Jeder Bürger Soldat. Juden und das polnische Militär (1918–1939) [1. ed.] 9783666370540


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German Pages 503 [502] Year 2023

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Jeder Bürger Soldat. Juden und das polnische Militär (1918–1939) [1. ed.]
 9783666370540

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Schriften des Simon-Dubnow-Instituts Herausgegeben von Yfaat Weiss Band 29

Christhardt Henschel

Jeder Bürger Soldat Juden und das polnische Militär (1918–1939)

Vandenhoeck & Ruprecht

Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes. Gefördert durch

DI 143/14-1–3 (Sachbeihilfe)

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2024 Vandenhoeck & Ruprecht, Robert-Bosch-Breite 10, D-37079 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Brill Wageningen Academic, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: In Jabłonna internierte jüdische Soldaten, 1920. © From the Archives of the YIVO Institute for Jewish Research, New York. Lektorat: André Zimmermann, Leipzig Satz: textformart, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-098X ISBN 978-3-666-37054-0

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Polnische Patrioten, tapfere Juden. Nation, Militär und Geschichte im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . 21 1.1 Reform und Teilung. Juden und Polen am Ende der Rzeczpospolita . . . . . . . . . . . 21 1.2 Von Italien nach Polen. Hoffnungen in der napoleonischen Ära . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.3 Gegenwart zu Geschichte. Polens Aufstände 1830, 1848 und 1863 . . . . . . . . . . . . . . . 41 1.4 Getrennte Wege? Juden und Polen zwischen Januaraufstand und Großem Krieg . . 62 2. Mit Feuer und Schwert. Polen, Juden und das Militär im Übergang zur Eigenstaatlichkeit . . 75 2.1 Vom Wort zur Tat. Die Entstehung der polnischen Armee . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.2 Von der Nation zum Staat. Der Diskurs um die ethnische Verfasstheit der Armee . . . . . . 97 2.3 Gewalt und Exklusion. Polens Militär auf dem Weg nach Jabłonna . . . . . . . . . . . . . 119 2.4 Überzählige Soldaten. Juden und die Schlacht bei Warschau . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2.5 Heloten der polnischen Armee. Jüdische und polnische Einschätzungen zu Jabłonna . . . . . . . 182

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Inhalt

3. »Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« Polens Militär zwischen Nationalisierungsinteresse und Alltagspragmatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3.1 Armee im Frieden. Struktur, Vernetzung und Gestaltungsanspruch der Streitkräfte 193 3.2 Die multiethnische Staatsarmee als Realität. Erfassung, Kategorisierung und Bewertung der Minderheiten . . 208 3.3 Von Rekruten zu Staatsbürgern. »Nationalitätenarbeit« im Militär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3.4 Für ein mächtiges Polen. Die Armee in der Minderheitenpolitik Polens . . . . . . . . . . . 320 4. Joselewicz’ Erben. Gedächtniskultur und Militär im jüdisch-polnischen Kontext . . . . 329 4.1 Ausgegrenzt und einbezogen. Die Organisationen jüdischer Kriegsveteranen . . . . . . . . . . . 329 4.2 Geschichte für Gegenwart und Zukunft. Jüdisch-polnische Gedächtniskultur nach 1918 . . . . . . . . . . 346 4.3 »In erster Linie sind wir Juden.« Jüdische Veteranen zwischen Staat, Armee und Minderheit . . . 364 4.4 Von Berek Joselewicz zu Bernard Mond? Jüdische und polnische Bilanzen am Ende der Zwischenkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 »Jabłonna« und der Fortgang der Geschichte. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Archivquellen (411)  |  Edierte Quellen (414)  |  Presse und Periodika (418) | Nachschlagewerke (419) | Biografien, Erinnerungen und Tagebücher (421)  | Literarische Texte und Bildbände (424)  | Publizistik und nichtwissenschaftliche Publikationen (425)  |  Sekundärliteratur (430) Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Ortsregister (489) | Personenregister (491) | Sachregister (497)

Vorwort

Polens neuzeitliche Geschichte war immer auch die Geschichte von Juden, Militär und Gedächtniskultur. Die Bündelung dieser drei so grundlegenden Perspektiven lässt historische Zusammenhänge zutage treten, deren Nachwirkungen bis in die Gegenwart reichen. Nicht zuletzt haben die 100-Jahr-Feiern der Gründung der Zweiten Polnischen Republik, die im Jahr 2020 mit dem Jubiläum der Schlacht bei Warschau zu Ende gegangen sind, gezeigt, dass die genannten Themenfelder, ob einzeln oder in ihrer Gesamtheit, die Öffentlichkeit in Polen und darüber hinaus erreichen. Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertationsschrift, die im Februar 2015 von der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität Leipzig angenommen wurde. Wie in jeder Forschungsarbeit flossen im Laufe der Jahre viele Denkanstöße, Hinweise und Einwände von akademischen Lehrerinnen und Lehrern, Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden und anderen Gesprächspartnern in den Text ein. Mein erster Dank gilt Dan Diner, damals Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur, der mir den Weg in die jüdische Geschichte gewiesen hat. Als Betreuer nahm er wesentlichen Anteil an der Konzeption und Entstehung der Arbeit. Nicht weniger prägend war für mich der Umgang mit polnischer und ostmitteleuropäischer Geschichte, den mir Michael G. Müller vermittelt hat. Für seine geduldige Förderung und seine Begutachtung bin ich besonders dankbar. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei Wolfgang Höpken für die Zweitbegutachtung sowie bei Manfred Rudersdorf, ehemals Dekan der Fa­ kultät, für die Leitung des Dissertationsverfahrens. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Dubnow-Institut waren durch die Lektüre von Projektanträgen und Kapitelfragmenten, Diskussionen und andere Hilfestellungen an der Entstehung dieses Buches beteiligt. Für ihre Kollegialität und die Bereitschaft, sich in ein scheinbar randständiges Thema einzudenken, danke ich ihnen, vor allem Nicolas Berg, Jörg ­Deventer, Jan Eike Dunkhase, Arndt Engelhardt, Lutz Fiedler, Mandy Fitzpatrick, ­Elisabeth ­Gallas, Jan Gerber, Paweł Gorszczyński, Marion Hammer, Alexandra K ­ emmerer, Klaus Kempter, Carolin Kosuch, David Kowalski, Anna Novikov, Nicole Petermann, Grit Scheffer, Mirjam Thulin, Tom Wiese und ­Susanne Zepp. Besonders am Herzen liegt mir, mich bei Stephan Stach für die Freundschaft, den jahrelangen engen Gedankenaustausch über unsere thematisch verwandten Arbeiten sowie die gemeinsamen Projekte zu bedan-

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Vorwort

ken. Gleiches gilt für Hanna Kozińska-Witt, die mich auf meinem Weg stets bestärkt hat. Der mittlerweile verstorbene Jerzy Tomaszewski und Claudia Kraft gaben mir wichtige Denkanstöße zu Beginn der Arbeit. Auch Natalia Aleksiun, Michał Galas, Kamil Kijek, Marcos Silber, Katrin Steffen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kolloquiums »Juden im Militär. Erfahrung und Erinnerung im 19. und 20. Jahrhundert« (Michał Baczkowski, Nikolaus Buschmann, Franziska Davies, Christine G. Krüger, Martin Zückert) und der Vortragsreihe »Minderheitenpolitik als Interaktion? Die staatlichen Institutionen der Zweiten Polnischen Republik und die ›nichtpolnischen‹ Staatsbürger ­(1918–1939)« (unter anderem Pascal Trees, Andrej Rukkas, Jerzy Grzybowski, Mateusz Rodak) waren mir wichtige Gesprächspartner. Heidi Hein-Kircher danke ich für die Bereitstellung der mikroverfilmten Jahrgänge der Polska Zbrojna, dem Direktor des Historischen Museums der Stadt Legio­ nowo, Jacek Emil Szczepański, für die unbürokratische Bereitstellung von Abbildungen. Für die Zuarbeiten in israelischen Archiven danke ich Kathrin Theurillat, für die Hilfe bei der Erstellung des Registers Maja Dachtera. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft über mehrere Jahre hinweg finanziell getragen. Darüber hinaus hat das Deutsche Historische Institut Warschau mehrere Archivaufenthalte unterstützt. Der heutigen Institutsleitung, Direktor Miloš Řezník und seiner Stellvertreterin Ruth Leiserowitz, sei zudem für die Möglichkeit gedankt, neben meiner Forschung die Überarbeitung des Manuskripts vollenden zu können. Für die Aufnahme dieser Studie in die Schriftenreihe des Dubnow-Instituts danke ich dem vormaligen Direktor Raphael Gross sowie der amtierenden Direktorin Yfaat Weiss, unter deren Herausgeberschaft der Band nun erscheinen kann. Petra Klara Gamke-Breitschopf hat die Publikation des Buches engagiert, geduldig und fachkundig betreut, wofür ich ihr herzlich danke. Nicht minder großer Dank gilt André Zimmermann für sein kritisches und sorgfältiges Lektorat und Carolin Piorun für die Unterstützung bei der finalen Textredaktion. Neben meinen Eltern Christian und Gudrun Henschel gilt mein besonderer Dank meinen Schwiegereltern Aleksandra Górska-Melke und Jerzy Melke  (†) für ihre unermüdliche Unterstützung, ohne die Familien- und Forscherleben nicht zu vereinbaren gewesen wären. Unabdingbare Voraussetzungen für die Fertigstellung der Arbeit waren die Zuversicht und der Beistand meiner Ehefrau Marta Melke. Ihr ist dieses Buch gewidmet. Christhardt Henschel

Warschau, im Sommer 2023

Der ganze Krieg fußt auf Ideen, Metaphern und Fiktionen und nicht auf der Realität, weil sich für Letztere doch niemand umbringen lassen würde … Rostworowski, Listy z wojny polsko-bolszewickiej 1918–1920

Einführung

Jabłonna an der Weichsel. Topografie eines Erinnerungsorts Verließen Eisenbahnreisende zu Beginn des letzten Jahrhunderts Warschau nördlich in Richtung der preußischen Grenze, durchquerten sie eine Landschaft von Flussdünen, die noch unberührt war von den späteren Schanzwerken des Großen Krieges.1 Die waldreiche Gegend wurde trotz ihrer stillen Schönheit mitnichten zu den touristischen Attraktionen des »Weichselgouvernements« gezählt, das bereits seit drei Generationen von Sankt Petersburg aus beherrscht wurde. Dementsprechend spärlich waren auch die Informationen, die der in Leipzig verlegte Baedeker damaligen Russlandreisenden über jenen Landstrich bereithielt: »Wenn sich die Umgegend von Warschau nicht gerade durch landschaftliche Reize auszeichnet, so bietet sie umso mehr Interesse für den Historiker und Militär. Nach welcher Richtung man Warschau auch verlassen mag, man tritt auf historischen Boden, auf irgendein durch die Kriegsgeschichte bekanntes Gefechtsfeld.«2 Etwa 20 Kilometer flussabwärts, am rechten Ufer des Weichselbogens, berührten die Bahngleise die Ortschaft Jabłonna. Dem zitierten Reisehandbuch zufolge war es gerade diese Ortschaft, deren Geschichte dem durchfahrenden »Historiker und Militär« einiges zu bieten hatte: »Die Bahn überschreitet die Weichsel auf der Eisenbahnbrücke unterhalb Praga und wendet sich nördlich. Sie durchschneidet unweit des r[echten] Ufers einen Teil der Schlachtfelder von 1656, 1794 und 1831; weiterhin, jenseits der Station Jáblonna, Яблонна, einem beliebten Ausflugsort der Warschauer, mit prachtvollem alten Park und sehenswertem Schloß, der Familie Potocki gehörig, beginnen ausgedehnte Waldungen.«3 1 Juraszek, Pflanzensoziologische Studien über die Dünen bei Warschau, 568. 2 Baedeker, Russland, 25.  3 Ebd., 28 (Hervorhebungen und Schreibweise im Original, jedoch teilweise fett).

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Einführung

Die im Baedeker vermerkte hohe Dichte historisch bedeutsamer, meist militärischer Ereignisse in der Umgebung von Jabłonna und seiner erst später entstandenen Tochtergemeinde Legionowo fand auch im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts ihre Fortsetzung. Die Geschichte will es, dass hier im Kleinen viele jener historischen Entwicklungslinien auffindbar sind, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen. Das Besondere an Jabłonna ist, dass es in den polnischen und jüdischen Geschichtsnarrativen zwar an marginaler Stelle steht, aber dennoch zentrale Bedeutungsfelder eröffnet: Jabłonna ist als Erinnerungsort von der Tradition des polnischen Strebens nach staatlicher Selbstbestimmung und nationaler Selbstbehauptung ebenso ausgefüllt, wie es die Wechselhaftigkeit jüdisch-polnischen Zusammenlebens während der kurzen Unabhängigkeit Polens in der Zwischenkriegszeit in sich trägt. Eingeschrieben in die polnische Nationalgeschichte hat sich Jabłonna zunächst vor allem als Landsitz (Abb. 1) des Fürsten Józef Antoni Poniatowski (1763–1813). Geboren im Wiener Palais Kinsky, war Poniatowski Sohn eines Vaters, der zugleich polnischer Aristokrat, österreichischer Offizier und deutscher Reichsfürst war. Seine Mutter entstammte dem böhmischen Hochadel. In Polen hielt sich Poniatowski erstmals im Alter von 16 Jahren länger auf, da sein Onkel Stanisław August, der letzte polnische König, einige politische Hoffnungen in ihn setzte. Nach seiner militärischen Ausbildung stand Poniatowski zunächst in Diensten des römisch-deutschen Kaisers, bis er 1792 das polnische Heer im Krieg gegen Russland glücklos anführte. Nach seinem erneuten Scheitern im Kościuszko-Aufstand von 1794 zog sich der Fürst für mehrere Jahre ins Privatleben zurück, das er zu einem guten Teil in Jabłonna organisierte. Dort, inmitten der Weichselauen, war ihm im gleichen Jahr der Landsitz seines verstorbenen Onkels Michał Jerzy Poniatowski, des letzten Primas von Polen-Litauen, als Erbe zugefallen.4 Dieser hatte das einst bischöfliche Anwesen privat erworben und durch die Hofarchitekten Domenico Merlini und Simon Gottlieb Zug ein reizvolles klassizistisches Ensemble mit Palais und Landschaftsgarten errichten lassen, in dem »[ue]berall Geschmack mit Bequemlichkeit verbunden« war.5 Józef Poniatowski verbrachte hier zwischen 1798 und 1806 viel Zeit, während er sich im bereits preußisch beherrschten Warschau vor den Augen der staunenden Bevölkerung mit großer Extravaganz und schillernder Entourage geradezu als Monarch insze­

4 Kubalski, Zarys dziejów klucza jabłonowskiego, 7–17. Zu den ungeklärten Todesumständen des Primas Butterwick, The Polish Revolution and the Catholic Church, 1788–1792, 317. 5 Zincke / Leitzmann (Hgg.), Georg Forsters Tagebücher, 219. Zum architektonischen Ensemble Guttmejer, Jak powstał i jak wyglądał zespół pałacowy Biskupa Michała Poniatowskiego w Jabłonnie; Łoziński / Wolff-Łozińska (Hgg.), Katalog zabytków sztuki w Polsce, Bd. 10, H. 10, 4–27; Lauterbach, Der Stil Stanislaw August, bes. 44.

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Abb. 1: Das 1773 erbaute Palais in Jabłonna im Jahr 1926. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (The National Digital Archives).

nierte.6 In der Interpretation von Poniatowskis Biografie, wie sie der Historiker Szymon Askenazy etablierte, steht Jabłonna für dessen jahrelangen Rückzug aus jeglicher politischen Verantwortung für das Land sowie für die Metamorphose vom unreifen Lebemann zum selbstlosen Nationalhelden, der schließlich mit seinem Tod am Ende der Leipziger Völkerschlacht die letzte Erfüllung fand. Die mit dem Landsitz verbundenen Sensationsgeschichten traten zusehends in den Hintergrund und Poniatowskis Zeit in Jabłonna erschien seinen Epigonen nun als »einer der spannendsten psychischen Abschnitte«7 im Leben des Fürsten, ja als Phase der Läuterung und Erweckung. Orte wie das Jabłonna der Poniatowskis und ihrer Nachkommen waren Kristallisationspunkte des traditionellen, auf den Adel (Szlachta) beschränkten polnischen Nationsverständnisses. Entsprechend elitär präsentierte sich auch die aristokratische patriotische Geschichtskultur, das Fundament polnischen historischen Denkens im 19. Jahrhundert. Materiell sichtbar wurde dies auch auf Poniatowskis Landsitz, der nach seinem Tod in den Besitz von Anna Dunin-Wąsowicz, einer Nichte zweiten Grades und engen Vertrauten 6 Askenazy, Fürst Joseph Poniatowski, 101–106; Skowronek, Książę Józef Poniatowski, ­88–110; Załęczny, Książę Józef Poniatowski w Jabłonnie i okolicy. 7 Nowicka, Jabłonna, 798 f.

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des Fürsten, übergegangen war.8 Sie gestaltete das Anwesen in ein Refugium des Poniatowski-Gedenkens um, ließ im Park einen dem Fürsten gewidmeten Triumphbogen errichten, ferner sicherte sie die materiellen und schriftlichen Hinterlassenschaften Poniatowskis und seiner Familie. Auch die nachfolgenden Besitzer aus der Familie Potocki änderten daran nichts. Bis heute erinnert der Bestand Militaria z Jabłonny (Militaria aus Jabłonna)  im Warschauer Hauptarchiv Alter Akten daran, dass Poniatowskis Nachlass und damit ein wichtiger Quellenbestand zur polnischen Geschichte bis 1941 einstmals auf dessen ehemaligem Anwesen verwahrt wurde.9 Wie die polnische Perspektive auf Jabłonna letztlich von Poniatowskis militärischen Leistungen bestimmt war, wird auch der jüdische Blick durch das Militär vorgegeben. Allerdings finden sich hier keinerlei positive Konnotationen, steht doch der Name des Ortes im jüdischen Kontext für den gezielten Ausschluss der Juden aus den polnischen Streitkräften in einer Zeit, in der Polen wie Juden die Unabhängigkeit des Landes gegen einen mächtigen äußeren Feind verteidigten. Ort des Geschehens war eine Garnison, die im 19. Jahrhundert in der Nähe des alten Jabłonna errichtet worden war – ein Symbol der Zarenherrschaft. 1918 hatten polnische Truppen die Militäranlage übernommen, die im Krieg gegen das sowjetisch gewordene Russland einige Bedeutung erlangte. Als Warschau im Sommer 1920 in die Reichweite von Lenins Truppen geriet und in der Öffentlichkeit immer mehr Stimmen die Juden an und hinter der Front für das drohende Fiasko Polens verantwortlich machten, entschied sich die polnische Militärführung zu einem folgenschweren Schritt: Am 1. August fiel die Entscheidung, die Zahl der Juden bei den Fronttruppen um die polnische Hauptstadt zu begrenzen. Fünf Tage darauf, am 6. August 1920, erreichte die betreffenden Kommandeure der streng geheime Befehl Nr. 13679/MOB: »Aufgrund der sich stetig mehrenden Vorfälle, die von den schädlichen Aktivitäten des jüdischen Elements zeugen, ordnet das Kriegsministerium Folgendes an: […] Die Führung des Generalbezirks Warschau entfernt aus allen ihr unterstehenden, in Warschau, Modlin, Jabłonna und Zegrze stationierten Einheiten die jüdischen Soldaten, und belässt in diesen Einheiten lediglich fünf Prozent dieses Elements. Die Führung des Generalbezirks Warschau bestimmt einen Sammelpunkt für diese eliminierten Juden.«10

8 Anna Dunin-Wąsowicz ist bekannter unter ihrem Namen aus erster Ehe, Anna (Anetka) ­Potocka. Mórawska, Historia kolekcji zabytków antycznych ze zbiorów Potockich w Jabłonnie, 160. 9 Ebd., 164–171; Józefowiczówna, Inwentarz archiwum księcia Józefa Poniatowskiego i ­Marii Teresy Tyszkiewiczowej z lat 1516, 1647–1843, 17–21; T. Mańkowski, Archiwum w Jabłonnie. 10 CAW, Oddz. I Szt. MSWojsk, sygn. I.300.7.108, Liczb. 13679/MOB, Befehl der Abteilung I des Kriegsministeriums, 6. August 1920.

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In den folgenden Wochen wurden mehrere Tausend polnische Soldaten, denen die Militärführung und bedeutende Teile der Öffentlichkeit aufgrund ihrer jüdischen Herkunft Kampfeswillen und Loyalität absprachen, auf dem Garnisonsgelände von Jabłonna in Gewahrsam genommen. Die Schilderung des genauen Hergangs dieser Ereignisse erfolgt an späterer Stelle. Festzuhalten ist vorerst, dass dem polnischen Gedächtnisort Jabłonna, an dem sich die Herausbildung polnischen nationalen Geschichtsdenkens nachvollziehen lässt, im Jahr 1920 eine zweite, jüdische Dimension hinzugefügt wurde. Besonders für die Generation junger Juden, die häufig aus akkulturierten Elternhäusern stammten oder sich von der Kultur und dem Unabhängigkeitsstreben der Polen faszinieren ließen, waren der Ausschluss aus den Streitkräften sowie der unbewiesene, aber vehemente Vorwurf von Untreue und Verrat ein Menetekel am Beginn der polnischen Eigenstaatlichkeit. Jabłonna wurde zu einem Sinnbild für diese Frustration, zumal sich viele der jüdischen Internierten freiwillig zum Militär gemeldet hatten. Der Jurist Joseph Lichten, der die Zwischenkriegszeit in Polen verbracht hatte, beschrieb 60 Jahre später diese Empfindung als »eine erste jugendliche Enttäuschung, eine Belehrung, dass die Juden eben doch wie ›andere‹, oder vielleicht gar wie ›Fremde‹ behandelt werden«.11 Lichtens Einschätzung deckt sich mit der Erinnerung von Józef Lejtes, der selbst als Kriegsfreiwilliger interniert gewesen war. Auch er äußerte sich nach mehreren Jahrzehnten über die Internierung und schrieb von einer »schmerzlichen Enttäuschung«.12

Polen, Juden, Militär und die Zweite Republik. Methodische Verortung Die Erlangung der Souveränität und die Etablierung nationaler Streitkräfte waren, wie bei den meisten Staatsgründungen, auch in der Zweiten Polnischen Republik (1918–1939) eng miteinander verwoben. Ein Spezifikum der neu geschaffenen polnischen Armee war ihre tiefe Verwurzelung in der nationalen Gedächtniskultur des 19. Jahrhunderts, als gar kein polnischer Staat, geschweige denn polnische Streitkräfte existiert hatten. Wie in vielen europäischen Ländern war der Bereich des Militärischen auch in Polen eine jener gesellschaftlichen Sphären, in denen seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert die Fragen von Emanzipation, Gleichberechtigung und nationaler Zugehörigkeit der jüdischen Bevölkerung besonders intensiv verhandelt wurden. Beide Befunde gaben den Anstoß zu vorliegender Untersuchung, deren Ziel es ist, 11 Lichten, Żydzi w Polsce dwudziestolecia, 201. 12 Brief von Józef Lejtes an Jacek Cybusz, 26. September 1980, in: Wspomnienia Józefa Lejtesa (cz. III), 117.

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den Umgang des Militärs mit Minderheiten wie der jüdischen Bevölkerung nachzuvollziehen und dabei den Einfluss tradierter Geschichtsbilder auf die polnischen Streitkräfte der Zwischenkriegszeit herauszuarbeiten. Im Kern geht es somit um die Frage nach der Anerkennung von Juden als gleichwertige und gleichberechtigte Soldaten wie auch um ihre Verortung innerhalb der polnischen Militärtradition. Die Internierungen von Jabłonna gehören als historische Episode zweifelsohne nicht zum Kernbestand jener Ereignisse, die das heutige Bild von polnisch-jüdischer Geschichte gemeinhin prägen. Versteht man sie aber als Symptom konkreter historischer Prozesse, ist es umso erhellender, das lokale Geschehen in seinen historischen Kontext zu stellen, langfristige Entwicklungslinien nachzuzeichnen, die Akteure und Betroffenen in ihren (gedächtnis)kulturellen Prägungen darzustellen und aufzuzeigen, welche zentralen Problemlagen der polnisch-jüdischen Koexistenz hier verhandelt wurden.13 Denn letztlich trafen in Jabłonna Prozesse aufeinander, die einen über hundertjährigen Vorlauf hatten und darüber hinaus wie in einem Brennglas die Problematik jüdischer Teilhabe am Aufbau polnischer Streitkräfte nach 1918 bündelten. Nicht von ungefähr rührte der Diskurs über die Einbindung jüdischer Soldaten in eine polnische Militärgründung an den Kernfragen jüdischpolnischer Existenz in Polen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: der Frage nach der Bewertung der polnischen Nationalbewegung durch Juden vor 1918, nach der Wirkmächtigkeit tradierter Bilder über die jeweils andere Gruppe, nach der Problematik von Emanzipation und Gleichstellung, aber auch von Inklusionswillen und -fähigkeit des Staates und seiner Institutionen gegenüber den ethnischen Minderheiten und schließlich nach der Rolle des Militärs im gesellschaftlichen wie politischen Bereich. Ausgehend von den genannten Prämissen ist das Hauptziel der vorliegenden Untersuchung, die Frage nach der Verfasstheit und Traditionsbildung des Militärs der Zweiten Republik gemeinsam mit dem Beziehungsgeflecht zwischen Armee und jüdischer Bevölkerung zu betrachten. Eine Schlüsselstellung nehmen dabei die Gründungsphase der Streitkräfte (1914–1921) in ihren historischen Bezügen sowie der Übergang von einer weitgehend homogenen Nationalarmee hin zu einer heterogenen Wehrpflichtarmee in einem multiethnischen Staat ein. Die Auswirkungen dieses Perspektivwandels auf das Militär als staatliche Institution wie auch auf dessen Mitglieder sollen anhand der Situation der jüdischen Soldaten innerhalb der Armee bis zum Jahr 1939 beispielhaft verdeutlicht werden. Hierbei treten die Inszenierungsmechanismen zutage, mit deren Hilfe sich die Armee als Stabilitätsanker des Staates und Institution darzustellen wusste, die auch gesellschaftliche, 13 Zur Betrachtung der jüdischen Bevölkerungen als Akteure, nicht Objekte historischer Prozesse Biale, Power and Powerlessness in Jewish History, bes. 118–144.

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kulturelle und politische Aufgaben zu erfüllen beanspruchte. Ein weiterer Fokus richtet sich auf die Exklusions- und Inklusionsprozesse innerhalb der Streitkräfte. Neben den Partizipationsangeboten für Juden und andere nichtpolnische Wehrpflichtige innerhalb der Armee gilt das Augenmerk Maßnahmen, die die Grenzen aller Teilhabeversprechen klar hervortreten lassen. Denn auch wenn sich die Armee aufgrund ihrer Zusammensetzung durchaus als multiethnisch und als Schmiede von loyalen Bürgersoldaten unterschiedlicher ethnischer Herkunft wahrnahm, verstand sie sich aber doch in erster Linie als Streitmacht eines polnischen Nationalstaates. Die methodischen Leitlinien ergeben sich aus den Herangehensweisen einer Militärhistoriografie, die sich in den letzten Jahrzehnten in Richtung Kultur- und Sozialgeschichte geöffnet hat.14 Im Zuge dieser Entwicklung erwies sich die historische Gedächtnisforschung für die militärgeschichtliche Forschung als besonders gewinnbringend.15 Die Renaissance der Militärgeschichte und deren methodische Erneuerung gehen auch auf das Bedürfnis zurück, mithilfe komparatistischer Zugänge beide Weltkriege in einem »Zeitalter der Weltkriege« als epochale Einheit zu kontextualisieren.16 Neueste Forschungen stellen zudem die Frage, inwieweit sich die imperiale oder nationale Verfasstheit eines Staates auf den Umgang mit der ethnischen und kulturellen Heterogenität der Stellungspflichtigen auswirkte.17 Ost- und Ostmitteleuropa rückten dabei als Untersuchungsgegenstand zunehmend von der Peripherie in das Blickfeld militärgeschichtlicher Arbeiten.18 Dieser Befund betrifft auch den Ersten Weltkrieg, zu dem in den letzten Jahren zahlreiche Studien erschienen.19 Nach 1945 hatten westliche militärhistorische Untersuchungen in der Regel den ostmitteleuropäischen Raum umgangen, was einer vergleichenden gesamteuropäischen Perspektive im Wege stand und zuweilen auch noch 14 Neitzel, Militärgeschichte ohne Krieg?; Berghahn, Die Wandlungen der deutschen Militärgeschichte in britisch-amerikanischer Perspektive; Echternkamp, Wandel durch Annäherung oder: Wird die Militärgeschichte ein Opfer ihres Erfolges? 15 Vgl. stellvertretend Winter, Sites of Memory, Sites of Mourning. Überblicksartig zur Gedächtnisforschung Cornelißen, Was heißt Erinnerungskultur? 16 Beispielsweise Thoß / Volkmann (Hgg.), Erster Weltkrieg – Zweiter Weltkrieg; Lehnstaedt, Imperiale Polenpolitik in den Weltkriegen. 17 Hirschhausen / Leonhard (Hgg.), Multi-Ethnic Empires and the Military; dies., Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert; Cole / Hämmerle / Scheutz (Hgg.), Glanz  – Gewalt  – Gehorsam. 18 Petrovsky-Shtern, Jews in the Russian Army, 1827–1917; Henschel (Hg.), Juden im Militär. Weitere Hinweise bei Kühne / Ziemann (Hgg.), Was ist Militärgeschichte?; Zückert, Krieg und Militär in Forschungen der osteuropäischen Geschichte. Vgl. auch Keep, Soldiers of the Tsar; Benecke, Militär, Reform und Gesellschaft im Zarenreich; Zückert, Zwischen Nationsidee und staatlicher Realität; Trees, Zweifelhafte Loyalitäten; Wróbel, The Seeds of Violence. 19 Kauffman, Elusive Alliance; Thakur-Smolarek, Der Erste Weltkrieg und die polnische Frage; Borodziej / Górny, Nasza wojna, Bd. 1: Imperia 1912–1916; Lehnstaedt, Imperiale Polenpolitik in den Weltkriegen; Eisfeld / Hausmann / Neutatz (Hgg.), Besetzt, interniert, deportiert.

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im Wege steht. Nach wie vor versprechen militärhistorische Studien, die sich mit sozialen und kulturellen Prozessen, Gewalterfahrungen, Fronterlebnissen und kollektiver Erinnerung im östlichen Europa befassen, einen besonderen Erkenntnisgewinn für eine europäische Gesamtschau der Epoche. Dabei gilt es, auch die bereits vorhandenen Arbeiten polnischer Historiker aufzunehmen, die jenseits der klassischen Regiments- und Operationsgeschichte wichtige Studien zur sozialen, kulturellen und politischen Verankerung des polnischen Militärs vorgelegt haben.20 Neben dem kultur- und sozialgeschichtlichen Instrumentarium der neueren Militärgeschichte sollen auch Überlegungen zur nationalisierenden Wirkung von Staaten für diese Arbeit fruchtbar gemacht werden. Zieht man die Forschungen des Soziologen Rogers Brubaker heran, so erscheint das Militär Polens im Untersuchungszeitraum als Agentur eines multiethnischen Staates, dessen Titularnation die Dominanz und Entscheidungsgewalt über die Gesamtgesellschaft anstrebt, um ihre Vorstellung eines homogenen Nationalstaates zu vollenden. Die Staatsbürger, die nicht Teil der dominanten nationalen Gruppe werden können oder wollen, erhalten damit nahezu zwangsläufig den Status einer nationalen Minderheit, die in der Regel in Opposition zum Staat gedrängt wird. Brubaker bezeichnet solche Gemeinwesen mit einer sich ethnisch und kulturell von der Gesamtbevölkerung abgrenzenden »Kern­ nation«, die zudem auf eine Stärkung der eigenen Sprache, Kultur, demografischen Position sowie wirtschaftlichen und politischen Stellung drängt, als nationalisierende Staaten.21 Den Verlauf der von den Eliten der dominanten Nationalität in Gang gesetzten Nationalisierung teilt Brubaker in mehrere Schritte. Voraussetzung sei zunächst die (imaginierte) Existenz einer Kernnation, die sich stark von der übrigen Staatsbevölkerung abhebe. Die Kernnation wiederum werde von der Überzeugung getragen, sie sei die rechtmäßige »Besitzerin« des Gemeinwesens, das wiederum ihren Interessen zu dienen habe. Aus der Überzeugung der dominanten Eliten, die Lage der eigenen Kernnation sei prekär und deren Interessen mangelhaft vertreten, ergibt sich ein Handlungsbedürfnis, dem in Bereichen wie Sprache, Kultur, Demografie, Wirtschaft und Politik nachgegangen wird. Die Fokussierung auf die eigene

20 Stellvertretend Stawecki, Z badań nad dyscypliną, przestępczością i moralnością wojska Drugiej Rzeczypospolitej; Kęsik, Naród pod bronią; ders., Wojsko polskie wobec tężyzny fizycznej społeczeństwa 1918–1939; Odziemkowski, Armia i społeczeństwo II  Rzeczypospolitej; ders., Wieś i armia w II Rzeczypospolitej; Kusiak, Życie codzienne oficerów Drugiej Rzeczypospolitej; Kruszyński, Kariera oficerów w II  Rzeczypospolitej; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939); Wiatr, The Soldier and the Nation. 21 Brubaker, Nationalism Reframed, 57. Vgl. hierzu auch Henschel / Stach, Nationalisierung und Pragmatismus.

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nationale Gruppe wird mit der vorangegangenen Epoche der Diskriminierung gerechtfertigt, zu der ein Gegengewicht zu schaffen sei. Es folgt dann eine Phase der Mobilisierung der Nation auf der Grundlage der genannten Überzeugungen in Bereichen wie der Gesetzgebung, Wahlkampagnen, Presse und so weiter, bis schließlich der Staat und seine Institutionen diese Praktiken internalisieren und zur Richtschnur ihres Handelns machen.22 Was Brubakers Modell nicht berücksichtigt, ist der fluide und oft ephemere Charakter ethnonationaler Selbstzuschreibungen im Ostmitteleuropa des frühen 20. Jahrhunderts.23 Gerade die Juden dieser Region sind ein Beispiel dafür, wie vielfältig die Identitätskonstruktionen einer nur scheinbar homogenen Bevölkerung waren. So konnten überzeugte Zionisten sich als loyale polnische Staatsbürger verstehen, Kommunisten sich nationalen Kategorisierungen ganz entziehen und Verfechter der konsequenten Akkulturation sich als Polen jüdischen Glaubens bezeichnen. Anders verhielt es sich in der Außenperspektive der christlichen Mehrheitsgesellschaft, die zwar habituelle und politische Nuancen zwischen Chassiden, Orthodoxen, Zionisten oder »Assimilierten« wahrzunehmen imstande war, jedoch all diese Gruppen gemeinhin zur gleichen ethno-religiösen Gruppe der Juden zählte.24 Als Historiker steht man somit vor der schwierigen Aufgabe, zwischen der jüdischen Eigenwahrnehmung und der oft ungewollten Fremdzuschreibung von Jüdischsein durch staatliche Institutionen und das soziale Umfeld zu unterscheiden. Diese Untersuchung soll sich die beiden Perspektiven der Fremd- und der Selbstzuschreibung zunutze machen: In den Teilen, welche die Perspektive von Staat und Militär beschreiben, wird auch deren Begriff des »Juden« übernommen, während die Passagen über jüdische Akteure durchaus der Vielfalt ihrer Identitätsentwürfe Rechnung tragen. Da sich die Arbeit vor allem auf den institutionellen Blick des polnischen Militärs auf männliche Juden konzentriert, wird die so wichtige Frage nach Geschlechterbildern und -verhältnissen hier weitgehend ausgeklammert und durchgehend das generische Maskulinum verwendet.25 22 Brubaker, Nationalism Reframed, 83 f. Vgl. auch die ähnlich argumentierende detaillierte Studie von Ackermann, Palimpsest Grodno. Nach Ackermann lassen sich ein Wandel dynamischer Gruppenidentitäten hin zu statischen nationalen Kategorien und damit die Verwandlung sozialer Konflikte in ethnonationale auf Zuschreibungen staatlicher Institutionen zurückführen. 23 Darauf wies modellhaft u. a. Tara Zahra hin: Dies., Imagined Noncommunities. 24 Zum seit 1921 alle zehn Jahre durchgeführten Zensus Tomaszewski, Ojczyzna nie tylko Polaków, 50; ders., Mniejszości narodowe w Polsce XX wieku, 23. 25 Zu dieser Problematik vgl. Henschel, »Gute Soldaten werden sie nie sein«. Einführend zu jüdischen Männlichkeitsvorstellungen Presner, Muscular Judaism. Derzeit widmet sich Mariusz Kałczewiak mit seinem Forschungsprojekt »Manly Choices. Concepts, Constructions and Performativity of Polish-Jewish Masculinities, 1890s–1930s« dieser Thematik.

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Die gestellten Fragen machen es notwendig, über den eigentlichen Untersuchungszeitraum hinaus das 19. Jahrhundert, aber auch den Ersten Weltkrieg als Bezugsrahmen im Blick zu behalten. Der Begriff Zwischenkriegszeit  – im Polnischen międzywojnie oder okres międzywojenny  – steckt also den betrachteten zeitlichen Rahmen, begrenzt durch die Verkündung der Unabhängigkeit Polens im November 1918 und deren mit deutschen und schließlich auch sowjetischen Waffen gewaltsam herbeigeführtes Ende im September 1939, nur ungenau ab und ist auch sonst nicht frei von Problemen. Aus der Perspektive der Protagonisten dieser Arbeit heraus handelte es sich bei den beiden kurzen Jahrzehnten polnischer Unabhängigkeit und Eigenstaatlichkeit nicht um ein flüchtiges Interludium zwischen zwei Großkonflikten, auch wenn ein neuer europäischer Krieg den meisten als unausweichlich galt.26 Dennoch umschreibt der Begriff – neutral gebraucht – ziemlich treffend die Charakteristik des betrachteten Zeitraums. Er war allerorten geprägt von den politischen, sozialen und kulturellen Folgen des Ersten Weltkrieges wie auch von der vielerorts in Europa vom Militär forcierten Vorbereitung auf einen erneuten Krieg, von dem man sich ein stabileres Mächtesystem erhoffte. Damit entfällt die gedankliche Nähe des Begriffs zur Rede vom polnischen »Saisonstaat«, dessen tatsächliches Ende die politischen Eliten im Deutschen Reich zwar fast ausnahmslos herbeiwünschten, aber keineswegs vorhersehen konnten. Ebenso mitgedacht werden muss in diesem Kontext, dass auch die Geschichte der Juden Polens vor 1939 nicht als reine Vorgeschichte oder gar Auftakt des Holocaust geschrieben werden sollte, will man die historischen Prozesse und Handlungen aus ihrer Zeit heraus verstehen. Es wäre ahistorisch, die zahlreichen auch in diesem Buch beschriebenen Exklusionsmechanismen für Juden mit dem Wissen um den deutschen Judenmord zu erklären.27 Auf einer anderen Ebene unpräzise ist die ebenfalls in dieser Arbeit zu findende Bezeichnung Zweite Republik, die als Übersetzung des polnischen Druga Rzeczpospolita in die deutsch- und englischsprachige Historiografie Einzug gehalten hat. Sie suggeriert eine direkte Kontinuität zur »Ersten Republik«, der 1795 untergegangenen polnisch-litauischen Adelsrepublik (Rzeczpospolita Obojga Narodów), die in staatsrechtlicher, politischer, sozialer und territorialer Hinsicht nicht so bruchlos bestand, wie es der Wortlaut glauben machen will. Da es den polnischen Historikern, die diesen Terminus in den 1980er Jahren einführten, darum ging, unter den Bedingungen eines staatlich gelenkten Wissenschaftsbetriebs eine möglichst ideologiefreie Be26 Darauf verwies Stach, Minderheitenpolitik in der Zweiten Polnischen Republik 1918–1939. 27 Als Beispiele einer vom Holocaust her gedachten Sicht auf die polnische Zwischenkriegszeit Cymet, Polish State Antisemitism as  a Major Factor Leading to the Holocaust, sowie die Kritik von Tomaszewski, Upside-Down History, 377–380.

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zeichnung für ihren Untersuchungsgegenstand zu finden, der auch die Kontinuitäten der polnischen Geschichte verdeutlicht, soll auch dieser Begriff im Folgenden gebraucht werden.28 Die Quellen, die für diese Untersuchung herangezogen wurden, gliedern sich in Archivalien des Militärs, anderer staatlicher Institutionen wie Ministerien, Parlament und Verwaltungen, Überlieferungen jüdischer Organisationen und Institutionen, publizistische Quellen wie Tageszeitungen und Zeitschriften sowie biografisches Material. Einen guten Teil des Korpus bildet die Aktenüberlieferung der polnischen Streitkräfte, die freilich nicht in ihrer gesamten Breite rezipiert werden konnte. Dies ist zum einen den zahlreichen Kriegsverlusten und der Zerstreuung von Beständen in verschiedene Archive geschuldet, aber auch den umfangreichen Baumaßnahmen im Warschauer Zentralen Militärarchiv. Wichtige Bestände für diese Arbeiten waren die Akten des Kabinetts des Kriegsministeriums (Gabinet Ministra Spraw Wojskowych), der II. Abteilung des Generalstabs (Oddział  II Sztabu Generalnego), der mit ihr verbundenen Selbstständigen Informationsreferate (Samodzielne Referaty Informacyjne)  und des Büros für Nichtkatholische Konfessionen (Biuro Wyznań Niekatolickich). Die Überlieferung der übrigen Ministerien und staatlichen Institutionen wird im Warschauer Archiv Neuer Akten (Archiwum Akt Nowych) aufbewahrt, etwa die Aktenbestände des Sejmbüros (Biuro Sejmu RP), der Ministerien für Äußeres (Mini­sterstwo Spraw Zagranicznych), für Inneres (Spraw Wewnętrznych), Religiöse Bekenntnisse und Öffentliche Bildung (Wyznań Religijnych i Oświecenia Publicznego) oder des Präsidiums des Ministerrats (Prezydium Rady Mini­ strów). Ergänzend wurden kleinere Bestände aus dem Staatlichen Archiv in Lublin (Archiwum Państwowe w Lublinie), der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek in Warschau (Biblioteka Uniwersytecka w Warszawie, Gabinet Rękopisów) sowie des Józef Piłsudski Institute of America in New York herangezogen. Die Perspektive jüdischer Personen und Institutionen konnte nicht anhand derart geschlossener Archivbestände untersucht werden. Wesentlich für diese Arbeit war das Zentrale Staatliche Historische Archiv der Ukraine in L’viv (Central’nij Deržavnij Istoričnij Archiv Ukrajini, m. L’viv) mit seiner Aktengruppe zu den jüdisch-polnischen Kriegsveteranen. Hinzu kommen verstreute Archivalien im Archiv des Jüdischen Historischen Instituts Emanuel Ringelblum in Warschau (Żydowski Instytut Historyczny im. Emanuela Ringelbluma), in den Central Archives for the History of the Jewish People und den Central Zionist Archives in Jerusalem, dem Archiv des GoldsteinGoren Diaspora Research Center sowie dem Jabotinsky Institute in Tel Aviv. Die Archivquellen wurden ergänzt durch die Durchsicht von Tageszeitungen 28 Wapiński, O rozbiorach Rzeczypospolitej i niektórych ich następstwach – uwag kilka.

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und anderen publizistischen Überlieferungen, vor allem des jüdischen Nasz Przegląd sowie des militärnahen Blatts Polska Zbrojna. Biografische Quellen wurden nicht systematisch gesucht und ausgewertet, aber an geeigneten Stellen herangezogen. In dieser Arbeit werden bei geografischen Angaben die üblichen deutschen Ortsnamen verwendet, insofern sie im Untersuchungszeitraum in Gebrauch waren. Die landessprachlichen Entsprechungen sind im Register in Klammern angegeben.

Der Begriff des Soldaten ist indes überall so gründlich aus dem polnischen Gedächtnis und Denken getilgt worden, dass ich auf der ganzen Welt keine zweite Gesellschaft kenne, die so zivil wäre wie die polnische. Józef Piłsudski, O armji narodowej

1. Polnische Patrioten, tapfere Juden. Nation, Militär und Geschichte im 19. Jahrhundert

1.1 Reform und Teilung. Juden und Polen am Ende der Rzeczpospolita Die Internierten von Jabłonna werden in ihrer überwiegenden Mehrheit ihre Erlebnisse sicherlich kaum in historische Zusammenhänge eingeordnet haben. Wahrscheinlich beschäftigte sie ihr zukünftiges persönliches Los, das – wie die weitere Entwicklung Polens – noch nicht abzusehen war. Dennoch wohnt den Erfahrungen von Juden mit dem polnischen Militär im Sommer 1920 eine geschichtliche Dimension inne, die dem heutigen Betrachter eine genauere Kontextualisierung des Schicksals dieser jungen Männer erlaubt. Loyalität, Tapferkeit, militärische Verwendbarkeit und körperliche Tauglichkeit – diese soldatischen Eigenschaften wurden Juden nicht erst im 20. Jahrhundert in Abrede gestellt. Vielmehr bestimmten die Imaginationen der christlichen Umwelt über die vermeintlich fehlende Eignung von Juden für den Heeresdienst die öffentliche Debatte bereits über ein Jahrhundert zuvor. Auch die oft schmerzhaften Begegnungen von Juden mit dem Militär während des Polnisch-Sowjetischen Krieges waren keineswegs eine neue Situation für die jüdischen Landeskinder. Spätestens mit dem Kosakenaufstand in der Ukraine von 1648 hatte sich die Verbindung von Militär und Gewalt fest in das kollektive Gedächtnis der polnischen Juden eingeschrieben.1 Freilich sollten Historiker nicht der Versuchung unterliegen, geschichtliche Kontinui1 Vgl. die Beiträge in Jewish History. A Journal of Jewish Historical Studies 17 (2003), H. 2: Gezeirot Ta’’h. Jews, Cossacks, Poles and Peasants in 1648 Ukraine; Rohden, Jüdische Geschichtsdeutungen der Khmelnytsky-Verfolgungen in Polen-Litauen; Raba, Between Remembrance and Denial.

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tätslinien zu überzeichnen. Auf den folgenden Seiten wird jedoch deutlich, dass tatsächlich langfristige Entwicklungen Argumentations- und Verhaltensmuster für Polen und Juden der Zwischenkriegszeit bereitstellten. Einen ähnlich langen Vorlauf hatte der Diskurs über die Möglichkeiten einer Einbindung der Juden in militärische Unternehmungen, der über Generationen hinweg immer neu aufgebrochen war. Die Aufteilung der Adels­ republik Ende des 18. Jahrhunderts fiel in eine Zeit, die im Zeichen der Bürgerheere stand und an deren Ende alle jüdischen Männer zum Armeedienst in unterschiedlichen Heeren verpflichtet waren. Außerdem war diese Epoche geprägt von den polnischen Nationalaufständen, die im Abstand von je etwa einer Generation Juden wie Polen vor die Frage stellte, welcher Autorität – dem imperialen Herrscherhaus oder den Aufrührern – sie ihre Loyalität entgegenbringen sollten. Es waren dann Historiker wie Simon Dubnow, Szymon Askenazy, Nathan Gelber oder Majer Bałaban, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Aufstände als Ereignisse würdigten, in denen Juden im Interesse ihres Landes große Leistungen an Tapferkeit vollbrachten. Ungeachtet der differierenden politischen Botschaften dieser Autoren zwischen Autonomiegedanken, Akkulturationsstreben und Zionismus schufen sie ein Geschichtsbild, das vor allem den heroischen Kampf und die Loyalität der Juden gegenüber ihren polnischen Nachbarn betonte. Gerade durch die Versprechungen dieses Traditionsbestands wurden Juden unterschiedlicher politischer Präferenz dazu bewegt, im Ersten Weltkrieg und unmittelbar danach als Freiwillige in polnischen Truppen zu dienen. Eine Wiedergeburt des 1795 untergegangenen, von kultureller und ethnischer Diversität geprägten polnisch-litauischen Staatswesens erschien so manchem von ihnen attraktiver als die Wirklichkeit in den teils repressiv agierenden Teilungsimperien. Diejenigen Juden, die seit 1914 eine polnische Uniform trugen und der polnischen Sache mit Sympathie entgegentraten, knüpften die Verwirklichung ihrer eigenen Emanzipation und ihrer vollen staatsbürgerlichen Gleichberechtigung an die Wiedergeburt Polens als Staat. Auch wenn es sich gemessen an der Gesamtzahl der jüdischen Soldaten in den Weltkriegsheeren dabei um eine kleine Gruppe handelte, waren die gedächtnisgeschichtlichen Konsequenzen enorm. Dieser lange historische Vorlauf wie auch die aufgrund der Teilungssituation nicht zu Ende ausgetragenen, damit virulent gebliebenen und in der Zwischenkriegszeit neu aufgebrochenen Diskurse machen es erforderlich, den Blick weit zurück in die polnische Geschichte zu richten. Im Mittelpunkt stehen dabei jene Erfahrungen mit Militär und bewaffnetem Kampf in der Epoche der Nichtstaatlichkeit Polens, die nach 1918 aufgegriffen und zum Teil neu interpretiert wurden. Das sich dabei erschließende Feld geschichtlicher Bezüge, Kontinuitäten, Narrative und Imaginationen schuf den erinnerungskulturellen Resonanzraum des Sommers 1920 und diente zugleich als historisches Reservoir für die Diskurse

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um die Verfasstheit der polnischen Nation sowie die jüdische Zugehörigkeit und Präsenz im Militär in der Zweiten Republik. Der Ausgangspunkt all dieser Entwicklungen ist im 18. Jahrhundert zu suchen. Langsam, aber stetig hatte sich seitdem in der Rzeczpospolita, der aus dem Königreich Polen und dem Großfürstentum Litauen gebildeten Adelsrepublik, ein neues Nationsverständnis entwickelt, das immer weitere gesellschaftliche Gruppen einschloss, aber auch Kriterien für die Zugehörigkeit zur Nation definierte. Auslöser dieses langen Prozesses waren aufklärerische Reformbemühungen, die angesichts des Verfalls der adelsständischen Libertät und des schleichenden Verlusts staatlicher Souveränität an äußere Mächte in Gang gesetzt wurden und einen nachhaltigen Elitenwandel bewirkten. So schritt die innerpolnische Kritik an der überkommenen Adelsgesellschaft bereits im 18. Jahrhundert weit voran und schuf das Bewusstsein, dass der Abschied von der Adelsnation zugunsten einer staatsbürgerlich verfassten Gemeinschaft unabwendbar sei.2 Von 1788 bis 1792 tagte der Vierjährige Sejm, der eine modernisierte Verwaltung einführte, die Adelsprivilegien beschnitt, ein stehendes Heer einrichtete sowie mit der Einbeziehung des vermögenden Stadtbürgertums in die politische Nation das Staatsbürgerrecht neu begründete.3 Der Höhepunkt der Reformphase war die Verabschiedung der Konstitution vom 3. Mai 1791, der ersten neuzeitlichen fixierten europäischen Verfassung. Diese verwandelte Polen-Litauen in eine konstitutionelle Erbmonarchie.4 Trotz aller Reformbemühungen konnte die Adelsrepublik der Jahrzehnte anhaltenden Teilungspolitik ihrer Nachbarmächte wenig Widerstand entgegensetzen. Die Zerstückelung des größten ostmitteleuropäischen Flächenstaates markierte nicht nur eine Wende im mächtepolitischen Spiel des alten Europa, sie bereitete auch den ambitionierten politischen und gesellschaftlichen Reformprojekten der späten Rzeczpospolita ein Ende.5 Was neben der Erinnerung an ein ehemals mächtiges und ethnisch wie konfessionell vielfältiges Staatswesen blieb, waren politische Anstöße für weit in die Zukunft weisende gesellschaftliche Transformationsprozesse.6 So war in den Verfassungsdebatten erstmals über die rechtliche Gleichstellung der Juden verhandelt worden. Dabei wurden Bedingungen formuliert, welche 2 M. Müller, Polen als Adelsrepublik, 110. Zur longue durée des frühneuzeitlichen Nationsmodells Snyder, The Reconstruction of Nations, 20–26. 3 M. Müller, Szlachecki czy mieszczański model narodu? 4 Kallas, Historia ustroju Polski, 152–170; Fiszman (Hg.), Constitution and Reform in Eighteenth-Century Poland. 5 Zernack, Negative Polenpolitik als Grundlage deutsch-russischer Diplomatie in der Mächtepolitk des 18. Jahrhunderts; M. Müller, Die Teilungen Polens; Bömelburg, Die Teilungen Polen-Litauens. 6 Bartal, Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772−1881, 33–46; Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 41–52.

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die Juden vor ihrer Emanzipation als gleichberechtigte Staatsbürger erfüllen sollten.7 Bislang hatten sie eine Sonderstellung eingenommen, da ihnen als faktischer eigener Stand religiöse wie politische Autonomierechte verbrieft worden waren.8 Das Zusammenleben von jüdischer und christlicher Bevölkerung hatte zwischen einer engen wirtschaftlichen Symbiose und einer mancherorts tief empfundenen kulturellen Fremdheit oszilliert. Als Mittler zwischen Grundherren und Bauern sowie zwischen urbanem Zentrum und ländlicher Peripherie hatten die Juden eine wichtige Funktion im sozio-ökonomischen Gefüge der Adelsrepublik innegehabt.9 Zugleich hatte ihr abweichendes Erscheinen in Kultus, Sprache und Sozialstruktur ihr Aufgehen in der christlich dominierten Umgebung, die zudem von antijüdischen Reflexen nicht frei war, verhindert. In der Maiverfassung von 1791 wurden den Juden, besonders im Vergleich zur Emanzipationsgesetzgebung in Frankreich, kaum neue Rechte eingeräumt, immerhin wurde aber die Bekenntnisfreiheit fixiert.10 Zugleich blieb die gesellschaftliche Struktur zunächst unangetastet und der Adel bewahrte sich die meisten Vorrechte auf Kosten der bürgerlichen und bäuerlichen Schichten. Die zahlenmäßig starke jüdische Bevölkerung blieb außerhalb des bürgerlichen Standes und damit der polnischen Nation.11 Im Umfeld des Großen Sejms wurde allerdings erstmals die Forderung gestellt, die Juden wie alle anderen Untertanen zum aktiven Kriegsdienst zu verpflichten, zumal in Österreich während des letzten Türkenkrieges (1788–1791) ähnliche Regelungen bereits formuliert worden waren.12 In der Tat plante König Stanisław ­August Poniatowski, die Wehrpflicht auf die Juden auszudehnen, freilich ohne dabei die bisherige Möglichkeit zum Freikauf von Rekruten zur Disposition zu stellen.13 Die Sejmkommission hingegen, die einen eigenen Gesetzentwurf 7 Wodziński, »Civil Christians«. 8 Zernack, Staatsmacht und Ständefreiheit, 3. Zum Vierländersejm Leszczyński, Sejm Żydów Korony 1623–1764; Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 62–112. 9 Grundlegend Goldberg, Zur Erforschung der Geschichte der Minoritäten in Polen-Litauen (16.–18. Jahrhundert). 10 Kallas, Historia ustroju Polski, 157. Die Konversion zum Judentum blieb strafbar. 11 Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 102. Überblicksartig zu Struktur, wirtschaftlicher Aktivität und sozialer Rolle der Szlachta M. Müller, Der polnische Adel von 1750 bis 1863. 12 Müller, Der polnische Adel von 1750 bis 1863, 62–67. Zur Einführung des verpflichtenden Militärdienstes für Juden Schmidl, Habsburgs jüdische Soldaten 1788–1918, 21–39; Hochedlinger, »Verbesserung« und »Nutzbarmachung«? 13 Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przedrozbiorowej, 316–323. Auch unter österreichischer Herrschaft waren die Rekruten in Westgalizien weiterhin berechtigt, sich für 120 Gulden vom Militärdienst freizukaufen oder einen »Ersatzmann« zu stellen. Mit der Zeit wurde der Freikauf abgeschafft und den Gemeinden die Pflicht übertragen, für die »Ersatzmänner« zu sorgen. In der Regel wurden die ärmsten Gemeindemitglieder als Rekruten bestimmt. Ab 1804 galt aber die obligatorische persönliche Wehrpflicht und 1806 wurden

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präsentierte, lehnte derlei Regelungen im Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Staatsbürger ab.14 Am Ende wurden beide Gesetzesinitiativen debattiert, ohne dass es je zu einer Abstimmung gekommen wäre. Immerhin aber vollzog die Maiverfassung den Bruch mit dem bisherigen Adelsheer, indem sie die übrigen Stände in die Landesverteidigung einbezog und auch Adel und Klerus erstmals an der Finanzierung des Heeres beteiligte.15 Dies ist vor dem europäischen Hintergrund durchaus bemerkenswert, da sich das Prinzip einer bürgerlichen Wehrpflichtarmee erst mit den napoleonischen Kriegen weiter verbreitete. Auch die polnischen Maskilim hatten als Verfechter der jüdischen Aufklärungsideen Überlegungen zur Emanzipation und Gleichberechtigung der Juden als Staatsbürger angestellt, jedoch ohne den Fragen des Militärdienstes größere Bedeutung beizumessen.16 Dennoch gab es historische Vorbilder für den Militärdienst von Juden in Polen, da deren Rechtsstatus bereits im Mittelalter mit Verpflichtungen bei der Landesverteidigung verknüpft war. Im 13. Jahrhundert sind erste rechtliche Bestimmungen nachweisbar, die eine Beteiligung von Juden an der Verteidigung ihrer Wohnorte festschrieben.17 Wenn auch die persönliche Heeresfolge von Juden und Konvertiten in den Kriegen der Rzeczpospolita eher die Ausnahme darstellte, wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der litauischen wie polnischen Reichshälfte Regelungen getroffen, die die Aufstellung jüdischer Kontingente im Kriegsfall sowie die Zahlung einer Kriegssteuer beinhalteten.18 Ähnlichen Pflichten unterlagen die christlichen Untertanen der Krone. Im 17. Jahrhundert, besonders während des Kosakenaufstandes von 1648, war erstmals eine die Magistrate mit der Durchsetzung des Heeresdienstes beauftragt. Bałaban, Historja Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1868, Bd. 2, 582 f. 14 Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przedrozbiorowej, 323; Urbach, Udział Żydów w walce o niepodległość Polski, 14 f. 15 Marcinkowski / Rzepniewski, Die Wehrdienst- und Wehrpflichtformen in Polen zwischen der Verfassung von 1791 und der Gegenwart, 147 f.; Ratajczyk, Sprawa rozbudowy regularnego wojska polskiego u schyłku XVIII wieku i jego rola w patriotycznym integrowaniu społeczeństwa, 3–20. 16 Kon, Z doby Berka Joselewicza na Litwie. Überblicksartig auch Bałaban, Żydzi polscy w okresie Sejmu Wielkiego i powstania Kościuszki, hier 22–30. Unmittelbar vor dem fünften österreichischen Türkenkrieg (1788–1791) scheiterten Gespräche zwischen Ya’akov (Jakob) ben Yehudah Leib Frank, dem Führer der in Polen stark vertretenen Kontra-Talmudisten (Frankisten), und Kaiser Joseph II. über die Bewaffnung jüdischer Truppen, die gegen die Osmanen eingesetzt werden sollten. Maciejko, The Mixed Multitude, 540–544. Zur Haskala in Osteuropa Bartal, Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772−1881, 101–112; Wodziński, Haskalah and Hasidism in the Kingdom of Poland. 17 Horn, Powinności wojenne Żydów w Rzeczypospolitej w XVI i XVII wieku, 13–15. 18 Ebd., 15–43. Vgl. auch Goldberg, Żydzi wobec wrogów Rzeczypospolitej; Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przedrozbiorowej. Zu Konvertiten im Heer Goldberg, Żydowscy konwertyci w społeczeństwie staropolskim, 233.

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größere Anzahl Juden Teil der polnischen Streitmacht. Das änderte sich auch nicht in den folgenden zermürbenden Kriegen gegen Schweden, die Tataren und Russland.19 Polen-Litauen verfügte in dieser Zeit über Söldnertruppen, in denen neben Protestanten vereinzelt auch Juden und Konvertiten ihr Brot verdienen konnten, setzte darüber hinaus jedoch weiter auf eine konfessionelle Streitmacht, die aus den Kontingenten der Szlachta aufgestellt wurde.20 Bei allen Ausnahmen bevorzugten es die jüdischen Gemeinden, sich mit einer Kopfsteuer von der Wehrpflicht freizukaufen, was bereits im 17. Jahrhundert auf Kritik der christlichen Umgebung stieß.21 Nach der Verabschiedung der Maiverfassung wurde das Land schnell von der mächtepolitischen Wirklichkeit eingeholt. 1792 intervenierte Russland militärisch und es kam zum Krieg. Das von Józef Poniatowski geführte königlich-polnische Heer – in der zweiten Reihe standen spätere Schlüsselpersönlichkeiten wie Tadeusz Kościuszko, Józef Zajączek oder Jan Henryk Dąbrowski – ergab sich der drückenden Übermacht. Im folgenden Jahr wurden die zweite Teilung sowie ein immerwährendes Bündnis zwischen Polen und Russland besiegelt. Während das Land wirtschaftlich kollabierte, wurde mit der Abschaffung der Verfassung die alte Ordnung wiederhergestellt. Mit einer Rumpfarmee von 15 000 Mann verfügte Polen nur noch über eine kümmerliche Streitmacht. Dem russischen Gesandten in Warschau wurde entscheidender Einfluss auf die polnische Gesetzgebung gewährt. Bevor Russland, Preußen und Österreich die dritte und endgültige Teilung der Adelsrepublik besiegelten, unternahm die polnische Reformelite im Frühjahr 1794 einen letzten Versuch, das Land von seinen absolutistischen Nachbarn und der immer offeneren Steuerung der polnischen Innenpolitik durch Sankt Petersburg zu emanzipieren. Unter Tadeusz Kościuszko zog ein Aufstandsheer gegen die im Land stehenden Truppen Katharinas II., um die

19 Horn, Powinności wojenne Żydów w Rzeczypospolitej w XVI i XVII  wieku, 86–104; Kaźmierczyk, Sejmy i sejmiki szlacheckie wobec Żydów w drugiej połowie XVII wieku, 53 f. und 94–96. Eine Vielzahl von Beispielen auch bei Bałaban, Żydzi polscy w okresie Sejmu Wielkiego i powstania Kościuszki, 145–154; Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przed­ rozbiorowej, passim. 20 Nagielski, Z problematyki wyznaniowej armii Rzeczypospolitej połowy XVII w., 109; Frost, Confessionalisation and the Army in the Polish-Lithuanian Commonwealth, 1550–1667; Bloch, Jüdische Kombattanten im polnischen Heere. Der polnische General und Historiker Marian Kukiel, der die ethnische Struktur der Streitmacht Sobieskis analysierte, sah in der Erforschung der »nationalen und sozialen Zusammensetzung der altpolnischen Armee« eine wichtige Aufgabe, denn es sei eine der »dringendsten Angelegenheiten«, herauszufinden, »wer Polen wirklich diente und für es kämpfte.« Ders., Skład narodowy i społeczny wojsk koronnych za Sobieskiego, 431. 21 Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przedrozbiorowej, 304–306.

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volle Souveränität des Landes wiederherzustellen.22 Der Aufstand war vor allem das Werk der Verfechter der Maiverfassung, die sich nach dem verlorenen Krieg von 1792 mehrheitlich im Exil in Dresden und Leipzig aufgehalten hatten. Kościuszko selbst war als prominenter Teilnehmer des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges von den Ideen der amerikanischen und Französischen Revolution durchdrungen.23 Seine attraktive gesellschaftspolitische Agenda, welche die Bauernbefreiung einschloss, ermöglichte die Ausweitung des Krieges zu einer Volkserhebung, vergleichbar mit den Befreiungskriegen der napoleonischen Ära.24 Das polnische Insurrektionsheer mag deshalb aus heutiger Perspektive als ein Vorgriff auf die späteren von wehrpflichtigen Bürgern getragenen Heere gelten, da Kościuszko seine Armee nach amerikanischem Vorbild aus regulären Truppen, Territorialmilizen, einfach bewaffneten Bauern sowie dem Landsturm zusammenstellte.25 Die Aufstandseliten tendierten zudem zum Abbau der Irritationen zwischen Juden und Christen.26 Kościuszko selbst hatte einen Tag nach seinem Eid auf die Insurrektionsakte in der Großen Synagoge von Kazimierz um die aktive Unterstützung der Juden geworben. Ein wirksamer Schritt in diese Richtung war die Zulassung von Juden zur Bürgermiliz (milicja obywatelska), womit diese sich physisch am nationalen Aufstand beteiligen konnten. Daneben leistete der Kahal finanzielle Hilfe.27 Dass die neuen gesellschaftlichen Spielräume auch von Juden wahrgenommen wurden, zeigt die Biografie des Berek (Dov Ber) Joselewicz, jüdischer Bewohner einer Warschauer Vorstadt. Joselewicz hatte ein ausgeprägtes Interesse am Kriegshandwerk und es gelang ihm als Mitstreiter Kościuszkos, Dąbrowskis und Poniatowskis, trotz der herrschenden Vorbehalte in die Rolle eines Vorbildes für das angestrebte »europäisierte« polnische Judentum zu wachsen. Joselewicz war 1764 in der litauischen Reichshälfte in Kretynga (lit. Kretinga, dt. Krottingen) zur Welt gekommen. Aus traditionellen Verhältnissen stammend, legte er »den ganzen dornenreichen Weg eines armen jüdi22 Zum Verlauf des Aufstandes Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 17–148. Vgl. auch Hecker, Nutzloser Sieg mit großer Wirkung, 77–89. 23 In den Augen Simon Dubnows verfügte er über »viel weitere Begriffe von politischer und bürgerlicher Freiheit als das ganze Befreiungsheer des adligen Polen«. Ders., Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (1789–1914), Bd. 1, 267. Zur Biografie Kościuszkos einführend die Skizzen in Haumann / Skowronek (Hgg.), »Der letzte Ritter und erste Bürger im Osten Europas«. 24 Tokarz, Insurekcja warszawska (17 i 18 kwietnia 1794 r.), 74. 25 Marcinkowski / Rzepniewski, Die Wehrdienst- und Wehrpflichtformen in Polen zwischen der Verfassung von 1791 und der Gegenwart, 149 f. 26 Ein Gegenbeispiel lieferte der Warschauer Magistrat, der gegen den Willen Kościuszkos eine Anhebung der Besteuerung der in Warschau niedergelassenen Juden durchsetzte. Eisenbach, Z dziejów ludności żydowskiej w Polsce w XVIII i XIX wieku, 111 f. 27 Gierowski, The Jews in the Kościuszko Insurrection, 194.

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schen Jünglings zurück«.28 Er avancierte vom Pferdehändler zum Faktor des Eigentümers von Kretynga, dem Wilnaer Bischof Ignacy Jakub Massalski, in dessen Auftrag er ausgedehnte Reisen bis nach Frankreich unternahm.29 1788 ließ sich Joselewicz als Pferdehändler und Armeelieferant in Golędzinów nieder. Diese zur polnischen Krone gehörende Siedlung war Teil der rechtsufrigen Warschauer Vorstadt Praga, wo den Juden erst 1775 das freie Niederlassungsrecht zugestanden worden war.30 Das alltägliche Zusammenleben von Christen und Juden gestaltete sich konfliktreich. Die Anspannung, die sich im Mai 1790 sogar in Straßenkrawallen entlud, war auch bei der militärischen Erhebung Warschaus im April 1794 noch spürbar.31 In dieser Zeit wurde Joselewicz polnischer Heereslieferant, darunter auch der von Józef Poniatowski geführten Einheit.32 Unter dem Eindruck der Ereignisse bat Joselewicz, bereits als Mitglied der Warschauer Bürgermiliz, am 23. April 1794 gemeinsam mit seinem Glaubensgenossen Józef Aronowicz den Provisorischen Rat des Herzogtums Masowien um Erlaubnis, Juden für ein leichtes Kavallerieregiment anwerben zu dürfen. Der Provisorische Rat genehmigte am 25. April die Ausrüstung von 100 Reitern, doch fand eine Rekrutierung im Frühjahr offenbar noch nicht statt. Erst als Kościuszko selbst die Entscheidung des Rats bestätigte, nahmen 28 Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (1789–1914), Bd. 1, 269. Es existierten zahlreiche Varianten seines Namens, z. B. Dow Ber (hebr. / jidd. Bär) oder Berko Josielowicz. Bałaban, Prawdziwe imię Berka Joselewicza i przebieg jego służby wojskowej, 79–90. Zur Biografie neben den genannten Positionen Art. »Berek Joselewicz«, in: PSB, Bd. 1, 446 f.; Pachoński, Oficerowie Legionów Polskich 1796–1807, Bd. 2, 12. 29 Massalski, ein den Ideen der Aufklärung durchaus zugewandter Magnat, wurde als einer der Köpfe der pro-russischen Konföderation von Targowica Ende Juni 1794 auf Befehl Kościuszkos wegen Landesverrats öffentlich hingerichtet. Butterwick, The Polish Revolution and the Catholic Church, 1788–1792, 317. 30 Eisenbach, The Jewish Population in Warsaw at the Turn of the Eighteenth Century, 48 f.; Michałowska, Szmul Jakubowicz Zbytkower, 80 und 84; Drozdowski, Żydzi Warszawy stanisławowskiej. 31 Zienkowska, »The Jews Have Killed a Tailor«; Tokarz, Insurekcja warszawska (17 i 18 kwietnia 1794  r.), 79. Während der Kämpfe um Warschau gab es keine Übergriffe auf Juden, selbst als die Flucht des vermögenden Armeelieferanten Szmul Jakubowicz Zbytkower unter russische Obhut bekannt wurde. Michałowska, Szmul Jakubowicz Zbytkower; Dynner, Men of Silk, 94–104. 32 Łuniński, Berek Joselewicz. Szkic biograficzny, 47; Ringelblum, Żydzi w powstaniu kościuszkowskiem, 72–74. Viele Juden in dieser Position übernahmen Spionageaufgaben für eine der Kriegsparteien. Szmul Jakobowicz Zbytkower (um 1727–1801) erlangte Berühmtheit als Hof- und Heereslieferant des polnischen Königs, belieferte aber ebenso die russische und preußische Armee. Während der blutigen russischen Eroberung Pragas Anfang November 1794 soll er vielen jüdischen und christlichen Zivilisten Schutz gewährt sowie Kinder aus der Hand der mordenden Kosaken freigekauft haben. Hierzu Michałowska, Szmul Jakubowicz Zbytkower; Pohorille, Dostawy wojskowe Szmula Jakobowicza Zbytkowera w latach 1792–4; Bauer, Wojsko koronne powstania kościuszkowskiego, 5.

Reform und Teilung

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die Pläne Gestalt an. Berek Joselewicz wurde auf der Insurrektionsakte der Aufständischen registriert und erhielt das Offizierspatent im Rang eines Obersts (pułkownik).33 Kościuszko verkündete am 17. September das Vorhaben Joselewicz’ und Aronowicz’ in der amtlichen Gazeta Rządowa (Regierungszeitung). Er sprach in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit, die Welt von der »Heiligkeit unserer Sache und der Gerechtigkeit der jetzigen Revolution« zu überzeugen, indem die »durch Religion und Gebräuche von uns getrennten Menschen [d. h. die Juden] zur Unterstützung unseres Aufstands aus eigenem Willen ihr Leben zum Opfer« brächten. Kościuszko beschwor die lange Reihe tapferer Kämpfer im alten Judäa, die mit der Unterwerfung durch die Römer abbrach und nun anderthalb Jahrtausende später wieder aufgenommen werde.34 Nicht minder pathetisch klang zwei Wochen später ein Aufruf Joselewicz’ in der Gazeta Rządowa, der mit Dubnows Worten »zwar in Polnisch, doch im hebräischen Stile abgefasst war«.35 In geradezu biblischem Duktus rief er die »Kinder des Stammes Israel« zum Kampf für Polen auf: »Treue Brüder! Wir kämpfen für das Vaterland, solang wir noch einen Tropfen Blutes in uns haben. Sollten wir [die Befreiung] nicht mehr erleben, so werden doch unsere Kinder in Sicherheit und Freiheit leben und nicht wie wilde Tiere umherziehen. Geliebte Brüder! Erwacht wie Löwen und Leoparden, mit Gottes Hilfe verschlingen wir diese groß Aufgeblasenen! Wartet nicht, bis ihr mit Gewalt eingezogen werden müsst, Freiwillige werden bei der Vorstellung befördert.«36

Am 3. Oktober 1794 stattete der Oberste Nationalrat Joselewicz mit 3 000 Złoty aus. Über das genaue Schicksal der als Leichtes Jüdisches Kavallerieregiment bekannten Formation ist so wenig bekannt, dass zuweilen deren Existenz infrage gestellt wurde. Andere Angaben, die von einer Regimentsstärke von bis zu 500 Mann ausgehen, sind ebenso wenig belegt.37 Offenbar verhinderte die Erstürmung Pragas durch die russischen Truppen am 4. November die Vervollständigung des Regiments. In vielen Berichten wird geschildert, dass die jüdischen Kämpfer heldenhaft gegen die russischen Truppen unter Gene33 Akty Powstania Kościuszki, Bd. 2, 214; Łuniński, Berek Joselewicz, 10.  34 Odezwa Kościuszki [Apell Kościuszkos], zit. nach Bałaban (Hg.), Księga pamiątkowa ­(album) ku czci Berka Joselewicza, pułkownika wojsk polskich, w 125-letnią rocznicę Jego bohaterskiej śmierci, 1809–1934, 163 f. Als vermutlicher Verfasser des Textes gilt Julian Ursyn Niemcewicz, Dramatiker und persönlicher Sekretär Kościuszkos. 35 Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (1789–1914), Bd. 1, 269. 36 Odezwa Berka Joselewicza [Appell Berek Joselewicz’], zit. nach Bałaban (Hg.), Księga pamiątkowa (album) ku czci Berka Joselewicza, pułkownika wojsk polskich, w 125-letnią rocznicę Jego bohaterskiej śmierci, 1809–1934, 164 f. 37 Bauer, Wojsko koronne powstania kościuszkowskiego, 232; Kukiel, Czy istniał pułk Berka Joselewicza?; Szacki, Kościuszko a Żydzi (notatki historyczne), 8.

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ral Alexander Suworow ankämpften.38 Auch sie konnten gemeinsam mit der Warschauer Stadtmiliz, Bauerneinheiten und den Resten von Kościuszkos Truppen den Fall Pragas und das folgende Blutbad nicht verhindern, bei dem Tausende – darunter zahlreiche jüdische – Zivilisten den Tod fanden.39 Dem Historiker Majer Bałaban zufolge sorgte Szmul Zbytkower für die Bestattung der Opfer.40 Berek Joselewicz’ jüdisches Aufgebot war in seiner emanzipatorischen Intention ein Novum und sicherlich auch eine Reaktion auf die bereits geschilderten Emanzipationsdebatten.41 Einer breiten Aufnahme von Juden in die Reihen der polnischen Heere standen aber, neben einer sicher vorhandenen Skepsis der polnischen Truppenführer, auch die jüdischen religiösen Vorschriften entgegen, die das Einhalten des Ruhetagsgebotes und der Speisevorschriften einschlossen.42 So beteiligte sich die jüdische Bevölkerung während des Kościuszko-Aufstandes zwar an den Bürgerwehren und steuerte auch teils hohe finanzielle Beträge für die polnischen Truppen bei, doch blieben reguläre Soldaten seltene Ausnahmen; ein späterer Joselewicz-Biograf spricht von einer Handvoll »aufgeklärter Enthusiasten«.43 Zur gleichen Zeit, als Berek Joselewicz sich um die Ausstattung seines Kavallerieregiments bemühte, setzten die jüdischen Selbstverwaltungsorgane alles daran, die Ausweitung 38 Von Suworow ist die Aussage überliefert, dass vor allem Juden Praga verteidigten. Der Kammerherr des Königs benannte in seinen Erinnerungen den »Schneider [Jan] Kiliński, Białogłowski, [Andrzej] Kapostas, gebürtig von den Inseln des Archipels und kürzlich in Polen eingebürgert, und [den] Jude[n] Berko, Oberleutnant des israelitischen Regiments« als Anführer der kämpfenden Warschauer Bürger (Libera, Berek Joselewicz w legendzie literackiej, 46). Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 29–34; Urbach, Udział Żydów w walce o niepodległość Polski, 17 f. 39 Es wurden bis zu 20 000 Zivilisten getötet. Keep, Soldiers of the Tsar, 216. 40 Bałaban, Historja i literatura ze szczególnym uwzględnieniem historii Żydów w Polsce, Bd. 3, 431. 41 Manche Autoren gehen davon aus, Joselewicz wäre während seiner Reise nach Brüssel und Paris mit den Ideen der französischen Aufklärung konfrontiert worden. Hecht, Bohater narodowy pułkownik Berek Joselewicz (rękopis znaleziony w Kocku), 9 f. Dubnow vermutet, dass Joselewicz bei der Verfassung seines Appells die Juden in der Pariser Nationalgarde vor Augen hatte. Ders., Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (1789–1914), Bd. 1, 270. 42 Nachweisbar ist hingegen der Einsatz von Juden beim Brückenbau aufgrund ihrer handwerklichen Fertigkeiten. Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przedrozbiorowej, 3­ 24–327. Überblicksartig zum Verhältnis von Militärdienst und jüdischer Religion Römer-Hillebrecht / Schönstädt, Sind jüdisch-religiöser Lebensweg und Militärdienst in nicht-jüdischen Armeen vereinbar? Aus orthodoxer Perspektive vgl. die Beiträge in Schiffman / Wolowelsky (Hgg.), War and Peace in the Jewish Tradition. 43 Łuniński, Berek Joselewicz. Szkic biograficzny, 56 f. Vgl. die 18 Kurzbiogramme bei Bałaban, Żydzi polscy w legjonach i w armji Księstwa Warszawskiego. Ausführlich zum jüdischen Anteil am Kościuszko-Aufstand Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przedrozbiorowej, 221–272; Ringelblum, Żydzi w powstaniu kościuszkowskiem; Bałaban, Historja Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1868, Bd. 2, 555–558.

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der allgemeinen Wehrpflicht auf die Juden zu verhindern.44 So hintertrieb der Warschauer shtadlan gemeinsam mit dem Rabbinat die Anwerbung jüdischer Rekruten und musste zur Ordnung gerufen werden.45 Im erwähnten Bittschreiben an den Provisorischen Rat baten Joselewicz und Aronowicz die Regierung gar, beim Warschauer Rabbinat auf eine Lockerung der Sabbatruhe hinzuwirken. Das Eintreten Joselewicz’ für den Militärdienst von Juden war durchaus modern, denn er erkannte die seit der Französischen Revolution sich verbreitende Kopplung von Staatsbürgerrechten an die Wehrpflicht auch für die Juden Polens an.46 Folgt man diesem sich in den bürgerlichen Gesellschaften Europas etablierenden Prinzip, dann war die religiös und lebensweltlich begründete Ablehnung des Armeedienstes durch die Führung der polnischen Juden eine bewusste Abkehr vom Gedanken des emanzipierten Staatsbürgers. Die Vorbehalte vieler Juden gegen das Militär trugen indes auch zur Verstärkung des Stereotyps der Untauglichkeit der Juden zum Waffendienst bei. Von da war es nur ein kleiner Schritt zur Vorstellung, Juden seien als potenzielle Verräter der Rzeczpospolita zu betrachten. Bereits im 17. Jahrhundert hatten sich derlei Einstellungen manifestiert, so während des als »schwedische Sintflut« im kulturellen Gedächtnis Polens verankerten Zweiten Nordischen Krieges (1655–1660). Die Schuldzuweisungen mündeten vielerorts in Gewalt, so bei der Belagerung von Sandomierz im Jahr 1656, als die Juden der Stadt des Verrats bezichtigt und 600 von ihnen getötet wurden.47 Die Figur des verräterischen Juden oder des jüdischen Spions speiste sich auch aus der bis ins 20. Jahrhundert tief in der bäuerlichen Volkskultur verwurzelten Vorstellung, Juden wären für jegliche Art von Militärdienst (und Feldarbeit) untauglich und somit feige und ehrlos.48 Mit dem Kościuszko-Aufstand verschwanden derlei Imaginationen keinesfalls aus der christlichen Vorstellungswelt. Dies verdeutlicht eine nach der Kapitulation 44 Zahorski, Warszawa w powstaniu kościuszkowskim, 205; Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (1789–1914), Bd. 1, 270–276. 45 Der shtadlan (poln. syndyk żydowski) war als »Fürsprecher« im Dienste einer jüdischen Gemeinde, eines Landtags oder des Vierländerrats tätig. Guesnet, Politik der Vormoderne. 46 Zum Diskurs von Kriegs- und Nationsdeutung sowie zur Entwicklung des Paradigmas des National- und Volkskrieges Leonhard, Bellizismus und Nation. 47 Bloch, Jüdische Kombattanten im polnischen Heere. Zum Vorwurf des Verrats im Nordischen Krieg Bałaban, Historja Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1868, Bd. 2, 10–12. Vgl. auch Mochalova, Učastie evreev v pol’skich voennych konfliktach XVII  veka. Zur Wahrnehmung jüdischer Soldaten in der polnischen und ukrainischen Literatur Mieses, Udział Żydów w wojnach Polski przedrozbiorowej, 303–323. 48 Kamińska-Szmaj, Judzi, zohydza, ze czci odziera, 109; Franko, Wojna żydowska, 263–278; Cała, Wizerunek Żyda w polskiej kulturze ludowej, 27. Für den rumänischen Fall Oişteanu, Konstruktionen des Judenbildes, 328–340. Zum Bild der Juden unter der polnischen Landbevölkerung Beauvois, Oni i inni, 191–193.

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der Hauptstadt an Russland beziehungsweise an Preußen gerichtete Petition des Magistrats und der Zünfte Warschaus, in der die Ausweisung der jüdischen Stadtbevölkerung trotz ihres Blutzolls gefordert wurde.49 Dennoch bot Joselewicz’ Kavallerie den sich der christlichen Umwelt öffnenden Teilen der jüdischen Bevölkerung einen Anknüpfungspunkt für ihren langen Weg in Richtung Akkulturation und Säkularisierung. Im Laufe dieser Entwicklung erwarben Juden zudem mit der Zuschreibung »Pole mosaischen Glaubens« (Polak wyznania mojżeszowego) erstmals eine Möglichkeit, sich innerhalb einer polnischen nationalen Werte- und Erfahrungsgemeinschaft zu bewegen, in der die religiöse Zugehörigkeit in den Bereich des Privaten gedrängt wurde.50

1.2 Von Italien nach Polen. Hoffnungen in der napoleonischen Ära Die geschlagene militärische Elite Polens beschritt nach ihrer Niederlage von 1794 verschiedene Wege. Tadeusz Kościuszko verließ nach seiner Begnadigung die russische Gefangenschaft in Richtung Amerika und ließ sich schließlich in der Schweiz nieder. Zuvor hatte er mit seinem Unterwerfungseid dem Zaren gegenüber die Freilassung von 20 000 polnischen Gefangenen erwirkt.51 Während die übrigen politischen Aktivisten mit schwerer Haft belegt und Tausende Aufständische nach Sibirien verschleppt wurden, durfte das Gros des polnischen Offizierskorps und der Generalität unbehelligt in Warschau bleiben und nutzte die Gelegenheit, sich als treue Untertanen in den Dienst des Zaren zu stellen.52 Fürst Józef Poniatowski, dem bei der Verteidigung Warschaus schwere strategische Fehler unterlaufen waren, zog sich ins Privatleben zurück, um »in Ruhe in Jabłonna sitzen« zu können.53 Einige polnische Offiziere wechselten nicht in den Dienst der neuen Herren und begaben sich ins Exil. Viele von ihnen traten wie Jan Henryk Dąbrowski in die Dienste Frankreichs, das als einzige Macht in Europa imstande schien, das Teilungsunrecht rückgängig zu machen. In der Tat konnte Dąbrowski 1797 49 Bałaban, Historja i literatura żydowska ze szczególnem uwzględnieniem historji Żydów w Polsce, Bd. 3, 431. 50 Porter, When Nationalism Began to Hate, 38. Vgl. auch Weeks, The Best of Both Worlds. 51 Szyndler, Tadeusz Kościuszko, 1746–1817, 290. 52 Damit setzten die Teilungsmächte eine Politik fort, die sie bereits seit 1772 erfolgreich angewendet hatten. Besonders profitierte davon der Kleinstadel, dessen Verlust der Standesprivilegien durch militärische Privilegien kompensiert wurde. Schmitt, Der Militärdienst und die Neuformierung adliger Eliten in den habsburgischen und preußischen Teilungsgebieten 1772–1830; ders., Wie »Sand am Meer«. 53 Skowronek, Książę Józef Poniatowski, 88.

Von Italien nach Polen

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im französisch beherrschten Norditalien die ersten polnischen Einheiten bilden.54 Oberst Berek Joselewicz teilte das Schicksal vieler seiner Kampfgenossen. Nach der Erstürmung Pragas und seiner Flucht aus russischer Kriegsgefangenschaft gelangte er in österreichische Internierungshaft in der mährischen Festung Olmütz. Nach seiner Freilassung begab er sich mit seiner Familie nach Lemberg, wo er  – sein Auskommen erneut als Pferdehändler verdienend – als vermeintlicher Revolutionär unter Beobachtung der kaiserlichen Behörden stand. Auch hier ließ er militärische Ambitionen erkennen, als er 1796 den Wiener Monarchen zur Aufstellung eines galizischen »Juden FreiKorps« mit bis zu 8 000 Soldaten zu bewegen versuchte.55 Sicher relativiert dieser Vorstoß die spätere Überhöhung Joselewicz’ als bedingungsloser polnischer Freiheitskämpfer, doch waren solche Vorhaben weder ungewöhnlich noch galten sie als ehrenrührig.56 Joselewicz schloss sich 1798 den Polnischen Legionen in Italien an, wo ihn Dąbrowski freundlich aufnahm.57 Seinen Rang als Oberst unter italienischem Kommando konnte er jedoch nicht beibehal54 Unter der Bezeichnung »Polnische Legionen« werden heute alle militärischen Formationen zusammengefasst, die als polnische Einheiten zwischen 1797 und 1809 unter Napoleons Befehl standen. Im Einzelnen waren dies: 1797 die Polnischen Hilfslegionen der Lombardischen Republik (Legiony Polskie Posiłkowe Rzeczypospolitej Lombardzkiej), 1797–1800 das Polnische Hilfskorps der Cisalpinischen Republik (Korpus Polski Posiłkowy Rzeczypospolitej Cyzalpińskiej), 1799–1802 die Donaulegion (Legia Naddunajska) und 1800–1802 die Polnisch-Italienische Legion (Legia Polsko-Włoska). Zwischen 1802 und 1806 wurden die Legionäre von Napoleon in verschiedenen Armeen eingesetzt, ohne eine geschlossene Formation zu bilden. Ab 1806 richtete Napoleon erneut polnische Legionen ein, die nach 1809 in der Armee des Herzogtums Warschau aufgingen: 1806–1808 die Nordlegionen (Legie Północne), 1807 die Legion Kalisch (Legia Kaliska) sowie 1807–1809 die PolnischItalienische Legion (Legia Polsko-Włoska, ab 1808 Weichsellegion – Legia Nadwiślańska). Aus der reichen Literatur hervorzuheben ist Pachoński, Legiony Polskie 1794–1807. Vgl. zudem Askenazy, Napoleon a Polska; Skowronek, Legiony polskie we Włoszech 1797–1801; Pachoński / Wilson, Poland’s Caribbean Tragedy. 55 Für den vollständigen Wortlaut des Antrags Kipa, Berka Joselewicza projekt legjonu ochotniczego w roku 1796, 67–75; Askenazy, Napoleon a Polska, 327 und 404. Łuniński zufolge entkam Joselewicz mithilfe von Freunden aus der Festung Olmütz und begab sich unverzüglich nach Frankreich ins Exil. Ders., Berek Joselewicz i jego syn, 25. Die gleiche Darstellung übernahm Ged Hecht. Ders., Bohater narodowy pułkownik Berek Joselewicz (rękopis znaleziony w Kocku), 16. In seiner späteren Arbeit wählte Łuniński allerdings vorsichtigere Worte. Ders., Berek Joselewicz, 17–19. 56 Baczkowski, W służbie Habsburgów, darin zu Joselewicz’ Projekt, 58; Pachoński, Legiony Polskie 1794–1807, Bd. 1, 134; Askenazy, Napoleon a Polska, 327; Łuniński, Berek Joselewicz, 18 f. Zur Huldigung Napoleons durch die Juden von Swarzędz Guesnet, The Turkish Cavalry in Swarzedz, or: Jewish Political Culture at the Borderlines of Modern History. Vgl. auch die Bewertungen von Gelber, Aus zwei Jahrhunderten, 162. 57 Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 36. Zur sozialen und ethnischen Struktur der Legionen Pachoński, Oficerowie Legionów Polskich 1797–1806, Bd. 1, 44–46.

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ten und erlangte diesen auch bis zu seinem Tod nie wieder. Er bewährte sich dennoch sowohl im Kampf als auch beim Aufbau der berittenen Einheiten der Donaulegion.58 Sein Vorgesetzter General Karol Otto Kniaziewicz sah in ihm einen überdurchschnittlich begabten tapferen Kavalleristen, der als Jude jedoch nicht von allen als Kampfgefährte akzeptiert wurde.59 Da die Legionen an vielen Fronten, nur nicht in Polen eingesetzt wurden, quittierte Joselewicz, mittlerweile im Rang eines Rittmeisters (Hauptmanns), den Dienst in der Donau­legion vorzeitig und kam in der französischen Hannoverschen Legion (Légion Hanovrienne) unter.60 Im Oktober 1806 triumphierte die Grande Armée bei Jena und Auerstedt über die Hohenzollern, woraufhin sich die ehemals polnischen Gebiete im Großpolnischen Aufstand von Preußen ablösten. General Dąbrowski zog im November 1806 in Posen ein und begann polnische Truppen aufzustellen.61 Der französische Marschall Louis Davout richtete sein Hauptquartier in Jabłonna ein, von wo aus er in den Weihnachtstagen 1806 die weiteren Kämpfe gegen die russischen Truppen im Raum Warschau dirigierte.62 Joselewicz schloss sich Oberst Kazimierz Turno an, der auf eigene Kosten ein berittenes Schützenregiment unterhielt. Im März 1807 avancierte Berek Joselewicz zum Eskadronschef innerhalb dieser Elitetruppe.63 Mit dem Tilsiter Frieden von Juli 1807 schien der Traum der Legionäre nach einem Jahrzehnt wahr zu werden. Der Friedensvertrag zwischen Russland und Frankreich sah die Gründung eines polnischen Staates, des Herzogtums Warschau, vor. Napoleon betrachtete den neuen Staat als wichtigen Baustein seiner Politik gegenüber Preußen und Russland und verfügte die Einführung einer am Code Napoléon orientierten Konstitution. Die vorwiegend auf dem Papier bestehenden Bürgerrechte der Juden wurden in der Erwartung einer völligen Assimilation für ein Jahrzehnt ausgesetzt.64 Wie in Frankreich sollte ihnen so die Möglichkeit eingeräumt werden, sich ihrer christlichen Umgebung kulturell und habituell anzupassen und sich damit zu »würdigen« Staatsbürgern zu wandeln.65 58 Askenazy, Napoleon a Polska, 327. 59 Kniaziewicz an Wybicki, 16. Juni 1800, in: Listy znakomitych Polaków, 90, hier zit. nach Łuniński, Berek Joselewicz i jego syn, 29.  60 Bałaban, Prawdziwe imię Berka Joselewicza i przebieg jego służby wojskowej, 85 f. 61 Wojtasik, Zmierzch i odrodzenie Rzeczypospolitej, 84–93. 62 Załęczny, Książę Józef Poniatowski w Jabłonnie i okolicy, 8 f.; Bielecki / Tyszka (Hgg.), Dał nam przykład Bonaparte, Bd. 1, 151. 63 Gembarzewski, Wojsko Polskie, 141 (verzeichnet unter dem Namen Józef Berków). Zur Geschichte des Regiments ebd., 141–144. 64 AGAD, Akta sprawy Rady Stanu i Rady Ministrów, Nr. 339, Bl. 59, zit. nach Zych, Armia Księstwa Warszawskiego 1807–1812, 25, Anm. 34. 65 Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 128–148.

Von Italien nach Polen

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Als günstig für die Aufstellung einer Streitmacht des Herzogtums erwies sich, dass in den Legionen nahezu 26 000 Offiziere und Unteroffiziere gedient hatten, die ein hervorragend ausgebildetes und kampferprobtes Offiziers­ korps darstellten.66 Die Armee des Herzogtums wurde nach modernen französischen Prinzipien organisiert und bot auch Abkömmlingen nichtadliger Familien Aufstiegschancen.67 Napoleon trug das Amt des Kriegsministers im Interesse guter Beziehungen zum polnischen Hochadel Józef Poniatowski an, der ihn am 23. Dezember 1806 in Jabłonna als Gast festlich bewirtet hatte.68 Als Poniatowski 1808 die Wehrpflicht für die Juden verfügte, freilich ohne ihnen im Gegenzug die vollen Bürgerrechte zu gewähren, setzte sich der Widerstand der religiösen Eliten gegen jede Form eines verpflichtenden Militärdienstes fort.69 Nach langem Bitten und Konzessionen einiger religiöser Führer wurde diese Verordnung 1812 gegen die Einführung einer hohen Wehrsteuer in Form eines jährlichen Rekrutengeldes (rekrutowe) von 700 000  Złoty wieder zurückgenommen.70 Bereits 1809 musste das Herzogtum einen von Galizien aus geführten öster­reichischen Feldzug abwehren, mit dem Wien auf die Besetzung des Landes und eine erneute Aufteilung zielte.71 Poniatowski bewährte sich in diesen Tagen als geschickter Heerführer.72 Seinen Ruf als dekadenter Tunichtgut und österreichischer Lakai konnte er damit abstreifen. Für Poniatowski und Joselewicz war der polnisch-österreichische Krieg nach dem KościuszkoAufstand bereits die zweite Station, die ihre Biografien verband. Joselewicz diente inzwischen im kleinen Heer des Herzogtums Warschau als Chef der 2. Eskadron des 5. Berittenen Schützenregiments, womit Poniatowski sein Dienstherr war. Zu Beginn des Krieges lagerte seine Eskadron zunächst in Jabłonna und Umgebung, wo sich auch Poniatowski und sein Hauptquar66 Chwalba, Historia Polski 1795–1918, 228; Pachoński, Oficerowie Legionów Polskich ­1797–1806, Bd. 1, 291–294. Zu Aufbau und Organisation der Armee des Herzogtums Zych, Armia Księstwa Warszawskiego 1807–1812, 17–58. 67 Zu den sozialen und politischen Idealen der Legionen Z. Krajewski, Z ziemi włoskiej do Polski, 43–90. 68 Załęczny, Książę Józef Poniatowski w Jabłonnie i okolicy, 8. 69 Gembarzewski berichtet, dass 1808–1812 von 3 700 gelisteten jüdischen Rekruten kaum 70 ihren Dienst antraten. Ders., Wojsko Polskie, 288. Zur Diversifizierung der jüdischen Eliten und zur Fortdauer der sozial-religiösen jüdischen Organisationsweise Kleinmann, Jüdische Eliten, polnische Traditionen, westliche Modelle und russische Herrschaft. 70 Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 248 f.; Haumann, Geschichte der Ostjuden, 68 f.; Askenazy, Z dziejów Żydów polskich w dobie Księstwa War­ szawskiego, 11–14; Bałaban, Historja Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1868, Bd. 2, 591 f.; Meisl, Geschichte der Juden in Polen und Rußland, Bd. 3, 162–164. 71 Der österreichisch-polnische Krieg war Teil des 5. Koalitionskrieges. Zum Verlauf B. Paw­ łowski, Wojna polsko-austriacka 1809  r.; Romański, Raszyn 1809. Vgl. auch Baczkowski, Wojsko polskie w napoleońskim Krakowie. 72 Wojtasik, Książę Józef Poniatowski polski wódz naczelny w 1809 roku.

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tier aufhielten.73 Im April nahm die Einheit erstmals an Kampfhandlungen teil,74 bevor sie am 5. oder 6. Mai 1809 rund 150 Kilometer weiter südöstlich im Städtchen Kock in ein schweres Gefecht mit Angehörigen einer österreichischen Husarendivision verwickelt wurde.75 Die Gegner wurden zwar erfolgreich zurückgedrängt, doch geriet bei deren Verfolgung der unvorsichtig agierende und bereits verletzte Berek Joselewicz in einen Hinterhalt im Zentrum von Kock. Angeblich ergab sich Joselewicz der feindlichen Übermacht nicht und wurde in einem aussichtslosen Kampf von einem österreichischen Husaren mit dem Säbel niedergestreckt.76 In der Rezeption von Joselewicz’ Vita wurde dessen letzter Kampf, ganz im Stil der Heldenbiografien des 19. Jahrhunderts, zur mythischen Klimax stilisiert.77 Die Ereignisse wurden allerdings vermutlich anders überliefert, als sie in Wirklichkeit stattfanden. Folgt man dem Militärhistoriker Bronisław Pawłowski, der noch mit dem vollständig erhaltenen, im Zweiten Weltkrieg verbrannten Quellenmaterial arbeiten konnte, wurde Joselewicz, der sich bei der Verfolgung der Gegner zu weit vorgewagt hatte, eingekreist und trotz seiner Bitte um Pardon getötet.78 Polnischerseits wurde dieser Vorfall als außerhalb der üblichen militärischen Verhaltenskonventionen empfunden. Oberst Turno legte bei seinem gegnerischen Gegenüber Major Friedrich Graf Hoditz Protest gegen das Vorgehen der österreichischen Seite ein.79

73 Załęczny, Książę Józef Poniatowski w Jabłonnie i okolicy, 11. 74 B. Pawłowski, Wojna polsko-austriacka 1809 r., 105 und 128; Gembarzewski, Wojsko Polskie, 142; Zych, Armia Księstwa Warszawskiego 1807–1812, 127 f. und 150 f. 75 Die meisten Autoren geben den 5. Mai 1809 als Todestag an. Łuniński, Berek Joselewicz. Szkic biograficzny, 55; Urbach, Udział Żydów w walce o niepodległość Polski, 19. Häufig wird auch der 6. Mai genannt. Gembarzewski, Wojsko Polskie, 142. Aus Zychs Darstellung ergibt sich die Nacht vom 7. zum 8. Mai als Zeitpunkt des Gefechts. Ders., Armia Księstwa Warszawskiego 1807–1812, 151. Vgl. auch B. Pawłowski, Wojna polsko-austriacka 1809 r., 242. 76 Zu den letzten Tagen Joselewicz’ Romański, Raszyn 1809, 84 f., 97 und 167; Zych, Armia Księstwa Warszawskiego 1807–1812, 151; Łuniński, Berek Joselewicz i jego syn, 41–43; ders., Berek Joselewicz, 27–30. Zum Verlauf des Gefechts aus österreichischer Sicht Kriegsszenen, in: Oestreichische militärische Zeitschrift (1845), H. 4, 59–84, hier 65–68. Der Autor dieses Textes nimmt fälschlicherweise an, der in Kock getötete, »wegen seiner Tapferkeit so allgemein bekannte Oberstlieutenant Berko« aus einer »sehr achtbaren dasigen [Warschauer] Israeliten-Familie« sei der Sohn jenes Berko gewesen, der 1794 in Warschau ein »Israeliten-Infanterie-Regiment« aufgestellt hatte (67). 77 Janion, Bohater, spisek, śmierć, passim. 78 B. Pawłowski, Wojna polsko-austriacka 1809 r., 242. 79 Ebd. Nach einer weiteren Darstellung wurde Joselewicz durch einen Schuss tödlich verwundet, den Husaren aus den Fenstern eines Wirtshauses auf dem Kocker Marktplatz abgaben. Wójcicki, Cmentarz Powązkowski oraz cmentarze katolickie i innych wyznań pod Warszawą i w okolicach tegoż miasta, Bd. 3, XVII f.

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Joselewicz war zwar keine derartige Verehrung wie später Poniatowski beschieden, doch erfuhr er nach seinem Tod Anerkennung über die jüdische Bevölkerung hinaus. Poniatowski informierte Napoleon in seinem Generalrapport über den Verlauf des Feldzugs vom Verlust des Offiziers: »à Koçk [sic], nous perdîmes aussi le colonel Berek, de la religion israélite.«80 Mit seinem Untergang konnte Joselewicz zur Identifikationsfigur all jener Juden werden, die in irgendeiner Weise auf den polnischen Unabhängigkeitskampf Bezug nehmen wollten. Das Legendenhafte, das von nun an allen Überlieferungen über den jüdischen Kavalleristen tief eingewurzelt blieb, wird bereits in der lokalen Erinnerung des Begräbnisses des Helden in der Stadt Kock deutlich. Demnach entbrannte zwischen den jüdischen und christlichen Bewohnern von Kock, das in späterer Zeit als chassidisches Zentrum sowie Austragungsort mehrerer wichtiger Schlachten (1831, 1863, 1920, 1939) weithin bekannt wurde, ein Streit darüber, auf welchem Friedhof der Tote bestattet werden solle. Man verständigte sich salomonisch darauf, das Grab an jener Stelle anzulegen, wo die Zugochsen eines Fuhrwerks mit dem Sarg von selbst anhalten würden. Aus diesem Grund wurde Joselewicz am Rande von Kock auf einem Feld an der Straße in Richtung Białobrzegi bestattet.81 Auch diese Episode sollte nicht als unumstößliche Wahrheit gelten. So legen Berichte über die Plünderung von Verletzten durch die örtliche jüdische Bevölkerung nahe, dass keineswegs das ganze jüdische Kock auf einen Einzug polnischer Soldaten gewartet hatte.82 Ein Grund für den ungewöhnlichen Bestattungsort könnte also auch gewesen sein, dass beide Denominationen sich weigerten, Joselewicz eine Parzelle auf ihren Friedhöfen für ein Begräbnis zuzuweisen.83 Die tatsächliche Wirkung Berek Joselewicz’ auf die jüdische und christliche Umgebung seiner Zeit zu beurteilen ist a posteriori kaum noch möglich, da die fiktiven und realen Momente seiner Biografie schwer zu trennen sind. Die Anerkennung des Gefallenen mag man immerhin daran ablesen, dass seinen Hinterbliebenen mit Genehmigung des sächsischen Königs und Herzogs von Warschau eine jährliche Rente von 1 800 Złoty auf Lebenszeit sowie eine Konzession für den Spirituosenhandel in Warschau gewährt wur-

80 Rapport général sur la campagne de 1809, des Polonais contre les Autrichiens, adressé à l’Empereur Napoléon Ier à Vienne, par le prince Joseph Poniatowski, in: Chodźko (Hg.), Recueil des traités, conventions et actes diplomatiques concernant la Pologne 1762–1862, 516. Vgl. auch die Beschreibung in Soltyk, Relation des opérations de l’armée aux ordres du Prince Joseph Poniatowski pendant la campagne de 1809 en Pologne contre les Autrichiens, 211. 81 Łuniński, Berek Joselewicz, 30. Literarisch verarbeitet bei Krall, Hipnoza, 108. 82 B. Pawłowski, Wojna polsko-austriacka 1809 r., 242. 83 Mierzwiński, Historyczne związki pułkownika Berka Joselewicza z Kockiem, 10. 

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de.84 Zu Lebzeiten hatte Berek Joselewicz einige Wertschätzung erfahren. Als Träger des französischen Ordens der Ehrenlegion wie auch des polnischen Ordens Virtuti Militari (3. Klasse, 1808) fand er Aufnahme in die prominente Freimaurerloge der Vereinigten polnischen Brüder (Bracia Polacy Zjednoczeni), die insbesondere Militärangehörige versammelte, die der Idee der Wieder­geburt Polens anhingen.85 Die Presse notierte das Ableben Joselewicz’ mit dem Hinweis auf seine herausgehobene Stellung unter den Juden des Landes. Die Gazeta Warszawska erblickte ähnlich wie Kościuszko schon 1794 in ihm den »ersten polnischen Juden, der seinen Glaubensgenossen den Weg der Ehre auftat und selbst ein schönes Vorbild der Tapferkeit abgab«.86 Gleichklingende Pressenotizen fanden sich selbst in der in Leipzig und Dessau erscheinenden jüdischen Reformzeitschrift Sulamith oder im Pariser Moniteur.87 Bald nach seinem Tod wurde Joselewicz so zu einem Vorkämpfer der polnisch-jüdischen Verständigung stilisiert. Auch Polen, die sich für die Judenemanzipation einsetzten, bedienten sich seiner als Motiv und schrieben ihm Eigenschaften zu, mit denen sonst nur der waffentragende Adel in Verbindung gebracht wurde.88 Aber nicht nur bei den republikanisch orientierten Teilen der Szlachta und verschiedenen polnischen Autoren von Memoiren wurde Berek Joselewicz’ Biografie zu einem Gedächtnisort.89 84 Łuniński, Berek Joselewicz, 32; Wypis z protokołu sekretariatu stanu, in: Bałaban (Hg.), Księga pamiątkowa (album) ku czci Berka Joselewicza, pułkownika wojsk polskich, w 125-letnią rocznicę Jego bohaterskiej śmierci, 1809–1934, 165. 85 Łuniński, Berek Joselewicz, 26; Załęski, O masonii w Polsce od roku 1742 do 1822 na źródłach wyłącznie masońskich, 149–153. Zum jüdischen Anteil an der Freimaurerbewegung Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 255–258. 86 Łuniński, Berek Joselewicz, 31.  87 Ders., Berek Joselewicz. Szkic biograficzny, 60. Die Sulamith hatte bereits im Vorjahr von Joselewicz’ Aktivitäten berichtet. Eine kurze Passage über Joselewicz findet sich auch in der Beschreibung des Geografen Karl Andree und andernorts. Sulamith  2 (1808), H. 3, 258, sowie 2 (1809), H. 2, 424; Andree, Polen in geographischer, geschichtlicher und culturhistorischer Hinsicht, 436; Die polnischen Juden (Beschluß), in: Morgenblatt für gebildete Leser 25, H. 117, 17. Mai 1831, 466 f. Eine Kurzbiografie des Kommandeurs der österreichischen Truppen bei Kock erwähnt zudem »die Division von dem Turno’schen Chasseurs-Regimente unter dem berühmten Oberstlieutenant Berko, der auf dem Platze des Städtchens unter den Säbeln der österreichischen Husaren hierbei seinen Tod fand«. Básthy, Art. »Pauliny Michael«, in: ders., Denkmal heldenmüthiger Auszeichnungen deutscher und ungarischer Helden der neuesten Zeit, 277–282, hier 278 f. Vermittelt über das Werk des Aufständischen und Emigranten Léon Hollaenderski wurde Joselewicz’ Vita im deutschen Sprachraum erneut 1846 in der Zeitschrift für die religiösen Interessen des Judenthums rezipiert. Hollaenderski, Les Israélites de Pologne, 75 f.; Frankel, Zur Geschichte der Juden in Polen, Teil 2, 259 f. 88 Vgl. die Rede Stanisław Kostka Potockis im Dezember 1809 auf einer Sitzung der Königlichen Warschauer Gesellschaft der Freunde der Wissenschaften. Ders., Pochwała walecznych Polaków w ostatniey woynie poległych, 30. 89 Bielecki / Tyszka (Hgg.), Dał nam przykład Bonaparte, Bd. 1, 313, und Bd. 2, 35; Łuniński, Berek Joselewicz i jego syn, 46 f.

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Abb. 2: Die Schlacht bei Kock 1809 wurde auch künstlerisch aufgearbeitet, so etwa in dem Ölgemälde Tod von Berek Joselewicz in Kock (1867) des polnischen Malers Henryk Pillati. © Henryk Pillati, Śmierć Berka Joselewicza w Kocku (1867), National Museum in Warsaw / photograph: Krzysztof Wilczyński.

Auch in der Volkskultur finden sich Spuren des Berek-Motivs, etwa in der Redewendung »Er starb wie Berek vor Kock« (Zginął jak Berek pod Kockiem), die in verschiedenen Abwandlungen überliefert ist.90 Obendrein bot die Biografie Joselewicz’ den Stoff für mehrere Werke der Literatur und bildenden Kunst (Abb. 2).91 90 Art. »Kock«, in: Encyklopedyja powszechna, Bd. 14, 973–976, hier 975; Berek’ ili Berko Ioselowič, in: Evrejskaja enciklopedija, Bd. 4, Sp. 218–223, hier 221 f.; Kolberg, Mazowsze, Bd. 3, 15. Auch in einer Arbeit des unter der deutschen Besatzung in Krakau betriebenen Instituts für deutsche Ostarbeit wurde dieses Sprichwort belegt. Sommerfeldt, Die Juden in den polnischen Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten. 91 Zu literarischen Spuren Joselewicz’ Libera, Berek Joselewicz w legendzie literackiej; Inglot, Postać Żyda w literaturze polskiej lat 1822–1864, 224. Zu den bildlichen Darstellungen Nelken, Images of a Lost World, 28–34; Mendelsohn, Painting a People, 40. Am bekanntesten wurden die Gemälde von Henryk Pillati, Śmierć Berka Joselewicza (1867), und Juliusz Kossak, Berek Joselewicz (1861 und 1893). Nachdrucke in Nelken, Images of a Lost World, Abb. 34, sowie Olszański, Juliusz Kossak, Abb. 171 und 653.

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Es gibt überdies Hinweise darauf, dass Joselewicz’ Beispiel auf die Emanzipationsdebatten außerhalb Polens ausstrahlte.92 So wurde seine Biografie gerade im deutschen Sprachraum immer wieder als positives Beispiel jüdischen Verhaltens angeführt, so bei der Debatte über die Judengesetzgebung im preußischen Vereinigten Landtag im Jahr 1847.93 Auch hier wurde er zum Sinnbild des patriotischen Engagements von Juden für ihr jeweiliges Gemeinwesen. Er steht damit geradezu beispielhaft für das symbolische Kapital, das jüdische Kriegsteilnehmer im Zeitalter der napoleonischen Kriege im Interesse ihrer rechtlichen Gleichstellung anhäufen konnten.94 Polnische Ambitionen und jüdische Hoffnungen prägten auch die Zeit nach Joselewicz’ Tod. Zunächst wurde das Herzogtum Warschau in den kriegerischen Konflikt zwischen Frankreich und Russland hineingezogen. Im Juni 1812 überschritt Napoleon die Memel. Warschau stellte der Grande Armée insgesamt 37 000 Soldaten. In der Überzeugung, der polnischen Unabhängigkeit so am besten zu dienen, knüpfte Kriegsminister Poniatowski sein Schicksal und das seines Landes eng an die Person Napoleons, der allein imstande schien, eine dauerhafte Restituierung Polens zu ermöglichen. Noch im Fiasko des Russlandfeldzugs verharrte er trotz mehrerer Angebote des Zaren an der Seite des Kaisers der Franzosen und kehrte im Dezember 1812 mit lediglich 2 000 Mann nach Warschau zurück. Zum Maréchal d’Empire ernannt, kam er in der Leipziger Völkerschlacht am 19. Oktober 1813 ums Leben.95 Viele jüdische Gemeinden in Polen, wo Poniatowski als Fürsprecher in guter Erinnerung war, reagierten auf die Todesnachricht mit

92 Wie einige Autoren betonen, veranlasste seine Karriere den preußischen Minister Friedrich Leopold von Schrötter im Jahr 1808 zum Entwurf eines Konzepts zur Einbeziehung der Juden in den Militärdienst. Berger, Eisernes Kreuz, Doppeladler, Davidstern, 31 f.; Theilhaber, Jüdische Flieger im Weltkrieg, 15. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Schrötters Einschätzung auch auf seinen Kontakt zum Königsberger Gemeindeältesten Isaac Caspar zurückging, der in einem Brief »den Juden Berck« als exemplarisches Beispiel eines jüdischen Offiziers nannte. Freund, Die Emanzipation der Juden in Preußen unter besonderer Berücksichtigung des Gesetzes vom 11. März 1812, Bd. 1, 118, sowie Bd. 2, 207 und 210; Lehman, Freiherr vom Stein, Bd. 2, 525. Schrötter kam letztlich zu dem Schluss, dass in der »Conscriptions-Fähigkeit« der Juden eine unbedingte Voraussetzung für ihre rechtliche Emanzipation liege. Stern, Abhandlungen und Aktenstücke zur Geschichte der preußischen Reformzeit 1807–1815, 251. Zum Kontext Toury, Jüdische Bürgerrechtskämpfer im vormärzlichen Königsberg, 180–183. 93 44.  Sitzung des Vereinigten Landtags am 19. Juni [1847], in: Preußens Erster Reichstag, Bd. 10, 25. Amadeus Kaiser erwähnt »500 Israeliten« unter dem »israelitischen Oberst Berek Jasielowicz«. Ders., Geschichte der polnischen Revolution vom Jahre 1794, 124 f. Eine Analyse der deutschen Polenliteratur des Vormärz würde möglicherweise weitere Beispiele zutage fördern. 94 Michael Silber, From Tolerated Aliens to Citizen-Soldiers, 19. 95 Janion / Żmigrodzka, Romantyzm i historia, 322; Kobylińska, Sterben für das Vaterland, 76.

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Trauer.96 Zunächst auf dem Leipziger Johannisfriedhof bestattet, wurde sein Leichnam mit Billigung des Zaren am 23. Juli 1817 in der Krypta der Krakauer Wawel-Kathedrale beigesetzt. Poniatowskis Begräbnis begründete die Tradition, den als Grablege bislang Königen vorbehaltenen Wawel als nationales Pantheon zu nutzen.97 Mit seinem Tod wurde Poniatowski Teil des militärischen Dreigestirns in der polnischen Erinnerungskultur, das für die Geschicke Polens an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert steht. Kościuszko, der »Oberbefehlshaber im Bauernrock« von 1794, versinnbildlicht den Freiheitskampf der Nation im doppelten – nationalen wie politischsozialen  – Sinne. Dąbrowski wird vor allem als Schöpfer der Polnischen Legionen in Italien und der Idee erinnert, die polnische Souveränität mit der Unterstützung äußerer Mächte zurückzugewinnen. Poniatowski hingegen verkörpert die Kontinuität der altpolnischen Szlachta und gilt als Beispiel für eine Metamorphose vom jugendlichen Leichtfuß zu einem nach höchsten moralischen Maßstäben handelnden Kämpfer für die Nation.98

1.3 Gegenwart zu Geschichte. Polens Aufstände 1830, 1848 und 1863 Poniatowski und Joselewicz hatten in einer Übergangszeit gelebt, die vom Ende der Rzeczpospolita und deren Einverleibung in die Monarchien der späteren Heiligen Allianz gekennzeichnet war. Mit der Einbindung der Gebiete Polen-Litauens in die neue imperiale Wirklichkeit Ostmitteleuropas wurde eine moderne polnische Nationalstaatsbildung auf lange Sicht blockiert. Die von Berlin, Wien und Sankt Petersburg aus gelenkten Imperien schufen neue Rahmenbedingungen für das sich immer komplexer gestaltende Zusammenleben von Polen und Juden, die sich im Lauf der Zeit in national und ethnisch gefasste Kollektive transformierten. Dies schlug sich auch im historischen Bewusstsein der national gesinnten Bevölkerungsteile nieder, in dem die Sphäre des Militärischen vor allem mit den Erhebungen gegen die Teilungsmächte

96 Askenazy, Fürst Joseph Poniatowski, 361; Elegja na śmierć ks. Józefa Poniatowskiego (1817), in: Bałaban (Hg.), Księga pamiątkowa (album) ku czci Berka Joselewicza, pułkownika wojsk polskich, w 125-letnią rocznicę Jego bohaterskiej śmierci, 1809–1934, 194–196. 97 Mit Erlaubnis des russischen Generalgouverneurs von Sachsen wurde sein einbalsamierter Leichnam im Juli 1814 von Leipzig nach Warschau überstellt, von wo er 1817 nach Krakau gelangte. Askenazy, Fürst Joseph Poniatowski, 359; Skowronek, Książę Józef Poniatowski, 5 f. Nach Poniatowski wurden hier bislang Tadeusz Kościuszko, Józef Piłsudski, Władysław Sikorski, Adam Stefan Sapieha sowie Lech und Maria Kaczyński beigesetzt. 98 Ausführlich Janion / Żmigrodzka, Romantyzm i historia, insbesondere 201–482. Vgl. auch Paluszewski, Legenda literacka księcia Józefa Poniatowskiego.

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als Traditionsbestand in Verbindung gebracht wurde. Im Lichte dieser Betrachtungsweise lag es nahe, die polnischen Nationalaufstände als historische Kristallisationskerne eines – später als kontinuierlich beschriebenen – jüdischen Beitrags zur polnischen Staatswerdung zu interpretieren. Für jene Zeitgenossen, die für die Wiederherstellung der Souveränität Polens eintraten, war es allerdings keineswegs ausgemacht, welche politische Strategie am schnellsten zum Ziel führen würde. Damit eröffnete sich für sie in den drei Imperien ein breites Spektrum von Handlungsoptionen, das in unzähligen Abstufungen von der bedingungslosen Kollaboration bis hin zum offenen Widerstand reichte. Bei aller Bedeutung der aufständischen und revolutionären Ereignisse des 19. Jahrhunderts, die den Polen bereits im Vormärz den Beinamen »Sturmvögel der Revolution«99 eintrugen, darf somit die Geschichte des Loyalismus als ebenso traditionsbildend gelten wie die der bewaffneten Erhebung. Ermöglicht wurde dies durch eine über lange Strecken integrationistische Politik der Teilungsmächte gegenüber den adligen Eliten.100 Auch die Lebenswirklichkeit der polnischen Juden erhielt in Simon ­Dubnows Worten »eine dreifarbige – österreichisch-preußisch-russische Färbung«.101 Die neuen Untertanen wurden spätestens mit der Implementierung der Wiener Ordnung von 1815 mit den politischen, kulturellen und sozialen Realitäten der jeweiligen Teilungsstaaten konfrontiert. Doch so fragwürdig es ist, die Geschichte Polens im 19. Jahrhundert in einem nationalen Narrativ zu sublimieren, so unmöglich ist es, die historische Erfahrung von Juden im Polen der Teilungszeit auf einen Nenner bringen zu wollen.102 Die komplexen und mannigfach gebrochenen Prozesse des Wandels der Juden von einer fest in der ständischen Ordnung verwurzelten Gemeinschaft zu einer sozial, kulturell und ethnisch verfassten Gruppe innerhalb eines primär auf dynastischen Prinzipien ruhenden Imperiums und schließlich zu einer nationalen Minderheit im polnischen Nationalstaat sollen nicht im Zentrum der folgenden Überlegungen stehen.103 Die zunehmende Durchdringung der 99 Rhode, Polen und die polnische Frage von den Teilungen bis zur Gründung des Deutschen Reiches, 722 f. 100 Zu Russland Ganzenmüller, Zwischen Elitenkooptation und Staatsausbau; Kochanowicz, Could a Polish Noble Become an Entrepreneur?; Jedlicki, Adel im Königreich Polen bis zum Jahre 1863. Zu Österreich M. Müller, »Landbürger«, 93–95. 101 Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes (1789–1914), Bd. 1, 270. 102 Bartal erblickt in der ostjüdischen Geschichte kein »eindimensionales kollektives Geschehen, sondern eine Ansammlung vieler Gedächtnisse«. Ders., Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772−1881, 20. Einführend Rüthers / Schwara, Regionen im Porträt; Haumann, Jüdische Nation – Polnische Nation? 103 Hierzu vgl. Polonsky, The Jews in Poland and Russia, Bd. 1, 223–440, und Bd. 2, passim; Haumann, Geschichte der Ostjuden, 68–172; Guesnet, Polnische Juden im 19. Jahrhundert; Hensel, Polnische Adelsnation und jüdische Vermittler, 1815–1830; Bartal, Geschichte der

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jüdischen Siedlungsgebiete durch staatliche Strukturen und Institutionen konfrontierte die Juden mit einer Normenwelt, die nicht durch ihre eigene Tradition abgedeckt wurde. So lavierten sie zwischen staatlichem Rechtssystem und traditioneller jüdischer Rechtsüberlieferung.104 In allen drei Teilungsgebieten wurde den Juden  – wenn auch zeitversetzt und in unterschiedlichem Maße – zumindest auf gesetzgeberischem Weg eine Option für eine gewisse staatsbürgerliche Teilhabe eröffnet, zu der sich das Herzogtum Warschau noch nicht durchringen konnte. Auch wenn Verordnungen wie das josephinisch-österreichische Toleranzpatent (1782), das russländische Jüdische Statut (1804) und das preußische Judenedikt (1812) den Juden nicht die vollen Bürgerrechte einbrachten und in der imperialen Praxis gewährte Freiheiten oft verweigert wurden, lockerten sich die Bindungen der Juden an die polnische Adelsgesellschaft. Die neue Wirklichkeit des Zusammenlebens in den imperialen Monarchien stellte die Weichen dafür, dass sich die jüdische Bevölkerung Alt-Polens mehr und mehr zu loyalen preußischen, österreichisch-ungarischen und russischen Untertanen wandelte.105 In den deutschsprachigen Teilungsmonarchien erfolgte eine baldige Annäherung zumindest von größeren Teilen der vormals polnisch-jüdischen Bevölkerung an die neue dominante Kultur. Im Russländischen Reich blieb dies lange Zeit aus. Dies war vor allem der Politik geschuldet, die sich gegenüber den Juden frühneuzeitlicher Instrumentarien wie Sonderbesteuerung und Rechtsbeschränkungen bediente.106 Einzig die Durchsetzung der allgemeinen Wehrpflicht, die in Europa als weithin angewendetes Mittel zur Etablierung von Staatstrukturen gelten darf, war an Muster in anderen Ländern anschlussfähig.107 Das Heer des Königreichs Polen blieb nach 1815 zunächst eine Institution, die mehrheitlich von Polen geleitet und organisiert wurde. Lediglich der Oberbefehl lag in den Händen des Großfürsten ­Konstantin Romanow, der als Bruder des Zaren zugleich die faktische Herrschaft im Königreich ausübte. Den Fortbestand der Streitkräfte verstanden viele symbolisch für das Weiterleben der polnischen Staatsidee. Die Armee bot vielen Militärangehörigen, die ihre Laufbahn im Kościuszko-Aufstand, den LegioJuden im östlichen Europa 1772−1881. Das Urteil Bartals, die osteuropäischen jüdischen Gemeinschaften hätten sich bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts von einer »religiös-ethnischen Korporation« (21) vollständig zu einer »ethnisch begründeten Nation in einem multinationalen Reich« (27) gewandelt, bedarf sicher einiger Differenzierung. 104 A. Markowski, Między wschodem i zachodem, 211. 105 Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 113–128; Bartal, Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772−1881, 67–91; Klier, Russia Gathers Her Jews, 116–181. Zur Situation der Juden im Zarenreich, in Österreich und Preußen Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 149–206; Heyde, Zwischen Polen und Preußen. Vgl. auch Dohrn, Jüdische Eliten im Russischen Reich. 106 Nathans, Beyond the Pale, 23–79. 107 Ebd., 371. Vgl. auch Arnsberg, »… dem Volke unter die Arme greifen«.

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nen oder in Diensten Napoleons begonnen hatten, ein Auskommen. Für die nachdrängende Generation besitzloser junger Landadliger war es deshalb schwer, selbst in eine gute militärische Position zu gelangen.108 Neben Russland zogen auch Preußen und Österreich ihre Untertanen aus den vormals polnischen Gebieten zum Militärdienst heran und griffen dabei immer häufiger auf jüdische Rekruten zurück. Die neuen militärischen Pflichten für jüdische Männer gingen allerdings nicht mit der Möglichkeit einer Karriere innerhalb der Streitkräfte einher. Wie beschrieben wurde die Militärdienstpflicht für Juden zuerst 1788 in Österreich eingeführt.109 In Preußen erstreckte sie sich nach ihrer Einführung zwischen 1814 und 1816 auf die Inhaber der preußischen Staatsbürgerschaft, schloss also die Mehrzahl der Juden im Großherzogtum Posen aus, die lediglich den Status von »Schutzverwandten« innehatten. Allerdings mussten auch diese ein Rekrutengeld entrichten, das erlassen wurde, wenn sie sich als Freiwillige meldeten.110 Die polnische Bevölkerung nahm die Freistellung von Adel und Juden von der allgemeinen Konskription im Allgemeinen sehr negativ auf, zumal sich der gesetzgeberische Klärungsprozess bis zum Wegfall des Rekrutengeldes und der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im Jahre 1845 hinzog.111 Wie die beiden anderen Teilungsmächte wollte schließlich auch Russland nicht mehr auf jüdische Soldaten verzichten und band sie ab 1827 systematisch in das Rekrutierungssystem ein.112 Dies galt zunächst nicht für Kongresspolen, wo zwar seit 1816 die allgemeine Wehrpflicht galt, die Rekrutierungsregeln das Fernbleiben der Juden aber begünstigten. General Zajączek und Großfürst Konstantin hielten zudem in dieser Zeit die Aufnahme einer größeren Zahl von Juden in die Armee für wenig zweckdienlich und knüpften die Umsetzung der Wehrpflicht für Juden an deren Gleichberechtigung.113 Dennoch wurden bereits bei der ersten Rekrutenaushebung im Königreich Polen im

108 Zur Wehrverfassung Kongresspolens vor und nach 1830 sowie zur Sozialstruktur der Streitkräfte Z. Stankiewicz, Królestwo Polskie 1815–1863. 109 Schmidl, Habsburgs jüdische Soldaten 1788–1918, 21–39; Michael Silber, From Tolerated Aliens to Citizen-Soldiers, 20–31; Baczkowski, Pod czarno-żółtymi sztandarami; Rydel, W służbie cesarza i króla. Zur Struktur des Militärs der Donaumonarchie vgl. Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. 5. 110 Fischer, Judentum, Staat und Heer in Preußen im frühen 19. Jahrhundert, 140 f.; Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 45 und 287–293; Stübig, Die Wehrverfassung Preußens in der Reformzeit, 51. Zur Übernahme polnischer Offiziere in die preußische Armee Boysen, Preußische Armee und polnische Minderheit, 14–16. Es muss zudem berücksichtigt werden, dass bis zu den preußischen Heeresreformen nach 1858 nur etwa 10 Prozent der Wehrpflichtigen tatsächlich zum Dienst eingezogen wurden. Ebd., 20. 111 Fischer, Judentum, Staat und Heer in Preußen im frühen 19. Jahrhundert, 142–150. 112 Petrovsky-Shtern, Jews in the Russian Army, 1827–1917. 113 Klier, Russia Gathers Her Jews, 179.

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Februar 1817 Juden zum Militärdienst eingezogen. Dabei entbrannte eine erneute Debatte über die Möglichkeiten und Ziele einer Emanzipation der Juden, die bis in den Sejm gelangte.114 General Wincenty Krasiński, ein vormals napoleonischer Offizier, der im russischen Zarenreich eine glänzende Karriere bis in höchste Ämter erlebte, sprach sich in einem scharfen Essay gegen jegliche Zugeständnisse an die Juden aus.115 Dem setzte Major Walerian Łukasiński entgegen, die Juden seien zwar »dem Land schädlich«, könnten aber zu »nützlichen« Landeskindern erzogen werden.116 Den direkten Weg dahin sah er im Militärdienst, der jungen Juden erlaube, sich an Gebräuche, Hygienevorstellungen und Kleidungstil der Mehrheitsgesellschaft zu gewöhnen: »Es ist undenkbar, dass ein jeder Einzelne, der den Dienst verlässt, nicht nützliche Veränderungen in den Schoß der Familie mitbrächte und sich so unfreiwillig an der nötigen Reform seines Volkes beteiligte.«117 Łukasiński setzte mit seinem Plädoyer einen neuen Akzent in der Debatte um die Einbindung der Juden in die polnische Gesellschaft. Zwar konnte er Krasiński nicht überzeugen, provozierte ihn aber zu einer publizierten Entgegnung.118 Gemäßigte Autoren wie der Historiker Joachim Lelewel zogen ebenfalls eine direkte Linie zwischen dem Bürgerrecht und der Wahrnehmung der Wehrpflicht. Aus der Teilnahme einiger Juden am KościuszkoAufstand leitete er die Hoffnung ab, dass ihnen in Zukunft als Lohn für ihre Waffenbrüderschaft Gleichberechtigung gewährt würde.119 Unterdessen intensivierte der 1825 angetretene Zar Nikolaus  I. die Einbindung Kongresspolens in das Russländische Reich. Eingriffe in das innere Gefüge des Königreichs Polen wie auch blockierte Aufstiegsmöglichkeiten für die einheimischen Funktionseliten waren der Humus für eine zunehmend rebellische Stimmung der jüngeren Generation gegenüber den Romanows.120 114 Askenazy, Bd. 1, 40–44. Zum kulturellen Kontext nachfolgend auch Libera, Żydzi w polskiej literaturze pięknej w okresie późnego oświecenia. 115 O. A. [Krasiński], Aperçu sur les Juifs de Pologne par un officier général polonais noncé à la diète. 116 Łukasiński, Uwagi pewnego Officera nad uznaną potrzebą Urządzenia Żydów w naszym Kraiu, i nad niektóremi Pisemkami w tém przedmiocie teraz z Druku wyszłemi, 8. Ein Teil des Textes ist in deutscher Übersetzung erschienen, allerdings ohne das zitierte Fragment. Ders., Bemerkungen eines Offiziers über die anerkannte Notwendigkeit einer Regelung der Juden in unserem Land und über einige hierzu jetzt erschienene Schriften, in: Der Fremde als Nachbar, 67–71. 117 Ders., Uwagi pewnego Officera nad uznaną potrzebą Urządzenia Żydów w naszym Kraiu, i nad niektóremi Pisemkami w tém przedmiocie teraz z Druku wyszłemi, 16 f. 118 Krasiński, Odpowiedź na uwagi pewnego Oficera nad uznaną potrzebą urządzenia żydów w naszym Kraju. 119 Lelewel, Geschichte Polens, 485. 120 Kraft, Polnische militärische Eliten in gesellschaftlichen und politischen Umbruchsprozessen 1772–1831, 293.

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Allerorten entstanden Geheimorganisationen, etwa die Bünde der »Philomaten« und »Philareten« in Wilna, denen auch Geistesgrößen wie der junge Dichter Adam Mickiewicz angehörten. Diese legitimierten ihren Wunsch nach einem politischen Wandel mit nationalen Argumentationsmustern. So wurden im Untergrund Kościuszko, Dąbrowski oder der König und Türkenbezwinger Jan  III. Sobieski als Nationalhelden gefeiert.121 Die polnische Generalität hingegen verhielt sich ihrem Dienstherrn gegenüber loyal, selbst als unter den jungen Kadetten die Stimmung gegen den Zaren zu kippen begann.122 Die jungen Militärangehörigen organisierten sich, von der Unabwendbarkeit eines Aufstandes überzeugt, in zahlreichen Geheimzirkeln und Verschwörergruppen wie der von Łukasiński123 geführten Patriotischen Gesellschaft oder dem Ende 1828 an der Infanterie-Fähnrichschule Warschau gegründeten Bund der Fähnriche.124 Im Jahr 1830 schien dann die internationale Lage günstig für einen Umsturz. Frankreich erlebte die Julirevolution und Belgien spaltete sich von den Niederlanden ab. Russland stand kurz vor einer militärischen Intervention in Westeuropa, was auch den Einsatz polnischer Einheiten bedeutet hätte.125 In der Nacht vom 29. zum 30. November entfachte in Warschau eine Handvoll Fähnriche eine Revolte, der sich zwar nicht wie erhofft die polnische Generalität, aber die Stadtbevölkerung und große Teile der Streitkräfte anschlossen. Großfürst Konstantin gelang die Flucht aus der Stadt, die binnen Stunden in polnische Hand überging.126 Diese Machtübernahme im Handstreich glich zunächst einer Meuterei und war doch die improvisierte Erhebung einer Generation, die über keine persönlichen Erinnerungen an die militärischen Ereignisse der vergangenen 40 Jahre verfügte und daran scheiterte, dass sie kein eigenes soziales oder politisches Programm verfolgte, das breitere Bevöl121 Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 160–163. Vgl. auch Kusber, Kann der Zar König von Polen sein? Zur 200-Jahr-Feier des Entsatzes von Wien in Galizien (1883) Sierżęga, Obchody 200.  rocznicy odsieczy wiedeńskiej w Galicji (1883 r.). 122 Auch innerhalb des russischen Offiziersnachwuchses wurden umstürzlerische Tendenzen immer sichtbarer, so während des Dekabristenaufstandes von 1825. 123 Łukasiński betätigte sich als Freimaurer und wurde 1822 als Verschwörer verhaftet und zwei Jahre später vom Obersten Kriegsgericht zu neun Jahren Festungshaft verurteilt. Inhaftiert in der Festung Zamość, organisierte er 1825 eine Häftlingsrevolte und wurde zum Tod verurteilt. Die Strafe wurde in 14 Jahre Haft in Ketten und eine öffentliche Geißelung umgewandelt. Auch nach Ablauf der Strafe blieb Łukasiński bis zu seinem Tod 1868 in der Festung Schlüsselburg in Haft. Askenazy, Łukasiński, Bde. 1 und 2.  124 Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 166–169; Dylągowa, Towa­ rzystwo Patriotyczne i Sąd Sejmowy 1821–1829, 276–324; Baumgarten, Dekabryści  a Polska. 125 Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 170. 126 Ebd., 173–180. Einführend zum Verlauf Wandycz, The Lands of Partitioned Poland, 1795– 1918, 105–117.

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kerungsschichten mobilisieren konnte.127 Bis September gelang es den russländischen Truppen, Kongresspolen wieder unter Kontrolle zu bringen.128 Nach der Niederlage verlor das Königreich die Mehrzahl seiner Autonomierechte. Das Organische Statut von 1832 schrieb die Aufhebung der Personalunion und die Eingliederung Kongresspolens in das Russländische Reich fest. Die Verwaltung wurde ebenso wie die Armee russifiziert. Sejm, lokale Selbstverwaltung und Hochschulwesen wurden aufgelöst.129 Wie 1794 stellten etliche jüdische Gemeinden und Persönlichkeiten dem Aufstand Sachgüter und Finanzmittel zur Verfügung. Behält man im Blick, dass die polnische Rezeption des Aufstandes als nationale Erhebung zugleich wenig Raum für jüdisches Engagement ließ und kaum Signale zur Verbesserung der Lage der Juden ausgesandt wurden, wird aber klar, warum die überwiegende Mehrheit der Juden  – wie auch die Masse der politisch ignorierten Landbevölkerung – abwartete und passiv blieb.130 Lediglich der von den »Assimilatoren« geführte großstädtische Teil der jüdischen Bevölkerung unterstützte den Aufstand offen. Da dies mit dem Bruch religiöser und traditioneller Lebensweisen einherging, blieben diese »Fortschrittlichen« bei der Masse der Juden unpopulär.131 Indes wurde der Militärdienst für Juden erneut zu einer politischen Frage. Das Rekrutengeld wurde während des Aufstandes mehrfach erhöht.132 Zwar war unter den Warschauer Juden Berek Joselewicz noch nicht vergessen  – der Warschauer Maskil Jakub Tugendhold regte gar die Errichtung eines 127 Neben den genannten Positionen vgl. auch Milewicz, National Identification in Pre-Industrial Communities. Milewicz weist nach, dass viele Bauern sich entgegen heutigen Annahmen als Polen verstanden. 128 Als noch immer klassische Studie zum militärischen Verlauf des Aufstandes gilt Tokarz, Wojna polsko-rosyjska 1830 i 1831, 2  Bde. Zudem Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 253–271. Die Erhebung griff auch auf die ehemalige litauische Reichshälfte aus. Vgl. dazu Feduszka, Powstanie Listopadowe na Litwie i Żmudzi. Preußen mobilisierte seine Truppen und entwaffnete etwaige Aufständische sofort nach ihrem Grenzübertritt. 129 Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 151–279. 130 Aufseiten der im Vergleich zu den Juden viel zahlreicheren Ruthenen konnten allerdings viele Kämpfer für den Aufstand rekrutiert werden. Buława, Ludność ukraińska wobec polskich powstań narodowych w XIX wieku, 115–141. 131 Hier und im Folgenden Węgrzynek, Ludność żydowska wobec powstania listopadowego. Vgl. auch Saletra, Żydzi wobec powstania listopadowego 1830–1831  – na przykładzie województw krakowskiego i sandomierskiego. Aus Bromberg (Bydgoszcz) richteten die Vorsteher der Gemeinde eine Immediateingabe an den König mit dem Angebot, jüdische freiwillige Soldaten zur Verfügung zu stellen. Fischer, Judentum, Staat und Heer in Preußen im frühen 19. Jahrhundert, 145. 132 Trąbski, Zasady konskrypcji w armii Królestwa Polskiego na tle ówczesnych metod uzupełniania wojska, 16. Vgl. auch die Kritik in o.  A. [Lipszyc], Prośba czyli Usprawie­ dliwienie się ludu wyznania Starego Testamentu w Królewstwie Polskiem zamieszkałego, 17–20.

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Denkmals in Kock an133  – doch herrschten in Teilen der jüdischen Bevölkerung und Eliten zum Teil erhebliche Vorbehalte gegen den Armeedienst. Die Pflicht zur Rasur war einer jener Eingriffe des Militärs in jüdische lebensweltliche Traditionsbestände, die Juden vom Eintritt in die polnische Nationalgarde (Gwardia Narodowa) abhalten konnten, sofern sie überhaupt den hohen Zensus, das für das passive Wahlrecht vorausgesetzte Mindesteinkommen, zu erfüllen in der Lage waren. Dass sich trotzdem etliche jüdische Freiwillige für die Rasur entschieden, kann als Indiz für das Einsetzen von Akkulturationsprozessen gewertet werden.134 Die auf die Zulassung zur Nationalgarde drängenden Juden beriefen sich nicht zuletzt darauf, dass die in der Verfassung von 1807 festgeschriebenen Bürgerrechte für Juden nur für ein Jahrzehnt ausgesetzt worden waren.135 Weder Aufstandsführer Chłopicki noch die Provisorische Regierung waren jedoch geneigt, Juden in die Nationalgarde aufzunehmen. Vor allem Kriegsminister Franciszek Morawski hegte gegen sie ein tiefes Misstrauen und betrachtete sie als ungeeignet für den Kampf. Viel schlimmer wog für ihn aber der seiner Meinung nach drohende Ansehensverlust Polens, sollten die Aufständischen Juden in ihre Reihen aufnehmen: »Wie können wir zulassen, dass das Blut der Juden sich mit dem edlen Blut der Polen mischt? Und was sagt Europa, wenn wir, um unsere Unabhängigkeit zu erkämpfen, ohne jüdische Schultern nicht zurechtkommen?«136 Allen Schwierigkeiten zum Trotz wurde in der Praxis der Ausschluss der Juden vom Militärdienst oft umgangen, und so befanden sich in den Reihen der Aufständischen einige jüdische Freiwillige. Einen eigenen Weg schlug der Warschauer Rabbinerschüler Stanisław (Synaj) Hernisz ein, als er am 10. Dezember 1830 bei Chłopicki die Ausrüstung eines vollwertigen jüdischen Regiments anregte. Man billigte Hernisz und seinen Gefolgsleuten schließlich das Recht zu, auf eigene Kosten Hilfstruppen aufzustellen, doch ohne deren Mitglieder vom Rekrutengeld zu befreien. Hernisz selbst trat schließlich dem Masurischen Regiment bei und wurde nach dessen Scheitern eine wichtige Persönlichkeit in Pariser polnischen Exilkreisen.137 Zugleich erreichte die polnische Führung am 21. Dezember ein erneuter Aufruf zur Aufstellung einer rein jüdischen Einheit – diesmal aus der Feder von Józef Berkowicz (1789–1846), dem Sohn des Berek Joselewicz. Berkowicz hatte bereits 1809 gemeinsam mit seinem Vater am Feldzug gegen Österreich teilgenommen und war aus den napoleonischen Kriegen mit Auszeichnun133 Łuniński, Berek Joselewicz, 32. 134 Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 252 f. 135 Materiały do udziału Żydów w Gwardii Narodowej, Gwardii Miejskiej i Straży Bezpieczeństwa w powstaniu listopadowym 1830–1831, 115 f. 136 Hirszhorn, Historja Żydów w Polsce, 132. 137 Eisenbach, Art. »Hernisz Stanisław«, in: PSB, Bd. 9, 466 f.

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gen heimgekehrt.138 Berkowicz berief sich auf das Beispiel seines Vaters, der für die Unversehrtheit Polens gekämpft habe.139 Möglicherweise bewog dies Chłopicki schließlich, eine jüdische Kavallerie- und Artillerieeinheit zu genehmigen, in der vermögende polnischsprachige Juden auch die Offizierswürde erlangen konnten. Das nötige Geld sollte der Ältestenrat der Gemeinde aufbringen.140 Die Warschauer Synagogenaufsicht (dozór bożniczy), die mittlerweile den Kahal ersetzte, zeigte sich angesichts der finanziellen Konsequenzen skeptisch und bevorzugte  – auch im Hinblick auf eine recht­liche Gleichbehandlung  – eine Aufnahme der Juden in die regulären Truppen. Nichtsdestotrotz erteilte die Provisorische Regierung Berkowicz den Auftrag, eine jüdische Eskadron zu rekrutieren. Das Unterfangen scheiterte offenbar noch vor einem ersten Einsatz an Berkowicz’ mangelndem Organisationstalent und finanziellen Unregelmäßigkeiten. Er und sein Sohn schlossen sich letztlich polnischen Einheiten im Gebiet des Białowieża-Urwalds an. Auch die weitere Entwicklung der Wehrpflichtdebatte glich einer Pendelbewegung. Zunächst wechselte im Januar 1831 General Graf Antoni Jan Ostrowski an die Spitze der Nationalgarde und setzte eine pragmatischere Rekrutierungspolitik gegenüber den Juden durch, indem er den auch für die Polen gültigen Zugangszensus abmilderte.141 Der Oberste Nationalrat stellte allen verdienten jüdischen Kämpfern die Einbürgerung in Aussicht.142 Zudem entstand Ende Februar auf Ostrowskis Anregung hin eine jüdische Städtische Garde (gwardia miejska), die zwar nach denselben Regeln wie die Nationalgarde rekrutiert wurde, aber ihren Mitgliedern das Barttragen erlaubte und diese auch vom Rekrutengeld befreite. Damit waren die »seltsame[n] Streitigkeiten über Bärthe und Flechten« beigelegt, die auch zwischen fortschrittlichen und traditionellen Juden ausgetragen wurden und mittlerweile als größtes Hindernis für die direkte Beteiligung einer breiten jüdischen Bevölkerung am Aufstand galten.143 Insgesamt wurden nach derzeitigem Wissensstand 409 Juden in die Nationalgarde aufgenommen (6,5 Prozent der Mitgliederzahl); die jüdische Städtische Garde zählte 1 038 Mann. Der Anteil von Juden in der Sicherheitswache (Straż Bezpieczeństwa), einer unbewaffneten Miliz aus Stadtbewohnern, die den Zensus für die Nationalgarde ver138 Zur Biografie hier und im Folgenden Kraushar, Syn Berka Josielowicza pułkownika z czasów Kościuszki, szefa szwadronu ułanów polskich; Łuniński, Berek Joselewicz i jego syn, 51–64. 139 Kraushar, Syn Berka Josielowicza Josielowicza pułkownika z czasów Kościuszki, szefa szwadronu ułanów polskich, 29.  140 Węgrzynek, Ludność żydowska wobec powstania listopadowego, 33. 141 Ebd., 35. 142 Materiały do udziału Żydów w Gwardii Narodowej, Gwardii Miejskiej i Straży Bezpieczeństwa w powstaniu listopadowym 1830–1831, 117. 143 Lelewel, Geschichte Polens, 485.

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fehlten, ist nicht zu beziffern.144 Die meisten Juden dieser Formation wurden bei Schanzarbeiten eingesetzt. Andere Einsatzbereiche von Juden waren die Sanitätstruppen und die Truppenversorgung.145 Im Sejm und der politischen Presse entwickelte sich indessen eine leidenschaftliche Debatte über die Zulassung der Juden zum Militär, die im Mai 1831 in ein Gesetz mündete, das die Juden vom Militärdienst zurückstellte und das Rekrutengeld auf 2,8 Millionen Złoty jährlich vervierfachte. Die Regierung sprach sich zwar für einen zukünftigen Militärdienst der Juden im Interesse der Emanzipation aus, sah die Zeit dafür aber noch nicht gekommen.146 Darüber hinaus ließen die hinlänglich bekannten Ängste vor einer möglichen jüdischen Kollaboration mit dem Feind die Juden als zarentreu erscheinen. Einige Prozesse gegen mutmaßliche jüdische Spione des Zaren endeten mit Todesurteilen, ohne dass eine ordentliche Untersuchung statt­gefunden hätte.147 Auf der Suche nach Verrätern durchkämmte am 15. August 1831 ein Mob Warschau und ermordete die Bewohner eines jüdischen Altenstifts.148 Verdacht erregten auch die wirtschaftlichen Aktivitäten derjenigen Juden, die etwa als Armeelieferanten oder Lebensmittelspekulanten eher ihren eigenen materiellen Vorteil als die große Idee des Aufstandes im Blick hatten.149 Wie es die erfahrenen Generale vorhergesehen hatten, endete der Novemberaufstand mit einer polnischen Niederlage und der vollständigen Eingliederung Kongresspolens in das Zarenreich. Der Autonomieverlust bedeutete auch das Ende für die polnischen Rumpfstreitkräfte, was für Polen wie Juden gleichermaßen tragisch war. Noch 1831 wurde Kongresspolen in das gesamtrussische Rekrutierungssystem einbezogen; ab 1843 galt dies auch für dessen jüdische Bewohner.150 In der Regel lag die dem jeweiligen Bedarf angepasste 144 Węgrzynek, Ludność żydowska wobec powstania listopadowego, 35. 145 Ebd. Im autonomen Krakau wurde unter der Führung Natan Rozenfelds nur eine kleine, 25 bis 33 Mann starke jüdische Abteilung im Rahmen der Stadtmiliz aufgestellt, obwohl die finanzielle Unterstützung – beispielsweise durch den Rabbiner Ber Meisels – recht groß war. Bałaban, Historja Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1868, Bd. 2, 658–660; Węgrzynek, Ludność żydowska wobec powstania listopadowego, 36; Materiały do udziału Żydów w Gwardii Narodowej, Gwardii Miejskiej i Straży Bezpieczeństwa w powstaniu listopadowym 1830–1831. 146 Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 252–254. Zur mangelhaften Einbindung der Juden in den Aufstand Duker, The Polish Insurrection’s Missed Opportunity. 147 Węgrzynek, Ludność żydowska wobec powstania listopadowego, 36. Entsprechende Vorwürfe trafen Juden auch von russischer Seite. Ebd., 37. 148 Ebd., 36. 149 Ebd., 38 f. Vgl. auch Tokarz, Wojna polsko-rosyjska 1830 i 1831, Bd. 1, 80–82. Zur Unterstützung der polnischen und russischen Seite durch die jüdische Bevölkerung Janusz Szczepański, Społeczność żydowska Mazowsza w XIX–XX wieku, 118–122. 150 Caban, Służba rekrutów Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1831–1873, 51–57. Zum Ablauf der Registrierung der wehrfähigen Männer und Auslosung der Rekruten ebd.,

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Rekrutierungsquote für Juden wie Christen jährlich zwischen 2,5 und 5 auf 1 000  Männer.151 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass die kongresspolnische Verwaltung die Ausweitung der Militärdienstpflicht auf die Juden im Kontext der Agrarpolitik und des Nützlichkeitsaspekts der jüdischen Bevölkerung diskutierte. Dabei fiel das Argument, dass sich bei einer überdurchschnittlichen Heranziehung von Juden zum Militärdienst die Zahl der einzuziehenden Bauern zwangsläufig verringerte. Davon wiederum versprach man sich positive Effekte auf die krisengeschüttelte Landwirtschaft. Außerdem hoffte man auf demografische Auswirkungen und eine Begrenzung des jüdischen Bevölkerungswachstums sowie auf die Zurückdrängung von Juden aus Handwerk und Handel.152 Die unverändert bestehende Abwehrhaltung der traditionellen jüdischen Eliten gegen den Militärdienst zeigt, wie wirkungs- und gefahrvoll ihnen dieses Instrument staatlicher Politik erscheinen musste.153 Bestärkt wurden sie durch die im Ansiedlungsrayon bereits seit den 1820er Jahren übliche Praxis der Rekrutierung von Kindersoldaten, die eine enorme Wirkung auf die Bewertung der Situation der Juden unter russländischer Herrschaft im Ganzen hatte.154 1832 führten die Behörden des Zaren dann auch in Polen eine Massenaushebung (branka) durch, bei der sie in großem Stil Kinder für den Armeedienst entführten. Insgesamt regelten drei Dekrete aus dem Jahr 1832 die Gestellung von christlichen Waisen, verarmten beziehungsweise verwaisten jüdischen Kindern sowie den Kindern polnischer Militärangehöriger. Auch zurückkehrende Aufständische mussten ihre männlichen Nachkommen im Alter von sieben Jahren militärischen Erziehungsanstalten übergeben. In den Folgejahren wurden insbesondere obdachlose, elternlose und schwer erziehbare Kinder sowie jüdische Kinder ohne Auskommen eingezogen. Zwar gab es viele Formen und Versuche, sich dem Zugriff der Rekrutierungsbeamten zu entziehen, doch bedeutete dieses Erlebnis einen dramatischen Einschnitt vor allem für die Landbevölkerung.155 Die jüdische Bevölkerung wusste aus den Erfahrungen im Ansiedlungsrayon, dass die  – in Anlehnung an die Bezeichnung der Rekrutierungsbezirke (Kantone) als Kantonisten bezeichneten  – minderjährigen Rekru57–72. Vgl. auch ders., Służba wojskowa Żydów z Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1832–1873; ders., Kantoniści z Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1832–1856. 151 Im Krimkrieg stieg das Kontingent beispielsweise auf acht Rekruten je 1 000 Männer. Caban, Kantoniści z Krolestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1832–1856, 83. 152 Ders., Służba rekrutów Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1831–1873, 55. 153 Petrovsky-Shtern, Jews in the Russian Army, 1827–1917, 43–54; Nathans, Beyond the Pale, 13–41; Litvak, Conscription and the Search for Modern Russian Jewry. 154 Ebd., 181 f.; Ofek, Cantonists. 155 Caban, Służba rekrutów Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1831–1873, 73–82.

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ten meist als zwölfjährige Wehrpflichtige zum Militär gelangten, wo sie zu zaren­treuen Soldaten erzogen werden sollten.156 Die jüdischen Gemeinden mussten im Rahmen festgelegter Kontingente die zur Gestellung vorgesehenen Rekruten selbst bestimmen und wählten diese oft aus sozialen Randmilieus aus.157 Nach ihrem 25-jährigen Dienst durften sie sich teilweise auch außerhalb des Ansiedlungsrayons niederlassen.158 Jährlich gestellten die jüdischen Gemeinden in Russland etwa 1 500 Rekruten, von denen etwa die Hälfte nicht volljährig war. Reichsweit durchliefen bis zur Abschaffung des Kantonistenwesens nach dem Krimkrieg etwa 70 000 jüdische Soldaten den russländischen Militärdienst, davon bis zu 50 000 Minderjährige.159 Für Kongresspolen liegen Schätzungen vor, wonach 1832/33 1 300, 1834/35 560 und zwischen 1836 und 1856 jährlich etwa 20–75 Kinder in das Militär aufgenommen wurden. Im gesamten Zeitraum waren das etwa 5 300 Kinder, die 2,5–2,7 Prozent der kongresspolnischen Rekruten ausmachten.160 Wenn das Kantonistenwesen auch weit weniger ausgebaut war, als es in der Rückschau gern dargestellt wurde, war es doch in der polnischen wie jüdischen Wahrnehmung ähnlich emotional besetzt. Während aus polnischer Warte die Maßnahmen vor allem als Repressionsinstrument gegen die ehemaligen Aufständischen galten, wurden sie in der jüdischen Erfahrung zu einem Synonym der judenfeindlichen und menschenverachtenden Regierungspraxis im Zarenreich.161 Das besonders harte Schicksal der jüdischen Kinder rief auch auf polnischer Seite Reaktionen hervor, etwa die Einschätzung von Joachim Lelewel, Nikolaus I. trete »alle Gefühle der Menschlichkeit so sehr mit Füßen, daß er ihnen [den Juden] ihre kleinen Kinder wegnehmen läßt, um sie zum Marinedienst zu bestimmen, dem sich die Hebräer nicht einmal unter ihrem König Salomo gewidmet haben«.162 Nach dem Novemberaaufstand verließen bis zu 11 000 Flüchtlinge, darunter nur 15 Prozent Zivilisten, das Land und blieben dauerhaft im Ausland. Einige von ihnen wurden gewissermaßen Berufsrevolutionäre und engagierten sich in den verschiedenen nationalen Unabhängigkeitsbewegungen.163 Das politische und kulturelle Zentrum dieser ersten Großen Emigration 156 Petrovsky-Shtern, Jews in the Russian Army, 1827–1917, 91–128. 157 Ebd., 54–59. 158 Nathans, Beyond the Pale, 62–64. 159 Litvak, Conscription and the Search for Modern Russian Jewry, 4; Ofek, Cantonists, 277. 160 Caban, Służba rekrutów Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1831–1873, 97–104. 161 Goldsztejn, Służba wojskowa a Żydzi w Cesarstwie Rosyjskim i Królestwie Polskim do roku 1874, 88–95. 162 Lelewel, Geschichte Polens, 484 f. 163 Hahn, Die erste »Große Emigration« der Polen und ihr historischer Stellenwert, 208 f. Ein besonders schillerndes Beispiel ist die Karierre des Generals Józef Zachariasz Bem, die sich über Stationen in Belgien, Ägypten, Portugal, Brasilien, Wien, Ungarn bis ins Osmanische Reich erstreckte. Kovács, Józef Bem; Sitzler, Solidarität oder Söldnertum?, 147–298.

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(Wielka Emigracja) war Paris, wo eine starke Differenzierung in ein konservativ-aristokratisches (»weißes«) und ein revolutionär-demokratisches (»rotes«) Lager stattfand. Der kulturelle und politische Einfluss der Großen Emigration auf Polen und dessen Wahrnehmung in Europa war bedeutend.164 Die Exilanten etablierten die Romantik als kulturelle Strömung und prägten der Gedächtniskultur für Generationen ihr Siegel ein. Besonderen Anteil hatten daran neben dem Historiker Joachim Lelewel die drei »Dichter-Propheten der Nation« Adam Mickiewicz, Juliusz Słowacki und Zygmunt Krasiński.165 Die Romantiker begriffen Geschichte nicht mehr als Handlung einzelner Akteure, sondern als Ort göttlicher Sichtbarwerdung. Die Überwindung der Unfreiheit erfolgte für sie im Aufstand, der – metaphorisch überhöht – für die Auferstehung der Nation, die Befreiung aus Knechtschaft und Erniedrigung sowie das Wiedererstehen des nationalen Geistes stand.166 Ihre letzte Steigerung fanden die romantischen Ideen schließlich in der gerade von Mickiewicz geprägten, wenn auch von ihm nicht so genannten Vorstellungswelt des polnischen Messianismus, die vor allem im Exil beliebt wurde. Ausgehend von der Kongruenz von Menschheits- und göttlicher Geschichte deutete Mickiewicz die Vergangenheit Polens als Wiederkehr des christlichen Passionsgeschehens. Polen erschien nun als Christusfigur, auf der die Hoffnungen der unterdrückten Völker Europas ruhten. Das metaphorisch verstandene Grab des Patrioten wurde nach diesem in Polen zu seiner Entstehungszeit umstrittenen Verständnis zur zentralen Kultstätte der Nation und die Geschichte des Scheiterns von 1830/31 zu einem heilsgeschichtlichen Zukunftsversprechen.167 Nicht minder wichtig als eine kompromisslose patriotische Haltung war für die polnische Romantik die Heldentat, die als bewusste, ohne Zwang und Eigeninteresse erfolgte Handlung im Dienste der polnischen Unabhängigkeit verstanden wurde und das eigentliche Eintrittsbillet in die polnische Nation darstellte.168 Den Rang einer »Tat« (czyn) erhielten vor allem militärische Leistungen, was die Aufnahme ziviler Persönlichkeiten in das nationale Pantheon erschwerte.169 Der Militärsoziologe Jerzy Wiatr formulierte, der polnische 164 Hahn, Außenpolitik in der Emigration; Kalembka, Wielka Emigracja 1831–1863. 165 Nach 1918 wurde Krasińskis Status als »Dichterprophet« zunehmend infrage gestellt und an dessen Stelle häufig Cyprian Kamil Norwid gesetzt. 166 Janion, Wobec zła, 9. Vgl. auch Borejsza, Wokół stereotypu polskiego powstańca. 167 Janion, Vorwort. Detailliert ausgeführt in Janion / Żmigrodzka, Romantyzm i historia. Einführend zum Messianismus polnischer Prägung Porter, When Nationalism Began to Hate, 17–29; Landgrebe, »Wenn es Polen nicht gäbe, dann müßte es erfunden werden.«, 112–214. 168 Micińska, Między Królem Duchem a mieszczaninem, 11 f. Porter umschrieb dies mit dem Begriff der »nation as action«. Ders., When Nationalism Began to Hate, 15–42. 169 Micińska, Między Królem Duchem  a mieszczaninem, 11 f. Die politischen Lager versuchten, jeweils »eigene« Helden im Nationalbewusstsein zu platzieren. Da die politische Orientierung meist deckungsgleich mit der territorialen Gliederung Polens war, kann man leichte regionale Unterschiede ausmachen. Ebd., 427 f.

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Nationalheros sei idealtypisch ein – nicht unbedingt professionell aktiver – Militär, der sich durch seinen Kampf für die Zukunft des Landes ausgezeichnet habe. Dabei sei es weniger wichtig, ob er Erfolg hatte. Das Scheitern im Namen universaler Werte sei ihm geradezu eigen und begründe zudem die Sympathie, die ihm von der Bevölkerung entgegengebracht werde.170 Der Tod eines Helden wurde als Testament verstanden und ließ den Verstorbenen zu einem Depositär der nationalen Tradition, Beschützer der nationalen Gemeinschaft und transgenerationellen Orientierungspunkt werden.171 Selbstverständlich drohte dem Helden ständig die Gefahr des Verrats. Ein entlarvter »Verräter« wurde nicht nur mit einer damnatio memoriae belegt, er verlor auch seine Zugehörigkeit zur nationalen Gemeinschaft.172 Da dieser Tatbestand aber nie eindeutig definierbar, sondern je nach historischer Situation anders konnotiert war, wurde sehr inkonsequent mit ihm umgegangen. Dennoch gedieh die Vorstellung so weit, dass an der Schwelle zum 20. Jahrhundert Teile des politischen Spektrums Passivität bereits als nationalen Verrat interpretierten und als Waffe in der politischen Auseinandersetzung gebrauchten.173 Dies wurde nicht nur in innerpolnischen Konflikten zum Problem, sondern verstellte vielen Anhängern der polnischen Nationalidee den Blick für eine realistische Einschätzung des Verhaltens und der Interessen der nichtpolnischen Bevölkerungsgruppen. Die Verurteilung der jüdischen Bevölkerung im Sommer 1920 ist ein beredtes Beispiel für die Tradierung dieser Denkweise. Die Überhöhung der Nationalgeschichte in Verbindung mit einem strikten patriotischen Imperativ bildete den Nährboden für die zunehmend exkludierende Wirkung des polnischen Nationalgedankens auf die übrigen nationalen Gruppen der vormaligen Rzeczpospolita. Auch wenn die klare Abneigung eines Teils der polnischen Intellektuellen gegen die Emanzipation der Juden bald in den ethnozentristischen Ansatz einer katholischen polnischen Nation mündete, dominierten nach dem Novemberaufstand eindeutig jene Stimmen, die sich für eine vorsichtige oder gar völlige Öffnung den Juden gegenüber aussprachen.174 Auch die Wehrpflicht für Juden war Teil des Diskurses der Emigranten. Der Aristokrat Włodzimierz Gadon forderte 1835 in Paris in seiner »Gesetzessammlung«, die Rabbiner sollten die Juden während ihrer Dienstzeit von den religiösen

170 Wiatr, The Soldier and the Nation, 2.  171 Micińska, Między Królem Duchem a mieszczaninem, 11 f. und 383; Kobylińska, Sterben für das Vaterland, 86, 89 und 92. Vgl. auch die Anmerkungen von Samsonowicz, O »historii prawdziwej«. 172 Micińska, Zdrada, córka nocy, 238. 173 Ebd., 242 f. und 394. 174 Ausführlich über die Debatten zum jüdisch-polnischen Verhältnis innerhalb der Emigration Eisenbach, Wielka Emigracja wobec kwestii żydowskiej 1832–1849.

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Regeln befreien. Zugleich stellte er Berek Joselewicz als Beispiel für die Tapferkeit jüdischer Soldaten heraus.175 Die zwischen 1830 und 1863 anzutreffende ethnische und kulturelle Inklusionsbereitschaft des polnischen Nationalismus wurde nie wieder erreicht und diente nachfolgenden Generationen lediglich als hoffnungsvoller Bezugspunkt.176 Als herausragendes, wenn auch in seiner Reichweite untypisches Beispiel dieses offenen Nationsverständnisses wird gern das Schaffen Adam Mickiewicz’ herangezogen. Dieser inszenierte in seinen Werken die Juden als »ältere Brüder« der Polen und leitete aus der Geschichte beider Völker eine gemeinsame historische Erfahrung des Verlusts des eigenen Staates, der Niederlage gegen eine Besatzungsmacht sowie der Zerstreuung der Landsleute in der ganzen Welt ab. Der zeitversetzten historischen Analogie zwischen der jüdischen und polnischen Geschichte wollte Mickiewicz eine gemeinsame Zukunft folgen lassen, indem er den jüdischen Messianismus mit der angeblichen Sendung Polens als Christus unter den Völkern zu verknüpfen suchte.177 Mickiewicz sakralisierte das alte Nationsmodell der Rzeczpospolita, das nicht auf der Grundlage ethnischer Zugehörigkeit, sondern auf der Teilhabe an einem als Gefühls- und Wertegemeinschaft verstandenen berufenen Kollektiv beruhte.178 Anders als viele seiner Zeitgenossen sah der polnische Nationaldichter die Umsetzung der jüdisch-polnischen Verbrüderung nicht in der Taufe und Polonisierung der Juden, sondern in einer metaphysischen Verbindung dreier Nationalgeister – des französischen, polnischen und israelitischen – in einer globalen, messianischen Metamorphose.179 Mickiewicz’ Optimismus in Bezug auf die Juden teilten die meisten anderen polnischen Romantiker nicht. Ihr vom Katholizismus imprägniertes Weltbild und ihre Vorstellungen von jüdischer Lebensweise, Religion und Charaktereigenschaft machten die Juden für sie nicht kompatibel mit dem polnischen Nationsverständnis. So vertrat beispielsweise Mickiewicz’ Dichterkollege und Gegenspieler Zygmunt Krasiński eine völlige Gegenposition. Sein Denken und Werk durchzieht ein tiefgehendes antijüdisches Ressentiment, das sich in seinen Briefen bis hin zu rassischen Denkfiguren steigerte. In Krasińskis Werk erscheinen die Juden als feige und hinterlistige Subjekte, 175 G[adon], Zbiór ustaw i obrzędów wymagających najrychlejszéj reformy Izraelitów osiadłych w prowincijach do Polski należących, 27 und 36. 176 Porter, When Nationalism Began to Hate, 37. Vgl. auch Zgórniak, Der Januaraufstand 1863 und seine Einwirkung auf die polnische nationale Befreiungsbewegung. 177 Opalski / Bartal, Poles and Jews, 221. 178 Krasnodębski, Adam Mickiewicz’ politische Theologie, 40–48. Zum kontrovers diskutierten persönlichen Verhältnis Mickiewicz’ zu Judentum, Frankismus und Towianismus Janion, Tematy żydowskie u Mickiewicza. 179 Fiećko, Spór między Mickiewiczem a Krasińskim o miejsce Żydów wśród Polaków. Vgl. auch Krasnodębski, Adam Mickiewicz’ politische Theologie, 50–52; Hertz, The Jews in Polish Culture, 29 f.; Opalski / Bartal, Poles and Jews, 19–21; Janion, Bohater, spisek, śmierć.

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als ebenso gefährliche Feinde wie die Teilungsmacht Russland.180 Zwischen beiden Großautoren kam es zum Konflikt, da Mickiewicz in seinen berühmten Vorlesungen über die slawische Literatur (1840–1844) am Pariser Collège de France Kritik an Krasińskis Positionen übte.181 Unter dem Eindruck der antijüdischen Verschwörungstheorien der Zeit stehend, bekräftigte Krasiński in den folgenden Jahren seine Kritik an den Juden, denen er das Scheitern des Novemberaufstandes anlastete. Mickiewicz stellte wiederum in Reaktion auf den europäischen Völkerfrühling in Rom eine Legion (Legion Mickiewicza) zur Befreiung Italiens auf und gab ihr ein Statut, das »Israel, dem älteren Bruder« Achtung, Bruderschaft, rechtliche Gleichstellung und die Hilfe der Polen versprach.182 Kurz vor seinem Tod unterstützte Mickiewicz im Krimkrieg erneut die Formierung polnischer Einheiten, die unter osmanischem Kommando als Kosakendivision des Sultans (Dywizja Kozaków Sułtańskich) zum Einsatz kamen. Auch in diesem Kampfverband waren polnische Juden anzutreffen.183 Krasiński waren derlei Unternehmungen fremd und er sah sich in den kommenden Jahren durch den angeblichen Verrat der Posener Juden an Polen während der Märzrevolution bestätigt.184 Tatsächlich wurde an den revolutionären Ereignissen zwischen 1846 und 1848 deutlich, in welch unterschiedlichen Kontexten sich Juden und Polen in den drei Teilungsgebieten bewegten. In Galizien und Krakau hatte es zwischen Februar und März 1846 den Versuch eines Nationalaufstandes gegeben.185 In Krakau bildete sich zunächst eine kurzlebige Nationalregierung, die in einem Entschluss neben der Bauernbefreiung die Gleichstellung der Juden verkündete.186 In der Hoffnung auf die Verbesserung ihrer Situation entschlossen sich auch einige Juden zur Unterstützung der Aufständischen.187 Allzu bald schlug der Aufstands180 Vgl. beispielsweise die Äußerung Krasińskis über die Juden in seinem Brief an Delfina Potocka vom 24. Januar 1842, in: Der Fremde als Nachbar, 89–92; Janion, Der Gründungsmythos des polnischen Antisemitismus, ab 36. 181 Piwińska, Dzieje kultury polskiej w Prelekcjach Paryskich. Vgl. auch die 13. Vorlesung vom 21. Mai 1844, in: Der Fremde als Nachbar, 81–84. 182 Mickiewicz, Zusammenstellung der Regeln, in: Der Fremde als Nachbar, 87 f. 183 Duker, Jewish Volunteers in the Ottoman-Polish Cossack Units during the Crimean War; P. Wierzbicki, Działalność Sadyka Paszy w czasie wojny krymskiej na tle jego relacji z obozem Czartoryskich, 109. 184 Fiećko, Spór między Mickiewiczem a Krasińskim o miejsce Żydów wśród Polaków. 185 Hahn, Die polnische Nation in den Revolutionen 1846–49, 231–240; Gill, Die polnische Revolution 1846. 186 Odezwa Rządu Narodowego do Braci Izraelitów [Aufruf der Nationalregierung an die Brüder Israeliten], in: Dzieje Żydów w Polsce, 111; Bałaban, Historja Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1868, Bd. 2, 667 f.; ders., Dzieje Żydów w Galicji i w Rzeczypospolitej Krakowskiej 1772–1868, 147–175. 187 Gąsowski, Na drodze do emancypacji; Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 326 f. Manche Gruppierungen der polnischen Emigration machten die Juden

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versuch jedoch in eine unkontrollierte Rebellion der Landbevölkerung um, bei der mehr als 1 000 Grundherren getötet und deren Güter geplündert wurden. Auch Juden, die vielerorts immer noch als Agenten der Szlachta das Bindeglied zwischen Bauer und Grundherr bildeten, waren in diesem Zusammenhang Ziel von Gewalt.188 Nach der raschen Niederschlagung der lokalen Unruhen verlor die Stadtrepublik Krakau ihren Autonomiestatus und wurde Galizien angegliedert. Versuche, die galizischen Unruhen von 1846 nach Preußen zu tragen, schlugen fehl. Allerdings wurde ebenfalls im Jahr 1846 im preußischen Teilungsgebiet eine nationalpolnische, aus dem Exil gesteuerte Verschwörung aufgedeckt.189 Die Rädelsführer, Ludwik Adam Mierosławski und Karol Libelt, wurden 1847 im sogenannten Polenprozess vor dem Berliner Kammergericht zum Tode verurteilt. Im März 1848 bewirkten die Berliner Demonstranten die triumphal gefeierte Freilassung der in Moabit inhaftierten Revolutionäre. Die Märzrevolution war nun in vollem Gange, doch sprang ihr Funke auf das mehrheitlich polnisch besiedelte Großherzogtum Posen recht spät über, weil die dortige Szlachta erneut Bauernunruhen fürchtete. Erst als die preußische Bürokratie handlungsunfähig wurde, übernahmen polnische Persönlichkeiten für kurze Zeit politische Verantwortung.190 In Posen konstituierte sich indes ein polnisches Nationalkomitee; zugleich übte sich die deutsche und jüdische Bevölkerung in wohlwollender Zurückhaltung. Dies änderte sich, als das polnische Nationalkomitee der jüdischen Bevölkerung am 22. März Rechte zusicherte. Daraufhin schlossen sich einige Juden den nationalen und sozialen Forderungen der Polen an und traten der polnischen Nationalgarde, der Bürgermiliz und einigen lokalen Nationalkomitees bei. Nach antijüdischen Übergriffen sah sich das Nationalkomitee sogar gezwungen, den Juden das volle Bürgerrecht zuzubilligen und sie zur Unterstützung der gemeinsamen Sache aufzurufen. Dennoch kam es binnen kurzer Zeit zum Bruch zwischen Juden und Polen. Die immer offener zutage für das Scheitern des Aufstandes verantwortlich. Eisenbach, Wielka Emigracja wobec kwe­ stii żydowskiej 1832–1849, 190, 192, 199 f., 204 f. u. a. Vgl. auch die Vorgänge in Prag, wo die Beförderung eines Juden zum Offizier der tschechischen Nationalgarde in der jüdischen Öffentlichkeit ein geteiltes Echo fand. Niedhammer, Nur eine Frage der »Geld-Emancipation«?, 85–87. 188 Struve, Bauern und Nation in Galizien, 78–85; Gill, Die polnische Revolution 1846. Zur Ereignis- und Wirkungsgeschichte vgl. auch Śliwa (Hg.), Rok 1846 w Galicji. 189 Überblicksartig Wandycz, The Lands of Partitioned Poland, 1795–1918, 132–150. Zur Bedeutung der Großen Emigration im Jahr 1848 Hahn, Die erste »Große Emigration« der Polen und ihr historischer Stellenwert, 222 f. 190 Hahn, Die polnische Nation in den Revolutionen 1846–49, 240–246; Kisluk, Brothers from the North; Makowski, Das Großherzogtum Posen im Revolutionsjahr 1848. In Ungarn und Siebenbürgen formierten sich zwei polnische Legionen, die bis zur Niederschlagung der Revolution kämpften. Kozłowski, Legion Polski na Węgrzech 1848–1849.

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tretenden nationalen Aspirationen der polnischen Revolutionäre beförderten die Gründung eines deutschen Nationalkomitees, das sich für den Verbleib des Herzogtums im preußischen Staatsverband aussprach. Im Gegensatz zu seinem polnischen Pendant gewährte es Juden durchaus Zutritt in seine Reihen, worauf diese zunehmend für die deutsche Seite optierten. In der Folge stellten propolnische Einstellungen unter Juden außerhalb der Stadt Posen eine Minderheitenposition dar, waren allerdings nichts Ungewöhnliches.191 Sie wurden von der polnischen Seite aber kaum gewürdigt, da bei ihr der Eindruck entstanden war, Tür an Tür mit einer antipolnischen und verräterischen Bevölkerung zu leben.192 Den Zeitgenossen, die wie Krasiński zu einer negativen Bewertung der Rolle der Juden im Revolutionsjahr kamen, fehlte der Blick für die besondere Gemengelage des preußischen Teilungsgebietes. Die geografische Nähe zu den deutschen Zentren der Haskala, das aktive Zugehen der deutschen politischen Vertreter auf die Juden bei gleichzeitiger Passivität der polnischen Seite wie auch die nationalstaatlichen Ambitionen der Polen waren Faktoren, die ein ähnliches Engagement der Juden wie in Galizien erschwerten. Hinzu kam, dass seit 1833 gut 20 Prozent der Juden in Preußen »naturalisiert« und somit den Christen nahezu gleichgestellt wurden.193 Es dauerte kaum 15 Jahre, bis eine neue Generation  – diesmal in Kongresspolen – einen Aufstandsversuch gegen eine der Teilungsmächte unternahm.194 Beginnend mit dem 30. Jahrestag des Novemberaufstandes fanden immer neue patriotische Kundgebungen statt, die wegen der rücksichtslosen Intervention der Streitkräfte am 27. Februar 1861 fünf Tote forderten. Die Warschauer Bürgerschaft legte gegen dieses gewaltsame Vorgehen beim ­Zaren Protest ein. Das Begräbnis der »Fünf Gefallenen« am 2. März geriet zu einer Solidaritätskundgebung aller Warschauer Bevölkerungsgruppen, bei der auch die jüdischen Stadtbürger sichtbar vertreten waren. Es folgten einige Zugeständnisse des Zaren, besonders im Bereich der Repolonisierung der Verwaltung. Trotzdem floss am 8. April bei einer weiteren Demonstration auf dem Warschauer Schlossplatz erneut Blut, die Repressalien der Machthaber wurden verstärkt. Am 14. Oktober verkündeten die russländischen Behörden den Kriegszustand. Daraufhin riefen die katholischen Kirchenführer 191 Bałaban, Historja Żydów w Krakowie i na Kazimierzu 1304–1868, Bd. 2, 681. 192 Makowski, Das Großherzogtum Posen im Revolutionsjahr 1848, 168 f.; Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 362–367. 193 Makowski, Das Großherzogtum Posen im Revolutionsjahr 1848, 153. Zu den Besonderheiten des polnisch-jüdisch-deutschen Verhältnisses außerhalb Posens Pletzing, Vom Völkerfrühling zum nationalen Konflikt, bes. 80–106 und 250–269. 194 Zur Vorgeschichte Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 292–297; Wandycz, The Lands of Partitioned Poland, 1795–1918, 168–172; Bartal, Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772−1881, 113–122; Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 383–391; Kappeler, Rußland als Vielvölkerstaat, 204–207.

