Mastopfer seh’ ich nicht an.698
Das Volk will ihn steinigen, aber da kommt der Oberpriester und will ihn im Auftrag des Königs des Landes verweisen. Amos spricht wieder eine Vision aus: Darum, so spricht der Herr: Dein Weib wird in der Stadt zur Dirne gemacht! Deine Söhne und Töchter fallen durchs Schwert! Dein Boden und Grund wird als Beute verteilt! Du selbst wirst in fremder Erde verscharrt! (Im Abgehen, gewaltig rufend) Und das Volk wird gewiß aus dem Lande vertrieben!699
694 695 696 697 698 699
Ebert, August: Suchet den Herrn, S. 36. Ebd., S. 43. Ebd. Folgende Bibelstellen werden genannt: Amos 5,1–24; 7,10–17. Ebert, August: Suchet den Herrn, S. 55. Ebd., S. 58.
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Der Oberpriester verweist Amos des Landes und befiehlt, das Volk solle die Störung vergessen. Im fünften Bild700 fragt der Dorfpriester, ob Gottes Zorn gar nicht mehr abzuwenden sei. Amos antwortet, was Gottes Wille sei: Und er sprach: Ich schlage sie alle aufs Haupt und töte, was lebt, mit dem Schwert. Soll keiner entfliehen, soll niemand sich retten!701
Am Ende des Spiels zieht der Prophet mit Frau und Sohn aus dem Land. Die Figurensprache ist in Prosa verfasst, aber wenn Amos den Willen Gottes verkündet, ist der Text in Versform gesetzt. Gemeindesang steht nicht im Spieltext, im Vorwort gibt Ebert aber den Hinweis, dass zu Beginn und am Ende gesungen werden soll, und zwar vor der Ansprache des Leiters aus dem Lied O Gott, du frommer Gott 702 die ersten drei Strophen und nach dem Spiel Strophen aus Wach auf, wach auf, du deutsches Land. Dieses Stück erschien – wie bereits erwähnt – im Jahr 1941 und somit kurz vor den Beschlüssen der Wannseekonferenz im Januar 1942, durch die nicht länger die Auswanderung der Juden, sondern ihre Ausrottung das Ziel der nationalsozialistischen Rassenpolitik wurde.703 Dass in dieser Zeit Formulierungen wie: „Soll keiner entfliehen, / soll niemand sich retten!“704 aus Amos 9,1 auf der Laienspielbühne ertönten, offenbart eine dunkle Seite des evangelischen Laienspiels, die den Antijudaismus verbreitete und Judenfeindschaft verstärkte. 1946 informierte August Ebert in einem Schreiben das Evangelische Dekanatamt Blaubeuren, dass ihn die Spruchkammer Ulm-Land als Mitläufer eingestuft habe. Zu meiner Entlastung wird aufgeführt meine Mitgliedschaft beim Pfarrernotbund als Vertrauensmann und Bezirkskurier, meine Laienspielarbeit, meine Parteigerichtsverfahren in Gaildorf. Zu meiner Beurteilung dient ferner die Begutachtung seitens der Kreisleitung Ulm: „… ist wohl für die Idee des Führers eingenommen, geht jedoch mit der NS-Weltanschauung nicht ganz einig“. Zu meiner Belastung wird angeführt, daß
700 Folgende Bibelstellen werden genannt: Amos 9,1–4; 8,11–12; 5,6; Psalm 121,5–8. 701 Ebert, August: Suchet den Herrn, S. 61. 702 Text: Johann Heermann, 1630. Erste Melodie: Braunschweig, 1648. Zweite Melodie: Regensburg, 1675, Meiningen, 1693. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 870 (Lied 495). 703 Vgl. Hermle, Siegfried: Evangelische Kirche und Judentum – Stationen nach 1945. Göttingen 1990, S. 35. 704 Ebert, August: Suchet den Herrn, S. 61.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
ich „keine wirklichen Nachteile“ erlitten habe, durch welche eine Belastung durch die Mitgliedschaft ausgeglichen würde.705
In dem Bescheid der Spruchkammer Ulm-Land vom 12. Oktober 1946 heißt es zur Laienspielarbeit von Ebert: Durch von ihm verfasste und auch zur Aufführung gebrachte Laienspiele aus der biblischen Geschichte, z. B. ein „Nikodemus“-Spiel, ein alttestamentarisches Spiel „Amos“ [sic!] unterstützte der Betroffene den Kampf der Bekenntniskirche gegen die anti-kirchlichen und a-religiösen Strömungen der verschiedensten nationalsozialistischen Prägungen.706
Bei dem hier genannten Spiel Amos handelte es sich sehr wahrscheinlich um Suchet den Herrn, so werdet ihr leben!, denn Ebert veröffentlichte keines unter dem Titel Amos.707 Es wirkt skurril, dass gerade auch die Nennung dieses Stücks dazu führte, dass Ebert entlastet und als Mitläufer eingestuft wurde. 3.7.5
Das Zeugnis! von Fritz Pein
Über Fritz Pein, den Autor von Das Zeugnis!, ist nichts bekannt, vielleicht handelt es sich um ein Pseudonym. Das Stück erschien 1936, eine zweite Auflage bereits 1939. Im Gesamtverzeichnis wird es in der Kategorie „Konfirmations-Spiele“ mit einer Spieldauer von 30 Minuten aufgeführt.708 Pein widmete es „der Kampfschar Hutten zur segensvollen Arbeit“709 und erklärte im Vorwort: Als vor Jahren organisierte Gottlosenverbände die sittlichen und religiösen Grundlagen des Volkes zu zerstören drohten und das Heiligste durch den Schmutz zogen, tat sich eine Schar junger Männer unter dem Namen „Kampfschar Hutten“ zusammen. Sie zog im Ringen um die deutsche Seele, aus der Not um die reine Lehre des Evangeliums an Jesus Christus, in den Kampf gegen die Gottlosigkeit. Die Schar wirkt seitdem in den Kirchen und Sälen der Gemeinden Mitteldeutschlands durch Wort, Gesang, Musik und
705 Stadtpfarrer Ebert an das Ev. Dekanatamt Blaubeuren. Gerhausen, 21.11.1946. LKA Stuttgart, A327, Nr. 242. 706 Die Spruchkammer Ulm-Land, Ulm, Vorsitzender Dr. Fuchs, Ulm, 12.10.1946. LKA Stuttgart, A327, Nr. 242. 707 Vgl. In Memoriam August Ebert. 1963. Vorhanden in Württembergischer Landesbibliothek Stuttgart, Sign. 37C/81306. 708 Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 10. 709 Pein, Fritz: Das Zeugnis! Ein kirchliches Laienspiel von den Aposteln Petrus und Johannes. München 1936, o. S. Die Widmung ist auch in der zweiten Auflage von 1939 aufgeführt.
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das Laienspiel „Der Herold“. […] Im Spiel kam es der Kampfschar darauf an, nicht als Schauspieler, sondern als Zeuge aufzutreten. Der Bußruf Johannes des Täufers im Herold eignet sich dazu zwar sehr gut, trifft aber nicht das Zentrale der Heiligen Schrift.710
So schrieb Pein Das Zeugnis!, um der Kampfschar das rechte Spiel zu bieten. Die Schrift Unser Kampf 1933 von Walter Jähnke, dem „Führer der Kampfschar Hutten“711 , verfasst, gibt Auskunft darüber, was diese Schar ausmachte. Diese Gruppierung stellte sich in den Dienst der Reichsleitung der Glaubensbewegung Deutsche Christen. Jähnke erklärt: „Unser Kampf gilt jeder Gottlosenbewegung! […] Wir sind mit Leib und Seele und mit allem, was wir haben, Nationalsozialisten. Wir lieben unseren Führer.“712 Den Mittelpunkt ihres Laienspielabends bildete regelmäßig das Spiel Der Herold von Otto Bruder.713 Augenscheinlich wussten die Deutschen Christen nicht, dass sie damit regelmäßig ein Stück von Otto Salomon aufführten. Im Kapitel „Aus der Praxis“ wird die Arbeitsweise der Schar genauer vorgestellt. Pein muss um diese Hintergründe gewusst haben und schrieb für sie Das Zeugnis! Das Spiel wird durch einen „Vorspruch“ eröffnet, in dem es heißt: „Denn seht, Gott tat uns vertrauen, / daß wir an seinem Reich mit bauen / nach seinem Wort und Willen nur, / das Heil zu bringen aller Kreatur.“714 Ein „Lahmer“ freut sich über seine Heilung und berichtet darüber der „Kumpanei“. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Pein vorweg den Hinweis gab, dass diese „nach Belieben“715 in einzelne Sprecher, Männer und Frauen aufgeteilt werden könne, und sie können in Kirchen zwischendurch auf einer Bank sitzen oder sonst während des ganzen Spiels zu beiden Seiten oder im Halbkreis stehen. Der Lahme erklärt, dass ihn zwei Jünger von Jesus Christus geheilt hätten. Die Kumpanei will wissen, wer das war, und stellt dann Johannes und Petrus zur Rede. Sie ist beeindruckt von der Rede des Petrus und fragt: „Brüder, ihr wißt es, was soll wir nun / zu unsrer Hilfe und Besserung tun?!“716 Petrus erklärt, dass sie an Jesus Christus glauben sollen und spricht mit Johannes gemeinsam: „Er ist die Auferstehung und das Leben!“717 Die Kumpanei zieht ab, es erscheinen Priester, die den Aposteln verbieten zu predigen und sie von einem Kriegsknecht für eine Nacht verhaften lassen. Dieser
710 Pein, Fritz: Das Zeugnis! CG Nr. 28. 2. Aufl. München 1939, o. S. 711 Jähnke, Walter: Unser Kampf. Kampfschar Hutten der Reichsleitung der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“. Weissenfels 1933, o. S. 712 Ebd., S. 5. 713 Vgl. ebd., S. 17. 714 Pein, Fritz: Das Zeugnis! CG Nr. 28. 2. Aufl. München 1939, S. 6 f. 715 Ebd., o. S. 716 Ebd., S. 12. 717 Ebd., S. 13.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
kommentiert: „Also wieder Streit und Aufruhr unter Frommen.“718 Die Priester lassen sich vom Lahmen berichten, wie er geheilt wurde, und erklären, dies sei Satanszauberei. Die Apostel lassen sich aber nicht abhalten und predigen weiter. Die Kumpanei bekennt „gemeinsam“: Wir haben alle heut erkannt, daß ihr von Gott dem Herrn gesandt; haben euern Ruf vernommen und wollen im Glauben zu ihm kommen. Wir beugen uns vorm Herrn der Welt, der uns im Staub aufrechterhält.719
Die Gemeinde singt zum Abschluss die sechste Strophe von Mir nach! Spricht Christus unser Held 720 und es erklingt: So laßt uns denn dem lieben Herrn mit Leib und Seel nachgehen und wohlgemut, getrost und gern bei ihm im Leiden stehen; denn wer nicht kämpft, trägt auch die Kron des ewgen Lebens nicht davon.721
Wie im Spiel Der Herold von Otto Bruder tritt eine Kumpanei auf, und die Figurensprache ist in gebundener Form verfasst. Dadurch und auch durch das teilweise chorische Sprechen wirkt auch Das Zeugnis! feierlich und der Alltagswelt entrückt. Spiele wie Der Ruf von Klapproth oder Die Roggenfuhre von Goes waren in der Reihe Christliche Gemeindespiele zu erwarten. Die Widmung an die deutsch-christliche Kampfschar Hutten durch Pein ist hingegen unverständlich, setzte sich der Christian Kaiser Verlag doch für die Bekennende Kirche ein. Die Umstände, wie es zur Widmung kam, bleiben hier im Dunkeln.
718 Ebd., S. 15. 719 Ebd., S. 26. 720 Text: Johann Scheffler, 1668. Melodie: Bartholomäus Gesius, 1605 / Johann Hermann Schein, 1628. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 702 (Lied 385) und S. 922 (Lied 525). 721 Pein, Fritz: Das Zeugnis! CG Nr. 28. 2. Aufl. München 1939, S. 29.
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3.7.6
Spiele von Gerhard Fritzsche
Zahlreiche Liedtexte von ihm sind bekannt, aber über ihn selbst gibt es kaum Informationen. Martin Gerhard Fritzsche wurde 1911 in Dittmannsdorf in Sachsen geboren. Er lebte als Kaufmann in seinem Heimatsort722 und war ab 1936 Jugendwart im Kirchenkreis Kamenz723 . Er fiel vermutlich 1944 in Rumänien. Unter anderem schrieb Fritzsche Schwert und Kelle. Geistliche Lieder und Gedichte.724 Der Kirchenmusiker Johannes Petzold (1912–1985) war mit ihm befreundet und hat zahlreiche Texte von ihm vertont, wie Gelobt sei deine Treu, die jeden Morgen neu.725 Und Theophil Rothenberg (1912–2004) vertonte Fritzsches bekanntes Lied Alles ist eitel, du aber bleibst 726 . Folgende Laienspiele erschienen von ihm in der Reihe Christliche Gemeindespiele: Christ ist erstanden (CG Nr. 32, musikalische Bearbeitung von Theophil Rothenberg), Ein Spiel von der Kirche (CG Nr. 36, musikalische Bearbeitung von Theophil Rothenberg), Der Tag des Herrn (CG Nr. 42), Der Gotteskläger (CG Nr. 58) sowie Der junge Luther (CG Nr. 60). Die beiden letztgenannten Spiele sollen ausführlicher vorgestellt werden, Der Gotteskläger, weil es 1946 in einem Bericht als eines der besten und eindrucksvollsten Spiele gelobt wurde727 , und Der junge Luther, um zu erfahren, wie der Dichter Fritzsche den Reformator darstellt. Das Spiel Der Gotteskläger erschien 1938 im Christian Kaiser Verlag. Im Gesamtverzeichnis von 1939 wird das Stück als CG Nr. 58 in der Kategorie „ErntedankfestSpiele“ aufgeführt, es hat eine Spieldauer von etwa 30 Minuten.728 Im Vorwort formulierte Fritzsche 1937: „Wir sind nicht gerufen zum Fragen und Zweifeln, wir sind vielmehr aufgerufen, dem ewigen und heiligen Gott zu glauben und zu gehorchen. Darin wächst und bewährt sich der Christenmensch.“729 Das Spiel be-
722 Vgl. Bender, Helmut: Fritzsche, (Martin) Gerhard. In: Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 5. 3. Aufl. Bern 1978, Sp. 802. 723 Vgl. https://www.johannes-petzold.de/quellen/34-dichter/1235-gerhard-fritzsche.html, zuletzt abgerufen am 01.08.2020 724 Vgl. Bender, Helmut: Fritzsche, Sp. 802. 725 Vgl. https://www.johannes-petzold.de/quellen/34-dichter/1235-gerhard-fritzsche.html, zuletzt abgerufen am 01.08.2020 726 Text: Gerhard Fritzsche, 1942. Melodie: Theophil Rothenberg, 1942. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausg. für die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Lippische Landeskirche in Gemeinschaft mit der Evangelisch-reformierten Kirche. Gütersloh 1996, o. S. (Lied 647). 727 Vgl. Gaebelein, Wolfgang: Bericht einer Studentengemeinde. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 2, Kassel, 04.02.1947. BU 0005/153. 728 Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 11. 729 Fritzsche, Gerhard: Der Gotteskläger. Ein Spiel um das tägliche Brot. [CG Nr. 58]. München 1938, o. S.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
ginnt direkt und wird nicht vom Auftritt eines Sprechers eröffnet und eingerahmt. Ein Bauer und seine Familie stellen fest, dass die Ernte vernichtet ist. Der Bauer klagt Gott an. Die Jahre vergehen und die Not bleibt. Weil der Bauer Gott weiter anklagt, erklärt ihm der Knecht: „Wer vor Gott als ein Fordernder tritt, / fällt in die Tiefe: Jeder Schritt / führt ihn in die Fremde hinein. / Du bist wie ein fallender, schwerer Stein.“730 Hiob trifft den Bauern und erzählt ihm seine Geschichte. Der Bauer erkennt seine Sünde: Gott hab ich Tag und Nacht geflucht, im Zorn hab ich Sein Antlitz gesucht, hab ihn verjagt, Seinen Sohn wollt ich stürzen vom ewigen Thron. Mein Recht wollte ich – doch das ist ein Spott! Nicht ich bin Kläger – Kläger ist Gott.731
Der Bauer beendet das Spiel mit einem Gebet: „Unser täglich Brot gib uns heute.“732 Es gibt keinen Gemeindegesang. Die Figurenrede ist gebunden und im Paarreim verfasst. Das Spiel Der junge Luther erschien ebenfalls 1938 im Christian Kaiser Verlag. Es wurde – wenig überraschend – im Gesamtverzeichnis der Kategorie „ReformationsSpiele“ (CG Nr. 60) zugeordnet und eine Spieldauer von etwa 45 Minuten angegeben.733 Fritzsche erklärt im Vorwort, dass im Spiel die entscheidenden Jahre der Entwicklung Luthers vom Eintritt ins Kloster bis hin zum Thesenanschlag für die christliche Gemeinde als Laienspiel gestaltet ist.734 Das Spiel hat zwei Teile. Am Anfang singt die Gemeinde die fünf Strophen des Lutherliedes Aus tiefer Not schrei ich zu dir. Die seelischen Nöte Luthers werden im ersten Teil deutlich. Er kann keinen Frieden finden, weil er einen gnädigen Gott sucht. Von seiner Verzweiflung berichtet er auch Staupitz. Am Anfang des zweiten Teils singt die Gemeinde alle zehn Strophen des Lutherliedes Nun freut euch, lieben Christen g’mein. Luthers Erkenntnisse werden in einem Monolog deutlich: „Dann heißt Gnade nicht mehr durch gute Werke versöhnen müssen. / Und Gott ist Barmherzigkeit, Liebe, Vater!“735 Er berichtet zwei Mönchen, dass Gott ihm begegnet sei in seinem Wort. Tetzel erscheint und wendet sich an das Volk: „Ihr könnt euch so viel Ablaß kaufen,
730 731 732 733 734 735
Ebd. S. 14. Ebd., S. 27 f. Ebd., S. 28. Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 10. Vgl. Fritzsche, Gerhard: Der junge Luther. CG Nr. 60. München 1938, o. S. Ebd., S. 22.
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/ so viel ihr Geld im Beutel habt. / Auch eure Toten löst das Geld.“736 Staupitz sieht Luthers Weg vor sich, und Luther will, dass sein „Vater“ mitkomme, aber Staupitz kann nicht. Am Schluss spricht Luther vor Studenten auf einer „oberen Bühne“737 : So hab ich’s geschrieben. Herr, in Deinem Namen. Dein Wort muß auf den Plan. Und wo Dein Wort ficht, da kämpft vergebens der Widerchrist! An das Tor Deutschlands will ich diese Sätze schlagen, daß es aufspringt und das Licht des neuen Tages über die Schwelle flute!738
Die Regieanweisung lautet: „Luther geht entschlossen ab, kurz darauf Hammerschläge. Die Studenten stürmen nach oben Luther nach, während des ganzen Geschehens anschwellende Akkorde, die zum Choral überleiten.“739 Die Gemeinde singt am Ende das Lutherlied Erhalt uns, Herr, bei Deinem Wort. Die Sprache ist teilweise in Versform gesetzt, aber nicht gebunden. Es tritt kein Sprecher auf. Im Gegensatz zu Otto Bruders Luther der Kämpfer, in dem über Erleben und Wirken des Reformators nur gesprochen wurde, stellt Fritzsche die Entwicklungen durch Handlung dar. Der Schluss klingt pathetisch, wenn auch nicht in gleichem Maße wie bei Bruder, wenn Luther die Sätze „an das Tor Deutschlands“740 schlagen will. 3.7.7
Die drei Männer im Feuerofen von Karl-Heinz Meyer
Wie Der Ruf zählte Aurel von Jüchen auch Die drei Männer im Feuerofen (CG Nr. 45) zu den meistgespielten Stücken.741 Es wurde zunächst 1938 als Biblisches Laienspiel im Jungenwacht-Verlag veröffentlicht und wurde 1939 ein Christliches Gemeindespiel.742 Der Verfasser Karl-Heinz Meyer (1909–1971) lebte in Stettin und
736 737 738 739 740 741
Ebd., S. 26. Ebd., S. 31. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. Jüchen, Aurel von: Das geistliche Spiel in der Gegenwart. In: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst. 45 (1940), S. 189–193, hier: S. 193. 742 Auf der Vorderseite von Die Drei Männer im Feuerofen (1939) steht Christliche Gemeindespiele Nr. 45, und es wird der Christian Kaiser Verlag angegeben; auf der ersten Seite steht Biblische Laienspiele Heft 5, und es wird der Jungenwacht-Verlag Wesermünde-Lehe angegeben. Die Biblischen Laienspiele wurden also umetikettiert. Die Reihe – vermutlich fünf Spiele – erschien 1938.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Oldenburg743 , wo er als Redakteur arbeitete. 1939 erschien von ihm in der Reihe auch Berufung 744 (CG Nr. 44), im Brockhaus Verlag veröffentlichte er das Spiel Der verlorene Sohn (o. J., vermutlich 1941). Meyer schrieb während des ,Dritten Reichs‘ auch Gedichte und Lieder. In der Nachkriegszeit wurde er Schriftleiter der Zeitschrift Jungenwacht. Im ,Dritten Reich‘ war sie das verbindende Organ evangelischer Jugendgruppen. Der Bund Deutscher Bibelkreise hatte sich dem staatlich angeordneten Übergang in die Hitlerjugend am 6. Februar 1934 durch die Entlassung der Jungenschaft aus dem Bund entzogen. Durch die Zeitschrift Jungenwacht konnten die Kreise weiter erreicht werden745 , und es bildeten sich Jungenwachtkreise746 . Der Jungenwacht-Verlag, der die Ziele der Bekennenden Kirche unterstützte, wurde 1938 verboten.747 Karl-Heinz Meyer verfasste auch das Lied der bekennenden Jugend, das seine Leidenschaft zum Ausdruck bringt: Wir sind ein kleines trutzig Heer, die Letzten von den Allerletzten, uns lockt kein heller Hornruf mehr, kein dumpfes Trommeln der Gehetzten. Wir ziehen stumm durchs weite Land und suchen, werben will’ge Hände, der Kampf, der einmal war entbrannt, er ist noch lange nicht zu Ende. Drum schlagen zäh wir uns voran, und lauter ruft das heiße Werben, wir ringen hart um jeden Mann, daß er die Krone mög’ erwerben.
743 Vgl. Müller, Reinhard: Meyer, Karl-Heinz. In: Deutsches Literatur-Lexikon, Bd. 10. Hrsg. von Heinz Rupp und Carl Ludwig Lang. Bern 1986, Spalte 986. 744 Das Heft enthält einen Text für einen Sprechchor (Jeremia) und ein Spiel (Jona). Auch Berufung erschien bereits 1938 als Biblisches Laienspiel im Jungenwacht-Verlag. 745 Vgl. Hubatsch, Walther: Kurzchronik. In: Kindt, Werner (Hrsg.): Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bündische Zeit. Quellenschriften. Düsseldorf 1974, S. 521–522, hier: S. 522. 746 Vgl. Rendtorff, Rolf: Kontinuität im Widerspruch. Autobiographische Reflexionen. Göttingen 2007, S. 27. Und: Vgl. Brandenburg, Hans-Christian: Berliner Jungenwacht-Kreise im Dritten Reich. Berliner b.k. nachrichten 34 (1991), Nr. 4, S. 5. 747 Vgl. ebd., S. 23.
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Wir sind ein kleines trutzig Heer, verloren, wie die Menschen sagen, und dennoch zieh’n wir hin und her für den, der an das Kreuz geschlagen.748
Im Gesamtverzeichnis von 1939 wird das Stück Die drei Männer im Feuerofen unter der Kategorie „Konfirmations-Spiele“ mit einer Spieldauer von 30 Minuten aufgeführt.749 Meyer stellte dem Stück den Hinweis voran, dass die handelnden Personen jeweils aus dem Halbkreis in den Spielraum treten. Nach Beendigung ihres Auftritts kehren sie wieder in den Halbkreis zurück. Das Stück ist in drei Teile gegliedert. Zu Beginn singt die „Spielgemeinde“ die erste Strophe des Liedes Ist Gott für mich, so trete / gleich alles wider mich750 . Außerdem singt sie am Ende des ersten und des zweiten Teils. Im ersten Teil erklärt ein Sprecher, dass König Nebukadnezar ein goldenes Bild anfertigen ließ, und der Herold verkündet danach, dass es angebetet werden solle. Drei Ankläger reden darüber, dass drei Diener, denen der König ein hohes Amt gegeben hatte, sich weigerten das Bild des Königs anzubeten, und sie beschließen, dies Nebukadnezar zu melden. Am Ende des ersten Teils singt die Spielgemeinde Getreue Führer gib uns Gott 751 . Im zweiten Teil erfährt der König von den Ereignissen und stellt Hananja, Misael und Asarja zur Rede. Sie bleiben aber aufgrund ihres Glaubens bei ihrer Entscheidung und glauben, dass Gott sie vor dem Feuertod erretten würde. Der König ist erbost. Nebukadnezar: Genug, Ihr Elenden, es sei, Ihr sollt im Feuerofen brennen! Dort könnt Ihr meinen Mächten nicht entgehen. Heizet den Ofen! Zündet ihn schleunigst an! […] Ich will sie brennen sehen, brennen, brennen!752
748 Zitiert nach ebd., S. 5. 749 Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 9. 750 Text: Paul Gerhardt, 1653. Melodie: England um 1590, geistlich Augsburg 1609. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 644 (Lied 351). 751 Otto Riethmüller 1932 nach Böhmische Brüder 1531. Vgl. Biermann, Matthias: Das Kirchenlied, S. 363. 752 Meyer, Karl-Heinz: Die drei Männer im Feuerofen. CG Nr. 45. München 1939, S. 9.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Am Schluss des zweiten Teils erklingt durch die Spielgemeinde die zweite Strophe von Mitten wir im Leben sind 753 . Der dritte Teil wird durch den Chor eröffnet, der vermutlich spricht; es findet sich keine Regieanweisung dazu: „Schon ist entfacht das Feuer in dem Ofen / Und gier’ge Flammen lechzen lodernd auf.“754 Die Ankläger berichten, was passiert: 2. Ankläger: Nun steigen die Verlorenen empor, der letzte Gang, der ihnen hier verblieben, das letzte Atmen vor dem bitt’ren Sterben, der letzte Augengruß an diese Welt, dann sind sie ausgelöscht von dieser Erde.755
Etwas später spricht der Chor: „Sie werden brennen, ach, wir warten drauf. / Werft sie hinein, die Männer, in die Glut!“756 Im Feuer sprechen die drei Männer miteinander und beten: Hananja: Nun sind wir umgeben von Feuersglut und stehen zagend mitten in den Flammen, entfacht, geschürt, von arger Menschen Wut – da legen uns’re Hände wir zusammen. Misael: Wir loben Dich, Du uns’rer Väter Gott.757
Asarja betet um Erbarmen, und dann sprechen sie gemeinsam: Drei Männer rufen aus dem Flammenmeer: Wir loben, preisen Dich, bis zum Verderben und ist für uns auch keine Rettung mehr, so sei denn unser höchstes Lob das Sterben.758
753 Text der zweiten Strophe: Martin Luther, 1524. Melodie: Salzburg 1456; Johann Walter, 1524. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 911 (Lied 518). 754 Meyer, Karl-Heinz: Die drei Männer im Feuerofen, S. 11. 755 Ebd. 756 Ebd. 757 Ebd., S. 12. 758 Ebd., S. 13.
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Und auf einmal staunt Nebukadnezar, als er vier Männer im Ofen erkennt. Er beschreibt: „Ich träume nicht, nein, nein, es sind jetzt vier, / sie wandeln unversehrt im heißen Feuer, / es hat ihn’ keinen Schaden zugefügt.“759 Eine Stimme erklingt: „Fürchte Dich nicht, denn ich habe Dich erlöst; […] und so Du ins Feuer gehst, sollst Du nicht brennen und die Flamme soll Dich nicht versengen; denn ich bin der Herr, Dein Gott, der Heilige, Dein Heiland.“760 Hierbei handelt es sich um Jesaja 43,1–3, was aber nicht kenntlich gemacht wird. Der König bittet die drei Männer, aus dem Ofen zu kommen. Der Chor beschreibt, dass die Männer unversehrt aus dem Flammenmeer hinaustreten. Nebukadnezar erkennt, dass ein Engel bei ihnen war, und die drei Männer loben Gott. Der Sprecher berichtet, dass der König den Dreien „große Gewalt“ im Land gab und erklärt: „Wir glauben, daß Christus in den Feuerofen der Welt hinabgestiegen und, den Tod überwindend, auferstanden ist und steht da in Herrlichkeit.“761 Die Spielgemeinde schließt mit den Worten: „Jesus Christus, gestern und heute, und derselbe / auch in Ewigkeit!“762 (Hebräer 13,8, im Text nicht gekennzeichnet). Die Sprache ist überwiegend in Versform gesetzt, aber nicht durchgehend gebunden. Der Sprecher formuliert seine Rede in Prosa. Auffällig ist, dass die drei Männer nur im Feuerofen in gebundener Sprache sprechen sowie am Ende, wenn sie Gott loben. Somit wird ihr Glaube durch den Reim von ihrer brutalen Situation abgesetzt. Um die Geschehnisse im Feuer den Zuschauern zu verdeutlichen, setzte Meyer das Stilmittel der Teichoskopie ein. Im Spiel müssen drei Juden in einen Feuerofen gehen, aber sie werden gerettet. Dass diese Thematik eine besondere Wirkung gehabt haben muss, ist evident. Der Theologe Rolf Rendtorff (1925–2014) berichtete, dass Laienspiele in der WartburgGemeinde eine große Rolle spielten und sie im Rahmen ihrer Jungenwacht-Gruppe neben anderen Spielen auch Die drei Männer im Feuerofen aufgeführt hätten. Rendtorff nennt es ein „ausgesprochen politisches“763 Stück. Es sei für sie immer ein dramatischer Moment gewesen, wenn der König schrie, dass die Elenden im Feuerofen brennen sollten.764 Im Grunde muss man sich wundern, dass man uns damit so lange hat gewähren lassen, denn die Opposition gegen die „Obrigkeit“ war ja hier mit Händen zu greifen. Allerdings hat es dann doch einen politischen Konflikt gegeben. Wir waren mit diesem Spiel zu einer
759 760 761 762 763
Ebd. Ebd., S. 13 f. Ebd., S. 16. Ebd. Rendtorff, Rolf: Kontinuität im Widerspruch. Autobiographische Reflexionen. Göttingen 2007, S. 28. 764 Vgl. ebd., S. 28.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Fahrt von Gemeinden außerhalb Pommerns in Sachsen aufgebrochen. Nach wenigen Tagen wurden wir in Leipzig von Gestapo-Beamten an der Weiterfahrt gehindert und zur Rückfahrt gezwungen.765
Eine Spielfahrt, die von der Gestapo abgebrochen wurde, erwähnt 1947 auch KarlHeinz Meyer in einer Rundsendung der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“, die an Spielberatungsstellen und auch an den Christian Kaiser Verlag verschickt wurde. Meyer berichtet von einer „pommerschen Spielgemeinde“766 in den Jahren 1935–1942. Dies war ein „evangelischer Jungenkreis, der, auf Bibelarbeit und christliche Unterweisung beschränkt, zu einer festen Gemeinschaft zusammengewachsen war“767 . Auch das Laienspiel wurde aufgegriffen, und man führte Stücke „in der schönen Kreuzkirche in Stettin“768 und in Nachbargemeinden auf. „Und schließlich zog man auf Spielfahrt in die Provinz und begeisterte andere Jungenkreise für diese Aufgabe. Eine Gruppe drang mit Hilfe eines Omnibusses bis Mitteldeutschland vor, wo die Gestapo der Fahrt ein Ende bereitete.“769 Es könnte sein, dass die Gruppe, von der Meyer erzählt – er scheint nicht selbst gespielt zu haben – die Spielgruppe Rendtorffs war, denn die Wartburg-Gemeinde, von der Rendtorff schrieb, gehörte zu Stettin. Meyer berichtet über die Spieler: „Wie oft ist von ihnen bekannt geworden, daß jene einmal gelernten und vor vielen Menschen gesprochenen Worte ihnen selbst Trost in dunklen Stunden des Krieges, im KZ und in der Gefangenschaft bedeutet haben.“770 3.7.8
Schuldner von Georg Rendl
Der österreichische Schriftsteller und Maler Georg Rendl (1903–1972) verfasste auch Laienspiele. In der Reihe Christliche Gemeindespiele erschienen von ihm drei Evangelienspiele: Vor der Ernte771 (CG Nr. 33), Der Säemann772 (CG Nr. 39) und Schuldner 773 (CG Nr. 51). Einige frühe Werke des katholischen Schriftstellers seien hier genannt. 1931 war bereits sein Bienenroman erschienen, 1932 der Roman 765 Ebd., S. 28 f. 766 Meyer, Karl-Heinz: Aus den Erfahrungen einer Spielgemeinde. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 2, Kassel, 04.02.1947. BU 0005/153. Dieser Bericht wurde auch teilweise abgedruckt in: Kabitz, Ulrich/Simon, Werner (Hrsg.): Bericht vom Spiel. Ein Werkbuch. München 1959, S. 152 f. In dem Buch wurden zum Bericht keine Quellen angegeben. 767 Meyer, Karl-Heinz: Aus den Erfahrungen einer Spielgemeinde. 768 Ebd. 769 Ebd. 770 Ebd. 771 1934 als ML H. 100 erschienen. 772 1934 als ML H. 101 erschienen. 773 1933 als ML H. 93 erschienen.
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Vor den Fenstern und 1934 der Roman Der Berufene.774 Sein Schauspiel Elisabeth, Kaiserin von Österreich wurde 1937 am Volkstheater in Wien uraufgeführt.775 Ab 1938 bis zu seinem Tod lebte Georg Rendl in St. Georgen bei Salzburg. 1941 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Rendl, der von seinem Vater die Bienenzucht erlernt hatte, wandte sich in den 60er Jahren wieder zunehmend der Imkerei zu.776 Das Evangelienspiel Schuldner ist im Gesamtverzeichnis von 1939 in der Kategorie „Gemeindeabend-Spiele“ aufgeführt und hat eine Spieldauer von etwa einer Stunde.777 Am Anfang liest ein Sprecher das Gleichnis vom Schalksknecht (Matthäus 18,21–29) vor, wobei das Ende des Gleichnisses noch nicht vorgetragen wird, sondern die Textlesung damit endet, dass der Knecht, dem die Schuld erlassen worden war, einen Mitknecht trifft, der ihm Geld schuldet. Im Spiel ist „ein Mann“ verzweifelt, weil er seine Schulden nicht zurückzahlen kann und der Zahltag gekommen ist. Vor seiner Frau und seiner Tochter malt er sich die Szene dramatisch aus: Der Mann: Und er wird fragen: „Hast du das Geld?“ Was muß ich darauf sagen? (schreiend) „Nein, ich habe es nicht, es liegt fest. Das Geld hab ich nicht, Herr.“ (heiser) Und dann wird er sagen: „Dein Haus, dein Vieh, dein Grund und Boden gehört mir.“778
Er erklärt, dass sie den Hof sicherlich verlassen müssen. Der Vater geht los, Mutter und Tochter bleiben hoffend zurück. Simon, der dem Bauern Geld schuldet, kommt zu den Frauen und erzählt von Verlusten und will mit dem Bauern sprechen. Die Frauen beruhigen ihn, es werde schon einen Ausweg geben. Bevor Simon wieder geht, bittet er sie, beim Bauern ein gutes Wort für ihn einzulegen. Dieser kommt nach Hause und berichtet, dass ihm die Schuld erlassen worden sei. Die Frauen ergreifen Partei für Simon und erklären, dass er es nicht leicht hatte. Als Simon kommt und sein Problem gesteht, fordert der Bauer das Geld trotzdem ein und würgt ihn. In dem Moment friert das Bild ein, und das Spiel ist zu Ende. Der Sprecher liest den Schluss von Jesu Gleichnis vor, und man erfährt, dass der Herr den Schalksknecht den Peinigern überließ, „bis dass er bezahlt hätte, was er ihm schuldig war. Also wird euch mein himmlischer Vater auch tun, wenn ihr nicht vergebet jeder seinem Bruder“.779
774 Vgl. Oman, Hiltrud: Rendl, Georg. In: BBKL, Bd. XXXIV. Hrsg. von Traugott Bautz. Nordhausen 2013, Sp. 1216–1220. 775 Vgl. http://www.literaturnetz.at/salzburg/andere_60/Rendl_Georg_896.html, zuletzt abgerufen am 12.08.2020 776 Vgl. Oman, Hiltrud: Rendl, Georg. 777 Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 13. 778 Rendl, Georg: Schuldner. CG Nr. 51. 3. Aufl. München 1941, S. 7. 779 Ebd., S. 36.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Wie in Schuldner ist auch in Rendls anderen beiden Evangelienspielen Vor der Ernte und Der Säemann die Figurensprache Prosa, und es erklingt kein Gemeindegesang. 3.7.9
Wachet auf! von Erich Freudenstein
Von dem Pfarrer Erich Freudenstein stammt in den Christlichen Gemeindespielen das Stück Wachet auf! (1938). Im Gesamtverzeichnis von 1939 wird es unter „Gemeindeabend-Spiele“ mit einer Spieldauer von etwa einer Stunde aufgeführt (als CG Nr. 59).780 Spielstätten sah Freudenstein sowohl in der Kirche als auch im Saal oder im Freien. Die „Jugendgemeinschaft“ sitzt im Halbkreis vor der Gemeinde. „Der Diener am Wort“ steht am Altar. Alle haben eine Bibel in der Hand. Das Spiel ist in drei Teile gegliedert: „Suchet in der Schrift“, „Wachet und betet“ und „Fürchtet Euch nicht“. Am Anfang des Spiels singt die Gemeinde die erste Strophe des Liedes Wach auf, du Geist der ersten Zeugen781 . Am Ende jeden Teils spricht die Gemeinde stehend mit der Jugendgemeinschaft Abschnitte aus dem Glaubensartikel, und sie singen gemeinsam (im ersten Teil die erste Strophe von Großer Gott, wir loben dich, im zweiten Teil die erste Strophe von Jesus Christus herrscht als König 782 und im dritten Teil drei Strophen von Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort). In allen drei Teilen spricht „der Diener am Wort“ mit den sitzenden Jugendlichen, die sich zu Gesang oder Wortbeiträgen immer erheben. Im Abschnitt mit der Überschrift „Suchet in der Schrift“ erklärt „der das Unwissen fand“ dem „Diener am Wort“, dass Unwissenheit herrsche über Christus und die Kirche. „Ein anderer aus der Jugendgemeinschaft“ erklärt: Sie schmähen Das Alte Testament Als Judenbuch. Ein Dritter: Die ganze Bibel, So hört mans täglich,
780 Vgl. Anhang in: Klapproth, Erich: Der Ruf, S. 15. 781 Text: Karl Heinrich von Bogatzky, 1750. Melodie: Hamburg 1609, Halle 1704. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 454 (Lied 241) und S. 612 (Lied 328). 782 Text: Philipp Friedrich Hiller, 1755/1757. Melodie: Johann Löhner, 1691; bei Johann Adam Hiller 1793. Vgl. ebd., S. 244 (Lied 123) und S. 645 (Lied 325).
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Sie sei geschrieben In jüdischem Geiste. Ein Vierter: Selbst Christus wäre Ein Jude gewesen Und fremd unsrer Art. […] Der das Unwissen fand: Wer steht denn auf von uns In solcher Stunde, Da die Unwahrheit umgeht, Wissenden Glaubens Und klarer Erkenntnis, Froh zu bezeugen: Nicht wahr ist, was ihr sagt, Denn Gottes Wort ist anders, Wie ihr ihm nachsagt. Unwissenheit heiß ich drum Die große Not.783
Nun beginnt ein Wechselspiel, der Diener fragt, und die Jugendlichen lesen Antworten aus der Bibel vor, die beschreiben, wer Jesus war, nämlich „der Christus Gottes!“784 . Der Diener fragt sie schließlich: Ists wahr, wenn sie sagen, Der Judengott rede Zu uns durch die Bibel; Und wer zu Ihm bete, Sei selber vom Übel? Der das Unwissen fand: Aber Sie meinen, Daß Gott durch die Bibel Die Juden erhöhen Und anderen Völkern vorziehen wolle; So würde Gott selber
783 Freudenstein, Erich: Wachet auf! [CG Nr. 59]. München 1938, S. 9 f. 784 Ebd., S. 16.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Sie gnädig behüten Daß all ihre Frevel Sie ungestraft üben. Der Diener am Wort: So spricht nur, wer nichts kennt Vom Alten Testament. Wer will, der kann dort lesen, Wie Gott das Sündenwesen Des Judenvolkes sichtet Und unerbittlich richtet. Hört Amos, den Propheten, Zu diesem Volke reden. Dann wird in Wahrheit euch bekannt, Wie Gott zu seinem Volke stand.785
„Die Jugendgemeinschaft“ schlägt die Bibel auf und liest aus Amos 3,2 vor: Aus allen Geschlechtern auf Erden habe ich allein euch erkannt; Darum will ich auch euch heimsuchen In aller eurer Missetat.786
Danach erklärt der Diener: „So seht ihr nun, vor diesem Buche / Versinkt der Menschen Trug und List. / Und Antwort auf der Wahrheitssuche / Empfängt, wer guten Willens ist.“787 Im Teil „Wachet und betet“ spricht „der die Gleichgültigkeit fand“, und im letzten Teil „Fürchtet Euch nicht“ fragt „der die Angst fand“. Der Diener beantwortet auch hier die Fragen anhand von Bibelzitaten, die er die Jugendlichen vortragen lässt. Das Spiel ist in Versform verfasst, der Diener spricht meistens in gebundener Sprache. Eigentlich wird hier vor der Gemeinde eine einstudierte Bibelstunde präsentiert. Wie bei Eberts Spiel Suchet den Herrn, so werdet ihr leben (1941) wird – ganz in der Tradition des kirchlichen Antijudaismus – rigoros das Versagen des Volkes Israels erklärt.
785 Ebd. S. 17 f. 786 Ebd., S. 18. 787 Ebd.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
3.7.10 Spiele von Aurel von Jüchen Über Aurel von Jüchens Leben und seinen Einsatz für die Verbreitung des evangelischen Laienspiels ist bereits an anderer Stelle berichtet worden. Von ihm erschienen 1939 bis 1940 diese Stücke: Vor der Tür des Paradieses (CG Nr. 67), Der undankbare Bauer (CG Nr. 68), Die frohe Botschaft (CG Nr. 71), Erschienen ist der herrlich Tag (CG Nr. 74) und Als der Tag der Pfingsten erfüllet war (CG Nr. 75). Auffällig ist, dass von Jüchen die Texte in das Kirchenjahr einordnete, so gibt es ein Advent-, ein Krippen-, ein Oster-, ein Pfingst- und ein Erntedankfestspiel. Genauer vorgestellt werden sollen die Stücke Der undankbare Bauer, um herauszufinden, wie ähnlich es dem Spiel Die Roggenfuhre von Goes ist, und Als der Tag der Pfingsten erfüllet war, denn hier spricht die Hauptfigur Nikodemus auf eine bemerkenswerte Weise. Das Spiel Der undankbare Bauer erschien 1939 und ist in eine Gottesdienstliturgie eingebettet.788 Nachdem die Gemeinde fünf Strophen des Liedes Nun laßt uns Gott, dem Herren, Dank sagen und ihn ehren789 gesungen hat, liest der Liturg das Gleichnis vom reichen Kornbauern (Lukas 12,15–21). Sein anschließendes Gebet hat von Jüchen ausformuliert. Die Gemeinde singt zwei weitere Strophen aus dem angefangenen Lied, dann tritt der „Künder“ vor. Er berichtet vom reichen Mann, der doch ein armer sei, weil undankbar und blind. Wie bei Goes gibt es eine Auseinandersetzung zwischen dem Bauern und seiner Frau, allerdings weniger ernst. Der Bauer sitzt am Tisch und zählt sein Geld. Die Bäuerin sorgt sich, weil ihn nur das Geld interessiert und er nicht zum Erntedankfest gehen möchte. Der Bauer bittet sie zu gehen und zählt weiter sein Geld. Ein Schuldner kommt und sucht Gnade, weil er seine Schuld nicht zurückzahlen kann. Aber der Bauer zeigt keine Barmherzigkeit, verlangt den Betrag bis zum nächsten Tag und beschäftigt sich wieder mit seinem Zählen. Auch der alten Auguste hilft er nicht und leiht ihr nichts. Als Glockengeläut erklingt, können ihn weder die Bäuerin noch der Sohn und die Tochter überzeugen, zur Kirche zu gehen. Die Gemeinde singt im Spiel zwischendurch, wie zum Beispiel vier Strophen aus Herr, die Ernte ist gesegnet 790 . Der Bauer kommentiert den Gesang:
788 Im Gesamtverzeichnis von 1939 sind seine Spiele noch nicht aufgenommen, deswegen erfolgen keine Angaben zu Kategorien. 789 Text: Ludwig Helmbold, 1575. Melodie: Nikolaus Selnecker, 1587. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 597 (Lied 320). 790 Text: Heinrich Puchta, 1843. Melodie nach Herz und Herz vereint zusammen, 17./18. Jh. Vgl. ebd., S. 470 (Lied 251) und S. 897 (Lied 512).
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
Wie einen diese Lieder stören! Wenn man auch nicht will hören hin, So muß man dennoch darauf hören. Sie schleichen sich in Herz und Sinn. Hundertachtunddreißig, hundertvierzig, hundertzweiundvierzig … 791
Etwas später klagt der Bauer nach einem Lied: „Man kann nicht rechnen, während sie singen, / Es will einen schier aus der Ruhe bringen“792 . Als der Großknecht kommt, um ihn zum Fest abzuholen, lehnt der Bauer auch dies ab, spendiert allerdings ein Fass Bier. Mit einem Architekten bespricht er neue Scheunen. Schließlich erscheint der „Engel Namenlos“: „Dein Leben, Bauer, ist nun aus! / Heut Nacht kommt Dir der Tod ins Haus“.793 Der Bauer begreift: „Was bin ich für ein arger Tor, / Der nach allem greifend die Seele verlor“.794 Er bittet: „Bringt mich zu Bett. Geleitet mich sacht! / Ich sage der Welt hiermit gute Nacht!“795 Der Großknecht beendet das Spiel, hervortretend wie zu Beginn der Künder. Dann folgt die Schlussliturgie. Die Gemeinde singt Nun danket alle Gott. Der Liturg verliest den 1. Glaubensartikel und Chor, Gemeinde und Spieler singen gemeinsam das Amen. Im Unterschied zum Spiel Die Roggenfuhre von Goes ist dieses Stück fast humorvoll, weil der Bauer immer wieder sein Geld zählt, den Gesang der Gemeinde kommentiert, ein Fass Bier spendiert und sich am Schluss verabschiedet mit „gute Nacht“. Das Spiel ist – ebenfalls anders als bei Goes – in gebundener Sprache verfasst. Ähnlich ist beiden Spielen, dass die biblische Textvorlage um Personal und Handlungen erweitert wurde. Während im Spiel von Goes kein Gemeindegesang vorkommt, singt in der Gestaltung des Gleichnisses von Aurel von Jüchen die Gemeinde mehrere Lieder. Diese sind dem Spiel im Anhang beigefügt, die musikalische Bearbeitung erfolgte von Herbert Steinmeyer. Aurel von Jüchen war es wichtig, dass die Gemeinde nicht während des Spiels im Gesangbuch suchen musste und Handzettel erstellt wurden.796 Er widmete das Stück „Pfarrer Buisman, dem Jugendpfarrer der Mark Brandenburg und mit ihm der gesamten evangelischen Jugend“797 . Das Stück Als der Tag der Pfingsten erfüllet war erschien 1940. Es zeigt das innerliche Ringen des Nikodemus. Von diesem Pharisäer wird im Johannesevangelium
791 Jüchen, Aurel von: Der undankbare Bauer. Ein Erntedankfestspiel. CG Nr. 68. München 1939, S. 19. 792 Ebd., S. 20. 793 Ebd., S. 33. 794 Ebd., S. 34. 795 Ebd., S. 35. 796 Vgl. Pfarrer v. Jüchen an Lempp, 05.04.1939. BU 0005/58. 797 Jüchen, Aurel von: Der undankbare Bauer, o. S.
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berichtet: Er besuchte zu Beginn Jesu Wirken diesen des Nachts (Johannes 3,1-21), wurde zu dessen Fürsprecher (Johannes 7,50) und schließlich der Mitarrangeur von Jesu Begräbnis (Johannes 19,39). Wie Der undankbare Bauer ist Als der Tag der Pfingsten erfüllet war in eine Gottesdienstliturgie eingebunden. Nach der Eingangsliturgie eröffnet das Spiel wieder ein „Künder“. Dann tritt Nikodemus auf und seine Zeilen erinnern an die Faustfigur: Da hab ich nun meine siebenzig Jahr, Bin ein Doktor der Schrift, Magister gar, Hab mein ganzes Leben durchaus studiert, Über heiligen Texten meditiert, Hab die Propheten und das Gesetz getrieben Und auch gar manches Buch geschrieben, Und wer es las mit offenem Sinn, Der las es gewiß nicht ohne Gewinn. Auch bin ich Mitglied im Hohen Rat, Bin ein Gerichtsherr von hohem Grad, Und dieser Jesus kommt daher, Und macht mir nun so viel Beschwer!798
Der nächtliche Besuch des Nikodemus bei Jesus, der nicht gezeigt, sondern nur berichtet wird, lässt Nikodemus nicht los. Er denkt immer wieder an Jesu Worte: „Mußt eine Weisheit Du lernen auf Erden: / Man muß von neuem geboren werden!“799 Am Ende bekennt er sich zu seinem Glauben und legt seine Ämter nieder. Die Gemeinde singt zwischen den verschiedenen Szenen immer wieder Lieder. Den Ablauf der Schlussliturgie führt von Jüchen genau auf. Auch die Spiele Vor der Tür des Paradieses, Die frohe Botschaft und Erschienen ist der herrlich Tag band von Jüchen jeweils in eine Gottesdienstliturgie ein. In einem Brief erklärte er Lempp warum, nämlich, um von vorneherein auch durch die Form den Sinn des geistlichen Spiels deutlich zu machen und für den Pfarrer die Verlegenheit zu beseitigen, die jede Aufführung eines Spiels in der Kirche für ihn bedeutet. Aus dieser Verlegenheit hilft er sich zumeist dadurch, dass er in einer einleitenden Rede erklärt, dass heute in der Kirche zwar Theater gespielt würde, dass das aber doch kein Theater sei, sondern im Gegenteil usw. Aber solange das nötig ist, bleibt das Spiel im gottesdienstlichen Raum ein Fremdkörper. Darum lag mir daran, mit dem Organisten Herbert Steinmeyer zusammen eine liturgische Form für den
798 Jüchen, Aurel von: Als der Tag der Pfingsten erfüllet war. CG Nr. 75. München 1940, S. 8 f. 799 Ebd., S. 12.
Die Christlichen Gemeindespiele – erste Phase
‚Spielgottesdienst‘ zu finden, die einerseits deutlich macht, dass auch der Spielgottesdienst Wortverkündigung ist, die aber andererseits dem Spielgottesdienst genauso sein eigenes Gesetz belässt wie dem Predigtgottesdienst und dem liturgischen Gottesdienst.800
Alle fünf Spiele wurden von Steinmeyer musikalisch bearbeitet und enthalten im Anhang Liedblätter. Immer wählte von Jüchen die gebundene Sprache. 3.7.11 Merkmale der Spiele Im Folgenden soll beschrieben werden, was die Christlichen Gemeindespiele in der ersten Phase bis 1941 kennzeichnet. Die Betrachtung der 82 Spiele zeigt, dass Verse, gebunden und ungebunden, die sprachliche Gestaltung dominieren. Nur in 30 Stücken sprechen die Laienspieler überwiegend in Prosa. Häufig findet sich die typisierende Figurenanlage. Die Einbindung der Gemeinde durch Gesang kommt in 50 % der Spiele vor. Ohne an dieser Stelle in die Tiefe gehen zu wollen, sei zumindest darauf hingewiesen, dass gemeinsames Singen ein Wir-Gefühl verstärkt, identitätsbildend wirkt und auch eine abgrenzende Wirkung nach außen haben kann.801 Das bekenntnishafte Singen bei Laienspielaufführungen, ob im Kirchenraum oder in Gemeindesälen, wird eine besondere Wirkung gehabt haben. Allein durch die Stückzahl prägten Goes, Ebert, Fritzsche und von Jüchen die Reihe, denn von jedem erschienen fünf Werke. Wiederholt ist in den Regieanweisungen der Texte der ersten Phase der Ein- und Auszug der Spielschar zu finden, so auch in Ein Spiel von der Kirche von Fritzsche. Auch das Aufstellen im Halbkreis begegnet immer wieder, wie zum Beispiel im Spiel Die drei Männer im Feuerofen oder in Der Ruf. Zahlreiche Spiele sind in eine Gottesdienstliturgie eingebunden, und hier sind vor allem die Stücke von Aurel von Jüchen zu nennen, der alle seine fünf Spiele in eine Liturgie einbettete. Das Einbeziehen der Besucher erfolgt neben dem Gemeindegesang auch dadurch, weil ein Sprecher oder eine Sprecherin oder auch ein „Künder“ sie anspricht, wie zum Beispiel in Die Hirtin von Goes oder in Der undankbare Bauer von Aurel von Jüchen. Chorisches Sprechen erklingt immer wieder, so auch in Das Zeugnis!, in Wacht auf! oder auch im Stück Die drei Männer im Feuerofen. Goes gestaltete seine Evangelienspiele Der Zaungast und Die Roggenfuhre sprachlich unterschiedlich. Rendls Stücke Schuldner, Vor der Ernte und Der Säemann sind einander ähnlicher, da er alle drei in Prosa verfasste. In allen Evangelienspielen, die hier von Goes und Rendl vorgestellt wurden, erklingt kein Gemeindegesang. Beide Autoren erweiterten Personal und Handlung der jeweiligen neutestamentlichen Vorlage.
800 Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 25.03.1939. BU 0005/58. 801 Vgl. Biermann, Matthias: Das Kirchenlied, S. 66 f.
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Bei den Christlichen Gemeindespielen handelt es sich auf keinen Fall um eine homogene Reihe. Dies zeigt sich schon bei den Autoren. So gab es welche, die Nationalsozialisten waren, wie Linke und Dittschlag, es gab welche, die sich in der Bekennenden Kirche engagierten, wie Klapproth und von Jüchen, und es gab auch noch Fritz Pein, der sein Spiel einer deutsch-christlichen Kampfschar widmete. Dieser ‚Fall‘ mit der Widmung wirkt wie ein Fremdkörper. Wachet auf! von Erich Freudenstein aus dem Jahr 1938 und das letzte Spiel der Reihe im ,Dritten Reich‘ Suchet den Herrn, so werdet ihr leben! von August Ebert aus dem Jahr 1941 zeigen, dass der Antijudaismus auch auf der evangelischen Laienspielbühne eine Rolle spielte.
3.8
Spieltheoretisches
3.8.1
Der Ratgeber für das christliche Gemeindespiel von Aurel von Jüchen
1940 erschien im Christian Kaiser Verlag der Ratgeber für das christliche Gemeindespiel. Aurel von Jüchen beschreibt darin zunächst das Wesen des christlichen Gemeindespiels: Das geistliche Spiel empfange seinen Stoff von der Tatsache, dass Gott den Menschen begegnet sei. So wolle das geistliche Spiel etwas Vernommenes weitersagen und wie die Predigt Zeugnis von der Wahrheit geben.802 Wenn es sich junge und alte Glieder zum Ziel machen würden, der Gemeinde mit einem Spiel zu dienen, würden alle einen Hauch von dem königlichen Priestertum des heiligen Volkes erfahren. Nicht ein Einzelner sei hier Träger des hohen Amtes der Verkündigung, sondern eine Gemeinschaft.803 Die Predigt sei Wurzel und Stamm der Verkündigung, aber so wie ein Baum verzweigt sei, so gäbe es auch verschiedene Formen der Verkündigung.804 Die Leiblichkeit, die der Verkündigung des christlichen Gemeindespiels immanent sei, verleihe dem Wort eine ganz besondere Nachdrücklichkeit.805 Aurel von Jüchen konstatiert, dass der Reichtum an geistlichen Spielen so groß ist, dass keine Einteilung die ganze Fülle des vorhandenen Spielgutes in sich aufnehmen würde. Er wählt eine Unterscheidung in Kirchenjahresspiel, Evangelienspiel und geistliches Volksspiel. Das Kirchenjahresspiel zeichne sich dadurch aus, dass es im Gottesdienst das Oster- oder Weihnachtsgeschehen vor der Gemeinde darstelle und dass die inne802 803 804 805
Vgl. Jüchen, Aurel von: Ratgeber für das christliche Gemeindespiel. München 1940, S. 4–7. Vgl. ebd., S. 10. Vgl. ebd., S. 11. Vgl. ebd., S. 13.
Spieltheoretisches
re und äußere Teilhabe der Gemeinde an dem dargestellten Geschehen deutlich werden müsse.806 Schriftlesung, Vaterunser, Gebet, Glaubensbekenntnis, Segen und der Choral der Gemeinde würden nicht den Rahmen, sondern den tragenden Grund für das dargebotene Spiel bilden. „Erst da, wo das Spiel so zum Fest gehört wie das Weihnachtslied zum Weihnachtsfest und wie der Osterchoral zum Osterfest, ist das Spielen ein Stück der Lebensordnung der Kirche geworden.“807 Das Evangelienspiel stelle sich die Aufgabe, ein Wort der Schrift mit den Mitteln des Spiels auszulegen.808 Er nennt als Beispiel Der verlorene Sohn (CG Nr. 30). Es sei nicht an einen bestimmten Ort des Kirchenjahres gebunden, auch in der Kirche könne es gespielt werden, wenn es nach Inhalt und Form dem Niveau entspreche, das der kirchliche Raum voraussetze. Auch wenn es in einem Saal aufgeführt werde, solle es mit einem Gebet oder Gebetslied beginnen und mit einem Vaterunser oder einem Bekenntnislied schließen.809 Als geistliches Volksspiel bezeichnet von Jüchen eines, das den liturgischen Charakter abgestreift habe. Es setze nicht den gottesdienstlichen Raum, sondern bewusst einen Raum außerhalb der Kirche als Spielraum voraus. In der Form nähere es sich dem Theaterspiel.810 Er spricht augenscheinlich gerne in Bildern, und so formuliert er, dass das geistliche Volksspiel keinen geistlichen Rock trage, sondern einen gewöhnlichen Straßenanzug, und unter seinem ungeistlichen Kleid sei „ein gläubiges Herz“811 . Kirchenjahresspiel, Evangelienspiel und das geistliche Volksspiel seien Zeugnis des Evangeliums. Kulissen, Dekorationen, Masken, Schminke und Beleuchtungseffekte als Stimmungsmittel würden aus der Welt des Illusionstheaters stammen, und das kirchliche Spiel kenne sie nicht. Selbst das geistliche Volksspiel verhalte sich spröde gegenüber allem „Flitterglanz“.812 Er nennt Einwände, die gegen das geistliche Spiel erhoben werden. Eine Frage, die von Jüchen erreichte, war die, ob das geistliche Spiel unprotestantisch sei. Er führt daraufhin unter anderem das folgende Zitat auf, das er Luther zuschreibt: Es ist allen Menschen geboten, das Wort Gottes auf alle mögliche Weise zu fördern und auszubreiten, nicht nur mündlich, sondern auch durch Schrift, Malerei, bildende Kunst, Lieder, Gesänge und Instrumentalmusik. Wie könnte das aber passender und besser als durch ernsthafte und gemessene nicht schauspielerische Darstellung geschehen? Solche kommen auch dem Volk in die Augen und regen es zuweilen mehr an als öffentliche
806 807 808 809 810 811 812
Vgl. ebd., S. 16. Ebd., S. 17. Vgl. ebd. Vgl. ebd., S. 18. Vgl. ebd. Ebd., S. 19. Vgl. ebd., S. 20 f.
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Predigten. Ich weiß, daß in Niederdeutschland, wo die öffentliche Predigt des Evangeliums verboten ist, viele durch Aufführungen über Gesetz und Evangelium zur lauteren Lehre belehrt worden sind. Wenn also dergleichen Schauspiele, ernsthafte und gemessene, betone ich, in der guten Absicht, die evangelische Wahrheit zu fördern, vorgeführt werden, sind sie durchaus nicht zu verwerfen.813
Bemerkenswert ist, dass genau dieses angebliche Lutherzitat in verschiedenen Artikeln jener Zeit zu finden ist. Hans Maurer führte es im Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel auf814 , Erich Klapproth zitierte es in seinen Erwägungen zum biblischen Laienspiel815 und Pfarrer Wolfram Buisman stellte die Zeilen seinem Artikel Geistliches Spiel und evangelische Jugendarbeit 816 voran. Interessant ist, dass es sich hier tatsächlich gar nicht um ein Zitat von Luther handelt. Diese Zeilen verfasste 1543 Georg Major (1502–1574).817 Aurel von Jüchen erklärt, dass das christliche Gemeindespiel ein altes Erbgut der christlichen Kirche sei. Es ist der Kirche mit dem geistlichen Spiel nur so ähnlich gegangen, wie es mitunter einem Bauern mit einer alten, kostbaren, handgeschnitzten Truhe geht, die er irgendwo auf dem Dachboden stehen hat und deren Wert er nicht mehr kennt.818
Er beendet den Ratgeber mit der Feststellung: „Jedes echte christliche Gemeindespiel macht die Kirche reicher.“819
813 Zitiert nach ebd., S. 33. 814 Vgl. Maurer, Hans: Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel. Handreichungen für Gemeinde- und Jugendarbeit. Evangelischer Jugenddienst Nr. 40. Düsseldorf [1937–1939], o. S. 815 Vgl. Klapproth, Erich: Erwägungen zum biblischen Laienspiel. In: Haus und Gemeinde. Monatsblätter für evangelische Unterweisung 34 (1938), H. 10, S. 283–286, hier: S. 283. 816 Vgl. Buisman, Wolfram: Geistliches Spiel und evangelische Jugendarbeit. In: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 45 (1940), S. 6–9, hier: S. 6. 817 Vgl. Metz, Detlef: Das protestantische Drama, S. 152. Metz gibt an, in welcher Ausgabe Majors Sätze irrtümlich Luther zugeschrieben werden: Dr. Martin Luthers Brief, Sendschreiben und Bedenken, vollständig aus den verschiedenen Ausgaben seiner Werke und Briefe, aus andern Büchern und noch unbenutzten Handschriften gesammelt, kritisch und historisch bearbeitet von Dr. Wilhelm Martin Leberecht de Wette, Bd. 5, Berlin 1828, S. 553. 818 Jüchen, Aurel von: Ratgeber, S. 39. 819 Ebd., S. 48.
Spieltheoretisches
3.8.2
Kontroverse um das Evangelienspiel und den Kirchenraum
Es gab sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie ein Evangelienspiel gestaltet sein sollte. Die Evangelienspiele, die im Christian Kaiser Verlag erschienen, zeigen ergänzende Figuren im Vergleich zur biblischen Vorlage und zeichnen sich besonders durch die szenische Darstellung des Geschehens aus. Hier sei nur an den Streit des Bauern mit seiner Frau Lene in Die Roggenfuhre von Goes erinnert. Nicht alle Spiele sind in gebundener Sprache verfasst. Aurel von Jüchens Auffassung zur Gestaltung von Evangelienspielen war dazu konform. Ein ganz anderes Verständnis von Evangelienspielen hatte hingegen Hans Maurer. Die Titel seiner fünf Spiele heißen: Gelobet seist du, Jesus Christ (o. J.), Erstanden ist der heilige Christ (o. J.), Der den Tod überwand (1937), Komm, heiliger Geist (1938) und Halt dich an mich (1939). Die jeweiligen Figurenkonstellationen und Texte versuchte Maurer den biblischen Vorlagen möglichst ähnlich zu gestalten. Die Figuren sprechen mit Ausnahme der biblischen Lesungen in gebundener Sprache, und zwar im Paarreim. Sie treten zum Sprechen aus dem Halbkreis hervor und danach wieder zurück. Allen Evanglienspielen legte Maurer eine ähnliche Struktur zugrunde. In Der den Tod überwand berichtet im ersten Bild zunächst der Evangelist von dem kranken Lazarus. Maria und Martha beklagen im Gespräch die Situation, und dann singt die Gemeinde. Diese Struktur setzt sich im Spiel fort: Der Evangelist eröffnet jedes Bild, es folgt ein Gespräch zwischen den biblischen Figuren, und Gemeindegesang beschließt das jeweilige Bild. Der Evangelienchor singt zwischendurch Lieder. Damit seine Spiele auch in einem geeigneten Rahmen präsentiert wurden, fügte Maurer einigen dramatischen Texten noch eine Abfolge der „Feierstunde“ bei. Darin waren die Gemeindelieder aufgeführt sowie Hinweise für den Pfarrer, an welchen Stellen Maurer Schriftworte, Gebet, Segen oder „Entlassung“ vorsah. Er erklärte: Die gottesdienstliche Eignung eines solchen Spieles der Verkündigung […] kommt dann am besten zum Ausdruck, wenn der Choralgesang fest in die knappe Handlung eingebaut und das ganze Spiel ein Stück der Liturgie eines Gottesdienstes wird, der durch Gemeindegesang, Eingangsgebet und Schriftverlesung eingeleitet und durch das Schlußgebet und das gemeinsam gesprochene Vaterunser geschlossen wird.820
820 Maurer, Hans: Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel. Handreichungen für Gemeinde- und Jugendarbeit. Evangelischer Jugenddienst Nr. 40. Düsseldorf [1937–1939], S. 6.
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Hans Maurer war von seinen Evangelienspielen so überzeugt, dass er sogar an den Verleger Lempp schrieb und ihn bat, in seinen Verzeichnissen das Wort „Evangelienspiele“ durch „Biblische Spiele“ zu ersetzen. Lempp berichtete dies von Jüchen und kommentierte: Das Wort „Evangelium“ und „evangelisch“ halte ich heute für richtig, selbst bei alttestamentlichen Spielen handelt es sich darum, daß hierdurch Evangelium verkündigt wird, und so möchte ich den mir viel trockener erscheinenden Ausdruck „biblische Spiele“ nicht wünschen. Ich habe wieder einige Spiele von Maurer durchgelesen und finde sie für den allgemeinen Gebrauch nicht so eindeutig überragend wie er offenbar der Meinung ist.821
Maurer betonte im Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel, wie wichtig die Nähe zur biblischen Vorlage sei und dass er im Kirchenraum keine Spieler, sondern nur Sprecher sehen wolle. Geste und Bewegung seien auf das Notwendigste zu beschränken, denn das Spiel sei keine Augenweide, sondern Verkündigung des Evangeliums.822 In einer liturgischen Feier sah Maurer außer seinen Evangelienspielen noch die liturgischen Feierstunden von Otto Riethmüller.823 Maurer erklärte wiederholt, dass „kirchliche Laienspiele“ ihre wichtige Aufgabe in Sälen und Gemeindehäusern hätten, er sie aber für den kirchlichen Raum ablehne.824 „Es gibt viele, die auf die Ausdrucksmittel des Laienspiels nicht verzichten zu können glauben. Denen muß gesagt werden, daß sie dann die Kirche als Raum zu meiden haben.“825 Zur Weihnachtszeit allerdings seien die Übergänge fließend, und es dürfe die Kirche genutzt werden.826 Maurers Äußerungen evozierten Widerstand bei Aurel von Jüchen. Er besuchte Maurer in dessen Beratungsstelle in Berlin und schlug ihm eine Arbeitsgemeinschaft vor, in welcher festgestellt werden könnte, wann ein Spiel für die Kirche und wann für den Saal geeignet wäre. Maurer lehnte aber ab.827 Aurel von Jüchen versuchte ihm deutlich zu machen, dass ein Spiel auch Wortverkündigung sein könne, wenn es nicht auf der Textwiederholung des Evangeliums aufgebaut sei –
821 822 823 824 825
Lempp an v. Jüchen, München, 19.03.1940. BU 0005/58. Vgl. Maurer, Hans: Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel, S. 3–7. Vgl. ebd., S. 38 f. Vgl. u. a. Maurer: Über die Reise meines Evangelienchores vom 14.04. bis 01.05.1938. EZA 7/20342. Maurer, Hans: Das Spiel im Dienste der Verkündigung. Sonderdruck. In: Christliche Kinderpflege 6/7 (1937), o. S. 826 Vgl. Maurers Wegweiser für Advent, Weihnachten und Epiphanias. Evangelisches Konsistorium der Mark Brandenburg an alle Pfarrer von Berlin und Mark Brandenburg, Berlin, 15.11.1939. ELAB 14/663. 827 Vgl. dazu auch Kapitel 3.2.1 und 3.5.
Spieltheoretisches
aber ohne Erfolg.828 Schon Wochen vor der persönlichen Begegnung mit Maurer hatte von Jüchen dem Verleger Albert Lempp geschrieben, die spielenden Personen in Maurers Texten kämen ihm seltsam unlebendig vor. „Es sind für mein Gefühl keine Spiele, sondern Gespräche.“829 In der Zeitschrift Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst veröffentlichte von Jüchen seine Meinung im Artikel Das geistliche Spiel in der Gegenwart.830 Es gehe darum, das geistliche Spiel in den Boden der Kirche einzupflanzen. Die Neubearbeitung alter Vorlagen trete gegenüber den Neuschöpfungen geistlicher Spiele immer stärker zurück. Es sei ein Zeichen der Lebendigkeit, dass verschiedene Gestaltungen vorliegen würden, die um die Heimat im kirchlichen Raum ringen würden. Wir sind der Meinung, daß es wichtig ist, diese Fülle und Verschiedenheit der Gestaltungen zu sehen und abzuwägen und nicht vorschnell von einer einzelnen die einzigartige und erschöpfende Erfüllung der Forderungen zu behaupten, die an das geistliche Spiel, das zugleich gemeindemäßig ist, gestellt werden müssen.831
Das geistliche Spiel der Gegenwart würde seine hohe Aufgabe und seine Würde darin sehen, Verkündigung des Evangeliums zu sein. Die Spiele Hans Maurers zum Beispiel würden sich so eng wie möglich an den Text halten und peinlich vermeiden, irgendetwas zu sagen, was nicht im Text stehe. Andere Texte würden sich eine größere Freiheit gestatten, ohne jedoch die Gebundenheit an das Wort zu verlassen.832 Zur Leiblichkeit des Geschehens würden auch Handlung, Geste, Bewegung und das Element des Dramatischen gehören, das Maurer aus seinen Spielen verweist. So groß der Segen sei, der von Maurers Spielen ausginge, ihm scheinen sie so doch sowohl die Eigenart des Spieles wie auch das Wesen der Liturgie auf eine puritanische Weise zu verkürzen.833 1941 bezog auch Gustav Kochheim, der bis 1934 die Evangelischen Laienspiele herausgegeben hatte, Stellung zu der Kontroverse, und zwar im Deutschen Pfarrerblatt in dem Artikel Vom Spielcharakter des geistlichen Spieles. Er unterstützt darin von Jüchens Meinung expressis verbis.834 Es gehe darum, durch Spiel zu verkün-
828 Vgl. Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 25.02.1940. BU 0005/58. 829 Pfarrer v. Jüchen an Lempp, Rossow b. Fretzdorf, 25. November 1939. UB Sign. 0005/58. 830 Vgl. Jüchen, Aurel von: Das geistliche Spiel in der Gegenwart. In: Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst 45 (1940), S. 189–193. 831 Ebd, S. 190. 832 Vgl. ebd. 833 Vgl. ebd., S. 191. 834 Vgl. Kochheim, Gustav: Vom Spielcharakter des geistlichen Spieles. In: Deutsches Pfarrerblatt 45 (1941), H. 36, S. 329–331, hier: S. 329.
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digen, und „Raumverbieten“ sei pharisäisch. Hans Maurers Spiele seien gar keine Spiele, sondern Sprechoratorien. Kochheim hält es nicht für richtig, „die ganze Wirklichkeit bis auf die eine Form des Sprechoratoriums aus dem Kirchenraum zu verbannen“.835 Gustav Kochheim und Aurel von Jüchen hatten also Gemeinsamkeiten bezüglich ihrer Auffassung vom Spiel im kirchlichen Raum. Allerdings sei hier betont, dass sie sonst gegensätzlicher kaum sein konnten. Kochheim, seit 1934 Leiter der Landeskirchlichen Bücherei836 in Hamburg, war ein überzeugter Nationalsozialist und Parteimitglied. Er geriet in Aufregung, als der nationalsozialistische Ideologe Alfred Rosenberg seine Schrift Begegnungen mit Abraham kritisierte und diese beschlagnahmt worden war. Deswegen schrieb Kochheim im Februar 1939 an das Gaugericht der NSDAP in Hamburg und bat darum, die Beschlagnahme seines „zu Unrecht getadelten Büchleins aufheben zu lassen“837 . Franz Tügel, der Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Kirche in Hamburg, konnte an einer geplanten Verhandlung bezüglich des Falls nicht teilnehmen und verfasste im Mai 1939 ein Schreiben an das Gaugericht. Darin betonte Tügel, dass die Kirche in absoluter Zustimmung zu der Behandlung der Judenfrage durch den Staat stehe. Er lobt Kochheim, weil dieser sich vorbildlich um die Bibliothek kümmere, und bittet für ihn um Duldung in der Partei, denn dieser sei ein ehrlicher Nationalsozialist.838 Die Fürsprache half nichts, und Kochheim wurde aus der Partei entlassen. Er legte zwar Beschwerde ein und betonte, er wisse sich „in lebendiger Verbindung mit dem Gedankengut der Bewegung“839 und sähe seine „Treue zu Volk und Führer auch nicht durch eine einzige Zeile […] verdunkelt“840 , die Beschwerde hatte aber keinen Erfolg841 . Wenn also Kochheim und von Jüchen die gleiche Auffassung bezüglich des Laienspiels im Kirchenraum hatten, ist evident, dass die in diesem Kapitel beschriebene Kontroverse nicht von homogenen Lagern aus geführt wurde. Als gemeinsamer Nenner von Gustav Kochheim, Aurel von Jüchen und Hans Maurer ist zu nennen, dass sie christliches Gemeindespiel als Verkündigung verstanden. Diesbezüglich hatte Albrecht Goes bereits 1938 eine andere Meinung im Vorwort seine Spiels Der Zaungast formuliert.
835 836 837 838 839 840 841
Ebd., S. 330. Vgl. Stüben, Joachim: Gustav Kochheim, S. 147. Kochheim an das Gaugericht der NSDAP, Hamburg, 21.02.39. BArch R/ 9361/I 21189. Vgl. Tügel an das Gaugericht der NSDAP, Hamburg, 19.05.1939. BArch R/9361/I 21189. Gau-Gericht Hamburg: Akte Pg. Gustav Kochheim betreffend. BArch R/9361/I 21189. Ebd. Vgl. Oberstes Parteigericht der NSDAP: Entlassung und Begründung, München 1940. BArch R/9361/II 544263.
Lasset uns mit Jesu ziehen von Hermann Stöhr
Das christliche Gemeindespiel ist, wenn es sich nicht überfordert, ein Hinweis auf die Verkündigung des Evangeliums oder eine Antwort auf solche Verkündigung. Es ist aber nicht selbst Verkündigung. Denn Verkündigung des Evangeliums ist kein Spiel, und also Spiel, auch christliches Gemeindespiel keine Verkündigung.842
Insgesamt gilt zu betonen, dass im ,Dritten Reich‘ nicht nur zahlreiche Spiele veröffentlicht wurden, sondern dass auch öffentlich über das evangelische Laienspiel leidenschaftlich diskutiert wurde. Einigungen erfolgten – wenig überraschend – nicht.