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die nationale Trauer aus und hielten alle Kirchen geschlossen. Tags darauf fanden Gedenkfeiern zum Todestag Kościuszkos statt, die erneut in Gewalt endeten.195 Die Jahre von 1861 bis 1863 gelten bei Historikern bis heute als Zeit einer polnisch-jüdischen Verbrüderung.196 Auf jüdischer Seite war es vor allem drei Persönlichkeiten zu verdanken, dass die Annäherung von Polen und Juden Fahrt aufnahm. Der orthodoxe Warschauer Oberrabbiner Dow Ber Meisels hatte von Krakau aus bereits die Aufstände von 1830 und 1846 unterstützt.197 Seit seinem Wechsel nach Warschau (1856) proklamierte er die polnischjüdische Solidarität. Unterstützung fand Meisels beim Rabbiner der Deutschen Synagoge, Markus Mordechaj Jastrow, der als Vertreter des Reformjudentums für die Emanzipation der Juden und für deren Einbindung in die polnische Gesellschaft warb.198 Wie Jastrow und Meisels trat auch der Rabbiner der Polnischen Synagoge, Izaak Kramsztyk, als Unterstützer der polnischen Unabhängigkeitsforderungen hervor.199 Alle drei Geistlichen nahmen am Begräbnis der »Fünf Gefallenen« am 2. März 1861 teil. Diese Szene wurde unter anderem vom Maler Aleksander Lesser in einem gleichnamigen Gemälde festgehalten, das bis heute als wichtigste ikonografische Quelle dieser Jahre gelten darf.200 Ein weiteres breit rezipiertes, symbolträchtiges Ereignis war das Verhalten des jüdischen Gymnasiasten Michał Landy während der erwähnten blutigen Demonstration auf dem Warschauer Schlossplatz vom 8. April 1861. Zuvor war es zu einer feierlichen Verbrüderungsszene polnischer und jüdischer Demonstranten gekommen. Als ein Teilnehmer, der an der Spitze der Demonstration ein Kreuz trug, verletzt wurde, übernahm Landy die Rolle des Kreuzträgers und wurde von den anrückenden Regierungstruppen lebensgefährlich verletzt. Die Menge verhinderte die Fest195 Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 298–305 und 309–314. 196 Hier und im Folgenden Opalski / Bartal, Poles and Jews, 38–57; Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 433–474; Bartal, Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772−1881, 97 f.; Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 44–48; Galas, Jewish-Polish Relations in the Writings of Rabbi Marcus Jastrow; Gelber, Die Juden und der polnische Aufstand 1863, 34–87. Der »Verbrüderung« vorangegangen war der sogenannte jüdische Krieg. Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 39–41. 197 Zur Biografie Meisels Kupfer, Ber Meisels i jego udział w walkach wyzwoleńczych narodu polskiego (1846, 1848, 1863–1864). 198 Galas, Einmal Warschau-Mannheim und zurück; ders., Jewish-Polish Relations in the Writings of Rabbi Marcus Jastrow. 199 François Guesnet, Art. »Kramsztyk, Izaak«, in: The YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe, Bd. 1, 939 f. 200 Aleksander Lesser (1814–1884) entstammte einem jüdischen Elternhaus und war einer der Begründer der polnischen Historienmalerei. Sein Gemälde Pogrzeb pięciu poległych w 1861 roku w Warszawie befindet sich im Besitz des Nationalmuseums Krakau. Es zeigt neben katholischen und jüdischen auch protestantische Würdenträger. Mendelsohn, Painting a People, 209 f.

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nahme Landys, der am folgenden Tag seinen Verletzungen erlag. Bei seinem Begräbnis auf dem jüdischen Friedhof verhinderte die Polizei die Teilnahme katholischer Trauernder. Umso mehr wurde der »Jude mit dem Kreuz« zum Symbol des Zusammenrückens von Juden und Polen.201 In der Zwischenzeit stieß der neue Regierungschef im Königreich, Aleksander Graf Wielopolski, wichtige politische Veränderungen an, darunter die rechtliche Gleichstellung der Juden und die Abschaffung des Frondienstes der Bauern. Da Wielopolski nach einem dauerhaften Ausgleich mit Russland strebte, konnte er die sich zuspitzende innenpolitische Lage nicht entschärfen. Für die kleine radikale Gruppierung der »Roten« schritten die Veränderungen im Land zu langsam voran. Als Ende 1862 ihre Umsturzpläne ans Licht zu kommen drohten, entschieden sie sich für eine vorzeitige Auslösung des Aufstandes am 22. Januar 1863.202 Unmittelbarer Anlass des Aufstandes war die branka, die von Wielopolski zur Beruhigung der revolutionären Stimmung angeordnete Einberufung Tausender politisch verdächtiger Männer zum zwanzigjährigen Militärdienst. Nach anfänglichen militärischen Misserfolgen beteiligte sich auch die gemäßigte »weiße« Opposition am Aufstand und gewann die politische Führung in der Provisorischen Nationalregierung.203 Die Aufständischen, die anders als 1830 über keine regulären Truppen verfügten, verlegten sich auf den Partisanenkrieg und bereiteten damit den russländischen Truppen enorme Schwierigkeiten.204 Die Aussage Artur Goldmans, eines jüdischen Mitarbeiters der Untergrundregierung, bei einem Polizeiverhör ermöglichte letztlich die Verhaftung des bis dahin unerkannt agierenden Aufstandsführers General Romuald Traugutt und besiegelte das Ende des Aufstandes. Die Todesurteile gegen die führenden Persönlichkeiten der Nationalregierung wurden im August 1864 in der Warschauer Zitadelle vollstreckt.205 Tausende Aufständische wurden in die sibirische Verbannung geschickt oder in die Emigration getrieben. Die Autonomie Kongresspolens wurde endgültig aufgehoben und der Weg zur Russifizierung des nur noch als »Weichselland« (russ. Privislinskij Kraj, poln. Kraj Nadwiślański) bezeichneten Gouvernements eingeschlagen. Wie die vorangegangenen nationalen Erhebungen, so war auch der Januaraufstand ein Prüfstein der polnisch-jüdischen Beziehungen, nachdem in 201 Opalski / Bartal, Poles and Jews. 202 Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 323–357; Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 41–44; Gelber, Die Juden und der polnische Aufstand 1863, 88–122. 203 Kieniewicz / Zahorski / Zajewski, Trzy powstania narodowe, 361–370. 204 Ebd., 370–374. Zur außenpolitischen Konstellation Rautenberg, Der polnische Aufstand von 1863 und die europäische Politik im Spiegel der deutschen Diplomatie und der öffentlichen Meinung, bes. 52–92 und 317–385. Zu Kontext und Wirkungsgeschichte des Aufstands Királyi (Hg.), The Crucial Decade. 205 N. Davies, God’s Playground, 260 f.

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den Jahren zuvor polnische und jüdische Eliten zumindest in Warschau nahe zusammengerückt waren. Bei der Bewertung des Januaraufstandes darf wie bei den übrigen polnischen Rebellionen nicht vergessen werden, dass deren Akteure eine kleine Gruppe bildeten, die sich oft aus dem wirtschaftlich und politisch deklassierten Adel rekrutierte. Diesen Aktivisten gelang es nie, die gesamte Bevölkerung für die Aufstände zu begeistern, was als ein Grund für ihr Scheitern zu betrachten ist. Die Reaktionen der jüdischen Bewohner Kongresspolens auf den Januaraufstand spiegeln diese soziale Komponente der Ereignisse ebenfalls wider. Die große Masse der Juden blieb passiv und unterschied sich darin kaum von der Mehrzahl der christlichen Bevölkerung. Nathan M. Gelber, einem dem Zionismus verpflichteten Historiker der Jahrhundertwende, erschien in der Rückschau das Verhalten der Juden eindeutig: »Die harte Lebensnotwendigkeit entschied eigentlich ihre politische Richtschnur, wer mehr Macht in seiner Hand innehatte, war für die Juden der ausschlaggebende Faktor.«206 Wie in den vorangegangenen Erhebungen blieb die Begeisterung für die polnische Sache im Wesentlichen ein Phänomen der jüdischen Mittel- und Oberschichten, denen die Akkulturation in einer polnischen Umgebung attraktiv erschien.207 Dass dieses Milieu ein starkes Bewusstsein für historische Kontinuitäten hatte, zeigt etwa die Tatsache, dass in der Warschauer Buchhandlung Adam Karlsbad neben bildlichen Darstellungen von Meisels und Jastrow auch Porträts von Berek Joselewicz erworben werden konnten.208 Die Unterstützung vieler Juden für die polnische Seite war mit dem Ausbruch des Aufstandes dennoch nicht zu übersehen. Vielerorts beteiligten sie sich an der Finanzierung und Ausstattung der polnischen Guerillatruppen. Die Nationalregierung griff gern auf Juden zurück, wenn es darum ging, auf internationalem Parkett die Interessen Polens zu vertreten.209 Die direkte Beteiligung jüdischer Kämpfer wurde allerdings erneut zu einem Konfliktfeld. 206 Gelber, Die Juden und der polnische Aufstand 1863, 129. 207 Ebd., 126–129. 208 Jutrzenka (1861), H. 7, 56, zit. nach Jagodzińska, Pomiędzy, 112. Möglicherweise handelte es sich um Abdrucke des 1861 entstandenen bekannten Berek-Bildnisses von Juliusz Kossak oder der Lithografie Berek Joselewicz, Szef Szwadronu lekkiej Jazdy Xięztwa War­ szawskiego des um 1860 wirkenden Künstlers Henryk Aschenbrenner. Die neu entfachte Joselewicz-Rezeption verdeutlicht auch der biografische Essay Berek Josielowicz des Publizisten Rappaport von 1861. Im gleichen Jahr erschien ein Artikel von Antoni Wieniarski, in dem er Fehler in der Darstellung der Biografie Joselewicz’ in der renommierten, von Samuel Orgelbrand herausgegebenen Enzyklopädie bemängelte. Ders., Berek Joselowicz; Art. »Berek«, in: Encyklopedyja powszechna, Bd. 3, 197. 209 Eisenbach, The Emancipation of the Jews in Poland, 1780–1870, 476–516; Gelber, Die Juden und der polnische Aufstand 1863, 129–133. Vgl. auch die Quellenedition Żydzi a powstanie styczniowe. Der Publizist Jan Czyński schickte regelmäßig Berichte aus Warschau an die Pariser Zeitschrift Archives Israélites. Ders., Israël en Pologne.

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Es nahmen wie in den vorangegangenen Aufständen wieder etwa 2 000 Juden an den Kampfhandlungen teil, doch blieb deren Zahl hinter den Erwartungen der Nationalregierung zurück.210 Auch stießen Juden, wie 1830, dann auf starke Vorbehalte, wenn sie der von begüterten Schichten dominierten Nationalgarde beitreten wollten. Die meisten Juden fanden sich in der Sicherheitsgarde (gwardia bezpieczeństwa) wieder, die dem einfachen Volk vorbehalten war und häufig als »Unsicherheitsgarde« (gwardia niebezpieczeństwa) belächelt wurde.211 Der Januaraufstand endete nicht nur in bedrückenden Repressionen durch die Sieger, sondern auch mit zahlreichen jüdischen Loyalitätsadressen an die Romanows.212

1.4 Getrennte Wege? Juden und Polen zwischen Januaraufstand und Großem Krieg Die ersten anderthalb Jahrzehnte nach dem Fehlschlag des Januaraufstandes waren geprägt von der Verarbeitung der Niederlage, die stark mit einer christlichen Symbolik durchsetzt und im Alltag von einer durch Kleidung, Schmuck und Verhaltensweisen demonstrierten Trauer geprägt war. Dieser Habitus wurde zu einem festen Bestandteil der nationalen Kultur jener Zeit. Familienanlässe wie Taufen, Hochzeiten oder Begräbnisse konnten so zu nationalen Manifestationen werden.213 Zugleich differenzierte sich das Geschichtsbewusstsein weiter aus und das positivistische Ideal der »organischen Arbeit«, der Konsolidierung der Nation durch ihre kulturelle und wirtschaftliche Stärkung, ließ die Aufstandstradition zeitweise in den Hintergrund treten. Auch auf regionaler und politischer Ebene entwickelten sich Abweichungen in der über die Teilungsgrenzen dennoch recht kohärenten polnischen Erinnerungskultur.214 Parallel erhöhte das Zarenregime den politischen Druck auf die nationalen Eliten durch Repressions- und Russifizierungsmaßnahmen. Die Kontakte zwischen den Teilungsgebieten gingen wegen Reisebeschränkungen, aber auch wegen der sozialen Immobilität vieler Bevölkerungsgruppen zurück.215 Gleichzeitig erfassten die Prozesse und Begleiterscheinungen von Industrialisierung, Modernisierung und sozialem Wandel das Land.216 210 Gelber, Die Juden und der polnische Aufstand 1863, 136–142. Vgl. auch die Erinnerungen von Joseph Kohn. Ders., Erinnerungen, 39–67. 211 Kieniewicz, Warszawa w latach 1795–1914, 43. 212 Gelber, Die Juden und der polnische Aufstand 1863, 158 f. 213 Micińska, Między Królem Duchem a mieszczaninem, 15, 370–376 und 436; Kałwa, Polska doby rozbiorów i międzywojenna, 315 f. und 321. 214 Kałwa, Polska doby rozbiorow i międzywojenna, 427 f. 215 Wapiński, Polska i małe ojczyzny Polaków, 94–133. 216 Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 48–55; Klier, Imperial Russia’s Jewish Question, 1855–1881.

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Auch in Jabłonna hinterließen die Entwicklungen dieser neuen Zeit zahlreiche Spuren. In den Aufständen hatte Poniatowskis Sommerfrische immer wieder Offiziersstäbe und die unterschiedlichsten polnischen und russischen Kampfeinheiten beherbergt. Nun, gegen Ende des Jahrhunderts, erlebte die Ortschaft den Ausbau der zarischen Befestigungswerke entlang der Weichsellinie. Den zentralen Abschnitt der neuen Verteidigungsanlagen bildete der Warschauer Festungsrayon. Bestehend aus den Festungen Warschau, Modlin und Zegrze, sollte dieser das Einfallstor in die westlichsten Gebiete des Zarenreiches abriegeln.217 Jabłonna lag inmitten dieses von den Flüssen Narew und Weichsel begrenzten »polnischen Festungsdreiecks«. Vier Kilometer von der ursprünglichen Siedlung entfernt errichteten die Militärbehörden jene große Garnison (Abb. 3), in der später die polnisch-jüdischen Soldaten interniert wurden. Mit ihrer unmittelbaren Anbindung an die Weichselbahn und eine Seitenlinie der Warschau-Petersburger Bahn kam ihr eine nicht geringe strategische Bedeutung für die Versorgung der Weichselfestungen und für Truppenbewegungen innerhalb des Festungsrayons zu.218 Zu dieser Zeit war Jabłonna bereits in Besitz von August Potocki, Spross einer der bedeutendsten Familien des polnischen Hochadels. Dieser Pferdesportler und Rennstallbesitzer, ein Bonvivant und Mode-Idol, Frauenschwarm und Bohème, vollzog wie die meisten Adligen seiner Zeit den Spagat zwischen der patriotischen Ablehnung der russischen Herrschaft und einem pragmatischen Arrangement mit den aktuellen Machthabern.219 Besonders kritisch stand er wie die meisten Patrioten dem Feldmarschall Josef Gurko gegenüber, der sich wegen seiner Beteiligung an der Niederschlagung des Januaraufstandes sowie seiner Russifizierungspolitik als Generalgouverneur (1883–1894) einen mehr als schlechten Leumund erworben hatte.220 Damit nicht genug, erhielt die Garnison Jabłonna nach dessen Tod den Namen »Feldmarschall-Gurko-Lager«. Während der Revolutionsjahre 1905 bis 1907 war hier bezeichnenderweise ein wichtiger Stützpunkt jener Truppen, die auf den Warschauer Straßen für Ruhe sorgten. Dennoch war in Jabłonna eine revolutionäre Zelle aktiv, deren Warschauer Verbindungsmann allerdings auf der Bahnstation des Ortes ermordet wurde.221 Wie die adligen und militärischen Lebenswelten in Jabłonna erfuhren auch die jüdisch-polnischen Beziehungen in ganz Russisch-Polen im letzten 217 Królikowski, Twierdza Warszawa, bes. 150 f. 218 Zur Garnison Jabłonna bis 1918 Jacek Szczepański, Obóz Hurki, 7–106; ders., Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszawskim 1915–1918. 219 Kieniewicz, Art. »Potocki August (1847–1905)«, in: PSB, Bd. 27, 799 f. 220 Jacek Szczepański, Obóz Hurki, 10.  221 I.  Pawłowski, Wojskowa działalność SDKPiL w rewolucji 1905–1907, 278. 1899 war Jabłonna kurzzeitig Rückzugsort einiger Mitglieder der jüdischen Sektion der PPS. Kaufman, Początki roboty żydowskiej P. P. S., 349.

Abb. 3: Lageplan der Garnison Jabłonna im Ersten Weltkrieg. Quelle: Maciej Modzelewski in Zusammenarbeit mit Jacek Szczepański.

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Jahrhundertdrittel einen tiefgreifenden Wandel. Nach der »Verbrüderung« der 1860er Jahre drifteten die Interessen und Handlungsstrategien beider Bevölkerungsgruppen in den folgenden Jahrzehnten immer weiter auseinander.222 Die Erwartung eines wiederhergestellten polnischen Staates verlor ihre Rolle als Zukunftsversprechen und Scharnier in den gemeinsamen Beziehungen. Ironischerweise war es gerade die durch Modernisierung und Emanzipation ermöglichte Annäherung von Juden und Polen im Laufe des 19. Jahrhunderts, die neue Spannungen in deren Beziehungen hervorrief. Lebten zu Beginn des Jahrhunderts beide Bevölkerungsgruppen in genau abgegrenzten, von Standes- und Religionszugehörigkeit bestimmten Sphären, erzeugten die entstehenden Überschneidungen der politischen, ökonomischen und kulturellen Aktionsradien von Polen und Juden neuartige Konkurrenzen und Konflikte. In Zeiten wachsenden äußeren Drucks und eines andauernden innenpolitischen Ausnahmezustands erregte die wachsende Gleichstellung der Juden bei den bürgerlichen katholischen Schichten ein diffuses Gefühl der Bedrohung.223 Zugleich boten die imperialen Kulturen in den Teilungsgebieten Akkultu­ rationsmöglichkeiten, die von vielen Juden, aber eben auch von Polen und anderen Nationalitäten genutzt wurden.224 1894 äußerte der Publizist Władysław Studnicki sogar folgende Befürchtung: »Wir [Polen] verwandeln uns in drei Nationen mit unterschiedlichen politischen Bestrebungen, mit einer unterschiedlichen Nationalpsychologie.«225 All dies verkleinerte den ohnehin reduzierten polnisch-jüdischen Kontaktbereich weiter. Ende des 19. Jahrhunderts lebte nur noch etwa ein Viertel der russländischen Juden in Kongresspolen, während die Mehrzahl sich in einem ostslawisch geprägten Kulturraum bewegte.226 Viele Polen begannen deshalb Juden als Erfüllungsgehilfen des Zaren anzusehen, besonders als im letzten Jahrhundertdrittel eine große Zahl sogenannter Litwaken – meist russisch akkulturierte Juden aus dem Ansiedlungsrayon  – in das Weichselgouvernement übersiedelte. Mehr als in den vorangegangenen Jahrzehnten, in denen die Juden zwar nicht als zuverlässig und tapfer, aber immerhin als berechenbare Größe im ethni222 Bartal, Geschichte der Juden im östlichen Europa 1772−1881, 99. 223 Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 170 und 176. 224 Zur russischen Politik der Konversationsanreize zur Orthodoxie in den nordwestlichen Reichsgebieten nach 1863 beispielsweise Staliūnas, Russländische »Kollaborationsangebote« an nationale Gruppen nach dem Januaraufstand von 1863 im so genannten Nordwestgebiet. Vgl. auch die Huldigungsschrift für Kaiser Franz Joseph I. von Bałaban. Ders., Żydzi w Austryi za panowania cesarza Franciszka Józefa I ze szczególnym uwzględnieniem Galicji 1848–1908. 225 Galos, Tendencje integracyjne i dezintegracyjne na ziemiach polskich w dobie popowstaniowej (do 1914 r.), 12.  226 Kancewicz, Udział Żydów w konspiracjach antycarskich (do roku 1914), 76.

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schen Flickenteppich Polens galten, drängte sie die nationalistische Wahrnehmung in die Position eines »bedrohlichen Anderen«.227 Während in der Emigration noch bis in die späten 1870er Jahre immer neue Versuche unternommen wurden, polnische Kampfeinheiten aufzustellen,228 griffen inländische Akteure das Konzept der organischen Arbeit aus früheren Jahrzehnten neu auf. Die positivistischen Entwürfe der Warschauer Liberalen dominierten bald den polnischen Diskurs, da die gescheiterten Ideen der Romantiker ihre Untauglichkeit bewiesen zu haben schienen.229 Nunmehr ging man davon aus, dass eine Nation auch ohne einen eigenen politischen Rahmen lebensfähig sei, sofern sie in den Bereichen von Wirtschaft und Kultur ihren Zusammenhalt bewahrte.230 Für die Positivisten existierte im Prinzip keine »jüdische Frage«, da diese sich durch eine angestrebte unterschiedslose, gemeinsame Bildung selbst erledigen würde.231 Dieser Fortschrittsoptimismus schien sich auch in der Pogromwelle im Zarenreich von 1881 zu bestätigen, die – so die Meinung der Positivisten – Kongresspolen nicht umsonst zunächst verschonte.232 Was viele Zeitgenossen für unmöglich hielten, bewahrheitete sich aber am 25. Dezember 1881: Im Warschauer Weihnachtspogrom mit 28 Toten, 100 Verletzten sowie Tausenden materiell Geschädigten sehen viele Autoren den endgültigen Bruch der polnisch-jüdischen Interessengemeinschaft.233 Die Ereignisse von 1881 stehen am Beginn der Regierungszeit des Zaren Alexander  III. (1881–1894), die – wie auch die ersten Jahre der Herrschaft

227 Michlic, Poland’s Threatening Other, 24–68. 228 1866 gab es Versuche, mit einer polnischen Legion das italienische Risorgimento zu unterstützen, 1870/71 fanden sich einige Polen in der französischen Armee sowie in der Pariser Kommune. Im russisch-türkischen Krieg 1877/78 wurde letztmals versucht, eine polnische Kampfeinheit zu etablieren. Wojtasik, Zmierzch i odrodzenie Rzeczypospolitej, 253–267; ders., Idea walki zbrojnej o niepodległość Polski 1864–1907, 40–105. 229 Janion, Vorwort, 32. 230 Porter, When Nationalism Began to Hate, 58–74. 231 Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 57–64. 232 Cała, Asymilacja Żydów w Królestwie Polskim (1864–1897), 270. Zur Pogromwelle im Zarenreich Aronson, Troubled Waters; Klier / Lambroza (Hgg.), Pogroms. 233 Cała, Asymilacja Żydów w Królestwie Polskim (1864–1897), 271–278; Klier, Russians, Jews, and the Pogroms of 1881–1882, 43 f.; Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen ­1881–1922, 41–51. Zu den Arbeiterunruhen von Lodz (1892), den westgalizischen Bauernunruhen (1898) sowie den Ausschreitungen in Białystok und Siedlce (1906) vgl. ­Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 52–89; Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 70–86; Porter, When Nationalism Began to Hate, 162. Die Ausschreitungen galten bei vielen Zeitgenossen als von russischer Hand provoziert, wovon auch die Geld- und Sachspenden von Polen für die Betroffenen zeugen sollten. Ochs, Tsarist Officialdom and Anti-Jewish Pogroms in Poland. Zur Rezeptionsgeschichte A. Friedrich, The Image of the Warsaw Pogrom of 1881 in Late Nineteenth-Century Polish Literature.

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seines Nachfolgers Nikolaus II. (1894–1917) – geprägt waren von politischen und kulturellen Repressionen. Mit dem Aufkommen der modernen politischen Ideologien polarisierte sich in allen drei Teilungsgebieten das politische Spektrum zunehmend in einen nationalistischen und einen sozialistischen Flügel.234 Die Beziehungen von Polen und Juden wurden insbesondere in Kongresspolen, aber auch in Galizien immer stärker von politischer wie ökonomischer Konkurrenz bestimmt.235 Die Revolution von 1905, die wesentliche Impulse aus dem Weichselgouvernement erhielt, wurde, anders als die Nationalaufstände des vorangegangenen Jahrhunderts, zu keiner Zeit ein Sinnbild polnisch-jüdischer Symbiose.236 Viele Juden, die sich in der Realität des Zarenreiches einrichteten, fanden keinen emotionalen Zugang mehr zu den Forderungen nach polnischen Autonomierechten oder gar der Eigenstaatlichkeit. In der Konsequenz wurden gerade die Litwaken zur Zielscheibe der vom Scheitern der Revolution enttäuschten Polen.237 Die jüdische Bevölkerung des Zarenreiches entwickelte sich immer stärker in Richtung einer eigenen Ethnie mit eigener Presse, regem Kulturleben und ausdifferenziertem politischen Spektrum. In zeitlicher Nähe zu den russländischen Duma-Wahlen (1906, 1907, 1912) verschärften dann vor allem die polnischen Nationaldemokraten ihren Ton gegenüber den Juden und wandten sich gegen jedwede Form der Annäherung.238 Aus nationaldemokratischer Sicht hatten die jüdischen Wähler durch ihre Unterstützung der Sozialisten bei den Duma-Wahlen 1912 ihr Recht auf ein friedliches Zusammenleben mit den Polen verwirkt. Noch im gleichen Jahr organisierten die Nationaldemokraten einen breit angelegten Boykott jüdischer Geschäfte. Mit diesem letzten Tiefpunkt des polnisch-jüdischen Antagonismus vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges schien es, als wären die alten Kommunikationslinien zwischen Juden und Polen im russisch verwalteten Teil Polens unwiederbringlich durchtrennt.239

234 Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 87–128. Einführend zur polnischen Parteienlandschaft Blobaum, The Rise of Political Parties 1890−1914. Zu den jüdischen Parteien Gitelman (Hg.), The Emergence of Modern Jewish Politics; Shanes, Diaspora Nationalism and Jewish Identity in Habsburg Galicia, bes. ab 243. Ergänzend auch Lederhendler, The Road to Modern Jewish Politics, 111–153. 235 Weeks, Nation and State in Late Imperial Russia. Zu politischen Lösungen Gąsowski, Między gettem a światem. 236 Ury, Barricades and Banners, besonders 214–260; Hoffman / Mendelsohn (Hgg.), The Revolution of 1905 and Russia’s Jews. Zur polnischen Rezeption der Revolution Petersen, Aufstand oder Revolution? 237 Kancewicz, Udział Żydów w konspiracjach antycarskich (do roku 1914); Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 177. 238 Trees, Wahlen im Weichselland. 239 Weeks, From Assimilation to Antisemitism, 149–169; K. Zieliński, »Swój do swego!«.

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Polen und Juden waren aber weiterhin gleichermaßen Staatsbürger eines der Teilungsimperien und der Militärdienst bildete eine gemeinsame Erfahrung, die nicht per se vom wachsenden polnisch-jüdischen Gegensatz bestimmt war. In allen vormals polnischen Gebieten setzte sich mit der endgültigen Etablierung der allgemeinen Wehrpflicht (Österreich-Ungarn 1868, Russland 1874) das fort, was sich seit der Teilung Polen-Litauens immer stärker offenbarte: Der Armeedienst wurde zu einem wichtigen Instrument staatlicher Unifizierungspolitik in den multiethnischen Monarchien und sollte dazu beitragen, dass zumindest ein Teil der Soldaten Loyalität gegenüber dem Imperium entwickelte.240 Meist scheiterten solche Ansprüche jedoch an der Wirklichkeit. Dies war auch in Preußen der Fall, wo aus dem Primat des Monarchischen vor dem Nationalen und dem Erleben der Dienstzeit bis weit ins 19. Jahrhundert keine dauerhaften Bindungen der Soldaten an den Staat erwuchsen.241 Die einzelnen Streitkräfte gingen im Umgang mit der ethnischen Vielfalt ihrer Rekruten durchaus unterschiedliche Wege. Die Königlich Preußische Armee und ab 1871 das Deutsche Heer blieben ein Refugium adliger Standesprivilegien. Die Aufstiegsmöglichkeit in höhere Offiziersränge wurde maßgeblich von Konfession und Stand der Anwärter vorgegeben. Für Katholiken wie Juden war es in Preußen nahezu unmöglich, ohne eine Bereitschaft zur Konversion in höhere militärische Positionen zu gelangen. Der Umgang mit beiden Bekenntnissen war von großem Misstrauen geprägt, war es doch besonders der katholische polnische Adel, der während der Märzrevolution seinen politischen Machtanspruch klar artikuliert hatte. Der Landbevölkerung, welche die Mehrzahl der Rekruten stellte, begegnete das Militär hingegen ohne derlei Vorbehalte. Die Politik einer Verteilung der dienstleistenden Soldaten über das gesamte preußische Territorium sollte das Aufkeimen von illoyalen Haltungen verhindern, aber auch zu starke Bindungen an den Dienstort unterdrücken.242 Österreich beschritt den Weg der »Austrifizierung« seiner Truppen, musste es doch mit einer ungleich größeren Heterogenität ethnischer, konfessioneller und sprachlicher Prägungen umgehen. Das Militär sollte zu keiner Zeit als Instrument der Assimilierung dienen, sondern die Vermischung der wehrdienstleistenden Bevölkerungsgruppen befördern. Neben einer für alle Soldaten obligatorischen, aus ca. 80 deutschen Befehlen bestehenden »Kommandosprache« wurden in den Einheiten jene Sprachen als »Regimentssprachen« eingeführt, die von jeweils mindestens 20 Prozent der Soldaten gespro240 Für Preußen Pirko, Polityka narodowościowa w wojsku niemieckim. Vgl. auch den rumänischen Fall, D. Müller, Erwünschte Soldaten – unerwünschte Staatsbürger. 241 Schmitt, Armee und staatliche Integration. 242 Boysen, Preußische Armee und polnische Minderheit, 290 f.

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chen wurden.243 Es war so für Polen und – wenn auch in weitaus geringerem Maß – für Juden durchaus nicht unüblich, eine Offizierskarriere aufzunehmen.244 Für die Kaiserlich-Russische Armee diente der Militärdienst zur »geistigen Russifizierung« der Wehrpflichtigen. Damit war nichts weiter gemeint als die Herstellung einer Identifikation aller Rekruten mit Reich und Zarentum.245 Darüber hinaus war das Militär die einzige Institution, die als innenpolitischer Ordnungsfaktor das multinationale Staatsgebilde zusammenzuhalten imstande war.246 Der polnische Januaraufstand hatte deutlich gemacht, wie stark der Widerstand einer nationalen Bevölkerungsgruppe das Zarenreich belasten konnte, mussten doch um die 300 000 reguläre Soldaten zur Niederschlagung der Erhebung abgestellt werden.247 Auch aus diesem Grund wurde das vormalige Königreich Polen zunächst vom russischen Rekrutierungssystem ausgenommen, doch mit der Militärreform von 1874 stellte das Weichselland jährlich wieder etwa 100 000 Rekruten.248 Der Offiziersdienst von Polen und anderen nichtrussischen Nationalitäten wurde akzeptiert, aber einer Quotenregelung unterworfen. Höhere Positionen blieben den inorodcy, den Fremdstämmigen, gleichwohl verwehrt. Wie in den Armeen des Zweibundes wandte man soweit wie möglich das Prinzip des exterritorialen Dienstes der Rekruten fern der Heimat an. Dies beförderte die ohnehin recht große Entfremdung zwischen Rekruten und Militär, die sich besonders 1904/05 in zahlreichen ethnisch aufgeladenen Meutereien Bahn brach.249 243 Allmayer-Beck, Die bewaffnete Macht in Staat und Gesellschaft, 98 f.; Hämmerle, Ein gescheitertes Experiment?; Rydel, W służbie cesarza i króla. 244 Schmidl, Habsburgs jüdische Soldaten 1788–1918, 85–112; Deák, Beyond Nationalism, bes. 172–178; ders., The Education of Habsburg Army Officers. 245 Zu den vielfältigen Funktionen von Wehrpflicht und Militär sowie zur Situation der jüdischen Rekruten im Zarenreich Benecke, Militär, Reform und Gesellschaft im Zarenreich; ders., Die Allgemeine Wehrpflicht in Russland. Vgl. auch F. Davies, Eine imperiale Armee. Allgemein zur Geschichte des russischen Militärs Keep, Soldiers of the Tsar; Beyrau, Militär und Gesellschaft im vorrevolutionären Russland. 246 Kusber, Die russische Armee als innenpolitischer Ordnungsfaktor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Adam Dobroński stellte zudem heraus, dass nach 1907 eine Verbesserung der Situation für Polen in der Armee erfolgte, weshalb diese den Militärdienst im Zarenheer durchaus positiv erinnerten. Dobroński, Pobór do armii rosyjskiej i służba w niej żołnierzy z Królestwa Polskiego (1907–1914). 247 Kusber, Die russische Armee als innenpolitischer Ordnungsfaktor in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, 156; Beyrau, Militär und Gesellschaft im vorrevolutionären Russland, 231–254. 248 Boysen, Preußische Armee und polnische Minderheit, 198. Zu Ablauf und Charakter des Militärdienstes Caban, Służba rekrutów Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1831–1873. Genaue Zahlen auf der Grundlage des Zensus von 1897 bei Dobroński, Żołnierze narodowości polskiej w armii rosyjskiej (na podstawie materiałów ze spisu 1897 roku); Kulik, Oficerowie armii rosyjskiej pochodzący z terenów dawniej Rzeczypospolitej w latach 1864–1914. 249 Kusber, Krieg und Revolution in Rußland 1904–1906, 62 f. und 71.

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Dabei war die Intention der Militärreform von 1874 durchaus eine andere gewesen. Ihr maßgeblicher Autor, Baron Joseph Günzburg (Evzel’ Gavrilovič Gincburg), der Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung der Kultur unter den Juden, hatte der Vorstellung angehangen, mit der Akzeptanz aller Bürgerpflichten könnten sich die Juden den Weg zur Gewährung von mehr Bürgerrechten ebnen. Die von Günzburg forcierte Einführung einer vierjährigen Wehrpflicht wies in diese Richtung. Sogar die beschränkte Zulassung von Juden zum Offiziersdienst wurde in diesem Zusammenhang gegen allerlei Widerstand erreicht.250 Günzburg hatte erkannt, dass die Gleichstellung bei der Militärpflicht als Katalysator einer völligen rechtlichen Gleichstellung aller Juden dienen konnte. Auch einen weiteren wichtigen Aspekt hatte er nicht übersehen: Für die Anerkennung der Juden als Teil der allrussischen soldatischen Gemeinschaft war ein positiv besetztes Narrativ über ihren bisherigen Anteil an der russländischen Militärtradition notwendig. Aus diesem Grund setzte er sich erfolgreich für den Bau eines Denkmals für die jüdischen Teilnehmer des Krimkrieges ein.251 Doch auch mit der Militärreform gelang es nicht, den schlechten Ruf der Juden als untaugliche Drückeberger und Feiglinge zu verbessern. Vielmehr kam hinzu, dass mit dem Aufkommen des modernen Antisemitismus die Religion als Distinktionsmerkmal der Juden in den Hintergrund trat – zugunsten vorgeblich typischer, die negativen Charaktereigenschaften der Juden determinierender physischer Merkmale. Der daraus erwachsende teils massive Widerstand innerhalb und außerhalb der Armee gegen die jüdische Präsenz im Militär führte mehrfach zu erneuten Einschränkungen bei der Aushebung jüdischer Rekruten. Letztlich wurden ab Ende der 1880er Jahre Juden als Offiziersanwärter, aber auch in solch unverdächtigen Positionen wie als Apotheker in den Sanitätseinheiten, im Heer nicht mehr zugelassen.252 Es wird so verständlich, dass der Ruf des Militärdienstes sich unter den Juden nicht verbesserte, zumal gerade das russische Offizierskorps für seine ablehnende Haltung Juden gegenüber berüchtigt war. Vielerorts unternahmen die jüdischen Wehrpflichtigen weiterhin enorme Anstrengungen, Musterung und Gestellung zu umgehen, und verstärkten damit unfreiwillig die geschilderten Stereotype.253 Juden wurde immer wieder die Verantwortung für Missstände oder Misserfolge zugeschoben, etwa für die russische Niederlage im Krieg gegen Japan (1905).254 Die Tatsache, dass viele Offiziere mit ihren hohen Konsumbedürfnissen in die Abhängigkeit von jüdischen Händlern 250 Klier, Russia Gathers Her Jews, 332–337. 251 Ebd., 333. 252 Ebd., 340–342. 253 Ebd., 344 f.; Caban, Służba wojskowa Żydów z Królestwa Polskiego w armii carskiej w latach 1832–1873, 332 f. 254 Benecke, Militär, Reform und Gesellschaft im Zarenreich, 281.

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oder Verwaltern gerieten, wurde der Gesamtheit der Juden angelastet.255 Juden, die im russländischen Heer mit dem polnischen Grenzland in Verbindung gebracht wurden, galten als Schmuggler und devote Helfer, Betrüger, Drückeberger und physisch unzulänglich. Auch die zahlreichen jüdischen Heereslieferanten standen in einem schlechten Ruf.256 Dennoch fanden sich auch in den Armeen der Teilungsmächte Formen der Loyalität und Identifizierung von Juden wie Polen mit dem jeweiligen Staat.257 Dies rief bei den national eingestellten polnischen Eliten Besorgnis und Unbehagen hervor, artikuliert beispielsweise in der Novelle Bartek Zwycięzca (Bartek der Sieger) von Henryk Sienkiewicz, in der Bartek, ein polnischer Bauer und deutscher Kriegsheld von 1870, als Verräter an seiner Nation scheitert.258 Im Falle der Juden wurden die neuen Loyalitäten umso sichtbarer, da sie nicht zwangsläufig an die Narrative der mit ihnen zusammenlebenden Ethnien und Konfessionen gebunden waren. Die unter den Juden häufiger werdende Identifikation mit dem Herrscherhaus oder der Staatsideologie der von ihnen bewohnten multiethnischen Staaten war sicher auch eine Antwort auf die wachsende Zahl von Nationalismen in Ostund Ostmitteleuropa. Zugleich bot die Akkulturation in der dominierenden russisch- oder deutschsprachigen Kultur erst die Möglichkeit zur Teilhabe an den kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenhängen des jeweiligen Imperiums. Trotzdem blieb die Akkulturation an die polnische Mehrheitskultur für einige Juden eine reelle Option, besonders in den galizischen Städten und zum Teil auch in Kongresspolen.259 Transmissionsriemen dieses Prozesses war neben Sprache und Literatur nicht zuletzt auch die Sphäre der Erinnerungskultur. Der Gedanke einer Renaissance des polnischen Gemeinwesens in Anknüpfung an die untergegangene Rzeczpospolita faszinierte um 1900 nicht nur die katholische Jugend, sondern zog auch mache jungen Juden an.260 Besonders in Galizien etablierte sich eine nationale Jubiläumskultur, in deren Mittelpunkt die Schlacht bei Grunwald / Tannenberg, die Maiverfassung von 1791, die Aufstände oder die Geburts- und Sterbetage von Persönlichkeiten wie Kościuszko standen.261 Überstrahlt wurden all diese Anlässe vom Gedenken an den Januaraufstand von 1863. Die große Verbannung Tausender Auf255 Beyrau, Militär und Gesellschaft im vorrevolutionären Russland, 423–429. 256 Benecke, Militär, Reform und Gesellschaft im Zarenreich, 225–227 und 278–281. 257 Unowsky, »Our Gratitude Has No Limit«; Bałaban, Żydzi w Austryi za panowania cesarza Franciszka Józefa I ze szczególnym uwzględnieniem Galicji 1848–1908. 258 Dyroff, Der entfremdete Eigene. 259 Jagodzińska, Pomiędzy; Sroka, Żydzi w Krakowie. 260 Mendelsohn spricht von »Integrationismus«. Ders., On Modern Jewish Politics, 3–36. 261 Genauer Dabrowski, Commemorations and the Shaping of Modern Poland; Micińska, Gołąb i Orzeł; Grabski, W kręgu kultu Naczelnika; Kusber, Vom Projekt zum Mythos.

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ständischer nach Sibirien war für fünf Jahrzehnte die letzte große historische Erfahrung, die im kollektiven Gedächtnis beider Gemeinschaften reflektiert wurde.262 Ihr gaben nicht zuletzt auch polnisch-jüdische Grenzgänger ihr unverwechselbares Gesicht. Einer von ihnen war Aleksander Sochaczewski, einer der großen Maler der sibirischen Verbannung.263 Künstler wie er, Aleksander Lesser oder Maurycy Gottlieb illustrierten gemeinsam mit ihren älteren christlichen Kollegen und Lehrern Jan Matejko und Juliusz Kossak die polnische wie auch die polnisch-jüdische Geschichte. Auch Schriftsteller verarbeiteten um 1900 intensiv nationalgeschichtliche Stoffe, deren Vorlagen sie den Arbeiten von Historikern wie Askenazy, Gembarzewski, Dzwonkowski, Handelsman, Skałkowski, Tokarz, Kukiel oder Sokolnicki entnahmen.264 Die Rezeption der polnischen Literatur der Romantik wie auch die patriotischen Werke des Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz (1846–1916) waren dank zahlreicher Übersetzungen ins Jiddische und Hebräische auch unter Juden weitverbreitet.265 Das neben dem Januaraufstand sicher markanteste Beispiel eines gedächtniskulturellen polnisch-jüdischen Anknüpfungspunkts ist die Darstellung der Vita Berek Joselewicz’. Besonders interessant erscheint dies vor dem Hintergrund der auch in Polen rezipierten Dreyfusaffäre.266 Mehrere literarische Verarbeitungen des Berek-Stoffes,267 vor allem aber historiografische Arbei262 Zur älteren Forschungsliteratur und Rezeptionsgeschichte Bałaban, Żydzi w powstaniu 1863 r.; Żydzi a powstanie styczniowe, 144–151; Merwin, Żydzi w powstaniu 1863 r. 263 Aleksander Sochaczewski wurde bereits 1862 inhaftiert und nach Sibirien verbannt, von wo er 1884 zurückkehrte und in Lemberg zum bekanntesten Maler der sibirischen Verbannung avancierte. Boczek / Meller, Aleksander Sochaczewski 1843–1923; Bałaban, Aleksander Sochaczewski, 182–187. Vgl. auch Mendelsohn, Painting a People. 264 Maciejewska, Rewolucja i niepodległość, 115–118. 265 Schreiner, Martin Buber über Adam Mickiewicz und die Sendung Israels; Eile, Literature and Nationalism in Partitioned Poland, 1795–1918, 106–125. Zur jüdischen SienkiewiczRezeption Löw, Hebrajskie dzieje Sienkiewicza. 266 A.  Friedrich, Bolesław Prus and the Dreyfus Case; Krzywiec, Między kryzysem  a odrodzeniem. 267 Kalinowski, Berek Joselewicz; Libera, Od Sejmu Czteroletniego do Napoleona, 168; Steffen, Jüdische Polonität, 105. Zu nennen ist die dramatische Verarbeitung Rok 1794 von Zenon Parvi, die zugleich Grundlage wurde für das Musiktheaterstück Berek Yoselevitsh. Historishe drama mit gezang in 4 akten (1910) von Jakub Waksman (Yankev Vaksman). Vgl. darüber hinaus den Jugendroman Berek pod Kockiem (1911) von Walery Przyborowski, der 1933 offiziell neu aufgelegt wurde, ferner die Erzählung Berko Josielowicz. Rok 1809 von Wacław Gąsiorowski oder das Gedicht O Berku pułkowniku von Maria Konopnicka (1842–1910). Weniger Bekanntheit erlangte die 1892 im Schweizer Exil entstandene fiktionalisierte Biografie des polnisch akkulturierten Posener Autors und Buchhändlers Witold Leitgeber. Auch Ernest Łuniński legte eine literarisierte Version seiner Joselewicz-Biografie vor. Leitgeber, Berek Josielowicz; Łuniński, Pułkownik Berek Joselewicz. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts fand der Stoff einige Neubearbeitungen. Opatoshu, Der letzte Waldjude; Koźmiński, Pułkownik Berek.

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ten steigerten Joselewicz’ Bekanntheit – wobei die Grenzen zur politischen Schrift fließend waren. Teodor Morawski, ein Teilnehmer des Novemberaufstandes, charakterisierte in seiner im Pariser Exil verfassten sechsbändigen Geschichte des polnischen Volkes den Kavalleristen als Beispiel für die Handlungsspielräume, die die polnische Gesellschaft den Juden einräumte.268 In einem ähnlichen Ton äußerte sich Józef Chociszewski in seiner Illustrierten Geschichte Polens nach den Teilungen, die ein mit einer Abbildung versehenes Kapitel über Joselewicz enthält.269 Der Historiker und Sozialist Bolesław Limanowski würdigte ihn in seinem Hundertjährigen Kampf des polnischen Volkes um die Unabhängigkeit ebenfalls mit einer ganzseitigen bildlichen Darstellung.270 Selbst in der nationaldemokratisch geprägten, damals in Lemberg erscheinenden Monatsschrift Polak fanden sich 1898 anerkennende Worte über den Offizier.271 In einem auf Polnisch und Jiddisch publizierten Artikel stellte der prominente sozialistische Politiker Witold Jodko-Narkiewicz Joselewicz als Modell für jene Juden hin, die ihre gesellschaftliche Isolation durchbrechen wollten.272 Für Bertold Merwin (Baruch Menkes), den späteren polnischen Legionär, war Joselewicz ein Beispiel einer Assimilation, die auf vergossenem Soldatenblut beruhte.273 Der Höhepunkt der Joselewicz-Rezeption fiel auf sein 100. Todesjahr, in dem nicht nur die Biografie aus der Feder des Publizisten Ernest Łuniński erschien, sondern zudem nach langen Verhandlungen mit den russländischen Behörden in Kock ein Denkmal, bestehend aus einem kleinen Erdhügel mit einer Gedenkplatte, errichtet wurde.274 Ebenfalls anlässlich des Jahrestags hielt der Askenazy-Schüler Dawid Kandel an der Lemberger Universität eine Gedenkrede.275 Sie bildete den Anlass für eine Diskussion um die Interpretation von Joselwicz’ Leistungen, die in der russischsprachigen wissenschaft268 T.  Morawski, Dzieje narodu polskiego w krótkości zebrane, Bd. 2, 368, hier zit. nach Pisulińska, Żydzi w polskiej myśli historycznej doby porozbiorowej (1795–1914), 217 f. 269 Chociszewski, Ilustrowane dzieje porozbiorowe Polski od r. 1791–1864, 139–143; Pisulińska, Żydzi w polskiej myśli historycznej doby porozbiorowej (1795–1914), 220. 270 X. Y., Stuletnia walka narodu polskiego o niepodległość, Lwów 1894, XVII. In der Neuauflage von 1906 findet sich keine Abbildung Joselewicz’. 271 W.  Piątkowski, Idee społeczno-polityczne »Polaka« (1896–1906), 50. 272 Aleksander Wroński [Witold Jodko-Narkiewicz], Żydzi w Polsce, in: Światło  8 (1900), 160–168, zit. nach Zimmerman, Poles, Jews, and the Politics of Nationality, 149. 273 Merwin, Żydzi w powstaniu 1863 r., 6 und 24.  274 Mierzwiński, Ludność żydowska w dziejach miasta Kocka, 128. Zur Inschrift vgl. Inglot, Postać Żyda w literaturze polskiej lat 1822–1864, 224. Das Gedicht eines unbekannten Autors wurde schon 1892 in einer Sammlung patriotischer Lieder abgedruckt. Chociszewski (Hg.), Wybór pieśni narodowych w którym się znajdują dumki, arye, marsze, krakowiaki, mazury, pieśni patryotyczne, wojenne, historyczne itd., 23 f. 275 Kandel, Berek Joselewicz, hier zit. nach Veidlinger, Jewish Public Culture in the Late Russian Empire, 267; Ernest Łuniński, Berek Joselewicz, in: Tygodnik Ilustrowany, 9. Mai 1909, 381 f.

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Polnische Patrioten, tapfere Juden

lichen Zeitschrift Evrejskaja Starina dokumentiert wurde. Majer Bałaban kritisierte darin die These Kandels als ahistorisch, Joselewicz sei ein Verfechter jüdischer Assimilation gewesen. Für Sofia Dubnowa stand Joselwicz’ Biografie als Beispiel für die damaligen propolnischen Sympathien der Juden wie auch für deren Teilhabe an einer universellen Gemeinschaft. Ganz im Sinne von Simon Dubnows Diasporanationalismus interpretierte sie Joselwicz’ Regiment als nationale Institution innerhalb der polnischen Gesellschaft.276 Vor allem aber erhielt Joselwicz nun auch einen festen Platz außerhalb des rein polnischen kulturellen Kontextes. Neben den bereits genannten Nachrichten über sein Ableben in verschiedenen außerpolnischen Zeitschriften war es Heinrich Graetz, der ihn bereits in seinem 1870 erschienenen elften Band der Geschichte der Juden verewigt hatte.277 Selbst in den späteren Synthesen zur jüdischen Geschichte wurde die Gestalt des jüdischen Obersts zumindest erwähnt.278 Gleiches gilt für die einschlägigen Enzyklopädien und Lexika.279 Auch skeptische Stimmen, die wie Szymon Askenazy Joselewicz’ Werdegang als »ganz vereinzelte Ausnahme« betrachteten, bescheinigten ihm einen »rechtschaffenen Soldatentod«.280 Der vielfältige Umgang mit Joselewicz’ Biografie verdeutlicht, dass neben der Entfremdung zwischen Juden und Polen die Anknüpfungspunkte für ein gemeinsames Selbstverständnis nie ganz verloren gingen. Der 1914 beginnende Große Krieg wirbelte die Elemente dieses Bildes durcheinander und es musste sich erst noch zeigen, welche Vorstellungen von Staat, Gesellschaft, Nation und damit auch Militär in Zukunft das Zusammenleben von Juden und Polen bestimmen würden.

276 Veidlinger, Jewish Public Culture in the Late Russian Empire, 267 f. 277 Graetz, Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart, Bd. 11, 286. Auch in einer in Göttingen entstandenen Dissertation findet sich ein Verweis auf die Bedeutung Joselewicz’. Bocheński, Beitrag zur Geschichte der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in Polen auf Grund archivalischer Quellen der Herrschaft Kock, 90. 278 Vgl. u. a. die zitierten Gesamtdarstellungen von Meisl, Gelber und Dubnow. 279 Art. »Berek’ ili Berko Ioselovič’«, in: Evrejskaja enciklopedija, Bd. 4, Sp. 218–223; Art. »Berek« und »Berkowicz«, in: The Jewish Encyclopedia, Bd. 3, 55 f. und 68 f. In den bekannten späteren jüdischen Enzyklopädien behielten Joselewicz und sein Sohn ihren Platz. Art. »Berek (oder Berko) Joselewicz« und »Berkowicz«, in: Jüdisches Lexikon, Bd. 1, 848 und 866; Art. »Berek (Berko) Joselowicz«, in: Encyclopaedia Judaica, Bd. 4, 188–190; Art. »Berek (Berko) Joselewicz« und »Berkowicz Józef«, in: The Universal Jewish Encyclopedia, Bd. 2, 195 f. und 204; Art. »Berek Joselewicz« und »Josef Berkowitz«, in: Grosse jüdische National-Biographie, Bd. 3, 336, und Bd. 6, 461. 280 Askenazy, Fürst Joseph Poniatowski, 158.

Es geht überhaupt gar nicht darum, ob ich Angst habe, oder nicht: Denn wenn ich Pole wäre und Katholik, könnte ich sogar desertieren, anstatt so viele Jahre für Polen zu kämpfen, könnte ich irgendwo in der Etappe Dienst schieben, ich könnte der letzte Feigling und Schwindler sein und man würde mir daraus doch keinen Vorwurf machen. Rembek, Nagan

2. Mit Feuer und Schwert. Polen, Juden und das Militär im Übergang zur Eigenstaatlichkeit

2.1 Vom Wort zur Tat. Die Entstehung der polnischen Armee Der Kriegsausbruch katapultierte die Garnison Jabłonna, nachdem der Warschauer Festungsrayon nach 1909 seine Bedeutung im russischen Verteidigungskonzept eigentlich verloren hatte, unerwartet in die militärische Realität des 20. Jahrhunderts. Im Dezember 1914 stationierte hier die Luftschiffschwadron der Kaiserlichen Kriegsluftflotte. »Luftschiff« war die Bezeichnung für die weltweit ersten viermotorigen Bomber vom Typ С-22 Ilja Muromez. Diese auch heute noch beeindruckenden Maschinen flogen am 15. Februar 1915 von Jabłonna aus den ersten erfolgreichen Bombenangriff überhaupt gegen deutsche Ziele hinter der Frontlinie.1 Ihr effektvoller Auftritt war jedoch nur das Präludium eines Epochenwechsels, denn im Sommer 1915 beendete der »Große Rückzug« die russische Zeit Jabłonnas.2 Als die deutschen Truppen die verlassenen Militärobjekte kampflos übernahmen, befanden sich die etwa 120 Gebäude in einem Zustand, der eine sofortige 1 Groehler, Geschichte des Luftkriegs 1910–1980, 36. 2 Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszaw­ skim 1915–1918, 17. Vgl. auch den Bericht über die Kämpfe bei Tanner, Frontberichte eines Neutralen, Bd. 3, 24. Eine Schilderung des Rückzugs enthält das autobiografische Werk des Schriftstellers und späteren Assistenten von Janusz Korczak, Igor Abramow-Newerly. Newerly, Zostało z uczty bogów, 29–43.

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Mit Feuer und Schwert

Nutzung offenbar nicht erlaubte.3 Schon bald wurde Jabłonna als »Truppenübungslager« zum Hauptstandort der Infanterie-Ersatztruppe Warschau, einer 8 500 Mann starken Ausbildungseinheit (Abb. 4).4 Viele deutsche Soldaten erhielten somit in Jabłonna eine letzte sechswöchige Ausbildung vor ihrem Einsatz an den verschiedenen Kriegsfronten.5 Unter ihnen befand sich etwa der spätere Reformpädagoge Adolf Reichwein, der im April und Mai 1917 gemeinsam mit dem künftigen Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel das Lager durchlief, bevor beide an die Westfront verlegt wurden.6 Fraenkel war freilich nicht der einzige deutsche Soldat jüdischer Herkunft, der in das »Feldrekrutendepot zum letzten Schliff« abkommandiert wurde.7 Nach dem Brester Frieden vom März 1918 diente die Garnison, die auch Spielstätte des Deutschen Theaters Warschau war,8 als »Heimgekehrtenlager« für deutsche, türkische und bulgarische Kriegsgefangene und blieb Truppenstandort des Generalgouverneurs Hans Hartwig von Beseler.9 Die Jahre zwischen 1914 und 1921 waren für Jabłonna und die gesamte ostmitteleuropäische Region gleichermaßen Epochengrenze wie Katastrophenzeit. Attribute wie continuum of crisis oder kaddish years, die Historiker diesem kurzen Zeitraum verliehen, umschreiben treffend die tiefgreifenden Folgen des Großen Krieges für die jüdische wie christliche Zivilbevölkerung.10 Dieser wichtige Aspekt muss stets mitgedacht werden, auch wenn er mit dem Verweis auf neuere Forschungsarbeiten nicht in seiner Breite 3 Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszaw­ skim 1915–1918, 32 f. Vgl. auch die Anmerkungen zum Gesundheitszustand der Bevölkerung in der Region bei Frey, Das Gesundheitswesen im Deutschen Verwaltungsgebiet von Polen in den Jahren 1914–1918, 656. 4 Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszaw­ skim 1915–1918, 8; ders., Obóz Hurki, 107–112; ders., Najwcześniejsze dzieje Legionowa. Vgl. auch den Brief von Heinrich Horst an Emil Künoldt, Direktor des Oldenburger Lehrerseminars, vom 22. November 1916, in: »Man kann sagen, daß der Krieg ein lebensgefährlicher Sport ist«, 113. 5 Plan für die Ausbildung der Infanterie-Ersatztruppe Warschau, 5. 6 Beide dienten in der 7. Kompanie des 1. Bataillons der Infanterie-Ersatztruppe (auch Infanterie-Ersatz-Truppe)  Warschau. Ladwig-Winters, Ernst Fraenkel, 29–32; Reichwein, Ein Lebensbild aus Briefen und Dokumenten, 17. In Reichweins Briefen finden sich auch Beschreibungen der Umgebung, der einheimischen Bevölkerung sowie des Lagerlebens. 7 Brief von Herbert Czapski an Siegmund Feist, den Direktor des Reichenheimschen Waisenhauses in Berlin, 14. Januar 1917, in: Feldpostbriefe jüdischer Soldaten 1914–1918, 163. In weiteren Briefen deutet er Konflikte zwischen dem Offizierskorps und den jüdischen Soldaten an. Ebd., 164 f. 8 Pörzgen, Theater als Waffengattung, 77. 9 Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszaw­ skim 1915–1918, 88–93. 10 Holquist, Making War, Forging Revolution, 2–11; Wróbel, The Kaddish Years; Gatrell, A Whole Empire Walking.

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Abb. 4: Feldpostkarte des Garnisonsgeländes in Jabłonna (Aufnahme vom Mai 1917), auf die der Absender, ein während des Ersten Weltkrieges dort stationierter deutscher Soldat, die Lage des Bahnhofs, seiner Baracke, der Kantine und der Post einzeichnete. Mittig prangt die Aufschrift »Jablonna Du Mörder meiner Jugend«. Quelle: Privatarchiv Jacek Szczepański.

dargestellt werden kann.11 Bestimmten Erscheinungsformen militärischer Gewalt, etwa Konfiskationen oder Plünderungen, waren Juden im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen besonders stark ausgesetzt. Hinzu kam, dass sie als territorial verstreut lebende Gruppe ohne klare nationalstaatliche Ambitionen, die auch kein einheitliches nationales Selbstverständnis vorweisen konnte, schnell in die Rolle des Verdächtigen gerieten. Ihre abwartende Neutralität in den meisten Nationalitätenkonflikten, die über die jiddische Sprache ermöglichten recht guten Kontakte zur österreichisch-deutschen Besatzungsmacht wie auch die transnationale Vernetzung machten sie zum Ziel zahlreicher Anschuldigungen von allen möglichen Seiten. Zugleich ver11 K. Zieliński, Stosunki polsko-żydowskie na ziemiach Królestwa Polskiego w czasie pierw­ szej wojny światowej; ders., O tułactwie inaczej, 308 f.; Schuster, Zwischen allen Fronten; Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922; Prusin, The Russian Military and the Jews in Galicia, 1914–15, 525–544; ders., Nationalizing  a Borderland, 65–74; Sobczak, Stosunek Narodowej Demokracji do kwestii żydowskiej w latach 1914–1919, 23–114; Böhler / Borodziej / Puttkamer (Hgg.), Legacies of Violence. Zur Deportation der Zivilbevölkerung durch die russländischen Behörden Lohr, Nationalizing the Russian Empire, 121–165, zu Juden bes. 137–145.

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suchten viele, dieser Außensicht die Grundlage zu entziehen. Indem sie in ganz Europa als besonders loyale Bürger ihres Staates beziehungsweise Anhänger einer bestimmten nationalen Option in den Krieg zogen, hofften sie, endgültig als vollwertige Mitglieder des jeweiligen nationalen Kollektivs anerkannt zu werden.12 Die polnische Staatsgründung vom November 1918 erfolgte inmitten dieser politischen, ökonomischen und sozialen Krisenkonstellation. Die Auswirkungen des Weltkrieges waren noch nicht in vollem Umfang klar, als bereits um die Grenzziehung in Ostmitteleuropa bewaffnete Auseinandersetzungen geführt wurden.13 Diese Konflikte bildeten den großen ostmitteleuropäischen Epilog des Ersten Weltkrieges, der aus Winston Churchills Londoner Perspektive nach dem soeben beendeten »Krieg der Titanen« lediglich als »Gezänk der Pygmäen« gelten konnte, für den Fortgang der Geschichte Ostmitteleuropas jedoch von enormer Bedeutung war.14 Polen war einer der Hauptakteure dieser Geschehnisse, in denen es vorrangig um die Aufteilung der implodierten Imperien der Habsburger und Romanows, aber auch des deutschen Kaiserreichs ging. Immerhin hatten die vormaligen Teilungsmächte der »polnischen Frage« bereits ab 1914 wieder auf die politische Agenda Europas verholfen, indem sie ihren hundertjährigen polenpolitischen Konsens aufkündigten und sich die Unterstützung der Polen mit der Inaussichtstellung von Autonomierechten oder gar einer gänzlichen staatlichen Souveränität zu erkaufen suchten. Während der Okkupation Kongresspolens zwischen 1915 und 1918 wurden staatsbildende Prozesse in Gang gesetzt, die sich nach der polnischen Unabhängigkeitserklärung als ebenso hilfreich wie nachhaltig erwiesen. Die Strukturen des formell am 5. November 1915 deklarierten Regentschaftskönigreichs Polens, eines nicht souveränen Staatsgebildes auf kongresspolnischem Gebiet, wurden zwar in Abhängigkeit von den deutschen und österreichisch-ungarischen Generalgouverneuren in Warschau und Lublin gestaltet. Als dann aber ab Herbst 1917 innerhalb eines Jahres der lang ersehnte Untergang aller Teilungsmächte eintrat, erwiesen sich die vorhandenen Institutionen als lebensfähig genug, die Übergabe der Macht an Józef Piłsudski zu organisieren. Auf diese Weise wusste man das Auseinanderdriften der parallel entstandenen Machtzentren in Krakau, Posen, Lublin, Teschen, Warschau sowie im Exil zu verhindern.15 12 Für den österreichisch-ungarischen Fall Rozenblit, The Dilemma of National Identity. 13 Böhler, Civil War in Central Europe, 1918–1921. 14 Churchill, Nach dem Kriege, 29.  15 Zur Besatzungsherrschaft im ehemaligen Königreich Polen Scheer, Zwischen Front und Heimat; dies., Österreich-Ungarns Besatzungsmacht in Russisch-Polen während des Ersten Weltkriegs (1915–1918); Spät, Für eine gemeinsame deutsch-polnische Zukunft? Zur Herausbildung staatlicher Strukturen neben den genannten Werken Kallas, Historia ustroju Polski, 242–244 und 252–258; Hofmann, Die vergessene Okkupation; Liulevicius, Kriegs-

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Piłsudski, in der Region Wilna gebürtig und Instinktpolitiker durch und durch, hatte sich seit Jahrzehnten dem polnischen Unabhängigkeitskampf verschrieben. Als Sozialist hatte er über Jahre die Polnische Sozialistische Partei (Polska Partia Socjalistyczna, PPS) geprägt und war im Ersten Weltkrieg in den Augen vieler Zeitgenossen zu einer Persönlichkeit gereift, die allein imstande war, das in jeglicher Hinsicht geteilte Land zu einen.16 Tatsächlich gelang es den politischen Eliten, die tiefen ideologischen Gräben zumindest zeitweise zu ignorieren, eine vorläufige brüchige Einheit im Innern herzustellen und ihr Land auf diplomatischem Parkett zu positionieren.17 Trotz der enormen inneren und äußeren Probleme des Landes, das kurz zuvor noch ein Hauptkriegsschauplatz gewesen war, wurde der Abzug der Besatzungstruppen recht reibungslos gestaltet, etablierte sich eine parlamentarische Demokratie, wurden unter Einschluss der Frauen freie Wahlen abgehalten, die Arbeiten an einer Verfassungsordnung aufgenommen und alle wichtigen Lebensbereiche eines staatlichen Gemeinwesens in Gang gesetzt.18 Polen fügte sich in die Reihe jener Länder ein, die im Verlauf des Herbstes 1918 nach ihrer Sezession über die Verteilung des territorialen Erbes von Habsburgern, Romanows und Hohenzollern in Streit gerieten. Man muss die Grenzkriege und -konflikte Polens mit seinen Nachbarn im Norden, Süden, Osten und Westen aufgrund der ihnen eigenen Spezifika nicht als Einheit, als »Polens ersten Krieg« verstehen, wie es bereits 1920 gelegentlich geschah.19 Gleichwohl zieht sich eine direkte Linie von der »Verteidigung Lembergs« (Obrona Lwowa) im November 1918 zum »Wunder an der Weichsel« (Cud nad Wisłą) im August 1920. Überspitzt man die bereits in der Zeit des Geschehens formulierte Symbolhaftigkeit beider Ereignisse, könnte man von der Vollendung der Einigung der polnischen Nation vor Warschau sprechen, land im Osten; Suleja, Tymczasowa Rada Stanu; Pajewski, Odbudowa państwa polskiego; Lemke, Allianz und Rivalität, bes. 156–163 und 290–309; Zechlin, Die deutsche Politik und die Juden im Ersten Weltkrieg; Ajnenkiel, The Establishment of a National Government in Poland, 1918. 16 Eine neuere Biografie Piłsudskis steht noch aus. Derzeit maßgebend Garlicki, Józef Piłsudski, 1867–1935; Suleja, Józef Piłsudski. Vgl. auch Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939. 17 Ein Kollektivporträt der 1918 an die Macht drängenden Politikergeneration zeichnet Wapiński, Pokolenia Drugiej Rzeczypospolitej. Zur politischen Landschaft während des Ersten Weltkrieges und der Zwischenkriegszeit einführend Suleja, Polish Democratic Thought during the First World War; Wróbel, The Rise and Fall of Parliamentary Democracy in Interwar Poland. 18 Überblicksartig zu den Zerstörungen und ökonomischen Folgen des Ersten Weltkrieges Z.  Landau / Tomaszewski, Zarys historii gospodarczej Polski 1918–1939, 9–20; Molenda, Social Changes in Poland during World War I. Detaillierter Handelsman u. a., La Pologne; ders. u. a. (Hgg.), Polska w czasie wielkiej wojny (1914–1918). 19 Pierwsza wojna polska (1918–1920). Vgl. auch den Versuch einer Typologisierung der osteuropäischen Kriege 1918–1921 bei Mick, Vielerlei Kriege.

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die erstmals beim Entsatz Lembergs zelebriert worden war.20 Die Formierung der polnischen Streitkräfte fällt in die Zeit von Weltkrieg und Territorialkonflikten und ist ohne diesen historischen Hintergrund nicht zu erklären. Die Vorläufer der neuen Armee waren in vieler Hinsicht heterogen, sodass sich die Truppen in den ersten Jahren der Unabhängigkeit als buntes Mosaik verschiedener Formationen präsentierten. Wie der Staatsgründung im Herbst 1918 eine mehrjährige, keineswegs lineare Entwicklung vorausging, lässt sich auch die Etablierung der polnischen Armee eher als Prozess denn als einmaliges Ereignis beschreiben.21 Wie bereits deutlich wurde, war für die Mehrzahl der Polen nach der Niederlage im Januaraufstand ein bewaffneter Befreiungskampf als ernsthafte politische Option für Jahrzehnte ausgeschieden. Erst zur Jahrhundertwende verbreitete sich erneut die Idee, die polnische Nation müsse bereit sein, im Falle eines Krieges der Großmächte mit eigenen Kämpfern ihre Unabhängigkeit zu erstreiten.22 Literarischer Wegbereiter dieser neuen Kampfbereitschaft war Henryk Sienkiewicz, der in seinen Werken die ritterlichen und republikanischen Traditionen Polens idealisierte und einer begeisterten Generation junger Leser aller Gesellschaftsschichten seit den 1880er Jahren die historischen polnischen Kämpfe näherbrachte. Da er, wie der Historiker Włodzimierz Borodziej bemerkte, dabei nicht nur schnell, sondern auch schön schrieb, verinnerlichten viele junge Idealisten die in Romanen wie Ogniem i mieczem (Mit Feuer und Schwert) von 1884 formulierte Vorstellung von einer glorreichen Nation und die kolonialen Ideale einer kulturellen Sendung Polens im Osten.23 Bei der in diesem diskursiven Umfeld aufkeimenden 20 Die nicht minder wichtigen Grenzkonflikte mit Deutschland hatten zwar wiederum eine enorme Bedeutung für das Selbstverständnis der in diesen Regionen lebenden Polen, doch wurde ihnen im politischen Zentrum Warschau nie eine ähnliche Bedeutung zugesprochen wie dem Krieg gegen Sowjetrussland. Es handelte sich um folgende Auseinandersetzungen: Großpolnischer (Posener) Aufstand (27.  Dezember 1918 – 16. Februar 1919), 1. Schlesischer Aufstand (16.–26. August 1919), 2. Schlesischer Aufstand (19./20.–25. August 1920), 3. Schlesischer Aufstand (2./3. Mai – 5. Juli 1921). Wrzosek, Wojny o granice Polski Odro­ dzonej 1918–1921, 238–253 und 300–336; Wilson, Frontiers of Violence. Zur jüdischen Perspektive Kollenscher, Jüdisches aus der deutsch-polnischen Übergangszeit. Hinzu kommen noch der Polnisch-Tschechoslowakische Krieg (23.–30. Januar 1919) sowie der schwelende Konflikt mit Litauen um Wilna. Zur Bedeutung der Schlesischen Aufstände Haubold-Stolle, Mythos Oberschlesien. 21 Damit soll keineswegs der Verklärung Piłsudskis das Wort geredet werden. Paradigmatisch präsentierten eine solche Sicht bereits Lipiński, Walka zbrojna o niepodległość Polski w latach 1905–1918; Starzyński, Die militärische Streitkraft Polens. Vgl. dazu Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, 105–115. 22 Die ukrainische Nationalbewegung verfolgte eine ähnliche Strategie mit den Ukrainischen Sičer Schützen (Ukraïns’ki Sičovi Stril’ci). Struve, Bauern und Nation in Galizien, 285; Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt, 70. Zu dieser Formation im Ersten Weltkrieg Grabowski, Ukraińscy Strzelcy Siczowi w Galicji w latach pierwszej wojny światowej. 23 Borodziej, Geschichte Polens im 20. Jahrhundert, 50.

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Konzeption einer Bewaffnung Polens handelte es sich allerdings nicht um eine bloße Renaissance der romantischen Heldenrhetorik, sondern eher um eine Kombination des Aufstandsethos mit dem Modell des Bürgersoldaten.24 Und dennoch: Je mehr Europa dem Krieg entgegenfieberte, umso populärer wurde wieder das romantische Heldenideal.25 Die Geschichte diente dabei als Lehrmeisterin, Inspirationsquelle und Bezugspunkt für den neu erwachten Kampfeswillen der Patrioten. Es war dann Piłsudski, der aus dem für Polen unbefriedigenden Ausgang der Revolution von 1905 die Forderung ableitete, von nun an habe der Kampf um nationale Souveränität Vorrang vor sozialen Belangen.26 So gründete er mit seinen treuesten Weggefährten die Bojówka, den Kampfverband der PPS. Da Piłsudski diese paramilitärische Truppe nicht als Partei-, sondern als autonome Organisation verstand, die sich aktiv auf einen bewaffneten Konflikt vorbereiten sollte, kam es zu Kontroversen innerhalb der PPS. Die Partei spaltete sich in zwei konkurrierende Formationen: die PPS-Lewica, die dem Klassenkampf Priorität einräumte, und die PPS-Frakcja Rewolucyjna, die sich dem Unabhängigkeitskampf verschrieb. Piłsudski, der nach einer unangefochtenen Stellung in militärischen Fragen strebte, gründete schließlich 1908 gemeinsam mit seinem Gefährten Kazimierz Sosnkowski in Lemberg den eigenständigen und konspirativen Verband für den Aktiven Kampf (Związek Walki Czynnej, ZWC). Seine Mitglieder erhielten Unterricht in Fächern wie Geografie, militärische Taktik, Festungsbau, Waffenkunde oder militärische Organisation. Im Rückgriff auf die polnischen Unabhängigkeitskämpfe im 19. Jahrhundert riefen die Gründer des ZWC als Ziel ihrer Organisation eine revolutionäre Umwälzung in Russland aus, welche die Bedingungen für die Gründung eines polnischen Staates schaffen sollte.27 An diesen wenigen, grob skizzierten Entwicklungen im politischen Dunstkreis der PPS wird deutlich, dass die Existenz protomilitärischer Strukturen im Denken polnischer Politiker zunehmend als conditio sine qua non für den Aufbau eines eigenen Staates verstanden wurde. Die generationelle Wasserscheide unter den Politikern bildeten die russischen Revolutionsjahre von 1905 bis 1907. Die ältere Generation war geprägt von der Erfahrung, dass der polenpolitische Konsens der Teilungsmächte einen großen Krieg in weite Ferne rückte. Für die Politiker, die nach 1905 auf die politische Bühne drängten, wurde eine solche Konstellation zu einer realen Möglichkeit, weil 24 Micińska, Między Królem Duchem a mieszczaninem, 339–342. 25 Ebd., 467. 26 Zur Genese I. Pawłowski, Geneza i działalność Organizacji Spiskowo-Bojowej PPS 1904–1905. 27 Wojtasik, Idea walki zbrojnej o niepodległość Polski 1864–1907, 208–233; Migdał, Piłsudczyzna w latach pierwszej wojny światowej, 9–34; Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 13–51. Vgl. hier und im Folgenden auch die Quellenedition Galicyjska działalność wojskowa Piłsudskiego 1906–1914.

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die internationale Politik immer stärker zur Blockbildung und Konfliktfreude neigte. Im Gefolge der Bosnischen Annexionskrise (1908) und der Balkan kriege (1912/13) schien ein europäischer Krieg und damit die Chance auf die Sezession (eines Teils) Polens von den Teilungsmonarchien immer wahrscheinlicher, was besonders den galizischen Unabhängigkeitsparteien einen spürbaren Zulauf junger Menschen verschaffte. Ihre Erwartung an die Politiker war, die langwierigen Debatten zu beenden und sich auf konkrete Taten vorzubereiten.28 Die politische Rhetorik der »Tat« war tief durchtränkt von den weiter oben beschriebenen Idealen der Romantik, wollte jedoch auf den irrationalen, emotionsgeleiteten Impetus der vergangenen Epoche verzichten.29 Das von den Nationalbewegungen am stärksten bedrohte ÖsterreichUngarn trachtete als erste Teilungsmacht aus diesen Entwicklungen einen eigenen Nutzen zu ziehen. Erfahren im Ausloten nationaler Interessen und der Schaffung einer die Nationalitäten überspannenden habsburgischen Loyalität, legalisierte Wien im Jahr 1910 den ZWC, nachdem kurz zuvor bereits die Gründung polnischer Pfadfinder- und paramilitärischer Verbände erlaubt worden war. Um den Wirkungsradius des ZWC zu vergrößern, wurden unter dessen Dach im gleichen Jahr in Krakau der Schützenverband (Związek Strzelecki) und in Lemberg die Gesellschaft »Schütze« (Towarzystwo »Strzelec«) als paramilitärische Ausbildungsvereine eingerichtet. All diese Prozesse blieben aufseiten der politischen Gegenspieler der PPS, der Nationaldemokraten, nicht unbemerkt. Insbesondere deren Führung hielt an ihrem eigenen Konzept evolutionärer Veränderungen und der Kooperation mit Sankt Petersburg fest.30 In Galizien bildete sich allerdings ein Parteiflügel heraus, der gegen die Parteilinie opponierte und der den 1908/09 in Krakau und Lemberg agierenden Polnischen Armeeverband (Polski Związek Wojskowy) ins Leben rief.31 Nach dessen Scheitern wurde im Oktober 1910 in Lemberg in Analogie zum ZWC eine neue Dachorganisation gegründet: die Polnische Armee (Armia Polska), der die Polnischen Schützenabteilungen (Polskie Drużyny Strzeleckie)  als militärische Ausbildungseinheiten unterstanden.32 Auch andere Organisationen militarisierten sich 28 Wapiński, Polityka i politycy, 12–14. 29 Micińska, Między Królem Duchem a mieszczaninem, 394. Den Habsburgern fiel in dieser Kalkulation in der Regel die Rolle wohlwollender Unterstützer im polnischen Kampf gegen Russland zu. Suleja, Orientacja austro-polska w latach I wojny światowej (do aktu 5 listopada 1915 roku). 30 Zu den unterschiedlichen Wegen zur Unabhängigkeit Molenda, Piłsudczycy  a narodowi demokraci 1908–1918, sowie in komprimierter Form ders., Roman Dmowski i Józef Piłsudski. Vgl. auch die klassische Gegenüberstellung von Idealismus und Realismus bei Bromke, Poland’s Politics. 31 Garlicki, Geneza Legionów, 32. 32 Wiśniewska, Związek Strzelecki (1910–1939), 35–61.

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rasch, wie die studentischen Bartosz-Trupps (Drużyny Bartoszowe)  oder die Feldmannschaften des ebenfalls eher der Nationaldemokratie zugeneigten Sokolverbandes, einer ursprünglich als ziviler Turnverein angetretenen Organisation.33 Damit war eine dynamische parteiübergreifende Entwicklung in Gang gekommen. Eine neue Qualität der Kooperation wurde mit der Gründung der Polnischen Heereskasse (Polski Skarb Wojskowy) erreicht. Sie wurde von jenen Parteien getragen, die Piłsudskis Vorstellungen unterstützten, dem später sogenannten Unabhängigkeitslager, und diente als organisatorischer Überbau aller paramilitärischen Organisationen. Die wachsende Konkurrenz zwischen deren politischen Mutterorganisationen ließ es bald ratsam erscheinen, eine koordinierende Institution unter Einschluss der Nationaldemokratie einzurichten, was mit der Vorläufigen Kommission der Konföderierten Unabhängigkeitsparteien (Komisja Tymczasowa Skonfederowanych Stronnictw Niepodległościowych, KSSN) im November 1912 auch gelang.34 Dieses Gremium diente zum einen der politischen Absicherung eventueller militärischer Aktionen, besonders aber zur politischen Integration der einzelnen Strömungen und ihrer Führungspersönlichkeiten in einer Art Schattenparlament. Im Mai 1914 verließen die Vertreter der Rechten zwar diese Kommission, doch bereits Mitte August 1914 fanden die verschiedenen Gruppierungen im Obersten Nationalkomitee (Naczelny Komitet Narodowy, NKN) wieder zusammen.35 Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges ermöglichte es, die militärischen Konzepte von KSSN und NKN umzusetzen und die Schützenverbände den österreichischen Truppen zur Verfügung zu stellen. Mit deren Anerkennung als nationalpolnische Formation, so das Kalkül, wäre ein erster Schritt in Richtung nationaler Streitkräfte und somit einer staatlichen Souveränität getan. Wien ging auf dieses Angebot ein, sodass am 6. August 1914 eine erste Kompanie unter Piłsudskis Kommando von Krakau aus nach Kielce im russischen Teilungsgebiet marschierte, um dort einen nationalen Aufstand auszulösen und polnische administrative Einheiten zu errichten.36 Die Mission dieser »Ersten Kaderkompanie« (Pierwsza Kompania Kadrowa, auch Kadrówka) wurde als »Agitation durch die Tat« bezeichnet, womit auch hier der Bezug zu den Nationalaufständen herausgestellt wurde. Die Bedeutung,

33 Snopko, Polskie Towarzystwo Gimnastyczne »Sokół« w Galicji 1867–1914, 212–233. 34 Garlicki, Geneza Legionów, passim. Ende November 1913 entfiel der Zusatz »vorläufige« (tymczasowa). 35 Zu den Beziehungen von Nationaldemokratie und den Piłsudski-Anhängern im Ersten Weltkrieg Molenda, Piłsudczycy a narodowi demokraci 1908–1918, passim. 36 Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 71–85; Migdał, Piłsudczyzna w latach pierwszej wojny światowej, 42–46.

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die einer zukünftigen polnischen Streitmacht beigemessen wurde, spricht aus dem Marschbefehl Piłsudskis für die Kadrówka: »Soldaten! … Eine Ehre sondergleichen ist Euch zuteil geworden. Ihr werdet als erste ins Königreich [Kongresspolen] einrücken und die Grenze des von Rußland besetzten Teiles von Polen als die führende Kolonne des polnischen Heeres überschreiten, welches auszieht, um das Vaterland zu befreien.«37

Die Mission der etwa 150 Mann starken, lediglich mit veralteten österreichischen Übungskarabinern ausgestatteten Kaderkompanie scheiterte schnell an der mangelnden Aufstandsbereitschaft der Bevölkerung.38 Selbst Sienkie­ wicz, das Idol der Soldaten der Kaderkompanie, dessen unweit von Kielce gelegenen Landsitz Oblęgorek einige von ihnen erwartungsfroh aufsuchten, fand für den Einsatz nur abfällige Worte.39 Piłsudski beschrieb später die jüdische und polnische Stadtbevölkerung von Kielce als Angehörige von »Nationen, die alles, was nach Krieg riecht, sich gerne aus dem Kopf schlagen, dabei ungewöhnlich leichtgläubig sind und sich leicht einschüchtern lassen«.40 Der »Marsch« der Kaderkompanie, später zum Gründungsmythos der Polnischen Legionen und der polnischen Streitkräfte verklärt, ist ein weiteres Beispiel der Verwobenheit polnischer, jüdischer und militärischer Geschichte. So gehörten der Kadrówka selbst Juden an. Ferner teilte die christliche und jüdische Stadtbevölkerung von Kielce eine gemeinsame Kriegserfahrung. Die Stadt war 1914 von den Truppen Russlands zunächst kampflos verlassen worden, was den Einmarsch der Kaderkompanie am 12. August erst ermöglichte. Bereits am Folgetag drängten die Russen die Polen allerdings ohne Mühe wieder aus der Stadt. General Alexander Nowikow verdächtigte die Stadtbewohner der Kollaboration mit dem Feind und belegte sie unter Androhung eines Bombardements mit einer Kontribution von 100 000 Rubel. Eine gemeinsame Intervention des Bischofs, des Popen und des Rabbiners konnte Nowikow nicht umstimmen.41 Kurz darauf, am 14. August, marschierten schließlich österreichische Truppen in die Stadt. Zwischen dem 22. August und dem 10. September wurde Kielce dann von den Polnischen Legionen – der Nachfolgeorganisation der Kadrówka – besetzt gehalten. Die Erwartung von Piłsudskis Besatzungsbehörde an die Juden war eindeutig:

37 Piłsudski, Erinnerungen, Bd. 4, 10 f. Zu Genese und Entwicklung der Kompanie und mit zahlreichen Biogrammen Majchrowski, Pierwsza Kompania Kadrowa. 38 Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 79. 39 Misiewicz, Belina i 1 kompania kadrowa, 135. 40 Piłsudski, Erinnerungen, Bd. 1, 19. 41 Urbański, Kieleccy Żydzi, 62 f.; ders., Postawy ludności żydowskiej na Kielecczyźnie w okresie I wojny światowej i wojny polsko-bolszewickiej, 260. Die Schulden der Stadt aus den Kontributionszahlungen wurden erst 1928 getilgt.

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»Man hat im Allgemeinen den Eindruck, dass unsere Juden der Frage der Befreiung des Landes mit völliger Gleichgültigkeit begegnen. Das betrifft vor allem die Juden im Königreich. So kann dies nicht bleiben […]. Von einem kultivierten und aufgeklärten Juden muss heute eine solidarische Erklärung verlangt werden, ob er ein Bürger Polens ist oder lediglich Repräsentant einer schlecht germanisierten Splittergruppe von Eindringlingen, die die normale Entwicklung des Landes aufhalten.«42

Die polnischen Militärs nahmen die Tributzahlung an die Russen zum Anlass, ihrerseits um finanzielle Unterstützung zu werben. Die jüdische Gemeinde war zur Zahlung von 2 000 Rubel bereit, doch trotzte der stellvertretende Stadtkommandant Herman Lieberman, ein Legionär und Sozialist, allein den jüdischen Repräsentanten eine Zusage für eine Überweisung von 20 000 Rubel an die Polnische Heereskasse ab. Lieberman, selbst einer jüdischen Familie entstammend und Verfechter einer konsequenten Assimilierung der Juden, warb auch im Stadtrat für die Polnischen Legionen. Der Versuch wurde von einem katholischen Delegierten mit der Bemerkung quittiert, er werde sich von einem Juden nicht über Patriotismus belehren lassen.43 Im Herbst wechselte mehrfach die Hoheit über die Stadt, in der sich mittlerweile zahlreiche Flüchtlinge aufhielten. Das deutsche Heer hielt sich an den Vorräten der Stadt derart schadlos, dass der russische Wiedereinmarsch viele Sympathien fand. Im Mai 1915 verließen die Russen die Stadt endgültig. Sie verschleppten rund 300 Häftlinge, darunter 100 Juden, denen sie Kollaboration mit dem Feind vorwarfen. Die neuerlich einrückenden deutschen Besatzungstruppen wiederum requirierten Lebensmittel und zahlreiche Gebäude und forderten eine Kontribution von 15 000 Rubeln, die je zur Hälfte von Polen und Juden getragen wurde. Die Deutschen übergaben die Stadt bald an die Österreicher. Als diese in großem Stil Konzessionen zum Aufkauf von Lebensmitteln an Juden vergaben und diese zudem auf dem lokalen Immobilienmarkt aktiver wurden, zog das den Unmut vieler Stadtbewohner nach sich.44 Nach dem Scheitern der Kadrówka in Kongresspolen war Wien zu keinen weiteren riskanten Operationen mehr bereit und erzwang noch im August die Auflösung der Schützenverbände. Die neue Vertretung der polnischen Konservativen und Demokraten in Galizien, das Mitte August zusammengetretene Oberste Nationalkomitee, bot daraufhin die Aufstellung von polni­ schen Freiwilligentruppen an. Die Militärführung genehmigte die Zusammenstellung von jeweils einer polnischen Legion in West- und Ostgalizien, 42 Kwestia żydowska w chwili obecnej, in: Dziennik Urzędowy Komisariatu Wojsk Polskich w Kielcach 3 (1914), hier zit. nach Urbański, Kieleccy Żydzi, 64. 43 Ebd., 65. In den Erinnerungen Liebermans findet sich kein Hinweis auf diese Szene. Ders., Pamiętniki, 89–91. 44 Urbański, Postawy ludności żydowskiej na Kielecczyźnie w okresie I  wojny światowej i wojny polsko-bolszewickiej, 264; ders., Kieleccy Żydzi, 66.

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die unter dem Befehl zweier k. u. k. Generale standen.45 Die Aufstellung der Ostlegion in Lemberg scheiterte – anders als die der Westlegion in Krakau – nach nur einem Monat am geforderten Treueid auf den Kaiser und an der russischen Besetzung der Stadt.46 Auch Piłsudski unterstellte seine Schützen nur widerwillig der österreichischen Landwehr, doch blieb ihm angesichts seiner gescheiterten Strategie keine Wahl.47 Parallel begann er indes mit dem Aufbau der im Untergrund agierenden Polnischen Militärorganisation (Polska Organizacja Wojskowa, POW).48 Ab Dezember 1914 erfolgte die Umstrukturierung der Legionen in drei Brigaden der Polnischen Legionen.49 Im Rang eines Brigadiers wurde Piłsudski Kommandant der Ersten Brigade, die er zu einer eingeschworenen Gemeinschaft seiner Anhänger formte. Sozialistisch wegen ihrer politischen Vergangenheit, egalitär im Umgang der oberen Dienstgrade mit den Mannschaften und nebulös-radikal in ihren gesellschaftlichen und politischen Vorstellungen, wurde diese Brigade später zum zentralen Baustein der Piłsudski-Verklärung.50 Zugleich waren die ständigen Reibereien der Ersten Brigade mit dem NKN ein ideologischer, generationeller und kultureller Konflikt zwischen Vertretern unterschiedlicher historischer Erfahrungen. Auf der einen Seite standen die meist in Russland sozialisierten jungen Berufsrevolutionäre und militärischen Autodidakten aus der Anhängerschaft Piłsudskis, auf der Gegenseite die politisch erfahrenen galizischen Polen, die zudem eine gründliche militärische Ausbildung vorzuweisen hatten.51 Die Zweite Brigade der Legionen wurde im Mai 1915 gebildet und unterstand ab Juli 1916 Józef Haller. Zur gleichen Zeit begann in den bereits eroberten kongresspolnischen Gebieten auch die Anwerbung von Freiwilligen für die Dritte Brigade, die unter anderem von Bolesław Roja geführt wurde.52 Dass sich die Polnischen Legionen als Erbe der im vorangegangenen Kapitel besprochenen Militärtraditionen verstanden, machten sie bereits durch ihre Abzeichen und Uniformen deutlich, die an alte polnische Vorbilder anknüpften.53 45 Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 75–89. 46 Rzepecki, Sprawa Legionu Wschodniego 1914 roku. Vgl. auch Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt, 69–79. 47 Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 79 f. 48 Ebd., 100 und 174–179; Nałęcz, Polska Organizacja Wojskowa 1914–1918, 12–25. 49 Detaillierter Milewska / Nowak / Zientara, Legiony Polskie 1914–1918, passim; Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 71–174 und 203–280. 50 Nałęcz, Z genezy legionowej grupy piłsudczykowskiej; Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, 45–47 und 272–275; Kielak, Wielka Wojna i świadomość przełomu, 127–177. 51 Wiatr, The Soldier and the Nation, 20 f. 52 Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 145–151; Milewska / Nowak / Zientara, Legiony Polskie 1914–1918, 119 f. 53 Überblicksartig mit weiteren Literaturverweisen Pilachowski, Déjà vu – neue Helden aus alten Zeiten?

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Die Geschichte der Legionen zeigt, wie stark die polnische Frage im Ersten Weltkrieg zur Verhandlungsmasse und zu einem Teil des Machtspiels zwischen den Teilungsmächten geworden war. Alle drei Hauptstädte versprachen 1915 die Wiedererrichtung eines polnischen Staates und setzten auf unterschiedliche einheimische politische Kräfte. Die Mittelmächte näherten sich vor allem dem »Unabhängigkeitslager« an, das in Krakau vom NKN und in Warschau vom CKN repräsentiert wurde. Wien und Berlin riefen am 5. November 1916 das Regentschaftskönigreich Polen aus, das in Zukunft vor allem Kongresspolen umfassen sollte. An der Staatsspitze stand der Regierungsrat (Rada Regencyjna), in dem Piłsudski die Leitung der Königlich-Polnischen Militärkommission (Królewsko-Polska Komisja Wojskowa), des Vorläufers des Kriegsministeriums, übernahm.54 In der gemeinsamen Proklamation des deutschen und des österreichischen Kaisers, die den Anschein einer besonderen historischen Sensibilität für die polnischen Forderungen weckte, fand sich folgendes Postulat: »In einer eigenen Armee sollen die ruhmreichen Überlieferungen des polnischen Heeres früherer Zeiten in dem großen Kriege der Gegenwart fortleben. Ihre Organisation, Ausbildung und Führung wird im gemeinsamen Einvernehmen geregelt werden.«55 Dieses Einvernehmen kam hingegen nicht zustande. Im April 1917 wurden die Polnischen Legionen dem Oberbefehl des deutschen Generalgouverneurs Hans Hartwig von Beseler unterstellt. Als jedoch die neuen Dienstherren einen Treueid auf den deutschen Kaiser forderten, kam es im Juli zum Bruch. Piłsudski wurde in der Festung Magdeburg interniert. Die Offiziere der Legionen wurden 15 Kilometer östlich von Jabłonna im Fort Beniaminów festgesetzt, während ein Großteil der Mannschaften im Kriegsgefangenenlager Szczypiorno bei Kalisch interniert wurde. 3 000 galizische Legionäre wurden in den österreichischen Machtbereich abgeschoben, wo sie das Polnische Hilfskorps (Polski Korpus Posiłkowy) bildeten.56 Lediglich Hallers 2. Brigade legte relativ geschlossen den Eid auf Wilhelm II. ab und wurde der beselerschen Polnischen Wehrmacht (Polska Siła Zbrojna)  angegliedert, die als Armee des Regentschaftskönigreichs und wertvolle Ressource für die deutsche Kriegsführung aufgebaut werden sollte.57

54 Lemke, Allianz und Rivalität, 321–373. Zur deutschen Kriegsziel- und Besatzungspolitik Pajewski, »Mitteleuropa«; Geiss, Der polnische Grenzstreifen 1914–1918; Grosfeld, Polityka państw centralnych wobec sprawy polskiej w latach pierwszej wojny światowej; Basler, Deutschlands Annexionspolitik in Polen und im Baltikum 1914−1918; Conze, Polnische Nation und deutsche Politik im Ersten Weltkrieg; Lewandowski, Królestwo Polskie wobec Austro-Węgier 1914–1918. 55 Zit. nach Broszat, Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik, 189. 56 Milewska / Nowak / Zientara, Legiony Polskie 1914–1918, 240–262. 57 Ebd., 207–239 und 163–272; Lemke, Allianz und Rivalität, 445–458.

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Wie mehrfach unterstrichen, engagierten sich vor allem die Parteien jenseits der Nationaldemokratie mit einigem Erfolg im militärpolitischen Bereich. Roman Dmowski, der Führer der Nationaldemokraten konnte sich den durch den Krieg angestoßenen Entwicklungen nicht verschließen. Im November 1914 gründeten rechte Politiker im noch russisch kontrollierten Warschau das Nationalkomitee Polens (Komitet Narodowy Polski, KNP), das sich auch um die Aufstellung einer Legion bemühte. Ende Oktober 1914 entstand die nach ihrem Entstehungsort benannte Puławy-Legion (Legion Puławski), die vor allem im Partisanenkampf eingesetzt werden sollte. Aufgrund der schwachen Resonanz in der Bevölkerung und der sich rasch ändernden Frontsituation wurde sie bereits nach einem Jahr aufgelöst und als Polnische Schützenbrigade (Polska Brygada Strzelców), später Polnische Schützendivision (Polska Dywizja Strzelców) innerhalb des russischen Heeres fortgeführt.58 Ähnliche Initiativen entstanden in Russland erst wieder nach der Februarrevolution 1917. Zu dieser Zeit kämpften noch immer 500 000 Polen als reguläre Soldaten in den Farben des Zaren, darunter 119 Generale und 210 000 Offiziere. Das Gesamtpotenzial polnischer Rekruten schätzten die Petrograder Militärbehörden auf rund drei Millionen.59 Um dieses Reservoir ausschöpfen zu können, ermöglichte die Provisorische Regierung im Juli 1917 die Aufstellung von drei Polnischen Korps (Korpusy Polskie), die in Zukunft eine eigene polnische Streitmacht bilden sollten.60 Die bekannteste dieser Einheiten wurde das 1. Korps unter Józef Dowbor-Muśnicki. Dem 2. Korps schloss sich im Februar 1918 die 2. Brigade der Legionen unter Haller an, die aus Protest gegen den Friedensvertrag von Brest-Litowsk die Fronten gewechselt hatte. Haller wie Dowbor-Muśnicki sollten später zu erbitterten Antipoden Piłsudskis werden. Das 3. Korps formierte sich in den Wirren der Oktoberrevolution als Schutztruppe des polnischen Grundbesitzeradels in der Ukraine.61 58 Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 179–199. 59 Ders., Wojsko Polskie po stronie koalicji w latach 1914–1918, 519. 60 Ders., Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 310–334; ders., Polskie korpusy wojskowe w Rosji w latach 1917–1918. Die Provisorische Regierung wollte die Polnischen Korps innerhalb der russischen Streitkräfte halten, während eine französische Militärgesandtschaft die Überführung unter französisches Kommando vorschlug. Ebd., 411–417. Die politischen Konkurrenten der Nationaldemokratie verhinderten, dass aus den Korps eine große polnische Armee unter Führung des KNP gebildet wurde. Miodowski, Wychodźcze ugrupowania demokratyczne wobec idei polskiego wojska w Rosji w latach 1917–1918; ders., Związki Wojskowych Polaków w Rosji (1917–1918); Radziwiłłowicz, Polskie organizacje polityczne i wojskowe we wschodniej Rosji, na Syberii i Dalekim Wscho­ dzie (1917–1919). 61 Im Verlauf der Revolution und des Bürgerkrieges entstanden weitere kleinere Einheiten in Murmansk, Odessa und Sibirien, deren politischer Hintergrund unterschiedlich war, die aber aufseiten der »Weißen« standen. Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 399. Aus der Sicht eines Beteiligten Bagiński, Wojsko polskie

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Die langfristig wichtigste Militärformation, auf die sich die Nationaldemokratie stützte, waren aber nicht die verstreut agierenden kleinen Korps in Russland, sondern die Polnische Armee in Frankreich (Armia Polska we Francji), die besser als Blaue beziehungsweise Haller-Armee (Błękitna Armia bzw. Armia Hallera)  bekannt wurde. Roman Dmowski selbst hatte nach eigenen Worten »eine Menge Arbeit« und »nicht wenig Anstrengung« in den Aufbau dieser Truppe investiert.62 Er konnte sich bei seinen französischen Gesprächspartnern dabei auf die rund 200 Bajończycy berufen, Mitglieder einer 1914 in Bayonne aufgestellten polnischen Kompanie der Fremdenlegion, die sich an der deutsch-französischen Front in der Champagne einen guten Ruf verschafft hatten.63 Es gelang dem KNP aber erst 1917, ein Dekret des französischen Staatspräsidenten Raymond Poincaré zu erwirken, das die Bildung einer polnischen Armee auf französischem Boden ermöglichte. Die neue Truppe rekrutierte ihre Soldaten aus der polnischen Diaspora in Nordamerika und aus deutschen beziehungsweise österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen polnischer Nationalität. Zunächst unter französischer Führung stehend, wurde im Oktober 1918 der aus Russland eingetroffene Józef Haller an die Spitze der bald 50 000 Soldaten zählenden Armee berufen.64 Der große Wert der nach ihren Uniformen inoffiziell Blaue Armee genannten Kampftruppe bestand nicht nur in ihrer guten Ausbildung und Ausrüstung, sondern auch in ihrer Anerkennung als autonome polnische und verbündete Formation durch Frankreich und die Vereinigten Staaten, was der Forderung nach staatlicher Souveränität internationales Gewicht verlieh.65 Im Jahr 1918 erwiesen sich die institutionalisierten militärischen Strukturen als äußerst hilfreich, als es darum ging, die Staatsgründung zu vollziehen und nach außen wie innen zu sichern. Weder die Polnischen Legionen noch die Polnischen Korps in Russland oder die Blaue Armee in Frankreich hatten es freilich aus eigener Kraft vermocht, die Unabhängigkeit mit Waffengewalt herbeizuführen. Dass dies unmöglich war, zeigen bereits die geringen na Wschodzie 1914–1920. Zu den revolutionären polnischen Einheiten in Russland ebd., 483–499; Miodowski, Polityka wojskowa radykalnej lewicy polskiej 1917–1921. Eine weitere Episode war die Aufstellung einer Polnischen Legion in Finnland (Puolan Legioona Suomessa) nach der Februarrevolution. Filipow / Wawer, Legion Polski w Finlandii. 62 Dmowski, Polityka polska i odbudowanie państwa, 292. Zu den Aktivitäten der Auslandspolen in der Schweiz, Frankreich und den Vereinigten Staaten Śladkowski (Hg.), Polonia i odbudowa państwa polskiego w 1918 roku. 63 Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 199–202; Lipiński, Walka zbrojna o niepodległość Polski w latach 1905–1918, 355–363. 64 Zur Organisationsgeschichte Wrzosek, Polski czyn zbrojny podczas pierwszej wojny światowej 1914–1918, 334–345 und 457–482. Vgl. auch reportagenhaft die Gesamtdarstellung des Schriftstellers und Journalisten Wacław Gąsiorowski. Ders., Historia Armii Polskiej we Francji. Zur Anwerbung von Freiwilligen in Übersee T. Lachowicz, Weterani polscy w Ameryce do 1939 roku, 85–123. 65 Wrzosek, Wojsko Polskie po stronie koalicji w latach 1914–1918, 522 f.

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Mannschaftsstärken dieser Miniaturarmeen, die zudem mit Ausnahme der Blauen Armee schlecht ausgerüstet waren. Setzt man diese Zahlen, die von einigen Hundert bis zu wenigen Zehntausend reichten, in Relation zu den bis zu 3,3 Millionen gut geschulten polnischen Rekruten in den großen Weltkriegsheeren, erhält man ein Gespür für die militärischen Größenverhältnisse jener Zeit.66 Dennoch: Ohne selbst vollendete Tatsachen schaffen zu können, trugen die polnischen Einheiten ganz im Sinne der Emigration des 19. Jahrhunderts dazu bei, dass Polen zunehmend in das Wahrnehmungsfeld von europäischen Politikern rückte. Der Zusammenbruch aller drei Teilungsmächte eröffnete dann den polnischen Eliten den nötigen Handlungsspielraum für eine Staatsgründung. Der größte Hemmschuh auf dem Weg zu einem geeinten Gemeinwesen war die weiter bestehende Aufteilung des Landes in mehrere österreichische und deutsche Machtbereiche, in denen weiterhin Millionen Soldaten stationiert waren. Zu den polnischen Vertretungen im Ausland traten im Verlauf des Frühherbstes 1918 noch lokal agierende Übergangsregierungen als politische Kraftzentren. Jede dieser provisorischen Regierungen in Lublin, Warschau, Krakau oder im Teschener Land betrieb den Aufbau eigener militärischer Kräfte, bevor sich Warschau als gesamt­ polnische Machtzentrale etablierte.67 Der Warschauer Regentschaftsrat übernahm schließlich am 12. Oktober 1918 vom deutschen Generalgouverneur die Verantwortung für die Polnische Wehrmacht und rief die ehemaligen Legionäre zur Mitwirkung auf.68 Am 25. Oktober erfolgte die Berufung des Generalstabs (Sztab Generalny, ab 1928 Sztab Główny), tags darauf die Einrichtung des Kriegsministeriums (Mini­ sterstwo Spraw Wojskowych, MSWojsk).69 Bereits am 27. Oktober kündigte der Regentschaftsrat die Gründung eigenständiger polnischer Streitkräfte an 66 Handelsman u. a., La Pologne, 293–306. In der Literatur finden sich Angaben von zwischen 1,5 bis über 3 Millionen Polen in den imperialen Armeen. Halecki, A History of Poland, 276; Jabłonowski, Sen o potędze Polski,  5; Alexander, Kleine Geschichte Polens, 261; Watson, Fighting for Another Fatherland. Zu den Maximalstärken der polnischen Formationen vgl. Handelsman u. a., La Pologne, 313–326; Historia Polski w liczbach, Bd. 1, 159 f.; Boroń, Polscy jeńcy wojenni we Francji podczas I wojny światowej, 141. 67 Stawecki, Narodziny Wojska Polskiego na przełomie lat 1918–1919, 255–257; Rydel, W służbie cesarza i króla; ders., Die Entstehung des polnischen Heeres in den Jahren ­1918–1921, 384  f. 68 Stawecki, Narodziny Wojska Polskiego na przełomie lat 1918–1919, 250 f. 69 In Anlehnung an die in vielen europäischen Ländern bis weit ins 20. Jahrhundert übliche Terminologie wird das MSWojsk in dieser Arbeit als Kriegsministerium bezeichnet, um die umständlichere wörtliche Übersetzung als Ministerium für militärische Angelegenheiten zu vermeiden. Zur Frühphase des MSWojsk Wyszczelski, Ministerstwo Spraw Wojskowych (1918–1939), 14–64; Böhm, Z dziejów naczelnych władz wojskowych II Rzeczypospolitej, 21–96; Woszczyński, Ministerstwo Spraw Wojskowych 1918–1921. Zur Struktur des Generalstabs bis 1921 Wyszczelski, Sztab Generalny Naczelnego Dowództwa WP w latach 1918–1921, 51–65.

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und verfügte aus diesem Grund die allgemeine Wehrpflicht.70 Am 30. Oktober wurden die Militärbezirke (Okręgi Wojskowe, ab November 1918 unter der Bezeichnung Generalbezirke, Okręgi Generalne)  eingerichtet, um eine bessere Verwaltung und Koordinierung der Armee zu erreichen. Am 31. Oktober legte Generalgouverneur v. Beseler offiziell die Befehlsgewalt über die polnischen Truppen nieder, die vorläufig von Stanisław Szeptycki übernommen wurde, der zu diesem Zeitpunkt noch Generalmajor der k. u. k. Streitkräfte war.71 Das Ende der deutschen Militärherrschaft über Zentralpolen war damit besiegelt. Als die Macht über die in Polen liegenden deutschen Truppen in die Hand der Soldatenräte überging und die Polen sich tatsächlich anschickten, einen eigenen Staat zu proklamieren, konnte sich v. Beseler nur noch auf das etwa 2 000 Mann starke, in die Warschauer Zitadelle verlegte Offiziersaspiranten-Regiment Jabłonna stützen.72 Dank der Kompromissbereitschaft und des umsichtigen Agierens aller Verantwortlichen wurde nach wenigen Tagen ein nahezu gewaltfreier Abzug aller deutschen Truppen aus dem vormaligen Generalgouvernement Warschau erreicht. Dass der Weg in die polnische Unabhängigkeit sowohl auf staatlicher wie auf lokaler Ebene dennoch ein schwieriger war, zeigen die Zwischenfälle bei der Entwaffnung der letzten verbliebenen kaisertreuen Besatzung von Jabłonna. Dabei entwickelte sich eine Schießerei mit POW-Angehörigen, ehemaligen Polnischen Legionären und Dowbór-Soldaten. Um zu verhindern, dass die Holzbaracken auf dem Gelände abgebrannt werden, griff am 11. November eine hundertköpfige Kompanie der POW die Garnison an und eroberte die deutschen Magazine. Drei Tage darauf konnte die Restbesatzung Jabłonnas entwaffnet werden und schließlich am geordneten Abzug der deutschen Truppen aus Polen teilnehmen.73 70 Dekret o przystąpieniu do formowania narodowej armji regularnej sowie Tymczasowa ustawa o powszechnym obowiązku służby wojskowej, Dziennik Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej (nachfolgend Dz.  U.) Nr. 13 (1918), poz.  27 und 28. Zum Folgenden als knappe Einführung auch Rydel, Die Entstehung des polnischen Heeres in den Jahren 1918–1921. 71 Stawecki, Narodziny Wojska Polskiego na przełomie lat 1918–1919, 252. 72 Diese Einheit war eher bürgerlich geprägt, was deren Mitglieder zur Ablehnung des proletarischen Soldatenrats bewegte. Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszawskim 1915–1918, 99 f. Vgl. auch das Album des Regimentsmitglieds Wilhelm Hoßdorf, das neben Fotografien auch Berichte über die Auflösung des Regiments enthält. Unteroffizier Wilhelm Hoßdorf im Lettland-Einsatz, (14. Juni 2023). 73 Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszaw­ skim 1915–1918, 97 f. und 101 f.; Roth, Die politische Entwicklung in Kongreßpolen während der deutschen Okkupation, 128; Kessler, Das Tagebuch 1880–1937, Bd. 6, 659; HuttenCzapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, Bd. 2, 524–527; Łossowski, Zerwane pęta. Vgl. auch den Lagebericht des örtlichen POW-Kommandanten sowie den anonymen Bericht eines deutschen Stabsoffiziers. Wróblewski, Wielka Wojna, 94; Das Ende der deutschen Herrschaft in Warschau, 222–224 und 244–252.

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Unterdessen hatte der Regentschaftsrat am 4. November erstmals »alle waffenfähigen Polen« im Offiziersrang zum Armeedienst aufgerufen.74 In denselben Tagen waren es wieder die Deutschen, die der polnischen Sache eine entscheidende Wendung gaben. Sie beendeten die Internierung Piłsudskis und organisierten für den 10. November 1918 seine Rückkehr in einem Zug nach Warschau.75 Piłsudski war während seiner Magdeburger Festungshaft zu einer über politische Gräben hinweg geachteten lebenden Legende der polnischen Nationalbewegung geworden. Der Regentschaftsrat legte in den Tagen nach seinem Eintreffen die exekutive und legislative Gewalt wie auch die Führung der Armee in seine Hände. Beim Aufbau einer polnischen Streitmacht profitierte er von den bisher geschaffenen Strukturen. Am 11. November 1918, dem Tag seines Amtsantritts als militärischer Oberbefehlshaber, unterstanden Piłsudski formell 29 500 Soldaten, von denen noch 11 500 von der Lubliner Provisorischen Regierung, 8 500 von der Liquidationskommission kontrolliert wurden. Hinzu kamen rund 11 700 Mitglieder der POW.76 Bereits im Januar 1919 belief sich die Stärke der Streitkräfte auf 110 000, im April auf 200 000 Soldaten.77 Angesichts der Heterogenität des militärischen Führungspersonals in Bezug auf Herkunft und Ausbildung, eingeübte Loyalitäten und Bindungen, politische Präferenzen und persönliche Ambitionen bot der Aufbau der Streitkräfte ein enormes Konfliktpotenzial.78 Bewaffnung, Munition, Uniformen, Ausbildungsweisen mussten vereinheitlicht werden, sodass gerade viele Offiziere ihre gewohnten Handlungsweisen, Umgangsformen und Reglements revidieren mussten. Berufsoffiziere und Militärbeamte konnten zum Besuch von Unterrichtskursen verpflichtet werden, in denen sie die Geschichte, Militärtradition, Geografie und Kulturgeschichte ihres neuen Vaterlandes kennenlernen sollten.79 Selbst eine einheitliche militärische Terminologie musste erst gefunden werden, da viele erfahrene Ausbilder einfach den Wortschatz der Teilungsarmeen übernahmen.80

74 Dekret vom 4. November 1918, in: Dziennik Rozporządzeń Ministerstwa Spraw Wojskowych Nr. 3 (1918), poz. 27. 75 Suleja, Józef Piłsudski, 196–201. 76 Stawecki, Narodziny Wojska Polskiego na przełomie lat 1918–1919, 253–255. 77 Rydel, Die Entstehung des polnischen Heeres in den Jahren 1918–1921, 388. 78 Szczepkowski, Zjednoczenie Wojska Polskiego, 78. 79 Dziennik Rozkazów Ministerstwa Spraw Wojskowych (nachfolgend Dz. Rozk. MSWojsk) Nr. 44 (1920), poz. 928 (undatiert), und Nr. 49, poz. 1011. 80 Rozkaz oficerski Nr. 44, 25. Oktober 1919, CAW, Kolekcja regulaminów, instrukcji i aktów prawnych, Rozkazy Dowództwa Okręgu Generalnego Lubelskiego; Z dziedziny słownictwa wojskowego, in: Bellona  4 (1921), H. 4, 329–335; Wyszczelski, Wojsko Piłsudskiego, 106–117.

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Die Formierung der Armee vollzog sich durch eine schrittweise Vereinigung der bestehenden Truppen, die Aufnahme von Kriegsfreiwilligen und die Zwangsaushebung einzelner Rekrutenjahrgänge. Parallel mussten, ohne dass über den künftigen Grenzverlauf Polens Klarheit herrschte, landesweite regionale Militärstrukturen errichtet werden. Die Gründungsphase erstreckte sich im Kern bis in den Herbst 1919, dehnte sich de facto aber bis zur Transformation der Streitkräfte in eine Wehrpflichtarmee im Jahr 1921 beziehungsweise bis zur vollen Anerkennung der polnischen Oberhoheit über die strittigen Territorien in Schlesien und Ostgalizien aus. In der ersten Phase (November 1918 bis März 1919) erfolgte die Zusammenlegung von Legionen und POW in eigenen Divisionen. Damit konnte sich Piłsudski eine Art Prätorianergarde schaffen, denn nur er war berechtigt, diese Einheiten einzusetzen. In der zweiten Phase zwischen April und Juni 1919 wurden die übrigen Formationen in Kongress- und Kleinpolen vereinheitlicht und die Großpolnische Armee dem Kommando Piłsudskis unterstellt. Bei der Großpolnischen Armee (Armia Wielkopolska)  handelte es sich um eine autonome Organisation, die im Posener Aufstand (Dezember 1918 bis Februar 1919) entstanden war und immerhin etwa 70 000 Mann zählte. Eine Zusammenarbeit mit der Warschauer Militärführung entwickelte sich zu Beginn nur zaghaft und erst nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags wurde die Armee im April 1919 trotz des Widerstands ihres Befehlshabers Dowbor-Muśnicki formell dem Kriegsministerium unterstellt und die organisatorische Vereinigung mit der Kernarmee initiiert.81 Parallel erfolgte zwischen April und Juni die Überstellung der kompletten Blauen Armee samt Ausrüstung nach Polen. In der letzten Phase (Juli 1919 bis März 1920) verlor die Blaue Armee jedoch entgegen den Ambitionen und Hoffnungen General Hallers ihre Eigenständigkeit und es kam am 19. Oktober 1919 zur feierlichen Vereinigung aller drei Streitkräfte in Krakau.82 Der organisatorische Unifizierungsprozess nahm aber noch längere Zeit in Anspruch und fand endgültig mit der Integration der Armee Mittellitauens im April 1922 sein Ende.83 1921 traten an die Stelle der bisherigen Generalbezirke zehn Korpsbezirke (Okręgi Korpusów, OK), die etwa die alten Teilungsgrenzen wiedergaben (Karte).84 81 Polak, Siły zbrojne byłego zaboru pruskiego – Wojsko Wielkopolskie 1918–1920; Kruszyński, »Na zawsze skuł nam dłonie żołnierski trud …«. 82 Cisek, Józef Piłsudski w Krakowie, 81–97; Henschel, Phantomgrenzen und das Militär. 83 Die Chronologie geht zurück auf Szczepkowski, Zjednoczenie Wojska Polskiego, 79. Zum Verlauf Stawecki, Wojsko Drugiej Rzeczypospolitej, 203. Den politischen Kontext der Rückkehr General Hallers analysiert Mieczysław Wrzosek. Ders., Problem przyjazdu armii generała Hallera do kraju (listopad 1918 – czerwiec 1919). 84 Die Militärbezirke hießen zunächst Okręg Wojskowy (Armeebezirk), ab November 1918 Okręg Generalny (Generalbezirk) und ab 1921 schließlich Okręg Korpusu (Korpsbezirk, OK). Die Leitung eines OK hatte das Korpsbezirkskommando (Dowództwo Okręgu Korpusu, DOK) inne.

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Gliederung der Zweiten Polnischen Republik nach Woiwodschaften und Korpsbezir­ ken in Anlehnung an Tadeusz Antoni Kowalski, Kwestie narodowościowe podczas wcielania poborowych do wojska (1918–1939), 64. Quelle: © Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow / Tilman Grundig.

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Die Streitkräfte wandelten sich innerhalb weniger Jahre zu einer Institution, deren organisatorische Homogenität nicht mehr an die vielfältigen Vorläuferorganisationen erinnerte. Dieser äußeren Einheit stand jedoch eine heterogene Personalstruktur gegenüber, welche die Probleme eines sich formierenden Nationalstaates anschaulich illustriert. Funktionierende institutionelle Strukturen mussten unter Einbeziehung der alten Eliten erst aufgebaut werden, was mit den Ansprüchen der neuen, sich als Avantgarde verstehenden Führungspersönlichkeiten kollidierte. Das Offizierskorps rekrutierte sich anfangs nur aus den Polnischen Legionen, der POW und dem 1. Polnischen Korps. Nach einer Aufnahmewelle zwischen November 1918 und März 1919 gehörten ihm dann zu über zwei Dritteln ehemalige Angehörige der Teilungsarmeen an, in der Mehrzahl aus der österreichischen und russischen Armee. Der Anteil der ehemaligen Legionäre ging auf ein Fünftel zurück, während rund 10 Prozent der Offiziere der Haller-Armee entstammten.85 Die Einführung der Wehrpflicht ließ den Mangel ausgebildeter Truppenführer zutage treten, sodass schließlich auch Offiziere der Jahrgänge 1896 bis 1901 eingezogen und sogar Vertreter älterer Jahrgänge reaktiviert wurden.86 Diese einstigen österreichischen, russischen oder deutschen Offiziere hatten in der Regel eine gute Ausbildung genossen, während die aus den Polnischen Legionen kommenden Offiziere zwar kampferprobt und motiviert waren, doch mit erheblichen theoretischen Wissenslücken antraten. Besonders schätzte man die organisatorischen und operativen Kenntnisse der Offiziere habsburgischer Prägung, von denen viele die Schule des österreichischen Generalstabs durchlaufen hatten und über reichlich Führungserfahrung verfügten. Allerdings konnten sie sich bei den übrigen Armeeangehörigen nie des Rufs entledigen, im Stillen weiter dem habsburgischen Kaisertum zu huldigen. Die ehemaligen k. u. k. Offiziere waren zudem für ihre tiefe Verachtung den Legionären gegenüber bekannt.87 Den aus dem russischen Heer stammenden Offizieren wurde hingegen ein geringerer Einfluss zugestanden. Zwar waren sie sehr zahlreich in der Armee vertreten, doch bekleideten sie wie ihre »deutschen« Kollegen außer in der Großpolnischen Armee kaum wichtigere Positionen.88 Letztere waren trotz ihrer preußischen Vergangenheit willkom-

85 Stawecki, Wojsko Drugiej Rzeczypospolitej, 215; ders., Narodziny Wojska Polskiego na przełomie lat 1918–1919, 264; Kusiak, Życie codzienne oficerów Drugiej Rzeczypospolitej, 8–11. 86 Stawecki, Narodziny Wojska Polskiego na przełomie lat 1918–1919, 264. 87 Wiatr, The Soldier and the Nation, 26 f. General Latinik ließ sich 1924 sogar zu der Bemerkung hinreißen, alle Legionäre, die etwas wert gewesen wären, seien gefallen, die Überlebenden seien wertlos. Latinik musste daraufhin seinen Posten räumen. Garlicki, Przewrót Majowy, 156. 88 Stawecki, Narodziny Wojska Polskiego na przełomie lat 1918–1919, 265.

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men, da sie im Weltkrieg große Erfahrungen in der modernen Kriegsführung gesammelt hatten.89 Die Disparitäten in der Struktur des Offizierskorps verhinderten zunächst ein schnelles Zusammenwachsen der Armee. Aus Mangel an Alternativen wurden Offiziere befördert, deren Erfahrung kaum dem eingenommenen Rang entsprach. Darüber spottete auch Olivier d’Etchegoyen (1873–1933), der ähnlich wie der junge Charles de Gaulle in den Jahren 1920 bis 1925 als Stabsoffizier Mitglied der französischen Militärmission in Polen war: »Um sich eine imponierende Anciennität zu verleihen, führen diese blutjungen Offiziere – das ist in Polen erlaubt! Oh! Oh! – außer ihren tatsächlichen Dienstjahren noch ihre Universitätstitel, die soviel [wie] drei bis vier [Dienst-]Jahre gelten, oder die mit Piłsudski im österreichischen Heere verbrachte Zeit (die vierfach oder fünffach zählt) auf – so daß ich einst einen fünfundzwanzig Jahre alten Oberst antraf, der siebenundzwanzig Dienstjahre in einigen dreißig Monaten erworben hatte.«90

Diese Praxis führte unweigerlich zu Verwerfungen innerhalb des Offizierskorps. Besonders die früheren Legionäre empfanden ihre Leistungen nicht angemessen gewürdigt und kritisierten die Aufnahme der erfahreneren Offiziere aus früher gegnerischen Armeen. Noch stärker marginalisiert fühlten sich die in Frankreich ausgebildeten Vertreter der Blauen Armee. Die Offiziere aus den Teilungsarmeen sahen sich wiederum dem Vorwurf des politischen Konjunkturalismus und eines Mangels an Patriotismus ausgesetzt, ja unter Umständen sogar dem Verdacht, nur über eine schwache Bindung an das Polentum zu verfügen. Ein wenig erforschter, aber sicher kaum zu überschätzender Faktor waren in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen kulturellen wie mentalen Prägungen sowie die Loyalitäten, die gerade die dienstälteren Offiziere in ihren Herkunftsarmeen aufgebaut hatten.91 Eine charakteristische Begebenheit, welche die Vielschichtigkeit der Selbstverortung vieler Militärangehöriger erahnen lässt, beschrieb der junge Charles de Gaulle, der ab Juli 1920 als französischer Militärbeobachter an der Weichsel weilte und polnischen Soldaten unterschiedlichster Herkunft begegnete. Unter ihnen befand sich ein Oberleutnant, der seinen Dienstgrad im deutschen Heer erworben hatte und als verdienter Teilnehmer der Schlachten in der Champagne, vor Verdun und an der Somme Träger des Eisernen Kreuzes

89 Rezmer, Polacy w korpusie oficerskim armii niemieckiej w I wojnie światowej, 146 f. 90 D’Etchegoyen, Polens wahres Gesicht, 142. Zu d’Etchegoyen vgl. H. Müller, Auswärtige Pressepolitik und Propaganda zwischen Ruhrkampf und Locarno (1923–1925), 92. 91 Trees, Zweifelhafte Loyalitäten. Zu gesellschaftlicher Rolle, Auftreten und Selbstbild der Offiziere im Zarenreich Czerep, Korpus oficerski armii rosyjskiej w latach 1907–1916, hier 36 f. Vgl. dazu auch die Briefsammlung Z myślą o niepodległość.

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war. Diese Auszeichnung trug er mit großem Stolz, während er zugleich seine Abneigung gegenüber den Deutschen zum Ausdruck brachte.92

2.2 Von der Nation zum Staat. Der Diskurs um die ethnische Verfasstheit der Armee Polen war zu Beginn der Zwischenkriegszeit ein Land im Werden. »Das gegenwärtige Polen«, berichtete der in Lublin geborene Journalist und Philosoph Émile Meyerson (Emil Mejerson), der in seiner Funktion als Chef des Pariser Ablegers der Jewish Colonization Association im Mai 1921 Polen bereiste, »bietet das bizarre Schauspiel eines großen Landes, das seine Verwaltung von Grund auf, gewissermaßen aus dem Nichts, aufbauen muss.«93 Das Militär war nur einer von vielen Bereichen des entstehenden Staates, in denen die Probleme beim Zusammenwachsen der einzelnen Teilungsgebiete sichtbar wurden.94 Fast noch schneller jedoch als etwa in Verwaltung oder Justiz mussten hier vorhandene Strukturen nutzbar gemacht und zugleich Neues geschaffen werden. Die innere Heterogenität der vorhandenen Truppen zu überwinden und diese zu einer straff organisierten nationalstaatlichen Institution umzuformen war die drängendste Aufgabe ihrer Gründer. Schließlich war ein einsatzfähiges Heer die einzig verfügbare Lebensversicherung des neuen Staates ohne fest abgesteckte Außengrenzen. Immerhin eskalierten bereits vor der offiziellen Ausrufung der polnischen Eigenstaatlichkeit die Spannungen in Ostgalizien zwischen Polen und Ukrainern, die sich an der Stadt Lemberg entzündeten. In diesem Konflikt ging es auch um die Sicherung der ethnisch gemischten östlichen Territorien der alten Adelsrepublik, die als Kresy bzw. Kresy Wschodnie einen wichtigen Platz im nationalen Diskurs einnahmen.95 Die Kämpfe begannen, als am 1. November  – Piłsudski übernahm erst zehn Tage später die Regierungsgewalt im 400 Kilometer entfernten Warschau – ukrainische Einheiten strategische Punkte in der Stadt besetzten und die Unabhängigkeit der Westukrainischen Volksrepublik proklamierten.96 Die Gefechte in und um die Stadt waren von enormer psychologischer Bedeutung für den Staat und das Selbstverständnis der Armee als Hüterin des polnischen Territorialstandes. Ebenso wichtig war die Symbolkraft, die von den »Verteidigern« selbst ausging. Viele von denen, 92 De Gaulle, La bataille de la Vistule, 39 f. 93 CZA, Meyerson Émile, A408/91, 12. 94 H. Zieliński (Hg.), Drogi do integracji społeczeństwa w Polsce XIX–XX w. 95 Benecke, Die Kresy; Hadaczek, Kresy w literaturze polskiej. Vgl. auch Bakuła, Colonial and Postcolonial Aspects of Polish Discourse on the Eastern »Borderlands«. 96 Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt, 203–232.

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die in den ersten Tagen einen guten Teil der Kämpfe bestritten, waren fast noch Kinder. Als »Lemberger junge Adler« (Orlęta Lwowskie)  erhielten sie einen prominenten Platz im polnischen kollektiven Gedächtnis. Erst der eilig verlegten Blauen Armee gelang es aber, Ostgalizien und Lemberg vorläufig zu sichern. Ostgalizien wurde auf der Pariser Friedenskonferenz Polen zunächst für 25 Jahre zugesprochen, 1923 aber vom Botschafterrat der Alliierten als territorialer Bestandteil des Landes akzeptiert.97 Lemberg, das als Stadt den höchsten militärischen Orden Polens, Virtuti Militari, verliehen bekam, wurde unversehens zu einem gesamtnationalen Gedächtnisort, der Einigkeit und Kampfeswillen der Nation und ihrer Streitkräfte versinnbildlichte.98 Der Kampf um die Stadt bestätigte zudem die Vorstellung aller maßgebenden politischen Akteure, dass nur eine angemessen bewaffnete Nation den ihr gebührenden Platz in Europa einnehmen und verteidigen könne. Für Politiker wie Piłsudski war klar, dass Armee und Regierung die zwei tragenden Säulen eines jeden Staates seien. Piłsudski hatte dies bereits im März 1917 in seiner Rede Über die Nationalarmee (O armji narodowej) vor Vertretern aller Teilungsgebiete in einer Gleichung zugespitzt, in der er beide Institutionen faktisch zu einer Einheit erklärte: »Der Soldat benötigt eine rechtmäßige Regierung, um wirklich Soldat zu sein, die Regierung braucht einen rechtmäßigen Soldaten, um als Regierung zu bestehen.«99 Piłsudski, der das seit der Französischen Revolution propagierte Ideal einer Staatsbürgerarmee verinnerlicht hatte, erblickte in Frankreich und Deutschland nachahmenswerte Vorbilder für eine »nationale Armee« (armia narodowa). In diesen Ländern existierte nicht nur eine Staatsnation, sondern dieser stand mit der allgemeinen Wehrpflicht auch ein Instrument der inneren Nationsbildung zur Verfügung: »Die nationale Armee bedarf einer Nation, sie bedarf aber auch des Soldaten. Der moderne Soldat […] geht aus der allgemeinen Wehrpflicht hervor. […] Erst Schule und Militär zusammen machen den Menschen reif, geben ihm die Möglichkeit, seine Bür97 Zum Verlauf der Kämpfe Wrzosek, Wojny o granice Polski Odrodzonej 1918–1921, 150–204. Zum politischen Hintergrund Subtelny, Ukraine, 367–372; Mark, Die gescheiterten Staatsversuche. Zur Inkorporation Ostgaliziens Wehrhahn, Die Westukrainische Volksrepublik, 347–369. Vgl. auch Golczewski, Deutsche und Ukrainer 1914–1939, sowie zur politischen Situation der Juden Goldelmann, Jewish National Autonomy in Ukraine 1917–1920. 98 Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt, 317–353. Ein anonymer Verteidiger Lembergs wurde zudem als »unbekannter Soldat« in der zentralen militärischen Gedenkstätte Polens, dem Grabmal des unbekannten Soldaten am Sächsischen Palais in Warschau, beigesetzt. Henschel, Der Erste Weltkrieg zwischen Erinnerungskultur und Politik in Polen am Beispiel der Stadt Lublin (1918–1939), 214–219; Mick, Der Kult um den Unbekannten Soldaten in der Zweiten Polnischen Republik. 99 Piłsudski, Erinnerungen, Bd. 4, 32.

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gerpflichten zu erfüllen. […] Ein jeder muss [zum Militärdienst] herangezogen werden, denn nur dann fließen Nation und Armee ineinander, nur so besitzt jede Familie einen Soldaten und jeder Soldat eine Familie im Vaterland.«100

Wie angesichts der absehbaren ethnischen Heterogenität des polnischen Staatsgebietes diese Verschmelzung von Nation und Militär erreicht werden sollte, reflektierte Piłsudski nicht. Zwar scheint es ein stiller Konsens gewesen zu sein, dass die Streitkräfte national verfasst waren. Klarheit über die Definition dieses nationalen Charakters herrschte hingegen keineswegs. Während die politische Rechte Katholiken als Nationalpolen zu akzeptieren bereit war, berief sich die Linke recht uneindeutig auf das nicht weiter präzisierte nationes-Konzept der polnischen Adelsrepublik. Bis 1921 stand das Militär aufgrund des Territorialstandes Polens und seiner internationalen Rechtslage ohnehin noch nicht vor dem Problem, in größerer Zahl Nichtpolen als Wehrpflichtige in die Armee integrieren zu müssen. Optierten die Bewohner der polnischen Gebiete, wie ein beachtlicher Teil der deutschen Bevölkerung, für eine nichtpolnische Staatsbürgerschaft, entgingen sie dem Kriegsdienst.101 Die Juden waren somit vorerst die einzige größere Gruppe, deren Los die Konsequenzen der zu schildernden Debatte sichtbar machen konnte. Es überrascht angesichts der vorübergehenden relativen ethnischen Homogenität kaum, dass in den zahlreichen Deklarationen polnischer Militärs vor allem die innere nationale Einheit der Polen beschworen wurde. Als Haupthindernis auf dem Weg zu einer geeinten Nation und Armee galten nämlich keineswegs ethnische, konfessionelle oder kulturelle Differenzen, sondern die beschriebenen regional unterschiedlichen Erfahrungen der Teilungszeit und vor allem die tiefen politischen Gräben. Auch Piłsudski war sich der Sprengkraft der innerpolnischen Verwerfungen früh bewusst. Schon in seiner Rede an die Erste Kaderkompanie am 3. August 1914 ging er auf die Konkurrenz unter den Soldaten ein und verkündete: »Von jetzt ab gibt es weder Schützen- noch Feldkameradschaften. Ihr alle hier Versammelten seid polnische Soldaten. […] Euer einziges Abzeichen ist von nun an der weiße Adler. Solange Euch jedoch das neue Abzeichen noch nicht ausgehändigt worden ist, befehle ich, daß Ihr Eure bisherigen Abzeichen untereinander austauscht, zum Sinnbild der völligen Einheit und Brüderlichkeit, die unter polnischen Soldaten herrschen soll.«102

100 Ebd., 29. Die vorliegende Übersetzung wurde dem Original (JPPZ 4, 114) angeglichen. 101 Von den 1919 bis 1920 mobilisierten rund 1 Million Soldaten waren rund 90 Prozent Polen. Rezmer, Ethnic Issues in the Army in the District Commander of Corps no. VIII Toruń (1920–1939), 103. 102 Piłsudski, Erinnerungen, Bd. 4, 9.

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Nicht deutlich anders war der Grundton von Piłsudskis erstem Armeebefehl nach seiner Ernennung zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte: »Soldaten! Während des Weltkriegs wurden an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Bedingungen Versuche unternommen, polnische militärische Verbände zu bilden. Bei der scheinbar unheilbaren Verkümmerung unseres Volkes blieben diese Versuche, so erhaben und heldenhaft sie waren, notwendigerweise verschwindend klein und einseitig. Von diesen Verhältnissen blieb die Uneinheitlichkeit übrig, die für das Heer schädlich ist. Ich zähle darauf, daß jeder von euch sich zu überwinden vermag und es fertig bringt, die Unterschiede, Reibungen, Klüngel und Cliquen zu beseitigen, damit sich rasch das Gefühl der Kameradschaft und reibungsloser Zusammenarbeit entfalten kann.«103

Höhepunkt dieses Strebens nach Harmonie und Einheit war der erwähnte Festakt in Krakau, mit dem am 19. Oktober 1919, dem fünften Jahrestag des Kriegseintritts der 2. Brigade, die Vereinigung der polnischen Streitkräfte offiziell begangen wurde. Piłsudski nutzte diese Bühne, um sich als unumstrittener Führer der Nation und als Schöpfer einer einheitlichen nationalen Armee zu inszenieren. In der Öffentlichkeit wurde die zur Schau gestellte Eintracht der »drei Józefs« Piłsudski, Haller und Dowbor-Muśnicki gefeiert. Der Staatschef würdigte die Leistungen und Verdienste aller polnischen Soldaten, doch war klar, dass es vor allem »seine« Legionäre der 1. Brigade waren, denen er die höchsten Verdienste beim Aufbau der Streitkräfte zugestand.104 Allen Appellen zum Trotz ließen sich die Spannungen aber nicht so bald wie gewünscht beilegen. In einem Gnadengesuch an den Staatschef gab ein »Kreis der Mütter, deren Söhne aus der Armee desertierten«, aus Warschau als Desertionsgrund an, ihre Söhne seien »in ein galizisches Regiment« mit »nur neun Polen aus dem Königreich« einberufen und dort wegen ihrer Herkunft schikaniert worden.105 Solche Konflikte wirkten sich ausgesprochen negativ auf die militärische Disziplin aus. In der Garnison Jabłonna beispielsweise verhielten sich zum Jahreswechsel 1919/20 dorthin abkommandierte großpolnische Soldaten »gegenüber ihren Vorgesetzten arrogant, weigerten sich offen und hochmütig, erhaltene Befehle auszuführen, spotteten über die Bedingungen, in denen der Soldat in ›Kongresspolen‹ lebt, und demoralisierten mit ihrem Verhalten die Soldaten dieser Einheit«.106 Von einer inner103 Ebd., 37. 104 Ebd., 51–54. Vgl. auch die Berichterstattung in Wiarus, 20. Oktober 1920. Auch Feldbischof Bandurski würdigte alle polnischen Formationen, hob aber Piłsudski als unbestrittenen Befehlshaber besonders hervor. Wysocki / Żak, Biskup Władysław Bandurski, 68; Wróbel, »Kombatanci kontra politycy«, 88. 105 AAN, KCNP, sygn. 297, 12 f., Gnadengesuch vom 8. Februar 1919. 106 AAN, PRM, Rkt.  49, t.  4, 77, Nachrichtenkommuniqué Nr. 1, 3. Januar 1920. Vgl. ebd., 149–152, Nachrichtenkommuniqué Nr. 14, 25. Februar 1920.

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polnischen nationalen Einheit ist vor diesem Hintergrund nicht zu sprechen. Es gab sogar ernst gemeinte Bestrebungen der Nationaldemokraten, eine auf die westpolnische Einheiten gestützte Abspaltung der dzielnica pruska, des ehemals preußischen Teilungsgebietes, vorzunehmen.107 Im Warschauer Kriegsministerium wiederum betrachtete man den polnischen Patriotismus Posener Prägung als »engstirnig und provinziell«: »Es fehlt jedwedes einende ideelle Band, das [den Posener] mit den übrigen Soldaten, auf die er misstrauisch und feindselig blickt, verbinden würde.«108 Die großpolnischen Soldaten machten noch immer keinen Hehl aus der Geringschätzung ihrer Landsleute aus anderen Landesteilen, der sie durch Nichtachtung »unbekannter« höherer Dienstränge, die Plünderung von Geschäften und Übergriffe auf Feldgendarmen Ausdruck verliehen.109 Auch zwischen Armeeangehörigen der übrigen Landesteile waren Reibereien alltäglich, etwa zwischen den Offizieren aus der k. u. k. und der zarischen Armee oder zwischen Legionären und Soldaten der Blauen Armee.110 Derlei Bruchlinien durchzogen die Truppen bis in die höchsten Ränge. General Dowbor-Muśnicki hing der Ruf eines russifizierten Offiziers des Zaren an, dem er tatsächlich bis 1917 treu ergeben war.111 Piłsudski wiederum beschimpfte seine westpolnischen Landsleute als »Lumpen, mit denen man keinen Krieg führen kann«,112 und noch im September 1920 spottete er in einem Tagesbefehl: »Den großpolnischen Divisionen soll befohlen werden, dass sie ihre Abscheu gegen das Marschieren abseits befestigter Straßen überwinden sollten, da diese aufgrund möglicher Änderungen der Marschrichtung im Operationsgebiet unvermeidlich fehlen.«113 Die innermilitärischen Konflikte und Konkurrenzkämpfe konnten immer wieder neu auf eine antijüdische Ebene gehoben werden. Besonders die k. u. k. Armee galt im preußischen und russischen Teilungsgebiet als stark mit Juden durchsetzt. Antijüdische Einstellungen konnten sich so mit antihabsburgischen Befindlichkeiten schnell verbinden. Im Mai 1920 verlangten 107 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 265–269. 108 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 375 f. 109 Ebd.; AAN, IW, sygn. 296/I–15, 149, Bericht über die Provinzpresse Nr. 24, 15. April 1920; ebd., sygn. 296/I–16, 87, Bericht über die jüdische Presse Nr. 28, 21.–31. März 1920; CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Nachrichtenkommuniqués Nr. 19, 23 und 24 vom 18., 24. und 26. April 1920. 110 CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Nachrichtenkommuniqué Nr. 27, 8. Mai 1920. 111 W.  Majewski, Wojskowe kwalifikacje legionistów w latach 1918–1920, 266 f. Weiterführend zu polnischen hochrangigen Offizieren im russischen Heer Kulik, Kariery polskich generałów w armii rosyjskiej przed pierwszą wojną światową. 112 Piłsudski, O państwie i armii, 124. 113 Befehl Piłsudskis, 19. September 1920, in: Bitwa niemeńska 29 VIII – 18 X 1920, Bd. 1, 509. Vgl. auch Bd. 2, 60 und 602 (der Befehl wurde weitergeleitet und im Wortlaut von anderen Kommandanten wiederholt).

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die Soldaten in den einst preußischen Garnisonen Thorn und Graudenz bei Appellen nicht nur mehr Sold. Es wurden auch Rufe laut wie: »Weg mit den jüdischen Offizieren.« Eine Delegation von Soldaten und Unteroffizieren – vormals preußischen Untertanen  – forderte bei den anschließenden Soldverhandlungen zudem die Entfernung aller nicht aus Preußen stammenden Offiziere aus dem Bataillon.114 Ebenfalls mit antisemitischen Hintergedanken prangerte die Warschauer Myśl Niepodległa nicht erst im Sommer 1920 den »österreichischen Geist« im ehemaligen k. u. k. Offizierskorps an. Den Lesern des antiklerikal-nationalistischen Blatts war klar, dass der Autor den ehemals österreichischen Offizieren eine Zugehörigkeit zur polnischen Nation nicht zubilligte, zahlreiche Juden unter ihnen ausmachte und sie damit als Fremde qualifizierte. Wenn nun die Myśl Niepodległa ein Protektionssystem beschrieb, das es vielen jungen und gesunden Offizieren erlaubte, in den Amtsstuben zu arbeiten, während Kriegsinvaliden händeringend nach Anstellung suchten, hatte dies eine eindeutig antijüdische Stoßrichtung.115 Dowbor-Muśnicki fügte in einem Artikel hinzu, dass ein Mangel an nationaler Homogenität in den Streitkräften zwischen den Soldaten und Offizieren keine Vertrauensbasis entstehen lasse. Jeder Misserfolg würde schnell auf nationale Unterschiede zurückgeführt. Daher unterstütze er die »strenge Einhaltung nationaler Richtlinien bei der Auswahl der Offiziere«.116 Dowbor-Muśnicki formulierte mit dieser eindeutigen Positionierung die große unbeantwortete Frage der Übergangsphase bis 1921: Welche Definition von Staatsbürgerschaft und nationaler Zugehörigkeit sollte die Grundlage für die Umsetzung der Wehrpflicht bilden? In der erwähnten vorläufigen gesetzlichen Regelung vom 27. Oktober 1918 war der Militärdienst zunächst zur »Pflicht aller Bürger des polnischen Staates« erklärt worden.117 Die Regelung der Pariser Verträge billigte dann allen Personen, die bis zum Inkrafttreten der Verträge dauerhafte Bewohner des nunmehrigen Territoriums Polens waren – eine Ausnahme bildeten die Deutschen, die sich erst nach 1908 im preußischen Teilungsgebiet niedergelassen hatten – per se ein Recht auf die polnische Staatsangehörigkeit zu.118 Diese im Grunde recht eindeutige Regelung stieß in der Praxis auf große Schwierigkeiten, etwa wenn Betroffene nötige 114 Ebd. 115 Ebd., Komunikat informacyjny Nr. 2 (72) z dnia 8 stycznia 1920; Antyki kajzerlikowskie, in: Myśl Niepodległa, 27. September 1919, 711–714, und 5. Juni 1920, 523 f. Vgl. auch Żydzi w wojsku, in: ebd., 5. August 1922, 492–494. 116 AAN, IW, sygn. 296/I–17, 63, Morgenpresseschau, 20. Juli 1920. 117 Tymczasowa ustawa o powszechnym obowiązku służby wojskowej, in: Dz. U. Nr. 13 (1918), poz. 28. 118 Zur Ungleichbehandlung von Juden Tomaszewski, Prawa obywatelskie Żydów w Polsce (1918–1939). Zur umstrittenen Frage der Wehrpflicht für Deutsche vgl. Wagner, Deutschland und der polnisch-sowjetische Krieg 1920, 144–148.

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Nachweise nicht erbringen konnten, und wurde durch die einzelnen Ministerien auch recht frei ausgelegt. Wie Nasz Kurjer, eine in Warschau auf Polnisch erscheinende zionistisch orientierte Tageszeitung im März 1920 monierte, herrschte in Polen eine »dreifache Buchführung«, da das Innenministerium aufgrund des Wohnsitzes die Staatsbürgerschaft zuerkannte, das Kriegsministerium wiederum auch Nichtpolen in die Armee einzog, während das Außenministerium Letztere nach Dienstende nicht als Staatsbürger anerkannte.119 Die Rekrutierungspraxis konzentrierte sich anfangs im Wesentlichen auf ethnische Polen, zumal die umkämpften, mehrheitlich von nichtpolnischer Bevölkerung bewohnten Gebiete erst Schritt für Schritt in das Staatsterritorium integriert wurden. Mit der territorialen Expansion mehrten sich aber Versuche, die Reihen der Armee auch mit nichtpolnischen Soldaten aufzufüllen. Indem die polnischen Truppen als Befreier vom bolschewistischen Joch dargestellt wurden, versuchte man beispielsweise bereits zur Jahreswende 1918/19, belarusische Rekruten für die Armee zu gewinnen.120 Am 1. April 1919 richtete der Generalkommissar für die Ostgebiete Rekrutierungseinheiten ein, die in den eroberten litauischen und belarusischen Gebieten Soldaten anwerben sollten.121 Allerdings war bereits in einer Anordnung des Generalstabschefs zur Aufnahme von Berufsoffizieren vom 5. November 1918 deutlich geworden, dass die polnische Nationalität  – im betreffenden Dokument ist noch recht unkonkret die Rede von einem »aufrichtigen polnischen Nationalgefühl«  – zu einem entscheidenden Aufnahmekriterium zumindest im Offizierskorps werden würde.122 Auch in der parlamentarischen Arbeit wurde dieses Kriterium immer stärker hervorgehoben. Als im Februar 1919 der Sejm die Einberufung von sechs Rekrutenjahrgängen beschloss, stieß dies auf die Zustimmung jüdischer Abgeordneter wie Ozjasz Thon, der die Gelegenheit zur Betonung der gemeinsamen Interessen und 119 Buchalterja … potrójna, in: Nasz Kurjer, 21. März 1920. 120 Grzybowski, Białorusini w polskich regularnych formacjach wojskowych w latach 1918– 1945, 51 f. Auf die Problematik der Begriffsbildungen »weißrussisch«, »weißruthenisch« und »belarusisch« wies zuletzt Felix Ackermann hin. Ders., Die Republik Belarus ist mehr als Weissrussland. Und ihre Eigenständigkeit beginnt mit dem Namen des Landes, in: Neue Zürcher Zeitung, 11. Januar 2020, (14. Juni 2023). Anschließend veröffentlichte die Belarusisch-Deutsche Geschichtskommission Empfehlungen zur Schreibweise von Belarus in deutschsprachigen Texten, denen diese Arbeit folgt. Die Republik Belarus in deutschsprachigen Texten, Juli 2020, (14. Juni 2023). 121 Grzybowski, Białorusini w polskich regularnych formacjach wojskowych w latach 1918–1945, 55–58; Gierowska-Kałłaur, Zarząd Cywilny Ziem Wschodnich (19  lutego 1919 – 9 września 1920), 150–157. 122 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 94.

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Werte von Polen und Juden nutzte.123 Im Juni 1919 gab das Gesetz über die Offizierslisten der Debatte über den Zusammenhang von Staatsbürgerschaft und Wehrpflicht eine neue Wendung. Im Gesetzestext, der vor allem vor dem Hintergrund der Übernahme von Offizieren aus den Teilungsarmeen zu verstehen ist, wurde die Anerkennung eines erworbenen Offiziersgrades nunmehr an Staatsbürgerschaft und Nationalität geknüpft. In Art. 1 wurde festgelegt, dass alle Offiziere, die zugleich polnische Staatsbürger und polnischer Nationalität waren, unabhängig von ihrer früheren militärischen Zugehörigkeit der Meldepflicht unterlagen.124 Die jüdischen Sejmabgeordneten erblickten im großen Interpretationsspielraum des Gesetzes – wie sollte das Kriterium der Nationalität objektiv bewertet werden?  – den Versuch, die Armee zu einer ethnisch rein polnischen Institution umzubilden. In der parlamentarischen Debatte verlangte der parteilose Abgeordnete ­Salomon Weinzieher die Streichung des Zusatzes »polnischer Nationalität«. Er verwies auf die verfassungsmäßige Trennung von Staatsbürgerschaft und Nationalität. Jeder Staatsbürger sei zur Loyalität gegenüber dem Staat verpflichtet, ohne dass hierbei seine nationale Zugehörigkeit eine Rolle spiele.125 General Bronisław Malewski, der Berichterstatter des Militärausschusses, entgegnete, die diskutierte Einschränkung ergebe sich aus der Notwendigkeit, jene Nationalitäten aus verantwortlichen Positionen fernzuhalten, die wie Ukrainer und Deutsche in einem Nachbarland einen Nationalstaat besaßen, mit dem Polen zudem im Krieg lag. In der folgenden Abstimmung wurde das Gesetz wie zitiert verabschiedet.126 Mangelnde polnische Sprachkenntnisse wurden in einem weiteren Gesetz als Hindernisgrund für eine Erhebung in den Unteroffiziersrang festgeschrieben.127 Unterdessen forderte der Militärausschuss des Sejms im Juli 1919 von der Regierung, dass Offiziere, die sich vor 1918 nicht zur polnischen Nationalität bekannt beziehungsweise der Idee eines polnischen Staates feindlich gesinnt gewesen waren, nicht ins Offizierskorps aufgenommen werden sollten.128 Diese Forderung, die in einer Resolution zur geplanten gesetzlichen Rege123 BS, SSSU Nr. 11, 7. März 1919, 528 f. 124 Ustawa z dnia 17 czerwca 1919 r. o spisie oficerów, Dz. U. Nr. 50 (1919), poz. 325. Hier und im Folgenden auch T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 98–100. 125 BS, SSSU Nr. 52, 17. Juni 1919, 4. 126 Ebd. 127 Ustawa z dnia 21 lipca 1919 r. o przymusowem nauczaniu w wojsku polskiem, Dz. U. Nr. 63 (1919), poz. 373. 128 BS, RPII/0/960, Sprawozdanie komisji wojskowej w sprawie projektu ustawy o nadawaniu stopni oficerskich w wojsku polskim, przedstawionego Wysokiemu Sejmowi na podstawie uchwały Rady Ministrów z dnia 5 lipca 1919 roku przez Ministra Spraw Wojskowych w dniu 11 lipca 1919 roku (Druk N-r 825).

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lung der Anerkennung von vor 1918 erworbenen Dienstjahren und -graden niedergelegt wurde, begründete Malewski im Parlament damit, dass den Streitkräften ein »möglichst nationaler Charakter« verliehen werden solle.129 Im verabschiedeten Gesetzestext wurde auf solche Formulierungen zwar verzichtet, doch übertrug man die Entscheidung über die Anerkennung von Offiziersgraden und somit über den Verbleib im Militär einer Verifizierungskommission, die in ihrer Bewertung der Kandidaten recht frei war.130 Nach außen wurde die »Verifizierung« freilich als notwendiges Übel dargestellt, als unabwendbare Operation zur Unifizierung des heterogenen Offzierskorps.131 Im einige Monate später verabschiedeten Gesetz für die Unteroffiziere findet sich anders als im Offiziersgesetz kein Passus, der die Nationalität als Kriterium für die Aufnahme in das polnische Heer festgeschrieben hätte.132 Der Grund hierfür war schlicht der Mangel an geeignetem Personal.133 Im März 1922 musste das umstrittene Offiziersgesetz schließlich geändert werden, da die Einschränkung des Zugangs zu den Offiziersrängen nach nationalen Kriterien als verfassungswidrig eingestuft wurde. Im neuen Gesetz über die grundlegenden Pflichten und Rechte der Offiziere der polnischen Armee wurde lediglich eine eindeutig patriotische Einstellung des Kandidaten gefordert.134 Welche Konsequenzen die Bestimmungen vom August 1919 dennoch für die Betroffenen hatten und wie selbstverständlich viele Zeitgenossen hier eine antijüdische Stoßrichtung erblickten, zeigt der Fall des Lemberger Offiziers Pietsch-Pareński. Nachdem er keine Aufnahme in der neuen Armee fand und auch seine erworbenen Dienstgrade nicht anerkannt wurden, formulierte er in einem Beschwerdebrief den Verdacht, die Armeebürokraten würden ihn aufgrund seines Namens für einen Juden halten.135 Pietsch-Pareńskis Vermutung ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, begegneten die Militärbehörden doch nicht nur Rückkehrern aus Sowjetrussland, sondern auch aus den ver129 BS, SSSU Nr. 84, 2. August 1919, 19 und 22.  130 Ustawa z dnia 2 sierpnia 1919 r. o ustaleniu starszeństwa i nadaniu stopni oficerskich w wojsku polskiem, Dz. U. Nr. 65 (1919), poz. 399; CAW, Gabinet Ministra Spraw Wojskowych 1918–1939 (nachfolgend Gab. MSWojsk), sygn. I.300.1.43, 363–366. 131 Tadeusz Malinowski, Zespolenie naszego korpusu oficerskiego, in: Bellona 5 (1922), Bd. 7, H. 3. 132 Ustawa z dnia 27 listopada 1919 r. o spisie podoficerów, in: Dz. U. Nr. 92 (1919), poz. 499. Gleiches gilt für eine Anordnung der ROP im Jahr darauf. Rozporządzenie Rady Obrony Państwa z dnia 6  sierpnia 1920  r. o podoficerach zawodowych, Dz.  U. Nr. 75 (1920), poz. 512. 133 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.41, 572–589, MSWojsk an den Sejmmarschall, 11. November 1919. 134 Ustawa z dnia 23  marca 1922 o podstawowych obowiązkach i prawach oficerów Wojsk Polskich, in: Dz. U. Nr. 32 (1922), poz. 256. 135 AAN, BS, cz. 1, sygn. 33, 5–7.

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streuten österreichisch-ungarischen Truppen mit Skepsis.136 Ein Armeebefehl vom April 1920 regelte sogar, dass österreichische Staatsbürger nicht einmal mehr als Truppenausbilder oder sonstige Fachleute übernommen werden sollten.137 Ausgenommen von derlei Bedenken blieben bezeichnenderweise prominente Habsburger, immerhin ehemalige Repräsentanten einer der drei Teilungsmächte. So wurden Erzherzog Leo Karl von Habsburg-Lothringen und sein Bruder Erzherzog Karl Stephan, im Weltkrieg einer der Anwärter auf die polnische Königskrone, als Kriegsfreiwillige und Offiziere in die polnischen Streitkräfte aufgenommen.138 Es ist mit dem vorhandenen Quellenmaterial nicht zu fassen, wie viele jüdische Offiziere bis 1922 entgegen ihrem Wunsch nicht in den polnischen Armeedienst übernommen wurden und ob deren Zahl im Vergleich zu katholischen Polen unverhältnismäßig hoch war. Lässt man sich von den zahlreichen Beschwerden des Jüdischen Abgeordnetenkreises (Koło Żydowskie)  beim Kriegsministerium leiten, war die Zahl immerhin spürbar.139 Das Ministerium beteuerte freilich stets, die Übernahme von Offizieren erfolge nach den geltenden gesetzlichen Richtlinien. Lediglich Personen, die als Nationalität »jüdisch« (also nicht »polnisch«) angegeben hätten, werde die Aufnahme in die Armee verweigert.140 Die gefundenen Regeln für die Weiterbeschäftigung von Offizieren konnten sich aber – und auf dieses Problem verwies auch der Jüdische Abgeordnetenkreis in seiner Replik  – für die Personalabteilungen des Militärs als Falle erweisen. So sind Fälle dokumentiert, wo jüdische Offiziere, die dem Gesetz nach weiterhin dienstpflichtig waren, sich auf ihre jüdische Nationalität beriefen und um Entlassung aus dem Dienst ersuchten. Diese Gesuche stellten die Mitarbeiter der Personalabteilung (Departament Spraw Personalnych) vor ein Problem: Ihnen war nicht klar, »ob eine jüdische Nationalität im polnischen Staat überhaupt anerkannt« sei, und wenn ja, 136 CAW, SRI, sygn. I.371.6/A.50, passim. 137 Verbot der Aufnahme von österreichischen Staatsbürgern in die polnische Armee, 4. März 1920, in: Dziennik Rozkazów Wojskowych Nr. 11 (1920), poz. 267; Rozkaz L.88, in: Rozkazy Dowództwa Okręgu Generalnego Warszawskiego, 21. April 1920. 138 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.44, 60 f. Als Angehörige des Saybuscher Familienzweigs trugen beide polonisierte Namen – Leon Karol beziehungsweise Karol Olbracht HabsburgLotaryński – und nahmen die polnische Staatsbürgerschaft an. Karl Stephan blieb auch in Friedenszeiten Offizier der Reserve. Snyder, Der König der Ukraine, passim. 139 BS, RPII/0/1401, Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Thon, Hartglas u. a. an das Kriegsministerium vom 8. Oktober 1920; BS, SSSU Nr. 172, 14. Oktober 1920, Grünbaum vor dem Sejm, 48–53; BS, RPII/0/1748, Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Thon, Hartglas u. a. an den Premierminister, 20. Januar 1921; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.53, L.6186. 140 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.53, L.6186. Kritisiert wurde auch die Nichtaufnahme von Juden in die bewaffneten Einheiten der Zollverwaltung, die allerdings nicht dem Kriegsminister unterstanden. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.55, Jüdischer Abgeordnetenkreis an MSWojsk, 10. Oktober 1921.

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»ob die Offiziere jüdischer Nationalität und polnischer Staatszugehörigkeit zum aktiven Dienst verpflichtet oder davon befreit« seien.141 Zudem stellten die Ministerialbeamten fest, dass im Falle einer Entlassung die betreffenden Offiziere dauerhaft von jedwedem Militärdienst befreit wären. Damit wären sie bei der Vergabe von Studien- und Arbeitsplätzen gegenüber ihren weiter diensttuenden Kameraden entscheidend im Vorteil. Strich man hingegen, und dafür sprach sich das Departement aus, ihre Namen von der Offiziersliste, würden sie erneut als einfache Soldaten wehrpflichtig werden.142 Die Rechtslage erlaubte aber eine solche Lösung nicht und so wurden nicht übernommene Offiziere aus dem Dienst entlassen.143 Auf lange Sicht wichtiger als die Entlassung vorgeblich nichtpolnischer Militärangehöriger waren Fälle, bei denen die Kopplung der Staatsbürgerschaft an die Erfüllung der Wehrpflicht zu Problemen führte. Die Musterungsbehörden hielten sich ab 1920 an eine Grundsatzentscheidung des Kriegsministeriums, wonach zwar das zweijährige Optionsrecht für Minderheitenangehörige in der Frage der Staatsangehörigkeit Berücksichtigung fand, aber die betreffenden Personen bis zu einer aktiven Entscheidung als polnische Staatsbürger und damit als Wehrpflichtige behandelt wurden. Im Umkehrschluss betrachtete das Ministerium das Fernbleiben vom Armeedienst als »Optieren gegen die polnische Zugehörigkeit«, das zum Verlassen des polnischen Staatsgebietes innerhalb von zwölf Monaten verpflichtete.144 Am 15. Juli 1920 verfügte der Staatsverteidigungsrat (Rada Obrony Państwa, ROP), der auf dem Höhepunkt des Polnisch-Sowjetischen Krieges legislative und exekutive Aufgaben bündelte, die Rekrutenaushebung im vormaligen Ostgalizien. Damit gerieten erstmals auch die nichtpolnischen Bevölkerungsgruppen großflächig ins Visier der Musterungsbehörden, obgleich sich die Rekrutierungspraxis aufgrund der unsicheren internationalen Rechtslage zunächst weiter auf die Polen konzentrierte.145 Die ROP bekräftigte aber in einer Verfügung vom 11. August 1920, dass Personen, die ihrer Militärdienstpflicht nicht nachkamen, die polnische Staatsbürgerschaft verlieren sollten.146 Weder ROP noch Kriegsministerium verließen dabei den Boden der Legalität, korrespondierten die getroffenen Regelungen doch mit den Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrags von 1919, in dem die Verweige141 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.44, L.15145/20, 208–215, hier 211. 142 Ebd., 209 f. 143 Ebd., 215. 144 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 77, Nachrichtenkommuniqué Nr. 1, 3. Januar 1920. 145 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 95; AAN, PRM, Rkt. 46, t. 1, 5. Sitzung der ROP, 15. Juli 1920. 146 Rozporządzenie Rady Obrony Państwa z dnia 11  sierpnia 1920  r. w przedmiocie utraty obywatelstwa Państwa Polskiego wskutek niespełnienia obowiązku służby wojskowej, in: Dz. U. Nr. 81 (1920), poz. 540.

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rung des Militärdienstes mit dem Ablegen der jeweiligen Staatsbürgerschaft gleichgesetzt wurde.147 Eine gewisse Inkonsequenz konnte man den polnischen Autoritäten dennoch vorwerfen, da sie fremden Staatsangehörigen, die sich als Kriegsfreiwillige oder Kontraktoffiziere verpflichteten, keineswegs den Erwerb der polnischen Staatsbürgerschaft garantierten, auch wenn dies eigentlich rechtlich fixiert war.148 Im Umkehrschluss war aber auch immer wieder zu beobachten, dass die Musterungskommissionen etwa in Galizien jüdischen Freiwilligen die Aufnahme in die Armee verweigerten. Hinzu kam, dass ihnen eine besondere Zugehörigkeitserklärung zur polnischen Nation wie auch eine notariell beglaubigte Erlaubnis des Vaters beziehungsweise Vormunds abverlangt wurde. Erfüllten die Kandidaten diese Kriterien, erwartete sie eine weitere Diskriminierung. Anders als katholische Polen wurden sie nicht als regulär Eingezogene eingestuft, sondern als Freiwillige. Dies hatte zur Folge, dass sie als Studenten keine Möglichkeit hatten, ihren Dienstantritt auf das Semesterende zu verschieben.149 Die auf dem Prinzip der Staatsbürgerschaft fußende Wehrpflicht beeinflusste auch die von der Armeeführung herausgegebenen Handreichungen an die Soldaten. Die Schrift An den polnischen Soldaten von 1918 beginnt mit keinem Weckruf an nationale Gefühle, sondern zitiert eine Passage aus ­Caesars De bello Gallico: »Er [Caesar] verlange vom Soldaten nicht bloß Tapferkeit und Heldenmut, sondern auch Gehorsam und Unterwerfung.«150 Erst danach ordnet der Autor die gegenwärtigen polnischen Soldaten in eine historische Kontinuität ein, die von der Adelsrepublik über die Aufstände in die Gegenwart reichte. Der Appell an das Polentum der Soldaten bleibt zurückhaltend und enthält keine ethnischen oder konfessionellen Zuschreibungen.151 Eine weitere Broschüre erschien 1919, das Büchlein des polnischen Soldaten, dessen Autor Zdzisław Dębicki ein ausgewiesener Anhänger der 147 Vertrag zwischen den Alliierten und Assoziierten Hauptmächten und Polen, abgeschlossen zu Versailles am 28. Juni 1919, in: Das Recht der Minderheiten, 65–71. 148 Rozporządzenie Rady Obrony Państwa z dnia 19-go lipca 1920 w sprawie zaciągu cu­ dzoziemców do Armji Ochotniczej, in: Dz. U. Nr. 63 (1920), poz. 414; AAN, KCNP, sygn. 152, 38. Diese Praxis wurde auch im Falle der georgischen und aserbaidschanischen Kontraktoffiziere beibehalten. APL, UWL-WSP, sygn. 1486, 140–144, 20. Im Gesetz über die Staatsbürgerschaft wurde die Ableistung des Militärdienstes als eine Möglichkeit zum Erwerb der Staatsbürgerschaft festgeschrieben (Art. 4), wie auch der Dienst in einer fremden Armee mit dem Erlöschen der polnischen Staatsbürgerschaft einherging (Art.  11). Das Kriegsministerium erhielt hier entscheidende Mitspracherechte und konnte auch die Ausbürgerung von Militärdienstpflichtigen untersagen (Art. 11). Ustawa z dnia 20 stycznia 1920 r. o obywatelstwie Państwa Polskiego, in: Dz. U. Nr. 11 (1920), poz. 44. Zur Praxis im Militär CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.17, 8 f.; Oficerowie kontraktowi a obywatelstwo polskie, Polska Zbrojna (nachfolgend PZ), 23. Oktober 1926, 1. 149 Hirszhorn, Żydzi a wojskowość w Galicji Wschodniej, in: Nasz Kurjer, 26. Februar 1920, 4. 150 Do żołnierza polskiego, 1. Vgl. Caesar, De bello Gallico, 7, 52, 4. 151 Do żołnierza polskiego, bes. 2 f.

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Nationaldemokratie war.152 Zwar gibt er dem Leser Textausschnitte des jesuitischen Predigers Piotr Skarga (1536–1612) an die Hand, in denen dem Ideal des Christen als wehrhafter Soldat gehuldigt wird, doch enthält sich auch Dębicki einer klaren ethno-konfessionellen Kategorisierung seiner Adressaten. Auch in dieser Broschüre nehmen die historische Verortung des polnischen Soldatentums und ein Appell an die Einheit der drei Teilungsgebiete eine gewichtige Stellung ein.153 Die vorsichtigen Formulierungen beider Publikationen zeigen, auf welch unsicherem Terrain sich die Gründer des polnischen Nationalstaates bewegten. Sie konnten sich selbst des Wohlwollens der polnischsprachigen Bevölkerung nicht völlig sicher sein. Beispielsweise weigerte sich im Juni 1920 ein gesamtes Bataillon aus Schlesiern und Großpolen, an die Front zu gehen. Ein Teil von ihnen hätte es vorgezogen, im deutsch-polnischen Konflikt um Schlesien eingesetzt zu werden. Andere bekannten sich plötzlich zum Deutschtum und wollten nicht länger für Polen kämpfen.154 Die Untrennbarkeit von Armeedienstpflicht und Staatsbürgerschaft erfuhren auch etwa dreißig angeklagte oberschlesische Angehörige eines Schützenregiments, das zuvor Teil der Haller-Armee gewesen war. Die erwähnten Soldaten versuchten laut Anklage, die Gewährung eines Urlaubs zur Teilnahme an der Abstimmung über den Verbleib Oberschlesiens durch Befehlsverweigerung zu erzwingen. Als einer der Angeklagten argumentierte, als Oberschlesier seien sie ausländische Staatsbürger, stieß er, zumal die staatliche Zugehörigkeit ihres Herkunftsgebietes noch nicht entschieden war, beim Richter auf wenig Verständnis. In seinem Urteil ist zu lesen, dass sie mit ihrer Aufnahme in die polnische Armee – vereidigt oder nicht – zu polnischen Staatsbürgern geworden seien. Das Strafmaß erreichte bei einigen Angeklagten bis zu 18 Monate.155 Die gezeigten vielfältigen und vielschichtigen Bruchstellen und Aushandlungsprozesse bilden Kontext und Hintergrund der jüdischen Teilhabe am Formierungsprozess der polnischen Armee. Es wurde bereits deutlich, dass die Ende des 18. Jahrhunderts begründete Tradition der Beteiligung eines bestimmten Teils der Juden an nationalen militärischen Unternehmen ihre Fortsetzung auch in der paramilitärischen Bewegung in Galizien fand. Gleichwohl sollte weiterhin im Blick behalten werden, dass die jeweiligen Protagonisten nur eine kleine Gruppe innerhalb der jüdischen Bevölkerung darstellten. Das schmälert keineswegs die Wirkungsgeschichte ihrer Lebens152 Dębicki, Książeczka żołnierza polskiego. 153 Ebd., bes. 12–16. An dieser Stelle wären auch die Publikationen von Antoni Anusz zu analysieren, einem Politiker des PSL-Wyzwolenie, zeitweiligem Vorsitzenden des parlamentarischen Militärausschusses und einem der wichtigsten Autoren des Piłsudski-Kults. Vor allem ders., Armja, naród i wódz. 154 AAN, IW, sygn. 296/III–46, 9 f., Politischer Lagebericht, 29. Juni 1920. 155 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.76.149, Bunt żołnierzy Baonu Zapasowego 52pp Strzelców.

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entscheidungen, zumal ihr Tun viel breiter rezipiert und unterstützt wurde, als dies heute scheinen mag. Im Falle der Polnischen Legionen ist die Teilnahme von 648 Soldaten jüdischer Herkunft belegt, die wie etwa der Mathematiker Hugo Steinhaus häufig, aber keineswegs immer Verfechter der Akkulturation waren. Neuere Forschungen zeigen sogar, dass diese in der Minderzahl waren und die übrigen jüdischen Legionäre – meist Angehörige der Mittel- und Bildungsschichten  – unterschiedlichsten politischen Überzeugungen anhingen.156 Ihre vielfältigen Beweggründe für den Eintritt in die Legionen lassen sich heute im Einzelnen oft nicht mehr rekonstruieren. Vermutlich spielten auch Abenteuerlust und die Auflehnung gegen das tradi­ tionelle familiäre Umfeld eine Rolle. Tendenziell kann man aber davon ausgehen, dass die gefühlte Zugehörigkeit zur polnischen Nation, das daraus erwachsene Pflichtgefühl, die Ablehnung der politischen Wirklichkeit unter den Teilungsmächten sowie die Hoffnung auf eine endgültige Anerkennung der Juden als gleichwertige Repräsentanten der polnischen Nation keine geringe Rolle spielten. Welch enorme Symbolik der Teilnahme von Juden am polnischen Unabhängigkeitskampf innewohnte, zeigen die Worte des Lemberger Rabbiners Guttmann bei der Beisetzung des gefallenen Legionärs Józef Blauer-Kratowicz im Jahr 1915: »Das frische Grab, in dem seine Gebeine ruhen – so glauben wir unerschütterlich – wird den kommenden Generationen ›Denkmal und Zeuge‹ dafür sein, dass die Söhne Israels gläubige Söhne ihres Heimatlandes sind und dass sie ihr Leben und Blut dieser Erde opfern, die ihnen zum zweiten und teuren Vaterland erwachsen ist.«157

Herman Feldstein (Felsztyn), der in Lemberg als Verfechter einer konsequenten Polonisierung der Juden auftrat, verlor seinen Sohn bei der Verteidigung der Stadt. Später unterstrich er, dass sich dieser niemals ohne »das volle Bewußtsein, daß das freie Polen allen seinen Söhnen, auch den von Geburt Enterbten, ein gleich fürsorgliches Vaterland sein wird«, von Beginn an den Legionen zur Verfügung gestellt hätte.158 In entsprechendem Duktus waren auch die Aufrufe an die jüdischen jungen Männer gehalten, sich für den Eintritt in die Legionen zu entscheiden. Der Zeitzeuge und spätere Soziologe Aleksander Hertz sah hier Akkulturationsprozesse am Werk. Seiner Überzeugung nach übernahmen die »sich assimilierenden Juden« Ethos und Wer156 Gałęzowski, Na wzór Berka Joselewicza, 41–44. Es gab in den Legionen 58 jüdische Offiziere, die zur Hälfte aus der österreichischen Armee stammten, zur anderen Hälfte aus der polnischen Unabhängigkeitsbewegung (45 f.). Auch in der POW waren einige Juden vertreten (62–64). Die Zahl der bis 1918 gefallenen jüdischen Legionäre liegt bei 65 (57–62). 157 Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 87. 158 Feldstein, Polen und Juden. Zur Biografie Feldsteins Kipa, Art. »Feldstein-Felsztyn Władysław Herman«, in: PSB, Bd. 6, 405.

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teverständnis ihrer Umgebungsgesellschaft, der sie sich zugehörig fühlten. Damit, so Hertz, waren ihre Beweggründe, sich zu den Legionen zu melden, weniger rationaler als emotionaler Natur und damit deckungsgleich mit den Motiven ihrer nichtjüdischen Kameraden.159 Es waren aber nicht nur jüdische Hoffnungen, die zu dieser Entwicklung beitrugen. Auch auf polnischer Seite gab es durchaus den Wunsch nach Unterstützung der eigenen nationalen Sache durch die Juden. Ein vermutlich in der Propaganda-Abteilung des NKN entstandener Aufruf an die kongresspolnischen Juden vom März 1915 offerierte eine Zukunftserwartung von Freiheit, Bürgerrechten und Gleichberechtigung, die sich für die Juden mit einem souveränen polnischen Staat verbinden sollte: »Denkt daran, dass Polen jenen gehören wird, die für es kämpfen werden. […] Tretet in die Fußstapfen Berek Joselewicz’! An die Waffen! Für die Freiheit Polens! Für die Freiheit aller seiner Bürger! An die Waffen! In die polnischen Reihen!«160 Die Aufnahmebereitschaft der Polnischen Legionen jüdischen Freiwilligen gegenüber war einer der Gründe dafür, dass die Nationaldemokraten die Legionen als jüdisch unterwandert zu diskreditieren versuchten.161 Wenig verwunderlich schlugen die Väter der Blauen Armee einen anderen Weg ein. Roman Dmowski, der den Aufbau dieser Kampfformation zu einem guten Teil als sein persönliches Verdienst betrachtete, berichtete, dass er jeden Offizier vor seiner Aufnahme in die Armee persönlich befragt und dabei darauf geachtet habe, »Elemente, die ich als schädlich betrachtete, zu entfernen«.162 Den Anführer der Nationaldemokratie beunruhigte die Vorstellung, dass in einer nationalen Armee auch Nichtpolen Unterschlupf finden mochten, zutiefst. Dmowski war nicht nur überzeugt, dass Juden keine legitimen Angehörigen der polnischen Nation und somit auch polnischer Streitkräfte sein konnten. Er brachte noch weitere antisemitische Argumentationsmuster ins Spiel, wenn er beispielsweise Juden für die Verbreitung demoralisierender Ideen verantwortlich machte. Besonders jüdische Armeeangehörige mit russländischem Hintergrund, die von den französischen Behörden oft als Übersetzer eingesetzt wurden, verdächtigte er bolschewistischer Propaganda: »Am schwierigsten war die Entfernung der Juden aus der Armee, in die sie als Polen gekommen waren, aber oft nichts mit Polen gemein hatten. Vor ihnen fürchtete ich mich am meisten, erinnerte ich mich doch an die zersetzende Propaganda der [jüdischen] Dolmetscher in den russischen Militäreinheiten in Frankreich.«163 159 Hertz, The Jews in Polish Culture, 241. 160 Zit. nach Gałęzowski, Na wzór Berka Joselewicza, 40. 161 Żydzi podczas wojny, 8–10; X. A. R., Żydzi w Polsce, 33–37. 162 X. A. R., Żydzi w Polsce, 33–37. 163 Dmowski, Polityka polska i odbudowanie państwa, 292. Dmowskis Vorgehen provozierte auf französischer Seite Gegenreaktionen. Vgl. auch Sobczak, Stosunek Narodowej Demokracji do kwestii żydowskiej w latach 1914–1919, 122 f.

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Dass Dmowski mit seiner Ablehnung der Juden nicht allein stand – auch die französische Seite forderte den polnischen Offizierskandidaten eine Deklaration ihrer nationalen und konfessionellen Zugehörigkeit ab164 – beschrieb er selbst in seiner Schilderung des Verhaltens angeworbener preußisch-polnischer Soldaten: »Während ich den Juden, die man unbedacht in die Reihen [der Armee] aufgenommen hatte, mit Argwohn begegnete und mich bemühte, sie schrittweise zu entfernen, lehnten sich meine Posener Freunde offen gegen ihre Anwesenheit auf und wendeten Gewalt an, um sie umgehend zu vertreiben. Sie wussten aus dem Leben in ihrem Teilungsgebiet, dass ausnahmslos alle Juden mit den Deutschen und gegen die Polen zogen und schlussfolgerten logisch daraus, dass der Jude in den polnischen Reihen nur ein Spion oder Verräter sein konnte.«165

Auch andere Zeitgenossen zeichneten später ein negatives Bild von den jüdischen Soldaten in der Blauen Armee. In einer Situation, als sich die meisten Soldaten dieser Armee als Avantgarde der künftigen nationalen Streitmacht Polens verstanden, wurden ihre wenigen jüdischen Kameraden zur Projektionsfläche antisemitischer Stereotype. Neben dem ab 1917 virulenten Motiv der »żydokomuna«, der imaginierten Einheit von Judentum und Kommunismus, waren dies vor allem Vorbehalte gegen den Kampfeswillen und die Tauglichkeit von Juden in der Armee. Selbst nach Jahrzehnten noch schrieb ein Zeitzeuge über die jüdischen Blauen Soldaten: »Ein böser Geist war in den Kasernen natürlich die Führungsgruppe junger Juden. Sie bildeten eine eigene Clique und vermieden den Kontakt zu den Polen. Sie herrschten in der Intendantur und den Büros, sie befehligten den Wachdienst und lenkten das Leben in den Kasernen, obwohl ihr Jargonwortschatz lächerlich war und die polnischen Ohren oft quälte.«166

All diese Inklusions- und Exklusionsphänomene brachen nach 1918 nicht ab. So setzten, ohne dass dies heute mit belastbaren Zahlen quantifiziert werden könnte, viele Juden ihren Armeedienst fort. Dies betraf vor allem Legionäre, aber auch Mitglieder der k. u. k. Armee.167 Vor allem in Galizien engagierten sich jüdische Soldaten im Herbst 1918 in den Soldatenräten oder nahmen als Mitglieder der POW, von Stadträten, Stadtmilizen, Bürgerwehren oder Verwaltungsorganen an der Entwaffnung der deutschen und österreichischen Truppen teil.168 Das Misstrauen der Umgebung erregten 164 Sobczak, Stosunek Narodowej Demokracji do kwestii żydowskiej w Polsce w latach ­1918–1939, 123. 165 Ebd., 296. 166 Trawiński, Odyseja Polskiej Armii Błękitnej, 179, vgl. auch 184 und 219. 167 Vgl. die Biogramme in Gałęzowski, Na wzór Berka Joselewicza, passim. 168 K. Zieliński, Od bojkotu do pogromu, 213 f.

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Juden, wenn sie eigene Pfadfinderorganisationen gründeten oder bewaffnete Bürgerwehren aufstellten.169 Es ist anzunehmen, dass diese bewaffneten Einheiten, die unter anderem im November 1918 in Krakau in Absprache mit den dortigen Behörden kurzzeitig als jüdischer Selbstschutz entstanden, der Nährboden für die langlebigen Gerüchte waren, jüdische bewaffnete Banden oder Guerillatrupps würden auf polnischem Territorium als Verbündete Russlands oder der Ukrainer operieren.170 Bis hier wurden vor allem Fälle besprochen, in denen Juden zum Militärdienst gezwungen oder von ihm ausgeschlossen worden waren. Dabei sollte nicht ausgeblendet werden, dass sich viele Uniform tragende Juden ab 1914 in einem Loyalitätskonflikt befanden, der sich durch den Nationalisierungsanspruch und die Treueforderungen der entstehenden polnischen Armee nur verschob. Das Dilemma bestand darin, das das transnationale kollektive Zugehörigkeitsgefühl vieler Juden nicht mit den nationalen oder imperialen Loyalitätserwartungen der verschiedenen Streitkräfte vereinbar war. Juden befanden sich folglich in einer Art Bruderkrieg, kämpften doch in den Reihen aller kriegführenden Staaten auch jüdische Soldaten.171 Dieser Loyalitätskonflikt war zwar eine konstitutive, aber keineswegs genuin jüdische Weltkriegserfahrung. Auch andere ethnische Gruppen, deren Siedlungsgebiete sich auf mehrere Staaten verteilten, mussten davon ausgehen, dass sich ihre Angehörigen auf verschiedenen Seiten der Fronten gegenseitig töteten. Der Lemberger Autor Adam Krechowiecki schilderte im Jahr 1916 diese auch für die polnische Mentalität prägende Gefühlslage in seiner Erzählung Nr. 44 über einen polnisch-russischen Soldaten, der an der Vorstellung verzweifelt, dass er seinen Bruder, einen Legionär, erschossen haben könnte.172 Die ostmitteleuropäischen Staatsbildungen nach 1918 sollten diese Loya­ litätskonflikte im Sinne der Titularnationen lösen. Sie schufen damit aber letztlich nur neue Integrationsprobleme für die übrigen Bevölkerungsteile. In gleicher Weise davon betroffen waren auch Menschen, die sich – sei es durch Zufall, Zwang oder aus eigenem Willen – plötzlich auf der »falschen« Seite einer Grenze oder in einer »falschen« Armee befanden.173 Die Tragik zahlreicher Einzelschicksale verdeutlicht der Fall des Izaak Kotlar aus Lodz, dem 169 Ebd., 214. 170 Brzoza, Próby utworzenia żydowskiej organizacji paramilitarnej w Krakowie w 1918  r., 303–310; Przeniosło, Żandarmeria w Galicji Zachodniej w początkach niepodległości (1918–1919), 110. 171 Für den französischen und deutschen Fall vgl. Krüger, Kriege und Integration. 172 Krechowiecki, Nr. 44. 173 Vgl. beispielsweise den Fall eines katholischen Unteroffiziers aus Korzenica im Karpatenvorland, der nach Angaben seines griechisch-katholischen Vaters in die ukrainische Armee gezwungen wurde und in polnische Kriegsgefangenschaft geriet. Sein Bruder diente zu dieser Zeit als Pole im polnischen Heer. AAN, KCNP, sygn. 297, 41 f.

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die Polizei – nachdem er als russischer Staatsbürger nach langem Bemühen die polnische Armee verlassen durfte – das Aufenthaltsrecht verweigerte, da er kein Entlassungsdokument der Armee vorweisen konnte. Nach wenigen Tagen wurde er erneut eingezogen bis zum Termin, an dem er einen glaubhaften Nachweis der russischen Staatsbürgerschaft erbringen könne. Als er die lokalen Militärbehörden davon überzeugt hatte, dass es in Polen mitten im Krieg kein russisches Konsulat gab, das das geforderte Dokument ausstellen konnte, wurde ihm eine schnelle Entlassung zugesichert. Bevor ihn die amtliche Bestätigung tatsächlich erreichte, fand er sich aber bereits an der Front wieder, wo er ums Leben kam.174 Diese voranschreitende Nationalisierung des Gemeinwesens, begleitet vom wachsenden Gefühl der Unsicherheit und Gefährdung angesichts steigender antisemitischer Gewalt, brachte die Juden Polens in eine Lage, in der sie sich mit den Worten Aleksander Hertz’ im Jahr 1918 als native foreigners im eigenen Land wiederfanden.175 Das rückschauende, von eigenem Erleben diktierte harte Urteil des bekannten Soziologen sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass zu diesem Zeitpunkt unter der katholischen Bevölkerung weder der Nationalstaatsgedanke noch die Vorstellung einer Nationalarmee endgültig durchgesetzt waren. Im Januar 1919 erhielt beispielsweise der Generalstab Berichte aus dem Generalbezirk Kielce, wo Vertreter des Klerus gegen die Armee agitierten. Das Militär werde nicht nur von Juden finanziert und ausgestattet, man argwöhnte zudem, Piłsudski sei auf Betreiben der Deutschen freigelassen worden, um in Polen ein jüdisch-bolschewistisches Regime zu etablieren.176 An vielen Orten sprachen sich kommunistische Agitatoren öffentlich gegen die Armee aus und auch die Bauern empfanden das Militär nicht selten als Institution von Bürgertum und Großgrundbesitzern.177 In den meisten Fällen übte der Militärdienst  – ganz wie bei der christlichen Landbevölkerung  – keine große Anziehungskraft auf jüdische junge Männer aus. Wie noch gezeigt wird, wurde dies besonders anhand der hohen Anzahl jüdischer Stellungsflüchtlinge sichtbar. Gelassene Stimmen wie die Leitung des Generalbezirks Kielce bezeichneten dieses Phänomen als aus der Teilungszeit tradierte Gewohnheit und verwiesen auf die im Ganzen be-

174 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, Herman Kotlar an Dr. Rozenblat, 21. Juni 1920. Die Rekrutierungsabteilung (Sekcja Poborowa) des Kriegsministeriums empfahl aufgrund des Briefes von Herman Kotlar, Bruder des Betroffenen, diesen als Staatsfeind zu internieren. Ebd., L.1607/20, 29. Juli 1920. Vom Fall Izaak Kotlar berichtete die Warschauer Zeitung Der Jud. AAN, IW, 296/I–17, 25, Bericht über die jüdische Presse Nr. 33, 4.–7. Juli 1920. 175 Hertz, The Jews in Polish Culture, 170. Der Begriff native foreigner war eine ursprünglich im britischen Kolonialreich verwendete Bezeichnung. 176 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 18.  177 Ebd., 76 f. und 145.

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achtliche Zahl jüdischer Soldaten.178 Die meisten Behörden machten diese Verweigerungshaltung für die Verbreitung antisemitischer Einstellungen bei der Bevölkerung mitverantwortlich.179 Die Lage wurde für Juden umso unübersichtlicher, je mehr sie mit immer neuen und konträren Erwartungshaltungen konfrontiert wurden. So ist die Einberufung von Männern belegt, die qua Gesetz nicht wehrpflichtig waren. Der 35-jährige Efraim Cukier aus Jabłonna etwa wurde auf diese Weise im Sommer 1920 trotz seines Alters zum Armeedienst eingezogen und erst auf Intervention des Jüdischen Abgeordnetenkreises entlassen.180 Auch jüdische Schüler polnischer Gymnasien gerieten mitunter unter beträchtlichen Druck, sich gemeinsam mit ihren christlichen Klassenkameraden als Freiwillige zu melden. In einem Brief des Schülers Gawril Osterweil aus Tarnów, den er im Juli 1920 in polnischer Sprache an seinen Bruder Feiwel Schinagel in Tel Aviv schrieb, wird dieses Dilemma deutlich. In seiner Schule wurde beschlossen, dass sich alle Schüler als Kriegsfreiwillige melden sollten. Diejenigen, die sich dem entzogen, sollten später nicht wieder in der Schule Aufnahme finden. Da sich keiner der jüdischen Kameraden freiwillig gemeldet hatte, wollte auch Osterweil dies nicht tun und beabsichtigte, sollte ihm die Rückkehr an die Schule verwehrt werden, sich als Handwerker durchzuschlagen und spätestens in einem Jahr nach Palästina zu folgen.181 Die Entscheidung gegen die polnische Armee war für Gawril Osterweils Generation, die sich noch nicht mit Polen zu identifizieren vermochte, nicht unüblich. Desertionen und das Fernbleiben von der Musterung waren unter Juden relativ stark verbreitet. Offensichtlich wurden hier über die gesamte Teilungszeit eingeübte Strategien und Verhaltensmuster zur Umgehung des Militärdienstes abgerufen, die bereits im 19. Jahrhundert für Unmut bei der christlichen Bevölkerung gesorgt hatten. Regierungsangaben zufolge flüchteten nach der Einberufung der ersten Rekrutenjahrgänge Anfang 1919 allein nach Kattowitz, Breslau und Danzig angeblich 28 000 jüdische Wehrpflichtige.182 Allerdings befanden sie sich hier keineswegs in Sicherheit. Der aus Tuchów bei Tarnów stammende Alexander Maks, in den militärischen Unterlagen als Jude verzeichnet, wurde im August von den Kattowitzer Behörden gemeinsam mit vielen anderen an Polen ausgeliefert. In einem in deutscher Sprache verfassten Brief an seinen Vater Herman machte er deutlich, dass er sich bereits in das Schicksal eines mehrjährigen Militärdiensts in 178 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 19, Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919. 179 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 114. 180 CAW, Gab.  MSWojsk, sygn.  I.300.1.50, Liczb.  5591, Fall Chuna Lewin und Marja Floc­ ksztrumpf, 10. September 1920. 181 CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.39, 114, Gawril Osterweil an Feiwel Schinagel, 20. Juli 1920. 182 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 247.

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Polen gefügt hatte: »Ich weiss nicht ob ich werde mich nicht müssen melden zu der polnischen Armee. Denn nach Deutschland werde ich nicht fahren dort ist kein Arbeit fuer Ausländer da zweitens ich will mich schon nicht so lange verstecken den ich weiss genau dass ich werde müssen meine paar Jahre ausdienen.«183 Die Nachrichten über die Grenzübertritte wehrpflichtiger Juden gaben auf polnischer Seite Spekulationen über deren dortige Ausbildung zu bolschewistischen Agitatoren ständig neuen Nährboden. In Wirklichkeit warben lediglich Teile des sozialistischen Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes (Bund) für eine Verweigerung des Armeedienstes.184 Schon im März 1919 trafen Berichte aus dem Korpsbezirkskommando Lodz im Kriegsministerium ein, welche die »ablehnende Haltung der Deutschen und Juden zum polnischen Staat, die ihren Ausdruck im widerwilligen Erscheinen zu Musterung findet«, beklagen.185 Viele junge Männer simulierten Krankheiten. Es entstanden Netzwerke, die Musterungsärzte dafür bezahlten, Juden vom Armeedienst zurückzustellen. Die Rückstellung von Rabbinerkandidaten vom Militärdienst bot für Dienstunwillige ebenfalls ein »Feld weitverbreiteten Missbrauchs«.186 In der Nacht vom 26. zum 27. Oktober 1919 verhafteten die Behörden in Warschau 36 jüdische Kriegsdienstverweigerer, während im Vorort Młociny eine Fälscherwerkstatt für Geburtsurkunden ausgehoben wurde.187 Im Teschener Gebiet hielten sich viele Juden aus dem ganzen Land auf, da hier die Aushebung zeitweilig ausgesetzt wurde. Von hier aus versuchten sie, über die Grenze in die Tschechoslowakei, nach Österreich oder Deutschland zu gelangen. Entscheidend war aber vielmehr, dass die Abneigung vieler Juden gegen die Armee nur einen Teil des allgemeinen Akzeptanzproblems des polnischen Heeres bildete. Betrachtet man die anderen Nationalitäten, so sind auch hier höchst unterschiedliche, ja teils gegenläufige Verhaltensmuster nachweisbar. Unter den Deutschen etwa gab es sowohl loyale Staatsbürger (besonders im ehemaligen Kongresspolen) als auch erklärte Feinde der polnischen Sache.188

183 CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.39, 319. 184 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 247. 185 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 19, Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919. 186 Ebd., 44; AAN, PRM, Rkt. 49, t. 2, 3v, Politischer Lagebericht Nr. 27, 18. September 1919. 187 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 2, 3v, Politischer Lagebericht Nr. 27, 18. September 1919, 8, Politischer Lagebericht Nr. 45, 1. November 1919. Der liberaldemokratische Przegląd Wieczorny berichtete im April und Juni 1920 von zwei weiteren Fällen. AAN, IW, sygn. 296/I-15, 138 f., Bericht über die Abendpresse Nr. 154 und 269, 2. April und 17. Juni 1920. 188 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 250. Im Fall der Deutschen spielten auch die stille Blockade des polnischen Zugangs zur Ostsee durch die Reichsregierung und die Danziger Werftarbeiter sowie der Ausbruch des 2. Schlesischen Aufstands eine Rolle. Ebd., 272 f.

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In Lodz blieben im Frühjahr 1919 vor allem Deutsche ihrer Musterung fern und versuchten, ins Reich zu entkommen. Zeitgleich vermeldete das Korpsbezirkskommando Krakau, die in seinem Zuständigkeitsbereich ansässigen Deutschen würden eine neutrale Position den polnischen Streitkräften gegenüber einnehmen, und berichtete von den ergebnislosen Bemühungen deutscher Berufsoffiziere, im polnischen Heer unterzukommen.189 Ähnlich ambivalent scheint das Verhalten der ostslawischen Bevölkerung während des Vorrückens der Roten Armee gewesen zu sein. Während die orthodoxe Geistlichkeit dem Einmarsch der Bolschewiki mit Furcht entgegensah, erwarteten ihre Gemeindeglieder diese häufig mit Ungeduld, drückten sich vor der Einberufung in die polnische Armee oder desertierten aus deren Reihen.190 Auch unter der Landbevölkerung war der Anteil an Deserteuren und Dienstverweigerern hoch. Gerade in den Grenzgebieten zu Deutschland waren zahlreiche Grenzübertritte von Deserteuren zu verzeichnen, etwa nach Ostpreußen mit seiner polnischsprachigen masurischen Bevölkerung. 191 Im März 1919 desertierten im Lodzer Korpsbezirk von 36 765 Soldaten 474, davon waren 357 katholischen, 37 evangelischen und 80 jüdischen Bekenntnisses.192 Im gleichen Zeitraum berichtete das Korpsbezirkskommando Lublin, dass aufgrund der Tätigkeit von Agita­toren allein in zehn Landgemeinden kein einziger Rekrut zur Musterung antrat. In weiten Teilen des Lubliner Bezirks erschien nur die Hälfte, im Kreis Rzeszów zeigten sich nur 6 000 von 17 500 registrierten Wehrpflichtigen in den Kasernen; die betroffenen Juden hatten zu großen Teilen das Gebiet verlassen.193 Es kam auch vor, dass Juden von den Musterungsbehörden wegen »Betrügerei« bestraft wurden.194 Am 8. Juli 1920 wurden in Warschau jüdische Deserteure und flüchtige Dienstpflichtige von der Gendarmerie und Ordnungspolizei aufgegriffen und gemeinsam mit einigen Tausend Personen im wehrfähigen Alter überprüft.195 189 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 1–51, Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919, hier 2 f. und 41. 190 Ebd., 5; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 256–264. 191 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 62 f. 192 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 175, Nachrichtenkommuniqué Nr. 23, 24. April 1920. 338 Flüchtige konnten nicht gefasst werden. 41 Soldaten kehrten freiwillig zurück, 14 hatten sich eigenmächtig anderen Einheiten angeschlossen, 81 wurden von der Gendarmerie aufgegriffen. 193 AAN, PRM, Rkt.  49, t.  1, 52 f., 54–56 und 57, Politische Lageberichte vom 6., 7. und 24. März 1919. Auch aus Białystok gibt es die Nachricht, dass sich am 25. Oktober keiner der 185 einbestellten Rekruten meldete, was als »Resultat der kommunistischen Agitation, die sogar die Christen erreichte«, gewertet wurde. AAN, PRM, Rkt. 49, t. 2, 8, Politischer Lagebericht Nr. 45, 1. November 1919. Vgl. auch die Nachrichten über die Grenzübertritte jüdischer Wehrpflichtiger in Oświęcim. CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.64, 157 f. 194 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 168–70, hier 70v, Politischer Lagebericht, 30. März 1919. 195 AAN, IW, sygn. 296/I–17, 40, Bericht über die jüdische Presse Nr. 33, 8.–11. Juli 1920.

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Die Schwierigkeiten bei den Musterungen scheinen bei einzelnen Kommandanten die für Offiziere allerorten charakteristische Neigung bestärkt zu haben, erkrankte Soldaten als vermeintliche Drückeberger besonders hart zu behandeln. Dies lässt zumindest der Fall der Rekonvaleszenten-Kompanie des 21. Infanterieregiments in der Warschauer Zitadelle vermuten. Wie zwei betroffene Juden im September 1919 aussagten, verrichteten in dieser Kompanie rund 200 Juden und 100 Christen schwere Erd- und Straßenarbeiten und erhielten dafür den Lohn von einer Mark täglich. Auf Anfrage des Jüdischen Abgeordnetenkreises teilte das Kriegsministerium mit, es habe sich lediglich um 58 Juden gehandelt, von denen mittlerweile 36 als untauglich ausgemustert worden seien und auf ihre Entlassung warteten. Zudem seien die Rekonvaleszenten lediglich zum Kartoffelschälen und Kehren der Kaserne eingesetzt worden. Ein Lohn sei ihnen nicht ausgezahlt worden, lediglich der ihnen zustehende Sold.196 Ganz gleich, ob hier eine antijüdische Maßnahme vorlag oder nicht, offensichtlich wird an diesem Beispiel die im Militär verbreitete Abneigung gegen jede Form mutmaßlicher Drückebergerei. Die zahlreichen in der Presse verbreiteten Nachrichten über Desertionen von Juden bestätigte die landläufige Meinung über deren Untreue und militärische Nutzlosigkeit. Dabei wurde übersehen, dass nicht jedem Fall von Desertion oder Stellungsflucht eine gegen den polnischen Staat gerichtete Haltung oder politische Überlegungen zugrunde liegen mussten. Der aus der Teilungszeit tradierte schlechte Ruf des Militärdienstes, die Furcht vor Repression innerhalb der Armee, die Kriegsmüdigkeit nach dem Weltkrieg – all das waren plausible Gründe für das Fernbleiben vom Militär. Ein Zusammenhang zwischen der Stellungsflucht und tradierten Verhaltensmustern wurde bereits in einem Bericht des Oberkommandos der Armee vom März 1919 hergestellt.197 Im gleichen Dokument wird aber auch deutlich, dass in einigen Gegenden Musterungen reibungslos verliefen und Juden mancherorts sogar überproportional in den Einheiten vertreten waren.198 Zudem kann auf ähnlich hohe Raten bei Desertion und Stellungsflucht aufseiten der ethnischen Polen verwiesen werden, was besonders die Landbevölkerung betraf.

196 CAW, Gab.  MSWojsk, I.300.1.43, 530–534, Aussage von Ajgengold und Zylberminc, 13. September 1919. 197 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 19, Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919. 198 Ebd.

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2.3 Gewalt und Exklusion. Polens Militär auf dem Weg nach Jabłonna Die Debatte um die nationale Struktur und Funktion der Armee ebnete den Weg zur gezielten Exklusion von Personen, die nicht als Teil des nationalen Kollektivs betrachtet wurden, sowie zur Gewaltanwendung gegenüber anscheinend nichtpolnischen Zivilisten. Beide Phänomene begleiteten die Gründungsphase der polnischen Streitkräfte und bilden den unmittelbaren Kontext der Internierung jüdischer Soldaten in Jabłonna. Erste Informationen über vom Militär begangene Rechtsübertretungen und Gewaltanwendung gegenüber eigenen Zivilisten wurden durch die Recherchen jüdischer Abgeordneter des seit Februar 1919 tagenden Verfassungsgebenden Sejms bestätigt:199 Von den im Jahr 1920 gestellten 106 parlamentarischen Anfragen zu Missbrauchsfällen in den Streitkräften stammten allein 50 vom Jüdischen Abgeordnetenkreis.200 Hinzu kam, dass die Grenzkonflikte im Osten des Landes von starker militärischer Gewalt gegen die Zivilbevölkerung begleitet waren, wie zahlreiche Lageberichte der Armee illustrieren.201 Die Armee konnte als noch ungefestigte nationalstaatliche Institution den Übergriffen gegen Nichtpolen und andere vermeintliche Feinde wenig entgegensetzen. Der Dreiklang von nachholender Nationsbildung, ethnonationaler Exklusion und (nicht nur) daraus gespeister Gewalt begleitete die Streitkräfte bis zum Friedensschluss von Riga im März 1921. Die Ursachen dafür waren vielfältig und reichten vom Fehlen funktionierender armeeinterner und staatlicher Autoritäten, dem Mangel an Sanktionsmechanismen, der Heterogenität der Truppen bis hin zu materiellen, ethnischen und nationalistischen Motiven. Die kriegerischen Gründerjahre der Zweiten Republik wurden für die jüdisch-polnischen Beziehungen nicht zuletzt deswegen zur Belastungsprobe, weil nunmehr kein imperiales Herrschaftssystem die Konflikte zwischen beiden Gemeinschaften zu moderieren oder lokal einzudämmen vermochte. Der jüdisch-polnische Antagonismus der Vorkriegsjahre konnte sich nach 1914 ungehindert fortsetzen und nahm zunehmend gewaltsame Formen an.202

199 Ausführlich dokumentiert in Inwazja bolszewicka a Żydzi. 200 AAN, BS, sygn. 34, 11–14. Vgl. auch AAN, IW, sygn. 296/I–16, 8 f., Bericht über die jüdische Presse Nr. 25, 23.–30. April 1920. 201 Stellvertretend O Niepodległą i granice, Bd. 2, 76, 80, 89 und 572 f. In diesem Kontext sei auf die Gewalt paramilitärischer Verbände in Deutschland, Österreich und Ungarn nach 1918 verwiesen. Dazu die Überlegungen von Gerwarth, The Central European Counter-Revolution. Vgl. auch Wróbel, The Revival of Poland and Paramilitary Violence, 1918–1920; Böhler, Civil War in Central Europe, 1918–1921, 146–186. 202 K. Zieliński, Od bojkotu do pogromu, 225.

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Genährt wurde dieses Misstrauen – auch davon war bereits die Rede – durch die im Ersten Weltkrieg von den Besatzungsmächten beförderten Gerüchte über eine jüdische Kollaboration mit dem Feind.203 Dieses Erbe reichten die imperialen Weltkriegsheere an ihre ostmitteleuropäischen Nachfolgearmeen weiter. So ist noch Ende 1918 in einem Lagebericht des polnischen Generalstabs zu lesen, die Juden würden sich »dem deutschen und österreichischen Militarismus« andienen.204 Ein Jahr später berichtete das Kriegsministerium, Zionisten nutzten »die Bekanntschaft ihrer Kreise mit französischen Offizieren«, um diese mit Informationen »aus einem polenfeindlichen Blickwinkel« zu versorgen.205 Für die jüdische Bevölkerung der Kampfzonen hatte dies direkte Folgen. Sie befand sich zu einem großen Teil in einer exponierten Stellung, bildete sie doch in vielen ostpolnischen Kleinstädten die Mehrheitsbevölkerung. Als Händler und Ladenbesitzer wurden sie leicht zur Zielscheibe von Hungerrevolten und Anschuldigungen.206 Besonders in den Blickpunkt gerieten die Juden als Bevölkerungsgruppe zudem, weil die übrigen Nationalitäten sich wie die Deutschen entweder erst noch als Minderheit konstituierten, oder wie Belarusen, Ukrainer und Litauer nach der Etablierung eigener Staaten außerhalb der polnischen Grenzen strebten.207 Die Juden hingegen hatten weder ein klar umrissenes Siedlungsgebiet noch konkrete Vorstellungen über eine eigene Staatlichkeit, was für nicht wenige nichtjüdische Bürger schwer einzuordnen war. Auch auf der Mannschaftsebene war Judenfeindschaft oft anzutreffen. Ein militärischer Lagebericht machte im Oktober 1920, als sich die Situation an der Front und im Hinterland zu stabilisieren begann, den von der Presse befeuerten Antisemitismus gar als »charakteristischsten Charakterzug des Soldaten« aus.208 Die in den Jahren von 1918 bis 1920 häufig ausgeübte Gewalt gegen Juden, in den meisten Fällen unter der Beteiligung oder Federführung von Militärangehörigen, nahm im Wesentlichen drei Ausprägungen an, wie sie Peter Holquist analog für die russische Kriegsführung im ersten Jahr des Großen Krieges beschrieben hat: 1. Raubzüge und Plünderungen durchziehender Truppenteile, 2. Politik von Strafmaßnahmen mithilfe militärischer Praktiken und 3. Versuche, antisemitische Vorstellun203 Als prominentes Beispiel Jeske-Choiński, Historja Żydów w Polsce, 328–336. 204 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 18. Vgl. auch die Anschuldigungen über die Zusammenarbeit mit den Ukrainern. AAN, KCNP, sygn. 179, 3–6. Derlei Meinungen finden sich auch in der Publizistik wieder, so in Chołoniewski, My, Żydzi i kongres; Bujak, The Jewish Question in Poland; X. A. R., Żydzi w Polsce, 33–37. 205 AAN, PRM, Rkt.  49, t.  4, Ministerstwo Spraw Wojskowych, Komunikat informacyjny Nr. 51 z dnia 18 listopada 1919, 3.  206 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 85. 207 Tomaszewski, Polskie formacje zbrojne wobec Żydów 1918–1920, 107. 208 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 607.

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gen einzelner Frontkommandanten zu verwirklichen.209 In den polnischen Grenzkriegen kamen Gewaltformen zur Anwendung, die ebenso aus den großen Armeen des Ersten Weltkrieges bekannt sind, wobei mit dem heutigen Wissen ein Transfer von Verhaltensmustern nur vermutet werden kann. Die Methoden von Zwangsevakuation und -deportation sowie die Praxis der Internierung, wie sie beispielsweise in Jabłonna Anwendung fand, hatten besonders die russischen und österreichischen Militärbehörden angewendet. Kollektive Exekutionen waren wiederum ein Mittel, auf das etwa die deutsche Armee vielfach zurückgegriffen hatte; das Erpressen von Kontributionen und die spontane Gewalt bei Truppenbewegungen waren in der russischen Armee ausgeprägter.210 Die Gewalt der Truppen richtete sich aber nicht per se und nicht immer gezielt gegen die jüdischen Bewohner dieser Landstriche. Auch die christliche Zivilbevölkerung machte bittere Erfahrungen mit Requirierungen, Brandschatzung und zügellosen Gewaltakten.211 »Angesichts solcher Bedingungen«, resümierte ein Bericht des Korpsbezirkskommandos Lublin im Mai 1921, sei es »nicht verwunderlich, dass die Bevölkerung uns feindlich gesinnt ist.« In den östlichen Grenzgebieten, hieß es weiter, »ist man weder seines Lebens noch seiner Habe sicher – in den Kresy ist alles möglich«.212 Aber auch wenn die Gewalt alle ethnischen Gruppen traf, waren Juden aufgrund ihrer Religion, ihres Äußeren, ihrer sozioökonomischen Stellung und des Mangels an lokalen Fürsprechern der Willkür besonders ausgeliefert.213 Im Unterschied zu den ukrainischen Bauern verfügte die jüdische Bevölkerung jedoch über einen stärkeren Organisations- und Vernetzungsgrad und konnte so stärker auf nationaler wie internationaler Ebene auf ihr Schicksal aufmerksam machen.214 Als Beginn der Gewaltspirale lässt sich der Pogrom ausmachen, der sich zwischen dem 22. und 24. November 1918 nach der Einnahme Lembergs 209 Holquist, The Role of Personality in the First (1914–1915) Russian Occupation of Galicia and Bukovina, 54. 210 Ebd., 56. Holquist geht sogar so weit, anhand des Kriegsschicksals Galiziens einen russischen (unstrukturiert und weitverbreitet) und einen deutschen (zielgerichtet auf Tötung) Gewalttypus zu unterscheiden. Ebd., 57. Zu den Internierungslagern beispielsweise Hoffmann / Goll / Lesiak, Thalerhof 1914–1936. Ferner Leidinger / Moritz / Moser / Dornik, Habsburgs schmutziger Krieg. 211 Stellvertretend O Niepodległą i granice, Bd. 2, 572 f.. Vgl. auch ebd., 546 f. Ferner AAN, IW, sygn. 296/I–62, Nachrichtenkommuniqué Nr. 60, 4. Dezember 1919; ebd., sygn. 296/ I–64 passim; AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 53 f.; AAN, BS, sygn. 27, passim; CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.5, Ausschreitungen von Soldaten im Kreis Łowicz, 8. Juli 1919. 212 AAN, IW, sygn. 296/III–46, 111–113, Nationalitätenbericht des DOG Lublin, 4. Mai 1921, hier 113. 213 Tomaszewski, Polskie formacje zbrojne wobec Żydów 1918–1920, 108 f. Ein häufiges Delikt, das meist mit Juden in Verbindung gebracht wurde, war die Preistreiberei bei Lebensmitteln. O Niepodległą i granice, Bd. 2, 23.  214 Tomaszewski, Polskie formacje zbrojne wobec Żydów 1918–1920, 107.

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durch polnische Entsatztruppen zutrug.215 Plündernde, mordende und vergewaltigende Soldaten und ihre Komplizen versetzten die jüdische Stadtbevölkerung in diesen drei Tagen in Angst und Schrecken.216 Der Vorwurf lautete, die Juden hätten mit den Ukrainern gemeinsame Sache gemacht und damit Verrat an ihren polnischen Nachbarn begangen.217 Die Armeeführung hatte zwar weder einen Pogrom angeordnet noch – wie Gerüchte besagten – den Soldaten drei Tage Zeit zum Ausplündern der jüdischen Wohnviertel eingeräumt, doch unternahm sie nichts gegen die Eskalation. Und so waren am Ende auf jüdischer Seite neben einer großen Zahl Verletzter und enormen materiellen Schäden zwischen 72 und 150 Tote zu beklagen.218 Dass in einer ähnlichen Gemengelange der unkontrollierte Ausbruch ethnisch motivierter Gewalt durchaus zu verhindern gewesen war, zeigt das Beispiel der Stadt Przemyśl, wo ebenfalls im November 1918 das Einschreiten von Politikern und Militärs eine Eskalation verhindert hatte.219 Die »Verteidigung Lembergs« machte die Janusköpfigkeit des polnischen Nationalismus sichtbar, die sich besonders in der Staatsgründungsphase manifestierte, aufs Engste mit dem Militär verknüpft war und auch im Sommer von 1920 zutage trat. In einem kurzen historischen Moment der äußeren Bedrohung stellten die Polen eine brüchige innere Einheit her. Dies geschah auch über die Erklärung »nichtpolnischer« Gruppen zu Kollaborateuren und damit zu Feinden der eigenen Nation, was deren Einbindung in die nationale Gemeinschaft unmöglich machte. Viele verstanden den Pogrom als Vorgriff 215 Dabei wird vergessen, dass es bereits am 11. November 1918 in Kielce zum einzigen ­Pogrom dieser Zeit in Kongresspolen kam. Urbański, Kieleccy Żydzi, 79–81; K. Zieliński, Od bojkotu do pogromu, 215–218. 216 Die ausführlichste neuere Analyse des Pogroms und der nachfolgenden Wochen findet sich bei Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt, 232–282. Vgl. auch Prusin, Nationalizing a Borderland, 75–85; Hagen, The Moral Economy of Ethnic Violence; Różański, Pogrom lwowski 22 listopada 1918 roku w świetle zeznań Organizacji Syjonistycznej złożonych przed komisją Morgenthaua. 217 Im Fokus der Kritik stand unter anderem die jüdische Miliz, die aus Furcht vor polnischen Übergriffen gegründet worden war. Vgl. z. B. O Niepodległą i Granice, Bd. 2, 30. Im November 1919 kam es in Lemberg zum Prozess gegen jüdische Milizionäre, die im November 1918 mit Genehmigung der polnischen Armeebehörden auf den Straßen gegen Banditen vorgegangen waren. Ihnen wurde Kollaboration mit den Ukrainern vorgeworfen, da sie sich dabei mit einer weißen Fahne durch die Stadt bewegten. Polnischer Brief, in: Jüdische Rundschau, 7. November 1919, 613. 218 Die Angaben zu den Opferzahlen gehen bis heute weit auseinander. Vgl. dazu die Angaben bei Prusin, Nationalizing a Borderland, 85; Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt, 253 f.; Wehrhahn, Die Westukrainische Volksrepublik, 155; N. Davies, Ethnic Diversity in Twentieth-Century Poland; Zaporowski, Ofiary rozruchów i rabunków we Lwowie 22–24 listopada 1918 roku w świetle ustaleń lwowskiej Dyrekcji Policji, 471. 219 Lieberman, Pamiętniki, 142–156; Wierzbieniec, Zajścia antyżydowskie w Przemyślu pod koniec 1918 r.

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auf die kommenden Schwierigkeiten der Juden, in einem polnischen Staat als gleichwertige Staatsbürger anerkannt zu werden. In der Tat steht der Lem­berger November am Beginn einer Ereigniskette, die das Bild von Polen als denkbar ungeeignetem Ort für Juden nachhaltig prägten. Selbst aus dem Tagebuch Simon Dubnows, der sich zur betreffenden Zeit fernab des Geschehens in Petrograd aufhielt, spricht das Gefühl einer existenziellen Bedrohung. Zwei Einträge aus dem Jahr 1919 lauten: »Im freien Polen überwältigt Finsternis das Licht: wilder Chauvinismus, Judophobie.« Und: »In Polen nach wie vor Judophobie plus Pogrome der Legionäre.«220 Dubnows besorgter Blick von außen auf die Lage der polnischen Juden ist freilich wenig differenziert. Auch wenn sich im jungen und wenig etablierten Staat antijüdische Gewalt an vielen Stellen Bahn brach, rollte doch keine Pogromwelle in einer mit den ukrainischen und russischen Bürgerkriegsgebieten vergleichbaren Dimension über das Land. Heute geht man für die Jahre 1918 und 1919 von etwa 300 durch polnische Hände getöteten Juden aus,221 während die geschätzten Opferzahlen in den Kampfgebieten von »Weißen und Roten« in die Zehntausende gehen.222 Nationale In- und Exklusion waren letztlich zwei Seiten derselben Medaille, wobei gar nicht feststand, auf welcher Grundlage (ethnisch, kulturell, sprachlich, politisch) sich die polnische Nation konstituieren sollte. In Städten wie Lemberg waren ethnische Grenzen fließend und das Zusammenleben von Juden, Polen und Ukrainern war keineswegs ausschließlich von Konflikten geprägt. Auch hier gab es ein jüdisch-integrationistisches Milieu, das die Akkulturierung anstrebte und sich am polnischen Unabhängigkeitskampf beteiligte. Hauptmann Bernard Stanisław Mond (1887–1957) war beispielsweise einer der gefeierten »Verteidiger Lembergs«, dessen Vita die nach wie vor vorhandene Anziehungs- und Integrationskraft des modernen polnischen Nationalismus verdeutlicht. Er war verantwortlich für die Verteidigung des Frontabschnitts Cytadela, eine Aufgabe, die der »mutige Jude aus dem Krieg von 1918–1920« mit Bravour löste.223 Die Juden fanden sich in den Nachbarschaftskonflikten zwischen Polen und Ukrainern erneut  – wie es die zionistische Tageszeitung Chwila for220 Dubnow, Buch des Lebens, Bd. 2, 285, Einträge vom 15. Februar und 8. März 1919. 221 Pease, »This Troublesome Question«, 61 f. 222 Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 185–205 und 218–233. Zur antijüdischen Gewalt in Russland und der Ukraine Wróbel, The Kaddish Years; Budnitskii, The Reds and the Jews, or the Comrades in Arms of the Military Reporter Liutov. Zum europäischen Kontext Eichenberg / Newman (Hgg.), Aftershocks. Vgl. ebenso die Quellensammlungen Pogromi v Ukrajini, 1914–1920 und Kniga pogromov sowie Budnickij, Rossijskie evrej meždu krasnymi i belymi (1917–1920), ab 52. 223 Mit diesen Worten schätzte Stefan Rowecki, im Zweiten Weltkrieg Oberkommandant der Armia Krajowa, Mond in einer privaten Notiz ein. Rowecki, Notatnik – pamiętnik 1939, 8.

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mulierte – »zwischen Hammer und Amboss«.224 Gleich welcher Seite Juden ihre Sympathien liehen oder ob sie in wohlwollender Neutralität verharrten, der Gefahr einer kollektiven Beschuldigung als Verräter der Nation war in dieser Situation nicht beizukommen. Diese Erkenntnis war der wesentliche Grund für die enorme Wirkungsmacht des Pogroms im polnisch-jüdischen Verhältnis. Er bestätigte die Befürchtung, der neue polnische Staat werde von Antisemiten dominiert, gegen die man sich offenbar nur über ein verstärktes politisches Engagement auf nationaler und vor allem internationaler Ebene wehren konnte. Auf der polnischen Seite wiederum verfestigte sich die Überzeugung, Tür an Tür mit einer feindseligen, ja verräterischen Bevölkerungsgruppe zu leben.225 Entsprechend zerklüftet war auch die Erinnerung der Lemberger an die Kriegsjahre. Während die Ukrainer vor allem dem Verlust der Stadt während ihrer gescheiterten Staatsgründung nachtrauerten, feierten die Polen ihre »Verteidiger« als Helden. Auf jüdischer Seite bestimmte wiederum die Trauer über die zivilen Opfer die Jahrestage.226 In den Monaten nach dem Pogrom waren die Lageberichte des Heeres und die Presseberichterstattung voll von Darstellungen über die Alltagsgewalt in den frontnahen Gebieten wie im Hinterland. Die Übergriffe auf den Straßen gingen dabei meist von den einfachen Soldaten und unteren Offiziersrängen aus und wurden von den Militärbehörden zwar nicht konsequent verhindert, aber in der Regel auch nicht bewusst geschürt.227 Mancherorts immerhin ergriff die Armee auch Vorsorgemaßnahmen, um »eventuellen Exzessen gegen Juden« vorzubeugen.228 Jüdische Reisende konnten sich auch in den Zügen nicht sicher fühlen, wurden sie doch von Soldaten angepöbelt oder von Bahnpolizisten unangenehmen Durchsuchungen unterzogen. Anlass für Gewalt und Schikanen konnten aber auch militärische Notwendigkeiten sein, wenn etwa nach Deserteuren oder Agenten des Kriegsgegners gesucht wurde, die jenseits aller Propaganda tatsächlich existierten. Gepaart hingegen mit antisemitischen Stereotypen, wurden die für solche Personen üblichen Zwangsmaßnahmen oft gezielt gegen Juden gerichtet, oder es wurde die Grenze zu offenen Misshandlungen überschritten. Ein 224 Zit. nach Wehrhahn, Die Westukrainische Volksrepublik, 157 f. Noch 1919 protestierte der Jüdische Nationalrat für Ostgalizien gegen die Heranziehung jüdischer Männer zum Militärdienst in den Truppen der Westukrainischen Volksrepublik als Verletzung jüdischer Neutralität. 225 Prusin, Nationalizing a Borderland, 91; Engel, Lwów 1918. 226 Mick, Kriegserfahrungen in einer multiethnischen Stadt, 317–403; ders., War and Conflict­ ing Memories. 227 Vgl. beispielsweise das Verbot von Übergriffen auf Juden. CAW, Kolekcja regulaminów, instrukcji i aktów prawnych, Rozkazy Dowództwa Okręgu Generalnego Lubelskiego, Rozkaz oficerski Nr. 23, 5. Juli 1919. 228 AAN, PRM, Rkt.  49, t.  3, 20; O Niepodległą i granice, 181, Lagebericht des MSWojsk, 15. November 1919 r.

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dafür recht typischer Fall ereignete sich am 26. Juli 1919 im Bereich des Eisenbahn-Schulungsbataillons Jabłonna während einer Personenkontrolle im Zug Warschau–Zegrze. Ziel war es, Passagiere ohne Fahrkarten sowie Verbreiter kommunistischer Flugblätter, die zuvor regelmäßig im betreffenden Regiment verteilt worden waren, zu ermitteln. Es wurden etwa 50 Passagiere aufgegriffen. Während diejenigen Zuginsassen, die sich ausweisen konnten, auf der Bahnstation Jabłonna entlassen wurden, überstellte man die übrigen in die Garnison zur weiteren Untersuchung. Unter den Festgehaltenen befanden sich auch zwei Juden, die sich verdächtig gemacht hatten, als sie versuchten, ein Bündel mit – für die anwesenden Soldaten nicht verständlichen – jiddischsprachigen Unterlagen sowie einem Druck mit dem Titel W sprawie Republiki Żydowskiej (Zur Frage einer Jüdischen Republik) unbemerkt in den Gleisgraben zu werfen. Sie wurden völlig entkleidet und  – ergebnislos – durchsucht, während die nichtjüdischen Reisenden die Kaserne schnell wieder verlassen durften. Dabei lösten die Soldaten den beiden sogar die Sohlen von den Schuhen und das Futter aus den Mänteln. Erst nach Stunden, in denen die Festgehaltenen ihrer eigenen Aussage zufolge auch geschlagen wurden, wurden sie wieder entlassen.229 Solcherlei Szenen belegen antisemitisch motivierte Praktiken der Armee, doch viel mehr noch zeugen sie von der Unsicherheit der Soldaten im Umgang mit vermeintlichen Gegnern sowie der Angst vor gegnerischer Sabotage, die ein rücksichtsloses Vorgehen gerechtfertigt erscheinen ließen. Eine andere Sprache sprechen die zahllosen Berichte über gezielte Gewaltakte gegenüber jüdischen Zivilisten, wobei auch hier im Einzelfall nicht leicht – und teilweise gar nicht  – zwischen antisemitischer Motivation und dem in Kriegszeiten »gewöhnlichen« Marodieren zu unterscheiden ist. Neben antisemitischen Grundüberzeugungen bildeten Frustrationen über die angespannte Versorgungslage, die allgemeine Disziplinlosigkeit in der Armee, die unübersichtliche Sicherheitslage in den Kampfgebieten, die Unkenntnis der östlichen Regionen und die Position der Juden als im Großen und Ganzen neutral agierender Bevölkerungsgruppe weitere wichtige Anhaltspunkte.230 Die Marodeure nutzten aus, dass der Staat sein Gewaltmonopol noch nicht flächendeckend durchsetzen konnte oder staatliche Strukturen vielerorts noch gar nicht anzutreffen waren. 229 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.43, 115–133, Antijüdische Ausschreitungen im Kommandobereich des DOG Warschau, 13. August 1919, hier 120–123. Der Titel des Flugblatts konnte nicht verifiziert werden. 230 Beispielhaft AAN, PRM, Rkt.  49, t.  3, 30 und 89, Lageberichte vom 26. April 1919 und 4. März 1920, und Rkt. 49, t. 1, 75 f., Politischer Lagebericht Nr. 45 vom 1. November 1919. Vgl. auch Milewski, Stosunek wojsk polskich do ludności oraz władz cywilnych na zie­ miach pólnocno-wschodnich w latach 1919–1920; Tomaszewski, Polskie formacje zbrojne wobec Żydów 1918–1920, 107 f.; N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 98–103.

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Unbestritten ist, dass die in den Durchzugsorten der Fronttruppen alltäglichen Übergriffe, die von Pöbeleien an Bahnhöfen über öffentliche Demütigungen, Raub bis hin zu Mord reichen konnten, eine beachtliche Drohkulisse für Juden schufen. Immer wieder wurden vorbeifahrende Züge von Soldaten überfallen oder jüdische Reisende auf Bahnhöfen bei Truppentransporten schikaniert. Eigenmächtige Requirierungen, Kontributionen, die Plünderung von Geschäften, Straßenüberfälle und öffentliche Demütigungen waren weitere häufig berichtete Praktiken.231 Dabei konnten in Einzelfällen auch Ritualmordvorwürfe zur Rechtfertigung dienen.232 Häufig griffen Soldaten durchfahrender Truppentransporte jüdische Zivilisten an, so am 25. November 1919 in Siedlce, als ein Panzerzug aufgrund einer fehlenden Lokomotive den Bahnhof nicht verlassen konnte. Die Soldaten plünderten jüdische Geschäfte und konnten erst durch Armeepatrouillen zur Ordnung gezwungen werden.233 Besonders hervorzuheben sind die Krawalle und Pogrome von Wolbrom, Ołkusz und Tschenstochau.234 Selbst mitten in Warschau kam es zu Tätlichkeiten an Juden, so im Juni 1919 in der Nähe der Großen Synagoge auf dem Plac Bankowy.235 Desgleichen konnte es bei der Musterung zu Ausschreitungen kommen, wenn die polnischen Rekruten den Eindruck hatten, Juden würden sich in nicht ausreichender Zahl zum Militärdienst melden.236 Auch im westlichen Grenzbereich wurde die jüdische Bevölkerung hin und wieder von Soldaten bedrängt oder beraubt, wie beispielsweise aus Schlesien belegt ist.237 Vor allem traten Soldaten aus den westpolnischen Gebieten 231 AAN, KCNP, sygn. 179, 14–17; ebd., sygn. 180, 1–30; AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 1, 2 und 125, Nachrichtenkommuniqués Nr. 55, 56 und 10, 25. und 26. November 1919 und 10. Februar 1920. Zur Berichterstattung der jüdischen Zeitungen vgl. die Pressespiegel in AAN, IW, sygn. 296/I–15, 13, 43, 62, 79 f., 116, 119, 162 und 181; ebd., sygn. 296/I–16, 8 f., 29 f., 56 f., 87, 102–104 und 122 f.; ebd., sygn. 296/I–17, 19 und 25. Weitere Beispiele u. a. in O Niepodległą i granice, Bd. 2, 22 und 401; Prasa żydowska o ostatnich zajściach antyżydowskich, in: Nasz Kurjer, 5. Mai 1920; Zajścia na Pradze, in: ebd., 20. Juni 1920,  4; Napad na rabina posła Perlmuttera, in: ebd., 1. Juli 1920, 3; Wybryki antyżydowskie, in: ebd. 232 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 184. 233 AAN, PRM, Rkt.  49, t.  3, 32, Lagebericht, 27. November 1919. Ähnliches ereignete sich beispielsweise am 23. Februar 1920 in Kowel. Ebd., 87, Lagebericht, 24. Februar 1920. 234 M.  Markowski / Gapys, Konflikty polsko-żydowskie w województwie kieleckim w latach 1935–1936, 42. Zu den Ausschreitungen in Częstochowa vom 27. Mai 1919 ­Nitecka, ­Stosunki polsko-żydowskie w Częstochowie w latach 1918–1939, 144; Mizgalski, Tożsamość polityczna polskich Żydów w XIX i XX  wieku na przykładzie Częstochowy, 275 f.; ­Kapiszewski, Controversial Reports on the Situation of the Jews in Poland in the Aftermath of World War I, 276. 235 AAN, BS, sygn. 3, 5, Kriegsministerium an Sejmmarschall, 30. Juni 1919; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.42, 893–914. 236 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 68; AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 127, Nachrichtenkommuniqué Nr. 10, 10. Februar 1920. 237 Długajczyk, Wywiad polski na Górnym Śląsku 1919–1922, 166 f.

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(Poznańczycy oder Poznaniacy) und ehemalige Angehörige der Blauen Armee (Hallerczycy) als Täter in Erscheinung.238 Es konnte auch vorkommen, dass Mitglieder der französischen Militärmission Juden gegenüber tätlich wurden.239 Da Juden tendenziell als Verräter und Kollaborateure wahrgenommen wurden, war auch die Bereitschaft der Umgebung gering, in ihrem Sinne zu intervenieren.240 Das zentrale Motiv und zugleich Erklärungsmuster für antijüdische Worte und Taten war zweifelsohne die unterstellte Kollaboration der Juden mit dem bolschewistischen Russland. Daraus entwickelte sich die im Begriff der »żydokomuna« (wörtlich etwa »Judenkommune«) geronnene Vorstellung, Judentum und Bolschewismus seien unauflöslich miteinander verwoben und bildeten gewissermaßen eine Einheit.241 Dieser vermutete Zusammenhang fand unmittelbaren Eingang in den politischen und publizistischen Diskurs. In dem Maße, in dem Sowjetrussland zum militärischen Hauptgegner Polens wuchs, wurden die Juden pauschal zu dessen Parteigängern erklärt, ja zur Personifizierung des Bolschewismus schlechthin stilisiert. Die Verbindung der Begriffe »Kommunismus« und »Judentum« war umso fataler, als im Polnischen wie in vielen Sprachen bereits in der Bezeichnung żyd (Jude) eine pejorative und emotional aufgeladene Bedeutungsebene mitschwingt, die auf alten, religiös fundierten Feindbildern aufsattelt.242 Das Stereotyp der »żydokomuna« war eines der folgenreichsten polnischen politischen Narrative des 20. Jahrhunderts, das die Vorstellung ablöste, wonach die Litwaken als Agenten fremder Mächte aufgetreten waren.243 Der »jüdische Verrat« be-

238 Vgl. insbesondere die Dokumentationen des Jüdischen Abgeordnetenkreises. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.41, 597–600; ebd., sygn. I.300.42, 564–627 und 791–823; ebd., sygn. I.300.1.43, 75–98, 115–133, 270–284, 320–325, 354–358 und 500–519; ebd., sygn. I.300.1.48, L.7426; ebd., sygn. I.300.1.1385, L.15083/19; AAN, IW, sygn. 296/I–15, 13, 60–62, 79 f., 87–90, 104, 119 und 181; ebd., sygn. 296/I–16, 8 f., 29 f. und 87 f.; ebd., sygn. 296/I–17, 145 f. und 150; O Niepodległa i Granice, Bd. 2, 436 f. Vgl. beispielsweise auch die Schändung eines jüdischen Friedhofs durch Hallerczycy in Lodz. Lachmayer, Wśród zabytków Nowego Cmentarza w Łodzi, 272. 239 Francuska misja wojskowa w sprawie ekscesów oficerów francuskich przeciwko żydom na Leszno, in: Nasz Kurjer, 23. Februar 1920, 3; Tomaszewski, Polskie formacje zbrojne wobec Żydów 1918–1920, 104 f. 240 K. Zieliński, Od bojkotu do pogromu, 214 f. 241 Zloch, Nationsbildung und Feinderklärung; Pufelska, Die »Judäo-Kommune« – ein Feindbild in Polen. Als detaillierte Analyse des Antibolschewismus im politischen Diskurs Zackiewicz, Polska myśl polityczna wobec systemu radzieckiego 1918–1939. 242 Kamińska-Szmaj, Judzi, zohydza, ze czci odziera, 107 f. Ausführlich auch Reder, Antijüdische Pogrome in Polen im 20. Jahrhundert, 51–83. 243 K. Zieliński, Od bojkotu do pogromu, 221. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass das bolschewistische Regime als »rotes Zartum« in eine Tradition russischer Despotie gestellt wurde. A. Wierzbicki, Groźni i wielcy, 162–242.

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stand nun nicht mehr in der kulturellen Russifizierung und kapitalistischen Ausbeutung Polens, sondern darin, so der auflagenstarke Kurjer Warszawski im September 1920, mit Deutschen wie Bolschewiki zusammengearbeitet, sich anschließend in Versailles Sonderrechte erkämpft und mithilfe einer tendenziösen Berichterstattung über Pogrome die Weltöffentlichkeit gegen Polen aufgebracht zu haben.244 Die Durchschlagskraft der Verdächtigungen und der Ablehnung wurde durch die Tatsache verstärkt, dass die jüdische Bevölkerung geografisch über alle drei Teilungs-, Staats- und Nationsgrenzen hinweg verteilt lebte. Ohne Weiteres konnte sie so von jedem nationalen Akteur zum Sympathisanten oder Kollaborateur äußerer Mächte sowie zum Diversanten und Feind im Inneren erklärt werden. Fernerhin konnten auch judenfeindliche Stimmungen der nichtpolnischen christlichen Bevölkerung ihre Lage verschlimmern und Nichtigkeiten Gewalt bis hin zu Pogromen auslösen. So bemerkte Piłsudski in einem Brief an Premier Skulski, dass in den von den Bolschewiki eroberten Gebieten die ukrainische Landbevölkerung von der polnischen Besatzung ein Vorgehen gegen die jüdische Bevölkerung geradezu erwarte, um deren angebliche Untaten an der Landbevölkerung zu rächen.245 Während der polnischen Frühjahrsoffensive gegen Russland im März und April 1919 stellte sich heraus, wie wirkmächtig die imaginierte Verbindung von Judentum und Kommunismus im polnischen politischen Denken bereits war. Beispielsweise ordnete nach der Einnahme der polesischen Stadt Pińsk der örtliche Armeekommandant am 5. April ohne weitere Untersuchung und Gerichtsverfahren die Erschießung von 35 Juden an, die  – vermeintlich bolschewistische Verschwörer – an einer zionistischen Zusammenkunft teilgenommen hatten.246 Piłsudski scheint derlei Vorwürfe gegen die Juden durchaus ernst genommen zu haben. Nach seinen Worten zeugten die Ereignisse von Pińsk »davon, dass wir nicht immer unseres Hinterlandes sicher sein können und dass wir in dieser Hinsicht vorsichtig sein müssen«.247 Ähnliche Ereignisse trugen sich in Lida am 17. April zu.248 Auch im kurz darauf eingenommenen Wilna kam es zu Erschießungen, Plünderungen und zur Vertreibung jüdischer Stadtbewohner. Piłsudski, der die Eroberung der Stadt 244 Żydowska zdrada, in: Kurjer Warszawski, 1. September 1920, 2. 245 Brief Piłsudskis an Premier Leopold Skulski, 1. Mai 1920, in: Listy Józefa Piłsudskiego, 102. 246 Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 219–229; Tomaszewski, Pińsk, Saturday 5 April, 1919; Czerniakiewicz, Ekscesy antyżydowskie wojsk polskich na Kresach Północno-Wschodnich RP; AAN, IW, sygn. 296/I–16, 102–104, Bericht über die jüdische Presse Nr. 29, 1.–6. Juni 1920. 247 Brief Piłsudskis an General Listowski, 7. April 1919, in: Listy Józefa Piłsudskiego, 129. Im Kommentar zum Brief wiederholt Kazimierz Świtalski die Einschätzung der Generale Leśniewski und Listowski, die Vorfälle in Pińsk seien der Versuch gewesen, die polnischen Truppen an diesem Frontabschnitt zu schwächen (ebd., 130). Vgl. hierzu auch Czerniakiewicz, Ekscesy antyżydowskie wojsk polskich na Kresach Północno-Wschodnich RP, 583. 248 Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 230 f.

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selbst geleitet hatte, gab an, mit seinem persönlichen Einsatz einen Pogrom verhindert zu haben, bezichtigte in einem Schreiben an Premier Ignacy Paderewski die Juden jedoch der Kollaboration mit dem Feind.249 Etwas anders gelagert war der Fall von Chełm vom 3. Juni 1919, wo sich aus einer Schlägerei zwischen einem jüdischen und christlichen Rekruten ein Raubzug von Soldaten durch die jüdischen Wohngebiete entwickelte. Der Unterstaatsanwalt, der die Vorfälle untersuchte, identifizierte die angebliche Sympathie der jüdischen Stadtbewohner für den Kommunismus sowie deren Kooperation mit den Bolschewiki als Ursache der Gewalt, auch wenn klar war, dass klassische antisemitische Stereotype die Ereignisse ausgelöst hatten.250 Der antijüdischen Gewalt wurde somit immer wieder der Mantel der Rechtschaffenheit übergezogen, handelten die Täter – als Soldaten immerhin Vertreter der staatlichen Ordnung – doch scheinbar im Sinne der Konsolidierung des polnischen Staates.251 Die Verschwörungsformel der »żydokomuna« wurde im Kontext des für beide Seiten so existenziellen Krieges politisch und emotional immer stärker aufgeladen.252 Zugleich wuchs aber auch die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung, die seit 1914 in einem Ausnahmezustand lebte.253 Ein schneller Frieden war gerade für die Bauern existenziell. Die Einberufung immer neuer Rekrutenjahrgänge, die ständige Anhebung der abzuliefernden Armeekontingente, die von den Truppen ausgehende Gewalt und Requirierungen hatten bereits seit Ende 1918 Desertionen, Stellungsflucht und Streiks anwachsen lassen.254 249 Różański, Wilno, 19–21 kwietnia 1919 roku; Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 229 f.; Wołkonowski, Stosunki polsko-żydowskie w Wilnie i na Wileńszczyźnie 1919–1939, 42–63. Zum Kontext auch Wendland, Region ohne Nationalität, Kapitale ohne Volk. Das Verhältnis Piłsudskis zu den Juden ist weiterhin ein Forschungsdesiderat. In seinen öffentlichen Auftritten vermittelte er das Bild eines judenfreundlichen Politikers und pflegte auch einige private Kontakte. Es gibt aber – wie weiter oben zitiert – auch Zeugnisse, die eine eher ablehnende Einstellung zu den Juden zumindest im militärischen Kontext nahelegen. Eine traditionelle Sichtweise auf die Problematik präsentiert Szymon Rudnicki. Ders., Szacunek z wzajemnością. 250 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.301.41, 597–600, Untersuchungsbericht der Unterstaatsanwaltschaft des IV. Kreises Lublin. Ferner BS, RPII/0/385, Parlamentarische Anfrage von Ignacy Schiper u. a. an das Innen- und das Kriegsministerium, 13. Juni 1919. 251 Reder, Antijüdische Pogrome in Polen im 20. Jahrhundert, 145–165. 252 Zum Kriegsverlauf bis zum April 1920 Wyszczelski, Niewypowiedziana wojna, 12–50; N.  Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 35 f., 46, 49–51, 55 und 119–121; Wandycz, ­Polish-Soviet Relations, 1917–1921, 90–94 und 146–176; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 35. 253 Minister Spraw Wewnętrznych zawiadamia Wojewodę Łódzkiego o unieważeniu uchwały Rady Miejskiej m. Łodzi, postulującej zakończenie wojny, in: Rok 1920, 100. 254 Janusz Szczepański, Ludowcy wobec wojny polsko-sowieckiej (1919–1920), 65–68; M. Markowski, Integracja społeczeństwa województwa kieleckiego w czasie wojny polskobolszewickiej 1919–1920, 236 f.; O Niepodległą i granice, Bd. 2, 74.

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Auch der Bund rief zum Einsatz für den Frieden auf und organisierte entsprechende Kundgebungen.255 Gegen den Willen vieler setzte Piłsudski aus strategischen Erwägungen am 21. April 1920 eine neuerliche Offensive gegen Russland in Bewegung.256 Ohne auf ernste Gegenwehr zu stoßen, rückten polnische Truppen am 6. Mai tatsächlich in Kiew ein, nicht zuletzt, weil die Rote Armee ihre Gegner ins Leere laufen ließ. Auch wenn sie die Bolschewiki an den Rand einer Niederlage gebracht hatten, vermochten es die Polen nicht, ihre Gegner zum Entscheidungskampf zu stellen. Das sagenhaft anmutende Vorrücken der eigenen Truppen ließ die Kriegsgegner in Warschau aber verstummen. Mit Kiew war die alte Hauptstadt der Rus, die vielen als historische Wiege des späteren russländischen Imperiums galt, in polnischer Hand. Piłsudski kehrte als Triumphator an die Weichsel zurück und wurde begeistert empfangen.257 Die Jubelrufe in Warschau waren allerdings kaum verhallt, als die polnischen Streitkräfte bereits unter den Druck einer sowjetischen Gegenoffensive gerieten. Bereits am 12. Juni gaben sie Kiew auf; bald darauf fielen Minsk, Wilna und Grodno. In der zweiten Augustwoche erreichte die Rote Armee die Weichsel. Im Süden kam die Erste Reiterarmee (Konarmija) erst vor Lemberg zum Stehen.258 Die Geschwindigkeit des sowjetischen Vordringens, der schnelle Rückzug der polnischen Truppen und der Schrecken, welchen die Konarmija an der Südwestfront verbreitete, erweckten im Verbund mit der scheinbaren Hilf­ losigkeit der Regierung bei vielen Zeitgenossen den Eindruck, Armee und Staat seien in Auflösung begriffen. Die Stimmen der Kriegsgegner wurden immer lauter und innerhalb weniger Wochen polarisierte sich die polnische Gesellschaft in bis dahin kaum gekannter Form. Die polnischen Kommunisten machten mit einer Propagandaoffensive auf sich aufmerksam.259 Sozialis255 So fand am 8. Februar 1920 in Lodz eine Demonstration gegen den Krieg statt, die von jüdischen Gruppen organisiert, jedoch auch von Nichtjuden besucht wurde. CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Nachrichtenkommuniqué Nr. 11, 14. Februar 1920. 256 Zum Kriegsverlauf von April bis Oktober 1920 im Folgenden stets, wenn nicht anders angegeben, N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 131–136 und 178–184; Wyszczelski, Operacja Warszawska; Wrzosek, Wojny o granice Polski Odrodzonej 1918–1921, 254–299. Zu den unterschiedlichen Grenz- und Raumvorstellungen Zloch, Polnischer Nationalismus, 111–128. 257 BS, SSSU Nr. 248,18. Mai 1920, 24 f. 258 Zur Operationsgeschichte der Kämpfe gegen die Konarmija neben den bisher zitierten Arbeiten Arciszewski, Studja taktyczne z historji wojen polskich 1918–21. Noch immer eindrucksvoll auch im Hinblick auf das Schicksal der jüdischen Zivilbevölkerung in den Kampfgebieten sind die Schilderungen von Isaak Babel. Ders., Die Reiterarmee; ders., Tagebuch 1920. 259 N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 184–186. Zur Organisation und Verflechtung von Bildungsarbeit und Propaganda innerhalb des Militärs Wyszczelski, Oświata, propaganda, kultura w Wojsku Polskim w latach 1918–1945, 66–76.

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tische jüdische Gruppen riefen zur Verweigerung des Militärdienstes auf.260 Auch bei den Soldaten wuchs die Frustration über die Gesamtsituation und Forderungen nach einem baldigen Waffenstillstand fanden immer mehr Anklang.261 Viele von ihnen hatten fern der Heimat das Gefühl, nicht ihr eigenes Land zu verteidigen, und waren empfänglich für die gegnerische Propaganda. Einem militärischen Lagebericht zufolge kursierte in den Fronteinheiten die Meinung, man habe bislang nur ein paar polnische Landgüter, jüdische Städte und russische Dörfer verloren. Ginge es aber um die Verteidigung »unserer«, also der polnischen Gebiete, werde man es den Bolschewisten schon zeigen.262 Die Kriegsmüdigkeit führte – ob aus politischer Überzeugung oder persönlichen Gründen – erneut zu einem Anschwellen von Disziplinlosigkeit und Desertionen, gerade bei den schlesischen und großpolnischen Einheiten.263 Im Sommer verließen zahlreiche Bauern die Einheiten, um an der Ernte teilnehmen zu können, zumal die Gewalt der polnischen Truppen gegen die Zivilbevölkerung auch vor ihren Dörfern nicht Halt machte.264 Die Nationaldemokraten machten Piłsudski für die allenthalben sichtbaren militärischen Misserfolge verantwortlich.265 Wie Norman Davies treffend formulierte, bewirkte eine bis dato ungekannte Erregungswelle, dass sich die Großgrundbesitzer besitzergreifender, die Katholiken religiöser, die Polizei repressiver und die Patrioten patriotischer gebärdeten. Die Behörden unterschieden nur noch zwischen unbescholtenen Bürgern und potenziellen Verrätern und traten Mitte Juni eine Welle präventiver Verhaftungen von Kommunisten, Gewerkschaftern und Arbeitern – darunter auch zahlreiche Juden – los.266 Als der Bundist Henryk Ehrlich im Warschauer Stadtrat auf 260 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 245, Nachrichtenkommuniqué Nr. 40, 20. Juli 1920. 261 Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzieckich, Bd. 3, 132 f. 262 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 279. Offenbar betrachteten besonders die westpolnischen Soldaten die östlichen Gebiete als nur vorübergehend besetzt, wie bereits 1919 in Unterlagen der Minsker Rekrutierungsbehörden zu lesen ist. Milewski, Stosunek wojsk polskich do ludności oraz władz cywilnych na ziemiach pólnocno-wschodnich w latach 1919–1920. 263 N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 186; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 104. 264 M.  Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszewickiej 1919–1920, 41–49. 265 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 104. 266 N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 199; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 105. Für Premier Witos zeugte im Rückblick der bloße Umstand, dass vor der Schlacht bei Warschau unter der jüdischen Stadtbevölkerung enorme Unruhe herrschte, von deren Hoffnung auf einen Sieg der Roten Armee. Ders., Moje Wspomnienia, Bd. 2, 307 f. Zur Beobachtung der politischen Aktivitäten von jüdischen Parteien und Kommunisten beispielsweise CAW, SRI, I.371.2/A.38, passim. Die Mehrzahl der in dieser Akte versammelten Informationen über Desertionen, Kollaboration und kommunistische Aktivitäten betreffen keine Juden.

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öffentlicher Bühne einen sofortigen Friedensschluss forderte, lieferte dies den Behörden einen Vorwand, am 10. Juli den Bund und seine Organisationen aufzulösen.267 Gewerkschaften wurden zerschlagen und ihre führenden Funktionäre interniert. Allein im Internierungslager Dąbie, eigentlich ein Lager für sowjetische Kriegsgefangene, wurden etwa 3000 mutmaßliche Staatsfeinde festgehalten.268 Auf dem Höhepunkt der Krise fanden die politischen Lager schließlich zu einer vorübergehenden Kooperation in der ROP.269 Am 1. Juli 1920 kon­ stituiert, setzte sich der Rat aus dem Staatschef, dem Sejmmarschall, zehn Sejmabgeordneten, dem Premierminister, zwei Regierungs- und drei Armeevertretern zusammen.270 Die erste Handlung des Rats war ein dramatischer Appell an die polnische Gesellschaft zur Teilnahme an der Landesverteidigung, der nach den Worten Sosnkowskis eine »moralische Erschütterung« hervorrufen sollte.271 In den Sitzungen wurden immer wieder Klagen über die mangelnde Solidarisierung der Bevölkerung mit der Armee laut.272 In der Tat begann nun nicht mehr nur in den östlichen Landesteilen die Stimmung zunehmend zu kippen.273 Die Kommunisten setzten ihre Kampagne gegen den Krieg 267 Pickhan, »Gegen den Strom«, 81. 268 N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 199; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 248. Zu weiteren Internierungslagern in Wyszków, Szczakowa, Dąbie und Tuchola, die im Unterschied zu Jabłonna nicht explizit für jüdische Soldaten, sondern für politisch Verdächtigte eingerichtet worden waren, vgl. Gol­czewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 241. In diesen Lagern wurden vor allem Kommunisten festgehalten sowie Personen, denen eine Affinität zum Bolschewismus nachgesagt wurde. Unter den Internierten fanden sich auch Juden, darunter Mitglieder des Bundes. Zu Wyszków vgl. AAN, PRM, sygn. 12403/21, 4–20; Die Greuel der polnischen Hölle, in: Jüdische Rundschau, 6. Oktober 1920, 528 f. Zu Tuchola, Dąbie und anderen Orten auch AAN, PRM, sygn. 12702/21, 1–10. Zu den Insassen von Dąbie zählten auch Deserteure. Komunikat informacyjny (Sprawy wojskowe), 21. Februar 1919, in: O Niepodległą i granice, Bd. 2, 548. Eine Gesamtdarstellung der Problematik der ukrainischen und sowjetischen Kriegsgefangenen, die u. a. in den genannten Lagern Tuchola und Dąbie interniert waren, präsentiert Karpus. Ders., Jeńcy i internowani rosyjscy i ukraińscy na terenie Polski w latach 1918–1924. 269 N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 196 f.; Marszałek, Rada Obrony Państwa z 1920 roku, 64–70. 270 1. Sitzung der ROP, 1. Juli 1920, in: Protokoły Rady Obrony Państwa (nachfolgend PROP), 140–150, sowie in: Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzieckich, Bd. 3, 118–120. Von der ROP sind offizielle und geheime Protokolle sowie die Mitschriften der Piłsudski-Vertrauten Kazimierz Świtalski, Władysław Studziński, Bolesław WieniawaDługoszowski und Henryk Kawecki erhalten. 271 1.  Sitzung der ROP, in: PROP, 143; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 174. 272 Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzieckich, Bd. 3, 128–132. Vgl. auch die Rede Grabskis vor dem Sejm, BS, SSSU Nr. 156, 30. Juni 1920, 10–12, hier 11. 273 Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzieckich, Bd. 3, 122 f.

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und die ROP fort.274 In den Ostgebieten übergaben die Bolschewiki in der Überzeugung, die ostslawische Bauernbevölkerung vom Joch der polnischen Grundherren befreit zu haben und die Fackel der Weltrevolution in Richtung Westeuropa zu tragen, die lokale Verwaltung an Revolutionskomitees, die Rewkomy. Diese wurden von Politkommissaren geleitet, die im Rücken der Roten Armee in das Land kamen und denen das Verständnis der lokalen Verhältnisse oft abging. Sie errichteten ein Regime, das auf die Befindlichkeiten der als reaktionäre Kulaken geltenden Polen in der Regel keine Rücksicht nahm.275 Als zukünftige Regierung des Landes galt das in Moskau gebildete Provisorische Polnische Revolutionskomitee (Tymczasowy Komitet Rewolucyjny Polski, kurz Polrewkom), dem mit Julian Marchlewski, Feliks Dzierżyński, Feliks Kon und Józef Unszlicht und anderen die wichtigsten Köpfe der polnischen Kommunisten angehörten.276 Die sowjetische Herrschaft verlief lokal recht unterschiedlich. Die Anwendung von Gewalt gegen »reaktionäre« Bevölkerungsgruppen war weitverbreitet und traf die katho­ lische Geistlichkeit und Intelligenzija ebenso wie orthodoxe und vermögende Juden.277 Die in der Presse verbreitete Information, in den Rewkomy hätten sich vor allem Juden engagiert, kann bei näherem Hinsehen nicht aufrechterhalten werden. Man muss Marchlewski recht geben, der die Nachrichten über die ausnahmslose Kollaboration der Juden als »tendenziöse Märchen« abtat. Die jüdische Bourgeoisie sei ebenso vor der Roten Armee geflüchtet wie ihre polnischen Standesgenossen. Selbst die von den Polen unterdrückten jüdischen Kleinbürger hätten eine abwartende Haltung eingenommen. Nur bei den Proletariern und unter der Jugend der Intelligenzija hätten die Bolschewiki Unterstützer gefunden.278 Zum vollständigen Bild gehört überdies auch, dass Polen aller politischen Strömungen bis hin zu den Nationaldemokraten aus 274 Ebd., 120–122. 275 Die Propaganda, deren wesentlicher Bestandteil die Verhöhnung des Gegners war (auf polnischer Seite des Bolschewiken als Jude, Asiat, Ungeheuer, auf sowjetischer Seite des Polen als Kulak, Schwein, Hund, Marionette der kapitalistischen Mächte), wurde bereits häufig analysiert, u. a. Aleksandra Leinwand, Czerwonym młotem w orła białego; Padu­ szek, Działalność propagandowa służb informacyjno-wywiadowczych Wojska Polskiego w czasie wojny polsko-bolszewickiej 1919–1921, bes. 159–178; Lisiak, Propaganda obronna w Polsce w rozstrzygającym okresie wojny polsko-sowieckiej 1920 r., 11 f.; Bij Bolszewika! Vgl. auch die Sammlung von Flugblättern in AAN, IW, sygn. 296/I–57, passim. 276 N.  Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 187–194; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 309–322; Wandycz, Polish-Soviet Relations, 1917–1921, 226–232. 277 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 343–353, 389 f. 278 Marchlewski, Rosja proletarjacka a Polska burżuazyjna, 776 f.

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unterschiedlichen Motivlagen in den Rewkomy vertreten waren.279 Die bloße Anwesenheit von Juden in einer regierungsähnlichen Struktur war indes im russischen Teilungsgebiet bislang nahezu undenkbar gewesen und lag auch nach 1918 noch nicht im Erfahrungshorizont der Menschen. Zudem erweckten einige Maßnahmen, wie mancherorts die Einführung des Russischen und Jiddischen als einzige Amtssprachen, den Unmut des polnischen Bevölkerungsteils und bestärkten diesen in seiner Wahrnehmung einer jüdischbolschewistischen Allianz.280 Hinzu kamen Pressenachrichten über jüdische kommunistische Organisationen, die Dokumente fälschten, um Juden die Umgehung des Militärdienstes zu ermöglichen.281 Das polnische Militär, besonders die an späterer Stelle darzustellende Abteilung  II des Kriegsministeriums (anschließend des Generalstabs), war sich der Vielfalt der Reaktionen von Juden auf die Rote Armee und die Kriegslage vollauf bewusst.282 Ein ministerieller Lagebericht vom März 1919 macht dies beispielhaft deutlich, wenn er die großen Sympathien der polnischen Seite für die Orthodoxie zutage treten lässt, die als loyalistische und apolitische Strömung des Judentums galt.283 Zionisten und »Nationalisten« tendierten in der Wahrnehmung der Regierung dazu, »gewisse Angelegenheiten«  – gemeint sind die Proteste gegen die Behandlung der Juden durch die Armee – »aufzubauschen«.284 Im Bericht wird mitgeteilt, die Juden selbst interessierten sich eher für die Forderungen der Zionisten nach »nationaler Gleichberechtigung« als für das Streben der wenigen »Assimilatoren« nach »bürgerlicher Gleichberechtigung«.285 Auch die Sozialisten, wenngleich scharfe Kritiker jedweder 279 N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 186 f.; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 324–331. Der Starost von Rawa Ruska berichtete, dass die gesamte – ruthenische wie polnische – Bevölkerung seines Kreises die Rote Armee »wohlwollend« begrüßt hatte. Im Vergleich zu den polnischen Truppen richteten die Rotarmisten demnach zudem vergleichsweise geringe Schäden an (200 000 Mark gegenüber 2 Millionen Mark). CAW, SRI, I.371.6/A.92, Zwei Schreiben des Starostenamts Rawa Ruska an den Generaldelegaten der Regierung, 17. September und 1. Oktober 1920. 280 Marchlewski, Rosja proletarjacka a Polska burżuazyjna, 768 f. Über den polnisch-jüdischen Schulkonflikt in Białystok ebd., 773 f. 281 Serafin, Społeczeństwo Warszawy w okresie zagrożenia państwa polskiego przez najazd bolszewicki (lipiec – sierpień 1920). 282 U. a. CAW, Odd. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Anhänge zu den Nachrichtenkommuniqués Nr. 6 und 22, 29. Januar und 21. April 1920; O Niepodległą i granice, Bd. 2, 496 f.; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 243. 283 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 3, Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919. Vgl. auch CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Anhang zum Nachrichtenkommuniqué Nr. 22, 21. April 1920. 284 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 3 f., 17 f., Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919. Vgl. auch O Niepodległą i granice, Bd. 2, 111 f. 285 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 44, Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919.

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Form des Antisemitismus, wurden als Sympathisanten der Kommunisten dargestellt und waren somit suspekt.286 Insgesamt schätzte der Verfasser die Stimmung der jüdischen Bevölkerung als tendenziell gegen den Staat gerichtet ein, da dieser gegen Spekulantentum und Wucher vorgehe. Einzig die Bahnbehörden erfreuten sich eines »guten Rufs« als Geschäftspartner.287 Im Hinblick auf die Beteiligung am Militärdienst und den Kauf von Kriegsanleihen charakterisiert der Bericht die Juden als passiv bis negativ eingestellt.288 Weitere Berichte beschrieben regional unterschiedliche kulturelle, mentale und politische Prägungen.289 Folgt man diesen Darstellungen, waren die politischen Bindungen der jüdischen Soldaten an Parteien relativ hoch, da man sie häufig auf Veranstaltungen jüdischer Parteien antreffen konnte.290 Ihre »extremen Überzeugungen« übertrugen sich aus Sicht des Militärs durchaus auf die übrigen Soldaten.291 Auch im Jahr des sowjetrussischen Vormarschs unterschied die Militärbürokratie noch zwischen verschiedenen »Kategorien« von Juden. Nach einer Einschätzung vom Oktober 1920 bildeten Intelligenzler, Unternehmer und vermögendere Kaufleute, die sich – oft aus dem Umfeld der politischen Orthodoxie – Polen gegenüber unbedingt loyal verhielten, die erste Gruppe. Das zweite Milieu bestand aus Handwerkern, Kleinhändlern und Arbeitern, die Bund, Poale Zion oder anderen zionistischen Gruppierungen nahestanden, zum Teil mit den Bolschewiki kollaborierten und dabei »nicht nur einen Kampf gegen die Bourgeoisie, sondern geradezu gegen das Polentum« führten.292 Weiter reflektierte der Verfasser des Schriftstücks, dass die Ursachen dieses Verhaltens unter anderem im »Verhalten unserer Truppen während des Rückzugs« zu suchen waren. Es waren »Gewalt, Plünderungen, Requirierungen, Zwangsarbeiten«, welche die gesamte Bevölkerung belasteten, aber »in 286 Ebd., 4. 287 Ebd., 3. 288 Ebd., 4. 289 CAW, Oddz.  II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, 1, Anhang zum Nachrichtenkommuniqué Nr. 6, 29. Januar 1920. Des Weiteren beschreibt der Bericht äußere Faktoren, die den Charakter der polnischen Juden beeinflussten: Mit dem Aufkommen politischer und philanthropischer Missionen besonders seitens der amerikanischen Juden – in der Regel Nachkommen antipolnisch gesinnter Litwaken  – seien seit 1918 verschiedenste äußere Einflüsse spürbar, die zur »Europäisierung« der »jüdischen Frage« beitrügen. 290 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, Nachrichtenkommuniqué Nr. 51, 18. November 1919. Vgl. auch O Niepodległą i granice, Bd. 2, 422. 291 CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Nachrichtenkommuniqué Nr. 23, 24. April 1920. 292 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.8, Bericht über das Verhalten der Zivilbevölkerung während des Vormarschs der Roten Armee, 20. Oktober 1920, 7–13, hier  7. Dieser und ähnliche Berichte wurden auch den polnischen Auslandsvertretungen zur Verfügung gestellt. AAN, Ambasada RP w Berlinie, sygn. 3891, 16–19; ebd., Ambasada RP w Waszyngtonie, sygn. 2608, 90–97.

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erster Linie die Juden treffen mussten«.293 Auch den Vorwurf der Spionagetätigkeit relativierte das Dokument, hielt aber daran fest, Juden hätten durch die Verbreitung von Gerüchten die Autorität der polnischen Regierung untergraben und der Bund habe die Rewkomy unterstützt.294 Aufrechterhalten wurde auch die Darstellung, es hätte zahlreiche jüdische Überläufer gegeben, die Rotarmisten seien häufig enthusiastisch empfangen worden, jüdische Händler hätten sich an Lebensmittelspekulationen, andere Juden an den Plünderungen polnischer Häuser beteiligt.295 Tendenziell bestätigte aber auch dieser Bericht, dass sich die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung in den Kampfgebieten abwartend verhalten und die polnische Sache nicht selten unterstützt habe.296 Je größer die militärische Notlage und die außenpolitische Isolation Polens wurden, umso notwendiger wurden innenpolitische Maßnahmen zur Bündelung der eigenen Kräfte, zur Koordinierung der Unterstützung der gesamten polnischen Gesellschaft und zur Schaffung eines Mindestmaßes politischer Stabilität.297 Die noch frischen Erinnerungen an die Verteidigung Lembergs vor Augen, schien eine umfassende Mobilisierung der polnischen Bevölkerung geboten zu sein. Während die immer neu aufflammenden Konflikte über die Frage eines Friedensschlusses fast im Rücktritt Piłsudskis geendet wären und die Abspaltung Großpolens als reelle Option im Raum stand, wurde in der ROP nach Wegen gesucht, die Bevölkerung zum Partisanen­ kampf im Rücken der Roten Armee zu animieren.298 Zunächst wurden in den Gebieten, die noch von Warschau kontrolliert wurden, die Rekrutenjahrgänge 1895 bis 1902 ausgehoben; später kamen die Jahrgänge 1885 bis 1894 hinzu.299 In Lemberg führte man die Wehrpflicht für Abiturienten und 293 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.8, Bericht über das Verhalten der Zivilbevölkerung während des Vormarschs der Roten Armee, 20. Oktober 1920, 7–13. 294 Ebd., 8. 295 Ebd., 9–12. 296 Ebd., 9. 297 Überblicksartig zur Mobilisierung der Gesellschaft im Sommer 1920 Zloch, Polnischer Nationalismus, 129–140. 298 12. Sitzung der ROP, 30. Juli 1920, in: Dokumenty i materiały do historii stosunków polskoradzieckich, Bd. 3, 237–242, hier 238 f. Tatsächlich gab es Aktivitäten der POW hinter den sowjetischen Linien. Zum Vorgehen der Nationaldemokratie vgl. 2. Sitzung der ROP, 5. Juli 1920, in: PROP, 156 f.; Wapiński, Roman Dmowski, 293–295. Zum Szenario eines Rücktritts Piłsudskis vgl. Wandycz, Polish-Soviet Relations, 1917–1921, 211–213; Wapiński, Roman Dmowski, 294; Jędrzejewicz, Józef Piłsudski, 90 f.; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 179; Sitzungsprotokolle, in: PROP, 162, 164, 182, 185 und 195–208; Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzi­ eckich, Bd. 3, 137–140 und 187. Einer von Piłsudskis Kritikern war der vormalige Generalstabschef Stanisław Szeptycki. Czubiński, Konflikt Piłsudski-Szeptycki (1920–1926). 299 Ustawa z dnia 7 marca 1919 r. w przedmiocie powszechnego poboru roczników 1896, 1897, 1898, 1899, 1900 i 1901, in: Dziennik Praw Państwa Polskiego (1919) 22, poz. 234; Ustawa z dnia 15 czerwca 1920 r. w przedmiocie powszechnego poboru roczników 1895 i 1902, in: Dz. U. Nr. 48 (1920), poz. 298.

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Studenten ein. Zwischen Ende Juni und Ende August fanden über 190 000 Rekruten den Weg in die regulären Streitkräfte, sodass diese nominell über rund 738 000 Soldaten verfügten, wovon aber lediglich 373 000 ausgebildet, ausgerüstet und einsatzbereit waren.300 Ein propagandistisch äußerst wichtiger Schritt war die Gründung einer Freiwilligenarmee (Armia Ochotnicza) unter Piłsudskis Widerpart Józef Haller. Ihr konnte jeder polnische Staatsbürger im Alter von 17 bis 42 Jahren (Offiziere bis 50 Jahre) beitreten, der nicht von der Wehrpflicht erfasst wurde. Mit einer entsprechenden Erlaubnis der Eltern durften sich auch Minderjährige zum Armeedienst melden. Die Freiwilligen verpflichteten sich zum Dienst für die gesamte Kriegsdauer und konnten als reguläre Soldaten ihre früher erworbenen militärischen Ränge beibehalten. Innerhalb von sechs Wochen meldeten sich fast 165 000 Mann, davon 40 000 in Warschau.301 Im Juli 1920 wurde in Jabłonna das 201.  Freiwilligen-Infanterieregiment zusammengestellt und ausgebildet, dem viele bekannte Persönlichkeiten wie die Politiker Stanisław Thugutt und Tadeusz Hołówko angehörten.302 Die Freiwilligenverbände erlangten keine direkte militärische Bedeutung, da ungeschulte Kämpfer in der entscheidenden Kriegsphase unmöglich an der Front eingesetzt werden konnten, doch erfüllten sie eine wichtige symbolische Funktion. Ähnlich wie die »Lemberger jungen Adler« belegten sie den Aufopferungswillen der gesamten polnischen Nation. Dass die Anwerbung von Kriegsfreiwilligen außerhalb der patriotischen Trägerschichten zum Misserfolg geriet, war dabei nicht mehr relevant. Zudem spiegelte die konfessionelle Struktur der Freiwilligenarmee die Grundannahme des polnischen Patriotismus jener Zeit wieder, nämlich die Deckungsgleiche von Polentum und katholischer Konfession. Immerhin waren 96,9 Prozent der Kriegsfreiwilligen Christen, die übrigen mehrheitlich Juden.303 300 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 283; N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 236. 301 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 176 und 284; Marszałek, Rada Obrony Państwa z 1920 roku, 82 f., 162–165; N.  Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 235. Zum Verlauf der Anwerbungen außerhalb Warschaus M.  Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszew­ ickiej 1919–1920, 79–105. 302 Czubiński, Walka o granice wschodnie Polski w latach 1918–1921, 230 f.; Werschler, Z dziejów obozu belwederskiego, 115; Thugutt, Autobiografia, 136 f.; Załęczny, Wydarzenia wojny polsko-bolszewickiej 1920 roku na terenie ówczesnego powiatu warszawskiego; W przededniu walk … Ćwiczenia ochotników w Jabłonnie, in: Tygodnik Ilustrowany, 31. Juli 1920, 610 f. 303 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 288. In der Armee wurden die Anwerbeaktionen einzelner Gruppen auch kritisch gesehen, da hierdurch kein schichtenübergreifender Zusammenhalt hergestellt, sondern die sozialen Schranken zementiert wurden. O Niepodległą i granice, Bd. 2, 77.

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Will man die Verteidigungsbereitschaft der jüdischen Landeskinder in diesen Wochen bewerten, lohnt ein vergleichender Blick auf die christliche Bevölkerung. Die vermögende Schicht der Landbesitzer, aber auch das städtische Großbürgertum engagierten sich vor allem finanziell und organisatorisch, wenngleich sich auch viele ihrer Söhne zum Armeedienst meldeten. Die mittleren bürgerlichen Schichten engagierten sich besonders im Rahmen verschiedener gemeinnütziger Organisationen.304 Die Bildungsschicht, einschließlich Studenten, Gymnasiasten und Pfadfinder, sah sich selbst als Träger des polnischen Nationalgedankens und damit besonders in die Pflicht genommen.305 Oft meldeten sich ganze Klassen samt Lehrern und Schuldirektoren an die Front. Ihre Entscheidung wurde ihnen erleichtert durch die Garantie einer Rückkehr an ihre Schule nach Kriegsende. Insgesamt hat sich knapp ein Fünftel der wehrberechtigten männlichen Schüler zum Dienst verpflichtet, während die Mädchen vor allem bei Geldsammlungen anzutreffen waren. Bei den Pfadfindern übernahm jede Altersstufe eigene Aufgaben, angefangen von Botendiensten über Büroarbeiten, Wachdienste bis hin zum Frontdienst für die Siebzehnjährigen.306 Es fand zudem eine relativ hohe Zahl an Künstlern und Literaten den Weg in die Armee, wo sie wie Stefan Żeromski häufig im Bereich von Verwaltung, Propaganda und Presse eingesetzt wurden.307 Um die Unterstützung der Landbewohner  – sie stellten immerhin zwei Drittel der regulären Truppen308 – warben die Bauernparteien PSL-Piast und PSLWyzwolenie unermüdlich.309 Dies erwies sich als äußerst schwierig, da auf dem Land weder von einem flächen­deckend etablierten Nationalbewusstsein noch von einer ausgeprägten Russophobie die Rede sein konnte.310 Weil viele 304 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 212–220. 305 Ebd., 285. 306 Ebd., 220–224. 307 Lisiak, Propaganda obronna w Polsce w rozstrzygającym okresie wojny polsko-sowiec­ kiej 1920  r.,  9; Maciejewska, Rewolucja i niepodległość, 208–222. Żeromski verarbeitete die Erfahrungen des Krieges auch in seinem literarischen Werk, besonders im Roman Przedwiośne (Vorfrühling) und der erwähnten Erzählung Na probostwie w Wyszkowie. Der Zeichner und Maler Artur Szyk nahm als künstlerischer Leiter der Propagandaabteilung der polnischen Armee in Lodz am Polnisch-Sowjetischen Krieg teil. Es gelang ihm offenbar, als Stabsoffizier inkognito in die auf polnischer Seite operierenden, als belarusisch geltenden Truppen Bułak-Bałachowicz’ zu gelangen und so die jüdische Bevölkerung mitunter vor deren häufigen Übergriffen zu warnen. Ungar, Soldat der Kunst / Soldier in Art, 16; Ansell, Arthur Szyk, 26 f.; Jegier-Filipiak, Artur Szyk (1894–1951), 70. Ein von ihm illustriertes Propagandaplakat wurde abgedruckt in Luckert, The Art and Politics of Arthur Szyk, 9. Vgl. auch Shneiderman, Burzliwe życie Artura Szyka. 308 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 232. 309 Ders., Ludowcy wobec wojny polsko-sowieckiej (1919–1920), 71 f. 310 Struve, Bauern und Nation in Galizien, bes. 384–433; Molenda, Chłopi, naród, niepod­ ległość. Vgl. auch Przeniosło, Chłopi Królestwa Polskiego w latach 1914–1918.

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Bauern in den Bolschewiki nur Vertreter des russischen Zartums in neuem Gewand sahen, rechneten sie als einst loyale Untertanen im Stillen mit der Wiederherstellung der alten Ordnung.311 Die schlechten Nachrichten von der Front stießen bei ihnen oft genug auf Gleichgültigkeit. Als Premier Wincenty Witos dafür warb, dass sich die Bauernsöhne zur Truppe melden sollten, bekam er zu hören: »Sollen doch die Herren und Juden zur Armee gehen, wir haben nichts zu verteidigen.«312 So aber wartete »jeder auf den anderen«, weil sich kein Landbewohner »für die Zuhausegebliebenen schlagen« wollte, so die Analyse der Abteilung II.313 Eine Stimmungswende erreichte Warschau mit der Ankündigung einer Landreform (15.  Juli) sowie der Berufung des neuen Kabinetts Witos (24. Juli). Es scheint so, als wäre es neben dem Versprechen einer Umverteilung des Landbesitzes der Appell an den christlichen Glauben der Bauern gewesen, der diese letztlich die polnische Seite unterstützen ließ. Hinzu kam die Ernüchterung vieler Landbewohner über die Herrschaftspraxis der Bolschewiki.314 Der polnischen Regierung gelang es umso glaubhafter, die Bolschewiki als Zeitgenossen »ohne jegliche Religion«, die Kirchen und Frauen gleichermaßen schändeten, darzustellen.315 Doch auch in Aufrufen, die sich an Nichtpolen in den Kampfgebieten richteten, wurde der Gottesglaube zum entscheidenden Signum des gerechten Kampfes Polens: »Wir, die polnischen Soldaten, ziehen in den Kampf, um Euch vor Raub, Mord und Ausbeutung zu bewahren. / Wir halten unsere Brust hin, opfern unser Leben, um Euch Polen, Litauer, Belarusen und Juden vor Pogromen, vor wildem und entsetzlichem Gemetzel zu retten. / Wir bringen allen ohne nationale und konfessionelle Unterschiede Sicherheit und Frieden […]. / Wer an Gott glaubt – ist mit Uns! Wer an Satan glaubt – gegen uns!«316 311 M. Markowski, Integracja społeczeństwa województwa kieleckiego w czasie wojny polskobolszewickiej 1919–1920, 233–242. Vgl. beispielsweise auch AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 295 f., Nachrichtenkommuniqué Nr. 40, 20. Juli 1920. 312 Witos, Moje wspomnienia, Bd. 1, 174. Vgl. auch Böhler, »Wozu Ehre, wenn ich fressen will?«. 313 CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.247, Nachrichtenkommuniqué Nr. 41, 24. Juli 1920. 314 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 227–234; ders., Ludowcy wobec wojny polsko-sowieckiej (1919–1920), 72–76; M. Markowski, Integracja społeczeństwa województwa kieleckiego w czasie wojny polsko-bol­szewickiej 1919–1920, 238 f. Den Stimmungsumschwung beschreibt auch AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 272 f., Nachrichtenkommuniqué Nr. 45, 15. August 1920. Vgl. auch die Plakate in AAN, IW, sygn. 296/I–57, 88 und 215. Die Ankündigung, dass der Staat die Existenz der Soldaten – auch in der Landwirtschaft – absichern würde, wurde erstmals von Piłsudski in einem Aufruf der ROP gemacht (3. Juli 1920). AAN, KCNP, sygn. 153, 4; Rok 1920, 184–186. 315 AAN, IW, sygn. 296/I–57, 14, Aufruf Bracie włościaninie!. Vgl. auch ebd., 203, Aufruf W obronie naszej ziemi i naszej wiary. 316 AAN, IW, sygn. 296/I–57, 191 (o. D. u. O., Hervorhebung im Original).

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Diese Verortung Polens im lateinischen Kulturkreis wie auch die Selbst­ stilisierung als Bollwerk des christlichen Europas trugen dazu bei, einen guten Teil der Bauern im Laufe des Sommers 1920 für die polnische Sache einzunehmen. Allerdings scheiterte dies im Falle der besitzlosen Landarbeiter und Gutsbediensteten, die in weiten Teilen mit kommunistischen und gewerkschaftlichen Ideen sympathisierten.317 Die Arbeiter wiederum wurden von mehreren politischen Spielern umworben. Die Tätigkeit der Kommunisten wurde bereits mehrfach angesprochen. Einige von ihnen waren auch in Sabotageaktionen, wie etwa Angriffe auf Eisenbahnen, verwickelt.318 Dass sie damit tatsächlich Anklang in der breiten Masse der Arbeiterschaft fanden, ist zumindest umstritten.319 Die PPS wandte sich mehrheitlich gegen die Bolschewiki, auch wenn Teile des linken Flügels der Sozialisten die Nähe zur KPP und Polrewkom suchten. Im Grundsatz aber stand die PPS, lange Zeit die politische Heimat Piłsudskis, hinter der ROP und berief sich auf die Tradition der polnischen Freiheitskämpfe. Eine eilig gegründete Militärische Abteilung, der viele ehemalige Legionäre angehörten, startete eine eigene Anwerbungsaktion. Es konnten allerdings nur etwa 1 100 Freiwillige rekrutiert werden, die im Wesentlichen dem 201. Infanterieregiment Jabłonna zugeführt wurden. Bei einem zweiten Anwerbungsversuch meldeten sich über 1 600 Freiwillige für das 1. Arbeiterregiment zur Verteidigung Warschaus (1. Robotniczy Pułk Obrony ­Warszawy), das als 202. Infanterieregiment in den polnischen Streitkräften aufging.320 Die Nationaldemokraten schließlich warben Kriegsfreiwillige vor allem mithilfe der Antibolschewistischen Liga (Liga Antybolszewicka) an. Sie erreichte damit vor allem das katholische (Klein)bürgertum, das bislang vor allem mit Spenden, weniger mit Freiwilligen in Erscheinung getreten war.321 317 Vielerorts verweigerten Landbewohner ihre Hilfe bei der Evakuierung der Grundherren und plünderten deren Landgüter. Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 232. Einen Schwerpunkt auf den Friedenswillen der Bauern und dessen politischer Manifestierung legt W.  Stankiewicz. Ders., Konflikty społeczne na wsi polskiej 1918–1920, 247–334. Zur Vorstellung von Polen als antemurale des westlichen Christentums Morawiec, Antemurale christianitatis; Tazbir, Polska przedmurzem Europy. Vgl. auch Loew, Polen denkt Europa; Polen und der Osten; Lawaty, Polen und Europa in der Aufklärung, 116–120. 318 Beispielsweise AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 271 f., Nachrichtenkommuniqué Nr. 45, 15. August 1920. 319 Ebd. 320 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 234–242; M.  Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polskobolszewickiej 1919–1920, 141–149; Tomicki, Lewica socjalistyczna w Polsce 1918–1939, 108–114. 321 M. Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszewic­ kiej 1919–1920, 155. Zur Gründung der Liga Antybolszewicka Zackiewicz, Polska myśl polityczna wobec systemu radzieckiego 1918–1939, 93–96.

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Die Einbindung der Zivilbevölkerung in die Kriegsführung wurde durch staatliche Maßnahmen befördert.322 Jeder Bürger war angehalten, seiner patriotischen Einstellung durch den Kauf staatlicher Kriegsanleihen finanziell Ausdruck zu verleihen.323 Frauen durften verstärkt bewaffnet Dienst tun und wurden beispielsweise bei der Bewachung von militärischen Objekten eingesetzt, vereinzelt auch im direkten Kampf.324 Die teilweise bereits im Ersten Weltkrieg gebildeten Bürgerwehren aus nicht wehrpflichtigen Männern übernahmen Ordnungs- und polizeiliche Hilfsdienste; sie sollten das polnische Heer beim Anmarsch des Feindes unterstützen.325 Zugleich entstanden allerorts lokale und regionale Landesverteidigungskomitees (Komitety Obrony Państwa), die seit dem 8. Juli unter dem Dach des Exekutiven Bürgerkomitees zur Verteidigung des Staates (Obywatelski Komitet Wykonawczy Obrony Państwa) unter Parlamentspräsident Trąmpczyński aktiv waren. Die Bürgerkomitees waren mit der Koordination aller politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit der Landesverteidigung betraut. Obwohl sie formal die gesamte Gesellschaft widerspiegeln sollten, suchte man in vielen Fällen vergebens jüdische Vertreter.326 Der Grund hierfür war, dass die häufig von Nationaldemokraten dominierten Komitees die jüdischen Repräsentanten schlicht umgingen. Diese gründeten daraufhin vielerorts jüdische Pendants, die teilweise beträchtliche Geldsummen und Sachspenden für den karitativen wie auch militärischen Einsatz aufbrachten.327 322 Protokolle der 10. und 12. Sitzung der ROP, 26. und 30. Juli 1920, in: Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzieckich, Bd. 3, 216–219 und 237–242. 323 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 202–205. 324 Cieślikowa, Ochotnicza Legia Kobiet 1918–1922, u. a. 40–44; Ponichtera, Feminists, Nationalists, and Soldiers. Vgl. auch Chołodecki, Kobieta polska w obronie ojczyzny; Ochotnicza Legja Kobiet. Zum militärischen Engagement von Polinnen im Ersten Weltkrieg Stegmann, Die Töchter der geschlagenen Helden, 226–230. Neue Einblicke in die Beteiligung von Frauen an militärischen Formationen verspricht auch das von Iwona Dadej am Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften geleitete Projekt »Patriotki jutra? Działania niepodległościowe, postawy obywatelskie i praca edukacyjna Polek we Lwowie (1863–1939) w świetle materiałów zebranych przez Muzeum Zasłużonych Polek we Lwowie oraz Ossolineum. Edycja i komentarz« (»Patriotinnen von morgen? Unabhängigkeitsbestrebungen, staatsbürgerliche Positionen und Bildungsarbeit von Polinnen in Lwów (1863–1939) im Spiegel der vom Museum Verdienstvoller Polinnen in Lwów und vom Ossolineum gesammelten Materialien. Edition und Kommentar«). 325 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 295–300. 326 Ebd., 190–205, bes. 194. Eine erste Bilanz der Komitees: AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 338–342, Nachrichtenkommuniqué Nr. 61, 15. Oktober 1920. 327 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 243–245, 104. Zum Bürgerkomitee in Radom vgl. M.  Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszewickiej 1919–1920, 172 f. Vgl. Pożyczka a

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Die Ausweitung der Wehrpflicht und die Aufstellung der Freiwilligenarmee wurden von Maßnahmen zur Bekämpfung der massenhaften Desertionen flankiert. Hand in Hand mit der Staatspolizei (Policja Państwowa) und der Lokalverwaltung sollten mobile Standgerichte die militärische Disziplin in den Einheiten und Kampfgebieten sowie die verschärften Strafen für Fahnenflucht und feiges Verhalten durchsetzen.328 Alle Kollaborateure waren zu internieren und Standgerichten vorzuführen.329 Die dokumentierten Fälle lassen aber den Schluss zu, dass die Juden nicht die größte Gruppe von Beschuldigten waren.330 Offensichtlich versprach man sich von den Gerichten, die in hohem Tempo rechtlich fragwürdige Todesurteile verhängten, in erster Linie eine disziplinierende, abschreckende Wirkung.331 Ein besonders krasses Beispiel für deren gnadenlose Rechtsprechung ist das Schicksal von Szmul Dynia. Trotz einer beidseitigen Lungentuberkulose eingezogen, kehrte er angesichts seines immer schlechter werdenden Gesundheitszustands eigenmächtig nach Hause zurück. Mit dem Ziel, sich ausmustern zu lassen, meldete er sich mehrmals erfolglos bei der zuständigen Musterungsbehörde. Zwischenzeitlich verstärkte sich die Krankheitssymptomatik wieder und auf Anraten des Sejmabgeordneten Noah Pryłucki beabsichtigte Dynia, sich nach seiner Genesung beim zuständigen Kreisergänzungsamt (Powiatowa K ­ omenda Uzupełnień, PKU) zu melden. Er wurde auf dem Weg dorthin jedoch festgenommen und am 19. August 1920 vor Gericht gestellt. Die żydzi, in: Nasz Kurjer, 12. Juni 1920; Żydostwo lwowskie na obronę państwa, in: ebd., 19. Juli 1920, beide zit. nach AAN, MSZ, sygn. 9988, 174. In Warschau unterhielt ein Bündnis aus Jüdischer Gemeinde, Zionisten, Mizrachi, Orthodoxen und einigen weiteren Organisationen das jüdische Landesverteidigungskomitee. AAN, MSZ, sygn. 9988, 182. 328 6. Sitzung der ROP, 19. Juli 1920, in: Dokumenty i materiały do historii stosunków polskoradzieckich, Bd. 3, 184–188, hier 186. Vgl. genauer den Befehl Rozkaz oficerski Ministerstwa Spraw Wojskowych o wprowadzeniu sądów doraźnych i polowych przeciwko uciekinierom z frontu, in: ebd., 212–214; Janusz Szczepański, Ludowcy wobec wojny polsko-sowieckiej (1919–1920), 80 f. Zum Gerichtswesen in der Armee 1918–1920 Ostafiński-Bodler, Sądy wojskowe w Polskich Siłach Zbrojnych i ich kompetencje w sprawach karnych w latach 1914–2002, 77–90. Zum Verhalten der Staatspolizei Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 303 f. 329 Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzieckich, Bd. 3, 191. Vgl. auch die Urteile der Gerichte und verschiedene Beschwerden in CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.18, passim. 330 Vgl. beispielsweise CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.331. Empirische Studien liegen zu diesem Thema nicht vor. Der Jüdische Abgeordnetenkreis forderte nach Kriegsende die Überprüfung und Revision zahlreicher Urteile dieser Gerichte. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.1316; BS, RPII/0/2068, Eilantrag der Abgeordneten Grünbaum, Farbstein, Hartglas u. a., 28. September 1920. Vgl. auch die Erinnerungen des kommunistischen Aktivisten Hersch Mendel, der selbst als Deserteur zum Tode verurteilt wurde. Ders., Erinnerungen eines jüdischen Revolutionärs, 162–165. 331 Vgl. die Diskussionen in der ROP über die Verurteilung Unschuldiger durch Standgerichte. AAN, PRM, Rkt. 46, t. 1, Protokolle der 19.–22. Sitzung der ROP.

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Verhandlung fand ohne Zeugen und ärztlichen Gutachter statt; dem Angeklagten wurde das Recht auf Verteidigung verweigert. Dynias Verteidiger legte daraufhin aus Protest sein Mandat nieder, worauf ein mit der Sache nicht vertrauter Pflichtverteidiger bestellt wurde. Das Gericht verhängte die Todesstrafe. In der Zwischenzeit alarmierte Pryłucki gemeinsam mit dem ersten Verteidiger den Stadtkommandanten, der sich jedoch über »so viel Lärm wegen eines Juden« mokierte. Die Bemühungen um eine Begnadigung schlugen fehl, da in Abwesenheit des Staatschefs keine Person über die Berechtigung dazu verfügte. Als am Nachmittag die Abgeordneten Pryłucki, Halpern und Perlmutter bei Jakub Krzemieński, dem stellvertretenden Leiter der Rechtsabteilung im Kriegsministerium und Stellvertreter des obersten Armeeprokurators,332 vorstellig wurden, stellte sich heraus, dass das Todesurteil entgegen der sonst üblichen Praxis bereits vollstreckt worden war. Kriegsminister Sosnko­wski argumentierte in seiner Antwort auf eine diesbezügliche Eingabe des Jüdischen Abgeordnetenkreises juristisch. Zum einen seien Dynias Aussagen entkräftet worden, zum anderen erkenne kein Militärgericht Krankheit als Desertionsgrund an. Prozess und Urteilsvollstreckung seien genau nach den geltenden Vorschriften verlaufen.333 Bald zeigte sich, dass die sowjetrussischen Operationen im Norden und Süden nicht abgestimmt waren.334 Wie ein Keil schob sich das polesische Sumpfland zwischen beide Flügel der sowjetischen Front, die sich immer weiter voneinander entfernten. Unterdessen wurden in Warschau die militärischen Schlüsselposten des Generalstabschefs, des Kriegsministers und des Befehlshabers der strategisch wichtigen 5. Armee mit Tadeusz Rozwadowski, Kazimierz Sosnkowski und Władysław Sikorski neu besetzt. Im Generalstab fiel die kriegsentscheidende taktische Entscheidung. Das gesamte polnische Heer sollte sich in einer gewagten Operation bis an die Weichsel zurückziehen und dabei umgruppieren. Die polnische Hauptstadt war um jeden Preis zu halten. Im Nordwesten sollte die 5. Armee die feindlichen Linien am Fluss Wkra durchbrechen und den Sowjets in den Rücken fallen. Die zentrale Operation war der geplante Stoßangriff einer kleinen Gruppierung in die freie Flanke der sowjetischen Linie, um die gegnerischen Truppen vom Hinterland und damit vom Nachschub und der in Lemberg gebundenen Konarmija abzuschneiden. 332 Zur Biografie Krzemieńskis, der einer jüdischen Familie entstammte, vgl. Kap. 3. 333 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Liczb. 5697, Vorgang Szmul Dynia. 334 Die Schuld für die Fehlentscheidung der Roten Armee ist wohl nicht bei Stalin, sondern bei Lenin zu suchen, der gern den »polnischen Korridor« an Deutschland übergeben wollte sowie den Vormarsch der Roten Armee in die Tschechoslowakei, nach Rumänien und Ungarn anstrebte. Pipes, Die Russische Revolution, Bd. 3, 310. Vgl. auch die Analysen von Fiddick, »The Miracle of the Vistula«, sowie Brown, Lenin, Stalin and the Failure of the Red Army in the Soviet-Polish War of 1920.

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Am 6. August 1920, auf den Tag genau sechs Jahre nach dem Auszug der Kaderkompanie aus Krakau, wurde schließlich nicht nur der Jabłonna-Befehl erlassen, sondern auch von Piłsudski das Kommando zum Rückzug aller polnischen Truppen an die Weichsellinie sowie zur Umgruppierung aller verfügbaren Kräfte gegeben. Noch am selben Tag – gleichzeitig wurden die ersten jüdischen Soldaten interniert – appellierte Premier Witos an Einheit und Kampfeswillen der Warschauer. In zahllosen Werbungsbüros wurden Freiwillige gegen Cholera, Typhus und Pocken geimpft. Zugleich gingen die Behörden gegen Offiziere vor, die mit unglaubwürdigen Begründungen oder gefälschten Marschbefehlen in Warschau unterzutauchen versuchten.335 Trotz dieser Vorbereitungen erlebte der Militärberater Lord d’Abernon die Atmosphäre vor der Schlacht als eigentümlich ruhig.336 Am 10. August verkündete der neue Militärgouverneur Warschaus, Brigadegeneral Franciszek Ksawery Latinik, den Belagerungszustand der Hauptstadt und ihres Umlandes. Am 12. August verließ Piłsudski Warschau, um den Angriff der Stoßtruppe auf die sowjetische Südflanke persönlich zu leiten. Vorsorglich hatte er dem Premierminister eine Rücktrittserklärung von allen seinen Ämtern hinterlegt. Die Ereignisse der folgenden Tage, der Kampf um den Zugang zur Hauptstadt, der Durchbruch am Weichselnebenfluss Wkra sowie die Stoßoperation im Süden gingen als Schlacht bei Warschau (12.–25. August 1920) in die Geschichte ein. Zwischenzeitlich attackierten die Bolschewiki bereits den Brückenkopf von Praga am rechten Weichselufer sowie Nieporęt und Jabłonna, was die diplomatischen Vertreter der Entente zur Abreise aus Warschau bewegte. Am 15. August begann sich die polnische Situation aufzuhellen. Die Rote Armee konnte nach zweitägigen erbitterten Kämpfen zum Stehen gebracht und erstmals in die Defensive gezwungen werden. Tags darauf trieb Piłsudski wie geplant einen Keil zwischen die sowjetische Hauptstreitmacht vor Warschau und die Südwestfront. Die Versorgungswege der roten Truppen waren bereits am Abend des 16. August unterbrochen. Auch an der Nordwestfront gewann die polnische 5. Armee unter General Sikorski schnell die Offensive und drängte die russische 3. und 15. Armee in Richtung Ostpreußen ab. Die folgenden Aufeinandertreffen von polnischer und Roter Armee endeten mit Siegen der Polen, so in der letzten reinen Kavallerieschlacht der europäischen Geschichte bei Komarów und Zamość (31.  August) und in der Offensive an der Memel (20.–26. September). Mitte Oktober erreichten die Frontlinien ungefähr die Stellungen des Vorjahres einschließlich Minsk. 335 CAW, Oddz. I Szt. MSWojsk, I.300.7.109, L.9122/Org., 4. August 1920. 336 D’Abernon, The Eighteenth Decisive Battle of the World, 79. Selbst Witos war zu d ­ ’Abernons großem Erstaunen noch am 27. Juli demonstrativ in sein Heimatdorf bei Tarnów gefahren, um bei der Ernte anwesend zu sein. Ebd., 37 f.

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Am 18. Oktober trat ein Waffenstillstand in Kraft, bis der Rigaer Frieden (18. März 1921) den Polnisch-Sowjetischen Krieg beendete.337 Das Ende der Kämpfe ließ auch die jüdische Zivilbevölkerung aufatmen. Sie hatte als »Praktiker des Überlebens«338 versucht, den Krieg möglichst unbeschadet zu überstehen. Die Kriegsbilanz war für sie hingegen verheerend. Ohne vergleichbare Angaben für die nicht minder unter den Kämpfen leidende christliche Bevölkerung heranziehen zu können, lassen die folgenden Zahlen erahnen, was der Krieg für die hier lebenden Juden bedeutete. Allein in den Kreisen Stanislau, Bursztyn und Tłumacz, durch die vor allem ukrainische Einheiten gezogen waren, verzeichnete die jüdische Gemeinde 19 Ermordete, 52 Verletzte, über 158 Vergewaltigte, darunter zwölf- bis vierzehnjährige Mädchen, und bezifferte den materiellen Schaden auf 28 Millionen polnische Mark.339 Im Sommer 1920 galt: Je weiter die Rote Armee vorrückte, desto gefährlicher wurde die Lage für die Juden, da sie vielfach für die militärischen Misserfolge verantwortlich gemacht wurden. Mit den Gerüchten über die »Diversion« der Juden im Rücken des Heeres gingen immer zahlreichere Übergriffe polnischer Soldaten auf jüdische Zivilisten einher. Eine erste Gewaltwelle war während des hastigen Rückzugs der polnischen Truppen im Juli 1920 zu verzeichnen.340 Eine zweite Welle erfolgte dann mit deren erneutem Vormarsch ab Mitte August bis zum Waffenstillstand am 8. Oktober.341 Meist lieferten geringe Anlässe oder Denunziationen den Vorwand für Repressionen und Gewalt. In Małkinia beispielsweise zeigten Einwohner einen jüdischen Bäcker an, weil er ihnen kein Brot verkaufen konnte, nachdem die abziehenden Bolschewiki die meisten Brote mitgenommen hatten. Zum Entsetzen des Ortsvorstehers wurde der Mann daraufhin von Soldaten ohne ein Gerichtsverfahren gemeinsam mit sechs weiteren Juden hingerichtet. Anschließend raubten sie noch die schwangere Frau des Bäckers aus, die mit

337 N.  Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 275–287; Wandycz, Polish-Soviet Relations, 1917–1921, 251–278. Umfassend zu den Verhandlungen und Bestimmungen des Vertrags Borzęcki, The Soviet-Polish Peace of 1921 and the Creation of Interwar Europe. 338 Katzer, Räume des Schreckens, 83. 339 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.6044. 340 Vor allem CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.48–59, passim. Für Warschau ebd., sygn. I.300.1.50, Liczb. 6015, 6027, 6037 und 7145. Vgl. auch Oddz. II SG, sygn. I.202.4.331. Stellvertretend auch BS, RPII/0/1938, Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Grünbaum, Farbstein u. a. an das Kriegsministerium und die Innenministerien und die Justiz zu gewaltsamen Übergriffen polnischer Soldaten in Grodno und Umgebung, 4. März 1921. Vgl. dazu die Untersuchungen der Militärprokuratur Grodno, die letztlich daran scheiterten, dass die Zeugen die Namen der Täter nicht nennen konnten. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.56, Liczb. 904/22. 341 Vgl. dazu die Dokumentation des Jüdischen Abgeordnetenkreises in CZA, Grünbaum Papers, A127/366 und 367.

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weiteren zwei Kindern völlig mittellos zurückblieb.342 Wie schnell unter den Bedingungen des Krieges aus normalen Situationen ernste Verdächtigungen werden konnten, verdeutlicht auch der Fall eines am 1. September 1920 abgefangenen Telegramms aus Wien, das nur Zahlenkolonnen enthielt und als chiffrierte Nachricht galt. Schnell stellte sich aber heraus, dass es sich um Aktienkurse handelte, welche die Wiener Rosenfeld Comp. einer Filiale der Böhmischen Union Bank in Bielitz mitteilte.343 Ein über die Landesgrenzen hinaus diskutiertes Beispiel antijüdischer Gewalt ereignete sich in Płock. Polnische Zeitungen berichteten, die Juden der Stadt hätten sich vor und während der Besetzung der Stadt durch die Rote Armee (18./19. August) den Polen gegenüber feindselig verhalten. Während die polnischen Verteidiger aus Fenstern heraus mit heißem Wasser übergossen worden seien, hätten sich vier Juden über ein unterirdisches Telefon mit dem Feind verständigt. Rabbiner Szapiro habe die Rotarmisten von seinem Balkon aus mit Lichtzeichen dirigiert, wofür ein Standgericht am 27. August 1920 die Todesstrafe verhängte.344 Als die Anschuldigungen und der Vollzug des Todesurteils gegen Szapiro bekannt wurden, gingen die jüdischen Sejmabgeordneten den Berichten nach. Die Polnische Telegrafenagentur (Polska Agencja Telegraficzna, PAT) hielt die entsprechenden Dementi des Stadtrats und anderer Zeugen ganz oder teilweise zurück. Schnell wurde offensichtlich, dass kein konkreter Fall jüdischer Kollaboration nachzuweisen war.345 Während der Rückeroberung der Stadt, für die Płock von Piłsudski persönlich mit dem Tapferkeitskreuz (Krzyż Walecznych) geehrt wurde, war es im Gegenteil trotz einiger Schikanen durch polnische Stadtbewohner häufig zu einer Zusammenarbeit gekommen.346 Bei ihrem Eindringen in die Stadt plünderten Rotarmisten zudem das jüdische Viertel, da auch sie angeblich aus 342 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1, L.7877, Aussagen von Dr.  Dralicz u. a., 26. Oktober 1920. 343 CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.64, 165–172. 344 Cztery hasła bolszewickie: złoto, pieniądze, wódka i dziewczęta. Z najazdu bolszewików na ziemię płocką, in: Gazeta Poniedziałkowa, 30. August 1920; Sprawozdanie posła Grünbauma o syt[uacji] w Płocku, in: Dzień, 23. September 1920, 1; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.6009. 345 So bestätigten die Kommandantin der Służba Narodowa (Nationaler Dienst) und der Vorsitzende des Roten Kreuzes, keinerlei Verwundete versorgt zu haben, die Verbrennungen aufwiesen. AAN, MSZ, sygn. 9388, 135, Kommuniqué Nr. 265, 21. September 1920; BS, RPII/0/2066, Eilantrag der Abgeordneten Grünbaum, Farbstein, Hartglas u. a., undatiert. Vgl. auch Jakubowicz, Inwazja bolszewicka w Płocku w 1920 r. Außerdem dazu die vom Kriegsministerium durchgeführte Untersuchung aufgrund der parlamentarischen Eingabe. BS, RPII/0/1348, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Farbstein u. a. an das Kriegsminsterium, 24. September 1920; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, L.6489. 346 Eine entsprechende bildliche Darstellung findet sich in der Soldatenzeitung Wiarus. Obrona Płocka, in: Wiarus, 31. August 1920, 590.

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den Häusern heraus angegriffen worden waren. Es kam zu Vergewaltigungen und Plünderungen, woran sich auch Polen beteiligten. Diese Ausschreitungen setzten sich nach dem Abzug der Roten Armee, als Flüchtlinge in die Stadt zurückkehrten und Gerüchte über die jüdische Kollaboration mitbrachten, fort; ein polnischer Soldat wurde in diesem Zusammenhang sogar zum Tode verurteilt.347 Nach ähnlichem Muster wie in Płock kam es auch in anderen Städten, wie in Białystok (23.–25. August) oder Siedlce (25. August), zu Erschießungen und Gewalttaten.348 Für die Armeeführung wurden die Disziplinlosigkeit der Truppe und die schlechte Presse Polens im Ausland zunehmend zum Problem. Das Kriegsministerium erkannte erst spät, dass das Auftreten von Militär und Verwaltung in den eroberten Gebieten »viel zu wünschen übrig« ließ und so einige propolnische Sympathien unter der lokalen christlichen und jüdischen Bevölkerung leichtfertig verspielt wurden.349 Bemühungen vom Frühjahr, die Gewalt einzudämmen, hatten nicht gefruchtet. Im Mai hatte das Kriegsministerium die Kommandeure und Bahnhofsvorsteher zur Eindämmung der Ausschreitungen aufgefordert, weil die Disziplin in den Truppen immer schwieriger aufrechtzuerhalten war.350 Da jedoch selbst die Feldgendarmerie gegen die marodierenden Soldaten häufig machtlos war, entschloss man sich, Truppentransporte nicht mehr direkt in Bahnhöfen halten zu lassen, sondern in 347 Janusz Szczepański, Społeczność żydowska Mazowsza w XIX–XX wieku, 243 f. 348 Zu den Ereignissen von Białystok vgl. AAN, MSZ, sygn. 9388, 19. September 1920, 125–129, Kommuniqué Nr. 264 der Organizacja Syjonistyczna w Polsce, 21. September 1920; R. Boski, Zwycięskim szlakiem, in: Robotnik, 29. August 1920, 2. Zu Siedlce Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 353. Vgl. auch den Fall der Erschießung einer ganzen Familie in Bobrujsk, die angeblich ein Telefon versteckt hatte, sowie die Ausplünderung eines Brennholzhändlers in Radzymin, der zuvor polnischen Soldaten vor den Rotarmisten Unterschlupf gewährt hatte. Echa rozstrzelania 9-ciu żydów w Bobrujsku, in: Nasz Kurjer, 20. Juni 1920; Epizod z epopei radzymińskiej, in: Robotnik, 27. August 1920. 349 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 288 f., Nachrichtenkommuniqué Nr. 50, 15. August oder 3. September 1920; AAN, IW, sygn. 296/I–62; 296/I–64, passim; AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 77 f., Politischer Lagebericht, 30. Mai 1919. Kritik am Umgang mit der Zivilbevölkerung an der Ostfront wurde bereits früher öffentlich. Beispielsweise prangerte der PPS-Parlamentarier Mieczysław Niedziałkowski im Oktober 1919 im Plenum des Sejms die Inhaftierung bzw. Internierung von über 20 000 Zivilisten aus den Ostgebieten an. Niedziałkowski zufolge widersprach dieses Vorgehen dem polnischen Interesse, das er in der Bindung dieser Gebiete an Polen sah. Zudem seien nicht nur politisch Verdächtige, sondern auch polnische Rückkehrer aus Russland, die keine Dokumente besaßen, interniert worden. BS, SSSU Nr. 94, 24. Oktober 1919, 18–20. 350 Es handelt sich um mehrere Anordnungen und Befehle zwischen März und Mai 1920. AAN, KCNP, sygn.  180, 81–83, MSWojsk an KCNP, 4. Mai 1920; Ministerstwo Spraw Wojskowych o ekscesach antyżydowskich, in: Nasz Kurjer, 18. März 1920; Narada w mini­ sterstwie wojny w sprawie napadów na żydów, in: ebd., 2. April 1920, 4; MSWojsk w sprawie ekscesów antyżydowskich, in: ebd., 20. April 1920, 3.

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einiger Entfernung. Die Transporte sollten der örtlichen Polizei angekündigt werden.351 Ende Juli 1920 verstärkte die Armeeführung ihre Anstrengungen, illegale Requirierungen zu verhindern, und drohte mit einer konsequenten Ahndung durch die militärischen Standgerichte.352 Das Kriegsministerium untersagte erneut jegliche Angriffe auf Juden in den Bahnhöfen. Diese seien Ausweis mangelnder Disziplin und fehlenden Ehrgefühls der Täter und setzten Polen »mit einem gewissen Recht« dem Vorwurf von Intoleranz, Barbarei und mangelnder Zivilisierung aus.353 Etwa zur gleichen Zeit präsentierten Alfred Nossig, Apolinary Hartglas und Noah Pryłucki im Kriegsministerium »einen genau ausgearbeiteten Plan zur Bekämpfung der antijüdischen Ausschreitungen in der Armee«, der eine Kombination von geheimen und offenen Anordnungen, Appellen an Mannschaften und Offiziere, Sicherheitsmaßnahmen und der Strafverfolgungen der Täter vorsah.354 Ihr Ansprechpartner war Generalleutnant Kazimierz Sosnkowski, der kurz darauf, am 9. August 1920, vom Vizeminister zum Ressortchef avancierte. Sosnkowski, den Nossig als jungen, hochgebildeten und den Juden zugeneigten Politiker empfand, konnte diesen davon überzeugen, dass mindestens 90 Prozent der Vorkommnisse von »Posenschen« und in geringerem Maße von »Hallerschen Soldaten« verübt wurden. Gegen deren ausgeprägten Judenhass sei, so Nossig, die Armeeleitung – auch wegen nötiger Zugeständnisse an deren Befehlshaber – bislang chancenlos gewesen.355 351 AAN, IW, sygn. 296/I–16, 29 f., Bericht über die jüdische Presse Nr. 26, 30. April – 7. Mai 1920; AAN, IW, sygn. 296/I–17, 19 und 25, Berichte über die jüdische Presse Nr. 32 und 33, 27. Juni – 4. Juli und 4.–7. Juli 1920; CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Nachrichtenkommuniqués Nr. 17 und 18, 6. und 11. März 1920. Bereits am 30. September 1919 erging eine ähnliche Anordnung der Leitung der Militärtransporte. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.44, 2.  352 CAW, Rozkazy Dowództwa Okręgu Generalnego Warszawskiego, DOK I/6 (rozkazy tajne), Offiziersbefehle L.117 und L.120, 28. Juli und 4. August 1920; AAN, IW, sygn. 296/I–64, 31, Bekanntmachung zu den Requirierungen der Armee, 17. August 1920. Nasz Kurjer berichtete bereits im April 1920 von einer Beratung im Kriegsministerium, auf der nach Mitteln zur Eindämmung der Übergriffe auf Juden, darunter über die Einrichtung einer speziellen Anlaufstelle für Betroffene, diskutiert wurde. Narada w Ministerstwie Wojny w sprawie napadów na Żydów, in: Nasz Kurjer, 2. April 1920. Kurze Zeit darauf gab dieselbe Zeitung bekannt, dass die Starostenämter Beschwerden über das Verhalten von Soldaten entgegennehmen und an die betreffenden Einheiten weiterleiten würden. Zażalenia na wojskowych, in: ebd., 13. April 1920. 353 Z powodu ekscesów przeciwżydowskich, in: Kurjer Poranny, 31. Juli 1920; AAN, IW, sygn. 296/I–17, 99, Morgenpresseschau Nr. 342, 31. Juli 1920; AAN, PRM, sygn. 20055, 178v, Sitzung des Ministerrats, 19. und 21. Juli. Vgl. auch die entsprechende Anordnung des Innenministeriums. Ebd., MSW, sygn. 202–974, 19.  354 Nossig, Polen und Juden, 51. Zu den Nossig-Verhandlungen zwischen jüdischen Parteien und polnischer Regierung Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 309–311. 355 Nossig, Polen und Juden, 51 und 55.

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Nach Beratungen im Kabinett und auf Bitten von Premier Grabski befahl Sosnkowski den Truppen am 30. Juli, also in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Jabłonna-Entscheidung, jegliche Gewalt gegen Juden einzustellen, und kündigte entsprechend harte Strafen an.356 Selbst einige Nationaldemokraten, denen die Ereignisse zu weit gegangen waren, riefen zum Ende der Gewalt auf.357 Diese gut gemeinte Geste blieb aber ohne Folgen. Noch im September, als die polnische Armee den Krieg bereits für sich entschieden hatte, musste Generalstabschef Rozwadowski in einem Befehl erneut bei allen Kommandeuren auf die Eindämmung der Gewalt gegen Juden drängen. Er wies darauf hin, dass nur eine kleine Menge der jüdischen Bevölkerung mit dem Feind kollaboriert habe, während »der überwiegende Teil besonders der Orthodoxen doch völlig loyal und sogar patriotisch« eingestellt sei.358 Die Wirkungslosigkeit solcher Befehle hatte der Publizist Samuel Hirsz­ horn bereits im Mai 1920 angeprangert. Ihm zufolge erkenne die Armeeführung die wahren Gründe für die Gewaltwelle nicht an und unterstelle vielmehr den Juden Fremdheit. Sie toleriere den Antisemitismus der Soldaten und begegne der Alltagsgewalt gegen Zivilisten und den Übergriffen auf Juden mit Straflosigkeit. Darüber hinaus werde der Antisemitismus in einem Teil der politischen Propaganda als patriotische Tat dargestellt. Da sich die Gewaltopfer in ihrer Not meist zuerst an jüdische Sejmabgeordnete und nicht an die örtliche Polizei wandten, konnten die Schuldigen oftmals nicht gefasst werden. Die Parlamentarier verständigten in der Regel zwar die lokalen Kommandanturen, die wiederum eine Patrouille der Feldgendarmerie an den Ort des Geschehens schickten. Aufgrund des Zeitverzugs waren dann meist keine der Täter mehr anwesend. Kam es tatsächlich zu Prozessen gegen Täter, wurde darüber in der Öffentlichkeit kaum berichtet. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt Hirszhorns war, dass die Behörden antijüdische Gewalt zwar verurteilten, die Schuld dafür mit dem Verweis auf die negative Berichterstattung ausländischer Pressehäuser über Polen den Juden letzten Endes selbst in die Schuhe schob.359 Trotz der prekären Lage der Juden kann man, sieht man von den Bundisten ab, im Juli 1920 von der Entstehung einer breiten überparteilichen jüdischen antibolschewistischen Allianz sprechen, die sich eindeutig für die polnische 356 AAN, PRM, sygn. 20055, 178v, Sitzungsprotokoll des Ministerrats, 19. und 21. Juli 1920. Vgl. auch AAN, BS, sygn. 27, 11–14; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, L.3918; AAN, MSW, sygn. 202–974, 19, Rundschreiben Nr. 274. Selbst nach dem Ende der Kämpfe mussten derartige Aufrufe wiederholt werden. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.6095. 357 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 250. 358 PIA, Akta Szefa Sztabu Generalnego Wojska Polskiego Generała Tadeusza Rozwadowskie­go, sygn. 701/3/2, Nr. 45067. 359 Samuel Hirszhorn, Jak walczyć z ekscesami?, in: Nasz Kurjer, 7. Mai 1920.

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Seite aussprach. Für die jüdische Orthodoxie, die Trotzki gar mit einem Bannfluch belegt hatte, verband sich der Vormarsch der atheistischen Bolschewiki mit der Angst vor einer Zerstörung ihrer traditionellen Lebensweise, wie es die Erfahrungen der Glaubensbrüder in der Ukraine und der ungarischen Räterepublik nahelegten. In vielen jüdischen Gemeinden wurde daher am 15. Juli 1920 ein Tag des Fastens und Gebets für das Vaterland und dessen erfolgreichen Kampf begangen.360 Bereits am 11. Juli rief die integrationistische Vereinigung der Polen mosaischen Bekenntnisses aller polnischen Landesteile (Zjednoczenie Polaków Wyznania Mojżeszowego Wszystkich Ziem Polskich) die jüdische Bevölkerung auf, ihren aktiven Beitrag zur Verteidigung Polens zu leisten.361 Die Warschauer jüdischen Stadtverordneten versicherten, dass auch die Juden – wie dereinst Berek Joselewicz und Dow Ber Meisels – ihr Eigentum und Leben für die Verteidigung des Vaterlandes einsetzen wollten.362 Im Sejm rief der Zionist Izaak Grünbaum dazu auf, angesichts der Bedrohung Polens den Parteienstreit, vor allem aber den Konflikt zwischen polnischer und jüdischer Bevölkerung zu beenden. Die Juden seien bereit, alle nötigen Opfer zur Verteidigung des Landes zu erbringen.363 Ein weiterer Aufruf, unterzeichnet vom Jüdischen Abgeordnetenkreis und verschiedenen, meist dem Zionismus nahestehenden Organisationen, wurde am 13. Juli in der jüdischen Presse verbreitet. In diesem viel zitierten Dokument warnen die Unterzeichner vor der Gefahr, die der Freiheit und Unabhängigkeit des Landes »von Norden, Osten und Süden« her drohe. Es handelt sich um ein Zeugnis des Zwiespalts zwischen den bitteren Erfahrungen von Juden in Polen und dem drohenden Untergang des Landes, zu dessen Verteidigung sich die Unterzeichner verpflichtet fühlten: »Juden! […] Durchs ganze Land ertönt die mächtige Stimme, die die Nation und alle Bürger zur Verteidigung des Landes, seiner Freiheit und Unabhängigkeit aufruft. Gemeinsam mit allen Bürgern standen auch wir Juden auf, um die auf uns ruhenden Pflichten zu erfüllen. Wir vernahmen kein einziges an uns gerichtetes Wort, das uns aufforderte, alles Unrecht zu vergessen und uns zu wirklichem Einvernehmen und zur gerechten Gestaltung der inneren Verhältnisse aufriefe. Im Gegenteil, von verschiedenen Seiten hören wir weiterhin Worte des Hasses und wir werden mit Verleumdungen und Unterstellungen beworfen. / Juden! Wir vergessen nicht, was wir dem Land, in dem wir leben, an dessen Aufbau und Entwicklung wir mitgewirkt haben, schuldig sind. Bedenken wir nur eins: Das Land ist in Gefahr und benötigt die aufopfernde Hilfe aller seiner Söhne und Bürger.«364 360 AAN, MSZ, sygn. 9388, 178, Presseschau, 12. Juli 1920. 361 Drozdowski, Warszawa w obronie Rzeczypospolitej czerwiec – sierpień 1920, 98; Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 102. 362 Deklaracya pos. Grünbauma, in: Nowy Dziennik, 13. Juli 1920, 4. 363 Ebd. 364 AAN, MSZ, sygn. 9388, 181, Presseschau, 13. Juli 1920. Vgl. auch Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 243.

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Weitere Appelle verschiedener jüdischer Institutionen, Berufsverbände, Gemeinden und Vereine forderten die Juden zur Mitarbeit in Hilfsdiensten, im Polnischen Weißen Kreuz (Polski Biały Krzyż) sowie zum Frontdienst auf.365 Die orthodoxe Tageszeitung Der Jud erinnerte gar an den Kampf der Juden gegen Chmelnyzkyj und im Kościuszko-Aufstand und forderte, dass angesichts der hohen Zahl jüdischer Soldaten im polnischen Heer alle Juden die Sache Polens unterstützen sollten.366 In vielen Texten zogen die Autoren historische Analogien, vor allem zu Berek Joselewicz und zum Januar­ aufstand von 1863.367 Nasz Kurjer wollte im Moment der Bedrohung Polens alle Antagonismen ruhen lassen. Die Tageszeitung monierte jedoch, dass die Pflichterfüllung der Juden nicht eine solche Würdigung fände wie während des Januaraufstandes, bei dem Polen und Juden gemeinsam als »Söhne eines Landes« kämpften. Es liege nun an den Polen, ein Signal »väterlicher Liebe« auszusenden, und die gesamte Gesellschaft der Republik würde für das Vaterland kämpfen und es zur Blüte führen.368 Auch die jüdischen Journalisten erklärten ihre Kampfbereitschaft für den Erhalt Polens und forderten zugleich das Ende des Antisemitismus in Teilen der polnischen Presse.369 Neben dem schon thematisierten Engagement im Bereich der Landesverteidigungskomitees kann man die zivile Beteiligung von Juden besonders an lokalen sozialen und politischen Initiativen ausmachen, vor allem in der Fürsorge für jüdische Rekruten und Soldaten.370 Mit dem Anwachsen der Bedrohung stieg aber auch die Bereitschaft zum Beitritt in bewaffnete Formationen. Bald lag in einigen Bürgerwehren der Anteil von Juden über dem der Polen, wie auch in den Streitkräften ein gewisser Zustrom von Rekruten aus dem jüdisch-akademischen Milieu zu verzeichnen war.371 Selbst in Kielce, das 1918 noch einen Pogrom erlebt hatte, unterstützten Juden die polnische Kriegsführung nicht nur finanziell, sondern auch als Kriegsfreiwillige.372 Aus 365 AAN, MSZ, sygn. 9388, 181–189, Presseschau, 13. Juli 1920; AAN, IW, sygn. 296/I–17, 40, Bericht über die jüdische Presse Nr. 33, 8.–11. Juli 1920. Das Polnische Weiße Kreuz leistete im Ersten Weltkrieg medizinische Hilfe an jenen Fronten, an denen polnische Soldaten in den Teilungsarmeen eingesetzt wurden. Darüber hinaus engagierte es sich in der patriotischen Bildungsarbeit und versuchte, auch die Familien der Soldaten materiell zu unterstützen. 366 CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.486, 76 f., Bericht Tagespresse, 3. August 1920. 367 AAN, IW, sygn. 296/I–57, 39, Warszawo! (unsignierter Aufruf, o. D.); M.  Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszewickiej 1919–1920, 172. 368 AAN, IW, sygn. 296/I–17, 20, Bericht über die jüdische Presse Nr. 32, 27. Juni – 4. Juli 1920. 369 Ebd., 40, Bericht über die jüdische Presse Nr. 33, 8.–11. Juli 1920. 370 CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Nachrichtenkommuniqués Nr. 11 und 31, 14. Februar und 5. Juni 1920. 371 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 245 f. 372 Urbański, Kieleccy Żydzi, 103. Urbański zufolge waren auch einige Kielcer Juden in Jabłonna interniert. Ebd., 104.

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Wysokie Mazowieckie bei Białystok ist überliefert, dass das örtliche Rewkom aus drei Polen bestand, während sich zahlreiche Juden den polnischen Partisanen anschlossen und 18 von ihnen bei den Kämpfen ihr Leben verloren.373 Mit Ausnahme des Juli 1920 blieb die Zahl der jüdischen Kriegsfreiwilligen insgesamt aber niedrig, auch weil viele dienstwillige Juden sich bereits früher gemeldet hatten oder nach dem Bekanntwerden von Jabłonna die Überstellung in Strafbataillone befürchteten.374 Daneben blieben Desertionen von Juden aber weiter ein alltägliches Phäno­men. Es mag sein, dass viele der vom Militär angefertigten Rapporte überzeichnet sind, doch selbst eher wohlwollende Berichte über das Ausmaß der Desertionen bestätigten die Nachrichten in ihrer Tendenz.375 Einer der Gründe dafür lag sicherlich in der häufig schlechten Behandlung jüdischer Soldaten bei der Truppe, in der Regel durch Vorgesetzte.376 Dies konnte die Form verschiedener Schikanen annehmen, die wiederum nicht selten den Widerstand der Soldaten provozierten, wie die Geschichte von Icchok Aizyk Weic und Michel Szlomo Taub zeigt. Beide waren Soldaten des von Modlin nach Jabłonna verlegten 5. Reservebataillons des 1. Infanterieregiments der Legionen. Als sie zum Sukkot-Fest auf Antrag keinen Urlaub erhielten, sondern im Gegenteil für schwere Dienste eingeteilt wurden, begaben sie sich auf eigene Faust zu ihren Familien in Warschau. Als sie nach zwei Tagen zu ihrer Einheit zurückkehrten, erhielten sie nicht nur einen Tag Arrest, sondern wurden ihren Angaben zufolge auch brutal geschlagen.377 Das verheerend schlechte Bild der jüdischen Bevölkerung und der jüdischen Soldaten, das sich in der Öffentlichkeit im Sommer 1920 Bahn brach, hatte fatale politische Folgen. In der Presse mehrten sich die Berichte über Kollaboration, Drückebergerei, Desertionen und Polenfeindschaft der Juden. Die Zeitschrift Myśl Niepodległa des Schriftstellers Andrzej Niemojewski stellte fest, dass der Staat in »höchster Gefahr« sei, während »die Bolsche­ wisten unter uns eine Vielzahl Agenten haben, die den Kommunismus säen«. Das Heer wiederum sei »verjudet mit einem verräterischen, feigen und im Kampf wertlosen Element«.378 Dieselbe Zeitung hatte schon im Frühjahr eine Liste angeblich jüdischer Mitarbeiter des Generalstabs veröffentlicht379 373 Do ziemi bielskiej, in: Kurjer Warszawski, 8. September 1920, 3. 374 M. Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszewic­ kiej 1919–1920, 174. 375 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 1, 1, Politischer Monatsbericht, 15. Februar – 15. März 1919. 376 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.47, L.507 und 823; ebd., sygn. I.300.1.49, L.4173. 377 Ebd., sygn. I.300.1.59, L.7101, Aussage von Jan Eisenkopf. 378 Zabiegi żydowskie, in: Myśl Niepodległa Nr. 509, 24. Juli 1920, 631–634, hier 633. Vgl. auch die Schilderungen des Verhaltens von Juden im polnischen Heer. Zapiski, in: ebd., 636–638. 379 AAN, IW, sygn. 296/I–15, 64, Bericht über die Wochenpresse Nr. 11, 11.–18. März 1920. Es stellte sich heraus, dass vier der Genannten keine Juden waren. Ebd., 106, Bericht über die Wochenpresse Nr. 13, 25. März – 1. April 1920.

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sowie am Namenstag Piłsudskis einen offenen Brief von Armeeangehörigen veröffentlicht, in dem die »Entjudung« (»odżydzenie«) von Staat und Armee gefordert wurde.380 Besonders das Offizierskorps und die Intendanturen wurden als von Juden durchdrungen dargestellt.381 Die Juden erschienen als Ziehkinder Lenins und Trotzkis, die das ihnen unter der Zarenherrschaft zugestoßene Unrecht durch Bevorzugung ausgleichen wollten, etwa indem sie Juden zu den »Herren der bolschewistischen Heere« machten.382 Selbst Piłsudski galt als Marionette des internationalen Judentums, die mit den Bolschewiki zusammenarbeite, private Kontakte zu Jüdinnen pflege und über ein Schweizer Nummernkonto verfüge. Im Raum Kielce verbreitete ein Priester schon im Januar 1919 die Ansicht, dass nicht nur die Armee mit »jüdischem Geld« ausgestattet und verpflegt werde, sondern Piłsudski selbst von den Preußen mit dem Ziel entlassen worden sei, in Polen eine »bolschewistische und jüdische Herrschaft« einzuführen.383 Als Piłsudski im August 1920 Warschau verließ, um die Operation am Wieprz zu leiten, kursierten Gerüchte, er habe die Stadt für zwei Milliarden polnische Mark an die Bolschewiki verkauft und sei dann geflohen.384 Viele Akteure forderten daher schon lange offen die Entfernung der Juden aus der Armee. Tonangebend war dabei die Nationaldemokratie, die ihre politischen Botschaften allzu gern mit antisemitischen Parolen anreicherte. Am 22. Februar 1920 etwa verlangten in Posen 2 500 Demonstranten, die Juden aus Militär und Staatsapparat zu entfernen.385 Wie der Kurjer Poznański zu berichten wusste, peitschte auf einer Kundgebung im August ein Abgeordneter in Anwesenheit des Premierministers Witos die Menge auf: »›Wollen wir Großpolen ein Bündnis mit den Deutschen oder mit der Koalition?‹ – Als Antwort ein Ruf: ›Weg mit den Deutschen. Es lebe die Koalition!‹ ›Fordern wir den Rauswurf der Juden aus der Armee?‹ Die tosende Antwort: ›Weg mit den Juden!‹«386 Im Juli 1920 verlangte die Antibolschewistische Liga auf ihren Kundgebungen unverhohlen die Entfernung von Juden aus wichtigen Funktionen  – eine Forderung, die auch auf den Parteiversammlungen der Nationaldemokraten wiederholt wurde und möglicherweise den Weg für den Jabłonna-Befehl ebnete. Józef Dowbor-Muśnicki unterstrich in der 380 AAN, IW, sygn. 296/I–15, 138, Bericht über die Wochenpresse Nr. 14, 1.–7. April 1920. 381 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 248. 382 Myśl Niepodległa, hier zit. aus AAN, IW, sygn. 296/I–16, 134 f., Bericht über die Wochenpresse Nr. 17, 10.–16. Juni 1920; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 246. 383 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 35. 384 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 265. 385 CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, Nachrichtenkommuniqué Nr. 15, 26. Februar 1920. 386 Kurjer Poznański, 1. August 1920, hier zit. nach Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 267.

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Flugschrift Res Publica die Bedeutung einer »strengen Einhaltung des Nationalitätenprinzips bei der Auswahl der Offiziere«. In einem homogenen Offizierskorps könne es nicht zu national begründetem Misstrauen kommen. Es gebe besser und schlechter für den Militärdienst geeignete Völker und man dürfe nicht zulassen, dass in ein und derselben Armee die weniger zum Kampf geeignete Nation sichere Positionen bekleide.387 Die Tageszeitung Gazeta Poranna 2 Grosze führte am 13. Juli 1920 schließlich anhand zahlreicher Beispiele den »Nachweis«, dass die Juden für die Fehlschläge der polnischen Armee verantwortlich sei. Sie schürten Panik und führten eigene Verhandlungen mit den Bolschewiki, hieß es. Um blutige Exzesse als Reaktion der empörten polnischen Soldaten zu verhindern, müssten die Juden unverzüglich aus den Fronteinheiten wie aus dem Offizierskorps abgezogen werden.388 Die Saat der immer lauter vorgetragenen Verdächtigungen und Forderungen ging rasch auf. In einigen Städten wie in Rzeszów wurden die Juden aus der Bürgerwehr und dem Landesverteidigungskomitee entfernt.389 Auch die offizielle Kriegspropaganda machte es sich in einigen Fällen zum Prinzip, Juden und Bolschewiki gleichzusetzen und damit die Vorstellung von der »żydokomuna« in der Bevölkerung zu verfestigen. Besonders der Bund wurde pauschal als kommunistische Kaderorganisation dargestellt.390 Im Juni 1920 war in der Frontzeitung der 1. Litauisch-Belarusischen Division, Żołnierz Kresowy, ein Artikel zu lesen, in dem gegen die Juden als treibende Kraft hinter dem Bolschewismus polemisiert wurde.391 In einer von der landesweit erhältlichen Militärzeitung Żołnierz Polski herausgegebenen Soldatenbibliothek erschien unter anderem eine Broschüre mit dem Titel Bolschewistische Vergnügungen, in der die Bolschewiki durchweg als Juden dargestellt werden; an anderen Stellen sind es »wilde Asiaten«.392 Dasselbe gilt für zahlreiche Plakate, Postkarten und andere bildliche Darstellungen.393 387 Józef Dowbor-Muśnicki, Sprawy wojskowe, in: Res Publica (Jednodniówka), hier zit. nach AAN, IW, sygn. 296/I–17, 67, Morgenpresseschau Nr. 322, 20. Juli 1920. 388 O odżydzenie armji, in: Gazeta Poranna 2 Grosze, 13. Juli 1920, 1; AAN, IW, sygn. 296/ I-17, 41, Morgenpresseschau Nr. 310, 13. Juli 1920. 389 Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 248. 390 AAN, MSW, sygn. 202–974, 10. Juli 1920, 13 f., Rundschreiben an den Generaldelegaten der Regierung in Lemberg, 10. Juli 1920; ebd., 25, Instrukcja dla funkcjonariuszy udających wydziału IV-go Komendy Głównej P. P. udających się na tereny oczyszczone od bolszewików. 391 Politicus, Truciciele duszy żołnierskiej, in: Nasz Kurjer, 9. Juni 1920; AAN, IW, sygn. 296/I–16, 22 f., Presseschau der jüdischen Presse, 6.–11. Juni 1920. 392 Przyjemności bolszewickie, Warszawa 1920 (Biblioteka Żołnierza Polskiego), u. a. in: AAN, IW, sygn. 296/I–44, 316. Vgl. auch eine Karikatur im Wiarus, eine stereotype Darstellung eines jüdischen Rotarmisten, der von einem polnischen Soldaten am Halsband geführt und zu Hockschritten im Stile eines russischen Volkstanzes gezwungen wird. Wiarus, 7. September 1920, 630. 393 AAN, IW, sygn. 296/I–56, 25–32; ebd., sygn. 296/I–57, 24 f., Bolszewicy w Płocku und Bolszewicy idą; ebd., sygn. 296/I–17, 40.

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Eine besondere Aktivität in dieser Richtung entfaltete die Führung der Freiwilligenarmee, deren Befehlshaber Józef Haller aus seiner Abneigung gegen Juden keinen Hehl machte. Auf einer Sitzung der ROP am 13. Juli 1920 beklagte er, die Gerichte seien »aus Juden zusammengesetzt«.394 »Der Soldat«, so monierte er weiter, »möchte nicht in Habachtstellung [vor einem Juden] stehen und von einem Juden gerichtet werden!«395 In einem Flugblatt des von Haller geleiteten Hauptinspektorats der Freiwilligenarmee (Główny Inspektorat Armii Ochotniczej) wird das angebliche Programm der »bolschewistischen Regierung in Polen« skizziert. Nicht genug, dass Julian Marchlewski mit einer Jüdin verheiratet und Karol »Radek-Sobelsohn« ein Dieb sei  – ausgerechnet das Finanzressort sei mit dem Juden »Litwinow-Finkelstein« besetzt worden. Zum Programm der Regierung gehöre neben Terror und Konfiskationen die Kolonisierung Polens mit der »russischen und jüdischen Armutsschicht«.396 Die Juden arbeiteten zudem mit den übrigen Staatsfeinden Hand in Hand.397 Die weitesten Kreise zog ein Aufruf General Sikorskis, in dem der spätere Premier der Exilregierung von »bolschewistischen moskowitischen Banden unter der Führung jüdischer Kommissare« sprach.398 Einer ganz ähnlichen Sprache bedient sich ein Flugblatt, das an die Soldaten der Roten Armee – wahrscheinlich in den polnischen Gefangenenlagern – adressiert war. Diese wurden aufgeklärt, sie würden von einer Bande Kommissaren missbraucht, die krumme Geschäfte mache, von der Plackerei der Soldaten lebe, die Teuerung in Russland verantworte und das Land ins Elend zu stürzen drohe. Den russischen Soldaten wurde die Hoffnung gemacht, den Moment zu erleben, wenn »aus Russland die böse Saat der Knechte des Kapitalismus, der jüdischen Agenten, die Saat der Lenins und Trotzkis ausgewaschen« würde.399 Bei den Juden nährte diese Propaganda Befürchtungen vor dem Anwachsen der Gewalt und stellte zugleich die Ernsthaftigkeit der vorangegangenen Bemühungen der polnischen Regierung zu deren Eindämmung infrage.400 394 PROP, 177–195, hier 182 f., 3. Sitzung der ROP, 13. Juli 1920. 395 Ebd., 191. 396 AAN, IW, sygn. 296/I–56, 22, Program Rzadu Bolszewickiego w Polsce (Flugblatt). Keiner der beiden Genannten gehörte dem Polrewkom an, Karl Radek war in der Komintern tätig. Vera Kaplan, Art. »Radek, Karl«, in: The YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe, Bd. 2, 1510 f. Maksim Maksimovič Litvinov (1876–1951) stammte zwar aus Białystok, war jedoch im diplomatischen Dienst der Sowjetunion aktiv. Boris Morozov, Art. »Litvinov, Maksim Maksimovich«, in: ebd., Bd. 13, 141. 397 AAN, IW, sygn. 296/I–57, Przeczytaj Koledze! (undatiertes Flugblatt des Żołnierz Polski). 398 Ebd., 8, Ludu Polski! (Flugblatt). 399 Ebd., 60, Żołnierze wojsk sowieckich! (Flugblatt). 400 AAN, IW, sygn. 296/I–17, 40, Presseschau der jüdischen Presse Nr. 33, 8.–11.  Juli 1920; ebd., sygn. 296/I–16, 56 f., Presseschau der jüdischen Presse Nr. 27, 14.–21.  Mai 1920; M. Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszewic­ kiej 1919–1920, 171.

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Gleichwohl war es nicht die offizielle Linie der polnischen Militärführung, besonders des Generalstabs, antisemitisches Gedankengut zu verbreiten. Auch wiesen höhere Stellen wie die Abteilung II des Generalbezirks Krakau mehrfach darauf hin, dass das Spiel mit antisemitischen Stereotypen in der Kriegspropaganda Ausschreitungen gegen Juden begünstige und deren Bereitschaft zur Unterstützung Polens zudem kaum befördere.401 Man muss hier also klar zwischen einzelnen Funktionsträgern und Truppenteilen unterscheiden. Wie das offene Auftreten einzelner Militärs als Gegner der Juden auf den Unwillen der militärischen Führungsebene stoßen konnte, zeigt der Fall des Generals Anatol Kędzierski. Dieser veröffentlichte im März 1920 anlässlich seines Ausscheidens aus dem Amt des Inspektors der Großpolnischen Artillerie einen Befehl, dessen »unzulässige Form« im Kriegsministerium mit der Bemerkung quittiert wurde, er würde damit die »auch so extrem antisemitischen Instinkte der großpolnischen Soldaten« anstacheln.402 Im Befehl, der allen Soldaten in Westpolen verlesen wurde, heißt es: »Ich erinnere die Offiziere und Soldaten daran, dass im Osten der größte Feind Polens der Jude ist (auch die Jüdin), die sich immer bemühen, den Soldaten irrezuleiten und zu demoralisieren. Der Soldat und der Offizier müssen sich von der Krätze fernhalten und dürfen nicht mit ihnen verkehren.«403 Die von nationalistischen Politikern und Publizisten aufgebaute Druckkulisse war der entscheidende Katalysator für die Exklusion der Juden aus dem Militär und der Verteidigungsgemeinschaft der Staatsbürger. Sie entsprach auch der Vorstellung einiger Militärangehöriger, für die Juden einen »ausgesprochen anderen Charakter als der polnische Soldat« hatten, geprägt durch eine angeblich »schmutzig-nachlässige« äußere Erscheinung und die Neigung, sich lieber in die Kanzleien und Lazarette versetzen zu lassen, als in der Linientruppe Dienst zu tun.404 Umso leichter fiel es dann, Juden vom Militärdienst fernzuhalten, auch wenn ein prinzipieller Ausschluss vom Gesetzgeber nie angestrebt wurde. Im Frühjahr 1920 wurden erneut derartige Praktiken in den regulären Streitkräften in größerem Umfang bekannt.405 In der Presse fand sich bereits Anfang März Kritik, dass die »Polen mosaischen Glaubens« oft vom Kriegsdienst ausgeschlossen würden, womit die Regie-

401 CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.39, Berichte Nr. 710/20, 740/20 und 810/20. 402 PIA, Adiutantura Generalna Naczełnego Wodza, sygn. 8/2, 90. 403 Ebd., 98. 404 CAW, Oddz.  II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, 4, Nachrichtenkommuniqué Nr. 27, 8. Mai 1920. 405 Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, passim; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.47, Liczb. 405 und 479, Telegramm, 24. März 1920. Laut Kriegsministerium wurde die Wehrpflicht in Ostgalizien lediglich bei »die polnische Nationalität deklarierenden Bürgern« durchgesetzt. Ebd., L.17097/I.

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rung die Abkehr junger Juden vom polnischen Staat und deren Hinwendung zum Zionismus fördere.406 Dem Jüdischen Abgeordnetenkreis lagen sogar zwei dienstliche Rundschreiben aus dem Kriegsministerium vor, die im Interesse der militärischen Geheimhaltung sowie der Herstellung eines angemessenen jüdischen Anteils im Etappendienst die Entfernung von Juden aus den Kanzleien und Ämtern der Armee nahelegten.407 Auf die Anfrage des Jüdischen Abgeordnetenkreises, ob es sich um echte Dokumente handele, entgegnete das Ministerium, allein die Tatsache, dass durch die Mithilfe der in den Armeekanzleien tätigen Juden vertrauliche Informationen nach außen drängen, bestätige die Richtigkeit und Notwendigkeit der Maßnahmen. Es bestünde eine Disproportion zwischen dem Anteil der Juden in den Schreibstuben und jenen an der Front. Die Prinzipien des Versailler Vertrags und der Gleichberechtigung kollidierten nicht mit dem berechtigten Streben der Armee, verantwortliche Posten mit vertrauenswürdigen Personen zu besetzen. Im Übrigen stünde es nicht dem Jüdischen Abgeordnetenkreis, sondern den Verantwortlichen im Militär zu, die Entscheidung in derlei existenziellen Fragen zu treffen. Eine ministeriale Anordnung vom 3. Juli 1920 bestätigt die Kritik der jüdischen Abgeordneten. Es heißt dort, dass aufgrund des vermehrten öffentlichen Auftretens von Kommunisten, zum großen Teil Juden, viele Armeeeinheiten unter dem Einfluss verderblicher Propaganda stünden. Aus diesem Grund sei es geboten, binnen kürzester Zeit den Anteil von Juden im Heer auf »maximal 10 Prozent, und zwar durch den Austausch von Soldaten zwischen den in Warschau und außerhalb der Stadt stationierten Einheiten«, zu beschränken.408 In einem Befehl vom 27. Juli wurde die Verlegung von 500 Juden in andere Generalbezirke angeordnet.409 In diese Richtung scheinen auch Maßnahmen gegangen zu sein, die aus der Kaserne von Rembertów bei Warschau belegt sind. Dort befand sich ein Sammellager für kriegsfreiwillige Akademiker, darunter rund 35 Prozent Juden.410 Zwei Drittel von ihnen wur-

406 AAN, IW, sygn. 296/I–15, 18, Bericht über die Provinzpresse Nr. 15, 29. Februar – 5. März 1920. 407 Hierzu und zum Folgenden W sprawie usuwania żydów-żołnierzy z biur wojskowych, in: Nasz Kurjer, 15. Juni 1920; AAN, IW, sygn. 296/I–15, 13, Bericht aus der jüdischen Presse Nr. 12, 27. Februar – 4. März 1920; ebd., sygn. 296/I–16, Bericht aus der jüdischen Presse Nr. 31, 13.–19. Juni 1920, 150 f. Vgl. auch Żer dla wrogów Polski, in: Nasz Kurjer, 18. Juni 1920; BS, SSSU Nr. 142, 29. April 1920, Sp. 17, Rede Ozjasz Thons vor dem Sejm; Mowa budżetowa posła dra Thona, in: Nowy Dziennik, 5. Mai 1920, 1 f. 408 Rozkaz MSWojsk Oddz. I Sztabu Nr. 6786/Org., zit. nach Serafin, Społeczeństwo Warszawy w okresie zagrożenia państwa polskiego przez najazd bolszewicki (lipiec – sierpień 1920). 409 CAW, Gab. MSWojsk, I.300.1.49, L.1993/tj. Uzup, Generalbezirkskommando an MSWojsk, 16. oder 18. August 1920. 410 Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 103. Aus den Freiwilligen wurde das 205. Infanterieregiment gebildet, das zu einem großen Teil von jüdischen Spen-

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den nach einem Befehl vom 29. Juli 1920 als Offiziersanwärter gleichmäßig auf vier Unteroffiziersschulen in den Generalbezirken Warschau, Lodz, Lublin und Krakau verteilt. Die Schulen wurden allerdings angewiesen, »aus der erhaltenen Zahl der Akademiker gesonderte Züge« zu bilden.411 In den Folgetagen ereigneten sich ähnliche Vorgänge. Am 31. Juli 1920 wurden 100 jüdische Soldaten eines Wachbataillons in der Warschauer Garnison interniert. Etwa 300 jüdische Krankenschwestern – selbst in diesem Bereich hatte sich ein Parlamentarier gegen den Einsatz von Nichtpolinnen stark gemacht412 – durften ihren Dienst dagegen weiter versehen.413 Im Bereich des ehemaligen Warschauer Festungsrayons wurde, wie bereits zuvor in anderen Frontgebieten, in Erwartung der Entscheidungsschlacht auf Befehl des Warschauer Kommandanten Leśniewski die jüdische Bevölkerung ausgesiedelt.414 Die nun folgenden Jabłonna-Befehle sind das Ergebnis dieser sich selbst beschleunigenden Entwicklung. Am 1. August 1920 informierte der stellvertretende ­Kriegsminister General Kazimierz Sosnkowski den Kommandeur dern finanziert wurde. Geführt wurde das Regiment, das große Verluste erlitt und hohe Anerkennung erfuhr, vom damaligen Major Bernard Mond. Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 66; Mond / Gintel, Historja 205  Pułku Piechoty Ochotniczej im. Jana Kilińskiego. 411 CAW, Oddz.  I MSWojsk, sygn. I.300.7.108, L.  dz. 34435. Vgl. auch CZA, Grünbaum Papers, A127/366, P.2054. XXXIX.20, Brief eines betroffenen Studenten an den Jüdischen Abgeordnetenkreis. Auch anderswo wurden Juden von den Freiwilligeneinheiten zurückgewiesen. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, L.4179. 412 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, L.3690. 413 Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 131. In Lublin wurden im September 1920 nach 18-monatigem Dienst zwei Krankenschwestern aufgrund ihrer jüdischen Herkunft entlassen. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.6033. Mutmaßlich ließ Sosnkowski etwa 1 000 mehrheitlich jüdische Armeeangehörige bereits vor Einrichtung des Internierungslagers Jabłonna verhaften und internieren, während jüdische Offiziere entlassen und jüdische Akademiker, die sich als Kriegsfreiwillige gemeldet hatten, in Strafkompanien versetzt wurden. Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 248. Einige Anfragen zu angeblich internierten Juden an das MSWojsk enthält die Akte CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1386. Es handelte sich aber dem Ministerium zufolge um bereits freigelassene oder nie internierte Personen. 414 Ihre Häuser und Wohnungen wurden anschließend vom Militär genutzt oder geplündert. Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 249. Die Aussiedlungen führten zu Protesten jüdischer Parlamentarier im MSWojsk. S. Rudnicki, Żydzi w parlamencie II Rzeczypospolitej, 55. Ausführliche Dokumentation der Proteste des Jüdischen Abgeordnetenkreises in CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1331, L.4677. Vgl. auch den Vorfall in der Umgebung von Połock nad Dźwiną (Polozk, Polack), über den die Zeitung Nayes fun Haynt berichtete. CAW, Oddz.  II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.246, 126, Nachrichtenkommuniqué Nr. 10, 10. Februar 1920. Als Präzedenzfall mag die Ausweisung fremder Staatsbürger aus Warschau im März 1919 gelten, die mit der Versorgungs- und Sicherheitslage der Stadt begründet wurde und am stärksten jüdische Flüchtlinge aus Russland betraf. Zalewska, Społeczeństwo żydowskie Warszawy wobec kwestii Niepodległości Polski i wojny bolszewickiej, 98.

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des Generalbezirks Warschau sowie die Stadtkommandantur Warschau, dass der Anteil jüdischer Soldaten in den um die Stadt stationierten Militäreinheiten drastisch zu reduzieren sei.415 Am 6. August, parallel zur Einleitung der Verteidigung Warschaus, wurde Sosnkowskis wenige Tage alte Anordnung konkretisiert und Befehl zum Abzug der Juden aus den Truppen in der Umgebung der polnischen Hauptstadt gegeben. In Warschau, Modlin, Zegrze und Jabłonna durfte lediglich ein Anteil von 5 Prozent Juden bei den Truppen verbleiben. Trotz der dramatischen Kriegslage waren bis zum 12. August, also innerhalb von sechs Tagen, die »überzähligen« Juden des Generalbezirks Warschau zu »eliminieren« und an einem noch zu bestimmenden »Sammelpunkt« zu konzentrieren. Die aus ihnen zu formierenden Arbeitskolonnen sollten die Stärke von 250 Mann nicht übersteigen und von einem Offizier, fünf Unteroffizieren und zehn frontuntauglichen Soldaten christlichen Bekenntnisses begleitet werden. Die Regelung betraf auch die Einheiten, Stäbe, Departements, Büros und untergeordneten Einrichtungen des Kriegsministeriums. Der Verbleib von Juden »unter dem Vorwand, dass diese unentbehrlich beziehungsweise politisch sicher seien«, wurde ausdrücklich untersagt.416 Es war mehr als eine Ironie, dass der Warschauer Generalbezirk im Monat darauf nach christlichen Soldaten suchte, die des »jüdischen Jargons«, also des Jiddischen mächtig waren, um sie bei der Militärzensur einsetzen zu können.417 Der genaue Verlauf des Entscheidungsprozesses, der zur Internierung in Jabłonna geführt hatte, bleibt jedoch im Dunkeln. In der Presse kursierte das Gerücht, die Maßnahme beruhe auf einem Vorschlag des Chefs der französischen Militärmission, General Weygands, was dieser umgehend dementierte.418 Der Historiker Wacław Sobieski vermutete, Nachrichten über die Desertion eines komplett mit Juden besetzten Wachbataillons im hart umkämpften, strategisch so entscheidenden Radzymin sowie Berichte des Generals Szeptycki über verräterische Aktivitäten jüdischer Offiziere hätten die Armeeführung zum Handeln gezwungen.419 Unstrittig ist, dass die politische 415 CAW, Oddz. I Szt. MSWojsk, sygn. I.300.7.108, Rozkaz No. 156/W. M.20. Vgl. auch Golcz­ ewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 240–245. 416 CAW, Oddz.  I Szt. MSWojsk, sygn. I.300.7.108, Liczb. 13679/Mob., Usunięcie żydów z D. O. Gen. Warszawy i formacji podległych wprost M. S.Wojsk., 6. August 1920. Eine deutsche Übersetzung des Befehlstextes findet sich in Zychowski, Die jüdisch-bolschewistische Gefahr in Polen, 108–110. 417 Rozkazy Dowództwa Okręgu Warszawskiego, Rozkaz oficerski L.130, 1. September 1920. 418 Le général Weygand dit à l’Envoye spécial du »Petit Parisien«, in: Le Petit Parisien, 27. August 1920, 1; Generał Weygand o Polsce, in: Rzeczpospolita, 27. August 1920 (Morgenausgabe), 1; Die Tragödie des jüdischen Volkes in Polen, in: Wiener Morgenzeitung, 24. September 1920, 2 f. 419 Sobieski, Dzieje Polski, Bd. 3, 232.

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und militärische Führung sich wie berichtet einem enormen öffentlichen Druck ausgesetzt sah, erweckte die allgemeine Lage doch den Anschein, Staat und Armee befänden sich in Auflösung. Die militärisch Verantwortlichen nahmen die aufgeladene antijüdische Stimmung auf, indem sie das Gerücht von sich häufenden »schädlichen Aktivitäten« der Juden bestätigten, was gerade auch der Passus im Befehlstext über die Arbeit der Juden in den Kanzleien und Büros veranschaulicht.420 Offenbar erschien ihre Anwesenheit dort derart riskant, dass selbst Einwände, die mit ihrer politischen Zuverlässigkeit und ihrer Unverzichtbarkeit argumentierten, von vornherein unterbunden wurden. Da alle maßgeblichen Stellen in Militär und Regierung informiert wurden – am 6. August unterrichtete Sosnkowski die ROP über den Entwurf eines Befehls zur Begrenzung der Juden in der Warschauer Garnison421 – kann man den Internierungsbefehl nicht als losgelöstes Ereignis betrachten. Vielmehr wird deutlich, dass eine derartige Politik unter den Verantwortlichen wenn nicht auf Zustimmung, so doch auf Duldung stieß. Interne Proteste von Militärangehörigen oder von Regierungsseite sind nach dem heutigen Wissensstand nicht überliefert. Zustimmung sprach aus einem Brief von Generalleutnant Jakub GąsieckiWłostowicz, dem Stellvertreter Latiniks, an das Kriegsministerium. Die bisherigen Maßnahmen zum Ausschluss der Juden aus dem Heer kommentierte er mit altbekannten Stereotypen: »Dem Soldaten-Juden, dem ewigen Herumtreiber und Nörgler, der sich auf allen rechtmäßigen und unrechtmäßigen Wegen dem Dienst entzieht, darf sein Kommandant kein Vertrauen schenken. Es ist für niemanden ein Geheimnis, dass die Quelle aller Exzesse, die häufig von der Armee ausgelöst werden, die Juden sind, die gegen die Polnische Armee agitieren und die Soldaten zum Ungehorsam aufrufen und 90 % aller Deserteure stellen.«422

2.4 Überzählige Soldaten. Juden und die Schlacht bei Warschau Als »Sammelpunkt« für die ausgesonderten jüdischen Soldaten diente, gewiss aufgrund ihrer günstigen Lage und Größe, die alte Garnison Jabłonna. Die von den Deutschen verlassenen Militäranlagen waren für die polnische Armee von einiger Bedeutung. Ende November 1918 war hier auf Befehl des damaligen Brigadegenerals Kazimierz Sosnkowski das Sammel- und 420 Vgl. auch Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 66. 421 Czternaste posiedzenie Rady Obrony Państwa, 6. August 1920, in: PROP, hier 246. 422 CAW, Gab. MSWojsk, I.300.1.49, L.1993/tj. Uzup., Generalbezirkskommando an MSWojsk, 16. oder 18. August 1920.

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Übungslager Jabłonna Nowa eingerichtet worden. Zu Weihnachten waren hier bereits 2 600 Angehörige der polnischen Infanterie- und Eisenbahntruppen stationiert.423 Im Januar 1919 folgte das Inspektorat der Infanterie der Legionen.424 Dessen Chef, Brigadegeneral Bronisław Jerzy Roja, einer der langjährigen Vertrauten Piłsudskis, gab dem Militärkomplex und der daneben entstehenden, heute eigenständigen Ortschaft den Namen Legionowo.425 Es handelte sich dabei um eine Reminiszenz an das gleichnamige frühere hölzerne Hauptquartier der Polnischen Legionen am Fluss Styr im wolhynischen Frontgebiet des Ersten Weltkrieges. Als eine Art mythologische Hauptstadt schien dieses ursprüngliche Legionowo den Legionären ihre nationale Sendung zu materialisieren.426 »Jabłonna« blieb als Bezeichnung der Kasernen und der entstehenden Umgebungsbebauung aber noch anderthalb Jahrzehnte in Gebrauch, selbst als Legionowo 1934 auf Geheiß Piłsudskis endgültig zur offiziellen Bezeichnung der neuen eigenständigen Landgemeinde wurde.427 Die polnische Übernahme Jabłonna-Legionowos und seine Verknüpfung mit dem Legionsmythos wurden von den Zeitgenossen als historischer Bogenschlag von Józef Poniatowski bis in die Gegenwart verstanden. Auch der Legionär und Schriftsteller Józef Relidzyński bemerkte diese Kontinuität, die er 1919 in pathetische Worte fasste: »Und so verbindet sich die ritterliche Vergangenheit mit der soldatischen Gegenwart. Beide gehen einer großen Zukunft entgegen, dem, was kommt, was bevorsteht, was kommen muss.«428 Jabłonna-Legionowo war, so erschien es den optimistischen Baumeistern des neuen Staates, endgültig in Polen angekommen. Ihr Enthusiasmus wurde auch nicht durch die Beschwerden über die prekäre Versorgungslage der Bevölkerung in der zweiten Jahreshälfte 1919 getrübt. Die junge Republik stützte ihre Existenz angesichts der zahlreichen inneren und äußeren Be423 Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszawskim 1915–1918, 105. Hierzu auch CAW, Kolekcje Rękopisów, sygn. I.400.3216, Historia Parku Wojsk Kolejowych Nr. 2 w Jabłonnie. 424 Wrzosek, Wojny o granice Polski Odrodzonej 1918–1921, 43–46. 425 Jacek Szczepański, Niemiecka piechota zapasowa w Generalnym Gubernatorstwie Warszawskim 1915–1918, 106; Relidzyński, W siedzibie Xięcia Józefa Poniatowskiego, in: W ­ iarus, 12. April 1919, 57. Bis zur Orthografiereform in den 1930er Jahren war die Schreibweise Legjonowo üblich. 426 Stępnik, Rekonesans, 47 und 52 f. 427 Jacek Szczepański, Geneza nazwy »Legionowo«; Kasprzycki / J. Majewski, Korzenie miasta, Bd. 6, 184–190. Tadeusz Swat zufolge war die 1919 erfolgte amtliche Umbenennung von Jabłonna Nowa in Legionowo nie öffentlich bekannt geworden. Swat, Legionowo w okresie międzywojennym (1918–1939). Heute stellt Legionowo eine eigene Verwaltungseinheit dar und ist Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises. Jabłonna bildet zusammen mit neun weiteren Ortschaften die Landgemeinde Jabłonna. 428 Relidzyński, W siedzibie Xięcia Józefa Poniatowskiego, in: Wiarus, 12. April 1919, 59. In ähnlicher Weise äußerte sich die britische Autorin Devereux. Dies., Poland Reborn, 49.

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drohungen auf eigene Streitkräfte; damit errangen Orte wie die ehemalige Gurko-Kaserne eine besondere Bedeutung als Militärstützpunkte wie als Symbole der neuen Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit. Ungeachtet dieser Ereignisse behielt Jabłonna seine militärische Funktion. Im Militärlager wurden zwei Feldlazarette für die Teilnehmer der Kämpfe um Warschau eingerichtet. Auch ein Feldgericht, das für seine harten Urteile bekannt war, hatte seinen Standort in Jabłonna.429 Im August wurde die 10. Infanteriedivision unter dem Befehl von General Lucjan Żeligowski in die Garnison verlegt. Dieser nahm am 14. August 1920 in Jabłonna an einer entscheidenden Beratung mit den Generalen Józef Haller und Franciszek Latinik teil, in der über den Fronteinsatz seiner Division in der Schlacht bei R ­ adzymin entschieden wurde. Dieser Einsatz am 15. August – die Soldaten wurden in roten Warschauer Omnibussen an die Front transportiert – war der Beginn der Kriegswende.430 Bereits am 6. August 1920 hatten die Überstellungen von Juden in den Militärkomplex begonnen, wobei die Garnisonsleitung erst etwa ab dem 13. August die Trennung von Juden und Nichtjuden auf dem Gelände der Anlage vornahm. Wie eine Gruppe Betroffener dem Jüdischen Abgeordnetenkreis zutrug, wurde ihre Einheit zunächst aus Jabłonna in einen nahen Wald abgezogen. Nach einigen Stunden wurden die christlichen Soldaten abkommandiert, während die Juden in die Garnison zurückkehren mussten.431 Die um Warschau eingesetzten, nunmehr für die Internierung bestimmten jüdischen Soldaten wurden wie Gefangene behandelt und unter Bewachung nach Jabłonna überstellt (Abb. 5).432 In ihren angestammten Einheiten während eines Appells von der Truppe abgesondert, wurden sie in separaten Baracken isoliert und schließlich, meist in Zivilkleidung und ihrer Waffen entledigt, nach Jabłonna transportiert.433 Dort standen für sie mehrere Holzbaracken bereit, die mit der Zeit – anfangs konnte man noch leicht in den nahen Wald gelangen – mit Stacheldraht umzäunt wurden.434

429 Jacek Szczepański, Jabłonna, Legionowo, Chotomów, Nieporęt przy linii frontu Bitwy Warszawskiej. 430 Wyszczelski, Operacja Warszawska, 295. 431 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1331, L.5073, Anhang D zum Vorgang L.480/20; Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 134; Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881– 1922, 241. 432 U. a. Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 175. 433 Feliks Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920,  5. Dieser und die weiteren Presseartikel werden aus einem Pressespiegel des Außenministeriums zum polnisch-jüdischen Verhältnis zitiert. AAN, MSZ, sygn. 9388 und 9389. Vgl. auch den Brief jüdischer Soldaten an den Jüdischen Abgeordnetenkreis, in: Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 134; CZA, Grünbaum Papers, A127/366, P.2074. XXXIX.20. 434 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie.

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Schenkt man einem internen Armeebericht vom Juli 1920 Glauben, hatten sich die Holz- und Ziegelbauten aus der Vorkriegszeit, verglichen mit anderen Militärobjekten, nach sechs Kriegsjahren und dreimaligem Austausch der Besatzung in einem vergleichsweise guten Zustand befunden.435 Nur wenige Zeit später, nach dem Rückzug der Roten Armee von Warschau, bezeichnete ein weiteres Gutachten den Zustand der Anlage jedoch bereits als »fatal«.436 Die Zustände in Jabłonna dürften sich im Hochsommer 1920 indes kaum von denen in anderen Garnisonen unterschieden haben. Dies galt auch für die Beziehungen innerhalb der Besatzung. Jede der regulären Einheiten in Jabłonna verfügte über eine Soldatenkantine und organisierte Weiterbildungskurse für die nicht selten kaum schulisch gebildeten Soldaten, eine sogenannte Soldatenuniversität. Die Offiziere sonderten sich wenn irgend möglich von den übrigen Kasernenbewohnern ab. Eines der nur ihnen zugestandenen Privilegien war das Fußballspiel. So bevorrechtigt die Stellung der Offiziere war, so schlecht war die Situation der einfachen Soldaten, die oft barfuß an den Übungen teilnehmen mussten. Die Versorgung mit Proviant war zwar garantiert, doch blieb der Speiseplan mehr als karg. Im Juli 1920 mussten die Soldaten drei Wochen lang mit Suppe aus getrockneten Kohlrüben vorliebnehmen. Die Disziplin der Soldaten war dementsprechend schlecht, am Bahnhof wurde trotz eines Verbotes Alkohol ausgeschenkt, um die Garnison waren »verdächtige Frauen« anzutreffen, die hygienischen Zustände waren jämmerlich und es grassierten Geschlechtskrankheiten.437 Waren die allgemeinen Lebensbedingungen in der Garnison also mehr als bescheiden, so hatten sich die internierten jüdischen Soldaten mit noch schwierigeren Zuständen zu arrangieren. Es gab für sie weder Pritschen noch Strohsäcke, Decken oder Bettwäsche. Lediglich für die Offiziere und die Krankenabteilung, in der die Sanitäter vor allem mit der grassierenden Ruhr, der Krätze und Geschlechtskrankheiten zu kämpfen hatten, waren einige ­Betten vorhanden.438 Besonders schwer erkrankte Patienten wurden außerhalb in Krankenhäusern, beispielsweise im Warschauer Militärspital Ujazdów, behandelt.439 Die Versorgung mit Lebensmitteln war mindestens zu Beginn sehr schlecht; wenigstens an zwei Tagen erhielten die Internierten keinerlei

435 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 481. Ebenso AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 230; CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, sygn. I.300.76.247. Die Existenz von Holzbaracken bestätigt auch Reichwein in einem seiner Briefe. Ders., Ein Lebensbild aus Briefen und Dokumenten, 17.  436 O Niepodległą i granice, Bd. 2, 609. 437 Ebd. 438 BS, RPII/0/1574, Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Grünbaum, Thon, Farbstein u. a. an den Kriegsminister, 25. November 1920; Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5; Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 136. 439 Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5.