3.9
Lasset uns mit Jesu ziehen von Hermann Stöhr
Der folgende Autor war weit entfernt von der Laienspielszene und schrieb sein Laienspiel isoliert in der Todeszelle. Der Protestant Hermann Stöhr (1898–1940) verweigerte im ,Dritten Reich‘ den Wehrdienst und wurde dafür hingerichtet. In seiner Haft verfasste er 1940 in seiner Zelle Lasset uns mit Jesu ziehen. Ein Laienspiel in drei Teilen. Auszüge daraus zitierte 1985 der Historiker Eberhard Röhm in der Biographie über Hermann Stöhr mit dem Titel Sterben für den Frieden. Hermann Stöhr wuchs in Stettin auf und trat als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg der Kaiserlichen Marine bei.843 Nach dem Krieg studierte er von 1919 bis 1922 Volkswirtschaft, öffentliches Recht und Sozialpolitik in Kiel, Berlin und Rostock. 1922 promovierte er zum Doktor der Staatswissenschaften.844 1923 bis 1925 wirkte er in Berlin an drei Stellen, die in enger personeller Beziehung zu Professor Friedrich Siegmund-Schultze – damals führender Kopf der in Deutschland wachsenden ökumenischen Bewegung – standen845 . Stöhr arbeitete als Hilfssekretär bei der Geschäftsstelle der ökumenischen Zeitschrift Die Eiche und für den „Internationalen Versöhnungsbund Deutscher Zweig“.846 Siegmund-Schultze war Herausgeber der Zeitschrift und Präsident dieses Bundes. Somit arbeitete Stöhr 842 Goes, Albrecht: Der Zaungast. München 1938, o. S. 843 Vgl. Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden. Spurensicherung: Hermann Stöhr (1898–1940) und die ökumenische Friedensbewegung. Stuttgart 1985, S. 25. 844 Thema der Doktorarbeit war „Die Auslandshilfe 1919–1921“. Darin untersuchte er Hilfsmaßnahmen für die Hungernden Mittel- und Osteuropas. Vgl. Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 26 und 267. 845 Vgl. ebd., S. 28. 846 Vgl. ebd., S. 276. Den Internationalen Versöhnungsbund hatte Siegmund-Schultze 1914 mitbegründet. 1919 bis 1932 war er Präsident des Internationalen Versöhnungsbundes Deutscher Zweig. Der Versöhnungsbund in Deutschland hatte 1925 170 Mitglieder, dazu Freunde und Sympathisanten. Vgl. Lipp, Karlheinz: Berliner Friedenspfarrer und der Erste Weltkrieg. Freiburg 2013, S. 20. Und: Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 36.
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in der deutschen Zentrale der ökumenischen deutschen Friedensbewegung, was seinen Weg vermutlich entscheidend geprägt hat.847 Auch engagierte Stöhr sich bei der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft“ in Berlin-Ost und gab Sprachkurse.848 Dabei handelte es sich um ein von Friedrich Siegmund-Schultze 1911 bis 1933 entwickeltes wegweisendes Modell einer Sozialarbeit in den Elendsvierteln Berlins in der Nähe des Ostbahnhofs.849 Heute befindet sich dort der „Hermann-Stöhr-Platz“, auf einem Findling erinnert eine Gedenktafel daran850 , dass Stöhr sich für sozial gefährdete Jugendliche engagierte. 1926 bis 1928 war Stöhr, ebenfalls in Berlin, bei der Wohlfahrtsabteilung des Centralausschusses für die Innere Mission tätig. Er war dort wissenschaftlicher Hilfsarbeiter und ab November 1927 gleichzeitig Geschäftsführer und Dozent bei Nachschulungskursen für Wohlfahrtspfleger an der Wohlfahrtsschule des Johannesstifts Spandau.851 Ab 1931 hatte er keine feste Anstellung mehr und lebte bei seiner Mutter in Stettin. Im Mai 1933 brachte er in einem Brief an die jüdische Gemeinde Stettins im Namen einer kleinen Gruppe evangelischer Christen Bedauern und Anteilnahme über die diskriminierenden Maßnahmen gegen die Juden zum Ausdruck.852 Für seine pazifistischen Überzeugungen trat Stöhr immer wieder ein und schrieb Protestbriefe wie beispielsweise an den Reichsbischof Müller im November 1933, in dem er seine Stimme gegen den Austritt aus dem Völkerbund erhob.853 Hitler führte im März 1935 wieder die allgemeine Wehrpflicht ein. Um die protestantische Begeisterung zu verdeutlichten, veröffentlichte Röhm in der Biographie über Stöhr ein Gedicht des Pfarrers August Ebert, das der Geistliche zum 17. März 1935 für seine Gemeinde schrieb und den Titel Das Waffenlied trägt. Darin heißt es: Da wächst aus deutscher Erden aufs neu ein starker Stamm; Die weichen Knie werden nun wieder fest und stramm. Hinweg mit all dem schlaffen und jämmerlichen Brei!
847 848 849 850
Vgl. ebd., S. 73. Vgl. ebd., S. 38. Vgl. Lipp, Karlheinz: Berliner Friedenspfarrer, S. 143. Das Denkmal wurde dem Kriegsdienstverweigerer 1998 zum 100. Geburtstag gesetzt. Vgl. N. N.: Denkmal für Kriegsdienstverweigerer. In: Berliner Morgenpost, 05.01.1998. 851 Vgl. Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 28 f. 852 Vgl. ebd., S. 133. 853 Vgl. ebd., S. 139.
Lasset uns mit Jesu ziehen von Hermann Stöhr
Dein Volk trägt wieder Waffen, Deutschland, und du bist frei! Und Volk und Führer wenden die Herzen im Gebet zu dem, in dessen Händen all unser Schicksal steht. Der Du den Mann erschaffen, daß er ein Schirmer sei, Herr, segne unsre Waffen! Halt unser Deutschland frei!854
Dass derselbe Ebert auch Laienspielautor war, wusste der Historiker Röhm vermutlich nicht, sonst hätte er es an dieser Stelle sicherlich erwähnt. Die Veröffentlichung des Gedichtes gerade von August Ebert passte also als Zeitzeugnis besonders gut in die Biographie des Kriegsdienstverweigerers. Als Stöhr im Februar 1939 die Aufforderung des Wehrbezirkskommandos Stettin erhielt, sich zu Wehrübungen als Reserveoffizier bereitzuhalten, antwortete er: Den Dienst mit der Waffe muß ich aus Gewissensgründen ablehnen. Mir wie meinem Volk sagt Christus: „Wer das Schwert nimmt, soll durchs Schwert umkommen“ (Matth. 26,53). So halte ich die Waffenrüstungen meines Volkes nicht für einen Schutz, sondern für eine Gefahr.855
Er erklärte sich aber bereit, einen Ersatz-Arbeitsdienst zu leisten.856 Als er bei seiner Verweigerung blieb, wurde er im August 1939 festgenommen.857 In der Verhandlung am 16. März 1940 wurde er wegen Wehrkraftzersetzung zum Tod verurteilt und wurde schließlich am 21. Juni 1940 in der Haftanstalt Berlin-Plötzensee hingerichtet.858 Von seiner Haltung war er bis zum Schluss überzeugt.859 Die Entscheidung, den Kriegsdienst konsequent zu verweigern, war zu den damaligen Zeiten äußerst unpopulär. Es gab außer ihm nur noch einen weiteren Protestanten, der ebenfalls diese Entscheidung traf und konsequent dabei blieb. Der Pazifist Martin Gauger (1905–1941) wurde ohne Verhandlung und Gerichtsurteil in das 854 Ebd., S. 142 f. 855 Stöhr an das Wehrbezirkskommando Stettin I (Marine), Stettin, 02.03.1939. Zitiert nach Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 167. 856 Vgl. ebd. 857 Vgl. ebd., S. 277. 858 Vgl. ebd. 859 Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 672.
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Konzentrationslager Buchenwald gebracht und schließlich in der Anstalt Pirna im Juli 1941 vergast. Sein Tod wurde gegenüber den Angehörigen als Herzversagen verschleiert.860 Protestanten konnten bezüglich der Verweigerung nicht mit der Unterstützung ihrer Kirche rechnen, rief sie doch bei Kriegsbeginn zum Gehorsam und opferwilligen Einsatz für Führer und Vaterland auf.861 Der Gefängnispfarrer Harald Poelchau unternahm dennoch den Versuch, Stöhr zu retten und suchte Landesbischof Marahrens auf, der Mitglied des Geistlichen Vertrauensrats war, um dessen Stimme für Stöhr zu gewinnen. Marahrens aber schwieg. Poelchau, der Stöhr auch in seiner letzten Nacht begleitete, konstatierte dazu, dass die Kirche Stöhr im Stich gelassen hatte.862 In Stöhrs Gefängnisakten steht als Beruf Verleger863 , da er 1936 den „Ökumenischen Verlag Stettin“ gegründet hatte864 . Er veröffentlichte drei Bücher in dem Verlag, zum Beispiel 1937 Die Fürbitte für die Obrigkeit. Auch schrieb Stöhr Aufsätze für christliche Zeitschriften.865 Röhm geht nur auf das Laienspiel Lasset uns mit Jesu ziehen ein. In der Einrichtung „Friedensbibliothek-Antikriegsmuseum“ in Berlin befindet sich dank der umfassenden Recherchen von Jochen Schmidt und seinem Team866 u. a. ein handschriftliches Manuskript von Stöhr mit dem Titel Entwürfe Biblischer Laienspiele. Enthalten sind die Texte Die ersten Menschen, Das erste Weltgericht und David, ein König.867 Unter dem Titel Jesus will uns ganz und gar veröffentlichte Gero Goob-Hähndel 2020 die Entwürfe Biblischer Laienspiele und Lasset uns mit Jesu ziehen (Privatdruck).868 Goob-Hähndel ordnet auch das Laienspiel Der Heilsweg Gottes mit den Völkern Hermann Stöhr zu und veröffentlichte es im gleichen Buch.869 Im Folgenden wird Lasset uns mit Jesu ziehen vorgestellt. Der 85-seitige handschriftliche Text ist im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin einsehbar und diente diesem Kapitel als Grundlage.870 Den Titel Lasset uns mit Jesu ziehen
860 Vgl. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=147, zuletzt abgerufen am 01.09.2020. 861 Vgl. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=146, zuletzt abgerufen am 01.09.2020. 862 Vgl. Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 216 f. 863 Vgl. ebd., S. 29. 864 Vgl. ebd., S. 276. 865 Vgl. ebd., S. 267 f. 866 Jochen Schmidt und sein Team initiierten auch die Denkmalsetzung 1998. 867 Das Manuskript konnte eingesehen werden. 868 Vgl. Goob-Hähndel, Gero: Jesus will uns ganz und gar. Ettenheim: Privatdruck 2020. Darin befindet sich der Hinweis, dass er Lasset uns mit Jesu ziehen auch schon 2011 als Privatdruck veröffentlichte. 869 Goob-Hähndel vermutet, dass Stöhr es in den Wochen vor seiner Hinrichtung verfasste. Vgl. Goob-Hähndel, Gero: Jesus will uns ganz und gar, S. 214 f. 870 Vgl. Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen. Manuskript 1940. EZA 6036/1.
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übernahm Stöhr von dem gleichnamigen Kirchenlied von Sigismund von Birken (1626–1681)871 . Es gibt die Mitspieler A, B und C. Laut Regieanweisung sitzen die drei mit Bibel und Gesangbuch an einem Tisch, der von „1–3 Kerzen“872 erhellt ist. Die Spieler unterhalten sich während des ganzen Stücks, bleiben dabei sitzen, und es gibt keine äußere Handlung. Es ist also ein Gesprächspiel873 . Das Laienspiel ist in drei Teile gegliedert und folgt in der inhaltlichen Struktur den Themen der Strophen von Lasset uns mit Jesu ziehen. Jeder Teil beginnt mit einer Strophe des Liedes, wobei Stöhr diese nicht zitiert, sondern nur die Nummer aufführt. Im ersten Teil geht es im Gespräch um Nachfolge, im zweiten um Leiden, im dritten um Sterben. Es ist evident, dass Stöhr im Spiel seinen Glaubenseinstellungen Ausdruck verlieh. A, B und C sind Christen, die sich über die Konsequenzen ihres Glaubens unterhalten. Dabei erzählen sie sich Erlebnisse von Jesu Jüngern oder zitieren zahlreiche Verse aus der Bibel. Die Textstellen dazu führte Stöhr in Klammern auf. Außerdem zitieren die drei Liedtexte und nennen den jeweiligen Verfasser. Die Figuren haben keine individuellen Charaktereigenschaften oder Berufe und stehen in keiner familiären Beziehung zueinander. C eröffnet jeden Teil und stellt vor allem Fragen, welche die Gedankengänge voranbringen. Zwischendurch zeigt er sich skeptisch, aber auch er ist überzeugter Christ und kein Gegenspieler. Der erste Teil beginnt mit dem Hinweis: „Gemeindegesang 164,1“874 . Die nicht zitierte Strophe lautet: Lasset uns mit Jesu ziehen, seinem Vorbild folgen nach, in der Welt der Welt entfliehen, auf der Bahn, die er uns brach, immerfort zum Himmel reisen, irdisch noch, schon himmlisch sein, glauben recht und leben rein, in der Lieb den Glauben weisen.
871 Text: Sigismund von Birken, 1653. Melodie: Johann Schop, 1641. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 608 (Lied 325) und S. 700 (Lied 384). 872 Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen, S. 3. 873 Den Begriff verwendete Gustav Kochheim für eine Auswahl seiner Evangelischen Laienspiele. Rudolf Mirbt kommentierte diese Bezeichnung positiv. Vgl. Kapitel 2.6. 874 Vgl. Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen, S. 5.
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Treuer Jesu, bleib bei mir, gehe vor, ich folge dir.875
Am Anfang bringen die Spieler zum Ausdruck, dass Gott nicht erklärbar ist: C: Man kann darüber vieles reden, wie sich der große Gott erkennen läßt. B: Das kleine Hirn des Menschen wird ihn doch nie so ganz begreifen. A: Wie sollte ein Geschöpf auch den begreifen, der alle Welt erschaffen hat. C: Die vielen Weltanschauungen der Menschen sie führen gleichfalls nicht zum Ziel.876
Die drei erzählen sich, wie Jesus die Jünger in die Nachfolge rief. Dann fragt C, was es heute, im 20. Jahrhundert, bedeute, Jesus zu folgen. B: Folgt seinem Wandel nach! Da heißt’s die falschen Wege meiden, nicht wandeln in der Finsternis. […] Jetzt können wir die Sünde besser meiden, da Jesus ständig mit uns geht. In ihm gewinnen wir Mut und Kraft mit Tersteegen zu rufen: „Drauf wollen wir’s denn wagen (189,12), es ist wohl wagenswert, und gründlich dem absagen, was aufhält und beschwert.“
875 Evangelisches Gesangbuch für Brandenburg und Pommern. Stettin 1931, Lied 164. In der Haft durfte Stöhr u. a. das Pommersche Evangelische Gesangbuch von 1931 behalten. Vgl. Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 226. 876 Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen, S. 5.
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C: Was hilft uns jetzt den rechten Weg zu finden? Wie sieht für uns der Weg nun aus, den Jesus mit uns geht? A: Den Weg hilft er uns selber finden, wenn wir uns nicht mehr an ihm ärgern, wenn wir ihn lieben, uns seiner freu’n. B: Er ging den Weg der Liebe und des Helfens. Er heilte Not, wo immer er sie fand. Er zeigt den Menschen Gott den Vater, macht sie zu Kindern Gottes, daß sie einander Brüder seien.877
Am Ende des ersten Teils wissen sie: C: So sind wir darin einig, wir woll’n mit Jesu ziehn. A: Und das alsbald, unmittelbar. Denn Jesus will uns ganz und gar, will keinen Einwand, keinen Aufschub. Wer Jesus folgt, der säume nicht. C: Dabei getrösten wir uns seiner Hilfe. Er ist uns Vorbild, Weg und Wahrheit. B: Vor allem gilt’s, Verlorene zu retten und Gott als Vater zu verkünden, der alle seine Kinder liebt und sie zu Brüdern macht in seinem Reich. C: Dies ewige Königreich, es ist jetzt da. Mit Christus ist’s uns hereingebrochen.
877 Ebd., S. 10–12.
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A: Um dieses Reich des Glaubens geht der Kampf. Sein König Jesus zieht uns da voran. Wir streiten mit an seiner Seite, auch wenn’s durch Trübsal geht und Leid.878
Mit dem letzten Wort „Leid“ leitet Stöhr zum Thema des zweiten Teils über. Wieder nennt er nur die Strophe, die gesungen werden soll: „Gemeindegesang 164,2“879 . Die Zeilen lauten: Lasset uns mit Jesu leiden, seinem Vorbild werden gleich. Nach dem Leide folgen Freuden, Armut hier macht dorten reich. Tränensaat, die erntet Lachen, Hoffnung tröstet die Geduld; es kann leichtlich Gottes Huld aus dem Regen Sonne machen. Jesu, hier leid ich mit dir, dort teil deine Freud mit mir.880
Zu Beginn des zweiten Teils fragt C: C: Wir woll’n mit Jesu leiden? Ist das denn wirklich euer Ernst? An welche Leiden denkt ihr da? Wenn wir für unsere bösen Taten von Gott verdiente Straf ‘ empfangen, so haben wir dies Leid uns selbst verschuldet. Wir wollen es im Blick auf Jesus tragen. B: Wen unser Herrgott liebhat, züchtigt er. (Hebr. 12,6) Auch solche Züchtigungen, sie sind uns dann am dienlichsten, wenn wir mit Jesus sie erleiden.
878 Ebd., S. 21 f. 879 Ebd., S. 24. 880 Evangelisches Gesangbuch für Brandenburg und Pommern, Lied 164.
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A: Ich denk vor allem hier an solches Leid, das uns im Kampf um Jesu Reich hier widerfährt. Solch Leid ist uns vom Herrn vorausgesagt. Doch wird man’s oft von jenem andern Leid nicht immer unterscheiden können. B: Ganz allgemein preist Jesus selig, die Leid tragen, (Matt 5,4 ff.) sie soll’n getröstet werden. Besonders preist er Jene selig, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihrer ist das Himmelreich. Und schließlich spricht er von der Seligkeit des Menschen, die seinetwegen Schmähungen, Verfolgungen und üble Nachrede erleiden.881
C fragt nach der Gültigkeit der Erkenntnisse in ihrer Gegenwart: C: Denkt ihr denn wirklich, daß uns im 20. Jahrhundert derartiges hier widerfahren muß? B: Stell dich mal ganz auf Gottes Worte, betrachte dir die Händel dieser Welt. Bald wirst du sehen und erkennen, wie vieles faulig und verrottet ist. – Dann wage gegen jedes Unrecht anzugehn. A: Da wirst du nie mit fertig. Nimm dir nur eines heraus und greif dies Unrecht tapfer an. Bekenne mal den Anspruch Gottes auf alle Dinge dieser Erde, und mit Entschiedenheit. Dann wirst du sehen, was das kostet an Kampf und Leid und Schmerz. […]
881 Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen, S. 25 f.
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B: Wer klar die Schäden seiner Zeit bekennt, läuft heute noch Gefahr, in Acht und Bann getan zu werden. Ja, selbst in einen Kirchenbann, wo sich die Kirche angeglichen hat dem Geist der Welt, dem Geist der Zeit. A: Und jede Zeit hat solch ein Zeugnis nötig, das Zeugnis rechter Christen, die Kreuz und Leid bejahen, wo es um Gottes Ehre geht und wider Wahnideen falscher Menschen.882
Hier kritisierte Stöhr die Christen im ,Dritten Reich‘, die sich „angeglichen“ haben. Der Schluss des zweiten Teils bildet eine Zusammenfassung und Schlussfolgerung des bisherigen Gesprächs: C: Was hat nun dieses Alles uns zu sagen? B: Wir dürfen Jesu wirklich folgen. Er ruft uns hin auf seinen Weg. C: Dann müssen wir uns zwar sehr ändern; es liegt kein Heil in unsrer eignen Art. B: Ein solches Opfer bringt man gern, wo man den Reichtum Christi sieht. A: Das Kämpfen gegen Gottes Feinde wird Hauptaufgabe unsres Lebens. B: Für diesen Kampf ist uns viel Leid und Kreuz vorausgesagt. Doch wird das Leid zur Seligkeit ja selbst ein Grund zu großer Freud.
882 Ebd., S. 32–34.
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A: Wir sagen „Ja“ zu solchem Leid, das uns verordnet und empfohlen ist. C: Im Leid verheißt der Herr uns Trost und Seligkeit. A: So dürfen wir mit unsrer Tat beweisen, daß Jesus stärker ist als Kreuz und Tod.883
Wie schon am Ende des ersten Teils wählte Stöhr hier bewusst das letzte Wort, in diesem Fall „Tod“, und leitet damit zu dem Thema des dritten Teils über. Vorangestellt ist „Gemeindegesang: 164,3“884 . Der Text der dritten Strophe des Liedes, von welchem Stöhr Titel und thematische Struktur übernahm, lautet: Lasset uns mit Jesus sterben; sein Tod uns vom andern Tod rettet und vom Seelverderben, von der ewiglichen Not. Laßt uns töten, weil wir leben, unser Fleisch, ihm sterben ab, so wird er uns aus dem Grab in das Himmelsleben heben. Jesu, sterb ich, sterb ich dir, daß ich lebe für und für.885
C erklärt: „So bringt der Tod uns die Erlösung. / Der Tod erlöst uns auch von allem Leid, das uns in diesem Leben widerfährt.“886 A fragt daraufhin: A: Ist diese Deutung unsres Leidens nicht wirklich lebensmüde und ganz dem Geiste Christi widersprechend? B: Das denke ich nicht. Da bin ich andrer Meinung. Der Kreuzestod des Herrn
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Ebd., S. 45 f. Ebd., S. 46. Evangelisches Gesangbuch für Brandenburg und Pommern, Lied 164. Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen, S. 47.
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ist uns ein Trost, den wir in unsrer Sterbestunde brauchen. Von allem Leid erlöst uns da der Tod. Der Liederdichter Schmolck bezeugt dies so: „Je größer Kreuz, je lieber Sterben; (233,7) man freut sich recht auf seinen Tod; denn man entgehet dem Verderben, es stirbt auf einmal alle Not.“887
Zu den folgenden Zeilen bemerkte der Historiker Röhm passenderweise: „Schließlich konnte er sogar, in einer Art höherer Ironie, den Vergleich zwischen den um jene Zeit durch Frankreich stürmenden Soldaten und seiner eigenen Lage ziehen.“888 A: Es ist was Großes, wenn Menschen frei von Furcht bereit sind, für Christus und die Wahrheit, ihr Leben einzusetzen. Wo diese innere Freiheit uns beseelt, stehn wir dem Herrn ein großes Stück näher. B: Soldaten singen mitunter: „Siegreich woll’n wir Frankreich schlagen, sterben als ein tapfrer Held.“889
C kommentiert etwas später: „Doch bleibt es schon bemerkenswert, / daß viel mehr Menschen sich für ird’sche Reiche opfern / als für das ewige Reich des Herrn.“890 Im Gespräch werden die Tode der Apostel genannt, und A folgert, dass sie also auch nicht das Recht hätten, dem Leiden auszuweichen, nur, weil es das Leben kosten könne. Ein Christ solle sich aber nicht ohne Widerstand einem Todesurteil ergeben. C sorgt sich, ob man die Seinen im Stich lassen dürfe. Aber A macht deutlich, dass der Herr für die Hinterbliebenen sorgen würde. Schließlich fragt A, ob C zum Einsatz seines Lebens bereit wäre.
887 888 889 890
Ebd., S. 47 f. Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 270. Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen, S. 53. Ebd.
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C: Du mußt nicht gleich so sehr persönlich werden. Das will doch reiflich überlegt sein. Das kommt ganz auf die äußeren Umstände an. Da sprechen die Verhältnisse sehr mit, die man genau betrachten muß. A: Wer erst Verhältnisse so recht genau erkennen will, der bleibt zumeist an einem fadenscheinigen Vorwand hängen, sich der Verantwortung ganz zu entziehen.891
C tröstet das Pauluswort aus 1. Korinther 15,42: „Es wird gesät verweslich / und wird auferstehen unverweslich.“892 Am Ende des dritten Teils erfolgt eine Zusammenfassung des ganzen Gesprächs: C: So fassen wir uns noch mal zusammen: A: Es ruft uns Jesus: Folgt mir nach! Selbst einem Petrus, der verleugnet hat, gilt dieser Ruf des Herrn: Folge! B: Auf diesem Wege trifft uns Leid. Doch ist es Leid und Kreuz, das uns zum Segen wird und Trost und große Freude bringt. […] A: In diesem allem ist uns Jesus Vorbild. Sein Tod wurd’ die Erfüllung und die Krönung des Leidensweges, den er ging. Auch unser Tod kann Sieg bedeuten. […] C: Doch mehr als allzu große Worte, gilt hier die stille Tat. Nicht jedem ist’s gegeben, von Jesu Kelch zu trinken.
891 Ebd., S. 62 f. 892 Ebd., S. 80.
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B: Doch Jesus sendet uns hinaus, wie ihn der Vater hat gesandt. A: Verstehen wir Christi Kreuz nicht besser, wenn uns Leid beschieden ist? C: Doch dies ist alles Gnade, wenn wir durch Kreuz und Leiden folgen dürfen. Grad wenn wir folgen, merken wir, wie schlecht und stümperhaft wir sind. B: Das weist uns dann noch mehr auf seine Gnade. Doch zuversichtlich sehen wir auf das Ende, da Jesu Herrlichkeit uns winkt. A: Da haben wir Gemeinschaft mit dem Herrn. Wir nehmen teil an seiner Herrlichkeit. Dann können wir verklärt mit Jesu leben.893
In der letzten Zeile steht: „Gemeindegesang 16,4“.894 Diese Strophe lautet: Lasset uns mit Jesu leben; weil er auferstanden ist, muß das Grab uns wiedergeben. Jesu, unser Haupt du bist, / wir sind deines Leibes Glieder, wo du lebst, da leben wir; ach erkenn uns für und für, trauter Freund, für deine Brüder. Jesu, dir ich lebe hier, dorten ewig auch bei dir.895
Der Text ist in Versform, aber nicht in gebundener Sprache verfasst – mit Ausnahme der zitierten Liedstrophen. Stöhr hat das Spiel vermutlich kurz vor und nach der Verkündigung seines Todesurteils (16. März 1940) verfasst.896 Er bettete den
893 894 895 896
Ebd., S. 83–85. Ebd., S. 85. Evangelisches Gesangbuch für Brandenburg und Pommern, Lied. 164. Es finden sich insgesamt im Manuskript fünf Daten in dieser Reihenfolge: 18.02.1940, 27.02.1940, 26.02.1940, 20.03.1940 und 02.03.1940. Goob-Hähndel erklärt, dass diese Daten auf die Tage
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Austausch der drei Gesprächsteilnehmer in Gemeindegesang ein und hat diesen vielleicht auch in seiner Vorstellung gehört. Seine reale Situation konnte gegensätzlicher nicht sein. Er befand sich in totaler Isolation fernab von Gemeindesang und christlicher Gemeinschaft. Die von ihm gewählte Struktur mit Einbindung des Gemeindegesangs zeigt, dass er das evangelische Laienspiel seiner Zeit gekannt haben muss. Aber woher? An dieser Stelle bleibt nur Spekulation. Wie bereits erwähnt, war Stöhr von 1926 bis 1928 unter anderem als Dozent an der Wohlfahrtsschule des Johannesstiftes in Spandau tätig. Es könnte durchaus sein, dass er dort etwas von Werner Pleisters Laienspieltätigkeit mitbekam, der in der Grundliste für evangelische Laienspieler angab, man könne sich wegen Literatur oder Lehrgängen an die Beratungsstelle der Fichte-Gesellschaft wenden. Als Ort gab Pleister „Berlin-Spandau, Johannesstift“897 an. Vielleicht war Stöhr das evangelische Laienspiel aber auch durch die „Pommersche Spielgemeinde“898 bekannt, von der Karl-Heinz Meyer berichtete, dass sie in den Jahren 1935 bis 1942 Stücke „in der schönen Kreuzkirche in Stettin“899 und in Nachbargemeinden aufführte. Stöhrs Spiel ist ein Beleg für die Popularität des evangelischen Laienspiels, in dem sich ein uns heute noch bewegendes Zeugnis des Widerstands offenbart. Hermann Stöhr formulierte in Lasset uns mit Jesu ziehen seine Überzeugungen, Ängste und Erwartungen. Der letzte Satz des Spiels, den er seine Figur A sprechen lässt, endet mit einem Wort, das seinem Glauben und seiner Hoffnung auf die Ewigkeit Ausdruck verleiht: „leben“900 .
897 898 899
900
verweisen, an denen die jeweiligen Liedtexte im Losungsbuch der Herrnhuter Brüdergemeinde abgedruckt waren. Vgl. Goob-Hähndel, Gero: Jesus will uns ganz und gar, S. 143. Pleister, Werner: Laienspiel und Laientheater. In: Ders./Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Leipzig 1929, S. 2–4, hier: S. 4. Meyer, Karl-Heinz: Aus den Erfahrungen einer Spielgemeinde. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 2, Kassel, 04.02.1947. BU 0005/153. Ebd., vgl. dazu auch Kapitel 3.7.7. Diese Spielgruppe war möglicherweise die gleiche, in der auch Rolf Rendtorff spielte. Dieser war der Sohn von Heinrich Rendtorff, dem führenden Mitglied im Provinzialbruderrat Pommerns. Heinrich Rendtorff wusste von Stöhrs ökumenischen Aktivitäten in Stettin, die Rendtorff allerdings kritisierte. In Stöhrs ökumenischen Kreis in Stettin würden Freikirchen bis zur Heilsarmee kommen, nur die Kirche fehle fast. Außerdem sei Stöhr gar nicht Beauftragter für die ökumenischen Dinge. Vgl. Röhm, Eberhard: Sterben für den Frieden, S. 164 f. Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen, S. 85.
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Aus der Praxis: Die Kampfschar Hutten
Im Vorwort von Das Zeugnis!, welches 1936 im Christian Kaiser Verlag erschien901 , berichtet der Autor Fritz Pein, dass eine Kampfschar Hutten mit Gesang, Musik und Laienspiel in Kirchen und Sälen der Gemeinden Mitteldeutschlands wirke. Sie zöge „im Ringen um die deutsche Seele, aus der Not um die reine Lehre des Evangeliums an Jesus Christus, in den Kampf gegen die Gottlosigkeit“902 . Pein widmete sein Spiel dieser Gruppe zur „segensvollen Arbeit“903 . Was zeichnete diese Schar aus? Antwort gibt die Schrift Unser Kampf, verfasst 1933 von Walter Jähnke, dem „Führer der Kampfschar Hutten“904 . Er und seine Spieler stellten sich in den Dienst „der Reichsleitung der Glaubensbewegung Deutsche Christen“905 . Den Namen Hutten braucht er nicht zu erklären, denn der kämpferische Ulrich von Hutten (1488–1523) galt als Vorbild für die Nationalsozialisten. Jähnke schreibt: „Unser Kampf gilt jeder Gottlosenbewegung! […] Wir sind mit Leib und Seele und mit allem, was wir haben, Nationalsozialisten. Wir lieben unseren Führer. […] Deutschland gehört den Menschen, die deutschen Blutes sind […] und die für ihr Deutschland sterben können.“906 Sie wollen die neue Volkskirche bauen, und er erklärt: „So wie die NSDAP Schulungsabende veranstaltet, so muß die Glaubensbewegung die Menschen, die sich verpflichtet haben, deutsche Christen zu werden, schulen. […] Die Schulungsabende sind keine Diskussionsabende. Wir setzen uns nicht mehr ‚auseinander‘, sondern wir setzen uns ‚zusammen‘ und hören.“907 Jähnke berichtet von Freikorpsführer Oberleutnant Roßbach, der schon in den 20er Jahren eine Spielschar von jungen Leuten zusammengestellt habe, um Laienspiel, Volkslieder und Volkstanz zu beleben. Jähnke erwähnt, dass er selbst zu dieser Spielschar „Ekkehard“ gehört habe. Diese Laienspielgruppe war Teil der „Schilljugend“, die Bedeutung als Wegbereiter der Hitlerjugend erlangte.908 In Magdeburg arbeitete Jähnke im Büro des Provinzialpfarrers Bergmann909 und
901 902 903 904 905 906 907 908 909
Vgl. Kapitel 3.7.5. Pein, Fritz: Das Zeugnis! München 1936, o. S. Ebd. Jähnke, Walter: Unser Kampf. Kampfschar Hutten der Reichsleitung der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“. Weissenfels 1933, o. S. Ebd. Ebd., S. 5. Ebd., S. 8. Vgl. Sauerwein, Tessa: Schilljugend, 1924–1933. https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/ Lexikon/Schilljugend,_1924-1933, zuletzt abgerufen am 14.09.2020. Es handelt sich um den Provinzialjugendpfarrer Walter Bergmann (Magdeburg 1924–1934). Vgl. Hermle, Siegfried/Oelke, Harry (Hrsg.): Handbuch der deutschen evangelischen Kirchen 1918 bis 1949. Organe – Ämter – Personen. Band 2. Göttingen 2017, S. 258.
Aus der Praxis: Die Kampfschar Hutten
begann, in dessen Auftrag die Kampfschar zusammenzustellen und zu führen.910 Das Organisatorische hatte Jähnke von Roßbach gelernt. Ein Vorkommando klärte die Orte, wo sie hinreisten, und übernachtet wurde in „Freiquartieren“. Die Schar war nach dem Führerprinzip aufgebaut: „Von den 20 Mann der Schar bestimmt der Führer 5 Mann, die mit dem Führer die Wünsche der Schar besprechen. Es gibt ganz selbstverständlich nichts abzustimmen.“911 Durch die Einnahmen an den Abenden trug sich die Schar selbst, jeder „Kampfschärler“ bekam ein Taschengeld. Jähnke gibt am Ende der Schrift den Hinweis, dass noch weitere Kameraden mit auf „Kampffahrt“ gehen könnten. Als Bedingung wird das Alter über 21 Jahre genannt, Bläser würden bevorzugt. Bewerbungen mit Lebenslauf könnte man an Jähnkes Adresse in Erfurt schicken.912 Drei Tage blieb die Kampfschar an einem Ort. Vormittags gab es eine Stunde Bibelarbeit, und eine Stunde galt „dem Buch unseres Führers ‚Mein Kampf ‘“913 . Der Nachmittag diente der „Propaganda“. Am ersten Nachmittag zogen sie mit Marschmusik durch die Straßen, am zweiten und dritten spielten sie Volkslieder. An jedem zweiten Tag wurde Wehrsport betrieben, denn: „Die Kampfschar muß so ausgebildet sein, daß sie jederzeit der SA eingegliedert werden kann, um im Ernstfall im Kampf bereit zu stehen.“914 Der erste Abend sei ein „Deutscher Abend“, der die Zusammenhänge von Volkstum und Christentum zeige. Märsche und Vaterlandslieder würden geblasen und mit den Erschienenen neue Lieder gelernt und vierstimmige Kanons eingeübt. „Es herrscht viel Freude an unserem Abend, und Freude wollen wir bringen. Der deutsche Christ ist ein froher Mensch.“915 Am „Schulungsabend“ würden die Anwesenden in einem Vortrag die Ziele der Glaubensbewegung erfahren. Es gehe darum, die Volkskirche zu bauen. Leider habe man verlernt, in der Bibel zu lesen. Sie könnten keinen bekehren, aber sie könnten Wegweiser sein. Jähnke betont, alles, was er rede, denke und lebe, könne er nur als Angehöriger einer Rasse tun. So könne in Deutschland auch nur ein deutscher Christ das Wort von Gott verkündigen.916 Über die Juden schreibt er: „Wenn der Jude ein Christ wird, so ist er ein jüdischer Christ, und ich wünsche es jedem Juden, daß er ein Christ werden möge, aber er kann nicht der deutschen Christenheit das Wort von Gott verkündigen, er kann nur unser Gast sein.“917 Vor dem Hintergrund dieser Überzeugung Jähnkes erstaunt es
910 911 912 913 914 915 916 917
Vgl. Jähnke, Walter: Unser Kampf, S. 11. Ebd., S. 12. Vgl. ebd., S. 18. Ebd., S. 12. Ebd. Ebd. Vgl. ebd., S. 14 f. Ebd., S. 14.
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
daher sehr, was er über den „Evangelischen Abend“ schreibt, an dem Kampfchoräle aus der Reformationszeit gesungen wurden: „Im Mittelpunkt des Abends steht das Laienspiel ‚Der Herold‘ von Otto Bruder.“918 Mit Sicherheit wusste Jähnke nicht, dass es sich bei Otto Bruder um das schriftstellerische Pseudonym von Otto Salomon handelte. Ein anderes Laienspiel erwähnt Jähnke nicht. Aus Unwissenheit missionierten also Deutsche Christen, die den Führer liebten, mit einem Laienspiel, das ein Christ jüdischer Herkunft verfasst hatte. Fritz Pein muss um diese Hintergründe gewusst haben und schrieb für die Kampfschar Das Zeugnis!.
3.11
Zusammenfassung
Im ,Dritten Reich‘ war die Fortführung des evangelischen Laienspiels möglich, allerdings veränderten sich die Rahmenbedingungen im Laufe der Jahre. In der Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel betonte Rudolf Mirbt noch 1933 in einem Artikel, dass das Krippenspiel einer der bedeutsamsten Wegbereiter des deutschen Laienspiels sei; 1938 erklärte er im Artikel Fünfzehn Jahre Münchener Laienspiel, dass er alle christlichen Spiele aus der Reihe genommen habe. Eine ähnliche Entwicklung zeigte auch das Handbuch Volksspiel und Feier, in der zweiten Ausgabe waren alle christlichen Spiele eliminiert. Trotz dieser Veränderungen konnte sich das evangelische Laienspiel weiterentwickeln, und zwar ganz offiziell. Zum Beispiel führte Hans Maurer ab 1937 eine Beratungsstelle für das geistliche Spiel in Berlin. Dabei handelte es sich um ein Sonderunternehmen des Berliner Synodalausschusses. Maurer schrieb den Wegweiser zum Evangelienspiel und kirchlichen Laienspiel. Handreichungen für Gemeinde- und Jugendarbeit. Neben spieltheoretischen Hinweisen gab er darin Spielempfehlungen. Maurer verfasste fünf Evangelienspiele, die aber nichts mit dem Christian Kaiser Verlag zu tun hatten, und führte sie vielfach in Kirchen auf. 1938 machte er sogar eine Tournee durch Deutschland. Der deutsch-christliche Landesjugendpfarrer Georg Gartenschläger engagierte sich für das Laienspiel bei der Abteilung Geistliches Spiel beim Evangelischen Konsistorium der Mark Brandenburg. Einmal ließ Gartenschläger Spielempfehlungen von Hans Maurer an alle Pfarrer von Berlin und Mark Brandenburg verschicken und fügte den Hinweis bei, an jüdische Traditionen angelehnte Textstellen zu verändern. Der um kirchenpolitische Neutralität bemühte Maurer distanzierte sich danach öffentlich von Gartenschläger. Eine positive Reaktion auf Maurers Spielempfehlungen von Pfarrer Karl Grüneisen, der zur Bekennenden Kirche gehörte, macht deutlich, dass sich mit dem evangelischen
918 Ebd., S. 17. Der Herold erschien u. a. 1927 als ML H. 27. Vgl. Kapitel 2.5.3.
Zusammenfassung
Laienspiel ganz verschiedene Lager – von bemühter Neutralität, über die Deutschen Christen bis hin zur Bekennenden Kirche – beschäftigten. Als sich 1933 der Geburtstag Luthers zum 450. Mal jährte, erschien von Otto Bruder in den Münchener Laienspielen das von Sprechchören geprägte pathetische Spiel Luther der Kämpfer. Die diskriminierenden Maßnahmen des nationalsozialistischen Staates gegen die Juden nahmen stetig zu, sodass Salomon in die Schweiz floh. Bisher überwiegend unbekannt waren die Aktivitäten Rudolf Mirbts während des ,Dritten Reichs‘. Die Forschungen ergaben, dass Mirbt „SA-Mann beim Herbert-Welkisch-Sturm“ war. 1934 wurde er aus dem Reichssender Breslau fristlos entlassen. Die Korrespondenz von Mirbt mit Lempp 1938 gibt darüber Auskunft, dass Mirbt in persönlichem Austausch mit Konrad Henlein stand. Es wurde von ranghohen Stellen diskutiert, Mirbt in die Laienspielarbeit der Reichsjugendführung zu integrieren, und dieser war dazu auch bereit, dazu kam es aber vermutlich nicht. Als Hitler mit Konrad Henlein einen internationalen Konflikt um das Sudentenland initiierte, war Mirbt 1938 beim Sudetendeutschen Freikorps in Wien aktiv dabei. Als ein Missionar des evangelischen Laienspiels kann Aurel von Jüchen bezeichnet werden. Der Pfarrer, der sich für die Bekennende Kirche engagierte, sprach auf Veranstaltungen über das geistliche Spiel und veröffentlichte Laienspiele, Artikel sowie einen Ratgeber. Die Anordnung 133 der Reichsschrifttumskammer 1939 führte dazu, dass Albert Lempp die Münchener Laienspiele verkaufte. Bis 1941 inkludiert die Reihe Christliche Gemeindespiele 82 Stücke, davon waren 39 vorher Münchener Laienspiele. Allein durch die Stückzahl prägten Albrecht Goes, August Ebert, Gerhard Fritzsche und Aurel von Jüchen die Christlichen Gemeindespiele, denn von jedem erschienen fünf Spiele in der Reihe. Zu den meistgespielten Texten im ,Dritten Reich‘ gehören – nach Aurel von Jüchen – Der Ruf von Klapproth und Die drei Männer im Feuerofen von Meyer. Von den 82 Spielen sind 30 überwiegend in Prosa verfasst und in 41 erklingt Gemeindegesang. Zahlreiche Spiele wurden in eine Gottesdienstliturgie eingebunden. Bei den Christlichen Gemeindespielen handelt es sich auf keinen Fall um eine homogene Reihe, dies zeigt sich bereits bei den Autoren. Es gab darunter Nationalsozialisten, es gab welche, die sich in der Bekennenden Kirche engagierten, und es gab auch noch Fritz Pein, der sein Spiel einer deutsch-christlichen Kampfschar widmete. Dass der Antijudaismus auch auf der evangelischen Laienspielbühne eine Rolle spielte, zeigen die beiden Spiele Wachet auf! aus dem Jahr 1938 und Suchet den Herrn, so werdet ihr leben! von 1941. Die Ergebnisse der Textuntersuchungen ergaben, dass es gilt, zwischen den Evangelienspielen, die als Christliche Gemeindespiele erschienen, und denen, die Hans Maurer verfasste, zu differenzieren. Während Maurer sich möglichst nah an die jeweilige biblische Vorlage hielt und im Spiel auf Gestik und Bewegung möglichst verzichten wollte, zeigen die Evangelienspiele der Reihe Christliche Gemeindespie-
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Evangelisches Laienspiel im ,Dritten Reich‘
le zu den biblischen Vorlagen Ergänzungen bezüglich Handlungen und Figuren, und sie zeichnen sich besonders durch eine lebhafte Darstellung aus. Es herrschte Uneinigkeit darüber, was für Spiele im Kirchenraum gezeigt werden durften. Spieltheoretische Aussagen zeigten, dass das evangelische Laienspiel als Verkündigung oder auch nur als Hinweis oder Antwort darauf verstanden wurde. Fernab von dieser aktiven Laienspielszene schrieb der Kriegsdienstverweigerer Hermann Stöhr im Gefängnis 1940 vor seiner Hinrichtung das Laienspiel Lasset uns mit Jesu ziehen. Die Struktur seines Spiels zeigt, dass er das evangelische Laienspiel seiner Zeit gekannt haben muss. Im Kapitel „Aus der Praxis“ wurde die Arbeitsweise der Kampfschar Hutten vorgestellt. Der Nationalsozialist Walter Jähnke war „Führer“ der Schar, die für die Deutschen Christen durch das Land reiste, um die Volkskirche zu bauen. Immer wieder führten sie das Laienspiel Der Herold von Otto Bruder auf. Jähnke wusste offensichtlich nicht, dass dieser ein Christ jüdischer Herkunft war. Insgesamt gesehen entwickelte sich das evangelische Laienspiel auch in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft weiter: Es wurde von offiziellen kirchlichen Stellen gefördert, es erschienen neue Spieltexte, es wurde in Kirchen und in Gemeindesälen gespielt sowie Spielfahrten unternommen, es war Thema in Vorträgen bei kirchlichen Veranstaltungen, und es wurde in Zeitschriften darüber diskutiert. Als der kleinste und doch wichtigste gemeinsame Nenner aller Beteiligten ist zu nennen: Das evangelische Laienspiel war im ,Dritten Reich‘ Glaubensausdruck und spiegelt darin die ganze Zerrissenheit der Evangelischen Kirche in Deutschland wider, von der deutsch-christlichen Kampfschar Hutten bis zum einsamen Mutigen in der Todeszelle.
4.
Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
4.1
Anknüpfen und neu anfangen
Als am 8. Mai 1945 zwölf Jahre Nazidiktatur endeten, waren sechs Millionen Juden dem Rassenwahn zum Opfer gefallen und umgebracht worden. Die Befreiung habe von außen kommen müssen, so kommentierte Thomas Mann, Deutschland habe die Rückkehr zur Menschlichkeit nicht aus eigener Kraft herbeiführen können.919 Der Zweite Weltkrieg hatte Trümmerfelder hinterlassen und weit mehr als 60 Millionen Tote. Zu den Zielen der Besatzungsmächte gehörten die Verhaftung und Bestrafung von NS-Tätern, die Entmilitarisierung, die Entnazifizierung der Gesellschaft und eine Demokratisierung.920 Aufklärungsversuche erfolgten mit Konfrontationen der Bevölkerung durch Plakatkampagnen und mithilfe von Zwangsführungen durch die ehemaligen Konzentrationslager, durch Kinofilme, eine publizistische Lizenzierungspraxis und Gerichtsverfahren. Doch nicht das Leid der Opfer dominierte die Wahrnehmung der Deutschen, sondern die Selbstwahrnehmung als Opfer.921 In den Nachkriegsjahren und bis 1960 war die schuldbezogene Erinnerungskultur zunächst auf Widerständler fokussiert, die jüdischen Verfolgten blieben weitestgehend am Rande.922 Ein Grundzug westdeutscher Vergangenheitspraxis in den 50er Jahren war, dass die Gewalt-, Verfolgungs- und Vernichtungsrealität des ,Dritten Reichs‘ vielfach ausgeblendet und beschwiegen wurde. Bis Mitte der 1960er Jahre war die Gedenkstätte Bergen-Belsen der einzige überregionale repräsentative Gedächtnisort der Bundesrepublik.923 Ab Mitte der 50er Jahre zeigte sich ein langsam keimender Umbruch. Mit der Erzählung Das Brandopfer, 1954, erregte Albrecht Goes große Wirkung.924 Auch die Bekanntheit des Tagebuchs der Anne Frank brachte dem Thema Judenverfolgung eine größere Öffentlichkeit. Das Vorwort der deutschen Ausgabe von 1955 verfasste Albrecht Goes. Darin machte er deutlich:
919 Vgl. Mann, Thomas: Deutsche Hörer! 10. Mai 1945. In: Ders.: Deutsche Hörer! Radiosendungen nach Deutschland aus den Jahren 1940–1945. Frankfurt a. M. 1987, S. 149–151. 920 Vgl. Schmid, Harald: Gemeinsame Schuld, separate Gedächtnisse. Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus in Deutschland bis 1960. In: Häntzschel, Günter/Hanuschek, Sven/Leuschner, Ulrike (Hrsg.): Die große Schuld. München 2015, S. 23–47, hier: S. 29. 921 Vgl. ebd., S. 30 f. 922 Vgl. ebd., S. 41 f. 923 Vgl. ebd., S. 45. 924 Vgl. Frühwald, Wolfgang: Das Gedächtnis der Frömmigkeit. Religion, Kirche und Literatur in Deutschland vom Barock bis zur Gegenwart. Frankfurt am Main 2008, S. 259.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Mehr als ein Jahrzehnt ist inzwischen vergangen, und das Leben in der Prinsengracht von Amsterdam geht seinen Gang, wie allerorten, weiter – seinen lebendigen und seinen vergeßlichen Gang. Es ist notwendig, in der Welt von 1955, die nicht aufhört, eine Welt der Konzentrationslager und der Verfolgungen zu sein, dieser Stimme Gehör zu verschaffen.925
Diskussionen über die antisemitische Schmierwelle 1959/60 oder auch Adornos rasch berühmt gewordenen Vortrag vom November 1959 Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit? sind Indikatoren eines sich auf mehreren Feldern artikulierenden neuen Umgangs mit der Schuld an den Verbrechen Nazi-Deutschlands.926 Wie aber ging die evangelische Kirche mit dem Thema Schuld um? Bereits während des Krieges gab es von Theologen aus dem Umfeld der Bekennenden Kirche Überlegungen zur Schuldfrage. In einem Brief wandte sich Pastor Hans Asmussen927 im Dezember 1942 an Willem Visser ’t Hooft, den Leiter des in Genf angesiedelten Büros des im Aufbau begriffenen Weltrates der Kirchen. Asmussen schrieb darin, man werde sich rüsten müssen für den Augenblick, an dem geredet werden könne, und er fände nicht nur unter Theologen eine Bereitschaft, von Schuld zu hören.928 Nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 war die Kirche also nicht unvorbereitet, und die Verpflichtung, zu dem zu stehen, was an Schrecklichem geschehen war, war erkannt.929 Landesbischof Wurm brachte als Sprecher der BK in einer Erklärung an das deutsche Volk am 10. Mai 1945 in Stuttgart zum Ausdruck, dass nicht anklagen, sondern vergeben und helfen das Gebot der Stunde sei, er sprach aber nicht von Schuld.930 Dagegen benannte zum Beispiel eine Erklärung der Spandauer Bekenntnissynode vom 31. Juli 1945 konkret die Schuld des Volkes und der Kirche.931 Im August 1945 erfolgte im hessischen Treysa die innerkirchliche Neuordnung, und der aus der KZ-Haft befreite Martin Niemöller erklärte auf diesem Treffen die
925 Goes, Albrecht: Vorwort. In: Frank, Anne: Das Tagebuch der Anne Frank. 79. bis 103. Tsd. Hamburg 1956, o. S. 926 Vgl. Schmid, Harald: Gemeinsame Schuld, separate Gedächtnisse. Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus in Deutschland bis 1960, S. 45. 927 Hans Asmussen (1898–1968) war 1932 Pfarrer in Altona, 1933 erfolgte die Amtsenthebung und 1934 die Ruhestandsversetzung. 1935/36 war er Leiter und Dozent für Praktische Theologie und Neues Testament an der KiHo Berlin, 1942 Aushilfspfarrer in Schwäbisch-Gmünd und 1945–1948 Präsident der Kirchenkanzlei der EKD. Vgl. Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 781. 928 Vgl. Hermle, Siegfried: Das Stuttgarter Schuldbekenntnis und der Neuanfang der Kirchen. In: RheinReden. Texte aus der Melanchthon-Akademie. Köln 2005, S. 65–80, hier: S. 66. 929 Vgl. ebd., S. 67. 930 Vgl. ebd., S. 67 f. 931 Vgl. ebd., S. 68 f.
Anknüpfen und neu anfangen
Unerlässlichkeit von Schulderkenntnis und -bekenntnis.932 Der neu gewählte Rat der EKD kam am 18. und 19. Oktober 1945 in Stuttgart zu seiner zweiten Sitzung zusammen, bei der eine Delegation hochrangiger Vertreter der Ökumene anwesend war.933 Martin Niemöller hielt am Abend des 17. Oktober 1945 aus dem Stegreif eine Predigt,934 die Visser ’t Hooft später als die gepredigte Zusammenfassung der Stuttgarter Schulderklärung bezeichnen würde935 . Niemöller formulierte darin: Aber eins ist gewiß, wenn wir mit uns ins Gericht gehen und als Christengemeinde, als Kirche uns unter Gottes Wort beugen, dann sollen wir unsere Schuld sehen, und dann sollen wir etwas davon merken, daß unser Volk ja doch wohl niemals diesen Weg bis zu diesem Ende hätte gehen können, wenn in seiner Mitte eine Christenheit gelebt hätte, die ihre Pflicht erfüllt hätte. […] Ich bin überzeugt, auch mit uns kann Gott der Herr, kein Neues beginnen, solange wir als Christen, als Gemeinde und als Kirche nicht eingesehen haben, wie sehr wir schuldig sind, schuldig an dem Weg unseres Volkes, weil wir geschwiegen haben, wo wir hätten reden müssen, weil wir leise geflüstert haben, wo wir laut hätten schreien müssen […]. Wenn wir nun neu anfangen wollen, Gott möge es uns schenken, wissen wir es, wir Christen, wir sind schuldig an Millionen und Abermillionen von Umgebrachten, Hingemordeten, Zerbrochenen, ins Elend und in die Fremde gejagten armen Menschenkindern, Brüdern und Schwestern in allen Ländern Europas und über Europa hinaus.936
Am 18. Oktober 1945 legte Asmussen vor den Vertretern der Ökumene ein persönliches Schuldbekenntnis ab, und auch Niemöller brachte wiederholt zum Ausdruck, dass sie mit ihrem Volk einen verkehrten Weg gegangen seien. Die Vertreter der Ökumene machten deutlich, dass dem Bekenntnis eine öffentliche Erklärung folgen müsse. Asmussen und Dibelius937 erarbeiteten daraufhin Entwürfe, die von den Ratsmitgliedern diskutiert wurden, und es wurde weitgehend die von Dibelius erarbeitete Fassung übernommen.938 In der Schulderklärung heißt es: „Wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt
932 Vgl. ebd., S. 69 f. 933 Vgl. Hermle, Siegfried (Hrsg.): Herausgefordert., S. 721. 934 Vgl. Besier, Gerhard/Sauter, Gerhard: Wie Christen ihre Schuld bekennen. Die Stuttgarter Erklärung 1945. Göttingen 1985, S. 29. 935 Vgl. Greschat, Martin: Die evangelische Christenheit und die deutsche Geschichte nach 1945. Weichenstellungen in der Nachkriegszeit. Stuttgart 2002, S. 142. 936 Zitiert nach Hermle, Siegfried (Hrsg.): Herausgefordert, S. 756 f. 937 Friedrich Karl Otto Dibelius (1880–1967) war u. a. 1915 Pfarrer in Berlin-Schöneberg, ab 1934 Mitarbeiter im Berlin-Brandenburgischen Bruderrat und 1945–1966 Bischof von Berlin-Brandenburg. Vgl. Hermle, Siegfried (Hrsg.): Herausgefordert, S. 787. 938 Vgl. Hermle, Siegfried: Das Stuttgarter Schuldbekenntnis und der Neuanfang der Kirchen, S. 72.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
und nicht brennender geliebt haben.“939 Wohl auf Drängen Niemöllers wurde auch ein entscheidender Satz von Asmussen eingefügt: „Mit großem Schmerz sagen wir: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden.“940 Diese von allen Ratsmitgliedern unterschriebene Erklärung wurde am 19. Oktober 1945 verlesen und den Vertretern der Ökumene überreicht. In die Stuttgarter Erklärung nicht aufgenommen aber wurde die Frage nach der Schuld angesichts des systematischen Völkermordes an den Juden – im Rückblick die entscheidende Lücke.941 Erst 1950 verabschiedete ein offizielles Organ der EKD, die in BerlinWeißensee tagende Synode, ein „Wort zur Judenfrage“. Darin wurde die bleibende Erwählung Israels erklärt: „Wir glauben, daß Gottes Verheißung über dem von ihm erwählten Volk Israel auch nach der Kreuzigung Jesu Christi in Kraft geblieben ist.“942 Es wurde formuliert, dass man durch Unterlassen und Schweigen mitschuldig geworden sei „an dem Frevel, der durch Menschen unseres Volkes an den Juden begangen worden ist“.943 Während die Stuttgarter Erklärung von 1945 wie ein Türöffner für die ökumenischen Beziehungen wirkte und ein Aufeinanderzugehen ermöglichte944 , explodierte dagegen in Deutschland eine öffentliche Diskussion945 , denn das Bekenntnis wurde als Anerkennung einer deutschen Kollektivschuld gedeutet946 . Wie entwickelte sich das evangelische Laienspiel in diesem Umfeld weiter? Da die Großstädte zerbombt waren, fuhr man auf das Land.947 So fand beispielsweise die als „erste“ bezeichnete Sing- und Laienspielfreizeit für Jugendliche vom 13.–20. Juli 1946 auf Burg Wernfels statt.948 Zwar ist nicht auszuschließen, dass auch schon vorher Treffen stattgefunden haben, aber die Wernfelser Freizeit war eine der ersten und wirkte „modellbildend“949 . Etwa 90 Interessierte nahmen an dieser
939 940 941 942 943 944 945 946 947
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Zitiert nach ebd. Zitiert nach ebd. Vgl. ebd., S. 73. Zitiert nach ebd., S. 77. Ebd. Vgl. ebd. Vgl. Greschat, Martin: Die evangelische Christenheit und die deutsche Geschichte nach 1945. Weichenstellungen in der Nachkriegszeit. Stuttgart 2002, S. 148. Vgl. Schmid, Harald: Gemeinsame Schuld, separate Gedächtnisse. Zum Umgang mit dem Nationalsozialismus in Deutschland bis 1960, S. 34. Vgl. Kabitz, Ulrich: Situation des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend. In: Die Position des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend. Unveröffentlichter Bericht über eine Studientagung 1966, S. 7–18, hier: S. 12 f. Vgl. Broschüre der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel. Altenhundem 1946, o. S. AEKR Düsseldorf Best. 5 WV 013 (Laienspiel), Nr. 238. Es wird angegeben, dass der Bericht der Jungen Gemeinde (Nr. 6, September 1946) entnommen wurde. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008.
Anknüpfen und neu anfangen
Freizeit mit Bibelarbeit, Singen und Laienspiel teil. Ein Freizeitbericht zeigt, was der Jugendreferent Ulrich Kabitz950 und Hellmut Haffner951 vermittelten, nämlich eine Spielweise, die sich lossagt von gutgemeinten bürgerlichen Überlieferungen, von Bühne und Kostüm und dort wirken will, wo das Leben unserer Gegenwart am bittersten und schwersten atmet, in Lagern, Hinterhöfen, Wartesälen und öffentlichen Plätzen.952
Auch Studierende widmeten sich in den Nachkriegsjahren dem Laienspiel, wie exemplarisch folgender Bericht aus Erlangen zeigt: Im Sommersemester 46 haben wir uns entschlossen, in unserer Studentengemeinde eine Laienspielgruppe aufzubauen. Wir stecken allerdings noch ganz im Anfang. Als erstes Spiel haben wir den „Gotteskläger“ von Gerhard Fritzsche eingeübt, eines der besten und eindrucksvollsten Spiele, die mir bekannt sind. [...] Unsere Aufgabe sahen wir vor allem darin, vor Flüchtlingen zu spielen und ihnen einmal auf ganz andere Art zu sagen, daß es bei einem Neuanfang im Leben in erster Linie darauf ankommt, daß er mit Christus gemacht wird.953
Ulrich Kabitz resümierte über die ersten Jahre nach dem Krieg, dass nicht gleich neues Spielgut da war954 und die erste Zeit eine ‚Anknüpfungsphase‘ darstellte.955 Ein Beispiel für das Anknüpfen stellt die Arbeitsweise des Evangelienchors BerlinOst vor. Robert Pautzke956 war der Leiter der Gruppe und erstellte eine Chronik, 950 Vgl. zu Ulrich Kabitz auch Kapitel 4.2.2 und 4.3. 951 Hellmut Haffner (1920–1993) war Journalist und veröffentlichte die Laienspiele Wir warten alle auf den gleichen Zug, CG Nr. 94 [1948] und Pilatus, CG Nr. 104 (1951). Er war Ende der 40er und in den 50er Jahren freier und zeitweise angestellter Mitarbeiter im Christian Kaiser Verlag. Dort war er bis 1956 verantwortlich für die Zeitschrift Junges Spiel. Haffner wurde Filmproduzent und war 1969 Produzent der Verfilmung von Bertolt Brechts Baal (Drehbuch und Regie: Volker Schlöndorff; Baal: Rainer Werner Fassbinder). Vgl. https://www.filmportal.de/film/baal_ a03867031bfc454d94880c8e8f223ab7, zuletzt abgerufen am 19.09.2020. 952 Broschüre der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel. Altenhundem 1946, o. S. AEKR Düsseldorf Best. 5 WV 013 (Laienspiel), Nr. 238. 953 Gaebelein, Wolfgang: Bericht Erlangen. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 2, Kassel, 04.02.1947. BU 0005/153. 954 Der Mangel an Stücken kam auch dadurch zustande, dass dem Christian Kaiser Verlag 1946 das nötige Papier kaum zur Verfügung stand. Er hoffte, „in nächster Zeit“ einige Spiele neu auflegen zu können. Christian Kaiser Verlag an Friedrich Samuel Rothenberg, München, 10.10.1946. BU 0005/153. 955 Vgl. Kabitz, Ulrich: Situation des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend, S. 13. 956 Robert Pautzke, Lebensdaten unbekannt, übernahm im Oktober 1953 von Remscheid aus die Leitung der Laienspielberatungsstelle für die Jugendarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland. Pautzke, der hauptberuflich Versicherungskaufmann war, wurde 1955 Vorsitzender der Arbeitsge-
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die von 1948 bis 1951 Aufführungsberichte von ihm und den Spielern beinhaltet.957 Der Evangelienchor war nach einem Lehrgang für Laienspielarbeit im Januar 1948 entstanden und spielte mehr, als er sang. Die jugendlichen Teilnehmer waren aus verschiedenen Gemeinden des Berliner Ostens zusammengekommen und wollten durch Spiel das Evangelium verkünden. Pautzke schrieb im Vorwort: „Die Arbeit, die wir […] tun, ist nicht ein Mittel, unsere leere Zeit auszufüllen, sondern sie ist Auftrag und Missionsdienst zugleich.“958 Das erste Spiel, das sie probten, hieß Schuldner und war von Robert Pautzke selbst geschrieben. Es wurde nicht veröffentlicht. Das mit Schreibmaschine verfasste Manuskript befindet sich, wie die Chronik, im Nachlass von Ulrich Kabitz im Deutschen Archiv für Theaterpädagogik in Lingen. Der Evangelienchor führte Pautzkes Schuldner von März bis November 1948 in zwölf verschiedenen Gemeinden auf und erreichte auf diese Weise ganz unterschiedliche Zuschauergruppen.959 Über eine Aufführung in Berlin Friedrichsfelde berichtete die Spielerin Hanna Plaendorf: „Wir standen mit der Gemeinde vor Gott, waren gleichsam alle zu ‚Schuldnern‘ geworden und durften es in unseren Herzen singen und sagen: Jesus Christus ist für dich da!“960 Das Spiel sei kurz vorgestellt: Der volle Titel lautet Schuldner. Ein Evangelienspiel nach dem Gleichnis vom Schalksknecht. Im Vorwort (Berlin, 7. Januar 1948) erklärt Pautzke, das Spiel solle von der Herrlichkeit und Gnade Gottes zeugen. Grundlage sei das Wort der Heiligen Schrift, und das Stück solle nach Möglichkeit in einer Kirche gespielt werden. Wir wollen das Spiel ganz schlicht gestalten, uns auf die notwendigsten Gesten und Bewegungen beschränken und allein das gesprochene und gesungene Wort wirken lassen. Der Evangelienchor zieht während des Orgelvorspiels in die Kirche ein und bildet im Altarraum einen Halbkreis. […] Die Sprecher treten, wenn ihr Stichwort gefallen ist, aus dem Halbkreis in den Altarraum und gehen nach Beendigung ihrer Aufgabe wieder in
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meinschaft Evangelisches Laienspiel und arbeitete in dieser Eigenschaft auch mit Ulrich Kabitz zusammen. Vgl. Pautzke, Robert: Wer ist eigentlich Robert Pautzke? In: Junges Spiel (1955), H. 9, o. S. Und: Verhandlungen der fünften Rheinischen Landessynode 23.–28.10.1955, S. 65. AEKR Düsseldorf. Pautzke, Robert: Chronik Evangelienchor Berlin-Ost. 1948–1951. DATP-2 (Sammlung Kabitz), Lfd. Nr. 5. Ebd., S. 2. Feierstunden mit Auftritten des Evangelienchors Berlin-Ost im Jahr 1948: 31.03. Friedrichsfelde; 03.04. Zehlendorf; 10.04. Lichtenberg; 12.04. Zion; 17.04. Immanuel; 25.04. Weißensee; 02.05. Birkenwerder; 09.05. Wilhelmshagen; 29.05. Hennickendorf; 17.10. Steglitz; 31.10. Schönow, 17.11. Seelow (Oderbruch). Vgl. Pautzke: Chronik Evangelienchor Berlin-Ost, S. 5. Bericht vom 31.03.1948 (Friedrichsfelde). Ebd., S. 7.
Anknüpfen und neu anfangen
den Halbkreis zurück. […] während des Schlußchorals zieht der Evangelienchor wieder aus der Kirche hinaus.“961
Das Spiel, beruhend auf Matthäus 18,21-34, ist in fünf „Stücke“ unterteilt und zeigt, wie ein Schalksknecht seine Schulden vom König erlassen bekommt, aber von seinem Mitknecht sein Geld zurückfordert. Als der König davon erfährt, lässt er den Schalksknecht ins Gefängnis werfen. Es erklingt immer wieder Gesang von der Gemeinde und dem Evangelienchor, und die Figuren sprechen in gebundener Sprache, außer wenn Bibeltexte vorgetragen werden. Im letzten Teil wird dem Publikum eine Deutung gegeben, und der König erklärt: „Ein jeder horch in sich hinein, / ob er mag solch ein Schalksknecht sein, / der noch ein hartes Urteil spricht, / dieweil er selbst steht im Gericht.“962 Etwas später sagt der Sprecher: „Ein jeder hat in seinem Leben / dem Mitknecht manches zu vergeben.“963 Und Martha klagt: Es ist viel Herzenshärtigkeit / In dieser so zerrissenen Zeit, / in dieser armen, irren Welt!“964 Dem Manuskript war ein Ablauf der Feierstunde beigefügt. Die Ähnlichkeit zu Hans Maurers Evangelienspielen ist frappierend. Es verwundert nicht, dass sich in einem Artikel der Zeitschrift Junges Spiel aus dem Jahr 1955 der Hinweis findet, dass Robert Pautzke in seiner Jugend in Hans Maurers Evangelienchor mitgespielt hat.965 Weil Pautzke als ein Schüler Maurers in Schuldner das Thema der Zeit – Schuld – in alter Form präsentierte, wird hier die ‚Anknüpfungsphase‘ gut deutlich. Ein Bericht Pautzkes von einer Aufführung, der eine Ahnung von der Welt der evangelischen Laienspieler in der frühen Nachkriegszeit vermittelt, soll das Kapitel beschließen. Der Evangelienchor Berlin-Ost führte das Stück Schuldner im November 1948 in Seelow auf, ca. 70 Kilometer von Berlin entfernt, bekannt durch die Schlacht um die Seelower Höhen im April 1945. Zusätzlich zu den Zerstörungen durch den Krieg war die Region von einer Überschwemmungskatastrophe 1947 gezeichnet. Die Stadt war arg zerstört, die Kirche nur eine Ruine. Von der Bühne des Gasthaussaales blickte eine auf Pappe gemalte romantische Burgruine auf uns herab. Vor solch einem Hintergrund konnten und wollten wir unser Verkündigungsspiel nicht darbieten. Es wurden also kurzerhand die Stuhlreihen zur Hinterfront des Saales umgedreht, wo ein Tisch mit einem Kurzefix [sic!] aufgestellt war. Inzwischen rückte die Jugend aus den
961 Pautzke, Robert: Schuldner. Ein Evangelienspiel nach dem Gleichnis vom Schalksknecht. Manuskript. Berlin 1948, o. S. DATP-2 (Sammlung Kabitz), Lfd. Nr. 35. 962 Ebd., S. 17. 963 Ebd., S. 19. 964 Ebd., S. 20. 965 Vgl. Pautzke, Robert: Wer ist eigentlich Robert Pautzke? In: Junges Spiel (1955), H. 9, o. S.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
umliegenden Dörfern heran. Zu Fuß, mit Fahrrädern, ja sogar mit Lastautos waren Jungen und Mädels unterwegs, um das Spiel mitzuerleben. Und dann spielten wir. Spielten mit aller Hingabe an das Wort, deren wir fähig waren, riefen die Jugend an, stellten sie hinein in die Frage der Schuld und der Vergebung. […] Ja, wir durften Botschafter Gottes sein, Verkündiger seiner Gnade. Und als wir fertig waren mit unserem Spiel, da versuchten wir, ins Gespräch zu kommen mit dieser vereinsamten Jugend da irgendwo im Osten Deutschlands. Versuchten, den Jugendlichen, die so ganz umgeben sind von Hoffnungslosigkeit und Elend, äußerer und innerer Not, von Einsamkeit und Müdigkeit, etwas zu sagen und zu zeigen von der großen Bruderschaft evangelischer Jugend. […] Dann fuhren wir im dunklen Zug mit vernagelten Fenstern wieder zurück nach Berlin. In uns war es so hell, daß all das Bedrückende uns nichts anhaben konnte. […] Vor allem aber dankten wir dem Herrn Christus, der uns in seinen Dienst hineingestellt und der uns weitergeholfen hatte. […] Das Leuchten in uns hielt auch an, als wir aus dem finsteren Zug herausgeholt wurden und eine Polizeikontrolle über uns ergehen lassen mußten.966
4.2
Organisationsstrukturen
4.2.1
Die erträumte Evangelische Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel
Im Dezember 1945 schrieb der Christian Kaiser Verlag an Aurel von Jüchen und teilte ihm mit, dass die „Evangelische Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel“ (im Folgenden abgekürzt mit EACG) sein Spiel Die frohe Botschaft als Notauflage in 3.000 Exemplaren ohne die vorherige Genehmigung des Verlags habe nachdrucken lassen. „In Anbetracht der schwierigen Verhältnisse und im Interesse der Sache haben wir der Arbeitsgemeinschaft aber nachträglich die Lizenz für diese Auflage erteilt, die nur für das britisch besetzte Gebiet gilt.“967 Aurel von Jüchen antwortete im Januar 1946, dass er die Gründung der Arbeitsgemeinschaft für sehr nützlich halte und fragte nach einer Kontaktmöglichkeit.968 Wer oder was verbarg sich hinter der EACG? Am 31.12.1945 verfasste Oskar Ermert ein offizielles Schreiben an Verlage, in dem er sie über die Gründung der EACG informierte, deren Hauptsitz in Altenhundem (Westfalen) war. Sie werde als Beratungsstelle und Zentralverlag für christliche Gemeindespiele und ferner als Zentralverband für evangelische kirchliche Laienspielkreise mit den bereits
966 Pautzke, Robert: Chronik Evangelienchor Berlin-Ost, S. 19 f. 967 Christian Kaiser Verlag an Aurel von Jüchen, München, 20.12.1945. BU 0005/58. 968 Vgl. Pfarrer v. Jüchen an Christian Kaiser Verlag, Rossow, 07.01.1946. BU 0005/58.
Organisationsstrukturen
bestehenden Verlagsanstalten, Autoren, Spielkreisen, Arbeitskreisen, Jugendverbänden, Vereinen und Kirchengemeinden eng zusammenarbeiten.969 In den aufgestellten Satzungen wird erklärt, die EACG stehe auf dem Boden des evangelischen Glaubens. Die mit ihr in Arbeitsgemeinschaft getretenen Laienspielkreise der einzelnen Kirchengemeinden sollen durch geeignetes Schrifttum, Spielkurse und Bibeltreffen für diesen Dienst in der Kirche gestärkt werden, und die Verlagsanstalten sollen „in enger Fühlungnahme“970 mit der EACG christliche Gemeindespiele herausgeben. Das geistliche Spiel gäbe den Jugendlichen eine Aufgabe und habe dieselbe Intention wie die Predigt: Zeugnis geben und verkündigen. Die Arbeitsgemeinschaft wolle dazu beitragen, dass das christliche Gemeindespiel „ein wirklich ernst zu nehmender Bestandteil des kirchlichen Lebens“971 werde. Der Christian Kaiser Verlag reagierte freundlich und antwortete, dass eine zentrale Beratungsstelle sehr wirksam und fruchtbar arbeiten könne. Der Gedanke des Zentralverlags wurde erwartungsgemäß kritisch reflektiert: Das „Gesicht der Gemeindespiele-Produktion“972 könne dadurch zu eintönig werden, und gerade durch die verschiedenen Verlage bliebe eine gewisse Lebendigkeit bewahrt. Der Verlag verkaufte der EACG Spiele, die noch auf Lager waren, trat der Arbeitsgemeinschaft aber nicht bei.973 Oskar Ermert war in der Laienspielszene gut vernetzt. In einer vierseitigen Broschüre, 1946 von der EACG herausgegeben, veröffentlichte sogar Paul Girkon einen Artikel mit dem Titel Vom Dienst des christlichen Gemeindespieles. Ermert betont in der Broschüre: Die Leitung der Evangl. Kirche in Deutschland weiß um unseren Dienst und gibt ihrer Freude darüber Ausdruck, daß wir uns der Pflege des christl. Gemeindespiels annehmen wollen. Sie ist der Überzeugung, „daß das christl. Gemeindespiel – vor allem in enger Verbindung mit der Jugendarbeit – zweifellos eine Aufgabe in unserer evangelischen Kirche hat. Bei der Jugendkammer der EKiD ist vor kurzem unter der Leitung von Herrn Pastor Friedrich Samuel Rothenberg eine „Mittelstelle für evangl. Gemeindespiel“ eingerichtet [sic!]. Wir haben mit dieser von der Jugendkammer neu eingerichteten
969 Vgl. Oskar Ermert, Rundbrief, Altenhundem, 31.12.1945. BU 0005/152. 970 Provisorisch aufgestellte Satzungen der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel, Altenhundem, 12.12.1945. BU 0005/152. 971 Ebd. 972 Christian Kaiser Verlag an die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel, München, 23.01.1946. BU 0005/152. 973 Vgl. ECAG an Christian Kaiser Verlag, Altenhundem, 27.03.1946. BU 0005/152.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Mittelstelle Verbindung aufgenommen und hoffen, daß es zu einer engen und fruchtbaren Zusammenarbeit kommen wird.974
Es kam zu keiner „fruchtbaren Zusammenarbeit“. Genau das Gegenteil geschah, denn Rothenberg warnte den Christian Kaiser Verlag sogar vor Ermert: Schließlich möchte ich Ihnen noch mitteilen, daß auf der Sitzung der Jugendkammer der „Evangelischen Kirche in Deutschland“ am 19. 9. beschlossen worden ist, vor Zusammenarbeit mit dem 22-jährigen Herrn Ermert […] zu warnen. Man sagt ja nicht zu viel, wenn man hier von „Hochstapelei“ spricht.975
Die zentralen Anliegen der Gemeindespielarbeit nähme die „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ wahr, so Rothenberg weiter. Im Oktober 1946 erhielt der Christian Kaiser Verlag folgende Nachricht von der „Vereinigung Evangelischer Buchhändler“ im Gebiet der Britischen Zone: Hiermit bitten wir Sie und raten dazu, Herrn Ermert in Altenhundem künftig nicht mehr mit Rabatt zu beliefern, solange er keinem buchhändlerischen Verband angehört. Die Jugendkammer der EKD hat den Beschluß gefaßt, von Herrn E. abzurücken und vor ihm zu warnen.976
Als die Warnungen eintrafen, wusste man im Christian Kaiser Verlag bereits, wer Ermert war. Der Leiter der Nürnberger Laienspielberatungsstelle Ulrich Kabitz hatte diesen in Altenhundem besucht und berichtete dem Verlag in einem Brief im August 1946: Ich war recht erstaunt, dies so groß aufgezogene Unternehmen in einer Wohnstube mit einer geliehenen Schreibmaschine vorzufinden. Herr Ermert ist ein 22-jähriger Abiturient, der anfangs beabsichtigte, Theologie zu studieren, aus dem Wehrdienst zurückkam und nun diese Arbeitsgemeinschaft aufzog. […] Als Berater hat Herr Ermert Dr. Girkon gewonnen. Und eines muss ich zugeben: Herr Ermert hat eine ausgezeichnete Organisationsfähigkeit bei aller Improvisation. Etwas, was mir völlig abgeht!977
974 Broschüre der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel. Altenhundem 1946, o. S. AEKR Düsseldorf Best. 5 WV 013 (Laienspiel), Nr. 238. 975 Rothenberg an Bissinger, Kassel, 30.09.1946. BU 0005/153. 976 Vereinigung Evangelischer Buchhändler im Gebiet der Britischen Zone an den Christian Kaiser Verlag, Neukirchen, 17.10.1946. BU 0005/152. 977 Kabitz an Christian Kaiser Verlag, Nürnberg, 23.08.1946. BU 0005/4.
Organisationsstrukturen
Ganz offensichtlich hatte Ermert versucht, seine Idee der EACG umzusetzen, und war dabei nicht die bürokratischen und offiziellen Wege gegangen. Rothenberg nutzte Ermerts „ausgezeichnete Organisationsfähigkeit“ vermutlich nicht. Dieser blieb aber in der Laienspielszene weiter aktiv. Zumindest 1947 wurde in zwei Rundsendungen der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ sein Name für die Laienspiel-Beratungsstelle Rheinland-Westfalen angegeben.978 4.2.2
Von realen Stellen und Arbeitsgemeinschaften
Samuel Rothenberg ist heute als Komponist von Kirchenliedern bekannt. Er schuf unter anderem die Melodien zu Ja, ich will euch tragen979 von Jochen Klepper und Abend ward, bald kommt die Nacht 980 von Rudolf Alexander Schröder. Dass Rothenberg sich auch im besonderen Maße für das evangelische Laienspiel in der Nachkriegszeit engagierte, fand bisher kaum Beachtung.981 Friedrich Samuel Rothenberg (1910–1997) studierte Theologie und legte sein Examen beim Prüfungsamt der Bekennenden Kirche in Berlin ab. Er war Vikar an der reformierten Schlosskirche in Berlin-Köpenick und in der Berliner Gethsemanegemeinde. Im Winter 1936/37 besuchte er das Predigerseminar in Wuppertal-Elberfeld, und im Dezember 1937 wurde er in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem ordiniert. Zunächst sandte ihn der altpreußische Bruderrat im Januar 1938 als Studieninspektor an das Predigerseminar in Bielefeld, welches aber im Frühjahr durch die Gestapo aufgelöst wurde. Ab April 1938 arbeitete er als Hilfsprediger in der Gemeinde Potsdam-Heiliggeist und wirkte ein Jahr später als „Singpfarrer“ (Mark Brandenburg). Ende August 1939 wurde er Soldat. Nach dem Einsatz in Frankreich und Russland kam er im Mai 1945 in britische Gefangenschaft. 1946 begann er
978 Vgl. Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 3, Kassel, 25.04.1947. Und: Rundsendung Nr. 4, Kassel, 24.11.1947. BU 0005/153. 979 Text: Jochen Klepper, 1938. Melodie: Samuel Rothenberg, 1939. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 692 (Lied 380). 980 Text: Rudolf Alexander Schröder, 1942. Melodie: Samuel Rothenberg, 1948. Vgl. ebd., S. 857 (Lied 487). 981 Ein kurzer Hinweis auf Rothenbergs Einsatz für das Laienspiel steht beispielsweise in: Schwab, Ulrich (Hrsg.): Geschichte der evangelischen Jugendarbeit. Teil 2. Vom Wiederaufbau zur Wiedervereinigung. Evangelische Jugend in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1995. Hannover 2003, S. 48.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
seine Mitarbeit im Evangelischen Jungmännerwerk Deutschlands (heute CVJM) in Kassel.982 1951 bis 1962 war er Pfarrer an der Nikolaikirche in Korbach.983 1938 gab Rothenberg das Liederheft Das Aufgebot heraus, 1946 Lob aus der Tiefe, eine Sammlung von Gedichten, und 1949 Das junge Lied.984 1947 bis 1950 war er an der Herausgabe der Oncken-Laienspiele985 beteiligt, einer Spielreihe, die vermutlich zehn Stücke umfasste986 . Ab 1946 leitete Rothenberg die „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“, die im Auftrag der Jugendkammer der Evangelischen Kirche in Deutschland987 arbeitete. Von Kassel aus wurden die zentralen Anliegen der Gemeindespielarbeit wahrgenommen, wozu unter anderem die Beratung der Jugendkreise durch grundsätzliche Aufsätze und Empfehlung vorliegender Spiele gehörte sowie die Planung von zentralen Studientagungen für Laienspielfragen.988 In Rundsendungen informierte die Mittelstelle Verlage und Beratungsstellen über aktuelle Entwicklungen. In der ersten Rundsendung im November 1946 betonte Rothenberg: „Wir erleben in unseren Tagen einen starken Auftrieb in der Laienspielarbeit“989 und erklärte die Organisationsstrukturen: Die Arbeit der Mittelstelle grenze sich von den Aufgaben der landeskirchlichen Laienspielberatungsstellen990
982 Vgl. Lebenslauf Rothenberg. Landeskirchliches Archiv Kassel, Bestand C 3.5.3 Landeskirchenamt Personalakten, Nr. 1141 Samuel Rothenberg, 1951–1997. 983 Vgl. Bartsch, Martin: Rothenberg, Samuel. In: Herbst, Wolfgang (Hrsg.): Komponisten und Liederdichter des Evangelischen Gesangbuchs. 2. Aufl. Göttingen 2001, S. 263–264, hier: S. 264. 984 Vgl. Lebenslauf Rothenberg. Landeskirchliches Archiv Kassel, Bestand C 3.5.3 Landeskirchenamt Personalakten, Nr. 1141 Samuel Rothenberg, 1951–1997. 985 Vgl. ebd. In den Oncken-Laienspielen ist Rothenbergs Name nicht als Herausgeber verzeichnet, es erscheint aber in den Heften die Angabe, dass Anschriften von Laienspiel-Beratungsstellen bei der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ zu erfragen seien. 986 Riebold, Fritz: Hiob. Ein biblisches Verkündigungsspiel. OL Nr. 1. Stuttgart 1947; Kabitz, Ulrich: Krippen-Ballade. Ein Spiel zur Notweihnacht. OL Nr. 2. Stuttgart 1947; Denkhaus, Lotte: Der Gast. Ein weihnachtliches und nachweihnachtliches Spiel. OL Nr. 3. Stuttgart 1947; Kabitz, Ulrich: Das Dombau-Meister-Spiel. OL Nr. 4. Stuttgart 1948; Sommerauer, Adolf: Der reiche Mann und der arme Lazarus. OL Nr. 5. Stuttgart 1948; Fritzsche, Magdalene-Traugotte: Vom wiedergefundenen Paradeis. Ein Weihnachtsspiel für Kinder. OL Nr. 6. Stuttgart 1948; Kochheim, Gustav: Ihr lieben Hirten, kommt, schlagt ein! Ein Weihnachtsspiel für Kinder und schlichte Leute. OL Nr. 7. Stuttgart 1948; Hahn, Ilse: Bereitet den Weg des Herrn! OL Nr. 8. Stuttgart 1948; Fritzsche, MagdaleneTraugotte: Das Spiel von Mensch und Ewigkeit. OL Nr. 9. Stuttgart 1948; Lamb, Philip J.: Dein Weg, Mose! OL Nr. 10. Stuttgart 1949. 987 Vgl. Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 2, Kassel, 04.02.1947. BU 0005/153. 988 Vgl. Rothenberg an Bissinger, Kassel, 30.09.1946. BU 0005/153. 989 Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 1, Kassel, 10.11.1946. BU 0005/153. 990 In der 7. Rundsendung werden 18 Evangelische Laienspiel-Beratungsstellen genannt. Vgl. Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 7, Kassel, 26.05.1950. BU 0005/153.
Organisationsstrukturen
ab, denn diese würden die Jugend- und Spielkreise aufgrund einzelner Anfragen beraten, Spieltexte verschicken und Freizeiten gestalten.991 Eine besondere Bedeutung hatte die Studientagung für evangelisches Laienspiel auf dem Waitzackerhof bei Weilheim/Oberbayern, die vom 30. September bis 5. Oktober 1947 stattfand und zu der die „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ eingeladen hatte. Außer den Leitern der landeskirchlichen LaienspielBeratungsstellen waren auch Autoren der Einladung gefolgt.992 Die Tagung stand unter der fachlichen Leitung von Ulrich Kabitz, Gustav Kochheim und – auf den Hinweis von Kabitz hin993 – auch von Rudolf Mirbt994 . Dieser erklärte, dass er die Initiative begrüße, da es doch überhaupt der erste Versuch der evangelischen Kirche sei, die führenden Laienspielkräfte miteinander ins Gespräch zu bringen.995 Inhaltlich ging es unter anderem um das Wesen christlicher Spielarbeit, und Gustav Kochheim entfachte mit seinem Vortrag Laienspiel – Verkündigung oder Lebenshilfe? 996 eine „nicht enden wollende Diskussion“997 . Kabitz erklärte rückblickend, es habe dort einen großen Aufstand gegeben.998 Als Rothenberg die Auffassung äußerte, dass Laienspiel Verkündigung sein müsse, argumentierte Kochheim dagegen und sprach sich gegen diese Engführung und für den uneingeschränkten Spielraum des Theaters aus, denn es müsse die ganze Bandbreite gesehen werden.999 Rothenberg stand mit seiner Auffassung „so gut wie allein“1000 da. An anderer Stelle auf der Tagung betonte Mirbt, dass das ganze Leben des Christen Verkündigung sei: Wir müssen bereit sein, Brücke und Verbindung zum Nächsten zu schaffen […] Unser Leben wird letzten Endes beurteilt werden nicht nach der Art unserer Rolle im Leben
991 Vgl. Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 1, Kassel, 10.11.1946. BU 0005/153. 992 Vgl. Rothenberg an Verlage, Kassel, 19.10.1947. BU 0005/153. 993 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008. 994 Vgl. Rothenberg an Verlage, Kassel, 19.10.1947. BU 0005/153. 995 Vgl. Tagungsprotokolle. Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Studientagung für ev. Laienspiel auf dem Waitzackerhof bei Weilheim/Oberbayern, 30.09.–05.10.1947. BU 0005/153. 996 Der Vortrag wurde veröffentlicht: Kochheim, Gustav: Laienspiel – Verkündigung oder Lebenshilfe? Stuttgart 1948. Vgl. auch Kapitel 4.11. 997 Rothenberg, Samuel: Die Studientagung auf dem Waitzackerhof. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 4, Kassel, 24.11.1947. BU 0005/153. 998 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 23.10.2008. 999 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008. 1000 Kabitz, Ulrich: Noch einmal die alten Wege. 1945–1960. Manuskript. O. O. [München] o. J., S. 15. DATP-2 Sammlung Kabitz), Lfd. Nr. 2.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
(unseres Berufes), sondern ob unsere Rolle vor Gott geführt ist. Alles Leben ist ein Spiel vor Gott.1001
Während der Tagung präsentierten Autoren eigene neue Stücke.1002 Hermann Stock las beispielsweise aus Der Mensch Gottes vor, welches 1947 als erstes neues Spiel in der Reihe Christliche Gemeindespiele erschien, und Stephan Gräffshagen stellte sein Stück Das Spiel von der Brudersuche1003 vor, das 1947 das erste Spiel der neuen Reihe Bärenreiter-Laienspiele war, die Mirbt im Bärenreiter Verlag herausgab. Die Tagung auf dem Waitzackerhof verlief so erfolgreich, dass weitere Studientagungen geplant und abgehalten wurden, die hier aber nicht weiter aufgeführt werden sollen. Es wurde deutlich, dass das evangelische Laienspiel bald nach Kriegsende von kirchlichen Stellen – bundesweit vernetzt, wie nie zuvor – fortgeführt wurde und neue Vertreter wie altbekannte im Austausch standen. An diesen Entwicklungen war Samuel Rothenberg als Initiator maßgeblich beteiligt. Am 28. Juni 1950 beauftragte die Jugendkammer der EKD Ulrich Kabitz als Nachfolger von Pfarrer Samuel Rothenberg mit der Geschäftsführung der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“1004 , die in „Mittelstelle für Werk und Feier“1005 umbenannt wurde. Zunächst arbeitete Kabitz als bundesweiter Netzwerker des evangelischen Laienspiels von Nürnberg aus, ab 1952 von Stuttgart aus.1006 Zu den Veröffentlichungen der „Mittelstelle für Werk und Feier“ gehörte ab vermutlich 1951 auch die Laienspielreihe Die Spielschar. Bis 1959 erschienen 77 oder 78 Hefte, dies ist aufgrund fehlender Jahresangaben nicht ganz eindeutig. Die Reihe erschien zunächst im Quell-Verlag und später im Deutschen Theaterverlag. In den 80er Jahren ging die Reihe in Das Spielforum über.1007 Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass der Name der umfassenden Spielreihe Die Spielschar aus
1001 Tagungsprotokolle. Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Studientagung für ev. Laienspiel auf dem Waitzackerhof bei Weilheim/Oberbayern, 30.09.–05.10.1947. BU 0005/153. 1002 Vgl. Rothenberg, Samuel: Die Studientagung auf dem Waitzackerhof. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 4, Kassel, 24.11.1947. BU 0005/153. 1003 Gräffshagen widmete das Spiel Ulrich Kabitz. 1004 Vgl. Weisser, Elisabeth: Information über die evangelische Jugend in Deutschland. In: Dies. (Hrsg.): Freiheit und Bindung. Beiträge zur Situation der evangelischen Jugendarbeit in Deutschland. München 1963, S. 161–263, hier: S. 251. 1005 Vgl. ebd., S. 173–175. Über die Aktivitäten der „Mittelstelle für Werk und Feier“ berichtete häufig u. a. die Zeitschrift Die Laienspielgemeinde. Vgl. beispielsweise N. N.: Tagungen und Berichte. In: Die Laienspielgemeinde 2 (1951), Heft 1, S. 21–28, hier: S. 27. 1006 Vgl. Interview mit Kabitz am 21.08.2008. 1007 Vgl. E-Mail-Auskunft von Gabriele Barth, der Geschäftsführerin des Deutschen Theaterverlags, am 15.08.2019.
Organisationsstrukturen
heutiger Sicht merkwürdig erscheint, denn unter diesem Titel hatte die Reichsjugendführung, der Reichsnährstand und die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ von 1936 bis 1944 eine Zeitschrift herausgegeben. Zielgruppe der Zeitschrift waren u. a. Akteure der HJ-Spielscharen.1008 Im November 1952 konstituierte sich ergänzend zur „Mittelstelle für Werk und Feier“ die „Arbeitsgemeinschaft für evangelisches Laienspiel“ (später „Arbeitsgemeinschaft Spiel in der EJD“)1009 . Diese sah ihre Aufgaben in der Förderung der evangelischen Beratungsstellen und in der Durchführung von Studientagungen und Lehrgängen.1010 Sie gab zusammen mit dem Christian Kaiser Verlag und dem QuellVerlag Stuttgart die Zeitschrift Junges Spiel. Blätter für das evangelische Laienspiel in Jugend und Gemeinde heraus.1011 Neben Berichten rund um das Laienspiel1012 wurden neue Spieltexte der Reihen Die Spielschar und Christliche Gemeindespiele vorgestellt. Dies weist auf ein kooperatives Verhältnis der Verantwortlichen beider Reihen hin. Wie für den evangelischen bestand auch für den katholischen Bereich eine Arbeitsgemeinschaft. Beide gehörten zusammen mit den Laienspielverantwortlichen der politischen Jugend, der Gewerkschaftsjugend, des Schulwesens usw. zur 1953 auf Initiative von Mirbt gegründeten „Bundesarbeitsgemeinschaft für Laienspiel und Laientheater“.1013 Am Ende des Einblicks in die Organisationsstrukturen des evangelischen Laienspiels in der Nachkriegszeit sollen zumindest exemplarisch einige Zahlen genannt werden, um deutlich zu machen, welche Bedeutung dem Spiel zukam. Bereits im November 1946 hatte Samuel Rothenberg, wie bereits erwähnt, einen „starken Auftrieb“1014 in der Laienspielarbeit konstatiert. Dieser zeigte sich beispielsweise auch etwas später in der Statistik der Jugendarbeit im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland. Im Herbst 1949 wurde die Zahl der Laienspielscharen mit
1008 Vgl. Keller, Anne: Das deutsche Volksspiel, S. 14. 1009 Vgl. Weisser, Elisabeth: Information über die evangelische Jugend in Deutschland, S. 252. Bis 1959 wird in der Zeitschrift Junges Spiel von der „Arbeitsgemeinschaft für evangelisches Laienspiel“ geschrieben. 1010 Vgl. Die Laienspielgemeinde 4 (1953), H. 1, S. 2. 1011 Junges Spiel erschien 1953 bis 1970. 1012 Die Zeitschrift nahm beispielsweise einen Artikel von Pfarrer Gruber auf, der über die eigene Waldbühne in Katzweiler bei Kaiserslautern berichtete. Eine Beschreibung dieser Arbeit und der Hintergründe kann hier nicht erfolgen. Die Freilichtspiele Katzweiler gibt es bis heute. Vgl: Gruber, Wilhelm: Das Beispiel von Katzweiler. In: Junges Spiel (1956), H. 11. o. S. 1013 Vgl. N. N.: Kurznachrichten aus der Laienspielarbeit. In: Mitarbeiterbrief der Jugendkammern der Evangelischen Kirchen im Rheinland und von Westfalen 6 (1956), Nr. 26, S. 5–6, hier: S. 6. 1014 Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 1, Kassel, 10.11.1946. BU 0005/ 153.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
39 angegeben.1015 1951 gab es dann schon 137 Laienspielscharen, und 1952 waren es 146.1016 Im Bericht der Laienspielberatungsstelle 1955 wird aufgeführt, dass im Gebiet der Rheinischen Kirche (außer Saarland, dort sei eine eigene Laienspielberatungsstelle) die Zahl der festen Laienspielkreise auf 150 angestiegen ist und daneben noch etwa 100 gelegentliche Spielgruppen bestehen.1017
4.3
Ulrich Kabitz – der Netzwerker
Ulrich Kabitz (1920–2019) studierte Geschichte und Literatur in Regensburg. Ab 1945 wirkte er als Kulturreferent in der evangelischen Jugendarbeit, ab 1950 war er bundesweit für die Entwicklung des evangelischen Laienspiels zuständig. 1960 bis 1984 arbeitete Kabitz als Lektor im Christian Kaiser Verlag in München und war Experte für die Bonhoeffer-Literatur.1018 Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster verlieh ihm 2008 den Ehrendoktor. Über die Anfänge nach dem Krieg berichtete Ulrich Kabitz in Interviews und in dem Manuskript Noch einmal die alten Wege.1019 1944 hatte er, als Soldat „in einer oberschlesischen Ortschaft“1020 in einem Pfarrhaus einquartiert, Erfahrungen mit der Durchführung eines kirchlichen Laienspiels gesammelt. „Die Pfarrfrau hatte mitbekommen, wie sich gelegentlich ein kleiner Freundeskreis bei mir traf, der hin und wieder ein bißchen Fronttheater und Kabarett zustande gebracht hatte.“1021 Sie bat Kabitz, ihr die Proben für das Krippenspiel in der Kirche abzunehmen und übergab ihm einen Text „auf ein paar Blättern abgetippt, ohne Titel oder Verfassernamen“.1022 Kabitz fesselte die Aufgabe, aus dem Text eine lebendige Handlung mit den Darstellern zu entwickeln. Später entdeckte er, dass es sich bei dem Spiel
1015 Vgl. Verhandlungen der zweiten Rheinischen Landessynode. 12.–18.11.1950. Mülheim a. d. Ruhr 1951, S. 177. AEKR Düsseldorf SII b2. 1016 Vgl. Verhandlungen der vierten Rheinischen Landessynode. 25.–30.10.1953. Mülheim a. d. Ruhr 1953, S. 87. AEKR Düsseldorf SII b2. 1017 Vgl. Verhandlungen der fünften Rheinischen Landessynode. 23.–28.10.1955. Mülheim a. d. Ruhr 1955, S. 65. AEKR Düsseldorf SII b2. 1018 Veröffentlichungen von Ulrich Kabitz u. a.: Begegnungen mit Helmut Gollwitzer. Hrsg. zus. mit Friedrich-Wilhelm Marquardt, 1984; Dietrich Bonhoeffer Werke, Bd. 16, Konspiration und Haft 1940–1945. Hrsg. zus. mit Jørgen Glenthøj und Wolf Krötke, 1996; Brautbriefe Zelle 92. Dietrich Bonhoeffer/Maria v. Wedemeyer 1943–1945. Hrsg. zus. mit Ruth Alice von Bismarck, 1992. 1019 Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08. und 23.10.2008. Und: Kabitz, Ulrich: Noch einmal die alten Wege. 1945–1960. Manuskript. O. O. [München] o. J. DATP-2 (Sammlung Kabitz), Lfd. Nr. 2. 1020 Ebd., S. 4. 1021 Ebd. 1022 Ebd., S. 5.
Ulrich Kabitz – der Netzwerker
Abbildung 2 Ulrich Kabitz beim Interview in München 2008.
um Des ewgen Vaters einig Kind von Paul Girkon handelte.1023 Nach dem Krieg arbeitete er 1945 zunächst in der Schreinerei der Rummelsberger Anstalten1024 . Im Lehrerhaus war der ganze Speicher „voll mit Literatur der Jugendbewegung“1025 . Er hat dort nachts gelesen und die ganze Jugendbewegung nachgeholt. Begeistert vom Laienspiel und bereits als Mitarbeiter des Landesjugendpfarramts brachte Kabitz
1023 Das Stück erschien u. a. 1935 als ML H. 142 und 1939 als CG Nr. 7. Vgl. dazu auch die Kapitel 2.1 und 2.2.2. 1024 Gemeint ist die Rummelsberger Diakonie e.V. 1025 Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08 2008.
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im Herbst 1945 das weihnachtliche Singspiel von Girkon, das er „durchgerettet“1026 und mit Durchschlag abgetippt hatte, von Nürnberg aus in verschiedene Orte, u. a. nach Bamberg, Kulmbach, Coburg und Amberg. Er erhielt die Rückmeldung, dass es in der Weihnachtszeit 1945 zu zahlreichen Aufführungen von diesem Spiel kam. Bereits 1946 stand Kabitz in Kontakt mit dem Christian Kaiser Verlag. Der neue Verlagsleiter Fritz Bissinger schickte ihm mehrmals verschiedene Laienspielmanuskripte und bat ihn um eine Einschätzung.1027 Kabitz machte im November 1946 deutlich: Wenn wir ehrlich sind, müssen wir offen zugeben, dass uns heute noch weitgehend Spiele fehlen, auf die wir im Stillen warten. Aber zu diesem Engpass müssen wir auch Ja sagen können. Zur rechten Zeit wird es kommen. […] Mein ernster Rat ist vorläufig der, das Gültige und Bewährte den Gemeinden neu zu geben.1028
Mit Rudolf Mirbt trat er bereits 1947 in persönlichen Kontakt und besuchte ihn in Göttingen. [Mirbt] war ja für mich von frühauf nahezu ein Mythos, und die frische Bekanntschaft mit dem Chr. Kaiser Verlag hatte mir den Entschluß nahe gelegt, mit dem damaligen Gründer der „Münchener Laienspiele“ und der einstigen Spitzenfigur auf evangelischer Seite in Verbindung zu treten.1029
Dies war der Beginn einer Zusammenarbeit, denn Mirbt, die „Spitzenfigur“ von einst, war auch in der Nachkriegszeit wieder aktiv und unter anderem Herausgeber der Zeitschrift Die Laienspielgemeinde1030 , die er zwischen 1950 und 1952 gemeinsam mit Kabitz herausgab. Mirbt schrieb über ihn: „Ulrich Kabitz gehört zu den wenigen in der jungen Generation, die wirklich etwas zu sagen haben, und zwar etwas Neues, Eigenartiges und Eigenwilliges.“1031 Neben zahlreichen Artikeln über das Laienspiel verfasste Kabitz auch selbst Stücke wie Das Dombau-Meister-Spiel1032 ,
1026 Interview mit Ulrich Kabitz am 23.10.2008 1027 Vgl. Kabitz an Christian Kaiser Verlag, 23.08.1946. Und: Bissinger an Hellmut Haffner, München, 08.02.1949. BU 0005/2. 1028 Kabitz an Christian Kaiser Verlag, 05.11.1946. BU 0005/4. 1029 Kabitz, Ulrich: Noch einmal die alten Wege, S. 14. 1030 Die Zeitschrift Die Laienspielgemeinde erschien von 1949 bis 1956 im Bärenreiter-Verlag Kassel und Basel. 1031 Mirbt, Rudolf: Liebe Leser der Laienspielgemeinde! In: Die Laienspielgemeinde 4 (1953), H. 1, S. 28. 1032 Kabitz, Ulrich: Das Dombau-Meister-Spiel. OL Nr. 4. Stuttgart 1948.
Ulrich Kabitz – der Netzwerker
Friedensstraße 81033 , Ali Baba und die 40 Räuber 1034 , Trossbuben1035 , Geschehen in Marseille1036 und Das Nürtinger Laurentius-Spiel1037 . Spielmann vor der Kirchentür 1038 (1949) war das einzige Spiel von Kabitz, dass in der Reihe Christliche Gemeindespiele erschien. Mit dem Theologen Ernst Lange (1927–1974)1039 verband Kabitz nicht nur Freundschaft, sondern auch eine berufliche Beziehung. Gemeinsam gaben sie Materialien für die Jugendarbeit heraus – zum Beispiel 1958 Unbewältigte Vergangenheit 1040 –, und sie verfassten auch einige Spiele. Für den Kirchentag 1953 in Hamburg schrieben und inszenierten sie zusammen mit dem Schauspieler Gerhard Valentin Gott war auch in Ninive1041 , ein Spiel mit 200 Mitwirkenden1042 , und für den Kirchentag 1954 in Leipzig Über den Jordan. Dass Kabitz nicht nur bezüglich des Laienspiels ein Netzwerker war, zeigte sich auch dadurch, dass er gemeinsam mit Ernst Lange im Orbishöher Kreis1043 wirkte. Dabei handelte es sich um einen Arbeitskreis, der sich jährlich für eine Woche traf, um über die Lage der evangelischen Jugend und Möglichkeiten gemeinsamen Handelns zu beraten.1044
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Kabitz, Ulrich: Friedensstrasse 8. Nürnberg 1950. Kabitz, Ulrich: Ali Baba und die 40 Räuber. BL Nr. 85, 1950. Kabitz, Ulrich: Trossbuben. O. O. o. J. [1950]. Kabitz, Ulrich: Geschehen in Marseille. DS Nr. 24. Stuttgart 1953. Kabitz, Ulrich: Das Nürtinger Laurentius-Spiel. DS Nr. 57. Stuttgart 1955. Kabitz, Ulrich: Spielmann vor der Kirchentür. CG Nr. 96. München 1949. Vgl. zu Ernst Lange Kapitel 4.8. Vgl. Lange, Ernst/Kabitz, Ulrich: Unbewältigte Vergangenheit. Materialmappen für die evangelische Jugendarbeit Nr. 8. Berlin und Gelnhausen 1958. Nr. 1 [1956] bis Nr. 9 (1959) gaben Kabitz und Lange gemeinsam heraus. Lange, Ernst/Kabitz, Ulrich/Valentin, Gerhard: Gott war auch in Ninive. Ein Spiel zum Kirchentag 1953. O. O. Sonderdruck Unterwegs. Vgl. Kabitz, Ulrich: Junges Spiel auf dem Kirchentag 1953 in Hamburg. In: Junges Spiel (1953), H. 1, S. 8–9, hier: S. 9. Aufführungsberichte von Laienspielgruppen auf Kirchentagen zu untersuchen, um zu sehen, welche Texte gespielt wurden, stellt ein weiteres Forschungsfeld dar, das in dieser Arbeit aber nicht fokussiert werden kann. Das erste Treffen fand vom 06.06.–09.06.1955 im Haus Orbishöhe (Zwingenberg an der Bergstraße) statt. Dabei waren auch u. a. Elisabeth Weisser, Geschäftsführerin der Jugendkammer der EKD in Stuttgart seit 1951, und Johannes Rau. Vgl. Kabitz, Ulrich: Der Orbishöher Kreis. Eine Chronik. Hannover: Privatdruck [2003], S. 13.
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Rudolf Mirbt – der theoretische Torwart
„Das Laienspiel steht heute wieder in [sic!] einem Anfang. […] Unser ganzes gemeinschaftliches Leben muß seine neuen Gesetze erst finden“1045 , erklärte Rudolf Mirbt im Dezember 1946 in einem Rundbrief, den er von Göttingen aus an Laienspielfreunde schrieb. Er berichtete darin, dass zu seinen neuen Lehrgängen junge und ältere Menschen wie zum Befehlsempfang erscheinen würden, fast alle seien obrigkeitsgläubig.1046 Mirbt machte deutlich: „Wir befinden uns alle wieder auf der Straße, auf dem Weg.“1047 Welche beruflichen Wege er in der Nachkriegszeit ging, ist bekannt, und sie sollen deswegen nur kurz beschrieben werden: Er wurde Leiter der 1953 gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft für Laienspiel und Laientheater1048 , und er wurde zur prägenden Person der Waldecker und der Scheersberger Laienspielwoche1049 . In Kiel war er 1953 bis 1961 Fachberater für musische Erziehung an den höheren Schulen des Landes Schleswig-Holstein1050 und gründete 1955 das Kieler Spielleiterseminar1051 . Zum Thema Schuld formulierte Mirbt 1949 in einem Artikel in der Zeitschrift Die Laienspielgemeinde: Wir Älteren sind andere geworden. Und die Jüngeren sind unter anderen Sternen aufgewachsen. Zwischen damals und heute steht ein Jahrzehnt der Höhe und der Tiefe, des Irrens, der Schuld, der Schande, der letzten Verzweiflung, auch des Glaubens und des Mißtrauens.1052
1959 konstatierte Mirbt in einem Vortrag: „Nicht was wir bis 1933 versucht und getan haben, verstrickt uns in Mitverantwortung und Mitschuld, sondern was wir nach 1933 nicht getan haben.“1053 Und im Vorwort zu seinem Buch Laienspiel und Laientheater machte er 1960 deutlich: „Wir müssen unsere Vergangenheit klarlegen
1045 Mirbt, Rudolf: Neuer Anfang. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Kassel u. a. 1960, S. 50–56, hier: S. 54. 1046 Vgl. ebd., S. 53. 1047 Ebd., S. 52. 1048 Vgl. N. N.: Berichte. Arbeitstagung in Königswinter. In: Die Laienspielgemeinde 5 (1954), H. 2, S. 52–53, hier: S. 52. 1049 Vgl. Siebenbrock, Jan: Vom Laienspiel zur Theaterpädagogik, S. 358. 1050 Vgl. Keller, Anne: Das Deutsche Volksspiel, S. 432 f. 1051 Vgl. Siebenbrock, Jan: Vom Laienspiel zur Theaterpädagogik, S. 358. 1052 Mirbt, Rudolf: Laienspiel und Laienspielgemeinde. In: Die Laienspielgemeinde Sonderheft (1949), S. 1–3, hier: S. 2. 1053 Mirbt, Rudolf: Vom Wandel des Spielplans. Rede vor dem Freideutschen Kreis in der Grenzakademie Sankelmark im September 1959. In: Ders. (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Kassel u. a. 1960, S. 149–156, hier: S. 153.
Rudolf Mirbt – der theoretische Torwart
mit all dem Bösen und Guten, was da gewesen ist, damit wir ihrer wieder Herr werden. Dazu sind wir alle aufgerufen.“1054 Ulrich Hesse bewertete es 1996 in seinem Aufsatz Rudolf Mirbt wäre jetzt hundert – Versuch einer Hommage als positiv, dass Mirbt zu seiner Schuld gestanden habe.1055 Aufgrund der Forschungsergebnisse dieser Arbeit über Mirbts Aktivitäten während des ,Dritten Reichs‘ sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass er mit Konrad Henlein persönlichen Kontakt hatte und Mirbt bezüglich einer Mitarbeit im Laienspielgebiet im Fokus der Reichsjugendführung stand. Zu dieser ist es allerdings vermutlich nicht gekommen. Positiv ist zwar, dass Mirbt von Schuld sprach, aber dies tat er im Vergleich zu anderen Berichten sehr kurz, allgemein und in Wir-Form. In dieser Arbeit kann deshalb in das Mirbt-Lob von Ulrich Hesse nicht eingestimmt werden. Ab 1947 gab Rudolf Mirbt die Bärenreiter-Laienspiele heraus. Eine Reihe, die – ähnlich vielfältig wie die Münchener Laienspiele – schnell wuchs. Bereits 1958 waren schon 333 Spiele veröffentlicht.1056 1950 erschien ein Kleiner Führer durch die Bärenreiter-Laienspiele. Mirbt inkludierte in seiner Reihe auch christliche Spieltexte.1057 Er wollte sich diesbezüglich aber nicht als Konkurrent zum Christian Kaiser Verlag und den Christlichen Gemeindespielen verstanden wissen und schrieb vor diesem Hintergrund im Juli 1947 an den Verlagsleiter Bissinger: Denn selbstverständlich liegt auch mir daran, in engster Form mit Kaiser weiterzuarbeiten. Ich bin gerne bereit, Ihnen Manuskripte, die für die Bärenreiter Laienspiele nicht in Frage kommen, zuzuleiten und bitte Sie um denselben Dienst. Gewiss werden wir uns in manchen Dingen auch überschneiden, was aber die Freundschaft nicht stören soll.1058
Im Gesamtverzeichnis von 1950 brachte Mirbt bezüglich der christlichen Spiele zum Ausdruck, dass der Spielplan noch wachsen müsse: „Wir werden lange brauchen, bis sich das ganze christliche Jahr auch in unseren Spielen spiegeln wird.“1059 Es würde diesbezüglich einer gegenseitigen Ergänzung durch verschiedene Sammlungen wie der Christlichen Gemeindespiele bedürfen.1060
1054 Mirbt, Rudolf (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Kassel u. a. 1960, S. 8. 1055 Vgl. Hesse, Ulrich: Rudolf Mirbt wäre jetzt hundert – Versuch einer Hommage. In: Spiel und Theater 48 (1996), H. 158, S. 20–24, hier: S. 22. 1056 Vgl. Mirbt, Rudolf: Der Bärenreiter Laienspiel-Berater. Ein Wegweiser in das darstellende Spiel und seine Nachbarschaften. Kassel 1959, S. 9. 1057 Eine Untersuchung dieser christlichen Bärenreiter-Laienspiele kann in dieser Arbeit aufgrund des Umfangs nicht erfolgen. Hier ergibt sich also ein weiteres Forschungsfeld. 1058 Mirbt an Bissinger, Göttingen, 24.07.1947. BU 005/78. 1059 Mirbt, Rudolf: Kleiner Führer durch die Bärenreiter-Laienspiele. Kassel 1950, S. 84. 1060 Vgl. ebd.
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Von 1949 bis 1956 gab Mirbt die Zeitschrift Die Laienspielgemeinde heraus. Diese richtete sich inhaltlich an Laienspielinteressierte jeden Alters. Sie implizierte auch christliche Laienspielthemen, war aber darauf nicht monothematisch fokussiert. 1950 bis 1952 war, wie bereits erwähnt, Ulrich Kabitz Mitherausgeber. Das Ende ihrer Zusammenarbeit bezüglich der Herausgeberschaft erfolgte offiziell wegen dessen Arbeitspensums, und Mirbt betonte in einem Artikel, es hätte niemals grundsätzliche Fragen gegeben, auf die sie nicht beide eine gemeinsame Antwort gefunden hätten.1061 Den Plan zu seiner Zeitschrift äußerte Mirbt schon 1947 auf der bereits erwähnten Studientagung für evangelisches Laienspiel auf dem Waitzackerhof.1062 In der Sondersitzung der Beratungsstellenleiter thematisierte Mirbt Ermerts Idee, eine Zeitschrift mit dem Titel Christliche Spielgemeinde herauszugeben. Mirbt bat den anwesenden Oskar Ermert – er war der Akteur der EACG1063 – „in eindringlichen Worten“1064 , von einer Herausgabe eines solchen Blattes abzusehen, da dies nur Aufgabe „fachlich geeigneter Männer“1065 sein könne. Eine Zeitschrift Ermerts ist in den Archiven nicht zu finden, ob dies auch an Mirbts Kritik lag, ist nicht bekannt. Mirbt beschreibt sein Wirken in der Nachkriegszeit mit diesen Worten: „Ich betrachte mich in der […] Entwicklung des Laienspiels […] mehr als einen Torwart, der darauf achtet, daß das Spiel nicht verloren geht. Gewinnen müssen die Stürmer das Spiel. Und das sind eben die jüngeren, längst nicht mehr von der Jugendbewegung belasteten Mitspieler.“1066
Es ist nicht klar ersichtlich, warum, um im Bild zu bleiben, ein „Stürmer“ wie Oskar Ermert dermaßen offensichtlich in seinem Engagement für das evangelische Laienspiel gebremst wurde, dazu ist auch zu wenig von Ermert bekannt. Es entsteht aufgrund der zahlreichen Aktivitäten Mirbts der Eindruck, dass er in der Nachkriegszeit wohl nur ein theoretischer „Torwart“ war, in der Praxis aber – wie in den Jahrzehnten zuvor – als „Stürmer“ agierte und das Feld nicht den jüngeren Mitspielern überließ.
1061 Vgl. Mirbt, Rudolf: Liebe Leser der Laienspielgemeinde! In: Die Laienspielgemeinde 4 (1953), H. 1, S. 28. 1062 Vgl. Protokoll der Sondersitzung der Beratungsstellenleiter, 04.10.1947. AEKR Düsseldorf Best. 5 WV 013 (Laienspiel), Nr. 238. 1063 Vgl. Kapitel 4.2.1. 1064 Protokoll der Sondersitzung der Beratungsstellenleiter, 04.10.1947. AEKR Düsseldorf Best. 5 WV 013 (Laienspiel), Nr. 238. 1065 Ebd. 1066 Mirbt, Rudolf: Laienspiel und Laientheater. In: Die Laienspielgemeinde 5 (1954), H. 2, S. 31–38, hier: S. 38.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
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Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
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Entwicklung und Kategorien
1938 wurde die Reihe Christliche Gemeindespiele gegründet und 1941 war bereits Heft Nummer 81 erreicht. Das erste Stück, das der Christian Kaiser Verlag 1947 neu veröffentlichte, war Der Mensch Gottes von Hermann Stock, und die Nummerierung lief mit Nr. 82 nahtlos weiter. 1958 waren es insgesamt 135 Hefte bzw. 139 Stücke1067 . Im gleichen Jahr änderte die Reihe ihren Namen in Spiele der Zeit. 1953 erschien wieder ein Gesamtverzeichnis der Christlichen Gemeindespiele.1068 Wie schon 1939 gab es auch im Gesamtverzeichnis 1953 neun Kategorien mit fast gleicher Benennung: „Advent, Weihnachten und Epiphanias“ (32 Stücke), „Passion und Ostern“ (12 Stücke), „Konfirmation“ (13 Stücke), „Pfingsten“ (9 Stücke), „Johannis- und Erntedankfest“ (9 Stücke), „Reformationsfest“ (7 Stücke), „Bußtag und Totensonntag“ (8 Stücke), „Gemeindeabend und Spiele der Zeit“ (35 Stücke), „Frauenspiele“ (8 Stücke). Einige Stücke wurden mehrfach aufgeführt. Am auffälligsten ist die Änderung, dass die „Spiele der Zeit“ nun die „Gemeindeabend-Spiele“ ergänzen. Diese Kategorie hat die meisten Stücke, gefolgt von der Kategorie „Advent, Weihnachten und Epiphanias“. Hier zeigt sich, dass das evangelische Laienspiel zunehmend über das ganze Kirchenjahr hinweg und zu verschiedenen Anlässen Bedeutung erlangte. Das folgende Zitat aus dem Vorwort gibt Aufschluss über den Bedarf der Zeit und die Zielgruppe: Mit dieser Neuauflage des Gesamtverzeichnisses unserer christlichen Gemeindespiele – es ist die fünfte seit 1948 – überschreiten wir die Zahl von 20000 Exemplaren. 19000 solcher Verzeichnisse sind bereits ins Land hinausgegangen. Obwohl jede Neuauflage erhöht wurde, erwies sie sich noch jedes Mal als zu gering. Wir dürfen darin eine Bestätigung sehen für die Richtigkeit, um nicht zu sagen Notwendigkeit des eingeschlagenen Weges. [...] Die Sammlung beschränkt sich bewußt auf Spiele, die in jedem Falle mit der Gemeinde als Zuschauer rechnen.1069
Bezüglich der Autoren, die sich zum Nationalsozialismus bekannten oder Mitglieder der NSDAP waren, ist auffällig, dass im Gesamtverzeichnis von 1953 von
1067 In CG Nr. 20 sind zwei Spiele enthalten, und in CG Nr. 90 wurden vier Spiele aus dem christlichen Jahreskreis Advent, Ostern, Pfingsten und Erntedank veröffentlicht. 1068 Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953. 1069 Ebd., S. 3.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Johannes Linke das Krippenspiel für Kinder und von Bernt von Heiseler Die Schwefelhölzer weiterhin aufgeführt sind. Nicht mehr zu finden sind Werner Dittschlags Chorisches Weihnachtsspiel sowie alle fünf Spiele von August Ebert. Somit ist auch Eberts Spiel Suchet den Herrn, so werdet ihr leben!, das antijudaistische Inhalte hatte, nicht mehr im Gesamtverzeichnis enthalten, ebenso Wachet auf! von Erich Freudenstein. Um darzustellen, mit welchen Spielen der Neuanfang gemacht wurde, werden im Folgenden die ersten beiden Spiele der zweiten Phase vorgestellt, und zwar Der Mensch Gottes (CG Nr. 82) von Hermann Stock und Thomas von Heinz Schoeppe (CG Nr. 83). Auch sollen die Stücke von Otto Bruder in den Blick genommen werden, der 1947 mit dem schon bekannten Spiel Die zehn Jungfrauen (CG Nr. 87) seine ‚Auftritte‘ in der Reihe begann. Die fröhliche Christtagslitanei (CG Nr. 101) von Albrecht Goes wird vorgestellt, weil Goes einer der bekanntesten Autoren der Reihe ist. Das Stück Zur Ehre seines Namens (CG Nr. 108) von Jens Christian Jensen ist als Ein Spiel vom Kirchbau innovativ. Schlafwagen Pegasus (CG 118) von Thornton Wilder sticht natürlich hervor, weil dessen Stücke Our Town und The Skin of Our Teeth zu den populärsten Bühnenstücken in Westdeutschland gehörten. Ein Spiel vom Jedermann (CG Nr. 117) von Winfried Noack und Jedermann 56 (CG Nr. 125) von Herbert Kuhn zeigen Varianten der berühmten Vorlage. Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie in den Spielen das Thema Schuld zum Ausdruck gebracht wurde. In diesem Kontext wird auch das Stück Wir klagen an (CG Nr. 97) von Herbert Kuhn vorgestellt, das – nach Aussage des Christian Kaiser Verlags – zu den am meisten aufgeführten deutschen Laienspielen der Nachkriegszeit gehörte.1070 4.5.2
Der Mensch Gottes von Hermann Stock
Es ist sicherlich kein Zufall, dass das erste neue Stück der Reihe 1947 ein Osterspiel ist, wohnt dem Fest doch der große Gedanke des Neuanfangs inne. Der Autor des Stücks Der Mensch Gottes, Hermann Stock (1916–1987), studierte von 1935 bis 1939 Theologie in Erlangen, Tübingen und Marburg. 1940 bis 1945 war er im Krieg und leitete danach eine Internatsschule in Augsburg. Ab 1938 war er auch als Lyriker tätig1071 und veröffentlichte 1948 Gedichte im Christian Kaiser Verlag. Im Gesamtverzeichnis von 1953 ist das Spiel Der Mensch Gottes in den Kategorien „Passion und Ostern“ und „Busstag und Totensonntag“ zu finden und wird mit einer Spieldauer von 1,5 Stunden angegeben1072 . Im Vorwort gibt Stock an, dass 1070 Vgl. Vorwort des Verlags. In: Kuhn, Herbert: Sein wie die Träumenden. CG Nr. 121. München 1955, S. 3. 1071 Vgl. Stock, Hermann: Der Mensch Gottes. CG Nr. 82. München 1947, S. 42. 1072 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 16.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
das Stück Ostern 1946 in Katzwang seine Uraufführung gehabt habe und einige Textpassagen eigens vom Komponisten Armin Knab (1881–1951) vertont wurden. Der Autor stellt die These auf, dass die größte Not in der Nachkriegszeit nicht die Sorge um Nahrung, Kleidung oder Wohnung sei, sondern vielmehr die Glaubensnot.1073 Durch die Erschütterungen zweier Kriege und ihrer Folgen sei bei vielen Menschen die feste Grundlage des Glaubens ins Wanken geraten, und sie seien im innersten Herzen heimatlos geworden. Das Spiel wolle dabei helfen, die Menschen in die verlorene Heimat zurückzuführen. „Es will zur Verkündigung werden insbesondere an denen, die zur Wortverkündigung der Predigt nur noch schwer Zugang finden.“1074 Das Spiel habe liturgischen Charakter und solle in Kirchenräumen und „nur im dringenden Ausnahmefall“1075 in einem Gemeindehaussaal aufgeführt werden. Nach dem Verzeichnis der Spieler agieren „der Sprecher“, „der Mensch Gottes“, „der Gläubige“, „der Versucher“, „der Tod“, der „Chor der Diesseitigen“ (darunter Geigen- und Flötenspieler), der „Chor der Gläubigen“ (Männer, Frauen, Kinder), und es erklingt die „Stimme Gottes des Herrn“. Am Anfang singt die Gemeinde mit den Spielern den Choral Nun bitten wir den heiligen Geist, währenddessen ziehen die Spieler durch den Mittelgang in die Kirche ein. Der Sprecher betet: „Wir sind die Glocke; / komm, heiliger Geist, und heb’ ein Wehen an / und bringe uns zum Schwingen, / daß wir klingen / und zur Ehre Gottes tönen.“1076 Der Chor der Gläubigen singt im Wechsel mit dem Chor der Diesseitigen. Letztgenannter lobt dabei Weib, Wein und Gesang. Der Mensch Gottes ist verwirrt: „Die einen haben die Erde, / den Himmel die andern zur Heimat.“1077 Er fände nirgendwo mehr Trost, Gott habe sich wohl vor ihm verborgen. Er fragt wiederholt und immer verzweifelter: „Wo bist du, Gott?“1078 Der Versucher will ihn in ein Gespräch verwickeln, aber der Mensch Gottes hat mit ihm keine guten Erfahrungen gemacht und wehrt ihn daher ab. Er fragt den Gläubigen, wo er Gott finden könne und erzählt von seiner Verzweiflung. Der Mensch Gottes entdeckt durch die Begegnung mit dem Gläubigen seinen Glauben neu, doch der Versucher erinnert ihn an seine Schuld: Wie willst du denn zukünftig auch einen Tag nur ohne Sünde leben? Und wenn du’s könntest – doch du kannst es nicht –
1073 1074 1075 1076 1077 1078
Vgl. Stock, Hermann: Der Mensch Gottes, o. S. Ebd. Ebd. Ebd., S. 10. Ebd., S. 13. Ebd., S. 15.
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so wird doch wie ein lähmend zentnerschwer Gewicht die Last vergangner Schuld dich drücken. Die nimmt dir keiner ab.1079
Der Mensch Gottes glaubt aufgrund dieser Rede: „Für einen Menschen, als ich bin, / ist Gott zu fern. / Ich werde nie zu ihm gelangen. / Denn, was mich von ihm trennt, / ist meine Schuld.“1080 Als er den Gesang der Gläubigen vernimmt, bricht es aus dem Menschen Gottes heraus: „O meine Schuld – / o meine Schuld – o meine übergroße Schuld!“1081 Er fragt den Gläubigen, ob seine Schuld ihn nicht ewig von Gott trennen würde. Der Gläubige erklärt: „Wirf sie hinab / ins abgrundtiefe Meer der Gnade; / wirf dich in die Gottes Hände, / dann wirst du getragen, / glaube mir!“1082 Der Mensch Gottes glaubt ihm, will sich nach der Gnade ausstrecken und schließlich sogar Bote Gottes sein. Der Gläubige segnet ihn für seinen Dienst als „Rufer in der Nacht“1083 . Von unsichtbarer Stelle aus zitiert der Sprecher Jesaja 9,11: „Das Volk, / das im Dunkeln wandelt, siehet ein großes Licht;/ und über die da wohnen im finstern Lande, scheinet es helle.“1084 Die Gläubigen singen von Orgel und Trompetenstimme begleitet, die Gemeinde erhebt sich dazu. Am Ende beten Gemeinde und Spieler das Vaterunser, und der Gläubige spricht den Segen, und zur Orgelmusik ziehen die Spieler aus. Hier zeigen sich deutlich die bereits bekannten Merkmale des evangelischen Laienspiels. Die Spieler ziehen am Anfang gemeinsam ein und am Ende wieder hinaus, die Figurensprache ist pathetisch und in Versform gesetzt. Die Gemeinde wird durch Gesang am Anfang und Gebet am Ende eingebunden, und die Figurenanlage verweist auf das Allgemeingültige. Der Mensch Gottes leidet unter seiner Schuld, erkennt aber schließlich den gnädigen Gott. Wodurch und worin er schuldig geworden ist, erklärt er nicht. 4.5.3
Thomas von Heinz Schoeppe
Der 1927 geborene Schriftsteller Martin Walser war in den Anfängen seines Studiums mit Heinz Schoeppe befreundet und spielte mit ihm zusammen in Regensburg Theater. Über diese Zeit berichtete Walser rückblickend:
1079 1080 1081 1082 1083 1084
Ebd., S. 27. Ebd., S. 28. Ebd., S. 29. Ebd., S. 32. Ebd., S. 39. Ebd.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Wir haben damals mehr Studentenbühne gemacht als studiert, und wir haben vor allem das Stück eines Studenten, Heinz Schoeppe hieß er, aufgeführt. Das Schauspiel hieß „Thomas“, ist 1947 im Chr. Kaiser Verlag in München als „Christliches Gemeindespiel Nr. 83“ erschienen: Es spielt in einem Wartesaal in der Nachkriegszeit. Das ist für mich ein herrliches, großartiges Stück gewesen. Der Schoeppe hat auch selbst mitgespielt. Die Amerikaner haben uns einen Saal zur Verfügung gestellt.1085
Durch Schoeppes frühen Tod 19481086 endete jäh ihre Freundschaft. Heinz Schoeppe wurde 1925 in Regensburg geboren. Er war als Soldat im Krieg und wurde 1945 schwer verwundet aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen.1087 In Regensburg, Erlangen und Tübingen studierte er Philosophie1088 und plante, eine Doktorarbeit über Hegel zu verfassen1089 . In einem Brief an den Christian Kaiser Verlag schrieb Schoeppe im Dezember 1947, dass Ulrich Kabitz ihm geraten habe, sein Spiel Thomas einzureichen. Es sei bis dahin nur und „mit schönem Erfolg“1090 von der Studio-Bühne der PhilosophischTheologischen Hochschule Regensburg gespielt worden. Der Verlagsleiter Bissinger antwortete ihm im April 1947, dass es erscheinen werde, gerade weil im Spiel die Haltung einzelner Figuren die eines rechten Christenmenschen sei, „ohne dass er den Namen Christi dauernd im Mund führt“1091 . Schoeppe freute sich über diese Zusage „von ganzem Herzen“1092 , weil dadurch die Möglichkeit gegeben werde, „einem größeren Kreis das zu sagen, was auszusprechen in diesen Tagen vielleicht nicht ganz unnötig sein mag“.1093 Die Uraufführung von dem Stück Thomas hatte im Herbst 1946 stattgefunden.1094 Im Gesamtverzeichnis der Christlichen Gemeindespiele von 1953 ist es in der Kategorie „Gemeindeabend und Spiele der Zeit“ mit einer Spieldauer von „einer
1085 Roos, Peter: Genius loci. Gespräche über Literatur und Tübingen. 2. Aufl. Tübingen 1986, S. 66. 1086 Die genauen Lebensdaten lauten 13.07.1925–20.09.1948. Vgl. Stadtarchiv Regensburg, Sterbebücher, Nr. 1620/1948: Heinrich Wilhelm Schöppe. Im Stadtarchiv ist er also unter dem Namen Heinrich Wilhelm Schöppe eingetragen (mit dem Hinweis „Student der Philosophie“) und nicht unter Heinz Schoeppe. Diesen Namen gab er beim Christian Kaiser Verlag an. Vgl. Biographische Daten von Heinz Schoeppe. BU 0050/96. 1087 Vgl. Schoeppe, Heinz: Thomas. CG Nr. 83. München 1947, o. S. 1088 Vgl. Biographische Daten von Heinz Schoeppe. BU 0050/96. 1089 Vgl. Schoeppe an Bissinger, 31.08.1947. BU 0005/96. 1090 Schoeppe an den Christian Kaiser Verlag, Regensburg 14.12.1947. BU0005/96. 1091 Bissinger an Schoeppe, München, 18.04.1947. BU 0005/96. 1092 Schoeppe an Bissinger, Erlangen, 22.04.1947. BU 0005/96. 1093 Ebd. 1094 Vgl. Biographische Daten von Heinz Schoeppe. BU 0050/96.
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guten halben Stunde“1095 angegeben. Vermutlich war diese aber länger. Es wird empfohlen als ein „im besten Sinne modernes und missionarisches Spiel“1096 . Ein Blick auf „Die Spieler“ zeigt sofort, dass die Figuren Namen tragen und Charaktereigenschaften aufgeführt werden. So spielen: Thomas, „ein entlassener Soldat“, Fabian, „ein Mann, der immer Gutes getan hat“, Lieselotte, „eine Frau, die mit dem Leben nicht mehr fertig wird“, Hanna, „ein Mädchen, das sich vor dem Leben fürchtet“, der Pastor, „ein alter Mann, der die Menschen lieb hat“, Rudolf, „ein Student, der noch nicht weiß, was aus ihm werden soll“ und ein Herr, „vor dem sich fast alle fürchten“.1097 Das Spiel ist in fünf Bilder unterteilt. Das erste Bild zeigt den Wartesaal eines Bahnhofs. An Tischen sitzen Menschen, und es herrscht „über dem Ganzen die trübe Stimmung einer Bahnhofsnacht unserer Zeit“1098 . „Ein Mann“ und „eine Frau“ unterhalten sich über ihr Unterwegssein. Der Mann erzählt, dass er seine Frau und seinen Sohn suche, von denen er auf der Flucht getrennt wurde. Auch sein Haus habe er verloren. Die Frau schildert ihm ihre Verluste und berichtet, dass nicht nur ihr Mann gefallen sei. „Meine Wohnung in der großen Stadt haben die Bomben zerfetzt. Kein Stuhl blieb da mehr. Meine zwei Kinder, die Rosi und den Wolfgang haben sie erst nach drei Wochen ausgegraben – hätte es nur mich mit erschlagen! Es lohnt sich nicht mehr zu leben.“1099 Ein Student mit nur einer Hand gesellt sich zu ihnen und erklärt: „Die Rechte haben sie mir abgenommen. Frankreich 1944. Granatsplitter.“1100 Ein Mädchen ist mit einem alten Mann, einem Gelehrten, im Gespräch und dieser berichtet, dass seine ganzen Bücher verbrannt worden seien, die wolle er, bevor er sterbe, aber noch einmal schreiben. Inzwischen hat ein Herr den Wartesaal betreten. Thomas, der gerade aus Gefangenschaft entlassene Soldat, erkennt ihn sofort, denn er hat ihn schon einmal in einem kleinen Bunker in Warschau gesehen. Thomas erzählt dem Herrn von seinem Leben: Die Eltern seien tot, und seine Braut habe geheiratet. „Ich bin ein Fremdling geworden. Der Krieg hat mich zermahlen – mich und viele tausend andere. Unsere Seelen sind ersoffen, draußen, irgendwo in einem Granatloch.“1101 Thomas weiß, dass der Herr der Tod ist, wobei die Bezeichnung Tod im ganzen Stück nicht fällt. Dieser will eigentlich den alten Gelehrten aus dem Wartesaal abholen, aber Thomas macht deutlich, dass er an dessen Stelle gehen wolle, denn der alte Mann habe noch eine Seele, er dagegen nicht mehr: „Uns aber haben sie die Seele aus dem Leib gerissen
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Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 16. Ebd. Schoeppe, Heinz: Thomas, o. S. Ebd., S. 4. Ebd., S. 5. Ebd., S. 66. Ebd., S. 11.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
und unter den Raupen der Panzerwagen zerquetscht.“1102 Der Herr wendet sich an das Publikum: „Sie kennen ihn alle, den Soldaten Thomas. Jeden Tag begegnet er Ihnen hundertmal in den Straßen Ihrer Stadt. Glauben Sie, daß man ihm helfen kann? Ich weiß es nicht. Er ist krank, todkrank in seiner Seele.“1103 Am Ende des ersten Bildes fragt der Herr den Soldaten Thomas, ob dieser glaube, dass man viel Geld haben müsse, um reich zu sein. Als dieser zustimmt, nimmt der Herr ihn mit. Im zweiten Bild beobachten Thomas und der Herr, auf der Brüstung sitzend, heimlich die Gespräche der Hausbewohner auf der Terrasse. Herr Fabian stellt sich am Anfang dem Publikum vor: „Guten Abend, Sie alle.“1104 Er handele mit Holz: „Alle sehen sie einen mit ihren Hundeaugen an wie einen Gott – bloß um ein paar Quadratmeter Bretter zu erschleichen.“1105 Er referiert auch auf das erste Bild: „Sehen Sie: Da saß zum Beispiel im Wartesaal des vorigen Bildes dieser Bahnwärter Hofmann. […] Daß er sein Haus verlor – stimmt mich nachdenklich. Er muß irgendetwas Böses getan haben … .“1106 In den folgenden Gesprächen auf der Terrasse wird deutlich, dass der Holzhändler sehr reich ist, aber nur denen hilft, von denen er sich Nutzen verspricht. Lieselotte, deren Mann verschollen ist und die bei ihm wohnt, will er heiraten. Als sein Sohn Rudolf, der nur eine Hand hat, dies erfährt, kommt es zum Streit, und Rudolf geht. Lieselotte, die von den Plänen des Herrn Fabian keine Ahnung hatte, ist entsetzt, als sie diese erfährt. Auch ein Pastor, der etliche Jahre im Konzentrationslager war, ist bei dem Holzhändler untergekommen. Weil dieser ein politisch Verfolgter sei, erhofft sich Herr Fabian Vorteile davon, dass er ihn aufnimmt. Der Tod beschreibt den Pastor als einen „der wenigen, die jeden Menschen lieb haben und gegen jeden gut sind“.1107 Thomas hat Hunger und tritt an den Tisch, an dem Herr Fabian mit dem Pastor und Lieselotte sitzt. Erst als der Pastor Fürsprache einlegt, darf er bleiben. Herr Fabian zeigt sich geizig, Thomas bekommt nur das Nötigste an Essen und Kleidung, und in der Nacht darf er nur auf einer Bank draußen auf der Terrasse schlafen. Die Hunde hingegen möchte der Hausherr im Haus wissen, denn es werde kalt. Das dritte Bild beginnt mit einem Gespräch zwischen dem Herrn, der auf der Terrassenbrüstung sitzt, und Thomas, der auf der Bank liegt: „Ich liege hier, weil ich ein Ausgestoßener bin.“1108 Thomas hat keinen Lebensmut mehr. Aber durch ein Gespräch mit Hanna, dem Dienstmädchen, verändert sich seine Haltung zum
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Ebd., S. 14. Ebd., S. 16. Ebd., S. 20. Ebd. Ebd. Ebd., S. 30. Ebd., S. 41.
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Leben, denn sie finden Gefallen aneinander. Er will deshalb nicht mehr mit dem Herrn fortgehen und schlägt dem Tod Herrn Fabian als Begleiter vor. Im vierten Bild kommt der Herr in das Zimmer des Holzhändlers und will ihn abholen. Dieser erkennt sofort dessen Anliegen und weigert sich – sehr zum Missfallen des Todes: „Ach Gott, Herr Fabian – machen Sie doch keine solchen Umstände!“1109 Die Hausbewohner kommen dazu, und schließlich erklärt der von Gewissensbissen geplagte Thomas, dass er doch mit dem Herrn ziehen würde. Am Ende erklärt sich aber der alte Pastor aus voller Überzeugung dazu bereit. Er gibt allen Anwesenden den Rat, neu anzufangen: „Ich will für euch gehen. Für euch alle. Mein Leben ist erfüllt, wenn ihr leben werdet.“1110 Der Pastor reicht dem Herrn die Hand, und sie gehen hinaus. Das fünfte Bild zeigt wieder den Wartesaal des ersten Bildes. Der Stuhl des alten Mannes ist nun leer. Ein Zug kommt an und die Wartenden eilen hinaus. Das Mädchen erzählt Thomas, bevor sie geht, dass er ihren Namen im Schlaf gerufen habe. Sie gibt ihm noch den Namensanhänger von ihrem Koffer und läuft hinaus zum Zug. Thomas beendet das Stück mit diesen Worten: Habe ich geträumt? Nein. (Er sieht den Anhänger an.) Da ist der Name des Mädchens Hanna. […] Und da .... steht das Gepäck des Alten. Ein armseliger Pappkoffer. Morgen wird man in der Zeitung lesen, einen alten Herrn hätte in der Nähe des Bahnhofes der Schlag getroffen … Ich weiß es besser. Er mußte sterben, damit wir leben sollen. Es war ein Zeichen. Ich werde nicht mehr mit dem Zug fahren ohne Ziel [...]. Ich werde bleiben. Ich werde das Mädchen Hanna suchen – und gut sein. Nicht wohltätig, wie jener Herr Fabian. Irgendwo einem Bruder helfen in seiner Not. Und ich werde dankbar sein, dankbar für alles. Anders wäre ich doch tot. Ein Nichts. Meinen Sie nicht auch?1111
Der anfangs lebensmüde Soldat Thomas schöpft also am Ende aus der Erkenntnis, dass es eine opferbereite christliche Liebe gibt, Hoffnung auf einen Neuanfang. Wiederholt wenden sich die Spieler direkt an das Publikum. Da Verlagsleiter Bissinger kritisch gefragt hatte, ob dies denn sein müsse1112 , führte Schoeppe aus, dass auch bei den Proben über dieses Hineinsprechen in den Zuschauerraum gestritten worden sei. Er sei aber der Meinung, dass „eben durch diese direkte Rede das ‚Jedermann‘, dass ganz Allgemeine des Stoffes […] betont werden kann“.1113 Schoeppe brachte eine Vielfalt von Themen der Zeit in kurzen Sätzen der Figu-
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Ebd., S. 52. Ebd., S. 57. Ebd., S. 59. Vgl. Bissinger an Schoeppe, München, 18.04.1947. BU 0005/95. Schoeppe an Bissinger, Erlangen, 22.04.1947. BU 0005/96.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
ren zum Ausdruck: Trauer um beim Bombenangriff gestorbene Kinder, auf der Flucht verlorene Familienmitglieder, Kriegsverstümmelungen, vernichtete Häuser und zerstörte Seelen. Auffällig ist, dass die Thematik Konzentrationslager lediglich kurz erwähnt wird, und es darum geht, dass der Pastor dort inhaftiert war. Von Vernichtungslagern und jüdischen Gefangenen ist nicht die Rede. Vielleicht hätte Schoeppe noch weitere Stücke veröffentlicht, doch sein früher Tod riss ihn aus allen Aktivitäten. Er selbst hatte im April 1947 konstatiert: „Es besteht ja solch ein trauriger Mangel an wirklich guter Zeitdramatik – eben die Stücke, die unserer Generation auf den Nägeln brennen.“1114 4.5.4
Spiele von Otto Bruder
Rudolf Mirbt schrieb 1949 in der Zeitschrift Die Laienspielgemeinde über seinen damaligen Wegbegleiter: „Otto Bruder war bis 1933 ein praeceptor ludi evangelici, ein Meister christlichen Gemeindespiels.“1115 Otto Salomon war 1938 aus Nazideutschland geflohen. Nach dem Krieg blieb er in der Schweiz, leitete den Zwingli-Verlag in Zürich und gründete den Flamberg-Verlag. 1959 erhielt er den Ehrendoktor der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Zürich.1116 Unter seinem schriftstellerischen Pseudonym Otto Bruder kehrte er in die deutsche Laienspielszene zurück. So erschienen von ihm wieder Laienspiele und ein viel beachteter Vortrag, den er 1947 auf einer Laienspielwoche in der Schweiz gehalten hatte, wurde mit dem Titel Das Laienspiel. Eine Aufgabe der Jugend im Dienst der Gemeinde im Christian Kaiser Verlag veröffentlicht.1117 Auch beriet er den Verlag bezüglich der Veröffentlichung neuer Spiele verschiedener Autoren.1118 Mit insgesamt acht Titeln ist Bruder der Autor mit den meisten Stücken in der Reihe Christliche Gemeindespiele. Fünf Texte waren zuvor bereits als Münchener Laienspiele erschienen: Die zehn Jungfrauen (CG Nr. 87), Christofferus (CG Nr. 89), Der Herold (CG Nr. 92), Um den Glauben (CG Nr. 100) und Von Pontius zu Pilatus (CG Nr. 105). Als neue – bzw. in Deutschland von Bruder noch nicht bekannte – Spiele erschienen 1949 Der junge Mensch1119 (CG Nr. 95), 1952 Die Märtyrer von Lyon1120 (CG Nr. 110) und 1956 Ein Mensch wie wir (CG Nr. 130). Im Folgenden
1114 Ebd. 1115 Mirbt, Rudolf: Otto Bruder zu seinem 60. Geburtstag. In: Die Laienspielgemeinde Sonderheft (1949), S. 19–20, hier: S. 19. 1116 Vgl. Hönig, Ludwig und Margrit (Hrsg.): Otto Bruder. Aus seinem Leben und Wirken. Stuttgart 1975, S. 221. 1117 Vgl. Kapitel 4.11. 1118 Vgl. Haffner an Bruder, 11.02.1949. BU 0005/2. 1119 Es war zuvor bereits in der Schweiz erschienen, vermutlich 1940. 1120 Es war bereits in der Schweiz 1946 in 2. Aufl. erschienen.
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werden Der junge Mensch und Ein Mensch wie wir vorgestellt, denn sie zeigen besonders deutlich, dass Bruder im Vergleich zur jugendbewegten Zeit christliche Inhalte für die Laienspielbühne nun anders gestaltete. Das Spiel Der junge Mensch wurde im Gesamtverzeichnis von 1953 in den Kategorien „Konfirmation“ und „Gemeindeabend und Spiele der Zeit“ aufgeführt, und es wurde eine Spieldauer von 35 Minuten angegeben.1121 Otto Bruder legte dem Stück das Gleichnis vom verlorenen Sohn zugrunde. Zu Beginn singt die Gemeinde die ersten beiden Strophen des Liedes Aus tiefer Not schrei ich zu dir. Zehn „Burschen“ unterhalten sich in kurzen Sätzen darüber, woran sie glauben: an die Welt, an die eigene Kraft und an sich selbst. Sie verfolgen dann, auf einer Bank sitzend, die Geschehnisse auf einer oberen Ebene. Frieder erklärt seinem Bruder Traugott und seinem Vater, dass er den Hof verlassen will. Dem Vater fällt der Abschied schwer: „Es ist mir arg, daß wir so miteinander reden müssen. Aber ich fühl’s, ich erreiche dich nicht mehr, meine Stimme dringt nicht mehr zu dir, meine Hand greift ins Leere.“1122 Unwirsch fordert Frieder von ihm Geld: „Gib es jetzt her!“1123 Endlich bekommt er es, und sie gehen in entgegengesetzter Richtung ab. Die Burschen, die zugehört haben, beschließen, weiter zuzusehen, was passiert. Ein Spekulant will Frieder helfen, das Geld gut anzulegen. Frieder willigt ein und möchte auch, dass er ihm ein Mädchen verschafft, denn er hätte noch nie eins gehabt. Die weitere Entwicklung Frieders wird durch Zeitungsnachrichten verkündet, die von den Burschen vorgetragen werden. Von oben kommentiert Frieder die zunächst guten Nachrichten: 2. Bursche: Börsenzeitung! Wir können unseren Lesern mitteilen, daß der Millionär, Herr Frieder, heute die gesamten Aktien der neu gegründeten Erdöl-Aktiengesellschaft aufgekauft hat. […] 6. Bursche: Generalanzeiger! Beim letzten Presseball konnte man Herrn Frieder mit einer auffallend hübschen Blondine zusammen sehen. […] Frieder: Ja, das bin ich! Ich bin noch jung und muß noch viel erleben. […] 8. Bursche: Abendblatt! Heute früh fand man in ihrer Wohnung, Palmenstraße 13, Fräulein Rosa R. entseelt auf. Sie hat ihrem Leben durch Gasvergiftung ein Ende gemacht.
1121 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 20. 1122 Bruder, Otto: Der junge Mensch. CG Nr. 95. München 1952, S. 17. 1123 Ebd., S. 21.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Frieder: Ach ja, eine unangenehme Sache. Sie kam neulich weinend zu mir und erzählte mir, daß sie ein Kind von mir erwarte. Ich hab’ ihr Geld angeboten, aber darauf ging sie nicht ein. Sie wollte durchaus, daß ich sie heirate. Aber das kommt nicht in Frage. Ich habe keine Lust, mich festzulegen. Muß man deshalb gleich Selbstmord verüben?1124
Die letzte Nachricht lautet: 2. Bursche: Die Erdöl-Aktiengesellschaft befindet sich in Konkurs, das Defizit ist gewaltig, Masse ist keine vorhanden. Herr Frieder ist durchgebrannt.1125
Frieder sucht Arbeit und fragt die Burschen, ob diese welche für ihn hätten. Die antworten: „Nö, wir haben keine Arbeit. Hundertweise liegen sie auf der Straße und suchen Arbeit.“1126 Frieder erklärt den Burschen, dass er Hunger habe und niemanden mehr, der ihn aufnehmen würde. Er bereut, dass er von zu Hause fortgegangen sei. Einer der Burschen stellt im Gespräch fest: „Meint ihr denn wirklich, daß wir alle niemals schuldig geworden sind in unserem Leben?“1127 Ein Mann kommt hinzu und erzählt ihnen die Geschichte vom verlorenen Sohn. Er fragt anschließend: „Sind wir ihm nicht alle davongelaufen?“1128 Frieder beschließt, nach Hause zu gehen. Er bittet seinen Vater, der ihm entgegengekommen war, um Vergebung und bekommt sie gewährt. Am Schluss singen die Burschen zusammen mit der Gemeinde Ob bei uns ist der Sünde viel (letzte Strophe des Liedes Aus tiefer Not schrei ich zu Dir). Das Spiel, in dem die Figuren in Prosa sprechen, zeigt keine pathetischen Momente wie Der Herold oder Die zehn Jungfrauen. Otto Bruder nutzt bekannte Elemente der Zeit wie die Zeitungsnachrichten, um das Erleben des verlorenen Sohnes deutlich zu machen, und transformiert auf diese Weise biblisches Geschehen in laienspieltypisch schlichter Manier in die Gegenwart. Ein Mensch wie wir (CG Nr. 130, 1956) ist ein Weihnachtsspiel. Im Vorwort erwähnt der Verlag lobend, dass hier „keine glatte christliche Lösung“1129 vorgestellt werde. Im Stück treffen am Heiligen Abend vier Menschen in einer Wirtsstube aufeinander: Die Wirtin, die Kellnerin Zilli, der Landstreicher Franz und als Gast ein fremder Mann. Sie kommen alle miteinander ins Gespräch, und der Gast berichtet, dass er als Ungläubiger die christlichen Überzeugungen seiner Freundin nicht verstehen konnte und sie deswegen vor der Verlobung verlassen hatte. Er würde 1124 1125 1126 1127 1128 1129
Ebd., S. 25–28. Ebd., S. 29. Ebd., S. 30. Ebd., S. 34. Ebd., S. 37. Vorwort des Verlags. In: Bruder, Otto: Ein Mensch wie wir. Weihnachtsspiel. CG Nr. 130. München 1956, S. 4.
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einfach nicht so wie sie an Weihnachten glauben: „Für sie ist wirklich der Sohn Gottes in der Krippe geboren, sind der Stern und die Engel kein Märchen.[…] Ich kann mir nichts vorstellen unter Christus, Gottes Sohn.“1130 Während der Gast bei seiner Meinung bleibt und am Schluss gemeinsam mit der Kellnerin Zilli weggeht, verändert sich bei Franz etwas durch das Lied der Sternsinger1131 , welches immer wieder zwischendurch aus der Ferne erklingt und in das die Wirtin einstimmt und einige Zeilen mitsingt. Der Landstreicher Franz erkennt schließlich durch das Lied, wer Jesus Christus ist, und wiederholt ergriffen die Aussage: „Ein Mensch, wie wir geworden ist, zu tilgen alle unsere Sünd!“1132 Die Sänger, die bisher nur aus der Ferne zu hören waren, kommen nun in die Wirtsstube und singen ihr Lied. Die Botschaft erreicht Franz am Ende also im doppelten Sinne. Wie im Spiel Der junge Mensch sprechen die Figuren in Prosa. Vergleicht man das Spiel Die zehn Jungfrauen mit Ein Mensch wie wir ist die Entwicklung evident: Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts stehen die Jungfrauen vor dem Publikum, verkünden chorisch ganz ergeben ihre Glaubensbereitschaft und jammern, als sie versagen. 30 Jahre später erklärt ein Einzelner selbstbewusst seinen Unglauben. Den Zeitgeist hat die Neuauflage des Spiels von Die zehn Jungfrauen 1947 sicherlich nicht getroffen, und der Verlag wird sich dazu wahrscheinlich aufgrund des Mangels an neuen Texten entschlossen haben. Otto Bruder formulierte 1947 in einem Vortrag, dass die Jugend im Laienspiel die Möglichkeit habe, das auszudrücken und zu gestalten, was sie bewege. Und daß als Vorbedingung für ein solches Laienspiel eine wirkliche Dichtung da sein müßte, in welcher die Jugend sich, ihr Sehnen und Kämpfen wiedererkennt, und daß wir solche Dichtung leider bisher noch nicht besitzen, wissen wir auch. Aber das soll uns nicht hindern, weiter an der Arbeit zu bleiben.1133
Das Ringen um neue Texte war ein Anliegen der für die Reihe Verantwortlichen. Dies zeigen die Zeilen, die Hellmut Haffner im Februar 1949 an Otto Bruder schrieb: Nun aber haben die Erfahrungen und Beobachtungen der letzten Jahre gezeigt, daß die einfach-demütige Holzschnittart, die sich das Laienspiel in den letzten Jahrzehnten angeeignet hat, größtenteils veraltet und heute einfach nicht mehr tragbar ist. […] Deshalb
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Bruder, Otto: Ein Mensch wie wir, S. 28. Text und Melodie 1956 von Gerd Watkinson sind dem Spiel beigefügt. Bruder, Otto: Ein Mensch wie wir, S. 34. Bruder, Otto: Das Laienspiel, eine Aufgabe der Jugend im Dienst der Gemeinde. München [1948], S. 11.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
gehen wir besonders auf Neuerscheinungen zu, die ganz aus dem Geiste dieser Zeit kommen und keinen Anspruch auf Ewigkeitsbedeutung erheben.1134
4.5.5
Die fröhliche Christtagslitanei von Albrecht Goes
Das Ringen um die Shoah-Erinnerung und eine Fokussierung auf die IsraelVerbundenheit kennzeichnen den Weg des Schriftstellers Albrecht Goes.1135 Die Erzählung Begegnung in Ungarn, 1946 veröffentlicht, gilt als die früheste Darstellung der Shoah durch einen deutschen nichtjüdischen Schriftsteller.1136 Es folgten Unruhige Nacht (1950), Das Brandopfer (1954) und zahlreiche weitere Veröffentlichungen. „Albrecht Goes gehört zum kulturellen Gedächtnis Deutschlands“1137 , fasst Helmut Zwanger das Wirken des Pfarrers zusammen. Von Albrecht Goes waren während des ,Dritten Reichs‘ bereits fünf Spiele in der Reihe Christliche Gemeindespiele erschienen. Als er wegen verschiedener Neuauflagen mit dem Verlag korrespondierte, wurde auch ihm 1946 die Frage nach seiner „politischen Belastung“1138 gestellt. Goes beantwortete diese Frage in einem Brief an Frau Lempp, die Witwe Albert Lempps: „Der Verlag fragte mich nach meiner politischen Belastung oder Nichtbelastung. Sagen Sie bitte den Fragenden: Wenn alle meine Westen so rein wären wie meine politische – 1946 – dann hätte ich eine gutgehende Weißwäscherei!“1139 Im gleichen Brief wird das Laienspiel-Netzwerk vergangener Jahre deutlich, wenn Goes schreibt: Ich denke dankbar an unsere alten Verbindungen, an die manchen guten Wege, die unsere Laienspiele einst gesucht und gefunden haben, an manchen Abend der Freude in Ihrem Haus und bei Ihrem lieben Mann. In diesen Tagen bekam ich wieder einmal einen Gruß von Otto Salomon, der dann ja auch ganz in die alten Tage hineingehört.1140
Dass Goes dem Laienspiel auch in der Nachkriegszeit zugewandt war, wird durch die Wahl der Worte deutlich, mit denen er die 1946 erhaltene Anfrage des Verlags bezüglich einer Mitarbeit in der „Betreuung der Sammlung“1141 absagte. Zeitgründe
1134 Haffner an Bruder, Amberg, 11.02.1949. BU 0005/2. 1135 Vgl. Zwanger, Helmut: Albrecht Goes. Freund Martin Bubers und des Judentums. Tübingen 2008, S. 29. 1136 Vgl. ebd., S. 27. 1137 Ebd., S. 11. 1138 Christian Kaiser Verlag an Goes, 05.12.1946. BU 0005/34. 1139 Goes an Frau Lempp, Gebersheim, 09.12.1946. BU 0005/34. 1140 Ebd. 1141 Christian Kaiser Verlag an Goes, München, 03.09.1946. BU 0005/34.