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Verpflegung.440 Der Jüdische Abgeordnetenkreis beschwerte sich noch am 9. September über tagelang ausbleibende Brotlieferungen und die mangelnde Essensversorgung des gesamten Komplexes durch lediglich eine Küche.441 Die Lage der jüdischen Insassen Jabłonnas verbesserte sich erst etwas, als ihre Familien von deren Festsetzung erfuhren. Den Internierten wurde gestattet, am Lagertor zweimal wöchentlich 15-minütige Besuche von Angehörigen zu empfangen, deren Ende von Gewehrsalven der Wachsoldaten signalisiert wurde.442 Die familiären Kontakte ermöglichten es den Internierten, sich selbst und die Kantinen mit zusätzlichen Lebensmitteln zu versorgen.443 Außerdem übernahmen nach einer gewissen Zeit externe Einrichtungen den Betrieb von insgesamt drei Kantinen, nämlich der Verein Spójnia (Das Band), das Jüdische Komitee zur Verteidigung des Staates (Żydowski Komitet Obrony Państwa) und die Studentenorganisation Żydowska Strzecha Akademicka (Jüdisches Akademisches Dach).444

440 Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 175; Inwazja bolszewicka  a Żydzi, Bd. 1, 132–135; Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5. In einem undatierten Brief an den Jüdischen Abgeordnetenkreis berichtet ein betroffener Unteroffizier von 4 bis 5 Tagen. CZA, Grünbaum Papers, A127/366, P.2074. XXXIX.20. Im Vorjahr war bereits die Brotversorgung der Zivilbevölkerung Jabłonnas teilweise zum Erliegen gekommen. BS, RPII/0/847, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Dobrowolski u. a. an das Versorgungsministerium, 19. Dezember 1919. 441 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Fraktion der Folkisten an MSWojsk, 9. September 1920. 442 Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 133–137. 443 Ebd., 135–137; Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 175; Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920,  5; Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 241. Nach Angaben des Jüdischen Abgeordnetenkreises litten jene Internierten, die von ihren Familien keine Lebensmittelpakete erhielten, großen Hunger. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Fraktion der Folkisten an MSWojsk, 9. September 1920. 444 [Konrad Wrzos], Z wycieczki do Jabłonny, in: Robotnik, 11. September 1920, 2; Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 133 und 137; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie. Jüdische Komitees zur Verteidigung des Staates entstanden da, wo Juden aus den entsprechenden lokalen Komitees ausgeschlossen wurden. Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 105 f. Die Żydowska Strzecha Akademicka entstand 1915 in Warschau. Mit der Organisation war in den 1920er Jahren auch der spätere Historiker Emanuel Ringelblum verbunden. Der Name »Ryngelblum« erscheint im Jahresbericht für 1924. 10-lecie Żydowskiej Strzechy Akademickiej, in: Nasz Przegląd (nachfolgend NP), 9. Dezember 1925, 6; Żydowska Strzecha Akademicka, 4. Die Identität des Vereins Spójnia ist schwer festzustellen. So trug seit 1899 die sozialistische Studentenorganisation, der auch Juden angehörten, diesen populären Vereinsnamen. Brokman, Wiec studentów Uniwersytetu Warszawskiego 28 stycznia 1905 roku, 499–504; Bogacz, Akademicy Warszawy. Gleiches gilt aber auch für andere, z. T. karitative Vereine, wie den 1916 gegründeten Verband taubstummer Juden in der Hauptstadt Warschau (Stowarzyszenie Głuchoniemych Żydów m. st. Warszawy »Spójnia«).

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Abb. 5: In Jabłonna internierte jüdische Soldaten, 1920. Quelle: © From the Archives of the YIVO Institute for Jewish Research, New York.

Unterstützung erhielten die Internierten vonseiten jüdischer Politiker, darunter der prominente Folkist Noah Pryłucki. Auch seinem Einsatz war es zu verdanken, dass den Internierten zusätzliche externe Hilfe zukam. Als die Wachen Hilfslieferungen abwiesen, packte er kurzerhand gespendete Lebensmittel, Schlafsäcke und Matratzen auf einen Wagen und verschaffte sich mit seiner Autorität als ehemaliges Sejmmitglied Zutritt zum Lager.445 Am 7. September ging beim Büro für Nichtkatholische Konfessionen (Biuro Wyznań Niekatolickich, BWN) im Kriegsministerium ein Schreiben des Jüdischen Abgeordnetenkreises ein, in dem – vergeblich – für die Internierten um Heimaturlaub während der jüdischen Neujahrsfeiertage gebeten wurde.446 Auch sonst durften die jüdischen Soldaten das Lager nicht verlassen, konnten sich allerdings auf dem für sie vorgesehenen Gelände frei bewegen, da sie im Wesentlichen nicht an die militärische Disziplin gebunden waren und ihre Teilnahme an Übungen nur in geringem Umfang verpflichtend war.447 Ab dem 25. August wurden sie auch zu Arbeiten bei den Eisenbahnanlagen 445 Weiser, Jewish People, Yiddish Nation, 195 f. In einer späteren Stellungnahme kritisierten die jüdischen Studentenorganisationen Pryłuckis Engagement als eigenmächtig, da er nicht mit den bereits existierenden Kantinen kooperierte und angeblich nur »wertlose Päckchen« verteilte. Protest, in: Nowiny Codzienne, 28. Oktober 1922, 3. 446 CAW, BWN, sygn. I.300.20.131, 7, Fraktion der Zionisten an Biuro Wyznań Niekatolickich MSWojsk, 7. September 1920. 447 Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5.

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herangezogen.448 Von den christlichen Bewohnern der Garnison wurden sie recht unterschiedlich aufgenommen. Der verantwortliche Offizier Leutnant Tadeusz Słowik galt unter den Juden als anständig und gerecht.449 Vonseiten der übrigen Offiziere ist ebenfalls kein inkorrektes Verhalten belegt.450 Lediglich das Wachpersonal, das sich unverändert vorrangig aus westpolnischen Soldaten und Feldgendarmen rekrutierte, war für die Juden eine Quelle ständiger Angst vor Gewalt und Drangsalierung.451 Kommandant der Wache war der Unteroffizier Roman Pupurus, der angeblich boshafte Schikanen zu verantworten hatte.452 Oft waren die Wachleute keine regulären Soldaten, sondern Kriegsinvaliden in Polizeiuniform ohne militärische Distinktionen – ein Umstand, der bei einem Teil der Internierten durchaus als gezielte Demütigung verstanden wurde.453 Denn eigentlich sollten die Insassen wie reguläre Soldaten behandelt werden. Das hielt aber die Wachleute nicht davon ab, ihnen militärische Rangzeichen abzureißen oder sie zu schlagen.454 Eine besondere Befürchtung der Internierten war, dass ihre hölzernen Wohnbaracken in Brand gesetzt würden, weshalb sie eigene Wachen organisierten.455 Dennoch ereigneten sich immer wieder Übergriffe vonseiten des Wachpersonals. Beispielsweise verletzten wachhabende »Posener« mehr als ein Dutzend Mitglieder eines jüdischen Arbeitsbataillons während der Rückkehr von der Arbeit außerhalb der Garnison.456 Marja Baruchowa, Ehefrau des bereits 40-jährigen Kriegsfreiwilligen Henryk Baruch, berichtete, dass ihr Mann mit Kolbenschlägen traktiert worden sei.457 Balbina Ciężar teilte dem Jüdischen Abgeordnetenkreis mit, ihr Verlobter Szlama Satin sei während 448 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie. 449 [Wrzos], Z wycieczki do Jabłonny, in: Robotnik, 11. September 1920, 2; Zwinięcie obozu w Jabłonnie, in: Gazeta Poranna 2 Grosze, 21. September 1920. 450 Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5. 451 Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 175; Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5; Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 241; CZA, Grünbaum Papers, A127/367, P.2074. XXXIX.20. 452 Na stokach cytadeli …, in: NP, 20. August 1929, 6. 453 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie. 454 Ebd. 455 Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 175. Die hölzernen Petroleumfässer, die angeblich um die Baracken plaziert waren, wurden nur von Adus beschrieben sowie im Bericht Die Tragödie des jüdischen Volkes in Polen, in: Wiener Morgenzeitung, 24. September 1920, 2 f. 456 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, L.4617, Fraktion der Folkisten an Oberste Militärische Kontrollbehörde, Ministerrat und MSWojsk, 5. September 1920 (Abschrift). In diesem Schreiben ist die Rede von 30 mit Schlagstöcken am Kopf verletzten Arbeitern, von denen einer angeblich verstarb. Vgl. auch ebd., Beschwerden des Abgeordnetenkreises, 11. und 13. August. Ferner Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 133–137. 457 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.6019.

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der Arbeit so geschlagen worden, dass er krank das Bett hüten musste.458 Es kam auch vor, dass die Wachtposten die besuchenden Familienmitglieder am Lagertor brutal abwiesen, schlugen und auseinandertrieben, dabei Schüsse in die Luft abgaben und den Frauen die mitgebrachten Lebensmittelpakete abnahmen.459 Der erwähnte Unteroffizier Pupurus soll sogar mehrere Jüdinnen vergewaltigt haben.460 Der Eindruck einer unsicheren Gesamtsituation ist somit mehr als berechtigt. Die Lage verschärften die häufigen Ausschreitungen marodierender durchreisender »Posener« während des Rückzugs der polnischen Streitkräfte. Die Garnisonsleitung von Jabłonna sah sich dieser Gewalt machtlos gegenüber. Als am 23. August 1920 ein Truppentransport von »Posenern« in Jabłonna hielt, plünderten diese die jüdischen Geschäfte in der Umgebung des Bahnhofs und es fielen Schüsse in Richtung der mit Juden besetzten Wachen. Daraus entwickelte sich ein Schusswechsel und ein höherer Offizier, der diesem Treiben Einhalt gebieten wollte, wurde von den »Posenern« offenbar verprügelt. Die Internierten wurden angewiesen, alle Lichter in den Baracken zu löschen, damit ihre Anwesenheit von den Marodeuren nicht bemerkt würde.461 Die jüdischen Wachtposten wurden von der Garnisonsleitung mit Waffen ausgestattet.462 Die zweifelhafte Sicherheitslage und die ungewisse Zukunft der Internierten wurden zum Nährboden zahlreicher Gerüchte. Beispielsweise kursierte die Vermutung, dass die Lagerinsassen in speziellen »Himmelfahrtskommandos« an die Front geschickt werden sollten. Abgeleitet wurde dies aus der Praxis der Armeeführung, in Ausnahmefällen den Frontdienst als Alternative für eine Internierung in Jabłonna zu akzeptieren.463 Die Internierten bildeten mit ihrer unterschiedlichen sozialen Herkunft keineswegs eine homogene Gemeinschaft, geschweige denn eine kollektiv agierende Gruppe. Unter ihnen fanden sich im Lager sowohl Kriegsfreiwillige als auch Wehrpflichtige. Auf den zurückliegenden Weltkrieg konnten diese nicht als gemeinsamen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Die meisten Wehrpflichtigen hatten den Krieg noch aus der Perspektive jugendlicher Zivilisten verfolgt und die kriegführenden Parteien allzu oft als gerade gegen 458 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Balbina Ciężar an die Fraktion der Folkisten, 10. September 1920. 459 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Fraktion der Folkisten an MSWojsk, 9. September 1920; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie; CZA, Grünbaum Papers, A127/366, P.2074. XXXIX.20. 460 Na stokach cytadeli …, in: NP, 20. August 1929, 6. Pupurus wurde im August 1929 als Anführer einer Bande von Saboteuren hingerichtet. 461 CZA, Grünbaum Papers, A127/366, Abschrift des Berichts eines anonymen Insassen, 24. August 1920. 462 Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 241. 463 Ebd.

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die jüdische Zivilbevölkerung rücksichtslos und brutal agierende Militärmacht erlebt. Die älteren der in Jabłonna festgesetzten Soldaten wiederum waren oft selbst Kriegsteilnehmer gewesen, sei es in einer der imperialen Armeen oder als Freiwillige einer polnischen Formation. In der Gruppe der Kriegsfreiwilligen waren offenbar vor allem Akademiker und Gymnasiasten versammelt, die den Ideen der Akkulturation in der Regel nahestanden.464 Sie dürften mit etwa 300 Personen die Minderheit der Internierten ausgemacht haben. Ein Teil von ihnen war bereits 1914 mit den Polnischen Legionen im Ersten Weltkrieg in den Kampf gezogen. Die Zahl der Wehrpflichtigen, die vor Juli 1920 zur Armee gekommen waren, betrug etwa das Zehn- bis Fünfzehnfache.465 Es handelte sich oft um Vertreter des traditionellen orthodoxen oder chassidischen Judentums, die meist in Handwerk und Kleinhandel ihr Auskommen gefunden hatten und der Idee eines polnischen Staates meist mit Gleichgültigkeit begegneten. Die Namen von Internierten sind fast nur in jenen Einzelfällen überliefert, in denen die Betroffenen später selbst über ihre Erfahrungen berichteten. Beispiele sind Józef Lejtes, der als Regisseur zu einem Begründer des polnischen Kinos wurde, oder der zionistisch-revisionistische Aktivist Jakub Perelman.466 Im Fall von Aleksander Rafałowski, einem wichtigen Vertreter der künstlerischen Avantgarde, ist es schwer nachvollziehbar, ob er allein seiner jüdischen Herkunft wegen oder vor allem aufgrund seiner Unterstützung der kommunistischen Partei in Jabłonna interniert wurde.467 Über die Internierung von Józef Feldman wurde bereits in der zeitgenössischen Presse berichtet, da es sich bei ihm um den Sohn des anerkannten Literaten, Literaturhistorikers und zeitweiligen Leiters von Piłsudskis Pressestelle Wil-

464 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie. Angehörige der Bildungsschicht durften auf eine bessere Behandlung hoffen und genossen Privilegien, wie z. B. das Recht, selbst Wache zu stehen. Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 131; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie. 465 Golczewski, Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 241. 466 Brief von Lejtes an Barbara Armatys, 18. Oktober 1964, in: Listy Józefa Lejtesa do Barbary i Leszka Armatysów, 17; Brief von Józef Lejtes an Jacek Cybusz, 26. September 1980, in: Wspomnienia Józefa Lejtesa (cz. III), 117. Zu Perelman vgl. Żydowska mozaika polityczna w Polsce, 1917–1927, 216. Der kanadische Arzt Ludwik Mirabel berichtete davon, dass sein Vater in Jabłonna einsaß. Ders., You See What You’re Doing to Me – You Make Me Dig in the Ashes, 33. 467 Wanda Maria Rudzińska, Art. »Aleksander Rafałowski«, in: PSB, Bd. 30, 443–446. Nasz Przegląd erwähnt zudem 1925 im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren gegen den Kommunisten Antoni Wieczorkiewicz wegen angeblicher Vorbereitung von Bombenattentaten, dass der Hauptbelastungszeuge Józef Cechnowski 1920 im »Internierungslager Jabłonna Versammlungen abhielt, deren Ziel bis heute nicht aufgeklärt wurde«. Sprawa zamachu na uniwersytet, in: NP, 5. Februar 1925, 6.

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helm Feldman handelte.468 Es ist über die geschilderten Schicksale hinaus möglich, dass sich bei genaueren Recherchen weitere Informationen zu Internierten in Yizkor-Büchern finden lassen würden, wie etwa im Fall der Stadt Ostrołęka.469 Kommentare von jüdischen Soldaten, die nicht selbst im Lager waren, aber von seiner Existenz erfuhren, sind ebenso selten, etwa die vom Schriftsteller Czesław Miłosz überlieferte Erinnerung des Mathematikers ­Alfred Tarski, der 1920 noch unter dem Namen Tajtelbaum an der ­Warschauer Universität eingeschrieben war.470 In den Archiven von Yad Vashem sowie des YIVO-Instituts werden einige Fotografien aufbewahrt, die Insassen Jabłonnas während oder nach dem Ende ihrer Internierung zeigen.471 Die genaue Gesamtzahl der in Jabłonna internierten Juden lässt sich nicht mehr ermitteln. In den zeitgenössischen Quellen werden Zahlen zwischen 3 000 und 5 300 angegeben,472 während spätere Angaben diese Zahlen teilweise um das Dreifache übersteigen.473 Da die Kapazität des gesamten Militärkomplexes bei gleichzeitigem regulären Betrieb kaum eine derartige Größe erreicht haben dürfte, scheint die am häufigsten genannte Höchstzahl von etwa 5 000 Internierten am wahrscheinlichsten. Geht man davon aus, dass während der Kämpfe um Warschau in den Augusttagen 1920 auf polnischer

468 [Wrzos], Z wycieczki do Jabłonny, in: Robotnik, 11. September 1920,  2; L’antisémitisme en Pologne. Les horreurs du camp de Jablonna, in: L’Humanité, 3. Oktober 1920; Hertz, Wyznania starego człowieka, 124. 469 Über die Internierung jüdischer Soldaten aus Ostrołęka berichtet E.  Lachowicz. Ders., O ruchu chalucowym i robotniczym syjonizmie w Ostrołęce, 137. Manuel Rympel zufolge fanden sich fünf Krakauer Juden unter den Internierten. Ders., Słowo o Żydach krakowskich w okresie międzywojennym (1918–1939), 573. Aus Kielce stammten vermutlich 40 Internierte. Urbański / Blumenfeld, Słownik historii kieleckich Żydów, 95. 470 Miłosz, Abecadło Miłosza, 241 f. Tarski leistete 1918/19 nur einen kurzen Militärdienst in der Etappe ab. Burdman Feferman / Feferman, Alfred Tarski, 26.  471 Yad Vashem Photo Archive, Borowicz Collection, 3380/860, 189CO7; YIVO Institute, Photographs Collection, PO 3247; PO 1286.01; IM 1286. Hinzu kommt noch eine Mappe im GGDRC, Polish Territorial Collection, T–32/83. 472 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, L.4617; ebd., sygn. I.300.1.51, Liczb. 17680. In einer Meldung der Ekspozytura Warszawa-Praga an das DOG Warschau wird ein Ist-Stand von 2 577 Internierten und 215 Wachleuten festgestellt. Ebd., sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie. Vgl. auch Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 131. 473 Als frühes Beispiel für die angenommene Zahl von 10 000 Internierten vgl. Camille Lemercier, L’antisemitisme en Pologne, in: L’Univers Israélite, 5. Oktober 1923, 83–87, hier 84. Auch die Editoren von Ringelblums Bericht aus dem Warschauer Ghetto nennen diese Zahl und erwähnen zudem Tausende Todesopfer wie auch einen Geheimbefehl Sosnkowskis, das Lager im Falle eines weiteren Vordringens der Roten Armee zu sprengen. Ringelblum, Ghetto Warschau, 42 f.; Tomaszewski, Najnowsze dzieje Żydów w Polsce, 149; Ainsztein, Jüdischer Widerstand im deutschbesetzten Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges, 29 f. Ainsztein wiederholt den Bericht über die geplante Sprengung.

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Seite nur etwa 113 000 bis 123 000 waffenfähige Soldaten zur Verfügung standen, ist auch dies eine beachtliche Zahl.474 Nicht auszuschließen bleibt, dass die Fluktuation im Lager so hoch war, dass insgesamt mehr Soldaten die Internierung durchliefen. Nahe legt dies jedoch nur ein Zeitungsbericht, in dem davon die Rede ist, dass die Holzbaracken den Internierten als Übergangsquartier dienten. Sobald eine entsprechende Zahl an Soldaten erreicht war, wurde demnach aus je 407 Mann ein Trupp gebildet, der aus dem abgetrennten jüdischen Lagerkomplex in die reguläre Kaserne von Jabłonna verlegt wurde.475 Unbestritten ist zwar, dass von christlichen Offizieren geführte Arbeitskolonnen aus Jabłonna verlegt wurden, doch erlaubt die lückenhafte Quellenlage allein aufgrund dieses Tatbestands keine Rückschlüsse auf die Gesamtzahl der Internierten.476 In Quellen militärischer Provenienz ist lediglich die Existenz von sechs Einheiten aus je 400 beziehungsweise 407 Personen belegt, die jeweils von einem christlichen Offizier angeführt wurden, dem noch ein Kompaniechef im Rang eines Zugführers oder Korporals zur Seite stand.477 Die Öffentlichkeit erhielt nur vom Hörensagen Kenntnis von den Vorgängen in Jabłonna. Aufgrund der geografischen Nähe Warschaus scheinen diese Gerüchte bei der Warschauer jüdischen Bevölkerung recht zahlreich gewesen zu sein; weiter abgelegene Regionen erfuhren erst viel später von den Ereignissen.478 Dass die Internierung die jüdische Bevölkerung über die betroffenen Familien hinaus bewegte, lässt sich daran ablesen, dass selbst Kinder und Jugendliche die Ereignisse wahrnahmen. Der 1907 geborene Szymon Rogoziński schrieb in seiner Autobiografie, dass Vorfälle wie jene von Jabłonna auch in den Folgejahren diskutiert wurden und er sie als polnischer Patriot sehr bedauere.479 Die siebzehnjährige Schülerin Róża Rozenberg, Augenzeugin der Vorgänge in Płock im August 1920, notierte in ihrem Tagebuch nach der Lektüre der Tageszeitung Robotnik: »Wie sie in Jabłonna leiden!«480 In der Tat begannen zwei Wochen nach Beginn der Isolierung der jüdi­ schen Soldaten einzelne Blätter wie der sozialistische Robotnik, der piłsudski­ treue Naród oder die nationalistische Gazeta Poranna 2 Grosze ihre Leser über

474 Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 249 f. 475 Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5. 476 So forderte das Generalbezirkskommando Warschau am 30. August 1920 zehn Offiziere als Kommandierende der Arbeitseinheiten an. CAW, Oddz. I Szt. MSWojsk, sygn. I.300.7.108, L. dz. Szt. Wydz. V-a.15676/20. 477 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Obóz koncentracyjny w Jabłonnie. 478 Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 175; Rogoziński, Moje szczęśliwe życie, 38; Jakubowicz, Inwazja bolszewicka w Płocku w 1920 r., 141 f. 479 Rogoziński, Moje szczęśliwe życie, 38. 480 Jakubowicz, Inwazja bolszewicka w Płocku w 1920 r., 141.

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Jabłonna zu informieren.481 Die Berichte führten aufseiten der Juden und der Linken zu Protesten. Am 16. August wandte sich die Fraktion der Folkisten mit einer Beschwerde über die Behandlung der Juden in den Streitkräften an Kriegsminister Sosnkowski. Darin kritisierten sie unter anderem die Behandlung der jüdischen Soldaten in Jabłonna. Der Befehl Sosnkowskis habe »kein Beispiel in einer modernen europäischen Armee« und stehe den bisherigen Aussagen des Ministers zur Gleichberechtigung der Juden entgegen.482 Drei Tage später übersandte ihm der Jüdische Abgeordnetenkreis eine Dokumentation der Zustände in Jabłonna.483 Am 22. August kamen jüdische Parlamentarier mit Vertretern von Sejm, Regierung und Militär zusammen, um über die »Entfernung der jüdischen Soldaten und Freiwilligen aus den Fronteinheiten« zu beraten.484 Davon berichtete am gleichen Tag auch der Robotnik, der zudem in einem Leitartikel über die Lage der Juden im Militär und die Internierung in Jabłonna informierte.485 Auch die jiddische Presse, der Haynt und Der Tog etwa, begann über die Vorgänge zu schreiben; in Der Moment erschien ein Spendenaufruf zugunsten der Internierten.486 Die Berichterstattung wurde in der Armee aufmerksam zur Kenntnis genommen, wovon beispielsweise ein Pressespiegel der Abteilung  II des Generalbezirkskommandos Warschau zeugt. Demnach kursierte das Gerücht, ein jüdischer Offizier, dem die Leitung des Lagers in Jabłonna angetragen worden sei, habe dem Überbringer dieses Angebots den Säbel vor die Füße geworfen. Außerdem wurde das Vorgehen der Militärführung als widersprüchlich gewertet, da einerseits der aus jüdischem Elternhaus stammende Major Bernard Mond mit dem Orden Virtuti Militari ausgezeichnet wurde, andererseits die Juden als unwürdig betrachtet würden, ihr Blut für Polen zu vergießen. Zudem wurde ein eindeutig negativer Einfluss der Vorgänge auf Polens Position im Ausland, insbesondere in den Vereinigten Staaten und Frankreich, beobachtet.487 In einem weiteren Bericht derselben Dienststelle deuten sich aber auch Reibungen innerhalb der jüdischen Öffentlichkeit an, wenn darauf verwiesen wird, dass »in den Kreisen der Assimilatoren« eine 481 Die in diesem Kapitel zitierten Presseartikel sind im Wesentlichen Teil einer Sammlung von Zeitungsausrissen des Außenministeriums zur Jabłonna-Problematik. AAN, MSZ, sygn. 9388 und 9389. 482 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, Fraktion der Folkisten an Ministerrat, 16. August 1920. Das Schreiben ging auch an die Rada Obrony Państwa und wurde dort verlesen. Ebd., sygn. I.300.1.1331, L.5073. 483 Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 131–133. 484 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Schreiben vom 7. September 1920; Komisja do zbadania obozu w Jabłonnie, in: Robotnik, 22. August 1920, 5. 485 R. K., Patentowanie obywateli, in: Robotnik, 22. August 1920, 1. 486 AAN, MSZ, sygn. 9389, 2. 487 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Abteilung II des DOG Warschau an die Abteilung II des MSWojsk, 23. August 1920.

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Strömung existiere, die »grundsätzlich mit dem Inhalt« des Jabłonna-Befehls übereinstimme und lediglich die Art seiner Umsetzung kritisiere.488 Während armeeintern die mangelnde Kampfbereitschaft und -kraft jüdischer Soldaten weiterhin als Grund für den Internierungsbefehl betrachtet wurde,489 rechtfertigte sich die Regierung in der Öffentlichkeit mit der schwer zu widerlegenden Behauptung, man habe die judenfeindliche Stimmung, die sich im Land aufgrund der Nachrichten über das Verhalten der Juden gegenüber dem Feind verbreitete, eindämmen wollen. Die Internierungsaktion habe somit vorrangig dem Schutz der Juden gedient. Nachdem Informationen über die Maßnahmen in der Presse durchsickerten, wurde das Thema im Kabinett Witos und auf Drängen des Jüdischen Abgeordnetenkreises ebenso im Sejm diskutiert. Bevor es aber dazu kam, wurde am 18. August in einer Sitzung der ROP die erwähnte Anfrage der jüdischen Parlamentarier bei Sosnkowski vom 16. August verlesen.490 Nach einer Mitschrift von Kazimierz Świtalski, einem engen Vertrauten des Staatschefs und Oberbefehlshabers Piłsudski, nahm die Besprechung folgende Wendung: »Sosnkowski: Daszyński ordnete an, dass alle Juden in eigene Einheiten ausgesondert werden, daher die Beschwerden des jüdischen Klubs. Kommandant Piłsudski: Verliest das Schreiben. Sosnkowski: […] Die Juden wurden wirklich abgesondert, andere Fakten sind unwahr. Die Kasernen sind wie jede Kaserne mit Wachen versehen. Die sie belagernden Menschenmassen mussten entfernt werden. Daszyński: Die Juden herausnehmen und gleich zu Arbeiten abführen, denn die Versammelten erregen sich darüber, was mit ihnen wird. Kommandant Piłsudski: Die Fronteinheiten mit Juden zu verunreinigen [ist] schlecht, die rückwärtigen Einheiten ebenso. Juden desertieren zu 9/10 zu den Bolschewiken. Man kann sie ohne Waffen aufstellen, damit sie überlaufen.«491

488 Ebd., Politischer Bericht, 26. August 1920. 489 Für General Wacław Iwaszkiewicz, den Chef des DOG Warschau, handelte es sich um eine des Antisemitismus unverdächtige Entscheidung im Interesse einer rationalen Organisation der Armee. Die Kampfkraft einer Einheit war nach seiner Auffassung bereits bei einem jüdischen Anteil von 10 Prozent zweifelhaft. CAW, Oddz. I Szt. MSWojsk, sygn. I.300.7.111, L.20216. Es gab innerhalb der Armee zudem auch noch nach dem Jabłonna-Befehl Stimmen, die auf den Abzug aller Juden aus den Kampfeinheiten drängten, was zumindest ein Schreiben des DOG Kielce nahelegt. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, DOG Kielce an Abteilung des MSWojsk, 26. August 1920. 490 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, Fraktion der Folkisten an Ministerrat, 16. August 1920. 491 Szesnaste posiedzenie Rady Obrony Państwa, 18. August 1920, in: PROP, 254–262, hier 262. Piłsudski äußerte sich öffentlich mehrmals über die Haltung der Juden im Krieg gegen Sowjetrussland, wobei er einerseits die Rolle jüdischer Protagonisten aufseiten der Bolschewiki, andererseits die Loyalität der polnischen Juden herausstellte. Gąsowski, Józef Piłsudski wobec Żydów, kwestii żydowskiej i antysemityzmu.

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Das Ergebnis dieser merkwürdigen Sitzung, die nur in Świtalskis Mitschrift so detailliert dokumentiert wurde, war eine Empfehlung an die Regierung, eine Untersuchungskommission mit der Überprüfung der Vorwürfe der jüdischen Parlamentarier zu beauftragen. Auf dieser Grundlage sollte die ROP weitere Entscheidungen fällen.492 Aus Piłsudskis Äußerungen lässt sich herauslesen, dass auch er, der den Juden öffentlich stets mit Respekt begegnet war, die Berichte über jüdische Deserteure und Kollaborateure ernst nahm. Bereits Ende April war er zur Überzeugung gelangt, die Bevölkerung Wolhyniens sei »unermesslich dankbar für die Vertreibung der Bolschewiken und des jüdischen Terrors«.493 Eine Woche später fand er in einem Brief ähnliche Worte über die Verflechtung von Bolschewismus und Juden.494 Am 22. August 1920 kam es indes zu einem erneuten Treffen von Izaak Grünbaum und Noah Pryłucki mit Antoni Anusz, einem Vertreter des Ministerpräsidenten, Antoni Bujak vom parlamentarischen Militärausschuss, Oberst Rudolf Prich als Vertreter des Generalstabs sowie Major Polakiewicz für das Kriegsministerium. Nach den Worten Prichs, Chef der Abteilung I des Generalstabs und Unterzeichner des zweiten Internierungsbefehls vom 6. August 1920, ging es in Jabłonna gar nicht um eine Abweichung von der prinzipiellen Gleichbehandlung aller Religionen im Militär. Die Zahl der Juden in den kämpfenden Truppen sei begrenzt worden, da Einheiten mit einem höheren jüdischen Anteil »im Kampf häufig versagten«.495 Im Generalbezirk Warschau, wo eine besonders große Zahl Juden einberufen wurde, sei deren Anteil in den Etappeneinheiten aufgrund ihrer mangelnden Fronttauglichkeit auf bis zu 40 Prozent angestiegen. Da die Verpflegung und Unterbringung der Internierten in Jabłonna nach den geltenden Bestimmungen erfolgte, zeigte sich Prich überrascht über die jüdischen Reaktionen. Die Maßnahmen schränkten die Rechte der Juden als Bürger und Soldaten nicht ein, sondern folgten angesichts der Nachrichten über das feindselige Verhalten von Juden im Frontbereich militärischen Erwägungen. Sollte es bei der Umsetzung der

492 Szesnaste posiedzenie Rady Obrony Państwa, 18. August 1920, in: PROP, 258. 493 Brief Piłsudskis an Sosnkowski, 29. April 1920, in: Rok 1920, 152. 494 AAN, Akta Józefa i Aleksandry Piłsudskich, sygn. 11, Brief vom 6. Mai 1920, 21–28, hier 25.  495 Dieses und die weiteren Zitate dieses Treffens in: CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Sitzungsbericht der vom Ministerpräsidenten einberufenen Kommission, 22. August 1920. Vgl. auch Narada Rządu z zastępcami żydowskimi, in: Robotnik, 22. August 1920, 5; AAN, MSZ, sygn. 9389, 2, Bericht über die jüdische Presse, 23. August 1920. Der Moment berichtete am 26. August von einer erneuten Zusammenkunft Priłuckis und Prichs, wonach Letzterer versicherte, die Angelegenheit werde vom MSWojsk im Sinne der Juden geregelt. Es seien bereits einige Anordnungen erlassen worden. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, 2, Bericht über die jüdische Presse Nr. 24, 26. August 1920. Zur Biografie Prichs Mieczysław Cieplewicz, Art. »Prich Rudolf«, in: PSB, Bd. 28, 462 f., sowie Wojtaszak, Generalicja Wojska Polskiego 1921–1926, 513 f.

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Befehle zu Missbrauch und Schikanen gekommen sein, werde dies rechtsstaatlich untersucht und geahndet. Auch Bujak und Anusz unterstrichen, es habe objektive Gründe für die Internierung gegeben. Priłucki widersetzte sich dieser Darstellung und bezeichnete die Vorgänge als »Beleidigung der Juden« und Methode, diese gegen Polen aufzubringen. Vor allem den Kriegsfreiwilligen würde großes Unrecht getan. Völlig inakzeptabel sei zudem die Brutalität im Umgang mit den internierten Soldaten. Priłucki mahnte gleiche Maßstäbe für alle Soldaten an, forderte die Rücknahme der Internierungsbefehle und die Rückkehr der Betroffenen zu ihren Einheiten sowie eine Untersuchungskommission unter jüdischer Beteiligung.496 Auch Izaak Grünbaum fand vor den Regierungs- und Armeevertretern deutliche Worte. Das Kriegsministerium stehe in der Pflicht, für ein Ende der antijüdischen Politik zu sorgen, welche die jüdische Jugend in die Arme der Bolschewiki treibe. Er forderte daher eine genaue Überprüfung der Vorwürfe gegen die Juden und die Zurücknahme des Internierungsbefehls. Den Lagerinsassen solle »das Recht, ihr Blut zu vergießen«, nicht durch die Bildung gesonderter jüdischer Arbeitsbataillone genommen werden. Grünbaum kündigte an, dass die jüdischen Parlamentarier ihre Mandate niederlegten, sollte die Gegenseite kein Entgegenkommen signalisieren. Zwar erklärten sich die Abgesandten des Kriegsministeriums als nicht entscheidungsbefugt und interpretierten die jüdischen Reaktionen als Folge der mangelhaften Umsetzung des Befehls und unnötiger Schikanen der unteren Ebenen, doch schlugen sie der Regierung eine Reihe von Maßnahmen vor. Diese bestanden aus der Einsetzung einer Untersuchungskommission, der Aufhebung der Internierung und der Verteilung der Insassen auf alle Generalbezirke, da das Ziel der »Entjudung« (»odżydzenie«) Warschaus auch auf diesem Weg erreicht werden könne.497 Die angekündigte Untersuchung fand bereits am Folgetag unter Leitung des Chefs der Abteilung Oberste Militärkontrolle (Oddział Naczelnej Kontroli Wojskowej) General Jan Wroczyński statt. Der ebenfalls teilnehmende Grünbaum überreichte ihm bei dieser Gelegenheit vier Beschwerden der Insassen.498 Nach dem Wroczyński-Bericht lebten im Lager 2 634 Internierte, die in fünf Arbeitseinheiten mit je 407 Mann eingeteilt waren. Sechs weitere Einheiten waren demnach im Entstehen, daneben gab es eine gesonderte, 109 Mann starke Einheit für Angehörige der Intelligenzija. Die Internierten erschienen Wroczyński gesund und zufrieden. Sie würden wie alle gewöhn-

496 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Protokoll vom 22. August 1920. 497 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Sitzungsbericht der vom Ministerpräsidenten einberufenen Kommission. 498 Ebd., sygn. I.300.1.1331, L.5073, Wroczyński an Sosnkowski, 24. August 1924.

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lichen Soldaten versorgt, wenngleich es in den Tagen vor der Inspektion zu Unregelmäßigkeiten aufgrund von Transportschwierigkeiten gekommen sei, und bewohnten sieben saubere, »ordentliche«, mit Pritschen und Strohsäcken ausgestattete Baracken. Hinzu kam eine Krankenbaracke, in der ein Arzt tätig war. Aus Mangel an Schulungspersonal mussten die Lagerinsassen keine militärischen Übungen abhalten, was sich erst mit dem Eintreffen von Offizieren am 22. August änderte. Die geringe Zahl von 31 Unteroffizieren war es auch, die Wroczyński als Grund für den Umstand anführte, dass die Internierten noch nicht in Namenslisten erfasst worden waren und damit keine Uniform ausgehändigt bekommen konnten. Zudem fehlte es nach seiner Darstellung an etwa 200 Mann Wachpersonal, um nötige Patrouillengänge durchzuführen.499 Den Jüdischen Abgeordnetenkreis erreichte indessen am 24. August ein Brief der jüdischen Insassen der Garnison Jabłonna, in dem diese nochmals auf ihre prekäre Situation aufmerksam machten.500 Außenpolitisch richtete die Jabłonna-Affäre, so die Einschätzung Szymon Askenazys, der als einer der Sonderbeauftragten in Paris und London für die polnische Sache warb, einen »unermesslichen Schaden« an. Derlei Vorfälle, schrieb der Biograf Poniatowskis und Łukasińskis am 20. September 1920, würden alle Bemühungen, das Bild eines toleranteren Polen aufzubauen, von vornherein zunichtemachen.501 Dies hatten polnische Diplomaten und Politiker bereits früh erkannt. Bei einem Treffen im Kriegsministerium am 26. August verabredeten die Vertreter der Ressorts für Inneres, Äußeres und Militär, abgestimmt gegen die vorauszusehende »antipolnische Kampagne in der ausländischen Presse« vorzugehen. Sie zweifelten keinen Moment daran, dass ein derartiger Pressefeldzug bevorstand, da das bisherige Verhalten der Juden gegenüber den Bolschewiki, aber auch das harte Vorgehen der polnischen Behörden gegen vermeintliche jüdische Staatsfeinde kaum anderes erwarten ließen.502 Um den erwarteten kritischen Artikeln mit gesicherten Tatsachen begegnen zu können, einigten sich die Regierungsvertreter darauf, eine Untersuchung der Mitwirkung von Juden bei kommunistischen Aktivitäten einzuleiten. Zusätzlich forderte der Vertreter des Außenamts seriöse

499 Ein entsprechendes Schreiben von Wroczyński ging am 25. August 1920 an das DOG Warschau. Ebd., Anhang F zum Vorgang L.480/20. 500 Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 134. 501 O niepodległą i granice, Bd. 5, 80 und 85. 502 AAN, MSZ, sygn. 9389, 18–22, Vorbereitende Konferenz in der Abteilung II des MSWojsk, 26. August 1920, hier 21. Tatsächlich enthielten beispielsweise die Pressespiegel aus den Vereinigten Staaten zahlreiche Berichte über den grausamen Umgang des polnischen Militärs mit der jüdischen Bevölkerung. CAW, Oddz. II Szt. MSWojsk, I.300.76.486, 12, 19, 26–28, 54, 65 f. und 69 f.

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Informationen über das »Konzentrationslager in Jabłonna« an, deren Zustellung ihm der Vertreter des Kriegsministeriums zusicherte.503 Ende August bildeten schließlich Herman Lieberman, Nathan Löwen­stein von Opoka und Samuel Dickstein eine seltene Koalition. Als jeweilige Vertreter der sozialistischen und der konservativen Parlamentsfraktion sowie der jüdisch-akademischen Akkulturierungspartei Zjednoczenie intervenierten sie beim Ministerrat und dem nunmehrigen Kriegsminister Sosnkowski gegen die antijüdischen Anordnungen der Armee. Am 30. August kam es zu einem Treffen der genannten Parlamentarier mit Sosnkowski, auf dem erstmals über das Ende der Internierung ehemaliger polnischer Legionäre, Kriegsfreiwilliger und Staatsbeamter verhandelt und einer weiteren Eskalation der jüdisch-polnischen Spannungen eine Absage erteilt wurde.504 Das Kabinett beschäftigte sich tags darauf ebenfalls mit der Jabłonna-Problematik.505 Der sozialistische Vize-Ministerpräsident Ignacy Daszyński leitete die Versammlung und stellte eingangs fest, es habe sich gezeigt, »dass nicht die Religion Juden und Polen trennt, sondern der jüdische Nationalismus«.506 Das Wirken der jüdischen Nationalisten, so Daszyński, sei der Grund, warum – im Gegensatz zur älteren, orthodox oder »assimilatorisch« gesinnten Bevölkerung – der überwiegende Teil der jüdischen Jugend »das Examen als Bürger nicht bestand«. Erst das angeblich illoyale Verhalten der jüdischen Jugend im Militär sowie dasjenige der jüdischen Arbeiter habe angesichts der Bedrohung Warschaus »zu der bereits allseits bekannten Absonderung der jüdischen Soldaten in ein spezielles Lager in Jabłonna« geführt. Eine 503 Ebd. Angesichts der schlechten Reputation Polens im Ausland war es eines der Ziele polnischer Außenpolitik, diese zu verbessern. Dafür war das Propagandabüro des Innenministeriums zuständig. Mitte August wurde das Büro für Auslandspropaganda eingerichtet, in dessen Namen anerkannte Persönlichkeiten als Sonderbeauftragte nach Bern, Brüssel, London, Rom, Paris und New York entsandt wurden. Das Außenministerium sammelte Informationen zu Übergriffen auf Juden, um im Ausland den Eindruck zu zerstreuen, Polen werde von »weißem Terror« heimgesucht. Es schlug dem Kriegsministerium vor, in Zukunft betreffende Materialien grundsätzlich auch an das Außenministerium weiterzugeben. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.6009, 23. September 1920. Allerdings hatten Informationen über Jabłonna und die jüdische Bevölkerung die polnischen Auslandsvertretungen im September durchaus erreicht. AAN, Ambasada RP w Paryżu, sygn. 301, Nr. 84408/D.17728/I/20, Außenministerium an die polnische Gesandschaft in Paris, 11. September 1920. 504 Kronika polityczna. W sprawie represji przeciwko Żydom, in: Robotnik, 31. August 1920; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Sztab wydział  II an Oddz.  II Szt. MSWojsk, 30. August 1920; Biogramme der Protagonisten in: Żydowska mozaika polityczna w Polsce, 1917–1927. 505 AAN, MSZ, sygn. 9389, 12–17, Konferenz im Präsidium des Ministerrats, 1. September 1920. Vgl. auch das Protokoll zum gleichen Anlass in CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.49, L.4876. 506 Ebd., 12 f.

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Weiterführung dieser vorübergehenden Maßnahme sei aber aufgrund der veränderten militärischen Lage und der Einführung rechtlicher Regelungen für Desertion nicht mehr notwendig und zudem politisch nicht gewünscht. Die eigenartige Rolle des Vizepremiers Daszyński in der gesamten JabłonnaAffäre ist schwer zu bewerten. Folgt man der Biografie aus der Feder des Historikers Adam Próchnik, wahrscheinlich ein Sohn des Politikers, so intervenierte Daszyński zweimal persönlich bei Piłsudski im Sinne der Internierten.507 Die bislang zitierten Äußerungen dieses großen Parlamentariers, der 1920 stellvertretender Regierungschef in einer ungeliebten großen Koalition aus PPS, Bauernpartei sowie National- und Christdemokraten war, werfen ein anderes Licht auf seine Haltung. Als Sozialist fehlte ihm möglicherweise das rechte Gespür für die Hoffnungen, welche die Ideologie der Bolschewiki, aber auch der Zionismus bei vielen Juden weckte. Daszyńskis Bemerkungen können aber auch taktischer Natur und Jabłonna für ihn eine Verhandlungsmasse im Kräftemessen um Status und Rechte der jüdischen Gemeinden gewesen sein.508 Immerhin bezeichnete er in der besagten Kabinettsitzung die geplante Auflösung Jabłonnas als willkommenes Instrument zur Begrenzung des Einflusses der »Zionisten und Nationalisten« in den Verhandlungen zwischen polnischer Regierung und jüdischen Repräsentanten. Wenn man Proteste von Anhängern der Assimilation und Orthodoxen gegen Jabłonna provoziere, so Daszyński weiter, könne man diese dann mit einem demonstrativen Entgegenkommen und der Auflösung des Lagers für die Regierung einnehmen.509 Der nächste Redner, der laut Protokoll am 1. September das Wort ergriff, war Oberst Prich, der erneut den zeitweiligen Charakter der Internierungen unterstrich und noch einmal die tatsächlichen Beweggründe für diese Maßnahme offenlegte: »Jabłonna war nicht als Internierungslager gedacht, sondern als Konzentrationslager für jüdische Soldaten, die für militärische Zwecke eingesetzt werden sollten. Grund für den Abzug der jüdischen Soldaten aus der Garnison der Stadt Warschau war ihr hoher Anteil von etwa vierzig Prozent. Die Konzentration wurde durch eine Anweisung des Oberkommandos initiiert, das eine Obergrenze von maximal zehn Prozent Juden für jene Einheiten festsetzte, die an die Front gehen. Ein höherer Anteil an Juden hätte die Kampfkraft der Einheiten beeinflusst.«510

507 Próchnik, Ignacy Daszyński, 69. 508 Vgl. auch AAN, MSZ, sygn. 9389, 12 f., Konferenz im Präsidium des Ministerrats, 1. September 1920. 509 Als weitere Maßnahme zur Schwächung der Zionisten wurden die Einberufung einer (orthodox dominierten) Rabbinerversammlung wie auch die stärkere Einbindung der Verfechter der Assimilation der Juden angeregt. Ebd., 14 f. 510 Ebd., 15 f.

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Bei der Durchführung des Abzugs der Juden sei es zu »Schikanierungen« jüdischer Soldaten durch die unteren staatlichen Organe gekommen, ergänzte Major Polakiewicz als Vertreter der Abteilung II des Kriegsministeriums und verwies auf die laufenden Untersuchungen.511 Wie bereits beim Treffen vom 26. August wurde der internationalen Lage Polens eine wichtige Rolle beigemessen. Als Vertreter des Außenministeriums schilderte M. Straszewski512 das Interesse der ausländischen Medien und von jüdischen Vertretern in London an den Vorgängen in Jabłonna. Im Außenamt wurden die Reportagen in der Morning Post, der Vossischen Zeitung, der Jüdischen Allgemeinen Zeitung oder dem Jewish Chronicle sehr ernst genommen, zumal auch Diplomaten wie der polnische Botschafter in Wien in Erklärungsnot gerieten.513 Angesichts der Erfahrungen mit der Morgenthau-Kommission wird dieses Handeln verständlich, zumal beispielsweise das American Jewish Committee Jabłonna 511 Ebd. In einem ähnlichen Ton auch CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.51, Liczb. 17680, Prich in einem Schreiben des Stabs der Abteilung I des MSWojsk an Ministerrat, 4. September 1920. 512 Es handelte sich wahrscheinlich um Michał Anastazy Teofil Straszewski (1876–1965), der vor dem Ersten Weltkrieg u. a. als österreichisch-ungarischer Konsul in Denver (Colorado) und Saint Louis (Missouri) tätig gewesen war und seit 1919 dem polnischen Außenministerium als Vorsitzender der Amerikanischen Abteilung und der Abteilung Internationale Beziehungen angehörte. Wojciech Rojek, Art. »Straszewski Michał Anastazy Teofil«, in: PSB, Bd. 44, 252 f. 513 AAN, MSZ, sygn. 9388, 257 und 258, Notiz in einer Sammlung von Zeitungsausrissen, 14. September 1920. Die bibliografischen Angaben der dort versammelten Presseartikel: Nach der Schlacht bei Warschau, in: Vossische Zeitung, 28. August 1920; Poland’s Diffi­ culties, in: Daily Telegraph, 2. September 1920; Jews in Poland, in: ebd., 6. September 1920; Difficult Problem, in: The Morning Post, 7. September 1920; Ein Appell an die Kulturwelt. Die polnische Hölle, in: Freiheit Nr. 380, 12. September 1920 (Morgenausgabe); On massacre les Juifs!, in: Le Populaire, 24. September 1920; Die Tragödie des jüdischen Volkes in Polen, in: Wiener Morgenzeitung, 24. September 1920, 2 f. ; Aus der polnischen Hölle, in: Freiheit, 29. September 1920 (Abendausgabe); Pogrome ohne Ende, in: Jüdische Rundschau, 1. Oktober 1920, 517; Die Greuel der polnischen Hölle, in: ebd., 6. Oktober 1920, 528 f.; Die polnische Hölle, in: ebd., 19. Oktober 1920, 556; L’antisémitisme en ­Pologne. Les horreurs du camp de Jablonna, in: L’Humanité, 3. Oktober 1920; A Permanent ­Pogrom, in: Jewish Chronicle, 15. Oktober 1920 (vgl. auch vom 1. Oktober 1920). Weitere, in der Sammlung nicht enthaltene Pressestimmen waren u. a. Au camp de concentration de Jablona, in: La Tribune Juive, 15. November 1920, 9, vgl. auch 8; Les ordres secrets du ministère de la guerre polonais contre les Juifs, in: ebd., 19. November 1920, 7; Pologne, in: L’Univers Israélite, 8. Oktober 1920, 114; Les horreurs du camp de Jablonna, in: ebd., 15. Oktober 1920, 134 f. (Nachdruck des Artikels aus L’Humanité, 3. Oktober); Autour de la guerre, in: ebd., 17. September 1920, 37–40, hier 39; En Pologne, in: Le Peuple Juif, 1. Oktober 1920, 6 f.; The American Jewish Year Book 23 (1921), 198; Nachdruck der parlamentarischen Anfrage von Grünbaum, Hartglas und Farbstein, in: The Nation 111 (1920), 644 f., ebenso in Les persécutions des Juifs en Pologne, in: Le Peuple Juif, 5. Oktober 1920, 8–11. Zu einem Treffen des polnischen Botschafters mit Vertretern amerikanischer Juden vgl. Les Juifs americains et la Pologne, in: Le Peuple Juif, 10. Oktober 1920, 10. Vgl. auch CAW, Oddz. II MSWojsk, sygn. I.300.76.486, Pressespiegel aus New York für August bis November 1920.

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beim scheidenden amerikanischen Präsidenten Wilson thematisierte.514 Um den Berichten als »übertriebene und lügenhafte Nachrichten« entgegentreten zu können, sollten, wie wenige Tage zuvor vereinbart, den polnischen diplomatischen Vertretungen umgehend umfangreiche Informationen zur Verfügung gestellt werden.515 Es sei klarzustellen, so eine handschriftliche Notiz in den Akten des Ministeriums, dass »keinerlei Einschränkungen für Juden im polnischen Heer existieren«.516 Das Lager in Jabłonna war nach dieser Lesart ein »vorübergehendes Mittel, diktiert von der Notwendigkeit, eine gewisse Zahl Rekruten bis zu ihrer Zuteilung zu geeigneten Einheiten festzuhalten«.517 Auch in den auf Vorschlag und in Absprache mit dem Jüdischen Abgeordnetenkreis veröffentlichten Presseinformationen wich das Kriegsministerium nicht von dieser Darstellung ab und wiederholte, »dass die jüdischen Soldaten aufgrund ihrer Überzähligkeit in der Warschauer Garnison nur zum Ziel ihrer Registrierung und anschließenden angemessenen Aufteilung auf andere Generalbezirke in die Sammelstation in Jabłonna eingewiesen wurden«.518 Im Verlauf der nächsten Wochen, als sich die Kampfhandlun­gen wieder in Richtung Osten verlagert hatten, besuchten Journalisten und Sejmabge514 Le Président Wilson et la situation des Juifs en Pologne, in: La Tribune Juive, 5. November 1920, 9. 515 AAN, MSZ, sygn. 9389, 17, Konferenz im Präsidium des Ministerrats, 1. September 1920. Die Ereignisse in Polen nach 1918, besonders Pogrome und gegen die Minderheiten gerichtete Gewalt, wurden von den Entente-Mächten, dem Völkerbund und den Vereinigten Staaten tatsächlich aufmerksam verfolgt. N.  Davies, Great Britain and the Polish Jews, 1918–20; Pease, »This Troublesome Question«; Wandycz, The United States and Poland, 157–168. Zur Berichterstattung der New York Times 1918–1919 Wróbel, Polacy, Żydzi i odbudowa Polski na stronach The New York Timesa w 1918 i 1919 roku. Die Arbeit der Morgenthau- und der Gibson-Komission fassen zusammen Kapiszewski, Controversial Reports on the Situation of the Jews in Poland in the Aftermath of World War I; Różański, Hugh Gibson wobec kwestii żydowskiej w Polsce w 1919 roku. Auf besonderes Interesse stieß bei der polnischen Regierung der Bericht des Abgesandten der britischen Regierung, Sir Stuart Montagu Samuel. Report by Sir Stuart Samuel on his Mission to Poland; AAN, PRM, Rkt. 49, t. 4, 109–112, Nachrichtenkommuniqué Nr. 6, 29. Januar 1920. Zum brei­ teren Kontext Radzik, Stosunki polsko-żydowskie w Stanach Zjednoczonych Ameryki w latach 1918−1921. 516 AAN, MSZ, sygn. 9389, 254, Pressebericht, 7. September 1920. 517 Ebd. 518 Obóz w Jabłonnie, in: Kurjer Poranny, 25. September 1920. Vgl. auch Dzień vom 27. September 1920 sowie AAN, IW, sygn. 296/I–18, 61, Morgenpresseschau Nr. 436, 25. September 1920. Der Jüdische Abgeordnetenkreis hatte Sosnkowski am 16. September gedrängt, in einem Pressekommuniqué als Internierungsgrund nicht den angeblichen Verrat der jüdischen Bevölkerung, sondern den zu hohen prozentualen Anteil von Juden in den betreffenden Einheiten anzuführen. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Jüdischer Abgeordnetenkreis an MSWojsk, 16. September 1920. Dieser Vorschlag wurde von Sosnkowski akzeptiert und berücksichtigt. Ebd., MSWojsk an Jüdischen Abgeordnetenkreis, 21. September 1921.

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ordnete, darunter Ozjasz Thon am 29. August und Apolinary Hart­glas am 8. September, die Garnison Jabłonna erneut.519 Einer der Internierten, die sich als Freiwillige zum Frontdienst gemeldet hatten, schuf eine Persiflage des Legionärsliedes My, Pierwsza Brygada (Wir, die Erste Brigade), in deren Refrain er mit den Zeilen Jabłonna, ach Jabłonna, nadzieja nasza płonna (Jabłonna, ach Jabłonna, unsere vergebliche Hoffnung) die ganze Verbitterung dieser Gruppe legte.520 Die Pressenachrichten mobilisierten auch die polnische linksintellektuelle Öffentlichkeit. Der Linguist und spätere Präsidentschaftskandidat Jan Niecisław Baudouin de Courtenay scheiterte an der Zensur, als er im September im Naród einen Artikel über Jabłonna mit dem sprechenden Titel Nie mogę uwierzyć (Ich kann es nicht glauben) veröffentlichen wollte.521 Es war letztlich die Warschauer Pädagogin und Kinder- und Frauenrechtlerin Stefania Sempołowska, die es mit Unterstützung der Liga zur Verteidigung der Menschenrechte (Liga Obrony Praw Człowieka) vermochte, 72 Intellektuelle zur Unterzeichnung eines von ihr redigierten offenen Protestbriefes gegen die Internierung zu bewegen. Bei der Vervielfältigung und Verteilung des Aufrufs wurde sie von der späteren Lite­ratin Hanna MortkowiczOlczakowa unterstützt, die selbst jüdischer Herkunft war.522 Stefan Żeromski, als bekannter Schriftsteller zugleich Verfasser von Kriegspropaganda, war der prominenteste Unterzeichner des Briefes, der im Robotnik in Auszügen erschien.523 Weitere Unterstützer waren erneut de Courtenay, außerdem der 519 Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 135–137. Zur Biografie Thons Galas, Ozjasz (Jehoshua) Thon (1870–1936), und Ronen, Jehoshua Ozjasz Thon. Vgl. auch die Anmerkungen von Hartglas zu Jabłonna und seinem eigenen Engagement als Kriegsfreiwilliger bei der Verteidigung Warschaus. Ders., Na pograniczu dwóch światów, 210 f. 520 Miłosz, Wyprawa w dwudziestolecie, 274; ders., Abecadło Miłosza, 241 f.; Adus, Na marginiesie »Pamiętników« Witosa, 176. Vgl. auch die zitierten Presseartikel in Robotnik und Naród. Zur Entstehungsgeschichte des Liedes My, Pierwsza Brygada, das nach 1918 den Rang einer inoffiziellen Nationalhymne einnahm, vgl. Romanowski, »My, Pierwsza Brygada«. 521 De Courtenay, Kwestja żydowska w Państwie Polskiem, 40, Anm. 11; ders., Listy z lat 1870–1927, 126. 522 Mortkowicz-Olczakowa, O Stefanie Żeromskim, 292 f. Der Związek Obrony Praw Czło­ wieka initiierte zugleich eine Geldsammlung für die Internierten. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Abteilung II MSWojsk, 30. August 1920. Behördlich wurde die Organisation als Związek Obrony Praw Człowieka i Obywatela erst im März 1921 registriert und existierte bis 1937. 523 Odezwa z powodu Jabłonny, in: Robotnik, 11. September 1920,  2. Vgl. auch AAN, IW, sygn. 296/1–18, 24 und 27, Morgenpresseschau Nr. 410 und 412, 10. und 11. September 1920; Steffen, Jüdische Polonität, 248; Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 176; Gąsiorowska, Życie i działalność Stefanii Sempołowskiej, 49. Sempołowska engagierte sich auch für die internierten mutmaßlichen Kommunisten. Zum Schaffen Żeromskis im Polnisch-Sowjetischen Krieg Hutnikiewicz, Żeromski, 136 f., und Pękala, Żeromskiego świat i Polska, 140 f. Zur Protestkultur linker Schriftsteller in dieser Zeit Żółkiewski, Kultura literacka (1918–1932), 234–240.

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Schriftsteller Andrzej Strug, der Jurist und Philosoph Leon Petrażycki, die Ökonomin Zofia Daszyńska-Golińska, die Historikerin Natalia Gąsiorowska sowie die Sozialisten Mieczysław Niedziałkowski und Zygmunt Żuławski.524 Strug besuchte einen Tag vor der Auflösung des Lagers Jabłonna und bezeichnete den Internierten gegenüber das Handeln der polnischen Regierung als Irrtum.525 Dem wachsenden Druck der polnischen und westeuropäischen Presse wollte die außenpolitisch isolierte polnische Regierung unter Premier Wincenty Witos bald nicht mehr widerstehen. Das Kriegsministerium verfügte wie im Ministerrat vereinbart am 1. September die Schließung des »Sammelpunktes« zum 10. des Monats, worüber auch in der Presse informiert wurde.526 Der entsprechende Armeebefehl wurde am 4. September erlassen.527 Die Internierten, die nach feststehenden Kriterien wieder in die Armee eingegliedert werden sollten, wurden in vier »Kategorien« aufgeteilt. Kriegsfreiwillige wurden in Kategorie I, Angehörige der Intelligenz in Kategorie II eingestuft, beide Gruppen sollten zu ihren Einheiten zurückkehren. Handwerker zählten zur Kategorie  III und wurden speziellen Baueinheiten zugeordnet. Während diese drei Gruppen nach Angaben des Kriegsministeriums etwa 1 000 Mann umfassten, sollten die übrigen circa 4 000 Mann auf die Generalbezirke Krakau, Lemberg, Lublin und Kielce verteilt und für Wachdienste eingesetzt werden.528 Die Schließung des Lagers zog sich noch mindestens bis zum 18. September hin.529 Die Soldaten wurden in bewachten Waggons in andere Generalbezirke Polens transportiert und dort Arbeitsbataillonen zu524 Rohoziński, Andrzej Strug, 192 f.; Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 176. 525 Rzymowski, Wstęp, 86; Rympel, Słowo o Żydach krakowskich w okresie międzywojennym (1918–1939), 573. 526 Zwinięcie obozu w Jabłonnie, in: Robotnik, 7. September 1920,  4; W sprawie obozu w Jabłonnie, in: Kurjer Poranny, 10. September 1920, hier zit. nach AAN, MSZ, sygn. 9388, 255. Das über die PAT verbreitete Pressekommuniqué wurde auch in allen jüdischen Tageszeitungen abgedruckt. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.1332, Bericht über die jüdische Presse Nr. 32, 10. September 1920. 527 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.51, Liczb. 17680. 528 AAN, MSZ, sygn. 9389, 16, Konferenz im Präsidium des Ministerrats, 1. September 1920. Aus einer wahrscheinlich von Sosnkowski stammenden Aktennotiz geht hervor, dass der letzte Abtransport von etwa 1 500 jüdischen Insassen nach Kielce am 14. September stattfand und damit das Lager endgültig geschlossen wurde. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Schreiben 5747/B. P.2 (Randnotiz, o. D.). Die ursprüngliche Idee, die Juden nicht in Jabłonna zu internieren, sondern zu Arbeiten einzusetzen, stammte Sosnkowski und Prich zufolge von Daszyński. Ebd., sygn. I.300.1.51, Liczb. 17680, Abteilung I MSWojsk an den Ministerrat, 4. September 1920. 529 Zwinięcie obozu w Jabłonnie, in: Gazeta Poranna 2 Grosze, 21. September 1920; J. F., W sprawie Jabłonny, in: Robotnik Nr. 251, 14. September 1920. Vgl. auch die Reaktionen der jüdischen Presse. CAW, SRI, sygn. I.371.6/A.92, Wochenbericht aus der jüdischen Presse, 6.–9. September 1920.

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geteilt.530 Bei einem Transport von Jabłonna-Insassen am 11. September über Lublin nach Lemberg über eine Nebenstrecke ereignete sich ein Zugunglück. Da der Zug fast ausschließlich mit vormals internierten Soldaten besetzt war, entstanden Gerüchte über einen gezielten Anschlag, die bald auch in verschiedenen Zeitungen kolportiert wurden.531 Die Untersuchung durch die zuständige Leitung der Militärtransporte ergab, dass die Lokomotive aufgrund einer defekten Schiene entgleiste und neun Waggons übereinandergetürmt wurden, wobei sieben Passagiere den Tod fanden und 81  verletzt wurden.532 Das Schicksal der übrigen Jabłonna-Insassen wurde von den unverändert argwöhnischen Militärbehörden weiter verfolgt und in ihren Einheiten gesondert erfasst.533 Ein Teil von ihnen wurde in Piotrków Trybunalski in die 5. Kompanie des 2. Infanterieregiments der Legionen versetzt, eine Einheit, die inoffiziell als »Strafkompanie« galt und für die dort herrschenden schlechten Lebensumstände bekannt war.534 Zudem kam heraus, dass sich viele der ehemals Internierten mit einem Marschbefehl in andere DOG »in Warschau ohne jegliche Dokumente oder mit Dokumenten zweifelhaften Werts herumtreiben«. Sie wurden aufgegriffen, erneut nach Jabłonna überstellt und von dort aus weiterverschickt.535 Einigen Jabłonna-Insassen gelang es, sich von ihren Transporten in andere Landesteile zu entfernen, zu ihren angestammten Einheiten zurückzukehren und dort auch wieder aufgenommen zu werden.536

2.5 Heloten der polnischen Armee. Jüdische und polnische Einschätzungen zu Jabłonna Um die Bedeutung der Internierungen für die Zeitgenossen und die polnisch-jüdische Militärgeschichte zu ermessen, ist es hilfreich, über die bisher beschriebenen Reaktionen hinaus weitere Einschätzungen von Augenzeugen 530 Inwazja bolszewicka a Żydzi, Bd. 1, 135. Vgl. auch Die polnische Hölle, in: Jüdische Rundschau, 19. Oktober 1920, 556. 531 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Fraktion der Folkisten an MSWojsk, 17. September 1929; Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 177; d’Etchegoyen, Polens wahres Gesicht, 68. Vgl. auch die Meldung in La Tribune Juive, Dezember 1920, 11. 532 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, L.5999. Unter den Toten befanden sich Leon Goldhar und Leon Świsłocki. GGDRC, Polish Territorial Collection, T–32/83. 533 CAW, Rozkazy Dowództwa Okręgu Generalnego Warszawskiego, Rozkaz tajny Nr. 141, pos. 6, Zewidencjonowanie szeregowych Stacji Zbornej w Jabłonnie, 30. September 1920. 534 Wniosek posła Hirszhorna i innych w sprawie sformowania z żołnierzy żydowskich w Piotrkowie osobnej Kompanii Karnej, Druk Sejmowy RPII/0/2100, 10. Oktober 1920. 535 CAW, Oddz. I Szt. MSWojsk, sygn. I.300.7.111, L.Szt. Wydz. Vb2162. tj / Uzup.20. 536 CAW, Rozkazy Dowództwa Okręgu Generalnego Warszawskiego, Rozkaz Tajny Nr. 148, pos. 7, 17. Oktober 1920.

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und Beobachtern einzufangen. Da in der polnischen Öffentlichkeit die Bewertung des Polnisch-Sowjetischen Krieges selbst noch nicht abgeschlossen war, konnte es in Anbetracht der innenpolitischen Relevanz des Themas auch keinen zielführenden Diskurs über das jüdisch-polnische Verhältnis geben. Für beide Kriegsparteien handelte es sich um mehr als nur einen Territorialkonflikt. Die polnischen Ostgebiete waren für die Revolutionäre in Moskau von ideologischer Bedeutung als Experimentierfeld der Weltrevolution und Tor zum Westen des Kontinents. Warschau betrachtete diese aber als letzten Außenposten des lateinischen, ja europäischen Kulturkreises und damit als integralen Bestandteil der zu restituierenden alten Rzeczpospolita. Es sei deshalb wiederholt, dass von allen Grenzkriegen jener gegen Sowjetrussland, insbesondere aber dessen Höhepunkt im Jahr 1920, für das Selbstverständnis von Armee und Staat, die Bindung breiterer Bevölkerungsschichten an die Republik, vor allem aber für die Selbstpositionierung der Juden von entscheidender Bedeutung war. Dieser Krieg, den Piłsudski angesichts seines Verlaufs und der vergleichsweise bescheidenen Ressourcen als »Prügelei« bezeichnete, wurde zweifelsohne – viel mehr als die eigentliche Staatsgründung – das historische Initiationsereignis der Republik. Das Land hatte erstmals seit Jahrhunderten einen geopolitisch bedeutenden Krieg siegreich beendet und auch im Innern so etwas wie eine nationale Einheit herzustellen vermocht. Nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen und politischen Lager konnten zumindest einen Teil der Siegeslorbeeren für sich in Anspruch nehmen. Für das Selbstverständnis des polnischen Staates und vor allem seiner Eliten war der Sieg über das rote Russland elementar. Nachdem bereits lange vor den Teilungen relevante politische Entscheidungen im übermächtigen Petersburg und nicht in Warschau gefällt worden waren, hatte sich Polen nunmehr von dieser Fremdbestimmung befreit.537 Mit dem heutigen Wissen muss man gleichwohl eine Stilisierung der Schlacht an der Weichsel zur Rettung Europas vor den Bolschewiki und damit zur »achtzehnten entscheidenden Schlacht der Weltgeschichte«, wie sie Lord d’Abernon vornahm, nicht mehr teilen.538 Immerhin mag man es als gewisse Ironie der Geschichte betrachten, dass sich im Sommer 1920 an der Weichsel Wege und Taten einer Reihe wichtiger Akteure des »Zeitalters der Extreme« kreuzten. Für den päpstlichen Nuntius Achille Ratti, der als einziger Diplomat die polnische Hauptstadt nicht verließ, war die Bedrohung durch ein kommunistisches Regime prä537 Vgl. beispielsweise die in diesem Sinne verfasste Schrift von Goryński, Wie Sowjet-Russland von Europa fern gehalten wurde. 538 N. Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 34. Edgar Vincent d’Abernon (1857–1941) war 1920 Mitglied der Interalliierten Mission in Polen. D’Abernon, The Eighteenth Decisive Battle of the World, 7–15. Vgl. auch die Überhöhung bei Piłsudski, Erinnerungen, Bd. 2: Das Jahr 1920, Essen 1935, 255 (JPPZ 7, 165).

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gend für sein bald beginnendes Pontifikat als Pius XI.539 Lenin wiederum war enttäuscht über das Ausbleiben eines revolutionären Flächenbrandes und setzte angesichts seiner Erfahrung mit dem europäischen Nationalismus die Rote Armee nur noch im Innern ein.540 In Joseph Stalins Gedächtnis blieb vor allem das Gefühl der Niederlage und Demütigung durch Polen haften, während dem jungen Charles de Gaulle, dem ehemaligen kaiserlichen Generalstabsoffizier Heinz Guderian und auch dem polnischen General Władysław Sikorski die Bedeutung des Bewegungskrieges und damit der Panzer für künftige militärische Konflikte bewusst wurde. Innenpolitisch stabilisierte der Krieg die polnische Republik vorübergehend und untermauerte die Position Piłsudskis. Zugleich bestärkte er den siegreichen Oberbefehlshaber darin, sich machtpolitisch auf die Armee zu stützen, was diese tief spaltete. Einige herausragende polnische Militärs des Jahres 1920, wie Sikorski, Haller, Anders oder Bór-Komorowski, mussten bis zum September 1939 warten, bis sie wieder in exponierte Positionen berufen wurden.541 Auch für die Juden Polens hatte der Polnisch-Sowjetische Krieg eine grundlegende Bedeutung, die über den Kontext Jabłonnas hinausreicht. Es ging darum, in welchem Staat sie ihr politisches, wirtschaftliches und kulturelles Leben in Zukunft gestalten würden. Ein Bericht der Abteilung II des Generalbezirks  II Lublin von Oktober 1920 findet dafür recht eigenwillige Worte und beschreibt doch zugleich die polnische Sicht auf die Ereignisse des vergangenen Jahres: »Eine der gesellschaftlichen Gruppen, die am meisten von der Invasion betroffen sind, sind zweifelsohne die Juden. Der Handel – ihr einziges Feld der Arbeit, des Verdienstes, der Existenz – wurde durch den Kommunismus zerschnitten, wenn nicht völlig zerstört. Die Waren wurden geraubt, das Bargeld meistens auch. Die Vertreter dieser Klasse wurden als Bourgeois behandelt und nicht an Erniedrigungen und Repressionen gespart, wenn sie Widerstand leisteten oder wenigstens einen Teil ihres Besitzes zu verstecken versuchten. Dieses trotz allem umtriebige und nicht leicht unterzukriegende Element überblickte schnell seine Lage und verstand, dass seine Rettung in der polnischen Armee liegt. Obgleich besonders in bestimmten Einheiten nicht frei von – einem übrigens harmlosen, da sich höchstens in Gestalt humoristischer Ausrufe oder dem Abschneiden eines Barts durch eine weniger disziplinierte Einheit äußernden – Antisemitismus, ist diese doch eine Kraft, die für Ordnung und Sicherheit des Privatbesitzes als wichtigste Existenzbedingungen des Kaufmanns sorgt. Daraus erklärt sich die hier allgemein von jüdischen Kreisen bezeugte Sympathie für die polnische Armee und die in einigen 539 Paredi, I tre anni di Achille Ratti in Polonia (1918–1921), 117–123. Der Band enthält auch den Nachdruck seines Abschlussberichts von Juli 1921. Aufgrund seiner Haltung im Polnisch-Sowjetischen Krieg wurde Pius XI. in der katholischen Presse gern als Il papa polacco bezeichnet. 540 Pipes, Die Russische Revolution, Bd. 3, 312. 541 N.  Davies, Orzeł biały, czerwona gwiazda, 319–326. Zur Kritik Sikorskis an Piłsudskis militärischer Strategie Wiatr, The Soldier and the Nation, 25 f.

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Fällen wirksame Zusammenarbeit in der antibolschewistischen Aktion, wie etwa in Tarnopol. Die von dieser Seite fortgesetzten Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Staat und der Sympathie für Polen fußen bei Ausschluss jeglicher Sentiments auf einem kühlen, realistischen kaufmännischen Kalkül. Die diesbezüglichen Prämissen sind für die Juden: der Sieg der polnischen Armee, gekrönt mit einem Waffenstillstand und wahrscheinlichen Frieden; die gegenwärtige internationale Lage und Position Polens; eine demokratische Regierung; eine allgemein versöhnliche Stimmung innerhalb der Gesellschaft und schließlich – als möglicherweise wichtigster Punkt – die Bedeutung Ostkleinpolens für den Handel im Falle seiner Zugehörigkeit zu Polen.«542

Hinsichtlich der unmittelbaren Rezeption der Jabłonna-Affäre in der Öffentlichkeit darf davon ausgegangen werden, dass nur der politisch informierte Teil der Polen überhaupt davon Notiz genommen hatte. Die rechtsgerichtete politische Presse spielte die Vorgänge meist herunter. Die Warschauer Gazeta Poranna 2  Grosze merkte an, der Aufenthalt in Jabłonna sei für die Juden keineswegs so dramatisch gewesen, wie ihn die linke Presse beschrieben hatte. Das Lager sei zwar aufgelöst worden, bis zur »Lösung der Judenfrage in der Polnischen Armee« sei es gleichwohl noch ein weiter Weg.543 An anderer Stelle schrieb das Blatt, Polen müsse aus dem Krieg vor allem eine Lehre ziehen. Man dürfe beim Aufbau des Staates nicht auf die jüdische Bevölkerung setzen, da sie mehrheitlich verräterische und feindliche Absichten verfolge. Die von Piłsudski immer wieder angeführten Beispiele einer positiven Zusammenarbeit mit der Armee seien hingegen unbewiesen. Wenn die Behörden nicht zur Verfolgung der Juden übergingen, käme dies einer Legalisierung des Verrats gleich.544 Der Tenor der wenigen anderen Zeitungen, die sich des Themas Jabłonna annahmen, war differenzierter. Die Korrespondenten bemühten sich in erster Linie, den Lesern belastbare Fakten zu präsentieren. Zugleich war die Berichterstattung von dem Bewusstsein bestimmt, dass den Internierten Unrecht zugefügt wurde. Feliks Kuczkowski zeigte im Naród ein gehöriges Maß an Empathie für die Internierten, wenn er unter anderem schrieb: »Der Soldat hat ein Ehrgefühl. Die jüdischen Soldaten empfinden diese Anordnung [ihrer Internierung] als Ohrfeige. Ich habe den Eindruck, dass die christlichen Soldaten diesem Abenteuer ihrer jüdischen Kameraden wenigstens nicht gleichgültig gegenüber stehen. Sie haben Mitleid und spüren, dass hier an der Soldatenehre gerüttelt wurde.«545

542 CAW, SRI, sygn. I.371.6/A.92, Politischer Monatsbericht, 24. Oktober 1920. 543 Zwinięcie obozu w Jabłonnie, in: Gazeta Poranna 2 Grosze, 21. September 1920. 544 Konieczne konsekwencje, in: Gazeta Poranna 2 Grosze, 31. August 1920, 1. Piłsudski hatte am 26. August 1920 etwa im Kurier Poranny Beispiele für die Loyalität und Tapferkeit der jüdischen Bewohner einiger Frontstädte angeführt. Piłsudski, Pisma zbiorowe, Bd. 5, 165–167. 545 Kuczkowski, Zagadka Jabłonny, in: Naród, 1. September 1920, 5.

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Der Robotnik, Presseorgan der PPS, beschäftigte sich vor allem mit den unabsehbaren Auswirkungen der Internierung auf die junge Demokratie.546 Am 29. August 1920 berichtete das Blatt von den Problemen im Umgang mit nichtpolnischen Landesbewohnern, insbesondere mit den Juden. Es kritisierte nicht nur die Schikanen gegenüber Nichtpolen, sondern auch die Proteste polnischerseits gegen die einschlägige Berichterstattung ausländischer Korrespondenten, während die Situation im Land unverändert bleibe. Den Widersinn dieser Strategie demonstrierte der Robotnik am Beispiel der jüdischen Soldaten: Sie würden zwar als Kollaborateure festgehalten, doch verweigere man ihnen einen ordentlichen Prozess. Dieses Vorgehen diene zu nichts anderem, als den Juden ihre Würde zu nehmen und sie gesellschaftlich zu isolieren.547 In der Konsequenz forderte der Autor, der sich auf die Toleranz der untergegangenen Adelsrepublik berief, mehr bürgerliche Freiheiten und Verantwortung für alle Staatsbürger. Sechs Tage später, am 4. September, informierte dieselbe Zeitung über neue Transporte nach Jabłonna, die trotz des Schließungsbeschlusses der polnischen Regierung stattfänden. Der Autor griff die Tatenlosigkeit der Regierung an und befürchtete ausländische Proteste gegen die Behandlung der polnischen Juden. Jabłonna sei eine Form der Kollektivstrafe, die dem modernen Rechtsverständnis und dem Gleichheitsgrundsatz der gültigen konstitutionellen Regelwerke zuwiderlaufe. Der einzige Grund für die Internierung sei das Judentum der Betroffenen, die stellvertretend für jüdische Deserteure und Agenten büßen sollten. Einen politischen Nutzen der Internierung von alten Legionären, die bereits seit sechs Jahren an der Seite Piłsudskis und Sosnkowskis gekämpft hatten und militärische Auszeichnungen trugen, könne Polen nicht erwarten. Zudem forderte er die Offenlegung des Entscheidungsprozesses, denn nur die ROP sei befugt gewesen, eine solche Maßnahme anzuordnen. Letztlich, so die Schlussfolgerung, sei der Jabłonna-Befehl nichts als ein »unverständlicher antisemitischer Reflex« gewesen.548 In einem weiteren Beitrag anlässlich der Auflösung Jabłonnas ging der Robotnik in seiner Kritik noch weiter. Es dürfe keine Abstriche in der Frage der Gleichheit aller Bürger in Polen geben. Dies käme nicht nur einem beispiellosen Traditionsbruch gleich, sondern könne auch der Auftakt zu »Exzessen der ungebildeten und irregeleiteten Massen« 546 Die 1894 gegründete Zeitung wurde bis 1918 im Untergrund herausgegeben. Einer der ersten Chefredakteure war Józef Piłsudski. Ab 1918 wurde das Blatt zunächst von ­Feliks Perl geleitet, einem engen Vertrauten Piłsudskis, nach seinem Tod von Mieczysław ­Niedziałkowski. 547 R. K., Patentowanie obywateli, in: Robotnik, 29. August 1920, 1. 548 Jabłonna, in: Robotnik, 4. September 1920, 1. In einem ähnlichen Ton ist die Reportage Z wycieczki do Jabłonny von Konrad Wrzos gehalten. Vgl. auch AAN, IW, sygn. 296/I-18, Morgenpresseschau Nr. 412, 11. September 1920; Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa, 173.

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sein – gemeint sind Pogrome. Es wäre geboten, mit der Schließung Jabłonnas auch die Bürgerrechte wieder einzusetzen, allerdings: »Die Auflösung des Lagers in Jabłonna beseitigt […] nicht die Frage der Isolierung der jüdischen Soldaten von der übrigen Armee. […] Das Brandmal des Verrats, der gesamten zwei Millionen zählenden jüdischen Bevölkerung eingebrannt, wurde nicht entfernt: Denn um alle Rechte eines Bürgers der Republik Polen zu erlangen, muss jeder Jude seine Loyalität mit dem Eintritt in die Armee als Freiwilliger dokumentieren. […] Die Existenz Jabłonnas war eine Ungeheuerlichkeit, die nicht länger andauern durfte. Es wurde also ein Kompromiss gefunden: Die Freiwilligen kehren in den Stand gleichberechtigter Bürger zurück, die übrigen sind keine Häftlinge mehr, aber gehören nun zu einer speziellen Kategorie von Verdächtigen.«549

Ganz ähnlich bewertete der Jüdische Abgeordnetenkreis diese Fortschreibung der Ungleichbehandlung von Juden im Militär. Eine Einteilung der Soldaten in Träger »blauen Bluts« und das »Fußvolk« sei einer Demokratie nicht würdig. Jabłonna sei zwar aufgelöst worden, doch würde nunmehr ein neues Ghetto innerhalb der Armee geschaffen  – eine »Veränderung in der Form ohne Veränderung des Inhalts«. Damit begebe sich Polen in die Fußstapfen des Zarenreiches, wo lediglich die jüdische Bildungselite in den Genuss von Bürgerrechten kam. Der Jude bleibe hingegen der »Helot der polnischen Armee« (»helota Armji polskiej«).550 Das Bekanntwerden der Internierungen beraubte die Regierung ihrer Glaubwürdigkeit in der jüdischen Öffentlichkeit, zumal bereits in den Jahren zuvor Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit aufgekommen waren. Dabei spielte eine wichtige Rolle, dass die Regierung parallel zur Internierungspolitik versuchte, mit jüdischen Vertretern ein Abkommen über die Verankerung der Juden in Gesellschaft und Staat zu schließen.551 Der einige Wochen zuvor für diese Verhandlungen bestellte Vermittler Alfred Nossig sah in Jabłonna die »größte Schmach, die die polnische Armee sich und den Juden angetan hatte«.552 Auch auf lokaler Ebene spiegelten sich die Ereignisse vom August 1920 wider, so in der südpolnischen Stadt Tarnów mit einem jüdischen Bevölkerungsanteil von etwa 50 Prozent. In lokalen Verhandlungen über die Beziehungen von Juden und Polen bemerkte einer der jüdischen Vertreter, es sei »schwer, den Juden zu sagen: Sei ein Patriot, wenn man sie zugleich von ihren Arbeitsplätzen entfernt, wenn man sie in Jabłonna einsperrt.«553

549 J. F., W sprawie Jabłonny, in: Robotnik, 14. September 1920. 550 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.50, Jüdischer Abgeordnetenkreis an Rada Obrony Państwa, 27. September 1920. 551 S. Rudnicki, Rozmowy Żydów z rządem w okresie obrad Sejmu Ustawodawczego. 552 Nossig, Polen und Juden, 56. 553 CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.39, 264 f., Lagebericht zur Politik und den Nationalitäten Nr. 881/20, 15. September 1920.

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Der Höhepunkt der politischen Auseinandersetzungen um Jabłonna erfolgte allerdings auf parlamentarischer Ebene. Am 24. September 1920 reichte der Jüdische Abgeordnetenkreis den bereits erwähnten, reich dokumentierten Dringlichkeitsantrag zur »durch die Regierung betriebenen Politik der Verfolgung der Juden« ein.554 Darin rechneten die Parlamentarier mit der seit anderthalb Jahren vom Militär ausgehenden antijüdischen Gewalt ab und konfrontierten die Regierung mit ihren eigenen Versprechungen. Sie beschrieben das Engagement vieler Juden aufseiten Polens, das Aufkommen antisemitischer Stimmungen, die in vielfältigen Repressionen und schließlich in Jabłonna mündeten. In der Regel, so zeigte das Material des Antrags, stellten sich die gegen die Juden erhobenen Vorwürfe als haltlos heraus. Die Regierung hingegen habe nichts getan, um den Verdächtigungen Einhalt zu gebieten, sondern diese mit ihrem Verhalten noch gefördert und der jüdischen Presse Zensurfesseln angelegt, während das zuständige Kriegsministerium die Beantwortung parlamentarischer Anfragen um Monate verzögerte.555 Am 14. Oktober 1920 fand im Plenum des Sejms eine Generaldebatte über die Arbeit der Regierung statt. Izaak Grünbaum nutzte diese Bühne zu einer engagierten Rede, in der er die Behandlung der Juden während des Krieges thematisierte und Jabłonna nicht aussparte.556 Sosnkowski hatte dafür kein Verständnis. In einem Entwurf für eine Antwort auf die parlamentarische Anfrage der jüdischen Abgeordneten zu Jabłonna monierte er, diese hätten nichts anderes zu tun gehabt, als den internierten Juden »sämtlichen Lebenskomfort, Strohsäcke und Kissen« zu organisieren, während die Polen um ihren Staat kämpften.557 Am 29. Oktober kam es im Sejm erneut zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Sosnkowski, Hartglas und Grünbaum, der von vielen Zwischenrufen begleitet war. Hartglas kritisierte die Zensurmaßnahmen während des Polnisch-Sowjetischen Krieges, insbesondere im Hinblick auf die freie Berichterstattung über Jabłonna. Grünbaum zufolge fehlte es in Polen an einer grundsätzlichen Anerkennung der Juden als Teil Polens. In seiner Entgegnung begründete Sosnkowski die Internierungen entgegen der bisherigen offiziellen Linie nicht als notwendige Umverteilung von Soldaten nach einem bestimmten Nationalitätenschlüssel, sondern als Maßnahme gegen die Kollaboration und Desertion der »jüdischen Bevölkerung«.558 All diese Debatten in Parlament und Presse verankerten »Jabłonna« als antisemitisch motivierte Diskriminierungsmaßnahme gegen loyale Staats554 BS, RPII/0/2066, Dringlichkeitsantrag von Grünbaum u. a. In ähnlichem Duktus Drażliwa kwestya, in: Dzień, 27. August 1920, 1 f. 555 BS, RPII/0/1574, Parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Grünbaum, Thon, Farbstein u. a. an den Kriegsminister, 25. November 1920; AAN, PRM, sygn. 12403/21, 4–20. 556 Żółta łata, Bd. 2, 3–23. Auch in BS, SSSU Nr. 172, 14. Oktober 1920, Sp. 41–57, bes. 46. 557 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.51, L.8566. 558 BS, SSSU Nr. 180, 29. Oktober 1920, 16–21 und 40–53.

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bürger und Patrioten im jüdischen Kollektivbewusstsein jener Zeit. Die Internierung wurde in den Augen vieler Zeitgenossen außerdem zum endgültigen Beleg für die Vergeblichkeit eines emotionalen wie staatsbürgerlichen Engagements von Juden für Polen. Émile Meyerson sprach etwa von der »abscheulichen und dummen Beleidigung von Jabłonna«.559 Jabłonna schien die seit dem Lemberger November 1918 gemachte Erfahrung zu bestätigen, dass Juden die Anerkennung als gleichwertiges Mitglied der nationalen Gemeinschaft der Polen grundsätzlich verwehrt blieb. Der prominente zionistische Politiker Apolinary Hartglas erinnerte sich kurz vor seinem Tod in Israel: »Es war erlaubt, sie [die Internierten] zu besuchen, und ich fuhr einige Male dahin und redete mit den Internierten. Ehrlich gesagt, ging es ihnen dort völlig gut. Sie wurden gut verpflegt, bewegten sich frei im Lager, es herrschte keine militärische Disziplin, fast keine Übungen – man bekam eher den Eindruck eines Erholungslagers, doch nagte an allen dieses fehlende Vertrauen und dies traf das Recht der jüdischen Gemeinschaft als polnische Staatsbürger, die von der völligen Gleichberechtigung profitieren sollten.«560

Dennoch verschwand Jabłonna recht schnell wieder aus den polnisch-jüdischen Diskursen. Die zahlreichen Pressepublikationen über den Beitrag jüdischer Soldaten zum Unabhängigkeitskampf gehen auf Jabłonna nicht ein. Nur selten wurde es als Beispiel für eine verfehlte Minderheitenpolitik herangezogen. Im Theaterstück Bohater znad Wisły (Der Held vom Ufer der Weichsel), dessen Handlung explizit im Jabłonna des Sommers 1920 spielt, bleibt die Internierung unerwähnt.561 Hinter dem Pseudonym des Autors Bronisław Bąkala verbarg sich Karol Lilienfeld-Krzewski, der aus einem zum Christentum konvertierten, einst jüdischen Elternhaus stammte und zum Kreis der Piłsudski-Anhänger gehörte.562 In seinem im April 1922 in Warschau aufgeführten Bühnenwerk repetierte er auch hinlänglich bekannte Stereo­type, indem er den jungen jüdischen Kriegsfreiwilligen Dawidek, der sich als Spion der Bolschewiki erweist, einem rechtschaffenen, treuen jüdischen Greis gegenüberstellte, der seinen Sohn an der Front verloren hatte. Angesichts des medialen Echos auf Jabłonna im Jahr 1920 verwundert die recht spärliche Behandlung des Themas in der Folgezeit. Ein seltenes Beispiel einer Erwähnung Jabłonnas in einer jüdischen Publikation ist eine Pressekritik von 1922 in der Zeitschrift Rozwaga, die sich ganz im Sinne ihrer Agenda der Akkulturation gegen die »Glorifizierung der Jabłonna-Angelegenheit« wandte. Der Leserschaft musste jedoch hier die Bedeutung Jabłonnas bereits 559 CZA, Meyerson Émile, A408/91, 10, Rapport de M. Meyerson sur son voyage en Pologne, Mai 1921. 560 Hartglas, Na pograniczu dwóch światów, 210. 561 Bąkala [Lilienfeld-Krzewski], Bohater z nad Wisły. 562 Czekaj, Karol Lilienfeld-Krzewski (1893–1944).

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erklärt werden.563 Dabei muss in Rechnung gestellt werden, dass die Zeit von 1918 bis 1921 im kollektiven Gedächtnis der polnischen Juden vorrangig von der Gewalterfahrung dieser Jahre geprägt war. Die Erinnerung an Jabłonna, die zudem keine Totentrauer zum Kern hatte, entfaltete aus diesem Grund nicht dieselbe Bedeutung als Gedächtnisort wie die Pogrome und Morde in Lemberg, Lida, Wilna oder Pińsk. Nichtsdestotrotz zeigten sich die Erinnerungen an den Sommer 1920 noch frisch, als Sosnkowski im September 1921 unter Premier Antoni Ponikowski erneut das Amt des Kriegsministers übernahm. Das Lodzher Togblat bezeichnete ihn ironisch als »Judenfreund«, der »keine Gelegenheit auslässt, seine radikal-antisemitischen Tendenzen zu zeigen«.564 Mieczysław Lachowski, der später den jüdischen Veteranenverband leiten sollte, warf in einem Artikel den jüdischen Parlamentariern um Samuel Hirszhorn vor, trotz ihres Wissens um Jabłonna aus parteitaktischen Gründen die Berufung Sosnkowskis zugelassen zu haben.565 Auch anlässlich von Sosnkowskis Rücktritt vom Amt des Kriegsministers im Februar 1924 riefen jiddischsprachige Blätter wie Der Moment, Nayer Haynt oder das Lodzher Togblat noch einmal seine zweifelhafte Rolle im Sommer 1920 ins Gedächtnis.566 Im Juni 1931 erinnerte Nasz Przegląd an Jabłonna im Zusammenhang mit pauschalisierenden Aussagen des Wilnaer Woiwoden über die Juden Polens.567 Wenig überraschend ist, dass die polnischen Judengegner Jabłonna ebenso nicht vergaßen.568 In einigen antisemitischen Publikationen wurden die Maßnahmen vom August 1920 als notwendig bewertet und als Richtschnur für die zukünftige Personalpolitik im Militär vorgeschlagen.569 Im akademischen Bereich vertrat der Historiker Wacław Sobieski ähnliche Ansichten. Als offener Kritiker Piłsudskis, der den Sieg Polens im Jahr 1920 vor allem dem französischen Militärattaché General Maxime Weygand zuschrieb, betrachtete er Sosnkowskis Entscheidung als logische Konsequenz des vorgeblich ver-

563 Z trybuny i prasy, in: Rozwaga 7 (1922), H. 1, 25–30, hier 30. 564 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.1693, 27, Presseschau jüdische Presse Nr. 21, 11. Oktober 1921. Auch der gemäßigte Zionist Leon Reich kritisierte die Berufung Sosnkowskis zum Kriegsminister im 2. Kabinett Grabskis. BS, SSS, 21. Dezember 1923, 10 f. 565 Demokratyzm Hirszhornów, in: Rozwaga 7 (1922), H. 2–3, 50–53, hier 51. 566 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2689, Politischer Monatsbericht über die jüdische Presse, 1. Februar – 1. März 1924. Vgl. auch Deklaracja Koła Żydowskiego odczytana przez posła Reicha, in: NP, 22. Dezember 1922, 2. 567 Żądanie bohaterstwa, in: NP, 5. Mai 1931, 3. 568 Nowy obrońca Żydów, in: Głos Narodowy, 29. Juli 1938, 2. 569 W. Zieliński, Rola żydów w wojsku i w stosunku do wojska; Żelewski, Kwestja żydowska w Polsce, 17; Mścisławski, Wojsko Polskie a żydzi, 27 f.; Szabesgoje, in: Kurjer Bydgoski, 28. Oktober 1937,  1; Wspólnicy Jakóba Cyryńskiego, in: Myśl Niepodległa, 16. August 1924, 519; Dołęga, Żydzi w czasie walk o niepodległość Polski, 58.

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räterischen Handelns zahlreicher jüdischer Soldaten im Militär.570 Sobieskis dreibändige »Geschichte Polens« und mit ihr seine Interpretation Jabłonnas wurden beispielsweise im Feuilleton des politisch zur Nationaldemokratie tendierenden Kurjer Poznański positiv rezensiert.571 In Armeekreisen gab es ebenfalls vernehmbare Stimmen, die weiterhin von der Notwendigkeit Jabłonnas überzeugt waren.572 Einer der wenigen kritischen nichtjüdischen Kommentare stammt von Andrzej Strug, der das Lager selbst besucht hatte. In seinem Weltkriegsroman Pokolenie Marka Świdy (Die Generation des Marek Świda, 1925) ist es Nusym, der jüdische Freund des Protagonisten, der trotz des russischen Vormarschs und der schwierigen Lage der Juden seinen Optimismus bewahrt. Der Umstand, dass er, der nicht ganz freiwillige Kriegsfreiwillige, nach Jabłonna geriet, ist ihm nicht mehr als eine lakonische Bemerkung wert: »Ich will vor dir nicht als Held erscheinen. […] Wie du weißt, bin ich immer noch ein Anwärter auf das Polentum. Ich musste also [als Freiwilliger zur Armee gehen]. Vielleicht hatte ich sogar gar keine Lust darauf, aber was sollte ich tun. […] Ich muss Blut vergießen, das wird mir bis zu einem gewissen Grad angerechnet. Und ich bin auch nach Jabłonna gekommen in das jüdische befestigte Lager. Das ist deinem lieben Vizeminister [Sosnkowski] nicht gerade gut gelungen.«573

570 Sobieski, Dzieje Polski, Bd. 3, 232. Weygand selbst beanspruchte keinen Anteil am polnischen Sieg. Ders., Bitwa o Warszawę. 571 Ignacy Chrzanowski, To nie antysemityzm, lecz całkiem coś innego, in: Kurjer Poznański, 11. Januar 1936, 5. 572 Umiastowski, Terytorjum Polski pod względem wojskowym, Bd. 1, 188; Zychowski, Die jüdisch-bolschewistische Gefahr in Polen. 573 Alle Zitate in Strug, Pokolenie Marka Świdy, 115.

Wenn man den Polen hört, sind die Juden der Auswurf der Menschheit, schuld an jedem Unglück, jedem Verbrechen, und somit wert, am nächsten Baum aufgehängt zu werden. Der Jude beweist ebenso genau, daß der Pole zu jedem Laster, jeder Untat imstande und daher von Jehova für die ärgsten Strafen vorgemerkt sei. Keiner von beiden hat unbedingt recht oder unrecht – sie übertreiben. D’Etchegoyen, Polens wahres Gesicht (1927)

3. »Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« Polens Militär zwischen Nationalisierungsinteresse und Alltagspragmatismus

3.1 Armee im Frieden. Struktur, Vernetzung und Gestaltungsanspruch der Streitkräfte Hans Wilhelm Beck, der Autor der am Ende der Zwischenkriegszeit erschienenen Länderstudie Polens Aufstieg, bescheinigte den polnischen Streitkräften mit dem Blick des Außenstehenden eine herausragende Bedeutung: »Die [polnische] Armee würde aber nicht nur im Kriegsfalle ihren Mann stehen, sondern sie ist auch das Rückgrat des Staates im Frieden. Ohne die Armee wäre Polen bereits in den tiefsten Niederungen des Parlamentarismus völliger Schwäche zum Opfer gefallen. Seit dem Eingreifen Piłsudskis 1926 stützt sich die Regierung wieder auf den konstanten Machtfaktor der Armee.«1

Auch wenn Becks Darstellung ganz im autoritären, antidemokratischen Denkmuster der 1930er Jahre verhaftet ist, charakterisiert die Rede von der Armee als »Rückgrat des Staates im Frieden« die Rolle des Militärs in der Spätphase der Zweiten Republik doch ziemlich treffend. Der Weg zu dieser problematischen Dominanz war gleichwohl recht lang und in der Verfassung 1 Beck, Polens Aufstieg, 46. Exemplarisch für die Rezeption Polens und Piłsudskis in Deutschland in den 1930er Jahren Loeßner, Josef Piłsudski; Eichler, Polen, ein Volk in Waffen. Vgl. dazu auch die Rezension in: Bellona 36 (1930), 7 f. und 222–224.

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von 1921 keineswegs angelegt, wohl aber im Selbstverständnis und den Verhaltensmustern der Generation von Politikern, die ihre politische Sozialisation im Kampf gegen die Teilungsmächte oder als Teil eines in den meisten Lebensbereichen undemokratisch verfassten imperialen Staatswesens erhalten hatten. Auch an der Geschichte von Jabłonna-Legionowo lässt sich die Bedeutungszunahme des Militärs ablesen. Der Ort erfuhr nach 1920 eine lebhafte Entwicklung und kann so nicht nur als Guckkasten der polnisch-jüdischen Gedächtnisgeschichte dienen, sondern er liefert auch ein Miniaturbild von den Modernisierungsprozessen Polens und dessen staatlichem Selbstverständnis in diesen kurzen zwei Jahrzehnten. Der Ökonom Włodzimierz Wakar, der im Jahr 1929 die Urbanisierungsprozesse im Warschauer Umland analysierte, fand in Jabłonna einen Ort inmitten seiner Metamorphose vom Dorf zu einer florierenden Kleinstadt.2 In der Tat war in der Nähe der Eisenbahnstation und der Militäranlagen bereits seit der Jahrhundertwende eine kleine Villensiedlung entstanden. Zwischen 1921 und 1931 erhöhte sich die Zahl der Wohngebäude von 44 auf 1344.3 Diese Entwicklung beschleunigte der letzte Grundherr des Ortes, Maurycy Stanisław Potocki, der nach 1918 einen Teil seines Besitzes parzellieren ließ. Als Großgrundbesitzer Repräsentant einer längst untergegangenen sozialen Ordnung, erwies er sich als Förderer Jabłonnas. Im Ersten Weltkrieg hatte der Graf unter General Jóżef Dowbor-Muśnicki als Ulan gekämpft und wurde dann zum Parteigänger Piłsudskis. Am Polnisch-Sowjetischen Krieg nahm er als Freiwilliger teil. Eines der berühmten politischen Fotos der polnischen Zwischenkriegszeit zeigt ihn am 12. Mai 1926 während des Maiputsches auf der Warschauer Ponia­towski-Brücke, wo er gemeinsam mit General Gustaw Orlicz-Dreszer und Marschall Piłsudski das entscheidende Zusammentreffen mit dem Präsidenten Stanisław Wojciechowski erwartete.4 Ähnlich wie sein Vater trat er in der Öffentlichkeit als Sportwagensammler und Rennpilot in Erscheinung und knüpfte als leidenschaftlicher Jäger auch Kontakte zu ausländischen Honora­ tioren. Ohne je selbst politische Ämter zu bekleiden, avancierte ­Potocki zu einer gefragten Persönlichkeit in den Hauptstadtsalons.5

2 Wakar, Osiedla o charakterze miejskim i podmiejskim województwa warszawskiego łącznie z m. st. Warszawą, 1132 f. 3 Wzrost ludności i ruch budowlany według danych statystycznych za okres 1921–1931, in: Nowiny Codzienne, 22. September 1933, 5. 4 Narodowe Archiwum Cyfrowe (NAC), Koncern Ilustrowany Kurier Codzienny  – Archiwum Ilustracji, sygn. 1 P–2702a; H. Piątkowski, Wspomnienia z »wypadków majowych« 1926 r., 206. 5 Wojciech Roszkowski, Art. »Potocki Maurycy Stanisław«, in: PSB, Bd. 28, 96 f.; Załęczny, Maurycy Potocki – życie i pasje.

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Die Grundstücke aus dem Besitz Potockis wurden insbesondere stadtmüden Warschauern angeboten. In eleganten Verkaufsbroschüren wurde ihnen das Leben in einem malerischen »hauptstadtnahen Städtchen inmitten von Wäldern« mit einer hervorragenden Verkehrsanbindung und moderner Infrastruktur schmackhaft gemacht.6 »Wer«, so ein Zeitungsartikel über die Vorzüge des Hausbaus in Jabłonna, »kann sich dem Reiz einer solchen Perspektive widersetzen, wer kann hier länger zögern und nachdenken?«7 Natürlich lebte man auch hier nicht ganz losgelöst von der harten sozialen, ökonomischen und politischen Wirklichkeit, der sich viele der gut situierten Neubürger Jabłonnas mit ihrem Wegzug aus der Hauptstadt zu entziehen versuchten.8 Gleichwohl prägten das Ortsbild zunehmend Militärs und Angehörige der selbstbewussten Mittelschicht, die sich dem polnischen Staat und den gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen stark verbunden fühlten und auch zur örtlichen Kaserne zahlreiche Kontakte pflegten.9 Der Bindung an Staat, Militär und technische Moderne wurde in Jabłonna immer wieder öffentlich Ausdruck verliehen, etwa als die Mitarbeiter der Ballonwerkstätten anlässlich des zehnten Jahrestags des Sieges im Polnisch-Sowjetischen Krieg ein vier Meter hohes Piłsudski-Denkmal stifteten, das zum Namenstag des Marschalls im März 1931 enthüllt wurde.10 Tatsächlich war das Militär der eigentliche Motor dieser lokalen Dynamik. In Jabłonna waren eine Panzerzugdivision und ein Eisenbahn-BrückenbauBataillon stationiert, in dem auch zahlreiche Bewohner der multiethnischen Ostgebiete dienten.11 Für eine Beruhigung der jüdisch-polnischen Beziehungen in der Garnison mag sprechen, dass bis November 1924 Stanisław 6 Jabłonna. Osiedle Podstołeczne. Vgl. auch die zahlreichen Werbeanzeigen in der Presse, so in PZ, 24. Oktober 1926, 1. 7 Jabłonna – osiedle podstołeczne, in: PZ, 15. April 1933, 7. 8 Wybuch kotłów w Centr. Zakł. Balonowych w Jabłonnie, in: PZ, 12. März 1927, 6; Ohydna zbrodnia pod Jabłonną, in: PZ, 13. Januar 1927,  9; Tragedja miłosna na letnisku, in: NP, 28. August 1928, 14; Katastrofalny wzbuch i pożar w hucie szklanej w Jabłonnie, in: NP, 20. Januar 1930,  7; Zaginięcie chłopca, in: NP, 29. April 1930,  7; Ofiara mordu na torze kolejowym, in: NP, 27. Juli 1930, 12; Krwawy dramat w Jabłonnie Legjonowej, in: PZ, 7. Mai 1931, 8; Walka policji z bandytą, in: NP, 8. August 1931, 8; Dramat miłosny w Jabłonnie, in: Nowiny Codzienne, 2. September 1934, 8.  9 Otwarcie strzelnicy i boiska Zw. Strzeleckiego w Jabłonnie Starej, in: PZ, 14. Oktober 1931, 8; W. Morawski, Genius Loci, 17. Vgl. auch die Beschreibung des Lebens in den Warschauer Vororten bei Boswell, Poland and the Poles, 200 f. Zu kulturellen und sportlichen Aktivitäten in der Garnison vgl. Garnizon Jabłonna, in: PZ, 28. Februar 1928, 15.  10 Pomnik Marszałka Piłsudskiego w Jabłonnie, in: PZ, 18. März 1931, 5; Odsłonięcie pomnika Marszałka Piłsudskiego w Jabłonnie-Legjonowej, in: Gazeta Polska, 19. März 1931. 11 Z garnizonu Jabłonna, in: PZ, 18. November 1931, 5. Vgl. auch Z życia dyonu szkolnego pociągów pancernych w Jabłonnie, in: PZ, 27. Januar 1927, 4; Saperzy mostów kolejowych z Jabłonny w akcji przeciwpowodziowej, in: PZ, 31. Juli 1934, 3; Straszny wybuch granatu, in: NP, 21. Februar 1927, 7. Bekannt wurde ein Fall von Veruntreuung der Regimentskasse. Nadużycia w 2 p. sap. w Jabłonnie, in: NP, 9. Oktober 1929, 8; Prywatne pożyczki z kasy

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Arnold Feigenblatt, später Vorstandsmitglied des jüdischen Veteranenverbandes, Kommandant der dortigen Unteroffiziersschule war.12 Landesweite Bewunderung wurde dem ebenfalls hier stationierten 2. Ballon-Bataillon entgegengebracht, das im internationalen Gordon-Bennett-Cup (1933–1935, 1938) viel beachtete Siege einfuhr.13 Zur Produktion von Flugballons und Fallschirmen wurden um die Anlagen des Flugplatzes herum moderne Werkstätten errichtet.14 Diese wiederum standen in engem Austausch mit dem Staatlichen Meteorologischen Institut (Państwowy Instytut Meterologiczny), das in unmittelbarer Nachbarschaft des Militärkomplexes eine meteorologische Beobachtungsstation einrichtete, von der aus im Juli 1932 die erste polnische Polarexpedition auf die Bäreninsel in der Barentssee startete – ein weiterer Ausweis des Selbstverständnisses Polens als modernes und ernstzunehmendes Staatswesen.15 Bevor sich Gemeinwesen und Militär aber in der beschriebenen Richtung entwickeln konnten, galt es zu Beginn der Unabhängigkeit zunächst, der Bevölkerung, dem Staat und seinen Institutionen den Übergang in eine Friedensordnung zu ermöglichen. In einem Lagebericht aus dem Generalbezirk Lemberg vom Jahresbeginn 1921 werden die elementaren Schwierigkeiten beschrieben, vor denen die Organisatoren des neuen Staates nach sieben entbehrungsreichen Kriegsjahren standen: »Im Allgemeinen sind aber in der Bevölkerung die schrecklichen Auswirkungen des langen Krieges unmittelbar spürbar. Die allgemeine Demoralisierung der Gesellschaft und die völlige egoistische Materialisierung, der Wille zum Leben und billigem Konsum sind weitere Kriegsfolgen. Beschwerden über die schlechten Verwaltungsbehörden und das Wirtschaften der Staatsorgane, doch über Abhilfsmaßnahmen spricht keiner. Die Arbeit an der Festigung des Friedens wurde trotz dieser Klagen noch nicht begonnen, niemand hat auch nur daran gedacht, wovon täglich neue Streiks und die allgemeine Unzufriedenheit Zeugnis geben. Die Arbeitsproduktivität fiel im Vergleich zur Vorkriegszeit um wenigstens 75 Prozent. Doch ungeachtet dessen, dass nur harte Arbeit in allen Bereichen das verlorene finanzielle und wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherstellen kann, ist in der Bevölkerung ein Verständnis für dieses Postulat nicht zu sehen.«16

Das Verhältnis zwischen Armee und Zivilbevölkerung in den kriegsgepeinigten Regionen um Lemberg beschreibt der unbekannte Verfasser des zitierten pułkowej, in: NP, 9. Oktober 1929, 8. Zur Belegung der Garnison Jabłonna-Legionowo hier und im Folgenden auch Stawarz, 75-lecie powstania Legionowa, 127–140. 12 Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 373. 13 Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 126–137. 14 Ebd., 70–99. 15 Centkiewicz, Die Insel der Nebel und Stürme, 14 f. 16 CAW, SRI, sygn. I.371.6/A.45, 12–14, Lagebericht zu Politik und Nationalitäten, 14. Januar 1921.

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Berichts als schwierig; die Bevölkerung sehnte sich angesichts ihrer existenziellen Nöte offenbar nach Lösungen durch eine starke, ordnende Hand.17 Doch zunächst blieb Polen eine parlamentarische Demokratie und es waren die Streitkräfte, die mit der Demobilisierung von fast 800 000 Soldaten zwischen Herbst 1920 und Herbst 1921 ungewollt zur Verstärkung der politischen und sozialen Krise beitrugen.18 Dabei stieß ein Teil dieser jungen Männer bei seiner Rückkehr in das zivile Leben auf Schwierigkeiten, Tausende von ihnen fristeten als Kriegsinvaliden ihr prekäres Dasein. Darüber hinaus empfanden insbesondere viele Offiziere ihre Demobilisierung im Zuge der Reduzierung der Streitkräfte auf Friedensstärke als Degradierung.19 Die »Präsenz des Krieges im Frieden«, die Gerd Krumeich für die Weimarer Republik beschrieb, galt also in mancherlei Hinsicht auch für Polen.20 Dabei verstand sich gerade das Militär als Stabilitätsanker des Staates, beispielsweise im Bereich der Nationalitätenpolitik oder bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. Vor großen Aufgaben standen die Streitkräfte auch in ihrem klassischen Wirkungsradius. Neben der Demobilisierung waren die institutionelle Stabilisierung, der Übergang von der Kriegs- zur Friedensordnung wie auch die Umsetzung der allgemeinen Wehrpflicht zu bewerkstelligen. Der Aufbau und die Kontrolle der Streitkräfte blieben bis nach Piłsudskis Tod einer der innenpolitischen Grundkonflikte Polens, im Kern die Suche nach einer angemessenen konstitutionellen Rolle des Marschalls. Piłsudski war hierbei selbst Konfliktpartei, indem er stets auf von politischer Kontrolle weitestgehend unabhängige Streitkräfte drängte. In der Praxis ging es um die politische Gewichtung und die militärischen Kompetenzen von Generalstab und Kriegsministerium wie auch um deren Beaufsichtigung durch Parlament, Regierung und Staatspräsident.21 Die Organisationsgeschichte des Militärs lässt sich im Wesentlichen in vier Zeitabschnitte gliedern. In der ersten Phase (1918–1921) stabilisierten sich die Strukturen von Kriegsministerium und Generalstab, deren Gründung noch nach österreichisch-ungarischem Vorbild vom Regentschaftsrat vorgenommen worden war.22 Diese Prozesse liefen parallel zur Etablierung des demokratischen Verfassungsstaates, der Polen bis 1926 blieb. Das Kriegs17 Ebd., 13.  18 Etwa 250 000 Soldaten blieben im Dienst. Stawecki, Wojsko Drugiej Rzeczypospolitej, 204; Wyszczelski, Wojsko Piłsudskiego, 467–475. Zum organisatorischen Ablauf der Demobilisierung auch Cieplewicz, Wojsko Polskie w latach 1921–1926, 9–33. 19 AAN, PRM, Rkt.  49, t.  6, L.72300/V. O.Rg., 103 f., Befehl vom 10. Oktober 1921. Zu den Kriegsinvaliden vgl. die Literaturhinweise im Kapitel 4.3. 20 Krumeich, Einleitung. 21 Czarnecka, Organizacja Ministerstwa Spraw Wojskowych (MSWojsk.) w latach 1918–1921, 79 f.; Woszczyński, Ministerstwo Spraw Wojskowych 1918–1921. 22 Wyszczelski, Sztab Generalny Naczelnego Dowództwa WP w latach 1918–1921, 51 f.

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ministerium wurde in einzelne Departements gegliedert und seit 1920 nach französischem Muster von einem eigenen Stab koordiniert.23 Der Generalstab setzte sich aus Abteilungen (oddziały) zusammen und wurde im März 1919 für die Dauer des Krieges dem Oberbefehlshaber (Naczelny Wódz), Józef Piłsudski, unterstellt.24 Nach dem Rigaer Frieden kehrte der Generalstab unter die Kontrolle des Kriegsministeriums zurück. Mit der im Januar 1919 eingerichteten Militärischen Gesetzgebungskommission (Wojskowa Komisja Ustawodawcza), ab März 1919 unter dem Namen Militärrat (Rada Wojskowa), existierte zudem ein Gremium, das Gesetze hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Armee und deren Interessen überprüfte.25 Die zweite Phase (1921–1926) war geprägt vom Konflikt um die Gewichtung der militärischen Kompetenzen von Staatspräsident, Regierung und Oberbefehlshaber. Piłsudski, der als natürlicher Anwärter auf das Präsidentenamt galt, strebte nach möglichst umfassenden militärischen Kompetenzen für das Staatsoberhaupt. Vor diesem Hintergrund ist auch die von Piłsudski dekretierte Einrichtung des Kriegsrats (Rada Wojenna)  als Nachfolge­ gremium des Militärrats zu verstehen, bestehend aus zwei Kammern, dem Vollständigen und dem Engeren Kriegsrat (Pełna bzw. Ścisła Rada Wojenna). Der Vollständige Kriegsrat wurde vom Staatspräsidenten geleitet und diente diesem als Beratungs- und Koordinationsinstrument in militärischen und legislativen Fragen. Dem Engeren Kriegsrat stand der Oberbefehlshaber vor. In seinen Aufgabenbereich fielen alle militärischen und personellen Planungen hinsichtlich der Landesverteidigung, Operationspläne und Kriegsvorbereitung.26 Mit der Märzverfassung von 1921 gelang es nicht, die bestehenden Unklarheiten bei der eindeutigen Abgrenzung der Kompetenzen und gegenseitigen Abhängigkeiten von Kriegsministerium, Generalstab und Staatspräsident aufzulösen. Piłsudski kritisierte dies und hätte zudem eine stärkere Konzentration der militärischen Entscheidungsgewalt im Präsidentenamt bevorzugt. Als Staatschef und Oberbefehlshaber hatte er nach 1918 entscheidende politische und militärische Funktionen an sich ziehen können, doch zuletzt vergeblich versucht, die Armeeführung der Kontrolle der Verfassungsorgane weitgehend zu entziehen. Seine Gegner befürworteten 23 Czarnecka, Organizacja Ministerstwa Spraw Wojskowych (MSWojsk.) w latach 1918–1921, 81–99; Böhm, Z dziejów naczelnych władz wojskowych II Rzeczypospolitej, 11–96. 24 Wyszczelski, Sztab Generalny Naczelnego Dowództwa WP w latach 1918–1921, 51 und 56; Czarnecka, Organizacja Sztabu Generalnego WP (Naczelnego Dowództwa WP) w latach 1918–1921. Anfang 1920 erfolgte eine erste größere Restrukturierung, nach der Kriegsministerium und Generalstab analog gegliedert wurden. Czarnecka, Organizacja Ministerstwa Spraw Wojskowych (MSWojsk.) w latach 1918–1921, 99–108. 25 Marszałek, Najwyższe władze wojskowe w systemie ustrojowym II  Rzeczypospolitej, 149–154. 26 Ebd.; Böhm, Z dziejów naczelnych władz wojskowych II Rzeczypospolitej, 97 f.

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wiederum eine starke Kontrolle der Armee und die Unterstellung des Oberbefehlshabers unter den Kriegsminister.27 Zunächst schien deren Konzept aufzugehen. Piłsudski verabschiedete sich 1922 von der Idee, selbst als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Als auch noch die parlamentarischen Regierungen begannen, seine Befugnisse als Marschall zu beschneiden, zog sich Piłsudski 1923 enttäuscht von allen Ämtern zurück.28 Bis 1926 blieb der Kriegsminister das unmittelbare Kontroll- und Entscheidungsorgan über die Armee in Friedenszeiten, dem unter anderem auch der Generalstabschef unterstand. Der Generalstab erhielt 1921 eine neue organisatorische Gliederung in Abteilungen, die jener des Kriegsministeriums entsprach und mit leichten Veränderungen bis 1939 Gültigkeit besaß. Nahezu alle Abteilungen waren in irgendeiner Form mit der Minderheitenpolitik im Militär befasst. Abteilung I war mit Fragen von Organisation, Mobilisierung und Ordre de bataille befasst. Als militärischer Geheimdienst im In- und Ausland fungierte die Abteilung II (Oddział II, umgangssprachlich Dwójka). Abteilung  III organisierte die Schulung und Ausbildung von Mannschaften und Offizierskorps, während Abteilung IV für Versorgung, Kommunikation, Transport sowie Kartierung und Abteilung V für die Personalpolitik zuständig waren.29 Auf parlamentarischer Ebene wurde der Militärausschuss des Sejms (Komisja Wojskowa) zur wichtigen Aufsichtsinstanz, aber auch Austragungsort militärpolitischer Debatten. Von den jüdischen Parlamentariern traten hier vor allem Eliasz Kirszbraun aus den Reihen der Aguda, aber auch die Zionisten Henryk Rosmarin und Samuel Brot in Erscheinung. Die dritte Phase begann mit Piłsudskis Staatsstreich am 12. Mai 1926, der das Ende der parlamentarischen Demokratie besiegelte. Piłsudski hatte den »Maiumsturz« zwar mit dem Versagen der demokratischen Institutionen und politischen Parteien begründet – seine Kritik zielte vor allen Dingen auf die Schwierigkeiten der parlamentarischen und Regierungsarbeit  –, doch ließ er die Verfassungsordnung des Staates zunächst im Wesentlichen unangetastet. Zugleich versäumte er es, eine wie auch immer geartete klare gesellschaftspolitische Vision zu formulieren. Im Fokus seiner politischen Aufmerksamkeit standen die Sicherung der staatlichen Existenz und der Ausbau der geopolitischen Bedeutung Polens. Als Voraussetzungen dafür galten dem leidenschaftlichen militärischen Autodidakten eine starke Armee und eine geeinte und verteidigungsbereite Gesellschaft. Piłsudski vermied es nach einer zweijährigen Regierungszeit als Premierminister (1926–1928), mit Ausnahme des Kriegsministeriums selbst politische Funktionen zu über27 Kmiecik, Organizacja, struktura i funkcjonowanie Sztabu Generalnego WP w latach 1921–1928. 28 Borodziej, Geschichte Polens im 20. Jahrhundert, 136. 29 Ebd., 67.

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nehmen, und setzte lieber treue Weggefährten an die Schaltstellen der Macht. So kommt es, dass sich die Ära der Sanacja (Heilung, Erneuerung), wie die Herrschaft Piłsudskis und seiner Nachfolger bezeichnet wird, aus heutiger Warte als eigentümliche Mischung autoritärer, polizeistaatlicher und konstitutioneller Herrschaftselemente präsentiert. Der Soziologe Jerzy Józef Wiatr kategorisierte das neue Regime als Militärautokratie, in der die Macht bei einem Militärführer liegt, der aus seiner unabhängigen Position heraus die militärischen und zivilen Flügel der Machtstrukturen ausbalanciert.30 Piłsudskis Macht stützte sich zu großen Teilen auf seine persönliche Autorität, die er nicht nur unter seinen Anhängern genoss, sowie auf das ihm durch geschickte Personalpolitik ergebene Militär. Bereits mit der Augustnovelle von 1926 begann er damit, die militärischen Kompetenzen im Staat nach seinen Vorstellungen zu ordnen und maßgebliche Befugnisse auf sich zu vereinen. Die militärischen Angelegenheiten des Staates gliederte er in ein »Friedensgleis« (tor pokojowy) und ein »Kriegsgleis« (tor wojenny). Das Kriegsministerium erhielt alle Kompetenzen über die Armee in Friedenszeiten, während das neu geschaffene Generalinspektorat der Streitkräfte (Generalny Inspektorat Sił Zbrojnych, GISZ), dem auch der in seinen Kompetenzen stark beschnittene Generalstab unterstand, für die Kriegsvorbereitung zuständig wurde. In Piłsudskis Vorstellung, nach der über kurz oder lang ein erneuter Grenzkrieg im Osten bevorstand, sollte das »Kriegs-« über das »Friedens­ gleis« dominieren. Dahinter verbarg sich auch die Überlegung, die Armee dem politischen Zugriff weitestgehend zu entziehen. Der Generalinspekteur wurde dementsprechend vom Staatspräsidenten direkt eingesetzt. Das Amt konnte aber nicht wie das Kriegsministerium politischen Konjunkturen entsprechend neu besetzt werden und unterlag nicht der politischen Kontrolle des Parlaments und der Regierung. In einer solchen Konstellation sah Piłsudski die Bedingungen für eine kontinuierliche, von politischen Stimmungen unabhängige Arbeit in der Armee erfüllt, was angesichts der in seinen Augen vorhandenen mittelfristigen Kriegsgefahr unabdingbar war. Piłsudskis Machtfülle ergab sich aus seiner Doppelfunktion als Kriegsminister und Generalinspekteur, was ihm erlaubte, die bisherigen Verfassungsorgane scheinbar unbehelligt weiterarbeiten zu lassen.31 Dem Militär selbst sprach er das Recht ab, politische Positionen zu vertreten. Über diese Neutralität hinaus sollte die Armee als staatliche Institution das Ideal der Apolitizität (apolityczność) verkörpern.32 Zugleich sorgte 30 Wiatr, The Military Regime in Poland, 1926–1939, in a Comparative Perspective, 160. 31 Böhm, Z dziejów naczelnych władz wojskowych II Rzeczypospolitej, 154–158. Zur Reorganisation des MSWojsk nach 1926 ebd., 158 f. 32 Auch vor 1926 postulierte das Kriegsministerium mehrmals die politische Neutralität der Streitkräfte und verbot politische Aktivitäten ihrer Mitglieder, was angesichts der politischen Zerwürfnisse im Land selbstverständlich illusorisch war. AAN, PRM; Rkt. 49, t. 7, 88, Ge-

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Piłsudski für die Entfernung von Generalen, die er der politischen Gegenseite zuordnete, darunter auch verdiente Persönlichkeiten wie Stanisław S­ zeptycki, Tadeusz Rozwadowski und Stanisław Haller.33 Gleichwohl trat er keine Säuberung stalinschen Zuschnitts los, sondern beschränkte sich darauf, bis 1934 rund 6 000 Offiziere schrittweise in den Ruhestand zu versetzen.34 Zwangsläufig wuchs der Einfluss der ehemaligen Legionäre, Piłsudskis alter Kampfgefährten, die zur dominanten Gruppe innerhalb der Führungsriege wurden: 1923 entstammten noch zehn von 96 Generalen dieser Formation, bis 1939 stieg deren Anteil auf 66 von 100.35 Hatten sich Sejm und Regierungen nach dem Staatsstreich anfangs in einer Art Koexistenz befunden, legte das von Piłsudski gesteuerte Regierungslager bald immer autoritärere Züge an den Tag, allerdings ohne dass dabei Verhältnisse wie im faschistischen Italien oder nationalsozialistischen Deutschland entstanden wären.36 Anstelle einer eigenen straff organisierten Partei stützte sich Piłsudski auf den Parteilosen Block zur Zusammenarbeit mit der Regierung (Bezpartyjny Blok Współpracy z Rządem, BBWR), der 1930 in den Sejm einzog, wenn auch mit weniger Sitzen als erhofft. Unter Piłsudski stieg die Zahl von ehemaligen und aktiven Armeemitgliedern in Politik und Verwaltung, was in verschiedenen Lebens- und Politikbereichen zu einem stetigen Bedeutungszuwachs der Armee als Institution und Bezugsrahmen führte. Der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung, und hier ist auch der Auftakt zur vierten und letzten Entwicklungsphase des Militärs zu suchen, war die Verabschiedung der Aprilverfassung, die dem Tod Piłsudskis (12. Mai 1935) nur wenige Wochen vorausging. Das neue Grundgesetz erhob das Militär zu einem der führenden staatlichen Organe, das wie Regierung, Parlament und Justiz nunmehr dem Staatspräsidenten unterstand.37 Piłsudskis Ableben verhinderte die Etablierung dieser neuen Machtfülle in der Hand des Staatsheimer Anhang Nr. 31 zum Tagesbefehl Nr. 215 des MSWojsk, 15. Dezember 1922; ebd., t. 8, 127, Tagesbefehl Nr. 86 des MSWojsk, 18. Juni 1923, Geheimer Anhang Nr. 18 zum Tagesbefehl Nr. 116 des MSWojsk, 19. Juli 1923; AAN, PRM; Rkt. 49, t. 8, Tagesbefehl Nr. 146 des MSWojsk, 5. Dezember 1924, 202; ebd., Geheimer Anhang Nr. 11 zum Tagesbefehl Nr. 115 des MSWojsk, 16. November 1925. Breiter zum angestrebten apolitischen Charakter der Streitkräfte Zalewski, Apolityczność Sił Zbrojnych Drugiej i Trzeciej Rzeczypospolitej Polskiej. 33 Wiatr, The Soldier and the Nation, 55. Anlässe für zahlreiche Spekulationen sind bis heute das Verschwinden des regierungstreuen Generals Włodzimierz Ostoja-Zagórski nach seiner Haftentlassung 1927 sowie der vorgebliche Vergiftungstod General Tadeusz Rozwadowskis 1928. 34 Stawecki, Wojsko Drugiej Rzeczypospolitej, 226 f. 35 Wiatr, The Soldier and the Nation, 56 f. Bei den Kommandeuren der Korpsbezirke sowie den Armeeinspektoren war die Entwicklung deckungsgleich. 36 Vgl. dazu auch Trees, Zwischen Empfänglichkeit und Resistenz. 37 Verfassungsgesetz vom 23. April 1935, Art. 3, in: Die Verfassungen in Europa 1789–1949, 403–417; Böhm, Z dziejów naczelnych władz wojskowych II Rzeczypospolitej, 201–204.

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oberhaupts. Staatspräsident Ignacy Mościcki konkurrierte mit dem neuen Generalinspekteur der Streitkräfte, General Edward Rydz-Śmigły, und Premier Walery Sławek um Piłsudskis Erbe. Nachdem Letzterer 1936 politisch kaltgestellt wurde, erreichte Rydz-Śmigły die Herauslösung des GISZ aus der Kontrolle des Kriegsministeriums. Der Generalinspekteur stand nun formal über dem faktisch zum Verwaltungsbeamten degradierten Kriegsminister, erhielt zusätzliche politische Machtbefugnisse und nahm auch im neu etablierten Komitee zur Verteidigung der Republik (Komitet Obrony Rzeczypospolitej), dem unter anderem auch der Staatspräsident, der Premierminister und der Generalstabschef angehörten, eine Schlüsselposition ein. Diese auf Rydz-Śmigły konzentrierte Machtfülle begünstigte den Hang des SanacjaRegimes zur Autokratie.38 Die wachsende Verknüpfung von politischer Macht und militärischen Funktionen ist ein Indikator für die zunehmende politische und gesellschaftliche Bedeutung der Streitkräfte. Diese schlug sich direkt in der Besetzung wichtiger politischer und Verwaltungsfunktionen nieder. Nach 1926 bekleideten Militärangehörige acht Mal das Amt des Premierministers, sie leiteten 16  Mal ein Ministerium und stellten acht Unterstaatssekretäre. Im Außenministerium waren allein im Jahr 1937 64 Militärs tätig und in den Aufsichtsräten von staatlichen und privaten Unternehmen saßen etwa 58 Generale und Offiziere aus Generalstab und Kriegsministerium. Im gleichen Jahr waren drei Viertel aller Woiwoden Armeemitglieder.39 In der Regel machten vor allem ehemalige Legionäre politisch Karriere, da ihre Gruppe bald den Kern der politischen Elite Polens bildete. Besonders der Gruppe oder Fraktion der Obristen (grupa / frakcja pułkowników), aus deren Reihen Minister und Premiers wie Józef Beck, Janusz Jędrzejewicz, Adam Koc, Leon Kozłowski, Ignacy Matuszewski, Bogusław Miedziński, Bronisław Pieracki, Aleksander Prystor, Walery Sławek und Kazimierz Świtalski kamen, fiel eine Schlüsselposition im Sanacja-Regime zu. Der Zugriff des Militärs auf die Gesellschaft erfolgte wie in allen modernen Nationalstaaten in erster Linie über die allgemeine Wehrpflicht, die sämtliche männlichen Staatsbürger bis zum 21. Lebensjahr umfasste. Zu militärischen Hilfsdiensten konnten alle Männer zwischen 17 und 55 Jahren herangezogen werden. Der reguläre Militärdienst dauerte zwei Jahre, bei der Kavallerie und Kriegsmarine ab 1924 einen beziehungsweise drei Monate länger. Viele tauglich Gemusterte wurden allerdings nicht zum Dienst einberufen, wenn die 38 Bohm, Z dziejow naczelnych władz wojskowych II Rzeczypospolitej, 208–237. Ausführlich Stawecki, Następcy komendanta. 39 T.  Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 60 f. Besonders ausgeprägt war nach 1930 die Präsenz von Offizieren im Außenministerium. Skóra, Służba konsularna Drugiej Rzeczypospolitej, 355–366.

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jährlichen Rekrutenkontingente aufgefüllt waren. Sie mussten dann zunächst drei, ab 1924 acht Jahre lang in der Reserve dienen und währenddessen über einen Zeitraum von insgesamt 20 Wochen (ab 1924 14, ab 1938 24 Wochen) an militärischen Schulungen und Übungen teilnehmen. Nach der Dienstentlassung gehörten die ehemaligen Soldaten bis zu ihrem 30. Lebensjahr (ab 1924 bis zum 40. Lebensjahr) der Reserve an.40 Aufgrund der verhältnismäßig großen und damit kostenintensiven Friedensstärke der Armee blieb den Militärbehörden bei der stets angespannten Haushaltslage kaum finanzieller Spielraum für Investitionen und Innovationen.41 Aus Kostengründen verzichtete die Armeeführung sogar wiederholt darauf, die festgelegten Rekrutenkontingente voll auszuschöpfen. Aus einer Antwort des Kriegs­ ministeriums auf eine Senatsanfrage vom April 1924 ist zu erfahren, dass für 1925 die Einberufung von 202 826 Rekruten der Tauglichkeitskategorie  A vorgesehen war, wovon nach Abzug der Frei- und Rückstellungen noch 186 500 übrig blieben. Selbst für diese Zahl reichte das Militärbudget allerdings nicht aus.42 Für die Beantragung einer Rück- oder Freistellung vom Wehrdienst konnten mehrere Gründe vorgebracht werden. Eine einjährige Verschiebung der Einberufung, jedoch nicht über das 23. Lebensjahr hinaus, konnte erfolgen, wenn der Rekrut der Alleinernährer der Familie beziehungsweise der Bruder eines Kriegsgefallenen war oder wenn die Familie sich in einer Notlage befand. Auch berufliche Gründe wie eine begonnene Ausbildung konnten anerkannt werden. Schüler staatlicher Einrichtungen wurden zudem bis zum 22., später 23. Lebensjahr zurückgestellt, wie auch Studenten ab dem 25. (28.) Lebensjahr. Für Studenten der Theologie aller Bekenntnisse galt eine Rückstellung bis zum 27. (28.) Lebensjahr; bereits ausgebildete Geistliche wurden gänzlich vom Wehrdienst befreit.43 1937 kam noch eine weitere Form der Wehrdienstpflicht hinzu. Neben den regulären Truppen rief das Kriegsministerium die Nationale Verteidigung (Obrona Narodowa)  ins Leben, Hilfstruppen aus Reservisten, die im Kriegsfall die Hauptstreitkräfte unterstützen sollten.44 Das Kriegsministerium sah darin nicht nur die Möglichkeit, dass alle Bürger ungeachtet ihrer ethnischen und konfessionellen Herkunft ihre »allerehrenhafteste Bürgerpflicht« erfüllten, sondern auch ein Mittel, 40 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 51–58. 41 Dies bemängelte beispielsweise der Endecja-Abgeordnete Seweryn Franciszek Czetwer­ tyński-Światopełk in einer Sitzung des Militärausschusses des Sejms. AAN, BS, sygn. 18, 39, Sitzung des Militärausschusses, 16. April 1923. 42 AAN, PRM, sygn. 101–11, 4–12, Sprawozdanie o warunkach wynkonania ustawy o po­ wszechnym obowiązku służby wojskowej, hier 10. 43 Ebd., MWRiOP, sygn. 394 und 395, Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 51–58. 44 Pindel, Obrona Narodowa 1937–1939, 11–132.

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mit möglichst geringem Kostenaufwand eine maximale Personenzahl in die Militärstrukturen einzubeziehen.45 Über den klassischen Wehrdienst hinaus verfolgte das Militär auch in Polen den Anspruch, im zivilen Bereich die Entwicklung von Staat und Gesellschaft mit zu formen. Wie in den meisten europäischen Ländern meinte man aus dem Weltkrieg die Lehre ziehen zu müssen, dass nicht nur militärische Stärke und materielle Ressourcen, sondern auch die psychische und physische Disposition der Bevölkerung in Zukunft kriegsentscheidend wären.46 Piłsudski hatte bereits 1917 in seiner oben zitierten Rede »Über die Nationalarmee« formuliert, dass Schule und Armee »den Menschen reif« machten und ihm die Möglichkeit gäben, »alle seine bürgerlichen Pflichten zu erfüllen«.47 Unter der Herrschaft der Sanacja wurde daraus ein Konzept des »Volkes in Waffen« (naród pod bronią), welches das Ideal der Bürgerarmee mit einer ständigen Verteidigungsbereitschaft der gesamten Nation verknüpfte. Der Verteidigungswille sollte zum ideologischen Kitt der fragmentierten Bevölkerung des Landes werden. Angestrebt wurde, dass von nun an alle Bereiche von Staat und Gesellschaft, die mit der Landesverteidigung in irgendeiner Weise zu tun hatten, vom Primat des Militärs bestimmt werden sollten.48 Marian Albiński, ein Literaturwissenschaftler in Diensten des Kriegsministeriums und Verfasser mehrerer Abhandlungen über den Bildungsauftrag der Armee, bezeichnete 1937 Elternhaus, Schule und Militär als entscheidende Faktoren der Erziehung eines Staatsbürgers.49 Zwar wurde damit aus Polen keineswegs eine durchmilitarisierte Gesellschaft, doch waren Prestige und politischer Gestaltungsraum der Armee bemerkenswert. »Każdy obywatel żołnierzem, każdy żołnierz obywatelem« – »Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger«, so lautete ein verbreiteter Propagandaslogan der 1930er Jahre.50 Die Aprilverfassung von 1935 schrieb diese Aufwertung der Armee und des Militärischen noch einmal fest (Art. 61): »Alle Bürger sind zum Kriegsdienst und zu Leistungen für die Landesverteidigung verpflichtet.« Diese Pflicht leitete sich aus Art. 1 ab, der den Staat als »Gemeingut aller Bürger« definierte, das »als Vermächtnis der Geschichte von Geschlecht zu Geschlecht vererbt« 45 CAW, BWN, sygn. I.300.20.15, Uzasadnienie projektu ustawy o powszechnym obowiązku wojskowym (1938). 46 Detaillierter Kęsik, Naród pod bronią, 11–62. 47 Piłsudski, Erinnerungen, Bd. 4. 48 Kęsik, Naród pod bronią, 63–101. Der Begriff des »Volkes in Waffen«, der auf das französische Konzept der nation en armes zurückgeht, wurde bereits zu Beginn der 1920er Jahre in Militärzeitschriften wie Bellona propagiert. Vgl. etwa Wacław Stachiewicz, Kilka uwag o przygotowaniu narodu do wojny, in: Bellona 4 (1921), H. 2/1, 83–88. 49 Marian Albiński, Dom – szkoła – wojsko. Trzy czynniki wychowania obywatelskiego, in: PZ, 7. Januar 1937. 50 Stellvertretend PZ, 23. Juli 1936, 1.

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werde. »Jede Geschlechterfolge«, so die Verfassung, »ist verpflichtet, durch eigene Anstrengung die Stärke und das Ansehen des Staates zu mehren.«51 Ein zentrales Feld militärischer Durchdringung des Alltags war der Bereich des Sports. Über den Zweck sportlicher Aktivität als vormilitärische Ausbildung herrschte bereits seit der Schützen- und Sokół-Bewegung um die Jahrhundertwende Einigkeit.52 Die Armee nutzte das wachsende Interesse an körperlicher Ertüchtigung zur Förderung von Wehrsport und -erziehung. Auf die seit 1918 geführte intensive Debatte über die Zielsetzung und Ausgestaltung des Wehrsports kann hier nicht eingegangen werden, verwiesen sei auf die große Zahl von entsprechenden Beiträgen in Blättern wie Bellona oder Polska Zbrojna. Mit der Gründung des Staatlichen Amtes für Leibesübungen und Wehrerziehung (Państwowy Urząd Wychowania Fizycznego i Przysposobienia Wojskowego, PUWFiPW) im Jahr 1927 wurde das Militär zu einem völlig unabhängigen Akteur der Sportpolitik und strebte nach Kontrolle und Zentralisierung des Sports. Körperertüchtigung und staatsbürgerliche Bildung wurden dabei als gleichwertige Säulen betrachtet.53 Aber Sport war von Beginn an auch ein Feld der Minderheitenpolitik. Den Aktivitäten nichtpolnischer Vereine begegnete das Militär mit äußerster Skepsis. So beauftragte das Kriegsministerium im September 1922 die Abteilung  II mit der Erfassung von Zielen, Statuten, politischer Ausrichtung, nationaler Struktur und Personal aller nichtpolnischen Sportvereine.54 Bis etwa zur Mitte der 1930er Jahre stießen jüdische Sportler kaum auf Beschränkungen, insofern sie sich politisch nicht exponierten und nicht bei Wettkämpfen in Großpolen starten wollten. Der Verdacht, jüdische Sportvereine hätten 1920 als Reservoir jüdischer Freiwilliger für die Bolschewiki gedient, stand zwar im Raum, wurde aber kaum weiter verfolgt.55 Verdächtig erschienen allerdings die vielfältigen sportlichen Aktivitäten zionistischer Vereine.56 Doch selbst nationaldemokratisch ausgerichtete Sportvereine nahmen außerhalb Posens meist kommentarlos an Veranstaltungen mit jüdischen Sportlern teil. 51 Verfassungsgesetz vom 23. April 1935, Art. 1 und 61, in: Die Verfassungen in Europa 1789–1949, 403–417. 52 Dieser Zusammenhang wurde nach 1918 beispielsweise in der Zeitschrift Wychowanie Fizyczne stark vertreten. 53 Kęsik, Wojsko polskie wobec tężyzny fizycznej społeczeństwa 1918–1939; ders., Naród pod bronią, 155–168. Die Bedeutung des Wehrsports verdeutlicht auch die intensive Berichterstattung in der Polska Zbrojna, in der – 1928 zeitweise in einer eigenen Rubrik – neben Nachrichten über wehrsportliche Ereignisse und Entwicklungen auch theoretische Überlegungen zu lesen waren. Vgl. etwa Przysposobienie wojskowe młodzieży w wieku przedpoborowym, in: PZ, 22. Juni 1926, 4; Wbrew utartym poglądom, in: PZ, 2. Februar 1928, 5. 54 CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.190, L.1276/II Tajne, DOK V an die Starosten, 13. November 1922. 55 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2687, Jüdisches Referat, 29. November 1923. 56 Ebd., 2, Nachrichtenkommuniqué Nr. 2, 1. November 1921; ebd., Abteilung III des MSWojsk an den Chef der Abteilung II des Generalstabs, 17. November 1923.

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Ein reger Austausch mit nichtjüdischen Vereinen, etwa beim Transfer von Spielern, herrschte im Bereich des Fußballs.57 Die Regierung unterstützte die Anfang Februar 1933 in Zakopane ausgetragene Wintermakkabiade, an der 250 Athleten aus acht Ländern teilnahmen.58 In dem Maße, in dem das Militär Einfluss auf den Sport nahm, versuchte es auch, auf jüdische Klubs einzuwirken und entsandte PUWFiPW-Instruktoren in die Vereine und Schulen.59 Es war aber ein erklärtes Ziel des PUWFiPW, von Korporationen oder einzelnen sozialen und religiösen Gruppen geführte Sportgemeinschaften nicht zuzulassen. Insbesondere die Gründung jüdischer Vereine sollte nicht unterstützt werden. Letztlich wurde der zulässige Minderheitenanteil in vom PUWFiPW unterstützten Vereinen auf 40 Prozent begrenzt.60 Bereits existierende nichtpolnische Vereine wurden jedoch toleriert. Ein Beispiel dafür sind die Berek-Joselewicz-Legionen (Legion im.  Berka Joselewicza) in Lodz und Warschau, die – wenngleich erst nach mehrjährigen Anläufen – 1929 und 1930 als einzige jüdische Wehrsportgruppen legalisiert wurden.61 Deren Organisatoren gingen davon aus, dass es das antisemitische öffentliche Klima nicht erlaube, Polen und Juden in einer gemeinsamen Organisation wehrsportlich zu ertüchtigen.62 In den 1930er Jahren gewannen, ausgehend von einzelnen Vereinen, Tendenzen an Kraft, die auf einen Ausschluss der Juden vom Sport drängten.63 Während die Zentrale des ­PUWFiPW auf gleichen Rechten für jüdische Sportler bestand, schlossen dessen lokale Funktionäre, meist ehemalige Offiziere, jüdische Vereine immer häufiger von Wettkämpfen aus.64 Die Gründung neuer jüdischer Sektionen wurde in der Regel unterbunden, wie Beispiele aus Lubartów oder Pińsk zeigen.65 57 Gawkowski / Rokicki, Stosunki polsko-żydowskie w sporcie II Rzeczypospolitej. 58 Ebd., 229–233. 59 Ebd. Vgl. auch die Erinnerungen vom William Dunwill (Witold Duniłłowicz), der als Freiwilliger eine PUWFiPW-Ausbildung erhielt. Ders., Trzy kolory mojego życia, 42–46. 60 CAW, Oddz.  I NDWP, sygn. I.303.7.275, 290–306, Biuletyn Nr. 1. Akcja społeczna w p. w. (MSWojsk, PUWFiPW), o. D. Ähnlich gelagert war die Zulassung nichtpolnischer Pfadfindergruppen. Vgl. beispielsweise CAW, PUWFiPW, sygn. I.300.69.23, passim. Zur Wehrertüchtigung in den Ostgebieten Przysposobienie wojskowe na Kresach, in: PZ, 30. Januar 1934, 6. 61 AAN, MSW, cz. I, sygn. 956, 34, Presseschau Minderheitenpresse Nr. 6, 21. August 1926. Die Legalisierung der Warschauer Ortsgruppe erfolgte 1929. Ebd., sygn. 959, Presseschau Minderheitenpresse Nr. 44, 3.–9. November 1929. Die Ortsgruppe Lodz wurde 1930 behördlich anerkannt. Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 325 f. Das Regierungskommissariat der Hauptstadt Warschau warnte alle Woiwoden vor der Entstehung weiterer Ortsgruppen. APL, UWL-WSP, sygn. 2332, Rundschreiben vom 28. August 1930. 62 AAN, MSW, cz. I, sygn. 956, 34, Presseschau der Minderheitenpresse Nr. 6, 21. August 1926. 63 Es waren deutsche Vereine, die 1933 Juden als erste ausschlossen. Jurek, Kultura fizyczna mniejszości niemieckiej w Polsce w latach 1918–1939, 114. 64 Gawkowski / Rokicki, Stosunki polsko-żydowskie w sporcie II Rzeczypospolitej, 235. 65 APL, UWL-WW, sygn. 92, 199. In Pińsk wurde die Sektionsgründung an einer jüdischen Berufsschule abgelehnt, da diese als kommunistisch unterwandert galt, bereits eine Sektion

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Letztlich entschloss sich Anfang 1938 aber auch der P ­ UWFiPW dazu, in den Vorständen der Sportverbände Minderheitenvertreter nur noch in der ihrem Bevölkerungsanteil entsprechenden Zahl zuzulassen.66 Nicht weniger wichtig als die Förderung der Wehrertüchtigung zukünftiger Soldatengenerationen war die Popularisierung vormilitärischer Organisationen und quasistaatlicher Geldsammlungen, besonders in den 1930er Jahren. Die Beteiligung an deren Propaganda- und Spendenaktionen war de facto verpflichtend für alle Staatsbürger, die ab 1935 laut Verfassung neben der Wehrpflicht auch der nicht näher beschriebenen Pflicht zu Leistungen für die Landesverteidigung unterlagen.67 Die wichtigsten Organisationen können an dieser Stelle lediglich aufgezählt werden: Die Meeres- und Kolonialliga (Liga Morska i Kolonialna, LMiK) strebte nach einer Stärkung der polnischen Präsenz auf der Ostsee und den Weltmeeren. Die Liga zur Luft- und Gasabwehr (Liga Obrony Przeciwgazowej i Przeciwlotniczej, LOPP) sollte die Bevölkerung auf Gasangriffe vorbereiten und Gelder für die Luftwaffe akquirieren. Die finanzielle Ausstattung der Truppen verbessern sollten auch der Seeverteidigungsfonds (Fundusz Obrony Morskiej, FOM), der unter anderem den Bau eines U-Bootes ermöglichte, sowie der Nationale Verteidi­gungsfonds (Fundusz Obrony Narodowej, FON), dessen beträchtliche Einnahmen dem Heer zukamen.68 Die Sammelaktionen, festlichen Kundgebun­gen und anderen Aktivitäten dienten den Machthabern nicht nur dazu, zusätzliches Geld für militärische und (außen)politische Zwecke zu gewinnen. Vor allem handelte es sich um eine nahezu ununterbrochene Kette von Propaganda­ aktionen, die die Staatsbürger vom politischen Gewicht Polens in Europa überzeugen, ihre Bindung an Staat und Regierung stärken und schließlich die Verteidigungsbereitschaft der gesamten Bevölkerung erhöhen sollten.69 am jüdischen Gymnasium existierte und viele ihrer Schüler an den Aktivitäten der Wehrsportgruppen an nichtjüdischen Schulen teilnahmen. CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.884, Kreisamt für Körpererziehung und Wehrertüchtigung im DOK IX an SRI DOK IX, 2. Juli 1937. 66 Ebd. 67 Verfassungsgesetz vom 23. April 1935, Art. 1, in: Die Verfassungen in Europa 1789–1949, 403–417. 68 Zur LOPP Kmiecik, Z dziejów Ligi Obrony Powietrznej i Przeciwgazowej 1928–1939. Zur LMiK Troebst, »Intermarium« und »Vermählung mit dem Meer«, 56 f. Zu FON und FOM Strobel, Denken und Handeln in den polnischen Teilungsgebieten und in Polen nach 1918, 261; Gieleciński, Wojenne i powojenne losy Funduszu Obrony Narodowej. 69 Welche Wirkung diese Versuche der Massenbeeinflussung wirklich auf die Menschen hatten, ist ein Forschungsdesiderat. Möglicherweise ließe sich der von Jakob Vogel geprägte, auf das deutsche Kaiserreich bezogene Begriff des »Folkloremilitarismus« auch auf das Polen der 1930er Jahre anwenden: Die ständige Präsenz militärischer Kultur und Propaganda im Alltagsleben führte im wilhelminischen Deutschland zu einem eigenständigen Umgang der Bevölkerung mit Militärfolklore sowie zu einer weitgehend unpolitischen Militärbegeisterung. Vogel, »En revenant de la revue«, 11.

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3.2 Die multiethnische Staatsarmee als Realität. Erfassung, Kategorisierung und Bewertung der Minderheiten Włodzimierz Wakar war nicht nur Ökonom und Demograf. Als einer der Gründerväter des Instituts zur Erforschung von Nationalitätenfragen (Insty­ tut Badań Spraw Narodowościowych, IBSN), das seine Expertise auch oft dem Militär zu Verfügung stellte, war er mit den vielfältigen Fragen staatlicher Minderheitenpolitik vertraut.70 Auch in seiner zitierten Studie zum Warschauer Umland ging er auf die nichtpolnische Bevölkerung ein und bescheinigte Jabłonna eine »recht zahlreiche« jüdische Bevölkerung.71 Die knapp 650 jüdischen Bewohner Jabłonnas konzentrierten sich im alten Dorf (etwa 570 von 2 081 Einwohnern) sowie um die Bahnstation (etwa 70 von 489 Einwohnern), also in der Nähe der Garnison.72 Die Kontakte zwischen christlicher und jüdischer Bevölkerung und der Garnison sind unerforscht, wie auch über die Juden Jabłonnas, die meist Handwerksbetriebe und kleinere Produktionsstätten betrieben, wenig bekannt ist. Die spärlichen verfügbaren Informationen lassen aber erahnen, wie vielfältig und komplex die Lebenswelten von Juden in den 1920er und 1930er Jahren geworden waren. Will man die traditionelle Siedlung um das Poniatowski-Anwesen als ein Abbild der althergebrachten polnisch-jüdischen Lebenswelt verstehen, dann bildeten die neuen Ortsteile um Bahnhof und Garnison die von der Moderne geprägten Kontaktzonen beider Bevölkerungsteile. Mit der positiven wirtschaftlichen Entwicklung des neuen Ortsteils ging ein spürbarer Zuzug von Juden aus der unmittelbaren Umgebung einher,73 was manchem Nichtjuden als Bedrohung der eigenen wirtschaftlichen Existenz erschien.74 Zwar waren nicht wie anderswo größere Gewaltausbrüche zu verzeichnen, doch zeugen ein tödlich endender Angriff auf einen jüdischen Zugreisenden im September 1929, dessen Prozess für den Täter straffrei endete, und ein Überfall auf den

70 Kurzbiografie mit weiterführenden Literaturhinweisen bietet Jajecznik, Wizja Polski Ludo­ wej w projekcie konstytucji Włodzimierza Wakara. In seinem Verfassungsentwurf von 1919 schlug Wakar eine Art Autonomiestatus für die jüdische Bevölkerung vor (ebd., 111). Er war zudem einer der Schöpfer des Międzymorze-Konzepts. Okulewicz, Koncepja »Międzymorza« w ujęciu Włodzimierza Wakara. 71 Wakar, Osiedla o charakterze miejskim i podmiejskim województwa warszawskiego łącznie z m. st. Warszawą, 1132. 72 Ebd., 1171 und 1178. 73 Über den Zuzug zahlreicher Juden aus Serock berichtet Sterdinger. Ders., From Serock, Jablonna-Legionowo, through the Warsaw Ghetto to Treblinka, 252. 74 Grochowski, Historia społeczności żydowskiej w Legionowie w latach 1918–1939, 75–84. Vgl. hingegen den Bericht über Ella Yagoda, die sich im Umfeld des Grafen Potocki bewegte. Avrahami / Avrahami, Family Affair / Ella »Elka« Yagoda.

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Ortsrabbiner an der Eisenbahnstation wenige Jahre darauf von den vorhandenen Spannungen.75 Auch die für die Zwischenkriegszeit so charakteristische Überlappung von Tradition und Moderne fand in Jabłonnas Geschichte einen Widerhall, der den Namen des Ortes bis nach Palästina trug: Der »Jablonner Rebbe« Ezekiel Taub leitete hier die Emigrationsvereinigung Naḥ alat Ja’akov. An deren Spitze führte er im Jahr 1924 eine Gruppe Chassiden aus Jabłonna und Kozienice nach Palästina. Dort angekommen, gründeten sie am Fuße des Berg Karmel die erste chassidische Ansiedlung des Jischuw, die 1927 mit dem Moschaw Kefar Ḥ asidim dauerhaft etabliert wurde. Es ist anhand der verwendeten Sekundärliteratur nicht eindeutig zu klären, ob Taub tatsächlich in Jabłonna, in Jabłonowo bei Lublin oder in einer Ortschaft ähnlichen Namens wirkte. In der Literatur ist indes meist von Jabłonna bei Warschau die Rede.76 Die Emigration dieser polnischen Chassiden war eine Sensation, die auf dem XIV. Zionistenkongress 1925 große Aufmerksamkeit erregte. Dem Ereignis wurde eine in mehreren Sprachen veröffentlichte Broschüre gewidmet und auch Reiseerinnerungen erwähnten ihre Ansiedlung immer wieder.77 75 Bestjalski mord pod Jabłonną, in: NP, 12. August 1929, 2; Dziś odbędzie się pogrzeb ofiary barbarzyńskiego mordu w Jabłonnie, in: NP, 13. August 1929, 2; W obliczu sprawiedliwości, in: NP, 20. September 1930,  6; Bestialische Taten polnischer Antisemiten, in: La Tribune Juive, 31. Juli 1936, 485. 76 Rabinowicz, Hasidism, 363; Kefar Hasidim, in: Place Names in Israel, 94; Kefar Hasidim, in: Encyclopaedia Judaica, Bd. 12, 61; Jablonna, in: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Bd. 1, 556 f.; Wychodztwo Polskie w poszczególnych krajach, 120. Zum politischen Kontext Ministerstwo Spraw Wewnętrznych, Żydowskie ugrupowania i stronnictwa polityczne w Polsce (I-sze półrocze 1926), in: Żydowska mozaika polityczna, 1917–1927, 71–101, hier 97. Auch im Historical Atlas of Hasidism ist Jabłonna bei Warschau als Sitz eines chassidischen Hofs verzeichnet. Wodziński, Historical Atlas of Hasidism, 158. 77 Protokoll der Verhandlungen des XIV. Zionisten-Kongresses vom 18. bis 31. August 1925 in Wien, 102, 144, 152 f., 158, 191, 209, 293 f., 299, 362, 419 und 422; Rabbi Benjamin, Und die Chassidim zogen nach Erez Jisrael; Hollitscher, Das unruhige Asien, 62–66; Wiener, Kritische Reise durch Palästina, 99; Golding, Those Ancient Lands, 142; Baron Edmond de Rothschild verlässt Palästina, in: La Tribune Juive, 5. Juni 1925, 260; O.  Teitelbaum, Eeen chassidische Kolonie in Palestina. Nachlath Jacob, in: De Vrijdagavond, 13. November 1925. Weitere Beachtung fanden die chassidischen Siedler in La Revue Juive. Revue Internationale 1925, 801, sowie 1925–1927 mehrmals in La Terre Promise, dem Organ des Jüdischen Nationalfonds. Auch Janusz Korczak zeigte im Vorfeld seiner zweiten Palästinareise Interesse am »Dorf des Zaddik aus Jabłonna«. Ders., Sämtliche Werke, Bd. 15, 41. Über das weitere Schicksal Taubs berichten die Quellen Spärliches. 1925 unternahm er eine Polenreise: Der Jablonaer Rebbe in Warschau, in: La Tribune Juive, 20. November 1925. Im Oktober 1926 wurde Taub nach Presseberichten während eines Gebets an der Klagemauer von palästinensischen Arabern mit Steinen beworfen. Im Jahr darauf unternahm er nach Informationen der Jewish Telegraphic Agency auf der Suche nach finanzieller Unterstützung für das chassidische Ansiedlungsprojekt eine Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika. Johan J. Smertenko, Revisionism to the Rescue. A Reply to Mr. Neumann’s »Rejoinder«, in: The Menorah Journal 12 (1926), 610–622, hier 614; Jablonner Rebbe, Leader of Chassidic

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Die multiethnische Struktur der polnischen Republik, die sich im Kleinen in Jabłonna zeigte, musste sich zwangsläufig in den Streitkräften wiederfinden. Dies blieb auch ausländischen Beobachtern wie dem bereits zitierten Olivier d’Etchegoyen nicht verborgen.78 Zurückgekehrt in die Heimat, publizierte der Franzose Eindrücke über das fremde Land, die er während seiner Stationierung in Grodno und Warschau gesammelt hatte. Sein Buch, das auf Deutsch unter dem Titel Polens wahres Gesicht erschien, enthält auch einige Reflexionen über das polnische Militär. Der Autor geht dabei unter anderem auf die Minderheitenfrage ein, streift die Ereignisse von Jabłonna und gelangt schließlich zu einer Reihe von Fragen: »Wie würden sich im Ernstfall die in den Grenzmarken ausgehobenen Soldaten benehmen, die Galizier, Weißruthenen, Litauer, Kleinrussen und Schlesier – diese Polen wider Willen, die eigentlich Polen feindlichen Nationen angehören? Wie würden sich die jüdischen Soldaten verhalten? […] Wenn man aber die Hälfte der Bevölkerung [der Autor beziffert die Minderheiten auf ca. 50 Prozent] ausscheidet, wo will man die [im Kriegsfall mobilisierten] sechzig Divisionen hernehmen?«79

D’Etchegoyen formulierte in diesen wenigen Zeilen die größte Sorge, die polnische Militärs neben der undankbaren geostrategischen Lage ihres Landes und der angespannten finanziellen Ausstattung der Streitkräfte umtrieb: Wie konnte man die zahlenmäßig starke nichtpolnische Bevölkerung dazu bringen, im Kriegsfall die Waffen nicht gegen Polen zu richten, sondern das Land als den eigenen Staat zu verteidigen? Bis zur Verabschiedung der Märzverfassung von 1921 gab es kein konzises Konzept zur Aufnahme und Einbindung jener Bevölkerungsteile, die sich selbst nicht als Polen verstehen wollten beziehungsweise staatlicherseits nicht als solche kategorisiert wurden. Die Minderheitenproblematik in der Armee war zu dieser Zeit auch noch nicht so drängend wie nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und internationaler Regelung des Staatsbürgerschaftsrechtes. Von der 1919 bis 1920 mobilisierten einen Million Rekruten waren nur etwa 10 Prozent Colony, Here, Jewish Telegraphic Agency (fortan JTA), 25. September 1927, (14. Juni 2023); La Tribune Juive, 23. Dezember 1923, 782. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Emigration fand bislang nicht statt. Gleiches gilt für die interessante Biografie des Jablonner Rebben. Viele Informationen von Weggefährten Ezekiel Taubs zusammengetragen hat Pini Dunner, The Amazing Return of the Yabloner Rebbe, in: Tablet, 17. September 2018,

(14. Juni 2023). 78 H.  Müller, Auswärtige Pressepolitik und Propaganda zwischen Ruhrkampf und Locarno (1923–1925), 92. 79 D’Etchegoyen, Polens wahres Gesicht, 148, zu Jabłonna und den Umgang mit Juden im Militär 68 f.

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Minderheitenangehörige.80 Wie ausführlich geschildert war das Auftreten des Militärs gegenüber Nichtpolen in dieser Zeit geprägt von unkoordinierten Zwangsmaßnahmen, die Minderheiten wie die Juden einerseits aus dem Militär entfernen und andererseits zum Militärdienst zwingen sollten. Dass der von überzogenen Loyalitätserwartungen und permanentem Misstrauen geprägte Umgang mit den Bevölkerungsteilen, die nunmehr als nationale Minderheiten über die internationalen Schutzverträge und durch die Verfassung geschützt waren, eine Veränderung erfahren musste, war allen Beteiligten klar. Doch fiel es ihnen bis zum Ende der Zweiten Republik sehr schwer, klare und vor allem realistische Ziele und Erwartungen an eine konstruktive Minderheitenpolitik zu formulieren. Aus den zahlreichen Aktivitäten von Zivil- und Militärbehörden sprachen Furcht vor einem übergroßen Einfluss der Minderheiten auf die Institution, Misstrauen gegenüber ihren militärischen Fähigkeiten und ihrer politischen Zuverlässigkeit, aber auch eine institutionelle Überforderung und Arroganz der Vertreter der Titularnation. Dennoch verbargen sich hinter vielen Maßnahmen auch ernsthafte Versuche einer pragmatischen Einbindung der im Heer dienenden Nichtpolen in die Verteidigungsgemeinschaft aller Staatsbürger. Damit wurde die Armee zu einer Experimentierkammer der polnischen Minderheitenpolitik. Das Militär agierte im Umgang mit den nationalen Minderheiten in vielen Fällen zwar recht unabhängig, als politisch kontrollierte und gesteuerte Institution aber eben auch im Rahmen eines breiteren politischen Diskurses und regierungsamtlicher Vorlagen. In der Praxis waren die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Sphäre jedoch fließend, da viele Armeeangehörige Mitglied ziviler Staatsorgane waren und somit beide Perspektiven repräsentierten. Funktionierende institutionelle Strukturen der staatlichen Minderheitenpolitik entwickelten sich in dem Umfang, wie sich die Lage an den Kriegsfronten beruhigte und sich die Staatsgrenzen stabilisierten. Bis 1921 wurden deshalb, so vermutet der Historiker Tadeusz Kowalski, Minderheitenfragen vorrangig im Militärrat beziehungsweise im Engeren Kriegsrat verhandelt.81 Auch über das Jahr 1921 hinaus erwies sich die Armee angesichts ihrer personellen und organisatorischen Ressourcen sowie ihrer relativen personellen Kontinuität – anders als die recht häufig umbesetzten Ministerien – als stabiler Faktor der Minderheitenpolitik. Dies kam besonders in den Anfangsjahren der Zweiten Republik zum Tragen, als die meisten Nationalitäten ihre Existenz in Polen als defizitär betrachteten. Gründe hierfür waren neben den Territorialkonflikten beispielsweise der provisorische Fortbestand vieler Gesetze aus der Teilungszeit, die zögerliche oder mangelhafte Um80 Rezmer, Ethnic Issues in the Army in the District Commander of Corps no.  VIII Toruń (1920–1939), 103. 81 T.  Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 43.

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setzung neuer Bestimmungen, die Polonisierung der Verwaltung oder der von Politikern angeheizte nationalistische – und dabei häufig antijüdische – innenpolitische Diskurs.82 Als besondere Belastung für das Zusammenleben der Nationalitäten erwiesen sich die Wahl Gabriel Narutowicz’ zum ersten Staatspräsidenten am 9. Dezember 1922 und dessen Ermordung durch einen nationalistischen Extremisten wenige Tage später. Der Umstand, dass das Staatsoberhaupt auch mit den Stimmen der linken Parteien und der Minderheiten gewählt worden war, ließ die Rechte – besonders tat sich hier General Józef Haller hervor – an eine antipolnische Verschwörung glauben und ein Klima des Hasses entstehen, in dem der Mord an Narutowicz vielen Nationalisten als folgerichtige Tat erschien.83 Das eigentliche Ziel des Attentäters Eligiusz Niewiadomski war Piłsudski, dem er vorwarf, dem schädlichen Einfluss von Juden auf Staat und Nation Tür und Tor geöffnet zu haben.84 Binnen weniger Wochen wurde Niewiadomski zum Helden der polnischen Rechten. Seine Idee eines Gemeinwesens, das frei war von jeglichem Einfluss der nationalen Minderheiten, galt vielen Nationaldemokraten wie ehedem als Ideal. Trotz alledem unternahmen die parlamentarischen Regierungen, an denen die Rechte beteiligt war, bis 1926 erste sichtbare Schritte im Bereich der Minderheitenpolitik. Dafür sorgten allein die internationalen Verpflichtungen, die das Land im Rahmen des Minderheitenschutzabkommens, des Rigaer Friedens und des deutsch-polnischen Abkommens über Oberschlesien (1922) eingegangen war und die es nun in nationales Recht integrieren musste.85 So garantierte bereits die Märzverfassung (1921) das gleiche Staatsbürgerschaftsrecht für alle in Polen ansässigen Bevölkerungsgruppen.86 Im innenpolitischen Alltag wurde allerdings der vertraglich gesicherte Status der Minoritäten gern infrage gestellt, was jede Annäherung zu einem heiklen Unterfangen machte. Dem klaren internationalen Rechtsrahmen stand zudem eine schwer durchschaubare Kompetenzverteilung innerhalb der Regierung gegenüber. Mit den Ministerien für Inneres, Äußeres, Militär sowie Glaubensfragen und öffentliche Bildung verfügten allein vier Ressorts über wichtige Kompetenzen im Umgang mit den Minderheiten.87 Es war mit 82 Die folgenden Ausführungen zur polnischen Minderheitenpolitik basieren, soweit nicht anders angegeben, auf Henschel / Stach, Nationalisierung und Pragmatismus. 83 Borodziej, Geschichte Polens im 20. Jahrhundert, 127–130. 84 Brykczynski, Primed for Violence. 85 Korzec, Polen und der Minderheitenschutzvertrag (1919–1934); Borzęcki, The Soviet-Polish Peace of 1921 and the Creation of Interwar Europe; Eser, »Volk, Staat, Gott!«, 120 f. 86 Wróbel, The Rise and Fall of Parliamentary Democracy in Interwar Poland, 124–130. 87 Für eine Auflistung der im Politischen Komitee des Ministerrats, einem Gremium der wichtigsten Fachminister, verhandelten Themen vgl. Jabłonowski, Komitet Polityczny Rady Ministrów w latach 1921–1926. Die Sitzungsprotokolle, die zahlreiche Informationen zur Minderheitenpolitik enthalten, wurden veröffentlicht in: O niepodległą i granice, Bd. 5.

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Władysław Sikorski bezeichnenderweise ein hochrangiger Militärangehöriger, der in seiner Amtszeit als Premier und Innenminister (Dezember 1922 bis Mai 1923) erste nationalitätenpolitische Leitlinien für die multiethnischen Ostgebiete entwarf und einen Interessenausgleich zwischen polnischer Staatsnation und nationalen Minderheiten vorschlug.88 Er band Experten in politische Entscheidungsprozesse ein und signalisierte den Ukrainern gegenüber Kompromissbereitschaft, wenn auch viele kreative Ansätze, wie die Umsetzung der lokalen Selbstverwaltung in den Ostgebieten oder die Gründung einer öffentlich unterhaltenen ukrainischen Universität, stagnierten oder von den folgenden, eher rechtsgerichteten Kabinetten nicht mehr umgesetzt wurden.89 Sikorskis Ansätze erübrigten sich unter der Nachfolgeregierung, dem zweiten Kabinett Witos (Mai bis Dezember 1923), dessen Protagonisten zuvor im Lanckorona-Pakt (pakt lanckoroński) die weitgehende Verdrängung der Minderheiten aus Politik und Öffentlichkeit postuliert hatten.90 Wegen der Kurzlebigkeit auch dieses Kabinetts oblag es dann dem nächsten Regierungschef, Władysław Grabski (Dezember 1923 bis November 1925), neue Akzente zu setzen.91 Auch wenn dessen Amtszeit von elementaren wirtschaftspolitischen Problemlagen geprägt war, berief Grabski im Mai 1924 ein Treffen von Regierung und Parlamentsvertretern zur Minderheitenpolitik ein, das allerdings ergebnislos blieb.92 In einem weiteren Schritt beauftragte er ein Expertengremium, die Kommission der Vier (Komisja Czterech), mit der Ausarbeitung minderheitenpolitischer Gesetzesvorlagen, die bereits Ende Juli 1924 den Sejm passierten.93 Da sich die Idee, Minderheitenpolitiker mit externer Expertise zu unterstützen, bewährte, wurde Mitte 1925 die Vierervon der Sachverständigenkommission (Komisja Rzeczoznawców) abgelöst,

88 Torzecki, Kwestia ukraińska w Polsce w latach 1923–1929, 80–84. Überblicksartig zur Minderheitenpolitik der verschiedenen Regierungen Henschel/Stach, Nationalisierung und Pragmatismus. 89 Schenke, Nationalstaat und nationale Frage, 143–150; Chojnowski, Koncepcje polityki narodowościowej rządów polskich w latach 1921–1939, 57–67. Sikorski gab im Februar 1923 bei dem Politiker und Publizisten Kazimierz Srokowski, der ukrainische Wurzeln hatte, zudem eine Studie über die Nationalitätenverhältnisse im vormaligen russischen Teilungsgebiet in Auftrag, die der Regierung als Grundlage der Minderheitenpolitik dienen sollte. T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 24, Anm. 24. Zur komplexen Entwicklung staatlicher Minderheitenpolitik in der Zweiten Republik insgesamt vgl. Stach, Nationalitätenpolitik aus der zweiten Reihe. 90 Torzecki, Kwestia ukraińska w Polsce w latach 1923–1929, 84–87. 91 Ebd., 87–108. Vgl. auch Tomaszewski, Władysław Grabski wobec kwestii żydowskiej; Żyndul, Państwo w państwie?, 131. 92 Kotowski, Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1919–1939, 112. 93 Chojnowski, Koncepcje polityki narodowościowej rządów polskich w latach 1921–1939, 37 f.

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die es in anderer Form bereits unter Premier Sikorski gegeben hatte.94 Dieses Gremium wurde durch die Sektion des Politischen Komitees des Minister­rats für Minderheitenfragen und die Östlichen Woiwodschaften (Sekcja Komitetu Politycznego Rady Ministrów dla Spraw Mniejszości i Województw Wschodnich) konsultiert, die seit März 1925 als gesondertes Regierungsgremium Beschlüsse im Bereich der Minderheitenpolitik vorbereiten sollte.95 Innerhalb von Grabskis Regierungsmannschaft trat vor allem Stanisław Thugutt, Vizepremier und Minister ohne Geschäftsbereich, für eine ausgleichende Politik gegenüber den Minderheiten ein. Thugutt war Vorsitzender der Bauernpartei PSL-Wyzwolenie, Sejmabgeordneter, zeitweise Mitglied der Kommission der Vier und eine der wenigen politischen Persönlichkeiten seiner Zeit, die eine Politik der kleinen Schritte unerreichbaren Maximalpositionen vorzogen.96 Grabski wiederum verstand die Minderheitenpolitik als Bereich des Regierungshandelns, in dem ein harter politischer Führungsstil, die Sicherung materieller und sozialer Grundbedürfnisse der Minderheiten und Wahrung der Rechtsstaatlichkeit ineinandergreifen sollten. Zu seinen politischen Projekten gehörte daher neben der Herstellung öffentlicher Sicherheit und der Stabilisierung der östlichen Staatsgrenze auch das von Minderheitenvertretern wie Historikern kontrovers diskutierte Schulgesetz (Lex Grabski), das im Juli 1924 den Sejm passierte. Es kodifizierte einerseits das Recht der Minderheiten auf eigene Schulen, installierte tatsächlich aber eine Praxis, welche die Polonisierung des Schulwesens begünstigte.97 Die Strategie, Minderheiten politische Zugeständnisse einzuräumen, deren Intention jedoch durch geschickte Verwaltungsvorschriften zu verzögern oder zu unterlaufen, könnte man als Charakteristikum der Minderheitenpolitik vor 1926 benennen. So erwies sich zwar Grabski trotz seiner politischen Heimat in der Nationaldemokratie als unerwartet pragmatischer und kompromissfähiger Politiker, doch die polnische Position der Stärke aufzugeben, lag außerhalb seines politischen Vorstellungsvermögens. Wie die übrigen Regierungschefs scheiterte auch er an der Durchsetzung einer Bodenreform, einem zentralen

94 Dokumenty w sprawie polityki narodowościowej władz polskich po przewrocie ­majowym, 152; Chojnowski, Koncepcje polityki narodowościowej rządów polskich w latach 1­ 921–1939, 81, Anm. 57. 95 Jabłonowski, Komitet Polityczny Rady Ministrów w latach 1921–1926, 293–303. 96 Wójcik, Mniejszości narodowe w poglądach Stanisława Augusta Thugutta. 97 Autor des Gesetzes war Bildungsminister Stanisław Grabski, der Bruder des Premiers. Benecke, Die Ostgebiete der Zweiten Polnischen Republik, 247–265; Schenke, Nationalstaat und nationale Frage, 174–187; E.  Mironowicz, Białorusini i Ukraińcy w polityce obozu piłsudczykowskiego, 134. Ähnlich gelagert war der Fall der zeitgleich verabschiedeten Sprachgesetze. Ogonowski, Uprawnienia językowe mniejszości narodowych w Rzeczypospolitej Polskiej 1918–1939.

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Streitpunkt gerade zwischen Polen und Nichtpolen.98 In dieses ambivalente Bild passt zudem der Umgang mit der Ugoda, einer Übereinkunft zwischen gemäßigten Zionisten und Regierung, die der jüdischen Bevölkerung die Umsetzung zahlreicher Rechte in Aussicht stellte, die bereits im Kleinen Versailler Vertrag garantiert worden waren. Grabskis Kabinett bestätigte zwar die erzielte Einigung, verweigerte aber die Unterzeichnung eines entsprechenden Schriftstücks, weshalb Art, Umfang und Inhalt der Abmachungen zwischen jüdischen Repräsentanten und Staat strittig blieben.99 Nach Grabskis Rücktritt im November 1925 konnte sein kurzzeitiger, politisch schwacher Amtsnachfolger Aleksander Skrzyński (November 1925 bis Mai 1926) ein bemerkenswertes Zeichen setzen, als sein Innenminister Władysław Raczkiewicz in einem Rundschreiben an die Verwaltung auf allen Ebenen dazu anhielt, die Minderheiten als gleichberechtigte Staatsbürger zu behandeln.100 Damit nahm Raczkiewicz eigentlich einen Anspruch vorweg, den erst das Piłsudski-Regime eine Zeit lang für sich reklamieren sollte. In der Tat schien mit dem Putsch Piłsudskis (12.–15.  Mai 1926), in dem ein längerer Bürgerkrieg nur knapp vermieden wurde, für die Minderheiten eine neue Zeit anzubrechen. Auch viele Juden begrüßten den Umsturz und hofften auf ein Ende der konflikthaften Beziehung zwischen polnischem Staat und jüdischer Bevölkerung.101 Versteht man die nach dem Maiputsch verfassten Berichte der Nationalitätenabteilung des Innenministeriums als Seismografen der Minderheitenpolitik, so kann man aufgrund des Wegfalls des verdächtigenden Grundtons tatsächlich zumindest im rhetorischen Bereich von einem neuen Umgang sprechen.102 Der neue Innenminister Kazimierz Młodzianowski rechnete im August 1926 mit der Minderheitenpolitik der letzten Jahre ab, die eine »klare politische Linie« habe vermissen lassen.103 Die Aufgabe der neuen Machthaber sah er zunächst darin, sich »der wirklichen kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnisse der Minderheiten«

98 Benecke, Die Ostgebiete der Zweiten Polnischen Republik, 133 f.; Chojnowski, Koncepcje polityki narodowościowej rządów polskich w latach 1921–1939, 40. 99 Tomaszewski, Władysław Grabski wobec kwestii żydowskiej; ders.: Polskie dokumenty o »ugodzie« polsko-żydowskiej w 1925 roku; ders.: Rozmowy w sprawie »ugody« w 1925 r. (notatki uczestnika). Zur Tradition der Ugoda als Form der Übereinkunft im polnisch-jüdischen Kontext Guesnet, Agreements between Neighbours. 100 APL, UWL, sygn. 42, 6. Grundlage dafür war die Entschließung eines Treffens aller Woiwoden vom Oktober 1925 gewesen, was bedeutet, dass ein Politikwechsel bereits in der Regierungszeit Grabskis diskutiert worden war. AAN, MSZ, sygn. 2353. 101 Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, 355–361. 102 Beispielsweise AAN, MSW, cz. IV, sygn. 202–1021, passim; ebd., sygn. 46–49. 103 Dokumenty w sprawie polityki narodowościowej władz polskich po przewrocie majowym, 140. Neu hg. in: O niepodległą i granice, Bd. 5, 471–482.

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klar zu werden und festzustellen, »welche dieser Bedürfnisse im staatlichen Interesse mit welchen Mitteln befriedigt werden können und sollen, um auf diese Weise den Boden für die staatliche Assimilierung zu bereiten, die übrigens die natürliche Brücke zur kulturellen und demzufolge zur nationalen Assimilierung bildet«.104 Młodzianowski operierte hier mit zwei Begriffen, die in der politischen Debatte und auch im heutigen historiografischen Diskurs als Gegensatzpaar betrachtet werden, das die politischen Vorstellungen des Piłsudski-Lagers und der Endecja über den Umgang mit der ethnischen Heterogenität Polens etikettieren soll.105 Beide Termini, die »nationale« und »staatliche Assimilierung« (asymilacja narodowa bzw. państwowa) waren Reizworte der öffentlichen Debatten der Zwischenkriegszeit. Während »nationale Assimilierung« im Grunde ein Synonym für eine Politikstrategie war, die jegliche kulturellen, ethnischen und identitären Distinktionsmerkmale der Minderheitenbevölkerungen auslöschen und diese polonisieren sollte, ist eine Definition des Gegenbegriffs »staatliche Assimilierung« weitaus schwieriger.106 Folgt man den Forschungsergebnissen von Cornelia Schenke, handelte es sich nicht um eine planvolle politische Agenda, sondern vielmehr um eine »Kompromissformel, die unterschiedlichen Vorstellungen […] innerhalb der Sanacja über die konkrete Ausgestaltung der Politik gegenüber den nationalen Minderheiten Raum bot, hinter der sich aber auch viel Ratlosigkeit verbarg«.107 Das größte Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Nationalisierungsstrategien lag somit weniger in ihren Intentionen als vielmehr in ihren Methoden. »Nationale Assimilierung« forderte die unwiderrufliche und allumfassende Aufgabe von Differenzen zur Mehrheitsbevölkerung. »Staatliche Assimilierung« dagegen gestattete kulturelle, religiöse und sprachliche Eigenarten und weitete den streng ethnisch ausgerichteten polnischen Nationsbegriff in gewissen Grenzen. Daran geknüpft war allerdings eine staatlicherseits formulierte Loyalitätserwartung, die als »aktive Loyalität« über einfache Deklamationen hinausgehen sollte und aufgrund ihrer begrifflichen Dehnbarkeit stets die Möglichkeit der Integrationsverweigerung in sich trug.108 Den gleichen Grundgedanken einer Verbindung von Bürgerrechten mit der Einhaltung von Verhaltensnormen machte die Aprilverfassung von 1935 zum 104 Ebd., 142. Beide Zitate nach Henschel / Stach, Nationalisierung und Pragmatismus, 169. 105 Diese Trennung wird auch in einem Großteil der Forschungsliteratur kritiklos übernommen, so in Paruch, Od konsolidacji państwowej do konsolidacji narodowej, 124–172. Vgl. auch Wapiński, Polska i małe ojczyzny Polaków, 344–358. 106 Die bislang ausstehende wissenschaftliche Untersuchung beider Begriffe unternimmt Stach, Nationalitätenpolitik aus der zweiten Reihe. Zum problematischen Begriff »Assimilierung« vgl. Jagodzińska, Asymilacja, czyli bezradność historyka. 107 Schenke, Nationalstaat und nationale Frage, 229. 108 Ebd.

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Prinzip für alle Staatsbürger: »Der Wert, den die Anstrengungen und die Verdienste des Bürgers für das Allgemeinwohl haben, wird den Maßstab für seine Berechtigung zur Einflussnahme auf öffentliche Angelegenheiten bilden.«109 Immerhin sollten weder soziale und nationale Herkunft noch Religionszugehörigkeit die »Berechtigung zur Einflussnahme« des einzelnen Staatsbürgers schmälern.110 Die Konzeption der »staatlichen Assimilierung« fasste wohl Stanisław Józef Paprocki, Direktor des Instituts zur Erforschung von Nationalitätenfragen und zugleich Direktor des Büros für Nationalitätenpolitik in der Nationalitätenabteilung des Innenressorts, am ausführlichsten zusammen. In einer Aktennotiz bezeichnete er die »Vereinigung sämtlicher Bürger mit dem Staat« als Ziel staatlicher Minderheitenpolitik.111 Dieses sei erreicht, wenn die Bürger »nicht nur den Standpunkt der Loyalität vertreten, und sei es nur eine passive Loyalität gegenüber dem Staat, sondern wenn sie in ihrem Tun eine für den Staat nützliche bürgerliche Aktivität entwickeln und als Kriterium ihres Handelns das Wohl des Staates zugrunde legen«.112 Der Weg dahin führe nicht über die Diskriminierung der ethnischen Minderheiten, weil diese sich dann als Kollektiv stabilisierten und für den ideologischen Kampf gegen Polen mobilisierten. Paprocki wollte jeder Minderheit den Raum zugestehen, sich kulturell und sozial entfalten zu können. Die »nationalen Eigenschaften« der Minderheiten sollten unangetastet bleiben und der Missbrauch der Minderheitenrechte verfolgt werden, zugleich aber die »kulturellen Werte der Hauptnation«, also der polnischen, stark akzentuiert werden.113 Die Rolle des Staates sah Paprocki nämlich darin, geeignete Rahmenbedingungen für Assimilationsprozesse zu bereiten, die dann durch die von der Mehrheitsgesellschaft ausgehenden Attraktivität ausgelöst würden.114 Die dafür erforderlichen Aufgaben des Staates gliederte er in vier Bereiche. Verwaltung und Sicherheitsorgane wären demnach verantwortlich für das Sammeln von Informationen über Staatsfeinde, hätten auf das Alltagsleben der Minderheiten Einfluss zu nehmen und auf deren Bedürfnisse einzugehen. Im zweiten, schulischen Bereich sollte die sprachliche Vielfalt der Jugendlichen berücksichtigt werden und zugleich deren Formung im Sinne 109 Verfassungsgesetz vom 23. April 1935, Art. 7, in: Die Verfassungen in Europa 1789–1949, 403–417. 110 Ebd. 111 AAN, MSW, cz.  I, sygn. 936, 1–11, Notatka w sprawie polskiej wewnętrznej polityki narodowościowej, hier 1. Das Dokument trägt das Datum 22. Juni 1936, Eugeniusz Miro­ nowicz datiert es allerdings auf Mitte 1935. Ders., Plany integracji ziem wschodnich II Rzeczypospolitej w polityce obozu sanacyjnego, 118. 112 Ebd. 113 Ebd. 114 Ebd., 8 f.

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des Staates erfolgen. Die Armee wiederum sollte zum Dritten streng auf eine gerechte Behandlung der Soldaten achten, ihnen Werte wie Gehorsam und Pflichtbewusstsein vermitteln und dabei auch einen »sittlich-zivilisatorischen Fortschritt« erzielen sowie eine Bindung an Polen aufbauen.115 Im vierten Bereich, der ökonomisch-sozialen Verwaltung, sollten die Grundbedürfnisse der Minderheiten befriedigt und etwaige Quellen der Unzufriedenheit beseitigt werden. Handelte eine Minderheit wider die wirtschaftlichen Interessen des Staates, war sie ökonomisch zu schwächen.116 Die Mehrheitsgesellschaft sollte unterdessen zu einem hohen Maß an Eigenaktivität im kulturellen Bereich erzogen werden, um auf diese Weise die Minderheiten positiv von Polen einzunehmen. Dies sollte gleichwohl nur in jenen Bereichen erfolgen, wo die Mehrheitsgesellschaft bereits genug gefestigt erschien. Der nicht näher definierte Primat polnischer Interessen galt auch hier und auf aggressives Handeln von Minderheitenvertretern sollte konsequent reagiert werden.117 Eine anonyme, nicht datierte Denkschrift aus den Unterlagen des Korps­ bezirkskommandos I zeigt, dass der von Paprocki vertretene minderheitenpolitische Ansatz im Militär mindestens rezipiert wurde.118 Die folgende längere Passage enthält alle Elemente der »staatlichen Assimilierung«, verdeutlicht das Staatsverständnis der Sanacja und bricht beides am Ende auf die Armee herunter: »Polen ist aufgrund seiner ethnografischen Struktur ein Nationalitätenstaat, kein Nationalstaat. Aufgabe des Staates ist es, den Bürgern aller Nationalitäten die bestmöglichen Bedingungen für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung zu sichern. Die Idee der ›Staatlichkeit‹ muss bei uns Anerkennung finden, weil nur der Staat und sein Interesse der Zement sein können, der die einzelnen Nationalitätengruppen verbindet. Das heißt selbstverständlich nicht, dass die Bürger unterschiedlicher Nationalität sich von dieser lossagen sollten beziehungsweise dass die Bürger polnischer Nationalität, als der herrschenden Nationalität, irgendwelche Zugeständnisse von ihrem Besitzstand machen sollten. Die natürlichen Assimilationsprozesse können sich nur auf dem Weg gegenseitiger kultureller Beeinflussung vollziehen. Dabei ist eines mehr als sicher, weil durch die historischen Erfahrungen bestätigt: Dass die höhere Kultur immer stärker auf die niedrigere einwirkt als umgekehrt. Darum muss die herrschende Nationalität die übrigen immer kulturell überragen, da im entgegengesetzten Falle ihre Überlegenheit 115 Ebd., 9 f. 116 Ebd., 10. 117 Ebd., 10 f. 118 An dieser Stelle müsste noch eine Auseinandersetzung mit weiteren prominenten Vertretern dieser Konzeption einer Minderheitenpolitik wie Tadeusz Hołówko, dem vehementen Verfechter einer polnisch-ukrainischen Annäherung, oder Leon Wasilewski, einem der Köpfe der frühen polnischen Ostpolitik, erfolgen. Genannt seien stellvertretend Hołówko, Kwestja narodowościowa w Polsce; Wasilewski, Sprawy narodowościowe w teorji i w życiu. Weitere wichtige Texte entstanden im Umkreis des IBSN. Stach, The Institute for National­ ity Research (1921–1939).

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nur formal und ohne weitere Zukunftsperspektiven wäre. Die Geschichte kennt keinen Fall, wo die höhere Kultur sich der niederen unterordnete. Unter den polnischen Verhältnissen […] müssen jegliche bewussten Handlungen als äußerst schädliche Tat für den Staat angesehen werden, die zu Spannungen in den Beziehungen zwischen den einzelnen Nationalitäten führt. Die Gleichbehandlung der Bürger unterschiedlicher Nationalität während ihres Militärdienstes ist einer der wichtigsten erzieherischen Trümpfe der Armee.«119

So unbestritten die Unterschiede in der Minderheitenpolitik zwischen den Regierungen der Sanacja und ihren Vorgängern waren, so vorsichtig sollte eine Bewertung des wirklich Erreichten vorgenommen werden. Zwar betonen Historiker den Wendecharakter der zitierten Einlassungen Młodzianowskis und teilen dessen negative Beurteilung des politischen Umgangs mit den Minoritäten vor 1926.120 Doch der bald einsetzende minderheitenpolitische Stillstand wie auch die Abberufung Młodzianowskis lassen an diesem Bild zumindest Zweifel aufkommen.121 Eine Schlüsselfigur zum Verständnis der Minderheitenpolitik nach 1926 ist Józef Piłsudski, der aufgrund seiner politischen und geografischen Herkunft vielen als prädestiniert für die Befriedung der drängenden Nationalitätenproblematik erschien.122 Er hatte bereits zwei Jahrzehnte zuvor gemeinsam mit anderen Führungsfiguren der polnischen Sozialisten eine Konföderation von Polen, Litauern, Belarusen und Ukrainern ins Gespräch gebracht und sich damit selbst in einer historischen Traditionslinie zur ebenso glorreich wie tolerant erinnerten Jagiellonenzeit verortet.123 Dabei ist freilich nicht zu übersehen, dass diesen geopolitischen Plänen eben jene Vorstellung einer natürlichen zivilisatorischen Überlegenheit der polnischen Kultur zugrunde liegt, auf der die Idee der »staatlichen Assimilierung« gründet. Die kulturelle Überlegenheit sollte die politische Dominanz legitimieren und das von der 119 CAW, DOK, sygn. I.370.1.47, 4–24, Mniejszości narodowe w Polsce, o. D. u. A., hier 23 f. (Hervorhebungen im Original unterstrichen). 120 U. a. Breyer / Korzec, Polnische Nationalitätenpolitik und deutsche Volksgruppe in Lage­ berichten des polnischen Innenministeriums aus den Jahren 1935 und 1937, 266 f.; Skrzypek, Die polnische Minderheitenpolitik im Wilnagebiet (1916–1939), 394; Kotowski, Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1919–1939, 131 f.; Matelski, Stosunek Niemców na pograniczu polsko-litewsko-białoruskim do zmieniających się systemów państwowych XX wieku; Polonsky, Politics in Independent Poland 1921–1939, 213; Paruch, Od konsolidacji państwowej do konsolidacji narodowej, 111 f.; Garlicki, Józef Piłsudski, 1867–1935, 404 f.; Chojnowski, Koncepcje polityki narodowościowej rządów polskich w latach 1921–1939, 73–78. 121 Kozyra, Kazimierz Młodzianowski, 272. 122 Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, ­355–361. 123 Dazu einführend Borodziej / Brzostek / Górny, Polnische Europa-Pläne des 19. und 20. Jahrhunderts.

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Nationaldemokratie vertretene repressive Assimilierungskonzept überflüssig machen.124 Piłsudskis Vorstellung von der Strahlkraft der polnischen Nation und ihres Gemeinwesens wurde flankiert von der gerade auch im Militär geäußerten, doch ungenau formulierten und daher schwer zu erfüllenden Erwartung an eine besondere Loyalitätspflicht der nichtpolnischen Bevölkerungsgruppen. Möglicherweise ließ ihn dieses Verständnis von konkreten minderheitenpolitischen Maßnahmen Abstand nehmen, würde doch ein erfolgreich agierender polnischer Staat von selbst einen starken Assimilationswunsch bei den nichtpolnischen Nationalitäten auslösen.125 Piłsudskis Fixiertheit auf das  – schwer zu definierende und doch stets aufs Neue beschworene – Staatsinteresse, das für ihn gleichbedeutend war mit dem polnischen Nationalinteresse, ließ ihn die Außen- und Militärpolitik sowie die Herstellung stabiler innenpolitischer Verhältnisse mit Vorrang behandeln. Diesen Zielen mussten individuelle oder kollektive Bürgerinteressen nachstehen, weshalb er bereits in der Kabinettssitzung vom 18. August 1926, auf der Młodzianowski seine Abrechnung mit der bisherigen Minderheitenpolitik vornahm, vor einer Überbewertung der Problematik warnte und auf den Vorrang polnischer Staatsinteressen vor weiteren Zugeständnissen verwies.126 Dennoch hellten sich nach dem Staatsstreich die Beziehungen zwischen nationalen Minderheiten und Staat zunächst spürbar auf. Einerseits hatte dies atmosphärische Gründe, da die neuen Machthaber auf chauvinistische Rhetorik bewusst verzichteten. Zum anderen versetzten aber neue politische Richtlinien die regionalen administrativen Organe in die Lage, erweiterte minderheitenpolitische Handlungsspielräume zu erproben.127 Eine neue Regierungspraxis sollte auf unerfüllbare Versprechen verzichten, behördliches Handeln verbessern und rechtsstaatliche Prinzipien stärken. Hauptziel dieser Maßnahmen war die Stärkung der Bindung der Minderheitengruppen an den polnischen Staat.128 Gleichzeitig schob man dringliche politische Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Kultur, Wirtschaft und Soziales auf. Bilaterale Vereinbarungen zwischen Regierungen und einzelnen Minderheitengruppen nach dem Vorbild der Ugoda wurden nicht mehr getroffen. Eine Weiterentwicklung erfuhr ein Instrument der parlamentarischen Ära, nämlich die Bündelung akademischer und fachpolitischer Expertise in speziellen minderheitenpolitischen Fachgremien. Die Sachverständigenkommission wurde mit Leon Wasilewski, Henryk Loewenherz und Tadeusz Hołówko 124 E. Mironowicz, Białorusini i Ukraińcy w polityce obozu piłsudczykowskiego, 9–13. 125 Ebd., 20 und 45. 126 Dokumenty w sprawie polityki narodowościowej władz polskich po przewrocie majowym, 143. 127 Zum »wolhynischen Experiment« Schenke, Nationalstaat und nationale Frage, 217–396; Snyder, Sketches from a Secret War, 60–82. 128 Chojnowski, Koncepcje polityki narodowościowej rządów polskich w latach 1921–1939, 78.

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kompetent neu besetzt, die Sektion des Politischen Komitees durfte fortbestehen und im Innenministerium wurde die Nationalitätenabteilung (Wydział Narodowościowy) als neue Institution eingerichtet.129 Es blieb jedoch eine gewisse Unsicherheit im Umgang von Staatsbediensteten mit Situationen, in denen die Minderheitengruppen sich tatsächlich als eigenständige Gruppe inszenierten. So instruierte das Innenministerium 1931 etwa die Woiwoden über das Verhalten von Staatsdienern beim Absingen von Hymnen der Minderheiten. Maßgebend war demnach der Charakter der Versammlung. Das bedeutete, dass der staatliche Vertreter die Veranstaltung zu verlassen hatte, wenn die Hymne zu »demonstrativen Zwecken« angestimmt würde. Andernfalls sollte er sich ohne ein sonstiges Zeichen der Ehrerbietung erheben.130 Zu den wenigen konkreten Schritten gegenüber den Minderheiten nach 1926 gehörte die Anerkennung der zuvor umstrittenen polnischen Staatszugehörigkeit für jene Juden, die zwischen 1917 und 1919 meist zwangsweise nach Russland emigriert und anschließend nach Polen zurückgekehrt waren.131 Ein zweites Tätigkeitsfeld war der angestrebte Ausgleich mit den Ukra­ inern, der allerdings 1930 in einer Spirale eskalierender Gewalt und Gegengewalt, an der das polnische Militär maßgeblich beteiligt war, fast zerbrach. Der 1935 gefundene Kompromiss mit gemäßigten ukrainischen Akteuren wartete dann wie viele Vorgängerprojekte so lange auf Verwirklichung, bis die ukrainische Vertragsseite das Vertrauen der eigenen Bevölkerung verlor.132 Aufs Ganze gesehen sind gewisse Kontinuitäten der Minderheitenpolitik in der gesamten polnischen Zwischenkriegszeit recht offensichtlich, besonders in ihrer Tendenz, dringend benötigte Lösungen und die Umsetzung erreichter Vereinbarungen auf später zu verschieben.133 Parallel lassen sich unterhalb der Regierungsebene aber durchaus konstruktive Entwicklungen beobachten. Besonders im kommunalen Bereich ergaben sich jenseits landesweiter Tendenzen zahlreiche Felder der Interaktion und Kooperation zwischen Polen und Nichtpolen.134 Die seit der Staatsgründung bestehenden Differenzen zwischen den Bevölkerungsgruppen schwelten indes weiter und wurden punktuell immer wieder sichtbar, etwa bei der Studienplatzvergabe, 129 Ebd., 80–86; Paruch, Od konsolidacji państwowej do konsolidacji narodowej, 137. Besonders Wasilewski und Hołówko sind durch zahlreiche Publikationen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht diskutiert werden können, in Erscheinung getreten. Jabłonowski, Komitet ­Polityczny Rady Ministrów w latach 1921–1926, 295. Zum Wydział Narodowościowy ­Paruch, Od konsolidacji państwowej do konsolidacji narodowej, 134 f. 130 APL, UWL-WSP, sygn. 410, 46, Innenministerium an Woiwoden Lublin, PN.341/tjn., 6. März 1931. 131 Tomaszewski, Wykorzystywanie ignorancji do szerzenia zła, 250. 132 E. Mironowicz, Białorusini i Ukraińcy w polityce obozu piłsudczykowskiego, 181–211. 133 Ebd., 20. 134 Kozińska-Witt / Marcos Silber (Hgg.), Jewish Participation in Municipal Self-Administra­ tions in East-Central Europe (Schwerpunkt).

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der Versorgung der Kriegsinvaliden oder in ethnisch grundierten Konflikten innerhalb von Berufsvereinigungen.135 Verstärkung fanden diese Konfliktlagen mit dem Tod Piłsudskis, mit dem eine sich bereits seit Februar 1934 andeutende neue Phase der konfrontativen Minderheitenpolitik einsetzte.136 Die Innen- und Wirtschaftspolitik der letzten Jahre vor dem Weltkrieg war zwar nicht expressis verbis gegen die nichtpolnische Bevölkerung gerichtet, hatte aber in ihrer Zentriertheit auf die Interessen der Mehrheitsbevölkerung teilweise fatale Auswirkungen auf die Situation der Minderheiten.137 Die Inkorporation nationalistischer Akteure in das Regierungslager verschärfte zudem erneut den innenpolitischen Ton. Dies führte zur Rückkehr des erhitzten nationalistischen Diskurses der Anfangsjahre, der sich auch in konkreter Politik niederschlug. Im Falle der Juden wendeten sich die Verantwortlichen einer neuen Exklusions- und Emigrationspolitik zu. Die Ukrainer bekamen den Abbruch des »wolhynischen Experiments« und die zweite »Pazifikation« Ostgaliziens zu spüren, wie auch die Zerstörung orthodoxer Kirchen in Wol­ hynien und der Region Chełm.138 Dass sie dabei den Eindruck erweckten, Getriebene einer neuen, geradezu antisystemisch auftretenden Generation radikaler Nationaldemokraten zu sein, nahmen Piłsudskis Nachfolger in Kauf. Sie eigneten sich die radikale Sprache der Endecja an, übernahmen selbst zum Teil deren politische Positionen und zeigten sich unbeeindruckt von deren neuen antisemitischen Boykottaktionen oder der Gewaltwelle gegen Juden an den Universitäten und in den Straßen.139 Ein weiteres Kontinuum war, dass Minderheitenpolitik stets auch Außenpolitik war. Das hatte nicht nur der Fall Jabłonna gezeigt, sondern auch Polens angespanntes Verhältnis zu nahezu allen Nachbarstaaten, deren Minderheiten auf dem Gebiet der Zweiten Republik lebten. Neben den Territorialfragen hielt vor allem der Minderheitenschutzvertrag die zwischenstaatlichen Konflikte am Leben. Doch obgleich von ihm im juristischen Bereich einige 135 Natkowska, Numerus clausus, getto ławkowe, numerus nullus, »paragraf aryjski«; Kraft, Europa im Blick der polnischen Juristen; S. Rudnicki, Walka o zmianę ustawy o adwokaturze w II Rzeczypospolitej. 136 Chojnowski, Koncepcje polityki narodowościowej rządów polskich w latach 1921–1939, 196–201. 137 Gröschel, Zwischen Antisemitismus und Modernisierungspolitik. 138 Das »wolhynische Experiment« war der vom Woiwoden Henryk Józewski nach 1930 unternommene Versuch, mithilfe einer nachgiebigen Minderheitenpolitik die ukrainischen politischen Akteure für eine Kooperation mit Polen einzunehmen. Nach dem Tod Piłsudskis verlor Józewski den Rückhalt für diese Politik. Aus Protest gegen das gewaltsame Vorgehen von Armee und Polizei gegen die ukrainische und belarusische Bevölkerung im Sommer 1938 trat Józewski zurück. Snyder, Sketches from a Secret War, 147–167; Schenke, Nationalstaat und nationale Frage, 397–452; A. Mironowicz, Rewindykacja prawosławnych obiektów sakralnych w II Rzeczypospolitej, 96–102. 139 Michlic, Poland’s Threatening Other, 109–130.

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Impulse ausgingen, war er als von den Westmächten erzwungenes Vertragswerk auch eine Belastung im Diskurs über die Minderheiten. Der Historiker Stanisław Kutrzeba, Mitglied der polnischen Delegation in Versailles, schrieb in diesem Zusammenhang von einem Gefühl der Demütigung, »dass diese Verordnungen Polen aufgezwungen wurden, nachdem sie im Geheimen vorbereitet worden waren. Und dass erlaubt wurde, dass sich fremde Faktoren in die inneren Angelegenheiten des Staates mischten.«140 Außerdem erfüllte es Kutrzeba wie viele seiner Zeitgenossen mit Unbehagen, dass jüdische Politiker wie andere Minderheitenvertreter auch versuchten, hinter den Kulissen auf die Vertragsverhandlungen Einfluss zu nehmen.141 Vor diesem Hintergrund war es am Ende wenig überraschend, dass Polen den Minderheitenschutzvertrag aufkündigte, nachdem der deutsch-polnische Nichtangriffsvertrag (1934) seine Westgrenzen zu sichern und das von der deutschen Minderheit ausgehende innenpolitische Konfliktpotenzial einzudämmen schien.142 Das Militär war Teil dieses lediglich grob skizzierten, zuweilen sehr vielstimmigen politisch-diskursiven Umfelds der Minderheitenpolitik in der Zwischenkriegszeit. Die im Kabinett und vielen Gremien zu findenden Vertreter des Kriegsministeriums konnten militärpolitische Argumente in die Minderheitendiskussion hineintragen.143 Nach dem Rigaer Frieden, als die nationale Sicherheitslage solche Debatten erstmals wieder erlaubte und die Märzverfassung sie unabdingbar machte, begann auch im Militär eine ernsthafte Beschäftigung mit der eigenen nationalen und konfessionellen Struktur. Im Laufe des Jahres 1921 erfolgte ein Perspektiv- und Strategiewechsel, der zugleich einen Umbruch im institutionellen Selbstverständnis sowie der Selbstverortung der Streitkräfte innerhalb des polnischen Nationalstaates markierte. Indem die Präsenz von nichtpolnischen Soldaten im Militär als unabwendbare Tatsache akzeptiert wurde, war die Inszenierung der »nationalen« Armee als ethnisch homogene Institution nicht mehr aufrechtzuerhalten.144 Im Juni 1922 sprach Generalstabschef Władysław Sikorski persönlich in einer internen Anordnung an die Korpsbezirkskommandanten von der Transformierung der Streitkräfte von einer National- (armia narodowa)  in eine Staatsarmee (armia państwowa):

140 Kutrzeba, Polska Odrodzona 1914–1928, 144 f. 141 Ebd. 142 Korzec, Polen und der Minderheitenschutzvertrag, 532–555. 143 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 43–53 und 86 f. 144 Ausdruck des neuen Selbstverständnisses waren auch entsprechende Artikel in der Militärpresse, in denen die Anwesenheit von Minderheiten in den Reihen der Armee historisch verortet und als Normalität dargestellt wurde. Vgl. etwa Wacław Tokarz, Mniejszości narodowe w dawnem wojsku naszem, in: Bellona 5 (1922), Bd. 7, H. 1, 57 f.

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»Unsere Verfassungsarmee wird national genannt, was sie in den Jahren 1918, 1919 und 1920 tatsächlich war. Heute aber, mit der Einberufung des fremden Elements, wird sie zwangsläufig zur Staatsarmee. Damit liegen vor den Militärbehörden im Bereich Organisation und Ausbildung eine ganze Reihe Probleme, die schnellstmöglich gelöst werden müssen.«145

Sikorski formulierte hier ein institutionelles Selbstverständnis, das, wie sich zeigen wird, in der militärischen Führungsebene durchaus ernst genommen wurde und unterschiedliche praktische Umsetzungen erfuhr. Der strukturelle Wandel in der Armee führte zwar nicht zu einem sofortigen Wechsel ihrer Selbstwahrnehmung, doch immerhin zu deren Neujustierung wie auch zur Professionalisierung im Umgang mit ethnischer Vielfalt, unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen und kulturellen Prägungen der Soldaten. Auch außerhalb der Armee, beispielsweise im politischen Betrieb, blieb die Sicht auf die Streitkräfte vor allem eine nationale. So beinhaltete das jährlich im Sejm beschlossene Gesetz zur Festlegung der Rekrutenzahl stets die Formel, die »nationale Armee« würde als Bewacherin und Stütze der Unabhängigkeit und Freiheit der Republik »für alle Zeiten der Nation unterstehen«. Im April 1939 wich der Begriff »nationale Armee« zugunsten der Formulierung: »Die Streitkräfte verbleiben für alle Ewigkeit unter der besonderen Fürsorge von Nation und Staat.«146 Die hohe Relevanz der Minderheitenproblematik für Militär und Politik in der Zweiten Republik schlug sich auch in der Aufgabenverteilung und Organisationsstruktur von Kriegsministerium, Generalstab und (ab 1926) Generalinspektorat der Streitkräfte nieder. Der Kriegsminister koordinierte nicht nur die Arbeit von Generalstab und den zehn Korpsbezirkskommandos, wo der Umgang mit nichtpolnischen Rekruten praktisch umgesetzt wurde, sondern hatte als Kabinettsmitglied auch einen Sitz im 1934 beim Ministerrat eingerichteten Komitee für Nationalitätenfragen. Sein Erster Vize­minister kümmerte sich um die Umsetzung der Minderheitenpolitik im Bereich von Organisation, Schulung und Erziehung.147 Im Rahmen des Kriegsministeriums stand zudem noch das für seelsorgerische Betreuung zuständige Büro für Nichtkatholische Konfessionen in direktem Kontakt mit den Minderheitenangehörigen. Die Leitlinien des Umgangs der Armee mit den Minderheiten bestimmte aber seit 1920 die mehrfach erwähnte Abteilung II des Generalstabs (Dwójka) wesentlich mit. Hier war die gesamte nachrichtendienstliche Arbeit der Armee, darunter die Kommunismusabwehr im In- und Ausland, konzen­ 145 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 97. 146 Ebd., 97. 147 Ebd., 79 f.

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triert.148 Bereits 1921 wurde innerhalb der Dwójka ein Nationalitätenreferat (Referat Narodowościowy) eingerichtet, da Kriegsminister Sosnkowski die Arbeit der übrigen Regierungsressorts in diesem Bereich als unzureichend und zudem als ungenügend mit der Armee abgestimmt empfand.149 Allerdings war das Referat lediglich mit der Führung der oben geschilderten Nationalitätenstatistik betraut. Während der Amtszeit Władysław Sikorskis als Generalstabschef durchlief das Nationalitätenreferat im Februar 1922 eine Neustrukturierung in vier Unterabteilungen, die deutsche, die russische, die ukrainische und die belarusische. Juden und Litauer fielen in den Zuständigkeitsbereich des russischen Referats. Über das Liefern nüchterner Statistiken hinaus sollte das Referat, das als Dienststelle unter den Beamten als unattraktiv und anstrengend galt, nunmehr auch alle Lebensbereiche der Minderheiten beobachten. Zu diesem Zweck ging es ethnografischen, politischen, ökonomischen und sozialen Fragestellungen nach.150 Das Referat war nach dem Willen Sikorskis dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Entfaltung der einzelnen Nationalitäten verpflichtet, solange diese den staatlichen Grundinteressen Polens nicht entgegenstanden. Die politische Zielvorstellung war die »vollständige Anlehnung der jeweiligen fremden Nationalität an das polnische Staatswesen«.151 Dies bedeutete auch, dass gegen den Staat gerichtete Strömungen innerhalb der jeweiligen Minderheiten im Inland und ihrer Emigrationsmilieus im Ausland in Zusammenarbeit mit den Zivilbehörden unterdrückt werden mussten.152 Hier verstand sich die Abteilung  II des Generalstabs durchaus als Zuarbeiter des Innenministeriums, das zu Beginn der Republik noch keine adäquaten Strukturen besaß. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt der Dwójka sollte die »politisch-militärische Problematik« bilden. Sie umfasste beispielsweise die Verteilung und Beobachtung von Militärobjekten in den »ethnisch fremden Gebieten« oder Gedankenspiele zur Gründung von Militärorganisationen der Minderheiten mit dem Ziel ihrer »Militarisierung im Geist der polnischen Staatsidee«.153 Hinzu kamen die Analyse der Desertionsraten, die Definierung von Vertei148 Czarnecka, Oddział II Sztabu Głównego (Generalnego) w latach 1921–1939; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 81; Pepłoński, Zwalczanie działalności wywrotowej w Wojsku Polskim w latach 1918–1939. Zur Zusammenarbeit der militärischen Abwehr mit dem konsularischen Dienst Skóra, Służba konsularna Drugiej Rzeczypospolitej, 733–842. 149 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 82. 150 Ebd., 83. 151 Organizacja Referatu Narodowościowego Oddziału II Sztabu Generalnego, L. dz. 2528/II, Inf. F, 28. Februar 1922, hier zit. nach T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 84. Vgl. auch ebd., 121. 152 Ebd. 153 Ebd., 83.

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lungsschlüsseln für die ethnischen Gruppen in einzelnen Truppenteilen sowie die Organisation der Kultur- und Bildungsarbeit. Die eigentliche Zuarbeit für die Berichte des Nationalitätenreferats der Abteilung II leisteten regionale Dienststellen bei den jeweiligen Korpsbezirkskommandos.154 Die umfassende Beobachtung der Minderheiten und die Planung einer aktiven Minderheitenpolitik im Heer verraten viel über das Rollenverständnis des Militärs. Es betrachtete sich nicht nur als Staatsorgan, das die Interessen der Titularnation wahren wie auch die Integrität des Staates schützen musste. Als einzige Institution, in der alle sozialen, ethnischen und konfessionellen Gruppen der Gesamtbevölkerung vertreten waren, sah das Militär die Chance, im Kleinen zu erproben, wie ein Zusammenleben der Ethnien und Klassen organisiert werden könnte, ohne die dominante Position der ethnischen Polen infrage zu stellen. Das daraus resultierende Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen Staatsorganen offenbarte ein Treffen aller Leiter der Regionaldienststellen der Dwójka in den Korpsbezirken im Februar 1922. Die Teilnehmer waren sich darin einig, dass das Innenministerium mit der Minderheitenpolitik überfordert sei, und werteten dies als enormes Gefährdungspotenzial für den Staat. Das Nationalitätenreferat habe sich indessen zu einem »Informationsdepot« für die Regierenden gemausert, sodass Premier Sikorski keinen minderheitenpolitischen Schritt ohne vorherige Konsultation der Abteilung  II unternommen habe. Am Ende des Treffens stand der Entschluss, die detaillierte Beobachtung der Minderheiten bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, an dem das Innenministerium seiner Aufgabe gerecht werden könne.155 Tatsächlich begann das Innenministerium im gleichen Jahr, seine Aktivitäten im Bereich der Minderheitenpolitik zu intensivieren und zu professionalisieren, sodass das Nationalitätenreferat des Generalstabs sein Augenmerk auf die militärisch relevanten Bereiche reduzierte. Verbunden war diese Akzentverschiebung mit einem organisatorischen Umbau. Das Nationalitätenreferat wechselte von der Evidenzabteilung (Wydział Ewidencyjny) in den Zuständigkeitsbereich der Nachrichtendienstlichen Abteilung (Wydział Wywiadowczy) und erhielt zugleich eine stärker geheimdienstliche Ausrichtung. Die Beobachtung der politischen und sozialen Aktivitäten der Minderheiten übernahm von nun an die Politische Abteilung (Wydział Polityczny) des Innenministeriums, das über die Kreiskommandos der Politischen Polizei auch lokal aktiv werden konnte.156 Im Jahr 1925 wurde das Nationalitätenreferat erneut reorganisiert und in die Referate A bis D mit mehreren Unterabteilungen gegliedert (Referat A – 154 Czarnecka, Oddział II Sztabu Głównego (Generalnego) w latach 1921–1939, 67. 155 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2652, L.2523/II Inf. C, Nationalitätenreferat bezüglich der Beratung der Leiter der II. Abteilungen der Korpsbezirkskommandos, 11. Februar 1922. 156 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 84.

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Deutsche und Masuren, Juden, polnische Juden im Ausland, Tschechen; Referat B – Ukrainer, Ukrainer im Ausland, Huzulen; Referat C – Belarusen, Belarusen in der Belarusischen SSR und in der Emigration, Litauer, Slowaken, Tataren; Referat  D  – Russen, russische Emigration in Polen und Ausland). Zugleich wurde eine enge Zusammenarbeit mit dem Büro für Nichtkatholische Konfessionen im Kriegsministerium angekündigt.157 Nach dem Maiumsturz 1926 wurde die Tätigkeit des Referats aufgrund von personellen Streitigkeiten und Konflikten mit der Nationalitätenabteilung des Innenministeriums zunächst gelähmt. Die neuen Machthaber betrauten daraufhin den bisherigen Chef des Nationalitätenreferats, Henryk Suchenek-Suchecki, mit der Leitung der Abteilungen A bis D im Innenressort. Sein Nachfolger in der Dwójka wurde Stanisław Szaliński. Die Versetzung Sucheneks begründete eine enge Zusammenarbeit von Innenministerium, Abteilung  II und den Korpsbezirken, die vor allem den Informationsaustausch ermöglichte.158 Zudem brachte sie eine Professionalisierung der Nationalitätenarbeit des Innenministeriums, über deren bisherige Qualität der neue Chef Suchenek ein eindeutiges Urteil aussprach: »[…] dort gibt es absolut nichts. Material, das sofort zur Beleuchtung von Minderheitenfragen verwendet werden könnte, existiert bislang nicht. Die bisherige Arbeit der Nationalitätenabteilung des Innenministeriums bestand aus der Zeitungslektüre, und auf der Grundlage solchen Materials wurde Nationalitätenpolitik betrieben.«159

Die nun beginnende engere Verzahnung von zivilen Behörden und Militär wurde auch auf regionaler Ebene umgesetzt. Die dortigen Nationalitätenreferate der Dwójka wurden nach dem Putsch als Selbstständige Informationsreferate (Samodzielne Referaty Informacyjne, SRI) der Korpsbezirkskommandos weitergeführt und kooperierten eng mit Polizei und Zivilbehörden.160 1928 wechselte die Abteilung  II, und mit ihr das Nationalitätenreferat, aus dem Zuständigkeitsbereich des Kriegsministers in den des mächtigen Generalinspektorats der Streitkräfte. Nach Piłsudskis Tod wurde die Abteilung dann ins Kriegsministerium transferiert, wo sie weniger Geheimdienst- und militärische Abwehraufgaben erfüllte, sondern die Weisungen des Ministers umsetzte.161 Neben eigenen Erkenntnissen baute die Dwójka auch auf die minderheitenpolitische Expertise externer Institutionen, die sie zum Teil selbst stark unterstützte. Ein besonders prominentes Beispiel ist das bereits erwähnte 157 Ebd., 85. 158 Ebd., 87 f. 159 Meldung an den Chef der II.  Abteilung des Generalstabs, 17. Dezember 1926, zit. nach ebd., 88. 160 Ebd., 89 f. 161 Ebd., 90.

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Insti­tut zur Erforschung von Nationalitätenfragen.162 Im Dezember 1921 hatten etwa ein Dutzend Minderheitenexperten, neben Wakar auch die Historiker Marceli Handelsman und Szymon Askenazy sowie die Politiker Stanisław Thugutt und Tadeusz Hołówko, die Notwendigkeit einer unabhängig von politischen Zyklen arbeitenden Forschungseinrichtung für Minderheitenfragen postuliert und das IBSN ins Leben gerufen.163 Dessen erster Präsident war Leon Wasilewski, einer das prägenden Minderheitenpolitiker der Sozialisten, während ab 1927 der POW-Veteran und Sanacja-Anhänger Stanisław Józef Paprocki die Funktionen des Generalsekretärs und Institutsdirektors innehatte.164 Nach finanziell und organisatorisch schwierigen Anfangsjahren wurde das Institut infolge der veränderten Minderheitenpolitik nach dem Maiputsch neu belebt. Ende der 1920er Jahre präsentierte sich das Institut als politisch wie wissenschaftlich bestens vernetzte Denkfabrik und Vorhalter von Expertenwissen und stand im regen Austausch mit maßgeblichen Entscheidungsträgern in den Ministerien, Parteiführungen und Minderheiten­ eliten.165 Die vom Institut gelieferten Forschungsergebnisse wurden von den verschiedenen mit Minderheiten befassten militärischen Stellen wie auch den zivilen Ministerien aufmerksam rezipiert166 oder gezielt angefordert.167 Der Lubliner Woiwode schrieb seinen Starosten sogar, die IBSN-Zeitschrift Sprawy Narodowościowe (Nationalitätenangelegenheiten) sei »die einzige Fachzeitschrift, die die für den polnischen Staat so enorm bedeutsamen Nationalitätenfragen auf sachliche Weise bespricht«.168 Dass sich das Militär 162 Chojnowski, The Jewish Question in the Work of the Instytut Badań Spraw Narodowościo­ wych in Warsaw, 160; E.  Mironowicz, Białorusini i Ukraińcy w polityce obozu piłsudczykowskiego, 212 f.; Stach, The Institute for Nationality Research. Zu den zahlreichen Publikationen des Instituts zählte die Zeitschrift Sprawy Narodowościowe (Nationalitätenangelegenheiten), die von 1927 bis 1939 in Warschau erschien. 163 BUWGR, Korespondencja Stanisława Stempowskiego z różnymi instytucjami z lat 1919–1951, sygn. 1562, 43 f., Sprawozdanie z zebrań w sprawie Instytutu badania spraw narodowościowych w Polsce. 164 Chojnowski, The Jewish Question in the Work of the Instytut Badań Spraw Narodowościowych in Warsaw, 160; Loessner, Politische Forschung in Polen III, 281 f. 165 Vgl. beispielsweise die Zusammenkünfte anlässlich des Minderheitenkongresses in Genf (1929), zu denen u. a. Suchenek-Suchecki und Paprocki anwesend waren. CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2681, ab 407 und 430. Vgl. auch AAN, MSZ, sygn. 2354, 40. Als Überblicksdarstellung zu Mitgliedern, Aktivitäten und Vernetzung des IBSN Boruta, Instytut Badań Spraw Narodowościowych (1921–1939). 166 CAW, BI GISZ, sygn. I.303.4.120, 36–109, Wiktor Ormicki, W sprawie planu rolniczego osadnictwa wewnętrznego na wschodzie Polski (1937); ebd., sygn. I.303.4.2686, passim; ebd., sygn. I.303.4.5670, Program badań emigracji żydowskiej; ebd., sygn. I.303.4.5561, passim; ebd., sygn. I.303.4.5723, passim. 167 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.412, 22–25, Kostenvoranschlag IBSN für Sprachenkarte der Ostgebiete. 168 APL, UWL-WSP, sygn. 410, L.6207/B. P., 31, Wojewoda Lubelski an Starosten, 7. Dezember 1928.

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auch in diesem Institut Einfluss verschaffte, verdeutlicht der ungewöhnliche Umstand, dass eine Institutsberatung zur Politik in den Ostgebieten im Oktober 1937 von Kriegsminister Kasprzycki geleitet wurde.169 Neben dem IBSN unterstützte die Abteilung  II vor allem das Wissenschaftliche Forschungsinstitut für Osteuropa (Instytut Naukowo-Badawczy Europy Wschodniej), das Ost-Institut (Instytut Wschodni) sowie die Polnisch-Ukrainische Gesellschaft (Towarzystwo Polsko-Ukraińskie).170 Eine der wichtigsten Aufgaben der mit den Minderheiten befassten Militärbehörden war stets die statistische Erfassung der Nationalitätenstruktur der Wehrpflichtigen sowie der tatsächlich ausgehobenen Rekruten, was die Grundlage für jegliche minderheitenpolitische Maßnahme des Militärs bildete. Ein erster umfassender Schritt in diese Richtung war eine Bestandsaufnahme, welche die Armeeführung nach der Einberufung des ersten Rekrutenjahrgangs im Dezember 1921 vornahm. Die Verantwortlichen verlangten nach verlässlichen statistischen Daten über Stärke, Struktur und Verteilung der einzelnen Minderheitengruppen innerhalb des Heeres.171 Das Ergebnis der vom Nationalitätenreferat der Dwójka vorgenommenen Erhebung war der Bericht Obce narodowości w Wojsku Polskim (Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee), ein Schlüsseldokument zum Verständnis des Umgangs mit ethnisch nichtpolnischen Gruppen in den Streitkräften.172 Der sprechende Titel des Berichts offenbart die Unsicherheit innerhalb des Militärs über die neue Situation. Das Interesse an belastbaren Zahlen diente angesichts der »Fremden« in den eigenen Reihen auch der Selbstvergewisserung vor allem der eigenen  – polnischen  – zahlenmäßigen Überlegenheit, hatte aber auch den Zweck, den Minderheitenanteil in einem scheinbar vertretbaren Ausmaß zu halten.173 Erste Versuche einer Minderheitenstatistik wurden bereits im September 1919 unternommen, als Offiziere der Dwójka begannen, von den Starosten und Polizeibehörden Informationen über die ethnische und konfessionelle

169 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.12, 39. 170 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.5418, passim, Berichte des Nationalitätenreferats der Abteilung II (1929–1935). Vgl. auch CAW, Oddz. II SG, I.303.4.5539, passim; Kornat, Instytut naukowo-badawczy Europy Wschodniej w Wilnie (1930–1939) i jego wkład w rozwój polskiej sowietologii; Maj, Działalność Instytutu Wschodniego w Warszawie 1926–1939, ab 79. 171 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 96. 172 Der Bericht Obce narodowości w Wojsku Polskim ist in mehreren Exemplaren erhalten, u. a. in CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2657. Er liegt zudem in gedruckter Form vor. Mniejszości narodowe w Wojsku Polskim w 1922 roku, 12–50. 173 Vgl. die aufwendigen Statistiken für 1923 und 1926/27. CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2662, 2663, 2665 und 2666.

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Struktur ihrer jeweiligen Zuständigkeitsbereiche einzuholen.174 Zur Jahreswende 1919/20 wurden in einzelnen Einheiten sowie in den Kriegsgefangenenlagern Konfessionsstatistiken erstellt, um die Seelsorge der Soldaten beziehungsweise Internierten organisieren zu können.175 Im Bereich des Generalbezirks Warschau wurden Mitte Juli 1920, also unmittelbar vor dem Jabłonna-Befehl, sogenannte Konfessionsverzeichnisse angelegt.176 Neben den zahlenmäßigen Proportionen von Polen und Nichtpolen in der Armee lag für die militärischen Entscheidungsträger das Hauptproblem der Minderheitenfrage in der Schwierigkeit einer verlässlichen nationalen Zuordnung der Bewohner Polens begründet. Die Musterungsstellen waren dazu oft nicht in der Lage, selbst wenn die Rekruten Angaben über ihre nationale Selbstzuschreibung, Konfession oder Sprache machten.177 Vor den gleichen Herausforderungen standen auch die Zivilbehörden, die seit 1921 im Abstand von je einer Dekade eine Volkszählung durchzuführen hatten, um den Anteil der Minderheiten möglichst exakt zu ermitteln.178 Dies war angesichts fluider nationaler Selbstzuschreibungen eines guten Teils der Einwohner praktisch unmöglich. Die Daten aus den Volkszählungen waren höchst unzuverlässig, da sie oft auf Schätzungen beruhten, unter Druck zustande kamen oder zugunsten des polnischen Bevölkerungsteils manipuliert wurden. Erschwerend kam hinzu, dass in den Kriegswirren viele Dokumente in den östlichen Landesteilen verloren gegangen waren und Kirchenbücher und Geburtsstatistiken von den Geistlichen und Lokalbehörden oft ungenau geführt wurden.179 Zudem mangelte es an verbindlichen Kriterien für die Definition der nationalen Zugehörigkeit. Erst 1936 wurden Forderungen laut, dass die Nationalität nicht mehr aufgrund von Selbst­ deklaration, sondern nach vorgeblich objektiven Parametern bestimmt werden sollte.180 Damit war die Problematik der nationalen Kategorisierung der Rekruten keineswegs beseitigt. Situationen wie im Kreis Słonim im Brester Korpsbezirk waren durchaus kein Einzelfall. Das dortige Kreisergänzungsamt meldete in seinem Zuständigkeitsbereich für das Jahr 1921 15 Prozent 174 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 121. 175 CAW, Oddz. I NDWP, sygn. I.303.7.274, passim. 176 CAW, Rozkazy Dowództwa Okręgu Generalnego Warszawskiego, poz. 248, Offiziersbefehl L.114, 22. Juli 1920; ebd., poz. 409, Offiziersbefehl L.135, 14. September 1920. 177 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 97. 178 Tomaszewski, Ojczyzna nie tylko Polaków, 50; ders., Mniejszości narodowe w Polsce XX  wieku, 23. Mit einer 1922 angestrengten landesweiten Zählung von nichtpolnischen Staatsdienern gab es auch in der Zivilverwaltung den Versuch, den Minderheitenanteil genau zu beziffern; APL, UWL-WSP, sygn. 403, 7, Rundschreiben Nr. 232, 24. Mai 1922. 179 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 77. 180 Ebd., 100.

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

231

Polen und 85 Prozent Belarusen  – Juden wurden in diesem Jahr nicht als eigene Gruppe gezählt. Ein Jahrzehnt später wurde der Anteil der Polen mit 66 Prozent angegeben, zu denen auch ein Teil der Belarusen und die Juden gerechnet wurden.181 Die evidente Ungenauigkeit des von Zivilbeamten erhobenen Datenmaterials, das ohnehin erst nach einer zeitintensiven Bearbeitung durch das Statistikhauptamt zur Verfügung stand, bewegte die Armee zu eigenen bevölkerungsstatistischen Untersuchungen.182 Freilich kämpften die Berichterstatter des Militärs mit genau denselben Schwierigkeiten wie ihre zivilen Kollegen. Dementsprechend ungenau und fehlerbehaftet sind auch die Angaben im Nationalitätenbericht von 1922. Aus einigen Gebieten erhielt man nur unvollständige Daten. Die eindeutige nationale Kategorisierung fiel den Musterungsbeamten zudem enorm schwer, weil im Vorfeld keine klaren Kriterien ausgearbeitet worden waren.183 In einer Dienstanweisung des Nationalitätenreferats für die zuständigen Stellen wurde sogar davor gewarnt, Soldaten direkt zu ihrer Nationalität zu befragen, um deren oft noch ungefestigtes Nationalbewusstsein nicht zu stärken. Anstelle offizieller Untersuchungen sollten daher die bereits bekannten Angaben zu Konfession und Muttersprache die Grundlage für die endgültige nationale Zuordnung der Rekruten bilden, wobei das Nationalitätenreferat ausdrücklich darauf verwies, dass die religiöse nicht mit der nationalen Zugehörigkeit gleichzusetzen sei. Die Existenz katholischer Deutscher und griechisch-katholischer oder jüdischer Polen wurde ausdrücklich hervorgehoben.184 So wurden die für die Erhebung der Nationalitätenstatistik zuständigen Mitarbeiter zwar für die Komplexität ihrer Aufgabe sensibilisiert, einen praktikablen Handlungsleitfaden bot ihnen die Dienstanweisung jedoch nicht. In den Folgejahren verringerten sich die Probleme bei der zahlenmäßigen Erfassung von ethnischen Nichtpolen keineswegs, besonders wenn diese sich den bekannten ethno-religiösen Rastern entzogen. Einem streng vertrau­ lichen Bericht der Abteilung II von Mai 1925 zufolge wurden 1657 orthodoxe, 1 423 evangelische, 1 035 jüdische und 939 griechisch-katholische Rekruten gezählt, die sich selbst als Polen bezeichneten. Im Fall der evangelischen Christen wurde dies nicht als Problem betrachtet, doch bei den übrigen Konfessionen ging man davon aus, dass diese aus irgendeinem möglicherweise 181 Ebd., 21. 182 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 20. 183 Mniejszości narodowe w Wojsku Polskim w 1922 roku, 12 f. 184 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2652, L.2523/II Inf. C., 6 f., Nationalitätenreferat über die Beratung der Leiter der II. Abteilungen der DOK, 11. Februar 1922. Vgl. auch die undatierte Denkschrift Mniejszości narodowe (wahrscheinlich nach 1925), in: CAW, Dowództwo Okręgów Korpusów, sygn. I.370.1.47.

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gefährlichen Grund nicht Russe, Jude oder Ruthene sein wollten. Darüber hinaus deklarierten sich noch 13 Soldaten als Ruthenen und sieben als Ukrainer jüdischen Glaubens.185 Als sich das IBSN der Inkongruenzen von nationalem Bekenntnis und zugeschriebener Konfession annahm, taxierte es in einer Studie die »polnische Bevölkerung fremden Bekenntnisses« in Ostgalizien auf 10,6 Prozent, davon 3,2 Prozent Juden und 7,4 Prozent Christen. Die Untersuchung stellte heraus, dass seit 1910 der Anteil der sich zum Polentum bekennenden Juden durch »Dissimilation« unaufhörlich zurückging, während aufgrund der »Assimilation« ruthenischer Stadtbewohner der Anteil nichtkatholischer, aber christlicher Polen angestiegen war.186 Der Verwaltungschef der Armee ordnete im Januar 1927 die Erfassung der konfessionellen Struktur an. Dabei wurden nicht die Angaben aus den Evidenzbüchern herangezogen. Vielmehr sollten alle Soldaten in den jeweiligen Einheiten antreten und ihre Konfession aus mehreren vorgegebenen benennen.187 1929 legte dann das Departement für Personalergänzung (Departa­ment Uzupełnień) im Kriegsministerium einheitliche und verbindliche Regeln für die nationale Kategorisierung der Rekruten fest. Diese Regeln besagten, dass bei der Anfertigung der Rekrutenregister durch die Dorfschulzen oder andere Lokalbeamte die Nationalität festzustellen, von der Musterungskommission hingegen die Muttersprache zu erfragen sei. Als Muttersprache galt die zu Hause gesprochene Sprache.188 Auch diese Praxis bewährte sich nicht, da die Angaben naturgemäß nicht deckungsgleich waren. Zu viele Rekruten fühlten sich einer Nation nominell zugehörig, deren Sprache sie aber nicht als Muttersprache betrachteten, oder waren überhaupt nicht imstande, sich selbst national zu definieren.189 Häufig gaben Rekruten nicht aus Unwissenheit, sondern in der Hoffnung auf eine bessere Behandlung als Nationalität die polnische an. Die geltenden Prozeduren erleichterten hierbei Manipulationen. Aufgrund der zahlreichen Ungereimtheiten und des Misstrauens gegenüber den oft nichtpolnischen Dorfschulzen lag ab 1932 die endgültige nationale Zuordnung der Rekruten in der Verantwortung der Kreisergänzungsämter (Powiatowe Komendy Uzupełnień, PKU).190 185 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2659, 269–298, Sytuacja narodowościowa w Państwie, 15. Mai 1925. 186 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.12, Ludność polska »obcych wyznań« w Małopolsce Wschodniej, o. D. [nach 1931]. 187 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2663, 49–51, Verwaltungschef der Armee an die DOK, Grenzschutzkorps und Flotte, 26. Januar 1927. 188 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 100. 189 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 77 f. 190 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 101.

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

233

Die Schwierigkeiten wurden mit den immer neuen Regeln keinesfalls geringer. Die größten Probleme traten bei den griechisch-katholischen und russisch-orthodoxen Rekruten auf. So bezeichneten sich viele vorgebliche Belarusen eigentlich als Poleschuken (Poleszucy – Bewohner der Region Polesie) oder schlicht als »Hiesige« (tutejsi bzw. miejscowi). Ein kleiner Teil von ihnen war römisch-katholischer Konfession und wurde trotz seines polnischen Selbstverständnisses als Belarusen registriert. Als Ukrainer galten ursprünglich alle übrigen griechisch-katholischen beziehungsweise russisch-orthodoxen Ostslawen, darunter auch die regionalen Gruppen der Huzulen, Lemken, Bojken und Karpatorussinen. Bereits seit 1925 unterteilte das Militär diese Gruppe in Ruthenen (Rusini) – die Bewohner Ostgaliziens und des Karpatenvorlandes – und die wolhynischen Ukrainer (Ukraińcy).191 Ziel dieser Maßnahme war es, die als loyal und wenig nationalbewusst erlebten wolhynischen Ukrainer von den als irredentistisch, unzuverlässig und äußeren politischen Einflüssen ausgesetzt geltenden ostgalizischen »Ruthenen« zu isolieren. 1935 ging das Departement für Personalergänzung dazu über, zusätzlich zur Muttersprache und Nationalität auch die Konfession und den Wohnort der Rekruten zu erfassen. Ein besonderes Gewicht kam bei der Bewertung dieser Angaben wieder der Muttersprache zu, die letztlich meist über die Zuordnung der Rekruten entschied. Allerdings wurde die nationale Selbstdeklaration unterschiedlich bewertet. So akzeptierten die Musterungs­beamten bei Deutschen eine einfache Selbstauskunft über die Zugehörigkeit zur polnischen oder deutschen Nation. Die griechisch-katholischen und russisch-orthodoxen Rekruten aus Ostgalizien fielen dagegen ungeachtet dessen, welche Nationalität sie angaben, in die Kategorie »Ruthene«. Zu den Belarusen zählten nunmehr alle Katholiken und Orthodoxen, die sich als Belarusen, Poleschuken oder »Hiesige« deklarierten. Der Umgang mit Juden war von einer ähnlichen Skepsis geprägt und es war in ihrem Fall die Konfession, die über die nationale Einordnung entschied. Sie wurden auch dann zur jüdischen Glaubensgemeinschaft gezählt, wenn sie sich als konfessionslos bezeichneten. Vor allem aber wurden Juden, die sich als Polen verstanden, weiter als Juden klassifiziert, was ihre Chancen auf eine militärische Karriere minimierte (Abb. 6 und 7).192 Auch nach der Reform der Musterungsbestimmungen herrschten bei der nationalen Kategorisierung der Rekruten Unklarheiten. Die Musterungs191 Die Separierung beider Gruppen innerhalb der Truppen wurde bereits seit 1923 praktiziert. Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 79; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 106. 192 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 78 f.; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 101 f.

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Abb. 6 und 7: Militärausweis von Szymon Grynberg mit Angaben zur Religion und Muttersprache. Quelle: Military pass (książeczka wojskowa)  of Szymon Grynberg, ­deposit in the collection of POLIN Museum of the History of Polish Jews.

beamten mussten oft lange im Regelwerk suchen, um eine vorschriftsmäßige Entscheidung zu treffen, zumal am Ende der faktische Personalstand dem vorher festgelegten Nationalitätenschlüssel entsprechen musste und sie schnell lernten, sich den Erwartungen der vorgesetzten Stellen anzupassen. Daher wurden die Bestimmungen oft sehr frei ausgelegt und die Gemusterten nicht selten je nach Bedarf einer bestimmten Nationalität zugeordnet. Bei Kontrollen der Kreisergänzungsämter durch das Departement für Personalergänzung stellte sich beispielsweise heraus, dass in Lodz alle Deutschen und Juden des Jahrgangs 1911 als Polen, in Bochnia (Salzberg) und Brest Juden als römisch-katholisch und im Kreis Dobromil (Dobromyl’) Juden generell als Polen klassifiziert wurden.193 In der Folge wurden die PKU angehalten, noch mehr Informationen über die Rekruten bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, nämlich die Herkunft der Eltern, den physischen und psychischen Zustand des Gemusterten, die Lebensbedingungen und Berufsstruktur im Herkunftsort, die dort herrschenden Beziehungen zwischen den Nationali193 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 102. Auch im Bereich der Militärkartografie wurde der polnische Bevölkerungsanteil möglichst vorteilhaft dargestellt. Ebd., 21. 

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

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täten und deren Loyalität zu Polen. Schließlich sollte der Beamte sogar ermitteln, ob bestimmte Rekruten sich wegen persönlicher Vorteile als Polen deklarierten.194 Die Musterungsbehörden gingen aber nicht so weit wie das Statistikhauptamt (1931) oder das IBSN (1937), die im Streben nach wissenschaftlicher Genauigkeit zusätzlich die nationale Fremdzuschreibung durch Dritte zu erfassen versuchten. Beide Institutionen scheiterten auch mit dieser Methode, wichen doch ihre Angaben durchschnittlich um rund 24 Prozent voneinander ab.195 Die wahrscheinlich letzten Richtlinien für die Feststellung des Minderheitenanteils vor dem Zweiten Weltkrieg formulierte Generalstabschef Wacław Stachiewicz in einem Referat im Mai 1938.196 Danach sollten zunächst bei Einberufung – wie schon seit 1934 praktiziert197 – die üblichen Dokumente (Personalausweis, Einberufungsliste, Evidenzbogen) vom Kommissionsvorsitzenden nach den Auskünften der Rekruten ausgefüllt werden. Entscheidend bei der abschließenden Bewertung der nationalen Zugehörigkeit war aber die Einschätzung des Kommissionsvorsitzenden, der aus den Angaben zu Konfession, Muttersprache und Wohnort die »wirkliche« Nationalität ableiten sollte. Dabei, so der Referent, wären letztlich vier Gruppen von Rekruten auszumachen: 1. Polen; 2. Personen, die sich zwar als Polen bezeichnen, aber Polnisch nicht als Muttersprache sprechen beziehungsweise jüdischen Glaubens sind; 3. Angehörige nationaler Minderheiten; 4. Personen, die eine ethnische Gruppe oder die Bezeichnung »Hiesiger« als ihre Nationalität angeben.198 Aus den im Referat gemachten Vorschlägen ergeben sich gewisse Richtlinien für die nationale Zuordnung der Rekruten (Tab. 1). Es waren lediglich die Juden, bei denen ausschließlich die konfessionelle Herkunft über die zugewiesene nationale Kategorie entschied. Nach Stachiewicz sollten Juden, die sich als Polen betrachteten, dem jüdischen Kontingent zugeordnet werden.199 Das statische System konnte allerdings

194 Ebd., 103. 195 Ebd., 23. Allerdings ging der Generalstab in den 1930er Jahren gegen Publikationen von Daten und insbesondere Karten vor, in denen der polnische Bevölkerungsanteil »ungünstig« dargestellt wurde. Ebd., 24 f. 196 CAW, Oddz. I SG, sygn. I.303.3.437, L.584/tj, Ustalanie narodowości. Das Referat wurde von Oberst Bereśniewicz ausgearbeitet. 197 Ebd., Anhang  2, Nr. 386/tjn. Wojsk, Innenminister Pieracki an die Woiwoden, 7. April 1934. 198 Ebd., L.584/tj., Ustalanie narodowości. 199 Ebd. In diesem Zusammenhang ist die Bemerkung in einer undatierten, um 1925 entstandenen Denkschrift zur Minderheitenpolitik interessant, die festgestellte Gesamtzahl von 2,7 Millionen in Polen lebenden Juden sei aufgrund der hohen Zahl von »nur polnisch sprechenden« und zur polnischen Nationalität gezählten Juden auf 3 Millionen zu korrigieren. CAW, DOK, I.370.1.47, Die Minderheiten in Polen.

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»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Tab. 1: Richtlinien zur Feststellung des Minderheitenanteils (1938) Vom Rekruten deklarierte Nationalität

Konfession

Vom Rekruten angegebene Muttersprache

Von der Musterungsbehörde festzustellende Nationalität

Zusätzlich in statistischen Aufstellungen auszuweisende Angaben

Polnisch

römischkatholisch, griechischkatholisch, russischorthodox, evangelisch

Polnisch

Polnisch

keine Angabe

keine Angabe

römischkatholisch, griechischkatholisch, russischorthodox

Ruthenisch, Belarusisch, Poleschukisch, »hiesig«, »örtlich«, »einfache Sprache«

Ruthenisch oder Belarusisch (abhängig vom Wohnort)

davon Anzahl der selbst deklarierten Polen

Polnisch

jüdisch

keine Angabe

Jüdisch

davon Anzahl der selbst deklarierten Polen

Ruthenisch, Ukrainisch, Huzulisch, Lemkisch, Bojkisch

griechischkatholisch, russischorthodox

keine Angabe

Ruthenisch

davon Anzahl der selbst deklarierten Ukrainer, Huzulen, Lemken oder Bojken

Belarusisch, Poleschukisch (im OK III und IX auch »Hiesige« bzw. »Örtliche«)

römischkatholisch, russischorthodox, Anhänger von Sekten

keine Angabe

Belarusisch

davon Anzahl der selbst deklarierten Poleschuken oder »Hiesigen«

keine Angabe

jüdisch

keine Angabe

Jüdisch

davon Anzahl der selbst deklarierten Polen

Deutsch

keine Angabe

keine Angabe

Deutsch

keine Angabe

Russisch, Tschechisch, Tatarisch, Karäisch, Litauisch u. a.

keine Angabe

keine Angabe

Andere

davon Anzahl der selbst deklarierten Litauer

Basierend auf dem Vortrag Ustalanie narodowości [Feststellung der Nationalität] von Generalstabschef Wacław Stachiewicz, Mai 1938. Quelle: CAW, Oddz. I SG, sygn. I.303.3.437, L.584/tj.

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

237

unterlaufen werden, indem die Rekruten eine Änderung ihrer Nationalität beantragten, was der Genehmigungspflicht der Zivilbehörden unterlag.200 Über diese Möglichkeit berichtete der Schriftsteller Kazimierz Brandys, in dessen Familie das Ideal des »Polen jüdischen Glaubens« seit Generationen gepflegt worden war. Eingezogen zum Militärdienst, wurde seine Nationalität unwissentlich als jüdisch registriert. Als er davon erfuhr, legte er bei seinem Vorgesetzten erfolgreich Widerspruch ein: »Ich verstand […], dass dies nicht nur meine Angelegenheit war, sondern auch die Angelegenheit meiner Großmutter Anna Szykierowa geb. Brandys, Soldatin des Januaraufstands, und auch des Onkels meines Vaters, Henryk Wohl, Minister in der Regierung Romuald Traugutts und zweier meiner Onkel, Offiziere der Legionen Piłsudskis, wie auch all derer, an die sich der Oberbefehlshaber Kościuszko in seinem Aufruf als Polen mosaischen Bekenntnisses wandte.«201

Brandys’ Vorgesetzter in der Armee vermochte allerdings aus dessen Beharren auf der Registrierung als Pole lediglich Scham über die eigenen Wurzeln zu erkennen; mehrdeutige Identitätskonstrukte waren in seinen bipolaren nationalen Kategorien offensichtlich nicht denkbar. Betrachtet man nun die vom Militär aufgestellten Statistiken, kann man trotz des Wissens um deren Ungenauigkeit einige grundlegende Tendenzen erkennen (Tab. 2). Der Anteil aller Nichtpolen in den Streitkräften lag im Mittel bei etwa einem Fünftel, also deutlich unter der in den Volkszählungen errechneten Quote an der Gesamtbevölkerung. Extremwerte wie im Jahr 1923, als die Pariser Botschafterkonferenz die Zugehörigkeit Ostgaliziens zu Polen anerkannte und der Minderheitenanteil bei den Rekruten auf fast 34 Prozent stieg, wurden schnell wieder ausgeglichen. Auch der Anteil der Juden lag mit knapp 5 Prozent unter ihrem offiziell auf 8 Prozent bezifferten Bevölkerungsanteil. Die hier angeführten Zahlen, die sowohl die konfessionelle als auch die nationale Zugehörigkeit der Soldaten abbilden, verdeutlichen Kongruenzen zwischen beiden Kategorien, aber keineswegs eine Deckungsgleichheit. Beispielsweise wurde bei 2,7 Prozent der Militärangehörigen die jüdische Nationalität festgestellt, während sich aber 3 Prozent zur jüdischen Religion bekannten. Im Ringen um eine adäquate Minderheitenpolitik des Militärs sollten ethnische Nichtpolen aber nicht nur als solche identifiziert und quantifiziert werden. Es galt auch, diese Gruppen in einem Wertesystem zu kategorisieren und deren militärische Eignung, politische Zuverlässigkeit und staatsbürger200 CAW, Oddz. I SG, sygn. I.303.3.437, L.584/tj., Ustalanie narodowości; ebd., Anh. 2, L.80/ tj.35. org., Departement für Personalergänzung des MSWojsk an alle DOK, 12. Februar 1935; ebd., Anh.  3, MSW Nr. 288/tjn.Wojsk, Innenminister an Woiwoden und Departement für Personalergänzung, 11. März 1935. 201 Brandys, Moje przygody z wojskiem, 63.

2.676 1,05 %

2.731 1,07 % 288 0,11 %

241 0,09 %

1.834 0,85 %

2.424 1,13 %

224 0,10 %

Juden

Deutsche

Russen

56.675

16,55 %

Gesamtzahl Angehöriger von Minderheiten

Anteil der Minderheiten

18,97 %

40.847

33,89 %

86.606

255.551

1924

22,25 %

40.043

179.941

4 0,00 %

72 0,04 %

866 0,48 % 210 0,12 %

2.178 1,21 %

7.254 4,03 %

9.435 5,24 %

20.024 11,13 %

77,75 %

139.898

1925

20,44 %

47.722

233.447

1.743 0,75 %

2.943 1,26 %

9.963 4,27 %

11.987 5,13 %

21.086 9,03 %

79,56 %

185.725

1926

20,48 %

38.731

189.128

1.055 0,56 %

2.990 1,58 %

8.312 4,39 %

9.259 4,90 %

17.115 9,05 %

79,52 %

150.397

1927

27,69 %

58.604

211.676

1.529 0,72 %

4.237 2,00 %

9.939 4,70 %

17.065 8,06 %

25.834 12,20 %

72,31 %

153.072

1930

20,45 %

61.761

302.018

1.127 0,37 %

5.082 1,68 %

9.688 3,21 %

14.228 4,71 %

31.636 10,47 %

79,55 %

240.257

1931

18,39 %

35.210

191.473

35.210 18,39 %

81,61 %

156.263

Quelle: Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 120.

342.525

Personalstärke der Armee gesamt

Andere

Tschechen

215.290

13.052 5,11 %

8.955 4,16 %

Belarusen

63 0,02 %

24.294 9,51 %

12.524 5,82 %

Ukrainer

56.675 16,55 %

43.261 16,93 %

Litauer

66,11 %

14.886 6,91 %

83,45 %

1923

168.945

81,03 %

Polen

1922

174.443

1921

285.850

Tab. 2: Nationalitätenstruktur der polnischen Streitkräfte 1936

23,61 %

48.263

204.379

955 0,47 %

1.960 0,96 %

12.169 5,95 %

10.213 5,00 %

22.966 11,24 %

76,39 %

156.116

1937

24,77 %

50.818

205.128

895 0,44 %

1.608 0,78 %

13.430 6,55 %

10.566 5,15 %

24.319 11,86 %

75,23 %

154.310

1938

25,19 %

39.546

156.968

746 0,48 %

2.166 1,38 %

9.519 6,06 %

11.386 7,25 %

15.729 10,02 %

74,81 %

117.422

238 »Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

239

liche Loyalität einzuschätzen. Es gab mehrere Ansätze einer groben Kategorisierung der einzelnen Nationalitäten, die zu einem besseren Verständnis der inneren Dynamik und Interessen dieser Gruppen führen sollten. Eine undatierte, wahrscheinlich 1925/26 innerhalb der Armee verfasste Denkschrift über die nationalen Minoritäten Polens teilte diese in zwei Gruppen ein, nämlich in staatenlose und staatsbildende Minderheiten (mniejszości bezpaństwowe bzw. państwowe). Erstere, zu denen der unbekannte Autor neben Juden und Tartaren die ostslawischen Bevölkerungsgruppen zählte, strebten demnach in der Konsequenz nach einem eigenen Staat und waren damit für Polen umso gefährlicher. Das Verhalten der zweiten, Deutsche, Tschechen und Litauer umfassenden Gruppe orientierte sich hingegen stark an den Beziehungen Polens zu ihren »Mutterländern«, der Situation der dort lebenden polnischen Minderheit wie auch der geografischen Lage ihres Siedlungsgebietes.202 Weitverbreiteter war bei den polnischen Behörden aber die Unterscheidung von »territorialen« und »exterritorialen« Minderheiten (mniejszości terytorialne bzw. eksterytorialne). Territoriale Nationalitäten siedelten demnach in genau abgegrenzten Gebieten, wo sie oft die autochthone Bevölkerungsmehrheit stellten. Das Siedlungsgebiet der exterritorialen Minderheiten war hingegen weder geschlossen noch geografisch genau einzugrenzen. Damit wurde de facto eine Einteilung in Juden und die übrigen Minderheiten vorgenommen, denn außer versprengten deutschen Gruppen in Zentral- und Ostpolen lebten die übrigen Minderheiten vorrangig in klar definierbaren Regionen.203 Eine weitere Kategorie wurde in den Regionalbevölkerungen Masurens, Kaschubiens und Schlesiens mit einem eigenen kulturellen oder ethnischen Selbstverständnis gesehen. Da man deren uneindeutige nationale Selbstzuschreibung als Folge der Assimilierungspolitik der Teilungsmächte betrachtete, wurden sie als »Pseudo-Nationalitäten« bezeichnet. Es lag, so der Wortlaut einer internen Anweisung der Dwójka, im polnischen Interesse, dass »diese Gebilde zu existieren aufhören und nur noch eine Besonderheit innerhalb der einheitlichen polnischen Nationalität darstellen«.204 Viel wichtiger als all diese grobmaschigen Einordnungen war für das Militär aber die Einschätzung der Diensttauglichkeit der einzelnen Minderheiten-

202 CAW, DOK, sygn. I.370.1.47, 4 f., Mniejszości narodowe w Polsce. 203 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2653, 81, Protokoll einer Konferenz von Armee- und Regierungsvertretern über die Minderheiten in der Abteilung II, 6. Mai 1925; CAW, WINO, sygn. I.300.68.95, 114v, Kurs nauki obywatelskiej. Życie polityczne i społeczne, opracował dr Al. Hertz, zeszyt V. Von der eigenen »exterritorialen Situation« war auch unter Juden die Rede. Vgl. N. Szwalbe, in: Tygodnik Żydowski, 6. Februar 1920, 1. 204 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2663 (zugleich sygn. 2654), Anweisung an die II. Stabsabteilungen der DOK in Nationalitätenangelegenheiten, o. D. Vgl. auch ebd., Oddz. II, sygn. I.303.4.2652, L.3422; ebd., sygn. I.303.4.2651, 83v.

240

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

gruppen. Während für die mit Aushebung und Verteilung des Personals beschäftigten Stellen die physische, psychische und charakterliche Eignung und der Bildungsstand von vorrangigem Interesse waren, interessierte sich die Dwójka besonders für politische Vorlieben und Loyalitäten der Minderheiten. Die hierfür notwendigen Informationen wurden auf PKU- beziehungsweise Garnisonsebene gesammelt. Die Abteilungen  II in den DOK (später die SRI) fassten die Informationen zusammen und leiteten sie an die Dwójka weiter. Die hierbei entstandenen »Nationalitätenberichte« sind in Ermangelung von Alternativen eine ebenso unverzichtbare wie problematische Quelle. Von 1921 bis 1939 meist im Quartals- und Jahresrhythmus erstellt, enthalten die Berichte zahlreiche Informationen zum Alltagsleben in den Kasernen und zu den vorherrschenden Vorstellungen über die nationalen Minderheiten. Zugleich aber ist bei vielen Verfassern die Tendenz spürbar, sich der lästigen Aufgabe des Berichteschreibens schnell zu entlegen, weshalb sich formelhafte wie auch pauschale Formulierungen wiederholen. Es ist zudem sehr wahrscheinlich, dass der Inhalt der Berichte den Erwartungshaltungen der Vorgesetzten angepasst wurde, um keine kritischen Nachfragen über die eigenen Einheiten zu provozieren. Die mangelnde Qualität der Berichte wurde selbst in den Selbstständigen Informationsreferaten thematisiert, die auf eine gewissenhafte Zuarbeit der Garnisonskommandanten angewiesen waren. Der Lubliner SRI beschwerte sich im Februar 1939 darüber, dass die häufig zu spät abgelieferten Informationen »nahezu keinerlei Wert« besäßen, die zuständigen Offiziere Passagen aus früheren Berichten immerzu abschrieben und falsche Zahlenangaben verwendeten. So entstünde der Eindruck einer »Sammlung sporadisch und ad hoc zusammengetragener Angaben« ohne belastbare Grundlagen, zudem verfasst mit einem »übertriebenen und sehr schädlichen Lakonismus bei der Besprechung der einzelnen Nationalitäten«.205 Tatsächlich ist die statische Zuschreibung bestimmter nationaler Attribute ein recht auffälliges Charakteristikum der Nationalitätenberichte. Bei der grundsätzlichen Bewertung der soldatischen Eigenschaften der Minderheiten ist zudem zwischen den Berichten vom Beginn der 1920er und dem Ende der 1930er Jahre kaum eine inhaltliche Entwicklung auszumachen. Viele Formulierungen wurden immer wieder verwendet und gehen wahrscheinlich auf den zu Beginn des Kapitels zitierten Nationalitätenbericht von 1922 zurück.206 In der Regel wurden sechs Bereiche bewertet: Physis, Psyche, 205 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.88, L. dz. 823/Inf. NP. Tjn, 30, Schönfärberei in den militärischen Nationalitätenberichten, 22. Februar 1939. Vgl. auch eine erneute Klage. Ebd., L. dz. 5766/Inf. NP. Tjn, 39, Anmerkungen zu den militärischen Nationalitätenberichten für das 1. Halbjahr 1939, 11. August 1939. In ähnlicher Weise bereits die Rüge des DOK V vom 7. Dezember 1922 an alle Einheiten über die Qualität ihrer Zuarbeiten für den großen Nationalitätenbericht von 1922. Ebd., sygn. I.371.5/A.196, L.1426/II Tajne, 16.  206 Mniejszości narodowe w Wojsku Polskim w 1922 roku, 12–50.

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

241

Loyalität, Beziehungen zu den übrigen Gruppen, politische Präferenzen und Ausprägung des Nationalbewusstseins. Geleitet wurden die Werturteile der Nationalitätenberichte von einer Grundüberzeugung, die einer ihrer Verfasser formulierte: »Betrachtet man alle Nationalitäten unter dem soldatischen Gesichtspunkt, sind die Polen die besten [Soldaten], doch auch die Minderheiten sind mit Ausnahme der Juden gute Soldaten.«207 Die Belarusen mit ihrer überwiegend bäuerlichen Sozialisation, den harten Lebensbedingungen und ihrer körperlichen und psychischen Belastbarkeit galten als bestens geeignet für den Militärdienst und aufgrund ihres schwach ausgeprägten Nationalbewusstseins als besonders formbar im Sinne des polnischen Staatsinteresses. Man war überzeugt, sie durch die angeblich höher entwickelte polnische Kultur beeindrucken und zu einer freiwilligen Polonisierung bewegen zu können. Aus diesem Grund wurde ihnen wohl auch die relativ hohe Popularität kommunistischer Ideen und Parteien nachgesehen, ganz anders als im Fall der Juden. Lediglich die wenig zahlreiche städtische Bildungsschicht dieser Gruppe wurde als staatsfeindlich eingeschätzt. Die Ukrainer, die eine längere Konfliktgeschichte mit Polen verband, betrachtete die Armee weitaus differenzierter, worauf bereits die beschriebene Unterscheidung zwischen »Ruthenen« und »Ukrainer« verweist. Der ukrainische Nationalismus und das Fehlen eines staatsbürgerlichen Bewusstseins wurden in der Armee als ernste Bedrohung gesehen, besonders im Falle eines russischen Angriffs. Zugleich galten aber auch die Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe als »hervorragendes physisches Material«. Abstriche mussten bei beiden ostslawischen Minderheiten im Bereich der Bildung gemacht werden. Der Anteil der Analphabeten war hier am höchsten und auch um die polnischen Sprachkenntnisse war es schlecht bestellt. Im Falle der Deutschen spricht aus den Nationalitätenberichten eine zwiespältige Beurteilung. Schätzte man einerseits Disziplin, Pflichtbewusstsein, Bildungsgrad und physischen Zustand der Mehrheit des loyalen und assimilationswilligen konservativen deutschen Kleinbürgertums, machte man sich doch erhebliche Sorgen über den Separatismus und das mögliche Verhalten der übrigen deutschen Sozialmilieus im Kriegsfall.208 207 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.14, 312v, Bericht aus dem 38. Infanterieregiment, 5. Juni 1934. Eine ähnliche Wortwahl in CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2673, 528–539, Militärischer Nationalitätenbericht über die Desertionen (31. Oktober 1926 – 30. April 1927), hier 533. 208 Alle Bewertungen finden sich im Nationalitätenbericht von 1922, werden aber – mitunter leicht modifiziert – in zahlreichen anderen späteren Dokumenten nahezu identisch wiedergegeben, u. a. in: CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, 10–16, Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923; ebd., sygn. I.303.4.2673, 557–564, hier 562v, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 7. Juni 1930; ebd., sygn. I.303.4.2683, 506–520, Minderheiten im Bereich des OK IV, 28. November 1923; ebd., L. dz. 2254, o. D. [Oktober] 1924, 527–529; ebd., sygn. I.303.4.2659, 269–298, Sytuacja narodowościowa w Państwie, 15. Mai 1925; ebd., SRI, sygn. 371.7/A.25, Kommuniqué

242

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Solche Einschätzungen stehen in den Berichten neben einem relativ negativen polnischen Autostereotyp. Jenseits der aus dem 19. Jahrhundert stammenden militärischen Heldenmythen beurteilte das Militär die Qualität der ethnisch polnischen Rekruten weit weniger positiv, als man vielleicht vermuten würde. Es scheint, dass bei den Polen vermisste Eigenschaften wie physische Stärke, charakterliche Formbarkeit, Treue, Loyalität, Patriotismus sich mitunter als erwünschte soldatische Ideale in der Beschreibung der anderen slawischen Gruppen wiederfinden. Bereits in den Anfangsjahren der Republik beklagten Kommandeure nicht nur die schlechte Schulbildung der noch vor der Staatsgründung sozialisierten polnischen Rekruten, sondern auch deren Mangel an staatsbürgerlichem Bewusstsein. Noch 1926 kritisierte der SRI Lublin, beim Dienstantritt der Rekruten sei der Einfluss von Schule und Bildung, und mithin das »Verständnis für die Idee der polnischen Staatlichkeit«, kaum spürbar.209 Wenige Jahre später stellte ein ähnlicher Bericht fest, das Nationalbewusstsein der Polen – die Kritik zielte vor allem auf die Landbevölkerung – sei »nicht auf dem erforderlichen Niveau«.210 Den Juden begegnete das Militär wiederum mit einem ebenso prinzipiellen wie weitreichenden Misstrauen. Angesichts der Vorgeschichte des Polnisch-Sowjetischen Krieges wäre ein anderer Befund auch überraschend gewesen. In einer Information des Nationalitätenreferats vom November 1921 heißt es: »Zu den fremden Nationalitäten, die der polnischen Sache unversöhnlich und unfreundlich begegnen, gehören vor allem in den Kresy die Juden. Als erhebliche Bevölkerungsmehrheit in den Städten und Kleinstädten, die in ihren Händen Industrie und Handel konzentriert, sind sie ein ökonomisch entscheidender Faktor und durch Spekulationen, massenhaften Schmuggel und Raubbau ein demoralisierendes und zerstörerisches Element. Als national geschlossene Masse sind sie für die polnische Staatlichkeit ein feindliches Element, das durchtränkt ist vom Geist und äußeren Erscheinungen der russischen Kultur.«211 über die nationalen Minderheiten in der Armee, 29. November 1928. Zu den slawischen Minderheiten ferner ebd., Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2695, L. dz. 28/Inf. T. O., 3. Februar 1926, 12 f.; sygn. I.303.4.2683, L.  dz. 2254, ohne Datum [Oktober] 1924, 527–529. Zu den Belarusen in den Streitkräften zudem M. Wierzbicki, Białorusini w Wojsku Polskim (1921–1939), 153–175. Zu den Ukrainern Krotofil, Ukraińcy w Wojsku Polskim w okresie międzywojennym; ders., Służba Ukraińców w wojsku II Rzeczypospolitej; Rukkas, Ukrain­ ians in Compulsory Military Service in the Polish Armed Forces (1921–1939). Zu den Deutschen Trees, Zweifelhafte Loyalitäten; Rezmer, Służba wojskowa Niemców w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej. 209 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2684, 88–98, Nationalitätenbericht des DOK II (1. Quartal 1926), 17. April 1926, hier 89. 210 Ebd., sygn. I.303.4.2673, 557–564, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 7. Juni 1930, hier 558. 211 Ebd., sygn. I.303.4.2687, Nachrichtenkommuniqué Nr. 2, 1. November 1921.

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

243

Beunruhigt durch derlei vermeintliche Beobachtungen, strebte die Armee nach sämtlichen Informationen aus allen Lebensbereichen der polnischen Juden, um sie in ihren Berichten zu bewerten. Dieses umfassende Interesse führte zu einer beachtlichen Sammlung an Informationen über das jüdische politische Leben in Polen und der Welt.212 Das Set an Eigenschaften, die den jüdischen Soldaten als kollektive Charakteristika zugeschrieben wurden, war ähnlich statisch wie bei den übrigen nationalen Gruppen, wenn auch in einigen Berichten Differenzierungen anzutreffen sind. Recht häufig finden sich in den Armeedokumenten Wertungen wie folgende: »Das schlimmste Element in der Armee sind die Juden. Unwillig und heuchlerisch, geben sie das miserabelste Soldatenmaterial ab […].«213 An zahlreichen anderen Stellen findet man ähnlich apodiktische Urteile, die alle auf die völlige Unbrauchbarkeit »des Juden« für das Militär hinauslaufen: »Der jüdische Soldat, bereit zur Desertion, körperlich schwächlich, ängstlich und wenig gehorsam, gibt kein gutes Material als kämpfender Soldat her.«214 Diese Zuschreibungen waren vorgeprägt von den ausführlich besprochenen traditionellen Vorstellungen über Physis und Charakter von Juden und weisen auch eine große Nähe zu den transnational geführten rassekundlichen und völkerpsychologischen Diskursen jener Zeit auf. Trotz der im Vergleich zu den anderen Minderheiten starken Betonung angeblicher charakterlichen Eigenschaften blieb die körperliche Eignung die zentrale Kategorie für die Bewertung jüdischer Soldaten. Vom ersten großen Nationalitätenbericht von 1922 an wurde deren physische Verfassung als lichy, also miserabel oder kümmerlich, beschrieben.215 Diese Einschätzung bezog sich nicht nur auf den Gesundheitszustand  – aufgrund des niedrigen Lebensstandards der Mehrzahl der jüdischen Bevölkerung war dieser tatsächlich nicht auf einem wünschenswerten Niveau –, sondern auch auf die Körpergröße. Hier nahmen die untersuchten jüdischen Wehrpflichtigen regelmäßig die letzten Plätze ein, allerdings verzeichneten die Musterungskommissionen im Laufe der Jahre auch einen überproportionalen Zuwachs ihrer durchschnittlichen Körpergröße.216 212 Beispielsweise CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2656, Bericht zu den Juden, 15. August 1923 und 17. Oktober 1923; ebd., sygn. I.303.4.2660; ebd., sygn. I.303.4.2658, 2688 und 2689, passim; ebd., sygn. I.371.1/A.30, passim. 213 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2683, 527–529, SRI des DOK  VII an Abteilung  II des Generalstabs, [Oktober] 1924, hier 528. 214 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2687, Bericht des DOK IV über die Juden, 3. Februar 1926. 215 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, 13v, Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923; SRI, sygn. I.371.7/A.25, Komunikat informacyjny o Mniejszościach narodowych w wojsku, Bericht über die nationalen Minderheiten in der Armee; SRI, sygn. I.371.9/A.143, Bericht zum militärischen Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 7. Januar 1937. 216 CAW, Oddz. I SG, sygn. I.303.3.441, Referat w sprawie ludności Polski (1934), 148–173, hier 169.

244

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

In diesem Bereich bot sich ein reiches Betätigungsfeld für Anthropologen und Ethnologen, die ihre Expertise gern in den Dienst des Militärs stellten. Bereits in der Teilungszeit und verstärkt im Ersten Weltkrieg waren umfangreiche anthropometrische Untersuchungen an galizischen und kongresspolnischen Rekruten und Soldaten vorgenommen worden. Die dabei gewonnenen Daten zeigten stets starke Unterschiede der Körpergröße zwischen Stadt- und Landbewohnern, aber auch zwischen den Teilungsgebieten und den einzelnen Ethnien auf.217 Einige Anthropologen, wie die jeweils schulbildenden Professoren Jan Karol Kochanowski in Warschau und Jan Czekanowski in Lemberg, bedienten sich des Ideenguts der Rassenkunde, um Erklärungen für diese Erscheinungen zu finden, und bewegten sich damit auf der Höhe des damaligen wissenschaftlichen Diskurses.218 Nach dem Polnisch-Sowjetischen Krieg zogen unter Anleitung des vormals österreichisch-ungarischen Offiziers und in Lemberg ausgebildeten Anthropologen Jan Mydlarski auch in Polen »Messkolonnen« durch das Land, um für die Armee anthropologische Daten zu sammeln.219 Damit sollte nicht nur ein ideales Schnittmuster für die Armeeuniformen, -schuhe und -helme,220 sondern vor allem eine wissenschaftliche Grundlage für die »Aufstellung der geeigneten Leute an den 217 Stellvertretend CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2693, L. dz. 5574, Bericht des DOK IX über die Observation des Rekrutenjahrgangs 1902, 9. August 1924. Vgl. auch Górny, Wielka Wojna profesorów; Linkiewicz, Applied Modern Science and the Self-Politicization of Racial Anthropology in Interwar Poland; A. Wierzbicki, Spory o polską duszę. Auch heute werden die Datensätze noch von manchen Historikern und Anthropologen ausgewertet. Vgl. M. Kopczyński, Wpływ I wojny światowej na poziom życia w Królestwie Polskim w świetle mierników biologicznych; ders., Wielka transformacja; Nowak, Wysokość i masa ciała młodych mężczyzn w okresie przemian historycznych i społeczno-gospodarczych drugiej połowy XIX i początku XX wieku na ziemiach polskich; Sikora, Studium antropologiczno-socjologiczne emigrantów żydowskich do Palestyny. Vgl. zum europäischen Kontext der Anwendung anthropologischer Methoden im militärischen Bereich Hartmann, Maßnehmen am Europäer; Górny, War on Paper? 218 Górny, Wielka Wojna profesorów, 29, 93 f. und 194–197. Ein weiterer wichtiger Vertreter war Ludwik Krzywicki, der nicht von physisch-anthropologischen, sondern psychischen Rassen ausging. Ders., Systematyczny kurs antropologji. Konsequenzen anthropologischer Studien für die Pädagogik leitete Jaxa-Bykowski her. Ders., Antropologiczne podstawy wychowania. Im kommunistischen Polen wurden Czekanowskis Studien neu verlegt. Ders., Polska – Słowiańszczyzna. 219 Górny, Wielka Wojna profesorów, 177. Die Ergebnisse wurden veröffentlicht in Mydlarski, Sprawozdanie z wojskowego zdjęcia antropologicznego. Zu den jährlichen anthropologischen und »psychotechnischen« Untersuchungen auch AAN, MSW, cz. IV, sygn. 202–1094, 16–19; APL, UWL-WW, sygn. 2, 104 f. Ergebnisse beispielsweise in CAW, Oddz. I SG, sygn, I.303.3.447, 7; ebd., DU MSWojsk, sygn. I.300.37.50. Zum Datenmaterial der Musterungen 1931–1938 CAW, DU MSWojsk, sygn. I.300.37.51–56. Zur Biografie Mydlarskis Barbara Zielińska, Art. »Mydlarski Jan«, in: PSB, Bd. 12, 349–351. 220 CAW, DU MSWojsk, sygn. I.300.37.49, L.1665/29 W. M.Tjn., Anthropologische Untersuchungen für die Intendentur, 19. Juli 1929; ebd., L.37770. Tj. / Broń. M, Departement für Bewaffnung des MSWojsk an den Generalstabschef.

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

245

richtigen Positionen« gefunden werden.221 Czekanowski zufolge ließen die gesammelten Daten den Schluss zu, »dass sich einzelne rassische Elemente der Bevölkerung nicht im gleichen Maße zum Militärdienst eignen und dass der Wert des Soldaten in erster Linie von seiner körperlichen Kondition und speziellen psychischen Qualitäten abhängt. Allen ist bekannt, dass sich die Juden in physischer Hinsicht am schlechtesten präsentieren und dass sie den schlechtesten Soldaten abgeben. […] Schließlich erlauben unsere [Front-]Kommuniqués aus den Jahren 1919 und 1920 die Feststellung, dass der Rassenfaktor in der Geschichte unseres letzten Krieges sein unverwischbares Brandmal hinterließ.«222

Die für das Militär arbeitenden Anthropologen reflektierten ebenso wenig wie ihr Auftraggeber die eigenen Stereotype, die sie die Juden per se als gesonderte Gruppe behandeln ließen, was wiederum ihre anthropologischen, psychologischen wie serologischen Forschungsmethoden und -ergebnisse beeinflusste. Zu den von Czekanowski erwähnten psychischen Qualitäten jüdischer Soldaten gehörte, so ist zumindest in den Nationalitätenberichten des Militärs zu lesen, eine tief verwurzelte Abneigung gegen den Militärdienst. Positive wie negative Charaktereigenschaften, etwa Selbstbeherrschung, Kameradschaftlichkeit, mangelnde Sorgfalt und Unsicherheit wurden im Falle der Juden als Ausdruck eines im Ganzen berechnenden Wesens im Umgang mit ihren Kameraden gelesen.223 Physis und Charakter verbanden sich in manchen Berichten aus den Regionen zu einem Ganzen, etwa wenn Juden in einem Atemzug als »unehrlich und schlampig« beschrieben wurden.224 Häufig wurden sie als »zersetzendes Element« charakterisiert, das »seine Fähigkeiten und händlerische Findigkeit eher im negativen als positiven Sinne nutzt«.225 Solche Befunde, die sich auch auf ökonomische und politische Aktivitäten von Juden außerhalb der Armee bezogen, wurden vor allem in den Anfangsjahren der Republik formuliert. Die Juden, so beklagte sich ein Kommandeur im wolhynischen Sarny (Sarni) im September 1921, »versuchen alle und alles zu beherrschen und [die Vergabe] der günstigsten und einträglichsten Posten zu beeinflussen«.226 221 Czekanowski, Wstęp do historii Słowian, 41. 222 Ebd., 41 f. Vgl. auch die Anmerkungen zu den jüdischen anthropologischen Typen in Polen in ders., Zarys antropologji Polski, 542–546. 223 CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.185, 45–49, Bericht über die fremden Nationalitäten in der polnischen Armee. 224 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2684, 88–98, Nationalitätenbericht des DOK II (1. Quartal 1926), 17. April 1926, hier 90. 225 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.88, 10, Militärischer Nationalitätenbericht des DOK II, 21. Mai – 20. November 1930. Ebenso CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.21, Bericht über die Zustände in der Armee, 1. Juli 1921. 226 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.21, Nationalitätenbericht aus Sarny, 23. September 1921.

246

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

All diese Attribute, die die Nichteignung der Juden zum Militärdienst belegen sollten, gehören zum klassischen Repertoire antisemitischer Stereotype, die tief in der damaligen Mehrheitsgesellschaft verankert waren. Cyprian Skwarek, ein 1916 geborener Bewohner Lublins, erinnerte sich auch im Abstand von mehreren Jahrzehnten im Rahmen eines Oral-History-Projekts noch genau an seine Sichtweise auf die soldatischen Fähigkeiten von Juden: »Die Juden beispielsweise, wenn sie in die Armee eingezogen wurden, weil sie polnische Staatsbürger waren, na, benahmen sich in dieser Armee so, als wären sie nicht fähig, Soldat zu sein. Die heutige israelische Armee ist für mich eine Überraschung. Ich konnte mir keine Juden mit derart großen militärischen Fähigkeiten, einer solchen Tapferkeit, so einer Disziplin vorstellen. Wenn ein Jude in unserer Armee diente, machte er einen Tölpel aus sich. Und wir alle machten uns über die Juden lustig, dass sie militärische Tölpel sind.«227

Derlei Wahrnehmungen setzten sich in den Köpfen vieler Militärangehöriger zu einem Gesamtbild aus dem imaginierten jüdischen Nationalcharakter und dem vermuteten zivilisatorischen Entwicklungsstand der jüdischen Bevölkerung zusammen. Dies belegen zahlreiche Passagen der Nationalitätenberichte, wie die folgende: »Moralischer Zustand ausreichend. Geistig überwiegend gut entwickelt, gelehrig, behalten Informationen leicht. Intelligenz mittelmäßig, Gewitztheit und Gerissenheit hoch entwickelt. Kultur auf niedrigem Niveau, kein Gefühl für Ordnung und Reinlichkeit vorhanden. Oberflächliche Sauberkeit. Sie sind sich über die Beziehungen unter den Nationalitäten sowie die Bürgerpflichten im Klaren, die Ausführung jener Pflichten hingegen lässt viel zu wünschen übrig. […] Der Militärdienst hat in dieser Gruppe wenig Einfluss auf die Entwicklung des Intellekts, da sie sich durch eine große Widerstandsfähigkeit gegen moralische Einflüsse auszeichnen und ihnen die Liebe zum Dienst, den sie als unvermeid­bares, vorübergehendes Übel betrachten, völlig fehlt.«228

Gleiches gilt auch für den Vorwurf der Drückebergerei und des Vermeidens schwerer Dienste, der den jüdischen Soldaten die gesamte Zwischenkriegszeit nachging. Das 1923 verfasste Nachfolgedokument des besprochenen ersten großen Nationalitätenberichts der Armee enthält eine ganze Liste von Klagen über die Dienstmoral jüdischer Soldaten. Sie entzogen sich demnach nach Möglichkeit ihrer Dienstpflicht und drückten sich vor der anstrengenden Ausbildung. Damit entstand »der Eindruck, dass dies alles gezielt, nach einem vorgefassten Plan« geschehe. Weiter klagten dem Papier zufolge Juden be227 Brama Grodzka – Teatr NN, Archiwum Programu Historia Mówiona, Interview mit Cyprian Skwarek vom 30. Dezember 1998, (14. Juni 2023). 228 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2684 114–153, Nationalitätenbericht des DOK II (3. Quartal 1926), 15. Oktober 1926, hier 121 f.

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ständig über allerlei körperliche Gebrechen. Ihre »allgemeine Krankheit« sei »Herzschwäche, schwache Beine, Schwindel«. Dem Berichtschreiber erschien dies alles »umso sonderbarer, als die jüdischen Rekruten wie alle anderen von einer Ärztekommission gemustert werden und [zudem] die Mehrheit von ihnen im zivilen Leben verschiedenen erzieherisch-sportlichen Organisationen angehört«.229 Freilich wurden die Vorurteile gegen Juden durch Maßnahmen vieler Verantwortungsträger zusätzlich verfestigt, worüber sich auch der Generalstab im Klaren war. So war bekannt, dass viele Kommandeure Juden bewusst in den medizinischen und administrativen Bereich versetzten oder sie vor schweren Übungen für einige Tage abkommandierten. Dies wiederum wurde den Betroffenen von ihren nichtjüdischen Kameraden als Drückebergerei ausgelegt.230 Erwiesen sich Juden wider Erwarten dennoch als eifrige Soldaten, konnte ihnen das als »falscher Eifer« oder politisch motivierte Taktik ausgelegt werden.231 Überschritt die Dienstbeflissenheit von Juden das von den Kommandanten für normal gehaltene Maß, konnten sie schnell deren Misstrauen erwecken. Sie sahen darin eine »typische Art des Einschmeichelns bei Vorgesetzten«.232 Ein solcher Fall ist aus dem Jahr 1932 überliefert, niedergeschrieben vom Inspektor einer Musterungsbehörde im Korpsbezirk Lodz: »Verhältnis [der Juden] zur Armee – bekannt, doch beobachtete ich mehrfach bei Einzelnen Lust auf den Militärdienst; nach der Untersuchung aller Daten erhielt ich den Eindruck, dass dies Kommunisten waren.«233 Dennoch galten ambitionierte jüdische Soldaten als Ausnahme, da Juden »das am wenigsten wertvolle soldatische Element darstellen, obgleich auch unter ihnen Individuen vorkommen, die sich aufgrund ihres rassischen Ehrgeizes über den Durchschnitt herausheben«.234 Neben der physischen und charakterlichen Beurteilung der ethnisch nichtpolnischen Rekruten diente die Einschätzung ihres Nationalbewusst229 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, 13 f., Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923. Vgl. auch CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.14, 312 f., Charakterisierung der aktiven Soldaten, 5. Juni 1934. 230 CAW, SRI, sygn. I.371.8/A.307, 8–11, Referat des Chefs des Departements X im Generalstab, 11. Juli 1922. 231 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.8810, L. dz. 702/Inf. N. P. tjn. 31, Militärischer Nationalitätenbericht des DOK II (20. November – 20. Mai 1931). Vgl. auch CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.198, Nationalitätenbericht des DOK IX (1938). 232 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2687, Bericht des DOK V über die Juden, 5. Mai 1926. Ähnlich ebd., sygn. I.303,4.2701, 2–14, Bericht über das Verhalten der nichtpolnischen Nationalitäten im DOK V (1. Quartal 1926). 233 CAW, DU MSWojsk, sygn. I.300.37.10, 8, Rekruten-Inspekteur des DOK IV an das DOK IV, 29. Dezember 1932. 234 CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.26, 534–543, hier 537 f., Militärischer Nationalitätenbericht, o. Nr. u. Tag, Juli 1929.

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seins, ihrer Interaktion mit den übrigen Gruppen und daraus abgeleitet der Loyalität gegenüber dem polnischen Staat als zentrale Bewertungsmatrix innerhalb des Militärs. Juden wurde ein »positives« Staatsbürgerbewusstsein mehrheitlich abgesprochen, wofür in der Regel historische Gründe angeführt wurden. Als besonders folgenreich galt in diesem Zusammenhang die russische Akkulturation jüdischer Bevölkerungsteile in den östlichen Landesteilen vor 1914, die als Begründung für deren Ablehnung Polens herangezogen wurde.235 Grob gesprochen wurde den »russischen« Juden ein starkes eigenes National­bewusstsein zugeschrieben, während die Juden Kleinpolens »ihre nationale Zugehörigkeit häufig änder[te]n«.236 Damit war ein Erklärungsmuster gefunden, warum sich die »Litwaken« im Ersten Weltkrieg mehrheitlich gegen die polnische Option gestellt hatten.237 Diese Erfahrung ist eine der Quellen für die Skepsis des Militärs gegenüber propolnischen Bekenntnissen klein- und kongresspolnischer Juden. Unterstrichen diese Juden  – meist hatten sie eine akademische Ausbildung genossen – »ihre Zugehörigkeit zur polnischen Nationalität«, sei es für die Verantwortlichen schwer einzuschätzen, ob dies aus innerer Überzeugung oder »aus Eigennutz« geschehe, wie sich der Kommandant des Lemberger Kreisergänzungsamts im November 1932 beklagte.238 Auch die übrigen politisch oder religiös grundierten Identitätsoptionen von Juden stießen im Militär auf wenig Gegenliebe. So misstraute man dem Zionismus in der jüdischen Mittelschicht, den man wenn nicht als wirkliche Gefahr, so doch mindestens als Grund für die Gleichgültigkeit vieler Juden gegenüber Polen ausmachte.239 Als harmlos, wenn auch mit einem überhöhten Selbstbild ausgestattet, empfand man wiederum die orthodoxen und chassidischen Milieus.240 Dies galt nicht für die jüdische Arbeiterschicht, die teils als nationalistisch, teils als internationalistisch beschrieben wurde; beides beurteilte das Militär gleichermaßen als gefährlichen Zustand.241 Ganz ähnliche Einschätzungen enthält ein Bericht aus dem Korpsbezirkskommando Lodz vom Dezember 1932 über die politischen Präferenzen der dortigen jüdischen Soldaten. Etwa die Hälfte von ihnen waren Zionisten, 35 Prozent Parteigänger der Aguda, während 15 Prozent als Kommunisten 235 Mniejszości narodowe w Wojsku Polskim w 1922 roku, 29. Vgl. auch CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2687, 210, Kommuniqué zu den Juden, 20. April 1924. 236 Ebd., sygn. I.303.4.2693, L. dz. 5574, Bericht des DOK IX über den Rekrutenjahrgang 1902, 9. August 1924. 237 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2687, 15–29, Kommuniqué zu den Juden, 20. April 1924. 238 Ebd., sygn. I.300.37.8, 98v, PKU Lwów Miasto an DOK VI, 5. November 1932. 239 Ebd. 240 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2673, 528–539, Militärischer Nationalitätenbericht über die Desertion (31. Oktober 1926 – 30. April 1927), hier 533 f. 241 CAW, DU MSWojsk, sygn. I.300.37.8, 98v, PKU Lwów Miasto an DOK VI, 5. November 1932.

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galten.242 Für den Berichterstatter war klar, dass lediglich die orthodoxen Soldaten als loyal zu betrachten sei, während die Zionisten den Kommunisten in Sachen politischer Unzuverlässigkeit in nichts nachstehen würden.243 In der Konsequenz gingen viele militärische Entscheidungsträger davon aus, dass »fehlende Arbeitsliebe, Faulheit, der starke talmudistische Konservatismus bei den einen, und die allzu starke national-rassische Bewusstwerdung bei den anderen« die jüdischen Soldaten gegen »die assimilierenden Bemühungen der Befehlshaber resistent« mache.244 Die Ablehnung sämtlicher Varianten jüdischer Selbstbeschreibungen  – mit Ausnahme der Assimilation erblickte das Militär in keiner der genannten Optionen einen positiven Lösungsansatz  – ging einher mit einem tiefen Misstrauen gegenüber allen Beziehungen jüdischer Soldaten zu Juden außerhalb der Garnisonen. Dass mancher der fern ihrer Heimatorte stationierten jüdischen Soldaten »nach einigen Wochen des Aufenthalts im Regiment bereits seine Bekannten in der Stadt« hatte, wurde somit zu einem berichtenswerten Faktum in manchem Bericht an die SRI und damit zu einer ernsten Bedrohung.245 Die Juden galten zwar als untereinander zerstritten, doch war man zumindest auf den unteren Führungsebenen überzeugt von ihrem Zusammenhalt nach außen.246 Der Chef des Ersatzbataillons des 34. Infanterieregiments klagte etwa im Juli 1921 über die Juden, die er als »Plage« und »Störfaktor« wahrnahm, sie würden »ständig krumme Geschäfte mit ihren zivilen Glaubensgenossen treiben«.247 Die Beziehungen der jüdischen Soldaten zu ihren nichtjüdischen Kameraden galten wiederum als angespannt, da diese gegenüber Juden häufig keinerlei Sympathien aufbrachten.248 Trotz aller Pauschalisierungen und Allgemeinplätze differenzierten die Beamten der SRI und der Dwójka aber recht sicher zwischen den unterschiedlichen jüdischen Gruppierungen unter Rekruten und Bevölkerung. Vor allem machten sie eine große Zahl politisch passiver, in ihrem Lebensentwurf traditionell und politisch an der Aguda ausgerichteter Juden aus. Bedenken 242 CAW, DU MSWojsk, sygn. I.300.37.10, 8, Musterungsinspekteur des DOK IV an Befehlshaber des OK IV, 29. Dezember 1932. 243 Ebd. Zum Konflikt zwischen Zionisten und Kommunisten auch die Beobachtungen aus Wilna in den Minderheitenberichten des DOK III für das 3. Quartal 1929. CAW, SRI, sygn. 303.4.2706, L. dz. 400/Inf.2 und L. dz. 1400/Inf.29. 244 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2683, 499 f., Nationalitätenbericht des DOK I (1. Juni – ​ 1. Oktober 1924). 245 CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.26, 565–572, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 29. Mai 1931, hier 568. Zur engen Bindung zwischen örtlichen Gemeinden und jüdischen Soldaten vgl. O Niepodległą i granice, Bd. 2, 452. 246 CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.197, passim. 247 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.21, Situationsbericht der Abt. II des DOG Lublin, 1. Juli 1921. 248 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.14, 335–340, Militärischer Minderheitenbericht (1. Halbjahr 1934), 19. Juni 1934, hier 336.

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der polnischen Beobachter riefen hingegen die Aktivitäten von Zionisten, Bundisten und Kommunisten hervor. Der Zionismus galt als jüdische Ausprägung des Nationalismus, die nach einem eigenen Staat auf polnischen Territorien strebte. Jede Annäherung von Juden an kommunistische Ideen wurde wiederum als Wiederkehr des Jahres 1920 betrachtet, also der vorgeblichen Kollaboration der Juden mit dem ärgsten Feind Polens. Dass dies mehr Emotion als Analyse war, verdeutlichen auch die Unterlagen der Abteilung II zu politisch verdächtigen Rekruten und Soldaten. In der Tat lassen sich in ihnen zahlreiche Namen jüdischer Verdächtiger finden. Auskunft über das nationale Selbstverständnis dieser Personen geben die Akten indes nicht. Außerdem finden sich in den Listen ebenso zahlreich Namen von Polen, Deutschen, Ukrainern und Belarusen wieder.249 All diese Bewertungsversuche führen zu einem weiteren wichtigen Kriterium der Einschätzung der Minderheiten in der Armee, nämlich deren Loyalität, verstanden als Treue zum Staat, Verbundenheit mit der polnischen Nation und mitunter politischer Zuverlässigkeit gegenüber der Regierung. Dabei blieb naturgemäß Raum für Interpretationen und Denunziationen, da freilich kein konkreter Kriterienkatalog existierte, anhand dessen die Loyalität bestimmter Personen oder Gruppen verifiziert werden konnte. Politische Äußerungen, mangelnde Disziplin oder Wandschmierereien konnten so bereits als Vorstufe zu einer expliziten Ablehnung von Armee und Staat ausgelegt werden, die sich etwa im Verfassen von Petitionen an den Völkerbund, der Verweigerung der polnischen Sprache oder aktiver Täuschung der polnischen Behörden manifestierte.250 Juden galten auch in diesem Bereich, wenngleich einige Berichte ihre staatsbürgerliche Zuverlässigkeit eindeutig unterstrichen,251 als besonders zu beobachtende Gruppe. Vor allem in den oberen Militärhierarchien hielt sich nicht zuletzt immer noch die Überzeugung, dass die Juden als Kollektiv handelten und mithilfe hinterhältiger Tricks nach der Beherrschung von Ökonomie und Kultur strebten, um anschließend in Polen einen eigenen Staat zu gründen.252 Entsprechend häufig galten Juden 249 APL, UWL-WSP, sygn. 48, 2, Wydział Bezpieczeństwa UWL an die Starosten, 29. September 1933; CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.790, Verzeichnis politisch verdächtiger Soldaten. Zum Versuch der Komintern, die polnische Armee zu unterwandern, CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.32, 31 f. Unter den Belarusen fanden kommunistische Ideen besonders viel Anklang. Grzybowski, Białorusini w polskich regularnych formacjach wojskowych w latach 1918–1945, 117–140. 250 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 111–113. 251 Beispielsweise CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.21, L.5858/Inf, Militärischer Bericht der Abteilung II des DOG Lublin, o. D. [Juni 1921]. 252 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2687, Abteilung  III des MSWojsk an Abteilung  II des Generalstabs, 17. November 1923.

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als »Pseudo-Loyalisten«;253 ihr Verhältnis zum polnischen Staat sei »im Allgemeinen gut mit der Betonung darauf, dass es ein scheinbares ist«.254 Auch repräsentierten die Loyalitätsbekundungen nach Überzeugung der Dwójka nur einen kleinen Teil der jüdischen Bevölkerung.255 Als viel wirkmächtiger schätzte man, abgeleitet vom unterstellten Nationalcharakter der Juden, deren »übermäßige Sympathie für kommunistische und umstürzlerische Gruppen« ein.256 Die hier lauernde Gefahr für die staatliche Ordnung erschien umso konkreter, als »die jüdischen Soldaten sich als Element auszeichnen, das am empfänglichsten für umstürzlerische Aktivitäten ist, [und dabei] einen wichtigen Prozentsatz der politisch Verdächtigen ausmachen«.257 Die Loyalitätsfrage stellte sich in verschärfter Form im Zuge des Mai­ putsches von 1926, bei dem polnische Truppen gegeneinander kämpften. Die Berichte sprechen einhellig von einer gleichgültigen bis positiven Aufnahme des Staatsstreichs durch die jüdischen Soldaten.258 Ihre Reaktion unterschied sich damit nicht von der Mehrheit der jüdischen Bevölkerung.259 Neben der Ablösung des ungeliebten Kabinetts Witos würdigten sie vor allem das Ausbleiben antijüdischer Gewalt und das korrekte Verhalten der Armee.260 Eine Denkschrift, die einen Monat nach dem Umsturz wahrscheinlich in der Dwójka verfasst worden war, regte an, diese positive Stimmung zu einer engeren Bindung der Juden an den Staat zu nutzen.261 Wie immer zu wichtigen politischen Anlässen versäumte es allerdings die nationaldemokratische 253 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2697, 107–116, Bericht über die Stimmung unter den nationalen Minderheiten in den Armeeeinheiten im Bereich des DOK III (Mai – Oktober 1927). 254 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2683, 4–21, Nationalitätenbericht des DOK VI (November und Dezember 1923), hier 18. Ebenso CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.41, 68–72, Lagebericht der Stadtkommandantur Warschau (3. Quartal 1937), 9. Oktober 1937, hier 68v. 255 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.88, 244–301, Bericht über die politische Situation und die Nationalitäten des OK II (1. Februar – 30. September 1930), hier 254. Zu Loyalitätsbekundungen auf einer zionistischen Kundgebung vgl. den analogen Bericht für den Zeitraum 1. März – 1. November 1929. Ebd., 99–131, hier 107. 256 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2697, 107–116, Bericht über die Stimmung unter den nationalen Minderheiten in den Armeeeinheiten im Bereich des DOK III (Mai – Oktober 1927). 257 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.14, 335–340, Militärischer Nationalitätenbericht (1. Halbjahr 1934), 19. Juni 1934, hier 336. 258 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2695, 30–37, Lagebericht des DOK IV (2. Quartal 1926), 23. Juli 1926. 259 Korzec, Juifs en Pologne, 165–174; AAN, MSW, cz. 1, sygn. 959, Presseschau Minderheitenpresse Nr. 19, 12.–18. Mai 1929. 260 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2673, 486–496, Nationalitätenbericht des DOK I für die Zeit von 1. Januar bis 30. Juni 1926. 261 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2687, Anonyme Denkschrift Sprawa żydowska w Polsce po przewrocie majowym, 10. Juni 1926. Vgl. auch CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.116, Schreiben Liczb. 2423/Inf. N. tjn., 28. Juli 1928, wo noch einmal alle mutmaßlichen negativen Eigenschaften der Juden zusammengefasst werden, allerdings für einen positiven Umgang mit den Minderheiten votiert wird.

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Presse nicht, auf die Anwesenheit von Juden unter den Piłsudski-Anhängern hinzuweisen. So war der Putsch für den Kurjer Poznański eine »in den Katakomben geborene Verschwörung, ausgeführt von Juden und solchen Individuen wie Abraham«. Angespielt wurde hier auf Oberstleutnant Roman Abraham, der sich in Lemberg für die Putschisten engagierte. Möglicherweise war es weniger dessen unter nationalen Gesichtspunkten lupenreine Biografie – er war Sohn eines renommierten katholischen Juristen und Kanonikers und hatte sich in den Kriegen 1918 bis 1920 einige Meriten erworben – als vielmehr sein Name, der ihn in den Augen der Posener Journalisten zum »Anführer von Banditen und dem gesellschaftlichen Bodensatz« machte.262 Mit der Beruhigung der politischen Situation kehrte auch die Bewertung der Juden durch das Militär in gewohnte Bahnen zurück, wobei die Urteile über die Minderheiten auch weiterhin durchaus variieren konnten.263 Als im Deutschen Reich unter der nationalsozialistischen Herrschaft die Lage für Juden immer bedrohlicher wurde, meinten einige Beobachter eine stärkere Annäherung vieler Juden an den polnischen Staat zu verspüren.264 Auch außerhalb des Militärs blieb das Narrativ von der militärischen Untauglichkeit und Unzuverlässigkeit der Juden über die gesamte Zwischenkriegszeit hinweg präsent. Einer von zahllosen Belegen dafür ist der Konflikt zwischen Eliasz Kirszbraun (Aguda)  und Jan Załuska (Nationaldemokratie) im Militärausschuss des Parlaments. Kirszbraun ließ sich 1923 während einer Sitzung des Ausschusses durch abfällige Bemerkungen Załuskas über Juden im Militär derart provozieren, dass er sich anschließend für seine Wortwahl entschuldigen musste.265 Załuska forderte die Offenlegung der Zahl von Juden im Militär.266 Szymon Feldman, Kirszbrauns Ausschusskollege vom Mizrachi, hielt ihm entgegen, die polnische Armee sei keine nationale, sondern eine staatliche.267 Daraufhin erhielt Załuska Beistand von Jan Pieniążek (PSL-Piast), der die Loyalität der Juden infrage stellte und für »Erleichterungen für bestimmte Kategorien von Menschen« beim Militärdienst plädierte.268 Ein wichtiger Kritikpunkt des nationalistischen Teils der Öffentlichkeit an der Armee war, dass für die Belieferung der Garnisonen auch jüdische Firmen und Zwischenhändler Konzessionen erhielten. Die seit 1935 gängige Praxis, aus Kostengründen die benötigten Waren direkt bei 262 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.810, 387–391. 263 CAW, DU MSWojsk, sygn. I.300.37.7, passim. Vgl. auch CAW, SRI, sygn. I.371.5/A.185, 263 f., Meldung eines Kreisspitals an das DOK V, 9. Juni 1922. 264 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.14, 117–134, Lagebericht des DOK X, August 1934, o. D., hier 127. 265 AAN, BS, sygn. 18, 47, Sitzungsprotokoll des Militärausschusses im Sejm, 18. April 1923. 266 Ebd., 47. 267 AAN, BS, sygn. 18, 43, Sitzungsprotokoll des Militärausschusses im Sejm, 19. April 1923. 268 Ebd.

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den – meist nichtjüdischen – Produzenten zu ordern, stieß auf jüdischer Seite auf Kritik, während die politische Rechte dies als Sieg feierte.269 Von den Emotionen, die die thematische Verbindung von Juden mit dem Militär in manchen Kreisen hervorriefen, zeugen auch die Darstellungen von Juden in Karikaturen und satirischen Texten. Zeitschriften wie Pod Pręgierz (An den Pranger) oder Szabes-Kurjer (Schabbes-Kurier) stellten die Armee (einschließlich Piłsudskis) einerseits als von Juden unterwandert und bestimmt, andererseits als Schutzinstanz der Nation gegen die Juden dar.270 Gleiches gilt für die nationaldemokratische Towarzystwo Rozwój (Gesellschaft Entwicklung), die »judenkundliche Konferenzen« (»konferencje żydoznawcze«) abhielt. Bereits auf der ersten dieser Zusammenkünfte Anfang Dezember 1921, die laut Armeeinformationen auf ein geringes öffentliches Interesse stieß, wurde mit den bekannten Argumenten gegen die Juden im Militär agitiert.271 In der vereinseigenen Publikationsreihe Bibljoteczka Żydoznawcza (Judenkundliche Bibliothek) erschien 1923 Tadeusz Mścisławskis Pamphlet Wojsko Polskie a żydzi (Die Polnische Armee und die Juden), das im Zusammenhang mit der Jabłonna-Affäre bereits zitiert wurde.272 All diese Publikationen kumulierten die bekannten antijüdischen Stereotype, weshalb sich eine nähere Analyse hier nicht lohnt. Auch wenn sich nach 1926 das Verhältnis zwischen jüdischer Minderheit und Staat spürbar entspannte, blieb in den Armeeberichten die feindselige Einstellung der Juden eine Art Leitmotiv, das flankiert wurde von Schlagworten wie Weltverschwörung, politischer Radikalismus, soziale Unruhestiftung, Pornografie, Menschenhandel, Ritualmorde, kommunistische Propaganda und Streben nach einem jüdisch beherrschten Polen (»Judeo-Polska«, »Judeo-Polonia«).273 Damit unterschied sich die Wahrnehmung eines Teils des militärischen Personals kaum von den Überzeugungen, die in antisemitischen Druckerzeugnissen weiterhin verbreitet wurden. Jegliche Versuche staatlicher Institutionen, wie jener des Innenministeriums von 1928, die Verbreitung antisemitischer Karikaturen und Propaganda zu unterbinden, 269 Beispielsweise Ataki prasy żydowskiej na wojsko, in: Głos Narodu, 9. Januar 1936, 6; Wojsko i poczta dają piękny przykład, in: Potęga Polski bez Żydow, 27. September 1936, 2. 270 O.  A. [Nowakowski (Hg.)], Żydzi w karykaturze; W czasie żydowskiego Nowego Roku przed bożnicą, in: Szabes-Kurjer 1 (1924), Nr. 3, 5; Obrazek przyszłości (około 1975 r.), in: Szabes-Kurjer 2 (1925), Nr. 2, 6; Nowy pogrom!, in: Szabes-Kurjer 2 (1925), Nr. 5, 8; Poznań w roku 1940, in: Szabes-Kurjer 5 (1925), Nr. 20, 1. 271 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2675, Informations-Kommuniqué des Nationalitätenreferats zu den Juden, 1. Januar 1922; W. Zieliński, Rola żydów w wojsku i w stosunku do wojska. 272 Mścisławski, Wojsko Polskie a żydzi. 273 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 151. Dietrich Beyrau charakterisierte den Antisemitismus in Polen als »Antisemitismus der Faust«. Ders., Antisemitismus und Judentum in Polen, 1918–1939, 205.

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blieben wenig wirksam.274 Selbst in der halboffiziellen Tageszeitung Polska Zbrojna (Bewaffnetes Polen) fanden sich Mitte der 1930er Jahre immer wieder Karikaturen, in denen bei der Darstellung der Sowjetunion explizit auf das Bild der »żydokomuna« zurückgegriffen wurde.275 Mit dem Erstarken nationalistischer Strömungen nach 1935 gehörte es dann bald auch im Parlament und in der Presse zum politischen Alltagsgeschäft, altbekannte Stereotype zu verbreiten. Ein ehemaliger Legionär, der BBWR-Abgeordnete Wacław Budzyński, sorgte am 21. Dezember 1936 während einer Sitzung des Haushaltsausschusses des Sejms für einen Eklat, als er Premierminister Felicjan Sławoj Składkowski aufforderte, bei der Personalpolitik der Regierung auf die »Verteidigung des Polentums« zu achten. Da wichtige Posten in Medien und Diplomatie bereits von Juden besetzt seien, befände sich Polen in einem Zustand der »inneren Besatzung« und seine Einwohner würden pauschal als Antisemiten verleumdet. Budzyński bezeichnete sich bei seinem Auftritt selbst als Antisemit, da er ein »Anti-Deserteur« sei – schließlich würde »jeder Semit vom Schlachtfeld flüchten«.276 Premier Składkowski wies Budzyńskis Vorwürfe zurück und verwies auf die Gleichberechtigung von Polen und Juden. Der jüdische Veteranenverband, von dem noch ausführlich berichtet werden wird, protestierte energisch gegen die Aussagen des Parlamentariers und mehrere ehemalige Legionäre und Reserveoffiziere forderten sogar Satisfaktion.277 Doch die Vielzahl der Attacken gegen Juden im Militär machte jede Argumentation zu einem sinnlosen Unterfangen. »Jude«, so konnte man in einer antisemitischen Wochenschrift lesen, »und Soldat, das ist ein Gegensatzpaar«.278 Vielmehr könne Polen auf den »jüdischen Blutzoll« dankend verzichten und stattdessen wie im 19. Jahrhundert eine Wehrsteuer für Juden einführen.279 Ein anderer Autor schlug vor, jüdische Offiziere sowie mit Jüdinnen verheiratete Offiziere aus der Armee zu entfernen, um ausländischen Geheimdiensten kein Einfallstor zu bieten.280 Selbst in einem Mordprozess, in dem die Tötung eines Wachtmeisters der Kavallerie durch einen offenbar psychisch erkrankten ehemaligen Ulanen jüdischer Herkunft aufgeklärt werden sollte, wurde die Abneigung der Juden 274 APL, UWL, WSP, sygn. 410, L.1110/BP, 32. 275 Tajny układ Hitlera z Sowietami w ilustracji, in: PZ, 9. Oktober 1930, 1; Międzynarodówka, in: ebd., 18. August 1935, 10; Pauza, in: ebd., 2. Mai 1936, 1. 276 Obrony polskości przed Żydami domagali się na komisji budżetowej Sejmu, in: Polonia, 22. Dezember 1936, 2. 277 Ebd.; AAN, MSW, cz. I, sygn. 963, 140; Sekundanci u posła Budzyńskiego, in: Głos Poranny, 23. Dezember 1936, 1; Minderheitenbericht (4. Quartal 1936). 278 W armji narodowej nie ma miejsca dla żydow!, in: Potęga Polski bez Żydow, 18. Oktober 1936, 1. 279 Ebd. 280 Kierski, Kwestja żydowska w Polsce, 77.

Die multiethnische Staatsarmee als Realität

255

gegen Polen und sein Militär als zentrales Erklärungsmuster herangezogen. Der Angeklagte Judka Lejb Chaskielewicz hatte am 1. Juni 1936 seinen früheren militärischen Vorgesetzten Jan Bujak in Mińsk Mazowiecki mit einem Kopfschuss ermordet.281 Diese Tat lieferte den Anlass für einen mehrtägigen Pogrom, der bis zum Begräbnis des Mordopfers anhielt.282 Etwa ein Jahr später fand der Prozess gegen Chaskielewicz statt, in dem er zum Tode verurteilt wurde; die Strafe wurde in zweiter Instanz in lebenslange Haft umgewandelt. In der Urteilsbegründung verwies das Gericht auf den Hass des Angeklagten auf Polen sowie die insgesamt feindselige Einstellung der jüdischen Bevölkerung gegenüber ihrem Heimatland.283 Für die politisch zersplitterten jüdischen Akteure war es hier schwer, wirksame Gegenstrategien zu entwickeln. Eine Handlungsoption, nämlich die möglichst weitgehende Kooperation mit dem Staat, wird im nächsten Kapitel vorgestellt. Meist versuchten jüdische Publizisten und Politiker, die gegen Juden gerichteten öffentlichen Angriffe mit einiger Schärfe zu parieren, was angesichts des Desinteresses der nichtjüdischen Mehrheitsbevölkerung ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen war. Eine freilich nur seltene Art, Stereotypen zu begegnen, wird an der Rezeptionsgeschichte der Kabarettnummer Jojne Naprzód (Jojne Vorwärts) deutlich.284 Sie entstand wahrscheinlich 1922, besteht aus einem Monolog und einem Lied und entstammte der Feder des Warschauer Schauspielers und Publikumslieblings Janusz Ściwiarski. Der absurd komische Charakter Jojne wird als großspuriger und sympathischer Angeber dargestellt, der vor seiner Angebeteten Małcia seine Heldentaten in der Armee preist. Im Lied wird jedoch schnell deutlich, dass er lediglich eine überzeichnete Verkörperung der gängigen Stereotypen über Juden im Militär ist. Die Figur des Jojne Naprzód und das Motiv des tölpelhaften und prahlerischen Juden waren als feste Bestandteile des Repertoires von Kabaretts und Satirezeitschriften seit längerem etabliert und entsprachen damit ganz der weitverbreiteten Wahrnehmung von Juden.285 Ein Bedeutungswandel er-

281 Laskowska-Gielo, Pogrom w Mińsku Mazowieckim (czerwiec 1936 r.), 488–490; Żyndul, Zajścia antyżydowskie w Polsce w latach 1935–1937, 47. 282 Laskowska-Gielo, Pogrom w Mińsku Mazowieckim (czerwiec 1936 r.), 490–493. 283 Ebd., 495; Proces zabójstwa wachmana Bujaka przez Chaskielewicza, in: NP, 3. Juni 1937. 284 Jojne Naprzód. Monolog ze śpiewami wykonywany z wielkim powodzeniem przez Janusza Ściwiarskiego, in: Trubadur Polski, 24. September 1922, 1 f. 285 Jojne Kokiet rekrutem polskim, in: Mucha, 25. April 1919, 4; Jojne Kokiet rekrut polski, in: ebd., 22. Dezember 1922, 3; A gdy jechał król …, in: ebd., 6. August 1926, 3. Ähnlich auch List z Palestyny, in: Satyr, 9. Februar 1919, 5. Auch in der Kościuszko-Division war dieses Sprichwort bekannt. Rudawski, Mój obcy kraj?, 138. Vgl. auch die Anmerkungen zu jüdischen Figuren im populären Warschauer Kabarett Qui pro Quo von Holmgren, Acting Out. Der Text des Liedes findet sich unter dem Titel Jojne Naprzód in Wielanek, Szlagiery starej Warszawy, 15 f.

256

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

fuhr das Couplet, als es 1931 der jüdische Sänger und Schauspieler Bolesław Norski-Nożyca leicht modifiziert unter dem Titel Jojne Karabin in seine Revue aufnahm. Indem er als polnisch akkulturierter Jude und ungemein populärer Interpret vermeintlich jüdische Eigenschaften karikierte, führte er diese Stereotypen ad absurdum, da diese ganz offensichtlich völlig überzogen waren und der Vergangenheit angehörten. Norski-Nożyca war mit seinen Jojne-Nummern so erfolgreich, dass er zwei Schallplatten damit veröffentlichte.286 Das Bemerkenswerte ist, dass dieser Erfolg gerade unter Juden sehr groß war, wie die Wochenzeitung Zwierciadło von einer Vorstellung in Chełm berichtete: »Das meiste Gelächter begleitet die jüdischen ›Witze‹, die vor allem der jüdischen Bevölkerung (die vielleicht 80 Prozent der Zuschauer ausmacht) ungeheuer gefallen. Früher belustigte das Nachahmen von Juden nur das polnische Publikum, das jüdische hörte und sah dies mit Entrüstung. Heute ist es umgekehrt: Das polnische Publikum ist bereits übersättigt oder hat sich an die unkorrekte Aussprache polnischer Ausdrücke durch die Juden gewöhnt […]. In den letzten Jahren machten die Juden jedoch derlei Fortschritte in der polnischen Sprache, dass ein schlecht polnisch sprechender Jude für sie äußerst komisch ist. Vor allem auf der Bühne mit einem Künstler, der das Polnische ebenso gut wie das Jüdische beherrscht … Zu den gelungensten Nummern gehört das von B.  Norski-Nożyca wiedergegebene ›Jojne Karabin‹, der obwohl lustig in seinem Reden und Tun, zugleich ein großer ›Held‹ und polnischer Phrasenpatriot ist, der sich vor seiner Gattin Małka seiner Taten rühmt … Ein Typ der Art Berek Joselewicz’ oder dergleichen. Es ist gut, dass wir derlei ›Helden‹ und Phrasenpatrioten vorerst bloß auf der Bühne haben.«287

3.3 Von Rekruten zu Staatsbürgern. »Nationalitätenarbeit« im Militär Geprägt von lange tradierten Vorurteilen und Nationalitätenkonflikten, fand das Militär recht bald zu einem Umgang mit seinen Soldaten »nichtpolnischer Nationalität«, bei dem integrative und restriktive Maßnahmen ineinandergriffen. Während viele Regulierungen auf die Disziplinierung, Zurückdrängung und Kontrolle der Minderheiten wie auch auf die Sicherstellung des polnischen Primats innerhalb der Institution ausgerichtet waren, zielten andere Maßnahmen auf eine Befriedung der multiethnischen Mannschaften, die Erhöhung von deren Identifikation mit dem Staat und ihrer 286 Jojne Karabin w koszarach. Monolog komiczny, wyk. B.  Norski-Nożyca, Syrena-Electro, Nr. 3902 und Nr. 3940, vermerkt in: Lerski, Syrena Record, 337 und 339. Zu den wenigen bekannten Fakten zur Biografie von Norski-Nożyca (1911–1943) Werb / Milewski, From »Madagaskar« to Sachsenhausen, 276 f. 287 Zwierciadło, 22. Februar 1931, 4.

Von Rekruten zu Staatsbürgern

257

Akkulturationsbereitschaft. Beide Verfahrensweisen waren eng miteinander verwoben und dienten stets dem Zweck, die militärischen Abläufe und die zahlenmäßige Überlegenheit der ethnischen Polen sicherzustellen und die (Um)erziehung der Soldaten zu treuen Staatsbürgern zu fördern. Sie erstreckten sich, wie sich zeigen wird, auf die Bereiche der Desertionsbekämpfung, die quantitative und regionale Verteilung der Rekruten, die Zugangskontrolle zu militärischen Laufbahnen, die Militärseelsorge sowie die Bildungsarbeit. Die Zielvorstellungen der innermilitärischen Minderheitenpolitik waren stets die gleichen. Generalstabschef Władysław Sikorski formulierte im Februar 1922, »jeder Rekrut nichtpolnischer Nationalität« solle sich »während seines Armeedienstes in einen seiner Rechte und Pflichten bewussten Bürger des polnischen Staates verwandeln«, während »national nicht aufgeklärte Elemente« für Staat und polnische Nation gewonnen werden sollten. Die Soldaten sollten Bedingungen vorfinden, die ihnen »ohne Beleidigung ihrer nationalen und religiösen Gefühle« erlaubten, sich in der Truppe heimisch zu fühlen.288 Die Militärzeit sollte eine Zeit der »Bindung an den polnischen Staat, Nationalität und Kultur« werden. Sikorski verglich die Armee mit einer großen Maschine, deren Ziel »die Vereinigung und Bindung aller Nationalitäten der Republik unter der Führung der polnischen Zivilisation« sei.289 Auch im Nachfolgebericht des ausführlich besprochenen ersten Nationalitätenberichts von 1922 kommt der Wille zum Ausdruck, die zahlreichen Missstände im Umgang mit den Minderheiten abzustellen, da man um Qualität und Zusammenhalt der Armee fürchtete, deren Fehlen »im Falle eines bewaffneten Konflikts mit den Nachbarstaaten für den Staat unerwünschte Folgen« hätte.290 Allerdings folgten dem noch keine konkreten Maßnahmen, was neben der angespannten finanziellen Situation der Armee auch der innenpolitischen Lage der unsicheren Jahre vor 1926 geschuldet war. Ganz ähnlich wie Sikorski argumentierte eine streng vertrauliche Dienstanweisung an die SRI vom März 1927, die veranschaulicht, dass der Maiputsch nicht nur organisatorische und strukturelle, sondern auch qualitative Konsequenzen für die innermilitärische Minderheitenpolitik hatte.291 Ziel des Schreibens war eine Systematisierung der bislang ungeordneten Einzelverordnungen und Befehle zu Minderheitenfragen. Grundlegend für den

288 Zit. nach T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 82. 289 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2663, 24 f., Abteilung II an DOK und verschiedene Abteilungen, 28. Februar 1922 (ebenso enthalten in ebd., sygn. I.303.4.2652). 290 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2710, 2, Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923. 291 CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.32, L. dz. 650/Inf. N./27, Dienstanweisung zur Nationalitätenarbeit in der Armee, März 1927.

258

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

zukünftigen Umgang sollte das Wissen darüber sein, dass »jedwede Ungerechtigkeit und jedes Unrecht, ja selbst jede Taktlosigkeit im Umgang mit den Soldaten fremder Nationalität diese nicht nur von ihren Vorgesetzten und Militärbehörden entfernt, sondern auch von der polnischen Idee«.292 Das daraus resultierende Gefühl der Diskriminierung führe im schlimmsten Fall dazu, dass »die Kampfausbildung der fremden Nationalitäten keine fest verbundene Schar von Bürger-Soldaten, sondern leider vielleicht sogar von Feinden hervorbringt, die bereit sind, ihre Waffen und soldatische Erfahrung gegen den polnischen Staat zu richten«.293 Daher sei es eine »unbedingte, geradezu historische Notwendigkeit«, die Soldaten ganz für Polen einzunehmen. Der Militärdienst sei »in Friedenszeiten unter den derzeit herrschenden politisch-gesellschaftlichen Bedingungen vielleicht die einzige Zeit, in der bei einer entsprechenden Behandlung der Soldaten vom Rekruten bis hin zum Reservisten die Möglichkeit besteht, aus ihnen loyale, treue und gute Bürger der Republik zu formen«.294 In Zukunft, so die Anweisung, sollte im Umgang mit nichtpolnischen Soldaten in drei Zeitabschnitten gedacht werden. Vor der Einberufung der Rekruten hatten sich die Offiziere auf die Erziehung der neuen Soldaten vorzubereiten. Während des aktiven Dienstes und der Umsetzung der gesteckten Erziehungsziele, waren sie angehalten, sich möglichst umfassend über die Lebenssituation ihrer Soldaten zu informieren und diese nach Möglichkeit zu berücksichtigen.295 Die dritte Phase umfasste die Zeit nach dem abgeleisteten Wehrdienst, in der »der Soldat als Reservist und Bürger all das ausstrahlt, was ihm während seines aktiven Dienstes beigebracht wurde«. Auf diese Weise werde jeder Reservist entweder zu »einem Multiplikator des Geistes der polnischen Staatlichkeit, der Autorität von Behörden und Armee, der ihnen entgegengebrachten Achtung und Sympathie« – oder aber das ganze Gegenteil.296 Der Hauptanspruch der »Nationalitätenarbeit« war folglich nicht die Beseitigung von Desertionsgründen, sondern »vor allem die Umformung der Soldaten fremder Nationalität in treue Staatsbürger, die jederzeit zur Verteidigung der Unversehrtheit, Unabhängigkeit, Würde und Rechtsordnung des Staates bereit sind«, oder in der Sprache der Zeit: deren »Einstaatlichung« (»upaństwowienie«).297 Anfang der 1920er Jahre sahen die Militärbehörden aber vor allem die Schwierigkeiten bei der Aufnahme nichtpolnischer Soldaten in die Armee. Ihre Skepsis schien sich im Hinblick auf die hohe Zahl der Stellungsflüchtigen 292 Ebd., 4. 293 Ebd. 294 Ebd., 5. 295 Ebd. 296 Ebd., 6. 297 Ebd., 7.

Von Rekruten zu Staatsbürgern

259

und Deserteure insbesondere im Osten des Landes zu bestätigen.298 Allein im podlachischen Kreis Szczuczyn entzogen sich 1922 32,36 Prozent der Polen, 74,88 Prozent der Juden sowie 100 Prozent der Deutschen ihrer Einberufung. Abgesehen davon, dass die Rate der Stellungsflüchtigen bei den Polen ebenfalls beträchtlich war, zeigten auch die im Nationalitätenbericht von 1923 angeführten Zahlen bei Juden in der Regel eine bis zu doppelt so hohe Quote.299 Der Anteil der Minderheiten an den Desertionen betrug zwischen 16,24 und 31,96 Prozent, lag also über deren Anteil an der Mannschaftsstärke der Gesamtarmee (Tab. 3). Die phasenweise dramatisch anmutenden Zahlen werden etwas relativiert, blickt man auf die Desertionsrate der Gesamtarmee, die 1923 mit 19 713 Fällen bei hohen 7,73 Prozent lag (Tab.  4). Desertion wie Stellungsflucht gingen mit den Jahren zurück. Hatte Letztere zu Beginn der 1920er Jahre in einigen besonders betroffenen Wehrkreisen noch über 70 Prozent erreicht,300 pendelten sich die Zahlen ab Mitte der 1920er Jahre bei 1–10 Prozent ein. Betrachtet man das Phänomen der Desertion regional, lassen sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Korpsbezirken feststellen. Besonders hoch waren die Fallzahlen im Osten, wo der Korpsbezirk Lemberg die Statistik mit 18,46 Prozent anführte. Auch wenn die Desertionsstatistik in absoluten Zahlen von den Polen angeführt wurde, konzentrierten die Militärbehörden ihre Problemanalyse auf die nationalen Minderheiten. Im Falle der Juden sprach man sogar davon, diese desertierten »grundsätzlich aus jeder Waffengattung«.301 Die Statistiken zeigen zwar, dass in einigen Einheiten die Zahl jüdischer Deserteure tatsächlich überdurchschnittlich hoch war, doch lassen sich ebenso viele Gegenbeispiele finden.302 Gleichwohl ist festzuhalten, dass sich dienstunwillige Juden in großer Zahl bereits der Musterung entzogen, was die spätere Desertionsrate von Juden in manchen Gegenden wiederum niedrig hielt.303 Als die Dwójka im Korpsbezirk Lemberg die Desertionszahlen für den Zeit298 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, 2, Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923. Vgl. auch die Zahlen in den Tab. 4 und 5 dieser Arbeit. 299 Freilich steht infrage, ob die hier als Polen bezeichneten Rekruten sich auch selbst zu dieser Nationalität zählten. Für Warschau wurden folgende Anteile Stellungsflüchtiger genannt: 15,63 Prozent der als Polen registrierten Wehrpflichtigen, 34,25 Prozent der Juden, 45,42 Prozent der Deutschen, für Łomża analog 33,56, 61,56 bzw. 44,44 Prozent. Ebd., 2. 300 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 110. 301 Ebd., 23.  302 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2677, passim. Vgl. auch die ausführlichen Statistiken bei T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 166–168. Zu den Belarusen Grzybowski, Białorusini w polskich regularnych formacjach wojskowych w latach 1918–1945, 113–117. 303 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2683, 506–520, Minderheiten im Bereich des OK  IV, 28. November 1923, hier 513.

182

37

12

Juden

Deutsche

Andere

22,40 %

Anteil der Minderheiten

28,61 %

5.640

19.713

252

136

1.280

1.533

2.439

14.073

1923

31,25 %

165

528

10

5

26

39

85

363

1924

16,24 %

63

388

2

5

21

9

26

325

1925

19,31 %

78

404

3

6

24

12

33

326

1926

31,96 %

201

629

6

6

27

96

66

428

1927

16,38 %

268

1.636

36

34

38

8

152

1.368

1930

1934

18,04 %

302

1.674

38

36

60

8

160

1.372

Quelle: Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 166.

591

Anteil der Minderheiten (gesamt)

2.638

51

Belarusen

Gesamtzahl

309

2.047

Ukrainer

Polen

1922

Tab. 3: Fälle von Desertion nach Nationalitäten

16,64 %

566

3.402

83

51

155

65

212

2.836

1936

7.874

31.012

442

316

1.813

1.821

3.482

23.138

Gesamt

25,39 %

100,00 %

1,43 %

1,02 %

5,85 %

5,87 %

11,23 %

74,61 %

Prozent

260 »Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

261

Von Rekruten zu Staatsbürgern

Tab. 4: Desertionsrate nach Nationalitäten (in Prozent)

Polen

1922

1923

1924

1925

1926

1927

1936

1,46

8,35

0,26

0,17

0,17

0,32

1,80

Ukrainer

2,90

11,30

0,74

0,25

0,33

0,48

0,81

Belarusen

0,40

6,30

0,41

0,07

0,13

0,56

0,64

Juden

2,00

9,78

0,36

0,21

0,29

0,27

1,28

Deutsche

2,00

5,10

0,23

0,17

0,20

0,14

2,60

Andere

0,50

8,00

2,87







8,70

Desertionsrate insgesamt

1,80

7,73

0,30

0,17

0,11

0,32

1,70

Quelle: Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 167.

raum von Oktober 1923 bis Dezember 1924 nach Warschau weitergab, zeigte sich der Autor darüber verwundert, dass neben 42 Polen, 14 Ruthenen, fünf Ukrainern und je einem Russen, Litauer und Deutschen kein einziger Jude oder Belaruse desertiert war.304 Wie wenig dies wiederum in die dominanten Wahrnehmungsschemata von Juden passte, verdeutlicht der Umstand, dass das »Fehlen« von Juden in einer ähnlichen Desertionsstatistik von November 1928 aus dem Korpsbezirk VII mit deren Angst vor dem Fluchtrisiko, also mit Feigheit erklärt wurde.305 Bei der Interpretation der angeführten Zahlen muss man freilich wie im Falle der Nationalitätenstatistiken eine beträchtliche Fehlerquote unterstellen. Noch 1937 identifizierte die Militärabteilung des Woiwodschaftsamtes Lublin eine Liste von Gründen, die letztlich zu einer bedeutenden Korrektur der Desertionsstatistik führen mussten. Die Rekrutierungsverzeichnisse enthielten mitunter die Namen bereits Verstorbener oder falsche Angaben zum Geburtsdatum. Manche der Aufgeführten hatten ihren Militärdienst bereits als Freiwillige angetreten oder verbüßten eine Haftstrafe, andere wurden zugleich auf der Liste eines anderen Wehrkreises geführt oder hatten bereits ihre polnische Staatsbürgerschaft verloren oder abgegeben.306 Die trotz dieser Einwände unbenommen hohen Stellungsflucht- und Desertionsraten der Anfangsjahre waren auch nach ihrer Normalisierung in den 304 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2674, 104–108, hier 107 f., Monatliche Statistiken zu den Nationalitäten, Konfessionen und Deserteuren, 19. Februar 1924. 305 CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.26, 526–532, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion (1. Mai – 31. Oktober 1928), hier 530. 306 APL, UWL-WW, sygn. 14, 66–98, Bericht über die Fahndungsaktion (1. Halbjahr 1937).

262

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

1920er Jahren ein stetes Thema der innermilitärischen Minderheitenpolitik. Die dienstunwilligen jungen Männer entwickelten eine Vielzahl an Strategien und Techniken zur Umgehung des Militärdienstes.307 Sie griffen dabei auf Erfahrungen aus der Zeit vor 1914 zurück, als nicht nur Juden die lange Militärzeit um jeden Preis zu vermeiden suchten. Eine altbekannte Taktik war, in einem möglichst schlechten Gesundheitszustand vor die Musterungsärzte zu treten. Aus Oświęcim (Auschwitz) berichtete der SRI über Bemühungen jüdischer Wehrpflichtiger, »den Organismus in einen Zustand völliger Erschöpfung zu bringen«.308 Im konkreten Fall – das DOK V unterstellte sogar die Mitwisserschaft der Polizei – handelte es sich um lange Hungerkuren und nächtliche Dauerläufe »bis zur Ohnmacht«.309 Auch exzessiver Kaffeegenuss, meist kombiniert mit Schlafentzug, galt als probates Mittel, als untauglich gemustert zu werden.310 Über die zahlreichen tatsächlichen und versuchten Manipulationen der Musterungsergebnisse jüdischer Wehrpflichtiger erfuhr die Öffentlichkeit aus zahlreichen Presseberichten.311 Ein Einfallstor für Betrügereien bei der Einberufung war die in vielen Gebieten der Republik schwache staatliche Präsenz und Autorität. Bereits die schlichte Feststellung der Identität von Wehrpflichtigen und der Abgleich mit den Rekrutenlisten waren mit Schwierigkeiten verbunden, da die Gemeinden nicht immer die entsprechenden Dokumentationen vornahmen. So war es einfach, bei Kontrollen die Vornamen zu manipulieren, etwa durch »Christianisieren« (Chaim zu Henryk, Jojne zu Jan usw.).312 Häufig mussten Behörden mit fragwürdigen Dokumenten arbeiten, da eine verlässliche standesamtliche Überlieferung fehlte. So meldeten sich 1923 in Włodawa viele Juden bei der PKU mit einem vom Magistrat ausgestellten Dokument, das als Kennakt (akt znania) bezeichnet wurde und bestätigte, dass die Inhaber älter als 24 waren und damit die Altersgrenze für die Wehrpflicht erreicht hatten. Der Magistrat stellte diese Dokumente aus, wenn die Antragsteller zwei

307 Einen Überblick dazu präsentiert Rodak, Żydowska przestępczość kryminalna w Wojsku Polskim w województwie lubelskim w latach 1918–1939. 308 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2703, 29, Anstrengungen jüdischer Wehrpflichtiger vor der Musterungskommission, 27. Juni 1928. 309 Ebd. 310 Beispielsweise Cukierman, Nadmiar pamięci (siedem owych lat), 2. 311 Besonders spektakulär war ein Prozess im April 1924 gegen die Mitglieder einer Warschauer Musterungskommission und einen jüdischen Vermittler. »Komisja« poborowa i jej »klienci«, in: PZ, 14. April 1926, 8 (tägliche Berichte bis zur Verkündung des Urteils). 312 APL, UWL-WW, sygn. 2, 128, Rundschreiben Nr. 84 des MSWojsk vom 27. Mai 1930. Vgl. auch die Dokumentation der Einberufungen in Lublin für das Jahr 1919, in der zahlreiche Fälle von Juden belegt sind, deren Namen doppelt registriert wurden, die um Rückstellung baten oder einen Antrag auf die Aufnahme in die Rekrutenlisten stellten. APL, Akta miasta Lublina, sygn. 3409, passim.

Von Rekruten zu Staatsbürgern

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Zeugen beibringen konnten.313 Wie eine Expertise der Rechtsabteilung des Innenministeriums feststellte, handelte es sich um eine Praxis auf der Grundlage eines weiter gültigen russischen Gesetzes von 1861, wonach als Altersnachweis für christliche Bürger die Geburtsurkunde oder eben ein Kennakt diente. Da sich besagtes Gesetz aber nicht auf die Juden erstreckte – in ihrem Fall galten nur die offizielle Geburtsurkunde oder eine Altersschätzung der Musterungsbehörde  –, waren laut Gutachten die in Włodawa ausgestellten Dokumente nicht ausreichend. Es wurde empfohlen, das geltende Recht für Juden und Christen anzugleichen.314 Möglicherweise in Zusammenhang mit dieser Rechtslage steht der Fall des Sohnes von Heinoch Madane aus Kock. Dieser verklagte 1937 die Militärbehörden wegen der Einberufung seines angeblich minderjährigen, da 1922 geborenen Sohnes. Das PKU hatte 1916 als Geburtsjahr unterstellt und den jungen Mann in die höchste Kategorie A tauglich gemustert. Einmal eingezogen, verweigerte die Armee seine Entlassung, da die Gesetzeslage es nicht vorsehe, tauglich befundene Personen vom Militärdienst zu befreien.315 Einen großen Einfluss auf das Verhalten von Teilen der jüdischen Bevöl­ kerung hatten die vielfach schlechten Erfahrungen mit den staatlichen Institutionen und deren Repräsentanten. Noch hinzu kam nicht selten das Unwissen über rechtliche Sachverhalte und ein latenter Argwohn gegenüber Verwaltungsbehörden. Ein Vertrauensverhältnis zu ihnen entwickelte sich die gesamte Zwischenkriegszeit über nicht mehr. Dies gilt bei Teilen der jüdischen Bevölkerung auch für die Einsicht in die Notwendigkeit der Wehrpflicht. Viele jüdische Eltern erinnerten sich zudem an die schlimmen Bedingungen im russischen Militär und versuchten aus Angst vor ähnlichen Verhältnissen in den polnischen Streitkräften, die Musterungskommissionen zu bestechen.316 Andere wandten sich, auch dies eine seit dem 19. Jahrhundert gängige Praxis, in ihrer Verzweiflung an zwielichtige Mittelsmänner, die gegen Geld versprachen, die Befreiung der Familie vom Militärdienst zu erwirken. Ein auf solche Fälle spezialisiertes Zweigespann, Pejsach und Małka Tenenbaum aus Chełm, fiel 1937 der Polizei in die Hände, weil sich unzufriedene Klienten über die Eheleute beschwerten und diese in einem Fall  – der Kunde hatte 500 Złoty gezahlt – sogar verprügelten.317 Bei der polizeilichen Untersuchung

313 APL, UWL-WW, sygn. 2, 1–6, Rundschreiben des Woiwoden von Lublin an die Starosten, 10. März 1923. 314 Ebd., 2. 315 APL, UWL-WW, sygn. 13, 16, Heinoch Madane an UWL Lublin, 28. Dezember 1937, 17, und Antwort der PKU Łuków, 7. Januar 1938. 316 Cukierman, Nadmiar pamięci (siedem owych lat), 2. 317 APL, UWL-WW, sygn. 14, 101.

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konnte kein Beweis erbracht werden, dass die Tenenbaums tatsächlich Ausmusterungen erreicht hätten. Vielmehr wurde vermutet, dass sie leichtgläubigen Zeitgenossen leere Versprechungen machten und dabei den Umstand ausnutzten, dass in ihrer Wohnung ein Militärarzt seine Praxis betrieb.318 Wie selbstverständlich es für manche war, zum Erreichen einer Ausmusterung zu illegalen Mitteln zu greifen, zeigt der Fall der Ita Zylbersztajn aus Łęczna. Im Sommer 1938 sprach die 23-Jährige beim Amtsarzt ihres Landkreises vor und bat um Ausstellung eines Attests über ihren angeblich schlimmen Gesundheitszustand. Mit diesem Dokument hoffte sie die Entlassung ihres Bruders Moszek aus der Armee zu erreichen. Die beredte Frau bekannte dem Kreisarzt, ihr Vater Chaim habe bereits vor der Musterung des Bruders einem Mittler in Lublin 700 Złoty gezahlt, um dessen Einberufung zu verhindern. Sie selbst hatte im Vorfeld ihres Besuchs einem Feldscher 40 Złoty gegeben, damit dieser den Amtsarzt zur Ausstellung eines für sie vorteilhaften Gesundheitszeugnisses bewege. Auch als sie verstand, dass der unbestechliche Mediziner nur ihren tatsächlichen Gesundheitszustand bescheinigen wollte, ließ Ita Zylbersztajn nicht locker und versuchte noch die Namen derjenigen Beamten in Erfahrung zu bringen, die ihren Antrag bearbeiten würden.319 Für junge Männer, die sich inmitten ihrer Ausbildung befanden, konnte sich die mangelnde Rücksichtnahme der Musterungsbehörden negativ auf ihre Bildungskarriere auswirken. Die Aufnahme einer Ausbildung war ein gesetzlich anerkannter Grund für eine Verschiebung des Militärdienstes, doch nicht selten übergingen die PKU entsprechende vorgelegte Nachweise. Für die Betroffenen war eine Einberufung damit oft gleichbedeutend mit dem Abbruch einer begonnenen Ausbildung. Solches erfuhr etwa Wolf Flaschner, als er zwei Monate vor seiner Abschlussprüfung am Staatlichen Lehrerseminar für jüdische Religion (Państwowe Seminarium Nauczycieli Religii Mojżeszowej) in Warschau stand. Er wurde eingezogen und aufgrund seiner Verlegung nach Hohensalza (Inowrocław) hatte er keine Möglichkeit, seine Ausbildung zu beenden. Sein Vater bat die Militärbehörden daher um die Rückverlegung des Sohnes nach Warschau – wie die Angelegenheit ausging, ist leider nicht belegt.320 Neben der Manipulation der Musterung entwickelten etliche Dienstunwillige zum Teil recht fantasievolle Strategien. Manche Juden nutzten die Furcht des Militärs vor einer kommunistischen Unterwanderung und ließen sich von Dritten als Kommunisten denunzieren, ohne dass ihnen selbst eine 318 Ebd., 99. 319 Ebd., 117 f. 320 CAW, BWN, sygn. I.300.20.118, 155, Anczek Flaschner an den Obersten Militärrabbiner, 26. September 1932.

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Übertretung nachzuweisen war. Eine solche Vermutung äußerte im Februar 1926 immerhin das Oberkommando der Staatspolizei und verwies darauf, dass zahlreiche Juden im Kreis Drohobytsch auf den Umstand setzten, dass diese Fälle einzeln und zeitaufwendig überprüft werden mussten.321 In den östlichen Landesteilen versuchten Dienstunwillige wiederum häufig, sich als Überläufer der Roten Armee auszugeben.322 Eine seit Langem gängige Praxis von Militärdienstverweigerern war, durch Verlassen des Wohnortes, häufig sogar des Landes, für die Behörden unauffindbar zu werden. Ein solcher Schritt war gleichbedeutend mit dem Gang in die Illegalität, zumal harte Gefängnisstrafen drohten.323 So bestand in einigen Gebieten ein enger Zusammenhang zwischen Desertions- und Kriminalitätsrate.324 Entlang mancher Zugstrecken in Grenznähe, so an der Linie Bielitz–Teschen, wurden Mitte der 1920er Jahre zahlreiche wehrpflichtige Juden aus dem ganzen Land aufgegriffen.325 In vielen Fällen brachten Schlepper die Wehrpflichtigen über die Grenze. Berichte über solche Banden erreichten das Innenministerium und die Abteilung II beispielsweise 1924 aus Wien. Eine Bande in Chrzanów sollte Juden gegen Dollar den Grenzübertritt organisieren und diese zugleich mit polnischen Pässen versorgen, während in Mährisch-Ostrau polnische Pässe mit entsprechenden Visa angeboten wurden, die den Flüchtigen die Weiterreise nach Österreich ermöglichten.326 Nach den Informationen der Dwójka gingen viele der Flüchtigen in die Tschechoslowakei und in das Deutsche Reich, wo sie bessere wirtschaftliche Aussichten hatten und zudem mit der Unterstützung der dortigen Lokalbehörden rechnen konnten. Diese erhielten vor allem belarusische und ukrainische Deserteure, die von nationalen Organisationen angeworben wurden und nun ihrerseits in Familie und Freundeskreis zur Desertion aufriefen und den ausländischen Behörden ihr Wissen über die polnischen Truppen und Militärstandorte preisgaben.327 Die Auslandsorganisationen des Deutschen Reiches, davon ging die 321 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2688, L.1453/V/26, 6. Februar 1926. Die Polizeidienststellen im Kreis Lublin konnten dies nicht bestätigen, Unterlagen aus anderen Kreisen lagen dem Autor nicht vor. APL, Okręgowy Urząd Policji Politycznej w Lublinie, sygn. 16, 3–22. 322 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2673, 733, Befehl Nr. 5 vom 25. Januar 1923 des DOK I, Pkt. 1, (Abschrift). 323 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 166 und 174 f. 324 CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.28, 20, Oddz. II des DOK I an den Woiwoden in Thorn, 20. Oktober 1920. 325 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, DOK V an das MSWojsk und die Abt. II des Generalstabs, 4. März 1924. 326 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, Konsularabteilung des Außenministeriums an Innenministerium und Abt. II des Generalstabs, 27. Juni 1924; APL, Okręgowy Urząd Policji Politycznej w Lublinie, sygn. 85, 9. 327 APL, UWL-WSP, sygn. 1486, 14. 

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Armee zumindest fest aus, stellten Deserteuren angeblich die Aufnahme in die Reichswehr in Verbindung mit der Erlangung der deutschen Staats­ bürgerschaft in Aussicht.328 Auch Palästina war Ziel mancher Wehrdienstflüchtlinge.329 Desertion und Stellungsflucht führte die Armee bei den Juden meist auf deren »nationale Abscheu« gegen den Militärdienst zurück, dessen Wurzeln biologischer, psychologischer oder politischer Natur seien (Tab. 5).330 Während die beiden ersten Ursachen als quasi naturgegeben akzeptiert wurden, galten Zionismus und Kommunismus als Hauptquelle mangelnden staatsbürgerlichen Pflichtbewusstseins oder gar staatsfeindlicher Einstellungen. Nur selten wurden weitergehende Erklärungsmuster bemüht, wie etwa der Zwangscharakter des Dienstes oder die Ausbildungssituation der jüdischen Jugend. Völlig anders rationalisierten die Militärbehörden hingegen die Motive christlicher Deserteure. Fast möchte man meinen, dass aus der Vielzahl von Beweggründen, die man in ihrem Fall anführte, ein gewisses Verständnis sprach. Es waren dies soziale (Nachkriegselend, Kriegsmüdigkeit), kulturelle (traditionelle Vorbehalte der Landbevölkerung gegenüber dem Militär), ökonomische (Arbeitskräftemangel in der Erntezeit), moralische (mangelndes Verantwortungsbewusstsein, Leichtfertigkeit), familiäre (Nähe des Elternhauses, Heimweh), materielle (schlechte Ausstattung, Unterbringung und Verproviantierung in der Armee), juristische (geringes Strafmaß für Desertionsdelikte), politische (Agitation bolschewistischer Agenten) und schließlich administrative Gründe (niedrige Effizienz der Verwaltung).331 Als Ausweg aus der zu Beginn der 1920er Jahre herrschenden Wehrdienstmüdigkeit besonders unter den Nichtpolen wurde eine Kombination aus Repressions- und Integrationsinstrumenten vorgeschlagen, die kennzeichnend werden sollte für den Umgang mit Minderheiten im Militär von 1921 bis zum Ende der Zwischenkriegszeit. Neben außermilitärischen Maßnahmen zur Ursachenbekämpfung der Dienstflucht, wie der Verbesserung des Schulwesens, wurden Veränderungen auch innerhalb der Armee angeregt, vornehmlich die Begrenzung des Minderheitenanteils pro Einheit, die Verbesserung der Bildungsarbeit, die Gewährung von Kurzurlauben als Anerkennung für besondere Leistungen, schnellere Verfahren gegen Deserteure, die Einführung einer Meldepflicht am Heimatort sowie die Anrechnung der 328 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 112. 329 Stellvertretend Wychodztwo Polskie w poszczególnych krajach, 120. 330 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2710, 25, Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923. 331 Ebd., 2124. Vgl. auch CAW, Oddz. II SG, I.303.4.2673, 480–483, Militärischer Nationalitätenbericht über die Desertion im DOK I (30. September – 31. Dezember 1925); CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.28, 20, Abt. II des DOK I an den Woiwoden in Thorn, 20. Oktober 1920.

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Tab. 5: Anteil der erschienenen Stellungspflichtigen nach Nationalitäten (in Prozent) 1927

1933

Polen

86,97

98,56

Ukrainer/Ruthenen

89,95

98,76

Juden

83,73

94,48

Belarusen

89,40

98,50

Deutsche

91,41

91,63

Übrige

83,21

98,98

Quelle: Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 110.

Desertionszeit auf die abzuleistende Dienstzeit.332 Die Armee betrachtete Desertion und Stellungsflucht als »umstürzlerischen Akt gegen den Staat« und kooperierte bei der Fahndung nach flüchtigen Rekruten eng mit den Polizeibehörden.333 Wurde ein Fall von Fahnenflucht bekannt, informierte die Garnison telegrafisch die Polizei am Wohnort. Allerdings gingen diese Informationen mitunter verloren oder trafen verspätet ein, sodass die Behörden keine Chance zum Aufgreifen der Flüchtigen hatten.334 Vor allem in den instabilen Anfangsjahren der Zweiten Republik wurden zum Teil großflächige Razzien und Kontrollen beliebter Bahnlinien organisiert.335 Auch in der Presse wurden spektakuläre Fälle von Desertionen gerade jüdischer Soldaten häufig besprochen.336 Um Deserteuren im Ausland habhaft zu werden, ordnete die Dwójka 1923 an, gegen diese auch Strafprozesse – beispielsweise wegen des Diebstahls von Armeeeigentum (Uniform)  – zu eröffnen. So erhoffte man sich eine leichtere Auslieferung, da Desertionsprozesse als politische Verfahren galten und Auslieferungsanträge in diesen Fällen weniger Aussicht auf Erfolg hatten.337 332 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, 26 f., Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923. 333 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 110. 334 CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.28, 20, Abt. II des DOK I an den Woiwoden in Thorn, 20. Oktober 1920. 335 Beispielsweise APL, UWL-WSP, sygn. 1486, 21–25; APL, Komenda Wojewódzka Policji Państwowej w Lublinie, sygn. 69, 1, 5, 11, 18 und 22–27. 336 Beispielsweise Obraz, który ukrywał dezertera …, in: PZ, 9. September 1927, 7. Die Desertion in das Deutsche Reich war auch für ehemalige preußische Armeeangehörige eine Option, wie im März 1927 die Fälle des Majors Urbanowicz und des Hauptmanns Kowalski zeigten. Dezercja podsądnych oficerów do Niemiec, in: PZ, 8. März 1927, 7. 337 APL, UWL-WSP, sygn. 1486, 14, Oddz. II an DOK II, 23. Oktober 1923.

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Zudem drohte insbesondere ins Ausland gegangenen Fahnenflüchtigen der Entzug der polnischen Staatsbürgerschaft, wie ein Gesetz der ROP bereits am 11. August 1920 geregelt hatte.338 In den späten 1930er Jahren wurde der diesbezügliche Umgang der polnischen Auslandsvertretungen mit potenziell Wehrpflichtigen auf Druck des Außenministeriums immer rigoroser, wenn auch eine konsequente Durchsetzung der Wehrpflicht aller im Ausland lebenden polnischen Staatsbürger illusorisch war.339 Im August 1935 bestimmte das Außenministerium, im Ausland lebenden Personen im Falle der Nichtableistung des Wehrdienstes die Passverlängerung zu verweigern.340 Mit der Zeit erkannten Außen- wie Innenministerium in dieser Praxis eine relativ lautlose Möglichkeit, sich unerwünschter Staatsbürger zu entledigen. Zu diesem Zeitpunkt stellte diese Praxis für die im nationalsozialistischen Deutschland lebenden Juden mit polnischer Staatsbürgerschaft eine große Gefährdung dar. 1938 besuchte Major Julian Skąpski als stellvertretender Chef des Departements für Personalergänzung die polnischen Vertretungen in Deutschland, Belgien und Frankreich. Er informierte die Diplomaten über die neue Regierungslinie, die auf Ausreiseerleichterungen »unerwünschter Minderheitenelemente trotz wiederholter Nichterfüllung der Militärdienstpflicht« drängte.341 Einen weniger restriktiven Umgang fand das Außenministerium kurzzeitig im Januar 1936 mit rückkehrwilligen ehemaligen Staatsbürgern, die vor 1923 desertiert waren. In einem Amnestiegesetz wurde ihnen die straffreie Rückkehr nach Polen erlaubt, wenn sie ihren Wehrdienst nachholten. Da die Zahl der Rückkehrer, vor allem staatenlose Juden aus dem Deutschen Reich sowie Ukrainer aus der Tschechoslowakei und Österreich, 338 Dz.  U., Nr. 81 (1920), poz. 540, Rozporządzenie Rady Obrony Państwa z dnia 11  sierp­ nia 1920 r. w przedmiocie utraty obywatelstwa Państwa Polskiego wskutek niespełnienia obowiązku służby wojskowej; APL, UWL-WW, sygn.  2, 128, Rundschreiben Nr. 84 des MSW, 27. Mai 1930. Allerdings wurden Männer, die ihre polnische Staatsangehörigkeit verloren, nicht vom Wehrdienst befreit, es sei denn, sie erwarben eine andere Staatsbürgerschaft oder ein Amt in einem anderen Staat. 339 Das Konsulat Lyon meldete am 10. Januar 1939 6 800 registrierte wehrpflichtige Emigranten und 38 000 ungeklärte Fälle, von denen 15 000 ins Konsulat geladen werden mussten. Das Generalkonsulat Ville zählte in seinem Zuständigkeitsbereich 50 000 im Rekrutenregister verzeichnete Emigranten, davon 29 000 Reservisten. AAN, MSZ, sygn. 123121, 152 f., Konsulat Lyon an Konsularabteilung des MSZ, Abt. E.III, 10. Januar 1939; ebd., 168, Generalkonsulat Ville an den Leiter der Abt.  E.III, 31. März 1939. Ein gesonderter Fall waren auswanderungswillige Juden, die auf Antrag bis zur Ausreise von der Dienstpflicht befreit wurden. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.75, Liczb. 9913, Intervention des Abgeordneten Henryk Rosmarin, Juni 1929; AAN, Konsulat Generalny w Jerozolimie, sygn. 19, 1–5, Anweisung Nr. 720/P1/1, 24. Juli 1939. 340 APL, UWL-WW, sygn 1, 325, Powszechny obowiązek wojskowy obywateli Polski poza granicami RP, Dziennik Urzędowy MSZ Nr. 4, 15. August 1935. 341 AAN, MSZ, sygn. 123121, 78–109 und 124–128, hier 127, Protokoll des Treffens der Militärreferenten der polnischen Konsulate in Deutschland, 17.–18. April 1938.

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bald die Erwartungen der Behörden übertraf, wurden die Konsularbeamten, die Juden die Möglichkeit der Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland offenbar gern eröffneten, im Juli 1937 angehalten, zur restriktiveren Praxis zurückzukehren.342 Neben der Desertionsbekämpfung gab es weitere minderheitenpolitische Maßnahmen, die vor allem auf Kontrolle und Eingliederung der nichtpolnischen Soldaten abzielten. Besondere Erwartungen wurden diesbezüglich an die Einführung der Dislozierungspraxis geknüpft. Da vier der 16 Woiwodschaften  – 50 Prozent des polnischen Gesamtterritoriums umfassend  – an die Sowjetunion grenzten und dort auch die Mehrzahl der als illoyal eingeschätzten Nationalitäten zu Hause war, galten diese Gebiete als besonders gefährdet.343 Zugleich waren hier besonders wichtige Teile der Landesverteidigung stationiert, da die Sowjetunion als militärische Hauptbedrohung galt und hier auch ihren militärischen Geheimdienst operieren ließ. Bereits im ersten Nationalitätenbericht von 1922 wurde die ungleiche Verteilung der Minderheiten in den Einheiten als zentraler Fehler benannt. Insbesondere in jenen Konstellationen, in denen die ethnischen Polen in den Mannschaften in Unterzahl blieben, sah man den Humus für antistaatliche Propaganda. Aus diesem Grund wurde Ende Mai 1922 ein »exterritoriales Ergänzungssystem« eingeführt, dessen Grundgedanke die Erhöhung des polnischen Anteils in den östlichen Divisionen war.344 Erreicht werden sollte dies, indem der Militärdienst möglichst nicht in der Heimatregion, sondern in einem anderen Landesteil abgeleistet wurde. Als positiven Nebeneffekt erhoffte man sich ein beschleunigtes Zusammenwachsen der Teilungsgebiete sowie einen West-Ost-Transfer von technologischen Entwicklungen, modernen landwirtschaftlichen Anbaumethoden und Lebensweisen.345 Indem der Einfluss von Familie und politischen Agitatoren sowie die ökonomischen Schwierigkeiten räumlich weit wegrückten, sollte der Soldat aus den Ostgebieten umso stärker von den höherentwickelten Gebieten beeindruckt werden, was ihn »in hohem Maße psychisch abhängig macht und Polen gegenüber verpflichtet«.346 Ein auf 1923 datierter Vorschlag eines Verteilungsschlüssels für die Dislozierung gibt eine Vorstellung von dem Vorhaben (Tab. 6).

342 Skóra, Służba konsularna Drugiej Rzeczypospolitej, 579 f. 343 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 75–78. 344 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 92. Außerdem erhoffte man sich einen Rückgang der Desertionsrate. T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 105. 345 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 95. 346 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923.

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Tab. 6: Vorschlag zur Dislozierung von Nationalitäten (1923) Minderheit

Herkunftsgebiet (DOK)

Stationierungsgebiet (DOK)

Deutsche

IV, VII, VIII

II, III, IX, X

Juden

östliche DOK

westliche bzw. zentrale DOK

Russen

II, III, IX

IV, V, VI, X

Ruthenen

V, VI, X

I, II (westliche Kreise), VII bzw. VIII

Ukrainer

II, IX

I, IV, VII bzw. VIII

Belarusen

III, X

I, II, VII, X

DOK I: Warschau; II: Lublin; III: Grodno; IV: Lodz; V: Krakau; VI: Lemberg; VII: Posen; VIII: Thorn; IX: Brest; X: Przemyśl. Quelle: CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, Kommuniqué „Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee“, 18. Oktober 1923.

Während die Dislozierung der slawischen Minderheiten sowohl in Ost-Westwie in Nord-Süd-Richtung geplant war, sollten die Deutschen (und die in dieser Statistik nicht berücksichtigten Polen) deren Plätze in den östlichen Landesteilen einnehmen. Die Juden waren die einzige Minderheit, die über das gesamte Staatsgebiet verteilt wurde.347 Folgt man einer auf etwa 1925 zu datierenden Karte der Abteilung I des Generalstabs, mussten Juden hauptsächlich aus den Korpsbezirken Lodz und Warschau nach Posen beziehungsweise Thorn wechseln.348 Die ursprünglich angestrebten Zahlen konnten wegen der hohen Kosten des Dislozierungssystems allerdings nie erreicht werden. 1928 beklagte die Dwójka, dass die meisten nichtpolnischen Soldaten ihren Wehrdienst noch immer in Wohnortnähe absolvierten. Im Jahr zuvor wurden lediglich 40 Prozent der Ruthenen, 55 Prozent der Belarusen, 30 Prozent der Ukrainer und 36 Prozent der Deutschen von der Dislozierungsregelung erfasst.349 Dass das Prinzip des wohnortfernen Einsatzes »verdächtiger« Minderheiten auch außerhalb des Militärs durchaus auf Interesse stieß, zeigt ein Vorschlag der Eisenbahnverwaltung Wilna vom Juni 1925, die dort tätigen Russen schrittweise nach Zentral- und Westpolen zu versetzen.350 In engem Zusammenhang mit dem Streben nach einer in ihrer territorialen Breite vorteilhaften Nationalitätenstruktur stand auch die Praxis der Zugangskontrolle für Nichtpolen für bestimmte Truppenteile und Einheiten. Bereits in den Grenzkriegen war die Präsenz jüdischer Soldaten, besonders 347 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 102–105; CAW, Oddz. I SG, sygn. I.303.3.437, 144, 88–90 und 107–113. 348 Ebd., 144. 349 CAW, SRI, I.371.7/A.25, 1071 f., Kommuniqué zu den nationalen Minderheiten im Militär. 350 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.411, 37–41.

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Offiziere, massiv infrage gestellt worden, was letztlich zu Jabłonna führte. Die Angst vor einer ethnischen Überformung der Armee blieb auch danach im Offizierskorps weitverbreitet. In einem Bericht des Korpsbezirkskommandos Lemberg von 1925 heißt es besorgt, die »Überlastung« der Feldartillerie »mit dem fremdnationalen Element« könne »in einem kritischen Moment eventuell fatale Folgen für unsere Armee und unseren Staat haben«.351 Auch wenn die Armeeführung 1922 die Multiethnizität ihrer Truppe akzeptierte, sollte doch innerhalb der Einheiten die polnische Bevölkerungsgruppe möglichst ihre dominante Position behalten, vor allem in als neuralgisch oder elitär eingestuften Truppengattungen. Dazu zählten vor allem Luftwaffe, Kriegsmarine, Feldgendarmerie, Fernmeldetruppe, Ballon- und Panzertruppen, Waffenamt, Stabsdienst und die Schall- und Lichtmesstrupps der Artillerie.352 Zudem galt es, bestimmte Spezialistenposten, wie Feuerleitoffizier, Geschützführer und Scharfschütze, möglichst nur mit Polen zu besetzen. Juden wurden vor allem zur wenig prestigeträchtigen Infanterie eingeteilt, da sie dort nach Meinung der Verantwortlichen den geringsten Schaden anrichten konnten.353 Auch in das Grenzschutzkorps (Korpus Ochrony Pogranicza, KOP) wurden kaum Juden aufgenommen, weil sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten im Grenzgebiet als ungeeignet galten.354 Zwar legte das Kriegsministerium die Nationalitätenstruktur für jede Waffengattung ab 1923 jährlich fest, doch wurde erst in den 1930er Jahren strenger auf die Einhaltung der ethnischen Proportionen gedrängt. Die entsprechende Planung der vorgegebenen Verteilung übernahm das Departement für Personalergänzung.355 Die Umsetzung erfolgte dann durch die Korps­ bezirkskommandos, die die Rekruten ihren körperlichen Fähigkeiten, ihrer 351 Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2694, 18–31, Nationalitätenbericht des DOK  VI (4.  Quartal 1924), 4. Februar 1925, CAW, hier 18.  352 Krotofil, Mniejszości narodowe w polskiej Marynarce Wojennej w okresie międzywojennym; Sługocki, Wychowanie w Marynarce Wojennej II  Rzeczypospolitej (1918–1939), 150–154; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 132 f.; Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 98–109. Beispiel für die zahlreichen Nationalitätenschlüssel in: CAW, DBP, sygn. I.313. 23/14, Wskazówki do rozdziału rocznika poborowego 1907, 24. August 1928. 353 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 101. Vgl. dazu auch die parlamentarische Eingabe des Jüdischen Abgeordnetenkreises zur gezielten Exklusion in bestimmten Truppenbereichen. BS, RPII/0/2162, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Grünbaum u. a. an den Kriegsminister und Premierminister, 5. Mai 1921. 354 AAN, BS, sygn. 18, Sitzung des Militärausschusses des Sejms, 23. März 1923, 33. Dazu auch BS, RPII/0/3024, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Farbstein u. a. an den Schatzminister, 14. Februar 1922, sowie CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.58, L.3574. Das KOP wurde 1924 zum Schutz der Ostgrenzen eingerichtet. Es war Teil der Streitkräfte, unterstand aber dem Innenminister. 355 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 109.