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würden es nicht erlauben, „auf die Sammlung der Gemeindespiele – die mir am Herzen liegt – eine mitsorgende Acht zu haben“.1142 Das kleine Weihnachtsspiel mit dem Titel Die fröhliche Christtagslitanei (CG Nr. 101, 1949) zeigt die leichte, unbekümmerte Schreibweise des Schriftstellers und soll im Folgenden kurz vorgestellt werden. Es wird im Gesamtverzeichnis von 1953 in der Kategorie „Advent, Weihnachten und Epiphanias“ aufgeführt und eine Spieldauer von einer halben Stunde angegeben.1143 Im Vorwort macht Goes deutlich: „Warum sollte nicht auch einmal in einem Christtagsspiel herzlich gelacht werden dürfen, mit den Augenwinkeln mehr noch als mit dem Mund?“1144 Inspiriert zu dem Spiel habe ihn das Kaschubische Weihnachtslied von Werner Bergengruen. Dieses gäbe in Heiterkeit eine Vorstellung von den Wohltaten, die Jesus wohl an einem anderen Geburtsort zuteil geworden wären, wie Daunendecke, Honigbrot und Bier. Die beiden Anfangszeilen des Gedichts „Wärst du, Kindchen, im Kaschubenlande / Wärst du, Kindchen, doch bei uns geboren“1145 seien in sein Spiel eingegangen. Weil Goes im Spiel zum Beispiel Gebersheim nennt und einige lokale Angaben macht, wird in einer Nachbemerkung darauf hingewiesen, Ortsund Hausnamen dem jeweiligen Spielort anzupassen. Sieben Sprecher und drei Sprecherinnen erklären, was bei der Geburt Jesu in ihrem Land geschehen würde. Immer wieder beginnen sie mit den Worten: „Wär er doch in unsrem Land geboren.“1146 Ein Sprecher sagt, sie würden dann zum Rathaus gehen und dort dem Bürgermeister Bescheid geben. Und eine Sprecherin äußert, sie würde dann endlich einen Engelschor sehen und hören, was der Engel verkündet. Ein weiterer Sprecher erklärt: „Und dann sagte ich zu all den andern: / Lasset uns nach Gebersheim nun gehen, / Sehen die Geschichte und das Kindlein.“1147 Zwischendurch singt im Spiel immer wieder ein Chor Weihnachtslieder und Spieler von „Kumpaneien“ ergänzen mit kurzen Sätzen die Aussagen der Sprecher. Somit konnten vermutlich auch Kinder in das Spiel der jugendlichen oder erwachsenen Sprecher eingebunden werden. Schließlich berichtet eine Sprecherin, auch hier unterstützt von einer Kumpanei, dass sie in der Nacht zum Pfarrhaus gehen würde, um dem Pfarrer von Jesu Geburt im Dorf zu berichten, und sie alle sofort ein Chorlied lernen wollen, das in die Nacht hinausschalle. Am Ende singen Chor, Spieler und Gemeinde gemeinsam das Lied Kommt und laßt uns Christum ehren. Das Spiel ist in Versform gesetzt, aber es handelt sich nicht um gebundene Sprache. Gerade aufgrund der lokalen Bezüge sorgten die Aufführungen des Stücks sicherlich
1142 1143 1144 1145 1146 1147
Goes an den Christian Kaiser Verlag, Gebersheim, 08.09.1946. BU 0005/34. Vgl. Chr. Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 22. Goes, Albrecht: Die fröhliche Christtagslitanei. CG Nr. 101. München 1949, S. 4. Zitiert nach ebd., S. 3. U. a. Goes, Albrecht: Die fröhliche Christtagslitanei, S. 7. Ebd., S. 14.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
für Heiterkeit. Von Goes erschien 1960 noch ein weiteres Laienspiel mit dem Titel Der Mensch von unterwegs, und zwar in der Reihe Spiele der Zeit, die sich 1958 der Reihe Christliche Gemeindespiele nahtlos anschloss.1148 4.5.6
Zur Ehre seines Namens von Jens Christian Jensen
„Ich habe Angst, kalte, grauenhafte Angst!“1149 , diese Worte ließ Jens Christian Jensen im Spiel Zur Ehre seines Namens einen „Juden“ sprechen. Damit war Jensen 1952 der erste Laienspielautor der Christlichen Gemeindespiele, der ganz konkret die Judenverfolgung thematisierte. Jens Christian Jensen (1928–2013) studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Kirchengeschichte in Heidelberg und Mainz. Als promovierter Kunsthistoriker war er 1958 bis 1970 in Heidelberg unter anderem als Museumskustos tätig. 1971 bis 1990 war er Direktor der Kunsthalle Kiel und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten über mittelalterliche Plastik, über Malerei und Zeichnungen des 19. Jahrhunderts und über die Kunst der Gegenwart.1150 Unter anderem gab er den Ausstellungskatalog Günter Grass. Hundert Zeichnungen 1955–1987 heraus.1151 In den 50er Jahren veröffentlichte Jensen drei Laienspiele. Als Bärenreiter-Laienspiele erschienen Das Licht scheint in der Finsternis (1948) und die Ballade vom Legionär (1955). Das Stück Zur Ehre seines Namens (CG Nr. 108) mit dem Untertitel Ein Spiel vom Kirchbau wird im Gesamtverzeichnis der Christlichen Gemeindespiele von 1953 in den Kategorien „Pfingsten“, „Reformationsfest“ sowie „Gemeindeabend und Spiele der Zeit“ aufgeführt. Als Spieldauer wird über eine Stunde angegeben.1152 Das Stück besteht aus drei Bildern: „Die Kathedrale“, „Die Zerstörung“ und „Der Wiederaufbau“; ein Introitus und ein Hymnus rahmen die Handlung ein. Am Anfang (Introitus) halten „der Engel“, „der Versucher“ und „der Tod“ Monologe. Der Engel steht dabei auf einem Podest, der Versucher und der Tod haben links und rechts davon ihre Positionen eingenommen. Während des ganzen Spiels verweilen sie reglos auf ihren jeweiligen Eckpunkten und greifen nur zwischendurch überraschend ein. Der Engel eröffnet das Spiel mit den Worten:
1148 Vgl. Kapitel 4.6.4. 1149 Jensen, Jens Christian: Zur Ehre seines Namens. Ein Spiel vom Kirchbau. CG Nr. 108. München 1952, S. 21. 1150 Vgl. Bischoff, Ulrich (Hrsg.): Romantik und Gegenwart. Festschrift für Jens Christian Jensen zum 60. Geburtstag. Köln 1988, o. S. Und: https://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php? pmid=2013-091-jensen-nachruf, zuletzt abgerufen am 03.04.2020. 1151 Vgl. Jensen, Jens Christian (Hrsg.): Ausstellung anlässlich des 60. Geburtstages von Günter Grass. Hundert Zeichnungen 1955–1987. Kiel 1987. 1152 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 25.
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Euch rufe ich auf, Arme und Reiche, Frohe und Leidende, Euch, Verlassene und Geliebte! Euch rufe ich auf, die Ihr erbaut und zerstört, die Ihr knechtet und duldet! Entscheidet Euch! Nacht umgibt Euch, Drohung und Lüge, aber Gott hat sein Zeichen mitten unter auch aufgerichtet! In Eurer Welt will er Euch nah sein!1153
Dann erklärt der Versucher sein Anliegen: „Ich gebe, daß Ihr in Euern Gebeten / nur Euch selbst sucht. Ich verkehre Eure Kirchen unversehens in Spiegel, / in denen Ihr nur Eure eigene Größe erkennt.“1154 Und der Tod verkündet: „Ich bin Vernichter, / blutiger Mäher und bin Gericht. / Ich bin das Tor, durch das jeder hindurch muß.“1155 Im ersten Bild, in dem der Engel die Position auf dem Podest innehat, kommen zwei Frauen mit einem Greis und später ein Vater mit seinem erwachsenen Sohn in die Kathedrale. In ihren Gesprächen wird deutlich, dass die Kirche für sie ein wichtiger Ort ist, für den Greis beispielsweise ein Ort des Friedens. Eine der beiden Frauen sagt, dass der Krieg sie erschrecke und sie sich fragt, ob die Männer wohl heil aus dem Krieg zurückkommen würden. Der Vater macht dem Sohn deutlich, dass dieser, falls er einmal verzweifelt sei, immer in die Kirche gehen solle, egal wo, denn dort sei er nie allein. Alle knien nieder, und es erklingen im Wechsel die kurzen Gebete der Anwesenden. Danach gehen sie alle auseinander. Während die Glocke schlägt, wechseln der Engel, der Tod und der Versucher mehrmals ihre Positionen. Im zweiten Bild steht der Tod auf dem Podest. Eine Mutter kniet sich in eine Kirchenbank und erzählt Gott im Gebet, dass ihr Sohn ganz verändert sei: „Er singt Lieder von Blut und Krieg und Tod.“1156 . Sie bittet Gott, ihren Jungen nicht zu verlassen. Während sie reglos verharrt, erscheint „der Jude“, der einen gelben Stern auf der Brust trägt. Er kniet sich auch in eine Bank und betet:
1153 Jensen, Jens Christian: Zur Ehre seines Namens. Ein Spiel vom Kirchbau. CG Nr. 108. München 1952, S. 9. 1154 Ebd., S. 10. 1155 Ebd. 1156 Ebd., S. 20.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Ich habe mich in Deinen Tempel geflüchtet, heiliger Gott. Sie verfolgen mich Tag und Nacht, sie lassen mir keine Ruhe. Ist denn Dein Tempel noch heilig? Finde ich h i e r noch Schutz? Sie haben mich gezeichnet mit einem gelben Stern, mit dem Stern, der Deine Wiederkunft verkündet. Ja komm, Herr Christus! Komm, heiliges Licht! – Ich schäme mich, daß ich lebe. Bin ich denn wirklich so viel schlechter als alle anderen Menschen? Hast Du Dich nicht unserm Volk offenbart, heiliger Vater? Sind wir nicht ein Beispiel Deiner Gnade, Deines Gerichts? Aber sie verstoßen mich aus Deiner Kirche! Sie verbieten mir, mich Christ zu nennen! Und keiner von denen, die Deinen Namen verkünden, wehrt ihnen, verklagt sie vor Deinem Angesicht, beschützt mich! Ist denn Dein Tempel noch heilig? Ich habe Angst, kalte, grauenhafte Angst! Meine Geschwister haben sie schon fortgeschleppt, und ich weiß nicht, ob sie noch leben, und ich weiß nicht, was sie morgen mit mir tun werden!1157
Er bittet Gott um inneren Frieden und Kraft und verharrt still, als der „Mitläufer“ kommt, sich neben seine Mutter kniet und ebenfalls betet. Der Mitläufer weiß nicht, was er tun soll: Ich soll die Abzeichen der Macht tragen, sie fordern das von mir. Aber was geschieht alles unter diesem Zeichen! […] Ich will es mir nicht anheften lassen! Aber muß ich es nicht? Ich verliere ja sonst meine Stellung, und was soll aus meiner Familie werden? […] Ich weiß den Weg nicht.1158
Es erscheint danach noch eine Witwe, die im Gebet um Trost bittet. Als der Kunstwart mit einer Besuchergruppe kommt, springt „der Jude“ auf und eilt davon, und auch die anderen Beter entfernen sich. Der Kunstwart erklärt der Gruppe die Figur des Versuchers, die er für lächerlich hält. Den Engel stellt er vor als eine „echte deutsche, eine nordische Gestalt“1159 . Das Gesicht mit hoher Stirn und visionären Augen sowie die stolze, aufrechte Haltung der Gestalt seien „Charakterzüge unseres Volkes, unserer Rasse“.1160 Der Kunstwart berichtet, dass in der Kirche nicht mehr viel los sei, und ein Besucher schlägt vor, daraus ein Volksmuseum oder eine Konzerthalle zu machen. Die Betrachtung der Todes-Figur veranlasst den Besucher namens Schneidiger zu erklären: „Wir leben und sterben für unser Vaterland! Einen schöneren Tod gibt es nicht. Unser Volk bl e ibt, und wir mit ihm. – Hier, betrachten Sie sich diese Mauern! Sind die nicht für die Ewigkeit gebaut?!“1161 Als sich die
1157 1158 1159 1160 1161
Ebd., S. 21. Ebd., S. 22. Ebd., S. 24. Ebd., S. 25. Ebd., S. 27.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Besucher über die Figur des Todes lustig machen, ist der dramatische Höhepunkt des Spiels erreicht. Der Tod schlägt eine Sense durch die Luft, und eine Sirene bricht los. Die Besucher stürzen davon und stoßen die Bänke um. In eine plötzliche Stille hinein spricht der Engel: „Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“1162 Anschließend treten drei „Klagende“ auf und geben ihrer Verzweiflung Ausdruck: 3. Klagende: O, unser Frevel hat die Kirche vernichtet, unser Hochmut, und die verworfne, mit Flitter beladene Machtgier unseres Geschlechts! Gottes heiliger Zorn trifft uns gerecht. Blut, vergossen von unseren Händen, schreit auf zum Himmel! Und die verwesten Leiber von Tausenden, von Millionen klagen uns an vor Gottes Thron, Tag und Nacht, unüberhörbar, unübertönbar. Weint, meine Schwestern, weint über u ns bittere, salzige Tränen!1163
Die erste Klagende fragt, ob die Kirche je wieder erbaut werden könne. 3. Klagende: Niemals sage ich euch, wird dies zum Segen geschehen, wenn ihr euch nicht wandelt von Grund auf, wenn ihr nicht eure Schuld erkennt und das Licht ergreift, das euch der Heilige immer noch gewährt!1164
Während des weiteren Klagens sinken die drei Gestalten zu Boden. Wieder schlägt die Glocke, und der Tod, der Engel und der Versucher wechseln mehrmals ihre Positionen. Im dritten Bild steht der Versucher auf dem Podest. Vier Arbeiter unterhalten sich darüber, dass die Kirche jetzt wieder ein Dach habe. Einer fragt, ob das wirklich nötig gewesen sei, man hätte mal lieber Wohnungen bauen sollen. Ein Arbeiter verteilt Bierflaschen, und als der Pfarrer, der Baumeister und der Senator kommen,
1162 Ebd., S. 28. 1163 Ebd., S. 31. 1164 Ebd., S. 32.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
beginnt das Richtfest. Der Senator hält eine Rede und sieht im Wiederaufbau der Kirche das Symbol für den Aufbauwillen des Volkes, und der Baumeister betont, dass der Kultur ein wichtiger Dienst geleistet werde. Plötzlich erhebt der Engel, der sich zuvor einen Mantel der Arbeiter übergeworfen hat, seine Stimme und wendet sich an die Spieler und an die Zuschauer: Ihr redet von Wahrzeichen, Kultur und abendländischer Tradition, aber was hat das alles mit dem Haus des Heiligen Gottes zu tun? Gott will hier Wohnung nehmen, hier will er seine Gemeinde mit seinem glühenden Wort erfüllen, mit seiner Kraft, seiner Herrlichkeit. […] Wozu baut ihr? Ist denn der Glaube noch in euch, der einst diese Kirche errichtete?1165
Er schließt seine Rede mit: „Erst wenn Ihr die Antwort wißt, ist Euer Bauen gesegnet.“1166 Im abschließenden „Hymnus“ wechseln der Tod, der Engel und der Versucher, während die Glocke schlägt, ein letztes Mal ihre Positionen. Schließlich bleibt der Engel auf dem Podest stehen – wie am Anfang des Stücks – und proklamiert: Ich rufe Euch auf: entscheidet euch! Gott hat sein Zeichen mitten unter Euch aufgerichtet. Das Licht scheint! Mitten im Abgrund brennt es hell! Seht es! Ergreift es! Nehmt es in Euch auf!1167
Als der Engel seine Arme hebt, stürzen der Versucher und der Tod schließlich zu Boden. Inzwischen haben sich alle Spieler hinter die Zuschauer begeben. Sie bilden einen Chor, der im Wechsel mit dem vorne stehenden Engel einen abschließenden Lobpreis spricht. Jensen erklärt in der Regieanweisung: „So sind alle Zuschauer in den Lobpreis mithineingenommen.“1168 Die Gläubigen haben das Licht ergriffen, denn sie sagen im Chor:
1165 1166 1167 1168
Ebd., S. 41 f. Ebd., S. 42. Ebd., S. 43. Ebd.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Du siehst unsere Schuld nicht an, durch Deine Gnade sind wir errettet! Was wir in Deinem Namen erbaut, Engel: nun ist es vollendet! Du wohnst nicht mehr in der Verborgenheit, Chor: Du bist uns erschienen! Dein Antlitz erleuchtet uns alle!1169
Die Figurensprache ist Prosa, teilweise ist der Text in Versform gesetzt. Passend zu den Ereignissen in den Bildern stehen der Engel, der Tod oder der Versucher jeweils auf dem Podest. Im ersten Bild ist die Kirche noch ein Ort der Gläubigen, im zweiten herrschen Tod und Zerstörung und im dritten wird die Renovierung der Kirche aus nichtchristlichen Motiven heraus betrieben. Das Spiel sticht aus der Reihe der Christlichen Gemeindespiele hervor, weil Jensen unter der Figurenbezeichnung „der Jude“ einen Christen jüdischer Herkunft auftreten lässt, der im Gebet ganz konkret seine Situation beschreibt: „Sie verstoßen mich aus Deiner Kirche! Sie verbieten mir, mich Christ zu nennen! […] Meine Geschwister haben sie schon fortgeschleppt, und ich weiß nicht, ob sie noch leben, und ich weiß nicht, was sie morgen mit mir tun werden.“1170 Hier wird in wenigen Sätzen deutlich, was für ein Leid die Christen jüdischer Herkunft im ,Dritten Reich‘ erfuhren. Das für das Laienspiel bekannte Prinzip, durch das Erleben einzelner Typen auf das Allgemeine hinzuweisen, greift hier auf besondere Weise. Im Gebet eines Einzelnen gab Jensen den Gefühlen Millionen Verfolgter eine Bühne. Die grausamen Verbrechen thematisiert er, wenn eine der drei Klagenden über das „von unseren Händen“1171 vergossene Blut spricht. Sie nennt nicht explizit Juden, aber die „verwesten Leiber von Tausenden, von Millionen“1172 und erklärt, dass für den Wiederaufbau der Kirche die Schulderkenntnis und das Ergreifen des Lichts nötig seien. Als Hoffnungsgedanken setzt Jensen an den Schluss die Botschaft, dass die Gläubigen wieder vom Licht erleuchtet sind. Zum Thema Neuanfang zitiert der Verlag Jensen im Vorwort mit diesen Zeilen:
1169 1170 1171 1172
Ebd., S. 45. Ebd., S. 21. Ebd., S. 31. Ebd.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Wenn wir nicht wirklich einen neuen Anfang machen, wenn wir jetzt nicht endlich lernen – und es scheint fast, als sei es schon wieder zu spät –, nicht auf den Sand des materiellen Lebens, sondern unsere Zeit und unsere Existenz allein auf IHN zu gründen, dann geschieht unser vielgepriesener Wiederaufbau auf allen Gebieten im Zeichen der Vergänglichkeit, vielleicht im Zeichen des Frevels.1173
Weil dieses Spiel das Thema Neuanfang am Beispiel einer Kirchenrenovierung thematisiert, ist interessant zu erfahren, welche Wirkung das Stück damals ausgeübt hat. Im Kapitel „Aus der Praxis“ wird deshalb von einer Aufführung in Sennfeld bei Schweinfurt berichtet. 4.5.7
Schlafwagen Pegasus von Thornton Wilder
Betrachtet man die Autorennamen der Christlichen Gemeindespiele, fällt Thornton Wilder (1897–1975) auf. Mit dem 1954 in der Reihe veröffentlichten Stück Schlafwagen Pegasus (CG Nr. 118)1174 wurde christlichen Laienspielern ein Einakter eines bereits damals weltberühmten Dramatikers empfohlen. Pullman Car Hiawatha, so der amerikanische Titel, erschien 1931 in dem Sammelband The Long Christmas Dinner und 1954 als deutsche Ausgabe in Einakter und Dreiminutenspiele. Aufgrund der großen Wirkung des Gesamtwerks – beispielsweise sprachen die Stücke Unsere kleine Stadt und Wir sind noch einmal davon gekommen in den Nachkriegsjahren breite Kreise des deutschen Publikums an1175 – sind Wilders Veröffentlichungen bereits ausführlich wissenschaftlich betrachtet worden. Im Folgenden soll anhand der Betrachtung des Stücks Schlafwagen Pegasus deutlich gemacht werden, warum dessen Einbindung in die Reihe der Christlichen Gemeindespiele so passend war. Das Spiel beginnt damit, dass der Spielleiter einige Kreidestriche als Grundriss für einen Schlafwagen auf den Boden zeichnet und erklärt, dass der Zug in einer Dezembernacht von New York nach Chicago fahre. Auf seine Ansage hin – „alles auf die Szene!“1176 – erscheinen Reisende und bauen aus je zwei Stühlen ihre Kabinen auf. Die Passagiere bereiten sich auf die Nacht vor und beschäftigen den Schaffner mit ihren Fragen und Wünschen. In einem Gespräch zwischen dem Ehepaar Philip und Harriet wird deutlich, dass es ihr kurz zuvor gesundheitlich nicht gut ging. In einem anderen Abteil erklärt „die Geistesgestörte“ ihrer Pflegerin, dass sie aussteigen wolle. Als Harriet einen Herzanfall erleidet, versucht der Schaffner
1173 Ebd., S. 4. 1174 Der Christian Kaiser Verlag entnahm es Wilders Band Einakter und Dreiminutenspiele (1954) mit Genehmigung des S. Fischer Verlags. 1175 Vgl. Oppel, Horst: Thornton Wilder in Deutschland. Wirkung und Wertung seines Werkes im dt. Sprachraum. Wiesbaden 1977, S. 8. 1176 Wilder, Thornton: Schlafwagen Pegasus. Ein Spiel in einem Akt. CG Nr. 118. München 1954, S. 8.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
noch Hilfe zu holen, doch als der Arzt endlich kommt, ist es bereits zu spät, sie ist tot. Der Spielleiter wendet sich ans Publikum: „Und nun wollen wir einmal sehen, wo er [der Zug] sich befindet, und seine geographische, meteorologische, astronomische und theologische Position bestimmen.“1177 Im Folgenden treten verschiedene Figuren, die keine offiziellen Zugreisenden sind, auf, so auch beispielsweise die allegorische Figur „das Feld“, ein Landstreicher, „das Wetter“, „Stunden“ und „Planeten“. In einer plötzlich vom Spielleiter geforderten Stille erscheinen die Erzengel Gabriel und Michael. Als sie bei der „Geistesgestörten“ vorbeikommen, erkennt diese sie und fragt, ob sie mitgehen solle. Aber die Engel schütteln den Kopf und gehen zu Harriet. Die Engel flüstern ihr mehrmals etwas zu, aber man hört nicht, was. Die tonlose Botschaft der Engel ist nur durch die jeweils anschließende Kommentierung Harriets erahnbar, die sagt: „Ich verlange von niemand, daß er sich an meiner Statt bestrafen läßt.“1178 Und später: „Aber freilich – wie wundervoll alles wohl sein muß, was jetzt beginnen wird! Ihr wollt mich wirklich?“1179 Als die Erzengel sie hinausführen, hält sie inne und spricht über ihren Ehemann Philip und weitere Menschen, um Abschied zu nehmen. Als sie endet mit: „Jetzt verstehe ich alles“1180 , ruft der Spielleiter alle herbei, die vollzählige Besetzung erscheint, und er gebärdet sich „wie der Dirigent eines Orchesters“1181 . Die Menschen murmeln, die Stunden halten Zwiesprache und die Planeten singen oder summen. Schließlich übertönt Harriets Stimme alle anderen: „Denn niemals war ich so; trotz Furcht und Angst / Führte mich Hochmut, nicht der Wille dein: / Vergangene Jahre laß vergessen sein!“1182 Der Spielleiter winkt die Gestalten weg, denn der Zug ist am Ziel in Chicago angekommen. Die Reisenden reden über Trivialitäten, wie über zu stopfende Socken, und steigen aus. Dann ergreift „eine Schar alter Weiber“1183 mit Putzzeug Besitz von dem Wagen. In diesem Spiel machen gewöhnliche Menschen eine Zugreise. Das Erleben dieser ‚Durchschnittsmenschen‘ komponierte Wilder mit dem Auftreten allegorischer Figuren. Ihr Zusammenspiel kulminiert unter der Regie des Spielleiters – der das Publikum zwischendurch direkt anspricht – im orchestralen Klang. Das Auftreten von ‚Durchschnittsmenschen‘ und der Antiillusionismus gelten nicht nur als Kennzeichen von Wilders Dramen1184 , sondern sind auch wesentliche Merkmale des
1177 1178 1179 1180 1181 1182 1183 1184
Ebd., S. 19. Ebd., S. 30. Ebd. Ebd., S. 32. Ebd., S. 33. Ebd. Ebd., S. 35. Vgl. Halbritter, Rudolf: Konzeptionsformen des modernen angloamerikanischen Kurzdramas. Dargestellt an Stücken von W. B. Yeats, Th. Wilder and H. Pinter. Zugl.: Dissertation. Göttingen
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
evangelischen Laienspiels. Hier sei exemplarisch nur an das Personal und die Ansprache des Publikums in Das Feiertagsspiel von Rudolf Mirbt, in Der undankbare Bauer von Aurel von Jüchen oder Thomas von Heinz Schoeppe erinnert. Während aber in christlichen Laienspielen oft göttliches Handeln expressis verbis erklärt wird, wie beispielsweise auch im ersten neuen Stück der Reihe 1947 in Der Mensch Gottes von Hermann Stock, lässt Wilder in Schlafwagen Pegasus die Botschaft von den Engeln flüstern, und sie wird nur erkennbar durch Harriets anschließende Aussagen. Im Vorwort schreibt der Verlag wahrscheinlich deshalb: „Vielleicht könnte dieses Spiel dem so schnell mißverstandenen Problem ‚Verkündigung im Spiel‘ Wegweiser sein.“1185 Dass in der Reihe der Christlichen Gemeindespiele ein Stück Wilders auftaucht und damit ein Einakter eines weltberühmten Dramatikers auf der Laienspielbühne platziert wird, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Ein zweiter Blick zeigt, dass dies nahezu erwartbar war, denn göttliches Wirken spielt in Schlafwagen Pegasus eine Rolle wie in allen anderen Christlichen Gemeindespielen auch, und es werden gewöhnliche Menschen gezeigt, die in antiillusionistischer Manier im Zusammenspiel mit überirdischem Personal zu neuen Erkenntnissen gelangen. Hinzu kommt, dass Wilder den in Prosa verfassten Text auf viele Spieler verteilte und dieser so von Laienspielern zu bewältigen war. Ulrich Kabitz stellte Schlafwagen Pegasus 1954 in der Zeitschrift Junges Spiel vor und erklärte, der Spieltext sei „geradezu eine Schule“1186 , wie er das nahe Beieinander von Alltäglichem und Überirdischem zeige, um das es ja beim geistlichen Spiel immer wieder gehe. 4.5.8
Ein Spiel vom Jedermann von Winfried Noack und Jedermann 56 von Herbert Kuhn
Hugo von Hofmannsthals Jedermann zeigte bereits in der Weimarer Republik eine Wirkung auf Laienspielgruppen, und so spielte das Stück beispielsweise der Münchener Spielkreis um Mirbt oder auch die Evangelische Bühnengilde Koblenz. In den 50er Jahren findet sich der Stoff auch in den Christlichen Gemeindespielen. Bevor Jedermann 56 von Herbert Kuhn vorgestellt wird, soll kurz das Stück Ein Spiel vom Jedermann, das 1954 in der Reihe erschien (CG Nr. 117), beschrieben werden. Der Autor Winfried Noack (1928–2019) war als Jugendlicher 1944/45 Soldat. Er studierte am Theologischen Seminar Marienhöhe Theologie und in München unter anderem Germanistik und Geschichte. Noack wurde während seiner Tätigkeit als Lehrer von 1954 bis 1992 in Darmstadt 1962 als Pastor in der Freikirche der 1975, S. 114. Und vgl. Nimax, Manfred: „Jederzeit und allerorts“. Universalität im Werk von Thornton Wilder. Frankfurt/Main 1983, S. 25. 1185 Vorwort des Verlags. In: Wilder, Thornton: Schlafwagen Pegasus, S. 3. 1186 Kabitz, Ulrich: Thornton Wilder. Schlafwagen Pegasus. In: Junges Spiel (1954), H. 3, o. S.
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Siebenten-Tags-Adventisten ordiniert. 1966 promovierte er in Geschichte, und ab 1992 war er Professor, später auch Prorektor der Theologischen Hochschule Friedensau in freikirchlicher Trägerschaft.1187 Im Vorwort von Ein Spiel vom Jedermann betont der Christian Kaiser Verlag, dass Noack den Stoff dem Laienspiel zugänglich machen wolle, aber man nicht durch prunkvolle mittelalterliche Kostüme die Salzburger Festspiele nachahmen solle.1188 Noack lässt deutlich weniger Spieler auftreten als von Hofmannsthal, es agieren neben Jedermann nur die allegorischen Figuren „Glaube“, „Werke“, „Mammon“ und der „Tod“, und er fügte noch das „Gewissen“ hinzu. Noack erdachte eigene Verse, und die Figuren sprechen in Knittelversen. Statt eines Spielansagers rahmt die Rede eines „Ehrenholds“ die Handlung ein. Von Hofmannsthal schickt seinen reichen Mann geläutert zum Grab, begleitet vom Glauben – „ich steh dir nah und seh dich an“1189 – und den Werken – „ich geh mit, mein Jedermann“1190 . Der Glaube verkündet am Ende: „Mich dünkt es ist an dem / Daß ich der Engel Stimmen vernehm, / Wie sie in ihren himmlischen Reihen / die arme Seele lassen ein.“1191 Noacks reicher Mann hingegen stirbt einsam. Vorher konnte ihn weder das Gewissen noch der Glaube oder die Werke zur Umkehr und Einsicht bewegen. Dieses Ende kündigt der Ehrenhold bereits am Anfang an: „Es ist das Spiel vom bittern Sterben / und gar vom ewigen Verderben.“1192 Am Ende beschließt er das Stück mit den Worten: Das war das Spiel von der letzten Not, von des reichen Jedermanns bitterm Tod, von seinem reuelosen Sterben, von seinem ewigen Verderben. Tat Glaub und Werke nit anhörn, nit sein Gewissen. Ließ sich betörn durch Mammons Locken, der Welte [sic!] List, die bunt und schön, doch eitel ist. [… ] So geht’s, wer sich der Welt vertan. So geht’s, wer nicht gläubt, Jedermann! Ja, Jedermann, das bist auch du.
1187 Vgl. https://www.thh-friedensau.de/trauer-um-winfried-noack, zuletzt abgerufen am 05.11.2020. 1188 Vgl. Vorwort des Verlags. In: Noack, Winfried: Ein Spiel vom Jedermann. CG Nr. 117. München 1954, o. S. 1189 Hofmannsthal, Hugo von: Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes. Berlin 1911, S. 106. 1190 Ebd. 1191 Ebd., S. 107. 1192 Noack, Winfried: Ein Spiel vom Jedermann, S. 7.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Gib auf deins Herzens sichre Ruh! Auf! Eil! Empfange deinen Herrn, er kommt, will auch zu dir, o gern! [… ] Auf! Eile! Tu’s! ’s ist wohl getan, o werde selig, Jedermann!1193
Auch Herbert Kuhn zeigt in Jedermann 56 das unfriedliche Sterben des reichen Mannes, gestaltete den Stoff aber ganz anders als Noack. In der Reihe der Christlichen Gemeindespiele erschienen drei Stücke von Kuhn: Wir klagen an (CG Nr. 97), Sein wie die Träumenden (CG Nr. 121) und Jedermann 56 (CG Nr. 125). 1955 äußerte der Christian Kaiser Verlag, dass Wir klagen an zu den am meisten aufgeführten deutschen Laienspielen gehört.1194 Hauptthema dieses Stücks ist der Umgang mit Schuld, und es soll deshalb im Kapitel „Über Schuld und Gnade“ betrachtet werden. Der in Köln geborene Herbert Otto Kuhn (1913–1969) studierte von 1932 bis 1939 Evangelische Theologie und Religionswissenschaft in Bonn. Er promovierte zweimal, und es wurde ihm der philosophische und der theologische Doktortitel verliehen.1195 1933 trat Herbert Kuhn in die NSDAP ein.1196 Vom Wintersemester 1939/40 bis einschließlich des Sommersemesters 1941 wurde er im Vorlesungsverzeichnis als wissenschaftliche Hilfskraft an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn aufgeführt.1197 Direktor war u. a. Johann Wilhelm Schmidt-Japing (1886–1960). Dieser war dort nach Karl Barth Professor für Systematische Theologie und Sozialethik geworden, nachdem Barth, der den Eid auf den Führer verweigert hatte, entlassen worden war. Bis 1945 war Herbert Kuhn Soldat. Nach Kriegsende absolvierte er das Vikariat in Gemünd und Duisburg-Wedau. 1949 bis 1952 war er Pfarrer in Hausen (bei Rhaunen im Hunsrück) und 1952 bis 1957 Pfarrer in der Düsseldorfer Johannes-
1193 Ebd., S. 39–40. 1194 Vgl. Vorwort des Verlags. In: Kuhn, Herbert: Sein wie die Träumenden. CG Nr. 121. München 1955, S. 3. 1195 Vgl. AEKR Düsseldorf Best. 1OB 009 (Personalakten der Pfarrer), K 244. Und vgl. N. N.: Die Nachkriegsjahre 1945 bis 1961. In: Seiger, Bernhard (Hrsg.): Reformationskirche der Gemeinde Köln-Bayenthal 1905 bis 2005. Köln 2005, S. 83–95, hier: S. 90. Titel von Kuhns Arbeiten: Feuer im religiösen Leben der Völker und Der ferne Gott als numinoses Erlebnis. Die Schichtungen des Tremendums bei Luther. 1196 Vgl. NSDAP-Mitgliederkartei BArch R/9361/IX Kartei 24050720. 1197 Vgl. Personal- und Vorlesungsverzeichnisse der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn 1939/40 bis Sommersemester 1941. Kuhn war für wissenschaftliche Tätigkeiten zeitweise vom kirchlichen Dienst beurlaubt. Vgl. AEKR Düsseldorf Best. 1OB 009 (Personalakten der Pfarrer), K 244.
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kirchengemeinde.1198 Ab 1957 wirkte Herbert Kuhn fast zwölf Jahre lang bis zu seinem Tod in der Gemeinde Köln-Bayenthal.1199 Neben seiner beruflichen Tätigkeit war Kuhn schriftstellerisch tätig und schrieb unter anderem die Erzählung Karmel (1949). Herbert Kuhn schrieb 1950 an den Verlagsleiter Bissinger: Interessant, dass ich gar nicht zur Bekennenden Kirche gehöre, weder damals in ihren Reihen gestanden habe, noch heute darin stehe, auch in der Gestalt Karl Barth für die Geschichte unserer Kirche neben viel Gutem auch manches Verhängnisvolle sehen zu müssen glaube. Freilich – die Menschen, mit denen ich mich zutiefst verbunden fühle, sind ausschliesslich Männer der BK.1200
Im Vorwort des Spiels Jedermann 56 formuliert der Verlag, dass der Jedermann einem in jedem Zeitalter begegne. In diesem Fall sei er reich an Besitz und Geld, aber habe dafür keine Zeit mehr.1201 Von den dramatis personae der Fassung Hugo von Hofmannsthals übernahm Kuhn den Jedermann, den Tod und den Mammon. Auch einen Spielansager lässt er auftreten. Kuhn ergänzte die allegorische Figur „Zeit“, und es agieren unter anderem Direktor Grotius („etwa 50 Jahre“), seine Frau Frieda1202 , Werner („beider Sohn, etwa 18 Jahre“) und Inge („beider Tochter, etwa 17 Jahre“).1203 Während in der Vorlage „Gott der Herr“ sichtbar wird1204 , lassen Kuhn und Noack nur die „Stimme Gottes“ erklingen.1205 Kuhn montierte verschiedene Passagen aus dem Jedermann Hugo von Hofmannsthals in seine Interpretation des Stoffes. Nach der Vorrede des Spielansagers, die textgleich mit der Vorlage ist, entfaltet sich in 20 nummerierten Szenen das Spiel. Aus dem Zuschauerraum kommt die Zeit auf die Bühne, sie hat eine große Sanduhr und einen Blumentopf dabei. Der Regisseur informiert die Zeit darüber, dass jetzt das Spiel vom Jedermann gegeben werde. Die Zeit lächelt: „Deswegen komme ich ja.“1206 Auf die Frage, wer sie eigentlich sei, antwortet sie, dass dies geraten werden solle, und erklärt dem Publikum, jedermann solle mitraten, zu gewinnen gäbe es den Blumentopf. In einer mittleren Reihe des Zuschauerraums
1198 Vgl. AEKR Düsseldorf Best. 1OB 009 (Personalakten der Pfarrer), K 244. 1199 Vgl. N. N.: Vom Wiederaufbau der Kirche bis 1980. In: Seiger, Bernhard (Hrsg.): Reformationskirche der Gemeinde Köln-Bayenthal 1905 bis 2005. Köln 2005, S. 115–131, hier: S. 122. 1200 Kuhn an Bissinger, 9.5.1050. BU 0005/64. 1201 Vgl. Vorwort des Verlags. In: Kuhn, Herbert: Jedermann 56. CG Nr. 125. München 1956, o. S. 1202 Keine Altersangabe. 1203 Vgl. Kuhn, Herbert: Jedermann 56, o. S. 1204 Vgl. Hofmannsthal, Hugo von: Jedermann, S. 11. 1205 Es sei hier erwähnt, dass in den Christlichen Gemeindespielen beispielsweise in Jairi Töchterlein (CG Nr. 35) von Erhard Hentschel „Jesus“ agiert. 1206 Kuhn, Herbert: Jedermann 56, S. 8.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
sitzen der vermögende Direktor Grotius, seine Frau Frieda, der Sohn Werner und die Tochter Inge. Grotius beschwert sich laut: „Was soll der ganze Unsinn? Entweder wird jetzt der Jedermann gespielt, oder ich gehe.“1207 Die Zeit antwortet: „Wir spielen ihn schon die ganze Zeit. Sie selber spielen doch mit, Herr Jedermann.“1208 Als Gottes Stimme dem Tod den Auftrag gibt, Jedermann darüber zu informieren, dass dieser die Pilgerschaft anzutreten habe, nutzt Kuhn wieder Worte Hugo von Hofmannsthals. Weil die Zeit Grotius den Spiegel vorhalten will, spielen Werner, Inge und Frieda unter Anweisung des Regisseurs Szenen aus dem Leben des Direktors nach. Werner spielt dabei seinen Vater. Es wird in den gespielten Alltagsszenen deutlich, wie gehetzt der Direktor im Alltag agiert. Die Zeit erklärt ihm: „Sie sagen so oft, Zeit sei Geld. Sie hätten doch längst merken müssen, daß Zeit tausendmal, hunderttausendmal wichtiger und wertvoller ist als Ihr tausendmal und hunderttausendmal verfluchtes Geld, dessen Sklave Sie geworden sind.“1209 In einer weiteren Szene aus der Vorlage erklärt der Mammon dem Jedermann, dass dieser sein Hampelmann sei. Obwohl Grotius schwindelig ist, folgen weitere Szenen aus seinem Leben. Schließlich spielt Grotius sich selbst. Ein Mitarbeiter kommt zu ihm und bittet um Hilfe. Grotius weist ihn gnadenlos ab. Der abgewiesene Mitarbeiter ertränkt sich daraufhin, wie die Zeit bereits vor der Szene bemerkt. Endlich erkennt Grotius, wer die Zeit ist. Diese überreicht ihm den Blumentopf, Grotius hält ihn kurz, lässt ihn fallen und bricht zusammen. Ein Arzt kann ihm nicht mehr helfen, und der Direktor stirbt. Danach lässt Kuhn den Tod und Jedermann Zeilen aus Hugo von Hofmannsthals Stück sprechen. Jedermann bittet den Tod um ein Stündlein Aufschub, dabei spricht er aus dem Zuschauerraum „möglichst aus der Mitte der mittleren Reihe“1210 heraus mit dem Tod auf der Bühne. Dieser antwortet: „Meinshalb, ich tret dir aus dem Gesicht, / Nur merk, vertu nit diese Frist / Und nütz sie klüglich als ein Christ“.1211 Am Ende wiederholt der Tod den Prolog aber verändert Wörter ins Präteritum: Jetzt habet allsamt Achtung, Leut, Und hört, was wir vorstellen heut! Ist als ein geistlich Spiel bewandt, Vorladung Jedermanns ist es zubenannt. Darin euch sollt gewiesen werden, Wie unsere Tag und Werk auf Erden Vergänglich sind und hinfällig gar.
1207 1208 1209 1210 1211
Ebd., S. 11. Ebd. Ebd., S. 36. Ebd., S. 69. Ebd., S.71.
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Der Hergang war recht schön und klar, Der Stoff war kostbar von dem Spiel, Dahinter aber liegt noch viel.1212
Dass die Zeit einen Blumentopf trägt und dem geben will, der sie erkennt, verdeutlicht die Redensart: „Damit ist kein Blumentopf zu gewinnen.“ Kuhns Figuren sprechen in Prosa, und so heben sich die eingestreuten originalen, in Knittelversen gesetzten Passagen deutlich ab. Anders als bei Hugo von Hofmannsthal stirbt der reiche Mann unvorbereitet. Als Grotius erkennt, wer die Zeit ist, ist seine Lebenszeit vorbei. Kuhn setzt an das Ende des Spiels aber einen Hoffnungsschimmer, denn wenn der Tod zum Jedermann, der im Publikum steht, sagt: „Nur merk, vertu nit diese Frist / Und nütz sie klüglich als ein Christ“1213 , dann hat Jedermann und das ganze Publikum den Hinweis erhalten, das eigene Verhalten zu ändern, um am Ende wie Hugo von Hofmannsthals Jedermann geläutert zu sterben. 4.5.9
Über Schuld und Gnade
Die Stuttgarter Schulderklärung von 1945 ermöglichte einerseits im Raum der Ökumene einen vertrauensvollen Neuanfang, andererseits erhob sich in Deutschland ein Sturm der Entrüstung. Man sah in der Erklärung das Eingeständnis der deutschen Kriegsschuld, und der Kirche wurde Parteinahme für die Politik der Siegermächte vorgeworfen.1214 Pfarrer Martin Niemöller wurde zum Anwalt des Stuttgarter Wortes und warb dafür, auf der Basis eines persönlichen und institutionellen Schuldeingeständnisses den Weg zur Umkehr zu öffnen und damit eine neue Begegnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern zu ermöglichen.1215 Besonders hervorzuheben ist seine 1946 in Stuttgart auf Einladung des württembergischen Innenministeriums gehaltene Rede Der Weg ins Freie. Niemöller, der selbst von 1937 bis 1945 politischer Häftling war, berichtet darin von einem Besuch im Konzentrationslager Dachau, wo er vier Jahre gefangen war. Vor dem Krematorium las er, dass dort 238.756 Menschen in den Jahren 1933 bis 1945 verbrannt wurden. Ihm wurde bewusst, dass er ein ‚Alibi‘ ab Mitte 1937 hatte und er sich vorher durch Schweigen schuldig gemacht hatte. Von seinen eigenen Erfahrungen ausgehend, betonte er, dass der Weg ins Freie mit dem Schuldbekenntnis anfange.
1212 Ebd. 1213 Ebd. 1214 Vgl. Hermle, Siegfried: Das Stuttgarter Schuldbekenntnis und der Neuanfang der Kirchen. In: RheinReden. Texte aus der Melanchthon-Akademie Köln. Köln 2005, S. 65–80, hier: S. 78. 1215 Vgl. ebd., S. 79.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Man kann heute nicht dem Volk das Evangelium predigen und den Bußruf verschweigen. Man kann heute nicht – weltlich gesprochen – etwa sagen: Die Ärmel aufgekrempelt und voran! Wir liegen im Abgrund, und der Ruf zur Buße ist der Ruf, der uns von dem Abgrund weg im letzten Augenblick, der uns vielleicht geschenkt ist, zurückruft zu dem Gott, der uns wieder bei sich haben will, der uns heimruft. Das ist der Dienst, den heute die Evangelische Kirche unserem Volk zu leisten hat, damit der Weg ins Freie wiedergefunden wird.1216
1947 wurde das Drama Draußen vor der Tür mit dem Untertitel Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt, einen Tag nach dem Tod des Autors Wolfgang Borchert (1921–1947). Das berühmte und bedeutendste Stück der Nachkriegszeit erzählt die Geschichte vom Gefreiten Beckmann, der nach dem Krieg nach Hamburg zurückkehrt. Die Stadt und seine Seele sind zertrümmert. Ein Selbstmordversuch scheitert. Trotz zahlreicher Begegnungen bleibt Beckmann ausgeschlossen und fragt am Ende zutiefst verzweifelt: Hab ich kein Recht auf meinen Selbstmord? […] Wohin sollen wir denn auf dieser Welt? Verraten sind wir. […] Wo ist denn der alte Mann, der sich Gott nennt? Warum redet er denn nicht!! Gebt doch Antwort! Warum schweigt ihr denn? Warum? Gibt denn keiner eine Antwort?1217
Hat das evangelische Laienspiel auf die Verzweiflung jener Zeit, die in Draußen vor der Tür so eindringlich geschildert wurde, geantwortet? Es sei vorweggenommen: In verschiedenen Laienspielen der Nachkriegszeit wurden seelische Nöte und der Umgang mit Schuld thematisiert, und es wurde dadurch ein ‚laienspielbewegter Weg ins Freie‘ eröffnet. Die im Folgenden relevanten Christlichen Gemeindespiele werden in der Reihenfolge ihres Erscheinens vorgestellt. Das erste neue Stück der Reihe mit dem Titel Der Mensch Gottes von Hermann Stock erschien 1947. Es wurde bereits an anderer Stelle ausführlich betrachtet, und so seien hier nur die wesentlichen Punkte aufgeführt. Passend zum Neuanfang ist es ein Osterspiel. Die Figurensprache ist in Versform gesetzt, aber nicht gebunden. Die Hauptfigur, „der Mensch Gottes“, klagt, dass seine Schuld ihn von Gott trenne. Als er den Gesang von Gläubigen vernimmt, bricht es aus ihm heraus: „O meine Schuld – / o meine Schuld – o meine übergroße Schuld!“1218 „Der Gläubige“ erklärt ihm aber: „Wirf sie hinab / ins abgrundtiefe
1216 Zitiert nach Hermle, Siegfried/Thierfelder, Jörg (Hrsg.): Herausgefordert, S. 776. 1217 Borchert, Wolfgang: Draußen vor der Tür und ausgewählte Erzählungen. Hamburg 1986, S. 73. 1218 Stock, Hermann: Der Mensch Gottes. Ein geistliches Spiel. CG Nr. 82. München 1947, S. 29.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Meer der Gnade; / wirf dich in Gottes Hände, / dann wirst du getragen, / glaube mir!“1219 Als die „Stimme Gottes des Herrn“ erklingt und fragt, wer sein Bote sein wolle, fällt „der Mensch Gottes“ auf die Knie und will sich senden lassen: „Mein Leben soll Gefäß sein Seines Lichts, / ich soll das Wort, / das rettende, an alle weitersagen!“1220 In diesem ersten neuen Spiel der Reihe belastet die Hauptfigur zwar die eigene Schuld, aber dieses Bekenntnis verharrt in pathetischer Worthülle. Es wird nicht konkretisiert, wodurch er schuldig geworden ist. Anders als Stock wird diesbezüglich die Autorin Elisabeth Schaudinn (1912–?) konkreter. Sie veröffentlichte in der Reihe der Christlichen Gemeindespiele 1948 Das Jahr des Herrn (CG Nr. 90). Dieses Heft beinhaltet vier Stücke aus dem christlichen Jahreskreis: Das Spiel von der Ankunft Christi, Die Frauen am Grabe, Pfingstgespräch und Erntedank in Not.1221 Noch nicht von Schuld, aber von grausamen Ereignissen berichtet Schaudinn im Spiel Die Frauen am Grabe (Spieldauer wird im Gesamtverzeichnis 1953 mit 15 Minuten angegeben1222 , Kategorie „Passion und Ostern“). Sie ergänzt das Gespräch von Maria Magdalena, Maria und Salome, die um Jesus trauern, mit einem Zug von grau gekleideten Frauen, die ihr Leid berichten. 4. Frau: Meine Kinder hab’ ich liegenlassen, Unbegraben in dem Schnee der Straßen, Unbesungen, unbewacht … Ach, sie kommen jede Nacht: „Mach’ ein Bettchen uns im Schnee, Mutter, frieren tut so weh …“ 1. Frau: Wir müssen klagen! Die tausend Namen der tausend Toten sagen, Die verloren sind Wie der Rauch im Wind, Alle die Toten, Die tausend mal tausend Toten … Im Kampfe verblutet … vom Wahnsinn umnachtet …
1219 Ebd., S. 32. 1220 Ebd., S. 38. 1221 Von Elisabeth Schaudinn erschien in der Reihe außerdem Das Spiel von der Barmherzigkeit, CG Nr. 91. München [1948]. 1222 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München Verlag 1953, S. 18.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
In Kellern erstickt … in Kerkern verschmachtet … Wie Fackeln verbrannt … wie Vieh geschlachtet … Wer schließt die geliebten Gräber auf? Gebirge von Trümmern liegen darauf. Ein Volk ohne Hoffnung stehen wir hier. Wer wälzt u ns den Stein von des Grabes Tür?1223
Am Ende blicken alle, auch die biblischen Figuren, auf einen Engel, der ihnen verkündet, dass Jesus auferstanden sei. Das Thema Schuld greift Schaudinn im Stück Pfingstgespräch (Spieldauer 20 Minuten)1224 auf. Ein Wanderer trifft einen Fischer und fragt ihn, was für ein Tag sei. Dieser sagt ihm, es sei Pfingsten, kann ihm aber auch nicht erklären, was es damit auf sich habe, und muss zur Arbeit gehen. Ein Jünger fragt den Wanderer, warum dieser trauere. Der Wanderer antwortet: Mit reinen Händen bin ich ausgezogen. Sind sie noch rein? – Ich weiß es nicht. – Es ist der Brauch, daß man im Kriege tötet, Das ist seit Tausenden von Jahren so. – Ich hab getötet, wenn auch ohne Haß. (aufspringend) Ich bin nicht schuldig! – Fremdling, bin ich schuldig? 1225
Der Jünger antwortet, dass er niemanden schuldig spreche. Der Wanderer sagt: Dank dir, Fremdling! Jedoch ich kann die Bilder nicht vergessen. Ich träume nachts so furchtbar und am Tage Seh ich durch alle Dinge wie durch Glas In eine schwarze, blutige Wirklichkeit 1226
Dann weist der Jünger darauf hin, dass Pfingsten sei:
1223 Schaudinn, Elisabeth: Die Frauen am Grabe. In: Dies.: Das Jahr des Herrn. Vier Spiele. CG Nr. 90. München 1948, S. 25–34, hier: S. 32. 1224 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 18. 1225 Schaudinn, Elisabeth: Pfingstgespräch. In: Dies.: Das Jahr des Herrn, S. 35–49, hier: S. 45. 1226 Ebd.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Es ist auch heut die ewig gleiche Botschaft: Daß Christus unsre Sünden mitgetragen Mit seinem schweren Kreuz nach Golgatha … Für uns gestorben … Wanderer: Das versteh ich nicht! Jünger: Wer könnte das Geheimnis wohl „verstehen“? Versteht man doch den simplen Alltag kaum. Wanderer: Sei mir nicht böse, Fremdling, laß mich gehen Dein Wort bedrängt mich Laß mich jetzt allein.1227
Bevor der Wanderer geht, gibt ihm der Jünger noch diese Botschaft mit auf den Weg: Noch ein Wort Ruf ich dir zu in deine Einsamkeit: „Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen: siehe, es ist alles neu geworden!“1228
Die Bibelstelle wird nicht genannt, es handelt sich hier um den 2. Korinther 5,17. Nachdem der Fischer dem Publikum seine Erkenntnisse über den Heiligen Geist erzählt hat, kommt der Wanderer zurück und berichtet – ohne Beziehung zum Fischer – von seiner Erkenntnis: Doch plötzlich brach es durch die Morgenwolken, Und breite Strahlenbäche stürzten nieder Und schufen Farben, schufen Blütenwelten, Es blendete, daß ich die Augen schloß. Es strahlte dennoch, strahlte in mir weiter, Verwandelt mich selber wie die Erde … Die finsteren vergangnen Jahre wurden
1227 Ebd., S. 46. 1228 Ebd., S. 47.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Von mir genommen wie ein altes Kleid. – (kurzes Schweigen) Darf ich ve rge ss e n, daß durch Blut ich ging? Nein! – Nicht vergessen. – Ab e r m i ch e r ne u e r n. Dieses heißt Pfingsten: „Sieh, das Alte ist Vergangen, es ist alles neu geworden. – Du bist in Christo eine neue Kreatur.“1229
Diese Rede ist der Schluss des in Versform gesetzten kurzen Spiels, und die Engel, die auch zwischendurch mehrmals gesungen haben, beschließen es mit Gesang. Bemerkenswert ist hier, dass der Wanderer, als der Jünger beginnt vom Kreuz zu reden, geht. Seine Erkenntnis über einen persönlichen Neuanfang, der durch Jesus möglich ist, spielt sich nicht vor den Augen der Zuschauer ab, sondern er berichtet anschließend darüber. 1949 erschien Wir klagen an (CG Nr. 97) von Herbert Kuhn. 1955 konstatierte der Christian Kaiser Verlag, es gehöre zu den am meisten aufgeführten deutschen Laienspielen1230 . Im Vorwort zur ersten Auflage formulierte der Verlag: Die Frage nach unserer Schuld oder Unschuld am Verhängnis dieser Zeit verläßt uns nicht, wie oft auch versucht wird, sie gewaltsam zu beantworten. Es ist eine sehr gefährliche Frage und ebenso gefährlich ist jeder Versuch, der sich mit dieser Frage gleich welcher Form befaßt. Dieses Spiel gehört zu diesen Versuchen; es nimmt seinen ungeheuren Auftrag nicht nur ernst, sondern entledigt sich seiner mit einer Aggressivität, die im Laienspiel ebenso neuartig wie notwendig ist. Bis zum Überdruß ist der Ruf nach „zeitgemäßen“ Spielen laut geworden, die vom heißen und nervösen Atem unserer Tage getrieben werden und dennoch Laienspiel bleiben, d. h. eine Mission im Raum der Gemeinde zu erfüllen imstande sind. […] Weil es unsere dringendste Aufgabe ist, in Unruhe zu halten, was nicht vom frommen Betrug eingeschläfert werden darf, mu ß dieses Spiel mitten in die Brandung unserer Tage hinein. Manche meinen, das Thema wäre bereits unaktuell und käme zu spät. Aber es geht ja letztlich gar nicht darum, wer nun die Millionen geopferter Menschenleben verschuldet hat, sondern es geht um die erschütternde Tatsache, daß wir – gerade als „gute Christen“ – täglich bereit sind, der Buße auszuweichen und dafür Gott anzuklagen, ohne uns auch nur eine Spur eines Gewissens daraus zu machen. Es geht also, kurz gesagt, um das christliche Gewissen, das aus seiner Lethargie herausgejagt werden muß. Die Antwort auf die Schuldfrage in diesem Spiel ist nicht neu und wird nicht zum ersten Mal gegeben. Aber es ist die einzig mögliche und zulässige. Und sie muß
1229 Ebd., S. 48 f. 1230 Vgl. Vorwort des Verlags. In: Kuhn, Herbert: Sein wie die Träumenden. CG Nr. 121. München 1955, S. 3.
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täglich von neuem hinausgerufen werden, auch wenn längst die Prozesse und weltlichen Gerichte vorüber sind. Wir alle wissen, wie schwer und aussichtlos das ist. Aber das hilft nichts. Dies Spiel ist ein Weg dazu. Einer, den man nicht übersehen sollte.1231
Das in Prosa verfasste Spiel hat eine Spieldauer von etwa einer Stunde1232 und wird im Gesamtverzeichnis von 1953 in den Kategorien „Bußtag und Totensonntag“ sowie „Gemeindeabend und Spiele der Zeit“ aufgeführt. Wir klagen an zeigt eine Gerichtsverhandlung und ist in zehn Auftritte unterteilt. Aufgrund des großen Erfolgs des Stücks soll es hier ausführlich vorgestellt werden. Zu Beginn dankt der Richter dem Publikum, dass es so zahlreich erschienen sei, „um Zeugen zu sein eines Prozesses, der die Wahrheit an den Tag bringen soll“.1233 Er wolle nicht eher gehen, als bis „derjenige ermittelt ist, der die Schuld trägt an allem Elend, das über die Menschen gekommen ist“.1234 Der Sekretär informiert den Richter darüber, dass im Warteraum als Erster ein Pfarrer warte und man sich sehr viel unnütze Zeit ersparen könne, wenn man ihn möglichst bald zu Wort kommen ließe. Der Richter empfindet dies als Einmischung und lässt den Nächsten hereinholen, es ist ein Russe ohne Wohnsitz. Sein Dorf haben die Deutschen niedergebrannt. Er erklärt: „Ich verlange, daß man diejenigen, die verantwortlich sind für dieses Verbrechen, zur Rechenschaft zieht. Und schuld sind die Deutschen.“1235 Als ein Amerikaner mit einem dringenden Anliegen hereinkommt, lässt der Russe ihm unzufrieden den Vortritt. Der Amerikaner erklärt dem Richter, dass die Deutschen seinen Bruder bei einem Bombenangriff auf Duisburg erschlagen haben wie einen Hund. „Damals mußte mein Bruder mit seiner Mannschaft aus der brennenden Maschine heraus und abspringen. Als er dann unten ankam und noch in seinem Fallschirm hing, hat man ihn erschlagen.“1236 Der Amerikaner verlangt, dass man die Schuldigen bestraft, eine habe er selbst ermittelt, eine Frau Schulze. Diese würde sogar im Warteraum sitzen, weil sie selbst anklagen wolle. Die eingetretene Frau Schulze erklärt dem Richter, sie wäre nur eine von mehreren gewesen, die den amerikanischen Soldaten geschlagen hätten, und er sei selber schuld. Der Richter bittet sie, die Situation zu erklären. Sie berichtet, dass sie im Keller saßen. Die Bomben krachten und das Wasserrohr wurde getroffen.
1231 Vorwort des Verlags. In: Kuhn, Herbert: Wir klagen an. CG Nr. 97. München 1949, S. 3 f. 1232 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 21. 1233 Kuhn, Herbert: Wir klagen an. CG Nr. 97. München 1949, S. 6. 1234 Ebd. 1235 Ebd., S. 8. 1236 Ebd., S. 10.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Wir mußten also auf schnellstem Wege raus aus dem Keller, ich und meine beiden Enkelkinder. […] Ich bin noch nicht ganz draußen, da merke ich schon: das eine Kind fehlt. Ich in den Keller zurück. Aber zu spät, Herr Richter, das Kleine war schon ersoffen. Jawohl, Herr Richter, ersoffen. Ich also wieder raus. Draußen ist die Hölle los. Alles brennt lichterloh. Der Qualm schneidet einem in den Augen und in den Lungen. Wo ist das andere Kind? […] Es steht mitten im brennenden Asphalt, schreit und versinkt wie im Schlamm, schreit und streckt die Arme nach mir aus, schreit und verbrennt, verbrennt bei lebendigem Leibe. Komm her, Kind – brülle ich. Das Kind streckt wieder die Arme nach mir aus, schreit und schreit, will kommen und schreit, aber kann nicht kommen, der brennende Schlamm hält es fest. […] Und dann kann es auch nicht mehr schreien.1237
Als nur wenig später ein „Ami“ mit seinem Fallschirm landet, schlug Frau Schulze ihn mit anderen zusammen. „Wir wollten ihn bestimmt nicht totschlagen, Herr Richter. Aber wir waren eben wie verrückt.“1238 Der Amerikaner fordert, dass der Mord gesühnt wird. Frau Schulze ihrerseits aber fordert, dass der Mord gesühnt wird an den Alten, den Frauen, an den Kindern, „die zerrissen worden sind, die ersoffen sind, die erstickt sind, die verbrannt sind“.1239 Frau Schulze erwähnt, dass ein General befohlen habe, die Amerikaner zu erschlagen. Im weiteren Verlauf des Prozesses versucht der Richter herauszufinden, wer der General war, und ruft weitere Menschen aus dem Warteraum auf. Frau Braun berichtet, sie sei aus Warschau vertrieben worden. „Mit Peitschenhieben – hören Sie? – und bespuckt haben sie mich – hören Sie. Und geschändet haben Sie mich – hören Sie?“1240 Sie will auch anklagen, denn sie habe alles verloren, ihre Wohnung, ihren Mann, ihre Ehre und ihren Glauben. Weil sie nichts über den gesuchten General erzählt, wird ihre Schwester, Frau Klein, hereingerufen. Sie hat ihren Sohn verloren und trauere wie Millionen Mütter. Als der Russe erfährt, dass ihr Sohn in Russland gefallen sei, klagt er sie an und erklärt dem Richter: „Sie ist die Mutter eines Brandstifters. Als seine Mutter trägt sie die Schuld am Dasein eines Brandstifters. Somit trägt sie auch die Schuld an seiner Schuld.“1241 Weil der gesuchte General bereits tot ist, wie sein Vater, Herr Meier, berichtet, wird der Kanzler angeklagt, den Krieg in die Welt getragen zu haben. Schließlich ist der Richter ratlos:
1237 1238 1239 1240 1241
Ebd., S. 12. Ebd., S. 13. Ebd. Ebd., S. 15 f. Ebd., S. 23.
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Wer aber soll die Schuld denn eigentlich tragen, wo alle sie ablehnen? Einer mu ß doch der Schuldige sein. Die Welt liegt in Trümmern, die Menschen sind zu Millionen hingemordet worden, Millionen irren heimatlos umher, Millionen hungern, Millionen weinen. Wir waten in einem Meer von Blut und Tränen, wir ertrinken in diesem Meer, aber keiner – keiner will die Schuld tragen. […] Sie sind ja alle vertreten hier, die Amerikaner sind vertreten, die Russen sind vertreten, die Deutschen sind vertreten, und die Amerikaner klagen die Deutschen an, und die Russen klagen die Deutschen an, und die Deutschen klagen die Russen und die Amerikaner an und außerdem klagen die Deutschen sich noch gegenseitig an. […] Alle sind sie da, aber keiner will die Schuld tragen.1242
Herr Maier klagt daraufhin Gott an: „Er ist der Allmächtige. Er hätte alles Elend verhindern können. Wenn e ine r es hätte verhindern können – Er hätte es bestimmt gekonnt.“1243 „Alle“ sprechen: „Gott ist schuld. Wir klagen an. Wir klagen Gott an.“1244 Der Richter zieht das Fazit: „Mithin ist der Schuldige endlich gefunden. Gott ist schuld, wir alle aber sind ohne Schuld. Gott allein ist schuld, wir aber sind schuldlos.“1245 Gott soll bestraft werden, und Meier erklärt, dass damit die gequälte Menschheit endlich Frieden fände. „Denn nur darum kann die Welt keinen Frieden finden, weil die Schuld, die große, große Schuld ungesühnt bleibt und fortwährend neue Schuld und größere Schuld gebären muß.“1246 Die Ankläger überlegen, wie sie Gott bestrafen wollen. Nachdem der bereits am Anfang der Gerichtsverhandlung erwähnte Pfarrer hereingerufen wurde, bittet der Richter alle, sich zu erheben und liest das Urteil: Da die Schuld Gottes am unermeßlichen Elend der Welt erwiesen ist und diese Schuld nach Sühne schreit, haben wir folgende Strafe gegen ihn beschlossen: erstens, daß Gott selber noch ärmer werden soll als die Vögel unter dem Himmel und die Füchse im Walde; zweitens, daß Gott von den Menschen verhöhnt, bespuckt und gepeitscht werden soll, drittens, daß Gott seinen eigenen Sohn an den schmachvollen Tod verlieren soll.1247
Der Pfarrer soll Gott das Urteil übermitteln. Dieser erklärt aber, dass sie mit dem Urteil zu spät kämen und Gott bereits vor zweitausend Jahren das Urteil angenommen habe und die Schuld gesühnt habe, obwohl er unschuldig war: „Gott hat unschuldig den Tod am Kreuz erlitten.“1248 1242 1243 1244 1245 1246 1247 1248
Ebd., S. 38. Ebd., S. 39. Ebd. Ebd., S. 40. Ebd. Ebd., S. 43. Ebd., S. 47.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Auf Nachfrage des Richters, warum Gott eine fremde Schuld auf sich genommen habe, erklärt der Pfarrer: Durch seinen Tod am Kreuz ist alle Schuld getilgt. Damit ist auch der Gerechtigkeit Genüge getan. Aber damit ist auch der Liebe Genüge getan – jener Liebe, die in Jesus Christus Mensch geworden ist; jener Liebe, die aller Schuld auf sich genommen hat, […] jener Liebe, die nicht mehr anklagt, die nicht mehr richtet, sondern vergibt; jener Liebe, die uns ein Beispiel gegeben hat, damit wir diesem Beispiel nachfolgen; jener Liebe, die nunmehr wartet, daß alle Schuldigen, die Vergebung gefunden haben, nun auch ihren Schuldigern vergeben.1249
Der Richter wendet ein: Wenn es nun so wäre, daß wir hier nun wirklich einen neuen Anfang machen wollten, daß wir den Schuldigen nun nicht mehr ermitteln wollten, um ihn zu verdammen, sondern um ihm zu vergeben – es würde uns doch nicht gelingen. Denn ehe ich den Schuldigen nicht gefunden habe, kann ich ihm auch nicht vergeben. Sehen Sie, Herr Pfarrer, und das ist uns eben nicht gelungen, obwohl ich ihn wirklich finden wollte, den Schuldigen […]. Warum hat uns Gott, der die Liebe ist und auf uns wartet, denn nicht gesagt, wo wir den Schuldigen zu suchen und zu finden haben? – Wo ist der Schuldige? […] Pfarrer: Diese Frage können Sie sich selber beantworten. Richter: Nein, das können wir alle nicht. Wir können nur anklagen.1250
Daraufhin liest der Pfarrer aus der Bibel die Textstelle vor, in der zu Jesus von Schriftgelehrten und Pharisäern eine Ehebrecherin gebracht wird und Jesus ihnen erklärt: „Wer unter euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“1251 Der Pfarrer schließt die Bibel. „Und nun fordere ich Sie auf: (sich an die Kläger wendend) Wer unter Ihnen ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“1252 Betroffen verlässt einer nach dem anderen die Bühne, als letztes der Richter. In diesem Spiel hat Kuhn ganz konkret Verlust und Schmerz der Ankläger aussprechen lassen. Wenn beispielsweise Frau Schulze den qualvollen Tod ihrer beiden Enkel beschreibt und wie sie zur Mörderin am Amerikaner wurde, dann zeigt hier das christliche Laienspiel 1949 eine schonungslose Intensität. Und genau diese wird
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Ebd., S. 48. Ebd., 48 f. Die Textstelle gibt Kuhn nicht an, es handelt sich um Johannes 8,3–8. Kuhn, Herbert: Wir klagen an, S. 50.
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es sicherlich gewesen sein, die die Menschen der Zeit besonders ansprach und dazu beitrug, dass Wir klagen an solch einen Erfolg hatte. Der Verlag formulierte im Vorwort zur 3. Auflage 1955: Als dieses Spiel 1949 erschien, waren bereits erfolgreiche Versuche im Gang, das christliche Gewissen wieder einzuschläfern und die Schuldfrage als überholt beiseite zu tun. […] Damals meinten manche, das Thema wäre bereits unaktuell und käme zu spät. Heute, fünf Jahre später, hat es den Anschein, als nähme seine Aktualität in beängstigender Weise zu, je mehr wir uns von 1945 entfernen. Denn wohin entfernen wir uns?1253
Weiter heißt es im Vorwort, dass die Antwort, die Kuhn im Spiel gebe, nicht neu sei, aber die einzig mögliche. „Und sie muß jeden Tag aufs Neue ausgerufen werden, auch wenn sich kaum noch jemand genau an die Kriegsverbrecherprozesse erinnern kann.“1254 In diesem Stück, in dem so zahlreiche Themen durch die Ankläger angesprochen werden, bekommt das Leid der Juden keine Bühne. Stattdessen wird das Stück zu einer einzigen Planierung und Relativierung der spezifisch deutschen Schuld und balanciert sie aus durch die Aufzählung der Schuld in anderen Ländern, minimiert, um Jesus zu zitieren, den Balken im eigenen Auge durch den Hinweis auf die Splitter im Auge anderer: Dem deutschen Angriffskrieg wird die grausame Ermordung unschuldiger deutscher Kinder im Bombenkrieg der Alliierten, dem Überfall auf Polen und die Sowjetunion und die 20 Millionen Kriegsopfer in deren Gefolge wird die Vertreibung Deutscher aus Polen 1945 entgegengestellt. Dabei wird Jesus direkt als Eideshelfer für die Entschuldung des deutschen Volkes zitiert – nur, wer selbst ohne Schuld sei, dürfe mit Steinen nach den Deutschen werfen. Der große Erfolg des Stückes beruhte also vor allem darauf, dass es genau die deutsche Befindlichkeit bis in die frühen 1960er Jahre hinein zum Ausdruck brachte, in der sich die deutschen Leiden in Bombenkrieg und Vertreibung vor die deutschen Verbrechen schoben und sie verdeckten. Diese Sicht erlebte um die Jahrtausendwende ihre Wiederbelebung mit den Thesen Sebalds zur angeblichen deutschen Verdrängung des Bombenkriegs und Jörg Friedrichs Betonung des Luftkriegs als alliiertes Kriegsverbrechen. Im folgenden Spiel wird die Schuldthematik an die Krippe herangetragen. Heut schleusst er wieder auf die Tür erschien ebenfalls 1949 (CG Nr. 102). Die Autorin Eva Maria Cranz (1890– ?) verfasste neben Erzählungen mehrere Laienspiele1255 ; 1253 Kuhn, Herbert: Wir klagen an. CG Nr. 97. 3. Aufl. München 1955, S. 3. 1254 Ebd. 1255 Vermutlich 1917 erschien von Eva Maria Cranz bereits Frohes Dienen. Ein Kriegs-Festspiel in einem Akt. Darin wird die Arbeit von Mädchen in Munitionsfabriken als Vaterlandsdienst gepriesen, den man nicht um des Verdienstes willen zu tun habe. Vgl. Cranz, Eva Maria: Frohes Dienen. Ein Kriegs-Festspiel. Leipzig [1917], S. 15.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
dieses ist das einzige von ihr, das in der Reihe Christliche Gemeindespiele erschien. In der Vorbemerkung, vermutlich von Cranz selbst verfasst, zum „aus der Notzeit geborene[n]“1256 Spiel, steht, das Spiel sei vor Weihnachten 1944 entstanden und in einem schlesischen Dorf gespielt worden. Bei der Flucht ging das Manuskript verloren, es wurde noch einmal geschrieben, dabei erweitert und Weihnachten 1945 von der Jugend eines Thüringer Walddorfes in der Kirche gespielt.1257 Das Stück hat eine Länge von einer halben Stunde.1258 Die Figuren sprechen in gebundener Sprache, und ein Chor singt zwischendurch. Zu Beginn macht der Sprecher deutlich: „Nun meinen vielleicht von euch gar viele, / die Zeit sei zu schwer für heitere Spiele. / Da werdet ihr wohl gleich selber sehn, / daß es nicht lustig tut zugehn / in unserm Spiel; es will nicht scherzen, / bringt ernste Kunde euren Herzen.“1259 Die Gemeinde singt die ersten drei Strophen aus Auf, auf, ihr Reichsgenossen1260 . Der Satan versucht nacheinander Figuren wie einen König, einen Bauern oder eine Mutter zu überreden, sich auf ihn einzulassen, und er werde jedem das geben, was die Figur gerade brauche, wie Frieden, Frucht und Saat oder Trost. Alle Figuren widerstehen dem Satan. Als sie an die Krippe herantreten, begreifen sie, dass ihre Sehnsucht gestillt wird. Von Ferne hört man den Satan: Nein, du entgehst mir nicht! Dich laß ich nimmer los! Verfallen bist du mir! (Der Schuldige stürzt herein, fällt auf die Knie.) Schuldiger: Ja, meine Schuld ist groß, Und doch – und doch – ein einzig Mal nur laß mich gehn, und laß in jenes Wunderlicht mich sehn, […] dann – folg ich dir in deine Höllenpein … (Er reißt sich los und fällt vor der Krippe nieder.) Maria: Wer bist du Armer? Und was treibt dich her?
1256 Cranz, Eva Maria: Heut schleusst er wieder auf die Tür. CG Nr. 102. München 1949, S. 3. 1257 Vgl. ebd. 1258 Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 23. 1259 Cranz, Eva Maria: Heut schleusst er wieder auf die Tür, S. 4. 1260 Angaben zum Lied werden nicht gemacht. Text: Johannes Rist (1607–1667). Vgl. Evangelisches Gesangbuch für Brandenburg und Pommern. Stettin 1931, o. S. (Lied 4).