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»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Nationalität, Ausbildung und ihrem Beruf entsprechend bestimmten Einhei­ ten zuordneten.356 Zunächst wurden in jedem Jahr die tauglichen Polen einberufen, die fehlenden Plätze des festgelegten Gesamtkontingents wurden mit noch nicht eingezogenen Rekruten des Vorjahres sowie mit Minderheiten­ angehörigen aufgefüllt.357 Dass deren Anteil im Schnitt nur bei etwa 20 Prozent lag, erklärt sich durch diese Praxis.358 Die Einhaltung der Vorgaben stieß auf zahlreiche Schwierigkeiten, da die Zahl der Polen zu gering war, um die angestrebten Zahlenverhältnisse flächendeckend zu erreichen. Dies führte zu einem regen Austausch von Soldaten zwischen den Truppenteilen und Korpsbezirken, bei dem es aber zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten kam.359 Auch bei der Truppenverteilung wurden nationalitätenpolitische Überlegungen berücksichtigt. In den östlichen Landesteilen wurden 51 Regimenter mit einem polnischen Anteil von mindestens 70 Prozent stationiert, um die Einheiten mit nichtpolnischer Mehrheit »abzuschirmen«.360 Das Verteilungsschema der Rekruten des Jahrgangs 1907 im Korpsbezirk Warschau veranschaulicht das Streben nach einer polnischen Dominanz in spezialisierten und strategisch besonders wichtigen Truppenteilen (Tab. 7). Das Misstrauen der Armee gegenüber den Wehrpflichtigen war noch größer, wenn es um die Zugänglichkeit einer militärischen Laufbahn für Nichtpolen ging. Wie Statistiken zeigen, stieg der Minderheitenanteil am Berufs­offizierskorps nicht höher als auf knappe 4 Prozent, wobei die Zunahme im Jahr nach dem Maiputsch und der massive Rückgang in der Folgezeit besonders auffallen (Tab. 8 und 9).361 Nachdem nach 1918 zunächst einige Anstrengungen unternommen wurden, die Zahl der Minderheiten im Offizierskorps, vor allem aber der Juden, zu begrenzen, wurden auch hier bald Schlüssel festgelegt. Es scheint, als ging die Armeeführung pauschal davon aus, dass bei den Minderheiten natürlicherweise kein Interesse an einer militärischen Karriere bestand – und wenn doch, dann galt dies als verdächtig. Aus ihrem von tatsächlichen Beobachtungen und Stereotypen geprägten Judenbild leiteten manche Militärbeamte ab, nur ein kleiner Teil der Juden sei einer Berufssoldaten- oder Offizierslaufbahn zugeneigt.362 Offenbarten Juden

356 CAW, DBP, sygn. I.313.23/14, 7, Hinweise zur Verteilung des Rekrutenjahrgangs 1907 im DOK I, 24. August 1928. 357 Ebd., 3 f.; Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 107. 358 Vgl. Tab. 2 dieser Arbeit. 359 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 134–136. 360 Ebd., 107 f. 361 1938 stieg die Zahl wieder auf 417 Offiziere. 362 CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.25, 1069–1083, hier 1075, Kommuniqué zu den nationalen Minderheiten im Militär, 29. November 1928.

273

Von Rekruten zu Staatsbürgern

Tab. 7: Mindestanteil von Polen in den Militäreinheiten im DOK I (1928) Waffengattung

Infanterie

Formation

Mindestanteil ethnischer Polen (%)

Regimenter mit speziellen Aufgaben

80–100

übrige Regimenter

70

Ersatztruppe, ausgebildet für das KOP

80

Einheiten, die nicht für den Liniendienst vor­ gesehen waren

50

Panzereinheiten

Kavallerie

Artillerie

90 Regimenter mit speziellen Aufgaben

80–100

übrige Regimenter der Kavallerie, motorisierte Panzertruppen und Pionierschwadronen

65

Ersatztruppen, geschult für das KOP

80

Einheiten, die nicht für den Liniendienst vor­ gesehen waren

50

Regimenter mit speziellen Aufgaben, berittene Artillerie

70–90

übrige Regimenter

60

Einheiten, die nicht für den Liniendienst vor­ gesehen waren

50

Tross

50

Luftwaffe und Balloneinheiten

80

Ingenieurtruppen

Pioniere und Eisenbahnpioniere

70

Fernmeldetruppe

90

Fuhrpark

70

Gendarmerie

90

Sanitätsdienst

55

Intendantur

55

Waffenamt

70

Kriegsmarine

85

Quelle: CAW, DBP, sygn. I.313.23/14, Hinweise zur Verteilung des Rekrutenjahrgangs 1907 im DOK I (Anhang 1), 24. August 1928.

274

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Tab. 8: Konfessionelle Struktur des Berufsoffizierskorps 1926 Römisch-katholisch

1927

1930

16.430

97,23 %

16.869

96,06 %

15.553

99,58 %

Evangelisch

266

1,57 %

382

2,18 %

1

0,01 %

Russisch-orthodox

102

0,60 %

142

0,81 %

6

0,04 %

74

0,44 %

87

0,50 %

14

0,09 %

45

0,26 %

44

0,28 %

Jüdisch Griechisch-katholisch



Andere

26

0,15 %

36

0,20 %



468

2,77 %

692

3,94 %

65

0,42 %

16.898

100,00 %

17.561

100,00 %

15.618

100,00 %

Anteil nichtkatholischer Konfessionen Gesamtzahl





Quelle: CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.26, 544–556, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 11. Januar 1930, 123.

Tab. 9: Verteilung der nichtkatholischen Berufsoffiziere

Kriegsministerium Kriegsmarine Grenzschutzkorps

1926

1927

1930

k. A.

k. A.

2

2

2

0

6

16

11

111

206

12

OK II: Lublin

38

50

7

OK III: Grodno

58

74

4

OK I: Warschau

OK IV: Lodz

29

37

5

OK V: Krakau

24

51

3

OK VI: Lemberg

29

27

4

OK VII: Posen

35

51

6

OK VIII: Thorn

59

75

5

OK IX: Brest

32

53

3

OK X: Przemyśl

45

50

5

468

692

67

Gesamt

Quelle: CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.26, 544–556, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 11. Januar 1930, 124.

Von Rekruten zu Staatsbürgern

275

ein tatsächliches Interesse am Verbleib in der Armee, war dies zumindest ein erwähnenswerter Umstand.363 Hinter diesen Zahlen verbirgt sich keineswegs nur die verweigerte Übernahme »fremder« Offiziere nach 1918 in die neue Armee beziehungsweise deren bevorzugte Demobilisierung nach dem Rigaer Frieden. Für Nichtpolen galten auch strenge Zugangsbeschränkungen für die Ausbildung zum Berufsoffizier, die für Minderheitenangehörige überhaupt nur in der Infanterie möglich war. Die Obergrenze des Minderheitenanteils in den Offiziersschulen betrug 5 Prozent: 3 Prozent Juden, 1 Prozent Ruthenen und je 0,5 Prozent Belarusen und Deutsche.364 Eine ähnliche Vorsicht bestimmte den Umgang mit Soldaten, die sich als Reserveunteroffiziere qualifizierten, also keine weitere militärische Karriere verfolgten. 1922 ordnete General Sikorski in einem Geheimbefehl an, bereits bei der Ausbildung nichtpolnischer Unteroffiziere der Reserve zurückhaltend zu sein, nachdem er von Plänen ukrainischer Sozialisten Kenntnis erhielt, ukrainische Unteroffiziersanwärter zu Sabotageakten auszubilden.365 In der Folge sank der Anteil nichtpolnischer Reserveoffiziere kontinuierlich, auch wenn die Nationalität offiziell kein Grund war, Angehörigen von Minderheiten die entsprechende Schulung zu verwehren. Vielmehr galt nach einer Anordnung des Staatspräsidenten von 1932 das vorbildliche Verhalten im Dienst und während der Ausbildung als entscheidendes Aufnahmekriterium. Berufsunteroffiziere mussten sich zusätzlich als unbescholtene Bürger mit ausgeprägter Staatstreue und Patriotismus ausweisen.366 Ab 1933 wurden jährlich 30 Prozent der Artilleriesoldaten zu Reserveunteroffizieren ausgebildet, wovon die Minderheiten 7 Prozent stellen durften. Auch wenn 1937 nach einer Intervention des Warschauer Armeeinspekteurs, Brigadegeneral Mieczysław Norwid-Neugebauer, gegen die Diskriminierung nichtpolnischer Talente die bestehenden Beschränkungen unwesentlich gelockert wurden, blieb die Abschottung des Berufsunteroffiziersstands weiter bestehen.367 363 CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.26, 544–556, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 11. Januar 1930, hier 549. 364 Ebd., 109; CAW, BI GISZ, sygn. I.302.4.120, 5, Nationale Minderheiten in der Infanterie, 11. Februar 1937. 365 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 131. Von den ukrainischen nationalistischen Organisationen wurde bekannt, dass sie ihre Mitglieder zur Disziplin aufriefen und zu einer bescheidenen militärischen Karriere ermunterten, um das erworbene Wissen später nutzen zu können. Ebd., 112 f. 366 Ebd., 132. 367 CAW, BI GISZ, sygn. I.302.4.120, Armeeinspekteur Norwid-Neugebauer an den Chef des Inspektionsbüros des GISZ über die Minderheiten in der Infanterie, 25. Januar 1937; CAW, Wojskowe Biuro Historyczne, IX.1.3.52, Problem narodowościowy w Polsce i jego rozwiązywanie w polityce wojskowej w latach trzydziestych (Manuskript), 28 f.; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 132.

276

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Die Karriereschranken galten für Juden und die übrigen Minderheiten ohne Unterschied. In der jüdischen Presse wurden dennoch vor allem Fälle der Diskriminierung von Juden thematisiert. Auch Regelungen und Praktiken, die auf den ersten Blick keine antijüdische Stoßrichtung hatten, aber in ihrer Wirkung vor allem Juden betrafen, wurden in den Zeitungen besprochen. So kritisierte Grünbaum im Haynt einen Artikel des Gesetzes über die allgemeine Wehrpflicht von 1924, wonach nur für diejenigen Soldaten mit mittlerer und höherer Ausbildung eine verkürzte Dienstzeit von anderthalb Jahren galt, die auch eine Offizierslaufbahn einschlugen. Er richte sich gegen die Juden, da ihnen der Zugang zu einer solchen Laufbahn immer mehr erschwert werde.368 Die Zahlen lassen gleichwohl nicht den Schluss zu, dass Juden über das auch bei Ukrainern und Belarusen angewendete Maß hinaus diskriminiert worden wären. Oft verhinderten vorgebliche oder begründete politische Bedenken eine Verwendung von Juden als Reserveoffizier oder Offizierskandidat. Emanuel Tapicer, ein jüdischer Arzt aus Białystok, wurde als Reserveoffizier sogar noch 1938 zur Disqualifizierung vorgeschlagen, weil er kommunistischer Aktivitäten verdächtigt wurde. Es ist gleichwohl schwer zu beurteilen, ob der Vorwurf, er drücke sich vor dem Liniendienst und sei ein schlechter Kämpfer, eher auf seine mutmaßliche politische Orientierung oder auf seine jüdische Herkunft zurückzuführen war.369 Vermutlich handelte es sich um eine Kombination von beidem, denn immerhin kam man in eindeutigeren Fällen zu ganz anderen Schlussfolgerungen. Liest man die zitierte Akte weiter, stößt man auf die Namen des Zahntechnikers Jakób Barchat und des Schneiders Hersz Fiszman, beide aus Biała Podlaska und als unbedenklich eingestuft. Barchat galt als guter Soldat, auch wenn er offenbar Kontakte zu kommunistischen Funktionären unterhielt. Fiszman wiederum war Mitglied der KPP und wurde als wenig intelligenter Analphabet beschrieben, der sich in der Armee durch Disziplin, Fleiß und Loyalität, wenn auch durch wenig Fortschritt in seinen militärischen Fähigkeiten hervortat.370 Die Zusammenschau dieser drei Einzelbeispiele legt die Vermutung nahe, dass vor allem akademisch gebildete Juden als Gefahr für die Armee angesehen wurden, während man Personen mit einem niedrigeren Bildungsgrad unter Umständen selbst eine Mitgliedschaft in der verbotenen kommunistischen Partei nachsah. Beispiele für herausragende militärische Karrieren von Juden sind vor diesem Hintergrund selten zu finden. Die meisten Abkömmlinge jüdischer Eltern, die höhere Offiziersränge erreichten, hatten ihre Laufbahn in der 368 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2689, Politischer Monatsbericht zur jüdischen Presse (1. Februar – 1.  März 1924). 369 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.790. 370 Ebd.

Von Rekruten zu Staatsbürgern

277

österreichisch-ungarischen Armee oder den Polnischen Legionen begonnen und sich dann mit dem politischen Lager Piłsudskis verbunden. Oft konvertierten sie im Lauf der Zeit zum Christentum. Da erst eine systematische Auswertung der noch vorhandenen Personalakten der Truppen allgemeinere Aussagen erlauben würde, sollen an dieser Stelle nur einige exemplarische Biografien Erwähnung finden. Jakub Marian Krzemieński (1882–1955), der bereits im Zusammenhang mit dem Todesurteil gegen Szmul Dynia Erwähnung fand, entstammte einer jüdischen Familie aus Czerlany nahe Lemberg und trat im August 1914 den Polnischen Legionen bei. Nach 1918 machte er eine Karriere als Militärjurist im Kriegsministerium, war als Militärprokurator sowie Rechtsberater Piłsudskis und der Präsidenten Narutowicz und ­Wojciechowski tätig und avancierte 1926 im Rang eines Generals zum Präsidenten des Obersten Militärgerichts. Nach seinem Rückzug aus der Politik war Piłsudski oft in Krzemieńskis Warschauer Wohnung zu Gast. 1930 übernahm Krzemieński die Leitung des Obersten Rechnungshofs. Den Zweiten Weltkrieg verbrachte er zu großen Teilen in Palästina, übersiedelte dann aber nach London.371 Einen traditionellen religiösen Hintergrund hatte der in Tschenstochau (Częstochowa)  geborene Mieczysław Birnbaum (1889–1940), der in der PPS und deren Frakcja Rewolucyjna politisch sozialisiert wurde und bereits während der Revolution von 1905 als Mitglied einer revolutionären Kampfgruppe seine »Feuertaufe« erlebt hatte. In den Folgejahren mehrmals verhaftet, meldete er sich 1910 zur russischen Armee, da er auf diese Weise seine Verbannung aufheben konnte. 1917 dem II. Ostkorps (II. Korpus Wschodni) beigetreten, machte er durch sein Organisations- und Agitationstalent auf sich aufmerksam. 1918 nahm er am Entsatz von Lemberg teil, geriet in ukrainische Gefangenschaft, aus der er aber fliehen konnte. Im Jahr 1919 wurde er Chef der Politischen Sektion der Abteilung II im Kriegsministerium. Den Höhepunkt seiner Laufbahn im Militär erreichte er als Bevollmächtigter Piłsudskis und faktischer Verhandlungsführer in den Waffenstillstandsverhandlungen mit den Bolschewiki ab Herbst 1920 sowie als Experte in den Verhandlungen zum Rigaer Vertrag. Offenbar auf eigenen Wunsch schied Birnbaum 1921 im Rang eines Leutnants aus dem Militär aus. Als Journalist und Übersetzer hatte er vor allem durch seine Übertragungen von Isaak Babels Werken ins Polnische bleibende Wirkung. Um 1929 übernahm er die 371 Piotr Sawecki, Art. »Krzemieński Jakub Marian«, in: PSB, Bd. 15, 520 f.; Gałęzowski, Na wzór Berka Joselewicza, 406–409. Die Präsenz von Juden in der Militärjustiz ist bislang ein Desiderat. Eine ebenso unerforschte wie ungewöhnliche Personalie ist jene von Maryla Fuksówna, einer jüdischen Juristin, die zwischen Juli und Oktober 1920 als Assistentin des Militärgerichts beim Warschauer Generalbezirk tätig war. Dadej, Beruf und Berufung transnational, 230 und bes. 243–252.

278

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Funktion des Leiters des Pressebüros des BBWR und verfasste in dieser Zeit auch eine antisowjetische Propagandabroschüre.372 Ein weiterer wichtiger Piłsudski-Vertrauter im Militär war Maksymilian Landau (1870–1927), der als eine Schlüsselfigur des Maiputsches galt. Geboren in Tyśmienica bei Stanislau, hatte er nach seiner Ausbildung in Wien eine Anwaltskanzlei eröffnet, die er ab 1911 in Lemberg weiterführte. In beiden Städten waren Piłsudski und viele andere führende polnische Sozialisten häufige Gäste Landaus. Als Mitglied des Strzelec trat er 1918 der Armee bei, nahm am Entsatz von Lemberg teil und war ab April 1919 im Bereich der Feldgerichtsbarkeit tätig. 1920 absolvierte er nochmals einen Kampfeinsatz im Rang eines Oberstleutnants, nach Kriegsende leitete er die Rechtsabteilung des Generalbezirks Warschau und war nach dessen Auflösung bis 1925 als Rechtsberater des DOK I tätig.373 Während die Karrieren der genannten Personen vor allem auf ihren breit gefächerten zivilen Kompetenzen basierten, war die Laufbahn des LembergKämpfers Bernard Stanisław Mond (Abb. 8) eine rein militärische.374 Wie Landau stammte der Beamtensohn aus Stanislau und studierte in Lemberg sechs Semester Jura. In dieser Zeit schloss er sich den Drużyny Bartoszowe an, einer patriotischen Jugendorganisation. 1908 absolvierte er seinen einjährigen Militärdienst in der Lemberger Offiziersschule. 1914 mobilisiert, geriet er 1916 in russische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Rückkehr trat er den sich formierenden polnischen Streitkräften bei, wo er sich durch besondere Tapferkeit auszeichnete. In den Frontmeldungen des Polnisch-Sowjetischen Krieges wird sein Name zweimal lobend erwähnt.375 Seine Kriegserlebnisse verarbeitete er gemeinsam mit Jan Gintel in einer Geschichte des 205. Freiwilligen-Infanterieregiments.376 Am 1. Januar 1933 erreichte er den Rang eines Brigadegenerals. Als letzter Garnisonschef von Krakau vor dem Zweiten Weltkrieg war er mitverantwortlich für die Trauerfeiern anlässlich der Beisetzung Józef Piłsudskis in einer Krypta der Wawel-Kathedrale.377 Während sein Mut und Charakter allgemein anerkannt wurden, galten seine militärtheoretischen und taktischen Kenntnisse sowie Führungsqualitäten 372 CAW, Akta personalne i odznaczeniowe, sygn. OOP 1/66; ebd., sygn. KN, 18. März 1932. 373 Z.  Landau, Art. »Landau Maksymilian«, in: PSB, Bd. 16, 463 f.; CAW, Akta personalne i odznaczeniowe, sygn. 1985. 374 Zur Biografie hier und im Folgenden CAW, Akta personalne generałów, sygn. 394. 375 O Niepodległą i granice, Bd. 1, 261 und 608. 376 Mond / Gintel, Historja 205 Pułku Piechoty Ochotniczej im. Jana Kilińskiego. 377 Stawecki, Słownik biograficzny generałów Wojska Polskiego 1918–1939, 225 f. Gemeinsam mit dem Kommandanten des Krakauer Korpsbezirks, Brigadegeneral Aleksander NarbuttŁuczyński, war er auch Gastgeber Hermann Görings, der ebenfalls zur Beisetzung angereist war und offenbar über Monds jüdische Herkunft nicht informiert war. Tadeusz Tomaszewski, Pogrzeb Piłsudskiego w Krakowie. Wiadomości, in: Tygodnik, 22. April 1951, 1.

Von Rekruten zu Staatsbürgern

279

Abb. 8: General Bernard Mond in den 1930er Jahren. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (The National Digital Archives).

als mittelmäßig.378 Bereits zu Lebzeiten wurde die Biografie Monds, der aus seiner Herkunft kein Geheimnis machte, als Beispiel für die Karrieremöglichkeiten für Juden in den polnischen Streitkräften ins Feld geführt. Bei dieser Betrachtungsweise wird übersehen, dass in seiner Personalakte in der Rubrik Religionszugehörigkeit römisch-katholisch angegeben ist.379 Dieser Umstand verhärtet die Vermutung, dass eine Konversion zum Katholizismus eine stillschweigend vorausgesetzte Vorleistung für eine erfolgreiche Militärlaufbahn 378 Kuropieska, Wspomnienia oficera sztabu 1934–1939. 379 Darstellungen über Mond nehmen durchweg dessen jüdische Religionszugehörigkeit an. Aus der Personalakte des Generals im Militärarchiv geht jedoch seine Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche hervor. CAW, Akta personalne generałów, sygn. 394. Ebenso Pordes / Grin, Ich miasto, 59.

280

»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

von Juden war.380 Dies war freilich kein automatisches Eintrittsbillet, da ein Bekenntniswechsel auch als konjunkturalistisch interpretiert werden konnte. Zum minderheitenpolitischen Instrumentarium der polnischen Streitkräfte gehörten nicht ausschließlich administrative Kontrollmechanismen und Restriktionspraktiken, sondern auch eine Reihe von Maßnahmen, die die Soldaten emotional an die Armee und den Staat binden sollten. In der bereits zitierten Dienstanweisung von März 1927 wurde ein respektvoller Umgang mit Minderheitenangehörigen eingefordert.381 Darunter subsumierte man die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse der Soldaten, ohne eine Religion zu bevorzugen, ferner die gerechte Behandlung der Soldaten im Kasernenalltag, etwa bei der Verteilung ungeliebter Aufgaben, schließlich die Behandlung der Soldaten als Kollektiv und die Verhinderung der Absonderung einzelner Nationalitäten im Dienst und bei Freizeitaktivitäten.382 Als wichtigstes Instrument zur Gewinnung der Minderheiten für den Staat galten indes kulturelle Bildung und politische Aufklärung im Sinne des Militärs. Vermittelt über den Schreib- und Sprachunterricht, das Erlernen polnischer Lieder, gemeinsame Erinnerungsfotografien von Polen und Nichtpolen, gut ausgestattete Soldatenbibliotheken und die kollektive Pflege der Regimentstradition sollte bei den Nichtpolen allmählich und unbewusst »eine Zuneigung für die polnische Kultur und Tradition« geweckt werden. Polen wurde ihnen als »mächtiger und reicher Staat« und »guter und gerechter Beschützer seiner Bürger« präsentiert.383 Ohne die Nationalgefühle der Nichtpolen zu verletzen, sollten aktuelle und historische Ereignisse besprochen, Museen, Ausstellungen und Fabriken besucht und an Paraden, Jubiläen und Festveranstaltungen teilgenommen werden.384 Ziel war es, den polnischen Nationalstaat als ideologischen Gegenentwurf zum Kommunismus zu etablieren und bei den Soldaten das Bewusstsein zu verankern, dass Deutschland und die Sowjetunion Polens Hauptgegner waren.385 Anfang und Ende des Wehrdienstes, also die Aufnahme der Rekruten beziehungsweise die Entlassung der ausgebildeten Soldaten in die Reserve, sollten im festlichen Rahmen begangen werden.386 380 Für den russisch-orthodoxen Bereich Grzybowski, Białorusini w polskich regularnych formacjach wojskowych w latach 1918–1945, 108–111. 381 Dennoch sollten die Vorgesetzten die Beobachtung der Minderheitenangehörigen fortsetzen. CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.32, 17–22, Nationalitätenarbeit in der Armee, März 1927. Als restriktive Maßnahmen wurden die Dislozierung, unbedingte Durchsetzung der Disziplin, die Beobachtung des Garnisonslebens, die Kontrolle verdächtiger Privatkorrespondenz und die Konfiszierung politischer Literatur genannt. 382 Ebd., 8 f. und 15 f. 383 Ebd., 9 f. Im Original wird von der Beschützerin (opiekunka) gesprochen, da im Polnischen der grammatische Genus von »Polen« (Polska) feminin ist. 384 Ebd., 10–12. 385 Ebd., 11 und 13 f. 386 Ebd., 16. 

Von Rekruten zu Staatsbürgern

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Allen guten Vorsätzen zum Trotz waren die religiöse Praxis und deren Organisation in der Truppe ein mitunter sehr konfliktreicher Lebensbereich. Die einzelnen Konfessionen benötigten nicht nur eigene Seelsorger, Gottesdienste und Eidesformeln, auch auf den unmittelbaren Kasernenalltag hatte die religiöse Vielfalt konkrete Auswirkungen. Der polnische Staat erkannte mit der Zeit 16 Religionsverbände offiziell an und schloss mit sechs von ihnen Verträge ab, die unter anderem die Seelsorge im Militär regelten. Die katholische Kirche mit drei Ritengemeinschaften (römisch-katholisch, griechisch-katholisch und armenisch-apostolisch) unterzeichnete 1925 ein Konkordat mit der Republik Polen. Es folgten Abkommen mit dem Jüdischen Religionsverband (1926), den Priesterlosen Altgläubigen (1928), den Religionsverbänden von Muslimen und Karäern, der Evangelisch-Augsburgischen Kirche (jeweils 1936) sowie der Polnischen Autokephalen Orthodoxen Kirche (1938).387 Die Institutionalisierung der multikonfessionellen Seelsorge innerhalb der Armee war allerdings bereits vor Gründung des Nationalitätenreferats in der Abteilung  II des Generalstabs erfolgt. Anfang März 1919 war die Bischofskurie der Polnischen Streitkräfte (Polowa Kuria Biskupia Wojsk Polskich) gegründet worden,388 Ende April folgte die Sektion für Religionen und Bekenntnisse (Sekcja Religijno-Wyznaniowa)  im Departement  I des Kriegsministeriums unter Divisionsgeneral Bronisław Pieracki.389 Im November 1919 nahm dort das Hauptseelsorgeamt mosaischen Bekenntnisses (Główny Urząd Duszpasterski Wyznania Mojżeszowego) seine Arbeit auf. Kurz darauf wurde die Sektion in Referate für Protestanten, Mariaviten, Orthodoxe, Juden und Muslime untergegliedert; die griechisch-katholischen Christen wurden weiter von der katholischen Militärseelsorge mitbetreut. Alle Militärgeistlichen unterstanden institutionell dem Kriegsministerium, waren in religiösen Belangen allerdings ihren zivilen geistlichen Autoritäten beziehungsweise im Fall der Rabbiner und Imame ihrem Gewissen verpflichtet.390 Im Zuge einer Umstrukturierung wurde die Militärseelsorge im März 1920 in die Eigenständige Sektion für Nichtkatholische Konfessionen und Kriegsgräberfürsorge (Samodzielna Sekcja Wyznań Niekatolickich i Opieki nad Grobami Wojennymi) überführt.391 Von 1921 an trug diese Behörde abwechselnd die 387 Zu den Verträgen mit ausführlichen Zitaten Black, Militärseelsorge in Polen, 25–30 und 109–115. Zur rechtlichen Situation der Religionsgemeinschaften Osuchowski, Prawo wy­ znaniowe Rzeczypospolitej Polskiej 1918–1939. 388 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 110–136. 389 AAN, PRM, Rkt.  49, t.  8, 236, Tagesbefehl Nr. 169 des MSWojsk, 20. Oktober 1923. Piłsudski kommandierte Pieracki 1926 als Stabsoffizier ins Innenministerium ab, wo er die Nationalitätenabteilung überwachte. Im Juni 1935 wurde er, zu diesem Zeitpunkt bereits Innenminister, von einem ukrainischen Nationalisten ermordet. 390 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 136 f. 391 Ebd., 137 f.

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Bezeichnung Abteilung beziehungsweise Büro für Nichtkatholische Konfessionen (Biuro Wyznań Niekatolickich, BWN).392 Pieracki leitete das BWN bis 1924. Ihm folgten 1925/26 Oberst Józef Dąbrowski und danach Oberst Adam Koc, der nach Piłsudskis Tod den Rechtsruck des Sanacja-Regimes entscheidend mitbestimmen sollte.393 Ihre endgültige Organisationstruktur erhielt die im BWN zusammengefasste nichtkatholische Militärseelsorge zum 1. Juni 1927394 mit der Gliederung in fünf Abteilungen, die Militärischen Hauptseelsorgeämter (Główny Wojskowy Urząd Duszpasterski, GWUD) für orthodoxe, evangelisch-augsburgische, evangelisch-unierte Christen sowie Juden. Bis 1929 leiteten Oberst Leon Łuskino und Oberstleutnant Zygmunt Kuczyński das BWN und wurden dann vom bis Kriegsbeginn amtierenden Oberstleutnant Stanisław Krawczyk abgelöst.395 Die Aufgaben der einzelnen GWUD umfassten das gesamte religiöse Leben der jeweiligen Gruppe bei den Truppen. Im Falle des jüdischen GWUD waren dies: die Ausstattung und Kontrolle der unterstellten Rabbiner, die vierteljährliche Arbeitsberichte vorzulegen hatten, die religiöse Betreuung der Soldaten, die Regelung der Freistellung der Soldaten zu Gottesdiensten und an religiösen Feiertagen, das Führen von Gefallenenlisten und Friedhofsplänen, das Führen von Personenregistern, das Anmieten von Synagogen oder anderen Räumlichkeiten, die Visitierung der unterstellten Geistlichen; ferner die Ausarbeitung eines Rahmenplans für die Bildungsarbeit unter den Soldaten, die Versorgung der Soldaten mit religiöser Literatur und schließlich die Unterstützung von Initiativen, die den Soldaten an Feiertagen koscheres Essen zur Verfügung stellten.396 Die nichtkatholischen Militärseelsorger hatten vor ihrer Einstellung bestimmte Anforderungen zu erfüllen. Sie mussten vor allem polnische Staatsbürger sein und über entsprechende Polnischkenntnisse verfügen, sich eines einwandfreien Rufs und guter Gesundheit erfreuen sowie auf eine mindestens dreijährige berufliche Praxis zurückblicken können. Das Mindestalter der Rabbiner lag bei 35 Jahren. Während der Oberste Militärrabbiner vom Oberbefehlshaber der Streitkräfte ernannt wurde, erfolgte die Auswahl der unteren 392 In den Jahren 1921 und 1925/26 trug das BWN die Bezeichnung Wydział Wyznań Niekatolickich (Abteilung für Nichtkatholische Konfessionen). 1922 bis 1924 wurde zudem der Zusatz Główny Urząd Opieki nad Grobami Wojennymi (Hauptamt für Kriegsgräberfürsorge) verwendet. 393 Zugleich wurde die Seelsorge für die Mariaviten und Muslime wohl aufgrund der geringen Soldatenzahl eingestellt. Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 138. 394 Ebd., 139 f. 395 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 138. Łuskino war als Verfasser von populären Liedern bekannt und mehrere Jahre als Chef des Zentralen Filmbüros tätig. 396 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 140.

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Ränge in Kooperation zwischen dem Oberrabbiner und dem Ministerium für Religiöse Bekenntnisse und Öffentliche Bildung (Ministerstwo Wyznań Religijnych i Oświecenia Publicznego, MWRiOP); die Ernennung oblag dem Kriegsministerium.397 Setzt man die Zahl der katholischen und der nichtkatholischen Militärgeistlichen ins Verhältnis, so ist zwar keine gravierende Disproportion, immerhin aber ein erkennbares Übergewicht der katholischen Geistlichen zu konstatieren.398 Der katholische Militärbischof verfügte über 190 bis 200 Priesteretats,399 das BWN insgesamt über 35 Haushaltsstellen für Geistliche (15 orthodoxe, je 10 jüdische und evangelische), wobei deren Zahl durch die Heranziehung von Hilfsgeistlichen auf 46 steigen konnte. Dennoch war die Personaldecke der nichtkatholischen Seelsorge keineswegs ausreichend, da aufgrund der Dislozierungspraxis die nichtkatholischen Soldaten weit über das Land verstreut waren. Unklar bleibt, warum die vorhandenen zehn Planstellen für jüdische Seelsorger nicht ausgeschöpft – bis 1926 waren nur zwei, zwischen 1930 und 1935 drei und 1936 fünf Rabbiner im Militär angestellt –, sondern durch die Beschäftigung von Hilfsrabbinern aufgefangen wurden. Selbst im Senat wurden im Mai 1925 Fragen nach der Verwendung der dafür eingeplanten Mittel gestellt.400 Es ist bekannt, dass der Oberste Militärrabbiner Józef Mieses die Einstellung einiger Kandidaten persönlich verhinderte. Möglicherweise war aber auch das Kriegsministerium bei einigen Personalentscheidungen die Bremse.401 Letzteres lässt ein Gutachten der Abteilung für religiöse Bekenntnisse im MWRiOP von 1920 vermuten, in dem zudem beklagt wird, dass aufgrund der Russifizierungspolitik im Zarenreich keine geeigneten Bewerber als Militärrabbiner bereitstünden. Nach ihrer 397 Ebd., 141. 398 Ebd., 142 und 183–193; Hajduczenia, Prawosławne duszpasterstwo wojskowe w II Rzeczy­ pospolitej (na przykładzie DOK VIII Toruń). Die Militärseelsorge wurde auch als Instrument der staatlichen Minderheitenpolitik betrachtet, etwa indem orthodoxe Geistliche, die dem Ziel einer Polonisierung der orthodoxen Kirche dienlich sein konnten, bei der Postenvergabe gezielt gefördert wurden. 399 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 129 f., 141 und 171; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 142–144. Genauer zu den Aktivitäten der römisch-katholischen und griechisch-katholischen Militärseelsorge Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 180–183; Siwicki, Duszpasterstwo greckokatolickie w Wojsku Polskim 1918–2003. Zu den evangelischen Konfessionen Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 199–212. Zu kleineren religiösen Gemeinschaften und Sekten ebd., 212–217; CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2662. Solange sich diese Gruppen dem Wehrdienst und dem Zugriff der Staatsmacht nicht entzogen, wurden sie im Militär toleriert. 400 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, Notiz zur angemessenen religiösen Fürsorge jüdischer Soldaten, 20. Mai 1925. 401 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 193–198.

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Erfahrung mit Rabbiner Dow Ber Meisels im Jahr 1863, der sich klar auf die polnische Seite gestellt hatte, verhinderten demnach die zarischen Behörden eine angemessene Ausbildung von Militärgeistlichen, sie entfremdeten zudem die Rabbiner während ihrer russischsprachigen Ausbildung dem Polnischen. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, es sei wenig verwunderlich und nicht auf den schlechten Willen der jüdischen Geistlichen zurückzuführen, dass das Berufsbild des Militärrabbiners unbekannt und kaum nachgefragt sei. Immerhin seien selbst im österreichischen Heer die polnischsprachigen jüdischen Seelsorger keine ausgebildeten Geistlichen gewesen.402 Dass der Gutachter zumindest im letzten Punkt irrt, beweist ein Blick auf die Biografien der drei Obersten Militärrabbiner der Zwischenkriegszeit, Józef Mieses (1882–1942?), Chaim Eljezer Fränkel (1884–?) sowie Baruch Steinberg (1897–1940). Alle drei stammten aus Galizien und hatten in der habsburgischen Zeit dort auch eine theologische Ausbildung erhalten.403 Józef Mieses wurde in Przemyśl geboren und absolvierte in Wien neben Studium und Promotion im Fach Philosophie eine Rabbinerausbildung. Vor dem Weltkrieg als Lehrer in Galizien tätig, kam er 1917 als Truppenseelsorger zum österreichischen Heer. Nach einem Intermezzo als Lehrer in Warschau (1919/20) fand er im September 1920 eine Anstellung als Referent für jüdische Angelegenheiten in der Sektion für Nichtkatholische Konfessionen des Kriegsministeriums und avancierte im Folgejahr zum Obersten Militärrabbiner. Mieses galt innerhalb der Armee als äußerst unbequemer Partner. Sein kompromissloses Eintreten für die religiösen Belange der Soldaten, seine Missachtung von Dienstwegen und die Neigung zur Kompetenzüberschreitung führten zu zahlreichen Beschwerden. Zugleich versah er einigen Quellen zufolge seine dienstlichen Pflichten nicht immer mit der vom Militär geforderten Ernsthaftigkeit. Beispielsweise konnte im Juni 1925 eine Rekrutenvereidigung nicht stattfinden, als Mieses, anstatt diese selbst zu leiten, einen offensichtlich nicht ausreichend kompetenten zivilen Vertreter schickte, der, wie weiter unten noch detaillierter geschildert wird, zum Missfallen aller Anwesenden die zu sprechende Eidesformel weder auswendig wusste noch in Schriftform bei sich trug. Ein anderer Vorfall ereignete sich im selben Jahr, als er während eines offenbar selbst gewährten Urlaubs einem Zivilisten seine Dienstschlüssel übergab und dieser damit Zugang zu militärischen Dokumenten erhielt. Mieses’ Verhalten wurde von seiner dienstlichen Umgebung als durch und durch unmilitärisch wahrgenommen. Gleiches gilt für sein Dienstverständnis, das nicht die säkularen Interessen von Staat und 402 AAN, MWRiOP, sygn. 394, 22–24, Gutachten der Abteilung II über das Gesetz zur Einberufung von Geistlichen zur Militärseelsorge, 16. Februar 1920. 403 Zu den Biografien der drei Rabbiner, wenn nicht anders angegeben, Waszkiewicz, Na­ czelni rabini i imamowie Wojska Polskiego II Rzeczypospolitej; Aleksiun, As Citizens and Soldiers.

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Militär ins Zentrum stellte, sondern die religiösen Belange des Judentums. Das führte im Falle der koscheren Essensversorgung zu dauerhaften Konflikten mit der letztlich an der Entindividualisierung der Mannschaften interessierten Armeebürokratie. Auch über die Streitkräfte hinaus engagierte er sich als Geistlicher, etwa bei der Beisetzung verstorbener Kriegsinvaliden.404 Mieses’ Unnachgiebigkeit gegenüber seinem Dienstherrn brachte ihm viele Sympathien in den traditionellen jüdischen Bevölkerungsteilen ein, doch in Verbindung mit seiner eigentümlichen und für das Militär ungeeigneten Amtsführung und dem mangelnden Rückhalt seiner Untergebenen kostete sie ihn letztlich das Amt. 1931 wurde er wegen des Verdachts finanzieller Unregelmäßigkeiten vom Dienst entbunden und zunächst nach Brest versetzt.405 Diese Entlassung war gleichzeitig ein Kulminationspunkt der innerjüdischen Auseinandersetzung um die Ausrichtung der Militärseelsorge. Mieses’ Arbeit fußte auf einem traditionellen Verständnis des Judentums, während jüngere Rabbiner für ein modernisiertes, patriotisches Judentum einstanden, das sich als Teil des polnischen Gemeinwesens begriff. Mieses verstand es nicht, den Konflikt mit Rabbinern wie Joachim Raab oder Baruch Steinberg zu lösen. Letztlich mündete alles im Sommer 1931 in einem rabbinischen Gerichtsverfahren, in dem sich beide Parteien gegenseitig die Verletzung der Dienstpflichten, Intrigen und mangelnden Patriotismus vorwarfen.406 Mieses’ Nachfolger Chaim Eljezer Fränkel wurde im Militär zunächst ähnlich kontrovers betrachtet wie sein Vorgänger. Warum die Wahl dennoch auf ihn fiel, ist unklar. Seine Biografie weist viele Ähnlichkeiten zu Mieses’ Lebensweg auf. Geboren 1884 im südpolnischen Tarnów, absolvierte Fränkel das Gymnasium und ein Philosophie-Studium in München sowie eine Rabbinerausbildung. Anschließend wurde er Rabbiner in Bosnien und in der österreichischen Armee. 1920 meldete er sich freiwillig zum polnischen Militär als Seelsorger, wurde aber erst im Januar 1921 als Rabbiner des Korpsbezirks Lublin eingezogen. Mit dem dortigen DOK geriet er schnell in Konflikt, da er wie Mieses die religiösen Rechte der jüdischen Soldaten ohne Abstriche einforderte. Er galt den Militärs als »fanatischer Zionist«, der die Soldaten demoralisiere, indem er sie zur »Auflehnung« aufrufe.407 Auch wenn 404 Tygodnik »Inwalida«, 19. März 1925; CAW, Gabinet MSWojsk, sygn. I.300.1.404, 73 f. Diesbezügliche Vorwürfe konterte er mit Klagen gegen die Zeitungsredaktionen. 405 CAW, BWN, sygn. I.300.20.124, 78 f.; CAW, BP, I.300.18.37, Übergabeprotokoll des Rabbiners im OK I, 2. März 1931. 406 Vgl. die Presseberichterstattung in Dos Yudishe Togblat, Unzer Ekspres, Unzer Moment. CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, Aguda wobec dymisji płk. Miesesa ze stanowiska rabina naczelnego wojsk polskich, o. D.; ebd., Sąd rabiniczy między rabinami wojskowymi, o. D. 407 CAW, BWN, sygn. I.300.20.126, 68, SRI DOK II, 29. August 1924. Vgl. auch die Polemik der Rzeczpospolita gegen die Berufung Fränkels zum Militärrabbiner in Lublin im März 1921. AAN, IW, 296/III–46, 9 f. (Nachdruck in Głos Lubelski). Ein Beispiel offenbar überzogenen Eingreifens Fränkels in CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 21 f.

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Mieses ihn gegen diese Angriffe lange verteidigen konnte, wurde Fränkel 1926 zwischenzeitlich nach Brest versetzt. Als Oberster Militärrabbiner setzte er Impulse, indem er zusätzliche reguläre Seelsorger einstellte, was mit der Entlassung vieler bisheriger Hilfsrabbiner einherging.408 Letztlich konnte er die sich daraus ergebenden Konflikte nicht moderieren und musste sich wie Mieses einem rabbinischen Verfahren stellen, das er verlor.409 Am 9. Januar 1933 wurde er in den Ruhestand versetzt. Trotz seiner kurzen Amtszeit als Militärrabbiner hinterließ Fränkel dauerhafte Spuren. Er definierte die Aufgaben des Rabbinats als Kombination aus religiöser Bildung, Seelsorge, dem Erhalt der jüdischen Tradition in einer Umgebung, die die Ausübung des religiösen Regelwerks nicht zulässt, sowie dem Schutz vor Antisemitismus.410 Fränkel suchte den Kontakt zur armeekritischen jüdischen Presse und öffnete der patriotischen Rhetorik der Regierung die Tür in die Seelsorge. Zwar entzog er sich dem unreflektierten und in seinen Augen gotteslästerlichen Piłsudski-Kult, wie er in den publizierten Predigten des Tarnopoler Rabbiners Samuel A. Taubeles gepflegt wurde.411 Er selbst verfasste allerdings patriotische Gebete, welche die Person Piłsudskis mit einschlossen, und versuchte diese in Form eines Gebetbuches zu publizieren.412 Sein Nachfolger Baruch Steinberg war nicht nur mehr als ein Jahrzehnt jünger als Fränkel, sein Auftreten und Amtsverständnis waren auch ein anderes. 1897 in eine orthodoxe Rabbinerfamilie im galizischen Przemyślany geboren, erhielt er 1914/15 eine Rabbinerausbildung in Wien und war ab 1915 als ziviler und Militärseelsorger tätig. Als Mitglied der POW und Kriegsfreiwilliger kämpfte er 1918/19 in den polnischen Truppen gegen die Ukrainer und kehrte dann in seinen gelernten Beruf zurück. Er war externer Hörer am Institut für Orientalistik der Lemberger Universität. Ab 1928 war 408 Zum Protest in der jüdischen Presse vgl. die Informationen und Kommentare in NP, HaẒefira, Dos Yudishe Togblat und Haynt (in polnischer Übersetzung). CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 50–55. 409 Dies wurde auch in der Presse als Sensation aufgearbeitet, so in Wieczór Warszawski, 2., 3., 8. und 14. Juli 1931; 5-ta Rano, 3. Juli 1931; Kurjer Polski, 3. Juli 1931. Vgl. auch den Protest Fränkels gegen die Darstellungsweise des Wieczór Warszawski. CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, L.75/Tj./31. Von den jüdischen Zeitungen berichteten u. a. Chwila, Naye Folkstsaytung, Der Moment, Haynt, Unzer Ekspres. 410 CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 35, Dos Yudishe Togblat, 8. Mai 1931; ebd., 41 f., Unzer Ekspres, 8. Mai 1931. Dos Yudishe Togblat begegnete Fränkel skeptisch und hob die Leistungen Mieses’ hervor. Ebd., 38–40, Dos Yudishe Togblat, 16. Juli 1931 (in polnischer Übersetzung). 411 Taubeles, Cześć i wdzięczność wieczna Józefowi Piłsudskiemu, nieśmiertelnemu stwórcy Państwa Polskiego; ders., Egzorta wygłoszona w 10 rocznicę tragicznego zgonu Gabrjela Narutowicza 16.XII.1932 przez rabina prof. dr. Taubelesa w Tarnopolu; ders., Trzeci maj; ders., Pamiętna noc 22 stycznia 1863 r. 412 Genauer CAW, BWN, sygn. I.300.20.132.

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er wieder im Militär in den Korpsbezirken Warschau, Grodno und Lemberg tätig. Steinberg galt als jung, dynamisch und modern, wofür er sich auch Kritik einhandelte. 413 In jüdischen Zeitungen war beispielsweise 1934 zu lesen, er kümmere sich zu wenig um die jüdischen Belange, weil in dem vom Militär verkündeten Feiertagskalender einige Feiertage entfielen.414 Innerhalb der Armee wurde er als loyale Persönlichkeit mit einer Tendenz zum Zionismus beschrieben, deren Unbeliebtheit in chassidischen Kreisen auf seine Verankerung in jüdischen intellektuellen Kreisen zurückzuführen war.415 Seine politischen Präferenzen ermöglichten ihm eine schnelle Karriere, sodass er im Januar 1933 kommissarisch die Aufgaben Fränkels übernahm, bis er 1936 selbst zum Obersten Armeerabbiner ernannt wurde. 1938 wurde er schließlich als Mitglied in den Staatlichen Bildungsrat (Państwowa Rada Oświecenia Publicznego) berufen.416 Neben Persönlichkeit, Amtsverständnis und religiöser Ausrichtung der Militärrabbiner stand immer wieder die Frage nach dem gebotenen Maß religiöser Praktiken im militärischen Alltag zur Diskussion, bei Katholiken etwa die Notwendigkeit des täglichen Messbesuchs beziehungsweise dessen Ersetzung durch ein Morgengebet. 1933 setzte sich im Sinne einer Begrenzung des Zeit- und Organisationsaufwands eine einheitliche Regelung für die gesamte Armee durch. Nun hielten die christlichen Konfessionen ein gemeinsames Morgengebet ab, während für die Juden eine vereinfachte Gebetsliturgie  – eine Verrichtung der Gebete nach der traditionellen Überlieferung hätte den Zeitrahmen gesprengt  – auf der Grundlage von Deuteronomium  VI, 4–9 eingeführt wurde.417 Nahmen Soldaten an Gottesdiensten teil, marschierten sie in Gruppen und möglichst mit Orchester zu den betreffenden Gotteshäusern.418 Katholische Garnisonskirchen standen dabei in vielen Orten zur Verfügung, jedoch keine Synagogen. Das Militärrabbinat mietete daher 20 Synagogen sowie in Spitälern und Gefängnissen zwölf Gebetsräume an.419 In der Garnison Jabłonna durften die jüdischen Soldaten freitags nach Sonnenuntergang und samstags um 9 Uhr das jüdische Bethaus im Ort be­ suchen.420 Ab 1933 benutzte der Oberrabbiner zudem eine »transportable Synagoge« für Feldgottesdienste, die mit eigener Thora, liturgischem Gerät und 413 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.20.133, 42, Haynt, 1. November 1929 (in polnischer Übersetzung). Steinbergs Weg wurde auch weiter von der jiddischsprachigen Presse verfolgt. Ebd., 54–56 und 133. 414 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.410, 141–143; Dos Yudishe Togblat, 23., 28. und 30. März 1934 (in polnischer Übersetzung). 415 CAW, BWN, sygn. I.300.20.125, 13, SRI DOK VI an MSWojsk, 18. August 1928. 416 Ebd., sygn. I.300.20.117, 169, NP, 1. November 1938. 417 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.410, L.173/tj/33. 418 Ebd. 419 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 250 f. 420 CAW, Komenda Garnizonu w Jabłonnie, I.372.20.1, Befehl Nr. 212, 20. September 1922.

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einem Stromaggregat ausgestattet war.421 Auf Initiative Steinbergs wurde am 5. Dezember 1938 im Warschauer Stadtteil Praga die erste eigens errichtete Militärsynagoge in Polen eingeweiht. Das Bauprojekt hatte ein Komitee mit Persönlichkeiten wie dem Warschauer Gemeindevorsteher Maurycy Mayzel, dem Vorsitzenden des jüdischen Veteranenverbands Dymitr Lachowski oder dem Historiker und Parlamentarier Ignacy Schiper unterstützt.422 Die Eröffnung wurde sehr feierlich gestaltet; Redner waren neben Rabbiner Steinberg auch der Historiker Majer Bałaban, die Vorsitzenden des jüdischen Veteranenverbandes Leon Bregman und Zdzisław Zmigryder-Konopka sowie der Chef des BWN, Stanisław Krawczyk.423 Die Festpredigt hielt der Historiker und Senator Mojżesz Schorr.424 Die religiösen Besonderheiten des Judentums boten im militärischen Alltag reichlich Konfliktstoff innerhalb der Mannschaften, aber auch zwischen Garnisonskommandanten und jüdischen Soldaten. Die relativ weitreichenden religiösen Rechte für Juden erregten das Missfallen mancher christlicher Soldaten und Offiziere. Die Speiseprivilegien wie auch die im Vergleich zu den meisten christlichen Konfessionen große Zahl jüdischer Feiertage erschienen ihnen als überzogenes Entgegenkommen.425 Dabei zeigte die Praxis, dass letztlich die Garnisonskommandanten über die Freistellung vom Dienst entschieden und sehr wohl in der Lage waren, die Erfüllung der religiösen Erfordernisse zu behindern. Zugleich erfuhr dieses Feld eine politische Aufladung, da sich die Betroffenen auf der Suche nach Unterstützung immer wieder an die jüdischen Parlamentarier, später an die obersten Militär­rabbiner wandten. Die Dienstbefreiung jüdischer Soldaten an Feiertagen wurde mehrmals neu geregelt. Anfangs wurden Jahr für Jahr die betreffenden Feiertage in entsprechenden Armeebefehlen bekannt gegeben. Vor 1921 waren die Juden die einzige Gruppe gewesen, der in religiösen Fragen entgegengekommen werden musste. In der Regel gaben die Militärbehörden Bitten um die Verschiebung von Musterungen und dem Dienstantritt aufgrund religiöser jüdischer Feiertage statt.426 Dies führte auch zu öffentlichen Diskussionen und bereits im März 1920 zu einem Dringlichkeitsantrag von 32 Parlamentariern unterschiedlicher Parteien im Sejm, die im Interesse von Gleichberechtigung und Demokratie die Aufhebung der »Privilegierung der jüdischen Militär­

421 CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 5-ta Rano, 18. Dezember 1933. 422 Ebd., 155, NP, 16. Oktober 1937. 423 Ebd., 163, 168 f., NP, 5., 6. und 7. Dezember 1938; AAN, MSW, cz. I, sygn. 969, 135, 5-ta Rano, 5. Dezember 1938; ebd., Tageskommuniqué Nr. 270, 6. Dezember 1938. 424 Steffen, Jüdische Polonität, 111. 425 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2695, 38. 426 Beispielsweise Dodatkowa superrewizja poborowa, in: Nasz Kurjer, 2. April 1920, 5.

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angehörigen« forderten.427 Der Jüdische Abgeordnetenkreis bemühte sich von Anfang an um die Freistellung der Soldaten an religiösen Feiertagen. In den Tagen von Jabłonna forderten die Parlamentarier vom Kriegsministerium nicht nur die Berücksichtigung des anstehenden Neujahrsfests und von Jom Kippur für die gewöhnlichen Soldaten,428 sondern auch für »die grundlos im Konzentrationslager [obóz koncentracyjny] inhaftierten jüdischen Soldaten, deren Entlassung nach Hause während der Feiertage aus vielerlei Gründen sehr ratsam wäre«.429 Der zuständige Vizeminister Eugeniusz de Henning-Michaelis gewährte den Internierten keinen Freigang, doch erlaubte er Rabbinern den Zutritt zum Garnisonsgelände und genehmigte den Verzehr koscherer Speisen und das Abhalten eines Gottesdienstes.430 Die nicht internierten jüdischen Soldaten wurden trotz der geschilderten Kritik auch im Herbst 1920 zum Neujahrsfest, Versöhnungstag und Laubhüttenfest, die auf den 13., 14., 22. und 27. September sowie den 4. Oktober fielen, einschließlich der Vorabende vom Dienst befreit.431 Die Praxis, die Freistellung jeweils durch aktuelle Armeebefehle bekannt zu geben, wurde auch in den Folgejahren beibehalten.432 In der Regel wurden mindestens Pessach, Schawuot, Rosch ha-Schana, Jom Kippur und Sukkot berücksichtigt, meist aber auch Purim, Tisch’a beAv, Hoschana Rabba und Chanukka.433 Im Juni 1923, als es Beschwerden darüber gab, dass jüdische Soldaten auch zu Pfingsten Freigang erhielten, weil das Wochenfest Schawuot auf die gleichen Tage fiel, bestätigte der kommissarische Leiter des Kriegsministeriums Aleksander Osiński folgende Regel: Fielen die Feiertage unterschiedlicher Konfessionen auf den gleichen Tag, sollten alle betroffenen Soldaten vom Dienst befreit werden. Betrafen die Feiertage nur eine Gruppe, sollte diese in einem gesonderten Befehl nach Möglichkeit dienstfrei gestellt 427 BS, RPII/0/1660, Dringlichkeitsantrag Nr. 1660 des Abgeordneten Antoni Bujak, 24. März 1920. Kowalski und Waszkiewicz datieren die Eingabe irrtümlich auf 1924. Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 233; T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 151. 428 CAW, BWN, sygn. I.300.20.131, 8, Jüdischer Abgeordnetenkreis an das Kriegsministerium, 31. August 1920. Auch der Verband der orthodoxen Juden stellte am 10. September 1920 einen Antrag auf Freistellung jüdischer Soldaten vom Dienst im September 1920. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.404, 35 f. (ebenso in I.300.20.131, 2). 429 CAW, BWN, sygn. I.300.20.131, 7, Jüdischer Abgeordnetenkreis an das MSWojsk, 7. September 1920. 430 Ebd., 11, Akte vom 10. September 1920. 431 Dz. Rozk. MSWojsk, 1920, Nr. 34, poz. 738, 754; auch ebd., Nr. 10, poz. 249. Beispiele weiterer Befehle zur Freistellung der Juden ebd., 1919, Nr. 41, poz. 1341 und Nr. 89, poz. 3258; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, Nr. 1986/WWN, 6. Oktober 1923. 432 Dz. Rozk. MSWojsk, 1921, Nr. 26, poz. 523; ebd., 1923, Nr. 10, poz. 124, Nr. 29, poz. 382, und Nr. 38, poz. 487. Für Jabłonna CAW, Komenda Garnizonu w Jabłonnie, I.372.20.1–13, passim. 433 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 235 f.

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werden. Der Samstag blieb für Juden dienstfrei; der Besuch einer Synagoge beziehungsweise die Abhaltung ihrer Gebete und Rituale auf dem Kasernengelände war ihnen erlaubt (Abb.  9).434 Zugleich war mithilfe eines »gegenseitigen Vertretungsplans« während der jeweiligen Gottesdienste der Dienst in den Kasernen sicherzustellen.435 Aufs Engste mit der Frage der Dienstfreistellung an Feiertagen verbunden war die Problematik der koscheren Kost. Da Garnisonskantinen, die nach den Regeln der Kaschrut arbeiteten, schlicht nicht vorhanden waren, nahmen sich vor allem jüdische Gemeinden und Organisationen dieses Problems an. Allerdings fiel es ihnen schwer, sicherlich befördert durch die materiell schwierige Lage in den Nachkriegsjahren, die Gemeindemitglieder zur finanziellen Unterstützung zu bewegen. Die Studentenorganisation Jüdisches Akademisches Dach, die sich auch an der Versorgung der Internierten von Jabłonna beteiligte, musste im Winter 1919/20 ihre diesbezüglichen Aktivitäten aus diesem Grund sogar einstellen.436 Eine offizielle Regelung der Speisefrage erfolgte 1921 mit einem Armeebefehl, der die religiösen Rechte der Soldaten regelte und Juden wie Muslimen das Recht auf »rituelle Verpflegung« an jährlich bekannt zu gebenden religiösen Feiertagen einräumte, dem über die Auszahlung eines Kostgeldes (relutum, strawne)  Genüge getan werden sollte.437 Gesetzlich fixiert wurde die rituell einwandfreie Verköstigung der Militärdienstleistenden an Feiertagen auf Staatskosten allerdings erst 1923: Sie erfolgte nun über die Garnisonskantinen, in dienstlich oder persönlich begründeten Ausnahmen konnte aber auch die Barauszahlung des Kostgeldes erfolgen.438 Die Versorgung mit koscheren Mahlzeiten übernahmen dann – auch aufgrund des Drucks des Militärrabbinats439 – immer häufiger die Religionsgemeinden am Garnisonsstandort, die allerdings bald in den Verdacht gerieten, diese Aufgabe zu eigenen Zwecken zu missbrauchen.440 Für die Gemeinden bedeutete die Organisation der Feiertagsmahle für die Soldaten eine bedeutende finanzielle Belastung, der sie sich nach Möglichkeit 434 CAW, BWN, sygn. I.300.20.130, 60, Schreiben von Osiński, 12. Juni 1923. 435 Dz. Rozk. MSWojsk, 1923, Nr. 29, poz. 382, und 1925, Nr. 6, poz. 59. 436 O pomoc świąteczną dla żołnierzy-żydów, in: Nasz Kurjer, 1. April 1920,  3. Zugleich erhielt der Verfasser, ein anonymer Soldat, von seinem christlichen Vorgesetzten eine Weihnachtsgabe. 437 Dz. Rozk. MSWojsk, 1921, Nr. 26, poz. 523, § 5. 438 Dz. U., Nr. 116 (1923), poz. 924, Ustawa z dnia 9 października 1923 r. o uposażeniu funkcjonarjuszów państwowych i wojska. Die Erlaubnis zur Auszahlung von Kostgeld erteilte beispielsweise Kriegsminister Sikorski. CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.7856, 1, MSWojsk an die DOK, 7. Oktober 1925. Vgl. auch Święta wyznania mojżeszowego, in: PZ, 22. September 1926, 4. 439 CAW, BWN, sygn. I.300.20.124, 229 und 231. 440 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 148 f.

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Abb. 9: Jüdische Militärangehörige und General Stanisław Dowoyno-Sołłohub (Mitte) beim Sederabend, 1930. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (The National Digital Archives).

entledigten.441 Sie wandten sich dann an das Armeerabbinat mit der Bitte um Zuwendungen, die meist in Form von Matzen gewährt wurden.442 Im November 1924 diskutierten Vertreter von Kriegsministerium, Militärausschuss  – darunter Kirszbraun  – und Generalstab sowie Militärrabbiner Mieses die Möglichkeit der dauerhaften Einrichtung koscherer Küchen für den Armeebedarf. Am Ende der Beratungen setzte sich die Ansicht durch, dass gegen einen solchen Schritt eine ganze Reihe von Gründen spräche. So dienten in den einzelnen Einheiten unterschiedlich große Kontingente jüdischer Soldaten, was den Aufwand für eine flächendeckende koschere Essensversorgung enorm erhöht hätte. Außerdem verwies man darauf, dass die Verpflegung auf den von den Kasernen weit entfernten Übungsplätzen ohnehin mit (nicht koscheren) Feldküchen erfolgte. Da der Militärdienst als Vorbereitung für einen Kriegseinsatz zu verstehen sei, könne man sich hier ohnehin keine den religiösen Vorgaben entsprechende Ernährung erlauben. Des Weiteren sei die Verpflegung über die Gemeinden, die zudem in den Küchen kaum die erforderlichen hygienischen Standards erfüllen konnten, wenig praktikabel, da aufgrund der langen Lieferwege die Speisen die Soldaten nur kalt erreichten. Auch das Essen außerhalb der Kasernen würde nur als Vorwand für einen zusätzlichen Freigang missbraucht. Die Auszahlung 441 Beispielsweise CAW, BWN, sygn. I.300.20.128, Lubliner Togblat, 4. Oktober 1934 (in polnischer Übersetzung); ebd., sygn. I.300.20.131, 350 und 366, Schreiben der Jüdischen Religionsgemeinde Przemyśl, 3. Februar 1936 und Trembowla (Terebovlja), 3. August 1936; Żywność rytualna dla żołnierzy wyznania mojżeszowego, in: PZ, 15. März 1934, 8. 442 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 237.

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des Kostgeldes bringe wiederum Unruhe und Missgunst in die Mannschaften. In der Frage der jüdischen Religionsvorschriften sahen die Diskutanten die Gleichberechtigung der Religionen insgesamt gefährdet. Nicht nur die Zahl jüdischer Feiertage sei größer als die der christlichen, auch werde auf die  – freilich überhaupt nicht vergleichbaren  – christlichen Speiseregeln im Kasernenalltag keine Rücksicht genommen.443 In der Diskussion wurde auch der Vorwurf wiederholt, die Speiseproblematik werde als Einfallstor für politische Propaganda innerhalb der Armee missbraucht, weshalb ihr deshalb keinesfalls der Rang einer politischen Frage zugebilligt werden solle.444 Das Konfliktpotenzial der Feiertags- und Speiseregelung verbarg sich weniger hinter der Rücksichtnahme auf jüdische religiöse Belange, sondern im Gefühl der nichtjüdischen Konfessionen, es läge eine Bevorzugung der Juden vor. Diese Befindlichkeit betraf die Qualität des Essens, die tatsächlich ungleich verteilte Anzahl der Feiertage wie auch den Umstand, dass christliche Soldaten an kirchlichen Feiertagen durchaus Dienst tun mussten. Aus einem in Baranowicze stationierten Artillerieregiment berichtete der Kommandant noch 1936 über eine »gewisse Verbitterung der Soldaten römisch-katho­ lischer und orthodoxer Konfession« wegen »der zu weitgehenden Tolerierung der Feiertage des mosaischen Bekenntnisses«, an denen Juden »unwiderruflich von Ausbildung und Dienst befreit werden«, während Christen zu den katholischen und orthodoxen Feiertagen nur die Teilnahme am Gottesdienst ermöglicht und nach dem Dienst Freigang gewährt wurde.445 In der Tat waren für das Kalenderjahr 1936 23 jüdische Feiertage anerkannt worden, die zudem oft nahe beieinander lagen und für einen längeren Ausfall der jüdischen Soldaten sorgten. Dem standen aufseiten der orthodoxen Christen 18, bei Katholiken und Muslimen lediglich elf Feiertage gegenüber. Mehr Feiertage als den Juden, nämlich 25, wurden allerdings den Anhängern des griechischkatholischen Bekenntnisses zugestanden.446 Die ständigen Beschwerden über die Bevorzugung der jüdischen Soldaten veranlassten das Kriegsministerium zu einem weiteren Lösungsversuch. Auf einer gemeinsamen Sitzung am 5. September 1928 versuchten Vertreter von 443 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.403, Abt. VII der Intendentur an das MSWojsk, 28. November 1924. 444 Ebd. 445 CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.143, L.  dz. 418/Tj., Militärischer Nationalitätenbericht der 20. Infanteriedivision in Baranowicze. Weitere Beispiele in: ebd., Oddz. II SG, I.303.4.2673, 526539, Militärischer Nationalitätenbericht über die Desertionen (31. Oktober 1926 – ​ 30. April 1927); ebd., SRI, sygn. I.371.2/A.88, 8, Militärischer Nationalitätenbericht des DOK  II (20.  September 1929 – 20. Mai 1930; ebd., Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2687, 19, Militärischer Nationalitätenbericht (1. Quartal 1926). 446 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 150. Die Feiertagskalender für die Jahre 1922, 1933, 1934 und 1937 wurden im jeweiligen Jahr bekannt gegeben. CAW, BWN, sygn. I.300.20.36, 172, 201 und 240.

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BWN, Dwójka, Intendantur (Departament Intendentury) und Parlamenta-

rischem Referat des Kriegsministeriums (Referat Sejmowy MSWojsk), eine verbindliche Regelung zu finden.447 Der Diskussionsleiter und Chef des BWN, Oberstleutnant Zygmunt Kuczyński, konstatierte eröffnend, dass die Privilegien der Juden im Hinblick auf die »große Anzahl an Feiertagen« die Ordnung im Militär störe, den Unmut der übrigen Soldaten provoziere und nicht im Sinne der Verfassung sei. Allerdings sei man, stellte sein Stellvertreter, Major Władysław Dunin-Wąsowicz, klar, an eine entsprechende Weisung des Ministerrats aus den Tagen der Ugoda von Juli 1925 gebunden, wonach jüdische Feiertage im Militär berücksichtigt werden müssten. Angesichts der Undurchführbarkeit einer vollständigen Umsetzung dieser Regelung plädierte Kuczyński für die Ausweitung des Feiertagsurlaubs auf alle Konfessionen wie auch für die direkte Auszahlung eines Kostgeldes an die Soldaten.448 Eine Gegenposition vertrat Hauptmann Kazimierz Bieńkowski als Vertreter des Büros des Kriegsministers. Er drängte auf die unbürokratische Aufhebung der Feiertagsregelungen. Diese wurde jedoch aus Furcht vor den öffentlichen und politischen Reaktionen abgelehnt und die Erarbeitung zweier unterschiedlicher Entschlussvorlagen – die Aufhebung aller religiösen Rechte für Juden beziehungsweise die Ausweitung der Regelungen auf alle Konfessionen – beschlossen.449 Der II. Vizeminister, General Kazimierz Fabrycy, nutzte dies zu einer bezeichnenden Vorgehensweise. Am 10. Oktober 1928 schickte er zwei unter einer Registrierungsnummer geführte Befehle an die Kommandeure der Einheiten, von denen der erste die Adressaten zur Sicherstellung der Toleranz innerhalb der Streitkräfte gemahnte und die Achtung der religiösen Feiertage und Gebräuche einforderte. In einem zweiten, streng geheimen Befehl instruierte er die Befehlshaber der Korpsbezirke, die untergeordneten Kommandeure mündlich dazu anzuhalten, die Diensterleichterungen für Juden im Rahmen der bestehenden Regeln möglichst einzuschränken.450 Er argumentierte mit dem zu regen Gebrauch, den jüdische Soldaten von ihren Rechten machten, sowie dem Druck, der von jüdischen zivilen Akteuren in Fragen des koscheren Essens auf die Rekruten ausgeübt werde.451 Daraus

447 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, Bericht von der Konferenz vom 5. September 1928 im BWN. 448 Ebd. 449 Ebd. 450 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 149; CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, Rechte der jüdischen Soldaten, 10. Oktober 1928. Kopien dieses Schreibens des MSWojsk erhielten der I.  Vizeminister Daniel Konarzewski, Stabschef Tadeusz Piskor sowie der Leiter des BWN, Łuskin. 451 Ebd.

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folge nicht nur eine wachsende Unzufriedenheit der nichtjüdischen, sondern auch die zunehmende Isolierung der jüdischen Soldaten. Auch das Kostgeld sollte den Soldaten nun direkt ausgezahlt werden.452 Fabrycys Argumentation erfolgte durchaus im Hinblick auf die Armee als Gesamtinstitution, weniger aus der Perspektive und den Interessen konkreter Individuen. Zugleich sanktionierte er faktisch aber auch die missbräuchliche Verweigerung religiöser Rechte, indem er die Entscheidungsgewalt an die lokalen Kommandeure und die DOK delegierte. Dieses doppelgleisige Vorgehen verdeutlicht zwar, dass die Minderheitenrechte im Bewusstsein der Armeeführung verankert waren, deren Begrenzung aber zugleich als institutionelles Interesse der Streitkräfte verstanden wurde. Das Streben nach Homogenisierung und Normierung der Mannschaften folgte einer kaum voneinander zu trennenden Logik der Konsolidierung in institutioneller und nationaler Hinsicht. Dieser Denkweise folgte auch die Kürzung der Zahl der jüdischen Feiertage im Jahr 1934. Zugleich wurde selbst religiösen Juden nicht mehr gestattet, die Feiertage außerhalb der Kaserne zu verbringen. Zudem bemühte sich das Militär beispielsweise im Warschauer Stadtteil Praga um die Schließung koscherer Küchen, die auch von Soldaten frequentiert wurden.453 Schließlich ordnete das Kriegsministerium im April desselben Jahres die Rückkehr zur 1921 eingeführten Praxis an. Da eine Verpflegung der Mannschaften nach religiösen Vorschriften von der Armee nicht zu leisten sei, dürfe den betroffenen Soldaten an den entsprechenden Feiertagen Kostgeld ausgezahlt werden. Allerdings wurde nun über jede Anfrage individuell entschieden, was wieder ein Einfallstor für willkürliche Entscheidungen war. Das Kostgeld durfte nicht mehr an Dritte fließen und privat geführten Soldatenkantinen sollte die Betriebsgenehmigung aufgrund von Hygieneund Qualitätsmängeln entzogen werden.454 Auf den ersten Blick drängt sich der Eindruck auf, neben dem Willen nach einer Unifizierung der Mannschaften hätten auch antisemitische Motivlagen eine Rolle gespielt. Dagegen spricht, dass Steinberg persönlich angeregt hatte, nur denjenigen Soldaten dauerhaft ein Kostgeld zu zahlen, welche die religiösen Vorschriften ernsthaft einhielten. Seiner Ansicht nach, und hier vertrat er mit Sicherheit eine Einzelmeinung, waren das neben jenen Soldaten, die sich auf eine religiöse Laufbahn vorbereiteten, lediglich zwei bis drei Personen pro Korpsbezirk.455 Er schlug sogar vor, die Garnisonskommandanten sollten 452 Ebd. 453 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.410, L.173/tj/33, 141–143, 144–146, 148–150, Berichterstattung in Dos Yudishe Togblat, 23. und 28. März, 9. und 10. April 1934 (in polnischer Übersetzung). 454 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.410, L.173/tj/33, L.160/34, Intendentur des MSWojsk, 17. April 1934. 455 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.410, 159–161.

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Verstöße gegen das religiöse Regelwerk, etwa das Brechen des Sabbats, mit dem Entzug des Kostgeldes ahnden können. Damit wäre die kuriose Situation eingetreten, dass christliche Offiziere zu Hütern jüdischer religiöser Vorschriften werden.456 Bilanziert man die Umsetzung der religiösen Minderheitenrechte, gelangt man zu einem gemischten Fazit. Dass sie in der Praxis auf Garnisonsebene sehr unterschiedlich und vom Handeln der örtlichen Kommandanten abhängig war, wurde bereits deutlich. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich in den überlieferten Akten naturgemäß vorrangig Beschwerden über uneinsichtige Offiziere finden lassen457, weniger Berichte über entgegenkommende.458 Der Umstand aber, dass ein Beschwerdeweg vorhanden war, legt nahe, dass in der Regel die Vorschriften im Wesentlichen eingehalten und religiöse Rechte nur relativ selten eingeschränkt wurden. Ein zweites Pro­ blem war die erwähnte schlechte personelle Ausstattung der Militärseelsorge, was eine großflächige geistliche Betreuung der Soldaten unmöglich machte. Da vielerorts keine Alternative vorhanden war, besuchten die Anhänger unterschiedlicher Konfessionen denselben Gottesdienst.459 Juden wurden zwar nicht systematisch, aber immer wieder zur Teilnahme an katholischen Gottesdiensten und Gebeten genötigt.460 Nicht mehr rekonstruierbar ist, in wie vielen Fällen der Missachtung jüdischer Feiertage wirklich antijüdische Motivationen zugrunde lagen und wie oft dies aus einem niedrigen Personalstand oder anderen Überlegungen resultierte. Dass das Missfallen vieler Soldaten über die Rücksichtnahme auf jüdische Feiertage und Speisegebote auch in den Mannschaften für Unruhe sorgte, mag manchen Kommandanten in seiner Verweigerungshaltung bestärkt haben. Ihre religiöse Verschiedenheit war für die jüdischen Soldaten auch eine Quelle für Schikanierungen und Misshandlungen durch andere Militärangehörige. Als sich 1928 Berichte über derlei Fälle häuften, äußerte Eliasz 456 Ebd. 457 CAW, BWN, sygn. I.300.20.119, 159, sygn. I.300.20.127, 143–152, sygn. I.300.20.127, 49, sygn. I.300.20.131, 15, 31, 33, 43, 225 f., 321 f.; ebd., Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2673, 16. Ferner BS, RPII/1/5023, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Federbusch u. a., 13. November 1926; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.74, L.29130. BS, RPII/1/3709, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Heller und des ukrainischen Abgeordnetenkreises, 6. November 1928; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.75. Ebenso BS, RPII/0/2741, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Farbstein, 5. Januar 1922; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.56, Liczb. 244; CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, Notiz zum jüdischen Neujahrsfest, 29. September 1927. 458 CAW, BWN, I.300.20.119, 54 f., Kreisrabbiner Włodzimierz (Wolodymyr-Wolynskyj) an Militärrabbinat im OK  II, 9. November 1922; auch ebd., Militärrabbinat im OK  IX an Oberrabbiner, 1. November 1929, 135 f. 459 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 174–176. 460 Ebd., 225.

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Kirszbraun im parlamentarischen Militärausschuss die Vermutung, in der Armee herrsche »ein Überschuss an Schweinefleisch, da in einem Regiment Christen den Juden dieses Fleisch mit Gewalt in den Mund steckten«.461 Sein Nachfolger Samuel Brot berichtete fünf Jahre später dem gleichen Gremium von einem jüdischen Fähnrich, der dafür bestraft wurde, dass er koscheres Essen einforderte.462 Ähnlich erging es den Soldaten Hersz Szechter und Aron Siegel, die die Auszahlung ihres Kostgeldes verlangten und dafür zum Verzehr von Schweinefleisch gezwungen und eingesperrt wurden.463 Brots Schilderungen  – er erwähnte noch eine Intervention des amerikanischen Rabbinerverbandes, weil einem jüdischen Soldaten der Bart rasiert worden war464 – trafen bei den übrigen Ausschussmitgliedern auf wenig Verständnis. In gewohnter Weise spottete der Vertreter der Nationaldemokratie, Stefan Dąbrowski, über »die internationale Solidarität des Judentums«, da wegen »eines Bartes, der einem Juden in der Armee abgeschnitten wurde, sogar der Verband der Rabbi­ner in Amerika in Bewegung gesetzt wurde«.465 Auch gemäßigte Stimmen mahnten an, zu weitgehende religiöse Rechte für Juden böten einen möglichen Anlass für eine antisemitische Welle innerhalb der Armee.466 Ungünstig für die Verfechter einer maximalen Berücksichtigung religiöser Lebensregulierung kam hinzu, dass die auch für Nichtjuden sichtbare Säkularisierung der jüdischen Gesellschaft derlei Bemühungen leicht unglaubwürdig erscheinen ließ. Steinbergs Einschätzung der religiösen Praxis war somit zwar zugespitzt, aber keineswegs unbegründet. Das Krakauer Korpsbezirkskommando bezeichnete es im Frühjahr 1926 als »charakteristisch, dass sehr wenige Juden die rituellen Praktiken, die in ihrem täglichen Leben vorgesehen sind, einhalten und vor allem die Rekruten aus den Städten sich nicht verpflichtet fühlen, rituelle Kost zu sich zu nehmen, sogar an hohen Feiertagen«. Daraus schloss das DOK, den meisten Juden werde »eine Praxis aufgezwungen, deren Notwendigkeit sie selbst nicht empfinden«, während sie die gewährten Annehmlichkeiten gern in Anspruch nähmen.467 Ähnlich missbilligt wurden Informationen über die Nutzung des Gottesdienstbesuchs zu privaten Frei- und Besorgungsgängen.468 Das Armeerabbinat kämpfte unterdessen besonders unter Mieses und Fränkel für die Beibehaltung und 461 AAN, BS, sygn. 18, 36v, Sitzung des Militärausschusses des Sejms, 13. April 1923. 462 AAN, BS, sygn. 22, 29v, Sitzung des Militärausschusses des Sejms, 27. Februar 1928. 463 Ebd., 30 f. 464 Ebd., 29v. 465 Ebd. 466 Ebd., 31. 467 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2701, 2–14, Bericht über das Verhalten der nichtpolnischen Nationalitäten im Bereich des DOK V (1. Quartal 1926), hier 6; ebenso der Bericht zu den Juden im DOK V, 5. Mai 1926, ebd., sygn. I.303.4.2687. 468 CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.587, Nr. 2191/39, Berichte über das 78. Infanterieregiment Ba­ ranowicze (Januar / Februar 1939).

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Ausweitung der Feiertagsregeln und intervenierte, wenn diese nicht eingehalten wurden.469 Dieses Engagement der Militärrabbiner (und in vielen Fällen ihrer zivilen Kollegen) lag im Prinzip nicht in ihrem Aufgaben- und Kompetenzbereich und wurde in den DOK sehr negativ aufgenommen.470 Auch bei den anderen Konfessionen intervenierten Geistliche und Politiker bei der Missachtung religiöser Feiertage, beispielsweise die ukrainischen Parlamentarier im Falle der orthodoxen beziehungsweise griechisch-katholischen Feiertage.471 Allen inneren Widerständen bei der Umsetzung der religiösen Minderheitenrechte zum Trotz fanden Militär und Staat mit der Zeit zu einer moderaten Unterstützung jüdischer Festtage. In den 1930er Jahren kam es zu einer informellen Allianz von jüdischem Veteranenverband, Regierung und Armee, die diese Entwicklung beförderte. An vielen jüdischen Feiertagen nahmen nun staatliche und militärische Vertreter teil, beispielsweise am Sederabend 1931 im Warschauer Haus des jüdischen Soldaten, das seinen provisorischen Sitz in der Ptasia-Straße 3 hatte.472 Bei den Chanukka-Feiern in der Nożyk-Synagoge und anschließend im Haus des Soldaten nahmen 1932 neben 400 Soldaten der Warschauer Garnison auch Korpsbezirkskommandant General Czesław Jarnuszkiewicz, Oberst Stefański als Vertreter aller in Warschau stationierten Armeeeinheiten, Senator Jerzy Barański als Repräsentant des BBWR, Premier Sławek und weitere Regierungsvertreter teil.473 Auch beim Purimfest, das 1933 in der Krakauer Garnison und dem Haus des Soldaten gefeiert wurde, waren neben dem Stadtkommandanten, Brigadegeneral Mond, Repräsentanten von Woiwodschaft, Magistrat, DOK und den Truppen anwesend.474 469 Vgl. mehrere Vorgänge in CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.74 und 75; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, Phonogramm Nr. 56114; Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 234. 470 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2701, 2–14, Bericht über das Verhalten der nichtpolnischen Nationalitäten im Bereich des DOK V (1. Quartal 1926), hier 6; ebenso ebd., sygn. I.303.4.2687, Bericht zu den Juden im DOK V, 5. Mai 1926. 471 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.74, Liczb. 21369 und Liczb. 29426; ebd., sygn. I.300.1.75, L.2734. 472 Uczta sederowa w Domu Żołnierza Żydowskiego, in: Nasz Przegląd Ilustrowany 8 (1931), H. 15, 2. Über das Haus des jüdischen Soldaten sind bis auf die vorläufige Adresse keine weiteren Informationen bekannt. Jom-Kipur w Warszawie, in: Nasz Przegląd, 22. September 1931, 7. 473 Obchód święta chanukowego, in: PZ, 30. Dezember 1932, 7; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 74, Dos Yudishe Togblat, 30. Dezember 1932; ebd., 75, Der Moment, 29. Dezember 1932 (in polnischer Übersetzung). Weitere Pressestimmen ebd., 76. Zur Rolle des Hauses des Soldaten als Integrations- und Bildungseinrichtung Henschel, »Bei uns werden die Menschen nicht nach ihren Verdiensten beurteilt.«, 59–61. 474 Presseberichte in Nowy Dziennik, Ekspres Ilustrowany, in: Ilustrowany Kurjer Lubelski, 14. März 1933; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 77 und 193, Einladung zur Purimfeier unter Schirmherrschaft des Woiwoden Kwaśniewski, des DOK-Chefs Łuczyński und des Stadtpräsidenten Kaplicki.

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Gleiches lässt sich über den Sederabend 1935 in Lublin und zahlreiche andere Veranstaltungen berichten.475 Diese Praxis wie auch die anfangs anlassgebunden zusammentretenden Organisationskomitees verstetigten sich bald. Weitere Aushandlungsprozesse im Bereich der Religionsausübung im Militär betrafen das Treuegelöbnis nach der zweimonatigen Grundausbildung. Der Fahneneid war ein feierlicher Initiationsritus, bei dem die Rekruten als vollwertiges Mitglied in das Verteidigungskollektiv aufgenommen wurden, womit Prestige, patriotisches Ethos und eine Reihe von Verpflichtungen verbunden waren. Zugleich dienten die festlichen Veranstaltungen, zu denen ganze Familien anreisten und über die auch in der jüdischen Presse häufig berichtet wurde, auch dem Zweck der Verankerung der Streitkräfte im kollektiven gesellschaftlichen Bewusstsein.476 Aufgrund ihrer religiösen Aufladung wurde die Vereidigungszeremonie zu einem weiteren Diskursfeld zwischen dem Staat und den einzelnen Bekenntnissen beziehungsweise Ethnien (Abb. 10). Die Akteure waren gewiss mitgeprägt von den Debatten über den »Judeneid« (More Judaico), die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, aber auch erneut zur Jahrhundertwende besonders in Preußen und Österreich geführt worden waren. Seit dem Mittelalter herrschte in Europa die Überzeugung, jüdische Eidesleistungen seien aufgrund zahlreicher talmudischer Spitzfindigkeiten für den Schwörenden nicht bindend, woraufhin besondere diskriminierende Regeln zur Bekräftigung des »Judeneids« eingeführt wurden. Auch nachdem in Europa der »Judeneid« abgeschafft war, verschwanden die damit verbundenen Vorstellungen nicht. Lange war die mangelnde Eidesfähigkeit der Juden eine Schranke für deren Aufnahme in das Offizierskorps.477 475 CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.130, Lubliner Togblat, 21. April 1935. Für weitere Beispiele Seder żołnierzy Żydów, in: PZ, 19. April 1935,  6; CAW, BWN, sygn. I.300.20.133; ebd., I.300.20.117, 78 f., 119 f., 123, 139, 154, 160 f., 164 f., 173 f., 179 f. und 189–192. Vgl. auch die Fotografien von den Veranstaltungen aus illustrierten Zeitungsbeilagen. Ebd., 137 f. 476 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 163 und 241–245. Für die Berichterstattung CAW, SRI, I.371.9/A.130, Shedletser Vokhenblat, 24. Juni 1932 (in polnischer Übersetzung); CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2695, 32, Bericht des SRI DOK IV (II. Quartal), 23. Juli 1926. Auch in der Polska Zbrojna finden sich zahlreiche Berichte über die Vereidigung Angehöriger nichtkatholischer Konfessionen, darunter Juden, z. B. Zaprzysiężenie rekrutów rocznika 1905, in: PZ, 17. Dezember 1926, 5; Przysięga rekrutów w garnizonie stołecznym, in: ebd., 29. Mai 1928, 2; Przysięga podchorążych rezerwy w Oficerkiej Szkole Sanitarnej, in: ebd., 30. Januar 1928, 2; Przysięga rekrutów w Warszawie, in: ebd., 23. Dezember 1929, 2; Przysięga rekrutów 1908 rocznika, in: ebd., 25. April 1930, 6; Przysięga rekrutów w garnizonie warszawskim, in: ebd., 28. April 1930, 3; mit Bild­material: Zaprzysiężenie nowego rocznika wojskowego, in: Nasz Przegląd Ilustrowany (1924), 19. 477 Zur Entwicklung des Judeneids bis ins Mittelalter Zimmermann, Die Entwicklung des Judeneids. Zum 19. Jahrhundert Vormbaum, Der Judeneid im 19. Jahrhundert, vornehmlich in Preußen, 194–211. Auf die bis weit ins 19. Jahrhundert herrschende Vorstellung des miles christianitas, die für Juden ein Hemmnis im Militär bildete, verweist Buschmann, Vom »Untertanensoldaten« zum »Bürgersoldaten«?

Von Rekruten zu Staatsbürgern

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Abb. 10: Jüdische Rekruten in Posen leisten ihren Eid vor Rabbiner Sonnabend, 17. Dezember 1932. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (The National Digital Archives).

Bereits der noch vom Warschauer Regentschaftsrat im Oktober 1918 ein­ geführte Eidestext, der sich auf den allmächtigen, dreieinigen Gott, das Vaterland und die polnische Nation berief,478 hatte zum Protest des Krakauer Jüdischen Nationalrats geführt. Nicht nur die Trinitätsformel, auch der Bekenntniszwang zur polnischen Nation provozierten dessen Widerstand.479 Auch hier dauerte es einige Jahre, bis eine verbindliche Regelung für alle Konfessionen getroffen wurde.480 Zunächst wurde im Februar 1922 in einem Geheimbefehl des Kriegsministeriums bis zu einer gesetzlichen Regelung des Eideszeremoniells die vorläufige Suspendierung des katholischen Gottesbezugs angeordnet und das Gelübde vorübergehend nicht vor einem Geist­ lichen, sondern einem delegierten Offizier abgelegt.481 Zudem galten getrennte Eidesformeln für Katholiken, Baptisten, Juden, Muslime, Mennoniten 478 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 241. Auch die Orthodoxen äußerten Kritik. Ebd., 242, und T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 146 f. 479 Zit. nach ebd., 146, Anm. 110. 480 Die Diskussionen sind z. T. dokumentiert in CAW, BWN, sygn. I.300.20.14, passim, und sygn. I.300.20.36, 4–83. 481 Dziennik Rozkazów Tajnych MSWojsk 2 (1920) 8T, poz. 122, 206 f. (6. Mai 1922).

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und Konfessionslose.482 Sie wurden im Oktober 1922 von Kriegsminister Sosnkowski vorläufig bestätigt und 1924 in das Gesetz über die grundlegenden Pflichten und Rechte der Soldaten der polnischen Armee übernommen.483 Im gleichen Zuge legte der Minister fest, dass der Treueid außer bei Konfessionslosen und Mennoniten von Militärgeistlichen der jeweiligen Denomination abgenommen wurde.484 Das Gelöbnis wurde aufgrund der mangelnden Polnischkenntnisse vieler Rekruten in mehrere Sprachen übersetzt. Auf Deutsch (die kursiv gesetzten Passagen entfielen für Juden) lautete es: »Ich schwöre bei Gott, dem Allmächtigen, in der heiligen Dreifaltigkeit einigen, dass ich meinem Vaterlande, der Republik Polen, treu sein, die Fahnen des Heeres nie verlassen, die Ehre des polnischen Soldaten in Schutz halten, dem Recht und dem Presidenten [sic] der Republik gehorchen, die Befehle der Befehlshaber und Vorgesetzten treu befolgen, die militärischen Geheimnisse geheim halten, bis zum letzten Atemzug für die Sache meines Vaterlands kämpfen und mich überhaupt so verhalten werde, dass ich wie ein braver polnischer Soldat leben und sterben kann. – So wahr mir Gott helfe durch das heilige Leiden des Heilandes – Amen.«485

Die schon 1922 eingeräumte und im Gesetz von 1924 legalisierte Möglichkeit, dass Offiziere anstelle von Geistlichen die Vereidigungszeremonie leiteten, führte 1927 zu einem gemeinsamen Protest der obersten Militärseelsorger aller Konfessionen. Sie beriefen sich darauf, dass nur eine geistliche Person zur Abnahme eines Eids, der die Zeugenschaft Gottes anruft, berechtigt sei.486 Hintergrund des Widerstands war, dass in der 1925 ohne Absprache mit dem BWN verfassten Durchführungsbestimmung zum betreffenden Gesetz versäumt wurde, die Anwesenheit von Geistlichen verbindlich festzulegen. Die Militärseelsorger fühlten sich zu Statisten degradiert. Gegenüber der Armeeführung äußerten sie die Befürchtung, dass nun die Zahl der Verweigerungen der Eidesleistung steigen könnte, zumal beispielsweise für orthodoxe Christen ein ohne geistliche Assistenz geleisteter Schwur keine Bindekraft hatte.487 482 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II  Rzeczypospolitej, 242; CAW, BWN, sygn. I.300.20.36, 90, Abteilung VI (Rechtsabteilung) des MSWojsk an BWN, 20. November 1920. 483 CAW, BWN, sygn. I.300.20.120, 28, Sosnkowski an BWN, Oktober 1922 (Abschrift), o. D.; Dz. U. Nr. 72 (1924 ), poz. 698, Ustawa z dnia 18 lipca 1924 r. o podstawowych obowiązkach i prawach szeregowych Wojska Polskiego; Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 243. 484 CAW, BWN, sygn. I.300.20.120, 28, Sosnkowski an BWN, Oktober 1922 (Abschrift, undatiert). 485 CAW, BWN, sygn. I.300.20.36, 87 f. (Hervorhebung im Original unterstrichen). 486 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 147. 487 CAW, BWN, sygn. I.300.20.36, 91–96, Bericht über die Abnahme des Treuegelöbnisses, 2. September 1929.

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Ihr Protest hatte Erfolg und ab Juli 1928 konnten die Vereidigungen nur noch durch Geistliche vorgenommen werden.488 Zusätzlich bekräftigte Staatspräsident Mościcki in einer Anordnung, niemand könne gegen seinen Willen zum Eid oder Gelöbnis gezwungen werden, wenn diese den Lehren seiner Religion widersprachen. Konfessionslose Soldaten oder solche, die nicht imstande waren, ihre Konfession anzugeben, waren von der Eidesleistung befreit und konnten ein säkulares Treuegelöbnis ablegen.489 In der Praxis traten trotz der Regulierung der Vereidigungszeremonie immer wieder Pro­bleme und Missverständnisse auf, beginnend mit Detailfragen wie der Haltung der Schwurhand, dem Abnehmen der Kopfbedeckung oder der Reihenfolge der Konfessionen während der Veranstaltung.490 Fielen die Vereidigungen aus Unachtsamkeit oder Kalkül der Organisatoren auf einen Samstag, versuchte das Armeerabbinat eine Verlegung zu erreichen.491 Oft fehlte es auch an den erforderlichen Geistlichen, sodass bei den nichtkatholischen Soldaten ein Offizier den Eid abnahm.492 Es kam sogar vor, dass jüdische Soldaten in anderen Garnisonen vereidigt wurden, wo ein entsprechender Geistlicher vor Ort war.493 In Jabłonna-Legionowo wurde laut den Garnisonsakten ab 1922 der Ortsrabbiner herangezogen.494 Damit dürfte Ezekiel Taub, der »Jablonner Rebbe«, zumindest sporadisch die Kaserne besucht haben. Später war es der Rabbiner Jakub Lejb Taub, der die Betreuung der jüdischen Soldaten an Feiertagen übernahm.495 Im Wesentlichen wurde über Form und Inhalt der Vereidigungszeremonie Einigkeit erzielt, sodass diskriminierende Praktiken Ausnahmen bildeten. Eine solche ereignete sich etwa im April 1922 in Bieniakonie, einer an der heutigen belarusisch-litauischen Grenze gelegenen Ortschaft. Nachdem die 120 Juden vom Regimentschef vereidigt wurden, mussten sie gemeinsam mit den katholischen Teilnehmern ein vom Priester gehaltenes Kreuz küssen.496 Allerdings konnten auch Nachlässigkeiten aufseiten des Militärrabbinats zu Situationen führen, in denen Juden ihren Eid ohne religiöse Autorität ablegen mussten. Eine gescheiterte Vereidigung zweier jüdischer Offiziere in 488 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 147. 489 Ebd. 490 Ebd., 147 f. 491 CAW, BWN, sygn. I.300.20.118, 92, Kantor Sonnabend (Posen) an Oberstes Militärrabbinat, 5. Juni 1933. Vgl. auch ebd., sygn. I.300.20.120, 37v, 51 f., 58 und 75. 492 CAW, BWN, sygn. I.300.20.130, 47 und 54. 493 Ebd., 76 und 79. 494 CAW, Komenda Garnizonu w Jabłonnie, sygn. I.372.20.1, Befehl Nr. 280, 13. Dezember 1922. 495 Jacek Szczepański, Wojska balonowe, 104. 496 CAW, BWN, sygn. I.300.20.130, 10. Narodowy Klub Żydowski Posłów Sejmowych przy Tymczasowej Rady Narodowej an MSWojsk, 28. April 1922.

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der Warschauer Garnison erlangte gar landesweite Bekanntheit, weil sie im Zusammenhang mit Józef Mieses’ Abberufung als Oberster Militärrabbiner diskutiert wurde. Ihr fast schon kabaretthafter Charakter gibt zudem viel davon preis, welch unterschiedlicher Stellenwert dem Militär unter Juden zukam. Anlass des Eklats war, dass alle Konfessionen zu dieser Vereidigung am 7. Juni 1925 ihre obersten Militärgeistlichen entsandt hatten, während Mieses lediglich einen zivilen Stellvertreter namens Posner schickte. Die beiden Offiziere Henryk Leiter und Baruch Neubauer weigerten sich »als fortschrittliche Juden«, den Eid vor einem »rückständigen Rabbiner« zu leisten, wie der Warschauer Stadtkommandant Suszyński berichtete. Nach dessen Einschätzung war es den Offizieren als »intelligenten Menschen« unangenehm, »den Eid im Beisein anderer Offiziere vor Rabbiner Posner, der mit seinem Aussehen das Bild einer gewissen Rückständigkeit abgab, abzulegen«.497 Ein anderer Augenzeuge, der Stabsoffizier Ostrowski, beschrieb Posner »vom äußeren Aussehen her [als] Anhänger der orthodoxen Richtung«. Nachdem Posner die Eidesformel weder beherrschte noch schriftlich bei sich trug, wurde die Zeremonie nach einer halben Stunde vertagt und die Offiziere baten um eine Vereidigung durch Mieses »beziehungsweise einen anderen jüdischen Geistlichen, der ihrem Verständnis eines Polen jüdischen Glaubens mit fortschrittlicher Gesinnung« entsprach. Ostrowski zufolge verlangten die Offiziere zudem, dass der Eid von einem polnischen Muttersprachler verlesen werde.498 Einer ganz ähnlichen Sprache bedienten sich die Betroffenen in ihren persönlichen Berichten. Leiter beschrieb Posner als »zivilen Hilfsrabbiner im Kaftan, der nicht korrekt Polnisch spricht«. Neubauer charakterisierte dessen Aussehen gar als »nicht europäisch«; es rufe eine »unangenehme und bedrückende Empfindung« hervor. Ganz offensichtlich war es für diese beiden jungen Offiziere von enormer Bedeutung, im Moment ihrer öffentlich inszenierten endgültigen Aufnahme in das Militär den Treueid vor einem in ihren Augen würdigen Geistlichen ablegen zu können, dessen Auftreten nicht den verbreiteten Vorurteilen über Juden entsprach. Leiter schloss seinen knappen Bericht mit den Worten, er wisse nicht, ob er »in einem so festlichen Augenblick wie der Vereidigung von Offizieren imstande wäre, ruhig und konzentriert die Eidesworte zu wiederholen, wenn sie inkorrekt und fehlerhaft vorgelesen würden«.499 Konfrontiert mit dem Eklat, entgegnete Mieses seinen Kritikern, nicht über die Notwendigkeit seiner persönlichen Anwesenheit informiert worden zu sein. Posner wiederum habe er als erfahrenen Rabbiner 497 CAW, BWN, sygn. I.300.30.120, 34, Stadtkommandant Warschau an das DOK I, 10. Juli 1925. Zu diesem Vorfall auch Mieses’ Personalakte. Ebd., sygn. I.300.20.124, 203. 498 Alle Zitate stammen aus dem Bericht des Oberstleutnants im Generalstab Ostrowski an das DOK I, CAW, BWN, sygn. I.300.30.120, 35. 499 Alle Zitate aus CAW, BWN, sygn. I.300.30.120, 32, Schreiben von Leiter und Neubauer, 8. Juni 1925.

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kennengelernt. Ein Missgeschick wie das Vergessen des Textes hätte auch anderen passieren können und wäre – hätten die Offiziere die Veranstaltung nicht verlassen – nach zehn Minuten behoben gewesen.500 Die Vereidigung wurde drei Monate später nachgeholt. Mieses wurde von Major Władysław Dunin-Wąsowicz vom BWN persönlich um sein Erscheinen gebeten.501 Die Situation der Juden in den polnischen Streitkräften, so lässt sich als Zwischenbilanz formulieren, oszillierte zwischen faktischer Anerkennung und systemisch angelegter Diskriminierung, zwischen eingespieltem Zusammenleben und Alltagsantisemitismus. Die zweideutige Minderheitenpolitik der Militärführung schuf dafür den institutionellen Rahmen, der Raum für ein breites Spektrum an Verhaltensweisen von Offizieren, Kommandeuren und Soldaten ließ. So wurden einerseits religiöse Rechte garantiert, ihre Wahrnehmung konnte aber durch einzelne lokale Akteure enorm erschwert, ja verhindert werden. Derlei Fälle wurden zahlreich dokumentiert und fanden den Weg bis in internationale Medien, was die Außenwahrnehmung Polens durchaus belastete. Wenn im Folgenden von Übergriffen, Gewalt und Diskriminierung von Juden die Rede ist, sollte ein Umstand mitgedacht werden, der in dieser Arbeit nicht ausreichend gewürdigt werden kann. Das polnische Militär war eine Armee ihrer Zeit mit einer institutionentypischen Kultur der Alltagsgewalt, die – zum Teil tradiert aus den Armeen der Teilungszeit und den sechs Kriegsjahren – den Umgang der Offiziere mit den Mannschaften, aber auch das Verhalten der einfachen Soldaten mitprägte.502 Anlass zur Klage hatte somit nicht nur die jüdische Seite, vielmehr gerieten auch zahlreiche christliche Soldaten in das Mahlwerk von Misshandlung und Gewalt. Auch sollten die geschilderten Fälle nur mit Vorsicht als kollektive Erfahrung aller jüdischen Soldaten der Zwischenkriegszeit verallgemeinert werden. Die angeführten Beispiele sollen vielmehr als Symptome einer Problemlage herangezogen werden, die in manchen Militärstandorten akut, anderswo aber nur sporadisch oder gar nicht anzutreffen war. Im Falle der jüdischen Soldaten ergaben sich über das »Normalmaß« hinausgehende Vorwände für verbale und physische Übergriffe oder diskriminierende Maßnahmen aus ihrer von der Mehrheitsgesellschaft abweichenden Religion und aus kulturellen Eigenheiten. Beispielsweise kursierte 1922 im Raum Kielce unter den Soldaten ein später von den Militärbehörden konfisziertes Flugblatt, in dem die Forderung nach einem Verbot des »jüdischen Kauderwelschs«, also des Jiddischen, im Garnisonsalltag gestellt wurde.503 Auch Berichte über Juden in anderen uniformierten Institutionen wie der 500 Ebd., Schreiben von Mieses, 10. Juni 1925. 501 Ebd. 502 Henschel, Phantomgrenzen und das Militär. 503 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2687, 17, Bericht der Stabsabteilung II des DOK X zu den Juden, 13. März 1922.

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Feuerwehr konnten im Militär Empörung hervorrufen, so geschehen beim Autor eines Lageberichts aus der Woiwodschaft Białystok von April 1924. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Feuerwehr Wolkonin, der neben 75 Juden nur ein Pole angehörte, forderten die jüdischen Kameraden, die Weihe der neuen Fahne solle in der Synagoge stattfinden, was vom Berichterstatter als Ungeheuerlichkeit gebrandmarkt wurde.504 In den Debatten über das Verhältnis von Juden zum Militär kamen auch ökonomische Argumentationsmuster hinzu, etwa wenn Juden Dienstleis­ tungen für die Armee übernahmen. So klagte der Dziennik Narodowy 1935 darüber, dass die ursprünglich von einem Katholiken besetzte Position des Garnisonsfotografen in Stanislau an einen »Juden ohne fachliche Qualifikation, der sich durch nichts dem polnischen Staat verdient gemacht hat«, vergeben wurde.505 Eine Untersuchung des Kriegsministeriums ergab, dass der zuvor verpflichtete katholische Fotograf äußerst unzuverlässig gearbeitet hatte und kein Grund gegen die Besetzung der Position mit einem Juden sprach. Ein genau umgekehrter Fall von 1924, in dem ein jüdischer Unternehmer den Zuschlag für den Bau einer Desinfektionsgaskammer in Tarnopol nicht erhielt, zeigt, dass auch die jüdischen Akteure in derlei Fällen politischen Druck aufzubauen vermochten. In einer parlamentarischen Eingabe warf der Jüdische Abgeordnetenkreis den Militärbehörden »wirtschaftlichen Antisemitismus« vor. Kriegsminister Sikorski legte in seiner Stellungnahme durchaus glaubhaft dar, dass im konkreten Fall das Angebot des jüdischen Unternehmers zwar in zwei Positionen billiger, aber nicht besser als das des ausgewählten Betriebes war.506 Das Militär selbst vermied öffentliche Konfrontationen mit den Minderheiten, gab es doch genügend Reibungen innerhalb der Institution. Der Ort, wo jüdische und polnische Erwartungen, Bilder und Vorurteile jenseits aller postulierten Integrationsgedanken der Militärführung direkt aufeinandertrafen, war die Garnison beziehungsweise Kaserne. Es ist wenig Fantasie nötig, um sich vorzustellen, dass sich angesichts der Vielzahl ziviler Konfliktfelder zwischen Juden und Polen auch in der von Männlichkeitsritualen, Unterwerfungspraktiken und gelebten Machtstrukturen geprägten Welt der Kaserne zahlreiche Differenzen einstellten. Beispielsweise berichtete der SRI Thorn über Klagen verschiedener Kommandanten, es wirke sich »negativ auf den 504 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.5261, Lagebericht für die Woiwodschaft Białystok (April 1924), 10. Mai 1924. Die Feuerwehr, seit der Teilungszeit militärisch organisiert, galt wie die Turnvereine als Sammelbecken für Patrioten und wurde als national bedeutsame Einrichtung verstanden. 505 Zum Presseartikel CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.412, 117–123, »Fotografem garn. Stanisławowskiego – żyd«. 506 BS, RPII/1/2171, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Heller u. a. an das Kriegsministerium, 24. Oktober 1924; dazu CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.69, Liczb. 25698.

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Dienst« aus, wenn »Juden, da physisch schwach, häufig zum Gegenstand von Späßen vonseiten anderer Kameraden« würden.507 Auf einer Dienstberatung stellten die Befehlshaber der Korpsbezirke im Juli 1936 fest, dass es gerade Berufssoldaten waren, die sich »gegenüber Nichtpolen Beschimpfungen bedienen, welche die Religion oder Nationalität der Soldaten verspotteten«.508 Die »rassische Abneigung gegen Juden«, so ist einem anderen Bericht über die Einstellung der übrigen – polnischen wie nichtpolnischen – Soldaten zu lesen, war »ein recht verbreitetes Phänomen«.509 Allerdings wusste der Autor auch zu berichten, dass sich »unter dem Einfluss besser aufgeklärter Kommandanten« sowie aufgrund des Einschreitens des SRI die Behandlung von Juden durch Unteroffiziere sichtbar verbessert hätte.510 Ein im Detail überzeichnetes, aber der Realität sicher nahekommendes Bild vom Kasernenalltag vermittelt der 1933 veröffentlichte Roman Żołnierze (Die Soldaten) von Adolf Rudnicki. Wie in einem Panoramagemälde schildert der Autor das Schicksal eines Rekrutenjahrgangs in der Festung  M., sicherlich handelte es sich um Modlin im Warschauer Festungsdreieck, zu dem auch die Garnison Jabłonna gehörte. Als Vorlage dienten dem 1909 in eine jüdischen Familie in Kleinpolen geborenen Schriftsteller seine eigenen Erlebnisse beim Militär, die er unmittelbar nach der Entlassung literarisch verarbeitete. Der Alltag, den er schildert, ist bestimmt von Demütigungen durch die Vorgesetzten, Gemeinheiten unter den Soldaten und deren individuellen Überlebensstrategien. Neben Polen treten auch ukrainische und jüdische Figuren auf. Während sich die Ukrainer isolieren und am Kasernenleben nicht teilnehmen, zeichnet Rudnicki recht unterschiedliche jüdische Typen: Es gibt den kontaktfreudigen und beliebten Intelligenzler Zaklicki, den musisch begabten Advokaten Piński, den übereifrigen und wenig scharfsinnigen Riesenberg wie auch den unglücklichen und wehrlosen Schlachter Futerman. Letzterer, der für seine Schwierigkeiten beim Erlernen des Dienstreglements vom Spieß aufs Korn genommen und immer wieder erniedrigt wird, »büßte einfach für die Gruppe, weil Leutnant Ofiarny Juden eben nicht mochte«.511 Der schmächtige Cineast Piński wiederum wird zur Zielscheibe von Schikanen und Quälereien, nachdem er sich selbst als erfahrener Boxer ausgegeben hatte und »man sich sehr bald überzeugte, dass er ein gewöhnlicher, unbeweglicher kleiner Jude war«.512 Rudnicki stellte in der Nachkriegsauflage 507 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2694, 201–208, Verzeichnisse der Nationalitäten, Konfessionen und Desertionen im Korpsbezirk VIII (2. Quartal 1925), 24. Juli 1925, hier 208. 508 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 178. 509 CAW, Oddz.  II SG, I.303.4.2673, 697, Militärischer Nationalitätenbericht (1.  November 1930 – 1.  Mai 1931). 510 Ebd., 694–700. 511 A. Rudnicki, Żołnierze, 124. 512 Ebd., 127.

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seines Romans zwar klar, seine Darstellung sei unter dem unmittelbaren Eindruck seiner eigenen Militärzeit stark übertrieben gewesen, doch arbeitete er die Grundstrukturen des Kasernenalltags deutlich heraus. Der von den Offizieren ausgeübte Drill vermischte sich oft mit gegen einzelne Minderheitengruppen gerichteten Verhaltensweisen. Die Minderheiten wiederum bildeten keineswegs eine geschlossene Gruppe, sondern versuchten den Schikanen einzeln zu widerstehen oder traten selbst als Täter in Erscheinung. Auch unter den Soldaten bildeten sich Hierarchien und Abhängigkeiten, in denen die Ethnie eine Rolle spielte. Die häufigsten dokumentierten Beschwerden von Soldaten gleich welcher Herkunft beziehen sich auf körperliche Misshandlungen. Auch hier muss daran erinnert werden, dass die Kultur physischer Gewalt in den Teilungsarmeen häufig als Mittel des Drills und der Erziehung der Soldaten betrachtet wurde und daher weitverbreitet war.513 Ähnliches gilt für den Umgang der Soldaten untereinander, bei dem Gewalt beispielsweise zur Errichtung von Hierarchien diente. All dies macht es umso schwerer, jede an Juden begangene Tätlichkeit ausschließlich mit antisemitischen Einstellungen zu begründen. Sicher verbanden sich im Garnisonsalltag beide Aspekte, die alltägliche Präsenz von Gewalt und tradierte negative Judenbilder, immer wieder zu einem Bedrohungsszenario für die Wehrdienstleistenden. Ausgangspunkte dieser Bedrohung waren sowohl Vorgesetzte – durch Drill, körperliche Übergriffe und Misshandlungen514 – als auch christliche Kameraden.515 Beispielsweise 513 Eine größere öffentliche Aufmerksamkeit erlangte beispielsweise 1925 die Vertuschung der brutalen Behandlung der Soldaten des 3. und 4. Podhale-Schützenregiments (Strzelcy podhalańscy). CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2703, 2–24. Bereits im Vorjahr hatte es dazu eine Interpellation des Jüdischen Abgeordnetenkreises gegeben. BS, RPII/1/1976, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Frostig u. a., 15. Juli 1924; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.67, Liczb. 17460. 514 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.58, L.2742, Beschwerde von Lejba Beganon über die Tätlichkeiten des Garnisonskommandanten von Siedlce, 22. Februar 1922; ebd., sygn. I.300.1.411, 19v, MSWojsk an General Hubischta, 16. Januar 1925; ebd., 59 f., Gruppe der orthodoxen Sejmabgeordneten und Senatoren an die Führung des 71. Infanterieregiments, 12. Mai 1925; ebd., Liczb. 10631, Beschwerde von M. Aronowicz über die Musterungskommission, 25. Mai 1926; ebd., sygn. I.300.1.74, Liczb. 10329/26, Misshandlung von Soldaten im 22. Infanterieregiment (Mai 1926); Jak się traktuje Żydów w wojsku, in: NP, 18. Juni 1925, 4; ebd., Oskarżenie o mord rytualny i proces za zwrócenie się do ministra. Zu diesen Fällen auch BUWGR, sygn. 1406, Materiały Mariana Dąbrowskiego dotyczące organizowania szkolenia wojskowego i reorganizacji niektórych dziedzin życia wojskowego, Pisma odnoszące sie do sprawy żołnierzy pochodzenia żydowskiego służących w Wojsku Polskim, 1925 r.; CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2694, 121–124, Nationalitätenbericht des SRI des DOK I, 18. Juli 1925, hier 122. 515 Über einen wachsenden Antisemitismus unter den Ukrainern berichtete beispielsweise das Korpsbezirskommando IV am 3. Februar und 19. April 1926; CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2695, 12 f. und 14–18. CAW, SRI, sygn. 303.4.2706, L. dz. 1801/Inf. Nar. T. O., Militärischer Nationalitätenbericht des DOK IV, 24. November 1928.

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berichteten jüdische Soldaten der Garnison Tarnów 1919 von zahlreichen Prügelattacken, die vom diensthabenden Zugführer geduldet wurden. Auch während Märschen durch die Stadt erlebten die jüdischen Soldaten Angriffe von christlichen Zivilisten, die von den Vorgesetzten unterstützt wurden. Beschwerten sich die Betroffenen, waren sofort mehrere Gegenzeugen zur Hand und die Sache blieb folgenlos.516 Neben recht harmlosen Übergriffen kam es auch zu folgenschweren Zwischenfällen. Im Juni 1924 ertrank der Soldat Lejba Milgrom (Milgron, Mülgron) bei Nisko im Fluss San, wo seine Kompanie badete und ihre Uniformen wusch. Anschließend begannen die Soldaten, Milgrom ins tiefe Wasser zu stoßen und unterzutauchen. Erst, als dieser nicht mehr auftauchte und von der Strömung fortgerissen wurde, befahl der anwesende Zugführer Zygmunt Kunisz Milgroms Rettung durch gute Schwimmer. Wie die Recherchen des Mizrachi-Abgeordneten Szymon Feldman ergaben, war es Kunisz selbst gewesen, der die Soldaten dazu ermuntert hatte, neben Milgrom noch zwei weitere Juden in ihren Uniformen in den stark angeschwollenen Fluss zu werfen.517 Im folgenden Gerichtsverfahren wurde ein antijüdischer Hintergrund nicht festgestellt und die Verantwortlichen wurden lediglich zu wenigen Wochen Arrest verurteilt.518 Aus Mangel an statistischem Material kann nur vermutet werden, dass, analog zur allgemeinen Sicherheitslage, die antijüdische Gewalt innerhalb der Armee mit der Stabilisierung von Staat und Ökonomie Mitte der 1920er Jahre zunächst zurückging. Dieser Eindruck drängt sich zumindest auf, berücksichtigt man die Häufigkeit der parlamentarischen Anfragen wie auch die Intensität der Presseberichterstattung. Gleiches gilt auch für die von Soldaten ausgehende Gewalt gegen jüdische Zivilisten, die im Kontext der nationalistisch und antisemitisch aufgeladenen Präsidentenwahl sowie der Ermordung des Wahlsiegers Gabriel Narutowicz (beides Dezember 1922) noch einmal zunahm, in den Folgejahren hingegen zurückging.519 Für die 1930er Jahre, als

516 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.43, 520–524, Jüdische Rekruten aus Tarnów an das DOG Krakau, 13. September 1919. 517 Sprawa utopienia Lejby Milgroma, in: Chwila, 4. Juli 1924, 2 f. Vgl. auch Zbrodnia po zbrodni, in: Chwila, 29. Juni 1924, 2, sowie Echo utopienia żołnierza Milgroma, in: Chwila, 6. Oktober 1924, 2. 518 BS, RPII/1/1861, Parlamentarische Anfrage des Jüdischen Abgeordnetenkreises, 17. Juli 1924. Dazu auch der entsprechende Vorgang im Kriegsministerium. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.67, Liczb. 16016. Vgl. auch die Berichte in Chwila. Die Staatsanwaltschaft ging gegen das Urteil in Revision. Das Ergebnis des Berufungsverfahrens wurde nicht eruiert. 519 BS, RPII/0/3346, Parlamentarische Anfrage von Izaak Grünbaum an den Kriegsminister, 20. Mai 1920. Zur Reaktion des MSWojsk vgl. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.59, Licz. 8728/22. Zum Wiederaufleben von Übergriffen auf jüdische Bahnreisende BS, RPII/1/23, Parlamentarische Anfrage des Jüdischen Abgeordnetenkreises an Innenminister, Kriegsminister und Eisenbahnminister, 16. Januar 1923. Auch der prominente Abgeordnete

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sich die Übergriffe auf Juden in der Öffentlichkeit häuften, ist die Lage schwer zu beurteilen. Folgt man dem Bericht des Generalinspektorats der Armee über den »moralischen Zustand« von Armee und Marine für das vierte Quartal 1937, hielten sich zumindest die Offiziere zurück: »Die antisemitische Atmosphäre, die die Mehrheit der Gesellschaft an den Tag legt, durchdringt das Offizierskorps weiterhin, äußert sich aber – bis auf sporadische Ausnahmen – nicht in Exzessen, aktivem Auftreten oder Verhalten gegenüber den jüdischen Soldaten.«520 Neben Schlägen erlebte so mancher jüdische Soldat auch andere Arten von Übergriffen und Schikanen. Es gab Fälle, in denen ihnen die Korrespondenz mit Familienmitgliedern in jiddischer Sprache verweigert wurde,521 sie gegen ihren Willen in andere Einheiten versetzt522 oder, wie von Rudnicki in literarischer Form geschildert, Objekt erniedrigenden Drills oder herabsetzender Bemerkungen wurden.523 Beliebt war es unter Unteroffizieren, Juden beim Marschieren antisemitische Lieder singen zu lassen. Die gleichen Soldaten, die sich 1919 in Tarnów über die tätlichen Übergriffe christlicher Soldaten beschwert hatten, berichteten auch von einem geistig offenbar zurückgebliebenen Kameraden, dem der Kommandant einige Säbel in die Hand drückte, woraufhin alle Juden unter seinem Kommando zur Melodie Mayufes tanzen und singen mussten. Diejenigen, die sich weigerten, wurden verprügelt.524 In Kalisch bestrafte 1920 das Kriegsministerium einen Unterleutnant samt seinen untergebenen Unteroffizieren, die ihren Soldaten das öffentliche Singen des Spottlieds Żydek (Das Jüdlein) befohlen hatten.525 Im Lied wurde nicht nur der jiddische Akzent ins Lächerliche gezogen, sondern entlang der

wurde von einem Offizier attackiert und anschließend zum Duell aufgefordert, das Wacław Wiślicki allerdings auf Druck des Jüdischen Abgeordnetenkreises nicht annahm. JTA, Polish Officer Challenges Jewish Member of Polish Sejm to Duel (16. Oktober 1924), (14. Juni 2023). 520 CAW, RI GISZ, sygn. I.302.10.2, Lagebericht über den moralischen Zustand von Heer und Marine (4. Quartal 1937). 521 BS, RPII/1/2064, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Kirszbraun u. a., 31. Juli 1924; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.69. 522 BS, RPII/1/4691, Parlamentarische Anfrage des Abgeordneten Farbstein u. a., 1. Juli 1926; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.74, Liczb. 21290. 523 A. Rudnicki, Żołnierze, 124 f. 524 CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.43, 520–524, Jüdische Rekruten aus Tarnów an das DOG Krakau, 13. September 1919; Shmeruk, »Mayufes«. 525 CAW, BWN, sygn. I.300.20.48, Liczb. 1281, Beschwerden von Juden aus dem 29. Infanterieregiment über Unterleutnant Blicharski, 21. April 1920. Vgl. auch Nasz Kurjer, 8. Mai 1920; Tygodnik Żydowski, 30. April 1920, 9. Ein weiterer dokumentierter Fall des öffentlichen Absingens dieses Liedes durch eine Kompanie ereignete sich im März 1922 in Warschau. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.58, Liczb. 4160.

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gängigen Stereotype wurden Juden als völlig unfähig zum Umgang mit einer Waffe dargestellt.526 Die Reaktionen des Kriegsministeriums auf Beschwerden und parlamentarische Anfragen über die Behandlung jüdischer Soldaten waren unterschiedlich. Stanisław Szeptycki, 1923 kurzzeitig Ressortchef im zweiten Kabinett Witos, befahl ein Ende der Ungleichbehandlung der Konfessionen im Heer und wies die Garnisonskommandanten an, auf die Minderheiten zuzugehen.527 Häufig aber verschleppten die Ministerialbeamten die Antworten auf die Anfragen des Jüdischen Abgeordnetenkreises. In den meisten Fällen wurden Untersuchungen durchgeführt, allerdings hatten sie für die jeweiligen Täter häufig keinerlei Konsequenzen. Aufgrund der bisher zitierten Akten drängt sich der Eindruck auf, dass sie meist aus Mangel an Beweisen und Zeugen oder aus institutionellen Überlegungen heraus entweder entlastet wurden oder nur geringe Strafen erhielten. Diesem Mangel an Sanktionierung – ein quantitativer Vergleich zum Vorgehen bei Misshandlungen von Nichtjuden kann hier nicht gezogen werden – versuchte das Ministerium mit immer neuen Dienstanweisungen und Aufrufen an das Offizierskorps abzuhelfen, in denen ein angemessener Umgang mit den Minderheitenangehörigen angemahnt wurde. Dies geschah in der Überzeugung, die schlechte Behandlung nichtpolnischer Rekruten und Soldaten sei der Hauptgrund für den fatalen Ruf des Armeedienstes, die hohen Desertionsraten und die mangelnde Motivation der Truppe.528 Auch in den folgenden Jahren kritisierte das Kriegsministerium das Verhalten des Offizierskorps und untersagte etwa im Sommer 1928 »Beleidigungen und Schmähungen, die die nationale Würde des jeweiligen Soldaten missachten«, da sie der »Vereinigung und Verbrüderung« aller Soldaten entgegenstünden.529 Im November desselben Jahres forderte die Dwójka auf Initiative des Posener Korpsbezirkskommandanten eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Polen und Minderheiten, indem die Überwachung und Sanktionierung des Offizierskorps ausgebaut, die Gleichbehandlung der Nationalitäten gesichert, deren Beschimpfung abgestellt, zugleich aber die Überwachung verdächtiger Personen ausgeweitet werden sollte.530 Im gleichen Dokument wurde die Forderung formuliert, die Bildungsarbeit im Bereich der Minderheiten zu stärken und bestehende Mängel bei 526 Ebd. 527 CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 6, Befehl zur Regelung des Zusammenlebens der Soldaten unterschiedlicher Konfession, 1. Oktober 1923. 528 Mniejszości narodowe w Wojsku Polskim w 1922 roku; CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2710, 2, Kommuniqué »Fremde Nationalitäten in der Polnischen Armee«, 18. Oktober 1923. 529 CAW, SRI, sygn. I. 371.9/A.68, L.2423/Inf. N. tjn., Nachrichtenkommuniqué, 28. Juli 1928. 530 CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.25, 1069–1083, Bericht über die nationalen Minderheiten im Militär, 29. November 1928.

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der Ausstattung und Unterbringung der Soldaten zu beseitigen.531 In der Tat unternahm das Militär einige Anstrengungen, den Bildungsstand der Soldaten zu heben und ihnen vor allem das nötige Pflichtbewusstsein als polnische Staatsbürger zu vermitteln. Selbst bei ethnisch polnischen Soldaten ging man davon aus, dass deren nationales Selbstverständnis schwach ausgebildet und verankert war.532 Anders als das religiöse Leben, wo es galt, auf die lebensweltlichen Vorprägungen und Bedürfnisse einzugehen, war die innermilitärische Bildungsarbeit zuallererst ein Feld aktiver Minderheitenpolitik im Sinne der polnischen Staatsdoktrin. Von Major Marian Porwit, einem der Leiter des schon 1918 eingerichteten Militärischen Wissenschafts- und Verlagsinstituts (Wojskowy Instytut Naukowo-Wydawniczy, WINW)533 stammt der Ausspruch, die militärische Ausbildung solle dem Soldaten beibringen, wie man kämpft, die staatsbürgerliche Erziehung hingegen, dass er kämpfen wolle.534 Tatsächlich hatte bereits Piłsudski die von der Idee des Bürgersoldaten herrührende Vorstellung vertreten, Schule und Militär seien die zentralen Bildungseinrichtungen der Nation. Auch nach dem Verständnis des Kriegsministeriums erfüllte der Wehrdienst eine ganze Reihe unterschiedlicher Aufgaben, die in einem Bericht an den Senat von 1924 zusammengefasst wurden: Es ging während des Wehrdienstes um die staatsbürgerliche Erziehung der Soldaten zu Pflichtgefühl, Disziplin, Pünktlichkeit, um die »Ausbildung eines Bewusstseins der Bürger in nationaler Hinsicht«, die »Überführung der Rekruten mit einem häufig niedrigeren kulturellen Niveau in einen Zustand der Kultiviertheit«, die Verbesserung des Gesundheitszustandes der männlichen Bevölkerung durch Sport sowie um die Einebnung der Unterschiede zwischen den ehemaligen Teilungsgebieten und den Nationalitäten »durch die Zusammenführung der Rekruten aus allen Teilen der Republik Polen« in den Einheiten.535 Bei den Kommandeuren in den Garnisonen traf man ebenfalls die Meinung an, dass sich die nichtpolnischen Rekruten bei entsprechend guter Betreuung nicht nur zu loyalen Staatsbürgern entwickeln würden, sondern bald kaum mehr von ethnischen Polen zu unterscheiden seien.536 Der Kom531 Ebd., 1070. 532 Wacław Lipiński, O prowadzeniu pracy oświatowej w wojsku, in: Bellona 14 (1932), H. 40/1, 143–167, hier 148 f. 533 Ab 1934 Militärisches Wissenschafts- und Bildungsinstitut (Wojskowy Instytut NaukowoOświatowy, WINO). 534 Odziemkowski, Armia i społeczeństwo II Rzeczypospolitej, 34. Zum WINW / WINO vgl. auch Wyszczelski, Oświata, propaganda, kultura w Wojsku Polskim w latach 1918–1945. 535 AAN, PRM, sygn. 101–11, 4–12, Bericht über die Umsetzung der allgemeinen Wehrpflicht (erstellt auf Anfrage des Senats vom 11. April 1924), hier 11. 536 Einschätzung des Kommandeurs des 30. Kaniów-Schützenregiments (30  Pułk Strzelców Kaniowskich) in CAW, Oddz. II SG, I.303.4.2673, 480–483, Militärischer Nationalitätenbericht über die Desertion im DOK I (30. September – 31. Dezember 1925), hier 482v. Im

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mandeur des in der Festung Modlin stationierten 32. Infanterieregiments erwartete Mitte 1926, dass »eine von Chauvinismus freie Kampagne im Bereich von Kultur und Bildung, Staatsbürgerkunde, der gerechte und rücksichtsvolle Umgang mit den Soldaten, die Gleichbehandlung aller Nationalitäten und Konfessionen ohne die Bevorzugung einer einzelnen (des mosaischen Bekenntnisses)« Vorteile für Armee und Staat bringen würde.537 Daraus schlussfolgerte das Nationalitätenreferat der Dwójka, dass neben der Dislozierung und Gleichbehandlung der Nichtpolen vor allem die  – im Vergleich zur zivilen Wehrertüchtigung  – »moralisch höher stehende« militärische Ausbildung einen Zugang zu den Minderheiten liefere.538 Weiterreichende Ideen, wie etwa den Vorschlag des Soziologen Stefan Czarnowski, die Minderheiten in ihrer Muttersprache zu unterrichten, gab es kaum.539 Anfänglich verbarg sich hinter dem Bildungsanspruch des Militärs ein ungeliebtes Erbe der Teilungszeit: In der Gründungsphase war ein großer Teil der Rekruten des Lesens und Schreibens gar nicht mächtig oder beherrschte nur eine nichtpolnische Schriftsprache. 1924 schätzte die Militärführung den ganz oder teilweise schreibunkundigen Teil der Mannschaften auf 100 000, also fast die Hälfte des eingezogenen Rekrutenjahrgangs.540 Im Juli 1919 wurde per Gesetz die Schulpflicht für Soldaten ohne Schulabschluss und /  oder Polnischkenntnisse im Armeedienst festgeschrieben.541 Ohne einen entsprechenden Bildungsnachweis erfolgten keine Beförderungen zum Unteroffizier. Das Gesetz sah vor, dass militärdienstpflichtige Lehrer den Unterricht übernahmen, doch wurden dazu oft katholische Geistliche herangezogen, die zusätzlich zur Sprache ihr eigenes, kirchlich geprägtes Verständnis polnischer Kultur und Geschichte vermittelten.542 Parallel mussten Offiziere mit mangelhaften Sprachkenntnissen bis 1925 an einem Programm zum Erlernen des Polnischen teilnehmen, das auch Lektionen in Geografie und Geschichte

selben Bericht fanden sich freilich auch andere Stimmen, so jene des Leiters des 1. KreisArtilleriedepots, der die »Zuteilung von Soldaten mosaischen Glaubens zu diesem Depot als nicht wünschenswert« bezeichnete (483). 537 CAW, Oddz. II SG, I.303.4.2673, 486–496, Nationalitätenbericht des DOK I (1. Halbjahr 1926). 538 CAW, Oddz. II SG, I.303.4.2673, 483, Militärischer Nationalitätenbericht über die Desertion im DOK I (30. September – 31. Dezember 1925). 539 Stawecki, Polityka narodowościowa w wojsku Drugiej Rzeczypospolitej, 21. 540 Wyszczelski, Oświata, propaganda, kultura w Wojsku Polskim w latach 1918–1945, 106. 541 Dz. Pr. P. P. 63 (1919), poz. 373, Ustawa z dnia 21 lipca 1919 r. o przymusowem nauczaniu w wojsku polskiem; AAN, BS, sygn. 32, passim. Vgl. auch frühere Überlegungen für eine »Soldatenuniversität«. BUWGR, sygn. 1406, Materiały Mariana Dąbrowskiego dotyczące organizowania szkolenia wojskowego i reorganizacji niektórych dziedzin życia wojskowego, 22. Februar 1918, 1–5. 542 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 146 f. und 158.

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umfasste.543 Für die Mannschaften galt ab 1922 das »Programm zum verpflichtenden Unterricht in der Armee« (Program przymusowego nauczania w wojsku), das zum Kernbestand der Rekrutenausbildung zählte.544 Abhängig von ihrem Vorwissen wurden die Rekruten eingeteilt in Analphabeten, »Halbanalphabeten« und Personen mit ausreichender Sprachkompetenz in Wort und Schrift.545 Aufgrund von Personalmangel, schlechten Lehrmethoden, ungünstigen Unterrichtszeiten, Übermüdung der Rekruten und deren mangelndem Interesse scheiterte die Alphabetisierung in vielen Fällen. Ein Beobachter konstatierte resigniert, dass aus einem Analphabeten nach seiner Armeezeit »bestenfalls ein Halbanalphabet« werde.546 Da mit der Zeit Rekrutenjahrgänge ins Militär drängten, die bereits das polnische Schulsystem durchlaufen hatten, verlor die Alphabetisierungsfrage bald an Relevanz. Umso wichtiger wurde der Staatsbürgerkundeunterricht, in dem die Soldaten die Republik Polen als toleranten Staat gleichberechtigter Bürger kennenlernen und einen in bewaffneten Konflikten tragfähigen Patriotismus entwickeln sollten, der sich mit einem entsprechenden Pflichtbewusstsein verband.547 Eine neue Qualitätsstufe erreichte die Bildungsarbeit, als 1928 der WINW die inhaltliche Ausgestaltung des Lehrplans übernahm.548 Zugleich wurde die Zusammenarbeit mit der Allgemeinen Korrespondenz-Universität (Powszechny Uniwersytet Korespondencyjny), einer in der Erwachsenenbildung tätigen, vom Bildungsministerium gelenkten Fernuniversität, gestärkt.549 Davon zeugt der Kurs nauki obywatelskiej, ein Lehrprogramm der Staatsbürgerkunde, das vom Militärgeografen Feliks Kopczyński und dem Soziologen Aleksander Hertz, dessen Bewertung der Jabłonna-Affäre schon zitiert wurde, offenbar 1928 für die erwähnte Einrichtung erstellt wurde.550 Die Vermutung liegt nahe, dass das Werk als Vorlage 543 Ebd., 147. 544 Ebd., 148. 545 Ebd., 148 f. 546 Ebd., 148. Detailliert zur militärischen Bildungsarbeit in den Jahren 1921–1926 Wyszczelski, Oświata, propaganda, kultura w Wojsku Polskim w latach 1918–1945, 94–143. 547 Ders., Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 152 f. 548 Zur Neuorganisation der militärischen Bildungsarbeit ab 1926 Wyszczelski, Oświata, propaganda, kultura w Wojsku Polskim w latach 1918–1945, 144–189. 549 Ebd., 213. Die Hauszeitschrift Wiedza i Życie war ab 1926 Beilage der Polska Zbrojna, einer eng mit der Armee verbundenen Tageszeitung. Auch in den Werbebroschüren der Fernuniversität werden »Militärangehörige« als Zielgruppe direkt angesprochen. Program kursów, 9. 550 F.  Kopczyński / Hertz, Kurs nauki obywatelskiej; CAW, WINO, sygn. I.300.68.95, Kurs nauki obywatelskiej, o. D. Das Manuskript ist in Kopie von etwa 1933 unter anderem in der Nationalbibliothek und im Militärarchiv einsehbar, eine Veröffentlichung erfolgte nicht, die genaue Datierung ist schwierig. Zwei Passagen lassen auf die Entstehung 1928 schließen (ebd., 145 und 163v). Hertz war in der Erwachsenenbildung als Theoretiker

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für die Bildungsarbeit unter den Soldaten oder die Publikationstätigkeit des

WINW genutzt wurde.

Als Kopczyński und Hertz ihren Kurs nauki obywatelskiej verfassten, waren sie durchdrungen von der minderheitenpolitischen Aufbruchstimmung, die die ersten Jahre der Sanacja-Herrschaft gekennzeichnet hatte. Ihr Werk bestand aus 16 Lektionen zu den »geografischen Grundlagen Polens« aus der Feder Kopczyńskis und 36 Lektionen zum »politischen und gesellschaftlichen Leben« von Hertz. In Lektion 7 zur »Bevölkerung Polens« verwiesen sie auf die wechselhafte Besiedlungsgeschichte des Landes seit der Eiszeit und unterstrichen zugleich die traditionelle Toleranz und Assimilationskraft der polnischen Bevölkerung gegenüber Immigranten.551 Angesichts des geografisch offenen Territoriums des Landes bezeichnete Kopczyński den polnischen Bevölkerungsanteil von 69 Prozent als hoch  – einem Nationaldemokraten wäre eine solche Aussage sicher nicht über die Lippen gekommen.552 Noch interessanter ist seine Erklärung des Umstands, dass von den 22 Millionen ethnischen Polen nur 20 Millionen Katholiken waren: »Die übrigen zwei Millionen sind Polen anderer Bekenntnisse. Da im alten Polen mit wenigen Ausnahmen jeder Pole und Katholik war und die übrigen Konfessionen fast immer die Zugehörigkeit zu einer anderen Nationalität bedeuteten, bilden diese zwei Millionen Menschen anderer Konfessionen, die sich als Polen betrachten, unseren nationalen Reingewinn.«553

Kopczyński erblickte hier also einen Erfolg »staatlicher Assimilierung« und erwartete eine noch größere Zahl Assimilierungswilliger in den nächsten Jahren. Einen ähnlichen Duktus weisen die von Hertz verfassten Lektionen zu Geschichte, Staatsaufbau, Demokratie, Wirtschaft und Bildungssystem auf.554 Ein weiterer, an dieser Stelle nicht weiter ausgeführter Bildungsbereich umfasste lebensweltliche und gesundheitliche Themen, wie Geschlechtskrankheiten, Hygiene, Alltagsleben, Alkoholismus, Selbstmord und Familie.555 Eine Neuorientierung der polnischen Politik begann sich abzuzeichnen, als Piłsudski während der Feiern zum Unabhängigkeitstag im November 1934 einen körperlichen Zusammenbruch erlitt und nun sein schlechter Gesundheitszustand allen offenbar wurde. Dies hatte auch Auswirkungen auf

und Praktiker stark engagiert, etwa als Mitarbeiter des Polnischen Radios. Józef Zając zufolge war Hertz Vizedirektor des Powszechny Uniwersytet Korespondencyjny. Zając, Józef Korpała – bibliotekarz-organizator, działacz społeczny. 551 CAW, WINO, sygn. I.300.68.95, 15, Kurs nauki obywatelskiej, o. D. 552 Ebd., 15v–16. 553 Ebd., 16–16v. 554 Ebd., ab 55. 555 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 155 f.

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die Bildungspolitik der Armee. In noch stärkerem Maße als zuvor wurden nun die Politik und sämtliche staatlichen Aktivitäten der Landesverteidigung untergeordnet. Die Armee sollte in diesem Sinne stärker propagandistisch und erzieherisch auf die Zivilbevölkerung einwirken und auch die Assimilierung der Minderheiten stärker ins Auge fassen.556 Auf einer Beratung der Korpsbezirkskommandanten wurde im Juli 1936 festgelegt, dass alle mit den Minderheiten in Verbindung stehenden Fragen dem »Staatsinteresse« unterzuordnen seien. Zwar blieben, so hieß es, die religiösen Rechte der Bewohner Polens unangetastet, doch sollten diese zugleich dem »assimilierenden Einfluss der polnischen Kultur« stärker ausgesetzt werden. Dies bedeutete vor allem, dass Maßnahmen zur Zurückdrängung der Minderheitenrechte innerhalb wie außerhalb des Militärs unterstützt werden sollten, etwa durch die Einführung der polnischen Sprache im religiösen Alltag oder die Stärkung des christlichen Sonntags als alleiniger Wochenfeiertag.557 Entsprechend stärker betonte die Armee auch ihren Bildungsauftrag bei den Wehrpflichtigen und in der gesamten Gesellschaft, der zudem getragen wurde von der in ganz Europa vorherrschenden Überzeugung, Krieg sei unter den Bedingungen der Moderne kein Konflikt zwischen Staaten und Armeen, sondern zwischen Nationen und Gesellschaften: »Unter den heutigen strukturellen Bedingungen ist die Armee, die Armee nationalen Typs, ein Baustein des großen gesellschaftlich-staatlichen Organismus. In der heutigen Armee spiegeln sich alle Strömungen, Stimmungen, Bedürfnisse, die in der gesamten Gesellschaft pulsieren, wider. Eine Armee, auf die keine belebenden Entwicklungen aus der Gesellschaft wirkten, würde geistig zusammenbrechen und wäre unfähig zum Kampf gegen einen geistig stärkeren Gegner, selbst wenn der eigene Führungsapparat einwandfrei arbeitete und selbst wenn die gegnerischen technischen Mittel nicht an die eigenen heranreichten. Heute sind wir uns nämlich alle dessen bewusst, dass es dort keinen Sieg gibt, wo der Geist schwach ist, es an moralischer Kraft und Durchhaltewillen fehlt. Und diese Eigenschaften gibt es nicht in der Armee, wenn sie in der Gesellschaft fehlen.«558

Es ist durchaus charakteristisch, dass nach Piłsudskis Tod wieder von einer »Armee nationalen Typs« die Rede war, während deren Zielvorstellungen stets an der Gesellschaft, nicht an der Nation ausgerichtet wurden. Lässt man außer Acht, dass das Militär in den 1930er Jahren stärker gegen die nichtpolnische Landbevölkerung im Osten eingesetzt und auch die internen Nationalitätenschlüssel verschärft wurden, änderte sich wenig an den Idealen, die 556 Wyszczelski, Oświata, propaganda, kultura w Wojsku Polskim w latach 1918–1945, 190–237. 557 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 178. 558 CAW, sygn. I.300.68.21, Komunikat Informacyjny Nr. 4, O propagandzie, WINO, Warszawa 1937 (Drucksache), 33.

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den Rekruten vermittelt wurden. Die Soldaten sollten physisch und psychisch kampfbereit und opferwillig sein und der Wehrdienst nicht minder prägende Spuren hinterlassen wie die Schulzeit.559 Trotz seines großen institutionellen Selbstbewusstseins misstraute das Militär dem Potenzial, das es sich selbst als Bildungsanstalt zuschrieb – besonders wenn es um die Minderheiten ging. Aus diesem Grund wurden die in die Bildung involvierten Offiziere von den SRI zugleich als Lagebeobachter und Zuträger von möglicherweise wichtigen Informationen über die Nichtpolen eingesetzt.560 Die Garnisonskommandanten selbst wurden angehalten, sich unter jeder in ihrem Bereich vertretenen Nation einen sogenannten Bildungsführer nauszuwählen. Aufgabe dieser Soldaten, die mit speziellen Schulungen etwa im Bereich Landwirtschaft belohnt wurden, war die Verfolgung der Stimmungslage auf Mannschaftsebene.561 Inhaltlich bot der Unterricht für die Soldaten wenig Überraschendes und deckte vor allem die Bereiche Geschichte, Landeskunde, Kultur und gesellschaftliche Grundlagen ab. Polen wurde zwar als Heimat vieler Religionen dargestellt, doch galt der Primat des Katholizismus als stärkste Konfession.562 Den Soldaten wurde vermittelt, dass eine »große Zahl Andersgläubiger und Ausländer, die sich in Polen ansiedelten, mit der Zeit im vollsten Wortsinn gute Bürger-Patrioten« würden.563 In einer Direktive des WINO von 1936 wurden die Instruktoren angehalten, bei der Besprechung der polnischen Geschichte und Kultur jegliche antisemitische Akzentuierung zu unterlassen.564 Die ethnischen Nichtpolen sollten ein Gefühl des Stolzes dafür entwickeln, dass sie Bürger eines großen und in Ost wie West siegreichen Gemeinwesens waren, das dank seiner moralischen Werte und Kultur imstande sei, ohne Anwendung von

559 Ebd., 33–35, Zitat 34. Vgl. ausführlicher dazu auch ebd., Protokoll der 1. Sitzung der Sektion für Staatsbürgerkunde beim Koordinationskomitee, 30. November 1936, 43, sowie die von Włodzimierz Sekunda (PUWFiPW) und Józef Korpała (Związek Strzelecki) eingebrachten Entwürfe zur Wehrerziehung; ebd., 10. Dezember 1936, 58–77. Vgl. auch das Beispiel eines Regimentslehrplans: CAW, DBP, sygn. I.313.11/69, Program pracy oświatowowychowawczej w pułku, 4. Oktober 1937; ebd., sygn. I.313.14/32, passim. 560 CAW, SRI, sygn. I.371./A.32. 561 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej. 562 CAW, BWN, sygn. I.30020.38, 220 f., Nauka Obywatelska, pogadanka Nr. 65: Co żołnierz powinien wiedzieć o kościele katolickim w Polsce, 1936 (Abschrift). 563 Ebd., 222 f., Nauka Obywatelska, pogadanka Nr. 65-b: Wyznania religijne w Polsce (Abschrift). Ein ganz ähnliches Vorgehen findet sich in der militärischen Presse, wo zahlreiche Berichte über die von Minderheiten bewohnten Gebiete, deren Bindungen zu Polen und die dortigen Aktivitäten der Armee zu lesen waren. Vgl. etwa Wśród Hucułów, in: PZ, 12. August 1933,  8; Folklor ziemi łemkowskiej, in: ebd., 14. März 1935,  5; Więź wojska z kresami, in: ebd., 14. August 1935,  3; Pionierski teren współpracy wojska z ludnością Polesia, in: ebd., 29. Oktober 1936, 6. 564 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 152 f.

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Zwang andere Völker zu assimilieren.565 Zugleich wurde den Rekruten vermittelt, der Staat habe das Recht und die Pflicht, Loyalität und Treue einzufordern. Dann, man könnte auch sagen: erst dann, sei der Staat verpflichtet, seine Bürger gleich zu behandeln. Während der Staat so dem vorgeblichen historischen Vorbild der toleranten Adelsrepublik näherkomme, müsste aber auch die Mehrheitsbevölkerung »jedwede Abneigung zu unseren Mitbürgern anderer Nationalität« überwinden und den vorhandenen »rassischen, konfessionellen und sprachlichen Unterschieden« mit Respekt begegnen. Indem die polnische Mehrheitsbevölkerung sich öffne, so wünschten es zumindest die Mitarbeiter des WINO, könnten sich auch die Minderheiten in Polen als Angehörige einer »großen Familie« fühlen.566 Neben dem direkten Unterricht spielte auch die Ausstattung der Soldatenbibliotheken mit Literatur sowie die Militärpresse eine wichtige Rolle im Bildungskonzept der Armee.567 Jeder Dienstgrad von den Mannschaften bis zu den Stabsoffizieren wurde dabei als Zielgruppe für eine bestimmte Zeitschrift betrachtet, teilweise wurde das Pflichtabonnement automatisch vom Sold abgezogen. Die Fachmagazine Bellona und Przegląd Wojskowy richteten sich an höhere und Stabsoffiziere, der Wiarus an untere Offiziersränge, der Żołnierz Polski an die Mannschaften. Die Publikationstätigkeit der Zeitschriften wurde im WINO koordiniert, sodass wichtige Themen beispielsweise zuerst in den Offizierszeitschriften besprochen wurden, bevor sie im Żołnierz Polski erschienen.568 Halboffizielle Tageszeitung der Militärführung war die Polska Zbrojna. Das Leben der nichtpolnischen Minderheiten wurde in den Presseorganen sporadisch, wenig systematisch und meist mit einem landes- oder religionskundlichen Anspruch thematisiert.569 Im Falle der Juden findet sich ein breiteres Themenspektrum, was schon ein oberflächlicher Blick in die Polska Zbrojna offenbart. Neben religiösen und lebensweltlichen Themen,570 565 Ebd., 157. Als Beispiel für Unterrichtsmaterial CAW, WINO, sygn. I.300.68.93, Nauka obywatelska (Tematy do pogadanek), wyd.  II, Warszawa 1936; ebd., Nauka żołnierskiej wiedzy państwowej. Seria IV: Mniejszości narodowe. Wykład 20, Stosunki narodowościowe w Polsce, WINO 1935. Ferner CAW, WINO, sygn. I.300.68.96 und I.300.68.97. 566 CAW, WINO, sygn. I.300.68.93, 328v f., Nauka żołnierskiej wiedzy państwowej. Serja IV Mniejszości narodowe. Wykład 20, Stosunki narodowościowe w Polsce, WINO 1935. 567 Zu den Entstehungsjahren Pytel, Polska prasa wojskowa 1914–1921. 568 Ders., Z dziejów polskiej prasy wojskowej w latach 1918–1939; CAW, WINO, sygn. I.300.68.16, Sitzung der Redakteursversammlung der Militärzeitschriften, 12. Oktober 1933. Der Wiarus ging 1921 im Żołnierz Polski auf. 569 Nabożeństwo dla żołnierzy wyznania prawosławnego, in: PZ, 6. Januar 1929, 4; Święta wielkanocne u wojskowych ewangelików garnizonu warszawskiego, in: PZ, 22. April 1933, 6; Odezwa wigilijna nacyelnego kapelana, in: PZ, 23. Dezember 1933, 4; Dodatek miesieczny PZ [Sonderausgabe zu den Karäern], Nr. 1, 1932, 3. 570 W reflektorach prasy, in: PZ, 18. Juni 1926, 6; Wyjazd cadyka Altera do Palestyny, in: PZ, 20. Januar 1932, 7; Ustawa o uboju rytualnym, in: PZ, 21. März 1936, 4; Strajk demonstracyjny ludności zydowskiej, in: PZ, 18. März 1936, 8.

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innerjüdischen Konflikten,571 Porträts einzelner Persönlichkeiten,572 kulturellen und sportlichen Ereignissen573 sowie Beschreibungen von Reisen nach Palästina574 standen vor allem politische Themen wie die Lage der Juden im Ausland,575 antisemitische Übergriffe im Inland,576 jüdische Demogra­fie,577 die Frage der jüdischen Emigration aus Polen578 und die Politik jüdischer Parlamentarier im Blickfeld.579 Jüdische Firmen gehörten zu den Anzeigenkunden.580 Frei von Stereotypen blieb die Armeepresse auch in diesem Fall nicht.581 Ein weiterer wichtiger Partner in der staatsbürgerlichen Erziehung waren die Militärgeistlichen, die vom Militär wegen ihrer außermilitärischen Autorität bewusst in die Bildungsarbeit einbezogen wurden.582 Nach Berechnungen von Zofia Waszkiewicz hielten die polnischen Militärgeistli571 Bójka w synagodze wilenskiej, in: PZ, 28. April 1929, 9. 572 Szymon Askenazy we Lwowie. Wspomnienia i impresje, in: PZ, 18. Juli – 6. August 1935 (siebenteilige Serie); Pogrzeb rabina Perlmutera, in: PZ, 7. Juni 1930, 5. 573 Miłosne zwierzenia Żydówki, in: PZ, 7. November 1931, 7; Żydowska uczelnia talmudyczna w Lublinie, in: PZ, 26. Juni 1930, 6; Polska zwycięża w Tel Aviv, in: PZ, 8. April 1932, 8; Ogrzyska w Tel Aviv, in: PZ, 2. April 1932, 6; Raid Polska-Palestyna na polskim rowerze, in: PZ, 24. April 1932; Nowa hipoteza o pochodzeniu Żydów, in: PZ, 18. Juli 1932; Koncert muzyki żydowskiej w radjo, in: PZ, 7. Juli 1933, 9. Zu den Wahlen zur Miss Judea u. a. in: PZ, 29. März 1929. 574 Reisebeschreibungen in PZ, 2. August 1933, 12; Flugverbindung Warszawa-Haifa in: PZ, 30. Oktober 1936, 1. 575 Zu Juden und Antisemitismus außerhalb Polens vgl. PZ (alle), 20. September 1928,  3; 23. Februar 1929, 4; 27. November 1928, 2; 29. August 1929, 2 und 10; 31. August 1929, 5; 10. September 1929,  2; 30. Oktober 1929,  1; 8. Mai 1931,  3; 4. August 1932,  2; 28. März 1933, 8; 31. März 1933, 2; 1. April 1933, 1; 22. April 1933, 7; 10. Juni 1933, 12; 1. Juli 1933, 5; 7. August 1934; 13. November 1938; 15. November 1938,  1; 22. November 1938,  1; 14. Dezember 1938; 21. Dezember 1938; 27. Dezember 1938. 576 Po ohydnej napaści na prof.  Handelsmana, in: PZ, 17. März 1934,  4; Strajk powszechny Żydów, in: PZ, 5. Februar 1936, 6; Awantury antyżydowskie na S. G. H., in: PZ, 28. Oktober 1936, 6; Demonstracja antyżydowska w Gdańsku, in: PZ, 30. Juli 1935, 2; Zatarg pomiędzy młodzieżą akademicką polską i żydowską w Krakowie, in: PZ, 15. November 1929,  6; Prawda o zajściu w Białaczowie, in: PZ, 30. März 1929, 11; Zamordowany kamieniem za przyglądanie się pogrzebowi żydowskiemu, in: PZ, 25. Januar 1934; Po zajściach w Przytyku, in: PZ, 13. März 1936, Zajścia antyżydowskie w powiecie żywieckim, in: PZ, 30. Juli 1933, 8. 577 Stosunek umieralności chrześcijan i żydów, in: PZ, 4. Februar 1933, 7; W Warszawie coraz mniej małżeństw i urodzin, in: PZ, 26. April 1933, 7. 578 Żydzi o emigracji, in: PZ, 10. Oktober 1936, 1; Ilu Żydów wyemigrowalo z Polski do Palest­ yny?, in: PZ, 21. September 1929, 12. 579 Rozłam w kole żydowskiem, in: PZ, 14. Juni 1928, 2. 580 Krawiec wojskowy J. Honigbaum, in: PZ, 3. November 1929, 2. 581 Am 24. September 1930 wurde beispielsweise unter dem Titel Przed 10  laty (Vor zehn Jahren) ein Bild eines Schulterstücks der Roten Armee mit Initialen in hebräischen Lettern gezeigt. 582 Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 150 und 155.

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chen der Zwischenkriegszeit insgesamt einige Hunderttausend Vorträge. So waren beispielsweise im Korpsbezirk  VII jährlich allein 5 000 Ansprachen katholischer Priester zu verzeichnen.583 Auch das Militärrabbinat entwarf für seine Mitarbeiter »ethisch-moralische Vorträge« zu Themen wie Wehrpflicht im Lichte der Religion, Vorzüge eines guten Soldaten, Fahneneid, Vaterlandsliebe usw.584 Außerdem waren die Geistlichen gehalten, vormilitärische Organisationen zu unterstützen, Soldatenhäuser, landeskundliche Ausflüge, Theater- und Museumsbesuche zu organisieren sowie die Soldaten zur Teilnahme an den Aktionen von FON, LOPP, LMiK usw. zu animieren.585 Das in diesem Kapitel entfaltete Spektrum des Umgangs mit Juden im Militär, der Bildungsziele und der Realitäten im Kasernenalltag wie im medialen Diskurs vermittelt einen Eindruck von der Pluralität der Perspektiven und Faktoren, welche die Wahrnehmung und Realität des Beziehungsgeflechts von Juden, Polen und Militär bestimmten. Genauso mehrdimensional müsste die Antwort auf die Frage nach den konkreten Auswirkungen des Militärdienstes auf jüdische Soldaten und ihr Sozialmilieu ausfallen, die doch so unterschiedlich wie ihre Erwartungen und Erfahrungen waren. Jüngere militärhistorische Forschungen stellen sogar die seit dem Aufkommen des soldat-citoyen kritiklos vorausgesetzte Langzeitwirkung der Armeezeit in Bezug auf politische Orientierungen und nationale Loyalitäten als Ganzes infrage.586 Auch aus dem Untersuchungszeitraum selbst sind Stimmen überliefert, die beispielsweise die Ergebnisse der Bildungsarbeit unter den Soldaten bäuerlicher Herkunft nach der Rückkehr in die angestammte Dorfgemeinschaft schnell verpuffen sahen.587 Fast schien es bei den Ausbildern im Militär Konsens zu sein, dass es die immerhin zweijährige Dienstzeit selbst bei ethnischen Polen »außer der fachlichen Ausbildung nicht ermöglicht, die Prinzipen der Staatsbürgerschaft, des soldatischen Gefühls, der Ehre usw. angemessen einzuimpfen«.588 Bei aller gebotenen Skepsis gibt es dennoch manche Hinweise dafür, dass sich Umgang und Stellenwert des Armeedienstes auch unter den Juden Polens im Lauf der Zwischenkriegszeit veränderten. So hatte die erste Einberufung eines Rekrutenjahrgangs in Lemberg 1923 noch Empörung und Panik in der jüdischen Bevölkerung hervorgerufen, da die Betroffenen an einen Staats-

583 Ebd., 155. 584 Ebd., 154. Zu den Militärrabbinern ebd., 151 f. 585 Ebd. 586 Krebs, A School for the Nation? 587 Grzybowski, Białorusini w polskich regularnych formacjach wojskowych w latach 1918–1945. 588 CAW, SRI, sygn. I.371.7/A.26, 565–572, Militärischer Nationalitätenbericht und Bericht über die Desertion, 29. Mai 1931, hier 568.

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streich glaubten.589 Mit der Zeit stellte sich aber ein Gewöhnungseffekt ein. Mehr und mehr Minderheitenangehörige fügten sich in die Unabwendbarkeit des Militärdienstes.590 Während der Dienstzeit selbst wurden immer wieder gewisse Anpassungsprozesse beobachtet, beispielsweise im Verhalten gegenüber nichtjüdischen Soldaten, bei der Einhaltung religiöser Regeln, aber auch beim Erwerb militärischer Fähigkeiten und soldatischer Tugenden.591 Zugleich beklagten sich aber auch einige Kommandeure über die in ihren Augen mangelhaften Effekte der Armeeausbildung, insbesondere bei Juden. Für einiges Aufsehen sorgte im Jahr 1926 ein Prozess gegen den Soldaten Abraham Borenstein, der bei seiner Grundausbildung in Tschenstochau das Gewehr entnervt weggeworfen und den Sinn der Übungen infrage gestellt hatte, da sein persönliches Berufsziel nicht General, sondern Kaufmann sei. Das zuständige Militärgericht in Lodz verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren.592 Das Korpsbezirkskommando Lublin gab im Jahr 1927 die Einschätzung weiter, eine nachhaltige Wirkung des Militärdienstes zeige sich bei dieser Soldatengruppe »hauptsächlich bei der Einimpfung einer gewissen Körperkultur«, während das erworbene militärische Wissen schnell vergessen werde.593 In einer ähnlichen Stellungnahme heißt es, der Militärdienst habe keinerlei Einfluss auf die Einstellung der Juden und einige Kommandeure betrachteten die Juden als »überflüssiges Element, das nur die normale Arbeit stört«.594 Auch den »Kastencharakter« der jüdischen Gemeinschaft, der die Juden »das kameradschaftliche Leben in der Armee« meiden ließ, sah beispielsweise der SRI in Lodz unverändert weiterbestehen.595 Demgegenüber wurde die Wirkung des Militärdienstes bei den Polen als »sichtbar und 589 CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2687, 4, Nationalitätenbericht des DOK  VI (Oktober 1923). 590 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2697, 137, Nationalitätenbericht des DOK III (November 1928 – April 1929). 591 Beispielsweise CAW, Oddz.  II SG, I.303.4.2673, 480–483, Militärischer Nationalitätenbericht über die Desertion im DOK  I (30.  September – 31. Dezember 1925); ebd., sygn. I.303.4.2695, 14–18, SRI DOK V, 19. April 1926; CAW, SRI, sygn. 303.4.2706, L. dz. 528/Inf. T. O., Militärischer Nationalitätenbericht des DOK IV, 21. Mai 1927. 592 Z sądu wojskowego, in: PZ, 22. Dezember 1926, 5. 593 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.88, 6, Militärischer Nationalitätenbericht des DOK II (20. Mai – ​ 20. November 1927). Vgl. auch den Anschlussbericht (20. November 1927 – 20. Mai 1928); ebd., 8. 594 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2701, 2–14, Bericht über das Verhalten der nichtpolnischen Nationalitäten in den Einheiten im Bereich des DOK V (1. Quartal 1926). 595 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2695, DOK IV SRI, L. dz. 933/Inf. T. O., 38–43, Bericht über das Verhalten der nichtpolnischen Nationalitäten in den Einheiten im Bereich des DOK  V (1.  Quartal 1926), Łódź, 28. Oktober 1926. Ähnliche Einschätzungen in: ebd., L.639/tj., Militärischer Nationalitätenbericht des DOK  IX, Anhang: Bericht aus Słonim, 30. Juni 1938; CAW, RI GISZ, sygn. I.302.10.2, Lagebericht über den moralischen Zustand von Heer und Marine (4. Quartal 1937).

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vorteilhaft« bewertet. Der »außerordentliche Wert der Bürgerschule, welche die Armee ist«, zeige sich besonders im Hinblick auf die Entwicklung eines staatsbürgerlichen Bewusstseins und der individuellen Verteidigungsbereitschaft.596 Mit seiner Tendenz zur bürokratischen nationalen Separierung von Juden und Polen konterkarierte das Kriegsministerium freilich Versuche, die genau in die entgegengesetzte Richtung zielten.

3.4 Für ein mächtiges Polen. Die Armee in der Minderheitenpolitik Polens Die polnische Armee entwickelte nicht nur Ansätze zum Umgang mit den Nationalitäten in den eigenen Reihen, sondern sie wurde auch zum Akteur der gesamtstaatlichen Minderheitenpolitik. Auch hier führte der Weg über die gleichzeitige Anwendung von Härte und Entgegenkommen. Anders gesagt sollte das Militär seine Kontakte zur Zivilbevölkerung ausnutzen, um Ruf und Ansehen der Streitkräfte zu verbessern und die Akzeptanz von deren Kostenintensität zu erhöhen. »Die missgünstige Einstellung [der Minderheiten gegenüber dem Militär], wenn solch eine überhaupt irgendwo vorkommt«, so eine Anweisung an die Offiziere eines Übungslagers aus dem Jahr 1938, »schmilzt in den Strahlen von Stärke, Redlichkeit und freundlichem Umgang dahin.«597 Als geeignete Methoden dafür galten infrastrukturelle Entwicklungsprojekte, die von Soldaten etwa im Bereich Straßen- und Brunnenbau umgesetzt wurden, sowie die Pflege intensiver Beziehungen zur Lokalbevölkerung. Damit hoffte man nicht nur eine positive Grundstimmung in der nichtjüdischen Bevölkerung in den Ostgebieten zu erzeugen, sondern Bewunderung und Respekt für die Arbeit des Militärs und indirekt für die polnische Republik zu wecken.598 Das positive Erscheinungsbild der Streitkräfte sollte beispielsweise dadurch verstärkt werden, dass die Soldaten zwar als Repräsentanten des Staates mit der Lokalbevölkerung nur Polnisch sprachen, aber Antworten nicht mehr in derselben Sprache einforderten. »Mit einer solchen Methode«, war man sich sicher, »geht die Bevölkerung aus eigenem Antrieb zum Polnischen über.«599 Das Militär betrachtete sich also als polonisierende Staatsinstitution und zugleich als eigenständiger Akteur staatlicher Minderheitenpolitik. Zwar lag der Fokus nach 1922 wie geschil596 CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.88, 2, Militärischer Nationalitätenbericht des DOK II (20. Mai – ​ 20. November 1927). 597 CAW, DBP, sygn. I.313.11/69, Propagandarichtlinien für den Truppenaufenthalt im Feldlager und bei der Truppenkonzentration, 11. Juni 1938. 598 Ebd. 599 Ebd.

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dert tatsächlich auf den innerinstitutionellen Nationalitätenverhältnissen und der Organisation eines möglichst reibungsarmen Ausbildungsverlaufs und Armeealltags. Die politischen Karrieren vieler militärischer Funktionsträger und die Einbindung der Armeeführung in politische Entscheidungsprozesse begünstigten jedoch das Engagement von Armeevertretern außerhalb ihrer eigenen Institution. Hinzu kam, dass die polnischen Sicherheitsinteressen in den östlichen Grenzgebieten ein besonderes Anliegen der militärischen Eliten waren. Es gab folglich zahlreiche Felder der Nationalitäten- und Minderheitenpolitik, auf denen militärische Stellen tätig wurden. So wurde die Beobachtung der politischen Aktivitäten innerhalb der nichtpolnischen Bevölkerungsgruppen über die gesamte Zwischenkriegszeit fortgesetzt, wusste man doch von zahlreichen politischen Agitatoren, die, finanziert von Moskau oder Berlin, in den Grenzgebieten die nichtpolnische Bevölkerung politisch aufwiegeln sollten. Derlei Aktivitäten galten als wichtiges Sicherheitspro­ blem, da für den Kriegsfall mit der Illoyalität agitierter Soldaten zu rechnen war. Beispielsweise fassten im Jahr 1930 Mitarbeiter des SRI in Przemyśl die aktive Kommunistin Cyla Kohl, die offenbar jüdischer Herkunft war und in der örtlichen Garnison Kontakt zu einem bereits verurteilten Kommunisten namens Steinhaus aufgenommen hatte.600 Ebenfalls Anfang der 1930er Jahre beschatteten Beamte des SRI den Fotosalon Modern in Kielce, hinter dem eine kommunistische Zelle vermutet wurde, deren Ziel die Unterwanderung der Armee war.601 Seinerseits bemühten sich die SRI, unter den ostslawischen Soldaten ein Informantennetz zu knüpfen.602 Wie groß die Bedrohungslage durch kommunistische Agenten tatsächlich war, muss vorerst offenbleiben. Neben den geheimdienstlichen Aktivitäten zeigte sich das Militär auch in der Polonisierungspolitik in den Ostgebieten als selbstständiger Akteur. Besonders in den 1930er Jahren wuchs die Furcht vor der Depolonisierung der Soldaten, besonders aber der Offiziere, in den Grenzgebieten zur Sowjetunion. Durch ihre langjährige Stationierung – eine Versetzung in den Osten war oft gleichbedeutend mit dem Ende der Karriere  – entwickelten sich vielfältige soziale Kontakte mit der einheimischen Bevölkerung, zumal die kulturelle Infrastruktur dieser dünn besiedelten Gegenden kaum Abwechslung im öden Kasernenalltag bot. Auch diese Entwicklung betrachtete die Militärführung mit wachsender Unruhe, da man eine Entsolidarisierung der Soldaten mit Polen befürchtete. In einem Mobilisierungsplan heißt es sogar, die »Polen in den Kresy, die mit einer nationalen Minderheit durch familiäre 600 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.21, Anklageschrift Cyla Kohl. Die Beschuldigte wurde zu einer zehnmonatigen Zuchthausstrafe verurteilt. 601 CAW, SRI, sygn. I.371.10/A.32, passim. 602 CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.68, SRI des OK I, 13. Juni 1935; ebenso ebd., I.371.9/A.814.

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oder materielle Beziehungen verbunden« seien, würden »kein geeignetes Material für die Hilfseinheiten darstellen«.603 Aus diesem Grund hatte das DOK in Thorn bereits 1925 angeregt, Offizieren Verhaltensregeln für den Umgang mit Minderheitenvertretern zu vermitteln, wie auch »den Belarusen eine koordinierte Polonisierungsaktion, den Ruthenen und Ukrainern eine Loyalisierungsaktion entgegenzustellen sowie Juden und Deutsche unschädlich zu machen«.604 In den 1930er Jahren befürchteten die Behörden den »Diebstahl polnischer Seelen«, wie die »Entnationalisierung« in der Sprache der Zeit umschrieben wurde. Man vermutete, dieser Verlust des Polentums erfolge vor allem über den Weg der Eheschließung polnischer Offiziere mit Ukrainerinnen, Belarusinnen oder Jüdinnen. Als Grund für diesen Zustand wurden nicht etwa die örtlichen Gegebenheiten und die Bevölkerungsstruktur ausgemacht, sondern ein Mangel an polnischen Geistlichen und kompetenten Lehrern, die dem vorgeblichen Verlust nationaler Identität etwas entgegensetzten.605 Die Genehmigungspflicht für Mischehen von Offizieren erwies sich schnell als ungeeigneter Weg, deren Zahl zu begrenzen, da auch höherrangige Offiziere gern nichtpolnische Frauen heirateten und damit die nötige Autorität in dieser Frage verloren.606 In diesen Diskursen offenbarte sich die Furcht, in Zeiten wachsender außenpolitischer Unwägbarkeiten und der minderheitenpolitischen Rückschritte der 1930er Jahre im Innern die Kontrolle über die ethnisch gemischten Gebiete und besonders über die dort stationierten Truppen zu verlieren. So wuchs in den zwei Zwischenkriegsjahrzehnten die Zahl der Maßnahmen zur Polonisierung der Ostgebiete oder zur Gewinnung ihrer Bewohner für Polen, an denen das Militär direkt beteiligt war. Am Anfang stand die Auflage eines militärischen Siedlungsprogramms für Veteranen, das über die Jahre unterschiedlich stark verfolgt wurde und Elemente der Belohnung verdienter Kämpfer, einer Landumverteilung, der Entwicklungs- und Strukturpolitik, 603 CAW, Oddz. I SG, sygn. I.303.3.437, 113, Referat über die territoriale Personalergänzung der Regimenter nach Mobilisierungsplan »E«. 604 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2694, 201–208, Nationalitäten- und Desertionsstatistiken im DOK VIII (2. Quartal 1925), 24. Juli 1925. 605 CAW, DU MSWojsk, sygn. I.300.37.7 und 8, passim. Vgl. auch zur Überprüfung orthodoxer Berufsunteroffiziere im DOK IX Ende 1938 CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.87, L.14033/Inf. tj.IV, Berufsunteroffiziere nichtpolnischer Nationalität, orthodoxen Bekennisses, 30. Dezember 1938. Weniger streng bewertet, ja sogar begrüßt wurden offenbar Ehen zwischen Angehörigen des Grenzschutzkorps (KOP), folgt man einem Artikel der Polska Zbrojna. Znaczenie małżeństw żołnierzy K. O. P. na kresach, in: PZ, 14. Februar 1934, 6. 606 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 126–128; Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 177. Als Überblick zur Genehmigung von Eheschließungen von Offizieren Kruszyński, Małżeństwa oficerów służby czynnej Wojska Polskiego w okresie II Rzeczypospolitej.

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des Grenzschutzes sowie einer national-kulturellen Mission in sich vereinte.607 Auch wenn mit solchen »weichen« Nationalisierungsinstrumenten kaum Erfolge erzielt wurden, galt die Armee als wesentlicher Faktor für die Aufrechterhaltung des polnischen Charakters der Ostgebiete. Offiziere waren nicht nur angehalten, durch korrektes Verhalten als respektable Repräsentanten ihres Staates aufzutreten; sie sollten sich zudem aktiv an der Gewinnung der Minderheiten beteiligen, besonders mittels Patenschaften über gemischtnationale Schulen oder deren materielle und ideologische Unterstützung.608 Andererseits trug die Armee selbst zur Eskalation des Konflikts bei, als etwa Brigadegeneral Kordian Zamorski, Chef der Abteilung  I des Kriegsministeriums, im September 1934 die Parole ausgab, dass »keine Spanne polnischer Erde in fremde Hände« übergehen dürfe.609 Der Eifer der zuständigen Armeestellen nahm dabei zuweilen groteske Züge an. So wies das Generalinspektorat der Streitkräfte im Februar 1939 alle Offiziere, die sich im Urlaub in Ostkleinpolen, dem früheren Ostgalizien, aufhielten, an, nicht in Hotels und Pensionen abzusteigen, die von Nichtpolen betrieben wurden.610 Auch an der nach 1930 einsetzenden Repolonisierungspolitik gegenüber dem vormaligen bäuerlichen Landadel (szlachta zagrodowa bzw. zaściankowa), der als zwar ostslawisch überformt, doch ethnisch ursprünglich polnisch galt und nun in den Schoß der polnischen Nation zurückkehren sollte, war das Militär beteiligt.611 Initiator dieses Vorstoßes, der auf die brutale Militäraktion gegen die ukrainische Bevölkerung in Galizien von 1930 folgte, war Vizeminister Kasprzycki, der im gleichen Zuge auch die huzulischen, lemkischen und bojkischen Karpatenbewohner für Polen einnehmen wollte.612 Es entstanden gesonderte Einheiten für litauische, belarusische und ukrainische Landadlige. Sie erhielten eine intensive Schulung in polnischer Sprache und Geschichte mit der Absicht, ihnen ein Selbstverständnis und -bewusstsein als Mitglieder des polnischen Adels zu vermitteln.613 Im gleichen Zuge wurde 1937/38 – oft 607 Henschel, Front-line Soldiers into Farmers. 608 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.927, passim. 609 CAW, Oddz. I SG, sygn. I.303.3.441, 148–181, Referat über die Bevölkerung Polens, o. D. (etwa September 1934), hier 181. 610 Anweisung des GISZ, 21. Februar 1939, CAW, BI GISZ, sygn. I.302.4.122, 34–58. 611 Szlachta zaściankowa na naszych Ziemiach Wschodnich, in: PZ, 28. Oktober 1936, 5. 612 Lewandowski, Materiały Ministerstwa Spraw Wojskowych o polityce narodowościowej wojska w latach trzydziestych, 97. 613 T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 163 f.; Potocki, Polityka państwa polskiego wobec zagadnienia ukraińskiego w latach 1930–1939, 228–291. Ab Mitte der 1930er Jahre wurden einzelne Regimenter mit der Tradition regionaler Minderheiten verbunden, etwa der griechisch-katholischen Huzulen und muslimischen Tataren. In der Regel wurden einzelne Einheiten umbenannt, so die I.  Schwadron des 3. Wilnaer Ulanenregiments (I  Szwadron 13  Pułku Ułanów Wileńskich) in I. Tatarische Schwadron (I Szwadron Tartarski), deren Abzeichen der Halb-

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inspiriert von Militärangehörigen  – deren Konversion zum Katholizismus forciert, schließlich wurden aber die direkte Beteiligung von Armeeangehörigen am Glaubenswechsel wie auch dessen Unterstützung oder Erzwingung untersagt.614 Nötig wurde dies, weil Armeeeinheiten an der »Pazifizierung« der Region Chełm und Podlasie von 1938 teilnahmen, in deren Zuge mehr als 100 orthodoxe Kirchen zerstört wurden.615 So wie die nach innen gerichtete institutionelle Minderheitenpolitik Teil einer größeren politischen Agenda war und sich der im Staat gepflegte Umgang mit den Minderheiten umgekehrt auf deren Situation im Militär auswirkte, bestanden auch enge Wechselwirkungen zwischen dem Umgang mit nichtpolnischen Nationalitäten in der Armee und außenpolitischen Ziel­ setzungen. Dies gilt im Besonderen für die polnische Ostpolitik, die geprägt war von einem starken antisowjetischen Impuls und der Furcht vor dem Erstarken einer ukrainischen Irredenta auf Kosten Polens. Im Rahmen des Prometheismus-Programms, mit dem die Regierung Einfluss bei den nichtrussischen Völkern im sowjetischen Machtbereich erlangen wollte, bildete das Militär Offiziere aus dem sowjetischen Einflussbereich aus, die – ganz nach polnischem Vorbild – den Kern zukünftiger Nationalarmeen ihrer Herkunftsländer stellen sollten. Der Prometheismus war als außenpolitische Konzeption ein Überrest von Piłsudskis ostmitteleuropäischen Föderationsplänen, eine Art »antikommunistische Internationale« zur Errichtung unabhängiger Staaten auf den Trümmern der Sowjetunion.616 Auf polnischer Seite vertraten diese Doktrin so prominente Akteure wie der Innenpolitiker Tadeusz Hołówko, der Sowjetologe und Militärgeheimdienstler Jerzy Niebrzyc­ki, der Diplomat und Geheimdienstler Tadeusz Schaetzel, der wolhynische Woiwode Henryk Józewski oder Jan Stempowski, Mitbegründer des IBSN. Die mond war. In diesem Zusammenhang wurde auch das Andenken des tatarischen PiłsudskiGefährten und Legionärs Aleksander Sulkiewicz gepflegt, der an der Front starb, als er den verletzten Adam Koc rettete. Dazu Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 164. Ab 1937 existierte zudem das Huzulische Bataillon der Polnischen Legionen (Huculski Batalion Legionów Polskich) und im Jahr darauf wurde ein Regiment in Huzulisches Schützenregiment (Huculski Pułk Strzelców) umbenannt. Ebd., 164 f.; Smoliński, Odrębności mundurowe 49 Huculskiego Pułku Strzelców oraz ich symbolika. Im Falle der Huzulen ging es darum, deren angeblich ethnisch polnische Herkunft zu propagieren, um sie der ukrainischen Nationalbewegung zu entziehen. CAW, DBP, sygn. I.313.11/69, 54. Vgl. auch den diesbezüglichen Bericht über die Szlachta im 5. Podhalanischen Schützenregiment vom 24. Juni 1936. Ebd., sygn. I.300.1.410, L.393/tj., 86–93. 614 Papierzyńska-Turek, Między tradycją a rzeczywistością, 263–267. Vgl. auch CAW, BI GISZ, sygn. I.302.4.126, 78 f., und ebd., sygn., I.302.4.123, 1 f. 615 Papierzyńska-Turek, Między tradycją a rzeczywistością, 358–377; A. Mironowicz, Kościół prawosławny na ziemiach polskich w XIX i XX wieku, 135–141. 616 Snyder, Sketches from a Secret War, 40. Genauer Mikulicz, Prometeizm w polityce II Rzecz­ ypospolitej, 273–278.

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größte Gruppe von Kontraktoffizieren im Rahmen des Prometheismus-Programms stammte aus Georgien und Aserbaidschan.617 Die zweite Gruppe bildeten Ukrainer, die nach der Aufteilung ihres Landes zwischen Polen und der Sowjetunion auf eine Kooperation mit Warschau setzten, um in einem günstigen Augenblick ihr Land in die Unabhängigkeit zu führen.618 Ein durchaus ähnliches Konzept, wenn auch in einem anderen politischen Kontext, stand hinter der Kooperation des Militärs mit dem Betar (kurz für Brit ha-no’ar ha-ivri al shem Joseph Trumpeldor; Hebräischer Jugendbund Josef Trumpeldor), einer paramilitärischen Organisation der revisionistischen Zionisten, in Polen und Palästina Ende der 1930er Jahre.619 In Polen rekrutierte der Betar Mitglieder vor allem in den traditionell ausgerichteten proletarischen und Handwerkermilieus.620 Geführt von einer kleinen Gruppe akkulturierter, vom Alltagsantisemitismus in Polen enttäuschter Intelligenzler, publizierten unterschiedliche rechtszionistische Organisationen polnisch- wie jiddischsprachige Zeitungen wie Bojownik, Trybuna Narodowa, Jerozolima Wyzwolona, Di Tat, Unzer Velt.621 Im Februar 1939 übernahm Menachim Begin die Leitung der polnischen Betar-Zweigorganisation. Die polnischen Regierungen hatten schon länger über mögliche Zielorte einer jüdischen Massenemigration nachgedacht; der »Madagaskar-Plan« ist ein bekanntes Ergebnis dieser Suche.622 Die Förderung der zionistischen Revisionisten in Palästina erschien ebenfalls als probates Mittel, Impulse für eine spürbare jüdische Auswanderung zu geben. Ab 1936 unterstützte Polen die Hagana, die zionistische Untergrundmiliz in Palästina, mit Geld und Schulungen. Auch erfolgte die Ausreise von jungen männlichen Mitgliedern revisionistisch-zionistischer Organisationen wie dem Betar oder Irgun Ẓeva’i Le’umi offenbar im stillen Einvernehmen mit der Dwójka.623 617 Z. Kowalski, Najliczniejsza mniejszość. 618 Rukkas, Ukrainians in Compulsory Military Service in the Polish Armed Forces ­(1921–1939); Partacz, Ukraińskie dążenia do odtworzenia własnej siły zbrojnej w latach 1921–1939; Krotofil, Ukraińcy w Wojsku Polskim w okresie międzywojennym; ders., Służba Ukraińców w wojsku II Rzeczypospolitej. Vgl. hierzu auch CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.5418, 5443 und 5763. 619 AAN, MSZ, sygn. 2291, 2293 und 2294; CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.2545, 5443 und 5723; Pobóg-Malinowski, Najnowsza historia polityczna Polski 1864–1945, Bd. 2/1, 627–629; Paruch, Od konsolidacji państwowej do konsolidacji narodowej, 313. 620 Paruch, Od konsolidacji państwowej do konsolidacji narodowej, 231–251. 621 Ebd., 253 f. Auch die SRI erkannte den Zusammenhang von wachsendem Antisemitismus, Zionismus und der Popularität Jabotinskys. CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.198, Bericht zur politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage (3. Quartal 1936). 622 Brechtken, »Madagaskar für die Juden«, 81–164. 623 Pobóg-Malinowski, Najnowsza historia polityczna Polski 1864–1945, Bd. 2/1, 629. Vgl. auch die Lebenserinnerungen von Ben-Ami, Years of Wrath, Days of Glory, 131–144 und 190–198.