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Schuldiger: Bin schuldbeladen! Meine Sünd’ ist schwer – bin ausgestoßen, aller Welt verfemt, wer einst mir schmeichelte, sich jetzo meiner schämt! Doch eh mich Satan in das ew’ge Feuer stößt, laß mich nur eines Hauches Länge weilen – Du Kind, das alle Welt von ihrem Fluch erlöst – kannst du auch meine tief zerriss’ne Seele heilen? Erzengel: Du bist von Gott gewichen! Schuldiger: Ja, ich tat den Schritt zum Abgrund, folgte schlimmem Rat, […] O, hätt ich doch geglaubt, o – wär ich treu geblieben, so wär ich nun nicht aus dem Paradies vertrieben! O Höllenqual, o unermeßlich Leid: von Gott verstoßen sein in alle Ewigkeit! Maria: So reut dich deine Sünde? Schuldiger: Meine Reu, so abgrundtief, ist alle Morgen neu! Erzengel: Doch tiefer noch, viel tiefer als das Meer, ist Gottes Gnade! Sünder, sandtst du her zu Gottes Sohn, den er als Lösegeld gesandt für deine Sünde, für die Sünd’ der Welt, ist echt die Reu, so löscht er deine Schuld.1261
Als der Satan den Schuldigen erinnert, dass dieser sein sei, ist der Schuldige verzweifelt: „Weh mir! Er ist im Recht! Untilgbar ist der Schade!“1262 Der Erzengel
1261 Cranz, Eva Maria: Heut schleusst er wieder auf die Tür, S. 29–31. 1262 Ebd., S. 32.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
beruhigt ihn: „Doch größer als das Recht ist Gottes Gnade! / So groß auch Satans Macht – noch größer ist / die Gnade, euch geschenkt durch Jesus Christ!“1263 Da gibt Satan sich geschlagen, der Schuldige fühlt sich befreit und betet das Kind an. Der Sprecher beendet das Spiel: Die Menschen – waren sie euch nicht bekannt? Ob mancher nicht die Freunde wiederfand? Die Glück und Frieden suchen, Trost und Licht – Ja, Freunde, seid ihr das denn selber nicht? […] Das herbe Leid der Welt, ja, es besteht – Jedoch des Siegers Macht nimmt ihm die Bitterkeit, er bringt ja auch für euch die Seligkeit.1264
Dass in diesem Weihnachtsspiel „ein Schuldiger“ auftritt und dieser Maria erklärt, er sei schuldbeladen, ausgestoßen und dass, wer ihm einst geschmeichelt habe, sich jetzt seiner schäme, zeigt, dass das Krippenspiel jener Jahre nicht nur anheimelnd war. Das durch Jesus Christus ermöglichte Geschenk der Gnade verschafft dem Schuldigen Befreiung. Gerade, weil hier zu Weihnachten auch das Thema ,Schuld‘ angesprochen wurde, konnte die Bedeutung des Festes deutlich werden. Und weder im schlesischen Dorf 1944 noch im thüringischen 1945 haben wahrscheinlich die pathetischen Züge mit der gebundenen Sprache und dem klischeehaften Handeln des Satans gestört. „Jedermann – / du und ich! / Denk daran! / Besinne dich: / Du bist Jedermann.“1265 Diese Zeilen singt ein Chor in dem Stück Das Brot, von dem wir essen von Rudolf Otto Wiemer. Es erschien 1950 (CG Nr. 103). Der in seiner Jugend von Muck-Lamberty und dem Wandervogel geprägte Autor Wiemer (1905–1998)1266 veröffentlichte als Lehrer während des ,Dritten Reichs‘ Laienspiele in verschiedenen Reihen.1267 Zeitweise arbeitete er auch für die vom Nationalsozialistischen 1263 Ebd. 1264 Ebd., S. 35. 1265 Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. Ein Zeitstück. CG Nr. 103. München 1950, S. 11. 1266 Biographisches über Wiemer auch bei: Korte, Barbara: Texte für das Theaterspiel von Kindern und Jugendlichen im ‚Dritten Reich‘. Göttingen 2017, S. 212 f. 1267 Wiemers erstes veröffentlichtes Stück war Das kleine Erntespiel vom Bär und dem wunderbaren Nußzweiglein, das 1936 als Münchener Laienspiel (H. 147) erschien. Auch veröffentlichte Wiemer Texte in der Reihe Spiele und Feste der deutschen Schule: Wiemer, Rudolf Otto: Das Spiel vom treuen Eckart. Ein Weihespiel zur Schulentlassung. Heft 4. Leipzig [1938]; ders.: Herr Griesgram und Frau Musika. Heft 9. Leipzig [1939]; ders.: Gold und Brot. Heft 13. Leipzig [1942]. Die Reihe Spiele und Feste der deutschen Schule umfasst insgesamt 13 Stücke, die zwischen 1937 und 1942
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Lehrerbund herausgegebenen Zeitschriften Hilf mit und Deutsche Jugendburg.1268 Als Soldat im Zweiten Weltkrieg geriet er in amerikanische Gefangenschaft und wurde 1945 wieder entlassen.1269 Danach unterrichtete er in verschiedenen Städten, 1954 bis 1967 an einer Realschule in Göttingen.1270 Der Lehrer, Puppenspieler und Schriftsteller hinterließ, als er starb, ein sehr umfassendes Werk mit Laienspielen, Kinderbüchern1271 , Erzählungen, Romanen und Lyrikbänden. In der Reihe der Christlichen Gemeindespiele erschien von Wiemer 1940 Das Kind im Schnee (CG Nr. 2)1272 und zehn Jahre später Das Brot, von dem wir essen mit dem Untertitel Ein Zeitstück. Die musikalische Gestaltung übernahm Gerd Watkinson. Im Gesamtverzeichnis der Reihe von 1953 wird eine Spieldauer von etwa 1,5 Stunden angegeben1273 , und es wird in den Kategorien „Passion und Ostern“, „Bußtag und Totensonntag“ und „Gemeindeabend und Spiele der Zeit“ aufgeführt. Die Figuren sprechen Prosa, es gibt ein Vorspiel und drei Handlungen. Der Teufel eröffnet das Vorspiel und macht direkt deutlich, wer er ist: „Ich bin der Teufel. Ich führe hier Regie. Sie sehen mich erschreckt an. Meinen Sie etwa, ich käme nur im Märchen vor? Heute bevorzuge ich dies Zeitstück. Die nackte Wirklichkeit. Ich werde Ihnen nichts ersparen. Auch das Elend nicht.“1274 Der „Chor der Heimatlosen“ zieht ein und singt dabei: „Wir kommen aus den Gittern / und aus dem Stacheldraht. / Dort lernten wir das Zittern / und säten Tränensaat. / Die Erde ist hart und ein Dornental. / Wann kommen wir heim? Wann endet die Qual?/ Wann?“1275 Drei verlassene Kinder sprechen gemeinsam im Bettelton: „Unser Vater und Mutter ist tot. / Wir bitten um ein Stücklein Brot. / Die Straßen der Welt sind dunkel und weit. / Wir bitten um ein Fünklein Barmherzigkeit.“1276 Der Teufel kommentiert, dass alle vom Brot der Zeit essen würden und dabei Hunger hätten. Ein Bänkelsänger, der wiederholt auftritt, beginnt im Wechsel mit dem Chor zu singen: Leute, höret die Geschichte, die ich hiermit berichte,
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oder 1944 erschienen. Die dahinterstehende Institution war der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB). Vgl. Korte, Barbara: Texte für das Theaterspiel, S. 206. Vgl ebd., S. 213. Vgl. http://www.rudolf-otto-wiemer.de/14207.html, zuletzt abgerufen am 25.10.2020. Vgl. Korte, Barbara: Texte für das Theaterspiel, S. 212. Zum Beispiel Nele geht nach Bethlehem (1963). Das Kind im Schnee erschien bereits 1937 als ein Münchener Laienspiel (H. 160). Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München, S. 23. Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. Ein Zeitstück. CG Nr. 103. München 1950, S. 6. Ebd., S. 7. Ebd.
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vom Soldaten Jedermann. Er ist in den Krieg gefahren, kam zurück nach sieben Jahren, da fing die Misere an. Chor: Jedermann – du und ich! Denk daran! Besinne dich: Du bist Jedermann.1277
Der Teufel spricht den Bauern Friedrich Jedermann und seinen Bruder, den Bürgermeister und Kirchenvorsteher Gottlieb Jedermann, an, die beide im Publikum sitzen. Als der Teufel ihren Bruder Michael erwähnt, erklären diese, er sei verschollen. Beide betonen ihre eigene Unschuld, ihr Bruder Michael hingegen sei als Soldat schuld am Elend, denn er habe auf fremde Menschen geschossen. Der Teufel wendet sich an die Zuschauer: „Sie sehen, meine Herrschaften, das ist des Teufels Regie. Nichts fürchtete er mehr, als wenn einer aufsteht und sagt: Ich bin schuld. Dann wäre er nämlich mit seiner Macht zu Ende.“1278 In der ersten Handlung tritt die Hauptperson des Stücks auf und erklärt: „Ich komme aus Krieg und Gefangenschaft. Ich heiße Michael Jedermann, und die beiden dort unten sind meine Brüder.“1279 Diese glauben das nicht, denn ihr Bruder sei laut Amtsbuch in Russland umgekommen. Sie bleiben dabei, obwohl Michael Beweise bringt, wie etwa das Wissen von einem Nussbaum in der Nähe ihres Hauses und eine Narbe an der Brust, entstanden durch einen Bruder. Mittlerweile sind die Brüder aus dem Zuschauerraum auf die Bühne gekommen. Gottlieb erklärt: Wir hätten, selbst wenn er zurückkäme, keinen Platz mehr für ihn. Es ist eng geworden in der Heimat. Frage mich nicht, wie oft tagsüber an unsere Tür geklopft wird: Flüchtige, Bettler, Obdachlose, ein endloser Schwarm. Aber selbst wenn Michael als Bettler käme, müßten wir ihm das Seine verweigern, denn er allein ist an dem ganzen Elend schuld. Michael: Schuld? Ich soll schuld sein? […]
1277 Ebd., S. 11. 1278 Ebd., S. 17. 1279 Ebd., S. 18.
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Friedrich: Hast du nicht gemordet, Häuser verbrannt, Felder verwüstet? Michael: Das habe ich getan. Friedrich: Und du willst behaupten, daß du unschuldig bist? Michael: Ich – siehst du, Bruder, ich war jung und unerfahren, als ich in den Krieg zog. Im Übrigen war da der Befehl. Und wer dem Befehl sich widersetzte, der wurde selber getötet. Was ist besser, Bruder: töten oder getötet werden?1280
Als Gottlieb erklärt, er habe sich nie die Hände befleckt, verneigt der Teufel sich spöttisch vor ihm. Gottlieb fordert ihn daraufhin auf, sich nicht einzumischen, aber der Teufel sagt: „Ich führe hier Regie, und die Schuldfrage ist für das Spiel äußerst wichtig.“1281 Friedrich erklärt: „Wir sind unschuldig“1282 , und die Brüder nehmen wieder Platz unter den Zuschauern. Als Michael auch noch erfährt, dass das Mädchen der Nachbarn, die ihm vor dem Krieg zugetan war, einen anderen habe, stimmt der Soldat dem Plan des Teufels zu. Er soll sieben Jahre heimatlos umherziehen, keine Kirche betreten, keinem Mädchen die Treue halten und in Wirtshäusern liegen, lügen und betrügen. Auch Barmherzigkeit ist ihm verboten. Nachdem der Pakt mit einem Blutstropfen aus Michaels aufgesprungener Narbe besiegelt wurde, ist Michael wie verwandelt und zeigt kein Mitleid mit den Figuren, die ihm begegnen. In der zweiten Handlung trifft er in einem Wirtshaus den Teufel nach sieben Jahren wieder. Die früheren, jetzt verarmten Nachbarn von Michael sind ebenfalls dort, aber er erkennt sie nicht und verhöhnt die Tochter Susanne für ihren Glauben. Diese bettelt Anwesende um ein Stück Brot für ihren alten blinden Vater an, und die „3. Frau“ gibt es ihr schließlich mit den Worten: „Es ist mein letztes. Nimm und iß!“1283 Michael ist ergriffen von dieser Barmherzigkeit, zeigt sich plötzlich auch barmherzig und gibt dem alten Mann all sein Geld. Dem Teufel gefällt das gar nicht, und Michael muss zur Strafe weitere sieben Jahre heimatlos durch die Welt ziehen. Bevor er geht, erkennen sich aber noch Michael und Susanne als die Verliebten von einst. Damit Susanne ihn beim nächsten Wiedersehen erkennt, gibt ihr Michael eine Ringhälfte. In der dritten Handlung sagt die „3. Frau“ dem Teufel, dass zweimal sieben Jahre vergangen seien und sie auf den Soldaten warte, um ihm etwas zu sagen. Als
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Ebd., S. 22 f. Ebd., S. 23. Ebd., S. 24. Ebd., S. 54.
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Michael matt und schwach erscheint, kommen sie ins Gespräch. Er sagt ihr, dass er sich am Feuer des Hasses gewärmt habe und deshalb schuldig sei. Die „3. Frau“ antwortet: „Wir alle.“1284 Michael erkennt in ihr die Frau, die Susanne ihr letztes Brot gegeben hatte, das Brot der Barmherzigkeit. Sie berichtet, dass sie, seitdem sie dieses Brot geopfert habe, ihr Leid endlich vergessen konnte und nun an die Liebe glaube. Schließlich erklärt der Peiniger: Teufel: Ich habe das Spiel verloren. […] Ich will dich wieder menschlich machen. Michael: Was heißt menschlich? Teufel: Dem Teufel die Macht nehmen. Michael: Hat das je einer vollendet? Teufel: Einer, du sagst es. Michael (steht auf): So soll E R einen Menschen aus mir machen! (Geht mit dem Teufel ab.)1285
Als er wenig später wieder erscheint, wirkt er dynamisch. Die inzwischen eingetroffene Susanne erkennt ihn an der Ringhälfte. Am Ende ziehen die Spieler bis auf den Bänkelsänger mit dem Chor der Heimatlosen durch den Zuschauerraum hinaus; dabei singt der Chor: Wir hungern unermessen, der Himmel ist sehr weit. Gott, hast du uns vergessen? Gib uns dein Brot zu essen, dein Brot: Barmherzigkeit! Dein Brot: Barmherzigkeit!1286
In den anschließenden Schlussworten des Bänkelsängers sagt dieser: „Das Spiel ist zu Ende. Oder war es gar kein Spiel? War es Wirklichkeit? Meine und deine Wirklichkeit?“1287
1284 1285 1286 1287
Ebd., S. 76. Ebd., S. 81. Ebd., S. 85. Ebd., S. 86.
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Der durch den Zuschauerraum ziehende Chor zeigt die Laienspieltradition, aus der Wiemer kommt. Der zurückkehrende Soldat Michael findet in seiner Familie kein Verständnis, geht verzweifelt einen Pakt mit dem Teufel ein und wird ein Umherirrender. Schließlich erkennt er das Brot der Barmherzigkeit als das einzig Wahre. Michaels endgültige innere Befreiung vollzieht sich – ähnlich wie beim Wanderer im Stück Pfingstgespräch – nicht vor den Augen des Publikums, sondern er geht ab und kehrt etwas später verändert zurück. Bereits am Anfang durch den Chorgesang: „Du bist Jedermann“1288 und am Ende durch die Frage des Bänkelsängers: „War es Wirklichkeit? Meine und deine Wirklichkeit?“1289 macht Wiemer sehr deutlich, wer sich durch das 1950 veröffentlichte Spiel angesprochen fühlen soll. Mit der Platzierung der Brüder Friedrich und Gottlieb Jedermann im Publikum, die die Haltung: „Wir sind unschuldig“1290 verkünden, weist Wiemer auf das Denken vieler in der damaligen Gesellschaft hin. Ebenfalls von Rudolf Otto Wiemer erschien drei Jahre später, also 1953, in der Reihe Christliche Gemeindespiele das Stück Der Prozess geht weiter (CG Nr. 112). Es hat eine Spieldauer von einer Stunde1291 und wird im Gesamtverzeichnis von 1953 in der Kategorie „Passion und Ostern“ aufgeführt. Auch hier ist die Figurensprache Prosa. Zu Beginn erklärt ein Gerichtsdiener dem Publikum: „Sie sind Zuschauer, nichts weiter. Und das dürfte Ihnen doch recht sein, nicht wahr?“1292 Es ist Donnerstag vor Karfreitag, und ein Richter, ein Verteidiger und ein Ankläger sprechen über die bevorstehende Verhandlung in der „Mordsache Maier“. Es erscheint aber nicht der Angeklagte, sondern die biblische Figur Barabbas, jener, der beim Prozess freigesprochen wurde und an dessen Stelle Jesus starb.1293 Ein Engel erklärt: „Jeder ist Barabbas.“1294 Dieser eigentlich Begnadigte kann seinen Freispruch von damals nicht ertragen. „Ich habe den Tod dreimal verdient, den er erlitt. Ich! Ich!“1295 Er will, dass man ihn verurteilt, denn: „Macht man einen Mörder frei, indem man ihn laufen läßt? Was hilft es, ihn von der Kette zu lösen, aber nicht von der Schuld?“1296 Durch das Publikum kommt „die Mutter“ auf ihn zu, sie stellt sich vor als die Mutter, deren Sohn Barabbas erschlug. Sie berichtet davon, dass sie unter dem Kreuz
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Ebd., S. 11. Ebd., S. 86. Ebd., S. 24. Vgl. Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 26. Wiemer, Rudolf Otto: Der Prozess geht weiter. CG Nr. 112. München 1953, S. 7. Bibelstellen werden nicht im Spieltext aufgeführt. Die Verurteilung und Verspottung Jesu steht u. a. in Matthäus 27,15–30. Wiemer, Rudolf Otto: Der Prozess geht weiter, S. 13. Ebd., S. 29. Ebd., S. 31.
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des Gemarterten, der für Barabbas am Kreuz hing, stand und dort dem Mörder ihres Sohnes vergeben konnte. Aber der floh. Nun habe sie ihn endlich eingeholt. Barabbas: Ich – habe deinen Sohn getötet. […] Ich bin schuldig. Mutter: Wir alle sind schuldig. […] Wir alle sind verurteilt. Wir alle sind freigesprochen. […] Barabbas: Also hat nicht das Volk mich losgefordert? Nicht der Hohepriester? Nicht Pilatus? Damals vor dem Richthaus? Mutter: Nein, Barabbas. Du warst nicht frei – bis zu dieser Stunde, da dir vergeben wird in seinem Namen. […] Keiner ist frei, den er nicht zuvor frei macht.1297
Beide gehen schließlich zusammen ab. Dem Richter wird bewusst, dass es Donnerstag vor Karfreitag ist. Er fordert den Gerichtsdiener auf, den Angeklagten in der Mordsache Maier hereinzuholen: „Der Prozeß geht weiter.“1298 Wie bei Kuhns Wir klagen an wird eine Gerichtsverhandlung gezeigt. Aber Wiemer bringt keine aktuellen Zeitbezüge, sondern erzählt stellvertretend von den Schuldgefühlen des biblischen Barabbas. Dieser von Menschen Begnadigte leidet so tief unter seiner Schuld, dass er sich dem Gericht freiwillig stellt. Hier erfährt er endlich die göttliche Befreiung. Wiemer zeigt somit im Stück Der Prozess geht weiter auf, dass entscheidend und wirklich befreiend nur der im Namen Gottes erfolgte Freispruch ist. Einer der markantesten Sätze des folgenden Spiels lautet: „Sie wissen doch, die Gnade – – – Schwamm drüber.“1299 Wer dies warum sagte, soll später erklärt werden. Das Zitat bringt pointiert zum Ausdruck, dass das Weihnachtsspiel Die grosse Enttäuschung (CG Nr. 123) einer oberflächlichen Zusprechung von Gnade kritisch begegnet. Es erschien 1955 in der Reihe der Christlichen Gemeindespiele.1300 Der Autor Martin Boyken (1908–1983) studierte in Hamburg und Marburg Theologie, Geschichte, Germanistik und Philosophie und trat anschließend in den Schuldienst ein. Wegen seiner Mitgliedschaft in der Bekennenden Kirche wurde er aus dem Staatsdienst entlassen und arbeitete als Lehrer an einer Privatschule. 1939 wurde
1297 Ebd., S. 37 f. 1298 Ebd., S. 39. 1299 Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung. Ein weihnachtliches Spiel. CG Nr. 123. München 1955, S. 46. 1300 Uraufführung (Jahr unbekannt) hatte das Stück in Stade in der Kirche St. Cosmae et Damiani. Vgl. Vorwort des Verlags. In: Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung, S. 4.
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Boyken zur Wehrmacht eingezogen. Nach seiner dreijährigen Kriegsgefangenschaft war er ab 1947 wieder als Lehrer in Stade und Hildesheim tätig. Martin Boyken war zweimaliger Oberbürgermeister von Hildesheim und wurde 1973 Präsident der 5. Generalsynode der vereinigten evangelisch-lutherischen Kirchen Deutschlands.1301 Er verfasste unter anderem Märchen sowie das Laienspiel Die grosse Enttäuschung, das nun vorgestellt wird. „Der Feierliche“ will anhand von Bildern, die ein „Lichtbildgerät“ an eine große, mit „kitschigem Weihnachtsflitter“1302 umrahmte Leinwand projiziert, pathetisch die Weihnachtsgeschichte vermitteln. Er spricht dabei wie alle Figuren des Stücks in Prosa. Während des ganzen Spiels zeigen die Bilder klischeehafte Darstellungen des Weihnachtsgeschehens. „Der Bote“ macht aber deutlich: „Es ist nun einmal so, daß die Boten Gottes gar nicht so aussehen, wie auf euren Bildern und in euren Weihnachtsauslagen.“1303 Und der Bote erklärt weiter: Ich habe die undankbare Aufgabe, den eisigen Wind der Wirklichkeit blasen zu lassen, damit die Menschen aufwachen aus der großen Täuschung, die du ihnen vorgaukelst. […] Meine Aufgabe ist die große Enttäuschung! Die Befreiung von der frommen Täuschung, das ist mein Auftrag. (Zur Gemeinde) Laßt euch enttäuschen! Zerreißt den rosigen Schleier von Erbaulichkeit und Festtagsstimmung, mit dem ihr euch Gottes Wort erträglich zu machen trachtet!1304
Erst wenn die Gemeinde enttäuscht nach Hause gehen würde, hätten sie etwas von Gottes Botschaft begriffen. Als ein Bild von der Geburt Jesu im Stall gezeigt wird und der Feierliche wieder anhebt, die Ereignisse dazu zu erzählen, erklärt der Bote, dass die Gemeinde sich nicht mit „süßlichen Bildern“1305 abspeisen lassen solle. Maria und Joseph treten auf und agieren gar nicht lieblich. Maria stöhnt vor Schmerzen und sinkt auf die Stufen. Als Joseph das Publikum bittet, seiner Frau zu helfen, sagt der Feierliche zum Boten: „Sie können doch das Publikum nicht auf diese Weise belästigen.“ Dieser erklärt aber, dass dies so sein müsse. Als auf der Leinwand das Bild von der Verkündigung der Geburt an die Hirten erscheint, versucht der Feierliche sehr bemüht, ebenfalls die Wirklichkeit miteinzubeziehen und fragt in die Gemeinde, ob unter ihnen auch welche seien, die arm und elend sind, wie die Hirten auf dem Felde von Bethlehem. Aus der Gemeinde treten Emil, Max und Fritz nach vorne. Der Feierliche versucht, sie in ein frommes Gespräch 1301 Vgl. https://www.hildesheim.de/stadtarchiv/geschichte/personen/biographien/martin-boyken. html zuletzt abgerufen am 15.06.2020. 1302 Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung, S. 9. 1303 Ebd., S. 10. 1304 Ebd., S. 14. 1305 Ebd., S. 24.
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zu verwickeln: „Könnte es nicht auch Ihnen große Freude bereiten, wenn Sie die Botschaft erführen, daß in all Ihrem Elend und Jammer ein höherer Sinn zu finden ist?“1306 Die drei berichten aber, dass sie mit Gott nichts zu tun hätten. Emil: Ich mach’ um Gott lieber einen Bogen […]. Er könnte doch merken, was mit mir los ist. Fritz: Damals, als ich konfirmiert wurde, hab’ ich mir das auch mal ganz schön gedacht, wissen Sie, mit guter Mensch werden, Gebote halten, Bruderliebe und so – – – War aber nischt. Pustekuchen. Sie treten dich, und da trittste wieder. Erst noch zaghaft, aber bald merkste dann, daß es besser ist, wenn du selbst zuerst trittst. Der Feierliche: Aber das schadet doch nichts. Sie wissen doch, die Gnade – – – Schwamm drüber. Emil: Sie verstehen da vielleicht mehr von, Herr – aber so einfach geht das ja nun auch wieder nicht. Wär’ ja ganz schön mit der Gnade und so. Aber hier – – – (Er klopft auf seine Brust) Hier hört das nicht auf. Da geht das weiter, immer rundum, immer rundum. Da macht man lieber einen Bogen, wenn sich irgendwas mit Gott und Christus tut – ’nen weiten Bogen. Fritz: Ja – so ist das, und besaufen hilft auch nicht. Da bleibt immer was nach. Der Feierliche (etwas ratlos): Aber die Hirten von Bethlehem haben doch auch an der Krippe gekniet und dem Kinde ihre bescheidenen Gaben gebracht.1307
Fritz sagt, ihre „Pfoten“ seien zu dreckig, und Max führt aus: Wenn es nur allein Dreck wäre, was da an unseren Finger klebt. Gucken Sie sich meine Flossen nur mal an. Sie sehen nischt, was? Kann ich mir denken. Aber ich bin ja schließlich auch Soldat gewesen damals, nicht? Sieben Jahre mit Gefangenschaft. Und immer vorne drin. […] Einmal ist es zum ersten Mal – knipst du nicht zuerst, dann knallt er dich über den Haufen. Na, und denn drückste schon ab. Gewöhnst dich schnell dran. Macht sogar ’n bißchen Spaß nachher. Ach – ist doch alles Scheibenkleister! Da ist schon besser, man macht ’n kleinen Umweg um alles, was nach Gott riecht. [...]
1306 Ebd., S. 45. 1307 Ebd., S. 46 f.
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Der Feierliche: Aber meine Herren! Das ist doch alles kein Beinbruch. So geht es doch allen anderen auch – auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Aber gerade für ihre Schuld ist doch das Kind in der Krippe in all seiner Unschuld gekommen. Max: Das ist es ja gerade. Was haben wir mit der Unschuld zu tun? Uns kann nur jemand helfen, der so tief im Dreck gesteckt hat wie wir.1308
Die drei setzen sich wieder. Als der Feierliche zu einem Bild von der Anbetung der Heiligen Drei Könige wieder klischeehaft erzählt, wird er unterbrochen. „Mutter Rahel“ und „Mutter Müller“ kommen nach vorn. Erstere berichtet, dass, als die Könige das Kind angebetet hatten, Herodes ihre Kinder ermorden ließ. Mutter Müller erzählt von ihren gestorbenen Kindern. Der eine sei im KZ zu Tode geprügelt worden, der andere „irgendwo im Schnee in Rußland verkommen“1309 , und über den dritten Sohn berichtet sie: Der Jüngste aber – er war noch nicht 14 Jahre alt […], der Wolfgang ist vor meinen Augen langsam im Keller ertrunken. Die Bombe verschüttete den Eingang und zerriß die Wasserleitung. Und ich lag draußen vor dem Kellerfenster – und das Wasser stieg – und das Wasser stieg – und ich konnte nicht helfen, konnte nicht helfen! […] Und irgendwo aus dem Lautsprecher schrie ein Verrückter dazu: „Wir wollen den totalen Krieg, damit wir den totalen Sieg erringen.“1310
Unbemerkt ist „Mutter Maria“ dazu getreten und sagt: „Und meinen Sohn nahmen sie und nagelten ihn an das Kreuz.“1311 Mutter Müller und Mutter Rahel ergänzen: „Ja, an das Kreuz. Kreuze – nur Kreuze können die Könige und Mächtigen errichten. Nur Kreuze – Gräber – Kreuze.“1312 Max, Fritz und Emil kommen erneut nach vorn, und Max stellt fest: „Na – endlich wird hier die Wahrheit geredet!“1313 Der Feierliche entfernt sich, und der Bote reißt die Leinwand herunter. Ein hohes Kreuz wird sichtbar. Der Bote verkündet: „Die bunten Bilder sind verblaßt, die es vor euch verbergen sollten. Euch bleibt nun nichts mehr als das Kreuz. Der Heiland ist für euch ans Kreuz gegangen, damit ihr ihn vor Augen habt, wenn ihr vorm Kreuz zusammenbrecht.“1314 Joseph zitiert: „Fürwahr, Er trug unsere Krankheit
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Ebd., S. 47 f. Ebd., S. 51. Ebd., S. 51 f. Ebd., S. 52. Ebd. Ebd. Ebd., S. 53.
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und lud auf sich unsere Schmerzen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten.“1315 „Zögernd“1316 knien die Frauen und dann die Männer vor Kreuz und Krippe nieder. Der Bote erklärt: „Wer das Kreuz nicht will, kann die Krippe nicht haben!“1317 Dann verkündet er: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids.“1318 Am Ende singt die Gemeinde die erste Strophe von Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, und ein Chor antwortet mit Vom Himmel hoch, da komm ich her 1319 . In dem Stück Die große Enttäuschung erinnert Boyken daran, dass die Botschaft von Weihnachten überhaupt nicht niedlich ist, wie durch Bilder gerne assoziiert wird, sondern dass erst durch die Verbindung mit dem Geschehen am Kreuz die Befreiung von Schuld und Schmerz für die Menschen möglich wurde. Auf den Hinweis von Fritz, dass er andere trat, bevor er selbst getreten wurde, reagiert der Feierliche oberflächlich: „Sie wissen doch, die Gnade – – – Schwamm drüber.“1320 Diese Haltung zeigt sich noch extremer in der Reaktion des Feierlichen auf den Bericht von Max. Denn als dieser von seinem „Dreck“ berichtet und wie er das Töten empfunden hat – „gewöhnst dich schnell dran. Macht sogar ’n bißchen Spaß nachher“1321 – äußert der Feierliche, dass dies doch alles „kein Beinbruch“1322 sei: „So geht es doch allen anderen auch – auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Aber gerade für ihre Schuld ist doch das Kind in der Krippe in all seiner Unschuld gekommen.“1323 Boyken kritisiert in dem Spiel also nicht nur die Verniedlichung der Krippe, sondern auch, dass zu schnell das Evangelium als helfende Kraft über Abgründe gebreitet wurde. Max, Fritz und Emil können mit den frommen Phrasen nichts anfangen, setzen sich lieber und kommen erst wieder, als die Mütter – die ebenfalls aus den Reihen der Gemeinde kommen – von qualvollem Sterben und von Kreuzen sprechen. Wie in Wiemers Das Brot, von dem wir essen agieren die Figuren also aus dem Publikum heraus, wodurch deutlich wird, dass sie die Gefühlswelt ihrer Zeit auf die Laienspielbühne tragen. Die Berichte von Mutter Müller und Max erinnern in ihrer Intensität an Kuhns Stück Wir klagen an. Mit dem Zitat „Wir
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Ebd., die Bibelstelle gibt Boyken nicht an: Jesaja 53, 4 und 5. Ebd., S. 54. Ebd. Ebd., die Bibelstelle gibt Boyken nicht an: Lukas 2,10 und 11. Text und Melodie von Martin Luther 1535/1539. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 67 (Lied 24). Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung. S. 46. Ebd., S. 47 f. Ebd., S. 48. Ebd.
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wollen den totalen Krieg“1324 erinnert der Autor an die NS-Durchhalteparolen des Propagandaministers Goebbels. Gerade weil Boyken in seinem Weihnachtsspiel der Verzweiflung und den Schmerzen der Zeit eine Bühne verschaffte und die „Schwamm-drüber-Haltung“ aufdeckte, konnte wahrscheinlich am Ende umso intensiver die hoffnungsvolle Weihnachtsbotschaft im Kirchenraum aufleuchten. Wie ausführlich dargelegt, wurde in verschiedenen Christlichen Gemeindespielen der Nachkriegszeit Schuld thematisiert. Würde man aus jedem der beschriebenen Stücke, in denen es um Schuld ging, eine schuldbeladene Figur auswählen und ließe diese sieben Figuren zusammen auf eine Laienspielbühne treten, stünde dort „der Mensch Gottes“ von Stock (Der Mensch Gottes, 1947), der eingeladen wurde, seine Schuld ins „abgrundtiefe Meer der Gnade“1325 zu werfen. Ebenfalls auf diese Bühne träte „der Wanderer“ von Schaudinn (Pfingstgespräch, 1948), der nicht vergessen, aber sich „e r ne u e r n“1326 wollte. Auch Kuhns Frau Schulze (Wir klagen an, 1949) käme, die den Raum der Anklage verließ, als sie hörte: „Wer unter ihnen ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.“1327 Des Weiteren würde „ein Schuldiger“ von Cranz (Heut schleusst er wieder auf die Tür, 1949) erscheinen. Dieser hörte an der Krippe: „Doch größer als das Recht ist Gottes Gnade!“1328 Auch Wiemers Michael Jedermann (Das Brot, von dem wir essen, 1950) würde auf dieser Bühne der schuldbeladenen Figuren stehen. Er begriff die Kraft der Barmherzigkeit und erklärte: „So sollE Reinen Menschen aus mir machen!“1329 Neben ihm stünde Wiemers Barabbas (Der Prozess geht weiter, 1953), der hörte: „Du warst nicht frei – bis zu dieser Stunde, da dir vergeben wird in seinem Namen. […] Keiner ist frei, den er nicht zuvor frei macht.“1330 Und es käme auf diese Bühne auch Boykens Max (Die grosse Enttäuschung, 1955), der erkannte, dass Krippe und Kreuz zusammengehören und auch ihm gelten. Durch das Erleben dieser schuldbeladenen Figuren – insbesondere vermutlich in den Stücken, in denen konkrete Zeitbezüge erfolgen – wurde den damaligen Zuschauern und Spielern – und hier sei an Niemöllers eingangs erwähnten Vortrag erinnert – ein ‚laienspielbewegter Weg ins Freie‘ offeriert. In keinem der genannten Spiele aber gab es eine Figur, die bekannte, an dem Elend der Juden schuldig geworden zu sein.
1324 Ebd., S. 52. 1325 Stock, Hermann: Der Mensch Gottes. CG Nr. 82. München 1947, S. 32. 1326 Schaudinn, Elisabeth: Pfingstgespräch. In: Dies.: Das Jahr des Herrn. Vier Spiele. CG Nr. 90. München 1948. S. 35–49, hier: S. 49. 1327 Kuhn, Herbert: Wir klagen an. CG Nr. 97. München 1949, S. 50. 1328 Cranz, Eva Maria: Heut schleusst er wieder auf die Tür. CG Nr. 102. München 1949, S. 32. 1329 Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. Ein Zeitstück. CG Nr. 103. München 1950, S. 81. 1330 Wiemer, Rudolf Otto: Der Prozess geht weiter. CG Nr. 112. München 1953, S. 38.
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Das während der nationalsozialistischen Herrschaft erfahrene Leid der Juden thematisierte in der Reihe der Christlichen Gemeindespiele nur Jens Christian Jensen in Zur Ehre seines Namens. Ein Spiel vom Kirchbau, welches 1952 erschien. Es wurde an anderer Stelle bereits ausführlich vorgestellt. Eine Kathedrale ist im ersten Bild noch intakt, im zweiten folgt die Zerstörung und im dritten der Wiederaufbau. Im zweiten Bild kniet in einer Bank der Kathedrale „der Jude“ und spricht ein langes Gebet. Darin erzählt er Gott von seinen Ängsten, und es wird deutlich, dass er ein Christ jüdischer Herkunft ist. „Sie verbieten mir, mich Christ zu nennen! Sie verfolgen mich Tag und Nacht, sie lassen mir keine Ruhe. […] Ich habe Angst, kalte, grauenhafte Angst! Meine Geschwister haben sie schon fortgeschleppt, und ich weiß nicht, ob sie noch leben, und ich weiß nicht, was sie morgen mit mir tun werden!“1331 Nach der Zerstörung der Kathedrale treten drei Klagende auf. Eine spricht über das „von unseren Händen“1332 vergossene Blut und die „verwesten Leiber von Tausenden, von Millionen“1333 . Dann erklärt sie, dass für den Wiederaufbau der Kirche die Schulderkenntnis und das Ergreifen des Lichts nötig seien. Im dritten Bild wird beim Richtfest deutlich, dass der Wiederaufbau der Kathedrale auf oberflächlichen Motiven beruht, und ein Engel hält den Anwesenden eine flammende Rede. Die Schuldthematik wird am Ende – allerdings nur kurz – wiederholt aufgegriffen, wenn alle Spieler einen Chor bilden und mit dem Engel im Wechsel beten: „Du siehst unsere Schuld nicht an, / durch Deine Gnade sind wir errettet!“1334 Der Autor Jens Christian Jensen zeigte in dem Spiel, dass für einen wahren Neuanfang der Kirche unbedingt die Schuld bezüglich der Judenverfolgung und -vernichtung bekannt werden musste. 4.5.10 Merkmale der Spiele Die Reihe der Christlichen Gemeindespiele umfasst insgesamt 139 Spiele, verteilt auf 135 Hefte1335 . In der ersten Phase erschienen 82 Spiele, in der zweiten 57. Betrachtet man alle 139 Spieltexte, so zeigt sich, dass in der ersten Phase Verse, gebunden und ungebunden, die sprachliche Gestaltung dominierten, wodurch die Spiele sehr pathetisch wirkten. Nur in 30 von 82 Stücken sprachen die Figuren überwiegend in Prosa. In der zweiten Phase hingegen sprechen die Laienspieler in 31 von 57 Stücken überwiegend in Prosa. Die Einbindung der Gemeinde durch Gemeindegesang kam in der ersten Phase in 50 % der Spiele vor, in der zweiten nur noch in 28 %. Das
1331 Jensen, Jens Christian: Zur Ehre seines Namens. Ein Spiel vom Kirchbau. CG Nr. 108. München 1952, S. 21. 1332 Ebd., S. 31. 1333 Ebd. 1334 Ebd., S. 45. 1335 CG Nr. 20 enthält zwei Spiele, und in CG Nr. 90 sind vier Spiele enthalten.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
bekenntnishafte Singen bei Laienspielaufführungen, ob im Kirchenraum oder in Gemeindesälen, wird im ,Dritten Reich‘ eine besondere Wirkung gehabt haben und deswegen öfter als in der Nachkriegszeit in die Spiele inkludiert worden sein. Welche bekannten Merkmale der ersten Phase der Christlichen Gemeindespiele im ,Dritten Reich‘ finden sich auch in den Texten der zweiten Phase in der Nachkriegszeit? Der Einzug der Spieler zu Beginn und der gemeinsame Auszug am Ende erfolgte in der ersten Phase beispielsweise in Ein Spiel von der Kirche von Fritzsche und kommt in der zweiten Phase in Der Mensch Gottes von Stock vor, im Pfingstgespräch von Schaudinn oder auch in Das Brot, von dem wir essen von Wiemer. Das Aufstellen der Spieler im Halbkreis wurde in der ersten Phase beispielsweise in Meyers Die drei Männer im Feuerofen praktiziert. In den neuen Christlichen Gemeindespielen der Nachkriegszeit zeigt diese Halbkreisaufstellung das Spiel Der Mensch Gottes von Stock. Aurel von Jüchens Anliegen war es, Spiele für das Kirchenjahr zu schreiben. In der Nachkriegszeit folgte ihm hierin besonders Elisabeth Schaudinn. In Das Jahr des Herrn von 1948 veröffentlichte sie das Spiel von der Ankunft Christi, Die Frauen am Grabe, Pfingstgespräch und Erntedank in Not. Das Einbeziehen der Besucher erfolgte in beiden Phasen neben dem Gemeindegesang auch dadurch, weil ein Sprecher oder eine Sprecherin oder auch eine Figur des Stücks die Zuschauer ansprach. Hier sei beispielsweise aus der ersten Phase an Die Hirtin und Die Roggenfuhre von Albrecht Goes gedacht oder auch an Aurel von Jüchens Stück Der undankbare Bauer, und aus der zweiten Phase sind hier unter anderem Thomas von Heinz Schoeppe, Heut schleusst er wieder auf die Tür von Eva Maria Cranz und Die grosse Enttäuschung von Martin Boyken zu nennen. Aus Mangel an neuen Texten nahm der Christian Kaiser Verlag in der Nachkriegszeit nicht nur neue Spiele in die Reihe auf, sondern auch altbekannte, und zwar Münchener Laienspiele von Otto Bruder. Er ist mit insgesamt acht Spielen der Autor, von dem am meisten Stücke in den Christlichen Gemeindespielen erschienen, gefolgt von Albrecht Goes mit sechs Spielen. Besonders zu betonen gilt, dass es durch die Aufnahme von Bruders alten Stücken zu einer merkwürdig anmutenden Bandbreite kommt. Mit dem Stück Thomas von Heinz Schoeppe, welches 1947 erschien, zeigte sich bereits, dass vielfältige Gegenwartsbezüge durch in Prosa sprechende Figuren ausdrucksstark auf die evangelische Laienspielbühne gebracht werden konnten. Durch die Aufnahme von alten Münchener Laienspielen aus den 20er Jahren wie Die zehn Jungfrauen oder Der Herold wurden den Laienspielscharen aber in der Nachkriegszeit auch Texte angeboten, die durch die Figurensprache sehr pathetisch – in Die zehn Jungfrauen kommt häufig chorisches Sprechen vor –, insgesamt holzschnittartig und der Alltagswelt entrückt wirkten. Erklang in der ersten Phase häufig chorisches Sprechen, wie beispielsweise in Das Zeugnis!, in Die drei Männer im Feuerofen oder auch in Wachet auf!, tritt es in den neuen Christlichen Gemeindespielen der Nachkriegszeit nur vereinzelt und pointiert auf wie in
Die Christlichen Gemeindespiele – zweite Phase
Kuhns Wir klagen an, wenn „Alle“ sagen: „Gott ist schuld“1336 und fordern, dass er bestraft wird. In beiden Phasen zeigt sich eine typisierende Figurenanlage, die fernab vom Illusionstheater auf die Darstellung des Allgemeinen zielt. So agierten in der ersten Phase zum Beispiel „der Alte“, „der Junge“, „der Leidtragende“ in Der Ruf von Klapproth oder „der Händler“, „der Blinde“ und „der Lahme“ in Der Zaungast von Goes. Und in der zweiten Phase spielen unter anderem „ein Richter“, „ein Amerikaner“ und „ein Russe“ in Wir klagen an von Kuhn oder „der Sohn“, „der Mitläufer“ und „der Baumeister“ in Zur Ehre seines Namens von Jensen. Auffällig ist, dass in den neuen Texten der Nachkriegszeit häufig „Jedermann“ vorkommt. So lässt Wiemer in Das Brot, von dem wir essen die Brüder Gottlieb und Friedrich Jedermann auftreten, die mit ihrem Bruder Michael Jedermann, einem entlassenen Soldaten, nichts mehr zu tun haben wollen, und ein Chor singt: „Jedermann – / du und ich! / Denk daran! / Besinne dich: / Du bist Jedermann.“1337 In Noacks Ein Spiel von Jedermann erklingt am Schluss: „Ja, Jedermann, das bist auch du.“1338 Und Herbert Kuhn ergänzt in seinem Jedermann 56 das Sterben des Direktors Grotius mit Aussagen von Hugo von Hofmannsthals Jedermann. Ein besonderes Merkmal der Christlichen Gemeindespiele der Nachkriegsjahre ist, dass die Spieler aus dem Publikum heraus agieren. Wiemer setzt die Brüder Jedermann in Das Brot, von dem wir essen ins Publikum und lässt in Der Prozess geht weiter die Mutter durch das Publikum auf Barabbas zukommen. Kuhn platziert in Jedermann 56 am Anfang seinen reichen Mann Grotius mit Familie ins Publikum und stellt dort auch seinen Jedermann hinein, der von dort aus mit dem Tod auf der Bühne spricht, und Boyken lässt in Die grosse Enttäuschung beispielsweise Max und Mutter Müller aus dem Publikum aufstehen und nach vorne kommen. Durch diese Spielweise wird deutlich, dass die Laienspieler Gefühlswelten des Publikums im wahrsten Sinne des Wortes auf die Bühne trugen. Das evangelische Laienspiel zeigte also jedermanns Welt. Der Gegenwartsbezug ist ein hervorstechendes Merkmal, das die zweite Phase kennzeichnet. Anders als in der ersten Phase während der nationalsozialistischen Herrschaft werden nun Haltungen ausgesprochen, grausame Erlebnisse beschrieben und seelischen Nöten Ausdruck verliehen. Es passt dazu, dass Prosa die Figurensprache dominiert. Ähnlich wie im berühmten Theaterstück Draußen vor der Tür von Wolfgang Borchert wird das „Draußen-Bleiben“ von zurückgekehrten Soldaten thematisiert, und zwar in Thomas von Heinz Schoeppe – der entlassene Soldat darf nur draußen auf einer Bank übernachten – oder auch in Das Brot, von dem wir
1336 Kuhn, Herbert: Wir klagen an. CG Nr. 1949. München 1949, S. 39. 1337 Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. CG Nr. 103. München 1950, S. 11. 1338 Noack, Winfried: Ein Spiel vom Jedermann. CG Nr. 117. München 1954, S. 40.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
essen – Michael Jedermann wird das Nachhausekommen von den eigenen Brüdern verwehrt. Die Schuldthematik begegnet in verschiedenen Spielen, angefangen vom Osterspiel Der Mensch Gottes bis hin zum Weihnachtsspiel Die grosse Enttäuschung. Hierbei reichte das Spektrum von „wirf sie [die Schuld] hinab ins abgrundtiefe Meer der Gnade“1339 und daraufhin direkt angenommener Gnade bis hin zu „Sie wissen doch, die Gnade — Schwamm drüber“1340 und daraufhin abgelehnter Gnade: „So einfach geht das ja nun auch wieder nicht.“1341 . Die Judenverfolgung wurde nur in Zur Ehre seines Namens thematisiert. Die Trauer um gestorbene Kinder ertönt zum Beispiel in Elisabeth Schaudinns Osterspiel Die Frauen am Grabe, in dem die „4. Frau“ klagt: „Meine Kinder hab’ ich liegenlassen, / Unbegraben in dem Schnee der Straßen, / Unbesungen, unbewacht … / Ach, sie kommen jede Nacht: ‚Mach ein Bettchen uns im Schnee, Mutter, frieren tut so weh …‘“1342 Und in Schoeppes Thomas berichtet eine „Frau“: „Meine zwei Kinder, die Rosi und den Wolfgang, haben sie erst nach drei Wochen ausgegraben – hätte es nur mich mit erschlagen! Es lohnt sich nicht mehr zu leben.“1343 Passend zur von Hoffnungslosigkeit und Trauer geprägten Zeit agiert in zahlreichen Spielen die Figur „der Tod“ wie in Der Mensch Gottes, in Thomas („der Herr“), in Zur Ehre seines Namens, aber auch in Jedermann 56. Das bereits in der Weimarer Republik vom Totentanz von Gottfried Haaß-Berkow und Max Gümbel-Seiling und vom Jedermann von Hugo von Hofmannsthal inspirierte Laienspiel kombinierte in der Nachkriegszeit so Altbekanntes mit Gegenwartsbezügen.
4.6
Die Spiele der Zeit
4.6.1
Vorstellung der Reihe
Der Christian Kaiser Verlag erklärte 1958, dass die Erfahrung der letzten Jahre gezeigt habe, dass die Spiele längst nicht mehr nur innerhalb der Gemeinde und ihrer Spielgruppen leben, sondern sie in die verschiedensten Spielgruppen und Zuschauerkreise vorgestoßen seien. Wir wissen auch, daß das Wort Verkündigungsspiel keinen guten Klang mehr hat. Ein Spiel, auch das christliche, soll ja nicht Programm sein, sondern allein durch sein spielbares
1339 1340 1341 1342
Stock, Hermann: Der Mensch Gottes. CG Nr. 82. München 1947, S. 32. Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung. CG Nr. 123. München 1955, S. 46. Ebd. Schaudinn, Elisabeth: Die Frauen am Grabe. In: Dies.: Das Jahr des Herrn. Vier Spiele. CG Nr. 90. München 1948, S. 25–34, hier: S. 32. 1343 Schoeppe, Heinz: Thomas. CG Nr. 83. München 1947, S. 5.
Die Spiele der Zeit
Wort wirken. Es will sich keine Grenzen vorschreiben lassen. Der Christ ist heute nach dem Kirchenkampf, nach Männern wie Bonhoeffer („Sein Anliegen war weniger, die Welt zur Kirche als die Kirche zur Welt zu rufen“) – um nur einen Namen zu nennen – zur Weite, zum Einbezug aller Lebensbereiche in sein Blickfeld, zur Nachbarschaft mit dem Mit-Menschen, zur Beschäftigung mit den Fragen der Zeit verpflichtet. Er muß sich ihnen stellen und muß etwas Verbindliches dazu sagen können. Er muß sich auch den Angriff auf „geheiligte Traditionen“, auf sein Christentum gefallen, er muß sich mit dem Evangelium konfrontieren lassen. Das fordert die „moderne“ – unsere Zeit. Es sollte also nicht mehr da den christlichen Spieler und dort den Außenstehenden geben, den dieses Spiel erreichen soll. Es wird immer von dieser Welt handeln, diesem Menschen, dieser Zeit.1344
Aus diesen Gründen benannte der Verlag 1958 die Reihe Christliche Gemeindespiele bei fortlaufender Nummerierung in die Spiele der Zeit um. Besonders ist, dass darin auch die 1951 begonnene Reihe Kirche und Theater fortgesetzt wurde, welche „größere dramatische Arbeiten“1345 beinhaltete. Bis 1958 waren darin folgende Stücke erschienen: Die Begnadigten von Walter Gutkelch (1951), Schalom von Heinz Flügel (1953), Der große Mut des Hiskia von Walter Gutkelch (1954) und Hafenbar von Manfred Hausmann (1954), dessen Uraufführung beispielsweise am 24. April 1954 im Nationaltheater Mannheim erfolgte.1346 Kirche und Theater wurde also nicht als eigene Reihe fortgesetzt. Um neue, aufwendig zu inszenierende Stücke in der Reihe Spiele der Zeit kenntlich zu machen, erhielten sie den Zusatz „Große Reihe“. Der Verlag äußerte: „Wir sind überzeugt, daß es eine große Zahl von Spielgruppen gibt, die gern zur Erprobung ihrer Kräfte und Möglichkeiten einmal nach dem größeren Stück greifen werden.“1347 Hier zeigt sich, dass Anspruch und Qualität von christlichen Laienspielaufführungen eine große Bandbreite hatten. Wie lange die Reihe Spiele der Zeit erschien, ist nicht ganz eindeutig. Vermutlich erschienen die letzten Hefte in den 70er Jahren. Die Reihe Die Spielschar erlebte hingegen ihre Fortführung in Das Spielforum durch den Deutschen Theaterverlag.1348 Die Spiele der Zeit starteten 1958 mit dem weihnachtlichen Stück Zur Schätzung gerufen von Hans-Jürgen Thöldtau (SdZ 136). Darin registrieren sich Joseph und Maria als Flüchtlinge bei einem Schreiber auf der einen Seite der Bühne. Auf der anderen Seite registrieren sich Menschen der Gegenwart wie ein „Flüchtling“,
1344 Christian Kaiser Verlag: Spiele der Zeit. In: Thöldtau, Hans-Jürgen: Zur Schätzung gerufen. SdZ Nr. 136. München 1958, S. 3. 1345 Ebd., S. 4. 1346 Vgl. Hausmann, Manfred: Hafenbar. Kirche und Theater Bd. 3. München 1954, o. S. 1347 Christian Kaiser Verlag: Spiele der Zeit. In: Thöldtau, Hans-Jürgen: Zur Schätzung gerufen, S. 4. 1348 Vgl. E-Mail-Auskunft von Gabriele Barth, der Geschäftsführerin des Deutschen Theaterverlags, am 15.08.2019.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
ein „Heimkehrer“, und ein „junges Mädchen“ ebenfalls bei einem Schreiber und erzählen aus ihrem Leben. Der Flüchtling schildert: „Am Rande der Straße starben so viele; / alt, krank, ausgezehrt und verhungert, / nachdem der Funke der Hoffnung / in ihrer Seele erloschen.“1349 Und der Heimkehrer berichtet: Tausend Kilometer und mehr Marschierten wir, gefangen, von Lager zu Lager: Frost, Hunger, Läuse, Typhus und Ruhr, zehn Jahre Stacheldraht, Wachttürme, Baracken, Tod und Verrecken rings um uns her. […] Ein Trost hielt uns aufrecht: Euch ist ein Kindlein heut geborn. von einer Jungfrau auserkorn.1350
Ein „junges Mädchen“ erklärt daraufhin diesem Heimkehrer: Na und? Mann, hören Sie auf mit den Schauergeschichten! Mag sein, daß das Schicksal Ihnen recht übel mitgespielt hat. Aber all das ist längst vergessen. Wir leben doch wieder normal.1351
In diesem Spiel werden die Spannungen jener Zeit sichtbar. Bis 1959 – so weit reicht der Untersuchungszeitraum dieser Arbeit – erschienen fünf Spiele der Zeit. Davon sollen im Folgenden genauer vorgestellt werden: Das Reich hat schon begonnen von Walter Meckauer (SdZ Nr. 138, 1959), weil es die Verfolgung und Vernichtung der Juden thematisiert und außerdem ein Beispiel für ein Stück der „Großen Reihe“ ist, sowie Die verlorenen Brüder (SdZ Nr. 139, 1959) von Otto Bruder, weil darin die Geschichte des verlorenen Sohns fortgesetzt wird. 4.6.2
Das Reich hat schon begonnen von Walter Meckauer
Der jüdische Schriftsteller Walter Meckauer (1889–1966) widmete 1959 sein Stück Das Reich hat schon begonnen mit dem Untertitel Ein modernes Mysterienspiel von
1349 Thöldtau, Hans-Jürgen: Zur Schätzung gerufen, S. 15. 1350 Ebd., S. 22 f. 1351 Ebd., S. 23.
Die Spiele der Zeit
der Ohnmacht der Macht „dem großen Mahner zu neuer Ehrfurcht vor dem Leben […]: Albert Schweitzer“1352 . In seiner Widmung inkludierte der Autor also den Grundsatz Schweitzers (1875–1965), jenes Arztes und Theologen, der weltweit als Symbolgestalt gelebter Nächstenliebe und Humanität galt und 1952 den Friedensnobelpreis erhalten hatte. Bevor das Stück näher betrachtet wird, soll zunächst Walter Meckauers Biographie im Blickpunkt stehen. Nach einer kaufmännischen Ausbildung war Meckauer 1910/11 als Angestellter der Deutschen Überseebank in Peking tätig. Danach studierte er Philosophie und Germanistik in Breslau und promovierte 1916.1353 Ab 1922 lebte er in München und ab 1926 in Berlin, wo er als Dozent an der Schauspielschule des Deutschen Theaters tätig war.1354 Meckauers Roman Die Bücher des Kaisers Wuti verhalf ihm zu literarischer Anerkennung als Romancier.1355 Fast zwanzig Jahre später errang sein zweiter Roman Die Sterne fallen vom Himmel – gewidmet Hermann Hesse, dem Meckauer jahrzehntelang freundschaftlich verbunden war1356 – einen Literaturpreis. In beiden genannten Romanen arbeitete er Erfahrungen aus seiner Zeit in China ein. Doch zwischen diesen Ehrungen verließ Meckauer Deutschland und ging mit Frau und Tochter ins Exil. Ab 1933 lebte er zunächst in Italien, dann in Frankreich und gelangte 1942 in die Schweiz.1357 Seine in Breslau lebende Mutter wurde deportiert und starb im Juni 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt.1358 Ab 1947 lebte der Schriftsteller in New York. Als er 1952 einen Literaturpreis in München bekam, blieb er und lebte dort bis zu seinem Tod 1966.1359 1955 bekam er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse aufgrund seiner Verdienste für die Deutsche Literatur. 1983 wurde eine Versöhnungsmedaille nach ihm benannt, die das Engagement für verfolgte und vergessene Autoren würdigte.1360 Kritisch diskutiert wurde, dass Meckauer während seines Exils in Italien in Schriften seine Bewunde-
1352 Meckauer, Walter: Das Reich hat schon begonnen. Ein modernes Mysterienspiel von der Ohnmacht der Macht. In drei Teilen und in mehreren Zeiten. SdZ Nr. 138. Große Reihe. München 1959, o. S. 1353 Titel der Dissertation war Der Intuitionismus und seine Elemente bei Henri Bergson. Vgl. Haar, Carel ter: Meckauer, Walter. In: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 583 f. Vgl. https://www. deutsche-biographie.de/sfz59681.html, zuletzt abgerufen am 08.05.2020. 1354 Vgl. Meckauer, Walter. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren. Hrsg. von Renate Heuer. München 2008. S. 397–405, hier: S. 397. 1355 Vgl. Walter-Meckauer-Kreis: Zur Ausstellung: Walter Meckauer – der Mensch und das Werk. Köln 1984, S. 6. 1356 Vgl., ebd., S. 14. 1357 Vgl. Meckauer, Walter. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, S. 397. 1358 Vgl. Walter-Meckauer-Kreis: Zur Ausstellung, S. 10. 1359 Vgl. ebd., S. 15. 1360 Vgl. Meckauer, Walter. In: Lexikon deutsch-jüdischer Autoren, S. 397.
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rung für Mussolini Ausdruck verlieh, die Haltung aber auch aus Meckauers Not um Akzeptanz und Neubeheimatung in Italien verstanden werden kann.1361 Walter Meckauer verfasste Novellen, Komödien, Romane, Gedichte und Dramen. Das Stück Das Reich hat schon begonnen wurde in den Münchner Kammerspielen zur Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit 1954 von mehreren prominenten Schauspielern rezitiert und danach häufig von Spielgruppen in der Bundesrepublik und der Schweiz aufgeführt.1362 Nach einem Vorspiel in der Zeitlosigkeit, das ein männlicher Chor mit den Worten „in allen Ländern starben Juden in Haft und in Gaskammern“1363 eröffnet und einen Ausblick darauf gibt, dass die Opfer und nicht die Schlächter Erben der himmlischen Liebe seien, beginnt der erste Teil. Darin wird das Erleben der biblischen jungen „Esther I“ gezeigt. Der König Assuerus wählt sie zur Königin aus, ohne ihre jüdische Herkunft zu kennen. Im zweiten Teil, „einige Zeit später“1364 , ist Esther älter geworden und seit Monaten nicht mehr zum König gerufen worden. Ihr Onkel Mardochai besucht sie und verkündet ihr seinen Plan, dass sie beim König Fürsprache für ihr Volk halte, welches verfolgt wird: „Bitte ihn mit allem weiblichen Liebreiz, dessen du fähig bist, und mit allem respektvollen Stolz noch einmal, daß du zu ihm sprechen darfst wie früher.“1365 Esther I zögert, denn wer ungerufen zum König kommt, muss nach dem Gebot sterben, stimmt dann aber zu. „Komme ich um, so komme ich um – wie viele andere.“1366 In der Nacht spricht „Esther II“ zu ihr, die das „ewige Esther-Leid“ personifiziert: Esther I.: Und du bist meine Schwester im Leid? … Esther II: Deine? Heute bist du es, deren Herz zerrissen ist, morgen wird es eine andere als du sein. Aber immer bin ich das gleiche Leid und dieselbe Schwester den Leidenden. […] Nenne mich dein Abbild, das nicht stirbt. Nenne mich Esther-Leid, Leid der Ausgetriebenen in allen Zeiten.1367
Esther II prophezeit Esther I, dass ihre Situation gut ausgehen werde, aber die Zukünftigen immer wieder leiden würden. Sie zieht „den Schleier der Zeit“1368 weg, und Agenten werden sichtbar, die Frauen und Kinder in einen Viehwagen
1361 1362 1363 1364 1365 1366 1367 1368
Vgl. ebd., S. 398. Vgl. Walter-Meckauer-Kreis: Zur Ausstellung, S. 17. Meckauer, Walter: Das Reich hat schon begonnen, S. 7. Ebd., S. 21. Ebd., S. 27. Ebd., S. 28. Ebd., S. 31 f. Ebd., S. 32.
Die Spiele der Zeit
pferchen. Weitere „Bilder“ zeigen die brutale Verfolgung der Juden. In einem Bild versuchen Einwohner aus einem brennenden Haus zu fliehen. Esther II wendet sich dabei „halb zum Publikum“1369 : „Die Juden trieb man in die brennenden Häuser zurück.“1370 Eine andere Szene lässt Stacheldrahtzäune erblicken, und Esther II erklärt: „Hier, Schwester, siehst du den elektrisch geladenen, mitleidlosen Stacheldraht, der Hunderte von Konzentrationslagern in Polen, Tschechien, Österreich und Deutschland einsäumt.“1371 Die Regieanweisung lautet an der Stelle: „Ein Insasse des Lagers kniet entblößt und wird mit einer Kavalleriepeitsche mißhandelt.“1372 Eine Szene zeigt Soldaten, die Mädchen vergewaltigen wollen und ihnen befehlen, sich in die Betten zu legen. Soldat: Macht, sputet euch, oder wir reißen euch die Kleider herunter! (Die Mädchen rennen zum Fenster und springen hinaus.) Soldat (guckt hinaus): Sie haben sich ertränkt, die jüdischen Fräulein, wir waren ihnen nicht fein genug!1373
Schließlich verlässt Esther II die biblische Esther, um an anderer Stelle zu helfen. Zwei Sprecher lassen als „Chor aus der Nacht“1374 Hilferufe von Geplagten und Verdammten aus verschiedenen Orten wie Buchenwald, Dachau, Auschwitz und Warschau ertönen. Im dritten Teil geht Esther I zum König und lädt ihn und den Kanzler Haman, der die Juden töten will, zu einem Festmahl ein, in dessen Verlauf es ihr gelingt, Assuerus über Haman die Augen zu öffnen und so die geplanten Tötungen abzuwenden. Aus Liebe bleibt Esther I beim König, der am Schluss verkündet, dass ihr Volk unter allen Menschengruppen seines Königreichs nicht fehlen dürfe. Ohne Zweifel ist Das Reich hat schon begonnen ein besonders anspruchsvolles Stück, nicht nur wegen des Inhalts, sondern auch, weil die Spieler viele in Prosa verfasste Textpassagen vorzutragen hatten. Wurde es von evangelischen Laienspielscharen aufgeführt? In der Zeitschrift Junges Spiel wurde der mit einer irritierenden Formulierung beginnende Artikel Mysterienspiele in Weißenburg aus dem Weißenburger Tagblatt vom 2. November 1959 abgedruckt.
1369 1370 1371 1372 1373 1374
Ebd. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., S. 34 f. Ebd., S. 37.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Eine freudige und unerwartete Überraschung erlebte die Gemeinde mit dem Mysterienspiel „Das Reich hat schon begonnen“. Frau Pfarrer Sperl hatte es in unermüdlichen Proben vermocht, den Spielern nicht nur die Worte richtig zu übermitteln, sie hatte den Spielern auch den Geist der Menschlichkeit vermittelt, aus dem heraus dieses Spiel nur zu spielen ist und ankommt. […] Man spürte bei all diesen jungen Laienspielern, daß sie vom Inhalt ergriffen und […] die Jugendlichen von ihrer Aufgabe erfüllt waren. Manche Worte klangen wie ein eigenes Bekenntnis zur Menschlichkeit und zum Guten. […] Geschickt wurde die Judenverfolgung des Dritten Reiches […] eingeblendet […]. Die KZ-Lager und alle die Dinge wurden realistisch eingeblendet und so gezeigt, daß die vermeintlichen Siege des Bösen immer wieder durch die Macht Gottes Niederlagen wurden. Das Spiel (Chr. Kaiser Verlag) ist eine Offenbarung […]. Dieses Spiel gibt durch die sehr gekonnte Verflechtung der alttestamentlichen Judenverfolgung mit den Verfolgungen der modernen Zeit gleichzeitig etwas Tröstliches: Schon oft hatte durch Jahrtausende hindurch der Teufel die Oberhand, und viele verzweifelten am Glauben – Gott blieb immer Sieger.1375
4.6.3
Die verlorenen Brüder von Otto Bruder
„Viel Zeit ist vergangen, seit ich zum letzten Mal hier war. Viel hat sich verändert in der Welt. Und jetzt begegnen wir uns wieder in anderen Verhältnissen und fangen wieder von vorne an.“1376 Mit diesen Worten beginnt der verlorene Sohn in Die verlorenen Brüder das entscheidende Gespräch mit seinem Bruder, und diese Zeilen stellte Ulrich Kabitz dem Vorwort zum Spiel voran. Es erschien 1959. Die Musik, zwischendurch erklingende Chorlieder, gestaltete wieder Gerd Watkinson. Bruder hatte seine Laienspielinterpretation des verlorenen Sohns bereits 1952 in Der Junge Mensch1377 auf die Laienspielbühne gebracht. Kabitz schrieb, dass es schon längst unzählige Spiele gebe, die versuchten dieses Gleichnis darzustellen. „Jede Zeit hat ihren eigenen verlorenen Sohn, in dem sie sich selber darstellt.“1378 In diesem Spiel geht es darum, wie es nach der Heimkehr weitergeht. Im ersten Akt erfährt Jakob vom Hausmeister, dass wegen der Heimkehr von Thomas, seinem Bruder, ein Fest veranstaltet wird. Im Gespräch mit dem Vater macht Jakob diesem den Vorwurf, dass er ihm nie ein Fest ausgerichtet habe und er nicht kommen werde. Im zweiten Akt erzählt Thomas einem Arbeiter, er habe lange versucht mit Jakob klarzukommen, dann sei er wieder fortgezogen, sei wieder im Elend und suche Brüder. Da erscheint der Vater, und Thomas schildert ihm seine Probleme mit seinem Bruder: 1375 N. N.: Mysterienspiele in Weißenburg. Weißenburger Tagblatt, 2. Nov. 1959. In: Junges Spiel (1960), H. 25 und 26, o. S. 1376 Bruder, Otto: Die verlorenen Brüder. SdZ Nr. 139. München 1959, S. 5. 1377 Vgl. Kapitel 4.5.4. 1378 Vorwort von Ulrich Kabitz. In: Bruder, Otto: Die verlorenen Brüder, S. 5.
Die Spiele der Zeit
Wir sind beide Menschen, aber Jakob will mich nicht als Menschen gelten lassen. Und dadurch beginne ich auch den Glauben an dich zu verlieren, Vater. Darum gehe ich weg von dir und von Jakob, und hin zu denen, die mir in der Not die Hand reichen als Brüder. Es sind viele, die weggehen aus dem Vaterhaus, viele, viele.1379
Im dritten Akt kehrt Thomas doch nach Hause zurück und sagt zu seinem Bruder: „Viel hat sich verändert in der Welt. Und jetzt begegnen wir uns wieder in anderen Verhältnissen und fangen wieder von vorne an.“1380 Thomas erklärt, er fühlte sich von seinem Bruder aus dem Haus gejagt und sei deshalb zum zweiten Mal gegangen. Der Vater habe ihn aber zurückgeholt. Jakob, verstehst du nicht, daß wir beide verloren sind? Ich und meine Brüder da draußen, weil wir des Vaters Wort nicht mehr hören, nicht mehr hören können, denn der Lärm der Welt hat uns die Ohren verstopft. Wir wollen aber sein Wort hören. Aber auch ihr seid verloren, du und die anderen, die ihr im Hause geblieben seid, denn ihr gebt uns das Wort nicht mehr, weil ihr es vergraben habt.1381
Thomas bittet seinen Bruder um Vergebung und auch darum, dass er die Türen des Vaterhauses weit aufmache. Der Vater kommt dazu und sagt zu Jakob: „Er ist hungrig gewesen, und du hast ihn nicht gespeist.“1382 Jakob erkennt: „Was für ein Leben habe ich geführt? Bin ich daheim geblieben und doch nicht beim Vater geblieben? Dann war mein Glaube tot, weil er ohne Liebe war, und ich bitte dich Thomas, mein Bruder, vergib mir, daß ich schuldig wurde an dir.“1383 Otto Bruder hat hier also die biblische Geschichte des verlorenen Sohns erweitert. Es findet sich kein direkter Gegenwartsbezug, aber Bruder richtete eine kritische Botschaft an die Christen seiner Zeit, wenn er in Jakob gleichnishaft die Haltung der Frommen zeigt, die lieblos ihren Glauben leben. 4.6.4
Merkmale der Spiele
Im Folgenden wird dargestellt, was die Anfänge der Reihe Spiele der Zeit kennzeichnet. In vier der fünf Stücke, die 1958 und 1959 erschienen (SdZ Nr. 136 bis Sdz Nr. 140), sprechen die Figuren überwiegend in Prosa. Nur in Zur Schätzung gerufen ist die Figurensprache in Versform gesetzt. Chorisches Sprechen erklingt
1379 1380 1381 1382 1383
Bruder, Otto: Die verlorenen Brüder, S. 23. Ebd., S. 24. Ebd., S. 31. Ebd., S. 32. Ebd.
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in Das Reich hat schon begonnen. Zwei Stücke sind weihnachtlich und somit Teil des Kirchenjahres, und zwar Hirten und Flüchtlinge und Zur Schätzung gerufen. In letzterem werden die Zuschauer angesprochen, und es erfolgt die Aufstellung im Halbkreis, aus dem die Figuren hervortreten und monologisch aus ihrem Leben berichten. Außerdem erscheinen in dem Stück Spieler aus verschiedenen Richtungen des Zuschauerraums, und wenn unter anderem ein „Flüchtling“, ein „junges Mädchen“ oder ein „Heimkehrer“ agieren, findet sich auch wieder die typisierende Figurenanlage. Diese kommt auch in Das Reich hat schon begonnen des jüdischen Schriftstellers Walter Meckauer vor, wenn beispielsweise „die Sterbende“ haucht, „ein Greis“ zusammenbricht oder „Mädchen“ schreien. Hier weist die typenhafte Darstellung auf das Leid von Millionen jüdischer Menschen hin. Der 1958 vom Verlag angekündigte programmatische Gegenwartsbezug zeigt sich auch in Zur Schätzung gerufen, wenn das junge Mädchen auftritt und vom Heimkehrer keine „Schauergeschichten“ mehr hören möchte, mit der Begründung: „Aber all das ist längst vergessen. / Wir leben doch wieder normal.“1384 Wie bereits erwähnt, war Albrecht Goes mit sechs Titeln nach Otto Bruder der Autor, der in den Christlichen Gemeindespielen am meisten Stücke veröffentlichte. In der Reihe Spiele der Zeit erschien von ihm im Jahr 1960 Der Mensch von unterwegs (SdZ Nr. 145). Weil der Untersuchungszeitraum der Laienspiele bis 1959 reicht, wurde sein Spiel nicht mehr in die vorherige Betrachtung miteinbezogen.1385 Da er aber jener Autor ist, der das evangelische Laienspiel besonders prägte, soll mit der Vorstellung dieses Weihnachtsspiels die in dieser Arbeit erfolgte Betrachtung der Laienspiele, die der Christian Kaiser Verlag seit 1923 herausgab, beendet werden. Das Spiel entstand bereits 1948 und wurde 1959 erweitert.1386 „Der Mensch von unterwegs“ eröffnet dem Boten, einem Engel, er sei auf dem Weg zur Freude, „und das ist heute ein weiter Weg.“1387 Er klagt: „Nun nichts als Menschennot und -schuld / Im Reden so und im Verschweigen.“1388 Der Bote führt ihn nach Bethlehem. Der Sprecher liest die Weihnachtsgeschichte vor mit Hinweis auf die Flucht nach Ägypten1389 , dann spricht „die Frau nach der Flucht“: Es ist ja nicht, daß ich alles versteh Von Hürde und Gloria.
1384 Thöldtau, Hans-Jürgen: Zur Schätzung gerufen, S. 23. 1385 Sonst hätten auch noch die Spiele SdZ Nr. 141 bis SdZ Nr. 144 in den Blick genommen werden müssen. 1386 Die Abschnitte „der Ratlose“, „die Witwe“, „das Kind dieser Zeit“ entstanden 1959. Vgl. Goes, Albrecht: Der Mensch von unterwegs. SdZ Nr. 145. München 1960, S. 32. 1387 Goes, Albrecht: Der Mensch von unterwegs, S. 7. 1388 Ebd., S. 11. 1389 Die Bibelstelle gibt Goes nicht an; vgl. Lukas 2,1–14 und Matthäus 2,13 und 14.
Die Spiele der Zeit
Nur daß sie auf Weg und Wanderschaft sind Das macht sie vertraut und nah. […] Und das kennen wir wohl, wie das ist: kein Zuhaus Als Stall und Felsenschlucht.1390
Noch weitere Figuren wie „der Ratlose“, „die Außenstehende“ oder „der Blinde“ schildern nacheinander ihre Gedanken über Weihnachten. Als sie alle zusammen weggehen, klagt „der Mensch von unterwegs“ gegenüber dem Boten, dass sie nicht anders gehen, als sie gekommen seien: Wie sprichst du denn von Heiliger Nacht Und vom erlösten Stand? Noch immer gehen Schuld und Qual Als Würger durch das Land. Was soll mir dies Eswareinmal, Dies Eh- und Gesternschön, Der Widerschein vom großen Glanz, Das zärtliche Getön? Wenn es uns jetzt nicht hilft und Uns nicht verwandeln kann, Wenn es nicht das Wunder ist – Was ist es dann?1391
Der Bote erwidert: Was suchst du, Mensch von unterwegs, Ein sichtbar Königtum? […] Genug, daß Er, der Christ, wie einst Am See Genezareth, Ein Bruder und ein Herr zugleich, Durch unsere Gassen geht. Riegel dem Tod, dem Leben Tür, Der Schwermut Widerstand, Nach Väter- und Mutterweis
1390 Goes, Albrecht: Der Mensch von unterwegs, S. 16. 1391 Ebd., S. 26.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
‚Heiland‘ auch uns genannt. Der Wahrheit Ruf, der Liebe Quell, König im sanften Joch, Der Dienstbarkeit ein Diener und Der Freien Freiester doch. Verschwistert ganz der Welt in Nacht, So ihr geschrieben lest Das Ewig-Wort in dieser Zeit: ET INCARNATUS EST.1392
Nach diesem lateinischen Credo „und er hat Fleisch angenommen“ endet das Spiel mit einer gemeinsamen Anbetung, „es ist nicht an einen Sprechchor, sondern an Einzelstimmen, die sich ablösen, gedacht“1393 . Wir suchen dich nicht. Wir finden dich nicht. Du suchst und Du findest uns, Ewiges Licht. Wir lieben Dich wenig, Wir dienen Dir schlecht, Du liebst und Du dienst uns, Ewiger Knecht. Wir eifern im Unsern Am selbstsicheren Ort, Du mußt um uns eifern, Ewiges Wort. Wir können Dich, Kind In der Krippe, nicht fassen. Wir können die Botschaft nur Wahr sein lassen.1394
Das in gebundener Sprache verfasste Spiel zeigt neben den zeitlosen Fragen des „Menschen von unterwegs“ auch Gegenwartsbezüge, verdichtet in wenigen Worten.
1392 Ebd., S. 28 f. 1393 Ebd., S. 30. 1394 Ebd., S. 31.
Das Zeichen des Jona von Günter Rutenborn
Nach der zum Ausdruck gebrachten Verzweiflung – „noch immer gehen Schuld und Qual / Als Würger durch das Land“1395 – erklingt am Ende die Botschaft, dass Gott den Menschen liebevoll begegnet. Im Nachwort schrieb Goes, das Spiel sei mitbestimmt vom „Ton der Sorge jener ersten Nachkriegsjahre, einem Ton, von dem ich denke, wir sollten ihn nicht vorschnell vergessen“.1396
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Das Zeichen des Jona von Günter Rutenborn
„Wir Deutsche haben ja überhaupt mehr Ahnung von der Hölle als von den Engeln“1397 , diesen Satz sagt der Prophet in Das Zeichen des Jona. Das Stück von Pfarrer Günter Rutenborn (1912–1976) war ab 1947 über den Drei Masken Verlag Berlin als Bühnenmanuskript öffentlich zugänglich und erschien 1948 im Friedrich Wittig Verlag Hamburg, 1950 bereits in vierter Auflage. Seine Uraufführung hatte es vermutlich im Frühjahr 1948 in der Tribüne in Berlin unter der Regie von Viktor de Kowa. Das Stück, das eine Gerichtsverhandlung zeigt, wurde auf Berufs- und Laienspielbühnen aufgeführt. Hauptfigur ist Jona, der nicht einem Walfischbauch, sondern einem gesunkenen U-Boot entkommen ist und die Verhandlung immer wieder kommentiert. Ausgehend von der Frage, wer für die drei Männer im Feuerofen verantwortlich sei, die im damaligen Fall durch den Engel Raphael gerettet wurden, entfaltet sich das Spiel um die Frage nach der Verantwortlichkeit und Schuld an den Geschehnissen im 20. Jahrhundert. Es treten eine „Königin“ auf und „Mann“ und „Frau“ und zwar „aus dem Parkett ad libitum“1398 . Jona erklärt dem Richter über sie: Sehen Sie sich diese drei an. Es sind Gesichter aus dem zwanzigsten Jahrhundert, eine der merkwürdigsten Zeiten. Es gibt kein Jahrhundert, das blut- und schuldbeladener ist; aber zugleich ist es voller Entschuldigung und Selbstrechtfertigung. Das Gesicht von Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts findet man aus allen anderen heraus. Sie finden selten wieder so viel Grausamkeit, Selbstgerechtigkeit und Leerheit in einer Physiognomie wieder, die zugleich so bar alles religiösen Empfindens ist.1399
Der Engel Gabriel offenbart, dass er ja eigentlich kein Engel sei, und bevor er zur Bühne kam, ein Standesbeamter war. Er habe selbst Urkunden bezüglich der 1395 Ebd., S. 26. 1396 Ebd., o. S. 1397 Rutenborn, Günter: Das Zeichen des Jona. Biblisches Zeitstück in einem Akt. 4. Aufl. Hamburg 1950, S. 11. 1398 Rutenborn, Günter: Das Zeichen des Jona, S. 14. 1399 Ebd.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
„einwandfreien Abstammung“ ausgefertigt. Er klagt: „O, wehe mir! Ich habe auch Männer in den feurigen Ofen geschickt! Ich bin ein Mörder und kein Engel.“1400 Schließlich kommt ein Kaufmann aus dem Publikum nach vorne und stellt fest: Wenn ich ihr Stück nun recht verstehe, so wollen Sie uns mit all den kleinen und großen surrealistischen Tricks (wie man das jetzt ja wohl nennt) sagen, daß wir, insbesondere wir Deutsche, an all dem selber Schuld haben. Ich muß Ihnen ganz ehrlich gestehen, daß ich diese Schuld nicht auf mich nehmen kann!“1401
Wenig später erklärt Jona über die Menschen des 20. Jahrhunderts: „Da lassen sie Menschen millionenweise in Verbrennungsöfen umkommen, geben lästigen Kranken einfach Gift, und dann sagen sie nachher, es sei unmöglich, und darum sei es auch nicht mehr wahr.“1402 Die Vorgeladenen sind sich schließlich einig. „Alle (außer dem Richter und Jona): Gott ist schuldig!“1403 Gott wird verurteilt zur Höllenfahrt, Mensch zu sein, und der Richter verlässt mit den Erzengeln das Geschehen. Am Ende geht es darum, wie die Menschen in Ninive auf die Rede des Propheten reagierten, und Jona berichtet, dass sie Gott fürchteten. Der Kaufmann fragt, was er tun kann, und Jona antwortet: „Verdamme dich selbst, so wird Gott dich freisprechen.“1404 Der Kaufmann erkennt, dass der Richter „Er!“1405 war, also Gott, und will sich auf „den Weg durch die Wüste unserer Zeit“1406 machen und die Furcht des Herrn lernen. Er geht ab ins Parkett, und Jona kommentiert am Ende salomonisch, dass die Furcht des Herrn der Weisheit Anfang sei, und er fügt hinzu: „Ein schrecklicher Anfang, aber immerhin ein Anfang.“1407 Herbert Kuhns Wir klagen an aus dem Jahr 19491408 , das als Laienspiel besonders großen Erfolg haben sollte1409 , scheint von Günter Rutenborns Das Zeichen des Jona inspiriert zu sein. Die Nähe zeigt sich darin, dass in beiden ein Gerichtsverfahren dargestellt wird, in dem darüber verhandelt wird, wer an den Verbrechen der jüngsten Vergangenheit schuld sei. Rutenborn lässt die „Frau“ erklären: „Ich mache mich zur Sprecherin aller Mütter des zwanzigsten Jahrhunderts! Ich spreche im
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Ebd., S. 19. Ebd., S. 23. Ebd., S. 27. Ebd., S. 29. Ebd., S. 38. Ebd. Ebd., S. 39. Ebd. Kuhn, Herbert: Wir klagen an. CG Nr. 97. München 1949. Vgl. Kapitel 4.5.9. Vgl. Vorwort des Verlags. In: Kuhn, Herbert: Sein wie die Träumenden. CG Nr. 121. München 1955, S. 3.
Das Zeichen des Jona von Günter Rutenborn
Namen aller Kinder, die im letzten Kriege unschuldig umkamen.“1410 Und Kuhn legt Frau Schulze diese Wörter in den Mund: „Ich komme als Abgeordnete aller Menschen, deren Mütter, Väter, Frauen und Kinder unter den Bomben begraben worden sind.“1411 Ganz ähnlich wie in Rutenborns Stück sagen die Ankläger bei Kuhn schließlich im Chor: „Alle: Gott ist schuld.“1412 Anders ist der jeweils am Ende der Stücke formulierte christliche Ausweg aus der Situation. Rutenborns Kaufmann tritt am Ende den Weg durch die Wüste an und will die Furcht des Herrn lernen; Kuhns Ankläger verlassen den Gerichtsaal nach der biblischen Botschaft, dass keiner ohne Schuld sei. Bedeutender Unterschied ist, dass Rutenborn die Schuldfrage auf die Deutschen zentriert und Jona bereits am Anfang erwähnt: „Wir Deutsche haben ja überhaupt mehr Ahnung von der Hölle als von den Engeln.“1413 Der Kaufmann geht aus dem Publikum nach vorne und sagt, es werde in dem Stück ja erklärt, dass insbesondere die Deutschen an all dem selber Schuld haben, er aber diese Schuld nicht auf sich nehmen könne. Am Ende des Stücks will er sich aber auf einen Weg machen und will lernen. Kuhn hingegen lässt auch Russen und Amerikaner auftreten, die anklagen und angeklagt werden. Es entsteht der Eindruck, als habe Herbert Kuhn mit seiner Gerichtsspielfassung Wir klagen an, die eine Relativierung der deutschen Schuld zum Ausdruck brachte, auf Günter Rutenborns Das Zeichen des Jona geantwortet. Es seien noch ein paar biographische Daten zu Günter Rutenborn gegeben. Er studierte ab 1930 in Münster Theologie und Orientalistik, war ab 1935 in verschiedenen Städten Pfarrer und ab 1943 im brandenburgischen Senzke tätig. Der Jude Ralph Neumann wird rückblickend schreiben, dass er sein Leben auch dem Ehepaar Rutenborn verdankt, weil er bei ihnen einige Zeit Unterschlupf fand.1414 Ab 1956 wirkte Rutenborn in der Heilig-Geist-Gemeinde zu Potsdam und von 1967 bis 1975 am Französischen Dom zu Berlin sowie als Pastor der Französisch-Reformierten Gemeinde in Potsdam. Außerdem war er ab 1972 Direktor des Hugenottenmuseums. 1976 starb Günter Rutenborn in West-Berlin.1415 Er war schriftstellerisch sehr aktiv und hat unter anderem zahlreiche Theaterstücke geschrieben. Im Februar 1949 gründete er mit Horst Behrend (1913–1979) und einer Gruppe von Schauspielern die Vagantenbühne. Zur Eröffnungspremiere
1410 1411 1412 1413 1414
Rutenborn, Günter: Das Zeichen des Jona, S. 29. Kuhn, Herbert: Wir klagen an, S. 15. Ebd., S. 39. Rutenborn, Günter: Das Zeichen des Jona, S. 11. Vgl. Neumann, Ralph: Erinnerungen an meine Jugendjahre in Deutschland 1926–1946. Berlin 2005, S. 32 und 48. https://www.gedenkstaette-stille-helden.de/gsh_content/gedenkstaette/ Publikationen/pdf/2005_Neumann.pdf, zuletzt abgerufen am 21.11.2020. 1415 Vgl. Schroeter-Wittke, Harald: Rutenborn, Günter. In: BBKL, Bd. XXXIX. Hrsg. von Traugott Bautz. Nordhausen 2018, Sp. 1299–1300.
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wurde programmatisch das christlich-religiöse Aufklärungsdrama Auferstehung von Rutenborn gewählt.1416 Wie der Name Vaganten ausdrückt, hatten sie zunächst keine feste Bühne, und so fanden die Aufführungen im Osten wie im Westen in Vereinshäusern, Festsälen und Kirchen statt und im Sommer auch auf Freilichtbühnen. Kurz nach der Gründung kam eine Schauspielschule hinzu, diese bestand aber nur etwas mehr als ein Jahr. Ab 1956 mieteten sie zwar Räumlichkeiten im Berliner Westen, aber traten auch noch weiterhin an unterschiedlichen Spielstätten auf.1417 Rutenborns Stück Das Zeichen des Jona stand bei den Vaganten 1950, 1954 und 1958 auf dem Programm.1418 Ab Ende der fünfziger Jahre gehörte Wolfgang Borcherts Heimkehrerdrama Draußen vor der Tür lange Zeit zum Repertoire der Vaganten.1419 1956 wurde beispielsweise Sartres Geschlossene Gesellschaft gezeigt, und gegen Ende ihres zehnjährigen Bestehens war die Vagantenbühne als Avantgarde-Theater in der Stadt Berlin bekannt.1420 Nach Horst Behrends Tod übernahmen seine Söhne, Rainer und Jens-Peter Behrend, die Leitung des Privattheaters. 2019 war das letzte Jahr unter der Intendanz von Jens-Peter Behrend, und die Vagantenbühne feierte ihr siebzigjähriges Bestehen.1421 Die Vaganten spielen heute immer noch in der Kantstraße in jenem Gebäude, dass 1956 bezogen worden war. Der Netzwerker Ulrich Kabitz war mit Horst Behrend, der Anfang der 50er Jahre die alleinige Leitung des Theaters übernommen hatte, gut befreundet. Das damalige Verhältnis des evangelischen Laienspiels zur Vagantenbühne drückte Kabitz so aus: „Damals sagten wir, das ist eine andere Etage. Wir sind im gleichen Haus, aber auf zwei Etagen.“1422
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Spiele von Ernst Lange
Ulrich Kabitz schrieb bereits 1954 über Ernst Lange (1927–1974): „Das evangelische Laienspiel hat ihm viel zu danken. Er hat uns wachsam gemacht.“1423 Bemerkenswert ist, dass Kabitz dies über den Theologen schrieb, als das bekannteste Stück von Lange Halleluja, Billy noch gar nicht erschienen war.
1416 Vgl. Vagantenbühne Berlin (Hrsg): Vaganten 1949–2019, S. 4., https://www.vaganten.de/fileadmin/Presse/Festschrift_70_Jahre/70_Jahre_Vaganten_Jubil%C3%A4umszeitschrift.pdf, zuletzt abgerufen am 20.11.2020. 1417 Vgl. ebd., S. 6 f. 1418 Vgl. ebd., S. 36. 1419 Vgl. ebd., S. 7. 1420 Vgl. ebd. 1421 Vgl. https://www.vaganten.de/geschichte, zuletzt abgerufen am 13.01.2021. 1422 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008. 1423 Kabitz, Ulrich: Wer ist Ernst Lange. In: Junges Spiel (1954), H. 2, o. S.
Spiele von Ernst Lange
Ernst Karl Jakob Lange wuchs in Breslau und in München auf. Nachdem sich seine Mutter, eine jüdische Ärztin, das Leben genommen hatte, lebte er ab 1937 im Landschulheim Schondorf am Ammersee.1424 Auf der Wannseekonferenz im Januar 1942 wurde über die ‚Gesamtlösung der Judenfrage in Europa‘ und die ‚Mischlinge‘ beraten. 1943 musst Ernst Lange das Landschulheim verlassen und begann in Berlin eine Ausbildung zum Feinoptiker. Nach dem Ende des ‚Dritten Reichs‘ holte er in einem Sonderkurs für ‚rassisch Verfolgte‘ sein Abitur nach.1425 . Danach begann er Theologie zu studieren und trat in die Jugendorganisation der SPD, die „Falken“, ein. Nach dem Studium in Berlin und Göttingen absolvierte er ab 1950 in Berlin sein Vikariat im Landesjugendpfarramt und der Epiphaniengemeinde Neu-Westend. Schon während des Studiums prägten ihn Mitglieder der Bekennenden Kirche, und so waren studienbegleitende Kontakte unter anderem Winfried Maechler, Gertrud Staewen und Eberhard Bethge.1426 Der ehemalige Bonhoeffer-Schüler Pfarrer Winfried Maechler wurde auch Langes Vikariatsmentor.1427 Unter der Begleitung von Barth-Schülerin Gertrud Staewen, die sich während der Kriegsjahre um verborgen lebende jüdische Mitbürger gekümmert hatte1428 , arbeitete Lange im Jugendhof, einem Reformprojekt der Berliner Justizbehörde für junge Strafentlassene in Berlin-Zehlendorf. Dort hielt er in seiner Vikariatszeit auch Gottesdienste und führte gemeinsam mit Häftlingen Laienspiele auf. Langes erstes Laienspiel Ein frommer Fehlschlag entstand aus den Eindrücken der Arbeit im Jugendhof mit Gertrud Staewen.1429 Eberhard Bethge war Langes Studentenpfarrer, und Bethge ermöglichte ihm später auch, die Entstehung seiner Biographie über Bonhoeffer zu begleiten.1430 Über Bethge, Staewen und Maechler bekam Ernst Lange Kontakt zum „Unterwegskreis“, einer Gemeinschaft von Theologen, die unter anderem Bonhoeffer in dem von ihm geleiteten Predigerseminar erlebt hatten und nun versuchten, seinem Gedankengut nachzugehen1431 . Lange verfasste auch Beiträge in
1424 Vgl. Werner Simpfendörfer: Ernst Lange. Versuch eines Porträts. Berlin 1997, S. 15. 1425 Vgl. ebd., S. 20–26. 1426 Vgl. Altenburg, Gerhard: Kirche – Institution im Übergang. Eine Spurensuche nach dem Kirchenverständnis Ernst Langes. Zugl.: Dissertation. Hamburg 2012. Berlin 2013, S. 181. 1427 Vgl. ebd., S. 182. 1428 Vgl. Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens. In: Hoffmann, Klaus (Hrsg.): Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens. Entdeckungen zur Spielkultur bei Ernst Lange und Spiel und Theater in der Kirche heute. Hamburg 2001, S. 1–94, hier: S. 8. 1429 Vgl. Altenburg, Gerhard: Kirche – Institution im Übergang, S. 184. 1430 Vgl. ebd. 184 f. Die von Eberhard Bethge geschriebene Biographie Dietrich Bonhoeffer. Theologe, Christ, Zeitgenosse erschien 1967 im Christian Kaiser Verlag. 1431 Vgl. Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, S. 7.
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der Zeitschrift Unterwegs.1432 Nach dem zweiten theologischen Examen war er ab 1953 Hilfsprediger im Kreisjugendpfarramt Spandau und in St. Nikolai Spandau. Er nahm 1954 als Jugenddelegierter an der Zweiten Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Evanston (USA) teil und besuchte die East Harlem Protestant Parish in Chicago. Seine Eindrücke von Chicago brachte er später in das Musical Halleluja, Billy und das Projekt „Ladenkirche“ ein. 1955 hielt er eine Rede bei der aufsehenerregenden Kundgebung in der Frankfurter Paulskirche, wo unter anderem Gustav Heinemann oder auch Helmut Gollwitzer ihre Stimme gegen die Bonner Politik der Wiederbewaffnung erhoben.1433 Seine Tätigkeit als Lektor und Dozent im Burckhardthaus Gelnhausen begann er 1955, womit sein Arbeitsplatz in einen Mittelpunkt der evangelischen Jugendarbeit verlegt war, und gründete den Orbishöher Kreis. 1960 begann Lange seine Arbeit in Berlin-Spandau und baute das Kirchenreform-Projekt „Ladenkirche“ auf, 1963 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Berlin und war Studentenpfarrer, gab die Professur aber 1965 auf. 1968 bis 1970 war er unter anderem beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf Beigeordneter Generalsekretär und Direktor der Abteilung für Ökumenische Aktivität. Die Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen wurde ihm 1972 verliehen.1434 Ernst Lange nahm sich 1974 das Leben. Für das Laienspiel hatte er sich bereits früh interessiert. Bereits in Schondorf engagierte sich Lange bei Aufführungen.1435 Ulrich Kabitz lernte er 1950 in Berlin kennen, und Lange händigte ihm bei der ersten Begegnung auch sein erstes Spielmanuskript Ein frommer Fehlschlag zur Einsichtnahme aus. Das war der Beginn ihrer Zusammenarbeit und Freundschaft. Kabitz berief Lange in seinen Werkkreis, der seine umfassende Arbeit als Referent der EKD-Jugendkammer unterstützte.1436 Beim Kirchentag 1952 bei der Jugendkundgebung im Stuttgarter Neckarstadion war Ernst Lange einer der Redner und formulierte: Das Leben der Massen ist unser Leben und unsere Aufgabe. Dort müssen wir uns bewähren, dass Gottes Wort uns zu Menschen macht, nicht in den windstillen Räumen der Gemeindehäuser. […] Das Leben Christi will hinein in das Leben der Zeit!1437
1432 Ernst Lange war bei der Zeitschrift Unterwegs zeitweise in Vertretung des Chefredakteurs WolfDieter Zimmermann tätig (vermutlich 1952). Vgl. Altenburg, Gerhard: Kirche – Institution im Übergang, S. 187. 1433 Vgl. Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, S. 13. 1434 Vgl. Altenburg, Gerhard: Kirche – Institution im Übergang, S. 549 f. 1435 Vgl. ebd., S. 75. 1436 Vgl. Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, S. 6 und 10. 1437 Zitiert nach ebd., S. 11.
Spiele von Ernst Lange
Lange verfasste zahlreiche Spieltexte, viele davon erschienen in der Reihe Die Spielschar 1438 , keines in den Christlichen Gemeindespielen. Er war außerdem Mitautor bei den Kirchentagsspielen Gott war auch in Ninive und Über den Jordan.1439 Dass Lange Laienspiele schrieb, ist bekannt. Gerhard Altenburg führte Stücke des Theologen in seiner Dissertation Kirche – Institution im Übergang. Eine Spurensuche nach dem Kirchenverständnis Ernst Langes1440 auf. Altenburg skizzierte die inhaltliche Bandbreite und betonte, dass es Lange im Spiel, wie überhaupt in der Verkündigung, darum ging, eine gegenwartsnahe Sprache zu finden.1441 Auch Dietmar Coors nannte zahlreiche Spiele Langes in seiner Dissertation Theater als Gottesdienst. Das geistliche Schauspiel als moderne Verkündigungsform. Rezeption eines historischen Modells.1442 Näher beschrieb Coors die Inhalte der Stücke Ein frommer Fehlschlag, Ein Sohn kehrt heim und Halleluja, Billy. Allerdings konnten dem großen Untersuchungszeitraum seiner Arbeit gemäß – 1880 bis in die Gegenwart – auch diese Beschreibungen nur kurz bleiben. Die von Coors getroffene Auswahl ist zu begrüßen, denn genau jene Stücke Langes sind es, die besonders auffallen, wenn man sie im Kontext der Laienspielszene jener Zeit sieht. Im Folgenden sollen diese drei Stücke, aber auch Abenteurer vor der Krippe, ausführlich in den Blick genommen werden und, basierend auf den bisherigen Erkenntnissen dieser Arbeit, Besonderheiten beschrieben werden. Ein frommer Fehlschlag erschien 1951 in der Reihe Die Spielschar und zeigt die Geschehnisse eines Nachmittags bei Familie Romann. Der Vater erzählt seinem Sohn Günther („20 Jahre“) und seiner Tochter Gisela („18 Jahre“), dass er einen Sträfling zu ihnen nach Hause eingeladen habe, damit ihn die Familie kennenlernt, denn er überlegt, ihn nach dessen baldiger Entlassung in seiner Firma einzustellen, 1438 Vgl. zur Vorstellung der Reihe Die Spielschar Kapitel 4.2.2. 1439 Die folgende Liste erhebt nicht den Anspruch, alle Spieltexte zu benennen, die der schriftstellerisch aktive Lange jemals verfasst hat, es sind aber wohl die bekanntesten: Abenteurer vor der Krippe, in: Die Laienspielgemeinde 2 (1951), H. 4, S. 87–93; Ein frommer Fehlschlag (DS Nr. 5, 1951); Die Weihnachtsstunde (DS Nr. 14, 1952); Bewährungsfrist (DS Nr. 17, 1953); Gott war auch in Ninive. Ein Spiel zum Kirchentag 1953 Hamburg, zusammen mit Ulrich Kabitz und Gerhard Valentin, in: Unterwegs 4, 1953, S. 227–245; Der verlorene Groschen (DS Nr. 31, [1954]); Ein Sohn kehrt heim (DS Nr. 32, [1954]); Über den Jorden. Ein chorisches Spiel zur Stunde der Jugend auf dem Kirchentag Leipzig 1954, zusammen mit Ulrich Kabitz; Halleluja, Billy (DS Nr. 67, [1956]); Neun Steine. Ein Märtyrerspiel, in: Reformation, Materialmappen für die evangelische Jugendarbeit Nr. 1 [1956]; So ein Glied leidet und Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen (DS Nr. 50, [1955]); Suchet der Stadt Bestes (DS Nr. 58, [1956]); Dann kam das Licht. Ein Wächterspiel, in: Osterzeit, Materialmappen für die evangelische Jugendarbeit Nr. 6 [1958]; Onesimus (DS Nr. 96, o. J.). 1440 Vgl. Altenburg, Gerhard: Kirche – Institution im Übergang, S. 257–272. 1441 Vgl. ebd., S. 265 f. 1442 Vgl. Coors, Dietmar: Theater als Gottesdienst. Das geistliche Schauspiel als moderne Verkündigungsform. Rezeption eines historischen Modells. Zugl.: Dissertation. Heidelberg 2013. Berlin 2015, S. 108–115.
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aber auch ihn übergangsweise in der Familie aufzunehmen: „Es ist ganz klar, daß wir als Christen da eine besondere Aufgabe haben.“1443 Obwohl Herr Romann erklärt, dass der Sträfling nicht wegen Mordes saß, ist Sohn Günther skeptisch. Als der ungebetene Besucher, Jacob Erwald, etwas zu früh erscheint, läuft zunächst alles friedlich. Er bekommt eine Zigarette und Essen angeboten, und es kommt zu einem Gespräch mit Frau Romann unter vier Augen. Auf ihre Frage, ob Jacob Christ sei, antwortet dieser, er würde gerne, „aber es ist so schwer, das alles zu glauben“1444 . Es kommt im Gespräch heraus, dass er bei dem Einbruch einen Menschen getötet hat. Frau Romann will, dass er trotzdem bleibt, er solle nur den anderen nichts davon erzählen. Weil die Tochter Gisela Besuch zum Kaffeetrinken erwartet, wird Jacob mit einem zu großen Anzug ausstaffiert. Als Herr Romann mit seinem Sohn allein ist, kommt es zu einer Diskussion über den Glauben. Günther offenbart: „,Wir als Christen‘ […]. Ich kann das schon nicht mehr hören“1445 , und es bricht aus ihm heraus: Ich hasse alles Konventionelle, alles nur Gewohnheitsmäßige. Verstehst du, Vater, ich … hasse das Christentum. Und das Entsetzliche ist, daß ich trotzdem weiter zur Kirche gehe, dass ich sogar eine christliche Jugendgruppe leite […]. Die Geschichte mit diesem Verbrecher, den du uns da heute eingeladen ist, ist typisch für dich. Das geht alles nach dem Schema: Wir sind Christen, darum ist das unsere Pflicht. […] Hältst du unsere bürgerliche Wohlanständigkeit für einen so erstrebenswerten Zustand? Ich nicht! […] Du nennst das Nächstenliebe, aber bist du wirklich so sicher, daß du es nicht nur tust, weil du Gemeindekirchenrat bist und weil Pfarrer Reimann es von dir erwartet?1446
Jacob erzählt Günther, als sie allein sind, von seinem Verbrechen und dass er deswegen gerne glauben würde, um Vergebung zu erfahren. Als die Tochter Gisela Besuch bekommt, beginnt man zu tanzen, und Gisela fordert Jacob zum Tanz auf. Ihr Bräutigam geht heftig dazwischen und nennt Jacob, den er bereits kennt, einen Totschläger. Jacob zerschmettert daraufhin zornig einen Becher und wird von Herrn Romann aufgefordert, das Haus augenblicklich zu verlassen. Der Sträfling bittet um Entschuldigung und geht. Günther lacht und sagt: „Entschuldige bitte, Vater … Aber es ist zu komisch …. Jeden Tag beten wir: Komm Herr Jesu, sei unser Gast … und wenn er dann kommt, schmeißen wir ihn raus!“1447
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Lange, Ernst: Ein frommer Fehlschlag. DS Nr. 5. Stuttgart 1951, S. 6. Ebd., S. 17. Ebd., S. 23. Ebd., S. 24 f. Ebd., S. 47 f.
Spiele von Ernst Lange
Die Spieldauer des in Prosa verfassten Stücks wird im Gesamtverzeichnis von Die Spielschar aus dem Jahr 1958 mit 70 Minuten angegeben1448 und es wird in den Kategorien „Evangelisation“, „Gemeindeabend“ und „Jugendtag“ aufgeführt. Das Besondere an Ein frommer Fehlschlag ist, dass das Stück die drei Einheiten von Zeit, Raum und Handlung erfüllt. Ernst Lange hat in einem illusionistisch angelegten Spiel das Geschehen in ein Wohnzimmer verlegt, und es wird geraucht, gestritten und getanzt. Zwar kennt das evangelische Laienspiel bereits auf die Bühne gebrachte Alltagsszenen, allerdings waren diese bisher immer in einen antiillusionistischen Kontext gesetzt – und hier sei beispielsweise an den Streit vom Bauern mit seiner Frau in Die Roggenfuhre von Albrecht Goes erinnert. Die scheinbare Familienidylle in Ein frommer Fehlschlag wird nicht erst durch Jacobs Zornausbruch, sondern bereits durch den Sohn gestört, der seinem Vater sagt, dass er das Christentum hasst. Dass Lange einen solchen Konflikt zeigt – und dies in einer realistischen Form – war auf der evangelischen Laienspielbühne seiner Zeit nicht üblich, denn in den bis dahin erschienenen Christlichen Gemeindespielen oder Stücken der Reihe Die Spielschar 1449 kommen vergleichbare Szenen nicht vor. In Abenteurer vor der Krippe (1951)1450 zieht ein Teil der Spieler (zehn „junge Männer“ und zehn „junge Mädchen“) mit Kerzen ein und singt dabei die ersten drei Strophen von Es kommt ein Schiff geladen1451 . Dann umrahmen sie die Szene, die die Anbetung der „Magier“ an der Krippe zeigt. Der Sprecher tritt auf und eröffnet das Spiel mit den Worten: „Hübsch, nicht? Direkt rührend. Und es riecht buchstäblich nach Heiligkeit. Dabei ist das alles Theater, alles Tünche! Laßt euch nicht ins Bockshorn jagen von dem frommen Schwindel. Da ist kein echter Faden dran.“1452 Der Sprecher unterhält sich mit Kaspar, der sich eine Zigarette anzündet, und stellt ihn dem Publikum als einen vor, der nur das Geld kennt. Von Balthasar erzählt der Sprecher, dass der ständig „besoffen“ sei. Balthasar spielt auf der Trompete Takte aus dem Saint Louis Blues und auf Jazzmanier Es kommt ein Schiff geladen. Über Melchior, den Militaristen, weiß der Sprecher zu berichten: Als ich aus Gefangenschaft zurückkam, war ich fest entschlossen, den Kerl umzubringen, so hat der uns schikaniert. Ich war nämlich in seiner Kompanie. Ich bin der einzige
1448 Vgl. Evangelische Mittelstelle für Werk und Feier: Die Spielschar. Verzeichnis 1958. Stuttgart 1958, S. 8. 1449 Ein frommer Fehlschlag ist das fünfte Heft der Reihe Die Spielschar. 1450 Lange, Ernst: Abenteurer vor der Krippe. In: Die Laienspielgemeinde 2 (1951), H. 4, S. 87–93. 1451 Text: Daniel Sudermann um 1626 nach einem Marienlied aus Straßburg 15. Jh. Melodie: Köln, 1608. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 40 (Lied 8). 1452 Lange, Ernst: Abenteurer vor der Krippe, S. 87.
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Überlebende. Das nimmt er mir heute noch übel. Wie besessen vom Machtteufel ist der Kerl! Melchior (sehr müde): Was verstehst du denn davon! Du warst immer ’n schlechter Soldat. Aber für mich war das das Leben, verstehst du? Sprecher (höhnisch): Das Leben! … Übrigens, der Rest ist nicht viel besser. Zum Beispiel der Joseph, der sein Mädchen verlassen wollte, weil sie’n Kind kriegte. Da mußte erst’n Engel kommen, um ihm klarzumachen, was er zu tun hatte. Na, Schwamm drüber! […] Ich bin ja schließlich nicht hergekommen, um euch einen hübschen Abend zu verderben. Im Gegenteil! Ich hätte ja schließlich auch ins Kino gehen können. Aber da weiß man ja immer schon vorher, daß das Schwindel ist. Und hier dachte ich, da findet man was, was einem eine Hoffnung gibt, etwas, woran man sich festhalten kann. Aber ihr seht ja selbst, da ist kein echter Faden dran. Und ich habe es satt, mir was vorzumachen, ’n Abend! (Er tippt an die Mütze und geht zum Ausgang. An der Tür wendet er sich nochmal um.) Und nichts für ungut!1453
Der Sprecher kommt nicht mehr zurück. Im Spiel steht zunächst Kaspars Lebenssituation im Mittelpunkt, der davon berichtet, dass er ein Spieler und Schieber sei. „Brauchen Sie […] Zigaretten? Dollars? Schwarzen Tee?“1454 Balthasar erzählt: „Ich bin nur ein kleiner Jazztrompeter, und man nennt mich einen Trunkenbold und einen Windhund. […] Ich hab’ auch das Glück nicht gefunden und auch den Frieden nicht.“1455 Am ausführlichsten wird Melchiors Situation beschrieben. Er ist davon überzeugt, dass es darauf ankomme, unter allen Umständen den Weg weiterzugehen, den man eingeschlagen habe. Es wird in einer Rückblende eine Begegnung, die er am Tag zuvor hatte, gezeigt. Eines der zu Beginn feierlich mit Kerzen eingezogenen Mädchen spricht ihn an und stellt sich ihm als „seinerzeit Ehefrau und nun Witwe des Gefreiten Rudolf Reichert“1456 vor. Melchior erinnert sich, dass ihr Mann bei Smolensk gefallen war. Aufgeregt fragt sie ihn: „Wofür ist mein Mann gestorben?“1457 Melchior kann ihr das nicht beantworten und stellt – wieder allein – fest: Ich wußte es wirklich nicht! Mein Leben war, zu befehlen und zu gehorchen […]. Ein Soldat fragt nicht, warum. Übrigens dieser Reichert hat damals auch „warum“ gefragt,
1453 1454 1455 1456 1457
Ebd., S. 88. Ebd., S. 89. Ebd. Ebd., S. 91. Ebd.
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damals im Wald bei Smolensk. Wir waren zusammen nur noch elf Mann. Zur Deckung des Rückzugs sollten wir eine Brücke sprengen, die schon in der Hand der Russen war. Dabei waren wir fast schon eingeschlossen.1458
Melchior winkt fünf von den Jungen heran, die sich mit dem Rücken zum Publikum aufstellen. Männer! Ihr wißt, daß wir am Ende sind. Ob wir angreifen oder hierbleiben, wir sind am Ende. Darum werden wir jetzt angreifen. […] Was wir jetzt tun, hat nichts mit Treue zu tun und nichts mit Vaterlandsliebe. Es handelt sich lediglich darum, daß wir unsern Weg konsequent zu Ende gehen.1459
Der Soldat Reichert fragt ihn, ob dieses Opfer irgendeinen Sinn habe, und Melchior antwortet: „Es hat einen Sinn, nicht weich zu werden. Es hat einen Sinn, weil man ohnehin keinen Weg zurückgehen kann. Darum werden wir jetzt angreifen, verstanden?“1460 Nach der Rückblende bemerkt Melchior, dass er kein Ziel mehr hat. Balthasar und Kaspar treten hinzu, und nach kurzem Austausch konstatiert Melchior, dass sie alle am Ende seien. Balthasar fragt: „Und wenn es nicht das Ende wäre, sondern der Anfang?“1461 Der Chor spricht Verse aus der Bibel (u. a. Matthäus 13,45–46) und endet mit Johannes 14,61462 : „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“1463 Am Ende knien alle drei an der Krippe, und der Chor singt im Wechsel mit der „Hörgemeinde“ alle sechs Strophen von dem bereits am Anfang gesungenen Lied Es kommt ein Schiff geladen. Dass eine Spielschar anfangs einzieht und am Ende wieder hinaus, ist eine Tradition, die sich in zahlreichen christlichen Spielen zeigt und beispielsweise auch in Der verlorene Sohn von Burkard Waldis, erneuert von Alwin Müller, vorkommt. Dieses Stück war 1923 das erste Münchener Laienspiel und wurde auch in die Reihe Christliche Gemeindespiele aufgenommen1464 . In Langes Abenteurer vor der Krippe zieht ein Teil der Spieler feierlich mit Kerzen ein, am Ende aber nicht wieder hinaus. In vielen Christlichen Gemeindespielen eröffnet ein Sprecher das Spiel und beendet es auch. In Langes weihnachtlichem Spiel agiert am Anfang ein Sprecher, aber er weist direkt darauf hin, dass die Anbetung der Magier nur Theater und frommer 1458 1459 1460 1461 1462 1463 1464
Ebd. Ebd, Ebd. Ebd., S. 92. Die Bibelstellen nennt Lange nicht. Lange, Ernst: Abenteurer vor der Krippe, S. 93. 1950 erschien bereits die 7. Auflage.
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Schwindel sei. Er findet nichts, was ihm Hoffnung gibt, und verabschiedet sich, noch bevor sich das Spiel entfaltet hat. Hier hat Lange also bewusst die traditionelle Rolle des Sprechers durchbrochen. Eine weitere Tradition, dass Spieler auf der Spielfläche verweilen, auch wenn sie nicht sprechen oder agieren – so beispielsweise praktiziert im bereits erwähnten Verlorenen Sohn, in der Fassung von Müller, aber auch in dem 1938 erschienenen Stück Die drei Männer im Feuerofen von Karl-Heinz Meyer –, nimmt Lange hingegen auf und bricht sie nicht, sondern nutzt sie, um Rückblenden zu inszenieren. So tritt ein „Mädchen“ hervor und spielt die Witwe, die Melchior fragt, wofür ihr Mann gestorben sei, oder fünf herbeigewunkene Jungen stellen Soldaten dar. Den von Lange aufgeführten Begriff der „Hörgemeide“ nutzte beispielsweise schon Klapproth in Der Ruf. Auffällig ist, dass Lange, der als Figurensprache Prosa wählte, dem chorischen Sprechen wieder eine Bühne gibt. Dieses kommt in den Christlichen Gemeindespielen von 1947 bis 1958 kaum vor. Die Gegenwartsbezüge, die Lange in Abenteurer vor der Krippe zeigt, sind 1951 nicht neu; es gab sie schon in weihnachtlichen Spielen, wie in dem 1949 als Christliches Gemeindespiel veröffentlichten Stück Heut schleusst er wieder auf die Tür 1465 von Eva Maria Cranz. Darin berichtet „ein Schuldiger“ Maria an der Krippe: „Bin schuldbeladen! Meine Sünd’ ist schwer – / bin ausgestoßen, aller Welt verfemt, / wer einst mir schmeichelte, sich jetzo meiner schämt!“1466 . Besonders an Ernst Langes Spiel Abenteurer vor der Krippe ist allerdings, dass so ein ausführlicher Gegenwartsbezug mit einer Kriegsszene in einem weihnachtlichen Spiel erfolgt. Dass Kaspar, Balthasar und Melchior als Menschen der gegenwärtigen Zeit auftreten, kannte das Laienspiel bereits und zeigte auch das Heiligenhafener Sternsingerspiel 1945, ein frühes Stück des später als Lyriker, Liedtexter und Maler bekannt gewordenen Fritz Grasshoff (1913–1997). 1945 erstmals veröffentlicht1467 , nahm Rudolf Mirbt das Stück 1950 in die Reihe Bärenreiter-Laienspiele auf. Grasshoff schrieb es im Herbst 1945 „für die Gefangenen und Flüchtlinge zu Heiligenhafen“1468 in Ostholstein. Diese führten es in Scheunen und Sälen vom ersten Advent bis zum Heiligen Dreikönigstag 1946 48-mal auf.1469 Die Spielleitung hatte Mathias Wieman (1902–1969), der auch die Rolle von Caspar übernahm. Grasshoff widmete ihm und dessen Frau das Spiel. Wieman war bereits im ,Dritten Reich‘ ein bekannter Schauspieler, unter anderem spielte er 1934 Hauke in der Verfilmung Der Schimmelreiter und 1941 Dr. Lang im NS-Propagandafilm Ich klage an. Dieser
1465 1466 1467 1468 1469
Vgl. dazu auch Kapitel 4.5.9. Cranz, Eva Maria: Heut schleusst er wieder auf die Tür. CG Nr. 102. München 1949, S. 30. Grasshoff, Fritz: Heiligenhafener Sternsingerspiel 1945. Lütjenberg 1945. Grasshoff, Fritz: Das Heiligenhafener Sternsingerspiel. BL Nr. 115. Kassel 1950, o. S. Vgl. ebd.
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Film diente zur Rechtfertigung der systematischen „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ und wurde 1945 von den Alliierten als Verbotsfilm klassifiziert.1470 In dem in gebundener Sprache verfassten Heiligenhafener Sternsingerspiel 1945 sprechen die Heiligen Drei Könige gute Wünsche aus, rauchen gemeinsam und zeigen sich als Menschen mit Kriegserlebnissen. Balthasar berichtet: „Acht Jahr war ick Weihnachten nicht mehr zu Haus. / Zu Haus, wie det klingt! In Lichtenberg-Ost. / In Norwegen lag ick in Schnee und Frost. / Und die Tränen rollten man bloß so in’n Schnee. / Ick fragte mir: ob ick sie wiederseh?“1471 Melchior schildert: „Soldat war ich fast sieben Jahr. / […] Der Graben war mein Weihnachtsraum. / Der Himmel war mein Lichterbaum. / […] Der Melchior bin ich in diesem Spiel. / Der Mensch trägt ja der Masken viel.“1472 Die Spieler der Rollen Balthasar, Melchior und Caspar stellen sich mit ihrem eigenen Namen vor1473 : Caspar: Mathias Wieman mein Name ist. War kein Soldat. Bin Zivilist. Bin ausgebombt und abgebrannt. Ein Wanderer im Vaterland. […] Mein Name nur ein Name ist. Ein Mensch geht suchen den heiligen Christ. Ob er Mathias oder Caspar heißt, ist eins, wie dieses Spiel beweist. Und frag ich mich mitunter still, was ich noch tun und schaffen will, dann seh ich in das Angesicht des Nächsten und weiß meine Pflicht. Die ist, in mancherlei Gestalt zu wandeln durch den Menschenwald. Zu deuten, eh es dunkel wird, ein Tröster zu sein, vielleicht ein Hirt, ein Knieender vor dem Christuskind, wenn ich sein holdes Kripplein find. Das Schönste, denk ich, ist wohl das:
1470 1471 1472 1473
Vgl. https://www.murnau-stiftung.de/movie/411, zuletzt abgerufen am 27.11.2020. Grasshoff, Fritz: Heiligenhafener Sternsingerspiel 1945. Lütjenberg 1945, S. 10. Ebd., S. 11 f. Ein Programmzettel mit Aufführung der Namen der Spieler befindet sich im Nachlass: DATP2 (Sammlung Kabitz), Lfd. Nr. 25. Auch in der Lütjenberger Ausgabe sind die Spielernamen aufgeführt.
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daß wir versöhnen uns vom Haß. […] Daß wir uns selbst erkennend schätzen, den Armen nicht von Demut schwätzen, daß wir uns stumm ins Auge sehn, und sagen: laßt und dies verstehn: Gott lächelt und spricht: so nimm. Wir nehmen es hin. Wir nennen es gut und schlimm nach unserm Sinn.1474
Wieman gibt sich hier selbstbewusst, keine Spur von Ratlosigkeit oder gar Verzweiflung. Reue lässt Grasshoff den Hirten „Stoffel“ zeigen, der bei der Anbetung an der Krippe gesteht: „Ich schlug mein Weib, ich trat mein Kind. / War nimmer mild und fromm gesinnt.“1475 Es liegt die Vermutung nahe, dass Ernst Lange das Spiel von Grasshoff kannte. Auch Lange stellt seine „Magier“ als Menschen der Zeit dar, indem Kaspar, der Spieler, raucht, Balthasar, der Musiker, Trompete spielt und Melchior, der Hauptmann, herumkommandiert. Der entscheidende Unterschied ist, dass Lange die „Magier“ als im Leben Gescheiterte zeigt. Der Tiefpunkt ist erreicht, als Langes Melchior bekennt: „Wir sind also alle am Ende.“1476 Gerade dieses Nichtperfekte, das sich sowohl in den Figuren als auch im Fortgehen des Sprechers und damit der Brechung des erwartbaren bekannten Spielablaufs zeigt, passt zur Krippe, wo das Kind im gar nicht perfekten Umfeld einen göttlichen Neuanfang bedeutet. Sehr wahrscheinlich inspirierte Ernst Langes Stück Abenteurer vor der Krippe Martin Boyken. Sein Spiel Die grosse Enttäuschung erschien 1955 in der Reihe Christliche Gemeindespiele. „Der Feierliche“, der begrüßt und versucht, anhand von kitschigen Bildern die Weihnachtsgeschichte zu erzählen, verlässt wie Langes Sprecher die Szenerie. Auch Gegenwartsbezüge baute Boyken ein, und so erzählt beispielsweise Max vom Töten im Krieg. Die Formulierung „Schwamm drüber“1477 , die Boyken „dem Feierlichen“ in den Mund legt, erklang bereits in Abenteurer vor der Krippe, und zwar als der Sprecher über Joseph berichtet, dass dieser Maria verlassen wollte. Als Langes Balthasar zugibt, dass er das Glück und den Frieden bisher nicht gefunden habe, ist der Wortlaut: „Aber hier, hier drin (er schlägt sich an die Brust), hier drin sucht es weiter, daß es wehtut!“1478 Und Boyken lässt seinen 1474 1475 1476 1477 1478
Fritz Grasshoff: Heiligenhafener Sternsingerspiel 1945. Lütjenberg 1945, S. 12 f. Ebd., S. 39. Lange, Ernst: Abenteurer vor der Krippe, S. 92. Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung. Ein weihnachtliches Spiel. München 1955, S. 46. Lange, Ernst: Abenteurer vor der Krippe, S. 89.
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Emil, der die oberflächlich zugesprochene Gnade ablehnt, sagen: „Aber hier – – – (er klopft auf seine Brust) hier, da hört das nicht auf. Da geht das weiter, immer rundum, immer rundum.“1479 Am Ende knien sowohl Langes also auch Boykens Figuren an der Krippe nieder. Langes Stück Ein Sohn kehrt heim [1954] ist ebenfalls antiillusionistisch. Kabitz beschrieb es als „das anspruchsvollste und merkwürdigste von allen seinen Stücken“1480 . Im Gesamtverzeichnis der Reihe Die Spielschar aus dem Jahr 1958 wird es in der Kategorie „Evangelisation“ aufgeführt und eine Spieldauer von zwei Stunden angegeben1481 . Lange ergänzte „das Kernspiel“ durch „das chorische Spiel“.1482 Darin stehen sich die Schwarzen, die am Gestrigen festhalten, und die Roten, die das Morgen erzwingen wollen, gegenüber. Die Weißen versuchen wiederum gestern und morgen zu verknüpfen, um heute leben zu können. Ernst Lange stellte in einer technischen Vorbemerkung voran, dass die Chöre zur Aufführung wohl nicht geeignet seien, sie aber dem Verständnis dienen würden. „Spielgruppen mögen sie lesen und dann wieder vergessen.“1483 Im Kernspiel ist Thomas die Hauptfigur. Weil er kein Geld mehr hat und zum Gelegenheitsdieb wurde, kehrt er mit Lena, einer Prostituierten, nach Hause zurück. Sein Vater nimmt sie beide auf. Abends wird getanzt, und Thomas beschreibt Maria, seiner Pflegeschwester, die er immer noch begehrt, warum er damals ging: „Hast du schon einmal am Fenster gestanden und auf die Straße gesehen und das Gefühl gehabt, du lebtest gar nicht?“1484 Auf die Frage Marias, was nun sei, antwortet Thomas: „Nun steh’ ich wieder am Fenster, nur nicht drinnen, sondern draußen.“1485 Auf Drängen Lenas beginnt Thomas zu steppen, seine Freundin steigt kurz darauf ein, und beide führen einen wilden Tanz auf. Sehr bald erkennt Lena in Maria die Konkurrentin und fühlt sich zunehmend unwohl. In einem vertrauten Gespräch sagt der Vater zu Lena: „Ist es so schwer, einzusehen, daß alles seine Zeit haben muß? Ist es so unmöglich, sich mit dem Anfang zu bescheiden, wenn es sein muß, mit der Ahnung eines Anfangs. Ich bin sehr alt und immer noch am Anfang und schäme mich nicht.“1486 Lena erfährt von Thomas Ablehnung und geht in eine Bar. Sie betrinkt sich und lernt einen Mann kennen, den sie mit ins Haus von Thomas und seiner Familie bringt. Als sich der Mann dort an Maria heranmacht, schlägt ihn Lena mit einer Flasche in
1479 Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung, S. 46 f. 1480 Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, S. 17. 1481 Vgl. Evangelische Mittelstelle für Werk und Feier: Die Spielschar. Verzeichnis 1958. Stuttgart 1958, S. 23. 1482 Lange Ernst: Ein Sohn kehrt heim. DS Nr. 32. Stuttgart [1954], S. 5. 1483 Ebd. 1484 Ebd., S. 25. 1485 Ebd. 1486 Ebd., S. 40 f.
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die Flucht. Der Vater spricht danach zwar verständnisvoll mit ihr und versucht Lena zu trösten, trotzdem ist sie nach den Erlebnissen hysterisch und provoziert Thomas, als sie allein sind, mit einer Aussage über seinen Vater: „Hältst du es für möglich, dass er was von mir will? (achselzuckend) Na, mir soll’s recht sein, ich bin nicht wählerisch.“1487 Thomas schlägt seiner Freundin daraufhin ins Gesicht. In der letzten Szene verkündet der Vater dem gleichgültigen Thomas, dass Lena fortgegangen sei. Im Abschiedsbrief an den Vater dankt sie ihm für alles. „Denk nicht, daß ich schweren Herzens gehe, ich habe an diesem einen Tag viel bekommen, und vielleicht muß man ja gar nicht zu Hause sein, um zu Hause zu sein.“1488 Der Vater schickt Thomas fort, er soll ihr nachgehen und mit Lena leben: „Du willst ein Doppelleben führen, ein verlogenes Leben in einer erlogenen Heimat! […] Ich will ja doch auch, daß du Frieden findest. Deshalb schicke ich dich fort. Hier fändest du nur falschen, toten Frieden.“1489 Am Ende geht Thomas. Im abschließenden Chorstück sprechen die Weißen: Die Menschen gehen daran zugrunde, daß sie Ende und Anfang nicht zu verknüpfen wissen. Aber Gott selbst ging für sie zugrunde und setzte im Ende den Anfang. 1. Weißer: Seitdem ist Anfangszeit. 2. Weißer: Jeder Tag ein Anfang. 3. Weißer: Auch in Zeiten des Endes. 4. Weißer: Gerade in Zeiten des Endes. 5. Weißer: Und am Ende der Zeit der große Anfang, 6. Weißer: der kein Ende mehr nehmen wird.1490
Dadurch, dass Ernst Lange in dem in Prosa verfassten Spiel Chorstücke einbindet, in dem Rote, Schwarze und Weiße chorisch oder einzeln sprechen, kombiniert der Theologe Traditionelles mit zeitgemäßem Handeln der Figuren im Kernspiel, denn es wird gesteppt, geraucht und sich betrunken. Langes verlorener Sohn kehrt am
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Ebd., S. 58. Ebd., S. 60. Ebd., S. 60 f. Ebd., S. 63.
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Anfang des Stücks zwar zu seinem Vater zurück, aber er verliert sich. Im Vorwort formulierte Ernst Lange: Niemand kann von der Stimmung der Heimkehr leben. Der Heimkehrer, dem es mißlingt, daheim zu bleiben, bereitet sich Qualen, quälender noch als die Qual der Verlorenheit. Das Geheimnis, dem wir nachspüren, ist nicht, wie man heimkehrt, sondern wie die Heimkehr sich einem verwandelt in das Daheimsein, von dem man leben kann, ohne sich erneut zu verlieren.1491
Das Stück endet, wie es angefangen hat: mit dem Aufbruch zur Heimkehr. Gerade weil Thomas der Aufforderung seines Vaters folgt und am Ende geht, ist er unterwegs zu einer echten Heimkehr, denn er stellt sich seinem Leben und seiner Beziehung und flüchtet nicht in eine andere Welt. Lenas Erkenntnis „vielleicht muß man ja gar nicht zu Hause sein, um zu Hause zu sein“1492 passt auch auf den Sohn. Wie eingangs erwähnt, schrieb Ulrich Kabitz bereits 1954, dass das evangelische Laienspiel Ernst Lange viel zu danken habe: „Er hat uns wachsam gemacht.“1493 Unter Betrachtung der bis 1951 erschienenen Christlichen Gemeindespiele und Stücke der Reihe Die Spielschar sind folgende Erkenntnisse zu nennen: Ein frommer Fehlschlag war 1951 innovativ, weil Lange das Stück illusionistisch anlegte. In der gezeigten profanen Wohnzimmerwelt tritt das Göttliche nicht in Erscheinung, aber man setzt sich damit auseinander. Auch war innovativ, dass Ein frommer Fehlschlag und Ein Sohn kehrt heim jeweils ein offenes Ende haben. In Abenteurer vor der Krippe und Ein Sohn kehrt heim verband Lange traditionelle Spielelemente mit zeitgemäßem Agieren der Figuren. Dies kannte das Laienspiel seiner Zeit bereits. Dass allerdings in einem weihnachtlichen Spiel eine Kriegsszene so ausführlich gezeigt wurde, war ebenfalls innovativ. Ulrich Kabitz formulierte, dass sich in diesen drei Spielen „eine Vorliebe des Autors für Abenteurer und verlorene Söhne“1494 erkennen lasse. Genau diese wird Lange auch in Halleluja, Billy auf die Bühne bringen. Das Musical wurde 1956 auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag uraufgeführt.1495 Die musikalische Gestaltung übernahm der 1927 geborene Kirchenmusiker und Komponist Helmut Barbe. Den Text des East River Songs schrieb der Schauspieler Gerhard Valentin. Im Vorwort erklärt Ernst Lange, dass es die Figuren
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Ebd., S. 4. Ebd., S. 60. Kabitz, Ulrich: Wer ist Ernst Lange. In: Junges Spiel (1954), H. 2, o. S. Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, S. 17. Spielleiter war Pfarrer Friedrich Gerlach, der die Laienspielschar aus der Bremer Zionsgemeinde anleitete. Vgl. Lange, Ernst/Barbe, Helmut: Halleluja, Billy. Ein Spiel mit Musik. DS Nr. 67. Stuttgart [1956], S. 5.
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zwar nicht gebe, aber die Geschichte wahr sei. Studenten des New Yorker Union Theological Seminary wollten 1948 in East Harlem missionieren und gründeten mit Freunden aus anderen Fakultäten eine ökumenische ‚Dienstgruppe‘: „Ihre Glieder haben verschiedene Hautfarben und verschiedene Bekenntnisse. Aber sie haben ein Ziel: Raum zu machen für menschliches Leben unter Gott in East Harlem.“1496 Die Gottesdienste wurden in Ladenkirchen abgehalten, durch deren große Schaufenster die Bevölkerung sehen konnte, was dort geschah. Im Gesamtverzeichnis der Reihe Die Spielschar aus dem Jahr 1958 wird das Musical in den Kategorien „Jugendtag“, „Missionstag“ und „Reformationsfest“ mit einer Spieldauer von 90 Minuten angegeben.1497 Die Dialoge in Halleluja, Billy werden von Jazz-Songs einzelner Mitwirkender und von Chorstücken ergänzt, die vermutlich in einer einstudierten Choreographie aufgeführt wurden. Lange unterteilte das Stück in fünf Bilder mit jeweils mehreren Szenen. Die Figuren sprechen alle in Prosa. Das Spiel beginnt mit der Beerdigung eines Babys, das von Ratten gebissen wurde. In East River ist die Not groß, und Drogensüchtige beherrschen die Straßen. Jack Mottler hat eine Ladenkirche eingerichtet. Darin finden Gottesdienste statt, und die Gemeinde hat gerade das 500. Mitglied aufgenommen. Eine Dienstgruppe unterstützt Pastor Mottler, gemeinsam wollen sie das Leben der Menschen vor Ort verbessern. Al Winter ist der Anführer einer Gruppe, die ebenfalls eine Veränderung der Zustände in East River bewirken will, aber er ist der Gegner der Dienstgruppe. Der 16-jährige Schwarze Billy war ehemals dem Rauschgift verfallen und hat auch andere zur Sucht verführt. Mittlerweile ist er aber davon losgekommen, ist Teil der Dienstgruppe und will andere vor der Sucht bewahren. Er ist in Ruth, Al Winters Tochter, verliebt, und beide schmieden Zukunftspläne. Während das junge Paar davon träumt, zusammen durch das Leben zu gehen, beendet ein älteres Paar den gemeinsamen Lebensweg, zumindest fürs Erste: Helen, die Frau von Mottler, sorgt sich um die Gesundheit ihres Kindes und will East River verlassen. Mottler erinnert sie an die Grundsätze der Dienstgruppe: „Die Glieder der Dienstgruppe East River wohnen in East River. Sie teilen das Leben der Leute von East River. Sie wollen selbst Leute von East River werden. Und sie bitten Gott, er möge ihren Dienst gebrauchen.“1498 Helen betont die Sinnlosigkeit der Arbeit, woraufhin ihr Mann ausführt: „Wir haben nichts erreicht, da hast du ganz recht. Wir haben lediglich erreicht, daß die Krippe wieder da steht, wo sie hingehört: im Stall. Hast du wirklich erwartet, daß der Stall dadurch zum Palast werden würde?“1499
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Ebd., S. 4. Evangelische Mittelstelle für Werk und Feier: Die Spielschar. Verzeichnis 1958, S. 47. Lange, Ernst/Barbe, Helmut: Halleluja, Billy, S. 40. Ebd., S. 41.
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Helen bittet Mottler, mitzukommen. Als dieser verneint, verlässt sie ihn; sie wollen ein paar Wochen später aber noch einmal miteinander sprechen. Wenig später kommt es zur Katastrophe, als Billy versucht, zwei Jugendliche vor einem Drogendealer zu bewahren. Der Polizist McGregor erscheint, der Billy noch als Süchtigen kennt. Als McGregor einen Jugendlichen tritt, sagt Billy: Lassen Sie das, Mann! Sie haben kein Recht, den Jungen zu mißhandeln. Ich werde das melden. McGregor (völlig außer sich): Was wirst du? Du schwarzes Schwein, ich werd’ dich lehren! (Sinnlos vor Wut geht er auf Billy los. Der erwartet den Angriff ruhig und tritt im letzten Augenblick zur Seite, so daß McGregor ins Leere taumelt.) Billy (rasch): Ich hau ab. Ich geh’ Mottler Bescheid sagen. Der holt uns hier raus. (Er wendet sich blitzschnell zur Hauptbühne.) McGregor: Halt! (er hebt die Pistole) Halt, sag’ ich! Halt, oder ich schieße! (Er schießt, und Billy bricht mit einem gurgelnden Laut zusammen.)1500
Al Winters Gruppe bemächtigt sich Billys leblosen Körpers, will Rache und trägt ihn auf einer Bahre in die Nähe der Polizeistation. Eine Stimme droht, dass die Polizei schießen werde, aber Mottler legt den Körper des toten Freundes direkt vor der Polizeistation nieder. Mottler: Ihr seht, Leute, sie haben nicht geschossen. Denn sie haben ein schlechtes Gewissen. Es ist gut, daß sie ein schlechtes Gewissen haben. Es ist gut, daß sie sich schämen für diesen Mord. Denn es war Mord. […] Mag sein, daß es in den Akten der Polizei heißen wird: Der Polizist McGregor hat in Ausübung seiner Pflicht den sechzehnjährigen Billy Bowles erschossen. […] In den Akten Gottes heißt es: Der Polizist McGregor ist schuldig des Mordes an einem unschuldigen sechzehnjährigen Jungen. Und es ist gut,
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wenn es auch im Gewissen des Polizisten McGregor heißt: Schuldig des Mordes an einem Unschuldigen. Denn dann ist Hoffnung. Dann ist Hoffnung, daß der Polizist McGregor in Zukunft weniger rasch zum Revolver greift. Dann ist Hoffnung, daß die Polizei in diesem Stadtteil endlich wird, was sie sein soll: Ein Werkzeug des Friedens, nicht der Unterdrückung. Dann ist Hoffnung, daß unsere Kinder nachts wieder schlafen können und nicht mehr aufschreien vor Angst, wenn sie von der Polizei träumen.1501
Mottler äußert, dass die Polizei Angst vor den Menschen in diesem Stadtteil habe.1502 Er beginnt zu beten, und Al Winters Gruppe zieht sich zurück. Am Ende kniet Mottler an Billys Bahre. Er weiß, dass Al Winters Leute „nichts begriffen“1503 haben und sagt abschließend zu Billys Mutter und zu Ruth, die den Jugendlichen liebte: „Wir müssen weitermachen!“1504 Das Spiel beginnt mit der Trauer um ein Baby, das von Ratten gebissen wurde, und es endet mit der Trauer um einen toten schwarzen Jugendlichen, der von einem weißen Polizisten erschossen wurde. Die Zustände in East River sind am Anfang und am Ende katastrophal. Der einzige Lichtblick am Ende besteht darin, dass Mottler nicht aufgeben will. Die rassistisch motivierte willkürliche Polizeigewalt, die Lange 1956 auf die Laienspielbühne brachte, ist heute immer noch harte Realität. Am 25. Mai 2020 kam der schwarze US-Amerikaner George Floyd nach rassistischer Polizeigewalt ums Leben. Sein Tod reiht sich ein in eine Serie von Gewalttaten und löste weltweit Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus. Zu den prominentesten Stimmen gehört dabei die internationale Bewegung „Black Lives Matter“. Diese hat ihren Ursprung bereits im Jahr 2013. Die Aktivistinnen Alicia Garza, Patrisse Cullors und Opal Tometi gründeten die Bewegung als Reaktion auf den Freispruch George Zimmermans. Dieser hatte den unbewaffneten schwarzen Teenager Trayvon Martin auf einer Bürgerwehrpatrouille getötet.1505 Ernst Lange hat in Halleluja, Billy den Gegenwartsbezug verwendet, der sich mit unterschiedlichen Themen facettenreich im evangelischen Laienspiel der Nachkriegsjahre zeigte. Lange selbst sah sein Musical auch selbstkritisch. Ulrich Kabitz 1501 1502 1503 1504 1505
Ebd., 73 f. Vgl., S. 74. Ebd., S. 78. Ebd. Vgl. https://www.zeit.de/thema/black-lives-matter, zuletzt abgerufen am 15.01.2021.
Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre
erwähnt, dass Lange im Nachhinein gewisse Bedenken gehabt habe bezüglich der mangelnden Anschaulichkeit dessen, was die Dienstgruppe leistet.1506 Könnte man heute noch mit Ernst Lange in einen Dialog treten, würde man ihm hier zustimmen. Die Spielscharen hat dies aber nicht daran gehindert, das Jazz-Musical aufzuführen. In den 50er Jahren war Halleluja, Billy besonders erfolgreich,1507 auch wenn die gewählte Form des Musicals damals, so Kabitz, „noch fremdartig“1508 wirkte. Zum Erfolg des Musicals, aber auch zur damaligen Bekanntheit1509 seiner Stücke überhaupt wird beigetragen haben, dass Ernst Lange auf der Bühne keine einfachen Lösungen anbot.
4.9
Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre
Verehrtes Publikum! Herzlich willkommen! Wir haben uns viel vorgenommen! Was einst in unserm Land geschehen Ist, wollen wir zeigen, Sie sollen es sehen. […] Bomben fielen wie Hagel dicht, entfesselt war das Weltgericht. Man zählte die Jahre nach Christi Tod und Leben, doch ringsrum war’s, als hätt’s einen Heiland nie gegeben. Wir haben lange darüber nachgedacht, Akten gelesen, Zeugen gefragt, diskutiert und Notizen gemacht: Warum war Krieg? Konnte nicht Frieden sein? Was ist der Mensch? Wann sagt er ja? Und warum? Wann sagt er nein? Die Seelen der Toten riefen uns an: „Lieber Bruder, liebe Schwester, was hättest du getan?“ Wir rüsten zum Spiel und kennen die Antwort nicht. Vielleicht liegt sie in unserm Bericht, wenn wir versuchen darzutun, wie jene lebten, die heute ruh’n. Und uns verzeihe der Chronist,
1506 Vgl. Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, S. 41. 1507 Die Zeitschrift Junges Spiel berichtete 1960 über Halleluja, Billy: „Eine Statistik des Quell-Verlags ergab, daß dieses Spiel […] bis 31.07.60 43 Erstaufführungen und 123 Wiederholungen zu verzeichnen hatte. Das sind insgesamt 166 Aufführungen in wiederum insgesamt 91 Orten.“ Redaktion Junges Spiel: Hinweise. Halleluja, Billy. In: Junges Spiel (1960), H. 28, o. S. 1508 Kabitz, Ulrich: Spielraum des Lebens – Spielraum des Glaubens, S. 40. 1509 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008.
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wenn’s nicht nach seiner Ordnung ist. Wir reihen Bilder an Bilder und flechten sie lose zu unserm Spiel von der Weißen Rose.1510
Diese Zeilen spricht „der Lehrer“ im Prolog des Stücks Das Spiel von der Weißen Rose. Es zeigt die Entwicklungen des Widerstandskreises „Weiße Rose“ bis hin zur Verurteilung des Münchener Professors Kurt Huber und der Studierenden Alexander Schmorell, Christoph Probst, Hans und Sophie Scholl und Willi Graf. Der Schriftsteller Arnim Juhre (1925–2015) schrieb dieses Werk im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft für Evangelisches Laienspiel – konkret hatte ihn Ulrich Kabitz angesprochen1511 – als Beitrag der Evangelischen Jugend für die Festlichen Tage Deutscher Jugend in Münster 19571512 . Diese wurden vom „Arbeitsausschuss zur Förderung von Musik, Spiel und Tanz in der Jugend“1513 veranstaltet. Arnim Juhre berichtete im Gespräch, dass Inge Aicher-Scholl (1917–1998), die älteste Schwester von Hans und Sophie Scholl, die Aufführung des Stücks in Münster genehmigte, nachdem sie es gelesen hatte.1514 Die Geschichte der „Weißen Rose“ war in der Nachkriegszeit zu einer der wichtigsten bundesdeutschen Widerstandserzählungen geworden.1515 Inge Scholl, die die Nachricht von der Verhaftung und Verurteilung ihrer Geschwister unvorbereitet getroffen hatte und in die geheimen Prozesse nicht eingeweiht gewesen war, wurde nach dem Krieg zur bedeutendsten Erinnerungsakteurin des Widerstandskreises.1516 Sie betonte wiederholt, dass es ihren Geschwistern und deren Freunden um das Menschliche schlechthin gegangen sei, das jedoch ohne das Christentum 1510 Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose. Dramatischer Bericht. In: Weiß, Christa (Hrsg.): Kleine Texte zum Spielen. Band 2. Wuppertal 1965, S. 64–80, hier: S. 65. 1511 Vgl. Interview mit Arnim Juhre am 10.11.2011 in Wuppertal. Juhre berichtet rückblickend, Kabitz habe ihm erklärt, alles, was man habe, würde für den Anlass nicht reichen, man brauche ein neues Stück. 1512 Vgl. Juhre, Arnim: Zum Text. In: Junges Spiel. Das Spiel von der Weißen Rose. Sondernummer (1958), o. S. 1513 Die heutige Bezeichnung lautet Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. 1514 Vgl. Interview mit Arnim Juhre am 10.11.2011 und Brief von Arnim Juhre, Wuppertal, 04.03.2015. Der Schriftsteller hatte Inge Aicher-Scholl auf einer Tagung in West-Berlin kennengelernt. Inge Scholl intervenierte gegen Darstellungen, die sie und andere Angehörige als unangemessen empfanden. Vgl. auch Ernst, Christian: Die Weiße Rose – eine deutsche Geschichte? Die öffentliche Erinnerung an den Widerstand in beziehungsgeschichtlicher Perspektive. Zugl.: Dissertation. Göttingen 2018, S. 180. 1515 Vgl. Friederich, Christine: Widerstand als Glaubenstat? Religiöse Deutungen des Widerstands der Weißen Rose. In: Hermle, Siegfried/Pöpping, Dagmar (Hrsg.): Zwischen Verklärung und Verurteilung. Phasen der Rezeption des evangelischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus nach 1945. Göttingen 2017, S. 105–118, hier: S. 105. 1516 Vgl. ebd., S. 105 f.
Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre
nicht denkbar war.1517 Sie eröffnete damit Perspektiven, die die „Weiße Rose“ über die konfessionellen Grenzen hinweg rezeptionsfähig machten, und ihr Widerstand konnte nicht nur Vorbild für katholische und evangelische Christen sein, sondern für alle, die das Christentum oder den Humanismus als kleinsten gemeinsamen Nenner für sich und ihre Handlungsweise in Anspruch nehmen konnten.1518 Der in Berlin aufgewachsene Schriftsteller Arnim Juhre war 18-jährig zur Wehrmacht einberufen worden. Nach amerikanischer und britischer Gefangenschaft lebte er ab Herbst 1945 in West-Berlin und arbeitete unter anderem in einer Brotfabrik. In der Zeit der Berliner Luftbrücke 1948/49 hörte er Vorträge über Goethe bei Paul Altenberg, die dieser bei sich zu Hause hielt. Mit Horst Behrend, der 1949 mit Günter Rutenborn die Vagantenbühne gegründet hatte, stand Juhre im freundschaftlichen Austausch.1519 Ab 1962 arbeitete er als Redakteur im Evangelischen Rundfunkdienst Berlin und von 1969 bis 1975 als Lektor in den Verlagen Jugenddienst und Peter Hammer in Wuppertal. Er ging nach Hamburg, wo er unter anderem von 1982 bis 1990 Literatur-Redakteur beim Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt war. Bis zu seinem Lebensende 2015 lebte er als freier Schriftsteller in Wuppertal. Gemeinsam mit Dorothee Sölle, Kurt Marti und Wolfgang Fietkau gab Arnim Juhre den Almanach für Literatur und Theologie heraus. Das Werkbuch Singen, um gehört zu werden (1976) gibt einen Überblick über die Entwicklung neuer geistlicher Lieder in den 60er und 70er Jahren. Auch verfasste Juhre selbst Liedtexte. Aus verschiedenen evangelischen Gesangbüchern bekannt ist beispielsweise Manchmal kennen wir Gottes Willen, bei dem er den Text des Schweizer Dichters Kurt Marti um eine vierte Strophe ergänzt hat: „Manchmal wirken wir Gottes Frieden, manchmal wirken wir nichts.“1520 Juhre veröffentlichte Essays, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke. Sein Opus für Orgel, Pauke und Menschenstimmen Eines Tages müssen wir die Wahrheit sagen über den Reichstagsbrand 1933 wurde während der EXPO 2000 uraufgeführt (musikalische Gestaltung: Lothar Graap).1521 Das Stück Das Spiel von der Weißen Rose wurde nach der Uraufführung in Münster 1957 von der Berliner Spielgruppe noch einige Male in Berlin aufgeführt1522 , gedruckt wurde es erstmalig 19651523 , aber bereits 1958 erschienen Berichte des 1517 1518 1519 1520
Vgl. ebd., S. 115. Vgl. ebd., S. 116. Vgl. Interview mit Arnim Juhre am 10.11.2011. Text: Kurt Marti, Arnim Juhre, 1966. Melodie: Felicitas Kukuck 1967. Vgl. Gemeindelieder. Hrsg. im Auftrag des Bundes Freier Evangelischer Gemeinden in Deutschland und des Bundes Freier evangelischer Gemeinden. Wuppertal 1978, o. S. (Lied 346). 1521 Vgl. https://www.strube.de/index.php?id=9&tx_komponisten_pi1[uid]=550, zuletzt abgerufen am 11.12.2020. 1522 Vgl. Interview mit Arnim Juhre am 10.11.2011. 1523 Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose. Dramatischer Bericht. In: Weiß, Christa (Hrsg.): Kleine Texte zum Spielen. Band 2. Wuppertal 1965, S. 64–80.
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Autors Arnim Juhre und des Spielleiters Gerhard Valentin über Entstehung und Uraufführung sowie Textauszüge in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Junges Spiel, die den Lesern „als Jahresgabe“1524 überreicht wurde. Juhre schildert darin, dass die Idee, ein Spiel zu diesem Thema zu schreiben, 1956 den Gesprächen „einer kleinen Berliner Spielgruppe“ während der Internationalen Laienspielwoche auf dem Scheersberg entsprang.1525 Den äußeren Anstoß bot dazu die dort erfolgte Aufführung dreier Szenen aus Bertolt Brechts Szenenfolge Furcht und Elend des III. Reiches von einer Leipziger Spielgruppe. Bezüglich der Quellen inspirierte Arnim Juhre der Hinweis Bertolt Brechts, der Szenenzyklus beruhe auf Augenzeugenberichten und Zeitungsnotizen1526 , und so basiert Juhres Spiel auf Wehrmachtsberichten und amtlichen Bekanntmachungen1527 , Hauptquelle war das Buch Die Weiße Rose von Inge Scholl1528 . Als Juhre den Auftrag von der Arbeitsgemeinschaft für Evangelisches Laienspiel für die Umsetzung der Idee und das Schreiben des Stücks bekam, erhielt er auch den Hinweis, er solle die Leistungsfähigkeit geübter Laienspieler nicht überfordern und sich an der formalen Gestaltung von ‚Kumpaneispielen‘ orientieren. Deshalb studierte Juhre nach eigener Aussage die Oberuferer Spiele. Genaue Titel gab er nicht an. Vielleicht las er Das Oberuferer Paradeisspiel, das Rudolf Mirbt 1951 in der von Heinz Ritter herausgegebenen Fassung in seine Reihe Bärenreiter-Laienspiele aufgenommen hatte.1529 Arnim Juhre erklärt in seinem Bericht über die Entstehung des Stücks Das Spiel von der Weißen Rose, die szenische Gestaltung mute wie eine schaubare Auslegung des Aufrufes an, den Ricarda Huch in der deutschen Presse veröffentlichte, und zitiert ihn: Aus unserer Mitte sind böse, brutale und gewissenlose Menschen hervorgegangen, die Deutschland entehrt und Deutschlands Untergang herbeigeführt haben. Sie beherrschten
1524 Junges Spiel. Das Spiel von der Weißen Rose. Sondernummer 1958, o. S. 1525 Vgl. Juhre, Arnim: Zum Text. In: Junges Spiel. Das Spiel von der Weißen Rose. Sondernummer (1958), o. S. Die Scheersberger Laienspielwoche wurde unter anderem 1955 von Rudolf Mirbt gegründet und war besonders von der „Waldecker Laienspielwoche“ geprägt. Diese hieß zuvor „Laienspielkongress der Jugend“, der 1949 gegründet wurde. Vgl. Siebenbrock, Jan: Vom Laienspiel zur Theaterpädagogik, S. 17 und 115. 1526 Vgl. Brecht, Bertolt: Furcht und Elend des III. Reiches. 24 Szenen. New York 1945, S. 108. 1527 Vgl. Juhre, Arnim: Zum Text, o. S. 1528 Vgl. Brief Arnim Juhre, Wuppertal, 04.03.2015. 1529 Das Oberuferer Paradeisspiel. Hrsg. von Heinz Ritter. BL Nr. 103. Kassel 1951. Es erschienen außerdem in den Bärenreiter-Laienspielen: Das Oberuferer Christgeburt- und Hirtenspiel. Hrsg. von Heinz Ritter. BL Nr. 101. Kassel 1950. Und: Das Oberuferer Dreikönigsspiel. Hrsg. von Heinz Ritter. BL Nr. 102. Kassel 1950. Ritter erklärte, er habe die von Karl Julius Schröer vorgenommenen Abwandlungen (1858) rückgängig gemacht und ausgelassene Stellen wieder eingefügt. Vgl. ders.: Das Oberuferer Paradeisspiel, S. 3. Vgl. zu den Oberuferern Spielen auch Kapitel 2.1.
Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre
das deutsche Volk mit einem so klug gesicherten Schreckensregiment, daß nur Heldenmütige den Versuch, es zu stürzen, wagen konnten. So tapfere Menschen gab es eine große Anzahl unter uns. Es war ihnen nicht beschieden, Deutschland zu retten, nur für Deutschland sterben durften sie; das Glück war nicht mit ihnen, sondern mit Hitler. Sie sind dennoch nicht umsonst gestorben. Wie wir der Luft bedürfen, um zu atmen, des Lichtes, um zu sehen, so bedürfen wir edler Menschen, um zu leben. Sie sind das Element, in dem der Geist wächst, in dem das Herz rein wird. Sie reißen uns aus dem Sumpf des Alltäglichen; sie entzünden uns zum Kampf gegen das Schlechte; sie nähren uns in dem Glauben an das Göttliche im Menschen. – Wenn wir derer gedenken, die im Kampf gegen den Nationalsozialismus ihr Leben gelassen haben, so erfüllen wir eine Pflicht der Dankbarkeit: zugleich aber tun wir uns selber wohl; denn indem wir ihrer gedenken, erheben wir uns über unser Unglück.1530
Die Historikerin und Dichterin Ricarda Huch (1864–1947) war die Erste, die die historischen Ereignisse um die „Weiße Rose“ durch systematische Suche, Sammlung und Auswertung von Quellen aufarbeitete.1531 Juhres Spiel von der Weißen Rose hat 31 Szenen. Die für das Laienspiel bekannte antiillusionistische Form wird direkt am Anfang durch die wenigen Requisiten deutlich, und es markieren nur vier übermannshohe senkrechte Holzpfosten die Hauptspielfläche. Nach dem Prolog spielen die ersten Szenen 1934 in Ulm und Umgebung. Hans wird als Fähnleinführer gezeigt, der bei einem Heimabend beim „Deutschen Jungvolk“ aus Sternstunden der Menschheit von Stefan Zweig vorliest. Der Jungstammführer kommt mit dem Adjutanten dazu, und Hans muss das „Judenbuch“1532 abgeben. Wenig später wird Hans degradiert, weil er dem Adjutanten eine Ohrfeige gab, als dieser einem Jungen den nicht vorgeschriebenen Wimpel entreißen wollte. In dem sich danach weiter entwickelnden Spiel tritt ab der achten Szene immer wieder „die Kumpanei“ auf. Das Auftreten einer solchen zeigen zahlreiche Laienspiele in der Weimarer Republik, im ,Dritten Reich‘ und in der Nachkriegszeit. Das Agieren einer Kumpanei im evangelischen Laienspiel kann als ‚Arrangement Oberuferer Prägung‘ benannt werden.
1530 Zitiert nach Juhre, Arnim: Zum Text, o. S. Juhre gibt die Quelle des Zitats nicht an. Es stammt aus Huchs Artikel Für die Märtyrer der Freiheit, der in verschiedenen Zeitungen erschien (u. a. Hessische Nachrichten, 04.05.1946, vgl. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php? type=dokument&id=926, zuletzt abgerufen am 01.12.2020). 1531 Vgl. Bald, Detlef: Der christliche Hintergrund der Weißen Rose in frühen Zeugnissen. Die Beispiele Ricarda Huch und Romano Guardini. In: Ders./Knab, Jakob (Hrsg.): Die Stärkeren im Geiste. Zum christlichen Widerstand der Weißen Rose. Essen 2012, S. 65–84, hier: S. 68 f. 1532 Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose. Dramatischer Bericht. In: Weiß, Christa (Hrsg.): Kleine Texte zum Spielen. Wuppertal 1965, S. 64–80, hier: S. 66.