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»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Junge Männer, die sich – oft gegen den Willen ihrer traditionellen Elternhäuser – diesen Vereinigungen anschlossen, waren durchdrungen vom Willen, ihre Fähigkeiten als Soldaten im Dienst des Zionismus zu beweisen. Zugleich waren sie in der Regel polnisch akkulturiert, und sicher ging es vielen auch darum, die Anerkennung ihrer polnischen Umgebung zu erlangen. So berichtete Ende 1931 Naum Szyk aus Warschau auf Polnisch seinem in Palästina ansässigen Bruder Menahem, einem Veteranen des Polnisch-Sowjetischen Krieges, wie ihr zionistisch eingestellter Neffen den hebräischen militärischen Drill erlernen wollte: »Schreibe mir die [hebräische] Exerzierterminologie. Stillgestanden, rührt euch, kehrt marsch, Meldung machen, Waffenübungen. Es ist für Misio, den ich drille. Er will auf hebräisch gedrillt werden.«624 1933 schickte dann eben dieser Misio einen ebenfalls polnischsprachigen Bericht über seine Erlebnisse an Onkel Menahem, den dieser zwecks Publikation in einer Kinderzeitschrift ins Hebräische übersetzen sollte. In dem Text träumt der Junge davon, wie auf den Straßen jüdische Soldaten marschieren, denen polnische Offiziere respektvoll salutieren. Er beschreibt Szenen, in denen er sich Jabotinsky, den Anführer des Irgun, am polnischen Grab des Unbekannten Soldaten vorstellt, umgeben von einer jubelnden Menge Juden und Polen. Auf dem niedergelegten Kranz die Aufschrift »Von der jüdischen Legion bei der Polnischen Armee, Brith Hachajał«.625 Die Kooperation von Revisionisten und polnischer Regierung blieb der Öffentlichkeit nicht verborgen. In Radom schlug einer der Redner im Januar 1936 auf einem Treffen der Katholischen Aktion (Akcja Katolicka), einer weltweit agierenden, ab den 1920er Jahren vom Vatikan massiv unterstützten konservativ-katholischen Laienbewegung, vor, polnische Juden für den Kampf in Palästina zu bewaffnen.626 Bei anderen regte sich Widerstand gegen die Nähe von Regierung, Militär und revisionistischen Zionisten, wobei besonders die Person Jabotinskys Ablehnung hervorrief. Die Nationaldemokraten prangerten in einer parlamentarischen Anfrage im März 1934 an, dass Angehörige des Betar mehrwöchige Schulungen abhielten und im Kurort Zaleszczyki an der rumänischen Grenze ein Manöver planten.627 Tatsächlich

624 Kula, Autoportret rodziny X., 241 f. Vgl. auch ebd., 429–431. 625 Ebd., 241 f. Brith Hachajał (Brit ha-ḥajal) war eine zionistisch-revisionistische Organisation für Reservisten und Veteranen der polnischen Armee. 626 Mówią cicho, że …, in: Życie Robotnicze, 2. Februar 1936, 2. 627 BS, RPII/3/335, Parlamentarische Anfrage des Klub Narodowe an den Premierminister, 6. März 1934; Pluskwy w polskim domu, in: Kurjer Bydgoski, 13. März 1934,  1; BrithTrumpeldor. Tajemnica »armji« żydowskiej, in: Gazeta ABC, 10. März 1934, 3. Vgl. auch Graboń, Problematyka żydowska na łamach prasy akademickiej w okresie międzywojennym, 266 f.

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untersagte die Regierung noch im März diese Übungen, die für den Sommer im Rahmen eines internationalen Betar-Treffens geplant waren.628 Im September 1938 fand in Warschau schließlich der Weltkongress des Betar statt.629 Damit nicht genug, organisierte die polnische Regierung in Rembertów, Andrychów und Warschau geheime militärische Schulungen für die Hagana beziehungsweise den Irgun, eine radikale Abspaltung des Betar.630 Die Strategie des Irgun, mit militärisch ausgebildeten Kämpfern einen Guerillakampf gegen die britische Mandatsmacht und die arabische Zivilbevölkerung aufzunehmen, war nicht nur von der polnischen Unabhängigkeitsbewegung inspiriert, sie schien den Machthabern Polens als Möglichkeit, die jüdische Auswanderung zu beschleunigen. Zugleich erhofften sie sich von den zu erwartenden guten Beziehungen zu einem zionistischen Staat internationalen Einfluss im Konzert der Kolonialmächte.631 Die militärische Führungsfigur des Irgun, Vladimir Jabotinsky, der aus Odessa stammte und im Ersten Weltkrieg einer der Kommandeure der Jüdischen Legion gewesen war, machte aus seiner Bewunderung für die Leistungen Piłsudskis keinen Hehl.632 Mehrmals besuchte er Polen, wo er auch hohe Staatsvertreter traf und für die Umsiedlung der polnischen Juden nach Palästina warb.633 Premier­minister Składkowski empfing Jabotinsky am 11. September 1936 »als Militär« in Uniform und lobte dessen politisch-militärische Strategie.634 Anfang November hielt Jabotinsky auf Einladung des IBSN im Saal der Gesellschaft der Geschichtsliebhaber einen gut besuchten Vortrag.635 Auch ein weiteres Irgun-Mitglied, Abraham Yair Stern, ein Bewunderer Słowackis und Piłsudskis,636 pflegte gute Kontakte zum polnischen Außenministerium, das  – über Details der Transaktion ist kaum etwas bekannt  – dem Irgun 200 000 Złoty zum Kauf von Waffen aus der staatlichen Waffenschmiede 628 Manewry żydowskie w Polsce zakazane, in: Orędownik na powiat nowotomyski, 5. April 1934, 3. 629 Libionka / Weinbaum, Bohaterowie, hochsztaplerzy, opisywacze, 246. 630 Ebd., 250. 631 Melzer, No Way Out, 131–153. 632 Zur Vorbildwirkung Piłsudskis Libionka / Weinbaum, Bohaterowie, hochsztaplerzy, opisywacze, 237 f. 633 Hierzu CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28, 3, die Entgegnung des ZŻUWoNP; III Walny Zjazd Delegatów. 634 Jabotinsky Institute and Archive, A  1–4/35, Jabotinsky’s Meeting with Polish Prime Minister, General Felicjan Sławoj Składkowski, 11. September 1936. Bei diesem Treffen kritisierte Jabotinsky die Tatenlosigkeit der polnischen Regierung angesichts der antijüdischen Gewalt in Polen. Zum Treffen Jabotinskys mit Sławoj-Składkowski und Rydz-Śmigły im Folgejahr ebd., A 1–2/27, Nr. 363. 635 AAN, MSZ, sygn. 2293, 61, Aktennotiz, 5. November 1936. Für den Vortragstext vgl. ebd., 64–79. 636 Pobóg-Malinowski, Najnowsza historia polityczna Polski 1864–1945, Bd. 2/1, 627.

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»Jeder Bürger Soldat, jeder Soldat Bürger.« 

Państwowa Wytwórnia Uzbrojenia überließ. Das Militär plante für die nächsten Jahre Schulungen für rund 1 000 Irgun-Kämpfer. Allerdings konnten bis 1939 nur noch einige Dutzend Männer ausgebildet werden. Auch die meisten der gekauften und in Warschau gelagerten Waffen erreichten Palästina nicht mehr und wurden Mitte September 1939 den Verteidigern der polnischen Hauptstadt überlassen.637

637 Ebd., 629; Melzer, No Way Out, 152 f.

Ja  …, ich liebe die polnische Armee! Mein Sohn war auch ein tapferer Krieger  … Obwohl ich es ihm nicht erlaubte, ging er zu den Legionen … Das war noch im Jahr 1914, ganz am Anfang. Nach zwei Monaten lag mein Sohn … mein geliebter und einziger Sohn … im Grab. […] Und was ist mir von ihm geblieben? Nichts  – nur sein Name ist auf dem Grabstein eingraviert … Bąkala, Bohater z nad Wisły

4. Joselewicz’ Erben. Gedächtniskultur und Militär im jüdisch-polnischen Kontext

4.1 Ausgegrenzt und einbezogen. Die Organisationen jüdischer Kriegsveteranen Die institutionelle Minderheitenpolitik des Militärs, das wurde im vorangegangenen Kapitel deutlich, zielte nicht nur auf die Durchsetzung des Dominanzanspruchs der polnischen Staatsnation, sondern hielt  – vermittelt über Bildung und Religion  – zugleich Integrationsangebote bereit. Diese galten für alle Nationalitäten gleichermaßen, auch wenn durch mentale Vorprägungen die Situation der Minderheitenangehörigen im Garnisonsalltag durchaus differieren konnte. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet die Juden, die keineswegs mit militärischen Tugenden in Verbindung gebracht wurden, in besonderer Weise das Kooperationsinteresse des Militärs weckten. Es ging dabei um mehr als die Unterstützung revisionistisch-zionistischer Gruppierungen, die sich letztlich in den Dienst der Emigrationspolitik der polnischen Führung gegenüber den Juden stellten. Militärische, staatliche und jüdische Akteure bedienten sich der Geschichte und Gedächtniskultur, um auch in Zeiten eines in der politischen Öffentlichkeit allgegenwärtigen Antisemitismus Kooperationsmöglichkeiten aufrechtzuerhalten. Ohne das gedächtniskulturelle Arsenal des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sowie die zahlreichen über Generationen eingeübten Rituale der polnisch-jüdischen Interessengemeinschaft, die so ausführlich Thema des zweiten Kapitels wa-

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Joselewicz’ Erben

ren, wäre diese eigentümliche Allianz in dieser Form nicht möglich gewesen. Es war nur konsequent, dass die Armee dabei neben den Militärseelsorgern auf die Kriegsveteranen der Jahre 1914 bis 1920 als Mittler zwischen Staat und jüdischer Bevölkerung setzte. Wie in allen vom Ersten Weltkrieg betroffenen Ländern, war auch in Polen nach 1918 ein ausdifferenziertes System von Veteranen- und Invali­ denorganisationen entstanden.1 Diese verstanden sich als Interessenvertretung der Kriegsteilnehmer im Bereich der Fürsorgepolitik, vor allem aber der Gedenkkultur. In der Regel vertraten die einzelnen Verbände die Veteranen bestimmter Militärformationen, wie der Verband der Polnischen Legionäre (Związek Legionistów Polskich, ZLP) oder der Verband der Hallersoldaten (Związek Hallerczyków). Mit der zunehmenden politischen Lagerbildung entstanden schnell tiefe Gräben zwischen jenen Verbänden, die sich der Person Józef Piłsudskis verbunden fühlten, und dessen Gegnern. Im November 1927 gründeten die regimekritischen, oft rechtsnationalen Verbände die Legion der Republik Polen (Legion Rzeczypospolitej Polskiej) als ihren Dachverband. Die prominentesten Vertreter dieses Lagers waren der mitgliederstarke, formationsübergreifende Verband der Kriegsinvaliden der RP (Związek Inwalidów Wojennych RP, ZIW) und der Verband der Hallersoldaten. Der ZIW vertrat vehement den Standpunkt, dass Kriegsteilnehmer unabhängig davon, welcher Armee sie angehört hatten, gleichberechtigt behandelt werden sollten. Damit machte sich diese Organisation zum Sprachrohr von Millionen Veteranen und Kriegsversehrten, die in den Armeen der Großmächte des Ersten Weltkrieges gedient hatten und denen ihr Patriotismus nicht abgesprochen werden sollte. Sie seien ebenso wie die polnischen Legionäre als Kämpfer für das Vaterland anzuerkennen.2 Das Sanacja-Regime wiederum gründete 1928 einen eigenen Dachverband, dem die Mehrzahl der übrigen Veteranenorganisationen angehörte. Die Föderation Polnischer Verbände der Vaterlandsverteidiger (Federacja Polskich Związków Obrońców Ojczyzny, FPZOO) sollte nach dem Wunsch ihrer Gründer als Massenorganisation zu einer Machtgrundlage des Regierungslagers werden, das selbst nur über eine schwache organisatorische politische Infrastruktur verfügte. Regierungskritische Organisationen wurden aus diesem Grund nicht in den Dachverband aufgenommen oder politisch auf Linie gebracht. Angesichts der großen Zahl polnischer Weltkriegsteil1 Als Überblick vgl. den Teil »Kriegsteilnahme, Kriegsschädigung und Opferstatus nach dem Ersten Weltkrieg« mit Beiträgen von Vratislav Doubek, Verena Pawlowsky und Harald Wendelin sowie Julia Eichenberg, in: Stegmann (Hg.), Die Weltkriege als symbolische Bezugspunkte. Für den polnischen Fall Jabłonowski, Sen o potędze Polski; Eichenberg, Kämpfen für Frieden und Fürsorge; Henschel, Der Erste Weltkrieg zwischen Erinnerungskultur und Politik in Polen am Beispiel der Stadt Lublin (1918–1939). 2 Henschel, »Jeszcze nas straszą żywe upiory bez nosów …«.

Ausgegrenzt und einbezogen

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nehmer rechneten Piłsudskis politische Strategen mit bis zu 1 000 000 Anhängern.3 Die wichtigste Teilorganisation war der ZLP, dessen Mitglieder sich als nationale Avantgarde verstanden.4 Hatten sie in den schwierigen Kriegszeiten für ein unabhängiges Polen gekämpft, wollten sie sich nun ebenso konsequent für den Aufbau starker staatlicher Strukturen zur Sicherung der Unabhängigkeit Polens einsetzen. Aus ihren Verdiensten leiteten die Legionäre auch die Deutungshoheit in historischen Fragen ab. Schließlich war es ihrer Überzeugung nach fast ausschließlich Piłsudski und den Legionen zu verdanken, dass Polen wieder eine eigenständige Rolle im europäischen Mächtekonzert spielen durfte. Die FPZOO wurde wie andere polnische Veteranenverbände auch auf internationaler Ebene aktiv, so in der Fédération Interalliée des Anciens Combattants (Interalliierte Föderation der ehemaligen Kriegsteilnehmer, FIDAC) und der Conférence Internationale des Associa­ tions de Mutilés de Guerre et Anciens Combattants (Internationale Konferenz der Kriegsinvaliden und ehemaligen Kriegsteilnehmer, CIAMAC).5 Für jüdische Kriegsveteranen und -invaliden entstanden eigene Organisationen. Teils war dies dem Umstand geschuldet, dass so manches Mitglied sich als Jude in seinem Veteranenverband oder dem ZIW ausgegrenzt und mangelhaft vertreten fühlte.6 Allerdings hatte die Organisationsgeschichte jüdischer Kriegsteilnehmer bereits im Ersten Weltkrieg begonnen, als sich ganz in der Tradition jüdischer Selbsthilfe zahlreiche Hilfsorganisationen um verletzte jüdische Soldaten kümmerten.7 Diese konnten ihre Aktivitä­ten nach 1918 fortsetzen, auch wenn die Regierungen keine neuen Invalidenund Veteranenverbände nationaler Minderheiten zulassen wollten.8 Über3 Roman Górecki, Vorsitzender der FPZOO, in: Federacja (1930), H. 1–2,  3, zit. nach Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 113. 4 Kossewska, Związek Legionistów Polskich 1922–1939. 5 Jabłonowski, Sen o potędze Polski; Eichenberg, Kämpfen für Frieden und Fürsorge. Zur Organisationsgeschichte von FIDAC und CIAMAC überblicksartig Weiß, »Soldaten des Friedens«. 6 Henschel, »Jeszcze nas straszą żywe upiory bez nosów  …« Gleichwohl verstand sich der ZIW als Vertreter aller Kriegsversehrten »ohne Unterschied von Religion und Dienstgrad«. AAN, KCNP, sygn. 260, Statut Centralnego Związku Inwalidów Wojennych Rzeczypospolitej Polskiej, o. O. u. J. [1919], 5. 7 Im österreichischen Teilungsgebiet waren bereits vor 1914 jüdische Soldatenverbände aktiv, so der Verein Verdienter Soldaten Mosaischen Glaubens »Ansche Ḥ ail« (Stowarzyszenie Wysłużonych Żołnierzy Wyznania Mojżeszowego »Ansche Chail«). AŻIH, Stowa­ rzyszenia żydowskie w Krakowie, sygn. 108/108, Dziewiętnaste sprawozdanie roczne Stow. Wysłużonych Żołnierzy Wyznania Mojżeszowego »Ansche Chail« w Krakowie, Kraków 1913. 8 Neben den Juden stellten die ukrainischen Soldaten, die zwischen 1918 und 1921 aufseiten Polens kämpften, eine Ausnahme dar. Im Geist des Prometheismus wurden sie 1934 als Invaliden offiziell anerkannt. Dz. U., Nr. 18 (1934), poz. 141, Rozporządzenie Ministra Opieki Społecznej i Ministra Skarbu z dnia 13 lutego 1934 r. w sprawie zaopatrzenia pieniężnego inwalidów z oddziałów ukraińskich. Sie unterhielten auch eine Organisation, den Verband

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regionale Bedeutung erlangte der 1920 in Krakau gegründete und erst 1922 amtlich registrierte Jüdische Verband der Kriegsinvaliden, -witwen und -­waisen der RP (Żydowski Związek Inwalidów, Wdów i Sierot Wojennych RP, ŻZIWiSW).9 Wie der ZIW stand dieser Verband allen Frontkämpfern und zivilen Kriegsversehrten offen und wusste diese Position auch öffentlich zu artikulieren.10 Befördernd für den Fortbestand rein jüdischer Organisationen mochten auch die fatalen Erfahrungen vieler Juden mit polnischen militärischen Formationen in den Jahren 1918 bis 1921 gewesen sein, die unmittelbar nach dem Krieg keineswegs verarbeitet waren. Es gab zudem in einigen Veteranenverbänden durchaus Stimmen gegen eine Mitgliedschaft von Juden. Beispielsweise nahm der Verband der Hallersoldaten nur Katholiken auf, da gegenüber den vormaligen jüdischen Kameraden weiter ein tiefes Misstrauen bestand. Auslandspolnische Veteranen aus den Vereinigten Staaten mutmaßten, dass sie auf Betreiben des »Vorsitzenden des Komitees für die Polnische Armee in Frankreich, eines Juden, des Obersts Stanisław Markus, eines Menschen, der uns wegen unserer Einstellung zu den Juden in der Armee hasst«, von der Ordensvergabe ausgeschlossen blieben.11 Diese Art des Umgangs und die angebliche Benachteiligung von Juden bei der Vergabe von Selbsthilfeangeboten, so die Verbandszeitschrift Inwalida Żydowski (Jüdischer Invalide), waren der Hintergrund für die Gründung und Fortführung des jüdischen Invalidenverbandes.12 der Ukrainischen Kriegsinvaliden (Związek Ukraińskich Inwalidów Wojennych), sowie die Gesellschaft der Soldaten der ehemaligen Armee der Ukrainischen Volksrepublik (Towa­ rzystwo Żołnierzy b. Armii URL). Mikulicz, Prometeizm w polityce II  Rzeczypospolitej, 110. Ersterer wurde in den ZIW aufgenommen. Jabłonowski, Sen o potędze Polski, 32 f. Vgl. auch CAW, Oddz.  II SG, sygn. I.303.4.5580, Ukraiński Związek Uczestników Wojny Światowej. 9 Mierzwa, Kombatancki Kraków 1918–1939, 95–99. Anfangs war auch die Bezeichnung Verband Jüdischer Kriegsopfer (Związek Żydowskich Ofiar Wojennych) in Gebrauch (ebd., 95 f.). Zu den schlesischen Außenstellen Jaworski, Ludność żydowska w województwie śląskim w latach 1922–1939, 101 und 126; Z.  Mańkowski, Życie społeczno-kulturalne Żydów w Lublinie, 118. Es waren darüber hinaus zahlreiche kleinere regionale Organisationen aktiv, so der Verband der jüdischen Kriegsopfer in Krakau (Związek Żydowskich Ofiar Wojennych w Krakowie), gegründet 1922 in Krakau, oder die Jüdische Gesellschaft zur gegenseitigen Hilfe der Reservisten und ehemaligen Teilnehmer des Japanisch-Russischen, des Welt- und des Polnisch-Sowjetischen Krieges (Żydowskie Stowarzyszenie Wzajemnej Pomocy Rezerwistów i Byłych Uczestników Wojen: Japońsko-Rosyjskiej, Światowej i PolskoSowieckiej), die ab 1933 in Nowy Dwór registriert war. 10 Beispielsweise AAN, MSW, sygn. 93, 102, Minderheitenbericht für das IV. Quartal 1933. 11 T. Lachowicz, Weterani polscy w Ameryce do 1939 roku, 453. Markus war stellvertretender Vorsitzender des Vereins der Veteranen der früheren Polnischen Armee in Frankreich (Stowarzyszenie Weteranów b. Armii Polskiej we Francji) und Direktor des Staatlichen Lotteriemonopols (Państwowy Monopol Loteryjny). Vgl. auch Jabłonowski, Sen o potędze Polski, 312. 12 Izydor Leuchter, Jednością silni …, in: Inwalida Żydowski (1926), H. 12, 1 f.

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Es ist überaus schwierig, die Vorwürfe der jüdischen Verbandsfunktionäre gegenüber den polnischen Verbänden und Behörden ausgewogen zu bewerten.13 Die zahlreichen Negativerfahrungen jüdischer Veteranen speisten sich zweifellos aus der stark ausgeprägten Mentalität des polnischen Veteranenmilieus der Zwischenkriegszeit, Kameraden, die nicht zur eigenen Gemeinschaft gezählt wurden, mit Ablehnung zu begegnen. Diese »anderen« mussten keineswegs Juden sein, bereits die Missgunst zwischen ehemaligen Legionären und den übrigen Kriegsteilnehmern war sprichwörtlich und wurde im Zusammenhang mit der Armeegründung bereits besprochen. Bemerkenswert ist, dass der in den Organisationen vorhandene Antisemitismus auch an Grenzen stoßen konnte. So scheiterten beispielsweise im Juni 1925 die großpolnischen und pommerschen Veteranenverbände beim Versuch, Juden generell von einem geplanten Dachverband für ehemalige Offiziere auszuschließen, am Votum der übrigen Verbände.14 Auch die unter jüdischen wie christlichen Veteranen gleichermaßen verbreiteten Klagen darüber, dass die staatliche Fürsorgepolitik die jeweils andere Gruppe bevorzugte, etwa bei der Vergabe von Lizenzen zum Tabak- und Alkoholhandel, sind rückblickend schwer einzuordnen.15 Fest steht, dass sich nicht nur christliche, sondern auch jüdische Betriebe und Institutionen wie die Krakauer Gemeinde nicht an die geltende gesetzliche Regelung hielten, bei einem Personalstand von mehr als 50 mindestens einen Kriegsversehrten einzustellen.16 In einigen Fällen legten die Behörden, in denen nicht wenige Weltkriegsveteranen tätig waren, dem jüdischen Invalidenverband tatsächlich Steine in den Weg. So verweigerte die Lubliner Lokal- und Woiwodschaftsverwaltung dem Verband nach 1928 jahrelang eine amtliche Registrierung als Verein, indem sie Gefahren für die öffentliche Sicherheit anführte und die Befürchtung äußerte, die Zulassung des bereits landesweit agierenden Verbandes könne in 13 Beispielsweise Inwalida Żydowski (1927), H. 3, 4 f., und ebd., H. 4, 5–7. 14 Ze zjazdu oficerów demobilizowanych, in: Kurjer Poznański, 7. Juli 1922, 4. 15 Die Verbandszeitung des ZIW berichtete etwa aus Lublin über die Umgehung von Invaliden bei der Vergabe von Konzessionen zugunsten von Nichtveteranen – darunter häufig Juden. Inwalida (1921), H. 21, 2 f. Über den Lubliner Fall sowie zahlreiche andere Beispiele berichtete der ZIW Anfang November 1919 auch in einem Schreiben an Staatschef Piłsudski. AAN, KCNP, sygn. 296, 73–85. Der Ortsverband des ZIW in Oświęcim (Auschwitz) beklagte sich bereits Ende März 1919 ebenfalls bei Piłsudski persönlich darüber, dass die »Juden, die den Krieg über sowieso Millionen machten«, Konzessionen erhielten, »während wir zu Krüppeln wurden und wie auch unsere Frauen und Kinder völlig barfuß und ohne Kleidung« bleiben. Ebd., 29. Andererseits gab es auch Kritik an der Verwendung ukrainischer Kriegsgefangener für öffentliche Arbeiten anstelle von Invaliden. AAN, PRM, Rkt. 49, t. 2, 6. Vgl. auch die Klagen über die Nichtberücksichtigung von Legionärskindern bei der Aufnahme in staatliche Gymnasien im Jahr 1938. AAN, PRM, Akta grupowe, sygn. 133–19, L.133–19/1. 16 AŻIH, Stowarzyszenia żydowskie w Krakowie, sygn. 108/108, Związek Inwalidów Wojennych.

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ihrer Woiwodschaft zur »Gründung weiterer Verbände für Invaliden orthodoxen Bekenntnisses, Protestanten, Mohammedaner usw.« und damit zu einer Schwächung des ZIW führen.17 Hintergrund für diese Einschätzung mochten eine ähnliche Bewertung der Abteilung II des Generalstabs von Dezember 192718 oder frühere Vorwürfe des Innenministeriums aus dem Jahr 1920 sein, der ŻZIWiSW plane die Unterstützung einer nicht näher benannten »separatistischen Bewegung«.19 Mit ähnlich vorgeschobenen Argumenten wussten die Lubliner Behörden eine Straßensammlung für jüdische Invaliden zu verhindern.20 Dass sich hinter den offiziell angeführten Begründungen der Ämter noch viel tiefer gehende Befürchtungen verbargen, demonstriert ein Bericht der Dwójka über die IV. Vollversammlung des Landesverbandes im November 1928 in Krakau. Die anwesende Delegation von Vertretern des Korpsbezirkskommandos, von Ministerien und der Stadtverwaltung intervenierte beim Vorsitzenden des Invalidenverbandes, als einige Redner ihre Ansprachen auf »Hebräisch oder im Jargon«, also Jiddisch, hielten. Da die Forderung der polnischen Delegation, ins Polnische zu wechseln, ignoriert wurde, verließ diese bis auf den Vertreter der Stadt Krakau, Adolf Meisels, die Veranstaltung. Wichtiger als die Sprachenfrage war aber die politische Bewertung der Redeinhalte. Im Protokoll der Abteilung  II wurde festgehalten, der Referent für Invalidenfragen im Krakauer Korpsbezirkskommando hätte sich aus dem Gehörten »zusammengereimt, dass der Verband Jüdischer Invaliden gewissermaßen Mitglied des Internationalen Verbandes Jüdischer Invaliden in Europa« werden solle.21 Die grenzüberschreitende Vernetzung galt im Innenministerium schon als Beleg für die Unzuverlässigkeit des ŻZIWiSW mit seinen 80 000 Verbandsmitgliedern, denen man überdies Verbindungen zu Deserteuren nachsagte. Auch der Verbandsvorsitzende Jakób Bachner erschien dem Krakauer SRI suspekt. Zwar schätzte man ihn als äußerlich loyal ein, doch vermuteten einige, er sei »im Geiste höchstwahrscheinlich Zionist«.22 17 Das Verfahren erstreckte sich über den Zeitraum von 1928 bis 1932. APL, UWL-WSP 1919–1939, sygn. 1125, 3 f., 26 und 30–60, Zitat 26. In den kleineren Städten Chełm und Tomaszów Lubelski wurden 1934 Sektionen zugelassen. Ebd., sygn. 1148. Auch in Siedlce gab es eine Ortsgruppe. Ebd., sygn. 1130. 18 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2688, Schreiben vom 17. Dezember 1927. Die Abteilung II beobachtete die Aktivitäten des Verbandes auch in der Folgezeit mit Argwohn, so die 4. Vollversammlung in Krakau. Ebd., sygn. I.303.4.2703, DOK V an Abteilung II des Generalstabs, 27. November 1928. 19 Zit. nach Mierzwa, Kombatancki Kraków 1918–1939, 95. Auch seitens des MSWojsk erfolgte eine kritische Bewertung. T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 29.  20 APL, UWL-WSP 1919–1939, sygn. 1125, 65. 21 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2703, 31, SRI DOK V an Abteilung II des Generalstabs, Referat C, 27. November 1928. 22 Ebd.

Ausgegrenzt und einbezogen

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Der ŻZIWiSW, der 1936 nach Schätzungen des Innenministeriums je etwa 5 000 Invaliden und Soldatenwitwen repräsentierte, trat über die Fürsorgepolitik hinaus politisch kaum in Erscheinung.23 Der Realität des PiłsudskiRegimes passte er sich weltanschaulich an und unterstützte die Aktivitäten von staatlichen und halbstaatlichen Organisationen wie FOM, LOPP, PCK und LMiK.24 Überdies vernetzte sich der Verband in den 1930er Jahren mit jüdischen Veteranenverbänden in anderen Ländern, bekannte sich zu einer transnational verstandenen jüdischen Gemeinschaft und forderte die Umsetzung der Minderheitenrechte für die jüdische Bevölkerung Polens ein.25 Stärkere politische Impulse gingen indes von einem weiteren jüdischen Veteranenverband aus. Ab Ende der 1920er Jahre strebten Kriegsveteranen, die sich als Polen jüdischen Glaubens verstanden, eine eigene Organisation an. Als Anhänger einer weitestgehenden Akkulturation waren sie eine doppelt randständige Gruppe, denn weder ihre jüdische noch ein Großteil ihrer polnischen Umgebung vertrat zu dieser Zeit solche Vorstellungen noch offensiv.26 Allerdings handelte es sich um einen Personenkreis, der in der Regel gut ausgebildet war und im öffentlichen Leben, sei es auf lokaler oder nationaler Ebene, geachtete Positionen einnahm. Aufgrund ihrer unverminderten Loyalität zu Polen waren dessen Vertreter beliebte Ansprechpartner der Regierung und damit auch des Militärs. Um ihre Interessen durchzusetzen, vor allem aber ihre Botschaft der Beteiligung von Juden am Aufbau des polnischen Staates zu verbreiten, gründeten Veteranen der Polnischen Legio23 Ebd.; AAN, MSW, cz. I, sygn. 963, 139, Minderheitenbericht (4. Quartal 1936); ebd., sygn. 47, 102, Minderheitenbericht (3.  Quartal 1931). Vgl. das Statut des Lubliner Ablegers ŻZIWiSW von 1928, das den »materiellen, rechtlich-ökonomischen und kulturellen Schutz« der Mitglieder als Verbandsziel formuliert. APL, UWL-WSP 1919–1939, sygn. 1125, 5–10, hier  5. Gleichwohl unterstützte der ŻZIWiSW, wie aus einem Wahlplakat deutlich wird, bei den Wahlen 1928 offiziell die Regierungsliste des BBWR. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.411, 82. Auch bemühte sich die Redaktion des Inwalida Żydowski im August 1926 um eine regelmäßige Zusammenarbeit mit Izaak Grünbaum. CZA, Grünbaum Papers, A127/217, Brief an Grünbaum, 16. August 1926. Auf der 4. Vollversammlung (15.–16. Januar 1922) in Krakau kritisierte der Parlamentarier Hersz Heller die Rechtslage der Invaliden, entsprechende Resolutionen wurden beschlossen. AAN, MSW, sygn. 90, Sprawozdanie życia mniejszości narodowych za I  kwartał 1933  r., Warszawa 1933 (Drucksache), 109. Vgl. auch AAN, MSW, cz.  IV, sygn. 86, Sprawozdanie życia mniejszości narodowych za III kwartał 1931 r., Warszawa 1931 (Drucksache), 102. 24 Mierzwa, Kombatancki Kraków 1918–1939, 97 f. Ab 1936 mussten die Mitglieder auf Beschluss des Vereinsvorstands 1 Prozent ihrer Renten an den Nationalen Verteidigungsfonds (Fundusz Obrony Narodowej, FON) abführen. AAN, MSW, cz. I, sygn. 963, 139, Minderheitenbericht (4. Quartal 1936); Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe 10 (1936), H. 6, 651–671, hier 670. 25 Światowy Kongres b. Kombatantów Żydów w Paryżu, in: Inwalida Żydowski (1935), H. 7–9, 1–10. 26 Wierzbieniec, Organizacje żydowskie o charakterze asymilatorskim we Lwowie w okresie II Rzeczypospolitej.

336

Joselewicz’ Erben

nen und der POW im Jahr 1929 den Verband der Jüdischen Teilnehmer an den Kämpfen für die Unabhängigkeit Polens (Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, ZŻUWoNP).27 In der Eigenüberlieferung des Verbandes reichten seine Wurzeln bis in den Ersten Weltkrieg zurück:28 Noch unter deutscher Besatzung entstanden 1916 in Warschau der Verband der polnischen Jugend jüdischer Herkunft »Fackel« (Związek Młodzieży Polskiej pochodzenia żydowskiego »Żagiew«)29 sowie der Pfadfinderverband »Oberst Berek Joselewicz« (Związek Drużyn Skautowych im. płk. Berka Joselewicza).30 Eines der Ziele des Żagiew war die Vorbereitung auf den Dienst in der POW. 1918 meldeten sich nach Verbandsangaben 800 Mitglieder freiwillig zur Armee. Nach Kriegsende gründeten Funktionäre beider Vereine in Warschau, Lemberg, Wilna und Danzig den Verband der Akademischen Vereinigungsjugend (Związek Akademickiej Młodzieży Zjednoczeniowej). Wie seine Vorgänger betrachtete dieser die »jüdische Frage« als interne, nur vom Staat zu lösende Angelegenheit, an deren Ende eine möglichst enge kulturelle und emotionale Bindung der Juden an das Land stehen sollte. Die Funktionäre des ZŻUWoNP konnten ihre ideologische Herkunft also recht klar verorten, für die Zeit zwischen 1920 und 1925 führten sie in ihrer Verbandsüberlieferung indes keine Aktivitäten an. Im März 1926 – der Maiputsch stand unmittelbar bevor – traf eine Abordnung jüdischer ehemaliger Legionäre und POW-Mitglieder mit Piłsudski zusammen, der in diesem Gespräch den Gedanken an eine jüdische Veteranenorganisation unterstützte. Es dauerte aber noch bis 1929, dass mit Walery Sławek einer der prominenten Regierungsvertreter den Wunsch nach einer jüdischen, in der Tradition der Polnischen Legionen stehenden Veteranenorganisation äußerte. Im Dezember 1929 erfolgte dann in den Räumlichkeiten

27 Wierzbieniec, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski we Lwowie ­(1932–1939), 282  f. 28 Hier und im Folgenden AAN, FPZOO, sygn. 169, 9–14, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. Eine identische Darstellung findet sich im Minderheitenbericht des Innenministeriums für das 3. Quartal 1934. AAN, MSW, cz. IV, sygn. 96, 103. 29 Art. »Związek Młodzieży Polskiej Pochodzenia Żydowskiego ›Żagiew‹«, in: Polski Słownik Judaistyczny, Bd. 2, 839 f. 30 Initiatoren waren Filip Endelman und der Rechtsanwalt Kazimierz Sterling. Die Pfadfinderorganisation hatte Ortsgruppen in Warschau, Sosnowitz, Zawiercie und mit dem Namenszusatz »im. Tadeusza Kościuszki« auch in Lodz. Der Verband wurde bereits im August 1917 von den deutschen Behörden aufgelöst und die Mitorganisatoren Karol Winawe und Leon Bregman saßen mehrere Wochen in der Festung Modlin ein. Vereine mit einer ähnlichen Programmatik waren in Galizien schon länger aktiv. Wierzbieniec, Organizacje żydowskie o charakterze asymilatorskim we Lwowie w okresie II Rzeczypospolitej, 141–145; Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 83 f.; Kula, Uparta sprawa, 14–16.

Ausgegrenzt und einbezogen

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des BBWR in Warschau die Gründungsversammlung des ZŻUWoNP, auf der auch das erste Statut gebilligt wurde.31 In der finanziell schwierigen ersten Zeit seiner Existenz konzentrierte sich der Verband zunächst auf den Aufbau einer bescheidenen organisatorischen Struktur. Seine Aktivitäten reichten über das Sammeln historischen Materials kaum hinaus. Auf lange Sicht nahm er für sich in Anspruch, einen »neuen Typus des jüdischen Unabhängigkeitskämpfers« hervorzubringen, um die gesamte jüdische Bevölkerung an den polnischen Staat zu binden und letztendlich deren Gleichberechtigung zu erreichen.32 Das historische Verständnis des ZŻUWoNP wurde in seinem Gründungsdokument formuliert: So wie sich Juden von Beginn an am polnischen Freiheitskampf beteiligt hatten, sei auch die derzeitige Generation der Überzeugung, »dass sie dem Vaterland und zugleich ihren Brüdern am besten diene, wenn sie in Waffenbrüderschaft mit den besten Söhnen Polens auch für die Juden das Recht auf eine bessere Zukunft erkämpfte«.33 Da die Mehrheit der polnischen Juden sich politisch an Parteien wie der Aguda, den Zionisten oder dem Bund orientierte, blieb der ZŻUWoNP als »assimilatorische« Organisation insgesamt ein recht kleiner Verband, auch wenn die Zusammenarbeit mit der Regierung einen organisatorischen Entwicklungsschub brachte. Zu Beginn gelang nur in Warschau, Lemberg und Stanislau die Gründung von Ortsvereinen. 1933 war der bereits 4 000 Mitglieder zählende Verband außerhalb Warschaus in sechs weiteren Woiwodschaften präsent;34 1938 existierten 78 Ortsverbände mit 6 750 Mitgliedern (Tab. 10).35 Wie anhand des Ortsvereins Lemberg verdeutlicht werden kann (Tab. 11), dominierten den Verband Vertreter mit mittlerer und höherer Ausbildung, die zudem mehrheitlich in freien oder zur »Intelligenz« gezählten

31 Als Gründungsdatum des Warschauer Ortsverbandes wird der 12. März 1929 genannt. AAN, MSW, cz. 1, sygn. 959, 8, Presseschau Minderheitenpresse Nr. 11 (10.–16. März 1929). 32 Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 303 f.; AAN, FPZOO, sygn. 169, 136–139, Statut des ZŻUWoNP von 1934; AAN, MSW, cz. 1, sygn. 959, 8, Presseschau Minderheitenpresse Nr. 11 (10.–16. März 1929). 33 Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 301. 34 AAN, MSW, cz. IV, sygn. 96, 103, Minderheitenbericht (3. Quartal 1934). Es finden sich verschiedene Angaben über die Mitgliederzahlen. Bregman berichtete von 500 Mitgliedern im Jahr 1933, an anderer Stelle ist von 120 die Rede. II Zjazd, in: Na Przełomie 2 (1936), 3; Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 340. Zur erfolgreichen Expansion vgl. auch AAN, MSW, cz. IV, sygn. 94, 102, Minderheitenbericht (2. Quartal 1934); ebd., sygn. 92, 97, Minderheitenbericht (3. Quartal 1933); CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28, 1, 3. Delegiertenvollversammlung des ZŻUWoNP. 35 Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 115. Allerdings meldete der ZŻUWoNP im Januar 1939 nur noch 5775 Mitglieder an die FPZOO. AAN, FPZOO, sygn. 169, 9, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939.

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Joselewicz’ Erben

Tab. 10: Regionalstruktur des ZŻUWoNP (1933) Bezirke

Städte mit Ortsvereinen

Hauptstadtbezirk

Warschau

Bezirk Krakau

Andrychów, Będzin, Bielsko, Chmielnik, Gorlice, Jasło, Katto­ witz, Krakau, Krynica, Nowy Sącz, Nowy Targ, Oświęcim, Sosnowitz, Tarnów, Wieliczka, Żywiec

Bezirk Lodz

Kolo, Lodz, Piotrków Trybunalski, Radom, Radomsko, Toma­ szów Mazowiecki, Tschenstochau,

Bezirk Lublin

Lublin, Brest, Kowel, Pińsk, Tomaszów Lubelski

Bezirk Ostkleinpolen

Borysław, Brody, Brzeżany, Drohobytsch, Jarosław, Kolomea, Oddz. im. Nikodema Polaka in Lemberg, Lemberg, Lemberg (Kreis), Przemyśl, Rzeszów, Sambor, Sanok, Stanislau, Stryj, Śniatyń, Tarnopol, Tłumacz, Złoczów

Bezirk Thorn

Thorn, Bromberg, Dobrzyń nad Drzewcą, Posen, Włocławek

Bezirk Warschau-Białystok

Białystok, Grodno, Kutno, Mława, Płock, Siedlce, Wołkowysko, Żuromiń

Ortsvereine, die dem Hauptvorstand direkt unterstellt waren

Antwerpen, Baranowicze, Brüssel, Lida, Wilna

Quelle: AAN, FPZOO, sygn. 169, 16–90.

Berufen tätig waren.36 Es handelte sich um jenes Milieu, das einer Akkulturation am aufgeschlossensten gegenüberstand und das sich im lokalen und regionalen Umfeld oft eine gewichtige soziale und politische Stellung erarbeiten konnte.37 Die meisten Vereinsmitglieder waren im Unterschied zum Invalidenverband ŻZIWiSW Veteranen der Grenzkriege, aber auch Teilnehmer der drei schlesischen sowie des großpolnischen Aufstandes.38 »[Z]ivile Personen, die beim Wiederaufbau der Unabhängigkeit Polens mitgewirkt haben«, konnten außerordentliche Mitglieder werden.39 Dem Verband zufolge war daneben das einzige Aufnahmekriterium die konfessionelle Zugehörigkeit. In Führungspositionen konnten allerdings ganz im Sinne der von Piłsudski verfolgten Personalpolitik nur »ehemalige Legionäre und POW-ler beziehungsweise 36 In weniger bedeutenden städtischen Zentren verschob sich die Struktur stark zuungunsten der Studienberufe, wie das Beispiel Brest nahelegt. CAW, SRI, I.371.9/A.331, Informationsbüro des DOK IX an den dortigen SRI, 23. Mai 1936. 37 Verwiesen sei nur auf den stellvertretenden Lemberger Stadtpräsidenten Wiktor Chajes. Vgl. auch dessen Autobiografie. Ders., Semper fidelis. 38 AAN, MSW, cz. IV, sygn. 96, 103, Minderheitenbericht (3. Quartal 1934). 39 APL, Starostwo Powiatowe Łukowskie, sygn. 319, Statut stowarzyszenia zarejestrowanego p. n.: ZŻUWoNP, Kraków 1937.

339

Ausgegrenzt und einbezogen

Tab. 11: Mitgliederstruktur des ZŻUWoNP Lemberg (Juni 1937) Mitgliederstatus Ordentliche Mitglieder

Militärischer Rang Offiziere der Reserve

262

86,47 %

Außerordentliche Mitglieder

24

7,92 %

Unteroffiziere der Reserve

Unterstützende Mitglieder

17

5,61 %

Schützen der Reserve

303

100,00 %

Gesamt Bildungsniveau Höhere Ausbildung Mittlere Ausbildung Sonstige

38,94 %

84

27,72 %

101

33,33 %

303

100,00 %

119

39,27 %

Beruf 109

35,97 %

Freie Berufe

87

28,71 %

Kaufleute

57

18,81 %

107

35,31 %

Handwerker

41

13,53 %

»Inteligencja«

78

25,74 %

Sonstige Gesamt

118

303

100,00 %

8

2,64 %

303

100,00 %

68 Mitglieder (22,44 Prozent) waren ohne Anstellung. Bei den Intellektuellen lag die Arbeitslosenquote bei 35,9  Prozent (28  Mitglieder). Im Jahr 1937 hatte die Mitgliederzahl noch bei 367 ordentlichen, 12 außerordentlichen, 68 unterstützenden und 12 noch zu prüfenden Mitgliedern gelegen. Quelle: Nach CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 144, 12; ebd., spr. 31, 3–7, Tätigkeitsbericht des Vorstands des Lemberger Verbandes für Juli – September 1934, hier 3.

Freiwillige der Polnischen Armee polnischer Nationalität jüdischen Bekenntnisses« gelangen.40 Im Jahr 1938 richtete der Verband in den Bezirken Verifizierungskommissionen ein, die feststellen sollten, welche Mitglieder sich nach dem Statut tatsächlich für eine ordentliche Mitgliedschaft qualifizierten beziehungsweise mit einem Ausschluss oder einem Statuswechsel als außerordentliches Mitglied zu rechnen hatten.41 Dies führte zu offenbar langanhaltenden Konflikten innerhalb der Vereine über die Rechtmäßigkeit einiger Mitgliedschaften. Im Lemberger Ortsverband sorgte beispielsweise die Entfernung einiger Mitglieder für beträchtliche Unruhe.42 In den 1930er Jahren war der jüdische Veteranenverband Teil des politischen Systems der späten Piłsudski-Ära. Möglich wurde dies, als sich der 40 AAN, FPZOO, sygn. 169, 13, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. 41 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 22, 16–18, Rundschreiben Nr. 67, 30. Juni 1938. 42 Ebd., spr. 42, 4–17, Protokoll des Exekutivkomitees, 8. Dezember 1935, hier 4; ebd., op. 1, spr. 144, 4–8.

340

Joselewicz’ Erben

Verband 1933 ein neues Statut und mit Leon Bregman eine neue Führung gab und daraufhin in die FPZOO aufgenommen wurde.43 Die Zugehörigkeit zum Kreis der vom Regime unterstützten Organisationen hob auch Staatspräsident Mościcki hervor, der vor dem 1. Kongress im Juni 1933 eine Verbandsdelegation empfing und die Schirmherrschaft der Veranstaltung übernahm.44 Offiziell verstand sich der ZŻUWoNP wie alle Veteranenverbände als »apolitisch«, sprach aber de facto nur leidlich kaschierte Wahlempfehlungen aus.45 Auch wenn er sich also selbst als Organisation »parteiloser Juden« darstellte, wurde der Verband innerhalb der jüdischen Bevölkerung unweigerlich mit dem Regierungslager in Verbindung gebracht und es wurde ihm eine übermäßig starke Abhängigkeit von staatlichen Organen unterstellt.46 Dies trug dem ZŻUWoNP viel Kritik ein, verwickelte ihn in politische Konflikte und unterschied ihn somit vom älteren Invalidenverband, der sich vorrangig für die sozialen und materiellen Belange seiner Mitglieder einsetzte und der Sanacja-Herrschaft viel zurückhaltender gegenüberstand. Tatsächlich exponierten sich die jüdischen Veteranen immer wieder politisch und wurden von ihrem Verband dabei unterstützt. Dies betraf beispielsweise Zygmunt Degenstück, der bei den Lemberger Stadtratswahlen von 1934 für die Wahlliste der FPZOO kandidierte.47 Bekannter war der Fall Leopold Spiras in Krakau, der bei den Parlamentswahlen von 1935 für die BBWR-Liste antrat und damit die Kandidatur des langjährigen zionistischen Abgeordneten Ozjasz Thon verhinderte. Dies führte unter anderem zu einem Boykott des ZŻUWoNP 43 Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 115; AAN, FPZOO, sygn. 169, 136–139, Statut des ZŻUWoNP von 1934. Der Antrag auf einen Beitritt zur FPZOO wurde dem Bericht des Nasz Przegląd zufolge allerdings bereits im März 1929 gestellt. AAN, MSW, cz. 1, sygn. 959, 8, Presseschau Minderheitenpresse Nr. 11 (10.–16. März 1929). Zu den zahlreichen internen Konflikten vgl. den Fall Lemberg, wo aufgrund der Auseinandersetzungen 1934 vom Verbandsvorstand sogar ein kommissarischer Vorsitzender bestimmt werden musste, bevor Leon Bregman die Leitung übernahm. CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 50, 3–5, und spr. 142, 51–55. Zur Rezeption des Verbandes Graboń, Problematyka żydowska na łamach prasy akademickiej w okresie międzywojennym, 99. 44 AAN, FPZOO, sygn. 169, 12, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. 45 My  –  a wybory, in: Biuletyn Okręgu Krakowsko-Śląskiego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski 4 (1935), 12. August 1935. 46 Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 117; CDIAL, f. 346, op. 1, 27; D. Gelibter, Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe 9 (1935), H. 1–2, 83–92, hier 83. Gelibters These, die jüdische Bevölkerung habe den ZŻUWoNP – wenn auch im Alltag nur zögerlich – als »patriotisch-repräsentative Organisation« anerkannt, kann hier nicht verifiziert werden. 47 CDIAL, f. 346, sp. 1, 18v f. Auch in weitere Stadträte wurden Vertreter des ZŻUWoNP gewählt. AAN, FPZOO, sygn. 169, 9–14, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. Zu Degenstück vgl. Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 461; Wierzbieniec, Organizacje żydowskie o charakterze asymilatorskim we Lwowie w okresie II Rzeczypospolitej, 162.

Ausgegrenzt und einbezogen

341

durch den in Krakau erscheinenden Nowy Dziennik, einer polnischsprachigen Tageszeitung mit einer vorwiegend akkulturierten, doch zionistisch orientierten Leserschaft. Spira errang in seinem Wahlkreis nur 20 Prozent der Stimmen, sodass letztlich überhaupt kein jüdischer Abgeordneter in den Sejm entsandt werden konnte.48 Der neue jüdische Veteranenverband wurde von den polnischen Behör­den nicht nur über die Mitgliedschaft in der FPZOO gefördert. In der Minderheitenabteilung des Innenministeriums wurde die Entwicklung der Organisation genau verfolgt.49 In Aleksander Hafftka, der bei dieser Behörde als Experte für die jüdische Bevölkerung tätig war, fand der ZŻUWoNP zudem einen wichtigen Verbindungsmann und Unterstützer.50 Hafftka war bei vielen Sitzungen des Verbandes anwesend und war Mitherausgeber der enzyklopädisch angelegten zweibändigen, repräsentativen Publikation Żydzi w Polsce odrodzonej (Die Juden im wiedergeborenen Polen) zum jüdischen Leben in Polen.51 Auf den Delegiertenkonferenzen des Verbandes und zu vielen anderen Anlässen waren Vertreter von Armee, Regierung, Lokalverwaltungen und anderen Veteranenverbänden anwesend. An der Krakauer Delegiertenkonferenz von 1937 nahmen Abgesandte des Premier- und des Kriegsministers teil, ebenso der FPZOO, der Stadt Krakau und der dortigen jüdischen Gemeinde. Grußadressen waren unter anderem von Sejmmarschall Stanisław Car, dem Leiter des Ministerialbüros im Kriegsministerium Władysław Kiliński, dem Generalsekretär und Direktor des IBSN, zugleich Beamter des Ministerrats für besondere Aufgaben, Stanisław Paprocki, dem ZIW, etwa 70 jüdischen Gemeinden sowie einigen Dutzend Vereinen eingegangen.52 Der ZŻUWoNP selbst unterstrich seine Loyalität gegenüber dem Staat mit dem Ritual, an Feier- und Namenstagen Huldigungstelegramme an den Staatspräsidenten, den Marschall Polens, die Witwe Piłsudskis, den Ministerpräsidenten, den Kriegsminister und den Chef der FPZOO zu senden. Die Ehrung Piłsudskis und der Gefallenen sowie Ordensverleihungen

48 Mierzwa, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski w Krakowie, 325. Weitere Fälle bei Fałowski, Mniejszość żydowska w parlamencie II  Rzeczypospolitej ­(1922–1939), 210 ff. Vgl. auch CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 46, passim. 49 Davon zeugen u. a. die in dieser Arbeit häufig zitierten amtlichen Berichte über das Leben der Minderheiten (Sprawozdania z życia mniejszości narodowych). 50 Zur Biografie Hafftkas Stach, Żyd Polski Odrodzonej. 51 Beispielsweise CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 42, 4–17, hier 4. Nicht näher eingegangen werden kann hier auf die Bedeutung der erwähnten Publikation von Schiper / Tartakower / Hafftka (Hgg.), Żydzi w Polsce odrodzonej. Vgl. dazu Steffen, Jüdische Polonität, 93. 52 Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe 11 (1937), H. 6, 658–685, hier 673 f. Auf der Konferenz wurde auch ein neuer Vorstand gewählt mit Leon Holzer (Gdingen) an der Spitze, Dymitr Lachowski (Warschau) als Stellvertreter, Leopold Spira (Krakau) als Generalsekretär sowie den Warschauer Mitgliedern Stanisław Feigenblatt und Ludwik Floksztrumpf (674 f.).

342

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waren ebenso feste Bestandteile dieser Veranstaltungen.53 Als Anerkennung dieser Staatstreue kann die Ernennung von Zdzisław Zmigryder-Konopka (1897–1939), einem Vorstandsmitglied der ZŻUWoNP und renommierten Althistoriker aus Warschau, zum Senator durch Staatspräsident Mościcki im Jahr 1938 gelten.54 Das Außenministerium, das in den 1930er Jahren um gute Beziehungen zur polnisch-jüdischen Diaspora bemüht war, erkannte im ZŻUWoNP ebenfalls einen wertvollen Partner seiner »auswärtigen Nationalitätenpolitik«.55 Der Verband unterhielt Zweigorganisationen in Antwerpen und Brüssel56 und nahm überdies am 1. Weltkongress der jüdischen Frontkämpfer teil, der 1935 in Paris vom Comité d’Entente des Associations d’Anciens Combattants Juives de France ausgerichtet wurde.57 Neben Leon Bregman hielt mit Herman Schwarz vom Invalidenverband ŻZIWiSW ein weiterer Vertreter Polens eine Rede.58 Auch im darauffolgenden Jahr, als ein neuerlicher Kongress in Wien stattfand, war eine Delegation des ZŻUWoNP vertreten.59 Sie handelte in Absprache mit dem polnischen Außenministerium, als sie »Initiativen vonseiten der österreichischen und litauischen Kombattanten für eine anti53 Beispielsweise ebd., 674. 54 S. Rudnicki, Żydzi w parlamencie II Rzeczypospolitej, 413. In der vorliegenden Arbeit wird konsequent die im Katalog der polnischen Nationalbibliothek favorisierte Schreibweise Zmigryder-Konopka (neben Żmigryder-Konopka) verwendet. 55 Überblicksartig Skóra, Auswärtige Nationalitätenpolitik. Vergleiche auch die Aktivitäten der Föderation Polnischer Juden in Amerika (Federacja Żydów Polskich w Ameryce), des Kreises für polnisch-jüdische Zusammenarbeit (Koło Współpracy Polsko-Żydowskiej) bzw. der Organisation der jüdischen Piłsudskisten (Organizacja Piłsudczyków Żydowskich) in Paris. AAN, MSZ, sygn. 2278, 45–65, 143 und sygn. 2280, passim. 56 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 20, 6 und 12; ebd., spr. 28, 7. Der Ortsverein Brüssel zählte 106 ordentliche Mitglieder, hinzu kamen eine 49 Mitglieder starke Reservistensektion (Sekcja Rezerwistów przy ZŻUWoNP w Belgji) sowie ein 66 Personen zählender Unterstützerkreis. AAN, FPZOO, sygn. 169, 176–184. Vgl. auch AAN, MSZ, sygn. 9143, Polnisches Konsulat Antwerpen an MSZ, 27. November 1935. Zu weiteren Aktivitäten ebd., sygn. 2281. Die Existenz einer weiteren Zweigstelle in Paris ist sehr wahrscheinlich. Ebd., MSW, cz. IV, sygn. 99, 67, Minderheitenbericht (2. Quartal 1935); AAN, FPZOO, sygn. 169, 184, ZŻUWoNP an FPZOO, 10. Juli 1939; AAN, Akta Ignacego Schwarzbarta, sygn. 3, passim. 57 Biuletyn Okręgu Krakowsko-Śląskiego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski Nr. 4, 12. August 1935, 15–20; Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepod­ ległość Polski, 309. Auch Herman Schwarz vom ZŻIWSW nahm teil. Ebd., MSW, cz. IV, sygn. 99, 67, Minderheitenbericht (2. Quartal 1935). 58 AAN, FPZOO, sygn. 169, 13, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. Leon Bregman hatte bereits 1928 auf der Konferenz der World Union for Progressive Judaism eine Rede gehalten. First Conference of the World Union for Progressive Judaism Held at Berlin, Saturday, August 18th – Monday, August 20th, 1928, 102 f. 59 Biuletyn Okręgu Krakowsko-Śląskiego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski Nr. 7, 11. November 1936, 10 f.; P. Landau, Les Juifs de France et la Grande Guerre, 226–231; CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 20, 12. 

Ausgegrenzt und einbezogen

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polnische Resolution paralysierte«; der Grund hierfür war sicher die seit 1935 anschwellende antijüdische Gewaltwelle in Polen.60 Der Veteranenverband nutzte seine ausländischen Kontakte auch, um im Januar 1939 die angelsächsisch-jüdischen Veteranenverbände um eine Intervention bei ihren Regierungen zugunsten einer Einwanderungserlaubnis für polnische Juden zu bitten.61 Mit der wachsenden Aufmerksamkeit staatlicher Stellen und der organisatorischen wie ideologischen Einbindung in das regierungsnahe Veteranenmilieu erweiterten sich die Tätigkeitsfelder des Vereins.62 Wie in einem Bericht des Innenministeriums von 1934 zu lesen ist, erstreckten sich diese auf »staatsbildende Aktivitäten, Arbeit in Erziehung, Bildung und Ideologie, Wehrertüchtigung der jüdischen Jugend, Betreuung von arbeitslosen und einsamen jüdischen Soldaten, Pflege der Gräber der Gefallenen aus dem Unabhängigkeitskampf, Verbreitung der Ideen Marschall Piłsudskis in der jüdischen Gemeinschaft sowie die Überzeugung derselben, an der Schaffung der polnischen Großmachtstellung mitzuwirken«.63

Darüber hinaus wurde der ZŻUWoNP zu einem wichtigen Partner der Militärseelsorge bei der Betreuung der jüdischen Soldaten. Für das unterbesetzte und unterfinanzierte Armeerabbinat war dies eine willkommene Entlastung, zumal die jüdischen Gemeinden an den Garnisonsstandorten ebenso wenig über entsprechende finanzielle Ressourcen verfügten. Gepflegt wurden die engen Kontakte zwischen Verband und Rabbinat, das an der Gründung mancher Ortsvereine sicherlich nicht unbeteiligt war, durch regelmäßige Besuche der Militärgeistlichen bei der Vereinsbasis.64 Auf dem Verbandstreffen von Januar 1936 verkündete der oberste Militärrabbiner Steinberg, die besondere Aufgabe des Veteranenverbandes läge nicht nur in der Pflege des Totengedenkens, sondern vor allem in der Weitergabe von Werten an die Jugend

60 AAN, FPZOO, sygn. 169, 13, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. Vgl. auch AAN, MSZ, sygn. 3032, passim. Als Überblicksdarstellung zur antijüdischen Gewalt seit 1935 Żyndul, Zajścia antyżydowskie w Polsce w latach 1935–1937. 61 AAN, FPZOO, sygn. 169, 13, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. 62 Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 114 und 116; Mierzwa, Kombatancki Kraków 1918–1939, 94; Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 309. 63 AAN, MSW, cz.  IV, sygn. 96, 103, Minderheitenbericht (3.  Quartal 1934). Die materielle Unterstützung hilfsbedürftiger Veteranen und Invaliden übernahmen in einigen Ortsverbänden die Abteilungen der Bruderhilfe (Bratnia Pomoc). Diese ermöglichten eine ärztliche Versorgung, stellten Medikamente zur Verfügung, verteilten finanzielle Beihilfen und beschäftigten arbeitslose Veteranen. AAN, FPZOO, sygn. 169, 134, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. 64 CAW, BWN, sygn. I.300.20.119, 209–216, 237 f., 246–251; ebd., sygn. 120, 1–6 und 26–28. Vgl. auch die Kovler Shtime vom 1. Mai 1936 und das Lubliner Togblat vom 12. Juli 1936 (hier nach der polnischen Übersetzung in CAW, BWN, sygn. I.300.20.120, 36 und 39).

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Abb. 11: Das Präsidium des Kongresses des ZŻUWoNP, Leopold Spira, Vorsitzender Leon Bregman und Nikodem Polak (v. l. n. r.), auf der Zusammenkunft am 4. Januar 1936 im Jabłonowski-Palais, dem Sitz des Warschauer Stadtrats. Die Gemälde im Hintergrund zeigen den Staatspräsidenten Ignacy Mościcki und den bereits verstorbenen Staatsgründer Józef Piłsudski. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (The National Digital Archives).

und der Betreuung jetziger Soldaten (Abb. 11).65 In der Tat übernahm man an religiösen Festtagen vielerorts gemeinsam mit den Gemeinden die Versorgung der Soldaten mit koscheren Speisen.66 In einigen Fällen organisierte der Verband auch ein kulturelles Rahmenprogramm in den Garnisonen, das aus Treffen mit der örtlichen Gemeinde, Vorträgen und einem gemeinsamen Festmahl bestand, an denen auch offizielle Vertreter der Armee teilnahmen.67 Der Sederabend, den der Lemberger Ortsverein für die aktiven Soldaten 1936 organisierte, begann beispielsweise mit einer Predigt eines Rabbiners, gefolgt vom traditionellen Segensspruch, dem Kiddusch, und einer Lesung von Auszügen aus der Haggada. Nach dem Festmahl folgten Ansprachen 65 Zjazd Zw[iązku] Żydów-Uczestników Walk o Niepodległość, in: PZ, 7. Januar 1936; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 5-ta Rano, 9. Januar 1936. 66 CAW, BWN, sygn. I.300.20.116, 173, BWN an MSW, 5. April 1935. Vgl. auch ebd., 196. 67 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 20, 5 f.

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des jüdischen Gemeindevorsitzenden, des Vereinsvorsitzenden sowie eines Armeevertreters. Die Veranstaltung wurde durch das Singen von Soldatenliedern beschlossen.68 Mit seinem Engagement in den Garnisonen an den Feiertagen wollte der ZŻUWoNP die Moral der jüdischen Soldaten und damit der gesamten Streitkräfte stärken, war doch die Armee in außenpolitisch schwierigen Zeiten »Garantin der Unabhängigkeit der Republik und der Freiheit aller Bürger«.69 Das Hauptziel war die Pflege und Weitergabe des Ideals des »jüdischen Unabhängigkeitskämpfers« (Żyd Niepodległościowiec).70 Die Veteranen verstanden sich damit letztlich als generationelles Bindeglied zwischen der polnischen Unabhängigkeitsbewegung vor 1918 und einer jungen Generation, die bereits im souveränen Polen sozialisiert wurde und die Tradition der Gründerväter als aktive und opferbereite Soldaten fortführen sollte. Dem gleichen Anspruch folgte die Jugendarbeit des Verbandes, die 1934 mit dem Jugendkader (Kadra Młodych) eine eigene Organisationsstruktur erhielt71 und sich vor allem an die Rückkehrer vom Wehrdienst richtete.72 Parallel gab es Versuche, eine eigene Pfadfinderorganisation zu etablieren, was allerdings nur im Bezirk Krakau-Schlesien kurz vor Kriegsausbruch ansatzweise gelang.73 Hinzu kamen in lokal unterschiedlichem Maße Anstrengungen im Bereich der Allgemeinbildung, wie die Organisation von Vorträgen oder der Aufbau einer Vereinsbibliothek.74 Auch im Bereich des Wehrsports, der eine starke staatliche Förderung erfuhr, entwickelte der ZŻUWoNP Aktivitäten, die allerdings lokal begrenzt und auf einem recht niedrigen Organisationsniveau blieben.75 Ein weiteres Betätigungsfeld des Veteranenverbandes, darin unterschied er sich nicht vom Invalidenverband und vielen jüdischen Institutionen, war die Teilnahme an den bereits mehrfach genannten staatlichen Unterstützungsaktionen für Militär und Zivil-

68 Ebd. Als weiteres Beispiel vgl. das vom ZŻUWoNP organisierte Totengedenken in der Lemberger Synagoge. CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, Gazeta Poranna, 5. September 1933. 69 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 20, 5 f., Rundschreiben Nr. 37, 23. März 1936. 70 Ebd. 71 Biuletyn Okręgu Krakowsko-Śląskiego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski Nr. 1, Juni 1934, 16; ebd., Nr. 4, 12. August 1935, 9–12; AAN, FPZOO, sygn. 169, 10, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939; CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 22, Rundschreiben Nr. 65, 9. Mai 1938, und Nr. 66, 5. Juni 1938, 11–15; ebd., spr. 23, 8 f., Rundschreiben Nr. 73, 21. März 1939; Pilch, Studenci Krakowa w Drugiej Rzeczypospolitej, 309 f. 72 Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe 12 (1938), H. 3, 307–327, hier 320 f. In Lemberg stand der Anthropologe und Rassekundler Salomon Czortkower (1903–1943), ein Schüler Czekanowskis, an der Spitze der Jungkader. 73 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 21, 29. Langfristig sollten die Pfadfinder dem Polnischen Pfadfinderverband (Związek Harcerstwa Polskiego) beitreten. 74 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 31, 6. 75 Ebd.

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schutz (LOPP, LMiK, FOM, FON und andere).76 Die Verbandsmitglieder sollten so ihr Pflichtbewusstsein als Bürger und Patrioten dokumentieren,77 aber auch in Kontakt mit der polnischen Mehrheitsgesellschaft gelangen und diese für die Lage der Juden sensibilisieren.78

4.2 Geschichte für Gegenwart und Zukunft. Jüdisch-polnische Gedächtniskultur nach 1918 Hinter den vielfältigen Aktivitäten des ZŻUWoNP verbarg sich die Hoffnung, den Polen die Augen für die patriotischen Leistungen von Juden zu öffnen und ihre Vorbehalte gegenüber Juden abzubauen. So wie der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten den Patriotismus der deutschen Juden an der Zahl jüdischer Weltkriegstoter festmachte, führte der ZŻUWoNP eine Reihe historischer Figuren ins Feld, deren Biografien als reale Beispiele einer jüdisch-polnischen Symbiose verstanden wurden. Der Bezugspunkt aller Anstrengungen des jüdischen Veteranenverbandes auf historischem Gebiet war die polnische Erinnerungskultur, der es gleichwohl selbst in vielen Fragen an einem Konsens mangelte. Dies betraf vor allem die jüngste Vergangenheit. Aus diesem Grund konnte man sich auf den 3. Mai als Nationalfeiertag einigen, an dem der Verabschiedung der Verfassung von 1791 gedacht wurde und dessen Symbolik von Freiheit und Unabhängigkeit auch von der Mehrzahl der Juden angenommen wurde.79 Doch bereits bei der Auswahl eines Datums für den Unabhängigkeitstag gab es erbitterte Deutungskämpfe um die angemessene Berücksichtigung der Leistungen einzelner Personen und Parteien. Es standen nicht weniger als 19 Termine im Raum und erst nach 1926 setzte sich der 11. November als offizieller Gedenktag durch.80 Das ­Sanacja-Regime verstand es dann, die Unabhängigkeitsfeiern in seinem Sinne zu inszenieren und mit historischen Bezügen anzureichern, die die Gegenwart als Apogäum einer entbehrungsreichen und kämpferischen Vergangenheit erscheinen ließen.81 76 Zahlreiche jüdische Gemeinden beteiligten sich, oft in Kooperation mit dem ZŻUWoNP, an den Aktionen. Vgl. beispielsweise Skupień, Ludność żydowska w województwie poznańskim w latach 1919–1938, 181–185. 77 Beispiele u. a. in AAN, MSW, cz. 1, sygn. 967, 21. 78 Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 116. 79 Steffen, Jüdische Polonität, 112–114. 80 Henschel, »Bei uns werden die Menschen nicht nach ihren Verdiensten beurteilt.«; Suleja, Spory o listopad; Wachowska, Od 11 listopada do 11 listopada, czyli spory o symboliczne święto niepodległości; Czubiński, Spory o II Rzeczpospolitą. 81 Henschel, »Bei uns werden die Menschen nicht nach ihren Verdiensten beurteilt.«; Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939.

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Die Geschichtsversessenheit des Piłsudski-Lagers rief zahlreiche Kritiker besonders aus dem rechten politischen Spektrum auf den Plan. Roman Dmowski hob in einem Brief an Stanisław Grabski im März 1919 Piłsudskis Geschichtsverliebtheit hervor und machte daran dessen mangelnde Eignung als Staatschef fest: »Dieser Mensch hat verschiedene gefährliche Seiten: 1. Er versteht Polen nicht, weiß nicht, was für es notwendig und möglich ist; 2. er ist kein Mensch von heute und gehört in seiner psychischen Verfassung in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts; 3. er ist keine homogene Persönlichkeit: Es handelt sich bei ihm um eine Konstruktion aus einem polnischen Romantiker und moskowitischen Bolschewisten, was sich genetisch erklären lässt; 4. er ist nicht er selbst, sondern er äfft große historische Vorbilder nach, was immer zu verfehlten Taten führt; 5. er wird von den ihn umgebenden Trotteln aufs Podest eines Gottes gehoben und bemüht sich größer zu sein, als der Herrgott ihn schuf, er täuscht eine große Kraft vor, hinter der sich Schwäche verbirgt usw. Er macht unterdessen auf mich den Eindruck eines Ochsen, der im Glauben, ein Stier zu sein, eine Kuh besteigt.«82

In der Tat unternahm Piłsudski einige Versuche, sich selbst als historisch bedeutsame Figur darzustellen und zugleich in die Ahnenreihe polnischer Nationalhelden aufgenommen zu werden. Als er sich 1923 vorübergehend aus dem politischen Geschäft zurückzog, versuchte er sich als Historiker und veröffentlichte militärgeschichtliche Studien über den Januaraufstand und den Krieg von 1920, mit denen er auch seine Kritiker widerlegen wollte.83 Wieder an der Macht, war er recht erfolgreich darin, die piłsudskistische Sicht auf die polnische Geschichte langfristig im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Den Kern dieses historischen Narrativs bildeten die Jahre 1914 bis 1921, in denen Piłsudski der einsame, unbeugsame, unermüdliche Vorkämpfer für die nationale Freiheit gewesen sei. Das Fundament dieser Geschichtswahrnehmung bildeten die nationalen Aufstände, hier vor allem der Januaraufstand von 1863, dessen wenigen noch lebenden Veteranen der Marschall besonders gern die Ehre erwies. Der nationale Unabhängigkeitskampf, zunächst von einer kleinen Gruppe unbeugsamer Patrioten geführt, wurde bald umgedeutet zur »bewaffneten Tat« aller Polen, die sich hinter ihrem »Großvater« genannten Anführer Piłsudski versammelten. Die Erinnerung an die Kampfjahre der Legionen, vor allem aber an die Grenzkriege sollte den nachwachsenden Generationen Kampfbereitschaft einimpfen, um das Land gegen seine mächtigen äußeren Feinde zu verteidigen. Diese Bedeutung des kollektiven Gedächtnisses für die Gegenwart fasste beispielsweise Wacław Lipiński in Worte. Als ehemaliger Legionär und Militärhistoriker einer der

82 Wapiński, Polityka i politycy, 163. 83 Piłsudski, Erinnerungen, Bd. 2.

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Panegyriker Piłsudskis, formulierte er 1931 in der pathetischen Sprache der Zeit einen Befund, dem wohl alle politischen Lager so zugestimmt hätten, nämlich »dass der bewaffnete Kampf für die Unabhängigkeit Polens in der Gesellschaft gewaltige Veränderungen entstehen ließ, ihre psychische Energie weckte und zu einer Anspannung der geistigen Kräfte führte, die einer freien und souveränen Nation würdig war. Er [der Kampf] lehrte an die eigenen Kräfte zu glauben und Besitz und Leben für das Land zu opfern.«84

Jenseits des Regierungslagers stießen die geschichtspolitischen Offensiven der Piłsudski-Jahre auf wenig Gegenliebe, wurden doch die Leistungen so bedeutender Kräfte wie der Nationaldemokratie kaum hinreichend gewürdigt. Die Zahl von Jubiläen und Jahrestagen war bald schwer zu überblicken und es ist kaum vorstellbar, dass all diese Anlässe tatsächlich von der gesamten Bevölkerung wahrgenommen wurden. Die nationaldemokratische Tageszeitung Głos Lubelski hatte im Umfeld der 15-Jahr-Feiern der staatlichen Unabhängigkeit für die von der Sanacja betriebene Art der Geschichtskultur nichts übrig und spottete, es gebe eine eigene Regierungskommission für das Ersinnen immer neuer Gedenkanlässe. Als Neuerung schlug das Blatt die Errichtung eines landesweiten »Denkmalswaldes« als touristische Attraktion vor, bestehend aus je einem Denkmal pro 1 000 Einwohner.85 Einer der zentralen Streitpunkte war die Frage, welcher Akteur beziehungsweise welches politische Lager sich die Rettung Polens vor der sowjetischen Invasion im Sommer 1920 als Verdienst zuschreiben durfte. Die diesbezüglichen Debatten begannen unmittelbar nach der siegreichen Schlacht bei Warschau. Die für den Krieg kurzzeitig hergestellte innere Einheit zerbrach so an der historischen Bewertung des polnischen Sieges. Für Piłsudskis Widersacher war klar, dass nicht etwa dem strategischen Talent des Staatschefs Respekt zu zollen sei, sondern dem Wirken General Weygands und dem Beistand Gottes.86 In diesem Sinne wurde die Rede vom »Wunder an der Weichsel« geprägt, wonach trotz der miserablen militärischen Führung am 15. August ein polnisches »Wunder an der Marne« geschehen sei.87 Für den Historiker Wacław Sobieski, der aufgrund seiner kritischen Einstellung zu Piłsudski vom

84 Lipiński, Walka zbrojna o niepodległość Polski w latach 1905–1918, 419. Vgl. auch die Anmerkungen zur polnischen Weltkriegsliteratur von Kolbuszewski, Literatura wobec historii, 187–218. 85 Obchody i pomniki, in: Głos Lubelski, 7. November 1933,  3. Für das gesamte Zitat vgl. Henschel, »Bei uns werden die Menschen nicht nach ihren Verdiensten beurteilt.«, 35. 86 Biskupski, Paderewski, Polish Politics, and the Battle of Warsaw 1920, 506; Janusz Szczepański, Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku, 270–272. 87 AAN, IW, sygn. 296/I–17, 99, Morgenpresseschau Nr. 342, 31. Juli 1920.

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Sanacja-Regime stark bedrängt wurde, lag das »große Wunder« von 1920 in der Einheit der »gesamten Nation« und der Unterbrechung der Parteikonflikte.88 Piłsudskis Anhänger wendeten die Rede von der göttlichen Fügung positiv und gingen dazu über, das »Wunder an der Weichsel« zu einem zentralen Baustein des Piłsudski-Kults auszubauen.89 Die Darstellung der Schlacht als göttlicher Fügung lag allerdings auch im Interesse der stark in der Verteidigungspropaganda aktiven katholischen Kirche. Mit dem gefallenen Feldkaplan Ignacy Skorupka verfügte sie über eine ikonografische Figur, die postum mit dem Virtuti Militari ausgezeichnet wurde. Der Legende zufolge setzte sich der unbewaffnete Geistliche an die Spitze seiner Kameraden, bevor er an vorderster Front von einer feindlichen Kugel getötet wurde. Sein Tod war fester Bestandteil des nationaldemokratischen Wunder-Narrativs90 und fand, religiös verklärt und verknüpft mit dem antemurale-Gedanken, bald auch Eingang in die militärische Bildungsarbeit.91 Die religiöse Aufladung der Erinnerungskultur untermauerte die Führungsrolle des Katholizismus als polnischer Nationalreligion. Dass darüber ein weitgehender politischer Konsens herrschte, zeigte schon die offizielle Totenehrung der Gefallenen des Polnisch-Sowjetischen Krieges, die zu Allerseelen 1920 mit Messen und Feldmessen im ganzen Land begangen wurde.92 Auch der Jahrestag der Schlacht bei Warschau wurde ab 1923 als Tag des Soldaten am 15. August gefeiert. Auf diesen Tag fiel nicht nur der Beginn der polnischen Gegenoffensive, sondern auch das katholische Hochfest Mariä Himmelfahrt.93 Über die jüngere Vergangenheit hinaus machte sich die gerade wiedererrichtete Republik zudem recht schnell an die Restitution älterer historischer

88 Sobieski, Dzieje Polski, Bd. 3, 229 und 231. General Józef Haller beging den 15. August stets als Jahrestag des Wunders an der Weichsel, etwa 1930 in Tschenstochau. Aus der umfangreichen zeitgenössischen Publizistik stellvertretend Gostyński, »Cud Wisły« w świetle zasad strategji; Grzymała-Siedlecki, Cud Wisły; Żółtyński, »Cud nad Wisła«; Grabiec, O nasze granice. Bereits 1921 schuf der Regisseur Ryszard Bolesławski einen gleichnamigen Stummfilm. Tenzer, Nation, Kunst, Zensur, 156. 89 Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, ­272–276; Zloch, Polnischer Nationalismus, 159–165. 90 Żak, Ks.  Ignacy Skorupka  – symbol obrony Warszawy; Waszkiewicz, Duszpasterstwo w siłach zbrojnych II Rzeczypospolitej, 49; M. Markowski, Społeczeństwo województwa kieleckiego wobec wojny polsko-bolszewickiej 1919–1920, 61 und 187–194. Beispiele der Verklärung Skorupkas: Wielkie dni Warszawy, in: Tygodnik Ilustrowany, 21. August 1920, 658; Bogusławska, Dziedzictwo Kordeckiego; Bartnicki, Zwycięstwo w bitwie Warszawskiej jako dar Bożej Opatrzności. Ein besonderer Höhepunkt des Skorupka-Kults war das Jahr 1920. 91 CAW, BWN, sygn. I.30020.38, 220 f., Nauka Obywatelska, pogadanka Nr. 65: Co żołnierz powinien wiedzieć o kościele katolickim w Polsce, 1936. 92 AAN, PRM, sygn. 133–13. 93 AAN, PRM, Rkt. 49/8, 172–174, Tagesbefehl Nr. 126 des MSWojsk, 4. August 1923.

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Symbole und schuf so eine die Vergangenheit und Gegenwart umspannende Narration. Beispielhaft dafür war die Aufstellung des Poniatowski-Denkmals 1922 in Warschau. Die von Bertel Thorvaldsen geschaffene antikisierende Reiterfigur war bereits 1832 mithilfe von Spendengeldern angefertigt worden. Die russischen Behörden hatten die Aufstellung wegen des Novemberaufstandes jedoch untersagt und stattdessen an der vorgesehenen Stelle ein Denkmal des Marschalls und Statthalters Iwan Paskewitsch (1782–1856) errichtet. Da der Rigaer Friedensvertrag die Rückgabe polnischer Kulturgüter vorsah, konnte das Poniatowski-Monument 1923 erstmals an seinem eigentlichen Bestimmungsort vor dem Sächsischen Palais aufgestellt werden, nachdem es jahrzehntelang den Paskewitsch-Palast in Homel geschmückt hatte.94 Die erforderlichen Geldmittel wurden wieder teilweise durch Spenden finanziert, zu denen auch das Kriegsministerium die Soldaten aufforderte. Der Zweck des Denkmals wurde so beschrieben: »Der Sieg, im Jahr 1920 durch Euch erkämpft, befreite den bronzenen Fürsten Józef. Er kehrte in das freie Warschau zurück. Er soll bald auf dem Sächsischen Platz stehen und wird auf eure Reihen schauen und ihnen mit dem Schwert den Weg der Aufopferung und Ehre weisen.«95 Das Reiterstandbild blickte nun direkt auf die AlexanderNewski-Kathedrale, die als Symbol der Zarenherrschaft über Polen allerdings 1924–1926 abgetragen wurde. Seit 1925 befindet sich hinter dem damaligen Standort der Poniatowski-Statue das Grabmal des Unbekannten Soldaten.96 Für den jüdischen Veteranenverband, der sich bewusst zu seinen Wurzeln im politischen Umfeld Piłsudskis bekannte, besaßen die christlich-katholischen Reminiszenzen der offiziellen Erinnerungskultur keine Relevanz. Nicht Marienverehrung und Wunderglaube, sondern der Bezug auf die polnisch-jüdische Geschichte, vor allem auf die heroischen Momente gemeinsam ausgefochtener bewaffneter Konflikte, bildete die Essenz des Selbstverständnisses der »Polen mosaischen Glaubens«, wie sie im ZŻUWoNP anzutreffen waren. Problematische Kapitel der polnisch-jüdischen Beziehungen zu thematisieren, etwa die politisch weiter nicht aufgearbeiteten Ereignisse von Jabłonna, erübrigte sich damit von selbst. Mit ihrem nahezu kritiklosen Anschluss an die offizielle Geschichtsrhetorik unterschieden sich die jüdischen Veteranen in Polen nicht von jenen in anderen europäischen Ländern, die 94 Grzesiuk-Olszewska, Warszawska rzeźba pomnikowa, 64–69; Kotkowska-Bareja, Pomnik Poniatowskiego. 95 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 6, 146, Tagesbefehl Nr. 98 des MSWojsk, 19. Juni 1922. Vgl. auch die Tagesbefehle Nr. 164 und 165 des MSWojsk, 12. und 13. Oktober 1923; ebd., t. 8, 232 f. 96 Zur Symbolik des Grabmals Henschel, Der Erste Weltkrieg, 214–219; Mick, Der Kult um den Unbekannten Soldaten in der Zweiten Polnischen Republik. Interessanterweise wurden in Lemberg evangelische Geistliche und Militärseelsorger von den Feiern zur Exhumierung des Unbekannten Soldaten ausgeschlossen und fanden auch bei dessen Beisetzung in Warschau nur auf der Zuschauertribüne Platz. CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.2662.

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sich zu den jeweiligen Staatsnationen bekannten und alles taten, um Zweifel an ihrer patriotischen Haltung zu zerstreuen. Der Historiker Ezra Mendelsohn hegt für dieses Streben offenbar wenig Sympathie, wenn er schreibt: »The tragicomic hunt for Jewish patriots and martyrs was combined with a rather pathetic effort to claim a kind of spiritual or historical affinity between the Jews and their ›hosts‹.«97 Dieser Befund ist mit dem Wissen des Historikers sicher zutreffend, doch sollte dabei nicht vergessen werden, dass aus der Perspektive der Ereigniszeit heraus die Strategie des ZŻUWoNP und anderer Organisationen in ganz Europa durchaus noch eine ernsthafte Alternative zu den Identitätskonzepten der übrigen politischen Strömungen innerhalb des Judentums bot. Die historische jüdisch-polnische Wertegemeinschaft, wie sie vom ZŻUWoNP, aber auch von anderen Akteuren bis hin zu einigen Zionisten propagiert wurde, ist von Zdzisław Zmigryder-Konopka wahrscheinlich am besten in Worte gefasst worden. In mehreren Reden, die auch in gedruckter Form vom Verband verbreitet wurden, beschwor er die Bedeutung der gemeinsamen historischen Erfahrungen von Polen und Juden für die Gegenwart. Wie er in seiner Rede zum 75. Jahrestag des Januaraufstandes deutlich machte, waren es moralische Werte, die der Historie Relevanz für das Hier und Jetzt verliehen.98 An anderer Stelle formulierte Zmigryder-Konopka einen Satz, den man als die Quintessenz des Geschichtsbildes des ZŻUWoNP bezeichnen könnte: »Die Geschichte der polnischen Judenheit als Bürger und nicht Fremde in Polen begann in dem Moment, als richtig erkannt wurde, DIE JUDEN ALS BÜRGER ZUR VERTEIDIGUNG POLENS UND ZUM KAMPF UM SEINE UNABHÄNGIGKEIT EINZUBERUFEN, was für uns überaus ehrenvoll war.«99

Am Beginn dieser vom ZŻUWoNP und von zahlreichen anderen jüdischen Institutionen und Akteuren vertretenen polnisch-jüdischen Chronologie stand unverändert Berek Joselewicz. Wie bereits zur Jahrhundertwende war die Rezeption dieser historischen Ikone in der Zwischenkriegszeit auch außerhalb des Landes beachtlich, zumal der Diskurs um die Wehrhaftigkeit 97 Mendelsohn, On Modern Jewish Politics, 11. 98 Zmigryder-Konopka, Walor przeszłości. Die Broschüre wurde in den Ortsvereinen verteilt und findet sich mit weiteren Publikationen dieses Autors auch in den Akten der FPZOO. CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 22, 7; AAN, FPZOO, sygn. 169, 92. Sie wurde zudem im Organ der Warschauer Gemeinde nachgedruckt. Di Kehile Sztyme / Głos Gminy Żydowskiej 2 (1938), H. 1, 8–10. 99 Zmigryder-Konopka, III-ci Walny Zjazd Delegatów Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski w Krakowie dnia 5.XII.1937 r. Referat ideowy, 10 (Hervorhebung im Original). Das Erscheinen der Broschüre wurde auch in den Wiadomości Literackie vermerkt. Dudziński, Wśród książek, 5.

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von Juden in vollem Gange war.100 Einen wichtigen Beitrag dazu leistete auch die Romantrilogie In poylishe velder des jiddischsprachigen und vielfach übersetzten Autors Joseph Opatoshu, die in Polen 1928 verfilmt wurde.101 Darin werden die Erfahrungen eines jungen polnischen Juden in der Ära des Januaraufstandes beschrieben. In einer Schlüsselszene des ersten Teils besucht der Romanheld Mordechai das Städtchen Kock mit dem Grab Joselewicz’ und lernt dessen Geschichte als jüdischer Freiheitskämpfer, aber auch die unterschiedlichen Reaktionen von Juden darauf kennen.102 Im unabhängigen Polen der Zwischenkriegszeit setzte ein schmales Bändchen zum 109. Todestag Joselewicz’ die Rezeption dieser Figur in Gang.103 1921, im Jahr des Rigaer Friedens, würdigte dann der Journalist und folkistische Sejmabgeordnete Samuel Hirszhorn in seiner Historja Żydów w Polsce. Od Sejmu Czteroletniego do wojny europejskiej (1788–1914) Joselewicz als »leuchtendes Symbol des Patriotismus unter den Juden«.104 Ihren Höhepunkt erreichten die JoselewiczEhrungen mit den Feierlichkeiten zu seinem 125. Todestag im Mai 1934, die maßgeblich von dem Historiker Majer Bałaban geprägt wurden, der auch eine repräsentative Festschrift herausgab, die den damaligen Forschungsstand zu Joselewicz zusammenführte.105 Bereits früher hatte es organisierte JoselewiczFeiern beispielsweise in Lublin und Kock gegeben.106 Vielleicht dienten diese 100 Kobler, Jüdische Geschichte in Briefen aus Ost und West, 47. In einer späten Publikation des Reichsbundes der jüdischen Frontsoldaten ist ihm ein ganzes Kapitel gewidmet. Wollenberg / Löwenstein, Heroische Gestalten jüdischen Stammes, 23–40. 101 Waxman, A History of Jewish Literature, Bd. 4, 1010–1014; Koller / Estraikh / Krutikov (Hgg.), Joseph Opatoshu. Zur Verfilmung durch Jonas Turkow mit dem Titel In di poylishe velder (Premiere 1929) Gross, Film żydowski w Polsce, 42–47. Majer Bałaban war wissenschaftlicher Berater der Produktion. 102 Opatoshu, Der letzte Waldjude. Zum Umgang Opatoshus mit den historischen Ereignissen vgl. die Anmerkungen von Bałaban, W przededniu powstania Styczniowego. 103 Steffen, Visionen jüdisch-polnischer Gemeinsamkeit, 340; Libera, Od Sejmu Czteroletniego do Napoleona, 172. 104 Hirszhorn, Historja Żydów w Polsce, 46–51 und 69–71, hier 69. 105 Bałaban (Hg.), Księga pamiątkowa (album) ku czci Berka Joselewicza, pułkownika wojsk polskich, w 125-letnią rocznicę Jego bohaterskiej śmierci, 1809–1934, passim. Ein Vorschlag für die Herausgabe einer Biografie Joselewicz’ kam bereits 1932 vom Militärrabbiner Fränkel. CAW, BWN, sygn. I.300.20.133, 83. Bałaban selbst hatte Joselewicz bereits früher gewürdigt. Ders., Historja i literatura żydowska ze szczególnem uwzględnieniem historji Żydów w Polsce, Bd. 3, 430. In Warschau bestanden die Feiern aus einem Vortrag Bałabans, einer Kranzniederlegung am Grab des Unbekannten Soldaten sowie am Grab eines jüdischen Mitglieds der 1. Brigade der Polnischen Legionen und dem Absingen des Marschs der 1. Brigade wie auch der Nationalhymne. Steffen, Jüdische Polonität, 105. Eine Zusammenfassung des Festvortrags Bałabans wurde abgedruckt in: Biuletyn Okręgu KrakowskoŚląskiego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski Nr. 1, Juni 1934. 106 CAW, BWN, sygn. I.300.20.133, 81 f., 99–119. Vgl. auch das Bildmaterial zur JoselewiczFeier in Kock 1934: Uroczystość pod pomnikiem Pułkownika Berka Joselewicza w Kocku, in: Nasz Przegląd Ilustrowany (1934) 11, 1.

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als Generalprobe für das große Jubiläum 1934, zumindest drängt sich dieser Eindruck angesichts des Umfangs der Veranstaltungen auf.107 Das Joselewicz-Gedenken lieferte der Sanacja-Herrschaft einen Anknüpfungspunkt, der jüdischen Bevölkerung symbolisch entgegenzukommen. Bereits in den 1920er Jahren waren in einigen Städten, so in Siedlce, Straßen nach Joselewicz benannt worden, was ebenso die Mitwirkung nichtjüdischer Vertreter voraussetzte.108 1927 wurde in Kock ein Komitee zur Errichtung einer Berufsschule gegründet, die nach dem Helden benannt werden sollte.109 Ihm gehörten hochrangige Politiker und gesellschaftliche Vertreter an, darunter sogar ein Repräsentant der Nationaldemokratie. Das Schulprojekt wurde in den Folgejahren, besonders aber im Jubiläumsjahr 1929 von einer erheblichen Öffentlichkeitsarbeit begleitet, etwa durch den Druck von Łunińskis Lebensbeschreibung Berek Joselewicz und einen landesweiten Spendenaufruf. Zur geplanten Veröffentlichung einer neuen Joselewicz-Biografie aus der Feder des Pädagogen und Publizisten Gedo Hecht kam es vorerst noch nicht; der Text erschien erst kurz vor Kriegsausbruch in Druckform.110 Nachdem es aufgrund eines Brandes zu Verzögerungen beim Bau kam, übernahm Piłsudski selbst die Schirmherrschaft über das Vorhaben. Der Rohbau wurde jedoch erst nach dreijähriger Bauzeit 1939 vollendet.111 Joselewicz’ Name entwickelte sich in den Piłsudski-Jahren zum Synonym für den jüdisch-polnischen Patriotismus, sein Gedenken wurde – ganz wie im Falle Poniatowskis – für aktuelle Zwecke in Dienst genommen. So war in der Presse vom »Geist Berek Joselewicz’« die Rede, als 1929 eine Liste jüdischer Spender für den Dispositionsfonds Piłsudskis in der Presse veröffentlicht wurde.112 1934 wurde in 107 Vgl. die Berichterstattung von Der Moment, Unzer Ekspres, Lubliner Togblat und Kurjer Poranny. CAW, BWN, sygn. I.300.20.133, 99–108 (in polnischer Übersetzung). 108 Kopówka, Żydzi siedleccy, 97 f. Vgl. auch die Diskussionen um das Komitee zur Ehrung des Andenkens an Oberst Berek Joselewicz (Komitet Uczczenia Pamięci pułkownika Berka Joselewicza) in Wilna. AAN, MSW, sygn. 958, 19, Presseschau Nr. 32 (5.–11. August 1928). 109 Mierzwiński, Ludność żydowska w dziejach miasta Kocka, 128 f. Statut und Mitgliederliste auch in Łuniński, Berek Joselewicz, 41–47. 110 Der Band erschien als Bd. 7 der Reihe Biblioteczka »Moja Książeczka« (Kleine Bibliothek »Mein Büchlein«) die sich in polnischer Sprache an eine junge jüdische Leserschaft richtete. Hecht, Bohater narodowy pułkownik Berek Joselewicz, szef szwadronu 5-go pułku strzelców konnych Księstwa Warszawskiego w 130 rocznicę zgonu 1809–1939. Die Publikation beruhte größtenteils auf einem Manuskript Hechts aus dem Jahr 1928, das von Mierzwiński ediert wurde. Hecht, Bohater narodowy pułkownik Berek Joselewicz (rękopis znaleziony w Kocku). 111 Mierzwiński, Ludność żydowska w dziejach miasta Kocka, 128 f. Mitglieder des Komitees waren die Abgeordneten Wacław Bitner, Apolinary Hartglas, die Senatoren Bolesław Limanowski, Jan Stecki und Jan Woźnicki, Bildungsminister Gustaw Dobrucki und andere Würdenträger. 112 CAW, BWN, sygn. I.300.20.133, 47, Abschrift aus Głos Prawdy Ziemi Grodzieńskiej, 19. Juni 1929. Die Spendenaktion war Teil der Feierlichkeiten von Piłsudskis Namenstag. Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, 245.

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Lodz der Todestag Joselewicz’ zum Anlass genommen, eine Gedenktafel zu enthüllen für »die gefallenen Lodzer Juden, die in den Jahren 1914–1920 ihr Leben für Polen hergaben«.113 Die bei all diesen Ereignissen und Vorhaben zu beobachtende Kooperation polnischer und jüdischer Akteure beschränkte sich nicht nur auf die Lokalverwaltungen und die Zentralregierung, sondern schloss auch das Militär mit ein. Armeeführung und Militärrabbinat stimmten sich dabei in ihrem Vorgehen ab, wobei Letzteres freilich den Weisungen der Militärhi­ erarchie unterstand. Vor dem 125. Todestag Joselewicz’ wies beispielsweise die Führung des Korpsbezirks  IX in Brest den zuständigen Rabbiner Raab an, die geplanten Feiern inhaltlich an den vom Bildungsressort genehmigten Geschichtslehrbüchern auszurichten.114 Das vom Militärrabbinat mit seinem Engagement für die Erinnerung an Joselewicz verfolgte Ziel war es, eine um Nation und Vaterland verdiente heroische Gestalt zu präsentieren, die als Prototyp des »Juden-Polen« (Żyd-Polak) ihr Leben in den Dienst des Vaterlandes stellte und opferte. Auf diese Weise hoffte das Rabbinat, »die besten der in jedem Menschen schlummernden Instinkte« zu wecken.115 Dies war auch der Grund dafür, dass die Feierlichkeiten eine möglichst große Zahl nichtjüdischer Soldaten und Zivilpersonen erreichen sollten.116 Für den ZŻUWoNP war eine Mitwirkung an den Joselewicz-Jubiläen selbstverständlich. Die Beteiligung daran, so ist in einem Dokument der Verbandsleitung zu lesen, ermögliche es jenen, »denen es nicht gegeben war, an den Unabhängigkeitskämpfen aktiv teilzunehmen«, ihrer Bindung an den polnischen Staat Ausdruck zu verleihen und die Leistungen der jüdisch-polnischen Freiheitskämpfer zu würdigen.117 Aus diesem Grund hatte die Teilnahme an den Feierlichkeiten 1934 für die jüdischen Veteranen Vorrang vor den anderen staatlichen Gedenktagen wie dem 3. Mai.118 Selbst im nationaldemokratisch dominierten Großpolen gelang es dem ZŻUWoNP, JoselewiczEhrungen zu organisieren, so in Bromberg am 10. Juni 1934 am Grabmal des Unbekannten Aufständischen.119 Vor dem Hintergrund der vielfältigen Joselewicz-Feiern fiel die Ehrung der jüdischen Teilnehmer am Januaraufstand geradezu bescheiden aus, auch wenn die gesamte jüdische Öffentlichkeit dem Thema Aufmerksamkeit wid113 CAW, BWN, sygn. I.300.20.119, 232–234. 114 Ebd., sygn. I.371.9/A.814, Rocznica śmierci płk. Berka Joselewicza, 2. Mai 1934. 115 Ebd., sygn. I.300.20.133, 82. 116 Ebd., 85v. 117 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 143, 12v, Musterbrief des Festkomitees Walk o NP, 21. November 1934. 118 Ebd., spr. 19, 1–3, Rundschreiben an die Kreisvorstände und Ortsverbände, 20. April 1934. 119 Skupień, Ludność żydowska w województwie poznańskim w latach 1919–1938, 169 f. Auch in Posen fand eine Ehrung statt. CAW, BWN, sygn. I.300.20.133, 119.

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mete.120 Einige wenige jüdische Teilnehmer der Erhebung von 1863 lebten noch bis in die 1930er Jahre hinein und wurden entsprechend feierlich gewürdigt. Ihr Vermächtnis galt als »Saat der bewaffneten Tat der nachfolgenden Generationen«, wie es in einem Tagesbefehl des Kriegsministeriums von 1921 hieß.121 Im Weltbild Piłsudskis war der Januaraufstand ein wichtiger Fixpunkt. Der Marschall liebte es, durch Treffen mit den letzten lebenden Zeitzeugen, die er gern als »ältere Kollegen« bezeichnete,122 in Kontakt mit der historischen Wirklichkeit zu treten, zu deren Repräsentanten und Erfüller er sich stilisieren ließ.123 Auch die besondere Rolle von Juden im Januar­ aufstand hatte Piłsudski mehrfach öffentlich gewürdigt, etwa in einer Gedenkrede im Januar 1924.124 Entstammten historische Figuren wie Joselewicz oder die Aufstandsteilnehmer einer anderen Epoche, so dienten die gefallenen Legionäre des Weltkrieges als Beleg dafür, dass auch in der Gegenwart jüdische Kämpfer die Tradition der polnisch-jüdischen Waffenbrüderschaft aufrechterhielten. Besonders der ZŻUWoNP unterstützte Bemühungen, gefallener jüdischer Legionäre und Soldaten zu gedenken.125 Arbeitsschwerpunkte waren hier die Kriegsgräberfürsorge,126 Gedenkveranstaltungen sowie die Publikation historiografischer Arbeiten. Alle drei Bereiche waren nicht scharf voneinander zu trennen und ergänzten einander meist. In die Rolle einer koordinierenden Stelle wuchs dabei das Historische Büro (Biuro Historyczne) des Veteranenverbandes, das als Forschungsstelle und Publikationsreferat diente und 1936 ins Leben gerufen wurde.127 1938 fiel die Entscheidung, in allen Verbands-

120 Vgl. dazu die jährlich wiederkehrende Berichterstattung in Nasz Przegląd sowie das von Nathan Gelber zusammengetragene Material. CAHJP, Gelber Collection, P83, G 149, 150, 159–161, 168, 172–174, 204, 206, 426, 462, 469, 484 f. und 537 f.; Urbach, Udział Żydów w walce o niepodległość Polski, 84–108; Beiträge von Maurycy Mayzel, Pinchas Wasserman, Majer Bałaban und Zmigryder-Konopka in: Di Kehile Sztyme / Głos Gminy Żydowskiej 2 (1938), H. 1. Vgl. auch den Bericht von Halina Nelken über ihren Großvater, einen Veteranen des Aufstandes, und dessen Reaktion auf das Begräbnis Piłsudskis. Dies., Freiheit will ich noch erleben, 18 und 38 f. 121 AAN, PRM, Rkt. 49, t. 6, 55, Tagesbefehl Nr. 136 MSWojsk, 30. Juli 1921. Vgl. auch ebd., 6, 147, Rozkaz Dzienny Nr. 136 MSWojsk, 26. November 1921. 122 Kozyra, Lubelski Urząd Wojewódzki wobec problemów społeczno-politycznych na Lubelszczyźnie w latach 1919–1926, 152. 123 Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, 272. 124 Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 120. 125 Vom ŻZIWiSW sind ebensolche Aktivitäten überliefert. CAW, BWN, sygn. I.300.20.133, 69 f. 126 U. a. CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 22, 20 f., Rundschreiben Nr. 69, 23. September 1938; CAW, BWN, sygn. I.300.20.38, 205, ZŻUWoNP an Obersten Militärrabbiner, 26. September 1937. 127 AAN, MSW, cz. I, sygn. 963, 121 f., Minderheitenbericht (4. Quartal 1936).

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bezirken entsprechende regionale Referate einzurichten, während das Historische Büro des Verbandes Krakau-Schlesien als Hauptbüro fungierte.128 Einzelne Personen, deren Biografien oder Kriegstaten besonders hervorgehoben werden sollten, wurden in verschiedenen Publikationen gewürdigt. Dies lag im Interesse der Regierung  – die den Veteranenverband auch mit dem Ziel förderte, »die Tradition der Kämpfe« fortzuführen.129 Die Lemberger Zweigstelle war verantwortlich für die wichtigste Publikation des ZŻUWoNP überhaupt, den Sammelband Żydzi bojownicy o niepodległość Polski (Jüdische Kämpfer um die Unabhängigkeit Polens), der eine Vielzahl von Heldenbiografien enthält und die historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts in der langen jüdisch-polnischen Geschichte verortet.130 Eine gewisse Verbreitung fand außerdem eine Sammlung von Erzählungen des Journalisten Bogumił Rembowski, Mitglied der 1. Brigade. Unter dem Titel Jak mogę być rasistą  … Urywki wspomnień (Wie kann ich ein Rassist sein  …? Erinnerungsfetzen) schilderte er Kriegsszenen im Stil der zeitgenössischen Erinnerungsliteratur.131 Der ZŻUWoNP instruierte die Mitgliedsgruppen im April 1936, die Verbreitung des Buches diskret zu fördern, etwa durch den an andere Veteranenverbände weitergegebenen Hinweis auf das Erscheinen des Buches oder durch das Sammeln von Geld zur Anschaffung von Exemplaren für jüdische Leser.132 Als stets besonders gewürdigte Persönlichkeit ist Bronisław »Chaber« Mansperl (1890–1915) hervorzuheben.133 Er stammte aus einer Warschauer 128 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 22, 16–18, Rundschreiben Nr. 67, 30. Juni 1938. 129 AAN, FPZOO, sygn. 169, 12, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. 130 Ebd.; Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski. Zeitgleich gab der Warschauer Ortsverband eine Monografie heraus, deren Schwerpunkt auf der Zeit bis 1863 liegt. Urbach, Udział Żydów w walce o niepodległość Polski. Bereits 1935 hatte der ZŻUWoNP Aufrufe in polnischen Veteranenverbänden verbreitet, in denen dazu aufgefordert wurde, Erinnerungen und historisches Material zu jüdischen Soldaten für ein Gedenkbuch zur Verfügung zu stellen. APL, Związek Legionistów Polskich Zarząd Okręgu w Lublinie oraz Zarządy Oddziału w Lublinie i Łukowie, sygn. 4, 22–24, Kommuniqué Nr. 1/1935 des Koło Czwartaków. Das Historische Büro kooperierte auch mit dem jüdischen Invalidenverband ŻZIWiSW, dem es das Material für ein Gedenkbuch zu Ehren gefallener polnisch-jüdischer Unabhängigkeitskämpfer zur Verfügung stellte. Żydostwo polskie swym braciom, którzy walczyli o niepodległość i wolność kraju 1905–1918. Vgl. auch Steffen, Jüdische Polonität, 108 f. 131 Rembowski, Jak mogę być rasistą …? Unter dem gleichen Titel ab 29. Juli 1938 nachgedruckt in Nasz Przegląd. 132 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 20, 9, Beilage zum Rundschreiben Nr. 38, 30. April 1936. Die Aktion scheiterte aus Mangel an Interesse. So blieben etwa im Ortsverein Krakau 700 Exemplare unverkauft. Ebd., spr. 21, L. dz. 3543/37, Rundschreiben Nr. 60, undatiert. 133 Für biografische Angaben vgl. Oficerowie Legionów Polskich 1914–1917, Bd. 3, 100 f.; Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 86; Konic, Żydzi w legjonach (1914–1917).

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akkulturierten Familie, nahm 1905 am Schulstreik teil und studierte später an der Sorbonne Medizin. Dort begründete er die patriotische polnische Jugendorganisation Filarecja mit. Später war Mansperl im ZWC und ZS aktiv. Zwei Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges trat er Piłsudskis Kaderkompanie und anschließend der 1. Brigade der Polnischen Legionen bei, wo er im Frühjahr 1915 Unterleutnant der Infanterie wurde und die 1. Kompanie des III. Bataillons anführte. Im Oktober fiel Mansperl während der Kämpfe um Kukly im Rahmen der deutsch-österreichischen Offensive am Styr in Wolhynien.134 Er wurde zum jüdischen Helden, ausgezeichnet mit dem Virtuti Militari und als tapferer Unabhängigkeitskämpfer auch von zahlreichen Nichtjuden anerkannt. Einem breiteren Publikum bekannt wurde er durch eine literarische Hommage Juliusz Kaden-Bandrowskis, selbst Offizier der 1. Brigade, Adjutant Piłsudskis und einer der meistgelesenen polnischen Schriftsteller seiner Zeit.135 In der Zeitschrift Panteon Polski, die der Erinnerung an die Unabhängigkeitskämpfe gewidmet war, wurde Mansperl mit den Worten gewürdigt, er habe »seinen Glauben und die Tat der Bereks und so vieler anderer« mit seinem Blut versiegelt.136 Schließlich wurde Mansperl auch in visueller Hinsicht zur Ikone, als ihn Artur Szyk in seinem Statut von Kalisch verewigte (Abb. 12).137 In diesem Werk, das als Ausstellung und Postkartenserie in Frankreich und Polen verbreitet wurde und den Beitrag der Juden zur nationalen Geschichte, aber auch die Toleranz des historischen und gegenwärtigen Polens in nationaler und kultureller Hinsicht illustrieren sollte, wurde Mansperl als jüngster Repräsentant der tausendjährigen jüdisch-polnischen Geschichte dargestellt.138 Auch weitere Legionäre und Soldaten fanden Eingang in die jüdische Weltkriegserinnerung. Neben den von Sławek erwähnten Namen waren dies 134 Eine Beschreibung des Kampfes um Kukly findet sich bei Wertheimer, Hindenburgs Mauer im Osten, 22–24. 135 Kaden-Bandrowski, Bronisław Mansperl (Chaber). 136 Bł. p. Bronisław Mansperl-Chaber, in: Panteon Polski 2 (1925), H. 2, 10. Es wurde zudem ein Gefechtsbericht von Mansperl abgedruckt sowie ein weiteres Biogramm von Józef Blauer-Kratowicz, der am gleichen Tag umkam. 137 Szyk, Statut Kaliski / Le Statut de Kalisz. Abbildungen u. a. auch bei Mendelsohn, On Mod­ ern Jewish Politics, 12.  138 Ansell, Arthur Szyk, 43–61. Szyk stellte Juden in Kampfsituationen dar, so während der Revolution 1905 in Warschau und der Erstürmung Pragas 1794 (mit einer Darstellung Berek Joselewicz’, beides auf einer Illustration zur italienischen Übersetzung) oder Berek Joselewicz’ Tod (eigene Seite). Auf der spanischen Tafel sind polnische und jüdische Figuren (Bauer, Adeliger, jüdischer Handwerker und Arbeiter, Chassid) zu sehen, die von Legionären bzw. polnischen Soldaten flankiert werden. Szyk, Statut Kaliski / Le Statut de Kalisz. Während des Zweiten Weltkrieges erlangte Szyk mit seinen Kriegskarikaturen, die u. a. Hitler und Stalin darstellten, große Popularität. Ungar, Soldat der Kunst / Soldier in Art.

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Abb. 12: Die ikonische Darstellung des Todes von Bronisław Mansperl 1915, abgedruckt in Artur Szyks Statut kaliski (Statut von Kalisch). Quelle: Deutsches Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, Studiensammlungen / KD: 1933 C 138.

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beispielsweise Henryk Taub und Nikodem Polak. Taub war 1919 im Konflikt um das Teschener Land getötet worden und wurde zwei Jahrzehnte später exhumiert und auf dem jüdischen Friedhof in Wadowice bestattet.139 Polak wiederum war einer der wenigen jüdischen Veteranen der Blauen Armee und spielte als solcher eine recht bedeutende Rolle im Lemberger Ableger des ZŻUWoNP, dessen Vizepräsident er war. Im Ersten Weltkrieg hatte er als Freiwilliger in der französischen Armee gedient und war vor Verdun schwer verwundet worden. Nach 1918 nahm er dann an den polnischen Kriegen mit der Ukraine und Sowjetrussland teil. Er war Träger zahlreicher polnischer und französischer Auszeichnungen, wie des Virtuti Militari oder des Croix de la Guerre. Seine Beerdigung im Frühjahr 1937 – er starb im Alter von 46 Jahren – war Anlass für zahlreiche Würdigungen.140 Das patriotische Heldentum einzelner Protagonisten war gleichwohl nicht das, womit die Mehrzahl der polnischen Juden den Ersten Weltkrieg verband. Viele hatten Angehörige als Soldaten unterschiedlichster Armeen im Krieg verloren  – die wenigsten der Gefallenen waren dabei als polnische Patrioten in Erscheinung getreten.141 Vor diesem Hintergrund stand der jüdische Invalidenverband dem Erleben und Erinnern der jüdischen Bevölkerungsmehrheit näher als der ZŻUWoNP. Auch die Weltkriegsbestände der JudaikaSammlung des Lemberger Bankiers Maksymilian Goldstein enthielten mehr Zeugnisse vom Schicksal der jüdischen Zivilbevölkerung als etwa Hinterlassenschaften von Soldaten.142 Die Ehrung jüdischer Teilnehmer am Polnisch-Sowjetischen Krieg indes fand nicht in derselben Intensität statt wie die der Legionäre. Gedenkfeiern wie die auf dem Krakauer jüdischen Friedhof im November 1937 anlässlich der Einweihung eines Denkmals »zu Ehren der für Polen gefallenen jüdischen Soldaten«, die im Beisein zahlreicher Honoratioren stattfand, blieben vergleichsweise selten.143 Der Grund dafür mag die weiterhin unterschiedliche Sichtweise auf das Verhalten der Juden von 1920 gewesen sein, die in

139 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 23, 10, Rundschreiben Nr. 74, 1. April 1939; Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 285 und 319. 140 Biuletyn Okręgu Krakowsko-Śląskiego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski Nr. 8, 25. Juni 1937, 2 f.; CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 21, 3, Rundschreiben Nr. 50, 12. April 1937; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 151, Chwila und NP, 14. April 1937. Vgl. auch den Bericht über die Störung des Trauerzuges durch antisemitische Zwischen- und Heil-Hitler-Rufe. Chwila, 20. November 1937, 156. T. Lachowicz, Weterani polscy w Ameryce do 1939 roku, 447; Wierzbieniec, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski we Lwowie (1932–1939), 297. 141 Bartosz, Jewish War Cemeteries in Western Galicia. 142 Goldstein / Dresdener, Kultura i sztuka ludu żydowskiego na ziemiach Polski, 136–142. 143 CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 145 und 161, NP, 19. November 1937 und Krakowski Kurjer Poranny, 16. November 1937.

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den 1930er Jahren einen offensiveren Umgang mit dem Thema verhinderte. Denkbar ist auch die Scheu vor einer – angesichts der innenpolitischen Lage wahrscheinlichen  – neuen Jabłonna-Debatte. So findet sich in einer vom offiziellen Militärverlag 1936 herausgegebenen Broschüre über den Sieg von Warschau folgender stark an den Sommer 1920 erinnernde Satz über die Kollaboration der Bevölkerung in den von der Roten Armee eroberten Gebieten: »Die neu errichteten sowjetischen Ämter übernahm selbstverständlich kein rechtschaffener Pole: Es meldeten sich diejenigen, die sich dem Polentum am wenigsten verbunden fühlten: Juden, Belarusen und eine Handvoll Verräter, die gierig auf die bolschewistischen Versprechen waren.«144 Wegen einer ähnlichen Wortwahl hatte im Jahr zuvor ein Gericht in Hohensalza einen Redakteur des Dziennik Kujawski (Kujawisches Tageblatt) zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Der Journalist hatte in einem Artikel mit dem Titel Koszerni bojowcy o niepodległość (Die koscheren Unabhängigkeitskämpfer) behauptet, die Juden hätten im Krieg vor allem als Drückeberger, Spione und Deserteure sowie als Mitarbeiter von Intendantur und Einquartierungsbüros von sich Reden gemacht.145 Die staatlich gesteuerte Gedenkpraxis bot dem ZŻUWoNP viele Möglichkeiten, die geschilderten jüdischen Perspektiven als Bestandteil des offiziellen Narrativs zu präsentieren und die jüdischen Veteranen als staatstragenden Teil der Gesellschaft Polens zu präsentieren. Dies geschah nicht nur zu den Nationalfeiertagen, dem 3. Mai und bald auch dem 11. November, sondern ebenso zu Anlässen, die eher mit dem Personenkult Piłsudskis zu tun hatten. Von den zahlreichen Möglichkeiten, Loyalität und Verehrung auszudrücken, machten neben den Veteranen auch die meisten anderen jüdischen Organisationen regen Gebrauch. Vor allem Piłsudskis Namenstag am 19. März wurde jährlich neu begangen.146 Vielerorts war der ZŻUWoNP in die Feiern und deren Vorbereitung involviert und wie andere Veteranenorganisationen in die Organisationskomitees integriert.147 Diese Beteiligung diente nach

144 Drzewiecki, Dzięki komu i czemu zwyciężyliśmy w 1920 roku?, 27 f. 145 Żydy w wojnach polskich, in: Orędownik Wrzesiński, 20. Februar 1935, 2. 146 Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, 47 und 240–246; Pałaszewska, Imieniny Marszałka; Żuławnik, Obchody imienin Józefa Piłsudskiego w Płocku w latach 1927–1935 (na podstawie miejscowej prasy); Ku czci Komendanta; W 66 rocznicę imienin I. Marszałka Polski Józefa Piłsudskiego 19. marca 1933; CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.19. 147 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 45, 1 f., Präsidiumssitzung vom 20. Februar 1933. Vgl. auch Steffen, Jüdische Polonität, 114–120. Die Tradition der Namens- und Geburtstagsfeiern be­deutender Persönlichkeiten wurde 1797 in Galizien begründet, als entsprechende Feiern für den österreichischen Herrscher abgehalten wurden. In Kongresspolen wurde bald das Begehen des Namenstages Napoleons üblich. Kałwa, Polska doby rozbiorów i międzywojenna, 320.

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Ansicht des Lemberger Stadtrats und Vorstandsmitglieds Izydor Zirler dazu, »entgegen den vorherrschenden falschen Überzeugungen die emotionale Staatsbindung der jüdischen Bevölkerung zu zeigen«.148 Ähnlich klang die Einschätzung der Minderheitenabteilung des Innenministeriums, wonach trotz aller Schwierigkeiten »die Person Marschall Piłsudskis bei der jüdischen Bevölkerung ein Nimbus der Verehrung« umgab.149 Sein Tod am 12. Mai 1935 wurde dementsprechend mit Bestürzung aufgenommen. Während aber die übrigen Minoritäten die Bedeutung Piłsudskis und seiner Leistungen für Polen lediglich anerkannten, lassen die Reaktionen eines beträchtlichen Teils der Juden auf ein viel emotionaleres Verhältnis zum Staatschef schließen (Abb. 13).150 Die Minderheitenabteilung berichtete von einer »Atmosphäre großer Niedergeschlagenheit und Trauer« in der jüdischen Bevölkerung sowie von zahlreichen Aktivitäten, die den Verstorbenen ehren sollten. So kündigte die Warschauer Gemeinde das Erscheinen eines Gedenkbuches an und in der wolhynischen Stadt Równe erhielten alle während der Staatstrauer geborenen jüdischen Kinder den Vornamen des Marschalls.151 Der ZŻUWoNP plakatierte in Warschau mit dem Versprechen, am polnischen Staat weiterzubauen.152 Aus aller Welt trafen Trauerdepeschen jüdischer Personen und Institutionen ein153 und in Palästina pflanzten polnische Juden einen Piłsudski-Wald.154 In Leipzig nahmen 3 000 polnische und

148 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 47, Protokoll des regionalen Festkomitees zum Namenstag Piłsudskis, 8. März 1933. 149 AAN, MSW, cz. 1, sygn. 78, 83, Minderheitenbericht (Februar – März 1929). 150 Überblicksartig zu den Reaktionen aller nationalen Minderheiten Stanisław Paprocki, Narodowości Rzeczypospolitej wobec zgonu Józefa Piłsudskiego, in: Sprawy Narodowościowe 9 (1935), H. 3–4, 199–232, zu den Juden 223–232; AAN, MSW, cz.  IV, sygn. 99, passim, Minderheitenbericht (2. Quartal 1935); CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 118–135. Vgl. auch Mniejszości narodowe wobec zgonu Marszałka Piłsudskiego, in: PZ, 15. Mai 1935, 7. 151 AAN, MSW, cz. IV, sygn. 99, 99, Minderheitenbericht (2. Quartal 1935). In Lublin erhielt am 11. Juni 1935 das Kind eines Kantors laut einem Bericht des dortigen Militärrabbiners während der Beschneidungszeremonie die Vornamen Józef Klemens. CAW, BWN, sygn. I.300.20.119, 216. 152 AAN, MSW, cz. IV, sygn. 99, 100 f., Minderheitenbericht (2. Quartal 1935). Detaillierter zu den Reaktionen des ZŻUWoNP in: CAW, BWN, sygn. I.300.20.133, 11 und 17.  153 Zu den jüdischen Reaktionen aus Palästina vgl. den Quellenanhang in Wołkonowski, Stosunki polsko-żydowskie w Wilnie i na Wileńszczyźnie 1919–1939, 428–435. Vgl. auch die jährlichen Huldigungsbriefe von Ezriel Rozen aus Palästina und anderen an Piłsudski. CAW, BWN, sygn. I.300.20.132, 48, 69, 72 und 81; ebd., sygn. I.300.20.133, 54–56. 154 Diese Ehre konnten bis dahin nur Lord Balfour, der belgische König und Theodor Herzl für sich beanspruchen. AAN, MSW, cz. IV, sygn. 99, 99, Minderheitenbericht (2. Quartal 1935). Piłsudski wurde bereits in den Vorjahren in Palästina geehrt, etwa anlässlich seines Namenstages 1931. Akademja ku czci Marszałka Piłsudskiego w Tel Awiwie, in: PZ, 25. März 1931, 1.

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deutsche Juden an einer Trauerveranstaltung teil.155 Während der Warschauer Trauerfeiern erwies eine Ehrenwache aus jüdischen Veteranen dem Marschall die letzte Ehre.156 Ihren Abschluss fanden die Feierlichkeiten erst zum ersten Todestag Piłsudskis, an dem das Herz des verstorbenen Staatschefs im Grab seiner Mutter in Wilna beigesetzt wurde.157 Die Zeremonien und Feierlichkeiten, an denen auf zentraler wie lokaler Ebene auch Abordnungen des ZŻUWoNP teilnahmen, wurden vom zentralen staatlichen Komitee zur Ehrung des Andenkens Marschall Józef Piłsudskis (Komitet Uczczenia Pamięci Marszałka Józefa Piłsudskiego) gelenkt.158 Auch an der Aufschüttung des Piłsudski-Hügels auf dem Krakauer Berg Sowiniec beteiligten sich die Verbände der jüdischen Veteranen und Invaliden und andere Organisationen, darunter der Betar.159 Die Brester jiddische Tageszeitung Poleser Nayes berichtete davon, wie im Beisein von Regierungsund Armeevertretern Erde aus den Gräbern jüdischer Gefallener entnommen wurde, die dann gemeinsam mit einer vom ZŻUWoNP gestifteten Urne zum Hügeldenkmal verbracht wurde.160 Im ganzen Land konnten Vereine und Organisationen Erde aus bedeutsamen Gräbern entnehmen, in spezielle Beutel verpacken, diese dann behördlich versiegeln lassen und nach Krakau schicken.161 Die stärkste, fast schon liturgische Aufladung wohnte der Überführung von Erde aus dem Grab Berek Joselewicz’ zum Piłsudski-Hügel inne, mit der gewissermaßen die Verschmelzung polnischer und jüdischer Tradition manifestiert werden sollte.162 In den verbleibenden Jahren bis zum 155 Żydzi w Lipsku, in: PZ, 24. Mai 1935, 2. Eine ähnliche Veranstaltung fand in Antwerpen statt. W głównej synagodze Antwerpii, in: PZ, 27. Mai 1935, 2. 156 Steffen, Jüdische Polonität, 121. 157 Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, 206–208. 158 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 20, 7 f.; AŻIH, Gmina Żydowska w Krakowie, sygn. 107/613. Es existierte ein jüdisches Pendant (Centralny Komitet Żydostwa Dla Uczczenia Pamięci Pierwszego Marszałka Polski). Steffen, Jüdische Polonität, 121. Zu den Aktivitäten des Armeerabbinats vgl. dessen Tätigkeitsberichte für 1936 in: CAW, BWN, sygn. I.300.20.120, 1–6, 26–28 und 103, sowie die entsprechenden Berichte der jiddischen Presse in: ebd., 36–40, 49, 58, 110, 122 und 134. 159 Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe  10 (1936), H. 6, 651–671, hier 670. Zur Geschichte des Piłsudski-Hügels Waksmundzki, Kopiec Józefa Piłsudskiego – Kopiec Niepodległości; Hein, Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926–1939, ­182–188; Libionka / Weinbaum, Bohaterowie, hochsztaplerzy, opisywacze, 238; Weinbaum, A Marriage of Convenience, 35 f. 160 CAW, BWN, sygn. I.300.20.120, 58, Poleser Nayes, 9. Oktober 1935 (in polnischer Übersetzung). Vgl. auch AŻIH, Stowarzyszenia żydowskie w Krakowie, sygn. 108/109, ZŻUWoNP. 161 CAW, BWN, sygn. I.300.20.120, 58, Poleser Nayes 23., 25. und 28. Oktober 1935. 162 Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 313 f.; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 122, 130–132, 134 f., Berichterstattung von Lubliner Togblat, Der Moment, Nayer Folksblat und Unzer Ekspres.

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Abb. 13: Feldgottesdienst anlässlich des Endes der Staatstrauer am 23. Juni 1935 in der Garnison Brest. Zu sehen sind ein Pult mit Leuchter, eine Piłsudski-Büste, ein Porträt des Staatspräsidenten Mościcki und ein Banner mit polnischem Adler und einem Zitat aus der Mischna Awot 3,2, das zum Gebet für die Obrigkeit aufruft. Am Pult Rabbiner Raab, im linken Bildhintergrund ein weiterer Geistlicher. Quelle: Centralne Archiwum Wojskowe (Zentrales Militärchiv).

Zweiten Weltkrieg beteiligte sich der ZŻUWoNP wie die meisten jüdischen Akteure weiterhin am staatlichen Piłsudski-Kult, dem am Todestag und zu anderen Jubiläen Ausdruck verliehen wurde.163 Ein weiterer Kulminationspunkt aller Bemühungen um eine polnisch-jüdische Gedächtniskultur gegen Ende der Zweiten Republik waren die Zwanzigjahrfeiern der polnischen Unabhängigkeit im Herbst 1938.164 Polens Unabhängigkeit war im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte, verstärkt durch den Aufstieg des Nationalsozialismus, trotz aller Konflikte zu einem wichtigen Identifikationspunkt für immer mehr polnische Juden geworden und somit nahm auch für sie die Bedeutung des 11. Novembers als Unabhängigkeits163 AAN, MSW, cz. I, sygn. 966, 194, Bekanntmachung Nr. 98, 13. Mai 1938; ebd., 205 f., Bekanntmachung Nr. 99, 14. Mai 1938; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 185 f. 164 Auf die Zehnjahrfeiern 1928 kann in diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden. Vgl. dazu AAN, MSW, sygn. 962, 22, Minderheitenbericht (September – Oktober 1928), 19. November 1928; ebd., sygn. 958, 266–271 und 278–282, Presseschau Nr. 32 und 47; ebd., sygn. 77, 63, Minderheitenbericht (November – Dezember 1928); CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.88, 7, Militärischer Nationalitätenbericht des DOK II (20. November 1928 – 20.  Mai 1929).

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tag zu.165 Folgerichtig wurde die Geschichte des Unabhängigkeitskampfes zu einem zentralen Ereignis, einem »integralen Bestandteil der jüdischen beziehungsweise polnisch-jüdischen Geschichte«.166 Ausdruck fand diese Entwicklung auch hier in der Beteiligung jüdischer Organisationen wie des ZŻUWoNP an den jeweiligen Feierlichkeiten.167

4.3 »In erster Linie sind wir Juden.« Jüdische Veteranen zwischen Staat, Armee und Minderheit Die Berufung auf die jüdisch-polnische Geschichte diente den jüdischen Kriegsveteranen auch dazu, aus ihren historischen Verdiensten Forderungen für die Gegenwart abzuleiten. Wie die Aufständischen des vorangegangenen Jahrhunderts erwarteten sie, dass ihr Kampf für die polnische Eigenstaatlichkeit mit der Anerkennung als gleichberechtigte Staatsbürger belohnt würde. Als sich Mitte der 1930er Jahre die Stimmung nicht nur in Medien und Politik, sondern auch im Alltag immer stärker gegen die Juden wendete, wirkte sich dies auch auf die Situation der jüdischen Veteranen aus.168 Die staatliche Propaganda war bemüht, im zivilen Leben immer stärkere militärische Akzente zu setzen. Zahlreiche vormilitärische Organisationen bemühten sich um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung und versuchten nicht selten auch Einfluss auf die Freizeitgestaltung vor allem der jungen Generation zu gewinnen. Damit wurden auch die Aussagen und Handlungsweisen der nichtjüdischen Veteranen immer relevanter für die Stellung des ZŻUWoNP. Die empfundene Fremdheit der Juden innerhalb des polnischen Veteranenmilieus hatte indes mancherorts weiterhin Bestand. Der Kreisvorstand der FPZOO aus der galizischen Erdölstadt Borysław berichtete im Mai 1938 von einem gescheiterten Annäherungsversuch zwischen christlichen und jüdischen Kriegsteilnehmern. An einem von der FPZOO organisierten Osterfrühstück mit anschließendem Tanzvergnügen nahmen zahlreiche Veteranenverbände nicht teil, weil auch eine Einladung an den ZŻUWoNP ergangen war. Das Ziel der Veranstaltung war eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Mitgliedsverbände, während die Einnahmen für den Kauf eines schweren Maschinengewehrs für die Armee bestimmt waren. Die hilflosen Funktionäre der FPZOO baten ihre Verbandsführung »um eine maßgebende Klarstel165 Steffen, Jüdische Polonität, 100–102. 166 Ebd., 112. 167 Von einem besonders festlichen Rahmen berichtet das Lubliner Togblat vom 12. November 1935, hier in polnischer Übersetzung zit. nach: CAW, BWN, sygn. I.300.20.120, 110 und 122. Zu den Feiern von 1938 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 22, 22, Rundschreiben Nr. 70, 27. Oktober 1938. Vgl. auch die Beiträge in Di Kehile Sztyme / Głos Gminy Żydowskiej 2 (1938), H. 10/11. 168 Mierzwa, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski w Krakowie, 325–328.

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lung, ob in Zukunft die jüdischen Veteranen auf solche Veranstaltungen eingeladen werden sollen? Und wenn sie übergangen werden sollen, womit begründen?«169 Der Rückzug auf angebliche religiöse Befindlichkeiten in seinem Antwortschreiben ist Ausdruck der Ratlosigkeit des Vorstands, wie mit dem aggressiver werdenden Nationalismus einiger Mitgliedsorganisationen umzugehen sei. Das Gremium kam zum Schluss, angesichts des religiösen Charakters des Ostertreffens sei »die Einladung des ZŻUWoNP nicht angemessen. [Vielmehr] hätte man dafür staatliche und keine religiösen Feiertage zum Anlass nehmen sollen.«170 Ein weiteres Beispiel dieser Ablehnung jüdischer Veteranen ist das Votum des Tschenstochauer FPZOO-Kreisverbandes von 1937 für einen Ausschluss des ZŻUWoNP, da dieser im Dachverband nicht aktiv sei.171 Im Jahr darauf bereitete der schlesische Bezirk einen Antrag für die Delegiertenkonferenz vor, der ebenfalls den kompletten Ausschluss des jüdischen Verbandes vorschlug. Dank einer Intervention von dessen Vorstand bei Roman Górecki, dem Vorsitzenden der FPZOO, wurde dieser Antrag aber von der Tagesordnung genommen und die Konferenz verlief ohne antisemitische Angriffe. Die jüdischen Delegierten berichteten sogar von zahlreichen Sympathiebekundungen.172 Zusätzlich wurde, offenbar als Reaktion auf das Verhalten der Schlesier, Zmigryder-Konopka in den Vorstand gewählt.173 Im Frühjahr 1939 sprachen sich wiederum die Veteranen in Radom gegen die Aufnahme des kurz zuvor gegründeten dortigen Ortsverbandes des ZŻUWoNP in die FPZOO aus.174 Das in der bundistischen Naye Folkstsaytung kolportierte Gerücht, auf den jüdischen Verband sei Druck ausgeübt worden, das Wort Żydów (Juden) aus dem Vereinsnamen zu streichen, konnte nicht durch andere Quellen verifiziert werden.175 169 AAN, FPZOO, sygn. 169, 174, Schreiben des Kreisvorstands des ZŻUWoNP Borysław, 27. Mai 1938. 170 Ebd., 175, Schreiben des Hauptvorstands des ZŻUWoNP, 28. Juli 1938. 171 Ebd., 168, Schreiben des Kreisvorstands des FPZOO Tschenstochau, 30. April 1937. 172 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 22, 6 f., Rundschreiben Nr. 64, 25. April 1938. 173 AAN, MSW, cz.  I, sygn. 966, 63, Bekanntmachung Nr. 85, 27. April 1938; Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 118 f. Vgl. auch die gegen den ZŻUWoNP gerichtete Politik des Verbandes der Reserveoffiziere (Związek Oficerów Rezerwy). CDIAL, f. 346, op. 30, 1 f., hier 2. Hierzu auch Lisiak, Narodowa Demokracja w Wielkopolsce w latach 1918–1939, 266; Jastrzębski, Kwestia żydowska w publicystyce »Myśli Narodowej« w latach 1921–1926, 78. 174 Jastrzębski, Kwestia żydowska w publicystyce »Myśli Narodowej« w latach 1921–1926, 169 f. In Pińsk forderte der Kreiskommandant des Reservistenverbandes (Związek Rezerwistów) Ende 1938, einen ausschließlich aus Juden zusammengesetzten Zweigverein unter einem Vorwand zu schließen, da man »nicht zulassen [wolle], dass der Verein einen rein jüdischen Charakter annimmt«. CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.145, Bericht von der Beratung der Kreiskommandeure der FPZOO, 8. Dezember 1938. 175 AAN, MSW, cz. I, sygn. 966, 18. 

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Angesichts des bedrohlichen Erstarkens des Antisemitismus wandten sich die jüdischen Invaliden- und Veteranenverbände zunehmend seiner Bekämpfung zu. Dabei mussten sie zwangsläufig dem von ihnen aus tiefster Überzeugung unterstützten polnischen Staat kritisch begegnen, da dieser zwar nicht per se antisemitisch, aber in wichtigen Politikfeldern ausschließlich auf die Interessen der katholischen Bevölkerungsmehrheit fokussiert war. Dabei war es gerade der ZŻUWoNP gewesen, der stets dafür eingetreten war, die jüdische Bevölkerung mit dem Staat zu »vereinigen« und ihr patriotisches Bewusstsein zu stärken. Der Verband wollte zu einer »gemeinsamen Plattform« für all jene Akteure werden, die sich als »staatsbildende Elemente« im Kontext der polnischen Republik betrachteten.176 Auf der ersten gesamtpolnischen Konferenz des ZŻUWoNP im Juni 1933 in Warschau wurde das Selbstverständnis des Verbandes als Veteranenorganisation mit »ideologischem Charakter« deutlich. Es ging dabei nicht nur um den Einsatz für das Wohl Polens, sondern auch um die Verwirklichung der »vollständigen und tatsächlichen Gleichberechtigung der Juden«.177 Der Verband wollte sich keineswegs zu einer konkreten politischen Strömung zählen lassen, sondern bekannte sich vorbehaltlos zur »Ideologie Marschall Piłsudskis« und den Interessen des polnischen Staates. Immer mehr Mitglieder verstanden sich »in erster Linie als Juden«.178 Als solche sahen sie sich im Recht und der Pflicht, für die Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung einzutreten und der »Exterminierungspolitik der Behörden und einiger privater wie gesellschaftlicher Organisationen« zu begegnen.179 Waren das ständig wiederholte Bekenntnis zum Judentum, das Einstehen für die Gleichbehandlung als Staatsbürger wie auch das Ziel, die jüdische Bevölkerung an den polnischen Staat zu binden vor 1935 vor allem als Loyalitätserklärung für Polen zu verstehen, wurde diese Programmatik nach dem Tod Piłsudskis schnell zum Handlungsleitfaden aller Aktivitäten des Verbandes und ließ die politische Dimension der Arbeit des ZŻUWoNP immer wichtiger werden, bis schließlich alle Aktivitäten des Verbandes dem Kampf gegen diese Entwicklung untergeordnet wurden. Die neue Lage verdeutlichte der Verlauf einer Vorstandssitzung des Lemberger Ortsvereins im Dezember 1935, zu deren Gästen auch Aleksander Hafftka gehörte. Nach einer Schweigeminute für den verstorbenen Staatschef trug der Vorsitzende Izydor Zirler seinen Bericht vor, der nicht nur die erheblichen finanziellen Schwierigkeiten des Vereins behandelte, sondern auch dessen unerfreuliche Gesamtlage 176 Na Przełomie (1935), H. 2–3, 26 f. 177 AAN, MSW, cz. IV, sygn. 91, 79 f., Minderheitenbericht (2. Quartal 1933). 178 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 42, 4–17, Protokoll des Exekutivkomitees, 8. Dezember 1935, hier 12. 179 Ebd., spr. 45, 25v–31v, Rede Izydor Zirlers auf der 2. Sitzung des Lemberger Kreisverbandes, 6. Oktober 1934, hier 26v.

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skizzierte. Der Verein sei an seinem Anspruch gescheitert, als »Avantgarde« im Interesse der jüdischen Gesamtbevölkerung aktiv zu werden, da er es nicht vermochte, dieser seine Ziele verständlich zu machen.180 Zudem hätten sich unter dem Eindruck der in Deutschland verabschiedeten Nürnberger Gesetze die Beziehungen zu den übrigen Veteranenverbänden und der Regierung nahezu zu einem Nicht-Verhältnis entwickelt.181 Darum sollte die in ihrer Gesamtheit loyale jüdische Bevölkerung nicht nur die »Atmosphäre reinigen«, sondern auch im Sinne des Positivismus aktiv werden. Für den Verband bedeutete das – auch wenn die Juden ihn »vorerst nicht anerkennen« wollten – Angriffe von außen abzuwehren und der jüdischen Bevölkerung als Ganzes »den Rücken zu stärken«. Die nachfolgenden Redner waren sich einig, dass der ZŻUWoNP stärker in die Tagespolitik eingreifen sollte. Ein Mitglied forderte die Herausbildung einer eigenen Ideologie, die es jenseits des jüdischen »Parteienklüngels« ermögliche, einen »jüdischen Abschnitt« beim Aufbau Polens selbst zu verantworten. Eine weitere Stimme begründete die Unpopularität des Verbandes damit, dass er den wachsenden Antisemitismus nur zurückhaltend thematisiere. Unrecht müsse indes stets dort benannt werden, wo es sich zutrage. Eine ebenso klare Position vertrat der letzte Redner. Seiner Meinung nach sollte der ZŻUWoNP nicht nur ein Verband sein, der seine Aufmerksamkeit auf die Vergangenheit richtet. Vielmehr sah er die Aufgaben der Veteranen in der gegenwärtigen Gesellschaft. Er verwies dabei auf das Dilemma des Vereins: »Hundertprozentige Polen zu sein erlauben sie uns nicht. Juden zu sein erlauben sie uns nicht, weil das sind nur die, die den Schekel [Gemeindesteuer] bezahlen.  – Bei den Katholiken – ist man Jude, bei den Juden – Goj. Wir sind Juden, weil uns nicht die Nationalität oder die Konfession, sondern eine sogenannte ›Schicksalsgemeinschaft‹ verbindet.«182

Ob diese Forderung aus Lemberg über den Mittelsmann Hafftka in die Verbandszentrale und das Innenministerium getragen wurde, sei dahingestellt. Fest steht, dass der Verbandsvorsitzende Leon Bregman in seiner Rede auf der II. Delegiertenvollversammlung im Januar 1936 neue »Maßregeln unserer Ideologie« formulierte, die auf eine kritische Zusammenarbeit mit dem Staat hinausliefen.183 Er verkündete – im Saal saßen der Vizeminister im Kriegs180 Ebd., spr. 42, 4 und 8, Protokoll des Exekutivkomitees, 8. Dezember 1935. 181 Ebd., 4. Zu Forderungen des ZŻUWoNP, die FPZOO möge ihre Kontakte zu deutschen Organisationen einfrieren, zudem Sytuacja Żydów w III Rzeszy, in: Sprawy Narodowościowe 9 (1935), H. 3–4, 324–328, hier 327. 182 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 42, 12, Protokoll des Exekutivkomitees, 8. Dezember 1935 (Hervorhebung im Original dt.). 183 Ebd., spr. 92, 1, Wytyczne naszej ideologji. Referat mgr. L. Bregmana na II Walny Zjazd Delegatów Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski.

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ministerium, General Janusz Głuchowski, der Vizeminister im Innenministerium, Henryk Kawecki, der zum Direktor des Büros für Nationalitätenpolitik des Ministerrats avancierte Stanisław Paprocki und andere einflussreiche Persönlichkeiten184 – eine »Weltanschauung der Kombattanten«, die aus der »gemeinsamen Arbeit bei der Erringung der Unabhängigkeit des Staates« erstanden sei: »[…] es wird dies allerdings in größerem Maße eine Weltanschauung des modernen polnischen Juden sein, der eng mit unserem Vaterland verbunden ist und danach strebt, in den polnischen Landen Lebensbedingungen für das Millionenheer der seit Jahrhunderten auf dem Gebiet der Rzeczpospolita ansässigen Juden zu finden.«185

Dieses Ziel war nach Bregman nur mit der Unterstützung aller Bürger sowie einer ökonomischen Stabilisierung der jüdischen Bevölkerung erreichbar. Der Verbandsvorsitzende übernahm in seiner Rede viele Elemente des piłsudskistischen historischen Narrativs, wenn er beispielsweise davon sprach, dass ein Großteil der polnischen Gesellschaft die Zusammenarbeit mit den Legionen verweigert hatte. Umso sichtbarer werde deshalb, dass in der Armee die Besten des Landes kämpften, die »das repräsentierten, was in Polen aktiv und bereit war, sich für die Sache zu opfern, gesund war und in den Interessenskategorien des polnischen Staates dachte«.186 Diese Personen seien es nun auch, die in Friedenszeiten »opferwillig an der inneren Front an der Stärkung dessen arbeiten wollen, was im Feld der Ehre mit blutiger Mühe errungen wurde«.187 Im Falle der Juden war für Bregman offensichtlich, dass jegliche Diskussion im Sejm in ihrer Angelegenheit fruchtlos geblieben wäre, hätte es nicht jüdische Teilnehmer an den polnischen Kriegen gegeben. Dabei sei weniger maßgebend, wie stark ein Veteran seine jüdische Herkunft herausstreiche, sondern sein tatsächliches Engagement für Polen.188 Seine Kritik richtete der ZŻUWoNP-Vorsitzende auch direkt an die Sanacja-Herrschaft, welche das anfängliche Vertrauen der jüdischen Bevölkerung vergeudet und keine der Grundsatzfragen im polnisch-jüdischen Verhältnis geklärt habe.189 Zugleich fand sich auf jüdischer Seite weder mit der Aguda noch mit den Zionisten eine politische Kraft, die eine reale Zukunftsvision für die Juden in Polen entwickelt hätte. Daraus leitete Bregman ein politisches Programm ab, das die jüdischen Veteranen als dritten 184 AAN, MSW, cz. I, sygn. 963, 121 f., Minderheitenbericht (4. Quartal 1936); II Walny Zjazd delegatów Związku, in: Na Przełomie, März 1936, 3–10, hier 5. 185 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 92, 1, Wytyczne naszej ideologji. Referat mgr. L. Bregmana na II Walny Zjazd Delegatów Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski. 186 Ebd. 187 Ebd. 188 Ebd. 189 Ebd., 2.

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Kraftpol, als »staatliche Organisation des polnischen Judentums« zwischen Orthodoxie und Zionismus vertreten sollten.190 Die Juden sollten endlich als integraler Bestandteil des polnischen Staates anerkannt werden. Die Zukunft der jüdischen Selbstverwaltung sah Bregman in ihrer Säkularisierung.191 Zugleich sollten die ökonomische Krise der jüdischen Bevölkerung bewältigt wie auch die Frage der Emigration gelöst werden.192 Die Palästina-Frage sei aus der Innenpolitik herauszuhalten, dafür Palästina als Gebiet kolonialer Interessen des polnischen Staates zu betrachten. Bregman reagierte damit auf die erwähnten, öffentlich diskutierten Vorschläge, die jüdische Bevölkerung mehrheitlich zur Auswanderung zu bewegen, indem man ihr ein außereuropäisches Siedlungsgebiet zur Staatsgründung zuweise. In den Augen des ZŻUWoNP, der die Juden als autochthone Bevölkerungsgruppe betrachtete, führten derlei Diskussionen lediglich zur wirtschaftlichen und militärischen Schwächung Polens.193 Als drängendste Aufgabe benannte Bregman jedoch den Kampf gegen den Antisemitismus, dessen Wurzeln er in der ökonomischen Krise sowie den politischen Entwicklungen im Deutschen Reich seit 1933 ausmachte. Anders als die deutschen Juden müssten die Juden Polens alle Kräfte gegen den Judenhass mobilisieren, um einer drohenden Katastrophe zu entgehen.194 Nach Bregmans Auftritt einigte sich der Verbandsvorstand Mitte Juni 1936 auf den Text einer Erklärung, in der Wege aus der Krise des polnisch-jüdischen Zusammenlebens gefordert wurden. Auch in diesem Dokument werden ökonomische Faktoren als Erklärung für das Anwachsen des Antisemitismus herangezogen. Während die Wirtschaft sich als unfähig erwies, genügend Arbeitsplätze zu schaffen, nutzten die nationalistischen Kräfte die Lage aus, um mit antijüdischen Parolen zu punkten. Damit werde eine zusätzliche Instabilität in die Gesellschaft getragen und die Krise verstärkt. Die Behörden wiederum beschränkten sich demnach lediglich darauf, auf gewalttätige Symptome des Antisemitismus zu reagieren, nicht aber seine Ursachen zu beseitigen.195 190 Der Begriff »staatlich« (państwowy) bedeutete im Vokabular der Piłsudskisten »dem Staat gegenüber loyal«. 191 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 92, 3v, Wytyczne naszej ideologji. Referat mgr. L. Bregmana na II Walny Zjazd Delegatów Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski. 192 Ebd., 2 f. 193 Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe 10 (1936), H. 6, 651–671, hier 670; CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 20, 27 f.; AAN, MSW, cz. I, sygn. 963, 139 f., Minderheitenbericht (4. Quartal 1936). Vgl. auch die Reaktion des ZŻUWoNP auf Jabotinskys Besuch in Polen. CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28, 3.  194 AAN, MSW, cz. I, sygn. 963,121 f., Minderheitenbericht (4. Quartal 1936); II Walny Zjazd delegatów Związku, in: Na Przełomie, März 1936, 3–10, hier, 2. 195 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 82; ebenso AAN, PRM, Akta grupowe, sygn. 148.

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Die Unterzeichner der Deklaration beriefen sich auf ihre Verantwortung als ehemalige polnische Soldaten, Legionäre, POW-Angehörige, Träger des Virtuti Militari und anderer Auszeichnungen und brachten ihr Unbehagen in einem einzigen Satz voller Konjunktive und Wünsche auf den Punkt: »Und wenn der polnische Staat seine inneren Probleme soweit lösen würde, dass er sich in einer positiven und konstruktiven Weise der polnischen Juden annehmen könnte, wenn er wie eine mütterliche Heimat [Matka-Ojczyzna] ihrem etwas vernachlässigten Sohn gegenüber etwas mehr Wärme zeigte, wenn er gemeinsam mit der aufgeklärten jüdischen Gemeinschaft die unwissenden und materiell armen jüdischen Massen aus ihrer kulturellen und ökonomischen Rückständigkeit reißen könnte und sie auf eine höhere Ebene der wirtschaftlichen und kulturellen Emanzipation heben würde, wie das schon viele große Staaten Westeuropas taten – dann würden aus diesen derzeit loyalsten Bürgern auf allen Gebieten von Wirtschaft und nationalen Unternehmungen zweifellos heiße polnische Patrioten erwachsen.«196

Die Verfasser vertraten die Überzeugung, dass eine gerechtere Wirtschaftsund Arbeitsmarktpolitik, die unbedingte Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes der Verfassung, das Verbot antijüdischer Hetze sowie ein aktives Zugehen auf die jüdische Bevölkerung den Antagonismus zwischen Polen und Juden auflösen würde. Schließlich müsse die schlichte Wahrheit anerkannt werden, dass »jeder Staat solche Juden [habe], wie er sie sich erzieht«.197 Auf der politischen Ebene hielt der ZŻUWoNP an seiner Strategie fest, auch unter der neuen Staatsführung Piłsudskis Vermächtnis »treu fortzuführen« und auf eine Stärkung Polens als Staat und Gesellschaft hinzuwirken.198 Der ZŻUWoNP bekannte sich zur Steigerung der Wehrkraft und betonte, dass auf »der Generation der jüdischen Unabhängigkeitskämpfer« die Aufgabe laste, »die Maxime von der Verteidigung des Staates unter der jüdischen Bevölkerung umzusetzen« und »die Erziehung der jungen Generation zu guten und aufgeklärten Bürgern der Republik« zu übernehmen.199 Alle Aktivitäten des Verbandes sollten nun dem Wohl und der Macht des Staates dienen; so zumindest verstand der ZŻUWoNP das Konzept des »aktiven Patriotismus«, das eines der Hauptziele der Minderheitenpolitik der Sanacja-Jahre war.200 Die aus Bregmans Referat, der Deklaration des Vorstands und vielen anderen Äußerungen sprechende kritische Nähe des ZŻUWoNP zu Staat und Regierung hatte bis zum Untergang der polnischen Republik Bestand. Allerdings verstärkte im Verlauf des Jahres 1937 die Entstehung des nationalistischen Lagers der Nationalen Vereinigung (Obóz Zjednoczenia Narodowego – OZN, 196 Ebd. 197 Ebd. 198 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28, 1. 199 Ebd., 2. 200 Ebd., 1.

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verbreiteter Ozon) aus dem vormaligen Piłsudski-Lager heraus bei den jüdischen Veteranen das Gefühl der Entfremdung von der regierenden Klasse.201 Der Konflikt zwischen der Loyalität zu Polen und der Kritik der Verhältnisse spricht auch aus dem Tätigkeitsbericht des Vorstands für 1936/37. Während der Veteranenverband einerseits die Nähe zu Staat und Regierung unterstrich, lavierte er in der Frage von Ozon. Der Vorstand brachte Bedenken gegenüber dem teils antisemitischen Programm zum Ausdruck, wehrte sich aber nicht gegen den Beitritt der FPZOO, dessen Mitglied der Verband nach wie vor war, zu dieser Organisation.202 Gleichwohl untersagte er den Einzelmitgliedern des ZŻUWoNP sehr bald eine direkte Mitgliedschaft in Ozon.203 Im Kampf gegen den Antisemitismus setzte sich der ZŻUWoNP erfolgreich für eine Deklaration der FPZOO gegen tätliche Übergriffe auf Minderheitenangehörige ein, die am 16. April 1936 veröffentlicht wurde, und wandte sich gegen die vielfältigen antijüdischen Äußerungen und Aktionen einzelner Politiker oder politischer Parteien.204 Die Verbandsmitglieder rief der Vorstand auf, antisemitisches Material zu sammeln und einzusenden, um eine Reaktion des ZŻUWoNP vorbereiten zu können.205 Ein besonders breit diskutiertes Beispiel war dabei ein Zeitungsinterview vom 22. April 1937 mit Oberst Jan Kowalewski, der ursprünglich in der militärischen Abwehr tätig gewesen war und nun als Stabschef von Ozon auftrat. Darin äußerte er, Mitglieder des ZŻUWoNP könnten aufgrund des »national-jüdischen« Charakters nicht aufgenommen werden.206 Auf diese Unterstellung entgegnete die Verbandsleitung entschieden: Als Aufnahmekriterien gälten lediglich die konfessionelle Zugehörigkeit der Kandidaten sowie der Nachweis ihrer militärischen Laufbahn, keineswegs aber die Deklaration einer nationalen Zugehörigkeit.207 Der neue Vorstand um Leopold Spira und Dymitr Lachowski  – es hatte 1937 einen von heftigem Streit begleiteten Führungswechsel gegeben208 – lehnte es strikt ab, nationale Empfindungen seiner Mitglieder »durch irgendjemanden einer Laboruntersuchung« zu unterziehen.209 In einem Entschluss des Vorstands war zu lesen, »dass die Bestimmung der nationalen Zugehörigkeit im Einklang mit den Vorgaben von Herz, Gefühl und Gewissen eines der kardinalen Menschenrechte ist und es keinem zusteht, 201 Zur Entstehungsgeschichte des OZN Jędruszczak, Piłsudczycy bez Piłsudskiego. 202 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28.  203 Ebd., spr. 22, 12–15, Rundschreiben Nr. 66, 5. Juni 1938, hier 12.  204 Ebd., spr. 28, 7; ebd., spr. 20, 7 f., ebd., spr. 82, passim. 205 Ebd., spr. 20, 20, Rundschreiben Nr. 43, 14. Juli 1936. 206 Ebd., spr. 21, 4–7, Rundschreiben Nr. 51, 23. April 1937, hier 4. 207 Ebd., 6; Związek Żydów Uczestników Walk o Niedpodległość Polski w sprawie oświadczenia p. pułk. Kowalewskiego, in: NP, 4. Mai 1937, 2.  208 Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe 11 (1937), H. 1–2, 116–132, hier 129 f. 209 Ebd.

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das nationale Gefühl jener Mitglieder infrage zu stellen, die sich als Polen verstehen«.210 Das prominente Vorstandsmitglied Zmigryder-Konopka unterstrich ebenso, dass der ZŻUWoNP nicht danach frage, »welcher Nationalität« Beitrittswillige seien, und toleriere, dass sich ein Teil der Mitglieder als Polen, andere aber primär als Juden verstünden. Beide Gruppen eine ihre gemeinsame Staatsbürgerschaft und die Überzeugung, der polnische Staat sei das gemeinsame Gut aller seiner Bürger. Es gelte der Verfassungsgrundsatz, dass jeder Bürger zum Dienst für Polen verpflichtet sei und nicht aufgrund seiner Herkunft beziehungsweise Religion von dieser Verantwortung entbunden werden könne.211 Als Althistoriker konfrontierte Zmigryder-Konopka den neuzeitlichen, im Handeln von Ozon sichtbar werdenden Rassediskurs mit dem antiken römischen Staatsbürgergedanken. Dieser verfolge eine »geistige« und »bürgerliche Assimilierung«, die auf der politischen und kulturellen Ausstrahlungskraft der staatlichen Herrschaftszentren gründete. Aus dieser kulturellen Einigung der Staatsbürger entstünden erst nationale Bindungen. Dies schließe wiederum die Existenz eines kulturellen Randbereichs  – in diesem Falle der jüdischen Bevölkerung Polens – ein, »der immer stärker in dieses Zentrum strebt und sich in dem Maße, wie die kulturellen Qualitäten der Gesamtheit sich weiterentwickeln, immer stärker, immer genauer an dieses Zentrum bindet«.212 Die Verbandsführung suchte auch das Gespräch mit dem FPZOO-Chef Roman Górecki und dem Chef des Ministerialbüros im Kriegsministerium, Oberst Władysław Kiliński. Beide versicherten noch im Juli 1937 die Wertschätzung ihrer Institutionen und verurteilten Kowalewskis Äußerungen.213 Die Attacken von Ozon gegen die Juden nahmen wie die in vielen Lebensbereichen spürbaren Exklusionstendenzen unterdessen nicht ab. Neben dem Kampf um den Numerus Clausus und die »Bänkeghettos« an den Universitäten, dem Konflikt um das Schächtverbot und den Boykottaktionen im Einzelhandel waren auch Berufsverbände, etwa die Anwaltsverbände, und der Bereich des Sports betroffen.214 Auch wurde im Umfeld des Militärs die Entlassung jüdischer Beamter gefordert. So kritisierten die 210 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28.  211 Zmigryder-Konopka, III-ci Walny Zjazd Delegatów Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski w Krakowie dnia 5.XII.1937 r. Referat ideowy, 3 f. 212 Ders., O równowagę duchową, 6 f. Es handelt sich bei diesem Text um eine Rede anlässlich der Eröffnung des Vereinsheims des Lemberger Kreisverbandes am 26. März 1938. 213 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28, 5, III Walny Zjazd; ebd., spr. 21, 20, Bulletin Nr. 3, 31. Juli 1937. Kiliński, ein ehemaliger Legionär, wurde 1926 vom GISZ in das MWRiOP abgestellt, wo er mit Fragen der Hygiene und des Sports befasst war. 214 Der ZŻUWoNP intervenierte im Innen-, Kriegs- und Bildungsministerium gegen antisemitische Aktionen und Tendenzen. Im Falle des »Bänkeghettos« entstand ein offener Brief »im Namen Tausender jüdischer Legionäre, POW-ler und Freiwilliger der Polnischen Armee«. CDIAL, f. 346, op. 346, f. 28, 5–7. Zu den Beschränkungen im Sport vgl. Kap. 3.1.

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Delegierten der Konferenz der Beamten der Militäradministration, deren Sparkasse würde »notorisch mit Juden besetzt«.215 Ähnliche Forderungen wurden in lokalen Parteiversammlungen der Nationaldemokraten laut.216 Im gleichen Jahr wurde auf Veranstaltungen des Militärs oder zumindest im Beisein von dessen Vertretern mehrmals öffentlich behauptet, die Juden seien während der Unabhängigkeitskämpfe desertiert. Derlei Ansichten wurden von General Wiktor Thommée auf einem Kongress der Unteroffiziere vertreten und vom Ozon-Abgeordneten Wacław Budzyński verbreitet.217 Der Höhepunkt der Angriffe waren die sogenannten »13 Thesen« vom Mai 1938, in denen Ozon den weitgehenden Ausschluss der Juden aus dem Wirtschaftsleben vorschlug und die Emigration möglichst vieler von ihnen als Lösung des polnisch-jüdischen Gegensatzes propagierte. Doch auch wenn den Juden die Zugehörigkeit zur polnischen Nation prinzipiell abgesprochen wurde, gestand die 11. These verdienten »einzelnen Individuen jüdischer Herkunft« zu, Polen zu sein.218 Dem ZŻUWoNP blieb nur, das Vorgehen von Ozon öffentlich zu verurteilen.219 Auch jenseits des unmittelbar politischen Geschehens musste der ZŻUWoNP immer wieder Rückschläge einstecken. Veranstaltungen des Verbandes wurden in dieser Zeit häufig gestört, wie das bereits beschriebene Begräbnis des stellvertretenden Verbandsvorsitzenden Nikodem Polak in Lemberg, ein Umzug zum Unabhängigkeitstag 1936 in Krakau, auf dem die Vereinsfahne geschändet wurde, oder das Begräbnis eines jüdischen Offiziers im Herbst 1937.220 Zudem sah man sich angesichts der antijüdischen Gewalt, die an manchen Orten in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre sogar in Pogromen mündete, gezwungen, betroffene Kameraden zu unterstützen.221 Der Pogrom von Brest, der auch einige Mitglieder betraf, löste im Verband 215 Goniec Warszawski, 2. März 1937; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 144. 216 CAW, Oddz. II SG, sygn. I.303.4.741, Bericht vom 21. Oktober 1937 aus Zbąszyn. 217 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 28, 4, III Walny Zjazd. 218 Ebd., spr. 40. Abgedruckt u. a. in: Sprawy Narodowościowe  12 (1938), H. 3, 278 f. Überblicksartig zum Antisemitismus der späten 1930er Jahre Melzer, Antisemitism in the Last Years of the Second Polish Republic; Paruch, Od konsolidacji państwowej do konsolidacji narodowej, 299 f. Vgl. auch Wieczór Warszawski, 5. April 1938; CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 175. 219 AAN, MSW, sygn. 967, Kommuniqué Nr. 113 vom 1. Juni 1938. 220 Zmigryder-Konopka, III-ci Walny Zjazd Delegatów Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski w Krakowie dnia 5.XII.1937 r. Referat ideowy, 8. Das Begräbnis, das mit militärischen Ehren stattfand, jedoch durch das Werfen von Flaschen und Unrat auf den Trauerzug gestört wurde, erwähnte Jakub Hoffman in seiner Parlamentsrede vom 2. Dezember 1937. CAW, Gab. MSWojsk, sygn. I.300.1.34, und BS, SSS, Sitzung vom 1. und 2. Dezember 1937, 105 f. 221 AAN, MSW, sygn. 965, Kommuniquées Nr. 51, 56 und 67 vom 16. März, 23. März und 5. April 1938.

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neben zahlreichen Hilfsaktionen222 eine besondere Betroffenheit aus und veranlasste den Vorsitzenden Lachowski zu Durchhalteparolen: »Wir müssen um jeden Preis diesen schlimmen Abschnitt in unserem Leben überstehen, und wenn wir ihn durchhalten, wird der Bund aus diesem Kampf als Sieger hervorgehen.«223 Desgleichen sah Zmigryder-Konopka nur in einem »Heldenmut der Redlichkeit« und der innerjüdischen Solidarität einen Ausweg, die Würde der Juden zu verteidigen und deren Gegner dauerhaft dazu zu bringen, sie als Mitmenschen anzuerkennen.224 Zu den Bedrohungen, denen sich polnische Juden Ende der 1930er Jahren ausgesetzt sahen, trat im Verlauf des Jahrzehnts als äußerer Faktor das »Dritte Reich«.225 Die Realität der hier zu verortenden Gefährdungen zeigt nicht nur die geschilderte Rezeption der Nürnberger Gesetze bei der polnischen Rechten, sondern auch der Umgang der polnischen Führung mit der Abschiebung Tausender polnischer und staatenloser Juden aus dem Deutschen Reich auf polnisches Staatsgebiet im Rahmen der sogenannten »Polenaktion« im Oktober 1938. Da die zentralen Behörden lange Zeit untätig blieben und die lokalen Autoritäten von der schieren Zahl der Abgeschobenen überfordert waren, sendeten der Krakauer ZŻUWoNP sowie andere jüdische Institutionen und Hilfskomitees Sanitäter, Ärzte und Medikamente in das Auffanglager Zbąszyn (Bentschen).226 Der staatliche Umgang mit dem ZŻUWoNP war auch in der Spätphase der Zweiten Republik nicht frei von Problemen. Dies illustriert eine Episode aus dem Jahr 1938, als der Verband vier Mitglieder für die Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz (Krzyż Zasługi) vorschlug. Das zuständige Innenministerium wendete sich mit der Bitte an die Lubliner Woiwodschaftsverwaltung, die Eignung der Kandidaten zu beurteilen.227 Die zuständigen Starosten gaben zwei nicht weiter begründete neutrale und zwei negative Bewertungen ab. Aus der

222 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 21, 11–18, Rundschreiben Nr. 53–55; ebd., spr. 28, 5, III Walny Zjazd Delegatów. 223 Ebd., 8, Schreiben von Präses Lachowski, 18. Mai 1937. Zum P ­ ogrom Melzer, No Way Out, 64 f. 224 Zmigryder-Konopka, W rocznicę aktu sprawiedliwości dziejowej, 7 f. 225 Nach dem Anschluss Österreichs und der Festnahme des Vorsitzenden des Weltvereins jüdischer Frontkämpfer Sigmund Edler von Friedmann (Eitan Avisar) appellierte die FIDAC an die Mitgliedsverbände, die jüdischen Frontkämpfer in Deutschland und Österreich zu unterstützen. Friedmann selbst hatte zum Sammeln von Spenden aufgerufen und die Ansiedlung von Frontkämpfern außerhalb Deutschlands vorgeschlagen. AAN, FPZOO, sygn. 359, 1 und 4. 226 Ebd., sygn. 169, 9, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939; Jabłonowski, Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, 118. Zum Verlauf der »Polenaktion« Tomaszewski, Auftakt zur Vernichtung, 210–222. 227 APL, UWL, WO, sygn. 95, 1, Schreiben Nr. PN.292/3/1, 29. September 1938.

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Beurteilung des Vorsitzenden des Ortsvereins in Siedlce, Henryk Loebel, erfährt man, der Verband habe »den Charakter eines jüdischen Verbandes auf dem Fundament des internationalen Zionismus, in dem sich Juden-Zionisten versammeln, die zu 90 Prozent nichts mit den ehemaligen Teilnehmern an Polens Unabhängigkeitskämpfen zu tun haben. Die gesamten Aktivitäten des Ortsverbandes beschränken sich auf die Unterhaltung eines Vereinsheimes, wo Karten gespielt wird. Darüber hinaus sehe ich im Ortsverein Siedlce des ZŻUWoNP keine staatsbildende Arbeit, weshalb die angeblichen Verdienste Dr. Loebels ›für das Wohl und die Entwicklung eines mächtigen Polen‹, wie es im Antrag heißt, während seiner Anwesenheit in Siedlce keine sind und er eine Auszeichnung nicht verdient.«228

Der Kandidat Józef Szulman wiederum nutzte laut Urteil des Starosten Tomaszów Lubelski den Ortsverein des ZŻUWoNP dazu, sich und seinen Mitgliedern Privilegien und Vorteile zu sichern. Doch damit nicht genug: »Fügt man hinzu, dass der Kandidat seine nationale Eigenart deutlich unterstreicht, indem er in seiner Umgebung im Geist des jüdischen Nationalismus wirkt, bin ich der Ansicht, dass er eine Auszeichnung nicht verdient.  / Die vorgeschlagene Auszeichnung würde in der polnischen Öffentlichkeit eine verständliche Empörung und sogar Protes­te auslösen.«229

Der Lubliner Woiwode Jerzy Albin de Tramecourt, der selbst auf eine vierzehnjährige militärische Karriere zurückblickte, schickte die vier Anträge »ohne Begutachtung« an das Innenministerium zurück.230

4.4 Von Berek Joselewicz zu Bernard Mond? Jüdische und polnische Bilanzen am Ende der Zwischenkriegszeit Im Rückblick präsentieren sich die 1930er Jahre in Polen vor allem als Zeit, in der antijüdische Stereotype und Antisemitismus in das Zentrum des politischen Diskurses und Handelns drängten. Fast mochte es scheinen, als wiederholten sich am Ende der Zweiten Republik die während des PolnischSowjetischen Krieges von 1920 geführten Debatten über Loyalität und Daseinsberechtigung der jüdischen Bevölkerung. So erhoben – ganz wie im Vorfeld der Jabłonna-Entscheidung – nationalistische Studentenzeitungen erneut den Vorwurf gegen die Juden, sie hätten über den Umweg des Bolschewismus am Aufbau einer jüdischen Herrschaft über Polen mitgewirkt; zugleich sprachen sie der Beteiligung von Juden an den nationalen Aufständen die 228 Ebd., Starosta Powiatowy Siedlecki an UWL, 10. Oktober 1938. 229 Ebd., sygn. 95, 4, Starosta Powiatowy Tomaszowski an UWL, 5. Oktober 1938. 230 Ebd., 9.

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Bedeutung ab.231 Die Präsenz von Juden im Bereich der Landesverteidigung und Rüstungsproduktion stieß in diesen Kreisen weiterhin auf entschiedene Ablehnung.232 Zugleich sollte bei einer Bewertung der polnisch-jüdischen Zwischenkriegszeit keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass auch nach 1935 gegenläufige Tendenzen zur konfrontativen Gesamtlage zu beobachten waren. Der ZŻUWoNP stand in seinem diesbezüglichen Bemühen nicht allein da. Auch außerhalb des Verbandes waren Tendenzen einer Rückkehr zu den Ideen der Akkulturation spürbar, die nach dem Ersten Weltkrieg zunächst diskreditiert waren. Aktuelle Studien zeigen, dass die kulturelle, sprachliche und mentale Verwurzelung besonders der jüngeren Generation von Juden in Polen über die viel beschriebenen politischen und sozialen Milieugrenzen hinaus viel stärker war, als von der bisherigen historischen Forschung angenommen.233 Einen zusätzlichen Impuls für eine gezielte positive Darstellung polnischjüdischer Geschichte gab das Wiedererstarken nationalistischer Kräfte Mitte der 1930er Jahre. Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund beispielsweise eine von der – in ihrer Bewertung der Zweiten Republik so kritischen – Soziologin Celia Stopnicka Heller als »return of assimilationists« bezeichnete innerjüdische Entwicklung, die aufgrund des Zweiten Weltkrieges nicht mehr zur Entfaltung gelangen konnte. Vom Verhalten Zmigryder-Konopkas leitete sie die These ab, dass die Anhänger der Assimilation sich zwar des Illusionären ihrer Hoffnungen auf volle Anerkennung als gleichwertiger Teil der polnischen Gesellschaft bewusst gewesen seien, aber an ihren Grundüberzeugungen festhielten, um in einer Art »psychologischer Flucht« ihrer Situation zu entkommen.234 Für die Historikerin Maria Gotzen-Dold kamen hier auch generationelle Unterschiede zum Tragen.235 Es gelang den Vertretern dieser Strömung sogar, im Jahr 1936 in Lemberg die Partei Standesübergreifender Block polnischer Juden (Wszechstanowy Blok Żydów Polskich) zu gründen, der auch zahlreiche Veteranen angehörten. Wichtige Mitglieder waren Salomon Ruff, Adolf Peszes und Leonard Fraenkel. 1937 wurde von Emil Peretz, Stefan Lubliner, Jakub Warszawski und Adolf Schwarz auch in Warschau eine Ortsgruppe gegründet. Gleiches geschah in Krakau (Natan Oberlaender, Schermant). Am 9. und 10. Oktober 1937 fand in Warschau ein landesweiter Parteikongress statt, auf dessen Programm unter anderem eine Gedenkfeier 231 Graboń, Problematyka żydowska na łamach prasy akademickiej w okresie międzywojennym, 101 f. 232 Ebd., 207. 233 Grundlegend Kijek, Dzieci modernizmu. 234 Heller, On the Edge of Destruction, 209. Das IBSN beobachtete bereits 1931 »neo-assimilatorische« Tendenzen; Życie polityczne. Neoasymilacja. Nowe tendencje w żydowskim ruchu robotniczym, in: Sprawy Narodowościowe 5 (1931), H. 4–5, 490–492. 235 Gotzen-Dold, Mojżesz Schorr und Majer Bałaban, 44.

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am Grab Henryk Wohls, des Schatzmeisters des Januaraufstandes, stand. Es wurde eine Erklärung verabschiedet, wonach Polen als einziges Vaterland der hiesigen Juden ein religiös und national neutraler Staat werden sollte. Zudem sprach man sich gegen die Emigrationspolitik und für beschleunigte jüdische Gemeinderatswahlen sowie die Gleichberechtigung der Juden aus. Erster Vorsitzender wurde Salomon Ruff.236 Die von Aleksander Hafftka und Władysław Muszkatenblit im Januar 1939 ins Leben gerufene Partei Union Polnischer Juden (Unia Polskich Żydów) betrachtete die Juden ebenfalls als Nationalität, bezeichnete aber Polen als Vaterland und Ort, an dem sich die Juden am besten entfalten könnten.237 Auch in anderen Milieus war eine Annäherung an Polen umso sichtbarer, je greifbarer die Kriegsgefahr wurde. Während eines Vortrags auf einer Versammlung der Folkisten sprach im April 1939 – im Vormonat hatte die Staatsführung im Zuge der Danzig-Krise die Teilmobilmachung der Streitkräfte beschlossen – der Referent Szlama Blumenfeld von einer Entspannung und einem neuen Vertrauen im polnisch-jüdischen Verhältnis. Er machte dies daran fest, dass Juden anders als Deutsche und Ukrainer in den Zeiten der momentanen Kriegsgefahr zur Armee einberufen würden.238 Daneben brachten vor allem die deutschen Novemberpogrome immer mehr jüdische Kommentatoren zu einer optimistischeren Sicht auf Polen. Einem Artikel Samuel Hirszhorns vom Januar 1939 zufolge tendierte die politische Grundstimmung im Land in Richtung Demokratie; es sei zudem angesichts der aggressiven deutschen Außenpolitik eine Veränderung in den polnisch-­jüdischen Beziehungen zu erwarten. Ähnliche Hoffnungen formulierte etwas vorsichtiger auch die Folkstsaytung.239 Freilich überwogen im öffentlichen Diskurs weiter jene Stimmen, die vom Scheitern des Assimilationsstrebens sprachen.240 Der Journalist Mosze Kleinbaum (später Sneh) beschrieb im Haynt die Optionen polnischer Minderheitenpolitik als schwankend zwischen Repression (Nationaldemo­ kraten), Assimilierungsangeboten (Sozialisten) und einer Politik der Gleichberechtigung, welche die Minderheiten als schwächere, aber vollberechtigte Partner betrachtete. Da Kleinbaum zufolge die Assimilierungspolitik vor 236 Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe 10 (1936), H. 6, 651–671, hier 651; Żydzi, in: Sprawy Narodowościowe  11 (1937), H. 6, 658–685, hier 659; Chajes, Semper fidelis, 23; Wierz­ bieniec, Organizacje żydowskie o charakterze asymilatorskim we Lwowie w okresie II Rzecz­ypospolitej, 164  f. 237 AAN, MSW, cz. 1, sygn. 970, 179 f., Tagesmeldung Nr. 13 und 22, 17. und 27. Januar 1939. 238 CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.40, Wöchentlicher Lagebericht Nr. 17 des DOK I, 24. April 1939. 239 AAN, MSW, cz. 1, sygn. 970, 17, Tagesmeldung Nr. 2, 3. Januar 1939. 240 Auch die antisemitische Presse ließ in ihren gegen die Juden gerichteten Angriffen nicht nach. So forderte etwa der Warszawski Dziennik Narodowy die Eintragung der ethnischen Herkunft der polnischen Staatsbürger in den Pass. AAN, MSW, cz.  1, sygn. 968, 165 f., Tagesmeldung Nr. 255, 18. November 1938.

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dem Hintergrund der 2000-jährigen jüdischen Diaspora als gescheitert zu betrachten sei, bliebe den Juden Polens nur die konsequente Einforderung gleicher Rechte und Pflichten als Staatsbürger.241 Aufschlussreich ist, dass bei allen Unterschieden in der Analyse der jüdischen Lage Kleinbaums politische Strategie jener der Akkulturations-Anhänger glich. Man muss Celia  S.  Hellers pessimistische Wertung der politischen Formierung eines Akkulturationsmilieus nicht teilen, stellt man in Rechnung, dass es neben all den polnischerseits ausgesandten negativen Signalen in den beiden letzten Vorkriegsjahren durchaus auch Zeichen eines Zugehens von Staat und Militär auf die Juden gab. Besonders die Armee legte ab 1938, als sich die außenpolitische Lage Polens merklich verschlechterte, vermehrt Wert auf gute Beziehungen zur jüdischen Bevölkerung. In einem Memorandum mahnte beispielsweise das DOK Posen im Februar 1938 die Garnisons­ kommandanten an, die minderheitenpolitische Lage in ihrem Bereich genau zu beobachten. Dabei galten die Ukrainer und Deutschen  – anders als die Juden  – als besondere Bedrohung. Armeeintern aber, so das Papier, sollte man »das System bedingungsloser Gerechtigkeit und soldatischer Gleichheit« weiterführen und »vor diesem Hintergrund keinerlei Vergehen zulassen«.242 Auch hier bestätigt sich das grundsätzliche Interesse der Militärführung an einem interethnischen Frieden in den eigenen Reihen wie in der Gesamtbevölkerung. So wurde auch die recht rege Beteiligung jüdischer Institutionen an den staatlich koordinierten Spendenaktionen für die Landesverteidigung öffentlich gewürdigt. Beispielsweise fand am 8. Mai 1938 die festliche Übergabe eines von jüdischen Jugendorganisationen gestifteten Flugzeugs an die Streitkräfte statt. Das Flugzeug erhielt in polnischer und hebräischer Sprache die Aufschrift »Erstes Flugzeug der Eskadron der Jüdischen Jugend«. General Leon Berbecki, der Leiter der LOPP, unterstrich den Heldenmut jüdischer Soldaten und deren Verdienste um die polnische Unabhängigkeit.243 Wäh241 Ebd., sygn. 964, 17 f., Tagesmeldung Nr. 18, 5. Februar 1938. 242 CAW, DBP, sygn. I.313.14/55, Memorandum Sprawy Bezpieczeństwa Wojennego, 5. Februar 1938. Zur Beurteilung der von Ukrainern und Deutschen ausgehenden Gefahren T. Kowalski, Mniejszości narodowe w siłach zbrojnych Drugiej Rzeczypospolitej Polskiej (1918–1939), 48–50; CAW, SRI, sygn. I.371.2/A.99, Zwischenfälle mit der evangelischen und deutschen Bevölkerung, 26. Juli 1939; CAW, BI GISZ, sygn. I.302.4.119, Bericht von Stanisław Kutrzeba über die Deutschen, November 1936; ebd., sygn. I.302.4.123, 119, L.5705/Org.  Tjn., Verteilungsplan für die deutschstämmigen Soldaten im Kriegsfall, 30. Mai 1939; CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.198, Informationen über die Stimmungen und die Sicherheitslage im Bereich des DOK IX, April 1939. 243 »Te rzeczy przykre i nieładne  – zamilkną, powróci atmosfera braterstwa  …«, in: Nowy Dziennik, 9. Mai 1938, 1; AAN, MSW, cz. 1, sygn. 966, 158, Kommuniqué Nr. 95, 10. Mai 1938. Vgl. auch CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, 162, Ausriss aus Nasz Przegląd Ilustrowany. Anwesend waren General Leon Berbecki (Vorstand der LOPP), Oberst Aleksandrowicz,

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rend des anschließenden Empfangs  – am gleichen Tag forderte Ozon-Chef Skwarczyński in einer landesweit übertragenen Radioansprache wieder einmal die Polonisierung von Handel und Handwerk – äußerte er sich zuversichtlich, dass »diese leidvollen und unschönen Sachen, die heute passieren, verstummen und dieselbe Atmosphäre der Brüderlichkeit zurückkehrt, die an der Kriegsfront geherrscht hat«.244 Auch die zahlreichen weiteren Stiftungen von Waffen und Gerät durch jüdische Initiativen wurden stets angemessen gewürdigt.245 Auf der Pressekonferenz anlässlich einer Übergabe zweier weiterer Flugzeuge in Kielce machte der Inspektor der LOPP, Oberst Rościszewski, Ende Mai 1938 das für die meisten Armeeangehörigen sicher ungeheurliche Versprechen, dass jeder von Juden gestiftete Flieger in Zukunft auch von jüdischen Piloten gelenkt werden sollte. Als Grund dafür führte er die bereitwillige Beteiligung der jüdischen Bevölkerung an den Maßnahmen zur Landesverteidigung an: »Die Juden bilden ein einhundertprozentig loyales Element von Bürgern des polnischen Staates und können anderen als Beispiel dienen.«246 Im Jahr darauf kündigte der jüdische Verband der Kaufleute den Kauf von 1 000 Karabinern sowie die Finanzierung einer ganzen Flugzeugeskadron an, die den Ehrennamen »Jüdisches Volk in Polen« (im. narodu żydowskiego w Polsce)  tragen sollte.247 Auch der ZŻUWoNP beteiligte sich weiterhin an den zahlreichen staatlichen Initiativen zur Kriegsvorbereitung und arbeitete mit LOPP, LMiK, PCK und ähnlichen Organisationen eng zusammen.248 Neben der Verschärfung der sicherheitspolitischen Lage Polens 1938/39 war der Hintergrund für diese Entwicklungen auch ein innenpolitischer. Nach der antisemitischen Welle, die Gesellschaft und Politik nach 1935 erfasst hatte, sei  – so formulierte es zumindest Apolinary Hartglas im Nowy Dziennik – im Sommer 1938 für Juden eine Atempause eingetreten, da die Vizewoiwode Kazimierz Jurgielewicz, Senator Jakub Trockenheim, Majer Bałaban sowie die Rabbiner Kanał, Kahane und Gutschechner. 244 »Te rzeczy przykre i nieładne  – zamilkną, powróci atmosfera braterstwa  …«, in: Nowy Dziennik, 9. Mai 1938, 1. 245 AAN, MSW, cz. 1, sygn. 966, 230, Kommuniqué Nr. 101, 17. Mai 1938; ebd., Kommuniqué Nr. 106, 23. Mai 1939, 270; Di Kehile Sztyme / Głos Gminy Żydowskiej 2 (1938), H. 5, 121 f. Vgl. auch die Fotografien in dieser Ausgabe. 246 AAN, MSW, cz.  1, sygn. 966, 337, Kommuniqué Nr. 111, 30. Mai 1938. Vgl. auch ebd., Kommuniqué Nr. 106, 23. Mai 1938, 276. 247 CAW, SRI, sygn. I.371.1/A.40, Wöchentlicher Lagebericht des DOK I Nr. 14, 3. April 1939. 248 CDIAL, f. 346, op. 1, spr. 23, 2v, Rundschreiben Nr. 71, 21. Januar 1939; ebd., spr. 28, 2, Bericht des Vorstands auf der 3. Generalversammlung des ZŻUWoNP, 5. Dezember 1920; ebd., spr. 29, 2–7, Tätigkeitsbericht des Vorstands des Lemberger Ortsverbandes, Juni 1939; AAN, FPZOO, sygn. 169, 9–14, Tätigkeitsbericht des ZŻUWoNP an FPZOO, 19. Januar 1939. Weitere Berichte zu Waffenkäufen durch jüdische Gemeinden und Organisationen AAN, MSW, cz. 1, sygn. 968, 54, Tagesmeldung Nr. 246, 7. November 1938; ebd., sygn. 969, 13, Tagesmeldung Nr. 258, 22. November 1938.