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In diesem Spiel umsteht die Kumpanei die Hauptspielfläche meist in Hufeisenform. Die Texte werden laut Regieanweisung chorisch gesprochen oder von Einzelsprechern übernommen1533 und vermitteln politische Ereignisse wie diese: Die Reichsregierung hat versichert, in der nationalen deutschen Rüstung kein Instrument kriegerischen Angriffs, sondern der Verteidigung und Erhaltung des Friedens zu bilden. – Mai 1935: Jeder deutsche Mann ist wehrpflichtig! – Februar 1938: Adolf Hitler übernimmt die Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht. – März 1938: Über alle deutsch-österreichischen Grenzen marschieren die Soldaten der deutschen Wehrmacht. – Oktober 1938: Die heimgekehrten sudetendeutschen Gebiete sind Bestandteile des Deutschen Reiches. – März 1939: Deutsche Truppen besetzen die Tschechoslowakei.1534
Ebenso wie die Kumpanei tritt auch der Lehrer wiederholt zwischen den Szenen auf und kommentiert die politischen Ereignisse aus seiner Sicht: „Und ich frage mich, wie lange / Hitler noch vom Frieden spricht / und wann er den längst geplanten / Krieg vom Zaune bricht.“1535 Valentin nannte ihn „eine Art Exponent der Kumpanei“1536 . Der Lehrer hat keine Beziehung zu den Akteuren der Widerstandsgruppe und greift nicht in deren Handlungen ein. Als einzige Figur des Stücks spricht er überwiegend in gebundener Sprache. Sophie packt in Vorfreude auf das Studium in München ihren Koffer und sagt zu ihrer Mutter, sie habe so lange darauf gewartet: „Das halbe Jahr Arbeitsdienst war wie hundert Jahre. Und das halbe Jahr Kriegshilfsdienst eine Ewigkeit.“1537 Anschließend kommentiert die Kumpanei: Wie ist es möglich, daß man sich so freuen kann in einer Welt voll Krieg? Darf man sich in Geschäfte einlassen mit einem Staat, von dem man weiß, wie er lügt und betrügt? Darf man ihm sagen: Hier! Ich gebe dir aus dem Vorrat meiner Jahre: ein halbes Jahr Arbeitsdienst, und hier: ein halbes Jahr Kriegshilfedienst.1538
Nach den Szenen in Ulm werden die Entwicklungen vom Mai 1942 bis Februar 1943 in München gezeigt. Hans, Christoph, Alexander und Willi bereiten sich auf die Ankunft von Sophie vor, denn diese hat Geburtstag. Als sie ankommt, gibt es Geburtstagskuchen, sie tragen einander Texte vor und raten die entsprechenden 1533 1534 1535 1536
Vgl. ebd., S. 64. Ebd., S. 67. Ebd. Valentin, Gerhard: Zur Regie. In: Junges Spiel. Das Spiel von der Weißen Rose. Sondernummer (1958), o. S. 1537 Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose, S. 68. 1538 Ebd.
Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre
Verfasser. Es fallen Flugblätter auf die Bühne, und die Kumpanei zitiert daraus Passagen, was sie auch im weiteren Spielverlauf wiederholt tut. Nachdem Sophie bei einem späteren Besuch bei Hans, als dieser noch nicht da ist, entdeckt, dass ihr Bruder hinter den Flugblättern steckt, erklärt sie dem eintreffenden Hans ihre Bereitschaft mitzuarbeiten. Zu einem Treffen von Christoph, Hans, Sophie, Alexander und Willi erscheint auch Professor Huber. Alexander macht deutlich: „Wenn wir das Glück haben sollten, aus Rußland zurückzukommen, müssen wir unsere Aktionen auf einen klaren Plan stellen, Herr Professor. Wir müssen den Widerstand verstärken.“1539 Nach der Rückkehr der Medizinstudenten aus ihrem Kriegsdienst nimmt die Widerstandsgruppe ihre Tätigkeit wieder auf. Christoph, Alexander, Sophie, Hans und Willi treffen sich, und Juhre nutzt hier die Wortkulisse, wenn Alexander sagt: „In diesem Keller vermutet uns kein Mensch.“1540 Flugblätter werden an einem Vervielfältigungsapparat erstellt, und Sophie stellt fest: „Unser erstes Flugblatt seit fünf Monaten. Den Schluß finde ich am besten: ‚Wir schweigen nicht, wir sind euer böses Gewissen; die Weiße Rose läßt euch keine Ruhe!‘“1541 Weitere Aktionen der Widerstandsgruppe werden gezeigt, und so bringen Hans, Christoph und Willi an der Bühnenrückwand die Aufschrift „Nieder mit Hitler!“1542 an und planen, das nächste Flugblatt zu drucken. Darin rufen sie die Studentenschaft zum Widerstand gegen die Hitler-Diktatur auf. Als Sophie und Hans dieses in der Universität verteilen, werden sie erwischt. Die Verhaftung zeigt Juhre nicht, sondern sie ist nur über eine Lautsprecheranlage hörbar, bis die Kumpanei wieder spricht. Eine Männerstimme: Was machen Sie denn da? (In diesem Augenblick flattern Flugblätter von der Decke des Theaters in den Zuschauerraum. Es sind Abschriften des letzten Flugblattes der Weißen Rose. Über die Lautsprecheranlage hört man die Schritte einer zunehmenden Menschenmenge, anschwellendes Stimmengewirr, Rufe). Die Männerstimme: Stehenbleiben! Sofort die Türen schließen! Türen schließen! (Die Geräusche aus der Halle werden leiser. Man hört, wie ein Telefonhörer abgenommen und eine Nummer gewählt wird.) Eine Stimme aus dem Telefon: Ja?
1539 1540 1541 1542
Ebd., S. 75. Ebd., S. 76. Ebd., S. 77. Ebd.
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Die Männerstimme: Flugblätter in der Universität! Die Türen sind geschlossen. Die Täter sind im Haus. Die Stimme aus dem Telefon: Wir kommen sofort. (Die Geräusche aus der Halle werden ausgeblendet.) Die Kumpanei: […] Die Toten von Stalingrad beschwören uns! Auf uns sieht das deutsche Volk! Von uns erwartet es die Brechung des nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes.1543
Die anschließende Szene zeigt die Angeklagten Hans, Sophie, Christoph, Huber, Alexander und Willi bei der Gerichtsverhandlung. „Die Stimme des Richters“ verliest die Anklage, und sie werden mit dem Tod bestraft. Nach der Urteilsverkündung stehen die Angeklagten ein letztes Mal beisammen: Sophie (zu den Freunden): Das wird Wellen schlagen. (Schreibt mit Bleistift etwas auf ein Blatt Papier, das sie bei sich trägt.) Alexander: Ich wußte gar nicht, daß Sterben so leicht sein kann. Christoph: In wenigen Minuten sehen wir uns in der Ewigkeit wieder.1544
Als sie abgeführt werden, lässt Sophie das Blatt fallen. Nachdem über Lautsprecher die Urteilsvollstreckung verkündet wurde, findet ein Justizwachtmeister das Blatt und liest das Wort „Freiheit“ vor.1545 Dann beendet der Lehrer das Spiel mit einem Epilog. Einige Szenen erscheinen wie eine direkte Übersetzung von Inge Scholls Buch Die Weiße Rose in eine dramatische Fassung, so zum Beispiel als Sophie ihren Koffer für München packt oder als Hans den Freunden Zeilen aus dem Gedicht Die öffentlichen Verleumder 1546 von Gottfried Keller vorträgt und Christoph und Alexander dies kommentieren. Juhres Anliegen war es aber nicht, alle Geschehnisse, wie in Scholls Buch1547 beschrieben, darzustellen. So stellt er beispielsweise an den Anfang des
1543 1544 1545 1546 1547
Ebd., S. 79. Ebd., S. 80. Vgl. ebd. Den Titel des Gedichts nennen weder Scholl noch Juhre. Zum Quellenwert und zur Entwicklung des Schlüsseltextes von Inge Scholl vgl. Ernst, Christian: Die Weiße Rose – eine deutsche Geschichte? Die öffentliche Erinnerung an den Widerstand in beziehungsgeschichtlicher Perspektive, S. 179–212.
Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre
Wirkens der Widerstandsgruppe folgende Begebenheit: Vor der Ankunft Sophies in München liest Willi Christoph und Alexander einen Brief vor, den ein Arzt der Heilanstalt in Schwäbisch Hall verfasst hat: „Meine Schützlinge, ausschließlich geisteskranke Kinder, werden seit einiger Zeit in kleinen Gruppen auf Lastwagen verladen und abtransportiert. Seit kurzem habe ich den untrüglichen Beweis dafür, daß sie vergast werden. Die Atmosphäre in unserer Anstalt ist seitdem unerträglich. […] Auch die Kinder werden von einer wachsenden Unruhe ergriffen. Vor einigen Tagen fragte eins von den Kindern: ‚Tante, wo fahren die Autos hin?‘ Die Schwester in ihrer grenzenlosen Ohnmacht sagte: ‚Sie fahren in den Himmel.‘ Seitdem steigen die Kinder singend in die großen, fremden Wagen.“1548
Inge Scholl berichtet in ihrem Buch von den grausamen Zuständen in der Heilanstalt erst, nachdem Sophie Mitwissende des Widerstands geworden war, und es waren Diakonissenschwestern, die ihrer Mutter davon erzählten. Juhre übernahm aber die Formulierungen zur Beschreibung der schrecklichen Ereignisse von Scholl.1549 Weil er diesen Bericht an den Anfang der Aktivitäten der Widerstandsgruppe stellte, steht er pars pro toto für die grausamen Taten der Nationalsozialisten, die die Akteure bewogen, in den aktiven Widerstand zu gehen. Nachdem Willi den Brief vorgelesen hat, erklärt er: „Ich bin einer von euch“1550 und nimmt vor dem Einsatz an der Ostfront an einem konspirativen Treffen teil. Historisch betrachtet, wurde Willi Graf erst später in das Geheimnis eingeweiht.1551 Bereits am Anfang des Stücks erklärt der Lehrer zwar, dass recherchiert wurde, aber er bittet dennoch: „Uns verzeihe der Chronist, / wenn’s nicht nach seiner Ordnung ist“1552 , denn „Bilder an Bilder“1553 seien lose zum Spiel zusammengeflochten. Dieser Hinweis bot Juhre die Möglichkeit, die Geschehnisse zu verdichten, und er zeigt die Aktivisten in
1548 Vgl. Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose, S. 69. 1549 Inge Scholl formulierte: „Eines Tages kam wieder eine der Schwestern; sie war traurig und verzagt, und wir wußten nicht, wie wir ihr helfen konnten. Schließlich erzählte sie den Grund ihres Kummers. Ihre Schützlinge wurden seit einiger Zeit truppweise von Lastwagen der SS abgeholt und vergast. Nachdem die ersten Trüppchen von ihrer geheimnisvollen Fahrt nicht wiederkehrten, ging eine merkwürdige Unruhe durch die Kinder in der Anstalt. ‚Wo fahren die Wagen hin, Tante?‘ – ‚Sie fahren in den Himmel‘, antworteten die Schwestern in ihrer ohnmächtigen Ratlosigkeit. Von da an stiegen die Kinder singend in die fremden Wagen.“ Scholl, Inge: Die weisse Rose. Frankfurt am Main. 4. Aufl. 1952, S. 46 f. 1550 Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose, S. 69. 1551 Vgl. Bald, Detlef: Die Weiße Rose. Zur Bedeutung des Münchener Widerstandskreises. In: Ders./ Knab, Jakob (Hrsg.): Die Stärkeren im Geiste. Zum christlichen Widerstand der Weißen Rose. Essen 2012, S. 23–45, hier: S. 24. 1552 Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose, S. 65. 1553 Ebd.
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verschiedenen Situationen, die so nicht stattgefunden haben, aber das Engagement aller Beteiligten verdeutlichen. Als Beispiel der Verdichtung seien auch die Szenen am Ende des Stücks genannt: Bei der Gerichtsverhandlung sitzen auf der linken Anklagebank Hans, Sophie und Christoph und auf der rechten Huber, Alexander und Willi, und sie werden gemeinsam zum Tod verurteilt. Eigentlich waren es jedoch verschiedene Prozesse. Die Geschwister Scholl und Christoph Probst wurden am 22. Februar 1943 nur wenige Stunden nach ihrer Verurteilung hingerichtet. Willi Graf, Alexander Schmorell und Kurt Huber wurden am 19. April 1943 zum Tode verurteilt. Historizität wird im Stück durch die Kumpanei vermittelt, indem sie Fakten zur politischen Entwicklung nennt und auszugsweise aus den Flugblättern zitiert. Das Spiel von der Weißen Rose war 1957 – wenig überraschend – nicht das erste Laienspiel über diesen Stoff. Christian Ernst beschreibt in seiner Dissertation Die Weiße Rose – eine deutsche Geschichte? Die öffentliche Erinnerung an den Widerstand in beziehungsgeschichtlicher Perspektive, dass Gruppen der Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) in West- und Ostdeutschland bereits in den 40er Jahren Laienspiele erarbeitet haben. Und „abseits des engeren FDJ-Kontexts“1554 erschien in der Reihe Mitteldeutsche Laienspiele im Jahr 1948 Gruppe „Weiße Rose“ von Harry Mohr. In der evangelischen Laienspielszene mag es aufgrund der Bekanntheit der Widerstandsgruppe auch schon vor Juhres Stück zu Aufführungen mit diesem Stoff gekommen sein. In den Christlichen Gemeindespielen und Die Spielschar, den beiden umfassenden Spielreihen des evangelischen Laienspiels der Nachkriegszeit, gab es aber zuvor noch kein Stück über die „Weiße Rose“. In Münster fand die Uraufführung 1957 in einem Hörsaal der Universität statt. Von einer Kuppel wurden während der Aufführung Flugblätter in das Publikum hinuntergeworfen, während Juhre selbst im Publikum saß und mit einer Taschenlampe hochleuchtete. Juhres Frau, Herta Frenzel, lieh sich für die Aufführung in Münster die nötigen Uniformen von der „Staatsoper Unter den Linden“. Auftragsgemäß hatte Juhre Das Spiel von der Weißen Rose für Laien geschrieben. Bei der Uraufführung agierte als Laienspielerin beispielsweise Arnim Juhres eigene Mutter, sie stellte die Mutter von Hans und Sophie dar und hatte eine stumme Rolle. Aufgrund des Erfolgs wurde das Stück in Münster kurz darauf spontan noch einmal aufgeführt. Hier spielte der Theologe Theodor Jänicke die Rolle von Kurt Huber.1555 Das Stück wurde aber teilweise auch mit professionellen Schauspielern in Szene gesetzt. Renate Schröter, sie war damals bereits Schauspielerin, spielte Sophie Scholl und Lothar Trautmann, der später Schauspieler wurde, übernahm die Rolle von Hans. Gerhard Valentin führte nicht nur Regie, sondern war auch in
1554 Ernst, Christian: Die Weiße Rose – eine deutsche Geschichte? S. 133 f. 1555 Vgl. Interview mit Arnim Juhre am 10.11.2011.
Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre
einer Nebenrolle zu sehen1556 . Dass gerade er dieses Spiel inszenierte, ist besonders, wenn man seinen Lebenslauf kennt. Gerhard Ernst Valentin (1919–1975)1557 , in Berlin geboren, war ab September 1934 bis Kriegsende in der Hitlerjugend, letzter Dienstgrad war Oberkameradschaftsführer. Ab 1937 studierte Valentin Pädagogik in Cottbus und 1940/41 Anglistik und Germanistik in Berlin an der Friedrich-Wilhelms-Universität (der späteren Humboldt-Universität zu Berlin). Den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund führte Valentin im Lebenslauf für den Zeitraum 1937 bis 1941 mit dem Hinweis „ohne Ausweis und ohne Funktion“1558 auf. Die NS-Studenten verbanden völkischen Nationalsozialismus und scharfen Antisemitismus mit sozialpolitischen Parolen.1559 1941 bis 1945 war Valentin bei der Wehrmacht, zunächst als Soldat, zuletzt als Leutnant. Nach seiner Kriegsgefangenschaft von April 1945 bis Juni 1946 in Frankreich lebte er wieder in Berlin und arbeitete als Straßenbauarbeiter und Zeitungsträger. 1949 galt er durch die Entnazifizierungskommission für Lehrer und Erzieher beim Magistrat von Groß-Berlin als entnazifiziert. Als Gasthörer besuchte er zwei Semester Rhetorikkurse an der Humboldt-Universität. 1952 bis 1953 absolvierte er eine Schauspielerausbildung an der Vagantenbühne unter der Leitung von Horst Behrend und wirkte dort bis 1961 wiederholt als Schauspieler und Regisseur. Auch trat er als Kabarettist1560 auf und unterrichtete „Darstellendes Spiel“ an verschiedenen Einrichtungen. Für die Berliner Mittelstelle für Werk und Feier arbeitete er von 1957 bis 1967 als Kulturreferent. Von 1968 bis 1975 war er Referent für musisch-kulturelle Bildung bei der Evangelischen Jugendkammer im Rheinland, danach in gleicher Position bei der Evangelischen Kirche von Westfalen. Gerhard Valentin starb 1975 an den Folgen eines Autounfalls. Durch sein langjähriges Engagement hat er das evangelische Laienspiel besonders geprägt. Ulrich Kabitz beschreibt sein Wirken als „ganz gewichtige Kraft“1561 , denn Valentin sei ein hervorragender Schauspieler und Regisseur gewesen. Er verfasste auch zahlreiche eigene Spieltexte1562 und gab 1966 bis 1975 die Reihe Die Spielschar heraus. Außerdem widmete er sich dem Kirchenlied und gestaltete beispielsweise 1964 den 1556 Vgl. Brief Arnim Juhre, Wuppertal, 04.03.2015. 1557 Einen von Gerhard Valentin selbst verfassten ausführlichen Lebenslauf stellte dieser Arbeit freundlicherweise sein Sohn Christian Valentin zur Verfügung. 1558 Ebd. 1559 Vgl. https://www.hu-berlin.de/de/ueberblick/geschichte/juedische-studierende/uni-im-ns/derns-studentenbund, zuletzt abgerufen am 17.12.2020. 1560 Zum Beispiel war Valentin 1959 bis 1969 periodisch beim Kabarett des Deutschen Evangelischen Kirchentags K(l)eine Experimente aktiv. 1561 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 29.10.2008. 1562 U. a. verfasste Gerhard Valentin folgende Laienspiele: Ders.: Das Offenbarung Gottes Spiel. BL Nr. 125. Kassel 1951; ders.: Das Spiel von der reichen Ernte. BL Nr. 176. Kassel 1952; ders.: Das Spiel vom König Salomo. Nach Hans Sachs frei bearbeitet. DS Nr. 59. Stuttgart [1956]; ders.:
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Text Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen nach der englischen Vorlage von John F. Ellerton1563 . Gerhard Valentin, der in der Hitlerjugend engagiert war und im Lebenslauf von 1937 bis 1941 den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund angibt und somit keinesfalls zu den Regimegegnern gehört hat, brachte also 1957 Das Spiel von der Weißen Rose als Spielleiter auf die Bühne und agierte in einer Nebenrolle. Valentin wird sich ‚bestens‘ mit der Darstellung des Deutschen Jungvolks, in der Hans Scholl in den Anfangsszenen gezeigt wird, ausgekannt haben. Irgendwann muss Valentin eine echte Entnazifizierung erlebt haben, sonst wären zahlreiche Aktivitäten nicht erfolgt. Dazu gehört der Austausch mit dem ‚Halbjuden‘ Ernst Lange, für dessen Halleluja, Billy Valentin den Text des East River Songs verfasste. Und 1959/1960 schrieb Valentin zur Woche der Brüderlichkeit, die der jüdischchristlichen Zusammenarbeit dient, Das Bänkellied von den starken Männern.1564 Fragt man, welche Träger der Erinnerung sich der Widerstand leistenden Christen annahmen, und achtet dabei mit Siegfried Hermle auch auf Gruppen und Akteure einer allgemeinen Erinnerungskultur jenseits des engeren Wissenschaftsbereichs1565 , so ist auch das evangelische Laienspiel als ein Träger der Erinnerung an die „Weiße Rose“ zu nennen. Arnim Juhre zitiert im eingangs erwähnten Bericht über die Entstehung des Stücks Ricarda Huch, die über die Widerstandskämpfer schrieb: „Sie reißen uns aus dem Sumpf des Alltäglichen; sie entzünden uns zum Kampf gegen das Schlechte.“1566 Diese Botschaft schwingt im Epilog mit, wenn am Ende der Lehrer fragt: „Die Seelen der Toten rufen uns an: / Lieber Bruder, liebe Schwester, was hättest Du getan?“1567 Eine Beantwortung dieser Frage hat heute nichts von ihrer Notwendigkeit verloren.
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Die gegen Morgen wohnen. CG Nr. 113. München 1953; Kabitz Ulrich/Lange, Ernst/Valentin, Gerhard: Gott war auch in Ninive. Ein Spiel zum Kirchentag 1953. Unterwegs Sonderdruck. Text: Gerhard Valentin 1964 nach dem englischen geistlichen Lied „The day thou gavest, Lord, is ended“ von John F. Ellerton 1870. Melodie: Clement Cotterill Scholefield 1874. Vgl. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a. 1994, S. 495 (Lied 266). Vgl. dazu Kapitel 4.10. Vgl. Hermle, Siegfried: Zwischen Verklärung und Verurteilung. Rezeption von evangelischem Widerstand nach 1945 in historischer Forschung und Erinnerungskultur – Eine Einführung. In: Hermle, Siegfried/Pöpping, Dagmar (Hrsg.): Zwischen Verklärung und Verurteilung. Phasen der Rezeption des evangelischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus nach 1945. Göttingen 2017, S. 13–29, hier: S. 18. Zitiert nach Juhre, Arnim: Zum Text, o. S. Juhre, Arnim: Das Spiel von der Weißen Rose, S. 80.
Pluralität der Spielformen
4.10
Pluralität der Spielformen
In der Nachkriegszeit entwickelten sich im evangelischen Laienspiel auch kleine Spielformen, und 1970 erklärte Gerhard Valentin in seinem Aufsatz Kleine Formenlehre, dass diese im Laufe der Jahre mehr und mehr in den Vordergrund getreten seien.1568 Im Folgenden werden das ‚Anspiel‘, die ‚Spielmotette‘ und das ‚Bänkellied‘ vorgestellt. Erfinder des Anspiels ist Ulrich Kabitz, der immer auf der Suche nach neuen Spielformen war. Er wollte eine Form entwickeln, die geeignet war, eine Veranstaltung thematisch zu eröffnen.1569 Auf Spielwochen probierte er mit den Teilnehmern das von ihm so genannte Anspiel aus. Die Form wurde verbreitet, und 1953 definierte Gerhard Valentin in der Zeitschrift Die Laienspielgemeinde ein Anspiel mit diesen Worten: Gemeint ist ein kurzes Spiel, das sich der szenischen Darstellung und des Dialogs bedient, aber nun keineswegs wie ein „ausgewachsenes” Laienspiel sein Thema ausspielt und so oder so zum Abschluß bringt, sondern es vielleicht gerade offen läßt, um damit den Anknüpfungspunkt für eine übergeordnete Thematik etwa bei einer Diskussion oder ähnlichen Anlässen zu bieten.1570
Valentin führte aus, dass das Anspiel meist an der Stelle der sonst üblichen rednerischen Einleitung stehe und den Vorzug habe, im Wortsinne ansprechender zu sein. Eine aggressive Form des Anspiels läge vor, wenn die Thematik ins genaue Gegenteil verkehrt werde, um im scheinbar zutreffenden Negativen den Ansatzpunkt für das Gespräch zu suchen. (Beispiel: Für eine Evangelisation unter der Losung: „Du bist nicht allein“ lautet das Anspielthema: „Du bist allein.“) Die neue Form überzeugte beispielsweise auch den zu seiner Zeit außerordentlich bekannten Erweckungsprediger Johannes Busch (1905–1956), und so heißt es in einer Materialmappe der Evangelischen Jugendarbeit: Der bekannte, leider allzu früh verstorbene Evangelist Johannes Busch begrüßte es nach Abschluß einer Evangelisationswoche in einer süddeutschen Großstadt, daß jeweils am Anfang seiner Themenabende ein solches „Anspiel“ stand. Er meinte, daß man sich dadurch als Redner oder Gesprächsleiter wesentlich leichter tue, weil man sich die Anlaufzeit
1568 Vgl. Valentin, Gerhard: Kleine Formenlehre. In: Weiß, Christa (Hrsg.): Kleine Texte zum Spielen. Eine Auswahl. Wuppertal 1970, S. 9–16, hier: S. 9. 1569 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 21.08.2008. 1570 Valentin, Gerhard: Vom Anspiel. In: Die Laienspielgemeinde 4 (1953), H. 2/3, S. 72–76, hier: S. 73.
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erspare, bis man am Thema wäre. Zum anderen könne er sich immer wieder im weiteren Verlauf des Vortrags auf das Spiel beziehen.1571
In den 50er Jahren verfasste auch Walter Netzsch (1926–1992) Anspiele.1572 Er war seit Ende der 40er Jahre als freier Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk als Schauspieler, Autor, und Sprecher tätig. Auch als Kabarettist1573 und Regisseur machte er sich einen Namen. Die letzten 20 Jahre seines beruflichen Wirkens arbeitete er für den Südwestfunk.1574 Im Folgenden soll Wir denken für Sie (vermutlich aus dem Jahr 1958) vorgestellt werden. Ein Reporter befragt Direktor Wißling vom Institut für Meinungsbildung, was die „Purepillen“ seien. Dieser erklärt, dies sei eine Abkürzung für „Public-Relation-Pillen [sic!]“.1575 Die Pillen würden je nach Auftrag zubereitet, in Lebensmittel gemischt – „wir haben einen Dauervertrag mit dem Lebensmittelgroßhandel, auf eine Chemikalie mehr oder weniger kommt’s ja heute nicht mehr an“1576 –, und schon gäbe es zum jeweiligen Thema nur noch eine gewünschte Haltung in der Gesellschaft. Während des Gesprächs klingelt das Telefon: Direktor: Ja, Direktor Wißling hier – ah, der Herr Minister … wie bitte? Für die nächsten drei Wochen soll jede Angst vor radioaktiver Strahlung verschwinden. Klar, unsere Pille R-at-245 mit Dauerwirkung! – – – Wir lassen sie am besten dem Brot beimischen, dann erreichen wir die größte Streuung. In Ordnung! Wahrscheinlich sind wieder mal ein paar kleine Versuche mit Wasserstoffbömblein? [sic!] – Ja – hahahaha! Reizender Spaß! Wird erledigt! Kein Mensch wird dagegen sein. Das bringen wir schon hin. Nichts zu danken!1577
1571 N. N.: Das Anspiel. In: Krusche, Peter (Hrsg.): Kleine Spieltexte – Teil II. Nürnberg [1958], o. S. 1572 Folgende Anspiele von Walter Netzsch sind in Kleine Spieltexte – Teil II [1958] enthalten: … und Mutter ehren, Die Atombombe, Die Wohltäterin, Wir denken für Sie. Netzsch verfasste auch Laienspiele, so auch das erste Stück der Reihe Die Spielschar mit dem Titel Wartesaal Niemandsland [1951]. 1573 Walther Netzsch leitete beispielsweise das Kabarettensemble des Deutschen Evangelischen Kirchentages K(l)eine Experimente. 1574 Die biographischen Daten teilte Karen Zoller von der Pressestelle des Bayerischen Rundfunks in einer Mail vom 11.01.2021 mit. Eine der Sendungen, in denen er als Schauspieler auftrat und für die er als Autor tätig war, war in den 80er Jahren Kabarett zu den vier Jahreszeiten, eine Produktion von SWF und ORF. 1575 Vgl. Netzsch, Walter: Wir denken für Sie. In: Krusche, Peter (Hrsg.): Kleine Spieltexte – Teil II. Nürnberg [1958], S. 34–36, hier: S. 34. 1576 Ebd., S. 35. 1577 Ebd., S. 34.
Pluralität der Spielformen
Als jemand von einer Pelzmantelfabrik anruft, weil man den Umsatz im Sommer steigern möchte, nimmt der Direktor auch diesen Auftrag an. Er berichtet dem Reporter, dass der Chefchemiker nur die Pillenmischung für den Glauben bisher nicht habe herstellen können, „dabei muß die vor vielen Jahren schon einmal bekannt gewesen sein“1578 . Am Ende des Anspiels trinkt der Direktor aus Versehen eine Mischung, die bewirkt, dass der Mensch den Irrsinn der Meinungsbeeinflussung erkennt. Daraufhin löst der Direktor die Firma kurz entschlossen auf. In diesem Anspiel wird mit den satirischen Methoden der Über- wie der Untertreibung – besonders veranschaulicht im Wort „Wasserstoffbömblein“ – das Thema Meinungsfreiheit verdeutlicht. Netzsch stellt in Kürze verschiedene thematische Gegenwartsbezüge her, zu denen auch die ‚Anspielung‘ auf die Debatte um die Atombewaffnung unter Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gehört. Es zeigt sich hier die im Laienspiel bekannte typisierende Figurenanlage, die allerdings nicht zwingend für die neue kurze Spielform ist. Wie in Wir denken für Sie enden Anspiele häufig auf dem Höhepunkt des Geschehens. Für das Anspiel wurde keine dramaturgische Form als verbindlich erklärt, und es kann auch die Spielmotette oder das Bänkellied als Anspiel betrachtet werden. Ulrich Kabitz berichtete, dass er zur Form der Spielmotette inspiriert wurde, als er im Rahmen einer „Werkwoche Ost“ 1952 in Berlin im Titania-Palast eine Aufführung des französischen Pantomimen Marcel Marceau (1923–2007) sah. Kabitz probierte dann die Grundform der Spielmotette 1953 auf einer Spielwoche aus1579 und brachte danach den Begriff in Umlauf.1580 Wie es sich bei einer gesungenen Motette im Gottesdienst um eine musikalische Interpretation der Evangeliumslesung handelt, erläutert die Spielmotette mit gesprochenen und darstellerischen Mitteln einen geistlichen Text. Sie ließ sich gut in die gottesdienstliche Liturgie einfügen. Die Sprachform ist meist Prosa, die sich durch kurze, schlagzeilenartige Sätze auszeichnet. Ein wichtiges Stilmittel ist das chorische Sprechen und die oft erfolgende Wiederholung von Sätzen.1581 Die pantomimischen Bewegungen der Einzelnen oder der Gruppe unterstreichen das Gesagte. Dabei kann die Darbietungsform sehr unterschiedlich sein; Kabitz betonte allerdings, dass sie von der Kumpanei-Aufstellung ausgehen. „Dies bedeutet, dass die Mitwirkenden das
1578 Ebd., S. 36. 1579 Vgl. Interview mit Ulrich Kabitz am 29.10.2008. Und: Ders.: Situation des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend. In: Die Position des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend. Unveröffentlichter Bericht über eine Studientagung 1966, S. 7–18, hier: S. 14. 1580 Valentin, Gerhard: Demonstration kleiner Spielformen. In: Die Position des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend, S. 80–88, hier: S. 83. 1581 Vgl. N. N.: Die Spielmotette. In: Krusche, Peter (Hrsg.): Kleine Spieltexte – Teil II. Nürnberg [1958], o. S. Und: Valentin, Gerhard: Demonstration kleiner Spielformen, S. 82.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Spielfeld zu Anfang durch zwei Reihen oder als durchbrochener Halbkreis umschließen.“1582 Hier zeigt sich also eine traditionelle Laienspielweise in neuem Formgewand. Als kurzes Beispiel für eine Spielmotette soll eine Textpassage aus Der hoffnungslose Fall von Ulrich Kabitz dienen, die vermutlich aus dem Jahr 1958 stammt. Darin wird die Begegnung von Zachäus mit Jesus dargestellt (Lukas 19,1–10). Die zwölf Spieler sind nummeriert. Alle: Jesus in Jericho! […] 3: Da ist ganz Jericho auf den Beinen. 11: Da stehen sie dichtgedrängt am Weg, um Jesus zu sehen. 4: Und ganz vorn, da stehen die Frommen von Jericho. 1: Und ganz hinten, da steht Zachäus, der hoffnungslose Fall.1583
Mittels der Teichoskopie werden hier die Ereignisse der biblischen Vorlage in wenigen Worten vermittelt. In den Regieanweisungen erklärte Kabitz die jeweiligen Bewegungen, die die Spieler einzeln oder gleichzeitig zum gesprochenen Text ausführen sollten. Ulrich Kabitz prägte in der evangelischen Laienspielszene auch den Typ des Bänkelliedes.1584 Die Entstehung des Bänkelsangs – er bezeichnet von einer Bank herab vorgetragene Lieder – ist nicht völlig geklärt. Einflüsse und Vorläufer reichen wohl bis ins Mittelalter zurück. Die Inhalte waren aktuell, im Sinne von noch nicht bekannt, und enthielten Nachrichten über politische Ereignisse, Katastrophen und Unglücksfälle. Er wurde immer auf ähnliche Art vorgetragen. Auf einem Podest stehend, erzählte der Sänger eine Begebenheit, die daraufhin gesungen wurde. Zur Illustrierung wies er dabei auf die verschiedenen Bilder mit einem Zeigestab hin. Der sogenannte stilisierte Bänkelsang, die bewusste Aufnahme seiner Mittel in die Literatur vor allem in ironisch-parodistischer Absicht, aber auch zur politischen Agitation, waren seit Mitte des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Kunstmittel. Das 1582 Vgl. Vorwort von Ulrich Kabitz. In: Lange, Ernst: Der verlorene Groschen. DS Nr. 31. Stuttgart 1954, o. S. In dem Heft befinden sich neben Ernst Langes Text noch drei weitere Spielmotetten: Wir bauen einen Turm und Die Verleugnung von Ulrich Kabitz sowie Weg über Tiefen von Helmut Fuchs. 1583 Kabitz, Ulrich: Der hoffnungslose Fall. In: Krusche, Peter (Hrsg.): Kleine Spieltexte – Teil II. Nürnberg [1958], S. 49–51, hier: S. 49. 1584 Valentin, Gerhard: Demonstration kleiner Spielformen, S. 83.
Pluralität der Spielformen
frühe deutsche Kabarett wurde vom Bänkelsang beeinflusst, und auch Bertolt Brecht verwandte Elemente des Bänkelsangs.1585 Von dem Vorläufer der alten „BildZeitung“ entlehnte Kabitz die Bilderbogentechnik und erzählte von Begebenheiten, die von einem sich wiederholenden Kehrreim verdeutlicht und von gemalten oder gespielten Bildern illustriert wurden. Häufig unterstrich das Wort auch eine einfache Melodie, zumindest im Kehrreim.1586 Als Beispiel soll im Folgenden Das Bänkellied von den starken Männern von Gerhard Valentin vorgestellt werden. Anlass dazu war, dass in Köln am Weihnachtsabend 1959 zwei junge Rechtsextreme die nach Pogrom und Bombenkrieg wieder aufgebaute Synagoge mit Hakenkreuzen und der Parole „Juden raus“ beschmiert hatten. Das Ereignis, über das die Presse ausführlich berichtete, löste eine weltweite Schmierwelle aus.1587 In der Materialmappe mit dem Titel Wir und die Juden, in der 1960 das Bänkellied veröffentlicht wurde, wird angegeben, Valentin habe es 1959 verfasst. Abgeschlossen hat er die Arbeit jedenfalls erst 1960, denn er lässt einen Berliner als Nachahmungstäter auftreten, und in West-Berlin sind Vorfälle im Januar 1960 dokumentiert. Außerdem spielt er auf einen Kommentar Konrad Adenauers an, den dieser erst im Januar 1960 formulierte. Valentin verfasste Das Bänkellied von den starken Männern für die „Woche der Brüderlichkeit“. Diese findet seit 1952 bis heute jährlich im März statt und setzt sich für die christlich-jüdische Zusammenarbeit ein. Es treten „der Bänkelsänger“, „der erste junge Mann“, „der zweite junge Mann“, „der Herr in mittlerem Alter“ sowie ein kleiner Chor und eine Instrumentalgruppe auf. Im Text steht bei den Regieanweisungen teilweise, dass gesungen wird. Bei der Uraufführung im Rahmen der „Woche der Brüderlichkeit“ wurde der Text aber nur gesprochen, weil eine dazu komponierte Musik noch fehlte. In der Mitte der Bühne stehen in Dreiecksform die beiden jungen Männer und der Herr im mittleren Alter. Links steht der kleine Chor, rechts der Bänkelsänger. Der kleine Chor singt: Alle, die ihr davon wißt, wie es einst gewesen ist,
1585 Vgl. Beck, Wolfgang: Bänkelsang. In: Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles. Hrsg. von Manfred Brauneck und Gérard Schneilin. Reinbek bei Hamburg 1993, S. 125–127. 1586 Vgl. Valentin, Gerhard: Demonstration kleiner Spielformen, S. 83. Textauszüge vom Augsburger Bänkellied, das Kabitz zur 400-Jahr-Feier des Augsburger Religionsfriedens 1955 schrieb, wurden 1956 in der Zeitschrift Junges Spiel veröffentlicht. Die Musik gestaltete Gerd Watkinson. Vgl. N. N.: Ulrich Kabitz – Das Augsburger Bänkellied. In: Junges Spiel (1956), H. 10, o. S. Vgl. auch: Kabitz, Ulrich: Bänkellied von Abraham. Musik von Gerd Watkinson. In: Krusche, Peter (Hrsg.): Kleine Spieltexte – Teil I. Nürnberg [1958], S. 65–68. 1587 Vgl. Bergmann, Werner: Antisemitismus als politisches Ereignis. Die antisemitische Schmierwelle im Winter 1959/1960. In: Ders./Erb, Rainer (Hrsg.): Antisemitismus in der politischen Kultur nach 1945. Opladen 1990, S. 253–275, hier: S. 253.
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ihr müßt davon sprechen: wenn euer Wort sich nicht vertausendfältigt, bleibt die Vergangenheit uns unbewältigt. […] Alle, die ihr davon wißt, wo ein Weg ins Neue ist, ihr müßt davon sprechen: wenn ihr nur helft, die Toten zu begraben, dann wird die Zukunft keine Zukunft haben. Alle, die ihr davon wißt, wie es war und wird und ist: ihr müßt das Schweigen brechen!1588
Anschließend singt der Bänkelsänger: Die Regierung ist ziemlich erschrocken; die Presse vertuscht oder schreit; und wir übrigen sind von den Socken: ist es schon wieder so weit?1589
Dann weist der Bänkelsänger mit einem Zeigestock auf den ersten jungen Mann, der mit in Berliner Dialekt gefärbten Reimen erklärt, dass er ein „ruhijer Bürjer“ sei, der seinen Alltagstrott langsam satt habe. Jetzt hab ick in de Zeitungen jelesen, ne Synagoge ham se anjeschmiert: Mann, det wär doch’n Ding for mir jewesen, wo sowieso zu Hause nischt passiert!1590
Er habe die Aktion „einfach abjekuckt“ und berichtet: Du, det war Sache [sic!], wie ick so in’n Dustern mit meinem Farbtopp um de Ecke schlich! Det Hakenkreuz kennt man ja noch von Mustern;
1588 Valentin, Gerhard: Das Bänkellied von den starken Männern. In: Fuhrmann, Wilhelm (Hrsg.): Wir und die Juden. Materialmappen für die Evangelische Jugendarbeit Nr. 12. Berlin-Dahlem 1960, S. 68–70, hier: S. 68. 1589 Ebd. 1590 Ebd., S. 69.
Pluralität der Spielformen
bloß wo’n Jude wohnte, wußt ick nich. Is och ejal, wohin ick det nu schreibe; Hauptsache, det ick mal’n Knüller bin: Schnell „Juden raus“ quer uff ne Fensterscheibe und denn klammheimlich in de Falle rin.1591
Der erste junge Mann schildert weiter, dass ihn der kleckernde Farbtopf verriet und er nun in den Knast müsse. Der Herr in mittlerem Alter erklärt, als der Bänkelsänger mit dem Zeigestock auf ihn weist: Unendlich viel hat unserm Vaterlande Die Schmiererei an Schaden zugefügt. […] Wer Hakenkreuze schmiert, hat sich erledigt: Schlagt dieses Nazivolk, wo ihr es trefft! […] Die einzige Therapie für diese Bande: Ohrfeigen links und rechts, bis es genügt!1592
Schließlich schimpft der zweite junge Mann: Jawohl, es ist wahrhaftig eine Schande, wie ihr die deutsche Republik verbaut! Wir brauchen einen, der die ganze Bande zum Tempel raus und in die Wüste haut! […] Ich will den Hitler wirklich nicht vergöttern; eins aber hatte er bestimmt voraus vor euch patenten Vaterlandserrettern: er hielt auf Reinlichkeit im eignen Haus. Jawohl, ich hab gemalt „Deutschland erwache!“ und auch das Hakenkreuz da an der Wand; das ist ein Zeichen für die gute Sache, die endlich wieder ihre Helfer fand.1593
Der kleine Chor beendet das Bänkellied mit den Versen vom Anfang.
1591 Ebd. 1592 Ebd. 1593 Ebd., S. 70.
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Der Titel Das Bänkellied von den starken Männern trieft vor Ironie. Gerhard Valentin hat hier ein 1959/1960 hochaktuelles Thema aufgegriffen und passenderweise in der Form eines Bänkelliedes präsentiert. Wenn der erste junge Mann erzählt, er habe vor seiner Aktion in der Presse darüber gelesen, dass eine Synagoge „anjeschmiert“ worden sei, verweist Valentin auf die umfangreiche Berichterstattung der Kölner Geschehnisse.1594 Und wenn der Herr in mittlerem Alter erklärt, die einzige Therapie „für diese Bande“1595 seien Ohrfeigen, spielt Valentin auf den verharmlosenden Kommentar Konrad Adenauers an, der formulierte, wenn man einen Täter erwische, solle man ihm eine Tracht Prügel geben. Das evangelische Laienspiel, das im ,Dritten Reich‘ auch dem Antijudaismus eine Bühne verschafft hatte, berichtete in den Nachkriegsjahren nur vereinzelt über die Verfolgung und Vernichtung der Juden. Wenn Gerhard Valentin im Bänkellied den Chor singen lässt „alle, die ihr davon wißt, / wie es war und wird und ist: / ihr müßt das Schweigen brechen“1596 , trug er dazu bei, das laute Schweigen des evangelischen Laienspiels zur Shoah und zum Antisemitismus zu brechen.
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Spieltheoretisches
Im ,Dritten Reich‘ wurde das evangelische Laienspiel im Dienst der Verkündigung praktiziert. Aurel von Jüchen und Hans Maurer waren der Meinung, dass das christliche Laienspiel selbst Verkündigung sei. Allerdings hatten sie sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, wie ein Spiel gestaltet sein sollte, das innerhalb des Kirchenraums gespielt werden dürfe. Maurer sprach sich dafür aus, dass nur Spiele in der Kirche gestattet seien, die Gestik und Bewegung auf das Notwendigste beschränken würden, und dass im Mittelpunkt das unveränderte Wort der Bibel nach der Lutherischen Übersetzung zu stehen habe. Dagegen setzte sich Pfarrer Aurel von Jüchen für eine Fülle von Gestaltungen ein, die sich auch in der Reihe Christliche Gemeindespiele zeigte. Er bekam in seiner Auffassung Unterstützung von Gustav Kochheim. Albrecht Goes vertrat die Meinung, das christliche Gemeindespiel sei nicht selbst Verkündigung, es könne nur ein Hinweis auf Verkündigung oder eine Antwort darauf sein.
1594 Zu den Gründen, die zu der großen Resonanz der Kölner Geschehnisse führten, gehört die Behandlung von vorherigen antisemitischen Vorfällen durch die Verwaltungs- und Justizbehörden, und die Öffentlichkeit war für das Thema hochgradig sensibilisiert. Vgl. Bergmann, Werner: Antisemitismus als politisches Ereignis. Die antisemitische Schmierwelle im Winter 1959/1960, S. 255. 1595 Valentin, Gerhard: Das Bänkellied von den starken Männern, S. 69. 1596 Ebd., S. 68.
Spieltheoretisches
Welche Aufgaben wurden dem evangelischen Laienspiel in der Nachkriegszeit zugewiesen? 1946 postulierte Paul Girkon, der sich bereits in der Weimarer Republik für die Verbreitung des evangelischen Laienspiels eingesetzt hatte, im Artikel Vom Dienst des Christlichen Gemeindespieles [sic!]: Es kann und darf nicht verkannt werden, daß weite Kreise der christlichen Gemeinden nicht mehr imstande sind, die übliche Form der Feier und ihre Wortverkündung als Kraft der Vergegenwärtigung und Verwirklichung zu erfahren. Diesen Kreisen bietet sich das christliche Gemeindespiel als ein Helfer zu neuer Bereitschaft, das Evangelium anzunehmen. Die ganz erstaunlich große Anziehungskraft des christlichen Gemeindespiels für breite Schichten, die sonst den Weg zum Gottesdienst nicht mehr finden, erwächst aus doppelter Wurzel: aus der unbewußten Sehnsucht sehr zahlreicher Glieder des Christenvolkes, das Wunder der Erlösung als gegenwärtiges, wirkliches Ereignis mit Augen zu schauen, und aus der Kraft der Darstellung, das Dargestellte überzeugend zu vergegenwärtigen und zu verwirklichen.1597
Auch Hermann Stock, mit dessen Spiel Der Mensch Gottes der Christian Kaiser Verlag 1947 die Reihe Christliche Gemeindespiele fortsetzte, nennt die missionarischen Möglichkeiten in seinem Artikel Laienspiel als Verkündigung. Er erschien 1947 im Rundbrief der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“. Darin führt er das angebliche Lutherzitat aus dem Jahr 1543 auf, welches aber eigentlich von dem Theologen Georg Major stammt und das im ,Dritten Reich‘ auch schon Erich Klapproth, Hans Maurer, Wolfram Buisman und Aurel von Jüchen verwendet hatten, um das evangelische Laienspiel zu etablieren.1598 In dem Zitat heißt es unter anderem, dass Schauspiele, die in der Absicht vorgeführt würden, die evangelische Wahrheit zu fördern, nicht zu verwerfen seien. Stock meint, das Wort Luthers zeige, welche Weitsicht der Reformator gehabt habe, und erklärt, das Laienspiel sei eine Form der Verkündigung und damit eine andere Art von Predigt. Dies sei in den letzten fünfundzwanzig Jahren immer deutlicher geworden, und es sei etwas lebendig geworden vom Wissen um das Priestertum aller Gläubigen.1599 Unter missionarischem Spiel versteht Stock jenes, das den Zweck hat, mit den Mitteln der Darstellung Glauben zu wecken und zu verkündigen, besonders bei denen, die zum Gotteshaus und damit zum gepredigten Wort
1597 Girkon, Paul: Vom Dienst des christlichen Gemeindespieles. In: Broschüre der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel (1946), o. S. 1598 Vgl. Kapitel 3.8.1. 1599 Vgl. Stock, Hermann: Laienspiel als Verkündigung. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 3, Kassel, 25.04.1947. BU 0005/153.
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keinen Zugang mehr haben. Dies Spiel kann auf Hinterhöfen oder auf freien Plätzen, im Gemeindesaal und auf der Bühne gespielt werden.1600
Dem missionarischen Spiel stellt Stock das geistliche gegenüber. Dieses habe liturgischen Charakter: Es enthält nicht nur Predigt, sondern will den ganzen Menschen vor den göttlichen Anspruch stellen […] und ihn hineinführen in die Gemeinschaft des Betens, Lobens und Dankens und damit in die Kirche. Das echte geistliche Spiel kann darum nur in der Kirche aufgeführt werden. […] In der Liturgie schließt sich die sichtbare Gemeinde mit der unsichtbaren, mit den Erlösten und allen Engeln zusammen im Lobpreis und in der Anbetung. Diese Haltung der Anbetung muß auch im geistlichen Spiel zu spüren sein. Es muß hymnischen Charakter haben. So gehört zum echten geistlichen Spiel der Gesang. […] Im Gesang aber schließt sich die Gemeinde mit den Spielern zusammen in einer Weise, um die das weltliche Theater das geistliche Spiel beneiden könnte.1601
Otto Bruder erklärt 1947 in einem Vortrag mit dem Titel Das Laienspiel. Eine Aufgabe der Jugend im Dienst der Gemeinde1602 : Wir müssen uns zunächst also darüber klar werden, was für eine „entsetzliche“ Sache passiert, wenn wir uns kirchlicherseits mit dem Laienspiel abgeben, daß wir nämlich die Jugend einbrechen lassen in den Kirchenraum.1603
Weiter betont Bruder, „wenn das Laienspiel nur diese eine Aufgabe erfüllen würde, die Stimme der Jugend in der Kirche hörbar werden zu lassen, so hätte es damit schon etwas Bedeutsames für die Gemeinde getan“.1604 Es fehle die Dichtung, in welcher die Jugend sich wiedererkenne, „aber das soll uns nicht hindern, weiter an der Arbeit zu bleiben“.1605 Bruder fragt:
1600 Ebd. 1601 Ebd. 1602 Bruder hielt den Vortrag 1947 auf einer Laienspielwoche in der Schweiz; er wurde danach im Christian Kaiser Verlag veröffentlicht. Im Gesamtverzeichnis der Christlichen Gemeindespiele von 1953 wurde dafür geworben: „In Form eines Referats wird hier Sinn und Wesen des Laienspieles als Dienst der Jugend in der Gemeinde ausgeführt. Ernst und Verantwortung des Spieles werden hier deutlich, so daß dieses Heft Mahner und Ratgeber für jede Spielgruppe sein soll.“ Christian Kaiser Verlag: Gesamtverzeichnis Christliche Gemeindespiele. München 1953, S. 27. 1603 Bruder, Otto: Das Laienspiel, eine Aufgabe der Jugend im Dienst der Gemeinde. München [1948], S. 4. 1604 Ebd., S. 6. 1605 Ebd., S. 11.
Spieltheoretisches
Meinen wir wirklich, daß die heutige Form der Predigt, ich betone die heutige, die traditionelle und darum vielfach steife, unelastische, einseitig rhetorische Form, tatsächlich die einzige Möglichkeit sei, uns das Wort nahezubringen? Beweisen uns nicht die Sänger der Bibel, die Prophetenrufe, überhaupt die Art der Verkündigung, wie die Männer der Bibel sie geübt, beweisen uns nicht vor allem die Gleichnisreden Jesu, daß es noch andere herzandringendere Möglichkeiten gibt, das Wort weiterzugeben – oder besser, daß Gott, der sich durch Jesu Mund, durch die Spatzen auf den Dächern und die Lilien auf den Feldern kundtut, nicht noch andere Ausdrucksformen hat als die Kanzelrede, um sich uns hörbar zu machen?1606
Auch Otto Bruder führt das angebliche Lutherzitat auf und hofft: „Damit mögen vielleicht gewissen Bedenken gegen das Laienspiel im Bereich der Kirche entkräftet sein.“1607 Das Anliegen kirchlichen Laienspiels definiert Bruder wie folgt: „Es will nur das Eine, im Spiel junger Menschen die Botschaft anschaulich machen. Es will die Geschichten, die großen Taten Gottes, die Reden Jesu schlicht und naiv nacherzählend darstellen in der Gestalt des Spieles.“1608 Außerdem sei das kirchliche Laienspiel eine Möglichkeit der Kirche, ihre Jugend zu sammeln und „in Zucht und Gehorsam zu nehmen“1609 , wobei nicht vergessen werden dürfe, dass die dauernde und intensive Beschäftigung mit biblisch-kirchlichen Stoffen eine Spielschar auch innerliche forme und sie ihrem Stoff annähere.1610 Auf die besondere Bedeutung der Studientagung für evangelisches Laienspiel auf dem Waitzackerhof bei Weilheim/Oberbayern, die vom 30. September bis 5. Oktober 1947 stattfand und zu der die „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ eingeladen hatte, ist an anderer Stelle bereits hingewiesen worden.1611 Auf der Tagung ging es inhaltlich um das Wesen christlicher Spielarbeit. Gustav Kochheim entfachte mit seinem Vortrag Laienspiel – Verkündigung oder Lebenshilfe? eine große Diskussion.1612 Kochheim hatte von 1930 bis 1934 die Reihe Evangelische Laienspiele herausgegeben und sich im ,Dritten Reich‘ – er war ein überzeugter Nationalsozialist – für das evangelische Laienspiel eingesetzt. So hatte er Spiele verfasst und sich öffentlich zur Kontroverse von Hans Maurer und Aurel von Jüchen geäußert. Im 1948 veröffentlichten Aufsatz Laienspiel – Verkündigung oder Lebenshilfe? legt Kochheim
1606 1607 1608 1609 1610 1611 1612
Ebd., S. 12. Ebd., S. 14. Ebd., S. 17. Ebd., S. 18. Vgl. ebd. Vgl. Kapitel 4.2.2. Vgl. Rothenberg, Samuel: Die Studientagung auf dem Waitzackerhof. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 4, Kassel, 24.11.1947. BU 0005/153.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
dar, dass man vor dem Krieg nur noch spielte, um zu verkündigen, aber nicht um zu spielen. Dem stellt er die Auffassung gegenüber: Bleiben wir in unseren Grenzen! Bleiben wir bei unserer Aufgabe, die „Spielen“ heißt! Bleiben wir unverkrampft in dem Bekenntnis, daß nicht der Wille zur Verkündigung, sondern ganz einfach die Freude am Spielen uns zusammengebracht hat! „Spielen!“ heiße die Parole, ganz einfach „Spielen!“ Wem das nicht genügt, der gehört nicht zu uns. Ob unser Spielen zur Verkündigung wird, das ist nicht uns in die Hand gegeben.1613
Es sei Gnade, wenn eine Spieldarbietung „verkünderische Kraft“1614 habe. Und da ist es dann auch möglich, daß auch einmal ein profaner, ein nicht ausgesprochen geistlicher Text geistliche Frucht zeitigt. […] Wenn wir den Zwangsgedanken „Laienspiel als Verkündigung“ als solchen durchschaut und für uns entkräftet haben, ist der Blick frei für andere Arten der geistlichen Wirkung – nein, der Wirkung überhaupt.1615
Kochheim macht deutlich, dass das Spiel zunächst Lebenshilfe sein solle und könne. Während das Theater ohne Publikum nicht zu denken sei, gewinne das Tun der Laienspielgemeinde nicht erst durch die Schaugemeinde seinen Sinn.1616 Sein Fazit ist, Laienspiel sei sowohl Verkündigung als auch Lebenshilfe. Etwa zehn Jahre später betont Ernst Lange, dass das Laienspiel die Predigt nicht ersetzen dürfe: Der Verfasser kommt immer mehr zur Überzeugung, daß die evangelische Laienspielarbeit sich mit dem Begriff des „Verkündigungsspiels“ auf einer falschen und gefährlichen Fährte befindet. Wenn man von gewissen Spezialformen (etwa der Spielmotette, die wie der Choral dienend und zeugend neben die Predigt tritt) absieht, gibt es so etwas wie eine „Verkündigung im Spiel“ schwerlich. Es gibt sie nicht, weil der Weg vom Zeugen zum Angeredeten in der Regel zu weit ist und weil zu viele Subjektivitäten dazwischentreten. Damit ist nicht bestritten, daß das Wunder des Heiligen Geistes auch mittels eines Spieltextes geschehen kann. Das Gemeindespiel hat vorbereitende oder unterstreichende Funktion. Es fordert die Predigt heraus, es weist auf sie hin, aber es darf sie nicht ersetzen, auf ke i ne n Fall.1617
1613 1614 1615 1616 1617
Kochheim, Gustav: Laienspiel – Verkündigung oder Lebenshilfe? Stuttgart 1948, S. 5 f. Ebd., S. 6. Ebd. Vgl. ebd., S. 9 f. Lange, Ernst: Dann kam das Licht. Ein Wächterspiel. In: Ders./Kabitz, Ulrich (Hrsg.): Osterzeit. Materialmappen für die evangelische Jugendarbeit Nr. 6. Berlin [1958], S. 53–64, hier: S. 63 f.
Spieltheoretisches
Dieses Verständnis vom Spiel geht konform mit dem von Albrecht Goes, das dieser bereits 1938 geäußert hatte. Spielaufführungen durch eine Predigt zu ergänzen wurde im Rahmen der Mission bereits 1946 praktiziert. Dies zeigt ein Rundbrief der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ aus dem Jahr 1947, in dem darüber informiert wird, dass der Evangelische Gemeindedienst für Württemberg seit November 1946 in sein Arbeitsgebiet die Spielevangelisation aufgenommen habe. Im Laufe des Winters sei in vielen Stadt- und Landgemeinden Das Apostelspiel von Max Mell1618 vor mehr als 15.000 Zuhörern gezeigt worden, und man reise wieder mit einer viertägigen Spielevangelisation los, in der außer dem Apostelspiel unter anderem auch Die Roggenfuhre1619 von Albrecht Goes gezeigt würde. Die Spielevangelisation würde das Spiel mit einer Wortverkündigung verbinden, und es öffne sich ein neuer, sehr verheißungsvoller Weg missionarischen Dienstes.1620 Dem evangelischen Laienspiel wurde in der Nachkriegszeit also wieder ein vielfältigeres Aufgabenfeld zugesprochen. Es wurde zwar auch wieder als Verkündigung eingesetzt oder auch nur als Hinweis oder Antwort darauf verstanden, aber es sollte auch Jugendliche in die Kirche integrieren und Lebenshilfe sein. In der Weimarer Republik hatte Pfarrer Wilhelm Treblin die Vielfalt, die auch fröhliche Spiele und Märchen als Dienst an der Gemeinde verstand, betont. Diese Bandbreite konnte das evangelische, das überhaupt christliche Laienspiel in der Nachkriegszeit wieder aufnehmen und weiterentwickeln. Der Katholik Erich Reisch deklarierte in der Rede mit dem Titel Christliches Laienspiel in Deutschland, mit der er im August 1950 das Internationale Laienspieltreffen in Freiburg eröffnete, Folgendes: Wir brauchen als christliches Laienspiel in gleicher Weise das bekenntnisfrohe Spiel, das ehrfürchtige Mysterienspiel wie den Ernst des zeitnahen Spiels. Wir brauchen auch die Unbekümmertheit des frohen Spiels, und wir brauchen die Erfülltheit des Märchenspiels, und wir dürfen keine Furcht haben vor der Idylle. Die Idylle gehört zum Christen, wie das Leid zum Christen gehört, und die Idylle ist nicht ein Ausweichen von der Wirklichkeit, sondern ist ein Aufrichten der christlichen Hoffnung. Nicht im Ausweichen liegt ihr Wert, sondern im Dennoch, daß wir in dieser verwirrten, daß wir in dieser zerstörten Welt noch die Spuren des verlorenen und wieder aufglänzenden Paradieses sehen, und daß wir die Gültigkeit dieses Paradieses zu behaupten wagen.1621
1618 Das Spiel wurde 1923 veröffentlicht und bereits 1929 in der Grundliste für evangelische Laienspieler aufgeführt. Vgl. Pleister, Werner/Dessin, Gustav/Braasch, Konrad (Hrsg.): Grundliste für evangelische Laienspieler. Leipzig 1929, S. 6. 1619 Vgl. Kapitel 3.7.3. 1620 Vgl. N. N.: Spielevangelisation. In: Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Rundsendung Nr. 3, Kassel, 25.04.1947. BU 0005/153. 1621 Reisch, Erich: Christliches Laienspiel in Deutschland. In: Die Laienspielgemeinde 2 (1951), H. 1, S. 6–11, hier: S. 9.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Verschiedene Artikel der Zeitschrift Junges Spiel zeigen, dass darüber diskutiert wurde, ob und was im Kirchenraum gespielt werden sollte. So wird beispielsweise im Artikel Decken vor dem Altar aus dem Jahr 1954 davon erzählt, dass im Rahmen einer Sing- und Laienspielfreizeit auf Burg Wernfels außer der Kirche kein geeigneter Raum für eine Aufführung vorhanden war und man beschloss, zwar vor dem Altar zu spielen, aber versuchte „diesen […] seiner eigentlichen Kennzeichen zu entkleiden und mit Decken zu neutralisieren“1622 . Otto Bruder wies 1954 im Artikel Gottesdienst oder Missionsdienst? darauf hin, dass, auch wenn das Laienspiel die Kirche nicht gerade zur Mördergrube mache, man sich doch bei der Auswahl der Spiele fragen solle, was für den kirchlichen Raum schicklich sei, und zitiert aus Philipper 4,8 die Worte „ehrbar, gerecht, keusch, lieblich, wohllautend“1623 . 1955 machte Gerhard Valentin im Artikel Auf allen Seiten vom Spiel umgeben deutlich, dass es keinen besonderen Stil des Kirchenspiels gebe, der allein ihm dem Zugang zum sakralen Raum eröffne. „Hier wie stets ist der Spielleiter in die eigene Verantwortung gefordert.“1624 Und der Theologe Helmut Gollwitzer wird 1956 in Die Diskussion geht weiter – Spiel in der Kirche? zitiert mit: Ich [würde] allerdings das Spiel nicht unbedingt aus den Kirchenmauern hinaus verbannen, wohl aber außerhalb des Gottesdienstes halten. Was im Gottesdienst geschehen soll, ist zu streng bestimmt, als dass ich mir vorstellen könnte, dass man ein Spiel dort einfügen kann. Es ist den Dingen doch nichts abgebrochen, wenn man sie alle an ihrem Platz lässt und nicht alles durcheinandermischt. Nicht alles, was ein sinnvolles Tun im Sinne des Evangeliums ist, gehört in den Gottesdienst der Gemeinde.1625
Am Schluss dieses Kapitels sei noch erwähnt, dass Herrmann Stock 1947 darauf hinwies, dass Vorhang, Schminke und Perücke im kirchlichen Raum keinen Platz hätten.1626 Ähnlich hatten bereits Wilhelm Stählin 1929, Hans Maurer Ende der 30er Jahre und Aurel von Jüchen 1940 Stellung bezogen, und hier zeigt sich eine über die Jahre hinweg gleichbleibende Auffassung, die zumindest nicht öffentlich ausführlich diskutiert wurde.
1622 Vgl. N. N.: Decken vor dem Altar. In: Junges Spiel (1954), H. 3, o. S. 1623 Bruder, Otto: Gottesdienst oder Missionsdienst? In: Junges Spiel (1954), H. 3, o. S. 1624 Valentin, Gerhard: Auf allen Seiten vom Spiel umgeben. Der Spielleiter im Kirchenraum. In: Junges Spiel (1955), H. 8, o. S. 1625 Zitiert nach N. N.: Die Diskussion geht weiter – Spiel in der Kirche? In: Junges Spiel (1956), H. 12, o. S. 1626 Vgl. Stock, Hermann: Laienspiel als Verkündigung.
Aus der Praxis: Über die Aufführung von Zur Ehre seines Namens von Jens Christian Jensen in Sennfeld
4.12
Aus der Praxis: Über die Aufführung von Zur Ehre seines Namens von Jens Christian Jensen in Sennfeld
Es wurde bereits auf die Besonderheit des Laienspiels Zur Ehre seines Namens von Jens Christian Jensen, das in der Reihe Christliche Gemeindespiele erschien, aus dem Jahr 1952 hingewiesen. In dem Stück mit dem Untertitel Ein Spiel vom Kirchbau bringt Jensen zum Ausdruck, dass für einen wahren Neuanfang der Kirche unbedingt die Schuld bezüglich der Judenverfolgung und -vernichtung bekannt werden musste. Und dieses Stück wurde tatsächlich zur Einweihung einer kriegszerstörten evangelischen Kirche aufgeführt. In Sennfeld bei Schweinfurt wurde im November 1954 die 1944 im Krieg zerstörte und in den 50er Jahren wieder errichtete Evangelisch-Lutherische Dreieinigkeitskirche eingeweiht. Im Rahmen der Feierlichkeiten führten Laienspieler Zur Ehre seines Namens auf, wofür sich Pfarrer Walter Horkel eingesetzt hatte.1627 Der 1909 geborene Horkel trat 1938 als Pfarrer seine erste Stelle in Kempten an. 1947 wechselte er nach Sennfeld. Sein letztes Pfarramt übte er ab 1956 in Starnberg aus. Am 30. März 1969 starb Walter Horkel bei einem Autounfall.1628 Während des ,Dritten Reichs‘ war Horkel von 1934 bis 1945 Mitglied in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt.1629 In einem Artikel der Zeitschrift Junges Spiel aus dem Jahr 1955 findet sich ein Bericht von ihm mit dem Titel Als wäre es für uns geschrieben. Darin beschreibt Horkel die Aufführung von Zur Ehre seines Namens. Es spielten „reifere junge Leute aus den hiesigen Gemeindejugendkreisen, mit ganzem Herzen bei der Sache“.1630 Horkel macht deutlich: Die Phrasen des Nationalsozialismus, die Sorge und Verzweiflung von Eltern und Mitläufern, der schlechte Kirchenbesuch oder das Grauen und die Klage nach der Zerstörung der Kirche, die Schwierigkeiten des Wiederaufbaues, der tatsächlich im Zeichen des Versuchers steht – jeder Satz des Spiels traf ins Schwarze.1631
Im Artikel erwähnt Horkel nicht explizit die im Stück thematisierte Judenverfolgung, er weist aber darauf hin, dass man kaum ein Wort verändert habe und man sich genau an die Regieanweisungen hielt. „Von allen Spielen, die wir seit Jahren in unserer Gemeinde dargeboten haben, hinterließ es wohl den stärksten Eindruck.“1632 Zu einer zweiten Aufführung waren die Nachbargemeinden eingeladen, 1627 1628 1629 1630 1631 1632
Vgl. E-Mail vom 16.06.2020 von Pfarrer Stefan Stauch. Vgl. LAELKB, LKR 0.2.0003-50397. Vgl. LAELKB, BD Weilheim i.OB 3.2.0005-5003. Horkel, Walter: Als wäre es für uns geschrieben. In: Junges Spiel (1955), H. 8, o. S. Ebd. Ebd.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
um ihnen auf diese Weise für ihre Spenden zum Kirchenbau mit dem Spiel zu danken. Horkel beendet seinen Bericht mit den Zeilen: Da es so einzigartig und ohne zu verletzen die wirkliche Wahrheit über diesen wesentlichen Abschnitt der Geschichte unserer Gemeinde wiedergibt, möchte ich wünschen, dass es alle fünf oder zehn Jahre gewissermaßen als Jubiläumsspiel in unserer Kirche aufgeführt werde; die Botschaft, die es auszurichten hat, bleibt für alle Zeiten aktuell.1633
Das Nachfragen in der Kirchengemeinde Sennfeld ergab, dass das Spiel 1954 auch noch in Nachbargemeinden aufgeführt wurde sowie im Mai 1955 erneut in Sennfeld. Es gab Überlegungen, das Spiel im Herbst 1955 in Augsburg im Rahmen der Feierlichkeiten zum 400. Jahrestag des Augsburger Religionsfriedens aufzuführen. Ob dies tatsächlich erfolgte oder es nur bei der Planung blieb, ging aus den dokumentierten Laienspielberichten der Kirchengemeinde nicht hervor.1634 Aber allein die Überlegung zeigt, wie sehr man von dem Spiel überzeugt war. Horkels Wunsch, das Stück alle fünf oder zehn Jahre als Jubiläumsspiel in der eigenen Kirche zu sehen, erfüllte sich nicht. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Zur Ehre seines Namens tatsächlich aufgeführt wurde, um eine im Krieg zerstörte und wieder errichtete Kirche einzuweihen, und die Aufführung den stärksten Eindruck hinterließ.
4.13
Zusammenfassung
Das evangelische Laienspiel der Nachkriegszeit knüpfte an die vergangenen Jahre an, und so gehörten Münchener Laienspiele sowie Texte der ersten Phase der Christlichen Gemeindespiele (1938–1941) zum Spielplan. Auch trat man mit Stücken auf, die nicht von Verlagen veröffentlicht waren. Beispielsweise verfasste der Berliner Robert Pautzke Schuldner und spielte es 1948 mit dem Evangelienchor-Ost in zahlreichen Kirchengemeinden. In dem Stück setzte Pautzke die Spielweise und Textgestaltung seines Lehrers Hans Maurer um, der im ,Dritten Reich‘ mit seinen Evangelienspielen auf Tournee gegangen war und Bekanntheit erlangt hatte. Nur mit einer geliehenen Schreibmaschine ausgestattet gründete der Anfang 20jährige Oskar Ermert in Altenhundem Ende 1945 die „Evangelische Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel“. Er verbreitete Spieltexte, kontaktierte Autoren und Laienspielkenner und hoffte, ein großes Netzwerk aufbauen zu können. Weil Ermert, dessen Tätigkeiten man heute wohl als engagiertes Start-up-Unternehmen
1633 Ebd. 1634 Vgl. E-Mail vom 16.06.2020 von Pfarrer Stefan Stauch.
Zusammenfassung
bezeichnen würde, die offiziellen Wege nicht einhielt, wurde er unter anderem von Samuel Rothenberg an der Fortsetzung gehindert. Dieser leitete ab 1946 in Kassel die „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“, welche im Auftrag der Jugendkammer der EDK arbeitete. Die landeskirchlichen Laienspielberatungsstellen ergänzten die Tätigkeiten der Mittelstelle. Bereits 1946 erklärte Rothenberg, dass sie in der Laienspielarbeit einen starken Auftrieb erleben würden. Zu Rothenbergs Engagement für das evangelische Laienspiel gehörte auch die Herausgabe der Oncken-Laienspiele. 1950 wurde Ulrich Kabitz Rothenbergs Nachfolger. Die „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ wurde umbenannt in „Mittelstelle für Werk und Feier“. Zu deren Veröffentlichungen gehörte ab vermutlich 1951 auch die Laienspielreihe Die Spielschar. Im November 1952 konstituierte sich ergänzend die „Arbeitsgemeinschaft für evangelisches Laienspiel“. Diese förderte die evangelischen Beratungsstellen und gab ab 1953 zusammen mit dem Christian Kaiser Verlag und dem Quell-Verlag Junges Spiel – Blätter für Spiel in evangelischer Jugend und Gemeinde heraus. Mirbt, der 1960 formulierte: „Wir müssen unsere Vergangenheit klar darlegen, mit all dem Bösen und Guten, was da gewesen ist, damit wir ihrer wieder Herr werden. Dazu sind wir alle aufgerufen“1635 , berichtete aber nur sehr detailfreudig von Vorträgen und Laienspielwochen vor und nach der nationalsozialistischen Herrschaft. Ab 1947 war er der Herausgeber der Bärenreiter-Laienspiele. Die Zeitschrift Die Laienspielgemeinde gab Mirbt von 1949 bis 1956 heraus, von 1950 bis 1952 gemeinsam mit Ulrich Kabitz. Die Reihe Christliche Gemeindespiele setzte der Christian Kaiser Verlag mit dem Verlagsleiter Fritz Bissinger ab 1947 fort. In der zweiten Phase bis 1958 erschienen 57 Stücke. 1955 wies der Verlag darauf hin, dass das 1949 veröffentlichte Stück Wir klagen an von Herbert Kuhn zu den am meisten aufgeführten deutschen Laienspielen gehöre. Betrachtet man die ganze Spielreihe, veröffentlichte Otto Bruder mit acht Titeln die meisten Stücke, gefolgt von Albrecht Goes mit sechs Spielen. In der ersten Phase sprechen die Figuren nur in 30 von 82 Stücken überwiegend in Prosa, in der zweiten Phase in 31 von 57 Stücken. Zu dieser Entwicklung passt der Gegenwartsbezug, auf den später noch eingegangen wird. Die Einbindung der Gemeinde durch Gesang kommt in der ersten Phase in 50 % der Spiele vor, in der zweiten nur noch in 28 %. Ein Vergleich der Kategorien zwischen den Gesamtverzeichnissen der Christlichen Gemeindespiele von 1939 und 1953 zeigte, dass die weihnachtlichen Stücke nicht mehr den größten Anteil darstellten, sondern die Kategorie der „Gemeindeabend-Spiele und Spiele der Zeit“ etwas umfangreicher war.
1635 Mirbt, Rudolf (Hrsg.): Laienspiel und Laientheater. Kassel u. a. 1960, S. 8.
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Evangelisches Laienspiel in der Nachkriegszeit
Durch fehlende neue Spieltexte ergab sich in der Nachkriegszeit in den Christlichen Gemeindespielen eine merkwürdig anmutende Bandbreite: 1947 zeigte beispielsweise bereits Thomas von Heinz Schoeppe – jenes Stück, über das sich Martin Walser begeistert äußerte –, dass vielfältige Gegenwartsbezüge durch in Prosa sprechende Figuren auf die evangelische Laienspielbühne gebracht werden konnten. Durch die Aufnahme von Münchener Laienspielen aus den 20er Jahren wie Die zehn Jungfrauen von Otto Bruder wurden den Laienspielern aber auch wieder holzschnittartige Stücke mit pathetischer Figurensprache in Versen empfohlen. Hervorstechendes Merkmal der Texte der Christlichen Gemeindespiele der zweiten Phase ist der Gegenwartsbezug. Jedermanns Welt wurde auf der Bühne gezeigt. Rudolf Otto Wiemer nannte 1950 in Das Brot, von dem wir essen seinen entlassenen Soldaten Michael Jedermann und ließ den Chor singen: „Jedermann – / du und ich! / Denk daran! / Besinne dich: / Du bist Jedermann.“1636 Darin stimmte Winfried Noack 1954 ein, und in Ein Spiel vom Jedermann erklang: „Ja, Jedermann, das bist auch du.“1637 Herbert Kuhn ergänzte in seinem Jedermann 56 ganze Textpassagen aus Hugo von Hofmannsthals Jedermann. Auf Martin Niemöllers Rede Der Weg ins Freie bezugnehmend, kann gesagt werden, dass in verschiedenen Christlichen Gemeindespielen seelische Nöte und der Umgang mit Schuld thematisiert wurden und dadurch ein ‚laienspielbewegter Weg ins Freie‘ eröffnet wurde. Bemerkenswert ist, dass Martin Boyken 1955 im Weihnachtsspiel Die große Enttäuschung zum Ausdruck brachte, dass das Evangelium als helfende Kraft auch zu leichtfertig über Abgründe gebreitet wurde. Mit der Platzierung der Brüder Friedrich und Gottlieb Jedermann im Publikum, die die Haltung: „Wir sind unschuldig!“1638 verkünden, wies Wiemer auf das Denken vieler in der damaligen Gesellschaft hin. Herbert Kuhn hat mit seinem erfolgreichen Stück Wir klagen an sehr wahrscheinlich auf Das Zeichen des Jona, das 1947 außerhalb einer Reihe erschien, geantwortet. Der Autor Günter Rutenborn zentrierte in dem Spiel, das eine Gerichtsverhandlung darstellt, die Schuldfrage auf die Deutschen, Kuhn hingegen brachte in seiner Gerichtsverhandlung eine Relativierung der deutschen Schuld zum Ausdruck. Das evangelische Laienspiel, das im ,Dritten Reich‘ auch dem Antijudaismus eine Bühne verschafft hatte, berichtete über die Verfolgung und Vernichtung der Juden nur vereinzelt. Beispielsweise ist in Das Zeichen des Jona die Rede von Verbrennungsöfen. In der Reihe Christliche Gemeindespiele wurde nur in einem Stück das Leid der Verfolgung gezeigt: In Zur Ehre seines Namens (1952) von Jens Christian Jensen erzählt ein Christ jüdischer Herkunft unter der Figurenbezeichung „der Ju-
1636 Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. CG Nr. 103. München 1950, S. 11. 1637 Noack, Winfried: Ein Spiel vom Jedermann. CG Nr. 117. München 1954, S. 40. 1638 Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen, S. 24.
Zusammenfassung
de“ von seiner grauenhaften Angst vor den Nationalsozialisten. In der sich nahtlos den Christlichen Gemeindespielen anschließenden Reihe Spiele der Zeit wurde 1959 Das Reich hat schon begonnen des jüdischen Autors Walter Meckauer veröffentlicht. Es zeigt grausame Szenen, in denen Juden gefoltert werden. 1959/1960 trug Gerhard Valentin dazu bei, das laute Schweigen des evangelischen Laienspiels zur Shoah und zum Antisemitismus zu brechen, denn er formulierte in Das Bänkellied von den starken Männern: „Alle, die ihr davon wißt, / wie es war und wird und ist: / ihr müßt das Schweigen brechen!“1639 Im evangelischen Laienspielkosmos zeigt sich bis Ende der 50er Jahre also die gleiche Entwicklung wie in der deutschen Gesellschaft: die Vernichtungsmentalität und die jüdischen Verfolgten wurden überwiegend beschwiegen. In den 50er Jahren verfasste auch der Theologe Ernst Lange zahlreiche Spieltexte. Er verband häufig traditionelle Spielelemente mit zeitgemäßem Agieren der Figuren – eine im Laienspiel bereits damals gängige Praxis. Als besonders innovativ sind das illusionistische Spiel Ein frommer Fehlschlag und das Jazz-Musical Halleluja, Billy zu nennen. Arnim Juhre schrieb 1957 Das Spiel von der Weißen Rose als Beitrag der Evangelischen Jugend für die Festlichen Tage Deutscher Jugend in Münster. Somit wurde auch das evangelische Laienspiel ein Träger der Erinnerung an die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“. Juhre ließ in dem Spiel auch eine Kumpanei agieren und nutzte damit eine traditionelle Laienspielweise, die hier als ‚Arrangement Oberuferer Prägung‘ benannt wurde. Im Laufe der Jahre entwickelte Ulrich Kabitz kleine Spielformen, und er ist der Erfinder des ‚Anspiels‘. Diese Form kennzeichnet, dass ein Thema im wahrsten Sinne des Wortes ‚angespielt‘ wird. Auch die Spielmotette und das Bänkellied können als Anspiel verstanden werden. Betrachtet man spieltheoretische Aussagen, so wird deutlich, dass dem evangelischen Laienspiel wieder ein vielfältigeres Aufgabenfeld zugesprochen werden konnte als im ,Dritten Reich‘. Es wurde zwar auch wieder als Verkündigung eingesetzt oder auch nur als Hinweis oder Antwort darauf verstanden, aber es sollte auch Jugendliche in die Kirche integrieren und Lebenshilfe sein. Die bereits in der Weimarer Republik mögliche Vielfalt des evangelischen Laienspiels konnte wieder aufgenommen und weiterentwickelt werden. Während sich Einigkeit über die Vielfalt durchsetzte, wurde die Frage nach dem Spiel im Kirchenraum hingegen wiederholt diskutiert. Im Praxisbericht, der jedes Hauptkapitel dieser Arbeit abschließt, stand wegen seiner Bedeutung Zur Ehre seines Namens von Jensen im Fokus. Das Stück mit dem Untertitel Ein Spiel vom Kirchbau wurde 1954 in Sennfeld zur Einweihung der im Krieg zerstörten und wieder errichteten Dreieinigkeitskirche aufgeführt. 1639 Valentin, Gerhard: Das Bänkellied von den starken Männern. In: Fuhrmann, Wilhelm (Hrsg.): Wir und die Juden. Materialmappen für die Evangelische Jugendarbeit Nr. 12. Berlin-Dahlem 1960, S. 68–70, hier: S. 68.
313
5.
Schluss
Unter Berücksichtigung des zeit- und kirchengeschichtlichen Hintergrunds wurde untersucht, wie sich das evangelische Laienspiel von der Weimarer Republik bis in die Nachkriegszeit entwickelt hat. Die anfangs gestellten Fragen nach Organisationsstrukturen, prägenden Persönlichkeiten, Spielreihen, Merkmalen der Stücke, besonders bedeutungsvollen Stücken, spieltheoretischen Äußerungen sowie Beispielen aus der Praxis wurden für jedes Zeitfenster beantwortet und jeweils am Ende jedes Hauptkapitels zusammengefasst. Im Folgenden werden daher nur die wichtigsten Fakten aufgeführt, um einen Überblick über die Entwicklungen zu geben. Bezüglich der Organisationsstrukturen ist zu konstatieren, dass es bereits in den 20er Jahren evangelische Laienspielberatungsstellen gab, die Spielgruppen zu Aufführungen und Stückauswahl berieten. Außerdem gab es den Bühnenvolksbund, eigentlich eine christliche Theaterbesucherorganisation, die sich aber sehr um das Laienspiel bemühte und Literatur herausgab sowie Beratung in zahlreichen Städten anbot. Hier bestand also schon eine überregionale Vernetzung christlichen, also des katholischen wie des evangelischen, Laienspiels. Angesichts des ‚Verschwindens‘ christlicher Laienspieltexte aus der Laienspielliteratur in den 30er Jahren stellte sich die Frage, inwiefern überhaupt das evangelische Spiel im ,Dritten Reich‘ offiziell fortgeführt werden konnte. Aber auch in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft existierten offizielle evangelische Beratungsstellen. In der Nachkriegszeit begann eine bis dahin nicht gekannte bundesweite Vernetzung u. a. durch die „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“, die im Auftrag der Jugendkammer der Evangelischen Kirche in Deutschland arbeitete. Als prägende Persönlichkeit gilt Rudolf Mirbt, der ab den 20er Jahren durch die Herausgabe der Münchener Laienspiele und als Leiter von zahlreichen Laienspielwochen überregional bekannt wurde, sich selbst aber nicht ‚nur‘ evangelisch positionieren wollte, sondern, begeistert von der Idee der Volksgemeinschaft, im Laienspiel eine konfessionelle und politische Grenzen überwindende Kraft sah. Die Forschungen dieser Arbeiten brachten Licht ins Dunkel über Mirbts Werdegang im ,Dritten Reich‘, zu dem seine Bereitschaft gehörte, seine Laienspielaktivitäten in den Dienst der Reichsjugendführung zu stellen, wozu es allerdings nicht kam. Wie in der Weimarer Republik prägte Mirbt in den Nachkriegsjahren nicht nur die Entwicklung des evangelischen, sondern des Laienspiels überhaupt in Deutschland. Auch Otto Salomon wirkte mit Ausnahme der Jahre 1938 bis 1945 im gesamten Untersuchungszeitraum prägend. Er arbeitete im Christian Kaiser Verlag und verfasste unter seinem schriftstellerischen Pseudonym Otto Bruder zahlreiche Spieltexte.
316
Schluss
Weit weniger bekannt als Mirbt und Bruder war Gustav Kochheim, der sich ebenfalls jahrzehntelang um das Laienspiel bemühte, indem er Spiele herausgab oder auch in Artikeln Stellung bezog. Er selbst bezeichnete sich als christgläubigen Nationalsozialisten. Im Dritten Reich setzen sich Vertreter der verschiedenen kirchenpolitischen Lager für das evangelische Laienspiel ein. Überregionale Bekanntheit erreichten Hans Maurer, der sich kirchenpolitisch nicht positionieren wollte, sowie Aurel von Jüchen, der sich für die Bekennende Kirche engagierte. Bezüglich des Laienspiels hatten sie, wie gezeigt werden konnte, konträre Vorstellungen. In den Nachkriegsjahren engagierte sich Samuel Rothenberg als Leiter der „Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel“ für eine überregionale Vernetzung. Ein besonderer Netzwerker war Ulrich Kabitz, der Rothenbergs Nachfolger wurde und bundesweit die Szene durch Laienspielwochen, Literatur, Stücke und die Entwicklung neuer Spielformen prägte. Unterstützt wurde Kabitz dabei auch von Ernst Lange und Gerhard Valentin. Dass das evangelische Laienspiel der 20er bis 50er Jahre, insbesondere das Spiel im ,Dritten Reich‘, bis zu dieser Forschungsarbeit weitgehend in Vergessenheit geraten ist, erstaunt angesichts der sich offenbarenden Flut von Spieltexten. Ulrich Kabitz gab mir in Interviews wesentliche Impulse zur Auffindung und Einordnung des umfangreichen Textmaterials, ebenso der Schriftsteller Arnim Juhre Das evangelische Laienspiel, dass in der Weimarer Republik Teil der Laienspielbewegung und somit der Jugendbewegung war, rief neben der Begeisterung für Bearbeitungen mittelalterlicher Spiele nach neuen Spieltexten. 1923 bis 1939 gab der Christian Kaiser Verlag die Reihe Münchener Laienspiele heraus, die danach vom Arwed Strauch Verlag fortgeführt wurde. Während Texte christlicher Thematik bis 1938 nur einen Teil der Münchener Laienspiele ausmachten, enthielt die Reihe Christliche Gemeindespiele des Christian Kaiser Verlags gemäß ihrem Namen ab 1938 ausschließlich entsprechende Inhalte. Die vermutlich aus fünf Stücken bestehende Reihe Biblische Laienspiele des 1938 verbotenen Jungenwacht-Verlags wurde in die Reihe Christliche Gemeindespiele übernommen. Hier ist darauf hinzuweisen, dass nie ein Gesamtverzeichnis über alle 135 Hefte erschien, und in der Nachkriegszeit einige aussortiert wurden. Alle Texte, die in der Reihe veröffentlicht wurden, lagen der Arbeit vor, ausgewählte Stücke wurden genauer in den Blick genommen. Als Autor, der bereits im ,Dritten Reich‘, aber auch in den Nachkriegsjahren bedeutsam war, ist Albrecht Goes zu nennen. Von ihm erschienen in der Reihe Christliche Gemeindespiele nach Otto Bruder (acht Stücke) die meisten Spiele, nämlich sechs. Bei fortlaufender Nummerierung gingen 1958 die Christlichen Gemeindespiele in die Spiele der Zeit über. In der Reihe Die Spielschar, die vermutlich ab 1951 zu den Veröffentlichungen der „Mittelstelle für Werk und Feier“ gehörte, erschienen allein bis 1959 77 oder 78 Hefte; dies ist aufgrund fehlender Jahresangaben nicht ganz eindeutig. Die Reihe
Schluss
Evangelische Laienspiele (Agentur des Rauhen Hauses) zeigte in den 30er Jahren mit 14 Spielen einen verhältnismäßig kleinen Umfang. Aufgrund des bestehenden großen Textumfangs floss die Auswertung der folgenden entdeckten Reihen nicht in diese Arbeit ein: Das Laienspiel in der Kirche, die Oncken-Laienspiele, die Bärenreiter-Laienspiele sowie die Reihe Verkündigungsspiele der Gemeinde. Hier ergeben sich also weitere Forschungsfelder. Ausgewählte Stücke der fokussierten Reihen wurden vorgestellt. Aber es wurden auch Spiele in den Blick genommen, die nicht in diesen Reihen erschienen: Lasset uns mit Jesu ziehen von Hermann Stöhr, Schuldner von Robert Pautzke, Das Zeichen des Jona von Günter Rutenborn sowie Das Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre. Kennzeichnend für alle drei zeitlichen Phasen ist, dass das evangelische Laienspiel nicht Charaktere, sondern Typen zeigt und so das Allgemeingültige zum Ausdruck bringen möchte. Ebenfalls ein Kennzeichen, das von den 20er Jahren bis Ende der 50er Jahre auffällig ist, ist das antiillusionistische Spiel. Unter den zahlreichen betrachteten Stücken in dieser Arbeit zeigte nur Ernst Lange 1951 mit Ein frommer Fehlschlag ein illusionistisches Spiel. In zahlreichen Regieanweisungen finden sich Hinweise, dass die Spieler gemeinsam ein- und ausziehen, sie während der Spielzeit im Halbkreis auf dem Schauplatz verweilen und für ihren Part hervortreten und wieder zurück. Das Agieren einer Kumpanei, beispielsweise von Girkon, Bruder, Goes und Juhre im evangelischen Laienspiel eingesetzt, wurde als ‚Arrangement Oberuferer Prägung‘ benannt. Der Gegenwartsbezug ist das hervorstechende Merkmal der Nachkriegszeit schlechthin. Während dieser vereinzelt in Spielen in der Weimarer Republik auffällt – wie 1932 durch die Arbeitslosenthematik in Das Feiertagsspiel von Mirbt –, verstummte der Gegenwartsbezug wenig überraschend in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft, um dann bereits 1947 beispielsweise mit Das Spiel des Jona von Günter Rutenborn hervorzutreten. Zu dieser Entwicklung passt die folgende: In der ausführlichen Betrachtung der Christlichen Gemeindespiele fiel auf, dass sich die sprachliche Gestaltung insofern veränderte, als zunehmend Prosa die Figurensprache kennzeichnete und die gebundene Sprache den Rückzug antrat. Ein Vergleich zwischen den Gesamtverzeichnissen der Christlichen Gemeindespiele von 1939 und 1953 zeigte, dass zuletzt nicht mehr die weihnachtlichen Stücke den größten Anteil darstellten, sondern das evangelische Laienspiel zunehmend über das ganze Kirchenjahr hinweg Bedeutung erlangte. Die Einbindung der Gemeinde durch Gesang kommt in der ersten Phase in 50 % der Spiele vor, in der zweiten nur noch in 28 %. Bezüglich der Kategorien ist noch die der „Frauenspiele“ auffällig, die sowohl in der ersten als auch in der zweiten Phase in den Gesamtverzeichnissen der Christlichen Gemeindespiele zu finden sind. Hier ergibt sich ein weiteres Forschungsfeld, das nach speziellen Kennzeichen fragt.
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Schluss
Anfang der 50er Jahre begann die Entwicklung kleinerer Spielformen, die unter dem Namen ‚Anspiele‘ subsumiert werden können. 1970 konstatierte Gerhard Valentin, dass diese mehr und mehr in den Vordergrund getreten seien. Spieltheoretische Texte zeigen, dass im ,Dritten Reich‘ das evangelische Laienspiel nur als Verkündigung oder als Hinweis oder Antwort auf diese gesehen wurde, hingegen hatte es in der Weimarer Republik eine große Bandbreite präsentiert – dies belegt beispielsweise die 1929 veröffentlichte Grundliste für evangelische Laienspieler. In den Nachkriegsjahren konnte an diese Vielfalt wieder angeknüpft werden. In allen drei Zeitfenstern gab es Auseinandersetzungen darüber, ob und wenn ja, was für ein Spiel in der Kirche gezeigt werden durfte. Als Beispiel aus der Praxis traten im ersten Hauptkapitel die Laien der „Evangelischen Bühnengilde Koblenz“ auf die imaginäre Bühne dieser Arbeit. Weil sie sowohl Stücke der Berufsbühne als auch der Laienspielszene inszenierten, wurde ihr Spiel als ‚laienspielbewegtes Dilettantentheater‘ benannt. Im zweiten Hauptkapitel zogen als Beispiel aus der Praxis die Spieler der Kampfschar Hutten vorüber, die sich den Deutschen Christen verschrieben hatten, und im dritten Hauptkapitel spielten Sennfelder Laienspieler Zur Ehre seines Namens; darin trat auch die Figur eines angsterfüllten „Juden“ auf. Vom Logenplatz des 21. Jahrhunderts aus betrachtet, ergeben sich folgende Besonderheiten: Als skurril erscheint, dass gerade die Kampfschar Hutten, die für die Deutschen Christen kämpfte und den Führer liebte, mit dem Stück Der Herold von Otto Bruder auf Tournee ging. Auch wurde festgestellt, dass der Christian Kaiser Verlag Spiele mit antijudaistischen Inhalten der Laienspielszene zugänglich machte. Als positiv hervorzuheben ist, dass in der Nachkriegszeit die Schuldfrage auf die Bühne gebracht wurde, eröffnete dadurch doch auch das Laienspiel einen Weg ins Freie. Sogar die Kritik an einer zu leichtfertig zugesprochenen Gnade wurde geäußert. Mit dem Spiel von der Weißen Rose von Arnim Juhre erinnerte das evangelische Laienspiel an die Widerstand leistenden Christen. Von der Verfolgung und Vernichtung der Juden wurde nur vereinzelt berichtet. Erschüttert fragt man sich: Warum wurde hier nicht früher mutiger bekannt? Aber auch: Was hätte ich selbst auf die Bühne gebracht? Im gesamten Untersuchungszeitraum spielten Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf der evangelischen Laienspielbühne, und in verschiedenen Facetten erklang die Botschaft: „Besinne dich: / Du bist Jedermann.“1640 Auch heute wird gespielt, und scheinbar hängt der evangelische Christ besonders am Weihnachtsspiel. Im Dezember 2020 wies Manuel Stark im Artikel Wo das Licht ist – erschienen in Christ & Welt, einer Beilage der Wochenzeitung Die ZEIT – auf die Bedeutung
1640 Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. CG Nr. 103. München 1950, S. 11.
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von traditionellen Krippenspielen hin. Stark erklärt, dass sich Kirchengemeinden vielerorts das Krippenspiel von der Pandemie nicht nehmen lassen wollten und Filme für ihre Mitglieder erstellten. Der Autor resümiert: „In einer Zeit, in der die Kirchen – egal ob evangelisch oder katholisch – jedes Jahr neue Rekorde an Austritten vermelden, scheinen Glaube und Tradition plötzlich wieder wichtig zu sein. Zumindest beim Krippenspiel an Weihnachten.“1641 Um auf dieses nicht verzichten zu müssen, wurde evangelischen Kirchenmitgliedern im Dezember 2020 auch empfohlen, das weihnachtliche Geschehen im eigenen Wohnzimmer aufzuführen, wie der Artikel Krippenspiel zu Hause – ein Familienereignis zeigt, der im Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde in Neuberg veröffentlicht wurde.1642 Im Januar 2021 fand wegen der Pandemie das jährliche ‚Krippival‘ digital statt, veranstaltet vom Referat Spiel- und Theaterpädagogik des Evangelisch-Lutherischen Landesjugendpfarramtes Sachsen. Eigentlich präsentieren beim ‚Krippival‘ verschiedene Gruppen auf der Bühne ihr Können, 2021 gab es jedoch ‚nur‘ Filme. Zu den von einer Jury ausgewählten besten Beiträgen gehört einer, der Maria und Josef in einem Stall zeigt, vor ihnen steht ein Laptop. Per Zoom, nahezu jedermanns Kommunikationsmedium in der Corona-Welt, spricht der Engel zu ihnen und verkündet, er habe „allen“ von Jesu Geburt berichtet. Neun Menschen werden der Videokonferenz zugeschaltet, und sie huldigen dem heiligen Kind.1643 Diese Arbeit sollen nun Worte beschließen, die die Sprecherin in Die Hirtin, dem ersten veröffentlichten Laienspiel von Albrecht Goes, im Epilog verkündet: „Es endet das Spiel und endet doch nicht.“1644
1641 Stark, Manuel: Wo das Licht ist. In: Christ & Welt. Die Zeit (2020), Nr. 54, S. 1. 1642 Vgl. N. N.: Krippenspiel zu Hause – ein Familienereignis. In: Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde in Neuberg. Dez. 2020/Feb. 2021, S. 22. https://kirche-neuberg.de/gemeindebrief/Gemeindebrief-20-4_web.pdf, zuletzt abgerufen am 29.01.2021. 1643 Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=3Sd9h6vrTdU&feature=youtu.be, zuletzt abgerufen am 29.01.2021. 1644 Goes, Albrecht: Die Hirtin. CG Nr. 11. 9. Aufl. München 1958, S. 28.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
I.
Unveröffentlichte Quellen
a.
Archivalische Quellen
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland (AEKR) Standort Boppard
Bestand 7NL 133B: Nachlass Walter Hoerder 4,9,10,16,17,18 Fotoalben, Berichte, Zeitungsartikel, Briefe und Spieltexte Standort Düsseldorf
Bestand 5WV013: Schülerbibelkreise, Laienspiel Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel: Tagungsprotokolle 238 Studientagung Waitzackerhof, 30.09.–05.10.1947; Studientagung für evangelisches Laienspiel: Protokoll der Sondersitzung der Beratungsstellenleiter, 04.10.1947. Bestand 1OB 009: Personalakten der Pfarrer K 244 Angaben Herbert Kuhn. Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde (BArch)
Bestand R/9361/V 29060 Schlesische Funkstunde G.M.B.H.: Angaben über Rudolf Mirbt, 14.09.1933; Akte der Reichskulturkammer über Rudolf Mirbt. Bestand R/55 234 Briefwechsel zwischen dem Reichssender Breslau und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda über die Entlassung von Rudolf Mirbt. Bestand R/9361/I 21189 Brief von Gustav Kochheim an das Gaugericht der NSDAP, 21.02.1939; Brief von Landesbischof Tügel an das Gaugericht der NSDAP, 19.05.1939. BArch R/9361/II 544263 Oberstes Parteigericht der NSDAP. Entlassung von Gustav Kochheim und Begründung 1940. BArch R/9361/IX 16141582 NSDAP Gaukartei Walter Hoerder (Angaben über Mitgliedschaft auch in BArch9361/VIII/11601367). 24050720 NSDAP Gaukartei Herbert Kuhn.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Deutsches Archiv für Theaterpädagogik, Lingen (DATP)
Bestand DATP-2: Sammlung Kabitz Kabitz, Ulrich: Noch einmal die alten Wege. Manuskript. O. O. 2 [München] o. J. 4 Kästner, Jürgen: Spiele und Gestalten und Laienspielarbeit in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Magisterarbeit. Leipzig 1995. 5 Pautzke, Robert: Chronik Evangelienchor, Berlin-Ost 1948–1951. 25 Programmzettel Heiligenhafener Sternsingerspiel 1945. 35 Pautzke, Robert: Schuldner. Ein Evangelienspiel nach dem Gleichnis vom Schalksknecht. Manuskript. Berlin 1948. Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin (ELAB)
14/663
15/1865
Brief des Berliner Stadtsynodalausschusses bzgl. Beratungsstelle von Hans Maurer. Schreiben des Evangelischen Konsistoriums der Mark Brandenburg an alle Pfarrer von Berlin und Mark Brandenburg. Mitteilung von Hans Maurer, Beratungsstelle. Brief von Grüneisen an das Evangelische Konsistorium der Mark Brandenburg. Spielempfehlungen. Sterbeurkunde Gartenschläger.
Evangelisches Zentralarchiv, Berlin (EZA)
6036/1 7/20342
Stöhr, Hermann: Lasset uns mit Jesu ziehen. Handschriftliches Manuskript 1940. Brief Maurers an den Präsidenten des Evangelischen Oberkirchenrats. Dokument über Überweisung. Reiseplan des Evangelienchores unter Leitung von Hans Maurer. Bericht über die Reise vom 14.04.–01.05.1938. Von Maurer gesammelte Pressestimmen über die Reise seines Evangelienchores.
Landesjugendpfarramt in Dresden (Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens)
Arbeitsgemeinschaft für Spiel in der evangelischen Jugend: Die Position des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend. Unveröffentlichter Bericht über eine Studientagung 1966. Darin enthalten: Kabitz, Ulrich: Situation des darstellenden Spiels in der evangelischen Jugend, S. 7–18. Und: Valentin, Gerhard: Demonstration kleiner Spielformen, S. 80–88. Eine Kopie des Berichts befindet sich nun auch im DATP.
Unveröffentlichte Quellen
Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Nürnberg (LAELKB)
LKR 0.2.0003–50397 und BD Weilheim i. OB 3.2.0005–5003: Akten über Walter Horkel. Landeskirchliches Archiv Kassel
Bestand C 3.5.3 Landeskirchenamt Personalakten 1141 Samuel Rothenberg 1951–1997. Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Bestand A327 242 Personalakte August Ebert. Stadtarchiv Regensburg
Sterbebücher Nr. 1620/1948: Heinrich Wilhelm Schöppe. Unternehmensarchiv der Bertelsmann SE & Co. KGaA, Gütersloh (BU)
Bestand 0005 Kaiser Verlag, Chr. 2 Korrespondenz von Hellmut Haffner mit verschiedenen Autoren. 4 Korrespondenz des Verlags (u. a. Albert Lempp) mit Otto Salomon (Otto Bruder). Korrespondenz mit Ulrich Kabitz. 6 Korrespondenz des Verlags (u. a. Albert Lempp) mit Willi Theile. 34 Korrespondenz des Verlags mit Albrecht Goes. 58 Korrespondenz des Verlags (u. a. Albert Lempp) mit Aurel von Jüchen. 96 Korrespondenz des Verlags (u. a. Fritz Bissinger) mit Heinz Schoeppe. 78 Korrespondenz des Verlags (u. a. Albert Lempp) mit Rudolf Mirbt. Korrespondenz Albert Lempps wg. Zeitschrift Das Deutsche Volksspiel 133 und Volksspiel und Feier. 144 Herstellungskartei Christliche Gemeindespiele. Nicht vollständig. 152 Korrespondenz mit und über Evangelische Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel (EACG). 153 Rundsendungen von der Mittelstelle für evangelisches Gemeindespiel. Korrespondenz des Verlags mit Samuel Rothenberg. Tagungsprotokolle Studientagung für ev. Laienspiel auf dem Waitzackerhof bei Weilheim/ Oberbayern. Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart
In memoriam August Ebert 1963, Signatur: 37C/81306.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
b.
Quellen aus Privatbesitz
Valentin, Gerhard: Lebenslauf. Eine Kopie stellte sein Sohn Christian Valentin dieser Arbeit freundlicherweise zur Verfügung. Wiemer, Rudolf Otto: Erinnerungen eines alten Laienspielers. Manuskript einer Rede. O. O. o. J. [1994–1995]. Eine Kopie stellte Arnim Juhre dieser Arbeit zur Verfügung. Eine Kopie des Manuskripts befindet sich nun auch im DATP.
c.
Schriftliche und mündliche Informationen
Arnim Juhre (†), Wuppertal Brigitte von Schroetter, Göttingen Christian Kabitz, Heidelberg Christian Valentin, Hemer Gabriele Barth, Geschäftsleitung Deutscher Theaterverlag GmbH Inge Nicolai, Koblenz Karen Zoller, Pressestelle Bayerischer Rundfunk Stefan Stauch, Sennfeld Ulrich Kabitz (†), München
II.
Veröffentlichte Quellen und Darstellungen
a.
Primärliteratur
Reihe Bärenreiter-Laienspiele Das Oberuferer Christgeburt- und Hirtenspiel. Hrsg. von Heinz Ritter. BärenreiterLaienspiele Nr. 101. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1950. Das Oberuferer Dreikönigsspiel. Hrsg. von Heinz Ritter. Bärenreiter-Laienspiele Nr. 102. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1950. Das Oberuferer Paradeisspiel. Hrsg. von Heinz Ritter. Bärenreiter-Laienspiele Nr. 103. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1951. Gräffshagen, Stephan: Das Spiel von der Brudersuche. Bärenreiter-Laienspiele Nr. 1. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1947. Grasshoff, Fritz: Das Heiligenhafener Sternsingerspiel. Bärenreiter-Laienspiele Nr. 115. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1950. Kochheim, Gustav: Das Horner Passionsspiel. Bärenreiter-Laienspiele Nr. 81. Kassel: Bärenreiter-Verlag 1949.
Veröffentlichte Quellen und Darstellungen
Reihe Christliche Gemeindespiele
Hier sind die Christlichen Gemeindespiele, die zitiert wurden, in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Im Anhang befindet sich eine Liste aller Christlichen Gemeindespiele in der Reihenfolge der Heftnummern. Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung. Ein weihnachtliches Spiel. Christliche Gemeindespiele Nr. 123. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Bruder, Otto: Der junge Mensch. Christliche Gemeindespiele Nr. 95. München: Christian Kaiser Verlag 1952. Bruder, Otto: Ein Mensch wie wir. Weihnachtsspiel. Christliche Gemeindespiele Nr. 130. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Cranz, Eva Maria: Heut schleusst er wieder auf die Tür. Christliche Gemeindespiele Nr. 102. München: Christian Kaiser Verlag 1949. Ebert, August: Der Ostermorgen. Ein biblisches Frauenspiel von der Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi. Christliche Gemeindespiele Nr. 80. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940. Ebert, August: Suchet den Herrn, so werdet ihr leben! Ein Prophetenspiel. Christliche Gemeindespiele Nr. 81. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1941. Freudenstein, Erich: Wachet auf! Ein biblisches Spiel für die Jugend. [Christliche Gemeindespiele Nr. 59]. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Fritzsche, Gerhard: Der Gotteskläger. Ein Spiel um das tägliche Brot. [Christliche Gemeindespiele Nr. 58]. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Fritzsche, Gerhard: Der junge Luther. Christliche Gemeindespiele Nr. 60. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Girkon, Paul: Des ewgen Vaters einig Kind. Ein weihnachtliches Singspiel nach alten Spielen, Liedern und Chorälen. 11. und 12. Tausend. Christliche Gemeindespiele Nr. 7. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Auch: 13. und 14. Tausend 1948. Goes, Albrecht: Der Zaungast. Ein Evangelienspiel. Christliche Gemeindespiele Nr. 63. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Auch: 2. Aufl. 1948. Goes, Albrecht: Die fröhliche Christtagslitanei. Christliche Gemeindespiele Nr. 101. München: Christian Kaiser Verlag 1949. Goes, Albrecht: Die Hirtin. Ein weihnachtliches Spiel. Christliche Gemeindespiele Nr. 11. 3. Aufl. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940. Auch: 9. Aufl. 1958. Jensen, Jens Christian: Zur Ehre seines Namens. Ein Spiel vom Kirchbau. Christliche Gemeindespiele Nr. 108. München: Christian Kaiser Verlag 1952. Jüchen, Aurel von: Als der Tag der Pfingsten erfüllet war. Christliche Gemeindespiele Nr. 75. München: Christian Kaiser Verlag 1940. Jüchen, Aurel von: Der undankbare Bauer. Ein Erntedankfestspiel. Christliche Gemeindespiele Nr. 68. München: Christian Kaiser Verlag 1939.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Jüchen, Aurel von: Die frohe Botschaft. Christliche Gemeindespiele Nr. 71. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Jüchen, Aurel von: Erschienen ist der herrlich Tag. Christliche Gemeindespiele Nr. 74. München: Christian Kaiser Verlag 1940. Jüchen, Aurel von: Vor der Tür des Paradieses. Christliche Gemeindespiele Nr. 67. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Klapproth, Erich: Der Ruf. Christliche Gemeindespiele Nr. 3. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Kuhn, Herbert: Jedermann 56. Christliche Gemeindespiele Nr. 125. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Kuhn, Herbert: Sein wie die Träumenden. Christliche Gemeindespiele Nr. 121. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Kuhn, Herbert: Wir klagen an. Christliche Gemeindespiele Nr. 97. München: Christian Kaiser Verlag 1949. Auch: 3. Aufl. 1955. Meyer, Karl-Heinz: Die drei Männer im Feuerofen. Christliche Gemeindespiele Nr. 45. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Noack, Winfried: Ein Spiel vom Jedermann. Christliche Gemeindespiele Nr. 117. München: Christian Kaiser Verlag 1954. Pein, Fritz: Das Zeugnis! Ein kirchliches Laienspiel von den Aposteln Petrus und Johannes. Christliche Gemeindespiele Nr. 28. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Rendl, Georg: Schuldner. Christliche Gemeindespiele Nr. 51. 3. Aufl. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1941. Schaudinn, Elisabeth: Die Frauen am Grabe. In: Dies.: Das Jahr des Herrn. Vier Spiele. Christliche Gemeindespiele Nr. 90. München: Christian Kaiser Verlag 1948, S. 25–34. Schaudinn, Elisabeth: Pfingstgespräch. In: Dies.: Das Jahr des Herrn. Christliche Gemeindespiele Nr. 90. München: Christian Kaiser Verlag 1948, S. 35–49. Stephan, Hanna: Esther. Ein biblisches Spiel von den Königen und von der Reinheit des Herzens. Christliche Gemeindespiele Nr. 120. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Stock, Hermann: Der Mensch Gottes. Christliche Gemeindespiele Nr. 82. München: Christian Kaiser Verlag 1947. Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. Ein Zeitstück. Christliche Gemeindespiele Nr. 103. München: Christian Kaiser Verlag 1950. Wiemer, Rudolf Otto: Der Prozess geht weiter. Christliche Gemeindespiele Nr. 112. München: Christian Kaiser Verlag 1950. Wilder, Thornton: Schlafwagen Pegasus. Ein Spiel in einem Akt. Christliche Gemeindespiele Nr. 118. München: Christian Kaiser Verlag 1954. Reihe Die Spielschar Lange, Ernst: Der verlorene Groschen. 4 Spielmotetten. Die Spielschar Nr. 31. Stuttgart: Quell-Verlag 1954.
Veröffentlichte Quellen und Darstellungen
Lange, Ernst: Ein frommer Fehlschlag. Die Spielschar Nr. 5. Stuttgart: Quell-Verlag 1951. Lange, Ernst: Ein Sohn kehrt heim. Die Spielschar Nr. 32. Stuttgart: Quell-Verlag [1954]. Lange, Ernst/Barbe, Helmut: Halleluja, Billy. Ein Spiel mit Musik. Die Spielschar Nr. 67. Stuttgart: Quell-Verlag [1956]. Reihe Evangelische Laienspiele Kochheim, Gustav: Abenteurer. Ein Gesprächspiel. Evangelische Laienspiele Nr. 4. Hamburg: Agentur des Rauhen Hauses 1930. Kochheim, Gustav: Ismael der Hirt. Ein Weihnachtsspiel. [Evangelische Laienspiele Nr. 1]. Hamburg: Agentur des Rauhen Hauses 1927. Reihe Münchener Laienspiele Bruder, Otto: Der Herold. Ein Feuerspiel. Münchener Laienspiele Heft 27. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1931. Bruder, Otto: Die zehn Jungfrauen. Ein Spiel von der Bereitschaft. Münchener Laienspiele Heft 13. München: Christian Kaiser Verlag 1926. Bruder, Otto: Luther der Kämpfer. Ein chorisches Feierspiel. Münchener Laienspiele Heft 92. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1933. Das Alsfelder Passionsspiel. Münchener Laienspiele Heft 38. München: Christian Kaiser Verlag 1928. Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Nach dem Redentiner Osterspiel. Bearbeitet von KarlHeinz Becker. Münchener Laienspiele Heft 61. München: Christian Kaiser Verlag 1931. Dittschlag, Werner: Chorisches Weihnachtsspiel. Münchener Laienspiele Heft 136. 4. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1935. Fritzsche, Gerhard: Christ ist erstanden! Ein Osterspiel. Musikalisch bearbeitet von Theophil Rothenberg. Münchener Laienspiele Heft 144. München: Christian Kaiser Verlag 1936. Goes, Albrecht: Die Roggenfuhre. Ein Evangelienspiel. Münchener Laienspiele Heft 153. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1937. Johst, Hanns: Propheten. Für das Laienspiel bearbeitet von Rudolf Mirbt. Münchener Laienspiele Heft 87. München: Christian Kaiser Verlag 1932. Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel. Ein chorisches Gegenwartsspiel. Münchener Laienspiele Heft 86. München: Christian Kaiser Verlag 1932. Mirbt, Rudolf: Die Judasspieler. Münchener Laienspiele Heft 156. München: Christian Kaiser Verlag 1937. Rendl, Georg: Vor der Ernte. Ein Evangelienspiel. Münchener Laienspiele Heft 100. München: Christian Kaiser Verlag 1934. Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller. Münchener Laienspiele Heft 1; 3. und 4. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1924. Auch: 11. und 12. Tausend 1933.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Weihnachtsspiel aus dem baierischen Wald. Erneuert von Wilhelm Dörfler und Hans Weinberg. Münchener Laienspiele Heft 3. 3. und 4. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1925. Reihe Spiele der Zeit Bruder, Otto: Die verlorenen Brüder. Mit Musik von Gerd Watkinson. Spiele der Zeit Nr. 139. München: Christian Kaiser Verlag 1959. Goes, Albrecht: Der Mensch von unterwegs. Spiele der Zeit Nr. 145. München: Christian Kaiser Verlag 1960. Meckauer, Walter: Das Reich hat schon begonnen. Ein modernes Mysterienspiel von der Ohnmacht der Macht. In drei Teilen und in mehreren Zeiten. Spiele der Zeit Nr. 138. Große Reihe. München: Christian Kaiser Verlag 1959. Thöldtau, Hans-Jürgen: Zur Schätzung gerufen. Spiele der Zeit Nr. 136. München: Christian Kaiser Verlag 1958. Reihe Volksspiele des Mittelalters Christgeburtsspiel aus Oberufer bei Preßburg. Mitgeteilt von K. J. Schröer. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 3. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1918. Das Niederdeutsche Osterspiel aus Redentin vom Jahre 1464. Übertragung von Max GümbelSeiling. 8. bis 12. Tausend. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 7. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1923. Das Spiel von den zehn Jungfrauen. Eisenach 1322. Übertragen von Max Gümbel-Seiling. 5. bis 7. Tausend. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 8. Leipzig: Breitkopf & Härtel 1918. Spiel vom Sündenfall. Paradeisspiel aus Oberufer bei Preßburg. Mitgeteilt von K. J. Schröer. Deutsche Volksspiele des Mittelalters Nr. 1. 10. bis 14. Tausend. Leipzig: Breitkopf & Härtel [1920]. Weitere Spieltexte Borchert, Wolfgang: Draußen vor der Tür und ausgewählte Erzählungen. 1901. bis 1925. Tausend. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1986. Brecht, Bertolt: Furcht und Elend des III. Reiches. 24 Szenen. New York: Aurora-Verlag 1945. Bruder, Otto: Der Herold. Ein Feuerspiel. Schlüchtern: Neuwerk-Verlag 1926. Bruder, Otto: Um den Glauben. Ein evangelisches Frauenspiel. München: Christian Kaiser Verlag 1935. Cranz, Eva Maria: Frohes Dienen. Ein Kriegs-Festspiel. Leipzig: Strauch [1917]. Girkon, Paul: Des ewgen Vaters einig Kind. Ein weihnachtlich Singspiel nach alten Spielen, Liedern und Chorälen. 7. und 8. Tausend. Jena: E. Diederichs 1930.
Veröffentlichte Quellen und Darstellungen
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c.
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https://www.hu-berlin.de/de/ueberblick/geschichte/juedische-studierende/uni-im-ns/ der-ns-studentenbund, zuletzt abgerufen am 17.12.2020. https://www.johannes-petzold.de/quellen/34-dichter/1235-gerhard-fritzsche.html, zuletzt abgerufen am 01.08.2020. https://kirche-neuberg.de/gemeindebrief/Gemeindebrief-20-4_web.pdf, zuletzt abgerufen am 29.01.2021. http://www.literaturnetz.at/salzburg/andere_60/Rendl_Georg_896.html, zuletzt abgerufen am 12.08.2020. https://www.murnau-stiftung.de/movie/411, zuletzt abgerufen am 27.11.2020. https://spiegelungen.net/oberuferer-spiele, zuletzt abgerufen am 14.01.2021. https://www.strube.de/index.php?id=9&tx_komponisten_pi1[uid]=550, zuletzt abgerufen am 11.12.2020. https://www.thh-friedensau.de/trauer-um-winfried-noack, zuletzt abgerufen am 05.11.2020 https://www.ulb.uni-muenster.de/sammlungen/nachlaesse/nachlass-staehlin.html, zuletzt abgerufen am 26.02.2021. https://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2013-091-jensen-nachruf, zuletzt abgerufen am 03.04.2020. https://www.vaganten.de/fileadmin/Presse/Festschrift_70_Jahre/70_Jahre_Vaganten_ Jubil%C3%A4umszeitschrift.pdf, zuletzt abgerufen am 20.11.2020. https://www.youtube.com/watch?v=3Sd9h6vrTdU&feature=youtu.be, zuletzt abgerufen am 29.01.2021. https://www.zeit.de/thema/black-lives-matter, zuletzt abgerufen am 15.01.2021. Internet-Ausstellung zum christlich motivierten Widerstand in der Zeit des Nationalsozialismus (Träger der Ausstellung ist die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte): https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=613, zuletzt abgerufen am 25.07.2020. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=kurzbiografie&id=55&l=de, zuletzt abgerufen am 26.07.2020. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=44, zuletzt abgerufen am 31.07.2020. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=276&l=de, zuletzt abgerufen am 31.07.2020. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=146, zuletzt abgerufen am 01.09.2020. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=147, zuletzt abgerufen am 01.09.2020. https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=dokument&id=926, zuletzt abgerufen am 01.12.2020.
345
346
Quellen- und Literaturverzeichnis
e.
Gesangbücher
Antwort finden in alten und neuen Liedern, in Worten zum Nachdenken und Beten: Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Bayern und Thüringen. München u. a.: Evang. Presseverband für Bayern 1994. Evangelisches Gesangbuch für Brandenburg und Pommern. Hrsg. von den Provinzialkirchenräten von Brandenburg und Pommern. Stettin: Hessenland 1931. Evangelisches Gesangbuch. Ausgabe für die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Lippische Landeskirche in Gemeinschaft mit der Evangelisch-reformierten Kirche (Synode evangelisch-reformierter Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland). Gütersloh u. a.: Gütersloher Verlagshaus 1996. Gemeindelieder. Herausgegeben im Auftrag des Bundes Freier Evangelischer Gemeinden in Deutschland und des Bundes Freier evangelischer Gemeinden. Wuppertal: Oncken Verlag, Witten: Bundes-Verlag 1978.
Abkürzungen
AEKR BArch BbL BBKL BK BL BRSD BU CG DATP DDR DEK DS EACG EJD EBK EKD EL ELAB e.V. EZA FDJ HJ KdF KiHo KZ LAELKB LKA ML/MLS NS NSDAP NWDR OL RSK
Archiv der Evangelischen Kirche im Rheinland Bundesarchiv Biblische Laienspiele Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Bekennende Kirche Bärenreiter-Laienspiele Bund der religiösen Sozialisten Deutschlands Bertelsmann Unternehmensarchiv Christliche Gemeindespiele Deutsches Archiv für Theaterpädagogik Deutsche Demokratische Republik Deutsche Evangelische Kirche Die Spielschar Evangelische Arbeitsgemeinschaft für christliches Gemeindespiel Evangelische Jugend Deutschlands Evangelische Bühnengilde Koblenz Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Laienspiele Evangelisches Landeskirchliches Archiv in Berlin eingetragener Verein Evangelisches Zentralarchiv Freie Deutsche Jugend Hitlerjugend Kraft durch Freude Kirchliche Hochschule Konzentrationslager Landeskirchliches Archiv der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern Landeskirchliches Archiv Münchener Laienspiele Nationalsozialismus, nationalsozialistisch Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nordwestdeutscher Rundfunk Oncken-Laienspiele Reichsschrifttumskammer
348
Abkürzungen
SA SdZ SPD SS
Sturmabteilung Spiele der Zeit Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel
Anhang
Liste aller Christlichen Gemeindespiele (1–135) Zunächst waren die Christlichen Gemeindespiele eine Kategorie in den Münchener Laienspielen, dann wurde daraus eine eigene Reihe. Hier werden alle Titel der ersten und zweiten Phase in der Reihenfolge der Heftnummern aufgeführt. Phase eins reicht von 1938 bis 1941 (CG Nr. 1 bis CG Nr. 81), Phase zwei von 1947 bis 1958 (CG Nr. 82 bis CG Nr. 135). In CG Nr. 20 sind zwei Spiele und in CG Nr. 90 sind vier Spiele enthalten. Der Christian Kaiser Verlag hat kein Gesamtverzeichnis mit allen Titeln beider Phasen veröffentlicht. Dieser Liste liegen auch die Angaben der Herstellungskartei der Christlichen Gemeindespiele zugrunde (BU 0005/144). Die Zahl der jeweiligen Auflage wurde von den Münchener Laienspielen fortgesetzt. Aufgeführt werden Ausgaben, die dieser Arbeit vorlagen. Einige Texte lagen als Münchener Laienspiele vor, in diesen Fällen befindet sich die Angabe „CG Nr.“ in Klammern. Teilweise wurden Münchener Laienspiele durch Stempel zu Christlichen Gemeindespielen. Wann die Stempel gesetzt wurden, ist nicht ersichtlich. Andere Texte waren bereits vor der Gründung der Reihe Christliche Gemeindespiele im Christian Kaiser Verlag erschienen und waren keine Münchener Laienspiele. Die Reihe Biblische Laienspiele (BbL) erschien im Jungenwacht-Verlag, der 1938 verboten wurde; dann wurden die Spieltexte zu Christlichen Gemeindespielen. Teilweise wurde einfach nur der Einband verändert. Bei der Angabe dieser Ausgaben sind die Nummern beider Reihen angegeben (BbL Nr. und CG Nr.). Die Titel mit * wurden im Gesamtverzeichnis der Christlichen Gemeindespiele 1953 aufgeführt. Spiegel, Lieselotte: Auf dem Wege zur Krippe. Ein Spiel für Kinder. CG Nr. 1. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Wiemer, Rudolf Otto: Das Kind im Schnee. Ein Weihnachtsspiel für Kinder. CG Nr. 2. 2. Aufl. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940. Klapproth, Erich: Der Ruf. Ein Spiel von der Bereitschaft. CG Nr. 3. München: Christian Kaiser Verlag 1939.* Audirsch, Fritz. Die heilige Nacht. ML H. 155 (CG Nr. 4). München: Christian Kaiser Verlag 1936. Schäfer, Robert: Das Spiel von Johannes dem Täufer. ML H. 154 (CG Nr. 5). München: Christian Kaiser Verlag 1936. Auch: CG Nr. 5. 2. Aufl. 1952.* Knapp, Ludwig: Das Schwazer Krippenspiel. ML H. 152 (CG Nr. 6). München: Christian Kaiser Verlag 1936.*
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Anhang
Girkon, Paul: Des ewgen Vaters einig Kind. Ein weihnachtliches Singspiel nach alten Spielen, Liedern und Chorälen. CG Nr. 7. 11. und 12. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag, 1939. Auch: 13. und 14. Tausend 1948.* Koehler, Elfriede: Dat Kisserower Spill von de Krüww. ML H. 137 (CG Nr. 8). München: Christian Kaiser Verlag 1935.* Dittschlag, Werner: Chorisches Weihnachtsspiel. ML H. 136 (CG Nr. 9). 4. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1935. Linke, Johannes: Krippenspiel für Kinder. CG Nr. 10. 11. bis 14. Tausend. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940.* Goes, Albrecht: Die Hirtin. Ein vorweihnachtliches Spiel. CG Nr. 11. 3. Aufl. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940. Auch: 9. Aufl. 1958.* Schäfer, Robert: Die Geburt Christi. ML H. 96 (CG Nr. 12). München: Christian Kaiser Verlag 1933. Auch: CG Nr. 12. 3. Aufl. 1950.* Steinberg, Rudolf: Herrnhuter Krippenspiel. CG Nr. 13. 3. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1939.* Tügge, Karl: Das heilig Licht leucht uns herfür. CG Nr. 14. 5. Aufl. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940.* Das Spiel von Christi Höllenfahrt. Nach dem Redentiner Osterspiel. Bearbeitet von KarlHeinz Becker. ML H. 61 (CG Nr. 15). München: Christian Kaiser Verlag 1931. Zimmer, Otto: Das schlesische Spiel von Christi Geburt. ML H. 104 (CG Nr. 16). München: Christian Kaiser Verlag 1934. Heiseler, Bernt von: Die Schwefelhölzer. ML H. 59 (CG Nr. 17). 3. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1936. Auch: CG Nr. 17. 7. und 8. Tausend 1949.* Hinz, Joseph: Das kleine Weihnachtsspiel. ML H. 51 (CG Nr. 18). 3. und 4. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1933. Wurmbach, Adolf: Wir sind die drei Könige mit ihrem Stern. ML H. 50 (CG Nr. 19). München: Christian Kaiser Verlag 1936.* Hinterthür, Wilhelm: Das Maria- und Joseph-Spiel. Das Hirtenspiel. Zwei weihnachtliche Bilder. ML H. 49 (CG Nr. 20). München: Christian Kaiser Verlag 1930. Auch: CG Nr. 20. 4. Aufl. 1954.* Heiseler, Henry von: Die Nacht des Hirten. Ein Adventspiel. ML H. 36 (CG Nr. 21). 5. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1935. Auch: CG Nr. 21. 17. bis 19. Tausend 1947.* Lindenberg, Liselotte: Deutsche Weihnacht. Für den Gottesdienst zusammengestellt. CG Nr. 22. 7. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1939.* Weihnachtsspiel aus dem baierischen Wald. Erneuert von Wilhelm Dörfler und Hans Weinberg. ML H. 3 (CG Nr. 23). 3. und 4. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1925. Dreyer, Heinrich: Der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ein Spiel von der Ankunft und der ewigen Gegenwart des Herrn. CG Nr. 24. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Mirbt, Rudolf: Passion. Eine Spielfolge für die Karwoche. Nach altem Passionsspielgut frei gestaltet. ML H. 88 (CG Nr. 25). München: Christian Kaiser Verlag 1932.
Liste aller Christlichen Gemeindespiele (1–135)
Mirbt, Rudolf: Die Judasspieler. ML H. 156 (CG Nr. 26). München: Christian Kaiser Verlag 1937. Ebert, August: Onesimus. Ein Spiel nach dem Brief an Philemon. CG Nr. 27. München: Christian Kaiser Verlag 1937. Pein, Fritz: Das Zeugnis! Ein kirchliches Laienspiel von den Aposteln Petrus und Johannes. CG Nr. 28. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Isaaks Opferung. Ein biblisches Spiel von Joachim Schlue. Erneuert von Wilhelm Treblin. CG Nr. 29. 4. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1940.* Waldis, Burkard: Der verlorene Sohn. Erneuert von Alwin Müller. ML H. 1 (CG Nr. 30). 11. und 12. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1933. Auch: CG Nr. 30. 7. Aufl. 1950.* Tügge, Karl: Der Herr ist wahrlich auferstanden. Ein Osterspiel. CG Nr. 31. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp [1940].* Fritzsche, Gerhard: Christ ist erstanden! Ein Osterspiel. Musikalisch bearbeitet von Theophil Rothenberg. ML H. 144 (CG Nr. 32). München: Christian Kaiser Verlag 1936. Auch: CG Nr. 32. 2. Aufl. 1951.* Rendl, Georg: Vor der Ernte. Ein Evangelienspiel. ML H. 100 (CG Nr. 33). München: Christian Kaiser Verlag 1934. Die Auferweckung des Lazarus. Neu herausgegeben von Herbert Galow. CG Nr. 34. München: Christian Kaiser Verlag 1936. Hentschel, Erhard: Jairi Töchterlein. Ein Osterspiel. CG Nr. 35. München: Christian Kaiser Verlag 1936.* Fritzsche, Gerhard: Ein Spiel von der Kirche. Pfingstspiel. Musikalisch bearbeitet von Theophil Rothenberg. CG Nr. 36. München: Christian Kaiser Verlag 1937.* Goes, Albrecht: Vergebung. Ein Frauenspiel. CG Nr. 37. München: Christian Kaiser Verlag 1937. Auch: 3. Aufl. 1950.* Goes, Albrecht: Die Roggenfuhre. Ein Evangelienspiel. ML H. 153 (CG Nr. 38). 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag, 1937. Auch: CG Nr. 38. 5. Aufl. 1951.* Rendl, Georg: Der Säemann. Ein Evangelienspiel. ML H. 101 (CG Nr. 39). München: Christian Kaiser Verlag 1934. Auch: CG Nr. 39. 5. und 6. Tausend 1947.* Peters, Kurt-Vollrath: Zweier Herren Knechte. Ein Evangeliumsspiel. BbL Nr. 2 und CG Nr. 40. Wesermünde-Lehe: Jungenwacht-Verlag/München: Christian Kaiser Verlag 1939. Riebold, Fritz: Erntedank. CG Nr. 41. München: Christian Kaiser Verlag 1937. Fritzsche, Gerhard: Der Tag des Herrn. CG Nr. 42. München: Christian Kaiser Verlag [1937]. Peters, Kurt-Vollrath: Die köstliche Perle. CG Nr. 43. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp [1940]. Meyer, Karl-Heinz: Berufung. CG Nr. 44. München: Christian Kaiser Verlag 1939.* Meyer, Karl-Heinz: Die drei Männer im Feuerofen. BbL Nr. 5 und CG Nr. 45. WesermündeLehe: Jungenwacht-Verlag/München: Christian Kaiser Verlag 1939. Mumelter, Maria Luise: Das Spiel vom Herbergen. Ein weihnachtliches Frauenspiel. CG Nr. 46. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Auch: 3. Aufl. 1950.*
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Anhang
Das Alsfelder Passionsspiel. ML H. 38 (CG Nr. 47). München: Christian Kaiser Verlag 1928.* Schieder, Julius: Gustav Adolf. Ein Spiel von der Kirche, Not und Rettung. CG Nr. 48. München: Christian Kaiser Verlag 1932. Windschild, Karl: Paul Gerhardt. Szene. Mit einem Vorschlag zur Gestaltung einer PaulGerhardt-Feier. CG Nr. 49. München: Christian Kaiser Verlag 1936.* Sauer, Lotte: Paulus. Szenen aus seinem Leben. CG Nr. 50. München: Christian Kaiser Verlag 1936.* Rendl, Georg: Schuldner. Ein Evangelienspiel. CG Nr. 51. 3. Aufl. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1941.* Roettger, Karl: Die Heimkehr. Dramatische Legende. ML H. 25 (CG Nr. 52). 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1931. Fuchs, Gerhard: Wovon die Menschen leben. Ein Spiel nach einer Geschichte von L. N. Tolstoi. ML H. 58 (CG Nr. 53). München: Christian Kaiser Verlag 1932. Auch: CG Nr. 53. 7. bis 9. Tausend 1947.* Mirbt, Rudolf: Das Feiertagsspiel. Ein chorisches Gegenwartsspiel. ML H. 86 (CG Nr. 54). München: Christian Kaiser Verlag 1932. Faure, Alexander: Hiob. Ein biblisches Spiel. ML H. 23. (CG Nr. 55). 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1936. Milčinski, Fran: Wo die Liebe ist, da ist auch Gott. Ein Legendenspiel. CG Nr. 56. 3. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1949.* Treutler, Gustav Adolf: Der verrostete Ritter. Ein Spiel von der alles überwindenden Liebe. CG Nr. 57. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1950.* Fritzsche, Gerhard: Der Gotteskläger. Ein Spiel um das tägliche Brot. CG Nr. 58. 3. und 4. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1949.* Freudenstein, Erich: Wachet auf! Ein biblisches Spiel für die Jugend. [CG Nr. 59]. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Fritzsche, Gerhard: Der junge Luther. CG Nr. 60. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Koch, Walter: Deutsche Männer vor Christus. CG Nr. 61. München: Christian Kaiser Verlag 1938.* Bier-Billing, Lina: Die Samariterin: Ein biblisches Frauenspiel. CG Nr. 62. 5. bis 7. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1950.* Goes, Albrecht: Der Zaungast. Ein Evangelienspiel. CG Nr. 63. München: Christian Kaiser Verlag 1938. Auch: 2. Aufl. 1948.* Schäfer, Robert: Das Spiel von den drei Weisen. CG Nr. 64. München: Christian Kaiser Verlag 1938.* Ebert, August: Marcus. Ein Biblisches Spiel. CG Nr. 65. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Mumelter, Maria Luise: Die Blindenlegende. CG Nr. 66. 3. und 4. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1949.* Jüchen, Aurel von: Vor der Tür des Paradieses. Ein Adventspiel. CG Nr. 67. München: Christian Kaiser Verlag 1939.
Liste aller Christlichen Gemeindespiele (1–135)
Jüchen, Aurel von: Der undankbare Bauer. Ein Erntedankfestspiel. CG Nr. 68. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Eitel, Emil: Dein Licht kommt. CG Nr. 69. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Ebert, August: Nikodemus. Ein Biblisches Spiel um die Passion unseres Herrn Jesu Christi. CG Nr. 70. München: Christian Kaiser Verlag 1939. Jüchen, Aurel von: Die frohe Botschaft. Ein Krippenspiel. CG Nr. 71. Notauflage zur 1. Auflage, welche 1939 im Verlag Albert Lempp, München, erschienen ist. Altenhundem/ Westfalen: Evangl. Arbeitsgemeinschaft Christliches Gemeindespiel 1945. Girkon, Paul: Freu dich, Erd und Sternenzelt. Eine darstellende Liturgie zum Heiligen Christfest. CG Nr. 72. München: Christian Kaiser Verlag 1940. Baumann, Richard: Der Neue Bund. Ein Spiel um Jeremia. CG Nr. 73. München: Christian Kaiser Verlag 1939.* Jüchen, Aurel von: Erschienen ist der herrlich Tag! Ein Osterspiel. CG Nr. 74. München: Christian Kaiser Verlag 1940.* Jüchen, Aurel von: Als der Tag der Pfingsten erfüllet war. Ein Pfingstspiel um die Gestalt des Nikodemus. CG Nr. 75. München: Christian Kaiser Verlag 1940.* Goes, Albrecht: Der Weg zum Stall. Ein Krippenspiel für Kinder. CG Nr. 76. 4. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1952.* Arndt, Fritz: Ein Spiel um Johannes den Täufer. CG Nr. 77. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940.* Arndt, Fritz: Er muss wachsen. Ein biblisches Spiel zum Johannestag. CG Nr. 78. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940.* Arndt, Fritz: Die Geburt des Johannes. Ein Evangelienspiel zum Advent. CG Nr. 79. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940.* Ebert, August: Der Ostermorgen. Ein bibl. Frauenspiel von der Auferstehung unseres Herrn Jesu Christi. CG Nr. 80. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1940. Ebert, August: Suchet den Herrn, so werdet ihr leben! Ein Prophetenspiel. CG Nr. 81. München: Evangelischer Verlag Albert Lempp 1941. Stock, Hermann: Der Mensch Gottes. Ein geistliches Spiel. Vertonungen von Armin Knab. CG Nr. 82. München: Christian Kaiser Verlag 1947.* Schoeppe, Heinz: Thomas. CG Nr. 83. München: Christian Kaiser Verlag 1947.* Meinzolt, Marie: Des Königs Aufgebot. CG Nr. 84. München: Christian Kaiser Verlag 1947.* Müller, Hannah: Das Zehn-Jungfrauenspiel. CG Nr. 85. München: Christian Kaiser Verlag 1947.* Sommerauer, Adolf: Michael. Ein Spiel von der Treue Gottes. CG Nr. 86. München: Christian Kaiser Verlag 1947.* Bruder, Otto: Die zehn Jungfrauen. Ein Spiel von der Bereitschaft. CG Nr. 87. München: Christian Kaiser Verlag 1947.* Meinzolt, Marie: Eine Weihnachtsfeier für den Kindergottesdienst. CG Nr. 88. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1950.*
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Anhang
Bruder, Otto: Christofferus. Ein Legendenspiel. CG Nr. 89. 11.–13. Tausend. München: Christian Kaiser Verlag 1950.* Schaudinn, Elisabeth: Das Jahr des Herrn. Vier Spiele. CG Nr. 90. München: Christian Kaiser Verlag 1948.* Schaudinn, Elisabeth: Das Spiel von der Barmherzigkeit. CG Nr. 91. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1950.* Bruder, Otto: Der Herold. CG Nr. 92. München: Christian Kaiser Verlag, o. J.* Roßmann, Hermann: Kinderkrippenspiel. CG Nr. 93. München: Christian Kaiser Verlag, o. J.* Haffner, Hellmut: Wir warten alle auf den gleichen Zug. CG Nr. 94. München: Christian Kaiser Verlag [1948].* Bruder, Otto: Der junge Mensch. CG Nr. 95. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1952.* Kabitz, Ulrich: Spielmann vor der Kirchentür. Ein Frühlingsspiel. CG Nr. 96. München: Christian Kaiser Verlag 1949.* Kuhn, Herbert: Wir klagen an. CG Nr. 97. München: Christian Kaiser Verlag 1949.* Ihme, Friedrich: Land, Land, Land, höre des Herrn Wort! Ein liturgisches Spiel zum Evangelium vom vierfachen Ackerfeld. CG Nr. 98. München: Christian Kaiser Verlag 1949.* Teuber, Helmut: Ausfahrt und Heimkehr. Ein Verkündigungsspiel. CG Nr. 99. München: Christian Kaiser Verlag 1950.* Bruder, Otto: Um den Glauben. Ein evangelisches Frauenspiel. CG Nr. 100. München: Christian Kaiser Verlag 1950.* Goes, Albrecht: Die fröhliche Christtagslitanei. CG Nr. 101. München: Christian Kaiser Verlag 1949.* Cranz, Eva Maria: Heut schleusst er wieder auf die Tür. CG Nr. 102. München: Christian Kaiser Verlag 1949. * Wiemer, Rudolf Otto: Das Brot, von dem wir essen. CG Nr. 103. Ein Zeitstück. München: Christian Kaiser Verlag 1950.* Haffner, Hellmut: Pilatus. CG Nr. 104. Münster: Christian Kaiser Verlag 1951.* Bruder, Otto: Von Pontius zu Pilatus. CG Nr. 105. 2. Aufl. München: Christian Kaiser Verlag 1951.* Kuhlmann, Fridel Marie: Gottes Bote. Ein Adventsspiel. CG Nr. 106. München: Christian Kaiser Verlag 1951.* Adam, Willi: Das Michldorfer Krippenspiel. CG Nr. 107. München: Christian Kaiser Verlag 1951.* Jensen, Jens Christian: Zur Ehre seines Namens. Ein Spiel vom Kirchbau. CG Nr. 108. München: Christian Kaiser Verlag 1952.* Grigat, Werner: Das Marienkind. Ein Spiel für Schulkinder nach dem gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm. CG Nr. 109. München: Christian Kaiser Verlag 1952.* Bruder, Otto: Die Märtyrer von Lyon. Ein Reformationsspiel. CG Nr. 110. München: Christian Kaiser Verlag 1952.*
Liste aller Christlichen Gemeindespiele (1–135)
Tatsch, Erika: Mutter erzählt die Weihnachtsgeschichte. CG Nr. 111. Ein Krippenspiel. München: Christian Kaiser Verlag 1952.* Wiemer, Rudolf Otto: Der Prozess geht weiter. CG Nr. 112. München: Christian Kaiser Verlag 1953.* Valentin, Gerhard: Die gegen Morgen wohnen. CG Nr. 113. München: Christian Kaiser Verlag 1953.* Kochheim, Gustav: Der Hinterhalt. Ein Spiel zur Passion. CG Nr. 114. München: Christian Kaiser Verlag 1953. Graffam, William Lane: Die Anfechtung der Elisabeth Fry. CG Nr. 115. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Ehlert, Elisabeth: Krippenspiel. Mit Texten der Bibel und Liedern der Reformationszeit. CG Nr. 116. München: Christian Kaiser Verlag 1953. Noack, Winfried: Ein Spiel vom Jedermann. CG Nr. 117. München: Christian Kaiser Verlag 1954. Wilder, Thornton: Schlafwagen Pegasus. Ein Spiel in einem Akt. CG Nr. 118. München: Christian Kaiser Verlag 1954. Sachs, Hans: Die ganze Passion. Ein geistliches Spiel aus dem Jahr 1558. CG Nr. 119. Übertragen und bearbeitet von Walter Schricker und Georg Leingärnter. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Stephan, Hanna Esther: Ein biblisches Spiel von den Königen und von der Reinheit des Herzens. CG Nr. 120. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Kuhn, Herbert: Sein wie die Träumenden. Ein Adventsspiel nach der Erzählung ”Der Gast bei Bauern“ von Nikolai Ljesskow. CG Nr. 121. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Jackman, Stuart B.: Treffpunkt Parkhotel. Auch ein Krippenspiel. CG Nr. 122. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Boyken, Martin: Die grosse Enttäuschung. Ein weihnachtliches Spiel. CG Nr. 123. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Jeglinski, Ulrich: Das Erstaunen der Weisen. Ein fast heiteres Epiphaniasspiel. CG Nr. 124. München: Christian Kaiser Verlag 1955. Kuhn, Herbert: Jedermann 56. CG Nr. 125. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Grigat, Werner. Der Tod als Pate. Ein Spiel nach dem gleichnamigen Märchen der Brüder Grimm. CG Nr. 126. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Bauer, Franz: Katzensilber. Ein Spiel nach der Erzählung „Die Silbergrube“ von Selma Lagerlöf. CG Nr. 127. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Runge, Max: Der barmherzige Samariter. Ein biblisches Spiel. CG Nr. 128. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Klein, Gustav: Der wunderbare Ruf. Eine biblische Szene. CG Nr. 129. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Bruder, Otto: Ein Mensch wie wir. Weihnachtsspiel. CG Nr. 130. München: Christian Kaiser Verlag 1956. Sauer, Charlotte: Dein weißer Mann. CG Nr. 131. München: Christian Kaiser Verlag 1957.
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Anhang
Runge, Max: Der Narr. Ein Spiel vom reichen Kornbauern. CG Nr. 132. München: Christian Kaiser Verlag 1957. Abel, Eduard: Die Vogelscheuche. CG Nr. 133. München: Christian Kaiser Verlag 1957. Rapp, Wolfgang: Die Teufelskugel. Ein Spiel nach Motiven einer deutschen Volkssage und R. L. Stevensons Erzählung „Der Flaschenkobold“. CG Nr. 134. München: Christian Kaiser Verlag 1958. Schultze, Herbert: Betriebsunfall. Ein Spiel mit einer Diskussion. CG Nr. 135. München: Christian Kaiser Verlag 1958.
Liste aller Christlichen Gemeindespiele (1–135)
Abbildung 3 Bruder, Otto: Die zehn Jungfrauen. Ein Spiel von der Bereitschaft. ML H. 13. München 1926. 11,5 x 15,5 cm.
Abbildung 4 Goes, Albrecht: Der Zaungast. Ein Evangelienspiel. CG Nr. 63. München 1938. 11,5 x 15,1 cm.
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Anhang
Abbildung 5 Goes, Albrecht: Die Hirtin. CG Nr. 11. 9. Aufl. München 1958. 11 x 14,8 cm.
Abbildung 6 Thöldtau, Hans-Jürgen: Zur Schätzung gerufen. SdZ Nr. 136. München 1958. 10,5 x 14,8 cm.
Personenregister
A Adenauer, Konrad 299, 302 Adorno, Theodor W. 176 Aicher-Scholl, Inge 284, 286, 290, 291 Aleith, Eva 89 Altenberg, Paul 285 Altenburg, Gerhard 269 Altendorf, Werner 21, 83 Althaus, Paul 21 Asmussen, Hans 108, 176–178 B Bachmann, Heinrich 29 Barbe, Helmut 279 Barth, Karl 79, 80, 98, 221 Becker, Karl-Heinz 28, 47, 55–59 Behrend, Horst 265, 266, 285, 293 Behrend, Jens-Peter 266 Behrend, Rainer 266 Bergengruen, Werner 210 Bergmann, Walter 170 Bernert, Günter 19 Bethge, Eberhard 267 Beutel, Albrecht 114 Bissinger, Fritz 22, 99, 192, 195, 201, 204, 222, 311 Blachetta, Walter 27 Blumenthal, Oskar 71 Blumhardt, Christoph Friedrich 43 Böhme, Herbert 81 Bonhoeffer, Dietrich 21, 99, 114, 190, 267 Borchert, Wolfgang 225, 251, 266 Boyken, Martin 243, 244, 247, 248, 250, 251, 276, 277, 312 Braasch, Konrad 35 Brecht, Bertolt 27, 286, 299
Brix, Gertraud 15 Brockmeier, Wolfram 100, 101 Bruder, Otto 42, 44, 47, 48, 51, 66, 77, 84, 92–98, 101, 102, 109, 110, 130, 131, 134, 172–174, 198, 205–208, 250, 254, 258–260, 304, 305, 308, 311, 312, 315, 316, 318 Buber, Martin 118 Buisman, Wolfram 107, 145, 150, 303 Bultmann, Rudolf 21 Busch, Johannes 295 C Clarenbach, Adolf 73 Colberg, Erich 111 Coors, Dietmar 17, 269 Cordes, Margarethe 111 Cranz, Eva Maria 234, 248, 250, 274 Cullors, Patrisse 282 D Dessin, Gustav 33, 35–37, 77 Dibelius, Friedrich Karl Otto 177 Dinges, Ottilie 19 Dittschlag, Werner 112, 148, 198 Dörfler, Wilhelm 40 Dürer, Albrecht 28 E Ebert, August 113, 123–125, 128, 129, 143, 147, 148, 156, 157, 173, 198 Ebert, Wilhelm 123 Eichert, Ellynor 15 Ellerton, John F. 294 Ermert, Oskar 182–185, 196, 310 Ernst, Christian 292
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Personenregister
F Fietkau, Wolfgang 285 Figge, Paul 71–73 Flemmig, Georg 43 Floyd, George 282 Frank, Anne 175 Franke, Margarete 16 Frenzel, Herta 292 Freudenstein, Erich 113, 141, 148, 198 Frick, Wilhelm 104 Friedrich, Jörg 234 Fritzsche, Martin Gerhard 113, 132–134, 147, 173 G Gartenschläger, Georg 90–92, 107, 172, 322 Garza, Alicia 282 Gauger, Martin 157 Gentges, Ignaz 18, 19, 27, 32 Gerhardt, Paul 59 Gerst, Wilhelm Carl 31 Girkon, Paul 24, 25, 33, 34, 36, 37, 66, 67, 69, 91, 183, 191, 192, 303 Goebbels, Paul Joseph 83, 247 Goes, Albrecht 109, 113, 118, 119, 122, 123, 131, 144, 145, 147, 151, 154, 173, 175, 198, 209–211, 250, 251, 260, 263, 271, 302, 307, 311, 316, 319 Goethe, Johann Wolfgang von 285 Gogarten, Friedrich 21 Gollwitzer, Helmut 14, 44, 268, 308, 338 Goob-Hähndel, Gero 158 Graap, Lothar 285 Graf, Willi 284, 291, 292 Gräffshagen, Stephan 188 Grass, Günter 211 Grasshoff, Fritz 274, 276 Grosche, Robert 29 Gruber, Wilhelm 189 Grüneisen, Karl 91, 92, 172, 322
Gümbel-Seiling, Maximilian 16, 24, 28, 53, 56–59, 252 Gutkelch, Walter 253 H Haaß-Berkow, Gottfried 16, 20, 23, 24, 26, 76, 252 Haffner, Hellmut 179, 208, 323 Hausmann, Manfred 34, 253 Heim, Karl 21 Heinemann, Gustav 268 Heiseler, Bernt von 112, 198 Held, Heinrich 58 Henlein, Konrad 101, 103, 173, 195 Herman, Nikolaus 58 Hermle, Siegfried 5, 294 Hesse, Hermann 255 Hesse, Ulrich 195 Heydt, Friedrich von der 74 Hitler, Adolf 56, 79, 80, 94, 103, 156, 173, 287–289, 301 Hoerder, Walter 5, 69, 70, 72–76 Hofmannsthal, Hugo von 13, 14, 28, 40, 70, 71, 219, 220, 222–224, 252, 312 Horkel, Walter 309, 310 Hossenfelder, Joachim 79 Huber, Kurt 284, 292 Huch, Ricarda 286, 287, 294 J Jahn, Friedrich Ludwig 93 Jähnke, Walter 130, 170–172, 174 Jänicke, Theodor 292 Jensen, Jens Christian 198, 211, 215, 216, 251, 309, 313 Johst, Hanns 40, 47, 74, 77 Jost, Richard 72 Jüchen, Aurel von 86, 89, 90, 103–105, 107–109, 113, 134, 144–154, 173, 182, 219, 250, 302, 303, 305, 308, 316, 323
Personenregister
Juhre, Arnim 18, 283–287, 289–292, 294, 313, 316, 317 Junghans, Ferdinand 82, 83 K Kabitz, Ulrich 5, 14, 18, 19, 179, 180, 184, 187, 188, 190–193, 196, 201, 219, 258, 266, 268, 277, 279, 282–284, 293, 295, 297–299, 311, 313, 316 Kästner, Jürgen 19 Kaufmann, Andreas 15, 16, 20, 23, 26, 27, 38 Keller, Anne 17 Keller, Gottfried 290 Keller, Otto 74 Klapproth, Erich 112–115, 118, 131, 148, 150, 173, 251, 303 Kleinschmidt, Karl 104 Klepper, Jochen 185 Knab, Armin 199 Kochheim, Gustav 62–65, 78, 153, 154, 187, 302, 305, 306, 316 Korte, Barbara 16, 17 Kowa, Viktor de 263 Kuhn, Herbert Otto 198, 219, 221–224, 229, 233, 243, 247, 248, 251, 264, 265, 311, 312 Kurtz, Adolf 114 L Lange, Ernst Karl Jakob 193, 266–268, 271, 274, 276–279, 282, 283, 294, 306, 313, 316, 317 Leibrandt, Reinhard 27 Lempp, Albert 21, 22, 42, 44, 86, 89, 97, 98, 101–103, 105–108, 110, 111, 146, 152, 153, 173, 209 Linke, Johannes 112, 148, 198 Luserke, Martin 20, 27, 40, 109 Luther, Martin 47, 50, 58, 75, 93–96, 133, 134, 149, 150, 173, 303
M Maechler, Winfried 267 Major, Georg 150, 303 Mann, Thomas 175 Marceau, Marcel 297 Marti, Kurt 285 Martin, Trayvon 282 Maurer, Hans 86–92, 107, 109, 150–154, 172, 181, 302, 303, 305, 308, 310, 316 Meckauer, Walter 254–256, 260 Meiser, Hans 22 Mell, Max 307 Merz, Georg 21, 39, 43 Meyenberg, Irmgard 22 Meyer, Karl-Heinz 113, 134–136, 138, 139, 169, 173, 250, 274 Mirbt, Carl 38 Mirbt, Rudolf 13, 17, 20–23, 27, 28, 37–42, 44–48, 51, 59–62, 64, 65, 67, 73, 76, 77, 81, 83, 84, 93, 99–103, 110–112, 172, 173, 187–189, 192, 194–196, 205, 219, 274, 286, 311, 315, 317 Mirbt, Rudolfv 40 Mohr, Harry 292 Mozart, Wolfgang Amadeus 73 Muck-Lamberty, Friedrich 26, 76, 237 Müller, Alwin 39, 40, 46–48, 51, 71, 74, 77, 273 Müller, Ludwig 80, 156 Müller-Eberhardt, Waldemar 70, 74 Mumelter, Maria Luise 113 Mussolini, Benito 256 N Nerger, Lothar 92 Netzsch, Walter 296, 297 Neuhaus, Volker 5, 93 Neumann, Ralph 265 Niemöller, Martin 80, 93, 176–178, 224, 248, 312 Niessen, Carl 32, 82
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Personenregister
Niggemann, Hans 22, 81 Noack, Winfried 219–222, 251, 312 P Pautzke, Robert 179–181, 310 Pein, Fritz 112, 113, 129–131, 148, 170, 172, 173 Petzold, Johannes 132 Plaendorf, Hanna 180 Pleister, Werner 22, 35, 81–83, 169 Poelchau, Harald 158 Probst, Christoph 284, 292 R Reinhardt, Max 28 Reisch, Erich 307 Rendl, Georg 109, 110, 113, 139–141, 147 Rendtorff, Heinrich 61 Rendtorff, Rolf 138, 139 Riethmüller, Otto 36, 87, 152 Ritter, Karl Bernhard 30, 37, 66 Röhm, Eberhard 155–158, 166 Rosenberg, Alfred 154 Roßbach, Oberleutnant 170, 171 Rothenberg, Friedrich Samuel 184–189, 311, 316 Rothenberg, Theophil 132 Rutenborn, Günter 263–266, 285, 312, 317 S Sachs, Hans 26–28, 35, 66, 71, 72, 77 Salomon, Otto s. Bruder, Otto Sartre, Jean-Paul 266 Schaudinn, Elisabeth 226, 227, 248, 250, 252 Scheller, Thilo 81 Schlösser, Rainer 105, 106 Schmidt-Japing, Johann Wilhelm 221 Schmorell, Alexander 284, 292 Schoeppe, Heinz 198, 200, 201, 204, 205, 219, 250–252, 312
Scholl, Hans 284, 292, 294 Scholl, Sophie 284, 292 Schönherr, Karl 71 Schönthan, Franz von 71 Schönthan, Paul von 71 Schröder, Carl 56 Schröder, Rudolf Alexander 185 Schröer, Karl Julius 26 Schroetter, Brigitte von 18, 19 Schröter, Renate 292 Schultz, Bischof 104 Schweitzer, Albert 255 Sebald, Winfried Georg 234 Seiler, Ludwig 33 Selnecker, Nikolaus 97 Siebenbrock, Jan 17 Siegmund-Schultze, Friedrich 155, 156 Sölle, Dorothee 285 Staewen, Gertrud 267 Stählin, Wilhelm 30, 37, 40, 66–68, 73, 308 Steguweit, Heinz 22, 81 Steiner, Rudolf 23, 24, 26 Stock, Hermann 188, 197, 198, 219, 225, 226, 248, 250, 303, 304, 308 Stöhr, Hermann 155–159, 162, 164, 165, 168, 169, 174 Strauß, Franz Josef 297 T Theile, Willi 97, 98 Thöldtau, Hans-Jürgen 253 Thurneysen, Eduard 21 Tometi, Opal 282 Trautmann, Lothar 292 Treblin, Wilhelm 40, 65, 66, 72, 73, 307 Tügel, Franz 154
Personenregister
V Valentin, Gerhard Ernst 193, 279, 286, 288, 292–295, 299, 302, 308, 313, 316, 318, 322 Visser ’t Hooft, Willem 176, 177 Vondung, Klaus 80 W Waldis, Burkard 13, 48, 50, 51, 67, 68, 74, 149, 273 Wallau, René Heinrich 35, 66, 67 Walser, Martin 200, 312 Watkinson, Gerd 238, 258 Weinberg, Hans 40 Weiße, Michael 58
Welkisch, Herbert 100, 173 Wieman, Mathias 274, 276 Wiemer, Rudolf Otto 20, 26, 27, 237, 242, 243, 247, 248, 250, 251, 312 Wiesebach, Wilhelm 29 Wilder, Thornton 198, 217–219 Withalm, Berthold H. 75 Wolfersdorf, Peter 16 Wolfrum, Rudolf 75 Wurm, Theophil 176 Z Zimmermann, George Zweig, Stefan 287
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