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Sicherheitskräfte entschiedener gegen gewaltsame Übergriffe vorgingen. Zudem hätten viele Stadtverwaltungen und die katholische Kirche Stellung gegen Rassismus und Antisemitismus bezogen.249 Hartglas’ Einschätzung soll hier nicht kritisch hinterfragt werden, sondern vielmehr als Beleg für den Ende des Jahrzehnts aufkeimenden vorsichtigen Optimismus mancher Juden bezüglich ihrer Zukunft in Polen dienen. Zudem verwies auch Hartglas darauf, dass sich die Juden im aufziehenden Konflikt mit dem westlichen Nachbarn für das Land als »wertvoller Stützpfeiler« erweisen würden.250 Ein weiterer innenpolitischer Anlass für eine jüdisch-polnische Annäherung waren zweifelsohne auch die oben angesprochenen Zwanzigjahrfeiern der Unabhängigkeit im Herbst 1938, in deren Zuge auf lokaler Ebene nicht selten versöhnliche Signale in Richtung der jüdischen Mitbürger ausgesendet wurden.251 Auch zu diesem Anlass hatte sich Hartglas zu Wort gemeldet und festgestellt, dass in Polen, anders als im Deutschen Reich, das Jubiläum der Staatsgründung nicht mit einem Pogrom begangen worden sei.252 Den Beteuerungen polnisch-jüdischer Waffenbrüderschaft gaben aber weniger die Gedenkfeiern zur polnischen Unabhängigkeit, sondern vielmehr die Annexion des tschechoslowakischen Olsa-Gebietes sowie kleiner Gebiete der Zips und Arwa durch Polen im Oktober und November 1938 neuen Raum. Der Einmarsch polnischer Truppen in den seit 1918 zwischen Warschau und Prag umstrittenen Landstrich erfolgte völkerrechtswidrig im Gefolge des Münchener Abkommens. Am 25. November, als das Podhalanische Schützenregiment das Gebiet vor der Ortschaft Čadca einnehmen sollte, töteten die zurückweichenden tschechischen Truppen zwei polnische Soldaten, Stanisław Mlekodaj und Ozjasz Storch. Sie waren neben dem drei Tage darauf bei der Besetzung von Tatranská Javorina umgekommenen Major Stefan Rago die einzigen Todesopfer der Operation auf polnischer Seite. Über Tod und Beisetzung Mlekodajs und Storchs (Abb. 14) wie auch deren postume Beförderung und Auszeichnung mit dem Verdienstkreuz informierte die Presse landesweit, wobei über die reinen Fakten hinaus kaum Aussagen getroffen wurden.253 Dem nationaldemokratisch orientierten Goniec Częstochowski 249 AAN, MSW, cz. 1, sygn. 968, Komunikat dzienny 188, 1. September 38, 10. Pessimistischer war die Sicht von Noah Pryłucki in Der Moment. Ebd., sygn. 969, Komunikat dzienny 262, 26. November 1938, 47. 250 Ebd., sygn. 968, 10, Tagesmeldung Nr. 188, 1. September 1938. Vgl. auch ebd., sygn. 969, 225, Tagesmeldung Nr. 179, 17. Dezember 1938. Ähnlich argumentierte Der Yidisher Arbeter. Ebd., Tagesmeldung Nr. 257, 21. November 1938, 183. 251 Ebd., sygn. 968, 166, Tagesmeldung Nr. 255, 18. November 1938. 252 Ebd., 164. 253 Pośmiertne awanse i odznaczenia, in: Gazeta Wągrowiecka, 30. November 1938, 2; Polskie Tatry zjednoczone, in: Czyn, 4.–8. Dezember 1938, 2; Starcie z Czechami pod Jaworzyzną, in: Głos Poranny, 28. November 1938, 1; Jak zginął mjr  Rago i kapral Oleksowicz, in: Orędownik Ostrowski, 30. November 1938, 3; Uroczysty pogrzeb żołnierzy, in: Dziennik

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Abb. 14: Der Trauerzug zu Ehren des jüdischen Soldaten Ozjasz Storch verlässt das Feldlazarett in Teschen, 1938. Quelle: Narodowe Archiwum Cyfrowe (The National Digital Archives)/Czesław Datka.

erschien es allerdings berichtenswert, dass Storch »mosaischen Glaubens war und auf dem jüdischen Friedhof bestattet« wurde, im Übrigen wurden die Toten als »polnische Soldaten« bezeichnet.254 Im frisch gewählten Sejm gedachten die Abgeordneten am 28. November aller drei Gefallenen, ohne dass deren Namen explizit genannt wurden.255 Die jüdische Presse wertete den Tod des Soldaten als Symbol für die Kampfbereitschaft und Pflichterfüllung der polnischen Juden und konnte sich hier der Unterstützung des Militärs sicher sein. Auf große Zustimmung stieß der Vorgesetzte Storchs mit seiner Grabrede, in der er verkündete, Polen könne »stolz sein, solche Soldaten zu haben« und die Bürger könnten »beruhigt über die Zukunft Polens sein, wenn hinter seiner Sache Soldaten Polski,  1.  Dezember 1938; Polegli na polu chwały, in: Gazeta Gdańska, 28. Dezember 1938, 1; Trzej wojskowi polscy zabici przy przejmowania rejonów Czadcy i Jaworzyny, in: Polonia (Katowice), 28. November 1938, 1. Vgl. auch die Fotografien in »… Imię bohatera zachowane zostanie w wieczniej pamięci Armii  …«, in: Nasz Przegląd Ilustrowany  16 (1938), H. 49, 1. 254 Po zajęciu Jaworzyny, in: Goniec Częstochowski, 30. November 1938, 3.  255 Biblioteka Sejmowa, Parlamentaria polskie 1919–2001, Sprawozdanie Stenograficzne z 1 posiedzenia Sejmu w dniach 28 i 29 listopada 1938 r., 18.

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wie Storch stehen«. Weiter führte er aus, »[das] Blut des jungen Helden« solle »die Aufmerksamkeit beider dieses Land bewohnenden Nationalitäten, der polnischen und jüdischen, darauf lenken, dass die Rzeczpospolita die Mutter aller ihrer treuen Söhne ist, sie alle an sich drückt und mit der gleichen Fürsorge umgibt«.256 Der Nowy Dziennik widmete den von Militär und jüdischer Gemeinde in Teschen als patriotisches Ereignis inszenierten Begräbnisfeierlichkeiten eine ganzseitige Fotoreportage.257 Nasz Przegląd unterstrich, das »Symbol« Storch stehe für den Willen der Juden, Polen auch in Zukunft zu verteidigen: »Gestern war es Storch, doch morgen werden, wenn es notwendig wird, Zehn- und Hunderttausende ins Feld ziehen.«258 Für den Nowy Dziennik illustrierte Storchs Tod die Gleichberechtigung und das beiderseits vorhandene Pflichtbewusstsein von Polen und Juden.259 Im gleichen Blatt sprach Hartglas von der »Gleichheit von Polen und Juden im Augenblick des Blutvergießens« und der »Gleichberechtigung von Juden und Polen im Angesicht des Todes«, die einen Fortbestand des Antisemitismus keinesfalls rechtfertige.260 Die zionistisch-revisionistisch ausgerichtete Trybuna Narodowa fügte den Würdigungen einen weiteren Akzent hinzu. Storch sei ein Betarcz­yk, also Mitglied des Betar gewesen. Sein Tod fügte sich ein in das Männlichkeitsideal der Revisionisten, denen er zeigte, »dass dem Juden Tapferkeit im Krieg nicht fremd ist und er Blut vergießen kann, wenn es nötig ist«.261 Was der Erinnerung an Storch und deren Instrumentalisierung als innenpolitisches Symbol jedoch fehlte, war der euphorisch-optimistische Ton früherer Jahre, der das bewaffnete Engagement von Juden für einen polnischen Staat stets begleitet hatte. Die Erfahrungen zweier Jahrzehnte, in denen Juden als Minderheit polnische Staatsbürger waren, waren zu zwiespältig gewesen, als dass man Ende der 1930er Jahre noch von einer konfliktfreien Zukunft sprechen wollte. Dennoch konnte in den Augen vieler dort lebender Juden ein starkes Polen als einziges Land mittelfristig dem antisemitischen Regime im Deutschen Reich wie auch der Sowjetunion die Stirn bieten und ein relativ sicherer Aufenthaltsort sein. Das nüchterne Pathos der jüdischen Öffentlichkeit im Gedenken an Storch wird so verständlich. Auch auf polnischer Seite 256 Symbol, in: NP, 2. Dezember 1938, 3. 257 Ostatnia droga bł. p. kaprala Ozjasza Storcha, in: Nowy Dziennik, 1. Dezember 1938. 258 Symbol, in: NP, 2. Dezember 1938, 3. 259 AAN, MSW, cz. 1, sygn. 969, 82, Tagesmeldung Nr. 265, 30. November 1938. 260 Ebd., 113, Tagesmeldung Nr. 268, 3. Dezember 1938. 261 Ebd., 125, Tagesmeldung Nr. 269, 5. Dezember 1938. Vgl. auch Libionka / Weinbaum, Bohaterowie, hochsztaplerzy, opisywacze, 248; Weinbaum, A Marriage of Convenience, 215. Storch hatte offenbar geplant, nach Montevideo auszuwandern, wohin bereits seine Frau gegangen war. Als Reservist meldete er sich allerdings noch vor seiner Abreise zum Militär. Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 289 f. Zum populären Ideal des »Muskeljuden« Presner, Muscular Judaism.

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lässt sich ein recht pragmatischer Ton in der Bewertung der jüdischen Teilhabe feststellen, es fehlte zumindest die mit historischen Anspielungen und idealisierten Zukunftsvisionen überfrachtete Sprache der Piłsudski-Jahre. In den wenigen bis zum deutschen Überfall auf Polen verbleibenden Monaten diente Storchs Schicksal dennoch immer wieder als Motiv in der Debatte um die jüdischen Bürgerrechte.262 Der ZŻUWoNP enthüllte im Dezember in Warschau eine Gedenktafel zu Ehren beider Gefallener, im April 1939 geschah dasselbe in deren Heimatgarnison in Nowy Sącz.263 Zudem nahm man die Annexion des Olsa-Gebietes zum Anlass, die Gebeine des Oberleutnants Henryk Taub, der in den 1919 um diesen Landflecken ausgetragenen Kämpfen gefallen war, in Orlau zu exhumieren und unter großer öffentlicher Anteilnahme auf dem jüdischen Friedhof in seinem Heimatort Wadowice neu zu bestatten.264 Der Bereich des Militärischen war somit kurz vor dem deutschen Überfall zu einer Art Rückzugsort für die Identifikation von Juden mit dem polnischen Staat geworden. Während die politische Debatte, der ökonomische Alltag und die Wirklichkeit an den Universitäten von einer Kultur der Ausgrenzung der Juden dominiert blieben, stellte die Armee bei allen auch hier vorhandenen Exklusions- und Diskriminierungsmechanismen doch Anknüpfungspunkte für eine Bindung an den polnischen Staat bereit, die kompatibel mit unterschiedlichen Entwürfen jüdischen Selbstverständnisses waren. Diese mochten im romantisch verklärten polnisch-jüdischen Freiheitskampf des 19. Jahrhunderts wurzeln, in kämpferischen Männlichkeitsidealen des Zionismus, in staatsbürgerlichem Pragmatismus oder schlicht in der Furcht vor dem drohenden Ausgreifen von Hitlers Macht in Osteuropa – im Ergebnis führten sie zu einem ähnlichen Umgang mit dem Militär. Das Militärische war ein Lebensbereich, in dem nicht ausschließlich Exklusion und Diskriminierung, sondern bei günstigen Konstellationen auch Begegnung und Anerkennung stattfinden konnten. Dass es auch außerhalb der unmittelbaren militärischen Sphäre Menschen gab, welche die in dieser Arbeit geschilderten Diskurse wahrnahmen und zu einer positiven Bewertung der Rolle von Juden im Militär kamen, mag ein bereits 1937 verfasster Leserbrief von Michał GryfCzaykowski, Sohn einer galizischen Adelsfamilie, in den Wiadomości Literackie illustrieren. Darin würdigte er den jüdischen Beitrag zur polnischen Kultur und entwarf eine Genealogie von »Oberst Berko Joselowicz [sic], den 262 Vgl. etwa Mieczysław Braun, Dwie interpelacje, in: NP, 24. Juni 1939. 5-ta Rano erwähnt Storch auch in einem Bericht vom 5. Dezember 1938 über die Eröffnung der Militärsynagoge in Praga. CAW, BWN, sygn. I.300.20.117. 263 AAN, MSW, cz. 1, sygn. 969, 191, Tagesmeldung Nr. 276, 14. Dezember 1938. 264 CAW, BWN, sygn. I.300.20.117, lose Seite aus Nowy Dziennik und NP, 17. April 1939. Zur Biografie Getter / Schall / Schipper, Żydzi bojownicy o niepodległość Polski, 284.

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Hunderten für Polen kämpfenden, für Polen sterbenden [jüdischen] Soldaten bis hin zum heldenhaften General Mond.«265 Es ist klar, dass derlei Kontinuitätslinien heute als konstruierte historische Narrative kritisch zu hinterfragen sind, doch liegt ihre Aussagekraft weniger in ihrer Plausibilität als vielmehr im Umstand, dass sie überhaupt gezogen wurden.

265 Michał Gryf-Czaykowski, Od Berka do Monda, od Lublinera do Tuwima, in: Wiadomości Literackie, 16. Mai 1937, 8.

Denn die Vergangenheit dauert nur als Gegenwart an, die Gegenwart aber ist die umgeformte, aktualisierte Vergangenheit sowie die anbrechende Zukunft. Czarnowski, Dawność a teraźniejszość w kulturze

»Jabłonna« und der Fortgang der Geschichte. Schlussbetrachtungen

»Opferbereitschaft« und »Patriotismus«. Polnisch-jüdische Debatten über das Militär nach 1939 Die Zerschlagung der Zweiten Polnischen Republik durch deutsche und sowjetische Truppen im September 1939, die den Untersuchungszeitraum dieser Arbeit zeitlich begrenzt, bildete keinesfalls den Endpunkt jüdischpolnischer Begegnungen im Bereich des Militärischen. Vielmehr fanden ähnliche Diskurse, Konflikte und Verhaltensweisen unter den völlig veränderten machtpolitischen Vorzeichen der Kriegs- und Nachkriegszeit eine Fortführung. Wurde dem 19. Jahrhundert als historischem Resonanzraum in dieser Untersuchung ein besonderer Platz eingeräumt, so soll diese Arbeit mit einer Vorausschau auf die weitere Entwicklung des Beziehungsdreiecks von Juden, Polen und Militär und einem Ausblick auf die gedächtniskulturelle Wirkung von »Jabłonna« ihren Abschluss finden. Die polnische Staats- und Armeeführung mochte sich im Spätsommer 1939 als Verdienst zurechnen, wie erfolgreich ihre jahrelangen Anstrengungen im Bereich der Militärpropaganda und Wehrerziehung gewesen waren. Ein guter Teil der Bevölkerung war anfangs fest davon überzeugt, dass die eigene Streitmacht dem Angriff Deutschlands bis zur bald erwarteten Intervention Frankreichs und Großbritanniens standhalten würde. Auch die nationalen Minderheiten beteiligten sich im Wesentlichen an der Verteidigung Polens.1 Zugleich zeigte sich aber die Kehrseite der konservativen Militärdoktrin Piłsudskis und seiner Epigonen, die eine konsequente tech1 Nijakowski (Hg.), Udział mniejszości narodowych w różnych formacjach wojskowych w czasie kampanii wrześniowej 1939 r.

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nologische und strategische Modernisierung des Militärs verhindert und international anerkannte Militärtheoretiker wie Władysław Sikorski isoliert hatten.2 Weitere Faktoren, wie die Überschätzung des eigenen militärischen Potenzials, die undankbare geopolitische Lage des Landes, die drückende Überlegenheit der deutschen Wehrmacht, das Zögern der Westalliierten und die unerwartete sowjetische Invasion machten die Niederlage Polens nahezu unausweichlich.3 Die jüdische Bevölkerung verband mit dem deutschen Vormarsch, anders als noch 1914, keinerlei Hoffnungen. Vielmehr war von Beginn an klar, dass die Situation der Juden im deutschen Machtbereich mehr als prekär sein würde, obgleich keiner die Ereignisse der nächsten Jahre voraussehen konnte. Die jüdischen Parteien, Gemeinden, Zeitungen und Organisationen erklärten angesichts der immer aggressiver werdenden deutschen Politik im Verlauf des Jahres 1939 ihre Loyalität zu Polen und unterstrichen ihre Verteidigungsbereitschaft.4 Das stieß nicht überall auf Gegenliebe und in der nationalistischen Presse wurden erneut Forderungen laut, die Armee von Juden zu »säubern«.5 Eine im April erfolgte Äußerung des Brester Woiwodschaftskommandanten der Staatspolizei könnte aus dem Jahr 1920 stammen: »Sie [die Juden] verstellen sich als große Patrioten. Sie wollten sich an den Deutschen rächen. Sie initiieren Sammlungen für den FON, verbreiten Gerüchte, dass eine jüdische Legion im Aufbau sei. Andererseits verbreiten sie Panik, indem sie massenhaft Spareinlagen abheben, Lebensmittel zurückhalten, die Preise in die Höhe treiben, Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten usw.«6

Auch wenn hier das Fortleben tradierter Stereotype zutage trat  – einige der beschriebenen Verhaltensweisen betrafen selbstverständlich in gleichem Maße die nichtjüdische Bevölkerung7 – dominierten doch besonnene Stimmen den öffentlichen Diskurs. Der Nowy Dziennik schrieb vom Ende aller Partei- und Nationalitätenkonflikte. Schließlich, so der Befund eines Kommentators, »fühlen wir [Polen und Juden] uns alle einander sehr nah, so nah, wie die Soldaten in den Schützengräben«. Der Verfasser dieser Worte war sich sicher, dass die Juden die bevorstehende »Prüfung der Opferbereitschaft und des Patriotismus« nicht auf sich nahmen, »um die sowieso schon kompro2 Wyszczelski, Poglądy na wojnę i walkę zbrojną w polskiej myśli wojskowej lat 1918–1939. 3 Wapiński, Realia i wyobrażenia; Włodarkiewicz, Przed 17 września 1939 roku, 253–260. 4 Beispielsweise AAN, MSW, cz. I, sygn. 972, 241, Tagesmeldung Nr. 139, 29. August 1939. 5 Po dwudziestu latach, in: Bez Pardonu 4 (1939), H. 1–2, 1. Vgl. auch die Karikatur, die zwei Juden zeigt, die aus einem Versteck heraus ihre Waffe auf polnische Soldaten richten. Bez Pardonu 4 (1939), H. 3–4, 3. 6 CAW, SRI, sygn. I.371.9/A.198, Nr. 32/tjn/39, Woiwodschaftskommandant der Staatspolizei in Brest an das Woiwodschaftsamt Polesien, 7. April 1939. 7 Ebd.

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mittierten Antisemiten von sich zu überzeugen, sondern um ihr Gewissen als Staatsbürger zu beruhigen, das heute wachsamer als irgendwann sonst ist«.8 In der Tat war während der deutschen Invasion vielerorts zu beobachten, wie Polen und Juden ihre Städte gemeinsam verteidigten, was Zeitgenossen wie das Betar-Mitglied Calel Perechodnik als Ausdruck einer »idealen Brüderschaft« erinnerten.9 In den östlichen Gebieten nahmen die Dinge mit dem unerwarteten Einmarsch der sowjetischen Truppen am 17. September eine andere Wendung. Für manchen Beobachter mochten sich die Ereignisse des Krieges von 1920 wiederholen: Während die meisten Polen den Invasoren aus dem Osten mit großer Furcht begegneten, gaben zahlreiche Juden ihrer Freude Ausdruck, nicht in die Hände der deutschen Truppen gefallen zu sein, und begrüßten zum Unmut vieler Mitbürger die Rotarmisten als Befreier.10 Der sowjetische Einmarsch versetzte der polnischen Armee einen weiteren Stoß, doch erfolgte die Kapitulation der letzten Kampftruppen in Kock, dem Sterbeort Berek Joselewicz’, erst am 6. Oktober 1939 – einen Tag nach Hitlers Siegesparade in Warschau. Die Zahl der 1939 mobilisierten jüdischen Soldaten wird auf 100 000 bis 150 000 geschätzt, wovon wahrscheinlich etwa 7 000 in den Kämpfen den Tod fanden. Einige von ihnen wurden auch in Legionowo bestattet. Etwa 61 000 jüdisch-polnische Armeeangehörige gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft.11 Wurden sie als Juden identifiziert, internierten die Deutschen sie getrennt von ihren nichtjüdischen Kameraden und ermordeten sie meist im Verlauf des Krieges. Auf diese Weise kamen fast 3 000 jüdische Soldaten und Offiziere aus dem Lubliner Arbeitslager in der Lipowa-Straße zu Tode, dessen komplett erhaltene Häftlingskartei heute einen wertvollen Archivbestand des Jüdischen Historischen Instituts Warschau bildet.12 Entgingen jüdische Kriegsgefangene der Identifikation, konnten sie den Krieg überleben, wie etwa General Mond und 300 andere jüdische Offiziere in den Offizierslagern 8 AAN, MSW, cz. I, sygn. 972, 241, Tagesmeldung Nr. 88, 17. April 1939. 9 Perechodnik, Bin ich ein Mörder?, 23 f. 10 Zu dieser Problematik vgl. die Beiträge von Michlic, M. Wierzbicki, Wnuk und Rozenblat, in: Barkan / Cole / Struve (Hgg.), Shared History − Divided Memory. Vgl. auch Perechodnik, Bin ich ein Mörder?, 24 f. 11 Gąsowski, Pod sztandarami Orła Białego, 25; Jewish Military Casualties in the Polish Armies in World War II, Bd. 2. Vgl. auch die Erinnerungen von Jerzy Einhorn, der als Soldat u. a. bei Jabłonna eingesetzt wurde. Ders., Recollections of the End of an Era, 78. Zu den übrigen Minderheitenangehörigen im polnischen Militär während des deutsch-polnischen Krieges Nijakowski (Hg.), Udział mniejszości narodowych w różnych formacjach wojskowych w czasie kampanii wrześniowej 1939 r. 12 AŻIH, Kolekcja dokumentów z gett i obozów Europy Środkowo-Wschodniej 1939–1944, sygn. 253, Lublin. Obóz na Lipowej 7. Kartoteka jeńców wojennych z 1939 r. (Żydów); Pohl, Der Völkermord an den Juden, 115; Rezler-Wasielewska / Grudzińska, Lublin, Lipowa  7; Jewish Military Casualties in the Polish Armies in World War II, Bd. 3.

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(Oflag). Auch im sowjetischen Machtbereich rückten die Angehörigen des polnischen Militärs in den Fokus der Besatzungsbehörden. In Katyn und anderen Orten, wo im April 1940 auf Befehl Stalins mehr als 20 000 polnische Offiziere und Polizisten ermordet wurden, starben auch mindestens 456 Offiziere jüdischer Herkunft, etwa der Piłsudski-Vertraute Mieczysław Birnbaum. Unter ihnen befand sich mit Major Baruch Steinberg auch der letzte Oberste Militärrabbiner der Vorkriegszeit, der zugleich ein Schwager Artur Rubinsteins war.13 Für die Zivilbevölkerung der Zweiten Republik begannen im September 1939 mehr als fünf Jahre Besatzungsherrschaft, Terror und Völkermord. Die Juden des Landes und der gesamten Region gerieten dabei in den Fokus der deutschen Vernichtungspolitik. Unter der deutschen Besatzung begann indes bald eine neue Entfremdung zwischen beiden Bevölkerungsgruppen. Die Soziologin Barbara Engelking spricht dabei von einer »psychologischen Distanz«, die sich aufgrund der unterschiedlichen Wahrnehmung der Ereignisse aufbaute. Während die Okkupation für die Polen vor allem als direkter Konflikt mit den Deutschen um die nationale und staatliche Selbstbehauptung wahrgenommen wurde, ging es für die Juden um ein viel elementareres Gut, das schlichte Überleben.14 Wie schnell in dieser Konstellation historische Erfahrungen und Gedächtnisfragmente abgerufen werden konnten, zeigt eine Äußerung Emanuel Ringelblums, der  – bereits als Insasse des Warschauer Ghettos – über das Verhältnis von Polen und Juden während des deutschen Überfalls berichtete. Angesichts des Einsatzes vieler Juden bei Schanzarbeiten und der von ihm beobachteten Praxis, nicht alle jüdischen Offiziere einzuberufen, fühlte sich Ringelblum, der ganz offensichtlich die Schanzenden lieber in der ersten Kampflinie gesehen hätte, an »so etwas wie ein neues Jabłonna« erinnert.15 Auch bei den späteren Gesprächen zwischen polnischen Exilpolitikern und jüdischen Repräsentanten in Palästina diente die Geschichte zur Bewertung der aktuellen Situation. Die polnischen Politiker erinnerten immer wieder an den »Verrat« der Lemberger Juden im November 1918, den sie ihnen bislang nicht verziehen hatten.16 13 Jewish Military Casualties in the Polish Armies in World War II, Bd. 4, 23; B. Młynarski, W niewoli sowieckiej, 155. Als neuester Überblick zu Katyń Benecke, Katyn; Weber, Krieg der Täter. 14 Engelking-Boni, Psychological Distance between Poles and Jews in Nazi-Occupied Warsaw. 15 Ringelblum, Ghetto Warschau, 42 f. Zur Rezeptionsgeschichte Ringelblums in Westdeutschland und insbesondere zur irreführenden Übersetzung des Originaltitels Stach, Holocaust und Kalter Krieg im deutsch-polnisch-jüdischen Kontext. 16 Engel, Lwów 1918, 32 und 43. Zur Atmosphäre weiterer Treffen zwischen polnischen und jüdischen Vertretern Gąsowski, Pod sztandarami Orła Białego, 152–154. Ringelblums Mutmaßung, dass Juden bewusst nicht zum Militär eingezogen, sondern nur beim Bau von Verteidigungsanlagen eingesetzt wurden, muss hier ungeprüft bleiben. Angesichts

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Im besetzten Polen selbst lebten angesichts der deutschen Vernichtungspolitik alte Stereotype wieder auf, wenn etwa davon die Rede war, die Juden würden sich wie Lämmer kampflos der Ermordung in den Vernichtungslagern ergeben.17 Auch war die Überzeugung weiter verbreitet, Juden würden in der Regel politisch dem Kommunismus anhängen und so mit einem der beiden Hauptgegner Polens sympathisieren.18 Dieses Gemisch von tatsächlichen Beobachtungen, Vorurteilen, historischen Belastungen und voneinander abweichenden Sichtweisen auf die Gegenwart war sicher einer der wesentlichen Gründe für die Schwierigkeiten im polnisch-jüdischen Verhältnis der Kriegszeit.19 Hinzu kam, dass die politischen Trennlinien der Vorkriegszeit zwischen Nationaldemokraten und Sanacja-Anhängern, Sozialisten, Kommunisten, Bauernpolitikern und anderen Gruppierungen nur notdürftig überdeckt wurden. Weil aber im Untergrund die Visionen über die zukünftige Verfasstheit des eigenen Staates ebenso plural wie an ihren Rändern extrem waren, mussten dies folgerichtig auch die Beziehungen der einzelnen Akteure zu den Juden sein. Die in dieser Arbeit verhandelten Fragen von jüdischer Loyalität und Kampftauglichkeit verschwanden somit auch in den Wirren des Weltkrieges nicht aus dem polnisch-jüdischen Diskurs. Dies gilt auch für die Ambivalenz im Umgang mit Juden in polnischen Kampfformationen im Untergrund wie im Exil, der von aggressiver Ablehnung bis zu offener Unterstützung reichte. Auch hier prägten die jeweiligen kollektiven Eigeninteressen die Sicht auf das Gegenüber. Während der polnische militärische Untergrund und die Exilregierung im Kampf gegen die Besatzer längerfristigen strategischen Überlegungen und der Wiederherstellung eines souveränen Staates oberste Priorität beimaßen, war das elementare Interesse der als Partisanen oder Aufständische in den Ghettos und Lagern kämpfenden Juden in der Regel viel kurzfristiger und mitunter vor allem auf die Vermeidung eines kampflosen Todes fokussiert.20 Juden fanden sich allerdings nicht nur in rein jüdischen Einheiten, wie den Kampfgruppen im Warschauer Ghetto, sondern waren ebenso Mitglieder einer Reihe von Partisanenverbänden.21 Auch der europaweit größten Untergrundarmee, der als »Heimatarmee« bekannten der genannten Zahl jüdischer Teilnehmer am »Septemberkrieg« von 1939 erscheint dieser Vorwurf allerdings kaum begründet. Möglicherweise handelte es sich um lokale Ereignisse, etwa bei der Einberufung älterer Reservistenjahrgänge. 17 Golczewski, Die Heimatarmee und die Juden, 646–649. Zur Untergrundpresse K. Friedrich, Der nationalsozialistische Judenmord und das polnisch-jüdische Verhältnis im Diskurs der polnischen Untergrundpresse (1942–1944). 18 Pufelska, Die »Judäo-Kommune« – ein Feindbild in Polen, passim. 19 Golczewski, Die Heimatarmee und die Juden, 662–670. 20 Ebd., 654–658. 21 Ebd., 660–665; Engelking / Libionka, Żydzi w powstańczej Warszawie, 147–159.

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Armia Krajowa (AK), gehörten Juden wie der Schriftsteller Michał Borwicz (Maksymilian Boruchowicz) an.22 Vor dem Hintergrund des Gesagten scheint es verständlich, dass heute selbst Grundfesten des polnischen historischen Selbstverständnisses wie der Warschauer Aufstand, an dem Juden in der Hoffnung auf ein freies und besseres Polen in alter Tradition teilnahmen, sich eineindeutigen moralischen Kategorien zu entziehen scheinen. Schnell und aus bequemer zeitlicher Distanz heraus gefällte Urteile über die polnisch-jüdischen Beziehungen im Zweiten Weltkrieg versprechen in diesen Diskursen gleichwohl wenig Erkenntnisgewinn. Dies zeigt gerade ein weiteres konfliktbehaftetes Beispiel, das Teil der internationalen Debatte um Polen in der Anti-Hitler-Koalition wurde, nämlich der als »Anders-Armee« bekannten Polnischen Armee im Osten (Armia Polska na Wschodzie).23 Auch in ihrem Falle kann man das Fortleben der Argumentations- und Verhaltensmuster der Vorkriegszeit beobachten. Während viele Juden, denen der Eintritt in diese in der Sowjetunion aufgestellte Exilarmee verweigert wurde, eine Aufnahme vehement einforderten und dabei den tatsächlich erlebten oder auch nur unterstellten Antisemitismus anprangerten, folgte die polnische Rekrutierungspraxis anderen Prämissen. Zum einen auf die Aufstellung einer möglichst schlagkräftigen und zahlenmäßig starken Kampfformation bedacht, befürchtete die Exilregierung nicht grundlos, dass viele jüdische Soldaten die Armee während ihres geplanten Aufenthalts in Palästina verlassen würden.24 Damit wären, zum anderen, die stattdessen zurückgelassenen Polen weiter der brutalen Unterdrückungspolitik Stalins ausgeliefert geblieben. Hinzu kam, dass der Kreml ab Dezember 1941 Juden, Ukrainer, Belarusen und Litauer aus den Ostgebieten Vorkriegspolens als sowjetische Staatsbürger behandelte 22 Engelking / Libionka, Żydzi w powstańczej Warszawie, 58–97; Golczewski, Die Heimatarmee und die Juden, 665. Der Begriff »Heimatarmee« gibt die polnische Bezeichnung »Armia Krajowa« (Landesarmee) eigentlich unkorrekt wieder, hat sich aber seit den 1940er Jahren im deutschen Sprachgebrauch eingebürgert und wird deshalb auch in dieser Arbeit verwendet. 23 Hier und im Folgenden Gąsowski, Pod sztandarami Orła Białego; Bochenek, Żydzi w Armii Polskiej na Wschodzie 1941–1942. Auch im Falle der Polnischen Armee in Frankreich kam es zur Diskussion um die Rekrutierung polnischer Staatsbürger nichtpolnischer Nationalität. Im konkreten Fall wehrten sich die Ukrainer mit Ausnahme der Petljura-Fraktion gegen ihre Einberufung zur polnischen Armee, da sie sich nicht vereinnahmen lassen wollten. Sie zogen den Eintritt in die Fremdenlegion vor, während die Kommunisten ihre Rekrutierung ablehnten. Partacz, Ukraińcy w Wojsku Polskim we Francji 1939–1940; Siwicki, Duszpast­ erstwo greckokatolickie w Wojsku Polskim 1918–2003, 395–400. 24 Gąsowski, Pod sztandarami Orła Białego, 209–211; Engel, In the Shadow of Auschwitz, 132–147; Zamorski, Dezercje Żydów z Armii Polskiej na Wschodzie. Zu den Bemühungen Ignacy Schwarzbarts, des zionistischen Vertreters in der polnischen Exilregierung, vgl. Stola, Nadzieja i zagłada, 128–151.

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und ihnen die Ausreise verweigerte.25 Ungeachtet dieser politischen Zwänge und pragmatischen Überlegungen ließen sich freilich viele Verantwortliche und Armeeangehörige im Umgang mit Juden von einem ethnozentristischen, nicht selten antisemitisch grundierten Nationsverständnis leiten, das deren Einbindung in nationale Unternehmungen nicht vorsah. Dennoch verließen mit der Anders-Armee einige Tausend Juden über den Iran die Sowjetunion und gelangten nach Palästina. Etwa 3 000 von ihnen blieben wie Menachim Begin tatsächlich in diesem Land, wo sie – militärisch gut geschult – für die Hagana wie auch den Irgun wertvolle Kämpfer wurden. Ein kleiner Teil der jüdischen Anders-Soldaten zog mit dem II. Polnischen Korps in Russland (II. Korpus Polski w Rosji) weiter nach Italien, über Montecassino, Ancona und den Apennin bis nach Bologna.26 Die oft sehr konfrontativ geführten Debatten über den Umgang mit den Juden in der Anders- und Heimatarmee wurden wegen der Vereinnahmung der jüdischen Kriegsopfer durch die kommunistische Übergangsregierung sicher zusätzlich emotionalisiert.27 Hinzu kam, dass auch in der 1943 vom Kreml gegründeten Polnischen Volksarmee mehrere Tausend Juden gekämpft hatten – zeitweise existierte für sie sogar ein Militärrabbinat28 – von denen beispielsweise Lucyna Hertz (Herc) und Lucjan Szenwald vom neuen Regime als Helden inszeniert wurden.29 In diesem Zuge wurden die jüdischen Opfer des Zweiten Weltkrieges auch in die volkspolnische Erzählung über den Kampf der Polen gegen die deutsche Besatzungsherrschaft integriert und ausführlich gewürdigt, ohne dass dies mit der Wahrnehmung der Mehrheitsbevölkerung in Einklang gestanden hätte.30 Je mehr die Machthaber die Volksarmisten bejubelten, umso stärker geriet in Vergessenheit, dass ein guter Teil dieser Soldaten dieser Streitmacht keinesfalls aus ideologischen Erwägungen beigetreten war. Vielen der in der Sowjetunion zerstreuten, meist in schlimmen Verhältnissen lebenden Soldaten war es vor allem um die Möglichkeit gegangen, in einer »eigenen Armee« dienen zu können, oder

25 Borodziej, Geschichte Polens im 20. Jahrhundert, 240. 26 Engel, Facing a Holocaust, 108–137. Auch das Armeerabbinat stellte seine (Publikations)tätigkeit nicht ein. Schlesinger / Borkowski, Żyd polski – żołnierz polski; Rosengarten, Zapiski rabina Wojska Polskiego. 27 K. Friedrich, Die Legitimierung »Volkspolens« durch den polnischen Opferstatus, 38 und 43. 28 Ebd., 23.  29 Ebd., 47; Żydzi-żołnierze wojsk polskich polegli na frontach II wojny światowej, 516–518. 30 K. Friedrich, Die Legitimierung »Volkspolens« durch den polnischen Opferstatus, 22 und 46 f. Auch hier gab es allerdings Mechanismen des Ausschlusses von Juden, beispielsweise bei der Aufnahme in die Truppen. Vgl. dazu die Erinnerungen von Michał Rudawski. Ders., Mój obcy kraj?, 138.

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einen Weg aus dem Exil zurück nach Polen, zur Familie, in das »eigene Land« zu finden.31 Etliche Biografien jüdisch-polnischer Militärs der Nachkriegszeit tragen all die Extreme des 20. Jahrhunderts in sich, etwa der Lebensweg des Brigadegenerals Juliusz Hibner. Er war zunächst Spanienkämpfer, wurde dann als Offizier der Kościuszko-Division mehrfach verwundet, irrtümlich für gefallen gehalten und als Held der Sowjetunion ausgezeichnet. Als Führungsfigur des Korps für Innere Sicherheit (Korpus Bezpieczeństwa Wewnętrznego) setzte Hibner die gewaltsame Aussiedlung der ukrainischen Bevölkerung Südostpolens in den 1940er Jahren maßgeblich mit um. In hohen militärischen und politischen Positionen beteiligte er sich an der Bekämpfung des antikommunistischen Widerstands, wandelte sich aber Mitte der 1950er Jahre zu einem Anhänger des Tauwetters. Enttäuscht von dessen Ergebnissen, ließ er sich 1959 in den Ruhestand versetzen und widmete sich seiner wissenschaftlichen Passion als Atomphysiker in Warschau und Paris.32 So erlebte er die antisemitische Säuberungskampagne nach dem Sechstagekrieg, die 1967/68 drei volkspolnische Generale und etwa 180 Offiziere die Karriere kostete und viele von ihnen in die Emigration zwang, nur als Beobachter.33 Damit endete die fast 200 Jahre andauernde sichtbare Präsenz von Juden in polnischen militärischen Formationen. Heute sind es lediglich historische Spuren, die anlässlich von Jahrestagen und Gedenkfeiern sichtbar gemacht und wie in den 1930er Jahren in den Dienst der polnisch-jüdischen – oder korrekter der polnisch-israelischen – Aussöhnung gestellt werden. Beispiele dafür lieferte das Polnische Jahr 2008/09 in Israel, in dem etwa eine gemeinsame Gedenkbriefmarke mit einem der Joselewicz-Gemälde von Juliusz Kossak herausgegeben wurde. In Warschau wurde mit einer polnisch-französischen Konferenz an Berek Joselewicz erinnert.34 Zu anderer Gelegenheit, bei der Enthüllung eines Kościuszko-Denkmals in Warschau im Jahr 2010, hielt der Historiker Marian Marek Drozdowski eine Rede ganz im Duktus der Zwischenkriegszeit. Das Monument, ein Bronzeabguss eines 1910 von Auslandspolen in Washington errichteten Denkmals, symbolisiere nicht nur 31 Brama Grodzka – Teatr NN, Archiwum Programu Historia Mówiona, Interview mit Marian Milsztajn vom 4. Juli 2000, (14. Juni 2023). 32 Meyer, Zwischen Ideologie und Pragmatismus, 53, Anm. 34 und das Biogramm, 499. Vgl. auch die aufgezeichneten Gespräche mit Puchalska-Hibner, Życie niepokorne. Weitere bekannte Beispiele sind die Biografien von General Wacław Komar oder Oberst Stanisław Flato. 33 Pióro, The Purges in the Polish Army, 1967–1968; Eisler, Polski rok 1968, 462–515. Vgl. auch Rudawski, Mój obcy kraj?, 239–265. 34 Vgl. das Programm der Konferenz »Berek Joselewicz. Combattant de la liberté« unter (14. Juni 2023).

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eine militär- und kulturgeschichtliche Traditionslinie von Kościuszko über Piłsudski bis hin zu polnischen Kampfformationen im Zweiten Weltkrieg, sondern erinnere – eine Begründung seiner Argumentation blieb der Redner seinen Zuhörern an dieser Stelle gleichwohl schuldig – ebenso an die »Gründung […] des Leichten Jüdischen Kavallerieregiments unter der Führung Berek Joselewicz’.«35 Im 2013 eröffneten Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN in Warschau wird an verschiedenen Stellen an die militärische Dimension der gemeinsamen polnisch-jüdischen Geschichte erinnert.

Lokalhistorie und Nationalgeschichte. Jabłonna-Legionowo unter deutscher Besatzung und in den Diskursen der Nachkriegszeit Historische Spuren der polnisch-jüdischen (Militär)geschichte nach 1939 lassen sich auch auf der lokalgeschichtlichen Ebene finden. Einmal im Fokus dieser Untersuchung, bietet das Schicksal Jabłonnas und Legionowos auch hier interessante Anknüpfungspunkte. Denn eines veränderte der deutsche Einmarsch und die kommunistische Machtübernahme nicht: Viele Entwicklungen der polnischen Geschichte liefen im lokalen Kontext beider Orte zusammen und lassen die großen historischen Linien besonders plastisch erscheinen. Das gilt auch für die Kriegsjahre, in denen beide Orte nahezu alle Facetten der Kriegswirklichkeit miterlebten. Etwas weiter nördlich starteten vom Feldflugplatz Poniatów aus Kampfpiloten der polnischen Jagdbrigade (Brygada Pościgowa) ihre pezetelki, leichte Flugzeuge vom Typ PZL, die der deutschen Luftwaffe bei ihren Angriffen auf Warschau zwar zusetzen konnten, der Übermacht aber schnell unterlegen waren.36 Jabłonna war zudem der Ort, an dem die polnischen Behörden deutschstämmige Kolonisten aus der Umgegend internierten, die sich wegen ihrer Mitgliedschaft in NS-Organisationen oder wegen Reisen ins Reich verdächtig gemacht hatten.37 Poniatowskis ehemaliger Landsitz wurde erneut zum Stabsquartier, in diesem Fall der Armee »Modlin«.38 Am 28. September 1939 fanden im Saal des Palais die Kapitulationsverhandlungen der Festung Modlin statt.39 35 Odsłonięcie i poświęcenie pomnika Tadeusza Kościuszki w Warszawie, 16 listopada 2010 r., (14. Juni 2023). 36 Pawlak, Polskie eskadry w wojnie obronnej, u. a. 39–49; Głowacki, Obrona Warszawy i Modlina na tle kampanii wrześniowej 1939, 32–39. 37 Krzyczkowski, W cieniu Warszawy, 17.  38 Głowacki, Obrona Warszawy i Modlina na tle kampanii wrześniowej 1939, 88; Jurga / Karbowski, Armia »Modlin« 1939, 139. 39 Wesołowski, Kapitulacja Modlina we wrześniu 1939 r. w świetle materiałów niemieckich.

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Bei ihrem Einmarsch ermordeten deutsche Soldaten in Legionowo 21 Juden. Bald strömten Hunderte jüdische Flüchtlinge und Vertriebene in den Ort.40 Auf ihrem Durchzug von Pommerellen nach Warschau machte Ende September kurzzeitig die im Rahmen der »Intelligenzaktion« eingesetzte Einsatzgruppe IV in Jabłonna Station.41 Als im Februar 1940 Reinhold Marielke, der neue volksdeutsche Bürgermeister von Legionowo, ermordet wurde, verhafteten die deutschen Besatzer zur Vergeltung willkürlich 600 Bewohner von Henryków, Legionowo und Jabłonna und ermordeten 190 von ihnen im Wald von Palmiry auf der gegenüberliegenden Weichselseite.42 Im Frühjahr 1943 erschossen die Deutschen in den Wäldern um Jabłonna Zivilisten aus Warschau.43 Die Kriegsgeschichte Jabłonnas und Legionowos unterscheidet sich somit nicht von anderen Gegenden im besetzten Polen. Im Oktober 1940 wurde an der Grenze zwischen beiden Schwestergemeinden ein Ghetto für etwa 2 000 bis 3 000 Personen errichtet, die später größtenteils nach Treblinka deportiert wurden.44 Das Kasernengelände wurde bis 1943 als Zwangsarbeiterlager für 100 bis 150 meist jüdische Häftlinge genutzt, weitere 400 Ghettoinsassen mussten am Weichselufer Arbeiten verrichten.45 Exekutionen aufgespürter Juden und polnischer Geiseln waren keine Seltenheit.46 Zudem wurden vier Dutzend sowjetische Kriegsgefangene festgehalten.47 Deutsche Volkstums40 Art. »Jablonna«, in: The Encyclopedia of Jewish Life, 556 f.; Kołodziejczyk, Społeczność żydowska w Legionowie i jej zagłada. 41 Mallmann / Böhler / Matthäus, Einsatzgruppen in Polen, 51. 42 Adamska, Organizacja Selbstschutz w Generalnym Gubernatorstwie, 511; Bartoszewski, Der Todesring um Warschau 1939–1944, 45. 43 P. Majewski, Nationalsozialistische Unterdrückungsmaßnahmen im Generalgouvernement während der Besatzung, 186. 44 Jolanta Kraemer, Art. »Legionowo«, in: US Holocaust Memorial Museum Encyclopedia, Bd. 2, Part B, 394 f. Von der Liquidierung des Ghettos berichtet auch Perechodnik, Bin ich ein Mörder?, 158–163. Weitere Erlebnisberichte bei Wirtualny Sztetl, dem Internetportal des Museums für die Geschichte der polnischen Juden POLIN. (14. Juni 2023). Über das Zusammenleben von Polen und Juden bis zur Einrichtung der Ghettos berichtet auch Tamara Brzezińska. Dies., My, zwykli ludzie, 45 f. Für eine Gesamtdarstellung des Schicksals der Juden von Legionowo unter deutscher Herrschaft vgl. Jacek Szczepański, Ludność żydowska w Legionowie i jej Zagłada. 45 Młynarczyk, »Akcja Reinhard« w gettach prowincjonalnych dystryktu warszawskiego 1942–1943, 63. 46 Ważniewski, Na przedpolach stolicy 1939–1945, 216 und 233; Bartoszewski, Der Todesring um Warschau 1939–1944, 180, Anm. 36. Einen Überblick über die Erschießungen von insgesamt mehreren Hundert Zivilisten, Kriegsgefangenen und Häftlingen in Jabłonna und Legionowo während der gesamten Besatzungszeit liefert Rejestr miejsc i faktów zbrodni popełnionych przez okupanta hitlerowskiego na ziemiach polskich w latach 1939–1945, 76–81 und 113–125. Vgl. auch das Schicksal des Jungen Srólek, seiner Schwester und seiner Mutter. Silberklang, Am seidenen Faden, 248 f. 47 Ważniewski, Na przedpolach stolicy 1939–1945, 138.

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forscher betrieben in der Gegend Rassestudien, um »Weichseldeutsche« zu identifizieren und aus dem Generalgouvernement ins Reich »zurückzusiedeln«.48 Von Maurycy Stanisław Potocki, Mitglied der Heimatarmee, wird berichtet, dass er aufgrund seiner Vorkriegskontakte zu deutschen Politikern und einem hohen Maß an Verhandlungsgeschick viele Gefangene aus den deutschen Gefängnissen befreite und auch dabei half, Juden zu verstecken.49 Potocki war auch nicht unwesentlich an der Rettung des Familienarchivs der Poniatowskis beteiligt, da er Kontakte zum Archivamt Warschau pflegte. In Warschau besaß er zudem ein Haus, in dem sich die Bar »Za Kotarą« befand – ein konspirativer Treffpunkt des militärischen Untergrunds, an dem ein AK-Kommando am 8. Oktober 1943 einen verurteilten Verräter aus den eigenen Reihen sowie mehrere Deutsche erschoss.50 In Jabłonna, Legionowo und Umgebung operierten bereits seit 1942 Untergrundkämpfer, die sowohl der AK als auch der kommunistischen Volksgarde (Gwardia Ludowa)  zuzuordnen waren.51 Im Jahr darauf wurde Legionowo zu einem wichtigen Operationsgebiet für die Kämpfer des Warschauer Aufstands. Nach dem Durchbruch der Roten Armee am Bug hatte die Wehrmacht am 28. Juli 1944 den Ort in Panik verlassen. Zwei Tage darauf kehrte eine SS-Einheit in das Garnisonsstädtchen zurück und zwang die gesamte männliche Bevölkerung zwischen 16 und 60 Jahren zu Schanzarbeiten. Beim Palais von Jabłonna wurden zugleich mehrere Hundert gepanzerte Fahrzeuge zusammengezogen, die am 1. August in Richtung Radzymin abzogen, um in die dortige Panzerschlacht einzugreifen. Am gleichen Tag, etwa zu der Zeit, als im Warschauer Stadtgebiet der Aufstand der Heimatarmee ausgelöst wurde, brachte die lokale AK-Zelle die Stadt und Kaserne für die nächsten drei Tage in ihre Gewalt. Als aber die nahenden sowjetischen Truppen sich vorläufig wieder zurückzogen, tauchten die AK-Kämpfer wieder unter, um am 14. August bei Jabłonna ans andere Weichselufer zu wechseln, von wo aus sie in die Kämpfe im Stadtzentrum Warschaus eingreifen wollten. Nachdem die deutschen Truppen den Aufstand niedergekämpft, das gesamte Gebiet um Jabłonna vermint und das dortige Palais abgebrannt hatten, marschier48 Gottong, Das biologische Bild einer deutschen Gemeinde in Polen  – Jablonna Kreis Warschau-Land. 49 Chodakiewicz, Żydzi i Polacy 1918–1955, 229; Wojciech Roszkowski, Art. »Potocki Maurycy Stanisław«, in: PSB, Bd. 28, 96 f. 50 Strzembosz, Akcje zbrojne podziemnej Warszawy 1939–1944, 378–385. 51 Ważniewski, Na przedpolach stolicy 1939–1945, u. a. 176, 278, 293, 507 und 510 f.; Paszkowski, Walka legionowian o niepodległość w latach II wojny światowej; Cudna-Kowalska (Hg.), Chotomów, Jabłonna od wieków razem. Zu Beginn des Warschauer Aufstands verfügte die AK im Gebiet um Jabłonna über etwa 2 000 Kämpfer, von denen 800 bewaffnet waren. Der Befehl zum Aufstand (»Stunde W«) erreichte das Gebiet recht spät, weshalb die Mobilisierung hier nicht nach Plan verlief. Borkiewicz, Powstanie warszawskie, 55 und 74.

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ten am 28. Oktober 1944 nach zähen Kämpfen Soldaten der 1. Warschauer Infanteriedivision »Tadeusz Kościuszko« (1.  Warszawska Dywizja Piechoty im. Tadeusza Kościuszki), der Keimzelle der Polnischen Volksarmee (Armia Ludowa), in Jabłonna ein. Legionowo wurde hingegen durch Einheiten der 47.  sowjetischen Armee eingenommen.52 Die nun anbrechende Zeit stellte die Vorkriegsordnung nicht wieder her, vielmehr wurde der Aufbau eines neuen polnischen Gemeinwesens von Repression und Gewalt begleitet. Das musste neben Tausenden anderen ehemaligen Untergrundkämpfern auch Maurycy Potocki erfahren, als er im März 1945 durch den kommunistischen Sicherheitsdienst in Kielce inhaftiert wurde. In einer spektakulären Aktion im darauffolgenden August von einer AK-Einheit gemeinsam mit über 300 anderen politischen Gefangenen befreit, flüchtete er nach London, wo er 1949 starb.53 Die Erinnerung an die Internierungen von Jabłonna-Legionowo schien – sieht man von der zitierten Einlassung Ringelblums einmal ab  – mit dem für Polen verlorenen Septemberfeldzug, der deutschen Besatzung und der sowjetisch bestimmten Nachkriegszeit zunächst zu verlöschen. Auch in besagter Diskussion um die Zulassung von Juden in der Anders-Armee war »Jabłonna« augenscheinlich kein Referenzpunkt mehr, auch wenn ähnliche Fragen wie 1920 verhandelt wurden. Der Zweite Weltkrieg und das Ende des jüdischen Polen- und polnischen Judentums überdeckten den Gedächtnisort Jabłonna nahezu vollständig.54 Angesichts der ideologischen Überformung des offiziellen Geschichtsdiskurses erschien Jabłonna nach 1945 gar als Leidensort der polnischen Arbeiterklasse, als eines von vielen »überfüllten Gefängnissen und Internierungslagern« in revolutionären Zeiten, die Arbeitern und Bauern »bis auf den heutigen Tag« in Erinnerung blieben.55 Dennoch kehrte Jabłonna als Symbol, als historiografische Chiffre für die exkludierenden Tendenzen des polnischen Nationalismus, in den wissenschaftlichen und kulturellen Diskurs zurück. Zunächst erwähnte 1974 der Exilant Witold Babiński in einem Archivbericht für die in Paris erscheinen52 Kaczyński, Walki wojsk polskich i radzieckich w okolicach Legionowa 1944–1945; Ważniewski, Na przedpolach stolicy 1939–1945, 447. 53 Wojciech Roszkowski, Art. »Potocki Maurycy Stanisław«, in: PSB, Bd. 28, 96 f. 54 Ausnahmen bilden Segal, Eastern Europe, 244; Stein, Jews in the Polish Army, in: Jewish Frontier 11 (1944), 17. Stein zufolge war Jabłonna »a tiny spot situated in the Carpathian Mountains«. 55 Raort, Walki rewolucyjne w Polsce w latach 1918–1923, 254. Auch der Historiker Zygmunt Młynarski behauptete, in Jabłonna wären führende Kommunisten interniert worden. Ders., Szkice z dziejów rewolucyjnej prasy w Polsce 1866–1938, 170. Eine Ausnahme bildet Manuel Rympel, der die Funktion Jabłonnas korrekt wiedergab. Ders., Słowo o Żydach krakowskich w okresie międzywojennym (1918–1939), 573. Zu Jabłonna während der Revolution von 1905 Antoniewicz u. a., Rewolucja 1905–1907 na Mazowszu i Podlasiu, 41, 51, 127 und 204.

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den Zeszyty Hi­storyczne (Historische Hefte) das Thema im Zusammenhang mit Sosnkowskis Rolle im Polnisch-Sowjetischen Krieg. Von seinem früheren Vorgesetzten übernahm der in Kanada lebende vormalige Adjutant General Sosnkowskis die Bewertung des Internierungslagers als Reaktion auf das »Verhalten einer gewissen Zahl von Soldaten und Zivilisten jüdischer Herkunft gegenüber dem Aggressor« und als Maßnahme, die Gewalt gegen die Juden einzudämmen.56 1977 bewerteten Maurice Adus und Adam Ciołkosz in zwei eigenen Beiträgen in den Zeszyty Historyczne das Thema ebenfalls aus der Perspektive der Zeitzeugengeneration. Adus zufolge handelte es sich um eine Konsequenz des ubiquitären Antisemitismus in der polnischen Gesellschaft, während der Sozialist Ciołkosz um eine Relativierung der Ereignisse bemüht war.57 Von nun an entfaltete sich außerhalb Polens langsam eine Rezeption, die, ohne dass neue Erkenntnisse vorgelegt wurden, dazu führte, dass Jabłonna mitunter fast stereotyp als Beispiel polnischen Judenhasses beschrieben wurde und damit als bloßes Präludium der jüdischen Katastrophe erschien, deren eigentliche Wurzeln immer wieder auch in der polnischen Gesellschaft ausgemacht wurden.58 Mit der Öffnung des historischen Diskurses in den Solidarność-Jahren wurde Jabłonna auch erstmals im Land des Geschehens selbst wieder diskutiert. Den Anlass dafür gab wohl ein Referat des Literaturhistorikers Jan Józef Lipski im März 1981 im Rahmen einer Vortragsreihe, die an der Warschauer Universität im Gedenken an die Studentenunruhen von 1968 organisiert wurde. Lipskis Vortrag, in dem er das Jabłonna-Motiv in seine Darstellung der antijüdischen Traditionslinien in Polen einbaute, war wie die übrigen Veranstaltungen für alle Studenten zugänglich und angesichts des regen Interesses am Thema »1968« sicher gut besucht.59 Kurz darauf erschien der Aufsatz Dwie ojczyzny – dwa patriotyzmy (Zwei Vaterländer – zwei Patriotismen), in dem Lipski den Umgang Polens mit den Juden und übrigen Minderheiten

56 Babiński, Z materiałów archiwalnych, 30. Der Artikel wurde bereits im Dezember 1970 verfasst. 57 Adus, Na marginesie »Pamiętników« Witosa; Ciołkosz, »Dzielnica Żydowska« obozu w Jabłonnie. Ciołkosz war auch Mitglied des Militärausschusses des Sejms, in dem er die Zustände in der Armee durchaus kritisierte. AAN, BS, sygn. 22, 31, Sitzungsprotokoll des Militärausschusses, 27. Februar 1928. 58 Engel, In the Shadow of Auschwitz, 27; Heller, On the Edge of Destruction, 51 f.; Korzec, Antisemitism in Poland as an Intellectual, Social, and Political Movement, 51 f.; ders., Juifs en Pologne, 113; Steinlauf, Bondage to the Dead, 20; Wiesenthal, Recht, nicht Rache, 268; Ainsztein, Jüdischer Widerstand im deutschbesetzten Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges, 29 f. Die einzige Darstellung, die Jabłonna in einen breiteren geschichtlichen Zusammenhang einbettet, ist die Arbeit von Golczewski. Ders., Polnisch-jüdische Beziehungen 1881–1922, 240–245. 59 Lipski, Kwestia żydowska. Vgl. auch die Einleitung von Andrzej Friszke in Marzec 68.

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auch anhand von »Jabłonna« problematisierte. Der Text wird heute als Wendepunkt im polnischen Geschichtsdiskurs betrachtet.60 Adam Ciołkoszs Aufsatz wurde 1983 – wiederum im Exil – in einer Werkausgabe neu ediert.61 Im gleichen Jahr entwickelte sich eine weitere Debatte um Jabłonna. In der Pariser Kultura erschien ein von Michał Borwicz, Józef Lichten, Simon Wiesenthal, Jan Karski, Jerzy Lerski und Jan Nowak verfasster Appell zu einer polnisch-jüdischen Annäherung, in dem sie auch an die Internierung jüdischer Soldaten von 1920 erinnerten.62 In einer Replik verwies Witold Babiński auf das Ausmaß von Desertionen und Disziplinlosigkeit jüdischer Soldaten, die er neuerlich als Beweggrund für das Handeln der polnischen Führung geltend machte.63 Wieder ergriff Michał Borwicz, der ehemalige AK-Kämpfer, das Wort und wiederholte die von Ciołkosz und Adus beschriebenen bekannten Fakten über Jabłonna.64 Derlei Debatten ebneten dem Thema den Weg in einen breiteren Diskurs, zumal es in den immer häufiger erscheinenden Lebenserinnerungen und Familiengeschichten vormals in Polen beheimateter Juden angesprochen wurde.65 Im Bereich der Literatur war es die viel gelesene Autorin Maria Nurowska, die in ihrem 1989 veröffentlichten Roman Postscriptum (Postscriptum für Anna und Miriam) den Freitod eines zuvor in Jabłonna internierten jüdischen Offiziers beschrieb.66 In der akademischen Geschichtsschreibung wandelte sich Jabłonna von einem weißen Fleck zu einer in Fachkreisen bekannten Fußnote des Polnisch-Sowjetischen Krieges. Auch wenn bislang eine systematische Untersuchung der Vorgänge nicht publiziert wurde, gelang es doch Historikern wie Janusz Szczepański, Jabłonna in die Erzählung über das Jahr 1920 und die konflikt­beladenen polnisch-jüdischen Beziehungen einzubinden.67 In vielen neueren Arbeiten wird Jabłonna thematisiert und kontextualisiert,68 auch 60 Lipski, Dwie ojczyzny  – dwa patriotyzmy / Zwei Vaterländer  – zwei Patriotismen, 38 und 187. 61 Ciołkosz, Walka o prawdę, 235–250. 62 Borwicz u. a., Sprawa stosunków polsko-żydowskich, 93. 63 Babiński, Deklaracja w sprawach polsko-żydowskich. 64 Borwicz, Uwagi nt. obozu w Jabłonnie w związku z art. W. Babińskiego. 65 Verstandig, I Rest My Case, 80. 66 Nurowska, Postscriptum für Anna und Miriam, 128. 67 Janusz Szczepański, Wojna 1920 roku na Mazowszu i Podlasiu, 353 f. und 368; ders., Społeczeństwo Polski w walce z najazdem bolszewickim 1920 roku; ders., Społeczność żydowska Mazowsza w XIX–XX wieku, 237 f. und 246. Vgl. auch Drozdowski, Warszawa w obronie Rzeczypospolitej czerwiec – sierpień 1920, 222. 68 Stellvertretetend Topolski, Polska dwudziestego wieku, 1914–1997, 73; Tomaszewski, Józef Lewandowski, Cztery dni w Atlantydzie; Bergmann, Narodowa Demokracja wobec problematyki żydowskiej w latach 1918–1929, 44; Landau-Czajka, Syn będzie Lech …, 413, 423 und 425; Banasiewicz-Ossowska, Między dwoma światami, 38; Kiełbasiewicz, Obraz Żyda w historiografii polskiej okresu międzywojennego, 114; Wołkonowski, Stosunki polskożydowskie w Wilnie i na Wileńszczyźnie 1919–1939, 178; S. Rudnicki, Rozmowy Żydów z

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wenn einige Autoren das Thema durchaus zu umgehen wissen.69 Mittlerweile wird Jabłonna auch in publizistischen Publikationen gewürdigt, so mit einem Beitrag in der Zeitschrift Focus Historia Ekstra.70 Stimmen, die dessen Existenz abstreiten, bagatellisieren oder rechtfertigen, finden sich im wissenschaftlichen Diskurs heute nicht mehr, sind aber im nationalkonservativen Meinungsspektrum nicht gänzlich verstummt.71 Langwierig gestaltet sich auch der Prozess der Aneignung des Themas am Ort des Geschehens selbst. Jabłonna und Legionowo unterscheiden sich dabei im Umgang mit ihrer Geschichte nur wenig von vergleichbaren Ortschaften. Das gewaltsame Verschwinden der Juden und eine über Jahrzehnte staatlich gelenkte Geschichtspolitik hinterließen eine Leerstelle im lokalen historischen Gedächtnis. Nach dem politischen Umbruch von 1989 war, wie auch anderswo im postkommunistischen Ostmitteleuropa, das Interesse an den offiziell tabuisierten »weißen Flecken« stärker als die Aufmerksamkeit für die – scheinbar nicht eigene – Geschichte der verschwundenen jüdischen Nachbarn. Das Historische Museum der Stadt Legionowo füllt diese Lücke nicht, auch wenn eine Gedenktafel auf die Lage des jüdischen Friedhofs im ehemaligen Ghetto hinweist.72 Im heimatkundlichen Schrifttum wurden hingegen die Ereignisse des August 1920 mehrfach beschrieben, wenngleich die Autoren nur bereits bekannte Fakten aus der Fachliteratur, nicht aber neue Forschungsergebnisse präsentieren.73 Die materiellen Spuren der letzten beiden Jahrhunderte hatten es unterdessen schwer, sich in die Gegenwart hinüberzuretten. Die Militäranlagen in Legionowo wurden zwar nach dem Krieg von der Polnischen Volksarmee weitergenutzt und beherbergten bis vor Kurzem noch Armeeeinheiten.74 Allerdings fielen die meisten historischen Gebäude der Gurko-Garnison über die Jahre Kriegen und Abriss zum Opfer. Jabłonna erhielt im Jahr 1953 mit dem nach historischen Vorlagen neu errichteten Palais einen Tagungsort, der von der Polnischen Akademie der Wissenschaften bewirtschaftet wird rządem w okresie obrad Sejmu Ustawodawczego, 205 f. und 208; Różański, Stany Zjednocz­ one wobec kwestii żydowskiej w Polsce 1918–1921, 121 f. 69 Jabłonna als lediglich militärischen Standort beschreibt Odziemkowski. Ders., Leksykon wojny polsko-rosyjskiej 1919–1920. Auch in den zahlreichen übrigen militärhistorischen Arbeiten Odziemkowskis und seines ebenso produktiven Kollegen Lech Wyszczelski wird die Internierung von Juden nicht erwähnt. 70 A. Krajewski, 25 dni hańby, in: Focus Historia Ekstra (2013), H. 2. 71 Goclon, W obronie Europy, 132–138; zu Jabłonna ebd., 136, Anm. 31; Maszkowski, Inny świat. 72 Jacek Szczepański, Ludność żydowska w Legionowie i jej Zagłada, 33, 53 und 88. 73 Grochowski, Historia społeczności żydowskiej w Legionowie w latach 1918–1939; Koło­ dziejczyk, Społeczność żydowska w Legionowie i jej zagłada. 74 Domański, Jednostki 1 Warszawskiej Dywizji Zmechanizowanej im. Tadeusza Kościuszki w Legionowie i okolicach w latach 1944–1999.

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und zahlreiche internationale wissenschaftliche oder politische Konferenzen und andere Fachtagungen erlebte, darunter im November 1967 eine Tagung der ehemaligen Berichterstatter des Nürnberger Prozesses.75 Zu den erwähnenswerten historischen Fußnoten, die zugleich den Bogen in die Gegenwart schlagen, zählte zweifellos der Umstand, dass die Gespräche am »Runden Tisch« ursprünglich ab Ende Oktober 1988 in Jabłonna stattfinden sollten. Das eigens in der bekannten staatlichen Kunstmöbelfabrik in Henryków, einem vor 1939 kurzzeitig zur Gemeinde Jabłonna gehörenden Warschauer Vorort, angefertigte entsprechende Möbelstück wurde tatsächlich im Runden Saal des Palais aufgestellt. Nach kurzer Zeit musste der Tisch aber eingelagert werden, da die Verhandlungen vertagt und schließlich in den heutigen Warschauer Präsidentenpalast verlegt wurden – gemeinsam mit dem Tisch aus Jabłonna.76

Militär, Juden und die polnische Staatlichkeit vor 1939. Ein Resümee Der Versuch der Etablierung einer Nationalarmee in einem realiter multiethnischen Staat trug von Beginn an Züge eines Paradoxons. In der Gründungsphase der polnischen Republik und ihrer Streitkräfte strebten die Protagonisten nach einer ethnischen Homogenisierung der bereits in ihrer Genese äußerst heterogenen Streitkräfte. Diese Entwicklung mündete nicht nur in der partiellen Exklusion von Juden, die nicht als Teil des nationalen Kollektivs akzeptiert wurden. Darüber hinaus entwickelte sich auch eine durch die Kriegsereignisse und die institutionelle Schwäche von Staat und Armee beförderte Gewaltwelle, die sich oft gezielt gegen die jüdische Zivilbevölkerung wendete und an der Militärangehörige maßgeblich beteiligt waren. Mit der Stabilisierung der staatlichen Außengrenzen, die auch eine gewisse Festigung des konstitutionellen Staatsgefüges ermöglichte, wurde Polen dann zu dem, was Brubaker als nationalizing state bezeichnet.77 Das Militär war dabei ein besonders plastisches Beispiel einer nationalisierenden Institution: Wurde im Interesse der polnischen Dominanz nichtpolnischen Militärangehörigen in der Regel eine Karriere verweigert, wurden zugleich einige Ressourcen mobilisiert, um in den ethnisch gemischten Truppen ein kollektives Bewusstsein als Staatsbürger Polens zu schaffen.

75 Weitere Details bei Podkowiński, Norymberga w Jabłonnie; Bernstein, Remembering Nuremberg. 76 Ziemer, Polen, 85. 77 Brubaker, Nationalism Reframed, 57.

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Ein wesentlicher Einfluss auf diese Entwicklungen ist zweifelsohne Józef Piłsudski und seinem politischen Lager zuzuschreiben. Piłsudskis politisches Denken, geprägt vom Unabhängigkeitskampf und seiner multiethnischen Herkunftsregion, war bestimmt von der Idee des Primats des von der Staatsführung stets neu zu bestimmenden polnischen Staatsinteresses. Es war daher kein Nationalismus im ethnischen oder rassischen Sinne, der ihn trieb, die kulturelle Polonisierung der Minderheiten etwa durch die Sprachen- und Schulpolitik voranzutreiben. Er ließ sich vielmehr von der Befürchtung leiten, Polen könne an seiner Minderheitenfrage sowie der prekären außenpolitischen Situierung zerbrechen. Er sah im absoluten Vorrang von polnischen Interessen, polnischer Sprache und Kultur in Staat und Gesellschaft  – bei gleichzeitiger Ignorierung der ungelösten Probleme der Minderheiten – die einzige Möglichkeit, eine kohärente und verteidigungsbereite Gesellschaft zu formen. Das ließ Raum für nichtpolnische ethnische Selbstidentifikationen, sofern dem polnischen Nationalstaat uneingeschränkte Loyalität entgegengebracht wurde. So spiegelt das Militär als staatliche Einrichtung wohl am deutlichsten wider, wo die Chancen und Grenzen polnischer Minderheitenpolitik in der Zwischenkriegszeit lagen. Der (katholisch-)polnische Dominanzanspruch im Staat und das Primat ethnisch polnischer Interessenvertretung im politischen und institutionellen Alltag verhinderten meist einen dialogischen, gleichberechtigten Diskurs zwischen der Titularnation und den Minderheiten, zumal die Mehrheitsgesellschaft – und auch das trat im Militär besonders deutlich hervor  – diesen mit einem gehörigen »Misstrauensvorschuss« gegenübertrat.78 Mit dem fehlenden Vertrauen in die Loyalität der Minderheiten ist ein weiterer wesentlicher Grund für das letztliche Scheitern der Zweiten Republik bei der Einbindung der nichtpolnischen Nationalitäten benannt, zumal Minderheitenpolitik immer auch als Sicherheits- und Außenpolitik gedacht wurde. Dennoch wurde, und das kennzeichnet die Armee Polens in besonderer Weise, von Beginn an der Diskurs über den nationalen Charakter und die gesellschaftliche Funktion des Militärs geführt. Die zeitgenössische Debatte kreiste dabei um die Begriffe einer »nationalen«, sprich ethnisch durchweg polnischen, und einer multiethnischen »staatlichen« Armee. Anhand dieses Diskurses wird die enorme Bedeutung des Militärs für die nationale Verfasstheit Polens deutlich, da hier die Notwendigkeit eines Modus Vivendi im Zusammenleben aller Ethnien erkannt und erstmals lösungsorientiert diskutiert wurde.

78 Mit dem Begriff des »Misstrauensvorschuss« beschreibt Martin Zückert das Verhältnis der tschechoslowakischen Armee vor allem gegenüber magyarischen und deutschen Soldaten. Ders., Zwischen Nationsidee und staatlicher Realität.

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Die herausgehobene Stellung des Militärs ergab sich insbesondere aus dessen Einbindung in politische Entscheidungsprozesse, was sein Selbstverständnis als nationsbildende Kraft innerhalb des Staates enorm stärkte. So keimten innerhalb des Militärs minderheitenpolitische Ansätze auf, die eine gesteuerte Inklusion der Minderheitenangehörigen unter bestimmten Bedingungen vorsahen. Nach einer Phase der Dominanz von Nationalisierungsbestrebungen im Militär agierte die Armee seit der Einführung einer demokratischen Verfassung (1921) weitaus vielschichtiger als zuvor. Die Streitkräfte sahen sich nunmehr in einer doppelten Rolle als polnische nationalstaatliche Institution, die den Anspruch hatte, eine beträchtliche Zahl »nichtpolnischer« Wehrpflichtiger in ihre Strukturen einzubinden und damit zu loyalen Staatsbürgern zu formen. So wurde einerseits mit einer Vielzahl von Maßnahmen dafür gesorgt, dass die Zahl militärischer Karrieren von Minderheitenangehörigen begrenzt blieb, während gleichzeitig Strukturen geschaffen wurden, um dieselben Soldaten wenn nicht zu polnischen Patrioten, so doch zumindest zu zuverlässigen Soldaten zu formen. Als Voraussetzung dafür wurde allerdings die bedingungslose Loyalität ethnisch nichtpolnischer Staatsangehöriger eingefordert. Sie ließ sich nicht wie bei den übrigen Bürgern einfach durch ein unbescholtenes Leben nachweisen. Vielmehr wurde den Minderheiten, insbesondere den Juden, eine »aktive Loyalität« als Staatsbürger abverlangt, deren Umfang und Ausgestaltung nie klar definiert wurden und die somit keine verlässliche Akkulturationsgrundlage bot. Bei allen Vorbehalten, mit denen man den nichtpolnischen Nationalitäten im Militär begegnete, war man doch von der Sinnhaftigkeit und Wirkung der eigenen Integrationsinstrumente überzeugt. Es wurden nicht nur militärseelsorgerliche Strukturen für alle größeren nichtkatholischen Konfessionen geschaffen, sondern auch die staatsbürgerliche Bildung der Wehrpflichtigen forciert. Hinter diesem Anspruch stand das Selbstverständnis des Militärs, an der Herausbildung der Gesellschaft entscheidenden Anteil zu haben. Die emotionale Bindung der Minderheiten an Polen war dabei kein Selbstzweck, sondern Teil der Bemühungen, aus der durch Teilungsgeschichte, Kriegserfahrungen sowie politische und soziale Verwerfungen gespaltenen polnischen Gesellschaft eine verteidigungsbereite Einheit zu formen. Eine ethnische Assimilierung der Minderheiten als mittelfristiges Ziel wurde nicht formuliert, vielmehr orientierten sich die militärischen Autoritäten am Konzept der »staatlichen Assimilierung«, womit eine staatsbürgerliche Integration der Minderheitenangehörigen bei gleichzeitiger Tolerierung kultureller Eigenheiten gemeint war. Aufs Ganze gesehen erwies sich das Militär in mancher Hinsicht als Modell und Vorbild für den gesamtstaatlichen Umgang mit ethnischer und konfessioneller Vielfalt: Erstens war es die Armee, welche die 1914 bis 1921

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eingeübte Gewaltpraxis im Umgang mit Nichtpolen weitgehend überwand – eine Ausnahme bildet die Zerstörung ukrainischer Dörfer und orthodoxer Kirchen in den 1930er Jahren  – und zu im Wesentlichen gewaltfreien Beziehungen fand. Zweitens wurde der in der Armee entwickelte Grundsatz, den Minderheiten mit einer Mischung aus Restriktion und Entgegenkommen gegenüberzutreten, bald auch zur Grundlage der Minderheitenpolitik in den übrigen Bereichen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens. Schließlich konnte das Militär selbst über seine politische Vernetzung im Staat positive wie negative minderheitenpolitische Impulse und Themen setzen. Diese Entwicklungen waren von unmittelbarer Relevanz für die jüdischen Bürger der Zweiten Republik. Zwar bedeutete der Wehrdienst in den Augen der traditionellen Gruppierungen immer noch einen schwer zu akzeptierenden Eingriff in ihre Lebenswelt. Für Zionisten und Anhänger der Akkulturation hingegen war es  – auch angesichts der Erfahrungen im Umfeld von Jabłonna – von größter Bedeutung, dass Juden als anerkannte Staatsbürger ihre Wehrpflicht ableisten konnten. Das Beispiel der Juden macht deutlich, welche Konsequenzen der Zweiklang von Ausgrenzung und Einbindung hatte. Geleitet von einem ethnischen, zuweilen biologistischen Nationsbegriff wie auch einer tradierten Vorstellung von der militärischen Untauglichkeit der Juden, reagierte die Militärführung auf die jüdische Präsenz im Militär zunächst mit konsequenter Abwehr und Repression, wobei sie sich an den radikalsten Meinungen des politischen Diskurses orientierte. Im Moment der staatlichen Konsolidierung ging das Militär dazu über, gegenüber den Juden eine uneindeutige Position zwischen Ablehnung, manifestiert durch institutionelle Diskriminierung, und der Einräumung von Partizipationsmöglichkeiten zu beziehen. Die Streitkräfte gerieten so in eine Doppelrolle als Katalysator und Hemmnis für jüdische Akkulturationsprozesse. Dies galt freilich auch für die übrigen nationalen Minderheiten. Es waren aber die historisch gewachsenen Beziehungen zwischen Polen und Juden, welche die Stellung der Letzteren im Militär im positiven wie negativen Sinne zu einer besonderen machten. Waren Juden einerseits in stärkerem Maße als die übrigen nichtpolnischen Gruppen von Exklusion und Diskriminierung bedroht, standen dem paradoxerweise viel stärkere kulturelle Anknüpfungsmöglichkeiten an die militärische Kultur der Zwischenkriegszeit zur Verfügung. Hier zeigte sich, dass die phasenweise engen Bindungen zwischen Juden und Polen einen erfahrungs- und beziehungsgeschichtlichen Vorlauf geschaffen hatten, auf den die übrigen Minderheiten in diesem Maße nicht zurückgreifen konnten. War die militärische Präsenz von Juden im kulturellen Koordinatensystem Polens einerseits eher negativ belegt, bestanden seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert entsprechende Traditionslinien, die jüdische Akteure und das polnische Militär aus jeweils eigenen Interessenlagen heraus

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als historischen Bezugsrahmen fruchtbar machten. Dabei wurde eine Kontinuität vom Kościuszko-Aufstand bis zum Ersten Weltkrieg konstruiert und damit ein Geschichtsbild entworfen, das auch das historische Verständnis vieler Insassen von Jabłonna geprägt hatte. Es ist augenfällig, dass mit dem jüdischen Oberst Berek Joselewicz bereits 1794 eine Persönlichkeit in das historische Geschehen eingriff, deren Leben und Sterben bald als Musterbeispiel einer jüdischen Biografie in einem polnischen nationalgeschichtlichen Rahmen aufgenommen wurde. Die Diskurse um Tauglichkeit, Legitimität und Loyalität jüdischer Soldaten, die in der polnischen Zwischenkriegszeit so stark hervorbrachen, stehen somit in einer teils sehr langen Traditionslinie. Im 19. Jahrhundert, als sich die Auseinandersetzungen über die Verfasstheit des modernen Polentums und die Zielrichtung der Judenemanzipation überlagerten, rückte auch der Militärdienst immer wieder in den Fokus. Kristallisationspunkte dieser Debatten waren besonders die polnischen Nationalaufstände, in deren Zuge Fragen der Wehrpflicht für Juden beziehungsweise des Rechtes von Juden zum Militärdienst im Zusammenhang mit der Emanzipationsfrage rege diskutiert wurden. An allen Aufständen waren Juden beteiligt, wenngleich sie auch nicht durchweg als gleichberechtigte Kombattanten behandelt wurden. Die damit einhergehenden Verwerfungen erhielten im Ersten Weltkrieg, der am Beginn der Genese einer polnischen nationalen Streitmacht stand, neue Relevanz. Während Polen wie Juden in unterschiedlichen Armeen mit- und gegeneinander standen, nutzten polnische Politiker unterschiedlicher politischer Lager die Handlungsspielräume zur Gründung militärischer Einheiten, die sie als Vorläufer einer nationalen Streitmacht begriffen. Jede der Formationen suchte nach einer Ausdeutung des Nationenbegriffs. Eng daran geknüpft war die Bereitschaft zur Inklusion und Exklusion der Juden, die in den einzelnen Formationen nicht nur unterschiedlich ausgeprägt und gehandhabt, sondern auch politisch anders bewertet wurde. Im Moment der Staatsgründung, der Institutionalisierung der nationalen Streitkräfte sowie der Kodifizierung der Wehrpflicht zeigten sich diese Verwerfungen besonders deutlich, die eine für die jüdischen Bewohner Polens fatale Gleichzeitigkeit von staatsbürgerlicher Gleichberechtigung und nationalistischer Exklusion nach sich zogen. Die Engführung von Nation und Wehrpflicht führte zu zahlreichen Versuchen, Juden möglichst aus militärischen Positionen zu entfernen, wobei zugleich die Loyalität der jüdischen Bevölkerung als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Die Nationalisierung der Streitkräfte äußerte sich zudem in immer wieder aufflammender Gewalt von Soldaten gegen die – vor allem in den umkämpften Ostgebieten oft als nichtpolnisch antizipierte – Zivilbevölkerung. Die dort lebenden Juden waren nicht nur ein besonders einträgliches und leichtes Ziel von derlei Übergriffen, sondern wurden auch für die militärischen Rückschläge des Sommers 1920 verantwortlich gemacht, was wiede-

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rum die Gewalt gegen sie verstärkte und Maßnahmen zu ihrer Entfernung aus der Armee Vorschub leistete. Das Feld der militärischen Geschichtskultur und Gedenkpraxis zeigt exemplarisch, dass sich jüdische Teilhabeforderungen und staatliche Loyalitätserwartungen in der Zweiten Republik durchaus begegnen konnten. Die enge Kooperation zwischen jüdischen Akteuren wie den Veteranenverbänden, dem Armeerabbinat und dem Militär zeigt, dass viele Juden die Genese des polnischen Militärs von einer Gedächtnisfigur des 19. Jahrhunderts hin zu einer realen Institution nachvollzogen. Die jüdischen Veteranen erwiesen sich dabei als Vorreiter dieser Entwicklung, doch fand sie auch in traditionelleren, religiösen Milieus Anhänger. Im Untersuchungszeitraum selbst bemühte sich eine Allianz aus Sanacja-Regime, Militär und Veteranenverbänden um die Revitalisierung der polnisch-jüdischen Geschichtskultur aus der Zeit vor 1914. Diese konzentrierte sich thematisch auf den Bereich der Militär- und Aufstandsgeschichte, wobei Berek Joselewicz, die jüdischen Teilnehmer am Januaraufstand von 1863 sowie die Polnischen Legionen im Zentrum standen. Aus dieser Beschäftigung mit der Geschichte sollten auch Lehren für die Gegenwart gezogen und insbesondere bei jüdischen Jugendlichen das Interesse an Polen geweckt werden. Die Würdigung jüdischer Unterstützung von Propagandaaktionen der Armee, vor allem Geldsammlungen und Anleiheverkäufe zu Rüstungszwecken, durch militärische Vertreter ist als Teil dieser Strategie zu verstehen. Die Armee als Institution entzog sich aus pragmatischen Überlegungen dem stark antisemitisch aufgeladenen öffentlichen und politischen Diskurs nach dem Tod Piłsudskis, wenn auch einzelne Militärangehörige in politischen Funktionen wenig Rücksicht auf diese Erwägungen nahmen. Soziologisch und mentalitätsgeschichtlich nicht mehr messbar sind aus heutiger Sicht die tatsächliche Breitenwirkung des verpflichtenden Armeedienstes auf das Gros polnischer Juden im Militär, die Auswirkungen auf deren Lebenswelt und Weltsicht wie auch deren Bewertung Polens als Staat. Gerade die neuere Forschung hat gezeigt, dass im Militär eingeübte und vermittelte Verhaltensnormen, Lebensweisen und Realitätswahrnehmungen die Rekruten keinesfalls zwangsläufig in bewusste citoyens actifs oder »Bürgersoldaten« im Sinne des 19. Jahrhunderts verwandeln mussten, sondern die Rückkehr ins angestammte soziokulturelle Milieu oft auch eine Rückkehr in traditionelle Lebenswelten war. Nichtsdestotrotz gibt es viele Indizien dafür, dass im Falle der Juden das Tragen einer polnischen Uniform über die akkulturierten Kreise hinaus mit dem Gefühl von Anerkennung und einem Prestigegewinn außerhalb der jüdischen Gemeinschaft einhergehen konnte. Umso schmerzlicher waren unsichtbare, doch meist unüberwind­ liche Karrieregrenzen, wenn sich einzelne Juden für eine militärische Laufbahn entschieden.

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Verifiziert man den geschilderten Anspruch des Militärs am Beispiel der Juden, zeigt sich, dass die Doppelstrategie der Armee von innerinstitutionellen Barrieren und Zugeständnissen auf der Ebene der Wehrpflichtigen ihre Wirkung zeigte. In den Streitkräften wurden Juden von strategisch wichtigen und höheren Positionen ferngehalten, wenngleich sich angesichts der innenund außenpolitischen Lage das Misstrauen der Militärs mehr und mehr auf Ukrainer und Deutsche verschob. Zugleich sollten zahlreiche Maßnahmen den einfachen Rekruten die Einhaltung ihrer religiösen Pflichten ermöglichen. Dies betraf die Freistellung an Feiertagen, die Versorgung mit koscherem Essen an Festtagen, die Formulierung des Fahneneides usw. In der Praxis waren es aber die Garnisonskommandanten, die über die Einhaltung oder Missachtung dieser Regeln entschieden und den Soldaten ihre religiös begründeten Rechte durchaus verweigern konnten. In solchen Fällen war das Militärrabbinat ein wirksamer Fürsprecher, der in der Regel im Sinne der jüdischen Soldaten erfolgreich bei den entsprechenden Stellen intervenierte. Der historiografische Allgemeinplatz, wonach das Militär ein Spiegel der Gesellschaft sei, bestätigt sich für die Situation in Zwischenkriegspolen. Im Umgang mit den Juden fanden sich viele Mechanismen wieder, die auch das zivile Zusammenleben von Juden und Polen bestimmten. Die Besonderheit des Vorgehens der polnischen Streitkräfte, die geprägt waren von den imperialen Armeen und den Militärformationen im Ersten Weltkrieg, lag in der Vielfalt der gewählten Handlungsoptionen gegenüber Juden. Die Ereignisse von Jabłonna im August und September 1920 sind vor diesem Hintergrund tatsächlich eine vielschichtige Metapher für die gesamte polnisch-jüdische Zwischenkriegszeit – ein Ausdruck für die stärkste Ausprägung nationaler Exklusionsmechanismen in Armee und Gesellschaft, die Erfahrung der Zurücksetzung und des Ausschlusses von Juden, aber auch des Fortbestands eines jüdischen Interesses am Militär und der Hoffnung auf Gleichberechtigung.

Abkürzungen

AAN AGAD AK

Archiwum Akt Nowych Archiwum Główne Akt Dawnych Armia Krajowa

APL AŻIH

Archiwum Państwowe w Lublinie Archiwum Żydowskiego Instytutu Historycznego im. Emanuela Ringelbluma Bezpartyjny Blok Współpracy z Rządem Biuro Inspekcji Biuro Sejmu Biblioteka Uniwersytecka w War­ szawie, Gabinet Rękopisów Biuro Wyznań Niekatolickich

BBWR BI BS BUWGR BWN CAHJP CAW CDIAL cz. CZA DOG / DOK Dz. Rozk.

  MSWojsk

Dz. U. f. FIDAC

FPZOO Gab. GGDRC GISZ

Wojskowe Biuro Historyczne – Centralne Archiwum Wojskowe Central’nij Deržavnij Istoričnij Archiv Ukrajini, m. L’viv część Dowództwo Okręgu Generalnego /  Dowództwo Okręgu Korpusu Dziennik Rozkazów Ministerstwa Spraw Wojskowych Dziennik Ustaw fond (ukr.) Fédération Interalliée des Anciens Combattants Federacja Polskich Związków Obrońców Ojczyzny Gabinet Generalny Inspektorat Sił Zbrojnych

Archiv Neuer Akten Hauptarchiv Alter Akten Heimatarmee (wörtl. Landesarmee) Staatliches Archiv in Lublin Archiv des Jüdischen Historischen Instituts Emanuel Ringelblum Parteiloser Block zur Zusammenarbeit mit der Regierung Inspektionsbüro Sejmbüro Universitätsbibliothek in Warschau, Handschriftenabteilung Büro für Nichtkatholische Konfessionen Central Archives for the History of the Jewish People Historisches Militäramt – Zentrales Militärarchiv Zentrales Staatliches Historisches Archiv der Ukraine in L’viv Teil Central Zionist Archives Generalbezirks-/ Korpsbezirkskommando Befehlsblatt des Kriegsministeriums Gesetzblatt Bestand Interalliierte Föderation der ehemaligen Kriegsteilnehmer Föderation Polnischer Verbände der Vaterlandsverteidiger Kabinett Goldstein-Goren Diaspora Research Center Archives Generalinspektorat der Streitkräfte

408 IBSN IW JTA KCNP

Abkürzungen

Instytut Badań Spraw Narodowościowych Instytucje Wojskowe

Kancelaria Cywilna Naczelnika Państwa KOP Korpus Ochrony Pogranicza KNP Komitet Narodowy Polski L. / Liczb. / L. dz. Liczba / Liczba dziennika MSW Ministerstwo Spraw Wewnętrznych MSWojsk Ministerstwo Spraw Wojskowych MSZ Ministerstwo Spraw Zagranicznych NAC Narodowe Archiwum Cyfrowe NKN Naczelny Komitet Narodowy nr, No. numer Oddz. Oddział OK Okręg Korpusu op. opys (ukr.) OZN / Ozon Obóz Zjednoczenia Narodowego PAT PIA

Polska Agencja Telegraficzna

PKU POW poz. PPS PRM PROP

Powiatowa Komenda Uzupełnień Polska Organizacja Wojskowa pozycja Polska Partia Socjalistyczna Prezydium Rady Ministrów Protokoły Rady Obrony Państwa

PSB

Polski Słownik Biograficzny

Rkt. RN ROP RP spr. SRI

Rektyfikaty Referat Narodowościowy Rada Obrony Państwa Rzeczpospolita Polska sprava (ukr.) Samodzielny(e) Referat(y) Informacyjny(e) Sprawozdanie stenograficzne Sejmu Ustawodawczego Rzeczypos­politej Polskiej sygnatura

SSSU sygn.

Institut zur Erforschung von Nationalitätenfragen Armeeinstitutionen Jewish Telegraph Agency Zivilkanzlei des Staatschefs Grenzschutzkorps Nationalkomitee Polens Nummer / Verordnungsnummer Innenministerium Kriegsministerium Außenministerium Nationales Digitales Archiv Oberstes Nationalkomitee Nummer Abteilung Korpsbezirk Verzeichnis Lager der Nationalen Vereinigung Polnische Telegrafenagentur Archives of the Joseph Pilsudski Institute of America Kreisergänzungsamt Polnische Militärorganisation Position Polnische Sozialistische Partei Präsidium des Ministerrats Protokolle des Staatsverteidigungsrats Polnisches Biografisches Wörterbuch Dossiers Nationalitätenreferat Staatsverteidigungsrat Republik Polen Akte Selbstständige(s) Informationsreferat(e) Stenografischer Sitzungsbericht des Verfassungsgebenden Sejms der Republik Polen Signatur

Abkürzungen

409

Szt. / Szt. Gen.   (Gł.)/SG UWL WINO /  WINW

Sztab / Sztab Generalny (Główny)

Stab / Generalstab (Hauptstab)

Urząd Wojewódzki Lubelski Wojskowy Instytut Naukowo-Oświatowy / Wojskowy Instytut Naukowo-Wydawniczy

WO ZG ZIW

Wydział Ogólny Zarząd Główny Związek Inwalidów Wojennych RP Związek Legionistów Polskich

Woiwodschaftsamt Lublin Militärisches Wissenschaftsund Bildungsinstitut / Militärisches Wissenschafts- und Verlagsinstitut Allgemeine Abteilung Hauptvorstand Verband der Kriegsinvaliden der RP Verband der Polnischen Legionäre Verband für den Aktiven Kampf Jüdischer Verband der Kriegsinvaliden, -witwen und -waisen der RP Verband der Jüdischen Teilnehmer an den Kämpfen für die Unabhängigkeit Polens

ZLP ZWC ŻZIWiSW

Związek Walki Czynnej Żydowski Związek Inwalidów, Wdów i Sierot Wojennych RP

ZŻUWoNP

Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski

Quellen und Literatur

Archivquellen Centralne Archiwum Wojskowe [Zentrales Militärarchiv], Warschau (CAW)

Akta personalne generałów [Personalakten der Generale] Akta personalne i odznaczeniowe [Personal- und Auszeichnungsakten] Biuro Inspekcji Generalnego Inspektoratu Sił Zbrojnych [Inspektionsbüro des Generalinspektors der Streitkräfte] Biuro Personalne Ministerstwa Spraw Wojskowych [Personalbüro des K ­ riegsministeriums] Biuro Wyznań Niekatolickich Ministerstwa Spraw Wojskowych [Büro für Nichtkatho­ lische Konfessionen des Kriegsministeriums] Departament Artylerii Ministerstwa Spraw Wojskowych [Artilleriedepartement des Kriegsministeriums] Departament Uzupełnień Ministerstwa Spraw Wojskowych [Departement für Personalergänzung des Kriegsministeriums] Departament X Spraw Poborowych Ministerstwa Spraw Wojskowych [Departement X für Rekrutierungsfragen des Kriegsministeriums] Dowództwo Okręgów Wojskowych [Führung der Militärbezirke] Dywizje i Brygady Piechoty [Divisionen und Brigaden der Infanterie] Gabinet Ministra Spraw Wojskowych [Büro des Kriegsministers] Kolekcja regulaminów, instrukcji i aktów prawnych [Sammlung von Regularien, Instruktionen und Rechtsakten] Kolekcje rękopisów [Handschriftensammlung] Komenda Garnizonu w Jabłonnie [Garnisonskommandantur in Jabłonna] Oddział I Naczelnego Dowództwa Wojska Polskiego [Abteilung I der Obersten Führung der Polnischen Armee] Oddział I Sztabu Głównego (Generalnego) [Abteilung I des Hauptstabs (Generalstabs)] Oddział I Sztabu Ministerstwa Spraw Wojskowych [Abteilung I des Stabs des Kriegsministeriums] Oddział II Sztabu Głównego (Generalnego) [Abteilung II des Hauptstabs (Generalstabs)] Oddział II Sztabu Ministerstwa Spraw Wojskowych [Abteilung II des Stabs des Kriegsministeriums] Organizacje paramilitarne [Paramilitärische Organisationen] Państwowy Urząd Wychowania Fizycznego i Przysposobienia Wojskowego [Staatliches Amt für Leibesübungen und Wehrerziehung] Referat Informacyjny Generalnego Inspektoratu Sił Zbrojnych [Informationsreferat des Generalinspektorats der Streitkräfte] Samodzielne Referaty Informacyjne Dowództw Okręgów Wojskowych oraz Dowództwa Floty [Selbstständige Informationsreferate der Militärbezirksführungen und des Flottenkommandos] Wiceministrowie Spraw Wojskowych [Stellvertretende Kriegsminister]

412

Quellen und Literatur

Wojskowe Biuro Historyczne [Militärhistorisches Büro] Wojskowy Instytut Naukowo-Oświatowy [Militärisches Wissenschafts- und Bildungsinstitut]

Archiwum Akt Nowych [Archiv Neuer Akten], Warschau (AAN)

Akta Józefa i Aleksandry Piłsudskich [Akten von Józef und Aleksandra Piłsudski] Ambasada RP w Berlinie [Botschaft der Republik Polen in Berlin] Ambasada RP w Waszyngtonie [Botschaft der Republik Polen in Washington] Biuro Sejmu RP 1919–1939 [Sejmbüro der Republik Polen 1919–1939] Federacja Polskich Związków Obrońców Ojczyzny [Föderation Polnischer Verbände der Vaterlandsverteidiger] Instytucje Wojskowe 1918–1939 [Armeeinstitutionen 1918–1939] Kancelaria Cywilna Naczelnika Państwa [Zivilkanzlei des Staatschefs] Konsulat Generalny RP w Jerozolimie [Generalkonsulat der Republik Polen in Jerusalem] Ministerstwo Spraw Wewnętrznych [Innenministerium] Ministerstwo Spraw Zagranicznych [Außenministerium] Ministerstwo Wyznań Religijnych i Oświecenia Publicznego [Ministerium für Religiöse Bekenntnisse und Öffentliche Bildung] Prezydium Rady Ministrów [Präsidium des Ministerrats]

Archiwum Państwowe w Lublinie [Staatliches Archiv in Lublin], Lublin (APL)

Akta miasta Lublina [Akten der Stadt Lublin] Urząd Wojewódzki Lubelski [Woiwodschaftsamt Lublin] Starostwo Powiatowe Lubelskie [Starostenamt des Kreises Lublin] Starostwo Powiatowe Łukowskie [Starostenamt des Kreises Łuków] Okręgowy Urząd Policji Politycznej w Lublinie [Bezirksbehörde der Politischen Polizei in Lublin] Komenda Wojewódzka Policji Państwowej w Lublinie [Woiwodschaftspräsidium der Staatspolizei in Lublin] Związek Legionistów Polskich, Zarząd Okręgu w Lublinie oraz Zarządy Oddziału w Lublinie i Łukowie [Verband der Polnischen Legionäre, Kreisvorstand in Lublin sowie Ortsvorstände Lublin und Łuków]

Archiwum Żydowskiego Instytutu Historycznego im. Emanuela Ringelbluma [Archiv des Jüdischen Historischen Instituts Emanuel Ringelblum], Warschau (AŻIH)

Gmina wyznianowa żydowska w Krakowie [Jüdische Religionsgemeinde in Krakau] Kolekcja dokumentów z gett i obozów Europy Środkowo-Wschodniej 1939–1944 [Sammlung von Dokumenten aus den Ghettos und Lagern Ostmitteleuropas 1939–1944] Stowarzyszenia żydowskie w Krakowie [Jüdische Vereine in Krakau]

Archivquellen

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Biblioteka Uniwersytecka w Warszawie, Gabinet Rękopisów [Universitätsbibliothek in Warschau, Handschriftenabteilung] (BUWGR)

Materiały Mariana Dąbrowskiego dotyczące organizowania szkolenia wojskowego i reorganizacji niektórych dziedzin życia wojskowego [Materialien von Marian Dąbrowski bezüglich der Organisation einer militärischen Schulung und der Reorganisation einiger Bereiche des militärischen Lebens] Korespondencja Stanisława Stempowskiego z różnymi instytucjami z lat 1919–1951 [Korrespondenz Stanisław Stempowskis mit verschiedenen Institutionen 1919–1951]

Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem (CAHJP) Gelber Collection, P83

Central Zionist Archives, Jerusalem (CZA) Grünbaum Papers, A127 Meyerson Émile, A408

Central’nij Deržavnij Istoričnij Archiv Ukrajini, m. L’viv [Zentrales Staatliches Historisches Archiv der Ukraine in L’viv], L’viv (CDIAL)

Spilka jevrejiv-učastnikiv borot’bi za nezaležnist’ Polši. L’vivs’ke viddilennja [Verband der Jüdischen Teilnehmer an den Kämpfen für die Unabhängigkeit Polens. Ortsverein Lemberg]

Goldstein-Goren Diaspora Research Center Archives, Tel Aviv (GGDRC)

Polish Territorial Collection, T–32

Jabotinsky Institute and Archive, Tel Aviv A 1–4/35

Archives of the Joseph Pilsudski Institute of America, New York (PIA)

Adiutantura Generalna Naczelnego Wodza [Generaladjutantur des Oberbefehlshabers] Akta Szefa Sztabu Generalnego Wojska Polskiego Generała Tadeusza Rozwadowskiego [Akten des Generalstabschefs der Polnischen Armee General Tadeusz Rozwadowski] Elektronische Quellen, Datenbanken und Archive

Biblioteka Sejmowa [Bibliothek des Sejms]

Parlamentaria polskie 1919–2001 [Polnische Parlamentaria 1919–2001], (14. Juni 2023)

Brama Grodzka – Teatr NN [Burgtor – Theater NN]

Archiwum Programu Historia Mówiona [Archiv des Programms Erzählte Geschichte],

(14. Juni 2023)

414

Quellen und Literatur

Europeana 1914–1918

Unteroffizier Wilhelm Hoßdorf im Lettland-Einsatz, (14.  Juni 2023)

Jewish Telegraphic Agency (JTA)

(14. Juni 2023)

Narodowe Archiwum Cyfrowe [Nationales Digitales Archiv] (NAC)

Koncern Ilustrowany Kurier Codzienny – Archiwum Ilustracji [Konzern Illustrierter Tageskurier – Illustrationsarchiv], (14. Juni 2023)

Urząd Miasta Stołecznego Warszawy [Magistrat der Hauptstadt Warschau]

Odsłonięcie i poświęcenie pomnika Tadeusza Kościuszki w Warszawie, 16  listopada 2010 r. [Enthüllung und Einweihung des Tadeusz-Kościuszko-Denkmals in Warschau, 16. November 2010], (14.  Juni 2023)

Wirtualny Sztetl [Virtuelles Schtetl]

(14. Juni 2023)

Yad Vashem Photo Archive

Borowicz Collection, 3380/860, (14. Juni 2023)

YIVO Institute, New York

»People of a Thousand Towns«. The Online Catalog of Photographs of Jewish Life in Prewar Eastern Europe, (14. Juni 2023)

Edierte Quellen Akty Powstania Kościuszki [Akten des Kościuszko-Aufstands], Bd. 1: Protokoły i dzienniki Rady Zastępczej Tymczasowej i Rady Najwyższej Narodowej, cz. I, Bd. 2: Protokoły i dzienniki Rady Zastępczej Tymczasowej i Rady Najwyższej Narodowej, cz. 2 [Protokolle und Tagebücher des Provisorischen Rats und des Obersten Nationalrats, Teil 1 und 2], hg. von Szymon Askenazy und Włodzimierz Dzwonkowski, Kraków 1918. Bij Bolszewika! Rok 1920 w przekazie historycznym i literackim [Schlag den Bolschewiken! Das Jahr 1920 in der historischen und literarischen Überlieferung], hg. von Czesław Brzoza und Adam Roliński, Kraków 1990. Bitwa niemeńska 29  VIII – 18  X 1920. Dokumenty operacyjne [Die Schlacht an der

Edierte Quellen

415

Memel. Dokumente der Operation], 2 Bde., Bd. 1: Część 1 (29  VIII – 19  IX) [Teil 1 (29. August – 19. September)], Bd. 2: Część 2 (20 IX – 18 X) [Teil 2 (20. September – ​ 18. Oktober)], hg. von Marek Tarczyński u. a., Warszawa 1998. Deutschland 1990, Bd. 21, hg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn 1993. Dokumenty i materiały do historii stosunków polsko-radzieckich [Dokumente und Materialien zur Geschichte der polnisch-sowjetischen Beziehungen], hg. von Natalia Gąsiorowska-Grabowska u. a., 11 Bde., Warszawa 1962–1987. Dokumenty w sprawie polityki narodowościowej władz polskich po przewrocie majowym [Dokumente zur Nationalitätenpolitik der polnischen Regierung nach dem Maiumsturz], bearb. von Czesław Madajczyk, in: Dzieje Najnowsze 4 (1972), H. 3, 137–169. Dzieje Żydów w Polsce. XIX  wiek. Wybór tekstów źródłowych [Die Geschichte der Juden in Polen. Das 19. Jahrhundert. Ausgewählte Quellentexte], hg. von Zofia Borzymińska, Elżbieta Świderska und Andrzej Żbikowski, Warszawa 1993. Dziennik Praw Królestwa Polskiego / Dziennik Praw Państwa Polskiego / Dziennik ­Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej [Gesetzblatt des Königreichs Polen / des polnischen Staates / der Republik Polen], Warszawa 1918–1939. Dziennik Rozporządzeń Komisji Wojskowej (1917/18) / Dziennik Rozporządzeń Ministerstwa Spraw Wojskowych (1918) / Dziennik Rozkazów Wojskowych (1918/19) /  Dziennik Rozkazów [Befehlsblatt der Militärkommission / des Kriegsministeriums / ​ der Militärbefehle / Befehlsblatt], Warszawa 1917–1938. Feldpostbriefe jüdischer Soldaten 1914–1918, 2 Bde., hg. von Sabine Hank und Hermann Simon, Teetz 2002. First Conference of the World Union for Progressive Judaism Held at Berlin, Saturday, August 18th − Monday, August 20th, 1928, [London 1928]. Der Fremde als Nachbar. Polnische Positionen zur jüdischen Präsenz. Texte seit 1800, hg. von François Guesnet, Frankfurt a. M. 2009. Galicyjska działalność wojskowa Piłsudskiego 1906–1914. Dokumenty [Piłsudskis militärische Tätigkeit in Galizien 1906–1914. Dokumente], hg. von Stefan Arski und Józef Chudek, Warszawa 1967. Inwazja bolszewicka  a Żydzi. Zbiór dokumentów [Die bolschewistische Invasion und die Juden. Eine Dokumentensammlung], 2  Bde., hg. vom Narodowy Klub Żydowskich Posłów Sejmowych przy Tymczasowej Żydowskiej Radzie Narodowej, Warszawa 1921. Jewish Military Casualties in the Polish Armies in World War II, 5 Bde., hg. von Benjamin Meirtchak, Tel Aviv 1994–1999. Kniga pogromov. Pogromy na Ukraine, v Belorussii i evropejskoj časti Rossii v period Graždanskoj vojny 1918–1922  gg. Sbornik dokumentov [Das Buch der Pogrome. Pogrome in der Ukraine, Belarus und dem europäischen Teil Russlands im Bürgerkrieg 1918–1922], hg. von Lidija B. Miljakova, Moskau 2007. Korczak, Janusz: Sämtliche Werke, 16  Bde., hier Bd. 15: Briefe und Palästina-Reisen. Dokumente aus den Kriegs- und Ghetto-Jahren. Tagebuch – Erinnerungen. Varia, bearb. und kommentiert von Friedhelm Beiner, Gütersloh 2005. Listy Józefa Piłsudskiego [Briefe Józef Piłsudskis], in: Niepodległość 7 (1962), 5–126. »Man kann sagen, daß der Krieg ein lebensgefährlicher Sport ist.« Oldenburgische Lehrer und Seminaristen erleben den Weltkrieg 1914–1918. Eine Dokumentation

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Quellen und Literatur

erstellt auf Grundlage der Sammlung des Direktors des Oldenburgischen Lehrerseminars, Dr. Emil Künoldt (1850–1920), hg. von Gerhard Wiechmann, Oldenburg 2002. Materiały do udziału Żydów w Gwardii Narodowej, Gwardii Miejskiej i Straży Bezpieczeństwa w powstaniu listopadowym 1830–1831 [Materialien zur Beteiligung von Juden an der Nationalgarde, der Städtischen Garde und der Sicherheitsgarde im Novemberaufstand 1830–1831], hg. von Władysław Lewandowski, in: Biuletyn Żydowskiego Instytutu Historycznego 19–20 (1956), 114–138. Mniejszości narodowe w Wojsku Polskim w 1922 roku [Nationale Minderheiten in der Polnischen Armee im Jahr 1922], hg. von Dariusz Matelski, Poznań 1995. O Niepodległą i granice [Für das unabhängige Polen und die Grenzen], hg. von Marek Jabłonowski u. a., 9 Bde., Warszawa / Pułtusk 1999–2015. Pierwsza wojna polska (1918–1920). Zbiór wojennych komunikatów prasowych Sztabu Generalnego (za czas od 26.XI.1918 r. do 20.X.1920 r.) uzupełniony komunikatami Naczelnej Komendy W. P. we Lwowie (od 2.XI.1918 r. do 23.XI.1918 r.) i Dowództwa Głównego W. P. w Poznaniu (od 11.I.1919 r. do 14.XI.1919 r.) [Der erste polnische Krieg (1918–1920). Sammlung von Kriegspressekommuniqués des Generalstabs (für die Zeit vom 26. November 1918 bis 20. Oktober 1920), vervollständigt durch Kommuniqués des Oberkommandos der Polnischen Armee in Lemberg (vom 2. bis 23. November 1918) und des Hauptkommandos der Polnischen Armee in Posen (vom 11. Januar bis 14. November 1919)], hg. von Stefan Pomarański, Warszawa 1920. Piłsudski, Józef: Erinnerungen und Dokumente, 4 Bde., Essen 1935–1936. Ders.: O armji narodowej [Über die Nationalarmee], in: ders., Pisma zbiorowe, Bd. 4, 90–95, Warszawa 1937. Ders.: Pisma zbiorowe [Gesammelte Schriften], 10 Bde., Warszawa 1937–1938. Ders.: O państwie i armii. Wybór pism [Über Staat und Armee. Ausgewählte Schriften], 2 Bde., Warszawa 1985. Plan für die Ausbildung der Infanterie-Ersatztruppe Warschau, [Warszawa] o. J. Pogromi v Ukrajini, 1914–1920 [Pogrome in der Ukraine, 1914–1920], hg. von Volodimir Serhijčuk, Kyiv 1998. Polen und der Osten. Texte zu einem spannungsreichen Verhältnis, hg. von Andrzej Chwalba, Frankfurt a. M. 2005. Potocki, Stanisław: Pochwała walecznych Polaków w ostatniey woynie poległych [Lob der tapferen, im letzten Krieg gefallenen Polen], in: Roczniki Towarzystwa Królewskiego Warszawskiego Przyjaciół Nauk 8 (1812), H. 2, 19–54. Preußens Erster Reichstag. Eine Zusammenstellung der ständischen Gesetze, der Mitglieder und der Verhandlungen des Ersten Vereinigten Landtags, nebst einem geschichtlichen Umriß seiner Verhältnisse, hg. von August Theodor Woeniger, Bd. 10, Berlin 1847. Protokoll der Verhandlungen des XIV.  Zionisten-Kongresses vom 18. bis 31. August 1925 in Wien, hg. vom Zentralbureau der Zionistischen Organisation, London 1926. Protokoły Rady Obrony Państwa [Protokolle des Staatsverteidigungsrats], hg. von Artur Leinwand und Jan Molenda, in: Z dziejów stosunków polsko-radzieckich. Studia i materiały [Zur Geschichte der polnisch-sowjetischen Beziehungen. Studien und Materialien], Bd. 1, Warszawa 1965. Das Recht der Minderheiten. Materialien zur Einführung in das Verständnis des modernen Minoritätenproblems, hg. von Herbert Kraus, Berlin 1927.

Edierte Quellen

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Recueil des traités, conventions et actes diplomatiques concernant la Pologne 1­ 762–1862 [Sammlung von Verträgen, Vereinbarungen und diplomatischen Urkunden zu Polen 1762–1862], hg. von Léonard Chodźko, Paris 1862. Report by Sir Stuart Samuel on his Mission to Poland. Presented to Parliament by Command of His Majesty, London 1920. Rok 1920. Wojna polsko-radziecka we wspomnieniach i innych dokumentach [Das Jahr 1920. Der Polnisch-Sowjetische Krieg in Erinnerungen und anderen Dokumenten], hg. von Jan Borkowski, Warszawa 1990. Die Verfassungen in Europa 1789–1949. Wissenschaftliche Textedition unter Einschluß sämtlicher Änderungen und Ergänzungen sowie mit Dokumenten aus der englischen und amerikanischen Verfassungsgeschichte, hg. von Dieter Gosewinkel und Andreas Masing, München 2006. Wychodztwo Polskie w poszczególnych krajach. Materjały opracowane na podstawie sprawozdań konsularnych przez Referat Emigracyjny w Wydziałe AdministracyjnoPaszportowym Departamentu Konsularnego Ministerstwa Spraw Zagranicznych (kwiecień 1926) [Das polnische Exil in einzelnen Ländern. Materialien auf Grundlage konsularischer Berichte zusammengestellt vom Emigrationsreferat der Abteilung Verwaltung und Pässe des Konsulardepartements des Außenministeriums (April 1926)], Warszawa 1926. Z myślą o niepodległość. Listy Polaka żołnierza armii niemieckiej z okopów I wojny światowej 1914–1918 [Mit der Unabhängigkeit im Sinn. Briefe eines polnischen Soldaten in der deutschen Armee aus den Schützengräben des Ersten Weltkrieges 1914–1918], hg. von Józef Iwicki, Wrocław u. a. 1978. Żółta łata. Walka o zniesienie ograniczeń prawnych [Der gelbe Flicken. Der Kampf um die Aufhebung der rechtlichen Beschränkungen], hg. von Izaak Grünbaum, 2 Bde., Warszawa 1922. Żydowska mozaika polityczna w Polsce, 1917–1927. Wybór dokumentów [Das jüdische politische Mosaik in Polen, 1917−1927. Ausgewählte Dokumente], hg. von Czesław Brzoza, Kraków 2003. Żydowska Strzecha Akademicka. Sprawozdanie z działalności władz stowarzyszenia od dnia 1.I.1924 do dnia 1.I.1925 [Das Jüdische Akademische Dach. Tätigkeitsbericht des Vereinsvorstands für die Zeit vom 1. Januar 1924 bis zum 1. Januar 1925], Warszawa 1925. Żydzi a powstanie styczniowe. Materiały i Dokumenty [Die Juden und der Januaraufstand. Materialien und Dokumente], hg. von Artur Eisenbach, Dawid Fajnhauz und Adam Wein, Warszawa 1963 (Biuletyn Żydowskiego Instytutu Historycznego, Supplement 3–4 [1962]). Żydzi-żołnierze wojsk polskich polegli na frontach II wojny światowej [An den Fronten des Zweiten Weltkrieges gefallene jüdische Soldaten der polnischen Armeen], hg. von Benjamin Meirtchak, Warszawa 2001.

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Quellen und Literatur

Presse und Periodika 5-ta Rano [5 Uhr morgens] Bellona Bez Pardonu [Ohne Pardon] Biuletyn Okręgu Krakowsko-Śląskiego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski [Bulletin des Bezirks Krakau-Schlesien des ZŻUWoNP] Biuletyn Okręgu Stołecznego Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski [Bulletin des Hauptstadtbezirks des ZŻUWoNP] Czyn [Tat] Daily Telegraph De Vrijdagavond Di Kehile Sztyme / Głos Gminy Żydowskiej [Stimme der Jüdischen Gemeinde] Dziennik Polski [Polnisches Tagblatt] Dzień [Tag] Freiheit Gazeta ABC [ABC-Zeitung] Gazeta Gdańska [Danziger Zeitung] Gazeta Polska [Polnische Zeitung] Gazeta Poniedziałkowa [Montagszeitung] Gazeta Poranna 2 Grosze [Morgenzeitung zwei Grosze] Gazeta Wągrowiecka [Wongrowitzer Zeitung] Głos Lubelski [Lubliner Stimme] Głos Narodu [Stimme der Nation] Głos Poranny [Morgenstimme] Goniec Częstochowski [Tschenstochauer Eilbote] Inwalida Żydowski [Jüdischer Invalide] Jewish Chronicle Jewish Frontier Jüdische Rundschau Komunikat Związku Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski [Kommuniqué des ZŻUWoNP] Kurjer Bydgoski [Bromberger Kurier] Kurjer Poranny [Morgenkurier] Kurjer Poznański [Posener Kurier] Kurjer Warszawski [Warschauer Kurier] L’Humanité L’Univers Israélite La Revue Juive. Revue Internationale La Terre Promise La Tribune Juive Le Petit Parisien Le Peuple Juif Le Populaire Morgenblatt für gebildete Leser Mucha [Fliege]

Nachschlagewerke

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Myśl Niepodległa [Unabhängiger Gedanke] Na Przełomie [Am Wendepunkt] Naród [Nation] Nasz Kurjer [Unser Kurier] Nasz Przegląd [Unsere Rundschau] Nasz Przegląd Ilustrowany [Unsere Illustrierte Rundschau] Nowiny Codzienne [Tägliche Neuigkeiten] Nowy Dziennik [Neues Tagblatt] Orędownik na Powiat Nowotomyski [Fürsprecher für den Kreis Neutomischel] Orędownik Ostrowski [Ostrower Fürsprecher] Orędownik Wrzesiński [Wreschener Fürsprecher] Panteon Polski [Polnisches Pantheon] Polonia Polska Zbrojna [Bewaffnetes Polen] Potęga Polski bez Żydow [Polens Macht ohne Juden] Robotnik [Arbeiter] Rozwaga [Besonnenheit] Rzeczpospolita [Die Republik] Satyr. Tygodnik Humorystyczno-satyryczny [Satyr. Humoristisch-satirisches Wochenblatt] Sulamith The American Jewish Year Book The Menorah Journal The Morning Post The Nation The Polish Review Trubadur Polski [Polnischer Troubadour] Tygodnik Ilustrowany [Illustriertes Wochenblatt] Tygodnik Żydowski [Jüdisches Wochenblatt] Wiadomości. Tygodnik [Nachrichten. Wochenblatt] Wiadomości Literackie [Literarische Nachrichten] Wiarus [Der treue Soldat] Wieczór Warszawski [Warschauer Abend] Wiener Morgenzeitung Życie Robotnicze [Arbeiterleben]

Nachschlagewerke Encyclopaedia Judaica. Das Judentum in Geschichte und Gegenwart, hg. von Jakob Klatzkin u. a., 10 Bde., Berlin 1928–1934. Encyclopedia of Camps and Ghettos, hg. von Geoffrey P. Megargee und Martin Dean, 2 Bde., Bloomington, Ind., 2009–2012. The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, hg. von Shmuel Spector, 3 Bde., New York / Jerusalem 2001. Encyklopedyja powszechna [Allgemeine Enzyklopädie], hg. von Samuel Orgelbrand, 28 Bde., Warszawa 1859–1868.

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Quellen und Literatur

Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig hg. von Dan Diner, 7 Bde., Stuttgart 2011–2017. Evrejskaja enciklopedija. Svod znanij o evrejstve i ego kul’tury v prošlom i nastojaščem [Jüdische Enzyklopädie. Gesammeltes Wissen vom Judentum und seiner Kultur in Vergangenheit und Gegenwart], hg. von Ieguda-Lejb-Benëmin Kacenel’son, 16 Bde., St. Petersburg 1908–1913. Grosse jüdische National-Biographie, hg. von Salomon Wininger, 7 Bde., Berlin 1925–1936. Historia Polski w liczbach [Geschichte Polens in Zahlen], hg. von Andrzej Jezierski, Bd. 1: Państwo i społeczeństwo [Staat und Gesellschaft], Warszawa 2003. The Jewish Encyclopedia. A Descriptive Record of the History, Religion, Literature, and Customs of the Jewish People from the Earliest Times to the Present Day, hg. von Isidor Singer, New York 1916. Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden, Berlin 1927. Odziemkowski, Janusz: Leksykon wojny polsko-rosyjskiej 1919–1920 [Lexikon des polnisch-russischen Krieges 1919–1920], Warszawa 2004. Oficerowie Legionów Polskich 1914–1917. Słownik biograficzny [Die Offiziere der Polnischen Legionen 1914–1917. Biografisches Wörterbuch], hg. von Wiktor Krzysztof Cygan, 5 Bde., Warszawa 2005–2007. Pachoński, Jan Zbigniew: Oficerowie Legionów Polskich 1796–1807 [Die Offiziere der Polnischen Legionen 1796–1807], 2 Bde., Bd. 1: Korpus oficerski Legionów Polskich 1796–1807 [Das Offizierskorps der Polnischen Legionen 1796–1807], Kraków 1999; Bd. 2: Słownik biograficzny oficerów Legionów Polskich 1796–1807 [Biografisches Wörterbuch der Offiziere der Polnischen Legionen 1796–1807], Kraków 2003. Place Names in Israel. A Compendium of Place Names in Israel Compiled from Various Sources, hg. von Israel Program for Scientific Translations, Jerusalem 1962. Polski Słownik Biograficzny [Polnisches Biografisches Wörterbuch], hg. von Władysław Konopczyński u. a., 50 Bde., Kraków 1935–2015. Polski Słownik Judaistyczny. Dzieje – kultura – ludzie [Polnisches Judaistisches Wörter­ buch. Geschichte  – Kultur  – Menschen], hg. von Zofia Borzymińska und Rafał Żebrowski, 2 Bde., Warszawa 2003. Rejestr miejsc i faktów zbrodni popełnionych przez okupanta hitlerowskiego na ­ziemiach polskich w latach 1939–1945. Województwo stołeczne warszawskie [Register der Orte und Fakten der von den NS-Besatzern 1939–1945 in Polen verübten Verbrechen. Die hauptstädtische Woiwodschaft Warschau], Warszawa 1988. Stawecki, Piotr: Słownik biograficzny generałów Wojska Polskiego 1918–1939 [Biografisches Wörterbuch der Generale der Polnischen Armee 1918–1939], Warszawa 1994. The Universal Jewish Encyclopedia. An Authoritative and Popular Presentation of Jews and Judaism since the Earliest Times, hg. von Isaac Landman, 10 Bde., New York 1939–1943. Urbański, Krzysztof / Blumenfeld, Rafał: Słownik historii kieleckich Żydów [Wörterbuch der Geschichte der Juden von Kielce], Kielce 1995. The YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe, hg. von Gershon Hundert, 2 Bde., New Haven, Conn., 2008.

Biografien, Erinnerungen und Tagebücher

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Quellen und Literatur

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Biografien, Erinnerungen und Tagebücher

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Register

Ortsregister Ancona ​391 Andrychów ​327, 338 Antwerpen ​338, 342, 362 Arwa (Orawa, Orava) ​380 Auerstedt ​34 Baranowicze (Baranoviči) ​292, 338 Bayonne ​89 Beniaminów ​87 Berlin ​41, 87, 321 Bern ​176 Biała Podlaska ​276 Białobrzegi ​37 Białowieża-Urwald (Puszcza Białowieska) ​ 49 Białystok ​66, 117, 147, 152, 155, 276, 304, 338 Bielitz ​(Bielsko, Bílsko) 146, 265 Bieniakonie (Bieniakoni) ​301 Bochnia ​234 Bobrujsk (Babrujsk) ​147 Bologna ​391 Borysław (Borislav) ​338, 364 Breslau (Wrocław) ​115 Brest (Brześć nad Bugiem, Brėst) ​230, 234, 270, 285 f., 338, 354, 373 Bromberg (Bydgoszcz) ​47, 338, 354 Brüssel ​30, 176, 338 Bursztyn (Burštin) ​145 Čadca (Czadca) ​380 Champagne ​89, 96 Chełm 129, 222, 256, 263, 324, 334 Chrzanów ​265 Czerlany (Čerljani) ​277 Dąbie ​132 Danzig (Gdańsk) ​115, 336 Dessau ​38

Dobromil (Dobromyl’) ​234 Dresden ​27 Drohobytsch (Drohobycz, Drohobič) ​ 265, 338 Galizien ​24, 35, 56–58, 67, 71, 82, 85, 108 f., 112, 121, 284, 323, 336, 360 Gdingen (Gdynia) ​341 Genf ​228 Golędzinów (Warschau-Golędzinów) ​28 Graudenz (Grudziądz) ​102 Grodno (Hrodna) ​130, 145, 210, 270, 274, 287, 338 Großpolen ​(Wielkopolska) ​109, 136, 153, 205, 354 Henryków ​394, 400 Hohensalza (Inowrocław) ​264, 360 Homel ​350 Jena ​34 Kalisch (Kalisz) ​87, 308, 357 f. Kattowitz (Katowice) ​115, 338 Katyn (Katyń, Katyn’) ​288 Kefar Ḥ asidim ​209 Kielce ​83 f., 114, 122, 151, 153, 169, 181, 303, 321, 379, 396 Kiew (Kijiv) ​130 Kleinpolen ​93, 305 Kock ​36–39, 48, 73, 263, 352 f., 387 Komarów ​144 Kowel (Kovel’) ​126, 338 Kozienice ​209 Krakau (Kraków) ​39, 41, 50, 56 f., 59, 78, 82 f., 86 f., 90, 93, 100, 113, 144, 156, 158, 169, 181, 270, 274, 278, 297, 299, 332–335, 338, 340 f., 359, 362, 373, 376

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Register

Krottingen (Kretynga, Kretinga) ​27 Kukły (Kukly) ​357 Łęczna ​264 Legionowo ​10, 161 f., 194, 301, 387, 393–400 Leipzig ​9, 27, 38, 41, 361 Lemberg (Lwów, Ľviv) ​32, 72 f., 79 f., 110, 121–124, 130, 136, 143, 181 f., 190, 196 f., 244, 252, 259 f., 270, 274, 277 f., 286 f., 318, 336–340, 344 f., 350, 367, 373, 376, 388 Lida ​128, 190, 338 Lodz (Łódź) ​66, 113 f., 117, 127, 130, 138, 158, 206, 234, 270, 274, 319, 336, 338, 354 London ​175 f., 178, 277, 396 Lubartów ​206 Lublin ​78, 90, 98, 97 f., 158, 181 f., 184, 209, 262, 264 f., 270, 274, 285, 298, 333, 338, 352, 361 Lyon ​268 Magdeburg ​87 Mährisch-Ostrau (Ostrava) ​265 Małkinia ​145 Minsk ​130, 144, 255 Mińsk Mazowiecki ​255 Młociny (Warschau-Młociny) ​116 Modlin ​12, 63, 152, 159, 305, 311, 336, 393 Montecassino ​391 Montevideo ​382 Moskau ​133, 183, 321 München ​285 New York ​176 Nieporęt ​144 Nisko ​307 Nowy Dwór ​332 Nowy Sącz ​338, 383 Oblęgorek ​84 Odessa (Odesa) ​88, 327 Ołkusz ​126 Olmütz (Olomouc) ​33 Olsa-Gebiet (Zaolzie, Záolží) ​380, 383

Orlau (Orłowa, Orlová) ​383 Ostrołęka ​169 Oświęcim (Auschwitz) ​117, 262, 333, 338 Palmiry ​394 Paris ​30, 53 f., 175 f., 342, 392 Pińsk ​128, 206, 338, 365 Piotrków Trybunalski ​182, 338 Płock ​146 f., 170, 338 Poniatów ​393 Posen (Poznań) ​34, 44, 57 f., 78, 153, 270, 274, 294, 338, 354 Praga ​(Warschau-Praga) ​9, 28, 30, 144, 288, 294 Prag ​57, 380 Przemyśl ​122, 270, 274, 284, 321, 338 Przemyślany (Peremišljani) ​286 Radom ​141, 326, 338, 365 Radzymin ​147, 159, 162, 395 Rembertów ​157, 327 Riga ​119 Rom ​56, 176 Równe (Rivne) ​361 Rzeszów ​117, 154, 338 Sandomierz ​31 Sankt Petersburg (Petrograd) ​9, 26, 41, 82, 123 Sarny (Sarni) ​245 Saybusch (Żywiec) ​106 Schlesien ​(Śląsk) 93, 109, 126, 212, 239, 345 Serock ​208 Sibirien ​32, 72, 88 Siedlce ​66, 126, 147, 334, 338, 353, 375 Słonim ​230 Sosnowitz (Sosnowiec) ​336 Stanislau (Stanisławów, Ivano-­Frankivs’k) ​ 145, 278, 304, 337 f. Szczakowa ​132 Szczuczyn ​259 Tannenberg (Stębark) ​71 Targowica (Torhovicja) ​28 Tarnopol (Ternopil’) ​185, 304, 338 Tarnów ​115, 144, 187, 285, 307 f., 338

Personenregister

Tatranská Javorina ​(Jaworzyna Tatrzańska) ​380 Tel Aviv ​15 Teschen (Cieszyn, Těšín) ​78, 90, 116, 265, 359, 381 f. Thorn (Toruń) ​102, 270, 274, 322, 338 Tłumacz (Tlumač) ​145, 338 Tomaszów Lubelski ​334, 338, 375 Treblinka ​394 Tschenstochau (Częstochowa) ​126, 277, 319, 338, 349, 365 Tuchola ​132 Tuchów ​115 Tyśmienica ​278 Verdun ​96, 359 Wadowice ​359, 383

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Wien ​10, 35, 41, 82 f., 85, 87, 146, 178, 265, 278, 284, 342 Wilna (Wilno, Vilnius) ​28, 46, 79, 80, 128, 130, 190, 219, 336, 338, 362 Włodawa ​262  f. Wolbrom ​126 Wolhynien (Wołyń, Volýn’) ​173, 222, 357 Wysokie Mazowieckie ​152 Wyszków ​132, 138 Zakopane ​206 Zaleszczyki (Zališčiki) ​326 Zamość ​46, 144 Zawiercie ​336 Zbąszyn (Bentschen) 374 Zegrze ​12, 63, 125, 159 Zips (Spisz, Spiš) ​380

Personenregister d’Abernon, Edgar Vincent ​144, 183 Abraham, Roman ​252 Abramow-Newerly, Igor (Igor Newerly) ​ 75 Albiński, Marian ​204 Aleksandrowicz ​378 Alexander III., Zar ​66 Anders, Władysław ​184 Anusz, Antoni ​109, 173 f. Aronowicz, Józef ​28 f., 31 Aschenbrenner, Henryk ​61 Askenazy, Szymon ​11, 22, 72–74, 175, 228, Avisar, Eitan, siehe Friedmann, Sigmund Edler von Babel, Isaak ​130, 277 Babiński, Witold ​396–398 Bachner, Jakób ​334 Bąkala, Bronisław, siehe LilienfeldKrzewski, Karol Bałaban, Majer (Meir Bałaban) ​22, 30, 74, 288, 352 Balfour, Arthur James ​361 Bandurski, Władysław ​100

Barański, Jerzy ​297 Barchat, Jakób ​276 Baruch, Henryk ​166 Baruchowa, Marja ​166 Beck, Hans Wilhelm ​193 Beck, Józef ​202 Begin, Menachim ​325, 391 Bem, Józef Zachariasz ​52 Berbecki, Leon ​378 Berkowicz, Józef ​48  f. Beseler, Hans Hartwig von ​76, 87, 91 Bieńkowski, Kazimierz ​293 Birnbaum, Mieczysław ​277, 388 Bitner, Wacław ​353 Blauer-Kratowicz, Józef ​110, 357 Blumenfeld, Szlama ​377 Bolesławski, Ryszard (Richard Boleslawski, Bolesław Ryszard S­ zrednicki) ​349 Bonaparte, Napoleon ​33–35, 37, 40, 44, 360 Borenstein, Abraham ​319 Bór-Komorowski, Tadeusz ​184 Borwicz, Michał (Maksymilian ­Boruchowicz) ​390, 398 Brandys, Anna, siehe Szykierowa, Anna

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Register

Brandys, Kazimierz ​237 Bregman, Leon ​288, 336 f., 340, 342, 344, 367–369 Brot, Samuel ​199, 269 Budzyński, Wacław ​254, 373 Bujak, Antoni ​173 f., 289 Bujak, Jan ​255 Bułak-Bałachowicz, Stanisław ​138 Car, Stanisław ​341 Caspar, Isaac ​40 Cechnowski, Józef ​168 Chajes, Wiktor ​338 Chaskielewicz, Judka Lejb ​255 Chłopicki, Józef ​48  f. Chociszewski, Józef ​73 Churchill, Winston ​78 Ciężar, Balbina ​166 Ciołkosz, Adam ​397  f. Courtenay, Jan Niecisław Baudouin de ​ 180 Cukier, Efraim ​115 Czarnowski, Stefan ​311, 385 Czekanowski, Jan ​244 f., 345 Czetwertyński-Światopełk, Seweryn Franciszek ​203 Czortkower, Salomon ​345 Czyński, Jan ​61 Dąbrowski, Jan Henryk ​26 f., 32–34, 41, 46 Dąbrowski, Józef ​282 Dąbrowski, Stefan ​296 Daszyńska-Golińska, Zofia ​181 Daszyński, Ignacy ​172, 176 f., 181 Davout, Louis ​34 Dębicki, Zdzisław ​108  f. Degenstück, Zygmunt ​340 Dickstein, Samuel ​176 Dmowski, Roman ​88 f., 111 f., 347 Dobrucki, Gustaw ​353 Dowbor-Muśnicki, Józef ​88, 93, 100– 102, 153, 194 Dubnow, Simon ​22, 27, 29 f., 42, 74, 123 Dubnowa, Sofia ​74 Duniłłowicz, Witold, siehe Dunwill, William

Dunin-Wąsowicz, Anna ​11  f. Dunin-Wąsowicz, Władysław ​293, 303 Dunwill, William (Witold Duniłłowicz) ​ 206 Dynia, Szmul ​142 f., 277 Dzierżyński, Feliks ​133 Dzwonkowski, Włodzimierz ​72 Ehrlich, Henryk ​131 Einhorn, Jerzy ​387 Endelman, Filip ​336 d’Etchegoyen, Olivier ​96, 193, 210 Fabrycy, Kazimierz ​293  f. Feigenblatt, Stanisław Arnold ​195 f., 341 Feldman, Józef ​168 Feldman, Szymon ​252, 307 Feldman, Wilhelm ​168  f. Feldstein, Herman (Herman Felsztyn) ​ 110 Fiszman, Hersz ​276 Flaschner, Wolf ​264 Floksztrumpf, Ludwik ​341 Fraenkel, Ernst ​76 Fraenkel, Leonard ​376 Frank, Ya’akov ben Yehudah Leib (Jakob Frank) ​25 Fränkel, Chaim Eljezer ​284–287, 296, 352 Friedmann, Sigmund Edler von (Eitan Avisar) ​374 Fuksówna, Maryla ​277 Gadon, Włodzimierz ​54 Gąsiecki-Włostowicz, Jakub ​160 Gąsiorowska, Natalia ​181 Gąsiorowski, Wacław ​72, 89 Gaulle, Charles de ​96, 184 Gelber, Nathan M. ​22, 61 Gembarzewski, Bronisław ​72 Gincburg, Evzel’ Gavrilovič, siehe ­Günzburg, Joseph Gintel, Jan ​278 Głuchowski, Janusz ​368 Goldhar, Leon ​182 Goldman, Artur ​60 Goldstein, Maksymilian ​359 Górecki, Roman ​365, 372

Personenregister

Gottlieb, Maurycy ​72 Grabski, Stanisław ​214, 347 Grabski, Władysław ​149, 190, 213–215, 347 Graetz, Heinrich ​74 Großfürst Konstantin, siehe Romanow, Konstantin Pawlowitsch Grünbaum, Izaak ​150, 173 f., 188, 276, 335 Gryf-Czaykowski, Michał ​383 Guderian, Heinz ​184 Günzburg, Joseph (Evzel’ Gavrilovič Gincburg) ​70 Gurko, Josef ​63 Gutschechner ​379 Guttmann ​110 Habsburg-Lothringen, Karl Stephan von (Karol Olbracht HabsburgLotaryński) ​106 Habsburg-Lothringen, Leo Karl von (Leon Karol Habsburg-Lotaryński) ​ 106 Hafftka, Aleksander ​341, 366 f., 377 Haller, Józef ​86–89, 93, 100, 137, 155, 162, 184, 349 Haller, Stanisław ​201 Halpern, Mojżesz Elia ​143 Handelsman, Marceli ​72, 228 Hartglas, Apolinary ​148, 180, 188 f., 353, 379 f., 382 Hecht, Gedo (Ged Hecht) ​55, 353 Heller, Hersz ​335 Henning-Michaelis, Eugeniusz de ​289 Herc, Lucyna, siehe Hertz, Lucyna Hernisz, Stanisław (Synaj Hernisz) ​48 Hertz, Aleksander ​110 f., 114, 312 f. Hertz, Lucyna (Lucyna Herc) ​391 Herzl, Theodor ​361 Hibner, Juliusz ​392 Hirszhorn, Samuel ​149, 190, 352, 377 Hoditz, Friedrich Graf ​36 Hoffman, Jakub ​373 Hollaenderski, Léon (Leib ben David Hollaenderski) ​38 Hołówko, Tadeusz ​137, 218, 220 f., 228, 324

493

Holzer, Leon ​341 Hoßdorf, Wilhelm ​91 Iwaszkiewicz, Wacław ​172 Jabotinsky, Vladimir Ze’ev ​325–327, 369 Jarnuszkiewicz, Czesław ​297 Jastrow, Markus Mordechaj ​59, 61 Jędrzejewicz, Janusz ​202 Jodko-Narkiewicz, Witold ​73 Joselewicz, Berek (Dov Ber Joselewicz) ​ 6, 27–41, 47 f., 55, 61, 72–74, 111, 150 f., 256, 329, 336, 351–355, 357, 362, 375, 387, 392 f., 404 f. Joseph II., Kaiser ​25 Józewski, Henryk ​222, 324 Jurgielewicz, Kazimierz ​378  f. Kaczyńska, Maria ​41 Kaczyński, Lech ​41 Kaden-Bandrowski, Juliusz ​357 Kahane ​379 Kanał ​379 Kandel, Dawid ​73  f. Karski, Jan ​398 Kasprzycki, Tadeusz ​229, 323 Katharina II., Zarin (Katharina die Große) ​ 26 Kawecki, Henryk ​132, 368 Kędzierski, Anatol ​156 Kiliński, Władysław ​341, 372 Kirszbraun, Eliasz (Eliahu Kirszbraun) ​ 199, 252, 291, 296 Kleinbaum, Mosze (Moshe Sneh) ​377 f. Kniaziewicz, Karol Otto ​34 Koc, Adam ​202, 282, 324 Kochanowski, Jan Karol ​244 Kohl, Cyla ​321 Kon, Feliks (Felix Kohn) ​133 Konarzewski, Daniel ​293 Konopnicka, Maria ​72 Kopczyński, Feliks ​312  f. Korczak, Janusz ​75, 209 Korpała, Józef ​315 Kościuszko, Tadeusz ​10, 26–32, 35, 38, 41, 45 f., 59, 71, 151, 237, 255, 392 f., 396, 404

494 Kossak, Juliusz ​39, 61, 72, 392 Kotlar, Izaak ​113  f. Kowalewski, Jan ​371  f. Kozłowski, Leon ​202 Kramsztyk, Izaak ​59 Krasiński, Wincenty ​45 Krasiński, Zygmunt ​53, 55 f., 58 Krawczyk, Stanisław ​282 Krechowiecki, Adam ​113 Krzemieński, Jakub Marian ​143, 277 Krzywicki, Ludwik ​244 Kuczkowski, Feliks ​185 Kuczyński, Zygmunt ​282, 293 Kukiel, Marian ​26, 72 Kunisz, Zygmunt ​307 Kutrzeba, Stanisław ​223 Lachowski, Dymitr ​288, 341, 371, 374 Lachowski, Mieczysław ​190 Landau, Maksymilian ​278 Landy, Michał ​59 Latinik, Franciszek Ksawery ​95, 144, 160, 162 Leiter, Henryk ​302 Leitgeber, Witold ​72 Lejtes, Józef ​13, 168 Lelewel, Joachim ​45, 52 f. Lenin, Wladimir Iljitsch ​12, 143, 153, 155, 184 Lerski, Jerzy ​398 Leśniewski ​128, 158 Lesser, Aleksander ​59, 72 Libelt, Karol ​57 Lichten, Joseph (Józef Lichten) ​13, 398 Lieberman, Herman ​85, 176 Lilienfeld-Krzewski, Karol (Bronisław Bąkala) ​189, 329 Limanowski, Bolesław ​73, 353 Lipiński, Wacław ​347  f. Lipski, Jan Józef ​397 f. Litvinov, Maksim Maksimovič ​155 Loebel, Henryk ​375 Loewenherz, Henryk ​220  f. Löwenstein von Opoka, Nathan ​176 Lubliner, Stefan ​376 Łukasiński, Walerian ​45 f., 175 Łuniński, Ernest ​33, 72 f., 353

Register

Łuskino, Leon ​282, 293 Madane, Heinoch ​263 Maks, Alexander ​115 Maks, Herman ​115 Malewski, Bronisław ​104  f. Mansperl, Bronisław »Chaber« ​356–358 Marchlewski, Julian ​133, 155 Marielke, Reinhold ​394 Markus, Stanisław ​332 Massalski, Ignacy Jakub ​28 Matejko, Jan ​72 Matuszewski, Ignacy ​202 Mayzel, Maurycy ​288 Meisels, Adolf ​334 Meisels, Dow Ber ​50, 59, 61, 150, 284 Mejerson, Emil, siehe Meyerson, Émile Mendel, Hersch ​142 Merlini, Domenico ​10 Merwin, Bertold (Baruch Menkes) ​73 Meyerson, Émile (Emil Mejerson) ​97, 189 Mickiewicz, Adam ​46, 53, 55 f. Miedziński, Bogusław ​202 Mierosławski, Ludwik Adam ​57 Mieses, Józef ​283–286, 291, 296 f., 302 f. Milgrom, Lejba (Lejba Milgron, Lejba Mülgron) ​307 Miłosz, Czesław ​169 Mirabel, Ludwik ​168 Mlekodaj, Stanisław ​380 Młodzianowski, Kazimierz ​215 f., 219 f. Mond, Bernard Stanisław ​6, 123, 157 f., 171, 278 f., 297, 375, 384, 387 f. Morawski, Franciszek ​48 Morawski, Teodor ​73 Mortkowicz-Olczakowa, Hanna ​180 Mościcki, Ignacy ​202, 301, 340, 342, 344, 363 Mścisławski, Tadeusz ​253 Mülgron, Lejba, siehe Milgrom, Lejba Muszkatenblit, Władysław ​377 Mydlarski, Jan ​244 Narbutt-Łuczyński, Aleksander ​278 Narutowicz, Gabriel ​307 Nelken, Halina ​355

Personenregister

Neubauer, Baruch ​302 Newerly, Igor, siehe Igor AbramowNewerly Niebrzycki, Jerzy ​324 Niedziałkowski, Mieczysław ​147, 181, 186 Niemojewski, Andrzej ​152 Niewiadomski, Eligiusz ​212 Nikolaus I., Zar ​45, 52 Nikolaus II., Zar ​67 Norski-Nożyca, Bolesław ​256 Norwid, Cyprian Kamil ​53 Norwid-Neugebauer, Mieczysław ​275 Nossig, Alfred ​148, 187 Nowak, Jan ​398 Nowikow, Alexander ​84 Nurowska, Maria ​398 Oberlaender, Natan ​376 Opatoshu, Joseph ​352 Orgelbrand, Samuel ​61 Orlicz-Dreszer, Gustaw ​194 Osiński, Aleksander ​289 Osterweil, Gawril ​115 Ostoja-Zagórski, Włodzimierz ​201 Ostrowski (Stabsoffizier) ​342 Ostrowski, Antoni Jan ​49 Paderewski, Ignacy ​129 Paprocki, Stanisław Józef ​217 f., 228, 341, 361, 368 Parvi, Zenon ​72 Paskewitsch, Iwan ​350 Perechodnik, Calel ​387, 394 Perelman, Jakub ​168 Peretz, Emil ​376 Perl, Feliks ​186 Perlmutter, Abraham ​143 Peszes, Adolf ​376 Petrażycki, Leon ​180  f. Pieniążek, Jan ​252 Pieracki, Bronisław ​281  f. Pietsch-Pareński ​105 Pillati, Henryk ​39 Piłsudski, Józef ​21, 41, 78–81, 83 f., 86–88, 92 f., 96–101, 109, 114, 128–132, 136 f., 139, 144, 146, 153,

495

161, 168 f., 172 f., 177, 183–186, 189 f., 193 f., 197–202, 204, 212, 215 f., 219 f., 222, 227, 237, 252 f., 277 f., 281 f., 286, 310, 313 f., 324, 327, 330 f., 333, 335 f., 338–344, 346–350, 353, 355, 357, 360–363, 366, 370 f., 383, 385 f., 388, 393, 401, 405 Piskor, Tadeusz ​293 Pius XI. (Achille Ratti) ​183 f. Poincaré, Raymond ​89 Polak, Nikodem ​344, 358 f., 373 Polakiewicz, Karol ​173, 178 Poniatowski, Józef Antoni ​10–12, 26–28, 32, 35, 37, 40 f., 63, 161, 175, 194, 208, 350, 353, 393 Poniatowski, Michał Jerzy ​103 Poniatowski, Stanisław August ​10, 24 Ponikowski, Antoni ​190 Porwit, Marian ​310 Posner ​302  f. Potocki, August ​63 Potocki, Maurycy Stanisław ​194 f., 208, 395 f. Potocki, Stanisław Kostka ​38 Prich, Rudolf ​173, 177, 181 Próchnik, Adam ​177 Pryłucki, Noah (Noah Priłucki) ​142 f., 148, 165, 173 f., 380 Prystor, Aleksander ​202 Przyborowski, Walery ​72 Pupurus, Roman ​166  f. Raab, Joachim ​285, 354, 363 Raczkiewicz, Władysław ​215 Radek, Karl ​155 Rafałowski, Aleksander ​168 Rago, Stefan ​380 Ratti, Achille, siehe Pius XI. Reich, Leon ​190 Reichwein, Adolf ​76, 163 Relidzyński, Józef ​161 Rembowski, Bogumił ​356 Ringelblum, Emanuel ​19, 164, 388 Rogoziński, Szymon ​170 Roja, Bolesław ​86, 161 Romanow, Konstantin Pawlowitsch (Großfürst Konstantin) ​43–46

496

Register

Rościszewski ​379 Rosenberg, Konrad, siehe Wrzos, Konrad Rosmarin, Henryk (Henryk Rozmaryn) ​ 199 Rowecki, Stefan ​123 Rozen, Ezriel ​361 Rozenberg, Róża ​170 Rozenfeld, Natan ​50 Rozwadowski, Tadeusz ​143, 149, 201 Rubinstein, Artur ​388 Rudnicki, Adolf ​129, 305 Ruff, Salomon ​376  f. Rydz-Śmigły, Edward (Edward ŚmigłyRydz) ​202, 327 Sapieha, Adam Stefan ​41 Satin, Szlama ​166  f. Schaetzel, Tadeusz ​324 Schermant ​376 Schinagel, Feiwel ​115 Schiper, Ignacy ​288 Schorr, Mojżesz ​288 Schrötter, Friedrich Leopold von ​40 Schwarz, Adolf ​376 Schwarz, Herman ​342 Schwarzbart, Ignacy ​390 Ściwiarski, Janusz ​255 Sekunda, Włodzimierz ​315 Sempołowska, Stefania ​180 Siegel, Aron ​296 Sienkiewicz, Henryk ​71 f., 80, 84 Sikorski, Władysław ​41, 143, 155, 184, 213 f., 223–226, 257, 275, 290, 304, 386 Skałkowski, Adam ​72 Skąpski, Julian ​268 Skarga, Piotr ​109 Składkowski, Felicjan Sławoj ​254, 327 Skorupka, Ignacy ​349 Skrzyński, Aleksander ​215 Skulski, Leopold ​128 Skwarczyński, Stanisław ​379 Skwarek, Cyprian ​246 Sławek, Walery ​202, 297, 336, 357 f. Słowacki, Juliusz ​53 Słowik, Tadeusz ​166 Śmigły-Rydz, Edward, siehe RydzŚmigły, Edward

Sneh, Moshe, siehe Kleinbaum, Mosze Sobieski, Jan III. (Johann III. Sobieski) ​ 26, 46 Sobieski, Wacław ​159, 190 f., 348 f. Sochaczewski, Aleksander ​72 Sokolnicki, Michał ​72 Sosnkowski, Kazimierz ​327 Spira, Leopold ​340 f., 344 Srokowski, Kazimierz ​213 Stachiewicz, Wacław ​235  f. Stalin, Joseph ​143, 184, 357, 388, 390 Stecki, Jan ​353 Stefański ​297 Steinberg, Baruch ​284–288, 294, 296, 343, 388 Steinhaus (Soldat) ​321 Steinhaus, Hugo ​110 Stempowski, Jan ​324  f. Sterling, Kazimierz ​336 Stern, Abraham Yair ​327 Storch, Ozjasz ​380–383 Straszewski, Michał Anastazy Teofil ​178 Strug, Andrzej ​180 f., 191 Studnicki, Władysław ​65 Suchenek-Suchecki, Henryk ​227  f. Sulkiewicz, Aleksander ​324 Suszyński ​302 Suworow, Alexander ​29  f. Świsłocki, Leon ​182 Świtalski, Kazimierz ​128, 132, 172 f., 202 Szaliński, Stanisław ​227 Szapiro, Chaim ​146 Szechter, Hersz ​296 Szenwald, Lucjan ​391 Szeptycki, Stanisław ​91, 136, 159, 201, 309 Szrednicki, Bolesław Ryszard, siehe Bolesławski, Ryszard Szulman, Józef ​375 Szyk, Artur ​138 Szyk, Menahem ​326 Szyk, Naum ​326 Szykierowa, Anna (Anna Brandys) ​237 Tajtelbaum, Alfred, siehe Tarski, Alfred Tapicer, Emanuel ​276

Sachregister

Tarski, Alfred (Alfred Tajtelbaum) ​169, 323 Taub, Ezekiel ​209 f.k, 301 Taub, Henryk ​358 f., 383 Taub, Jakub Lejb ​301 Taub, Michel Szlomo ​152 Taubeles, Samuel A. ​286 Tenenbaum, Małka ​263  f. Tenenbaum, Pejsach ​263  f. Thommée, Wiktor ​373 Thon, Ozjasz ​103 f., 106, 179 f., 340 Thorvaldsen, Bertel ​350 Thugutt, Stanisław ​137, 214, 228 Tokarz, Jakub ​72 Tramecourt, Jerzy Albin de ​375 Trąmpczyński, Wojciech ​141 Traugutt, Romuald ​60, 237 Trockenheim, Jakub (Jankiel Trockenheim) ​378  f. Trotzki, Leo ​150, 153, 155 Tugendhold, Jakub (Jakob Tugendhold) ​ 47 f. Turno, Kazimierz ​34, 36 Unszlicht, Józef ​133 Vaksman, Yankev, siehe Waksman, Jakub Wakar, Włodzimierz ​194, 208, 228 Waksman, Jakub (Yankev Vaksman) ​72 Warszawski, Jakub ​376 Wasilewski, Leon ​218, 220 f., 228 Weic, Icchok Aizyk ​152

497

Weinzieher, Salomon ​104 Weygand, Maxime ​159, 190 f., 348 Wieczorkiewicz, Antoni ​168 Wielopolski, Aleksander Graf ​60 Wieniarski, Antoni ​61 Wieniawa-Długoszowski, Bolesław ​132 Wilhelm II., Kaiser ​87 Wilson, Woodrow ​178  f. Winawer, Karol ​336 Wiślicki, Wacław ​307  f. Witos, Wincenty ​131, 139, 144, 153, 172, 181, 213, 251, 309 Wohl, Henryk ​237, 377 Wojciechowski, Stanisław ​194, 277 Woźnicki, Jan ​353 Wroczyński, Jan ​174  f. Wrzos, Konrad (Konrad Rosenberg) ​186 Yagoda, Ella ​298 Zajączek, Józef ​26, 44 Załuska, Jan ​252 Zamorski, Kordian ​323 Zbytkower, Szmul Jakubowicz (Shmul Zbytkower) ​28, 30 Żeligowski, Lucjan ​162 Żeromski, Stefan ​138, 180 Zirler, Izydor ​361 Zmigryder-Konopka, Zdzisław ​288, 342, 351, 355, 365, 372, 374, 376 Zug, Simon Gottlieb ​10 Żuławski, Zygmunt ​181 Zylbersztajn, Ita ​264

Sachregister Adelsrepublik, siehe polnisch-litauische Adelsrepublik Allgemeine Korrespondenz-Universität (Powszechny Uniwersytet Korespondencyjny) ​312 American Jewish Committee ​178 f. Ansiedlungsrayon ​51 f., 65 f. Antibolschewistische Liga (Liga Antybolszewicka) ​140, 153

Bolschewiki ​117, 127–130, 133, 135, 138–140, 144 f., 150, 153 f., 172, 174 f., 177, 183, 189, 205, 277 Exekutives Bürgerkomitee zur Ver­ teidigung des Staates (Obywatelski Komitet Wykonawczy Obrony Państwa) ​141

498

Register

Feldmannschaften des Sokolverbandes ​ 83 Filarecja ​(Union der Vereinigungen der Unabhängigkeitsjugend »Filarecja«, Unia Stowarzyszeń Polskiej Młodzieży Niepodległościowej »Filarecja«) ​357 Föderation Polnischer Juden in Amerika (Federacja Żydów Polskich w ­Ameryce) ​342 Große Emigration (Wielka Emigracja) ​ 52 f. Großherzogtum Posen ​44, 57 Herzogtum Warschau ​33–35, 40, 43 Institut zur Erforschung von Nationalitätenfragen (Instytut Badań Spraw Narodowościowych, IBSN) ​208, 218, 227–229, 232, 235, 324, 327, 341, 376 Jüdisches Komitee zur Verteidigung des Staates (Żydowski Komitet Obrony Państwa) ​164 Junikrieg, siehe Sechstagekrieg Katholische Aktion (Akcja Katolicka) ​326 Komitee zur Ehrung des Andenkens Marschall Józef Piłsudskis (Komitet Uczczenia Pamięci Marszałka Józefa Piłsudskiego) ​362 Komitee zur Verteidigung der Republik (Komitet Obrony Rzeczypospolitej) ​ 202 Kommission der Vier (Komisja Czterech) ​ 213 f. Königreich Polen (Kongresspolen) ​23, 44 f., 47, 50–52, 58, 60 f., 65–67, 69, 71, 78, 84–87, 100, 111, 116, 122, 244, 248, 360 Kosakenaufstand (ChmelnyzkyjAufstand) ​21, 25 f., 151 Kresy ​97, 121, 242, 321 Krimkrieg ​51 f., 56, 70 Landesverteidigungskomitees (Komitety Obrony Państwa) ​141 f., 151, 154

Leipziger Völkerschlacht ​11, 40 Liga zur Verteidigung der Menschenrechte (Liga Obrony Praw Człowieka) ​180 Maiputsch (Maiumsturz) ​194, 199, 215, 227 f., 251 f., 257, 272, 278, 336 Maiverfassung, siehe Verfassung vom 3. Mai 1791 Meeres- und Kolonialliga (Liga Morska i Kolonialna, LMiK) ​207, 318, 335, 345 f., 379 Militär, Struktur und Verwaltung – Generalinspektorat der Streitkräfte (Generalny Inspektorat Sił Zbrojnych, GISZ) ​200, 202, 224, 323, 372 – Generalstab (Sztab Generalny, Sztab Główny) ​90, 103, 114, 120, 134, 136, 143, 149, 152, 156, 173, 197–200, 202, 223–226, 235, 247, 257, 270, 291 – Abteilung II des Kriegsministeriums (anschließend des Generalstabs) (Oddział II Sztabu Generalnego, Dwójka) ​19, 134, 139, 178, 199, 205, 224–227, 229, 231, 239 f., 249–251, 259 f., 265, 267, 270, 277, 281, 292 f., 309, 311, 325, 334 – Nationalitätenreferat (Referat Narodowościowy) ​225–227, 229, 231, 242, 281, 311, 408 – Königlich-Polnische Militärkommission (Królewsko-Polska Komisja Wojskowa) ​87 – Kriegsministerium (Ministerstwo Spraw Wojskowych, MSWojsk) ​12, 19, 87, 90, 93, 101, 103, 106–108, 114, 116, 118, 120, 134, 143, 147 f., 156 f., 159 f., 165, 173–176, 178 f., 181, 188, 197–200, 202–205, 223 f., 227, 232, 271, 274, 277, 281–284, 289, 291–294, 299, 304, 308–310, 320, 323, 334, 341, 350, 355, 372 – Abteilung Oberste Militärkontrolle (Oddział Naczelnej Kontroli Wojskowej) ​174 – Bischofskurie der Polnischen Streitkräfte (Polowa Kuria Biskupia Wojsk Polskich) ​281

Sachregister

– Büro für Nichtkatholische Konfessionen (Biuro Wyznań Niekatolickich, BWN, Eigenständige Sektion für Nichtkatholische Konfessionen und Kriegsgräberfürsorge/Samodzielna Sekcja Wyznań Niekatolickich i Opieki nad Grobami Wojennymi) ​19, 165, 224, 227, 274, 281–284, 288, 292 f., 300, 303 – Departement für Personalergänzung (Departament Uzupełnień) ​ 232–234, 268, 271 – Intendantur (Departament Intendentury) ​112, 153, 273, 292 f., 360 – Militärische Hauptseelsorgeämter (Główne Wojskowe Urzędy Duszpasterskie, GWUD) ​282 – Parlamentarisches Referat (Referat Sejmowy) ​292  f. – Sektion für Religionen und Bekenntnisse (Sekcja Religijno-Wyznaniowa) ​281 – Korpsbezirkskommando (Dowództwo Okręgu Korpusu, DOK bis 1921 Generalbezirkskommando/Dowództwo Okręgu Generalnego, DOG) ​93, 116  f., 121, 169–171, 182, 218, 224, 226 f., 240, 248, 262, 270–273, 278, 285, 294, 296 f., 319, 322, 334, 378 – Selbstständige Informationsreferate (Samodzielne Referaty Informacyjne, SRI) ​19, 227, 240, 242, 249, 257, 262, 304 f., 315, 319, 321, 325, 334 – Kreisergänzungsamt (Powiatowa Komendy Uzupełnień, PKU) ​142, 230–232, 234, 248, 262–264 – Militärrat (Rada Wojskowa, bis März 1919 Militärische Gesetzgebungskommission/Wojskowa Komisja Ustawodawcza, ab 1921 Kriegsrat/ Rada Wojenna) ​198, 211 Militärformationen und Armeen – 1. Warschauer Infanteriedivision »Tadeusz Kościuszko« (1. ­Warszawska





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499

Dywizja Piechoty im. Tadeusza Kościuszki) ​395  f. Anders-Armee (Polnische Streitkräfte in der UdSSR/Polskie Siły Zbrojne w ZSRR, ab 1942 Polnische Armee im Osten/Armia Polska na Wschodzie) ​ 390 f., 396 Blaue Armee (Błękitna Armia, auch Haller-Armee/Armia Hallera, offiziell Polnische Armee in Frankreich/ Armia Polska we Francji) ​87, 89, 93, 95, 109, 148, 332, 390 Erste Kaderkompanie (Pierwsza Kompania Kadrowa, Kadrówka) ​ 83–85, 99, 144, 357 Freiwilligenarmee (Armia Ochotnicza) ​137, 142, 155 Heimatarmee (Armia Krajowa, AK) ​ 123, 389–391, 395 f., 398 Nationale Verteidigung (Obrona Narodowa) ​203 Polnische Korps (Korpusy Polskie) ​ 88 f., 95 – II. Polnisches Korps in Russland (II. Korpus Polski w Rosji) ​391 Grenzschutzkorps (Korpus Ochrony Pogranicza, KOP) ​271, 273 f., 322 Jagdbrigade (Brygada Pościgowa) ​ 393 Korps für Innere Sicherheit (Korpus Bezpieczeństwa Wewnętrznego) ​392 Kosakendivision des Sultans (Dywizja Kozaków Sułtańskich) ​56 Lemberger junge Adler (Orlęta ­Lwowskie) ​98, 137 Polnische Legionen (1797–1809) ​33, 41 Polnische Legionen (1914–1918) ​ 84–87, 89, 95, 110 f., 161, 168, 276 f., 336, 352, 357, 405 Polnische Legion (Mickiewicz-­ Legion, Legion Mickiewicza, 1848) ​ 56 f. Polnische Militärorganisation (Polska Organizacja Wojskowa, POW) ​86, 91–93, 95, 110, 112, 136, 228, 286, 335 f., 338 f., 370, 372

500

Register

– Polnische Volksarmee (Armia ­Ludowa, Volksgarde/Gwardia ­Ludowa) ​ 391, 395 f., 399 – Polnische Wehrmacht (Polska Siła Zbrojna) ​87, 90 – Polnisches Hilfskorps (Polski Korpus Posiłkowy, 1916–1918) ​87 – Puławy-Legion (Legion Puławski, Polnische Schützenbrigade/Polska Brygada Strzelców, Polnische Schützen­­ division/Polska Dywizja Strzelców) 8​ 8 – Verband für den Aktiven Kampf (Zwią­ zek Walki Czynnej, ZWC) ​81  f., 357 Militärisches Wissenschafts- und Verlagsinstitut (Wojskowy Instytut Naukowo-Wydawniczy, WINW, ab 1934 Militärisches Wissenschafts- und Bildungsinstitut/Wojskowy Instytut Naukowo-Oświatowy, WINO) ​310, 312 f., 315 f. Ministerien – Außenministerium (Ministerstwo Spraw Zagranicznych) ​19, 103, 162, 176, 178, 202, 268, 327 f., 342 f. – Innenministerium (Ministerstwo Spraw Wewnętrznych) ​19, 103, 176, 215, 219–221, 225, 227, 253 f., 263, 265, 268, 281, 334–336, 341, 343, 361, 367 f., 374 f. – Nationalitätenabteilung (Wydział Narodowościowy) ​215, 217, 220 f., 227, 281 – Politische Abteilung (Wydział Polityczny) ​226 – Kriegsministerium (Ministerstwo Spraw Wojskowych, MSWojsk), siehe Militär, Struktur und Verwaltung – Ministerium für Religiöse Bekenntnisse und Öffentliche Bildung (Ministerstwo Wyznań Religijnych i Oświecenia Publicznego, MWRiOP) ​ 19, 282 f. Münchener Abkommen ​380 Nationaler Verteidigungsfonds (Fundusz Obrony Narodowej, FON) ​207, 318, 335, 345 f., 386

Nationalgarde (Gwardia Narodowa, 1830/31) ​48–50, 57, 62 Nationalkomitee Polens (Komitet Narodowy Polski, KNP) ​57, 88  f. Oberstes Nationalkomitee (Naczelny Komitet Narodowy, NKN) ​83, 85–87, 111 Oberster Nationalrat (Rada Najwyższa Narodowa, 1794) ​29 Oberster Nationalrat (Rada Najwyższa Narodowa, 1830) ​49 Organisation der jüdischen Piłsudskisten (Organizacja Piłsudczyków Żydowskich) ​342 Ost-Institut (Instytut Wschodni) ​229 Paramilitärische Organisationen und Wehrsportverbände – Bartosz-Trupps (Drużyny Bartoszowe) ​ 82 f., 278 – Berek-Joselewicz-Legion (Legion im. Berka Joselewicza) ​206 – Betar (Brit ha-no’ar ha-ivri al shem Joseph Trumpeldor/ Hebräischer Jugendbund Josef Trumpeldor) ​325–327, 362, 382, 387 – Brith Hachajał (Brit ha-ḥajal) ​326 – Feldmannschaften des Sokolverbandes ​82  f., 205 – Föderation Polnischer Verbände der Vaterlandsverteidiger (Federacja Polskich Związków Obrońców Ojczyzny, FPZOO) ​330  f., 339–341, 351, 364 f., 371 f. – Gesellschaft »Schütze« (Towarzystwo »Strzelec«) ​82 – Hagana ​325, 327, 391 – Irgun Ẓeva’i Le’umi ​325–328, 391 – Kampfverband der PPS (Organizacja Bojowa Polskiej Partii Socjalistycznej, Bojówka) ​81 – Liga zur Luft- und Gasabwehr (Liga Obrony Przeciwgazowej i Przeciw­ lotniczej, LOPP) ​207, 318, 335, 345 f., 378 f.

Sachregister

– Polnische Armee (Armia Polska, paramilitärischer Dachverband in Lemberg) ​82 – Polnische Schützenabteilungen (Polskie Drużyny Strzeleckie) ​82 – Polnischer Armeeverband (Polski Związek Wojskowy) ​82 – Schützenverband »Strzelec« (Związek Strzelecki) ​82, 278 Polen-Litauen, siehe polnisch-litauische Adelsrepublik Polenprozess ​57 Politische Parteien – Aguda (Agudat Israel) ​199, 248 f., 252, 337, 368 – Allgemeiner Jüdischer Arbeiterbund (Bund) ​116, 130–132, 135 f., 149 f., 154, 249 f., 337, 365, 374 – Jidisze Folkspartei (Żydowskie ­Stronnictwo Ludowe, Folkisten) ​165, 171, 352, 377 – Jüdischer Abgeordnetenkreis (Koło Żydowskie) ​106, 115, 118 f., 142 f., 150, 157, 162, 164–167, 171 f., 175, 179, 187 f., 289, 304, 306–309 – Kommunistische Partei Polens (Komunistyczna Partia Polski, KPP) ​ 140, 276 – Lager der Nationalen Vereinigung (Obóz Zjednoczenia Narodowego, OZN, Ozon) ​370–373, 378 f. – Linke (PPS-Lewica) ​81 – Narodowa Demokracja (National­ demokratie, Endecja) ​82 f., 88 f., 108 f., 111, 153, 191, 203, 214, 216, 219 f., 222, 252, 296, 348, 353 – Parteiloser Block zur Zusammenarbeit mit der Regierung (Bezpartyjny Blok Współpracy z Rządem, BBWR) ​ 201, 254, 277 f., 297, 335–337, 340 – Polnische Sozialistische Partei (Polska Partia Socjalistyczna, PPS) ​63, 79, 81 f., 140, 147, 177, 186, 277 – Polnische Volkspartei »Befreiung« (Polskie Stronnictwo Ludowe Wyzwolenie, PSL-Wyzwolenie) ​109, 138, 214

501

– Polnische Volkspartei »Piast« (Polskie Stronnictwo Ludowe Piast, PSL-Piast) ​ 138, 252 – Revolutionäre Fraktion (PPS-Frakcja Rewolucyjna) ​81, 277 – Standesübergreifender Block polnischer Juden (Wszechstanowy Blok Żydów Polskich) ​376 Polnisch-litauische Adelsrepublik (Polen-Litauen, Rzeczpospolita Obojga Narodów) ​10, 18, 22–24, 26, 41, 68, 97, 99, 108, 186, 316 Polnische Heereskasse (Polski Skarb Wojskowy) ​83, 85 Polnische Telegrafenagentur (Polska Agencja Telegraficzna, PAT) ​146, 181 Polnisches Weißes Kreuz (Polski Biały Krzyż) ​151 Polnisch-Sowjetischer Krieg (PolnischBolschewistischer Krieg) ​21, 107, 138, 145, 184, 188, 194 f., 242, 244, 278, 326, 349, 359, 375, 396–398 Polnisch-Ukrainische Gesellschaft (Towarzystwo Polsko-Ukraińskie) ​229 Prometheismus (Prometeizm) ​324  f., 331 Provisorisches Polnisches Revolutionskomitee (Tymczasowy Komitet Rewolucyjny Polski, Polrewkom) ​ 133, 140, 155 Regentschaftskönigreich Polen ​78, 87 Regierungsrat (Rada Regencyjna) ​87 Revolutionen und nationale Erhebungen – Aufstände in Oberschlesien ​80 – Dekabristenaufstand ​46 – Februarrevolution 1917 ​88  f. – Französische Revolution ​27, 31, 98 – Großpolnischer Aufstand (Polnischer Aufstand in der Provinz Südpreußen, 1806) ​34 – Großpolnischer Aufstand (Posener Aufstand, 1918–1919) ​80, 338 – Januaraufstand ​60–63, 65, 69, 71 f., 80, 151, 237, 347, 351 f., 354 f., 376 f., 405 – Julirevolution ​46

502

Register

– Kościuszko-Aufstand ​10, 30 f., 35, 43–45, 151, 404 – Märzrevolution ​56  f., 68 – Novemberaufstand ​50, 54, 56, 58, 72, 350 – Oktoberrevolution ​88 – (Russische) Revolution von 1905 ​63, 67, 81 f., 277, 356 f., 396 – Warschauer Aufstand ​390, 395 Revolutionskomitees (Komitety Rewo­ lucyjne, Rewkomy) ​133 f., 136 Rigaer Frieden (Friedensvertrag von Riga) ​119, 145, 198, 212, 223, 275, 277, 350, 352 Rote Armee ​117, 130 f., 133 f., 136, 143–147, 154 f., 163, 169, 184, 265, 317, 360, 387 Rzeczpospolita Obojga Narodów, siehe polnisch-litauische Adelsrepublik

sobienia Wojskowego, PUWFiPW) ​ 205–207 Staatliches Lehrerseminar für jüdische Religion (Państwowe Seminarium Nauczycieli Religii Mojżeszowej) ​264 Staatliches Lotteriemonopol (Państwowy Monopol Loteryjny) ​332 Staatliches Meteorologisches Institut (Państwowy Instytut Meterologiczny) ​ 196 Staatspolizei (Policja Państwowa) ​142, 265, 386 Staatsverteidigungsrat (Rada Obrony Państwa, ROP) ​105, 107, 132 f., 136, 139 f., 155, 160, 171–173, 186, 268 Statistikhauptamt (Główny Urząd ­Statystyczny) ​231, 235

Sachverständigenkommission (Komisja Rzeczoznawców) ​213 f., 220 f. Schlacht bei Warschau (1920) ​131, 144, 160–182, 348 f. Sechstagekrieg (Junikrieg) ​392 Seeverteidigungsfonds (Fundusz Obrony Morskiej, FOM) ​207, 335, 345 f. Sejm ​23–25, 45, 47, 50, 103 f., 119, 132, 142, 146 f., 149 f., 165, 171 f., 179 f., 188, 199, 201, 203, 213 f., 224, 254, 288 f., 341, 352, 368, 381, 397 Senat ​203, 283, 288, 297, 310, 342, 353, 378 f. Sicherheitswache (Straż Bezpieczeństwa, 1830) ​49  f. Solidarność (Niezależny Samorządny Związek Zawodowy »Solidarność«) ​ 397 Spójnia (Das Band) ​164 Staatliche Rüstungswerke (Państwowa Wytwórnia Uzbrojenia) ​327  f. Staatlicher Bildungsrat (Państwowa Rada Oświecenia Publicznego) ​287 Staatliches Amt für Leibesübungen und Wehrerziehung (Państwowy Urząd Wychowania Fizycznego i Przyspo-

Union Polnischer Juden (Unia Polskich Żydów) ​337

Türkenkriege ​24

Verband der Akademischen Vereinigungsjugend (Związek Akademickiej Młodzieży Zjednoczeniowej) ​ 336 Verband der polnischen Jugend jüdischer Herkunft »Fackel« (Związek Młodzieży Polskiej pochodzenia żydowskiego »Żagiew«) ​336 Vereinigung der Polen mosaischen Bekenntnisses aller polnischen Landesteile (Zjednoczenie Polaków Wyznania Mojżeszowego Wszystkich Ziem Polskich) ​150 Verfassung vom 3. Mai 1791 (Mai­ verfassung) ​23–27, 71 Versailler Vertrag ​93, 128, 157, 215, 223 Veteranen- und Invalidenverbände – Comité d’Entente des Associations d’Anciens Combattants Juives de France ​342 – Conférence Internationale des ­Associations de Mutilés de Guerre et Anciens Combattants (Internationale Konferenz der Kriegsinvaliden

Sachregister







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und ehemaligen Kriegsteilnehmer, ­ IAMAC) ​331 C Fédération Interalliée des Anciens Combattants (Interalliierte Föderation der ehemaligen Kriegsteilnehmer, FIDAC) ​331, 374 Jüdische Gesellschaft zur gegenseitigen Hilfe der Reservisten und ehemaligen Teilnehmer des Japanisch-Russischen, des Welt- und des Polnisch-Sowjetischen Kriegs (Żydowskie Stowarzyszenie Wza­ jemnej Pomocy Rezerwistów i Byłych Uczestników Wojen: JapońskoRosyjskiej, Światowej i Polsko-­ Sowieckiej) ​332 Jüdischer Verband der Kriegsinvaliden, -witwen und -waisen der RP (Żydowski Związek Inwalidów, Wdów i Sierot Wojennych RP, ŻZIWiSW) ​ 331 f., 334 f., 338, 342, 355 f. Legion der Republik Polen (Legion Rzeczypospolitej Polskiej) ​330 Verband der Hallersoldaten (Związek Hallerczyków) ​330, 332 Verband ​der jüdischen Teilnehmer an den Kämpfen für die Unabhängigkeit Polens (Związek Żydów Uczestników Walk o Niepodległość Polski, ZŻUWoNP) ​335–346, 350 f., 354–356, 359–376, 379, 383

503

– Verband der Kriegsinvaliden der RP (Związek Inwalidów Wojennych RP, ZIW) ​330–334, 341 – Verband der Polnischen Legionäre (Związek Legionistów Polskich, ZLP) ​ 330 f. – Verband der Reserveoffiziere (Związek Oficerów Rezerwy) ​365 – Verein der Veteranen der früheren Polnischen Armee in Frankreich (Stowarzyszenie Weteranów b. Armii Polskiej we Francji) ​332 – Verein Verdienter Soldaten Mosaischen Glaubens »Ansche Ḥ ail« (Stowarzyszenie Wysłużonych Żołnierzy Wyznania Mojżeszowego »Ansche Chail«) ​331 Vorläufige Kommission der Konföde­ rierten Unabhängigkeitsparteien (Komisja Tymczasowa Skonfederowanych Stronnictw Niepodległościowych, KSSN) ​83 Westukrainische Volksrepublik ​97, 124 Wissenschaftliches Forschungsinstitut für Osteuropa (Instytut NaukowoBadawczy Europy Wschodniej) ​229 Zweiter Nordischer Krieg ​31 Żydowska Strzecha Akademicka (Jüdisches Akademisches Dach) ​164